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WILHELM OLBERS

SEIN LEBEN UND SEINE WERKE ZWEITER BAND, ZWEITE ABTHEILUNG.

WILHELM 0LBER8

SEIN LEBEN UND SEINE WERKE

IM AUFTRAGE DER NACHKOMMEN HERAUSGEGEBEN

VON

Dr. C. SCHILLING

ZWEITER BAND BRIEFWECHSEL ZWISCHEN OLBERS UND GAUSS

ZWEITE ABTHEILUNG

ZUM DRUCK GEGEBEN VON DR. C. SCHILLING UND DR. L KRAMER

MIT BEWILLIGUNG DER KÖNIGLICHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN ZU GÖTTINGEN

VERÖFFENTLICHT

BERLIN

VERLAG VON JULIUS SPRINGER

1909

Alle Rechte vorbehalten.

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Pmck von Oscar Bi-aiiilstottor in Leiprig.

Vorrede.

Als im Jahre 1900 die erste Hälfte des Briefwechsels zwischen Olbers und Gauss erschien, lag auch das Manuskript für die zweite Hälfte schon druckbereit und mit den Originalen verglichen zur Hand, um, wie beabsichtigt, sofort veröffentlicht zu werden, ungefähr zu gleicher Zeit war indessen der Herausgeber veranlasst worden, sich einer anderen auf seemännisch -nautischem Gebiete liegenden Aufgabe zuzuwenden, die die beschränkte freie Zeit so weit in Anspruch nahm, dass für eine regelmässig fortschreitende Bearbeitung der weiteren Drucklegung nicht genug Raum verblieb. Die Versuche, für die För- derung der Arbeiten eine geeignete Kraft zu finden, versagten viele Jahre, die Gleichförmigkeit der Arbeitsleistung, das Zurücktreten eigner geistiger Mitwirkung lässt nur selten die nothwendige Selbst- losigkeit und Geduld für eine derartige Aufgabe finden. Erst 8 Jahre später erklärte sich Herr Dr. Julius Krämer erbötig, sich der Druck- legung des Briefwechsels und der Feststellung der Verweisungen und sonstigen Beuierkungen zu widmen. Der Unterzeichnete kann nur mit herzlichstem Danke dieser Mitarbeit gedenken, die mit grosser Zuver- lässigkeit und vollem Eingehen auf alle Wünsche des Werkes und der gemeinsamen Beratungen auch diesen Theil des Briefwechsels dem vollen Verständniss des Lesers zugeführt hat. Die erste Korrektur wurde von Herrn Dr. Kramer und dem Herausgeber gemeinsam gelesen und gab in Bezug auf Form und Hinzufügung von Fussnoten volle Ueber- einstimmung, die Revision fiel Herrn Dr. Kramer allein zu. Ebenso ist von ihm selbständig das Namen- und Sachregister aufgestellt, das sich nach Form und Inhalt den Registern des ersten Theiles durchaus anschliesst.

Der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, die das Manuskript zur Verfügung gestellt hat, hat der Herausgeber hierfür herzlichen Dank zu sagen. Wohl hatten die Nachkommen Olbers' die fast vollständige Sammlung der Briefe von Gauss an

IV Vorrede.

Olbeks dieser Gesellscliaft vor Jahren überwiesen, aber die grosse Bereitwilligkeit, das werthvolle Material dieses Briefwechsels vollständig zur Verfügung zu stellen, darf dankend hervorgehoben werden, wenn auch natürlicher Weise aus dem gleichen Material schon manche Einzelheiten in der von der genannten Gesellschaft herausgegebenen Veröffentlichung von Gauss' Werken abgedruckt sind.

Ueber den Inhalt dieses zweiten Theiles des Briefwechsels erübrigt sich eine weitere Bemerkung, da hierüber schon in der Vorrede zum ersten Theile das Wesentliche gesagt ist. Von besonderem Interesse erscheint in diesen Briefen die Bezugnahme auf die verschiedenen Versuche, Gauss als Mitglied an die Königliche Akademie der Wissen- schaften nach Berlin zu ziehen. Der Herausgeber hat es daher für erforderlich gehalten, zu den hierauf bezüglichen Theilen das Material durch den Abdruck einiger anderer Briefstellen zu vervollständigen, um ein klares Bild über diese interessanten Verhandlungen zu bieten. Diese Briefauszüge finden sich im Anhang 1 zusammengestellt. Für die Genehmigung des Abdruckes eines Briefes von v. Buch an Gauss vom 14. Januar 1825 ist der Herausgeber der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, für die Genehmigung des Abdruckes einiger Briefstellen aus dem Briefwechsel zwischen v. Humboldt und Schumacher ist er der Generaldirektion der Königlichen Bibliothek zu Berlin zu besonderem Danke verpflichtet.

^^'ährend der Drucklegung wurde dem Herausgeber von Herrn Syndikus Dr. Focke zu Bremen das Manuskript von drei Briefen von Bessel an Olbees übergeben, die sich durch Zufall in einem Werke gefunden hatten, das, aus dem Nachlasse Olbers' stammend, in das Eigenthum des Grossvaters des jetzigen Besitzers übergegangen waren. Der sachlich und menschlich werthvolle Inhalt dieser Briefe hat ihre baldige Veröffentlichung erwünscht erscheinen lassen. Sie sind daher im zweiten Nachtrage dieses Bandes abgedruckt und werden gleich- zeitig den Astronomen auch durch Abdruck in den Astronomischen Nachrichten bekannt werden.

Dass die \'erlagsbuchhandlung auch diesem Bande die volle Sorg- falt der Drucklegung gewidmet, die volle Uebereinstimmung hierin mit den anderen Bänden des ganzen Werkes gegeben hat. darf mit auf- richtigem Danke ausgesprochen werden.

Bremen, im Oktober 1909.

Dr. C. Schillini;.

Yorzeielniiss felileiulcr Briefe

o„;.n Nummer der Briefe, rwischen rw . i t> c

^*^"*' denen der fehlende liegt. ^=''"™ '^"^ ^'■"^f««-

1824 September 15. ri825 August 4 oder 5. tl825 August 15.

1827 Mitte Mai.

1827 August 23 oder 24.

1830 zwischen September 1 und 3. 1834 November.

B. Briefe von Olbers an Gauss.

1831 Anfang December. Zwischen 1836 Juli 23 und 1837 Juni 20.

C. Briefe von Bessel an Olbers.^)

337 332 und 333 1830 Februar.

344

530 und 531

427

589 und 590

483

614 und 615

491

622 und 623

545

644 und 645

611

681 und 682

B. Brie

577

665 und 666

643

696 und 697

^1 Im Briefwechsel zwischen Olbeks und Bessel, herausgegeben von A. Erman, Bd. IL Krm.

Bemerkte Druckfehler.

Seite 185, Zeile 17 von unten: lies „(p, (p-\-d(p" statt ,,P, P-^drp". Seite 695, Zeile 3 von unten: lies „No. 764" statt ,.No. 771".

No. 381. Olbers an Gauss. [209

Bremen, 1820 Januar 24.

Schenken Sie eine Thräne des Mitleids Ihrem unglücklichen Freunde ! ]VIicli hat wieder ein hartes das härteste Schicksal getroffen. Meine gute, meine treffliche, meine so innig geliebte Frau ist gestern morgen um 1 Uhr nach einer zehntägigen Krankheit an einer Lungenentzündung gestorben. Ach. Sie wissen nicht, was ich mit ihr verloren habe! Sie war mir alles, sie sorgte für alles, für mein ganzes Hauswesen, für alles, was ich auf der Welt habe, für mich selbst. Ich bin durch ihren Tod nicht bloss AVitwer geworden ich bin wie verwaist! In meinem 62. Jahre stehe ich nun einsam, verlassen, unbehülflich da, so sehr mein guter, selbst so tief gebeugter Sohn mich auch zu unterstützen sucht. Was auch noch aus mir werden wird, werden kann, weiss ich noch nicht. Ks ist ein Unglück, in dieser Welt alt zu werden. Gott erhalte Sie, und Ihnen alle, die Ihnen lieb sind.

No. 382. Gauss au Olbers. [m

Göttingen, 1820 Januar 31.

Mit innigster Betrübnis« hat mich die Nachricht von Ihrem schweren Verluste erfüllt. Gewiss ich fühle ganz, wie viel Sie verloren haben, da ich so oft Zeuge Ihres glücklichen Lebens und der stillen Tugenden der Verklärten gewesen bin. Wüsste ich doch etwas zu Ihrem Tröste zu sagen. Aber es giebt keinen Trost bei so hartem Verhängniss, aus eigner Erfahrung weiss ich's, keinen, als den Hinblick auf eine höhere Weltordnung, wie die ist, die wir mit unsern Zahlen ermessen. Möge nur Ihr eignes Befinden, was allen, die Sie verehren und lieben, d. li. allen, die Sie kennen, so theuer ist, nicht zu sehr bei diesem Unglücks- fall leiden. Möchten Sie sich doch nun bald entschliessen, die angrei- fende tägliche Praxis abzugeben, um sich der Welt, den Wissenschaften

Olbers. II, 2. 1

2 Olbers an Hauss. Bremen, 1820 April 12.

und Ihren Freunden noch auf recht lange Zeit erhalten zu können. Sie sagten mir schon im vorigen Sommer, dass Sie diese Absicht hätten. Wie glücklich würde es mich machen, wenn Sie dies schon jetzt we- nigstens in dem Maasse ausführten, dass ich Hoffnung hätte, Sie nun bald auf eine längere Zeit als im vorigen Jahre bei mir zu sehen I Meine Sternwarte würde Ihnen gewiss eine wohlthätige Zerstreuung geben. Mein Meridiankreis, an welchem nach Erfahrungen, die an dem ähnlichen Instrument in München gemacht sind, noch einige Abände- rungen gemacht werden sollen, zu welchem Behuf ich einige Theile nach München habe zurückschicken müssen, wird nun mit nächstem in völ- ligem Stande sein; auch die LiEBHERR'sche ühr. zu der Soldxer das Gegenstück hat, womit er sehr zufrieden ist, soll ich in Kurzem erlialten. Nichts fehlt mir sonach hierbei, als den Gebrauch dieser Sachen mit Ihnen theilen zu können.

Unser Freund Lindenau ist nunmehr wirklicher Minister geworden und wird sonach wohl unmittelbar für die Wissenschaften nichts mehr thun können. Ich erwarte ihn hier mit nächstem auf einige Tage zum Besuch.

Möge der Himmel Ihnen, theuerster Olbers, Stärkung und Trost verleihen.

No. 388. Olbers an Gauss. [210

Bremen. 1820 April 12.

Der Ueberbringer dieser Zeilen ist drr Sohn meines Freundes und Verwandten, des Konsul Kulenkamp, ein wackerer junger Mann, der in Göttingen Jura studiren will. Sie kennen den Vater, und werden sich auch vielleicht der ^lutter, unserer allgemein verehrten Charlotte Kulenkamp erinnern.

Recht herzlich danke ich Ihnen für die warme freundschaftliche Theilnahme, die Sie mir bei meinem grossen Unglück bezeugt haben, und für das gütige Anerbieten, in Ihren Armen Trost und Zerstreuung zu suchen. Die Umstände erlaubten es nicht, mich loszureissen. und ich musste und muss noch künftige Beruhigung von der Zeit erwarten. Ich fing bald meine medicinische Praxis wieder an; so beschwerlich sie mir auch war, und wird, so finde ich doch in diesem Geschäft das beste Mittel, meinen herben Schmerz zu mildern. Wenn mau sich wieder mit anderer Menschen Leiden und Soi'gen beschäftigen muss, so kann man wenigstens nicht immer an den eigenen Kummer denken. Die grösste Linderung finde ich indessen in der ganz ausgezeichneten Sorg- falt meines guten Sohnes, der unermüdet mit der grössten Aufmerk-

(i|l..r> AU ihiu<^ T.'-ineu, IS'JO April 12. 3

sainkeit alles aiiwi'inU't. mir iiitiin' Lagfe wenijrpr tlriickoiid zu iiiarlieii. auf eine Art, die ich iluii nie geiinp: verdanken kann.

Wenn meine Kräfte es aushalten, und nicht etwa der Tod mich fi-üher ausspannen sollte, so denke ich dieses Jahr noch meine praktischen Geschäfte fortzusetzen; aber auf alle Fälle werde ich mich mit dem Anfantje des kiinftijren Jahres vidlig in Uulie setzen.

Zu astronomischen Beschäftig:ungen fühle ich noch wenig Lust und Kiaft; nur leichtere Ixechnungen geben mir einige Krholung. Sie werden Wühl die letzte \\"interschiefe nicht, wenigstens nicht mit Ihrem Relchen- hach beobachtet haben? Es ist doch wieder sehr auffallend, dass SoiiDNER und Nicolai 6" Unterschied in dieser Schiefe finden. Noch immer bleibt das dunkle Räthsel dieser sonderbaren Anomalien unauf- gelöst, und wird es so lange bleiben, bis durch die von Ihnen so zweck- mässig empfohlenen Beobb. aus einem Quecksilber- oder Oelhorizont die absolute Richtigkeit der verschiedenen Instrumente gei)rüft und ent- schieden wird, welche von diesen A\'erkzeugen richtige Z.-Dist. geben.

Eine Vergleichung unserer Beobb. mit denen auf einem jenseits des Aequators angelegten Observatorium angestellten wird sich noch wohl fürs erste nicht machen lassen. Ich hatte Gelegenheit in einem Briefe an Dr. Young wieder die Nützlichkeit, ja die Nothwendigkeit einer Sternwarte auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung vorzustellen. Er antwortet mir: ,,Euer Brief kam gerade zu rechter Zeit, um ihn in einer vom Board of Longitude, in der ausdrücklichen Absicht, ein solches Observatorium einzurichten, niedergesetzten Kommission vorzulesen. Wir finden indessen, dass dabei beträchtliche Lokalhindernisse ein- treten werden, wegen eines dort allgemein herrschenden, alles durch- dringenden Sandstaubes, der höchst wahrscheinlich in kurzer Zeit jeden Spiegel, und jedes eingetheilte Werkzeug verderben wird, indem er die Oberflächen verdunkelt, und die Axen und ihre Unterlagen wegreibt. Es ist deswegen beschlossen worden, einen mit den besten beweglichen Instrumenten versehenen Astronomen dahin zu schicken, um einige vor- läufige Beobb. zu machen, und an Ort und Stelle zu untersuchen, ob sich ein Lokal finden lässt, dass von diesen Hindernissen frei ist.''

Prof. Schumacher schrieb mir, dass er seine Beobb. zu Lyssabel habe aufgeben müssen, weil sich die Mikrometerfäden in seinem Beichen- bach schlangenförmig krümmten. j\Iuss dies nicht den Verdacht erregen, ob man sich auch w^ohl überhaupt zu sehr auf die unveränderte Elasticität der Spinnfäden verlässt?^) Es sind offenbar hygroskopische Substanzen,

^) Vergi. hierzu auch den Briefwechsel Olbees-Bessel Brief No. 278 u. 280 Olbers an Be-ssel, sowie Brief No. 279 u. 281 Bessel an Olbers, in welchen Bks?el zu demselben negativen Resultate kommt, wie Gauss im folgenden Briefe. Krm.

1*

4 Gauss an Olbers. Göttingen, 1820 Mai 1.

und wenn sie von Feuchtigkeit so sehr erschlaffen können, dass ihre Biegung ganz augenfällig wird, was steht uns dann dafür ein, dass sie nicht öfter im geringern Grade eine dem blossen Auge unmerkliche, aber den Z.-Dist. doch sehr schädliche Biegung annehmen, da diese die Fehler von der Form a sin Z.-D. vermehren und die Z.-D. zu klein ^j machen muss? Mich dünkt, da man jetzt alle Fehlerquellen so sorgfältig weg- schafft, so müsste der Beobachter auch ganz sicher sein, dass sein Ho- rizontalfaden nie von einer geraden Linie abweiche. Repsold zieht Jetzt die Spinnfäden über Wasserdämpfen ein, um sie bei ihrer grössten Feuchtigkeit zu spannen. Dies mag viel helfen; aber völlig sicher ist man nicht. Es kommt immer darauf an, ob die Elasticität der Spinn- fäden, nachdem sie mehrere Male feucht und trocken geworden sind, immer dieselbe bleibt, und daran ist doch wohl sehr zu zweifeln. Ob Fäden von Asbest, die Teoughton bei einigen Instrumenten angebracht hat (er hat davon Fäden zu erhalten gewusst, die nur 3,j\y„ eines Zolls im Durchmesser hatten) alle erforderlichen Eigenschaften haben, ist mir nicht bekannt. Von Piatinafäden, die man dadurch in unglaublicher Feinheit sich verschaffte, dass man die Piatina in Silber einschloss. mit diesem zu möglichst feinen Fäden zog, und dann das Silber durch Sal- petersäure wieder auflöste, ist, soviel ich weiss, noch kein wirklicher astronomischer Gebrauch gemacht worden. Ich meine, man sollte alle Fäden abschaffen, und statt derselben Linien auf einer dünnen ganz durchsichtigen Glasplatte gebrauchen. Ich habe in Paris gesehen, dass sich diese Linien auf Glas in einer Feinheit und Sauberkeit ziehen lassen, denen wohl kein Spinnfaden gleichkommen kann.

Doch Sie lächeln gewiss, lieber Gauss, über den Laien, denn das bin ich durchaus im Beobachten mit fixen Instrumenten der hier mitsprechen will. Gern möchte ich doch Ihr Urtheil und Ihre Belehrung hören, ob Sie die Spinnfäden für ganz gefahrlos halten, und ob den Mikrometern oder Linien auf Glas vielleicht andere Schwierig- keiten im Wege stehen?

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No. 384. Gauss an Olbers.') [m

Göttingen. 1S20 :Mai 1.

Tausend Dank für Ihren lieben Biief vom IG.'") Apr., den mir Hr. KuLENKAjMP gestern überbracht hat. Besonders lieb war es mir. von

^) Eine derartige Felilonniolle vergrössert die Z.-Dist., was Gauss im folgenden Briete berichtigt. Krm.

'^) Dieser Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm. ■') Muss wohl Apr. 12 heissen. Seh.

Gauss an Olbers. Göttintren. 1820 Mai 1. 5

diesem selbst nocli iiielir. und Berulii<reiides über Ihr Befinden erfahren zu können. Herzlich freue ich mich Ihres Entschlusses, die aufreibende Praxis nun bald aufzu<icben, die Sie hott'entlich schon allniählig zur Schonuno: Ihrer selbst beschränken werden. Dass ich dann kiinfti<i- viel öfter und läno:er die Freude, Sie zu sehen, haben werkle, ist mir ein süsser Gedanke; aber sollte es nicht auch möglich sein, dass Sie die Ferien dieses Sommers bei mir zubrächten?

Meine Sternwarte sollten Sie dann bei weitem interessanter finden als voriges Jahr. Seit vorgestern habe ich auch die neue Liebherr'scIib Uhr aufgehängt, von der ich mir viel verspreche. Allein die Haupt- zierde der Sternwarte ist und bleibt der REiCHENBAcn'sche Meridian- kreis, der seit dem 21. Febr. in Ordnung ist. Die neue Hemmung hat A\'under gethan, und die Beobb. geben jetzt eine Uebereinstimmung unter sich, wie ich sie selbst niclit erwartet hatte. Ich brauche Pond um seinen Mauerkreis nicht mehr zu beneiden. Mehr darüber werden Sie künftig in einem kleinen Aufsatz finden, welchen ich bald in die hiesigen gelehrten Anzeigen^) geben werde. Auch die optische Kraft steht der des ]\[ittagsfernrohres fast gar nicht nach. Neulich habe ich z. B. im Mittage co Cepliel Hev. (5. Grösse) recht gut beobachten können. Sterne 4. Grösse fallen bei günstiger Luft in den Morgenstunden, z, B. um 9 oder 10 Uhr, zwischen Zenith und Pol sehr schön in die Augen. In den frülien Naclimittagsstunden ist die Luft in der Eegel ungünstig, späterhin um 4 Uhr wird sie zwar auch wieder schön, ich habe dann aber keine Veranlassung solche kleine Sterne zu suchen, da der Werth solcher Beobb. hauptsächlich in der Kombination beider Kulminationen von einem Tage liegt.

Die Feinheit des Pointirens ist so gross, dass hei ruhiger Luft (was sie freilich selten ist) meiner Meinung nach darin schwerlich über .V Sekunde gefehlt werden kann. Grösser sind die Ablesungsfehler, denn die Subtilität, welche z. B. die REPSOLD'schen Mikroskope geben, haben auch REiCHENBACH'sche Nonien nicht. Doch alles zusammen- gerechnet wird ein Fehler von 2" in der Z.-D. zu den sehr seltenen gehören. Ich bin genöthigt gewesen, selbst ein ganz neues Netz ein- zuziehen, da die vorigen Fäden zum Theil schlaff geworden waren (dasselbe war schon früher bei dem Mittagsfernrohr der Fall); und da ich auch aus dem REPsoLD'schen Fernrohr die vorigen mehrmals ge- spalteten Spinnenfäden, weil sie für Beleuchtung kleiner Sterne zu fein waren, herausgenommen und dickere eingezogen hatte, so sind jetzt alle Netze meine Arbeit, und ich glaube dadurch in diesen Gegenständen einige Erfahrung erworben zu haben. Vorher bemerke ich noch, dass

1) Gauss' Werke VI, S. 429 f.; G. G. A. 1820 Juni 5. Seh.

Q Gauss an Olbers. Göttingen, 1820 Mai 1.

ich im Kreise auch 7 vertikale Fäden (13''— 14' von einander) ein- gezogen und die zwei horizontalen noch weit näher zusammengebracht habe, als sie zuvor waren (jetzt 7",7, voi'her 12"). Die Fäden selbst mögen zwischen 1" und 1",5 dick sein, so dass das Intervall im Lichte wenig über 6" beträgt. Zum Beobachten brauche ich aber fast ausschliesslich die stärkste Vergrösserung (170 mal). Alle Fäden waren, ehe sie befestigt wurden, durch Gewichte gespannt und wiederholt an- gehaucht und zwar hing an jedem Ende allemal ein Matthier.^j Ich habe nämlich ausprobirt, dass die Fäden, die ich anwandte und die alle aus einem Cocon waren, hiemit, nachdem sie angehaucht waren, fast zum Reissen gespannt waren. Ohne angehaucht zu werden, trugen sie alle einen Sechser sicher, meistens auch einen Groschen, zerrissen dann aber allemal beim Anhauchen augenblicklich. Sehr viele zerrissen auch, angehaucht, bei der Belastung mit den Matthiers. Ich weiss nicht, ob ich etwas gewonnen hätte, sie über heissen Dämpfen einzuspannen. Gewiss hätten sie dann nur ein leichteres Gewicht ausgehalten, und da immer ein Faden nach dem andern eingezogen und befestigt wurde, eine Arbeit, die mich beim Kreise zusammen eine volle Woche gekostet hat, so wollte ich die früher eingezogenen keiner solchen Gefahr viel- leicht wieder schlaff zu werden aussetzen, indem sie ja doch in eine so feuchte Luft nie kommen. Wenn man, wie Repsold für Schumacher, nur ein Kreuz einzieht, mag jenes Verfahren gut sein, aber bei meinen 9 Fäden konnte ich es nicht anwenden. Bis jetzt halten sich nun meine Netze trefflich, und, da sie bei meiner Manier (mit Lacklirniss), wie ich glaube, sicherer befestigt sind als bei der REicHEXBACH'schen mit Wachs, so hoffe ich, der Wiederholung dieser die Augen in hohem Grade angreifenden Arbeit entübrigt zu sein. Ueber die Gefahr, dass unver- merkt erschlaffte Fäden die Beobb. verfälschen könnten, hatte auch ich meine Besorgniss in der Zeitschrift für Astronomie B. S. -) geäussert, nur wird dann nach meiner Ansicht die Zenithdistanz zu gross, so dass also, wenn dieser Umstand einen Theil des Unterschiedes zwischen Bessel's Kreise einerseits und den REicHENBACH'schen Wieder- holungskreisen und Repsolds Kreise andererseits erklären sollte, er jenem und nicht diesen zur Last gelegt werden müsste. (In Ihrem Briefe sagen Sie, dass die Z.-D. dadurch zu klein würden; falls dies kein Schreibfehler ist, bitte ich Sie um gelegentliche weitere Erläute- rung Ihrer Ansicht). Uebrigens aber gestehe ich Ihnen, dass gegen-

>) ]\lattlncr ein halber vormaliger Mariengroselicu in llaiuinver mit dem Bilde des St. Matthäus. Seh.

-) Gauss" Werke VI, S. 395; Zeitschrift für Antroiiomir, herausgegeben von

V. LlNDE.NAl- und BOIINENBKRGKR. ]id. IV, S. 1 19 ff . Kmi.

<iaus.s an Olbers. Göttiiitrou, 1820 Miii 1. 7^

wärti«^ nieiiu' BesorjrHiss wt'^n-n dieses rinstandes iiirlit iiielir so «ross ist, wenn man

1) nicht die Spinnenfäden vom Spinnennetz, sondern vim den Cocons biiuulit und

2) immer mit hinlänylidi •-i.iikrii Nfiijrrisserun.ucn. d. i. uiehl unter 150 mal beobachtet.

Denn icli finde, dass jene, wenn sie nicht genug gespannt sind, nicht sowolil schhitt' als kraus werden, sie sind von Natur nicht gerade, son- dern es bedarf dazu einer Kraft und die Kraft, welche nöthig ist, dass sie nicht mehr sichtbar kraus sind (unter starker Vergrösserung) ist fiel grösser als die, welche schon der Funicularia eines Spinnfadens alle selbst für die feinsten Beobb. unmerkliche Krümmung nimmt. Sobald ein Coco«faden so wenig gespannt ist, dass er in der Mitte durch sein Genickt so viel niederhängt, als man beim Beobachten nicht erlaubt, ist er auch gewiss so kraus, dass man es sofort bemerkt, und ich ge- traue mir zu behaupten, dass wenn meine Spinnenfäden sich 1" hin und Aer schlängeln (in kurzen AMndungen), es mir nicht entgehen kann. Bei schwachen Vergrösserungen, wie man sie bei transportabeln Instrumenten braucht und wie sie in Bessel's CAiiY'schem Kreise waren, möchte ich dies freilich nicht verbürgen, und da, glaube ich, wäre es sehr zweck- mässig, nach Ihrem Vorschlage lieber Striche auf Glas zu gebrauchen. Was ich bei grossen Meridianinstrumenten gegen diese Art zu sagen wüsste, wäre etwa nur

1) dass man damit doch oft sehr lichtschwache Gegenstände (z.B. dies Jahr gern die Jaiio) beobachten will, wo selbst ein massiger Lichtverlust unangenehm ist;

2) dass es vielleicht sehr schwer sein wird, so reines Glas zu er- halten, dass sich bei starken Vergrösserungen nicht die Ungleich- lieiten im Glase, da sie gerade im Brennpunkte des Okulars sind, sehr unangenehm auffallend zeigen sollten.

Dagegen hat man bei transportabeln Instrumenten wieder den A'ortheil. dass man ohne grossen Xachtheil nüthigen Falls alle Tage neue Fäden einziehen kann, wenn die alten schlaff geworden. Ganz anders ist dies mit einem Meridianinstrument. Wegen der gi-ossen An- zahl Fäden ist das Einziehen schon ein gross Stück iirbeit und zweitens muss man bei einem neuen Netze immer wieder von vorn anfangen, die Distanzen der Fäden zu bestimmen. Bei meinem REiCHENBAcn'schen M[ittagsj-F[ernrohr] hatte ich diese Bestimmung für das vorige Netz auf 25 vollständig beobachtete Polar stern-K\i\m. gegründet, und diese grosse Arbeit war nun ganz verloren. Unumgänglich nöthig aber ist es, dass der Beobachter diese Kunst selbst erlerne; hätte unser Freund Scii[u- machee] damals auf Lyssabel dieselbe sich zu eigen gemacht, so hätte

8 Olbers an Gauss. [Bremen, 1820 Ende Mai oder Anfang Juni.]

er seine Beobb. nicht zu schliessen brauchen. Doch, theuerster Freund, ich erschrecke, wie breit ich über diesen mikrologischen Gegenstand geworden bin.

Die Dekl. der MASKELYNE'schen Sterne, die ich mit dem Eeichen- BACH'schen Kreise finde, stimmen übrigens alle sehr nahe mit den Poni»- schen und sind eher noch etwas südlicher, also den BEssEL'schen etwas näher, während der REPSOLD'sche Kreis sie nördlicher ergab. Allein für jetzt habe ich wenig Lust mit dem letzteren viel zu beobachten, da die Beobb. bei weitem schlechter unter sich harmoniren als beim REicHENBACH'schen, so dass ich mit jenem immer erst eine viel grössere Anzahl Beobb. machen muss. Nach den Erfahrungen, die ich nun ge- macht habe, schreibe ich dies hauptsächlich der Hemmungsart zu, und ich werde daher künftig auch am REPSOLD'schen Kreise eine veränderte Hemmung anbringen lassen, bei der der Kreis selbst ganz frei bleibt. Dies scheint eine höchst wesentliche Bedingung zu sein. Was übrigens das Wahre ist, bleibt so lange unentschieden, bis eine hinlängliche Anzahl Beobb. aus dem Quecksilber-Horizont gemacht sind. Eben deswegen aber scheint mir, dass, so lange solche Beobb. aus künstlichen Hori- zonten nicht gemacht sind, Beobb. in der südlichen Hemisphäre nur dann etwas entscheiden könnten, wenn sie mit demselben Individuum von Instrument gemacht würden, womit in Europa beobachtet ist. und selbst dies würde nicht hinlängliche Sicherheit geben, wenn das In- strument ein solches ist, bei dem man befürchten muss, dass das a in a sinZ nach der Zerlegung und Wiederzusammensetzung einen ver- änderten Werth erhalten könnte. Ohne Quecksilberhorizont sehe ich durchaus keine Entscheidung.

Doch ich muss für heute schliessen.

P. S. Aus den Zeitungen sehe ich, dass die Pariser den La Lande- sclien Preis für 1819 zwischen Nicollet und Encke getheilt haben. Ist Ihnen vielleicht bekannt, durch welches Verdienst ersterer dazu ge- kommen?

No. 385. Olbers an Gauss. [211

[Bremen, 18"J0 Ende Mai oder Anfang Juni.J

Ihr jirächtiger lehrreicher Brief vom 1. Uai hat mir viele Freude gemacht. Allerdings muss Ihre, schon im vorigen Jahr so sehr meine Bewunderung erregende Sternwarte jetzt noch ungemein gewonnen haben. Für Ihre so gütige freundliclie Kinladiinii bin jcli Ihuen i-echt sehr verptliclitet, aber meine Stinuiuing passt noch zu keiner Reise. Ich

Olhers an »Taiiss. [Hrenicn. 18'20 Kiitli- Mai oder Aiifaiii;- Juni] 9

werde dies letzte .lalir meines itiaktisclien Berufslebens gar keine Ferien machen, und Bremen nicht verlassen.

Dankbar habe ich Ihre BelehnuiLT über die iSpinnfäden-Mikrometer gelesen, und ich bin nun überzeugt, dass diese, mit Ihrer Vorsicht ge- braucht, keine irgend bedeutende Ung-ewissheit in die Beobb. bringen können. Ich begreife, dass die Kraft, welclie nöthig ist, damit die Spinn- fäden unter starkei- Vergrösserung nicht sichtbar kraus erscheinen, schon überflüssig gross ist, um der Funicularia des Spinnfadens alle, auch bei den feinsten Beobb. merkbare Krümmung zu nelmien. Wenn Sie übrigens gutmüthig meinen Ausdruck, dass diese Krümmung der Spinnfäden die Z.-D. zu klein geben werde, einem Schreibfehler zu- schreiben, so muss ich leider offenherzig gestehen, dass es ein Irrthum meiner A'orstellung war. Ich dachte einfältig genug nur an die Pro- jektion des Fadens am wirklichen llimniel, nicht an den umgekehrten Himmel im Fernrohr.

Glasmikrometer werden, so durchsichtig dies auch ausgewählt wird, freilich immer einigen Lichtverlust veranlassen. Dies würde sich in- zwischen bei vielen und den mehrsten und wichtigsten Beobb. ertragen lassen. Ob sich bei starken Vergrösserungen die Ungleicliheiten des (-ilases auffallend zeigen werden, weiss ich nicht. Ich sah diese Glas- mikrometer nur in sehr massig vergrössernden niclitastronomischen Fernrohren, und in Mikroskopen, und in diesen war nichts von den etwaigen Ungleichheiten des Glases zu bemerken. Unangenehm würde aber jede Unreinlichkeit des Glases, jede wohl nicht immer ganz zu vermeidende Bestäubung u. s. w. auffallen.

Ihren mir angekündigten Aufsatz in I[liren] G. G. A. habe ich noch nicht gefunden, so begierig ich auch jedesmal, wenn Stücke dieser Ge- lehrten Zeitung ankamen, danach gesucht habe. Ich bin sehr neugierig- darauf, und erwarte ihn mit Ungeduld.

Die königliche Societät zu London hat mich mit sämmtlichen Green- wicher Beobb. von 1800 1817 in 18 Heften sehr angenehm beschenkt; ja auch die frühereu angeboten, Avenn ich sie zu besonderen Untersuchungen nöthig hätte, wovon sie aber nur einen sehr kleinen Vorrath mehr im Be- sitz habe. Dadurch habe ich nun Pond's Beobb. mehr schätzen lernen, die ich bisher nur aus den Philos. Transact. kannte. Manche derselben ver- dienen und erfordern doch noch eine neue Berechnung und Untersuchung z. B. die über die Parallaxe der Fixsterne mit seinen fixen Fernrohren. Welche Aherration hat Pond bei Berechnung dieser Beobb. gebraucht? Darauf kommt es doch sehr an. Gewöhnlich nimmt er, so viel ich gefunden habe, die Aberrationskonstante = 20",0, wie Bradlet sie nach seineu spätem Beobb. am wahrscheinlichsten hielt, an, und trägt nur die Verbesserung nach, wenn man diese Konstante == 20",255 setzt.

10 Olbers an Gauss. [Bremen, 1820 Ende Mai oder Anfang Juni.]

Aber wie, wenn sie, wie die neueren Beobb. zu geben scheinen, 20,70 oder noch grösser wäre? Würde dann niclit eben aus seinen Beobb. doch vielleicht eine kleine l*arallaxe der beobachteten PMxsterne zu folgern sein?

Bessel wünscht in seinen Fund. Astr.^j mit Reclit, dass man Brauley's Originalbeobb. über die Aberration und Nutation auffinden möge. Aller- dings wäre dies sehr zu wünschen. Audi urtheilt er sehr richtig, wenn er sagt, das, was Beadley 1727 von seinen Beobb. bekannt machte, eigne sich nicht zu einer genaueren Diskussion. Aber es scheint ihm entgangen zu sein, dass Bkadley doch 1748 bei Gelegenheit seiner Abhandlung über die Nutation 89 seiner Originalbeobb. mittheilt. Freilich ist dies nur ein sehr kleiner Theil der vielen Tausende, die Bkadley anstellte; freilich sind diese 89 Beobb. wohl schon oft diskutirt. Aber doch, glaube ich, dass sie eine neue Untersuchung nach der Methode der kleinsten Quadrate mit Rücksicht auf die neue Nutationskonstante, und der jetzt besser bekannten Präcession und eigenen Bewegung der Fixsterne verdienten. Ich habe Bessel aufgefordert, diese Bkadley- schen <')riginalbeobb. durch einen seiner Schüler einmal wieder nach aller Schärfe berechnen zu lassen.

Den Zeitungen zufolge soll ja der König die Fortsetzung der dä- nischen Gradmessung durch die hannoverschen Länder befohlen haben. Ist dem so, lieber Gauss? Und werden Sie vielleicht schon im nächsten Sommer Ihre Campagne anfangen? Ich hofte, Sie werden dann, wenn es gleich nicht zur eigentlichen Gradmessung gehört, auch den übrigen Theil des Königi'eichs Hannover mit grossen Dreiecken, behufs der Geo- graphie und des künftigen Katasters, überziehen. Möchte doch auch Bremen einer Ihrer Dreieckspunkte, und zugleich für einen Theil Ihres Feldzuges Ihr Hauptquartier werden! Ich bin sehr ungeduldig, dar- über das Nähere von Ihnen zu erfahren.

Schon lange habe ich ernsthaft darauf gedacht, Bremen mit Schu- macher's Dreiecken in Verbindung zu bringen; ich sehe aber noch viele Schwierigkeiten dabei, weil Hamburg und Lüneburg so weit von uns entfernt sind. Gern hätte ich die unvollendet gebliebenen Drei- ecke, die während der französischen Okkupation von dem Obersten Epailly gemessen wurden. Er hat mir damals nur die Resultate für die geographische Lage von Varel, Gidenburg, Bremen, Jever u. s. w. aus seinem Bureau mitgetheilt, die ein dabei angestellter Ingenieur J. de Gelder mit einer übertriebenen Genauigkeit bis auf 10000 Theile

') Fuudanionta Astrononiiae pm anno MDCCLY deducta ex observationiluis viri iiuoniparabilis Jasiks Braoi.ey in Specula astrononiica (irenovicensi. Per Anuos 1750 <ilJ institutis. Regionionti i^Nicolovuts) 181S. Krni.

(•Ibers an (ian— ' Ü'tiii.'ii. l*^i''t Kmli- -Mai oilcr Aiiiang Juui.J \\

von Sekunden daraus licrueleitet hatte. Leider hat de Geldku nicht anjifemerkt. wt-lchc Abplattunjjr dabei t,^ebraucht worden ist. P'iir Bremen Ansg[ariusj Thurni ist die Anjrabe

Latidude 53" 4' 45",;5315 Longit. 0" 28' 15",üü97.

Die Breite tritft mit meinen Bestimmungen ziemlich; die Länge ist 2* grösser als ich sie bisher angenommen habe. Epailly's Triangel schlössen sich an die des General Krayenhoff an. Er nahm für d-ie Basis seiner Vermessungen aus Krayenhoff's Dreiecken die Seite Bent- heim-Kiichhesepe auf der holländischen (rrenze, führte seine Dreiecke durch (his Baniioversche die ^\'eser herunter, bis er wieder bei der Seite Varel-Stolham mit Kbayenhoff's Triangeln in Verbindung kam. ' Er fand diese Seite Varel-Stolham . . . 19751,7 m Kka YENHOFF hatte dieselbe Seite gefunden 19752,8

Unterschied 1,8 m

Dies giebt eine gute Idee A'on der Genauigkeit der beiderseitigen Messungen. Ich habe gehofft, die Vermessungen des Oberst Epailly würden beim P'rieden an Hannover ausgeliefert worden sein, und kürz- lich durch einen Freund den General Mari'in in Hannover darüber befragen lassen. Dieser hat aber geantw^ortet, ihm sei nichts von Epau.ly's Messungen bekannt, er wolle aber darüber Nachfrage an- stellen.

Dass der La LANDE'Sche Preis zwischen unserm braven Encke und NicoLLET getheilt ist, weiss auch ich bloss aus öffentlichen Blättern. XicoLLET hat seinen Theil für seine Arbeit über die Libration des Mondes (Conti, des tems 1822) erhalten, und nachher noch den BouvARü'schen Beobb. 80 eigene beigefügt, weil sich die aus den BouvARD'schen Beobb. abgeleiteten Resultate nicht ganz mit der Voraussetzung, auch der Mond, sei anfangs, Avie er seine Bildung annahm, in einem flüssigen Zustand gewesen, wollten vereinigen lassen. Bei der Gelegenheit habe ich gesehen, dass auch Bouvard zu seinen Mondflecken-Beobb. sich eines Glasmikrometers sogar ans zwei Glasplatten, wovon die eine über die andere beAveglich war, bestehend, bedient hat.

Von unserm trelflichen Encke habe ich lange nichts erhalten. ^^'ahrsclleinlich ist er noch immer mit seinen Störungsrechnungen über seinen Kometen No. 1^) beschäftigt (denn der Löiven-Kom^t von 1819 muss doch nun der ENCKE'sche Komet No. 2"-) heissen, bis wir diese merkwürdigen Weltkörper durch eigene Namen bezeichnen können).

1) Komet 1819 I (Encke). Krm.

-) Komet 1819 III (Winnecke). Encke war der erste, welcher die kurze Uni- laufsdauer dieser beiden Kometen ermittelte und damit die Existenz derartiger Him- melskörper feststellte. Krm.

12 Olbers an Gauss. [Bremen, 1820 Ende Mai oder Anfang Juni.]

Ich zweifle sehr, dass sich eine völlige Uebereinstimmung der Umlaufs- zeiten, und der verschiedenen Elemente durch diese Störungsrechnungen werde herausbringen lassen, nicht sowohl wegen unserer mangelhaften Kenntniss der Planetenmassen, die sich relativ zum Kometen vielleicht anders verhalten, als zu einem Planeten denn die wahrscheinlichste Masse jedes Planeten in Beziehung auf den Kometen wird sich wohl aus den Eechnungen selbst ergeben , sondern weil ich es nicht un- möglich halte, dass der für Planeten durchaus ganz unmerkbare AVider- stand des Himmelsraums bei dem so unendlich lockeren Kometen vielleicht nicht ohne Wirkung sei. Der immer so scharf abgeschnittene, und viel hellere vorangehende Rand der Kometenschweife, den ich so oft bemerkt habe, lässt auf einen solchen Widerstand nicht unwahr- scheinlich schliessen. Die Wirkung dieses möglichen Widerstandes auf den Kometen wird sich schwerlich in Rechnung bringen lassen, theils weil das Volumen des Kometen nach uns unbekannten Gesetzen ver- änderlich ist, theils weil dieser Widerstand, oder vielmehr die Dichtig- keit des widerstehenden Mittels, wenn ich mich so ausdrücken darf, vermuthlich eine noch unbekannte Funktion des Abstandes von der Sonne sein wird.

Haben Sie, lieber Gauss, Hansteen's Untersuchungen über den Magnetismus der Erde durchgeblättert? Weiter habe ich bisher noch nichts gethan. Ob es überhaupt scJion hohe Zeit ist, wie Hansteen meint, aus den bisherigen Beobb. eine Theorie zu entwickeln, weiss ich nicht; ich fürchte aber, für Hansteen war es doch noch zu früh, da er erst in den Zusätzen der zuerst von Flinders mit Bestimmtheit gemachten Bemerkung, dass für jedes Schiif die Magnetnadel eine eigene AbAveichung zeige, die nach der Richtung des Schiffs veränderlich ist. erwähnt. Dies macht alle zur See angestellten Beobb. mehr oder we- niger unsicher, wenn man nicht durch Vergleichung und Kritik die individuelle erforderliche Korrektion ausmitteln kann. Indessen scheint doch das Werk, so viel ich beim blossen Durchblättern bemerken konnte, sowohl an sich, als durch die grosse Menge gesammelter Beobb. sehr verdienstlich. Ich erinnere mich dabei, dass Sie, lieber Gauss, mir mal vor mehreren Jahren zuverlässige Abweichungs-Beobb. abforderten, weil Sie selbst eine Idee über die Theorie derselben versuchen wollten. Möchten Sie uns doch darüber belehren! In Hansteen linden Sie gewiss fast alles, was von Beobb. vorhanden ist.

Von der neuen Londoner astronomischen Societät werden Sie auch wohl die Adresse, und die Aufforderung zur Theilnahme erhalten haben.

Das Papier geht mir aus. Verzeihen Sie mein langes unbedeutendes Geplauder.

(iauss ;in OlbtMs. (üitlingt-n, 1>_'U Juni 28. 13

No. 38G. (ianss an Ull)ers. [ns

Güttingeii, 1820 Juni 28.

Herzlichen Dank für Ihren gütigen und lehrreichen Brief vom .... (ich bemerke erst jetzt, dass er ohne Datum war). Die Nacliriclit über den REiCHEXBACii'schen Meridiankreis werden Sie wohl in No. 91 unsrer Gel. Am}) gelesen haben. In Beziehung auf die eine dort angeführte Probe von der grossen optischen Kraft des Fernrohrs muss ich doch anmerken, dass das Wunderbare davon beträchtlich vermindert wird, wenn man erwägt, dass vordem das Zimmer übrigens so viel [als] möglich verdunkelt ist, imd dass der sonst helle Hintergrund des Himmels, worauf der Stern erscheint, in dem "Wasserspiegel ebenso viel verdüstert wird als der Stern selbst. Ich glaube daher, dass man sogar Sterne 3. Grösse bei heitrer Luft unter Tage im Wasserspiegel würde beobachten können, wenn man verhüten könnte, dass dieser fast jeden Augenblick in eine zitternde Bewegung geräth. In Zukunft werde ich auf eine Einrich- tung denken, das Wassergefäss von dem Boden, worauf die Beob.-Treppe steht, mehr zu isolii-en. Das Wetter hat seit dem 13. ^lai nicht er- laubt, jene Beob. zu wiederholen, üebrigens aber ist es doch entschieden, dass das Fernrohr des Kreises merkbar schwächer ist als das Mittags- fernrohr, was auch ganz in der Ordnung ist, da die Flächen im Ver- hältniss wie 6:7 stehen, sowie die Brennweiten und stärksten Ver- grösserungen im Verhältniss 5 : 6. Für die Bestimmung der Ver- grösserungen hat Bessel ein sehr nettes Verfahren angegeben, das ich erst später kennen lernte.-) Es besteht darin, dass man den Durch- messer des Bildes des Objektivs vor dem Okular durch die Winkel- bewegung des Kreises selbst misst, indem man ein festes Doppelmikro- skop etwa mit einem Horizontalfaden davor stellt und beide Ränder des Bildes nach einander an diesen Faden bringt. Eine einmalige, obwohl nicht besonders sorgfältige Anwendung dieses Verfahrens gab mir die Vergrösserungen 65; 91; 119; 177. Mit der stärksten Vergrösserung, die ich fast ausschliesslich brauche, habe ich alle HERscHEL'schen Doppel- sterne erster Klasse, die ich bisher aufgesucht habe (wo der kleine nicht etwa als ausserordentlich klein angegeben und also mit Beleuch- tung nicht zu sehen ist) als solche meistens ohne Mühe erkannt; einige derselben z.B. 11 Monocerotis (triplex), y Leonis, ^ ürsae mamis fallen sehr schön in die Augen; zu den feinsten gehört o Coronae. Es ver-

1) Vergl. Gauss" Werke Bd. VI, S. 429. Krm.

2) Vergl. Briefwechsel Gauss-Bessel, Brief No. 117 S. 331, No. 119 S. 345. Knn.

;[4 Gauss an Olbers. Göttinnen, 1820 Juni 28.

steht sicli also von selbst, dass man die der folgenden Klassen oline alle Mühe erkennt; z. B. Castor, a Hermlis, ß Scorpii, 'Q TJrsae maioris (letzterer ohne alle Mühe im Mittage). Wie sehr muss nicht das RAMSDEN'sche Fernrohr an Piazzi's Kreise dem Reichenbach-Fr aux- HOFER'schen nachstehen, da z. B. I^iazzi von a Heradis sagt „Comes non semper nee facile distingifnjtiir. ÄjMiis ad id tempns Septembris initium paullo post post Solis occasinn." Bei ;' Leonis und ^ TJrsae. die sich mir beim ersten Beobachten, ohne dass ich es vorher wusste, als schöne Doppelsterne aufdrangen, bemerkt Piazzi gar nicht einmal, dass sie doppelt sind. Auch 29 Aquarii ist ein schöner Doppelstern, welcher in Herschel's Verzeichniss nicht vorkommt, den ich aber schon in die 2. Klasse setzen Avürde.

Der Graf Münster hat mir angezeigt, „dass der König die Kosten zu der Fortsetzung der dänischen Dreiecke durch das Königreich Han- nover bewilligt habe". Da über das Wann und Wie noch nichts Be- stimmtes weiter verfügt ist, so habe ich nichts weiter vorerst thuu können, als bei meiner Danksagung erklären, dass ich den weiteren Befehlen entgegensehe. Schon früher und unabhängig von Münster's Verwendung hatte ich, da das dänische Gouvernement sich an das dies- seitige deshalb gewandt hatte, den Auftrag erhalten, der Basismessung im Holsteinschen in diesem Spätsommer beizuwohnen. Theils deswegen und theils weil doch erst Instrumente herbeigeschafft werden müssen denn diejenigen, die ich hier auf der Sternwarte habe, sind doch eigentlich für einen solchen Zweck etwas zu schwach wird vorerst noch nichts weiter geschehen können. Ich erkenne sehr gut, wie sehr diese Operation wünschenswerth ist, besonders weil davon die weitere künftige Fortsetzung nach Süden abhängt, und bringe daher das Opfer, diese Arbeit auf mich zu nehmen, recht gern. Aber unter uns, als ein Opfer betrachte ich es, hauptsächlich auch deswegen, weil dabei so mancherlei Oescliäfts-Verhältnisse vorkommen, worin ich mich gleichsam als Fremdling fühle. Alles wird darauf ankommen, ob ich dabei ähn- lichen Vorschub erhalte, wie Schumacher geniesst, der bei seiner Arbeit keinerlei Rücksichten zu nehmen braucht, und ob ich einen ebenso ge- schickten Gehülfen zu finden das Glück habe, wie Schumacher ihn an dem Hauptmann Caroc hat. Falls diese beiden Bedingungen eintreten, so glaube ich, dass ich wohl Freude an dem Geschäft haben werde, und dann würde mir auch eine Erweiterung desselben (die Sie viel- leicht demnächst veranlassen können), um die Dreiecke seitwärts bis Bremen auszudehnen, sehr angenehm sein.

In Betrotf der französischen durch Epailly ISOo sqq. ausgeführten Messungen hatte ich schon vor 5 Jahren den ^Minister von Arnswaldt gebeten, sich dahin zu verwenden, dass davon uns wenigstens eine Ab-

(i;,n-< ;iii (»11.. r, i..ittiin:»-ii, l'^-O .luni 2'<. 1',

schritt iiiitL^t'tlit'ilt wiirdi'. iliiu aiuli auf seinen Wunsch ein austiihiliches schriftliches Memoire eingereicht. Ks schien dies auch um so billijrer. da diese auf Kosten des Landes ausgfeführten Messungen keinen andern als einen wissenschaftlichen A\>rth haben. Wie ich nachher hörte, sollen auch durch den hannoverschen Gesandten in Paris Schritte ge- schehen sein, die aber zu nichts geführt haben. Ich weiss nun nicht, ob dieser die Sache entweder zu lau betrieben, oder ob die Franzosen aus Eancune auch das Unschuldige und für sie selbst Werthlose ver- weigert haben. Mir würde es nun unter den jetzigen umständen äusserst angenehm sein, alle EpAiLLY'schen Dreiecke ersten Ranges, östlich von der Weser zu besitzen, wäre es auch nur eine Zeichnung, ohne die Winkel in Zahlen, wn mir die ]d(nftige Aiisirahl der Dreiecl-y- piinJcte zu erleichtern. Sollten Sie, theuerster Olbers, mir nicht viel- leicht diese, durch Hrn. EIpailly selbst, oder durch Delambre oder La Place verschaffen können? Denn gerade diese Auswahl ist es. wo ich sonst am meisten von nieinen Gehülfen abhängig sein werde. Uebrigens besitze ich eine solche Zeichnung bereits, die mir Lindenau vor mehreren Jahren mitgetheilt hat; allein theils sind die Punkte darin gar zu vage designirt, so dass es bei vielen zweifelhaft bleibt, welcher gemeint ist, theils ist dieses Netz nicht vollständig und na- mentlich ist es zwischen Lüneburg und Hannover durch eine grosse Lücke unterbrochen. Man hat mir aber in Hamburg versichert, dass Epailly wirklich eine ununterbrochene Kette von Dreiecken vom Brocken bis Hamburg geführt habe.

Hansteen's Werk über den Magnet[ismus] ist mir, noch nicht zu Gesicht gekommen. Vor einiger Zeit erkundigte ich mich danach bei Reuss, der es noch nicht kannte, ich werde nächstens einmal wieder anfragen, ob die Bibliothek es schon besitzt. Gewöhnlich ruhen dann aber solche Werke erst sehr lange in den Händen der Eecen- senten.

Meine LiEBHERR'sche Uhr zeigte Anfangs einige Unregelmässig- keiten, aus denen ich schloss, dass sie nicht genug kompensire. Die Kompensation kann an dem Pendel abgeändert werden (obwohl nur sprungweise). Ich habe den Schluss-Steg etwas höher gestellt, und ihr Gang scheint dadurch merklich gewonnen zu haben. Doch verrauthe ich, dass die Kompensation noch zu schwach ist, obwohl es sehr prekär ist, die zufälligen Ungleichheiten von den Wirkungen einer unvollkom- menen Kompensation zu trennen, da die Abwechslungen der Temperatur im Uhrkasten seit einem Monat theils sehr gering, theils zu unregel- mässig waren. Schwerlich werde ich vor dem Winter, wenn wieder beträchtliche Kälte ist, hiermit ganz ins Reine kommen können. Uebri- gens ist der (4ang jetzt weit gleichförmiger als bei der REPsoLD'schen

IQ Olbeis an Gauss. Bremen, 1820 Juli 3.

und SHELTON'schen Ulir, und die Aenderungen des täglichen Ganges haben seit einem Monat innerhalb einer halben Sekunde hin und her geschwankt.

xo. 387. Olbers an Gauss. [212

Bremen, 1820 Juli 3.

Ihren lieben Brief, den ich .so eben erhalte, beantworte ich sogleich, weil ich gern bald über ein paar daiin berührte Gegenstände einige Auskunft haben möchte. Das erste betrifft Ihre Eeise nach Holstein zu der Basismessung. Sollten Sie diese nicht so einrichten können, lieber Gauss, dass Sie entweder auf der Hinreise oder der Zurückreise einige Tage in Bremen verweilten, und sich einmal nach Ihrem alten Freunde umsähen? Ton Hamburg können Sie ganz wohl in emem Tag nach Bremen kommen. Vielleicht lässt sich Prot Schumacher bewegen, Sie auf dieser kleinen Tour zu begleiten.

Der zweite Gegenstand betrifft Ihren Wunsch, „ich möchte Ihnen die Dreiecke von Epailly entweder von diesem selbst, oder durch La Place, oder durch Delasibre zu verschaffen suchen"'. Der Oberst Epailly ist, soviel ich weiss, längst todt. Delambre ist wohl nicht so fähig, die der schon versuchten Rückforderung dieser Dreiecke ent- gegenstehenden Schwierigkeiten zu beseitigen, als La Place mit seiner grösseren Autorität, wenn dieser willig sein sollte, diese und seine Ver- bindungen zur Erreichung unseres Zwecks anzuwenden. Gern will irh versuchen, ob er sich dazu verstehen will, ivenn Sie irgend einen Grund haben, ihn nicht seihst dazu auffordern zu wollen. Denn sonst bin ich. da ich seine Verehrung für Sie kenne, überzeugt, dass Ihre Aufforde- rung ungleich kräftiger auf ihn einwirken wird, als meine Bitten. Sagen Sie mir also, lieber Gauss, mit ein paar Worten, ob Sie wirklich wünschen, dass ich, nicht Sie selbst, La Place darum ersuchen soll, und ich bin gern bereit dazu, ob ich gleich für den Erfolg niclit einstehe.

Auch General ]\Iartin hat mir nun sagen lassen: „die Papiere über die fi"anzösischerseits vom Jahre 1804 an vorgenommene Tiiangulirunir der hannoverschen Lande sollten sich, dem Vernehmen nach, im Mili- taii'-Depot in Paris befinden: man habe sich bemüht, solche wieder zu- rück zu erhalten, es wären aber diese Bemüluingen bis jetzt oline Er- folg geblieben''.

Ich zweifle sehr, dass Epailly mit seiner Triangulirung ganz zu p]nde gekommen ist. Wenigstens wird in dem mir aus seinem Bureau durch i)E Gelder mitgetheilten Aufsatz ausdrücklich sesaet, dass mehreie

nll„i- :iii (.;niv^ r.r.ni. II l,s-J(» JuH 3. jy

Winkel noch nicht ireniesMii waren; aiuli scheinen die darin enthalte- nen Azimuthe von den Cie}i:enständen um Bremen berechnete nicht jre- messene Azimuthe zu sein, da sie auch in 10000 Theilen der Sekunde angegeben werden. Tnd doch war Kpailly lange in Bremen und hat mehrere Tage mit >einem ^[ultiplikationskreise auf unserm Ansgjarius]- riunme zugebracht.

Höchst erfreulich ist mir Ihre Willfährigkeit. Ihre Dreiecke auch >eitwärts bis in unsere Gegenden, und bis zur Verbindung mit den Dreiecken des Generals KuAYENHorr auszudehnen. Es scheint mir sehr interessant und wichtig, wenn so die dänisch-hannoversche Gradmessung n)it der französischen und also auch englischen in Verbindung gesetzt werden wird.

Allerdings habe ich die Nachricht über den E [eichene ACH'schenJ Meridiankreis in d. Gel. Anz^) wiederholt gelesen, und das treif liehe Werkzeug, eben wie den unübertrelflichen Beobachter in gleichen (irade bewundert. Eine solclie Uebereinstimmung von Beobb. ist mir noch nie vorgekommen, und welche P^ortscliritte wird nicht die Stern- kinide bei dieser, von mir wenigstens, vorher nie gehofften Genauigkeit machen I Es scheint, dass Sie Ihre Polhöhe aus Cirkumpolarsternen wenig von der verschieden finden werden, die Sie vorher durch den .Multiplikationskreis gefunden hatten. Um so neugieriger bin ich, wie sich die Sommerschiefe ergeben wird, wenn anders die unerhört schlechte Witterung ihre Bestimmung zugelassen hat.

Die optische Kraft Ihrer REiCHENB[ACH]-FRAüNH[oEEE'schen] Fern- rohre ist ganz ausserordentlich, w^enn ich gleich auch etwas auf Ihr ungemein scharfes Auge rechne. Bei dem Doppelstern a Hercidis möchte ich doch bemerken, dass der kleine Comes von a Herc. einen eigenen Lichtwandel zu haben scheint, auch unabhängig davon, dass der be- kanntlich veränderliche Hauptstern ihn oft mehr, oft weniger über- strahlt. Christ[ian] Mayek will ihn (den Comes) von der 6. bis zur 9. Grösse veränderlich gefunden haben. Zuweilen konnte er ihn nur sehr schwer bei dunkler Nacht, zuweilen ohne Mühe bei Sonnenschein erkennen. Dass Mayer auch den Unterschied der yR beider Sterne Anfangs von 0*,4 bis 0'',75 zunehmen, dann nach und nach bis Oy^ ab- nehmen, endlich wieder bis 0^,4-5 zunehmen zu sehen glaubte, schreibe ich nur Fehlern seiner Beobb. zu, denn weder eine Parallaxe des Haupt- sterns, noch eine verschiedene Aberrations-Konstante beider Sterne kann diese Unterschiede erklären; aber doch glaube ich, dass dies Sternpaar gelegentlich die Aufmerksamkeit der mit mächtigen Werkzeugen ver- sehenen Astronomen verdiente.

^) Vergl. den yorhergehenden Brief. Knn.

Olbers. II, 2.

J3 Olbers an Gauss. Bremen, 1820 Juli 3.

Dass der famose Hoene Wkonski in London war, habe Ich Ilinen schon, wie ich glaube, das letzte Mal geschrieben, indem ich Ihnen, meine ich, ein paar Rechnimgsfehler in Young's Aufsatz über die Refrak- tion anzeigte, auf die Wronski, wie Young mir schrieb, ihn zuerst aufmerksam gemacht hatte. Daraals mussten beide also noch in gutem Vernehmen sein. Jetzt führt W[ronski] in der Gazette de France bit- tere Klage über die Illibei-alität der Dritten. „Er habe eine neue Theorie des Mondlaufs festgesetzt, wodurch das Problem der Länge zur See völlig aufgelöst werde; er sei also nach London gegangen, um die vom Parlament ausgesetzte Belohnung von 20000 U zu erhalten. Gleich nach seiner Ankunft habe er sich bei Sir J. Banks gemeldet, der ihn aber an Dr. Young mit der Aeusserung verwiesen hätte, durch Young geschehe jetzt alles bei dem Board of Longitude. Allein in der Zwischen- zeit habe sich die Längenkommission, seiner Protestation ungeachtet, alle seine Instrumente von dem Zollhause vorzeigen lassen, und nach genauer Untersuchung derselben sein Geheimniss entdeckt. Darauf hätte die Kommission ihm sehr kalt erklärt, seine Entdeckung wäre nicht neu, und sie hätte schon lange eine ganz ähnliche Idee gehabt. Damit wäre ihm nicht allein der Preis verweigert, sondern auch nicht einmal seine Kosten bezahlt worden, ein um so mehr ungerechtes Verfahren, da die Engländer auf eine so unrechte Weise Kenntniss von seiner Mond- und seiner Refraktions-Theorie erhalten hätten." Ich bin neu- gierig zu sehen, ob und was das Längenbureau auf diese harten Be- schuldigungen antworten wird, um so mehr, da ich mir von einer Montl- theorie, die man durch Betrachtung einiger Instrumente errathen kann, keinen Begriff zu machen weiss. Ich muss indessen bemerken, dass ich W[eonski's] Klagen nicht unmittelbar in der Gaz. d. F., sondern nur in den Times gelesen habe; vielleicht ist Wr.'s Original deutlicher.

Caelini's Bahn des Kometen Nov. Dez. 1819 Jan. 18.90^) in dem letzten Stück von Zach's Correspondance, das mir zugekommen ist. stimmt sehr schlecht mit dem, was von Blanpain's ersten Beobb.. der diesen Kometen doch 8 Tage früher als Pons entdeckte, bekannt geworden ist. Auf alle Fälle wird die CAELiNi'sche Parabel noch be- deutende Korrektionen erfordern, wenn auch nicht die Bahn dieses Kometen, wie ich doch vermuthe, sehr elliptisch sein sollte.

Sagen Sie mir doch, lieber Gauss, unseres Lindexaü jetzigen Titel und ob er die Excellenz hat. Ich bitte, vergessen Sie es nicht.

Zwischen Bessel's und Pond's jR, auch wenn man bei letzteren

') Komet 1819 IV. Seine Bewegung weicht stark von der panibolischeu ab: Claüsen hielt ihn für identisch mit Komet 1743 I. Über letzteren siehe Olbers Bd. I, S. 233 ff. Krm.

Gau--; an Onnr.!. r^üttiiiiren, 1S20 Juli 8. 19

die von Poxd selbst xfiimiilictf Konvktidii -[-'^'.2 anbring-t, ist der Unterschied znweilen docli grösser, als man erwarten sollte, besonders bei Castor, Antares: und Fomalhaut. Bei Castor Viegt die Ursache \ie\- leicht darin, dass Pond den vorher gehenden Stern, Bessel die ]\Iitte dieses Doppelsterns beobachtet hat. Sollte bei den sehr niedrig- kul- minirenden Sternen Antares u. Fomalhaut nicht zuweilen eine Lateral- Refraktion stattfinden können?

Fahren Sie ja fort, mein g-eliebter Freund, mir von Ihren ferneren, mir so interessanten Ikobb. Nachricht zu ffeben.

No. 388. Gaüss an Olbers. [m

Göttingen, 1820 Juli 8.

Herzlichst danke ich Ihnen für Ihren gütigen Brief und icli eile, auf einige Punkte desselben zu antworten.

Sehnlich wünsche ich, Sie bald einmal, und wo möglich auf eine eticas längere Zeit als im vorigen Jahre, wieder zu sehen. Allein noch kann ich auch nicht einmal eine Vermuthung darüber wagen, ob es in diesem Jahre, und in Verbindung mit meiner Reise nach Holstein, mög- lich sein wird. Ich fürchte, dass es mir nicht möglich sein wird, die Collegia, die ich auch in diesem Sommer zu halten habe, vor jener Reise zu vollenden, in welchem Fall ich dann genöthigt sein werde, sie nach derselben vollends aus zu lesen. Noch weiss ich aber über Zeit und Dauer jener Reise nichts Bestimmtes.

Meine Bitte die EpAiLLv'schen Dreiecke betreifend gründete sich auf meinen Glauben, dass es Dinen leichter gelingen würde als mir, von einem der drei erwähnten Herren, die Sie alle drei persönlich und genau kennen, die Mittheilung zu erhalten, zumal da w^ahrscheinlich der Weg am leichtesten dazu führen wird, der von dem officiellen am entferntesten ist. Besonders vermuthete ich dies in Beziehung auf Epailly selbst, der wie Sie selbst sagen lange in Bremen sich aufgehalten hat, und dessen Gefälligkeit mir auch sonst gerühmt ist. Aber sollten Sie nicht im Irrthum sein, w^enn Sie glauben, dass Epailly längst todt ist ? Im März 1819 lebte er noch und Hr. Reinke in Hamburg zeigte mir damals seine Adresse an, die er durch Hrn. Beautems-Beaupee er- halten hatte, und die damals war: Biie St. Benoit No. 18, mit der Bemerkung, dass es sicherer sei dieser beizufügen „ou an depot general de la giierre, nie de Viinivers'üe'% w^eil Epailly häufig in den Departe- ments abwesend sei, man aber im Depot de la guerre allemal seinen Aufenthalt wisse. Uebrigens interessirt mich hauptsächlich, nur seine

20 Gauss an Olbers. Göttingen, 1820 Juli 8.

Dreieckspuiikte von Hannover und Biaunschweig bis Lüneburg und Hamburg zu kennen, gesetzt auch, dass es nur ausgewählte aber nicht ausgeführte Dreiecke wären, wenn Epaili.v sich nur von der Ausführ- barkeit überzeugt hat.

Da Sie an der hannoverschen Gradmessung einen so lebhaften Antheil nehmen, so setze ich Ihnen eine Abschrift des nunmehr mir zugekommenen Ministerialreskripts her:

„Da von .Sr. K. Majestät uns huldreichst zu erkennen gegeben ist. „dass Höchstdieselben sich für das nützliche Werk einer Fort- „setzung der dänischen Gradmessung durch Höchstdero hiesige „Königl. Lande besonders interessiren, und solche unter der Aufsicht „des Hofr. u. Prof. G[auss] zu G[öttingen] bewerkstelligen lassen „wollen, so setzen wir den Hofr, G. von dieser Königl. Ent- Schliessung in Kenntniss, und sehen einer Anzeige desselben über „die Art und Weise und über die Zeit, zu welcher diese Arbeit „unternommen werden kann, wie über die etwa erforderlichen „Kosten und sonst zu treffenden \'orkehrungen entgegen. Wir „bezeugen dem Hofr. G. unsere etc." Hannover 30. Juni 1820. Wie sehr glücklich würde ich sein, wenn Sie, liebster Olbees, mir näher wälzen, und ich Hiren Rath und Hire reife Weltkenntniss benutzen könnte. Es werden erst noch manche Schwierigkeiten zu beseitigen sein. Ein Umstand ist die A\^ahl der Instrumente für die Dreiecke. Ich gestehe, dass ich den Theodolithen ^or den Repetitionskreisen noch nicht so unbedingt den Vorzug geben möchte. Bei jenen ist man viel mehr, theils von der höchst genauen Ausführung des Künstlers abhängig (z. B. dass die Drehung des ganzen Kreises und die Drehung des Al- hidadenkreises genau um eine Axe geschehen), sowie von einer sehr soliden Aufstellung als bei letzteren. Namentlich ist der 8 zöllige Theo- dolith, den ich hier seit 1812 habe, für einen solchen Zweck durchaus nicht vollkommen genug, und er zeigt mir mehrere Mängel. Audi bei der solidesten Aufstellung und der grössten Soi'gfalt kann ich ihn nicht eine Viertelstunde lang in der Horizontalität erhalten; die Libelle ist auch viel zu empiindlicli (1 Pariser Zoll = 32"), so dass die Blase nicht einmal in der Oeftnung der Fassung zu erhalten steht, und also auch das Mittel fehlt, die Grösse der sieh zeigenden Abweichungen in Zahlen anzugeben. Schumacher's 12 zoll. Theodolith hat mehrere Vor- züge vor jenem; doch weiss ich nicht, ob er auch gar niclits zu wün- schen liess. Ich meine übrigens, dass mir $CH[uM.\rHERl schon voriges .lahr gesagt hat, dass er beim Gebrauch sehr gelitten hat. Sehr schwer wird es nun aber sein, von Reichenbach ein neues Instrument zu er- halten. Er schrieb mir vor einigen Monaten, er werde nach seiner Zurückkunft von Wien mich im Juli besuchen und dann eine Reise

Gauss an (Ul»eis. (JCtttinfffn. 1820 Juli S. 21

nach England und Frankreich machen. lieiiii 12zöllig-en Kepetit.- Kreise ist aber ein liinreichend geübter (lehiilfe unentbehrlich, und iiberdies sind mir eigentlich die Fernrohre doch etwas zu schwach, wo es sehr grosse Dreiecksseiten gilt. Nicht weniger Sorge macht mil- der Umstand, ob ich auch ein Paar tüchtige und brauchbare (^ehültVii finden werde, besonders in Rücksicht auf diejenigen Dinge, wo es mir selbst an Krfahrung fehlt, z. R. wo es auf Kenntniss des Geschäftsganges, auf ANegräumung von allerlei aufstossenden Lokalschwierigkeiten, Auf- sicht über tüchtige von Handwerkern zu liefernde Arbeiten u. dergl. ankommt. Es giebt zwar Personen genug, die diese Eigenschaften be- sitzen, ob es mir aber glücken wird, solche zu finden, und die damit Liebe zur Sache, Sinn für Akkuratesse und etwa auch noch Bildsam- keit für das feinere Beobachten verbinden, um in einzelnen Fällen meine Stelle dabei vertreten zu können I Schon vor zwei Jahren haben sich mir mehrere angeboten, unter anderen einer meiner ehemaligen Zu- hörer Namens Schlichthorst, dem ich aber die wenigsten der obigen Eigenschaften zutraue. Eigentliche mathematische oder gar astrono- mische Kenntnisse verlange ich gar nicht, obwohl es mir nicht unlieb sein wird, wenn sie mit den Haupteigenschaften eines guten Gehülfen noch vereinigt sind. Uebrigens erhielt ich mit jenem Reskript zugleich einen Privatbrief des Regirungsraths Hoppenstedt, Referent beim Minist, in Universitätssachen, dass eine baldige Antwort um so weniger nöthig sei, weil der Minister von Arnswaldt eben ins Bad gereist sei, wie auch dass ich mein Augenmerk dabei besonders auf den Punkt der Kosten richten möchte. Der Umstand, dass in diesem Jahre doch nichts mehr geschehen kann, was direkt zu der Gradmessung gehörte, wird es mir verstatten, dass ich nur erst vorläufig antworte, und die PMnsendung eines ausführlichen Memoires noch verschiebe, bis ich erst durch anderweitige Beratung unterstützt bin.

Die Nachricht von dem Charlatan Wronski war mir neu; auch haben Sie in keinem der Briefe, die ich von Ihnen erhalten habe, der in Young's Refraktionstheorie (die ich übrigens auch noch nicht weiter kenne, als insofern Pond sie im Nautical Älmcmac 1822 anführt) vor- kommenden Rechnungsfehler erwähnt.

LiNDENAU habe ich auf den Couverts der an ihn geschriebenen Briefe den Titel Minister und die Excellenz gegeben; er hat mir aber jetzt angezeigt, dass die letztere ihm nicht zukomme.

Ich halte es in einigen Rücksichten für rathsamer, das Dreiecksnetz im Süden anzufangen und von Göttingen nach Hamburg zu führen als umgekehrt. Mancherlei kleinen Verlegenheiten, die beim Anfang eines solchen Geschäfts eher vorfallen, als wenn es schon weiter fortge- schritten ist. wird sich leichter abhelfen lassen, wenn die Heimath in

22 Olbers an Gauss. Bremen, 1820 August 17.

der Nähe ist, wenn gleich die Nähe von Repsold zuweilen noch an- genehmer sein möchte als die von Rumpf. Dann würde es aber gut sein, wenn auch gleich die Dreiecke südlich bis Gotha etc. fortgesetzt würden, da südlich von Hannover überall nur künstliche Signale, also sehr vergängliche, die Dreieckspunkte werden bilden müssen. Ich hatte dies schon vor einiger Zeit, als die Sache hier noch nicht entschieden war, bei dem ]\Iinister Lixdenau in Anregung gebracht, er hat mir aber nicht darauf geantwortet.

No. 389. Olbers an Gauss. [213

Bremen, 1820 August 17.

Ich freue mich, dass Sie mir Ihren so sehr gewünschten Besuch in diesem Herbst doch nicht ganz abschlagen. Sehr wahrscheinlich wird es sich mit der Basismessung bis in den Herbst verzögei-n, und dann werden Sie vorher Ihre Collegia geendigt haben, und mehr Herr über Ihre Zeit sein.

Mir war gewiss versichert, dass Epailly bald nacli unserer Be- freiung vom französischen Joch an der Schwindsucht verstorben sei. Da ich nun von Ihnen das Gegentheil erfahren, und zugleich seine Adi'esse erhalten habe, so habe ich gleich an ihn geschrieben, ihn um die Einsendung seiner Dreiecke sowohl, als auch derjenigen, die er bloss pro- jektirt hatte, gebeten, und [mich] übrigens in meinem Briefe so benommen, als wenn diese Mittheilung gar keine Schwierigkeiten haben könne. Yerschaff't uns diese Aufforderung das Verlangte nicht, so ist dadurch auch weiter nichts verloren, und es bleibt dann wohl am besten, sich unmittelbar an den Marquis de La Place zu wenden. Die Verbindung des französisch-englisch-spanischen Meridians mit dem dänisch-deutschen ist zu wichtig, als dass nicht auch La Place alles aufbieten sollte, uns das Erforderliche zu verschaffen.

Recht sehr danke ich Ihnen für die Nachrichten über [die] jetzige Lage dieser projektirten hannoverschen Gradmessung. Aber nur Ihre partlieiische freundschaftliche Güte kann von mir irgend einen Kath erwarten. Ich habe nie einen Theodolithen in Händen gehabt. Aller- dings sind die Vorzüge, die Sie in einigen Stücken den Repetitions- kreisen vor den Theodolithen zuschreiben, ebenso wichtig, als wahr Aber doch möchte ich glauben, dass ein, mit möglichster Vermeidung der von Ihnen gerügten Fehler und Unvollkommenheiten verfertigter Theodolith das schicklichste Werkzeuü" zu diesen Winkelmessungen sei.

Olbers an Gauss, llii'ini'n, 1820 August 17. 23

Im (laiizen, dünkt inieli. würde kh ceteris paribiis immer ein Instru- ment vorziehen, bei dem icli nicht von der jrrüssereu oder geringeren Aufmerksamkeit eines Gehülfen in Ansehung der Genauigkeit des Re- sultats abhäniiig bin. Die etwa auch in den möglichst vollkommen gearbeiteten 'riieiuiolithen noch zurückbleibenden kleinen Fehler lassen sich doch wolil entdecken, und so unschädlich machen. So zeigt auch das. was Schv.m.xchku mit seinem Theodolithen erhalteu hat. nach dem, was er mir darüber meldet, eine sehr befriedigende Genauigkeit doch, lieber Gauss, ich wiederhole es, ich verstehe die Sache nicht, und habe eigentlich gar kein kompetentes Urtheil darüber.

Schwierig wird es immer sein, recht tüchtige Gehülfen zu finden. Ebten kenne ich, der sich giute vorzüglich dazu schicken würde, allein ich zweifle, ob er dies Geschäft annehmen will und annehmen kann. Dies ist unser Mechanikus Teevikanus, ein Schüler von Reichenbach, ein äusserst geschickter und genievoller junger Mann, der noch mal ein zweiter Repsold werden kann. Er verbindet mit den glücklichsten praktischen Ideen einen Geist von Genauigkeit, und bei seiner ver- trauten Kenntniss aller Werkzeuge würde er unter Ihrer Leitung bald ein sehr zuverlässiger Obser\ator werden, so wie alles Mechanische entweder von ihm selbst, oder doch unter seiner Aufsicht aufs Beste und ganz Ihrer Vorschrift entsprechend verfertigt werden könnte. Dabei ist er unermüdet, und scheut weder Entbehrungen noch andere Unbequemlichkeiten. Sollten Sie auf ihn reflektiren, so bitte ich mir 1) die Bedingungen zu melden, die Sie einem solchen Gehülfen etwa beiläufig gewähren könnten, 2) ungefähr die Zeit zu bestimmen, die Sie ihn brauchen würden, z. B. ein oder mehrere Jahre, und wie viel Monate in jedem Jahre. Dann will ich ihn gern darüber sondiren, und ich glaube, bei seinem brennenden Eifer sich auszuzeichnen und etw^as zu leisten, wird er grosse Lust zu dieser Messung haben, Avenn er nicht schon anderweitig engagirt ist. Er hat hier kürzlich (nachdem er die Dampfschitte eingerichtet hatte) eine Mühle, Farbhölzer zu mahlen, für einen unserer Mitbürger angelegt, deren Einrichtung etwas geheim ge- halten wird, die aber so vortrefflich wirkt, dass alle übrigen gar nicht dagegen arbeiten können. Jetzt ist er beschäftigt, für eine andere Anstalt eine hydraulische Presse zum Oelpressen zu errichten.

^\'ahrscheinlich werden Sie doch die bevorstehende grosse Sonnen- finsterniss noch in Göttingen beobachten? Einige Tage vorher, am 29. Aug. findet bekanntlich eine Bedeckung der Plejaden statt. Ich habe diese nach meinen Formeln für Bremen berechnet, und vielleicht ist es Ihnen nicht ganz unangenehm, hier die Resultate der Rechnung zu sehen, um sie mit denen für Florenz in den Mailänder Ephemeriden vergleichen zu können.

24 Olbers an Gauss. Bremen. 1820 Aii<rnst 17.

Bedeckung der Plejaden vom Monde ^j d. 29. Auof. 1820. Bremer wahre Zeit. Merope geht auf 8'' 41'" 2P, oder wegen d. Refraktion 3'" 42^ früher. Eintritt Merope 8'' 39'",9 Austritt p. 9'' 43"\5

,, 2). 9 10,3 Alcyone 9^ 47"' 36^

,, Alcyone 9'' 11"' 3~ Eintr. 7. 8. 10 13,2 Austritt Meviype 9 23,5 Austr. 5. 10 12,2

Eintritt 5 9 32,2 Atlas 10 28,5

Atlas 9 37.5 Pleione 10 31,2

Pleione 9 41,9 Austr. 7. 8. 10 43,6

Wenn Sie mich noch auf etwas bei der Sonnenfinsterniss besonders zu Beobachtendes aufmerksam zu machen haben, so bitte idi, es mir gefälligst zu melden.

Prof. Steuve und A\' albeck werden wahrscheinlich bei Ihnen gewesen sein. Sie hatten auch mir Hoffnung zu einem Besuche gemacht, haben aber wahrscheinlich ihre Beise nach München beschleunigt, um Eeichex- BACH nicht zu verfehlen. Auch dies wii^d eine sehr interessante und sehr wichtige Gradmessung werden. Mit A'ergnügen habe ich ge- sehen, dass Struve sich auf solche astronomische Gegenstände bei seinen Beobb. bisher beschränkt, für die seine Werkzeuge und die Lage seiner Sternwarte am besten geeignet sind, nämlich die AI der nördKchen Sterne und die Doppelsterne. Seine Vermuthung, dass die beiden Sterne von y Yirgims ehemals, nämlich zu Beadley's und Tob. Mateb's Zeiten, heträchtluh weiter von einander abgestanden hätten als jetzt, finde ich nicht bestätigt. Steutck hat schon die CAssiNi'sche Beob. der Bedeckung dieses Doppelsterns berechnet, und findet für 1720 den Abstand beider Sterne 4"|, den Steuve 3"j gefunden hat. Es scheint überhaupt, dass diejenigen Doppelsterne, avo beide Sterne fast gleiches und beide beträchtliches Licht haben, auch schon ehemals mit nicht- achromatischen Fernrohren von massiger Länge ganz wohl zu erkennen waren.

Sollten Sie etwas aus Paris haben wollen, so kann icli es Ihnen jetzt besorgen, Aveil einer meiner Freunde, Hr. Dr. Albers, in Paris ist.

Erfreuen Sie mich bald wieder, lieber Gauss, mit Ihren so lehr- reichen und interessanten Xachrichten von Ihren Instrumenten und Ihren Beobb.

J

') Vergl. den folg:en(.lon Brief Olbehs" an GArss. Krm.

I

(iaiiss Mi (>lliti>. inittinirt'ii. T^'iO Auirust 23. 25

No. 39U. Gauss an Olbers. /i??

Güttingen. 1820 August 2u.

Recht lierzlit'h danke ich Ihnen für Ilire gütige lieniühunp: bei dem Hrn. Epailly. Ich hahe die beste Hütt'nung\ dass es auf diesem Wege am leichtesten gelingen wird, die Mittheilung der Dreiecke zu erhalten.

Die Herren Struvk und Waliuxk- sind acht Tage hier gewesen. Krsterer hatte eine grosse ^Satisfaktion an der optischen Vollkommenheit meines Passage-Instruments, und nach der Art, wie er sicli darüber äusserte, schien es mir, als ob er es doch selbst dem Dorpater überlegen fände. Er hatte Gelegenheit hier bei ziemlich günstigen rmstämien einige feine Gegenstände z. B. den Mars, der Nachmittags 2.1 l'hr kuhninirte und trotz seines kleinen Durchmessers von 4" doch sehr deutlich seine Phase zeigte, dann mehrere Doppelsterne, als yTirgiuis, (■■ Booti<: 17 Dracouis u. a. zu beobachten. Ich habe ihn gebeten, wo- möglich dieselben Gegenstände am Seeberger Passage-Instrumente zu observiren und mir den Erfolg anzuzeigen. Es ist lange her, da ich mit letzterem einiges beobachtet habe, und damals konnte ich noch keine \'ergleichungen anstellen; aber nach einigem, was mir Nicolai erzählt hat, scheint es doch in ojptischer Rücksicht ein sehr mittelmässiges In- strument zu sein. Vielleicht gilt dies überhaupt von den KAMSDEK'schen Eernrohren. Piazzi z. B. scheint mit seinen Instrumenten vielleicht keinen einzigen HERSCHEL'schen Doppelstern erster Klasse als solchen zu sehen, da an meinen beiden EEiCHENBACH'schen Instrumenten die meisten sogleich von selbst sich als solche aufdrängen. Ja vielleicht gilt dies auch von dem berühmten Sektor. Ich selbst hatte im vorigen Jahre nicht Gelegenheit, etwas Feines damit zu beobachten; auch war das Okular nicht ganz für mein Auge deutlich zu stellen (welchem Fehler übrigens durch einen Mechanikus sofort leicht abgeholfen werden kann), aber die Vergrösserungen waren, so viel ich mich erinnere, nur schwach, und in Schümacher's Journal finde ich // Dracouis nicht als Doppelstern, sondern als einfach beobachtet, was bei meinen Instrumenteiir gar nicht möglich wäre. Auch bei der engl. Gradm. w'urde dieser Stern in Dunnose und Clifton beobachtet, und ich finde nicht angemerkt, dass er als Doppelstern gesehen sei. Ich habe aber in diesem Augenblick bloss Lindenau's Auszug zur Hand. Ihre Bemerkungen wegen y Virginis waren mii* sehr interessant, die Nebenumstände der Bedeckung, die Steuyck berechnet hat, sind mir aber nicht gleich gegenwärtig. War die Beob. vollständig, so dass die Distanz ohne Hypothese be- rechnet werden konnte? Ich hätte sonst in der That kaum für mög- lich gehalten, mit einem so schw^achen Fernrohre, wie das am hiesigen

26 Gauss an Olbers. Göttingen, 1820 August 23.

Mauerquadranten ist, den Stern als Doppelstern zu erkennen, wenn die Sterne nicht weiter von einander standen als jetzt. Leider ist es jetzt zu spät, aber sobald der Stern wieder bei Nacht kulminirt, werde ich doch selbst einmal den Versuch mit dem Mauerquadranten machen. Bkadley hat, wie es scheint, nur einmal und zwar bei Tage vor 0 Untergang, wo es am leichtesten sein mag, den Stern doppelt beob- achtet. Hr. V. Zach könnte uns das Datum von ^Iayee's Beobb. nachweisen. Da Heeschel Anno 1781 7"^ gemessen hat, so könnte es auch sein, dass die Distanz etwa um das Jahr 1770 ihr Maximum erreicht gehabt hätte, so dass doch alle Beobb. sich recht gut vertrü- gen; diese Hypothese scheint desto weniger unstatthaft, da auch die Angularbewegung sehr beträchtlich ist.

Ich habe seither diejenigen Zenithaisterne, die Schumacheb im vo- rigen Jahre in Lüneburg observirte, am EEicHEXBACH'schen Meridiankreise beobachtet, bin aber noch nicht ganz damit fertig. Ich habe jeden Stern dreimal, den Kreis im Osten, und dreimal, den Kreis im Westen, beobachtet, einige auch öfter. Die fertig beobachteten Sterne sind jetzt auch bereits reducirt. Folgendes sind meine Resultate für die M. Z.-D. im Anfang von 1820.

[Folgen die Beobb. ^) wie im Briefwechsel Gauss-Bessel Brief No. 122 mit dem Unterschiede, dass dort

«1 Cygni 2M4' 22",59 S Error I. 2' 17",71 nicht angeführt ist und der mittlere Error I. 2' 17",33 wird.]

Da ich von Schuüacher's Beobb. noch keine Resultate besitze, so weiss ich noch nicht, wie die einzelnen Resultate für die Amplitude über- einstimmen werden. Inzwischen habe ich die Polhöhe des SJiehaJJien aus meinen Resultaten für diese und einige andere Sterne, verglichen mit den BEADLEv'schen, zu bestimmen versucht, und gefunden, dass die Tlieilung des dabei gebrauchten Sektors unrichtig, und dass die Theile desselben etwa o^^, ^, zu klein sind. Sehen Sie hier die Polhöhe des südlichen Standpunkts ohne und mit Korrektion von 1".2 auf den Grad.

Mit 1".-! ' Mii I'M

i Cephel 56'^ 39' 30",36 a CepJiei 37,79

1] CepJiei 35,49

17 Draconis 39,08

ß Cassiopeae 39,98

56''39'40",34

39",51

43.76

43.26

40,65

40.22

42.02

41,77

41.48

41,36

^) Yerd. auch Gauss" Werke Bd. Vf. S. 434. Krni.

(iauss an Olbcrs. (itittinüren. 1820 Auirust 23.

Mii !".•_' \lii l".l

48 Draconis 5G''39'39",64

C Cephei

41,38

53 Draconis

41,67

33 Cygni

40,34

49 Draconis

43,27

46 Draconis

42,10

a Cassiopeae

41,28

y. Cijgni

43,96

' Cygni

45,51

(-) Cygni

49,96

56°39'40",58

40.50

41,90 j

41,86

41,89

41.87

39,41 1

39.49

41,68

41,81

40,49

40,62

39,64 i

39,78

39,52 '

39,89

39,02

39,56

41,61 '

42,31

33 Cygni ist von Bradley nicht beobachtet; ich konnte daher nur PiAZZi's Bestimmung" mit meiner verbinden und das Resultat involvirt den Fehler 2,7 dP 1,7^) dO. Eine Kleinigkeit würden die Re- sultate sich noch ändern, -wenn Maskelyne's Beobb. auch mit Lindenau's Nutation reducirt würden. Ich habe bloss Zach's Reduktion aus der Attraction des Montagm-s zu (4runde gelegt.

"Wenn ich aus meinen Dekl. verbunden mit den BßADLEY'schen die eignen Bewegungen und die Positionen für 1800 ableite, so finde ich noch folgende Unterschiede von Piazzi:

m. ;i.

-t^ TU

-D 18

46 Draconis

+

0",023

+

1",97

47 Draconis

+

0,006

0,50

48 Draconis

0,064

1,03

49 Draconis

0,019

0,58

51 Draconis

+

0,030

+

0,67

53 Draconis

1

0,067

0,49

X Cygni

+

0,133

1,31

i Cygni

+

0,160

0,41

f) Cygni

+

0^262

0,01

c^ iwaec.

0,140

0,77

20 Cygni

0^057

+

0,31

(0^ Cygni

+

0,057

1,46

Setzt man die konstanten Fehler in den Dekl., die von unrichtiger Kenntniss der Polhöhe herrühren ^= B, P, G, so ist P -h ^ i'V <^ =

1) Gauss-Bessel Brief No. 122: 2,3 dP 1,3 dG. Seh.

28

Gauss an Olbers. Göttingen, 1820 August 23.

0"530, setzt man ferner die zuMligen wahrscheinlichen P'ehler in den Dekl.-Bestimmungen = h, p, g, so lehren diese Resultate

V (0,095 66 -\-pp-\- 0,479 gg) = 0'\G1.

Wäre b =^p = g, so fände sich h=p = g = 0",49, was wohl für h zu wenig- sein möchte. Setzte man h = 2g. ji = 2g, so wäre doch nur h = 0",55 =p und g = 0",28.

Ich habe gleicher Weise aus meinen und Beadley's Bestimmungen die Dekl. solcher Sterne für 1802 abgeleitet, die bei der engl. Grad- messung o^ebraucht sind. Es haben sich aber nur erst wenige Sterne

gefunden :

'

Dckl. 1802

Polhölien von

Clifton

Arburyhill Green wich

Dunnose

46 Draconis

.55O20'37",24 53« 27' 31",00 520 13' 27",54

5P28'

50O 37' 8",31

öl Draconis

53 5 52,44 30,56

28.02

38",29

8,39

y. Cygni

53 0 31,08 31,35

•28,11

39,16

8,17

t Cygni

51 18 48,9211 31,14

28,01

38.52

8.24

Capeila

45 46 47,69

13,35

10,59

19.90

50 36 50,57

Die 4 ersten Sterne harmoniren. wie Sie sehen, auf das Schönste und zeigen schon, dass dieser Sektor keinen solchen Fehler hat, wie der beim Shehallien gebrauchte. Wie es aber zugeht, dass Capella 18" weniger giebt, kann ich mir in Ermangelung der Originalangaben nicht erklären. Vielleicht haben die Herren bei der Berechnung die Xutation mit falschem Zeichen angebracht. Ich habe geglaubt, dass diese Mit- theilungen Ihnen nicht uninteressant sein würden, da sie am besten zeigen, was ein REicHENBACH'sches nichtrepetirendes Instrument von 1.1 Fuss Radius zu leisten vermag!

Ihre Bemerkungen über den Gebrauch des Kreises und des Theo- dolithen finde ich sehr gegründet. Nur muss ich noch hinzusetzen, dass auch beim Kreise für das Messen der terrestrischen Winkel ein Beobachter zureicht, so lange man eine ganz feste Aufstellung erreichen kann; nur wo diese fehlt, und wo also der Theodolith gar nicht mehr brauchbar ist, können mit dem Kreise von 2 vereinigten Beobachtern noch gute Resultate erhalten werden, wo aber freilich beide Beobachter hinlänglich geübt und aufmerksam sein müssen. Das, wozu der Gehülfe sonst dienen muss, nämlich das Einstellen dei- Libelle beim Messen der Höhen, lässt zwar auch die grösste Genauigkeit wünschen, insofern die Höhen noch höheren Nutzen leisten sollen, als die schiefen ^^"inkel auf den Horizont zu reduciren; für letzteren Gebrauch hingegen ist schon eine Genauigkeit hinreichend, die auch ohne einen sehr geübten Ge-

(iaiis^ all iiIImt^. < üittiiigeii, 182Ü Aiiyu.^t 2:{. 29

liiilfeii leiclit envicht utTilcii kann, rebrijrens beiinriiliiyt mich dfrsrf l^iiiikt. iiänilicli die FiaL^e. ul) Kreis oder 'riieodolith am besten sein wild, weiter frar nicht, wenn nnr erst die Hauptsclnvierigkeit gehoben^ das ist, ein guter 'l'lieodolith vorhanden ist; dann wird die Erfalining liald von selbst entscheiden, ob das eine Instrnment oder das andere vorzuziehen, oder ob es rathsam sein wird, beide anzuwenden. Was mir mehr Sorge macht, ist nicht der scientiiische, ja auch nicht der teclinisclie Theil der Operation, sondern viehnehr. wenn ich es so nennen (hilf, der adiiiiiiistrative. (»b dieser gut oder sclilecht eingeleitet wird, (hnon wird es Mirnehmlich abhängen, ob ich an dem ganzen Geschäft Freude oder \'erdiuss haben werde; hier bin ich ganz auf mir fremden Hoden fast ohne alle Erfahrung, und hier ist es vornehmlich, wo der Heirath eines welterfahrenen Freundes mir höchst wünschenswertli ist. Ich habe daher auch auf das Ministerialreskript vorerst nur eine dila- torische Antwort gegeben, da ohnehin, ehe nicht bestimmte Aussicht wegen eines Theodolithen da ist, noch nichts geschehen kann. Bloss auf die Verwendung des Ministeriums, um den englischen Sektor, w^enn Schumacher ihn abliefert, auch hierher zu bekommen, habe ich ange- tragen, nicht sowohl weil ich glaubte, damit bessere Z.-D. erhalten zu können als mit dem Meridiankreise, als vielmehr, weil es nützlich scheint^ jenes Instrument an diesem zu prüfen, und weil vielleicht auch noch rathsam gefunden werden könnte, an einem Zwischenpunkte, z. B. in Hannover oder Burgdorf etc., astronomische Beobb. zu machen.

Ihre Idee, Hrn. Treviranus für die Gradmessung mit zu engagiren,. ist gewiss eine sehr glückliche, und ich sollte glauben, falls er unter billigen Bedingungen dazu geneigt sein sollte, dass sich dies auch wohl wird machen lassen. Dass ich aber jetzt ganz ausser Stande bin, über die Beschaffenheit der Bedingungen, die ich anbieten kann, etwas an- zugeben, werden Sie aus dem Obigen von selbst schliessen. Ich bitte vielmehr Sie, mein theuerster Freund, mir hierüber Ihre Meinung und Ihren Eath mitzutheilen, wo sich dann, wenn ich auf meiner Reise über Hannover komme, die Sache wohl mündlich entamiren lassen wird. Im nächsten Frühjahr könnte übrigens, falls ich bis dahin einen Theodo- lithen erhalten kann, die Operation anfangen, und so lange es die Wit- terung erlaubt, also etwa bis in die Mitte oder bis gegen Ende Okt. fortgesetzt werden. Ich zweifle jedoch, dass mit einem Jahre die Ar- beit sich beendigen lassen wird.

Einen Theodolithen hätte ich am liebsten von Reichenbach; allein bekanntlich hat derselbe seine Werkstatt nach Wien verkauft. Doch wollte er, wie er mir früher schrieb, so viel Einrichtung behalten, dass er neue Ideen ausführen und in besonderen Fällen seinen Freunden dienen könnte. Sonach könnte ich noch Hoffnung haben, falls nicht seine nun-

30 Gauss an Olbers. Göttingen. 1820 Augugt 23.

mehrige Eriiennimg zum Direktor des "Wasser-, Brücken- u. Strassen- baues es unmöglich macht. Da er mir versprochen hatte, mich diesen Sommer zu besuchen, und ich diese Hoifnung auch jetzt nicht ganz auf- gegeben habe, so habe ich an ihn deswegen noch niclit schreiben mögen: denn mündlich darf ich noch immer eher hoffen, eine nicht abschläg- liche Antwort zu erhalten, als auf einen Brief. Geht es mit Reichen- bach nicht, so setze ich meine Hoffnung auf Eepsold, dessen neue Theilmaschine, wie mir Steuve sagte, fast bis auf die Eintheilung fertig ist. Ich fürchte nur, seine Werkstatt ist zu beschränkt, als dass er schnell helfen kann. Vielleicht endlich könnte mir Schumachee seinen Theodolithen, falls er noch in gutem Stande ist, boi-gen. So, theuerster Olbees, stehen bis jetzt die Sachen.

Von Schumachee habe ich seit langer Zeit keine direkten Nach- richten. Ich habe mich, me mehrere andere seiner Freunde (Sie, ^^ie es scheint, weniger als andere), oft über sein zu seltnes Schreiben zu beklagen. Ich bin ganz ohne Nachricht, wann die Basismessung an- fangen wird.

Ich komme noch einmal auf y Virginis zurück. Ich habe zufällig Veranlassung gehabt, Heeschel's erste Abhandlung über die Doppel- sterne wieder durchzublättern, und es wii'd mir sehr schwer noch einen Zweifel zu haben, dass um 1781 wenigstens die Distanz viel größer gewesen ist als jetzt. Nicht allein dass dieser sorgfältige Obser- vator den Stern in die dritte Klasse setzt und die Distanz zu l"l angiebt, sondern wiederholt wird eben der Stern bei den Prüfungsmitteln für successiv immer schlechtere und schlechtere Fei-nrohre da empfohlen, wo Sterne wie Castor schon zu fein sind, und da sogar neben ^ Ursae maj. und }' Ärietis gesetzt (die beiden andern da angeführten ;• Delphini, TT. Bootis kenne ich noch nicht aus eigner Ansicht), Das könnte jetzt wohl keinem mehr einfallen. Ich werde doch bei erster Gelegenheit die Umstände von Cassini's Beob. nachsehen. Dass übrigens Hr. v. Zach sagt, die Beob. sei von Oassini und also sehr gut, befriedigt mich noch nicht. War aber auch die Beob. 1) wirklich sehr gut, 2) voll- ständig, 3) von Steutck richtig berechnet, so würde daraus meiner Meinung nach doch noch nicht mit Gewissheit auf die Richtigkeit des Resultats von 4" geschlossen werden können, weil es am Mondrand eine Menge von Ungleichheiten giebt, die mehrere Sekunden hervorragen. Bei meinen häufigen Mondbeobb. am Passage-Instrument sind mir diese oft sehr auffallend gewesen. Ich möchte daher überhaupt die Be- deckungen der feinen Doppelsterne vom Monde für kein genaues Mittel halten, ihre Abstände zu bestimmen, ausser wo man diese Beobb. mit sehr guten Instrumenten und mit sehr starken ^'ergrösseruugen gemacht hat, und sich durch den Augenschein überzeugt hat. dass an der Stelle

I

nuiss an Ulliers. (Üittiiiireii, 1820 Auijust 23. 31

des Ein- niul Austiittt-s keine henierkliclie Infrleiclilieiten -waren, wozu also auch nuch eiiuiderlich, dass beide Kändei* .sichtbar waren. Schwer- lich möchte Cassinis Beob. diesen Bedingungen voll Genüge leisten. Der vorhin angeführte Umstand scheint mir für den heutigen Zustand der Beobachtnngskunst überhaupt den A\'ertli von Sternbedeckungen und Sonnentinsternissen etwas zu vermindern, und ich glaube kaum, dass sich aus solchen Phänomenen erheblich genauere Resultate erreichen lassen, als aus Beobb. mit fixen Meridianinstrumenten. Solche Beobb. aber z. B. von der bevorstehenden Sonnentinsterniss, wie sie von Per- sonen, die ihre Zeit mit Bleikugeln abmessen müssen, erhalten werden können, möchten wohl eigentlich gar keinen astronomischen Werth mehr haben können.

Höchst wahrscheinlich scheint es mir aber doch auf alle Fälle aus Casseni's Beob. zu werden, dass der Abstand im vorigen Jahrhundert sein Maximum gehabt hat, denn unter Voraussetzung gleichförmiger Abnahme hätte die Distanz um 1720 etwa 12" gross sein müssen, was wohl mit Casslni's Beob. durchaus unverträglich sein wird. Und in- sofern wäre dieser Doppelstern gewissermaassen der Merkw^ürdigste, den wir bis jetzt kennen, weil bei keinem die Ungleichförmigkeit der rela- tiven Bewegung bisher durch Erfahrung erkannt ist. Diese aber beweist das Zusammengehören der Sterne am allerkräftigsten, da bei allen übrigen Doppelsternen dieses Resultat sich nur auf Wahrscheinlichkeits gründe stützt, deren Gewicht allerdings überaus gross ist (obwohl, so viel ich weiss, noch von Niemandem mit einigem mathematischen Geist abgewogen), wo aber die Zufälligkeit der Erscheinungen bei einem ein- zelnen Sternpaar immer noch sehr gut denkbar bleibt, und nur wegen des Vorkommens bei so vielen Paaren nicht mehr für zufällig gehalten werden kann. Eben sehe ich erst, durch Struve's Anmerkung auf- merksam gemacht, dass von l"-\ die Summe der Halbmesser erst ab- gezogen werden soll; ich kann aber nicht gleich finden, w^oher Steu\t; es entlehnt haben mag, dass Herschel die Scheiben 2| Durchmesser getrennt gesehen haben soll; Herschel sagt dies wenigstens in seinem Verzeichniss pg. 132 nicht. Vielleicht in dem späteren Bande, wo die Beobb. von 1803 angeführt werden, den ich nicht gleich zur Hand habe? Der Gegenstand scheint einer noch genaueren Untersuchung zu bedürfen. Für heute ist's wohl Zeit, Sie um Verzeihung zu bitten, dass ich so Delambrisch breit geworden bin.

0'2 Gauss au Ulbeis. Celle, 1820 September 13.

No. 391.

Gauss an Olbers. [m

Celle, 1820 September 13.

Ich hatte es bis zum letzten Tage vor meiner Abreise verschoben. Ihnen davon Nachricht zu g-eben, weil ich bis dahin noch durch einen Brief erfreut zu werden hoffte. Da ich aber dann durch mehrere Ab- haltungen daran behindert wurde, so benutze ich eine \'iertelstunde, die ich hier zuerst frei finde, um Ihnen ein paar Zeilen zugehen zu lassen.

Ich bin gestern früh aus Göttingen abgereist und denke übermorgen mit dem Dampfschiff nach Altona überzugehen. Bis jetzt scheint mir das Eeisen noch etwas weniger schlecht zu bekommen als im vo- rigen Jahre.

In Hannover habe ich heute früh nur den Minister v. Arnswaldt und den Geh. Justizrath Hoppenstedt sehen können. Letzterer ist A'ortragenäei" Eath in Universitäts-Angelegenheiten und, wie es scheint. Avird er auch wohl vornehmlich das Organ bei den Angelegenheiten der Gradmessung sein. Ich habe absichtlich vermieden, das was die Be- dingungen für mich und meinen Gehülfen betrifft, schon bestimmt zu berühren, weil ich darüber erst noch Ihren Rath zu erhalten hoffe, auch bei meiner Rückreise wahrscheinlich etwas länger verweilen werde als diesmal, wo ich jene Visiten nur gleichsam im Fluge machen konnte. Inzwischen, da ich ohnehin schon länger die Idee gehabt habe, dass Schumacher's Gehülfe, Hr. Caroc, der das Muster eines Gehülfen ist. mit gebraucht werde, wenn auch nur erst für den Anfang, um die andern Gehülfen einüben zu helfen, so habe ich bei Hrn. Hoppenstedt (den ich auch schon seit längerer Zeit kenne) nur eist nachgeforscht, ob es nicht etwa sehr ungern gesehen werde, wenn dann noch ein Ausländer als Gehülfe angenommen werde. Er hat mir aber versichert, dass von dieser Seite keine Bedenklichkeit sein dürfe. Ich habe daher die beste Aussicht, dass es mit Hrn. Treviranüs sich werde machen lassen. Für den andern bleibenden Gehülfen würde ich dann aus mancherlei Ursachen am liebsten einen hannoverscheu Oflicier wünschen. Vielleicht wird der Oberst Prott. der jt'tzt mit dem Herzog von Ca.ai- i!K[i)(!E in Wien ist, bei meiner Rückkehr wieder in Hannover sein und dabei rathen können.

Von Reichenbach hat mir Hr. Struve einstweilen das »nindlicJir \'erspreclien zurückgebracht, dass er mir den TheodolitluMi auf das Frühjalir liefern wolle. Vielleicht komme ich auch zeitig zu einem Stutzschwanz, oder wie REiCHENUACPr es nennt rniversalinstrumenr. AVegen des Zenithsektors ist von Hannover aus nach Kngland geschrieben, aber noch keine Antwort zurück.

(umss au OUiers. Toll.'. 1^_'U St'iit.niluT 18. 33

Die Pariser Akailemie der Wissenschaft tMi hat mir die Ehre erzei^rt. mich au die Stelle von Sir Joseph Banks zum Assucu' etranger zu er- Avähh'U. Der Marquis La Plack hat mich iu eiuem sehr freuutllichen liriefe, den ich so zu sayeii mit einem Fuss im \\'ageu erhielt. da\ou henachrichtioft. Die ufticielle Nachricht würde ich erst nach erfolgter k(>nig:l. Bestätigung erhalten. Sollten Sie die bewussten Sachen nicht von Hrn. Epailia* erhalten können, so zweifle ich nicht, dass La Place, wenn ich ihn darum ersuche, sich deswegen mit Nachdruck zu verwenden geneigt sein wird.

Bei der Sonuentinsteruiss war das Wetter für das eigentliche Be- ubacliteu herzlich schlecht. Doch war die Sonne durch die ^^'olken von Zeit zu Zeit zu seheii und gewährte ein ganz artiges Schauspiel. Beim Anfang der Fiusterniss war die Sonne ganz unsichtbar. Die drei andern Phasen sind von mii', Harding, Struve und Walbeck ohne Blendgläser beobachtet. Die verschiedeneu Beobachter harmoniren aber sehr schlecht. Doch halte ich meine Beob. des Anfanges des Binges für sehr gut; A\'albeck hatte ihn 0'',2 und STRü^'E, wie ich glaube, 2'',0 später; allein der Unterschied zwischen mir und Struve erklärt sich daraus, dass ich den Augenblick notirte, wo zwischen den Hörnern sicli zuerst eine, obwohl noch unterbrochene Lichtlinie zeigte, Struve hingegen den, wo der Ring ganz vollständig war; letzterer hat also den Mond- halbmesser inkl. der Berge, ich exkl. beobachtet. Harding hatte, wenn ich nicht irre. S'' früher. ]\reine beiden andern Phasen gebe ich gern preis; die Wolken waren ^iel dichter wie vorher, und ich hatte Mühe, mit meinem Heliometer-Halbobjektiv auch schon vorher die Sonne noch zu erkennen. Ich beobachtete mit diesem Instrument, weil ich wünschte, den Aequatoreal- u. Polardurchmesser des Mondes auf der O zu messen; ich fand aber leider, dass sich diese Gattung von Beobb., wenigstens unter so ungünstigen Umständen, bei weitem nicht mit der Subtilität machen lässt, wie die von Sonnen-Dui'chmessern. Dazu kommt, dass vermuthlich beim Ablesen (welches ich nicht selbst that) P'ehler begangen sind, die sich vielleicht nicht mit Gewissheit werden suppliren lassen. Ich weiss daher noch nicht, ob sich irgend ein Gebrauch davon wird machen lassen. Leider habe ich vergessen, eine Abschrift der Beobb. mitzunehmen. Doch kann ich Ihnen eine von Altona aus schicken, da ich sie Hrn. Walbeck schon mitgetheilt habe.

Da ich meine Adresse in Holstein nicht angeben kann, so würde ein Brief von Ihnen mich wohl am Sichersten unter Couvert an Schu- macher treffen, der, so viel ich mich erinnere, seine Briefe bei Conrad HiNRicH Donner in Altona adressiren lässt.

Olbers ir,

34 Olbers an Gauss. Bremen, 1820 September 17.

^^. 392. Olbers an (jauss. [2u

Bremen, 1820 September 17.

Icli danke Ihnen herzlich, dass Sie mir von Celle aus Ihre Reise nach Holstein gütigst gemeldet haben, und hoffe nun immer, dass Sie Bremen bei der Gelegenheit, da es Ihnen nun so nahe ist, entweder bei einer etwaigen Pause in Ihren dortigen Beschäftigungen oder viel- leicht bei Ihrer Rückreise mit einem Besuch beglücken werden. Frei- lich werden Sie mit der Wirthschaft in meinem, leider verwaisten Hause gi'osse Nachsicht haben müssen. Gewissermaassen sind Sie und Prof. Schumacher zu dieser kleinen Exkursion ex officio verpflichtet: denn Sie werden doch Ihren Dänisch-Hannoverschen Meridian mit dem Fran- zösisch-Englischen durch Anschliessung an die KEATENHOFF'schen Drei- ecke in Verbindung bringen? Und dann könnte bei diesem Ausflug nach Bremen vorläufig das Terrain rekognoscirt und die künftigen Triangel projektirt werden.

Zu der Gerechtigkeit, die Ihnen die Akademie in Paris hat wider- fahren lassen, wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen Glück. Ich hatte es eben aus Paris erfahren, als Baron Max von Vrints (derselbe, den wir als 6jährigen Knaben bewunderten, vnt er schon im Kopf Kubik- wurzeln ausziehen konnte, der aber nachher Mathematik nicht sonder- lich getrieben hat) bei mii' war, und diesem, der gleich abreisen wollte, aufgetragen, Ihnen mündlich diese Nachricht zu bringen, da ich niclit wusste, ob sie Ihnen schon bekannt war. Es muss Ihnen lieb sein, einen so verdienten Vorgänger, wie der Präsident Banks war, gehabt zu haben.

Epailly giebt bisher kein Lebenszeichen von sich. Aber La Place wird gewiss auf Ihre Aufforderung alles thun, was er nur thun kann, und dass er weit mehr thun kann als Epailly, ist wohl gewiss.

Treviranus habe icli nur mal vorläufig sondirt, ob er wohl Nei- gung hätte, bei einer solchen Gradmessung als Gehülfe angestellt zu werden. Lust schien er zu haben, aber natürlich konnte er sich auf eine so unbestimmte Frage auch nicht bestimmt erklären. Er hat noch immer zu thun und kann einer wiederholten, dringenden Anforderung, einer grossen Papiermülile bei Osnabrück eine verbesserte Einrichtung zu geben, noch keine Folge leisten.

Die Bedingungen für Ihre Gehülfen, lieber Gauss, werden Sie ja wohl beiläufig nach denen be.^timmen können, die der König von Däne- mark den (lehülfen vom Prof. Schumacher bewilligt hat. Ein gewöhn- licher Ingenieur oder Feldmesser von einigem Range erhält, meine ich. im Hannoverschen bei freien Transportmitteln täglich 2 Rthlr. Diäten.

()lli.!< ;ni (iiiii« I'.rciueii, 1820 September 17. 35

Dass (lies bei einer (inuiiiu'ssiinu- für die ohern (lehülfen viel zu wenig' sei, scheint mir einleuchtend. Wahrscheinlich erhalten die dänischen Angestellten beträchtlich mehr.

Einen hannoverschen Ofricier oder juntzen Beamten müssen Sie iiDthwendig- in Ihrem Gefolge haben, um mit den Behörden alles ab- zumachen. Aui'h ohne Ihre ausdrückliche Veranlassung werden wohl alle Beamte angewiesen werden, jeder Kequisition, die Sie Behufs der vom König befohlenen Gradmessung an sie gelangen lassen, ungesäumt Fdlge zu leisten, und ülterhaupt Ihre Geschäfte möglichst zu befördern und zu erleichtern.

Bei der grossen Sonnenfinsterniss ist hier das Wetter ungefähr so gewesen wie in Göttingen. Auch hier war der Anfang nicht, der King nur durch dünne ^^"olken und das Ende bei heiterer Luft zu sehen. Hier unsere, des Senator Gilde^meistek und meine Beob. in Bremer mittlerer Zeit

Sen. Gildemeister Olbeks Anfang des Ringes 2^ 29'" 26^ ') 2"^ 29'» 24* Ende des Ringes 2*^ 34"^ 41^ 2'' 34'" 4P

Ende der Finstenüss 3^' 52'" 14>^ 3'^ 52"' 13*

Unstreitig ist die Beob. von G. dei' meinigen vorzuziehen. Er hatte die Vorsicht gebraucht, die Dämpfgläser von seinem Sextanten abzuschrauben, und hielt diese nun in freier Hand vor dem Okular. Dadurch konnte er dem bald mehr, bald weniger von den Wolken be- deckten Sonnenbilde immer die schickliche Dämpfung geben und seinen vortrefflichen Fraunhofer 120 mal vergrössern lassen. Ich hatte ein massig verdunkelndes Sonnenglas vorgeschraubt, wodurch die Sonne bald zu hell, bald zu dunkel erschien. Die Mondbreite scheint doch nach den Tafeln fehlerhafter zu sein, als ich geglaubt hatte, wenn auch ein Theil des Unterschiedes der Dauer des beobachteten Ringes von der Rechnung einer Irradiation der Sonne zugeschrieben werden muss. Alle mir bekannt gewordenen Beobb. geben zu erkennen, dass die Mondbreite südlicher war, als sie von den Tafeln gegeben wird.

Die Bedeckung der Plejaden-) am 29. Aug. habe ich sehr gut be- obachtet. Ist diese Bedeckung auch in Göttingen beobachtet worden?

Ueber y Virginis und andere Gegenstände Ihres vorigen Briefes nächstens mehr. Möge die Reise Ihnen gut bekommen, theuerster Gauss, und Sie dort eine dauerhafte Gesundheit geniessen, auch die Witterung Ihren Operationen zusagen!

') In Bd. I, S. 574 steht dafür 25. Krm.

-) Eesultate Bd. I, S. 575 und genauer Briefwechsel Olbers-Bessel, Brief No. 285. Siehe auch Brief No. 400 an Gauss. Krm.

36 Olbers au Gauss, [liremeu, 1820 bald uacli Septemljer 18.]

xo. 393. Olbers au Gauss. [215

[Bremen, 1820 bald nach September 18.]

Ihren vorletzten Biief liabe ich ihnen nocli nicht beantwortet, worin Sie mir unter andern so interessante Nachrichten von Ihren un- ^•ergleiclllichen Werkzeugen gaben. Allerdings ist Ilir Mittagsfernrohr auch bloss als Fernrohr betrachtet von einer seltenen Vollkommenheit. Ich wurde neulich veranlasst, einige Betrachtungen über Fernrohre, und besonders über das Sehen mit Fernrohren anzustellen, wobei meine Hauptabsicht war, unsere Achromaten und Teleskope mit den grossen ehemals gebrauchten unachromatischen Sehwerkzeugen zu vergleichen. Für Ihr Mittagsfernrohr finde ich dabei aus den Dimensionen, dass es, für ein Auge wie das meinige gebaut, die Lichtstärke der damit be- trachteten Gegenstände = 200,3 geben wird, wenn die Lichtstärke mit blossem Auge = 1 ist. Bei meinem öfüssigen Dollond ist diese Licht- stärke = 130,7. Ich bin aber überzeugt, dass diese Lichtstärken für andere Augen anders, und besonders füi- natürlich kurzsichtige Augen grösser ausfallen werden, so wie dann auch niyoi)ische Augen bei gleicher Okular-Equipage ein grösseres Bild sehen. In Ansehung der Licht- stärke leistet mein Dolloiid so viel, als ein ehemaliges Fernrohr von 34, Ihr Mittagsfernrohr als eins von 53 Fuss. Vergrössern kann man aber einen Achromaten viel stärker lassen als ein unachromatisches Fern- rohr von gleicher Lichtstärke. Dies und die Präcision der Bilder u. s. w. hängt dann von der innern Vollkommenheit der Sehwerkzeuge ab. die bei Ihren REiCHEXBACii'schen Fernrohren sehr gross scheint. Dass übrigens auch die altern Astronomen oft sehr gute Fernrohre in ihrer Art hatten, lässt sich aus ihren Beobb. schliessen. Cassi>-i sah mit seinem 34füssigen zuweilen alle 5 Saturntrabanten, während ich mit meinem Dollond auch bei dem heitersten Wetter und den günstigsten Umständen nie mehr wie 3 habe erblicken können.

Die Aufsuchung des ENCKE'schen Kometen im künftigen Jahr^) wird besonders die Lichtstärke unserer Seliwerkzeuge in Anspruch nehmen. Im Frühjahr 1822 scheint es mir gar nicht möglich, den Kometen zu finden, sein niedriger Stand in der Abendröthe macht dies bei seiner grossen Lichtschwäche unmöglich. Aber im Dec. und Jan. ist eher daran zu denken. Wenn der Komet hoch am Himmel in der Nähe des Sterns Algenih im Pegasus steht, dürfte es eher möglich sein. Ich habe deswegen Encke gebeten, doch auch für diese Monate eine Fphemeride

*) Im Juui 1822 vou J. Dunlop zu ]\iraiiiatta wieder aufgefunden. Vergl. Oi,BEKS Brief v. G. Febr. u. 20. Dec. 1823. Krni.

OHiiTs an (iaiiss. [r.ii-mcn, 18'2U liald ii.m ii >.|,t,-ni])or 18.j 37

ZU Itcrecliiit'ii. Ks wird allrs (lai;inf aiikniniiicii. t>li der eine Faktor der

Lichtstärke (r =- Abstand drs Komretenl von der Sonne), den wir r-

leider dnrcli kt'in o]>tisclies Werkzeug vergi-össern können, die Helliv:- keit. noch p-rnss aenng- bleibt, ihn von dem nie ganz dunkeln Hinnnels- grunde zu unterscheiden. Seine scheinbare Grösse wird inuiier hin- reichend gross sein, da sie noch im Dec. 1821 über 30" beträgt. Er ist im Jan. 1821 etwa Gmal kleiner, aber auch 3 mal blasser, als er am 27. Xov. 1818 bei seiner Entdeckung durch Pons war.

Mit Recht fragen Sie bei der ÜASsiNfschen Beob. der Bedeckung von ;• Virginis, ob diese Beob. gut und vollständig und von Struyck richtig berechnet sei? P^rsteres kann ich bejahen, allein auf letzteres mus^? ich nun bestimmt nein sagen. Wenn es Sie, lieber Gauss, nicht zu sehr langweilt, so möchte ich etw'as umständlicher über diesen Stern sein. Ich kenne nur 3 Bedeckungen, die so beobachtet wurden, dass man auf beide Sterne Rücksicht nahm.

1) die erste und wichtigste von Cassini d. 20. Apr. 1820.^) C[assini] bemerkt vorher, dass dieser Stern durch ein Fernrohr von 1 1 Fuss nur länglich erscheine, mit einem von 16 Fuss sonderten sich aber beide Sterne deutlich von einander ab, und es blieb ein Raum zwischen beiden, der einem scheinbaren Durchmesser der Sterne gleich war.

p:intritt von y"- 12»' 25'" lA' y- 25 44

Austritt von beiden

zugleich 12'' 51'" 16*

Dies wird ivahre Zeit sein, in der damals alle Beobb. angegeben wurden. Um 12'* 51'" 16^ wurde man beider Sterne zugleich gewahi-, und sie standen dem Mondrand parallel.

2) Die zweite von Messiek mit einem 30 zölligen Teleskop, das 104 mal vergrösserte.

1762 wahre Zeit Apr. 7. 6'' 56'" 19*^- Immers. y'^

6 56 25 2 y-

7 34 14 i Emers. y^

7 34 22 i f

Les quatre moments, fügt Messier hinzu, ont ete observes avec tout le soin imaginable.

3) Auch von Messier, aber unvollständig mit einem Achromat, 40 Zoll Brennweite 150 mal vergrössernd. Ce grossissement etait

^) Schreibfehler, niuss 1720 lieissen. Krui.

38 Olbers an Gauss. [Bremen, 1820 bald nach September 18.]

necessaire, pour pouvoir apercevoir la Separation de deux etoiles. qui n'en forment qu'une avec un grossissement moindre, comme de 30 k 40. 1775 Aug. 1. 8'' 3'» 52n Immers. 7^ 8 4 Ol ,, y-

Die Austritte konnten natürlicli nicht beobachtet werden.

Ich traute der mir sonst bekannten Genauigkeit und Zuverlässig- keit Struyck's zu viel. Auf Ihre Veranlassung habe ich die Stelle bei Ste[uyck] näher angesehen, und da ergab sich 1) dass Ste[uyck] die Bedeckung gar nicht berechnet, sondern sich mit einer Schätzung be- gnügt haben muss. Dies folgt schon daraus, dass Str[uyck] die Be- deckung in der Nacht vom 21. auf den 22. Apr. vorgehen lässt. Frei- lich kann man Cassini, der seine Beob., ich möchte sagen, etwas vor- nehm erzählt, leicht so verstehen; aber ein kleiner Ueberschlag in Vergleichung mit der zugleich angegebenen Zeit des Vollmondes zeigt doch gleich, dass es die Nacht vom 20. auf den 21. Api-. war; 2) dass Str[uyck] selbst aus den von ihm angenommenen, nicht berechneten Umständen den Abstand beider Sterne nicht kleiner als 4i", sondern grösser als 8" hätte finden müssen.

Es wird also sehr Avahrscheinlich, dass wirklich, wie Sie und Stkuve vermutheten, die Distanz dieser Sterne ehemals grösser war als jetzt, aber es bleibt doch noch immer zu bewundern, dass Bradley und Maytir mit den Fernrohren ihrer Quadranten den Stern als doppelt erkannten. So bald ich Zeit gewinne, werde ich die CASsixi'sche Beob. berechnen. Sie muss sowohl den Abstand als den Positionswinkel beider Sterne sehr genau geben.

Bei Struyck muss ich. wieder erwähnen, dass Hr. v. Zach in seiner Corr. Ästr. Okt. 1819 p. 411 seq. abermals des Breitern über die Be- deckung des Jupiter am 23. Nov. 755 sich auslässt, und die Entdeckung, dass dies nicht Aldeharan gewesen sei, Lambert zuschreibt. Er hatte diesen Irrthum schon einmal in seiner MonaÜ. Korrespondenz begangen; ich zeigte ihm in einem Briefe, den er auch damals abdrucken liess.M umständlich an, dass Struyck schon 35 Jahr vor Lambert dies völlig ausgemacht und berechnet habe. Dies hat Hr. v. Zach völlig vergessen, und thut doch, als ob er Struyck's Schriften (p. 412) gelesen habe, so wie Lambert, der auch gewiss Struyck nicht in Händen hatte, sondern seine STRUYCK'schen Finsternisse in den Berliner astronomischen Tafeln aus Ferguson genommen hat. FERiiUSON's Auszug aus Struyck muss unvollständig sein, und so hatte immer einer den andern ausgeschrieben und sich auf den andern verlassen.

Warum erfahren wir iiiclits melir von der neuen Sternwarte a la

1) Vergl. Bd. I, No. 148, S. r.04. Scli

(niuss an Olber?;. Alt.jjia, 1820 Oktober 4. 39

Marita bei Liicca? Hat sich iiocli kein Direktor derselben frefunden? Wie mag- es jetzt mit der Sternwarte auf dem lierolds- Berge bei Ofen aussehen?

Bei (leleofenheit der letzten Sonnentinsterniss habe ich mich wieder x'lii' anirfnehm iiberzeujrt, wie genau meine Sternverschwindungen hinter (Ifiii Thnrin der Donikirche die Zeitberichtigung geben. Natürlich wurde ditsnml lue Ihr ilinvli korrespondirende Sonnenhöhen, an zwei Tagen genommen, berichtii^r Aber die aus den Verschwindungen abgeleitete riirverbesserung tiel zwischen die beiden, sehr wenig verschiedenen Werthe. die die beiden Reihen der korrespondirendeu Sonnenhöhen gaben. Das Azimuth der vertikalen Seite des Thurmes habe ich schon vor 20 Jahren sehr genau bestimmt, und nun finde ich sogleich den Stundenwinkel t eines verschwindenden Stei-ns durch die sehr bequeme Fdrmel:

log cos (t •S(f 19' 34") = log Konst. + log fang deck Ich kann also jeden Augenblick meine Uhr bis auf P berichtigen.

Sehr neugierig bin ich, von Ihnen zu erfahren, wie Ihre jetzigen Operationen bei der Basismessung vorschreiten, auch wie weit Hr. Prof. ScHi'MACHEK. deui icli mich wie Hrn. Repsold zu empfehlen bitte, in dieser ( 'ampagne mit der Gradmessung gekommen ist. Von EpAUiLY höre ich nun, nach 8 Wochen, noch nichts.

Sehr freue ich mich, dass der treffliche Encke seine Störungs- rechnungen über seinen Kometen^) glücklich beendigt hat. Das nächste Perihel 1822 Mai 24 scheint mir bis auf etwa 12 oder 18 Stunden sicher bestimmt. Dass die Umlaufszeit näfch und nach etwas kürzer zu werden scheint, ist der Voraussetzung, die Kometen möchten doch wohl einigen Widerstand bei ihrer Bewegung im Weltraum erleiden, zwar günstig, doch lässt sich natürlich noch nichts Gewisses darüber sagen. Der Name des PoNs'schen Kometen, den Prof. Encke diesem merkwürdigen Weltkörper beilegt, will mir aus mehreren Gründen nicht gefallen, so sehr ich Pons' Verdienste um die Kometen- Astronomie auch schätze.

Verzeihen Sie die Gehaltlosigkeit dieses Briefes.

No. 394. Gauss an Olbers.') [179

Altona, 1820 Oktober 4. Durch Ihre beiden Briefe, der eine vom 17. Sept., der andere ohne Datum, haben Sie mich sehr erfreut. Ihre Beob. der Sonnen-

^) Komet Eucke 1819 I. Vergl. Brief Xo. 385 an Gauss. Krm. ■-) Dieser Brief ist in deutschen Lettern e-eschrieben. Krm.

40 Gauss an Olbers. Altona, 1820 Oktober 4.

finsterniss habe ich Hrn. Rümker übergeben, der sie bereclniet hat und mit der Berechnung- von andern, z. B. der Mannheimer, noch jetzt beschäftigt ist. Bessel hat mir die Reduktionen der Beobb. von 13 Zenithaisternen mitgetheilt, die den T'nterscliied zwischen (iöttingen und Königsberg so geben:

0 Draconis 3'^11'2".67

2 Cephei H 2,83

48 Draconis 3,73^)

53 Draconis 3,47

33 Cygni 4,51 1)

49 Draconis 3,62

c Draconis 3,12 ^j

51 Draconis 3,43

X Cygni 3,90

20 Cygni 4,04

i Cygni 4,22

c Cygni praec 3,69

0 Cygni 4,20

Mittel 3«11'3",65^

Bessel sagt, diese Uebereinstimmung sei weit geringer, als er er- wartet habe. Ich weiss nicht, ob diese Erwartung bei nichtwieder- holenden Kreisen von 17J^ Zoll Radius nicht etwas unbillig war. und gestehe gern, dass ich mit dieser Uebereinstimmung ganz zufrieden bin. Anders verhält es sich aber mit d5r Vergleich ung dieses Endresultates mit den Polhöhen, wie wir sie sonst annahmen. Ich setze meine 51«31'48",7, woraus die von Königsberg = 540 42'52",3 folgt, wofür Bessel nur 54*^ 42' 50",6 annimmt. Sehr neugierig bin ich auf die Resultate der Beobb. mit dem Sektor, allein von Schumacher's Beobb. ist noc]i gar nichts reducirt.

Sie werden sich vielleicht wundern, wenn ich Ihnen sage, dass die Basismessung noch gar nicht angefangen ist. Ich glaubte bei meiner Ankunft hierselbst, dass auf der Stelle Avürde angefangen wer- den können, allein mit der Vollendung des Apparats hat es sich bis jetzt verzögert. Es ist vielleicht ganz gut für mich, dass ich einmal das Unangenehme von unzulänglicher Beschäftigung kennen leruf. um mich weniger zu beschweren, wenn ich. wie oft bisher zu Hause, unter ?u vieler Arbeit litt. Aber darum thut mir diese Verzögerun»- vielfach

') In einem Briefe von Besskl an Gauss (Briefwechsel No. 123) findet sieh da- gegen 3",72, 2",89, 3",10, 3",b2. Im Mittel stimmen beide mit den zugehörigen Zahlen. Seh.

(iaiiss au Olbers. Altuua, 1820 Oktober 4. 41

leid, Weil ich. halte ich sie voraussehen können, so gern erst einige Zeit bei Ihnen zugebracht hätte. Nunmehr werde ich mich, da so manches mich nach Güttingen dringend zurückruft, darauf beschränken müssen, dem Anfange der Basismessung beizuwohnen, die hoffentlich Ende dieser Woche wird anfangen können.

Einen Versuch haben wir doch in dieser Zeit hier gemacht (nach- dem einige andere wegen des Wetters missglückt -waren), der ein iuter- es.santes "Resultat gegeben hat. Die angezündeten ARGAXu'schen Lampen mit Heverberes sind hfi Tage in einer Entfernung von 3.1 Meilen sehr sch("»n zu sehen. Gegenwärtig sind wir an einem neuen Versuche; morgen wird eine solche Lampe in Lübeck aufgestellt, und es ist mir nicht unwahrscheinlich, dass. wenn sonst das A\'etter günstig ist, wir auch diese auf dem Michaelisthurm in Hamburg bei Tage werden sehen können, obgleich die Entfernung über 8 Meilen beträgt. Bestätigt sich dies, so hätte ich grosse Lust, bei meiner ganzen künftigen Triangu- lation keine andern Signale als solche Lampen bei Tage zu gebrauchen. Sie geben allemal weit bessere Zielpunkte ab als die Signalthürme; mit dem nächtlichen Gebrauche sind aber theils grosse Unbe(iuenilich- keiten verknüpft, theils würde auch die Fadenbeleuclitung Schwierig- keiten machen.

Die Art. wie Hr. v. Zach sich in dem Jan.-Hefte seiner Zeitschrift o-egen die Franzosen verantwortet, ist doch wohl sehr zu missbilligen. ScHUMAcHEE ist mit dem 3Iissbrauclie seiner Briefe und der für das Publikum nicht bestimmten Mittheilungen sehr unzufrieden, um so mehr, da Z. manches so gestellt hat. dass es ganz falsch verstanden werden muss.

Ihre Mittheilungen zur Vergleichung der älteren und neueren Fern- rohre waren mir sehr interessant; nur ist mir nicht völlig klar, weshalb die Lichtstärke der Fernrohre für kurzsichtige Augen grösser ist, als für weitsichtige. Die Lichtstärke, Avie sie bei Fernrohren statt hat, schien mir, vorausgesetzt dass die Fernrohre wenigstens so starke Vergrösse- rung haben, dass das Bild des Objektivs gewiss immer kleiner ist als der Augenstern, für alle Augen dieselbe, während eher die Lichtstärke für das unbewaffnete kurzsichtige Auge mir grösser däuchte, Aveil diese gewöhnlich eine grössere Pupille haben; wenigstens ist dies bei meinen Augen sehr der Fall. Wäre diese Ansicht richtig (was sie ohne Zweifel nicht ist), so gewänne der Kurzsichtige beim (lebrauch des- selben Fernrohrs weniger als der ^^'eitsichtige. Sie werden mich, theuerster Olbees. durch eine nähere gütige Belehrung sehr verbinden.

42 Olbers an Gauss. Bremen, 1820 Oktober 6.

No. 395. Olbers an Gauss. [216

Bremen. 1820 Oktober 0.

Es ist mir liüclist schmerzlich, wenn ich die Hoffnung, Sie dies Jahr hier zu sehen, ganz aufgeben soll! Sie hätten dann auch unseren Treviranus selbst sehen und sprechen können, den ich noch immer für ein sehr nützliches Glied unter Ihren künftigen Gehülfen bei der Grad- messung halten möchte. Wie brauchbar würde er z. B. bei P'ertigung eines Apparats zur Basismessung seini

Sehr danke ich Ihnen für die ]\Iittheilung der Unterschiede der Polhöhen von Göttingen und Königsberg nach den 13 Sternen. Ich Degi'eife nicht, wie Bessel die Uebereinstiramung unter den verschie- denen Resultaten weit grösser erwarten konnte. Meine Erwartung ist übertroffen; keiner der Unterschiede weicht eine ganze Sekunde vom ^Mittel ab, und dies Mittel aus allen muss also einen grossen Grad von Genauigkeit haben. Nun bin ich sehr neugierig, die Vergleichung der- selben Zenithdistanzen mit Pond's seinen zu sehen und zu erfahren, was diese in Ansehung der Unterschiede der Polhöhen von Greenwich und Göttingen und Königsberg geben wird. Ungern vermisse ich dess- wegen y Draconls unter den verglichenen Sternen, da dieser in Green- wich so oft mit dem Zenithsektor beobachtet ist. Ich denke, eine solche Vergleichung der Polhöhen muss in der praktischen Astronomie noch viel aufklären.

Sehr verwundert hat es mich, dass eine ARGAXD'sche Lampe hn Tage in einer solchen Entfernung gesehen werden kann, ^^'elche Fern- rohre haben Sie dabei gebraucht? AMrd dies denn auch durch die Fernrohre der Theodolithen möglich sein? Ich bitte sehr, lieber Gauss, sagen Sie mir doch, ob der Versuch mit Lübeck geglückt ist. Die Witterung muss ihn, wenn sie dort so ist wie hier, sehr begünstigt haben.

Das Jan. -Heft der Correfip. astrott. ist mir noch nicht zu Gesicht gekommen. Aber überhaupt, unter uns gesagt, schwatzt und schwa- dronirt mir der Hr. Baron v. Zach doch nachgerade ein wenig zu viel, und man fühlt unangenehm, dass so manches bloss gesagt wird, um den Bogen zu füllen. Nach dem, was Sie mir über Schumachek's Klagen sagen, wird sich künftig jeder scheuen, Zach etwas mitzutheilen. Auch BuRCKHARDT in Paris wusste mir nicht genug zu sagen, welchen bittern Verdruss ihm Zach's Indiskretion in Bekanntmachung von Briefen verursacht habe. Dies war auch die Ursache ilirer fortdauernden l'n- einigkeit.

Sie haben ganz Recht, theuerstei- Gavss, wenn die Oeftuung der

Olbers an Gau->. linnuii. 1S20 Oktoinr ti. 43

Pupille bei kurzsichtigen Augen grösser ist, als bei weitsichtigen, so niuss diesen vielmehr die Lichtstärke der Fernrohre verhältnissmiissig kleiner erscheinen. Aber in den kurzsichtigen Augen, die ich näher zu untersuchen Anlass hatte, war die Pupille bei gleichem Lichte kleiner, und ich schloss daraus, dass diese für das Licht empfindlicher sind, als weitsichtige. Ueberliaupt ist es schwer, auch nur cinigermaassen zu bestimmen, wie weit sich die Pupille bei dunkler Nacht öflfnet, da man sie dann gerade nicht sehen kann. Herschel nimmt dafür 0,2 eines englischen Zolls = 2,25 Pariser Linien an. und glaubt so recht viel anzunehmen, um. wie er sagt, die ^\'irkung seiner Teleskope nicht zu überschätzen. Aber er hat sie viel zu klein genommen. In meinem Auge ist die ganze Breite der Iris = 4,9 Par. Lin., und bei massigem Tageslicht war noch die Oeft'nung der Pupille = 2,7 Lin., wenn sich das Auge auf entfernte Gegenstände einrichtete. Lambert fand seine Iris 4,7 Par. Lin. breit, und nach seiner Messung, die ich freilich nicht für ganz genau halten kann, war seine Pupille 3,1 Linien im Durch- messer, wie er in einem verdunkelten Zimmer ein Objekt betrachtete, das 8 bis 10 mal mehr Lichtstärke hatte als der Vollmond. Ich habe also bei meinen Berechnungen der verschiedenen Lichtstärke der Fern- rohre wolil noch eher zu wenig als zu viel angenommen, wenn ich den hurchmesser der Pupille, d, bei Nacht = 3 Pariser Linien setze. Herschel zieht die Quadratwurzel aus der Lichtstärke der Fernrohi'e, und nennt diese die raumdurchdringende Kraft derselben, die er wohl von der Vergrösserung zu unterscheiden ei'innert. Ich finde es weit natürlicher unter den beiden Faktoren der Lichtstärke, der Helligkeit und der Vergrösserung, deren Produkt für jedes Fernrohr konstant ist, wohl zu unterscheiden. Dadurch wird man in den Stand gesetzt, alle die Erscheinungen, die Herschel bei seinen Teleskopen wahrgenommen hat, so wie andere Erfahrungen, die ich selbst gehabt habe, leicht und befriedigend zu erklären.

So kinderleicht dieser Theil von der Theorie des Sehens durch Fernrohre auch ist, so herrschen doch bei Astronomen, weil sie nie darüber nachgedacht haben, noch oft Vorurtheile über die Wirkung optischer \\'erkzeuge, die hauptsächlich aus Verwechselung der J^egritfe von Helligkeit und Lichtstärke herrühren.

Sie würden mir einen Gefallen erzeigen, lieber Gauss, Avenn Sie mal gelegentlich den Durchmesser Ihrer Iris und Ihrer Pupille bei massigem Tageslicht bestimmen wollten. Sollten Sie eine solche Messung vor dem Spiegel anstellen, so raüsste die Distanz des Auges vom Spiegel wohl zugleich mit bestimmt werden.

Bei den schönen Abenden, die wir jetzt haben, ist mir wieder der noch nirgends erwähnte Sternhaufen in der Wade des Wassermanns

44 Gauss an Olber.s. Göttingen, 1>^20 Deceinber 3.

aufgefallen, der im Kometensucher einen ausgebreiteten .schwachen Nebel- fleck von unregelmässiger Figur vorstellt. Er ist nur bei sehr heiterm Wetter zu bemerken. Die Mitte hat etwa 334'^ 50' ^ und 21'M0' südliche Dekl.

Ich bitte um viele Empfehlungen an Hrn. Prof. Schumachek und Eepsold und wünsche viel Glück zu der Basismessung.

No. 396. Gauss an Olbers. [iso

Göttingen, 1820 December 3.

Verzeihen Sie mir, dass ich, obgleich schon über einen Monat von meiner Reise zurück, Ihnen noch gar kein Lebenszeichen gegeben habe. Immer hoffte ich von einem Tage zum andern, Ihnen über mehreres meine Gradmessung betreifend etwas ganz Bestimmtes schreiben zu können. Aber leider ist bisher meine Hoffnung getäuscht. Es geht mir beinahe mit allen darauf Bezug habenden Sachen ganz konträr. 1) Bei Reichenbach hatte ich schon Anfang Aug. einen Theodolithen bestellt. Mündlich hat mir Struve gesagt, Reichenbach wolle mir diesen Theodolithen auf das Frühjahr liefern. Von Altena aus, wohin Schumacher sein Universalinstrument (vulgo Stutzschwanz) von Kopen- hagen kommen zu lassen die (Gefälligkeit hatte (da ich nie ein solches Instrument, das besonders für Azimuthalbestimmungen sehr brauchbar ist [gesehen]), schrieb ich im Anfang Okt. zum 2. Male, bat dringend um Antwort wegen des Theodolithen und bestellte zugleich ein solches Univ.-Instr., dergleichen, wie ich gehört hatte, 2 schon beinahe vollendet waren. Aber immer keine Antwort. Freilich weiss ich aus Erfahrung, dass die Künstler ungern schreiben. Ich habe mich deswegen an Hrn. Soldner gewandt, bittend mir eine Nachricht zu geben, wie es mit jenen Instrumenten stehe, auch von dem noch keine Antwort, obsehon 3 ^^'ochen seitdem verflossen sind. 2) Da Sie von Epailly wegen der Dreiecke keine Antwort erhalten, so habe ich mich deshalb an La Place gewandt und ihn dringend um seine Vermittlung gebeten; allein obgleich es auch schon fast 4 AVochen sind, noch keine Antwort. 3) Repsglp hatte mir versprochen, so bald er nach Hamburg zurückkäme, mir eine Lampe mit Reverbere zu schicken, indem ich noch in diesem A\"inter mehreri' Versuche damit zu machen wünschte, deren Erfolg auf mt^inen ( »perations- plan viel Einfluss haben wird. Allein, obgleich icli ihn durch Schu- macher noch einmal habe erinnern lassen, bis diese Stumle weder Urief

Gauss an Olbirs. ijüttinücn, ISl'O Deciiiiber 3. 45

noch Lampe! Verzeilien Sie, bester Olbers, meine langweiligen Klagen. Aber ich gestehe Ihnen, dass dieser schlechte Anfang meines Geschäfts in Kücksicht anf solche L'mstände, wobei ich gam von andern Menschm (ihhf'mgig hin, iiiicli /iiwcilen missmnthig macht, inul zuweilen einen leisen Zweifel anfkomnien lässt. ob ich nicht besser gethan hätte, mich gar nicht einzulassen.

Bei allen diesen' Widerwärtigkeiten ist mir doch endlich, obgleich auch nach tausendfacher Mühe und Verdriesslichkeit, eines gelungen, was auch selbst mit meiner (^radmessung in einigem Zusammenhange steht, Sie wissen, wie ungeschickt der Platz für meine Sternwarte in Rücksicht auf ein wesentliches Bedürfniss ausgewählt war. Der Meridian geht im Norden fast eine Viertelmeile weit dui-ch Obstgärten, und in den meisten derselben stehen Gartenhäuser. Es blieb ungewiss, ob nicht. wenn auch alle Bäume weggenommen wären, doch die Gebäude die ^löglichkeit das hinterliegende Land zu sehen aufhöben, so lange nicht von der ganzen Gegend eine genaue Aufnahme gemacht war, da von hier aus schon die zwei ersten Gärten selbst im Winter, wo die Bäume entlaubt sind, alle weitere Aussicht versperrten. Ebenso war es nicht möglich, im voraus die Anzahl der wegzunehmenden Bäume auch nur näherungsAveise zu schätzen, und noch weniger die Kosten, da keine durchgreifenden Mittel angewandt werden durften, sondern alles durch gütliche Uebereinkunft abgethan werden musste, wobei man sich auf die unverschämtesten P'orderungen gefasst machen musste. Einer meiner Zuhörer und hiesiger Privatdocent der praktischen Geometrie erfreute mich bei meiner Zurückkunft mit einem Plane dieses Theils der LTm- gebungen der Stadt, woraus hervorging, dass nur 3 Gebäude in oder nahe bei dem einen Meridiandurchschnitt lagen. Ich überzeugte mich bald nachher, dass nur eines dieser Gebäude wirklich von dem Meridian getroffen wurde. Durch einige Operationen fand ich, dass das hinter- liegende Land von dem Platz der Merid.-Instr. aus sich fast in der- selben Höhe oder i Min. tiefer als die First dieses Gebäudes zeigen musste, wenn die übrigen Hindernisse weggeräumt waren. Diese Be- stimmung Involvirte aber eine Fngewissheit von wenigstens 2 Minuten. Inzwischen hoffend, dass im schlimmsten Fall entweder durch eine be- deutende Höhe des Meridianzeichens oder durch Abänderung des Daches des Gebäudes zu helfen sein würde, griff ich ans AVei'k und nachdem der ganze Nov. mit höchst verdriesslichen Unterhandlungen, Antreiben etc. hingegangen, habe ich endlich seit gestern das Vergnügen, am Reichen- BACH'schen M[ittags]-F[ernrohr] und M[eridian]-K[reis] Land zu sehen! Der Zufall ist dabei noch günstig gewesen. Die ^Mittagslinie geht näm- lich nicht über die oberste First des Gebäudes, sondern etwas seitwärts über den schrägen Abhang, so dass im Meridianpunkte das Terrain

46 Gauss an Olbers. Güttingeu. 1820 December 3.

Form gebe: tl Der helle Zwischenraum, der etwa 11" breit erscheinen

noch fast 2 Minuten höher als das Dach erscheint.') Noch im Lauf dieser Woche hotte ich mein Interimszeichen zu setzen, dem ich diese

n

wird, soll durch den Meridianfaden bisecirt werden; der Querriegel wird zwischen die beiden horizontalen Fäden des Kreisnetzes gefasst. Der Fuss des Zeichens erscheint 41' hoch, also leider bleibt « Lyrae in ihrer untern Kulmination einige Minuten unter demselben; nach ein paar hundert Jahren werden meine Nachfolger das Vergnügen haben, sie nach und nach auftauchen zu sehen. Das Terrain ist ein Hügel etwas NO von Weende sehr nahe 5000 Meter von der Sternwarte ent- fernt, und das Signal projicirt sich gegen den Himmel.

Das wäre nun der Nord-Durchschnitt. Im Süden werde ich künftig auch noch durch die vorliegenden Obstbäume durchzudringen suchen. Aber das Terrain ist dann viel ungünstiger. In einer Entfernung von etwa 14 Meilen ist der Horizont durch einen dichtbewaldeten Berg begrenzt. Hier durchzuhauen (zumal da es Privatwaldung ist) würde die grössten Schwierigkeiten haben; auch ist die Entfernung für das deutliche Sehen (wegen der fast immer beschwerlichen Dünste in der Luft) schon zu gross; näher aber wird das Signal sich nicht gegen den Himmel projiciren. Doch werde ich wohl das Letztere wählen und es nicht sowohl zur Berichtigung der Instrumente anwenden, als dazu, damit ich bei meiner Gradmessung eine längere und schicklichere Linie habe, deren Azimuth aufs Genaueste bekannt ist. Freilich wäre es sehr wünschenswerth, wenn der zweite Spalt für den KEPsoLü'schen Kreis ebenso frei gemacht würde, so dass sich am Ende die Orientirung auf 3 ganz verschiedene Instrumente gründete, allein mich graut, ein so höchst verdriessliches Geschäft zum zweiten Male durchzumachen, zumal da ich meist mit denselben Eigenthümern zu thun haben würde, die vermuthlich das zweite Mal noch halsstarriger und unverschämter sein würden, es sei denn, dass man mir von Hannover aus die Mittel gebe, jene nöthigen Falls durch obrigkeitliche Hülfe zur Willfährigkeit zu zwingen, oder auch, dass man mich autorisire, die Sache ohne alle Rücksicht auf die Grösse der Kosten durchzusetzen.

Jetzt noch ein paar Worte über einen andern Gegenstand. Das Nachdenken über den Gebrauch der Lampensignale bei Tage, anstatt der Signalthürme hat mich noch auf eine andere Idee gebracht, von der, wenn auch nicht allgemein, doch in einzelnen Fällen ein Gebrauch und vielleicht ein seJir vort heilhafter Gebrauch gemacht werden könnte.

') Die Abbildung- von der Lage des betr. Hauses zur Mittag-slinie befindet sich im Briefwechsel zwischen Gaiss und Bessel S. 370 und ist daher hier torto:elasseu. Seh.

Gauss an (tllu-r>. (iiittiiii:i-ii. l>Ju l»t,-ci-iiiber 3. 47

Krste Veranlassung gnh dazu die P^rinneiung an eine Erfahiuno:, die ich 1818 in Liinebur«- machte, wo ich in der Entfernung: von 6 Meilen das zufällig von einem [Sonnenstrahl getroffene] M Fenster des obersten Kabinets im Michaelisthurm in Hamburg als einen überaus glänzenden liichtpunkt sah. Kin Kc^chnungsüberschlag lässt mich hoffen, dass von tMUtui gut gearbeitett^n' und hinreichend genau gerichteten PlanspiegeJ Von einem ZollDurchmesser das reflektirte Sonnenlicht, insofern es nicht gar zu schief aufgefallen, in einer solchen Entfernung von 6 ereilen und selbst in viel grössern durch Fernrohre, wie sie an den Theodülithen gebraucht werden, noch immer sehr schön zu sehen sein müsste. Nichts hindert ja aber auch, die Spiegel, wenn es nöthig ist, noch grösser zu nehmen. Ein Fehler von 5' in Eichtung. oder genau genommen einer, der nicht grösser ist als | Sonnendurchmesser, hindert die Brauchbar- keit noch gar nicht, ich habe daher über eine Maschine nachgesonnen, wodurch die Stellung des Spiegels überall leicht erhalten und bei ge- höriger Achtsamkeit auch unterhalten werden kann ohne Uhrwerk und Weltaxe, kurz eine Art von portativem Heliostat. Mir däucht, die Gestalt, auf die ich nach mehi-eren Umänderungen gekommen bin, ist wohl die einfachste. Sie gründet sich darauf, dass, wenn ein Spiegel die Sonnenstrahlen nach einer vorgeschriebenen Eichtung reflektiren SHJl, seine Fläche auf der Basis eines gleichschenkligen Dreiecks senk- recht sein muss, während die Eichtung der einen Seite nach der Sonne, die der andern nach dem zu erleuchtenden Objekt gekehrt ist (die beiden Seiten in entgegengesetzter Eichtung verstanden, d, i. die eine von der Spitze des Dreiecks nach der Basis, die andere von der Basis nach der Spitze). Beiliegende Zeichnung-) wird dies wohl hinlänglich erklären. Haben Sie doch die Güte mir Hire Meinung darüber zu sagen und auch Hrn. Teevibanus deswegen zu befragen, der vielleicht noch vortheilhaftere Abänderungen ersinnt, ihn auch zu fragen, für welchen Preis ungefähr eine solche Maschine geliefert werden könnte. Ich möchte wohl erst eine zur Probe machen lassen; zeigte sie sich brauchbar, so würdeich aber wenigstens 2 oder 3 haben müssen. Die Dimensionen brauchten nicht gross zu sein, wenn die Arbeit recht akkurat wäre. Ich meine, ein Fernrohr von etwa 9 Zoll wäre hinreichend. Der Spiegel und das

^) In das Beobachtuugsjouriial hat Gauss bei der 3Iessuug des Winkels Ham- burg-Hohenhorn eingetragen: „Hamburg schlecht zu sehen; das westliche von der Sonne beleuchtete Fenster genirte das Pointiren." Später hat er hinzugefügt: „NB. Diese Erfahrung ist die erste Veranlassung zu der im Herbst 1820 gemachten Erfindung des Heliotrops gewesen." Genaueres hierüber findet sich in Gauss' "Werken Bd. IX, S. 461—484. Krni.

-) Die Zeichnung ist von Olbers zurückgeschickt worden un<l nielit mehr vor- handen. Seh.

4g Olbers an Gauss. Bremen. 1820 December 9.

Fadenkreuz des Fernrohrs müssten wohl jedes 2 Korrektionen liaben. damit man nicht zu sehr von der vollkommenen Ausführung des Künstlers abliinge.

Aus den oben angeführten Umständen sehen Sie. theuerster Freund, dass ich in diesem Augenblick die Zeit des Anfangs der Operationen noch nicht ganz genau und ebenso wenig meinen Operationsplan fest- setzen, daher auch meine Gehülfen noch nicht ganz bestimmt engagiren kann. Vielleicht erhalte ich aber doch endlich bald die ersehnte Aus- kunft. Ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich nach dem Zeugniss, welches Sie Hrn. Tkeviranus geben, sehr gern diesen als Gehülfen haben möchte. Halb und halb habe ich auch schon dem Artillerie-Kapitän Müller in Hannovei- (nicht dem Verfertiger der Karte von H[aunoverl, sondern einem andern, der ehemals mein Zuhörer gewesen ist) das Ver- sprechen gegeben, ihn zu employiren. In Rücksicht auf Hrn. Tr[e\t:ranus] würde man mir in Hannover auch keine Schwierigkeiten machen. Hätten Sie wohl nicht die Güte mir anzuzeigen, welche Bedingungen Sie, in- sofern er Neigung dazu hat, für angemessen hielten? Mehrere Rück- sichten sind freilich zu nehmen. Für die ganze Operation rechnet man etwa 1500 Pfd. Sterling, (unter uns gesagt) welche Summe ich ilem Grafen Münster angezeigt hatte, und die Kosten würden daher, wenn auch vielleicht etwas, doch nicht viel über diese Grenze hinausgehen dürfen. Auch müssten die Diäten doch in einigem Verhältniss stehen. Die Kapitänsdiäten bei uns sind, wie ich höre. 2 Rthlr. (Lieutenants- diäten nur 1 Rthlr.), wozu, wenn ich nicht irre, noch 8 Gr. Quartier- geld kommen. Schumacher's Gehülfen Zahrtmann, Xehus und v. Hoxx- HAUSEN haben jeder 1\ Species oder etwa 2{ Thaler. Konv.-G. Caroc hat zwar jetzt beträchtlich mehr, aber dieser leistet auch ausserordent- lich viel, so dass Schumacher sich ganz auf ihn verlassen und alles durch ihn ausführen lassen kann, wie er z. B. einen Theil des Dreiecks- netzes, die Beobb. mit dem Zenithsektor u. s. w. ganz allein gemacht hat. Erzeigen Sie mir die Freundschaft, theuerster Olbers, mir Ihre Meinung unverhohlen zu sagen. (Es versteht sich, dass die Transport- kosten besonders berechnet werden.)

P. S. Die beiliegende Zeichnung erbitte ich mir demnächst Avieder zurück, da ich eventualiter darüber auch noch einen andern Künstler um Rath fragen kann.

No. 397. Olbers au Gauss. [n?

Bremen, 1S20 December 9. Hier zuerst die Zeichnung Ihres so sinnreich ausgedachten trag- baren Heliostats zurück. Treviranus hat sie gesehen, und. indem ich

olbcrs au «iau-s. r.i,-iii<ii. lt<20 licciinlicr 9. 4ij

ihm (las, was darauf I^ezu«;- liat, aus llireiu Hiiefe abo:escliriebpn halte, ilaiüber nachgeiladit. Gleich f?ab er, wie inieli dünkt, sehr richtip: an, die Theorie der Maschine beruhe auf dem l)ekannten g:eümetrischen .Satz, dass über derselben ("horde der ^^■inkel an der Peripherie halb so jrross sei. als am Zentrum. Ihre Kinrichtung- fand er durchaus zweck- mässig- und bewunderte die genaue ^'orschrift der Konstruktion. Als Künstler bemerkte er nur noch a) ob es nicht gerathen sei, das Okular- stück KI des Fernrohrs länger als den Schwanz des Spiegels ML zu machen, weil sonst in einigen Lagen des Fernrohrs jener Schwanz dem beobachtenden Auge hinderlich sein möchte. Diese Verlängerung des Fernrohrs \vürde gar nicht nachtheilig sein, da sie am Objektiv- ende H kontrabalancirt werden könnte, h) Ob es nicht vielleicht besser sei, die Hülse bei Q an den Schwanz des Spiegels und den Zapfen an AQ zu nehmen. Er meint, wegen der Form SS des Stückes AQ würde sonst der Zapfen zu kurz werden. 3) Das Schwanzstück ML würde der Künstler v\ohl lieber viereckig als rund machen. Es sei schwer, ein so langes, doch wohl höchstens \ Zoll dickes, Stück abzu- tlrehen, dass es völlig gerade bliebe. Die Kosten, meint er, Avürden nicht sehr gross sein. Er selbst könne sich aber nicht mit der Ferti- gung befassen, da er jetzt kein Atelier zu dergleichen Werkzeugen habe.

Zur Beantwortung meiner Anfrage, ob und unter welchen Be- «lingungen er als (^ehülfe bei der (Tradmessung assistiren wolle, hat er sich eine kleine Bedenkzeit erbeten, die ich ihm salva raüficatione auf hiicltstens 14 Tage zugestanden habe. Er äusserte, noch allerlei Auf- träge und Geschäfte zu haben, die er, wenn er die Stelle eines Gehülfeii annähme, theils zurückweisen, theils unterbrechen müsste. Lukrativ könne der Natur der Sache nach eine solche Gehülfenstelle nicht sein; wenn er sich dazu hingezogen fühle, so geschähe es theils aus Liebe zur Sache, theils in der Erwartung, dabei gelegentlich viel von Ihnen zu lernen, theils auch in der Hoffnung, dadurch der hannoverschen Re- girung bekannt zu werden, und, wenn er sich Ihre Gewogenheit er- worben habe, vielleicht durch Hire Empfehlung künftig einmal eine für ihn passende Anstellung bei irgend einem Maschinenwesen z. B. auf dem Harz bei Salinen und dergleichen zu erhalten. Gern hätte er vorher gewusst, wie lange das Messungs-Geschäft wohl wahrscheinlich dauern werde u. s. w. Sobald er sich bestimmt erklärt, werde ich Ihnen sogleich davon Nachricht geben.

Ich kann es mir lebhaft denken, wie unangenehm es Ihnen sein nmss, so lange auf die Antworten der schreibfaulen Künstler unter solchen Umständen warten zu müssen. Von Epailly ist durchaus nichts eingegangen, und ich verzweifle nun ganz daran, von ihm etwas zu hören und zu erhalten.

Olbors. II, 2. 4

50 Olbers an (rauss. Bremen, 1821 Januar 9.

An den Hrn. Geheimen Justiz-Rath Hoppenstedt faucli einen Ilirer ivarmen Verehrer) hatte ich dieser Tage (jelegenheit zu schreiben, und habe mii', welches Sie verzeihen werden, die Erlaubniss g-enommen, ihm die Triangulirung des ganzen Königreichs Hannover und die An- schliessung der hannoverschen Dreiecke an die KRAYENHorr'schen als wünschenswerth vorzustellen,

Schumacher scheint doch, wahrscheinlich auch oft von Künstlern aufgehalten, langsam vorzurücken. Dass noch gar keine Beobb. reducirt sind, mag den Vortheil haben, dass die neuen um so unbefangener an- gestellt werden, da man gar nicht vorher weiss, was man als überein- stimmend mit dem Vorigen finden sollte. Aber ich meine doch, die schon angefangene Reduktion würde viele andere vielleicht überwiegende Vortheile gewähren.

Vorgestern habe ich durch Dr. Albers an den Obermedicinalrath Blumenbach zwei Stücke von Nicholson's PhüosophicaJ Magmine zur Ansicht geschickt, worin ein sehr bitterer, aber merkwürdiger Auf- satz über den verewigten Banks enthalten ist. Banks wird darin als ein roher, adelsstolzer, herrschsüchtiger und rachgieriger Mann von sehr geringen Kenntnissen und weniger Bildung geschildert. So ein- seitig und partheiisch das Urtheil des ungenannten Verfassers (vielleicht Olinthus Gregory?) offenbar in vielen Stücken ist, so interressante Data werden doch über die innere Geschichte der Londoner Societät u. s. w. gegeben. Sehen Sie doch auch diese beiden Journal-Stücke einmal an, in welchen auch noch etwas über Dr. Kitchiner's neu erfundenem Fancratic Eye-Tuhe vorkommt. Wenn das, mir Unglaubliche, was von dieser Okularröhre gerühmt wird, wahr sein sollte, so müsste sich sehr angenehm damit beobachten lassen. Dass man durch Entfernung der beiden Gläser des zusammengesetzten Mikroskops, mit dem K[itchiner] das vom Objektiv formirte Bild betrachtet, von einander jede Ver- grösserung hervorbringen kann, ist mir begreiflich, aber es scheint mir. dass dadurch jeder Fehler des Bildes, der von der nicht ganz gehobenen Farbenzerstreuung, Abweichung der Figur u. s. w. herrührt, aucli stark vergrössert werden müsse.

Um die Post nicht zu versäumen, muss ich eiligst schliesseu.

No. 398. Olbers an Gauss. [21s

Bremen. ISJl Januar 9.

So eben war Teeviranüs bei mir, uml ich eile um so mehr, Ihnen seinen Entschluss mitzutheilen, ila dieser ahleJmend aus2:efallen ist. Er

Olbers an ("Jauss. Bremen, IS'll Jannar 9. 51

sagt mir, so grosse Lust er auch zur 'riuMlualiiue au der Gradmessuug habe, so viele Beleliruug er sieh auch davuu verspreclie, so habe er es doch nach reiflicher Ueberlegung uumr)glich gefunden, wegen mehrerer ihm aufgetragener und von ihm angenommener Maschinerie-Einrichtungen sich gegen die Zeit des wahrscheinlichen Anfangs Ihrer Campagne be- stimmt frei zu machen, und da er wohl wisse, dass er Sie nicht in l'ugewissheit erhalten dürfe, so sähe er sich ungern genöthigt, auf die ihm zugedachte Ehre ^'erzicht zu leisten. Er danke übrigens aufs Verptlichteste für das ihm bezeigte geneigte Zutrauen, und hoffe, Sie würden ihm Ihr ^^'ohlwollen deswegen nicht entziehen.

Es tliut mir leid, mein theurer Freund, dass Sie diesen gewiss brauchbaren (Tchülfen nicht erhalten, ob ich gleich nicht zweifle, dass Sie Gelegenheit genug finden werden, ihn wieder zu ersetzen. Sie werden sich indessen erinnern, dass ich immer einigen Zweifel geäussert habe, ob Tbevieanus eine Gehülfen-Stelle würde annehmen können.

Ich habe mit dem Anfange dieses Jahres nun wirklich alle meine ärztlichen Geschäfte niedergelegt. Ich fühlte in den letzten Wochen, dass es hohe Zeit war, diesen Entschluss auszuführen, da meine Kräfte wirklich immer mehr abnahmen, und mir das Gehen, besonders aber das Treppensteigen immer beschwerlicher wurde. Die nun erlangte Ruhe kommt mir wenigstens behaglicher vor, wenn ich gleich von der mir gewordenen Müsse noch nicht viel empfinde, da ich nun noch viele vorher versäumte Privatgeschäfte in Ordnung zu bringen habe.

Encke hat nun glücklich entdeckt und erwiesen, dass der verächt- liche d'Angos die Beobb. eines von ihm angeblich im Jahr 1784 ent- deckten Kometen aus vorher willkürlich angenommenen Elementen bloss berechnet, also völlig erdichtet habe. Mir war dies längst wahrschein- lich; aber die vorgeblichen Beobb. stimmten gar nicht mit den Ele- menten, und ich konnte mit aller Mühe keinen konstanten Fehler in dem Rechnungsverfahren finden. Enckk^) ist glücklicher und scharf- sichtiger gewesen. Der eitle unbesonnene Ritter hat den Radius ^'ector des Kometen jedesmal 10 mal grösser genommen, als er aus den Ele- menten folgt; eine Etourderie, die man für unglaublich halten sollte, wenn sie nicht von Encke so klar bewiesen wäre.

Ich habe nun Zach's sogenannte Vertheidigung gegen die fran- zösischen Astronomen, namentlich Arago gelesen, und finde allerdings sein Verfahren höchst tadelnswürdig. Besonders muss es Schumacher sehr empfindlich sein. Audi mich sucht er gewissermaassen in die

1) „Imposture astronomique grossiere du Chevalier d'Angos" in der Correspondance Astronomique, IV. S. 456. Siehe auch Galle's Kometenverzeichniss S. 179. Einiges hierüber findet sich auch in Olbers Bd. I. S. Persönliches No. 14. Krm.

4*

52 Gauss an Olbers. Göttingen, 1821 Januar 13.

Streitigkeit zu verwickeln, da er unaufliörlicli vom Xichtumschlagen der Blätter spricht, über welche Entschuldigung Delambre's ich mich doch nie beklagt habe, da ich sie, so sonderbar sie auch ist. wirklich für wahr halte. Ganz ungegründet ist aber Zach's Zusatz, als ob sich Delambee dadurch etwas von mir hätte zueignen wollen.

Die Conn. des tems für 1823, und die Mailänder Ephemeriden für 1820 habe ich noch nicht erhalten. Sind sie Ihnen schon zugekommen?

Was hören Sie von der neuen astronomischen Societät in England? Ich habe bloss erfahren, dass in einer altern Sitzung ein Aufsatz von Ihnen über die Bestimmung des geographischen Längenunterschiedes durch Yergleichung des kulminirenden Mondes mit bestimmten Fixsternen vorgelesen worden ist. Wie gross machen Sie die Länge der neuen Sternwarte in Göttingen?

Sie würden mich verpflichten, lieber Gauss, wenn Sie mir gefälligst Ihre Beob. der Plejadeii-Bedeckimg vom 29. Aug. 1820 schicken wollten.

Ich darf die Post nicht versäumen und muss eiliofst schliessen.

xo. 399. Gauss an Olbers.') [isi

Göttingen, 1821 Januar 13.

Ich eile Ihren letzten Brief sogleich zu beantworten.

Vor allem muss ich Ihnen meine herzliche Freude und meinen Glückwunsch bezeugen, dass Sie nunmehr die schweren und angreifenden Geschäfte niedergelegt haben, und nun ganz den Wissenschaften und Ihren Freunden leben können.

Ungei-n habe ich die Erklärung des Hrn. Treviranüs vernommen. Sollte der von ihm angegebene Grund nur die ostensible Ursache sein. so muss ich die Sache freilich als abgemacht ansehen. Sollte hingegen jeuer buchstäblich verstanden werden müssen, so bliebe doch noch eine .Möglichkeit, unsern Plan zu realisiren. Denn obgleich ich gern so früh wie möglich, d. i. gegen die Mitte des März, meine Operationen ange fangen hätte, so werde ich damit jetzt ohnehin länger warten müssen, da es mit allem, was ich bedarf, so widerwärtii>- geht. Sollte also Hi\ Treviranüs auch erst Ende Apr. oder auch allenfalls erst Glitte Mai frei und zur Theilnahme geneigt sein, so würde ich auch dauiit zufrieden sein; nur würde ich dann doch um eine baldige Erklärung bitten müssen.

Reichenbach hat mir tMullich geantwortet. Er. oder vielmehr sein

') Dieser Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krni.

(Ji\u<s an Olbtr:;. (iöttiiiofen. 1821 Jaiiuar i:]. 53

"WerknifisttT Kutel, verspricht mir den Tlieodolithen Ende Apr. und den Stutzsciiwanz im Juli. Dag-egen habe ich von ÜErsoLD weder die parabolischen K'everberes noch Antwort auf meine wiederholten Briefe erhalten, worin ich ihm auch mein Projekt eines Heliostats anzeigte, freilich ohne sonderliche Hoifnung. durch diesen Künstler so bald etwas eiiialten zu können. Leider ist auch Hr. Rumpf noch immer abwesend.

lU'i allen diesen Widerwärtigkeiten ist mein Plan, insow^eit ich bis jetzt einen machen kann, nicht mit der nördlichen Hälfte, sondern mit der südlichen anzufangen. Allerlei kleine Verlegenheiten und unvor- hergesehene Umstände werden hier, nahe bei der Heimath, sich leichter redressiren lassen, als wenn ich 30 Meilen von hier anfinge. Dazu kommt, dass es mir leichter sein wird, zwischen hier und Hannover schickliche Stationen aufzutinden. 8o bald die Witterung es einiger- maassen erlaubt (vielleicht in einem Monat), denke ich selbst ein paar Punkte zu untersuchen. Vielleicht könnte man mit sehr wenigen grossen ] )reiecken diese südliche Hälfte umspannen, als 1) Hohehagen, Brocken, Hilsberg, 2) Brocken, Hilsberg, ßraunschweig, 3) Braunschweig, Hils- berg, Hannover. Die Seite Hohehagen, Brocken würde leicht mit den mir mitgetheilten preussischen A A in Verbindung gebracht werden können, an die auch schon die Seeberger Sternwarte angeschlossen ist, und Göttingen würde sich dann auch leicht, wenn noch ein oder ein paar Xebenpunkte zugezogen würden, anschliessen lassen. Ich weiss aber nicht, ob jenes Dreieckssystem durchaus praktikabel ist, besonders bleibt noch ungewiss, ob vom Hilsberg Braunschweig zu sehen sein wird. Auch würden bei der Grösse der Seiten günstige Umstände zum Beobachten erforderlich sein, und vermuthlich würden die Heliostate, wenn ich welche hätte, gute Dienste thun. Denn aufrichtig gesagt, die Beobb. mit Reverberes bei Nacht scheinen doch viele sehr grosse Inkonvenienzen zu haben, wenn die Standpunkte hohe abgelegene und schwer zugängliche Berge sind, der Schwierigkeiten der Fadenbeleuch- tung, des Findens der Objekte u. s. w. nicht einmal zu gedenken. Sollte Reichenbach mich bedeutend länger hinhalten, als er versprochen hat, so würde ich, w^enn sonst alles vorbereitet ist, zu Anfang die Winkel mit dem 12 zoll. Repetitionskreise messen, und auch dies ist ein Grund mehr, im Süden anzufangen, da ich in einem solchen Fall die Winkelmessungen, mit denen ich etw^a noch nicht ganz zufrieden wäre, nach Ankunft des Theodolithen dann leichter w^iederholen kann.

Sollte^) es in Zukunft bei der wirklichen Messung mit allen äussern Umständen besser gehen, als es bisher den Anschein hat, so glaube

1) Dieser die haimoversche Triangulation betreffende Theil des Briefes ist aucli ab- gedruckt in Gauss' Werken Bd. IX, S. 367—369. Krm.

54 Gauss an Olbers. Göttingen, 1821 Januar 13.

ich, dass ich wohl Freude an der Arbeit haben könnte, und dann würde ich mich auch recht gern einer Erweiterung der Triangulation nach Westen, falls sie mir aufgetragen w^ürde, unterziehen. Die Anschliessung an die KEAYENHOFF'schen Dreiecke ist allerdings wünschenswerth, allein wo sind denn diese zu finden? Ich weiss nicht, ob sie irgendwo gedruckt sind, und der schlechte Erfolg mit den EpAiLLT'schen AA macht mich ganz muthlos. Auch La Place, an den ich vor etwa 9 Wochen geschrieben habe, hat mir gar nicht geantwortet. Meiner Meinung nach sollten alle gut gemessenen Dreiecke 1. Ordnung als etwas be- trachtet werden, w'orauf das ganze Publikum Anspruch hat, und nach und nach sollte ganz p]uropa mit solchen Dreiecken überzogen werden. Ich habe mir schon seit Jahren eine eigene Methode entworfen, wie solche Messungen am zweckmässigsten behandelt werden können, denn alles, was ich darüber gelesen habe, finde ich herzlich werthlos. So haben sich z. B. viele Mathematiker grosse Mühe mit der Aufgabe gegeben, aus Abständen vom Mer[idian] und Perp[endikel] die Längen und Breiten zu berechnen, mit Rücksicht auf die elliptische Gestalt der Erde, während, so viel ich weiss, niemand vorher gefragt hat,

1) wie denn jene Abstände, so verstanden, wie man sie gewöhnlich versteht, aus den Messungen mit ebenso grosser Schärfe gefunden w^erden können, denn es scheint, dass die meisten diese Rechnung wie in der Ebene führen, oder doch ganz unrichtige oder unbrauchbare Vorschrit- ten dafür geben;

2) ob es denn überhaupt nur zweckmässig sei, die so verstandenen Abstände zu gebrauchen, da es entschieden ist, dass, wenn man sie hinlänglich scharf aus den A A ableiten will, dies nur durch höchst beschwerliche Rechnungen geschehen kann, so wie man aus ihnen mii- mit vieler Mühe wieder zu den Längen und Breiten herabsteigt.

Das (lanze würde nur ein „die Pferde hinter den Wagen spannen" sein: u^' „Soll etwas Brauchbares zwischen die Dreiecke und die „Längen und Breiten gesetzt werden, so muss es etwas ganz Anderes „wie jene so wie gewöhnlich verstandenen Koordinaten sein.'' Wie dies bei meiner Theorie geschieht, kann ich hier freilich nicht umständlich ausführen; nur so viel bemerke ich, dass das, was ich zwischen die A A und die Längen und Breiten setze, diejenigen Koordinaten sind, mit denen am zweckmässigsten jeder PunM in ei)ier Ebene dargestellt werden kann. Diese Koordinaten folgen höchst bequem und leicht aus den gemessenen Dreiecken, und ohne eine sehr genaue Kenntniss der Abplattung der Erde vorauszusetzen, und 2) aus ihnen folgt wieder ebenso leicht die Länge und Breite, natürlich indem man die Abplattung kennen muss. Ich habe die Absicht, diese Theorie, wo nicht frülior. doch mit meinen künftigen Messuno-en bekannt zu niaclion. und bitte

Gauss an Olbcrs. (iöttiiigeii, 1^21 Januar 18. 55

vorher diese antjedeuteten Ideen iiodi für sich zu behalten. Sehr <;ein würde ich sie- nicht bloss auf die hannoverschen A A, sundern auf alle andern damit in \'erbindung kunimenden anwenden und so eine Drsrripiion i/romrtriqHe eines grossen Theils von Europa geben, wenn ich durch Miltheilungen gehörig- unterstützt würde. Aber!!

Hr. v. MüFFLiN(i hat mir doch seine 15 Dreiecke vom Kliein bis Seeberg mitgetheilt. \'orläufig, aber freilich nur sehr roh, habe ich be- reits Göttingt'u angeschlossen. Nämlich lfil2 habe ich auf dem llan- stein, desstMi Lage gegen (TÖttingen näherungsweise aus meinen Winkel- messungen in hiesiger Gegend folgt, die Winkel zwischen Göttingen, Brocken und der Boineburg (2 Müffling 'scheu Punkten) gemessen, freilich auf mehrere Minuten ungewiss; doch glaube ich, dass die Ein- tragung (Töttingen's, die hieraus folgt, wohl auf 100 Meter beinahe zuverlässig ist. Es folgt daraus Längenunterschied zwischen der Göt- ringer und Seeberger Sternwarte 3"'8'',7, was sehr nahe mit den astro- nomischen Bestimmungen zutrifft. Paris wäre hienach, wenn es 33™ 35^ westlich von Seeberg liegt, 30'" 26^,3 westlich von Göttingen. Die neue Sternwarte liegt P,9 östlich von der alten, die ich früher immer 30'" 23i^ von Paris setzte.

\'on der astronomischen Gesellschaft habe ich noch nichts weiter gehört. Soviel ich mich erinnere, habe ich auch an Heeschel nichts \o\\ unsern I Beobb. geschrieben, sondern nur Hrn. Brewster in Edin- burg eine kleine Notiz davon mitgetheilt.

Von der Bedeckung der Plejaclen, Aug. 29, habe ich folgendes beobachtet:

Atlas Eintritt 20'' 11'" 57^7-;^ 3 1)

Pleione 16 5,3

p Austritt 18 36,5

Alcijone 22 58,1

Die si»ätern musste ich aufgeben, da sie mit mehreren Beobb. von Zenithaisternen kollidirten. Ich glaubte, dass Sie mir Ihre Beobb, dieses Phänomens mitgetheilt hätten. Allein da ich neulich für einen meiner Zuhörer, der meine und einige andere mir bekannt gewordene Beobb. berechnet,-) sie aufsuchen wollte, fand ich, dass Sie mir nur angezeigt haben, dass Sie sie sehr gut beobachtet hätten. Ich ersuche Sie also auch um gütige Mittheilung. Von der heutigen Bedeckung der Plejaden ist nichts sichtbar gewesen und überhaupt im ganzen Jahre noch nichts vom Himmel.

^) Vergl. auch Brief No. 125 von Gauss an Bessel, Brief Avechsel S. 'Mo, wo bei Fleione die Sekunde im Original unleserlich ist. Krni.

2) Die reducirten Beobb. finden sich in Gauss' AVerken Bd. VI, S. 448. Kriii.

56 Olbers an Gauss. [Bremen, 1821 Januar 16—28.]

Hr. Walbeck hat mit meinen Austr. der Alcyone die Königsberger ßeobb. verglichen und 42"^ 12,^5 Längenunterschied gefunden bis auf GM dasselbe, was die Mondkulminationen mit sehr schöner Uebereinstimmung ergeben hatten. Dieser Grad Aon Harmonie ist freilich nur ein Zufall.

No. 400. Olbers aii Gauss. [219

[Bremen, 1821 Januar 16 28.]

Ich habe wirklich geglaubt, Ihnen die Beob. der P?eja(Ze;2-Bedeckung längst^) mitgetheilt zu haben. Damit ich es aber nicht wieder vergesse, füffe ich sie Rieich hier an.

Eintr.

Atlas . .

. 9*^38'" 4^2 Bremer mittl. Zeit

»

Pleione .

42 23,2

Austr,

i? . . .

43 58,2

w

Alcyone .

48 28,1

»

s . . .

. 10 13 15,8

«

Atlas . .

29 18,1

5?

Pleione .

31 3,5

?^

7.^8. . .

42 36.3

Die Decimalen rühren von der Zeitkorrektion her; ich habe die ^Momente nur in ganzen Sekunden angemerkt. Nach Vergleichung aller bisherigen in Bremen angestellten Beobb. halte ich die Länge meines Observations-Zimmers von 25'" 53^,5 wenig verschieden. Hr. v. Zach hat dadurch, dass er sie ehemals nach seinen chronometrischen Be- stimmungen 5^,5 kleiner setzte, viele VerAvirrung in den geographischen Positionen von dem nördlichen Theil von "Westfalen und Nieder-Sachsen gebracht.

Ungern höre ich, dass die Künstler Ihnen noch immer so viel Aufenthalt machen. Sollte auch Eeichenbach oder Ertel, wie es leider sonst gewöhnlich bei diesen Herrn der Fall ist, nicht pünktlich in Er- füllung seiner Zusagen sein, so dürfte noch ein grosser Theil des künf- tigen Sommers zum Hauptwerk ungenützt bleiben müssen. Es wäre prächtig, wenn Sie mit 3 grossen Dreiecken bis Hannover vordringen kinmten (wo man, meine ich, bei heitern Tagen sogar noch den Brocken sieht). Allerdings wird Ihr so scharfsinnig ausgedachter Heliostat dabei gute Dienste leisten. Ich bin höchst neugierig, auch nur ^on A'ersuchen mit dem Modell erst etwas zu hören.

^) Vergl. Brief No. 392. Dagegen hatte sie Olbers im Briefe v. 8. Nov. 1S20 an Bessel bereits mitgetlioilt. Brief weolisol S. 17G. Knn.

Olbers an nanss. [Urfinen. lS-21 Januar 10—28.] 57

Die sämintliclien KRAYE^'HOl•'J<'■schen Dreiecke sind gedruckt in dem:

Precis Jiistvr'tqw des Operations geodesiques et astronomiqucs^ faites en HoUande executee's par Je Lieiit. Gen. Krayenhoff (A La Haye lsl5).

Das Buch ist niclit in dtMi eiürcntlichen Buchhandel «rekoninien, da es das Institut von Holland drucken liess; es sollte mich aber doch wundern, ^venn nicht ein Exemplar auf die Göttingensche Bibliothek gekonnnen wäre. Ich habe Hoffnung, ein Exemplar zu erhalten, und will mich um zwei bemühen, damit ich ihnen eins abgeben kann. Sollte ich aber auch nur eins erhalten, so wird dies natürlich so lange zu ihren Diensten sein, als Sie es nur immer brauchen werden.

Die T'ebereinstimmung der geodätischen Resultate nach Kratex- jiuj['"s Berechnung, mit den von ihm angestellten astronomischen Beobb. ist. möchte ich sagen, fast zu gross, wenn nicht Zufall dabei mitge- wirkt hat.

11 Serien von 14 41 Beobb. gaben Polhöhe von

Amsterd. aus dem oberen Durchgang des Polaris 52^22'30/'187

la Ser. V. 26—40 Beobb. des untern Durchgangs 52 22 30, 315

Mittel 52 22 30, 251 Reduktion auf d. Mitte des Thurms 0, 122

52 22 30, 129 Aus den geod. Mess. berechnet 52 22 30, 187

Ebenso fürJever: astronomisch 53«34'23,"130, geod. 530 34'23,"433. liiter den Azimuthen, berechnet und observirt, findet eine gleiche er- staunliche Uebereinstimmung statt. Alle geod. Positionen aus der an- genommenen Länge von Dünkirchen 0ö2'23,"000, die Breite 51^2' 8,"73, die Abplattung .r^^ angenommen, berechnet.

Wenn man nun bedenkt, dass die Abplattung doch wohl zu klein vorausgesetzt, und die Polhöhe von Dünkirchen noch wenigstens um \ 1" zweifelhaft ist, und dabei überhaupt noch er^vägt, was Sie die Güte haben, mir über das bisher mangelhafte Verfahren, aus den Drei- ecken die geographischen Längen und Breiten abzuleiten, sagen, so darf man jene Uebereinstimmung wohl mit Recht erstaunlich nennen. Die Azimuthe beobachtete Ke[ayenhofe] mit einem Mittagsfernrohr, indem er bei scharf berichtigter ühr die Sonne durch den Vertikalkreis des zu bestimmenden Objekts gehen liess.

Dass Sie uns eine neue Theorie der astronomischen Geodäsie geben wollen, habe ich mit dem grössten Vergnügen aus Ihren mir anver- tratiten Mittheilungen gesehen. Wir sind es schon gewohnt, dass alles, was Ihr einziger, bewundernswürdiger Scharfsinn betrachtet, eine neue Gestalt und eine bisher nicht erreichte Vollkommenheit erhält. Bei-

58 Oll.fi-s an Gauss. [Bremen, 1821 Januar 16—28.]

läufig- bemerke ich nur. dass Sie hier wieder in Ansehung des Gegen- standes mit Legendee zusammentreffen werden, der nun einmal das Schicksal hat, bei allen seinen Untersuchung-en Ihrem überlegenen Genie zu begegnen.

Ich weiss nicht, ob es Sie interessiren kann, zu wissen, dass Prof. Oltmanns vor ein paar Jahren dem Herzog von Cambridge im Manu- skript einen „Versuch einer Darstellung der Geographie des Königreichs Hannover, und der Kurfürstlich Braunschweigischen Länder in ihrem gegen- wärtigen (yM^) Zustande" übergeben hat, der es in seiner Bibliothek aufgestellt hat. In diesem Versuch sollen alle auf dem Territorium an- gestellten astronomischen Beobb. gesammelt, und. wo es anging, nach einerlei Elementen von Neuem berechnet und diskutirt sein. Sie werden, wenn Sie es der Mühe werth halten, das Büchelchen leicht aus Han- nover zur Einsicht bekommen können.

Die KEAYENHOFF'schen Dreiecke werden uns also nicht fehlen, aber ivie und ivo sind die TRANCHOx'schen und PERNY'schen zu finden, an die sich wahrscheinlich die vom General Müffling bestimmten an- schliessen? Hoffentlich wird das Berliner Kabinet dafür sorgen, dass diese ausgeliefert werden, und es nicht so geht, wie mit denen von Epailly, der noch immer nichts von sich hören lässt und sich ganz wie ein Todter benimmt. Wirklich hat man mir auch wieder, doch ob aus guter Quelle, weiss ich nicht, sagen wollen, er sei todt.

Teeviranus habe ich in seiner Wohnung aufgesucht, aber noch nicht gesehen. Ich zweifle, dass auf ihn zu rechnen sein wird. L)er Mann kann, wenn es auf eine Veränderung seiner Lage ankommt, nicht leicht zu einem festen Entschlüsse kommen. Seine Freunde hatten hier die Sache eingeleitet, ihm vom Magistrat die Vergünstigung zu ver- schaffen, eine Werkstatt für Maschinerien anzulegen, welches wegen der Zunft-Privilegien der Handwerker, die er dabei als seine Gehülfen anstellen muss, einige Schwierigkeit hat; nun da es ziu- Kntscheidunir kommen soll, kann er sich nicht zu der einzureichenden Supplik ent- schliessen.

Könnten oder dürften Sie mir die MüFEHNG'schen Dreiecke, allen- falls unter der Bedingung, sie gam für mich zu behalten, gelegentlich mittheilen, so würde ich Ihnen sehr dankbar sein.

Aus englischen Journalen sehe ich. dass '{'eoughtox eine Abhand- lung über Kepetitionskreise, Höhen- und Azimuthai-Instrumente u. s. w. Vorgelesen hat, die wohl sehr interessant sein muss. Sonst scheint t^s. dass in den Verhandlungen der astronomischen neuen Societät auch viel Unbedeutendes vorkommt.

Die letzte Sonnenfinsterniss sollte nach allen K'echnungen in Florenz nicht ringförmig sein, doch hat dort Trof. Lix.\ri die Dauer des Rinees

Olbers an (üuiss. Bronicii, l^Jl lanuar ;;i. 59

r"44' beobaclitet. Alle Beobb. zeigen, dass sämmtliche Tafeln, die

von BüRCKnAEi>Tein<resflilosson. die Norderbreite des Mondes zu gross

machten.

Die liiihe, worin ich mich nun nach Niederlegung meiner bisherigen

IViufsgeschäfte gesetzt habe, ist mir natürlich angenehm, aber ich fühle

aurh. dass es hohe Zeit war, ein Geschäft aufzugeben, dem ich nicht

mt'hr vorstehen konnte.

Zach's Beob. der O Finsterniss zu Bologna scheint zu den übrigen

gar nicht zu stimmen. Nach Kijmker's Berechnung giebt das Ende

der Finsterniss mit dem Ende verglichen

in J^erlin für die Länge von Bologna . . 35'"48'',4

Kopenhagen 35 42,2

Mannheim 35 44,3

Göttingen 35 43,6

Bremen 35 42,9.

Weder der Fehler der Mondbreite noch der Durchmesser kann den .Meiidian-Unterschied dieser Oerter für diese Phase merklich ändern. Und doch war bisher die Länge von Bologna, geAviss bis auf ein i)aar Sekunden zuverlässig, auf 36'" 6- in der Conn. des tems angegeben!

Von Prof. ScHU3iACHEE habe ich lange nichts gehört. Ich sollte »loch glauben, dass es gut sei, wenigstens auch seine vortheilhafte Seite haben kann, nicht alle Keduktionen bis ans Ende des Geschäfts aufzu- schieben. Ich vermuthe, Svanberg würde, wenn er vorher gefunden hätte, dass seine geodätischen Messungen für die Polhöhe von Kittis eine nm 12" grössere Polhöhe geben, als Maupektuis sie bestimmt hatte, der bei der Breitenbestimmung von Tornea so genau mit ihm übereinkommt, in Kittis selbst astronomische Beobb. angestellt haben, um diesen unhegreifiichen Umstand aufzuklären. Jetzt, scheint es mir, mindert dieser Umstand das Zutrauen auf die völlige Richtigkeit und Zuverlässigkeit der SvANBERG'schen Messung.

No. 401. Olbers au Gauss. [220

Bremen, 1821 Januar 31.

Da es doch, wie es scheint, heute trübe bleiben wird, und ich also wohl keine Beob. wT.rde machen können, so eile ich, Ihnen anzu- zeigen, dass ich gestern Abend gegen 7 Uhr einen Ideinen Kometen^)

^) Komet 1821 zu gleicher Zeit von Nicollet i;iid Pons Jan. 21 entdeckt. S. auch Bd. I No. 72, S. 369, 370. Krm.

ßQ Gauss an Olbers, Güttingen, 1821 Januar ol.

im Pegasus entdeckt habe. Nach sehr lange anhaltendem trüben und neblichten Wetter liatte es sich endlich am 29. Abends aufgeklärt; aber der Himmel war in den ersten Abendstunden nicht recht heiter, und kleinere Sterne. z.B. miraCygyii, und schwache Nebelflecke blieben im Ko- metensucher unsichtbar. Ich betrachtete namentlich y Pegasi und seine l'mgebungen, ohne irgend was Auffallendes zu bemerken. Aber gestern am 30. war es bis 11 I'hr sehr heiter. Sobald auch diesmal mein Kometensucher auf y Pegasi gerichtet wurde, fiel mir sogleich ein kleiner Komet ins Gesicht, von schwachem Licht, doch mit einem kleinen sehr blassen, etwa 45' langen Schweif versehen. Nach vor- läufiger Reduktion meiner Beobb. war um 7'' 27"'^) Abends M.Z. AI Komet 359^27', Nördl. Dekl. 16^5'. Der Komet scheint sich äusserst langsam rückläufig zu bewegen, und seine Dekl. fast unmerklich abzunehmen. (Letztere nach der Beob. nur 37" in 1'' 12"', welches bei Kreismikro- meter-Beobb. natürlich sehr ungewiss bleibt.) Ich konnte die Beobb. nicht lange genug fortsetzen, weil der Komet, so wie er niedriger kam. so schwach wurde, dass die Ein- und Austritte nicht ganz zuverlässig bemerkt werden konnten. Die Position beruht auf einem Stern der Hist. Gel., ich behalte mir aber vor, sie noch näher zu berichtigen. Im Dollond schien ein sehr kleiner verwaschener Kern durchzublicken, und der Schweif war in diesem Fernrohr 15' 20' lang.

Dürfte ich Sie gehorsamst bitten, Hrn. Prof. Hardixg den Ko- meten, wenn Sie ihn nicht vielleicht schon in Göttingen gesehen haben, in meinem Namen anzuzeigren.

No. 402. Gauss an Olbers. [is2

Göttingen, 1821 Januar 31.

Dem von Ihnen geäusserten Wunsche gemäss übersende ich Ihnen hier eine Abschrift-) der 15 MiJFFLiNG'schen Dreiecke. Die ^^'inkel sind so, wie sie gemessen sind; allein bei der Berechnung der Dreiecke hat Hr. v. M[ÜFFLiNCr] den Fehler auf die einzelnen 3 AA'inkel immer ungleich vertheilt; nach welchem Princii) habe ich nicht eirathen

^) Muss 17'" heisseu nach Olbkrs' Hriet'e t. 9. Febr. Knu.

-) In einer Beilage theilt Gauss die Winkel und die Logarithmen der Sinus der Dreieckseiten in Toisen für die 15 von v. Müffling und die 3 von Excke ihm über- sandten Dreiecke mit. Daselbst befindet sieh auch eine Zeichnung dieser sowie der nachher erwähnten EpAii.Lv'schen Dreiecke. Der Abdruck dieser Daten sowie der Zeichnung erschien nicht angebracht: einiges über diese Dreiecke rindet sieh auch in Gauss' Werken ]?d. IX, S. 3(15 u. 431. Krni.

fiauss: an (»Ibers. ( iöttiiiireii. 1821 Jammr :n. ßl

ktiiineii. Z. H. in Dicieck 4 ist der spliärisclie Excess 4,"47, die Summe der Winkel 180'^0'3",50, also Fehler 0".97. Hr. v. Müffling korrigrirt aber die 3 Winkel lesp.

1 + 0",9(5

ö -f- 0,25

C 0,24

Die Lo^r. der Sin. der Seiten sind alle nach Müffling's Rechniinp-; hei meiner Behandlung (wo ich immer den Totalfehler gleich vertheilt habe) ist die Form ganz verschieden, und ich habe nur am Ende eine \ergleichung gezogen, deren Resultat ich mit beigefügt habe. Die 3 letzten Dreiecke sind mir durch Hrn. Encke mitgetheilt, und hier sind die einzelnen Winkel (d. i. in A 16 u. 17) schon ratione des Totalfehlers verbessert, ob dieser gleich getheilt ist, hat Hr. Encke nicht gesagt. Die gemessenen Winkel des Dreiecks 15, 18, 19 sind mir nicht mit- getheilt.

Die rothen Dreiecke sind EPAiLLv'sche. Hr. v. Müffling hat mir das EpAiLLY'sche Netz, welches er in Paris 1815 hat nehmen lassen, mitgetheilt (d. i. eine rohe sehr nachlässig gemachte Zeichnung), welches mit einem, das ich schon früher anderswoher erhalten hatte, meistens übereinkommt. Ferner hat Hr. v. ]\[[üffling] einen Auszug aus Epaillys Kechnungsbuche mitgetheilt, gleichfalls in Paris genommen, d. i. eine Jcleine Anzahl von Längen und Breiten von EpAiLLY'schen Punkten. Der Ausdruck des Hrn. v. Müffling zeigt nicht klar, ob in Paris der Auszug oder das Reclmungsbuch genommen; auf jeden Fall aber geht aus M[üffling's] Briefe hervor, dass er wenigstens nicht die reinen EpAiLLY'schen \Mnkel besitzt. Ich vermuthe, die letzte Auslegung ist die richtige, und habe in dieser Voraussetzung Hrn. v. M[üffling] er- sucht, mir das Rechnungsbuch entweder auf kurze Zeit mitzutheilen oder die Dreieckswinkel extrahiren zu lassen (vermuthlich werden wohl die Winkel jedes A zur Summe 180" abgeglichen nur darin sein; wenigstens sind mir anderswoher die EpAiLLY'schen in Oldenburg und ( »stfriesland gemessenen A A in dieser Form mitgetheilt). Sollte diese Auslegung die richtige sein, so ist zu präsumiren, dass die Preussen damals in Bezug auf Epailly's Messung nichts weiter vorfanden als das Netz und Rechnungsbuch, weil sie sonst wohl auch das vollstän- dige Beobachtungsregister genommen hätten. Dieses war also wohl vorher auf die Seite geschafft und ist vielleicht in der Unordnung ver- loren gegangen. So Hesse sich wohl erklären, warum die Herren in Paris gar nicht antworten, indem sie wohl ungern sich an jene Um- stände erinnern. Doch diese A'ermuthung natürlich nur unter uns.

Auf die vollständige Mittheilung der KRAYENHOFF'schen Dreiecke, Avozu Sie mir Hoffnung machen, freue ich mich im Voraus. Ich habe

52 Gauss au Olbers. Göttingeu, 1821 Jauuar 31.

noch nicht nachgefragt, ob ein Abdruck jenes Precis auf hiesiger Bibliothek ist, es ist mir aber sehr unwalirscheinlich.

Unter allen in beigehender Zeichnung vorkommenden EpAiLLY'schen oder MüFFLiNG'schen Punkten ist von der Sternwarte sowohl als vom Meridian-Zeichen aus nichts zu sehen als der Hohehagen. Ich werde daher, um die Sternwarte anschliessen zu können, wenigstens noch einen Punkt zuziehen müssen (vielleicht die Weper, Berg bei Moringen, oder den Meisner oder einen andern Berg etwas NO vom Meisner. der unbewaldet und von der Sternwarte aus sichtbar ist, dessen Namen ich aber noch nicht kenne).

Hr. v. MüFFLiNG räth immer sehr zu nächtlichen Beobb. Ich ge- stehe, dass ich mich davor scheue, sie wenigstens nicht gern ausschliess- lich anwenden möchte. In einigen Fällen werden sie freilich wohl unver- meidlich sein, wenn ich keine Heliostaten bekommen kann. Da Repsold weder die versprochenen Reverberes schickt, noch auf meine Briefe antwortet, so habe ich mich deshalb an Körner in Jena gewandt, von dem ich in diesen Tagen eine Antwort erwarte.

Schumacher wird im März mit seinem Stutzschwanz hierher kommen, damit wir mit diesem Instrument und dem REiCHEXBACH'schen Meridiankreise gleichzeitige Beobb. machen, und erbietet sich, wenn ich meinen Theodolithen von Reichenbach nicht zeitig genug bekomme, mir jenes Instrument vorerst zu den Winkelmessungen zu leihen. Ich glaube, dass es wohl ebenso genaue Resultate giebt wie der Theodolith, nur ist es bei seinem bedeutenden Gewicht viel schwerer zu trans- portiren. Eine neue Schwierigkeit der nächtlichen Beobb.. da man doch die Instrumente nicht über Nacht auf den Bergen stehen lassen kann, sondern sie bei Nacht einpacken und heruntertransportiren muss!

Den NicoLLET'schen Kometen^) haben Sie vielleiclit auch schon gesehen. Gestern Abend Jan. 30. 7'' 52'° 23' M. Z. folgte er auf XXIII 263 Pia^^i .... 3■"47^^

anon. Bist Gel 2 49,0

anon. Hist. Cel 2 18,6

ging vor der anon. Hist. Cel 2 17.7 und war 0".'3

nördlich von diesem, woraus leiläufig ^R 359'^27'17" Dekl. 16^4' 10" Nördl.

Sollte Maupertuis' Breite von Tornea die SvANBERo'sche bestätigen, und die Breite von Kittis, wie sie ^[[aupertuis] giebt. die SvAXBERG'sche

^) Siehe Aumerkung- zu Brief No. 401, S. 59. Der vorhergelieude Brief, in welchem Olbers seine Entdeckung des Kometen anzeigt, hatte sich mit diesem Briefe gekreuzt. Yergl. dazu die bezügliche Bemerkung Gauss" gegen Sdiluss des folgenden Briefes. Krm.

Gauss au (»Urt-. (TÖttiii£r.-ii. 1821 Februar 3. C3

verdächtig machen können, da Maupeetuis' absolute Bestimmungen der Polhühe, so viel icli weiss, nur mit einem Quadranten gemacht sind, indem man den Sektor nie umwandte?

Tkanchot's Dreiecke besitzen die Preussen, s. Zeitschr. für Astr. V. p. 36: oh aber je das Publikum sie erhalten wird, weiss ich nicht. Pekny's Dreiecke finde ich in den Äll(/. G[eogr.] Epli. IV. p. XXX II. Ob Eckhakdt's Dreiecke und die von Henky im P^lsass etc. bekannt gemacht sind, ist mir unbekannt.

No. 403 Gauss au Olbers.') [m

Göttingen, 1821 Februar 3.

Endlich habe ich aus Paris Antwort erhalten. Ich freute mich sehr, als mir das dicke Packet mit der Adresse von La Place's Hand eingehändigt wurde. Allein leider bin ich dadurch um nicht viel weiter als vorher. Das Packet enthielt 1) ein gezeichnetes Netz der

-1 -^

sämmtlichen AA nach einem 4 mal so grossen Maasstabe icArinnA/'

wie das, welches ich schon länger hatte (^nnn aaa)? ^^"^^ übrigens mit

diesem bis auf eine oder zwei unbedeutende Kleinigkeiten überein- stimmend. 2) Die Namen der Stationen zu sämmtlichen A A, deren Zahl (d. i. die Zahl der A A) 94 ist, aber ohne einen einzigen Winkel in Zahlen. Der einzige A\'erth, welchen diese Mittheilung hat. besteht also nur darin, dass bei einigen Stationen beigeschrieben ist: ANGLE CONCLU, insofern ich nämlich daraus schliessen kann, dass die ^^'inkel, wo nichts beigeschrieben ist, wirklich beobachtet sind; ausser- dem noch die 4 A A selten Hamburg Crempe, Hoheuhorn Lüneburg, Bentheim— Kirchhesepe. Varel— Stolham, die Azimuthe dieser beiden Seiten und die Längen und Breiten von Bentheim und Varel. 3) Das Antwortschreiben vom Depot de la Guerre an La Place im Original. Von letzterem lege ich eine Kopie ^j bei, sowie zu Ihrer Ansicht diejenige Zeichnung^) des Netzes, welche ich schon länger besitze und die ich mir gelegentlich zurückerbitte.

Ich möchte wohl von Ihrer grösseren Weltkenntniss Ihre Meinung wissen, was Sie davon denken, und ob Sie glauben, dass und wie ein

^) Dieser Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm. -) Diese Kopie ist nicht mit abgedruckt. Krm.

ä) Die Zeichnung ist bei den Originalbriefeu nicht mehr vorhanden. Olbeks hat sie offenbar bald wieder zurückgesandt. Krm.

54 Cauäs iui Olljtns. Göttiugeii, 1821 Februar 3.

Mehreres zu erhalten stehe. Ohne Zweifel wäre es für die Geographie von Hannover und überliaui)t von Norddeutschland sehr wünschensiverth, dass wir in den Besitz der gemessenen Winkel selbst kämen. Wären wir es, so glaube ich, würde von Seiten des Gouvernements die weitere Ausdehnung meiner Triangulation in dem Maasse wohl genehmigt werden, dass alle Lücken vollends ausgefüllt und was an dem KpAiLLT'schen Netz zweifelhaft sein könnte, nachgemessen würde, und dieser Arbeit würde ich mich gern unterziehen, wenn die Erfahrung künftig lehren wird, dass meine Gesundheit bei den Fatiguen widerhalten kann. Allein wenn alles von Neuem wiederholt werden soll, wozu damals schon eine ganze Brigade von Ingenieuren gebraucht wurde, und was leicht 6 mal so viel u. mehr kosten kann, wie meine ganze Gradmessung, so ist wohl zu vermuthen, dass man sich schwerer dazu entschliesst, und auch ich würde dazu wenig Neigung haben, wenn ich nicht hinreichend brauch- bare Gehülfen finde, so dass nicht auch hier alle Arbeit auf mir lastet. Uebrigens wird es mir schwer zu glauben, dass die EPAiLLy'schen Beobb. nicht so weit reducirt sein sollen, dass das. was ich allein wünschte, nicht sollte mitgetheilt werden können, nämlich die A\'inkel auf den Horizont und das Centrum reducirt; wenigstens in Hamburg hatte Epaillt diese Reduktion sogleich gemacht, indem ich dort die Winkel des Dreiecks Hamburg, Hohenhorn, Wilsede mitgetheilt erhielt *i; auch begreife ich nicht, wie die Seiten Crempe Hamburg; Hohenhorn Lüneburg berechnet werden konnten, wenn man nicht die Winkel schon reducirt hatte.

Aus Ihrem mir so eben eingehändigten Briefe sehe ich. dass Ihnen die Entdeckung des Kometen durch Nicollet in Paris am 21. Jan. noch unbekannt war; ich nahm die Nachricht aus dem Journal de Franc fort. habe aber unglücklicher Weise den Zettel, auf dem ich die daselbst angegebene Position des Kometen notirt hatte, jetzt nicht im Hause, da ich ihn Hrn. v. Staudt übergeben habe, um die Bahnberechnimg vorzubereiten. \'on dem PiAzzi'schen Stern XXllI. JO^ sclieint in der Hist. Gel}) die Zenithdistanz um 80" zu klein angegeben zu sein, kleine eigene Beob.-) etwas genauer reducirt ist

Jan. 30. 7" 34"^ 32^ 359" 27' 7" 10° 4' 3(5".

Seitdem ist es stets trübe gewesen.

*) Von der Seite llnhenhorn-LUneburg. die mir iiiiLgotheilt ist. kaun ich aiuh gar keinen Gebrauch machen, da Epailly einen andeni Thurm in Lüneburg ge- braudit hat als ich; obwohl man in dem mir jetzt niitgetheilteu Eegister jenen Thurm nicht genannt hat, so weiss icli doch, dass es der Johanuisthurm gewesen ist. [Siehe auch Brief No. 409 an Olbehs. Krm]

^) „p. 34." l\audbemerkung von Olhkrs" Hand. Krm.

-) Gauss" Werke Bd. VI, S. 4o5. Krm.

Olbcrs an (i'ati-^<. I'.ienuii. It^-Jl Fi'hiuar i^. ß5

Was hat wohl Huppknstedt Jhiieii wegen des bewussten (iegeii- standes geantwortet? Von Körner «och keine Nachricht, ebenso wenig wie von Rkpsold, Müffling etc.

P. S. Icli kann nocli eine diesen Abend gemachte Beob. beifügen: Febr. 3. 7''3'" 56-^ ^f. Z. 359" 3' 55" 15M6'3".

N... 404 Olbers an Gauss. [221

Bremen, 1821 Februar 9.

Wie soll, wie kann ich Ihnen für alle Ihre interessanten Mitthei- lungen und für die Mühe, die ich Ihnen verursacht habe, genugsam danken? Sie haben mir einen sehr grossen, grossen Gefallen erzeigt. Dass Sie nicht mehr von Epailly's Dreiecken erhalten haben, thut mir sehr leid. Schwerlich wiid mehr herauszubringen sein. Schon vorher hatte mir Oltmanns vertraulich geschrieben: „Die Franzosen haben alle Drei- ecke und Journale im Depot de la (Juerre anno 1814 über die Seite geschafft und bloss Uebersichts-Karten und dergleichen Kleinigkeiten im leeren Neste gelassen. Auf diplomatischem Wege wird also nichts von ihnen zu erhalten sein". Er wird, unter uns gesagt, noch einen \'ersuch machen, ob vielleicht bei irgend einem der damaligen Gehülfen Epailly's etwas Näheres zu finden ist, da er mehrere darunter genauer kennt. Ich zweifle aber am Gelingen. Sie scherzen über meine grössere \\'eltkenntniss. Die ist wahrlich so klein, wie sie bei irgend jemand sein kann. Im vorliegenden Fall wüsste ich nichts weiter zu thun, als dass Sie in Ihrer etwaigen Antwort an La Place die desideranda in dem, was das Depot d. 1. G. ^^pour Je moment^^ nur hätte geben können, anzeigten und zugleich die feste Zuversicht ausdrückten, die Administration würde so bald wie möglich das Fehlende nachschicken, besonders die Winkel, so bald Epailly einmal wieder nach Paris käme; da Sie gar keine Berechnung u. s. w. verlangten, so würden sich diese Winkel mit den nöthigen K'eduktions-Momenten ja wohl leicht ausziehen lassen u. s. w.

Die EpAiLLY'schen Dreiecke zwischen Bremen und Aurich habe ich zu meiner grossen Freude von Oltmanns erhalten. Dadurch ist nun Bremen unmittelbar mit Paris verbunden. Nach Ihren Briefen sind Sie schon längst in dem Besitz dieser bereits abgeglichenen Dreiecke, sonst stände eine Abschrift gern zu Befehl.

Unter den Mittheilungen von Oltmanns aus seinen Untersuchungen über die Geographie des Königreichs Hannover finden sich auch 21 für

Olliers. II, 2. 5

gg Olbers an Gauss. Bremen, 1821 Februar 9.

die alte Sternwarte in Göttingen berechnete Sonnenfinsternisse und Fixstern-Bedeckungen (Mittel 30™ 25,^02j^), die ich Ihnen mit Vergnügen abschreiben würde, wenn ich nicht glaubte, dass Sie dieselben schon längst durch Dirksen erhalten haben.

SvANBERG sagt pg. 171, dass die von ihm gefundene Breite von Tornea 65" 50' 49",4348 genau mit der im Jahre 1737 bestimmten übereinkomme. Kittis hingegen giebt er aus seiner geodätischen Messung 74" 23' 24",245 = 66" 48' 33",0554, Unterschied zwischen beiden 57'43",6206, die Maupertuis im Mittel 15",1206 weniger fand. Der Sektor muss also beide Male, sowohl im Okt. 1736 bei d Drac, als im Apr. 1737 bei a Drac. zu Kittis beide Mal in demselben Sinn einen Fehler von 14" 17" gegeben haben. Das ist wirklich immer etwas schwer zu begreifen. Astronomische Beobb., wenn auch nicht mal ge- rade in Kittis, wenigstens in einer benachbarten Zwischenstation wür- den, dünkt mich, allen Zweifel gehoben haben. \\'ir wissen doch auch, dass Multiplikationskreise bei noch so gut stimmenden Reihen zuweilen irrige Resultate geben können, und darüber würde uns Svanberg durch eine solche Zwischenstation beruhigt haben.

Noch denselben Tag, wie ich Ihnen über den kleinen Kometen schrieb, fand ich im Moniteur vom 24. Jan. die Anzeige von Nicollet's Entdeckung. Ich weiss nicht, ob ich Ihnen schon die Beobb. vom 30. Jan. reducirt geschickt habe? Ist es geschehen, so sind die da- maligen Mittheilungen um 20" für die Dekl. zu gross,-) weil ich durch einen Schreibfehler die Präcession 7'21",7statt 7' 1", 7 genommen hatte. Hier meine bisherigen Beobb. mit der ersten Pariser, auch diese auf mittlere Bremer Zeit reducirt. Nicollet hält diese erste Beob. für etwas zweifelhaft. (Ich hoflfe bona fide, denn sonst sind mir Beispiele bekannt, dass fr[anzösische] Astronomen absichtlich ihre erste Beob. anfangs etwas verändert bekannt machen, um andern die frühere Berech- nung der Bahn zu erschweren.)

Jan. 21.

gu 42'"

'

0" 36' 29"

16" 59' 36'

30.

7 17

51

359 27 4

16 5 1

8 29

3

359 26 24

16 4 24

Febr. 2.

7 40

50

359 8 45

15 50 14

5.

7 11

50

358 54 3

15 37 56

» 7.

6 50

6

358 44 41

15 28 55

8.

7 2

15

358 40 24

15 24 55

^) Länge von Paris aus gezählt. Knn.

-) Die Beobb. sind dort nur auf ganze Minuten abgekürzt mitiretheilt, so dass dieser Reduktiousfehler nichts ausmacht. Dagegen ist die Beob. -Zeit dort um 10* zu gross angegeben. Krm.

Gauss an Olbers. Göttingen, 1821 Februar 13.

67

Die Beobb. des 5. und 7. Febr. fielen wegen des starken Windes, der das Fernrohr erscliütterte. besonders in Rücksicht auf Dekl. zweifel- haft aus.

Dass die ohnehin so langsame Bewegung des Kometen bei seinem offenbar zunehmenden Licht noch immer abnimmt, hat mich in Ver- wunderung gesetzt. An die Berechnung der Bahn habe ich mich bisher wegen des gar zu kleinen Bogens noch nicht wagen mögen.

No. 405.

Gauss an Olbers.

[184

Göttingen, 1821 Februar 13.^)

Recht herzlich danke ich Ihnen für Ihre Kometenbeobb. Meine bisherigen waren

Jan. 30

71. 34n

'32'

359« 27' 7"

16« 4' 36'

Febr. 3

7 3

56

359 3 54

15 46 3

7

6 42

38

358 45 5

15 29 49

9

0 42

30

358 36 24

15 21 22

10

6 52

27

358 32 19

15 17 50

11

7 12

0

358 28 27

15 14 26

Die Beobb. vom 10. und 11. halte ich für ganz vorzüglich genau, wenn der Stern gut bestimmt ist. Ich habe nach Harding's Reduktion angenommen

358«20'20",1 15n5'34",2

so wie für 4 andere auch früher verglichene

358« 30' 20",4 358 44 49,8 358 52 20,2 360 1 37,6

16« 34' 1",2 16 26 28,9 16 4 35,6 16 32 49,0

[Vorerjst") wird es nun an einem guten Vergleichungsstern fehlen, ich denke die Beobb. vorerst einzustellen und nach etwa 8 Tagen wieder anzufangen, indem ich immer die nächsten Sterne bis zur 9. oder 10. Gr. auf des Kometen Parallel zur Vergleichung anwende, ohne micli darum zu bekümmern, ob sie in der Hlst. Cel. stehen oder nicht. Im nächsten Herbst lassen sich die Sterne dann nachbestimmen, und es kann vielleicht wichtiger sein, nach Jahr und Tag mehrere gute, als sogleich einige unzuverlässio:ere zu besitzen.

^) Datum iiach dem Poststempel. Krm.

-) Dieses Wort wird in seinem Anfange durch das Siegel verdeckt. Krm.

5*

(5g Gauss an Olbers. Göttingeii, 1821 Februar 13.

Hr. V. Staubt, ein sehr ausgezeichneter mathematischer Kopf vielleicht der beste unter allen meinen bisherigen Schülein , wird jetzt die Bahnbestimmung unternehmen. Bei den gegenwärtigen Um- ständen wird Ihre Methode diesmal keine genauen Resultate liefern können. So viel ist mir schon wahrscheinlich, dass der Komet jenseits der Marsbahn ist, und ich wundere mich nur, dass der Komet nicht viel früher entdeckt ist, vermuthlich Folge des schlechten "Wetters.

Bis Ende Jan. war hier fast ununterbrochen bedeckter Himmel, so dass in meinem Tagebuche eine grosse Lücke ist. Aber auch nachlier habe ich mich nur auf die Kometenbeob. und die Durchgänge von ein paar Sternen beschränkt, indem ich die zufällige Unterbrechung einer meiner Vorlesungen benutzt habe, wieder eine theoretische Arbeit vor- zunehmen, die ich schon 1818 angefangen, aber bei meiner zerstückelten Zeit und so mannigfaltigen zum Theil widerwärtigen und nicht immer die zu solclien Arbeiten nöthige freie Heiterkeit des Geistes lassenden Beschäftigungen oft auf lange Zeit wieder weggelegt hatte. Es ist die neue Begründung der sogenannten Methode der kleinsten Quadrate oder vielmehr eine ziemlich ausgedehnte allgemeinere Untersuchung, wovon diese nur ein Theil ist. Jetzt ist die erste Hälfte ganz vollendet, die ich in Kurzem der Soc[ietät]^) zu übergeben denke; die zweite, welche auch bis auf einiges noch überzuarbeitende fertig ist, wird vermuth- lich auch noch vor Ostern mitgedruckt werden können. Sie werden manche artige Sachen darin finden. Mit Betrübniss fühle ich. wie wenig ich in meiner Lage mit allen ihren Missverhältnissen von dem leisten kann, was ich vielleicht unter glücklicheren Umständen hätte leisten können, und dass wohl selbst der grössere Theil meiner früheren Lukuhrationen mit mir untergehen wird. Verzeihen Sie, theuerster Olbees, den Ausbruch eines Gefühls, welches gerade jetzt beim Empfang eines mit jugendlichem Feuer geschriebenen Briefes von einem 18 jäh- rigen PTorentiner, Namens Libri, der mir eine kleine vielversprechende Abhandlung über höhere Arithmetik zuschickte, wieiler recht lebendig bei mir geworden ist.

Oltmanns' 21 Längenbestimmungen von Göttingen sind mir un- bekannt. Ich erinnere mich bloss einer Zusammenstellung einer nel kleineren Zahl älterer und schlecht harmonirender Bestimmungen (aus Seyffer's Zeit) aus einer kleinen Druckschrift über Oamp's Karte von Ostfriesland, die ich aber in diesem Augenblick nicht gleich auf- finden kann.

•) Theoria Coinbinationis Observationum Erroribiis nüniniis obnoxiae. Pars prior. Societati Reg. Scieiit. exliibita IS'21 Febr. 15. Tars posterior. IS'23 Febr. 2. G.a.iss' Werke Bd. IV, S. 1—53. Knii.

Gauss an Olbers. Göttins-fii, 1821 Feliniur 13. 60

Erlauben*) Sie mir iiocli »mii Wort über die Berechnuiif;- (b'i- Kreis-

miki'ometer-Beobb. iiacb dem l*riii/i|> der W'alnselieinliehkeitsrechnunp:.

, ^ lömoracüs«) ^-.. , , ,,,,,.,,.

Ist ?r j = cosQ^ tiir den Stein nnd 7 dasselbe tür den ko-

2 rad. '

nieten, so ist Dekl.-Untersch. = r sin^i ;- r sin^'. Das dem ^i?-Unter-

2 schiede beizulegende Gewicht ist dann und das Ge-

00399'^ ' cos 99

wicht der Dekl.-Bestimmung-

sin q>^ ' sin <p'^

Hierbei ist freilicli nni- der Fehler des Sehens berücksichtigt und die Beob. des Sterns und Kometen als gleich leicht angesehen. (Man könnte die Verschiedenheit leicht berücksichtigen, wenn sie in Zahlen bekannt wäre). Auch das Gesichtsfeld ist als genau bekannt betrachtet. Aber auch ohne diese Umstände zu berücksichtigen wird es doch viel genauer sein, die Beobb. nach jenen Gewichten zu berechnen, als wenn man alle Resultate als gleich genau ansieht. Ich habe dies bei den Kometenbeobb. gethan. Die Rechnung ist höchst einfach, wenn man sich meinei- kleinen Logarithmentafeln bedient; ich gehe für die erste Formel mit der Differenz der Logarithmen von cos 99- und cos 99'^ in die Kolumne Ä ein und subtrahire B allemal von dem kleineren Loga- rithmen von 2 cos 99" oder 2 cos qo'-. Ebenso bei der andern Formel. Am 10. Febr. waren z. B. meine einzelnen Resultate

für Dekl.-Unterschied

für M

135",5

Gewicht 0,666

47",25

Gewicht

0,294

126,0

j>

0,889

52,05

»

0,001

140,7

»

0,138

47,95

»

1,000

149,9

j)

0,614

47,90

»

0,812

134,1

»

0,719

48,00 48,25

0,240 1,000

47,35

»

1,000

48,25

!)

0,116.

Also die Gewichte sehr ungleich. Bei der Dekl. müssen die sehr nahe beim Centrum geschehenen Durchgänge ganz verworfen w^erden, aber von den Ai braucht man gar keine auszuschliessen.

^) Von hier ab ist der Brief in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

70 Olbers an Gauss. Bremen, l!^21 Februar 16.

Das Gewicht einer ^, die für -k- und Komet central ist, ist hier- bei als Einheit angenommen, sowie das bei einer Dekl. -Bestimmung, wo -jj- und Komet hart am Eande hinstreichen.

No. 406. Olbers an Gaiiss, [222

Bremen, 1821 Februar 16.

Für die schönen Kometenbeobb. und Ihren lehrreichen Brief danke ich Ihnen aufs Herzlichste. Hier meine ferneren Beobb.:M

[Folg-en die Bd. I, S. 372 373 veröffentlichten Beobb. von Febr. 7 bis 14.]

ünerachtet ich mii' alle Mühe gebe, unerachtet fast immer der nämliche Stern zur Yergleichung gebraucht wurde, und obgleich die Beobb. jeden Abends, wenn sie nicht als zweifelhaft bemerkt sind, sehr gut unter einander stimmen, zeigt doch die Unregelmässigkeit der Differenzen in den Beobb. weit grössere Fehler, als ich erwartet hatte. Es scheint fast, dass das Urtheil meines Auges über den Moment des Eintritts, und wohl besonders des Austritts des Mittelpunkts des Ko- meten von einem Abend zum andern variire und so in die Beobb. jedes Abends einen konstanten Fehler bringe. Der Komet ist sonst sehr gut zu beobachten, besonders die Eintritte, die Austritte sehe ich nicht so scharf.

Der Stern, den wir diese Tage fast ausschliesslich bei dem Kometen gebraucht haben, kommt pg. 37 d. Hist. Gel. noch einmal, aber nur am 3. Faden beobachtet, vor. Die Dekl. stimmt bis auf ein paar Sekunden mit pg. 200, aber die ^"R nicht. Inzwischen scheint die Reduktion nach pg. 200 die richtige Position des Sterns zu geben, wenigstens habe ich durch Vergleichungen mit mehreren PiAzzi'schen Sternen keinen merklichen Unterschied gefunden.

Bei der jetzigen Lage des Kometen gegen den Stern tliut mir das Kreismikrometer mit der Barre zur Bestimmung der Dekl. gute Dienste, indem ich nämlich die genau durch den ^Mittelpunkt gehende Barre stark gegen die Richtung der täglichen Bewegung neige und die Zeiten bemerke, da die Sterne und der Komet eintreten, hinter die Barre kommen, und wieder austreten. Schon ein Stern und der Komet mit einander auf diese Art verglichen giebt den Dekl.-Unterschied, ohne dass man sich um den Durchmesser des Kreismikrometers zu be- kümmern braucht. Aber noch bequemer wird die Bestimmung. Avenn man zwei Sterne von bekanntem Dekl.-l'nteiscliied durchgehen lässt.

1) Yergl. aucli Brief No. 289 an Bksskl iui Briefwechsel Olbebs-Bessel. Knii.

OlbiTs ;m (iaii>s lliiiiitii. 1821 Felmiar IG. 71

zwischen deren Abweichungen die Abweichung des Kometen fällt. Hier zur Probe eine Beob. vom 14. Abends:

V » -.» hinter der . . ..^

Liutntt r> ^ Austritt

Komet 10''14°M3^ 16'"25-^ 17"' 43*

d 10 14 28 15 18 17 52

40 Fisc 10 31 45 32 20 35 8

■YcHist.Cel ... 10 39 12 41 45 42 42

Der Stern d ist unser gewiihiilicher Vergleichstern. Der Stern der Hlst. Gel. ist 13' 30" südlicher als c/, und 13' 27" südlicher als 40 Fisciiim.

Damit folgen aus beistehenden Beobb. die beiden Proportionen

116" : 94" = 13' 36" : 11' 1",2 = Dekl.-Diff. d. Kom. von d, 1 14",o : 92",5 = 13' 27" : 10' 51",9 = Dekl.-Diff. d. Kom. von 40 Piscium.

Der kleine Unterschied der cos der Dekl. des Kometen und der Sterne kann nämlich vernachlässigt werden.

Für die Belehrung über die Berechnung des Gewichts der Be- stimmungen danke ich recht sehr. Ich werde Gebrauch davon machen und habe Ihre Formeln schon für mich eingerichtet. Ich berechne nämlich den Winkel (p nicht, sondern habe mir schon lange für mein gewöhnliches Mikrometer eine Tafel konstruirt, aus der ich sogleich

15 mit dem Argument log -^ mora cos <5 den Dekl.-Unterschied des Mittel-

punkts des Fernrohrs und des durchgehenden Sterns, den ich J nennen

15 will, nehme. Aus J und ^^ mora cos d lassen sich die Gewichte ebenso

leicht berechnen, als aus sin q^ und cos cp; ja so bald ich Müsse habe, will ich meiner Tafel gleich auch für letzteres Argument die GeA\ichte beifügen, die sich dann unmittelbar aus der Tafel werden mit ab- schreiben lassen.

Da meine Uhr keine Sternzeit zeigt, sondern näher mit mittlerer

15

Sonnenzeit übereintrifft, so kann ich den Koefficienten ^ "i^l^^ in aller

Schärfe gebrauchen, sondern wenn T die Zahl der Sekundenschläge meiner ühr in einem Sterntag ist, worüber ich immer durch meine Stern verschwindungen Rechnung trage, so ist der Koefficient, mit dem ich die Sekunden der Durchgangsdauer multiplicire, für den Stern =

-«~', fü,- den Kometen ^A^^JAM. Nämlich iA tägliche Be-

wegung des Kometen in ^R. Wenn der Komet sich stark in be- wegt, ist diese Rücksicht nöthig, und dadurch erhält man gleich die

72 Olbers an Gauss. Bremen. 1821 Februar 16.

wegen der Bewegung- des Kometen verbesserten Dekl. -Unterschiede hin- reichend genau. Bewegt sich der Komet auch beträchtlich in Dekl., so nehme ich

Stündliche Bew. d. Koni, in Dekl.

5iOÖür^'Stundliche~Bewegung in ^ ~~ ang y,

und es ist + ^ die Korrektion der ^. Es wird fast nie nöthig

cos^

sein, das so berechnete ^1 auch noch genauer in zu verwandeln.

° cos y>

Verzeihen Sie diese unbedeutenden Kleinigkeiten. Ich wollte Ihnen nur zeigen, dass ich bei meinen Reduktionen nichts Erhebliches ver- nachlässige. Auf Refraktion habe ich bisher bei unserem Kometen noch keine Rücksicht genommen und zu nehmen Ursache gehabt.

Sie haben sehr Recht; meine Methode kann bei diesem Kometen, der Lage seiner scheinbaren Bahn nach, und besonders auch seiner so langsamen scheinbaren Bewegung wegen, nichts Genaues geben. In- dessen habe ich der Begierde nicht widerstehen können, wenigstens im Rohen die Relation seiner Bahn gegen die Erde kennen zu lernen. Hier was ich gefunden habe:

Zeit d. ©Nähe Febr. 16. 17'', .Q, = 81"10', Neigung = 22" 0'. Länge d. O Nähe = 19" 32', Abstand in d. O Nähe = 2.138, Bew. rückläufig.

Ich will dies noch gar nicht für Elemente der Kometenbahn ausgeben, da der Werth von M gar nicht zuverlässig ist. und besonders mögen Zeit und Länge des Perihels bei genauerer Rechnung sehr verschieden gefunden werden. Aber mit einiger Gewissheit lässt sich doch schon behaupten, dass wir den Kometen nach seiner Konjunktion mit der 0 wiedersehen und wahrscheinlich den ganzen Sommer hindurch bis in den Herbst beobachten werden, da er bei den Sternen des Adlers ver- schwinden wird. Er bleibt, solange er Abends noch sichtbar ist. etwa bis zum 10. März immer in der Nachbarschaft unsers Sternes d. Seine Bewegung wird immer langsamer; zuletzt gegen den 10. März wieder rechtläufig und in Dekl. zunehmend. Den 1. Mai ist seine uE 357°, seine nördl. Dekl. 17°. Er wird also schon gut wieder am ]\[orgen- himmel zu sehen sein u. s. w.

Hr. \. Zach hat mir die Nachricht von Poxs' Entdeckung dieses Kometen geschickt. Auch Pons hat ihn erst am 21. Jan. mit Nicollet zugleich gefunden. Mit Ihnen verwundert es mich sehr, dass man diesen Kometen nicht schon lange entdeckt hat. Hier und überhaupt im nördlichen Deutschland war die \\itterung seit 5 bis 0 Wochen freilich abscheulich und fast keine heitere mondlose Nacht.

Gaii>s au OlbiT-. in.lliiii^fii. 18'J1 l''i-liruar 22. 73

HoppENSTEDT hat iiiii' nicht trennt wortet, ich habe auch keine Ant- wort von ihm erwartet, da mein Biief oiircntlich nur ein von ihm er- haltenes »Schreiben beantwortete.

;Mit Vergnügen theile ich Ihnen die Abschrift von Oltmanns' Längenbestimmiing der (löttingenschen Sternwarte mit.

Wenn Sie schon die Coun. cl. teim für 1823 gesehen haben, so möchte ich Sie wohl um Belehrung bitten, ivie weit man Puissant's Formeln, die in einer Hypothese über die Abplattung aus geodätischen Messungen berechneten Unterschiede der Länge und Breite zweier Dreieckspitzen für eine andere Abplattung zu korrigiren, wohl mit einiger Sicherheit gebrauchen kann. Ist Ihnen die Mailänder Ephe- meride für dies Jahr schon zugekommen?

Auf Ihre neue Begründung der Methode der kleinsten Quadrate freue ich mich im voraus recht sehr, besonders wenn Ihre Abhandlung auch für Leute von meiner Fassungskraft verständlich sein wird. Gestern Abend habe ich in der Comi. cl. tems 1823 La Place's Ab- handlung über die bisher nicht merklich abgenommene Temperatur unserer Erde gelesen und, ehrlich gestanden, von der ganzen darin ent- haltenen Analyse nicht das Geringste begriffen. Ob es bei einer zweiten aufmerksameren Durchlesung besser gehen wird, muss dei- Erfolg lehren.

Ich stelle mir noch immer vor, dass Repsold, eben weil er Ihnen nicht antwortet, Ihre Bestellungen gewiss ausrichtet. Soll ich mich auch mal durch Rümker, mit dem ich korrespondire, danach erkun- digfen lassen?

No. 407. Gauss an Olbers. [iss

Göttingen, 1821 Februar 22.

Recht vielen Dank für die gütige Mittheilung Ihrer neuern Ko- metenbeobb. Ich selbst habe ihn seit dem 11. nicht wieder beobachtet; gestern Abend, wo der Komet an Glanz ungemein zugenommen hatte, fing ich eine Beob. an, welcher zufolge der Komet um 5'^ 1'" -;:- Zeit 3'" 24^25 auf einen Stern etwa 7. Grösse etwas nördlicher folgte (d. i. der Komet etwas nördlicher), allein schon während dieser Beob. kam eine Wolke, die den Austritt des Kometen nur mit Mühe erkennen liess und nachher alles Observiren unmöglich machte. Ich habe daher auch nicht ent- scheiden können, ob dies etwa der Stern gewesen ist, der in der Hist. Cel. p. 37 23M6"^38^5 steht.

Sehr in Verwunderung gesetzt hat es mich, dass Ihre Bahn ganz toto coelo von der verschieden ist, die Hr. v. Staubt herausgebracht hat

74 Gauss an Olbers. Göttingen, 1821 Februar 22.

(ich meine nach Nicollet's vom 21. Jan. und meinen Beobb. vom

30. [Jan.] und 10. Febr.), die aber auch noch durchaus nicht ausgefeilt ist, nämlich

ft 48» 27' 52"

Neig 74° 39' 37", rückläufig

Perih 265° 20' 44" i)

logg 8,95457

Durchgang durchs Perihel 58'^,835später als Nicollet's Beob. In diesem Augenblick erhalte ich auch einen Brief von Hrn. Nicola mit folgenden Elementen:

ft 52° 21' 40"

i 57° 49' 27" rückl.

Perih 245° 53' 18"

log. q . . . . 9,13072

Zeit des Per. März 28,1478.

Ich kann, da beide kein Vergleichungstableau gegeben haben, noch kein Urtheil mir anmaassen. Sollten übrigens aber diese Bahnen der Wahrheit näher kommen, so dürfen wii' noch [auf j eine grosse Zunahme des Glanzes des Kometen hoffen, so dass er trotz seiner Annäherung gegen den Horizont und die Dämmerung doch "wohl noch dem blossen Auge gut sichtbar werden könnte.

Eepsold hat noch immer nicht geantwortet. Bestimmt erwartet habe ich übrigens eigentlich von ihm nur erst einen Reverhere, um damit erst vorläufige Versuche anzustellen. Ich meine, er hatte mehrere der- gleichen damals fertig, und versprach mir. so bald er von der Basis- messung zurückkäme, einen zu schicken. Da dieses nun nicht geschehen, so denke ich auch jetzt gar nicht mehr daran und noch weniger, dass er meinen geäusserten Wunsch wegen eines Heliostateu erfüllen werde, welcher Wunsch von Anfang an keine Hoffnung war, da ich Eepsold's beschi'änkte Zeit kannte. Dagegen hat mir nun Körner in Jena auf Ostern zwei Reverberes versprochen, und nachher will er mir auch einen Heliostat machen.

Ich habe jetzt auch Aussicht, die EcKHARDT'schen A A zu er- halten, welche Mannheim mit den MüFFLixG'schen A A verbinden.

Englischer Seits ist nunmehr der Zenith-Sektor für die hannov. Gradmessung bewilligt; ich weiss aber noch nicht, ob und wit lange Schumacher ihn vielleicht noch zu behalten wünscht. Der schick- lichste Zwischenpunkt zwischen hier und Lauenburg mCichte vielleicht Burgdorf sein.

1) Muss 2390 9' 5" heissen. Siehe Brief No. 414 Gauss an Olbers. Kmi.

Olbii- ;iii t.aiiss. Bremen. 1821 Februar 27. 75

Ich liabe von iinserm Ministerium den Auftraof erhalten, jemand für die erlediprte Stelle eines Lehrers an der Navicrationssc-luile in Kmden vorzuschlagen; „derselbe hätte besondei-s in den .Sommermonaten durch Vermessungen und derjrl. Gelegenheit zu Nebenbeschäftigungen, stehe unter der Provinzialreg. in Aurich und geniesse ein Einkonnnen von ca. 500 Rthlr." Ich bin deshalb in A'erlegenheit, da ich niemanden kenne, der schon hinlängliche theoretische und praktische Kenntnisse besässe, und von dem man zugleich mit einiger Wahrscheinlichkeit an- nehmen könnte, dass er unter obigen Bedingungen dazu geneigt wäre. DiRKSEN ist schon seit l Jahre als Professor mit 500 Kthlr. Gehalt und freier Wohnung in Berlin angestellt; Westphal hat seine recht gute Anstellung in Danzig aus freien Stücken niedergelegt, ,^weil ihm das Sdndmeistern nicht gefieV, und ich weiss jetzt nicht einmal dessen Aufenthaltsort. Sollten Sie ein passendes Subjekt kennen oder vielleicht durch Hrn. Eümker, mit dem Sie korrespondiren, erfahren, so würde ich Ihnen für Ihren baldigen gütigen Eath sehr verpflichtet sein.

Nu 408. Olbers au Gauss. [223

Bremen, 1821 Februar 27.

Sie haben ganz Recht, das was ich Ihnen als eine Art von Bahn- bestimmung des Kometen schickte, aber auch als sehr zweifelhaft gab, war ganz irrig; ich war auf einer ganz falschen Spur, und ich ent- deckte bald darauf meinen grossen Irrthum. Die Bahn des Kometen scheint von Encke schon sehr genau bestimmt. Sie kennen seine Elemente ohne allen Zweifel. Die noch nicht ausgefeilten Elemente des Hrn. v. Staubt nähern sich ihnen bis auf die Länge des Perihels ^) sehr. NicoLAi's erste Elemente w'erden noch wohl grössere Korrektionen erfordern. Leider fällt nun die Hoffnung ganz weg, den Kometen noch nach dem Perihel zu sehen.

Wird seine Lichtstärke wirklich im Verhältniss ^ 2 72 -) zunehmen,

so sollte man fast glauben, man müsste ihn in der Nähe seines Perihels auch am Tage, wie den Kometen von 1744, im Mittagsfernrohr sehen können. Ich finde nach jener Formel seine Lichtstärke (Elemente von Encke) am 19. März etw^a 260 mal grösser, als wie sie am 30. Jan. war.

1) Yergi. die Anmerkung- im vorigen Brief über die falsch mitgetheilte Perihel- länge. Krm.

2) Näheres über diesen Gegenstand findet sich in einem Aufsatze von Olbers, No. 7 in Bd. I. Krm.

76 -Olbers an Gauss. Bremeu, 1821 Februar 27.

Setze ich nun die Lichtstärke des Kometen am 30. Jan. etwa der eines Sterns 8. Grösse gleich, oder beiläufig 64 mal kleiner, als die Lichtstärke eines Sterns erster Grösse, so würde der Komet am 19. März fast 4 mal mehr Licht haben als ein Stern 1. Grösse. Bei einer solchen Licht- stärke sollte man ihn doch wohl sehen können, ob er gleich nur etwa 8" vom Sonnenrande entfernt ist.

Nur ein einziges Mal habe ich den Kometen nach dem 14. Avieder beobachten können, so anhaltend trübe ist hier die Witterung.

Febr. 19. 6'' 49'« 20*^ 357° 59' 48" 14° 48' 10"\)

Zu der Stelle in Emden weiss ich Ihnen niemand vorzuschlagen. Unser bisheriger Lehrer der Navigation, Dr. Beaubach, steht wegen eines Rufs nach Groningen in Unterhandlung, würde auch die Emdener Stelle unter den Bedingungen, die Sie mir melden, nicht annehmen. Ich habe gleich an Rümkek geschrieben und werde Ihnen seine Ant- wort ungesäumt mittheilen.

Unterm 16. Febr. schrieb mir Prof. Oltmanns: „So eben erfahre ich, dass der hannoversche Oberstlieutenant Suveloh die Ingenieure auffordert, sich zu erklären, ob sie an der allgemeinen Landesvermessimg Antheil nehmen wollen. Dies scheint mir Hoifnung zu einer allgemeinen Triangulirung des Eeichs anzudeuten. Da mir nun nichts Näheres darüber bekannt ist, Sie sich aber stets dafür sehr interessirt haben, so erlaube ich mir anzufragen, ob Ilinen vielleicht durch Hrn. Hofr. Gauss etAvas darüber eröffnet worden ist, und bitte Sie, mich gefälligst bald davon zu benachrichtigen."

Natürlich habe ich ihm geantwortet, dass mir nichts Positives darüber von Ihnen bekannt geworden sei. Das unterstrichene mir scheint anzudeuten, als ob Oltmanns erwartet habe, darüber in Kenntniss gesetzt zu werden. Ich kenne Oltmanns" jetzige Dienstverhältnisse und jetzigen A\'irkungskreis nicht, nur vor einiger Zeit schrieb er mir. es wäre ihm von Seiten der Stände ein Plan zu einer "S'ermessung des Königreichs abgefordert worden, er habe aber den Antrag vor der Hand abzulehnen Ursache gefunden. Dies alUfi, lieber Gaiss. versteht sir]i im Vertrauen.

Oltmanns hat mir auch einen vollständigen Abdruck seiner Ab- handlung über die Finsterniss von Thales mit allen Anmerkungen und Citaten, die Bode aus oft übel angewandter Sparsamkeit mit dem Kaum in seinem Jahrbuche weggelassen hat, mitgetheilt. Da habe ich mich dann überzeugt, dass Oltmanns noch gai- nicht wusste. seine an sich schöne Abhandlung sei doch im eigentlichsten Sinne ein cpus oprratton.

Vergl. Olbers Bd. I, S. 878. Krni.

(>lbtr> an (iauss. Bniiu-u, 1821 Ftbruar 'J7. 77

Ks tiiidet sk-li iiäinlicli in den rhilos. Transad. vom Jahr 1811 eine ijanz ähnliche Abhandlung von P'rancis Baily, die auch zu demselben Kesultat führt. Baily hat Bübg's Mondtafeln gebraucht. Wenn dies aber nun auch für Oltmanns nicht ganz angenehm ist, so wird es für un.s immer wichtig [sein], zu wissen, dass zwei Astronomen unabhängig von einander aus den neuesten Mundtafeln nur die Finsterniss vom 30. Sept. 609 a. C. als zu Herodot s Erzählung passend haben auffinden können, und dass also diese Sache als vüllig abgethan zu betrachten sei, wenn wir uns auf die Säkularbewegung des Mondknoten schon sidier verlassen dürfen.

Am 5. Febr. habe ich die Erscheinung im Monde ^) gesehen, die man einen ^londvulkan genannt hat. auch gleich darüber an Prof. Hai{ding geschrieben. Hier wörtlich, was ich in meinem Tagebuche der Kometenbeobb. darüber sogleich niedergeschrieben habe. „Am 5. sehr heiter, aber schon Mondschein. In dem dunklen Tlieil des Mondes sah ich noch nie das Phänomen, das man für einen brennenden Vulkan im Monde gehalten hat, so deutlich und auffallend, wie diesen Abend. Es schien wie gewöhnlich im Äristarch zu sein. Es war klein, aber ganz auffallend heller als der übrige Theil des von der Sonne nicht erleuchteten Mondes, ganz sternähnlich, und hatte eben das Ansehen wie ein Südost vom Monde stehender Fixstern 6. Grösse." (Südost ist, wie ich gewiss weiss, ein Schreibfehler, es muss Nordost heissen.)

Da es am 6. Febr. trübe war, habe ich mich nicht weiter danach umgesehen. Nun lese ich aber in den Englischen Zeitungen"-): „Kapt. Kateb habe am 7. Febr. der königlichen Societät zu London eine Nach- richt über einen von ihm im Monde gesehenen Vulkan mitgetheilt. Er habe sich durch fortgesetzte Beobb.wirklich überzeugt, dass es ein im Ausbruche begriffener Vulkan sei."

Es scheint also, dass Kater dieselbe Erscheinung gesehen, nur weiter verfolgt habe, die auch mir am 5. Febr. auffiel. Seine Ueber- zeugungsgründe, dass dies wirklich ein brennender Vulkan war, muss ich erwarten. Ich glaube an keinen brennenden Mondvulkan, der nach allem, was wir von der Beschaffenheit des Mondes und seiner so zweifel- haften Atmosphäre wissen, fast unmöglich scheint. Vielmehr- glaube ich^ dass sich die Erde in einer ebenen, merJdich platte)i, fast einer polirten

^) Diese ÜLBERs'sche Mittheilung- über die Erscheinung des Mondvulkanes findet sich mit geringen Änderungen auch in den Gott. Gel. Äitz., Stück 46, in Gacss' Werken Bd. VI, S. 436—437 und Olbers" Werken Bd. I, S. 575—577. Vergl. auch Briefwechsel Olbers-Bessel Brief 289 au Bessel. Olbers kommt auf diesen Gegenstand in dem nächsten Briefe vom 5. März noch einmal ausführlieh zurück. Krm.

2) Yergl. hierzu Olbers" Werke Bd. I. S. 371, 372 und S. 213. Krm.

73 Olbers an Gauss. Bremen, 1821 Februar 27.

Fläche ähnlichen Seitenwand einer zum Äristarch gehörenden grossen Felsklippe wirklich abspiegelte.

Das so abgespiegelte Bild eines Theils der Erde musste ganz un- gleich heller sein, als alles Uebrige bloss von der Erde erleuchtete, da dies das Erdenlicht nach allen Richtungen zerstreut, jenes nur in einer Richtung zurückwirft. Wenn jene unvollkommene Spiegelung auch nui- jV des Erdenlichtes zurückwarf (da unsere wirklichen Spiegel etwa die Hälfte des auf sie fallenden Lichts zurückwerfen), und die Seitenwand nur 2" im Durchmesser hatte, so konnte sie immer so hell wie ein Stern 6. Grösse erscheinen.

Nach dieser Vorstellung wird es erklärlich, 1) warum wir die vul- kanartigen Erscheinungen immer nur an bestimmten Stellen des Mondes sehen, 2) warum sie nicht in jeder Lunation, sondern nur selten zu Gesicht kommen. Die Libration des Mondes muss nämlich bis auf etwa 2^ die nämliche sein. Die Möglichkeit, dass es solche mehr oder weniger spiegelartig das Licht zurückwerfende Seitenwände der Mondklippen geben könne, lässt sich wohl nicht bezweifeln. Ich kenne unsere Gletscher nicht aus eigener Ansicht; aber ich glaube, dass es grosse Gletscher- flächen giebt, die auch als unvollkommene Spiegel Licht zurückwerfen können. Ich führe dies nur als etwas Analoges an; denn Gletscher sind im Monde noch wohl unwahrscheinlicher als brennende Vulkane. Aber dass es unter den auch im Monde wahrscheinlich nach Krystalli- sations-Gesetzen gebildeten Gebirgen einzelne geben könne, die ebene, glatte, fast einer polirten ähnliche Seitenflächen haben, scheint mir sehr denkbar. Es mag ihrer vielleicht viele im Monde geben, aber selten mögen sie gerade die Lage haben, dass sie uns unter bestimmter Libration ge- rade das Bild der Erde zurückwerfen oder zurückspiegeln können.

Auch die Sonne scheint sich zuweilen auf ähnlichen Klippenwänden im Monde abzuspiegeln. Noch vor etwa 8 Wochen sah ich im Mare imhrium ausser der Lichtgrenze zwei von der Sonne beschienene Berg- köpfe so ungewöhnlich hell, scintillirend, smwsähnlich, dass es mir un- möglich schien, hier bloss nach gewöhnlichen Zerstreuungs-Gesetzen zurückgeworfenes Sonnenlicht anzunehmen. Ich habe versäumt, damals nachzusehen, ob der eine dieser Berge vielleicht der auch im Mare imhrium gelegene Lahire (nach Schroeter) war. bei welchem Schroeteb ganz ähnliche Erscheinungen wahrgenommen hat.

Verzeihen Sie, lieber Gauss, mein langes Geplauder über diesen geringfügigen Gegenstand. Das Alter, wie Sie wissen, macht redselig.

Endlich haben wir wieder etwas von der Londoner astronomischen Societät gehört. Hekschel wird auch Ihnen ohne Zweifel die Preis- aufgabe der Gesellschaft die Theorie der Saturnstrabanteu ge- schickt haben.

Gauss an (Ulieis. i rtittiiiifeu, l.^Jl März 1. 79

RüMKER schrieb mir neulich, dass grosse Hoffnung sei, man werde in Hamburg ein öffentliches Observatorium, ganz vollständig mit von Repsold verfertigten Instrumenten ausgerüstet, errichten.

No. 409. Gauss an Olbers.') [ise

Göttingen, 1821 .März 1.

Der Hr. \ . Staudt hat mir so eben die Vergleichung seiner para- bolischen Elemente des Kometen mit sämmtlichen Beobb. gebracht, wovon ich Hinen die Abschrift mitzutheilen eile.

[Folgt die Vergleichung der auf (trund der ersten Bahn*^) gerechneten Oerter mit den Beobb. vom 21. Jan. bis 15. Febr. zu Paris, Göttingen, Bremen, Seeberg und Mannheim]

Hr. Encke wird ihnen seine mit den SxAUDT'schen Elementen äusserst nahe harmonirende Bahn wahrscheinlich schon selbst geschickt haben.

Wenn wir diese fortdauernde gute Uebereinstimmung als eine Präsumtion gelten lassen, [dass] diese Bahn der Wahrheit nahe kommt, so werden wir den Kometen vor seiner Zusammenkunft mit der O und auch zum zweiten Mal, in den Frühstunden, nach derselben, trotz seiner Nähe bei der O und dem Horizonte, doch höchst wahrscheinlich mit blossem Auge bequem sehen. Einer meiner Zuhörer behauptet, ihn so schon den 21. Febr. gesehen zu haben, seit welchem Tage es hier beständig trübe gewesen ist.

Hr. Oltmanns schreibt mir „Sie hätten ihm gemeldet, dass Sie heitere Aiissichten zw Primär-Triangidirung von Hannover hätten, und dass er so glücklich geivesen sei, Ihnen zu dieseiti Endmveck das KjRAYENHOFFSche AA Netz so wie Bruchstücke des EpAiLLr'schen^) zu verschaffen.^'' Ich vermuthe, dass hier ein mal entendu, stattfindet; sollten Sie aber doch wirklich im Besitz dieses KRAYENHorr'schen Netzes sein, so bitte ich Sie dringend, sich nicht durch den Umstand, dass neulich in unseren gelehrten Anzeigen eine Recension des Werkes stand, verleiten zu lassen zu glauben, das Buch sei hier, sondern mir sol- ches, so bald Sie es nur auf kurze Zeit entbehren können, gütigst zu

^) Dieser Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

2) Neue Elemente Staudt's theilt Gauss im Briefe No. 412 an Olbers mit. Siehe auch Gott. Gel. Anz.. Stück 78, und Astr. Jahrbuch für 1825 (Gauss' Werke Bd. VI, S. 437—440), wo Gauss die letzten Elemente Staudt's und eine Vergleichung mit den europäischen Beobb. des Kometen 1821 giebt. Krm.

^) Vergl. hierzu Brief No. 400 und 404 Olbers an Gauss. Krm.

gQ Gauss an Olbers. Göttingen, 1821 März 2.

kommimicireii. Jene Recension ist nämlich, wie mir auf meine gleich angestellte Erkundigung gesagt wurde, aus ^^'estfalen, ich weiss aber nicht von Avem, eingesandt, und die Bibl. hat das Buch nicht.

Es werden in dieser Recension auch die Ol iMANNs'schen Vermessungen erwähnt, an die sich die KEAYENHOFF-'schen anschliessen sollen?

Die mir aus Paris gemachten Mittheilungen werden, wenn ich nicht die Winkel selbst erhalte, völlig unbrauchbar sein, und ich weiss wirklich kaum, was ich davon denken soll. Man hat mir die Seite Hohenhorn-Lüneburg mitgetheilt = 27390,76 m, log ^= 4,4376057, Hohen- horn ist auch ein ScHUMACHER'scher Punkt. In Lüneburg ist zwar von mir ein anderer Thurm gebraucht (der Michaelis), inzwischen haben wir doch hinlängliche Daten, um auch die Distanz Hohenhorn-Lüneburg, Jo- haimis, welche Epailly gebrauchte, zu berechnen; sie ergiebt sich 25696 m,^) die anderen Lüneburger Thürme liegen unsicher. Es bleiben also nur 3 Fälle denkbar, entweder hat Epailly bei Hohenhorn nicht den Thurm, sondern ein Signal gebraucht, was fast 1 Stunde Weges davon stand, wozu aber gar kein Grund war, da der Thurm ein guter Standpunkt war; überdies ist auch bei Hohenhorn nicht beigeschrieben „signal", und auf alle Fälle wäre es ja dann ganz unpassend gewesen, mir jet^t eine solche Seite mitzutheilen, die gar keinen Wertli haben kann oder 2. die EpAiLLY'schen Dreiecke involviren die gröbsten Fehler oder 3. sie sind ganz unrichtig berechnet, denn dass man 4. ^vissent- lich mir eine falsche Zahl geschrieben hätte, ist natürlich undenkbar.

Freilich gründet sich meine Rechnung nur auf die provisorische Basis auf der Eibbrücke; allein dabei kann schwerlich i ,7,,,,? ja schwerlich •-' (h 0 gefehlt sein, auch könnte sonst die berechnete Polhöhe von Lüne- burg nicht so gut mit der von Ende beobachteten harmoniren.

Dürfte ich Sie gehorsamst ersuchen, die Einlage gelegentlich mit beizuschliessen?

P. S. Die Conn. des tems 1823 habe ich noch nicht gesehen, eben- so wenig wie die Mailänder Ephemeriden für 1821.

Nu. 410. Gauss an Olbers.-) [isr

Göttingen, 1821 ,März 2.

Recht herzlich danke ich Hinen für Ihren höchst interessanten Brief. Ganz besonders hat mich Ihre so sinnreiche Idee wegen der angeblichen

*) Vergl. auch Brief No. llo im Biiofwoclisel Gaiss-Schvmacher. Krni. -) Dieser Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

Gauss i\n Olbcrs. (TÖttiugeii, 1821 März 2. gl

([ Vulkane übt' nascht. pj-laulxMi Sic wolil. dass ich einen Auszug dieser Stelle Ihres Briefes in unseren Anzeigen bekannt mache? ^)

Den Kometen habe ich gestern Abend recht gut beobachtet um! mit 23'' No. 233 Pia/zi verglichen

März 1. 7'' 18'" 7^ 357M8'34",5 14" 8' ;JtJ".t3

Die Beob. soll aber künftig noch schärfer mit Rücksicht auf Re- fraktion reducirt werden.

Hr. Nicolai hat folgende Elemente berechnet, die recht gut mit den STAUDx'schen und ENCKE'schen übereinstimmen,

März 21,6016 Mannheim PeriheP)

239034' 5" Länge des Perihels 48 43 3 4 Sl 73 23 15 Neigung 8.96466 Log 2.

Die Mailänder Ephemeriden sind jetzt für mich unterwegs. Den Zenithsektor will Schumacher Ende Juli abliefern. Von dem Plan, eine Sternwarte in Hamburg zu bauen, hatte ich bei meiner letzten An- wesenheit daselbst auch gehört, es schien nur alles noch sehr in weitem Felde zu sein. Vermuthlich will man dieselbe wohl mit der Navigations- schule vereinigen und dann vielleicht Hrn. Rümker an die Spitze stellen? Sollte dies aber nicht der Fall sein und Sie Gelegenheit haben dabei mitzuwirken, so ersuche ich Sie, mein theuerster Freund, mich dazu zu empfehlen. Es ist dies mein völliger Ernst. Und wenn die Bedingungen so sind, dass man in Hamburg auch mit einer Familie wie die meinige anständig davon leben kann, so werde ich sie an- nehmen.^)

Wegen der Landesvermessung des Hannoverschen hatte Hr. Olt- MANNS auch an mich geschi-ieben, aber auf eine Art, dass ich selbst nicht recht wusste, was ich davon denken sollte. Wird dieselbe aber auf eine solche Art, wie Ihr Brief anzudeuten scheint, ausgeführt, ohne eine

^) Siehe die Anmerkung auf S. 77. Knn.

«) Durchgang durch"s Perihel in Mannheimer Zeit. Das erste NicoLAi'sche Ele- meutensystem hatte Gauss im Brief No. 407 Olbeks mitgetheilt. Krm.

3) Yergl. hierzu auch Brief No. 413 von Olbers sowie den Briefwechsel Gauss- ScHUMACHER, WO Gaüss längere vertrauliche Verhandlung-en in Betreff der Übernahme des Direktorats an der neuzugründenden Hamburger Sternwarte führte (Brief No. 117, 118, 122—124, 126). Dass Gauss mit seiner pekuniären Lage nicht zufrieden war und sich von Göttingen fort wünschte, geht auch aus einem Briefe seiner Schwieger- mutter an Olbers hervor (Briefe zwischen A. v. Humboldt und Gauss, herausgegeben von K. Brühns, S. 6). Bald darauf begannen die Verhandlungen über Gauss' zweite Berufung nach Berlin. Krm.

Olbers. 11, 2. 6

32 Olbers an Gauss. Bremen, 1821 März 5.

wissenschaftlich geleitete grosse Triangulirung, so ist dies freilich sehr zu beklagen.

Eine kurze Nachricht von dem 1. Theile meiner Abhandlung ^j werden Sie in No. 33 unserer Gel. Anz. finden.

Der Komet war gestern etwa so hell wie ein 'Jc 3. oder 3. 4. Grösse. Nach welchem Prinzip rechnen Sie die Helligkeit der Sterne 8. Grösse ^j^ von der der ersten? Sollte nicht bei der Art, wie man eine neue Ord- nung anfängt, (wenn ein bedeutend geringeres Licht stattfindet, etwa

I der vorhergegangenen Ordnung) die Formel -^^^^ oder „_i , wo viel-

^ CO

leicht (jo noch grösser als 2, angemessener sein als - ? Auf alle Fälle

71-

werde ich zu seiner Zeit den Versuch machen, ob der Komet bei Tage zu sehen sein wird.

No. 411. Olbers an Gauss. [-224

Bremen, 1821 März 5.

Unsere beiden letzten Briefe haben sich gekreuzt, und Sie werden bald nach Absendung des Ihrigen vom 1. März den meinigen erhalten haben. Sehr bin ich Ihnen für die gütige Mittheilung der Vergleich ung sämnitlicher Kometenbeobb. mit den Elementen des Hrn. v. Staudt ver- bunden. Sie scheinen allerdings schon sehr genähert, und es wird darauf ankommen, welche von den beiden Bahnen, die des Hrn. v. Staudt oder des Prof. Encke, der Wahrheit am Nächsten ist. Beide stimmen nahe miteinander überein, und beide stellen die Beobb. bis zum 15. Febr. befriedigend dar. Auf die Möglichkeit, den Kometen nach dem Perihel zu sehen, wird die Länge des Perihels grossen Einfluss haben, bei der die beiderseitigen Elemente noch um 26° '-) verschieden sind. Die ^^'it- terung scheint in ganz Norddeutschland seit der Mitte des P'ebr. den Beobb. des Kometen sehr ungünstig zu sein. Ich habe ihn seit dem 19. Febr. nur einmal am 1. März beobachten können, und ich fand mit dem Stern von Piazzi h. XXIII No. 233 verglichen

März. 1. 7^ 5"' 2=* 357M8'28" 14" 8' 48"

Der Komet war sehr gut mit blossem Auge zu sehen, der Schweif über 4" lang und der Kopf im Fernrolir in der Mitte ungemein hell.

^) Anzeige über die Thooiia Oonibiuationis Gott. Gel. Attz., Stück 33, Gatss' Werke Bd. IV, S. 95 ff. Krin.

-) Es beruht dies auf dem in lUiof No. 407 Anmerk. l erwähnten Schreib- fehler. Krm.

Olliers an Gauss. BivmtMi. Is21 März ö. 33

Da mein Horizont nicht frei genug ist, werde ii-li ihn wolil iiiclit hinge nu^lir beobachten können.

Hier für Hrn. v. Staudt, ilen ich mich unbekannter \\'eise zu em- pfehlen bitte, einige Beobb. von Rümker zu Hamburg (Mittlere Zeit zu Hamburtr)

, 7.

8'' 23"' 50^2

358'

»44'36",9

lo°29'25",8

8.

7 6 5,5

40 24,5

24 48,7

0.

7 39 9,4

36 20,9

21 18,2

10.

7 G 35

32 14,9

12.

7 41 46

24 45

Zugleich schreibt mir Rümker: „Ich weiss kein Subjekt zu einem Xavigationslehrer in Emden vorzuschlagen, es sei denn, dass man vom Navigatiouslehrer nicht verlange, dass er zur See gewesen sein soll; dann ist ein sehr geschickter Mathematiker hier, welcher die Stelle gern annehmen Avürde, doch vei'steht er kein Holländisch und hat sich überdies mit Navigation bis jetzt wenig beschäftigt." Ich muss es Ihnen überlassen, ob Sie auf diesen Mathematiker reflektiren wollen. Mir scheint eigentlich kein Navigationslehrer gut zu sein, der nicht selbst einige Erfahrung in der Praxis auf wirklichen Seereisen gemacht liat. Vorausgesetzt also, dass das, was R. von den mathematischen Kenntnissen seines Kandidaten rühmt, seine Richtigkeit hat, würde doch wohl nur unter der Bedingung Rücksicht auf ihn genommen werden können, dass er vorher noch eine Seereise mache. Der Umstand, dass man von Holland aus, wie ich Ihnen schon geschrieben habe, einen Navigationslehrer in Bremen aufsucht, scheint zu zeigen, dass die zu diesem Geschäft sich schickenden Personen überhaupt sehr selten sein müssen.

Oltmanns liatie mir das IvRATENHOFF'sche Precis geliehen, und schrieb mir zugleich, dass er mir, wenn ich es wünschte, ein eigenes Exemplar verschaffen könne. Ich bat ihn um zwei, wovon eins für Sie bestimmt ist. Nach seiner gefälligen Antwort wollte er swei besorgen. Da ich also selbst dies Werkchen zu erhalten hoffe und täglich erwarte, so habe ich ihm sein Exemplar längst zurückgeschickt, ohne mir etwas daraus abzuschreiben. Sobald ich ein oder zwei erhalte, werde ich es Ihnen sogleich zuschicken. Sollte Oltmanns nicht Wort halten können, so wird er Ihnen gern das seinige leihen.

Dass mir Oltmanns zu meiner grossen Freude die EpAiLLy'schen Dreiecke, die Bremen mit Aurich verbinden, geschickt habe, meldete ich Ihnen gleich. Sie hatten mir aber vorher geschrieben, dass Sie schon lange im Besitz dieser Dreiecke wären. Ich glaube demnach nicht, dass das, was ich von Oltmanns' Güte erhalten habe, von dem

6*

84

Olbers an Gauss. Bremen, 1821 März ").

verschieden ist, was Sie schon besitzen. Zur Probe setze ich den Anfang her.

Namen der Objekte

Winkel

in Dccim[al- theilung']

alte EintheilnniT

I^ntfernungen

in Lo^-.

in Eheinl. Fus

Oldenburg . Wildesbausen Bremen . .

ü7,1714 88,7034 54,1252

79 49 59,016 48 42 45,648

Sandstedt Oldenburg- Bremen

76,6401,0 ' 70 46 33,924 66,2813,5 59 59 10,926 55,0787,5 49 34 15,150

5/J039230 5.103 7811 4,9865318

5,1037811 5,0647008 5.0102029

100907,4

126993,4

96946.3

126993,4 116064,9 102377.1

So in den übrigen Dreiecken, deren Zahl 23 ist. Sollte dies nun etwas von dem, was Sie schon haben, Verschiedenes sein, so braucht es nur Ihres Winkes, und ich schreibe Ihnen gern alles mit diplomatischer Genauigkeit ab.

Dass Oltmanns selbst viele Messungen in Ostfriesland gemacht hat. erwähnt er schon bei seiner Kritik der Vermessung von Kai»itän Camp. Er schrieb mir neulich, dass er in Westfalen, hauptsächlich Ostfriesland, über 1000 Winkel gemessen habe.

Ich gestehe es, schon lange ist mir der Gedanke gekommen, ob Oltmanns nicht ein sehr passender Gehülfe bei Ihrem Messungs-Geschäft sein würde? Aeussern habe ich [es zu] ihm nicht mögen, weil ich nicht "weiss, ob Oltmanns sich ganz in die hier doch durchaus nothwendige Sub- ordination fügen dürfte (ob ich gleich übrigens auch gar keinen Grund, dies zu bezweifeln, habe, als insofern er wohl selbst dies Geschäft vollkommen zu verstehen glaubt). Sein Geist für Genauigkeit, sein Fleiss, seine Fertigkeit und Sicherheit im Rechnen würden ihn sehr brauchbar machen. IcJi iceiss aher auch dtircJiaus nicht, oh er eine solche Theilnahme annehmen wird oder annehmen kann, da ich seine jetzigen Dienstverhältnisse und Geschäfte durchaus nicht kenne.

Bei der nächsten Lunation werden auch Sie. lieber Gauss, die Nachtseite des Mondes wohl eines Blickes würdigen, um zu sehen, ob die im Febr. sich zeigende Lichterscheinung^) noch fortdauert. Die Hypothese über die Ursache dieses Phänomens, die icli Ihnen in meinem vorigen Briefe vorzulegen wagte, wird sich leicht ])rüfen lassen, weil dann bei derselben Libration immer dieselbe Erscheinung wieder statt- finden muss. Mir scheinen noch ininier Felsenwände, die ein Bild der Erde oder der Sonne mehr oder weniger unvollkommen zurückspiegeln

') Vergl. Brief No. 408 v. 27. Fobr. und die bezüglicben Anmerkungen. Knn.

Gauss au Olbeis. Göttingeu, 1821 März 8. 85

können, im Monde nni so denkbarer, da dort walirseheinlich niclit wie hier eine Verwitternno: der änsseren r)bert1äclie der (lebirpe nnd Klippen dnrch atmosphärische Einwirknn<i- stattfindet. Die zurückspiegelnde Klippenwand braucht auch nicht ganz eben zu sein, wenn sich nur die zuriR-ksi»it'frelnden Theile in iiarallelen Ebenen befinden, wie dies denn bfi sdlciien l^ergen. die nach Krystallisations-Glesetzen gebildet sind, leicht stattfinden kann. Ich erinnere an unsere Basalt-Berge, deren einzelne grosse Krystalle noch sehr wohl dem entfernten Auge vereint ein unvollkommenes Sonnenbild zurückspiegeln könnten, wenn ihre Oberflächen nicht längst durch Luft, Dünste, Regen u. s. w. die wahr- scheinlich ursprünglich stattfindende Politur und Glätte verloren hätten.

Bessel wird Ihnen das höchst merkwürdige Experiment mitgetheilt iiaben, dass er mit Walbeck gemeinschaftlich angestellt hat.\) Beide beobachteten nämlich 5 Tage hinter einander 10 dem Aequator benach- barte Sterne am Mittagsfernrohr. Bessel am 1. Abend die ersten 5, Walbeck die 5 folgenden; am 2. umgekehrt, und so abwechselnd alle 5 Abende fort. Da zeigte es sich dann, dass Walbeck alle Beobb. genau eine Zeit-Sekunde später macht als Bessel, Ich erinnere mich, dass Bessel schon in einem früheren Briefe eines ähnlichen konstanten Unter- schiedes zwischen seinen Beobb. und denen seines Gehülfen Argelander erwähnte.

Da ich nun einen lichtvollen Auszug aus Fourier, Alemoire su7- le refroidissement seculaire du Glohe terrestre zu lesen Gelegenheit gehabt habe, so ist mir nun La Place's Abhandlung in der Conn. d. tems 1823, Siir la dimimdion du jour, und der Gang seiner Analyse verständlich gew^orden.

(Abends spät.) Ich habe diesen Abend den Kometen noch gut beobachtet; da aber die Beobb. auch wegen der Refraktion verbessert werden müssen, so habe ich die Reduktion noch nicht vornehmen können. In der Nachtseite des gleichfalls sichtbaren Mondes zeigte sich kein Lichtfleck.

No. 412. Gauss an Olbers.') [iss

Göttingen, 1821 März 8. Seit meinem letzten Briefe habe ich den Kometen nur einmal be- obachtet, obwohl weniger zuverlässig als am 1. März.

März 5, 7^5'"28^ 356" 54' 11" 13" 43' 5" Der Komet schien mir fast weniger glänzend als am 1,

*) Briefwechsel Olbers-Bessel Bd. II, S. 185, 186. Krm. ^) Dieser Brief ist in deutscher Schrift geschrieheu. Knu.

Gauss an Olbers. Göttingen, 1821 März 8.

Hr. V. Staubt hat seine Elemente nach meiner Beob. vom 1. ver- bessert. Hrn. NicoLAi's neue Elemente stimmen nahe mit jenen überein; da ich nicht weiss, ob Sie letztere schon kennen, so sclireibe ich beide Systeme nebeneinander.

V. Staudt Nicolai

Perihelium Zeit März 20,G026 Gott. 21,6016 Mannh.

Länge 239" 36' 0" 239° 34' 5"

log- Dist. 8,9641627 8,90466

ft 48H5'44" 48" 43' 34"

Neigung 73 16 13 73 23 15

Das Datum bei v. Staudt ist vermuthlich ein Schreibfehler und soll 21,6026 sein, ich habe ihn, seitdem er mir die Elemente gebracht, noch nicht wiedergesprochen.

Durch General Müffling habe ich noch verschiedene Mittheilungen über Epaillt's Messung erhalten. Einen Rapport an General Saä^son über die Arbeiten des Jahres 1804, der mancherlei Curiosa enthält und ziemlich voluminös ist. Ich sehe daraus, mit wie sehr grossen Schwierig- keiten ich zu kämpfen haben werde. Epailly konnte durchaus keine direkte Verbindung von Hannover nach Lüneburg formiren. da das Terrain ihm unüberwindliche Hindernisse entgegenstellte. Daher sein Umweg über Cuxhaven. Und doch hatte Epailly mehrere Wochen hindurch rekognoscirt, und ihm standen Ressourcen zu Gebote, die mir abgehen. So z. B. Hess er, um die Aussicht von Burgdorf (der Thurm ist bekanntlich seitdem abgebrannt) nach Hüttenberg zu gewinnen, gegen 200 Baumstämme umhauen. Aehnliche Operationen Hess er au mehreren Orten machen, ohne jedesmal seinen Zweck zu erreichen (auch bei Privatwaldungen). In den Tliürmen Hess er oft eine ]\Ienge Ausräumungen vornehmen. Er selbst sagt, dass er oft gethan habe, was nur in einem pays conquis möglich sei. Seine Signalthürme Hess er von den Aemtern bauen, denen er nur ein Modell und die Zeit auf- gab, w^ann sie fertig sein mussten j;jj. In allen Kichtungen Eequisi- tionsfuhren, die nur ein pour holre für den Bauer kosteten pp. Ausser- dem habe ich noch ein Stück Rechnungsbucli von Epailly, welches in Paris genommen, erhalten, woraus ich aHenfalls die Winkel von einigen A A restituireu kann. Allein die Winkel scliHessen auch zu 200^',0000, und man ^veiss nicht, ob dies die zu gleiclien Theilen abgeglichenen sphärischen Winkel oder die Chordenwinkel sind, vermuthlich aber das erstere, insofern öfter ein Winkel nur schlechtweg wie die Summe zweier oder mehrerer anderer erscheint. Ich habe nun noch einen A'ersuch in Paris gemacht, um alle A A zu erhalten. Mein Brief an La Place ist so abgefasst, dass er ihn veniiutlilich dem Depot zu-

Olbers an (Jauss. Bremen, 1821 März it. 87

seiulm wild. Jcli hätte gowiiiisclit, vurher erst iiucli iiiustäiKlliclier Ihren Rath darüber liolen zu können. Ich bemerke darin unter anderem: Frankreich sei von jeher das Vorbild zuvorkommender Bereitwilligkeit gewesen, wo es auf wissenschaftliche Mittlieihmgen ankomme: ich lioffe daher um so mehr, dass das Depot meine Kitte erfüllen werde, da eben dadurch die schöne EpAiLLY'sche Arbeit erst für die Geographie recht nützlich gemacht weiden könne. Epailly habe unter dem Drange der Tnistände manches dunkel uiul unvollständig lassen müssen; ich würde jetzt die beste Gelegenheit haben, alles was noch zweifelhaft sei, auf- zuklären und die Lücken zu kompletiren. Auch könne ich mich im voraus anheischig machen, da ich die liberalen Grundsätze meines Gouvernements kenne, dass ich meinerseits künftig alle dergleichen Kesultate, die das Depot nur wünschen würde, ihm würde mittheileii können pp.

Die Mailänder Ephem. für 1821 habe ich gestern erhalten, aber nur erst etwas darin geblättert. Es sind ein paar interessante Auf- sätze darin, von Mossotti über die Rotation der Sonne und von Cablini über die gerade Aufsteigung des Nordsterns.

No. 413. Olbers an Gauss. [225

Bremen, 1821 März 9.

Hier meine beiden letzten Beobb. des Kometen mit gehöriger Rück- sicht auf Hefraktion leducirt:

März 5. 6" 58'" 39« 356° 54' 7" 13° 42' 53" 6. 6 56 20 46 33 34 21

Ich werde den Kometen wohl nicht weiter astronomisch, höchstens nur, wie Kästnee sagte, civiliter beobachten, da er mir auf meinem Observationszimmer schon bei Höhe hinter das nicht gar weit ent- fernte Schulgebäude verschwindet. In einem höheren Lokal eine Uhr und mein Fernrohr aufzustellen, halte ich bei der ungewissen Witterung um so weniger der Mühe wertli, da ich weiss, dass dieser Komet an so \1elen Orten besser beobachtet wird, als ich ihn beobachten kann.

Ich weiss nicht, ob Sie vielleicht durch Encke schon folgende Mailänder Beobb. des Kometen erhalten haben, die mir Hr. v. Zach durch RüMKER geschickt hat.

Mittl. Zeit zu Mailand Jan. 31. 6'' 56"^ 359^21' 26" 16° 0' 8" Febr. 1. 6 11 15 30 15 55 31

38 Olbers an Gauss. Bremen, 1821 ]\Iäiz 0.

Mittl. Zeit 7.U Mailand

Febr. 2.

ßhgm

859" 9' 31"

15" 50' 45'

:-;.

6 4

4 40

46 8

7.

6 0

358 45 30

29 30

8.

6 0

41 0

25 30

Walbeck hat den Kometen in Dorpat, wo er sich jetzt bei Steuve befindet, selbst entdeckt, aber erst am 14. Febr.. und gefunden Febr. 14. 7»^ 19'",8 m. Z. 358M7'36" Dekl. ir,»3' In den Zeitungen finde ich folgende Beob. aus Wien

Febr. 20. 7^ 20'» 2^ 357" 57' 45" 14° 45' 18".

Dabei fällt mir die Frage ein. warum Littrow jetzt überhaupt so wenig von sich hören lässt?

Es scheint nicht, dass die Bahn des Kometen merklich von einer Parabel abweicht. Nicolai's Elemente geben für den 5. und 6. März die AI etwa 30" kleiner als meine Beob. Sollte indessen eine feinere Untersuchung der Elemente nöthig oder nützlich werden, so wird es gut sein, demjenigen, der die Untersuchung unternimmt, alle Beobb. im Original nach yR und Dekl. -Unterschieden von den verglichenen Sternen zu schicken, damit sie alle gleichförmig reducirt werden. In den aus der Hist. Cel. entlehnten Sternen finden sich bei jedem Beobachter nicht unbedeutende Varianten, je nachdem man andere oder mehr oder weniger PiAzzi'sche Sterne zu ihrer Reduktion ge- braucht hat.

Giebt Hr. v. Staudt noch immer die Länge des Perihels. so wie Sie sie mir geschickt haben, 265° 20' 44"?^)

Wenn es Ihnen der Mühe werth scheint, mein geliebtester Freund, einen Auszug der Stelle meines Briefes, der die angeblichen Mond- vulkane betriift, in den Göttingenschen Anzeigen-) bekannt zu macheu, so werde ich mich dadurch sehr geehrt finden. Aber, lieber Gauss, verwöhnt durch Ihre Nachsicht und Güte pflege ich meine Briefe an Sie sehr eilig niederzuschreiben und fast nie wieder durchzusehen. Der Brief kann also voller grammatikalischer, selbst orthographischer Fehler sein letztere entwischen mir, wenn ich lebhaft an einen Gegen- stand denke, sehr leicht. Ich muss Sie also bitten, alles ganz nach Ihrem Gutdünken insoweit abzuändern und zu korrigiren, dass es nicht gar zu ungeschlachtet erscheint,

Dass ich am 5. März nichts im dunkeln Theil des Mondes sah.

*) Ueber diesen Schreibfehler siehe Brief No. 407. S. 74 Aunierk. 1. Krin. ^) Vergl. Brief No. 408 und die betr. Anmerk.. veröffentliclit in Gott. Gel. An: Stück 46, 1821 März 22. Krin.

Olber» an Gauss, hremeii, 1821 März 9. 89

rührte gewiss daher, weil mir der Mond schon in der hellen Düninie- runj^ unterging. Am <3. war die Nachtseite des 1 ganz vortivtllich zu sehen. Ich konnte in meinem Dolloud alle Flecken, z. B. Grimaldi, CoperniciL^, Kepler, Manilinsi, Menelaus u. s. w. sehr deutlich erkennen. Ariatarch zeichnete sich wieder vor allen anderen auch, wie ich glaube, mehr als genöhnlich aus; aber so Jiell und so fixsternähnlich wie am ü. Febr. kam er mir nicht vor. Ich hoffe, Sie haben auch den Mond an diesem Abend betrachtet.

A\'enn das, was Sie über das projektirte Hamburger Observatorium ^) mir schreiben, mein theurer Freund, auch wirklich nicht Scherz, son- dern Krnst ist, so kann meiner Meinung nach, die Ungewissheit des Projektes abgerechnet, eine Stelle bei dieser Sternwarte für einen Gauss nie passend werden. Die kleinen Kepubliken, selbst das sonst so liberale Hamburg, bezahlen dergleichen Stellen im Verhältniss zu der Theuerung des Stadtlebens immer schlecht, und so angenehm das Leben in diesen winzigen Freistaaten für den unabhängigen Bürger ist, so haben hingegen Dienstverhältnisse zu dem vielköpfigen Senat und anderen Behörden oft ihre grossen Unannehmlichkeiten. Darf ich aus Ihren Aeusserungen schliessen, dass Sie Ihre Lage in Göttingen zu ver- ändern wünschen, so wird sich ja wohl eine angemessenere Gelegenheit dazu finden. Ich glaube, es braucht nur bekannt zu sein, dass Sie für irgend einen Staat zu haben sind, und es werden der Anerbietungen genug kommen.

Wenn ich die Helligkeit der Sterne 8. Grösse = /i der Sterne erster Grösse in meinem vorigen Briefe angenommen habe, so bin ich darin nur der ehemals gewöhnlichen, selbst von Herschel vordem be- folgten Schätzung gefolgt, nach der die Sterne n. Grösse n mal entfernterj

ihre Lichtstärken als im Verhältniss von vorausgesetzt werden.

11 n

An sich ist dies ganz unrichtig. Unsere Grössenklassen der Fixsterne

sind etwas sehr Schwankendes und Unbestimmtes; aber dass nicht

nn

für das Lichtverhältniss passt, ist klar. Herschel fand nachher durch wirkliche Versuche, dass wenn man Abstand der Capella = 1 setzt, man ihren Abstand auf 10 vergrössern müsste, wenn sie dieselbe Licht- stärke haben sollte wie d Gemlnorum, der allgemein der 6. Grösse bei- gezählt wird. Also wären die Sterne 6. Grösse schon 100 mal licht- schwächer als Capella; und so würde für Sterne 8. Grösse ein noch viel kleinerer Bruch herauskommen. Inzwischen sind schon die Sterne erster Grösse sehr verschieden untereinander. Herschel fand Capella =

*) Vergl. Brief No. 410 au Olbers. Krm.

90 Gauss an Olbers. Göttingen, 1821 März 18.

IC Lyrae, aber wenn er die Lichtstärke des Sirius = 1 setzt, so war Capeila nur || und Procyon gar nur |-§- dieser Lichtstärke. Ich glaubte also bei einem heiläufigen Ueberschlag der relativen Helligkeit des Kometen g'^ um so mehr annehmen zu können, da der Komet am 30. Jan. doch wohl etwas lichtstärker war als ein Stern 8. Grösse.

Ganz scheint mir die Formel - , nicht angemessen; denn gewiss sind

die Sterne, die wir zur 8. Grösse rechnen, nicht in dem nämlichen Verhältniss lichtschwächer als die 7. Grösse, wie es die Sterne 2. Grösse gegen die 1. Grösse sind. Ich habe schon auf ein schick- liches Photometer gedacht, die Lichtstärken der Steine zu vergleichen, auch unseren Mechanikus Kraut schon vor mehr als 8 AVochen be- stellt, meine Idee eines solchen Werkzeugs auszuführen; er ist aber noch nicht bei mir gewesen. Ein KöHLEE'sches Photometer, das ich mir schon vor vielen Jahren machen Hess und noch besitze, hat meiner Erwartung nicht entsprochen.

Das 83. Stück der Gel. Am., auf das ich sehr begierig bin. ist leider hier noch nicht angekommen.

No. 414. Gauss an Olbers.') [i89

Göttingeu, 1821 März 18.

Ihi-er gütigen Erlaubniss zu Folge habe ich einen Auszug aus Ihren Nachrichten über Ihre Beob. eines leuchtenden Punktes im Monde in die hiesigen G. A. eingerückt und übersende Ihnen hierbei einen Abdruck dieses Artikels.-) Da es vorerst wohl besonders wichtig ist, alles Faktische Ihrer so merkwürdigen Beob. vollständig aufzu- bewahren, so wünschte ich, dass Sie den Stern 6. Grösse, welchem der Lichtpunkt an Ansehen gleich war, noch bestimmt auszumitteln suchten, wozu Ihnen das Nöthige vermuthlich noch im Gedächt niss ist. Auf Harding's Karten finde ich ganz nahe NO von dem Ort, wo der Mond am 5. Febr. in den Abendstunden stand, keinen Stern 6. Grösse an- gegeben.

Eine Stelle Ihres früheren Briefes, dass v. Staudt's (frühere) Ele- mente beim Perihelium um 26" von den ENCKE'schen differirten.^) war mir anfangs unerklärlich, bis ich aus der Frage Ihres letzten Briefes.

^) Dieser Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krni.

") Gauss' "Werke Bd. VI. 8.486,437, Olbers Bd. I, No. ICO. l>cr dem Brief bei- liegende Abdruck ist hier niclit niitgetheilt. 8ch.

^) Vergl. Brief No. 411 Olukhs an G.\rss. Krni.

Gauss an Olbers. Göttiugen, 1821 März 18. 91

ob Hr. V. 8t. bei der Länge des Perih. 20')° 20' 44" beharre, sehe, das.s ich Ihnen solche unrecht abgeschrieben oder viehnehr aufge- schrieben liatte.^) Hr. v. Staüdt hatte die Länge des Perihel gar nicht angesetzt, sondern dessen Abstand vom Knoten = 169^ 18' 53". Anstatt diese Zahl von ß = 48° 27' 58" abzuziehen, welches die rich- tige Länge 239" 9' 5" gegeben hätte, hatte ich sie von i = 74° 39' 37" subtrahirt. Daher die falsche Zahl. Hrn. v. Staudt's neue Elemente habe ich, wie ich glaube, Hinen bereits geschickt.')

Ich habe bisher jeden Mittag den Kometen am M[eridiiin-J Kreise erwartet, aber bis jetzt umsonst. Heute wäre die Lichtstärke = 19,6 (nach dem gewöhnlichen Maasstabe). Am 5. März = 1,25. An den nächsten Tagen ist sie für die Kulmination:

März 19 32,5

20 59,9

21 I 110^6

22 i 128,1

23 I 81,2.

Hr. v. Staüdt hat für alle einzelnen Tage die Ephemeride im voraus berechnet.

A\'as die Grössenordnungen der Fixsterne betrifft, so kann ich nicht leugnen, dass es mir immer am zwechnässigsten geschienen hat, das Normallicht der einzelnen Ordnungen in geometrischer Progression '*) abnehmen zu lassen. Denn die Natur schneidet keine Ordnungen ab, sondern lediglich unsere Willkür. La Lande hat dieses Princip auch aus- drücklich ausgesprochen, indem er den Exponenten = | setzt, welches aber wohl etwas zu viel, d. i. der Nenner zu gross ist {Comi. de tems XV. p. 383). Es scheint mir auch natürlich, dass diejenigen, die zu- erst Ordnungen für die mit blossen Augen sichtbaren [Sterne] fest- gesetzt haben, wohl ein solches Princip eigentlich befolgt haben, wenn gleich, ohne sich desselben klar bewusst zu sein. Uebrigens gebe ich Ihnen gern und um so lieber zu, dass der Lichtabfall von den Sternen 6. bis 7. Grösse geringer sei als von der 1. zur 2., da ich hierin Ihrem geübteren Auge mehr traue als meinem eigenen, so wie auch mein eigenes Auge ebenso urtheilen würde, wenn auch die helleren Sterne, die

^) Im Briefe No. 407; Brief 41'2, in dem Gauss die verbesserten Elemente ge- schickt hat, hatte sich mit Olbees Brief No. 413 gekreuzt. Krm.

2) Wie es jetzt nach dem von Fechnee bedeutend später aufgestelltem psycho- physischen Gesetz geschieht, als Exponent wird heut noch Pogson's Vorschlag 1 : 2,512 angenommen. Die umstehend von Gauss aufgestellte Formel zur Berechnu)ig der Grüssenklasse aus der Helligkeit unterscheidet sich nur formal von der jetzt üblichen. Olbees berechnet im Brief No. 423 den Nenner w zu 2,236 aus der 2. und 6. Grössen- klasse. Krm.

92 Olbers an Gauss. Bremen, 1821 März 23.

man zur ersten Grösse zählt, mit zugezogen werden. Dagegen würde ich wirklich das Durchschmttsverlmltmüs der Sterne 2. zu 3., das der 3. zur 4. etc. ungefähr für das nämliche gehalten haben wie das der 7. zur 8., indem ich nämlich die Vorstellung der Sterne 7. u. 8. Grösse aus der Bezeichnung der Bist. Cel, die hierin gleichsam die Gesetz- geberin war, annehme. Gewiss würde es recht wünschenswerth sein, wenn man durch wirkliche photometrische Messungen über das Licht- verhältniss der Sterne mehr ins Klare käme, und dann würde ich der Meinung sein, dass es am vortheilhaftesten wäre

f

Licht der Sterne, die unbestritten zur 2. Klasse gehören

Licht der Sterne, die zur 6. Klasse gezählt sind gesetzt, die nächste ganze Zahl zu

XormalHcht der 2. Klasse

lOO"

® Licht eines Sterns -k-

log C/J

als die Ordnungszahl zu betrachten, alle zur ersten Klasse zählend, wo der Werth dieser Formel << 11 wäre. Salvis meliorihus.

Von dem Experiment, was Bessel und Walbeck gemacht haben, hatte mir ersterer noch nichts gemeldet. Uebrigens unter uns gesar/t schien mir Walbeck (den ich sonst für einen sehr guten Kopf halte) im Observiren noch wenig geübt zu sein. Die Beobb., die ich und Steuve hier gleichzeitig angestellt haben obwohl nicht in Beziehung auf jenen Umstand, haben keinen sichtbaren Unterschied gegeben. LTebrigens ist es mir zwar sehr glaublich, dass bei jedem Beobachter die Konkordanz zweier verschiedener Sinne individuell sei, so dass ich bei freien ^-Beobb. nie die Beobb. zwei verschiedener Beobachter zu verbinden zugeben würde; allein ich möchte doch glauben, dass die Unterschiede bei geübten Beobachtern stets sehr klein bleiben müssen, so dass das Konstante von dem Zufälligen sich erst nach einer grösseren Anzahl Beobb. trennen lassen könnte.

No. 415. Olbers au Gauss. [2-jfi

Bremen. 1821 März 23.

Mit vielem herzlichen Dank habe ich Ihre beiden letzten Briefe und das 46. Stück d. G. G. A. erhalten, worin Sie einen Auszug meiner Briefe mit einer so gütigen Einleitung haben abdrucken lassen. Den Stern, der, wie ich mich gewiss erinnnere, nordostwärts vom dunkeln Mondrande stand, habe ich damals für 988 Mai/cr. Piaszi XXII 1 227.

nlli.rs an (iaiiss. l'.niiicii. l^Jl .Miirz -'8. 93

Bude 60 gehalten, dem Bode die G.. die iil)ii<ren so wie die Hi^t. Cel. die 6., 7. Grösse zuschreiben. Sollte eine genauere Berechnung des srheiubaren Mondorts zeigen, dass es dieser Stei-n nicht gewesen, so müssen wir entweder Kater's dies vielleicht näher aufklärende Relation oder die Zeit erwarten, wo jene Sterngegend wieder aus den Sonnen- strahlen hervortritt. Ich betrachtete den Mond und die vulkanartige Erscheinung während starker Dämmerung, wie es noch zu früh war, den Kometen aufzusuchen. Meine erste Kometenbeob. dieses Tages ting um 5^ 50'" wahre Zeit an. Da gewiss eine nicht kleine Zeit darüber hinging, ehe ich den Kometen nach hinreichender Betrachtung des Mondes ins Fernruhr brachte, die umliegenden Sterne rekognoscirte und alles zur Beob. vorbereitete, so wird man jene Vergleichung des Vulkans mit dem Fixstern und die Betrachtungszeit des Mondes wohl zwischen 5**15™ bis S'^SO"' wahre Zeit setzen können. Es trat auch während meiner Beschauung des Mondes ein etwas kleinerer Stern, der mehr ^R und südlichere Dekl. als derjenige hatte, mit dem ich den Lichtfleck verglich, am dunklen Mondrande ein; ich habe aber die Zeit nicht angemerkt. Immer ist es möglich, dass ich mich in der Grössen- Angabe des Sterns geirrt habe.

Höchst neugierig bin ich, ob es Ihnen gelungen sein wird, den Kometen im Mittagsfernrohr zu sehen. Ehe er nicht innerhalb der ^¥er/mrbahn kam, war wohl nicht daran zu denken, da es hier nicht sowohl auf die Lichtstärke überhaupt, als auf den einen Faktor der- selben, die Helligkeit, ankommt. Auch Nicolai hat es schon vom 1. März (!!) an versucht.

Hrn. v. Staudt's Elemente stimmen nun vortrefflich mit denen von Nicolai. Hier Elemente, die Rümkee bloss aus meinen Beobb. abgeleitet hat:

Zeit der Onähe März 21,61146 Mittl. Bremer Zeit

Länge d. Perihel 239^35' 53" Sh 48 44 18 Neigung 73 21 0

logg 8,9651463 mot. retr.

Da alle aus verschiedenen Tagen abgeleitete parabolischen Ele- mente so nahe zusammenstimmen, so wird es schon hierdurch sehr wahrscheinlich, dass die wahre Bahn von einer Parabel nicht merklich abweiche. Eine noch genauere Ausfeilung dieser Elemente scheint mir also unnöthig, wenn wir nicht etwa nach dem Perihel angestellte Beobb. erhalten. Dies ist nicht unmöglich. Fallows, der bestimmte Vorsteher der Sternwarte auf dem Kap, war, wie mich Young durch Prof. Schumacher hat wissen lassen, am 5. Febr. im Begriff aus Eng-

94 Olbers an Gauss. Bremen, 1821 März 23.

land abzusegeln. Sollte er nun günstige Winde getroffen haben, so konnte er vielleicht schon am 25. März jenseits des Aequators sein, und dann kann ihm der Komet nach seinem Perihel nicht leicht ent- gangen sein. Freilich werden die auf einem Schiff angestellten astro- nomischen Kometenbeobb. keine grosse Genauigkeit haben.

Zach hat mir eine Menge Beobb. des Kometen von Santini, Ixghibami und LiTTEOw geschickt; da sie aber nicht besser [zu sein] scheinen, als die uns schon bekannten, so führe ich hier nur für Hm. v. Staudt die von den Tagen an, an welchen wir, so viel ich weiss, keine haben.

Mittl. Zeit Saxtini zu Padua

Febr. 16.

6^5«^ 18^

358° 11' 17"

14'

'58' 45"

7 0 27

10 55

58 47

17.

6 40 21

8 7

54 52

6 58 27

7 40

55 20

18.

6 39 30

4 32

51 25

7 0 30

4 2

51 51

Mittl. Zeit

IXGHIRAMI ZU Flon

enz

Febr. 16.

7 h 26"»

358'

'10' 35"

14

».58' 8"

17.

6 49

7 4

54 48

21.

7 0

357

52 45

42 17

22.

6 37

49 33

38 42

23.

6 47

45 34

35 21

25.

7 8

37 48

31 21

27.

6 44

28 21

28 35

Die mir zugleich mitgetheilten zweifachen Elementen-Systeme von Carlini scheinen noch sehr roh und unvollkommen zu sein.

Sehr haben mich Ihre Ideen über die Grössenklassen der Sterne angezogen, und ich werde auf Ihre Theorie vorzüglich Rücksicht nehmen, wenn ich einmal dazu kommen sollte, photometrische Beobb. über die Lichtstärke der Sterne anzustellen. Das oS. Stück der G. G. Ä. habe ich gelesen und bin sehr begierig, mich aus der Abhand- lung^) selbst, wenn sie erst erscheinen sollte, zu belehren.

Es wunderte mich lange, dass der famose Wkoxski nichts weiter gegen d. Board of Lougitudes in London unternahm, und ich konnte mir gar nicht denken, dass er sich bei der ersten abschlägigen Ant- wort, den Preis für seine angebliche Erfindung der Längen betreffend, so leicht beruhigen würde. Jetzt sehe ich, dass er sich wieder regt und noch wahrscheinlich den ]\Iitsliedern dieses Bureaus vielen Ver-

^) Theoria combinationis etc., von der das 33. Stück der G. G. A. die Anzeige enthält. Krui.

Olbers an Gauss. Breiiirn, l^Jl Ainil 15. 95

diuss maclieii wird. Er dringt mit einem Anschein von Billigkeit, die ilim schon in den englischen .lonrnalen einige Fürsprecher er\vorl)en liat, auf eine genaue Untersuchung seiner vorgeblichen Eründung. Diese wird aber höchst wahrscheinlich in so dunkle und unverständ- liche Formeln gehüllt sein, dass diese Untersuchung sehr schwierig wird, und bei einem missbilligenden Urtheil wird er immer die Aus- tiucht haben, „ihr seid zu unbewandert in meiner höheren ^[athematik, der einzig wahren, um mich zu verstehen; diese müsst ihr erst von mir lernen". Der Umstand, dass er Young einen von diesem aner- kannten Fehler in seiner Kefraktionsrechnung gezeigt hat, giebt ihm bei liaien einen grossen Kredit.

Wie mir Oltmanxs schreibt, sind 2 Exemplare des Precis von Krayexhoff, die allerletzten, die noch vorräthig waren, für uns unter- wegs. — In seinen Bemühungen, die Ep.uLLY'schen Dreiecke zu er- halten, ist er nicht glücklich gewesen. Ich hoffe aber, dass Ihr drin- gender Brief an La Place gute Wirkung hervorbringen wird, der mir ungemein passend eingerichtet scheint. AIüFFLma schreibt Ihnen wohl nicht, wie man die Längen-Differenz zwischen Paris und Berlin annehmen oder noch künftig schärfer zu bestimmen suchen wird? Ueber- haupt mit welcher Abplattung soll man diese Triangel zwischen Paris und Berlin reduciren? Die unmittelbare Vergleich ung der französischen und englischen Messungen scheint die hier passende lokale Abplattung sehr gross, etwa yi^, , zu geben. Dass die berühmten Mondgleichungen, die Breiten -Gleichung y sin ([ und die Längen -Gleichung ^ sin cQ,, nach den bisher dabei gebrauchten Beobb. die Koefficienten zu be- stimmen, nichts Zuverlässiges über die Erdabplattung geben können, hat mir unlängst Oltma2jns erwiesen.

Der neue, nach New-South- Wales gehende Gouverneur, Sir Th. Brisbane, selbst ein Liebhaber und Kenner der Astronomie, will wirk- lich auch dort eine Sternwarte errichten. Ueber die projektirte Hamburger Sternwarte erwartete man die Entscheidung des Senats. Der Kostenanschlag war auf 24000 Mark (noch nicht 11000 fl. in Gold) berechnet. Es ist mir aber nachher ein Umstand bekannt ge- worden, der vielleicht dies hamburgische Projekt noch weit hinaus- setzen könnte.

No. 416. Olbers an Gauss. [227

Bremen, 1821 April. 15.

Endlich kann ich Ihnen das gestern erhaltene Precis von Keaten- HOFF schicken. Da ich zwei Exemplare bekommen habe, so bitte ich

96 Olbers an Gauss. Bremen. 1821 April lö.

das beikommende als Tlir Eigenthum anzusehen. Die Bemühungen Oltmanns' um die EpAiLLY'sclien Dreiecke sind fruchtlos gewesen.

Mit grossem Vergnügen habe ich von Schümachee erfahren, dass er die Absicht hat. in Altona ein astronomisches Wochenblatt heraus- zugeben. Dadurch wird eins der dringendsten Bedürfnisse für die Sternkunde befriedigt werden, um so mehr, da auch Zach mit seiner Corresp. astr. sehr in Eückstand zu bleiben scheint. Gewiss, lieber Gauss, werden Sie Schumacher zur Ausführung seines so lobens- werthen Vorsatzes möglichst ermuntern und das Wochenblatt selbst künftig kräftig unterstützen.

Mein Freund Rumker ist wie Sie wahrscheinlich schon werden gehört haben, von Hamburg im eigentlichen Sinne desertirt. um sich mit dem General Sir Thomas Brisbane als Astronom nach Neu-Süd- Wales oder Sydney- Cove zu begeben. Der rasche Entschluss des" eifrigen jungen Astronomen, alle Schwierigkeiten überwindend, hat mich doch gefi'eut, und wenn der Himmel ihm Leben und Gesundheit lässt, so kann dies höchst wichtig für die Sternkunde werden. Er verlässt in Hamburg eine ganz gute Stelle (2000 ^Fark Gehalt bei freier Woh- nung). Natürlich wollte man ihn so plötzlich mitten in seinem Unter- richtskursus nicht von Hamburg entlassen; da ging er heimlich weg und ist jetzt schon in England. Brisbane nimmt einen ansehnlichen astronomischen Apparat mit. wodurch sich schon was Zweckmässiges wird ausrichten lassen: ein fünffüssiges Passage -Instrument von Troughton, einen zweifüssigen Meridiankreis von demselben, einen 15 zölligen Repetitionskreis von Reichenbach, einen gleichen von Dol- LOND, 3 vortreffliche Pendeluhren, 5 Chronometer. 3 Achromate mit Aequatorial- Aufstellung, einen vollständigen magnetischen Apparat, Mikrometer und Teleskope aller Art, eine Biox'sche und eine Kater'- sche Vorrichtung, die Länge des Pendels zu messen u. s. w. Der Gou- verneur Brisbane ist selbst ein enthusiastischer und kenntnissvoller Liebhaber der Sternkunde. Ob ich bei meinem vorgerückten Alter noch Nachrichten von der dort aufblühenden astronomischen Anstalt erleben werde, steht dahin; einen möglichst Üeissigen Briefwechsel hat mir RüMKER versprochen.

Fallows war, dem letzten aber wie gewöhnlich nicht datirten Brief von Rümker nach im Anfang Apr. noch nicht nach dem Kap abgegangen, sollte aber die '\\'oche segeln. Meine Huftnung. er werde unseren Kometen vielleicht nach dem Perihel gesehen und beobachtet haben, fällt also weg. Ueberhaupt habe ich von diesem Kometen seit meiner letzten Beob. vom C. WAvz nichts weiter gesehen und gehört. Ich bitte Sie, lieber Gauss, mir Ihre letzten und die Ihnen etwa später zugekommenen Beobb. dieses Kometen gefälligst mitzutheilen.

niWrs an (laiiss. I5n'iiu'n. 18"J1 A|iril lö. 97

Wann und nie Sie Ihre Canipaorne err)tfnen werden, darüber er- waite ich die Nachrichten mit Ungeduld und melde nur vorläutifr zu gelegentlicher gütiirer Erinnerung:, dass ich, dem es für immer zu K'eisen an Kraft, Muth und Lust fehlt, den ganzen Sommer in Biemen sein und den möglichen Besuch meines theuren Freundes zu jeder be- licl)i<:vn Zeit als ein höchst erfreuliches Glück betrachten werde. Es könnte doch, schmeichle ich mir. Umstände geben, wo in nicht zu grosser Entfernung von Bremen nöthige Vorbereitungen, die Ihre (it'irenwart nicht erfordern, doch Ihre Thätigkeit auf einige Zeit lähmen und Ihnen Gelegenheit geben würden, den sehnlichen Wunsch Ihres einsam trauernden Freundes zu erfüllen. Bedenken Sie dabei, lieber (lAüss, dass ich dem Kalender nach 63 Jahre, meiner Konstitution nach weit über 70 Jahre alt bin und dies Leben ohne Widerwillen und Furcht bald verlassen werde. Noch diese vergangene Nacht habe ich einen meiner gleichjährigen, mir sehr theuren Jugendfreunde, den Bürgermeister Tidemann, einen der bravsten Männer, die es je gegeben hat, durch den Tod verloren!

Der berüchtigte Wronski setzt seine Angriffe auf die Längen- kommission, besonders auf Dr. Youkg. fort. In einer seiner letzten Schriften hat er. wie ich höre, eine neue Theorie der Refraktion auf- gestellt, und behauptet, dass diese des Morgens und des Abends (also auch wohl bei Tage und bei Nacht, im Winter und im Sommer) unab- hängig von der Temperatur durch die Einwirkung der Sonne auf die Elasticität der Luft verschieden sei, und will deswegen noch zwei Ele- mente in den Refraktionskalkul, Zeit und Länge der Sonne ein- führen. An der Sache 7nag etwas sein; ob wir aber schon im Stande sind, die Werthe und Gesetze dieser an sich auf alle Fälle sehr kleinen Korrektionen zu bestimmen, lasse ich dahin gestellt sein.

Die Mailänder Ephemeriden habe ich vor etwa 6 Wochen gleich- falls durch die gütige Besorgung des Hrn. Prof. Nicolai erhalten. Könnten Sie, lieber Gauss, nicht einmal bei Gelegenheit einer Recen- sion dieses Jahrgangs in den Gö'tt. Oel. Am. ernstlich eine frühere Be- kanntmachung dieser so schätzbaren Ephemeride empfehlen? Gewiss werden die G. G. A. den Mailändern zu Gesicht kommen, und eine Er- innerung von Ihnen wird nicht ohne Wirkung sein.

In eben diesen G. G. A. habe ich eine Nachricht von den Göt- tingenschen Beobb. und Berechnungen des Kometen zu finden gehofft, wäre es auch nur, um Ihren so viel versprechenden Schüler v. Staudt frühzeitiger der gelehrten Welt näher bekannt zu machen und zu empfehlen.

Variabilis Cygni ist dieses Jahr grösser geworden, als ich ihn je ge-

Olbers. II, 2. 7

98 Gauss an Olbers. [Göttingen, 1821 gegen April 20 25.]

sehen habe. Noch kann ich unseren saumseligen Mechanikus Keaut nicht dazu bringen, das Photometer, das ich mir ausgedacht habe, zu verfertigen.

Nu. 417. Gauss an Olbers. [loo

[Göttingen, 1821 gegen April 20—25.]

Meinen herzlichsten Dank für die gütige Mittheilung der Keaten- HOFF'schen Triangel. Es ist dies eine treffliche Arbeit, und kein Land hat bis jetzt etwas Aehnliches aufzuweisen. Möchten nur anderer Länder Triangulationen ebenso bekannt gemacht werden. Dem Hrn. Prof. Olt- MANNS bitte ich vorläufig meine grosse Erkenntlichkeit zu bezeugen. In Rücksicht auf meine eigenen Operationen erwarte ich nächstens die officielle Anzeige von der Annahme meiner beiden Gehülfen, Kpt, Mülleb und Lt. Hartmann, worauf sie denn sofort in Thätigkeit treten werden. Seit einigen Wochen habe ich in der Nähe von Göttingen einige vor- läufige Messungen gemacht; mich auf mehr als einen Tag von Göt- tingen zu entfernen, hat mir theils früher das ungünstige Wetter, theils der Zustand meiner Gesundheit noch nicht erlaubt. Vor einigen Tagen habe ich den Hohehagen besucht, auch schon so viel dort gemessen, dass schon ein beiläufiger Anschluss der Sternwarte an Müffling's und Epailly's Dreiecke stattfindet. Um den schönen Tag recht zu be- nutzen, habe ich keinen Winkel repetirt, sondern nur einfach und ohne ängstliche Sorgfalt gemessen. Ich sehe daselbst 4 MüFFLiNö'sche Punkte. Hercules, Boineburg, Inselsherg und Brocken; Struth ist unsichtbar. Auf Boineburg haben aber die hessischen Bauern das preuss. Signal zerstört, und das Thürmchen des Brocken hauses, welches nur wenige Fuss über das Dach hervorragt, konnte ich mit dem Fernrohr des 8 zölligen Theodolithen nicht genug unterscheiden, übrigens stimmten die Winkel gut genug mit meiner Vorausberechnung; auch die Orient irung nach der Göttinger Mittagslinie traf gut zu mit der preuss. auf die See- berger gegründeten, weniger mit der EpAiLLT'schen. (Ich bemerke, dass noch die 4 Löcher, worin die Füsse von Epailly's Signal ge- standen haben, zu erkennen sind, und dass ich gewiss bis auf l Meter, genau in der Mitte des Signals mich aufgestellt hatte.)

Epailly's Arrangement werde ich wohl nur theilweise befolgen, ich hoffe grössere Dreiecke bilden zu können. Der Hilspunkt ist vom Hohehagen nicht sichtbar, dagegen aber der Köterherg. Der Soder- thurm existirt nicht mehr, auch stehen um die Richtung herum viele ganz nahe Bäume, doch konnte ich zwisciien diesen durch einen sehr entfernten kahlen und hohen Berg bemerken. Es wird aber, besondei-s

Gauss an Olbors. [Göttingen, 1821 gegen Ai.ril '20—25.]

99

IlnruioiTr

Äöterhc,

Jfercules

^ryui/isrfm-eig

Brocken

^aineburg

Fia-. 1.

Jrbb-i'lslfcj-g

(Ja er qanc kalil ist und ich alsi) nichts scliarf schneiden kann, erst Mühe maclien auszuniittehi, welches dieser Berg ist (verniuthlich in der Nälie von Salzdetfurth). Ich hoffe aber, dass dieser Berg sehr brauchbar sein wird, ein schönes Triangelsystem zu bilden, welches, wenn ausserdem auch noch die Linie Hannover-Köterberg itraktikabel ist, so aussehen würde [Figur 1].

Um die Sternwarte anzuknüpfen, wird noch ein Punkt zugenommen werden müssen, vielleicht ein Punkt auf der Weper.

Mehr als diese A A wird in diesem Jahr schwerlich absolvirt wer- den können, ja schwerlich werde ich nur damit fertig werden. Die Künstler werden mich wohl sehr im Stich lassen; ich fürchte, dass ich den be- stellten 12 zölligen Theodolithen noch lange nicht erhalte. Vorerst werde ich denn, sobald einige Signale er- i-ichtet sind, mit dem 12 zölligen

Kreise zu beobachten versuchen; entspricht dies meiner Erwartung nicht ganz, so hat mir Schumachee seinen Stutzschwanz auf einige Zeit zu leihen versprochen. Repsold hat auf keinen meiner Briefe geantwortet. Körner verspricht die 2 Reverberes nächstens abzu- liefern. Rümpf hat die Zeichnung zu dem Heliostat meist ausgear- beitet und wird wohl bald anstellen. Uebrigens aber habe ich später eingesehen, dass die Achsen dieses Apparats äusserst sorgfältig gearbeitet sein und sehr genau parallel sein müssen, wenn das Instru- ment etwas leisten soll, daher gewiss mehrere Monate auf die Ver- fertigung gehen werden.

Sehr in Noth bin ich auf meiner Sternwarte mit den Uhren. Ich habe eigentlich keine einzige, die was werth ist. Die neue Liebherr'- sche ging ein halbes Jahr vortrefflich, aber seitdem immer schlechter und ist jetzt ganz unbrauchbar. Sie geht immer geschwinder, so dass ihr täglicher Gang während des März 15^ zunahm; nachher hat Rumpf sie etwas gereinigt und eine kleine Abänderung gemacht, worauf sie eine kurze Zeit wieder besser ging, allein bald fing sie das alte Spiel wieder an, und jetzt geht sie wieder täglich 14^ vor. Den Grund kann ich nicht errathen, die Schwingungen sind nur w^enig kleiner ge- worden. Wie ich höre, ist es mit Soldner's Uhr nicht besser ge- gangen, und er hat das neue Echappement, wovon man sich anfangs so

7*

IQQ Gauss an Olbeis. [Göttingen, 1821 gegen April 20 25.]

viel versprach, weggeworfen und einen gewöhnlichen Anker machen lassen. Wie es nachher damit gegangen [ist], weiss ich nicht, aber es ist wahrscheinlich, dass sie auf alle Fälle nicht exquisit gehen wird, da die Arbeit nur mittelmässig ist und nur das an sich sinnreiche aber künstliche Echappement die mittelmässige Arbeit unschädlich machen sollte. Die 50jährige SnELTON'sche Uhr ist seit 2 Jahren auch herz- lich schlecht. Es wird am Ende wohl kein Rath sein, als eine Uhr aus England kommen zu lassen. Da Sie viel mit YorxG korrespon- diren, so hätten Sie vielleicht die Güte, einmal bei ihm anzufi^agen, welcher Künstler jetzt am besten arbeitet, welches etwa der Preis ist, und wie lange man etwa nach der Bestellung warten muss?

Das Rekognosciren wird mir dadurch sehr erschwert, dass in un- serem Königreich die Wege, die nicht Hauptstrassen sind, zum Theil so unerhört schlecht sind. Vor acht Tagen schickte ich jemand nach der Weper, die Wege vorläufig zu erkunden, allein der Bescheid war, dass zu Wagen vorerst gar nicht hinzukommen ist. Starke Bewegungen zu Fuss machen mich aber gewöhnlich auf längere Zeit krank, auch haben die Rekognitionen, ohne Messinstrumente bei sich zu haben, nur geringen A\'ertli. Auf dem Hohehagen habe ich auch von mehreren Punkten die Elevationen (etwa auf V genau) gemessen. Es folgen daraus die Höhen über der Terrasse der Sternwarte

Brocken 991 m

Inselsberg 781

Scheitel des Hercules 419

Hohehagen 343

Köterberg 301

Wie sehr mich selbst verlangt, Sie bald einmal zu umarmen, tlieuerster Olbeks, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Aber für diesen Sommer habe ich u-etiig Hoffnung. Meine Arbeiten werden mich nicht nördlich von Hannover führen.

^\'enn die 24000 Rtlil. (Banco?) bloss für den Bau der Sternwarte in Hamburg bestimmt sind, so kann sie wohl recht gut werden; sollen aber auch A\'ohnung und Instrumente davon bestritten Averden, so wird es nur etwas Mesquines sein können.

So sehr ich Schumacher's astr. Zeitung Gedeihen wünsche, so zweifle ich doch, dass sie, wenn sie zu Stande kommt, sich lange halten wird. Da es immer darauf ankommen wird, einen bestimmten Faion zu füllen, so werden meine etwaigen Beiträge \M'nig in Betracht kommen. Viel besser wird Schumacher sich stehen, wenn Hr. Delambre Beistand leistet.^)

^) Schluss fehlt nach folücndeni Briefe von Olbers. Seh.

Olbers an Gauss. Bremen, 1821 Mai 20. -[()]

N... 418. Olbers an Gauss.

[22S

Bremen, 1821 Mai 25.

Fast glaube ich. dass ich das letzte Mal nicht alles erhalten habe, was Ihre Güte mir, wenigstens anfangs, zugedacht hatte, denn Ihr Brief endigt auf der vollgeschriebenen vierten Seite ohne Unterschrift und Datum. Für die mir so interessanten Nachrichten von den Vor- bereitungen zur Gradmessung sage ich Ihnen recht vielen Dank. Es wäre prächtig, wenn sich Hannover und Braunschweig mit so wenigen Dreiecken erreichen liesse. Ich erinnere mich, dass man in Hannover vom Walle (also gewiss noch weit leichter und öfter von dem hohen Marktthurm) jedoch nur zuweilen und bei dem heitersten Wetter den Brocken sieht. Ob aber deswegen ein grosses Dreieck zwischen Brocken, Hannover und Köterberg niöglicli ist, und besonders ob man Hannover vom Brocken deutlich sehen kann, weiss ich nicht. Den Köterberg kenne ich recht gut. Möchte nur das Wetter diesen Sommer Ihren Operationen vortheilhafter sein, als es sich bisher anlässt. Besonders, mein theurer Gauss, bitte ich, beschwöre ich Sie, schonen Sie Ihre Ge- sundheit! Sie wissen, wie leicht körperliche grosse Anstrengungen nachtheilig auf diese wirken. Lassen Sie sich also ja durch übertrie- benen Diensteifer nicht dazu verleiten.

Encke schreibt mir, die BAEYEE'schen Vermessungen würden dieses Jahr bis Seeberg vordringen. Ist Ihnen etwas Näheres über die schwedische Triangulirung bekannt? Und ist diese wohl so genau, dass sich dadurch die Lappländische Gradmessung schicklich mit Schumacher's Dreiecken verbinden lassen wird? Ich möchte dies um so mehr wünschen, da ich, wie ich Ihnen schon sonst gestanden habe, noch immer einigen Zweifel gegen den astronomischen Theil von Svan- berg's Operationen hege.^)

Um Nachrichten wegen einer Uhr habe ich gleich an Rümker geschrieben, aber von diesem, der sonst fast posttäglich schrieb, keine Antw^ort, auch überhaupt seit 4 Posttagen keine Zeile erhalten. Viel- leicht hat er plötzlich und früher abreisen müssen, als er glaubte. Sollte ich von ihm keine oder keine befriedigende Antwort erhalten, so w^erde ich nächstens deswegen an Young oder den jüngeren Herschel schreiben.

Durch letzteren hat mir Hr. George Browne seine Bemerkungen wegen des letzten sogenannten Mondvulkans raitgetheilt, die freilich.

^) Siehe Brief No. 400 u. 404 an Gauss. Krni.

][Q2 Olbers an Gauss. Bremen, 1821 Mai

wenn sie sich völlig bestätigen lassen, meine Erklärung^) der Licht- Erscheinung in der Nachtseite des Mondes unstatthaft und unzuläng- lich machen würden. Hr. Bkowne versichert nämlich, seit einigen Jahren sehr deutlich in dem Flecken Äristarchus (die Engländer nennen ihn noch immer mit Hevel Mons Porphyrites) zwei kleine schw^arze Oeifnungen oder Höhlungen wahrgenommen zu haben, wovon die eine sich nach und nach ausfüllte fivas gradually ohliterated) : nun aber nach der letzten „Eruption" (im Febr.) wären beide Mündungen gänzlich ver- schwunden, und an ihrer Stelle sei eine Hervorragung sichtbar. Auch habe er einen Streifen einer ungemein weissen Materie bemerkt, der von dem Flecken ausgeht und vorher nicht da war. Aus dieser Beob. würde also folgen, dass wirklich im Aristarch seit der letzten Licht- Erscheinung eine grosse physische Veränderung vorgegangen sei. Aber man weiss, wie veränderlich das Ansehen kleiner Gegenstände auf dem Monde nach Verschiedenheit des Erleuchtungswinkels und der Libraiion ist; wie oft dadurch einige verschwinden oder sich in ganz veränderter Gestalt zeigen. Schkoetee's Beobb. geben davon die unläugbarsten Be- weise, und namentlich sind seine verschiedenen Zeichnungen des Ari- starch untereinander bis zur Unkenntlichkeit unähnlich. Es könnte also doch wohl sein, dass Browne zu einer anderen Zeit seine beiden schwarzen Oeffnungen wiederfände, die er nun für verschwunden hält. Von La Place bin ich ganz unerwartet mit einem sehr freund- lichen Briefe überrascht und erfreut worden. Der Inhalt betrifft noch hauptsächlich meine an sich so unbedeutende Vorlesung über den Ein- fluss des Mondes auf die Witterungen,-) wovon das Bureau des Longi- tudes seit 1819 jährlich die Uebersetzung in das Anmiaire eingerückt hat. Unter anderem schreibt er über die Mondtafeln von Damoiseau u. s. w. Für Hrn. v. Staudt setze ich die von Nicollet berechneten Ele- mente des letzten Kometen her, ob diese gleich bei weitem so genau nicht zu sein scheinen als die deutschen von Encke, Eümkeb, Nicol.vi, Bessel und besonders von Hrn. v. Staubt selbst, die ich zuletzt ver- bessert in den G. G. Ar) gesehen habe.

Zeit der Perihels 1821 März 21 9»^33">7« M. Par. Zeit

q . . . . 0,091113 ft . . . . 48^32' 12"

71 ... . 239 18 37

Incl 105 49 7

^) Vergl. Brief No. 408 an Gauss; über die BRowNK'sche Erklärnng: auch Brief- wechsel Olbers-Bessel, Brief No. 291. Krm.

2) Olbers Bd. 1 Abb. 10, S. 141 ff. Krm.

3) Gauss' Werke Bd. VI, S. 437—430. Krm.

Olbers au Gauss. Bremen, 1821 Mai 25. 103

Wie XicoLLKT nach diesen Elementen eine baldi<re Wiedererscliei- nung des Kometen nach dem Peiiliel am Morgenhimnu-l ankündigen und erwarten konnte, begreife ich nicht. La Place schiebt es auf die schlechte Witterung, dass nmn ihn nicht wieder gesehen hat.

Delambkk würde freilich leicht die ScHUMACHiiu'sche astronomische ^^'uchenschl•ift mit seinen ermüdenden trigonometrischen Lehrlings- formeln und Exempeln ausfüllen können. Aber ich hoffe doch, lieber Gauss, Sie werden dieses Unternehmen durch Ihre ßeissigen Beiträge kräftig unterstützen. Ihr reichen Leute könnt leicht einer solchen Monatsschrift aufhelfen, wenn Ihr von Eurem Ueberfluss auch nur das- jenige oft mittheilen wollt, das Ihr anderwärts nicht gut einzeln drucken lassen könnt, und doch immer für uns andere ein kostbares Geschenk sein wird. Uebrigens braucht eine solche Wochenschrift meiner Meinung nach eben nicht lauter wichtige Abhandlungen zu enthalten; manches Populäre, selbst Triviale könnte mit unterlaufen. Die Hauptsache ist nur, dass die Wochenschrift ein Mittel bleibt, wodurch sich die Astronomen schnell untereinander dasjenige mittheilen können, was einer solchen schleunigen Mittheilung bedarf, und dass dadurch die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Gegenstände gerichtet wird, die durch Mitwirkung mehrerer gewinnen können.

Mira Cygni zeigt sich noch fast 6. Grösse und kulminirt nach- gerade zu einer früheren Morgenstunde. Allein dieses Jahr wird seine Ortsbestimmung noch wohl nicht zu hoffen sein. Sonst möchte ich doch wünschen, dass die Position dieses merkwürdigen Sterns endlich einmal durch neuere Beobb. gehörig bestimmt und festgesetzt würde.

Haben Sie schon nach Hannover wegen des Navigationslehrers in Emden geantwortet? Oltmanns, der nichts von einem solchen deside- rato in Emden zu wissen scheint, schrieb mir neulich ganz von unge- fähr, „er habe sich sehr auf die Navigationswissenschaft gelegt, von Jugend auf das Seewesen geliebt, sei schon in Paris von La Place aufgefordert, eine Navigationslehre zu schreiben, habe es aber damals aus einer Art Eigensinn unterlassen; jetzt denke er aber mit Ernst daran, weil ihm die mehrsten neuesten Navigationsbücher und die in den gewöhnlichen Schulen angewandten Lehrmethoden nicht ge- nügten" u. s. w. Dies nur, lieber Gauss, zu Ihrer eigenen Notiz und etwaigen Gebrauch, jedoch ohne mich zu nennen.

104

Gauss au Olbers. Güttiugen, 1821 Mai 31.

No. 419.

Gauss an Olbers.

[191

Göttingen, 1821 Mai ^l.

Bei dem Interesse, welches Sie an meinen Arbeiten gütigst nehmen, theile ich Ihnen mit Vergnügen einige weitere Nachrichten mit. Die letzte Hälfte des abgelaufenen Monats haben meine Gehülfen zur Re- kognoscirung der Berge im Hildesheimschen gebraucht. Das Resultat ist nicht so günstig, wie ich gehofft hatte. Es ist nur ein einzigr-r Berg gefunden, von wo Hohehagen, Brocken, Braunscliweig und Han- nover sichtbar sind, und der auch mit 10 Fuss hohen Bäumen besetzt ist; gar keiner aber ist gefunden, von wo der Köterberg zu sehen

JlaTi/torer

wäre. Der Beinberg giebt also ein au:>

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führbares Dreiecks3^stem, was die um- stehende Figur [2] schwarz ^j zeigt. Zum Anschluss mit Göttingen ist noch ein Punkt erforderlich, vielleicht auf dem Hils zu finden, wovon ein Tlieil vom Hohehagen und Meridianzeichen, auch von den Göttinger Stadtthürmen aus sichtbar ist. Ich weiss aber noch nicht, ob er nicht bewaldet ist. d. i. mit niederstämmigen Bäumen; man täuscht sich darüber aus der Ferne sehr; so ist ein vom Hohehagen aus sichtbarer bei Lamspringe liegender Berg dicht be- waldet, obgleich er von dort aus kahl schien. Sollten die rothen^) Linien vom Hils aus (der jetzt vom Lt. Haetmanx rekognoscirt wird) alle praktikabel sein, so gäbe er eine noch bessere Verbin- dung als der Beinberg: vielleicht ist auch von dort aus der Köterberg zu sehen, der in Hannover und dessen

ganzer Umgegend auch auf den sonst brauchbaren Stellen des Deisters

überall nicht zu sehen ist.

Grosse Dreiecke werden aber auch sehr grosse Schwierigkeiten

haben. Auf dem Beinberge ist eine 50 Fuss hohe Stange errichtet

mit zwei Köpfen von 6x4 und 4x3 Fuss Fläche, schwarz gemalt.

Diese konnte ich gestern vom Hohehae'en aus mit einem sehr cuten

Fis-. 2.

^isrlshprg

^) In der Zeichnung* ausg:ezogen bezw. gostiirlielt. Krni. -) In der Zeichnung puuktirt bezw. strichpuuktiri. Krm.

Gauss an Olbers. Göttingeu, l^Jl Mai 31. ]()5

'S\ füss. JJidloinl. und ubjjleich die Luft o;ar nirlit unrrüustiw-, im Geji:eii- theil so \\a.v. dass si*^ selten viel hess&r sein Aviid, nicht sehen, allei' Anstrengung des Auges ungeaclitet und obgleich ich den Platz genau wusste. Erst später gegen Abend konnte ich mit grosser Mühe nur eine schwache Spur sicher erkennen. Es folgt hieraus, dass an Beob- achten mit dem Theodolithen auf so grosse Distanzen (70 000 Meter) mit Signalthürmen gar nicht zu denken ist, wenn diesen nicht sehr grosse Dimensionen gegeben werden. Durchgängig aber bei Nacht mit Keverberes zu beobachten, hat auch seine grossen Bedenklichkeiten. Einen von Repsold, etwa 18 Z. Durchmesser, habe ich erhalten. Er war gestern in der Sternwarte aufgestellt und auf dem Hohehagen schon [inj den frühen Nachmittagsstunden (8 Uhr) mit dem 31 füss. Dul- lond sehr schön, mit dem Fernrohr des Theodolithen schwerer zu er- kennen; doch würde dies bei dunkelm Hintergrunde, und späterhin gegen die Zeit des Unterganges der Sonne bei günstiger Luft wohl selbst in der doppelten Entfernung noch angehen (jene ist 13 800 Meter); auf grössere Distanzen aber, über 40 000 Meter, glaube ich nicht, dass diese Art jemals von Nutzen sein kann. Viel verspreche ich mir dagegen von den Heliostaten. Rumpf hat jetzt einen in Ar- beit genommen. Es geht nur mit seinen Arbeiten immer etwas saum- selig. Auch Repsold will einen machen.

Bei der Berechnung von Krayenhoff's Dreiecken will mir die grosse von ihm angewandte Abplattung nicht gefallen. Selbst wenn es wahr wäre, dass in Europa die Meridianbogen eine grosse Abplat- tung erfordern (was mir noch sehr ungewiss scheint), würde es theo- retisch ganz falsch sein, die Erdoberfläche auch in dem Sinn der Pa- rallelkreise als einem solchen Ellipsoid angehörig zu betrachten. So bald ich meine eigenen Messungen angefangen und so weit geführt habe, dass ich die Grösse, Richtung und Lage gegen Göttingen der Seite Hohehagen -Hercules oder die vom Hohehagen nach einem anderen EpAiLLY'schen Punkt als Lüdersen, Köterberg oder Burgdorf bestimmen kann, will ich durch eine provisorische Rechnung davon bis Dünkirchen zurückrechnen, um dessen Lage gegen Göttingen zu bestimmen.

Eine meiner Rekognoscirungs- Exkursionen im Apr. bei den schwülen Tagen hatte mir eine Krankheit zugezogen, die mich mehrere Tage ans Bett und 14 Tage fast ans Haus fesselte. Bei dem späteren kalten, selbst rauhen Wetter ging es besser. Letzteres schlägt meinei- Konstitution viel besser zu als warme Tage, wo besonders bei gewitter- hafter Luft selbst massige Anstrengungen zu Fuss mich leider immer sehr angreifen. Das Resultat der HARTMANN'schen Rekognoscirung des Hils wird die nächsten ersten Operationen bestimmen. Vermuthlich baue ich auf dem Hohehagen ein Signal; einer meiner Gehülfen mag

IQQ Gauss an Olbers. Göttingen, 1821 Juni 10.

dann hier zurückbleiben und den Bau inspiciren und sonst noch allerlei in hiesiger Gegend nöthige Vorkehrungen treifen, ich selbst werde aber walu-scheinlich mit den anderen nach Braunschweig gehen, die dor- tige Aussicht rekognosciren und die etwa auf dem Elm anzustellende in der Nähe leiten, um die künftige weitere Fortsetzung nach Norden vorzubereiten. Ich hoffe, dass hierzu wenige Tage hinreichen sollen, und Ihre immer nach Göttingen zu adressirenden Briefe werden immer schnell in meine Hände kommen. Ich habe nun auch Schumacher's Theodolithen in Händen, so dass ich, bis mein eigener ankommt, ge- deckt bin. Zwei kleinere Reverberes von Köenee sind auch schon vor 14 Tagen von Jena abgegangen, und ich erwarte sie jeden Tag.

No. 420. Gauss an Olbers.') fm

Göttingen, 1821 Juni 10.

Sie ermüden wohl, wenn ich schon wieder ein freies halbes Stünd- chen anwende, über meine Geschäfte mit Ihnen zu plaudern. Leider geht es mit allem nicht so schnell, wie ich gehofft, wenigstens ge- wünscht hätte. Die Operationen kosten viel mehr Zeit und viel mehr Geld als ich vorher gedacht hatte.

Die Rekognoscii'ung des Lieutn. Hartmann ergab, obgleich sie noch vieles unerledigt Hess, wenigstens gewiss, dass der Hilspunkt (etwa |- Stunden SW. von Ammensen) ein sehr brauchbarer Punkt ist. Es ist gewiss, dass dort Hannover, Göttingen, Brocken und Köterberg sichtbar sind. Braunschweig vermuthlich nicht: Kapt. Müller ist seit 6 Tagen wieder in jene Gegend gereist, dieses zu entscheiden (wozu erst Aufhauungen gemacht werden müssen), die Ressourcen der Um- gegend für den Signalbau zu erkunden, auch den Köterberg zu rekognos- ciren etc., inzwischen lasse ich auf dem Hohehagen dui'ch Lieut. Haet- MANN vorerst ein Signal bauen; gestern war ich selbst in Dransfeld und sah das erkaufte Tannenbauholz anfahren, in 14 Tagen, hoffe ich, soll dieses Signal stehen; es wird etwas über 40 Calenb.') Fuss hoch und hat diese Form:

Fig. 3.

^) Dieser Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm. *) Calenberg'sche Fuss, nach dem früheren Fürstenthum Calenberg benannt, zu dem Göttingen gehörte. Seh.

Gauss an Olbers. Göttiugeu, 1821 Juni 10. 107

Ich sehe es gleidisam ^vie ein Probesignal an, um, da ich in Zukunft vielleiclit 10 sulclier Signale bedarf, zu entscheiden, ob die Kraft des Theodolithen-P'ernrohrs nach Maassgabe der Distanzen stärkere Dimen- sionen nfithig oder schwächere zulässig macht. Vorerst halte ich es für mich selbst, kleinere Reisen ab und zu ungerechnet, am zweck- niässigsten, in Göttingen zu bleiben und die Operationen aus der kleinsten Entfernung zu leiten.

Die 2 KöRNER'schen Reverberes habe ich auch erhalten, abei- mein Muth, viel Gebrauch von dieser ]\Ianier zu machen, ist sehr gesunken. Repsold's Reverbere thut gute Wirkung. Auf dem Hohehagen hatte fr bei Nacht so ausgesehen Avie der aufgehende Jupiter, vielleicht noch heller, so dass ein Forstmann, der mit Kapt. Müller dort war, ohne vorher davon zu wissen, gemeint hatte, es sei irgendwo Feuer. Allein es ist eine grosse Kiste, beschwerlich und gar nicht im Reisewagen zu transportiren; Durchmesser des Spiegels fast 17 par. Zoll. Körnee's Reverberes halten ein paar Zoll weniger und die Kasten sind nicht halb so schwer; allein bei der geringen Tiefe des Kastens ist die Glasscheibe davor in grösster Gefahr des Zerspringens durch die Hitze; an dem einen zersprang sie wenige Minuten nachher, nachdem ich die Lampe versuchsweise angezündet hatte; auch ist der ganze Lampenapparat schlecht gearbeitet, eine Beschmutzung des Spiegels gar nicht zu ver- meiden, gar keine brauchbare Vorrichtung, die Grösse der Flamme zu temperiren i>p., es würden daher noch besondere Gehülfen nöthig sein, die Lampen an den betreffenden Punkten zu diiigiren pj)., dazu das viele Hin- und Herreisen, der Zeitverlust neue Instruktionen zu geben, die grossen Beschwerden des nächtlichen Beobachtens, vielleicht oft Meilen Weges vom Aufenthaltsquartier entfernt. Alles wohl überlegt, scheint mir diese Manier, so theuer auch der Signalbau kommt, doch noch weit mehr Kosten zu machen und sich daher nur für einzelne Fälle, wo es auf keine andere Weise möglich ist, zu eignen.

Die Arbeit am Heliostat mrd dadurch sehr aufgehalten, dass Rumpf die meisten Messingstücke in Cassel giessen lassen muss; schon seit 1 Monat hat der Giesser die Modelle, allein trotz des posttäglichen Mahnens sind die Sachen noch nicht zu erhalten gewesen; an den an- deren kleineren Theilen wird gearbeitet und das meiste davoii ist schon fertig. Ich verspreche mir davon viel. Nach einem Reclmungsüber- schlage, der sich grossen Theils auf Ihre Angaben gründet, wird die

Helligkeit in der Distanz J Meter*)

A /^620 OOOy ^J^\25457

V A J \2j

") Bei den Dimensionen, die Eumpf dem Spiegel giebt.

108

Olbers an Gauss. Bremen. 1821 .Juni 15.

Sa/mover^,—-—

^Jl roch' eil

sein, die des Aldeharan bei Tage, wenn er so hoch stände, Avie eben die Sonne steht, wenn sie den Heliostat beleuchtet, als Einheit be- trachtet. Die Höhe der O wird aber hierbei wenig influiren, da, wenn

sie niedrig steht, auch das Auge WoJdenberg für schwächeres Licht empfäng-

licher ist. In der Distanz 50 000 \ Meter fetwa der grössten. die bei

~^a,u,.c/.n>ecg ^^^ französischeu' und schwedi- schen Gradmessung angewendet

LirMemery . ^ , . , t tt n-

ist) hätten wir also die Hellig- keit noch etwa =^ 36; in der Distanz 105 000, ungefähr [die] allergrösste, die bei meinen Opera- tionen vorkommen könnte, Brocken - Inselsberg, noch etwa =2; die Helligkeit 1 ist aber für die Theo- dolithen-Fernrohre noch ganz be- deutend.

A\'enn Braunschweig vom Hils nicht zu sehen ist, so werde ich vielleicht als nächsten Ort Lichten- berg wählen (eine Ruine auf einem Berge, neben welcher aber natür- lich ein Signal gebaut werden muss), falls dieser Berg nicht. Avie ich besorge, mit Hochwald besetzt ist. Im Fall letztes Hindernis.«^ nicht stattfindet, k()nnte vielleicht mein Hauptnetz so aussehen (siehe vorstehend), falls Hannover vom Wohlenberg aus sichtbar ist, und Braunschweig wird dann nur ein Nebenpunkt. Die schwarzen Linien bedeuten die entschiedene Sichtbarkeit, die rothen^) die noch ungewisse.

Jnselsberg

Fis-. 4.

No. 421.

Olbers an Gauss.

[229

Bremen, 1821 Juni 15.

Ob ich gleich leider auf Ihre beiden letzten gütigen, mir so inter- essanten Briefe, die so anziehende Nachrichten über den Anfang Ihrer Gradmessung enthalten, nichts antworten kann. Avas auch nur einiger- maassen Ihrer Aufmerksamkeit Aveith Aväre, so kann ich es doch nicht

^) In der Figur punktirt wiedergegeben. Krni.

(•llrti- .iii <iau.->, Bremen. 1821 Juni l."i. ] 09

aiifscliiebeii. lliiien für die grosse P>eude, die Sie mir dadurch gemacht haben, herzlichst y.u danken und Sie um die Fortsetzung dieser mir so willkommenen Notizen inständigst zu bitten. Ich sehe die grossen Inbequemlichkeiten, die die nächtlichen Beobb. mit den Reverberes haben müssen, vollkommen ein und bin äusserst neugierig auf Ihre ersten Versuche mit den von Ihnen so scharfsinnig erfundenen Helio- -taten. Möchten diese doch erst fertig sein! Auch diesen wird oft die \\ itterung nachtheilig .^ein, da wir so selten recht heiteren Himmel haben, und auch manchmal, wenn der Beobachter Sonnenschein hat, eine Wolke den entfernten Heliostat beschatten kann.

Ich gestehe es. ich habe gleich gefürchtet, dass Sie mit Ihrem Kostenanschlag, so wie Sie mir ihn zu 1500 U St. oder 9 10000 Ethlr. angaben, bei weitem nicht ausreichen werden. Die Signale, Trans- porte u. s. w. werden wahrscheinlich ungleich höher kommen, als sie eigentlich kosten sollten, weil der Eigennutz Arbeitslohn, Material u. s, w., da man weiss, dass Sie es ausgeführt und zur bestimmten Zeit ausge- führt haben müssen, ungebührlich steigern wird, besonders in Gegenden, wo keine Konkurrenz stattfinden kann. Auch werden sich weit mehr ausserordentliche Ausgaben finden, als man vorher veranschlagen zu müssen glaubte.

Bisher haben Sie mir nur den Hauptmann Müller und den Lieutenant Haetmann genannt. Wer ist mehr in Ihrem Gefolge? Können Sie einem Ihrer Gehülfen allenfalls die Messung der Winkel auf einer Station allein vertrauen? Ich wünsche so sehr, lieber Gauss, dass Sie Ihre uns allen und der Wissenschaft so kostbare Gesundheit bei diesem so angreifenden Geschäft möglichst schonen mögen. Das Nachtwachen auf den Bergen unter freiem Himmel kann Ihnen unmöglich gut sein.

Von Schtjmacher's Operationen höre ich noch nichts. Seine beiden letzten Briefe an mich bestanden nur aus wenigen Zeilen, die blosse Anfragen enthielten, ohne im Geringsten etwas von seinen Plänen oder Beobb. zu erwähnen.

Sie haben vollkommen Recht, dass Krayenhoff bei seinen Rech- nungen auf alle Fälle die Abplattung zu gross angenommen hat. A\'enn Sie Ihre Berechnungen über die Lage von Göttingen gegen Paris machen, und es ist Ihnen möglich, so theilen Sie mir doch gütigst so viel von Ihrer Reclmungs- Methode mit, mein theuerster Freund, dass ich Bremens geographische Position nach denselben Formeln be- rechnen kann.

Unseres trefflichen Encke Untersuchungen über den Kometen in der Jungfrau 1819^) wird er Ihnen selbst mitgetheilt haben. Es ist

1) Komet 1819 IV, für welchen Ekcke eine Umlaufszeit von ca. 5 Jahren fand. Krm.

110 Olbers an Gauss. Bremen, 1821 Juni 15.

doch höchst sonderbar, dass unter den 4 Kometen, die sich 1819 zeigten, 3 eine so kurze Umlaufszeit haben. Freilich scheint nur bei sehr kleinen Kometen nach den bisherigen Erfahrungen eine sehr kurze Umlaufszeit stattzufinden; aber doch wird dadurch Ihre Vermuthung sehr bestärkt, dass es unter den älteren bisher bloss nach der Parabel berechneten Kometen noch mehrere geben mag, die eine nicht un- mässige excentrische Ellipse beschreiben. Ueber zwei solcher älteren Kometen muss noch über kurz oder lang eine Untersuchung angestellt werden, ob sie identisch oder verschieden sind. Dies sind nämlich die Kometen von 1699 und 1799 Dec.^) Ihre Bahnen haben in allen Be- stimmungs-Stücken als Parabeln eine grosse Analogie, und die Ver- schiedenheit der einzelnen ist nicht grösser, als sie zwischen den para- bolischen Elementen des ENCKE'schen Kometen in den Jahren 1795 und 1805 war. Vielleicht lassen sich also auch die Bahnen jener beiden Kometen durch eine Ellipse vereinigen. Ich werde Encke zu dieser Untersuchung auffordern, wenn Sie nicht etwa wünschen oder vor- ziehen, sie dem Hrn. v. Staudt zu überlassen, der sich mit so vieler Geschicklichkeit in solchen Rechnungen zu beschäftigen scheint. Nur wird es darauf ankommen, ob die Beobb. von 1699 nicht zu grob sind, etwas Gewisses darüber ausmachen zu können.

Encke hat mir nun auch die Ephemeride seines Kometen") vom 28. Sept. 1821 bis 25. Febr. 1822 geschickt. Ob wir ihn aber werden erblicken können, bleibt mir sehr zweifelhaft. Es kommt alles darauf an, inwiefern er hell genug sein wird, ihn von dem nie ganz dunkeln Grunde des Himmels zu unterscheiden. Da er im Jan. 1819 genau die Grösse, das Ansehen und die Helligkeit des Nebelflecks am Kopf des Wassermanns hatte, so habe ich vorigen Herbst versucht, wie nahe am Horizont ich diesen Nebelfleck noch unterscheiden konnte. Aus den von BouGUER und Lambert auf ihre beiderseitigen Erfahrungen ge- gründeten, freilich sehr verschiedenen Tafeln (ich ziehe die BouGUER'sche. besonders wie sie Karsten berichtigt hat, vor) konnte ich dann finden, in welchem Verhältniss die Helligkeit des Nebelflecks diu'ch seine niedere Lage geschwächt wurde. Meine Beobb. begünstigen doch die Hoftnung, ihn im Dec. und Jan. in einer Höhe von > 30*^ sehen zu können, wenigstens mit Teleskopen von der Lichtstärke, mit denen Sie den Kometen von 1815 so lange verfolgten.

RüMKER ist am 11. Mai auf dem Royal George nach Neu-Süd- Wales abgesegelt. Fällt Ihnen noch etwas ein, was Sie besonders auf den südlichen Sternwarten beobachtet zu haben wünschen, so bitte

^) Komet 1799, II. Kim.

2) Komet 1819, I. Vergl. Brief No. 385. Krm.

(lauss an Olbers. Göttinnen, isJl Juli 1. m

ich sehr, es mir zu melden, d;i ich wahrscheinlich bald an Rümkee schreiben werde.

Hat Hr. v. Staüdt auch etwas über Ellipticität des letzten Ko- meten versucht ? Auf alle Fälle wird der Unterschied von der Parabel wohl sehr srerinff sein.

No. 422. Gauss an Olbers. fws

Götting-en, 1821 Juli 1.

Ich mache mir das Vergnügen. Ihnen von einigen in den letzten Tagen angestellten Versuchen etwas zu schreiben. Mit dem Heliostat oder Heliotrop oder Sonnenspiegel dauert es lange, obgleich seit 3 Wochen 3 bis 4 Arbeiter ununterbrochen daran gearbeitet haben. Doch hoife ich, ihn nun in ein paar Tagen zur einstw^eiligen Berich- tigung und Prüfung zu erhalten. Die Arbeit ist sehr wacker aus- geführt, nur das Fernrohr ist nicht viel werth und nur erst proviso- risch aufgesetzt, da die von München verschriebenen Gläser noch immer nicht angekommen sind. Es^) lag mir inzwischen daran, vorerst nur über die Strahlkraft der Spiegel selbst einige Erfahrungen zu erhalten. Ich habe erst mancherlei versucht. Ich befestigte einen Spiegel am Deckel des Fernrohrs eines Theodolithen und suchte durch im voraus mühsam berechnete Azimuthe und Höhen dem Spiegel die richtige Lage zu geben, um das Licht nach einer bestimmten Eichtung zu werfen. Dies misslang aber gänzlich. Der Deckel, etwas hart gehend, konnte nicht mit Sicherheit immer wieder in dieselbe Lage gebracht werden, sondern es blieben darin Differenzen von 20', die dieses Ver- fahren ganz unbrauchbar machten, wenn nicht der Spiegel auf eine solidere Art am Fernrohr befestigt wurde, so dass dieses offen blieb. Inzwischen brachte mich der Verdruss über die verlorene Mühe auf eine andere Idee, die vollkommen gelungen ist. Der blosse Spiegel- sextant, auf einem guten Stativ, leistet schon das Verlangte, obwohl nicht so vollkommen wie ein eigentlicher Sonnenspiegel. Ist der Winkel, den die Gesiclitslinie (die, wenn sie nicht schon vorhanden, erst durch einen Faden oder ein Fadenkreuz dargestellt w-erden muss) mit dem kleinen Spiegel macht = 90° a, und ist Sonnenbild und Objekt, wohin das Licht zu werfen [ist], auf gewöhnliche Art zur Berührung gebracht, als wollte man den Winkel messen gleichviel ob ersteres oder letzteres direkt gesehen so braucht man nur bei unverrückter Ebene

^) Von hier ab bis zum Schlussatz auch abgedruckt in Gauss' Werken ]5d. IX, S. 467—469. Krm.

112 Gauss an Olbers. Göttingen, 1821 .Inli 1,

die Alhidade um a (oder nominell 2 a) vorzurücken und bat seinen Zweck erreicht. Man kann bei einiger Uebung die Stellung leicht so machen, dass jene Koincidenz erst nach ein paar Minuten eintreffen würde, und wenn man sich dann beeilt, abzulesen und Alhidade vor- zurücken, so gelingt es wohl, dass der Beobachter an dem Ort, wohin das Licht geworfen wird, über 2 Minuten den vollen Glanz geniesst. Offenbar ist die Mühe ohne Vergleich geringer, wenn sogleich am grossen Spiegel, senkrecht auf der Ebene des Sextanten, unter der Neigung a ein dritter Spiegel befestigt ist. Der Sextant wird dadurch ein vollkommener Sonnenspiegel und steht nur deswegen sehr nach, weil theils das kleine Fernrohr mit seinem halben Licht nicht auf sehr grosse Distanzen trägt, und theils weil dieser dritte Spiegel bei den Bewegungen des Sextanten auf seinem Stativ nicht in Euhe bleibt. Ich denke jedoch behufs der Contre- Signale an meinem Sextanten einen solchen 3. Spiegel anbringen zu lassen.

Bei den kleinen bisher angestellten Versuchen ist es nun so ge- gangen. Zuerst, bloss auf der Terrasse der Sternwarte, Distanz 60 m. war das Licht so, dass man auch nicht einen Augenblick ohne Schmerz hinsehen durfte. Zweitens etwas abwärts, Distanz 150 m, war das nur ein paar Sekunden fortgesetzte Hinsehen dem Auge peinlich. Nur diese beiden Versuche habe ich selbst gemacht, da ich bisher nie- mand habe, der die Stellung machen könnte, und [ich] also dies selbst Tliun musste. (Es würde leichter sein, einen anderen dazu abzurichten, wenn nicht das Stativ sehr unvollkommen balancirt wäre, so dass es. wenn die Versuche nicht völlig misslingen sollen, mit äusserst leichter Hand behandelt werden muss; wenn ein dritter Spiegel erst da ist, fällt offenbar diese Schwierigkeit weg.) Bei den folgenden Versuchen haben theils der jetzt hier angesetzte Prof. Ulrich, theils Hr. Lieutenant Hartmann beobachtet.

Beim dritten Versuch war die Distanz 300 m. Hr. Prof. Ulrich beschrieb das Licht als herrlich und beim anhaltenden Hinsehen dem Auge beschwerlich.

Vorgestern ein 4. Versuch auf die Distanz 2000 m. Hr. Prof. Ulrich qualificirte das Licht wieder als herrlich und verglich es mit einem 3fachen Glänze der Venus, wie sie, wenn sie am schönsten ist, bei Nacht erscheint. Sein Begleiter habe nicht genug sein Erstaunen zu erkennen geben können, wie ein solcher Glanz hervorgebracht sei.

Gestern o. Versuch, am Platz des künftig zu errichtenden südlichen Meridianzeichens, wo ich eine beträchtliche \\'aldung habe durch- hauen lassen müssen, Distanz 11890 m. Hr. Lieutenant Hartmann be- titelt das Licht wieder als herrlich und meint, dass es an Intensität wohl noch der Venus in der Abenddämmerung- oleichgekommen. aber

Gauss uu Ulbers. (iüttiui^tii, lÖ'Jl Juli 1. |13

für das Auge, wie er sich ausdrückte, beleidigender gewesen sei. Es versteht sicli, dass alle diese Beobb. mit blossen Augen gemacht sind. Ein Arbeiter, den er bei sich liatte, habe beim ersten Auf- blitzen erschrocken Feuer geschrieen. Im Theodolithen - Fernrohr schien der Faden an der Stelle dieses scharfen Lichtpunkts völlig zerschnitten.

Der Spiegel an meinem Sextanten hat genau 2 Pariser Zoll Breite und 1| Zoll Höhe; der Spiegel des von Rumpf verfertigten Heliotrops hat nahe dieselben Dimensionen.

Ich habe geglaubt, dass es Hinen, theuerster Freund, nicht unan- genehm sein würde, diese Resultate zu erfahren. Solange bis ich mit dem wirklichen Sonnenspiegel erst noch etwas mehr ins Grosse gehende Versuche angestellt habe, möchte ich nicht gern, dass auswärts etwas davon transpirirte.

Ich habe nun die beste Hoftnung, dass diese Vorrichtung auch in den grössten Distanzen meines Dreiecksystems aushelfen soll. Ich glaube, wenn man die Sonnenspiegel nach der 2., in meinem letzten Briefe angedeuteten Einrichtung ausführt und den Spiegel hinläng- lich gross macht, so giebt es in Zukunft für die Grösse der Triangel- seiten keine Grenzen mehr als die, [welche] die Kugelgestalt der Erde setzt.

Vielleicht können diese Ideen auch in anderen Beziehungen noch wichtige Anwendungen finden. Z. B. als Signale für astronomische Längenbestimmungen, da man dieses Licht immer ganz augenblicklich bedecken und ^\iedererscheinen lassen kann. Vielleicht selbst zu an- deren telegraphischen Signalisirungen, wenigstens zu Zeiten, wo die Sonne etwas anhaltend scheint, wenn den sehr genau zu messenden Intervallen des Erscheinens und Verschwindens verabredete Bedeutungen beigelegt werden.

Mein Hohehagen-Signal ist gestern fertig geworden. Ich denke diese Woche noch (wenn Rumpf Wort hält) theils die schwierige Be- richtigung des Sonnenspiegels, theils die Messung des Winkels Hohe- hagen- Meridianzeichen hier zu absolviren und dann nach dem Hohe- hagen abzugehen. Das Signal für den Amtmannshau muss nun hoffent- lich auch bald fertig gezimmert sein.

Olbers. II, 2

114 Olbers an Gauss. Bremen, 1821 Juli 6.

No. 423. Olbers an Gauss. [230

Bremen, 1821 Juli 6.

Sie haben mir durch Ihre beiden^) letzten Briefe wieder eine sehr grosse Freude gemacht. Ganz besonders interessirten mich Ihre so herrlich gelungenen Versuche über den Sonnenspiegel. Empfangen Sie nun meinen herzlichsten Glückwunsch zu dieser wiiklich grossen und wichtigen Erfindung, deren äusserst grossen Nutzen für die Geodäsie ich mit Ihnen nur für einen kleinen Theil der Vortheile halte, die dieses sinnreich ausgedachte Werkzeug noch in so vieler Rücksicht ander- weitig gewähren kann und gewähren wird. Ihre mii^ zuletzt ange- gebene Konstruktion vereinfacht das Instrument schon sehr, und nun haben Sie gar gezeigt, dass jeder Spiegel-Sextant auf einem schicklichen, gehörig balancirten Gestell schon einen Sonnenspiegel, und wenn man noch einen auf die Ebene des grossen Spiegels des Sextanten unter der Neigung a befestigten Spiegel anbringen lässt, einen nicht unbequemen Sonnenspiegel abgeben kann.

Ihre angestellten Versuche beweisen unwidersprechlich, dass man mit dem Sonnenspiegel bei günstiger Witterung auf jede vorkommende Entfernung ausreichen kann. Durch die Formel, die Sie mir angaben

g _ /'620000y / n25427 2.

und wodurch Sie die Lichtstärke des zurückgespiegelten Stückes des Sonnenbildes mit dem Aldebaran vergleichen, lassen sich indess die verschiedenen von Ihnen angestellten Versuche nicht unmittelbar unter- einander vergleichen. Abgesehen von der veränderlichen Durchsichtig- keit der Luft, die also gar die Beob. eines Cyanometers erfordern dürfte, und Ihnen zugegeben, dass die verschiedene Höhe der O wenig influire, scheint mir doch noch ein Faktor in jener Formel zu fehlen, ich meine die scheinbare AMnkel-Entfernung der Sonne vom Sonnen- Sjpiegel von dem Ort, wohin das Licht zurückgeworfen wird. Vermuth- lich ist es hinreichend, wenn ^' noch mit dem Cosinus der halben Elon- gation der O vom Beobachter des Sonnenspiegels multiplicirt wird, obgleich auch wohl die Menge des zurückgeworfenen Sonnenlichts bei belegten Spiegeln einigermaassen von dem \\'inkel abhängig ist, wo- runter sie auf ihn fallen.

^) Olbers bezieht sich hier offenliar auf die Briefe v. 1. .Tuli und 10. .Tuni; da der letztere kurz vor Abgang seines Briefes vom 15. Juni (No. 421) eingetroffen, so beantwortet er ihn liier noch einmal ausführlich. Krni.

*) Vergl. Brief No. 420 vom 10. Juni. Krm.

Olbor;; au Gauss. Bremen. 1821 Juli 6. 115

Ihre Vergleichung der Lichtstärke des Soniienspiegels mit dem Aldeharan erinnert mich wieder an die Fixstern -Klassen. Nach Ihrer

Formel M die Nornuil-Grösse der Sterne der ;«toii Kla.sse jN'= -" -: ffe-

setzt, habe ich doch nenlich die verschiedenen Grössen-Klassen nach den Lichtstärken, die Herschel für sie gefunden hat, zur Bestimmung von o) verglichen, und für (o näher übereinstimmende Werthe ge- funden, als ich nach den unvollkommenen HEKSCHEL'schen Beobb. er- warten konnte. F>s fand sich nämlich aus Vergleichung der nach Herschel stattfindenden Lichtstärke der Sterne

von (

1er

a>

O)

2.

und

6.

Grösse

2,236

2,236

2.

»

5.

)5

2,520

2,208

2.

»

4.

»

2,000

2,208

4.

»

6.

))

2,500

2,258

4.

»

5.

»

4,000

2,208

5.

?i

6.

»

1,563

2,441

Die Kolumne co enthält die Werthe, wie sie unmittelbar aus Herschel's Beobb. folgen. Allein die Lichtstärke der Sterne 4. Grösse bestimmt Herschel aus i-i Pegasi, i Aurigae und E Tauri. Hiervon wird i Aurigae von einigen Astronomen 3-4., und E Tauri von allen wenigstens 3-4., selbst von einigen 3. Grösse gehalten. Es kann also ganz wohl sein, dass diese 3 Sterne im Mittel etwas heller sind, als die Xormal-Grösse der 4. Klasse und näher der Normalgrösse 3| an- gehören. Von der anderen Seite sind q Pegasi, e Persei und H Oemi- norum wohl nicht alle zur 5. Grösse qualiflcirt, und man könnte sie wohl 5-6. Grösse oder von der Normal-Grösse 5.V setzen. Aus diesen beiden sehr zuverlässigen Voraussetzungen ist die so schön überein- stimmende Kolumne co' entstanden. Das Mittel aus der ersten Reihe für CO giebt mit Rücksicht auf die Zuverlässigkeit der einzelnen Be- stimmungen 0)==^ 2,313, und dies dürfte von der Wakrheit so gar weit nicht abweichen. Noch ist keine Hoffnung, dass ich mein Photo- meter so bald erhalten werde, mit dem ich sonst sichere Bestimmungen zu machen erwarten kann.

Die in Ihrem letzten Briefe erwähnte Station Amtmannschau-) kenne ich noch nicht. Ist es vielleicht die Station auf dem Hilsberge die Sie früher Steinhauerhau bezeichneten?

^) Siehe Brief Nu. 410 und 414. Kriii.

-) Amtmannshau im letzten Briefe Gauss', von Olbers hier nicht richtig- ge- schrieben, ebeuso Steinhauerhau sind nach Brief No. 425 Xaraen für einen Punkt auf dem östlichen Ende des Hils. Krm.

21(5 Gauss an Olbers. [Götting-en], 1821 Juli 8.

Hier haben wir noch immer sehr kalte Tage, die Ihnen, wie ich glaube, bei den Messungen nicht unangenehm sein werden, da Sie vorzüg- lich grosse Hitze scheuen. So kalt wie in Gotha oder auf dem Seeberge ist es aber hier nicht gewesen. Unser trefflicher Lindenau schreibt mir, dass dort eine halbe Stunde nach Sonnen-Aufgang das Thermo- meter am 20. Juni + 1°,3, am 21. 0°,?, 22. 0°,5, 23. -f 1°,2 also zur Zeit der Sommer-Sonnenwende wirklich unter dem Frierpunkt ge- standen habe. Hier war das Thermometer in den angeführten Tagen morgens um 7 Uhr doch immer noch + 8*^ Reaumur.

Von der Corresjp. [astr.] des Hrn. v. Zach habe ich das 5. und 6. Stück für 1820 erhalten. Im 6. wird mir eine physikalische Beob. über den letzten Kometen zugeschrieben, davon ich nichts weiss. Ver- muthlich hat Zach den mir unbekannten Einsender meiner Kometen- beobb. mit mir verwechselt. Im 5. Stück wird bei Gelegenheit des untergeschobenen erdichteten Kometen von d'Angos den Verfassern des Berlinischen Almanachs von 1749 die Erdichtung von Beobb.^) des Kometen 1701 Schuld gegeben und behauptet, dass Euler dies in einem Briefe geschrieben habe. Das Wahre ist, dass die Redakteure jenes Almanachs nichts erdichtet haben, und dass Euler auch kein Wort von einer solchen Erdichtung schreibt. Es wird doch wohl gut sein, diese an sich unbedeutende Fabel, die Pingre zuerst erfunden. Zach aber nun noch ausgeschmückt hat, einmal zu widerlegen.

Mich langweilen die jetzigen dämmerungshellen Nächte, da ich den Anblick des reichgestirnten Himmels so sehr liebe. Der Unterschied in der Helligkeit der Sommernächte zwischen Göttingen und Bremen ist schon sehr beträchtlich.

Sagen Sie mir doch mit zwei Worten, lieber Gauss, ob Hr. v. Staudt wohl die Absicht hat, die vermeintliche Identität der Kometen von 1699 und 1799 zu untersuchen, oder ob ich mich deswegen an Encke wen- den soll?

In welcher Qualität ist Prof. Ulrich in Göttingen angestellt?

No. 424. Gauss an Olbers.^) [wi

[Göttingen],^) 1821 Juli 8. In der Hoffnung, dass Sie meine Nachrichten, auch wenn sie wenig Inhalt haben, mit einiger Theilnahme lesen, widme ich Ihnen heute

*) Hierüber hat sich Olbers auch später ausführlich in Schümacher's A. X. Bd. I No. 1 verbreitet. Siehe auch Olbers Bd. I. Persönliches No. 15, 8. IS9 ff. Krni. -) Dieser Brief ist in deutscher Sdirift geschrieben. Krm. ■') Nach dem Poststempel. Knu.

Gauss an Olbers. [Göttingen], 1821 Juli 8. 117

Abend abeiiiials eine Stimde. Das Wetter ist diese ganze Woche äusserst uno:i'insti!2i: gewesen, so dass nicht viel mehr als nichts hat ge- schehen können. Den hier zu messenden ^^'inkel habe ich jetzt 80 mal; ^venn ich es bis 100 gebracht habe, mag es mit dem Theodolithen genug sein, und dann werde ich noch einige Male den schiefen Winkel mit dem Kreise nehmen. Das Steinhauerhau-Signal ist noch nicht fertig, auch das Postament beim nördl. Meridianzeichen nicht. Die Signale kosten seJu- viel Geld, und wenn die Angaben, die mir Schumacher von den Kosten seiner Signale früher gegeben, genau gewesen, so sind sie mir ganz unbegreiflich.

Hoffentlich wird der Heliotrop viele Signale entbehrlich machen, Rumpf hat ihn endlich vollendet bis auf einige Stücke, die dessen Ge- brauch amserhalh der Sternwarte noch mehrere Tage verzögern wer- den. Leider ist nicht bloss das provisorische Fernrohr sehr schlecht, sondern auch der Spiegel, wodurch die Berichtigung ausserordentlicli erschwert wird. Inzwischen selbst, so wie er jetzt ist, hoffe ich, soll er schon in den meisten Fällen durchdringen. Ich selbst habe erst zwei Versuche damit gemacht.

1) in der Distanz 2000 m gegen Abend, w^o die Sonne schon sehr tief stand, doch fielen die Strahlen fast senkrecht auf. Es war dem blossen Auge ein sehr schönes glänzendes Licht; in einem schönen FEAUNHOFEE'schen Fernrohr war es so hell, dass es, wenn man etwas anhaltend hinsehen wollte, dem Auge sehr beschw'erlich fiel.

2) heute in der doppelten Distanz unter übrigens fast ähnlichen Umständen w^ar es freilich schwächer wie in 1), doch so, dass ich alle vorigen Prädikate auch noch gebrauchen wäirde.

Ein Versuch, den ich vorgestern anstellen wollte, wo ich nach dem Hohehagen deshalb gefahren war (Dist. 13 800 m), misslang ganz, weil es unaufhörlich regnete.

Ich habe vergessen zu bemerken, dass bei einem früheren Ver- suche in der Dist. 1800 m, wo der Heliotrop nur w^enige Augenblicke auf die O selbst hatte gerichtet werden können, der Hauptmann MüLLEK ihn nachher noch auf eine helle Wolke richtete, welches ein überaus schönes Bild im Fernrohr gab, das aber natürlich dem blossen Auge unsichtbar blieb. Inzwischen glaube ich, dass, wenn eine recht glänzende Wolke gewählt werden kann, dies immer noch auf 1 Meile weit mit einem guten Fernrohr pointirt werden kann. Am ersten son- nigen Tage soll der Versuch nach dem Hohehagen wiederholt werden.

Der administrative Theil der Geschäfte ist übrigens, wie ich schon öfters erfahren, mit mancherlei Verdriesslichkeiten verknüpft, und ich fürchte sehr, wenn ich nicht beim Fortgang der Arbeit mehr dagegen abgehärtet werde, dass sie mir dieselbe noch oft verleiden werden,

11g Gauss an Olbers. [Gottingen], 1821 Juli 8.

falls ich sie überhaupt zu Ende führe. Denn, mein theuerster Freund, im engsten Vertrauen gesagt, bleibt dies noch zweifelhaft. "Wenn meh- rere Disproportionen meiner hiesigen Lage mich oft missmuthig machten und mir den AVunsch einer Veränderung abnöthigten, so kann ich es nicht so geradezu von der Hand weisen, dass jetzt eine doppelte Aus- sicht dazu da ist. Einmal ist mir von Hamburg^) indirekt ein Antrag gemacht, wo man sich zu freier "Wohnung und 6000 Mark Courant verstehen will, circa '-f von dem, was ich hier habe. Ich glaube kaum, dass das Leben in gleichem Yerhältniss theurer dort ist als hier, da manche sehr bedeutende Artikel dort wieder bedeutend weniger kosten als hier. Das Missverhältniss meiner hiesigen Diensteinnahme zu einem über die gemeinen Lebenssorgen bei einer zahlreichen Familie erhabenen Bedarf ist übrigens nur ein Grund meiner Unzufriedenheit. Ein ebenso wichtiger ist das Missverhältniss der Arbeiten zu meinen Kräften und meinen Neigungen. Dass ich bei den mühsamen Geschäften der prak- tischen Astronomie aller reellen Hülfe entbehre, davon sage ich nichts, weil diese Arbeiten, insofern sie nicht meine Zeit ganz wegnehmen, mir immer auch Vergnügen machen. Aber das Kollegienlesen erregt immer das Gefühl, dass ich meine Zeit auf eine edlere Art anwenden könnte, und mit Betrübniss fühle ich, bei zunehmenden Jahren, wie wenig ich zu den edleren Arbeiten kommen kann, und die Stunden dazu ergeizen muss. Eine zweite Aussicht habe ich nach Berlin,-) wo die Sache so steht, dass ich leicht einen förmlichen Kuf dahin, aller Wahr- scheinlichkeit nach, würde veranlassen können. Was mich von ent- scheidenden Maassregeln bis jetzt noch zurückhielt, sind Familienver- hältnisse und die nur zu gegründete Besoi-gniss, dass ein grosser Theil des Vermögens meiner Frau bei einer Veränderung in die Brüche gehen könnte. Allein auf [diej eine oder andere Art muss es anders werden, Avenn ich nicht dabei zu Grunde gehen will.

1821 Juli 9.

Recht sehr danke ich für Ihren so eben erhaltenen gütigen Biief.^) Den Faktor cosinus dei- halben Elongation habe ich damals deswegen nicht beigesetzt, weil ich nur das Maximum des zu erhaltenden Effekts abschätzen wollte, wobei man die Stunde auswählen kann, wo die Sonne im Vertikal des Punktes steht, wohin man das laicht schicken will und wodurch jener Cosinus nicht so sehr viel kleiner als 1 wird. Sonst versteht sich, dass bei sehr schiefem Auffallen der Etfekt viel

') Siehe Brief No. 410 au Olbers Aumerkunii'. Knn.

2) Siehe Brief No. 7 des General v. Müi- kling an Gauss (,1821 Apr. 14) in K. BiiüHNS, Briefe zwischen A. v. Humboldt u. Gauss, Leipzig 1877. Knu. n Brief No. 423 vom 6. .Tuli. Knn.

Gauss an (Ubers. (iöttingen, 1821 Juli 15. 11<»

[scliwächer] sein wird. Die konstante Zahl 2r)427ni habe ich nach BouGüER genommen, sie ist aber gewiss bei verscliiedenem Lnt'tznstande sehr verscliieden nnd vielleiclit zuweilen noch viel grösser. Denn sonst würde ich die ^lögliclikeit, dass die Franzosen in der Distanz IGOOOOm noch ihre Ixt-verberes auf Formentera erkannten, kaum begreifen. Staudt habe ich auf die bewiissten Kometen aufmerksam gemacht, er wünscht sehr, die Arbeit zu unternehmen, wenn seine Kräfte es ver- statten. Er ist ein trefflicher mathematischer Kopf vielleicht melir als alle meine anderen Schüler aber praktischer Takt und Blick fehlt ihm noch sehr.

Sie haben recht, theuerster Olbers, die hellen Bremer Sommer- nächte nicht zu lieben, ^^'ie schön wäre es daher, wenn Sie unsere südlicheren Nächte und die Experimente mit dem Heliotrop bei Tage zu geniessen sich noch zu einem Besuch entschlössen.

Ich bin im Begritf' heute abermals einen Versuch auf dem Hohe- hagen zu machen, obgleich auch, wegen des Wetters, mit nicht sehr grosser Hoffnung des Erfolges.

X., 425. Gauss an Olbers.') [195

Göttingen, 1821 Juli 15.

Noch einmal behellige ich Sie mit dem Rapport von der ver- flossenen Woche.

Am letzten ^Vlontage schloss ich meinen Brief im Begriff, aber- mals unter schlechten Auspicien auf den Hohehagen zu fahren. Im Regen kam ich daselbst an, der noch 2 Stunden anhielt. Doch w^irde meine Geduld belohnt. Die Wolken brachen sich etwas, obwohl nicht vollkommen. Ich sah den schönsten Silberpunkt im Fernrohr, der, wie sich später auswies, entw^eder von der fest verschleierten Sonne oder gar nur von hellem Wolkenlicht hergerührt hat. Als die Sonne selbst die Sternwarte beschien, zeigte sich das Licht des Heliotropen dem blossen Auge und war im Theodolith-Fernrohr eigentlich zu stark, um recht gut beobachtet zu werden.

Was von den folgenden Tagen nicht gar zu schlecht war, w^urde noch zu Beobb. in der Stern w^arte benutzt, und die Vollendung des Postaments zum nördl. Meridianzeichen betrieben. Am Donnerstag Abend war dies fertig, und am Freitag Nachmittag maass ich auf dem- selben meinen ersten Winkel zwischen Sternw^arte und Hohehagen.

1) Dieser Brief ist in deutsclier Schrift geschrieben. Krm.

220 Gauss an Olbers. Götting-en, 1821 Juli 15.

Vom Amtmannshau-Signal (unrichtiger Steinhauerhau genannt, auf dem östlichsten Ende des Hils, eine Stunde südl. von Aramensen) zeigte sich zwar in der späteren Abendstunde die Spur, allein ich erkannte, das> es noch wie durchsichtig, nicht bebrettet, wenigstens nicht geschwärzt war. Ich gab daher dem Kapt. Müller auf, Sonnabends ganz früh dahin abzugehen, die Vollendung zu beschleunigen, und gab ihm zu- gleich den endlich nun auch transportabel gewordenen Heliotrop mit, um einen Versuch damit zu machen.

Gestern Nachmittag erschien daselbst das ein wenig geschwärzte Signal, bei wallender Luft kaum zu erkennen, und ich wiederholte daher zuerst noch den Winkel zwischen den beiden näheren Punkten. Der Amtmannshau selbst schien im Schatten zu liegen. Während ich mit jener Messung beschäftigt war, jauchzten auf einmal meine Kanoniere alle laut auf, und ein herrliches feines Silberpünktchen erschien auf dem Amtmannshau dem blossen Auge sichtbar (Distanz 37 000 m oder 5 geograph. Meilen). Das AVetter blieb im Allgemeinen ungünstig und unterbrach die Sichtbarkeit oft, doch wurde die Luft ruhiger und die Bilder schärfer, und ich erhielt 30 Beobb. meines Winkels zwischen Hohehagen und Heliotrop, die desto schöner sich anstellen Hessen, wenn der Silberpunkt viel zu schwach war, um dem blossen Auge sichtbar zu sein. Noch kurz vor Sonnenuntergang war das letztere der Fall. Meine Winkelmessungen, in 6 Sets getheilt, geben folgende Kesultate

119°37'24",45 Mittel aus allen 119«37'23",04 19,75 24,65 23,45

22,85 23,10

Beim zweiten Set scheint ein kleines Derangement gewesen zu sein. Der Winkel ist übrigens nicht der wahre, da man deutlich sehen konnte, dass etwas westlich von der Mitte des Signals der Heliotrop stehen musste, vermuthlich weil das Postament noch nicht fertig. Eine fünffache Messung gab noch den Winkel zum Signal selbst

119»37'28",55,

den Tag zuvor war derselbe gleichfalls aus 5 Messungen

119"37'30",3Ü

gefunden, wo jedoch das Signal noch unvollendet sehr schlecht zu sehen gewesen.

Meinen Sextanten hat mir Rumpf jetzt auch zu einem Heliotropen der 3, Art vorgerichtet, und ich werde nun versuchen, ob er so brauch-

oder mit Ausschluss der zweiten Reihe 23,69

Olli.is IUI »iaiiss. Hreiueii, 18'2l Juli 17. 121

bar ist. Leider ist der zugesetzte Spiegel nocli schlechter als der am Heliotroj) selbst,

Prof. Ulrich ist besonders für einige praktische Theile der Mathe- matik, namentlich Baukunst, angestellt.

Encke ist 3 Tage bei mir gewesen, um den Gebrauch des Sex- tanten als unvollkommenen Heliotrop kennen zu lernen. Ganz leicht ist diese Art nicht.

Auch Kurhessen soll nun trigonometrisch vermessen werden. Ger- LiNG wird vermuthlich das Wissenschaftliche und die Hauptdreiecke erhalten und ist deshalb einen Tag bei mir gewesen.

P. S. Schumacher zieht nun ganz nach Altona. Er hat, wie mir Keinke jetzt eben erzählt hat, dort ein Haus für 20000 Mark ange- kauft und wird auf demselben eine kleine Sternwarte anlegen. Er wird dann nur jedes Jahr auf ein paar Wochen nach Kopenhagen reisen, um dort Bericht über die Aufnahme von Holstein abzustatten.

No. 4-26. Olbers an Gauss. [231

Bremen, 1821 Juli 17.

Mit unendlichem Vergnügen habe ich Ihre beiden mir so lieben Briefe vom 8. und 15. Juli erhalten. Ihr Heliotrop erfüllt und ich möchte sagen übertrifft alle Erwartungen, die man von diesem ganz vortrefflichen Werkzeuge nur immer haben konnte. Die gewöhnlich in unserem Klima viel heitere AMtterung und beständigerer Sonnen- schein der Monate Aug. und Sept. \nrd den Gebrauch desselben noch angenehmer und häufiger machen, und ich zweifle nicht, Sie werden künftig viele kostbare Signale entbehren können. Mit dem grössten Interesse verfolge ich Ihre Operationen nach dem mir gütigst mitge- theilten Abriss Ihi*er projektirten Dreiecke. Wenn Sie auch dieses Jahr noch die Winkel auf dem Inselsberg und dem Brocken nehmen wollen, so dürfen Sie wohl dazu die Jahreszeit nicht gar zu weit vorrücken lassen. Ich zweifle kaum, dass der Heliotrop zu Hohehagen sich bei günstigem Wetter auch auf dem Brocken und Inselsberg zeigen w^erde.

Ganz vorzüglich hat das, was Sie mir in Ihrem Briefe vom 8. über einen Antrag von Hamburg und eine Aussicht nach Berlin fi-eund- schaftlich anvertrauen, meine freudigste Theilnahme erregt. Längst habe ich gewusst und beklagt, dass Sie unter den gegenwärtigen Ver- hältnissen in Göttingen nicht an der rechten Stelle sind. Wahrlich es ist unverantwortlich, wenn Sie eine Zeit, die Sie anwenden könnten und anwenden würden, die Wissenschaft [zu erweitern] und Kenntnisse

J22 Olbers an Gauss. Bremen, 1821 Juli 17.

[aufzudecken], die sonst noch lange, vielleicht immer verborgen bleiben würden, zu Vorlesungen oder den kleinen mechanischen Vorarbeiten bei astronomischen Beobb., die ein massig geschickter Gehülfe besorgen könnte, verschleudern müssten. Bei freier Wohnung, was in Hamburg und Bremen viel sagen will, sind 6000 Mark zu einem anständigen, sorgenfreien Leben hinreichend, da Sie den eitlen, keinen reellen Genuss gewährenden Luxus der verschwendenden Hamburger weder mitzumachen brauchen, noch mitzumachen wünschen werden. Mehr als Sie mir an- zeigen, bringt kaum eine der ältesten Senator -Stellen in Bremen ein. Welche Geschäfte man in Hamburg von Ihnen verlangt, sagen Sie mir nicht, wahrscheinlich die Hauptdirektion der Sternwarte, wobei dann ein brauchbarer, völlig subordinirter Gehülfe nicht fehlen wird. Mir würde Hire grössere Nähe da man jetzt bei der guten Ein- richtung der Wege und Posten in 14 Stunden von Hamburg in Bremen sein kann unendlich angenehm sein.

Auch Berlin wird sehr in Ueberlegung zu ziehen sein, da der Euf dahin vielleicht ähnliche pekuniäre Vortheile und Ihnen zusagende Ver- hältnisse anbieten wird. Wahrscheinlich ist auch hier eine Stelle bei der Akademie oder der Sternwarte, die nach Bode's doch wohl nicht lange mehr ausbleibendem Abgange nothwendig eine vollkommenere Einrichtung und Ausrüstung erhalten wird und erhalten muss, und nicht bei der eigentlichen Universität gemeint.

Aber, mein geliebter Freund, Sie werden selbst überzeugt sein, dass man Sie in Hannover nicht leicht entlassen, sondern Sie durch bessere Bedingungen und Vortheile in Göttingen zurückzubehalten suchen wird. Ist es nun Ihr fester Wille, Göttingen zu verlassen, so kann freilich diese wichtige Angelegenheit nicht sorgfältig genug überlegt werden, und es ist sehr gefügt, dass Sie alle F^ntscheidung noch zurück- zuhalten suchen. Wären Sie aber aus Rücksichten, deren Sie erwähnen, die ich aber schlechterdings nicht begreifen und beurtheilen kann, ge- neigt, dann in Göttingen zu bleiben, wenn sich Ihre dortigen Verhält- nisse mehr nach Ihren Wünschen gestalten sollten, so würde ich rathen. den Ruf nach Berlin bald zu veranlassen. Todesfälle oder andere Zufälle können leicht in den Ansichten oder dem Einflüsse der Behörden, die einen solchen Ruf bewirken können, Veränderungen machen, z. B. ein Krieg oder dergleichen. Hier müsste man, meine ich, diese Angelegen- heit nicht zu lange aufschieben, sondern die gegenwärtigen Umstände benutzen. Sie könnten dann sich in Hannover solche Bedingungen ver- schaffen, die Sie von allem, was Ihnen jetzt Ihre Lage in Göttingen unangenehm macht, befreien. Ganz werden Sie die höhere Ausbildung junger schon gehörig unterrichteter genievoller Männer wohl nicht ab- weisen wollen, da Sie auch liierin so unendlich viel geleistet haben.

olhers an Gauss. Bremeu, 1S21 Juli 17. 123

\\i^v kann sich solclier Scliüler rülnnen, als Sie uns verschafft haben? Auch pmJdiscJfc Astronomie, worin Sie und Ressel gewisserniaassen Epoche machen, möchte icli hüclist unpern von Ihrem künftigen "\Vir- kun<rskreise ausgeschlossen sehen, zumal sie Ihnen, wenn ein tüchtiger (iehülfe das Mechanische und Gewöhnliche besorgt, eine angenehnu' und nöthige Unterbrechung und Erholung bei Ihren tiefsinnigen ]\Iedi- tationen gewähren wird.

Verzeihen Sie, lieber Gauss, und schreiben Sie es der Unbedacht- samkeit meiner Liebe und Freundschaft für Sie zu, wenn ich Ihnen so vieles schreibe, was Sie selbst viel besser wissen und beurtheilen können als ich. Nur die mehrmals in meinem langen Leben gemachte Erfahrung, dass Dinge, die man zu lange aufschob, nachher durch Um- stände und Zufälle, worauf man gar nicht rechnete, Schwierigkeiten fanden, oder gar unerreichbar wurden, konnte mich zu einem zudring- lichen Eath verleiten. Lassen Sie sich durch meine vielleicht sehr einfältige Ansicht dieser Angelegenheit durchaus nicht in Ihren weiseren und wohl überlegten Maassregeln und Schritten irren.

Was Sie mir von Schumacher schreiben, hat mich in die höchste Verwunderung gesetzt. Ich bitte Sie, lieber Gauss, sagen Sie mir doch, will Schumacher denn ganz von der Kopenhagener Sternwarte ab- gehn? Ich erfahre nichts von seinem Treiben und Plänen, denn seine Briefe an mich, wenn ich eine oder zwei Zeilen so nennen kann, enthalten nichts als etwa Anfragen oder Aufträge.

Ich weiss nichts von astronomischen Neuigkeiten, W'Omit ich einiger- maassen Ihre so äusserst interessanten Briefe erwidern könnte. Ivory hat eine neue Kefraktionsformel gegeben, die, wie er versichert, bloss aus der Theorie abgeleitet ist, und nichts von astronomischen Beobb. entlehnt. Da er die Analyse nicht mitgetheilt hat, so war die Formel mii" bei der ersten flüchtigen Ansicht wegen eines Druckfehlers sehr auffallend. Wenn A die Zenithdistanz und B die Refraktion ist, so schreibt er vor, einen Hülfswinkel durch die Gleichung

log tang(p = 18,9873149 log cos .4 zu suchen, und dann sei

R = smA- (1200",93 tang 4- 9^ 4- 637",88 tang=^ l q? + 163",78 tang-^ .V q' + 19",51 tang' 1 97 + 3",95 tang'' i (p + Ö",64 tang" ^ 99).

Ich konnte nicht begreifen, was er mit seinem Hülfswdnkel w^ollte, der nach seinem Ausdrucke immer so nahe = 90° sein musste, dass mir dessen Berechnung ganz unnöthig schien. Indessen brauchte es nur ein kleines Nachdenken, um mich zu überzeugen, dass man 8,9873149 statt 18,9873149 lesen musste.

Vor Bonaparte's Ende soll man auf St. Helena einen grossen Ko-

124: Gauss an Olbers. Göttingen, 1821 Juli 18.

meten gesehen haben. Ich vermuthe. dies ist unser AVinterkomet^j ge- wesen, den man südlich vom Aequator bald nach seiner Sonnennähe des Morgens in vorzüglichem Glänze sehen musste.

Wenn es Ihre Zeit Ihnen erlaubt, mein theuerster Freund, so setzen Sie doch ja Ihre Briefe und Nachrichten recht fleissig fort. Sie können sich kaum vorstellen, welch' eine grosse Freude Sie mir da- durch machen.

No. 427. Gauss an Olbers.^) [m

Göttingen, 1821 Juli 18.

Mit Vergnügen fahre ich fort, mit Ihnen abermals etwas über meine Geschäfte zu plaudern. Müller's Rekognoscirung des Köter- berges hat ergeben, dass der Hercules von da wirklich sichtbar ist, aber in N und NO ist nirgends über den Deister und andere noch nähere Berge wegzusehen; ich gebe daher die Idee, vom Köterberg aus die Dreiecke auch noch nach Norden zu fortzupflanzen, jetzt, in Beziehung auf die Gradmessung, auf, und wird dieser Punkt nur zum Anschluss des Hercules dienen. MtJLLEB ist jetzt wieder auf dem Hils und leitet den dortigen Signalbau ein, worauf er erst noch den Lichtenberg rekognosciren und dann hierher zurückkehren wird. Die Zimmerung des Hohehagen- Signals soll diese Woche fertig und es Anfang der nächsten Woche gerichtet werden, so dass ich hoffentlich die A\'inkel- messung des ersten Dreiecks Sternwarte. Meridianzeichen, Hohehagen nächstens anfangen kann.

Mit dem Heliostat geht es noch etwas langsam, die Stücke aus Cassel sind aber endlich angekommen. Inzwischen bin ich noch auf eine ganz andere sehr viel einfachere Einrichtung verfallen, wo nui' das Mechanische erst noch mehr durchdacht und zur Eeife gebracht werden muss, deren Hauptidee aber dieses Brouillon vorstellt.^)

Die Spiegel Ä. B haben ihre Ebenen parallel mit der Axe CC und [sind] unter sich uuverrückt senkrecht. Sie können mit dieser Axe aus deren Pfannen leicht herausgenommen und leicht und sicher ^vieder eingesetzt werden. Indem sie herausgenommen sind, wii'd das Fernrohr, dessen Gesichtslinie mit der Axe DD parallel und zu CC

^) Komet 1821, am 1. Apr. 1821 in Talparaiso und 7. Apr. in Sydney nach seiner Sonnennähe wieder gesehen. Krm.

■-) Dieser Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

^) Heliostat oder Heliotrop der 2. Konstruktion, eine Zeichnung hierzu auch in Gauss' Werken Bd. IX, S. 477. Ueber den Heliotrop 1. Konstruktion siehe daselbst S. 483. Krm.

Gauss an Olbers. Güttingeu, 18'21 Juli 18. 125

senkrecht ist. auf den Punkt fi^eriehtet, wohin man das Liclit reflektiren will. Dann wird das Spiegelsysteni eingesetzt und durch Drehung um die Axe DD, die (eingebildete, auch durch die resp. oberen und unteren Kanten der Spiegel verkörperte) Ebene, worauf CC senkrecht ist. auf die Sonne geführt, und sodann (las Spiegelsysteni so gedreht, dass das von Spiegel A reliektirte Obild in die (-Jesicht.slinie fällt. Sodann ist man sicher, dass vom Spiegel B das 0 licht die gewünschte Richtung nimmt. Die Zeich- nung ist nicht ganz richtig, die Fort- setzung der Axe DD soll durch die Mitte des Spiegels B gehen, die also

stets in Ruhe bleibt. Man hat hierbei ^ . , ^

F Gegengewicht.

ausser einer viel leichteren Ausführung pjo. 5 /

und Berichtigung den grossen Vortheil,

dass ein grösserer Spiegel nnd ein stärkeres Fernrohr angewandt werden können. Der Spiegel A braucht nur klein zu sein. Ist die Richtung einmal getroffen, so konservirt man sie leicht durch Verbindung der Be- ■\\egungen um die Axen C und D. Ich bitte Sie, theuerster Olbers, um Ihre Meinung und Ihi'en Rath hierüber.

Die Summe von 1500 £ habe ich vor 2 Jahren, da ich selbst aller Erfahrung darüber entbehrte, bloss auf gut Glück und nach Schu- MACHEß's Meinung angegeben, ich fürchte auch sehr, dass sie nicht zu- reicht. Hätte ich damals das Doppelte verlangt, so wäre vielleicht aus der Sache nichts geworden.

Ausser Müller und Hartmann ist bisher von keinem anderen Ge- hülfen die Rede gewesen, nur 8 Soldaten sind uns noch beigegeben. ÄIüLLER ist ein sehr brauchbarer Mann. Er hat gründliche Kennt- nisse, führt seine Rekognoscirungen gut aus und benimmt sich auch in sonstigen Verhandlungen mit Behörden mit Klugheit und gutem Erfolg. Hartmann steht ihm an Kenntnissen und Eifer für die Sache nicht nach; er zeichnet zugleich sehr gut und ist nicht ganz fremd in tech- nischen, zum Bauwesen gehörigen Kenntnissen. Er scheint nur zuweilen im gutgemeinten Diensteifer zu rasch zuzufahren und seine Vollmacht zu überschreiten, wie ich dadurch schon jetzt in eine verdriessliche Differenz mit einer Dorfschaft und einem Amt gerathen bin. Die Leichtigkeiten, die Epailly in „pays conqiiis^' hatte, werde ich, wie ich fürchte, oft sehr vermissen, um so mehr, da man bei uns überall mit grosser Schonung zu verfahren gewohnt ist, und in solchen Fällen oft gar nicht oder nur mit grosser Geldaufopferung durchdringen kann. Es versteht sich, dass ich Ihnen dies alles nur im engsten Vertrauen

126 Gauss an Olbers. Ammensen, 1821 Augiist 14.

sage. Wie glücklich wäre ich. wenn ich in solchen mir selbst unge- wohnten Verhältnissen einen Kathgeber wie Sie in der Nähe hätte! Ob ich diese Gehülfen künftig auch zur Vikariirung im Winkelbeob- achten selbst werde gebrauchen können, muss die Zeit erst lehren. Auf alle Fälle werde ich sie erst unterrichten müssen, und ich fürchte. dass es auch wohl zuweilen nicht ohne Lehrgeld abgreht.

No. 428. Gauss an Olbers. [m

Ammensen, 1821 August 14.

Wenn ich mich recht erinnere, war mein letzter^) Brief an Sie vom 15. V. M,, wo ich Ihnen den ersten Erfolg des Heliotropenlichts vom Hils zum i\[eridianzeichen meldete. Seitdem bin ich theils immer so beschäftigt, theils so wenig in Göttingen anwesend gewesen, dass ich ausser den nothwendigsten Geschäftsbriefen fast gar keine Briefe habe schreiben können. Ich habe seitdem die Stationen Meridian- zeichen und Hohehagen absolvirt und bin dann, nachdem ich eine kleine Rekognoscirung in Braunschweig gemacht, hierher gekommen, um die Hils-Station abzumachen. Die mit meiner Reise nach Braun- schweig verbunden gewesene Rekognoscirungs-Expedition des Haupt- manns MüLLEE nach dem Wohlenberg (bei Meinersen) hat leider das Resultat gegeben, dass auch Hannover als Haupt-Dreieckspunkt nicht zu gebrauchen sein wird. Es ist nämlich vom Wohlenberg aus vom Marktthurm in Hannover nur eben die äusserste Spitze zu sehen; der Marktthurm ist aber selbst schon ein sehr schlechter Standpunkt, und wollte man von dem bequemeren Aegidiusthurm aus den Wohlenberg sichtbar machen, so würde auf letzterem ein sehr hohes Signal gebaut und in der Luft observirt werden müssen. Ich werde nun vermuthlich den Deister für Hannover substituiren und die Untersuchung, wie von der Linie Deister -Wohlenberg weiter nördlich vorgeschritten werden kann, auf nächstes Jahr versparen. Der Falkenberg ist auch vom Wohlenberg nicht sichtbar, aber doch, wie es nach ^Iüller's Bericht scheint, ein anderes Terrain, was zwischen Garstenberg und Falken- berg liegen mag, vermuthlich in der Gegend von Bergen, und von wo aus höchst wahrscheinlich der hohe Deister noch gesehen werden kann. Auch von hier aus sieht man noch bei heiterem Wetter über Hannover nördlich hinaus; es würde aber jetzt mit gar zu grossem Zeitverlust verknüpft sein, die Gegend dort zu rekognosciren, auch ist die Wahr-

*) Es ist der vorletzte Brief. Seh.

Gauss an oUrt.-, Anuiifiisi-ii. 1821 Auj^iist 14. 1>7

sclieinliihkejt nicht gross, dass dort (nürdl. von Hannover) ein Pnnkt ist, von dem man den doch nur sehr unbedeutenden Wolik^nberg seilen kann.

Von den Arbeiten auf dem Huhehagen blanche ich jetzt nichts /u sagen, da Sie einen Bericht über den Heliotrop in den G. G. Ä.^) be- reits gelesen haben werden. Aber alle Beschreibung reicht nicht hin: Sie müssten den wunderherrlichen Kftekt selbst sehen, um sich einen rechten Begriff davon zu machen. Am 28. Juli Vormittags war auf dem Inselsberg Nebel und Sturmwind; Encke hatte seine Instrumente daher gar nicht hinausbringen kimnen. sass verdriesslich im Häuschen, wo er mit dem Fernrohr das Heliotropenlicht sah, ohne es mit etwas anderem verbinden zu können. Viele neugierige Gothaer waren auch oben und schauten mit durch; allein sie Hessen sich nicht ausreden, dass Encke ihnen nur etwas weiss machen wolle, und dass es eine ungeheure Feuersbrunst sein müsse, die sie durch den Nebel sahen.

Wie bald ich hier fertig werde, lässt sich noch nicht bestimmen. Müller hat bisher Heliotropenlicht vom Lichtenberg hierhergeschickt und wird in Folge telegraphischer ihm gegebener Ordre jetzt auf der Reise sein, um vielleicht heute Abend schon Heliotropenlicht vom Meridianzeichen hierher zu senden. Den AVinkel zwischen Lichtenberg und Hohehagen habe ich liier vortrefflich erhalten; auch Hannover und Einbeck (letzteres nur um immer wieder, wenn andere Punkte undeut- lich sind, das ferne Heliotropenlicht anzuknüpfen) sind gut verbunden; dagegen habe ich die Richtung zum Brocken erst sehr schlecht. Es ist dies ein sehr schwieriger Punkt, da theils das Thürmchen nur wenig über das Haus hinausragt und daher sehr heitere Luft erforder- lich ist, theils auch der Phase wegen die Sonne dort nicht scheinen darf; hätte ich noch einen oder ein paar Heliotrope und Gehülfen mehr, so würde alles sehr leicht sein; im Nothfall muss ich Müller auch noch mit dem Heliotrop dahinschicken. Auf alle Fälle aber wird er mit demselben erst noch zum Deister und vielleicht auch noch ver- suchsweise nach dem nördl. von Hannover liegenden Terrain (Gegend von Mellendorf) gehen müssen, so dass es w^ahrscheinlich wohl noch 14 Tage und darüber dauern kann, bis ich hier ganz fertig bin; inzwischen gehe ich auch wohl auf einige Tage nach Göttingen. Unter diesen Umständen ist es noch zweifelhaft, ob ich die beiden Stationen Brocken und Lichtenberg in diesem Jahre noch werde absolviren können, zumal da die Reise des Königs mich in den Arbeiten derangii'en wird, und ich auch noch, den Zenith-Sektor zu übernehmen, nach Hamburg muss.

Eine telegraphische Sprache mit dem Heliotrop habe ich auch be- reits eingeleitet; bei den ersten Versuchen sind einige mal-entendiis

^) Göttingische Gelehrte Anzeujen, 126. Stück, Gauss' Werke Bd. IX, S. 461 bis 465. Krni.

128 Gauss au Olbers. Ammenseu, 1821 Aug-ust 14.

vorgefallen; ich zweifle aber nicht, dass es künftig damit recht gut gehen soll.

Die Station Hohehagen ist für mich sehr angreifend gewesen. Ich hatte zuerst mein Quartier in Dransfeld genommen, von wo ich eine Stunde weit den steilen Berg zu Fuss hinauf musste. Die Erschöpfung, in der ich hinaufkam, würde gewiss nicht wohlthätig, sondern höchst verderblich auf mich gewirkt haben, wenn es länger gedauert hätte. Ich habe daher späterhin die Arbeiten immer von Göttingen aus ge- macht, von wo ich Mittags abfuhr und gegen Mitternacht dahin zu- rückkam. In den Vormittagsstunden ist überdies, wie die Erfahrung zeigt, für feine Messungen auf grössere Distanzen fast niemals etwas zu machen.

Hier mit dem Hils geht es etwas besser. Der Berg ist auch sehr steil und über Ammensen noch etwas höher als der Hohehagen über Dransfeld, die Entfernung | Stunde. Allein ich habe hier ein Reit- pferd erhalten, womit ich hinauf und herab reite, und diese Bewegung scheint mir nicht übel zu bekommen, selbst besser als fahren. Das Gehen, selbst auf massige Distanzen, scheint durchaus für mich nicht zu taugen.

Bisher habe ich mit Schümacher's Theodolithen alles beobachtet: mein eigener ist während meines hiesigen Aufenthalts in Göttingen an- gekommen, und ich habe ihn daher noch nicht gesehen. Jener ist ein vortreffliches Instrument. Als Probe setze ich Ihnen einige meiner

hiesigen Winkel her.

Lichtenberg-Hohehagen

Beob.

Aug. 9

13 . .

. . 134«

37

'48",519

10

3

48.833

10

50,450

16

49,812

11

17

50,044

12

10

50,700

69 Hohehagen-Hannover 1 1 Hannover-Lichtenbero: 1 7

. . 134 37 49,804

. . 167

12

8,568

. . 58

10

1,603

Gyr[us] Hor[izontis] .... 359 59 59,975 auch partiell

Lichtenberg-Einbeck 21 . . . . 113 27 37,143

Einbeck-Hohehagen 18 ... . 21 10 13,111

134 37 50,254 unmittelbar 49.804

^laus^ all <iil„i-. Aniiiniivrii. 1 M' | Aili;ust 27. 1 Of)

Krfreiieii Sie, tlieuerster Olbers, mich bald mit eini^reii Zeilen, liis zum L'ii. würden sie mich ohne Zweifel nuch hier treffen; spätei- vielleicht auch noch, vielleicht auch nicht; auf alle Fälle kommen dann nach Göttingen adressirte Briefe in meine Hände.

Meine auf dem Hohehaoren gemessenen Winkel haben. r/a/*.tr tmter uns gesagt, mich gegen 3Ilffling's Messungen etwas misstrauisch ge- macht; wie es scheint, lassen sich die Punkte Hercules, Inselsberg, Brocken und Boineburg nicht so genau vereinigen, wie ich erwartet hatte, doch bedarf dies erst noch schärferer Berechnung. Den Köterberg habe ich vor der Hand ganz aufgegeben.

Göttingen und Seeberg sind im Grunde jetzt schon verbunden. Die Polhöhe von Seeberg scheint nahe übereinznstinnnen, dagegen schf^int die des Brocken wohl 8"— 9" kleiner zu werden als aus Zach's Messungen.

P. S. Briefe hierher sind zu bezeichnen: „abzugeben bei Hm. Postverwalter Röhessen in Ammensen".

Es ist hier kein Post-Kontor, sondern bloss Kelais für Extraposten.

Nu. 429. Gauss an 01b er s. [wh

Ammensen, 1821 August 27. 11'' Abends.

Noch einmal w^ende ich ein Halbstündchen hier zur Unterhaltung mit Ihnen an. Die hiesige Station hat etwas viel Zeit gekostet. Das Wetter hat mich wenig begünstigt, und die vielen Wanderungen des Heliotrops haben auch etwas Zeit gekostet. Der Heliotrop hat aber herrliche Dienste geleistet. An 4 Punkten hat er die Signalthürme ei-setzt, bei Lichtenberg, dem Meridianzeiclien, auf dem Brelinger Berge jenseits Mellendorf (76000 m. = 10| Meilen von hier) und auf dem Deister. Die relativen Winkel dieser 4 Punkte unter sich und mit Hohehagen, Hannover und Einbeck sind gewiss auf einen Bruch[theil] der Sekunde fest; mit dem Brocken ist es der Ihnen, wie ich glaube, schon früher angedeuteten Ursachen wegen schwieriger gewesen, doch glaube ich auch da kaum über 1" ungewäss zu sein. Auch mit den telegraphischen Zeichen geht es vortrefflich. Es ist ein eigener Genuss, auf die Distanz von mehr als 10 Meilen den Hannoveranern über die Köpfe hin eine Besprechung zu machen und in derselben Minute die Antwort, dass es richtig verstanden, zurückzuerhalten. Heute Abend habe ich ebenso dem Hauptmann Müller nach dem Deister die Sisti- rungsordre geschickt, und im Nu war die Antwort da. Die Entfernung der 3 Punkte Deister, Lichtenberg und Meridianzeichen ist nahe die-

Olbers. II, 2. 9

J30 Crauss an Olbers. Ammensen, 1821 Aug-ust 27.

selbe, 5), geogr. Meilen, und das Heliotropenlicht war fast immer mit blossen Augen sehr schön zu sehen.

Morgen gehe ich auf kurze Zeit nach Göttingen zurück und von da auf den Brocken; Müller wird vom Lichtenberg und vom Hils Licht dahin senden, das hiesige Signal, welches geschwärzt ist, wird nämlich schwerlich auf dem Brocken sichtbar sein, da es sich von dort aus auf ganz nahe Waldung projicirt.

Die weitere Fortsetzung nach Norden wird wohl grosse Schwierig- keiten haben. Wahrscheinlich wird der Wohlenberg vom Brelinger Berg nicht sichtbar sein; bestätigt sich dies, so würden entweder an beiden Orten ziemlich hohe Signalthürme gebaut werden müssen, oder der Wohlenberg muss ganz aufgegeben werden. Vielleicht kann aber ein anderer Hügel etwas östlich von Celle dafür substituirt werden. Der Falkenberg scheint vom Brelinger Berge sichtbar zu sein, und da mit jenem Wilsede und hiermit Hamburg zu verbinden ist, so roulirt die Schwierigkeit nur in der Auffindung brauchbarer östlicher Punkte. Vielleicht gebe ich am Ende auch Lüneburg auf und substituire dafür das südöstl. davon gelegene Terrain.

An allen Orten messe ich auch die Z.-D. der Hauptdreieckspunkte mit dem BoRDA'schen Kreise. Ich habe durch die bisherigen Messungen schon die Gewissheit, dass der Inselsberg auf dem Hils nicht zu sehen ist und 4' unter dessen Horizont bleibt.

Mein erstes A, Hohehagen, Sternwarte und Meridianzeichen schliesst sich bis auf 1", das andere Hohehagen, Meridianzeichen, Hils bis auf einen Bruch[theil] der Sekunde. Beim dritten Brocken. Hohe- hagen, Hils werde ich wohl mich auf etwas mehr gefasst halten müssen.

Von hieraus bin ich, nachdem der Heliotrop die 2 ersten Stationen absolvirt hatte, 2 Tage in Göttingen gewesen und habe den neuen Theodolithen besehen. Es scheint ein schönes Instrument zu sein. Leider war aber die Libelle beschädigt, und da ich unter 14 Tagen bis 3 Wochen keine neue erhalten kann, werde ich die Brocken-Station noch mit Schumacher's Theodolithen abmachen müssen.

Die Brocken-Station wird mich wohl etwas aufhalten, und da dann die Ankunft des Königs dazwischen kommt und dann die Tage immer kürzer und die Witterung prekärer wird, so zweifle ich. dass ich die Station Lichtenberg noch werde antreten können.

Bei meinem zweiten hiesigen Aufenthalt habe ich durch die Hitze ungemein gelitten. Gestern befand ich mich so übel, dass ich den Nachmittag nicht wieder hinauf reiten konnte. Glücklicherweise war auch der Himmel ganz bezogen gewesen, und ]\riTLLER hatte gar kein Licht hersenden können. Heute Morgen und heute Nachmittag habe ich dagegen bei etwas besserem Befinden eine gute letzte Ernte ge-

Olbers an Gauss. Brcineii, IS'JI Sqitember 'S. l;;i

halten. Zusainiuen mögen hier 15 oder 16 Beob.-Tage gewesen sein, wo icli zusammen circa 800 Messungen gemacht liabe. Die Anzahl der Winkel zwischen den 8 Hauptpunkten betrÜL^t iieo-eii a^O.

N... 430. Olbers au Gauss.

[232

Bremen, 1821 September 3.

liire Briefe gewähren mir immer ein wahres Fest. Mit dem grössten Vergnügen und Interesse folge ich Ihnen auf alle Ihre Stationen und freue mich des herrlichen Erfolges Ihrer so bewundernswürdig ge- nauen Messungen. Ihr unschätzbarer Heliotrop übertrifft alle Erwar- tungen, alle Wünsche. Den Aufsatz in den G. G. A.'^) habe ich mehrere Male gelesen. '

Möge die Witterung Sie auch auf dem Brocken begünstigen! Hier ist sie ganz vortrefflich; doch des Nachts noch heiterer als am Tage, und besonders sind die letzten Nachmittage immer bewölkt gewesen. Schonen Sie nur Ihre Gesundheit, lieber Gauss, und opfern Sie diese nicht zu grossem Diensteifei- auf.

]\Iit dem Besuch des Königs in seinen Hannoverschen Staaten, an den ich bisher nicht recht glauben wollte, scheint es nun doch wirklicli Ernst zu sein. Selbst wenn der Krieg zwischen Russland und der Pforte ausbrechen sollte, so glaube ich kaum, dass dies die königliche Reise hintertreiben dürfte, da man vielmehr [auf] englischer Seite wohl gern eine vertrauliche Berathung mit einigen Kontinentalmächten über dies so grosse Folgen drohende P]reigniss anknüpfen wird, die sich bei Ge- legenheit dieser Reise von den begleitenden Ministern am bequemsten einleiten lässt.

Mich wird übrigens weder der König noch seine Begleitung zu einer Reise nach Hannover bewegen, ob ich gleich schon vielfach von meinen Freunden dazu aufgefordert bin. Vielmehr erwarte ich gerade gegen die Zeit einen mir sehr lieben Besuch von Prof. Bkandes aus Bi-eslau.

Ich habe nun Katee's Anzeige ^) über seinen am 4. Febr. gesehenen sogenannten Mondvulkan in dem neuesten Bande der Philos. Trans- acüons, wo auch eine Abbildung beigefügt ist, gelesen und mich also völlig überzeugt, dass Kater dieselbe Lichterscheinung sah, die ich am 5. Febr. wahrnahm. Auch er fand sie sternähnlich. Ich glaube in-

^j Gauss' Werke Bd. IX, S. 461 ff. Knii.

■'} Vergl. Olbeks Bd. I, No. 21 S. 213. Kim.

][32 Olbers an Gauss. Bremen, 1821 September 3.

dessen gern, dass sie mit stärkeren VergTösserungen (ich, schon zur Kometenbeob. gerüstet, wandte nur eine 44nialige an) nebelartig er- scheinen konnte.

In der Nacht vom 20. auf den 21. Aug. habe ich bei dem heitersten Wetter und in einer nicht unbeträchtlichen Höhe den ENCKE'schen Ko- meten an der genau berechneten Stelle mit aller möglichen Anstrengung zu erblicken gesucht, aber durchaus keine Si)ur von ihm finden können.

Durch Liebherr's Anmaassungen bewogen hat nun, wie Ihnen be- kannt sein wird, Keichenbach das Wesentliche seiner Eintheilungs- Methode in Gilbeet's Annalen bekannt gemacht. Schon 1814 hatte mir Treviranus einen Aufsatz über eine von ihm nach eigenen Nach- denken erfundene Eintheilungsart vorgelegt, die fast ganz mit der REiCHENBACH'schen übereinstimmt. Mein junger Freund wird diesen nun drucken lassen.

Von Schumacher seinen ^Messungen und seinen Plänen höre ich nichts. Dem Versprechen nach sollte seine astronomische Zeitschrift schon in diesem Monate anfangen.

Von dem nach Neuholland verreisten Rümker habe ich noch nichts gehört; ich sollte doch glauben, dass er längst an der brasilianischen Küste angekommen sein müsste.

Endlich hat doch die Sternwarte zu Ofen wieder ein Lebenszeichen von sich gegeben, und Kmeth liat mir seine Observationes astronomicae etc. geschickt. Es muss eine sonderbare Verfassung bei der Direktion dieser Sternwarte sein; indessen kann ich nicht alles in dieser kleinen Schrift zusammen reimen. Am Ende der vom IS. Feh: 18.21 datirteu Einleitung sagt Kmeth: „Animus saue laborandi nunciuam defuit, sed in exsequatione officii adeo impediebatur, ut haec ipsa, qua opus- culum complectitur, velut furto de coelo sublata existimem. ütpote tarn iniqua erant rerum et personarum adjuncta, ut non quidvis, quod utile esset, observare, sed serius nee adparatum organicum contingere. immo demum nee ipsa speculae penetralia subire concederetur." Und doch kommen unter den Beobb. selbst welche vom 18. Febr. 1821 vor. z. B. i] Draco)iw, und vom 1. 16. Febr. viele. Kmeth scheint übrigens Bessel's Einleitungen zu den Königsberger Beobb. nicht gekannt oder doch nicht benutzt zu haben, sonst würden wohl seine Beobb. etwas anders diskutirt und benutzt worden sein. Die Nothwendigkeit und die Möglichkeit, das Messinstrunient vor allen Sonnenstralilen, ausser dem Objektiv, zu schützen, blieben ihm, wie es scheint, unbekannt. Ebenso wenig verstehe ich, wie dadurch, dass das Observatorium 39 Thüren hat (specula novem supra triginta janius providetur. pg. X1V\ bewirkt werden kann, dass die innere Temperatur dieser Sternwarte tneJir als bei anderen von der äusseren unterschieden ist.

Gauss an Olbers. Broi-konlians. 1821 September 28. 133

Ich komme \veni<i- von meinem Zimmer, da mir das Gehen weo:eu eines melir nnd mehr znnehmenden Asthmas immer beschwerlicher wird.

].eben Sie wohl, mein theurer Gauss, recht wohl! Sie wi.ssen, welche unendliche Freude Sie mir machen, wenn Sie fleissig fortfahren, micli mit lluen sriitioen Nachrichten zu l)eo:lücken.

N<.. 431. Gauss an Olbers. 1199

Brockenhaus. 1821 September 28.

Ihr yütiger Brief vom 3. ist mir hierher nachgesandt, und so will ich denselben auch von hier aus, ehe ich diesen betrübten Aufent- halt verlasse, noch mit einigen Zeilen beantworten. Leider muss ich endlich von hier abgehen, ohne meinen Zweck ganz erreicht zu haben; ich denke übermorgen den Brocken zu verlassen und habe nur wenig oder fast gar keine Hoffnung, bis dahin noch etwas ausrichten zu können. Ein so schlechter September ist sonst in Norddeutschland etwas fast Unerhörtes.

Von den vier Wochen meines hiesigen Aufenthalts w^ar das AVetter in der ersten zwar auch nicht viel wertli wie Sie denn auch be- merken, dass die Nächte in I^remen sehr schön, aber die Tage, auf die es mir allein ankam, meist bewölkt waren aber golden gegen die drei folgenden. Ich hatte hier 4 Hauptpunkte zu beobachten: Lichtenberg, Hils, Hohehagen und Inselsberg; alle konnten nur succes- sive mit Hülfe eines Heliotrops beschickt werden; denn ich hatte gar keine Hoffnung, das Hilssignal selbst, und nur sehr geringe, das Holie- hagensignal beobachten zu können. In der That hat dies die Erfahrung auch bestätigt; nur an einem Tage habe ich das Hilssignal (wohinter naher dunkler Hintergrund) seJien und nur etwa 2 ]\lin. hindurch es so sehen können, dass es sich hätte beobachten lassen; das Hohehagen- signal dagegen, welches sich gegen den Bergrücken, auf dem der Hercules steht, projicirt, liat öfters gesehen, auch ein paar Aial selbst beobachtet werden können; doch wären diese Beobb. ohne Heliotrop viel zu dürftig gewesen. Endlich das Haus auf dem Inselsberg hat nur ein paar Mal gesehen werden können und giebt seiner durch einen Seitenanbau unregelmässig gewordenen Form wegen in dieser Distanz (14| geogr. Meilen) keinen brauchbaren Zielpunkt Auf dem Lichtenberg steht, wie Sie wissen, gar kein Signal. Da die Punkte demnach nicht unmittelbar verglichen werden konnten, so wählte ich einige Ver- gleichungspimkte. Leider lagen alle leidlich zu sehenden Objekte in grosser Depression (wodurch die kleinen linvoUkommenheiten der Be-

134. Gauss an Olbers. Brockenhaus. 1821 September 28.

richtigung nachtlieiligeren Einfluss äussern), icli wählte die beiden aus, die am wenigsten ungünstig lagen, nämlich einen Thurm von Huyseburg und den Thurm von Hüttenrode. Indessen hing die gute P.eob. dieser Objekte zu sehr von der Bescliaffenheit der eigenen Beleuchtung und der des Hintergrundes ab; ich verschaffte mir daher noch einen dritten, indem ich auf dem Wurmberge eine Stange senkrecht einpflanzen Hess, die vortreffliche Dienste geleistet hat.

Da ich jeden günstigen Augenblick nach Möglichkeit benutzte, so ging es mit den beiden ersten Punkten noch ziemlich gut, am 5. konnte ich dem Hauptmann Müller schon das Zeichen zum Abgange nach dem Hils geben, und am 0. dahin zu beobachten anfangen; schon am 8. gab ich das Zeichen zum Abgange nach dem Hohehagen, von woher am 9. MIiller, der die Nacht durchgefahren war, schon Vor- mittags hätte Licht schicken können, wenn nur nicht das betrübte Wetter angefangen hätte. Doch waren in dieser zweiten Woche noch ein ]»aar Mal einzelne halbe Stunden, wo sich etwas weniges be- obachten liess, und am 16. w^aren noch einige schöne Xachmittags- stunden, wo ich die Winkel zum Hohehagen ziemlich zu meiner Zu- friedenheit erhielt und Müller das Zeichen zum Abgange nach dem Inselsberge gab (beiläufig: dies Zeichen wurde auf dem Hohehagen von den Anwesenden mit blossen Augen gesehen, Distanz 69 194m = 9!. Meilen). Allein seitdem ist nun ganz unerhört schlechtes Wetter. Zwölf Tage hindurch ist der Brocken in dichten Nebel und Regen gehüllt gewesen, wobei man kaum 6 Schritt weit vor sich sehen kann, und nur ein ein- ziges Mal, den 23. Vormittags, lag der Nebel tiefer, und ich erhielt während einer halben Stunde zuweilen ein Zeichen von Müller's An- wesenheit auf dem Inselsberg durch ein äusserst schwaches Heliotropen- licht, welches ich zu einigen kümmerlichen Vergleichungen mit dem ^^'urmberge benutzte.

Dies und

1) 3 Vergleichungen'mit dem Wurmberge durch Sextanten-Helio- troplicht, welches Encke am 7. Sept. Abends hergeschickt hatte, und

2) 3 Vergleichungen der ganzen unförmlichen Hausmasse mit dem- selben Wurmberge

sind alles, was ich in Beziehung auf den Inselsberg habe erhalten können. Wie weit diese Sachen unter einander übereinstimmen, werde ich erst sehen, wenn ich Encke's und Müller's, wie es scheint, ver- schiedene Standplätze gegen das Haus erfahren werde. Encke's Sex- tant kann kein Sonnenlicht nach einem mehr als etwa 92° entfernten Punkte schicken, er konnte daher nur wenige ATinuten vor Scmnenunter- gami seinen Sextanten brauchen, und beim Weiter-Südlich-Rücken der

(iaii>s AU OIImi- r.r.M kt'iihaus, 18"21 Septeiubtr 28. 135

.Sonne liürte dii- Anwt'iulbarkt'ii «ranz auf. Dieses Lidit war zwar sehr schwach, aber .recht nett zu pointiren. Müller's Licht ohne Zweifel wegen Beschaffenheit der Atmosphäre (des weniger günstigen Incidenz- winkels nicht zu gedenken) noch schwächer und schwerer zu be- obachten; es leidet aber keinen Zweifel, dass bei günstigerer Luft in einer solchen Entfernung das Heliotroplicht noch sehr schön sein muss. !)as Licht vom IJchtenberg, 42437 ni, war fast ununterbrochen dem blossen Auire sichtbai-; das vom Hils, 55122 m, sah ich gleichfalls in den Vormittagsstunden häutig so (meine Soldaten fast ununterbrochen), wobei Sie abrechnen müssen, dass die Lorgnette sehr viel Licht ver- schluckt und auch zerstreut, so dass ceteris iMrihas die Helligkeit dem Kurzsichtigen, der sich der Lorgnette bedienen muss, wohl kaum halb so gross ist. Andere von hier aus sichtbare interessante Punkte sind nach Gelegenheit auch, obwohl meistens ohne Repetition, beobachtet. Braunschweig war ein paar Mal leidlich zu beobachten; ^Magdeburg einmal; der Hercules und das noch etwas weitere Buighasungen, Struth bei Mühlhausen und Petersberg bei Halle auch einmal. Alles dieses natürlich in der ersten Woche. Von Hannover nie eine Spur, obgleich ich Azimuth und Höhe genau wusste. Ueberhaupt ist das Sehen ent- fernter Objekte, die sich gegen die Erde projiciren gati^ ausser- ordentlich schivierig*) wegen der jBZasse und besonders bei der Ein- richtung unserer Fernrohre, wie sie an den Theolitlien befindlich sind, deren Euhm es zwar ist, sehr stark zu vergrössern, und die auch rück- sichtlich der Deutlichkeit diese Vergrösserung sehr gut vertragen, aber nicht bei so schwachen Gegenständen rücksichtlich des Lichts. Ein elendes von einem Juden in Hannover verfertigtes Fernrohr, welches der Ltn. Hartmann bei sich hat, und welches etwa ^ so viel ver- grössert wie das des Theodolithen, zeigte bei gewöhnlichem, d. i. nicht besonders günstigem Zustand der Luft die entfernten Gegenstände weit besser als dieses, ja zeigte sie zuweilen, wenn ihr Dasein mit diesem nicht zu erkennen war. Dagegen bei ganz vortrefflicher Luft tritt die Superiorität der stark vergrössernden FRAUNHorfER'schen] Fernrohre glänzend hervor, und beim Heliotropenlicht ist allemal die stärkste Ver- grösserung die beste, denn wenn das Fernrohr scharf ist, bleibt jenes, Avie stark man auch vergrössere, immer derselbe Punkt, während der Grund des Feldes bei starken Vergrösserungen immer düsterer wird, wobei jenes desto besser zu erkennen ist. Daher konnte ich am 23.

*) Nach solchen Richtungen, wo der wahre Horizont noch weiter als z. B. der Inselsberg, Wilhelmshöhe, Köterherg, Petersberg etc. entfernt ist, habe ich denselben niemals sehen können, Erde und der unten immer etwas dunstige Himmel verlieren sich verwaschen eines ins andere.

136 Gauss an Olbers. Brockenhaus, 1821 September 28.

das Heliotropenlicht im Theodolitlien-Fernrolir nocli immer beobachten, wie selbst der scharfsichtigste meiner Soldaten es in Haktmank's Fern- rohr nicht mehr sehen konnte; zu gleicher Zeit aber sah ich im Theodolithen-Fernrohr den Rücken des Inselsberges nicht mehr, als jener ihn im HARTMANN'schen Ferni'ohr und ich gleichfalls mit blossen Augen noch immer erkannte. Vielleicht sind Ihnen diese freilich voraus- gesehenen Erfahrungen nicht uninteressant, die ganz den astronomischen analog sind, dass die vortreffliclisten Fernrohre bei starken Vergrösse- rungen, die sich an Doppelsternen und dergl. so siegend zeigen, an blassen Kometen viel weniger leisten, als weit schlechtere Fei'nrohre mit viel schwächeren ^^ergrösserungen.

Mit meinen übrigen erhaltenen Winkelmessungen selbst bin ich sehr zufrieden, sie geben eine schöne Uebereinstimmung, nur das Drei- eck selbst, Hohehagen, Brocken, Hils giebt leider bei der Summe der Winkel, wie ich befürchtet hatte, einen bedeutenden Fehler [von] 3",7 : beim genauen Centriren der drei ^^'inkel (da die Plätze des Theodolithen und Heliotrops auf Hohehagen und Hils nicht ganz genau im Centrum der Signale waren) wird sich dies noch etwas ändern, doch schwerlich mehr als 0",1 oder 0",2. Ich bin überzeugt, dass dieser Fehler kleiner sein würde, wenn ich während der Beob. auf dem Hohehagen und Hils einen Heliotrop auf dem Brocken gehabt hätte. Das Pointii-en auf den grauen Thurni, der bei einer Breite von 5 m nur 3 m über das Dach hervorragt, welches in der Distanz Hohehagen nur 9" beträgt, ist gar zu schwierig, und besonders auf dem Hils hatte ich noch dazu fast nie recht günstiges Wetter dahinaus. Selbst der Umstand, dass sehr häufig, wenn ich dahin pointirte, Menschen oben auf dem Thiu-me waren, die natürlich in der Entfernung nicht einzeln und als solche erkannt wurden, aber das glatte reine Ansehen störten, mag oft das scharfe Bisecii'en gehindert haben. Auch sind bei Sonnenschein selbst die geschwärzten Signalthürme nicht vollkommen frei von Phase; dies hat wahrscheinlich beim Beobachten des Hils auf dem Hohehagen und zum Theil auch vice versa einen gewissermaassen konstanten Fehler hervorgebracht. Bei Dreiecken, die bloss durch Heliotropenlicht gebildet werden, muss, denke ich. die Uebereinstimmung allemal besser sein.

Auch der heutige Tag vergeht ohne Aussicht zum Besserwerden. Wahrlich, das immer vereitelte Höften auf günstigeren Himmel, der Mangel an hinreichender Beschäftigung, wofür ich mich fast mit gar keinen Hülfsmitteln versehen hatte, indem bei nur massiger Beobach- tungsernte diese sonst immer fast mehr Stuft', als inzwischen verarbeitet werden konnte, geliefert hatte der grossen, auch dem nichts weniger als Verwöhnten doch auf die Länge sehr empfindlichen physischen Ent- behrungen nicht zu «iedenken , haben mir die grössere Hälfte meines

n\hvT> an (iaiis-. l>reiii<n, 1>^-_'I Oktober II. 137

Hieiseins sehr peinlich p-eiiiacht. Morgfeii werde ich nach Wernig-erode schicken, um Transportmittel für mich und den Rüstwaofen herauf- kommen zu lassen, und den 2. Okt. hoffe ich wieder in Göttingen zu sein. Bei der Erwartung der Ankunft, des Königs, worüber icli noch nichts Gewisses weiss, wird an weiteres Beobachten für dieses Jahi wohl nicht weiter zu denken sein.

No 432. Olbers an Gauss.') [2.33

Bremen, 1821 Oktober 11.

Ganz kann ich mir denken, wie unangenehm Ihnen bei solcher Witterung der vierwöchentliche Aufentlialt auf dem unwirthbaren Brocken gewesen sein muss. Eben das unaufhörliche und doch fruchtlose Er- warten eines günstigen Augenblicks macht die peinliche Langeweile; denn dadurch wird es unmöglich, irgend etwas Ordentliches anzufangen. Gewiss waren die Tage und Zeiten, wo Sie alle Hoffnung zu Winkel- messungen mit völliger Resignation aufgeben mussten, weniger un- erträglich als diejenigen, wo die Möglichkeit einer temporären Auf- klärung Sie in beständiger Unthätigkeit erhielt. Denn sonst, wenn Sie gleich keine Hülfsmittel zu Beschäftigungen mitgenommen hatten, so scheinen mir diese IJinen allenfalls entbehrlich. Sie hatten doch sich selbst und konnten sich so viele interessante Fragen vorlegen und be- antworten, dass dadurch die Zeit allenfalls hinreichend ausgefüllt wer- den könnte wenn man nur überhaupt in einer solchen Lage zu irgend einer etwas wichtigen Arbeit Lust und Muth behielte.

An weiteres Beobachten wird also dieses Jahi' wohl nicht mehr zu denken sein. Aber werden Sie noch, wie Sie mir einmal schrieben, in diesem Herbst den Zenithsektor von Schumacher in Empfang nehmen und so nach Hamburg kommen?

Neugierig bin ich zu wissen, wenn Sie sich schon im Allgemeinen darüber bestimmt haben, welche Punkte Sie zu den astronomischen Beobb. wählen werden? Ich denke doch wenigstens 3, an den beiden Endpunkten und einen ungefähr in der ]\ritte. Aber ich muss Ihnen gestehen, dass meine Wünsche bei Ihrer und Schumacher's Grad- messung, die alles Aehnliche, was bisher geschehen ist, übertreffen "^^1rd, noch w^eiter gehen. Bei allen bisherigen genaueren Gradmessungen stimmten noch die geodätischen Längen der einzelnen Theile des ge- messenen Bogens nicht mit den gefundenen Unterschieden der Polhöhen nach den Gesetzen einer regelmässigen elliptischen Krümmung des Erd-

1) Yei-o-l. liierzn auch Brief No. 295 an Bessel im Briefwechsel Olbers-Bessel. Krm.

138 Olbers an Gauss. Bremen, 1821 Oktober 11.

meridians überein; aber es blieb zweifelhaft und unentschieden, ob die gefundene Anomalie, da man die geodätischen Längen verhältnissmässig als ganz genau annehmen kann, 1 1 Fehlern der astronomischen Beobb. oder 2) einer wirklich unregelmässigen Krümmung des Erdmeridians oder 3) einer Ablenkung des Loths durch Lokal- Anziehung zuzuschreiben sei. Da bei Ihren Beobb. unter Anwendung mehrerer Sterne und mehrerer ganz verschiedener sehr vollkommener Messinstrumente 1 ganz wegfällt, und man annehmen kann, dass für jeden Beobachtungsort der Abstand des scheinbaren Zeniths vom Pol aufs Genaueste bestimmt sein Avird, so bleiben nur 2 und 3 übrig. Ich sehe nicht, wie man unter diesen beiden Fragen entscheiden kann, wenn man nicht bei jeder Grad- messung wenigstens 6 Punkte astronomisch bestimmt, die paarweise nahe bei einander liegen. AVenn man eine viertel oder halbe Meile von einem Orte, an dem das Loth durch lokale Anziehung [lerturbirt sein kann, nord- oder südwärts wieder die Polhöhe nimmt, so wird hier die Ablenkung des Loths entweder ganz verschwinden oder in entgegen- gesetzter Richtung stattfinden, da die störende Masse immer nur auf kleine Distanzen wirksam sein wird. Mich wundert deswegen, dass die Engländer bei der sonderbaren Anomalie ihrer Gradmessung nicht wenigstens eine oder zwei englische Meilen nord- oder südwärts von Arburyhill eine neue Bestimmung der Polhöhe vornehmen, um diese Zweifel endlich aufzuklären. Das lauge Stillschweigen über die eigent- liche Polhöhe von Dünkirchen und über den Erfolg der Verbindung der englischen und französischen Gradmessung lässt vermuthen. dass sich dabei noch ganz paradoxe Umstände gefunden haben, und dies wird um so mehr bestätigt, da man nun vernimmt, dass sich die Kapitains Colby und Kater wieder mit Abago vergesellschaftet haben, um von Neuem Dünkirchen mit den Punkten der englischen Küste in Verbindung zu bringen.

Ich sehe ganz wohl die grossen Schwierigkeiten ein, die es haben muss, die ohnehin schon so lästigen und weitläufigen Arbeiten einer Gradmessuug auf diese Art fast zu verdoppeln. Aber vielleicht ii-re ich mich in Ansehung der Nothwendigkeit dieses Mittels, und vielleicht haben Sie schon ein anderes Verfahren ausgedacht, jene Fragen zu lösen, ohne die Arbeit so sehr zu vervielfältigen. Sollten aber auch die obigen Ideen richtig sein, so würde sich doch wohl der Zweck er- reichen lassen, wenn Sie nur 3 Punkte, etwa Göttingen, das südliche oder nördliche Meridianzeichen von Göttingen und einen Punkt nicht weit nord- oder südwärts von Lauenburg astronomisch bestimmten, da Schumacueb's Beob. in Lauenburg selbst schon die Kontrolle dieser Bestimmung abgäbe, und dann hätte Schumacher nur noch eine zweite Polhöhe in der Nähe von Skagen zu beobachten, insofern nicht au

OUkts an Gauss. Hrenu'ii, IS'il Oktober 11. ]39

sich schon Skajren von alh'in Verdacht einer pertnibirenden Lokal-An- ziehung frei ist (Lanenbur«? halte ich [für] sehr verdächticr). So würden doch an 3 Orten. Skagen, Lauenburg und Göttingen das Dasein und die etwaige Grösse der Ablenkung des Loths sich ausmitteln lassen.

Wenn wirklich, wie die englischen Beobb. zu Arburyhill und die französischen zu Evreux und Montjoui vermuthen lassen, durch Lokal-Anziehungen Abweichungen des Loths von 3" bis 4" nach Süden oder Norden stattfinden, so sind diese auch ebenso gut nach Osten und Westen möglich. Dadurch würden dann alle Zeitbestimmungen und alle aus astronomischen Beobb. und Feuersignalen hergeleiteten geographischen Längenbestimmungen etwas zweifelhaft und könnten im Bogen um 8" x sec Polhöhe fehlerhaft werden. Hierauf möchte doch auch, wenn geodätisch und astronomisch bestimmte Längen-Unter- schiede nicht übereinstimmen wollen, einige Rücksicht zu nehmen sein.

Ich freue mich, dass der brave Beandes aus Breslau, mit dem ich hier einige Abende angenehm verplaudert habe, Sie, seinem ^\'unsche zufolge, in Göttingen wird getroffen haben. Prof. Dibksen aus Berlin habe ich nur auf einen Augenblick gesehen. Er ist ein ganz anderer Mann geworden, als wie er zu Ihnen nach Göttingen ging.

Der Kanonikus Starke hat mir eine Zeichnung der Sonnenscheibe mit ihren Flecken vom 24. Juni 1819 um 1'' Mittags und vom 2tj. Juni um V'' IS"" Morgens geschickt, nach der er wirklich am letzten Tage den Kometen vor der Sonne gesehen haben w'ill. Leider kann man diesem kindisch eitlen, unzuverlässigen Menschen gar nicht trauen, von dem man schon so viele Beweise hat, dass er manche vorgeblichen Beobb. entweder gar nicht gemacht oder doch willkürlich verändert hat.

Die Ankunft des Königs in Göttingen wird sich nun, da er auf verändertem Wege nach Hannover gekommen ist, wohl um mehrere Tage verspäten. Die Misshelligkeit zwischen dem Kurfürsten von Hessen und dem Herzog von Cambridge, über den alten Landgrafen, Schwiegervater des letzteren entstanden, soll der Grund sein, warum der König die hessischen Länder nicht hat berühren wollen. Neugierig bin ich nun auf das Benehmen des Kurfürsten, w^enn der König doch nach Göttingen geht. Schicklich kann er es doch wohl nicht unterlassen, Sr Maj. dort aufzuwarten und nach Cassel einzuladen.

Wenn der König irgend Sinn für so etwas hat, so möchte ich wünschen, Sie könnten ihm beim Besuche des Observatoriums, von heiterem Wetter begünstigt, die Wirkung Ihres Heliotrops zeigen und den Nutzen, den dies herrliche Instrument auf so mannigfaltige Art in Kriegs- und Friedenszeiten gewäkren kann, erklären.

Wie wird es mit Schumacher's Zeitschrift? Er versprach sie schon im Sept.; ich höre aber nichts davon. Ich bitte recht sehr, lieber

140 Olbers an Gauss. Bremen, 1821 November 25.

Gauss, wenn Sie etwas davon wissen, theilen Sie es mir mit ein paar Worten mit.

Sucht Haeding schon mit den grossen lichtstarken Teleskopen nach dem ENCKE'schen Kometen? Auch am 3. Okt. war bei dem heiter- sten Wetter an der Stelle, wo er stehen musste, mit meinem Dollond nichts zu sehen. Erst am 16. Jan. 1822 wird er die Helligkeit haben, die der Komet von 1815 am 25. Aug. hatte, wie Sie diesen zuletzt mit dem lOfüssigen Hersc/iel sahen, wenn beide Kometen das Sonnenlicht gleich stark zurückwerfen.

No. 438. Olbers an Gauss. [2S4

Bremen, 1821 November 25.

Ich kann eine mir vorkommende Gelegenheit nach Göttingen nicht unbenutzt lassen, um Ihnen wieder ein Lebenszeichen von mir zu geben. Ich hoffe, Sie haben sich nun von den Beschwerden Ihres müh- samen Messungs-Geschäfts erholt und die Unruhen des kurzen könig- lichen Besuchs überstanden, und so darf ich es wohl wagen, Sie um Ihren Rath und Ihre Belehrung bei einer kleinen Untersuchung zu bitten, der ich in diesen Tagen mehrere Stunden gewidmet habe. Be- kanntlich hatten Prevost und Heeschel aus den ihnen bekannten eigenen Bewegungen der Fixsterne ungefähr die Richtung zu be- stimmen gesucht, in welcher sich unsere Sonne bewegt, und ein ziem- lich übereinstimmendes Resultat bloss aus allgemeinen geometrischen Betrachtungen gefunden. Wurm, Burckhardt und Biot fanden indess, wie sie die Analyse auf diese Frage anwandten, die HERSCHEL'sche Angabe keineswegs bestätigt. Durch Bessel sind uns die eigenen Bewegungen der Fixsterne viel genauer bekannt geworden; allein auch er glaubt aus den eigenen Bewegungen von 71 Sternen, die über 22" in 45 Jahren betragen, schliessen zu müssen, dass sich noch nichts über die Ricli- tung der eigenen Bewegung unserer Sonne daraus schliessen lasse (Fund. Astron. Sect XII). Wie ich diese 71 Sterne und noch G andere, also 77 Sterne, deren eigene Bewegung am grössten und also am zu- verlässigsten bekannt ist, näher untersuchte, so war doch in den Be- wegungen nach der JR wenigstens eine Beziehung auf gewisse Punkte unverkennbar. Es waren nämlich von diesen 77 Sternen

im 1. Quadr. 20, davon gehen 12 vorwäi-ts und 8 rückwärts

2. 16,' 1 .. 15

3. 21, 4 .. 1 (

4. 20, „15 ,. 5

Olbers an (.auss. Bremen, 1821 Nnvember 2'). 1^|

?]s hat also docli wohl keinen Zweifel, dass sich unsere Sonne ungefähr gep:eu 270" des Aequatois bewegt. Es kam nun darauf an, dies näher zu bestinnnen. A\enn man die yli des Punkts, gegen den sich unsere Sonne bewegt, = A, die hrkl. desselben = D und dann cotang Dcos ,-1 = P und rotang D^\\\A = Q setzt, so erhält man für jeden Stern leicht eine (-üeichung von der Form

aP-{-hQ c = e.

Hier sind (/, h, c bekannte Grössen; e aber hängt xow der eigeu- thiimlichen Bewegung des Sterns ab. Wäre der Stern selbst unbe- weglicli und seine beobachtete Bewegung bloss scheinbar durch die Fortriickung unseres Sonnensystems hervorgebracht, so würde freilich £ = 0 sein, und man könnte aus zwei Sternen P und Q bestimmen. So oder auf eine ähnliche Art ist man bisher verfahren; man hat P und Q aus 2 oder höchstens aus dem Mittel von ein paar Sternen be- stimmt und dann freilich gefunden, dass andere Sterne nicht mit diesen Werthen von P und Q stimmen wollten. Es kann schlechterdings nicht erlaubt sein, £ = 0 zu setzen. Aber da e innerhalb gewisser Grenzen alle möglichen positiven und negativen Werthe, so viel wir bisher wissen, mit gleicher Wahrscheinlichkeit haben kann, so wird die Summe aller e bei einer grossen Anzahl von Sternen nahe = 0 oder doch sehr klein sein. Ich habe also für alle 77 Sterne die Koefficienten a, h und c der Gleichung aP-^hQ c = £ berechnet. Nun scheint es mir, und darüber möchte ich gern Ihre Belehrung haben, dass man hier nicht die ]\rethode der kleinsten Quadrate anwenden müsse, um P und Q zu bestimmen. Denn nicht die Summe aller Quadrate von e soll ein Mi- nimum werden, sondern die Summe der e selbst nach ihren algebrai- schen Zeichen genommen = 0. Gebraucht man die Methode der kleinsten Quadrate nicht, so wird sich das Willkürliche, was dann in der Bestimmung von P und Q bleibt, dadurch heben, dass man die 77 Gleichungen in zwei Gruppen theilt, wovon die eine alle die enthält, bei denen c positiv, die andere alle die, bei denen c negativ ist. So erhält man zwei Gleichungen, in denen 2'c sehr gross ist, und da der positive oder negative Werth von e von dem von c ganz unabhängig ist, so wird doch für jede Gruppe sehr klein sein. Sagen Sie mir doch mit ein paar Worten, lieber Gauss, ob ich hier auf dem rechten Wege bin.

Ich habe von Rümker zwei Briefe, wahrscheinlich beide aus Rio [de] Janeiro erhalten (nur bei einem war der Ort, bei keinem das Datum bezeichnet) voll merkwürdiger Beobb. W^o und wie ich diese dem wesentlichen Inhalt nach bekannt machen werde, weiss ich noch nicht.

Oltmanns hat aus den MtJFFLiNG'schen Dreiecken die Längen-

142 Gauss an Olbers. Altonä, 1821 December 5.

Unterschiede der Punkte vom Seeberg berechnet, die Zach und >eine Gehülfen durch Pulver-Signale bestimmt haben und unter Voraussetzung der Abplattung = ^|(, folgende bedeutenden Unterschiede gefunden:

/^ A Signale Mcfflisg'j

Inselsberg . . . 15'43",60 15'20'U7 + 23",43 15'43",54

Struth 25 22,05 25 16,95 + 5,10 25 22.04

Boineburg ... 43 10,38 43 1,65 + 8,73 43 10,15

Hercules b. Cassel 1"20' 8",17 1°18' 49",5 +78,67 10 20' 7".37

Wenn gleich ein bedeutender Theil dieser Unterschiede in mangel- hafter Zeitberichtigung der Beobachter liegen mag, so ist doch aus den allgemein positiven Unterschieden klar, dass die Abplattung in der Gegend um Seeberg weit grösser als 3-1^" angenommen werden muss.

Bei der neuen Verbindung der englischen und französischen Küste bedient man sich wieder der Eeverberes, von denen man rühmt, dass sie noch auf 90 englische Meilen gut gesehen werden können. Merk- würdig war es mir, dass Xicollet in der ausführliclien Ankündigung dieses Unternehmens mit keiner Silbe erwähnt, dass diese Verbindung beider Küsten schon früher von Rot, Cassini u. s. w.. damals doch als so genau und zuverlässig gerühmt, ausgeführt sei.

Der Staatsrath Langsdoef hat sich von hier nach Brasilien ein- geschifft. Zu einer künftigen, auf Kosten des Kaisers von Russland durch ganz Südamerika ad modum des Hrn. v. Humboldt zu unter- nehmenden Reise hat er unter anderen den durch seine Draisine be- kannten Baron v. Drais gewählt, um ihn als Astronom und Mathema- tiker zu begleiten. Der windige, eitle junge Mann versteht noch nichts von Astronomie; er hat sich bei mir eücas mit den Sextanten geübt, und ich habe ihn mit den nöthigsten Büchern versehen, fürchte aber doch, dass er das Erforderliche nur sehr unvollkommen leisten wird.

Doch ich ermüde Sie mit meinem Geschwätz I Leben Sie wohl, mein theuerster Freund!

No. 434. Gauss an Olbers. [2ou

Altona, 1821 December 5.

Seit einigen Tagen befinde ich mich hier, um den EAMSDON'schen Zenith-Sektor zu übernehmen. Zuerst die immer prorogirte Ankunft des Königs in Göttingen, dann mehrere andere Hindernisse machten es

*) Diese in kleineren Ziffern gegebenen Werthe hat Gauss daneben geschrieben, ebenso tiuden sich auf dem unteren Bande des Briefes Angaben von Gavss' Hand über grössere Differenzen MüFFLTNo'scber Beobb. in Thüringen, die er nachher im Brief No. 436 Olbers mitgetheilt hat. Krm.

Gauss an OUilms. Altuiia, \i<ll I>.c.inbiT ö. 143

uninö^lich, die Reise früher zu unternehmen, und ])is zum nächsten Frühjahr wollte- ich sie auch nicht gern aufschieben. Auch jetzt bin ich insofern noch zu früh gekommen, als die Prüfung der Theilung mit einem von Kepsold unlängst verfertigten Apparat noch nicht ganz vollendet ist, doch wird dies wohl morgen oder übermorgen der Fall sein, Inspektor Ru-mpf wird dann, indem ich nach Göttingen zurückeile, Einpacken und Transport besorgen. Das Reisen in der rauhen Jahres- zeit und dann die hiesige materielle Lebensweise bekommen mir nicht gut, und ich befinde mich dabei übler als auf den meisten meiner Stationen im vorigen Sommer. Ich glaube, mein letzter Brief an Sie, theuerster Freund, war vom Brocken. Ich hatte, als ich ihn verliess, die grosse Kränkung, dass, obgleich beim Herunterreiten das Wetter ebenso sclilecht war wie an den vorhergehenden Tagen, es sich nach und nach aufheiterte und zuletzt, wie ich mich Wernigerode näherte, der schönste Himmel wurde. Kapt. Müllek hatte wirklich an diesem Tage Heliotroplicht dahin gesandt, welches sich hätte benutzen lassen, wenn ich 2 Stunden länger verweilt hätte. Die wenigen zum Insels- berg früher erhaltenen Winkel (wie ich Ihnen damals gemeldet zu haben glaube) harmoniren schlecht, und das ganze Dreieck wird noth- wendig noch einmal vorgenommen werden müssen. Mein Hohehagen- Signal ist inzwischen im Okt., wie es scheint aus Muthwillen, in Brand gesteckt und grossentheils zerstört. Inzwischen ist nun der erste Heliotrop nach der neuen Einrichtung fertig geworden und der andere schon weit vorgerückt. Jener thut recht schöne ^^'irkung, und die Direktion ist für jemand, der etw^as anstellig ist, eher noch leichter als bei dem ersten. Schumachee hat beim Aligniren seiner Basis eine ganz

I

Fio-. 6.

rohe Art von Heliotrop angewandt. Auf einem etwa 2i- Fuss langen Brett steht ein Spiegelgestell, welches den Spiegel in jede Lage zu bringen erlaubt. Das Bild des Spiegels wird auf einem zweiten senk- rechten kleinen Brett aufgefangen, so dass das Centrum von jenem mit dem Centrum eines Loches zusammenfällt, welches mit dem (ruhenden) Centrum des Spiegels zuvor in die Richtung gebracht ist, w^ohin man das Licht zu reflektiren wünscht. Eine sichere und ununterbrochene Lichtlenkung ist zwar auf diese Art nicht wohl zu erhalten, doch zeigt Schtjmacher's Erfahrung, dass sie doch nicht unbrauchbar ist.

144 Gauss au r)ll)eis. Altona. 1821 L»ecember 5.

und ich werde daher eine ähnliche, etwas abgeänderte Einrichtung lilr einen grossen Spiegel von wenigstens 1 oder 2 Quadratfuss Fläche machen lassen, welcher für das Rekognosciren oder für das erste täfr- liche Einstellen von vielem Nutzen sein wird.

Seine Majestät der Kijnig hat, wie Sie aus öffentlichen Nachrichten wissen, ausser der Reitbahn kein Institut in Göttingen besehen, auch liat nur eine sehr kurze Präsentation stattgefunden.

Die Angelegenheit mit der hiesigen Sternwarte, von der ich Ihnen im vorigen Sommer schrieb, ist, wie ich jetzt finde, noch sehr weit von der Reife entfernt, die ich nach den damaligen Nachrichten voraus- setzte. Ausser dem Aussuchen eines (nicht Aveniger als zweck- mässigen) Platzes ist noch gar nichts geschehen. Man scheint selbst noch nicht recht zu wissen, was man will. Dagegen aber habe ich hierher einen Brief von Lindenau nachgeschickt erhalten, der unter anderem wörtlich folgendes enthält. G[eneral] v. Müffling schreibt an letzteren:^)

„Der Minister von Altenstein hat mich benachrichtigt, die An-

„gelegenheit wegen Hofrath G[aijss] sei so weit gediehen, dass er zu

„wissen bedürfe, welclie P'orderungen letzterer mache, um dem König

„Vortrag darüber machen zu können. G[ai:ss] wünscht nicht als

„ordentlicher Lehrer bei der Universität angestellt zu sein, und

„Altenstein ist damit einverstanden, dass er nicht mit dem Alltäg-

liehen geplagt werde, dass er sich jedoch nicht entzöge, vielver-

„sprechenden jungen Männern die letzte Feile und Büttel zur Aus-

„bildung zu geben. Alt[enstein] bezweckt hauptsächlich, dass G[aüss]

„dahin wirke, den erlöschenden Ruhm einer sonst berühmten Aka-

„demie wieder aufzufrischen, , . . A[ltenstein] wünscht dem König

„spätestens gegen Neujahr Vortrag darüber zu machen, und die Sache

„wird keine Schwierigkeit finden, wenn G[auss] nicht über 2000 Thlr.

„verlangt."

Die Art, wie der letzte Satz annoncirt ist, lässt erwarten, dass

man sich auch zu einem bedeutenden Mehr verstehen würde. In der

That würde ich, insofern hierbei von keiner Officialwohnung Erwähnung

geschieht, da man unter 500 M. mit einer 10 [Köpfe] starken Familie wie

die meinige in Berlin nicht wohl wohnen kann, bei jener Zahl mich

noch verschlechtern, auch abgesehen davon, dass es übrigens in Berlin

theurer sein mag als in Göttingen. Alle übrigen Bedingungen jenes

Anerbietens würden hingegen mir vollkommen konveniren und die

drückenden Missverhältnisse in G[öttingen] heben.

^) Auch abgedruckt unter No. 9 im Briefwechsel Hcmboldt-Gacss. Vero-l. auch Gauss' Brief v. 8. Juli 1821 au Olbers. Kriu.

Olbi'i.- „,, <.,,„--. 1.1. IM. 11. i-Jl l»i(ciiiiM-r II. 145

Auch bei dieser Gele£renheiT wird es mir überaus viel werth sein, Ihren freundschaftlichen Kath und Ansicht zu erfaliren. Vor meiner Zurückkunft nach Göttinnen werde ich jenen Brief aus vielen Gründen nicht beantworten können. Meine Abreise von hier hängt von der An- kunft des Hrn. Rumpf ab, doch wird jene bis zum Sonnabend inkl. noch nicht Statt haben können.

N(.. 435. Olbers an Gauss.

[285

Bremen, 1821 December 11.

Ich danke Ihnen recht sehr, dass Sie auch in Altena an mich ge- dacht und mir die so wichtigen Anträge von Berlin vertraulich mit- getheilt haben. Sie verlangen dai'über meinen Rath und meine An- sicht dieser Angelegenheit. Ersteren zu ertheilen finde icli mich durch- aus unfähig, aber letztere will ich ihnen gern vorlegen.

Die Verhältnisse in Göttingen, wie sie jetzt sind, sind Ihnen sehr unangenehm, und Sie werden zugleich dadurch gehindert, für die Wissen- schaften alles das zu leisten, was )mr Sie dafür thun und leisten können. Hingegen in Berlin werden Sie von allen Ilires Geistes un- würdigen Geschäften befi-eit ganz Ihren tiefsinnigen Spekulationen folgen können. Mich dünkt also, Berlin müsste auch dann den Vorzug behalten, wenn auch die Geldeinnahme nicht sonderlich grösser wäre. Aber so gross muss sie doch sein, dass Sie sorgenfrei leben können.

Manche nun einmal zum Leben gehörige Bedürfnisse, z. B. "Wein, Kaffee, Zucker u. s. w. sind gewiss in Berlin viel theurer als in Göttingen. Aber ich glaube doch nicht, dass es im Ganzen in Berlin theurer zu leben sei als in Göttingen. An einem Orte, wo so viele Familien von einem beschränkten Einkommen (die preussischen Besoldungen sind in der Kegel sehr massig) anständig leben müssen, pflegt die ganze Lebensart auch so eingerichtet zu sein, dass dies möglich wii'd.

Allein doch sind, so viel ich beurtheilen kann, 2000 Thlr. preussisch zu wenig, und ich zweifle keineswegs, dass man sich gern zu einer be- deutenden Vermehrung verstehen wird, um Sie zu besitzen. Ich dächte, 2500 Thlr. mit freier Wohnung oder statt deren ein hinreichendes Aequivalent möchte eine sehr billige Forderung sein.

Für mich selbst wird es freilich nicht angenehm sein, Sie 20 Meilen weiter von mir entfernt zu weissen. Ich glaube aber nicht, dass Sie wirk- lich so leicJit von Göttingen ivegkommen werden. ^Man wird gewiss alles aufbieten, Sie der Universität zu erhalten. Ob nun Hannover Ihnen solche Bedingungen anbieten kann, die das Unangenehme, was bisher in Ihren Göttingenschen Verhältnissen war, gründlich heben, und ob Sie

Olbers. II, 2. 10

146 Olbers an Gauss. Bremen, 1821 Deceuiber 11.

dann geneigt sein werden, in Göttingen zu bleiben das weiss ich •freilich nicht und muss es ganz Ihrem Ermessen überlassen.

Sie werden einen Brief von mir vorgefunden haben, worin ich von einigen Untersuchungen sprach, die ich über die Richtung der eigenen Bewegung unserer Sonne angestellt habe. ^) Sehr bald darauf sah ich aus den O. G. A}), dass die Societät eine Preisfrage über diese Richtung aufgestellt hat. Damit werden denn meine Rechnungen ganz unnütz; denn Sie können leicht denken, dass ich mich nicht um einen solchen Preis bewerben werde, und dass ich weder Lust noch Geschick habe, die feinen Untersuchungen anzustellen, die wir hoffentlich dieser Preis- frage zu verdanken haben werden. Aber doch möchte ich die Bitte wiederholen, ob Sie nicht die Güte haben wollen, mich mit ein paar AVorten zu belehren, wie man hier die Wahrschemlichkeitsrechnung am besten anwendet, um so mehr, da die Methode der kleinsten Quadrate mir ein ziemlich abweichendes Resultat von der anderen, die ich vor- zuziehen geneigt wäre, giebt.

Am Himmel giebt es nichts Neues, so viel ich weiss. Auch am Ende Nov. war von dem ExcKE'schen Kometen in meinem Dollond keine Spur zu erkennen. Aber nun im Dec. und im Jan. wäre es doch wohl der Mühe werth, die Stelle, wo der Komet stehen muss, mit dem grossen Spiegelteleskop zu betrachten, das Ihnen den Kometen von 1815 noch am 25. Aug. zeigte. Am 15. Jan. 1822 ist Encke's Komet etwa ebenso weit von der Sonne entfernt, wie es der Komet von 1815 den 25. Aug. war, und müsste also sichtbar sein, wenn er das Licht ebenso gut zurückwii'ft. Auf den grösseren Abstand von der Erde kommt es wohl wenig an; gross genug bleibt der Komet leicht, wenn er nur so hell ist, dass man ihn auf dem Himmelsgrunde unter- scheiden kann.

Ich habe Ursache zu glauben, dass die FEAUNHOFER'schen Objektive sich leicht inwendig mit einer Art von Haut überziehen, die sich in- dessen wieder wegschaffen lässt. Spüren Sie auch etwas dergleichen bei Ihrem grossen Mittagsfernrohr? Einer solchen noch sehr durch- sichtigen Haut möchte ich es zuschreiben, dass einige Liebhaber der Sternkunde nach Bode's Jahrbuche eben mit FRAUNHOFEß'schen Fern- rohren grosse Photosphären von 40' Durchmesser um den Jupiter und die Venus gesehen haben wollen.

^) Brief No. 433, welcher Gauss in Güttiugen nicht mehr erreicht hat. Krni. 2) Gott. Gel. Anz. 194. Stück. IS 19 Dec. 4. Krni.

Gauss an Olbers. Göttingen, 1821 December 18. 147

No. 436. Gauss an Olbers.') [201

Göttingen, 1821 December 18.

Mit grosser Freude habe ich hier am 14. bei meiner Zurückkunft Ihre beiden'') gut igen Briefe vorgefunden. Vor allem meinen herzlichen J >ank für Ihren freundschaftlichen Rath in der bewussten Angelegen- heit, denn als solchen habe ich Ihre Ansicht aufgenommen, wenigstens in Beziehung auf das, was für den Augenblick zu thun war; ich habe ihn bei meiner Antwort als Richtschnur befolgt. In eigenen Angelegen- lieiten, wo so viel auf dem Spiele steht, ist das eigene Urtheil immer furchtsamer und befangener als das eines so hellsehenden Freundes. Nochmals meinen herzlichsten Dank.

Der Zenithsektor ist heute Mittag hier angekommen, ohne unter- wegs einen Unfall erfahren zu haben. Ich habe zugleich einen Chrono- meter von Pennington mit übernommen und die Zeit mit hierher gebracht. Er hat aber seinen Gang merklich geändert und ändert ihn noch. Schumacher gab mir den Stand auf Michaelis^) in Hamburg reducirt und den Gang so mit: täglicher Gang retardireiid 2^,4 Dec. 9. 13"^ Sternzeit, zurück 4°» 2P,0 gegen Mich. St. Zt.

Hierbei bin ich noch ungewiss, ob das Datum bürgerlich oder astronomisch*) zu verstehen, ich reiste am 10. Nachmittags ab. Ich 1 fand hier aus Aldeharan

Dec. 14. 4'»26'^ St. Z. zurück 4«" 28^8 Tägl. Gang

16. 4 30,5 0^85

17. 4 29,8 +0,70

Sehr interessant sind mir Ihre Rechnungen über die eigene Be- ll wegung der Sonne. Die Aufgabe ist übrigens auf meine Veranlassung '- schon vor 2 Jahren aufgegeben,^) und das Wenige, was ich damals selbst erst in Beziehung auf dieselbe gearbeitet hatte, ist nicht aufbewahrt und mir aus dem Gedächtniss gekommen. Es wird nicht ganz leicht sein, die ächte Auflösung bloss aus den Principien der Wahrscheinlich- keitsrechnung abzuleiten, und ich bin in diesen Tagen viel zu sehr mit ganz heterogenen zum Theil sehr unangenehmen Dingen beschäftigt

^) Dieser Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

^) Vom 25. Nov. und 11. Dec. Krm.

^) Thurm der Michaelis^kirche in Hamburg. Krm.

■*) Astronomisch nach Brief No. 137 im Brief weclisel Gauss-Schum acher. Seh.

^) Preisfrage der Societät der Wissenschaften Gott. Gel. Anz. 194. Stück, 1819 Dec. 4. Sie wurde im näclisten Jahre wiederholt und hat keinen Bearbeiter ge- funden. Krm.

10*

148

Gauss an Olbers. Göttingen, 1821 December 18.

gewesen, als dass ich daran nur hätte denken können. Darf ich aber auf einen gewissen vorgreifenden Takt einiges Gewicht legen, so wird eine solche Auflösung am Ende zusammenfallen müssen mit der, wo man mit der angenommenen Richtung der Sonnenbewegung so viel als möglich von den eigenen beobachteten Bewegungen der Sterne weg- erklären kann, oder die Summe der Quadrate der eigenen Bewegungen, von denen man nichts mehr wegerklären kann, muss ein Minimum werden. In dieser Beziehung sind dann 2 Fälle zu unterscheiden. Wenn die eigene beobachtete Bewegung auf der Himmelskugel FP' mit der Richtung PS einen spitzen Winkel macht, so lässt sich gar nichts wegerklären, und solche Sterne müssen daher ganz aus der Rechnung wegfallen.

PSTt-ofun die Son/ie ge/d

Fia-.

Ist hingegen jener Winkel stumpf, so kann PQ Folge der eigenen Bewegung der O sein, und QP' ist die kleinste wirkliche eigene Bewe- gung, die nicht wegerklärt werden kann. In 1 der Fig. 7 wäre dies nicht der Fall, und eigentlich ist da die wirkliche eigene Bewegung grösser als PP', obwohl man wegen des unbekannten Verhältnisses der Entfernung zu der Geschwindigkeit der Sonne nicht weiss, wie viel; je grösser jene gedacht wird, desto geringer wird die Vergiüsse- rung. Ich meine also, man soll den Punkt S da auf die Himmelskugel setzen, wo die Summe aller [P'Q]~^ die im Fall 2 der Fig. 7 sind, ein Minimum wird, = s. Für ein anderes S, dem vorigen unendlich nahe, wird dann jene Summe der Quadrate die Form bekommen

s -f a {dÄf + 2 b (dD) (dA) + c (dl»^ und die Koefficienten a und c werden dann mit den Gewichten der Bestimmung von Ä und D in einem einfachen Zusammenhange stehen. So aliue ich die Auflösung. Die Rechnungsformeln habe ich nicht ent- wickelt,^) sie können aber wohl nicht sehr schwierig sein. Die eigent-

^) Gauss theilt in den nächsten Briefen No. 438 440 eiusrehender seine Unter- suchungen über das Problem der Bewegung des Sonnensystems mit. Im Jahre 1838

(iaiiss an Ollttis. dottiiiijt'ii, is-Jl l»eceiubcr 18. 149

liehe Schwierigkeit liegt aber dann darin, dass man, so lange S noch nn])»'kannt ist, noch nicht weiss, welche Sterne anszuschliessen sind. .Alan wird also wohl die Kechnung mehr als einmal machen müssen. Einmal vielleicht, indem man -rar keine Sterne ausschliesst. Nachdem man die ansznschliessenden Sterne jetzt erkannt hat, macht man die 2. Kech- nnng, die ein etwas verändertes Resultat geben und vielleicht zu einer ;{. nöthigen wird, indem einige der das 2. Mal ausgeschlossenen Sterne wieder aufgenommen und andere ausgeschlossen werden. Eine 4. Rech- nung wird schwerlich nöthig sein. Diese Methode hat wenigstens die Präsumtion für sich, dass alle Willkürlichkeit wegfällt, und dass, welche F'undamental-Ebene auch gewählt wird, bei einerlei Datis auch einerlei Resultat herauskommen muss. Uebrigens glaube ich, dass das End- resultat wohl nicht viel von dem verschieden sein wird, was Ihre 2. Methode giebt. Genau kann ich über diese nicht urtheilen, da Sie die Fassung der Grössen a, b, c. s nicht angegeben haben, denn völlig bestimmt scheinen sie nicht, da ein beliebiger Faktor hinzugedacht

sin J werden kann. Ich vermuthe. dass Ihr f= . -^.p'Q, wo J = PS.

smD

ihre erste Methode scheint aus der Ursache der zweiten nachzustehen, weil sie ein grösseres D ungerechter A^'eise begünstigt. Ich bin neu- gierig, ob dies so im Erfolg ist. Beide Methoden involviren insofern eine A\'illkürliclikeit, als sie von der Wahl des Aequators als Funda- mental-Ebene abhängen, ebenso ^^ie die Abtheilung in 2 Gruppen bei der 2. Methode auch etwas Willkürliches implicirt. In pi-aktischer Rücksicht wird dies jedoch wohl nicht viel bedeuten.

Doch ich muss Ihre gewohnte Nachsicht in Anspruch nehmen, dass ich mein unreifes Geschwätz neben Ihre Untersuchung zu stellen wage, und nur Ihr ausdrückliches Verlangen, über diese Aufgabe meine Vor- stellung Ihnen anzuzeigen, hat mich dazu vermocht, da ich etwas Reifes jetzt nicht schreiben kann.

Uebrigens bemerke ich noch, dass die obige Auflösungsart, wenn sie überhaupt die richtige ist, es doch nur bei dem gegeuw^ärtigen Zu- stande unserer Kenntnisse ist, wo wir nur von einer kleineren Anzahl eigener beobachteter Bewegungen auf der Himmelskugel die Bichtung etwas genau kennen. Nach 100 oder mehreren Jahren, wenn dies erst von viel mehr Sternen gilt (indem die absolute beob. Beweg, viel grösser geworden), wird man die Sache anders angreifen und bloss die

kommt er bei Besprechung von Argelaxder's Arbeit über die Richtimg- der Sonueii- bewegung (DLX stellarum inerrantium positiones mediae ineiinte anno 1830) noch einmal auf diesen Gegenstand zurück. Vergl. die Briete v. 4. März und 5. Apr. 1838 an Olbers, auch die Anmerkuno- zu Brief No. 440. Krm.

J50 Gauss an Olbers. Göttingen, 1821 December 18.

beobachteten Richtungen benutzen müssen. Jetzt scheint es mir aber damit nocli zu früh, und so wird freilich jetzt auf die Sterne, die grosse eigene Bewegung zeigen und die uns näher stehen mögen, verhältniss- mässig zu viel Gewicht gelegt.^) Wollte man das andere Verfahren jet2:t anwenden, so würden die Beob.-Fehler noch zu viel an den Rich- tungen verderben bei Sternen, wo die ganze Bewegung massig ist. Doch noch einmal Ihre Verzeihung.

Den 4. Theil der Base du Systeme metrique habe ich in Altona zuerst gesehen und bin erstaunt über die einfältige Art, wie die franz. Astronomen sich in den ersten Monaten auf den Balearisclien Inseln benommen haben, so wie über die Naivetät, womit sie es selbst er- zählen. — General Müffling schreibt mir, dass von 9 Haupt dreiecken, die im vorigen Sommer geschlossen seien, mehrere verworfen werden müssen, weil die Fehler von 8" bis 20" gehen, Avas er der Beleuchtungs- Phase zuschreibt, indem Nachtbeobb. bei dem schlechten Wetter sich nicht hätten durchsetzen lassen. So kann ich mich wohl über die 3",5 Fehler in meinem einen Dreiecke, wo auch so grosse Beleuch- tungsschwierigkeiten Statt hatten, trösten. Ml'ffling wünscht durch mich 2 Heliotrope zu erhalten. Dass mein Hohehagen-Signal grossen- theils verbrannt ist, glaube ich Ihnen schon gemeldet zu haben; leider scheint jetzt auch der Stein ruinirt zu sein, wie es mir gestern durch ein kleines Fernrohr schien.

Die grossen Unterschiede bei den berechneten und astronomisch beobachteten Längendifferenzen der MüFFLiNG'Schen Punkte^) sind aller- dings sehr auffallend, aber docli, wie mir scheint, gerade wegen ihrer zum Theil ungeheuren Grösse noch nicht zureichend, auf die Noth- wendigkeit einer grösseren Abplattung in unseren Gegenden zu schliessen. Ich gestehe, dass ich daran noch nicht recht glauben kann. Dies be- weisen auch mehrere östliche Punkte nach Müffling's Rechnung.

AA Signale

Posse 7'46",91 8' 32",25 45",34

Magdeburg .... 54 21,55 54 46,05 24,50

Petersberg , ... 73 30,56 73 49,20 18,64

Zwei andere weichen zwar in entgegengesetztem. J. i. Ihrer ErkUi- rung günstigem Sinne ab

Kyffliäuser .... 22'41",86 22'38",55 +3",31 Sachsenburg ... 26 0,97 25 54,00 4-6,97

*) Aus ähnlichen Gründen hat Bessel in den Fmidamentis Astrotwmiae die Frage über die Bewegung unseres Sonnensystems für noch nicht spruchreif er- klärt. Krni.

') Vercl. Brief No. 433 von Olbers. Krm.

iin,.r< 111 üauss. Bremen. 1821 December -JU. 151

aber schweilicli kaim man aus so schleclit liarmouiieiulen F^eobb. ir^reud auf die Gestalt dt'i- Knie, soiidcru nur .uif die schlechte ZeitbestiDUuung schliessen.

Eine Art Lichtriiig um den Jupiter glaube ich auch im vorigen Jahre gesehen zu luiben am ^littagsfernrohr, wenn nicht beleuclitet Avurde. Ein Häutchen am Objektiv habe ich nicht bemerkt. Sonderbar, dass es ziemlich scharf begrenzt und auch, so viel ich mich erinnere, etwa 'l Grad im Durclimesser war. Feh werde künftig wieder darauf achten. Ich vermuthe mit Ihnen, dass es am Fernrohr gelegen, obgleich ich mii" so aucli die Entstehung noch nicht ganz klar macheu kann.

N... 437. Olbers an Gaiiss. fsse

Bremen, 1821 December 29.

Die Nachricht, dass Sie dasjenige, was ich Ihnen bloss als meine sehr unwichtige Ansicht gab, Ihrer Antwort nach B[erlinJ zu Grunde gelegt haben, würde mich etwas erschreckt haben, wenn ich nicht über- zeugt wäre, dass es also auch Ihre Ansicht war. Es ist doch auch noth wendig, bei einer solchen Gelegenheit die Bedingungen so zu machen, dass unser Zustand wesentlich und gründlich gebessert ^\'ird. Die nun nach B[erlin] gemeldeten Bedingungen bleiben doch noch immer höchst hillir/, und ich zweifle deswegen nicht, dass sie dort Beifall finden werden. Sie kennen meine Theilnahme, lieber Gauss, an allem, was Sie angeht, und Sie können also denken, wie gespannt ich auf den weiteren Verlauf dieser Angelegenheit bin.

Sehr danke ich für die Belehrung wegen der iMethode, die wahr- scheinlichste Richtung des mot propr. unserer Sonne aus den beobach- teten Veränderungen der Fixsterne zu finden. Icli sehe nun wohl, dass hier eine viel feinere Anwendung des Probabilitäts-Kalkuls erforderlich ist, als ich angewandt habe. Indessen will ich Ihnen doch mittheilen, was mir meine Rechnung gegeben hat. Erst die Formeln: Wenn der Punkt, nach dem die Bewegung unserer Sonne gerichtet ist, die u'R = A und die Dekl. = D hat, die scheinbaren beobachteten Veränderungen eines Fixsternes da und sind, dessen Al = a und Dekl. = ^ ist, und die eigenthümliche Bewegung des Fixsterns nach den bekannten 3 Koordinaten dx, dy, dz ist, so erhält man, wenn man der Kürze wegen

cotang Z) cos J. = P

cotang Dü\iA = Q R = Abstand des Fixsterns von unserer 0

152 Olbers an Gauss. Bremen, 1821 December 29.

cosady siüß dx

B

cos^ dz cos« sin ö dx sin « sin d dy

= m

R

setzt, die Gleichung:

(cos 5 sin ^ cosa da 6? (5 sin u) P -\- (sin 6 co^ d ^ma da -\- dd cos a) Q

cos^^ da =

(m cos« sin ö n sin a) P -\- {m sin d sin a -\- n cos a) Q m cos ö.

Das was auf das Gleichung-szeichen folgt, ist, was ich e nenne, und würde nur dann = 0 sein, wenn m und n = 0 wären, oder der Stern gar keine eigene Bewegung hätte. Aber m und n sind höchst wahr- scheinlich im Mittel ebenso gross als da und dd.

Zu den 77 Sternen, deren ich in meinem vorigen Schreiben er- wähnte, habe ich noch aus den Sternen, die Piazzi im ersten Bande seiner Astronomie zu dieser Untersuchung anführt, die 5 genommen, die Bessel nicht hat, weil sie Bradley entweder gar nicht oder nicht vollständig beobachtet hatte. Alle übrigen sind unter den 77 Sternen enthalten, oder ihre von Piazzi angegebene scheinbare Bewegung wird durch den BßADLEY-BESSEL'schen Katalog widerlegt. Von diesen 82 Sternen habe ich die Koefiicienten von P und Q entwickelt, aber den sich so anomalisch stark bewegenden Sternen /t Ca^siopejae, d Eridani^) und 61 Cyg7ii nur i und e Eridani nur i^ des Werthes der übrigen Sterne beigelegt und dann die Gleichungen zusammengezählt, in denen cos^rl) da positiv, und diejenigen, worin es negativ wurde. So erhielt ich die beiden Gleichungen

208,152 P 1 77,950 Q 788",667 = JTe . . . aus 36 Sternen 1 74,653 P + 294,203 Q + 1008,068 == 2'f' . . . aus 46 Sternen

und hieraus A = 276« 23|' und D = 15» 9', wenn ich Ze, le' = 0 setzte. Der mittlere Werth von e ist = + 2r',3. Nun ist es schon nicht mehr wahrscheinlich, dass Ze, Ze grösser als 6 e sein sollte. Setzt man also = 2s' = -\- \21"ß, so erhält man die wahrscheinlichen Grenzen für A und D.

.4 = 274" 38' i)=17"364'

^ = 277" 45' Z)= 13^26?/

Ich bin weit entfernt, die Grenzen der Unsicherheit von A und D für so eng zu halten, weil ich ganz wohl weiss, dass dies nur eine sehr rohe unsichere Art ist, sie zu bestimmen.

') d Eridani hat keine nachweisbare Eig'enbeweguiiü', vielleicht hat ihn Olbers mit 0- Eridani verwechselt. Krm.

ÜlbtTS an Gaiis.v HreiiMii, Is-jl DtneiiiliiM- "29. 153

Behandle ich liingegen die 82 Gleichungen, unter denselben ^'oraus- sptzunjren für die 4 oben bezeichneten Sterne, nach der Methode der kleinsten Quadrate, so ei'geben sich die beiden Gleichungen: 4- 42371,104 P— 2011,727 Q— 842,546 = 0 2t)l 1,727 P-f 35168,085 Q + 13724,126 = 0

Diese beiden Gleichungen geben

A = 209° 23' 8", D = 68« 39' 56" 1 »ies SU grosse D. vermöge dessen die Sonne sich fast senkrecht von der Ebene der Ekliptik gegen Norden bewegen würde, kommt mir des- wegen etwas unwahrscheinlich vor, weil so die Bewegung der O in der Ebene des Aequators gegen den Kolur der Wintersonnenwende, dit' doch so deutlich in den che erscheint, sehr unbedeutend sein müsste. Auf der Ebene der Ekliptik bewegte sich nach dieser Bestimmung von IJ sogar unsere Sonne gegen den Kolur der Sommersonnenwende.

Das endliche Resultat aller meiner Rechnungen Avird also wohl nichts mehr lehren, als was sich schon ohne allen Kalkül aus der blossen Ansicht von den -|- und Werthen von da und in den verschiedenen Quadranten von selbst ergiebt: dass nämlich unsere Sonne ungefähr gegen den Kolur des Steinbocks unter einer nördlichen Rich- tung fortrückt.

Verzeihen Sie, lieber Gauss, dass ich Ihnen ein so Langes und so Breites über diese zu nichts Gewissem führenden Rechnungen vorgeplau- dert habe. Wir müssen nun wohl erwarten, ob Ihre Preisfrage nicht einem geschickteren Astronomen Veranlassung gegeben hat, durch Anwendung der von Ihnen angedeuteten Methode und mehrerer Sterne zu einem sichereren Resultate zu gelangen.

Die Unterschiede der durch die MüFFLiNG'schen Dreiecke und die Pulversignale gefundenen Längen -Differenzen vom Seeberg beweisen nun hinlänglich, dass bei letzteren die Zeiten sehr unrichtig bestimmt waren. Selbst auf dem Seeberge scheint die Uhr fast um eine ganze Sekunde zu spät gegangen zu sein.

Ich kann mir nicht einbilden, dass Zach's Substitution eines roti- renden Polyeders anstatt des Heliotrops auf irgend etwas beträchtliche Distanzen von Nutzen sein werde. Der Reverbere, den Matthieu und Kapt. Mudge (Sohn des verstorbenen Generals) zu Fairlight-Downs, behufs der Verbindung der englischen und französischen Küsten auf- gerichtet haben, hat 4 kreisförmige Maschen, die äussere 10 Zoll im Umfange, verzehrt alle Stunden 2 Quartier Oel und wird täglich eine Stunde vor Sonnen-Aufgang und Sonnen-Untergang angezündet und zwei Stunden brennend erhalten. Das Licht ist auf 90 engl. Meilen sichtbar.

154 Gauss an Olbers. Göttingen, 1822 Januar 15.

Haben Sie noch keine Lust oder Gelegenheit gehabt, sich nach dem ENCKE'schen Kometen mit Ihren grossen Teleskopen umzusehen? Am 22, Dec. habe ich wieder die Stelle, wo er stehen musste, eine halbe Stunde mit meinem grossen Dollond betrachtet und mich wieder über- zeugt, dass er für meine alten Augen durch dieses Instrument noch nicht sichtbar ist. Ein Freund glaubt ihn schon am Ende Nov. erblickt zu haben, ohne sich doch bisher seiner vermeintlichen Entdeckung ver- sichern zu können.

Ob die Photosphären um den Jupiter und die Venus bloss eine vom gebrauchten Fernrohr herrührende Erscheinung seien, würde sich wohl ergeben, wenn man nachsähe, ob dasselbe Phänomen auch bei Fixsternen erster Grösse stattfände. Die feine milchichte Haut, deren ich in meinem vorigen Briefe erwähnte, setzt sich in Feaun- hofer's Achromaten auf der Seite des Crown-Glases, die gegen das Flintglas gekehrt ist, gewöhnlich an.

Möge der Himmel Ihnen und Ihrer ganzen verehrten Famüie, mein theurer Gauss, auch bei diesem Jahreswechsel viel Glück und Segen schenken!

No. 438. Gauss an Olbers.') [202

Göttingen, 1822 Januar 15.

Herzlichen Dank für Ihren letzten gütigen Brief und für die ge- fällige Mitteilung Ihrer interessanten Rechnungen über die eigene Be- wegung unseres Sonnensystems. Ich habe mich nicht enthalten können, auch wieder einige Tage auf diesen Gegenstand zu verwenden. Ich habe die zweite Methode, deren ich in meinem letzten Briefe erwähnte, etAvas weiter ausgeführt, wobei nicht die Grösse, sondern bloss die Rich- tung der beobachteten eigenen Be- {/ wegung der Sterne auf der Himmels-

kugel in Anwendung kommt. Ich habe zwar dieselbe nicht streng an die Wahrscheinlichkeitsrechnung ge- ^ knüpft, was auch nicht so ganz ^'''§'- ^- leicht sein möchte, doch ist mir

nicht unAvahrscheinlicli, dass diese Verknüpfung nur eben dahin führen wird. Ist PQ auf iler H[immels]- Kugel auf die Richtung der beobachteten eigenen Bewegung senkreclit, so soll 2' sin PQ- ein Minimum werden, wobei aber eigentlich diejenigen

*) Der Brief ist in deutscher Schrift g-eschriehen. Krm.

<>au!js au (tlbers. Göttinnen, IS'J'i Januar 15. 155

Sterne anspfesclilossen wt'iden iiiiisseii, für welche FSQ stumpf ist, wenn nämlich. P den Punkt bedeutet, von welchem unsere Sonne sich wegbewegt. Das lässt sich nicht ohne wiederholte Rechnung erreichen, bei der ersten ignorirt man die Bedingung ganz. Die Auflösung ist dann von mathematischer Seite vieler Eleganz fähig und eigentlich, mathematisch zu reden, einerlei mit der Bestimmung der 3 freien Axen eines Körpers oder der 3 Hauptaxen eines Ellipsoids. Die von anderen gegebene Auflösung dieser Aufgaben ist noch beträchtlicher Vervoll- kommnung fähig, und von der meinigen sehen Sie eine einen etwas specielleren Fall betreffende Probe in meiner Abhandlung über die Attraktion elliptischer Ringe.') Die Natur der Sache bringt es hier aber mit sich, dass der Punkt, von dem die Sonne kommt, von dem, wohin sie geht, in der Auflösung noch nicht unterschieden wird (wie es auch bei der Ihrigen der Fall ist, die die beiden entgegengesetzten Punkte nicht unterscheidet). Man muss hinterdrein die einzelnen Sterne vergleichen und den Punkt P für den Punkt, wohin die Sonne geht, wählen, von welchem sich die Mehrzahl der Sterne entfernen.

Ich habe die Auflösung auf 70 Sterne aus Bessel's Tafel an- gewandt (die ich zu zehnen nach der abnehmenden Grösse von As gruppirt hatte und so den 71. wegliess) und für die beiden Punkte ge- funden

a= 79° 40' I 259'' 40'-)

,5 = + 3 49 I 3 49

Die Punkte treten sehr bestimmt hervor, indem für dieselben jenes 2'sinPQ^^ 14,2 wird, während dessen Maxima 90" davon (und unter sich) entfernt beinahe gleich und resp. 28,4 und 27,4 werden.

Mit der Sonderung der Sterne habe ich heute angefangen, und nach einem Ueberschlage linde ich, dass unter den 30 Sternen, die die grösste scheinbare Bewegung haben, 19 sind, die sich dem ersten, und 11, die sich dem zweiten Punkte nähern, so dass der letzte als der angesehen werden muss, auf den die Sonne zugeht. Mich soll wundern, wie die Scheidung aller 71 ausfallen wird, und dann werde ich auch die Wiederholung noch vornehmen. Sollte das Verhältniss bei der Ge- samtzahl nicht viel ungleicher ausfallen, so darf man schon schliessen,

*) Determinatio attractiouis , quam in punctum quodvis positiouis datae exer- ceret planeta, si eins massa per totam orbitam ratione temporis, quo singulae partes describuutur, uniformiter esset dispertita. Societati Regiae Scientiarum exhibita 1818 Jan. 17. Wiederabgedruckt Gauss' Werke Bd. m, S. 331—355. Krm.

-) Die hier gegebenen W^erte für die Lage des Antiapex und Apex der Sonnen- bewegung weichen in <5 besonders stark von den früher von Herschel gefundenen Werten so wie von den Resultaten der Neuzeit ab. Eine Erklärung hierfür und nach einer anderen Methode ermittelte Werthe sfiebt Gauss im folgenden Briefe. Krm.

156 Gauss an Olbers. Göttingen, 1822 Januar 15.

dass die wirkliche Bewegung der Sonne im Raum bedeutend langsamer ist, als die mittlere wirkliche Geschwindigkeit der Sterne. Ich finde nach einer etwas flüchtigen Rechnung, dass, wenn alle Sterne und die Sonne gleiche wirkliche Geschwindigkeit aber ganz unabhängige Rich- tungen hätten, bei einer sehr grossen Anzahl von Sternen nur etwa ^ aller sich auf der Himmelskugel dem Punkt nähern dürften, auf den

die Sonne zugeht (genau: i ^j ; hätten die Sterne aber alle gleiche

Geschwindigkeit = a, grosse?- als die der 0=1, so wäre statt jenes

Bruches -| ' zu setzen (für a<l muss eine ganz andere Formel od

genommen werden), so dass, wenn jener Bruch = //, man , - -— für eine

Art mittlere Geschwindigkeit der Sterne annehmen könnte.

Es scheint mir bemerkenswerth, dass jenes 2'sinPQ- zugleich die kleinste Summe der Quadrate der kleinsten luirklichen Bewegung der Sterne ist, womit man die beobachteten erklären kami, die der O = 1 gesetzt; es würde aber für meinen heutigen Brief viel zu weitläufig werden, dies umständlicher zu entwickeln.

Ich habe dieser Tage die Berechnung der relativen Höhen meiner Hauptdreieckspunkte vollendet, die ich hierher setze, da sie vielleicht einiges Interesse für Sie haben. Die ersten 5 Punkte gründen sich auf reciproke Messungen, an den 4 anderen bin ich noch nicht gewesen, jedoch ist Lichtenberg von zwei Punkten aus bestimmt, vom Hils und Brocken

Sternwarte-Fussboden 0

Nördl. Meridianzeichen, Oberfläche des Steines,

der 4 Fuss hoch -[- 197,5 Par. Fuss

Hohehagen, Oberfläche des Steines, der 3 Fuss

hoch + 1068

Hils, Oberfläche des Steines, der 3 Fuss hoch -|- 835 Brocken, Marmorplatte oben auf dem Tlmrm,

33 Fuss über der Erde + 3056

Lichtenberg, Oberfläche des 3 Fuss hohen

Steines -\- 257

Deister, ebenso + 453

Brelinger Berg, Terrainfläche 241

Inselsberg, Encke's Sextant, dessen Höhe über

der Erde ich nicht kenne + 2322

Südl. Meridianzeichen, Terrain + 527

Die Vorbereitungen zur Aufstellung des Zenith-Sektors sind jetzt vollendet, und jene wird daher in Kürze Statt haben können.

(t;uiss an Olbors. [(uitliiigen, 1822] Januar 22. 157

Das AVetter ist seit mehreren Wochen sehr nnfcünstio:; so bald lieiterer Himmel sein wird, will ich einmal nach dem Kometen aus- sehen, obwohl ich nicht viel Hoffnung zum Erfolge habe. Ganz so scharf wie vor 11 Jahren ist vielleicht mein Auge jetzt nicht melir.

Von B[erlin] habe ich nichts weiter bis jetzt gehört.

Ich lasse jetzt einen grossen Spiegel von reichlich 1 Pariser Qu.-Fuss Fläche zu einer Art einfachen Heliotrop einrichten und werde, sobald er fertig, einige Versuche damit auf Entfernungen von einigen Meilen, viel- leicht zum ]\[eisner hin, machen. Wenn ich künftigen Sommer meine Messungen fortsetze, glaube ich, dass er gute Dienste tliun soll, meinen Gehiilfen das Einstellen der Heliotrope zu erleichtern (indem ich jenen bei mir führe), vielleicht auch zum Telegraphiren, um weniger abhängig von genauer Zeitabmessung zu sein, indem die Zahl der beinahe momen- tanen Blitze nur als Zeichen zu gelten braucht. Ich denke das Licht eines solchen Spiegels muss selbst in der Distanz von 15 Meilen dem blossen Auge noch sehr glänzend sein. Zum Beobachten der Winkel wäre es natürlich immer viel zu stark, auch die Lenkung zu beschwer- lich, insofern die Einrichtung viel einfacher und damit auch unvoll- kommener ist.

In meinem Hause ist leider jetzt ein Lazareth. Meine drei jüngsten Kinder haben den Stickhusten. Ich selbst kann auch einen sehr lästigen schon im Nov. auf meiner Reise mitgenommenen Husten noch nicht wieder los werden und habe seit 8 Wochen vielleicht 8 mal mehr ge- hustet als in meinem ganzen Leben zusammen.

Meinem ältesten Sohn, der Ansteckung wegen von den anderen ge- trennt, geht es ungefähr wie mir. Es scheint hier etwas Epidemisches zu sein und vielleicht eine Folge des zu gelinden und doch stürmischen A\'inters.

No. 439. Gauss an Olbers.') [203

[Göttingen, 1822] Januar 22.

Ich kann nicht unterlassen, Ihnen noch einiges von meinen ferneren seit Absendung meines letzten Briefes über die eigene Bewegung der Sterne angestellten Rechnungen mitzutheilen. Die tabellarische Zu- sammenstellung der beobachteten e[igenen] B[ewegungen] Hess es mir doch als sehr auffallenderscheinen, dass unter 71 Sternen sich 48 nach Süden und nur 23 nach Norden bewegen. Mein gefundenes Resultat, wonach der Punkt, wohin die Sonne geht, sogar noch etwas südlich

^) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krin.

158 Gauss an Olbers. [Göttingen, 1822J Januar 22.

vom Aequator liegen sollte, wurde mir dadurch doch etwas verdächtig, und ich beschloss daher, zuerst die Sache noch auf eine ganz andere Art anzugreifen.

Es sei Q [der] in dem grössten Kreise auf der Himmelskugel, in welchem die Bewegung eines Sternes erscheint, 90^ von dem Sterne in dem Sinn der Bewegimg entfernte Punkt; P der Punkt, von welchem unsere Sonne wegrückt. Man sieht leicht, dass, wenn der Stern sich dem P nähern soll, die Bedingung die sein wird, dass PQ-<90^, oder wenn man sich einen grössten Kreis denkt, der P zum Pol hat und also die Kugelfläche in zwei Hälften theilt, so soll Q in derjenigen Halbkugel liegen, worin P sich befindet. Es kommt demnach darauf an, alle 71 auf der Kugelfläche zerstreut liegenden Punkte Q durch einen grössten Kreis so ungleich wie möglich zu scheiden. Ich habe mich begnügt, nur den gemeinschaftlichen Schwerpunkt aller Q (im Innern der Kugel) zu suchen; der dadurch gezogene Radius fortgesetzt wird, wo nicht genau, doch sehr nahe das vortheilhafteste P auf der Kugel geben. Ich finde auf diese Weise

M von diesem P 84" 31'

Dekl —33 50

Abstand jenes Schwerpunktes vom Centrum . . 0,38768

Der Punkt P gegenüber, wohin unsere Sonne sich bewegt, läge also in 264 «31' ^ und 33 «50' nördl. Dekl., und ich finde (freiUch meistens nur überschläglich), dass unter den 71 Sternen 59 sich dem P nähern und nur 12 davon entfernen.

Dass die Methode, wonach ich, wie in meinem letzten Briefe er- zählt, früher gerechnet habe, ricJitig angewandt, so "\iel von diesem Verfahren differiren soll, ist mir ziemlich unwahrscheinlich, und es lassen sich mehrere Ursachen denken.

1) Habe ich dabei die Positionen der Punkte die resp. von jedem Stern und seinem Q um 90 « entfernt sind, nach Bessel's Tafel Bradley p. 310 schlechthin zu Grunde gelegt, und es wäre doch möglich, dass darin hin und wieder einige Rechnungs- oder Druckfehler wären.

2) In meiner oder vielmehr grösstentheils Hrn. Schni-elein's Rech- nung von den 6 Grössen

(x = cosa cos d XX, yy, zz, yz, xz, xy, wo J // = sin« cosJ

! z = sin d.

welche sich auf Bessel's erwähntes Tableau gründen, könnte wühl hier und da ein Rechnungsfehler eingeschlichen sein, besonders wo ein + mit verwechselt oder eine Logarithmen-Charakteristik um eine Ein- heit unrichtig angesetzt wäre.

(ian>s ;mi nllnrs. [(TÜttiii-en, 1822] Jauuar 22. 15»»

;{) Sollten aber auch beide Voraussetzuiiofeii uiiüepri'üudet sein, so wäre es doch .möglich, dass die erste Ixechnung nach jener früheren Methode, wobei noch gar kein Stern ausgeschlossen ist, ein von der ^^'ahrheit zu stark abweichendes Resultat gegeben hätte, wodurch dann die auszuschliessenden Sterne selbst grösstentheils unrichtig gewählt werden. In der That werden dadurch 23 Sterne als auszuschliessen be- zeichnet und nachdem diese ausgeschlossen waren, gab die neue Rech- nung ein nicht mehr ganz so markirt hervortretendes Resultat fiir das bewusste Minimum, als ich vor dem Ausschluss gehabt hatte. Ich bin daher im Begriff, die Rechnung nach der ersten Methode zu wieder- holen, indem ich diejenigen 12 Sterne ausschliesse, die die andere Me- thode bezeichnet hat.

Jan. 23. Ich habe die erwähnte Rechnung so weit geführt, um gewiss zu sein, dass nach Ausschluss jener Sterne ein Resultat kommt, das dem obigen sich wenig nähert. In diesem habe ich dabei einen kleinen Rechnungsfehler bemerkt, nach dessen Verbesserung ich statt der obigen Zahlen

86° 18' 2()6M8' +

Q4.0 4.QM

Jenes Paradoxon ist indessen doch nur scheinbar. Das bei der ^Methode des vorigen Briefes zu Grunde gelegte Prinzip ist an sich un- verwerflich, nämlich:

den Punkt P auf der Himmelskugel so zu wählen, dass sich die beobachteten eigenen Bewegungen mit dem geringsten Auf- wand wahrer eigener Bewegungen der Sterne erklären lassen; allein die Summe, die ein Minimum werden soll, ist eigentlich

^ {sin PTf-j-n^)

wo n die Anzahl der Sterne, die sich von P entfernen, bedeutet und T den dem P nächsten Punkt in der beobachteten Richtung (ich glaube in meinem vorigen Briefe mit Q bezeichnet) derjenigen Sterne, die sich dem P nähern. Es enthält nun gar keinen Widerspruch, dass an einer gam anderen Stelle als dem P, wo diese Summe nach ihrem wahren Sinn ein Minimum ist, das Aggregat

2:{smPTf-\-n

ein Minimum wird, insofern man dieselbe Scheidung der Sterne hier gelten lässt, die bei jenem P galt, w^as aber nicht erlaubt ist. Die Summe nach ihrem wahren Sinn ist eigentlich auf der Kugelfläche eine fundio discontinua und ändert sich sprungweise von einer Figur

•) Nicht ganz richtig, vergl. Anfang des folgenden Briefes. Krm.

IC)Q Gauss an Olbers. [Göttingen, 1822] Januar 22.

zur anderen, indem man sich nämlich die ganze Kugelfläche durch die 71 grössten Kreise, die durch die einzelnen Sterne senkrecht [zu] deren beobachteter Bewegung [gehen], in eine ungeheuer grosse Anzahl Drei- ecke und andere Polygone zerlegt denkt. Es wird aber nicht schwer sein, das wahre P aufzufinden, wenn man sich die Mühe geben will, die Lage von etwa 6 oder 10 derjenigen dieser 71 grössten Kreise zu bestimmen, die am nächsten bei dem oben gefundenen Punkte vorbei- gehen. Ich habe einen kleinen Anfang damit gemacht (to He)xidis und b Aquilae gehören dazu), zweifle aber, dass ich Zeit haben werde, diese Eechnung jetzt selbst zu vollenden. Vermuthlich lässt sich von den obenerwähnten 12 Sternen, die sich von P entfernen, noch einer oder ein paar abdingen. Denn ich bin jetzt mit der Aufstellung des Zenithsektors beschäftigt, der nächstens beobachtungsfertig sein und einen grossen Theil meiner Zeit in Anspruch nehmen wird. Uebrigens ist auch zu präsumiren, dass ein so berechnetes P wenig von dem obigen abliegen werde und weniger, als ohnehin schon bei der Uuzu- verlässigkeit der beobachteten eigenen Bewegungen Unsicherheit zurück- bleiben muss.

Sollte die hiesige Societät keine oder keine angemessene Preis- schrift erhalten, so werde ich in Zukunft diese Untersuchung selbst einmal ausführen, und wenn ich hier wieder zu anhaltenden Beobb. am Meridiankreise komme, die eigene Bewegung dieser und anderer Sterne zu einem besonderen Gegenstande machen (wie ich es im Jahre 1820 schon bei vielen gethan habe).

Der Apparat zu meinem grossen Heliotrop wird bald fertig sein, und ich bin sehr neugierig auf die ersten Versuche damit. Der Spiegel hat 145 Quadratzoll Par. Fläche, also 58 mal so viel wie der älteste oder 23 mal so viel wie der zweite. Die Berichtigungen werden sehr einfach sein.

Zach's Polyeder können wohl auf nur etwas bedeutende Entfernung zu gar nichts führen. Bei einer Drehung eines solchen Polyeders, wenn die Anzahl der Flächen nicht sehr gross ist, und bei einer genau ruhenden Axe ist der Fall sehr leicht denkbar, dass gar kein Licht nach einem bestimmten Punkte kommt, immer aber nur ein sehr schwaches, wenn nicht das Polyeder ungeheuer gross ist. Dann aber wäre es am besten, eine Kugel zu nehmen, wie in der That vergoldete Thurmknöpfe selbst in der Entfernung von einigen ]\Ieilen ein sicht- bares Heliotroplicht geben, welches aber schon wegen der excentrischen Phase die Brauchbarkeit verliert. Dass Zach's Uebersetzung des Auf- satzes aus den G.G.A.^) auch in den anderen Punkten, die er de siio

^) Die erste öffentliche Mittheilung Gauss' über den Heliotro)) in den Götf. Gel. Anz. No. 126, 1821 Aug. 9, Gauss' Werke l^d. IX, S. 461 ff. Naoh Brief No. 123 im

Giinss an Olhers. (Jilttiiiirt'ii. IS'2'2 .Taininr 29. \Q{

hinzugesetzt hat, naiiieiitlich bei der Anwendung: des Sextanten, jiTobe rngrereimtheiten cntluilt. werden Sie selbst bemerkt ha])en.

Wenn man die Ht:'li(iti()i)si)iejrel nicht phin, sondern sphärisch, abci- von grossem Halbmesser, d. i. sehr tlach gleichviel ob konvex oder konkav nähme, so hätte man, insofern man einigen I-richt Verlust und einige Kxcentricität nicht achtete, den Vortheil. niclit so oft neu stellen zu müssen. Etwas der Art hat man schon an und für sich durch die UnvoUkommenheit der Planspiegel, und P^ncke's Sextantenlicht hatte öfters eine merklich grössere Dauei-. als es nach dem O Durcli- niesser von einem vollkommenen Planspiegel möglich gewesen wäre, natür- lich zu Auf am:- und Knde schwächer als bei vollem Licht.

Nn 440. Gauss an Olbers.') [204

Göttingen, 1822 Januar 29.

Fast muss ich mich schämen, Sie so oft mit meinem Geplauder übei' die eigene Bewegung der Fixsterne zu ermüden, aber noch einmal nniss ich Ihre Nachsicht in Anspruch nehmen und eine Unrichtigkeit in meinem letzten Briefe verbessern.

Bei dem Princip nämlich, die beobachteten eigenen Bewegungen mit dem absolut geringsten Aufwände wahrer eigener Bewegung der Sterne selbst zu erklären, muss, wenn S

einen Stern, P den Punkt, von dem ,-''\

die Sonne wegrückt, SQ die beob- ,,---'''

achtete Richtung der eigenen Bew^e-

gung, PQ ein Perpendikel auf SQ ^^ )^

bedeuten, nicht Z^mQP^-\-n ein j-'ii>-. 9.

Minimum werden, sondern 2^ sin Q P-

4- -^" sin >S'P^, wo der erste Theil für die Sterne gilt, bei denen S spitz,

dei- zweite, wo es stumpf ist.

Die genauere Prüfung des berechneten P meines letzten Briefes hat ergeben, dass nicht 12, sondern 13 Sterne sich von diesem Punkte ent- fernen, dass man aber zwei abhandeln kann, wenn man Pin das Viereck^)

Briefwechsel Gauss-Schusiachkr sah sich Gauss zu dieser vorzeitigen Veröffentlichung- irenöthigt, um falschen Berichten über den Heliotrop zuvorzukommen. Krm.

\) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

■-) Dieses Resultat als von Gauss im Jahre 1828 an A. v. Humboldt mitgetheilt, erwähnt Encke in den A. 2s. No. 628 (1848) in einer Besprechung von Struve's Etudes d'astronomie stellaire, vergi. Brief No. 1201 im Briefwechsel Gauss-Schumacher. An Bessel hat Gauss über diese Rechnungen einiges im Brief No. 135 (1822 Nov. 15)

Olbers. II, 2. 11

IQ2 Gauss an Olbers. Göttingen, 1822 Januar 29.

setzt, wo ^ und Dekl. der vier Ecken diese sind ffür

1777ii:

78° 40' 30° 40' ^^ / auf der

78 42 30 57 ^^ / äusseren

79 13 31 9 ^ / H[inimels]-

80 4 30 32 \ / K[ugell

Fig. 10.

Weniger als 11 Sterne scheinen sich von keinem Punkte der Him- melskugel zu entfernen. Jene 11 sind: w Herculis. ^2>yirginis. y Dra- conis, z Sagittae, h^ Cygni, 54 Piscium, o Draccniis, ß Virginis, e Eridani, 6 Eridani, 7 Ceti.

Uebrigens ist die Methode meines letzten Briefes noch grosser Ver- vollkommnung fähig, wodurch sie wohl am Ende die echte und am ungezwungendsten mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu verknüf^fendf sein wird. Zugleich empfiehlt sie sich dann durch ihre gi'osse Einfach- heit. Das Wesentliche wäre folgendes:

Es seien x, y, z die drei Koordinaten des Punktes P auf der Kugel- fläclie (also xx-\-yy-\-zz='i)\ ferner seien a, h, c die Koordinaten eines Sternes und A, B, C die Koordinaten des in der Richtung der beobachteten eigenen Bewegung 90° vom Sterne entfernten Punkte> (alle 6 auf der Kugelfläche). ^lan bestimme |, ?;, C aus den Gleichungen

2'J. = |2'(66-[-cc') rjSah ^Zac IB = iZah -f iiZiaa^cc) C^bc IC =—-^Zac r) Ih c-\-^I{aa + h b).

Sodann hat man:

x^

V(ll + ^^ + CC) V{^$-\-vv + CO

z ^

"V u'^" ';'; s'^";

Wären alle Sterne, deren Anzahl = m. gleichförmig auf der H^im melsjkugel vertheilt, so würde

des Briefwechsels mitgetheilt. Es scheint dies alles zu sein, was von den umfanir- reichen Entwicklungen und Rechnungen Gauss' über die Bewegung unseres Sonnen- systems, die nach Hrn. Brendel einen ganzen Band im GACSS-Archiv füllen, bisher bekannt geworden ist. Die Veröffentlichung des Materiales soll in Bd. X der Werke noch erfolgen. Krm.

*) Die hier stehende Wortahkürzung ist unleserlich. Krm.

(Täiuss an Olljirs. (.iüttiiigcu, 1S'_'2 Jauuar 29. j^ßQ

2La h = Zac=- Zh r =^ 0 und

o

o

werden, und dann der IMuikt P so kommen, wie ihn die Methode meines letzten Briefes ^iebt, w^elche schlechtweg ^Ä, 2^B, ZC den .r, ?/, z Iiroi)ortional setzt; allein diese Voraussetzung: ist schon deswegen nicht erlaubt, weil unser Katalog die südlichen in Kuropa unsichtbaren Sterne nicht mitenthält, auch bei denjenigen, die ^venig über unseren Horizont kommen, verhältnissmässig zu dürftig sein mag. Mein Sohn soll nach und nach zu seiner Uebung die sechs Summen Z{hh-\-cc) etc. berechnen, und dann werde ich, da ich ZA, ZB, ZC schon habe, das

liVsultat nochmals verbessern. Der Quotient ^ ~- '' '' -' wird

)n

dann zugleich die mittlere Geschwindigkeit der Fixsterne mit der un- serer Sonne zu vergleichen dienen.

Ich habe jetzt alle kleinen Eeduktionen meiner bisherigen Haupt- winkel berechnet und finde den Fehler der Summe der drei ^^^inkel

I. Sternwarte, Merid.-Zfeichen], Hohehagen ... 1",44

I[. Merid.-Z., Hils, Hohehagen + 0",85

TU. Hohehagen, Hils, Brocken -f 3",69

IV. Hohehagen, Brocken, Inselsberg 9^56

Die Ursache, welche die Winkelmessung des Dreiecks III weniger zuverlässig machte, als ich gewünscht, habe ich Ihnen schon früher erzählt. Das 4. Dreieck sollte eigentlich gar nicht mit in Eechnung kommen, da mein Winkel auf dem Brocken nur höchst kümmerlich beobachtet und ganz auszuschliessen ist. Aber auch dem AMnkel auf dem Inselsberge, der aus zweien, Hohehagen-Struth und Struth-Brocken, zusammengesetzt ist, traue ich nicht. Der erste Theil ist von Kncke beobachtet, der zweite gründet sich hauptsächlich auf die preussischen Messungen. Aber gan^ unter uns, ich habe mehrere Ursachen zu argwöhnen, dass diese Messungen nicht durchaus so scharf sind, als man nach der immer so geringen Abweichung der Summe der 3 Winkel erwarten sollte, und dass [diese] vielleicht doch geiuählt ist, einen solchen Schluss hervorzubringen. Ich habe dieser Tage die drei Dreiecke BES, SEI, BEI,^) wovon das letztere ein Prüfungsdreieck ist, auf das Schärfste diskutirt und gefunden, dass, um diese drei Dreiecke zu ver- einigen, an die angesetzten ^^'inkel die Korrektionen

') BES = Brocken, Ettersberg, Stmtli; SEI = Struth, Ettersberg, Inselsberg; BEI = Brocken, Ettersberg, Inselsberg. Krm.

11*

1(34 Gauss an Olbers. Göttingen, 1822 Januar 29.

EBS . .

. —2", 108

BEI. .

. +0,691

EBI . .

. -j- 1,791

lES . .

. —0,374

BSE. .

. +1,892

BIE . .

. —3,320

ESI . . BES . .

. 0,770 +1,145

EIS . .

. + 1,503

angebracht werden müssen, wenn die Summe der Quadrate der Korrek- tionen ein Minimum werden soll. Diese Summe ist = 27",04, und nach den in meiner (nocli nicht gedruckten) Abhandlung über die Wahr- scheinlichkeits- Rechnung \) entwickelten Principien wäre der mittlere Fehler solcher Beobb.

\ 9_4"~" '

und der mittlere Fehler der Summe dreier ^\'inkel

= 2",3xV3 = 4",0.

Mit der blossen Prüfung durch die Summe der drei "Winkel, die ä la portSe von jedermann ist, ist es wohl eine etwas verführerische Sache; man sollte immer häufig Durchschläge von kreuzenden Drei- ecken machen, wo die Prüfung etwas schwieriger und das Nachhelfen nicht jedermann glücken kann. Ich muss noch hinzusetzen, dass, wenn nun der Winkel SIB nicht so, wie ihn Encke angenommen, sondern wie er nun aus diesem Sj'stem der drei Dreiecke verbessert hervor- geht, gebraucht [wird], der Fehler meines obigen IV. Dreiecks 4" kleiner wird. Wenn von den übrigbleibenden ö"\ Encke bei dem Winkel Hohehagen, Inselsberg, Struth 1"), und ich bei dem Winkel Brocken, Hohehagen, Inselsberg 1" auf uns nehmen, so bleibt doch für den Winkel auf dem Brocken nur ein Fehler von 3" übrig, der unter den obwaltejiden Umständen mich nicht befremdet.

Mein grosser quadratfüssiger Heliotrop ist noch immer nicht fertig. Ich gehe noch mit der Idee um, einen Sjtiegel zu einem einfachen Heliotrop einzurichten, der an meinen Theodolithen angebracht werden kann. Der Heliotrop der zweiten Konstruktion kann ganz leicht auf einen Theodolithen nach Trocghtox's Konstruktion applicirt werden, allenfalls auch der erste. Dies hätte den unschätzbaren Vortheil. dass man Licht einem Orte zusenden kann, dessen KMclitung man nur durch Rechnung kennt, ohne ihn selbst zu sehen. Em z. B. vom Brocken nach der Seeberger Sternwarte oder nach Hannover etc. Licht zu werfen, wäre dies fast das einzige Mittel, insofern mau nicht durch einen Gegen-Heliotrop vom Orte her schon die Richtung erhält.

^) Siehe Anmerkuiii;- auf S. 68. Kiui.

Olbers an Gauss. IJreimii, 1>«2'J Itlmiar J. |65

Ihre in eiiuMu früheren Briefe*) is^eäusserte Idee, die Anonuilicn der Krdobertiäfhe durch paarweise mit dem Sektor zu machende Beobb. zu prüfen, ist gewiss vortreiflicli, allein sehr kostspielig-, wenn jedesmal ein besonderes Observatorium gebaut werden muss. Das Zelt, welches sehr abgenutzt war, habe ich nicht mitübernommen. Ich sollte glauben, man müsste diese Anomalien jetzt ebenso scharf (wo nicht schärfer) durch Längenditf'erenzen erhalten können, nur müssen diese nicht auf Zeitbestimmung, sondern auf beobachtete Richtung der Mittagslinie ge- gründet sein, welches vielleicht mit dem Stutzschwanz bis auf l'M genau geschehen kann, wenn man die Beobb. gehörig vervielfältigt und die gehörige Vorsicht anwendet.

Die Meridiane der Göttingei- und Gothaer Sternwarte scheineji wirklich etwas von einander abzuweichen, welches selbst trotz des schlechten Dreiecks Brocken, Hohehagen, Inselsberg noch erkennbar scheint. Meinen eigenen Meridian (durch [das] Mittagsfernrohr) glaube ich auf die Sekunde zu haben. Doch müsste man vollständige Kenntniss vom Detail der Zwischenwinkel und der Bestimmung des Seeberger Meridians selbst haben, um darüber urtheilen zu können. Insofern die Erde kein Ellipsoid und also ohne Zweifel auch kein Kevolutions- körper ist, muss man streng genommen die Oerter, die mit einem Orte gleiche Länge haben, von denen unterscheiden, die in seiner Mittags- linie liegen. Gleiche Länge haben die, deren Vertikalen mit einer Vertikalfläche durch die Erdaxe parallel sind, ohne dass sie in dieser Ebene selbst zu liegen brauchen. Ich meine, La Place hat auch schon diese Distinktion gemacht.

Nu 441. Olbers an Gauss. [237

Bremen, 1822 Februar 2,

Sie haben mir durch Ihre 3 letzten Briefe eine sehr grosse Freude gemacht. Ich habe sie mit ebenso viel Interesse als Belehrung ge- lesen, und es ist mir äusserst angenehm, Sie gewissermaassen zur Unter- suchung dieser so wichtigen Materie veranlasst zu haben. Nach der letzten Modifikation Ihrer Methode scheint mir nichts mehr zu wünschen übrig, sow^ohl was die Leichtigkeit der Rechnung als die zu erreichende Sicherheit des Resultats betrifft. Ich hoffe, Sie werden uns auf alle Fälle diese Untersuchungen gedruckt geben, wenn auch, wie ich doch jetzt kaum glaube, auf die Preisfrage der Societät eine nicht unwürdige Abhandlung eingehen sollte. Sie werden diese Untersuchungen viel-

1) Brief No. 482, 1821 Okt. 11. Kriii.

IßQ Olbers an Gauss. Bremen, 1822 Februar 2.

leicht als ein Beispiel mit Ihrer so sehnlich erwarteten neuen Dar- stellung der Wahrscheinlichkeitsrechnung- in Verbindung bringen können.

Herschel scheint doch in seiner zweiten Abhandlung^) über die eigene Bewegung unserer Sonne eine ähnliche Idee mit der, worauf Ihre erste Methode gegründet war, vorgeschwebt zu haben, nur miss- lang freilich die Ausführung. Ueberhaupt halte ich den alten Heeschel für einen guten mathematischen Kopf, dem es aber gar zu sehr an aUer wissenschaftlichen Ausbildung fehlte. Seine so zu sagen natür- liche Mathematik leitete ihn meistentheils richtig.

Gern würde ich Ihrem Hrn. Sohn meine Hülfe anbieten und einen Theil der zur Formirung der (3 Summen 2'(66 -|- c(^) ^tc. nöthigen Eech- nungen übernehmen, wenn ich nicht gerade jetzt anderweitig beschäf- tigt wäre. Auf Schumachee's Antrieb nämlich trage ich eine neue Tafel aller bisher berechneten Kometen-) zusammen, die, da ich gern etAvas Korrektes liefern wollte, mir mehr Mühe macht, als ich an- fangs geglaubt hatte. In Delambre's^) Tafel sind viele Fehler aus- zumerzen, über 30 neue oder verbesserte Kometenbahnen einzuschalten und dann die Bahnen der 8 seit 1813 erschienenen Kometen hinzu- zufügen. Bei sehr vielen (so bei mehreren der schon von Delambre gegebenen) Koraetenbahnen wird noch eine kleine Rechnung erfordert, um sie der Tafel anzupassen, da bei allen elliptischen und hyper- bolischen Kometenbahnen, deren Zahl jetzt schon sehr beträchtlich ist, ausser der distantia perihelii auch die Excentricität angegeben werden muss. Mit dem schwierigsten und unangenehmsten Theil, der Auf- suchung der Fehler, bin ich indessen schon fertig.

Was Sie mir Ihre Gradmessung Betreffendes gemeldet haben , hat mich, wie Sie leicht denken können, sehr interessirt. Ich habe gehört, MüFPLiNG sei mit einigen seiner Dreiecke zwischen dem Khein und Seeberg nicht zufrieden und wolle die Messung wiederholen. Haben

^) On the (lirection and velocity of the sun and solar System. Phil. Trausact. the R. Society of London. 1805. Krm.

^) Auch Bessel hatte Olbers aufgefordert, eine his auf die damalige Zeit aus- gedehnte Kometographie auszuarbeiten. Briefwechsel Olbers-Bessel No. 294 u. 295. Auf erneute Aufforderung von Schumacher und Young stellte Olbers auf Grund seines schon früher gesammelten Materiales Nachträge und Ergänzungen zu De- lambre's Tafel zusammen, die dann von Schumacher weiter bearbeitet wurden. Näheres über die Bearbeitung steht in dem bisher nicht veröffentlichten Briefwechsel Olbers -Schumacher, Brief v. 6. Jan., 4. u. 14. Febr. 1^^22 und 1. Aug. 1825 an Schumacher. Diese Tafel findet sich in Schümacher's Astron. Abhandl.. Heft 1 il823'> unter AV. Olbers (u. H. 0. Schumacher), Yerzeichniss aller bisher berechneten Ko- metenbahnen; fenier W. Olbers, Zusätze und Verbesserungen zu dem Verzeichnisse aller bisher berechneten Kometenbahnen, daselbst, Heft 3 (_ 18251 Krni.

•') Von Delambre im 3. Bde. seiner Astronomie theorique et pratiyue (Paris 1814) gegeben, umfasst die Kometen der Jalire 240—1813. Krm.

Olbers an (iauss. IJreiiieii, 1822 Fel>niar 2. 1(57

JSie etwas davuii g-fliün ? icl» bi'daui're, diiss .Sie, u-<-)ni sie kän(t'u/en Sammer die Mess^iny noch fortsetzen, doch die Brock enstation noch einmal besuclien werden niiissen, hotte indessen, dass Sie auf alle Fälle in Ihren Operationen dann so weit fortrücken werden, um mehr in unsere Nähe zu kommen, so dass ich mii- mit dem angenehmen Ge- danken im voraus Freude mache, Sie wahrscheinlich auf irg-end eine Art im \'eilauf dieses Jahres i>ersönlich zu sehen.

Allerdings habe ich das, was v. Zacu über Ihren Heliotrop schwatzt, mit Missfallen gelesen. Ueberhaupt kann ich sein immer nudir überhandnehmendes Vornehmthun und Schwadroniren nicht leiden. Die versprochenen Reclmungsresultate über die O Finsterniss \o\\\ 7. Sept. wird er uns wohl nicht geben, da höchst wahrscheinlich seine eigene Beob. zu Bologna so fehlerhaft ist. Ganz sehe ich die grossen Vortheile davon ein, wenn Sie es möglich machen können, die herrliche Idee Ihres Heliotroi)s an einem Theodolithen anzubringen.

Es bleibt immer schade, dass das paarweise Beobachten der Breiten an (> Punkten des gemessenen ]\Ieridianbogens wegen des zu grossen Auf- wandes an Geld und Zeit unthunlich wird. Die aus der beobachteten Richtung der Mittagslinie und den Dreiecken hergeleiteten Längen- ditferenzen werden uns freilich die Abweichung der Figur der Erde von einem Revolutions-P^llipsoid geben und dies ist allerdings das Wich- tigste — , aber über den so oft vermutheten Einfluss der Lokalanziehung doch wohl nicht völlig belehren können. Bleibt nicht dann noch die abso- lute Grösse des gemessenen Meridianbogens immer etwas zweifelhaft?

Das Wetter scheint jetzt etwas besser zu werden, was mir um so mehr lieb ist, da hoffentlich nun Ihr Sektor aufgestellt sein wird. Ich bin äusserst neugierig auf Ihre Göttinger Beobb. mit diesem Instru- ment, und inwiefern er mehr oder weniger mit Ihren Reicjienbach- schen und REPsoLD'schen Meridiankreisen übereinstimmen wird. Wo ich nicht irre, ist Teoughton nicht ganz mit der Konstruktion des Sektors zufrieden und glaubt, dass die RAMSDON'sche Einrichtung doch eine ünvollkommenheit haben müsse.

Endlich habe ich die Freude, dass mein Sohn sich verheirathen wird. Ich hatte ihm öfters meinen Wunsch, ihn verheirathet zu sehen, geäussert, ohne seine AVahl im Geringsten bestimmen oder einschränken zu wollen. Mich befremdete seine Gleichgültigkeit gegen alle unsere jungen Frauenzimmer, da ich nicht wusste, dass seine Neigung schon auswärts gefesselt war. Der verschwiegene Liebende hat sich nun er- klärt. Seine Braut ^=) ist ein Fräulein v. Dinklage, eine Tochter des

*) Aus dem späteren Briefe vom 16. Mai erfuhr ich, dass diese Versprechung wieder rückiifäng-ig geworden. Nachrichten über die späteren Lebensjahre dieses inter-

168 Gauss an Olljers. Göttingen, 1822 Februar 11.

längst verstorbenen Obersten dieses Namens. Ich kenne dieses junge Frauenzimmer noch gar niclit, höre aber so viel Gutes von ihr und finde auch alle übrigen Umstände so vortheilhaft, dass ich diese bevor- stehende Verbindung sowohl für ihn als auch für mich als ein grosses Glück betrachte. Hoffentlich wird das künftige junge Paar bei mir wohnen bleiben und so mein einsames Alter erheitern. So sehr mein guter Sohn sich bisher meines Hauswesens auch angenommen hat, so ist es doch ganz etwas anderes, wenn wieder ein weibliches Wesen darin schalten und walten wird.

Ihr hartnäckiger Husten hat micli bekümmert, lieber Gauss, in Ihrem letzten Briefe erwähnen Sie nichts weiter davon; darf ich hoffen, dass er sich gebessert hat? Auch von Ihren lieben Kindern wünsche ich eine baldige Wiederherstellung, nur will leider der Keuchhusten, zwar selten gefährlich, doch gewöhnlich seine hartnäckige Dauer trotz aller Bemühung des Arztes behaupten. Sagen Sie mir ja etwas über Ihre Gesundheit, liebster Freund, in Ihrem nächsten Briefe.

Nun können auch wohl bald Nachrichten aus Berlin kommen. Mögen diese ganz nach Ihrem und meinem Wunsche ausfallen I Ge^Niss Averden Sie mir dieselben nicht lange vorenthalten.

Der ganze Jan. hatte nur einen einzigen massig heiteren, mond- losen Abend, an dem wieder vom ENCKE'schen Kometen keine Spur zu sehen war.

No. 442. Gauss an Olbers.') [m

Göttingen, 1822 Februar 11.

Vor allen Dingen meinen herzlichsten Glückwunsch zu der bevor- stehenden Verbindung Ihres Hrn. Sohnes. Ich denke mir mit der lebendigsten Theilnahme Ihre Vaterfreude und bin überzeugt, dass nun ein neues glückliches Leben Ihr Haus erheitern wird. Wer hätte auch mehr Ansprüche darauf als Sie, geliebter Olbers!

Von meinem hartnäckigen Husten bin ich jetzt ziemlich wieder frei; meine drei jüngsten Kinder, obwohl vieles besser als fi'üher, dürfen doch noch immer das Zimmer nicht verlassen.

Von B[erlin] habe ich noch immer nichts weiter gehört und fange an zu vermuthen, dass sich Anstösse gefunden haben. Glauben Sie aber ja

essanten Frauenzimmers, Charlotte v. Dinkl.a.ge, die, etwa 1802 geboren, am 11. Nov. 1841 in Kairo ihren Tod fand, liat Burdach in seiner eigenen Biographie (Leipzig 1848) S. 474 ff. mitgetheilt. [Eine von Gauss in späteren Jahren gemachte Notiz. Krni.] ^) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

Gauss an Olbers. Güttingen, 1822 Februar 11. 1(39

nicht, tlieuer^ter Freund, das.'^ ich bereue, Ilirem Rathe o:efi)1.2:t zu .sein, der gewis.<: narh nienschliciier Klnj,^heit der beste war; und ich bin weit entfernt, die Angemessenheit eines Schrittes nach dem Erfolge zu beurtheilen. Ich lerne immer mehr aus Erfahrung, dass nacli dem ge- wühnlichen Laufe der Dinge diejenigen fast immer schlecht fahren, die da, wo es gilt, zu bescheiden sind.

Den ENCKE'schen Kometen habe ich einige Abende vergeblich ge- sucht. Ich lasse dahingestellt sein, ob i€h [ihn] nicht doch sehen ktinnte, wenn sein Platz genau bekannt wäre, und man so alle Kraft des Auges auf einen bestimmten Punkt koncentriren könnte; aber das vage Suchen möchte schwerlich gelingen. Auch bei dem Kometen von 181') kam es im Aug. sehr zu statten, dass sein Ort mir auf die Minute im voraus bekannt war.

Der einfüssige Spiegel ist vollendet, und ich habe ein paar ^'er- suche auf etwa 200(» m Entfernung damit gemacht; das Licht ist überaus prachtvoll. Allein es hat sich ein Umstand hervorgethan, der die Brauchbarkeit dieser Aufstellung, wie sie bis jetzt ist, fast ganz aufhebt. Das geringste Lüftchen wirkt so stark auf die grosse Fläche, dass der Spiegel sich gleich verstellt, und bei etwas stärkerem Winde treibt er gleich einem Windmühlenflügel um. Ohne Hemmung und vielleicht ohne feine Bewegung wird er schwerlich zu gebrauchen sein. Ich bin nun aber seitdem auf eine veränderte Einrichtung gekommen, wie mit einem so grossen Spiegel das Licht ebenso genau, ebenso sicher und ebenso ununterbrochen wie mit den beiden Heliotropen gelenkt werden kann, deren Beschreibung aber für meinen heutigen Brief zu weitläufig sein würde. Zum Telegraphiren würde ich diese neue Ein- richtung für die allervortheilhafteste halten, da die Berichtigungen des Apparats ohne Vergleich einfacher sind als bei den beiden Heliotropen, und von jedermann leicht erlernt werden können. Auch für das Winkel- messen könnte mau einen solchen Apparat anwenden (doch muss dann der grosse Spiegel sehr vollkommen sein), wenn man nur ein Brett mit einer angemessenen Oeffnung vorsetzte, so dass (abgerechnet was die Nähe der Sonne zum Horizont am Lichte schwächt) dieses bei jedem Auffall-AMnkel gleiche Stärke behält. Auch scheint mir, dass ein solcher Apparat viel wohlfeiler sein würde als die beiden ersten He- liotrope.

Die Richtung mit Hülfe eines Theodolithen kann auch ohne Schwierigkeit geschehen, wenn man einen grossen Spiegel hat. Man darf nur das Fernrohr des Theodolithen durch Azimuth und Höhe in diejenige Richtung bringen, welche der gewünschten des Lichtes ent- gegengesetzt ist, den Spiegel davorstellen, so lange drehen, bis man das daraus reflektirte Sonnenbild auf der Gesichtslinie des Fernrohrs hat,

170

Olbers an Gauss. Bremen, 1822 März 9.

A

und dann zurücktreten. Zwischen Fernrohr und dessen Axe und Stützen geht dann noch immer Licht genug durch, und wenn man auch das Licht vom Aetna nach Afrika zu schicken hätte.

Will man aber beinahe gar kein Licht verlieren und auch die Unterbrechung vermeiden, die durch das Vortreten des Beobachters entsteht, so darf man nur einige Zoll vor dem Objektiv des Fernrohrs einen guten Spiegel in einer geneigten Lage anbringen, wo dann durch eine einfache trigonometrische Rechnung leicht ausgemittelt werden

kann, wie das Fernrohr zu stellen ist, wenn das Erscheinen des zweimal reflektirten Sonnen- lichts in der Gesichtslinie das Kriterium der richtigen Stellung des grossen Spiegels werden soll. Die zwei in diese trigonometrische Rech- nung entrirenden Konstanten findet man durch eine Probe-Beob., indem man ein helles Objekt auf der Erde einmal direkt mit dem Theodolithen beobachtet, das andere Mal durch einfache Reflexion aus dem kleinen Spiegel. Die einzige Bedingung bleibt nur, dass dieser kleine Spiegel so befestigt werden kann, dass man sicher ist, er komme genau wieder in die vorige Lage, wenn er weggenommen oder zurückgeschlagen gewesen ist. Allenfalls könnte man ihn auch so klein machen, dass er nur dem halben Objektiv Licht entzöge. Für die Probe-Beob. wäre Heliotroplicht selbst wieder am zweckmässigsten. So scheint die Kunst, das Sonnenlicht zu lenken, wohl so ziemlich zu der nöthigen Vollkommenheit gebracht zu sein.

Fig. 11.

No. 443.

Olbers an Gauss.

[238

Bremen, 1822 März 9.

Ihre so gütige Theilnahme an dem Glück meines Sohnes war mir sehr angenehm. Wirklich verspreche ich mir von dieser Verbindung noch manche Freude auf meine alten Tage. Zwar kenne ich die künf- tige Gattin meines (leorg nur noch aus ihren Briefen, aber diese sind zugleich so herzlich und so einfach, dass ioli die Briefstellerin schon ganz als Tochter mit der zärtlichsten Vaterliebe umfasse.

Dass von B [erlin] noch nichts eingegangen ist, tlmt mir sehr leid; je mehr ich aber die Sache überlege, desto mehi- scheint es mir, so weit ich Ihre jetzigen VerhäUmsse heurtheilen kann, doch noch immer, dass Sie ohne eine wirkliche. r/ründUcJie Verbesserung Göttingen nicht

Olbers an (iauss. lircmen, 18'2'2 März 9. 171

verlassen miisseii. Da -dWv, weiii<;-.steiis nach Ihrem letzten Briefe, auch noch keine negative Kesulution erfoloft war, so sehe icli diese Angelegen- heit noch immer als ganz unentschieden an. Dergleichen Unter- handlungen werden oft in Berlin sehr langweilig zum Kntschluss ge- bi-acht. und noch ein anderer Fieund von mir erwartete schon gewiss im Januar eine Krnennuug,*; die bis jetzt nicht erfolgt ist, aber docii wahrscheinlich erfolgen wird.

Der ENcKESche Komet") scheint nirgends aufgefunden zu sein. Im Febr. war auch die Nähe der glänzenden Venus sehr hinderlich.

Sehr dankbar bin ich für die so interessanten Nachrichten über den Heliotrop. Ich liofte, Sie werden uns noch mit einer eigenen Ab- handlung über diese so äusserst wichtige und sinnreiche Erfindung be- schenken.

Neugierig -sehe ich den Versuchen und Beobb. mit dem RAMSDON'schen Sektor entgegen. Aus dem 4. Theil der Base [du Systeme] metr[iqiie] oder dem Werk von Biot und Arago habe ich doch so viel gesehen, dass Biot seine ehemalige 4" abweichende Breitenbestimmung von Dün- kirchen einem konstanten Fehler seines Multiplikations-Kreises zu- schreibt und versichert, die neuere französische und englische Bestim- mung habe genau dasselbe und auch gerade das gegeben, was Delambre dafür festsetzte.

'\^'ie Zach sich bei dem heftigen Angriff von Arago in den Annalen der Chemie und Physik nehmen wird, soll mich verlangen. Arago spricht ihm alle Kenntniss der physischen Astronomie ab und verspricht zu beweisen, dass Zach auch nicht mal die sphärische hinlänglich ver- stehe u. s. w. Ich fürchte, wir werden bei dieser P'ehde noch manche skandal(3sen Anekdoten erfahren.

YouNG hat mii^ „Elementary Illustrations of tlie celestial Mechanics of La Place. Part, th.e first comprehending tlte firsf BooJi^^ geschickt. Mit einigem Befi^emden findet man in der „Introdudion''^ eine ganz ele- mentare Mathematik, die mir doch bei einem solchen Werke von La Place ganz unpassend scheint.

Am Himmel giebt es, so viel ich weiss, nichts Neues. Es ist sonderbar, dass die ScHUMACHER'schen Astronomischen Nachrichten ge- rade in einer so dürren astronomischen Zeit anfangen.

^) Vergl hierzu Olbers' Brief von 1822 Juni 9, No. 453. Krni. -) Siehe auch Olbers Bd. I, No. 82. Krra.

172 öauss an Olbers. [Göttiugeu, 1822 März 7—12.]

No. 444. Gauss an Olbers.') [206

[Göttingen, 1822 März 1—12.Y)

Vielleicht ist es Ihnen nicht uninteressant, wenn ich Ihnen nocli einige Hauptresultate meiner in den letzten Wochen geführten Rech- nungen, über meine Messungen und die Fragmente, welche ich von den EpAiLLx'schen besitze, mittheile. Ich habe aus letzteren die Winkel der Dreiecke vom Hercules bis Bentheim so ziemlicli zusammen bringen können, wobei nur ungewiss bleibt, ob es die Chordenwinkel oder die bloss zu 180° abgeglichenen Horizontalwinkel sind. Ich habe das letz- tere angenommen; das erstere war mir deshalb weniger wahrschein- lich, weil Epailly öfters Winkel bloss durch Addiren partieller bildet. Diese Winkel, die mir von Epailly selbst 1805 kommunicirten, auf dem Andreasthurm in Braunschweig zwischen Söder, Burgdorf, Hannover und Brocken gemessenen, dann die auf dem Hohehagen von mir gemessene Richtung zum Hercules, so wie die vom Brocken nach Braunschweig, setzten mich in den Stand, Epaillt's Dreiecke an meine anzuschliessen. Die Reclmungen sind von mir auf das Schärfste nach den mir eigen- thümlichen Methoden gemacht.

Epailly hat aus seinen Dreiecken, indem er von der Kkayen- Horr'schen Seite Bentheim -Kirchhesepe ausgeht, die Längen und Breiten der Punkte bis zum Hercules berechnet mit der Abplattung -a.^-f und nach der Methode, die für die franz. Ingenieure von Sanson gedruckt vorgeschrieben ist.

Er findet für Holiehagen:

Breite 51<'28'26",032

Länge 7 25 54,36 von Paris

Azimuth des Hercules . . 55 51 43,204

Ich aus meinen Dreiecken (Polhöhe der Gott. Sternw. r)i0 3r4S".7 angenommen) :

[Breite] 51«28'81",913

[Länge] 0 10 45,149 [von Göttingen]

[Azimuth des Hercules] . . 55 51 15,449

Das Azimuth, welches mit einer wahrscheinlich zu kleinen Ab- plattung von Dünkirchen her übertragen war, ist also 27",755 zu gross. Ich habe daher jene EpAiLLY'schen Dreiecke rückwärts aus meinen

^) Dieser Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krni. -) Das Datum dieses Briefes muss nach dem t^chlusse dieses luul diiu Anfange des folgenden Briefes wie angegeben lauten. 8ch.

Gauss an Olbeis. [CTÖttiiiiron. 18-22 März 7— 12.] 173

Bestiniimiiiireu neu iiiul soi-fiffältigst beieclinet, so wie meine ei^^enen und einige MüFi'LiNG'sclie Punkte. Tcli setze daraus einige Resultate liier her:

Seeberg . .

Göttingen

Brocken . .

liraunscliweig

Hannover

Celle . . .

Kirehhesepe

50" ö6' t3".57t; ; ()°47' 9",196

51 81 48,700 0

:.l 48 2,532 + 0 40 22,932

52 16 10,819 + 0 34 37,801 52 22 25,069 0 12 28,398 52 37 44,0 +09 46,2

52 37 36,216 2 42 26,305

Es ergeben sich daraus \erschiedene interessante Resultate. Kirchhesepe setzt Keayenhoff

52«'37'32",212, 4»54'9",224 von Paris.

Die Breite differirt 4"; die Länge beibehalten würde Paris 7''36'35",529 westl. von Göttingen = 30'" 26^37; von Seeberg 8<'23'44",725 = 33'" 34^,982 liegen. Dies Resultat würde noch einige Bogensekunden

kleiner, wenn man mit der Abplattung w?\or^ ^^^ ^^'^ gebraucht habe,

bis Dünkirchen weiter ginge (welche Rechnung ich jedoch nur mit 5 Decimalen nach einer anderen Methode früher geführt hatte).

Den Logarithmen der Seite Kirchhesepe-Bentheim in Toisen finde ich 4,2701090 (eigentl. aus der Seeberger Basis), Krayenhoff 4,2701185 (aus der Basis von Melun).

Das Azimuth der Seite finde ich

34' 47",477 (auf meine eigene Orientirung gegründet). Keatenhoff 34' 54",079 (auf Delambee's Beob. in Dünkirchen).

Der Unterschied von 28" beim Hohehagen zwischen Epailly und mir ist also inzwischen auf 6",6 vermindert. Ob die 21" Unterschied mehr auf der geringeren Abplattung, oder der weniger genauen Rech- nungsmethode, oder auf Rechnungsfehlern beruhen, kann ich nicht sagen.

Ich hätte nun wohl mit meinem Azimuth, meiner Distanz und obiger Abplattung die KRAYENHOFF'schen Dreiecke um die NW-Grenze des Königreichs Hannover bis Westerstede berechnen wollen, allein die Arbeit würde zu viel Zeit kosten. Ich habe mich begnügt, aus Keayen- hoff's Länge und Breite von Kirchhesepe und Westerstede und seinen Dimensionen der Erde (Abpl. ^\^\ denn j^ ist gewiss ein Druck- fehler) die Distanz und Azimuth zu berechnen und dann den Loga- rithmen von jener um 95 Einheiten, sein Azimuth um 6",602 ver- mindern und daraus wieder mit meiner Abplattung und Polhöhe von Kirchhesepe die Lage von Westerstede zu berechnen; das Azimuth der Seite von Westerstede aus ist in der ersten Rechnung 7".427 grösser

174 Gauss an Olbers. [(Jöttiugen, 1822 März 7 12.]

als in der zweiten, so viel habe ich daher Keatenhoff's Azimut li von Varel vermindert und habe dann vermittelst der 8 EpAiLLY'schen Drei- ecke Oldenburg, Sandstedt und Bremen angeschlossen. Ich finde so

Oldenburg. . . 53° 8' 22",811 j 1" 43' 36",652 von Göttingen Bremen .... 53 449,353 \l 823,468 V)

Zach's chronometrische Bestimmung von Braunschweig, Celle und Bremen 1800 giebt daher die Länge aller drei Orte zu westlich, -j Celle am meisten. Doch ist bei mir in Eücksicht auf Celle noch eine Ungewissheit. Ich habe nämlich einen auf dem Brelinger Berge von Müller geschnittenen Thurm, den er als wahrscheinlich Burgdorf be- zeichnete, als identisch mit Epailly's Punkt angenommen, bekanntlich ist aber der früher hohe nadelspitzige Thurm nachher abgebrannt und jene Voraussetzung bleibt etwas zweifelhaft.*) Indessen beweisen an- dere Schnitte, dass der Brelinger Berg doch ziemlich nahe nieder- gelegt sein muss. Doch bin ich dieser Tage wieder etwas zweifelhaft geworden. Ich vermuthe nämlich, dass Asendorf vom Brelinger Berge sichtbar sein muss (Entfernung 50 550 m), da Epailly Asendorf von dem fast 60 000 m entfernten Falkenberg sah. Die Eichtung von Asen- dorf lässt sich berechnen, allein unter Müller's Schnitten ist nur ein entferntes Thürmchen unter einem 4 Grad kleineren Azimuthe. Nähme ich an, dies sei Asendorf gewesen, so fiele der Brelinger Berg 561 m nördlicher, 77 m westlicher und jener Thurm könnte dann Burgdorf nicht gewesen sein. Celle würde dann 458 m nördlicher, 482 m westlicher als vorher; Zach's Längenbestimmung wäre etwas weniger fehlerhaft (obwohl nicht viel), dagegen aber die beobachtete Polhöhe noch schlechter. Ich bemerke, dass sich alles auf den Schlossthurm bezieht.

Ich vermuthe auch noch, dass Verden auf dem Brelinger Berge zu sehen und von Müller wirklich gesehen ist. Die Richtung trifft auf

die Minute zu bei einem fernen so gezeichneten Thurm i ,^.

wenn ich Brelinger Berg wie anfangs und Verden nach Gildemeister (Zach's Reise p. 47) 90 892 Rh. Fuss östlich und 55 054 Fuss südlich von Bremen annehme und voraussetze, dass sich dies auf den wahren

^) Diese Werthe werden im Brief No. 448 vorbessert in: öo" 4' 49", 252 und l^S' 22",497. Krm.

-) Olbers fand nach Brief No. 400 Aebnliehes, nämlich dass v. Zach die Länsre seines Observations-Zimmers um 5^,5 (von Paris gerechnet) zu klein, von Gottingen aus also zu westlich angesetzt hatte. Siehe auch nächsten Brief, sowie Brief Xo. 448. In dem Briefe an Oi.behs vom 6. Juli 1824 giebt G.vuss die genauen aus seinen Messungen abgeleiteten Koordinaten Bremens. Krm.

*) Diese Ungewisslieit intluirt insofern auf die Lage von Cello, als diese durch die Schnitte von ^^'oblenlterg und Brelinger Berg von mir berechnet ist.

Gauss an Olbers. [Güttingen, 182-i .März 7 1"_'.] 175

Hrt'iiicr Meiidian bezieht. Viclleiclit könnten Sie mii* hierüber, so wie ob der .luhannisthurm in Verden so aussieht, vielleicht auch, falls Hr. Senator Gilkemeister selbst da gewesen, ob er wohl für einen 12 zoll. Theodulithen zugänglich ist, Auskunft gelegentlich verschaffen.

Anfangs, ehe ich diese Angabe auffand, hatte ich Verden nach ].K(OQ zwischen Hannover und Neustadt am Kübenberge interpolirt. wo l'nterschied im Azimuth jenes Thürmchens hervorging, nachher n;ichdem ich Bremen berechnet hatte, wieder nach Lecoq zwischen Hannover und Bremen interpolirt, w'o Unterschied in entgegen- gesetztem Sinn hervorging. Es scheint, dass Lecoq's Messungen zum Theil sehr schlecht sind.

Jene Tngewissheit über Celle wird sich an Ort und Stelle leicht entscheiden, falls ich im nächsten Monat zuerst eine Rekognoscirungs- reise ins Lüneburgische mache. Ich gestehe, dass ich mich vor dieser Arbeit fürchte, da so ungeiuiss ist, wie sie gelingt, und da das Gelingen der Arbeiten das einzige Angenehme und der einzige Lohn derselben ist. Epailly, der in nichts schonende Rücksichten zu nehmen brauchte, erklärte die direkte Verbindung mit Hamburg geradezu für unmöglich, nachdem er lange alles untersucht hatte, und führte deshalb seine Dreiecke die Weser herunter und wieder die Elbe herauf.

Hätte ich nur das einzige EpAiLLY'sche Dreieck Twistringen, Bremen, Asendorf erhalten können, so würde die Anschliessung von Bremen viel leichter und zuverlässiger geschehen sein. Ich habe aber aus Paris nichts weiter erhalten können, als die Namen der Stationen und eine gam unrichtige Seite (Hohenhorn-Lüneburg).

Haben Sie wohl Arago's Angriff auf Zach^) im Journal de Fhy- sique gelesen? Ich fürchte, dass der Skandal noch nicht das Schlinnnste dabei ist. Wenn die Grossen, die die Wissenschaften ermuntern sollen, und die von der exakten Wissenschaft gewöhnlich gar nichts verstehen, jetzt sehen, dass der, welcher ein Menschenalter hindurch in Deutsch- land bei ihnen als einer der ersten Astronomen gegolten, im Lichte eines erbärmlichen Ignoranten dargestellt wird, so kann man ihnen billiger Weise keinen Vorwurf mehr machen, wenn sie keiner Repu- tation mehr trauen und gar nicht wissen, wie sie daran sind; und Windbeutel und Speichellecker (wie S[EYrrEE] in M[ünchen] früher das Beispiel gegeben) werden dann noch mehr wie bisher mit dem Ver- dienst die Societas leonina halten, indem jene den Lohn nehmen und diesen die Arbeit lassen.

^) Vergl. Brief von Gauss an Schumacher von 1822 Jau. 26, No. 137 im Brief- wechsel Gaüss-Schumacher. Krm.

j^76 Olbers an Gauss. Bremen, 1S"22 März l'.i.

No. 445. Olbers an Gauss. [239

Bremen, 1822 März 19.

Unsere letzten Biiefe haben sich gekreuzt. Wie sehr ich Ilinen für den Ihrigen verbunden bin, kann ich Ihnen nicht genug sagen. Er ist mir äusserst lehrreich, äusserst interessant gewesen und giebt mir zugleicli die frohe Hoffnung, dass Sie in der Folge Ihrer Messungen auch Bremen mit in Ihre Dreiecke aufnehmen werden. Ueber Verden habe ich Senator Gildemeistee gleich befragt; was er mir antwortete, enthält die Beilage.^) Nachher hat aber unser Wasserbau-Inspektor Blohm sich ganz bestimmt erklärt: der Johannisthurm sehe allerdings in der Ferne so aus, wie ihn Ihre Zeichnung darstellt, und an schick- lichem Raum, mit dem 12 zölligen Theodolithen dort zu operiren. könne es auf diesem Thurm nicht fehlen. Man habe schon das Projekt ge- habt, auf der Plattform des Thurmes statt der kleinen Spitze eine Windmühle zu setzen, weil Verden einer solchen bedürfe, die Ausführ- barkeit sei erwiesen und schon der Anschlag gemacht worden. Nach- her hätten aber Bedenklichkeiten über Feuers- und Gewittergefahr die A usf ührung verhindert.

Wie nahe wird Sie denn Ihre Rekognoscirungs-Reise unserem Bremen bringen, lieber Gauss? Ist gar keine Hoffnung, dass Sie sich ein paar Tage bei Ihrem alten Freunde ausruhen werden? Und, wenn nicht jetzt, vielleicht in der Folge des Sommers?

Die geographische Lage von Bremen, oder vielmelir des Ansg[ariusj-

Thurmes scheint jetzt sehr gut bestimmt. Es ist nämlich:

Läne:e von t> •*

Paris ^^"t^

Nach Gildemeister's und meinen astron.

Beobb 25"' 52^3 53» 4' 50"

Nach der Verbindung mit Lilienthal, die Länge von Lilienthal 26'" 18^ ange- nommen 25 51,5 ....

Nach EpAiiiLY's Dreiecken und seiner

Rechnung 25 53.0 53 4 45,3

Nach Ihrer Berechnung in Beziehung

auf (TÖttingen 25 52,8 53 4 4i»,o

Die Länge meiner Wohnung, die ich bisher 25'" 53*-) von Pai'is setzte, wird also künftig richtiger 25"' 54^ anzunehmen sein.

^) Die Beilage ist uutor den Originalbriefen nicht mehr vorhanden. Krm. -) 25™ 53^,5 nach Brief No. 400. Vergl. hierzu Ergänzungsband zu W. Olbkrs' Werken, S. 5 ff. und P.d. I No. 177. Krm.

KII..V- ;n( (Jixuss. lireiaon, 1822 März li», 177

Hecht sehr vrihuii:! niicl» mm, etwas von Ihren Heobb. mit dem Sektor zu hören luul inwiefern dieser mit Ihrem Kekhenjj.u ii'scheu und REPsoLD'schen Kreise stimmen wird.

Ihre Ansicht von dem Nachtheil, den Zach's und Arago's Zänkereien tür die Wissenschaften haben können, war mir ebenso neu, als sie lichtig ist. Gewiss ist es, dass niemand besser verstand, seine oft massigen Kenntnisse geltend zu machen und Laien und Halbwisseiii zu imiioniren. als Zach. Aber er ist doch auch nicht ganz so schwach und noch weniger so verdienstlos, als Ara(;o ihn machen will. Seine grosse weitgetriebene ( 'harlatanerie ist schlechterdings nicht zu läugnen ; aber ohne dieselbe würde er der Astronomie in Deutschland wohl nicht den Schwung gegeben haben, die sie ihm doch gewiss zum Theil zu ver- danken hat. Mit seinen eigenen Arbeiten ist es ihm doch etwas un- irlücklich gegangen. Seine Sonnentafeln ich lasse es dahin gestellt sein, ob die zweite Ausgabe Plagiat war sind durch Delambre und Oari-ini ausser Gebrauch gekommen. Sein Fixstern-Katalog, auf den er sich gewiss ebenso viel einbildete, als ehemals Hevel auf den seinigen, hat mit diesem gleiches Schicksal geliabt, man hört noch kaum von ihm. Seine geographischen Ortsbestimmungen sind insofern als missglückt anzusehen, als er mit Sextanten und Chronometern eine i-ienauigkeit erwartete und erreicht zu haben glaubte, die wohl nicht möglich ist. Seine angefangene Gradmessung wurde unterbrochen. Wenn ich nun gleich gestehen muss, dass Zach"s zuletzt gar zu weit iretriebene Arroganz und Insolenz wohl eine kleine Demüthigung ver- dient, so möchte ich ihn doch auch nicht von den auf andere Art oft auch sehr arroganten Franzosen gar zu tief heruntergesetzt sehen.

Auffallend in Ihrem Briefe war es mir noch, dass die Seite Kirch- hesepe Bentheim aus der Seeberger Basis kleiner herauskommt als aus der von Mehm. Ich meine, man halte sonst schon die Meluner Basis für etwas zu klein.

Den ENCKE'schen Kometen bei seiner diesmaligen Rückkunft zu sehen, habe ich nun alle Hoffnung aufgeben müssen. Aber auf süd- licheren Sternwarten Europas bei freiem Horizont darf man diese Hoif- nung nicht fahren lassen. Es ist eine kleine Irrung, wenn Encke sagt, der Komet gehe im Anfang Juni zugleich mit der O unter. Man sieht aus der von ihm selbst berechneten Ephemeride, dass die östliche Elon- gation des Kometen von der Sonne von dem letzten Drittel des April an immer wieder zunimmt und Ende Mai 20—23^ [wird], so viel wie ge- wöhnlich die grösste Elongation des Merkur beträgt. Bei der dann statt- lindenden grossen Lichtstärke und Helligkeit dürfte der Komet mit ge- hörig angewandten guten Sehwerkzeugen auf südlicheren Sternwarten leicht aufzufinden sein. Bei uns vertieft sich die Sonne zu langsam

Olhers. II, 2. 12

178 Gauss an Olbers. Göttingen, 1822 März 25.

unterm Horizont. Ich liabe Schumacher gebeten, diese kleine Be- merkung^} zu dem ENCKE'schen Aufsatz in seinen Ästron. N. bekannt zu machen.

Am 13. März habe ich die grosse Freude gehabt, dass der hiesige Senat meinen Sohn zum Sjmdikus erwählt hat. So hat er nun eine ehrenvolle Anstellung, einen ausgedehnten Wirkungskreis und eine an- ständige Versorgung. Im Mai wird er mir meine künftige Schwieger- tochter zuführen, worauf ich mich schon recht sehr freue.

No. 446. Gauss an Olbers." j [207

Göttingen, 1822 März 25.

Mit grosser Freude habe ich aus öffentlichen Blättern und aus Ihrem Briefe die Nachricht von der ehrenvollen Fixirung Ihres wür- digen Hrn. Sohnes erfahren. Ich wünsche Ihnen um so herzlicher Glück und theile um so inniger Ihre Vaterfreude, je lebhafter ich. dessen grösste Sorgen sich immer in den Kindern koncentriren . mir dieselbe vorstellen kann.

Für die gütige ]\Iittheilung der Nachrichten des Hrn. Senator Gildemeister danke ich Ihnen verbindlichst. Ich habe die Data über die relative Lage von Bremen, Bademühle, Bücken und Asendorf auf das Schärfste berechnet und daraus gefunden

Azimuth von Asendorf auf dem Ansgariusthurm

in Bremen nach Gildemeister und Kleist 338° 10' 3",2

Distanz in rheinländischen Fuss 117370,4

Dagegen finde ich aus den Resultaten der EpAiLLY'sclien und KRATENHOFF'schen Dreiecke, wie ich es Ihnen in meinem letzten Briefe auseinandergesetzt habe

Azimuth von Asendorf ') 338" 7'0",8

Distanz (log. in Toisen 4,2704656) gleichfalls

in rheinl. Fuss 117 325,3

Allein es findet sich nun bei \'erden doch noch eine Bedenklich- keit. In meiner früheren Rechnung entdeckte ich einen kleinen Fehler; nach dessen ^'erbesserung fällt das berechnete Azinuith von Verden auf dem Brelinger Berge um 15 Minuten kleiner aus als nach Millers

1) Olbers Bd. I No. 82, S. 383. Kim. -) Dieser Brief ist in deutscher Schrift gescbriehen. Kriii. ^) Durch den in der Anmerkung S. 174 erwähnten Fehler auch etwas unrichtig. Der genaue Werth ist nach Brief No. 448: 388" 8' 28",G79. Krm.

(;..!,< Ml OU.ers. Güttingeu. 1822 März 2'>. 179

lVi»h. des TliuriiiL's iiuat-st. (der an zwei verscliiedenen Ta<ren auf die .Minute übereinst inimend treschnitten ist). Der Donitluirm ist in Merian's Topographie auch ungefähr so gezeichnet; allein da dieser nach Zach's Heise p[raeter] [projpter 1500 Fuss südlicJt vom Johannisthurm liegen soll, so wäre dessen berechnetes Azimuth noch kleiner (ich zähle die Aziuuithe immer von Süden an nach Westen etc.). Diese Ungewissheiten werden sich wolil dhne genauere Messungen an Ort und Stelle nicht aufklären lassen.

Ich linde nun unter Milleks Beobb. auf dem ßreliuger Berge noch einen entfernten Nadelthurm, dessen beobachtete Richtung auf die Minute mit dem berechneten Azimuthe von Bücken übereinstimmt, ich hatte aber gemeint mich zu erinnern, dass Bücken einen stumpf- [»yramidalen Thurm habe. Ist jener Bücken gewesen, so kann der andere, dessen ich in meinem letzten Briefe erwähnte, nicht Asendorf gewesen sein; vielleicht war es Balge. Sollte Hr. Senator Gildemeister Data besitzen, die Lage von Balge gegen Asendorf zu berechnen, so würde ich diese, wie jede andere ähnliche Mittheilung mit vielem Danke erkennen.

1 )ie Abholung des Zenith-Sektors im Herbst hatte bloss zum Zweck, ihn während des Winters, ohne etwas zu übereilen, aufzustellen und mich mit dem Instrument bekannt zu machen. Die wenigen bisher damit gemachten Beobb. sind daher nur erst als Versuche anzusehen und haben eigentlich noch gar keinen W'erth; die Sterne, auf die es eigentlich ankommt, sind jetzt unsichtbar. Wie sehr mich verlangt, Sie, theuerster Olbeks, nach fast 3 Jahren einmal wieder zu umarmen, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Während der eigentlichen Messungs- operationen im bevorstehenden Sommer habe ich aber um so geringere Hoifnung, einmal nach Bremen kommen zu können, da eigentlich die ganze Arbeit auf mir allein ruht, und ich während jeder reldche alle meine Gehülfen feiern lassen müsste. Wie nahe eine Eekognoscirungs- reise mich Bremen führen würde, lässt sich noch nicht bestimmen; ist es möglich, so muss die Verbindung östlich von der Linie durch Bre- linger Berg, Falkenberg, Wilsede vielleicht in den Gegenden von Ebs- torf, Uelzen, Escliede etc. gesucht werden. Ist dies aber unmöglich, so würde es freilich westlich versucht werden müssen (obwohl es Epailly lueder auf der einen, noch auf der anderen ausführbar fand). Gerade in dieser Beziehung sind mir alle jene Gegenden betreffenden Notizen und Zahlen im voraus schätzbar. Einer freilich nicht ganz zuver- lässigen Nachricht zu Folge soll Epailly auf dem Berge bei Wilsede ausser Apensen, Littensen, Hamburg, Lüneburg und Falkenberg auch einen Signalthurra bei dem Haidkruge hei Verden observii't haben; ich finde aber in dem Netz nichts, was sich darauf bezieht. Sollte viel-

12*

180 Gauss au Olbers. Göttingen, 1822 ,März 25.

leicht der Haidkrug auch ein Punkt der GiLDEzuEisTEit-KLEiST'schen Triangulirung gewesen sein?

Eigentlich kann ich aber zur Stunde noch gar keinen Plan machen, da ich auf meine die Fortsetzung des Geschäfts betreffende und schon vor mehreren Wochen an das 'Kabinetts-Ministerium gesandte Eingabe bis dato noch keine Antwort und Resolution erhalten habe und daher nicht weiss, was für neue Schwierigkeiten sich noch zeigen können.

Mit Heliotropen würde ich hinlänglich versehen sein. Ausser dem im vorigen Jahre gebrauchten von der ersten Einrichtung Hess ich zwei nach der anderen schon im vorigen Sommer in Arbeit nehmen, deren erster zwar schon im Okt. v. J. fertig wurde, aber erst in diesen Tagen transportfähig wird. Es sind auch noch ein paar kleine \'er- besserungen dabei angebracht. Der andere nach dieser Einrichtung Avird in ein paar Wochen fertig werden (einen ähnlichen nach dieser und einen nach der ersten Einrichtung macht Hr. Kumpf zugleich für den General v. Müffling). Ausserdem habe ich noch an dem Teough- TON'schen Theodolithen eine solche Vorrichtung anbringen lassen (wie ich, wenn ich nicht irre, vor einiger Zeit beschrieb), M mit deren Hülfe ich einen montirten Spiegel von etwa 50 Quadratzoll Fläche nach Be- lieben und auch nach Punkten, deren Azimuth und Höhe ich kenne, ohne nöthig zu haben, sie selbst zu sehen, richten kann. Einige da- mit in diesen Tagen gemachte Versuche im Kleinen sind sehr gut aus- gefallen. Endlich der ganz grosse Spiegel von 145 Quadratzoll Fläche würde auf dem Brocken (falls ich ihn wieder besuchen sollte) sehr nützliche Dienste leisten. Ein etwas grösserer Spiegel könnte auch beim Gebrauch des Sextantenheliotrops nützliche Dienste leisten, wenn die Sonne selbst in einer solchen Angularstellung ist, dass man jenen für sich nicht brauchen kann. Man darf nur anstatt des Sonnenlichts selbst das aus einem solchen Spiegel retiektirte auf den Sextanten- spiegel fallen lassen. Trotz der doppelten Reflexion würde das Licht noch immer hell genug sein, zumal da man den Hülfsspiegel immer so stellen kann, dass günstige Incidenzwinkel stattfinden. A\'äre ich auf diese Idee früher gekommen, um sie voriges Jahr Hrn. Kncke an die Hand geben zu können, so hätte er mir vom Inselsberg aus den ganzen Tag hindurch nach dem Brocken Licht schicken können, da er ohne dieselbe nur auf wenige ]\Iinuten vor O Untergang und wenige Tage beschränkt war, und (hmn wäre der Winkel wahrscheinlich zu meiner Zufriedenheit gemessen.

Indem ich neulich einige ältere Aufsätze von Zai.h diuchblätterte, fand ich, dass bei Marseille die Aussicht nach den Pj'renäen (3(5 geogr.

') Brief 1822 Fel.r. 11, No. 442. Knii.

Olbers an CJauss. lln-iiiiMi. 1^2-! April 11. Jg]^

Meilen entfernt i offen ist. Vielleicht wäre es für die Kenntniss der Gestalt der Erde das Frnchtbarste, was man thnn könnte, einen gfrossen Längengi-adbogen durch mehrere solche lange Linien zu messen, nur muss sich die Läng:e nicht auf Zeitbeobb., sondern auf die Konvergenz der Meridiane gründen, ^^'enn alle "Winkel mit grösster Sorgfalt mit Hülfe von Heliotropen gemessen werden und an den östl. und west- lichsten Endi)unkten die wahren Azimuthe mit Hülfe guter Universal- instrumente durch den Nordstern, so Hesse sich (bei sehr grossen Seiten) (h\durch eine Genauigkeit erreichen, die der von Breitenbogen wenig nachgeben würde. Vom Mt. A'entoux sieht man die Pyrenäen und Schweizer Alpen, von diesen bis ins Tyrol u. s. w. Die Grösse der Ge- nauigkeit wächst hier freilich nicht (wie bei Meridianbogen) im Vei- hältniss der Grösse des Bogens, insofern grössere Bogen grössere Zahl \on Seiten erfordern; aber sie wächst doch auch damit, wenngleicli langsamer. Doch davon ein ander Mal mehr.

Mein Kollege Gsiander ist heute, wie ich so eben erfahre, mit Tod al)gegangen.

Mit 100 Stück Spiegeln, jeden zu 16 Quadratfuss Fläche, vereint gebraucht würde man gutes Heliotrop-Licht nach dem ]\rond schicken können. Schade, dass wir nicht einen solchen Apparat mit einem Detachement von 100 Leuten und ein paar Astronomen dahin senden können, uns zu Längenbestimmungen Zeiten zu geben.

No. 447. 01I)ers an Gauss. [24o

Bremen, 1822 April 11.

Mit vielem Vergnügen und der grössten BereitAvilligkeit theilt Ilinen Hr. Sen. Gildemeister unter seiner gehorsamsten Empfehlung in der Beilage^) alles mit, was er von Dreiecken in der von Ihnen be- zeichneten Gegend hat. Sie werden sehen, dass die verlangte Lage von Balge mit darunter ist.

Schon daraus, dass Sie Asendorf aus Epailly's Dreiecken berechnen können, schliesse ich, dass meine Abschrift von den EPAiLLv'schen Drei- ecken unvollständiger und auch sonst wahrscheinlich von der, die Sie besitzen, etwas verschieden ist. Unter den mir von Prof. Oltmaxxs mitgetheilten kommt Asendorf gar nicht vor, und alle Distanzen, die Epailly doch gewiss in Metern gemessen hatte, werden in rheinländi-

^) Die beigelegte Mittheilung des Senator Gildemeister ist bei den Original- briefen nicht mehr vorhanden. Krni.

182

Olbers an Gauss. Bremen, 1822 April 11.

sehen Fuss angegeben. Da auch viele KKAYEXHOFF'sche Dreiecke mit vorkommen, so sehe ich, dass bei der Reduktion des Meter auf rhein- ländische Fuss dieser zu 139,1713 Par. Linien angenommen ist, also kleiner als man ihn jetzt nach Lulofs (139,1835) gewöhnlich an- nimmt.

Ich setze zur Vergleichung die Dreiecke zwischen Oldenburg und Bremen nach Oltmanns her:

Winkel

Entferuung-en

in Log-.

in rheinl. Fu?

Oldenbnrg- . Wildeshausen Bremen . .

Sandstedt . Oldenburg- . Bremen . .

Neuenkirchen Oldenburg- . Bremen . .

5P27'15",336 79 49 59,016

48 42 45,648

70 46 33,924 59 39 10,926

49 34 15,150

109 47 47,332 37 54 7,092 32 18 5,576

5,0039230 5,1037811 4,9865313

5,1037811 5,0647008 5,0102029

5,1037811 4,9186261

4,8580832

100907,4

126993,4

96946,3

126993.4 116064,9 102377,1

126993,4 82913,7 72124.6

Ich bitte, lieber Gauss, mir zu sagen, ob diese Probe meiner Ab- schrift von der Ihrigen wesentlich verschieden ist.

Aus der hier angegebenen Distanz 126 993,4 und dem mir von Epaillt angegebenen Azimutli von Oldenburg auf Ansgarius-Thurm

1

99^45' 48",43 habe ich in der Abplattung

nach Bohnenbergeb's

302,78

Formeln den Unterschied der Polhöhen 3' 33",544, den Unterschied der Länge 35'14",491 berechnet. Sie gaben in Ihrem vorletzten Briefe ersteren 3'33",458, letzteren 35'13"1S3^) an. Ich glaube wohl, dass Bohnenberger's Foi'ineln nicht die Schärfe der Ihrigen haben,- allein auf so kleine Distanzen müssten doch, meine ich, die Resultate näher übereinstimmen, wenn wir einerlei Daten zu Grunde gelegt hätten. Ich habe mit AValbeck den Durchmesser") des Aequatoi"S der Erde zu 3271819, die halbe kleinere Axe = 3261014 Toisen angenommen. Viel- leicht haben Sie beide Grössen etwas anders bestimmt? Irh wünschte

^) Fehlerhaft, vergl. die betreffende Anmerkung zu Ikief Xo. 444 und die be- richtigten Angaben in Brief No. 448. Im übrigen vergl. zu diesen Angaben und denen des Briefes No. 449 über die geographische Lage Bremens Oi^eks Bd. I No. 176. Krm.

-) Gemeint ist nach dem Zahlenwerth der Halbmesser des Aequators. Krm.

Gauss an (Mbers. (jüttiugeu, 1822 April 18. jg3

sehr, dass Sie micli darüber zurecht wiesen, um keine verfreblichen Recli- nungen mit inkurrekten Annahmen zu maclien.

Ihre Idee, die Gestalt der Erde durch grosse Längen-Gradbogen zu bestimmen, gefällt mir sehr, wenn sieh die wahren Azimuthe durch gute Universal- Instrumente wirklich bis auf einzelne Theile von Se- kunden sicher bestimmen lassen. Auffallend ist es mir doch, wie Kkayenhoff das Azimuth in Amsterdam und Jever mit dem von Dün- kirchen abgeleiteten so übereinstimmend linden konnte, da er doch bei dieser Ableitung die gewiss viel zu kleine Abplattung ^Ij- ge- braucht hat.

Die Heliotroi)e werden durch Ihren Scharfsinn immer vollkommener. Die Idee, durch doppelte Spiegelung jede Stellung gegen die Sonne be- nutzen zu können, dehnt ihren Gebrauch gewiss ungemein aus,

Haben Sie schon die Mailänder Ephemeriden erhalten, kürzlich etwas von Zach's Corresp. [Ästronomique] gesehen? Mir bleiben beide aus. Wie weit besitzen Sie Zach's Correspondance? Auch von der astronomischen Societät in England habe ich diesen AMnter nichts gehört.

Ebenso haben wir, der durcli die vielen Stürme erschwerten Schiff- fahrt wegen, den letzten Band der Philos. Tra)isact. noch nicht er- halten. Ich bin besonders neugierig auf Wkonski's x\bhandlung über die Figur der Erde, da dies das erste Mal ist, dass dieser berüchtigte Charlatan seine so sehr gerühmten analytischen Entdeckungen bei einem Gegenstand der physischen Astronomie wirklich anwendet.

Der Sohn unseres würdigen Senator Gildemeistee wird Ihnen dies kleine Packet chen mitnehmen, aber bei seiner Durchreise durch Göttingen vielleicht nicht die Zeit haben, Ihnen persönlich aufzuwarten. Um die Gelegenheit nicht zu versäumen, kann ich nur noch die Versicherung der unveränderlichen innigsten Verehrung, Liebe und Anhänglichkeit liinzufügen.

No. 448. Gauss an Olbers.') 1208

Göttingen, 1822 April 18.

Recht sehr willkommen waren mir die gütigen Mittheilungen des Hi'u. Senator Gildemeistee, welchem ich dafür meinen verbindlichsten Dank zu sagen bitte. Ich habe die meisten darin berührten Punkte berechnet; allein Verden passt noch immer nicht besser mit der Beob. auf dem Brelinger Berge, indem die Rechnung ein um 16' kleineres

^) Dieser Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

134 Gauss an Olbers. Göttingen, 1822 April 18.

Aziniutli giebt; auch bei dem anderen Thurm erhalte ich weder mit Asendorf noch mit Balge genügende Uebereinstimmung; bei jenem Thurm giebt die Rechnung 34', bei diesem 26' mehr als die Beob. Bücken trifft auf die Minute mit einem beobachteten Thurm, und die Mühle von Bergkirchen auf 4' mit einer geschnittenen Windmühle; in den Eichtungen von Nienburg, Drakenburg, Eistrup und Döverden ist nichts beobachtet.

Meine Abschrift der EpAiLLv'schen Dreiecke in Ostfriesland (die ich schon vor 6 Jahren in Hannover erhielt) wird nach Ihrer Probe ganz mit der Ihrigen identisch sein. Ich glaubte Ihnen bereits früher^) gemeldet zu haben, dass ich ausser diesen ostfriesischen Dreiecken auf anderen AVegen noch ein paar ganz isolierte Bruchstücke und dann nocli die Abschrift eines Rechnungsheftes erhalten habe, welches nach Sanson's Formular die Berechnung der Längen und Breiten der Punkte in einer Kette von Dreiecken, von Kirchhesepe bis zum Hercules, enthält (worin Twistringen, Asendorf, Falkenberg die nördlichsten Punkte sind), und woraus ich, so gut es gehen wollte, die Winkel, obwohl mit einer kleinen Ungewissheit und mit einer nur indirekt auszufüllenden Lücke, zusammengesucht, und so, da ich nach der Ihnen schon angezeigten Art dieses Netz, welches am Hohehagen mit mir einen gemeinschaftlichen Punkt hat, an meine Messungen angeschlossen habe, so ist durcli den Umweg über Holland Bremen mit Göttingen verbunden.

Nt(7- der letzte Theil dieser Rechnung war flüchtig und ohne Kon- trolle gemacht; Hir letzter Brief gab mir Gelegenheit, einen Schreib- fehler darin zu entdecken, da ich den Logarithmen der Seite Oldenburg um 2 Einheiten in der 4. Decimale zu klein gesetzt hatte. Nach Ver- besserung desselben ist die

Breite von Bremen 53«4'49",252, Länge 1°8'22",497 w. v. Gott.

Azimuth von Oldenburg 99045'52",204. Die Distanz war 20455,378 Toisen genommen.

Bei^) allen meinen Rechnungen liegen folgende Dimensionen der Erde zu Grunde:

0 = 3271821 0 = 3261011

Abplattung = 3^ >-gg

Eigentlich hatte ich ganz Walbeck's Resultat annehmen w ollen .^..., ,. -, Durch einen Schreibfehler hatte ich aber jene schon vor längerer Zeit

1) Brief No. 402, S. 61. Krm.

-) Dieser Tlieil des Briefes bis „Genauigkeit liegt" i^t aiuh abgedruckt iu Gavss' Werken Bd. IX. S. 369. Vercl. hierzu Brief No. 444. Kriii.

(iaiis- an Ulbers. (iüttingcn, 1S22 Aiuil 18. 135

der Berechniuiji- von iiiandioilri Hülfstafeln uiitergelej^t und hielt es um so weniger der Miilic wcrtli. diese deshalb umzuarbeiten, da der Unterschied weit unter der durfli alle Gradmessungen zu erreichenden Genauigkeit liegt. Ich linde also jetzt:

Unterschied mit Oldenburg .... 213",559 2114",155

die BoHNENBERGER'sche ^lethode, nach welcher Sie 213",544 2114",491 gefunden haben, ist mir unbekannt. Delambre's Formeln, die ich ein- mal versuchsweise auf die Berechnung der relativen Lage von Seeberg und Mannheim angewandt habe, gaben die Länge 7",4, die Breite 4".9, das Aziniuth 1",5 unrichtig.

Bei dieser Gelegenheit will ich noch anführen, dass meine all- gemeinen Untersuchungen über die krummen Flächen worüber ich in der letzten Zeit mehrere schöne allgemeine Theoreme gefunden habe, mir neulich Veranlassung gaben, Thune's Ihnen vermuthlich bekannte Dissertation über die sphäroidische Trigonometrie in die Hände zu nehmen, wo ich mich um so mehr gewundert habe, den ersten Para- graph unrichtig zu finden, da man der Vorrede nach, so wie auch nach der übrigens eleganten Durchführung annehmen muss, dass dieser von Bessel herrührt. Die krumme Fläche wird hier in ihrer Allgemeinheit betrachtet, d. i. nicht vorausgesetzt, dass sie einem Revolutionskörper angehöre, allein dann ist V{PPdq'^ -{- ggdoj^) nicht die Entfernung der beiden Punkte, den die

Breiten . . . . P, P -\- dqi Längen . . . . oj,(o-\-da)

angehören, weil die Linien, in denen 9? konstant ist, diejenigen, in welchen cu es ist, nicht unter rechten Winkeln schneiden. Die specielle Auflösung für den Kevolutionskörper bleibt dann unbeschadet richtig (die auch lange bekannt ist, ich meine zuerst durch Claieaut), die weiteren Formeln für die sogenannte sphäroidische Trigonometrie, die in jener Abhandlung vorkommen, habe ich übrigens nicht geprüft, da ich für den praktischen Gebrauch das ganze Verfahren nicht rath- sam finde.

In Beziehung auf die KLEisT'schen Messungen will ich noch an- führen, dass ich aus der verbesserten Lage von Bremen (über Holland hergeholt) nun das berechnete Azimuth von Asendorf^) 338**8'28",679 finde, welches aus Gildemeister's erster Mittheilung 338^1 0'3",2 folgte. Der Unterschied ist nun sehr unbedeutend, zumal da ich nicht weiss, auf welche Art das absolute Azimuth in Bremen bestimmt war. Jenes

1) Vergl. Brief No. 446, S. 178. Krm.

186 Olbers an Gauss. Bremen, 1822 April 27.

berecliiiete beruht im Grunde auf der Orieiitirunj^ meines Meridian- zeicliens, durch einen ungeheuren Umweg übertragen.

Dass man mit einem Universalinstrument die absoluten Azimuthe auf Brüche von Sekunden genau und gewiss bestimmen könne, will ich nicht behaupten; aber mir deucht, dass man bei gehörig angewandter Vorsicht die Längenunterschiede auf dem von mir angedeuteten Wege beträchtlich genauer als durch direkte Bestimmungen, die auf absoluter Zeitmessung beruhen, erhalten kann. Auch bei den Breiten sollten wir wohl nicht auf kleine Brüche von Sekunden Anspruch machen.

Die Mailänder Ephemeriden habe ich dieser Tage erhalten, hin- gegen seit langer Zeit nichts von Zach's Correspondance. Der Okt. 1820 ist mein letztes Heft.

Dass Kratenhoff's Azimuthe, die an einem Orte unter sich so unge- heure Unterschiede geben, am Ende mit einer vermuthlich zu kleinen Ab- plattung übereinstimmen, ist, wenn nicht vielleicht etwas gewählt sein mag, wohl nur Zufall. Solche Azimuthalbeobb. können wohl über die Gestalt der Erde ebenso wenig etwas entscheiden, wie die Beobb. der ZACH'schen\) Pulversignale durch ungeübte Officiere, die mit Spiegel- sextanten, über Glashorizonten und an Chronometern, deren gleichförmiger Gang übertrieben wurde, ihre Zeitbestimmung machten.

Meine Rekognoscirungsreise werde ich nun vermuthlich bald an- treten.

No. 449. Olbers an Gauss. [241

Bremen, 1822 April 27.

Für die mir mitgetheilten Konstanten, deren Sie sich bei den Orts- bestimmungen aus den geod. Messungen bedienen, danke ich recht sehr. Die kleine Dilferenz zwischen der Unterschiedsbestimmung von Olden- burg und Bremen klärt sich nun ganz auf. Ich habe nämlich Lulofs" Bestimmung des rheinländischen Fusses zu Grunde gelegt und so die Distanz von Oldenburg in Toisen etwas grösser 20457,(323 [gefunden], das Azimuth aber, wie es mir Epailly unmittelbar als in Bremen be- obachtet [angegeben], 99"45'4:8",43 vorausgesetzt. Die Bohnenbekger- sclien Formeln stehen im 6, Bande der Mon. Corr., lassen aber bei der Anwendung eine bequemere Einrichtung zu.

Ebenso habe ich Puissant's Formeln {Conn. des tems 182oi. um den p]influss einer Veränderung der Abplattung auf die geograjjliisclie Lage eines Orts, wie er aus den Triangeln hergeleitet ist. zu berechnen,

^) Vergl. hierzu auch Omu.hs Ed. IT, 1, S. 177 179. Krm.

olbers an (niiiss. Uriiiii'U, 1822 April 27. 187

eine viel einfachere Form gefrelxMi. Es sei P und H die Länge und Breite des Orts, den man zu Grunde gelegt hat, F-{-dF nm\ H-^clH die berechnete Länge uiul Breite eines anderen Orts in der Abplattung a, r+dr'. H-{-dH' dieselbe in der Abplattung a-f tia, so ist

dH' = dH-\- idHdc<cos2H

C0S2Ä'

dP' =dP—dPda[l~ ^

statt 2H wird sicherer für dH', 2{H-\-dH) genommen. Obgleich diese Formeln auf so grosse Entfernungen wie Dünkirchen uml Jever nicht mehr zuverlässig sein werden, habe ich doch die Veränderung, die

ilie Abplattung statt _^ in der Lage von Jever hervorbringen

würde, danach berechnet und für die Länge (3",963, für die Breite 1",073 gefunden. Diese Korrektionen, die Breite von Dünkirchen nicht mit Kba yenhoff 51^2'8",73, sondern wie sie Delambee selbst annimmt, 5P2'9",2 gesetzt, giebt mir

Länge des Ansgarius-Thurms 60 28'7",162, Breite 53"4'45",55. '

Alles, astronomische Beobb. wie die Vermessungen, stimmen nun dahin überein, dass ich die Länge meines Beob.-Zimmers auf 25'" 54*^) östlich von Paris setzen muss, so dass also Zach's ehemalige chronometrische i^estininiung-) fast um 6^ zu klein war.

Die Mailänder Ephemeriden habe ich endlich auch erhalten. Es ist höchst unangenehm, dass sie immer so spät fertig und versandt werden. Doch erinnere ich mich aus meinen jüngeren Jahren, dass es ehemals mit den AViener Ephemeriden ebenso ging. Man konnte sie selten vor Ostern des laufenden Jahres erhalten.

Den ersten Band der Memoirs der Ästr. Soc. of London werden Sie jetzt auch wohl schon in Händen haben. A\'enigstens hatte das- selbe auf der Weser angekommene Schiff, woraus ich das meinige er- halten habe, auch die übrigen für Deutschland bestimmten Packete an Bord. Fr. Baily hat seine astronomischen Tafeln für 1822 und die Febersetzung von Cagnoli's Abhandlung, die Figur der Erde aus Sternbedeckungen zu bestimmen, beigelegt.

\\'issen Sie schon, lieber Gauss, etwas von des Chevaliers d" Assas '^) angeblicher Erfindung oder Methode, die eigene Bewegung %md die

*) Vergl. hierzu Brief No. 400 und 445. Krm.

-) Siehe Olbers Bd. U, 1. S. 181. Krm.

^) AssAs-MoNTDARDEEK, Memoire sur la determination de la parallaxe et du mouve- ment propre en declinaison des etoiles au moj-en d'une nouvelle methode d'occulta- tions artificielles. Avec le rapport de Delambke fait le 10 Avril 1822, Conn. d. T. 1831. Siehe auch Brief No. 503. Seh.

183 Gauss au Olbers. Bergen, 1822 Mai 10.

Parallaxe der Fiocsterne zu bestimmen, von der Delajvibee in der letzten öifentlichen Sitzung- der Pariser Akademie beifällig geredet haben soll? Leider erscheint seit einigen Jahren das Programm dieser feier- lichen Sitzung nicht mehr im Moniteur. Das Journal de Paris giebt sehr dürftige und um so unzuverlässigere Nachrichten davon, da der Eedakteur nicht bloss gesteht, sondern sich gewissermaassen rühmt, nichts von Astronomie zu wissen. d'Assas soll die Parallaxe des nächsten Fixsterns auf 2" bestimmt haben, und die Wahrscheinlichkeit seiner Beob., so wie ihre Uebereinstimmung mit Beinkley's Beob. vom Bureau des Longitudes anerkannt sein. Wahrscheinlich rührt diese letzte Notiz von dem Chevalier selbst her, und da möchte es einigen Zweifel gegen die anerkannte Eichtigkeit und Wichtigkeit der Ent- deckung erregen, dass die Akademie den La LANDE*schen Preis dieses Jahr garnicht vertheilt hat, weil sie keine preiswürdige astronomische Entdeckung, Beob. oder Arbeit zu belohnen fand. Sollte Ihnen, lieber Gauss, das Programm zugeschickt sein oder zugeschickt werden, so be- lehren Sie mich doch darüber.

Ihr Schüler, Hr. v. Staubt ist, glaubeich, nicht mehr in Göttingen ? Wahrscheinlich hat auch Ihnen Schumachee die Beobb. des letzten Kometen^) nach seiner Sonnennähe von Kapt. Hall zu Valparaiso für Hrn. V. Staudt mitgetheilt?

Ich denke Sie mir nun bald auf Ihrer ßekognitions-Reise. Ich hoffe, Sie unterrichten mich, wie nahe Sie diese nach Bremen führen wird. Möchte dies doch so nahe sein, dass Sie Ihren alten Freund mit ]hrem erfreulichen Besuche überraschten.

No. 450. Gauss an Olbers. [209

Bergen, 1822 Mai 10.

Seit 12 Tagen bin ich nun von Göttingen abwesend und seit der Zeit ohne Nachrichten von dorther, mithin auch ungewiss, ob vielleicht von Ihnen inzwischen eine freundliche Zeile eingelaufen. Das gütige Inter- esse, welches Sie fortwährend an meinem Geschäft nehmen, veranlasst mich indessen, Ihnen etwas über dessen freilich noch nicht sonderlichen Fortgang zu schreiben.

In Hannover, wo ich zuerst 2 Tage war, brachte ich zur GeAviss- heit, dass vom dortigen Marktthurm (aus der Spitze) aus Celle sichtbar ist, allein bedeutend westlicher liegt, als meine frühere Eechnung es

0 Komet 1821. Knii.

(iauss an (Mbeis. Hfrircii. IS'Ji .Mai 10. Ig9

pliu-iit hatte, iiiimer aber noch östlicher als nach Knde's astronomischer Bestimmung:. Ich begab mich hierauf nach Celle, wo sich die Untaug- lichkeit des Schlossthurmes sowohl als des Stadtkirchthurmes zu guten Beobachtung-splätzeu ergab. Es fand sich, dass der Wohlenberg von da aus unsichtbar, also Mi i.ler, als er im v. J. auf diesem Avar, ein unrichtiger Thurm für Celle genannt ist, woraus die fehlerhafte Be- stimmung von Celle entsprungen war. Lichtenberg ist übrigens hier wahrscheinlich nicht sichtbar, gewiss nicht Braunschweig, wohl aber Deister, Brelinger J^eig und Falkenberg und natürlich Hannover. Auf dem li Stunde davon entfernten (larssner Berge fand ich Lichtenberg noch eben sichtbar, auch Celle, Deister, Falkenberg, Wohlenberg, Han- nover, aber nicht Braunschweig und nicht Brelinger Berg. Nach Norden und Osten ist nichts sichtbar, was über 2 Meilen entfernt wäre, und alles stark bewaldet. Es scheint hier nirgends durch- zukommen. Diese Eekognoscirungen bei der grossen Hitze waren für mich äusserst angreifend und mehr als das, ich musste 2 Tage das Bett hüten. Am 6. ging ich nach Bergen ab; das dann eintretende kühlere "Wetter besserte meine Gesundheit wieder etwas. Müller war schon ein paar Tage früher hier angekommen, nachdem er noch ein- mal den Brelinger Berg ohne Erfolg für den Hauptzweck rekognoscirt hatte*); da der Wohlenberg und Lichtenberg und Garssner Berg von da unsichtbar sind, so ist gar kein ordentlicher Anschluss des Brelinger Berges zu machen.

Den 8. und 9. bin ich auf dem Falkenberge gewesen, der nach Süden eine unvergleichliche Aussicht hat. Man sieht den 127000 m entfernten Brocken, den Deister, alle Thürme von Hannover, wahr- scheinlich auch Lichtenberg, und ich komme daher vielleicht durch ein Dreieck, gewiss aber durch 2 in meinem System dahin.

"\^'ohlenberg scheint unsichtbar, wäre übrigens auch ebenso un- brauchbar zur Fortsetzung nach Norden wie der Garssner Berg. Allein nach Norden ist die Aussicht schon in der Distanz von ^l„ Stunde durch einen tiefen hochstämmigen Wald versperrt. Ob ein Durchhau möglich sein wird, um die Aussicht nach ^^'ilsede zu verschaffen, bleibt noch ungewiss. Nach Osten ganz herum endet die Gesichtslinie fast überall auf AVald. Zum Theil dem Augenraaass nach 20000 30000 m entfernt. Bloss der Hauselberg ist zum Theil kahl, Müller hat ihn gestern besucht, aber wenig Tröstliches von da mitgebracht. Auf der Westseite ist es fast ebenso schlimm. Alle Hügelrücken, die den Horizont begrenzen, sind nur massig entfernt und fast alle stark be-

*) Der Thunii. in dem ich früher Verden vermuthete, ist es nicht, sondern viel näher; die Aussicht geht da vielleicht nicht lialb so weit. Ebenso mit Asendorf.

190 Gauss an Olbers. Bergen, 1822 Mai 10.

waldet, durch ein paar Lücken scheinen 3 entfernte Thürme durch, wovon ich den einen für Asendorf, den anderen für Bücken erkannt habe, den dritten kenne ich noch nicht (vielleicht Hasberi^en?). Aber von allen dreien sielit man nur kleine pyram. Spitzen, in denen sich schwerlich mein Theodolith und noch weniger ein Heliotrop aufstellen lässt, auch sehe ich noch gar nicht, wie man weiter nördlich kommen will. Einige einzelne kleine Holzlücken, die aber freilich meistens wohl nur 20000 25000 m entfernt sein mögen, habe ich notirt. Müller soll nun suchen, sie aufzufinden und zu rekognosciren ; ich selbst werde morgen nach Lüneburg gehen, um von dem dortigen Stadtthurme aus den SW-Horizont zu untersuchen. Müller wird seine Rekognoscirung vornehmen, so bald er auf dem Falkenberg einen Baum aufgepflanzt und in dem verwünschten Becklinger Holz (N vom Falken- berg) einen der höchsten Bäume noch durch Ansetzen eines zweiten erhöht haben wird, auf welchen er nachher von Wilsede aus zu poin- tiren versuchen wird. Denn den auf dem Falkenberge selbst zu er- richtenden Baum von circa 40 Fuss Höhe (einen viel höheren vermögen die Gewerkkräfte, wie sie hier zu haben sind, nicht aufzupflanzen) wird man von Wilsede aus über das Holz her nicht sehen können. Ich werde dann in Lüneburg den Erfolg von Müller's Rekognoscirung erwarten und ev. mit ihm nach Wilsede hin telegraphisch korrespon- diren. Dies wird wenigstens einen Aufenthalt von 0 8 Tagen in Lüneburg veranlassen. Sehr glücklich wüi'de es mich machen, wenn Sie mich daselbst mit einigen Zeilen poste restante, oder bei etwas späterem Datum vielleicht sicherer abzugeben bei Hrn. Oberamtmann Jochmus in Lüne, erfreuten; vielleicht könnte ich auch später, im Fall meine Rekognoscirungsreise mich näher nach Bremen führte und es Hmen nicht beschwerlich wäre, noch die Freude haben, ein paar Tage bei Hinen in Bremen zu sein, obwohl bei der völligen jetzigen Ungewissheit der weiteren Operationen ich in diesem Augenblick nw die Möglichlieit und noch nicht einmal die Wahrscheinlichkeit eines Nahekommens sehe. Vermuthlich erfreuen Sie, bester Olbers. sich nun bereits des Besitzes Ihrer liebenswürdigen Schwiegertochter, wozu ich Ihnen und Ihrem würdieen Hrn. Sohne .innigst Glück wünsche.

Olli'i^ ;iii (uius.-?. IJivnun, ISJJ Mai 10. \i.)\

No. 451 Olbers au Gauss. [242

Bremen, 1822 Mai IG.

Iliieii lieben, ans Bergen d. U». 3Iai datirten Brief empfing- ieli erst ge.stern Abend und eile, ihn sogleich mit umgehender Post mit ein paar Zeilen zu beantworten. Schon der Gedanke der Möglichkeit, Sie, mein ge- liebter Freund, auf einige Tage hier zu sehen, macht mich ungemein fidh! Führen Sie ja. wenn es Ihnen irgend möglich ist, diese Möglich- keit zur Gewissheit und AX'iiklichkeit! Jeden Tag, jede Stunde sind Sie mir gleich willkommen, werden Sie mich in gleichem Grade beglücken. Aber mit den Klüngeln einer Junggesellen-^^'irthschaft werden Sie noch Nachsicht, grosse Nachsicht haben müssen. Denn leider führe ich diese noch und werde sie wolil immer führen. Die Hoffnung, bald eine gute Schwiegertochter in meinem Hause walten zu sehen, hat sich wieder zerschlagen. Zwischen meinem Sohn und seiner Braut hat sich in einigen wichtigen Punkten eine Verschiedenheit der Ansichten gezeigt, die zu dem herben Entschluss geführt hat, das Eheverlöbniss freund- schaftlich wieder aufzuheben. Mein guter Sohn leidet ausserordentlich bei diesem unglücklichen Vorfall; denn er scheint seine gewesene Braut sehr geliebt zu haben und noch zu lieben. Es wird eine lange Zeit dazu gehören, diese Wunde wieder zu heilen, wenn sie überhaupt je wieder geheilt werden kann. Doch an diese unangenehmen Dinge, die ohnedem nicht zu ändern sind, wollen wir gar nicht denken, lieber Gauss, wenn Sie nur hierher kommen, und vielleicht ist dies noch ein Beweggrund mehr, w^arum Sie Ihrem alten Freunde diese grosse Freude machen sollten. Nichts wird ihn mehr zerstreuen und aufheitern.

Hirer Rekognoscirungs-ßeise habe ich nur unvollkommen folgen können, da meine Karten nur selten Ihre angeführten Bergnamen ent- halten. Der Brelinger Berg wird wohl natürlich bei Breiingen, so wie der Garssner Berg bei Garssen anzutreffen sein, aber von dem Falken- berge finde ich keine Spur. Ich fürchte, Sie werden doch nordwärts von Falkenberg und ostwärts nur durch mehrere kleine Dreiecke mit Lüneburg und Hamburg in Verbindung kommen.

Meinen vor etwa 14 Tagen nach Göttingen adressirten Brief wer- den Sie nun wohl erhalten haben?

Von allem Uebrigen mündlich mehr, wenn anders der Himmel meinen Wunsch und meine Hoffnung erfüllt.

Wegen des späten Datums adressire ich diesen Brief an den Hrn. Oberamtmann Jochmüs in Lüne.

IC)2 ' Gauss au Olbers. Göttingeii, 1822 Juni S.

xo. 452. Gauss an Olbers.') isio

Göttingen, 1822 Juni 3.

Ihren Brief habe ich noch in Lüneburg erhalten und es innig be- klagt, dass die Umstände es mir diesmal ganz unmöglich gemacht haben, Sie in Bremen zu umarmen. Herzlich betrübt bin ich in Ihrer Seele, bester Olbers, über die Wendung, welche Ihnen die so nahe scheinende Hoffnung, Ihr häusliches Glück vergrössert und verschönert zu sehen, für jetzt vereitelt hat, obwohl ich es nun eher für ein Glück halte, dass eine Verbindung nicht geschlossen wurde, die unter den obwalten- den Umständen doch das wahre Glück Ihres würdigen Hrn. Sohnes nicht hätte begründen können.

Von meiner Reise bin ich vorgestern hier-i zurückgekommen und werde nun wohl noch 10 oder 12 Tage mit allerlei ^'orbereitungen für die wirklichen Messungen zu thun haben. Bei meinen Nachforschungen in der Lüneburger Haide war ich nahe daran, die Durchführung einer Triangulation durch diese verwünschte Gegend mit Epaillt für un- möglich zu erklären; auch wenn man sich zu ganz kleinen Drei- ecken entschlösse, wäre das Durchkommen durch diese verschränkten Holzungen kaum möglich, insofern man nicht iingelieure Kosten darauf anwenden wollte.") Die Nachforschungen des Hauptmann Müller auf der Westseite des Meridians über Walsrode, Kirchboizen, Visselhövede sind vollkommen erfolglos gewesen und haben gar kein Resultat ge- geben. Mii' selbst aber ist es nach höchst mühsamen Nachsuchungen gelungen, einen Punkt zu finden, der sich mit 3 anderen EpAiLLT'schen verbinden lässt und eigentlich gerade das effektuirt, was Epailly ver- gebens gesucht hatte. Der Punkt ist, so weit ich die Gegend unter- sucht habe, verniuthlich einzige er liegt unweit des kleinen Dorfes Wulfsode und zwei Hauptdreiecke werden dadurch recht im Herzen der Haide möglich, so gut wenigstens, wie ich sie dort zu bilden kaum ge- hofft hatte. Nördlich und südlicli davon bleiben nun aber noch die

') Dieser Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

-) Am 1. Juni war Gauss nach Eekognoscirung der Lüneburger Haide wieder nach Göttingen zurückgekehrt. Seine Abwesenheit von Göttiugen währte von Apr. 28 bis Juni. Vergl. Briefwechsel Gauss-Schümacher Brief No. 146. Seh.

^) Vergl. für das Folgende den Brief Gauss-Schumacher Xo. 146: so wie über- haupt in diesen Jahren den Briefwechsel GArss-ScHUMACHKR, der vielfach ergänzend und ausführend eingreift. Einiges über die Messungen dieses Jahres tindet sich auch im Brief No. 135, Briefwechsel Gaüss-Bkssel. Eine kurze allgemeine Uebersicht über die Arbeiten des Jahres 1822 für die hannoversche Gradmessung hat Gauss im Brief No. 159 an Schximacher gegeben, der in der 1. Beilage zu No. 24 der A. N. abge- druckt ist. Sch.

(iaiiss an Olbers. Gütting-en, 1822 Juni 3.

193

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iLuUerlff?iier'ff

Gtr/'ssfvi

Schwierigkeiten; hätte ich darauf bestehen wollen, jetzt erst alles zu reg-uliren. so hätte ich leicht den ganzen Sommer damit zubringen können, um so nu'hr, da meine jthysischen Kiäfte mir nicht er- laubt haben würden, diese höchst angreifenden Aufsuchungen un- unterbrochen fortzusetzen und überall selbst zu sein. Ohne meine peisönliche Theilnahme wäre aus der ganzen Rekognoscirung aber bestimmt gar nichts herausge- konnnen.

Bis zum Falkenberg (^/^ Meilen N\\' von Bergen) führe ich, wie Sie aus nebenstehender Zeichnung sehen, ein herrliches Dreiecksnetz, dessen Etablirung eine Frucht meiner Nachforschungen gewesen ist, welche aber ohne die Kabinets- arbeiten, wodurch ich durchaus alle mir zu Gebote stehenden Materialien so gut als möglich im Voraus vereinigt hatte, unmöglich gewesen wäre. Ohne die Richtung des Lichtenberges auf den Garssner Berg schon auf 1' oder 2' genau zu kennen, könnte man 100 Mal auf letztem Platz sein, ohne die Mög- lichkeit zu ahnen, da die Gesichts- linie nur eben über den Wald bei Wienhausen weggeht. Ebenso vom Falkenberge aus. Der Deister ist leicht zu erkennen.

Das weitere Fortkommen von hier aus würde nun leicht sein, wenn sich dei- Garn^sner Berg*) mit Lutterlohberg verbinden Hesse. Allein hierzmschen liegen grosse Waldungen, die wohl undurchdring- lich sein werden; vielleicht wäre sogar das Terrain selbst zu hoch

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Ym. 12.

*) Eigentlich gar kein Berg, sondern nur ein etwas höher liegendes Ackerfeld.

Olbers. JI, 2. 13

2Q^ Gauss an Olbers. Göttingen, 1822 Juni 3.

dazwischen. Durch den Thurm von ^Mnsen an der Aller würde sich nothdürftig die Verbindung machen lassen, allein dann müsste ich auf die 3. Winkel der 3 Dreiecke verzichten, da sich auf diesem Thurm ein Theodolith schwerlich aufstellen lässt. Auch weiss ich nicht ganz gewiss, ob der Winser Thurm auf dem Lutterlohberge auf ebener Erde zu sehen ist (Epailly hat diese Verbindung, maass aber seine Winkel immer oben in seinen Signalthürmen); ich selbst bin auf dem Lutter- lohberge noch nicht gewesen, und Müllek hat diesen Umstand zu er- ledigen versäumt.

Der Platz bei Wulfsode verträgt keine Aussicht nach der X- und und 0- Seite, Dagegen ist ^j^ Stunde NW davon ein Platz bei Lang- lingen, wo der Lutterlohberg, Wilsede und der Kopf meiner Falkenberg- Signalstange sichtbar ist, aber nicht dieser Bergrücken, wegen des 7-2 Stunde von Falkenberg vorliegenden Becklinger Waldes. Ich habe MüLLEE von Falkenberg aus in dem ihm vorgeschriebenen Azimuth einen Durchhau anfangen lassen, allein nachdem die ersten hohen Tannen weggenommen waren, traf die Gesichtslinie auf einen jungen Buclienwald, und der Förster taxirte den Schaden durch einen Durch- hau auf wenigstens I0(»t» M Es ist dies sehr schade, denn von jenem 2. Platze (bei Bockum) sieht man zugleich Winsen an der Luhe (welches auf der Karte niclit mitgezeichnet ist) und Steinbeck. Die Linie von Falkenberg nach Wilsede geht noch länger (über 1 Stunde Weges) durch den Becklinger ^^'ald und ein Durchhieb hier würde also gewiss mehrere tausend Thaler kosten, wobei noch ungewiss bleibt, ob die Linie über das Terrain selbst weggeht. Falkenberg und Wilsede sind übrigens die höchsten Punkte der ganzen Haide.

Im Nothfall kann man nun die Punkte ^\"ulfsode und Bockum beide nehmen und den Uebergang vermittelst der Seite Lutterloh-^^'ilsede effektuiren. Zwischen Wulfsode und Bockum liegt hohes Holz, doch ist hier vielleicht noch ein Durchhau möglich, welches den AA noch mehr Haltung geben würde. Jedoch ehe ich mich dazu entschliesse, diese Punkte beide zu nehmen, wird erst noch ein Hügel bei Marxen untersucht werden müssen; ich vermuthe, dass er mit Lutterlohberg zu verbinden ist, sollte er es auch mit Wilsede und vielleicht auch mit Hamburg (vielleicht auch noch mit Lüneburg) sein, so würde ich ihn dann dem Platz bei Bockum vorziehen, wenn auch dieser Platz bei Marxen gewiss nicht mit Wulfsode zu verbinden ist. Von Lüneburg aus ist gegen Süden gar nicht dun-hzudringen: der grosse Lüsing hemmt alle Aussicht Winsen an der Luhe ist von Wilsede aus un- sichtbar, vermuthlich aber Steinbeck. Der Platz bei Wulfsode ist übrigens auch noch mit der Annehmlichkeit eines sehr guten Fnter- kommens in diesem Dorfe verbunden, welehes bei Lutterloh. Wilsede

OlhiTs an (laiiss. ilifiueu, IS'J'J Juni ü. l<j;,

und Marxeii wühl we<:talltMi wird, so dass ich mich vur diesen Stationen s»dir fürchte. . Jk)ck.iiin wäre noch nahe genug- bei \\'ulf,sode, um von da aus mit besorgt zu werden.

Kntschuhligen Sie, theuerster Olhers, meine Geschwätzigkeit, ich gh\ubte, dass Ihre freundschaftliche Theilnahme mir erlauben würde, Ihnen einige Idee von der Natur und den Schwierigkeiten dieser Tri- angulirung zu geben.

Haben Sie die Alisicht, im nächsten Herbst der von Schumachkr vorgeschlagenen Huldigung des Hrn. Professor Bude') beizuwohnen? Ich für meine Person werde wohl darauf Verzicht thun müssen.

No. 453. Olbers an Gauss. [243

Bremen, 1822 Juni 9.

Mit grosser Sehnsucht habe ich Sie vom 20. Mai an jeden Tag er- wartet, bis ich endlich die schöne Hoffnung, Sie hier zu uniaiinen, für diesmal aufgeben musste. So sehr ich gewünscht hätte, dass sich westliche]' von Ihrem Meridian und uns näher, eine schickliche Verbindung Ihrer südlicheren Dreiecke mit Hamburg und Lauenburg gefunden haben möchte, so freue ich mich doch aufrichtig, dass Sie Mittel ui.d Wege gefunden haben, diese Verbindung so nahe in der Richtung Ihi'er Mit- tagslinie zu bewerkstelligen. Aber, lieber Gauss, wenn gleich ihre Gradmessung durch die MüFFLiNCr'schen Triangel schon im Süden mit der französischen zusammenhängt, so wäre es doch für Geograpliie und in so vielfacher Rücksicht höchst interessant, wenn auch das nördliche Ende derselben sich an die KRAYENHorr'schen Dreiecke^) anschliessen liesse. Vorläufig wollte ich also nur bitten, wenn es irgend Zi-it und Gelegenheit erlaubt, von den Stationen Winsen, Falkenberg, Wilsede und Hamburg oder Steinbeck auch die noch sichtbaren entferntesten westlichen Punkte mit zu beobachten. Es würde dann darauf an- kommen, wie nahe diese westlichen Punkte unserem Bremen kommen möchten, und ob es möglich sei, von hier aus die Lücke durch einige Dreiecke auszufüllen. Deswegen möchte ich auch gern Ihr Urtheil

^) Bode's Jubiläum. Vergl. Briefwechsel Gauss-Schumacher Brief No. 14-'{. Seh.

'-) Auf Olbers' Veranlassung ist iu den Jahren 1824 u. 1825 der Anschluss an die nordöstlichen KRAYENHOFp'schen Dreiecke über Bremen, Oldenburg mit Unter- stützung des Bremischen Senates ausgeführt, und so die dänisch-hannoversche Gräd- messung mit der englisch-französischen verbunden worden. Vergl. hierzu die Be- merkungen zur hannoverschen Triangulation in Gauss' Werken Bd. IX, S. 4M, 4;2 und die Briefe No. 465—468, 471, 473, 478, 493 und 495. Krm.

13*

19(5 Olbers an Gauss. Bremen, 1822 Jnni 9.

wissen, ob wohl ein 8 zölliger repetirender RziCHENBACH'scher Theodolith, wie ihn ützschneidee als fertig in den Astr. Nachr. ausbietet, zu den Winkelmessung-en eine hinreichende Genauigkeit gewähren könne? Ich bitte Sie, lieber Gauss, beantworten Sie mir doch diese Frage.

Wenn ich den Nov. noch erleben sollte, so werde ich bei meinem unbehülflichen Alter in einer so vorgerückten Jahreszeit eine Reise nach Berlin ^) nur auf den einzigen Fall unternehmen, wenn ich glauben könnte, dadurch etwas dazu beizutragen, Ihnen eine Ihrem Geiste und einzigen Talenten angemessene Stelle zu verschaffen. Dazu sehe ich aber bei meiner Unbekanntschaft mit den Preussischen Ministern keine "Wahrscheinlichkeit. Hier will man als gewiss behaupten, dass man dem Könige vor der Hand mit gar keinem Vorschlag irgend einer neuen Anstellung im Zivilfach kommen dürfe. Da sich nämlich auch in den Friedensjahren seit 1816 in den Preussischen Finanzen ein jährliches Deficit von 4 bis 5 Millionen gezeigt, so habe Fürst Hardenberg den König endlich von der Nothwendigkeit überzeugt, seinen Militair-Etat und besonders auch seine ihm so lieben Garden bedeutend zu ver- mindern; höchst ungern und grämlich habe der König dieser Noth- wendigkeit nachgegeben, zugleich aber erklärt, dass, wenn er den Militair-Etat beschränken müsse, auch eine verhältnissmässige Ersparung beim Civil-Etat eintreten müsse und solle. Dies habe der Fürst auch versprochen, und der König verweigere seitdem die Unterzeiclinung jeder Civil-Anstellung oder Beförderung, wenn er nicht von ihrer un- umgänglichen Nothwendigkeit überzeugt würde. "Wahrscheinlich haben auch Sie dies oder etwas Aehnliches aus Berlin gehört. Auch mein Bekannter, wovon ich Ihnen einmal Erwähnung that, hat unerachtet des vortheilhaftesten Yorschreibens seiner Oberen die längst erwartete Ausfertigung seiner Anstellung nicht erhalten können.

Da Ihr Brief nichts vom Kometen "^j erwähnt, so vermuthe ich, dass er auch in Göttingen wohl nicht gesehen sein wird. Ich habe ihn nicht gesehen, woran theils die nächtliche Dämmerung, theils der Umstand Schuld sein mag, dass die Himmelsgegend, wo der Komet stand, von meinem Zimmer nicht zu sehen ist. Die Ankündigung dieses Kometen in den französischen Papieren verdient doch Tadel. Das Journ. de Paris sagte, G.sjvibart habe am 12. Mai den Kometen bei dem 2. Stern des Stiers entdeckt. Es war doch nicht so ganz leicht zu rathen, dass dieser 2. Stern des Stieis ß Taiiri sein soUte. Wenigstens glaube ich nun, dass dies der Sinn jener Bezeichnung sein

^) Zu Bode's Jubiläum. Krm.

*) Komet 1822 I. Entdeckt Mai 12 von Gambart in Marseille, d. 14. von PokS zu Marlia und d. 16. von Biela zu Prair. Krm.

Gauss an Olbers. Celle, IS'JJ Juli 24. 197

soll, da No. 2 Tauri nach Flamsteed auch am 12. Mai zu Marseille schon vor der Sonne unterg:eht. Der Monitcur wiederholte nachher o;edankenlo.s die Pariser Beub. vom 18. aus dem Journ. de Faria unter dem '22. Mai mit der Bezeichnung;: Gestern um 10'' 40'" Abends u. s. w., als ob sie am 21. gemacht sei. Ks wird sich nun nach dem Mondschein er- geben, ob der Komet auf südlicheren Sternwarten noch sichtbar und anderwärts als zu ^larseille, Paris, Leiden und Prag beobachtet ist.

Aus Lloyds-Liste sehe ich, dass der Royal George, auf dem sich General Brisbane und Rümker einschifften, glücklich in Xeuholland angekommen ist. Datum und andere Umstände wurden nicht dabei ge- meldet.

Haben Sie schon Ivory's Aufsatz über die berüchtigte Proposition [der]^) Parallel-Linien gelesen? Sein Verfahren ist nicht neu, wie es mir [scheint]^), denn schon öfter hat man versucht, den Satz, dass die 3 Winkel eines Dreiecks zweien rechten gleich sind, unabhängig von den Parallel-Linien zu beweisen.

Ueberhaupt ist Ivory jetzt in mehrere Streitigkeiten verwickelt, die er zum Theil wohl hätte vermeiden können; aber unanständig finde ich es doch von Young, wenn dieser bei Vertheidigung seiner Refraktions- Formel das bekannte Auricidas asini rex Midas habet auf diesen Mathematiker anwendet.

Ich hoffe, mein allertheuerster Freund, Sie werden mich auch bei Ihrer nun wieder anfangenden Gradmessung oft, recht oft mit einer kleinen Notiz von Ihren Operationen erfreuen. Sie können sich kaum denken, welches Fest jeder Brief von Ihnen für mich ist. Viel, viel Glück zu Ihrer Campagne! Schonen Sie nur vor allen Dingen Ihre Gesundheit.

No. 454. Gauss au Olbers.') [211

Celle, 1822 Juli 24.

riiren letzten Brief erhielt ich kurz vor meiner Abreise^) von Göt- tingen, und ich bin bisher noch immer nicht dazu gekommen, Ihnen für alles Freundschaftliche, was er enthält, zu danken. Inzwischen benutze ich jetzt Ihre Erlaubniss, Ihnen zugleich etw^as von meinen diesjährigen Messungen zu schreiben. Ich bin jetzt an meiner dritten Station, wo

^) Diese Worte sind im Original abgerissen Krm.

^) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

*) Nach Briefwechsel Gauss - Schumacher, Brief No. 148 vom Juli 10 wollte Gauss in etwa 8 Tagen nach Celle gehen. Aug. 4 war er dann nach Bergen ge- kommen. Seh.

198 Gauss an Olbers. CeUe, 1822 Juli 24.

das Wetter mir fast noch ungünstiger ist, als an den beiden ersten. Auf dem Lichtenberge habe ich 17 Tage, auf dem Deister 11 Tage zugebracht, die Eeisetage ungerechnet; bei der ersten Station wurde ich sehr durch den Moorbrand aufgehalten, welcher gerade zwischen dem Falkenberge wälirend 8 Tagen kein Licht von daher durchliess. Bei der anderen und jetzigen ist die Entfernung des Aufenthaltsortes vom Dreieckspunkte sehr hinderlich, beim Deister fast 1 Stunde, hier fast 1\'.2 Stunde. Mittags ins Quartier zu gehen, kostet so viele Zeit, und den ganzen Tag bei einem Butterbrot auf dem Berge sein, was ich dort und hier öfter gethan, wirkt recht merklich aufreibend auf meine physischen Kräfte, wobei ich dann noch obendrein meistens den Verdruss habe, Vormittags bei der schlechten Beschaffenheit der Luft wenig oder nichts auszurichten.

Zuweilen habe ich dann aber auch gute Luft und das Vergnügen gehabt, Winkelmessungen zwischen zwei Heliotropen zu machen. Ich setze Ihnen ein paar Proben vom Deister her, wo ich das Heliotrop- licht durch den Hauptmann Müllek vom Falkenberg, und durch meinen Sohn zuerst vom Lichtenberg, nachher vom Garssner Berg erhielt

Falkenberg- - Lichtenberg ') ! Falkenberg - Garssner Berg

Juli 10 6 8ü°51'51".208

6

51,250

2

50,000

4

51.312

4

50.125

6

49,ii58

6

51,458

4

50,812

38

89"51'50",849

Juli 13 4 23M1'52",812

14

4

52.000

5

52,450

5

52,550

10

52.025

10

52.625

10

51.725

10

52,675

58

23°11'52",323

Das Winkelmessen zwischen zwei Heliotroplichtern macht öfter den A^erdruss, dass man auf den Schluss einer Beobachtungsreihe lange Avarten muss, manchmal ihn gar niclit erhält. Das erstere würde bei einer weniger soliden Aufstellung gefährlich sein (mein Theodolith steht überall auf einem steinernen Postament), im letzteren Falle helfe ich mir immer so (um nicht die Keihe ganz zu verlieren), dass ich gemischte Winkel nehme. So sieht z. B. meine ganze bisherige hiesige Ausbeute so aus:

1 Deister Vorausger. Azim. 3S<' 13'51",127

2 Isernhagen 45 25 0,933 -fa-

3 Winsen 97 52 56,376 -[- h

4 Falkenberg i 137 28 43.259 + c

^) Siehe auch Brief No. 148 im Briefwechsel Gacss-Schumacher. Krm.

au <ill.crs. Celle, 1822 Juli 24.

190

M.-Min

^■11

rnt«'r>iliir,l

1-3

3S

59" 39' 5",539

0",290 + b

1-4

46

99 14 52,071

+ 0,061 + c

2-3

25

52 27 55,3-.0

+ 0,093 a + 6

2-4

5

92 3 43,200

0,874 a + c

3-4

25

39 35 47,100

0,217 i + c

(l-3)\

+ (1-4)1

2

158 53 513,875

+ 0,506 + & + c

(l-3)\

+ 9(1-4)/

952 52 47,250

+ 7,187 + Z;+ 9c

Sie können hieraus zugleich sehen, wie ich es mit den Beobb. übeiliaupt eingericlitet habe. Am Ende sollte a, b, c so bestimmt wer- den, dass die Zahlen der letzten Kolumne alle 0 werden, welches aber nur bei absohder Genauigkeit der Beobb. mög-lich wäre. Sie werden daher nach den strengen Vorschriften der Wahrscheinlichkeits-Rechnung- kombinirt, wobei jedoch noch mancherlei zu bemerken ist, was hier an/.nfühien zu weitläufig- sein würde. Auch Arago und Biot haben in Si)anien oft mehr als die direkten Winkel gemessen, aber sie ganz un- richtig kombinirt. Bei meiner ]\ranier zu beobachten kann ich jede Minute nützen, wo nur zwei Objekte zu sehen sind. Wollte ich bloss direkte Winkel messen, so müsste ich vielleicht auf mancher Station mehrere Monate bleiben, z. B. dem Falkenberge, wo ich 6 oder 7 Haupt- punkte haben werde. Die beiden Dreiecke Brocken, Hils, Lichten- berg; Hils, Lichtenberg, Deister scheinen bis auf einen Bruch von einer Sekunde zu schliessen, ich habe aber die Rechnung noch nicht definitiv gemacht, auch für das erste Dreieck nicht alle nöthigen Ele- mente bei mir. Nach Lichtenberg habe ich wieder von hier aus meinen Sohn geschickt, von dem ich, wenn das Glück gut ist, vielleicht heute Nachmittag Licht erhalte. Hartmann ist noch auf dem Deister, MIjller hat heute den Falkenberg verlassen, um in der Gegend von Eschede noch einen Punkt aufzusuchen, der eine Kommunikation zwischen Garssner Berg, Hauselberg und Falkenberg bildet. Ein direkter Durch- hau zwischen hier und Hauselberg scheint ganz unausführbar zu sein, da die Linie gleich vorn 1 Stunde lang durch hohes Privatholz geht. Für den Falkenberg hat Müller zwei grosse Durchhaue gemacht, einen nach Wilsede, einen nach Langlingen, ich weiss aber nicht, in- wiefern sie geglückt sind. Wegen der Verbindung von Hauselberg und Garssner Berg bin icli in grosser Verlegenheit, es ist wenig Hoffnung, bei Eschede einen solchen Punkt zu finden, der nicht auch noch grosse

200

Gauss an Olbers. Celle, 1822 Juli 24.

Falkenber-ff

Jscmhoffen

Heister

Langlingen,

Ecaiselberff Gnrssner Bprff

Lichtenberff

Fiff. 13.

Dui-chhaue erfordeiiich machte. Winsen hat Müller auf dem Hau.sel- berg gar nicht sehen können (Epailly beobachtete in der Luft). Etwa 500 Schritt westlich von Epailly's Standpunkt glaubte er zwar Winsen gesehen zu haben, allein ich fand bald, dass er sich geirrt, und dass dies ein anderer Thurm (Isernhagen) gewesen sei (ich selbst bin noch nicht auf dem Hauselberg gewesen). Im Nothfall würde nun folgendes A Sys- tem möglich [sein] (Figur 13); allein 1) weiss ich nicht, ob auf dem

Isernhager Thurm mein Theodolith gut auf- gestellt und centrirt werden kann, 2) müsste ich noch einmal nach dem Deister und Lichtenberg zurück, da ich daselbst Isern- hagen nur beiläufig geschnitten habe ( d. i. auf etwa 5"). Bei diesem System würden die beobachteten Eichtungen LD. LF. DG. DF wie auch DH gleichsam Kontrollen. Am 14. Juli Abends war die Luft ganz ausserordentlich klar. Die beiden Heliotrope von Garssen und Falkenberg strahlten dem blossen kvige iwachtvoll entgegen (Entfernung 60329 m und 70500 m). Auch die Brauchbarkeit meines mit dem Theodolith verbundenen grossen Spiegels bewährt sich trefflich. Vor einigen Tagen war das Licht davon auf dem Falkenberge so hell erschienen, dass es dem Auge auf die Dauer beschwerlich geworden (28159 m). Alle meine Gehülfen können den prachtvollen Anblick nicht beschreiben, wie sie sagen, ich müsste ihn selbst sehen (was vorerst nun noch nicht gut möglich sein wird). Sehr schön sind auch die bisherigen Versuche ausgefallen, bei zu flachem Auffallen der Sonnenstrahlen (wo auch bei beiden Heliotropen die Lenkung zuletzt unmöglich ward), einen grossen Hülfsspiegel und dop- pelte Reflexion zu gebrauchen. Auf die Art sah ich vor einigen Tagen das Licht vom Falkenberg, so nahe die Sonne auch dabei kam, immer schön. Es war sogar noch einige Augenblicke schwach zu erkennen, als mir die Sonne schon untergegangen war.

Doch, mein theuerster Freund, ich darf Sie nicht länger ermüden. So bald ich einige Tage Licht vom Lichtenberge her erhalten habe, ver- lasse ich Celle (falls nicht Müllers Eekognoscirung bei Eschede ein noch einige Tage verlängertes Verweilen nöthig macht) und gehe nach Bergen, wo ich ohne Zweifel mehrere Wochen bleiben muss. selbst wenn das AVetter sehr günstig ist. Der Falkenberg, welcher leider auch wieder Vl„ Stunden vom Quartier abliegt, ist einer der wichtigsten Punkte der ganzen Messung.

P.S. Was die 8 zölligen Theodolithen, wonach Sie sich erkundigen, betrifft, so glaube ich, dass die aus der REicHENBACH-ERTEL'schen

Olbers au Gauss. iireuiLU, isj'J Aui^ust 2. 201

Werkstatt iinmer zureidien, einen Winkel bis auf 2" damit zu messen. \ eiinutiilicli sind jedoch die ausgebütenen aus Liebuerr's Werkstatt, dessen Arbeiten ich nicht genug- kenne. Sie "werden dies jedoch am besten von Schumacher erfahren können, der einen solchen Theodo- lithen besitzt oder wenigstens gebraucht hat. So viel ich mich aber erinnere, war er damit nicht sonderlich zufrieden.

Was ich vom Falkenberg und ^^'ilsede aus im Westen sehen werde, werde ich schneiden. Ich fürchte aber, es wird nicht viel sein. Vom Deister aus ist Verden und Asendorf unsichtbar. Bloss Bücken habe ich gesehen und, dbwohl ohne Repetition, geschnitten. Vom Winsener Thurm aus wird man wohl schwerlich weiter als bis zur Leine sehen können. Eine Fortführung der Triangel nach Westen wird gewiss erst viele Schwierigkeiten haben bei der Beschaffenheit des Landes östlich von der Weser und, wenn sie überhaupt möglich ist, erst gleichsam ein Studium des Landes voraussetzen. .

No. 455. Olbers an Gauss. [2u

Bremen, 1822 August 2.

Sie haben mich durch Ihre grosse Güte so sehr verwöhnt, dass irh wirklich etwas unruhig war, wie ich so lange nichts von Ihnen hörte. Um so angenehmer und erfreulicher war mir Ihr interessanter Brief vom 24. Juli über den Fortgang Ihrer mühsamen, aber auch [um] so genaueren Messung. Wenn Witterung und andere Umstände Sie diesen Nachsommer nach Wunsch begünstigen sollten, so könnte viel- leicht schon dieses Jahr der Anschluss an S[chumacher's] Dreiecke zu Stande kommen und der geodätische Theil Ihrer Gradmessung mehren- theils geendigt werden. Möge nur Ihre Gesundheit bei den vielen Be- schwerden nicht leiden!

Beiläufig erinnere ich nur noch, ohne unbescheidene Forderungen darauf gründen zu wollen, dass, so wie Sie sich der grossen Land- strasse von Bremen nach Hamburg nähern, eine einzige Tagereise mit der gewöhnlichen fahrenden Post, deren sich im Sommer der guten Einrichtung wegen selbst Damen von Stande zu bedienen pflegen, be- sonders wenn sie den Platz vorne im Kabriolet erhalten können, Sie nach Bremen führen könnte.

Ich habe einen, einem kleinen Packet ähnlichen Brief für Sie aus Nordamerika und erwarte Ihre Anweisung, wie und wohin ich Ihnen denselben schicken soll. Der Inhalt ist mir deswegen bekannt, weil ich zugleich einen ganz ähnlichen erhalten habe. Die Amerikanische

2()2 Olbers an Gauss. Bremen, 1822 August 2.

Akademie der Künste und Wissenschaften zu Boston hat nämlich uns beide zu Mitgliedern einannt, und Ihr, wie mein Packetchen, wird das Diplom und einen Brief von dem Professor Ed. Everett zu Cambridge enthalten. Sollten Sie der Akademie oder dem Prof. E\t:rett ein paar Zeilen antworten wollen, so erbiete ich mich gern, diese Antwort zu besorgen.

Am IG. Juli hat Gambart in Marseille (und am 20. Juli Houvard) wieder einen neuen Kometen^) entdeckt. Die Art, wie diese Entdeckung wieder in den Pariser Tageblättern angezeigt wird, ist wahrscheinlich absichtlich so unzweckmässig, dass sie doch einmal eine strenge Eüge verdient. Der Zweck einer solchen Bekanntmachung soll und muss kein anderer sein, als andere Astronomen so bald wie möglich in den Stand zu setzen, den Kometen auch ihrerseits aufzufinden und zu be- obachten. Aber eben dies scheint Bouvard, wo nicht verhindern, doch sehr erschweren zu wollen, da er den Ort, wo er den Kometen fand, nur beiläufig, die Richtung und Geschwindigkeit seines Laufs gar nicht angiebt. Und dies konnte er doch so leicht, da er ihn mehrere Tage und Gajmbart schon 4 Tage früher gesehen hat. Hier die Nachricht: „Hr Bouvard hat am 20. Juli einen Kometen bei dem Stern &. 4. Grösse, im CejjJieus entdeckt, auch am 22. und 23. Juli wieder gesehen. Der Komet ist klein, ohne Schweif, nur in Fernrohren sichtbar. Denselben Kometen hatte Hr. Gambart in Marseille schon am 16. Juli auf- gefunden." —

Von dem Kometen im Fiihrmaiin') werden Sie unseres Encke Ele- mente schon kennen, die er durch glückliche Konjekturen über die riclitige Lesart der ihm in sehr fehlerhafter Abschrift mitgetheilten Beobb. der AVahrheit sehr nahe erhalten hat. Nicollet hat folgende Elemente für ihn gefunden:

Zeit des Perih. . . . 1822 Mai 5. 15^' 5-» IP Paris

Länge des Perih. . . 192" 48' 45"

a 177 30 50

Neigung 53 34 3

Klst. Abstand . . . 0.504220 Bew. rückläufig.

Von Rümker habe ich schon 2 Briefe aus Paramatta in Neu-Süd- wales, dem Orte seiner Bestimmung, erhalten, den einen vom Nov. des vorigen, den anderen vom Jan. dieses Jahres. Mit dem Bau der kleinen, aber sehr soliden Sternwarte wurde fleissig fortgefahren f^instweileu hat R ümkerJ einen REicHENBAcn'schen Kreis in einem anderen Hause

') Komet 1822 IV, Juli 13 bereits von Tons zu Marlia entdeckt, vergl. Olbers Bd. I, No. 75—81. Krm.

-) Komet 1822 I. Knn.

Gauss an (>ll.ir>. nerircu. 1S22 Auirust 17. 203

auf (lern Bieiten-Parallel (1(\'^ kiiiittif,'en schon halb feitic^t'ii Observatoriums auf|>restellt und. damit voiiäutj«^- die Pulliöhe und das Wintei-Sulstitiuin beobachtet. Auch schickt er mehrere Verfinsteruntren der ^ Trabanten und Sternbedeckungen. R[i;MKEßJ ist mit seinem dortig-en Aufenthalt nnofemein zufrieden und wünscht nichts mehr, als seine Tag:e in dem so schönen Lande und unter einem so trefi'licheii Klima beschliessen zu können. Es scheint, dass er sich dort wirklich ansässig durch Land- erwerb zu machen sucht.

Ich habe mich wieder einige Tage anhaltend mit dem 2. Kometen von 1618^) beschäftig:t; aber über die Bahn desselben lässt sich nichts Befriedigendes und Gewisses herausbringen. Die Beobb. sind selir schlecht und die Lage der Gesichtslinien ist so, dass kleine Aenderungen in den Beobb. schon sehr grosse in der Bahn hervorbringen. Ein Unterschied von noch keinem halben Grade in den äussersten Breiten, die auf ganze Grade unsicher sind, würde den rechtläufigen Kometen rückläufig machen, und man kann nur deswegen die rückläufige Be- wegung ausschliessen, weil nach ihr der Komet schon im Okt. mit vor- züglichem Lichte und [nördjlicher-) Breite hätte sichtbar sein müssen. So viel ist gewiss, dass dieser [Komet mit]^) keinem der bisher berechneten identisch ist.

^^'omit und wo sich Prof. Schumacher diesen Sommer beschäftigt, weiss [ich durchjaus -) nicht. Ist seine Zeitschrift, die unabhängig von seinen Astro)wmisclien Nachrichten und davon das erste Stück schon im Febr. herauskommen sollte, etwa ganz aufgegeben?

Leben Sie wohl, mein allertheuerster P>eund, und schonen Sie ja Ihre uns allen so theure Gesundheit. Lassen Sie mich, ich bitte, bald wieder etwas von Ihrem Befinden und von Ihren Fortschlitten hören.

Zu der freilich nicht sehr wichtigen Beob. der Mondfinsterniss in künftiger Nacht lässt sich das Wetter schlecht an, das uns seit vielen Tagen unaufhörlich Reg-en und Gewitterschauer bringt.

No. 456. Gauss au Olbers. [212

Bergen, 1822 August 17. Recht sehr erfreut haben Sie mich durch Ihren gütigen hierher geschickten Brief. Ich bin am 4. Aug. hier angekommen und habe in

*) Auf Olbers' Veranlassung Ton Bkssel in seinen Jugendjahren bereclinet. Vergl. Briefwechsel Olbeks-Bessel Brief No. 4 ff. und Olbers Bd. 11, 1, Briefwechsel No. 120 u. 128, Gauss-Bessel No. 4. Ueber diesen Kometen findet sich auch etwas in Olbers Bd. I No. 24, S. 227 ff. Krm.

^) Diese Worte sind heim Entsiegeln des Briefes abgerissen worden. Krm.

204 Gauss an 011)ers. Bergen, 1822 August 17.

diesen 12 Tagen nur erst tvenig ausgerichtet. Auch in Celle hat mein Aufenthalt länger gedauert, als ich gedacht hatte; ausser dem so un- günstigen Wetter wurde dies noch durch eine andere nachher zu er- wähnende Ursache bewirkt.

Sie haben sehr sanguinische Hoffnung, bester Olbers, wenn Sie es für möglich halten, dass ich in diesem Jahre meine Triangel voll- enden könnte; ich habe bei dem kläglichen Fortschreiten schon oft ge- zweifelt, ob ich nur die Falkenberg-Station werde absolviren können. Ausser dem immerfort dauernden traurigen \\'etter und der am Ende zu befürchtenden Erschöpfung meiner physischen Kräfte ist im Grunde über den Falkenberg hinaus bis diese Stunde noch kein Definitiv-Plan möglich. Meine Untersuchungen im Mai haben wohl die Möglichkeit durchzukommen gezeigt, oder vielmehr wahrscheinlich gemacht, denn noch wusste ich nicht, ob "Winsen sich mit Hauselberg und Steinbeck mit Wilsede verbinden Hess, aber immer ist dies alles nur der letzte Nothanker, wenn ich es gar nicht anders machen könnte; denn ich glaube, dass durch Zuziehung von Thürmen als StandpiinJxte (solide Laternen wie Michaelis in Hamburg und Lüneburg etwa ausgenommen) die Schönheit meiner Winkelmessungen nur verdorben werden wird, und dass ich dann sogar besser fahre, die dritten Winkel gar nicht zu messen. Für das erste hat [sich] nun während der letzten 8 Tage meines Aufenthalts in Celle ein Ausweg angedeutet, der aber noch ausserordentlich grosse Schwierigkeiten haben wird, und dessen Ge- lingen noch ganz zweifelhaft ist. Es ist nämlich bei Eschede ein Punkt ausgefunden, der vermittelst einiger nicht bedeutenden Durch- haue mit Garssen und Falkenberg verbunden ist, dessen Verbindung mit Hauselberg aber einen sehr grossen Durchhau durch den Hassel (über eine Strecke von 2000 m) erfordern wird, der aber natürlich nicht eher angefangen werden kann, als bis ich theils die Kichtung auf 10" genau anzugeben im Stande bin, und zugleich auch entschieden oder wenigstens höchst wahrscheinlich geworden ist, dass der Boden des Hassels, der fast in der Mitte zwischen Eschede und Hauselberg liegt, nicht zu hoch ist. Die vier Punkte stellte nachstehende Zeichnung vor

^^^''^"■^ mm e"'""'' '^)-

Ich habe hier nur etu-as Wald angedeutet. Hassel und Lüss sind grosse zusammenhängende Waldungen, die wie eine flauer alles ab- schliessen; aber solche ausgedehnte Wälder giebt es viele, z. B. der Lüsing bei Ebstorf, und die einzelnen hohen Föhren-. Buchen- und Eichenkämpe, die sich schachbrettartig vor einander schieben, sind gar nicht zu zählen!

Von Winsen hat nun endlich der Haupt. Müller auf dem Hausei-

«Tiiuss an Olliers. Bergen. 1822 Auiru^t 17.

205

berfrl' die äusserste Spitze entdeckt, er.<t nachdem ich ihm die Richtung auf die Minute genau liatte angeben können; durch einige Veränderung des Standpunktes hat er noch ein ganz kleines Stück des Daches in der Lücke des zwischenliegenden 2 Meilen entfernten Laubwaldes ent- deckt, rnmöglich aber würde man in diesem Thurme so hoch hinauf können, um das Heliotroplicht vom Hauselberg sehen zu können, falls nicht dafür ein besonderes hohes Echafaud gebaut würde. Aber viel werth ist mir doch die Sichtbarkeit jener Si)itze, da sie mich in Stand setzen wird, die Richtung des Durchhaus hinlänglich genau anzufreben.

Hnuselberg

Talkenbe,

Platz znisrJim E Schede und ScfiarnJtorst

hülsen

Cfarssner Berg Fiff. 14.

Ich denke, wenn nur der Boden dazwischen nicht zu hoch ist, soll dieser Durchhau ein kleiner Triumph der Messkunst werden. Die darauf Bezug habenden Operationen können aber erst vorgenommen werden, wenn ich auf dem Falkenberg ganz fertig bin, da der Auf- bruch und Transport aller Bagage immer viel Zeit und Geld kostet und also nicht gern doppelt gemacht ward.

Einen ähnlichen Triumph habe ich dann bei Wilsede gehabt. Der Durchhau,^) welcher auch schon sehr bedeutend ist, ist so gut gelungen, dass der Wilseder Signalbaum fast mitten in der Oeffnung erscheint. Nicht so belohnend ist der Durchhau nach Langlingen zu; dieser Hori- zont wird nun noch durch einen Zwischenwald verdeckt und kommt nur durch die Refraktion spät Abends zuweilen in dessen Lücken, Den grossen Zeit- und Geldaufwand für den Durchhau durch diesen Zwischen- wald (Raubkammer) kann ich nicht machen, zumal da Langlingen jetzt wie in 2 angeschlossen werden kann und nicht mehr wie in 1 an-

^) Yergl. Brief No. 150 im Briefwechsel Gauss-Schümächer. Krm.

206 Gauss an Olbers. Bergen, 1822 August 17.

j2:eschlossen zu werden braucht (Figur 15). Freilich hätte ich lieber beide Verbindungen zugleich gehabt, da die Linien hier so klein werden.

Allein noch bin ich gar nicht entschlossen, Langlingen zu nehmen, da ich, wie gesagt, nur höchst ungern Steinbeck zu einem Dreiecks- punkt nehmen möchte. Ich habe in der That jetzt schon wieder an die Wrsfsnte gedacht, denn da ich nun vermöge des Durchhaus zwischen F . . .W auf die Seite FW komme, so ist bei der Wahl von Punkten

auf der W Seite die Sichtbarkeit des Deisters nicht mehr nothwendig, die bei Müller's Versuchen nirgends zugleich mit der Sichtbarkeit anderer brauch- barer Punkte sich vereinigen liess. Bei Visselhövede ist ein Punkt, wo Falken- berg und Schessel sichtbar sind; letz- teres soll auch von Hamburg sichtbar sein; ungewiss aber ist es, ob es von AVilsede aus zu sehen ist, ebenso wie die Verknüpf barkeit von jenem Platz bei Visselhövede mit Wilsede. Freilich ist Schessel auch ein Kirch- thurm, aber vielleicht gäbe es in der Gegend, die ich nicht kenne, Hügel, deren Aussicht ebenso weit reicht. Sollte nicht Schessel auch von Bremen aus sichtbar sein? Leider kosten alle solche Kekognos- cirungen sehr viel Zeit und bei der wüsten Lebensweise, die man da- bei führen muss, physische Kräfte.

Es ist noch eine hochliegende Stelle in der Haide aufgefunden, ungefähr in der Gegend, wo der -k- (Figur 14) steht, und durch dessen Be- nutzung verniuthlich noch viel schönere Dreiecke sich hätten bilden lassen. Veinnithlich Hesse er sich, nach der Höhe des Terrains zu ur- theilen, mit Falkenberg, Garssen, Wilsede und Punkten SO von Lüne- burg verbinden, allein dui'chaus alle Linien müssten durch Durchhaue gemacht werden, duich dichte Buchen- und Eichenwaldung, und die Kosten, um diesen nneii Punkt brauchbar zu machen, würden verniuth- lich viel grösser sein, als der ganze xA.nsclilag der Gradmessungskosten. Bei den Dui-chhauen muss ich immer sehr ängstlich zu vermeiden suchen: Eichenwaiduugen und Privat- odei' Gemeinde-Eigenthuni. denn hierbei werden die Kosten immer gleich sehr gross.

Sie sehen aus dem Angeführten, dass mein hiesiger Aufenthalt vielleicht noch sehr lange dauern wird,*) und erfreuen mich daher hottVntlich hier noch mit einem Briefe, warum aber nicht lieber injt

"j 10 Tage von jetzt an gewiss noch.

OlIitTs an (iaus.s. Bremen, 18'J2 August 30. 207

einem Besuclie? \ fnnuthlicli -wird niicli hier auch Schumachkr noch besuchen. \on Bremen kommt man g-ewiss in einem Tage nach Bergen, da die ^\■e^re und Posten jetzt überall vortrefflich sind. Der Aufent- halt im Posthause ist hier recht gut, und dies so wie die Betiuemlich- keit, jeden Augenblick Tiansportmittel erhalten zu können, erleichtern es mir hier, was mir in der Tliat auch um so mehr Noth thut, da mein Befinden in der letzten Zeit oft sehr schlecht gewesen ist. Ich habe einen rntendtieier zum Einstellen des Niveaus und zum Aufschreiben ziemlich eingeübt und lasse daher oft meine iTehülfen mit allen ;') Heliotropen zugleich spielen. Vorigen Sonntag, wo Schumachee's Bruder und Lt. Zahrtmann hier waren, fand sich eine i'echt günstige Stunde, wo Müller's Heliotrop von Eschede her (4 Meilen), Hartmann's vom Deistei- (9 Meilen) und meines Sohnes von Lichtenberg (12 IMeilen) zugleich sichtbar waren, und der zweite trotz des nicht ganz günstigen Einfallwinkels zuweilen mit blossen Augen. Bei kleinen Distanzen ist das Licht oft 211 stark, und ich habe schon ein paar Mal einen ganzen Tag verloren (Eschede Garssen und Hauselberg Falken berg), weil das Licht viel zu hell war und mir Sonnenlicht fehlte, um dies dem (Sehülfen telegraphisch anzuzeigen.

P. S. Das Packet aus Amerika könnten Sie mir gelegentlich einmal nach Göttingen schicken. Die grosse Entfernung und meine Abwesen- lieit von Haus während des ganzen Sommers werden mich ja wohl entschuldigen, wenn ich einen oder 2 Monate später danke.

No. 457. Olbers an Gauss. [243

Bremen, 1822 August '60.

Allerdings niuss ich nach Ihrem letzten Brief meine viel zu sanguinischen Hoffnungen über die Beendigung Ihrer Triangulirung sehr herabstimmen, um so mehr, da das Wetter noch immer so wenig günstig ist. Ich sehe die grossen Schwierigkeiten, in einem waldbedeckten Lande ohne bedeutende Anhöhen weiter zu kommen, vollkommen ein. flöchte sich nur Ihre Gesundheit dabei erhalten, die Sie hoffentlich nicht durch eine zu starke Verlängerung Ihrer diesjährigen Campagne bis in den Spätherbst in Gefahr setzen werden. Im Namen aller Ihrer Verehrer, lieber Gauss, bitte ich nochmals dringend, sicli zu schonen.

Ihre freundliche Einladung, Sie in Bergen zu besuclien, hat un- gemein viel Reiz für mich; aber ich habe jetzt das Vergnügen, meine Schwester, die Räthin Mater mit ihrer Tochter bei mir zu sehen.

208 Olbers an Gauss. Bremen, 1822 Aug-ust 30.

und ich hoffe, diese lieben Gäste noch eine Zeit lang hier zu be- halten.

Die Antwort nach Amerika hätte gern noch ein paar Monate Zeit: aber in den Wintermonaten giebt es selten eine Schiffsgelegenheit, und es dürfte dann der Brief bis zum nächsten Frühjahr zurückbleiben müssen. Nun habe ich Ihnen zwei Vorschläge zu thun: Entweder ich entschuldige Sie mit Ihrer Arbeit und danke in Ihrem Namen, denn auch ich habe noch nicht geantwortet, weil ich Ihren Brief zu- gleich besorgen wollte. Oder Sie geben mir die Erlaubniss, das für Sie bestimmte Packetchen zu erbrechen, und ich schicke Ihnen den Brief unter Einschluss nach Bergen, das Diplom aber gelegentlich nach Göttingen. Mii' scheint das letztere am besten.

Der am 13. Juli von Pons, am 16. von Gambaet und am 20. von BouvAKD in der Cassiopeja und dem CepJieiis entdeckte Komet \) ist am 20. Aug. in den Bereich der Aussicht aus meinem Beobachtungs- zimmer gekommen, und ich fand ihn zwischen ^ und y Draconis in einer Lichtstärke, die ihn, wenn man seinen Ort genau kannte, in heiterer mondloser Nacht selbst mit blossen Augen erkennen liess. Bis zum 25. Aug. habe ich ihn aber nicht beobachtet, weil er auch noch nach Mitternacht für mein Fernrohr zu hoch stand, und ich es als sehr un- nöthig ansah, einen grösseren Theil meiner Nachtruhe aufzuopfern, da dieser Komet gewiss schon an vielen Orten beobachtet wird. Ich be- gnügte mich also mit einer blossen Schätzung. Am 25. Aug. verglich ich ihn mit einem Stern 9. und am 26. Aug. mit einem schönen Stern 7. Grösse, die aber leider beide in der Hist. Gel. nicht zu finden waren. Erst am 27. und 29. habe ich ihn ordentlich beobachten können.

At

Aug. 20. 9»^ 267° 45'

21. ll'^ 265 58

24. 11*^ 261 26

27. 13'^2)15'"3PM.Z. . . 2o7''57'42" 43° 50' 32" N. D. 29. 11 54 40 ... . 255 58 3 40 22 35

Am 27. gab es einen angenehmen Anblick, den Kometen zugleich mit dem schönen Nebelfleck zwischen den Beinen des Hercules No. 92 d. Con7i. d. tems 1784 im Fernrohr zu sehen. Beide waren einander sehr ähnlich, aber der Komet grösser und lichtstärker, sein Kern heller und bestimmter. Der Komet ist wegen seines hellen, deutlichen, ob- gleich verwaschenen Kerns gut zu beobachten und hat einen kleinen

Nördl. Dekl.

55°2ri

53 43

Schätzung

49 4

^) Verg-1. Anmerkung 1 auf S. 202. Krm.

-"i In Olbers Bd. 1 No. 76 findet sich 12'>. Krm.

Gauss an »illnis. llerytii. 1>_'2 Siptiiiiber 4. 200

ungemein blassen Sclnveif. Er entfernt sich zwar jetzt schon wieder zienilicli sclinell von der Erde, aber da er wahrschoinlicli seine Sonnen- nähe noch nicht passirt hat. so wird isich seine Lichtstärke noch ziem- lich erhalten, und wir wt-rden ihn hoffentlich bis zum Okt. verfolgen können,

Dass J )KLAMBRE gcstorbcn ist, werden Sie längst wissen. Der :'.. Band seiner Hist. de VÄstr. moderne wird noch herauskommen.

Sollten Sie vielleicht den Kometen schon länger observirt haben oder jetzt observiren, so würden Sie mich durch Mittheilung Ihrer Beobb. sehr verittiichten.

Meine Haus-Gesellschaft nöthigt mich, diesen Brief zu schliessen, da ich mit derselben auszufahren im Begriff bin. Leben Sie wohl, mein theurer Gauss!

l

No. 458. Gauss an Olbers.') fsis

Bergen, 1822 September 4.

Recht herzlichen Dank für Ihren lieben Brief vom 30. Aug., welchen ich so eben erhalten habe. Von meinem hiesigen Aufenthalt lässt sich nun endlich doch das Ende absehen. Ich habe die Kichtungen Deister, Lichtenberg, Garssen, Scharnhorst, Hauselberg, Wulfsode, Wilsede und die korresp. Zenithdistanzen jetzt festgelegt und könnte von hier abgehen, wenn die Wahrscheinlichkeit grösser wäre, dass ein Durchhau vom Hausel- berg nach Scharnhorst (zwisclien diesem Dorf und Eschede, näher an jenem, liegt der Dreieckspunkt) möglich ist oder vielmehr, dass er zum Ziel führt. Allein leider ist sehr zu befürchten, dass das Terrain da- /\vi>chen zu hoch ist, und da dies nicht eher entschieden werden kann, als bis ich selbst zum Hauselberg komme, und ich doch nicht gern noch einmal zum Falkenberge zurückgehen möchte, so werde ich, ehe ich diesen verlasse, erst noch die Richtung nach Breitliorn festlegen, von wo die Möglichkeit des Durchhaus nach Scharnhorst etwas mehr für sich hat, obwohl mir dieser Punkt deswegen nicht so gelegen ist, als Hauselberg [es] gewesen wäre, da von jenem nach Wulfsode keine Aussicht ist. Die Aussicht von Falkenberg nach Bockum hatte sich nicht öffnen lassen, daher ich auf Bockum Verzicht leisten musste, und so ein ganz anderes System aufgesucht werden musste. Es ist unweit Wulfsode der Timpenberg gewählt, von wo Wulfsode, Wilsede und Hamburg sichtbar sind. Die Richtung nach Lüneburg geht auf einen

^) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Vergl. zum Inhalt dieses Briefes auch Brief No. 153 u. 154 im Briefwechsel Gauss-Schumacher. Krm.

Olbers 11, 2. 14

210 Gauss an Olbers. Bergen, 1822 September 4.

Wald, und es ist zweifelhaft, ob, wenn durch diesen durchgehauen, über eine zweite vorliegende Höhe, die gleiclifalls bewaldet ist, wird weggesehen w^erden können. Liesse sich die Verbindung Timpen- berg— Lüneburg eifektuiren, so wäre das A System vortrefflich. Allein auch wenn es nicht möglich ist, muss ich mich zufrieden geben.

Nach Breithorn wird der Hauptmann Müller heute von "Wulfsode abgehen, und so kann ich hier, wenn das Wetter günstig ist, in einigen Tagen fertig sein. Ich denke dann zum Hauselberg zu gehen und da- selbst die Winkel zwischen Falkenberg, Wilsede und ^\'ulfsode nebst Z[enith]-D[istanzen] zu messen, so wie die Z.-D. des Waldfusses in der Richtung nach Scharnhorst, woraus sich über die Möglichkeit urtheilen lassen wird, (xeben die Messungen diese Möglichkeit als ganz ent- schieden, so gebe ich Breithorn ganz auf, entscheiden sie aber die Un- möglichkeit oder lassen die Möglichkeit prekär, so muss Breithorn ein Dreieckspunkt werden, doch habe ich dem Hauptmann Müller auf- gegeben, den Platz bei Breithorn wo möglich so zu wählen, dass Hausel- berg von da sichtbar ist oder gemacht werden kann (es liegt ungefähr dazwischen ein grosser Wald, der Kalbsloh, Privateigenthum). Der Durchhau wird dann erst nachher unter Müller's Leitung gemacht werden, während ich noch eine oder die andere nördlichere Station be- suche. Ich gehe daher von Hauselberg zunächst nach Wulfsode und vielleicht von da auch noch nach Wilsede, obwohl ich fast lieber den letzten Punkt (w^o ich vermuthlich Vl„ Meilen entfernt doch nur einen äusserst schlechten Aufenthalt werde haben können) auf eine Zeit hinaus- schieben möchte, wo ich mit frischen Kräften anfangen kann. In Wulf- sode ist ein guter Aufenthalt, und vielleicht wäre es Ihnen möglich, mich dort zu besuchen, theuerster Olbers, die Entfernung von Bremen nach Bergen und nach Wulfsode ist noch nicht so sehr viel verschieden. Nach aller Wahrscheinlichkeit werde ich in den Tagen Sept. 11. 12, 13, 14 dort sein oder etwas später, wenn in den nächsten Tagen viel schlechtes Wetter ist.

Das Wetter, mein Befinden und vielleicht andere Umstände werden dann bestimmen, wie lange ich noch in den nördlichen Gegenden bleibe. Ich möchte dann aber nachher erst noch nach Breithorn oder ev. Hauselberg zurück, um im ersten Fall dort alle ^^'inkel. im zweiten die Richtung nach Scharnhorst festzulegen, so wie nachher Scharnhorst selbst noch abthun, wo ich noch nicht gewesen bin. Von Scharnhoi"St aus lässt sich die Richtung nach dem Deister öffnen, und wenn die Jahreszeit dann noch nicht zu weit vorgerückt ist. möchte ich auch diese gerne anknüpfen, und vielleicht bei der Rückreise nochmals einige Tage auf dem Deister verweilen, um die Rückvisirung zu machen. Auf dem Deister ist der Winkel zwischen Falkenberg und Scharnhorst um

Gauss an Olliers. Bergen, l!522 September 4.

211

HAMBURG

Mllsede

Falkenb^

Hohmhom

Liuwnbiu-(j

yLimehurff

Timfwnberg mdfsode

Breühorn Scharnhorst Cfarssen

Deisler

Lichtenberg

1 " grösser als der zwischen Falkenberg und Garssen. Uebrigens wird in meinem System uft melir als das unumgänglich Nöthige vorkommen, wie z. B. schon in dem Viereck I^ichtenberg, Deisler, Garssen, Falken- berg alle G Richtungen festgelegt sind. Allein am Ende wird nicht etwa aus dem ganzen Vorrath ein S3'Stem ausgewählt, welches heut zu Tage eine Barbarei wäre, sondern alles muss mit zugezogen werden und i>ro rata kontribuiren: kein ge- messener Winkel zwischen 1 linkten, die überhaupt nur zum System ge- hören, darf „iiinkomDioi'^.

Beiliegendes kleines Kärtchen (Figur IG) zeigt Ihnen nun meinen Plan, wie er jetzt liegt. Die schwarzen Linien sind alle gewiss praktikabel bis auf Breitliorn Scharnhorst, wo erst ein grosser Durchhau gemacht werden muss, dessen Erfolg aber höchst wahrscheinlich ist. Die drei stärker punktirten Linien von Hau- selberg aus sind offen, die schwächere so wie die von Timpenberg Lüne- burg sind schwerlich zu öffnen. Viel- leicht ist auch die Linie AMlsede Hohenhorn frei (Epailly hat sie, was aber nichts entscheidet, da er in der Luft observirte).

Den Kometen habe ich noch nicht gesehen, auch fehlen mir alle Instrumente zur Beob. Rücksicht- lich des amerikanischen Packets ist es wohl am besten, dass Sie Ihre Antwort nicht verzögern und zugleich die Güte haben zu bemerken, dass das an mich gerichtete Packet bei

meiner beständigen Abwesenheit nicht früher als im Spätherbst in meine Hände würde gelangen können, und dass man es mir deshalb zu Gute halten möchte, wenn vielleicht meine Danksagung erst nach Wiedereröffnung der Schiffahrt eintreffen könnte. Bei der grossen Ent- legenheit aller Poststationen und der Ungewissheit meines Aufent- haltes, auch bei gutem Wetter und wenn alles vorbereitet ist, hoffent-

14*

Brocken

Hohehagen

Fiff.

Jrtselsierg 16.

212 Gauss an Olbers. Bartkrug, 1822 Oktober 1, Vormittags.

lieh der Kürze meines Aufenthalts, ist es mir in diesem Augenblick unmöglich, Ihnen eine Adresse aufzugeben, bei der ich nicht Gefahr liefe, dass der Brief vielleicht erst nach 3 Wochen oder später in meine Hände käme (wie es mir schon oft mit Briefen in diesem Jahr gegangen). So bald ich es aber kann, werde ich Ihnen eine Adresse anzeigen.

^•o. 459. Gauss au Olbers. [214

Bartkrug, 1822 Oktober 1, Vormittags.

Es wird beinahe ein Monat seit meinem letzten Briefe an Sie ver- flossen sein, und erst jetzt, wo ich wieder an einer Poststrasse bin, kann ich Ihnen ein Lebenszeichen geben. Ich reiste am 7. Sept. nach einem Aufenthalt von 34 Tagen von Bergen nach Ober-Ohe^j ab, in welcher Fuhrmannsherberge ich 10 Tage zubringen musste. Gleich meine ersten Messungen auf dem Hauselberge überzeugten mich, dass das Terrain zwischen diesem Punkte und Eschede zu wenig Depression hatte (um etwa 2') und also ein Durchhau durch den Hassel hier nicht zum Ziele führen würde: Breithorn musste also zugezogen werden. In- zwischen wollte ich doch auch die Messungen, die sich auf den Hausel- berg bezogen, ungern umsonst gemacht haben, zumal da von da aus, nicht aber von Breithorn, auch A^lllfsode sichtbar war; es war mir also sehr wichtig, Breithorn mit Hauselberg in Verbindung zu setzen. Ueberdies wurde dadurch ein Mittel erhalten, die Lage von Breithorn im voraus mit der nöthigen Genauigkeit für den Durchliau nach Eschede zu finden, welches sonst nur mit grossem Zeitverlust über Wilsede her hätte erhalten werden können. Allein die Linie Hausel- berg— Breithorn ging auch durch ein dichtes Holz (den Wichel) und es erforderte erst allerlei vorläufige Messungen und Besprechungen mit dem Verwalter des Eigenthümers dieser Waldung; doch wurde alles dies durch angestrengte Thätigkeit in Avenigen Tagen vollendet, so dass schon am 10. Sept. Abends der Durchhau durch den Wichel vollendet und das schon während dieser Zeit gesetzte Postament genau in der Oeffnung zum ersten Male pointirt werden konnte. Alles hatte ich nun schon zur Bestimmung der Richtung Breithorn Eschede vorbereitet. Am 11. früh schickte ich den Hauptm. Müllkr mit den erforderlichen Zahlen nach Breithoin ab, um den Durchhau durch den Hassel an- zufangen; hinter dem Hassel fand sich bei Loh noch eine Privat waldung;

') Veber den unangenehmen Aufenthalt in Ober-Ohe berichtet Gauss h\uuig im Brief >'o. 157 im Briefwechsel Gaüss-Schumachek. Krni.

Gauss au Olliers. Bartkrug-, 1822 Oktolier 1, Vorniitta{,'s. 213

(locli hatte er am 12. Abends beide ^\'älder bis auf wenipfe Bäume durclisclinitten und während dieser Zeit hatte ieh meine Messungen auf dem Hauselberj^ komplet absolvirt, und um nicht noch einmal in die l'^uhrmannsherberge zurückkehren zu müssen, entschloss ich mich, die Station Breitliorn nun auch gleich vorzunehmen. Gegen Mittag des 13. hmgte ich daselbst an; Hauptmann ^Iüller bekam den Auftrag, sogleicli nacli Eschede abzugehen, unterwegs die noch im Wege stehen- den Bäume wegzunehmen und nocii denselben Tag Heliotroplicht von Kschede zu schicken. Kr fand bei seiner Ankunft daselbst dort auch noch hinderliche Bäume, und wie der letzte fiel, hatte ich das Escheder Postament auf dem Faden meines bereitstehenden Theodolithen. Dieser Success hat mir vielen Spass gemacht. Breitliorn Avurde in 4 Tagen absolvirt und am 17. reiste ich von Ober-Ohe nach Wulfsode ab. Die dortigen Messungen wuiden in 8 Tagen beendigt, inkl. eines Tages, wo ich auf dem Timi)enberge die Winkel zwischen Wulfsode, Wilsede und Hamburg vorläutig maass. Am 25. machte ich die Reise hierher, wo mein Quartier vom Berge li Stunden entfernt ist. Vom 26.-29. habe ich bereits schöne Messungen gemacht; gestern machte ich den A\'eg ganz vergeblich, heute lässt es sich wieder besser an. Licht schickt mir mein Sohn von A\'ulfsode; Lieutn. Hartmann, bisher von Hausel- berg, vom Breithorn, wohin er abgegangen ist, konnte gestern und vor- gestern Regens wegen nichts her[schicken], Hauptm. Müller während derselben Zeit vom Falkenberg, und ist in diesem Augenblick auf der Reise zum Timpenberg, wo er die Möglichkeit eines Durchhaus nach Lüneburg näher untersuchen und, wenn sie ausführbar erscheint, ein- leiten soll. Die Richtung, welche sich auf meine bisherigen und zum Theil auf meine früheren Messungen gründet, soll, denke ich, auch auf -i Minute genau sein. Gelingt der Durchhau nicht, so muss der Anschluss freilich auf den etwas spitzen Winkel in Hamburg gegründet werden (25^47'). Ginge es mit dem Durchhau nach Lüneburg schnell und glücklich (obwohl ich nach der vorläufigen Ansicht nicht viel Hoffnung habe), so würde ich bedauern, dass die Jahreszeit schon so weit vorgerückt ist; w^äre ich noch 3 Wochen weiter zurück im Jahr, so könnten noch unter günstigem Wetter alle Winkelmessungen absolvirt w^erden, obgleich ich hier in Wilsede fast ebenso viel zu messen habe wie auf dem Falkenberge.

Angenehm ist mir die Entdeckung, dass hier 3 dänische Punkte zu sehen sind, ausser Hamburg nämlich auch Hohenhorn und Syk; die Richtungen habe ich bereits mit vieler Genauigkeit observirt. Schade, dass von Hohenhorn nur die höchste Spitze zu sehen, also die Rück- visirung unmöglich sein wird; Syk zeigt sich besser, die Rückvisirung ist aber von geringerer Wichtigkeit.

214 Gauss an Olbers. Bartkrug, 1822 Oktober 1, Voiinittags.

Mit meinen Messungen bin ich zufrieden, der grösste Fehler der Summe der 3 Winkel ist im ganzen Jahre bisher an dem Dreieck Falkenberg, Hauselberg, Wulfsode r',5; ich glaube, dass die Fehler noch kleiner gewesen wären, wenn ich ohne Ausnahme bloss Heliotrop- licht observirt hätte, allein dann hätten alle Messungen wenigstens noch einmal so viel Zeit gekostet; ich musste mich oft entschliessen, auch auf die Steine selbst zu pointiren, die oft schwer zu sehen waren (sie hatten etwa 15 Zoll im Quadrat bei einer Höhe von 4 4| Fuss), und obgleich geschwärzt nicht ganz frei von Phase bei Sonnenschein (es versteht sich, dass ich bei Sonnenschein die Steine nur dann schnitt, wenn die Heliotrope anderwärts waren, was aber auch öfter, um Zeit zu ersparen, geschehen musste). Wenn Thürme die Zielpunkte sind, so bin ich geneigt zu glauben, dass auch die kleinen Veränderungen ihrer Gestalt durch Wind und Sonnenschein zur Verminderung der Genauig- keit beitragen; sollte nicht z. B. bei dem 400 Fuss hohen Michaelis- thurm in Hamburg, wenn die Westseite von der Sonne bedeutend mehr erwärmt ist als die Ostseite, oder wenn starker AVestwind auf die elasti- sche obere hölzerne Hälfte weht, der Knopf mehrere Zoll östlicher sein können, als wenn die Umstände entgegengesetzt sind? 8 Zoll betragen aber in dieser Entfernung schon eine Sekunde. Ich denke hierüber in Göttingen an den nur -g^^j so viel entfernten Thürmen Beobb. anzustellen.

Mit meiner Gesundheit geht es leidlich. Die rauhe kalte Witte- rung ist auch mir freilich schon etwas zu rauli, aber der warme Sommer war mir unendlich drückender-. Auf dem Wege von Ober-Ohe zum Hauselberg wurde ich einmal von einem schweren Schlössen wetter bei starkem Sturmwinde überfallen und so bis auf die Haut durchnässt, dass ich meine Unterkleider auf dem Hauselberg ausziehen, und da der Versuch, sie am Feuer zu trocknen, misslang, während der Zeit, wo ich vom Quartier her andere holen Hess, ein paar Stunden hindurch barfuss observiren musste. Ich befand mich dabei und nachher sehr wohl, da hingegen auf dem Falkenberg bei schwülen Gewittertagen ich oft zum Umsinken ermüdet war.

Doch, theuerster Olbees, ich muss mein langes Geplauder ab- brechen. Mein Plan ist, wenn ich die hiesigen ^Messungen absei virt habe, noch nach Eschede zu gehen und dann, vermuthlich in der letzten Hälfte dieses Monats nach Göttingen zurückzukehren.

Meine vorläufige Berechnung giebt nun Hamburg nördlich 224761,1 m Lüneburg 191503,6 m

östlich 2369,6 30574.4

von der Göttinger Sternwarte, Theodolithplatz, der im Spalt der KEicHENBACH'schen Instrumente 5,242 m nördlich vom Kreise stand.

Olliers an Gauss. Bremen, 182'2 t>ktol»er 8. 21')

No. 460. Ulbers an Gauss. [2i6

Bremen, 1822 Oktober 8.

Ihre beiden letzten Briefe haben mir eine um so grössere Freude gemacht, da ich ausser dem glücklichen Fortgang Ihres so -wichtigen und interessanten Geschäfts auch daraus mit dem grössten Vergnügen ersehen habe, dass sich Ihre Gesundheit aller Entbehrungen und er- schöpfenden Anstrengungen unerachtet so gut gehalten hat. Bald hätte ich doch in meiner Hoffnung, die Sie zu sanguiniscli nannten, Sie würden vielleicht noch dieses Jahr den geodätischen Theil Ihrer Gradmessung endigen können. Kecht gehabt. Ich hoife, das Wetter wird Ihnen bis jetzt nicht ungünstig gewesen sein; wenigstens haben wir hier ziemlich heitere Tage, aber zu meinem grossen Verdruss fast immer trübe und bedeckte Abende. Ob der Winkel, womit Sie sich an Hamburg und die ScHUMACHEK'sche Messung anschliessen, 25^47' oder nahe 60^ be- trägt, darauf kommt wohl im Grunde bei der bewundernswürdigen Ge- nauigkeit, womit Sie Ihre Dreiecke messen, wenig an, und so kann ich mich nicht so recht sehr für das Gelingen oder Nichtgelingen des Durchhaus zwischen Timpenberg und Lüneburg interessiren; indessen hoffe ich doch, dass Sie auch diesen Wunsch noch erreichen werden.

Unter diesen günstigen Umständen darf ich nun doch wohl die Hoffnung nähren, dass Sie künftiges Jahr die ganze Operation inkl. des astronomischen Theils beendigen werden. Gern wüsste ich nach Ihrer Zurückkunft in Göttingen gelegentlich, wie Sie Ramsdon's Sektor ge- funden haben und beurtheilen.

Von dem Kometen werde ich nun in ein paar Tagen ganz Abschied nehmen müssen, und kaum kann ich bei dem trüben veränderlichen Wetter noch auf eine Beob. hoffen. Ich theile Ihnen meine Beobb. nicht mit, da sie für Sie wenig Interesse haben und Sie dieselben in Schumacher's Astron. Nadir.'') finden werden. Die auf Schumacpieks und meine Beobb. von Hansen gegründete parabolische [Bahn] stimmt auch noch jetzt in der ^ so gut, dass man die etwaige Abweichung nicht von den Beob.-Fehlern unterscheiden kann ; in der Dekl. setzt sie ihn etwa 1' zu nördlich. Unter dieser genauen Uebereinstimmung bleibt es mir wenig wahrscheinlich, dass die wahre Bahn so weit von der Parabel abweichen sollte, wie einem Bericht von Harding zufolge Encke ge- funden haben will. Von Encke selbst habe ich nichts darüber. Auf alle Fälle möchte ich sehr wünschen, dass Rümkee in Neu-Süd- Wales diesen Kometen erblickt haben möge. Er wird ihn vielleicht bis zum

0 A. N. Bd. I. Olbers Bd. I No. 76—81. Krm.

216 ülbers an Gauss. Bremen, 1822 Oktober 14.

Frühjahr verfolgen können, und so würden wir seine Bahn sehr genau kennen lernen. Der Komet war in der letzten Beob. vom 6. Okt. noch sehr schön zu sehen. Der Kern hell, aber etwas verwaschener wie im Sept., der Schweif deutlicher, ob er gleich niedrig stand und die Dämmerung noch nicht ganz geendigt war.

Dass wir von Encke's Kometen noch immer nichts hören, befremdet mich immei" mehr und macht mich immer ungeduldiger. Ich dächte doch, Fallows auf dem Vorgebii^ge der guten Hoffnung würde gleich von der Auffindung des Kometen Nachricht gegeben haben, ohne erst das Ende seiner Beobb. abzuwarten. Nun waren nach Lloyd's Liste die letzten in England angekommenen Briefe schon vom 30. Juni, dem Tage, wo der Komet seine grösste Lichtstärke schon erreicht haben musste. Ebenso wenig kann ich mir denken, dass in England Nach- richten über den Kometen, wenn sie eingegangen wären, geheim ge- halten würden. Immer mag man die Beobb. selbst nicht bekannt machen, um sie für den künftigen Band der Phil Transad. aufzu- sparen; aber die Sache selbst, die Auffindung müsste und sollte doch gleich bekannt werden.

Meine lieben Gäste haben mich zu meinem innigen Bedauern schon wieder verlassen. Ich habe sehr angenehme Tage mit ihnen verlebt. Jetzt bin ich wieder in meiner gewöhnlichen Ruhe und Müsse, die mir indessen auch gut zusagt. Mit meiner Gesundheit bin ich. einige sich mehrende Altersschwächen abgerechnet, ganz gut zufrieden. Leben Sie recht wohl, mein theuerster, mein geliebtester Freund! Wenn es Ihnen möglich ist, so machen Sie mii' recht bald wieder die Freude, einige Zeilen von Ihnen zu lesen. Sie können sich nicht denken, welche Freude mir immer ein Brief von Ihnen macht.

No. 461. Olbers an Ganss. [247

Bremen, 1822 Oktober 14.

Herzlich willkommen in Göttingen, möge Ihnen doch Ihr dies- jähriger beschwerlicher Feldzug gut bekommen und Ihre Gesundheit nach unseren herzlichen "Wünschen durch den vielen Aufenthalt in freier Luft gestärkt und verbessert sein!

Indem ich Ihnen hier das amerikanische Packetchen schicke, er- laube ich mir zugleich, Ihnen den Ueberbringer desselben. Hrn. Klüveu, bestens zu empfehlen. Es ist der Sohn eines Landmannes aus unserem Stadtgebiet, der sich durch seine unüberwindliche Neigung zur Mathe- matik hauptsächlich selbst bis zur Integral-Kechnung durchgearbeitet

Gauss an Olbers. (iüttiuEren, 1S2'2 (»ktolier J-t. 217

liat und jetzt nach Güttinjren fiflit. sicli auychVicli zum künftigen Fi'M- nicsser und W'asserbauverständiyen ausziil)ilden. Allrnliiij^s liabc auch ich ihm sehr einstlic-h gerathen, dies Brod-Stadinm hauptsäclilich zu treiben, aber er scheint eio:entlich die Astronomie hMiU-nscliaftlich zu lieben. Ich kenne ihn indessen zu wenig, da der bescheidene junj^e Mann sich erst kurz vor seiner Abreise mir gezeigt hat, um beurtheilen zu können, ob er so viel Genie hat, auch in dieser Wissenschaft etwas Eminentes künftig leisten zu können. Sie werden bald finden, ob er Ihres Unterrichtes würdig ist. Neuere Sprachen, französisch, englisch, italienisch u. s. w. versteht er, auch kann er ein wissenschaftliches Buch in lateinischer Sprache lesen. Yielleiclit kann etwas Grosses, wenig- stens mehr als Gewölinliches aus ihm werden.

Nach Boston habe ich vorläufig auch in Ihrem Namen gedankt, bin aber noch immer erbötig, Ihre etwaigen Aufträge dahin zu be- sorgen, womit es indessen bei der vorgerückten Jahreszeit keine Eile hat.

No. 462. Gauss all Olbers. [215

Göttingen, 1822 Oktober 24.

Seit dem 17. bin ich nun wieder von meiner Reise zurück, und ich eile, Ihnen, nachdem ich von den vielen unterdessen angehäuften Geschäften einige der dringendsten beseitigt, wieder ein Lebenszeichen zu geben. Zuvörderst noch meinen herzlichen Dank für die freund- lichen Zeilen, womit Sie mich in Eschede erfreut haben. Meine Beobb. auf dem ^^'ilseder Berge habe ich am 7. Okt. beendigt, es waren nächst dem Falkenberg, wo 1080 Repetitionen von Hauptwinkeln gemacht Avaren, die zahlreichsten (G71). Der Durchhau vom Timpenberg nach Lüneburg ist leider unausführbar gefunden. Nachdem durch eine Strecke von 1800 Schritt vorerst ein schmaler Durchhau gemacht war, bis wohin die Aussichten günstig gewesen waren, fand sich das Terrain schon zu wenig deprimirt, und der Durchhau wurde daher sofort ein- gestellt. Sie, theuerster Olbers, legen darauf wenig Werth, und man kann ebenso denken, wenn man die ganze Triangulirung lediglich als Mittel zur Bestimmung des Werthes des Breitengrades betrachtet. Allein ich habe davon bei meiner ganzen Arbeit immer abstrahirt und das Ziel im Auge gehabt, die gegenseitige Lage aller Punkte, welche meine Messung berührt, so scharf zu bestimmen, w^ie es bei dem heu- tigen Zustande der Praxis und Theorie möglich ist, und deshalb möchte ich sehr ungern mein ganzes System auf den spitzen Winkel in Ham- burg stützen, der sich auch gewiss auf dem hohen Michaelisthurm lange

218 Gauss an Olbers. Göttingen, 1822 Oktober 21.

nicht SO gut observiren lassen wird, wie die Winkel auf meinen steiner- nen Postamenten. Um zu tliun, w^as ich kann, habe ich noch einen Punkt bei Drögen-Nindorf etwa 3000 m vom Tinipenberg, etwas links von der Richtung nach Lüneburg durch einen Pfahl gefestigt und von Wilsede aus noch geschnitten. Dieser Punkt ist zwar vom Timpenberg auch ganz durch Wald geschieden, allein dieser Durchhau hat die höchste Wahrscheinlichkeit des Gelingens für sich, und man sieht daselbst Wil- sede, Hamburg, Lüneburg, Lauenburg frei, vielleicht auch Hohenhom. Meine Winkel in Wilsede sind zu meiner Zufriedenheit ausgefallen. Nicht so zufrieden bin ich mit den Dreiecken, die in Scharnhorst (= Eschede) schliessen. Das A Scharnhorst Falkenberg Garssen giebt 2",3 zu viel für die Summe der drei Winkel, der grösste Fehler nächst dem Dreieck Hohehagen Hils Brocken, wo 3".6 Fehler ist. Ueber letzteres Dreieck habe ich Ihnen schon früher geschrieben; bei ersterem mag die Schuld mit daran liegen, dass auf kleine Distanzen Heliotroplicht, was sich nicht frei zeigt, sondern wie hier durch eine sehr kleine in den Baumkronen bei Garssen (Eichen, Privateigenthum) gemachte Oeffnung, sich lange nicht so gut pointiren lässt wie auf 8 bis 10 mal so grosse Entfernungen. Die auf dem Garssner Berge ge- machten Beobb. mögen dabei noch mehr Schuld haben wie die bei Scharnhorst, da bei jenen viele Umstände hinderlich waren. Hätte ich mir erlauben wollen, auf alle meine Messungen noch einmal so viel Zeit und Kosten zu verwenden, als sie gekostet haben, so würden wohl nur die wenigsten Dreiecke über 1" abweichen.

Berechnet sind alle meine Beobb. immer auf der Stelle; hätte ich mir nicht zum Gesetz gemacht, immer den Kalkül mit den Beobb. gleichen Schritt halten zu lassen, wobei ich selten vor Mitternacht zur Euhe gelangte, so würde es unmöglich gewesen sein, die Durchhaue mit der Sicherheit zu machen, die sie alle begleitete. Allein die feinste Ausfeilung bleibt natürlich noch zurück, wobei alle Erfahrungen als ein verkettetes System betrachtet werden, und z. B. jeder auf dem AMlseder Berge beobachtete A\'inkel noch eine Keaktion auf die A\'inkel auf der hiesigen Sternwarte ausübt. Dies wird noch viel Arbeit kosten. Von meinen vorläufigen Resultaten interessirt Sie vielleicht die relative Höhe meiner Punkte, die ich Hinen daher hersetze:

Saal der Sternwarte . 0 m

Mer.-Zeichen . . . . -f 64,2

Hohehagen + 346,9

Hils + 271,4

Brocken + 992,4

Lichtenberg . . . . + 8^?^

Deister +150,3

Gaus< an olK.rv (iüttinüeii, IS'22 Oktober --'4. 219

Garsseii 80,8 m

Falkenber«r 7,3

Scliarnhorst .... 04,3

BiTithorn 37,9

Haiiselberg 38.1

Wulfsode 54.4

Wilsede -|- IJ.2

Timpenberg .... 43

Lünebuig 82 Laterne unten

59 Knopf

Hamburg 52 Laterne unten

Scliarnhorst lässt sich unmittelbar mit Deister und Lichtenberg verbinden, welches Garssen ganz entbehrlich machen könnte. Gern hätte ich diese Verbindung noch gemacht, allein der schon früher stattgehabte Wiederanfang der Lektionen der Militärschule, wobei meine beiden Officiere angestellt sind, drängte zum Schluss, auch traute ich dem Wetter nicht. Hätte ich aber vorausgesehen, dass es noch so lange gut bleiben würde, so wäre ich doch noch eine Woche länger in Eschede geblieben, welches ich den 14. verlassen habe.

Was während meiner Abwesenheit in der astronomischen Welt vorgegangen, ist mir ganz fremd geblieben. Ich habe hier Schu- macuer's Ästr. Nachr. bis No. 20 vorgefunden, aber bisher kaum etwas darin blättern können. Ich weiss in der That nicht einmal, ob der am 14. Mai von Pons entdeckte Komet') (nach dem losen Blatt bei Zach's Journal Cah. 3.) mit dem von Ihnen beobachteten-) identisch ist oder nicht. Von letzterem wünscht Hr. Schnürlein die Elemente schärfer zu berechnen, und wenngleich diese Arbeit bei Encke in geübteren Händen ist, so möchte ich doch Hrn. Schnürlein gern diese Auf- munterung gönnen. Hätten Sie also wohl die Güte, mir diejenigen Ihrer Beobb., die in Schumacher's .45fr. Xachr. bis No. 20 noch nicht vorkommen, und etwa einige der besten fremden gefälligst mitzutheilen? Mit allen meinen anderen astronomischen Freunden, ausser Ihnen und Schumacher, ist meine Korrespondenz ganz abgebrochen gewesen.

Schubert, von dem ich hier einen Brief vorfand, hat eine neue Aus- gabe seiner Astron[omie] in französischer Sprache herausgegeben, die ich in Kurzem zu erhalten hoffe. Auch verschiedene Piecen von Wronski habe ich vorgefunden. Mir ist dieser Mann ein merkwürdiges psycho- logisches Phänomen, und ich möchte wohl Ihr Urtheil darüber wissen. Sollte er bloss ein Betrüger sein, oder nicht vielmehr ein „deratigement

1) Komet 1822 I. Krm.

2) Komet 1822 IV. Krm.

220 Gauss an Olbers. Göttingen, 1822 Oktober 24.

mentaP^ eingetreten sein, in welchem er wirklich selbst glaubt, über die ganze Welt erhaben zu sein? Wenn mich nicht alles täuscht, so haben wir einen angehenden Weonski II in unserer Nähe, einen ge- wissen Feedinand V. Sommer in Braunscliweig. Dies ist ein junger Mensch, der vor einigen Jahren hier studierte und, wie ich höre, hier sich schlecht aufgeführt hat. Im vorigen Frühjahr schrieb er an mich, dass er die allgemeine Auflösung der Gleichungen gefunden habe, und schickte mir eine Formel, die gewiss unrichtig war. Da die Umstände mir keine Korrespondenz erlaubten, auch wenn ich Lust dazu gehabt hätte, so rieth ich ihm, seine Formel an einem Fall in concreto zu prüfen und gab ihm .eine Gleichung vor. Im Sept. erhielt ich über Göttingen einen zweiten Brief, worin er behauptet, seine ersten Formeln seien vielleicht durch Schreibfehler entstellt gewesen, und die richtige habe die Wurzeln der gedachten Gleichung so genau gegeben, wie es mit Logarithmen von 7 Stellen möglich sei, er werde nächstens ein System der topischen Kombinationslehre vollenden, worin seine neuen Entdeckungen entwickelt sein sollten etc. Ich antwortete ihm später, dass, wenn vor der Hand meine Geschäfte mir nicht erlaubten, diese Abhandlung mit der nöthigen Aufmerksamkeit zu lesen, ich doch gern erbötig sei, die berichtigte Formel, falls er sie mit der vollständigen numerischen Anwendung auf den Fall in concreto begleitete, zu prüfen und, falls sie das leiste, was er rühme, ihm zu zeigen, wie lebhaft ich mich für jede Erweiterung der Wissenschaft interessire. Jetzt be- komme ich nun die Abhandlung gedruckt und einen Brief, worin er erklärt, das Specialisiren seiner allgemeinen Entdeckungen und die An- wendung auf numerische Eechnungen sei jetzt etwas Leichtes und für ihn zu Triviales etc. Unsere Korrespondenz wird nun wohl zu Ende sein; beim Durchblättern der Piece selbst ist mir ungefähr zu Muthe gewesen, als ob ich in einem Irrenhause wäre. Er meldet mir noch, dass er im Begriff sei, nach Hamburg zu gehen und dort über höhere Integralrechnung Vorlesungen zu halten.

Auch eine neue Parallelentheorie habe ich hier vorgefunden und auf das Verlangen des Verfassers eine Beurtheilung in unsere Gel. Äm.^} gegeben, seit langer Zeit das einzige, was von mir darin ist. In einem der nächsten Blätter werden Sie eine Kecension von Kkayenhoff's Freds finden, die, wie mir Eichhoen sagt, von einem gewissen Bebghaüs in Münster herrührt , und die dieser also verantworten mag. Sonst rühren fast alle mathematischen Recensionen in unseren Gel. Am. (denen mein eigenes Urtheil oft ganz entgegengesetzt ist) von Hrn. Hofrath ]\Iayer her.

^) Gauss" Werke Bd. IV, S. 368—370, auch Bd. VIII. S. 1S3— 185. Kriu.

Olliers an (iauss. Bremen. ]X22 Nuvember 2. 2'2\

Eine Men^fe anderer Briefe liejren noch hier, iiiul wenn ich einem jeden Briefsteller, \vie er es verlanirt, Gi'nüjie leisten .sollte, sc» würde ich wohl, falls ich in diesem Winter anch wieder Schule halten muss. meine g-anze Zeit bis Ostern vollkommen ausgefüllt haben um! zu sonst nichts Zeit Ix'lialten.

xo. 463. Olbers an Gauss. [24s

Bremen, 1822 November 2.

Ich holte, Sie werden jetzt schon meinen vorläufig-en Glückwunsch zu Ihrer Rückkehr nach Göttingen durch den jungen Klüver so wie den Brief aus Amerika erhalten haben. Recht innig-st danke ich Ihnen, dass Sie unerachtet des vorg-efundenen "Wustes von Geschcäften und Briefen mir so bald wieder mit Ihrem interessanten, herrlichen Briefe eine so grosse Freude gemacht haben. Mich dünkt, Sie können über den diesjährigen Fortgang und Erfolg Ihres Messungs- Geschäfts sehr zufrieden sein, wenn auch das schöne Wetter, das "wir fast den ganzen Okt. hindurch gehabt haben, es bedauern lässt, dass Sie Ihie Champagne nicht noch einige Wochen verlängern konnten. Indessen war die Luft grössten Tlieils mehr milde und angenehm als heiter und klar, und fast zweiüe ich, dass sie oft den Beobb. entfernter Gegenstände günstig ge- wesen sei. Da Sie nichts von dem Zustande Ihrer Gesundheit melden, so überlasse ich mich der freudigen Hotfnung, dass Sie die vielen ]\Iühseligkeiten und Entbehrungen Ihres Feldzuges ohne Xachtheil über- standen haben.

Der Komet, den wir diese letzte Zeit beobachtet haben, ist nicht der von Zach erwähnte am 14. Mai, sondern der 3.^) dieses Jahres von PoNS in der Cassio2)eja am 13. Juli entdeckte Komet. Mit Vergnügen theile ich Hrn. Schnürlein alle meine Beobb. mit; aber da Sie jetzt gewiss schon die No. 21 und 22 der ScnuMACHER'schen Ä. K erhalten haben, setze ich hier nur die Beobb. her. die mir noch nach dem 28. Sept. ge- lungen sind.-)

^) Komet 1822 IV, der 3. in Europa damals bekannte. Krm.

^) Von einigen Abweichungen abgesehen, die offenbar von der Eeduktion der Beobb. herrühren, stimmen diese Zahlen mit den in Olbeks Bd. I No. 80, 81 gege- beneu überein. Krm.

222

Okt. 4.

Olbers an Gauss. Bremen, 1822 November 2.

6. 10. 11. 14.

6h48'n43s 242047' 27'

7 6 28 2J2 47 7 —8« 1' 50"

7 18 58 242 41 18 ' 8 53 26

7 3 7 242 34 54 9 41 42

6 51 16 242 13 57 , 12 46 25

6 38 38 242 9 36 13 29 58

6 33 46 241 57 21 - 15 33 13

Einzelne Vergleichung. Der Him- mel sehr dunstig, deswegen die Beobb. Avenii^er gut unterein- ander stimmten.

3 Vergleichungen. Der Himmel sehr dunstig, deswegen die Beobb. weniger gut unterein- ander stimmten.

Einzelne, etwas eilige Verglei- chung, da der Komet mir gleich verschwinden wollte.

4 gute Vergleichungen. 4 für A.R., 2 für Dekl. 6 gute Vergleichungen. Einzelne Vergleichung bei noch

stärkerer Dämmeruncr.

Der Genauigkeit nach möchten die Beobb. in folgender Eangord- nung stehen. Okt. 11, 6, 10, 5, 14, 4. Bei den Beobb. des 5. und 11. Okt. ist der Einfluss der Refraktion bei der Reduktion scharf be- rechnet, bei den übrigen vernachlässigt, weil der Komet so nahe auf dem Parallel der verglichenen Sterne war, dass diese Korrektion kaum ein paar Sekunden betragen konnte.

Wenn es Hr. Schnürlein wünscht, so steht ihm auch eine Ab- schrift meiner Original-Beobb. zu Dienst, wie ich sie an Prof. Excke geschickt habe. Encke verlangt nämlich immer gern die Original- Beobb., um sie alle auf einerlei Art reduciren zu können. Uebrigeus hoffe ich, dass der aufmerksame Rümker diesen Kometen vor seiner Sonnennähe aufgefunden haben werde. Dann wird er ilin bis in den März des künftigen Jahres^) verfolgen können, und wir werden seine Umlaufszeit, wenn sie wirklich nur von etwa 200 Jahren ist, sehr ge- nau kennen lernen.

Dass wir noch gar nichts von der Wiedererscheinung des Encke- schen Kometen hören, macht mich immer verlegener. Wenn er auf dem Kap aufgefunden wäre, so müsste man es längst in England wissen, da dort schon Schiffe angekommen sind, die das Vorgebiige am 12. Aug. verliessen. Am 12. Aug. war der Komet schwerlich mehr zu sehen, also die Beobb., wenn überhaupt welche gemacht sind, schon geendigt. Ich kann mir kaum denken, dass man in England ein Geheimniss daraus machen sollte, um uns erst im nächsten Bande der Philos. Transart. damit zu überraschen. Von dem Astronomen des Observatoriums am Kap, Hrn. Fearon Fallows, habe ich übrigens seit seiner Abreise aus England noch nichts gehört, als die wunderliche Beschreibung einer am

^) Von EüMKER nur bis 1822 Nov. 11 beobachtet. Krm.

Olbors an Gauss. Urenien, ls22 Novenilier 2. 223

28. Nov. 1821 walirofenunnnenen l.icht-Erscheinung im dunkelen Tlieil des Mondes, und die im iTiunde wulil niclits weiter gewesen sein Avird, als dass sich bei sehr heiterer Luft einige vom Erdenlieht erleuchtete hellere Stellen ungewöhnlich deutlich zeigten. Ich gestehe es, es ist mir immer etwas verdächtig, wenn ein angehender Astronom gleich sonderbare Beubb. gemacht haben will, die den Veteranen nie vor- gekommen sind. I)er Himmel gebe, dass P'allows meine Vermuthungen durch sein künftiges Benehmen widerlege; denn es wäre sehr, sehr zu bedauern, wenn eine so kostbare und für die Sternkunde so wichtige Anstalt, wie die Sternwarte auf dem Kap ist, in unrechte Hände ge- kommen sein sollte.

\o\\ der P/eyaf/?»-Bedeckung habe ich vorgestern zwischen Wolken nur folgendes beobachten können:

Bremer mittl. Zeit Okt. 31 6''54"M9^6 Austr. Merope

7 4 11,4 Eintr. Atlas i

7 21 24,2 Austr. Älcyone

Die Decimalen entstehen natürlich nur durch Zeitkorrektionen; aber die beiden Austritte besonders waren sehr gut, auch meine Uhr scharf berichtigt, weil ich den Gang eines Chronometers zu untersuchen habe, der eine Reise um die Welt machen soll. Man ist nämlich im Begriff, von hier ein Schiff nach Lima zu schicken, das über Canton und Ostindien zurückkehren soll. Ich w^ünsche sehr korrespondirende Beobb. von dieser Bedeckung zu erhalten.

Von Ihrem A\'ronski II hatte ich schon vorher etwas gehört, stellte mii" ihn aber etwas anders vor. Ich will wohl glauben, dass beide, wie ehemals Muhammed, sich zuerst selbst betrügen; aber wenig- stens Wronski I ist zugleich ein gefährlicher tückischer Mensch, mit dem man nicht vorsichtig genug sein kann. Die Aktenstücke über seine englische Angelegenheit hat er mir auch geschickt; es ist doch viel, was er leisten will oder geleistet zu haben sich rühmt. Die Sache mit Yoüng und dem Board of Longitude scheint listig genug eingefädelt. Ich habe nun seit einigen Monaten nichts weiter darüber gehört und vermuthe fast, dass man Mittel gefunden hat, diese ärger- liche Geschichte auf irgend eine Art beizulegen. Wronski pflegt die ein- mal ins Auge gefasste Beute nicht leicht aufzugeben, und er würde schon längst wieder Lärm gemacht haben, wenn er nicht auf irgend eine Weise beschwichtigt wäre.

Brinkley's und Bessel's Dekl.-Kataloge stehen jetzt schroff ein- ander gegenüber.^) Ob Brinkley mit Recht Bessel's Abweichungen von

^) Siehe hierül)er auch Brief Xo. 494. Krm.

224 Olbers an Gauss. Bremen, 1822 December 24.

seinem Katalog Errms of Bessevs Catalogue nennt, wird die Zeit lehren. Wenn I^rixkley seine Abweichungen auch dadurch als ganz genau be- wiesen zu haben glaubt, dass er selbst die kleine Solarnutation daraus abgeleitet hat, so erregt die noch immer zugleich gefundene, gewiss viel zu grosse Parallaxe einiger Fixsterne ein gerechtes Vorurtheil, be- sonders da man nicht wohl sieht, wie in Bessel's mit so vieler Um- sicht und scharfer Prüfung geleitetem Verfahren ein so grosser kon- stanter Fehler möglich bleiben sollte. Ihre öffentliche Bibliothek wird gewiss die Ir'isli Transact. besitzen, die sonst auf dem Kontinent selten sein mögen.

Leben Sie wohl, mein allertheuerster Freund! Ich hoffe, Sie haben es mir nicht übel genommen, dass ich Ihnen den jungen Klüver empfolilen habe. Nach einiger Zeit möchte ich gern Ihr Urtheil über seine Fähigkeiten und Fortschritte wissen. Dieksen aus Berlin hat mich diesen Sommer besucht und scheint mit seinen Berliner Verhält- nissen ganz zufrieden. Er hat mir recht gut gefallen, und ich habe be- wundert, was unter Ihrer Leitung aus ihm geworden ist, wenn er auch kein ausgezeichnetes Genie haben mag.

No. 464. Olbers an Gauss. [249

Bremen, 1822 December 24.

Ich hoffe, Sie haben sich nun von den Beschwerden Ihi-es dies- jährigen Feldzuges völlig erholt und den dringendsten Theil der unter- dessen aufgehäuften Geschäfte beseitigt. Sehr danke ich Ihnen noch einmal für die sowohl mir vorher so gütig in Ihren Briefen, als auch nun in den Astro)». IS! achrichten ') gegebene Kunde von den Fortschritten Ihrer so wichtigen und interessanten Vermessung.

Diesmal komme ich mit einer grossen Bitte. Ich habe einen Xeveu, Adolf Kulenkamp, der nun ins dritte Jahr zu Königsberg unter Bessel (Sie wissen, Bessel war einst in Kulenkamp's Hause Hand- lungs-Gehülfe) Mathematik studirt, um sich zum Ingenieur auszubilden. Bessel ist mit seinem Fleiss und seinen Fortschritten immer sehr zu- frieden gewesen. Da nun die Zeit herankommt, wo der junge ^lann in das praktische Leben eintreten muss, so schreibt Bessel auf Be- fragen: „Nach sorgfältigen Erkundigungen über die Aussichten im preussischen Ingenieur-Korps habe er erfahren, dass alles so mit jungen Leuten besetzt sei. dass eine Anstellung schwer und an ein einisrer-

1) A. N. Bd. 1 No. 24, Beilage 1. Krm.

Olbers au tiauss. Bremen, 1822 December 24, 225

maassen rasclies Avancement gar nicht zu denken sei; dagegen aber isulle es an solchen Ofticieren, welche bei grossen Vermessungen gebraucht werden künnen, sehr fehlen und in diesem Fache also eine Anstellung und weiteres Fortkommen wohl zu erwarten sein. Er vermuthe, im hannoverschen Dienste würde wohl dasselbe stattfinden. Et glaube also, dass Adolf sein Fortkommen auf die Darlegung seiner Tüchtig- keit in der höheren Geodäsie gründen müsse, und dass es ihm deshalb förderlich sein werde, wenn er behaupten und beweisen könne, dass er bereits in diesem Fache gearbeitet habe. Deswegen lasse er jetzt durch AnuLF eine kleine, aber mit aller möglichen Genauigkeit zu führende Aermessung in der Gegend von Königsberg unternehmen, wozu er ihm die nöthigen Hülfsmittel angeboten habe, und er zweiüe keinen Augen- Idick, dass Adolf das Ganze so vollenden werde, dass er selbst die Ueberzeugung erhalte, ein ähnliches Geschäft im Grossen führen und dies auch anderen durch die vorhandenen Belege darthun zu können. Dem Civil-Baufache scheint Adolf nicht so geneigt zu sein, auch würde er darin noch vieles lernen müssen. Was er als Ingenieur \\issen muss, weiss er gewiss bis auf das Praktische des Dienstes, er weiss es sogar sehr viel besser, als die meisten anderen Officiere; da- gegen wird ihm für das Civil-Baufach noch vieles fehlen, was er aber lernen wird, wenn ihm die Zeit dazu vergönnt ist."

Soweit Bessel. Dass ich für Adolf den hannoverschen Dienst, wenn dazu zu gelangen wäre, dem preussischen weit vorziehen würde, künnen Sie leicht denken. Im Königreich Hannover habe ich noch manche Freunde, Bekannte und Verwandte, die sich vielleicht für meine Bitten mehr oder weniger interessiren würden, woran es mir aber im Preussischen ganz fehlt. Meine bittende Anfrage wäre nun, mein geliebter Freund, ob Sie künftigen Sommer diesen jungen Mann nicht auf irgend eine Art bei Ihrem Vermessungs-Geschäft gebrauchen könnten? Dadurch würde er mehr als irgendwo sonst lernen können, und aus einer solchen Schule, zumal wenn er sich Ihren Beifall zur künftigen Empfehlung erworben hätte, würde ihm der Eintritt in eine seinen Fähigkeiten angemessene Laufbahn sehr erleichtert werden. Ich weiss wohl, dass es Ihnen nicht an Gehülfen fehlt; aber ich bin auch überzeugt, dass mir Ihre Freundschaft, wenn es Ihnen irgend möglich ist, gern diese grosse Gefälligkeit in Gewährung meines Wunsches er- zeigen wird.

Sollte es nöthig oder nützlich sein, welches ich doch gar nicht glaube, wegen dieser Angelegenheit auch an unseren gemeinschaftlichen Freund, den Geheimen Kabinets-Ptath Hüppenstedt zu schreiben, so werde ich dies auf Ihren Wink sogleich thun. üeberhaupt möchte ich gern wissen, ob Hoppenstedt noch in den nämlichen Verhält-

Olbers. II, 2. 15

226 Olbers an Gauss. Bremen, 1822 Decemher 24.

nissen zu Göttingen und Ihrem Vermessungs- Geschäft geblieben ist, wie vorher.

Der schreckhafte Tod des hoffnungsvollen Walbeck, den mir Bessel meldet, ^) wird Sie noch wohl mehr erschüttert haben als mich, da Sie Walbeck persönlich kannten, haben Sie damals schon etwas an ihm bemerkt, das auf Melancholie und Selbstmord ahnden Hess? Ich bin neugierig, wie die Stelle in Abo wieder besetzt werden wird.

Durch Tralles' unerwartetes Verscheiden in England hat Berlin nun doch auch den noch einzigen Mathematiker von einiger Bedeutung verloren.

Höchst sonderbar ist es, dass die Astronomen auf dem Kap den Kometen von Encke nicht gefunden haben. Es kann freilich etwas an der Witterung, noch mehr an der Uebung der Astronomen, Kometen gleich zu finden, liegen (von den 3 Kometen dieses Jahres ist kein einziger in England gesehen worden), aber die Sache wird doch in anderer Rücksicht sehr bedenklich. Man hat so allgemeine Aufmerksam- keit auf diesen Kometen erregt, und Excke's Ephemeride so weit verbreitet, dass man hätte glauben und hoffen sollen, wir würden nicht bloss von wirklichen Astronomen, sondern auch von manchen Liebhabern der Sternkunde, Seefahrenden u. s. w. Nachrichten über diesen Kometen er- halten haben, wenn er so leicht zu sehen gewesen wäre, als die Theorie erwarten lässt. Auch den freilich sehr windigen Baron v. Drais hatte ich zur Aufsuchung des Kometen bei seinem noch fortdauernden Aufent- halt in Rio Janeiro umständlich instruirt und mit Himmels-Karten ausgerüstet, aber nichts von ihm erhalten. Unsere ganze Hoffnung beruht nun noch auf Rümker in Neuholland. Sollte auch dieser eifrige und geschickte Astronom den Kometen nicht gesehen haben, so würde die ewige Dauer der Kometen sehr zweifelhaft werden.

Wo ist Hr. V. Staudt geblieben? Ist er in bayrische Dienste ge- gangen? Beschäftigt er sich noch mit Astronomie? Ich komme zu diesen Fragen, weil wir jetzt im ersten Band der FJiilos. Transad. 1822 die Original-Beobb. des Kometen von 1821, mit dem sich Stau dt so sehr beschäftigte, von Kapt. Hall zu \'ali)araiso nach dem Perihel er- halten haben. Rosenbekgeb's Bearbeitung dieser Kometenbahn wird doch noch einer Revision bedürfen, denn die HALL'schen Beobb. er- fordern durchaus eine neue Reduktion. Da dieser Komet in seiner Sonnennähe der Sonne so ziemlich nahe kam, so möchte ich gern unter- sucht sehen, ob die beiden Aeste der Kometenbahn vor und nach dem Perihel wirklich genau ein und demselben'-) Kegelschnitt angehören,

^) Briefwechsel Olbkhs-Bksskl, Brief No. 301 vom 10. Deo. Krm. -) Die gleiche Frage hat Olbkrs auch im Brief No. 302 an Bessel aufgeworfen, Briefwechsel S. 233. Krm.

Gauss an (Ml»ers. Göttingen, 1822 Decenil)er 29. 227

oder ob doch Spuren eines, wenn audi nur von der Materie des Thier- kri'isliclites, auf den so vulunünüsen und so lockeren Kometen ausgeübten Widerstandes merklich oder wahrscheinlich werden?

In dem neuesten Bande der Conn. d. Tems hat mich unter anderen die rntersuchuno; über den Meridian-Unterschied zwischen Paris und Greenwich aus den beobachteten yR des blondes interessirt. Es ist doch merkwürdig, dass die Beobb. von Pond einen anderen Meridian- l'nterschied geben als die von Maskeltne.

Doch ich ermüde Sie mit meinem unbedeutenden Geschwätz. Leben Sie wohl, mein theuerster geliebtester Freund, möge das neue Jahr Ihnen und Ihrer verehrten Familie eine Fülle von Segen und Glück brinjrenl

No. 465. Gauss an Olbers. [216

Göttingen, 1822 December 29.

"Wenn ich auf Ihren gütigen Bi'ief vom 24. nicht ganz so ant- worten kann, wie ich wünschte, so werden Sie gewiss selbst überzeugt sein, wie leid mir dies thut. Icli will Ihnen alle Verhältnisse otfen- legen. Sie werden dann selbst am besten beurtheilen können, ob viel- leicht etwas möglich ist.

Im Lauf des abgewichenen Jahres habe ich drei Gehülfen ge- braucht, und die Arbeiten sind dadurch rascher vorgerückt und besser geworden, als sonst möglich gewesen wäre, und das raschere Vorrücken hat die dadurch scheinbar vermehrten Kosten mehr als überwogen. Ja, ich würde bei diesen Arbeiten bestimmt noch weiter gekommen sein, wenn ich noch einen Gehülfeu mehr und einen Heliotrop mehr gehabt hätte. Allein nicht so verhält es sich bei den noch übrigen Arbeiten; ich sehe nicht wohl, wie ich dabei einen vierten Gehülfen beschäftigen und also die Bitte um Anstellung eines solchen motiviren könnte, da mir wiederholt die möglichste Kostenersparniss ans Herz gelegt wird, daher ich auch schon gedacht habe, bei einem Theile der noch übrigen Arbeiten mich mit zwei Gehülfen zu begnügen. Freilich kann ich über diese Arbeiten noch gar keinen Plan maciien, ehe ich mit Schumacher Rücksprache genommen habe, und Sie wissen selbst, wie schwer dies bei der ihm eigenen Art Briefe zu schreiben ist. Ich weiss bis diese Stunde noch nicht die Länge seiner Basis und seine Pläne, wann und ob er seine Gradmessung bis Skagen*) fortsetzen und beendigen wird.

*) Von dem ganzen Bogen zwischen Göttingeu und Skagen beträgt meine Triangulirung etwa i, die seinige, soweit sie fertig ist, nur |, und der noch nicht

15*

228 Gauss an Olbers. Güttingen, 1822 December 29.

Er hat mir halb und halb versprochen, geg-en Ostern nach Göttingen zu kommen; allein ich "weiss nicht, wie viel ich diesmal auf die Er- füllung dieses Versprechens rechnen kann. Ich kann daher auch noch gar nichts über Messung einer eigenen Basis beschliessen, wozu auf alle Fälle seine Mitwirkung nöthig sein würde.

Unter diesen Umständen scheinen mir also nur zwei Fälle denk- bar, wo ich von Ihrem Neffen als Gehülfen Gebrauch machen könnte, enhveder, wenn einer meiner diesjährigen Gehülfen ausfiele, und inwie- fern dazu eine Wahrscheinlichkeit ist, lässt sich in diesem Augenblick noch nicht bestimmen, oder zweitens, wenn ich veranlasst würde, meinen Messungen eine weitere Ausdehnung zu geben, als mir ursprüng- lich aufgetragen ist. Ueber letzteres lässt sich nun allerdings man- cherlei sagen. In wissenschaftlicher Eücksicht wäre es gewiss überaus wichtig, wenn ich meine Messungen weiter westwärts bis zum An- schluss an die KRAYENHOEr'schen Dreiecke^) auszudehnen beauftragt würde; jene würden dadurch mit den englischen und französischen in Verbindung gesetzt, und Azimuthalbestimmungen in Bentheim oder einem anderen westlichen Punkte würden selbst für den obersten Zweck, nämlich in Rücksicht auf die Gestalt der Erde, ebenso wichtig sein als die Breitengradmessung. Ebenso gross wäre der Nutzen für die Geographie des Königreichs Hannover, wenn die jMessungen einen so viel grösseren Theil umfassten. Endlich wäre von grösster "Wichtigkeit, dass eine solche Fortsetzung meiner Messungen, wenn sie überliaupt einmal geschehen soll, bald geschehe; denn die Punkte, woran der An- schluss geschehen muss, sind vergänglicher Art. und es steht dahin, bei der rohen Zerstörungssucht, die mich schon im vorigen Sommer viel- fach geplagt hat,*) ob nach einigen Jahren irgendwo noch eine Spur davon anzutreffen sein wird. Alle diese Gründe würden mich, in so vielfacher Rücksicht ich auch diese Geschäfte als Opfer betrachten muss, bewegen, mich dazu bereit finden zu lassen, wenn ich dazu aut- gefordert würde, obwohl ich aus mancherlei Rücksichten nicht selbst die Initiative dazu machen und mich dazu anhiden kann. Die Aus- führung selbst würde für mich denn doch das Erfreuliche haben, dass sie mich auch eine Zeitlang in Ihre Nähe bringen würde, mein theuei'ster Freund, ein Glück, welches ich so lange entbehrt habe. Für Sie würde es dann auch noch das Interessante haben, dass ausser der

triangulirte Theil (von Lyssabel bis Skagen) J, also eine Arbeit, die er schwerlich unter 3 Jahren vollenden wird.

^) Yeriil. hierzu die Annierk. 2 zu r>rief No. 45o, S. 195. Krni.

*) Fast kein einziges Steinpostament ist uubeschädiizt geblieben: mein Signal- thurm auf dem Hohehagen ist fast ganz zerstört und das Steinpo^tameut daselbst ganz weggestohlen.

Gauss an Olbers. Göttinnen. 1822 December 29. 229

haarscharfen Bestimmung der Lai^e von Bremen auch noch die noch unbekannte :1 Koordinate, die Hidie von Bremen mit bekannt würde. Urtheilen 8ie nun selbst, ob Sie vielleicht durch Ihre Konnexionen ein Mittel haben, einen solchen Plan nur soweit in Anregunj^ zu bringen, dass ich officiell veranlasst werde, mich darüber zu erklären; so bald die Sache nur dahin gebracht werden kann, glaube ich. würde das übrige sich schon tinden, und dann würde auch ohne Zweifel die An- stellung Ihres Neffen zum Gehülfen bei diesem Geschäft sich wohl machen lassen. Ich glaube übrigens, dass man auf einen solchen Plan noch viel leichter eingehen würde, wenn die durch ihren wissenschaftlichen Sinn so ausgezeichnete Stadt Bremen ihre Mitwirkung offerirte und die Stellung eines Gehülfen auf sich nähme, mehr noch weil die Wichtig- keit, die man darauf legte, dadurch bethätigt würde, als w^gen der Kosten, die ja doch kein so gar grosses Objekt wären; ich weiss aber nicht, ob Sie diesen unreifen Gedanken thunlich halten. (

Hr. Geh. Kab.-Eath Hoppexstedt steht noch im vorigen Yerhält- niss zur Universität, und auch die ^'erfügung, die ilin gleichsam als Mittelsperson für einige Fälle zwischen mich und das Ministerium bei der Gradmessung stellte, ist nicht aufgehoben; allein seit fast l.V Jahren habe ich keine Veranlassung gehabt, an diese Zwischeninstanz zu rekur- riren. Ein lebhaftes Interesse nimmt übrigens, unter uns gesagt, wohl keiner in H[annover] an dem ganzen Geschäft.

Jetzt noch ein paar "Worte über den übrigen Inhalt Ihres Briefes. Ich sehe, dass Sie Schumacher's A. N. immer viel früher erhalten als ich; ich habe erst vor Kurzem das 22. und 23. Stück erhalten. Ich schliesse aus Ihrer Anführung, dass eine Nachricht^) über meine Messungen darin abgedruckt ist, zum Theil gegen meinen Willen, ich hatte den Artikel sehr schnell niedergeschrieben, gar nicht wieder durchgelesen und bereute nachher, ihn abgeschickt zu haben, da vieles davon nach meinem nachherigen Gefühl dem Publikum sehr gleich- gültig sein muss; meine spätere Bitte-) an Schumachee,, ihn zu unter- drücken, muss also wohl zu spät gekommen sein.

Was Sie über Walbeck andeuten, ist mir ebenso neu als er- schütternd, ich weiss kein Wort davon, und betrauere, was ich danach vermuthen muss, um so mehr, da ich ihn hier als einen ebenso guten Kopf als liebenswürdigen Menschen kennen gelernt habe.

Von Staudt habe ich lange nichts direkt gehört; Hr. Sciinüe- LEix sagte mir vorlängst, dass jener Hoffnung habe, bald angestellt zu werden.

^) Vergl. Anmerkuug' zum vorigen Briefe auf S. 224. Krm. ^] Briefwechsel Gauss-Schdmacher, Brief No. 161. Krm.

230 Gauss an Olbers. Göttingen, 1822 December 29.

Gerling wollte mich in diesen Ferien besuchen, hat es nun aber wieder aufgegeben oder verschoben, weil die Zeit gar zu kurz ge- worden wäre; es wäre noch viel mit ihm zu verabreden. Er denkt seine Messungen sehr scharf zu machen, er hat einen 12 zoll. Theodo- lithen wie der meinige und 2 Heliotrope nach der 2. Einrichtung er- halten. Wie schön wäre es, wenn ganz Norddeutschland mustermässig triangulirt würde.

Ich habe jetzt alle meine Höhen genau berechnet. Interessant sind meine Resultate für die terrestrische Refraktion. Ich finde im Mittel aus 28 Linien, die hin und zurück gemessen, 0,1306 für die ganze Refraktion (was man gewöhnlich Refraktion nennt, ist nur die halbe) bei den grossen Linien mit ziemlicher Uebereinstimmung, bei den kleinen viel unordentlicher, bei einer Linie ist sie negativ. Wo das Licht nahe über der Erde weggeht, ist sie bei O schein, wie ich mich überzeugt halte, in den Vormittagstunden und um Mittag fast immer negativ, die obere Luft ist dann immer viel kälter, und daher wirklich dichter als die untere, und das Aufsteigen der unteren Schichten ist wohl die Hauptursache von dem ungeheuren Wallen, was in solchen Gegenden fast immer um jene Tageszeit stattfindet, bis in den späten Xach- mittagstunden eine Art Gleichgewicht eingetreten [ist]. Meine Z[enith]- D[istanzen] sind meistens in den früheren Stunden gemessen (wo mir die Luft für Horizontalmessungen zu schlecht war), daher im Allge- meinen meine Refraktionen etwas kleiner sein mögen, als man sonst annimmt, jedoch stimmen meine Höhen besser, und viel besser als z. B. bei der französischen Gradmessung. Da Schumacher vorläufig Ham- bui'g mit der Ostsee verbunden hat. obwohl nur durch einseitige nicht reciproke Messungen, so giebt dies wenigstens eine Idee von der Lage aller Punkte über dem Meere; der Fussboden meiner Sternwarte wird 155,3 m, die Spitze des Brockenhauses 1149.8 m, Hohehagen 503,7 m, Wilsede 170,1m, Garssen 70,6 m, Lüneburg Laterne des Michaelis- thurms 76,5 m, Hamburg Pflaster des Michaeliskirchhofs 18,2 m.

Jetzt noch im Vertrauen eine Bitte, einen anderen Gegenstand be- treffend, Hr. Geh. Kab.-Rath Hoppenstedt hat mich vor Kurzem er- sucht, in Greifswald (wo ich einen Schwager habe) Erkundigungen wegen des dortigen Prof. Mende einzuziehen, auf den man zur Wieder- besetzung der Stelle des verstorbenen Osiaxder am hiesigen Accou- chement reflektirt. Ich habe zwar sogleich an meinen Schwager dort geschrieben, allein leider ist dieser ein noch faulerer Briefschreiber als Schumacher, und ich fürchte, dass ich sehr lange auf Antwort warten muss, und dass, falls sie am Ende erfolgt, ich doch nicht viel klüger sein werde als vorher. Sollten Sie, theuerster Olbers, vielleicht im Stande sein, mir etwas über die Qualifikationen jenes ]Mannes oder

Gauss an Olbers, Götting'eu, 1823 Fclmiar 6. 2.'U

sonst etwas zum Zweck Dienendes mittheilen zu können, so werde ich Ihnen sehr verpHichtet sein, und Sie können fest überzeuprt sein, dass ich in keiner Beziehung- anderen Gebrauch von llirer Mittheilun^^ machen weide, als den Sie mir selbst vorschreiben werden.

Ich habe mich seit einigen Wochen sehr mit Rheumatismus. Kopf- schmerz, Zahnweh und, wie das Heer von solchen widerwärtigen Feinden bei praktischen Geschäften weiter heisst, plagen müssen. Ich fühle, dass ich älter werde und den Beschwerden beim Observiren in der kalten Winterluft nicht immer so widerstehe, wie sonst. Dazu noch andere kleine AViderwärtigkeiten; das Netz am Meridiankreise ist mir mitten in den Solstitialbeobb. gerissen, und ich habe es bei meinen anhaltenden kleinen Uebeln noch nicht wiederherstellen können, das Einziehen von !> Spinnfäden ist ein Stück Arbeit, wobei man in den kurzen Wintertagen die Augen zum Zerspringen angreifen muss.

Von Berlin habe ich gar nichts wieder gehört. Mich soll wundern, ob man nun nach Tralles' Tode die Akademie in mathematischer Rücksicht ganz wird eingehen lassen.

No. 466. Gauss an Olbers.') [217

Göttingen, 1823 Februar 6.

So eben bekomme ich einen Brief von Hrn. Rümker aus Paramatta mit seinen Beobb. des ENCKE'schen Kometen.^) Da ich weiss, wäe sehn- lich Sie auf diese Nachricht gewartet haben, so kann icli nicht umhin, Ihnen noch heute eine Abschrift davon zu schicken. Ich lasse sie un- verzüglich in den hiesigen Gel. Anz.^) abdrucken.

Hr. G[eh.] K[abinetsrath] Hoppenstedt hat in der bew^ussten An- gelegenheit an mich geschrieben. Ich antworte ihm heute und hoffe, dass alles nach Ihrem Wunsche gehen wird. Dann werde ich hoifentlich im nächsten Frühjahr die Freude haben, Sie in Bremen zu umarmen.

^) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

2) Erste vorausberechnete Wiederkehr des ENCKE'schen Kometen. Vergl. hierzu den folgenden Brief und Anmerk. S. 36, so wie Briefwechsel Olbers-Bessel, Brief No. 303—304. Krm.

=>) Gott. Gel. Änz. 26. Stück, Gauss' Werke Bd. VI, S. 442. Seh.

232 Olbers an Gauss. Bremen, 1823 Februar 6.

No. 467. Olbers an Gauss. r25o

Bremen, 1823 Februar 6.

Herzlichen Dank für die freundschaftliche Güte, womit Sie meine Bitte wegen des jungen Kulenkamp aufgenommen haben. Ich sehe vollkommen ein, dass Sie ihn bei der jetzigen Lage Ihres Messgeschäfts nicht anstellen können. Grosse Freude hat es mir gemacht, dass Sie bereit sich erklären, der Wissenschaft noch das Opfer zu bringen, um die Gradmessung mit den KEAYENHOFF'schen Dreiecken zu verbinden. Sie werden es mir um so weniger verdenken, dass ich gleich von Ihrem Winke Gebrauch gemacht habe, da mir dadurch zugleich die Hoffnung gewährt wurde, Sie auf längere Zeit hier in Bremen zu sehen. Ich sprach also gleich mit einigen aufgeklärten Mitgliedern unseres Senats über die Wichtigkeit dieser Verbindung und fand sie sehr bereit, den Senat zu veranlassen, dass er sich durch Stellung eines Gehülfen und auf andere den beschränkten Mitteln und kleinem Gebiet der Stadt angemessene Art willig erkläre, diese Anschliessung an die Krayen- HOFF'schen Dreiecke zu befördern. Ich habe also auch an den Kabinets- Rath HoppENSTEDT geschrieben, dass ich den halb officiellen Auftrag von unserem Senat hätte, ihm vertraulich mitzutheilen, dass, wenn hohe Königliche Regierung die Absicht habe, die in vieler Rücksicht so wichtige Anschliessung mit den KEAYEXHOFF'schen Dreiecken zu ver- anstalten, man bremischerseits gern bereit sei, diese Operation durch die Stellung oder doch Besoldung eines Gehülfen zu befördern u. s. w. Den Erfolg müssen wir nun abwarten.

Für meinen Neveu sehe ich freilich, wenn auch dieses Projekt zur Ausführung kommen sollte, nicht den Nutzen, den ich bei meiner Bitte an Sie eigentlich bezweckte. Ausser dem allerdings vielen, was er unter Ihrer Leitung bei dem Geschäft selbst lernen würde, hoffte ich dadurch seine wirkliche Anstellung in hannoverschen Diensten, entweder als Kondukteur oder im Ingenieur-Korps zu erleichtern und einzuleiten. Dies würde nun wohl wegfallen, wenn er von bremischer Seite gestellt würde. Indessen gebe ich deswegen die Aussicht, von Ihnen bei dieser Gelegenheit als Gehülfe angenommen zu werden, für ilin nicht auf, wenn ich gleich auch ihm gerathen habe, jede Gelegenheit, in preussische Dienste zu kommen, zu suchen und zu benutzen.

Wenn ich über den Prof. Mende in Gr[eifswald] Ihnen irgend etAvas Wichtiges zu sagen gewusst hätte, so würde ich Ihren Brief gleich beantwortet haben. Aber dies ist nicht der Fall. Ich höre bloss, dass er von seinen Schülern oerühmt wird und in Greifswald und der um-

Gauss an 011)frs. Ciüttinn:en. 18'23 März 10. 233

Heftenden Gefrend als AccoucJieur sehr in Ausehen und Ruf steht. So viel sich meine Belesenheit in dem Faeh des Accouchemeut erstreckt, hat er nichts Erhebliches darüber f2:eschrieben, wohl aber kenne ich einige physiologische Abhandlungen und ein schätzbares W'eik über Frauen- zininier-Krankheiten von ihm.

\'or 3 Tagen ci-hielt ich zu meiner grossen Freude einen Brief von K IMKER und daiin die angenehme Nachricht, dass Rümker den Encke- sehen Kometen am 2. Jnni glücMich aufgefunden und bis zum 23. Juni beobachtet hat. Er schickt mir zugleich die Beobb., die er als sehr genau rühmt. Nach einer beiläufigen Vergleichung stimmen diese Beobb. unerwartet nahe mit Encke's erstem System von Elementen, das die Zeit des Perihels auf den 24. Mai 1822 0'" mittl. S[eeberger] Z[eit] setzt, überein. Diese Sonnennähe wird nach Eümker's Beobb. nur etwa 3 bis 4 Stunden später eintreffen. Nach dem 23. Juni hinderte anfangs Mondschein, nachher die Schwäche des Kometen die w^eiteren Beobb. \\'alirscheinlich liess sich der in Beobachtung schwacher Kometen noch ungeübte Astronom durch die Blässe des Kometen zu bald abschrecken.

Ich würde Ihnen die Beobb. abschreiben, wenn Sie dieselben niclit sehr bald, in Schumacher's Astron. Nachrichten ^) gedruckt lesen könnten. An Encke habe ich sie gleich geschickt.

"Wie tief hat wohl das E[EALTMüR]-Thermometer in Göttingen ge- standen. Hier habe ich am 23. Jan. morgens 8.V Uhr 21°,8 beobachtet, die grösste Kälte, die ich je erlebt habe.

No. 468. Gauss an Olbers. [218

Göttingen, 1823 März 10.

Unsere letzten Briefe hatten sich gekreuzt. Ich hatte den von Hrn. Rümker erhaltenen Brief im Original an Schumacher geschickt, und dadurch wird, da jener vermutlilich mit dem, welchen Sie erhalten hatten, ziemlich gleichen Inhalts gewesen, die Mühe, die übrigen Beobb. abzuschreiben, erspart werden. Einen ungehörigen Artikel, wo Hr. Rümker meint, die von ihm gefundenen yß- Anomalien durch eine Ab- weichung der Yertikallinie von der Ebene des Meridians erklären zu können, habe ich Schumacher gebeten, zur Ehre des Briefstellers zu unterdrücken. Hatte doch der alte Bode zu seiner eigenen Ehre auch den wunderlichen Aufsatz über die Sonnenstrahlen im Jahrbuch 1825

^) A. N. Bd. II. Olbers Bd. I No. 83, ferner No. 84 u. 85 S. 384—386. Ki

234 Gauss an Olbers. Göttingen, 1823 März 10.

unterdrückt. Mich liat er bewogen, eine Anzeige des J[ahrJ-B[uches] in den hiesigen G. A., die ich sonst wohl gemacht hätte, abzulehnen.

Dass der Hr. Geh. K[abinets]-E[ath] H[oppenstedt] mir in der be- wussten Angelegenheit geschrieben, habe ich Ihnen bereits gemeldet. Ich habe mich [für] verpflichtet gehalten, was sich über die Wichtigkeit der in Frage stehenden Operationen sagen lässt, nachdrücklich vor- zustellen und namentlich auch die Gefahren einer längeren Verschiebung derselben entwickelt. Es ist mir aber seitdem noch keine weitere Er- öffnung darüber gemacht.

Der Tod von Tealles hat die Angelegenheit mit B[erlin] wiederum in Anregung gebracht. Vor 2 Monaten erhielt ich auf demselben in- direkten Wege wie vor einem Jahre eine Anfrage^) mit der Bemerkung, dass M[tJFFLiNG] an der Realisierung der bewussten Bedingungen gar nicht zweifle. Etwas Direktes ist seitdem noch nicht erfolgt. Inzwischen hat sich hier ganz seit Kurzem das Gerücht verbreitet, dass ich einen Ruf nach B[erlin] bekommen habe. Wie ich höre, schreibt sich dies von einem jungen Gelehrten her, der ganz unlängst von Berlin hierher gekommen ist. Dieser soll hier ausgesagt haben, „man wisse in Berlin, „dass ich hier nicht zufrieden sei, und sei um so gewisser mich dorthin „zu ziehen, da man alles dazu aufbieten werde, selbst wenn mau bis „zu einem Gehalt von 4000 Rthlr. gehen müsse." Ich kenne diesen Erzähler nicht und weiss nicht, aus welchen Quellen er geschöpft hat. Indessen hat unser zeitiger Prorektor dieses Stadtgespräch, wie ich höre, ernsthaft genommen und sogar, wie mir von glaubwürdiger Hand versichert ist, darüber nach H[annover] berichtet. Mir ist dieses vorlaute Geplauder unangenehm, da ich dadurch vielleicht in Lagen versetzt werden könnte, die von meiner Seite die gemessenste Behutsamkeit erfordern, damit meine Hoffnung, die mir noch übrigen Jahre auf eine freudigere Art zu verleben, nicht durch Halbheiten verdorben werde. Wie glücklich wäre ich, theuerster Olbers, wenn ich mich mit Ihnen bereden und von Ihrer Freundschaft, Ihrer AVeltkenntniss und Ihrem sicheren Takt einige Winke über mein Benehmen erhalten könnte!

Meine Abhandlung über die Wahrscheinlichkeitsrechnung, von deren zweiten Theil Sie vielleicht die Anzeige in No. 32 der hiesigen Gel Am.-) bemerkt haben, ist jetzt fast fertig gedruckt; sie wird ~\ Bogen stark. Neulich habe ich auch einmal wieder einen kleinen rein mathematischen Genuss gehabt, indem ich eine zierliche Auflösung der Aufsabe, die

^) Vergi. Brief No. 10 von Lindenau an G.wss in K. Ekvuxs: Briefe zwischen A. V. Humboldt und Gauss, ferner Brief No. 434 von Gauss an Olbers, Brief No. 137 von Bessel (Briefwechsel Gaüss-Bessel), schliesslich Brief No. 169 von Gauss an Schumacher. Krm.

2) Gauss' Werke Bd. IV, S. 100 ff. Krm.

Gauss an Olbers. Göttino:en am ersti-n Ostertage. 1823 [März 30]. 2.'?5

Oberfläche eines elliptisc-hen Sphäroiils zu bestimmen (dessen 3 Hiiiipt- axeii alle un<rleich sind) frefiuulen habe. Das Endresultat ist natüilirh dasselbe, welches ].k(;exdue in seinen Exercices de Calcul Intq/ral gefunden hat. aber des letzteren AVeg dazu ist bei Weitem komplicirter als der meinige.

Der W'koxsky II. über welchen ich Jiinen früher einmal geschrieben habe, schreitet gut vorwärts. Neulich wurde ich über ihn von Ham- burg^) aus befragt, wo er jetzt Vorlesungen hält und vorgegeben hat, er sei mein nalier Verwandter und stehe mit mir in fortwährendem vertrautem Briefwechsel.

No. 469. Gauss an Olbers.') [219

Göttingen am ersten Ostertage, 1823 [März 30].

Ihrer früheren gütigen Erlaubniss zu Folge nehme ich mir die Freiheit, da jetzt vermuthlich der Schiffahrt nichts mehr im A\'ege steht, die Einlage an Sie zu übersenden und Sie um gelegentliche gütige Beförderung derselben zu bitten.

Durch Hrn. Klüver werden Sie in diesen Tagen ein Exempla!- meiner Theoria Comhinationis OhservaüomDu^) erhalten haben, die ich mit gewohnter freundschaftlicher Güte aufzunehmen bitte. Bei der Kürze der Zeit konnte ich dasselbe damals mit keinem Briefe begleiten. Hr. Kllver, dem ich im vorigen "Winter zuweilen einige Uebungsaufgaben gegeben iiabe, wird, denke ich, wenn er sich auch zu eigenen höheren theoretischen Studien nicht aufschwingen sollte, sich durch Anw^endung mathematischer Kenntnisse nützlich machen können.

Von B[erlin] ist bis jetzt noch nichts erfolgt. Hier in Göttingen wird diese Angelegenheit für gewiss und wie es scheint für w^eiter gediehen, als sie wirklich ist, gehalten. Unser zeitiger Prorektor, Prof. Ber(;mann, der vor ein paar Tagen nach Hannover gereist ist, forderte mich vor seiner Abreise, wie er sagte, im Auftrage des Hrn. Geh. Kab.- Eath HoppENSTEDT auf, mich nicht bestimmt zu determiniren, ohne vor- her eine Anzeige zu machen. In Unvorbereitung, wie ich bei dieser Aufforderung war, dachte ich nicht daran, die Sache selbst in Abrede zu stellen, was auch nicht geglaubt sein würde, und ohne mich auf Explikationen einzulassen, beschränkte ich mich auf die Versicherung,

^) Brief No. 168 von Schumacher an Gauss. Yergl. auch hierüber Gauss' Brief Xo. 462 V. 24. Okt. 1822 an Olbers. Krm.

') Dieser Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm. 3) Pars posterior. Gauss' Werke Bd. IV, S. 27—53. Krm.

236 Gauss an Olbers. Göttingen am ersten Ostertage, 1823 [März 30].

dass ich dies ohnehin gethan haben würde. Er meinte, man würde alles Mögliche thim, mich hier zu erhalten. Indessen weiss ich nicht, ob ich nicht selbst in der Voraussetzung der Möglichkeit, dass ich ohne vorherige Anzeige einen festen Entschluss fassen könnte, einen Maass- stab für den Umfang dessen, was man in H[annover] für alles Mögliche hält, zu erkennen habe. In meiner Anfangs Febr. an L[indenau] ge- gebenen Antwort hatte ich erklärt, dass ich auf officielle Anträge zu entriren jederzeit bereit sei, aber weiter keinen Wunsch geäussert, dass die Sache beschleunigt werden möchte. Es darf mich daher nicht be- fremden, wenn es langsam geht, noch darf ich daraus den Schluss ziehen, dass man es nicht ernstlich meine. Indessen kann ich nicht leugnen, dass ich bei fortwährender Ungewissheit mit einer gewissen AengstUchkeit an die Situationen denke, in die ich vielleicht gerathen werde, wenn ich zum Wiederanfang meiner Messungen Hannover passiren muss. Wie sehr vermisse ich einen treuen, erfahrenen Rathgeber vde Sie, bester Olbers, mir zur Seite.

Ueber den Wiederanfang dieser Messungen kann ich jetzt auch noch nichts beschliessen. Da dieselben mich bald nach Hamburg führen müssen, wo eine Kooperation mit Schumacher wesentlich sein wird, so werde ich, da dieser mir bloss schreibt, dass er vo)- Mai uiclit von Kopenhagen zurück sein wird (jetzt ist er noch nicht hin), nicht gar früh anfangen dürfen, üeber das Projekt weiterer Ausdehnung nach Westen habe ich gar keine Antwort von H[annover] erhalten. Ich höre bloss vom Hauptmann Müller, dass Lieutenant Hartmann für den Hrn. Geh. Kab.-Eath Hoppexstedt zwei Kopien des Gradmessungs- netzes angefertigt habe.

Gar wenig hat gefehlt, dass es mit meinen Gradmessungsarbeiten und allem Aehnlichen auf einmal ganz vorbei gewesen wäre, durch einen Sturz, den ich vor acht Tagen von einem nicht zugerittenen Pferde auf das Pflaster that. Diesmal bin ich aber buchstäblich noch mit einem blauen Auge davon gekommen, d. i. mit einigen Fleisch- wunden am Arme, an der Nase und einer Quetschung hart unter dem Auge, welches ich allein zum Observiren brauchen kann. Jetzt sind meine Wunden schon ganz wieder geheilt und bloss noch einige Regeu- bogenfarben unter dem Auge übrig. Das Auge selbst ist gar nicht afficirt gewesen.

Gerling hat mich unlängst mit einem Besuch erfreut. Er ist sehr geneigt, wenn es die Umstände erlauben, in dem Fall, dass ich noch einmal zum Brocken zurückkehre, die Pressungen und Heliotropsendungen auf dem Inselsberge auf sich zu nehmen, der auch einer der hessischen Dreieckspunkte werden wird.

Meine älteste Tochter. Ihr Pathchen. die seit 11 Jahren in einer

Olbers an (iau». Hi.in.ii. l-J.) April 4. 237

liiesi|?en Pension ist, wurde heute vor acht Tag-eu kontirmiert und wird so nacli und nach zu den Erwadisenen zu zählen sein. Das gute Kind macht mir viele Freude. Mit ihrer Gesundheit hat es sich sehr srebessert.

No. 470. Olbcrs au (Jaiiss. [251

Bremen, 1823 April 4.

Vielen herzlichen Dank für Ihre beiden lieben Briefe vom 10. und 30. ^lärz und das durch Hrn. Klüver richtig erhaltene Geschenk Ilirer vortrettlichen Theoria Comhinationis Ohservatiomim. Ersteren würde ich schon lange beantwortet haben, wenn ich nicht täglich einer Antwort des Geh. Kab.-Raths H[oppenstedt] aus Hannover entgegengesehen hätte. Sie ist indessen nicht erfolgt, und aus dieser langen Zögerung möchte ich fast schliessen, dass man noch erst aus England Instruktion und Entschluss erwartet. Hire köstliche Abhandlung habe ich erst tlüchtig durchgesehen und dann zum Buchbinder geschickt, um sie ge- heftet mit mehrerer Bequemlichkeit studieren zu können.

Dem Himmel sei Dank, dass Hir Unfall mit dem Pferde keine Folgen gehabt hat! Aber, theuerster Gauss, Sie sollten doch Ihr, den Ihrigen, uns Allen, ja der ganzen Welt so kostbares Leben keinem unzugerittenen Pferde anvertrauen! Das Reiten an sich mag Ihrer Gesundheit ganz dienlich sein; aber ich fürchte, dass Ihr Geist sich leicht in tiefsinnige Spekulationen verliert, bei denen Sie vergessen, dass Sie zu Pferde sitzen.

3Iit der lebhaftesten Theilnalime sehe ich, dass die Unterhandlungen mit Berlin wieder angeknüpft sind. So ungern ich Sie, lieber Gauss, auch weiter von mir entfernt wissen werde, so bin ich doch uneigen- nützig genug, mich herzlich zu freuen, Avenn ich Sie in einer Ihnen angenehmeren und für das Fortschreiten menschlicher Kenntnisse vor- t heilhafteren Lage weiss. Ich habe geglaubt, dass Sie mit G[eneral] V. M[üffling] unmittelbar Biiefe wechselten, es scheint aber aus Ihrem letzten Briefe, dass noch eine Zwischenperson, die ich aus dem. Buch- staben L.^) errathen zu können glaube, Theil nimmt. Ganz fühle ich, wie unangenehm Ihnen die lange Ungewissheit sein muss, besonders da Sie bei dem darüber verbreiteten Geschwätz mancher Zudring- lich[keit] ausgesetzt sind. Ich kann die Lage der Angelegenheit nicht beurtheilen; aber mir scheint es doch, Sie könnten ohne Bedenken auf eine baldige nähere Erklärung oder officiellen Antrag durch den Unter-

*) LlXDENAU. Sch.

238 Olbers an Gauss. Bremen, 1823 April 4.

händler dringen, da Ihnen dies das verbreitete Gerücht, Ihre bevor- stehende Reise nach Hannover u. s. \v. wünschenswerth machen müssen. Dass man Sie von Hannover niclit leicht entlassen wird, ist gewiss. Es kommt also darauf an, sich auch im voraus ganz ins Klare zu setzen, ob Sie überhaupt unter gewissen Bedingungen und unter welchen in Göttingen bleiben wollen, und ob diese Bedingungen von der Art sind, dass die Hannoversche Regierung sie möglicher Weise bewilligen kann. Da hier alles auf beiden Seiten in Erwägung zu ziehen ist, so ist mir noch eingefallen, dass, so viel ich weiss, mit Ihrer jetzigen Stelle auch eine Pension für Ihre etwa nachbleibende Witwe verbunden ist, von der ich bei den Berliner Vorschlägen, so viel ich mich erinnere, nichts gehört habe. Doch dies könnte, wenn es Ihnen irgend wichtig scheint, noch wohl nachgeholt werden. Dass manches in Berlin etwas nach- lässig geht oder doch verschoben wird, davon kann ich Ihnen (unter uns) auch aus Bessel's letztem Briefe ^J ein Beispiel geben, und ich setze die Stelle um so mehr her, da sie vielleicht in einiger, wenn gleich entfernter Verbindung mit Ihrer Angelegenheit steht: „So vortrefflich, schreibt Bessel, Kater's Pendelbeobb. in einer Hinsieht sind, so glaube ich doch, dass noch ein konstanter Fehler dabei ist, auch glaube ich nicht, dass La Place durch die Korrektion, welche er an die Borda- schen Beobb. anbringt, den Fehler ganz wegschafft. Ich werde Ihnen meine Meinung über diesen Gegenstand gelegentlich näher angeben. Ich hatte die Aufforderung, die durch den Tod meines theueren Tralles unterbrochene Bestimmung der Pendellänge fortzusetzen. Da ich aber die oben erwähnten Bedenklichkeiten hege, so wollte ich mich nur dann darauf einlassen, wenn man sich entschliessen sollte, mir ganz freie Hand zu lassen. Dazu scheint die Akademie nun nicht geneigt zu sein, wenigstens habe ich seit 2 Monaten nichts darüber gehört. Ich kann mich aber nicht entschliessen, meinen hiesigen Wirkungskreis zu ver- lassen, wenn ich nicht bestimmt übersehen kann, welcher Erfolg ver- langt werden wird. Uebrigens kenne ich Tralles' Idee nur im All- gemeinen und weiss, dass sie mit Kater's Methode im Wesentlichen übereinstimmt; vielleicht besass er Mittel, den Zweifel, welchen ich auf cZiesem Wege nicht zu heben wusste, zu beseitigen etc. etc." Soweit Bessel. Es scheint mir also auch daraus zu schliessen, dass ein kleines Excitatorium in Berlin nicht unnöthig sein dürfte. Uebrigens, lieber Gauss, ist es gewiss Ihr Scherz, oder Ihre partheiische Freundschaft schreibt mir Einsichten zu, die ich wahrlich nicht habe, wenn Sie von mir einen l\ath für Ihr Benehmen zu wünschen scheinen; aber gewiss erwarte ich mit eben der Ungeduld, eben der Theilnahme die Eut-

^) Brief No. 304 im Briefwechsel Olbkus-Besskl Bd. 11, S. '1\\. Krm.

Olbers an (i.iu->. lii.iii.n, 1S23 April 5. 239

Scheidung dieser Angele;;enheit, als wenn sie mich selbst beträfe. Ich bitte also recht inständij»-, so bald etwas Wiclitifjes darin vorfällt, mich p^iitigst davon zu unterrichten.

Am Himmel giebt es, so viel ich weiss, nichts Neues. Ihren HriefM an Prof. Everktt habe ich besorgt. Ich bin nun auch in Kdinburgh Ihr Kollege geworden. Ist das Curonensis") in Ihi-em Titel auf der Theoria Comb. Obs. nicht etwa ein Druckfehler statt Taurmetisis, oder was ist dies für eine gelehrte Gesellschaft? Bei der Gelegenheit fällt mir die Frage ein, ob Damoiseau's Preisschrift über die \\'ieder- kunft des HALLEv'schen Kometen schon in den Turiner Societäts- Schriften gedruckt und schon in Göttingen ist? Ich möchte sie gern lesen, und eine etwas umständliche Anzeige davon würde gewiss in den G. G. A. oder in Schu.macher's Adr. NacJir. sehr erwünscht sein.

Eine von Schumachee und mir veranstaltete Zusammenstellung^) aller bisher berechneten Kometenbahnen werden Sie in diesen Tagen erhalten oder schon erhalten haben. Ich glaube, es ward doch nicht unangenehm sein, sie alle bei einander möglichst korrekt übersehen zu ktinnen.

Zu der Konfirmation meiner liebenswürdigen Pathin statte ich meinen heizlichen Glückwunsch ab. Empfehlen Sie mich Ihrer ver- ehrten Frau Gemahlin so wie llirem ganzen Hause.

No. 471. Olbers an Gauss. [202

Bremen, 1823 April 5.

Vorgestern*) hatte ich das Vergnügen, Ihnen zu schreiben, und gestern erhielt ich unerwartet die so lange vergeblich ersehnte Antwort von Hrn. Geh. Kab.-Rath H[oppenstedt]. Was er über die Messungs- Angelegenheit schreibt, ist wörtlich folgendes:

„Gleich nach Empfang Ihres Schreibens habe ich solches dem „Hofi-ath Gauss mitgetheilt, und die Anlage zeigt, wie sich derselbe „über dessen Inhalt erklärt hat. Viele Geschäfte und oft Wieder- „kehren des Uebelbefindens haben es veranlasst, dass ich es aus den

') Die erwähnte Einlage im Brief Xo. 469, welche die Danksagung Gauss' für die Ernennung zum Mitgliede der Amerikanischen Akademie der Wissenschaften zu Boston enthielt. Vergl. Brief No. 455. Krm.

-) Societas Curonensis, Kurländische Gesellschaft. Krm.

'') Vergl. Brief No. 441 und die Anmerk. 2, S. 166. Krm.

*) Gestern, nach dem Datum des vorigen und dieses Briefes. Krm.

240 Olbers an Gauss. Bremen, 1823 April 5.

„Augen verloren habe. Jetzt, da die Arbeiten bald wieder beginnen „werden, theile ich Ihnen solches mit und stelle Ihnen anheim, ob es „dem Eath der Stadt Bremen angemessen scheint, sich hierher zu wenden, „und ich werde es zu meinem Vergnügen machen, dessen A\'ünsche „möglichst zu befördern. Auch werde ich, wenn Gauss, wie ich glaube, „bald hierher kommt, mit ihm sprechen, und ilm veranlassen. Ihre „Wünsche zu erfüllen."

Ich gestehe es, die Wendung, die Hoppenstedt hier der Sache giebt, hat mich etwas befremdet, und wird ohne Zweifel unseren Senat noch mehr befremden. Der Senat glaubte, sich aus P^ifer für die Wissen- schaft zu einer Gefälligkeit gegen Hannover zu erbieten, und nach Hoppenstedt's Briefe soll er sich vielmehr das Vorgeschlagene als eine Gnade in Hannover erbitten, zu deren Erreichung Hoppenstedt seine Protektion und bona officia verspricht. Doch, hoife ich, wird die Sache selbst nicht darunter leiden. Unser liberaler Bürgermeister Smidt, für alles Nützliche feurig und thätig, und sich leicht über Formen hinwegsetzend, tritt am 7. Apr. eine Eeise nach Frankfurt an und wird sich bei der Gelegenheit einen Tag in Hannover aufhalten. Da kann denn wahrscheinlich alles mündlich ausgemacht und verabredet werden, ivenn man in Hannover diese Anschliessimg an die Kr atenhoff' sehen Dreiecke ivirklich ernstlich ivill. Sollte wirklich in Hannover etwas ausgemacht werden, so wird unser trefflicher Smidt Sie wahrscheinlich in Göttingen selbst besuchen und Ihnen von den getroffenen Verab- redungen Nachricht geben.

Nun aber, vorausgesetzt dass das Projekt nach dem Entwürfe zu Stande kommt, und Bremen Ihnen einen Gehülfen zu stellen hat, möchte ich vorläufig einige Winke von Ihnen mir erbitten. ^lein Xeife, für dessen Anstellung ich bei Ihnen sollicitirte, ist nicht hier, wird auch vermuthlich gegen den Anfang der Arbeiten nicht hier sein, vielleicht ganz in Preussen bleiben. Dann bin ich aber wirklich in Verlegenheit, Ihnen von hier aus einen tüchtigen Gehülfen vorzuschlagen. Von Seiten des Senats würde man wohl gern sehen, wenn der junge Klüvek, dem Sie so gütig in Göttingen fortgeholfen haben, dabei gebraucht werden könnte; allein ich glaube, er ist Ihnen noch zu roh, und seine Ab- richtung würde Ihnen, ehe Sie wesentliche Dienste von ihm haben könnten, zuviel Zeit und Mühe kosten. Ich bitte Sie, mir hierüber' ganz offen Ihren Wunsch mitzutheilen, und ob es Ihnen dann nicht vielleicht am liebsten wäre, wenn Sie selbst die unbeschränkte Aus- wahl unter den Ihnen als am brauchbarsten schon bekannten hätten, und Bremen nur den von Ihnen Angestellten besoldete. Indessen ersuche ich gütigst eher nichts definitiv zu bescliliessen, bis ich gewiss weiss, dass mein Neffe nicht zu rechter Zeit kommen wird. Wie ich

Gauss an Olbers. Göttinsren, 1823 April 13. 241

denn aucli iiatiirlicli liitn* iiirlits entscheiden kann, sondern dies vom Senat al)liän<ren wird.

Nichts freut mich mehr, als die Hortiiinifr, Sie, theuerster Gauss, bei der hoffentlich zur Ausführung: kommenden Messungs-Angeleg:enheit hier auf längere Zeit zu besitzen. Werden Sie nicht, wenn die Witterung günstig werden sollte, vielleicht noch vor Ihrer Zusammenkunft mit ScHC^iACHER schon Ihre Campagne anfangen?

No. 472. Gauss an Olbers.') [220

Göttingen, 1823 April 13.

^\'ahrscheinlich hat Ihnen Ihr trefflicher Hr. Bürgermeister Smidt schon selbst angezeigt, wie man sich in Hannover über die bewusste Angelegenheit geäussert hat; wenn ich ihn recht verstanden habe, wird man mir das Ganze überlassen und also denn doch ohne Zweifel auch das Xüthige bewilligen.

Was dann den von der Stadt Bremen zu stellenden Gehülfen be- trifft, so wünschte ich, dass dies ganz und gar nach Ihrem Wunsch eingerichtet würde. Wenn Sie glauben, dass Ihr Hr. Neveu noch zurückkommt, und wenn Ihnen und ihm mit seiner Theilnahme gedient ist, so kann die Bestimmung darüber ja immer noch etwas ausgesetzt bleiben. Ist aber auf diesen gar nicht zu rechnen, so nehme ich gern denjenigen an, welchen Sie dazu wählen. Ueber den Grad der Brauch- barkeit des jungen Klüver kann ich wirklich selbst noch nicht urtheilen, da ich ihn zu wenig kenne. Vielleicht wäre es angemessen (unter obiger Voraussetzung), wenn er erst einmal eine Probearbeit ausführte. Ich könnte dazu eine. vorschlagen, wozu er vermuthlich die Hülfsmittel in Bremen leicht geliehen erhalten könnte, nämlich einen kleinen Theodolithen, der nur die Minuten zu geben braucht, und ein massiges Handfernrohr. Wenn ich mich recht erinnere, hat Hr. Klüver mir ge- sagt, dass er einen solchen Theodolithen schon früher gehandhabt habe.

Diese Arbeit w'äre die Eekognoscirung eines Punktes, auf den ich einige Hoffnung setze, dass er zur Verbindung von Bremen mit meinen Dreiecken brauchbar sein könne. Es ist dies ein EpAiLLy'scher Dreiecks- punkt, von ihm Haverloh genannt. Die Spuren, wenigstens die Stelle des EpMLLY'schen Signals werden leicht aufzufinden sein. Vermuthlich ist der Platz zwischen dem Dorfe Haverloh und dem Haidkruge, ungefähr in der Mitte zwischen Verden und Sottrum. Der Zweck der Eekognoscirung

^) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

Olbers. II, 2. 16

242 Gauss an Olbers. Göttingen, 1823 April 13.

müsste sein, alle die Notizen aufzustellen, die für mich von Wichtigkeit sein können, theils um wo möglich die Brauchbarkeit des Punktes im voraus zu beurtheilen, theils um die Einrichtungen treffen zu können, die nöthig sein werden, wenn er gewählt wird (zur letzten Art. also z. B. eine Nachricht über den schicklichsten Aufenthaltsort, von wo aus demnächst die Messungen gemacht w^erden könnten, ob daselbst Trans- portmittel zu finden sind, woher Steine zu einem Postament genommen werden können, wo ein geschickter Maurer am nächsten zu finden u. dergl.). Die Hauptsache ist nun die genaue Beschreibung des Horizonts mit dem Theodolithen und, wo es nöthig ist, unter Zuziehung eines etwas stärkeren Fernrohrs. Bremen, Asendorf und ^\'ilstedt sind be- stimmt sichtbar. Ich habe die Azimuthe davon, so gut ich sie angeben kann, beigelegt, sie sind aber nicht bis auf einen Grad zuverlässig; auch noch die Azimuthe von einer Anzahl anderer Punkte. Ich setze voraus, dass die Graduirung des Theodolithen von der Linken zur Rechten von 0 bis 360° tmo tractu fortgeht. Der Beciuemlichkeit wegen wird der Theodolith gleich so aufgestellt, dass er sehr nahe orientirt ist, was am sichersten mit Hülfe von Bremen (Ansgarius) geschehen kann. Die Azimuthe aller Punkte des Verzeichnisses, die sichtbar sind, werden dann, so genau sie der 'J'heodolith (ohne Repetition) giebt, ge- messen. Mehrere Thürme von Bremen zu nehmen, ist unnöthig, aber übrigens ist es gut, wenn alle entfernten Thurmspitzen aufgenommen werden (an nahen ist wenig gelegen). Dann aber werden auch be- sonders auf der Ostseite alle entfernten Höhenzüge nach ihren Grenzen und geschätzten Entfernungen, auch insofern es sich beurtheilen lässt, ob kahl oder bew^aldet, in Zahlen anzusetzen sein. Auch die Elevationen wären willkommen bei solchen Höhenzügen, die in Frage kommen können, falls der Theodolith sie angiebt, und Hr. Klüver damit um- zugehen weiss. Ich zweifle nicht, dass die Sichtbarkeit oder Unsicht- barkeit des Wilseder Berges sich gewiss entscheiden lässt (es steht

übrigens ein Signalbaum von dieser Form darauf, der aber ohne

ein starkes Fernrohr nicht zu erkennen sein würde). Wahrscheinlich ist der Wilseder Berg sichtbar, da ich vcui da aus im Azimuth von 71" einen entfernten Bergrücken gesehen zu haben mich erinnere. Der Falkenberg dagegen wird nicht sichtbar sein, es wird aber das Vor- liegende rechts und links genau zu beschreiben sein. da. wenn bloss Holz, ohne auf erheblicher Höhe zu stehen, im Wege ist, vielleicht durch einen Durchhau geholfen werden könnte.

Dies sind die Hauptpunkte, die zu berücksichtigen sind. Ohne grosse Weitläuftigkeit kann man in der Instruktion nicht wohl weiter gehen. Wenn der, dem ein solches Geschäft aufgetragen ist, den eigent-

Gauss an Olbers. Cöttiiigen, 1823 Aiiril 13. 243

lichtMi Zweck wohl aufgefasst hat und natürliche Beiu'theilung besitzt, wird er schon von selbst nichts Wesentliches überselien.

Ich habe die nüthig:en Momente Ihnen frleich ang^ezeigt, damit in dem Fall, wo Sie es angemessen finden, durch Hrn. Klüver oder einen anderen eine solche Probearbeit versuchen zu lassen, durch Hinundher- schreiben keine Zeit verloren Avird.

Ich bet'ürclite übrigens, dass das Terrain zwischen Haverluh und. Wilsede und l'^alkenberg grosse Schwierigkeiten darbieten wird, und wage kaum zu hotfen. dass das A H. W. F. sich effektuiren lassen Avird. Vielleicht aber könnte man nördlicher durchkommen, wenn etwa bei Zeven ein Punkt wäre, der sich mit Haverloh, Wilsede und dem Berge bei Harburg verbinden Hesse. Kahle Höhen sind mir übrigens die liebsten Punkte. lOOmal mehr werth als Kirchthürme. Auf letztere Avird man leider zwischen J^remen und Ostfriesland Avohl allein beschränkt sein. Im allerschlimmsten Falle kann man Aveiter südlich geA\iss durch- kommen, Avenn man den Hüttenberg an den Deister und Falkenberg knüpft, und dann lässt sich Bremen an Asendorf und TAvistringen knüpfen.

Vor Anfang ]\Iai Averde ich Göttingen nicht verlassen. Schumacher kann ich hier nicht erwarten, er Avill Ende Mai erst von Kopenhagen zurückkommen. Er denkt auch noch einen Punkt bei Harburg an seine AA anzuknüpfen, der, Avie ich vorhin andeutete, vielleicht zur weiteren Fortsetzung nach Westen nützlich sein kann. Einen Plan über die Eeihenfolge meiner Arbeiten kann ich jetzt noch nicht machen. Ver- muthlich Averde ich mit Timpenberg und Lüneburg anfangen. Die Lokal-Inspektion wird entscheiden, ob ich noch den Punkt bei Xindorf zuziehe. Vielleicht komme ich vor dem Anfang der Messungen selbst von Hannover auf ein paar Tage mit meinem Sohn nach Bremen, um mit Ihnen das A\'eitere zu verabreden und den Horizont Ihres Ansgarius- Thurmes zu durchmustern. Das Rekognosciren einzelner Berge ver- stattet mein Gesundheitszustand mir selbst nur ausnahmsAveise.

Jetzt noch ein paar Worte über die übrigen Gegenstände Ihrer beiden gütigen Briefe. Ich danke verbindlichst für die gefl. Besorgung des Briefes an Hrn. Everett. Die Societas Ciironensis ist die Kur- ländische Gesellschaft, die schon zAvei Bände schätzbarer Memoires herausgegeben hat. Damoiseau's Schrift über den HALLEY'schen Kometen ist schon im XXIV. Bande der Turiner Abh. gedruckt, ich selbst aber habe sie, ob ich gleich schon ein halb Dutzend mal danach geschickt habe, noch nicht zu Gesicht bekommen. Eine Anzeige, vermuthlich von Hrn. Mayer, [ist] in unseren Oel. Am. 1821 p. 1685. Durch meine A'on der Stadt entfernte W^ohnung und die seit mehreren Jahren beliebte Ein- richtung, dass nach jedem Buche zAveimal geschickt werden muss, ist der kurrente Gebrauch unserer Bibliothek mir beträchtlich erschwert.

16*

244 Gauss an Olbers. Göttingen, 1823 April 13.

Von B[erlin] ist gar nichts erfolgt. Icli kann aus der Sache nicht reciit klug werden. Ich weiss nicht, ob ich Ihnen geschrieben habe, dass Geelinö in Cassel an der table d'hote von einem eben von Berlin ge- kommenen Dr. Blum (verschieden von dem, der in Göttingen 4 Wochen vorher das Aehnliche ausgebreitet hatte) hat erzählen hören, ich sei mit 4000 Rthlr. an die Akademie vocirt. Ich habe mich noch nicht überwinden können, etwas zur Beschleunigung zu thun. Dass ich, wenn eine angemessene Vokation an mich kommt, mich auf keinen Fall in Göttingen zurückhalten lassen würde, will ich nicht sagen, aber meine äussere Lage müsste dann auf eine so durchgi^eifende Art ge- bessert werden, dass ich auf einem ganz anderen Fuss wie bisher leben könnte. So allein würde möglich sein, sich über so manches, was sich jetzt nicht gründlich ändern lässt, wegsetzen zu können. Ob man aber dazu auf mein Hiersein genug Werth in Hannover legt, ist eine andere Frage.

Durch Ihre Kometentafel, die ich dieser Tage erhalten, haben Sie sich alle Astronomen zum grössten Dank verpflichtet. Wenn ich die Anwendung, die General Müffling von seinen, Teanchot's und Keatkx- hoff's AA zur Bestimmung der Gestalt der Erde macht, recht ver- stehe, so gründet sie sich lediglich auf die Azimuthe in Seeberg, Mann- heim und Dünkirchen. Ich möchte aber bezweifeln, ob sich darauf mit Sicherheit bauen lässt. Ich glaube, dass die Azimuthe in Dünkirchen wenig fein sind, dass selbst das Azimuth in Seeberg noch etwas zu wünschen übrig lässt, und dass die AA selbst, bei ihrer grossen Anzahl noch von der äussersten Schärfe zu weit entfernt sind, so dass ich mich kaum wundern würde, wenn aus diesen Beobb. eine negative Abplattung gefolgt wäre. Teanchot's A A scheint Müffling nur in einer solchen Form zu besitzen, wie ich die EpAiLLY'schen. Wenn ich den Winkel Hohehagen, Falkenberg, Asendorf einerseits aus meinen, andererseits aus Epailly's A A berechne, finde ich eine Differenz von G",943. Den Längenunterschied zwischen Seeberg und Dünkirchen habe ich früher aus meinen, Epailly's und Keayenhgff's AA etwa ?>* von dem ver- schieden gefunden (mit Walbeck's Abplattung), welchen Müffling mit ^\-^ auf seinem Wege bestimmt hat.

Ich bin durch einen Besuch unterbrochen worden und muss daher jetzt, um die Post nicht zu versäumen, eiligst schliessen.

Olbers an Gauss. Bremen, 1823 April 25. 245

No. 473. Olbers an Gauss. [253

Bremen, 1823 April 25.

Ilir letzter Brief vom 13. Apr. hat mir eine um so grössere Freude gemacht, da er mir die Hoffnung giebt, Sie hier persönlich umarmen zu können und zwar in wenigen Tagen. Kommen Sie doch ja, lieber Gau.ss! Auch freue icli mich, Ihren Hrn. Sohn bei der Gelegenheit wieder zu sehen. Mit unserer Junggesellen-Wirthschaft werden Sie freundschaftliche Nachsicht haben.

Von Smidt habe ich unmittelbar nichts, und der Senat bloss die allgemeine Anzeige erhalten, dass er mit dem Minister Bremer und dem Geh. Kab.-Rath Hüppenstedt über die projektirte Anknüpfung gesprochen und deren ^^'illfährigkeit, sie Ihren Anordnungen gänzlich zu überlassen, erfahren habe. ]\Ian hat hier vom Senat nun 2 Kom- missarien, unseren Gildemeister und Dr. Schumacher bevollmächtigt, mit mir alles, was bremischerseits für dieses Messungs-Geschäft geschehen soll, zu verabreden.

Noch in dieser Woche werden Ihrem Befehl und Ihrer Instruktion zu Folge die Hrn. Blohm (der Bruder unseres Wasserbau-Direktors) und Klüver mit einem Theodolithen, einem guten Fernrohr und einem Sex- tanten ausgerüstet nach Haverloh abgehen, um dort die gewünschte Rekognoscirung vorzunehmen. Einige, die die dortige Gegend kennen wollen, versprechen sich indessen keine sonderliche Brauchbarkeit dieses Platzes.

Ueberhaupt, glaube ich, wird es wirklich nöthig sein, dass Sie, mein theuerster Freund, unsere Umgebungen einmal selbst von unseren Thürmen in Augenschein nehmen, ehe Sie Ihren Operationsplan fest- setzen. Also hoffe ich um so geidsser, Sie schon von Hannover aus hier zu sehen.

Ich brauche wohl nicht daran zu erinnern, dass, da die Fortsetzung Ihrer Dreiecke von Bremen aus an die Grenzen von Ostfriesland durchs Oldenhurgische geht, mit der Oldenburgischen Regierung doch wohl vor- her irgend eine kleine Verständigung darüber stattfinden muss. Wollen Sie diese nicht in Hannover veranlassen?

Mein Neveu Kulenka^vip kommt nicht, sondern tritt in preussische Kriegsdienste, wozu er die grösste Lust hat, und wobei Bessel und er hoffen, einst für ihn den Weg zu einer Stelle in dem Generalstab zu finden. Noch immer erkenne ich mit dem lebhaftesten Dank die Güte, die Sie auf meine Empfehlung für diesen jungen Mann haben wollten.

246 Gauss an Olbers. Göttingen, 1823 Mai 4.

No. 474. Gauss an Olbers. 'j [221

Göttingen, 1823 Mai 4.

Ich fange diesen Brief schon heute an, obwohl ich ihn erst morgren abschicken werde, da ich morgen eine Nachricht von Ihnen über die gütigst von Ihnen veranlasste Rekognoscirung des Platzes Haverloh erwarte. Das von Ihnen angeführte Urtheil von Personen, die diese Gegend kennen, schreckt mich noch nicht ganz ab; in einem Lande, wo es eigentlich dominirende Höhen gar nicht giebt, müssen die Fernsichten meistens sehr mühsam und künstlich zusammen gestoppelt W' erden, und sie finden sich dann zuweilen an Stellen, wovon man ohne genaue Untersuchung dies kaum hätte glauben sollen. Mehrere meiner Punkte in der Haide sind in diesem Fall, als Scharnhorst, Breithorn, Wulfsode (in dem Kärtchen bei Schijmachek's Asir. Xachr. ist durch einen Fehler des Kupferstechers die Verbindungslinie zwischen Wulf- sode und Falkenberg w'eggelassen); dies sind ganz unscheinbare Plätze, deren Brauchbarkeit selbst Personen aus der nächsten Nachbarschaft so lange unglaublich vorkam, bis sie sich mit eigenen Augen überzeugt hatten.

Wenn sonst keine Hindernisse eintreten, werde ich ca. in 9 Tagen von hier abreisen; in Hannover werde ich mehrere Tage bleiben, viel- leicht auch einige Messungen auf einem der Thürme vornehmen, wo- durch mit einem Mal eine grosse Menge Punkte besonders im Hildes- heimschen, die schon vom Deister aus geschnitten sind, mit aller Schärfe niedergelegt werden. Nach meiner Ansicht ist es viel kürzer, wohlfeiler und schärfer, im Allgemeinen die Thürme, die im Innern eines A des ersten Ranges liegen, durch Schnitte von den Haupt- punkten mit einem superieuren Instrument zu bestimmen, als durch ein System von sogenannten Dreiecken des 2. und 3. Ranges mit einem untergeordneten Werkzeuge. Ueber die weiteren Pläne wird sich dann in Hannover erst entscheiden lassen.

Fortsetzung von Mai 5.

Die heutige Post hat mir noch keinen Brief von Ihnen mitgebracht. A\'enn sonst nichts in den A\'eg tritt, denke ich am 13. von hier ab- zureisen. Es ist noch manches an den Instrumenten, an meinem Reise- wagen etc. zu flicken und in Ordnung zu bringen. Einen Brief, den Sie bis zum 9. auf die Post geben, werde ich also noch hier erhalten können, ungewiss aber ist es, ob dies noch vom 10. gesagt werden

^) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krni.

Olbers an Gauss. Bnnuii. 1^5'23 Mai 9. 247

kann. Foste resta)ite- Briefe in Hannover lasse ich dort abfordern. Hrn. V. L[iNDEXArj habe ich über die bewussten \'erhältnisse ge- schrieben, und er hat unter dem 30. v. ^I. den Gen[eral] v. M[üfflingJ da- von benachrichtigt. Aus des ersteren Briefe^) an mich liabe ich von der Lage der Sachen in B[erlin] einigen Begrift' bekommen, und es wäre wohl möglich, dass noch vor meiner Abreise von dort etwas Officielles einträfe. Lindenau rieth mir. meine Abreise noch etwas länger aufzuschieben, was sich nun aber länger, als ich oben angedeutet habe, nicht wohl thun lassen will.

Bessel's Reise, um Tralles' angefangene Pendelversuche zu voll- enden, kommt, wie er mir schreibt. -j nun nicht zur Ausfühiung. Ich glaube, unter uns gesagt, viele Empfindlichkeit darüber in seinem Briefe zu erkennen.

Von Schumacher habe ich seit langer Zeit keine Nachricht und weiss nicht, ob und wann er nach Kopenhagen abgereist ist. Da nach ütfentlichen Nachrichten der König in die Herzogthümer zu reisen ge- willt ist, so wird dies wohl auch auf Schumacher's Aufenthalt in Kopenhagen einigen Einfluss haben.

Von Hannover aus schreibe ich Hinen sogleich, vielleicht auch noch einmal von hier aus.

No. 475. Olbers an Gauss. [254

Bremen, 1823 Mai 9.

Längst hätte ich Ihnen schon von dem Erfolg der Rekognoscirung des Platzes bei Haverloh Nachricht gegeben, wenn diese schon gau2 nach Iliren Vorschriften ausgeführt worden wäre. Unser Wasserbau- direktor Blohm hatte sich selbst mit den beiden jungen Leuten, seinem Bruder Blohm und Klüver, mit einem Theodolithen, einem grösseren und kleineren Fernrohr u. s. w. versehen, dahin begeben. Es wurde ihnen nicht schwer, den Platz auszumitteln , von dem Epailly be- obachtet hatte, und sie fanden noch die Spuren des Gerüstes, wenig- stens des Fundamentes dieses Gerüstes, das Epailly dort errichten Hess. Er hatte, der Erzählung der Anwohner nach, von einem etwa 30 Fuss hohen Gerüste seine Winkel gemessen. Sie, auf der Fläche der Anhöhe, konnten von allen in Ihrer kleinen Karte verzeichneten Punkten nichts sehen, als Bremen und Wilstedt, seihst Asendorf nicht.

^) Briefwechsel A. v. Humboldt-Gauss, Brief No. 12; vergl. hierzu auch No. 11, McFFLiNG au LixDENAü. Krm.

-) Brief No. 139 im Briefwechsel Gaüss-Bessel. Krm.

248 Olbers an Gauss. Bremen, 1823 Mai 9.

Alles Uebrige wurde durch ziemlich nahe liegende Holzung verdeckt, unter anderen auch Verden. Da die Wittening nicht sehr günstig war, haben sie diesmal noch keine Azimuthe beobachtet, sondern vorläufig das Terrain weiter gegen Wilsede zu rekognoscirt und meinen, bei Schessel eine Anhöhe gefunden zu haben, zwischen der und den An- höhen von Wilsede nur flaches Land zu liegen schien, so dass sie ihrer Meinung nach die Anhöhen von Wilsede nothwendig sehen mussten. Allein IJir Signal luar schlechterdings nicht icahrznnehmen. Sie blieben deswegen ungewiss, ob dieses Signal etwa nicht mehr vorhanden sei, oder sich vielleicht unkenntlich auf einen entfernten höheren Hügelzug projicire. Ein Aufenthalt nahe der Stelle von Haverloh Hess sich allenfalls auf ein paar Nächte mit erträglicher Bequemlichkeit in einem Bauernhause nehmen; sonst nur auf IJ Stunden weit. Transportmittel wären zu haben. Maurer und Zimmerleute müsste man aber von Ver- den kommen lassen.

Ich war natürlich mit dieser unvollkommenen Ausführung Ihrer Instruktion nicht zufrieden, und so bald die Witterung nur einiger- maassen günstig ist, werden die jungen Leute sich wieder dahin be- geben und die Azimuthe aller irgend sichtbaren Punkte, auch des An- fanges und Aufhörens der die übrigen verdeckenden Holzungen sammt den scheinbaren Höhen dieser Holzungen nehmen und die Kekognos- cirungen der weiter vorwärts gegen Wilsede und Harburg liegenden Punkte soweit fortsetzen, wie ihnen möglich ist. Ein Gerüst, so hoch wie das EPAiLLv'sche, schon jetzt bei Haverloh errichten zu lassen, schien mir bis auf Ihren ausdrücklichen Befehl unnöthig.

Sie sehen, lieber Gauss, wie nothwendig es sein wird, dass Sie, Ihrem vorläufigen Versprechen gemäss, auf ein paar Tage hierher kommen, um uns besser zur buchstäblichen Befolgung Ihrer Vorschriften zu dressiren. Auch die Beschaffenheit unserer Thürme u. s. w., so wie die Aussicht von denselben müssen von Hinen in Augenschein genommen werden. Dies und dann die Reise von Bremen aus quer durch das zwischenliegende Terrain bis zu Ihrer bisherigen Operationslinie wii'd dann wahrscheinlich das ausführbarste Projekt der Verbindung zwischen beiden an die Hand geben. Ich Irnfte also gewiss, mein theuerster geliebtester Freund, Sie von Hannover aus hier zu sehen.

Sie werden daran gedacht haben, dass die Verbindung mit den KRATENHOFF'schen Dreiecken auch durch das Herzogt hum Oldenburg geht. Es leidet keinen Zweifel, dass der Herzog die dazu nöthigen Operationen auf alle Art gern befördern werde. Aber er ist doch auf irgend eine Weise vorher darum zu begrüssen. ^^'ollen Sie dies nicht in Hannover in Erinnerung bringen, da es mir unschicklich scheint, wenn Bremen sich an den Herzo<r wenden wollte.

Gauss an Olbers. Hannover, l!r:'23 Mai Ul. 249

Wie ofespannt ich auf die Entwicklung der B[erliner] Angelegren- heit bin. brauche ich Ilinen wohl nicht zu sagen. Der Himmel gebe alles nach Ihren und meinen Wünschen! Leben Sie wohl, mein theuerster, geliebtester Freund! Nach Hannover schreibe ich Ihnen auf alle Fälle.

No. 476. Gauss an Olbers.') [222

Hannover, 1823 Mai IG.

Gestern bin ich hier angekommen. Aus den Aeusserungen des Hrn. Geh. Kab.-Rath Hoppenstedt und des Herrn Ministers v. Akns- WALDT, die ich heute gesprochen habe, geht hervor, dass die Ausdeh- nung meiner Messungen nach Westen wohl meinem Gutbeünden über- lassen bleibt. Obwohl mir nun lieber sein würde, ein wirkliches Inter- esse für die Sache zu finden als bloss, dass man mich machen Icisst, so werde ich mich doch einem so nützlichen Unternehmen nicht entziehen. Auf alle Fälle habe ich aber die frohe Aussicht vor mir, Sie, theuerster Olbeks, nun in wenigen Tagen zu umarmen; vielleicht schon über- morgen Abend am 18. Sonntags, gewiss aber, wenn nicht ganz unvor- hergesehene Hindernisse eintreten, Montag den 19. Wie sehr ich mich darauf freue, brauche ich Ihnen nicht zu sagen.

Ueber alles Uebrige mündlich. Dass der Herzog von Oldenburg wegen der Messungen begrüsst werden muss, habe ich keineswegs über- sehen, allein für jetzt scheint mir der Zeitjmnkt, wo bei diesen Opera- tionen das Herzogthum ivirWich berührt w^erden wird, noch gar zu ent- fernt und unbestimmt, als dass dies nicht lieber noch etw^as aufgeschoben werden müsste.

Ich fürchte gar sehr, dass die Terrainschwderigkeiten bis zur Weser hin ausserordentlich gross sein werden (die Franzosen fanden sie un- übersteiglich), und dass schwerlich im Laufe dieses Jahres das Olden- burgische in Berührung kommen kann. Auf alle Fälle aber bedarf es jederzeit nur eines Briefes von mir nach Hannover, um eine solche Be- grüssung augenblicklich zu veranlassen.

*j Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

250 Olbers an Gauss. Bremen, 1823 Mai 30.

No. 477. Olbers an Gauss.'; [205

Bremen, 1823 Mai 80.

Nochmals meinen herzlichsten innig-sten Dank für Ihren so erfreu- lichen, nur leider zu kurzen Besuch. Ich hoffe, Sie werden Ihre Reise zu Ihrer Operationslinie wohl und glücklich zurückgelegt haben. Wenig- stens hat das Wetter Sie begünstigt.

Ihre Instruktion wegen der vom Thurme des Domes zu beobachten- den Bäume gab ich sogleich an Hrn. Senator Gilde3ieistee. Dieser hat auch schon am 27. Mai den Thurm bestiegen und seine Messungen gemacht, worüber er mir die Einlage mit dem Auftrage, sie Ihnen nebst seiner gehorsamsten Empfehlung zu senden, eingereicht hat.

Senator Gildemeister hat mir versprochen, wenn es irgend die Witterung erlaubt, schon nächste Woche selbst mit Zuziehung des jüngeren Blohm die Eekognoscirung der umliegenden Punkte vorzunehmen. Der Hohe Sünder, eine andere Anhöhe bei Syke, Haverloh, Wilstedt, Worps- wede u. s. w. werden von ihm untersucht werden.

Ihre Briefe,^) mein theurer Gauss, über die eigene Bewegung unserer Sonne habe ich wieder hervorgesucht und noch einmal mit vielem Interesse und vieler Belehrung gelesen. Es sind in allem 4. Sie haben nur zu befehlen, icaiin und icoliin ich sie schicken soll.

Bei meinen damaligen Untersuchungen über diesen Gegenstand wurde ich veranlasst, das von Bessel in den FiinclfamentisJ [Astrono- miae] gegebene BRADLET'sche Sternverzeichniss und besonders die Vergleichung mit dem PiAzzrschen genauer durchzugehen, und da war es mir auffallend, dass die negativen Differenzen beider Verzeichnisse in allen Punkten der jR so sehr vorherrschen. Dies deutet doch wohl dahin, dass die von Bessel aus einer bestimmten Zahl der beiden Ver- zeichnissen gemeinschaftlichen Sterne abgeleitete Präcession doch noch wohl etwas zu klein sei. Wenn der daraus entstehende konstante Fehler aller eigenen Bewegungen der Fixsterne auch keinen sehr merk- lichen Einfluss auf die daraus zu lindende Kichtung der Bewegung unserer Sonne hat, so glaube ich doch, dass sich alles am Ende noch besser in Harmonie bringen lassen wür(h\ wenn dieser Umstand be- seitigt werden könnte.

*) Zwischen den Briefen No. 476 nnd 477 lieirt der nur wenige Tage währende Besuch Gauss' und seines ältesten Sohnes bei Olbkhs in Bremen. Krm.

^) Brief No. 436, 438 440. Offenbar hat Gauss bei seiner .Anwesenheit iu Bremen um Zurücksendung dieser Briefe gebeten, da er seine Untersuchungen über die Bewegung des Sonnensystems nach Brief vom 5. Nov. 1823 an Bessel (Brief- wechsel Gauss-Bessel No. HO^i fortsetzen wollte. Krm.

Giui>s iiii nilurs. (nittiilirtii. 1823 Juli 2S. 251

Am Hiiiuiu'l und in der astroiKniiiscliL'ii Literatur ist mir iiielits Neues vor^a^kommcii. was Jlire Aufiiu-rksainkeit veidieneu könnte. Sonst werde icli es für meine Sehuldigk»'it lialten, Ihnen alles, was mir während Ihrer Campagne von astronomischen Novitäten bekannt wer- den sollte, ungesäumt mitzutheilen.

Dr. FocKE. mein Georg und alle Ihre übrigen hiesigen Bekannte empfehlen sich Ihnen und Ihrem Hrn. Sohn aufs Gehorsamste und Angelegentlichste. Audi ich bitte, letzteren aufs Herzlichste von mir zu grüssen.

No. 478. Ganss an Olbers/) [223

Göttingen, 1823 Juli 28.

Ihren letzten nach Lüneburg adressirten Brief habe ich in Altona nachgeschickt erhalten, und ich würde Ihnen noch von dort aus ge- schrieben haben, wenn ich irgend etwas Positives mitzutheilen gehabt hätte. Nachdem ich vom Hamburger Michaelisthurm die Messungen nach Lüne- burg, Nindorf, Timpenberg, Wilsede und Hohenhorn hin vollendet hatte, Hess ich noch den Hauptmann Müller zum Litberge zurückgehen und mir von daher Heliotroplicht schicken in der Hoffnung, dass dieser Punkt, welcher mit AVilsede und vielleicht mit Elmhorst zu verbinden ist, bei der Fortsetzung nach Westen von Nutzen sein könnte. Da in- dessen wegen dieser Fortsetzung mir noch immer nichts Officielles zu- gegangen war, so habe ich nach Vollendung der auf den Litberg Be- zug habenden Messungen die Rückreise angetreten und bin am 21. wieder in Göttingen angekommeiL In Hannover übergab mir Hr. Minister v. Arnswalüt Ihr Memoire an den Bremer Senat mit dem Auftrage, solches zu begutachten und einen Kostenanschlag für das Projekt zu machen. Da inzwischen Hr. v. Arnswalüt bereits am 2L eine Reise nach Paris angetreten hat, von der er erst nach 6 Wochen zurückkommen wird, und das von mir Verlangte doch in Hannover bis zu seiner Zurückkunft liegen bleiben würde, so ist nicht nöthig, dass ich damit zu sehr eile, da offenbar doch aus London unmöglich so früh eine Resolution kommen kann, dass im Laufe dieses Jahres sich noch etwas vornehmen Hesse.

Die Rekognoscirungen des Hauptm. MIjller haben gezeigt, dass in dem schwierigen Terrain zwischen Wilsede und Bremen sich zwar einige ziemlich grosse Linien effektuiren lassen, aber keine grossen

^) Uelier die im Juni luid Juli ausgeführten Messuug-en bericlitet Gauss ge- nauer im Brief No. 175—177 an Schumacher. Gauss war in der Zeit von Ende Juni bis Mitte Juli in Altona. Krm.

252 Gauss an Olbers. Güttingen, 1823 Juli 28.

Dreiecke; es ist daraus noch keine bestimmte Mög'lichkeit abzusehen, ivie, ja nur oh eine Dreiecksverbindung auszuführen ist. Vom Litberge ist leider nach Südwesten gar keine brauchbare Aussicht; die Thurm- spitze von Sittensen ist das Entfernteste, was man über Wald her sieht. Im Westen hat Müller ein Objekt, was wie ein Haus aus- gesehen [hat], auf entferntem Horizont geschnitten (in 84*^ Azimuth); nach der Parallaxe an einem 2. Standpunkt ist es jedoch auch nur 3 Meilen entfernt und muss etwas nördlich von Zeven liegen. In der ganzen Horizontstrecke von Wilsede bis Litberg ist von Hamburg aus nichts zu entdecken, was brauchbar schiene, überall begrenzt hohe und nicht sehr entfernte Waldung die Aussicht. Weiter rechts von Lit- berg aber wird entferntes hohes Terrain sichtbar, noch westlich von Stade liegend. Ob es nun aber möglich wäre, hierdurch ein gutes Dreiecksystem bis zur Weser zu führen, würde ohne Zweifel erst eine weitläuftige Rekognoscirung erfordern. Die Resultate der Rekognoscirung des Hrn. Senator Gildemeister hoffe ich nun bald zu erhalten; beson- ders wird die Untersuchung der Gegend von Worpswede, Wilstedt und weiter NO über Kirchtimke hinaus noch in Konsideration kommen.

Ob ich in diesem Jahre noch einmal auf den Brocken gehen werde, ist noch ungewiss und theils von der Kooperation des Hrn. Gerling, theils von anderen Umständen abhängig.

Ueber die B[eiiiner] Angelegenheit erhielt ich in Altona einen Brief von Lindenau^) vom Anfang Juli, welchem Gen. M[üfflin-g], da- mals in der Nähe von Gotha sich aufhaltend, gesagt hatte, wie leid ihm die lange Verzögerung thue, und dass er bestimmt hoffe, dass die Sache in den nächsten Wochen ins Reine kommen werde. Da indessen bislang nichts erfolgt und der König inzwischen in die böhmischen Bäder gereist ist, so habe ich wohl, falls überhaupt etwas, wenigstens vor der Hand nichts in der Angelegenheit zu erwarten.

Die Kopenhagener Societät hat mir dieser Tage angezeigt, dass sie der von mir eingesandten Abhandlung-) über die Umformung der Flächen die Preismedaille zuerkannt habe. Sollte ich in diesem Leben noch einmal in eine dem Arbeiten günstigere Lage kommen, so werde ich diese Abhandlung mit als Theil einer viel ausgedehnteren Unter- suchung verarbeiten.

^) Brief No. 13 im Briefwechsel A. v. Humboldt-Gaüss. Krm.

^) Allgemeine Auflösung der Aufgabe, die Tlieile einer gegebenen Fläche auf einer anderen gegebeneu Fläche so alizubilden, dass die Abbildung dem Abgebildeten in den kleinsten Theilen ähnlich wird. ScurMAciiEii's Astr. Abliantil. Heft 111, 1825. Gauss' Werke Bd. IV, 8. 189—216. Vergl. hierzu auch Briefwechsel Gacss-Schc- MAcnEK, Brief No. 145—147, 161—164, 166. 167. 180. Krm.

Gauss an Olbers. (iüttiiiiri'ii, 1Sl'3 Auirust 3. 253

No. 479. Gauss au Olbers, [224

Göttingen, 1823 August 3.

Ich lia])e nunmehr die bei den Eekognoscirungen gemachten Mes- sungen soweit veiaibeitet, als sie es vertragen und verdienen, und eine genaue Zeichnung^) entworfen, wonach die Kesultate sich in einer klaren Uebersicht zusammenfassen lassen. Ich schicke Ihnen dieselbe, weil danach Hr. Senator Gildemeister am besten beurtheilen kann, an welchen Stellen noch neue Rekognoscirungsversuche gemacht werden miissten. Die Sichtbarkeit von Asendorf und Kirchboizen ist nicht auf Mi'LLEu's Rekognoscirung gegründet, sondern nach Epailly angesetzt. Dagegen aber hat er auf dem Haverloh-Platz alle als sichtbar gezeich- neten Punkte selbst gesehen und gemessen. Dass auf dem Everser Berge, etwa 1000 m NW von dem hier gezeichneten Punkte, die- jenigen Bäume stehen, die ich von Wilsede und Ansgarius, und Hr. Senator Gildemeister vom Domthurme geschnitten, habe ich Ihnen, wenn icli nicht irre, bereits früher gemeldet. Dass Hr. Senator Gilde- meister statt dieser fraglichen Bäume andere nur \- so weit entfernte bei Sagehorn, mit jenen zufällig auf 1' genau im Alignement liegende gemessen haben sollte, lässt sich nicht denken, da ja solche näheren Bäume sich unter dem Horizont zeigen müssten, während die wahren sicli gegen den Himmel projiciren; es müsste denn eine ganz ungewöhn- lich schlechte Luft gewesen sein, wobei der entferntere Rücken un- sichtbar blieb. Allein der Winkel wurde mit dem noch etwas ent- fernteren Verden gemessen. Es wäre doch auch ein höchst seltener Zufall, wenn in \ der Entfernung wieder dieselbe Figur von 3 Bäumen, zwei ganz nahe zusammen und der dritte etwas entfernter, jeder genau im Alignement mit dem Ansgariusthurm sich vorfinden sollte. Falls Hr. Senator Gildemeister noch einen Zweifel hat, kann solcher auch sehr leicht durch ein nochmaliges Besteigen des Domthurmes erledigt werden.

So wie die Sache jetzt liegt, ist noch keine bestimmte Möglich- keit zu einem rechtlichen Dreiecksnetze zu erkennen. Kirchthürme sind ohnehin ganz auszuschliessen. Kirchwalsede bedeutet in der Zeichnung den Kirchthurm; allein es ist in der Nähe ein P'eld, wo, wenn ich Müller recht verstanden, meist alle Gegenstände gesehen oder sichtbar gemacht werden können, die mit dem Thurm hier ver- bunden sind. So wären also vielleicht die Dreiecke möglich:

1) Wilsede Elmhorst— Kiichwalsede, Acker.

^) Diese Zeichnung ist bei den Originalbriefen nicht mehr vorhanden. Krm.

254 Olbers an Gauss. Bremen, 1823 Auj,'ust 9.

2) Wilsede Kirchwalsede Gyhumer Berg.

3) Kirchwalsede Gyhumer Berg— Everser Berg (nicht ohne Durch- haue).

4) Endlich Hesse sich vielleicht noch ein Punkt finden, östlich von Wilstedt, der mit Everser Berg und Gj'hum zugleich, wenn auch mit Hülfe von Durchhauen, zu verbinden wäre zu einem 4. und

5) mit Everser Berg und Bremen zu einem 5. [Dreiecke].

Ob auf diese oder andere Art durchzukommen ist, würde eine fortgesetzte Durchsuchung zeigen müssen.

Der Punkt Elmhorst liegt unweit Hiddingen. wo. wie ich höre, eine mineralische Quelle entdeckt sein soll.

No. 480. Olbers au (iauss. [256

Bremen, 1823 August 9.

Für Ihre beiden gütigen Briefe vom 28. Juli und 3. Aug. und für die den letzten begleitende schöne Karte über die bisherigen Reko- gnoscirungen statte ich Ihnen den herzlichsten Dank ab. Längst würde ich Ihnen in der Zwischenzeit schon wieder geschrieben haben, wenn ich nicht immer gehofft hätte, Ihnen die Resultate von Gildoieistee's Erforschungs-Reise liefern zu können. Aber leider hat dieser, wie vSie wissen, immer leicht Schwierigkeiten findende Freund seine Reise alles meines Antreibens unerachtet noch nicht begonnen, so warm er sich sonst für die Sache selbst interessirt. Immer findet er die "Witterung noch zu misslich, und meine Erinnerung, dass noch kein Sterblicher mit Gewissheit vorher wissen könne, was es übermorgen für Wetter sein werde, man also auf gut Glück etwas wagen müsse, findet keinen Ein- gang. Einmal war der Wagen schon in Bereitschaft, als einige me- teorologische Beobb. noch eine halbe Stunde vor der angesetzten Ab- fahrt denselben noch wieder abbestellen Hessen. Jetzt hoffe ich indessen, dass er endlich zum Werk schreiten wird, da ich ihm die immer kürzer werdenden Tage drohend vorgehalten habe.

Deswegen habe ich mich auch wohl gehütet, ihm von Ihrer mich sehr niederschlagenden Aeusserung, dass dieses Jahr doch wahrscheinlich von der Ausführung des Verbindungs-Projekts zwischen Ihren und Krayenhoff's Dreiecken nichts werden würde, etwas merken zu lassen, um seinen Hang zum ewigen Aufschieben nicht noch mehr zu befördern. Sehr unangenehm ist mir diese verzögerte Ausführiuig, da ich schon gewiss darauf gerechnet hatte, Sie, mein theuerster Gauss, diesen Herbst auf längere Zeit bei mir zu sehen, und es in meinem Alter höchst

Giuiss an OUrts. Güttini,a-ii, 1823 Septeniher 4. 255

uiiL-'t^wiss bleibt, ob man das auf ein folgendes Jahr Verlegte noch erleben werde. .

Der Präsident v. Herg, oldenburgischer Staatsminister, hat mich vor einigen Tagen mit seinem Besuche beehrt. Von Smidt über das Verbindungs-Projekt unterrichtet hatte er, wie er mir erzählte, mit dem Herzog über die Angelegenheit gesprochen, der sich sehr dafür interessire, aber geraeint hätte, er selbst besitze schon genug Materialien, die die Verbindung zwischen Krayenhoff's Dreiecken und Bremen beträfen, und die er mir. wenn ich es verlangte, mittheilen wolle, [sowie] eine neue Triangulirung durchs Oldenbuigische. Bei näherer Er- kundigung bestanden diese Materialien, ausser der ehemaligen dänischen Vermessung, die Menz bekannt gemacht hat, aus den EpAiLLY'schen Dreiecken. Ich zeigte Hrn. v. Beect meine Abschrift von diesen Drei- ecken mit der Bitte, falls der Herzog mehr, oder vielleicht diese Drei- ecke in der Original-Form besitzen sollte, mir dieselben zu verschaffen; zugleich aber erinnerte ich, dass, wenn gleich Epailly's Dreiecke an sich gut wären, doch seine Hülfsmittel nicht hingereicht hätten, die Genauigkeit zu erreichen, die man jetzt beabsichtige. Hr. v. Bekg ver- sicherte, der Herzog werde dann auf jede von hannoverscher Seite an ihn gelangende Auffoi'derung gern alles, was in seinen Kräften stehe, zur Beförderung der Messung beitragen, da dies in sein Lieblingsfach ein- schlage, und er selbst Kenner und Liebhaber geodätischer Arbeiten sei.

Zu dem Kopenhagener Preise wünsche ich nicht so sehr Ihnen (denn Sie könnten der Preise leicht so viel erhalten, als Sie nur wollten), aber desto mehr der gelehrten Welt Glück, die nun wieder etwas Tiefsinniges von Ihnen zu lesen und zu studiren erhalten wird. Möchte die B[erliner] Sache doch bald Gelegenheit geben, Sie, mein unvergleichlicher Freund, in solche Verhältnisse zu setzen, dass Sie ungestört Ihren Meditationen und Untersuchungen sich überlassen können.

Ich bin jetzt sehr isolirt. Mein Schwiegersohn Dr. Focke macht eine Reise nach Kopenhagen, Stockholm u. s. w., von der er wohl vor dem Okt. nicht rückkehren ^ird, und mein Sohn ist in Pja-mont.

No. 4SI. Gauss an Olbers. [225

Göttingen, 1823 September 4.

Seit dem Empfang Ihres letzten gütigen Briefes vom 9. Aug. habe ich sehnlich die Mittheilung der Resultate der Rekognoscirung des Hrn. Senator Gildemeistee erwartet, um so mehr da ich, je genauer ich die Ihnen schon mitgetheilten Resultate der MüLLEE'schen prüfe

25G Gauss an Olbers. Göttinffen, 1823 September 4.

und die weiteren mir seitdem von ihm gemachten Aufklärungen über einige zweifelhafte Punkte berücksichtige, desto mehr mich überzeuge, dass es unmöglich ist, darauf einen Plan zu diesen Arbeiten, ja kaum einen Anfang zu einem Plan, darauf zu gründen. Namentlich erfahre ich von ihm mit grossem Miss vergnügen, dass das Ackerterrain bei Kirchwalsede von Elmhorst nicht sichtbar ist, und dass hier nur der als Dreieckspunkt natürlich ganz unbrauchbare Kirchwalseder Kirch- thurni eben mit seiner Spitze zwischen Bäumen und über mittwegs liegende Waldungen herüberscheint, ebenso wie auch die Linie vom Kirchwalseder Acker zum Everser Berge nur vermittelst eines Durch- haus durch dichte Privatwaldung von Buchen- und Eichenholz geöffnet werden könnte. Es bliebe nun noch zu untersuchen, ob weiter nördlich noch einige Möglichkeit zu hoffen steht, und ich möchte daher, wenn Hr. Senator Gildemeister seine Reise in diesem Augenblicke noch nicht abgemacht haben sollte, sie aber zum Besten der Unternehmung jetzt noch ausführen wollte, seine Aufmerksamkeit besonders auf die nord- östl. Gegend von Bremen lenken. Namentlich hat Kapt. MtJLLER von der Gegend von Seisingen aus einen bei Ober-Ochtenhmisen liegenden kahlen Haidberg gesehen, der, wie er sich ausdrückt, ein sehr ein- ladendes Ansehen hat, w'elchen er jedoch niclit besuchte, da er damals seine Aufmerksamkeit vornehmlich auf die weiter östliche Gegend richtete, auch der damalige allseitige Moorbrand die Ausbeute jeder Eekognoscirung sehr reducirte. Es könnte daher Avohl noch wichtig sein, den Horizont dieses Berges genau zu untersuchen, wobei unter anderen auch die Sichtbarkeit der Oldendorfer Höhen und des Bexöveder Thurmes hervorgehen ward. Indem ich übrigens diesen Haidberg besonders hervorhebe, versteht sich von selbst, dass ich dem Eifer des Hrn. Senator Gildemeister keine Grenzen zu setzen gemeint bin, sondern je w^eiter er seine Eekognoscirung sonst auszudehnen sich in dem Fall findet, desto erwünschter es mir sein wii-d.

Meine Absicht ist, wie ich Hinen schon geschrieben zu haben glaube, noch einmal auf den Brocken zu gehen und die dortigen Winkel- messungen zu wiederholen, während Hils, Hohehagen und Inselsberg gleichzeitig mit Heliotropen besetzt sind, während Gerling am letzteren Punkte die dortigen Messungen vornimmt. Die Ausführung dieses Planes ist von Gerlinct abhängig und soll der Abrede nach stattfinden, so bald er zum Inselsberg abgehen kann. In diesem Augenblick ist er noch in der Gegend von Fulda; einer seiner Gehülfeu auf dem Meisner hat seit 10 Tagen von da mir Licht zugeschickt, welches ich an meinem Dreieckspunkte in der Sternwarte eingeschnitten habe. Ich erwarte schon länger jeden Posttag Gerling's Bestimmung, um zum Brc>cken abzugehen; wenn mir von der einen Seite deren bisheriges Ausbleiben

Olliers an Gauss. Breiiieii. 1^23 Septeiiilier 30. 257

cleswefTt-n nicht ^^aiiz unrecht ist, weil ich seit 5 Tajren an j^eschAvoUenen Drüsen, Zahnf,a'schwür und Auorenentzündung leide, und also mein jetziges Abreisen nicht ?anz unbedenklich wäre, so fange ich doch nachgerade an zu befürchten, dass die immer weiter vorrückende Jahreszeit dem Gelingen gefährlich werden könnte.

\'on B[erlin] habe ich gar nichts weiter gehört, als dass der Baro- meterbeobachter Pogüendorf^). welcher unlängst durch Altona gekommen, dort erzählt nat, man sage in B[erlin] allgemein, ich hätte versi)rochen, nach [Bode's] Tode die dortige Sternwarte zu übernehmen. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass daran kein wahres Wort ist, auch wünsche ich herzlich dem guten [Bode] das längste Leben, und ich überlasse es dem Himmel, ob ich nach [Bode's] Tode noch Sternwarten hier unten übernehmen kann.

No. 482. Olbers an Gauss. [257

Bremen, 1823 September 30.

Endlich hat Hr. Gildemeister seine so lange aufgeschobene l\eko- gnoscirungs-Reise wirklich vorgenommen; aber leider ist sie nun in eine Zeit gefallen, wo das zur Wintersaat wieder allenthalben getriebene ^loorbrennen die Luft mit dickem Rauch erfüllte und so seine Spähungen theils sehr erschwerte, theils gänzlich verhinderte. Ich schicke ]hnen hier die Original-Berichte. Wenngleich nur wenig dadurch ausgemacht wird, so wächst doch die Hoffnung sehr, dass eine Verbindung Ihrer Dreiecke mit Bremen entweder über den Bullerberg und Eversberg oder nördlich über Bremervörde ausführbar sein wird.

Diesen Herbst lässt sich nun wohl weiter nichts vornehmen; aber im künftigen Frühjahr müsste alles, ehe das Moorbrennen anfängt, nuchmal genau untersucht werden. Gildemeister hält den ihm zu Gebote stehenden Theodolithen dazu nicht hinlänglich. Könnten Sie oder Schumacher nicht etwa ein passendes Instrument dazu herleihen, wenn nicht etwa Hr. Hauptmann Müller selbst, welches allerdings zuverlässigere Resultate gewähren würde, sich mit dieser definitiven Rekognoscirung beschweren w^ollte?

Ich denke Sie mir jetzt auf dem Brocken, lieber Gauss, und freue mich, dass Sie diesmal, wenn man von der hier herrschenden Witterung auf die d«s Brockens schliessen darf, günstige Tage treffen werden.

Schubfächer hat mir eine Abhandlung von einem Bauern-Sohne, Thomas Clausex, „über die Berechnung beobachteter Fixsternbedeckun-

^) Vergl. Brief Xo. 185 im Briefwechsel Gauss-Schümacher. Seh.

Olbers. II, 2. 17

258 Olbers an Gauss. Bremen, 1823 Oktober 11.

gen ZU Längenbestimmungen" geschickt und mir dabei gemeldet, dass er Ihnen') eine andere Abhandlung desselben jungen Mannes „über Bestimmung von Planetenbahnen" zugesandt habe. Mir scheint dieser Th. Clausen kein gemeiner Kopf zu sein. Gewiss zeigt es Genie, einer so oft untersuchten Sache, als es die Berechnung der Fixsternbedeckungen ist, noch eine einigermaassen neue Ansicht abgewinnen zu können, wenn- gleich der praktische Vorzug seiner Methode vor den bekannten und gebräuchlichen mir noch zweifelhaft oder unerheblich scheint. Sie unter- scheidet sich von den gewöhnlichen hauptsächlich dadurch, dass er die Konjunktion in orhita sucht und alle Grössen in solchen Einheiten aus- drückt, dass die Bewegung des Mondes in orhita zur Zeit der Kon- junktion in einer Zeitsekunde = 1 ist.

Der Schneckengang der B[erliner] Angelegenheit ist auch mir eben- so unerklärlich als verdriesslich. Möchte sich die Sache doch bald so auf- klären, dass Sie in einer Ihnen ganz zusagenden Lage und Verhältnissen in Göttingen bleiben.

Mein Schwiegersohn, Dr. Focke, ist noch in Schweden und erfreut uns durch öftere sehr interessante Briefe.

Unter den Ausstellungen der französischen Industrie zu Paris findet sich auch ein achromatisches Objektiv von Cauchoix von 1 1 Zoll Apertur und 18 Fuss Brennweite. Prof. Oerstedt aus Kopenhagen, der mich kürzlich auf seiner Rückreise von Frankreich und England hier besuchte, hat mir viele interessante Anekdoten von den französischen und englischen Gelehrten erzählt.

No. 483. Olbers au Gauss. [sss

Bremen, 1823 Oktober 11.

Ich benutze die Gelegenheit, da der junge Smidt. der hoifnungsvolle Sohn unseres hochverdienten Bürgermeisters, nach Göttingen geht, Ihnen einliegend Ihre trefflichen 4 Briefe^), die eigene Bewegung unserer Sonne betreffend, Ihrem Verlangen gemäss wieder zu schicken, doch unter (Zer ausdrücklichen Bedingung, dass Sie mir dieselben alle 4 nach gemachtem Gebrauch unfehlbar wieder einhändigen. Ich habe meine Rechnungen über diesen Gegenstand nicht weiter fortgesetzt, da sie, wenn von Ihnen das Ganze nach Ihrer vollkommeneren ^lethode ab- gehandelt wird, keinen Werth behalten können. Gern möchte ich mal

^) Vergl. Brief No. 185 im Briefwechsel Gauss-Schcmacher. ferner die Briefe No. 187 u. 188. Krm.

^) Vergl. die betreffende Anmerk. zu Brief No. 477. Krm.

Olbers an Gauss. lireinen, 1823 Oktober 11. or,c)

durcli einen wirklichen Versuch praktisch sehen, w'w genau sicli wohl die Richtung üer Bewegun«;- unserer :Sonne aus den eigenen Bewefrungen der Fixsterne durch irgend eine Methode bestimmen Hesse, wenn dieser Versuch nicht gar zu ausgedehnte und langweilige Rechnungen erforderte. Wenn man nämlich voraussetzte, dass alle die 125 Kometen, deren Bahnen jetzt berechnet sind, in dem nämlichen Augenblick, z. B. den I.Jan. 1824, <»''. durch ihre Sonnennähe gingen, und man nun für einen und denselben Zeitmoment 60 oder 80 Tage nach diesem Perihel den geocentrischen Urt und die geocentrische scheinbare stündliche Bewegung eines jeden dieser Kometen berechnete, so würde man alsdann sehen können, wie genau sich wieder die Richtung der Bewegung unserer Erde, die man während einer Stunde ohne Bedenken als geradlinis: ansehen kann, aus einer bestimmten Zahl oder allen 125 diesei- stünd- lichen Bewegungen wieder herausbringen Hesse. Üer P'all wäre wenig- stens, wie mich dünkt, dem, worin wir uns in Ansehung unserer Sonne in Bezug auf die Fixsterne befinden, völlig analog, nur dass bei letz- teren auch die gewiss sehr häufigen Fehler und Unzuveiiässigkeiten in den angegebenen eigenen Bewegungen in Betrachtung kommen.

Hoffentlich sind Sie nun wohl und gesund vom Brocken zurück- gekehrt und haben dort diesmal unter günstigeren Umständen beobachtet. Sehr neugierig bin ich auf das Resultat dieser Brockenreise, so wie auch auf Ihre Beurtheilung der GiLDEMEiSTER-KLÜvER'schen Rekognoscirung, die mir viele Hoffnung zu geben scheint.

Am Himmel und auf Erden ist mir in astronomicis nichts Neues bekannt. Lange habe ich auch kein neues Stück von Zach's Corresp. [astron.] oder Schumacher's [Astron.] Nachrichten u. s. w. gesehen.

Wenn Sie was aber schwerlich der Fall sein wird zufällig den ersten Band von Schumacher's Astronomischen Nachrichten in der Göttinger oder einer anderen gelehrten Zeitung recensiren sollten, so möchte ich Sie bitten, doch meine Aufforderung^) an die Hrn. V. Zach, Schubert, Wisniewski und Pons, uns ihre Originalbeobb. vom 1. Kometen von 1808 zu geben, durch Hire Autorität und Ihren Beifall zu unterstützen.

Sehr eiliof!

^) Dieselbe Aufforderung' richtet Olbers auch an Bessel im Brief No. 308 des Briefwechsels. Krm.

17"

260 Gauss an Olbers. Göttingen, 1823 November 2.

No. 484. Gauss an Olbers. [226

Güttingen, 1823 November 2.

Seit langer Zeit liabe ich Ihnen kein Lebenszeichen gegeben, ob- gleich ich für mehrere Ihrer freundlichen Briefe in Ihrer Schuld bin. Zuerst muss ich Ihnen nun verbindlichst danken für die Uebersendung des Berichts des Hrn. Senator Gilde^ieister von seiner Kekognos- cirungsreise. Es sind dadurch zwei Facta gewonnen, die noch bei der Hoffnung der Möglichkeit einer geraden Verbindung Bremens mit meinen nord-westl. Punkten in Konsideration kommen: dass es nämlich Ij eine Stelle auf dem Brüttendorfer P'elde giebt. wo Bremen sichtbar ist. und 2) dass es auch bei Höperhofen einen Platz giebt, wo Bremen gewiss, Wilsede wahrscheinlich und Elmhorst vielleicht sichtbar ist. Immer bleibt jedoch dabei die ]\Iöglichkeit, ein gutes Dreiecks\'stem in dieser Gegend zu formiren, noch sehr ungewiss. Lange Linien in der Richtung von 0 nach W lassen sich, wie wir nun wissen, manche eifektuiren, das Schlimme ist nur, dass Linien von einiger Bedeutung im Sinn von N nach S gar nicht westlich von der Linie Elmhorst Litberg sich wollen auffinden lassen. Vielleicht könnte man noch eher durchkommen, wenn man sich entschliessen wollte, einige Stationen in der Luft zu nehmen, wo vielleicht die Gegend von Kirchwalsede in besondere Konsideration zu ziehen wäre; allein ungern möchte ich mich dazu verstehen. Wie viel mehr Zeit, Geld und Beschwerde würde dies kosten, und doch würde man, zumal da die Gerüste wohl zum Theil bedeutend hoch sein müssten, an einer Hauptsache, der soliden Aufstellung, so sehr viel ver- lieren. Die Gerüste selbst würde ich übrigens nicht zu Zielpunkten machen, sondern nur zu Trägern des Theodolithen und der Heliotrope.

Ferner habe ich Ihnen für die gütige Kommunikation der Briefe über die eigene Bewegung der Fixsterne zu danken; ich Averde sie Ihnen, wenn Sie einen Werth darauf legen, demnächst wieder zustellen. Sinnreich und treffend ist Ihre Parallele mit den geocentrischen Kometen- bewegungen, und es würde immer interessant sein, das was die Wahr- scheinlichkeitsrechnung a priori lehrt, faktisch daran nachzuweisen.

Auf dem Brocken ist mir leider das "N^'etter überaus ungünstig gewesen. Zur Verbesserung des ^\'inkels zwischen dem Hohehagen und Hils habe ich zwar gute und zahlreiche Beobb. erhalten, auch den Hercules habe ich an ein paar Tagen bei bedecktem Himmel gut ein- schneiden können; dagegen ist die Bestimmung der Richtungen zum Inselsberg und Meisner sehr dürftig ausgefallen; nur 15 mal habe ich binnen 18 Tagen dieselben einschneiden können. Germn»; hatte während dieser ganzen Zeit den Brocken kein einziges Mal gesclmitten. da ein

Gauss an Olbers. Göttingen, 1823 Noviinbir 2. 201

paar anjcrefan<?eiie Bec>l>achtuii?sieihen durch Zufall p:anz verunfrliickt waren. Ich eifuhi- dies erst bei meiner Xachhausekunft und wurde dadurch veranlasst, später noch einmal einen Heliotrop zum Brocken zu schicken. Ich habe dessen Licht zwar nur an einem Tage, Okt. 16, auf dem Ilohehasren benutzen können, allein dieser Tag- war voizütrlich schön und meine Ernte befriedig:end. Auch den Inselsberg und Meisner habe ich auf dem Hohehagen sehr gut eingeschnitten, und Gebling hat auch .seinerseits das Helioti'oplicht vom Hohehagen sehr oft und, wie es scheint, das vom Brocken noch ziemlich oft benutzen können. Wie dieses grosse Dreieck nunmehr schliessen wird, weiss ich noch nicht, da Geelixg's Resultate mir noch nicht zugekommen sind. Ich hatte Okt. IG als Schlusstag meiner Messungen festgesetzt. Hätte ich hoffen können, dass nachher noch so schöne Tage folgen würden, so hätte ich den Heliotrop noch länger auf dem Brocken gelassen und auch noch den Hils besucht, avo die Richtung zum Brocken 1821 auch nicht ganz zu meiner Zufriedenheit gemessen Avar. Indessen ist auch so schon der Totalfehler des Dreiecks Hohehagen, Hils, Brocken von 3", 7 auf r',S heruntergekommen.

Ich ^) habe nunmehr die mühsame Ausgleichung meiner sämmtlichen Messungen von 1821 1823, soweit sie die Hauptdreiecke betrifft, voll- endet, so dass nun nicht nur die Summen der "Winkel der einzelnen Dreiecke, sondern auch die Verhältnisse der Seiten in den gekreuzten Vierecken und Fünfecken genau zu einander passen, und zwar nach den strengen Principien der Wahrscheinlichkeitsrechnung sine ira et studio und ohne alle Willkürlichkeit. Es scheint nicht, dass man das letztere von den Messungen anderer Geodäten sagen könne. Im ganzen Systeme sind 76 Richtungen, d. i. 38 jede hinwärts und herwärts. Bei keiner von ihnen hat die Ausgleichung 1" betragen, die grösste ist 0",813 bei der Richtung von Xindorf nach Hamburg, wo das Pointiren auf den Michaelisthurm bei der herrauchartigen Atmosphäre und der Phasenstörung immer sehr schwierig war. Die nächstgrösste ist 0",788 bei der Richtung von Lüneburg nach Wilsede, wo zwar der Zielpunkt Heliotrop- licht, aber die Aufstellung auf einem hölzernen Stativ in der Laterne des Thurmes gewiss nicht von der Solidität Avar Avie auf Steinpostamenten, und das Gewicht des Beobachters nach seiner verschiedenen Stellung Einfluss auf das Instrument gehabt haben mag. Der mittlere Fehler aller Richtungen, so A'erstanden AA'ie in meiner Theoria Combinatiouis, ist 0",486.

^) Von hier ab bis „Schuld sein" ist der Brief auch abgedruckt in Gauss' Werken, Bd. IX, S. 319. Vergi. hierzu auch Brief No. 140 im Briefwechsel Gaüss- Bessel. Krm.

262 Gauss au Olbers. Göttingen, 1823 November 2.

Es bilden sich in dem ganzen System 26 Dreiecke, in denen ich alle "Winkel gemessen habe. Der grösste Fehler der Summe der Winkel ist jetzt 2",175 bei dem Dreieck Nindorf, Hamburg, Timpenberg, wo die Richtung von N[indorf] Hamburg vorzüglich Schuld haben mag. Der nächstgrösste Fehler ist, wie schon oben erwähnt, bei dem Dreiecke Brocken, Hohehagen, Hils, er beträgt 1",806, und die Richtung vom Hils zum Brocken wird nun noch vorzüglich Schuld sein.

An meinen Meridian-Instrumenten habe ich öfter den Verdruss, die Fadennetze erneuern zu müssen, wenn Fäden entweder schlaff ge- worden oder beschädigt sind. Obgleich die neuen Fäden wieder in dieselben Einrisse gelegt werden, sind doch, wie die Erfahrung lehrt, die neuen Faden-Intervalle den alten nie gleich. Zur Bestimmung der Grösse der Intervalle, welche das erste Re(iuisit für alle Beobb. ist, sind freilich einige gut und vollständig beobachtete Durchgänge des Polarsterns ein treffliches Mittel und, wo sich dasselbe anwenden lässt, [lässt es] sonst nichts zu wünschen. Allein nicht zu allen Zeiten ist die Luft günstig; zu Zeiten können Monate hingehen, ehe man eine gute vollständige Beob. gewinnt, und wenn dann binnen dieser Zeit wieder ein Unfall beim Netz vorkommt, so verliert man wohl die Lust, die in einer solchen Periode gemachten Beobb. zu reduciren. wenn die Reduktions-Elemente nur kümmerlich und mühsam zusammengestoppelt werden müssen. Solche Erfahrungen haben mich veranlasst, auf ein anderes wenn auch nur subsidiarisches Mittel zu denken, und es ist mir solches auch geglückt; mein neues Mittel kann beinahe dieselbe Genauigkeit geben wie gute Polarsternbeobb. und giebt mehr Genauig- keit als schlechte, d. i. als solche, die man bei zitterndem Luftzustande erhält, der viel häufiger ist als ruhiger. Zudem kann dieses Mittel beim schlechtesten Wetter mit demselben Erfolg angewandt werden. Dieses Mittel besteht darin, dass ich die Fäden nicht durch das Okular, sondern durch das Objektiv sehe und ihre Intervalle durch Repetition mit dem Theodolithen messe. Diese Messungen sind der äussersten Schärfe fähig. Da der Theodolith die auf den Horizont i)rojicirten Distanzen angiebt, so versteht sich, dass auf die Neigung der optischen Axe Rücksicht genommen werden muss. Ich würde Sie, liebster Olbers, mit dieser Materie, die für Sie kein unmittelbares Interesse haben kann, und worüber ich vielleicht in Schumaciieu's .4. iW) einen Artikel geben werde, nicht behelligen; allein es steht damit eine andere Operation in Verbindung, die auch Sie vielleicht einmal mit Vergnügen ausüben

*) Neue Methode, die gegenseitigen Abstände der Fäden in Meridian-Fernrohren zu bestimmen. A. N. Bd. II, No. 43; Gauss' "Werke Bd. VI, S. 445 ff. Daselbst wird auch die hier angeführte Methode zur Bestimmung der Vergrösserung der Fernrohre besprochen. Krm.

(»Ibt-rs au (lauss. Breuien, lb23 December 20. 263

mö{ren. Dies ist näiulicli eine auf älinlielien PrincijjieM beruhende Manier, die Vergrüsseruny der Fernrulire auszuuiitteln. Es ist nur nüthig, dass das Okular für ein weitsichtiges Auge gestellt werde, und dass man durch das P'ernrohr dann von hinten sehe, wo es ebenso viel ver- kleinert, als es sonst vergrüssert. Sie messen also die wahre Winkel- entfernung zweier beliebiger Objekte und zwar so, dass der Scheitel des Winkels und der nachherige Ort des Okulars des Fernrohrs die- selben sind, und nachher mit Ihrem Heliometer die Entfernung der Bilder derselben Objekte durch das umgekehrte Fernrohr. Sajnenti seit. Diese Methode scheint mir die einzige, die wahrer mathematischer Schärfe fähig ist. und es ist ein Vergnügen, sie anzuwenden.

xo. 485. Olbers an Gauss.') [259

Bremen, 1823 December 20.

Ich habe lange versäumt, Ihnen für Ihren gütigen Brief vom 2. Nov. zu danken. Die Ursache war, weil ich meinem Danke sonst nichts einigermaassen Interessantes beizufügen wusste. Dies ist zwar auch jetzt noch der Fall; aber ich kann doch dieses Jahr nicht ganz ablaufen lassen, ohne Ihnen wenigstens ein Lebenszeichen zu geben.

Sehr verbunden bin ich Ihnen für die Nachrichten von dem Be- schluss Ihrer diesjährigen Campagne und von dem so sehr befriedigenden Ergebniss aller Ihrer 26 Dreiecke. Ebenso angenehm war mir Ihre neue so sinnreiche und so treffliche Methode, die Faden-Intervalle und die Vergrösserung in Fernrohren zu bestimmen, die ich nun auch in Schumacher's Astr. Nachr. gelesen habe. Ich bitte Sie, mir nun auch gelegentlich mitzutheilen, was aus Gerling's Beobb. mit den Ihrigen verbunden für das A zwischen Inselsberg, Brocken und Hohehagen folgt.

]\Iit nicht geringer Verwunderung habe ich von Prof. Schumacher^) erfahren, dass er die Breite seiner Sternwarte in Altona mit seinem R EICHENE ACH'schen Kreise h"\ kleiner findet, als aus Ihren Dreiecken und der Breite von Göttingen folgt, und 4" kleiner, als aus der durch Repsold's Instrument bestimmten Breite des Michaelis-Thurms in Ham- burg. So grosse Unterschiede sind doch w^ohl nur durch konstante Fehler in dem Kreise erklärbar. Zw^ar habe ich es immer für möglich, selbst für sehr wahrscheinlich gehalten, dass, eben wie man in P'rank-

^) Vergl. zu dem Inhalt dieses Briefes auch Brief No. 308 im Briefwechsel Olbers-Bessel. KlTU.

**) Ausführliches hierüber bringt auch der Briefwechsel Gaüss-Schumacher und zwar Brief Xo. 190, 192, 194, 197. Siehe auch Gauss' Brief Xo. 493 an Olbers. Krm.

264 Olbers an Gauss. Bremen, 1823 December 20.

reich gefunden zu haben glaubt, die Meridianbogen in unserem nörd- lichen Deutschland einer weit grösseren Abplattung angehören dürften, als die aUgemeine Abplattung für die ganze Erde im Mittel beträgt. Aber dies kann doch zwischen Hamburg und Altona so viel wie nichts, zwischen Göttingen und Altona nur einen kleinen Theil jener 5"i erklären. Sollten auch hier schon Lokal -Anziehungen per- turbirend aufs Loth einwirken? - Auf meine Anfrage, welche Breite von Altona denn aus den mit dem Zenith-Sektor in Lauenburg an- gestellten Beobb. folge, erwiderte er, dass diese erst jetzt reducirt würden. Ich bin höchst neugierig auf das Resultat dieser Reduktionen.

Von der anderen Seite folgt ja aus Müffling's Dreiecken die Länge von Berlin l'S" grösser, als sie aus so vielfältigen astronomischen Beobb. hergeleitet wurde, die mir kaum noch auf eine Zeitsekunde diese Länge ungewiss zu lassen schienen. Auch dies muss also wohl in der angenommenen für unsere Gegenden nicht passenden Abplattung liegen.

Ebenso und noch mehr als diese Anomalien in der Figur unserer Erde hat mich diese Zeit über Poxd's Abhandlung über die von ihm vermeintlicli bemerkten Veränderungen mehrerer Sterne nach Süden seit 1813 befremdet. Zwar glaube ich noch immer, dass diese angeblichen Yerrückungen, denen Bessel's und Beinkley's gleichzeitige Beobb. Avider- sprechen, doch nur in Fehlern von Poxd's Instrument, Pond's Beobb. und Poxd's Reduktionen in vorigen oder jetzigen Zeiten ihre Ursache und Erklärung finden werden; müsste man sie aber als wirklich und wahr annehmen, so würde meiner Meinung nach daraus folgen, dass sich unser Nordpol etwa 1"4 gegen die Waage oder den Anfang des SJcorpio)2s zu bewegt habe. Dies würde erklären, warum die Bewegung nach Süden von den AI abhängig scheint. Dass aber alle Sterne nach Süden und bei grösserer Polardistanz um so mehr nach Süden gerückt scheinen, möchte ich bloss darin suchen, dass Poxd jetzt eine stärkere Refraktions-Korrektion anwendet als vordem. Ich habe nämlich aus seiner Abhandlung über die Parallaxe von « Lyme gesehen, dass er jetzt alle Sorgfalt anwendet, damit die innere Temperatur seiner Stern- warte der äusseren gleich sei, und dies das ganze Jahr hindurch bis auf erhalten zu haben glaubt. Vorher war also wahrscheinlich im Mittel die innere Temperatur der Sternwarte immer um ein paar Grade grösser als die der äusseren Luft, und da er nach dem inneren Thermo- meter die mittlere Refraktions-Korrektion verbessert, so müsste er ehe- mals immer eine kleinere Refraktions-Korrektion anwenden als jetzt. Ist wirklich eine solche Veränderung des Pols in der angegebenen Rich- tung vorgefallen, so müsste jetzt die Dekl. des Polaiis um i"\ geringer und die ^ von d Ursae minoris fast um 25" grösser sein als vorher. Dann wäre noch zu untersuchen, ob sich bloss die bisheric-e Rotationsaxe

Gauss an Olbers. > ..liiin-tn. l.^J:) Idci-inlier 28. 26')

der Erde um l".l geneigt habe, oder ob die Erde jetzt um eine andere Ixotationsaxe rotire. Im ersten Fall würden die Polhülien unverändert sein, im anderen müssten auch sie verändert sein. La Place folg^ert zwar aus seinen Untersuclmng'en, dass jede mögliche Verrückung un- serer Erdaxe ganz unmerklich sei; allein Le(;ex])ke hält eine wahr- nehmbare Verrückung derselben sogar für sehr wahrscheinlich und hat selbst einen Theil des vt)n vielen Astronomen in den Sommer- und ^\'interschiefen gefundenen Unterschiedes daraus erklären wollen.

Verzeihen Sie, lieber Gauss, mein langweiliges Geschwätz über etwas, das vielleicht gar nicht existirt. Ich bin so w^eitläufig gewesen, nicht als wenn ich glaubte, dass meine unverdauten Ideen irgend ein Interesse für Sie hätten, sondern in der Hoffnung, von Ihnen irgend einen Wink zu meiner Belehrung oder zur Berichtigung meiner Be- griffe über diesen Gegenstand zu erhalten.

?Iaben Sie schon Ihren Bericht und Ihr Gutachten nach Hannover geschickt? Ich habe lange nichts von daher über unsere Angelegenheit gehört. Unser guter Geh. Kab.-Eath Hoppenstedt ist, wie man mir sagt, noch immer sehr krank und leidend, sonst w^ürde ich in diesen Tagen einen Brief von ihm erwarten können. Sollte er mir irgend etwas zur Sache Gehöriges schreiben, so werde ich es Ihnen sogleich mittheilen.

Dass die Londoner Ästron. Soc. unserem Encke ihre eine goldene Preismedaille (die andere hat BABBAfiE für seine Maschine zur Berechnung astronomischer Tafeln erhalten) zuerkannt hat, werden Sie längst wissen. Nicht RtJMKEE, sondern der bei General Brisbane's astronomischen Anstalten angestellte Mechanikus James Dunlop hat Encke's Kometen zuerst in Paramatta wieder entdeckt. Mich wundert, dass Eümker dies nicht gleich gemeldet und angezeigt hat.

Am Himmel haben wir jetzt lange nichts Neues gehabt, auch ist die milde, veränderliche, fast immer trübe Witterung allen astronomischen Nachforschungen und Beobb. sehr hinderlich.

Wie lässt sich der junge Klüver diesen Winter an? Hat ihn Privatstudium vorigren Sommer merklich weiter gebracht?

No. 486. Gauss an Olbers.^) [227

Göttingen, 1823 December 28.

Durch Ihren gütigen Brief vom 20. Dec. haben Sie mich sehr er- freut, und obgleich ich Ihnen keine interessanten Gegen-Kommuni-

*j Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Zu dem Inhalte dieses Briefes vergl. auch Brief No. 192 im Briefwechsel Gauss-Schtjmacher. Krm.

256 Gauss an Olbers. Göttingen. 1823 December 28.

kationen zu machen habe, kann ich mir doch den Genuss, in diesem Jalire mich mit Ihnen noch einmal zu unterhalten, nicht versagen.

Schumachee's Differenz ist auch mir unerwartet gewesen. Ich halte [es] aber für schwer, sie bloss auf konstante Fehler des Kreises zu schieben Er hat Sterne in allen Theilen des Meridians beobachtet und überall, Bessel's Dekl. zu Grunde legend, die mit den meinigen sehr nahe übereinstimmen, fast einerlei gefunden. Nur weiss ich nicht, ob er den Kreis schon oft umgelegt hat, was wohl wesentlich ist. Die Abweichung der Polhöhe von Hamburg gebe ich aber gern preis, da Eepsold's Kreis besonders damals, wo er nur eine Ablesung hatte, lange nicht so vollkommen war. Auch meine mit demselben 1818 an- gestellten zahlreichen Beobb. von Cirkumpolaisternen gaben viel schwan- kendere Eesultate. Es scheint mir, dass wir daraus werden schliessen müssen, dass die Erde von dem Mittel-Sphäroid gleichsam wellenförmig abweicht; wenn aber von Göttingen bis Altona weniger Krümmung stattfindet, als beim Mittel-Sphäroid, so findet vom Brocken bis Altona mehr Krümmung statt, und ich sehe nicht ganz deutlich die Noth- wendigkeit ein, in unseren Gegenden ein Ellipsoid mit kleinerer Ab- plattung zu Grunde zu legen, üeber die Meridiandifferenz von Berlin muss icii mein Urtheil noch zurückhalten, bis wir alle Beobb, in extenso besitzen. Aber Gott weiss, ob wir je dazu kommen. Es ist betrübt, dass die Menschen mit den geodätischen Messungen so zmückhaltend sind. Ich habe an Bohnenberger, Söldner, Eckhardt und Littrow geschrieben und dringend gebeten, mir die würtembergischen, bay- rischen, darmstädtischen und österreichischen Dreiecke zu verschaffen, aber von keinem dieser vier Herren eine Antwort erhalten, obgleich zAvei meiner Briefe ihrem übrigen Inhalt nach von meiner Seite eine von den resp. Herren erbetene Gefälligkeit waren. Selbst Gekling hat mir zwar alle seine Messungen mitgetheilt, aber mit grosser Aengstlich- keit und mit der Bitte, ja keine Zahl öffentlich bekannt zu machen oder mir nur merken zu lassen, dass er sie geschickt, weil man das in Cassel sehr übel auslegen würde.

Meine Verbindung mit den hessischen A A ist ganz gut ausgefallen, der Fehler des grossen Dreiecks ist nur 0".6. Ich schicke Ihnen das ganze hessische Netz und seine Verbindung mit dem meinigen ^Figur 17); Gerling hat (obgleich ich sogar dies nicht sagen soll III) bisher an den Punkten Berger "Warte, Johannisberg, Tauf stein, Orber Reisig, ^lilseburg und Inselsberg gemessen. Sie sehen leicht, welche Punkte er mit MiFFLisG gemein hat; der Taufstein ist auch ein bayrischer Punkt, und zwei andere bayrische Punkte Feldberg (zugleich auch preussisch und darmstädtisch, aber nicht hessisch) und Kreuzberg hat Gerling wenigstens von anderen Punkten geschnitten. Sie sehen also, da^s

Gauss an Olbers. (iöttiniren, IsS.i üeoember 28.

267

eio:entlicli meine Mes.siinf,'en sili(»n mit allen vorhin genannten verbunden sind, und man damit bis nacii Italien und an die türkische Grenze rechnen könnte, wenn man die Dreiecke kennte. Allein so ist es, als wären die Messungen gar nicht vorhanden.

Bn.sserot

Dünsberg

Jofiaimisberg Feldberggy^

Brorken

Seeberg

- - " 'jferuUametcfien •fL^selsberg

RKrcitzberg

Berger Hurte

-Ich habe meine AA jetzt nach Schumacher's Basis (obwohl die Verbindung noch nicht vollkommen ist) berechnet, und finde zuletzt den Logarithmen der Seeberger Basis in Toisen daraus 4,4791493, während die Messung 4,4791763 gab. Dies ist doch ein grosser Unter- schied. Allein

1) haben wir über die ZAcn'sche Basis keine authentische Nach- richt,

2) ist sie mit der Seite Seeberg Inselsberg durch ein Dreieck ver- bunden, wo nur 2 Winkel (am Mer.-Zeichen und Seeberg in Fig. 17) gemessen sind. Wenigstens verhält sich genau genommen die Sache so. Denn obgleich Müffling nachher alle 3 Winkel gemessen hat, so hat er doch den Platz am ]\Ieridianzeichen, welcher verloren ge-

268 Gauss an Olbers. Göttingen, 1823 December 28.

gangen war, nur vermittelst des \\'inkels am Mer.-Zeiclien und des Azimuths in Seeberg wiederhergestellt, und offenbar können sich dadurch die Eesultate eigentlich gar nicht ändern,

3) ist der Winkel Brocken, Inselsberg, Ettersberg, welchen ich aus den beiden A A Brocken, Ettersberg, Struth und Ettersberg. Struth. Inselsberg berechnet hatte, über 6" verschieden von dem, welchen ich jetzt als unmittelbare Messung mitgetheilt erhalten habe. A\'ie nöthig wäre es daher, dass Hr. v. Müffling seine Messungen in extenso be- kannt machte, ebenso wie die uns übrigen unzugänglichen Tranchot - sehen Dreiecke, die die KßAYENHOFP'schen mit den seinigen verbinden, die er selbst aber auch nur in unvollständiger Form zu besitzen scheint.

Man dringt so sehr auf Bekanntmachung der Originalbeobb. in der Astronomie und treibt diese Bekanntmachung vielleicht weiter als nöthig wäre, ^^'enigstens werden unzählige Beobb. gedruckt, von denen sich gar kein erdenklicher Nutzen absehen lässt. Wäre dies nicht noch wolil nothwendiger bei den geodätischen Messungen?^)

Selbst Keayenhoff's Messungen sind mir noch nicht detaillirt ge- nug bekannt gemacht. Das Tableau von p. 55 bis 8(3 sollte umständ- licher sein und sollte alle Beobb. enthalten, denn es ist mir fast zur Gewissheit geworden, dass Krayenhoff ausgewählt hat, um guten Schluss der AVinkel zu 180'^ und 3(30*^ zu erhalten. Nach diesem Schluss sollte man die Messungen für viel genauer halten, als sie wirklich sind, denn um die Polygone in Uebereinstimmung zu bringen, hat Krayenhofi viel grössere Aenderungen anbringen müssen, zum Theil im nordöst- lichen Theil ganz barbarische Aenderungen. Vergleichen Sie z. B. die beobachteten Winkel pg. 83 mit denen, die er in seinen Definitiv-Ta- bleaus zu Grunde legt. Sie finden bei Pilsum die Aenderung 2".842. + 3",878, 11",819, +8",219, bei Onstwedde gar + 0",392. 3".49'J. -f 2",194, 19",127, -f 22",782, 3",682. Freilich hat er im NW- Theil mit einem kleinen Kreise observirt, aber woher immer die guten Schlüsse der einzelnen Dreiecke und des Gyrus Horizontis. Und sohhr Fehler sind doch auch an [einem) kleinen Kreise, den er noch dazu parfaitement execide nennt, nicht zu verzeihen: und h()chst befremdend ist die Parallaxe, worüber er pag. 17 klagt: warum stellte er denn die Fäden nicht in den Brennpunkt, oder wenn keine Stellung der Fäden bei dem Instrument möglicli war. warum liess er denn keine Vorrich- tung dazu machen? Dies ist, deucht mir, ganz unverzeihlich. Im süd- lichen Theil scheinen zwar so grosse Fehler nicht vorzukommen, doch

^) Verg-1. Brief No. 192, S. 349 im Briefwechsel Gauss-Schcmacher und Scer- macher's Aufforderuue: zur Bekanntmachunir in den A. X. Bd. 3. S. 88. Krm.

Gauss an C>ll..i>. (iuUni--ii. i -J-i .l^uiu.ir 14. 269

auch «rrössere, als man iiacli Schliiss der AA "ud [des] Gyrus er- warten sollte. Es ist wenijLrstens ein Glück, dass Krayexhoff's Netz in sich selbst so viele verrätherische Prüfungfen darbietet. Aber was soll iiKui null von Messungen denken, wo ohne Pol^-g-one und oliiu' Dia- «ronalfii bloss eine Reihe AA fortläuft, wenn man Ursache hat. die Anfrichti^^keit und Unpartheilichkeit der Beobachter in Zweifel zu ziehen. Der Kalkül des sphärischen Excesses ist gar zu leicht und es daher zu verführerisch, wenn auch nicht zu verfälschen, doch auszulesen, was in den Kram passt.

Die Verbindung meiner A A niit den französisch-englischen bloss über Ostfriesland scheint mir nach obigem sehr bedenklich, am besten wäre es wohl, zugleich bei Bentheim und Jever anzuschliessen.

Noch habe ich meinen I^ericht und Gutachten nicht eingeschickt. K-h bin jetzt noch mit letzterem beschäftigt. Ausser so manchen anderen äusseren Dingen, die mich zurückgesetzt haben, habe ich leider in diesem Winter auch 2 Kollegien zu lesen. Ob ich wohl je von diesem Dreschen leeren Strohs erlöst werde!

Ueber Hrn. Klüver's Progresse bin ich wirklich nicht im Stande zu urtheilen. Er nimmt zwar an einer meiner Vorlesungen mit allem Fleiss Theil, aber da ich darin 8 Zuhörer habe, so kann ich mich gar nicht mit einzelnen beschäftigen. Von einigen der anderen Zuhörer habe ich vor Kurzem zb fällig (obgleich ich immer befürworte, mir alles anzuzeigen, was sie nicht verstehen) gehört, dass ihnen vieles dunkel

geblieben war, weil sie nicht wussten, was es sei, \ydx\o\^ x = a\)h

x = h zu integriren.

PoNDS Abhandlung^), deren Sie erwähnen, ist mir noch unbekannt. Vermuthlich klärt sie das näher auf, was im Jahrbuch für 182ti durch Tr.\lles Dunkles eingerückt ist. Wo stehen wohl Legendee's Unter- suchungen über die Erdrotation?

Ich schliesse mit dem herzlichen Wunsche, dass das bevorstehende neue Jahr ein recht frohes für Sie, theuerster Olbers, werden möge.

No. 487. Gauss an Olbers. [228

Göttingen, 1824 Januar 14. Seit meinem letzten Briefe habe ich doch einige Mittheilungen er- halten. Der Reg.-Eath Eckhardt hat mir die darmstädtischen Haupt-

^) Siehe Briefwechsel GAuss-ScnraACHER, Brief Xo. 191 und 194 S. 357 und Brief Xo. 494 von Olbers an Gauss. Krm.

270

Gauss an Olbers. Göttingen. 1824 .Januar 14.

dreiecke geschickt, und Söldner hat mir Hoffnung gemacht, dass ich von den bayrischen Messungen Mittheilungen erhalten würde, vorläufig hat letzterer auch schon einige Notizen kommunicirt.

Ich glaube Ihnen schon geschrieben zu haben, dass ich gegen die Verbindung mit der ZAcn'schen Basis etwas misstrauisch geworden bin und nachher meine und Gerling's Messungen nach der vorläufigen Verbindung mit Schumacher's Basis berechnet habe. Ich finde nun [den] Unterschied der Logarithmen der Seeberger Basis nach unmittelbarer Messung, und wie sie aus Schumacher's Basis folgt, 270 Einheiten der 7. Decimale (0,00u0270), welches allerdings sehr viel ist (rTroJjo des GanzenX

Dagegen finde ich bei der Seite Tauf stein— Orber Reisig zwischen meiner Rechnung nach Schumacher's Basis und meinen und Gerlixg's Winkelmessungen einerseits und Sgldner's Angabe andererseits nur einen Unterschied von 50 Einheiten (im Logar.).

Die darmstädtischen Dreiecke habe ich an die Punkte Feldberg Dünsberg, wie sie ohne alle. Interrogation MüFFLiNG'scher Messungen bloss aus den GERLiNG'schen (immer zuletzt nach Schumacher's Basis) bestimmt sind, angeschlossen und bis Mannheim berechnet. Hier weicht nun die darmstädter von Eckhardt gemessene Basis von meiner Rechnung im Logarithmen nur 2 Einheiten ab, während Müfflixg durch seine Drei- ecke einen ganz enormen Unterschied von der Seeberger Basis fand.

Die Seite Amöneburg Dünsberg, aus Eckhardt's Winkeln berech- net, weicht 391 Einh. im liOg. von dem Werthe ab, den sie nach Müffling's Dreiecken erhält (das Absolute immer auf einerlei Basis gegründet). Schon bei der Lage des Hercules findet sich ein in geo- dätischer (wenn gleich nicht in astronomischer) Rücksicht merklicher Unterschied, ob ich ihn bloss auf Gerling's und meine Messungen oder auf die MüFFLiNG'schen gründe (ungefähr 2 m).

Die vorstehenden Notizen bitte ich als im Vertrauen kommunicirt zu betrachten.

Soldner hat mir die geogr. Lage einiger Punkte der bayrischen M[essungen] mitgetheilt, die ich auch schon aus meinen, Gerling's und Eckhardt's Messungen berechnen kann. Es findet sich daraus

Längenunterschied

zwischen Güttingen u. München,

Lieb-Frauen-Thurni

Breite

nach SoLDXF.R anders

als nach mir

Feldberg

i";j7'öi".45y

1 37 51,212 1 37 51,221 1 37 51,402

l",Ti)T

Taufstein

Orber Reisig

Mannheim

1.785

1.966

2.090

Olbers an Gauss. Bremen, 18^4 Januar 22. 271

Ich finde iiämlicli die Breite von

Mannheim aus Göttingen . . . . 49° 29' 1d",530

Söldner aus Mündien 13,440

Das Azimuth des Feldbergs auf den Tauf stein folgt aus Göttingen . . . . 60»35' 7",976\ ^.„ ^„ ,_. aus Jlunchen .... oO 3o 1,5 J Soldneb hat eine nur wenig schwächere Abplattung gebraucht. MiFFLiN(i hat den Längenunterschied zwischen Paris und Mannheim aus Delambre's, Krayeniioff's, Tranchot's, seinen und Kckharut's

Dreiecken berechnet 24'«30V)3;

ich zwischen Göttingen und Mannheim ... 5 56,02,

also Göttingeu von Paris 30 26,05.

Hierbei liegen aber verschiedenartige Elemente zu Grunde. Wuem^) findet aus astr. Beobb. 30'"27^

Ich denke, jinter tins gesagt, es wird interessant sein, wenn Ger- LiNG dieses Jahr mehrere MüFFLiNG'sche Dreiecke vollständig nach- misst.

Meinen Bericht und Gutachten habe ich vor 8 Tagen nach Han- nover geschickt, begleitet von einer Karte, die alle bisherigen dänischen, hannoverschen, hessischen, einen Theil der preussischen und sämmtliche KEAYENHOFF'schen Messungen enthält. 200 Punkte sind nach genau be- rechneten Koordinaten eingetragen. Pire Gewinnung hat erst viele Ar- beit gekostet. Den Erfolg müssen wir nun erwarten.

Den Kometen^) habe ich erst einmal gesehen, aber bisher noch nicht beobachtet. Seit 4 oder 5 Tagen ist es immer trübe. Hoffent- lich kann derselbe nächstens unten im Meridian beobachtet werden.

Ich habe mit Schumacher die korresp. Beob.*) von einer Anzahl von Zenithaisternen verabredet an unseren Meridiankreisen, bisher habe ich 3 Soirees erhalten.

BoHNENBERGER Und LiTTRow haben gar nicht geantwortet.

No. 488. Olbers an Gauss. [26o

Bremen, 1824 Januar 22.

Mit grossem Vergnügen und dem innigsten Danke habe ich Ihre beiden gütigen Briefe und die vielen so interessanten Mittheilungen

^) Briefwechsel Gaüss-Schümacher, S. 343 344. Krm.

2) Komet 1823, in den letzten Tagen des Dec. entdeckt. Krm.

') Brief No. 192 im Briefwechsel Gauss-Schumacher. Krm.

972 Olbers an Gauss. Bremen, 1824 Januar 22.

Über Ihre Meridianmessung erhalten. Ich glaube, dass Sie mit grossem Recht auf die Anschliessung an Zach's Basis und vielleicht auf die Basis selbst misstrauisch sind. Wenigstens bin ich nach dem. was Zach in dem mir neuesten Stück seiner Corr. astr. Vol. IX No. 11, p. 184 von seinem Fernrohr^) mit konkavem Augenglas, durch welches man nahe und entfernte Gegenstände gleich deutlich sehen soll, und worin er Spinnfäden gezogen haben "will, sagt, gegen alle seine Behauptungen noch viel schwergläubiger geworden, als ich schon vorher war.

Ihren Bericht nach Hannover hätte ich gern lesen mögen und wünsche meinerseits herzlich, dass er die beste Wirkung zur Erreichung meines Wunsches, noch bei meinem Leben eine unmittelbare Verbindung zwischen Ihrer Gradmessung und Bremen zu Stande kommen zu sehen, befördern möge. Den vom Geh. Kab.-Eath Hoppenstedt schon lange erwarteten Brief habe ich noch nicht erhalten und schliesse daraus, dass seine Krankheit noch wohl immer fortdauert. So bald ich etwas diese Angelegenheit Betreffendes von ihm erfahre, werde ich es unver- züglich melden.

Bei Gelegenheit des geringen Unterschiedes im Büttel 1",89 der Münchener Polhöhe fiel mir ein, einmal gehört zu haben (von wem weiss ich nicht mehr, von Bessel selbst war es nicht), dass Bessel Ihre Polhöhe von Göttingen um 1'% zu gross halte. Wenn Bessel dies wirklich glaubt oder geäussert hat, so kann dies doch wohl nur daher rühren, dass Sie aus hinreichenden Gründen Bessel's Refraktion nicht gebraucht haben. Sollte nun Soldner seine Pohlhöhe durch Bessel's Refraktion bestimmt haben, so würde sich vielleicht noch ein grosser Theil des Unterschiedes zwischen der geodätisch und astrono- misch bestimmten Polhöhe aus dieser verschiedenen Refraktion aufheben lassen.

Das immer trübe Wetter, wie ich es so anhaltend noch nie erlebt zu haben mich erinnere, hat mich den schönen Kometen-) nur sehr selten sehen lassen. Beobb. sind mir eigentlich nur 2 gelungen, da ich bei den beiden anderen unglücklicher Weise Sterne gewählt hatte, die niclit in der Hist Gel. und keinem Sternverzeichnisse vorkamen. Jan. 11. U''22™40^ M. Z. 245°47'15" 32»37'39" 14. 13 56 37 242 39 22 39 34 53

Gleich nach der Beob. des 11. berechnete ich aus niclit sehr voll- kommenen Daten, bloss um die Relation der Bewegung des Kometen zur Bewegung der Erde und zur O im Allgemeinen übersehen zu können, folgende Elemente:

*) Verijl. auch Brief >>o. 194, S. 358 im Briefwechsel G.wss-Schcmacher. Krm. ■-) Vergl. Olbess Bd. I No. 86—88, S. 387—389. Krni.

Olbers au Gauss. Bremen, 1824 Januar 27. 273

Zeit d. O Nähe 1823 Dec. 9 IS'^ö™ Mtl. Br. Z.

Länge des ß 303° 52'

Neiof. der Bahn 76 34

Länge des Perihels .... 279 47

log. Dist. Per 9,31014 mot. retr.

Sie werden die viel besseren Elemente von Hansen^) schon kennen, die mir durch ein Versehen erst unvollständig mitgetheilt sind (die Länge des Perihels fehlt), und also wird meine Bahnbestimmung für Sie kein Interesse haben. Mir diente sie, daraus folgern zu können, dass Rr.-MKEK-) unseren Kometen vor seiner Sonnennähe nothwendig gesellen haben muss, wie er von den Füssen des Centaurs längs, doch östlich, dem Rücken des Wolfes und nahe der Milchstrasse zum Skorpion lief, und dass der Komet seinen Lauf vom Hercules durch den Mauer- quadranten, den Schweif des Drachen und den Kopf des grossen Bären zum Liiclis fortsetzen, und da wahrscheinlich Ende Febr. verschwinden wird. Fürs erste werde ich mir eben nicht viel Mühe geben, den Kometen weiter zu beobachten. Denn da er jetzt im Meridian mit feststehenden Meridian-Instrumenten beobachtet werden kann, so sind Kreis-Mikro- meter-Beobb. ganz ohne Werth. Aber wenn der Komet wieder so lichtschwach wird, gar keine Erleuchtung mehr vertragen zu können, so werde ich meine Kreismikrometer-Beobb. mit Eifer und Fleiss wieder vornehmen.

Mein Schwiegersohn, Dr. Focke, ist zu meiner grossen Freude Post- direktor der Bremischen und in Bremen etablirten Preussischen Post geworden, eine Stelle, die ihn jetzt im Anfange ganz ausserordentlich beschäftigt. Ich denke aber, mit der Zeit w^ird die Maschine mit ge- ringerer Anstrengung im Gange erhalten werden können.^)

No. 489. Olbers an Gauss. [26i

Bremen, 1824 Januar 27.

Ich muss Ihnen doch eine höchst sonderbare Erscheinung*) mittheilen, die ich an dem jetzt sichtbaren Kometen wahrgenommen habe. Vom 15. bis zum 23. Jan. war es hier anhaltend trübe; aber am 23. Abends

') Brief No. 198 im Briefwechsel Gaüss-Schümacher. Krui.

-) Der Komet ist von Rümkeb nicht beobachtet worden. Krm.

') Am Schluss des Briefes hat Gatjss seine im Brief No. 490 nachher erwähnte nichtreducirte Heliometerbeob. des Kometen vom 28. Jan. aufnotirt. Krm.

*) Vergl. hierzu auch Olbers Bd. I No. 89 u. 90, S. 389—392, ferner No. 190, S. 643. Krm.

Olbers. II, 2. 18

274 Olbers an Gauss. Bremen, 1824 Januar 27.

klärte es sich auf, und der Himmel war ein paar Stunden sehr heiter. Fast wagte ich es nicht, meinen Augen zu trauen, als ich an dem Kometen ausser seinem von der Sonne abgekehrten gewöhnlichen Schweif noch einen anderen gerade der Sonne zugekehrt zu sehen glaubte, so dass der Komet einige Ähnlichkeit mit dem. Nebelfleck im Gürtel ^q,v Andro- meda hatte. Dieser anomale Schweif war nahe am Kopf des Kometen, vielleicht vom Licht des Kopfes überstrahlt, schwer zu sehen, aber weiterhin deutlicher und länger, als der gewöhnliche. Die Vermuthung, dass vielleicht einige sehr kleine, im Fernrohr nicht mehr einzeln zu unterscheidende, gerade in dieser Richtung liegende Sterne eine Täuschung hervorbringen möchten, widerlegte sich dadurch, dass die schweifartige Erscheinung während länger als einer Stunde in derselben Lage gegen den doch unterdessen stark fortrückenden Kometen blieb.

Glücklicher Weise war es am 24. Abends wieder von 7 bis 9 Uhr heiter. Ich sah den anomalen Schweif durch alle meine Kometensueher und anwendbaren Fernrohre (den grossen Dolloml konnte ich der Lage des Kometen wegen nicht gebrauchen) sehr deutlich. Dieser anomale Schweif liegt nicht genau in der Richtung der verlängerten Axe des gewöhnlichen, sondern macht mit dieser verlängerten Axe einen "Winkel von höchstens 10*' nach Süden. Der anomale Schweif war auch heute nahe am Kopf sehr schwach, aber weiter zu verfolgen als der gewöhnliche.

Ich bin zwar meiner Sache und Wahrnehmung ganz gewiss, aber ich möchte doch nicht gern, dass eher etwas öffentlich darüber bekannt würde, als bis auch ein anderer diese Erscheinung gesehen hat, oder ich wenigstens dieselbe weiter verfolgt habe. Am 25. und 26. war es trübe. Sollten Sie, lieber Gauss, noch nichts davon gesehen haben, und dies Phänomen noch nach der Zeit, da Sie diese Zeilen erhalten werden, noch fortdauern, welches sehr zweifelhaft ist. so bitte ich Sie recht inständig, darauf aufmerksam zu sein. p]in guter lichtstarker Kometensucher schickt sich am besten zu dieser Beob.; doch nuiss die Luft recht heiter und die Dämmerung ganz vergangen sein. Der anomale Schweif zeigt sich sowohl, wenn der Kopf des Kometen mit im Felde des Fernrohrs ist, als aucli und vielleicht noch besser, wenn man diesen eben herausbringt.

Ich enthalte mich für heute aller Folgerung aus dieser unerwarteten Erscheinung, die mir für die Physik des Himmels überhaupt und be- sonders der Kometen sehr wichtig scheint.

Gauss an Olliers. Güttingen, 18_'4 Februar 1. 275

No. 490. Gauss an Olbers/) [229

Göttingen, 1824 Februar 1.

Herzliclien Dank für alle die gütigen Mittheilungen in Ihren beiden letzten Briefen.

Ueber den Kometen kann ich Ihnen nicht viel wiedergeben. Den Schweif auf der der Sonne zugekehrten Seite habe ich gleichfalls an verschiedenen Abenden und besonders am 24. Jan. mit grösster Be- stimmtheit gesehen. Wir lernen daraus, deucht mir, recht anschaulich einsehen (was von jeher meine Ansicht gewesen ist), dass wir von der wahren Ursache der Kometenschweife noch gar nichts wissen. Am 27. Jan. habe ich eine Kreismikrometerbeob. und am 28, eine helio- metrische Distanzmessung gemacht, beide aber nicht reducirt, da die Sterne in der Hlst. Cel. nicht vorkommen, und nocli keine Gelegenheit gewesen ist, die Sterne selbst zu bestimmen. Auch haben diese Messungen eigentlich keinen Werth, insofern gewiss schon um diese Zeit Meridianbeobb. an anderen Orten gemacht sind. Hier ist das Wetter dafür höchst ungünstig gewesen. Ich war jedesmal entweder am Platz oder hatte Ordre gegeben, mich zu wecken, wenn es klar wäre, aber dem ungeachtet konnte bis gestern auch nicht eine einzige Beob. im Meridian gemacht werden. Letzte Nacht erhielt ich die erste; aber gegen meine Erwartung war das Beobachten so schwierig, dass ich nicht viel Gewicht darauf lege. Bei der Ungewissheit des Platzes hatte ich die schwächste Vergrösserung eingeschraubt, da ich den Platz bloss nach Harding's Karte hatte schätzen können. Bei dieser schwächsten Vergrösserung (etwa 75 mal) war der Komet zwar am hellsten, allein die feinen Spinnfäden waren nicht zu erkennen, sondern ihr Ort konnte durch alternirendes Hin- und Abrücken der Laterne*) nur vermuthet werden. Mein Eesultat ist

1824 Jan. 3L 13^^28■^20^5 152°16'29",1 +72°38'34",6

Sollte es diese Nacht heiter sein, so werde ich eine etwas stärkere Vergrösserung versuchen.

Sehr befremdet hat mich die Stelle Ihres vorletzten Briefes, dass Bessel geäussert haben soll, er halte meine Polhöhe ^) für 1",5 zu

^) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

*) Unglücklicher Weise steht Avegen anderer Beobb. jetzt der Kreis so, dass die Moderirung des Lichts nur auf diese mangelhafte Art geschehen kann. Erst nach etwa 3 heiteren Abenden werde ich umlegen dürfen. Nur in der anderen Lage kann der Beobachter selbst mit dem Schlüssel die Beleuchtung moderiren.

") Vergl. Briefwechsel Gauss-Bessel Brief No. 143 und die beiden nächsten Briefe von Gacss an Olbers. Seh.

18*

276 Gauss an Olbers. Göttingen, 1824 Februar 1.

gross. Sie drücken sich so aus, als halten Sie für zweifelhaft, ob er dieses wirklich geäussert habe, und nehmen es nur unter der Voraussetzung an, dass ich seine Refraktion aus Gründen nicht gebraucht hätte. Allein diese Voraussetzung hat nicht Statt, und Bessel iveiss, dass ich seine Refraktion gebraucht habe, obgleich seine Gründe mich keineswegs überzeugt haben, dass es nothwendig sei, die äus.^ere Temi)eratur zu Grunde zu legen. Letzteres habe ich jedoch bisher der Gleichförmig- keit wegen wirklich gethan.

Was übrigens meine Polhöhe betrifft, so ist sie allerdings insofern hypothetisch, als ich die Inflexion des Fernrohres noch nicht hinreichend untersucht habe. Insofern diese Inflexion vernachlässigt wird, kann ich von meiner Polhöhe nach den Beobb. von 1820 nichts ablassen. Die eigene Untersuchung der Inflexion halte ich keineswegs für unnöthig, sondern sie ist nur verschoben, bis Zeit dazu sein wird. Dass ich sie aber bisher == 0 gesetzt habe, geschah

1) weil die wenigen Beobb. aus dem Wasserhorizont gar keine merkliche Flexion anzeigen,

2) weil Bessel's Dekl. der südlichen Sterne (Fundamental-Sterne) sehr gut mit den meinigen übereinstimmen.

Es ist an sich nicht unmöglich, dass zahlreiche Beobb. eine nicht ganz unmerkliche Flexion geben und vielleicht meine Polhöhe um 1" kleiner geben können. Allein dann würden alle meine Bestimmungen der Fundamentalsterne südlicher werden als die BESSEL'schen, und ich habe durchaus keinen Grund, meine Bestimmungen für weniger genau zu halten als die BESSEL'schen.

Auf keinen Fall aber kann ich darin auch nur den kleinsten Grund zur Verminderung meiner Polhöhe finden, dass ihre Uebertragung auf München vei-mittelst der geodätischen Messungen 1",7 mehr giebt als die dortigen Messungen,

1) weil die Uebertragung vermittelst solcher Elemente geschieht, die aus fremden Gradmessungen entlehnt sind, die zwar grösseren Um- fang hatten, deren astronomischer Theil aber gewiss mit schlechten Hülfsmitteln gemacht ist,

2) weil ich jetzt gar nicht mehr an ein regelmässiges Scliritthalten der Polhöhe mit den geodätischen ]\Iessungen glauben kann. Sehen Sie nur die Mailänder Eph. von 1823 an, wo in Ober-Italien sich Unter- schiede finden, die man unmöglich den astronomischen Beobb. zur Last legen kann. Die Vergleichung der Zenithdistanzen der Sonne in Laueu- burg 1819 mit den mein igen von 1820 giebt die Amplitude auch 4" kleiner als die geodätischen Messungen; Zach's Brockeubeob. nicht zu gedenken, die eine fast 3 mal so grosse Differenz in entgegengesetztem Sinne geben, die doch auch schwerlich der astronom. Beob. zur Last ge-

Gauss an Olbers. Göttinnen, 1824 Februar 1. 277

legt werden kann. Ich glaube nur. dass man den Gesichtspunkt ganz verrückt hat, wenn man von Lo/w/anziehung immer sprach. Man hat bloss gratuitement angenommen, dass die Erde aus couches de niveau von regelmässiger Dichtigkeit bestehe. Geben wir zu. dass daran viel fehle, so haben wir gar keinen Grund mehr, ein regelmässiges P'ort- schreiten der Breite zu erwarten, und müssen die Differenzen nehmen, wie sie die Erfahrung giebt.

Wenn man übrigens überlegt, was für eine ungeheure Arbeit er- fordert wird, um eine Ungewissheit von 1" auf eine Ungewissheit von .y" zu reduciren, und zwar eine an sich durchaus geistlose Arbeit, so wird man zweifelhaft, ob der Zweck so viel werth ist wie die Mittel, und ob man es verantworten könne, einen grossen Theil der Kräfte eines ^fenschenlebens darauf zu wenden.

Ueber unsere Messungsangelegenheiten habe ich noch gar nichts weiter gehört.

Dass auch Ihnen die Geduld gerissen ist, wenn jemand,^) der fast 40 Jahre als einer der ersten Astronomen geehrt ist und als solcher das grosse Wort geführt hat, uns von bleiernen Fernrohren mit kon- kaven Okularen, Spinnenfäden etc. erzählt, wundert mich nicht. Mir selbst ist es längst so gegangen. Aber was sagen Sie, wenn Sie seit- dem das folgende Heft erhalten haben, zu der unwürdigen Art, wie der arme Pasquich-) behandelt ist? Beobb. zu erdichten, ist ein so nie- driges Verbrechen, dass man niemand leichtsinnigerweise dessen be- schuldigen sollte, ohne die entschiedensten Beweise zu haben. Die finde ich aber in dem Vorgebrachten durchaus nicht. Dass das Aequa- toreal in Ofen nicht bericljtigt ist, ist nicht zu bezweifeln. Ich meine sogar früher (von Littrow) einmal gehört zu haben, dass es gar nicht berichtigt werden Iwnne wegen Fehler, die bei der ersten Setzung der

*) Zach in seiner Corr. Astron. Vol. IX; siehe Brief No. 488 und die bezügliche Anmerkung. Krm.

-) Pasqüicii, Direktor der Sternwarte zu Ofen, war von seinem Gehülfen Kmeth im Juni 1823 in einer ungarischen Zeitschrift beschuldigt worden, aus den Bessel- sclien Elementen berechnete Positionen des Kometen 1821 an Stelle seiner fehlerhaft beobachteten als Beobb. in den Ä. N. No. 2, Bd. I veröffentlicht zu haben (vergl. Zachs Corresp. Ästy-on. Bd. IX No. III, 1823 und die Zuschrift Littrow's). Das Halt- lose dieser Verdächtigung wiesen Gauss, Olbers, Bessel und Encke in den A. N. Bd. III No. 53 nach, nachdem vorher Schumacher den Thatbestand klargelegt hatte. Die von Gauss gegebene Ehrenrettung Pasquich's ist wieder abgedruckt in Bd. VI seiner Werke, S. 634 638, die von Olbers in Olbers Bd. I, Persönliches No. 16, S. 192, 193. In den folgenden Briefen kommen Gauss und Olbers noch eingehender auf diese Angelegenheit zurück, deren Besprechung sich durch No. 492 499 hin- zieht. Vergl. hierzu besonders Briefwechsel Gauss-Schumacher Brief No. 199 201, 203—211, Gauss-Bessel No. 143, 144 und Olbers-Bessel No. 309, 310. Krm.

278 Gauss an Olbers. Göttingen, 1824 Februar 2.

Steine gemacht sind, so dass alle Korrektion nicht ausreiche. Ob dem wirklich nicht abgeholfen werden könne, lasse ich dahin gestellt sein, allein es ist ebenso gewiss, dass es möglich ist, mit einem gar nicht berichtigten Instrument ebenso gute Beobb. zu machen, wie mit einem berichtigten. Dieselben Operationen, die fortwährend dazu dienen müssen, die Zulänglichkeit der Berichtigungen zu prüfen, können ebenso gut dazu dienen, die Abweichungen zu messen, und so bald ihre Grösse bekannt ist, lässt sich ihr Kinfluss berechnen: der Kalkül ist aber die schärfste Korrektion, schärfer als jede Hand und jede Schraube. Dass man die Instrumente (wenn man kann) berichtigt, geschieht nicht der Schärfe, sondern der Bequemlicltkeit wegen, und weil der Kalkül nicht die Sache jedes Routinier wie Kmeth und Zach ist. Ob nun Pasquich wirklich durch anderweitige Beobb. die Korrektions-Elemente seines Instrumentes kennt, weiss ich freilich nicht gewiss, aber möglich ist es doch, und Pasquich's mathematische Einsichten sind dazu gewiss hin- reichend. So lange das Gegentheil aber nicht bewiesen werden kann, scheint es mir empörend, eine Verfälschung oder Erdichtung als he- tuiesen zu behaupten, und das Wenigste, was man tliun kann, ist zu sagen: 7wn Uqnet. Schumacher^) schreibt mir. er sei von Pasquich's vollkommener Unschuld überzeugt. Ich wünschte sehr, theuerster Olbers, Ihre Ansicht hierüber zu erfahren.

No. 491. Gauss an Olbers.') [230

Göttingen, 1824 Februar 2.

Noth wendig muss ich heute noch einmal auf die Polhöhe meiner Sternwarte zurückkommen.

Ich habe Ihnen gestern geschrieben, dass ich 1) icenn mein In- strument keine Flexion hat, von meiner Polhöhe 51°31'4S",7 nichts ablassen kann, 2) dass ich das Dasein einer merklichen Biegung an sich gar nicht für unmöglich halte, da die sehr wenigen bisherigen Beobb. aus dem Wasserhorizont^ (die genau genommen eine kleine Bie- gung in dem Sinne, dass das Instrument die Z.-D. zu klein angiebt, wirklich andeuteten) lange nicht zureichen, dies zu entscheiden, 3) dass aber, wenn eine Biegung in dem Sinne, wie ich gesagt habe, eine

^) Brief No. 199 im Briefwechsel GAUss-ScurMACHKR. Krni.

") Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Vergl. zu dem Inhalte dieses Briefes auch Brief No. 143 im Briefwechsel Gauss-Bessel und No. 200 im Briefwechsel Gaüss-Schumacher. Krm.

Gauss an (MJiers. Güttingen, 1824 Februar 2. 279

uegative Biegung: Statt fände, sie die Uebereinstimniunp: meiner Dekl. der P'undamentalsterne mit den Bi:ssEL'schen zerstören und meine süd- licher f^eben würde, und dass ich aus diest^r Ursache bisher immer ge- glaubt habe, die Biegung könne nicht merklich sein, da ich mir be- wusst bin, meine eigenen Beobb. mit Sorgfalt und schöner Ueberein- stimmung unter sich gemacht zu haben.

Sie sehen, die eine Hälfte meines Arguments beruht gerade auf dem Vertrauen selbst, was ich zu Bessel's Bestimmungen habe.

Allein heute gestaltet sich die Sache ganz anders.

Meine Dekl. der Fundamentalsterne stimmten mit den Bessel sehen sehr schön überein, ohne einen Ausschlag nach einer Seite zu zeigen, nach dem Verzeichnisse der Dekl., welches Bessel mir, vor 3 Jahren etwa, in einem Briefe^) schickte. Dies habe ich immer im Gedächtniss gehabt und gar nicht daran gedacht, es mit dem später gedruckten zu vergleichen. Der 7. Band von Bessel's Beobb. war sogar bisher noch nicht gebunden, da ich mich begnügt hatte, die Einleitung im Allgemeinen zu durchlaufen, ohne die Zahlen mit den Briefen zu ver- gleichen.

Allein heute bekomme ich diesen Band vom Buchbinder zurück und sehe, dass diese Dekl. alle gam anders sind als die im Briefe. Jetzt sind von 35 Fundamentalsternen (a^ Capricorni habe ich gar nicht beobachtet) 34 bei mir nördlicher und nur einer, a^ Capricorni, den ich aber nur einmal beobachtet habe, 0",16 südlicher.

Mein Argument fällt also hiernach ganz weg, und ich halte es nunmehr, wieder im Vertrauen auf Bessel's Bestimmungen*) für höchst wahrscheinlich, dass alle meine Zenithdistanzen zu klein sind und die Polhöhe zu gross.

Auch meine Cirkumpolarsterne, die alle ganz unabhängig von der Polhöhe durch obere und untere Kulmination bestimmt sind, stimmen damit überein. Ich habe 1820 37 solcher Polarabstände bestimmt; unter diesen sind 17, die Bessel auch hat, und unter diesen sind 14, wobei meine Polardistanz kleiner ist als bei Bessel, wie eine negative Flexion meines Instruments es hervorbringen müsste; die drei, wobei meine Polardistanz grösser ist, sind

Nordstern +0",16

C Ursae min -]- 0,95

ß Ursae min + 0,64

^) Briefwechsel Gauss-Bessel, Brief No. 126; die Vergleichung der BEssEL'schen Positionen mit den GAUss'schen findet sich im Brief No. 127. Krm.

*) Denn meine durch Flexion nicht verbesserten Dekl. weichen von den Bessel- schen in demselben Sinne ab, obwohl nicht so viel, wie die aller anderen Astronomen Ptazzi, Brinkley, Oriani und Pond.

230 Gauss an Olbers. Göttingen, 1824 Februar 2.

alle dem Pol noch näher, wo also die Flexion jene Wirkung noch nicht so entschieden zeigen kann. Beim Nordstern ist ohnehin der Unter- schied fast Null, und von 'Q Ursae min. habe ich nur 2 Beobb. fbei ß das Gewicht von 12,6 Beobb).

Ich werde einstweilen aus der Vergleichung mit Bessel's Bestim- mung die Flexion abzuleiten suchen, bis sich Zeit und Gelegenheit findet, sie direkt selbst zu bestimmen.

Wenn ich die Dekl. der von mir im Aug. 1820 beob. Zenithai- sterne von Bessel entlehnen wollte, so würden diese Sterne folgendes Eesultat meiner Polhöhe geben:

r) Cepli

. . 51°31'40",82

P 20. 222

47,56

47 Dracon.

47,52

2 Hev. Ceph.

47,65

48 Dracon.

46,72

53 Dracon.

46,94

33 Cygni

46.60

49 Dracon.

46,77

46 Dracon.

47,46

P 20. 391

46,73

51 Dracon.

46,76

y. Cygni

46,82

P 21. 32

46,54

20 Cygyii

46,32

i Cygni

46,36

c^ Cygni pr.

47,01

sq.

46,70

S Cygni

46,17

(jo^ Cygni

47,53

Mittel ohne\ 5^031' 4,5" g^ Rücksicht auf Anz. d. C.j '

Wären Bessel's Dekl. absolut genau, wofür natürlich diese schöne Uebereinstimmung an sich gar nichts beweisen kann, so würde der „mittlere'' Fehler, welcher in diesem Endresultat zu befürchten ist. = 0",104, oder der sogen, wahrscheinliche Fehler = 0".07 sein.

Die Münchener Polhöhe würde also ganz übereinstimmen. Ich wiederhole aber, dass ich darin durchaus gar keinen Grund für die absolute Richtigkeit finden kann. Denn die Amplitude zwischen Göt- tingen und Lauenburg folgt aus den Zenit halsterneu mit sehr schöner

Olbers an Gauss. Uremen, 1824 Februar 6. 281

Cebereinsti„nmn,g .^ l»50;2!r,98U,^,^_,^^,,.^^

die geodätischen Messungen geben 50 3o ,o I welcher unnitiijlich von den Beobb. herrühren kann.

Beim Brocken wäre der Unterschied von Zacu's astron. Bestim- mungen gar 10". wenn obige Breite von Göttingen angenommen würde.

No. 492. Olbers an Gauss. [262

Bremen, 1824 Februar 6.

Hierbei scliicke ich Ihnen im Auftrag des Prof. Schumacher die Akten, Pasquich's famose Angelegenheit betreffend. Schumacher bittet, Sie möchten dieselben, so bald sie hinreichend von Ihnen durchgesehen sind, an Prof. Excke nach Seeberg befördern, und wünscht, dass wir mit ihm gemeinschaftlich unsere Ueberzeugung von der völligen Un- schuld des Prof. Pasquich an dem ihm mit so beispielloser Frechheit aufgebürdeten Verbrechen öffentlich aussprechen mögen. Er hält dies deswegen [für] nöthig, damit Pasquich's Oberen, die wahrscheinlich astro- nomische Rechnungen nicht beurtheilen können und Kmeth's ver- läumderische Anklage durch Littrow's und Zach's Autorität^) unter- stützt sehen, nicht etwa ungerechter Weise zu harten Maassregeln gegen den alten Mann verleitet werden mögen; besonders da Littrow un- begreiflicher Weise, ob er gleich die Unrichtigkeit von Kmeth's Rech- nungen aus eigener Prüfung erkennen muss, doch mit verstockter Hartnäckigkeit die Wahrheit der argen Beschuldigung Kmeth's zu behaupten fortfährt.

Schon unter Jan. 17, hatte mir Encke, nachdem er Zach's und Littrow's hartes Benehmen gegen Pasquich und Kmeth's Schmähbrief angeführt hatte. Folgendes geschrieben: „Unbegreiflicher Weise lassen Littrow und Zach dabei im blinden Vertrauen auf Kmeth ihrer per- sönlichen Feindschaft ganz freien Lauf. Sie reden nur von der Un- fähigkeit Pasquich's und behandeln ihn wie einen Schulknaben. Und doch sieht jeder, der nur oberflächlich die Sache untersucht, dass Kmeth entweder so boshaft oder wohl eigentlich so unwissend ist, dass er bei Beobb. am Aequatoreal die Refraktion ganz bei Seite setzt. Meine Berechnung zeigte mir, dass Pasquich ganz strenge gerechnet hat. Viel- leicht ist mein schleunig abgegangener Brief ^j noch frühe genug an-

^) Vergl. in Bd. IX No. III der Corresp. Astron. die Bemerkungen Zach's und den dabei angeführten Brief Littrow's zu Kmeth's Anschuldigungen. Krm. *) Abgedruckt in Bd. X No. I der Corresp. Astron. Krm.

232 Olbers an Gauss. Bremen, 1824 Februar 6.

g-ekommen, um dieses Heft>) zu unterdrücken. Etwas glaubte ich dazu verpflichtet zu sein, weil durch das beständige Hin- und Herwerfen der Namen einige Bekannte, die den Extra-Abdruck früher flüchtig gelesen hatten, verleitet worden waren zu glauben, Sie und ich seien mit in diese schmutzige Geschichte verwickelt." . , .

Beim Empfange von Encke's Brief hatte ich das Stück ^) der C<yrr. Astr. schon in Händen. Da ich nun von Schumachee's Vorhaben damals noch nichts wusste, so forderte ich mit umgehender Post Encke auf. die durch seine Rechnungen erwiesene Unschuld Pasquich's, wie es mir dringende Pflicht schiene, üff"entlich auszusprechen. Läge aber in seinen Verhältnissen zu Zach vielleicht etwas, das ihn ungern unmittel- bar etwas diesem Unangenehmes drucken Hesse, so möge er mir in einem Privatbriefe die von ihm gefundenen Beweise für Pasquich's Unschuld mittheilen, die ich dann, vel quasi ohne seine Erlaubniss, mit einem Vorwort in Schumachers ä. X. würde einrücken lassen. Noch habe ich von Encke keine Antwort.

LiTTROw's und Hansen's Bestimmung der Korrektionen des Aequa- toreals weichen ziemlich stark von einander ab. Man muss wohl Hansen allerdings Recht geben, dass es hier sicherer sei, 3 Dekl. und

1 ^ zur Bestimmung dieser Korrektionen zu wählen, als 2 DekL und

2 ^f?. Aber Littrow hat ein Mittel aus mehreren Kombinationen ge- nommen, und so beruht die Verschiedenheit der Resultate beider Rech- nungen, die nach Verschiedenheit der Wahl unter den Observationen der Natur diese)- Beobb [nach] nothwendig sehr verschieden ausfallen muss, doch wohl hauptsächlich auf Littrow "s mangelhaften Refraktions-Kor- rektionen, indem dadurch die [zu] bestimmenden Grössen, die bei Hansen 43",ü7, 20",81, 18",08, IC'.U etc. sind, bei Littrow 46",5, 24",d, 11",4, 7",2 etc. werden. Glücklicher "Weise kommt es hier, bei dem sehr massigen Unterschied der Stundenwinkel für }• Pegasi und den Kometen, auf die strenge Richtigkeit der Korrektionen des Aequatoreals nicht an; sonst hätte wohl auch hier, [um] alle \\'illkür auszusehliessen und den wahrscheinlichsten Wert der Korrektionen des Instruments so nahe zu bestimmen, als es aus den sich schlecht dafür passenden Beobb. möglich ist, die Methode der kleinsten Quadrate angewandt werden müssen.

Ich meinerseits bin ganz bereit und halte es für meine Pflicht, meine Indignation sowolü über Kmeth's Angrifl^, als Zach's und Littrows Benehmen dabei, so wie über Pasquich's völlige Unschuld an diesem ihm angedichteten Verbrechen, öftentlich auszusprechen. Sonst mag

*) No. III in Bd. IX der Coms^. Ästrou. Krm.

(Tauss an Olbers. Göttingren. 1824 Februar 28. 283

Pasquich als Uirt'ktur iKt Sternwarte wohl manche Vürwiirfe verdienen und schwer mit ihm umzudrehen sein.

Der Geh. Kab.-Katli Hüppenstedt schreibt mir unterm 28. Jan.: „Vor einipren AVochen hat der Hofr. Gauss sich ausführlich über Ihren Vorschla;^ wegen der Gradmessung erklärt; natürlich ist er sehr dafür. Auch hier sieht man den \\'erth ein. man hat jedoch, da die dazu erforderlichen Kosten nicht ganz geringe sind, niclit geradezu sich dafür entscheiden mögen. Ich habe daher nach London geschrieben, um des Königs Einwilligung zu erlangen. Da der Graf v. Münster sich lebhaft für die Sache, die er veranlasst hat, interessirt, und ein Fonds sich wohl finden wird, so zweifle ich nicht an der königl. Ge- nehmigung."

Ich habe Ihnen heute fast nur aus anderen Briefen abgeschrieben und muss die Beantwortung Ihrer beiden mir so interessanten Briefe, wenn ich die Post nicht versäumen will, bis auf nächstens verschieben, indem ich Ihnen jetzt nur herzlich und innig dafür danken kann.

No. 493. Gauss an Olbers, [231

Göttingen, 1824 Februar 28.

Ich eile, Ihnen anzuzeigen, dass der König die vorgeschlagene Ver- bindung der hannoverschen Dreiecke mit den holländischen genehmigt hat. Ich habe hierüber erst eine Privat-Mittheilung erhalten und muss also über das Nähere erst die officielle Benachrichtigung erwarten.

Dass ich die darmstädtischen Dreiecke und einige Notizen die bayrischen betreifend erhalten habe, habe ich Ihnen bereits früher^) gemeldet. Aus München habe ich noch gar nichts weiter, und von BoHNENBEBGER uud LiTTROw Überall keine Antwort erhalten.

Wenn ich annehme, dass Bessel's Bestimmung der Flexion des Fernrohrs seines Meridiankreises richtig ist, so wird die Flexion des Fernrohrs an dem meinigen aus der Vergleichung von 34 Fundamental- sternen, 1820 beobachtet,

= 1",51 sin^-)

welche Grösse zu der beob. Zenithdistanz addirt werden muss. Für die Polhöhe finde ich dann aus sämmtlichen Cirkumpolarstern-Beobb.

von 1820

5r31'47",92 oder oP3r4S",03

1) Brief No. 487. Krni.

2) Vergl. hierzu auch Brief No. 200, S. 371 im Briefwech.«el Gauss-Schumacher und No. 143 im Briefwechsel Gauss-Bessel. Krm.

284 Gauss an Olbers. Göttingen, 1824 Februar 28.

je nachdem die Zahl der Beobb. in jeder Periode berücksichtig oder nicht berücksichtigt wird. Ich nehme daher einstweilen 51°3r-i8".0 an, bis ich eine ganz selbständige Bestimmung der Flexion machen kann. Man darf an diesem Resultate nichts Erhebliches ändern, ohne die Uebereinstiramung der BESsEL'schen Beobb. mit den meinigen (182tij zu vernichten. Da der REPSOLü'sche Kreis jetzt doch nicht aufgestellt ist und auch wohl so bald nicht wieder aufgestellt werden kann, da der Zenithsektor an diesem Platze steht, so lasse ich jetzt eine Einrichtung machen, um die zu jenem Krei.se gehörenden schönen Mikroskope zur Prüfung der Theilung des REiCHENBACH'schen Kreises zu verwenden. Inzwischen wird nun wohl vor künftigen Winter an den Gebrauch nicht zu denken sein.

Eine Reihe von Beobb. von Zenithaisternen, hier und in Altona') angestellt (Jan. und Febr. d. J.) an den Merid.- Kreisen geben die Amplitude des Bogens unabhängig von allen absoluten Polhöhen = 2°0'58",77, also 4" kleiner als die geodätische Messung mit Walbeck's Erddiraensionen. Fast genau denselben Unterschied finden wir bei Lauenburg, wo die Zenithaisterne, daselbst mit dem Zen.-Sekt. und in Göttingen mit dem Mer.-Kr. beobachtet, die Amplitude 1*'50'29",98 und die geodätische Messung Po0'33",93 geben. Ich zweifle jetzt gar nicht mehr an dem unregelmässigen Fortschreiten der Richtung der Schwere und sehe die Uebereinstimmung von Lauenburg und Altona wie etwas Zufälliges an. In der That. von Göttingen zum Brocken ist die Abweichung im entgegengesetzten Sinn und mehr als 2 mal grösser; die geodätische Messung giebt die Amplitude 26' 13",99, während die Vergleichung der astronomisch bestimmten Polhöhen (51° 31' 48",00 und 51" 58' 11".65) 26' 23".65 giebt. oder eigent- lich noch etwas mehr, da Zach's Beobachtungsplatz merklich südlich (leicht 1") vom Dreieckspunkt war. Zwischen dem Brocken und Lauen- burg wird also die Differenz fast 15" betragen, und so viel kann man dem wenn auch schlechten LExom'schen Instrumente unmöglich Fehler zutrauen.

Die Pasqüich betreffenden Papiere habe ich durchgesehen. Die Bestimmung der Abweichung des Instruments aus den Beobb. von y Pegasi bleibt immer schwankend, allein die Art. wie Hansen es ge- macht hat, steht doch der von Littrow gebrauchten an Genauigkeit weit nach. Ich finde, dass jene nur dann mit dieser gleichen Werth hätte, wenn eine -/i-Beob. cirka ,;V ^<^ ^'^^^ Gewicht hätte wie eine Dekl.-Beob. Ich habe die Lage der Axe aus sämmtlichen Beobb. ab-

^) Yergl. hierzu auch Briefwechsel Gauss -Schcmacher Brief Xo. 19'2 200, 202. Krm.

Gauss an Olbers. Göttingen. 1824 Februar 28. 285

geleitet und ein Resultat gefunden, welches ungefälir ebenso viel vom einen wie vom anderen im Ganzen abweicht. Die damit berechneten Kometenürter stimmten auch nahe mit denen, welche Pasquich in den A. y. bekannt gemacht hatte. Allein darin muss ich Litteow doch Hecht geben, dass eine genäherte hierin sich zeigende Uebereinstim- mung eigentlich gar nichts für Pasquicu würde beweisen können, ivenn übrigens irgend ein vernünftiger G-rund vorhanden gewesen wäre, an dem ehrlichen Ursprung der Positionen zu zweifeln; denn, da das Materielle der Beobb. eigentlich von niemand angefochten ist, so ist es ja nothwendig, dass die aus ihnen abgeleiteten Positionen nahe mit den wahren und also auch nahe mit solchen übereinstimmen müssen, die man aus guten Elementen abgeleitet hätte. Dies, theuerster Olbebs, war meine Ansicht nach Lesung jener Papiere und zugleich, dass es vernünftiger Weise gar nicht denkbar ist, dass Pasquich die eingesandten Positionen aus Elementen berechnet hätte. Seitdem haben aber noch weitere eigene Rechnungen \) über diesen Gegenstand mir die volle Ueberzeugung gegeben, so voll wie man sie bei mensch- lichen Dingen nur haben kann, dass Pasquich's Positionen aus seinen Beobb. abgeleitet sein müssen, und nicht anderswoher entlehnt sein können. Das Nähere darüber bin ich gern bereit öffentlich bekannt^) zu machen.

Ueber das Unwürdige der ganzen Sache selbst kann wohl nur eine Stimme sein. Nach meinem Gefühl fällt auf Kmeth eine geringere Schuld als auf Litteow. Denn ich kann kaum zweifeln, dass der erstere, der sich doch bewusst sein muss, was für ein erbärmlicher Schacher er ist, von anderen aufgehetzt und encouragirt ist, seine TTnwissenheit für Weisheit zu halten. Dem Amanuensis einer Stern- warte vergiebt man, wenn er nicht weiss, dass an nicht berichtigten Listrumenten gute Beobb. gemacht werden können, und wenn er nicht beuitheilen kann, ob auf Refraktion Rücksicht zu nehmen ist oder nicht; aber wenn der Direktor der Wiener Sternwarte, der beides besser weiss, beides bekräftigt, so verdient er um so schärferen Tadel, da ohne Zweifel ohne Littrow's^) Autorität Zach vorsichtiger gewesen sein würde.

Den Kometen habe ich öfter im Meridian beobachtet vom 3L Jan. bis heute, eigentlich ist aber keine einzige Beob. viel werth, da der Komet so lichtschwach war, dass er gar keine Beleuchtung vertrug,

1) Siehe Brief No. 205 an Schumacher und Gauss" Werke Bd. YI, S. 634 ff., die in den A. N. Bd. III, No. 53 veröffentlichte Ehrenrettung Pasquich's. Krm.

-) Auch im Brief No. 143 an Bessel giebt Gauss Littrow die Hauptschuld an der Verdächtigung Pasquich's. Krm.

286 Olbers an Gauss. Bremen, 1824 März 6.

also Fäden und Komet nie zugleich gesehen werden konnten. Genau ist noch keine dieser Beobb. reducirt, beiläufig giebt

die heutige 99° 18' 42M3'^j die gestrige, Febr. 27 99" 27' 42^49'

No. 494. Olbers an Gauss. [263

Bremen, 1824 März 6.

Die mir gütigst mitgetheilte Nachricht, dass Ihr König die vor- geschlagene Verbindung der hannoverschen Dreiecke mit den holländi- schen genehmigt hat, war mir äusserst erfreulich; einmal der Sache selbst wegen und dann zweitens ich kann meinen Elgoismus nicht verläugnen , weil ich nun die gewisse Hoffnung habe, dass Sie künf- tigen Sommer auf einige Zeit Ihr Hauptquartier in Bremen und bei mir nehmen werden.

Vor allen Dingen bitte ich Sie nun, uns zu sagen, was wir hier zur Vorbereitung und Erleichterung dieser Verbindung thun können und thun sollen. Je genauer Ihre Vorschriften und Instruktionen darüber sein werden, um so mehr werden wir lioffentlich im Stande sein, Ihre Befehle nach unseren Kräften und Hülfsmitteln (die beide, wie Sie wissen, sehr gering sind) auszuführen. Mir scheint es nicht unwichtig, dass die noch vorzunehmenden Eekognoscirungen früher begonnen werden, ehe der gewöhnliche Mooibrand die entfernten Gegen- stände durch seinen Dampf wieder unsichtbar oder doch schAver zu sehen macht.

Sehr verbunden bin ich Ihnen über die so interessanten und für mich so lehrreichen Mittheilungen über Ihre Polhöhe, die Gestalt der Erde und das unregelmässige Fortschreiten der Richtung der Schwere. Der grosse Unterschied der geodätisch und astronomisch bestimmten Differenz zwischen Lauenburg und dem Brocken von 15" macht mir nun auch den Unterschied von 22",G zwischen der geodätisch und astronomisch bestimmten Polhöhe von Parma in den Mailänder Ephc- meriden nicht mehr unglaublicli. bei der mir vorher immer irgend ein Missverständniss oder ein Irrthum zu Grunde zu liegen schien.

Ueber Bessel's und Pond's Dekl.^) ist noch nichts Entscheidendes

^) Die sämmtlicheu reducirten Beobb. tiiulou sich in Gauss" Workon. BJ. VI S. 449. Krm.

^) Vergfl. hierzu Briefwechsel GAUss-ScHUMArnKR Bd. I, S. 356 und Olbers-Bessel Brief No. 308, ferner Olbers' Brief No. 485 an Gauss. Krm.

Olbers au (lauss. Bremen. 1824 März fj. 287

weiter vurgefiilU'ii. nur dass Bkinki.ky sich über Pünd beklagt, dass l'oND behauptet hätte, die Greenwicher L>ekl. hielten das Mittel zwischen den in Dul)lin und Könio:sberg bestimmten. Pünd habe dies nur da- durch scheinbar fremacht, dass er auf Bkinkley's Beobb. statt der von Brinkley bestimmten, die nicht für sie passende BEADLEY'sche Re- fraktion angewandt habe. Eigentlich hielten seine (Brinkley's) Dekl. das ^Mittel zwischen denen von Pond und Bessel; auch zeigten seine Beobb. nichts von der angeblichen Verrücknng der Sterne nach Süden seit 1813.

Inzwischen hat Pond für diese seine Dekl. die grosse goldene Me- daille von der Königlichen Societät erhalten, die indessen dabei aus- drücklich erklärt hat, sie wolle hierdurch nur Pond's Fleiss und Ge- schicklichkeit belohnen, ohne über das noch Streitige in diesen Beobb. zu entscheiden. Es scheint ordentlich eine Partheiung und Erbitterung zwischen den britischen Astronomen einzutreten. Die Ultrapatrioten, z. B. SoüTH, können es anderen, z. B. Bailt, nicht vergeben, wenn diese nur an der Unfehlbarkeit der PoND'schen Bestimmungen zweifeln wollen.

Einen Nutzen für die Wissenschaft hat diese Streitigkeit schon gehabt. Um der Greenwicher Sternw'arte das schwankend gewordene Uebergewicht über alle Sternwarten zu sichern, hat das Komitee der Königl. Societät bei ihrer letzten gewöhnlichen jährlichen Visitation dieser Sternwarte beschlossen, dass noch ein Mauerkreis von Troughton für dieselbe verfertigt und die Zahl der Gehülfen auf 3 vermehrt werden soll, um dann an beiden Kreisen gleichzeitig zu beobachten.

Dass Dr. Tiakks auf seiner Expedition nach St. Helena und nach- her noch wiederholt durch Chronometer [er] hatte zuletzt nicht weniger als 27 an Bord die Länge von Plymouth um 4* anders gefunden hat, als sie die Triangel gaben, werden Sie schon wissen, auch dass es auf Schumacher's Vorschlagt) jetzt in Ueberlegung ist, künf- tigen Sommer vermittelst eines Dampfschiffes durch Chronometer den Längen-Unterschied von Helgoland (einem Punkte der ScHUMACHER'schen Dreiecke) und Greenwich zu bestimmen.

Dass der alte Pasquich durch Ihre Untersuchungen völlig gerecht- fertigt erscheint, hat mich sehr gefreut. Allerdings kann eine genäherte Uebereinstimmung der aus Pasquich's Beobb. folgenden Positionen mit denen von ihm in den A. N. bekannt gemachten nicht positiv erweisen, sie seien wirklich daraus hergeleitet, nicht aus Elementen berechnet. Aber der ganze Grund der Anklage fällt doch dadurch wTg. Neugierig aber bin ich zu erfahren, wie Ihnen weitere eigene Eechmmgen^) die

^) Vergi. Brief No. 501 von Olbers an Gauss, ferner No. 211 im Briefwechsel Gauss-Schumacher. Krra.

^) Siehe Anmerk. 1 auf S. 285. Krm.

238 Olbers an Gauss. Bremen, 1824 März 12.

TJeherzeugung haben geben können, dass Pasquich's Positionen aus seinen Beobb. abgeleitet sein müssen, und nicht anders woher entlehnt sein können.

Den Kometen habe ich seit dem 18. Febr., so oft es die Witterung zuliess, wieder am Kreismikrometer beobachtet und wahrscheinlich die vorige Nacht Abscliied von ihm genommen, da nun der zunehmende Mond ihn wohl ganz unsichtbar machen wird. Hier die Beobb. ^):

Febr. 18. 14^ 25°» 48« 102« 12' 39" 40*» 32' 18": einzelne Vergleichung.

19. 14 7 44 101 42 43 48 37 21

21. 14 10 4 100 53 14,5 46 55 29,5

27. 13 18 35 99 24 51 42 41 23 13 27 35 99 24 55 42 41 7

28. 12 55 14 99 16 51 42 5 23 März 2. 12 43 58 98 58 30 40 26 13

5. 12 37 12 98 51 4 38 59 6

Die Bahn des Kometen scheint aber auch so wenig von einer Parabel abzuweichen, dass eine längere Fortsetzung der Beobb., wenn sie möglich wäre, kaum einigen Nutzen haben kann.

No. 495. Olbers an Gauss. [264

Bremen, 1824 März 12.

Hier abermals zwei Aktenstücke, die PASQuicn'sche Sache betreffend, die ich vorgestern von Schumacecer mit dem Auftrage erhielt, sie Ihnen zu senden. Schumacher fügt die Bitte hinzu, beide nach genommener Durchsicht an Encke zu befördern.

Pasquichs dickleibige Rechtfertigung hat mir nicht sonderlich gefallen. Es kommt mir sein ganzes Benehmen in den Rechnungen und Korrektionen doch etwas unbehülflich vor. Wie ich im voraus ver- muthete, hat er sich bei Herleitung der Kometenörter aus den Beobb. begnügt, die Korrektionen, die ;■ Fegasi gab, mit Rücksicht auf den verschiedenen Stunden winkel und die Refraktion dui'ch eine hypothetische Formel auf den Kometen zu übertragen, ohne die Korrektionen seines Aequatoreals einzeln aus den Beobb. von ;• Pegasi zu bestimmen. Ueber das ihm vorgeworfene Nichtauffindenkönnen der Sterne bei Tage schweigt er ganz. Auch wundert es mich, dass er die späteren Beobb. von

') Vergi. auch Olbeks IUI. I No. 91 und Aiinurk. zu No. 92, S. 392 u. 393. wo Ton üTcrinixen Unterschieden ahgesehen die Beobb. mit Ausnahme der von März 2 ab- gedruckt sind. Krm.

Olbers an Gauss. Bremen. 1824 März IJ 289

y Fegasi vom März, die ihn zur Aenderung der Koefticienten in seiner hypotlietischen Formel bewogen haben sollen, nicht angiebt.

Ob ScHUM.vcHER dicscs grosse Opus nach Pasquich's Wunsch noch ganz abdrucken lassen wird, weiss ich nicht. Ich dächte, wenn Ihre meisterhafte Kechtfertigung Pasquich's (die ich durch Schumacher's Güte zu sehen Gelegenheit und das grosse Vergnügen hatte) mit Encke's Brief und Bessels, Schumacher's und meiner Erklärung gedruckt sind, so könnte man sich begnügen, nur mit wenigen Zeilen den Hauptinhalt von Pasquich's weitläufiger Schutzschrift hinzu zufügen.

Das hier^) in meinem Brief lein, wenn ich sagte, Pasquich sei hier vollkommen gerechtfertigt, will ich gern weglassen, ob ich gleich sonst noch immer glaube, dass sich Pasquich in anderen Gelegen- heiten als Direktor einer so wohl ausgerüsteten Sternwarte manche peccata, wo nicht comniissionis, wenigstens omissionis habe zu Schulden kommen lassen.

Hoppenstedt schreibt mir nun auch unter dem 9. März: „Bei dem Interesse, das Sie an unseren Messungen nehmen, macht es mir ein grosses Vergnügen, Ihnen sagen zu können, dass des Königs Majestät die Fortsetzung derselben durch Westfalen im vollsten Umfange ge- nehmigt haben."

Ich glaube, Ihnen schon in meinem letzten Briefe^) geschrieben zu haben, dass Benzenberg das Unglück gehabt hat, bei seinen Ver- suchen über den Widerstand der Luft gegen abgeschossene Kugeln am 1. Febr. durch das Dickbein mit einer f fl schweren Wallbüchsenkugel geschossen zu werden, dass er mir aber unterm 1. März meldete, die Wunde heile trefflich, mache ihm fast gar keine Schmerzen u. s. w., nur leide er an Rheumatismus. Vorgestern ist aber zu meiner grossen Bestürzung die traurige Nachricht eingegangen, dass er plötzlich vom Schlage gerührt, an der einen Seite gelähmt, sprachlos ohne Hoönung darnieder liege.

Den Kometen habe ich seit dem 5. März nicht wieder gesehen, auch der Witterung wegen gar nicht wieder aufsuchen können.

1) Vergl. hierzu Brief No. 205 u. 206, Bd. I S. 387 u. 390 von Gauss an Schu- MAiHER. Diese Briefe hatte Schcmachee nebst den übrigen Pasquich betreffenden Sachen Olbers zur Einsichtnahme gesandt. Olbers schreibt darüber unter dem 11. März hiermit fast gleichlautend an Schumacher. Krm.

*) Eine Bemerkung hierüber findet sich in Olbers' letzten Briefen nicht. Krm.

Olbers. II. 2. 19

290 Olbers an Gauss. Bremeu, 182-1 Miiiz 19.

No. 496. Olbers an Gauss. [265

Bremen, 1824 März 19.

Abermals schicke ich Ihnen in Schumacher's Auftrag Papiere, die PASQuiCH'sche Angelegenheit betreffend. Nachgerade muss man wünschen, dass die Akten endlich geschlossen werden mögen.

LiTTROw übergeht in seiner Erklärung den hauptsächlichsten, ihn gravirenden Umstand, dass er nämlich in seinem freilich, luie er sagt, nicht zum Druck bestimmten Briefe an Zach Kmeths Rechnungen voll- kommen hilligt und diesem durchaus Recht giebt, ivenn der unwissende Mann dabei die Refraktion gänzlich vernachlässigt.

Zweitens stellt er die Sache so dar, als ob er schon, ehe Kmeth selbst in der ungarischen Zeitschrift öffentlich auftrat, die Korrektionen des Äequaforeals aus den Beohb. von y Pegasi berechnet und das Kmeth mitgetheilt habe. Wie reimt sich dies mit Kmeth's Benehmen und LiTTROw's viel spätei-em Briefe an Zach? Wenn er wirklich schon die PASQuiCH'schen Beobb. richtig berechnet hatte und Kmeth diese richtige Rechnung kannte, wie konnte denn Kmeth noch seine irrige Rechnung drucken lassen und Littrow sie billigen? Mich dünkt, wenn die beiden Ankläger so verfahren konnten, so war ihr Benehmen noch weit verächtlicher, als ich es mir vorher gedacht hatte.

Was Pasquich betrifft, so sagt er eigentlich nicht ausdrücklich, dass seine Beobb. am Aequatoreal auch diesmal bei dem Kometen ab- solute Beobb. waren, sondern dass man mit dem Instrument, wenn die Nonien berichtigt wären, absolute Beobb. machen könne. Allerdings hätte er aber ausdrücklich hinzufügen müssen, dass diesmal die Kometen- beobb. nur Bifferential-Beobh. waren. Entweder schreibt Pasquich hier schlechtes Deutsch, oder er hat sich auch absichtlich so jesuitisch aus- gedrückt, dass man allenfalls hier absolute Beobb. bewundern sollte.

Littbow würde sich weit ehrenvoller aus dieser schmutzigen Sache gezogen haben, wenn er aufrichtig gestanden hätte, er habe sich übereilt, im blinden Vertrauen auf Kmeth dessen Rechnungen ge- billigt, ohne sie gehörig zu prüfen, und so die darauf gegründete An- klage Pasquich's für wahr gehalten, die er nun als ungegründet an- erkenne.

Prof. Gilbert's Tod in Leipzig ist mir sehr nahe gegangen. Ich war eben im Begriff, diesem um die Phj-sik hochverdienten Gelehrten zu schreiben, als mir die Zeitungen seinen Tod ankündigten.

Am 11. Mai d. J. wird in Paris die nachgelassene Bibliothek von Delambbe verkauft. Dies ist wahrscheinlich die grösste Sammlung

Gaiisi? an Olbers. [Göttingeu, 1824 März 18—20.] 291

astronoinijJcluT Bücher, die mau je gesehen hat. Ich habe wegen des Kataloges nach Paris schreiben lassen. Ob ich ihn erhalten werde, weiss ich aber nicht. Ich möchte ihn sehr gern sehen.

xo. 497. Gauss an Olbcrs.'J [232

[Güttingen, 1824 März 18—20.]-)

Sie haben sehr Kecht, dass eine baldige sorgfältigere Rekognos- ciriing der Gegenden, durch welche eine Verbindung Bremens mit meinem Dreiecksystem geführt werden kann, sehr wünschenswerth ist. Allein [Mi'LLKR und Hartmann] können erst iiach Ostern, wenn die Lektionen der Militärsciiule beendigt sind, von Hannover abkommen. Die Möglich- keit, ein brauchbares Netz auf die Seite Wilsede Falkenberg zu stützen, ist bisher noch ganz unentschieden. Es sollte dabei keine Dreieckseite, wenigstens keine Uebergangs- Seite unter 20000 m gross sein. Die Linie von Bullerberg nach dem Everser Berg ist aber nur 15000 m gross, und der Winkel an Wilsede gar zu klein, auch ist wahrscheinlich auf dem Bullerberg Bremen unsichtbar, vielleicht der Everser Berg selbst gleich- falls. Die Linie von der Höhe bei Hoperhoven zum Everser Berg ist aber noch bedeutend kleiner, nur etwa 12000 m. Auf der Brüttendorfer Höhe ist allerdings Wilsede sichtbar, aber vermuthlich die Aussicht zum Elmhorst und zum Everser Berge nicht offen. Es wäre leicht möglich, dass man sich in diesem verwünschten Terrain festfährt und am Ende nicht weiter kann. Ausser einer genauen Besichtigung der hierzu gehörenden Punkte würden daher auch besonders die weiter nördlicli liegenden Gegenden zu untersuchen sein, da man vielleicht mehr Hoffnung hat, auf die Seite Hamburg Litberg ein brauchbares Netz stützen zu können. Höchst wahrscheinlich giebt es westlich von Oldendorf einen Punkt, der sich hier anknüpfen lässt (man sieht von Hamburg aus einen bedeutenden sehr entfernten Eücken, der in dieser Gegend liegen muss), und hieran und den Litberg Hesse sich vielleicht wieder ein Punkt knüpfen, der vom Litberg aus gesehen ist und von Müller durch „hausähnlicher Gegenstand" bezeichnet ist. Dieser Punkt liegt vermuthlich nördlich von Zeven, oder etwas NW, etwa f Stunden von Zeven entfernt. Auch unweit der Strasse von Bremervörde nach Basbeck soll ein bedeutender Berg liegen nach der Versicherung des Hrn. Hofrath Stbomeyer. Dies, theuerster Olbers, ist ungefähr alles, was ich zu meinen früheren Fingerzeigen hinzusetzen kann, und es muss

^) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm. ^) Datum fehlt, folgt aber nahe aus dem nächsten Briefe von Olber.s. Seh.

19*

292 Gauss an Olbers. [Göttingen, 1824 März 18 20.]

daher der Beurtheilung des Rekognoscirenden selbst das meiste über- lassen bleiben. Auf dem Blocksberge könnte vielleicht der Litberg- sichtbar gemacht werden, wenn man an einem dieser Plätze oder an beiden sich entschlösse, in der Luft zu beobachten, Theodolith und Heliotrop auf 20 Fuss hohe Gerüste zu stellen; auf dem Blocksberge ist die Spitze des noch etwas entfernteren Apenser Thurmes sichtbar.

Insofern nun der Stadt Bremen daran liegt, dass das Dreiecksnetz, wenn es irgend möglich ist, über Bremen geführt werde, so würde jene durch eine von dort ausgehende baldige Rekognoscirung allerdings am besten dazu vorbereiten können. Am besten wäre es freilich wohl, wenn Hr. Senator [Gildemeister] diese Rekognoscirung ausführte. Allein da zweifelhaft ist, ob dessen Geschäfte dies so bald erlauben würden, zumal da diese ausgedehntere Rekognoscirung wohl eine etwas längere Zeit erfordern würde, als die im vorigen Sept. angestellte, und schon Anfang Apr. günstiges Wetter und Nichtbehinderung durch den Moor- dampf zu befürchten ist, so halten Sie es, unvorgreiflich, vielleicht für angemessen, den jungen Klüvee dazu abzuschicken, der jetzt noch hier ist und zwar sehr wünscht, von Bremischer Seite als Gehülfe für diesen Sommer engagirt zu werden, aber doch wohl erst eine Probe- Arbeit machen müsste. Ich hatte sonst allerdings eine andere Person dafür vorzuschlagen im Sinn, die ungemein viel Eifer und Geschicklichkeit gezeigt hat und sich sehr glücklich halten würde, gebraucht zu werden, nämlich den Konrektor Köiilek in Ilfeld; allein ausserdem, dass Bremen doch wohl lieber einen Gehülfen aus eigener Mitte zu stellen wünschen wird, ist [es] auch zweifelhaft, ob gedachter Köhler für den ganzen Sommer würde Urlaub erhalten können. Falls Bremen angemessen finden sollte, den jungen Klüver versuchsweise dorthin zu detachiren. würde ich vielleicht auch meinen Sohn zu seiner Begleitung mitschicken können. Ob ich selbst aber es möglich machen und augemessen halten kann, vor dem eigentlichen Anfang der Messungen in die Gegend zu kommen und einige der Punkte zu besichtigen, kann ich in diesem Augenblicke noch nicht sagen. Genau genommen habe ich den ganzen Antrag noch gar nicht acceptirt und kann es auch nicht wohl thun. ehe mehrere die bisherige Administration betretfende Punkte erledigt sind; allein wenn ich auch nicht erwarte, dass dadurch der Fall ein- treten könnte, dass ich das ganze Geschäft von mir abwiese, so könnten doch vielleicht Weiterungen dabei entstehen, die den wirklichen Anfang etwas verzögerten.

Die von mir abgefasste Ehrenrettung PAsguicu'sM habe ich am 3. März an Schumacher abgeschickt, aber noch nichts weiter darüber

0 A. N. Bd. III No. äS, Gai-ss' Werke Bd. VI, S. 634 tt". Kriii.

Olbeis an Gauss. Brcnicn. 1821 März 23. 298

j^ehört. Eni-Jvk sclirieb mir, in Liutlia sei die Nachricht aiigekummeii, dass Pasqüich abgesetzt sei. Möchten wir doch bald erfahren, dass dies niclit oreofründet sei. Nach einem mir von Schumacher kommuni- cirten Briefe Bes?<el's scheint dieser auch von Littrow's Kenntnissen nicht viel zu halten. Ich hatte immer geglaubt, er sei ein recht guter Kopf, gestehe aber, dass ich wenig oder nichts von dem. was er ge- schrieben, mit besonderer Prüfung gelesen habe.

Nu. 49b. Olbers an Gauss. [266

Bremen, 1824 März 28.

So bald ich Ihren letzten gütigen Brief erhalten hatte, theilte ich den Inhalt desselben den beiden Kommissarien des Senats, Gildemeister und l>r. Schumacher mit. Senator Gildemeister erklärte, dass er seiner Geschäfte, seiner Gesundheit und seines vorgerückten Alters wegen nicht im Stande sei, die so nöthige Rekognoscirung selbst vor- zunehmen, auch fehle es hier an den schicklichen Instrumenten, dieser Kekognoscirung die erforderliche Genauigkeit zu geben. Die Kom- missarien zeigten keine besondere Vorliebe, Hrn. Klüver bei diesem Vermessungsgeschäft angestellt zu sehen, um so weniger, da Klüver auch diesen Sommer bei der Vermessung des Gebiets unserer Stadt behufs eines künftigen Katasters beschäftigt werden könne, und es noch ungewiss scheine, inwiefern er sich tüchtig erweisen werde, Ihnen als Gehülfe wesentliche Dienste leisten zu können. Sie hielten es also am besten, Ihnen, mein theuerster Freund, die Auswahl und Anstellung des von der Stadt Bremen zu besoldenden Gehülfen völlif/ zu überlassen, wenn sie gleich voraussehen könnten, dass ein solcher Gehülfe mehr kosten würde als ein unmittelbar von Bremen zu stellender. Nur glaubten sie, bei dieser Gelegenheit erinnern zu müssen, dass, da der Senat für sich nur über sehr beschränkte Geldmittel zu disponiren habe, und es nicht thunlich wäre, diese Angelegenheit vor die ganze stimm- fähige Bürgerschaft zu bringen, der die Nützlichkeit dieser Dreiecks- Verbindung für die Stadt Bremen schwerlich einleuchtend zu machen sei, sie sehr wünschten, die sämmtlichen bremischerseits aufzuwendenden Kosten möchten den von mir angegebenen Anschlag von 5 600 Rthlr. nicht bedeutend übersteigen.

Dieses letztere gewissermaassen unter uns. Ich gestehe, dass ich in der damals dem Senat vorgelegten Vorstellung die Verbindung der Gradmessung mit den KRATENHOFF'schen Dreiecken betreifend die von Bremen nach dem Vorschlage zu übernehmenden Kosten nur auf etwa

294 Gauss an Olbers. Göttingen, 1824 April 8.

5 bis 600 Rthlr. angeschlagen habe, in der vielleicht sehr irrigen ]\I einung, dass der Theil dieser Verbindung, an welchem Bremen ex pado Antheil nehmen muss, in etwa 3 Monaten geendigt werden könne. So un- angenehm mir nun auch jene Erinnerung von Seiten der Kommissarien war, so haben sie doch insofern Recht, als ich selbst weiss, dass dem Senat jährlich nur eine sehr massige Summe zu eigener Disposition von der Bürgerschaft angewiesen wird.

Sie werden also, mein theuerster Freund, nun ganz nach Ihrem Gutfinden entweder Hrn. Konrektor Kühler oder wen Sie sonst dazu am geeignetsten halten, auf Ihnen billig scheinende Bedingungen als Gehülfen anzunehmen die Güte haben, und dann beliebig die Rekog- noscirung vornehmen lassen. Sollte Ihr lieber Herr Sohn dieser Re- kognoscirung mit vorstehen, so hoffe ich, dass mein lieber junger Freund sein Hauptquartier in meinem Hause nehmen wird.

Sehr erschreckt hat mich die Nacjiricht, dass Pasquich abgesetzt sein soll. Dies war es, was ich immer befürchtete und weswegen ich Schumacher und Encke so sehr zur Eile antrieb. Wii' wollen hoffen, dass sich diese Nachricht nicht bestätigt und das dum deliheratur Borna, periit Saguntiim nicht auf uns anwenden lasse. Die im Auf- trage von ScHUMACHEii au Sie abgeschickten, die PASQuicH'sche An- gelegenheit betreffenden beiden Papier-Packete werden Sie richtig er- halten haben.

Bei dem ungemein heiteren Wetter habe ich doch noch eine Beob. des letzten Kometen erhalten, der ich freilich wegen der grossen Schwäche des unbegrenzten Nebels, unter dem er sich darstellte, keine grosse Genauigkeit zuschreiben kann

März 19. 12''0"'47'^ 99° 33' 50" +33°57'26"\)

Ich habe keinen Versuch gemacht, die Beobb. die folgenden Tage fortzusetzen. Jüngere, mit noch besseren Werkzeugen, als mir mein Dollond darbietet, bewaffnete Augen mögen den Kometen noch einige Tage länger haben verfolgen können.

No. 499. Gauss an ülbers. [233

Göttingen. 1S-J4 April 8.

Nach den vertraulichen Erläuterungen, die Sie mir über das Ver- hältniss Ihres Senats gegeben haben, muss ich um so mehr dessen

') Siehe Olbkrs Rd. I N'o, 92, S. 393, 394, wo 57- Lei der Zeit der Beob steht. Krin.

Gauss an Olbers. (lüttiiiffcn, 1S24 April 8. 295

liberale \\'issenscliaftsliebe verehren, Avomit derselbe die bewiisste An- gelegenheit unterstützt. Indessen trage ich nun um so mehr Bedenken, von der mir eitheilten Elrlanbniss, einen (lehülfen zu engagiren, auch wenn derselbe giüsseren Aufwand erforderte, als ein aus Bremens Mitte gestellter machen würde so dankbar ich diese Erlaubniss anerkenne schon jetzt ohne weiteres Gebrauch zu machen. Denn in der That ist es unter jenen l'mständen nun doppelt meine Pflicht, mit der bewilligten Unterstützung haushälterisch umzugehen, und die Möglichkeit zu ver- hüten, dass diese schon erschöpft sein könnte, noch ehe die eigentlichen Messungen die Stadt Bremen selbst erreicht hätten. Einer solchen (lefalu' würde ich mich aber (bei der noch stattfindenden Ungewissheit über die Schwierigkeiten der Triangulirung von Hamburg oder Wilsede) aussetzen, wenn ich schon jetzt z. B. Hrn. Köhler engagiren wollte, nicht zu gedenken, 1) dass die Ungewissheit, die in meinem letzten Briefe angedeutet wurde, noch nicht erledigt ist, und 2) dass ich nicht weiss, ob er sich den nöthigen Urlaub leicht würde verschaffen können. Aus allen diesen Eücksi eilten möchte ich einen jungen (iehülfen aus Bremen insofern vorziehen, als 1) derselbe schon an sich der Stadt bedeutend weniger kosten würde, 2) ich dann nicht gar zu ängstlich zu sein nöthig hätte, dass derselbe zu früh eingetreten, und 3) ein solcher allenfalls, w-enn sich die Schwierigkeiten, von meiner bisherigen Operationslinie westlich weiter zu kommen, noch grösser und zeitrauben- der zeigen sollten, als ich schon jetzt zu fürchten Ursache habe, erst noch, leichter als ein anderer Gehülfe, eine Zeit lang zurücktreten könnte, bis die Operationen sich Bremen mehr genähert hätten. Uebrigens könnte auch ein Gehülfe von etwas geringeren Einsichten, als z. B. Hr. Köhler zu haben scheint, wenn er sonst nur Pünktlichkeit und Anstelligkeit hat, doch zur Beförderung des Geschäfts wesentlich nützlich sein, da ich noch einen Heliotrop, den 4., bestellt habe, der bald vollendet sein wird, und durch gleichzeitige Besetzung von 4 Punkten, die durch Heliotroplicht sichtbar gemacht w^erden müssen ein Fall, der vermuthlich sehr viel zwischen Wilsede und Bremen vorkommen wird die eigentlichen Messungsarbeiten sehr werden beschleunigt werden können. In der That sind die Aussicht auf eine solche Unter- stützung und der Wunsch, die Stadt Bremen selbst mit in das Triangel- system zu ziehen, die Beweggründe, die mich allein antreiben konnten, den Kampf mit den grossen Schwierigkeiten auf diesem Wege zu unter- nehmen, welche Schwierigkeiten auf einem südlicheren Wege über den Köterberg und das Osnabrücksche nach Bentheim allem Anschein nach sehr viel geringer gewiesen sein würden. Wie viel die Hoffnung, bei der Wahl des ersten Weges eine Zeit lang in Ihrer Nähe, theuerster Olbers, zu leben, mir persönlich denselben angenehmer macht, brauche

296 Olbers an Gauss. [Bremen, 1824 April 8 10.]

ich Ihnen nicht zu sagen, allein ich weiss kaum, ob es recht wäre, dieselbe mit auf die Wagschale gelegt zu haben.

Es ist gut, dass ich im vorigen Jahre den Inselsberg und ver- mittelst der übrigen hessischen Messungen auch taliter quaUt&r die bajTischen und darmstädtischen angeschlossen habe; denn ich erfahre zu meiner Verwunderung, dass die hessischen Messungen für dieses Jahr ganz eingestellt sind, der Grund ist mir unbekannt.

So bald ich in dem Fall bin, mich zur üebemahme der Verbinduugs- messungen bestimmt erklären zu können, werde ich es Ihnen sogleich anzeigen. Alle Papiere in Bezug auf die Administration von 1821 1823 habe ich bereits vor 3 Wochen eingesandt.

Die mir gütigst übersandten Fascikel Pasqüich betreffend habe ich zu ihrer Zeit an Encke abgeschickt. Ich wünschte, dass Schumachee Pasquich's eigene Defensionschrift ad acta legte. Seine Berichtigungs- methoden des Aequatoreals sind zwar meistens weit besser als die von Santini, allein die Berechnung der Beobb. macht P.vsquich wenig Ehre: es ist ganz unvernünftig, zugleich Dekl. und Stundenwinkel mit Kor- rektionen zu belegen, die beide dem Sinus des Stunden winkeis pro- jfortional sind.

Ich bin neugierig, wie Zach sich bei der Sache benehmen wird. Doch vielleicht werde ich dies so bald nicht erfahren, wenn derselbe seine bisherige Höflichkeit, mii- sein Journal zu schicken, künftig ein- stellen sollte, da ich mich wenig geneigt fühle, solches künftig durch den Buchhandel zu beziehen.

In einem Punkte hat doch Schumachee dem Kmeth Unrecht gethan, indem er ihm Taubheit gegen seinen eigenen guten Rath vorwirft. In der That, wenn man das Datum vergleicht, so sieht man, dass Schu- machee's Rath zu spät kam etwas zu verhüten, was damals schon ge- schehen war.

No. 500. Olbers an Gauss. [26?

[Bremen, 1824 April 8—10.]^)

Abermals schicke icli Ihnen im Auftrag von Schumachee einen Brief von Pasqüich zur weitei'en Beförderung an Encke und durch diesen an Bessel. Es geht daraus hervor, dass Pasqüich selbst seine Entlassung von der Direktion der Sternwarte wünscht, und dass die Kabale nur zu verhindern sucht, dass nicht der von Pasqüich vor-

^) DiT liier oiwäbutc Brief Pasqüich's ist von StHiMAriiKii Apr. 6 an Olbkks libersandt worden. AI.'« Datum ist demnach das obige anzusetzen. Brief No. 499 und r>00 haben .sich offenbar gekreuzt, was nach No. 501 auch wahrscheinlich ist. Seh.

Olbers an Gauss. Bremen. 1S24 Ainil '20. 297

gesclilagene Italiener (ob Carlini? oder wer sonst?), sondern ein von ihr begünstifjfter Innlünder sein Nachfolger werde. Bessel^), der sonst so rnhige I^ksskl, drückt sicli in seinem letzten Briefe an mich sehr bitter über J.itteow, als Mensch und Astronom betrachtet, aus.

\'on LiNDENAU habe ich, bei Gelegenheit dass er mir den liebens- würdigen Prof. UcKKRT empfiehlt, endlich mal wieder einen sehr freund- schaftlichen Brief erhalten, aus dem ich Ihnen folgende Stelle abschreibe, wenn sie gleich wahrscheinlich nichts enthält, als Avas Sie schon besser wissen. „Sonderbarer Weise ist unseres Gauss' Anstellung in Berlin-) noch immer unbestimmt geblieben. Die Differenz der angebotenen und geforderten pekuniären Bedingungen war die nächste \'eranlassung, dass die Unterhandlungen ins Stocken kamen; 2000 Rthlr. wurden zu- gestanden, während Gauss 2500 ßthlr. nebst freier Wohnung in An- spruch nahm. Zu einer anderen Zeit würde dies w^ohl kein Hinderniss gewesen sein; allein jetzt, wo eben von Deckung eines derben Deficits die Bede w^ar, trug der Minister denn doch Bedenken, eine neue ausser- etatsmässige Ausgabe in Antrag zu bringen. Doch hoffe ich, dass sich die Sache doch noch machen soll, da Gauss in Berlin gewiss mehr an seinem Platz als in Göttingen sein würde."

Ihr Hofrath Sartokius ist jetzt hier, das bremische Archiv zu der neuen Ausgabe seiner Geschichte der Hansa zu benutzen. Ich habe vorgestern mit ihm zu Mittag gespeist, und er sagte mir, nach Ihren Aeusserungen habe er sich Hoffnung gemacht, Sie schon hier zu finden.

Der Katalog von Delambre's nachgelassener Bibliothek ist mir zugekommen. Die mathematische und astronomische Büchersammlung ist in der That sehr reich; doch fehlt manches, was ich gewiss in un- erwartet hatte. Der D'wphant mit Fermat's Anmerkungen ist zwei- mal vorhanden.

No. 501. Olbers an Gauss. [268

Bremen, 1824 April 25. Recht vielen innigen Dank für Ihren letzten gütigen Brief. Ich erwarte nun von Ihnen fernere bestimmte Nachrichten und Befehle, was von hier aus w^eiter für die Angelegenheit geschehen soll.

*) Brief von 1824, März 25, No. 3U9 im Briefwechsel Olbers-Bkssej.. Krm.

^) In dem Briefe Lindenau's v. 24. März 1824 heisst es: „Auch meinen dama- ligen Reisegefährten Gauss habe ich seit Jahren nicht gesehen; sonderbarer Weise

ist seine, auf Ihre Veranlassung eingeleitete Anstellung in Berlin als in

Göttingen sein würde, wo er und H[arding] sich leider das Leben gegenseitig ver- bittern." Vergl. hierzu auch Anmerk. 3 auf S. 81. Bessel hatte im Brief No. 142 (1823 Dec. 11) zuletzt Gauss Mittheilung über die Berufung nach Berlin zukommen lassen. Krm.

298 Gauss an Olbers. Göttingen, 1824 Mai 3.

Einliegend noch ein Brief von Littrow, den Schumacher uns. also auch Encke und Bessel, nach dem Wunsch des Briefstellers mit- theilen zu müssen glaubt. Schumacher will das süssliche Winseln in diesem Briefe durchaus nicht gefallen; er wird ihm aber doch so freund- lich, wie er kann, antworten.

Schumacher^) schreibt mir noch: ..Bald hätte ich vergessen, Ihnen zu melden, dass der Board of Longitude meinen Vorschlag genehmigt hat. in diesem Jahre statt eines Punktes an der spanischen Küste, wie man vorhatte, Helgoland's Länge von Greenwich mit 25 30 Chrono- metern zu bestimmen. Die Admiralität giebt ein Dampfboot dazu her, und Dr. Tiarcks soll sie begleiten. Dr. Young bittet um meine Mitwirkung auf Helgoland, ich kann aber nicht vor Ende Juni da sein (Schumacher geht nämlich am 30. dieses nach Kopenhagen), und ich glaube, sie wollen schon im Mai die Reise machen. Wenn ich kann, will ich gerne hingehen, und habe auf den Fall jede mögliche Mit\wkung angeboten. Helgoland ist einer von meinen, und ich hoffe auch von Gauss' Dreiecks- punkten."

Vielleicht bestimmt Sie, theuerster Gauss, diese englische Unter- nehmung, Ihre künftige Verbindung mit den KfiAYENHOFF'schen Drei- ecken noch mehr nordwärts zu suchen, als Sie bisher Willens waren. Der Umweg ist freilich grösser, aber die Verbindung sonst höchst walirscheinlich ohne alle die Schwierigkeiten, die der Weg über Bremen sonst darzubieten schien. Bremen, Oldenburg, Jever u. s. w. liegen in schon gemessener Dreiecks-Verbindung mit Helgoland.

Um die Gelegenheit nicht zu versäumen, die mir der Ueberbringer dieser Zeilen der Sohn meines Kollegen und Freundes, des Dr. d'Oleike darbietet, kann ich diesmal nichts hinzufügen.

No. 502. Gauss an Olbers. [234

Göttingen, 1824 Mai 3.

Ich beeile mich, Ihnen anzuzeigen, dass ich die Absicht habe, CJöttingen nun mit nächstem zu verlassen, um die Messungsarbeiten wieder anzufangen.

In meinem letzten Briefe habe ich die Gründe angezeigt, die es mir bedenklich machten, den Konrektor Köhler als GehüUen für die Stadt Bremen zu engagiren, wenn gleich die Kommission auf eine so liberale Art mir solches frei gestellt hatte. In Beziehung auf den jungen

') Vergl. hierzu Brief No. 494 und die darauf bezügliche Anmerkung. Krni.

Gauss an Olbers. Göttingeu, 1824 Mai 3. 299

KlCvku würden diese Kiicksichteii "sveg-falleu oder minder erlieblich sein, und ich gebe es daluT Ihnen anheini, ob die Kommission geneigt sein wird, mir in diesem Sommer diesen juufren Mann beizusreben. Er hat sich hier bereits in Behandhing des Heliotrops etwas geübt und wird, wenn es die ^^'itterung heute oder morgen erlaubt, sich auch noch etwas in telegraphischen Zeichen (geben und lesen) versuchen; dann aber ist seine Absicht, sogleich nach Bremen zurückzureisen, w'o er dann sein l'rtlieil bei Ihnen erfahren wird. Es würde mir lieb sein, wenn im Falle der Bewilligung alle pekuniären Stipulationen bremischer- seits selbst mit ihm ohne meine Intervention abgemacht würden.

Dass alle solche Kosten, ^Yie etwa Errichtung von Postamenten, Pfählen, Gerüsten u. dgl, insofern solche bei ihm vorkämen, von mir erstattet werden würden, versteht sich übrigens schon von selbst; wie es aber mit den Transportkosten für seine Person zu halten wäre, würde erst noch festgesetzt werden müssen, da ich, im Fall ich die- selben auf meine Rechnung zu übernehmen hätte, erst die Genehmigung des Kgl, K[abinets]-Ministeriums darüber einholen könnte, ^^'as bre- mischerseits an Diäten ihm bewilligt werden wird, würde die Kom- mission selbst bestimmen. Da die Stadt Bremen schwerer Geld hat, sollte ich glauben, dass er mit i Louisd'or per Tag wohl zufrieden sein könnte. Ich habe übrigens über diesen Gegenstand gar nicht mit ihm gesprochen.

Im Fall nun obiger Vorschlag den Beifall der Kommission hat. bitte ich, mich baldmöglichst zu benachrichtigen, damit ich diese Ant- wort noch hier erhalten könnte. Da ich in diesem Augenblick noch gar keinen bestimmten Plan für die ersten Operationen machen kann, sondern darüber erst mit dem Hauptmann Müller mündliche Rück- sprache nehmen muss, so würde ich demnächst, so bald dies geschehen, von Hannover aus Ihnen anzeigen, nach welchem Punkte der p. Klüvek sich zuerst zu verfügen haben wird.

Das eine Zeit lang anlialtende schöne Wetter hat mich zu Beobb. des Nordsterns in beiden Kulminationen und sowohl direkt als im V ^) Horizont angereizt. Diese Beobb. sind schon ziemlich zahlreich. Gestern stand das Resultat so

Polhöhe aus der oberen Kulmination 51»31'47",812, Gewicht 30,1 Beob. unteren 51 31 47,465, 27,4

Polhöhe 51°31'47",638, Gewicht 57,4 Beob.

Korrektion der Dekl. in Seh. H. T. = 0",173 Gewicht dito. Diese Messungen sind aber alle in einer Lage des Kreises gemacht.

^) Das Zeichen für Wasser. Krm.

300 Olbers an Gauss. Bremen, 1824 Mai 6.

und involviren daher (ausser den Theilungsfehlem) nocli den Einfluss von y, wenn man annimmt, dass die Korrektion der Zenithdist. z wegen der Flexion die Form hat

x^Vi\z-\-y cos z

Inzwischen kann der Natur der Sache nach dieses y. wenn über- haupt etwas, doch nur eine sehr kleine Grösse sein. Sie zu eliminiren. habe ich den Kreis gestern umgelegt; es ist nun aber schlechtes Wetter eingetreten. Wie die Resultate einzeln harmoniren, zeigt folgendes Tableau:

Polhöhe aus der oberen Kulmination:

51°31'47",265 Gewicht 2,66 47,925 6,86

47,765 6,86

47,688 6,86

48,173 6.8G

April

20.

21.

27.

28.

Mai

1.

April

21.

25.

29.

Mai

1.

Korrektion wegen des Standes des Wassergrefässes 0".021

Aus der unteren Kulmination:

5r31'47",185 6,86^

47,335 6,86

47,942 6,86

47,494 6.86

Korrektion wegen des Standes des Wassergefässes 0",024

Nach den Principien meiner Tlieor'ia Comhinatioms Errorum fände sich der mittl. Fehler einer Beob. hieraus ^0",764, und der mittl. Fehler der Polhöhe (die Theilungsfehler und das y noch bei Seite ge- setzt) = 0",101

oder wahrscheinlicher Fehler = 0",068

Inzwischen sind diese Beobb. zur Ausmittlung des mittl. Fehleis einer Beob. noch nicht zahlreich genug. Zur Prüfung der Theilung habe ich einen Apparat anfertigen lassen, den ich nun aber vor nächstem Herbst nicht werde brauchen können.

No. 503. Olbers an Gauss. [269

Bremen, 1824 Mai 6.

Ihren gestern erhaltenen gütigen Brief vom 3. Mai eile ich sogleich zu beantworten. Natürlich sind die von Ihnen getroffenen Einrichtungen der Kommission durchaus genehm; sie wird den jungen Klüver en- gagiren, und er wird sogleich nach Ihrem Befehl dahin geschickt werden, wohin Sie ihn beordern. Sie wird solche "S'erabredungren mit Klüveu

Ulbers ;m Gauss. Bremen, 1824 Mai 6. 301

treffen, dass die Transportkosten seiner Person niclit auf Ilire Rechnung kommen, sondern bremischerseits bestritten werden.

Walirsclu'inlich liatten Sie bei Abfassung Ilires Briefes die Zeilen noch nicht erhalten, mit denen ich einen von Schumacher zur weiteren Spedirung geschickten Brief Littrow's begleitete, da Sie des Ihnen gemeldeten Vorhabens von England aus die Längen-Differenz zwischen Greenwich und Helgoland, wahrsclieinlich noch in diesem Monat durch ein I )ampfschiff mit vielen Chronometern an Bord bestimmen zu lassen, gar nicht erwähnen. Mir thut es sehr leid, dass Schumacher nicht selbst in Helgoland sein kann, da es hier so sehr auf die genaueste Zeitbestimmung an diesem Orte ankommt; hoffentlich wird er einige von seinen geschickten Gehülfen hinschicken. Da es auch Ihnen inter- essant sein muss, auf diese Art Ihre Triangel dem Längen-Unterschiede nach mit Greenwich verbunden zu sehen, so bin ich wirklich noch nicht ganz gewiss, ob dieser Umstand nicht einige Veränderungen in den Plänen, die Verbindung mit Krayenhoff's Dreiecken zu bewirken, liervorbringen wird. Indessen kr)nnen Sie sich freilich auf ScnuMACHER's Messungen so vollkommen verlassen, dass es unnötig sein wird, Helgo- land unmittelbar zu einem Ihrer Dreieckspunkte zu machen.

Ihre neuen Beobb. über die Göttinger Polhöhe waren mir sehr interessant. Es scheint also an Ihrer mir zuletzt gemeldeten Polhöhe nur sehr wenig mehr zu ändern. Bessel') schrieb mir neulich, Ihre gemeinschaftlichen Beobb. derselben Sterne geben den Unterschied Ihrer beiderseitigen Polhöhen 11' 4", 19. Der Unterschied der bestimmten absoluten Polhöhen 54" 42' 50",4 51° 31' 47",64 giebt 11' 2",76. Es bliebe also nur noch eine Differenz von 1",43 zwischen beiden Pol- höhen und beide Bestimmungs-Methoden zu vertheilen. Sollte man sich wohl viel näher kommen können?

Endlich habe ich in einem englischen Journal eine Nachricht über die Methode gefunden, wodurch der Graf d'Assas Montdardier^) die Parallaxe einiger Fixsterne zu bestimmen gesucht hat, nnd worauf mich der vortheilhafte Bericht, den die Kommissarien (Delambre, Dr. Rössel und Biot) damals sowohl der Akademie, als dem Board de Long.^) ab- gestattet haben sollten, so neugierig machte. Assas befestigt auf einem Berge einen aus eisernen Stäben verfertigten gleichschenkligen Triangel, dessen Höhe zur Basis sich wie 1:15 verhält, und beobachtet nun im Meridian nordwärts, 6—700 Yards davon entfernt, mit einem Fernrohr die An- und Austritte des Sterns aus den beiden Schenkeln des Drei-

') Brief No. 309 von 1824 März 25 im Briefwechsel Olbees-Bessel. Krin. ■) Siehe Brief Xo. 449 und die Anmerkung 3 auf S. 187. Krm. ^) Bureau des Longihcdes. Krm.

3Q2 Olbers an Gauss. Bremen, 1824 Mai 6.

ecks, von dem die Basis senkrecht auf der Ebene der Mittagslinie liegt. Es ist klar, dass, wenn die Höhe des Sterns sich um eine Bogensekunde ändert, die Dauer der Okkultation sich um mehr als eine Zeitsekunde ändern werde. Ueber Präcession, Aberration, Refraktion etc. muss gehörig Rechnung getragen werden. Das Schlimmste ist die Refraktion, da der Graf nur niedrige Sterne beobachten kann; doch ist es ihm geglückt, noch Sterne, die mehr als SO*' hoch kulminiren, beobachten zu können. Die Kommissarien geben ihm das Zeugniss, dass er alle Schwierigkeiten seiner Methode wohl gekannt und gehörig erwogen habe. Er hat an mehr als 100 Sternen über 4000 Beobb. gemacht. Das merkwürdigste Resultat liefert 40 d Eridani^). Assas kannte die eigene Bewegung dieses Sterns niclit; allein für jeden von ihm beobachteten Stern leitet er die ihm gehörige eigene Bewegung aus seiner Beob. ab. Zu seiner Verwunderung fand er die eigene Bewegung des Sterns in Dekl. 3",9 die Parallaxe nahe 2". Auch für Sieius und Rigel hat er eine merk- liche, aber kleinere Parallaxe gefunden. Diese Nachricht muss freilich jede zu grosse Erwartung von der ]\Iethode des Grafen niederschlagen: ich wünschte aber doch, dass die Beobb. vollständig gedruckt würden. In Sternwarten, die dem Aequator nahe liegen, wo zugleich Witterung und Refi'aktion wenig veiänderlich sind, möchte sich diese Methode noch mit grösserer Hoffnung von Erfolg anwenden lassen. Bei hellen Sternen kann die Objektiv-Oeifnung des Fernrohrs nur klein, nur von wenigen Linien genommen werden, und dann braucht man den Triangel nicht so gar weit vom Objektiv zu entfernen, um doch die Ein- und Austritte scharf und augenblicklich zu sehen. Auch schlägt schon der Graf vor. statt eines Triangels 5 6 zu nehmen, um so die Beob. der Unterschiede in der Dauer der Okkupationen um so sicherer zu bestimmen.

Haben Sie eine nähere Nachricht von Dollond's neuem Instrument, mit dem man zugleich die direkte und vom V oder 9 Horizont-) zurück- gespiegelte Höhe eines Sterns beobachten, und, wenn man will, jedesmal 32 Ablesungen machen kann? Der Wetteifer zwischen den Astro- nomen und Künstlern, die Beobb. immer genauer zu machen, hat doch sehr was P>freuliches.

Von Hannover aus erwarte ich Ihre ferneren Nachrichten und Be- fehle, mein geliebter Freund. Vielleicht können Sie mir dann schon einigermaassen sagen, wann ich Sie hier zu sehen Hoffnung haben werde. Je eher, je öfter, je länger Sie mir diese grosse Freude gewähren können und gewähren wollen, um so lieber würde es mir sein.

*) Muss heisscu 40 o- Eriduni, vorii-l. auch S. lb'2. Krm. *) Wasser- oder Quecksilber-Horizont. Krm.

Gauss an Olbers. Hannover, 1824 Mai 18. 303

No. :.o4. Gauss an Olbers. [235

Hannover, 1824 Mai 18.

In Folge der mir von Ihnen gegebenen Erlaubniss benachrichtige ich Sie, dass ich im Begriff bin, die Messungsarbeiten anzufangen. Ich reise noch lieute zum Falkenberge ab, und ersuche Sie, den jungen Klüver nach Visselhövede gehen zu lassen, wo er von dem Hauptmann Müller die Instruktion für die ersten Arbeiten erhalten wird. Vielleicht wird der Hauptmann Müller seinen Aufenthalt nicht in Visselhövede, sondern in Hiddingen näher beim A platz und etwa 4 Stunde von Vissel- liövede entfernt nehmen, welches Hr. Klüver leicht im Posthause in Visselhövede erfahren wird. Wenn Hr. Klüver seine Eeise sofort antreten kann, so findet er Hauptm. Müller gewiss noch dort; sollte aber des ersteren Abreise sich verzögern, und Müller die Geschäfte in Visselhövede schneller absolviren, als sich vermuthen lässt, so wird doch Hr. Klüver den Hrn. Baumann dort finden und von ilim Müller's schriftliche Anweisung erhalten.

Zuerst geht mein Bestreben dahin, mich nach Bremen zu vorwärts zu arbeiten. Während dem wird dann auch gesucht werden, das weiter nördlicher liegende Land kennen zu lernen, um die Dreiecke bis zum ;Meere ausdehnen zu können. Wenn man erst bis zum Meere selbst gekommen ist, würde der Anschluss von Helgoland keine Schwierigkeit haben. Wenn Schumacher Helgoland einen seiner Dreieckspunkte nennt, so heisst dies vermuthlich bis jetzt nur so viel, dass er die Ab- sicht hat, ihn künftig dazu zu machen, denn so viel ich weiss, ist noch gar kein bestimmtes Netz projektirt.

Mit Sorge und Unruhe habe ich wegen des Gesundheitszustandes meiner Frau Göttingen verlassen. AVie glücklich wäre ich gewesen, wenn ich Ihr ärztliches Gutachten, mein theuerster Freund, und Ihren Rath hätte erhalten können. Wie gern wäre ich vor dem Anfang der Messungen mit ihr auf einige Tage erst nach Bremen gekommen; aber leider war sie zu schwach, um bei der noch immer rauhen AVitterung die Reise wagen zu können. Der Arzt wünscht, dass sie das Emser Bad besucht, wenn nur ihre Kräfte es erlauben.

Meine erste Adresse würde sein Bergen bei Celle. Sind indessen Umstände und AVitterung günstig, so wird mein Aufenthalt daselbst nur von kurzer Dauer sein und meine nächste Adresse Visselhövede p. r.

304 Gauss an Olbers. Hiddingeu bei Visselhövede. 1824 Mai 28.

xo. 505. Gauss an Olbers. [236

Hiddingen bei Visselhövede, 1824 Mai 28.

Seit vier Tagen bin ich schon auf dem zweiten Standpunkt dieses Jahres, da ich das, was mir auf dem ersten, dem Falkenberg, zu thun noch übrig war unter Begünstigung des Wetters schnell habe abmachen können. Hier scheint es desto langsamer gehen zu wollen; das Wetter an sich mag gut genug sein, allein der verwünschte Moordamyf, welcher gleich nach meiner Ankunft hier angefangen hat, hindert alle Aussicht : nur gestern (vielleicht wegen des Festtages) habe ich einige Messungen des Winkels zwischen Falkenberg und Wilsede machen können.

Der hiesige Platz ist der einzige gewesen, wo der Falkenberg und Wilsede zugleich sichtbar gemacht werden konnten. Er liegt am süd- lichen Rande eines hochstämmigen aber nicht sehr tiefen Gehölzes, des Elmhorstes; das Terrain senkt sich nach allen Seiten, aber nur wenig. Alle Aussichten, die zum Falkenberge ausgenommen, müssen daher durch Durchhaue gewonnen werden, und diese erfordern schon eine genaue Kenntniss der Richtung. Mein Wunsch ist, den Litherg mit diesem Platz zu verbinden, wodurch mein ganzes System einen neuen Schluss- stein bekommen würde. Die Richtung hatte ich Müllek schon mit vieler Genauigkeit geben können; allein nachdem er in derselben den Elmhorst hatte durchhauen lassen, zeigte sich eine dicke Baumgruppe in der Entfernung von 3 Meilen, die den Litberg verdecken musste. Müller hatte eben von hier abfahren wollen, um diese Baumgruppe aufzusuchen, als (d. 24. ]\rorgens) Hr. Klüver hier ankam, den er so- gleich auf diese Expedition mitnahm, und der sich dabei durch seine Geschicklichkeit im Klettern und sein scharfes Auge recht nützlich gemacht hat. Es gelang, die Bäume ausfindig zu machen, bei Valden. die am 2(3. gefällt sind, nachdem meine eigene am 24. Abends gemachte vorläufige Winkelmessung die Richtung, in welcher der Litberg liegen muss, erst noch schärfer bestimmt hatte. Ob nun aber die Wegräumung dieses Hindernisses zureichen wird, lässt sich erst bei günstiger Luft beurtheilen, gestern war kaum die Valdener Stelle selbst im Nebel zu erkennen. Soweit ich aber die Depression, unter der der Litberg hier erscheinen muss, bis jetzt berechnen kann, scheint es, dass das Terrain von Valden selbst nahe in der nämlichen Depression erscheint, und also Litberg, wenn überhaupt, nur bei günstigen Refraktionsverhältnissen erscheinen kann. Müller ist am 26. sogleich von ^'alden nach Litberg gegangen, wo er einen Heliotrop etabliren wird, und KlCver ist zum Bullerberge, Brüttendorf, Zeven etc. abgegangen, um nachher mit Müller

Gauss au Ulbers. Hiddiniron Itei Visselhövede. 1S24 Mai 2s. .JO,')

diese Gefrend rist noch weiter zu iiiiteisuclieii. Mli.lku iiiilt es nicht für uiniiri^flicli. dass der Litbery- mit dem Brüttendorfer Felde ver- mittelst Diirt'lihaues verbunden werden könnte; allein dazu wird erst die P^stlegun? eines Platzes auf dem Brüttendorfer Felde selbst nöthig- sein, und dahin werde ich mir den Weg wohl über den Bullerberg bahnen müssen; ausser dem Litberge (wenn dies möglich ist) werdeich daher auch noch den Bullerbeig mit dem Elmhorst zu verbinden haben, welches auch erst einen Durchhau und dann erst manche \'orbereitungen erfordert. Ich werde daher, selbst unter günstigen Wetterverhältnissen, wenigstens noch 8 Tage hier zu thun haben, vielleicht aber viel länger, wenn der verwünschte Moorbrand nicht bald nachlässt. Ein Brief von Ihnen, theuerster Olbers, p. r. nach \'isselhövede adressirt, wird mich also, wenn Sie mich damit erfreuen Avollen, noch gewiss treffen. Ich bin seit meiner Abreise von Göttingen von alle^i Nachrichten abge- schnitten, selbst der unparteiische Korrespondent kommt mir nicht mehr zu Gesicht. Vor meiner Abreise schrieb mir Encke noch, dass Zach und Kmeth in dem letzten Stücke der Correspondance Astronomique noch einmal aufgetreten wären.

Was Sie, theuerster Olbees, vor einiger Zeit aus L[indenau's] Briefe mir über die B[erliner] Angelegenheit^) schrieben, kann ich mit dem Hergange der Sache nicht ganz reimen. Als ich Ende 182P) die erwähnten Jkdingungen einschickte, scheinen diese allerdings Schwierig- keiten gemacht zu haben; allein als Anfang 1823^) die Unterhandlung wieder angeknüpft A\urde, ist von einem Unterschiede zwischen geforderten und angebotenen Bedingungen gar keine Eede gewesen, sondern ich wurde bloss befragt, ob ich noch zum Eintritt in die A[kademie] geneigt sei, und wurde zugleich versichert, dass man gar nicht zweifle, dass der K[önig] die gemachten Bedingungen genehmigen werde. Scheute sich also Hr. v. A[ltenstein], diese dem König vorzulegen, warum knüpfte er dann überhaupt die Unterhandlungen wieder an.

Vor meiner Abreise von Göttingen habe ich auch in der anderen Lage des Mer. -Kreises noch ein paar Kulminationen des Nordsternes beobachtet, die Polhöhe wird damit sehr nahe auf 51" 31'48",00 kommen. Zur Prüfimg der Theilungen habe ich Vorkehrungen getrotten.

*) Brief No. 500 von Oi>bers. Seh.

'^) Vergl. Brief No. 434 436 und die Anmerk. auf S. 144. Krni.

^) Vergl. Brief No. 474 und 478 und die liezügiichen Anmerkungen. Krui.

Olbers. II, 2. 20

306 Olbers an Gauss. Bremen, 1824 Mai 30.

No. 506. Olbers an Gauss. [270

Bremen, 1824 Mai 30.

So eben erhalte ich Ihren lieben Brief von Hidding-en, Mai 28. und ich eile. Ihnen wenigstens mit ein paar Worten dafür meinen herz- lichsten Dank abzustatten. Möchten Sie doch bald alle die verwünschten Schwierigkeiten, die sich der Verbindung' Ihrer Dreiecke mit Bremen widersetzen, glücklich besiegen und uns so nahe kommen, dass Sie in Bremen Ihr Hauptquartier nehmen können!

Gewiss hätten Sie schon einige Zeilen von mir zu Visselhövede vorgefunden, wenn ich Ihnen irgend etwas zu schreiben gehabt hätte. Aber es ist in der literarischen Welt weder am Himmel noch auf der Erde irgend etwas vorgefallen, das Sie interessiren könnte. Nur aus England habe ich die Nachricht, dass die nach Helgoland vorzunehmende Expedition längst zugerüstet sei, dass man aber die Unternehmung nicht eher ausführen wolle, bis Schumacher zurück ist und mitwirken kann. Dr. TiARKs erwartet diese Eückkunft mit Ungeduld. Er wird etwa 36 Chronometer an Bord seines Dampfschiffes haben. Es muss wahrlich eine langweilige und mühsame Beschäftigung sein, so viele Chronometer täglich aufzuziehen, in Ordnung zu halten, zu bewahren und unter einander zu vergleichen. Auf seiner vorjährigen Expedition wurde ihm, wie ich höre, zu seinem grossen Verdrusse einer von den ihm an- vertrauten Chronometern gestohlen.

Von Prof. Schumacher habe ich seit seiner Abreise nach Kopen- hagen noch nichts gehört. Damals äusserte er, in den ersten Tagen des Juni gewiss zurückkommen zu wollen.

Von EüMKER ist seit sehr langer Zeit nichts eingegangen.

Mit innigem Bedauern und schmerzhafter Theilnahme ersehe ich aus Ihrem vorletzten Briefe, dass Ihre theure, auch von mir so hoch ver- ehrte herrliche Frau noch immer so schwach und krank ist. Möchte doch das Emser Bad eine gründliche Heilung bewirken. Ich hoffe, die Frau Hofräthin werde sich dort schon ein Logis gesichert haben? Denn es hält in der guten Jahreszeit ungemein schwer, in Ems bei dem beschränkten Lokal und der unverhältnissmässigen Frequenz von Brunnen- gästen ein bequemes und gesundes Unterkommen zu finden, wenn man es nicht vorher bestellt hat. Noch vorgestern ist auch eine sehr liebens- würdige Freundin von mir, die Frau Eltermannin Delius nach Ems. leider auch sehr leidend, abgereist, der ich gern das Glück und die Freude gönnen möchte, mit Ihrer Frau (lemahlin zugleich in Ems zu sein.

Gauss an Olbers. Hiddinyt-n. 1824 Juni 5. 307

Das, was ich Ihnen aus L[iNDENAr's] Briefe über B[erlin] mittheilte, weiss auch ich mir nidit anders zu erklären, als dass vielleicht L[ini)enau] von den letzten Wrhandlungen niclit gehörig unterrichtet war. Ver- zeihen Sie mir aber, lieber Gat'ss. wenn ich unberufener Weise diese «xelegenheit nicht vorbeigehen lassen konnte, unseren L[indenaüJ dringend aufzufordern, doch allen ihm möglichen Einfluss anzuwenden, damit diese Angelegenheit endlich zum gewünschten Ziele gelangt.

Von Ihrer gewohnten Güte, mein theuerster Freund, hoffe ich nun recht oft von dem Fortgange der Rekognoscirung und Messung eine wenn auch uui- kurze Nachricht zu erhalten. Möge Ihnen der Himmel recht günstig sein und Ihnen Gesundheit und Heiterkeit in jeder Bedeutung verleihen.

xo. .-^07. Gauss an Olbers. [237

Hiddingen, 1824 Juni 5.

Die Eekognoscirungen, welche MC^llek und Klüver angestellt haben, sind leider noch fast ganz fruchtlos gewesen. Um sich von der Art der Schwierigkeiten einen Begriff zu machen, lege ich Ihnen Müller's Bericht^) im Original bei, siib voto remissionis. Das darin erwähnte Projekt, Brüttendorf mit Elmhorst zu verbinden, habe ich nicht gut heissen können. Das Brüttendorfer Feld säumt hier erst so sehr spät und so sehr wenig herüber, dass ich hier vielleicht ein paar Monate verweilen müsste, ehe es gelänge, Brüttendorf gehörig einzu- schneiden, und für die IJückvisirung wäre gar keine Möglichkeit, w^eil die Sonne hier am Elmhorst schon 11 Stunde vor Sonnenuntergang hinter den Wald tritt, wenn man nicht hier erst ein hohes Gerüst für den Heliotrop selbst bauen wollte. Ich habe daher den Buller- berg erst noch als Zwischenpunkt angenommen, der mit Brütten- dorf, Wilsede und Elmhorst sich verbindet; der Durchhau dahin ist gestern fertig geworden, unter Leitung meines Sohnes, und schon gestern habe ich eine ziemliche Anzahl Schnitte auf den BuUerberger Heliotrop gemacht. Bleibt das Wetter so günstig, so werde ich morgen hier fertig und gehe dann zum Bullerberg selbst ab. Vermuthlich nehme ich mein Quartier in Rotenburg, falls nicht vielleicht in der Schesseler Mühle ein Unterkommen zu finden ist. Die Verbindung des Elmhorst mit Litberg ist geglückt, obwohl das Licht auch hier erst spät herüber- kommt. Die Rückvisirung wird wTgen des obigen Grundes schwieriger

^) Den Bericht hat Olbers offenbar bald wieder zurückgesandt. Er ist bei den Orig-inalbriefeu nicht mehr vorhanden. Knn.

20*

808

Gauss an Olbers. Hiddingen. 1824 Juni ö.

sein und vermuthlich besser in einer Jahreszeit, wo die Tage kürzer sind, denn die stärkere Refraktion richtet sich niclit sowohl nach der astronomischen als nach der italienischen Uhr, d. i. sie fängt jetzt etwa um 5.^ Uhr, aber bei kürzeren Tagen immer früher, etwa 2i oder 3 Stunden vor O Untergang an. Neulich blieb das Licht vom Litberg her über eine Stunde lang gleichsam im Kampf mit den noch stehen gebliebenen kleineren Valdener Bäumen, und ich wagte keine Beob. Denn immer ist das Licht in solchen Fällen kein scharfer Punkt, sondern gleichsam eine Art Scheibe, der dann an einer Seite (die Bäume steigen schräg auf) etwas fehlt, so dass man eine falsche Yisirung erhält. Später hebt es sich höher, so dass es wohl auf 20" manchmal noch mehr frei wird. Ueber die weggehauenen Eichen, deren ich in meinem letzten Briefe erwähnte, wäre das Licht niemals herüber gekommen. Da der Litberg von Hamburg schon geschnitten ist und mit AMlsede frei zu verbinden ist, so erhalte ich dadurch einen ganz neuen Uebergaug nach Hamburg auf der Westseite, so dass gewissermaassen Hauselberg, Wulf- sode, limpenberg, Nindorf und Lüneburg durch die 2 Punkte Elmhorst und Litberg remplacirt werden können. Aber diese Verbindung auf- zufinden, wäre ganz unmöglich gewesen, wenn nicht ein ganz scharfer Uebergang auf der anderen Seite schon vorher gemacht gewesen wäre. Mit Eversen wird sich der Bullerberg schwerlich verbinden lassen ; MtJLLER meint aber, dass einige Hoffnung da sei, die Verbindung Eversen Brüttendorf möglich zu machen. Sollte sich dies bestätigen. so Avird Bremen bald und ziemlicli gut angeschlossen werden können. Lässt sich dann auch die A'erbindung Brüttendorf Litberg noch mög- lich machen, so bieten 3 Seiten

BaTJiburg

Litbery

Bremen —Brüttendorf Bremen Eversen Brütteudorf Litberg

Bremen

hV/sede

Eversen

FiMenbert}

FiiT. 18.

Chancen zum weiteren Fortschreiten dar, obwohl, wie Sie aus ^ICllek's Briefe sehen, in NW vom Litberg aus nicht viel zu hoffen steht.

Bei meinem öfter wechselnden, zuweilen nur kurzen und nie längere Zeit vorauszusehenden Aufenthalt wird mir der Briefwechsel

Olbers an Gauss. Bremen, 1824 Juni 8. 300

mit Güttinjjren selir ersclnvert. Erst nächsten Mittwoch /.. 15. würde icli meine Frau avertiren können, (hi ich es gestern noch nicht wusste, dass mein nächster l^hitz Ixotenbinti- ist. und wahrscheinlicli würde icli dann, wenn ein Urief von Liöttinjt^en dahin käme, längst nicht mehr dort sein. Da ich hei dci- grösseren Nähe bei Bremen Sie, mein theuerster Freund, jetzt immer frülier und leichter in Kenntniss meines Aufenthalts setzen kann, so eilauben ^^ie wohl, dass zuweilen ein Biief von Göttingen nach Bremen geschickt wird, den Sie dann immer so lange dort behalten, bis Sie meinen Aufenthalt bestimmt wissen. Ihr nächster Brief trifft mich bestimmt noch in Kotenburg p. r. Leider fängt die nun nach- gerade eintretende Hitze auch wieder an, ihre gewohnte Wirkung auf meine Gesundheit zu äussern, so oft ich nicht umhin kann, mich dabei körperlicher Anstrengung auszusetzen. Ich fürchte mich in- dieser Be- ziehung besonders vor dem Platz »ersen, wo ich nach allen Erkundi- gungen noch gar keine Möglichkeit sehe, in der Nähe ein Unterkommen zu finden. Bruttendorf werde ich wohl von Zeven aus abmachen, wo im Posthause immer Fuhre zu haben sein wird. Ebenso schwierig wird es demnächst mit Litberg sein. Der nächste Ort Sauersiek ist ein elendes Dorf, wo mich gewiss schon der Aufenthalt von 24 Stunden krank machen würde.

No. ^.08. Olbers an Gauss. [271

Bremen, 1824 Juni 8.

Ihren Brief von Hiddingen, d. 5. Juni, habe ich vorgestern richtig erhalten. Er traf mich krank an; eine heftige Hämorrhoidal-Kolik schien eine Leber-Entzündung zu drohen. Glücklich ist alles wieder beseitigt, und ich befinde mich, etwas Mattigkeit abgerechnet, nach meiner Art hergestellt.

Innigst bedauere ich die vielen Schwierigkeiten, die das Terrain und der Moordampf Ihren Operationen entgegensetzt, noch mehr die Leiden und Beschwerden, die Ihnen die Hitze und die schlechten Quar- tiere verursachen. Da Sie uns jetzt so nahe sind, so bitte ich recht sehr, lieber Gauss, mir doch anzuzeigen, ob ich Ihnen nicht von hiei' Wein oder andere Erquickungen schicken kann. Dass Sie über alles, was mein Haus oder mein Keller vermag, unbeschränkt disponiren können, versteht sich von selbst. Sie dürfen nur befehlen, was und wohin ich es mit der Post schicken soll.

Senator Gildemeister ist heute nach Mecklenburg zu seinem Sohn gereist und hofft, Sie vielleicht in Rotenburg selbst zu finden.

Im 2. Stück des X. Bandes der Corr. astr., das Sie vielleicht noch nicht gesehen haben, steht ein Brief von Kmeth vom 13- Febr., also

OjIq Olbers an Gauss. Bremen, 1824 Juni 8.

geschrieben, wie Kmeth die die PASQUicn'sche Angelegenheit betreffende Nummer der A. N. noch nicht gesehen liaben konnte. Kmeth sucht darin sich zu rechtfertigen; aber er verrückt ganz den wahren Streit- punkt. Immer möglich, dass Pasquich nachlässig ist, und immer wahr, dass das Aequatoreal nicht so weit berichtigt war, wie es wohl hätte sein können und auch sein sollen; aber dies berechtigt nicht zur An- klage wegen absichtlichen Betruges.

Dasselbe Stück enthält in einem anonymen M. U. A. d. 1. G. ge- zeichneten Briefe eine Stelle, die Sie gewissermaassen angeht. Der ziemlich in Zach's Manier schwadronirende seichte Briefsteller sagt p. 164: „Les points trigonometriques entre Hambourg et Celle sont „tres-mal choisis, quoiqu'il faille convenir, que ce terrain est tres-chicaneur. ,,0n aurait du eriger des tours d'observation de 80 ä 100 pieds de „hauteur, comme on eux a construit sur l'Ettersberg pres Weimar. Selon „mon avis la triangulation du general Krayenhoff me semble sous tous „les rapports la plus parfaite etc." Zach hat diesem Satz keine Note beigefügt. Uebrigens zeigt auch dieses Stück, mit welcher unbegreif- lichen Nachlässigkeit Zach sein Journal redigirt. Einen im Apr. 1821 . zu Buenos- Aires gesehenen Kometen^) hält er für neu; da man doch gleich sieht, dass die angeblichen Beobb. nichts anderes als grobe und fehlerhafte Schätzungen des Ortes desjenigen Kometen sind, der zu derselben Zeit sehr genau in Valparaiso beobachtet wurde, und den wir Europäer vor seinem Perihel vom 21. Jan. bis 7. März sahen. Schweizer Jäger liaben nach Horneh's Bericht ^) am 1. Dec. 1823 einen sehr glän- zenden Kometen Abends um 7 Uhr im Nordwesten gesehen. Diesen erklärt Zach ohne Bedenken für identisch mit dem,-) den wir diesen AVinter beobachtet haben, der doch damals im Südwesten tief unterm Horizont stehen musste; den der Sonne zugekehrten Schweif unseres Winter-Kometen^) hält er für nichts Ausserordentliches, denn es sei gar kein Grund vorhanden, warum der Schweif von der Sonne abgekehi-t sein müsse, auch lehre die Kometengeschichte, dass jede Richtung des Schweifs möglich sei u. s. w, Wahrlich man kann das abgeschmackte Zeug, mit vornehmer Miene und affektirter Gelehrsamkeit vorgetragen, nicht ohne Widerwillen lesen.

Was von Göttingen aus an mich für Sie adressirt wird, werde ich mit dem grössten Vergnügen sogleich an Sie besorgen. Leben Sie wohl, mein theuerster, mein geliebtester Freund ! Schonen Sie Ihre (Gesundheit!

') Komet 1821 nach seiner Sonnenuälie im Aiuil in N'aljiaiai.^o wieder beob- aelitet. Vergl. hierzu Olbers Bd. I, S. 644. Krm. -) Komet 1823. Krm.

Gauss an Olbers. Rotenltur<r, 1824 Juni 10. 311

No. 509. Gauss an Olbers. [238

Rotenburg. 1824 Juni 10.

Mit Bedauern sehe ich aus Ihrem Briefe, dass Sie unpässlich ge- wesen sind, und freue micli herzlicli über Ihre Herstellung. Auch mit meinem Befinden bin ich besonders in den letzten Tagen nicht zufrieden gewesen. Seit vorigem Sonntag bin ich bereits hier und besuche von hier aus täglich den Bullerberg, der sich mit Elmhorst und Wilsede zu einem guten Dreieck verbindet. Der hiesige Winkel ist nun auch gemessen, und mein Sohn, der vom Elmhorst bisher Licht hersandte, hat heute telegr. Ordre erhalten, hierher zu kommen. Mit dem weiteren Fortkommen sieht es aber betrübt aus. Zwar ist sowohl der Everser Berg als Brüttendorf-Feld mit Bullerberg zu verbinden, und beide Plätze sowohl mit Wilsede als Bremen, jedoch mit der Modifikation, dass bis- her noch nicht hat ausgemittelt werden können, ob auf dem Brütten- dorfer Felde Bremen und Wilsede an einer Stelle gesellen werden können; und ebenso ist unentschieden, ob Eversen und Brüttendorf sich verbinden lassen, das letztere ist mir sogar nicht einmal wahrscheinlich. Leider setzt der jetzige Moorraucli der Entscheidung dieser Fragen fast unübersteigliche Hindernisse entgegen. Ausserdem scheint der Platz bei Brüttendorf, der in W bis X mit Wald umgeben ist, nicht viel Hofi'nung zu geben, dass an diesem Punkt ein anderer mit Bremen zu einem Dreieck sich vereinigen lasse. Vielleicht lässt sich ein anderer Platz für Brüttendorf substituiren, das Steinfeld, etwas w^eiter SW von Brüttendorf, so wie auch statt Eversen vielleicht ein weiter SW liegender Punkt, der Steinberg, sich substituiren Hesse; aber wie sollen bei dem ]\Ioordampf diese Fragen entschieden werden, die sonst in ein paar guten Tagen leicht ins Klare gesetzt werden können"? Findet der Moordampf kein Ziel, so werden sich die Arbeiten ungeheuer in die Länge ziehen, wenn sie nicht am Ende gar aufgegeben werden müssen. Dass es möglich wäre, ihm ein Ziel zu setzen, ist wohl gewiss. Wie ich vernehme, hält man ziemlich allgemein das Moorbrennen in mancher landwirthschaftlichen Rücksicht für nachtheilig. Das Amt Rotenburg hat sogar ein Verbot erlassen, es über den l. Juni auszudehnen; allein da in den benachbarten Aemtern fortgebrannt wird, so geniesst man hier keine wohlthätigen Folgen, da der Wind doch immer den Rauch herüber treibt. Dem Vernehmen nach soll in Ostfriesland ein ähnliches Verbot stattgefunden haben. Ich habe daher gedacht, ob es nicht möglich wäre, in allen Aemtern ähnliche Verbote zu erwirken. Mich nach Hannover zu wenden, würde wohl wenig helfen; man ist dort, wie

312 Gauss au Olbers. Eotenburg, 1824 Juni 10.

Sie wissen, in Ergreifung energischer Maassregeln langsam; es würde lange hin und her berichtet werden, und am Ende doch wohl nichts herauskommen oder erst, wenn der Sommer fast vorbei wäre. Ich gehe daher mit dem Gedanken um, mich an die Landdrostei in Stade zu wenden; vielleicht legt die Rücksicht auf meine Arbeiten zu den land- wirthschaftlichen Rücksichten noch ein kleines Gewicht. Vielleicht könnten Sie, theuerster Olbeks, auch sehr dazu beitragen, wenn Sie die Ansicht theilen, dass der Moorqualm auch in ärztlicher Rücksicht sehr nachtheilig sei, eine Meinung, die ich in einem kleinen vor einigen Jahren von einem Arzt in Lingen herausgegebenen Buche über den Moordampf gefunden habe. Wenn es nicht unbescheiden wäre, wenn ich als Laie in Ihre Wissenschaft pfuschen wollte, so möchte ich sogar den Umstand Ihnen mit anführen, dass meine Frau mir schrieb, es sei in Göttingen mehrere Tage starker Herauch gewesen, wobei sie ihre Brustbeschwerden sehr vergrössert gefühlt habe. Dies waren aber gerade die Tage, wo der Nordwind den Moordarapf über Hiddingen südlich jagte, und ich zweifle gar nicht, dass der angebliche Herauch nichts anders als der verdammte Moorqualm gewesen ist (auch in Hannover hatte man Herauch (?) gehabt). Nach meiner einfältigen Ansicht kann ja für eine schwache Brust das Einathmen von den Moorpartikehi unmöglich heilsam sein. Sollten Sie nun, theuerster Olbers, auch diese Ansicht haben, die ich hier bei vielen Personen finde, und mir erlauben, ein kleines Gutachten von Ihnen meiner Vor- stellung beizulegen, oder auch nur Hiren Brief ostensibel einrichten und der Sache darin mit einigen kräftigen Worten erwähnen, so kann ich kaum Zweifel hegen, dass die Landdrostei diesen Rücksichten noch viel mehr Gewicht beilegen würde als den landwirthschaftlichen, die vielleicht noch etwas problematischer sind, und den trigonometrischen, von denen ich nicht weiss, ob dieselben ein sonderliches Interesse erregen würden. Viele Tausende von Menschen wüi-den Ihnen den Erfolg danken. Hrn. Senator Gildemeister habe ich die Freude gehabt, hier auf eine halbe Stunde zu sehen.

Für Ihre gütigen Anerbietungen danke ich verbindlichst. Sollte ein zu langer Aufenthalt in diesen Gegenden meinen kleinen Flaschen- keller erschöpfen, so würde ich unbescheiden genug sein, Sie um Ihre gütige Vermittlung zu einer Nachhülfe von einigen Spirituosen zu bitten. Im Augenblick bin ich noch von Göttingen her versehen.

Sie haben Recht, theuerster Olbers, dass es schwer ist, Zach's mit ebenso viel Impudenz als Unwissenheit gepaarte Arroganz ohne Indignation und Ekel zu lesen. Macheu Sie es, wie ich es fortan machen werde, und lesen seine Scharteken gar nicht. Belehrung haben sie schon seit langem nicht gegeben, und eine Autwort verdienen sie nicht.

Olbers an Gauss. Hremeii, 1824 Juni 15. 31.'.^

Icli meine, Sie und üf.ssel mögen sich auch gefasst machen, bald mit Koth beworfen /u weiden.

Mit dem heliutnipi.><chen Teleiriaphiren geht es nach der Einrichtung, die ich jetzt gewiililt habe, recht schön. Müller signalisirte mir zum lieispiel vor ein paar Tagen die zwei Winkel zwischen Bullerberg, Schessel und Sittensen. die er am Brüttendorf-Platz gemessen hatte, 13*^30' und 54" 54', und setzte mich dadurch in den Stand, ihm am nächsten Tage alle Kichtungen von dort nach Wilsede, Eversen, Bremen, Lit- berg etc. zu schicken. Leider kann er nur bei dem Moordampf noch wenig Nutzen davon ziehen. Die Zeichen lesen sich recht gut. Auch Lieutenant il aktmann und mehi Sohn haben einige ihnen gegebene /eichen gleich gut gelesen und beantwortet. Es würde gar nicht schwer ^ein, ganze Wörter durch Buchstaben zu signalisiren; bei gehöriger Einübung und guter Sonne müsste jeder Buchstabe nicht viel über \ dünnte Zeit kosten.

Durch meine bisherigen Winkelmessungen ist nun auch Kotenburg mit grosser Schärfe bereits festgelegt. Wenn ich die Position von Bremen zu (Grunde lege, die aus meinen, Epailly's und Kkayenhoff's Messungen von mir über den Falkenberg, Asendorf etc. Bentheim, die nordwestl. holländischen Punkte, Ostfriesland und Oldenburg her berechnet ist, so stimmt die Pichtung, die ich im vorigen Jahre in Bremen ge- messen, auf die Minute; genauer war die Messung selbst nicht. Der Tliurm hat übrigens oben keine Oeffnung, und wenn auch eine da wäre, wäre doch jetzt kein Gedanke daran, auch nur halb so weit wie Bremen sehen zu können. Vom Bullerberg aus wird wohl der Höperhovenei- Berg, obgleich nicht ganz so hoch wie jener, Bremen verdecken. Es thut mir leid, statt des Bullerberges nicht Höperhoven selbst gewählt zu haben, ich traute zu viel auf Müllek's und Klüver's Versicherung, dass von Höperhoven Wilsede nicht sichtbar sei; allein es ist mir jetzt sehr wahrscheinlich, dass beide sich geirrt haben. Brüttendorf, Eversen, Bremen und Ellmhorst lassen sich mit Höperhoven verbinden. Füi- Elmhorst würde aber ein neuer Durchhau nöthig sein.

No. 510. Olbers an Gauss. 127.

Bremen, 1824 Juni 15.

Ich hoffe, der starke Kegen in der Nacht vom Sonnabend auf den Sonntag und den grössten Theil des Sonntags hindurch wird den verwünschten ]\Ioorrauch gedämpft und die in diesen Tagen darauf folgende Heiterkeit Ihnen die nöthige und erwünschte Aussicht nach

314 Olbers an Gauss. Bremen, 1824 Juni 15.

entfernten Gegenständen erlaubt haben. Vom Regen, der gegen und bald nach der Sonnenwende, die wir nun in wenigen Tagen zu er- warten haben, häufiger einzutreten pflegt, verspreche ich mir schnellere und wirksamere Abhülfe dieses Uebels, als von einer Verwendung beim Landdrosten. So sehr auch mir dieser Moorrauch zuwider ist, so sehr ich ihn hasse, so kann ich doch nicht mit Uelerzeiigung aussprechen, dass er dem Gesundheits-Zustande der umliegenden Gegend merklich nachtheilig sei. Ich bin immer in meiner langjälirigen Praxis auf- merksam darauf gewesen; aber die Veränderungen, die der mit Xord- und Nordostwinden zu uns kommende Moorrauch (wir bekommen ihn zuweilen auch mit AVestwind aus dem Oldenburgischen und Osttriesland) in dem Befinden einzelner Personen zuweilen zu machen scheint, sind keine anderen, als die derselbe Wind auch ohne allen Moordampf gewöhn- lich hervorbringt. Dass der Moorrauch an sich empfindliche Lungen zum Husten reize, leugne ich nicht; aber dieser Reiz ist vorübergehend und kann wohl deswegen nicht immer für so schädlich angesehen werden, da ja selbst Aerzte Theerräucherungen bei anfangenden Schwindsuchten anwenden, die weit stärker reizen als der Moordampf, und mit diesem wirklich einige Aehnlichkeit zu haben scheinen. Dasselbe, dass man nämlich nichts Gewisses über die schädliche Einwirkung des Moorrauch.< auf die Gesundheit wahrnehmen könne, hat mir auch ein denkender und sehr aufmerksamer Arzt von ]\Iünster versichert, wo der Moorrauch noch viel häufiger, anhaltender und stärker ist als hier. Ebenso un- gewiss bin ich über die Grösse und die Art des Einflusses, die der Moordampf auf die Witterung höchst wahi'scheinlich hat. Man behauptet, dass er den Regen verhindere und das Gewitter nicht zum Ausbruch kommen lasse. Aber mir ist es immer zweifelhaft gewesen, ob es dürre bleibt, weil man beständig Moor brennt, oder ob man fortfährt Moor zu brennen, weil es dürre bleibt. Uebrigens halte ich den eigent- lichen Höhenrauch, wie wir ihn z. B. im Sommer 1783 sahen, von dem Moorrauclie sehr verschieden; aber fast alles, was man in diesen letzten Jahren für Höhenrauch hat ausgeben wollen, und worüber in Westfalen so \'iele Streitschriften gewechselt sind, für nichts anders als Moordampf, der sich gewiss mit dem "\\'inde auf unglaubliche Weiten, ohne sich in der Atmosphäre aufzulösen, verbreitet und merk- bar macht.

Möchten sich doch bald alle die unangenehmen Chikanen, die das Terrain und die Luft unseres platten und waldigen Landes Ihren Fort- schritten entgegensetzen, beseitigen lassen, und günstigere Anknüpfungen Ihrer Dreiecke sich auffinden! Von Klüver habe ich noch nichts erhalten. Ihren ferneren gütigen Nachrichten sehe ich mit Ungeduld entgegen.

Gauss au Olbers. Rotenburg, 1821 Juni 17. 315

Ich bin selbst ^ und auch darauf gefasst, von dem un-

iuhig:en und streitsüchtigen Zach eine seiner gewöhnlichen Lagen zu erhalten. Ks wird mich nicht abhalten, ohne alle gesuchte Beleidigung seiner Person über das, was er schreibt, immer freimüthig mich zu trklären, so bald ich dies für die Wissenschaft nützlich halte.

Hoffentlich hat sich nun bei dem kühleren \\'etter, lieber Gauss, Ihre Gesundheit wieder gebessert. Ich empfinde von meiner neulichen l'npässlichkeit nur noch schwache Nachwehen.

Von Göttingen ist noch nichts bei mir eingegangen, das ich sonst ungesäumt an Sie befördern würde. In Ems soll es schon ausserordent- lich voll sein.

Schumacher hat noch nichts von sich hören lassen und ist also wahrscheinlich noch nicht w'ieder zurück. Von den astronomischen Xachrichten habe ich sehr lange kein neues Stück gesehen.

Nu. 511. Gauss an Olbers.') [239

Rotenburg, 1824 Juni 17. Es ist nunmehr die Hoffnung vorhanden, dass ich mit dem Buller- berg bald zu Ende kommen werde. Auf dem Brüttendorfer Felde ist ein Platz gefunden, wo Bremen, Bullerberg und Wilsede zugleich sicht- bar sind, oder vielmehr vermittelst Durchhaues gemacht sind; die Rich- tung nach Bremen geht hart neben der Wilstedter Kirche weg, deren Thurm ein EpAiLLT'scher Dreieckspunkt gewesen. Ferner ist auf dem E verser Felde ein Platz gefunden, wo Wilsede, Bullerberg, Brüttendorf und Bremen zugleich sichtbar sind. Hiernach habe ich in

genauem Verhältniss , r^xnn/.A das nachstehende Netz gezeichnet. Die

Starken Linien zeigen, wie nunmehr auf einfachere Art der U ebergang von meiner Seite Falkenberg Breithorn zu der dänischen Hamburg Hohenhorn gemacht werden kann, die schwachen östlichen, wie er 1822 und 1823 gemacht ist; die Genauigkeit des letzteren ist zwar wegen der vielfach kontrollirenden Verknüpfung etwas grösser als bei dem neuen, der, ohne dass der alte schon vorhergegangen wäre, gar nicht hätte ausgemittelt werden können; indessen wird der Unterschied der Genauigkeit nicht bedeutend sein, und da natürlich der neue nicht für den alten substituirt wird, sondern alle Messungen jn-o rata zu den Endresultaten kontribuiren müssen, so wird die Genauigkeit etwa ver- doppelt w^erden.

^) Das hier stehende Wort ist unleserlich. Krm.

") Vergl. zu dem Inhalte dieses Briefes auch Brief No. 215 im Briefwechsel Gauss-Schumächer. Krm.

316

Gauss an Olbers. Rotenburg, 1824 Juni 17.

Die westlichen schwachen Linien zeigen die Verbindung- mit Bremen, soweit sie bis jetzt als ausführbar anzusehen ist. Sie stützt sich auf die Seite Wilsede— Elmhorst; aus dieser folgt Wilsede Bullerberg; von dieser geschieht der Uebergang zu Eversen Brüttendorf entweder ver- mittelst Wilsede Eversen, oder Wilsede— Brüttendorf oder ßullerberg Eversen oder Bullerberg Brüttendorf, oder vielmehr 5. vermittelst keiner dieser vier Arten einzeln, sondern aus der Verbindung aller Messungen

Jlamburr/

Lüierffj

ßriälendm-r -■

^hsnhom

\Lunelnirg

Bremen

Fiff. 19.

Indorf Ttm/ienbay IVuJ/sode

'Breit/iom

im kompleten Viereck. Von Brüttendorf Eversen kommt man dann nach Bremen. Sollte der Durchhau von Brüttendorf nach Litberg, der durch viele Holzungen geht, gelingen, so entsteht noch eine viel ein- fachere Verbindung Hamburg Wilsede, Wilsede Litberg, Wilsede— Brüttendorf, Wilsede Eveisen, Brüttendorf— Eversen etc. Natürlich wird deshalb das Uebrige nicht kassirt. Der Durchhau soll versucht werden. Durch die j^lessmigen von 1822, 1S23 und 1S24 werde ich im Stande sein, die Kichtung auf einige Sekunden genau anzugeben. Ohne dass solche Messungen vorangegangen wären, würde ein solcher Durchhau ganz unmöglich gewesen [sein], oder er hätte an Zeit und Geld wenigstens beinahe so viel gekostet, wie jene Messungen zusanmien; auch abgesehen davon, dass man ohne die vorgängigen Arbeiten gar nicht hätte darauf kommen können, gerade diese Plätze zu wählen, da namentlich das Brüttendorfer Feld eine unscheinbaie zur Erbauuug von 100 Fuss hohen Thüi-men gar nicht besonders einladende Gegend ist. Epailly war von Bremen aus mit seinen Messungen nach 0 und NC> nicht weiter gekommen als Wilstedt und Ha verlob und erklärte die gerade Verbindung mit Hamburg für unmöglich, obgleich er den Vor- theil hatte, dass er sich keine Bedenken machte, in der Luft auf hohen

Gauss an Olbcrs. Kutenburg. IS'24 J)ini 17. 317

Sigiialtliüniieii .zu bt-obacliten, ^välll•end ich von Anfang an mir zum Princip gemacht habe, dies nicht zu thun, oder höchstens für einen Nothfall aufzusparen, wo durchaus anf andere Weise nicht durchzu- kommen uäre. In der That ist der Modus \), den Zach mir anriith, insofern der h-ichteste, als dabei gar keine Geistestliätigkeit erfordert wird, sondern nur, dass man Zeit, Geld, viel Geld, oft ganz vergeblich aufgewandtes Geld nicht achtet und anf Genauigkeit Verzicht thnt. Hätte ich von 1822 an nach seinem Rath agirt, so würde ich die doppelte Zeit nnd die dreifachen Kosten verbraucht haben, um am Knde die halbe Genauigkeit zu erreichen.

Meine Theoria Comb. Observ. giebt leichte Mittel an, die matlie- matische Güte eines Dreiecksj'stems methodisch zu würdigen. Freilich beurtheilt ein guter praktischer Blick das Gute und Schlechte leicht instinktmässig, ohne Eechnung: wem aber jener fehlt, der giebt [sich] leicht Blossen durch ganz verkehrte Urtheile. Ich erinnere mich, dass einmal in der M. C. ein gewisser Beigel das MAUPEExuis'sche Dreieck- system schon deswegen für ganz schlecht und verwerflich erklärte, weil gleich Anfangs ein Dreieck mit einem Winkel von, ich weiss nicht mehr ob von T** oder 8^, vorkäme. Es bedurfte nur geringen Nachdenkens, um einzusehen, dass dieser Vorwurf ganz abgeschmackt ist. Nur dann ist ein solches Dreieck geradezu verwerflich, wenn man dasselbe ge- brauchen muss, um A'on der kleinen Seite auf eine der grossen über- zugehen oder umgekehrt, obwohl das letzte auch wieder niu- dann zu tadeln ist, wenn von dieser kleinen Seite nachher wieder zu grossen fortgeschritten wird. In allen anderen Fällen ist ein solches Dreieck nur darum von geringerem A\'erth, weil man damit auf einmal nicht viel weiter kommt. Der Nachtheil hat aber nicht viel zu bedeuten, und jeder wird ja von selbst so klug sein, da, wo er gleich einen grossen Schritt machen A-a??», nicht erst ohne wichtige Gründe einen kleinen zu machen. Auf die Art erklären sich die zum Theil kleinen Winkel in meinem System leicht. Z. B. Breithorn lässt sich nicht mit A\'ulfsode verbinden, und doch wäre diese Verbindung für die Genauigkeit sehr wichtig gewesen. Allein da schon vorher, ehe Breithorn aufgefunden war, Hauselberg von Falkenbei-g scharf eingeschnitten war, und Hausel- berg sich durchaus nicht (ohne hohe Thürme) mit Scharnhorst verbinden Hess, so behielt ich Hauselberg, welches sonst doch ganz aus dem System herausgelassen werden kann, auch bei und erreichte dadurch, dass es nun fast ebenso gut für die Genauigkeit war, als hätte ich durch die Seite Breithorn— Wulfsode das ganze Viereck Falkenberg, Breithorn, Wulfsode, Wilsede komplet messen können. Ebenso ist es unmöglich,

*) Nach Olbers' Brief Xo. 508. Krm.

jjj^g Gauss an Olbers. Rotenburg, 1824 Juni 17.

Wulfsode und Nindorf ohne hohe Thürme unmittelbar zu verbinden; das Zwischensetzen von Timpenberg vermindert die Genauigkeit nur höchst unbedeutend. Allemal ist die Genauigkeit eines Uebergangs- systems leicht zu berechnen.

Z. B. wenn durch 3 Dreiecke von AB auf AC überzugehen ist, so setze man

(cotg a^ + cotg h"") + (cotg c^ + cotg 6^^) -f (cotg e^ -f cotg H = S

Alsdann ist das Gewicht, welches der Diffe- renz der Logarithmen von AB und AC bei- zulegen ist, umgekehrt dem S, oder die Ge-

nauigkeit dem 1/ ^, proportional. Ich finde so

z. B. in Beziehung auf den Uebergang von Fig 20. ' Falkenberg Breithorn auf Hamburg Hohen- horn [Figur 19]

1) bloss nach den stark gezeichneten Linien . . 5= 7.800

2) durch die 5 Dreiecke Falk. Breith. Wils.: Falk. Wils.—Wulfs. ; Wils.— Wulfs.— Timp. ; Wils.-Timp.-Hamb.; Wils.-Hamb.— Hohenh. 5=10,840

3) durch 6 Dreiecke, wenn man statt des vo- rigen 4. die zwei Wils. Timp. Nind.; Wils.

Nind.— Hamb. substituirt 5=10,645

4) durch 7 Dreiecke, wenn man wieder statt des ganz zuletzt erwähnten die beiden Wils. Nind. Lüneb.; Wils. Lüneb. Hamb. ein- führt S= 9,872

Sie sehen also, dass die eingeschobenen kleinen Dreiecke die Ge- nauigkeit vergrössern. Werden alle Messungen zugleich benutzt, so wird die Genauigkeit sehr viel grösser, aber ihre Bestimmung ist dann altioris indaginis.

Ich hatte dieser Tage die Hoffnung, statt des Everser Platzes den Steinberg gebrauchen zu können, der sehr viel höher ist und zugleich eine weite Aussicht nach SW beherrscht. Freilich hätte dann die Richtung nach Brüttendorf und zum Theil auch erst nach Bullerberg durch grosse Oeifnungen praktikabel gemacht werden müssen, dies würde mich aber doch nicht abgehalten haben, ihn vorzuziehen. Leider aber hat sich die Unmöglichkeit gezeigt, diesen Platz mit Wilsede zu verbinden; es tritt nämlich gerade hier ein Berg nahe bei Wilsede selbst, der Höpen bei Schneverdingen, vor, so dass ohne Thurmbaue diese Verbindung unmöglich wäre. Letztere würden, zumal wegen der langen Zeit, die erforderlich wäre, gewiss die Kosten um ein paar Tausend

Gauss an Olbers. Roteuburfr. 1824 .riini 19. ;U9

Tlialer vergrösserii, und doch würde icli auf liolieii hölzernen Tliürnien gewiss mit dem Tlieodolithen keine hinlänglich scharfe Messungen machen können. Leider bietet der Everser Platz nach den Berichten keine llottnung zu weiteren Fortschritten nach SW. Im allerschlimmsten Fall würde ich in Zukunft den Steinberg auch noch mit hinzunehmen.

Von Göttingen habe ich zu meiner grossen Beunruhigung auch noch keine direkten Nachrichten seit mehreren Wochen.

Schicken Sie Ihie Briefe Sie wissen, w'ie sehr Sie mich dadurch rifreuen nur fortwährend so lange nach Rotenburg, bis ich Ihnen eine andere Adresse anzeigen kann, ^'ün Schumacher habe ich seit mehreren Monaten gar keine Nachrichten. Klüver macht sich nützlich durch seine bewunderungswürdige Lokomobilität und viele Anstelligkeit. Gestern ging er nach Brüttendorf, um durch Spiegelung nach Eversen, wo Hauptm. Müller war, und zurück, eine Stelle gegenseitiger Sicht- liarkeit auszumitteln. Er zeigte mir schon gestern Nachmittag durch lelegraphisches Zeichen nach dem Bullerberg das Gelingen an, welche Nachricht ich heute morgen durch eine Depesche von Müller bestätigt erhielt.

No. 512. Gauss an Olbers. [210

Kotenburg, 1824 Juni 19.

Den Bullerberg habe ich nunmehr absolvirt, insofern die Versuche zum weiteren Fortschreiten in Zukunft nicht noch einen Punkt ergeben werden, der damit noch verknüpft werden müsste. Ich werde nunmehr die Messungen auf dem Everser Plateau anfangen, richtiger Ahauser Feld, und offlciell „der Bottel" genannt. Ich selbst bin an dieser Stelle noch nicht gewesen. Sie liegt nahe bei den kleinen Bäumen, deren Sichtbarkeit von AVilsede ich zuerst 1822, so wie im folgenden Jahre die von Bremen aus entdeckte. Sie ist nicht sonderlich hoch, nach meiner bisherigen Schätzung etwa 3 m niedriger als der Bullerberg. Der Steinberg ist weit höher, aber alles hat leider bestätigt, dass letzterer mit Wilsede nicht zu verbinden ist. Auch das Haverloh- Plateau soll eher noch etwas höher sein als der Bottel, allein zwischen Haverloh und Wilsede liegt dichtes Holz, Privateigenthum, das nur mit grossen Entschädigungskosten geöffnet werden könnte, wobei es immer noch zweifelhaft wäre, ob nicht demungeachtet die Verbindung mit Wilsede unmöglich sein würde. Es blieb mir daher keine andere Wahl, als der Bottel.

Der Hauptm. Müller, welcher mehrere Tage in jener Gegend zu- gebracht, hatte den Haidkrug zu seinem Quartier genommen, eine elende

320 Olbers an Gauss. Bremen, 1824 Juni 22.

Fulirmaimsherberge und 1 Stunde vom Platz entfernt. Alle anderen Plätze innerhalb eines Kreises von 2 Stunden Radius sind auch so, dass ich nicht wagen dürfte, auch nur eine Nacht da zuzubringen. Ich werde daher, zuerst wenigstens, versuchen, von hier aus den Bottel zu besuchen; die gerade Entfernung ist IJ Meilen. Ist die Luft günstig, so werde ich hoffentlich schon diesen Nachmittag Ihren Ansgarius zum ersten Male einschneiden. Ich will erst einmal versuchen, den Thurm selbst zu pointiren, geht es damit nicht, so werde ich wohl genöthigt sein, meinen Sohn oder Hrn. Klüvee mit einem Heliotrop nach Bremen zu schicken. Vermuthlich werden dann aber auf dem Thurm selbst erst mehrere Vorkehrungen gemacht werden müssen, eine Art Befriedi- gung in der Laterne, eine Art Kreuz zwischen den Pfeilern der Laterne. unabhängig vom Fussboden, um den Heliotrop und demnächst den Theodolithen darauf zu stellen. Da die Laterne, so viel ich mich er- innere, nur sehr eng ist, so wird der Heliotrop selbst oft und lange im Schatten sein, und daher fast immer doppelte Reflexion angewandt werden müssen. Wie unendlich grosse Vorzüge haben die Plätze zu ebener Erde! Am 16. war die Tauglichkeit des Bottels erkannt; am 17. und 18. vollendete ich alle darauf Bezug habenden Messungen vom Bullerberg aus und am 19. beobachte ich schon, so Gott will, auf dem inzwischen daselbst errichteten Stein-Postament. Bei günstigem Wetter kommt man mit den Plätzen zu ebener Erde in so vielen Tagen zu Stande, als Zach's hölzerne Thürme Monate kosten, und die Vorkehrungen kosten bei jenen vielleicht so viele Thaler, als bei diesen Hunderte. Von Göttingren fehlen mir noch immer die Nachrichten.

xo. 513. Olbers an Gauss. [273

Bremen, 1824 Juni 22.

Wie sehr mich Ihre beiden letzten Briefe vom 17. und 19. Juni erfreut haben, brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. Ich wünsche Ihnen, ich wünsche uns Glück, dass nun endlich diese so schwierige Verbindung, und wie es mir scheint, auf eine so völlig befriedigende Art zu Stande kommt. Ich hoft'e, dass von Bremen aus durch das Oldenburgische weniger Chikanen eintreten werden, (»bgleich uns Epailly's Dreiecke wohl nicht ganz darüber beruhigen können, da Epailly die mit Recht von Ihnen möglichst ausgeschlossenen Kircii- thürme gebrauchte.

Ob die Witterung Ihnen noch günstig oder ungünstig ist. weiss ich kaum zu beurtheilen. Hier wechseln Regenschauer und Sonnen-

Ülbers an (lauss. lirenicn, 1824 .Iniii L"2. 321

blicke: abei- su recht durchsichtig scheint die Luft selten zu sein. Vom Moordampfe lässt sich bei uns niclits mehr spüren.

Nun wird es auch wolil l)al(l nöthii? sein, beim Herzoge von Olden- burg die nütliigen Kinleitungen von Hannover aus zu veranlassen, um bei der Foitsetzung der .Messungen keine Hindernisse oder Aufenthalt zu finden.

Die Depesche aus Göttingen, wonach Sie mit Kecht so sehr ver- langten, werden Sie hoffentlich am 19. in Rotenburg vorgefunden haben. Sie lief bei mir am 18. um 4 Uhr Nachmittags ein, und ich konnte sie glücklicher Weise mit der gerade abgehenden Post gleich weiter spediren.

Dr. Chladni ist jetzt hier und hat wieder die Absicht, Vorlesungen^) über die Akustik und seine Meteorsteine zu halten. Ob sie in dieser Jahreszeit, wo so viele abwesend sind oder ihre freien Stunden doch gern auf dem Lande zubringen, zu Stande kommen werden, weiss ich noch nicht. Ich habe gern unterschrieben und ihm das Honorar ge'gönjit; nur wird er nicht von mir verlangen, dass ich alle seine Vorlesungen (er droht mit 12 oder 14) besuche. Eis ist doch wirklich traurig, dass dieser in mancher Eücksicht verdiente Mann von keiner Eegirung irgend eine Anstellung, irgend ein Gehalt erhält, und er sich nun noch in seinem 67. Jahre auf solche Art sein nothdürftiges Auskommen suchen muss. l/ebrigens ist er noch ebenso redselig, wie ich ihn immer gekannt habe. Seine Bekanntschaft mit fast allen Gelehrten und gelehrten An- stalten giebt seinem Eedefluss doch zuweilen etwas Unterhaltendes. Teber Pasquich (Chladni war 1819 in Ofen) urtheilt er nicht günstig.

Es scheint, dass die Franzosen den Längenbetrag des von Brest bis an den Rhein gemessenen Bogens des Parallelkreises durch Pulver- signale bestimmen wollen, die die einzelnen Stationen mit einander ver- binden sollen. An wie vielen Orten müssen da nicht Zeitbestimmungen gemacht werden? Und kann man da immer auf völlig scharfe Zeit- bestimmung rechnen?

Haben Sie scbon die Abbildung von Gbuithuisen's angeblicher Mond- stadt ^) und seinen Wald- Alleen oder Landstrassen im Monde gesehen? Die Einbildungskraft des Mannes ist gross; aber allerdings ist das, was er für eine Stadt hält, womit es doch gar keine Aehnlichkeit hat, immer merkwürdig, wenn anders seine Zeichnung, woran ich doch zu zweifeln keine Ursache habe, richtig ist. Er hat sie im 2. Stück von Kästnee's Archiv für die gesammte Naturlehre bekannt gemacht. Neu- giei-ig bin ich, wie Lohemann und Kunowsky denselben Gegenstand sehen und beurtheilen werden.

^) Vergl. hierzu auch Brief No. 330 (1817 März 12) in Olbers Bd. II, 1. Krm. 2) Siehe auch Olbebs Bd. I, No. 192 und 197. Krm.

Olbers. II, 2. 21

322 Gauss an Olbers. Rotenburg. 1824 Juni 25.

Jetzt darf ich wohl bald hoffen, mein theurer Gauss, dass ich Sie selbst hier sehen und umarmen werde. Sollte Ihr Hr. Sohn mit dem Heliotropen hier[her] kommen, so wird er, bitte ich, gleich bei mir absteigen. Bei den Bauherren der Ansgarius-Kirche ist es schon ein- geleitet, dass sie die etwa auf dem Thurm vorzunehmenden Anstalten gestatten. So bald Sie es befehlen, sollen die von Ihnen verlangten Ein- richtungen vorgenommen werden. Ich ersuche Sie. mich Ihrem Hrn. Sohn zu empfehlen und Hrn. Klüveb gelegentlich für seinen richtig erhaltenen Brief vom 16. Juni aus Zeven zu danken. Ich fi-eue mich, dass er sich bei dem Geschäft nützlich zeigt. Leben Sie wohl, mein allertheuerster Freund. Schonen Sie Ihre Gesundheit.

No. 514. Gauss an Olbers. [241

Rotenburg, 1824 Juni 2.5.

Seit dem 19. habe ich nun den Bottel 4 mal besucht und dabei einen vorzüglich guten Tag gehabt (d. 23.), d. i. einige vorzüglich gute Stunden, denn vor 5 Uhr ist fast nie etwas Gescheutes in diesen flachen Gegenden zu messen. Die Richtungen Wilsede, Bullerberg, Brüttendorf. Bremen sind schon mit vieler Genauigkeit niedergelegt, wie auch die Zenith-Distanzen der drei ersten Punkte. ^lit Bremen wollte es aber nicht gehen, da nichts an dem Thurm für Z.-D. einen brauchbaren Zielpunkt abgab. Ich denke daher nun übermorgen den 27. nach Brüttendorf abzugehen, um so mehr, da ich wahrscheinlich doch wei- terer Anknüpfung wegen nach [dem] Bottel zurückkehren muss.

Bis jetzt weiss ich noch nichts zum weiteren Fortgehen Dienliches. MtJLLEE ist seit dem 19. in Brüttendorf, um den Durchhau nach Lit- berg zu betreiben; Klüvek ist bei ihm, um ihm zu helfen und daneben mir Heliotroplicht zum Bottel zu schicken. Ueber den Durchhau habe ich aber noch gar keine Nachricht. Meine jetzige genaue Niederlegung von Brüttendorf hat die Richtung Brüttendorf Litberg, die ich aus künstlicher Kombination aller früheren vorhandenen Daten ableitete und MüLLEK Behufs des Durchhaus mitgab, nur um \ Minute abgeändert. AVenn ich jetzt selbst mit dem grossen Theodolitheu die fernere Richtung ausstecke, darf keine Baumstaramdicke mehr fehlen.

Vom Bottel aus ist links von Wilsede durch den Südpunkt bis zum Azimuth 58° gar keine Aussicht. Erst in 58° sieht man rechts neben Haverloh-Platz weg einen Thurm. in (lem ich Heiligenfelde er- kannt habe. Nachher bis Bremen kommen noch Thedinghausen und Arbergen. Links von letzterem habe ich aber gestern bei schöner Luft

Olbers an Gauss. Bremen, 1824 Juni 27. 323

noch einen sehr entfernten 'l liuini bemerkt, der früher nie gesehen wurde und der vermuthlicli Ganderkesee ist. Er scheint auch auf hohem Terrain zu liegen. Vielleicht Hesse sich dann eine weitere Fortsetzung so machen [Figur 21]:

Bremen würde dann insofern BrüUendarr

kein Hauptdreieckspunkt, als nicht //^^j7z/«z5?.^--^'^'T^^1 auf der Seite Bottel Bremen fort- /T^""""--^::' 1

gebaut würde. "Wahrscheinlich wäre / '; ^.--'' ^^~"~-^,.,,^^^ 1

dies für die Genauigkeit aller Messun- / ,-''^remi^/^^^^^J^SZ.^^

gen ein grosser Gewinn (denn der A:^ "^ Ansgariuspunkt wird verniuthlich ein «'z^'^-^««?-?

ri"'. 21

ebenso übler Standpunkt sein wie

Zielpunkt), für mich persönlich aber ein grosser Verlust, weil ich dann die Gelegenheit verliere, etwas längere Zeit bei Ihnen zu sein. Ich werde aber nicht eher urtlieilen können, als bis die Gegend nach Ham- bergen zu gründlich untersucht sein wird.

Nach Hannover schreibe ich noch heute w^egen der Kommunikation mit der Oldenburgischen Kegirung.

Meinen Aufenthalt werde ich in Zeven nehmen. Ein Brief, der von Bremen morgen d. 26. Nachm. abginge, wird mich noch in Roten- burg treffen, da ich den 27. nicht sehr früh reise; später adressiren Sie gütigst bis auf weiteres p. r. in Zeven.

No. 515. Olbers an Gauss. 1274.

Bremen, 1824 Juni 27.

Hier ein Brief chen^) von Prof. Schumacher, der im Juli nach Helgoland gehen wird, die Verbindung mit Greenwich zu bewirken.

Mit dem grössten Interesse folge ich den Fortschritten Ihrer Operationen. Auf die Ehre, dass Bremen kein Hauptdreieckspunkt wird, will ich allenfalls gern verzichten, wenn dies zum Besten der Messungen überhaupt beitragen kann. Aber die Zeit, die Sie mir gütigst zugedacht haben, muss dadurch nicht verkürzt werden.

Die Gegend von Ganderkesee kenne ich nicht und bin nie da gewesen. Unser Wasserbaudirektor Blohm hat auf mein Verlangen mit einem Zimmermeister die Verabredung getroffen, dass alles zu den Anordnungen auf dem Ansgarius-Thurm vorbereitet sei, damit die dort nöthigen Vorrichtungen auf Ihren Befehl gleich in den Stand gesetzt

^) Der Brief ist in der Sammlung- der ScHüMACHEß'schen Briefe an Olbers nicht vorhanden. Krm.

21*

324 Olbers an Gauss. Bremen, 1824 Jiini 29.

werden können. Er meint, um sie wirklich einzurichten, müsse er die Dimensionen des Fussgestells Ihres Heliotropen oder Theodolithen wenigstens beiläufig wissen.

Ein Brief von Rümker aus Neu-Süd-Wales enthält die sehr un- angenehme Nachricht, dass Rümker vom Gouverneur entlassen ist und sich nun ganz ausser Thätigkeit als praktischer Astronom findet. Ich habe es längst befürchtet, dass er sich mit dem General Brisbane ent- zweien würde. Unserem Rümker fehlt es an Weltklugheit, und aus allen seinen Mittheilungen war klar, dass er seine eigentliche Stellung zum Gouverneur gar nicht begriff. Es scheint, dass sich Rümker jetzt dort als Oekonom anzusiedeln sucht. Wie er etwa wieder für die Sternkunde nützlich gemacht werden könne, sehe ich noch nicht wohl ein, und die Sache ist um so schwieriger, da man gar nicht darauf rechnen kann, dass er das, was man an ihn schreibt oder ihm schickt, auch wirklich erhält. Von allen aus Europa an ihn gerichteten Briefen und Sendungen hatte er bis zum 23. Okt. 1823 bloss einen Brief von mir und einen von Bode empfangen. Es scheint, dass eben die Gouverneure der freien Engländer wie ehemals die römischen Pro- konsuln in ihrer Regirung den grössten Despotismus üben. Rümker hat diesmal endlich die so lange erwarteten Original-Beobb. des ENCKE'schen Kometen geschickt, die ich ungesäumt an Encke ge- sandt habe.

Mit welchem Verlangen ich jedesmal Ihren ferneren Mittheilungen entgegen sehe, können Sie sich kaum denken; ebenso dankbar fülile ich mich Ihnen dafür verpflichtet.

No. 516. Olbers an Gauss. [275

Bremen, 1824 Juni 29.

Hier ein Brief aus Göttingen, der gestern erst nach Abgang der Post einging.

Meinen Brief von vorgestern mit der Einlage von Schumacher werden Sie richtig erhalten haben.

Ich bedauere, dass bei dem sonst schönen A\'etter die Ihnen so be- schwerliche Hitze so sehr zunimmt. Hoffentlich haben Sie Ihre Beobb. auf dem Brüttendorfer Felde schon angefangen.

Gauss an Olbers. Zeveu, 1824 Juui 29. Zeveu, 1824 Juli 1. 32;

-N«: 51" Gauss an Olbers. [242

Zeven, 1824 Juni 29.

Es wird lliiien angenehm sein, zu erfahren, dass der Durchhau von Brüttendorf zum Litberg vollkommen geglückt ist. Ich fand ihn bei meiner Ankunft schon offen, schickte daher Hrn. Klüver sofort gestern mit einem Helioti'op dahin und habe schon gestern Abend sein J.icht fleissig eingeschnitten. Die Richtung scheint von der berechneten (durch alle die östlichen Punkte Hamburg, Lüneburg, Nindorf, Timpen- berg, Wulfsode, Falkenberg etc. herangeholten) 2" zu differiren.

Bremen war gestern schlecht zu sehen, doch habe ich es aus Neu- gierde ein paar Mal geschnitten. Es ist also nun vorläufig, bloss aus meinen eigenen Messungen, bestimmt, die erst flüchtig geführte Rech- nung giebt den Platz etwa 7™^) nördlich und etwa ebenso viel west- lich von der Stelle, die ich durch meine Rechnungen aus meinen, Epailly's und Keayenhoff's und wieder Epailly's Messungen ge- schlossen hatte.

Weniger gut steht es mit den Aussichten zu weiterer Fortsetzung. Der Weiher Berg wird sich schwerlich mit Brüttendorf verbinden lassen, es liegt zuerst nahes Holz vor, was von Süden bis Norden die ganze Westseite verbirgt nach Bremen zu ist bloss eine kleine Oeffnung gemacht , aber nachher in der Entfernung von ein paai- Stunden kommt waldiges Terrain, welches auch ohne die Bäume schon höher ist als Brüttendorf. Ich sehe noch gar keine Möglichkeit, hier weiter zu kommen. Meinen Sohn habe ich heute nach Bremervörde geschickt, um mit dem Hptm. Müller die dortige Gegend bis Ham- bergen und dann nach Worpswede und Wilstedt hin zu rekognosciren. Mein hiesiger Aufenthalt wird also wohl ziemlich langwierig werden.

Eiligst !

No. 518. Gauss an Olbers. [243

Zeven, 1824 Juli 1.

Nur mit ein paar Worten danke ich Ihnen für die 3 Briefe^), die ich heute morgen zugleich erhielt. Die Post geht auf hier wöchentlich

^) 7 Meter, etwas undeutlich geschrieben, so dass es Olbers nach Brief No. 519 für 7" gelesen hat. Vergl. auch Brief No. 521. Krm.

^) Gemeint sind hier die Briefe vom 27. und 29. Juni. Ausserdem hat Olbers nach dem folgenden Briefe zwischen dem 29. Juni und 1. Juli die in Bremen einge-

326 Olbers an Gauss. Bremen, 1824 Juli 2.

nur 2 mal, Mittwoch und Sonnabend Nachmittag 5 Uhr, so dass alle Briefe, die in Bremen t), O, C, c/ abgeliefert werden, hier zugleich s) Abend 10'' eintreffen, und die C^, 4, 2 in Bremen aufgelieferten t; Abends 10^

Bremen habe ich noch nicht besser gesehen, und es wird nöthig sein, einen Heliotrop dahin zu schicken. Schön wäre es, wenn dieser durch Ihre gütige Vorsorge sogleich gebraucht werden könnte. Eine Art Kreuz, unabhängig vom Fussboden zwischen die Pfeiler eingeklemmt oder gefügt, wäre am besten; im Centrum müsste es einige Füllung haben, so dass der Heliotrop Platz hat. Die drei Fusspitzen des Heliotrops bilden ein gleichseitiges Dreieck, die Seite =9.Vpar. Zoll, jede Spitze hat einen Teller von 16 Linien Durchmesser.

Mit dem Theodolithen ist es ebenso, nur dass die Seite des Drei- ecks ll|-Zoll gross ist und die Teller etwa 2.1 Zoll Durchmesser haben. Allein für den Theodolithen wird demnächst noch mehr Füllung nöthig sein, da derselbe ohne Zweifel nicht für alle Winkel im Centrum stehen darf. Der Heliotrop darf es und soll es, w^eil doppelt reflektirtes Licht angewandt werden kann und öfter muss.

Eine Befriedigung zwischen den Pfeilern darf nicht höher sein. als dass Heliotrop und Theodolith frei darüber wegsehen können. Jener ist etwa 8 Zoll, dieser mehr (bis 14 Zoll) über der Aufstellungsebene. Die Höhe der Aufstellungsebene (Kreuz) über dem Fussboden ist be- dingt theils oben durch die Glocke, der man nicht zu nahe kommen darf, theils unten, weil man noch, wenn auch halb kriechend, unter dem Kreuz muss durchkommen können. Die Beobb. werden, wenn der Kaum zu eng ist, wohl kaum stehend gemacht werden können, sondern sitzend gemacht werden müssen.

Meine Frau ist am 25. nach Ems abgereist. Zu meiner Freude hat sie sich durch den Med.-Kath Döeing vorher ein Logis gesichert.

Höchst eilig, da dieser Brief mit vielen anderen durch einen Ex- pressen nach Eotenburg geschickt werden muss, indem von hier aus die Post auch nur zweimal geht.

No. 519. Olbcrs au Gauss. [2?^

Bremen. 1824 Juli 2.

Allerdings war es mir sehr angenehm, zu erfahren, dass der Durch- hau von Brüttendorf zum Litberge so vollkommen geglückt ist. Auch

laufenen Briefe von Gauss' Frau uml l>r. Schmidt au Gacss übersandt. wahrscheinlich ohne seinerseits einen Brief hinznzufüiren. Knn.

Olbers an Gauss. Bremen, 1824 Juli 4. 327

Ilinen miiss es liöclist erfreulicli sein, dass die aus den vorhergehenden Messungen von Ihnen im voraus bestimmten Richtungen so bewunderns- würdig genau zutretYen. Das Dreiecksnetz von Hamburg bis Bremen wird nun ungemein schön. Möchten sich doch auch bald für die weitere Fortsetzung desselben schickliche Punkte ausmitteln lassen!

\\enn der Ansgarius-Thurm etwa 7"') westlicher liegt, als ihn Ihre Rechnungen aus Ihren und Epailly's oder Epailly's und Krayen- hoff's Messungen geben, so wird Ihre jetzige Bestimmung, meine ich, sehr genau mit der Länge übereinkommen, die ich dafür angenommen habe (25'" 52*,4 von Paris). Auch die 7"^). die Sie seine Breite grösser finden, schrecken mich nicht. Ein solcher Fehler ist bei meiner Annahme der Breite des Ansgarius-Thurmes sehr möglich; aber Ihre Dreiecke geben ja auch Hamburg und Altona 6" nördlicher, als die dort ange- stellten astronomischen Beobb.. welches sich noch auf irgend eine Art, höchst wahrscheinlich aus einer von der Unregelmässigkeit der Figur der Erde oder unregelmässigen Dichtigkeit der oberen Erdschichten herrührenden Anomalie in der Richtung des Loths aufklären wird.

Ich hoffe, mein theurer Gauss, dass Sie den Brief von Ihrer Frau Gemahlin, so wie den Brief von Hrn. Dr. Schmidt, den mir Harding nebst einem Briefe an Taipel im Einschluss schickte, richtig erhalten haben. Harding meldete mir zugleich die Abreise Ihrer theuren Gattin nach Ems. Mögen Sie bald so angenehme Nachrichten von dem Be- finden der verehrten Kranken erhalten, als wir von meiner in Ems befindlichen Freundin, der Eltermannin Delius, bisher hören, auf deren Gesundheit dem Berichte nach die Kur in Ems ungemein wohlthätig zu wirken scheint. Noch immer soll es dort von Kurgästen ganz über- füllt sein.

No. 520. Olbers an Gauss. [277

Bremen, 1824 Juli 4.

Hierbei erhalten Sie ein officielles Schreiben aus Hannover, das gestern morgen unter Couvert bei mir einging.

Gestern morgen 9 Uhr hatte ich das Vergnügen, Ihren Hrn. Sohn und Hrn. Klüver hier zu sehen; beide sehr munter und sehr wohl. Ihr Hr. Sohn ist noch gestern Abend zur Fortsetzung seiner Wanderung nach Ganderkesee nach Delmenhorst gegangen; seinem Versprechen nach erwarte ich ihn diesen Abend wieder hier. Er hat mir viele

') Missverständniss Olbers'. Yergl. Anm. zum Brief No. 517 und Brief Xo. 521. Seh.

328 Gauss an Olbers. Zeven, 1824 Juli 4.

Empfehlungen an seinen hochverehrten Vater aufgetragen. So wie ich ihn verstanden habe, will er hier Ihre ferneren Befehle abwarten.

Ihr gütiger Brief, worin Sie mich über die auf dem Ansgarius- Thurm zu treffenden Einrichtungen instruiren, kam gestern Nachmittag an. Den Inhalt theilte ich sowohl Ihrem Hrn. Sohn als Klüver mit. Letzterer hatte schon alles angeordnet, von Ihnen, wie er sagte, münd- lich unterrichtet. Die Witterung, besonders auch der starke Wind. gestatteten gestern noch keine Lichtsendungen und heute scheint es eben nicht besser zu gehen.

Im nächsten Bande der Philos. Transact. wird ein weitläufiges Memoir von James Ivoet über die Figur der Erde vorkommen, worüber er selbst in Tilloch's Magazin einen umständlichen Bericht giebt. Er beschuldigt alle Mathematiker, die diesen Gegenstand abgehandelt haben, Maclauein ausgenommen, dass sie nur den Druck der oberen Schichten auf die unteren, nicht die Anziehung, die die oberen Schichten auf die unteren haben, in Betrachtung gezogen haben. Indessen wird auf alle Fälle der Aufsatz wohl nur analytisches Interesse haben können, wenn er auch die wahren Bedingungen des Gleichgewichts eines homogenen Fluidums erhalten hat. und die Analysis von Legendre und La Place, wie er behauptet, nichts weiter sein sollte, als eine Modifikation der genauen Formeln, wenn man das Quadrat und die höheren Potenzen der Abplattung vernachlässigt. Er hat nur ein homogenes Fluidum be- trachtet, will aber bei einer anderen Gelegenheit zeigen, dass dieselben Principien auch auf Schichten von veränderlicher Dichtigkeit anwend- bar sind.

xo. 521. Gauss an Olbers. [244

Zeven. 1824 Juli 4.

Indem ich Ihnen für Ihren gütigen, gestern Abend oder Welmehr heute morgen erhaltenen Brief verbindlichst danke, eile ich. ein Miss- verständniss zu heben, welches ohne Zweifel meine undeutliche Hand- schrift verursacht hat. Nicht 7" (Sekunden) nördlich und östlich weicht der aus meinen ^[essungen von 1824 gefundene Platz von Bremen ab von dem, welchen ich durch Eechnung aus der langen Kette 1) meiner Messungen, 2) einiger EpAiLLY'schen (von Falkenberg bis Bentheim), 3) noch mehrerer IvRAYENHOFF'schen durch Holland und Ostfriesland, und dann wieder 4) einiger Epaillt sehen (über das Üldenburgische) gefunden hatte, sondern 7'" (Meter), oder wie eine spätere, etwas ver- besserte aber immer nocli ganz fiüchtige Rechnung giebt, 8 m nördl. und

Gauss an Olbers. Zeveu, 1824 .Iiili -1. 32i^

C m üstl. Durch ineiiu- J'iüfuiiy der KiiAYENHOFF'schen Dreiecke in NO von Holland von deren Schlechtigkeit überzeugt und die Genauigkeit der EpAiLLY'schen ^lessungen nicht kennend, hatte ich mich allenfalls auf einen l'nterschied von oO ni 40 ni get'asst gemacht. Auch die 7 \\\ würden mir. wenn ich die ganze Kette selbst gemessen hätte, noch viel zu viel sein; wäre aber wirklich ein Unterschied von 7" N und ^^' gewesen, also die Lage zusammen über 250 m unrichtig, so würde ich nicht anstehen zu erklären, dass entweder Keayenhoff's oder IiIpaillt's Messungen oder beide keinen Dreier w^erth wären. Es ist mir nicht recht klar, wie Sie jenen vermeinten Unterschied von 7" mit dem von 0" bei Altona in Vergleich stellen; bei letzterem Orte war die astro- nomische Lage von Altona (*Lage der Vertikalen daselbst gegen die Erdaxe und eine bestimmte Anfangs-]\Ieridianebene) um 5" oder G" ab- weichend von dem, was aus der astronomischen Lage von Göttingen gefolgert war. Bei Bremen hingegen war die Lage gegen Göttingen bloss geodätisch zweimal bestimmt, einmal auf einem ungeheuer langen Wege und einmal auf einem kurzen. Grösserer Klarheit WTgen könnte man 3 Arten, die Lage eines Ortes anzugeben, unterscheiden:

1) Die geodätische, indem ich z. B. sage, dass Bremen auf dem langen Wege 173065,8 m nördl. und 76342,5 m westl. von Göttingen gefunden, auf dem kürzeren aber einstweilen 173073,6 m und 76348,5 m. Da die Erde kein Planum ist, so ist eigentlich erst noch zu erklären, wie dies nördl. und w^estl. zu verstehen ist. Man kennt den gewöhn- lichen (unrichtigen) Sprachgebrauch: Abstand vom Meridian und Perpen- dikel. Meine Zahlen sind eigentlich etwas anderes, nur Analoges, allein eine gründliche Erklärung ist in der Kürze nicht möglich.

2) Die geodätisch-astronomische oder pseudo-astronomische Lage, wenn man die geodätischen Messungen auf ein regelmässiges Ellipsoid applicirt und danach die Breiten- und Längen-Unterschiede angiebt. Ich kann hier Bremen nicht als Beispiel anführen, da ich die in dieser Form sich darauf beziehenden Zahlen gar nicht bei mir habe, und die Eechnung in dieser Form nach den neuen Messungen gleichfalls noch nicht bis Bremen geführt habe.

Man kann diese beiden Arten nur wie eine betrachten, wobei gleich- sam nur die Form verschieden ist, aber wesentlich vei'schieden ist.

3) Die wirklich astronomische Lage, die ich oben (bei *) definirt habe. Nach allen neueren Erfahrungen hält diese gar nicht Schritt mit 2) und es giebt kein Mittel, sie zu finden als wirkliche astrono- mische Beobb. Meiner Ansicht nach aber hat sie en recomjmnse bloss für den Astronomen Interesse, insofern an einem Orte auch wirklich astronomische Beobb. angestellt werden, die bis auf eine Bogensekunde genau sind. In jeder anderen Beziehung, wo man die gegenseitige Lage

330 Gauss an Olbers. Zeven, 1824 Juli 4.

von Punkten vergleichen will, kommt es nicht auf 3j, sondern auf 1) oder 2) an.

Ich weiss nicht, ob ich mich nicht irre, aber mir däucht, dass man bisher noch nicht recht gewusst hat, was eigentlich die besten geo- dätischen Messungen im Grossen leisten können, ungefähr wie man vor Entdeckung der neuen Planeten eine ganz falsche Vorstellung von dem hatte, was man von guten astron. Beobb. zu fordern berechtigt ist. Ich gestehe, dass es mir ein selbständiges hohes Interesse zu haben scheint, die gegenseitige Lage von einigen 1000 Punkten über ganz Europa mit aller Schärfe zu bestimmen, deren die Kunst und ^^'issenschaft des 19. Jahrhunderts fähig ist. Dadurch, dass man bei grossen geodätischen Messungen immer sein Auge nur auf 3) richtete, hat man einen ganz falschen Gesichtspunkt und Maasstab erhalten. Denn da die höchste Kunst der Astronomie kaum 1" der Breite und das 3 fache loder mehr) in der Länge erreichen kann, so meinte man, geodätische Messungen schon genug gerechtfertigt und in Glanz gesetzt zu haben, wenn man zuletzt nur Unterschiede von einigen Sekunden fand. Mehr ist auch nicht möglich, wenn man von der astronomischen Lage (3) mehrerer Punkte ausgehend zu einem Vereinigungspunkte kam. Aber ganz barbarisch und unverantwortlich wäre ein solcher Unterschied bei rein geodätischen A^erbindmigen (1) oder bei (2), wenn man nur einen Punkt astronomisch zu Grunde legt, insofern solche Messungen nicht schon einen halben Welttheil umfasst haben.

Verzeihen Sie, theuerstei" Olbeks, meine Weitläufigkeit. Ich wünschte mich Ihnen verständlich zu machen; denn in der That nur bei der hier ausgelegten Ansicht kann ich an meinen Arbeiten ein wahres Interesse haben, und ohne sie würde ich beklagen, meine Zeit 4 Jahre hindurch auf einen ganz unwürdigen Gegenstand gewandt zu haben.

Meine hiesigen Messungen auf Litberg, Wilsede. Bullerberg und Bottel sind schon zureichend, aber Bremen Hess sich nie mit gehöriger Schärfe schneiden. Noch nie habe ich den Knopf als Knopf hier er- kennen können (oft im schönen Heliotroplicht, welches aber einen nach dem Stande der O verschiedenen Zielpunkt giebt ). Bei Sonnenschein hat auch die Spitze immer eine die ^Messungen verderbende Phase. Ich habe vorgestern Klüver mit [einem] Heliotrop hingeschickt ( vermuthlich haben Sie ihn früher gesehen als mein letzter Brief, der nacli Aussage des l^oten einen Tag in Rotenburg liegen geblieben und erst gestern Nach- mittag bei Ihnen angekommen sein wird; die Post nach Bremen von Eotenburg geht 2 mal wöchentlich weniger als sie von Bremen kommt, ich habe mir aber die Tage nicht notirt), aber gestern, obgleich fast den ganzen Nachmittag schöner Sonnenschein in Bremen war, noch kein Licht erhalten; vermuthlich hat er erst die Vorkehrungen machen müssen.

Olbers an Gauss. [Breraeu, 1824 Juli (?.] 331

Für^ weiteres Furtsclireiten sind die Aussichten äusserst schlecht. Nacli meiner früheren Hoffnunj>- Bremen zu umgehen, wird nicht thun- lich sein, da der Weiher Berg mit Brüttendorf nicht zu verbinden ist. Aber auch gar niclits anderes Rechtliches lässt sich mit Brüttendorf in NW oder N verbinden. Millers Rekognoscirung von Biemervörde bis Osterholz hat durchaus gar kein Resultat gegeben. Der einzige Punkt wäre bei Wentel, der aber an Bremen wohl nur einen Winkel von etwa 12°, an Brüttendorf einen von 46°, an Wentel von 122° pfraeterj [projpter geben w'ürde, und wo ich auch noch gar nicht weiss, ob das Opfer, was ich durch ein so schlechtes Drei- i'^o/^i

eck brächte, und welches etwas gebessert Fig. 22.

würde, wenn sich Wentel zugleich mit Bottel

verbinden Hesse, durch eine einigermaassen rechtliche Aussicht nach NW von Wentel aus kompensirt würde. Am Ende werde ich also doch vielleicht den Steinberg noch mit zuziehen müssen, um mich südöstlich um Bremen herumzudrehen, oder Bremen nur wie eine vorgeschobene Zunge betrachten und die Verbindung mit Keayenhoff nördl. über Stade, oder südlich über Osnabrück suchen müssen. Das erste allein zu thun ist wegen der unerhört schlechten Beschaftenheit der nordöstlichen KRAYENHorr'schen AA, worüber ich Ihnen früher einmal^) geschrieben, auch wohl bedenklich. Sehr wünschte ich Ihre Ansicht darüber zu haben.

Da ich heute doch eine Ordonnanz nach Osterholz an Müller schicke, so erhalten Sie diesen Brief über dort vermuthlich früher als über Rotenburg, von wo er erst Mittwoch Nachmittag bei Ihnen ein- treffen könnte.

No. 522. Olbers an Gauss. [27s

[Bremen, 1824 Juli G.]=»)

Da Ihr Hr. Sohn uns schon heute wieder verlassen will, so kann ich Ihnen bei dieser Gelegenheit nur mit ein paar Worten vorläufig für Ihren gestern durch den nach Osterholz gehenden Artilleristen er- haltenen gütigen Brief danken. Nicht Ihrem gewiss nicht undeutlichen Schreiben, sondern meinen schwachen Augen, die ich nicht mit der Brille unterstützt hatte, ist es zuzuschreiben, dass ich Meter mit Se-

\) Von hier ab bis zum Schlussatz auch abgedruckt in Gauss' Werken, Bd. IX S. 369-370. Krm.

2) Brief No. 486. Krm.

") Dieses Datum uach Brief No. 524. Seh.

332 Gauss an Olbers. Zeven, 1824 Juli 6.

künden verwechselte; und auch dann noch wäre die Verwechselung kaum möglich gewesen, wenn ich nicht aus Uebereilung geglaubt hätte. Sie redeten von der von mir angenommenen geographischen Lage von Bremen, nicht von der durch Ihre vorhergehenden Rechnungen be- stimmten geodätischen.

Gestern werden Sie Heliotroi^licht von Klüver erhalten haben. Das Uebrige wird Ihnen Ihr lieber Hr. Sohn mündlich berichten und erzählen können.

Meine Ansicht über die Fortsetzung Ihrer Messungen kann wahr- lich für den von Ihnen zu fassenden Entschluss von gar keinem Werth sein ; gestehen muss ich aber, dass mir das Dreieck, Brüttendorf, Wentel. Bremen für eine Hauptverbindung doch etwas zu spitzwinklig an Bremen scheint, obgleich die Schärfe, womit Sie alle Winkel zu bestimmen wissen, gar keinen irgend erheblichen Nachtheil davon befürchten lässt. Und dann, wenn dieses Dreieck aufgegeben und keine andere schickliche Fortsetzung auszumitteln wäre, so kommt es mir vor. dass der Weg südlich über Osnabrück dem nördlich über Stade vorzuziehen sein dürfte, zumal da Sie die nordöstl. KRAYENHorF'schen Dreiecke als schlecht erkannt haben.

Den officiellen Brief von Hannover werden Sie richtig erhalten haben?

No. 523. Gauss an Olbers. [243

Zeven, 1S24 Juli (3.

Seit meinem letzten Briefe, den Sie über Osterholz bereits empfangen haben w^erden, habe ich nun auch die Lage von Bremen in der zweiten Form berechnet, und zwar ist dies unabhängig von der ersten Form. Natürlich enthält meine Theorie auch bequeme Uebergänge von der ersten zur zweiten Form; ich führe aber die dazu nöthigen Hülfstafeln nicht bei mir. Auch werde ich die Rechnungen in der zweiten Form nicht über Bremen hinaus für jetzt fortsetzen, da die Angaben von Länge und Breite nur bei Orten, wo wirklich astron. Beobb. gemacht sind, Interesse haben. Mein Resultat ist

Breite des Ansgarius 53° 4'48",9GS2

Länge westlich von Göttingen . . . 1°S'22",7111

Dies gründet sich auf Schumacher's Basis, auf meine Dreieckseite Falkenberg— Wilsede, auf die Breite von Göltingen 51'^3I'48",00 und meine Orientirung. Das Resultat meiner früheren Rechnung^) (über

') Mitg:etheilt im l^rief No. 444. S. ITJ 174. Weitere Angaben über die Lage verschiedener Bremer Punkte linden sich auch im Brief No. .54S v. 13. Pec. 1S24 und No. G21 vom [14.-20.J Aug. 1827. Krm.

Gauss an Olbers. Zeven, 1824 Juli 6. 333

«tc Bentheini. i'i.c (ironingen, ikc Oldenburg) in dieser Form habe ich gar nicht bei mir. Die Vergleichung mit dem gegenwärtigen giebt Ilinen aber, in Bezieliung auf den Fehler, den der grosse Umweg hervor- gebracht hat, kein reines licsnltat, weil 1) jene im Winter 1822 1823 gemachte Rechnung sich noch auf Zach's Basis und die Polhöhe von Göttingen 51^31'48",7 stützte, auch^) 2) die neuen Messungen vom Jahr 1823 einige obwohl sehr kleine Modifikationen in dem ganzen System hervoi'gebracht haben, auch ist 3) in meiner jetzigen Rechnung Walbeck's Abplattung genau zu Grunde gelegt, während bei der vorigen, wie Sie wissen, durch Versehen eine obwohl äusserst kleine Diiferenz") Statt hatte. Auf alle Fälle würde aber doch wohl eine neue Rechnung, über Bentheim See geführt, wenn ich dies vorigen Winter der Mühe werth gehalten hätte (oder vielmehr die vorige Rechnung nach der korrigirten Lage und Grösse der ersten Seite Falkenberg Asendorf verbessert), schwerlich mehr als 0",1 in Länge und Breite von der vorigen verschieden gegeben haben.

Seit 3 Tagen habe ich leider meinen Platz immer ganz vergeblich besucht, da Klüvee noch immer kein Licht geschickt hat. Bloss gestern war auf einige Augenblicke ein äusserst schwaches Licht sichtbar. Obige Rechnung gründet sich auf die wenigen schlechten Schnitte der Thurmsi)itze, die ich bisher hatte machen können. Ich werde indessen, wenn das Heliotropliclit bessere Messungen verstatten wird, doch noch nichts ändern können, ehe ich die relative Lage des Heliotrop-Platzes gegen den Knopf kenne. Auf keinen Fall aber wird sich obige Angabe, auch wenn erst die Winkel in AMlsede, Litberg und Bremen beobachtet sein werden, mehr als einige Hunderttheile einer Bogensekunde ändern können. Doch muss ich erinnern, dass Schumacher noch keine Definitiv- Bestimmung seiner Basis gemacht hat.

Von ]\IüLLER habe ich noch keine weiteren Nachrichten. Ich bin also noch in völliger Ungewissheit, ob und wie weiter fortzukommen sein wird. So bald ich Bremen hinreichend eingeschnitten und die Z.-D. gemessen, habe ich hier nichts mehr zu thun, falls nicht noch etwa [die] Wentel-Gegend angeknüpft wird. Litberg und Wilsede muss ich aus mehreren wichtigen Gründen auf eine spätere Jahreszeit ver- sparen. Vielleicht komme ich daher, wenn ich hier fertig bin, zuerst zu Ihnen. Ich habe mit Klüvee verabredet, dass ich ihm die Zahl 2 für diesen Fall signalisiren werde. Da es mir auch besonders wichtig

^) Die Sätze zu 2) und 3) sind auch abgedruckt in Gauss' Werken, Bd. IX S. 320. Krm.

^) Vergl. Brief No. 448, S. 184, in welchem statt richtiger als Ab-

plattung angenommen war. Krm.

334 Gauss an Olbers. Zeven, 1824 Juli 8.

ist, ZU verhüten, dass Briefe nicht irre gehen und lange verschleppt werden, so bitte ich Hrn. Klüvek zu sagen, dass die Zahl 5 ihm an- zeigen soll, dass ich die Absicht habe, den folgenden Tag Zeven zu verlassen, ohne gleich nach Bremen zu kommen (z. B. um erst noch einmal den Bottel oder Steinberg zu besuchen); in beiden Fällen ersuche ich Sie dann, liebster Olbers, keine Briefe mehr nach Zeven abzusenden und die etwa bei Ihnen eingegangenen bis zu meiner Ankunft oder resp. weiterer Nachricht gütigst bei sich zu behalten.

Das einzige Gute bei dem jetzigen schlechten P'ortgange der Ar- beit und den schlechten Aussichten für die Zukunft ist, dass ich mich jetzt wohler befinde als in der ersten Zeit meiner diesjährigen Expedition. Hauptsächlich wohl die Folge des kühleren Wetters, der elektricitäts- freien Luft und, was ich auch zu rühmen habe, des sehr guten Quartiers im hiesigen Posthause. Ich habe meinen ca. 4000 m (Meter) weiten Weg sclion oft zu Fuss gemacht.

Hoffentlich erfreut die Post von Rotenburg, der ich immer mit Verlangen entgegensehe oder gehe, morgen Abend mich nochmals mit einem Briefe von Ihnen.

No. 524. Gauss an Olbers. [246

Zeven, 1824 Juli 8.

Ihre^) beiden letzten gütigen Briefe habe ich richtig erhalten; den einen ohne Datum (vom 6.) noch denselben Tag durch meinen Sohn, den älteren vom 4. nebst dem Briefe aus Hannover (Abschrift des officiellen Schreibens an die Oldenburgische Eegierung) hingegen dem Postenlauf ganz gemäss erst gestern Abend.

Der^) erstere hat mich rücksichtlich aller meiner Messungen sehr niedergeschlagen. Da Sie das Dreieck Bremen, Brüttendorf. Wentel wegen des zu spitzen Winkels an Bremen verwerfen, so brechen Sie dadurch zugleich den Stab über die, wie es scheint, einzig mögliche Art, auf der anderen Seite um Bremen herumzukommen; denn in dem Dreieck Bremen, Bottel, Steinberg wird der Winkel in Bremen noch viel spitzer sein. Sie setzen zwar mit Ihrer gewohnten Güte hinzu, dass doch bei jenem Dreieck die Genauigkeit deswegen nicht bedeutend leiden würde, weil ich in meine Messungen eine so grosse Schärfe lege. Allein dieser Grund, dessen Wahrheit ich jetzt auf sich beruhon lassen will, kann mich durchaus im Geringsten nicht beruhigen. Nach meinem Grundsatz soll man immer, so genau man nur kann, beobachten: der

^) Der erste Satz bis „erhalten", ferner der l'assus von ,,Der erstere"* bis ^ge- wesen wären" ist auch abgedruckt in Gacss' Werken, Bd. IX S. 370 372. Krui.

Gauss au Olbers. Zeven, 1824 Juli y. 335

Grad der Genauigkeit in den Beobb. (gleidiviel, wie gross oder wie klein er sein mag) bedingt iiunin- wimler den Grad der Genauigkeit, die man von den Resultaten fordern darf, und die Genauigkeit der Beobb. kann nach meiner Meinung ein an sich schlechtes Dreieck durch- aus nicht gut machen; wenigstens wäre [es] sonst überflüssig gewesen, die übrigen guten Dreiecke mit derselben Schärfe zu messen. Höchstens kann dadurch dann das ganze S^'stem wieder in Parallele mit anderen an sich viel schlechteren Messungen zurückkommen.

Ich habe es bisher für ein blosses Vorurtheil gehalten, wenn man Dreiecke mit sehr kleinen Winkeln der Genauigkeit für nachtheilig hielt, insofern die den spitzen \\'inkeln gegenüberliegenden Seiten keine Uebergangsseiten abgeben; ich habe solche klein winkligen Dreiecke bloss deswegen für minder gut gehalten, weil man damit auf einmal nicht viel weiter kommt, also mehr Zeit und Kosten gebraucht, als wenn man auf einmal viel fortschreiten kann ; und auch dieser .Grund fällt ganz weg, wenn die Aufsuchung und in Standsetzung eines grossen Dreiecks vielleicht doppelt so viel Zeit kostet, als die Messung zweier Dreiecke zusammen, die eben dahinführen, und wovon das eine einen sehr spitzen Winkel hat. Demungeachtet habe ich nicht ganz nach diesem Princip gehandelt, sondern ein Dreieck mit einem kleinen Winkel nie eher adoptirt, als bis ich fa.n alle Möglichkeiten erschöpft hatte, es zu vermeiden (nur diejenige Möglichkeit nicht, die zu schlechten Messungen selbst geführt hätte d. i. Zach's hohe Thürme), nicht w^eil ich geglaubt hätte, dadurch an Genauigkeit etwas zu gewinnen, sondern aus dem wohl verzeihlichen Wunsche, dem System so viel [wie] möglich ausser dem inneren Gehalt auch Schönheit und Rundung zu geben. Da ich nun aber Sie, theuerster Olbees, durch das, was ich in einem früheren Briefe darüber schrieb, nicht überzeugt habe, sondern da Sie den Nach- theil, der für die Genauigkeit aus dem spitzen Winkel sonst entstehen würde, durch die Schärfe der Messungen gut gemacht verlangen, was nach meiner Ansicht unmöglich ist, so werde ich selbst in meiner bis- herigen Ansicht ganz ii're und zweifelhaft, ob sie nicht ganz unrichtig gewesen, und darf wenigstens auf keinen Fall hoffen, andere von der Richtigkeit derselben zu überzeugen. Was namentlich das Dreieck Br[emen]— Bi[üttendorf!— Went[el] betrifft, so hätte ich mich selbst sehr ungern dazu entschlossen, w^eil es nicht schön ist und auf einmal nicht viel weiter bringt; rücksichtlich der Genauigkeit aber (ganz ab- gesehen davon, wie genau die Winkelmessungen an sich sind) würde ich dasselbe, seine W^inkel zu 12°, 4G°, 122" angenommen, vollkommen einem anderen gleichgestellt haben, dessen Winkel 76**, 46°, 58" gewesen wären.^)

^) Siehe Anmerkung auf S. 334. Seh.

336 Gauss an Olbers. Osterholz, 1824 August 26.

Vorgestern habe ich Klüvee's Heliotroplicht ziemlich oft ein- sclmeideii können; es bedarf nur noch eines solchen Tages, um die Richtung zulänglich genau zu haben.

Von Schumacher habe ich neulich noch einen Brief vom 2. aus Altona^) gehabt: er erwähnt darin, dass er noch Ende dieses Monats aus Helgoland zurückzusein, aber gar nicht, wann er dahin abzureisen denke; einige andere Aeusserungen scheinen vielmehr anzudeuten, dass er noch nicht sogleich von Altona abreisen wollte. Vermuthlich soll also sein Aufenthalt in Helgoland nur kurze Zeit dauern. Er erzählt darin auch noch, dass der Bau der neuen Hamburger Sternwarte in diesen Tagen angefangen werde.

Leider hat die seit einigen Tagen wieder eingetretene schwüle Hitze meine neuliche Lobpreisung des angenehmen Wetters schnell zu Schande gemacht.

Juli 9.

MüLLEE ist noch immer nicht angekommen, und ich habe also noch keine Grundlage, auf die ich die Wahl zwischen den beiden schlechten Dreiecken, die resp. an Wentel und Steinberg endigen, stützen kann. Sollte der letztere vorgezogen werden [müssen]^), so würde ich schwerlich Mittwoch den 14. Abends noch hier sein, daher ich Sie bitte, ti den 10.. Oden 11. und ([ den 12. A-ei^e Briefe an mich aufzugeben, unbeschadet des Aufgebens $ den 13., wenn bis dahin von mir keine Nachricht erfolgt.

Gestern und vorgestern hat gar nichts gemacht werden können. Heute scheint einige Hoffnung zu bleiben.

No. 525. Gauss an Olbers.') [2i7

Osterholz, 1824 August 26.

Erst heute kann ich eine freie Stunde gewinnen. Ilinen meinen innigsten Dank für die bei Ihnen genossene freundliclie Aufnahme zu wiederholen. Herzlich freue ich mich schon auf die nun nahe bevor- stehende Nachfeier von jenen frohen Tagen, welcher ich in Zeven ent- gegensehe.

^) Brief No. 218 im Briefwechsel GAUss-ScHtrsiAcuKR. der jedoch daselbst ver- sehentlich das Datum Juli 23 (vielleicht Juli 2 und 3) träg't. Krni.

'^) Dieses Wort ist wohl beim Entsiegeln abgerissen worden. Krm.

'■') Zwischen Brief No. 524 xind 525 liegt ein sechswöchentlicher Besuch Gauss' in Bremen bis Mitte August. Vergl. Ikiefwechsel Olbeus-Besskl Bd. II. S. 267, Gauss-Bessel S. 440 u. 442. Krm.

Gauss au Olbt-rs. Ostt-rliolz. 1824 Auyust 26. 337

Am Sonntag konnte icli hier nur einen offenen Wagen zum Garlster IMatz erlialten. und ich fuhr darin unter anscheinend guten Auspicien um 1 rhr ab; allein schon auf halbem Wege stellte sich Kegen ein, der den ganzen Tag nicht wieder aufhörte. Bis auf die Haut durch- nässt kam ich, ohne etwas gesehen zu haben, um 81 Uhr zurück.

Die drei fcdgenden Tage Avaren günstiger. Ich habe den Haupt- winkel zwischen Bremen und Brillit 60 mal gemessen, Loxstedt habe ich nur einige 20 mal geschnitten, für die Zenithdistanz bot der Thurm keinen Zielpunkt dar, und einen Heliotropen hinzuschicken, trug ich um so mehr Bedenken, da ich jetzt mit der Zeit auf das Aeusserste sparen niuss und überdies zweifelhaft geworden bin, ob ich übei'haupt Lox- stedt als Dreieckspunkt adoptiren werde. Es ist nämlich Hoffnung da, einen besser gelegenen Punkt anzuknüpfen; BremerleJie, welches die Hälfte weiter, in Garlste sichtbar und eine schöne Laterne ist. Von Brillit ist Bremerlehe nicht sichtbar, allein ich hoffe, dass es ver- mittelst Durchhau wird sichtbar gemacht werden können; zu den dazu nöthigen Voruntersuchungen wird aber dieses Jahr keine Zeit mehr sein.

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Maasstab

13330U0

JOii!(ede\^ ,Zoj/erBerff_ ^ll:^(^Garlste y] Schwarze Linien gewisse.

punktirte ungewisse Ver- bindunffen. Oldenburff

StedtAerff Fig. 23.

Oldenburg ist in Garlste nicht sichtbar, ein Wald etwa eine Meile entfernt, liegt vor; auch scheint jenseits entfernter wieder Wald zu sein, wovon gegen Abend Spitzen herübersäumen. Ob diese Hinder- nisse zu überwinden sind, muss die künftige Untersuchung lehren.

Der Loyer Berg ist sichtbar.

Auch Rastede und Stolham; diese beiden Thürme sind aber für mich unbrauchbar.

Von Grossen Meer und Ganderkesee habe ich die äussersten Spitzen gesehen; ohne genaue vorgängige Rechnung wäre es unmöglich ge-

Olbers. 11, 2. 22

338 Olbers an Gauss. Bremen, 1824 August 31.

wesen, sie herauszufinden und von zahllosen von der Weser her über Holz herüberragenden Schiffsmasten zu unterscheiden.

Das Wichtigste aber, was ich hier entdeckt habe, ist die Sichtbar- keit von Varel 413(37 m entfernt Es wird erst spät Nachmittags sicht- bar und zeigt sich wie eine kleine Laterne auf einem grossen Dom.

Wenn Bremerlehe, wie ich hotfe, sich künftig mit Brillit und Varel verbinden lässt, und entweder Oldenburg vermittelst Durchhau in Garlste sichtbar gemacht werden, oder ein anderer Punkt auf dem Loyer Berge substituirt werden kann, so ist der Weg zu einem schönen Fortschreiten gebahnt. Ich habe mich jetzt begnügen müssen, alle jene Punkte nur einige Male einzuschneiden.

Dass ich heute nach Brillit (d. i. Gnarrenburgj abreise, wird Ihnen vermuthlich Hr. Baumann schon gestern angezeigt haben.

Unter herzlichen Grüssen an Ihren Hrn. Sohn und Schwiegersohn empfehle ich mich Ihrem Andenken.

Mich soll wundern, ob jetzt vielleicht der Tod von Wolf die be- wusste Angelegenheit wieder anregen wird.^)

No. 526. Olbers an Gauss. [279

Bremen, 1824 August 31.

Ihnen vielmehr habe ich recht innig und herzlich für die grosse Freude zu danken, die mir Ihr freundlicher Besuch gewährt hat. Mögen Sie nachsichtig entschuldigen, wenn meine Junggesellen-Wirthschaft Sie viel Mangelhaftes und Unbequemes bei mir hat finden lassen.

Das herrlichste Wetter hat bisher Ihre Messungen, seit dem Sie Bremen verliessen, begünstigt; auch sehe ich aus Ihrem Briefe vom 26. Aug., wie schnell Sie jetzt den Langeberg-) beendigt haben. Kbenso schnell wird es wahrscheinlich zu Brillit gegangen sein. Nur fürchte ich, dass die grosse Hitze der 3 letzten Tage Ihnen lästig und Ihrer Gesundheit nachtheilig gewesen ist.

Zu der glücklichen Entdeckung der Sichtbarkeit von Bremerlehe und besonders von Varel wünsche ich viel Glück. Die Möglichkeit einer schönen Verbindung mit Keayenhoff's Dreiecken scheint nun erwiesen.

Schumacher schreibt mir, dass er bis zum 5. Sept. inkl. nicht

*) Durch den Tod Frtkprich Augtst Wolf's wurde ein ansehnliches (i ehalt in der Berliner Akademie der Wissenschaften frei. Vergl. hierzu den im Anhang niit- getheilten Brief vom 12. Okt. 1824 von Dikksen an Olbkhs. Krm.

') Beobachtungsplatz bei Garlste. Knn.

Olbers an Gauss. Bremen, 1824 August 31. 339

von Altana abkommen könne; ob es später möglich sei, hänge noch von einem ihm zugedachten Besuch eines Freundes ab, den er indessen aufzuscliieben suche. Ich hoffe demnach, dass es in den ersten Tagen der künftigen Woche möglich sein wird, Sie, mein allertheuerster Freund, in Zeven zu besuchen, wenn Sie andeis noch so lange da sein Herden, worüber ich mir, wo möglich, eine kleine Nachricht erbitte.

Ich habe mit Vorbedacht gestern nicht geschrieben, weil ich noch keinen Brief für Sie erhalten habe. Sollte heute noch einer ankommen, so werde ich ihn beilegen. Den Einschluss an Hrn. Quebfeld werden Sie entschuldigen.

Für den kleinen Kometen^) habe ich vor einigen Tagen folgende genäherte Elemente berechnet:

Zeit der Onähe Sept. 28, 4923

Länge 3" 44' 16"

Sh 279 45 1

Neigung 55 14 3

Log. d. kl. Dist 0,02484 mot. dir.

Mein erster Versuch^) aus den nahen und groben Beobb., der Sept. 24. 17'' TT = 17^18' etc. gegeben hatte, war also noch sehr ab- weichend. — Hr. Dr. Schmidt muss durch einen Rechenfehler auf ganz irrige P^lemente geleitet worden sein.

Der Komet wird wenigstens noch bis zum Dec. sichtbar bleiben.

Im neuesten Stück von Tilloch's Pliilos. Mngaz. Juli 1824 ist schon eine ausführliche Nachricht von der Bessel zugeschriebenen Er- findung, die Biegung^) des Fernrohrs am Meridiankreis zu bestimmen, von Bailt nach dem Briefe eines ausgezeichneten Astronomen des festen Landes (wahrscheinlich Prof. Schumacher) gegeben.

In eben dem Stück ist von J. Ivory eine, wie es mir scheint, sehr elegante Auflösung des Problems gegeben: Wenn die Länge einer geodätischen Linie auf der Erdoberfläche, und zugleich die Länge, Breite und das Azimuth eines ihrer Endpunkte gegeben ist, die Länge, Breite und das Azimuth am anderen Endpunkte zu finden. Inter-

\) Komet 1824 ü, Juli 23 von Scheithacee in Chemnitz entdeckt. Die Ele- mente des ersten Versuches hatte Olbers wohl Gauss mündlich in Bremen mitge- theilt. Siehe auch Olbers Bd. I No. 93 96. Krm.

-) Bessel ist in der Veröffentlichung seiner Methode, die Biegung astronomischer Fernrohre zu bestimmen [A. N. Bd. 3, Ko. 61) Gauss zuvorgekommen, der nach Brief Xo. 312 im Briefwechsel Olbers-Bessel die gleiche Methode im Juli 1824 Olbeks in Bremen mitgetheilt hatte. Yergl. auch Gauss-Bbssel, Brief No. 145, S. 439. Gauss hat seine Methode nicht veröffentlicht, auch in dem bisher herausgegebenen Nachlass ist nichts darüber mitgetheilt. Krm.

22*

340 Gauss an Olbers. Zeven, 1824 August 31.

essirt es Sie, so bringe ich Ihnen das Stück mit. wenn ich nach Zeven komme.

Würden Sie, wie es leicht möglich ist, schon vor dem 6. Sei)t. in Zeven fertig sein, so versteht es sich wohl von selbst, dass Sie, theuerster Freund, sich um Schumachee's und meinetwillen dort keine Minute länger aufhalten müssen. Ihre Zeit ist Ihnen bei der vorgerückten Jahreszeit viel zu kostbar.

No. 527. Gauss an Olbers.') [24s

Zeven, 1824 August 31.

Meine gestrige Eeise von Gnarrenburg hierher wird Ihnen Hr. Baumann bereits berichtet haben, und ich erwarte nun bald etwas Be- stimmtes über Ihr und Schumacher's Herkommen zu erfahren.

Während meines xA.ufenthalts in Brillit war die Luft für das Sehen terrestrischer Gegenstände immer höchst ungünstig, so dass ich mehrere entfernte Punkte, die Müllee früher bemerkt hatte (einer vermuthlich Seefeld), nie habe sehen können. Besser ging es dagegen mit den Heliotroplichtern, die täglich eine oder anderthalb Stunden lang sehr gut zu sehen waren (vorher und nachher sehr stark wallten). Ich bin daher auch mit Brillit schneller fertig geworden, als ich gedacht hatte. Dagegen ist mein erster Besuch gestern auf dem Tlmrm nur betrübt ausgefallen. Ich habe erst mehrere Stunden gebraucht, bis ich eine Stelle finden konnte, wo meine Hauptrichtungen alle zugleich offen oder zu öffnen sind, und doch lässt sich nicht ändern, dass einige nur in genirter Lage beobachtet werden können. Dann hatte ich das Miss- vergnügen, dass von Bremen gar kein Licht kam, obgleich dort ©schein zu sein schien, und sehr lange von hier aus Heliotroplicht hingeschickt wurde. Ich fürchte daher, dass Hr. Baumann die Kichtung nicht hat finden können, welches um so betrübter wäre, da ich den gestern auf- gestellten Heliotrop nicht hier behalten kann, und mit dem grossen Spiegel Licht nach Bremen zu schicken wegen der engen Lokalität in der Regel unmöglich sein wird.

Sie erzeigen mir wohl die Gefälligkeit, die Einlage an Hrn. Bau- mann zu schicken, da ich selbst den Namen seines Hauswirths ver- gessen habe.

Es ist zu befürchten, dass es auch übrigens hier mit dem Beob- achten nicht so gut gehen wird, wie in Garlste und Brillit. Das Mooi- brennen nimmt wüeder überhand, und die fürchterliche Hitze wirkt auch

*) Dieser Brief ist iu deutscher Schrift geschrieben. Krm.

Gauss au Olbers. Zeven. 1824 Septemlier 3. 341

sehr naclitlu'ilig auf mein Befinden, welclies sonst die letzten Tage ziemlicli gut gewesen war, so dass ich den Weg von Gnarrenbuig [nach] Biillit, 1 Stunde weit, ein paar Mal zu Fuss zurückgelegt habe.

HofFentlicli wird jedoch diese Hitze nicht von langer Dauer sein können.

Der Fehler der ^^'inkelsumme in dem Dreieck Bremen, Brillit. Garlste scheint etwa 0",5 zu sein; genau kann ich es noch nicht an- geben, da die Bremer Messungen noch nicht definitiv ausgeglichen sind.

No. 528. Gauss an Olbers.') [249

Zeven, 1824 September 3.

Herzlichen Dank für Hiren gütigen Brief vom 31. Aug., der [sich] mit dem meinigen gekreuzt hat. Es scheint nach jenem, dass Hr. Bau- mann Ihnen meine telegraphisch von Brillit gegebene Anzeige meines Abganges hierher nicht mitgetheilt hatte.

Hier geht es so schlecht wie möglich. Bei dem schönsten Wetter habe ich noch so gut wie gar nichts ausgerichtet. Hr. Baumann hat noch gar kein Licht hergeschickt; gestern war in der Richtung von Brillit der Moordampf so stark, dass auch von daher gar kein Licht ge- kommen ist. A'or Bremen schien er weniger stark zu liegen, daher ich vermuthe, dass Hr. Baumann noch immer die Richtung nicht hat treffen oder sich mit der doppelten Reflexion nicht hat helfen können. Bisher ist er den ganzen Nachmittag durch Heliotroplicht von hieraus aufgefordert, allein dies kann nun nicht länger fortdauern, da ich auf die bisherige Art gar nichts mehr observiren könnte; ich habe daher heute meinen Sohn mit dem Heliotrop zum Steinberge geschickt, um wenigstens den einen Winkel Steinberg Wilsede messen zu können. A\"as aber, wenn der Moordampf noch mehr überhand nimmt, daraus werden will, sehe ich noch nicht ab. Alles, was bisher hier geschehen ist, besteht in der Messung der Zenithdistanzen von Wilsede und Brillit. Dazu kommt nun die grässliche Hitze. Am Dienstag und Mittwoch war ihre A\'irkung so, dass ich befürchtete, gar nicht mehr observiren zu können; gestern war es etwas erträglicher, obwohl, wie ich schon oben erinnert habe, mein Ersteigen des Thurms völlig um- sonst war.

Sie sehen also, dass ich gar keine Aussicht habe, vor dem 6. oder

^) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krra.

342 Gauss an Olbers. Zeven, 1824 September 3.

7. hier fertig zu werden, wenn auch von lieute an alles auf das Beste ginge, wozu ich aber nicht die geringste Hoffnung sehe.

Für Ihr gütiges Anerbieten, den Aufsatz von Ivory mitzubringen, danke ich sehr, bitte aber das nicht zu thun, da ich nicht gern in die Entwickelung meiner Methoden, die sich auf die höhere Geodäsie be- ziehen, irgend etwas Fremdes sich einmisclien lassen möchte. Ich wei'de Ihnen, wenn ich nach Göttingen zurückkomme, das Wesentliche meiner Auflösung schicken (was ich Ihnen in Bremen davon zeigte, war eigent- lich die Modifikation, welche die Methode erhält, wenn die Entfernung der beiden Punkte massig gross ist, obwohl diese Modifikation für alle in der Praxis vorlwmmenden Fälle immer ausreicht), und Sie dann bitten, mir zu sagen, ob die von Ivort Aehnlichkeit damit hat, oder sie überflüssig macht. Ich habe jetzt angefangen, meine auf dem Ansgarius-Thurm an den verschiedenen Aufstellungspunkten gemachten A\'inkelmessungen scharf zu vergleichen. Die Messungen zwischen den 6 Hauptpunkten (Steinberg. Bottel. Brüttendorf, Zeven, Brillit, Garlste) lassen sich unter einander recht gut vereinigen. Wenn ich aber ihre Lage, d. i. die Richtungen vom Ansgarius aus, bloss aus den zwischen ihnen gemessenen Winkeln festlege, ohne auf die Nebenpunkte Rück- sicht zu nehmen, und dann die Richtung nach den 6 Nebenpunkten (Twistringen, Oldenburg, Hude, Neuenkirchen, Verden, Asendorfi durch die zwischen ihnen und den Hauptpunkten gemessenen Winkel festlege, so zeigt sich unter diesen letzteren Messungen eine viel schlechtere Harmonie. Es kommt sogar ein Winkel vor, der 9 mal gemessen noch eine Ausgleichung von 3" erfordert (Neuenkirchen Garlste). Ausser dem meistens schlechten Sehen der irdischen Punkte schreibe ich dieses vorzüglich dem Umstände zu, dass die Hauptpunkte unter sich bei unveränderter Körperstellung observirt wurden, bei den Nebenpuukten aber meistens die Vergleichung nicht möglich war, ohne für beide Objekte verschiedene Sitzplätze zu nehmen. Dies bringt höchst wahr- scheinlich immer eine erhebliche Reaktion auf das Instrument hervor, wenn man auf Thürmen observirt, und es entstehen daraus neben den schwankenden noch konstante Fehler.

Auch Caroc hat in Hohenhorn etwas Aehnliches bemerkt, so wie ich selbst auf dem Brocken, in Lüneburg und Hamburg. Hier in Zeven wird es nicht besser gehen.

Olbers an Gauss. Bremen, 1824 September 5 uml September 14. 343

No. 5-29. oibors an Gauss. [28o

Bremen, 1824 September 5.

Herzlich bedauere ich, dass Ihre ^[essgeschäfte in Zeven so lang- sam vorrücken; hoffe indessen, dass die jetzt etwas nachlassende Hitze auch eine Bessei'ung Ihres Befindens bewirkt haben wird.

Mit Hirem lieben Schreiben vom 3. Sept., mein allertheuerster Freund, erhielt ich zugleich einen Brief von Schumacher vom 2. Sept., worin er anzeigt, Dr. Tiarks sei so eben in Altona angekommen, werde wenigstens bis zum 6. Sept. dort bleiben und so könne er, Schumacher, nicht vor dem 8. Sept. in Zeven eintreffen. Dann aber wolle er hin- kommen, wenn er wüsste, dass er Ihnen so spät noch gelegen käme. Da ich nun aus allen Umständen schliessen muss, dass Sie noch am 8. und 9. in Zeven sein werden, so habe ich auch meinen Besuch so lange aufgeschoben, und werde also, wenn Sie es erlauben, und ich bis zum 7. keine Gegenbefehle von Ihnen erhalte, am Mittwoch den 8. gegen Abend in Zeven sein.

Vor ein paar Tagen sagte mir Hr. Baumann, er habe noch gar kein Licht von Zeven erhalten und zweifle, ob das von ihm geschickte des Moordampfs wegen doithiu durchgedrungen sei.

Es ist bisher nichts für Sie eingelaufen. Erhalte ich noch etwas, so bringe ich es Ihnen am Mittwoch mit.

No. 530. Olbers an Gauss.') [28i

Bremen, 1824 September 14.

Noch den herzlichsten innigsten Dank für Ihre so gütige Auf- nahme unserer kleinen Gesellschaft in Zeven und für die frohen Stunden, die wir dort verlebt haben. Die kleine Eeise ist mir unge- mein gut bekommen. Schon um 3 Uhr Nachmittags war ich hier wieder in Bremen.

Einliegend ein Brief vom Kapt. Müller, der vorgestern hier an- kam. In dem Umschlage hat der Hr. Hauptmann die Güte, mir zu sagen, dass nach seinen Untersuchungen mittelst Benutzung von Rastede, Varel, Langwarden und Loxstedt ein sehr guter Uebergang auf die Krayen-

^) Zwischen Brief No. 529 und 530 liegt der Besuch, den Olbers zusammen mit ScHCMACHEK Und Eepsold in Zeven Gauss abgestattet hatte. Vergl. Briefwechsel Gauss-Bessel, Brief Gauss' vom 20. Nov. 1824, No. 146, S. 442. Krm.

344 Olbers an Gauss. Bremen, 1824 September 18.

Horr'schen Seiten Westerstede Jever und Jever "Wangeroog aus- führbar sei, Aufstellungen zu ebener Erde aber in diesen "waldigen flachen Gegenden nicht stattfinden könnten.

Ihre Entdeckungen auf der Garlster Haide der Sichtbarkeit von Bremerlehe und Varel werden diese Ansichten wohl etwas anders modificiren.

Vorgestern brachte mir der Medicinal-Rath Mühet aus Hannover einen Gruss von der Demoiselle Caroline Herschel. die jetzt be- schäftigt ist, die sämmtlichen nachgelassenen Beobb. ihres verewigten Bruders in Ordnung zu bringen. Sie sollten die alte Dame doch mal gelegentlich besuchen, lieber Gauss, wenn Sie sich doch mal einige Zeit in Hannover aufhalten müssen. Diese Ehre würde der guten Miss eine ungemeine Freude machen. Der junge Herschel kommt jetzt aus Italien zurück, wird sich mit dem Uebersetzer der Schriften seines Vaters, Pfaee, besprechen, und höchst wahrscheinlich unsere Gegenden besuchen.

Von Göttingen ist bisher nichts eingegangen; kommt noch diesen Nachmittag etwas für Sie an, so lege ich es bei.

No. 531 Olbers an Gauss. [282

Bremen, 1824 September 18.

Erst vor einer Stunde erhalte ich Ihre Zeilen vom 15.^) über Verden. Ich habe sogleich Hrn. Baumann davon benachrichtigen lassen; allein seiner Aussage nach hat er Ihnen schon gestern Licht geschickt, wie auch von Ihnen erhalten. Nach Zeven hat er Ihnen immer aus dem rechten Standpunkt das Heliotroplicht gesendet.

Einliegend ein Brief von meiner Niece, die mii- vuu Ihnen auf- getragene Erkundigung betreffend, den ich mir gelegentlich wieder er- bitte. Alles Uebrige werden Sie wohl am besten von dem Hrn. Kapt. Müller erfahren können.

Im neuesten Stück der Corr. Ast. von Zach ist ein breiter Auf- satz unter der Ueberschrift sur Ja Caleiidariographie. Er beruht fast ganz auf Ihrer Vorschrift, das Osterfest zu finden. Der Formel wird mit gerechtem Lobe und ihres berühmten Urhebers mit aller schuldigen Achtung gedacht. Um so mehr benutzt aber Zach diese Gelegenheit, dem Pariser Längenbureau wieder allerlei Unangenehmes über die Conn, d. T. zu sagfen.

^) Dieser Brief ist nicht vorhanden. Seh.

Olbera an Gauss. Bremen. 1824 September 22. 345

Der kleine Komet^) luit jetzt einen deutlichen, ziemlich glänzenden, doch verwaschenen Kern. Die Witterung ist hier seit mehreren Tagen des Abends zu seiner Beob. ungünstig.

Für Sie ist weiter nichts bei mir eingegangen.

No.532. Olbers an Gauss. [283

Bremen, 1824 September 22.

Leider hat das ungemein schlechte Wetter Ihre gütige Absicht, uns Licht nach des Sen. Pavenstedt Haus zu schicken, bisher ver- eitelt. Ich würde dies indessen leichter verschmerzen, wenn ich nicht wüsste, wie äusserst unangenehm Ihnen diese Hindernisse und dieser Aufenthalt bei so vorgerückter Jahreszeit sein muss.

Prof. DiRKSEN aus Berlin hat mich bei seiner Rückkunft von Norderney besucht. Auf meine Frage, ob die Stelle von Tkalles bei der Akademie noch nicht wieder besetzt würde, erwiderte er: Man sei in B[erlin] allgemein der Meinung, dass die Stelle entw^eder gar nicht,' oder nur durch Sie besetzt werden müsse. Der Minister Altenstein sei ganz entschieden dieser Meinung. Nur an Fonds zum Gehalt fehle es. Die Akademie habe keine. Da Hr. Hofr. Gauss keine Vorlesungen bei der Universität übernehmen, man ihm dieselben auch nicht aufbürden wolle, so könne die l'niversität auch nichts hergeben. Alles dem Minister Alten- stein Angewiesene sei auch auf bestimmte Ausgaben völlig angewiesen: bloss beim Medicinalfache fände sich einiger Ueberschuss, den der Minister aber auf eine anscheinend so heterogene Art zu vei'wenden Bedenken trüge. Altenstein habe sich also im vorigen Herbst an den König mit einer Vorstellung gewandt, Geld zu Ihrer Besoldung herzugeben. Der König habe geantwortet, er wünsche zwar sehr, Sie in Berlin auf die vorgeschlagene Art angestellt zu sehen, aber Geld könne er nicht bewilligen, der Minister müsse mit dem ihm für die Wissenschaften im Budget angewiesenen ausreichen. Dies soll die gewöhnliche x^ntw^ort des Königs auf alle solche Vorschläge sein und würde deswegen fernere Versuche, ihn zu einer anderen Resolution zu bewegen, nicht hoffnungs- los gelassen haben; aber unglücklicher Weise sei Altenstein damals in Ungnade bei dem Könige gekommen. Der König habe ihn nämlich in Verdacht gehabt, wo nicht selbst demagogische Gesinnungen zu haben, wenigstens den demagogischen Umtrieben nicht mit der Energie entgegen zu wirken, die der König für nothwendig hält. Es sei des-

^) Siehe Aumerk. 1 auf S. 339. Krm.

346 Gauss an Olbers. Lintoloh bei Verden, 1824 September 24.

wegen gleich darauf eine Art Untersuchung gegen Altenstein einge- leitet worden, während deren Dauer Altensteix für räthlich gehalten oder auch veranlasst worden wäre, seine ^Ministerial-Geschäfte anfäng- lich wegen angeblicher Krankheit, nachher wegen einer Reise, gänz- lich aufzugeben. Jetzt sei aber die Sache entschieden; Altenstein bleibe Minister seines Departements, und er werde höchst wahrschein- lich die Angelegenheit Ihrer Anstellung gleich wieder aufnehmen, und vom Könige entweder Geld oder die Erlaubniss, den Ueberschuss beim Medicinalfonds zu diesem Zweck anwenden zu dürfen, nachsuchen.

Belata reftro. Ich muss aber noch bemerken, dass mir Prof. Dirksen ausdrücklich aufgetragen hat, Ihnen dieses zu melden, damit Sie, wie er sagte, nicht etwa glauben möchten, der AVunsch. Sie in Berlin zu besitzen, werde dort nicht mit gehöriger AVärme gehegt und verfolgt.

Leben Sie wohl, mein allertheuerster Freund! Ich wünsche Ihnen und uns mit Ungeduld besseres Wetter.

Nach unseren Barometerbeobb., freilich noch in viel zu kleiner Zahl. liegt die Cuvette von Schumacher's Barometer in Altena 9,6 Toisen höher als bei meinem Barometer. Schumacher's Barometer hängt nach geodätischen Messungen 20,2 Toisen über dem Spiegel der Ostsee, nach barometrischen Vergleichungen 20,8 Toisen über der Nordsee.

No. 533. Gauss an Olbers.') [230

Linteloh bei Verden, 1824 September 24.

Mit herzlichem Danke schicke ich Ihnen den gütigen Brief Ihrer liebenswürdigen Nichte zurück, der ich gelegentlich zu sagen bitte, wie sehr ich ihr für ihre Güte verpflichtet bin. Ich werde in den nächsten Tagen an den General schreiben.

Gleichfalls danke ich Ihnen für die gefällige Mittheilung der Nach- richten des Hrn. Prof. Dirksen. Da danach noch einige Aussicht zur Eealisirung jener Projekte bleibt, so ist dies noch ein kleines Gewicht mehr, dass ich den Entschluss meines Sohnes-) billige; gewiss würde dann ev. sein Uebertritt in preussische Dienste sehr leicht sein.

Die vorgerückte Jahreszeit nöthigt mich, meinem Aufenthalt liier- selbst enge Grenzen zu setzen. Uebennorgen Nachmittag denke ich schon auf dem Litberg zu sein. Haben Sie doch die Güte, die Ein- lage sogleich an Hrn. Baumann zu schicken.

*) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm. ') Die Officiershxufbahn einzusolihxcren. Xrm.

Gauss au Olbers. Apeuseu bei Buxtthuile, 1824 September 27. 347

All iiiicli schreiben Sie also nicht mehr nach Verden. Sollten Sie etwas Dringendes mir bald mitzutheilen haben, so schicken Sie es poste restante nach Buxtehude. Da aber mein Aufenthalt auf dem Litberg hoffentlich nicht lange dauert, so bitte ich nachher Ihre Briefe zu adressiren

Barihof zwischen A\'elle und Soltau.

Erst jetzt habe ich erfahren, dass meine Frau in Ems und nach- lier noch viel gefährlicher krank gewesen ist, als ich gewusst habe. Sie hat späterhin Himly mit zugezogen, und nach den letzten Nach- richten geht es etwas besser.

Da ich diesen Brief durch einen Boten nach Verden schicken muss, dessen Eückkehr vor meiner Fahrt zum Steinberg ich erst noch erwarten muss, so muss ich eiligst scbliessen.

Etwas Licht ist gestern nach dem Hause des Hrn. Sen. Pavenstedt geschickt; es war aber bei uns wenig Sonne.

No. 534. Ganss an Olbers.^) [251

Apensen bei Buxtehude, 182-4 September 27.

Da Sie nach Ihrer freundschaftlichen Güte mich gern auf meiner Reise in Gedanken begleiten, so benutze ich die Gelegenheit, w^o ich doch einen Boten nach Tostedt schicke, ein paar Zeilen an Sie mit- zugeben.

Ich verliess vorgestern früh das gastfreundliche Haus des Pastors Goldbeck in Linteloh und reiste über den Bottel nach Rotenburg und Zeven. Auf dem Bottel hielt ich mich einige Stunden auf und machte einige, obwohl wegen der Tageszeit und Lichtbeschaffenheit nur schlechte Messungen. Das zuweilen, obgleich nur äusserst schwach, vom Ansgarius herüber kommende Licht bewies mir, dass mein letzter aus Linteloh an Sie geschriebener Brief richtig angekommen war.

Nachdem ich noch einmal in dem freundlichen Zeven übernachtet hatte, bin ich gestern hierher gefahren und habe gestern Nachmittag schon einmal den Litberg besucht, obwohl der Regen die Messungen grösstentheils vereitelte. Der Lieutenant Habtmann auf Wilsede, welcher das Zelt bemerkt hatte, schickte schon ohne Aufforderung Licht; von Elmhorst, Brüttendorf und Zeven ist aber nichts gekommen; vermuthlich war daselbst kein Sonnenschein.

Den Aufenthalt hier in Apensen, vor dem ich mich so sehr ge-

^) Der Brief ist in deutscher Schrift e:eschrieben. Krm.

348 Olbers an Gauss. Bremen, 1824 September 30.

fürchtet hatte, finde ich viel besser, als ich erwartete. Auch mit meinem Befinden j^elit es gut. Es scheint, dass die Landluft mir vor- züglich gut zuschlägt. Nur wird es schon gar zu kalt, und besonders meine beiden noch übrigen Standpunkte werden mir, wenn die Kälte so fortschreitet wie gestern, wenig behagen, da ich in meiner Equipi- rung zum Schutz gegen die Kälte fast gar nicht eingerichtet bin.

Mein Sohn beharrt bei seinem Entschluss; ein Brief an den G[eneral]-F[eld]-Z[eugmeister] v. der Decken geht mit diesem zugleich nach Tostedt.

Nach der Zeitungsnachricht, die mir vorgestern in Zeven in die Hände fiel, dass das Departement der Medicinal- Angelegenheiten von dem des Kultus in B[erlin] getrennt sei, bleibt mir nun wohl wenig Hoffnung, dass auf jenem Wege eine Abänderung meiner äusseren Lage erfolgen könne.

No. 535. Olbers an Gauss. [284

Bremen. 1824 September 30.

Auch Ihren letzten gütigen Brief von Apensen, den 27. Sept. habe ich richtig erhalten. Ich freue mich, dass Ihre Gesundheit sich so gut erhält, und jetzt das schöne Wetter das E.nde Ihrer diesjährigen C'am- pagne begünstigt.

Ganz vorzüglich habe ich mich aber in warmer Theilnahme über die guten Nachrichten von dem Befinden Ihrer liebenswürdigen Gattin gefreut. Auch Harding schreibt mir: ..Mit der Gesundheit der Frau Hofi'äthin Gauss scheint es sich merklich zu bessern. Sie geht schon wieder ohne Unterstützung munter und rasch in die Stadt, auch ihre Stimme ist wieder laut und stark."

Einliegenden Brief habe ich für Sie erhalten.

Reicheneach in München ist am 12. Sept. 3 mal von einem schlag- artigen Zufall befallen; da aber bis zum 15. kein Anfall wieder ein- trat, so hoffe man die Erhaltung des treffli<"hen Künstlers.

Oltmanns ist ordentlicher Professor der Angewandten ^lathematik in Berlin geworden.

Zu dem nun fest gewordenen Entschlüsse Ihres lli-n. Sohnes bitte ich demselben auch meinen herzlichsten Glückwunsch abzustatten.

Am 23. Sept. war kein Liclit aus Dr. Pave]?jstedt's Haus zu sehen, auch lag die Gegend des Steinbergs im Schatten. Am 24. wurden Sie niclit um Licht gebeten, weil Büigerkonvent war und die Personen,

ülbers au Gauss. Bremeu, 18'J4 Oktober IS. 349

die das Heliotroplicht gern sehen wollten, nicht vuni Kathhause weg- kunimen konnten. Wir hofYten auf den 25., wo Sie aber schon nach dein am Morgen des 25. eingegangenen Briefe abgereist waren.

No. 536. Olbers an Gauss. [285

Bremen, 1824 Oktober 18.

Es ist so lange [her], dass ich nichts von Ihnen gehört habe, und (lies macht es mir höchst ungewiss, ob dieser Brief Sie noch bei Ihrem .Messungs- Geschäft treffen wird. Vielleicht wissen Sie indessen das, was ich Ihnen niitzutheilen habe, schon besser, vollständiger und um- ständlicher als ich, und so kann ich mich bei der Unsicherheit, ob diese Zeilen in Ihre Hände kommen werden, mit einigen AVinken be- gnügen. Der Herr,^) dessen mündliche Aeusserungen bei seiner Durch- i-eise hier in Bremen ich Ihnen neulich vorlegte, meldet mir in einem vertraulichen Briefe vom 12. Okt., dass die Schwierigkeiten in der he- Hussten Angelegenheit jetzt gehohen luären, und sich ein ziveclanässiger Fonds gefunden hale, auch nunmehr unverzüglich das Officielle abgehen werde. Ich freue mich unendlich über die erwünschte Wendung, die diese Sache jetzt zu nehmen scheint. So bald ich gewiss weiss, wo Sie sicher anzutreffen sind, schicke ich Ihnen den Brief unseres Freundes selbst, der auch ganz erfreut mich inständig bittet, meinen etwaigen Kinfluss anzuwenden, damit der Antrag nicht abgelehnt werde.

Encke findet die Bahn des noch immer sichtbaren kleinen Ko- meten^) hyperbolisch. Cacciatoee in Palermo soll entdeckt haben, dass mehrere kleine, ganz isolirt stehende Sterne einen kleinen Kreis lieriodisch beschreiben. Den jüngeren Herschel treffen Sie vielleicht auch in Hannover. Nach Altona und Bremen wird er nicht kommen, sondern über Holland zurückreisen.

Erfreuen Sie [mich] bald, theuerster Gauss, mit einigen Zeilen und der Nachricht von Ihrem Wohlsein und der glücklichen Beendigung Ihrer diesjährigen Campagne.

') Gemeint ist hiermit Dikksen, über dessen Besuch Olbers im Brief No. 532 berichtete. Den hier erwähnten Brief v. Okt. 12 hat Olbers nachher am 3. Nov. an Gauss geschickt. Er ist im Anhang zu diesem Bande abgedruckt. Krm.

'^) Komet 1824 II. Die letzte Bahn Encke's ist jedoch eine Parabel. Siehe auch Brief No. 542. Krm.

350 Glaiiäs an Olbers. Bari, 1824 Oktober 20.

No. 537. Gauss an Olbers. [252

Bari. 1824 Oktober 20.

Meinen allerherzlichsten Dank für die beiden lieben Briefe vom 30. Sept. und 18. Okt., die ich hier von Ihnen erhalten habe. Die im ersteren erhaltene Nachricht von der fortschreitenden Besserung meiner Frau war mir um so willkommener, da ich selbst damals seit dem lö. Sept. keine direkte Nachricht hatte; ein späterer Brief von meiner Frau selbst bestätigt Gottlob jene. Ebenso herzlich danke ich für die gütige Mittheilung der Nachricht aus Berlin, die mir noch ganz neu ist. Sollte ich auch noch hier oder auf der Rückreise in Hannover schon eine officielle Kommunikation erhalten, so werde ich doch wohl schwerlich vor meiner Zurückkunft nach Göttingen zu einem Ent- schluss kommen können, da dabei auch der zu erwartende Einfluss. welchen die Veränderung des Wohnorts auf die Krankheit meiner Frau haben möchte, so sehr mit berücksichtigt werden muss.

Mein Sohn soll schon vom 1. Nov. an als Kadett eintreten.

Mit meinen Messungen auf dem Litberge ist es noch ziemlich gut, dagegen mit den hiesigen ganz verwünscht schlecht gegangen. Seit meiner Ankunft (Okt. 4 Nachmittags, zu spät, um an dem Tage noch den Berg besuchen zu können) habe ich eigentlich nur 2 gute Tage gehabt (15. u. 16. Okt.), in den ersten 10 Tagen wurde fast gar nichts ausgerichtet. Dazu kommt, dass aus einem Missverständniss der Lieute- nant Hartmann den Steinberg schon früher verlassen hat, als er sollte, da jener noch gar nicht zu meiner Zufriedenheit eingeschnitten ist. Was geschehen ist bisher, ist die Messung der Z.-D. von Litberg. Zeven, Brüttendorf, Bottel, Steinberg, Elmhorst und die Verbindung der Rich- tungen nach Elmhorst, Zeven und Litberg unter sich, womit ich zu- frieden bin; noch nicht ganz so gut ist Brüttendorf mit diesen Rich- tungen verbunden, noch weniger gut der Steinberg und Hamburg: end- lich Falkenberg und Bullerberg sind noch gar nicht verbunden. Doch könnte ich dies alles in 3 guten Tagen (wie der 15. und 16. war) ab- thun, und freilich wäre es mir um so wichtiger, diese Messungen jetzt noch zu vollenden, da ohne sie eigentlich noch gar kein ordentlicher Zusammenhang der diesjährigen und früheren ^Messungen statttindet.*) und es jetzt nach den obigen Umständen so sehr leicht möglich ist, dass dies überhaupt meine letzten Messungen sind. Sie können denken.

*) Deun es zeigen sich allerdings mehrere Diskordanzen grösser, als ich er- wartet hatte, nnd worüber gerade die noch fehlenden Messungen Licht verbreiten luüssten.

Gauss an Ulbers. Bari, 1824 Oktober 20. 351

ilab.> diese Betniclit linken vuii der einen Seite, und vun der anderen die vielen l'mstände, die mich nöthigen. meinen Messungen jetzt ein baldiges Ende zu machen, mich in die peinlichste Verlegenheit setzen. Zu letzteren gehüien die, so wie die Jahreszeit fortrückt, immer ge- ringer werdende Hoffnung auf gutes Wetter; dann die persönlichen Verhältnisse aller meiner Gehülfen; die Eauhigkeit des Wetters, die das Rivouaiiuiren auf dem "W'ilseder Berge für meine Artilleristen bald unmöglich machen wird; endlich auch die Besorgniss, dass ich selbst vielleicht nicht lange mehr Stand halten kann. Ich habe bisher allen Beschwerden Trotz geboten, bin täglich (gewöhnlich mitten im Regen auf offenem Wagen, oft unter heftigem Schlössen wetter) hinaufgefahren und habe jeden Augenblick zu nützen gesucht; obgleich öfter bis auf die Haut dabei durchnässt, habe ich mich doch im Ganzen wohl be- funden und befinde mich auch jetzt, trotz jener Fatiguen und so mancher Entbehrungen, denen ich hier in meinem Quartier unterworfen gewesen bin, im Wesentlichen so wohl, wie ich mich seit mehreren Jahren nicht befunden habe. Dennoch droht ein an sich höchst unbedeutendes Uebel, dem gewiss durch Schonung und zweckmässige Mittel leicht abgeholfen werden könnte, meine Arbeit bald ganz abzubrechen. Ein scharfer Zahn hat meine Zunge wund gemacht, ich habe diese schon seit meh- reren Tagen stattgefundene Unbequemlichkeit nicht geachtet; allein seit gestern hat es sich sehr verschlimmert; es scheint, dass der be- ständige Reiz die Speicheldrüsen zu einer ungewöhnlich starken Se- kretion des Speichels disponirt, und bei dem dadurch bewirkten ganz ungewöhnlich häufigen Herunterschlucken wird die Zunge immer wieder mehr verwundet. Sie scheint jetzt entzündet zu sein, und ich habe die vorige Nacht ganz ohne Schlaf zugebracht. Indessen da ich schon früher in Linteloh einmal eine ähnliche Beschwerde hatte, obgleich in viel geringerem Grade, und dies sich nachher von selbst w^ieder verlor, so werde ich wenigstens heute noch nicht darum aussetzen. Das bis gestern Abend beständig gestiegene Barometer hat mich bisher recht gefoppt; diese Nacht ist es nun 1' gefallen, und nun tröste ich mich damit, dass, da beim Steigen schlecht Wetter stattgefunden hat, billiger Weise beim Fallen wohl gutes stattfinden könne.

Wie es nun aber auch gehe, so werde ich in dem Konflikt der pro's und contra's doch schwerlich länger als bis zum 25. exkl. hier sein; also am 25. meine Rückreise antreten und am 26. schon in Han- nover sein. Bei recht glücklichen Umständen, w^ozu es aber heute Morgen (10'') noch w'enig Anschein hat, da es stark regnet, könnte es auch wohl noch einen Tag früher geschehen, später aber schwerlich. Einen oder anderthalb Tage muss ich doch w^ohl in Hannover sein; Sie werden also nach dem Empfang dieses Briefes (der erst über Har-

352 Gauss an Olbers. Göttingen, 1824 Oktober 31.

bürg läuft) selbst beurtheilen können, ob ein von Ihnen p. r.*) nach Hannover geschickter Brief mich dort treffen wird.

Doch ich muss eilig schliessen. Ich höre schon das Rasseln der Diligence, die hier nur 5 Minuten anhält, und deren Schirrmeister den Brief zur nächsten Station A\'elle mitnehmen muss.

No. 538. Gauss an Olbers. [253

Göttingen, 1824 Oktober 31.

Seit vorgestern bin ich, nach fast halbjähriger Abwesenheit, hierher zurückgekommen. Dass die mir früher von Ihnen gütigst mitgetheilte Nachricht des Hrn. Prof. Hakding über den Gesundheitszustand meiner Frau noch ziemlich weit von der Wahrheit entfernt war, darauf war ich schon vorher durch einen Brief meiner Tochter vorbereitet. Indessen habe ich sie doch viel besser wiedergefunden, als ich sie im Frühjahr verliess.

Den Wilseder Platz habe ich leider verlassen müssen, ohne vorher meine dortigen Arbeiten zu meiner Zufriedenheit beendigen zu können. Allein ich war gezwungen, einen Schlusstermin festzusetzen.

Hr. Klüver hat den Heliotrop weder in Soltau noch bei dem Lieutenant Hartmann abgeliefert. Ich vermuthe also, dass er ihn mit nach Bremen genommen hat und eine schickliche Gelegenheit, ihn un- beschädigt hierher zu schaffen, abwarten will.

Dem verehrten Bremischen Senat werde ich demnächst über das, was in diesem Jahre geschehen ist, Bericht abstatten, oder eine Kopie des nach Hannover zu schickenden Berichts vorlegen. Man wird ja wohl einige Nachsicht haben, wenn dies nicht gleich geschehen kann.

Von Berlin habe ich hier noch nichts vorgefunden. Auch von Ihnen habe ich in Hannover vergeblich nach Briefen gefi*agt. Da die von mir von Barl nach Göttingen geschickten Briefe hier ö Tage später angekommen sind, als sie nach meiner Rechnung gesollt hätten, so wird dasselbe auch wonl mit meinem letzten von Barl an Sie geschickten Briefe der Fall gewesen sein. Uebrigens wird mein Sohn in Hannover (wohin er heute Abend zurückgeht) noch einmal nachfragen und. wenn

*) Ich bitte aber, dies mit vollen ^Vorti'n poste restante auszudrücken: Ihr mit der Abbreviatur p. r. nach Verden geschickter Brief hätte mich, weil man es über- sehen und den Brief dem Briefträger übergeben hatte, beinahe verfehlt, da mein zu- erst von Linteloh hereingeschickter Bote den Briefträger nicht hatte ausfindig machen können.

Olbers an Gauss. Breineu, 1824 November 3. 353

nach meiner Abreise (Donnerstag: Mittag) noch ein Brief von Ihnen einjjelanfen sein sollte, mir solchen zuschicken.

Mrn. V. Abnswaldt, welcher nnpasslich war, habe ich in Hannover nicht gesehen. Hoppenstedt schien mir wenigstens nicht schlimmer auszusehen als im vorigen Frühjahr.

Hier habe ich einen Stoss von Briefen, die während eines halben Jahres hier liegen geblieben sind, vorgefunden nnd werde erst viele Zeit nüthig haben, bis ich damit aufiäumen kann, ^^'ollte ich das Verlangen von jedem, der eine Druckschrift und dergl. mit der Bitte eingeschickt liat, mein Urtlieil darüber zu geben, erfüllen, so hätte ich damit allein den halben \\ inter zu thun.

No. 589. Olbers an Gauss. [2S6

Bremen, 1824 November 3.

Zu Hirer glücklichen Kückkunft nach Göttingen gratulire ich von ganzem Herzen und freue mich, dass Sie Ihre hochverehrte Frau Ge- mahlin wenigstens viel besser gefunden haben, als wie Sie dieselbe in diesem Frühjahr verliessen. Möge die theure Kranke recht bald wieder zur völligen Gesundheit hergestellt werden!

Ihr lieber Brief von Bari kam allerdings so spät in meine Hände, dass ich nicht mehr nach Hannover mit Sicherheit schreiben konnte. Da ich nun überdies nichts Eiliges zu melden hatte, so habe ich Hire Rückkehr nach Göttingen abwarten -wollen.

Einliegend theile ich den Brief des Prof. Dirksen im OriginaD) mit. Vielleicht machen die Förmlichkeiten einigen Aufenthalt in der Sache; denn ich kann doch nicht glauben, dass sich neuerdings An- stände oder Schwierigkeiten gefunden haben sollten.

Klüver sagte mir, dass er mit seinem Heliotrop aller angewandten Kile unerachtet doch zu spät gekommen sei, um ihn dem Hrn. Lieut. Hartmann abliefern zu können. Hartmann sei schon um 4 Uhr morgens abgereist gewesen, wie er um 8 Uhr angekommen. Er wird sich Ihre Befehle erbitten, wie Ihnen das Instrument zugeschickt werden soll.

Mit dem Bericht, den Sie unserem Hohen Senat (dies ist der Titel, den ihm die Etiquette beilegt) vorlegen wollen, hat es gar keine Eile.

Sehr neugierig bin ich, wenn Sie erst Ihre Rechnungen sow^eit geführt haben, die genaue relative Lage meines Beobachtungszimmers gegen den Ansgarius-Thurm und die Höhe desselben, wenn gleich nicht

') Im Anhang- zu diesem Bande abgedruckt. Krm.

Olbers. 11, 2. 23

354 Gauss an Olbers. Göttingen, 1824 November 12.

Über dem Spiegel der Nord- und Ostsee, doch relativ gegen den Michaelis- thurm in Hamburg, zu erfahren. Unsere Barometerbeobb.. die ich mit Schumacher gleichzeitig anstelle, geben so disparate Resultate, dass sich noch kaum mit der Gewissheit einer halben Toise aus 55 derselben ausmachen lässt, dass Schumacher's Barometer in Altona zwischen 6 und 7 Toisen höher hänge als das meinige.

Die wenigen Kometenbeobb., die ich im Okt. habe anstellen können, bestätigen die ENCKE'sche Hyperbel nicht. Ich kann nicht recht be- greifen, woher es kommt, dass ich konstant alle AI des Kometen etwas kleiner finde, als die übrigen Beobachter, Schumachee hat sich jetzt durch Repsold eine Vorrichtung in dem Felde des Fernrohrs seines Meridiankreises anbringen lassen, wodurch er den Kometen ohne Er- leuchtung im Meridian beobachten kann.

Die Unruhen wegen unseres nun, dem Himmel sei Dank, geendigten sogenannten Freimarkts dauern noch fort und haben mich ganz aus meinem gewöhnlichen Gleise gebracht. Die vielen Feten und Schmau- sereien, denen ich beiwohnen musste, sind sehr durch die Anwesenheit des geistreichen Königlich Württembergischen Staatsministers v. Wangen- heim vervielfältigt worden.

No. 540. Gauss an Olbers. [25i

Göttingen, 1824 November 12.

Herzlichen Dank für Hiren lieben Brief und für die gefällige Kommunikation des von Hrn. Dirksen.

Vertraulich muss ich Ihnen melden, dass gleich nach meiner Rück- kunft nach Göttingen ich von Hoppenstedt ein Schreiben erhielt mit dem Anerbieten einer bedeutenden Zulage, wenn ich die B[erliner] An- träge abweisen wolle. Es hat mich einigen Kampf gekostet. Gewissheit einer ansehnlichen aber nicht gründlichen Besserung meiner Lage gegen Wahrscheinlichkeit einer gründlichen abzuwägen auch von unserem B[essel]^) in K[önigsberg] hatte ich ähnliche Nachrichten erhalten, nach welchen ich Officielles als sehr nahe bevorstehend betrachten musste , Indessen konnte doch mein Entschluss nicht anders aus- fallen, als: Lieber meine bisherige Lage noch zu ertragen selbst auf die Gefahr, dass die jetzige naliescheinende Aussicht wieder in Rauch aufgehe, als durch Annahme jenes Anerbietens mir die Hoffnung, meine Lage gründlich gebessert zu sehen, auf immer zu verderben. Ich habe

") Brief No. 145 v. 23. Okt. 1824 im Briefwechsel Gacss-Bessel, siehe auch deu früheren Brief von Bessel No. 144 und von Gauss No. 146. Krm.

Gauss an Olbers. Göttingen, 1824 November 12. 355

daher das Anerbieten alxjeh'lint. ]\h'ine Antwort war eben abgegangen, als ich Jliren Brief erhielt. Ich glaube aber, dass ich nacli Einsicht des DiRKSEN'schen Briefes nicht anders geantwortet haben könnte. Wie der Erfolg auch ausfalle, so muss mich die Ueberzeugung beruhigen, nach meiner besten Einsicht gehandelt zu haben. Ich muss noch be- merken, dass ich in meiner Antwort an H[oppenstedt] nicht verschwiegen habe, dass ein ofticieller Antrag mir noch gar nicht gemacht sei.

Seit Dikksen's Brief ist nun ein Monat verflossen und noch nichts von B[erlin] erfolgt. An sich ist dies wohl nicht befremdend. Indessen beunruhigt mich etwas der Gedanke, die vielzüngige Fama könne etwas Halbwahres nach B[erlinJ hin transpiriren lassen, zumal da Hoppenstedt's Brief nicht eigenhändig war. Eine entstellte Nachricht von Unter- handlungen, die von H[annover] aus mit mir gepflogen wurden, mich in G[öttingen] festzuhalten, könnte aber vielleicht das Preussische Mi- nisterium abschrecken.

Ich möchte daher Sie, mein theuerster Freund, falls Sie selbst es angemessen fänden, bitten, Hrn. Dikksen von Obigem einen vertraulichen "Wink zu geben, wovon er nöVnyen Falls einen zweckmässigen Gebrauch machen, und wenn der oben erwähnte Fall eintreten sollte, an gehörigem Orte sagen könne, er wisse aus guter Quelle, dass mir zwar solche Anträge gemacht wären, ich sie aber abgelehnt hätte. Mein Gefühl ist dagegen, selbst an Hrn. Dikksen zu schreiben, weil es so aussehen könnte, als wünschte ich die Anträge zu acceleriren. Doch wie gesagt, theuerster Olbers, überlasse ich alles Ihrer besseren Einsicht und Ihrem unbefangeneren ürtheil.

Ich habe diesen Winter wieder ein Privatissimum zu lesen. Eine vorläufige Diskussion meiner diesjährigen Messungen zeigt, dass noch viel zu wünschen übrig bleibt. Unter 15 Hauptdreiecken sind 3, wo die Summe der 3 Winkel über 2" fehlerhaft ist, nämlich:

1) Wilsede, Zeven, Steinberg 2",340

2) Wilsede, Elmhorst, Litberg 3",161

3) Zeven, Bremen, Brillit 4",389

Auch unter den Dreiecken, die ich als Nebendreiecke ansehe, sind 2 in ähnlichem Fall

4) Brüttendorf, Zeven, Bremen + 3",309

5) Bottel, Steinberg, Bremen 3",643

Bei No. 4 ist aber die Kichtung von Brüttendorf nach Zeven, und bei No. 5 die von Bottel nach Steinberg nur ganz unbefriedigend ge- messen. Indessen bei No. 5 kommt in Betracht, dass das Dreieck

6) AVilsede, Bottel, Steinberg den Fehler . . 1",066

giebt, und jede Aenderung der Richtung von Bottel Steinberg entgegeu-

23*

356 Olbers an Gauss. Bremen, 1824 November 20.

gesetzte Wirkung auf die Dreiecke 5 und ü hat, so dass bei einem nothwendig der Fehler über 2" bleiben muss. Am autfallendsten ist das Dreieck 3, und obgleich die Natur des Theodolithen eine Tendenz mit sich führt, die Winkel zu Idein zu messen, so scheint der Fehler doch viel zu gross, um nicht eine andere Ursache für wahrscheinlich zu halten. Eine Aufklärung scheint daher auch für die physische höhere Geodäsie sehr wichtig, und das ganze Dreieck verdiente daher wohl auf das Sorgfältigste nachgemessen zu werden. Falls ich überhaupt die Messungen fortsetze, muss ich doch ohnehin Bremen und Brillit noch einmal besuchen, und so wäre es also wohl der Mühe werth, auch den Winkel in Zeven, so wie für 4) den in Brüttendorf, noch einmal sorg- fältigst nachzumessen. Auch mit den Winkeln in Wilsede war ich noch nicht zufrieden und beklagte es innig, nicht noch über 2 gute Tage zu disponiren gehabt zu haben. Schwerlich würde jedoch ein längeres Verweilen etwas gefruchtet haben, da gar keine recht guten Nach- mittage nachher eingetreten sind.

Wenn es Sie nicht belästigt, könnten Sie den von Hrn. Klüver gebrauchten Heliotrop, insofern sich nicht eine gute Gelegenheit zur Uebersendung findet, bei sich stehen lassen. Da er immer getragen ist. so ist er noch im Stande und bedarf keiner neuen Beriehtisung.

No. 541. 01l)ers an Gauss. [28?

Bremen, 1824 November 20.

Es wundert mich allerdings, dass noch nichts Officielles von Berlin eingegangen ist; doch mag die unerwartete Heirath des Königs wohl einigen Stillstand in Geschäften veranlasst haben. Auch mir hat Bessel^ i eben das gemeldet, was in Dirksen's Briefe enthalten ist. und setzt noch hinzu: „Ich zweifle nicht, dass sich Gauss in Berlin gefallen werde."-) An Prof. Dirksen habe ich sogleich nach Ihrer Instruktion geschrieben, da ich dies allerdings für rathsam hielt. Ich weiss indessen nicht, ob Prof. Dirksen Gelegenheit hat, mit den hier entscheidenden Behörden oft in Berührung zu kommen. Sollte noch nichts ange- kommen sein, und Sie es nicht schon gethan haben, so möchte ich anheim geben, ob Sie nicht unseren Freund Lindenau mit der gegen- wärtigen Lage dieser Angelegenheit vertraulich bekannt nmehen wollen.

^) Brief No. ;M1 vom 27. Okt. im Briefwechsel Olbers-Bessei.. Krm *) Bessel schreibt a. a. 0.: „Ich lioffo und i^laulie. dass Gaiss sich in Berlin ffut eefallen wird." Xrm.

Olbers an Gauss. Uremeu, 1824 November 20. 3ö7

KlCvek habe ich nach Emi»fang: Ihres letzten Briefes noch niclit wieder (gesehen. Vorlier ^^laubte er, eine gute Gelegenheit ausmitteln zu können. Ihnen den Heliotrop sicher zuzusenden; ich rieth ihm indessen selbst, so lautre damit zu warten, bis von Tlineu bestimmte Befehle an- gekommen wären. So bald ich ihn wieder spreche er wollte mir für Sie die neu zu messenden Koordinaten der verschiedenen Observations- Punkte auf dem Ansgarius-Thurm bringen werde ich näher mit ihm überlegen, ob er Ihnen den Heliotrop so zuschicken kann, dass das Instrument wahrscheinlich nicht dadurch leidet oder merklich verstellt wird, sonst aber es gern in Gewahrsam nehmen. Ersteres scheint mir aber deswegen besser, weil ich nun sehr zweifle, ob Sie, mein theuerster Freund, selbst noch diese Messungen fortsetzen und vollenden Averden. und demnach den ganzen Apparat vollständig wieder in Göttingen wissen möchte.

Die bei Ihren Messungen ungewohnten Differenzen in den Drei- ecken verdienten allerdings noch eine wiederholte Untersuchung, und es bleibt mir noch immer sehr wahrscheinlich, dass in dem Dreieck zwischen Zeven. Bremen und Brillit etwas von einer Lateral-Refraktion eingewirkt habe. Allein ein längerer Aufenthalt zu Wilsede hätte gewiss nichts gefruchtet, da die Witterung beständig trübe, regnerisch und stürmisch geblieben ist. Seit dem 27. Okt. habe ich den Kometen nur ein einziges Mal, am 15. Nov., beobachten können. Encke hat seine Hyperbel für diesen Kometen wenigstens insofern aufgegeben, als auch er sich durch die Okt.-Beobb. überzeugt hat, dass die Bahn von einer Parabel bei weitem unmerklicher verschieden ist.

Der häufige liegen hat unsere Weser stark angeschwellt, aber noch mehr der anhaltende Weststurm ungewöhnlich hohe Fluthen erregt. Dabei hatte sich denn hier ganz allgemein die Sage verbreitet, der Mond sei unserer Erde in der Mitte des Nov. näher wie je gekommen, werde sich ihr aber am 15. Dec. noch weit mehr nähern und dann ganz zerstörende Wirkungen hervorbringen. Kennen Sie irgend eine Ver- anlassung dieses abgeschmackten Gerüchts?

Bessel wird Ihnen wohl selbst von seinem Projekt geschrieben haben, Himmels-Karten ^) zu veranlassen, die alle Sterne, welche man noch in einer heiteren Nacht mit einem FRAUNHOFER'schen Kometen- sucher sehen kann, enthalten sollen. Die Möglichkeit, dies stupende Unternehmen in Karten von gleicher Dimension mit den HAEDiNö'schen auszuführen, hat er mir durch ein kleines, mir zugeschicktes sehr sauberes Kärtchen gezeigt, dass die sämmtlichen Sterne auf den 49 Quadrat-

^) Brief No. 311 im Briefwechsel Olbers-Bessel iiud No. 145 im Briefweclisel Gadss-Bessel. Krm.

358 Olbers an Gauss. Bremen, 1824 December 6.

Graden zunächst um a Äquilae enthält. Die Figur der Sterne ist so geschickt gewählt, dass man nicht nur ihre verschiedenen Grössen, sondern auch gleich unterscheiden kann, ob ein Stern wirklich beob- achtet, oder bloss nach dem Augenmaass eingetragen ist. Ein solcher Himmels-Atlas würde allerdings alle möglichen Wünsche völlig be- friedigen, jede Veränderung unter den Fixsternen, und alle noch etwa vorhandenen unbekannten Planeten bald entdecken lassen ; ich bin aber gewiss, dass ich die Vollendung dieses Unternehmens nicht mehr erleben werde. Ausgeführt wird es künftig über kurz oder lang gewiss, da einmal die Möglichkeit gezeigt ist.

Ungeduldig wünsche ich von Ihnen bald entscheidende Nachrichten zu hören.

No. 542. Olbers an Gauss. [288

Bremen, 1824 December 0.

Um die Einlage, die mir Hr. Kllver schon vor mehreren Tagen gebracht hat, nicht länger aufzuhalten, muss ich Sie mit diesen Zeilen wieder belästigen, ob ich gleich sonst eigentlich nichts zu schreiben und zu melden habe.

Von Prof. DiRKSEN ist noch keine Antwort auf meinen Brief erfolgt. Wahrscheinlich w^ird er auch gar nicht antworten, wenn sich weiter keine Aenderung in der Konstellation zu Berlin ereignet hat, als dass die noch immer beabsichtigte Vokation bisher nicht ausgefertigt ist. Ich wünschte indessen, dass er die muthmaasslichen Ursachen dieser unerwarteten Zögerung angeben möchte.

Den Kometen habe ich seit dem 15. Nov. noch nicht wieder beob- achtet; theils der Witterung und des Mondscheins wegen, theils aber auch, weil er jetzt in einer gegen meine Wohnung sehr ungünstigen Lage steht. Ob ich nun nach dem Mondschein den Kometen noch wieder werde beobachten können, bleibt mir sehr zweifelhaft.

Von dem Hrn. Geheimrath Pastokff bin ich mit einem Briefe beehrt, worin er mir meldet, dass er bei Aufräumung seiner Papiere eine Zeichnung von seiner am 26. Juni 1819 um 8'' 26'" Morgens an- gestellten Beob. der Sonne mit ihren Flecken gefunden habe, die er mir sammt einer ähnlichen Zeichnung, die die Sonne für den folgenden Tag, den 27. Juni vorstellt, einschickt. Am 26. will er den damals vor der Sonne stehenden Kometen^) 6' 10" vom nördlichen Sonnenrande in Gestalt eines sehr unbegrenzten schwachen Nebels mit Jiellon runden

^) Komet 1819 II. Verg-l. hierzu auch Olhers Bd. I. No. 6<> bis 70. Bd. II. 1, S. 742 74:5: I^riefwcchsel Olbers-Bessel iid. II. S. 123. Krui.

Gauss an Olbers. Göttingen, 1824 Deoeraber 13. 359

Kern gesehen . haben. Wie der Kern des Kumeten Jiell, und heller als der ihn umgebende Dunstkreis ersclieinen könne, ist schwer zu begreifen. Denn wenn man auch, mir unwahrscheinlich, annehmen wollte, dass der Kometenkern eigenes Licht habe, so ist dieses eigene Licht doch auf alle Fälle gegen .Sunnenlicht als dunkel anzunehmen, und kann schlechter- dings nicht durch das Dämpfglas dringen. Auch kann ich mir nicht denken, dass der Komet mit seiner Atmosphäre, gleichsam als ein Ob- jektiv, ein Sonnenbild in einer Art von Fokus darstelle, um so weniger, als ich mich bisher überzeugt gehalten habe, dass die Kometen-Atmo- sphäre gar keine merkliche ßefraktionskraft auf Lichtstrahlen äussere. Ueberhaui)t ist es sonderbar, dass sich die Astronomen, deren Beobb. über die Sonnenfläche am 26. Juni mir bekannt geworden sind, sich so sehr widersprechen. Ich habe jetzt 3 Zeichnungen der Sonnenscheibe am 20. Juni 1819, und ausserdem noch 4 Beschreibungen derselben ohne Zeichnungen vor mir, die sich alle in Ansehung der Zahl und der Lage der auf derselben damals befindlichen Flecken durchaus widersprechen. Von den Zeichnungen ist die eine von dem famiisen Kanonikus Starke in Augsburg (der auch den Kometen vor der Sonne, doch als dunkeln Fleck, gesehen haben wäll), die zweite von Prof. Heineich in Regens- burg, doch nicht in der Durchgangszeit des Kometen aufgenommen, und nun die dritte von Pastoefp. ich gestehe, dass ich die von dem ehr- lichen Prof. Heinrich, der mir die Abschrift seines Tagebuches vom 15. Juni bis 3. Juli mit 6 Zeichnungen mitgetheilt hat, für die zuver- lässigste halte. Nie hätte ich geglaubt, dass es so schwierig sei, über eine so einfache Thatsache ins Reine zu kommen.

No. 543. Gauss an Olbers. [255

Göttingen, 1824 December 13.

Meinen herzlichsten Dank für Ihre beiden Briefe vom 20. Nov. und 6. Dec; den letzteren habe ich erst heute erhalten.

An unseren Freund L[indenatt] wegen der bewussten Angelegenheit zu schreiben, habe ich mich nicht entschliessen können. Es widerstritt meinem Gefühl, in der Sache mich anders als passiv zu verhalten, auch hätte ich ihm den ganzen Stand derselben nicht eröffnen dürfen. Dem- ungeachtet sind nun vor wenigen Tagen durch eben diesen Freund bestimmte Anträge an mich gelangt, die er von dem dazu autorisirten G[eneral] v. M[t;rrLiNG] ^) erhalten hatte, und es wird also von mir

^) Siehe Briefwechsel A. v. Hümboldt-Gauss, Brief No. 14, 1824 Nov. 28, Müff- LiNG au LiNDENAu uüd No. 15, 1824 Dec. 4, Lindenau an Gauss. Der erste Brief ist im Anhang- zu diesem Bande wieder abgedruckt. Krra.

350 Gauss au Olbers. Göttingen, 1824 December 13.

abhängen, solche sofort in officielle zu verwandeln. Inzwischen hatte schon vorher, bald nach Abgang meines letzten Briefes an Sie, die Karte noch eine zweite Seite bekommen; was ich selbst davon weiss. darf ich. Ihnen, theuerster Freund, jetzt noch nicht sagen; ich daif aber jetzt jeden Tag erwarten, sie ganz aufgedeckt zu sehen. Behalten Sie einstweilen den Heliotrop noch dort, wenn sich nicht eine sehr gute Gelegenheit zur üebersendung findet, aber sehen Sie selbst diesen Wink, von dem ich nach der mir aufgelegten Verpflichtung kaum weiss, ob ich ihn geben durfte, als bloss Ihnen im engsten Vertrauen gegeben an.

Die Nachrichten, die Sie mir über die Abbildung der Sonne 181i» geben, waren mir insofern interessant, als sie ein neuer Beweis sind, wie wenig man sich auf die Nachrichten solcher Dilettanten verlassen kann, deren Verstand und Phantasie kein strenges mathematisches Studium gebildet und gezügelt hat.

Bei Pastorff, der mich früher viel mit seiner Photosphäre ge- plagt hat, fällt mir das Äfstr.] JfalirJ-Bfudi] für 1827 ein, worin ich mit grossem Befremden gesehen habe, dass Ritz seine Erklärung wegen der Erinnerung von Ktjnowsky zurückgenommen hat. Ich halte bis diese Stunde die Erklärung von Ritz für die richtige (im Wesent- lichen), und es schien mir bisher, als ob Hr. Kuxowsky. über dessen höchst seichte Einwendungen ich einiges in der hiesigen Recension^' erinnert habe, den eigentlichen Geist dieser Erklärung gar nicht ver- standen habe. Pastoeff beharrte in seinem letzten Briefe an mich noch immer auf der Realität des Phänomens, obgleich er das ihm vor- geschlagene Experiment, einen Sektor des Objektives zu bedecken, an- gestellt und den Erfolg, so wie zu erwarten war, beobachtet hatte.

Ich habe in den letzten Tagen meine Messungen die verschiedenen Plätze in Bremen betreffend wieder voi'genommen und erst jetzt zu meinem Missvergnügen bemerkt, dass dabei doch noch einiges zu wün- schen übrig bleibt. Die relative Lage der Plätze

Ansgarius, Dom, L. Frauen, Martini. Gymnasium. Domshof. Wall (bei der Windmühle am Heerden-Thor) ist mit sehr grosser Schärfe bestimmt, allein der Maa.^stah dazu, wenn er aus meinen eigenen Messungen abgeleitet werden soll, beruht nur auf einfachen Winkelmessungen (ohne Repetition und bloss je einem Vernier). Bepetlrt ist bloss auf dem Steinberg der \\'inkel zwischen Ansgarius und Kath. Kirche, von der ich damals irriger Weise glaubte (da ich das Tagebuch auf dem Steinberg nicht bei mir hatte), dass sie mit unter jenen Punkten sei. ^^'enn ich so aus meinen eigenen Messungen

^) Recension des Jahrbuchs für 1826 durch Gaiss in den (S. (i. A. (1S24 Jan. o). in Bd. VI der Werke. S. 630 ff. wieder abijedruckt. Krni.

Gauss an Olber?. Güttingren. 1824 December 13. 3ßl

(dlein die Lag»i der Tliüime ableite, so ist die Entfernung- des Doms vom Ansgarius etwa 1,3 m grösser, als wenn ich dieselbe aus ihrem Ver- hältniss zu der schärfer bestimmten Entfernung der Kath. Kirche vom Ansgarius ableite, dieses Verhältniss so angenommen, wie es aus Gilde- meistf,k"s Angaben folgt. Noch unsicherer folgt aus meinen Messungen allein der Platz des Zwingers, der bloss auf dem Steinberg und Bottel mit einer Pai-allaxe von 8^ ohne Eepetition geschnitten ist. So gut ich nach diesen üngewissheiten die Lage Ihres 0[bservations]-Zimmers angeben kann, liegt es vom Ansgarius im wahren Azimuth 309^ 19' 54", horizontale Entfernung = 611,84 m; Entfernung vom Dom = 151,6 m.

Auch bei der Höhe bin ich etwas ungewiss, da die Messungen keine Kontrolle haben und nur vom Knopf des Domthurmes her- genommen sind.

Ich finde nämlich unter der Göttinger Sternwarte

Knopf des Domthurms 79,315 m

Theodolith Opt. Axe, in Ihrem Observ.-

Zimmer 138,521

Barometer Cuvette 139,306

Fussboden 140,121

Garten 147,987

Domshof Platz, wo beobachtet ist ... . 147,421

Eben dieses ist mir nun etwas verdächtig, da ich mich zu erinnern glaube, dass dem Augenmaass nach die Sandstrasse viel mehr herunter geht als der Domshof, während diese Rechnung nur einen Unter- schied von I m giebt. Die relativen Höhen aller sonstigen Plätze in Bremen, die bei meinen Messungen vielfach kontrollirt sind, harmo- niren sonst alle vortrefflich. Ich werde Ihnen demnächst alles ausführ- lich mittheilen.

Die Lage folgt übrigens so; aus Göttingen abgeleitet:

Breite Länge v. Gott.

Ansgarius 53«4'48",939 P8'22",720

Ihr Obs.-Zimmer 36,397 1 7 57,292

Brocken über Gott. Stern w. . . . -f 992,4 ^j Michaelis Laterne unter 52,0

^) Von 0LBEK.-5 hinzugesetzt. Knu.

362 Gauss an Olbers. Göttingen, 1824 December 17.

No. 544. Gauss an Olbers.'j [256

Göttingen, 1824 December 17.

Meine Angelegenheit ist jetzt entschieden, ich bleibe in Göttiugen. Man wünscht zwar in Hannover, dass das Detail der Verhandlungen nicht bekannt werde; allein Ihnen, mein bester Freund, muss ich doch die Hauptmomente vertraulich mittheilen.

Ich habe Ihnen zu seiner Zeit geschrieben-), dass ich die mir zuerst aus H[annover] gemachten Anerbietungen abgelehnt hatte. Allein bald nachher erhielt ich ebendaher die konfidentielle Anzeige, dass man sich dabei nicht beruhigt, sondern den Vorschlag zu einer wahrhaft liberalen Verbesserung meiner Lage nach L[ondon] an den K[önig] ab- gesandt habe, und dass man wenig Zweifel hege, dass derselbe genehmigt werden würde. Gleich nach Absendung meines letzten Briefes an Sie habe ich nun die Nachricht von der erfolgten Genehmigung erhalten, und ich habe daher L[indenatj] geantwortet, dass ich nach einem solchen Beweise von Wohlwollen meines Gouvernements, wie ich eben erhalten, ohne Undankbarkeit die fremden Anträge, wie ehrenvoll und vortheilhaft sie auch sein mögen, nicht mehr annehmen dürfe. Ohne mehrere Zu- fälligkeiten, wenn ich sie so nennen darf, die von kleinen Umständen abhängig gewesen sind, hätte wahrscheinlich die Sache eine ganz andere Wendung genommen. Jetzt freue ich mich der nahen Aussicht, sie Ihnen mündlich sagen zu können, wieder.

Man hatte mir in B[erlin], da man jetzt keine Ofiicialwohnung disponibel habe, einen grösseren Gehalt angeboten, als ich gefordert hatte. Allein wenn ich die grössere Theuerung in B[erlin] in Anschlag bringe, so werde ich in ökonomischer Eücksicht künftig hier merklich besser stehen, als dort der Fall gewesen sein würde. Uebrigens war der An- trag allerdings in jeder Beziehung auf Stellung, Einfluss und \Mrkungs- kreis höchst ehrenvoll; allein nach den Erklärungen, die ich einmal schon vor Empfang des Antrags nach H[annover] von mir gegeben hatte, würde mir nunmehr doch keine andere Wahl übrig geblieben sein, und in der That, weiss ich doch kaum, ob ich auch im entgegen- gesetzten Fall eine andere Wahl getroffen hätte. Zu der recht ruhigen Benutzung der allerdins-s etwas grösseren Freiheit, meine Zeit auf i-ein

^) Vergl. hierzu auch den Brief Gauss' an Bessbl vom 15. Jan. 1825, No. 147 des Briefwechsels, üeber die von Hannover aus mit Gauss gepflogenen Verhand- lungen ist Näheres mitgetheilt in: Sahtohics von Waltk.rsuacskx, Gacss zum (ie- dächtniss, 8. 58 60. Krni.

2) Brief No. 540. Krm.

Gauss au Olbers. Götting-en. 1824 Deceiuber 17. 3(33

wissenscliat'tlii'Jie Arbeiten zu veiweiuleii. würde icli doch iininer erst nach melireren Jahren gelangt sein, wenn ich nebst allen P'amilien- Verhältnissen dort erst ganz einheimisch geworden wäre, und auf aus- gebreiteten Einfluss auf fremde wissenschaftliche Angelegenheiten, der doch wohl oft mit Störung der eigenen Kühe und verdriesslichen Kol- lisionen erkauft werden muss, lege ich keinen hohen Werth. Das einzige Opfer ist wohl, dass man gewiss an einem grossen Orte viel angenehmer lebt und sich leichter einen ansprechenden Umgangskreis bildet. In- zwischen werde ich mich dafür durch öftere Eeisen schadlos halten können, und nun besonders, wie viel weiter wäre ich von Ihnen ent- fernt! Jetzt werde ich Sie nun wieder im Frühjahr in Bremen um- armen, und Sie, mein geliebter Olbers, werden mich wieder auf einer fi'eundlichen Dreieckstation besuchen. Alles erwogen, danke ich de- müthig und innig der höheren Hand, die die Zufälligkeiten und Meinen Umstände so gefügt hat.

Die Gesundheit meiner Frau hat sich ausnehmend gebessert. Etwas beunruhigt mich jetzt ihretwegen, dass mein zweiter Sohn seit einigen Tagen von den Masern befallen ist, da sie selbst (so wie meine beiden jüngsten Kinder) sie gleichfalls noch nicht gehabt hat, und doch nicht abzuhalten ist, sich ganz der Pflege des kranken Kindes zu widmen. Doch sind die Masern hier diesmal sehr gutartig, und unser Arzt hat jetzt schon 58 Kranke davon kurirt, ohne dass eine nachtheilige Folge bei einem einzigen nachgeblieben w^äre. Ich selbst bin seit den letzten 8 Tagen auch nicht ganz wohl gewesen, und es scheint fast, dass die Entwöhnung von dem Aufenthalt im Freien, wozu das schlechte Wetter zwingt, mich einen Theil von dem wieder zusetzen lässt, was ich in den zwei letzten Monaten meiner diesjährigen Campagne gewonnen hatte. Ohne diesen Umstand wäre ich vielleicht in diesen Tagen selbst nach Hannover gereist.

Ton Schumacher habe ich seit beinahe 2 Monaten gar nichts gehört.

Leben Sie wohl, mein theuerster, mir nun wieder näher gerückter Freund.

P. S. Sie schrieben mir vor längerer Zeit einmal, dass Oltmanns als Professor der Mathematik nach Berlin gehen werde? Hat sich dies bestätigt, und ist er bereits dort, oder noch in Ostfriesland? Ich er- innere mich nicht, in öffentlichen Blättern von dieser Anstellung Er- wähnung gefunden zu haben.

,'](54 Olbers an Gauss. Bremen, 1824 Deceraber 22.

No. 545. Olbers an Gauss. [289

Bremen. 1824 December 22.

Meinen herzlichsten, innigsten Glückwunsch zu der endlichen glück- lichen Beendigung einer Angelegenheit, die Sie, und durch warme Theil- nahme auch mich so lange beunruhigt hat. Sie können denken, mit Avelcher Ungeduld ich, nach den dunkelen A\'inken, die Sie mir unter dem 13. Dec. gaben, der endlichen Entscheidung entgegensah. Dank Ihrer gütigen Freundschaft, dass Sie meine Ungeduld so bald befriedigt haben! Immer war ich indessen im voraus überzeugt, dass man Sie von H[annover] aus nicht entlassen, G[öttingen] seine grösste Zierde nicht verlieren lassen würde. Von Vorlesungen konnte man Sie wohl nicht ganz dispensiren, aber ich hätte auch gewünscht, dass bei der Sternwarte insofern eine andere Einrichtung getroffen worden wäre, dass Sie künftig nicht mehr dort Ihre für uns alle so kostbare Zeit mit Vorbereitungen und solchen Geschäften verlieren müssen, die ein etwas sorgsamer und an Genauigkeit gewöhnter Gehülfe ebenso gut oder wenigstens hinreichend gut verrichten könnte. Darüber ist wohl nichts vorgekommen.

Klüver habe ich noch nicht wieder zu sehen Gelegenheit gehabt; ich vermuthe aber, dass der Heliotrop schon unterwegs ist, da er schon vor 5 Wochen eine gute Gelegenheit zur Uebersendung desselben aus- gemittelt zu haben glaubte.

Unendlich freue ich mich, Sie, mein geliebter Gauss, diesen Früh- ling wieder hier, und dann Ihre Verbindungs-Messung geendigt zu sehen. In den Osterferien ist auch Hoffnung vorhanden, dass Bessel auf seiner nach Hamburg zur Abholung seines Pendel- Apparats zu unternehmenden Keise mich besuchen wird.

Sehr dankbar bin ich für die Mittheilung der aus Ihren bisherigen Messungen folgenden relativen Lage meines Beobachtungs-Zimmers gegen Ihre Sternwarte, ^^'enn Sie meinen Garten 147,987 m. den Beob.-Platz auf dem Domsliof aber 147,421 m unter der Göttinger Sternwarte linden, so liegt dieser Platz doch nicht } sondern 0,56(3 m höher als der Garten. Aber eben dieser Garten liegt auch noch reichlich einen halben Meter höher als das Steinpflaster der Sandstrasse vor meinem Hanse. lc\\ finde also keinen augenscheinlichen Widerspruch in diesen Angaben.

Wie hoch ist nach der Verbindung und Vergleichung Ihrer Messungen mit den ScHUMACHER'schen die Höhe Ihrer Sternwarte über dem Spiegel der Ostsee? Können Sie mir auch nicht die scheinbare Höhe des Knopfs vom Domthurm von meinem Heobachtuns-szimmer angeben?

Gauss an 01l)ers. Ciüttingen, 1825 Januar 19. 305

Ultmanns ist sclidii vor mehr als 4 Woclieii liier diirelipassirt, um seine Stelle in Herliii als Professor der aiip^e wandten Mathematik an- zutreten. — (bewundert weiden Sie sich haben, dass Ihr ehemaliger Schüler, Dr. Tittel, zum Direktor der Ofener Sternwarte ernannt ist, ohne doch dass bislier Pasquich seine Entlassung- erhalten liätte. Tittel ist, wie er an Schumacher schreibt, von Pasquich sehr gut aufgenommen worden; und doch scheint T.iT'rHo^v zu dieser Ernennung mitgewirkt zu haben!!

Leben Sie wühl, mein theuerster geliebtester Freund! Ich hoffe, so gutartige ]\lasern werden nun auch schon glücklich beendigt sein und der Gottlob wiederkehrenden Gesundheit Ihrer hochverehrten Frau (Tcmahlin keinen Nachtheil zugefügt haben.

No. 546. Gauss an Olbers.') [257

Göttingen, 1825 Januar 19.

Einen ganzen Monat hindurch ist mein Haus der Schauplatz von Unruhe und Sorge gewesen, und damit entschuldigen Sie es gütigst, dass ich Ihren lieben Brief vom '12. Dec. v. J. nicht früher beantwortet habe. Ich habe Ihnen schon gemeldet, dass mein zweiter Sohn von den Masern befallen war; bald nachher kam auch der dritte (Ihr Pathe) an die Reihe, dann meine jüngste Tochter und endlich auch meine Frau. Bei den Kindern zwar war die Krankheit verhältnissmässig leicht; allein, wie es bei Erwachsenen ohnehin gewöhnlich ist, und bei dem durch zweijährige Krankheit sehr heruntergekommenen Zustande meiner Frau kaum anders sein konnte, bei dieser sehr schwer, und eine Zeit lang schwebte sie in der grössten Gefahr. Durch die unermüdete Sorg- falt und Geschicklichkeit des Hofrath Himly ist sie gerettet und jetzt auf dem besten Wege der Besserung. Die Kinder sind ganz hergestellt, und die beiden ältesten haben schon seit mehreren Tagen wieder aus- gehen dürfen. Ich muss es für ein grosses Glück ansehen, dass alles so gekommen ist, denn wie ich höre, haben die Masern jetzt in der Stadt einen viel bösartigeren Charakter bekommen, als sie zu Anfang hatten, und es sollen jetzt viele Patienten daran sterben.

Ich habe jetzt die Rechnungen über meine vorjährigen Messungen und die sonstigen Hülfsmittel, die ich zur Vorbereitung auf die nächste Campagne diskutiren musste, meist vollendet und hoffe, meine Berichte an das Hannoversche Ministerium und an Ihren Senat bald ausarbeiten

^) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

3ß(j Gauss an Olbers. Göttingen, 1825 Januar 19.

ZU können. Letzterem werde ich dann auch ein Verzeichniss aller bis- herigen Höhen beifügen. Es ist sonderbar, dass diese sich mit Schü- macher's Bestimmungen nicht vertragen. Ich finde z. B. aus meiner trigonometrischen Verbindung Schumachee's Barometer in Altona 73,1 Pariser Fuss über dem Ihrigen, = 12,2 Toisen, während die Baro- metervergleichungen selbst nur 6 7 Toisen gegeben haben mit einer Ungewissheit (wie Sie bemerken) von 4 Toise. Ich gestehe einerseits, dass ich kaum geglaubt hätte, dass Barometervergleichungen zwischen zwei 13 Meilen von einander entfernten Orten einen solchen Grad von Genauigkeit geben könnten, aber ganz entschieden muss ich aussprechen, dass ich es für unmöglich halte, durch trigonometrische Messungen die Genauigkeit von l Toise zu erhalten, wenn nicht alle reciproken Zenith- Distanzen /7e/?ftH gleichzeitig gemessen werden. -|- Toise würde bei dieser Entfernung einer Veränderung von etwa 2" in den Z.-D. entsprechen, und ich habe täglich erfahren, dass die Veränderungen in der terrestri- schen Refraktion auf ganze Minuten gehen können. Alles was ich habe thun können, dies so wenig als möglich nachtheilig zu machen, war 1) die Messung der reciproken Zenithdistanzen, z. B. von Bremen nach Zeven und von Zeven nach Bremen, so viel [als] thunlich unter ähn- lichen Umständen zu machen, 2) die Uebergangswege, so viel ich konnte, zu vervielfältigen. Alle Messungen sind nachher nach der M[ethode] der kl. Qu[adrate] behandelt und nach aller Ausgleichung difterirt doch z. B. die relative Höhe zwischen Steinberg und Wilsede um 10 Fuss von der unmittelbaren Bestimmung; dies ist aber die allergrösste, das was ich mittlere Abweichung nenne, ist 4,8 Fuss und würde wenigstens 50°/o grösser gevvesen sein, wenn ich nicht die oben erwähnte Aehn- lichkeit atmosphärischer Umstände nach ]\röglichkeit zu erhalten ge- trachtet hätte, wie sich aus den ungleichen Resultaten für die terrestri- sche Refraktion schliessen lässt. Nach allen Umständen kann ich unmöglich glauben, dass mein oben angegebener Unterschied zwischen Altona und Bremen um 5i Toisen unrichtig sein könne; aber 1 2 Toisen kann er sehr wohl fehlen. Ich muss noch bemerken, dass ich mehrere Elemente zu diesem Resultate nicht selbst gemessen habe; die Ditferenz zwischen Altona und Hamburg, Michaelis Beobachtungszimmer hat mir Schumacher mitgetheilt; und die Difterenz zwischen letzterer Stelle und dem Knopf des Thurmes und dem Fussboden der liaterne (meinen beiden Zielpunkten von Timpenberg, Nindorf, ^Mlsede und Litberg aus) habe ich provisorisch aus dem Kupferstich von Benzexberg's Buche entlehnt.

Ich liabe dieser Tage von einem allgemein hochgeschätzten Mit- glieder) der Berliner Akademie, mit dem icli sonst in gar keiner Ver-

^) Leopold v. Buch nach Brief No. 548. Der Brief v. Biih's ist im Anhanc: zu diesem Bande alti^edruckt. Krm.

Gauss an Olbers. Göttingen, 1825 .lanuar 19. 367

hiniluDi:- stehe, eiiicii Uiief erlialten. der mir riel irä'rmcres Bedauern des Misslingens des bewussten Pianos ausspricht, als ich mir eingebildet hatte. Er scheint in der Vermuthnng geschrieben zu sein, dass meine Ablehnung noch nicht ganz unwiderruflich sei, setzt manche Verhält- nisse in ein ganz anderes Licht, als in dem ich sie bisher sah, und könnte mich fast zweifelhaft machen, ob ich mich so unbedingt darüber zu freuen habe, dass die Sache die jetzige Wendung genommen hat, wenn ich nicht, zufrieden mit meiner nunmehrigen hiesigen Lage und aufrichtig dankbar für das wahrhaft liberale Benehmen des H[annover- schen] Ministeriums, es mir zum Gesetz gemacht hätte, an eine kritische Abwägung dessen, was hätte sein können, gegen das, was nun ist, gai- nicht mehr zu denken. Es bleibt mir bei dem ganzen Gange der Sache manches dunkel, wenn ich gleich auf meine Ehre versichern kann, dass ein Verdacht, den man in B[erlin] in Beziehung auf eine dabei betlieiligt gewesene Person nach jenem Briefe zu haben scheint, mir selbst bisher gar niclit in den Sinn gekommen war, und ich auch jetzt weit entfernt bin. solchen zu theilen. Sehen Sie diese Andeu- tungen, theuerster Olbers, die sich in einem Briefe nicht wohl weiter entwickeln lassen, bloss als eine vertrauliche Mittheilung für Sie selbst an. Auf alle Fälle wiederhole ich, dass ich vollkommen zufrieden bin mit der Art, wie man sich in H[annover] und L[ondon] benommen hat. Meine äussere Lage ist durch meine Dienst-Einnahme anständig be- gründet, und ich bin nicht mehr abhängig von ungewissen und zu- fälligen Zutiüssen. Ueber das Uebrige ist zwar nichts förmlich fest- gesetzt, aber durch H[oppenstedt] als Organ der Eegirung bin ich darüber, so viel ich billiger Weise erwarten kann, beruhigt. Eücksicht- lich der Sternwarte lässt sich in dem jetzigen Augenblicke nichts thun, aber ich habe die Ueberzeugung, dass, wenn die Umstände es möglich machen, etwas zu thun, dies gewiss geschehen wird. So lange meine Messungen dauern, fühle ich auch das Bedürfniss weniger.

Noch muss ich Ihnen, gleichfalls im Vertrauen, anzeigen, dass ich, früher als den erwähnten Brief, einen von unserem Freunde L[indenau] ^) erhalten habe, worin er mir meldet, dass der Gen. v. M[ürrLiNG] ihn ersucht habe, jetzt anderw'eitige Vorschläge für Tealles' Stelle in B[erlin] zu thun. L[indenau] fühlte sich darüber gewdssermaassen in Verlegenheit und wünschte von mir ein komparatives Urtheil über Mollweide und Buzengeiger. Ich habe mich alles entscheidenden ürtheils solcher Art enthalten und bloss, gleichfalls ohne ein Urtheil fällen zu w^ollen, noch erinnert, dass ich aus Briefen von Soldner wisse.

1) Brief No. 16 v. 4. Jan. 1825 im Briefwechsel A. v. Hümboldt-Gauss. Dieser Brief ist im Anhang- zu diesem Bande wieder abgedruckt. Krm.

3g3 Olbers an Gauss. Bremen, 1825 Januar 28.

dieser sei mit seiner Lage in München höchst unzufrieden und ver- lange selinlichst, wieder nach B[erlin] zu kommen. Haben Sie vielleicht irgend eine Idee, die in wissenschaftlicher Kücksicht fruchtbringend werden könnte, so theilen Sie sie mir oder Hrn. v. L[indenau] rait. obwohl ich nicht weiss, ob diese Kanalleitung überhaupt am Ende die rechte Mündung haben wird. Ich für mich selbst kann, so wie die Umstände jetzt sind, und wenn nicht einmal ganz veränderte Konjunkturen ein- treten, an keine Versetzuns: mehr denken.

No 547. Olbers an Gauss. [290

Bremen, 1825 Januar 28.

Zuerst meinen herzlichsten Glückwunsch zur Wiederherstellung aller Ihrer lieben Kranken, besonders Ihrer theuren Frau Gemahlin. Möge der Himmel Sie und Ihre ganze Familie von nun an bis auf die spä- testen Zeiten in fortdauernder Gesundheit erhalten.

Die grosse Verschiedenheit des aus Ihren Messungen und den Baro- meter-Beobb. folgenden Höhen -Unterschiedes zwischen Altona und Bremen war nur scheinbar, durch einen konstanten Fehler in meinen Ablesungen und in der Vergleichung der beiden gebrauchten Baro- meter veranlasst. Nachdem dieser konstante Fehler verbessert worden ist, folgt aus 91 bisher berechneten Beobb. der Höhenunterschied zwi- schen den Cuvetten der beiden Barometer 11,204 Toisen mit einer wahrscheinlichen Unsicherheit von + 0,35 Toise, wenn nämlich keine konstanten Fehler mehr zurückgeblieben sind. Ich lege die Eechnimg im Auszuge bei, um so mehr, da ich von Ihnen belehrt sein möchte, ob Foueiek's Vorschrift eine hinreichend genaue Schätzung des mitt- leren Fehlers des Resultats giebt.

Was mir indessen bei diesen Zahlen etwas bedenklich ist. das ist das gar zu geringe Gefälle der Weser, die doch noch von Bremen 12 Meilen bis zur Nordsee zu laufen hat, was daraus folgt. Es ist nämlich, [um] bloss bei der barometrischen Bestimmung zu bleiben:

Die Kapsel meines Barometers unter der

zu Altona 11,204 Toisen

über meinem Garten . . 4,45(3

Das Barometer in Altona über meinem

Garten 15,660

Olbers an Gauss. Bremen, 1825 Januar 28. 3(39

Nach Prof. Schumachek da.s Altonaer Bar.

über dem Spiegel der Ostsee 20,26

Mein Garten über dem Spiegel der See 4,60 Toisen

oder 27,6 Par. Fuss

Nun ist nach Tkeviranus' Nivellement mein Garten wenigstens 25 Bremer oder 22 1 Pariser Fuss über dem 0 Punkt der Weser 22,25

Gefälle der ^^'eser bis zur Nordsee ... 5,35 Par. Fuss

Nimmt man aber gar nach Ihren Messungen 12,2 Toisen zwischen Altona und Bremen, so würde der Nullpunkt der Weser noch etwas unter dem Spiegel der Ostsee liegen. Ich muss erwarten, wie sich dies künftig aufklären Avird. Vielleicht lässt sich die Höhe des Knopfs \om Domthurm über der \\'eser unmittelbar messen, wenn Sie uns künftigen Sommer hier wieder mit Ihrer Gegenwart erfreuen.

Wollen Sie mir nicht auch gelegentlich gütigst anzeigen, ob Sie voriges Jahr mit Klüver zufrieden gewesen sind und ihn wieder als Gehülfen annehmen wollen?

Noch habe ich mich eines Auftrages von Hrn. Baumann zu ent- ledigen. Er bat mich, wie er von hier ging, doch bei Ihnen zu inter- cediren, dass Sie ihn doch auch künftiges Jahr bei Ihrem Messungs- Geschäft, aber mit Diäten, anstellen möchten.

Allerdings hat das Missglücken des Berliner Projekts dort eine grosse Bestürzung erregt. Vom Prof. Dirksen erhielt ich, aufs Ge- lindeste ausgedrückt, einen etwas empfindlichen Brief.^) Er fordert gewissermaassen Rechenschaft, wie ich ihm unter dem 15. Nov. vorigen Jahres habe melden können, Sie hätten die hannoverschen Anerbietungen abgelehnt. Er kann es gar nicht begreifen, wie Sie den Euf nach B[erlin] abschlagen konnten, da man willig war, Ihnen noch mehr zu geben, als Sie selbst vorher gefordert hatten. Er glaubt deswegen, dass vielleicht der Antrag nicht in seiner ursprünglichen Form an Sie gelangt sei, u. s. w. Er verlangt, ich soll ihm wo möglich die Ihnen vorgelegten Bedingungen und alle übrigen mir bekannten Notizen mit umgehender Post im Vertrauen mittheilen, damit er in den Stand ge- setzt werden möge, „eines Theils einem Manne, an welchem ich einen „so grossen Theil des Avissenschaftlichen Ruhmes unseres deutschen „Vaterlandes geknüpft achte, bei seinen zahlreichen Verehrern allhier,

\) Abgedi-uckt unter No. 17 im Briefwechsel A. v. Hcmboldt-Gaüss, ferner auch im Anhang zu diesem Bande. Krni.

Olbers. II, 2. 24

g7Q Olbers an Gauss. Bremen, 1825 Januar 28.

„ZU denen, ausser dem Prinzen August, Chef der König]. Artillerie, die „sämmtliclien Mitglieder des Ministeriums, der Akademie der \\'issen- Schäften und der Universität unbedingt zu rechnen sind, die ihm ge- „bührende Rechtfertigung zu verschaffen, anderen Theils ein in der „Sache selbst etwa obwaltendes Missverständniss gehörigen Ortes zur „Sprache zu bringen." Ich habe ihm sogleich geantwortet, Sie hätten wirklich damals, im November, die Ihnen von Hannover aus bedingungs- weise angebotene Zulage ausgeschlagen, nochmals aber habe man ganz freiwillig und ohne Anlass von Ihrer Seite von Hannover und London aus Ihre Lage in Göttingen so verbessert, dass Sie es nun für Pflicht der Dankbarkeit gehalten hätten, dort zu bleiben und eine, wenn gleich in pekuniärer Hinsicht vortheilhaftere und übrigens angenehmere Stelle in B[erlinj aufzuopfern. Von den eigentlichen Ihnen vorgelegten Be- dingungen des Antrags von Berlin sei ich zwar so wenig, als von den hannoverschen Bewilligungen unterrichtet, nach dem aber, was er, DiRKSEN, mir von diesen Bedingungen meldete, möchte ich doch glauben, dass Ihnen der Antrag mit allen seinen Vortheilen bekannt geworden sei.

Im neuesten Bande der Conn. d. T. ist eine grosse Abhandlung von Poisson: Sur la probabilitS des resultats moyens des ohservatioas, die Sie vielleicht interessiren wird.

Zach hat in einem der neuesten Bände der Co?t. Ästron. einen lächerlichen Fehler begangen. Vier alte Finsternisse sind nach dem römischen Kalender angegeben. Nachdem er sehr umständlich mit vor- nehmer Gravität gelehrt hat, wie man die römischen Kalender- Angaben auf unsere Art, die Tage der Monate zu zählen, bringen müsse, redu- cirt er selbst alle 4 Daten völlig unrichtig und wundert sich dann, dass an den von ihm gefundenen Tagen keine Finsterniss stattfinden könne. Wie würde Zach, wenn einer von seinen Gegnern einen solchen Fehler, den man kaum einem Tertianer verzeihen kann, be- gangen hätte, ti-iumphirt haben.

Von RüMKER habe ich endlich wieder einen kleinen Brief vom 28. Juli 1824 erhalten. Er lebt noch in seiner Verbannung, wie er es nennt, 6 Meilen von Paramatta. Am 14. Juli hatte er einen Ko- meten*) im Sextanten entdeckt, den er am 28., doch schon abnehmend, im Löwen noch beobachtete. Die Beobachtungen dieses Kometen, den wir in p]uropa nicht gesehen haben, will er erst künftig schicken.

Entschuldigen Sie die sonderbare Abtheilung dieses Briefes; das 2. Blatt des anliegenden halben Anfanges wurde unvorsichtig mit Dint« befleckt.

*) Komet 1824 I, siehe auch Briefwechsel Olbers-Bessel Bd. II, S. 267. Krni.

Olbers an («auss. Bremen, 1825 Januar 28.

371

Erhöhung der Barometer-Cuvette auf der Sternwarte zu Altona über die Barometer-Cuvette auf meinem Beobaclitimgs-Zimmer in Bremen. Ich habe die bislier berechneten 91 Beobb. in 7 Klassen vertheilt.

Beobb.

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182,1

11

1019,6 Toisen

Also das Mittel A =

1019,6

91

1 1,204 Toisen, und Ä- = 1 25,54 Toisen,

das Mittel der Quadrate ist 1

M' =

91

1

9lL

5 (0,880)- + 7 (5,086)-+ 19 (7,874)- + 25 (10,328)- + 12 (13,500)-

+ 14 (16,264)-^ + 9 (20,245)^1 3,87 + 181,36 + 1176,45 + 2666,75 + 2136,95 + 3688,75 + 3703,33

= 149,54 Toisen. Das Maass der Genauigkeit

y?(^!pü) = y^ = 0,7263Toise>..

Der mittlere Fehler

-±^VP.

0,477 \/ ^ = + 0,3464 Toisen.

Den Werth von ^ = 0,477 hat Fourier aus der Gleichung e^^dt = -l- V ^ bestimmt.

J-

24*

372 Gauss an Olbers. [Göttingen, 1825 Februar 2.]

No. 548. Gauss an Olbers.') [258

[Göttingen, 1825 Februar 2.]=)

Was Sie mir aus dem Briefe des Hrn. Prof. Dirksen zu melden die Güte gehabt haben, scheint mir fast zu bestätigen, dass in der be- rührten Angelegenheit noch Dunkelheiten sind, die ich mir nicht ganz erklären kann. Vor Ihnen, bester Olbers, kann ich nie Geheimnisse haben, und ich schicke Ihnen daher sub voto remissionis im Original

1) den Brief des Gen. v. Müffling') an Hrn. v. Lindenau. worin die Anträge enthalten sind,

2) einen Brief des Hrn. Kammerherrn v. Buch^) an mich, dessen ich schon in meinem letzten Briefe erwähnte.

Auf letzteren habe ich unter anderem geantwortet, dass ich meiner- seits, soweit ich es vermöge, es für Pflicht hielte zu verhüten, dass niemand in einem falschen Licht gesehen werde, da sein Brief die Ver- muthung andeute, als ob Unzufriedenheit mit der Beschaifenheit der Bedingungen und deren Attributen oder Besorgnisse wegen persönlicher Stellung meine Antwort auf die Anträge diktirt haben. Es sei eben nur die reine Wahrheit, dass ich in dem Augenblick, wo ich diese er- halten, nicht mehr frei gewesen, eine andere Antwort zu geben, wie vortheilhaft und ehrenvoll jene auch sein mochten. Die Ursachen der Antwort dürften daher nicht in Berlin gesucht werden, da sie vielmehr ihre Quelle in Hannover und London gehabt hätten etc.

Sie sehen hieraus, mit welcher Vorsicht ich vermieden habe, auf den Punkt einzugehen, ob ich dann, wenn ich durch keine Eücksicht gehindert gewesen wäre, zwischen den hiesigen Verbesserungen und den Berliner Anerbietungen noch ganz frei zu wählen, anders gewählt haben würde. An sich ist dies in der That eine müssige Frage ge- worden, und ich denke, man würde auch in Berlin es nicht für delikat halten, jetzt eine Erklärung dariiber erpressen zu wollen. Allein Ihnen, bester Olbers, will ich gern unumwunden erklären, dass ich keinen Augenblick angestanden haben würde, die Berliner Anerbietungen, wenn sie ein Ultimatum waren, und so wie ich bis dahin die Verhältnisse hatte ansehen müssen, abzulehnen.

Man hatte sich in H[annover] zuerst zu einer Gehaltserhöhung auf 2000 Rthlr. erboten, nicht weil man markten wollte, sondern weil man in Hannover auf der Stelle mehr zu tlnin nicht autorisirt war. Ich

^) Dieser Brief ist in deutscher Schrift freschrioben. Krm.

-) Datum nacli dorn fol>>onden Briefe G.vrss'. Seh.

^) Beide Briefe sind im Anhang zu diesem Baude abgedruckt. Krm.

Gauss au Olbers. TGüttingeu. 1823 Februar '_'.] 373

habe das damals liicJit an«rtMiuiiimen. In der That, ich habe bisher (meine Dit-nstwuhnunj^ nicht gerechnet) jähilich mehr als 2000 Rtlilr. gebraucht, so viele Entbehrungen und Beschränkungen ich mir auch perstinlich aufgelegt habe. Das Fehlende ist durch anderweitige Zu- riüsse ersetzt. Allein es hat mir immer ein widriges Gefühl gemacht, dass meine Diensteinnahme mich nicht gegen die kleinlichen Lebens- sorgen sicher stellte, und wenn einmal Halbheiten bleiben sollten, so würde ich mich ihnen in G[öttingen], wo doch manches andere nicht ganz nach meinem Wunsche ist, nicht unterworfen haben. Allein man zeigte mir an. man habe in London auf einen Gehalt von 2500 Rthlr. Convent. G. augetragen und zweifle nicht an der Königl. Sanktion, man wünsche mich in jeder Kücksicht zufrieden zu stellen etc. llinen, theuerster Olbeks, darf ich nicht verhehlen, dass ein so liberales Be- nehmen gegenüber der 3.^ jährigen Zögerung in Berlin mich zu der Aeusserung aufrichtiger Dankbarkeit verpflichtete, und dass ich daher schon gebunden war, als ich den MürrLiNG'schen Brief bekam.

Sie sehen zugleich, dass die Bedingungen, die er enthält, viel schlechter sind als die hannoverschen. So wie sie sind, hätte ich sie bestimmt nicht angenommen, aber vis-ä-vis der ersten hannoverschen Anerbietung hätte ich sie zu einem Gegenstand weiterer Unterhand- lungen gemacht; nach Dikksen's Briefe müsste ich dann schliessen, dass diese dann, vielleicht, ein anderes Besultat gegeben hätten.

Ich bin weit entfernt gewesen, dem il/eisi bietenden feil zu sein; allein eine sorgenfreie, von fremden zufälligen Zuflüssen unabhängige Lage musste ich, wenn ich einmal alles auf das Spiel setzte, verlangen. Ziehen Sie von den mühselig in Berlin zusammengebrachten 2600 bis 2700 preuss. Cour, die Kosten einer Wohnung, die man leidlich an- ständig dort nicht unter 500 Rthlr. haben kann (und die seitdem im Preussischen eingetretenen Gehaltsabzüge) ab, so bleibt weniger, als ich bisher in dem wohlfeileren Göttingen gebraucht habe. Ich wäre also noch immer, um zu leben, von den Zinsen des kleinen Vermögens meiner Frau abhängig geblieben, und das anzunehmen hätte ich mir in dem Fall mich entschliessen können, wo ich hier ebenso abhängig davon geblieben wäre. Rechnen Sie nun noch dazu, dass ich aus manchen früheren Winken des Gen. Müffling auf vielfältige Oppo- sitionen gegen meine Berufung nach Berlin schliessen musste eine Vorstellung, die nach Dirksen's und Buch's Briefen vielleicht grundlos war, die ich aber früher in Ermangelung gründlicher Kenntniss des Terrains nicht unbeachtet lassen konnte , so werden Sie das oben Gesagte wohl natürlich finden, wiewohl ich noch einmal wiederholen muss, dass der Ruf auf alle Fälle zu spät kam, und ich dadurch eines peinlichen Schwankens ganz überhoben wurde.

37^ Gauss an Olbers. [Göttingen, 1825 Februar 2.]

Ich muss nun noch hinzusetzen, dass die Königl. Sanktion des von Hannover nach London abgegangenen Vorschlages mit umgehender Post erfolgt ist. Wie verschieden von dem Gange in Berlin! Dass früher hier nichts für mich geschehen war, sondern meine Lage immer die- selbe blieb, wie sie Jerome festgesetzt hatte, darüber darf ich mich nicht beklagen, da ich selbst nie etwas für mich gesucht habe, und es wohl ganz ausser der Ordnung ist, dass man ohne Anlass etwas thut.

Ich muss es nun ganz Ihrem weiseren Ermessen überlassen, ob und wie viel von diesen vertraulichen Mittheilungen Sie zur weiteren Aufklärung und Rechtfertigung nach Berlin gelangen lassen wollen. Den MüFFLiNG'schen Brief im Original dürfen Sie wohl nicht dahin schicken, da er nicht mein Eigenthum ist, aber sein Inhalt ist mein Eigenthum, und darüber können Sie nach Ihrer Einsicht disponiren. Aber meine jeteigen Bedingungen in Göttingen dürfen Sie auch in Zahlen nicht bekannt machen, man wünscht in Hannover, dass so wenig wie möglich davon bekannt werde, und so verschieden ist der diesmalige Gang der Dinge von dem vor 2 Jahren^), in ganz Göttingen weiss Niemand ausser mir und meiner Frau, dass überhaupt etwas vor- gegangen ist. Jene Bedingungen sind also bloss Ihnen allein vertrau- lich eröffnet.

DiRKSEN sagt, dass man ivillig gewesen sei, mir mehr in Berlin anzubieten, als ich gefoidert habe; Müffling's Brief bietet bedeutend weniger an (ich hatte, wie Sie sich erinnern, auf Ihren Rath 2500 Kthlr. und freie Wohnung gefordert), freilich so, dass nicht bestimmt dies als Ultimatum erscheint, aber ich vermuthe doch fast, dass seine Instruk- tion gewesen sein mag, dies mehr durchscheinen zu lassen.

Jetzt nur noch ein paar Worte über den übrigen Inhalt Ihres Briefes. Die FouRiER'schen Vorschriften sind mir unbekannt, so viel ich aber nach einer flüchtigen Ansicht beurtheilen kann, werden sie mit den richtigen in meiner Theoria Combin. Observ. ent^^ickelten über- einkommen, wenn das Resultat (als wahrscheinliche)- Fehler, nicht als

V91 ^ multiplicirt wird. Sein Faktor 0.477

wird wohl = 1/ -• 0,674 4897 sein, die Zahl 0.674 4897 pag. 9"-) [ist]-

der Werth von A für /< = 0,5. Die genaue Vorschrift ist

Mittlerer Fehler des Resultats aus 91 Beobb. = , wo m der

V9I mittlere Fehler einer Beob.

») Yergl. P.riof No. 468 und 469, S. 234—236. Xo. 472. S. 244 und No. 481. S. 257. Krm.

") r>er Theoria Coniliinationis Obs., pars prior. Krm.

Gauss an Olbers. [Göttinnen, 182") Februar 2.i 375

WahraclieinUcJier Fehler mag duich die Multiplikation des mitt- leren mit 0,0744897 erhalten werden, ubgleich dies immer zum Theil hypothetisch ist.

m

VZee -i/ Zee 90 ~ V 91^1

wo e die Abweichung jedes einzelnen Kesnltats vom Mittel 11,204 'l'oisen bedeutet. Ich will gern die Eechnung ausführen oder ausführen lassen, wenn Sie mir eine Abschrift der einzelnen Kesultate schicken. Immer aber bleibt diese Schätzung der Genauigkeit des Mittels, wie Sie selbst bemerken, von der etwas prekären Voraussetzung abhängig, dass alle konstanten Fehler ganz ausgeschlossen sind.

Meinen Bericht^") über die ^Messungen von 1824 nach Hannover habe ich bereits koncipirt. Den an Ihren Senat werde ich gleichfalls unver- züglich aufsetzen. So bald alles dann mundirt, die Netzzeichnungen kopirt sind etc., werde ich letzteren einsenden, vielleicht schon nach 8 Tagen. Sie werden daraus sehen, wie nützliche Dienste Klüvee ge- leistet hat, und dass es mir sehr erfreulich sein wird, ihn noch weiter zum Gehülfen zu haben. Ich zweifle, dass ich den p. Baumann als Ge- hülfen mit Diäten anstellen kann; unter uns, er ist zwar fieissig und hat guten Willen, allein es fehlt ihm ganz an jiidirium, und die Dienste, die er leisten kann, würde auch ein Unterofficier ebenso gut leisten kitimen. Auch werden die übrigen Gehülfen, wenn ich auf Hrn. Klüver rechnen kann, schon ausreichen, und möglichste Oekonomie ist mir zur Pflicht gemacht.

Eine vorläufige Schätzung aus den oldenburgischen und älteren dänischen Messungen scheint anzudeuten, dass der geodätische Breiten- unterschied zwischen Altona und Helgoland auch kleiner ist als der astronomische, ebenso wie der zwischen Lauenburg und Lyssabel und der zwischen Göttingen und Altona. Möchte doch Schumacher end- lich einmal daran denken, seine Dreiecke von Lyssabel bis Skagen und Kopenhagen fortzusetzen.

Dass die Weser unter die Ostsee fällt, beunruhigt mich wenig, denn unter uns. ich gebe auf die barometrische Vergleichung zwischen Altona \md Helgoland und Cuxhaven nicht viel, ebenso wie auf Schumacher's ehemalige nickt reciproke trigonometrische Vergleichung zwischen Ham- burg und der Ostsee.

') Zum Theil abgedruckt iu Gauss' Werkeu Bd. IX, S. 412—413. Krm.

376 Gauss an Olbers. Göttingen, 1825 Februar 19.

No. 549. Gauss an Olbers.'j [259

Göttingen, 1825 Februar 19.

Hierneben erhalten Sie den Bericht über die Messungen von 1824 nebst einer Karte, welchen ich Sie bitte, Ihrem Hohen Verehrten Se- nate unter Bezeugung meiner ehrerbietigsten Dankbarkeit zu über- reichen. Die Karte enthält ausser den Dreiecken auch die meisten meiner sonstigen Ortsbestimmungen, soweit sie in ihre Grenzen fallen; ich habe sie mit kopirt, da diese Uebersicht, wenngleich nicht für Ihren Senat, doch vielleicht für Sie selbst einiges Interesse hat. In der Umgegend von Hamburg Hessen sich noch viele Plätze eintragen, wozu ich mir nicht die Zeit genommen habe.

Ich-) schicke Ihnen zugleich mein vollständiges Höhenverzeichniss. Bei Hamburg ist eine kleine Veränderung von ^ 2,7 Fuss vorgenommen, da ScHUMACHEE uür den Höhenunterschied zwischen dem Knopf und den Fenstern des Kabinets, den ich früher zu 47,9 Fuss nach Benzen- berg's Kupfer angenommen hatte, nach Sonin's Kupfer zu 53,3 an- giebt; ich habe also einstweilen den Knopf (meinen Zielpunkt) um 2,7 höher, die Fenster 2,7 tiefer gesetzt als vorher. Dadurch wird dann auch Schumacher's Barometer 2,7 tiefer als vorher, also gegen Göt- tingen — 357,8 und gegen Ihr Barometer -f- ''^M = 11-73 Toisen. Der Unterschied mit Ihrer Barometerbestimmung ist also jetzt ganz unbe- deutend. Doch wird dies noch etwas modificirt werden, da ich auch auf einigen Stationen den Fussboden der Laterne zum Zielpunkt ge- braucht habe, dessen Tiefe unter dem Knopfe mir Schumacher nicht mitgetheilt hat, und überhaupt sollte wohl die relative Höhe der drei Punkte ordentlich trigonometrisch gemessen werden (aus einem nahen Standpunkte).

Meinen letzten Brief vom 2. nebst den Einlagen werden Sie hoffent- lich richtig erhalten haben.

[Folgt das in Gauss' Werken Bd. IX, S. 373 374 abgednukte Hülienverzeii-h- niss von 57 Punkten.^)]

^) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krni.

■*) Von hier ab bis zum Scldussatz auch abgedruckt in Gauss" Werken Bd. IX, S. 372. Krm.

^) Diese \\'ortlie sind nur provisorische, veryl. zu den delinitivtii Werthen Gacss' Werke Bd. IX, S. 445—455. Krm

Olbers an Gauss. Bremen, 1825 Februar 22.

No. 550. Olbers an (iauss. [291

Bremen, 1825 Februar 22.

Recht vielen innigen Dank für Ilir giitig-es Vertrauen und die konnnunicirten i^riefe, die hierbei zurück erfolgen. Da ich schon ganz in Ihrem Sinne auf Dirksen's^) Brief geantwortet hatte, so sehe ich keinen Anlass. auch keinen Nutzen, die Sache weiter in Berlin zur Sprache zu bringen. Nach Dikksen's Schreiben scheint es, war der Minister nicht ungeneigt und auch im Stande, den 2000 Thlrn., die Sie von der Akademie haben sollten, noch 1000 Thlr. hinzu zu fügen.

Wie unser Schumacher von Prof. Ermann erfahren, hat es Bessel^) ausgeschlagen, an Tralles" Stelle nach Berlin zu gehen. Natürlich wird Bessel sein Observatorium nicht verlassen, ohne ein gleich gut aus- gerüstetes wieder zur Fortsetzung seiner grossen, so verdienstlichen Arbeiten benutzen zu können. Jetzt soll man mit Encke in Unter- handlung stehen.

Hoppenstedt hatte die Güte, mich gleich damals, wie Sie Ihren Entschluss nach Hannover geschickt hatten, durch ein paar (diktirte) Zeilen zu unterrichten, „dass die grosse Gefahr, worin Göttingen ge- wesen, Sie zu verlieren, glücklich abgewandt sei, indem man Ihnen alles, was Sie in Göttingen zu wünschen schienen, von London aus be- willigt habe."

Bessel wird im Anfange des Apr. von Königsberg abreisen, um seinen Pendel-Apparat von Hamburg selbst abzuholen, und hoffentlich bei der Gelegenheit auch seine anderen niedersächsischen Freunde mit seinem Besuche erfreuen. Haben Sie schon irgend einen Plan für Ihre diesjährige Campagne entworfen?

Sehr dankbar bin ich für die Belehrung wegen der Berechnung des Mittels aus den Barometerbeobb. Mir war es hauptsächlich darum zu thun, ob es erlaubt sein kann, nach Fourier's Vorschrift bei sehr vielen Beobb. diese in gewisse Klassen abzusondern, und so sich die Berechnung der Summe der Quadrate der Fehler zu erleichtern. So bald ich kann, werde ich Ihnen eine Abschrift sämmtlicher aus den gleichzeitigen Barometer-Beobb. folgenden Unterschiede zwischen Altona und Bremen schicken. Die fast beständig stürmische Witterung im vorigen Herbst macht auch die Resultate weniger zuverlässig. Die vom 1. Jan. dieses Jahres an angestellten Vergleichungen geben den

*) Vom 6. Jan. 1825. Siehe Anhang. Krm.

*) Vergl. auch Briefwechsel Gauss -Bessel, S. 449 und Olbers -Bessel Bd. II, S. 270. -wonach Bessel an Bode's Stelle kommen sollte. Krm.

378 Gauss an Olbers. Göttingen, 1825 Februar 25.

Höhenunterschied zwischen Altona und Bremen grösser, und das End- resultat wird sich Ihrer geodätischen Bestimmung 12,2 Toisen noch mehr nähern. Wie es dann mit der Erhöhung unserer ^\'eser über den Spiegel der See werden wird, darüber bin ich sehr neugierig.

Aber überhaupt, mein theurer Freund, wie steht es mit der Zuver- lässigkeit des geodätischen Nivellements, wenn wirklich Lokal-Attrak- tionen die liichtung der Lothlinie so merklich ändern können? Die aus dieser Ursache entstandene Aenderung zwischen den Lothlinien zu Mailand und Eimini beträgt z. B. in der Summe 27",4,^) so dass im Mittel, wenn in Mailand die Lothlinie 13",2 nach Norden, die in Rimini 13",2 nach Süden abgelenkt wird. Gesetzt beide Städte könnten sich gegenseitig sehen und beide, P24' von einander entfernt, lägen genau auf der Oberfläche des Erdsphäroids. also in einerlei wahrem Niveau, so wird sich, meine ich, doch nach den Beobb. Mailand ol Fuss nie- driger als Rimini, und Rimini 31 Fuss niedriger als Mailand halten müssen. Kann in unserem nordwestlichen Deutschland, wo sich auch solche Lokal-Anziehungen, wenn auch in geringerer doch nicht ganz unbeträchtlicher Art zu zeigen scheinen, nicht etwas Analoges statt- finden?

Mit Ihnen möchte ich sehr wünschen, dass Schcmachee endlich ernstlich an die Beendigung seiner Dreiecke denken möge; aber unser Freund übernimmt immer so viel andere Geschäfte, dass er unmöglich Zeit dazu übrig behalten kann.

Meinen herzlichsten Glückwunsch zur völligen Wiederherstellung Ihrer theuren Kranken. Ich bitte mich Ihrer hochverehrten Frau Ge- mahlin zu empfehlen und bin in froher Erwartung, bald Ihren ver- sprochenen Bericht^) und einige Zeilen von Ihrer Hand zu erhalten.

No. 551. Gauss an Olbers.') [26o

Göttingen, 1825 Februar Ib.

Auf Ihren so eben erhaltenen gütigen Brief vom 22. antworte ich. da ich eben eine halbe Stunde frei habe, sogleich mit einigen Zeilen.

Da die Angelegenheit mit B[erlin] einmal unwiderruflich abge- macht ist, so entschlage ich mich absichtlich aller Betrachtung der

1) Muss wohl 26",4 heissen. Vergl. auch Brief No. 630 t. 2. Juli 1828. Krm. ^) Den vorhergehendeu Brief vom 19. Febr. hatte Olbebs noch nicht er- halten. Krm.

**) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

Gauss an Olbers. Güttiiiiren. 1825 Februar 2.'>. 379

Annehiiilichkeiten bei einem amiereii Ausj^^aiij^e, den sie, wie ich immer mehr sehe, ohne manche zufällif^e Tnistände so leicht hätte nehmen können, und denke, dass doch auch wühl manches nicht vorhergesehene l'nantrenelime vermieden ist.

Meinen unter dem 2(». von hier abgegangenen Bericht an Ihren Senat werden Sie hoffentlicli längst richtig erhalten haben.

Bessel schreibt mir, seine Zeit sei ihm so knapp zugemessen, dass er bei seiner Reise nach Niedersachsen nicht werde nach Göttingen kommen können. In diesem Augenblick kann ich für meine nächste Campagne noch keinen Plan machen. Ich stehe wegen Ankauf eines Wagens in Hannover in einem Handel; sollte derselbe, wie ich bei dem schon etwas langen Ausbleiben der Nachrichten fast fürchte, sich doch nicht zerschlagen haben, sondern noch zu Stande kommen, so habe ich die Absicht, ihn sogleich selbst von Hannover abzuholen, und dann mit meinen Gehülfen Rücksprache [zu] nehmen. Ich hoffe, dass die grosse Landes-Kalamität^) meinen Messungen keinen Eintrag thun wird, wenigstens habe ich noch keinen bestimmten Grund, es zu befürchten. l)er Leuchtthurm auf Wangeroog soll ja zerstört sein?

Jetzt ^) noch ein paar Worte über das geodätische Nivellement. Ich bin zwar selbst mit mir über diesen Gegenstand ganz auf dem Reinen, allein ich weiss nicht, ob ich mich in der Kürze so darüber werde erklären können, dass ich Sie sofort zur Uebereinstimmung bringen werde.

Ich habe immer geglaubt, dass der Ausdruck „Lokal -Attraktion" sehr übel gewählt ist und leicht verkehrte Ansichten veranlassen kann. Man sollte sagen, dass die Richtungen der Schwere nicht mit dem Gange, der bei einem gleichförmigen Sphäroid stattfinden würde, Schritt halten. Die Richtung der Schwere ist das Totalprodukt der Anziehung aller Bestandtheile des Erdkörpers (und der Centrifugalkraft), und bei dessen unregelmässiger Zusammensetzung in Rücksicht der Dichtigkeit so wie bei den Unebenheiten auf der Oberfläche wird jene nicht die- selbe sein können wie bei einem regelmässigen Sphäroid. Allein wie auch die Zusammensetzung sei, immer wird durch jeden Punkt eine Fläche, die ganz um die Erde herum geht, gelegt werden können, auf Avelcher die Richtung der Schwere genau senkrecht ist. und die Ober- fläche einer zusammenhängenden ruhigen Flüssigkeit würde dieselbe vor- stellen. Uiese Fläche ist es, die eine Horizontalfläche heisst (couche de niveau). Den Punkten dieser Fläche legt man gleiche Höhe hei,

^) Sturnifluth vom 3. und 4. Febr. Vergl. Brief No. 585. Krm. ^) Von hier ab bis „nicht Statt hat" auch abgedruckt in Gauss' Werken Bd. IX, S. 375—376. Krm.

380 Gauss an Olbers. Göttingen, 1825 Februar 25.

ohne sich im mindesten darum zu bekümmern, ob oder wie viel sie von einem elliptischen Sphäroid abweichen, und die Höhen über dieser Fläche giebt sowohl das Barometer als die trigonometrische Messung an, so dass beide immer mit einander übereinstimmen müssen. Dabei wird bloss vorausgesetzt,*) dass auf jeder Dreieckslinie die Richtung der Schwere sich nach dem Gesetz der Stetigkeit ändert (obgleich vielleicht schneller oder langsamer als bei dem elliptischen Sphäroid). und diese Voraussetzung kann nur dann eine kleine Unrichtigkeit hervor- bringen, wenn an der einen Dreieckstation eine ivahre Lokal- Attraktion stattfindet, die bloss örtlich und auf einen kleinen Kaum beschränkt (ausser- halb desselben unmerklich) ist. Allein ich halte mich überzeugt, dass, den Brocken höchstens ausgenommen, eine solche Lokal-Attraktion im ganzen Umfange meiner und der ScHUMACHEE'schen Dreiecke nicht Statt hat.

Sollten Sie in diesen Ansichten entweder noch etwas dunkel oder unrichtig finden, so haben Sie, theuerster Olbers, die Güte, es mir anzuzeigen.

P. S}) Die Vertheilung der Fehler in Gruppen, um die Summe der Quadrate zu finden, hat allemal die Wirkung, diese zu klein, also die Genauigkeit scheinbar grösser zu machen, als sie ist.

Es seien die Fehler

a, a', a" .

. . . , Anzahl = a

Mittel = A

h, h', h" .

c, c', c" .

etc.

M

■, >, =Y

-B

so ist genau

aa -|-aV-|- a"a" . . . .= hh+h'h' ^h"h" ....= cc-\-c'c' +c"c"....= etc.

--aA^'-i-ia—Af-^-ia'

-.yC^+{c-Cr^{c'

-Br-\-{b"-

Cf-\-{c"-

■Ä)-^etc. Bf + etc. Cf -f etc.

Indem man also für die Summe

aA^-^ßB^^yC^.... annimmt, vernachlässigt man alle

(a Ay -f (a' AY . . . ., {b BY + {b' Bf die alle positiv sind.

*) und natürlich auch, dass alle Zonithdistanzen reciprok gemessen werden, was bei meinen Mcssuii^on olme Ausnahme gilt. Bei einseiti(ien Messungen ist Ihre Bemerkung- vollkommen gegründet, da man dabei die Amplitude sphäroidisch be- rechnen muss.

^) Das Folgende ist auch abgedruckt in Gauss' Werken Bd.Mll. S. 151 152. Krm.

Gauss au Olbers. Göttini,'eu, 182') März 20.

)er Beweis ist U'ieht, nämlich

aa ={A-\-{a Ä)]^ = AÄ-]-2 A{a —A)-^{a Af a'a' = [A 4- (a' A)f = ÄA + 2Aia'—A) + {a'— Af a" a" = [A + (a" A)f = AA-\-2A (a" - A) + («" Af

2:aa = «AA + 2Al\a A) + l\a Ay

oder da 2'(a -4) = (2"«) aA = 0

381

No. 552.

Gauss an 011)crs.')

[261

Göttinnen, 1825 März 20.

Verwöhnt, wie ich durch Ihre Güte bin, beunruhigt es mich fast etwas, dass ich so lange ohne Nachrichten von Ihnen bin. Ich hoffe, dass Sie meine beiden letzten Briefe vom 20. 2) und 25. Febr., deren ersterem ein Bericht an Ihren Senat beigefügt war, richtig erhalten haben.

Ich möchte aus mehreren Gründen in diesem Jahr meine Trian- gulirungen zeitig anfangen, wenn das Wetter und die anderen Um- stcände solches erlauben; die Bildung eines Planes wird aber mit davon abhängen, wie es mit dem Bremer Gehülfen wird. Bei einem früheren Anfang wäre dann vielleicht auch einige Hoffnung, dass Sie, Schu- M.vcHER und Bessel mich auf einer Station besuchten.

Ich war vorige Woche in Hannover wiegen meines Wagenhandels. Unseren Hoppenstedt habe ich selw schwach gefunden.

Ich habe in diesem Monat die Pallas und Ceres fleissig beobachtet. Die Beobb. sind merkwürdig, da sie gewissermaassen den Anfang einer 2. Periode bilden, indem beide Planeten in 23 Jahren fast 5 Umläufe machen und also nahe bei den Plätzen stehen, wo sie 1802 waren. Beide Planeten sind sehr hell. Meine beiden letzten Beobb.^) waren:

Ceres

Pallas

März 18 19

1800 46'26",4 180 33 28,9

+ 18« 24' 4",4 4- 18 28 34,0

1750 1'15",0 174 50 59,1

+ 50 44'59",3 + 6 8 56,3

^) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm. *) No. 549 von Febr. 19, aber erst am 20, abgesandt. Krm. ') Siehe auch Gauss' Werke Bd. VI, S. 451 und Brief No. 149 an Bessel und No. 238 an Schumacher. Krm.

382

Gauss an Olbers. Göttingen, 1825 März 20.

Ich glaubte, dass Ihnen diese Anzeige vielleicht lieb wäre, wenn Sie sich des obigen Umstandes wegen selbst einmal nach unseren alten Freundinnen umsehen wollen, da die gedruckten Ephemeriden nichts taugen. Ich selbst habe keine berechnet, sondern nur ein paar Oerter, und nach den ersten Beobb. habe ich sie nachher weiter verfolgt.

Seit einiger Zeit habe ich einige Untersuchungen der höheren Arithmetik wieder vorgenommen und denke, so Gott will, wenigstens die Theorie der biquadratischen und kubischen Reste auszuarbeiten. Jede wird leicht Stoff zu cirka 3 Abhandlungen geben. Die erste über die biquadratischen Reste hoffe ich noch vor Anfang der diesjährigen Messungen zu vollenden. Es kommen einige sehr pikante Sätze darin vor. Hier z. ß. einer:

Bekanntlich lässt jede Primzahl der Form

j9 = 4 « -p 1 sich in zwei Quadrate zerlegen und zwar nur auf eine Art

wo a ungerade, b gerade.

Ein Lehrsatz lautet nun so:^)

6101418 (p 3)

Es sei

= Q

2- 3- 4- 5 ... . i(i? 1)

Dann ist + a der kleinste Rest von Q nach dem Modulus p, d. i. der kleinste übrig bleibende Rest, wenn Q mit p dividirt wird, [kleinster Rest so zu verstehen, dass er zwischen die Grenze .V p und -p i P fällt), und zwar gilt das obere oder untere Zeichen, je nachdem a von der Form 4 m -{- 1 oder 4 w -j- 3 ist.

Beispiele.

p

Q

a

5

1

hier zu nehmen

+ 1

17

35

+ 1

29

1716

+ 5

37

24310

+ 1

^) Siehe Theoria Residuorum Biquadraticorum , Commeutatio prima. Gxrss' Werke Bd. II, S. 90 92 mit etwas anderer Bezeichnung. Die Anzeige zu dieser 1825, Apr. 5 der Göttinger Societät überreichten, aber erst 182S erschienenen Ab- handlung steht unter 1825, Apr. 11 in den G. G. A., Werke Bd. II. S. 165—168. Yergl. hierzu auch Brief No. 149 im Briefwechsel Gauss-Bessel. Krm.

Olbers au (iaus.s. UreuiLii. 18_'5 Miirz •_'!. 383

Ebenso ist ;: b der kleinste IJest von

+ 1 " -f- 2 . ?i + 8 . . . . 2 ^j 1 12 f Modulus p) ^)

Allein hier habe ich bisla-i- ktMn Kiiterium für das Zeichen finden können.

Die Beweise sind sehr tief liegend.

P. S. Mit der (Gesundheit meiner Frau geht es fortwährend gut. doch niuss sie. zumal bei dem rauhen Wetter, noch das Zimmer hüten; schmerzhaft ist es uns. dass diese Krankheit während des ganzen Winters allen geselligen Verkehr in unserem Hause unmöglich gemacht hat. und das ausdrückliche Verbot noch jetzt es versagt. Mit mir selbst geht es gut genug, obwohl ich den Gewinn des vorigen Spät- sommers bei der Beschränkung auf das Haus etwas wieder zugesetzt habe; doch ist mir die Reise nach Hannover bei dem allerabscheu- lichsten Wetter nicht übel bekommen.

No. 553. Olbers au Gauss. [292

Bremen, 1825 März 21.

Ihren vortrefflichen Bericht über die Messungen im Jahre 1824 nebst der schönen Karte habe ich dem Senat übergeben, der Ihnen wahrscheinlich schon selbst dafür gedankt haben oder doch nächstens danken wird. Das sehr interessante Verzeichniss der relativen Höhen habe ich mir zugeeignet.

Durch Ihre lichtvolle Darstellung, was man eigentlich unter den sogenannten Lokal- Anziehungen zu verstehen hat, bin ich überzeugt, dass dieser Ausdruck nicht recht passend ist. Die Sache selbst habe ich mir ungefähr immer ebenso gedacht. Auch sehe ich nun völlig deutlich ein. was man unter relativen Höhen zu verstehen hat. Uebrigens ist der Umstand, dass die Lothlinie nicht mit der Normalen des Erdsphäroids zusammenfällt, ja selbst nicht in der Ebene liegt, die man sich durch die Axe der Erde und den Ort auf ihrer Oberfläche, für den man die Richtung des Loths untersucht, gedenken kann, schon länger der Gegenstand meines Nachdenkens gewesen. Ich halte es nämlich für sehr wahrscheinlich, dass die Richtung der Lothlinie an einem gegebenen Ort nicht ganz unveränderlich ist, wodurch denn auch die scheinharen Polhöhen kleine Aenderungen erleiden können, und dass nur durch diese Annahme manche merkwürdige geologische Phänomene erklärbar sind.

^) Das letzte Glied muss nach Brief No. 555 2 n heissen. Seh.

334 Olbers an Gauss. Bremen, 1825 März 21.

Vollkommen haben Sie mir bewiesen, dass man die Fehler nicht in Gruppen vertheilen darf, um aus dem Quadrat des mittleren Werthes des Fehlers jeder Gruppe die Summe der Quadrate der Fehler zu er- halten. Ganz trifft indessen dies Foueier's Vorschrift nicht, wie es mir scheint. Doch darüber mehr, wenn ich erst das Vergnügen haben werde, Sie wieder hier zu sehen.

IvoRY hat zwei kleine Abhandlungen über die Methode der kleinsten Quadrate drucken lassen. Er sucht die Methode der kleinsten Quadrate bloss aus der Natur der Bedingungs-Gleichungen und aus dem Satz herzuleiten, dass bei der vortheilhaf testen Auflösung die Fehler der Gleichungen in den kleinsten Grenzen enthalten sein müssen, ohne die Lehre von den Wahrscheinlichkeiten einzumischen. Gefallen hat mir besonders der Beweiss, dass man nur die Quadrate, nicht die höheren geraden Potenzen anwenden dürfe. Sonst beschäftigt sich Ivory noch immer viel mit der Refraktions-Theorie.

Bessel hat mir geschrieben,^) dass er diesmal auch nicht nach Bremen kommen könne. Ich hatte wirklich die Absicht, um diesen lieben Freund und Schumacher's Sternwarte zu sehen, im künftigen Monat auf ein paar Tage nach Altona zu gehen; aber meine Gesund- heit wird es mir schwerlich erlauben. Ich bin einige Tage an einem entzündlichen Flechten-Ausschlag recht leidend gewesen und werde wahrscheinlich noch eine geraume Zeit unfähig sein, das Sitzen im AVagen auf eine etwas längere Dauer auszuhalten.

Encke wird bei der Gelegenheit auch nach Hamburg kommen und hat mir auch hier zu einem Besuch Hoffnung gemacht. Ob Encke den an ihn ergangenen Ruf nach Berlin annehmen wird, davon schreibt er mir kein Wort. Auf alle Fälle wird also entweder für Berlin oder für Gotha ein tüchtiger Astronom nöthig sein.

Schumacher ist, wie Sie wissen werden, jetzt in Kopenhagen, von Avo er erst Ende dieses Monats zurückkehren wird.

Der eben eingetroffene zweite Band der Schriften der Londoner Astronomischen Societät scheint mir beim Durchblättern eben nicht viel Wichtiges und Interessantes zu enthalten.

Leben Sie wohl, mein allertheuerster Freund, Erfreuen Sie mich bald wieder mit einigen Zeilen, und wenn Sie können, mit der eisehnteu Nachricht, dass ich bald die grosse Freude haben werde, Sie hier wieder zu umarmen.

*) Brief No. 313 im Briefwechsel Olbebs-Bessel. Krm.

Olbers an Gauss. Bremen, 1825 März 26. 385

No. 554. Olbers an (lauss. [293

Bremen, 1825 März 2(3.

Unsere letzten Briefe haben sich gekreuzt. So bald ich den Ihrigen erhalten hatte, theilte ich Hrn. Sen. Gildemeister den darin ;^'-eäusserten Wunsch mit, Ihre Operationen bald anfangen zu können. Kr versiirach, den jungen Klüver sogleich herein kommen zu lassen, und mit ihm wegen seiner diesjährigen Anstellung zu reden. Den Er- folg weiss ich noch nicht, zweifle aber keineswegs, dass Klüver jeden Äugenhlick bereit sein wird, Ihre Befehle zu befolgen.

Nach Altona komme ich wohl nicht. Eine kürzere Heise möchte ich aushalten können, und so hat das Projekt, Sie yielleiclit mit Scku- MACHER und Bessel auf einer Ihrer Stationen besuchen zu können, viel Reizendes und Anziehendes für mich. Ich leide noch immer an Schmerzen im wunden unteren Theile des Rückgrades.

Die Nachweisungen wegen der Ceres und Pallas waren mir sehr angenehm. \Mrklich hatte ich mich einige Male vergeblich nach letz- terer umgesehen, wtü ich sie an einer anderen Stelle suchte. Es scheint, dass 7uir Sie den Ort der Pallas im voraus mit Genauigkeit anzu- geben im Stande sind. Aber warum haben wir von der Ceres nicht auch schon Tafeln w-enigstens von der Güte, wie Daussy's^) Tafeln der Vesta?

Zu den neuen Entdeckungen in der so wunderbar reichhaltigen höheren Arithmetik gratulire ich von Herzen. Bei Ihrem ersten Lehr- satz über den Rest a finde ich bei den nach der gegebenen Formel berechneten Beispielen immer den richtigen Erfolg. Aber bei der zweiten, die Sie mir so angegeben haben

-H« + 1 n -f 2 » i + 3 . . . . 2 >2 1 ) 2 = Q'

kann ich bei der Division mit p nicht den Rest + b herausbringen.

Unendlich erfreut es mich, dass es mit der Gesundheit Ihrer ver- ehrten Frau Gemahlin immer besser geht, und dass Sie dieselbe dies- mal ruhig verlassen können. Denn hoffentlich werden sich alle kleinen Nachbleibsel der überstandenen Krankheit nun bei der besseren Jahres- zeit von selbst verlieren, und damit auch alle lästigen ärztlichen Ver- bote wegfallen. Dieses Jahr wollen wir, wills der Himmel, noch ein- mal so froh, wie im vorigen, nun von Sorgen garnicht mehr gestört, unsere Tage mit einander verleben.

Wird Ihr Hr. Sohn auch in dieser Campagne wieder hülfreiche

^) Vergl. Olbers Bd. 11, 1 Brief No. 317, S. 622 und No. 331, S. 650. Krm.

Olbers. II, 2. 25

3gg Gauss an Olbers. Göttingen, 1825 März 30.

Hand leisten oder will dies sein Dienst jetzt nicht erlauben? Sie würden einen sehr thätigen und brauchbaren Gehülfen an ihm ver- missen.

No. 555. Gauss an Olbers.') [262

Göttingen, 1825 März 30.

Mit Ihrem gütigen Briefe erhielt ich zugleich Namens Ihres Se- nates ein sehr verbindliches Schreiben der Hrn. Senatoren Gildemeistee und Schumacher, woraus ich mit Vergnügen sehe, dass ich auf die fortgesetzte liberale Unterstützung meiner Messungen von Bremischer Seite rechnen darf. Um vor dem Eintritt des Moorbrennens und der Baum -Belaubung schon etwas Erhebliches beschicken zu können, wünsche ich früh anzufangen, und ich denke schon Mitte Apr. ins Feld zu rücken, wenn ich die Genehmigung des K[önigl.] K[abinets]-M[iniste- riums] erhalte, um welche ich bereits nachgesucht habe, und an der ich nach den mündlichen Aeusserungen des Hrn. Ministers v. Arxs- WALDT nicht zweifle, und wenn die erforderlichen Fonds zeitig genug angewiesen werden.

Meine Absicht ist, zuerst durch den Hrn. Müller und meinen Sohn untersuchen zu lassen, ob die Richtungen Brillit Bremerlehe und Garlste Oldenburg geöifnet werden können. Während der Zeit möchte ich nun gern meine Beschäftigung und meinen Aufenthalt so wählen, dass ich am leichtesten von Ihrem und unserer Freunde Besuch erfreut werden kann. In Rotenburg, welches der Lage nach nicht unbequem wäre, habe ich selbst gar nichts mehr zu thun; es könnte also nui- Osterholz, Gnarrenburg und Zeven in Konsideration kommen. Oster- holz läge Ihnen am nächsten, würde aber wohl für Bessel zu entfernt sein, da ihm das nur ebenso weite Bremen zu weit ist. Gnarrenbiu-g läge Bessel näher, allein es ist daselbst kaum für einen ein Unter- kommen und nur ein höchst betrübtes; auch kann ich an beiden Orten nicht eher etwas arbeiten, als bis die erwähnten Richtungen geöffnet sind. Zeven ist also in jeder Beziehung am zweckmässigsten; den dortigen Winkel zwischen Bremen und Brillit muss ich ohnehin noch nachmessen. Bessel kann in 9 10, Sie, wenn das Moor fahrbar ist, in 0, sonst in 7 Stunden hinkommen, und der Aufenthalt daselbst ist so gut, wie einer es sein kann. Wenn die früheren Einrichtungen dort noch fortdauern, so würde nur der Sonntag dort raumbeengt sein, und wenn alles sonst nach ^^'unsch geht, so könnte ich dann vielleicht den

^) Der Brief ist iu deutscher Schrift geschrieben. Krm.

Gauss an Olbers. Güttingen, 182") März 30. 3^7

25. Apr. Sie und unsere Freunde dort erwarten. In der A'oraussetzung-, dass Sie uns Allen diese g-rosse Freude zu machen geneigt sein wür- den, habe ich sclum am 20. an Bessel und Schumacher diese Idee vorläufig gemeldet,^) obwohl noch ohne Zeitbestimmung und ohne zu wissen, dass Schumacher jetzt nicht in Altona ist. Ich selbst würde vermuthlich schon mehrere Tage früher in Zeven sein, und wenn Bessel vielleicht diese Eeise nur ein paar Tage früher machen könnte, so würde ein Theil der Gesellschaft vermuthlich im anderen Gasthofe ein Quartier nehmen müssen, wo es aber nach Hrn. Senator Gilde- meister's Versicherung auch recht gut sein soll.

Kine definitive Bestimmung meiner Reise-Disposition werde ich, so bald ich kann, Ihnen schicken. Hrn. Klüver's natürlichstes erstes Ge- schäft wäre dann die Lichtsendung vom Ansgarius nach Zeven, und es wäre vielleicht gut, wenn er vorher und bald einmal nachsähe, ob die Zurüstungen auf dem Thurm zur Aufstellung des Heliotrops noch in guter Ordnung sind und die Zeichen auf dem Brette noch kenntlich.

In die Mittheilung des zweiten arithmetischen Theorems muss sich ein Schreibfehler eingeschlichen haben. Es soll nicht sein

1 -r 1 « + 2 ?i + 3 . . . . 2 ;2 1)2 = Q' sondern

Die natürlichen Zahlen 1, 2, 3 p 1 werden nämlich in

4 Gruppen, jede von | (_p 1) Stück, zerschnitten; heissen die Produkte der Zahlen jeder Gruppe der Reihe nach «, ß, y, d, so ist

lßßE=.±b

Sie können auch \ yy nehmen, W'Omit nur etwas unbequemer zu rechnen

o

ist; die Ihnen mitgetheilte Formel für a ist mit der -J— identisch, aber

2 a

etwas bequemer zum Rechnen. Es ward immer y ^-j^ß, ^^ia sein, wo das obere Zeichen für gerade ^ {p 1), das untere für un- gerade gilt.

Ich hoffe, dass die Abhandlung, die ich jetzt bereits über die Hälfte fertig habe, manchem Leser interessant sein w4rd, zumal da sie ohne sehr viele andere Zurüstungen aus der höheren Arithmetik vollkommen verständlich sein w^ird.

Für die Rekognoscirungsgescliäfte würde es eine grosse Beförde- rung sein, wenn wir noch über einen kleinen, leicht transportabelen Theodolithen, so wie der, dessen sich der Hr. Sen. Gildemeister 1823

*) Brief No. 149 im Briefwechsel Gauss -Bessel und No. 238 im Briefwechsel Gauss -ScHmiACHER. Knn.

25*

388 Olbers an Gauss. Bremen, 1825 April 8.

bediente, disponiren könnten. Dieser wird aber wohl nach dem, was ich im vorig-en Jahre hörte, nicht zu haben sein.

Leben Sie wohl, mein geliebter Olbers. Beherzigen Sie den mir so reizenden Plan, Sie noch im nächsten Monat in Zeven zu umarmen, und falls Sie Gelegenheit haben, es früher als ich zu thun, so setzen Sie im voraus unsere Freunde Schumacher und Bessel von Ihrer Bei- stimmung in Kenntniss.

No. 556. Olbers au Gauss. [294

Bremen, 1825 April 8.

Alles ist hier nun für Ihre Befehle in Bereitschaft. Vorgestern war Klüver bei mir und versprach, alles auf dem Ansg[arius]-Thurm nachzusehen; auch sei der Heliotrop völlig in seinem unveränderten Zustande. Er fürchtet, dass das Moorbrennen, wenn der Frühling so trocken bleibt, sehr früh anfangen werde.

Ihr sehr gütiges Projekt, Ihnen mit Bessel und Schumacher zu- gleich in Zeven einen Besuch zu machen, hat viel zu viel Beiz für mich, als dass ich nicht sehr, sehr gern darauf eingehen sollte. Zwar kränkele ich noch immer etwas, aber ich hoffe, gegen das letzte Drittel dieses Monats, wo nicht vöUig wiederhergestellt, wenigstens im Stande zu sein, eine Reise bis Zeven unternehmen und aushalten zu können, und wenn letzteres nur irgend der Fall ist, so bleibe ich gewiss nicht aus. In diesem Sinne habe ich sowohl an Bessel. als auch an Schu- macher geschrieben, der am 5. oder 6. Apr. wieder in Altona einzu- treffen glaubte.

Ich danke Ihnen für die Erläuterungen Ihres schönen Theorems. Nun nach Verbesserung des Schreibfehlers trifft alles gehörig zu.

Wegen des kleinen Theodolithen habe ich sogleich mit Klüver gesprochen, und er hofft, dass Sie über denselben werden disponiren können. Dieser Theodolith ist aber, wie Ihnen bekannt sein wird, nur ein sehr unvollkommenes ^\'erkzeug.

Noch weiss ich nicht, ob Encke den Ruf ^) nach Berlin angenommen hat oder annehmen wird. Sie werden ihn, wie ich schon gemeldet habe, wahrscheinlich irgendwo auf einer Ihrer Stationen sehen. Dieser treff- liche Rechner hat nun die Untersuchungen über dasjenige, was wir bisher von dem Kometen ^j von 1808 wissen, geendigt, und die Bahn

^) Der Ruf nach Berlin als Akademiker und Direktor der Sternwarte war An- fang 1825 auf Bessel's Veranlassung- an Encke ergangen. Vergl. Brctixs: Joh. Franz Encke, sein Leben und Wirken. Leipzig 1869, S. 102—110. Krm.

") Komet 1808 I, dessen Identität mit dem von 1797 vermuthet wurde. Krui.

Gauss an Olhers. Göttiniyren, 18'J5 April 15. 38J>

dieses ^\'eltkörpers wenigstens sjo weit bestimmt, dass man ihn bei einer künftigen Wiedererscheinnng auch wieder erkennen wird.

Kxckp:'s Kumet ist bei seiner diesjährigen Wiederkunft höchst wahrscheinlich auf südlicheren Sternwarten, vielleicht auch in Güttingen^) schon gleich nach der Mitte des Juli aufzufinden. Hier wird es wohl die nächtliche Dämmerung bis Mitte Aug. unmöglich machen. Der Unterschied von li° in den Polhöhen von Göttingen und Bremen hat auf die Dauer und Stärke der nächtlichen Dämmerung schon grossen Kinfluss.

Gewiss habe ich es lediglich unserem Schumacher zu verdanken, dass der König von Dänemark auch mich zum Ritter vom Danebrog ernannt hat.

No. 557. Gauss an Olbers.') [263

Göttingen, 1825 April 15.

Wie sehr haben Sie mich durch die bestimmte Zusage Ihres Be- suches in Zeven [erfreut]. Mit einigen schönen glücklichen Tagen werde ich nun meine diesjährigen Operationen anfangen und mich dadurch im voraus auf die tristen stärken, auf die ich mich in den weiter nörd- lichen Gegenden gefasst halten muss.

Ich bin diese letzten Tage in Verlegenheit gewesen, ob ich die meinerseits gegebene Zusage, vom 25. an bereit zu sein, Sie in Zeven zu erwarten, würde erfüllen können, da die ministerielle Antwort auf meine schon vor 18 Tagen eingegebene Bitte so lange ausblieb, und ich früher nicht ins Feld rücken konnte. Heute endlich ist die Antwoi-t eingegangen. Ich bin nun noch eben im Stande, gewiss zu versprechen, dass ich, wo nicht eher, doch Mittags den 25. Montags in Zeven sein werde. Aber wenn es aucli noch nicht ganz unmöglich ist. dass ich schon am 24. dort sein könnte, so kann ich dies doch nicht verbürgen. Auch durch noch einen Umstand bin ich sehr zurückgesetzt. Der In- spektor Rumpf ist krank und kann seit mehreren Monaten nicht aus dem Hause. Ich rauss daher alle meine Instrumente selbst zerlegen und reinigen. Mit dem Theodolithen bin ich fertig, noch ist der Kreis aber in Stücken, und die Heliotrope müssen erst noch berichtigt werden. Dazu so viele Privat-Angelegenheiten. Auch in Hannover habe ich mancherlei zu thun, was zu beschleunigen nicht von mir abhängt. Doch

^) Als Komet 1825 III von Valz in Nimes Jnli 13, von Hakding in Göttingen Juli 20 wieder aufgefunden. Vergl. auch Brief No. 590 an Gauss, ferner Briefwechsel Olbebs-Bessel, No. 318. Krm.

-) Der Brief ist in deutscher Schrift o-eschrieben. Krm.

390 Olbers an Gauss. Bremen, 1825 April 18.

wiederhole ich mein Versprechen, am 25. Mittags in Zeven zu sein, wo ich einen Brief von Ihnen, der aber schon am 22. aufgeliefert sein muss, vorzufinden hoffe, mit der Nachricht, dass Sie auch am 25. schon eintreffen. Von Hannover aus schreibe ich Ihnen auch noch einmal, besonders wenn ich es möglich machen kann, schon früher hinzukommen, über die Zeit, wann Hr. Klüver zuerst Heliotroplicht herzusenden hat.

Bessel wird wohl schwerlich in Zeven lange verweilen können; aber Sie, mein theuerster Freund, werden doch wenigstens einige Tage länger bei mir bleiben. Ich denke im Namen unserer Wirthin Ihnen im voraus versichern zu können, dass alles geschehen soll, Ihnen den Aufenthalt komfortabel zu machen.

Der Danebrog-Orden^) ist mir jetzt, da Sie ihn tragen, noch ein- mal so werth geworden.

No. 558. Olbers an Gauss. 1295

Bremen, 1825 April 18.

Ich versuche es, Ihnen diese Zeilen schon in Hannover in die Hände zu bringen. Schumacheb schreibt mir nämlich, „es sei noch ganz ungewiss, oh Bessel überhaupt, und noch mehr uwm er von Ham- burg abkommen könne, Sie oder mich zu besuchen. Sie beide, Bessel und Schumacher vereint, hätten aber unter diesen Umständen Ihnen, mein theurer Freund, ihre dringendsten Bitten vorgetragen, doch nach Hamburg oder vielmehr nach Altona zu kommen, und sie hoffen auf Ihre geneigte Gewährung." Nun wollte ich Ihnen nur anzeigen, dass ich nicJd eher nach Zeven kommen werde, als bis ich von Schumacher oder Bessel höre, ivann letzterer hinkommen wird, dass Sie sich also um meinetwillen gar nicht abhalten lassen müssen, nach Altona zu gehen.

Von der Eose keine Spur mehr, aber ein heftiger Katarrh dauert noch fort, und die Unbequemlichkeit am unteren Theil des Eückgrates hat wieder zugenommen; doch hoffe ich, soll sie mich nicht hindern, bis Zeven fahren zu können, wenn anders aus der dortigen Zusammen- kunft noch etwas wird. Schumacher und Bessel würden, wenn sie überhaupt Altona und Hamburg verlassen können (Schumacher ist vom Besuche einiger Freunde abhängig), auch wohl ganz bis nach Bremen kommen, wenn sie nur wüssten, Sie, mein Allertheuerster, dann auch hier zu sehen.

*) Mit diesem Briefe schreibt Gauss jetzt auoh in der Adresse „Seiner Hoch- ■Nvolilgeboren Herrn Doktor und Rittor Olbers", während er früher nur adressirte „Seiner Wohlgeboren Herrn Doktor Olbeks". Krm.

Gauss an Olbers. Hannover, ls-25 April 22. 39X

Höre ich vor dem 2ii. A\n\ noch etwas Bestimmtes von unseren Freunden, so melde ich es Ihnen nacli Zeven und erwarte dann Ihre ferneren Befehle.

No. 559. Gauss an Olbers/) [264

Hannover, 1825 April 22.

Jetzt zähle ich schon die Stunden, nach deren Verlauf ich Sie in Zeven. wie ich zuversichtlich hoffe, umarmen werde. Zwar habe ich bisher bloss von Ihnen das bestimmte Versprechen, zu erscheinen, aber die einzige Besorgniss, dass Bessel früher von Hamburg seine Kück- reise schon angetreten haben könnte, ist gehoben. Encke nämlich, den ich gestern hiei- im Gasthof traf, und der sogleich weiter nach Hamburg i-eiste, erzählte mir, dass nach einem Briefe seines Bruders Bessel, ehe er von der zivischen uns bestimmt genommenen Abrede ivusste. entschlossen gewesen sei, bis zum 24. inkl. in Hamburg zu bleiben, und dann in der Voraussetzung, dass Sie gar nicht reisen könnten, einen Tag nach Bremen kommen wollte. Es steht also nichts von keiner Seite im Wege, das schöne Rendez-vous von uns allen in Zeven auszuführen, denn Encke hat mir versprochen, auch mitzukommen. Die Umstände können sich nicht glücklicher vereinigen.

Mir selbst wird es jetzt zwar sehr schwer, mein Versprechen inne zu halten, da ich durch Unwohlsein und Verfehlen mancher Personen gestern in meinen Geschäften sehr gestört bin und daher, mich heute und morgen früh auf das Dringendste beschränkend, manche vorgesetzten Besuche aufgeben muss. Allein, verlassen Sie sich fest darauf, dass ich Wort halte. Ich bin entweder übermorgen 24. spät Abends oder am 25. vor Mittag in Zeven, Ihrer harrend. Dieselbe Versicherung gebe ich Schu- macher.

"\^'as Hrn. Klüvee betrifft, so wünsche ich, dass

1) Falls Sie Montag den 25., wie ich hoffe, nach Zeven kommen und falls Sie dieses auch bereits mir dorthin gemeldet haben, er am 26. Nachmittags anfange, Licht nach Zeven zu schicken, und damit fortfahre, bis er meinerseits Aufforderung von einem anderen Orte her bekommt. Ist dieser andere Ort Brüttendorf, so schickt er bloss den laufenden Tag Licht dahin und den folgenden wieder nach Zeven; ist es aber Brillit, so fährt er am zweiten Tage fort, nach Brillit zu schicken, bis andere Aufforderung erfolgt.

2) Falls Sie aber erst später nach Zeven kommen sollten, und ich

^) Der Brief ist in deutscher Schrift geschriehen. Krm.

392 Olbers an Gauss. Bremen. 1825 April 22.

darüber von Ihnen benachrichtigt bin, d. i. so früh, dass Ihr Brief am

24. Abends in Zeven angekommen ist, so wünsche ich, dass Hr. Klüveb schon am 25. Naclimittags Licht schicke, aber nicht nach Zeven, sondern nach Brüttendorf. Denn am 25. ist mir das Licht nach Zeven unnöthig. weil erst am 26. die anderen Heliotrope anfangen; weiss ich aber bestimmt, dass Sie am 25. noch nicht nach Zeven kommen, so wünsche ich, um an diesem Tage nicht müssig zu sein, die Messung in Brütten- dorf vorzunehmen, wozu es bloss des Bremer Lichtes bedarf.

3) Sind aber die Umstände so, dass ich bei meiner Ankunft in Zeven über den Tag Ihrer Ankunft ungewiss bin, d. i., ist kein Brief von Ihnen da, so schlage ich vor, dass

A) wenn Sie später als am 25. kommen, Hr. Klü\t:e schon den

25. Vormittags ein paar Stunden Licht nach Brüttendorf schickt und Nachmittags fortfährt; das vormittägige Licht soll dann als Signal für meine Leute dienen, die mich avertiren, so dass ich Nachmittags hinaus- komme. Hr. KLtJvEE fängt dann wohl Nachmittags zeitig an, d. i. um 2 Uhr.

B) Kommen Sie aber am 25., so dient das Ausbleiben des Vor- mittagslichts von Hrn. Klüvee mir zum Signal, Nachmittags selbst zu Hause zu bleiben, um Sie zu erwarten, damit ich keinen Augenblick von Ihrer Gegenwart verliere. Im Uebrigen dann wie oben Nr. 1.

Hr. Klüver setzt den Heliotrop auf den Platz, der auf dem Brette für Garlste und Zeven bezeichnet ist.

Verzeihen Sie das schwarze Siegel. Es bedeutet nichts, als die Eile, in der ich den Brief auf die Post schicken niuss, die mir nicht erlaubt, jetzt das rothe zu suchen.

No. 560. Olbers an Gauss. [296

Bremen, 1825 April 22.

Ich hoffe, dass Sie diese Zeilen in Verden^) erhalten werden.

Vorgestern erhielt ich noch einen vom 18. Apr. datirten Brief von Bessel, worin er mir die Unmöglichkeit meldete. Sie und mich diesmal zu sehen, da er am 27. nothwendig von Altona nach Königsberg abreisen und bis dahin noch immer mit Repsold und dessen nicht vollendetem Pendelapparat sich beschäftigen müsse. Schon liatte ich also alle Hoffnung aufgegeben, als ich gestern den 21. Apr. durch einen Brief von Schumacher unerwartet erfreut wurde, worin er schrieb. Repsold

^) Der Brief sollte Gauss avü der Durchreise in Verden übergeben werden. Krni.

Olbers au Gauss. Bremen, 1825 April •22. 393

habe wider \ erimithen seine Arbeit so geschwind vollendet, dass Bessel nnn noch die Möf^lichkeit finde, mich zu besuchen. Bessel, Repsold, J'rof. Thune und Schumacher würden also Sonntag den 24. Apr. Abends hier In Brcmm eintreffen, Montag: hierbleiben, Diensta«»: den 26. früh wieder abreisen, um noch denselben Tag' wieder in Hamburg einzutreffen, von wo Hessei. dann am folgenden Morgen d. 27. nach Königsberg ab- gehen werde.

Meine innigste dringendste Bitte, lieber Gauss, ist nun, dass Sie. anstatt unmittelbar nach Zeven, über Bremen dahin gehen. Der Umweg ist nicht bedeutend. Bessel und unsere anderen Freunde vereinigen ihre Bitten mit den meinigen. Sie gehen nicht nach Zeven, sondern nach Bremen, weil es noch so ungewiss war, ob Sie, mein allertheuerster Freund, vor dem 25. Apr. dort sein könnten, und Bessel dann nur auf gar zu wenige Stunden mit Ihnen hätte zusammen sein können. Ich hoffe gewiss, Sie werden mir, Sie werden uns allen die grosse Freude machen, Sie hier zu sehen, und so erwarte ich Sie dann am Sonntag den 24. oder wenigstens am Montag den 25., am letzteren Tage auf alle Fälle vor dem Mittagessen hier. Für Sie und Ihren Hrn. Sohn wird das Quartier in meinem Hause in Bereitschaft sein.

Ich hoffe, Sie haben mein nach Hannover geschicktes Brieflein richtig erhalten.

In grösster Eile.

No. 561. Olbers an Gauss.') [297

Bremen, 1825 April 22.

Auf den Fall, dass mein Brief nach Verden Ihnen dort nicht zu Händen gekommen sein sollte, melde ich Ihnen, dass Bessel wider sein Vermuthen, nachdem er mir schon alle Hoffnung genommen hatte, durch Repsold's Fleiss sich im Stande befindet, noch die 3 Tage, den 24., 25. und 26. Apr. zu einer Eeise nach Bremen anzuwenden. Er mit Schu- macher, Repsold und Prof. Thune werden Sonntag den 24. Abends hier in Bremen eintreffen, Montag den 25. hier bleiben und Dienstag den 26. wieder nach Hamburg zurückkehren, von wo Bessel seine Rück- reise unfehlbar am 27. Apr. nach Königsberg antreten wird.

Ich habe Sie in meinem Briefe nach Verden sehr dringend gebeten, doch von dort gleich nach Bremen zu kommen. Sollte unglücklicher Weise der Brief Sie verfehlt haben, so wage ich es, Sie sowohl in meinem Namen, als auch im Auftrage unserer Freunde aufs Innigste und Dringendste

Dieser zweite Brief ist nach Zeven gerichtet. Krm.

394 Gauss an Olbers. Zeveii, 1825 April 26.

ZU bitten, doch wo irgend möglich von Zeven gleich hierher nach Bremen zu fahren. Die grosse, grosse Freude, die Sie mir, die Sie uns allen dadurch machen werden, wird die Unbescheidenheit meiner Bitte, Ihnen die Beschwerde dieser kleinen Reise gleich nach einer überstandenen grösseren zuzumuthen, entschuldigen, und ich rechne so sehr auf Ihre gefällige Freundschaft und Gewogenheit, dass ich Sie, wo nicht schon am 24. Apr. zum Abendessen, doch gewiss am 25. zum Mittagessen hier in Bremen erwarte. Quartier für Sie und Ihren Hrn. Sohn ist, wie sich von selbst versteht, in meinem Hause bereit.

No. 562. Ganss an Olbers.') [265

Zeven, 1825 April 26.

Ihren Brief nach Hannover^) erhielt ich erst in der Minute, wo ich Hannover verlassen wollte, zum Glück, muss ich hinzusetzen, denn hätte ich ihn viel früher erhalten, so hätte ich vielleicht meine Dis- positionen noch so getroifen, dass ich über Altena nach Zeven gereist wäre; in Altona am 24. Abends angekommen, hätte ich dann alle ver- fehlt. — Durch Verden bin ich gar nicht gekommen, sondern über Walsrode.

Dass ich Bessel in Rotenburg nur eine Stunde habe sehen und bei den Umständen fast gar nicht habe geniessen können, schmerzt mich sehr; allein hätte ich auch mit nach Bremen reisen können, so würden Sie von mir und ich von Ihnen nichts gehabt haben. Ich kam hier sehr unwohl an, was, da Bremen noch 3 Meilen weiter von Rotenburg ist als Zeven, in jenem Fall noch viel mehr so gewesen sein würde. Kaum konnte ich gestern Nachmittag, als mir das Erscheinen des Heliotroplichtes gemeldet wurde, dahin fahren. Schlechte Auspicien begleiten in vielfacher Beziehung den Anfang meiner Messungen in diesem Jahre ; beim Zurückfahren warf ich um, 2 Kisten mir auf Schenkel und Leib, an jenem erhielt ich eine geringe Kontusion und in der Seite fühlte ich gestern viel Schmerz, der sich aber heute grossen Theils verloren hat. Die Instrumente scheinen keinen Schaden genommen zu haben.

Möchten Sie, liebster Olbers, die schlechten Anspielen bessern, indem Sie mich hier mit einem Besuche beglücken. Schumacher hat ihn mir zugesagt, und wenn Ihr Befinden es Ihnen sonst erlaubt, hoffe

^) Vergl. zu dem Inhalte dieses Briefes und dem darin erwähnten Unfall auch Briefwechsel Gaüss-Bessel No. 151 und Gauss-Schumachku No. '246, Krni. «) No. 558 vom 18. Apr. 1825. Krm.

Olbers an Gauss. Brenieu, 18'25 April 29. 395

ich, dass Sie darüber bereits gemeinschaftliche Kückspiache g:enommeii haben.

Auf genaue Erkundigung höre ich, dass der "Weg über das Moor jetzt sehr gut falirbar ist: mir war dies um so lieber zu hören, da die Stelle, wo ich umwarf, auf der Strasse von Ottersberg nach Zeven liegt, welche ganz nahe bei meinem Brüttendorfer Postament vorbeiläuft, etwa 500 Schritt diesseits dieses Postaments; das tief ausgefahrene Gleis an dieser Stelle soll jedoch heute oder morgen ausgebessert werden.

No. 563. Olbers au Gauss. [298

Bremen, 1825 April 29.

Es hat mir sehr, sehr leid gethan, Sie nicht zugleich mit unseren freunden hier zu sehen. Ich hatte so gewiss darauf gerechnet, und es würde meine Freude so sehr vermehrt haben. Hätte ich nur daran gedacht, dass Sie auch über Walsrode reisen könnten, so würde ich einen Boten hingeschickt und Ihnen dort ebenso haben auflauern lassen, wie es nun leider vergeblich in Verden geschehen ist.

Schumacher hat mir nichts davon gesagt, dass er einen Besuch bei Ihnen abzulegen willens sei; wahrscheinlich ist dies nicht geschehen, weil Schumacher sich hier nach der angreifenden Reise nicht w'ohl befand, und ich gerade ihn deswegen nur wenig gesehen und gesprochen habe. Am 24. Abends kamen die Herren erst um 9 Uhr Abends an. Am folgenden Morgen musste sich Schumacher, bald nachdem er auf- gestanden war, wieder zu Bett legen, liess mir auch Mittags durch seinen Begleiter sagen, dass er nicht zum Essen kommen könne. Indessen liess sein Kopfweh nach, und gegen 4 J Uhr Nachmittags, wie wir halb abgespeist hatten, war er noch so gefällig, bei dem übrigen Theil der Mahlzeit zugegen zu sein.

Es ist mir sehr unangenehm, dass Schumacher darüber keine Abrede mit mir getroffen hat. Ich fürchte, es wird nun durch das Hin- und Herschreiben zu spät, und Sie sind bei dem günstigen Wetter in Zeven eher fertig, als ein Entschluss gefasst werden kann. Was mich betrifft, so hin ich jeden Tag, den Schumacher und Sie miteinander verabreden werden, zu erscheinen bereit. Sollte aber Schumacher gar nicht kommen, oder Sie schon früher Zeven verlassen, so möchte ich auch meinen Besuch (denn besuchen muss ich Sie durchaus auf einer Ihrer Stationen, es macht mir zu viele Freude, und Sie haben es mir einmal erlaubt) bis dahin aufschieben, dass Sie in Osterholz Ihr Haupt- quartier nehmen werden, welches mir dann sehr bequem liegt.

396 Gauss an Olbers. Zeven, 1825 Mai 1.

Bessel hatte einen, Schumachee mehrere Chronometer, letzterer auch seinen REiCHENBAcn'schen Repetitionskreis mitgebracht. Mit letz- terem suchte Hansen Vormittags und Nachmittags die Bremer Zeit. und Mittags durch Circummeridian-Höhen die Breite zu bestimmen: aber bei dem wolkigen Himmel haben nur sehr wenig Höhen genommen werden können.

Alle unsere Freunde haben mir gerühmt, mein allertheuerster Freund, wie wohl Sie jetzt aussehen, und besonders konnte sich Bessel niclit genug freuen, Sie anscheinend so gesund und gestärkt gefunden zu haben. Dem Himmel sei Dank, dass das unglückliche Umwerfen Ihre> Wagens, das leicht hätte gefährlich werden können, keine bedeutenden Folsren g-ehabt hat!

No. 564. Gauss an Olbers.') [266

Zeven, 1825 Mai 1.

Durch die Gefälligkeit des Hrn. Ober-Kommissär Greve kann ich diesen Brief schon zwei bis drei Tage früher, als auf dem Wege der Post möglich wäre, in Ihre Hände bringen. Aufs Inständigste bitte ich Sie, mich noch hier in Zeven zu besuchen. Alles kommt zusammen, mir diesen Wunsch recht heiss zu machen. Die Disappointements , die mich hier betroffen, haben mich ganz niedergeschlagen gemacht, ich fühle eine Muthlosigkeit, wie ich sie sonst an mir nicht kenne. Ihr Besuch wird mich aufrichten. Körperlich befinde ich mich wieder sehr wohl; die beste körperliche Pflege finden wir hier, das Wetter, die Wege sind vortrefflich. Haben Sie vielleicht mit Schumacher schon verabredet hierherzukommen, so ist freilich dieser Brief überflüssig, ist das aber nicht, so kommen Sie allein so bald als möglich. Sie können, wenn Sie wollen, schon Dienstag bald nach ^Mittag hier sein. Ich zweifle übrigens gar nicht, dass, wenn Sie Schumacher gleich benachrichtigen, er auch gleich kommen wird. Auf alle Fälle bleiben Sie doch diesmal länger als das vorige Mal.

Nur das eine will ich noch bemerken, dass ich auf jede» Fall bis Donnerstag hier geblieben sein würde, weil ich bis dahin meine Briefe aus Göttingen hierher habe adressiren lassen. Vielleicht nitiss ich ohnehin noch länger hier bleiben, da ich noch gar keine Nachricht über die Durchhaue habe, auch an Winkelmessungen noch nicht viel habe thun können. Allein von selbst versteht sich, dass ich, wenn Sie konnnen,

') Der Biiel' ist in deutscher Sclirift geschrieben. Krni.

Gauss an Olbcrs. Zevi'ii. 1825 Mai 3. 397

hier bleibe, aucli wenn meine Pferde schon angespannt wären, und desto glücklicher bin. je länger Sie bleiben.

Vielleicht werde ich, wenn ich demnächst nach Brillit gehe, die Lichtschickung dahin von Oarlste aus dem Hrn. Klüver übertragen müssen, in welchem Fall vermuthlich der Lieutenant Hartmann ihn in Bremen ablösen wird. Die Ankunft des Hrn. Lieutenant in Bremen soll also, falls ich nicht besonders noch vorher Nachricht gebe, für Hi-n. Klüver schon als Aufforderung gelten, nach Garlste zu gehen. Nur müsste er vorher, wenn es nöthig ist, den Heliotropplatz auf dem Brett im Ansgarius für Brillit kenntlich machen, oder eventualiter den Hrn. Lieutenant erst anweisen.

No. 565. Gauss an Olbers/) [ser

Zeven, 1825 Mai 3.

Dieser Brief hat bloss zum Zweck, in dem hoifentlich ungegründeten F'alle, dass mein vorgestriger Sie noch nicht bew^ogen hat, heute oder morgen nach Zeven zu kommen, meine Bitte auf das Allerdringendste und mit der Bemerkung zu wiederholen, dass meine Geschäfte seit vor- gestern noch um gar nichts weiter gekommen sind, und ich also auf alle Fälle noch Donnerstag und ohne Zweifel Freitag hier bleiben muss. Ich kann Hinen gar nicht beschreiben, -wie mich verlangt, Sie hier zu umarmen. Wüsste ich nur den Tag, wo Sie kommen w^ollen, bestimmt, so würde ich meinen Aufenthalt ganz gewüss bis dahin sichern. Sollte es ein späterer als Freitag sein, so lassen Sie nur Klüver den Tag zuvor oft die Zahl 2 signalisiren, dann bleibe ich gewiss noch, auch wenn ich sonst vielleicht schon den folgenden Tag hätte abreisen wollen. Dies kann nicht fehlen, denn mein letzter Tag hier muss doch auf alle Fälle ein sonniger Tag sein. Lassen Sie nur Hire Reise nicht von Schumacher abhängig sein, der, wie er mir schrieb, durch Thune genirt ist.

Eiligst !

Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

398 Gauss an Olbers. No. 2. Zeven, 1825 Mai 3.

No. 566. Gauss an Olbers.') No. 2. [268

Zeven, 1825 Mai 3.

So eben erhalte ich Nachricht von Müller, der zufolg^e ich geiviss noch wenigstens bis Freitag inkl., wahrscheinlich sogar Sonnabend hier bleiben niuss, weil der Durchhau nicht eher vollendet werden kann. Möchten Sie also sich doch erbitten lassen, mich hier noch zu besuchen. Ich kann meinen Bitten nichts weiter hinzusetzen als ihie Wiederholung. Der vorige Brief ist schon eskortirt. doch soll dieser auch noch mitgehen.

No. 567. Olbers an Gauss. [299

Bremen, 1825 Mai 3.

Ihren gütigen lieben Brief vom 1. Mai habe ich durch den Hrn. Ober- Kommissär Greve gestern Abend erhalten. Ein vermehrter Katarrh und einige andere Unbequemlichkeiten würden mich wohl nicht ab- gehalten haben, Ihrer freundlichen Einladung zufolge schon heute nach Zeven zu kommen, wenn ich nicht unglücklicher Weise morgen, am 4. Mai, ein für mich ziemlich wichtiges Geldgeschäft in Ordnung zu bringen hätte, bei dem ich keinen anderen substituiren kann, sondern nothwendig persönlich gegenwärtig sein muss. Da Sie nun übermorgen am 5. Mai wahrscheinlich schon Zeven verlassen können, so werden Sie erlauben, dass ich meinen Besuch bis dahin aufschiebe, bis Sie in Oster- holz Ihr Hauptquartier nehmen werden. Vielleicht wird mich dann, wenn Sie es vergönnen, unser Senator Gildemeister begleiten.

Von Schumacher habe ich, seit er hier war, noch keine Silbe gesehen; nur von Hansen habe ich einige Zeilen erhalten, die ein Packet mit Drucksachen und Manuskripten begleiteten, worin aber H.vnsen nichts von unseren Freunden, auch nicht mal, ob und wann Bessel von Altona abgereist ist, meldet, als dass sich Schumacher und Bessel nach der Reise wohl befinden und die Chronometer ein befriedigendes Resultat für die Länge von Bremen geliefert haben. Das Resultat selbst hat er mir noch nicht mitgetheilt.

Sollten Sie, mein geliebter Gauss, jetzt schon ungefähr einen Plan Ihrer diesjährigen Campagne gemacht haben, so würde es mir sehr angenehm sein, im voraus zu erfahren, wann ich ungefähr auf das Glück rechnen kann, Sie hier zu sehen. Ich weiss ganz wohl, dass sich dies

^) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

OlbtTs an Gauss, Bremen. 1825 Mai 3 und 10. 399

wohl auf 3 oder ö Wocht-n nicht bestimmen liisst. "Warum ich aber, wenn es möglich ist. beiläufig die Zeit Ihres Hierseins kennen möchte, davon ist die Ursache, dass meine beiden, einzig von allen meinen Ge- schwistern noch lebenden Schwestern, die Räthin Meyer in Hannover und die Oberdeichgrätin Marxens in Berlin, mir auch einen Besuch zugedacht haben. Diesen kann icli nun verlegen, wohin ich will, und Sie, lieber Gauss, müssen sich dadurch auf keine Weise in Hiren Pro- jekten stören lassen; aber angenehm wäre es mir, wenn ich meinen Schwestern im voraus den Monat nennen könnte, in welchem ich sie hier sehen möchte.

Prof. Thüne hat mir durch Hansen eine Abschrift der Original- Beobb. Tycho's der Kometen von 1590 und 1596 geschickt, die er aus einem auf der Kopenhagener Bibliothek befindlichen Manuskript ab- geschrieben hat. P]s ist offenbar, dass Pingre eine Kopie desselben Manuskripts vor sich hatte, als er Tycho's Beobb. in seiner Cometo- graphie bekannt machte. Allein einiges hat er doch zu sehr abgekürzt, anderes nicht ganz Unerhebliches weggelassen, und ich habe nun ein- mal so eine bigotte Verehrung für alle Original-Berichte von Thatsachen und also auch von astronomischen Beobb., dass ich doch wünschen möchte, diese Original-Beobb. irgendwo vollständig bekannt gemacht zu sehen. Sollte einst ein Tychonischer Komet wiederkehren, so kann vielleicht auch der kleinste von Tycho erwähnte Umstand wächtig werden.

Ich höre, dass Aegelander die Absicht hat, Svanberg's astro- nomische Beobb. in Lappland bei der Gradmessung mit besseren In- strumenten zu wiederholen.

An Hrn. Klüver werde ich Ihre Befehle bekannt machen. Es wird mir angenehm sein, auch Hrn. Lieutenant Hartmann kennen zu lernen.

No. 568. 011) er s an Ganss.'j [soo

Bremen, 1825 Mai 10.

Meinen herzlichsten, innigsten Dank für Ihre so gütige Aufnahme in Zeven und für die angenehmen Stunden, die ich dort in Ihrer und Schumacher's Gesellschaft verlebt habe. Ich kam hier sehr ermüdet erst um 9i Uhr Abends zurück. Das Gewitter, dessen grösste Wuth ich im Holze zwischen Kirchtimke und Tarmstedt zu überstehen hatte,

^) Zwischen diesem und dem vorigen Briefe liegt der Besuch Olbeks' und Schu- macher's bei Gauss in Zeven (Mai 6 8 ungefähr). Vergl. Briefwechsel Olbers-Bessel No. 318, Gauss-Schumacher No. 247, 248. Krm.

400 Gauss an Olbers. [Zeven, 1825 Mai 10.]

lind wobei die heftigen Blitze oft die Pferde scheu zu machen drohten, war dort zwar mit sehr heftigem mit Hagel gemischtem Eegen ver- bunden, aber doch glücklicher Weise von Schlössen frei. Weiterhin nach Bremen zu hat es durch Schlössen grosse Verheerungen auf einem doch nicht sehr breiten Strich angerichtet und unser Oberneuiand ver- wüstet. Vorzüglich hat auch Klüver's Wohnung gelitten. Alle Fenster sind zerschlagen, alle Feldfrüchte zerstört. Noch nach 24 Stunden fand man, ganz zuverlässigen Aussagen zufolge, Eisklumpen von der Grösse eines kleinen Hühnereis. Der Postwagen nach Hamburg ist in der Gegend von Ottersberg durch die von den Schlössen scheu gewordenen Pferde umgeworfen, doch sind glücklicher Weise die Passagiere nicht bedeutend beschädigt.

Seit unserer Abreise wird Ihnen bis heute noch keine Fortsetzung Jhier dortigen Beobb. möglich geworden sein.

Ich habe hier wieder einen grossen Brief von Rl'mkee, wovon der früher angekommene^) nur ein Auszug als Duplikat war, vorgefunden. Auch sind die Mailänder Ephemeriden mit einigen Zeilen von Nicolai angekommen.

Für Sie ist noch nichts bei mir eingegangen.

No. 569. Gauss an Olbers/) [269

[Zeven, 1825 Mai 10.]=»)

Nochmals meinen herzlichen Dank für die grosse, grosse Freude, die Sie mir durch Ihren nur gar zu kurzen Besuch in meiner Einsam- keit gemacht haben.

Obgleich ich seit Ihrer Abreise hier so gut wie gar nichts habe ausrichten können, so muss ich doch meinem Aufenthalt hier ein bal- diges Ziel setzen. Erst diesen Nachmittag entscheiden sich einige Zu- fälligkeiten, wovon abhängt, ob ich von hier nach Bremen oder nach Brillit gehe; im ersteren (eher wahrscheinlicheren) Fall bin ich viel- leicht schon Morgen Nachmittag nach 3 Uhr bei Ihnen, theuei'ster Olbers, oder doch höchst wahrscheinlich übermorgen; im anderen Fall, den Sie durch das Eintreffen des Hrn. Lieut. H.vrtmaxn ersehen, muss ich Sie noch mit ein paar Bitten belästigen.

1) Dem Hrn. Lieutenant zu sagen, dass er Ihnen sein Logis an-

^) Vergl. Brief No. 547 vom 28. Jau. 1825. Knn.

^) Der Brief ist iu deutscher Schrift geschrieben. Knn.

^\ Datum nach dem Poststempel. Krm.

Gauss an Olliois. fZeven. 1825 .Mai 10.] 401

zeigt so wie dif leletrraiihische Xuchriclit. die er etwa von mir erliält; diese könnte aber nur Ai in Spiegel-Doppelblitzeu immer in Sets zu 3 Stück

l)estelien, die von ßrillit ausg-egeben und von ihm mit der Zahl 3 be- antwortet, anzeigen, dass icli den folgenden Tag nach Garlste ab- gehe, wohin er dann sein Licht zu schicken hat ; kann ich solche nicht geben, so hat die Aufforderung mit dem grossen Spiegel von Garlste denselben Zweck. B) Aehnliche Doppelblitze in Sets zu 2 Stück, die er mit der Zahl 2 zu beantworten hat,

i'c * -::-■ -X' -äs- -äs- ^c -K- « -K' -::- -:;- etc.

zeigen ev. an, dass ich den folgenden Tag nach Bremen komme, wo Hartmann dann erst meine Ordre zu erwarten hat.

2) Dem Hrn. Klüver, dass er die Stelle, wo der Heliotrop bisher gestanden hat, deutlich auf dem Brett und in seinem Protokoll be- schreibe, auch dem Hrn. Lieutenant zeige, damit er auf eben dieselbe ev. seinen Heliotrop nach Garlste richte; hingegen nach Brillit ihm den anderen dafür geltenden Platz genau bemerklich mache.

3) Sie selbst zu bitten, dass Sie etwa für mich eingegangene Briefe entweder bei sich behalten, oder nur mit sicherer Gelegenheit nach Gnarrenburg bei Hrn. Vogt Mahler schicken, wenn Sie wissen, dass ich noch da bin, oder sogleich nach Osterholz, w^enn Sie erfahren, dass ich dahin gehe.

2 b) noch an Hrn. Klüver, insofern er nach Garlste geht, um mir von da nach Brillit Licht zu schicken, dass er um 2 oder spätestens 21 Uhr anfängt, falls es nöthig ist, vorher den Stein ausbessern lässt und endlich öfter nach Varel aussieht (137" rechts von Bremen), und Avenn er Doppelblitze in Sets von 3 Stück von daher bemerkt, solche mit der Zahl 2 sowohl zurück als nach meinem Aufenthalt be- antwortet.

2 c) Dasselbe obige Zeichen von meiner Seite soll auch für Hrn. Klü\t:r gelten; d. i. Doppelblitze in Sets von 3, dass ich nach Garlste komme, wo er weitere Ordre zu erwarten hat, hingegen in Sets zu 2, dass ich nach Bremen gehe, wohin er dann das Licht schickt.

Verzeihen Sie, bester Olbers, dass ich Sie mit diesen Bitten be- lästige, aber der Postwagen steht vor der Thür, und die Zeit ist zu kurz, an beide Herren selbst zu schreiben.

Olbers. II, 2 26

402 Olbers an Gauss. Bremen, 1825 Mai 25.

No. 570. Olbers an Gauss.') [301

Bremen, 1825 Mai 25.

Nochmals meinen herzlichsten innigsten Dank für Ihren so ange- nehmen und lehrreichen Besuch. Die Zeit ist nur gar zu geschwinde vergangen, und Sie hätten immer Ihren hiesigen Aufenthalt nur bis zum eintretenden Regen verlängern sollen, weil doch wohl, ehe das fatale Moorbrennen nicht durch Regenwetter gemässigt ist, in Garlste nichts auszurichten sein wird. Am Montag war der fatale Moordampf so stark über unserer Stadt, von dem westlicher gewordenen Winde herbeigeführt, dass kaum die äussersten Vorstädte zu erkennen waren, und man beinahe ohne Unbequemlichkeit in die blosse Sonne sehen konnte.

Wenige Stunden nach Ihrer Abreise am Montage kam einliegender Brief vom Hauptmann Müller an. In der Enveloppe meldet er mir, dass er in Langwarden früher fertig geworden sei, als er vermutheu könne, und sich gleich nach dem Feste nach Jever begeben werde.

Mein Sohn und Schwiegersohn empfehlen sich Ihnen aufs Ge- horsamste.

Ich werde dies Brief chen nicht eher verschliessen, als bis es durch- aus auf die Post geliefert werden muss. Kommt indessen noch etwas für Sie an, so lege ich es bei.

No. 571. Gauss an Olbers. [270

Osterholz, 1825 Mai 27.

An mir ist es, für Ihre gütige Aufnahme in Bremen nochmals herz- lichst zu danken und zugleich um Verzeihung zu bitten, wenn icli in Folge meines öfteren Unwohlseins häufig Ihrer freundlichen Nachsicht bedurft habe.

Die neuen Bremer Messungen tragen ebenso wie die in Zeven noch dazu bei, das Dreieck zu verschlechtern. Die unmittelbaren Messungen 1824 hatten die drei Winkel g-eoeben

Zeven . . 70M7'36",245 55 Messungen Bremen . . 33 44 17,365 44 Brillit . . 75 28 4,573 74

also Summe 179° 50' 58",183 welche sein sollte

180° 0' 2",206

^) Zwischen ]\Iai 12 und 23 liegt der 10— 12tägige Besuch Gauss' bei Olbkbs in Bremen. Vergl. Brief v. 28. Mai von Olbers au Schumacher und Brief No. 818 im Briefwechsel Olbers-Bessel. Krm.

Gauss an Olbers. Osterholz, 1825 Mai 27.

403

pril 28

70O47'36",129

16

Mai 1

36,171

3

1

36,504

16

4

35,456

42

ai 12

SS"

44'

17",699

50

12

17,U39

28

22

15,999

47

22

15,497

6

also Felller 4",02o. Das Ensemble aller 1SJ4 an den 3 Stationen gemessenen Winkel ändert jene resp. um

+ 0",324, 0'U77. 0",212,

brin^ also den Fehler auf 4",388.

Im Jahre 1825 ist der Winkel in Zeven in 4 Sets gemessen.

Also 77 Messungen . . . 70H7'35",842 vereinigt mit den früheren,

also 132 Messungen . . 70«47'36",010

Die Ausgleichunof aller Messungen von 1824, 1825 giebt 0",247 mehr; der Winkel ist also jetzt verschlechtert

direkte Messung 0",235

ausgeglichener Werth . . . 0",312

Für den Winkel in Bremen sind 1825 gleichfalls 4 Sets:

Also alle 131 380 44' 16",851

oder vereinigt mit den

früheren 175 .... 83M4' 16",980

Die direkte Messung hat also eine Verschlechterung von 0",385 erlitten; die Ausgleichung aller Messungen ist noch nicht gemacht, inzwischen ist es gewiss, dass auch hier eine ähnliche Verschlechterung Statt haben wird, da die Differenz der Winkel Garlste : ßrillit, Garlste: Zeven, wie sie 1825 gemessen sind, noch kleiner ist als die direkte Messung von Brillit ^ Zeven. Da diese Verschlechterung von den Messungen des 22. herrührt, so bemerke ich, dass gerade an diesem Tage die Alhidade fast genau ebenso oft rückwärts wie vorw^ärts ge- dreht ist; auch ist sehr oft abgelesen (13 Mal), und die partiellen Werthe stimmen unter einander so gut, wie ich zu finden gewohnt bin. Z. B. es kommt aus

11 ... . 33«44'15",50o

17 15,782

8 17,131

11 16,005

3 15,750

3 15,417

In Garlste bin ich nun 4 Mal ganz umsonst gewesen. Die beiden ersten Tage hinderte dicker Moorrauch, die beiden anderen unaufhör- lich auf einander folgende Gewitterschauer alles Sehen. Vorgestern hielt ich ein gerade über den Platz ziehendes Gewitter im Zelte ab,

26*

404 Olbers an Gauss. Bremen, 1825 Mai 28.

durch welches der heftige mit Schlössen vermischte Platzregen so durch- schlug, dass ich darin ganz durchnässt wurde; gestern wurde ich schon beim Hinfahren ganz durchnässt, da ich mich eines offenen Wagens be- dienen musste und der Regenschirm wenig abhält. Von Varel und Bremerlehe war nie eine Spur zu sehen, in welcher Richtung immer schwarze Wolken standen; in Bremen aber war gestern eine Zeit lang etwa gegen 5 Uhr Sonnenschein, in welchem Knopf und Praline glänzten, ohne dass vom Thurm Licht kam, ein augenblickliches Zucken abge- rechnet, welches mich nur überzeugte, dass Israel da sei. Ich besorge fast, dass die Heliotroplenkung auf dem Ansgariusthurm eine zu schwere Aufgabe für ihn ist.

Sollten inzwischen für den Hauptmann Müller Briefe eingegangen sein, so bitte ich Sie, solche wie der inliegende zu zeichnen, und so wie diesen gefälligst auf die Post geben zu lassen. Später einlaufende würden vielleicht sicherer noch etwas bei Ihnen zu bewahren oder nach Va7-el zu adressiren sein.

Meine gehormsamsten Empfehlungen an Ihren Hrn. Sohn und Schwiegersohn mit dem herzlichen W'unsche, dass Sie stets wohl und heiter sein mögen.

P. S. Dass ich unter den obwaltenden Umständen noch gar nicht einmal eine Vermuthung haben darf, wann ich von hier wegkommen werde, ist wohl überflüssig zu bemerken. Glücklicherweise ist der Aufenthalt hier ziemlich gut. Heute Nachmittag sieht der Himmel noch drohender aus wie gestern und vorgestern.

No. 572. Olbers an Gauss. [302

Bremen, 1825 Mai 28.

Hier abermals ein für Sie angekommener Brief.

Schumacher schreibt mir unterm 23.:

„Ist Gauss noch bei Ihnen, so grüssen Sie ihn vielmals und sagen, „dass Caroc jetzt für mich eine Zwischenstation zwischen Xeuwerk „und St. Peter sucht, weil ich befürchte, es würde schwierig werden, „die grosse Seite Neuwerk St. Peter an meine Dreiecke anzuschliesseu. „Das Signal auf dem Litberge (der Stein) steht noch, wie Clavsen ge- „funden hat. Ich werde bald auf dem Bauers Berge messen."

Ob ich den letzten Namen Bauers Berg recht lese, weiss ich nicht, Sie werden wahrscheinlich wissen, was dies für eine Station ist.

Hoftentlich, lieber Gauss, ist Ihnen nun nach dem Regen der Moor-

Olbers an Uauss. Bremen. IS'l^i Jiuii 1 und Jinii 3. 405

dampf nicht mehr so hinderlich; wenigstens war lüer über der Stadt in den letzten Tagen nichts mehr davon zu bemerken.

ilich verlangt sehr, recht bald von Ihnen zu hören, dass Sie wohl sind und Ihre Geschäfte einen glücklichen Fortgang haben.

No. 573. Olbers au Gauss. [sos

Bremen, 1825 Juni 1.

Nur mit ein paar Zeilen, da die Post gleich abgehen wird, kann ich die so eben erhaltene Einlage begleiten, um Ihnen für Ihren letzten gütigen Brief zu danken. Hoffentlich sind die letzten Tage nun besser gewesen und Ihr Geschäft hat gefördert werden können. Nur ist es für uns andere Leute bitter kalt.

Menz in Oldenburg ist nach allen Erkundigungen Kammerrath; einige meinen aber, dass er vor Kurzem den Titel: Geheimer Kammer- rath erhalten hat.

No. 574. Olbers au Gauss. [304

Bremen, 1825 Juni 3.

Schumacher bittet, ihm baldmöglichst die Theile des Eremiten unfrankirt mit der Post zuzuschicken, da sie ihm abgefordert werden.

Das Postament auf dem Litberge ist den Beobb. nach 45,6 Toisen^) über der Cuvette meines Barometers,

Gambart in Marseille hat am 19. Mai einen Kometen*) bei | in der Cassioijeja entdeckt, den Schumacher am 31. Mai bei f Cassiopejae wiedergefunden hat. Ich habe diesen Kometen noch nicht gesehen.

Viel Glück zur Reise.

^) 45,9 m nach dem Brief Schümacher's v. Mai 31 an Olbeks. Vergl. Brief Ko. 576. Gauss bemerkt dazu: ;,42.5 Toisen nach der trigon. Messung." Krm. ■') Komet 1825 I. Seh.

406 Gauss an Olbers. Osterholz, 1825 Juni 5.

No. 575. Gauss an Olbers.') [271

Osterholz. 1825 Juni 5.

Morgen denke ich nach Bremerlehe abzureisen; ich bitte daher, wenigstens für die beiden nächsten Posttage vom 8. und 11. Ihre Briefe dahin „bei Madame Muhl" gütigst zu adressiren.

Da ich die Briefe hier im Wirthshause zurücklassen muss, so nehme ich mir, weil ich durch Ihre demnächstige Antwort die hiesige richtige Auflieferung am frühesten erfahren werde, die Freiheit, einen Brief an den Hptm. Müllee hier beizuschliessen mit der Bitte, solchen dort mit den anderen, die Sie inzwischen etwa für ihn erhalten haben werden, auf die Post liefern zu lassen.

In Garlste sind mir Wetter und andere Umstände sehr ungünstig gewesen. Der Himmel gebe bald anhaltend gutes Wetter. Mit meinem Befinden geht es sonst jetzt ziemlich gut.

Es ist schon sehr spät; ich muss daher schliessen.

ScHUMACHEK Werde ich seine Briefe von Lebe aus sogleich zu- senden. Die Barometermessung mit Litberg verglichen, giebt also Bremen noch 3 Toisen tiefer^) als die trigon. Verbindung.

No. 576. 011)ers an Gauss. [sos

Bremen, 1825 Juni 8.

Hier ein gestern für Sie angekommener Brief.

Seit 2 Tagen hat sich hier die trübe und kalte Witterung ge- ändert, und wir haben am Nachmittag und Abend heiteren Sonnen- schein gehabt. Hoifentlich werden Sie auch bei Ihren Operationen da- durch begünstigt worden sein. Allein des Nachts war der Himmel so anhaltend bedeckt, dass ich den Kometen erst einmal, vorgestern, habe sehen können. Er ist klein, aber sehr hell; ich glaube, wenn die nächtliche Dämmerung nicht hinderlich wäre, würde man ihn mit blossen Augen erkennen können. Er hatte etwa 85" ^i? und 81<^ nördl. Dekl. Wahrscheinlich ist er Ende Mai oder Anfangs Juni durch seine Sonnen- nähe gegangen, ist seiner wahren Bewegung nach rückliiutig und wird sich nun nach seiner Konjunktion mit der Sonne auch schnell wieder von der Erde entfernen.

^) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm. ■-) 3 m höher nach Brief No. 577. Krm.

(}aiiss an Olbers. Bremerlehe. 1^2") Juni 1'2. 407

Ich verimilhe, dass ich Ihnen neulich nach S( humacuer die durch die Barometer-Heobb. bestimmte Höhe der Obeiüäclie des Postaments auf dem Litberg^e über der Cuvette meines Barometers zu 45,6 Toisen ang:egeben. Ks sollen Meter sein. Mein Versehen rührte daher, weil Schumacher sonst immer die Barometer- Messungen in Toisen redu- ciren lässt.

No. Ö77. Gauss an Olbers.') [272

Bremerlehe, 1825 Juni 12.

Bei meinem Abgange von Osterholz konnte ich Ihnen nur kurz die nachtheiligen Umstände andeuten, die die Messungen auf der (4arlster Haide sehr erschwerten. Ein Hinderniss, welches zwar in diesen ganz üachen Gegenden immer im AA'ege steht, Avar dort ganz besonders beschwerlich. Die Lichter von Varel und Lehe kamen näm- lich vor 5 Uhr gewöhnlich gar nicht über die vorliegenden Holzsäume und waren dann auch noch so wallend, dass in der Eegel vor 6 oder t»i Ihr gar nichts Gescheites gemacht werden konnte. Da nun daneben so viele Regentage waren, so habe ich nur mit grosser ]\Iühe das Nöthige herausgefischt. Den Vortheil hatte ich aber in Osterholz, mich ununterbrochen wohl zu befinden.

Hier ist das Wetter die letzten Tage günstiger gewesen, und icli werde morgen hier schliessen. Die Messungen stimmen hier unter ein- ander sehr schön, und die Lichter fangen hier auch schon früher, d. i. um 5i Uhr an. scharf zu werden. Dagegen befinde ich mich leider hier fast ununterbrochen übel, mitunter sehr übel, was ausser der Hitze ohne Zweifel seinen Grund in dem in vieler Rücksicht sehr schlechten Aufenthalt hat. Dies kommt mir um so ungelegener, da die in der That überaus schöne Aussicht von meinem Thurm bei körperlichem Leiden fast gar nicht genossen werden kann.

L'ebermorgen den 14. gehe ich von hier nach Varel; ich bitte daher keine Briefe mehr hierher zu scliicken, zumal da von hier mit Varel keine Postverbindung ist und also die Briefe nach Bremen zu- rück gehen müssen. Was Sie dagegen mit den Posten vom 16. und 18. an mich nach Varel schicken, wird mich dort gewiss treffen; am 23. hingegen adressiren Sie lieber, besonders wenn inzwischen gutes Wetter gewesen ist, und wenn ich von Varel aus nicht das Gegentheil bitte, nach Langwarden.

Nicht 3 Toisen tiefer, sondern 3 Meter höher käme Bremen nach

M Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krin.

^Qg Olbers an Gauss. Bremen, 1825 Juni 15.

der Baronietermessung von Litberg, die aber natürlich nichts ent- scheiden kann.

Die reciproken Z.-D. geben den Beobachtungsplatz im Bremerleher Thurm zu 27,704 m unter dem Garlster Postament, und der Kirchhof ist noch 20,814 m niedriger; letzterer ist von der üeberschwemmung im Febr. noch nicht erreicht gewesen, liegt also noch bedeutend über der grössten Fluthliöhe. Bei der grossen Veränderlichkeit der ter- restrischen Refraktion, die auf meh^-ere Minuten geht, ist freilich eine trigonometrische Verbindung noch bedeutender Ungewissheit unter- worfen, die durch die Vereinigung aller Verbindungen erst bedeutend extournirt werden kann.

Mein Sohn, der von hier nach Langwarden hinübergeschifft ist. hat mir aufgetragen, ihn Ihnen bestens zu empfehlen.

Zu dem Kometen wünsche ich viel Glück; sollte sonst in der lite- rarischen oder politischen Welt etwas Erhebliches vorfallen, so erfi-euen Sie mich sehr durch einige Mittheilung; seitdem ich von Bremen weg bin, habe ich kaum ein Zeitungsblatt gesehen.

P. S. Der Bauers Berg liegt bei Blankenese, ich kenne aber den eigentlichen Zweck der dortigen Messungen nicht. Vermuthlich soll er für die Detailmessung dienen, da freilich das Winkelmessen daselbst viel bequemer ist als auf dem Michaelisthurm in Hamburg.

Der Domshof in Bremen läge demnach 7.851 m höher = 24 par. Fuss als der Kirchhof in Bremerlehe.

No. 578. Olbers an Gauss. [soe

Bremen. 1825 Juni 15.

Ich hoffe, das anhaltend schöne Wetter wird Ihre Arbeiten in Bremerlehe sehr gefördert haben, wenn nicht auch dort der fatale Moordampf, der sich hier gewöhnlich jeden Nachmittag bei dem nörd- lichen und nordöstlichen Winde über die Stadt verbreitete, hinderlich gewesen ist. Bloss der Sonntag (12. Juni) war ganz frei davon. Mögen Sie nur nicht zu sehr durch die grosse Hitze gelitten haben.

Der Komet ^) giebt mir manche angenehme Unterhaltung, ob ich ihn gleich nicht anhaltend eigentlich beobachte, da ich weiss, dass er von anderen hinreichend und besser, als ich es vermag, beobachtet wird, und mir die Beobb., die ich erst spät in der Nacht anfangen konnte, sehr beschwerlich wurden. Jetzt kann ich ihn nachererade

*) Die Beobl». finden sich in Olbers Bd. I, No. 97—99. Krm.

01ber< ;iM (!;iu>s. liniinri. l'^J.") .luni l.J. 4011

iiüher iiiiü scIkhi vor .Milteniaclit mit nieineni DoUond erreichen. Am 12. stand er bi'im Ohre des (frosscn Bären, nnd es war angenehm, ihn in seiner Gestalt und seinem Licht mit den beiden nicht weit von ihm lietindliclien. bekannten Nebeltiecken zu vergleichen. Er übertraf beide weit an Grösse. Helligkeit und l^ichtstärke, ist gegen seine Mitte viel heller, aber ohne bestimmten Kern. Von einem Schweife kann ich, vielleicht wegen der Dämmerung, keine gewisse Spur entdecken.

Gamb.\rt glaubt, dass er vielleicht mit dem 3. Kometen von 1790\) identisch sein könne. Mir ist dies nicht wahrscheinlich. Der 3. Komet von 1790 wurde so lange und so gut beobachtet, dass seine berechneten Elemente sehr genau sein müssen, und diesen sind die vorläufig berechneten Elemente für den jetzigen Kometen zwar ähn- lich, aber alle weichen doch unter sich zu stark von einander ab, als dass dies durch eine schärfere Bestimmung der Bahn des gegenwärtigen Kometen ausgeglichen oder durch Perturbationen erklärt w^erden könnte. Zudem scheint auch der beschweifte Komet von 1790 an sich dem jetzigen nicht ähnlich.

Briefe sind weder für Sie, noch für den Hrn. Hauptmann Müllek bei mir eingegangen; ich lasse indessen diesen Brief bis zum Abgang der Post otten, wenn noch etw'as ankommen sollte. Nnr die Einlage für Hrn. Teipel hat mir Harding geschickt, der den Kometen auf Schümachee's Anzeige zuerst am 7. Juni gesehen hat.

Die französische Regirung scheint doch bei den vielen der Krö- nung wegen ausgespendeten Gnaden und Beförderungen die Mathema- tiker niclit ganz übersehen zu haben. Poisson ist Baron und Arago Oflicier der Ehrenlegion geworden.

Menz in Oldenburg hat, wie ich nun gewiss weiss, den Titel: Ge- heimer Kammerrath.

Juni 16.

Eben wie ich gestern diesen Brief zumachen wollte, erhalte ich Ihre lieben Zeilen vom 12. Juni. Mit innigem Bedauern höre ich, dass Sie sich so unwohl befunden haben. Möchten Sie es in Varel sowohl in Ansehung der Witterung als der Verpflegung angemessener für Ihre Gesundheit finden! Weder aus der literarischen, noch aus der politischen \\^\t weiss ich etwas Erhebliches mitzutheilen.

') Die Identität mit Komet 1790 III ist nicht erwiesen worden. Krm.

410 Gauss an Olbers. Varel, 1825 Juni 17.

No. 579. Gauss an Olbers. [273

Varel, 1825 Juni 17.

Mit ein paar Zeilen niuss ich Ihnen schon heute meine Ankunft in Varel anzeigen und für Ihren gütigen Brief vom 15. und 16. danken. Der Uebergang über die Weser bei Bremeilehe ist, wenn man ^^'agen bei sich hat, äusserst beschwerlich, da es ganz an Anstalten zum Ein- und Ausladen fehlt. Erst 7 Stunden nach meiner Abfahrt von Bremer- lehe konnte ich von Blexen weiter fahren. Der Aufenthalt in Bremer- lehe und auch die hier Anfangs noch fortdauernde Hitze haben mich sehr heruntergebracht; indessen ist heute plötzlich kühleres Wetter eingetreten, wobei ich hoffe, mich nach und nach erholen zu können, zumal da ich hier einen sehr guten Gasthof gefunden habe.

Zu meiner grossen Betrübniss scheint sich das Phänomen der Dis- harmonie in den Messungen öfter wiederholen zu wollen; hier in Varel soll das Dreieck Garlste, Lehe, Varel schliessen. Die Summe der 3 Winkel soll 180*' 0' 2",976 sein, und ich hatte die beiden ersten ge- messen

Garlste 55»8'33",295

Lehe 72 2 17,413

Am 16. fand ich nun den in Varel aus 35 Messungen 52°49'7",664. nämlich :

5 . . . . 52H9'9",300

10 7,450

10 6,450

10 8,275

also die Summe 4",604 zu klein, fast genau .>^o wie bei dem Dreieck Zeven Bremen Brillit. Inzwischen war wirklich am Instrument am 16. etwas versehen (eine Feder nicht angespannt), so dass die sämmt- lichen Messungen vom 16. verworfen werden müssen. Am 17. habe ich zuerst die Zenithdistanzen von mehreren Heliotroplichtern gemessen und nachher nur noch wenige Zeit für den Theodolithen übrig gehabt: 19 Messungen des obigen Winkels, unter denen 15, wobei das Fern- rohr rückwärts geführt wurde (durch 307°), gaben

52°49'9",118

bleibt also noch immer ein Fehler von 3", 15, den schwerlich die fol- genden Messungen erheblich vermindern werden. Das obige "\'ersehen am Instrument ist sonst nirgends vorgekommen; in Lehe habe ich auch mehrere Winkel vorwärts und rückwärts gemessen, ohne einen erheblichen Unterschied zu linden. Es scheint also auch hier Lateral-

Gauss au nll„is. \'art'I, iS'Jö Juui 21. 411

refraktion stattzufinden, da allr J Kichtunofen hart über Holz <?ehen, SU hart, dass die Lichter immer erst spät Nachmittags liinüberkümien. In dem folgenden Dreiecke Lehe— Varel— Langwarden tritt jener Um- stand nur bei der einen Seite ein, die es mit jenem gemein hat, bei dem dann folgenden Varel— Langwarden Jever aber gar nicht; ist also das Instrument unschuldig, so darf bei diesem Dreiecke kein so grosser Fehler vorkommen.

Die bisherigen Höhenmessungen stimmen gut genug; ich finde

Varel unter Garlste .... 13,736 m Lehe unter Garlste .... 27,704 Lehe unter Varel 12,441

Um also diese Messungen übereinstimmend zu machen, ist die erste und letzte Zahl um 0,509 m zu vermehren, die mittlere zu vermindern. Ich habe gesucht, die reciprokeu Messungen immer unter ähnlichen Ke- fraktionsumständen anzustellen, so gut ich es beurtheilen konnte; ohne diese Vorsicht könnten die Unterschiede leicht sechs Mal grösser sein.

Für seine geringe Höhe hat der Vareler Thurm [noch] ^) eine weite Aussicht, wo es über holzleere Niederungen weggeht; [ich]^) sah gestern noch die Haube des Thurraes von Dorum (2 Meilen nördlich von Bremer- lehe), der 43 000 m entfernt ist. Garlste ist 41 358 m, man [sieht] i) aber nichts von der Haide, sondern nur eben das Heliotroplicht über einem [nahen] ^) Walde.

Briefe an den Hauptmann Müller lassen Sie gütigst nach Jever laufen, wo er sich jetzt befindet.

No. 580. Gauss an Olbers.^) [274

Varel, 1825 Juni 21.

Das Wetter ist seit meinem letzten Briefe an Sie den Messungen nicht günstig gewesen; fast gar kein Sonnenschein, und nur mit Mühe habe ich gestern die noch fehlende Zenithdistanz von Jever erhalten, aber gar nichts für die Horizontal-Messungen. Mein hiesiger Aufenthalt wird sich also noch verlängern.

In einigen Richtungen war sonst die Luft gestern sehr durchsichtig, und ich überzeugte mich, dass Oldenburg hier nicht sichtbar ist. Wenn die Spitze des Thurms auch nur ein paar Fuss über den zwischenliegenden, wie es scheint, hochstämmigen, dichten und tiefen Wald hervorgeragt

*) Diese Worte sind im Original abgerissen. Krm.

-) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

422 Olbers an Gauss. Bremen, 1825 Juni 23.

hätte, Avürde ich sie gesehen haben. Es ist zwar nicht unwahrscheinlich, dass ein Durchhau durch diesen Wald, der aber ohne Zweifel grosse Kosten machen würde, Oldenburg sichtbar machen könnte, allein ich trage um so mehr Bedenken, dies zu unternehmen, da es sehr zweifel- haft ist, ob ein ähnlicher Durchhau Oldenburg auf der Garlster Haide sichtbar machen würde, indem der Fuss des im Amt Blumenthal liegen- den Holzes vielleicht nicht genug deprimirt erscheinen könnte, um gegen- seitig über das Terrain wegsehen zu können. Ich muss also diese Ver- bindung aufgeben. Der Rasteder Thurm eignet sich nicht zur Auf- stellung meiner Instrumente.

Mit meiner Gesundheit geht es zwar bei dem kalten Wetter und nach einigen in Dangast genommenen Seebädern etwas besser als zu Anfang, indessen bin ich noch gar nicht damit zufrieden.

In Jever ist der Aufstellungspunkt ausserhalb des Thurms, und der Hauptmann Mülleb hatte gehört, dass auch Kbayenhoff sich ausser- halb aufgestellt gehabt hat. Ist vielleicht in Kratenhoff's Werke etwas darüber gesagt? Auf den Langwardener Thurm, der massiv aus- gemauert ist, kommt man nach dem von Müller ausgeführten Bau durch eine vom Kirchendach im Freien dahin führende Leiter.

Der Thurm von Strackhold existirt nicht mehr. Im hiesigen Horizont zeigt sich von Westerstede bis Jever gar nichts Entferntes, nichts als Wald. Wollte ich also meine Dreiecke noch über Jever hinaus westlich führen, so könnte dies nur durch Anschluss an die Seite Jever Wangeroog geschehen, und Mi'ller meint, dass der in Jever sichtbare Thurm von Dornum sich dazu qualificiren würde. Ich habe aber bei dem schwankenden Zustand meiner Gesundheit wenig Neigung, die Operationen über das Unerlässliche hinaus auszudehnen.

Vom Geheimen Kammerrath und Kammerdirektor Menz, an welchen icli schon in Bremerlehe geschrieben, habe ich bereits eine sehr artige Antwort und Rekommandation an die Oldenburgischen Behörden er- halten.

Gestern hatte ich hier auch das Schauspiel der Kimmung. Ein Schiflf schien ganz vom Meerhorizont getrennt in der Luft zu schweben.

No. 581. Olbors an Gauss. [so?

Bremen. 18'J5 .luni 23.

]\rit der letzten Post schickte ich Ihnen 2 Briefe, einen von Scnr- MACHER und einen von der Königl. Hann. Postdirektion. Ich hatte nicht Zeit, selbst dabei zu schreiben und änderte bloss die Adresse. Beide haben

(»Ibers an riauss. Hrcnieii. 182'> Jniii 23. 4I3

Sie ducli lichti^ erhalten? Hier lege ich wieder einen Brief von Schumacher bei. Fiii- Hrn. Hanptniann Müller ist nichts wieder bei mir ein^eg^angen.

Sehr bedanere ich, dass Sie noch immer mit Ihrer Gesundheit nicht recht zufrieden sind, hoffe aber, dass noch einige Seebäder, die Ihnen gewiss sehr zuträglich sind, alles herstellen werden.

Die abermalige kleine Anomalie Fehler kann man es doch nicht nennen in dem Dreiecke Garlste Lehe Varel setzt doch wohl eine Lateralrefraktion schon ausser Zweifel, ob ich gleich neugierig bin, wie es bei dem Dreiecke Varel Langwarden Jever gehen wird.

Dass Sie aus den mir angegebenen Gründen die Verbindung von Oldenburg als Haui)tpunkt aufgeben, kann ich Ihnen nicht verdenken. Aber aus Ihrer jetzt so fleissigen Korrespondenz mit Schumacher hoffe ich schliessen zu können, dass noch immer von der Verbindung Ihrer Dreiecke mit Helgoland die Rede ist, die ich ungern vermissen würde.

Krayenhoff sagt bloss, dass er seine Messungen auf dem Schloss- thurm in Jever angestellt habe; giebt aber, so viel ich eben beim Durchblättern sehe, nichts weiter über seine Aufstellung an.

Den kleinen Kometen beobaclite ich jetzt so oft, als es die AVitte- rung zulässt. Er hat schon merklich an Licht und. Grösse abgenommen, ist aber doch noch immer sehr gut unerachtet der hellen Dämmerung zu sehen.

Bald werden wir uns nun rüsten, den ENCKE'schen Kometen auf- zusuchen. Im Juli wird es mir hier schw^erlich gelingen, den noch so blassen und kleinen Kometen wegen der nächtlichen Dämmerung vom Himmels-Grunde unterscheiden zu können. Sonderbar und unglücklich trifft es sich, dass gerade der kleine Streifen am Himmel in dem Encke's Komet in den ersten mondlosen Nächten (12. 18. Juli) aufzusuchen ist, in Harding's sonst so vollständigem Himmels-Atlas gänzlich fehlt. No. XI der Karten geht nicht so weit hinauf, und No. XX III gerade an der vorkommenden Stelle nicht so weit herunter.

Der alte Bude jammert über Beiträge zu seinem Jahrbuche ^) 1828. Den jetzt sichtbaren Kometen hat er nicht finden können. Dass Encke sein Nachfolger wird, scheint ihn sehr zu freuen. Er rühmt Oltmann's Freundschaft und Beihülfe, der jetzt auch in der mathematischen Klasse der Akademie als ordentliches Mitglied und bei der Universität als Professor der angewandten Mathematik angesetzt ist.

Bessel^) klagt darüber, dass aller Vergleichungen in Hamburg

^) Daraufbin hatte Olbers eingesandt: „Einige Bemerkungen über den be- rühmten ÜALLEY'schen Kometen." Olbers Bd. I No. 126, S. 439 444. Krm. ^) Brief Xo. 316 vom 13. Juni 1825 im Briefwechsel Olbebs-Bessel. Krm.

414 Gauss an Olbers. Varel, 1825 Juni 26.

uneraclitet die wahre Länge der Peruanischen Toise ihm etwas zweifel- haft bleibe; vermuthlich weil auch in Paris die Temperatur der ver- schiedenen verglichenen Etalons nicht ganz richtig bestimmt war.

No. 582. Gauss an Olbers. 'j [^0

Varel, 1825 Juni 26.

Morgen gehe ich nach Langwarden ab; ich bitte Sie also, was Sie nächsten Donnerstag 30. früh an mich absenden, dahin zu adressiren: was dagegen Sonnabend 2. Juli von Bremen dahin geschickt würde, könnte mich vielleicht schon dort nicht mehr treffen und würde dann, da zwischen Langwarden und Varel keine Postverbindung existirt, lange herumirren. Ich bitte Sie daher, am 2. Juli nichts nach Langwarden zu schicken, falls ich Sie nicht um das Gegentlieil von Langwarden aus bitten werde.

Leider ist der Winkel zwischen Bremerlehe und Garlste eher noch kleiner geworden 52*49' 7,"069, so dass bei dem Dreieck eine Anomalie von mehr als 5" ist; und doch habe ich nie beobachtet, als wenn die Lichter ruhig und scharf waren. Die Messungen an verschiedenen Tagen gaben hier aber grössere Anomalien, als ich sonst irgendwo gehabt habe; mit Ausnahme des Winkels zwischen Jever und Lang- warden, der innerhalb enger Grenzen blieb. Ich kann daher kaum an der Lateral-Refraktion zweifeln. Die Lichter von Garlste und Lehe kamen so knapp, dass in dem Zimmer unter der Laterne, etwa 12 Fuss niedriger, sie 2 Stunden hindurch ganz umlchthar blieben, als sie oben schon durchdrangen.

Das ist nun sehr betrübt. In Garlste hätte allerdings ein 80 Fuss hohes Gerüst abhelfen können, aber für die Richtung Bremerlehe— Varel hätte auch dieses Mittel nichts helfen können, da beide Plätze schon hoch über der Erde liegen, und ein grosses Haus dazwischen das Hinderniss ausmacht.

Die mir früher von Ihnen gütigst zugesandten Briefe von Schu- macher und der General-Post-Direktion habe ich richtig erhalten, ebenso wie Ihren späteren Brief, aber der letzte Posttag brachte mir nichts mit.

^) Der Brief i.-^t in cleutsclior Sclirift ü'oscliriobon. Krni.

Gauss au Olberä. Laugwarden, 1825 Juui 29. 415

No. 583. Gauss an Olbers.') [276

Langwarden,* 1825 Juni 29.'')

Ich benutze eine Geleprenheit durch einen Boten nach Bremerlehe, um Ihnen meine hiesige Ankunft anzuzeigen. Der erste Tag, der 27., liatte noch ein paar gute Stunden, die aber nur dazu benutzt werden konnten, die Lichter von Bremerlehe, Jever und Varel herzufordern; die beiden ersteren waren nämlich nocli nicht avisirt, und Hr. Klüvee, den ich am 20. durch telegraphisches Zeichen von Garlste nach Varel gerufen hatte, schien, ehe ich ihm von Langwarden Licht schickte, die Richtung nicht finden zu können. Schumacher hatte versprochen, Neu werk zu besetzen; allein trotz mehrstündiger Forderung ist noch kein Licht hergekommen. Gestern und heute folgt beständig ein Gewitter dem an- dern. Gemessen ist also hier noch gar nichts, einige einfache Winkel abgerechnet, die genommen wurden, um mich erst zu orientiren. Unter diesen Umständen ist es also gewiss, dass Briefe von Bremen, am Sonn- abend Abend abgeschickt, mich hier noch trelten. Geht es so mit dem Wetter fort, so treffen mich auch die am 7. Juli Morgens von Bremen abgesandten Briefe noch hier, doch bitte ich, am 7. keine Briefe hierher zu schicken, wenn ich Sie nicht bis dahin noch besonders benachrichtige, oder wenn nicht das Wetter bis dahin sehr schlecht ist.

Die Winkel des Dreiecks Garlste Lehe Varel stehen so: Gt = 550 8'33",295 L = 12 2 17,413 F = 52 49 7,348

179 59 58,056 sollte sein 180 0 2,976 Fehler 4",920

Ich zweifle jetzt nicht mehr, dass Lateralrefraktion die Schuld trägt und zwar am meisten in den beiden Richtungen Varel Garlste, Lehe— Garlste. Ich muss es aber dahingestellt sein lassen, ob es des grossen Zeit- und Kostenaufwandes werth sein würde, am Garlster Platz einen 50—60 Fuss hohen Thurm zu bauen und die Messungen der Winkel zu wiederholen. Schwerlich wenigstens würde ich Lust haben, diese Arbeit auf mich zu nehmen.

^) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

^) Jahreszahl undeutlich geschrieben, ist nach Briefwechsel Gauss-Schumacher

abgereist. Seh.

416 Olbers an Gauss. Bremen, 1825 Juni 30.

Wangeroog-Kirchthurm und Neuwerk wie auch der Meereshorizont waren vorgestern sehr schön; zwischen Wangeroog und Jever steht aber eine Windmühle, deren Flügel sehr inkommodiren werden; auch meint Müller, die Laterne des Wangerooger Kirchthurmes sei zu wacklig zur Aufstellung der Instrumente, und es würde ein Seitenbau am Thurm angebracht werden müssen, der um so schwieriger und kost- spieliger sein würde, da alle Baumaterialien, vielleicht auch die Arbeiter, vom Kontinent hergeholt werden müssten.

P. S. Ich mache den Brief noch einmal wieder auf, um Ihnen zu melden, dass man mir so eben anzeigt, dass Licht von Xeuwerk hier angekommen ist; die Zeit ist zu kurz, um noch einen Brief an Scnr- MACHER abzuschicken; sollten Sie ihm also vielleicht schreiben, so zeigen Sie ihm dies gütigst vorläufig an. Mit dem Messen wird es aber wohl heute wenig geben, da schon wieder ein Donnerwetter anzieht. Meine Gesundheit leidet wie gewöhnlich sehr bei diesem Zustande der Atmo- sphäre.

No. 584. Olbers an Gauss. [sos

Bremen, 1825 Juni 30.

Zur Beendigung Ihrer Station Varel wünsche ich Ihnen Glück. Die Anomalie von 5" ist allerdings höchst merkwürdig und beweist immer mehr eine unter nahem Vorbeigehen an Waldung und anderen Gegenständen stattfindende Lateral-Eefraktion der Lichtstrahlen. Ich möchte wissen, ob diese sich nicht vielleicht, wenn dasselbe Dreieck in strenger Winterkälte gemessen werden könnte, in entgegengesetzter Richtung zeigen würde?

Einliegend einen vorgestern erhaltenen Brief, ich werde also. Ihrer Instruktion gemäss, Ihnen nicht eher wieder etwas zuschicken, als bis ich Ihren Befehl, wohin, erhalten habe.

Den kleinen Kometen habe ich am 27. Juni zuletzt beobachtet und damit geschlossen. Bei seiner immer zunehmenden Entfernung von [der] Erde und Sonne ist er jetzt so blass und klein, dass man ihn bei der hellen Dämmerung und dem \'ollmonde hier nicht mehr beobachten kann. Am 24. hatte ich das Vergnügen, ihn einen Stern 7. S. Grösse, so viel ich urtheilen konnte, central bedecken^) zu sehen. Das Licht des Sterns wurde dadurch weder vermehrt, noch vermindert, aber der Komet verschwand beinahe gänzlich, und man musste es wissen, dass

^) Vergl. auch hierzu so wie zur Identität mit Komet 17i>0 III Olbers Bd. I Ko. 99, S. 400, 401. Krm.

Gauss au Olbers. Langwardeu, lS2ö Juli 4. 417

er vor dem Steni stand, um doch etwas Xeblielites uiii den 8tern be- merken zu können.

Nicolai liat mir seine sclion einmal korrigirten Kleniente der Bahn dieses Kometen gescliiekt. Die Analogie dieser Kiemeute mit denen des 8. Kometen von 1790 ist in der That merkwürdig-. Ich setze hier beide neben einander:

Zeit der O Nähe . . . 1825 Mai 30.569:i 1790 Mai 21. 5'' 56"' 15»

Mannheim Paris, jMechain

Länge des Perihels . . 273° 55' 21" 273° 43' 27"

ft 20 5 53 33 11 2

Neigung 56 41 17 63 52 27

log. d. kl. Abst. . . . 9,94896 niot. retr. 9,90198 mot. retr.

Unerachtet dieser Aehnlichkeit halte ich doch beide Kometen nicht für identisch. Ob indessen die Bahn unseres diesjährigen Kometen merklich elliptisch sei, lasse ich dahin gestellt sein. Nicolai's Elemente geben für meine beiden letzten Beobb. vom 26. und 27. Juni die etwa 2' zu klein, die Dekl. 7' 8' zu gross. ^)

Mit innigem Bedauern habe ich den am 22. Juni erfolgten Tod meines alten Freundes, des guten hochverdienten Burckhardt in Paris erfahren. Er ist nur 50 Jahre alt geworden.

Prof. Brandes in Breslau hat mir das 1. Heft seiner in zwanglosen Heften erscheinenden Unterhaltungen über Gegenstände der Astronomie und Physik geschickt. Dieses erste Heft handelt von den Sternschnuppen.

No. 585. Gauss an Olbers.') [277

Langwarden, 1825 Juli 4.

Eecht herzlich danke ich Ihnen für Ihren gütigen Brief. Schmerz- lich hat mich der Tod des würdigen Burckhardt afficirt, er war genau ein Jahr älter als ich. Die erste Hälfte des Jahres hat uns drei gründ- liche Mathematiker geraubt, und Deutschland hat nicht viele mehr zu verlieren!

Mit den Messungen geht es bisher schlecht, das Wetter ist äusserst ungünstig, auch nicht einen guten Tag habe ich bisher gehabt. Vor- gestern war zwar Sonnenschein, aber ein orkanähnlicher Sturm, wobei gar nichts gemacht werden konnte. Bloss die Zen.-Dist. von Jever

^} Es beruht dies uach Brief No. 586 auf einem Rechenfehler. Krm. -) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

Olbers. II, 2. 27

418 Gauss an Olbers. Langwarden, 1825 Juli 4.

und Varel habe ich absolvirt und eine kleine Triangulirung- in der hiesigen Umg-egend. Das vorläufige Resultat davon ist. dass unter der Göttinger Sternwarte liegen

Langwarden, Laterne des Thurmes . . . 134,833 m

Kirchhof 154,503

Weideplatz östlich vom Dorf 157.827

Platz auf dem Deich, im Norden .... 153,208 Aussendeich, Stelle, die am 2. Juli von

der Fluth noch erreicht wurde .... 157,588

Binnendeich, hart daneben 158,411

Meeresfiäche, aus einer zur Zeit der Ebbe

auf dem Thurm gemessenen Zenith-

distanz 1631 m = (503,3 Fussj

(Mein Garten 452,7 Fuss)

Meine Horizontal- Winkelmessungen bringen mich zur ^'erzweiflung; der Winkel zwischen Lehe Varel ist zwar noch nicht viel gemessen, aber was gemessen ist, giebt wieder die Summe in dem Dreieck zu klein. Lateral-Refraktion in den beiden Seiten von hieraus scheint wenig zu be- fürchten [zu sein]; auf der Seite Lehe— Varel kann sie allerdings selir stark gewesen sein, aber hat diese jetzt Schuld, so hat sie in dem Dreieck Varel Lehe Garlste zur Verminderung des Fehlers beigetragen, und ohne sie wäre jener Fehler noch grösser gewesen, d. i. man muss die Lateral-Refraktion auf den Seiten Varel Garlste, Lehe Garlste noch grösser voraussetzen. Darin liegt zwar nichts Unwahrscheinliches, aber immer ist es sonderbar, dass ich bisher immer die Summe zu klein gefunden habe. Ich kann mich daher noch nicht ganz beruhigen, ob nicht das Instrument mit Schuld hat; seiner (nicht recht zweckmässigen) Einrichtung zu Folge giebt es theoretisch betrachtet allerdings die Winkel zu klein; allein nie merke ich einen erheblichen Unterschied, wenn ich die Winkel rückwärts, d. i. die Komplemente zu 860° messe, und ich bin gar nicht im Stande, eine Fehlerquelle auszudenken, dir die Winkel unter 180° zu klein und die über 180" zu gross gebei: sollte. Leider bietet mein ganzes A System wenig sogenannte Gi/rv^ horizontis dar, obgleich jenes Rückwärtsmessen die Stelle davon vertritt: auf dem Vareler Thurm hatte ich einen durch Rastede und Westerstede, und der giebt auch etwa 5" oder 6" weniger als 360°; obgleich dies allerdings wieder sonderbar ist, so beweist es doch auch noch nichts da diese Nebenwinkel nur einige Male unter ungünstigen Umständeiii wozu auch eine nicht zu vermeidende, sehr genirte Körperlage gehört gemessen waren. Ich denke hier noch einige Winkel mit dem Repetitions- kreise zu messen, vielleicht auch noch einige andere ^'ersuche zu machen

P

1

Olbers an Gauss. Bremen, ls25 Juli 7. 419

die vii'lleieht die diinkli' ^Saclie etwas aufklären. P'alls daher nicht von jetzt an seh?' gutes Wetter eintritt, so wird aucli nocli der nächste Post- tag (Abgang von l^remen Donnerstag) mich hier noch treffen.

Kücksichtlich der obigen Angaben bemerke ich noch, dass, obgleich der Kirclihof gewiss niedriger ist als der Deich, weder jener noch die noch etwas niedriger liegenden Plätze im Dorfe am 3./4. Febr. ül)ei- schwemmt [gewesen] sind, da doch das Wasser über den Deich ging. Ich erkläre mir das so. 1) war damals gewiss das Meer höchst uneben, und nicht die ganze Meeresoberfläche, sondern nur die hohen Wellen gingen über den Deich, 2) die Dauer des Ueberströmens über den Deich war doch nicht so lang, dass das Wasser binnen Deichs die Höhe des Deichs selbst erreichen konnte. Ein Deichhruch, wodurch auf einmal viel grössere Wassermengen eindringen konnten, hat aber hier gar nicht stattgefunden.

Die Luft ist hier in den letzten Tagen ungemein wenig durch- sichtig; kaum konnte man gestern, selbst in den sonst besseren späten Nachmittagsstunden, Bremerlehe sehen; ob vielleicht die Salztheile, wo- mit der heftige Nordwind die Luft geschwängert hat, und die sich selbst dem Geruch sehr merklich machen, Theil daran haben?

No. 586. Olbers au Gauss. [soo

Bremen, 1825 Juli 7.

Da hier bloss gestern die Witterung zum Winkelmessen günstig war, so darf ich nach Ihrem gütigen Briefe vom 4. voraussetzen, dass Sie noch in Langwarden sind. Ich lasse deswegen ohne Bedenken die beiden Einlagen dahin abgehen.

Dankbar habe ich das Verzeichniss der bestimmten Höhen er- halten. Nach Ihrer Bestimmung des Spiegels der Nordsee bei der Ebbe brauche ich doch nun niclit mehr zu fürchten, dass der Nullpunkt unserer Weser bei Bremen noch unter das Niveau der See zu liegen kommen werde. Der Fall der Weser bis zur Nordsee wird etwa 27 bis 28 Pariser Fuss betragen.

Mit den Anomalien in den Dreiecken oder Horizontal-Winkeln ist es doch höchst sonderbar. Sie messen doch noch immer mit demselben Instrument, das in freieren und höheren Gegenden die Sunnne der "\^'inkel so genau gab? Mir ist eingefallen, ob es nicht zu einiger Aufklärung in dieser dunkeln Sache führen könnte, wenn Sie eine Ihnen wegen Lateral-Refraktion verdächtige Richtung auch mal in einer ganz anderen Tageszeit messen wollten.

27*

420 Gauss an Olbers. LangTvarden, 1825 Juli 11.

Was ich Ihnen neulich von der starken Abweichung meiner letzten Beob, des diesjährigen Kometen von Nicolai's Elementen schrieb, be- ruhte auf einem Kechnungsfehler, Die Bahn scheint vielmehr ungemein nahe parabolisch zu sein.

Da die Post gleich abgehen wird, so muss ich schliessen.

No. 587. Gauss an Olbers,') [273

Langwarden, 1825 Juli 11.

Herzlichen Dank für Ihr gütiges Schreiben. Die hiesigen Messungen haben mir unbeschreibliche Qual gemacht. Diskordanzen so gross, wie ich sie nie und nirgends gehabt habe, Hessen mich wegen ihrer Quellen in Ungewissheit und machten mich ganz irre, so dass ich keiner ein- zigen Messung mehr trauen konnte. Was hatte Schuld ? Lateral- Refraktionen, das Instrument. Wind, der auf die Objektivhälfte öfter überwiegend wirkte, Seiten-Refraktionen, genirte Köiperstellung in dem sehr engen Thurm, Reaktion des Körpergewichts, wenn während der Messung immer der Platz wechselweise verändert werden muss pp.? Längst war ich überzeugt, dass das Instrument seiner Natur nacli strikte alle Messungen zu klein zu geben eine Tendenz liat ; allein immer hatten die Versuche gezeigt, dass der Unterschied zwischen direkter und Supplement-Messung kaum merklich war, höchstens ein paar Zehntel- Sekunden, und höchstens aus einer sehr grossen Anzahl Messungen aus- gemittelt werden konnte. Hier zeigten sich nun Fälle, wo der Gyrus horizont'is über 6" oder 7" betrug und immer zu klein [war]. Das In- strument ist dasselbe, was 1822 1824 (nicht ls21'i gebraucht ist, immer von mir selbst sorgfältig gereinigt und zusammengesetzt. Hatte es sich dieses Jahr so verschlechtert? Z)?trr%rei/e«(?e Versuche wurden durch ungünstiges Wetter. Windsturm und dergl. fast unmöglich ge- macht, da dazu natürlich immer viele und gute Messungen erfordert werden. Bei den nicht zahlreichen Versuchen wollte aber immer weder ein bedeutender Einfluss des Zukleinmessens, wenn es durch Supplement- Messung geprüft wurde, noch von dem Körpergewicht sich ergeben: ich nahm das Instrument ganz auseinander, ohne irgend etwas Fehlerhaftes, Loses pp. zu finden, Hess abwechselnd meinen Sohn pointiren und mehr dergl.; die Ungewissheit wurde nur immer grösser und dunkler. End- lich habe ich aber doch einige Hoffnung, einem I'mstande auf der Spur zu sein, den ich zwar längst gekannt, aber seinen Einfluss nicht für so

^) Der Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.

Gauss an Olbers. Langwarden, 182.j Juli II. 421

gross f^ehalten habe, wie er zu sein scheint. Ich fand nämlich, dass sämratliche hiesige Messungen, insofern sie nicht sonst unter verdächtigen Umständen gemacht waren, z. B. starkem Wind, unruhiger Luft, die hier oft oder gewühnlicii sogar in den anderwärts fast immer besseren späten Nachmittagsstunden Statt hat*), sich ganz gut unter einander vertrugen, wenn ich nur die Messungen auf das Bremerleher Heliotrop- licht (die freilich gerade die zahlreichsten waren) ausschloss; allein diese, obwohl gewühnlicii unter sich in den einzelnen Reihen harmonirend, passten nicht zu dem Cianzen und diiferirten auch zuweilen unter sich sehr stark, wenn ich allein oder mit meinem Sohne zusammen versuchs- weise gemessen hatte. Dies führte auf die Verniuthung, dass (wenn nicht sonst quid pro quo's dort vorgefallen) das Pointiren auf das Heliotroplicht in der noch nicht 3 Meilen entfernten Laterne, die ge- wöhnlich deutlich miterscheint, fehlerhaft^) ist, indem das Auge das nicht reine Fadenintervall nicht unbefangen bisecirt. Es wäre jetzt zu weit- läufig, Ihnen zu schreiben, w^as mich noch in dieser Verniuthung mehr bestärkte. Gestern habe ich nun das Bremerleher Licht auf andere Weise, nämlich immer auf einen Faden pointirt, und die sehr zahl- reichen so gemachten Messungen stimmen nun unter sich und mit den übrigen, wo die Eichtung nicht entrirt, sehr gut, aber nicht mit den fi'üheren. Der Unterschied scheint im Pointiren auf mehr als 2" bis 3" gehen zu können und zwar gerade in dem Sinn, wie ich es nicht er- wartete, obgleich es auch so psychologisch sehr natürlich sein mag. Das Licht erscheint nicht im Centrum der etwa 30" breiten Laterne; es sollte nach der dortigen Abmessung etwa l"-i rechts erscheinen, aber das Ensemble aller Messungen zeigt, dass ich immer wohl 4" rechts pointirt haben muss. „Man ist sich also wohl, wenn auch nicht deut- „lich, bewusst, dass das Licht seitwärts von der Mitte ist, und thut, „um dies gewiss zu berücksichtigen, mehr als man sollte.'' Wenn ich übrigens oben sagte, dass die Laterne gewöhnlich deutlich erscheint, so ist dies doch nicht so zu verstehen, dass diese Deutlichkeit immer so gross ist, wie zu einem ganz scharfen Sehen erfordert wird. Allein die Erfahrung zeigt nun, wie es scheint, dass es gewöhnlich auf eine nach- theilige Weise g-enirt. Bei dem Pointiren von Brillit auf Zeven tritt

•) Ihr Vorschlag, zu anderer Tagesstunde zu messen, scheint in Ihrer Voraus- setzung gegründet, dass dies möglich ist; allein 100 fältige Erfahrungen zeigen mir, dass wenigstens hei Sonnenschein die Vormittags- und frühen Nachmittagsstunden niemals deutliches Sehen erlauben, die ganz frühen Morgenstunden aber höchst selten auf sehr kurze Zeit, daher es sehr schwierig sein würde, bei solchen alle Jahr ein paar Mal eintretenden Fällen Heliotroplicht am Platze zu hal)en.

^) Zu diesem Pointirungsfehler äussert sich Gauss auch im Brief No. 631 vom 18. Juli 1828. Krm.

422 Olbers an Gauss. Bremen, 1825 Juli 14.

ein ganz ähnlicher Fall ein, und ich bin nun sehr neugierig, ob auch dort die künftigen Messungen bei der anderen (übrigens für das Auge viel beschwerlicheren und ermüdenderen Methode) eine günstige Aende- rung erleiden werden.

Beim Pointiren von Brillit auf Bremen, Zeven auf Bremen, Bremen auf Zeven kann dies übrigens nicht oder wenigstens gar nicht merklich gewirkt haben, ebenso wenig wie zwischen Bremerlehe und Varel, da bei der grossen Entfernung der Thurm entweder ganz blass oder gar nicht mit erscheint; auch beim Pointiren auf Jever nicht, wohl aber wird es beim Pointiren von Jever aus Einfluss haben können.

Der Fehler des Dreiecks Bremerlehe Varel Langwarden scheint nun von 4"i auf etwa 2" zu kommen; aber die Diskordanzen in Varel schreibe ich noch immer der Lateral-Refraktion zu, um so mehr, da icli jetzt stärkere Ueberzeugung habe, dass das Instrument keine so be- deutenden Fehler haben kann.

Nach einigen guten Tagen, wie der gestrige war, hoffe ich in Langwarden fertig werden zu können und nach Jever abzugehen.

Ich habe mir die Freiheit genommen, 100 Louisd'or von Hannover aus an Sie adressiren zu lassen, die Sie gütigst einstweilen in deposito behalten wollen. Unter 8 Tagen werden sie aber wohl nicht ankommen.

Ist die Zeit, wann Ihre Frau Schwester, der ich mich noch von Rehburg 1804 her mit Vergnügen erinnere, Sie besuchen wird, schon bestimmt?

Der Abgang des Boten mahnt zum Schluss.

No. 588. Olbers an Gauss. [sio

Bremen, 1S25 Juli 14.

Da hier die Witterung seit dem 10. dieses alle Tage sehr erwünscht für Ihr Messungs-Geschäft schien, so darf ich es nicht mehr wagen, die Einlage nach Langwarden abzuschicken, sondern adressire sie mehrerer Sicherheit halber nach Jever, Ihren früheren Instruktionen folgend.

Mit vielem Interesse habe ich gelesen, wie viele Mühe es Ihnen verursacht hat, endlich durch Ihren Scharfsinn einer so verborgenen Fehlerquelle beim Pointiren auf die Spur zu kommen. Um so neu- gieriger bin ich, wie es künftig in Brillit gehen wird.

Die angekündigten 100 Louisd'or sind noch nicht angekommen. Ich werde Ihnen die Ankunft derselben sogleich melden und dann Ihre Befehle über dieses Geld erwarten.

GausiJ an Oll.ers. Gnarreubnrir, 1S'_>5 Juli [26—30]. 423

Künftigen Fieitafr. dfii 22. diese.*?, rückt die erste Kolonne meiner lieben Verwandten bei mir ein. die iih die i)reussische nenne. Diese Division besteht ans meiner Schwester, der Oberdeichgrätin ]\1artens, ihrer Tochter, der Majorin v. Avemann, ihrer Enkelin, alle ans Berlin, und der Tochter einer schon längst verstorbenen älteren Schwester von mir, der AVitwe Cläpiüs aus (Jötlien. Die hannoversche Division unter meiner Schwester, der Rätliin ^Ieyee, deren eigentliche Stärke ich noch nicht angeben kann, wird einige Tage später eintreifen. Ob- gleich die ^^'ohnung von Dr. Focke zu Hülfe genommen wird, so werden sich meine lieben Gäste docli sehr behelfen und enge zusammen packen müssen.

Bei dem schönen Wetter habe ich mich besonders am 12. und 13. Juli überzeugt, dass Encke's Komet noch mit meinem Dollond und meinen alten Augen gar nicht zu erkennen ist. Vermuthlich ist die noch fort- dauernde nächtliche Dämmerung und der niedrige Stand des Kometen Schuld; denn der Komet muss schon ebenso hell, wenn gleicli bei weitem nicht so lichtstark sein, als am 27. Nov. 1819, wie ihn Pons zufällig auffand. Mit Ungeduld erwarte ich aus südlicheren Gegenden die Nachricht, dass man ihn wieder erblickt hat.

Der gewöhnliche englische Quartals-Courier muss w'ohl angekommen sein, denn ich habe ein Packet mit englischen Druckschriften von ihren Verfassern, Herschel, South, Kater und Baily, geschenkt erhalten. Gewiss wird auch für Sie ein ähnliches, noch reicher ausgestattetes Packet eingegangen sein.

Hier hat sich ein angehender junger Geometer, Westhof, eben bei der Vermessung unseres kleinen Gebiets angestellt, die Oeffnung einer stark geladenen Büchse in den Mund nehmend erschossen. Der Kopf ist ganz zerschmettert w'orden, und das Gehirn hat an der oberen Zimmerdecke in kleinen Theilen umher geklebt. Die Ursache dieses Selbstmordes kennt man nicht.

No. 589. Gauss an Olbers. [279

Gnarrenburg, 1825 Juli [26—30].^)

Ich benutze einen stürmischen Morgen, einen Brief an Sie anzu- fangen, obgleich ich noch nicht weiss, wie bald ich Gelegenheit haben

^) Nach dem Brief v. 25. Juli 1825 von Olbers an Schumacher war Gauss auf der Durchreise nach Gnarrenburg bei Brillit vom 23. Abends bis 24. Juli Morgens in Bremen. Nach den Bemerkungen zu Bd. IX von Gauss' Werken S. 433 hat sich dann

424 Gauss an Olbers. Gnarrenburg, 1825 Juli [26 30].

werde, ihn an Sie abzusenden. Ich^) sehe nicht ohne Missmuth auf meine 5 jährigen Messungen zurück; ich sehe mich gegen das Ende derselben ungefähr in einer solchen Lage und in solchen Gefühlen, wie sie wohl viele, vielleicht die meisten Menschen in Beziehung auf das Erdenleben, wenn sie sich dessen Schluss nähern, haben mögen, mit dem Gefühl, dass, wenn mit den eingesammelten und erst sfiät zur Reife und Klarheit gekommenen Erfahrungen, mit frischer Kraft und mit der erlernten Würdigung so mancher Dinge von vorn her hätte angefangen werden können, viel mehr Zufriedenheit stattgefunden haben könnte. Was die Messungen betrifft, so halte ich mich jetzt überzeugt

1) dass der so wie der meinige gebaute Theodolith alle Winkel zu klein giebt und zwar im Durchschnitt um eine freilich nur sehr kleine, aber bei der sonstigen Trefflichkeit des Instruments, wenn man )iur unter günstigen Umständen beobachtet, doch sehr scharf anzu- gebende*) Grösse, die freilich mit dem Abnutzen des Instruments grösser werden mag. Meine Jeversclien Messungen, die recht ex professo an- gelegt waren, diese Grösse mitzubestimmen, geben sie 0",4, und ich glaube nicht, dass sie um 0",1 unrichtig ist. Leider bieten meine früheren Messungen keine so nachdrücklichen Bestimmungsmittel dar, da ich, obgleich von Anfang an schon das Dasein dieser Fehlerquelle vermuthend, doch glaubte, sie sei zu klein, um nicht als = 0 betrachtet werden zu müssen. Hätte ich anstatt einer Gradmessung eine Landes- vermessung und damit häufige Gelegenheit zu einem Gyriis Jiorisoutis gehabt, so wäre ich ohne Zweifel früher von dieser Ansicht zurück- gekommen. Ich werde künftigen Winter die Grösse für jedes Jahr, so gut es angeht, zu bestimmen suchen. Ich halte mich jetzt überzeugt, dass 1) bei steter Berücksichtigung dieser Grösse, 2) beim Enthalten von allem Messen, wenn die Umstände nicht günstig sind, und 3) bei Beachtung der beiden anderen noch zu erwähnenden Umstände, die ]\Iessungen auf Heliotroplicht eine fast unglaubliche Feinheit erhalten können, von der ich nun leider viel mehr entfernt bleibe. Eine Dis- kussion der in Göttingen 1823 gemachten Messungen giebt mir die obige Grösse =0",140, aber nur mit einem Gewicht von 47 Repetitionen.

Gauss von Juli 25 bis Aug. 2 in Bnilit-Gnarrenliuri;- aufgehalten. Hiernach um! nach dem Inhalt dieses Briefes ist obiges Datum festgesetzt. Krni.

^) Von hier ab bis „frei erschienen" auch abgedruckt in Gauss' Werken Bd. IX. S. 490 493. Vergl. zu dem Inhalte dieses Briefes auch die in Bd. IX wieder abge- druckten Briefe Gauss' vom 14. Aug. 1825 an Schumachkr (No. 2i9\ fenier vom 29. Okt. 1843 und 15. Aug. 1844 au Besskl (No. 189 und 1921 Krm.

*) Von der Grösse der Winkel fast unabhängig; e.<! scheint fast, dass das erste Drehen es hauptsächlich hervorbringt, wo der Zai»feu doch immer in gewissem Grade gleichsam festgesogen war.

Gauss an Olbers. Gnarreuburg, 1825 Juli [26 30]. 425

wobei aber doch der wahrscheinliche FehhM- nur fast genau +U",140 Avird, so dass 1 ji^egen 1 gewettet werden kann, jene Grösse liege nicht ausserhalb der Grenzen 0 und + 0".28. Die ^Messungen auf dem Timpen- berg 1823 gaben die lirösse + 0",070 mit dem Gewicht 28. Darf man sie vereinigen, so wäre der Werth für 1823

-i-0",lUmit dem Gewicht 75. Ich werde nach und nach sämmtliche Stationen berechnen und dann den Einfluss mit in Rechnung bringen.

2) ^lan sollte nie anders als unter günstigen Umständen beobachten, wo die Luft nicht wallt, kein Wind das Instrument erschüttert, die Aufstellung ganz solide ist. Freilich wird man dann oft in mancher Woche gar nicht beobachten und selten an einem Tage mehr als 1 2 Stunden, hohe Bergstationen vielleicht ausgenommen, dafür aber sind 50 solcher Messungen mehr werth als 500 unter ungünstigen Um- ständen.

Unsere Instrumente sind eigentlich, falls ihre Trefflichkeit ganz beimtzt wird, zu gut für den hal)ituellen Zustand der Atmosphäre; die Fehler durch die Wallungen in letzterer sind lOfach grösser als die unvermeidlichen vom Instrument herrührenden. Dasselbe gilt wohl auch von den astronomischen Beobb.

3) Wenn es irgend möglich ist, sollen die Heliotroplichter ganz frei erscheinen, wo das aber nicht sein kann, soll nie zwischen die Fäden, sondern immer auf einen pointirt werden, durch die Befangen- heit der Bisektion kann sonst ein in konstantem Sinn wirkender und vielleicht auf 1"| bis 2" steigender Fehler entstehen. Dass ein solcher Fehler entstehen kann, habe ich zwar immer vermuthet, aber ohne die Erfahrungen in Langwarden hätte ich nie geglaubt, dass er so gross sei. Ich habe früher öfter auf den Faden pointirt, aber freilich fast nur, wo das Licht frei erschien, und dann nie einen entschiedenen Unterschied gefunden; ich habe diese Beobachtungsart wie ich jetzt bedauere daher fahren lassen, weil sie mir viel beschwerlicher ist, und ich, im Allgemeinen auch gewiss mit Recht, glaubte, ich könne auf die Fäden nicht so genau pointiren als dazwischen.

4) Bei alledem aber halte ich mich überzeugt, dass Lateral- Refraktionen existiren in konstantem Sinn bei der zum Beobachten tauglichen Tageszeit, wenn das Licht nahe bei Bäumen etc. vorbei streicht. Die oben 1) bis 3) angegebenen Umstände wirken doch in mehreren Dreiecken nicht so stark, um die grossen Anomalien der ^Vinkelsumme zu erklären, und sie würden von der Fehlersumme in dem Dreieck z. B. Garlste Lehe Varel, wo sie -l:",9 beträgt, schwer- lich mehr als V% bis 2" abdingen können, und das Uebrige ist dann noch viel zu gross, um auf die unregelmässigen Messungsfehler ge-

426 Gauss an Olbers. Gnarrenburg, 1825 Juli [26 30].

schoben werden zu können. Zu meinem grossen Missvergnügen hat auch gewiss auf der Seite Brillit— Lehe eine solche Seitenrefraktion Statt und zwar in dem Sinn, dass auch hier die Winkel zu klein werden; der sehr kostspielige Durchhau ging anfangs zu weit links, er wurde noch etwas erweitert, dass Lehe hier sichtbar wurde, aber so hart an der rechten Wand, dass gewiss eine Lateral-Refraktion stattfindet; ich werde versuchen, einige vortretende dicklaubige Zweige auffinden und wegnehmen zu lassen; es ist aber ungewiss, ob sie aufgefunden werden, und selbst dann bleibt es noch sehi- knaiip an der rechten Wand. Leider ist auf alle Fälle höchst wahrscheinlich der Winkel in Lehe davon schon stark afficirt. und ungern möchte ich noch einmal dahin zurück; es sei denn, dass es möglich wäre, Bremervörde, welches in Lehe sicht- bar sein soll, in Brillit und in Zeven sichtbar zumachen; leiderscheint aber ausser Obstbäumen auch ein Bauernhaus in der Richtung Brillit Bremervörde zu stehen, obwohl ich dies noch nidit gewiss weiss, da

ich noch keine Mittel habe, das Azimuth mit lehe^ einiger Sicherheit anzugeben. Sonst bin ich

gewiss, dass diese neue Verbindung sehr viel neues Licht verbreiten würde. Der Winkel aa/isOf\^-'^ / \\ in Brillit zwischen Zeven und Bremen scheint

sich um 2" bessern d. i. vergrössern zu wollen, wodurch die Fehlersumme von 4"i auf 2"| ■^fp^^i^"' kommt; aber ganz kann dieser Ueberrest gt^-

Fig. 24. -^A-iss auch nicht auf die Messungsfehler kommen,

namentlich ist in Bremen der obige Fehler 1) durch das Vor- und Rückwärtsmessen fast ganz eliminirt. und die Pointirungsart kann auch wenig Eintiuss haben, da bei der bedeutenden Entfernung und der gewöhnlichen Unsichtbarkeit der Thürme die Lichter so gut wie frei erschienen.^)

So eben erhalte ich von meinem Sohn die Nachricht, dass die Richtung von Zeven nach Bremervörde durch das dichte Holz bei Brauel geht; auch meint er, w^ürde der Thurm, wo er 1824 einige Messungen gemacht (ich selbst bin nie dagewesen), sich schwerlich zu einer guten Aufstellung eignen. Also scheint auch diese Hoffnung fehlschlagen zu müssen. Auch geben einige erhaltene Daten, dass höchst wahrscheinlich von hier aus die Richtung das Bauernhaus noch selbst trifft.

Ich schliesse diesen Brief, da hier zuweilen Gelegenheit nach Bremer- vörde ist. Finde ich ihn bei meiner Rückkunft noch, so erl)reihe ich ihn wieder.

*) Siehe Anmerkung 1 auf S. 424. Knn.

Olbers an Gauss. Bremen, 1825 August 19. 427

No. 590. Olbers an Gauss.') [sn

Bremen, 1825 August l!t.

In voller, obgleicli angenehmer Unruhe, finde ich in meinem eigenen Hause kaum einen Platz und einen freien Augenblick, Ihnen mit ein paar Zeilen für Ihren gütigen Brief vom 15. Aug.^) zu danken. Mein Sohn ist nämlich vorgestern am 17. zum Senator erwählt, und dies giebt dann in .unserem kleinen Freistaate zu einer Art von Volksfest Veranlassung, bei der wir kaum zur Besinnung kommen können. Es thut mir ungemein leid, mein theuerster Gauss, dass iSie diesmal Ihre Ihnen gewiss sehr nöthige Erholungsreise nach Süden richten wollen, und ich also in diesem Jahr nicht, wie ich gehofft hatte, das grosse \'ergnügen haben soll, Sie und Ihre hochverehrte Frau Gemalilin hier zu sehen. Möge nur diese Reise für Ihre beiderseitige Gesundheit die erwünschten, besten Folgen haben! Dann darf ich um so gewisser von Ihrer Freundschaft und der Gewogenheit Ihrer liebenswürdigen Ge- bieterin erwarten, dass mir aufs künftige Jahr die diesmal versagte Freude um so gewisser sein wird.

Die Witterung ist den Ivometenbeobb. sehr hinderlich. Einem vor- läufigen noch sehr unsicheren Uebersclilage zufolge wird der BiELA'sche Komet ^) noch gross und augenfällig werden, seinen grössten Glanz aber den Südländern zeigen, da er bald nach oder um die Mitte des Sept. nicht mehr über unseren Horizont kommt. Jetzt ist Encke's Komet ^) sehr gut zu beobachten, zwar kleiner aber lichtstärker als der BiELA'sche. Mich haben noch immer Wolken an der ganz genauen Beob. gehindert. Den Fehler von Excke's Ephemeride finde ich ungefähr 2'.

*) Zwischen diesem uud dem vorhergehenden Briefe fehlen 2 Briefe von Gauss. l>er eine vom 4. oder 5. Aug. von Zeven aus an Olbers gerichtet (nach Olbees- ScHCMACHEK. Brief von 1825 Aug. 8 und 11 an Schumacher), wo nach den Bemer- kungen zu Bd. IX von Gauss' Werken, S. 433 Gauss um diese Zeit gewesen ist. Nach diesen Mittheilungen wollte Gauss noch von Wilsede aus zum Köterberge gehen, um diesen vollständig anzuschliessen ; nach Brief 259 vom 14. Aug. 1825 an Schumacher (Bd. II des Briefwechsels Gauss-Schumacher) ist er aber direkt nach Göttingen zurück- gereist. Der andere Brief war am 15. Aug. aus Göttingen abgeschickt, in ihm hat nach dem erwähnten Briefe an Schumacher und nach dem Schreiben v. 20. Aug. von Olbers an Schumacher Gauss wohl Mittheilung über seine Erholungsreise nach Süddeutschland gemacht. Krm.

•*) Komet 1825 IV, Juli 15 und 19 von Pons und Blela entdeckt, wurde im Okt. dem blossen Auge sichtbar. Krm.

'; Komet 1825 III, von Valz in Mmes .Tuli 13 wieder aufgefunden, von Har- msG Juli 20. Vergl. Brief No. 318 im Briefwechsel Olbers-Bessel. Krm.

^28 Gauss an Olbers. Göttingen, 1825 Oktober 9.

No. 591. Gauss an Olbers. [28o

Göttingen, 1825 Oktober 9.

Es ist wohl hohe Zeit, dass ich mich wieder in Ihr freundliches Andenken zurückbringe. Zuvor meinen herzlichen Glückwunsch zu der längst verdienten Beförderung Ihres Hrn. Sohnes, dem ich mich an- gelegentlichst zu empfehlen bitte. Möchte er doch bald Ihr Glück voll- ständig machen und Ihnen eine Schwiegertochter zuführen.

Meine Eeise habe ich über Marburg und ]\rannheim nach Baden gemacht, wo meine Frau das Baden versuchen sollte, welches ihr aber nicht bekam, daher wir unsere Rückreise über den Schwarzwald, das Murgthal, Tübingen, Stuttgart, Würzburg und Gotha machten. Es war mir ein grosser Genuss. die Freunde Geeleng. Nicolai und Lindenau wiederzusehen und Eckhardt, Bohnexbergee und Wurm persönlich kennen zu lernen. Im Ganzen scheint die Reise auf unser körperliches Befinden nicht ü1)el gewirkt zu haben, obwohl ich selbst bei der fast ununterbrochenen Hitze oft sehr litt. Das materielle Leben habe ich sonst im südlichen Deutschland wenigstens für meinen Geschmack nicht so angenehm gefunden, wie ich erwartet hatte, wenigstens lasse ich mir unser Norddeutschland nicht verachten.

Bei den Messungen im Darmstädtischen, Badenschen und Württem- bergischen sind sehr viele Heliotrope im Gebrauch. Bokn-enberger. dem ich nur das AVesentlichste angegeben hatte, hat die seinigen dort in Beziehung auf Dimensionen und Gestell kompendiöser einrichten lassen, so dass sie viel transportabler sind; zugleich sind solche von Baijmann viel wohlfeiler als die Ru^^rPF 'sehen. Ich hätte gern einen mitgebracht, allein Baumann hatte keinen vorräthig und Bohnenbergee konnte keinen missen.

Am Himmel bin ich inzwischen seit Ostern fast ganz fremd ge- worden, und von dem, was über den Kometen gearbeitet ist. weiss ich gar nichts, als was das Cirkular von Schumacher und Ihr Brief, den ich erst bei meiner Rückkunft vorfand, enthält. Ich habe ihn zweimal im Meridian zu beobachten versucht, allein die Reobb. taugen nicht viel, denn so hübsch er jetzt dem blossen Auge vorkommt, so elend \vird er schon bei der kleinsten 80 maligen Vergrösserung des Mer.-Kreises und der allergeringsten Beleuchtung, die ihn ganz auslöscht.

Hier die Beobb.^)

1825 Okt. 4. 38« O'ÖO" 14" G'18" 6. 3G 33 42 18 10 57

Theilen Sie mir doch gelegentlich Ihre Beobb. mit.

*) Komet 1825 IV: Rektasoension von Okt. 6 fehlerluvft: vergl. nächsten Brief von Olbers und Briefwechsel Gacss-Schumacheu No. 262. Seh.

Olbers an Gauss. Bremen. 1825 Oktober 12. 429

Ii'liM habe dieser Tage angefangen, in Beziehung auf mein künf- tiges Wt'ik ül)fi- h()liere Geodäsie, einen (sehr) kleinen Theil dessen, was die krummen Flächen betrifft, in Gedanken etwas zu ordnen. Allein ich überzeuge mich, dass ich bei der Kigenthümlichkeit meiner ganzen Behandlung des Zusammenhanges wegen gezwungen bin, se/<r weit aus- zuholen, so dass ich sogar meine Ansicht über die Krümmungshalbmesser bei planen Kurven vorausschicken muss. Ich bin darüber fast zweifel- haft geworden, ob es nicht gerathener sein wird, einen Theil dieser Lehren, der ganz rein geometrisch (in analytischer Form) ist und Neues mit Bekanntem gemischt in neuer Form enthält, erst besonders aus- zuarbeiten, es vielleicht von dem Werke abzutrennen und als eine oder zwei Abhandlungen in unsere Conim. einzurücken. Indessen kann ich noch vorerst die Form der Bekanntmachung auf sich beruhen lassen und werde einstweilen in dem zu Papier-Bringen fortfahren.

Aus den Zeitungen sehe ich, dass Krayenhoff nach Europa zurück- gekehrt und in Nymwegen angekommen ist. Wissen Sie mir vielleicht seine Adresse anzugeben; ich weiss nicht einmal, ob Amsterdam, Haag, Brüssel etc. sein ofewöhnlicher Aufenthalt ist.

No. 592. Olbers an Gauss. [312

Bremen, 1825 Oktober 12.

Ich freue mich recht sehr, dass Ihnen und Ihrer verehrten Frau Gemahlin die angenehme Reise so gut bekommen ist, und von der an- deren Seite ist es mir sehr angenehm, Sie wieder in Göttingen zu wissen. Sie haben mich durch Ihre Güte so verwöhnt, dass ich es recht schmerzlich gefühlt habe, so lange Ihre mir immer so erfreulichen Briefe entbehren zu müssen.

Mein Sohn dankt gerührt für Ihr gütiges Andenken und empfiehlt sich Ihrer ferneren Gewogenheit aufs Angelegentlichste. Meine lieben Verwandten, von denen Sie^) noch einen Theil hier ankommen sahen, haben mich leider nun gestern auch sämmtlich verlassen, so dass es mir jetzt wirklich recht einsam in meinem Hause vorkommt.

Von dem schönen Kometen ^) muss ich nun auch Abschied nehmen. In der zweiten mir von Ihnen mitgetheilten Meridianbeob. Okt. 6 36'' 33' 42" 18M6'57" wird wohl ein Schreibfehler von 10'" in der

^) Von hier ab bis ,.in dem zu Papier-Bringen fortfahren" auch abgedruckt in Gauss' Werken Bd. Vin, S. 397 und Bd. IX, S. 376. Krm.

^) Gauss war am 23. 24. Juli in Bremen nach Anmerkung S. 423. Krm. ») Siehe auch Olbers Bd. I, No. 100 bis 102. Krm.

430 Olbers an Gauss. Bremen, 1825 Oktober 12.

JR, sein, und diese in 34" 3' 42" verändert werden müssen. Gern setze ich Ihrem Verlangen gemäss hier einen Tlieil meiner Keobb. lier:

Aug. 9. 12»^ 28™ 24^ 03° 39' 55" +23« 53' 52,5"

14. 12 20 27 C3 49 39 23 4 58

15. 12 57 23 63 50 G 22 54 8 25. 12 43 53 63 31 6 20 43 53

Sept. 1. 12 7 44 62 39 12 18 33 32

8. 11 54 28 61 0 23 15 34 49

12. 11 45 52 59 34 35 13 20 30

[Ferner die in Olbebs Bd. I, S. 404. 405 mitgetheilten Beobb. von Sept. 9, 13, 15, 18, 28, 30 lind Okt. 1 bis 5, 8, nur dass hier die Dekl. von Sept. 28 fehlerhaft 1" 29' 53" .statt richtig 2' 16" geschrieben ist.]

Die Berechnung der Bahn scheint anfangs, wie sich der Komet noch scheinbar so langsam bewegte, sehr schwierig gewesen zu sein. Die von verschiedenen Rechnern bestimmten Elemente wichen sehr unter sich und auch bald von den folgenden Beobb. ab. Auch die nun später gegebenen werden noch einige Verbesserungen erfordern.

Hansen .Peters

Durchgangszeit . . 1825 Dec. 10,41735 Seeberg Dec. 10,47309 Altona

ft 215°42'27",7 215° 42' 7"

Perihel 318 45 7,0 318 59 8

i 33 27 40,0 33 34 42

log g 0.092836 0,0944859

Retr. Retr.

Indessen wird die Bahn dieses Kometen, selbst ihre Abweichung von der Parabel, hinreichend genau bekannt werden, da er so lange und so vielfältig beobachtet ist, und wir noch eine ebenso lange Reihe von Beobb. aus den Südländern zu erwarten haben, wo dieser Komet unmöglich übersehen werden kann. ^lehr Furcht habe ich wegen des ÜARDiNG'schen Kometen^), den Harding nur 4 aufeinander folgende Tage sehen und nur am 3. [Tage] beobachten konnte. Wenn dieser nicht sonst noch irgendwo später oder früher sollte beobachtet sein, so wird seine Bahn ganz unbestimmt bleiben. Die Elemente, die Peters aus Harding's Beobb. abgeleitet hat, können als auf eine Zwisclienzeit von nur 48 Stun- den gegründet gar keine Zuverlässigkeit haben. Bisher habe ich von keiner anderen Beob. gehört, ausser dass der Domkapitular Stakke ihn am 6. Sept. nicht weit von Sirius gesehen haben will. Auf diesen

^) Komet 1825 II, am 9. Aug. von Poks und am 23. Aug. von H.\rdixg ent- deckt. Siehe Brief No. 594 und die zugehörige Anmerkung. Krm.

Gauss an Olbers. Gütting-en, 182ö Oktober 20. 431

windif^en Patruii ist aber ;^ar nicht zu retlmen. Haben Sie im süd- lichen Deutschland nichts über diesen Kometen gehört?

Mit VerpTnügen sehe icli, dass Sie ernsthaft an die Ausarbeitung Ihres sehnlich erwarteten Werkes über höhere Geodäsie denken. Ob Sie Ihre Ansicht über den Krümmungshalbmesser mit beitügen oder in einer besonderen Abhandlung niederlegen wollen, scheint mir ziemlich gleichgültig. Gern wird man alles bei einander haben, was sich auf Ihre Behandlung der Geodäsie bezieht, und es ist nicht zu fürchten, dass irgend ein Werk von Ihnen den Lesern zu gross werden könnte.

Krayenhoff's Adresse weiss ich Ihnen nicht anzugeben. Encke ist vor ein jiaar Tagen von Hamburg nach Herlin abgegangen. Sein Komet hat sich diesmal so artig aufgeführt, dass, wenn man die von ihm vorher berechnete Zeit des Perihels etwa um 3G'" verfrüht, die Elemente den Beobb. fast völlig genug thun.

Schumacher hat mir noch zu einem Besuche Hoffnung gemacht.

No. 593. Gauss an Olbers. [28i

Göttingen, 1825 Oktober 20.

Herzlichen Dank für alles Freundliche und Interessante, was Hir gütige]" Brief enthielt. Die Kometen-Beobb. habe ich Hrn. Dr. Schmidt ge- geben, der sie mit seinen parabolischen Elementen, die ich in diesem Augenblick selbst nicht in Händen habe, vergleichen will, aber damit nun wohl post festum kommen wird, da Hr. Hansen nach einem heute von Lendenau erhaltenen Briefe bereits elliptische Elemente berechnet hat. Hr. Hansex findet die Umlaufszeit 382 Jahre und glaubt zwischen den Elementen und denen des Kometen von 1590 einige Aehulichkeit zu be- merken, die mir noch nicht einleuchten will.

üeber^) meine Bedenklichkeiten rücksichtlich der Anordnung meines künftig auszuarbeitenden Werks über Höhere Geodäsie muss ich mich in meinem Briefe wohl nicht deutlich ausgedrückt haben. In der That ist der Gegenstand meiner Bedenklichkeiten nicht die Frage, ob ich meine Ansicht über die Krümmungshalbmesser aufnehmen soll oder nicht, sondern ob ich die mir immer mehr unter den Händen wachsen- den, ganz allgemeinen Untersuchungen über die krummen Flächen, die darauf gebildeten Figuren, die Natur der kürzesten und nicht kür- zesten Linien und eine Men^e anderer Gegenstände, die ich hier nicht

^) Von hier ab bis ,.gestört werden" auch abgedruckt in Gauss" Werken Bd. VIII. S. 398—400. Krm.

432 Gauss an Olbers. Götting'en, 1825 Oktober 20.

anführen kann, weil die Begriffe davon noch nicht gangbar sind und selbst noch keine Namen dafür existiren, ob ich die^ alles mit auf- nehmen soll oder nicht, zumal da ich täglich mehr Materien finde, auf die ich auch noch zurückgehen muss, weil sie meines Wissens nicht aus dem Gesichtspunkte bisher betrachtet sind, wie es zur Verkettung des Ganzen nöthig ist; zu diesen geliörte als ein unbedeutendes Beisfjiel selbst die Lehre von den Krümmungshalbmessern im Planum. Ich hätte auch die Lehre von dem Flächeninhalt der Figuren überhaupt nennen können, die ich gleichfalls seit 30 und mehreren Jahren aus einem von mir bisher für neu gehaltenen Gesichtspunkt betrachtet habe. Dies letztere ist aber zum Theil ein Irrthum; in der That habe ich erst vor Kurzem eine Abhandlung von Meister (einem meiner Meinung nach sehr genialen Kopf) im 1. Bande der Novi Comm. Götting. kennen ge- lernt, worin die Sache fast genau auf gleiche Art betrachtet und sehr schön entwickelt wii'd. Allein diese treffliche Abhandlung ist den Mathematikern fast ganz unbekannt; auch würde es nicht zureichen, mich darauf zu beziehen, da sie doch nur die ersten Grundbegriffe hat. Insofern man nämlich geometrische Relationen analytisch behandelt, hat man zwar längst Linien von positivem und negativem "Werth recht wohl verstanden und eingesehen, dass dabei immer explicite oder impli- cite ein gewisser Sinn {sens, Richtung) zu Grunde liege, nach welcher die Linie als wachsend angesehen werde etc. Allein insofern man Flächen (areas) durch Formeln ausdrückt, muss natürlich auch ein negativer Werth seine gute, verschiedene Bedeutung haben, und der Begriff der Area muss also so festgesetzt werden, dass dies klar ein- leuchte. Allein dann muss man noch einen Schritt weiter gehen und Figuren betrachten, deren Umfang sich selbst einmal oder mehrere Male schneidet z. B.

etc.

Y\g. 25.

Man kommt dann auf einen Gesichtspunkt, aus Avelchem z. B. der

Inhalt von 1) entweder a h oder /* a

der von 2) . . . . a-\-2h

der von 3) . . . . a d oder d a etc. wird.

Alles dies giebt eine völlig konsequente Tlieorie. die bei allge- meiner Behandlung solcher Gegenstände unerlässlich nöthig ist, auch auf krumme Flächen ans-ewandt werden kann, aber da noch mehrerer

Gauss an Olbers. Güttinffen, 1825 Oktober 20.

433

Modifikationen oder Bestinimnn(;:en bedarf, wenn die kriniime Fläche eine gfeschlossene ist. Sie sehen, dass selbst dieses Kapitel schon etwas sehr Weitschichtiges ist, und doch muss dies und manches andere mit- g-enoninien werden, um z. B. zu einer befriedigenden Darstellung von der allyctticinsteti GeneraUsirung der LEGENDRE'schen Methode, die Kugeldreiecke zu berechnen, zu gelangen, worin die Seiten den Sinus der um \ des sphärischen Excesses verminderten AViiikel proportional gesetzt Averden, welche Generalisirung ich besitze und die als ein Theit der höheren Geodäsie nöthig ist.

So wie die mathematische Seite einer Arbeit mir gewöhnlich die inteiessanteste ist, so kann ich auch von der anderen Seite nicht leugnen, dass ich, um an einer so ausgedehnten Arbeit Freude zu haben, doch am Ende ein schön organisirtes Ganze muss hervorgehen sehen, was durch ein zu buntscheckiges Ansehen niclit verunstaltet wird. Dies ist die l'rsache meiner Bedenklichkeit, über die aber wohl nicht eher recht gründlich geurtheilt werden kann, bis ich alle Mate- rialien zu jenen Sachen zusammen habe. Es wird aber damit so ge- schwind nicht gehen, theils wegen der Menge der Gegenstände, theils wegen der vielen immer vermehrt und neu erscheinenden Schwierig- keiten. Das Nachdenken darüber wird jetzt auch wieder durch einiges Kollegienlesen gestört werden.^)

An Keayenhoff, obwohl ich seinen Aufenthalt noch nicht weiss, werde ich nächstens zu schreiben versuchen. Ich habe meine Jever- sclien ]\Iessungen genau berechnet und jetzt in Ordnung gebracht. Meine von Göttingen bis Jever transportii-ten Azimuthe sind alle grösser als die KEAYENHOFr'schen, aber in sehr ungleichen Zahlen, ich mag sie (I) auf das Centrum des Knopfs oder (II) auf das Centrum des cj'lindrischen Tliurms reduciren, die von einander um 0,1 m abliegen. Um sie so gut wie möglich in Uebereinstimmung zu bringen, müsste ich die Reduktion auf einen Punkt (III) beziehen, der fast genau 1 m von (I) entfernt ist. Der Durchmesser des Thurms ist 14 m.

I

II

III

Aurich

Esens

14",655

18,938

12,796

2,665

15", 145

19,893

13,182

1,976

9",402

9 330

Wanfferoog'

9,374

9,350

Varel

') Yergl. Anmerkung- auf S. 431. Krm.

Olbers. II, 2.

28

434

Olbers an Gauss. Bremen, 1825 November 11.

Keatenhoff's Distanz -Logarithmen von Wangeroog und Varel sind grösser als die meinigen bei der Reduktion auf

T

TT

ITT

Wangeroog"

0,0000228 0,0000402

0,0000211' 0.0000410

0.0000387

Varel

0.0000304

Bei der grossen Menge von Dreiecken von Melun bis Jever und der, wie es doch scheint, schlechten Beschaffenheit eines grossen Theils derselben ist ein Unterschied nicht zu verwundern.

Jetzt, theuerster Oleers, noch eine Bitte über einen anderen Gegenstand. Ich habe die Absicht, meinen zweiten Sohn, vielleicht schon von nächstem Ostern an, einige Jahre von Haus wegzugeben, und bin lange über den Ort zweifelhaft gewesen. Mehrere Umstände scheinen jetzt dafür zu sprechen, die Schule von Celle zu wählen, besonders der. dass ein meiner Familie befreundeter Landprediger nahe bei Celle, ein trefflicher Mann, der früher öfter junge Leute bei sich erzogen hat. dort eine gewisse Aufsicht über ihn führen und sich in jeder Beziehung seiner annehmen würde. Wenn nun gleich dies eine Hauptrücksicht ist, so kommt doch auch sehr die Beschaffenheit der Schule in Be- tracht, von der jetzt viel gerühmt wird. Vielleicht wären Sie im Stande, mir insofern auch einen wichtigen Beitrag zum Urtheil über dieselbe zu geben, als der gute Ton auf einer Schule so sehr von der Persönlichkeit besonders des Direktors [abhängig] ist. und der gegen- wärtige, ein gewisser Hr. Hüpedex, früher längere Zeit an der Schule in Bremen gestanden haben soll. Auch wenn Sie ihn selbst nicht näher gekannt haben sollten, werden Sie mir doch vielleicht aus zuverlässiger Quelle über seine Qualifikation etwas mittheilen können. Dass ich es als eine ganz vertrauliche ]\Iittheilung ansehen werde, brauche ich Ihnen nicht erst zu versicliern.

No. 594.

Olbers an Gauss.

[313

Hiemen. 1825 November 11,

Den jetzigen Direktor der Celler Schule. Hlpedek. habe ich hier selbst gekannt und viel Rühmliches von ihm gehört. Auch wusste ich. dass man ihn ungern bei der Bremer Schule verloren hat. Nach Empfang Ihres letzten Briefes habe ich doch noch den Rektor unserer Schule,

Olbcrs au Gauss. Bremen, 1825 Novemlicr 11. 435

Prof. Sanders, über ilni. Hüpeden befragt und ein ganz vorzügliches Zeiigniss erhalten. Sanders lobte sowohl die ausgezeichneten philo- lugischen Kenntnisse von Hüpeden, als auch seinen Diensteifer und die (ieschieklichkeit, mit der er sich dem Unterrichte der Jugend widmete, ganz ungemein. Ich glaube also, mein theurer Gauss, dass Sie Ihren Sohn sicher seiner Leitung und Lehre anvertrauen können.

üie elliptischen, von Hansen berechneten Elemente des letzten Kometen \) hat mir sowohl Schumacher als auch Lindenau geschickt. Wir werden die Bahn dieses Kometen noch sehr genau kennen lernen; denn im südlichen Italien wird er den ganzen Winter hindurch bis zum anfangenden Sommei- sichtbar bleiben, und auch wir in unseren n()rdlichen Gegenden werden ihn im Mai des künftigen Jahres im Ein- siedler-Vogel und beim Schwanz der Wasserschlange Avieder sehen. Er hat dann noch mehr Lichtstärke als am Tage seiner diesjährigen Ent- deckung und, worauf es hier hauptsächlich ankommt, auch noch etwas mehr Helligkeit. Uns wird er wohl mit dem Eintritt der nächtlichen Dämmerung unsichtbar werden; aber auf südlicheren Sternwarten, wo die nächtliche Dämmerung nicht hinderlich ist, wird man ihn wahr- scheinlich bis nach der Mitte des Juni verfolgen können.

Aus Hansen's Ellipse habe ich beiläufig berechnet:

v/v Dekl. log d. a. O a. $

1826 Mai 3,18 224° 56' —31" 24' 0,87356 0,17260

10,69 206 43 —23 35 0,38809 0^16117

Juni 1,79 202 7 —15 34 0,42827 0,27125

In der Parabel ist die Hoffnung, ihn auch hier wieder zu sehen, \ iel geringer. Dieser merkwürdige Komet wird also ganz beispiellos fast 11 Monate ununterbrochen oder doch mit ganz kurzer Unterbrechung während seiner Konjunktion mit der Sonne gesehen werden. Mit Ihnen halte ich die vermuthete Identität dieses Kometen mit dem von 1590 nicht bloss für unwahrscheinlich, sondern für ganz irrig, und es thut mir leid, wenn Hansen unnützer Weise viel Zeit auf diese Untersuchung verwendet.

Für den Kometen '^j, den Harding am 24. Aug., Pons aber schon am 9. Aug. entdeckte, habe ich aus Inghie,uii's Beobb. vom 10., 20. und 24. Aug. mit Verbesserung von M folgende parabolischen Elemente berechnet

T . . 1825 Aug. 18, 3879 Göttingen ft 193« 4' 52"

') Komet 1825 IV, er -wurde in Europa bis Mitte Okt., in Amerika und Xeu- hoUand bis 20. Dec. beobachtet, dann 1826 Ton April bis Juli. Krm. -) Komet 1825 IT. Vergl. auch Olbees Bd. I, S. 410. Krm.

28*

436 Olbers an Gauss. Bremen, 1825 November 11.

n 9°47'54"

i 88 29 39

logg 9,946198 mot. dir.

Diese Elemente sind verhältnissmässig nur wenig von denen ver- schieden, welche Peteks bloss aus Haeding's Beobb. und einer Zwischen- zeit von 49 Stunden berechnet hat. Ich halte dies mehr für glück- lichen Zufall, denn die Dekl. in Haeding's Bestimmungen sind etwas zweifelhaft, und der Komet bewegte sich doch in der Dekl. am schnellsten.

General Keatenhoff ist jetzt, wie ich aus den Zeitungen sehe, im Haag.

In der Abhandlung, die der jüngere Heeschel und South über di^ Doppelsterne herausgegeben haben, findet sich die Bemerkung, dass die kleinen Sterne von hlauem Licht die Erleuchtung des Feldes im Fern- rohr viel besser ertragen, als grössere Sterne von gelbem Lichte. Da nun aber die meisten Sterne und Gegenstände am Himmel gelbröth- liches Licht haben und Herschel nicht unwahrscheinlich die Ursache des von ihm bemerkten Phänomens darin sucht, dass das blaue Licht des Sternchens mit dem gelbröthlichen der Lampenflamme, die das Ge- sichtsfeld erleuchtet, einen Kontrast macht, so möchte es zu versuchen sein, das Sehrohrfeld mit blauem Licht durch vorgesetzte blau gefärbte Gläser zu erleuchten. Dieses blaue Licht würden die meisten Gegenstände des Himmels dann wohl besser ertragen.

Nun noch ein Wort von ganz etwas anderem, ^^'ir haben oft. mein theurer Gauss, über die wichtigsten Gegenstände für den ^lenschen gesprochen, und da niuss ich Ihnen doch sagen, dass ich kürzlich nichts mit grösserem Interesse und grösserer Befriedigung gelesen habe, als das 1. Stück von dem Denkgläuhigen des Prof. Paulus in Heidelberg. Eine lächerliche, Eitelkeit verrathende Behauptung wüi'de es sein, wenn ich sagte, es sei mir gleichsam aus der Seele geschrieben ; vielmehr muss ich dankbar anerkennen, dass Paulus erst mehreren meiner Ideen völlige Klarheit und Bestimmtheit gegeben hat. Ueber das Glauben wäre ich nun völlig mit Prof. Paulus einverstanden; ob aber auch der Glaube des Prof. Paulus der meinige ist oder werden kann woran ich noch sehr zweifele wird sich erst aus den folgenden Stücken dieser Zeitschrift ergeben. Wie sehr dieser Benkgläidnge mir zusagte, erhellt auch wohl daraus, dass ich gleich nachher Prof. Kbug's in den Göttinger Anzeigen so sehr gerühmte Pistologie las. die mir gegen Paulus' crründliches Raisonnement wie fades Gewäsch vorkam.

Olbers an Gauss. Bremen, 1826 Januar 28. 437

No. 595. Olbers au Gauss. [su

Bremen, 1826 Januar 28.

Es ist eine halbe Ewigkeit, dass ich nichts von Ihnen gehört habe. HotYentlich darf ich mit Reclit Ihr langes Stillschweigen nur Ihren vielen Geschäften zuschreiben: aber länger kann ich es doch nicht unterlassen. Sie zu bitten, mich durch einige Zeilen über Ihr und der Ihrigen Betinden völlig zu beruhigen. Mit mir ist es ganz beim Alten, und ich habe bisher den Winter in erträglicher Gesundheit zugebracht, obgleich die strenge Kälte mir nicht zusagt. Auch meine näheren An- gehörigen sind entweder immer wohl gewesen, oder doch jetzt von leichteren Unpässlichkeiten ganz hergestellt.

ScHTMACHER Und Repsoi.d habe ich noch nicht gesehen, und meine Hoffnung auf den lieben Besuch dieser beiden Freunde ist bis jetzt unangenehm getäuscht worden. Erst wollten sie ge^^■iss vor Ende Xov. kommen, dann am 15. Dec. von Hamburg abreisen, endlich bestimmten sie ihre Ankunft auf den 29. Dec. mit Schümacher's Versprechen, den Neujahrstag hier zu feiern. Immer wurde die Anmeldung kurz vor dem angesetzten Termin wieder aufgekündigt. Jetzt scheint ihre Ueber- kunft auf unbestimmte Zeit adjournirt zu sein.

Gestern Abend hatten wir nach langer Zeit zum ersten Mal einen heiteren mondlosen Himmel, und ich fand endlich den schon am 7. Nov. vorigen Jahres von Pons im Eridaniis entdeckten Kometen^) auf. Er stand zwischen No. 16 und No. 19, oder genauer zwischen No. 15 und Xo. 19 Eridani. Er war, vielleicht zum Theil wiegen noch etwas dunstiger Luft, sehr schwach, im Kometensucher gar nicht zu sehen und seine Ein- und Austritte im Dollond schwer zu erkennen.

Nach einer vorläufigen Eeduktiou meiner gestrigen Beobb., deren Kesultat aber immer etwas zweifelhaft bleiben wird, war

Jan. 27. 8'' 35'" M 50M' Dekl. 22H2'.

Der Komet rückt jetzt in einem Tage etwa 12' nach Osten und 5' nach Norden fort und wird also leicht aufzufinden sein. Sie w^erden schon wissen, dass Clausex die Beobb. von Inghirami vom 17. Nov. bis 17. Dec. vorigen Jahres nicht in einer Parabel darstellen konnte, sondern eine Ellipse von etwa 70 Jahren Umlaufszeit dafür fand. Von seiner Ellipse weicht die gestrige Beob. nur etwa 24' in JR und 18' in Dekl. ab, die Parabel über l°i. Doch habe ich diese Vergleichung nur flüchtig gemacht.

\) Komet 1826 II nach Galle's Verzeiclmiss (V Komet von 1825). Krm.

438 Gauss an Olbers. Göttingen, 1826 Februar 19.

Vielleicht beobachten Sie diesen Kometen auf der Göttinger Stern- warte schon lange. Sollte dies aber nicht sein, so bitte ich, obige Position aiicli Hrn. Prof. Hakding mitziitheilen, an den zu schreiben es mir heute an Zeit fehlt.

No. 596. Gauss an Olbers. [282

Göttingen, 1826 Februar 19.

Sie haben Recht, es ist eine halbe Ewigkeit, dass ich nichts von mir habe hören lassen, und Sie haben mich durch Ihren gütigen Brief gleichsam beschämt. Krankheit kann ich eigentlich als Entschuldigung nicht anführen, ich weiss eigentlich selbst nicht, ob ich mich krank oder gesund nennen soll. Ich leide eigentlich an nichts als au Schlaf- losigkeit und deren Folgen. Selten schlafe ich eine Nacht mehr als eine oder zwei Stunden. Die Ursache liegt nicht unmittelbar in meinem Körper, sondern in meinen Beschäftigungen^), zum Theil wohl im Miss- verliältniss meiner Beschäftigungen. Ich wüsste kaum eine Periode meines Lebens, wo ich bei so angestrengter Arbeit, wie in diesem Winter, doch verhältnissmässig so wenig reinen Gewinn geerntet hätte. Ich habe viel, viel Schönes herausgebracht, aber dagegen sind meine Bemühungen über anderes oft Monate lang fruchtlos gewesen. Wenn dem Geiste ein gewisses Ziel dunkel vorschwebt, ohne welches erreiclit zu haben das Uebrige lückenhaft erscheint, nicht wie ein Gebäude, sondern wie Mauersteine zu einem Gebäude, kann man nicht ab- lassen, darüber anhaltend zu meditii-en, lüO verschiedene Versuche zu machen, und fühlt sich unbehaglich, wenn einer nach dem andern wie ein Irrlicht spottend entflieht. Ich bin fest überzeugt, dass in einer anderen äusseren Lage alles besser gehen würde: „Unabhängigkeit", das ist das grosse Losungswort für Geistesarbeiten in die Tiefe. Aber wenn ich meinen Kopf voll von in der Luft schwebenden geistigen Bildern habe, die Stunde heranrückt, wo ich Kollegien lesen muss. sc kann ich Ihnen nicht beschreiben, wie angreifend ihis Abspringen, dai Anfrischen heterogener Ideen für mich ist. und wie schwer mir ofi Dinge werden, die ich unter anderen Umständen für eine erbärmlich"

^) Gauss beschäftigte sich um diese Zeit mit den Untersuchuugren zur hüherei Geodäsie, als Kesultat legte er 1826 Sept. 16 das Supplementum theoriae comb. obs. 1827 Okt. 8 die Disquisitiones gen. circa superficies curvas der Göttiuger Sooietä vor, von denen noch später die Kede sein wird. Vergl. auch Bd. VIII der Werk' Nachlass: Zur Transformation der Flächen und Neue allgemeine Untersuchungen ül" die krummen Flächen, S. 405 443, Bd. IX, Nachlass: Oonforme Abbildung des Sph. roids in der Ebene, S. 141—204: ferner auch Brief No. ö93 an Olbers. Krm.

Gauss an Olbers. Gottingen, 1826 Februar 19. 439

.4/>C'-Arbeit halten würde. Die Rathschläge, die man in solchen Fällen giebt. kenne ich wohl; man meint, man solle eine solche Beschäftigung eine Zeit lang ganz bei Seite setzen u. dergl., aber ich weiss auch, dass ein solcher Gang nicht zum Ziel führt. Ich habe in meinem wissenschaftlichen Leben öfter den Fall gehabt, dass ich, durch äussere Umstände veranlasst, Beschäftigungen, die nicht glückten, bei Seite legte, und die allerdincrs später glückten, z. B. mein Beweis für das Haupt- theorem der Lehre von den Gleichungen^), der in dem 3. Bande unserer Comtn. steht: aber ich habe nachher die lOfache Anstrengung gehabt, nur erst wieder auf den Punkt zu kommen, auf dem ich schon früher mehr als einmal gewesen war. Inzwischen, lieber Olbers, will ich Sie nicht mit Klagen über Dinge [erjmüden, die nicht zu ändern sind; meine -anze Stellung im Leben müsste eine andere sein, wenn dergleichen W'idei-wärtigkeiten nicht öfter eintreffen sollten.

1 )en Kometen habe ich, gleich nachdem ich Ihre Nachricht erhalten, am 1. Febr. aufgefunden und observirt; nachher habe ich die Beobb. Harding übergeben, nachdem ich die Gesichtsfelder der verschiedenen okulare nach meiner Methode bestimmt hatte. Er hat bis zum 14. ob- servirt. und die rohen Beobb. sind wohl verwahrt; ich behalte mir vor, bei mehrerer Müsse erst meine Methode, die Refraktion zu berechnen, in Ordnung zu bringen.

Es gereicht mir daran erinnert mich die eben angedeutete Me- thode, den Durchmesser des Gesichtsfeldes zu bestimmen zum Ver- gnügen, dass ich eine Idee zuerst ins Leben gerufen habe, die für die gesammte praktische Astronomie von unendlicher Wichtigkeit ist. Man hat mir nachgemesen^), dass Rittenhouse und Lambert schon eine ähnliche Idee gehabt haben, inzwischen war die Idee bisher doch eine tüte, jetzt ist sie lebendig. Es scheint, dass sie in den Köpfen der praktischen Astronomen erst recht zur Klarheit bringt, für jede Auf- gabe der praktischen Astronomie das direkte Mittel sofort aufzuspüren,

^) Demonstratio nova altera theorematis omnem functionem algebraicam ratio- ualem integrani unius variabilis in factores reales primi vel secundi gradus resolvi posse, 1815 Dec. 7 der Göttinger Societät vorselegt, wiederabgedruckt in Bd. III, S. 31 56 der Werke. Yergl. hierzu auch Notiz 141 (1812), S. 41 in Gauss' Wissen- schaftlichon Tagebuch, herausgegeben von F. Klein in der Festschrift zum 150jähr. Bestehen d. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, Berlin 1901. Den 3. Beweis des Funda- raentalsatzes der Algebra fand Gauss gleich darauf (1816 Jan. 30 der Societät vorge- legt); Werke Bd. tU, S. 57—64. Krm.

^) BoHXEXBERGER, neue Methode, den Indexfehler eines Höhenkreises zu be- stimmen und die Horizontal-Axe eines Mittagferurohres zu berichtigen, ohne Loth oder Libelle, A. N. Bd. IV, No. 89. Siehe auch Brief No. 153 im Briefwechsel Gauss- Bessel, ferner Brief v. 2. Dec. 1828 von Schumacher an Gauss und die Antwort Gauss' v. 7. Dec. (Briefwechsel Gauss -Schumacher Bd. II No. 351 und 352). Krm.

440 Gauss an Olbers. Göttingen, 1826 Februar 19.

und dadurch gewissermaassen erst dieses Feld der Geistesthätigkeit zu einer Wissenschaft zu machen, das bislier nur ein dunkles Herumtappen war. Die Anwendbarkeit jener Idee ist von unerschöpflicher Mannig- faltigkeit; ich habe zuerst nur ein paar Fälle angedeutet, viele andere sind mir ausserdem zum Theil gleich anfangs, zum Theil nachher ein- gefallen; bei mehreren sind mir nachher andere in der Bekanntmachung zuvorgekommen, wie Sie sich z. B. der Methode erinnern, die Biegung der Fernrohre^) zu finden. Die jetzt von Bohnenbeeger aufgestellte Idee^) ist gewissermaassen auch darunter, aber ich wusste nicht recht, wie ich die Illumination anbringen sollte; Bohnenbeeger hat nun die praktische Ausführbarkeit bewährt, obgleich ich wünschte, dass er in seiner Beschreibung etwas deutlicher gewesen wäre. Er bringt bei doppeltem Okular sie zwischen beiden an; aber bei einfachem zwischen dem Netz und dem Äugendeckel. Zwischen beiden sitzt ja aber das Glas beinahe in der Mitte der Theorie nach; ist nun sein Illuminateur zwischen Netz und Okular, oder zwischen Okular und Augendeckel? Welche Form hat der Illuminateur und welche Grösse ungefähr die Oeifnung? Ich werde nun darüber, da Bohnenbebger so unvollständig sich ausdrückt. Versuche machen, obwohl es unangenehm ist. dazu ein Okular gleichsam erst aufopfern zu müssen, da hier niemand auf solche Glasarbeiten eingerichtet ist. Es wäre vielleicht gut, die ganze letzte Okularröhre von Glas zu machen.

Von Krayenhoff habe ich in diesen Tagen Antwort erhalten, er hat mir die Hauptmomente der Beobb. von Jever geschickt. Ich habe noch nicht Zeit gehabt, sie sorgfältig zu diskutiren, auch erhellt nicht daraus, wie er die Centrirungs-Elemente gefunden hat, aber so viel scheint mir gewiss, dass seine Beobb. lange nicht die Genauigkeit haben wie die meinigen. Ich kann noch keine Pläne für die Zukunft macheu. Ich liabe eigentlich keinen grossen Drang zu noch einer trigonometrischen Campagne ich lasse dahin gestellt, ob ein glücklicher Fund in meinen Theoreticis mir vielleicht neuen ünternehmungsmuth einflössen würde . einstweilen werde ich erst Schumacher's Antwort in Eücksicht auf die Beobb. mit dem Zenithsektor erwarten.

Die unbeschreibliche Schlechtigkeit meiner Uhren verleidet mir hier jetzt alles Observiren; allein ich habe Nachricht, dass ein Regulator von Hardy, welchen S. K[öniglichej H[oheit] der Herzog von Sussex der Sternwarte zum Geschenk machen will, nächstens abgesandt werden soll. Mit dem grössten A\'iderwillen wende ich sonst meine Zeit auf Ar- beiten, aus denen bei aller angewandten Mühe doch nichts Rechtliches herauskommen kann.

*) Vergl. Brief No. .'i'26, Aumerkunc- '2 auf S. 3o9. Krm. -) Siehe Anmerkung' •_', 8. 439. Krni.

Olbers an Gauss. Bremen, 1826 März 3. 441

Ich bin Ihiit'n noch den l)ank schiildii:- l'iir Ihre j,^ütige Nachricht über den Dr. HIüpeden]. Sie gereiclit mir nun zu grosser Beruhigung, denn mein Sohn kiMunit Ostern in sein }lans und unter seine specielle Aufsicht.

Mein ältester Sühn ist jetzt zweiter Kadett im Artillerie-Regiment, und wenn eine durch den Tod des Hauptmanns Hugo in Stade vor Kurzem eingetretene Vakanz seinen Vormann zum Officier macht, so wird er dadurch der erste Kadett werden. Er war Weihnachten bei uns und scheint sich fortwährend in seinen Verhältnissen zu gefallen.

Sie wissen, liebster Olbees, wie glücklich mich immer ein Brief von Ihnen macht. Strafen Sie mich nicht für meine Nachlässigkeit damit, dass Sie mich lange auf einen solchen warten lassen.

xo. 597. Olbers an Gauss. [315

Bremen, 1826 März 3.

Sie haben mich wirklich durch Ihren lieben Brief vom 19. Febr. aus einer grossen Angst gerissen. Ich fürchtete, eine Sie selbst, oder ein Ihnen theueres Glied Ihrer Familie befallene schwere Krankheit möchte Ihr langes, mir ganz ungewohntes Stillschweigen verursacht haben. Dem Himmel sei Dank, dass Sie wenigstens nicht körperlich krank sind. Was Ihre Geisteskrankheit betrifft, so kann nur ein Geist wie der Ihrige daran leiden. Ich möchte diese Beschwerden den Wehen vergleichen, die, so unangenehm und schmerzhaft sie auch sind, uns die Geburt eines stattlichen Heros verkünden, die gewiss nicht aus- bleiben wird.

Den Kometen^) habe ich zuletzt am 12. Febr. und nach dem Mond- schein auch gar nicht wieder gesehen, weil wir hier seit dem 22. Jan. noch keinen einzigen heiteren Abend gehabt haben, so schön die Witte- rung auch oft den Tag über war. Dies ist mir um so unangenehmer, da ich auch gern fortgesetzte Beobb. über das Thierkreislicht angestellt hätte, das sich im Anfange des Febr. so ungewöhnlich hell zeigte.

Claüsen hat nun gefunden, dass doch eine Parabel alle Beobb. des kleinen Kometen \) am besten darstellt. Warum er diese Parabel, we- nigstens genähert, nicht schon aus Inghirami's Beobb. finden konnte, verdiente wohl eine Untersuchung; es sei denn, dass er sich anfangs bloss verrechnet hat. Der Komet war, wenigstens durch meinen Dollond und für meine alten Augen, sehr schwer zu beobachten, wenn der

Komet 1826 II. siehe auch Olbers Bd. I, No. 104—106, S. 407— 41(J. Krm.

442 Olbers an Gauss. Bremen, 1826 März 3.

Himmel nicht sehr heiter war. Icli bin um so begieriger auf Ihre reducirten Göttinger Beobb., da Clausen in einer meiner Beobb.. die ich gerade des sehr heiteren Wetters wegen für gut zu halten Ursache hatte, einen Fehler von 2' in der Dekl. gefunden haben will.

Schumacher hat uns auf meine Veranlassung die Original-Beobb. des 2. Kometen von 1822^) von Catueegli in Bologna verschafft. Auch hat Zach versprochen, die Original-Beobb. eben dieses Kometen von PoNs einzuschicken. An die Erfüllung des letzteren Versprechens glaube ich zwar nicht; aber schon das, was uns Caturegli gegeben hat, wird hoffentlich hinreichen, die Bahn dieses Kometen, dessen angegebene Beobb. sich gar nicht mit einem Kegelschnitt vereinigen Hessen, erträg- lich zu bestimmen.

Encke hat mir seine wichtigen Untersuchungen über die Pertur- bationen der Vesta^) geschickt, deren Eesultate er gewiss auch Ihnen mitgetheilt haben wird. Ich gestehe es, diese sind mir so unerwartet als unbegreiflich. Dass 4 die Vesta, Pallas, Juno u. s. w. anders, und gleichsam mit einer anderen Masse anzieht, als seine Trabanten, den Saturn und die Sonne, das schien mir möglich und begreiflich; aber dass man die Anziehung auf einen und denselben Körper, die Sonne, von 4

das eine Mal -tttt^t^-T' wenn man auf die Perturbationen des sieht, 10/0,5'

das andere Mal -77,^77777, wenn man die Perturbationen der Asteroiden 10öo,y

berechnet, annehmen müsse, das kann ich schlechterdings nicht begreifen.

Hier muss noch irgend etwas aufzuklären sein.

Sehr begierig bin ich allerdings, Ihre Projekte für den nächsten Sommer kennen zu lernen. Ehe Sie darüber entschieden haben, ob Sie noch einen Anschluss an die KRAYExnoFP'schen Dreiecke machen wollen, werden Sie uns, unerachtet der von Krayexhoff erhaltenen Antwort, wohl das definitive Ergebniss dieses Anschlusses nicht mitlheilen? Die neueste geodätische Verbindung zwischen Paris und Green wich hat den Mittags-Unterscliied 9™2P,1 gegeben.

Fraunhofer soll an einer unheilbaren Schwindsucht krank sein.

Lohemann, der Herausgeber der Mondtopographie, ist jetzt nach Paris gereist, wahrscheinlich in Geschäften, das sächsische Kataster be- treffend, aber angeblich hauptsächlich, um behufs seiner Mondkarten alles, was bisher Aehnliches über den Mond geliefert ist, sich vollständig bekannt zu machen. Auf seiner Kückreise wird er auch Göttingen besuchen, wo er noch Zeichnungen von Tobias Mayer sehen zu können

1) Komet 1822 III. Knn.

*) Vergl. auch Brief No. 599 und die betreffende Aumerkuuff. Krm.

Olbers an Gauss. Bremen, 1S26 Mürz 26. 443

hofft. Er hat mich inständi<r ersucht, ihn Ihrer Protektiuii zu empfehlen, um die ich also für ihn auch inständig- bitte.

Da Sie mir nichts von Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin sagen, so hoffe ich, dass deren Gesundheit diesen Winter wenigstens erträg- lich ist.

No. 598. Olbers an Gauss. [sie

Bremen. 1826 März 20.

Ich weiss nicht, ob Ihnen Hr. Prof. Harding schon die Elemente der Bahn des jetzigen Kometen \), von Biela im Widder entdeckt, mit- getheilt hat, die ich ihm schickte, oder ob Sie vielleicht schon sonst bessere und genauere Elemente desselben kennen. Ich habe sie aus den beiden BiELA'schen Beobb. vom 28. Febr. und 2. März und der H.vKDixG'schen vom 12. März abgeleitet ( Biela's ^ii? wegen der von ihm nach BoDE unrichtig angenommenen Position von 38 Arietis verbessert). Sie stellen die mittlere Beob. bis auf 2' 41" in der Länge und 15" in der Breite dar, weichen aber von der späteren ÜARDiNG'schen Beob. vom 14. März nur 10" und -j-28" ab. Ich glaube also, dass man sie schon als eine erste Annäherung ansehen kann. AVas nun merk- würdig ist, das ist ihre grosse Uebereinstimmung mit den von Ihnen für den 2. Kometen von 1805^) berechneten elliptischen Elementen. Ich setze hier beide neben einander:

T . . 1806 Jan. 2, 11'^ 5'" 35^ 1826 März 18, 8'^ 6'" 20^ Göttingen

ft 251« 28' 23" 250° 44' 21"

:i 109 30 2 112 39 24

i 12 43 10 12 18 31

logg 9,959893 Dir. 9,94460 Dir.

Die Uebereinstimmung ist ganz auffallend und berechtigt um so mehr, eine Identität beider Kometen zu vermuthen, da Sie es so wahr- scheinlich gemacht haben, dass der Komet von 1805 eine Ellipse von sehr massiger Umlaufszeit beschreibe. Natürlich kommt hier nun auch wieder der Komet von 1772 in Betrachtung. Hr. Clausen, dessen be- rechnete Elemente

1) Komet 1826 I, am 27. Febr. entdeckt. Seh.

^) Komet 1806 I. Siehe auch den folgenden Brief und die Anmerkung dazu, ferner Olbers Bd. I, S. 411 412 und das C'irkular im Briefwechsel Gauss-Schcmacher, No. 267. Krm.

444 Gauss an Olbers. Göttingen, 1826 April 2.

T . . . 1826 März 15,75422

Sh 245° 16' 40"

n 95 48 15

i 15 45 19

log g 0,0114369

noch stark von den meinigen und etwas mehr von den Elementen des Kometen von 1805 abweichen, hält doch die Identität der Kometen von 1772, 1805 und 1826 für höchst wahrscheinlich und glaubt, dass eine Umlaufszeit von 6 Jahren und 9 Monaten alles vereinigen könne. Wenn wirklich alle 3 Kometen identisch sind, so hat dies viel Anscheinendes. Die grossen Veränderungen, die die Bahn des Kometen von 1772 bis zu 1805 erlitten haben muss, würden sich dann aus den Perturbationen vom Jupiter erklären müssen, dem er 1782, besonders aber 1794 und 1795 bedeutend nahe kam. Ich erwarte mit grosser Ungeduld fernere Beobb. dieses Kometen. Ich selbst habe ihn noch kein einziges Mal der Witterung wegen beobachten können.

Endlich scheint es, wollen die Hrn. Schumacher und Repsold ihr Versprechen, mich zu besuchen, erfüllen. Sie haben sich nun auf den 2. Apr. angekündigt. Mad. Eepsold wird mitkommen.

Ein junger Mann, der mir neulich aus Göttingen einen Gruss von Ihnen brachte, hat mich Ihres und der Ihrigen Wohlbefinden versichert. Er sagte mir, Sie würden den Sommer wieder nicht lesen, sondern Ihr Messungs-Geschäft fortsetzen. Sagen Sie mir doch bald, mein geliebter Gauss, Avas Ihr Plan für diesen Sommer ist, und ob ich Hoffnung habe, dass Sie dieser auch in unsere Nähe füliren wird.

No. 599. Gauss an Olbers. [283

Göttingen, 1826 April 2.

Herzlichen Dank für alle die interessanten Mittheilungen Ihres letzten Bi'iefes. Fast gleichzeitig damit erhielt ich die parabolischen Elemente des Kometen von Encke und Biela. so wie in der Äugsb. AUg. Z. Xo. 84 die von Schwerd, alle wenigstens zum Tlieil auf andere Beobb. gegründet. Ich für meine Person habe fast gar keinen Zweifel mehr, dass wir wieder eine grosse Acquisition in der Astronomie gemacht haben, und dass die Kometen von 1826, 1805^1 1772 alle 3 identisch sind. Ich l)in dazu um so leichter geneigt, da ich nie aufgehört habe, die Identität

^) Komet 1806 I im GALLE".'^chen Verzeichniss. Kini.

Gauss an Olbcrs. Göttiug'en, lS'2t) April 2. 445

der Kometen 177:1. ISUJ für JiöcJist wahrschehdicli zu halten.'^) Ich habe diese Ansiclit niemals so stark, als ich sie hatte, aussprechen mögen, um diejeniiren Astronomen nicht zu kränken, die sich etwas sclineidend absprechend dahin geäussert hatten, dass die Verschiedenheit bewiesen sei; ich begnügte mich zu zeigen, dass dies nicht bewiesen sei, und muss wohl dabei jener persönlichen Rücksicht zu viel Raum gegeben haben, da Sie falls Sie nicht meine Gründe gemissbilligt haben die Identität, nach den Akten ^), auch für höchst «»wahrscheinlich erklärt haben. Ich bin öfter in wissenschaftlichen Dingen in Dilemmas ge- kommen, wo die Kasuistik mich vielleicht irre geführt hat. In rein mathematischen Dingen, wo sich strenge Beweise führen lassen, spreche ich mich ohne Scheu frei und klar aus; wo es aber auf das individuelle Abschätzen von Wahrscheinlichkeit ankommt, so lange solches noch nicht nach mathematischen Principien durch Zahlen geschehen kann, bin ich immer schüchtern; das absprechend ausgedrückte Urtheil eines Mannes, den ich hochachte, macht mich, wenn es meiner eigenen An- sicht widerspricht, stutzig, und wenn ich auch nach wiederholter viel- seitiger Ueberlegung auf jene zurückkomme, mag ich doch ungern meine eigene Ansicht jener schroff entgegenstellen. Und doch weiss ich wieder nicht, ob ich darin nicht wieder Unrecht thue. Auf alle Fälle erlauben Sie mir, theuerster Olbers, bei dieser Veranlassung Ihnen aufrichtig- das Geständniss abzulegen ich weiss in der That nicht, ob wir je darüber gesprochen haben , dass in Beziehung auf eine andere An- gelegenheit, ich meine den vielbesprochenen astronomischen Betrug von d'Angos^) ich in Encke's Rechnungen, obwohl sie einen solchen aller- dings — besonders insofern man sonst Verdacht gegen d'Angos' Ehrlich- keit zu haben berechtigt war sehr wahrscheinlich machten, doch noch lange keinen Beweis dafür habe finden können, und dass mir scheint, dass dazu viel tiefer eindringende Untersuchungen erforderlich gewesen wären. AVas übrigens mein subjektives Gefühl in Beziehung auf die Identität der Kometen 1805, 1772 betrifft, so ist der eigentliche Grund dafür der, dass, wenn man sich die einzelnen 5 Elemente der Kometenbahnen ganz durch Zufall bestimmt denkt, eine ungeheuer geringe Wahrscheinlichkeit da ist, dass 2 in allen Stücken nicht mehr von einander diff'eriren als jene Kometen; nun habe ich aber gezeigt, dass jene noch beträchtlichen Unterschiede die Möglichkeit einer höchst

^) Vergl. Olbers Bd. II, 1, S. 279, 235, 292, 294, 296—297, 299—301, Brief- wechsel Gaüss-Bessel, S. 25, 27—35, 38—41, Olbers-Bessel Bd. I, S. 21, 27, 29, 34, 39—42, schliesslich Gauss' Werke Bd. VI, S. 268—269, 272—276, 451—453. Siehe auch das Cirkular No. 267 im Briefwechsel Gauss-Schumacher Bd. II, S. 48 ff. Krm.

-) Vergl. hierzu auch Brief No. 398 v. 9. Jan. 1821 von Olbers an Gauss und die Anmerkunir auf S. 51. Krm.

446 Gauss an Olbers. Göttingen, 1826 April 2.

einfachen Erklärung nicht ausschlössen und daher, so lange diese nicht durch scharfe Recliming für unmöglich bewiesen war, bei meiner Ansicht von der walirscheinlichen Identität beharrt. Ja ich hatte mir sogar vorgenommen, diesen Kometen, wenn ich mich einmal von anderen Ar- beiten frei gemacht hätte, planmässig zu suchen; hoffentlich ist dies nun überflüssig geworden. Ich bemerke noch, dass in Ihrer Kometen- tafel ein kleines Versehen begangen ist, indem die Excentricität des Kometen von 1805 nicht neben die elliptischen, sondern neben die parabolischen Elemente gesetzt ist; es wäre vielleicht gut, wenn dies angezeigt würde, da wenige die Quellen selbst vergleichen. Sogar Encke, dem die Aehnlichkeit auch aufgefallen ist, setzt mir zu meiner Bequem- lichkeit die Abschrift der paraholischen Elemente neben die Excentricität.

Encke hat mir nunmehr auch seine Fes^a-Rechnungen mitgetheilt. Es geht daraus hervor, dass wenigstens ö und O vom 2j. nicht merklich verschieden angezogen werden. Ich habe der Hypothese^) (die durch nichts begründet ist) von einer ungleichen affinitas chemica corporum coel. nie Geschmack abgewinnen können, wenigstens müssten erst schlagende Beweise dafür vorhanden sein. Dass Bouvard die 4 Masse aus den 1;^ Störungen etwas kleiner gefunden hat, beweist gar nichts, denn ich kann nicht zugeben, dass La Place's Näherungsmethode für die Planeten-Störungen zur Entscheidung eines so delikaten Punktes tauglich ist.

Rücksichtlich-) meiner Messungen kann ich für mich allein wenig beschliessen. Mein Auftrag ist im Grunde rücksichtlich des trigono- metrischen Theils vollendet, und ich dachte, insofern Schumacher midi gehörig unterstützen will, im Spätsommer die Zenithsektor-Beobb. vor- zunehmen. Der schwankende Zustand meiner Gesundheit schreckt mich ab, auf erweiterte trigonometrische Messungen anzutragen; inzwischen habe ich vor Kurzem, unter uns gesagt, in einem Schreiben an Münster erklärt, dass ich bereit bin, meine Kräfte auch noch künftig darauf zu wenden, falls solche gefordert werden sollten.

Meine theoretischen Arbeiten lassen bei ihrem so sehr grossen Umfange leider noch viele Lücken. Am leichtesten wäre mir geholfen, w^enn ich mir erlaubte, mit der Bekanntmachung meiner .Alessungen zwar alle meine Rechnungseinrichtungen zu verbinden, aber deren Ah-.

^) Die Hypothese von der „Wahlanziohiing- unter den Planeten^, wie sie Olbers nennt, hatte Bessel in seiner „Untersuchung- des Theils der planetarischen Stö- rungen, welcher aus der Bewegung der Sonne entsteht," 1824 aufgestellt. Vergl. Brief No. 305 und 306 im Briefwechsel Olbkrs-Bessel und No. I-IS und 149 im Briefwechsel Gaüss-Bessel. Krm.

^) Von hier ab bis „vollendet" wieder abgedruckt in (i.vrss' Werken Bd. IX, S. 376 377. Krm.

Olbers an Gauss. Bremen, 1S26 April 5. 447

leitiuKj aus ihren höheren Gründen für ein ji:anz getrenntes "Werk für glücklichere zukünftige Zeiten aufsparte. Dann wäre nirgends ein Anstoss. Fürs erste werde ich die scharfe Ausgleichung meiner 32 Punkte, die 51 Dreiecke und 14t3 Richtungen liefern, vornehmen. Die Höhen- ausgleichung (ein sehr viel leichteres Geschäft) habe ich in diesen Tagen vollendet.

Mit meiner Gesundheit bin ich trotz dem, was Ihnen der Student (Hr. Alurecht?) gesagt hat, gar nicht zufrieden. Ich habe eine wahre Scheu vor einer kleinen Reise, die ich genöthigt bin. in der nächsten Woche zu machen, um meinen Sohn nach Celle zu bringen. Ohne jenen und verschiedene andere Umstände, die mich zwingen, die Reise sehr eilig zu machen, wäre ich vielleicht auf 1 oder 2 Tage noch zu Ihnen gekommen, und ganz will ich diese Aussicht noch nicht aufgeben. Sollte es überhaupt noch möglich sein, so würde ich den 9. oder 10. Apr. nach Bremen kommen, aber wahrscheinlich werde ich mir diese grosse Freude auf eine spätere Zeit dieses Jahres aufsparen müssen.

Ich werde unterbrochen und muss, [um] die Post nicht zu ver- fehlen, eiligst schliessen.

No. 600. Olbers aii Gauss. [sn

P)remen, 1826 April 5.

Nur mit sehr wenigen Zeilen danke ich Ihnen für Ihren gestern ei haltenen lieben Brief und kann Ihnen nur meine Freude über die angenehme Hoffnung bezeugen, Sie vielleicht schon in diesen Tagen hier zu sehen. Je eher Sie, lieber Gauss, mich beglücken können, je angenehmer wird es mir sein. Allein auch den ganzen Sommer über, wenn ich Gesundheit und Leben behalte, werde ich stets bereit sein, Sie zu empfangen, und sehnsuchtsvoll nach Ihnen aussehen, da ich weder Bremen verlassen werde, noch irgend eine andere Störung vermuthen kann.

ScHTTMACHEK, Herr und Madame Repsold sind zu meinem grossen Vergnügen jetzt hier. Die lieben Freunde drohen aber schon auf über- morgen wieder mit der Abreise. Repsold habe ich z-\^'ar sehr ange- griffen und abgenommen, aber doch besser gefunden, als ich ihn mir gedacht habe.

Von Cometicis und über den anderen Inhalt Ihres interessanten Schreibens sehr bald mündlich oder schriftlich mehr. Gambaet hat mir seine Beobb. bis zum 21. März und eine vorläufige Bahnbestimmung geschickt; auch er schliesst aus der Aehnlichkeit der Bahnen auf die Identität der Kometen von 1826, 1805 und 1772. Ich habe den

^^g Olbers an Gauss. Bremen, 1826 April 25.

Kometen erst 3 mal, den 28., 30. und 31. März beobachten^) können. Die letztere dieser Beobb. weicht schon weit über einen Grad von meinen parabolischen Elementen ab, was wahrscheinlich auch grössten Theils daher rührt, dass die wahre Bahn so sehr von einer Parabel abweicht.

Seit dem 31. März ist es hier beständig trübe, und Schumachee, der 8 Chronometer und seinen GAMBEY'schen Kreis mitgebracht hat, hat noch keine einzige Sonnenhöhe erhalten können.

No. 601. Olbers an Gauss. [sis

Bremen, 1826 April 25.

Ich habe den 9. und 10. Apr., ja bis in die Mitte des Monats ver- gebens nach Ihnen ausgesehen, da Sie mir einige Hoffnung gegeben hatten, Sie würden mich vielleicht mit Ihrem Besuche beglücken. Um so mehr rechne ich nun auf die gütige Versicherung, dass Sie mir doch im Laufe dieses Sommers diese grosse Freude machen werden.

Ich gestehe es, ich habe die Identität der Kometen von 1772 und 1805 für höchst unwahrscheinlich erklärt. Aber wahrlich Ihre eigenen Ausdrücke, lieber Gauss, nicht bloss in der M. C.-), sondern auch in Ihren Briefen^) an mich haben mich zum Theil verleitet. Nach diesen blieb nur noch eine Möglichkeit über, dass der Komet zwischen 1772 und 1805 einem grossen Planeten beträchtlich nahe gekommen und seine Bahn dadurch so sehr verändert worden sei. Da ich nun sah, dass die Knoten der Kometenbahn sowohl nach Ihrer Parabel als nach Ihrer Ellipse weit von der Jupiter shohw entfernt waren, so hielt ich die Möglichkeit einer erforderlich grossen Annäherung an diesen Planeten für sehr unwahrscheinlich und dachte nicht daran, dass sich eine Um- laufszeit voraussetzen lasse, bei der der Komet dem ^ zwar nicht so sehr nahe kommt, als ich nöthig vermeinte, aber doch so lange in ziem- licher Nähe bei diesem Planeten verweilt, dass dadurch grosse Ver- änderungen in seiner Bahn bewirkt werden können. Um so mehr freue ich mich nun über den glückliclien Triuniiih Ihrer nie aufgegebenen Identität dieser beiden Kometen.

lieber die Unzulänglichkeit des von Encke geführten Beweises von d'Angos' Betrug haben Sie mir nie vorher etwas gesagt. Ich habe

^) Verg-l. Olbers Bd. 1 >"o. 106, S. 411. Xrm.

2) Monatl. Corresp. Bd. XIV, S. 75—86, Gauss' Worke Bd. \l. S. 270 ff. uud Brief No. 143 (1806 Mai 15) \\m\ No. 145 (1S06 Juni 13.^ von Gauss au Olbers in Olbers Bd. II, 1. Krm.

Olbers an Gauss. Bremen, 1826 A])Ti\ 25. 449

diesen Beweis für hinreichend geführt gehalten. Das einzige, was ich bei Encke's Untersuchung zu tadeln fand, war, dass er bei seinen Rechnungen über eine mögliche Bahn aus den angeblichen Beobb. sich nicht nach Ihrer Vorschrift von dem Einfluss der Parallaxe befreit und statt der wiiklichen Oerter der Erde die Punkte auf, der Ebene der Erdbahn zum Grunde seiner Rechnungen gelegt hatte, wo die Gesichts- linien diese Ebene schneiden. Ich bitte Sie recht sehr, mein theuerster Freund, mich näher über den Grund, warum Sie den Ritter nicht für völlig überwiesen halten, zu belehren.

Seit dem 10. Apr. habe ich den BiELA'schen Kometen nicht wieder u'-esehen. denn die wenigen Abende, wo es heiter war, hatten wir bei- nahe Vollmond, und da war der Komet nicht mit Gewissheit zu er- kennen, so genau ich auch den Ort, wo er stehen musste, kannte. Meine 4 letzten Beobb. M sind folgende, denen ich die Abweichung von Clausen's Ellipse, nach Clausen's eigener Rechnung, beifüge

Apr. 7. 8*^36'^ 30^ 74»18'31",4 +10«24'21",8

8. 8 48 46 75 42 22,3 10 19 26,5

9. 8 39 15 77 5 20,2 10 14 21,9 10. 8 48 47 78 29 39,0 10 8 41,2

Fehler in Apr. 7. .^— 0,"1 Dekl. + ll'V7

8. —11,9 + 4,9

9. —21,5 4- 7,2 10. —34,5 + 0,7

Vielleicht ist Ihnen folgende kleine Ephemeride, die ich aus Clausen's Ellipse berechnet habe, nicht ganz unangenehm.

[Folgt eine kleine Ephemeride, welche hier weggelassen ist.]

Was diesen BiELA'schen Kometen für die Erdbewohner noch be- sonders merkwürdig macht, ist die sehr grosse Annäherung^) seiner Bahn beim niedersteigenden Knoten an die Erdbahn. Nach Clausen's Ellipse habe ich berechnet, dass die nächsten Punkte beider Bahnen (eigentlich der CLAusEN'schen Ellipse und der Erdbahn, wie sie unsere

^) Siehe auch Olbehs Bd. I No. 107, S. 413. Krm.

*) Siehe auch Olbers Bd. I No. 108, S. 414 ff. Bei diesem merkwürdigen Ko- meten Terdient noch erwähnt zu werden, dass er hei der zweiten beobachteten Wiederkehr 1845 46 sich in zwei Theile spaltete, die dann im Jahre 1852 stärker getrennt beobachtet wurden. Zu den späteren Zeiten der periodischen Wiederkehr fand man den Kometen selbst nicht mehr wieder, wohl aber beobachtete man stärkere Stemschnuppenfälle zur Zeit des Durchganges der Erde durch die Kometenbahn. Krm.

Olbers. II, 2. 29

^50 Gauss an Olbers. Göttingen, 1826 Mai 14.

Erde im künftigen Herbst beschreiben wird) nur 0,0055604 oder etwa 133-^ Halbmesser der Erde von einander entfernt waren. Es ist also nicht ganz unmöglich, dass dieser Komet noch einst in einer ganz ausser- ordentlichen Nähe bei der Erde vorbeigehen, ja diese mit seinem Dunst- kreise berühren kann. Kein Komet unter den bisher berechneten, der von 1680 ausgenommen, ist der Erdbahn so nahe gekommen.

Von RüMKER habe ich dieser Tage einen Brief gehabt. Unter andern schickt er mir Beobb. vom 9. 15. Juli 1825 des Kometen\). den Gambart am 19. Mai 1825 in der Cassiopeja entdeckte. So viel ich weiss, endigen die europäischen Beobb. früher, obgleich Pons den Kometen noch bis zum 14. Juli sah.

Schumacher hatte hier 8 Chronometer und einen schönen Kreis von Gambey zur Zeitbestimmung mitgebracht, allein letzteren kein ein- ziges Mal benutzen können, da der Himmel immer bedeckt blieb. Schu- macher musste sich also mit der Zeit begnügen, die ich ihm nach meinen Stern versch Windungen geben konnte. Die Vergleichung gab den Längen-Unterschied zwischen Bremen und Altona

am 2. Apr 4"^ 32^90

am 7. Apr. . . . .4 31,86

Letzteres Eesultat ist weit vorzuziehen. Am 2. Apr. wurde die Korrektion meiner Uhr aus Sternverschwindungen am 31. März abge- leitet; für den 7. Apr. aber konnte ich an demselben Abend eine, am folgenden, 8. sechs Sternverschwindungen benutzen.

No. 602. Gauss an Olbers. [2S4

Göttingen, 1826 Mai 14.

Entschuldigen Sie es gütigst, dass ich die Beantwortung Ihres letzten Briefes so lange verzögert habe. Ich^j bin eine beträchtliche Zeit mit der Ausgleichung meines Winkelsystems beschäftigt gewesen, eine, weil ich alle Willkür ausschliessen wollte, sehr beschwerliche Arbeit, da dabei alles untei^einander zusammenhängt und gewisser- maassen die Messungen in Jever auf die in Göttingen reagii-en. Es hat vielleicht noch niemals jemand eine so komplicirte Elimination ausgeführt.

M Komet 1825 I, siehe auch S. 405. Knu.

*) Von hier ab bis „Spiel sein", ferner der Schluss des Briefes von „Ich habe mich heute" au auch abgedruckt in Gauss' Werken Bd. IX, S. 320—322. Das Ma- terial zur Netzausgleichung ist mitgetheilt in Bd. IX. S. 297—318, 327 328. Krm.

Gauss an Olbers. Guttingen, 1820 .Mai U. 451

wo 55 (ileichun^i'ii ebenso viele unbekannte Grössen involvirten. Heute bin ich damit fertij2: geworden, so dass nun alle 150 Richtungen, die das System enthält, so ausgeglichen sind mit den möglich kleinsten Aenderungen. dass sie genau mit einander harmoniren. Es sind unter den 150 fünf, die über 1" haben geändeit werden müssen (die grössten 1",373. nämlich Garlste Varel und Varel Garlste). und der sogenannte mittlere Richtungsfehler wird 0",755, viel grösser, als nach der scliönen L'ebereinstinimung der Messungen auf jeder Station unter sich zulässig ist. so dass ich das Dasein der Lateralrefraktion in den flachen Gegenden gar nicht bezweifeln kann; in den höheren Gegenden sind die Aus- gleichungen immer viel kleiner. Es war eine langweilige Arbeit, alle Messungen erst genau vorzubereiten, da ich nichts vernachlässigen wollte, und die Meinen Reduktionen der Konsequenz w'egen doch überall zugezogen werden sollten. Bessel hat. so viel ich weiss, erst öffentlich^) von derjenigen gesprochen, die daher rührt, dass der Winkel der kür- zesten Linien von dem Winkel der Vertikalebenen ditferirt, allein er hat dabei bloss die Punkte als auf der Oberfläche des Sphäroids be- trachtet; meistens beträgt diese Reduktion nur ein paar Tausendtheile einer Sekunde, wollte ich sie aber einmal zuziehen, so durfte ich eine andei-e nicht übergehen, die gewöhnlich viel grösser (obgleich auch noch unbedeutend) ist und daher rührt, dass die Punkte, die in einer Ver- tikallinie liegen, nicht in einer Vertikalebene erscheinen, so dass eine von der Höhe abhängige Reduktion hervorgeht. Diese hat immer das entgegengesetzte Zeichen von Bessel's Korrektion und ist schon bei massigen Höhen immer grösser, oft 4 mal, 8 mal so gross, so dass jene immer destruirt und weit überflügelt wird. Der grösste Betrag in meinem System ist vom Lichtenberg zum Brocken, wo er 0",041 ausmacht. Die genaue Berechnung der 51 Dreiecke selbst wird jetzt ein leichtes Spiel sein.

Doch jetzt genug hiervon; ich wende mich zu dem D'ANGOs'schen Kometen, um mich zu rechtfertigen, dass es mir bis jetzt noch nicht hat gelingen wollen, in Encke's Aufsatz in Zach's Journal^) einen Beweis des Beti'uges zu erkennen. Vor allen Dingen muss ich, damit Sie mich nicht missverstehen, zweierlei vorerinnern.

1 ) Ich nehme den Ausdruck Beweis hier nicht sowohl in dem Sinn der Juristen, die zwei halbe Beweise = einem ganzen setzen, als in dem der Geometer, wo \- Beweis =0 ist, und zum Beweis erfordert wird, dass jeder Zweifel unmöglich wird.

'1 A. N. Bd. I S. 33 und 85, Bd. IV S. 241 ff., iu Bessel's Abhandhnigeu, heraus- gegeben von R. Engelmann, Leipzig, abgedruckt in Bd. III, S. 1 14. Krm. '-) Siehe Anmerkung auf S. 51. Krm.

29*

452 Gauss an Olbers. Göttingen, 1826 Mai 14.

2) Icli rede lediglich von Encke's Aufsatz, indem dies meine ein- zigen Akten sind, und [um] hier einmal den Juristen nachzusprechen, was nicht in den Akten, ist nicht in der AVeit. Gewiss werden sich einige Einwürfe heben lassen; wahrscheinlich haben einige für Sie gar kein Gewicht mehr, da Sie mit Encke darüber korrespondirt haben. Nur der gedruckte Aufsatz, wie er vorliegt, lässt mich unbefriedigt.

Ich räume gern ein, dass viele Umstände den grössten A'erdacht begründen, aber der Beweis des Betrugs hängt doch' lediglich von der Unmöglichkeit ab, dass die Beobb. sich nicht mit den Bewegungsgesetzen vereinigen lassen. Setzen wir einmal den Fall, dass eine solche Ver- einigung sich erhalten Hesse, so würden alle die übrigen Gründe doch sehr von ihrem Gewicht verlieren. d'Angos ist ein Windbeutel gewesen. Ich lasse dies auf sich beruhen, da icli seine literarische Gescliichte nicht kenne. Er hat einen Kometen mit 300 [facherj Vergrösserung beobachtet. Ja, nach unseren jetzigen Kenntnissen ist dies ungereimt, allein noch 1801 und 1802 nahm man Körper für Kometen, die sich recht gut mit 300 [f acher] Vergrösserung beobachten lassen; ich weiss nicht, ob b'Angos das Aussehen seines Kometen ausführlich beschrieben hat. einmal wird in dem Aufsatz qiiaest. von dem nebligen Ansehen ge- sprochen, allein ist es denn nothwendig, dies ganz so zu verstehen, wie wir jetzt wissen, dass die Kometen aussehen? Auch der Ceres und Pallas schrieben Schroeteh u. a. Anfangs, obwohl wahrscheinlich mit Unrecht, ein nebliges Ansehen zu. Selbst der frappanteste der halben Gründe, dass nämlich d'Angos' Beobb. zu seinen Elementen nicht passen, wohl aber dazu passen, wenn man die ©Distanz 10 mal vergrössert. erhält doch seine Kraft erst durch die Unmöglichkeit, die Beobb. durch eine andere Balm darzustellen; es ist nicht zu zweifeln, dass er diesen Error calculi gemacht hat, aber wäre er sonst ein unbescholtener Mann und die Möglichkeit einer anderen Bahn vorhanden, so würde man doch gewiss darin keinen Beweis erkennen, dass die Beobb. erdichtet seien. Den Rechnungsfehler hat er einmal gemacht; aber ich glaube, dass ganz derselbe Kechnungsfehler bei manchem anderen wirklichen Kometen auf eine zwar ganz unrichtige, aber doch die Beobb. gut darstellende Bahn führen würde.

So viel von den halben Gründen; in jedem aiulern Fall, als wo es den Beweis eines Verbrechens gilt, würde ich mir gern gefallen lassen, wenn Sie meine Gegenreden gegen dieselben für C'hikanen erklären wollten.

Alles kommt also, meiner Meinung nach, auf den Beweis an, dass es unmö(jlicli ist, die Beobb. durch eine richtige Rechnung darzustellen. Mir däucht, solch' ein lieweis der l'innöf/Ifc/th'cit ist nicht so gar leicht zu führen, und ich kann mich nicht überzeugen, dass er in dem

Gauss an Olbers. Göttiiigen, 1826 Mai 14. 453

Aufsatz quaest. geführt ist. Dass diesem Aufsatz ganz das Formelle, was zu einem Beweise gehört, abgeht, werden Sie inii- wohl einräumen. In der That finden wir nur eine kleine Induktion von 4 bis 5 Versuchen. Es ist möglich, es ist wahrscheinlich, dass Encke in dem Gange der Keclinung subjektive Gründe gefunden hat, sich damit zu begnügen, aber für den blossen Leser seines abgeschlossenen Aufsatzes bleiben doch allei'lei Bedenklichkeiten zurück. Wodurch erhält der die Gewiss- Jieit. dass es jenseits der Versuche nicht wieder anders gehen könne, tlass es für einen vorausgesetzten Wertli des ersten Abstandes nicht mehr als eine Auflösung geben könne u. s. w.? Ich gestehe, dass ich an Encke's Stelle mich für veri>rtichtet gehalten haben würde, diese Kechnungen in ^•iel grösserem Umfange nicht bloss zu führen, sondern auch darzulegen.

Aber jetzt komme ich erst zui Hauptsache. Indem er die Distanzen immer abnehmen lässt, kommt er zu einer immer besseren Darstellung der Beobb. Aber bei diesen abnehmenden Distanzen durfte er schlechter- dings sich nicht auf die IvEPLEE'schen Gesetze beschränken, sondern musste die Anziehung der Erde mit berücksichtigen. Es ist mir fast unbegreiflich, dass Encke, der doch selbst sagt, dass bei so geringen Distanzen die Attraktion der Erde enorm werden muss, nicht gefühlt hat, dass seine beiden letzten Bahnen schon wahre Xon-Enüa sind, aus denen sich schlechterdings gar nichts schliessen lässt. AVer bürgt uns dafür, dass, wenn z. B. in seiner vorletzten Hypothese die Anziehung der Erde gehörig mit berücksichtigt wäre, anstatt des Eesultats 11' 45" nicht vielleicht ein Fehler mit entgegengesetztem Zeichen hervorgegangen wäre? Aber hiei' reicht man mit vagen Ueberschlägen, die so oft irre führen, nicht aus, nur eine strenge Rechnung kann Gewissheit geben, und sehr gern räume ich ein, dass der ganze Bettel derselben nicht werth ist. Ich wollte lediglich meine Ansicht erklären, nach der es mir nicht gerade ungereimt scheint, den Beweis noch nicht für einen wahren, allen Zweifel durchaus ausschliessenden Beweis zu erkennen. In der That halte ich die Bedingnisse eines Beiveises in einem solchen Falle für so schwierig, dass selbst nach viel weiter getriebenen Eech- nungen, als Encke gegeben hat, ich Bedenken tragen würde, die Sache für bewiesen zu erklären, wenigstens würde ich, falls ich selbst die Rechnungen geführt hätte und subjektiv so gut wie gar keinen Zweifel mehr hätte, doch immer noch fürchten, dass ich andere dadurch nicht eigentlich überzeugt habe, sondern dass sie höchstens nur den Beweis in gutem Glauben zugäben.

Ich wünsche sehr, theuerster Olbeks, dass Sie diesen Versuch, mich über meine Hartnäckigkeit zu entschuldigen, nicht missdeuten, sondern ihn mit Ihrer s-ewohnten Nachsicht aufnehmen mögen. Dass

454 Gauss an Olbers. Göttingen, 1826 Mai 14.

das Ensemble aller Umstände den Betrug höchst wahrscheinlich, und wie man es gewöhnlich vor einer Jury nimmt, moralisch gewiss macht, will ich Ihnen gern zugeben.

Meine Reise nach Celle machte ich nur so im Fluge und konnte damals die Hoffnung, Sie ein paar Tage in Bremen zu sehen, nicht realisiren. Ich war nur 6 Tage abwesend. Dii^ektor Hüpedex ist ein sehr lieber Mann, und ich freue mich sehr, meinen Sohn unter seiner Leitung zu wissen, wo er sich auch recht gut gefällt.

Die HARDY'sche Pendeluhr^; geht bis jetzt vortrefflich. Vielleicht ist die Kompensation noch etwas zu schwach, aber selbst diese Ver- muthung beweist die Unvergleichlichkeit des Ganges. Im März hatte ich ihren täglichen Gang auf -}- 0^,44 gebracht; der sich sehr regel- mässig zeigte, aber im Apr. auf 0^,3 kam und jetzt durch -4- 0^2 bis» auf +<J^16 gekommen ist, aber mit der grössten Regelmässigkeit, so dass von einem Tage zum andern nur Differenzen in den Hunderttheilen der Sekunde sind. Die SHELxoN'sche Uhr hat wohl 30 mal so grosse Aenderungen. Die Kompensation ist höchst einfach, indem bloss statt der Linse ein cylindrisches mit Quecksilber gefülltes Gefäss schwingt. Sollte sich bestätigen, dass die zunehmende Wärme den etwas retardirten Gang bewirkt, so wird etwas Zusatz von Quecksilber abhelfen können. Aber eine solche Aenderung des Ganges, wie die bemerkte, ist im Grunde gar nichts, zumal da in der Sternwarte die Temperaturänderungen gering und langsam sind.

Vor Kurzem hatte ich das Vergnügen, Hrn. Inspektor Lohr-aianx bei seiner Rückreise von Paris nach Dresden hier kennen zu lernen. Von Gruithuisen scheint er nicht viel zu halten : letzterer war vorigen Sommer (Aug. u. Sept.) hier in Göttingen und wollte den Winter in Dresden zubringen, er hat aber Hrn. Lohrmann gar nicht besucht.

Ich") habe mich heute noch etwas in dem System der Kratenhoff- schen Dreiecke im Innern von Holland umgesehen. Ich sehe immer mehr, wie wenig ich Ursache habe, mich über meinen grössten Eichtungs- fehler von 1",3'^) zu beunruhigen. Wenn man Krayenhoff's Messungen') oberflächlich prüft, d. i. die Summen der 3 Dreieckswinkel und den Gyriis horizontis, so findet man überall so schöne l'ebereinstimmung, dass man verleitet wird, diesen Messungen eine Genauigkeit beizulegen, von der sie doch sehr weit entfernt sind. Nichts ist dazu zweck- mässiger als die Verbindungen von mehr als 3 Punkten, die verknüpfte

1) Vergl. Gauss' Werke Bd. VI, S. 453, 4Ö4. Knn.

-) Siehe Anmerkung- auf S. 450. Knn.

^) Muss 1",4 heissen nach dem Anfang des Briefes. Ueber die Ungenauigkeit der KRAYEXHOFF'scheu Vermessung siehe auch Brief No. 521 (1824 Juli 4) und No. 486 (1823 Dec. 28), ferner Brief No. 153 im Briefwechsel Gauss-Bessel. Krm.

Gauss au Olbers. Göttingen, 182« Mai 14. 455

Dreiecke geben. Hitr tindet man liäufig viel grössere Differenzen, Z. B. das System von 0 Punkten giebt den Gynis horizontis um Leeu- warden vortrefflich, auf 2".lit7 genau; die Summen der Winkel in den 5 Dreiecken fehlen resp. [umj

Ma/üt/n

Uarlinfft

1",432

Dockiun

0",714

rden

0",7o9

2".842

'BracMen

2",590

also auch erträglich. Aber wenn man die Seitenverhältnisse prüft, so findet man, dass die Messungen sich nicht vereinigen lassen, ohne an den 10 Winkeln in der Peripherie viel grössere Aenderungen zu machen; nach der Methode der kleinsten Quadrate müsste man sie um 3",8, ;:;".6. 3".6, 3".3, 3",0, 2",7, 2",7. l".!». 1",1. 0".8 ändern, wollte man die Aenderungen so klein wie möglich haben, so müsste man sie alle 10 gleich und jede =3" setzen.*; Man sieht also, dass bei solchen Messungen die Summe der 3 Dreieckswinkel oft über 1 0" fehlen müsste. Davon sind die aufgestellten Zahlen aber weit entfernt, und also gewiss, dass wenigstens immer nur so ansgesiiclii ist, dass diese Prüfung har- nionirt, wodurch aber offenbar oft geschehen luuss, dass die Winkel eher verdorben als verbessert werden, und ein ganz falscher Maasstab für ihre Genauigkeit hervorgeht. Um die Genauigkeit von j\Iessungen gehörig ^^ ürdigen zu können, darf nichts willkürlich ausgeschlossen werden. Die leichten Prüfungen durch die Summen der 3 Dreieckswinkel und den Oyrus hör. sind wohl gar zu verführerisch, wenn auch nicht gerade zu verfäl- schen, doch zum Wählen und Ausschliessen, was nicht viel besser ist. Leider bieten andere Messungen, wie die von Delajubke, sonst fast gar keine Prüfungen dar, als die erwähnten, sonst möchte man wolil oft ähn- liche Diskordanzen finden. Bei meinem S3'stem habe ich die Satisfaktion gehabt, dass die Prüfungen der einen und der anderen Art Differenzen geben, die ganz von einerlei Ordnung sind. Dass die Seitenrefi-aktionen so grosse Wirkungen geben, wie die Disharmonien, die sich bei Kkayen- hoff's Dreiecken zeigen, ist mir doch bedenklich, da seine Seiten immer

*) Krayenhoff's eigene Ausgleichung, die aber nicht klar aufgestellt ist, son- dern erst herausgesucht werden muss, enthält hier zum Theil noch viel grössere Aenderungen, z. B. von 6".253 an dem einen Winkel in Brachten, 5",530 an einem Winkel in Dockum etc.

^gg Olbers an Gauss. Bremen, 1826 Juni 12.

SO klein sind, seine Stationen hoch in der Luft, und Holland auch wohl viel weniger von Holz koupirt, wie mein nördliches Terrain, so dass bei ihm das Licht wohl selten oder nie so knapp an Hindernissen weg- strich, wie so sehr oft in dem letzteren. Ich möchte also die Anomalien eher den Messungen selbst zuschreiben.

No. 603. Olbers an Gauss. [319

Bremen, 1826 Juni 12.

Recht vielen Dank für Ihre Belehrung über die Mängel des Encke- schen Beweises der Erdichtung des D'ANGOs'schen Kometen. Sie haben vollkommen Recht; in dem Sinne, wie Sie diesen Beweis fordern, ist er von Encke nicht geführt. Ich möchte indessen glauben, eine solche Annäherung an di'fe Erde, bei der die Anziehung derselben einen sehr bedeutenden Eintluss auf die Bewegung des Kometen haben könne, sei schon deswegen nicht anzunehmen, weil sie mit Veränderungen in dem äusseren Ansehen und der Lichtstärke des Kometen hätte verbunden sein müssen, die der Berichterstatter nicht unerwähnt hätte lassen können. Meine eigenen vielen Rechnungen über diesen Kometen haben mir freilich bloss erwiesen, dass keine Parabel die D'ANGOs'schen Beobb. darstellen könne; Ellipsen habe ich nicht versucht.

Ich bewundere die grosse Genauigkeit Ihrer Vermessungen, erstaune aber über die ungeheure Arbeit, die Sie bei dieser Ausgleichung haben. Eine Elimination aus 55 Gleichungen mit ebenso viel unbekannten Grössen, das ist nicht bloss etwas Unerhörtes, sondern wahrlich scliauder- haft. Nur Sie, lieber Gauss, konnten den Muth haben, eine so un- ermessliche Rechnung zu unternehmen, und nur Sie waren im Staude, sie durchzuführen. Unter 150 Richtungen nur 5. die über 1" zu ändern Avaren! Gewiss ist noch nie eine Messung gemacht worden, die der Ihrigen an Genauigkeit auch nur naln^ kommt.

An einer Lateral-Refraktion ist wohl gar nicht zu zweifeln, l'ngern habe ich nach Ihren Beweisen meinen gutmüthigen Glauben an die grosse Genauigkeit der KRAYENHOFF'schen Dreiecke aufgeben müssen.

Wahrscheinlich durch Bessel's Aufsätze^) veranlasst, haben nun auch IvoKY und YouNG über die geodätischen Linien Abhandlungen bekannt gemacht.

Ueber den BiELA-ÜLAUSEN'schen Kometen aou OJ Jahr Umlaufszeit höre ich seit einigen Wochen nidits mehr, ^^"allrs^■heinlich ist Schü-

'■) Siehe Anmerkung;- 1 auf S. 4M. Knn.

Olbers an Gauss. Bremen, 182G Juni 1_*. 457

MACHER jetzt auf einer Heise nacli Müm-heii begriffen, die er mir als bevorstehenel aiikümligte. ohne docli den eigentliclieu Zeitpunkt derselben mit Gewissheit festzusetzen. Ist der Komet auf Ihrer Sternwarte in dei' letzten Hälfte des Apr. oder im Anfange des Mai nicht mehr l)eobachtet worden? Meine Beob.^) vom 30. Apr. steht noch isolirt da (auf die vom 25. Apr. ist nicht viel zu rechnen). Ich verglich den schwachen Kometen, dessen ßeob. deswegen etwas erleichtert wurde, weil er sich gerade mit zwei kleinen teleskopischen Sternchen in einer Linie befand, an diesem Tage 4 mal mit einem vortheilhaft gelegenen BEssEL'schen Stern. Aber demunerachtet, und obgleich die 4 Ver- gleichungen sehr gut unter einander stimmten, wünschte ich doch recht sehr, mehrere Beobb. um dieselbe Zeit herum zu kennen, um die Güte der meinigen beurtheilen zu können. Bei einem so schwachen Gegen- stand ist man gegen einen konstanten Fehler in der Schätzung der Ein- und Austritte nicht sicher.

Mit grossem Vergnügen hal)e ich aus dem mir zuletzt zugekommenen Stück von Zach's Corresp. Astr. gesehen, dass Pons endlich die leichte Kunst begriffen hat. Kreismikrometer-ßeobb. anzustellen. Nun werden wir hoffentlich künftig nicht mehr so vage und unrichtige Orts- bestimmungen der von ihm entdeckten Kometen erhalten.

Gruithüisen (jetzt Prof. der Plu'sischen Astronomie bei der Uni- versität zu München) hat mir aus Wien geschrieben, dass das Cirkelchen, was sich w^estlich an das sonderbare, von ihm für eine Mondstadt ge- haltene Gebilde im Flecken Schroeter anschloss, seit 1822 nach und nach verschwunden und statt desselben nun auch ein Wallwerk in der

Form

zum Vorschein komme. Nach seinem Briefe scheint sich

auch Fürst ^Metternich für diese Entdeckungen im Monde zu inter- essiren und hat mit den anderen Astronomen gemeinschaftlich beobachten wollen. Man sollte doch glauben, der Fürst habe jetzt an dem tür- kischen ]\Ionde genug zu beoliacliten, um über die Veränderungen auf dem himmlischen Mond unbekümmert zu bleiben.

Darf ich Sie wohl erinnern, lieber Gauss, mir gelegentlich, ivenn ^ie sie nämlich nicht mehr brauchen, Ihre beiden Briefe^) über die eigene Bewegung unserer Sonne wieder zu schicken? Da jetzt nach Bessel's Untersuchungen die Präcession grösser angenommen werden muss, so hat dies auf die Resultate unserer Rechnungen keinen unbe-

^1 Siehe Olbeks Bd. I, No. 109, S. 416. Krm.

■-) Es waren 4 Briefe, No. 436, 433—440, S. 147—151, 154—165, welche Olbers im Brief Xo. 4S3 vom 11. Okt. 1823, S. 258 auf Gauss' Wunsch zurückgeschickt hatte. Krm.

458 Gauss an Olbers. Göttingen, 1826 Juli 14.

deutenden Einfluss, da sicli nun die Grösse und Richtung der eigenen Bewegung der Fixsterne sehr merklicli änd^^rt.

Noch weiss ich nichts Bestimmtes über Ihre Pläne für diesen Sommer. Ich möchte um so lieber etwas darüber erfahren, weil ich darnach den Grad meiner Hoffnung beurtheilen könnte. Sie. mein aller- theuerster Freund, dieses Jahr zu sehen. Wie schon gesagt, ich bleibe das ganze Jahr zu Hause, erwarte auch weiter keinen Besuch, als einen mir noch selir unbestimmt versprochenen von dem General Hartmann, der, wie Sie wissen werden, sich mit meiner Nichte, der verwitweten Amtmann Heise verbindet.

No. 604. Gauss an Olbers.') [sss

Göttingen, 1826 Juli 14.

Lange habe ich vergeblich nach den Briefen gesucht, auf die Ihre freundschaftliche Güte einen solchen Werth legt, dass Sie solche zu- rückverlangen. Ich wusste, dass sie von mir wohl aufgehoben waren, ja ich erinnerte mich, sie noch vor nicht gar langer Zeit gesehen zu haben, aber nirgends konnte ich sie finden. Endlich habe ich sie nebst einigen anderen auf die eigenen Bewegungen der Sterne Bezug haben- den Papieren in Bessel's £r«fZZe/y vor ein paar Tagen aufgefunden; ich habe geeilt, da die Sachen mir selbst wieder fremd geworden waren, das Erheblichste abschreiben zu lassen und war schon im Begriff, sie mit der Post an Sie abzuschicken, als Hr. Keaut zu mir kam und sich erbot mitzunehmen, was ich etwa an Sie schicken wollte. So über- gebe ich demselben also diese Briefe und zugleich Ihre mir gütigst ge- liehenen Exemplare von Keayenhoff's Freds und Müllek's Karte mit verbindlichstem Danke.

Ich habe unlängst angefangen eine pars tertia oder ein SnppJe- mentum meiner Th. Comb. Ohs.^) aufzusetzen, welches die Auflösung der Hauptaufgaben für den Fall entwickelt, wo die Daten nicht in dtr Form vorliegen, die in dem früheren Werk vorausgesetzt ist. und man sie auf diese Form entweder nicht zurückfüln-en kann oder will. In der That ist besonders bei manchen Anwendungen auf die ludiere

^) Von jetzt ab wendet Gauss in seinen Briefen fast aussthliosslioh wieder die deutsche Schrift an, es soll daher im Folgendon nur die Schreibweise in lateinischer Schrift besonders bemerkt werden. Vergl. hierzu die Anmerkung auf S. 555 in Bd. II, 1. Krm.

*) Vergl. Brief No. öi»6 vom 19. Febr. IS'JG und No. 6u7 vom 14. Jan. IS'JT. Krm.

Gauss an Olbers. Göttingfen, 18'2ti Juli U. 459

Geodäsie diese neue Aiiflüsungsart be([iu'mer. Jch habe die Absicht. die allgemeine Theorie mit ein paar Beispielen, aus Krayenhoff's und meinen Messungen entlehnt, zu erläutern. Ich gewinne dadurch den Vortheil in Zukunft, wenn ich meine ^Messungen vollständig bekannt mache, mich in Kücksicht auf diese Abtheilung des Theoretischen kurz fassen und auf die gegenwärtige Abhandlung beziehen zu können, zu- mal da eine so ausführliche Behandlung, wie ich in dieser nun gebe, in jenem AN'erke ein Itors d'ceuvrc sein würde.

Ob ich in diesem Jahr noch etwas von Beobb. auswärts vor- nehmen kann, ist noch ungewiss.* Schumacher hat mich in Rücksicht auf meine schon vor 3 oder 4 Monaten ihm gemachten Anerbietungen wegen des Zenithsektors ganz ohne Antwort gelassen. Der Haupt- mann Müller ist jetzt in England.

p]s ist mir endlich gelungen, mit der von Bohnenberger zuerst ausgeführten Methode^) den Nadirpunkt zu bestimmen; ich halte dies für einen sehr wichtigen Fortschritt der praktischen Astronomie. Ich habe heute den ersten Versuch gemacht, die Theilungsfehler des Kreises mit vier REPSOLD'schen Mikroskopen zu bestimmen. Diese A'ersuche müssen freilich sehr vervielfältigt werden. Einstweilen aber zeigt der erste, der sich auf 20 Theilstriche von 18 zu 18 Grad bezieht, dass die Zenithdistanz rücksichtlich der Theilungsfehler hier keiner merk- lichen Korrektion bedarf. Ich finde nämlich Korrektion des Resultats aus allen 4 Verniers bei

90°

180°

270"

+ 0".18

18

108

198

288

+ 0,12

36

126

216

306

0,20

54

144

234

324

0,27

72

162

252

342

+ 0,18

Die Uhr hat ihren Gang noch immer mehr retardirt, vermuthlich wegen der gi'ossen Hitze. Seit vierzehn Tagen ist der tägliche Gang zwischen 0^,6 und 0'*,7, die Kompensation also bedeutend zu schwach.

Bei der oben * bemerkten Ungewissheit darf ich für jetzt noch keine Pläne zu einer Erholungsreise machen. Meine Gesundheit leidet in diesem heissen gewitterreichen Sommer sehr, und ich bin wenigstens froh, denselben nicht auf öden Haidbergen zubringen zu müssen.

Ein Besuch wird mir gemeldet; ich muss daher, um den Brief noch dem Hrn. Kraut zeitig mitgeben zu können, hier eiligst schliessen.

Ueber eine unangenehme Erfahrung, die ich bei Gelegerheit der

^) Vergl. Brief Xo. 596 S. 439, 440 und die betreffende Anmerkung. Krm.

4(50 Olbers an Gauss. Bremen, 1826 August 5.

Vergleichung meiner Prüfung des M[eridian]-K[reises] mit der Bessel- sclien, wie er sie vor der 7. Abtheilung seiner Beobb. beschreibt, ge- macht habe, schreibe ich Ihnen ein ander ^lal.

No. 605. Olbers an Gauss. [320

Bremen, 1826 August 5.

Die Bücher und Briefe, die Sie Hrn. Keaut mitzugeben die Güte hatten, habe ich dui'ch diesen richtig erhalten, und statte Ihnen dafür den verbindlichsten Dank ab.

Mit der grössten Freude höre ich, dass Sie Ihrer Tli. Comb. Ohs. noch ein so interessantes SupjjJemenhnn geben wollen. Ich bin sehr begierig darauf, und freue mich im voraus auf die Belehrung, die ich darin erhalten werde.

Unser guter Schumacher ist, so viel ich weiss, noch immer krank, und seine diesmal so ungewöhnlich anhaltende Unpässlichkeit und grosse Schwäche fängt an, mich zu beunruhigen. Sein letzter Brief enthielt wieder Klagen über vermehrtes Leiden und Rückfälle, die ihn selbst wieder bettlägerig machten. Seitdem habe ich auf meine gleich abge- fertigte Antwort noch keine Er^^'iderung und eine Sendung von A. N. u. s. w. ohne eine Zeile von seiner Hand erhalten. Ich hoffe in- dessen, dass dies nur von Geschäften, nicht durch seine Krankheit ver- ursacht ist.

Bei der anhaltenden ungeheuren Hitze habe auch ich mich oft herzlich gefreut, dass Sie, mein theurer Freund, sich nicht auf unwirth- baren Halden oder in engen niedrigen, unwolinlichen Dorfstuben diesen Sommer herumtreiben, oder hohe Ansgarius-Thürme besteigen müssen. Vorgestern am 3. Aug. hatten wir um 2 Uhr nach Vergleichung von 5 guten Thermometern im Schatten 26"! Eeaumur. Auch mich greift das schwüle, selbst die Nacht hindurch sich wenig abkühlende "Wetter bedeutend an. Uebrigens sind die Nächte niehrentheils sehr scliön ge- stirnt, und ich hoffe jetzt alle Tage von der Entdeckung eines neuen Planeten aus der Asteroidenfamilie zu hören. Ich denke mir nämlich diejenigen, die Karten zur vollständigen Aufzeichnung aller am Himmel befindlichen, mit einem Kometensucher zu erkennenden Sterne unter- nommen haben, jetzt emsig beschäftigt, und ich glaube, dass ihnen nicht leicht ein solcher neuer Planet, wenn er nur in Lichtstärke die 9. Grösse erreicht, entgehen kann. Dass es aber ausser den 4 bisher bekannten noch mehr Asteroiden sriebt. ist nirht zu bezweifeln.

Olbers an friiuss. Bremen, 1826 Ausrust 5. 401

Beschämt imiss ich meine Unwissenlieit bekennen, dass mir J^ohnen- uebger's Methode, den Nadirpunkt zu bestimmen, wenn diese etwas besonderes enthält, nicht erinnerlich ist. "Wo ist sie anzutreffen? "Wahr- scheinlich liegt es nur an meinem alternden, ungetreuen Gedächtniss, dass ich mich nicht entsinnen kann, etwas von Bohnenberger darüber gelesen zu haben.

Wahrscheinlich hat auch Ihnen Cacciatore seinen Discorso suW origino dcJ Sistema Solare^) [seconda Ediz.] Palermo 182G zugeschickt. Wenn es sich völlig bestätigt, dass der von Cacciatore am 19. März 1826 zuerst im südlichen Tcleshop beim 1483. Stern von Lacaille C. A. gesehene helle Nebelfleck wirklich ein Nebelfleck, und wirklich neu. d. i. an einem Orte sichtbar ist, wo 1810 und früher noch kein Nebelfleck sichtbar war, so halte ich diese Entdeckung für eine der allermerkwürdigsten. die in neueren Zeiten gemacht sind. Denn wie sehr muss es nicht unsere Begriffe vom "Weltall berichtigen und ver- ändern, wenn neue Nebelsterne in wenigen Jahren entstehen und sich ausbilden können ?

Clausen hat schon vor einiger Zeit vorläufige Elemente des Ko- meten von 1805(6)^) unter "\'oraussetzung der nun bekannten grossen Axe berechnet, auch die Elemente für 1826 nach meiner Beob. vom •iO. Apr. vorläufig verbessert. Ich finde nun die kleinste Entfernung der Kometenbahn von der Erdbahn

1805 0,008627

1826 0,006038

Die Kometenbahn hat sich also in dieser Periode der Erdbahn noch mehr genähert. AVie es sich künftig verhalten wird, hängt haupt- sächlich von der noch unbestimmten Einwirkung des Jujnter auf den Kometen ab. Ein Resultat derselben muss indessen vor der Hand noch auf Verminderung dieses Abstandes wirken. Das PeriheVmm der Erde ist nämlich rechtläufig fortrückend, der ü der Kometenbahn, wenigstens wenn keine zu grosse Annäherung des Kometen an den 2j. erfolgt, siderisch rückläufig; so muss sich also der Winkel Perih. d. Erde y vergrössern, und dadurch die radii vedores der Erdbahn in der Nähe des 13 der Kometenbahn immer grösser werden, beide Bahnen sich also näher kommen.

"\'on Rümker habe ich in nicht langer Zeit 3 Briefe erhalten. Gouv. Brisbane hat bei seiner Abreise der Kolonie seinen astronomi-

^) Vergl. auch Briefwechsel Olbers-Bessel No. 322, Brief vom 14. Dec. 1826, Bd. U, S. 295, 296, so wie Olbers Bd. I Xo. 155, S. 525—526, No. 115, S. 422 und No. 194, S. 653. Krm.

») Komet 1S06 I. Krm.

402 Olbers an Gauss. Bremen. 1826 December 8,

sehen Apparat schenken wollen. Die Kolonie hat aber die Schenkung abgelelmt und lieber den Apparat gekauft. Die astronomische Anstalt in N[eu]-S[üd]-W[ales] wird also erhalten, aber nicht Rü^iker. sondern DuNLOP Observator bei derselben werden. Letzteren schildert Rü^eker als einen zwar anstelligen und vielen guten Willen habenden jungen Mann, aber beklagt, dass ihm eigentliche mathematische Kenntnisse völlig abgehen. Ich bedauere gleichfalls recht sehr, dass Rümker's Eifer und Geschicklichkeit dort unbenutzt bleiben sollen. Wenn Sie, lieber Gauss, gerade Gelegenheit hätten, für Rümker in England Ihr mächtiges Fürwort einzulegen, oder sich auch öftentlich über ihn vortheilhaft zu äussern, so würden Sie wahrscheinlich der Wissen- schaft einen nicht unwichtigen Dienst leisten.

No. 606. Olbers an Gauss.') [321

Bremen, 1826 December 8.

Es ist so lange [her], dass ich mich nicht schriftlich mit Ilinen unterhalten habe, dass ich mir nun dieses Vergnügen nicht länger ver- sagen kann. Auch verlangt mich sehr, endlich einmal von Ihnen selbst zu hören, wie es Ihnen, Ihrer verehrten Gattin und Ihren Kindern geht.

Was mich betrifft, so habe ich mich diesen Sommer und Herbst hindurch meiner Art nach ganz gut befunden, und ganz zufrieden und vergnügt gelebt. Für alles, was Wissenschaft und besonders Astronomie betrifft, habe ich noch immer recht viel Interesse, wenn sich gleich meine eigene astronomische Thätigkeit natürlich immer mehr beschränkt. Mein FRAUNHOFER'sches Heliometer habe ich schon in diesem Frühjahr der Hamburger Sternwarte überlassen, erwarte aber dagegen nun von Utzschneider ein Fernrohr von 52 Lin. Oeffnung, das, wie ich hoffen darf, noch vom sei. Fraunhofer centrirt ist. Wenn dieses Fernrohr also gut ausfällt, so muss es an optischer Kraft den schönen Fernrohren Ihrer Meridian-Instrumente ziemlich gleich kommen. Ich denke mich damit zuweilen in Betrachtung himmlischer Gegenstände zu vergnügen, denn zum gewöhnlichen Gebrauch und Kreismikrometer-Beobb. wird mein alter braver Dollond nicht abgeschafft oder zurückgesetzt werden.

Durch den Tod des guten Bode werde ich nun wohl bald zu der traurigen Ehre gelangen, der älteste unter den deutschen Astronomen, wenn ich mich darunter rechnen darf, zu werden. Jedoch nehme ich

^) Zu dem Inhalte dieses Briefes vergl. auch Olbers" Brief v. 14. Peo. 1826 an Bessel, Briefwechsel No. 322. Krm.

Olliers au Gauss. Bremen. 1826 December 8. 468

Zach aus. zu dem Linuenau. künftiger sächsischer Gesandter in England, jetzt gereist i>t. Es tluit mir dies leid. Denn sonst hatte ich einige Hott'nung, Lixdenau würde über Bremen nach England gehen, und ich hatte grosses Verlangen, diesen verehrten Freund einmal wieder zu sehen. Wie es nun mit dem Berliner Jahrhuche werden wird, ist wohl noch nicht ganz ausgemacht. Encke schreibt mir. dass er sich darüber besonders auch Ihren Kath erbeten habe. Midi dünkt, es kommt haupt- sächlich darauf an, dass er sich mit Schumacher darüber verständigt oder vereinigt. Wenn letzterer fortfährt, uns jährlich seine Hülfstafeln in der bisherigen Ausdehnung zu geben, so wird für die eigentliche Ephemeride des Jahrbuchs wenig Interessantes übrig bleiben.

Den Eridanus-Koin^i^w^) habe ich zuletzt am 26. Nov. in der Coma Berenices beobachtet, und ich zweifle nicht, dass er bei heiterer Luft auch noch jetzt gesehen und beobachtet werden könne, bis ihn der Mondschein völlig unkenntlich und unsichtbar machen wird.

Traurig ist es mir bisher, des fast ununterbrochen anhaltenden, trüben "Wetters wegen, mit dem Kometen^) im Bootes gegangen. Vor seiner Sonnennähe habe ich ihn kein einziges Mal erblicken können. Am 18. Nov., dem Tage seines Vorüberganges vor der Sonne, regnete es hier unaufhörlich, und erst am 20. gegen Mittag zeigte sich die Sonne auf einige Stunden, wo denn natürlich nichts als gewöhnliche, wenn gleich zum Theil ausgezeichnet grosse Sonnentlecke darin zu sehen waren. Gambart hat mir nun verbesserte Elemente dieses Kometen geschickt, die er aus seinen Beobb. vom 29. Okt. bis 10. Nov. abge- leitet hatte:

T . . . 182G Nov. 18,3085 M. Z. zu Marseille

q 0,02314

71 314" 57' 28"

ft 236 9 54

i 89 59 24 mot. retrogr.

Nach diesen Elementen erfolgte der Eintritt des Kometen am 18. Nov. um 5'' 25"^ morgens wahrer Marseiller Zeit. Der Komet ging durch Ü um 7'' T", der kürzeste Abstand vom Sonnenmittelpunkt betrug 2' 40"'. und der Komet trat wieder aus um 8^38°*. In Marseille trat die Sonne erst um '&^ 35'" hinter einer Wolkenbank hervor, und da war nichts mehr vom Kometen zu sehen. Ich zweifle aber sehr, dass es überhaupt möglich gewesen sei, diesen Kometen vor der Sonnenscheibe

1) Komet 1826 IV. Siehe auch Olbers Bd. I No. 110 und 111, S. 416, 417. Zuletzt Dec. 11 iu Neapel beobachtet. Krm.

*) Komet 1826 V. Der Yorübergang vor der Soune ist nicht geseheu worden. Vergl. Olbers Bd. I No. 112, S. 417—418. Seh.

^Q^ Olbers an Gauss. Bremen, 1826 Decemher 8.

wahrzunehmen. Kr kommt mir dazu gar zu wenig konsistent vor und zeigte mir keinen so dichten Kern, als der Komet von 1819.

Dann endlich liabe ich den von der Sonne zurückkehrenden Ko- meten zwischen Wolken am 2., 3. und 5. Dec. auf einige Augenblicke gesehen. Am 5. ist mir eine sehr dürftige Vergleichung mit dem Piazzi- schen Stern H. XVI Xo. 270 gelungen, die. aber wohl kaum auf die ^Minute genau,

Dec. 5. 5^41™P 252° 57' 3" -f- 31' 54"

giebt. Gambart's obige Elemente fehlen bei dieser Beob. sehr; die von Clausen, die Sie aus den A. N. kennen werden, geben die ull etwa 20', die Dekl. 30' zu klein. Der Komet war unerachtet des Mondscheines noch recht gut zu sehen und mit blossen Augen zu erkennen; sein Schweif auf lang. Sollten Sie, wie ich hoffe, in Göttingen mehr von der Witterung begünstigt worden sein und einige Beobb. erhalten haben, so würde ich um die gütige Mittheilung derselben recht sehr bitten.

Auch bei der Sonnenfinsterniss vom 29. Xov. war es hier durchaus trübe und beständiger Kegen. mir um so unangenelimer. da ich nun gar nicht hoffen darf, in diesem Leben nocli eine Sonnenfinsterniss zu sehen.

In einem Buche, worin ich gar so etwas nicht suchte oder zu finden erwarten konnte, in William Hone. Every Day Book, das voriges Jahr lieft weise in London mit vielen Holzschnitten herausgekommen ist, finde ich ein Fragment einer Selbstbiographie von Flamsteed, aus Flam- steed's eigener Handschrift nach Versicherung des Herausgebers mit gewissenhafter Ti-eue abgedruckt. Was mich am meisten darin inter- essirte, war das. was er vielfältig über sein Verhältniss zu Xewtox bemerkt. Er beschuldigt Xewton der Wortbrüchigkeit, der Kabale und der Herrschsucht. Aeusserlich blieben beide immer gute Freunde, be- suchten und speisten bei einander; aber heimlich, meint Flamsteed, suchte ihm Xewton auf alle ^^'eise zu schaden. Die Ursache von Newton's Feindschaft setzt er darin, dass er sich diesem nicht ganz, wie Halley und Gregory, zum Sklaven hingeben wollte, und nicht in die übertriebenen Lobsprüche seiner Schmeichler einstimmen konnte, die prahlten, durch Xewton wären die ^londtafeln von Horrox so verbessert, dass man nun immer den Ort des Mondes bis auf 2' oder 3' genau berechnen könne, da hingegen Flamsteed noch immer Fehler von 8' bis 9' fand und nicht verhehlte. Ich glaube, dass der hypo- chondrische Flamsteed dem grossen Xewton sehr unrecht thut und ihm Absichten zuschreibt, die Xewton gar nicht gehabt hat. und kleine ganz unschuldige Vernachlässigungen übel deutet. Mir scheint vielmehr,

Gauss an Olbers. Göttingen, 1827 Januar 14. 4(J5

dass Flamsteed sehr empfindlich beleidigt und aufgebracht darüber war, dass Newton in den Principiis des königlichen Observatoriums und Flamsteed's nicht so oft und so rühmend erw^ähnte, wie dieser durch seine vielen ^littheilungen an Newton verdient zu haben glaubte. Merkwürdig war mir noch, dass Newton Anfangs nicht glauben wollte, dass der Komet vom Nov. 1680 mit dem vom Dec. März 1681 identisch sei, sondern noch im Febr. und März zwei grosse Briefe an Flamsteed schrieb, worin er dessen Meinung, dass beide Erscheinungen nur einem Kometen angehörten, zu widerlegen suchte. Hone hat noch ein Fak- simile von Flamsteed's Handschrift beigefügt, desgleichen das astro- logische Schema der Konstellation des Himmels, das Flamsteed für den Augenblick, da der Grundstein zu dem Observatorium gelegt wurde, 1075 Aug. 10, 3^ 18™ entworfen hat, ohne jedoch etwas über die astro- logische Bedeutung dieser Konstellation zu sagen.

^^'issen Sie nicht, lieber Gauss, w^er Schubert in Petersburg wieder ersetzt, oder ob dieser Verlust dort gar nicht wieder ersetzt wird?

]\[ein Sohn trägt mir so eben auf, ihn Ihnen aufs Gehorsamste zu empfehlen. Ich war in grosser Furcht, mich auf lange Zeit und weit von ihm trennen^) zu müssen, da er eine wichtige Mission in Angelegen- heit unseres kleinen Staates in eine entfernte Gegend übernehmen sollte. Gottlob zeigt sich nun die Aussicht, dass diese Mission nicht nöthig sein wird, und er seinen alten Vater nicht zu verlassen braucht. Die Trennung würde mir sehr hart gewesen sein.

No. 607. Gauss an Olbers. [sse

Göttingen, 1827 Januar 14.

Es ist sehr, sehr lange [her], dass ich mich nicht schriftlich mit Ihnen unterhalten habe. Ich bin selbst beschämt über mein langes Still- schAveigen, welches ich mit nichts entschuldigen kann, als dass es mir an Stoff zu interessanten oder erfreulichen ]\Iittheilungen gefehlt hat. Wenn ich Ihnen auch jetzt nichts Besonderes mitzutheileu habe, so darf ich es doch nicht länger aufschieben, Ihnen ein Lebenszeichen zu geben.

So viel ich mich erinnere, halje ich Ihnen im vorigen Sommer von meinen damaligen Beschäftigimgen und Arbeiten Nachricht gegeben. Ich hatte meine Messungen in Beziehung auf die iVe&e»punkte im Olden-

^) Olbers' Sohn sollte als Abgesandter Bremens an den Hof Don Pedro's nach Brasilien gehen. Krm.

Olbers. II, 2. 30

45ß Gauss au Olbers. Gröttingen, 1827 Januar 14.

burgischen und Bremenschen definitiv reducirt; dann auch eine Zeit lang mich mit der Prüfung der Theilung des Merid.-Kreises^) beschäftigt. Ich weiss nicht, ob ich Ihnen damals gemeldet habe, dass ich das Maass der Schärfe, welche [ich] der Prüfungskraft meiner Mikroskope beizulegen habe, geringer fand, als Bessel von den seinigen angegeben, dass ich aber nachher beim Nachrechnen der Bessel sehen Operationen Resultate fand, die von den von ihm selbst mitgetheilten in jeder Beziehung durchaus verschieden sind. Einen Tlieil dieser Rechnung bat später auf meine Veranlassung auch Hr. Clausen gemacht, und seine Resultate stimmen mit den meiuigen genau überein.

Ich") glaube Ihnen schon früher gemeldet zu haben, dass ich es ganz unthunlich gefunden habe, dasjenige Werk, welches ich über meine Messungen in Zukunft zu geben denke, auch in theoretischer Rücksicht ganz selbständig zu machen, wenn ich nicht wenigstens einen grossen Theil des Theoretischen vorher anderswo besonders behandle. Es wird schon voluminös, die Gründe meiner Operationen zu entwickeln, aber wenn ich mich so ausdrücken darf, die Gründe der Gründe können nicht in das Werk selbst kommen, ohne es ganz buntscheckig und doch unbe- friedigend zu machen. Ich habe mich daher entschlossen, verschiedene theoretische Materien erst abgesondert in einzelnen Abhandlungen zu entwickeln, wodurch es auch allein möglich wird, diese bedeutenden neuen Kapitel der Mathematik mit einem gewissen Grade von Voll- ständigkeit auszuführen. Gewissermaassen ist meine Preisschrift') über die Transformation der Flächen die erste dieser Abhandlungen; die zweite habe ich vor einigen Monaten der K. Soc. übergeben als SuppL Th. comb. 0&5.*) etc. Sie enthält die Principien, die als Grundlage der Ausgleichung der Beobb. angewandt werden müssen, und selbst einige Beispiele von Krayenhoff's und meinen Messungen.

Nachher bin ich wieder auf meine Nelenpunlde zurückgekommen; in meiner Definitiv-Reduktion habe ich jetzt meinen Katalog fast auf 400 Stück gebracht, so dass nur noch in dem südlichen Theil eine Nach- lese zu machen sein wird. Jetzt habe ich aber diese ermüdende Arbeit wieder bei Seite gelegt und einen AnfanR- mit Ausarbeituno- einer 3. Ab-

^) Vergl. hierzu auch Brief No. 154 uud 155 im Briefwechsel Gauss-Bessel und No. 276, 277 im Briefwechsel Gauss-Schitmacher, woselbst auch Clacsen's Kechuuuiren mitgetheilt sind. Krm.

®) Von hier ah bis „meinen Messungen" auch abgedruckt in Gaiss" Werken Bd. IX, S. 377. Krm.

") Vergl. S. 252 uud die betreft'eiule Anmerkung. Krm.

*) Supplementum Theoriae Combinationis observatiouum erroribus minimis ob- noxiae, 1826 Sept. 16 vorgelegt, wieder abiredruckt in Gacss' Werkeu Bd. IV, S. 55—93. Krm.

Gauss an Olbers. Göttingen, 1827 Januar 14. 4(37

handlung*) geni.aclit. die einen Theil der mir eig:eiitliümliclien allgeiiieiiieii Theorie der knnnmen Flaclien enthalten soll. Ich bin schon ziemlich damit vorgerückt, und falls auf die Ostermesse der G. Band unserer Comm. publicirt wird, werde ich, wenn es nur irg-end möglicli ist, suchen, sie so früh zu volleudeu. dass sie noch mit hineinkommt; im entgegen- gesetzten Fall kann ich mir noch länger Zeit nehmen, da allerdings diese Ar])eit ihre grossen Schwierigkeiten hat. Die Theoreme, die icli, wenn ich nicht irre, Ihnen schon fi'üher mitgetheilt^) habe, z. B. dass die Linie, welche die Endpunkte von allen aus einem Punkt ausgehenden kürzesten Linien von gleicher Lcänge verbindet, mit dieser rechte Winkel macht; die luichst zierliche Eelation zwischen der Summe der Winkel eines durch kürzeste Linien begrenzten Pol^'gons und dei' Fläche, welche die Normalen auf der krummen Fläche an der Himmelskugel ausfüllen; die allgemeine Theorie der Reduktion der beobachteten Winkel auf die Winkel, welche in der Darstellung in der Ebene bei Aehnlichkeit der kleinsten Theile zwischen den geradlinigen Verbindungen stattfinden u. s. w., würden schon mit in diese Abhandlung kommen.

Eine kleine Arbeit von mir über die Berichtigungsmethoden ^) des Heliotrops bin ich im Begriff, in diesen Tagen an Schumacher zu schicken, und Averden Sie solche dann wohl bald nebst erläuternden Figuren in Schumacher's Astr. Nachr. finden.

üeber den fortwährend traurigen Gesundheitszustand meiner Frau wird Ihnen wolü [Repsold und]*^) Schumacher erzählt haben. Meine Kinder befin[den sich] wohl; meine beiden ältesten Söhne haben uns im letzten A\'eihnachts[fest] besucht. Ich selbst kann auch über meine Gesundheit keine bedeutende Beschwerde führen, nur dass es mir weh thut zu sehen, dass es mit meinen Arbeiten langsamer geht, als ich wünschte, ohne dass ich entscheiden kann, ob es an der Natur derselben oder an mir selbst mehr liegt. Glücklicherweise habe ich in diesem ^Mnter wöchentlich nur ein paar Stunden zu lesen.

Eine grosse Freude habe ich vor mehreren Monaten gehabt, Hum-

^) Disquisitiones generales circa superficies curvas, vorgelegt der Societät am 8. Okt. 1827, wieder abgedruckt in Gauss' Werken Bd. IV, S. 217—258. Vergl. Brief Xo. 627 und die betreffende Anmerkung. Nur in den Briefen vom 9. und 20. Okt. 1825 (Nu. 591 und 593) bat Gauss Andeutungen über diese Untersucbungen cremacht, aber die oben erwähnten Theoreme nicht mitgetbeilt. Krm.

*) Vergl. Briefwechsel Gauss-Schumacher Brief No. 285 und 293. Der Aufsatz ist abgedruckt in A. N. Bd. V, No. 116, Gauss' Werken Bd. IX, S. 472—477, siehe femer da.selbst Nachlass S. 478—482. Krm.

^) Die eingeklammerten Worte sind wohl beim Entsiegeln des Briefes abge- rissen worden. Nach dem Briefwechsel Olbers-Schümacher sind Repsold bezw. Schu- macher auf der Eückreise von München über Göttingen Mitte Okt. bezw. Nov. in Bremen gewesen. Krin.

30*

^gg Olbers an Gauss. Bremen, 1827 Februar 25.

BOLDT hier persönlich kennen zu lernen, und doppelt angenehm ist es mir nun, dass er künftig seinen bleibenden Aufenthalt in Berlin nehmen wird. Hoffentlich werde ich im nächsten Frühjahr endlich die Beobb. mit dem Zenithsektor zur Ausführung bringen.

No. 608. Olbers an Gauss. [322

Bremen, 1827 Februar 25.

Ihr Brief hat mir eine grosse, recht grosse Freude gemaclit, und ich danke Ihnen herzlich, dass Sie mir gütigst von Ihren Beschäftigungen Nachricht gegeben haben. Ich sehe es wohl ein, dass es nothwendig ist, die Gründe der Gründe, worauf Ihre neue und eigenthümliche Theorie gegründet sein wird, vorher in besonderen Abhandlungen zu geben, ehe Sie zu dem Hauptwerke kommen. Nur muss ich leider fürchten, dass ich dies nicht mehr erleben werde. Vorläufig bin ich besonders be- gierig auf Ihr SiqjjJl. Th. comb. ohs. etc. Hoffentlich erfahre ich, wenn es gedruckt sein wird, dies sogleich.

Bei der Gelegenheit fällt mir ein, dass Ivort neulich in einer kleinen Abhandlung beweisen will, man dürfe die Methode der kleinsten Qua- drate nicht gebrauchen, um aus den beobachteten Pendellängen die wahrscheinlichste Figur der Erde abzuleiten. Ich meine aber, er hat höchstens bewiesen, dass man sie anders anwenden müsse, als Kapt. Sabine. Seine neue Begründung der Methode der kleinsten Quadrate (Aug. 1826) scheint mir etwas Eigenthümliches zu haben, aber die Ihrige ist für mich befriedigender. Ueberhaupt hat Ivory diese Zeit viel über die Figur unserer Erde sowohl nach der blossen Theorie, als nach den beobachteten Pendellängen geschrieben. La Plage's Theorie des Gleich- gewichts eines homogenen, flüssigen Körpers findet er mangelhaft und Poisson's Vertheidigung oder Ergänzung derselben unzulänglich. Er scheint in einer sehr reizbaren, streitsüchtigen Stimmung zu sein. Viel- leicht hat der Umstand, dass ihm die Londonei- Königl. Societät für die ihr mitgetheilten mathematischen Abhandlungen im vorigen Herb^;t die goldene Medaille zuerkannt hat, seine Grämlichkeit jetzt etwas be- sänftigt.

Was Sie mir von den von Ihnen aufgefundenen Irrungen in den Resultaten, die Bessel aus seinen Kreisprüfungen zog, schreiben, ist mir äusserst interessant und wichtig. Mich wundert, dass Bessel, dem Sie dies doch wahrscheinlich angezeigt haben, sich noch gar nicht darüber äussert. Dies wird doch gewiss nicht ohne Einfluss auf seine Dekl. der Fundamental-Sterne sein, und kann vielleicht die Differenz,

Olbers an Gauss. Bremen, 1827 Februar 25. 469

die noch immer zwisclien 1'ond, Brixkley und ihm stattfindet, zum Theil ausgleichen. Doch vielleicht findet sich hierüber etwas in dem Bande, der seine Beobb. von 1825 enthalten wird, und der mir noch nicht zugfekommen ist.

Den letzten Kometen habe ich, der schlechten Witterung wegen, seit dem 22. Jan. nicht wieder gesehen. Das vorige Jahr 1826 ist doch wohl das allerreichste Kometenjahr gewesen und übertrifft noch das Jahr 1820. In 1826 sind nicht weniger als 5 Kometen entdeckt und 7 beobachtet worden. Von diesen sieben habe ich sechs gesehen; nur den- jenigen, den Flaugergues ^) am 29. März, wie er den Biela-Gambaet- schen Kometen aufsuchte, statt dessen fand und beobachtete, wird wohl niemand anderes als dieser Astronom gesehen haben.

kleinen grossen öfüssigen Fraunlwfer habe ich erhalten und auf- gestellt. Die mehrentheils strenge Kälte hindert mich nur bisher noch, viel Gebrauch davon zu machen. Seine Güte kann ich also noch nicht vollkommen beurtheüen; mit den vorläufigen Proben bin ich aber sehr zufrieden. Er übertrifft natürlich meinen braven Dollond sehr an Licht- stärke, verträgt viel, \\e\ besser starke Vergrösserungen ; aber doch konnnt es mir bisher vor, als wenn der Dollond die Bilder noch etwas schärfer begrenze, als der FraiinJiofer. Bei milderer Luft, wenn man die Temperatur des Beobachtungszimmers erst mit der äusseren Luft ins Gleichgewicht bringen kann, wird sich das Gewissere erst ergeben. Denn bei zu ungleichen Temperaturen der inneren und äusseren Luft wallt alles zu sehr, und bekanntlich ist dies für den Effekt der Fern- rohre um so nachtheiliger, je grösser ihre Aperturen sind.

Die Kälte war hier sehr heftig. Am 19. Febr. morgens 71 Uhr zeigten meine Thermometer 18'',2 R. An freien, dem Nordostwinde offenen Plätzen, z. B. auf dem Walle will man bis 22° beobachtet haben. ^^'ie gross ist wohl die Kälte in Göttingen gewesen? In Altona war sie nur 13°,8. Ich kann es nicht mehr vertragen, meinen alten Körper lange einer strengen Kälte auszusetzen, und ver- lange also sehr nach milderer Witterung.

Es war mir angenehm zu lesen, dass Sie die persönliche Bekannt- :-ihaft des liebenswürdigen Humboldt gemacht haben. Sollte unser LiNDENAu, nun er als Gesandter zum Bundestage geht, nicht wieder für die Sternkunde thätig werden? Ich dächte, ein Sächsischer Ge- sandter bei dem Bundestage behielte noch wohl etwas Müsse

übrig. Ob Zach von den verschriebenen Pariser Aerzten erleichtert worden ist, habe ich noch nicht erfahren. Den öffentlichen Blättern

^) Komet 1826 HI, nur von Flaügebgues Tom 1. bis 6. Apr. 1826 beob- achtet. Krm.

470

Gauss an Olbers. Göttingen, 1827 März 1.

zufolge bessert es sich mit La Place. Aber in seinem Alter pflegt die Besserung nach einer so schweren hitzigen Krankheit mehrentheils unvollkommen zu bleiben und Schwäche des Körpers und des Geistes zurückzulassen.

Der wunderliche Geuithuisen sollte bald Sie und auch mich durch seine Indiskretion kompromittirt haben. Wenigstens werden wir beide in einem englischen Journal- Artikel mit ihm zugleich genannt, worin man sich bitter über seine Phantastereien auslässt.

Möchte ich bald hören^BMi theuerster Gauss, dass es sich mit dem Befinden ]hrer verehM^Ä|tin immer mehr bessert. Meine innigsten, herzlichsten Wü^M^^Bi dahin gerichtet; und auch des- wegen sehe ich mit Sehnsj^^^^Hvommenden Frühling entgegen, der für Kranke und Schwach^^^^^^Hlilthätig wirkt.

No. 609.

Herzlich danke i worauf ich heute sogl

Es würde mir se zu wissen, die Hr. Iv aus Pendellä'^ sich befind

Olbers.

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Göttingen, 1827 März 1.

hr gütiges Schreiben vom 25. Febr., }f^ri antworte.

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Gauss an Olbers. Göttingen, 1827 Miirz 1.

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dass Sie die ziceite BegTüiidung in der Th. Comb. Obs. meinen, nicht die erste in der Tli. Mot. Corp. Cod., die damit nichts aemein liat?

]\Ieine\) Ahliandlung: oder vielleicht richtiger meine erste Abhand- lung liher die krummen Flächen") habe ich vollendet; ich werde sie aber der Societät noch nicht übergeben, da doch auf die Ostermesse kein Band herauskommt. Die beiden von mir 1825 und 1826 übergebenen Abhand- lungen über die BiquiidratiscJieii Beste-) und Suppl. Th. Comb. Obs.-) sind noch nicht zu drucken angefangen. Jene Abhandlung enthält zur unmitteJbaren Benutzung in meinem künftigen Werk über die Messung eigentlich nur ein paar Sätze, nämlich 1) was zur Berechnung des xcesses der Summe der 3 Winkel über 180° in einem Dreiecke auf iner nicht sphärischen Fläche, wo die Seiten kürzeste Linien sind, •forderlich ist. 2) wie in diesem Fall der Excess auf die drei Winkel tqleicli vertheilt vrerden muss, damit die Sinus den Seiten gegenüber pro- 1 tional werden. In praktischer Rücksicht ist dies zwar ganz unwichtig, il in der That bei den grössten Dreiecken, die sich auf der Erde messen en, diese Ungleichheit in der Vertheilung unmerklich wird, aber die de der Wissenschaft erfordert doch, dass man die Natur dieser eichheit klar begreife. Und so kann man allerdings hier, wie ausrufen: Tantae molis erat, um dahin zu gelangen. Wichtiger Is die Auflösung dieser 2 Aufgaben ist es, dass die Abhandlung allgemeine Principien begründet, aus denen künftig in einer ^'nt ersuchung die Auflösung von einer Menge wichtiger Auf- •itet werden kann. le noch einmal auf den im Anfang dieses Briefes erwähnten ück. Ich habe bei allen meinen Hülfstafeln und Rech-

Abplattung -^vr^r^^) zu Grunde gelegt, aber ich

amtlichen bisherigen Gradmessungen, wenn man ihre fnähme, zeigen würden, dass die SABiNE'sche Ab-

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gewiss ist, ist, dass die Erde ein unregelmässiger

iiöhe der Orte (ganz abstrahirt von Beobachtungs-

1 immer mehrere Sekunden (vielleicht hier und da

lis „beurtlieilen können" wieder abgedruckt in Gauss' Werken

Krm. . No. 627 und die betreffende Anmerkung. Zur Abli. über die iC'be auch Brief No. 552 vom 20. März 1825. Krm. e-f Xo. 523 vom 6. Juü 1824 und die Anmerkung 2 auf S. 333. Krm.

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470 Gauss an Olbers. Göttingen, 1827 März 1.

zufolge bessert es sich mit La Place. Aber in seinem Alter pflegt die Besserung nach einer so schweren hitzigen Krankheit mehrentheils unvollkommen zu bleiben und Schwäche des Körx)ers und des Geistes zurückzulassen.

Der wunderliche Gkuithuisen sollte bald Sie und auch mich durch seine Indiskretion kompromittirt haben. Wenigstens werden wir beide in einem englischen Journal- Artikel mit ihm zugleich genannt, worin man sich bitter über seine Phantastereien auslässt.

Möchte ich bald hören, mein theuerster Gauss, dass es sich mit dem Befinden Ihrer verehrten Gattin immer mehr bessert. Meine innigsten, herzlichsten Wünsche sind dahin gerichtet; und auch des- wegen sehe ich mit Sehnsucht dem kommenden Frühling entgegen, der für Kranke und Schwache oft so wohlthätig wirkt.

No. 609. Gauss an Olbers. [m

Göttingen, 1827 März 1.

Herzlich danke ich Ihnen für Ihr gütiges Schreiben vom 25. Febr., worauf ich heute sogleich einige Zeilen antworte.

Es würde mir sehr angenehm sein, etwas Näheres von den Gründen zu wissen, die Hr. Ivory gegen die Bestimmung der Gestalt der Erde aus Pendellängen vorgebracht hat. Sollte die Abhandlung, worin sie sich befinden, nicht gar zu neu sein, so mrd es wohl zureichen, wenn Sie mir nur gütigst anzeigen, wo sie steht, indem es, wie ich hoffe, mir dann möglich sein wird, sie mir hier zur Ansicht zu verschaffen. Ich habe bisher nur eine Abhandlung von Ivoey gesehen, die aus den Phil. Trans. 1824 besonders abgedruckt ist; diese aber hat eigentlich nur ein theoretisches Interesse, da sie sich nur auf ein homogenes Fluidum bezieht. In dieser, obwohl sie ohne Zweifel viel Schönes enthält, ist mir beim flüchtigen Durchblättern doch einiges dunkel geblieben, und namentlich ist es mir vorgekommen, als ob Hr. Ivoet Unrecht hat, falls er behauptet, dass die Bedingung der Normalität der Richtung der resultirenden Kraft für jeden Punkt der Oberfläche, auf diese Oberfläche, noch unzulänglich für das Gleichgewicht sei, und als ob in der Dar- stellung keine rechte logische Ordnung herrsche. Doch habe ich. wie gesagt, die Abhandlung nur durchblättert. Gleichfalls würde es mir lieb sein, die Abhandlung, worin Hr. Ivory eine neue Begründung der Methode der kl. Q. versucht haben soll, falls diese Abhandlimg nicht mit der ersteren identisch ist, näher citirt zu sehen. Wenn Sie urtheilen, dass meine Begründung Sie mehr befriedige, so verstehe ich dies so,

Gauss an Olbers. Güttingfen, 1827 März 1. 471

dass Sie die zweite Beg-riniduno: in der TJi. Comb. Obs. meinen, nicht die erste in der Tli. Mot. Corp. Cod., die damit nichts gemein hat?

Meine \) AJjliandlung- oder vielleicht richtiger meine erste Abhand- lungf über die krummen Flächen-) habe ich vollendet; ich werde sie aber der Societät noch nicht übergeben, da doch auf die Ostermesse kein Band herauskommt. Die beiden von mir 1825 und 1826 übergebenen Abhand- lungen über die Biquadratischen Beste"-) und SiippJ. Tli. Comb. Obs.") sind noch nicht zu drucken angefangen. Jene Abhandlung enthält zur unniitteJbare)i Benutzung in meinem künftigen Werk über die Messung eigentlich nur ein paar 8ätze, nämlich 1) was zur Berechnung des Excesses der iSumme der 3 A\'inkel über 180° in einem Dreiecke auf einer nicJit sphärischen Fläche, wo die Seiten kürzeste Linien sind, erforderlich ist, 2) wie in diesem Fall der Excess auf die drei Winkel nngleich vertheilt werden muss. damit die Sinus den Seiten gegenüber pro- portional werden. In praktischer Eücksicht ist dies zwar ganz unwichtig, weil in der That bei den grössten Dreiecken, die sich auf der Erde messen lassen, diese Ungleichheit in der Vertheilung unmerklich wird, aber die Würde der Wissenschaft erfordert doch, dass man die Natur dieser Ungleichheit klar begreife. Und so kann man allerdings hier, wie öfter, ausrufen: Tantae molis erat, um dahin zu gelangen. Wichtiger aber als die Auflösung dieser 2 Aufgaben ist es, dass die Abhandlung mehrere allgemeine Principien begründet, aus denen künftig in einer speciellen Untersuchung die Auflösung von einer Menge wichtiger Auf- gaben abgeleitet werden kann.

Ich komme noch einmal auf den im Anfang dieses Briefes erwähnten Gegenstand zurück. Ich habe bei allen meinen Hülfstafeln und Rech- nungen Walbeck's Abplattung ^) zu Grunde gelegt, aber ich

glaube, dass die sämmtlichen bisherigen Gradmessungen, wenn man ihre Daten vollständig aufnähme, zeigen würden, dass die SABiNE'sche Ab- plattung -^^^ sich beinahe ebenso gut damit würde vereinigen lassen,

und es scheint mir, dass alle bisher vorhandenen Gradmessungen noch viel zu kleine Ausdehnung haben, um die Abplattung in engere Grenzen einzuscliliessen. Was gewiss ist, ist, dass die Erde ein unregelmässiger Körper ist; die Polhöhe der Orte (ganz abstrahirt von Beobachtungs- Fehlern) schwanken immer mehrere Sekunden (vielleicht hier und da

^) Von hier ab bis „beurtheileu kouneu-' wieder abgedruckt iu Gauss' Werken Bd. IX, S. 377—379. Krm.

^) Vergl. Brief No. 627 und die betreffende Anmerkung. Zur Abb. über die Biquadrat. Reste siehe auch Brief No. 5-52 vom 20. März 1825. Krm.

*) Yero-l. Brief No. 523 vom 6. Juli 1824 und die Anmerkung 2 auf S. 333. Krm.

^'j2 Gauss an Olbers. Göttingen, 1827 März 1.

viele Sekunden) um die Werthe, die man unter Voraussetzung irgend eines regelmässigen EUipsoids herechnet, und ebenso schwanken die Avirklicben Pendellängen um die berechneten (das mittlere Schwanken der Pendellängen vielleicht -^V englische Linie). Aber eben deshalb können Gradmessungen von kleiner Ausdehnung wenig zur Kenntniss der mittleren Gestalt der Erde beitragen, namentlich halte ich den Lapländischen Bogen für viel zu klein. Um so wichtiger, däucht mir, ist es, dass nach und nach alle scharfen Triangulirungen in Eui'opa in einen Zusammenhang gebracht werden. Ich habe jetzt Hoffnung, die baj'rischen Dreiecke mitgetheilt zu erhalten. "Wenn erst alle eui-o- päischen Sternwarten von Abo bis Palermo und von Nicolajew bis Dublin durch Dreiecke zusammenhängen, so dass ihi^e relativen Lagen gegen einander mit aller Genauigkeit, die die feinsten geodätischen Messungen verschaffen können, bestimmt sind, so "\\Trd man, d. i. so werden unsere Nachkommen alles mit viel mehr Sicherheit beurtheilen können.^)

In dem neuesten Stück der Hertha wii'd ein Memoire von Epailly erwähut über seine Messungen im Hannoverschen; ist Ihnen darüber etwas Näheres oder auch nur der Titel bekannt?

Nach einem Briefe des Hrn. v. Hu3iboldt-) behauptet zwar La Place's Arzt Magexdie, ihn von seiner Krankheit, einem bösartigen Nerven- fieber, geheilt zu haben, allein der Geheilte ist doch nach Humboldt noch unendlich schwach, verdaut schlecht und spricht oft ohne Zu- sammenhang. — Ich bin überzeugt, dass Humboldt's Kückkehr nach Berlin dem Gedeihen der exakten "Wissenschaften in Deutschland die gi^össten Vortheile bringen wird. Auf das Lebhafteste interessh't er sich dafür, dass jedes ausgezeichnete Talent aufgemuntert werde.

Die grösste Kälte hatten wir hier am 19. Morgens; um 8 Uhr las ich selbst 21",5, eine Stunde vorher hatte Hakding 22'',0 gelesen. Die heitere Nacht vom 25. 26. wollte ich zu einer vorläufigen Be- stimmung von Sternen benutzen, die ich am Zenithsektor beobachten werde; allein der grosse Temperatur-L^nterschied (aussen ll°r5. innen 4") machte die Sterne so undeutlich, dass sie ein fast kometenartiges Ansehen hatten; um 3 Uhr früh fing es auch an trübe zu werden. Unter ähnlichen Umständen, wo nur kleine Oettuungeu und massige Yergrösserungen leidliche Bilder geben, könnten Sie leicht der Präcision Ihres Fraunhofer Unrecht thun. Ich selbst gestehe gern, [dass ich]^) noch durch kein Sehwerkzeug gesehen habe. Avas der Präcision meiner beiden

^) Siehe Anmerkung 1 auf der vorigen Seite. Seh.

^) Briefwechsel A. v. Hlmboldt-Gacss. Brief No. 19 vom 16. Febr. 1827. Krm.

^) Diese Worte sind im Oriyiualbrief abuerisseu. Krm.

Olbers an Gauss. Bremen, 1827 März 10. 473

Meridian-Instrumente gleichkäme, insofern die Luft günstig ist. Sonder- bar ist, was icli öfter (auch in jener Nacht) bemerkt zu haben glaube, dass die sehr ungleiche Temperatur bei sehr heftigem Winde weniger nachtheUig wirkt.

Von Hrn. Excke habe ich lange nichts gehört und weiss nicht, ob das Jahrbuch fortbestehen wird oder nicht. Für das laufende Jahr habe ich bisher weder ScHUMACHEE'sche Hülfstafeln noch Mailänder EpJiemeriden [erhalten].

Mit der Gesundheit meiner Frau geht es leider nicht besser, son- dern eher scheinen mehrere Uebel, namentlich das immerwährende Er- brechen und die fast al)solute Unfähigkeit, Nahrungsmittel zu nehmen, noch zugenommen zu haben.

Bessel habe ich vor einigen Monaten auf die Rechnungsdifferenzen ^) aufmerksam gemacht. Uebrigens sind sie zu klein (nur 0",1 bis 0",2), als dass sie zur Aufklärung des ümstandes, dass er alle Sterne süd- licher setzt, als alle anderen Astronomen (auch meine Beobb.), beitragen könnten. Sehr vermindert würde letzterer Unterschied, wenn er keine Biegung in Beclinung gebracht liätte, wie in der That die direkten Versuche auch keine Biegung gaben. Aber wie soll man erklären, dass •^eine Reflexionsbeobb. eine solche Biegung ergeben hatten?

No. 610. Olbers an Gauss. [323

Bremen, 1827 März 10.

Ich muss mich in meinem letzten Briefe wohl sehr unrichtig aus- gedrückt haben. Nicht gegen die Bestimmung der Figur der Erde aus Pendellängen, sondern gegen die Anwendung der Methode der kleinsten Quadrate, um aus den beobachteten Pendellängen die wahrscheinlichste Figur der Erde zu bestimmen, ist Ivokt's Aufsatz gerichtet. Damit Sie, mein allertheuerster Freund, keine Mühe haben, sich erst dort die IvoRT'schen kleinen hierher gehörigen Abhandlungen") zu verschaffen, schicke ich Ihnen beikommend die Stücke des Fhilos. Mag., worin sie enthalten sind. Ich habe noch den Nov. hinzugefügt, damit Sie gleich übersehen können, was Ivoky für ein Endresultat aus allen Pendelbeobb. zieht. Sie werden wahrscheinlich leicht Gelegenheit finden, mir diese 3 Stücke mit einem nach seiner Vaterstadt zurückkehrenden Bremer

^) "Vergl. Brief Xo. 607 Tom 14. Jan. 1827 an Olbeks und die Annierkimg: 1 auf S. 466. Krni.

-) On the Method of least Squares, und On the Ellii)ticity of the Eartb, as de- duced from experiments made Avith the Pendulum. Phil. Mag. LXVIII. 1826. Krm.

474 Olbers an Gauss. Bremen, 1827 März 10.

wieder zu schicken. Es scheint mir, dass Kapt. Sabine den reizbaren IvoEY auf irgend eine Art beleidigt hat (vielleicht dadurch, dass er ihm sein "Werk nicht geschickt hat), und dass Ivort deswegen den Beobb. und Arbeiten Sabine's keine völlige Gerechtigkeit widerfahren lässt.

Die Hertha zu lesen, habe ich keine Gelegenheit, und von Epailly's iVIemoiren ist mir durchaus nichts bekannt.

Ich fürchte sehr, dass La Place sich nicht soweit wieder erholen wird, um noch für die Wissenschaft bedeutend nützlich sein zu können. Was Sie mir über Humboldt sagen, erfreut mich sehr. Ich wünschte nur, dass Humboldt erst definitiv Paris verlassen hätte. Er hat bisher seine Pläne nicht immer ausgeführt.

Auch ich habe weder Schumachee's Hülfstafeln noch die Mailänder Epliemeriden [erhalten]. Was die ersten betrifft, so frug ich vor mehreren Wochen bei Schumacher an, ob sie noch nicht erschienen wären. Schu- macher hat aber garnicht darauf geantwortet. Ich habe meine Frage nicht wiederholen mögen, indem ich nun vermuthete, er glaube vielleicht, sie mir schon längst geschickt zu haben. Es ist mir nämlich schon mehr[fach] begegnet, dass seine Aufträge, mir dies oder jenes zu schicken, von seiner Umgebung nicht ausgeführt sind. Ich bestellte mir also ein Exemplar bei einer hiesigen Buchhandlung; aber es ist noch nicht an- gekommen. — Aus der neuesten, 116. No. der A. N., worin Ihre Ab- handlung über die Berichtigung des Heliotrops abgedruckt ist, werden Sie sehen, wie es künftig mit dem Be7-l. Jahrbuch werden soll. Als Ephemeride wird das Jahrbuch gewiss ausserordentlich gewinnen; aber es tliut mir herzlich leid, wenn unser trefflicher Encke einen so grossen Theil seiner Zeit und Kräfte bloss auf solche Eechnungen künftig ver- wenden soll.

Mit meinem Fraimhofer werde ich immer mehr zufrieden, je mehr ich ihn kennen lerne, und ich zweifle nicht, er wird, wenn ich erst die innere und äussere Lufttemperatur mehr gleich machen kann, wenig zu wünschen übrig lassen.

Wir haben jetzt grosse Wassersnoth. Bremen ist rings vom Wasser umflossen, und wir wohnen jetzt auf einer Insel. Die Kommunikationen sind sehr unterbrochen. Noch nie erreichte die Weser einen so hohen Stand.

Sehr neugierig bin ich auf Ihr belehrendes Urtheil über die beiden Aufsätze von Ivory.

Gauss an Olbeis. Güttiugen, 1827 März 15. 475

Nu. 611. Gauss Uli Ulbers. 1288

Göttingen, 1827 März 15.

IchM bin Ihnen selir verptiielitet für die gefl. Uebersendnng der drei Hefte des Phil. Mag. Ich habe die Aufsätze von Ivory durch- gesehen, und ich würde sagen müssen, dass ich dadurch sehr befremdet sei, wenn ich nicht durch die Abhandlung in den Phil. Trans., deren ich in meinem letzten Briefe erwähnte, schon vorbereitet gewesen wäre. Ich hatte Hrn. Ivoky längst als einen scharfsinnigen Mathematiker gescliätzt, der im Kalkül grosse Gewandtheit hat, von diesem Urtheil gehe ich auch noi-h niclit ab; allein rücksichtlich des Hauptpunkts in der erwähnten Abhandlung vermisse ich den logischen Zusammenhang und erkenne darin nichts weiter als eine baare Petitio princijp'd. Sie werden mich nicht missverstehen. Ich lege wenig Werth auf eine streng logische Einkleidung, die, in Schriften für Männer und Kenner, oft nur Pedanterie sein würde; aber der streng logische Zusammenhang muss sich, wo es nur gefordert wird, überall nachweisen lassen, dies ist eine unerlässliche Bedingung eines guten Vortrags. Wenn ich einen ^lathematiker sehr hochschätze und hierin etwas vermisse, so denke ich immer zuerst, dass es bloss im Vortrag liegt, und gehe schwer daran, anzunehmen, dass der Gedanke selbst leer ist. Aber bei Hrn. Ivory's drei Aufsätzen bin ich leider dazu genöthigt.

Die Abhandlung über die kleinsten Quadrate ist denn doch wirklich unter aller Kritik. Welche Verworrenheit, Unklarheit und völliger Mangel logischer Bündigkeit! Aber darüber könnte man noch weg- sehen, wenn wirklich ein reeller Gedanke zu Grunde läge. Allein das ist durchaus nicht der Fall. Wie ist es möglich, dass das Geschwätz p. 163 u. 164 und als ein proof „that this principle leads necessarily to the method of the least Squares" venditirt wird! In der That weit ent- fernt, dass daraus eine Nothwendigkeit der Methode der kleinsten Qua- drate folge, kann man dieses Ganze*) auf jede heliebige andere Be- handlung der vorgegebenen Gleichungen anwenden; z. B. wenn, anstatt sie mit a, a', a" zu multipliciren, man sie mit irgend einer Potenz dieser Koefficienten multiplicirte oder auch sie dividirte. Die Abhand- lung scheint in der That halb im Schlafe geschrieben zu sein, und Sie erlassen mir wohl, noch mehrere einzelne Stellen anzustechen, die Sie

^) Der Brief ist bis zu „das ENDE'sche Verfahren" auch abgedruckt in Gauss' Werken Bd. YHI, S. 143—145. Krm.

*) Versteht sich mit Ausnahme der Folge, dass e s -{- e' s' -\- s" e" .... ein Mi- nimum wird; aber dies soll ja eben nicht Axiom sein, sondern bewiesen werden.

^7g Gauss an Olbers. Göttingen, 1827 März 15.

sogleich selbst bemerken werden, so bald Sie nur nicht von einer vor- gefassten Meinung ausgehen, dass irgend etwas daran ist.

Wenig besser scheint mir der andere Aufsatz über die Pendellängen; die Vorwürfe, die er der Anwendung der Methode der kleinsten Quadrate macht, zeigen mir, dass ihr Geist dem Hrn. Ivoey ganz fremd ist. Ich finde, dass Hr. Sabine diese Methode im Wesentlichen ganz richtig angewandt hat die Form der Anwendung ist allerdings nicht die zweckmässigste, und ich habe, unter uns gesagt, eigentlich Sabine, Pauckee und Muncke in der neuen Ausgabe von Gehlee, bei meiner Anmerkung in den Ä. N.^) No. 110 p. 230 mit im Sinn gehabt ; aber darin hat er ge- fehlt, dass er den mittleren zu befürchtenden Fehler in den Resultaten nicht mit berechnet hat, und dass er durch einen Umstand, welchen Hr. Ivoey mit Recht tadelt, nämlich durch die Zusammenstellung der verschiedenen Resultate aus verschiedenen Kombinationen, wobei immer seine Beobb. in der Nähe des Aequators einen überwiegenden Einfluss behalten müssen, den Schein einer viel grösseren Genauigkeit der End- resultate hervorbringt, als diese wirklich haben. In der That ist es damit gewissermaassen so, obwohl lange nicht in dem Maasse, wie der verstorbene Ende zuweilen Polhöhenbestimmungen nach Douwe's Me- thode machte, indem er immer dieselbe Höhe in der Nähe des Mittags mit verschiedenen weit davon entfernten verband und dann Resultate fand, die innerhalb 0",01 übereinstimmten.

Einzeln widerlegen kann man diesen Aufsatz von Ivokt ebenso schwer, da darin ebenso wenig logische Ordnung ist; ich finde auch nicht den allerkleinsten Grund gegen die Zweckmässigkeit der Methode der kleinsten Quadrate darin; aber was soll man von dem Verfahren sagen, welches Ivory dafür substituiren will, indem er die kleinste Pendellänge mit vielen in grossen Breiten kombinirt, das ist ja eines verständigen Mathematikers ganz unwürdig und eigentlich das -E'.vWsche Verfahren.-)

Die Ä. N. habe ich erst bis No. 114, vielleicht bringt Lt. Nehus, den ich täglich hier erwarte, die folgenden mit; ich bin neugierig, ob Schumachee bei der Abhandlung über den Heliotrop auch die Figuren hat stechen lassen, in welchem Fall ich wohl mich von weiterer Be- schreibung ganz dispensiren kann, da jeder dann das ^^'eselltlic]le von selbst begreift.

Ihrer gütigen Erlaubniss zufolge behalte ich das Journal noch hier, zumal da manche der übrigen Aufsätze interessant scheinen. Auf dem Umschlage sehe ich, dass in Vol. 59 eine Theorie der Parallellinien von Ivoey stellen soll, ich bin aber durch die gegenwärtigen Artikel fast abgeschreckt, mich zu bemühen, ihre Einsicht zu erhalten.

^) Siehe auch Gauss' Werke Bd. \1, S. 457. Kriu.

^) Siehe Aumerkunüf 1 auf der vorhergehenden Seite. Krni.

Olbers au Gauss. Bremen, 1827 April 28. 477

"Den unersetzliclieii VtTlnst. welchen die "Wissenschaften durch La Place's Tod erlitten haben, Averden Sie nun auch schon wissen. Humboldts Brief scheint doch gar keinen Zweifel übrig zu lassen, dass sein Engagement fest ist. Auch mag der Aufenthalt in Paris jetzt in mancher Beziehung nicht mehr die Annehmlichkeiten haben wie ehe- mals. — Nach Ihrem vorletzten Briefe vermuthe ich fast, dass Poisson irgendwo auf Ivort's Abh. in den Phil. Trans. 1824 geantwortet hat, was mir aber noch nicht zu Gesicht gekommen ist.

P. S. Ich habe in diesen Tagen das Vergnügen gehabt, die sämmt- lichen ba5nischen Dreiecke von Hrn. v. Utzschneidee mitgetheilt zu erhalten.

No. 612. Olbers an Gauss. [324

Bremen, 1827 April 28.

Vielen, recht vielen Dank für Ihre gütige Belehrung über Ivory's Aufsätze. Allerdings glaubte auch ich die Unbündigkeit seiner Schlüsse zu bemerken; aber des Verfassers Namen imponirte, und ich traute meinem eigenen Urtheil nicht. Unmöglich konnte ich denken, dass ein sonst so scharfsinniger, im Kalkül so gewandter Mathematiker mit einer solchen Keckheit so leeres Gewäsch vortragen würde, wie mir das von ihm Vorgebrachte zum Theil zu sein schien.

Dass es übrigens vielen sehr schwer wird, sich den Grund der Methode der kleinsten Quadrate deutlich zu denken, sehe ich auch noch aus „Dr. Nüenberger's Betrachtungen über die Methode der kleinsten Quadrate", die er mir kürzlich zugeschickt hat. Ich bin verlegen, ob und wie ich diese Höflichkeit erwidern soll, da ich doch unmöglich anders sagen kann, als dass dieses kleine Schriftchen nichts taugt.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich mir von Ihnen, mein theurer Freund, noch über einen Umstand entweder schriftlich oder künftig gedruckt eine Belehrung ausbitten. Die Vorschrift ist, man soll alle unter gleichen Umständen und mit gleicher Sorgfalt angestellten Beobb. zur Bestimmung der x, y etc. nach der Methode der kleinsten Quadrate anwenden. AVenn aber nun auf diese Art x, y etc. bestimmt ist, und man findet bei der Substitution der für sie gefundenen Werthe in die Gleichungen, dass eine oder ein paar der Beobb. ungewöhnlich und sprungweise von den übrigen abweichen, so wird man diese weglassen und aus den übrigen die Bestimmung von Neuem machen. Die unge- wöhnliche Abweichung zeigt nämlich, dass bei diesen Beobb. ein Fehler aus einer Fehlerquelle vorgefallen ist, die alle übrigen nicht afficirt.

^yg Olbers an Gauss. Bremen, 1827 April 28.

z. B. durch unrichtiges Ablesen, Schreibfehler im Aufschreiben, unver- merktes Verrücken des Instruments u. s. w., und dass man also diese allerding-s weglassen muss. Aber das ungeivöhnliclie oder zu starke Ab- weichen bleibt doch etwas unbestimmt, und da möchte ich gern etwas genauere Vorschriften haben, wie gross die Abweichung von dem mitt- leren oder wahrscheinlichen Fehler sein muss, wenn man eine Beob. mit Recht verwerfen soll.

Jetzt werden Sie sich, lieber Gauss, wohl schon entschieden haben, ob. Sie diesen Sommer den astronomischen Theil Ihrer Gradmessung vornehmen wollen. Zwar sehe ich im Lektionskatalog Ihre Vorlesung angekündigt; aber dies ist doch nur bedingungsweise. Ich hatte vor 8 oder 10 Tagen Gelegenheit, hier den Direktor Hüpeden aus Celle in einer Gesellschaft zu treffen, der mir auch viel Erfreuliches von Ihrem lieben Sohn erzählte. Hüpeden wollte von Ihnen erfahren haben, dass Sie Avahrscheinlich schon im Anfange des Mai Ihre Campagne beginnen würden und nur noch zur näheren Bestimmung des eigentlichen Tages Nachrichten aus Altona erwarteten. Es wird mich sehr freuen, wenn dieser noch fehlende Theil Ihrer so einzigen Vermessung noch bei meinen Lebzeiten geendigt wird. Sollten Sie wirklich diesen Sommer beobacliten, so mache ich mir einige entfernte Hoffnung, dass Ihre Güte und Freundschaft Sie vielleicht bewegen könnte, auch Ihren alten Bremer Freund mit einem Besuche zu erfreuen. Bedenken Sie, lieber Gauss, dass ich jetzt 69 Jahre alt bin, und dass Sie mich nicht oft mehr be- suchen können.

Mein lieuev FraiiuJiofer macht mir manches Vergnügen; doch muss es recht heitere und in und ausser dem Zimmer gleich temperirte Luft sein, wenn man seine Leistungen recht schätzen will. "Wie viele von den t> Trabanten ich damit sehen kann, weiss ich nicht, weil Saturn jetzt mit so vielen kleinen Fixsternen umgeben ist, und ich die Stellung der Trabanten nicht berechnet habe. Mit meinem DoUond sah ich auch unter den günstigsten Umständen nur 3. Steuve sieht jetzt 6 und ist, wie ehemals Schroetee, geneigt, das Dasein des 7. zu bezweifeln; allein darüber wird Steuve erst urtheilen können, wenn der Saturn für unsere gewöhnlichen Fernrohre wieder die runde Gestalt annimmt. Nur dann, wenn der Eing für gewöhnliche Fernrohre verschwunden war. hat Herschel diesen innersten Trabanten gesehen.

Von Benzenbeeg habe ich kürzlich wieder einen Brief gehabt. Seine Gesundheit ist im Ganzen besser; die rechte Seite bleibt aber schwach. Der Brief war noch nicht mit seiner Hand geschrieben. Er wohnt jetzt wieder in Düsseldorf.

Sonst giebt es in astronomicis, so viel ich weiss, nichts erhebliclies Neue. An G.vjmbaet habe ich schon vor mehr als 2 Monaten jreschriebeu

Gauss an Olbers. Güttingen, 1827 Mai 3. 479

und ihn auffrefunleit, iiiii- nähere Xachiicht über das sonderbare Ge- stirn zu geben, das er im Nov. 182(3 nicht weit von a Scrpentis und nahe am Horizont g:eselien haben soll, aber bisher keine Antwort er- halten. Xeugierio- bin ich, etwas Näheres von Damoiseau's Vorlesung über einige neuere Kometen zu erfahren; vermuthlich ist er darin unserem nun nach ]\Iiinchen gegangenen Clausen in Ansehung des merkwürdigen Kometen von 1772, 1805 und 1820 zuvorgekommen. Clausen zögert mit seiner Bearbeitung der Theorie dieses Kometen, wie mich dünkt, zu lange und verwendet zu viel Zeit auf andere Untersuchungen, die noch aufgeschoben werden könnten.

No. 613. Gauss an Olbers. [289

Göttingen, 1827 Mai 3.

Auf Eir gütiges Schreiben, welches ich so eben erhalten habe, beeifere ich mich, eine freie Stunde benutzend, sogleich einige Zeilen zu erwidern.

Vor^) etw'a 6 Wochen hatte ich das Vergnügen, Hrn. Dieichlet, von dem ich glaube, Hinen schon einmal geschrieben zu haben, hier persönlich kennen zu lernen. Ich erwähnte gegen ihn des schlechten Aufsatzes von Ivort; er kannte ihn nicht selbst, sagte mir aber, Hr. FouRiER habe ihm gesagt, dass er „Unsinn" sei, und dass er (Fouriek) sehr über einen lobhudelnden Artikel darüber im Ferrussac gelacht habe. Ungefähr ebenso wie ich habe er auch über sein Memoire von der Gleichgewichtsgestalt einer rotirenden homogenen Flüssigkeit ge- urtheilt. Es war mir überraschend, noch in mehreren anderen Be- ziehungen, über Personen und Sachen, eine ausserordentliche Ueberein- stimmung Hrn. Foubier's mit meinen Urtheilen zu erfahren. Z. B. über imaginäre Grössen, über die Unbew^eisbarkeit der Geometrie a priori etc. Nachdem ich Hrn. Dirichlet z. B. über letztere meine Ansicht kurz angedeutet hatte, sagte er, dass ihm Fourier die seinige fast mit den nämlichen Worten gesagt habe. Hr. Dirichlet ist, vorerst nur als Privatdocent, aber doch mit Gehalt von 400 Ethlr. nach Breslau ver- setzt, und es ist mir eine grosse Freude, dass, wie es scheint, meine Empfehlung dazu beigetragen hat.

^) Ton hier ab bis „den nämlichen Worten gesagt habe" auch abgedruckt in Gauss' "Werken Bd. VIII, S. 188; ebenfalls der Passus „zu einer erfolgreichen An- wendung" bis „Einsicht zu verfahren" in Bd. VIII, S. 152—153. Krm.

480 Gauss an Olbers. Göttingen, 1827 Mai 3.

Zu^) einer erfolgreichen Anwendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf Beobb. ist allemal möglichst umfassende /S^ac/ikenntniss von höchster Wichtigkeit. Wo diese fehlt, ist das Ausschliessen wegen grösserer Differenz immer misslich, wenn nicht die Anzahl der vorhandenen Beobb. sehr gross ist. Alle einzelnen Bestandtheile des Beobachtungs- fehlers, deren Vermeidung ausser unserer Gewalt liegt, haben gewiss Grenzen, wenn wir auch nicht im Stande sind, sie scharf anzugeben. Es giebt sehr viele Fälle, wo wir mit Gewissheit sagen können, dass ein vorgekommener grosser Fehler ausserhalb der Grenzen der Mög- lichkeit solcher Fehler liegt und ein ausserordentliches Versehen be- gangen sein muss. Die muss man natürlich ausschliessen. So lange man sich aber die Möglichkeit denken kann, dass der Fehler durch unglückliche Konspiration der Bestandtheile hervorgegangen ist, soll man nicht ausschliessen. Zuweilen kann es freilich auch Fälle geben, wo man zweifelhaft ist, ob man sie zur. ersten oder zweiten Klasse zählen soll; da halte man es, wie man will, mache sich aber zum Ge- setz, nichts zu verschweigen, damit andere nach Gefallen auch anders rechnen können. Die Zahlenwerthe der Resultate werden, man halte es, wie man wolle, gleiche Brauchbarkeit haben, aber ihre Zuverlässig- keit riskirt man für zu gross auszugeben, wenn man mit dem Aus- schliessen zu schnell bei der Hand ist. Geschäfte dieser Art scheinen mir schon mehr Analogie mit dem Handeln im Lehen zu haben, wo man selten oder nie mathematische Strenge und Gewissheit hat, und wo man sich begnügen muss, nach bester überlegter Einsicht zu verfahren.

Hr. NüENBEEGEE hat mich auch mit seiner Abh[andlung] beehrt. Obgleich ich natürlich darüber ebenso urtheile wie Sie, so habe ich mich doch gehütet, ihm dieses Urtheil anzuzeigen, da ich aus Erfah- rung weiss, dass es immer eine vergebliche Mühe ist, schlechten Schrift- stellern über ihre Fehler die Augen öffnen zu wollen. Ich habe mir also auf eine hofmännische Art geholfen, indem ich ihm einige allge- meine, im Grunde nichtssagende Komplimente über sein Bestreben, ab- strakte Gegenstände zu popularisiren, gemacht habe, ohne im Geringsten auf seine gegenwärtige Abh[andlung] zu entriren. Es kam mir zu Statten, dass ich ihm die vollständige Auflösung einer vor einigen Monaten im lieichsanzeiger aufgegebenen Aufgabe beifügen konnte, wovon er selbst (Nürnberger) in einem späteren Blatt eine unrichtige gegeben und von dem anonymen Einsender der Aufgabe weitere Aufklärung ge- wünscht hatte. Die Aufgabe war: aus einem Fass von 2000 Maass Branntwein mit 80°/o Spiritusgehalt werden täglich 15 Maass ausge- schöpft und dann 12 Maass von 40° Gehalt nachgegossen; nacli wie viel Tagen wird der Gehalt auf 50 7^ reducirt sein?

') Siehe die Anmerkung auf der vorlierq:ebendeu Seite. Krm.

Gauss an OHht-i nütting:en, lt>27 Mai 3. 481

Pie Benbl».') am Zeii.->tkt. liahe ich hier schon in den ersten Tagen des Apr. angefangen unter I^eihülfe des Hrn. Nehus. der ein sehr ge- schickter Beobachter ist. Ich habe 37 Sterne von 13'' 27'"— 17''0'".7i* ausgewählt, wovon ich wenigstens die Mehrzalil 12 Mal zu beobachten wünsche. Durch die Jahreszeit und durch den Umstand, dass bei Allianz- Arbeiten man über rasches Ineinandergreifen weniger Herr ist, bin ich zu einer so grossen Ausdehnung genüthigt, da sehr zu be- fürchten ist. dass ich von einem grossen Theil der Sterne in Altona wenig oder gar keine korrespondirenden [Beobb.] mehr werde erhalten können. Unter Begünstigung des "Wetters kann ich vielleicht unter 8 Tagen hier fertig sein. Der Sektor ist ein unbequemes Instrument, besonders für einen Kurzsichtigen. Glücklicher Weise ist Hr. Nehus ein sehr brauchbarer Gehülfe. Aber schmerzlich empfinde ich und werde es empfinden, dass ich bei den langen mechanischen Rechnungen über wenig nachhaltige Hülfe gebieten kann. 8 Sterne habe ich bisher reducirt, und es scheint, dass der mittlere Fehler einer Beob. etwa r',05 (wahrscheinlicher 0",7) ist, ungefähr ebenso gross wie am Meri- diankreise, insofern man sich nicht auf besonders günstige Luft ein- schränkt. Ich glaube, dass der grössere Theil dieses Fehlers, als von dem Tremuliren der Sterne abhängig, durchaus unvermeidlich ist. und also eine grössere Vollkommenheit der Instrumente für laufende Beobb. von geringem Werth ist. Bei Beschränkung auf günstige Luft, die aber immer nur wenige Stunden dauert und manchmal Monate lang gar nicht eintritt, ist der Fehler am Mer[idian]-Kr[eis] viel geringer, insofern man mit Mikroskopen statt der Verniers abliest und den Null- punkt immer durch Nadirbeobb. bestimmt.

"Wie sehr ich wünsche, Sie, bester Olbees, bald einmal in Bremen zu sehen, brauche ich [Ihnen ja]^) nicht zu sagen. Ich weiss aber nicht, ob dies bei der vorhabenden Expedition nach Altona [möglich] sein wird. Leider haben sich viele zu Vorlesungen gemeldet, die ich augenblicklich nach meiner Zurückkunft anzufangen und diese also nach Möglichkeit zu beschleunigen haben werde.

Mein ältester Sohn in H[annover] macht mir viele Sorge. Er ist nun fast 2\ Jahr Kadett und hat sein Fach mit wahrem Eifer getrieben. Aber ich besorge, dass das leidige verrufene Konnexionswesen in H[annover] seinem Avancement noch lange allerlei nichtige Vorwände in den Weg stellen wird. Ich gestehe, dass es meiner Söhne wegen mir doppelt leid thut. den Ruf nach B[erlin] damals nicht haben an- nehmen zu können.

^) Yergi. Brief No. 301 im Briefwechsel Gauss-Schttmacher und Xo. 156 im Brief- wechsel Gauss-Bessel. Krm.

^) Die eingeklammerten Worte sind im Originalbrief abgerissen. Krm.

Olbers. II, 2 31

4g2 Olbers an Gauss. Bremen, 1827 Mai 8.

Meinen Abgang nach Altona werde ich Ihnen melden. Wollen Sie mich aber bald mit einigen Zeilen erfreuen, so werde ich sie bestimmt noch hier erhalten.

No. 614. Olbers an Gauss. [325

Bremen, 1827 Mai 8.

Ich bin gerade durch den sehr angenehmen Besuch des General Hartmann und seiner Frau erfreut, die hoffentlich ein paar Wochen bei mir zubringen werden. So sehr dadurch meine Zeit auch jetzt be- schränkt ist, so kann ich doch nicht unterlassen, Ihnen mit ein paar Worten für Ihren gütigen Brief vom 3. dieses zu danken, da ich zu- gleich auf eine Stelle desselben antworten kann. Da ich mich näm- lich bei Hartmann nach Ihrem Hrn. Sohn erkundigte, sagte mir dieser, „dass derselbe nächstens Officier werden würde. Ihr Hr. Sohn sei unter den Kadetten der Anciennität noch der 3., zwei Vakanzen wären schon wirklich da, und eine dritte würde, wie sich gewiss voraussehen lasse, sehr bald eintreten," Uebrigens sprach er sehr rühmlich von Ihrem Hrn, Sohn und meinte, „die Sch'^ierigkeit, die der Feldzeugmeister v, DER Decken für seine Geeignetheit zum Dienst in seiner M3'opie zu finden geglaubt habe, sei jetzt völlig gehoben, und Decken durch die vortrefflich ausgefallenen Proben, wenn Ihr Hr. Sohn eine Brille zu Hülfe nehme, völlig von seinem Zweifel befreit worden. Der General E[üTTiGERJ sei Ihrem Hrn. Sohn sehr gewogen, und was er (Hartmann) selbst für ihn thun könne, darauf könnten Sie sicher rechnen,"

Die nächtlichen Beobb. bis zu 4 5 Uhr morgens müssen sehr an- greifend und beschwerlich für Sie gewesen sein, mein theurer Freund. Hält sich denn Ihre Gesundheit noch erträglich bei dieser mühsamen Arbeit und diesen durchwachten Nächten?

Lässt sich das Tremuliren der Sterne nicht durch Verminderung der Objektiv-Oefinung durch eine völlig runde Oeffnung in einem Diaphragma vermindern, oder hat dies andere Nachtheile? Freilich muss der Stern Licht genug behalten.

Ganz gebe ich die Hoffnung doch noch nicht auf. Sie, lieber Gauss, diesen Sommer zu sehen. Sehr werden Sie mich verptiichten, wenn Sie gütigst fortfahren, mir recht oft von Ihren ferneren Operationen Nach- richt zu geben. Entschuldigen Sie dieses kurze eilige Geschreibsel,

Olbers an Gauss. Bremeu, 18'27 Mai 23. 483

No. 615. Olbers an Gauss. [326

Bremen, 1827 Mai 23.

Iliren lieben Briefe aus Hannover erhielt ich gerade erst 2-4 Stunden nachher. Avie H.vktmann's uns schon wieder verlassen hatten, die nun einmal sich nicht länger wollten halten lassen, weil der General seinem Bruder, dem Oberst-Lieutenant Hartmann in Nienburg, gewiss ver- sprochen hatte, den Sonntag bei demselben zuzubringen, da letzterer bei dem jetzigen Excerciren nur an diesem Tage von Dienstgeschäften frei war. Ich habe also nicht mit dem General über Ihren Brief sprechen können.

Das sonderbare Benehmen des G[eneral]-F[eld]-Z[eugmeisters] frap- pirt mich sehr. Um aber die Wahrhaftigkeit des Generals Hartmann nicht zu kompromittiren, muss ich bekennen, dass ich nicht gewiss bin, ob er mir gesagt hat: „Der G[eneral]-F[eld]-Z[eugmeister] sei durch die letzte Probe von der Dienstfähigkeit Ihres Hrn. Sohnes völlig über- zeugt worden", oder „der G[eneral]-F[eld]-Z[eugmeisterJ iverde jetzt völlig überzeugt sein." Alles Uebrige war buchstäblich so, wie ich es Ihnen geschrieben. Ich frug Hartmann noch ausdrücklich, ob ich Ihnen das mir Gesagte mittheilen dürfe, und er hatte garnichts dagegen.

Hartmann sagte noch: „er selbst könne eigentlich wenig zum Avancement Ihres Hrn. Sohnes beitragen. Diese hinge mittelbar von E[öttiger] und unmittelbar von Decken ab. Indessen habe ich doch alle seine bona officia für Ihren lieben Sohn in Anspruch genommen, und werde nicht unterlassen, ihn noch ferner daran zu erinnern.

Es thut mir zwar unendlich leid, mein theurer Gauss, dass ich Sie diesmal nicht hier sehen und umarmen soll, aber die Betrachtung, wie \iel Vergnügen und Interesse eine Reise nach Berlin unter den jetzigen Verhältnissen Ihnen gewähren wird, und wie viel Nutzen sie vielleicht in so mancher Rücksicht gewähren kann, muss mich einiger- maassen trösten.

Sie können [sich] leicht denken, mein allertheuerster Freund, wie neugierig ich auf den Erfolg Ihrer jetzigen Z[enithsektor]-B[eobb.] und auf das Resultat, den Polhühen-Unterschied zwischen G[öttingen] und A[ltona], bin. ^\'as Sie mir darüber gütigst mittheilen werden, wird mir grosse Freude machen. Möge anhaltendes heiteres Wetter Ihre Beobb, begünstigen und abkürzen, und besonders der Himmel Ihre kostbare Gesundheit erhalten und stärken.

^) Dieser Brief, der hauptsächlich Mittheilungen über das Avancemeut von Gauss' ältestem Sohn und über Gauss' Absicht von Altena nach Berlin noch zu reisen, enthalten dürfte, ist nicht vorhanden. Seh.

31*

^g^ Gauss an Olbers. Altona, 1827 Mai 25.

No. 616. Gauss an Olbers. [290

Altona^), 1827 Mai 25.

Mit ein paar Zeilen muss ich Ihnen für Ihren lieben Brief vom 23. danken. Die warme freundschaftliche Theilnahme, die Sie an dem, was mich beunruhigt, an den Tag legen, ist mir so wohlthuend.

Leid hat es mir gethan, dass Sie nach Empfang meines letzten Briefes nicht mehr mit dem General H[aetmann] über die Angelegenheit sprechen und namentlich etwa sich über das eigentliche Wesen etwas myopischer aber guter Augen als mathematischer Arzt äussern konnten, als worüber die meisten Menschen, die nicht vom Fach sind, ganz ver- worrene und unrichtige Vorstellungen haben. Soweit nicht Uebelwollen, sondern solche unrichtigen Vorstellungen sich in den Weg stellen, würde Ihre Autorität die grösste sein. Da ich den Zustand der Augen meines Sohnes sehr genau von jeher kenne, so habe ich von Anfang an die Ueberzeugung gehabt, dass daraus niemals ein reelles Hinderniss für irgend ein Dienstgeschäft entstehen kann, noch viel weniger, als mir meine 3 4 mal grössere Kurzsichtigkeit ein Hinderniss bei astronomi- schen und geodätischen Arbeiten ist. Ohne jene Ueberzeugung würde ich ja natürlich meine Einwilligung zur Ergreifung der militärischen Laufbahn nicht gegeben haben. Er hat sich ihr mit lualirer Liehe ge- widmet, da sie in der That bei langem Frieden nichts weniger als anlockende Aussichten darbietet. Sollen nun, nachdem er fast drei Jahre dafür geopfert hat, unwürdige Chikanen ihn wieder heraus- drängen!

Mit grossem Vergnügen werde ich Ihnen von Zeit zu Zeit meine Sektor-Beobachtungs-Resultate anzeigen. Aber leider macht auch diese Angelegenheit mich sehr missmuthig. Ich fürchte, einen sehr grossen Theil meiner Göttinger Beobb. umsonst gemacht zu haben, zu denen ich hier entweder gar keine oder nur sehr wenige korrespondirende zu erhalten fürchte. Der Lieut. Nehus, von dessen Hülfe ich ganz ab- hängig bin, kommt erst gegen Ende dieses Monats hier zurück. Viel- leicht habe ich aber den traurigen Trost, dass ich durch diese Ver- spätung eigentlich nichts verliere, bis diese Stunde habe ich seit meiner Ankunft noch nichts vom Himmel gesehen. Wenn diese Geschäfte erst besser gehen, und die Hoftnung nicht ganz getäuscht wird, wenigstens eine einigermaassen anständige Ausbeute zu erhalten, so Avird es, wie

^) Gauss war ungefähr vom 21. Mai bis Anfang; Juli in Altena zur Bestiunnung des Breitenunterschiedes Göttingen-Altoua mit dem Zeuithsektor. Er ist von Altena dann über Bremen zurückgereist. Krm.

Olbers an Gauss. Bremen, 1827 Jnui 7. 485

ich lioffe. aiuii meinem Befinden besser gehen, von dem icli bisher nicht viel rülunen kann, nnd welches leider immer durch alles Unan- genehme, wobei ich mich bloss leidend verhalten kann, afticirt zu wer- den pflegt.

Ob ich von hieraus noch zur Reise nach B[erlin] komme, hängt freilich noch von vielen Umständen ab, der Dauer meiner Beobb., der Zeit von Sabine's Ankunft pp. Ich hätte im Grunde jene Reise lieber unter etwas anderen Umständen gemacht, und so könnte es wohl Ein- fiuss darauf haben, wenn ich bis dahin in der oben erwähnten Ange- legenheit klarer zu sehen Mittel erhalten sollte.

Angenehm ist mir hier die Bekanntschaft des Prof. Oerstedt aus Kopenhagen (unseres Hausgenossen), eines ebenso achtungs- als liebens- würdigen Mannes. Auch Utzschneider wird noch hier erwartet.

Unser Freund Schumacher will diese Zeilen mit einschliessen, und ich muss eilen, sie ihm zu übergeben.

No. 617. Olbers an Gauss. [327

Bremen, 1827 Juni 7.

Von Ihrem Hrn. Sohn habe ich nun weiter nichts gehört. Seine Kurzsichtigkeit muss wahrlich sehr unbedeutend sein; denn ich ver- sichere Sie, dass ich diese Kurzsichtigkeit gar nicht bemerkt und vorher durchaus nichts davon gewusst habe, bis ich sie durch Hartmann er- fuhr. Auch ohne Ihren Wink zu haben, gab es doch Anlass, mit Hart- mann über die Natur der Kurzsichtigkeit, und dass sie sehr w^ohl mit einem übrigens scharfen Gesicht verbunden sein könne, ja gewöhnlich damit verbunden sei, zu sprechen.

Dass der ehemalige Kamerad Ihres lieben Sohnes, mein Neveu August Meyer, den Artillerie-Dienst verlassen hat und Unter-Lieutenant in der Grenadier-Garde geworden ist, werden Sie vielleicht wissen. Die Absicht bei dieser kostspieligen Dienstveränderung scheint wohl die zu sein, dass er versuchen will, mit der Zeit in den General-Quartier- meister-Stab zu kommen, wohin, glaube ich, ein Officier nicht gelangen kann, ohne vorher einige Zeit in der Linie gedient zu haben.

Hotfentlich begünstigt jetzt der Himmel Ihre Sektor-Beobb. und lässt Sie diesen letzten und beschwerlichen Theil Ihrer Gradmessung bald beendigen.

In dem letzten (Mai) Stücke des Philos. Magaz., das Sie bei Hrn. Prof. Schumacher finden werden, erwidert Ivory auf Poisson's Aufsatz

^gß Gauss an Olbers. Göttingen, 1827 Juli 20.

in der Conti. d.T. 1829. Für mich, der natürlich nicht [tiefj^j in diese Rechnungen eingedrungen ist, scheint mir doch Ivory nicht ganz Un- recht zu haben. So [glimpflich] Poisson behandelt wird, so bitter lässt sich IvoEY gegen den Prof. Airy und Dr. Yoüng [aus].

Auch enthält dieses Stück pg. 385 einen kurzen Bericht über einige, noch nicht völlig verificirte Pendel -Versuche an der Oberfläche der Dolcoath-Mine in Cornwall und 1220 Fuss in der Tiefe des Schachts, so wie sie neulich Prof. Deobisch angestellt wünschte. Sie bleiben immer merkwürdig, wenn ich gleich der Meinung bin, dass aus vielen Gründen nichts Sicheres daraus über die mittlere Dichtigkeit der Erde gefolgert werden kann. Wenigstens kann eine mittlere Dichtigkeit der Erde 20 mal grösser als Wasser, wie sie aus diesen von Hrn. Whewell angestellten cornwallischen Versuchen folgen soll, gewiss nicht statt- finden.

No. 618. Gauss an Olbers.') [291

Göttingen, 1827 Juli 20.

Nochmals meinen herzlichsten Dank für die freundliche bei Ihnen genossene Aufnahme. Es hat mir die innigste Freude gemacht, Sie bei so gutem Wohlsein gefunden zu haben.

In Celle habe ich mich mit Schumachek wieder zusammengefunden. Seine Angelegenheit war auf die willkommenste Art erledigt. Es fand sich, dass die dem Könige von Dänemark zugekommene Nachricht völlig grundlos, wenigstens dem jetzigen Zustande des Monuments gar nirht angemessen war. In der That hat die Lüneburgische Ritterschaft schon seit Jahren alles Mögliche zur Konservation desselben gethan.

Bei dieser ungehofft schnellen Beendigung seines Geschäfts ent- schloss sich Schumacher nun noch einen Umweg über Hannover, Hildes- heim und Braunschweig zu machen. Wir fanden uns also Dienstags in Hannover, wohin ich schon am Montage abgegangen war, noch ein- mal zusammen, obwohl wir nur wenige Minuten zusammen bleiben konnten. Ich hatte nämlich in Hannover einen Brief von meiner Schwiegermutter mit äusserst beunruhigenden Nachrichten über das schnelle Zunehmen der Krankheit meiner Frau vorgefunden, die mich zur schleunigsten Rückreise drängten. Es war in der Tliat eine be- denkliche Krisis eingetreten; aber Gottlob bei meiner Ankunft in Göt-

^) Die eingcklanuucrtcu Worte sind im Orii^iiial abgerissen. Krm. ') Zwischen dem vorhergehenden und diesem Briefe liegt ein im Anfang Juli gemachter kürzerer Resuch Gauss' bei Olbers. Knn.

Gauss an Olbers. Göttingeu, 1827 Juli 20. 487

tingen fand ich diese sclion überstanden und die Gefahr vorüber. Die Natur hat den Verhärtunjrt'n in ihrem I'nterleibe. die seit Jahren ihr fast allen Genuss an Nahrungsmitteln unmiiglicli machten, endlich von selbst einen Ausweg gebahnt, und sie befindet sich in diesem Augen- blick schon weit besser, als sie seit 4 5 Jahren je gewesen ist. Ich gebe nunmehr die Hoffnung noch nicht auf, in Zukunft noch einmal mit ihr nach Bremen kommen zu können.

In Hannover konnte ich bei jenen Umständen nur die allernoth- wendigsten Besuche machen. Den General Hartmann fand ich nicht zu Hause, und die Zeit verstattete nicht, den Besuch zum zweiten Male zu versuchen. G[eneral]-F[eld]-Z[eugmeister] v. der Decken und der Minister v. Arnswaldt waren veri-eist. Uebrigens erhielt ich beim General Röttiger und dem Oberstlieut. Prott die Gewissheit, dass der Vorschlag meines Sohnes zum Officier wirklich nach London abge- gangen ist, und also sein Patent nun schon in den nächsten Wochen zurückerwartet werden kann. Da jetzt 3 Officierstellen beim Artillerie- Regiment zu besetzen sind, w^ovon 2 in Stade und nur eine in Han- nover, so ist mir auch Hoffnung gemacht, dass mein Sohn in Ueber- einstimmung mit seinem "Wunsche die letztere erhalten wird, was frei- lich um so leichter zu machen sein wird, da der eine Kandidat, wie ich höre, nach Stade soll, (weil er strengerer Zucht bedürftig sei), und der andere lieber nach Stade ivill, um seinen Verwandten in Harburg näher zu sein.

Meine Sektorbeobb. habe ich jetzt zusammengezählt. Ich linde, dass ich in

^..^^. f222 Limbus Ost 1 ,„^s

Gottingen ^^3^ ^. _^^^^^ ^^^^J 4581

f227 Limbus Ost I ,,„( ^"™"\213 Limbus West/"»)

Beobb. erhalten habe. Der mittlere Fehler des Endresultates für die Amplitudo wird nahe 0",10, der sogenannte wahrscheinliche also 0",07 sein. Die genaue Reduktion wird aber erst noch sehr viele Arbeit kosten.

So bald ich nur mit anderen Geschäften etwas in Ordnung bin, werde ich Ihnen die Lage der von mir in der Umgegend von Bremen und von Bremerhaven bestimmten Punkte für Hrn. Senator Gilde- meister extrahiren, dem ich mich angelegentlichst zu empfehlen bitte, ebenso wie Ihrem Hrn. Sohn und Schwiegersohn.

488 Olbers an Gauss. Bremen, 1827 Juli 30.

xo. 619. Olbers an Gauss. [32s

Bremen, 1827 Juli 30.

Meinen herzlichsten innigsten Glückwunsch zu der glücklichen Wen- dung, die die schwere Krankheit Ihrer mit Recht von Ihnen so heiss geliebten Gattin Ihrem Briefe zufolge genommen hat. Möge die wohl- thätige Natur ferner alle Hindernisse einer völligen Wiederherstellung fortschaffen, und Sie beide wieder ganz ungetrübt Ihres häuslichen Glücks dauerhaft geniessen können. Ich halte Sie beim Worte, dass Sie die verehrte Eekonvalescentin künftiges Jahr bewegen werden, Bremen in Ihrer Gesellschaft mit Ihrer Gegenwart zu beglücken.

Für Ihren freilich sehr kurzen, aber doch sehr angenehmen Be- such sage ich Ihnen, lieber Gauss, noch den verbindlichsten Dank. Ich habe es ganz als einen Beweis Ihrer gütigen Freundschaft angesehen und Ihnen hoch angerechnet, dass Sie, bloss um mir diese grosse Freude zu machen, die Beschwerden der Reise nach Bremen nicht ge- scheut haben.

Jetzt bin ich um so einsamer. Mein Sohn ist schon seit 14 Tagen in Pyrmont, und fast alle meine näheren Freunde sind entweder ver- reist oder doch auf dem Lande. In 14 Tagen erwarte ich indess meine Schwester aus Hannover und dann auch meinen Sohn zurück, wo es dann meder in meiner stillen Wohnung etwas lebendiger wer- den wird.

Zu der Beförderung Ihres Hrn. Sohnes gratulire ich, und hoffe, dass er seinem und Ihrem Wunsche gemäss in Hannover bleiben wii*d.

Mit 898 Sektorbeobb. und einem mittleren Fehler von nicht mehr als -j^o" können und werden Sie docli vollkommen zufrieden sein. Hr. Sen. Gildemeister, der sich Ihnen gehorsamst empfehlen lässt, sieht mit Verlangen der Erfüllung Ihres gütigen Versprechens, ihm die Punkte in der Umgegend von Bremen und Bremerhaven mitzutheilen entgegen.

Ich habe mich nun völlig überzeugt, dass die Beobb. von Flau- GERtiUEs über den Kometen,^) den er allein gesehen und beobachtet hat, durch keinen Kegelschnitt so darstellbar sind, dass nicht ganz unwahrscheinliche Fehler zurückbleiben sollten. Ich vernmthe noch immer, dass die Ursache wohl in seiner Reduktion liegen kann. Viel- leicht und am wahrscheinlichsten hat er den Durchmesser seines Kreis- mikrometers unrichtis: bestimmt.

^) Komet 1826 III. Krni.

Gauss au Olli.rv fiütting-eu, 1827 Auyust 13. 489

Nun noch eine Bitte, mein j^eliebter Gauss, um g-elegentliche Be- lehrung. Ist es schon liinrvichend untersucht, ob der Unterschied der Refraktion bei Tage und bei Nacht so ganz unbedeutend ist? Denn einiger Unterschied muss, meine ich, nothwendig stattfinden. Bei Tage nimmt die "Wärme mit zunehmender Höhe immer ah, und dies wird auch, so viel ich weiss, bei allen theoretischen Untersuchungen und Kechnungen über die Refraktion vorausgesetzt. In heiteren, vorzüglich stillen Nächten ist aber der Fall umgekehrt. Die Wärme nimmt in den unteren 500 600 Fuss immer zu. Dies muss bei gleichem, unten beobachtetem Thermometer- und Barometerstande die Krümmung des unteren Theils der Bahn des Lichts doch bei Nacht etwas anders machen als bei Tage. Dieser Theil der Bahn ist nämlich des Nachts krummer als bei Tage, und so scheint es mir, muss sich die Lage der Tangente ändern. Die Abnahme der Wärme von unten nach oben ist vielleicht bei Tage ebenso gross, als die Zunahme bei Nacht, und an sich nicht unbedeutend. Pictet fand zwischen einem 7 Fuss und 52 Fuss hoch aufgehangenen Thermometer den Unterschied + 2°l C, Six den Unterschied zwischen einem 9 Fuss hoch und 220 Fuss hoch aufgehangenen Thermometer des Nachts C, um welche das obere grössere Wärme zeigte.

Erfreuen Sie mich bald wieder mit einigen Zeilen, mein aller- theuerster Freund, und vergessen Sie ja nicht, etwas über den Gesund- heitszustand Ihrer Frau Gemahlin beizufügen.

No. 620. Gauss an Olbers.') [292

Göttingen, 1827 August 13.

Hierneben übersende ich Ihnen die Lage von 56 Punkten aus der Umgegend von Bremen und Bremerhaven, welche ich unter meiner besten Empfehlung Hrn. Senator Gildemeister gütigst zu kommuni- ciren bitte. Ich kann diesem Blatt heute nur noch einige Zeilen bei- fügen.

Aus den Koordinaten lassen sich leicht die Azimuthe mit der er- forderlichen Genauigkeit wieder ableiten. Sie werden auf den wahren Bremer Ansgarius-Meridian diu'ch Subtraktion von 0*^54' 40" reducirt werden. Da die Koordinaten sich auf eine in den kleinsten Theilen ähnliche Darstellung der sphäroidischen Oberfläche in der Ebene be-

^) Der Brief ist in lateinischer Schrift geschrieben. Krm.

490 Gauss an Olbers. [Göttingen, 1827 August 14 20.]

ziehen, wo nothwendig in den verschiedenen Theilen ein verschiedener

Maasstab gelten muss, so sind die durch Rechnung gefundenen

Distanzen, um sie in die wahren zu verwandeln, in der Umgegend von

^ .. 13976 ,,. -. .

Bremen nur mit t^v^t^t^ zu multipliciren. 13977 ^

Sollte der Hr. Senator Gildemeisteb, auch die unmittelbaren Winkelmessungen wünschen, so stehen sie gern zu Dienste; allein ihre Benutzung erfordert wenigstens ebenso viel Eechnung als das obige Verfahren, da sie, diejenigen ausgenommen, welche sich auf mein Hauptdreiecksnetz beziehen, nicht centrirt sind, welches auch nicht nöthig ist bei meiner Behandlungsart; ungefähr ebenso wie man Pla- netenbeobb. in der Koordinatenmethode zu jedem Zweck benutzen kann, ohne jene erst von der Parallaxe befreit zu haben.

Mein Sohn hat nun vor einigen Tagen sein Lieutenants-Patent er- halten, er schreibt aber nicht, ob er bei dem 1. oder 2. Bataillon an- gestellt ist (letzteres ist in Stade garnisonirt). Einstweilen wird er auf einige Wochen auf Urlaub nach Göttingen kommen.

Mit dem Befinden meiner Frau geht es fortwährend ziemlich gut.

Die genaue Reduktion meiner Zenithstern-Beobb. werde ich an- fangen, so bald ich sie alle im Meridian beobachtet habe. Mit den letzten ist es noch nicht geschehen.

No. 621. Gauss an Olbers. [293

[Göttingen, 1827 August U— 20.1

Erst heute fällt mir beiliegendes Blatt zufällig wieder in die Hände, welches ich meinem letzten Briefe beigefügt zu haben glaubte. Ich eile daher, es nachzuschicken.

Von Schumacher hörte ich, dass Humboldt sich Hoffnung macht, auch Sie, mein theuerster Freund, in Berlin zu sehen. Dies könnte bei mir einen Ausschlag geben, da ich gegenwärtig noch unent- schlossen bin.

[Folgen die Koordinaten von 37 Punkten in der Umgegend von Bremen und 19 in der Umgegend von Bremerhaven, Avie sie aus der Hannoverscheu Trianguliruug bestimmt sind, und die in Gauss' Werken Bd. IV, S. 431—434, 436—439 mit einigen Aenderungen in dem allgemeinen Koordinatenverzeichniss abgedruckt sind.]

Der Anfangspunkt ist die Göttinger Sternwarte; die Abscissen- linie der Göttinger Meridian; die Einheit das Meter. Es ist ferner

HuMs-: an OlluT-i <ir,ttiiir.'ii. T^L'T An-nst '21.

191

Bremen Anse-.

Bremerlehe

Breite

Länge von Güttiniren

Konvergenz des Meridians gegen den Merid. von Göttiugen

Vergrösserungsverliältuiss in obigem Koor- dinatensysteme

Sehr eilijr.

530 4'49",017 1 8 22,781

0 54 40,238 13 977 13 976

53« 34' 7",389 1 21 2,184

1 5 12,180 10 184 10183

No. 622.

Gauss an Olbers.

[394

Göttingen, 1827 August 21.

Da ich gestern aus einem öffentlichen Blatt gesehen hatte, dass PoNs am 2. einen neuen Kometen^) im Luchs entdeckt habe, so for- derte ich Hrn. Prof. Hakdixg auf, dieses Sternbild, und die Umgegend durchzumustern. Durch einen glücklichen Zufall war der Komet gleich bei der ersten Eichtung des Kometensuchers im Felde, und durch einen ebenso glücklichen Zufall war er noch nicht durch seine untere Kul- mination gegangen, die ich sogleich am Meridiankreise beobachtete. Es ergab sich

1827 Aug. 20. 10''28'«1P 125° 29' 45" 56° 21' 5(3"

Vielleicht ist Ihnen, mein theuerster Freund, diese Notiz nicht unlieb. Der Komet zeigt im K[ometen]-Sucher eine kleine Schweif- spur und ist zwar im dunkeln Felde sehr schön zu sehen, verträgt aber doch so gut wie gar keine Beleuchtung.

Eilig.

No. 623.

Olbers an Gauss.^)

[329

Bremen, 1827 August 28.

Tausend, tausend Dank für Ihre 3 gütigen Briefe und für die übersandten Koordinaten von den 56 um Bremen und Bremerhaven herumliegenden Punkten. Hr. Senator Gildemeister vereinigt unter

^) Komet 1827 III, siehe auch Brief No. 309 im Briefwechsel Gauss-Schümachek und Gauss' Werke Bd. VI, S. 459—460. Krm.

^) Zwischen diesem und dem vorhergehenden Briefe fehlt eine kurze Mitthei- lung Gauss' vom 23. oder 24. Aug. Siehe Anmerkung 1 zum folgenden Briefe. Krm.

^g2 Olbers an Gauss. Bremen, 1827 August 28.

seiner gehorsamsten Empfehlung seine schuldigen Dankbezeugungen mit den meinigen. Er ist ganz glücklich, eine, seine Erwartung über- treffende Uebereinstimmung seiner ^Messungen mit Ihren Bestimmungen zu finden. Wenn man den Fehler des Azimuths von Lilienthal, das allen seinen Messungen zu Grunde liegt und damals nur durch Hab- ding's wenige Sextanten-Beobb. bestimmt wurde, von 1' 34" abzieht, so wird fast keins seiner Azimuthe mehr als 20" von den Ihrigen ver- schieden sein. Nur bei sehr nahen Gegenständen z. B. den Stadt- Thürmen sind Abweichungen grösser; sehi' natürlich, weil er mit seinem Sextanten kein Mittel hatte, die Winkel auf den Horizont zu redu- ciren. Auch die Distanzen treffen ganz gut, mehrentheils etwa auf 10 Rheinländische Fuss zu. Fast allein Wilstedt macht eine Ausnahme, Avo die Differenz nach Gildemeister's Rechnung auf 28 Fuss steigt, obgleich das Azimuth, wenn man die 1' 34:" abzieht, nui' 9" fehlt.

Sehr verbunden bin ich Ihnen für die so schleunig mitgetheilte Nachricht von dem schönen Kometen. Ich habe ihn der Witterung wegen nur gestern und vorgestern gesehen. Am 23., wie ich Ihren ersten Kometenbrief erhielt, versäumte ich, mich auf das so beständig scheinende Wetter verlassend, die heiteren Abendstunden, weil ich bei einer Gesellschaft die Wirthspflichten nicht gern unterbrechen wollte. Als ich nun nach 10 Uhr den Kometen betrachten wollte, war es ganz trübe und blieb es auch Abends den 24. und 25. Am 26. sah ich den nun sehr augenfälligen Kometen gegen 10 Uhr Abends unter No. 14 und 15 des kleinen Löwen, etwa in 144°^ AI und 44°-^ nördl. Dekl. Gestern war er schräge über 19 Leonis minoris in der Richtung nach X TJrsae maj. noch besser zu sehen, und streckte seinen deutlich sicht- baren Schweif gegen einen Stern der H. C. aus, der etwa in 142° 21' [-i?] und 43° 8' nördl. Dekl. steht. Beobachtet habe ich ihn eigentlich nicht. Da Sie noch Meridian-Beobb. anstellen, so würden Kreismikrometer- Beobb. doch ohne Werth sein, und von meinem gewöhnlichen Obser- vations-Zimmer kann ich den Kometen nicht sehen. Mit Ihren Meri- dianbeobb. wird es freilich wohl jetzt vorbei sein; allein auch ich werde den Kometen höchstens noch zwei Tage sehen können, und da verlohnt es sich nicht der j\Iühe, noch deswegen eine Uhr und ein Fernrohr an einem anderen Ort aufzustellen.

Ich werde Ihnen sehr verpflichtet sein, wenn Sie mir auch Ihre nach dem 22. gemachten Beobb. gütigst mittheilen wollen. Poxs hat diesen Kometen eigentlich am 4. Aug. entdeckt. Von Gambakt sind weder bei mir, noch bei Schumacher bisher Nadu'ichten eingelaufen. Er muss also diesen Kometen wohl erst spät aufgefunden haben.

Sehr erfreut bin ich, zu vernehmen, dass die Besserung Ihrer lioch- verehrten Gattin noch immer erwünscht fortschreitet. Dai'f ich Sie

Olbers an Gauss. Bremen, 1827 September 8. 493

um Bezen<run<r meiner warmen Theilnahme und meiner gehorsamsten Empfehlung bitten.

Meine mich besucliende Schwester ist jetzt hier unwohl geworden. Ich will zu Gott hoifen, dass keine bedeutende Krankheit im Anzüge ist. Dies nöthigt mich, mein heutiges Schreiben abzukürzen.

No. 624. Olbers au Gauss. [330

Bremen, 1827 September 8.

Hr. Klüver hat aus Ihren mir gütigst mitgetheilten 3 Beobb.^) des Kometen vom 20., 21. und 22. Aug. folgende Elemente berechnet:

T 1827 Sept. 11,8597 Bremen

ft 149045'51"

71 252 10 11

i 54 7 55

logg-. . . . 9,15980 mot. retrogr. Diese Elemente stellen die mittlere Beob. bis auf V'ß in AI und + 1">2 in Dekl. dar. Dies sowohl, als die nahe Uebereinkunft der KLÜvER'schen Elemente mit denen, die Schwerd aus einer 3 mal grösseren Zwischenzeit gefunden hat, zeigen die ausserordentliche Genauigkeit Ihrer Meridian-Beobb. Für Schwerd's Beob. vom 17. Aug. geben Klüver's Elemente

Speyer, Aug. 17. 9''59'"18^ 115M8'29",6 -|- 59^27' 18",3

Die Aehnlichkeit aller Elemente dieses Kometen mit denen des Kometen von 1780 macht freilich die Identität'-) beider wahrscheinlich, indessen bleiben doch noch viele Zweifel zurück. Besonders ist der grosse Unterschied von 25" in der Länge des ft mir sehr bedenklich, da bei der starken Neigung der Bahn gerade dieser sehr genau be- stimmt werden kann, und wenn Mechain die Länge des ft 1780 für etwas zweifelhaft erklärt, so ist dies wohl nur von einigen Minuten, nicht von vielen Graden zu verstehen. Auf eine starlie Verrückung der Bahn durch planetarische Einwirkung in der Zwischenzeit 1780 bis 1827 lässt sich hier nicht rechnen, da der Komet von allen grossen Planeten, ja von allen älteren Planeten, den Merkur etwa ausge- nommen, immer sehr entfernt bleibt. Es wird also, meiner Meinung

^) Nach dem Brief vom 27. Aug. von Olbers an Schumacher hat Gauss unter dem 23. oder 24. Aug. Olbers seine 3 Meridianbeobb. des Kometen geschickt. Dieser Brief ist verloren. Krm.

»j Vergl. hierzu Olbers Bd. I No. 113, S. 419 und No. 115, S. 420—422. Krm.

494 Gauss an Olbers. Göttingen, 1827 September 16.

nach, alles darauf ankommen, ob die Elemente bei beiden Kometen,

wenn man sie anstatt in der parabolischen H3'pothese, in einer Ellipse

47 von Jahren Umlaufszeit aus den Beobb. ableitet, sich einander merk- m

lieh näher kommen werden. Es ist noch zu früh, bei dem jetzigen Kometen diese Untersuchung anzufangen, da wir von ihm noch so viele Beobb. nach dem Perihel zu erwarten haben; aber bei dem Ko- meten von 1780 lässt sie sich schon jetzt vornehmen. Unser Klüver hat sie auf meine Veranlassung übernommen; jetzt aber noch mit Ver- messungen beschäftigt, wird er wohl erst langsam damit zu Stande kommen. Messiee's Original-Beobb. des Kometen von 1780 lassen sich neu reduciren; aber von Mechain's Beobb. kenne ich bloss die Längen und Breiten. Mechain's Original-Beobb. sind gewiss nie, auch die AI und Dekl., so viel ich weiss, nirgends gedruckt, sie möchten sich denn in den Epliemeriden von La Lande, die ich nie gesehen habe, finden.

Der Komet von 1780 wurde bis zum 64. Tag nach seiner Sonnen- nähe beobachtet. Ist also der jetzige Komet mit ihm identisch, so dürfen wir erwarten, auch diesen bis zur Mitte des Nov. zu sehen.

Uebrigens ist dieser 1. Komet von 1780 derjenige, über dessen höchst sonderbaren Lichtwandel ich im Ästr. Jahrbuch für 1819^) einige Betrachtungen angestellt habe. Ich bin sehr neugierig, ob auch der jetzige Komet bei den ganz ähnlichen Umständen, unter denen -vNir ihn nach dem Perihel sehen werden, ähnlichen anomalen Lichtweclisel zeigen wird.

Sollten Sie, mein allertheuerster Freund, noch nach dem 22. Aug. einige Beobb. des Kometen erhalten haben, so würden Sie mich durch gütige Mittheilung derselben sehr verpflichten.

No. 625. Gauss an Olbers. 1295

Göttingen. 1827 September IG.

Recht sehr danke ich Ihnen für Bire den Kometen betreffenden Bemerkungen. Ich selbst habe ihn nach dem 22. Aug. nicht wiedei- beobachtet. An den folgenden Abenden war es hier um die Kulmiiui- tionszeit trübe, was mir insofern eine Beruhigung war, als ich einer Unpässlichkeit Avegen auch bei günstigem Wetter niclit wolil hätte

*) Siehe Olbers Bd. I, No. 7 „Einige Bemerkungen über das Liolit der Ko- meten", S. 115—121. Krm.

Gauss au Olber.v Güttingeu, 1827 September 16. 4,95

heobacliteii düilen. NarhhtM- war der Komet schon zu weit südlich ge- kommen. Die Bahn liat auch Hr. Dr. Schmidt bei'echnet. Da er sie aber noch genauer sämmtlichen hiesigen, Speyerer und Mannheimer Beobb. anpassen will, so kann ich sie noch nicht mittheilen. Ich glaube nicht, dass die Beobb. nach dem Perihel von dem grossen Unterschiede der Knotenlänge gegen den Kometen von 1780 viel abhandeln werden, aber eine schärfere Bestimmung der Bahn wird nöthig sein, um erst mit Sicherheit beurtheilen zu können, wie nahe sie der Merhu-hohn kommt. Eine seJir grosse Annäherung könnte, trotz der Kleinheit des Merkur, doch immer eine sehr grosse Aeuderung der Elemente hervor- bringen, obwohl es immer sonderbar wäre, dass die Knotenlänge so viel mehr geändert sei als alle übrigen Elemente.

Ich habe in der letzten Zeit Poisson's Aufsatz in der Conn. d. T. 1829 besonders in Rücksicht des von Ivoey angefochtenen Beweises genau erwogen, aber trotz aller Aufmerksamkeit habe ich weder in dem Beweise eine wesentliche Schwäche*), noch in Ivoey's Bemer- kungen einen logischen Zusammenhang finden können. Da Sie aber, mein theuerster Freund, in einem nach Altona geschriebenen Briefe^) an mich (dort erlaubte meine Zeit nicht, mich in den Gegenstand gehörig hinein zu denken) Ivobt Recht zu geben scheinen, so würde es mir angenehm sein, Ihre Gründe umständlicher zu erfahren. Ivoey hier gehörig widerlegen kann ich um so weniger, da ich in seinen Bemer- kungen zur Sache Passendes nicht habe finden können. Doch einige Bemerkungen,

In Ivoey's Zeichen p. 326 kommt alles nur darauf an zu beweisen, dass. wenn 1 aa unendlich klein ist

/

{l aa){ij' y)cls

über die ganze Kugelfläche ausgedehnt, unendlich klein ist. Es sei P der Punkt der Kugelfläche, auf den sich 6, ip beziehen. Da das in ds multiplicirte ofi'enbar für jeden Punkt, der von P in endlicher Ent- fernung liegt, unendlich klein ist, so bleibt das Integral über die ganze Kugelfläche ausgedehnt, mit Ausschluss der dem P unendlich nahen Umgebung, offenbar unendlich klein. Es kommt also nur darauf an, zu

*) Obwohl ich ihn anders einkleiden würde, oder richtiger gesagt, anders ein- gekleidet habe, denn ich finde in meinen Papieren, dass ich die Hauptsätze zur Ver- wandlung der Kugelfunktionen, auf die [ich] vor etwa 15 Jahren selbst gekommen war, im Wesentlichen mit Poisson's Art übereinstimmend, aber in der Tournure und Einkleidung abweichend bewiesen habe, freilich nur in den Hauptlinien zu meiner eigenen Notiz niedergeschrieben, aber nicht für das Publikum ausgearbeitet.

^) Brief No. 617 vom 7. Juni 1827. Krm.

49g Gauss an Olbers, Göttingen, 1827 September 16.

zeigen, dass das Integral niemals endlich werden könne, so lange es nur über ein unendlich kleines Eevier um P herum ausgedehnt Tsird, wie gross dies auch übrigens sei, so lange es nur nicht endlich wird, d. i. wenn man es z. B. in einen kleinen Kreis eingeschlossen denkt, dessen Halbmesser unendlich klein ist, sollte er auch verglichen mit 1 aa noch so gross sein. Um nun diese Unmöglichkeit zu beweisen, be- merkt PoissoN, dass, w^enn C der grösste Wertli (absolut ohne Rück- sicht auf das Zeichen) von y' y innerhalb dieses Reviers ist, das

Integral

\\ aa){y' y)ds

über das gedachte Revier, ich will es der Kürze wegen R nennen, ausgedehnt kleiner sein muss als

(1 aa) Cds

r

r

über B ausgedehnt; letzteres seinerseits ist aber wieder kleiner als das nämliche zweite Integral über die ganze Kugelfläche ausgedehnt,

also kleiner als 7—, also weil 'Q unendlich klein ist, selbst unend-

lieh klein.

Ich sehe wirklich nicht ein, was man gegen das Wesen dieses Be- weises einwenden kann, wenn auch die Form in Beziehung auf die unendlich kleinen Grössen nicht die elementarische Evidenz hat. welche zu erreichen man die abgekürzte Sprache des Unendlichkleinen in die oft so sehr viel weitläufigere der Grenzen übersetzen muss, was aber keinem Geübten schwer fällt.

Wenn Ivort sagt, Poisson setze y' y konstant, so ist dies nicht wahr, sondern bloss eine Verdrehung des in sich so sehr Klaren.

Wenn Ivort p. 326 durch seine Darstellung mehr Licht in die Sache zu bringen meint, so lehne ich es nicht ab, ihm Schritt für Schritt zu folgen, so lange sein Voi"trag nicht zu Unsinn wird. Doch muss ich gleich bemerken, dass, wenn Ivoky behauptet, nach Poissox's Methode das Integral

2 TT

•^ j^^ Vigg^hh) _B_ j^^ Vigg + kk sin ö«)

g sin0 •= g

gefunden zu haben, dies einer Einschränkung bedürfe. Er hat näm- lich den ersten Theil zuerst von /r = 0 bis /.-^^-j-co, und dann von /i = 0 bis h = h (indef.) integrirt und beim zweiten vice versa, was eigentlich schon Unsinn ist. Hätte Ivort von h = h* bis h = -\- h*, k = /i* bis k==-{- k* integrii't, so würde er sogar das Integral ganz

Olbers an Gauss. [Bremen, 1827 September 28—30.] 497

= 0 gefunden haben. Die ganz unbestimmte Integration ist nicht schwer, aber die Zeit jetzt unzureichend, sie zu entwickeln, auch meiner Meinung nach ganz übertiiissig, da die obigen Schlüsse schon bewiesen haben, dass das Gesuchte unendlich klein ist. Aber selbst sein Kesultat beibelialten. scheint mir nichts gegen das zu Beweisende zu folgen. Denn ufl'enbar bleibt, wenn (/ unendlich klein ist,

,iog^iM±M)

9 immer unendlich klein, so lauge h unendlich klein ist, ja selbst so lange /i endlich ist; und Ji müsste unendlich gross, ja von einer unend- lich höheren Ordnung als werden, damit jenes Produkt aufhörte,

unendlich klein zu sein.

Alles, was bei Ivory nachher folgt, ist mir unverständlich; ich kann darin gar keinen zum Gegenstande passenden Sinn finden.

Verzeihen Sie, lieber Olbers, wenn diese Auseinandersetzung nicht alle Klarheit hat, aber es ist schwer, etwas Verworrenes zu widerlegen.

No. 626. Olbers an Gauss. [ssi

[Bremen, 1827 September 28— 30.]^)

Kecht vielen, vielen Dank für Ihre gütigen lichtvollen Belehrungen, die mich in den Stand setzen, Ivort's Sophismen besser zu durch- schauen. Den Umstand, dass

2^1 "^^ g ~^smG g

immer gleich 0 sei, hat er selbst unerinnert eingesehen und seinen Irr- thum oder sein Versehen gestanden. Allein den Streit selbst setzt er noch immer mit gleicher Heftigkeit fort. Die neuesten Stücke vom Philos. Magaz. enthalten darüber folgendes:

Juli: Observations relatives ä un article de M. Ivory insere dans le Xo. 5 de P. M. pour Mai. Par M. Poisson. (Enthält mehren- theils, was Sie mir gesclirieben haben.)

A Letter to Prof. Airy in replj^ to his remarks .... By J. Ivory. (Er gesteht hier zu, dass obiger Ausdruck für h und k

^) Das Datum ist nach einem Briefe Olbers' v. 27. Sept. 1827 an Schumacher und dem Inhalte dieses Briefes, der dem envähnten ähnlich ist, festgelegt. Olbers" Schwester ist nach dem erwähnten Briefe am 27. Sept. abgereist. Krm.

Olbers. n, 2. 32

498 Olbers an Gauss. [Bremen, 1827 September 28—30.]

immer =0, also wirklich, wie Poisson behauptet, y = y' sei, wenn 1 «^ unendlich klein ist. Aber behauptet doch die Un- zulänglichkeit der La PLACE'schen und Poissox'schen Analyse.) Aug.: Letter to Prof. Airt by J. Ivoey. (Nicht gegen Prof. Airy, sondern er adressirt ihm nur diese fortgesetzten Bemerkungen über Poisson's und La Plage's Analyse, weil Airt vielleicht die einzige Person in England sei, die sich für diese Untersuchungen interessire.)

Letter from M. Ivory to the Editors of the Philos. Magaz. (IvoRY hat nun erst die obigen „observaüons'' von Poissox gelesen und die angebliche Beschränktheit der PoissoN'schen Demonstra- tionen wird von ihm behauptet.) Sept.: On the figure of equilibrium of a homogeneous Planet in a fluid State, in reply to the observations of M. Poisson. B}' J. Ivory. (Fast gar keine Formeln oder Rechnungen, sondern 5 Propositionen, die er alle zu beweisen glaubte. Die 5. Propo- sition ist: A homogeneous niass of fluid consisting of particles, that attract one another inversely as the Square of the distance, and revolving upon an axis passing through the centre of gravity cannot be in equilibrio nor maintain a permanent figure unless it have the figure of an ellipsoid.

Ich habe Ihnen, mein theurer Gauss, deswegen die Titel dieser Abhandlungen hergesetzt, wenn Sie etwa eine oder die andere zu sehen wünschten, die ich dann gleich schicken kann. Aber ich glaube, Sie haben es satt, ferner über diesen Gegenstand von Ivory etwas zu lesen.

Den jetzt wieder sichtbar gewordenen Kometen^) werde ich schwer- lich sehen, da er zu einer so unbequemen ]\Iorgenstunde aufgeht, son- dern seine Beobachtung jüngeren Astronomen überlassen.

Die Bahn des BiELA'schen Kometen'-) fiel schon 1805 und 182G beim niedersteigenden Knoten sehr nahe an die Erdbahn. Kann man nun den Elementen trauen, die Damoiseau für seine nächste ^^'ieder- kunft 1832 mit Berücksichtigung der 4 Störungen berechnet, so wird 1832 der IS, der 1805 und 1826 ausserhalb der Erdbahn fiel, nun innerhalb derselben, aber dieser so nahe fallen, dass die nächsten Punkte beider Bahnen kurz vor dem iS noch niclit 4 Halbmesser der Erde von einander entfernt sind. Da ich nun aus den 1805 ange- stellten Beobb. den Halbmesser der Dunstkugel des Kometen grösser als 5 Erdhalbmesser gefunden habe, so liegt 1832, wenn der Komet

1) Komet 1827 III. Seh.

*) Siehe auch Olbkrs Bd. I No. 124, S. 431—434. Krm.

Gauss an Olbers. Göttingeu, 1S'2S März 29. 499

durch diesen Punkt seiner Bahn geht, wirklich ein Theil der nachmals von der Erde zu beschreibenden Bahn innerhalb der Atmosphäre des Kometen.

Dies veranlasst mich zu einer, wie es mir scheint, für die Kos- mologie sehr wichtigen F'rage, über die ich recht sehr um Ihre Be- lehrung bitte. Bekanntlich ist es längst, und zuletzt noch von Lagrange, La Place und Poisson für die höheren Potenzen der per- turbirenden Kräfte erwiesen, dass die grossen Axen der Planetenbahnen nur periodischen Veränderungen unterworfen sind. In wiefern lässt sich dieser Satz auf Kometenlahnen anwenden?'^) Uneingeschränkt lässt sich doch wohl nicht behaupten, dass im Mittel auch die grossen Axen der Kometenbahnen und ihre ümlaufszeiten unverändert bleiben, l'nter welchen Bedingungen und Verhältnissen sind auch die Umlaufs- zeiten der Kometen nur periodischen Schwankungen ausgesetzt? Ich bitte, lieber Gauss, sagen Sie mir doch Ihre Meinung hierüber.

Wissen Sie noch nicht, was Lindenau, da er nicht Bundestags- Gesandter bleiben soll, künftig für eine Bestimmung erhalten oder an- nehmen wird? Ob Zach wieder hergestellt ist, und wohin dieser sich wenden wird?

Meine Schwester, die hier einige Tage sehr krank, aber bald wieder völlig hergestellt war, hat mich dieser Tage leider schon wieder verlassen. Der Abschied war uns beiden sehr schwer, da man natür- lich in meinen Jahren immer fürchten muss, die scheidenden Geliebten hienieden nie wieder zu sehen.

Ich hoffe, die Besserung Ihrer theuren Gattin geht noch immer nach Wunsch.

Entschuldigen Sie dies vielleicht etw^as verwirrte Geschreibsel. Ich bin sehr oft dabei gestört worden, und auch noch jetzt von meh- reren Personen umgeben.

xo. 627. Gauss an Olbers. [296

Göttingen, 1828 März 29.

Beigehend habe ich das Vergnügen, Ihnen drei Werkchen ^), die so eben die Presse verlassen haben, zu übersenden, und bitte solche mit Ihrer gew^ohnten freundschaftlichen Güte aufzunehmen.

\) Vergl. hierzu auch Brief No. 6.S2 und die betreffende Anmerkung-. Krm.

-) Theoria residuorum biquadraticorum , Comuientatio priuia; Supplementum theoriae combinationis observatiouuin erroribus minimis obnoxiae; Disquisitiones ge- uerales circa superficies curvas, zusammen veröffentlicht im Vol. VI der Commenta- tiones, wiederabgedruckt in Bd. II bezw. Bd. IV der Werke. Krm.

32*

500 Gauss an Olbers. Göttingen, 1828 März 29.

An meinen Sektorbeobb., deren Bearbeitung mir viele Zeit ge- kostet hat, wii^d jetzt auch schon gedruckt, und ich hoflfe, dass solche in vier oder sechs Wochen werden erscheinen können.

Es ist sehr lange, dass ich von Ihnen keine Nachrichten gehabt habe, und ich verlange sehnlichst nach einigen Zeilen, die mir Ihr "Wohl- befinden versichern. Ich selbst kann über grosse Beschwerden freilich nicht klagen, desto mehr aber über kleine, \\ie Katarrhe, Zahnschmerzen oder Kopfschmerzen, mit denen alternii-end oder zusammen ich fast den ganzen Winter mich habe plagen müssen, und die mich häufig zu Ar- beiten unfähig gemacht haben.

Mit vielem Vergnügen habe ich Ihren Aufsatz^) über den 6 jäh- rigen Kometen gelesen*), obwohl derselbe wiederum den Idioten Ge- legenheit zu allerlei albernem Geschwätz [geboten] hat. Es scheint fast unmöglich, dergleichen Gegenstände zu berühren, ohne den Ver- drehungen der unwissenden Zeitungsschreiber Spiel zu geben. Es sind [in] mir dadurch auch wieder einige Betrachtungen angeregt, die viel- leicht weiter verfolgt zu werden nicht unwerth wären. Besondere scheint mir die Frage Kern oder Nicht -Kern noch immer ganz in Dunkel gehüllt. In früheren Zeiten nahm man immer ohne weitere Frage sofort an, jeder Komet habe einen festen Kern, und hielt den dichteren Theil des Nebels dafür. Spätere Erfahrungen schlugen diesen Irrthum nieder, und man schien mehr geneigt zu sein zu zweifeln, ob irgend ein Komet wirklich einen festen Kern habe, und ich gestehe, dass ich mich selbst dazu hingeneigt habe. Es scheint mir aber doch wieder, dass diese Meinung ihre grossen Schwierigkeiten habe, und ich kann nicht leugnen, dass ich gegenwärtig fast eher geneigt bin, das Dasein eines festen oder liquiden Kerns, d. i. der eine yiicht expansible Flüssigkeit ist, in jedem Kometen anzunehmen, wenngleich derselbe vielleicht immer sehr klein sein mag, verglichen mit den Planeten. In der That können alle Erfahrungen Schumacher hätte, meine ich, besser gethan S. 157 (1)^) dieselben bestimmt nachzuweisen nur die Ueberzeugung verschaffen, dass kein nur etwas beträchtlicher Kern

*) „Ueber den BiELA'schen Kometen bei seiner nächsten "Wiederkunft im Jahre 1832", A. N. Bd. VI, S. 155—160, in einer Beihge Olbers" frühere Abhandlung „Ueber die Möglichkeit, dass ein Komet mit der Erde zusammenstossen könne"" ent- haltend. Siehe auch Olbers Bd. I No. 124 bezw. No. 6. Krm.

*) Es wäre wohl zu wünschen, dass die sogenannten HALLEY'schen, EscKE'schen, BiELA'schen Kometen endlich angemessenere Namen erhielten, so wie die Benennungen HKRSCHEL'scher, PiAzzi'scher, OLBERs'scher pp. Planet mit anderen vertauscht sind.

*) Zusatz Schumacher's zu Anmerkung 1 (S. 433 in Olbers Bd. I, wo dieser Zusatz nicht abgedruckt ist) in dem oben in Anmerkung 1 erwähnten Aufsatze Olbers'. Krm.

4

On.ers an Gauss. Bremen, 1828 April 9. 501

da gewesen sei. aber selbst bei dem 6jäln'i,2:en Kometen, den ich am 8. Dec. 1805 aucli in seiner Eidnähe sah, ohne einen Kern zu erkennen, wird die ^löglicbkeit eines solchen von ein paar Meilen im Durchmesser noch keineswegs ausgeschlossen. Vielleicht würde jeder Planet, wenn es möglich wäre, iVVy- seiner festen Masse zu vernichten, sich von selbst in einen Kometen verwandeln, die Atmosphäre würde sich wegen der gelingen Centripetalkraft in einen sehr grossen Raum ausbreiten, aber eben deswegen würde auch das Meer wegen des fast ganz cessi- renden Luftdrucks von selbst sich in expansible Flüssigkeit verwandeln und dadurch den Nebel des neu entstandenen Kometen vielleicht ver- hundertfachen. Diese Betrachtungen bieten zu allerlei interessanten Kalküls Gelegenheit, die ich vielleicht einmal weiter ausführe. Nicht weniger interessant wäre die Frage über die Folgen, welche der Stoss einer festen Masse von 2 10 Meilen im Durchmesser gegen die Erde unter plausibeln Voraussetzungen für die Dichtigkeit und relative Ge- schwindigkeit [derselben hätte]. Ich bin geneigt zu glauben, dass bei einem Durchmesser von 10 Meilen ein Untergang des ganzen Menschen- geschlechts auf dem festen Lande dadurch sehr wohl denkbar und vielleicht auf Schiften auf dem AVeltmeere die einzige Rettung zu er- warten wäre.

Vielleicht auch da nicht. Ist die von Cordier neulich wieder so lebhaft unterstützte Behauptung wahi', dass in einer vergleichungsweise gar nicht grossen Tiefe unter der Oberfläche schon alles im glühend- geschmolzenen Zustande, also die feste Rinde gar nicht sehr dick ist, so wird diese selbst von einem sehr kleinen Kometenkern ein- brechen und zertrümmert werden, dadurch die Hölle gleichsam hervor- brechen und alles zerstören und ins alte Chaos verw^andeln. Wir beide, lieber Olbees, und unsere Kinder können es aber noch geruhig ab- warten.

Doch verzeihen Sie, lieber Olbees, diese Träumereien.

No. 628. Olbers an Gauss. [332

Bremen, 1828 ApriF) 9.

Meinen herzlichsten, innigsten Dank für Ihren lieben Brief und das ihn begleitende Geschenk Ihrer 3 Abhandlungen. Letztere habe ich erst flüchtig durchlaufen und mir ihr Studium vorbehalten, wenn sie erst wieder vom Buchbinder zurückkommen. Ich fürchte aber, mein

Olbers hat März geschrieben, nach dem Poststempel ist es aber April. Seh.

EQ2 Olbers an Gauss. Bremen, 1828 April 9.

alter Kopf wird Ihnen nicht mehr allenthalben folgen, nicht mehr alles verstehen können, was mir ganz besonders wiegen der Disquisitiones gene- rales circa superficies curvas sehr leid sein wird.

Ich sehe die „Bestimmung des Breiten-Unterschiedes zwischen Altona und Göttingen aus den Sektor-Beobb." schon als zur Ostermesse fertig im Messkataloge angekündigt und hoffe also, dass sie bald wirk- lich erscheinen wird. Damit ist denn wohl der grösste Theil der Prolegomena zu dem eigentlichen Werke über Ihre so einzige und un- vergleichliche Gradmessung geendigt, und wir dürfen dann diesem viel- leicht bald entgegensehen.

Auch ich habe den Winter so erträglich zugebracht, wie man es im 70. Jahre erwarten kann. Schlaflosigkeit und Husten sind meine grössten Beschwerden und fast beständigen Begleiter. Die allmähliche von Vierteljahr zu Vierteljahr sehr merkliche Abnahme meiner physi- schen und geistigen Kräfte beobachte ich ruhig mit dem Auge eines Physiologen, ohne sonderlich dadurch afficii't zu werden. Ich finde es doch noch immer ganz angenehm zu leben; sehe aber auch ohne Furcht und Widerwillen das Ende meiner Laufbahn sich nähern.

Sie sagen mir nichts von der Gesundheit Ihrer herrlichen Frau, lieber Gauss, für die ich mich doch so sehr interessire. Darf ich daraus schliessen, dass das Befinden derselben unseren Wünschen ge- mäss ist.

Wenn ich den albernen Lärm hätte vorhersehen können, den meine Bemerkung über die Lage der Bahn des BiEL.v'schen Kometen gegen die Erdbahn verursacht hat, ich würde wahrlich diese Bemerkung, die ja jeder machen konnte und machen musste, der sich nur die Mühe nahm, die Elemente der Kometenbahn etwas näher zu untersuchen, nie bekannt gemacht haben. Aber ich glaubte mich diesmal recht vor- sichtig ausgedrückt zuhaben, um keine Missdeutung zu befürchten: und ein Anlass war mir nicht unangenehm, wobei ich mich einmal kräftig gegen die Verleumdung erklären konnte^), die mir so viele abgeschmackte Meinungen und unsinnige Prophezeiungen zuschrieb. Meles von dem, was man nun auf meine Rechnung über den Kometen von 1S32 ge- fabelt hat, habe ich nicht gelesen, aber schon das, was mir ungesucht in den Zeitungen vorgekommen ist, hat mii' genug ^'erdruss gemacht.

Sehr'-) neugierig bin ich, die Gründe zu wissen, warum es Ihnen jetzt wahrscheinlich ist, dass jeder Komet einen kleinen festen oder doch aus einer tropfbaren Flüssigkeit bestehenden Kern habe, kli muss

^) Olbers' Anmerkung zu dem erwähnten Aufsatze. S. Olbers Bd. I, S. 433. Krm. *) Vergl. zu dem Folgenden auch Olbers" Brief v. 6. Mai 1S'2S an Bessel. No. 328 des Briefwechsels, Bd. II S. 313—314. Krm.

Olbers an Gauss. Bremen, 1828 April 9. 503

Ihnen im Geo-entheil bekennen, dass icli immer mehr zu dem Glauben gekommen bin. die meisten Kometen beständen bloss aus einem gas- artigen Fluidiim, ohne allen festen oder tropf bar-tiiissigen Kern. Eine rntersuchung. wie sich ein solcliei- ganz oder doch bei weitem grössten- theils aus einem elastischen Dunst bestehender Körper, bei dem doch auch das MARiOTTE'sche Gesetz statttinden wird, in seiner Bildung, in seinen nach und nach abnehmenden koncentrischen Schichten u. s. w. ver- halten wird, scheint mir höchst wünschenswerth, und einen der wich- tigsten Beiträge zur Physik unseres Sonnensystems zu versprechen. Dann wird sich ergeben, bei welchem Exponenten der Elasticität doch eine so schnelle Zunahme der Dichtigkeit der koncentrischen Schichten statttinden kann, dass scheinbar ein mehr oder minder begrenzter Kern entsteht, obgleich kein eigentlicher vorhanden ist; oder ob es noth- wendig ist, in jedem Kometen, der eine solche Kernerscheinung dar- stellt, 2 Gasarten von verschiedener Elasticität anzunehmen, die eben, wie nach Dalton's Ansicht in unserer Atmospliäre, zusammen vermengt sind, ohne aufeinander einzuwirken, welche Vei'änderungen die Sonnen- wärme in diesen Formen hervorbringen muss u. s. w\ Ich möchte sehr wünschen und bitten, lieber Gauss, dass Sie diese Untersuchung bald vornehmen und ausführen möchten.

CoRDiER hat auch mir seinen Aufsatz zu schicken die Güte ge- habt. Seine Beobb. über die mit der Tiefe zunehmende AVärme sind schätzbar, wahrscheinlich die genauesten, die man bisher über diesen interessanten Gegenstand angestellt hat. Aber seinen kühnen, selbst wilden Schlüssen kann ich nicht folgen. Wie gross die Hitze im Innern unserer Erde sei, das wird man aus unseren nur in so ganz un- beträchtlichen Tiefen möglichen Beobb. wohl nie auch nur näherungs- weise ausmachen können. Es mag sein, dass in der Tiefe geschmolzenes Eisen oder Glas vorhanden ist; ich halte nur für gewiss, dass die Erde im Ganzen in ihrer Temperatur im Beharrungszustande ist, und dass in ihrem Innern gerade so viel gebundene Wärme zur ungebundenen ent- wickelt und von aussen durch die Sonnenstrahlen zugeführt wird, als sie nach den Erkaltungsgesetzen im Himmelsraum wieder verliert. La Place's Beweis, dass die mittlere Temperatur unserer Erde seit 2000 Jahren

nicht um r— Centesimal-Grad abgenommen habe, scheint mir sehr über- zeugend und steht, Cordier mag sagen, w^as er Avill, mit seinen Vor- stellungen über das Innere unserer Erde in schneidendem Widerspruch. Harding schrieb mir neulich, „er sehe bei Doppelsternen, wo beide fast gleiche Lichtstärke haben, die beiden Sterne als Scheiben,^) im

^) Vergl. auch Olbers Bd. I No. 194, S. 653. Krm.

504 Gauss an Olbers. Göttinnen, 1828 Mai 26.

umgekehrten Fall nicht." Die Bemerkung war mir um so auffallender, da ich kurz vorher zufällig den Rigel und den Castor mit etwa 200- maliger Vergrösserung meines Fraunhofer- betrachtet und mich über den Kontrast, den ihre Erscheinung in demselben Fernrohr darbot, sehr verwundert hatte. Bigel war ein ungemein heller, funkelnder, unmess- barer Punkt, der scintillirend seine Strahlen bis fast an seinen kleinen Begleiter schoss; Castor hingegen stellte mir zwei ruhige, ganz gut be- grenzte, messbare Scheiben von etwas verschiedener Grösse dar. Ich halte das Phänomen auf alle Fälle nur für eine optische Erscheinung, und die Scheiben nur [für] Täuschung, möchte aber doch gern wissen, ob auch Sie eine ähnliche Verschiedenheit bei der Darstellung der Doppelsterne in Ihrem Fernrohr bemerken?

No. 629. Gauss an Olbers. [297

Göttingen, 1828 Mai 26.

Beigehend übersende ich Ihnen einen Abdi'uck meiner Bestimmung des Breitenunterscliiedes zwischen den Sternwarten von Göttingen und Altona^) Nehmen Sie dieses Werkchen mit Ihrer gewohnten fi-eund- schaftlichen Güte auf, und erfreuen Sie mich mit den stets lehrreichen Bemerkungen, welche sich Ihnen bei der Durchlesung darbieten und von mir mit verbindlichstem Danke werden erkannt werden.

Sie haben diese Schrift nicht sowohl als einen Vorläufer, sondern als einen Bestandtheil meiner Arbeit über die Gradmessung zu betrachten, den ich zuerst zu publiciren für gut gehalten habe, da der viel volumi- nösere trigonometrische Theil aus Ihnen bekannten Gründen nicht so schnell wird ausgearbeitet werden können. Ich denke jetzt gewisser- maassen noch nicht daran, zumal da nach einem vor etwa 6 Wochen aus London gekommenen Beschluss die trigonometrischen Arbeiten auch noch über andere Landestlieile werden ausgedehnt werden. Ich hoffe indessen es so einrichten zu können, dass ich mich dabei meistens nur auf die Leitung von liier aus einschränke; im gegenwärtigen Jahre wird auch wohl noch nichts unmittelbar sich darauf Beziehendes vor- genommen werden können, sondern nur einige trigonometrische Vor- arbeiten für die Detailaufnahme des Hildesheimschen und des Eichsfeldes.

Dass es mir schwer wird, den Glauben an das Dasein eines kleinen Kerns in jedem Kometen aufzugeben, beruht darauf, dass ich mir die Möglichkeit des Zusammenbleibens einer expansiblen Flüssigkeit ohne

^) Wieder abgedruckt iu Bd. IX von Gauss' Werken, S. 1— 58. Krm.

Gauss an Olbrrs. ( Mittimrt.'ii. 182S Mai 20. 505

einen solchen noch nicht zur hcfrii'dKji'uden niatliematisclien Klarheit liabe bringt'n können, und dass mir keine unserer Erfahrungen das Da- sein eines solchen Kerns zu widerlegen scheint. Ich kann mir recht gut denken, dass alle jene Erfahrungen Avenigstens mit einem sehr kleinen Kern noch recht gut bestehen können. Verstehen ISie mich übrigens nicht unrecht, ich will, obgleich die obige Möglichkeit mir noch nicht erwiesen ist, sie auch noch keineswegs ableugnen. Bis jetzt bloss ,.??0H Jiqiict". Ausser den analytischen Schwierigkeiten scheint es auch noch zu sehr an einer physikalischen Basis in Beziehung auf die Vorstellung, die wir uns von dem Wärmezustand der Kometenmasse zu machen haben, zu fehlen. So viel ist gewiss, dass eine blosse Dunst- ma.sse von gleichförmiger Temperatur sich gar nicht zusammenhalten kann; sti'eng genommen kann es aber eine solche auch dann nicht, wenn sie einen Kern umgiebt. Nun haben wir aber unsere Atmosphäre noch immer, und es muss also bei so niedrigen Temperaturen, wovon wir uns gar keine Vorstellung machen können, an den Grenzen der Atmosphäre die Expansibilität ganz aufhören. Aber gerade die mathe- matische Konstruktion der Gesetze, nach denen sich die expansiblen Flüssigkeiten da richten, wo ihnen der Wärmestoff fast ganz ausgeht, würde erforderlich sein, um die Gestalt der Kometenmassen einem Kalkül unterwerfen zu können.

In nicht langer Zeit wird vermuthlich die Reihe an mich kommen, Gegenstände zur Auswahl einer mathematischen Preisfrage bei unserer Societät vorzuschlagen. So lange ich hier bin, ist noch niemals ein mathematischer Preis zuerkannt. Freilich ist sein numerischer Werth zu gering, um zu einer sehr schwierigen Arbeit jemand einzuladen, der nicht ohnehin den Gegenstand schon zu bearbeiten denkt. Ich habe zwar mehrere Sujets bei Händen, für die ich aber aus der erwähnten Ur- sache ein gleiches Schicksal besorge. Sollte Ihnen, liebster Olbers, vielleicht ein oder der andere Gegenstand beifallen, den Sie selbst unter meine Vorschläge aufgenommen wünschten, so werde ich einige Winke darüber gern und dankbar befolgen.

Eine Scheibengestalt bei Doppelsternen habe ich an den Meridian- instrumenten niemals gesehen, ausgenommen, wenn ich das Objektiv, wie ich es bei Nacht bei hellen Sternen [thue], durch eine leichte Papierkapsel von 2 Zoll Oeffnung blende; dann erscheinen alle hellen Sterne 1., 2. oder 3. Grösse wie scharf begrenzte Scheiben von etwa 2" Durchmesser. Ich kann mir dieses Phänomen nicht erklären, da dieselben Sterne bei Tage und voller Oeffnung bloss wie Punkte er- scheinen. Ich habe mir längst vorgenommen, darüber einmal eine be- sondere Reihe von Versuchen zu machen, bin aber bisher noch nicht dazu gekommen.

506 Olbers an Gauss. Bremen, 1828 Juli 2.

Mit Verwunderung habe ich das wahnsinnige Geschwätz des Dr. Gruithuisen über seine katachthonische Sternwarte neulich gelesen und bedauert. Ihren zu gütigen Brief an ihn zu einem Platze in diesem Tollhaus-Journale gemissbraucht zu sehen.

No. 630. Olliers an Gauss. [333

Bremen, 1828 Juli 2.

Mit dem grössten Vergnügen habe ich Ihre Bestimmung des Breiten- TJnterscJiiedes zwischen den Sternwarten von Göttingen und Altana erhalten, und ich statte Ihnen für dieses abermalige gütige Geschenk den innigsten herzlichsten Dank ab. Ich bewundere die Genauigkeit und Uebereinstimmung der so zahlreichen Beobb., noch mehr aber den Scharfsinn, womit Sie, auch die kleinsten Umstände in Betrachtung ziehend, aus diesen Beobb. das wahi^scheinlichste Endresultat abzuleiten wissen.

Ganz bin ich mit Ihnen über Ihre Ansicht der bisher immer nui' von Lokalablenkungen der Lothlinie hergeleiteten Verschiedenheiten, die sich unter den geodätisch oder astronomisch bestimmten Polhöhen finden, einverstanden, und ich hofi'e, dass wir dem idealischen Bevolutions- Sphäroid besonders auch durch Ihre Messung merklich näher ge- kommen sind.

Es hat mich etwas gewundert, dass ich in den Schriften über neuere Gradmessungen nie eine Aeusserung Boscovich's angeführt und gewürdigt gefunden habe. Boscovich sagt nämlich in seiner expeditio literaria, er habe bewiesen (die Abhandlung, worin Boscovich dies bewiesen haben will, habe ich nicht gesellen, da ich seine opera omnia nicht besitze), dass ein sich nach und nach erhebendes Terrain, 100 römische Meilen (etwa 20 deutsche) im Diu'chmesser und in der Mitte 500 Fuss hoch, das Loth an seinem Rande 24"s ablenken werde. Deswegen, setzt er hinzu, müsse das Loth in Italien vom toskanischeu Meere an bis zu den Appeninen immer nach Norden abgezogen, also alle Polhöhen zu klein gefunden werden etc. Das. was man in der Lombardei^) erfahren hat, schien mir diese Boscovicn'sche Aeusserung sehr zu bestätigen, denn auch hier müssen wegen des gegen die Alpen und Tyroler Gebiige aufsteigenden Landes alle astronomischen Breiten zu klein gefunden werden; so wie hingegen die von Kimini zu gross,

') Vergl. auch Brief No. 550 auf S. 37S. Krm.

Olbcrs an Gauss. Bremen, 1828 Jnli 2. 507

weil hier das von Kimiiii ofep-en die südlich davon gelegenen Appeninen sich erhebende Terrain eiinviikte.

Ob ich gleichwohl sah, dass liier allerdings Ansnahmen vorkommen müssen, so war ich doch geneigt, mir auch die in den übrigen Grad- messungen sich zeigenden Anomalien auf diese Art zu erklären; und ich muss es gestehen, ich glaubte, dass man nur auf zwei Punkten im Bereich Ihrer und Schumacher's Messungen die eigentliche Polhöhe des Idealsidiäi'dids astronomisch zu finden Hoffnung habe, nämlich auf dem Brocken und auf Helgoland. Ersterer schien mir als die höchste Spitze des Harzgebirges, letzteres als einzelner Felsen mitten im Meere alle sogenannten Lokalanziehungen auszuschliessen.

Ich sehe nun, dass ich mich in Ansehung des Brockens hässlich geirrt habe. Die Unterschiede von 10" und gar 16" von den Polhöhen von Göttingen und Altona könnten durchaus nicht stattfinden, wenn auf dem Brocken selbst nicht das Loth perturbirende Einwirkungen vorhanden wären. Aber sehr interessant scheint es mir doch noch immer, diese grosse Anomalie durch Prüfung der ZAcn'schen Breiten- bestimmung völlig zu konstatiren. Ich veranlasste also unseren Freund Schumacher, den sich gerade damals in Altona aufhaltenden Hrn. Hansen aufzufordern, die Bestimmung der Polhöhe des Brockens mit einem Passage-Instrument, w^ie in Helgoland, zu wiederholen. Hansen erklärte sich sehr bereitwillig dazu; nur könne er dies nicht auf seine Kosten ausführen, auch sei die Genehmigung seines Herzugs dazu erforderlich. Ein Brief an den Herzog von Coburg, der das Verdienstliche und Wünschenswerthe dieser neuen Breitenbestimmung darstellte, würde unfehlbar alles in Ordnung bringen. Sie sehen leicht, mein allertheuerster Freund, dass es eine höchst unbefugte Anmaassung von mir sein würde, wenn ich einen solchen Brief schreiben wollte. Aber wenn auch Ihnen die Sache wirklich so wichtig scheint, wie sie mir vorkommt, so werden Sie sehr leicht durch ein paar Worte an den Herzog, welches mir bei weitem am besten scheint, oder auch vielleicht durch einen ostensiblen Brief an Hansen unseren Zweck erreichen können. Da Hansen selbst von Seeberg die Polhöhe 3" kleiner gefunden hat als Zach, so kann man noch ganz w^ohl einen grösseren Fehler in der Polhöhe des Brockens erwarten.

Auch IvoRY hat ganz kürzlich, wie Ihr Dr. Schmidt, aus den Gradmessungen die wahrscheinlichste Figur der Erde zu finden gesucht, zwar auch die Methode der kleinsten Quadrate angewandt und das Quadrat der Abplattung mit in Eechnung gebracht, aber nur die 5 ganzen Bogen, den von Peru, Indien, Frankreich, England und Schwe- den zu Grunde gelegt. Er findet die Abplattung = 0,003 24 = -g-i-g-, den Grad des Aequators =60856 Fathoms u. s. w. Die Fehler der

5Qg Olbers an Gauss. Bremen, 1828 Juli 2.

5 ZU Grunde gelegten Bogen sind der Ordnung nach 20, -f l^» 7, -j- 13, + 5 FaÜioms. Ivoey's Abhandlungen stehen im Mai- und Juni- Heft des Philos. Magaz. dieses Jahres. Den unter 45*^ 43' 12" ge- messenen Theil des Parallels stellt Ivory's Sphäroid nur unvollkommen dar. Die Messung gab jeden Grad = 77865,75 m =42578,2 i^af/ioms, Ivory's Keclmung =42557,4 FaÜioms. Auf den ganzen gemessenen Bogen von 13° muss man einen Fehler von l"\ voraussetzen, um ihn mit Ivory's Erdfigur in Uebereinstimmung zu bringen. Wie giebt wohl Dr. Schmidt's Erdfigur diesen Bogen des Parallels?

Da Sie, wie Sie mir einst schrieben, die Stücke dieses Magazins gewöhnlich erst spät erhalten, so niuss ich Sie mit einer darin befind- lichen, Sie angehenden Stelle bekannt machen. In dem Mai-Hefte ist nämlich unter No. LH Account of a Paper by Prof. Gauss intitled: „Disq. gen. circa sup. curv. eine Uebersetzung Ihrer Anzeige dieses Werks aus den G. G. A}) enthalten. Gegen eine Stelle derselben findet sich im Juni-Heft unter No. LXYI folgende Eeklamation (p. 436).

To the Editors etc.

Messieurs.

Ce n'est pas sans surprise, que j'ai lu dans votre dernier X" du Philos. Magaz. le passage suivant p. 334.

d^z cl^z ( d^z

dx^ dy^ \dxdyJ

„an equation which indeed has long known, but in the opinion of Mr. Gauss has never yet been rigorously demonstrated".

Les geometres savents que Monge et Meusxier ont donne des de- monstrations rigoureuses de cette equation difierentielle partielle du second ordre, qui appartient aux surfaces developpables. Pour s'eu assurer je renvoie vos lecteurs aux ^'olumes IX et X de la collection des Memoires des Savans etrangers

le 15 Mai 1828. Fayolle

Ancien chef d'etude ä l'ecole Polytechnique.

So unbedeutend diese Reklamation auch ist, so glaubte ich doch, es würde Ihnen angenehm sein, sie sogleich zu kennen.

Mit besonderem Interesse habe ich Ihre wichtigen Bemerkungen über die Beschaffenheit der Kometen gelesen und bin Ihnen sehr des- wegen verbunden. Ich sollte doch denken, dass sich eine wahrschein- liche Hypothese aufstellen lasse, nach der sich auch eine Dmistmasse ohne Kern zusammenhalten lasse, versteht sich, wenn die Temperatur

1) G. G. A. Stück 177, Gauss' Werke Bd. IV, S. 341—347. Krm.

Olbers an Gauss. Bremen, 1828 Juli 2. 509

nicJit gleichförmig ist, sondern von Innen nacli der Oberfläclie zn ab- nimmt. Eine weitere Erklärung meiner vielleicht unrichtigen Vor- stellung muss ich aber auf meinen nächsten Brief versparen, da sie für heute zu weitläufig ausfallen würde.

Obgleich Struve die östliche Anse des Saturn^) wirklich länger gefunden hat als die westliche, so kann ich mich doch noch von einer wirklichen excentrischen Lage des t' in seinem Ringe nicht überzeugen, und werde noch immer erwarten, ob Struve nicht diesen Herbst vor der Opposition im Gegentheil die westliche Anse am grössten finden wird.

Das Astronomische Jahrbuch für 1830 von Encke hat alle meine doch hoch gespannte Erwartung übertroffen. Das ist doch eine Ephe- meride, wie wir sie noch nie gehabt haben, und wie sie zu dem jetzigen Stande der Wissenschaft passt!

Allerdings haben Sie einige Ursache, mich zu bedauern, dass ich vel quasi als Mitarbeiter an den unglücklichen Analekten erscheine. So viel Unwissenheit mit so viel Anmaassung, Selbstvertrauen und wilder Einbildungskraft verbunden ist mir noch nicht vorgekommen. Ich suche ihn jetzt zu bekehren, d. i. ihn dahin zu bringen, dass er sich gar nicht weiter an die eigentlich messende, rechnende oder gar theoretische Sternkunde wagt, sondern bloss, wie unser verewigter Schroeter, bei der guckenden oder beschauenden Sternkunde bleibt. In dieser kann er wirklich nützlich werden, da er sehr gute Fernrohre besitzt, wirklich ein ganz ausgezeichnet scharfes Auge hat, und damit die seltene Gabe verbindet, das Gesehene in Zeichnung und Steindruck schön und deut- lich darzustellen. In seinen Schlüssen aus dem Gesehenen mag er denn immer ins Wilde deraisonniren, man braucht ihm nicht darin zu folgen.

Grüithuisen's scharfe Sehkraft hat sich wieder bei dem 5. Stern ^) im Trapez des Orion-Nebels erprobt. Was mir Struve über diesen merkwürdigen Stern, vorzüglich aus einem Briefe von Herschel II mit- theilt, findet sich im letzten Stück der Astr. Nachr.

Freund Schumacher ist nun am 27. Juni nach Königsberg ab- gereist. Von seiner eigentlichen Reiseroute bin ich nicht unterrichtet. Es scheint, dass er bis Anfang Sept. auszubleiben denkt.

1) Vergl. Olbers Bd. I Xo. 194, S. 653. Krm. -) Vergl. Olbers Bd. I No. 194, S. 654. Krm.

510 Gauss an Olbers. [Göttingen, 1828 nach Juli 20.]

xo. 631. Ganss an Olbers. [298

[Göttingen, 1828 nach Juli 20.] \i

Für Ihr gütiges Schreiben vom 2. und für die freundliche Auf- nahme meiner Bestimmung des Breitenunterschiedes zwischen Göttingen und Altona sage ich Ihnen den verbindlichsten Dank.

Für die absolute Polhöhe von Göttingen habe ich im vorigen Frühjahr noch eine neue und zahlreichere Reihe von Beobb. angestellt, die sich auf Ablesung mit Mikroskopen bloss an acht verschiedenen Theilstrichen gründen und vortrefflich unter einander harmoniren. Gegen- wärtig ist einer Baureparatur wegen der Kreis abgenommen. Später- hin werde ich die Theilungsfehler jener Striche auf das Genaueste be- stimmen, und so die Breite von Göttingen definitiv festsetzen; ver- muthlich wird sie nur sehr wenig von dem vorigen Resultate abweichen. Setze ich diese Theilungsfehler = 0, so würde sie einige Zehntel kleiner; berechne ich aber jene nach der allgemeinen Formel, die in dem ge- dachten A\'erke mitgetheilt ist, so wird sie einige Zehntel gi'össer. Es kommt nun aber auf die wirklichen Fehler der individuellen Striche an.

Schumacher ist bei seiner Reise nach Königsberg einige Tage bei mir gewesen und von hier nach Dresden gereist, von wo ich bereits einen Brief von ihm erhalten habe. Anfang Sept. denkt er auf der Rückreise in Berlin zu sein, wo er vermuthlich auch eben jetzt ist.

Die Wichtigkeit einer neuen Bestimmung der Breite des Brockens erkenne ich gern an. Von Ihrer Idee, dass ich den Herzog vgx Coburg disponiren möchte, Hansen damit zu beauftragen, hatte Schumacher mir schon gesagt. Ich erwiderte ihm. dass mir scheine. Seiner Durch- laucht erster Gedanke müsse sein, warum ich dies nicht selbst thue. Schumacher fand dieses Argument sans rejüique. ^^'enigstens liesse sich keine ostensible repliqiie geben.

Hi'n. Dr. Schmidt habe ich aufgefordert, seine Dimensionen der Erde mit dem im Parallel von 45^ gemessenen Bogen zu vergleichen. Er hat mir seine Resultate gebracht; ich lege das Blatt bei. welches ich, da ich in diesem Augenblicke nicht Zeit habe es abzuschi-eiben. mir gelegentlich zurück erbitte.

^) Das Datum dieses Briefes ist ungefähr das angegebene, da der nachher erwähnte Brief Schumacher's (No. 347 des Briefwechsels) ,.Dresden 1828 Juli 15" datirt ist, und da andererseits Schumacher nach No. 328 im Briefwechsel Olbers-Bessel am 26. Juli in Königsberg angekommen ist. Ferner ist die am Schluss dieses Briefes erwähnte Einladung A. v. Hujiboldt's nach Berliu zur NaturforscherTersammlung „Teplitz, den 18. Juli" datirt. Krm.

Gauss au Olbers. [Göttingen, 1828 nach Juli 20.] 511

Die^) Uebersetzung des Artikels der G. G. A. über meine die krumnieu Flächen betreffende Abhandlung- rührt, wie mir Schumacher sagte, von Baily her. Er sagte mir zugleich von dem Ausfall des p. l'\\voLLK und wünschte etwas, was Baily zur Erwiderung brauchen könne, zu erhalten. Ich sagte ihm, dass es für einen Geometer bloss eines Winkes bedürfe, um die Unzulänglichkeit von Monge's angeblichem Beweise einzusehen. In der That enthält offenbar der Begriff einer in eine Ebene abwickeluugsfähigen Fläche nichts, als dass jedes Element der einen Fläche auf das korrespondirende Element der anderen nach Grösse und Gestalt passt; darin aber findet sich noch gar nichts von dem Vorhandensein von geraden Linien, die ganz in der ersten Fläche liegen, und nach denen sie nur gebrochen werden darf. Dieses Vor- handensein von solchen geraden Linien ist in allen mir bekannten au- geblichen Beweisen, vor dem meinigen, bloss erschlichen.

Schumacher hatte mir aber nichts von der ungezogenen Fassung von Fayolle's Note gesagt, die ich erst aus Ihrer gütigen Mittheüung kennen gelernt habe. Ich werde daher Schumacheb, bitten müssen, dass in meinem Namen von derselben auf keine Weise Notiz genommen wird. Es folgt bloss, dass Fayolle und ich mit dem Namen geometre und demomtration rigoureuse verschiedene Dinge bezeichnen.

Bei dem Anblick des Saturmm^t^ habe ich bloss den Eindi'uck gehabt, dass das Augenmaass wegen des nicht symmetrischen Ansehens*) kein reines Urtheil habe. Ich habe bei meinen trigono- metrischen Winkelraessungen unzählige Male die Erfahrung gemacht, dass ich die Bisektion des Fadenintervalls bedeutend unrichtig beurtheilte, wenn die Symmetrie fehlte, bei Helio- troplicht z. B. auf einem Thurm in massiger Entfernung; ich musste in solchen Fällen immer, um richtige Messungen zu machen, das Licht auf einen Faden bringen.

Den kleinen Unterschied, welchen Struve's Messungen Fig. 27. geben, muss ich auf sich beruhen lassen, aber ich glaube nicht, dass man einen so kleinen Unterschied schon mit dem Augen- maass ohne Illusion sicher erkennen kann.

Ihrer Erklärung der Möglichkeit des Zusammenhaltens der Kometen- massen ohne Kern sehe ich mit Verlangen entgegen.

Darf ich wohl meine frühere Bitte, wenn Ihnen einige Sujets zu Preisfragen beifallen, nochmals in Erinnerung bringen?

Durch die Uebernahme der Leitung: der weiteren Ausdehnung der

^) Von hier ab bis zu „bloss erschlichen" auch abgedruckt in Gauss' Werken Bd. Till, S. 444 445, vergl. daselbst S. 444 Theorem [1] des Nachlasses. Krm. *) wegen des einseitigen Schattens p.

5J2 Olbers an Gauss. Bremeu, 1828 August 12.

trigonometrischen Messungen und ihrer Verarbeitung zur Grundlage der Detailaufnahme der Landestheile, wovon noch keine vorhanden ist, habe ich, wie ich besorge, mir eine sehr viel grössere Last aufgeladen, als ich anfangs dachte, die um so drückender sein möchte, je weniger ich dabei auf Hülfe rechnen kann. An den Messungen im Felde werde ich in diesem Sommer, wenn ich es vermeiden kann, gar keinen un- mittelbaren Antheil nehmen. Es ist nicht ganz unmöglich, dass ich vielleicht im nächsten Sept. auf eine Einladung des Hrn. v. Humboldt eine Reise nach Berlin mache.

No. 632. Olbers an Gauss. [334

Bremen, 1828 August 12.

Ihr Grund, warum Sie glauben, sich nicht wim'ütelhar an den Heezog von Cobüeg wenden zu können, ist völlig durchgreifend; aber mittelbar, durch einen ostensiblen Brief an Hansen, den dieser dann mit einem P[romemoria] dem Herzog oder der Regirung zu übergeben hätte, Hesse sich doch vielleicht die Sache machen. Da eben von einem Seeberger Astronomen die sich jetzt so anomalisch zeigende Polhöhe des Brockens bestimmt worden ist, so scheint schon deswegen sein Nachfolger auf Seeberg eine Art von Verbindlichkeit zu haben, die Angabe des Hrn. v. Zach zu bestätigen oder zu berichtigen. Man kann ilm also ganz wohl dazu auffordern. Ihnen selbst ist bei Ihrer be- schränkten Zeit, anderweitigen wichtigen Geschäften und noch besonders wegen Ihrer für die angreifenden Beschwerden, die eine neue Polhöhen- Bestimmung auf dem Brocken voraussehen lässt, gar nicht geeigneten Konstitution, diese Arbeit schlechterdings nicht zuzumuthen. Hr. Hansen hat überdem auf Helgoland gezeigt, wie geschickt er das Passagen- Fernrohr zur Bestimmung einer Polhöhe zu gebrauchen weiss, und gerade dieses Instrument wird hier zu einer neuen Breiten-Beob. am zweckmässigsten sein. Da Hr. Hansen mit allem erforderlichen Apparat versehen ist oder versehen werden kann (von Altona), so werden die Kosten dieser neuen Messung nicht bedeutend sein. Vielleicht würden auch Sie und Schumacher sich erbieten und als wirklich wichtig geltend zu machen wissen, dass Sie beide in Göttingen und Altona gleichzeitige Beobb. an denselben Sternen machen wollten, die Hansen auf dem Brocken zu beobachten wählen wollte.

Meine bisherige, vielleicht unrichtige Idee von der Beschaffenheit der Kometen, die ich gern nach Ihrer Belehrung anders modificiren werde, ist kurz folgende. Ich nehme an, dass der Weltraum, wo er

Olbors ..u *.,.u.v-. iJremeii, IS'28 August 12. 513

nicht lieissen otler Avanneu Körpern sehr nahe ist, fast absolut kalt sei. Strahlende Wärme kann ihn gar nicht erwärmen; er hat also in jedem l^iinkt nur die Wärme, die ihm benachbarte warme Körper nach den Gesetzen der ^'erbreitung nicht strahlender ^^'ärme mittheilen können. Diese AVärme nimmt mit dem zunehmenden Abstände sehr schnell ab und ist selbst bei der .Sonne schon in einem massigen Abstände sehr kle*in.

Den Punkt der absoluten Kälte halte ich gar nicht so unermesslich tief unter der "Wärme des frierenden Wassers, als einige Phj'siker an- nehmen. Soweit unsere Versuche reichen können, verhält sich immer das Volumen einer Masse von Luft unter gleichem Druck wie ihre AN' arme. Nun dehnt sich dieses Volumen vom Gefrierpunkt bis zum Siede- punkt, also für 100° des Centesimal-Thermometers, in dem Verhältniss von 1 : 1,375 aus. AA'enn nun auch jenes Gesetz, dass das Volumen der Luft bei gleichem Druck sich immer \sie die Wärme verhalte, für sehr niedrige Temperatur-Grade nicht in aller Schärfe wahr bleiben kann (denn das Volumen der Luft kann bei der absoluten AVärme nicht = 0 werden), so wird doch, wenn man bedenkt, dass die Luft sich schon bis auf ^J^ ihres Volumens zusammenziehen muss, ehe sie zu einer tropfbaren Flüssigkeit von der Dichtigkeit des Wassers w^erden kann, die Abweichung von diesem Gesetz nicht gross sein. Bliebe das Gesetz richtig, so würde also der Punkt der absoluten Kälte 266° | des Centesimal-Thermometers sein; und ich glaube wirklich, dass die absolute Kälte nicht viel von diesem Grade verschieden ist, wenn sie auch noch einige Grade tiefer liegen sollte.

Denke ich mir nun eine Masse von Gas von massiger Temperatur in diesem fast absolut kalten Weltraum, so wird sie sich ausdehnen; aber so wie ihr Volumen wächst, nimmt ihre Temperatur ab und bald wird die Wärme an ihrer Oberfläche so klein, dass ihre ausdehnende Kraft nicht mehr die wenn gleich schwache Anziehung der Gastheilchen unter sich überwinden kann. Hier hört also die Ausdehnung des Volu- mens auf, und so nehme ich mit Wollaston eine begrenzte Atmosphäre der AVeltkörper und auch der Kometen an.

Im Beharrungszustand wird die Dunstmasse 1) eine sphärische Ge- stalt annehmen, 2) im Schwerpunkt am dichtesten, aber auch am w^ärm- sten sein. Vom Mittelpunkt bis zur Oberfläche nimmt diese Wärme wahrscheinlich nach den Ordinaten einer logarithmischen Linie ab. 3) Von der strahlenden Wärme der Sonne erhält jedes Partikelchen der Dunstmasse eine Wärme, die irgend einer Funktion seiner Dichtig- keit und zugleich einer bekannten Funktion seines Abstandes von der Sonne proportional ist. Da w^ahrscheinlich die Wärme, die ein solches Gaspartikelchen von den Sonnenstrahlen annehmen kann, nahe im Ver- hältniss seiner Dichtigkeit steht, diese Dichtigkeit hier aber so äusserst

Olbers. II, 2 33

514 Olbers an Gauss. Bremen, 1828 August 12.

klein ist, so wird auch der Komet nur sehr massig von der Sonne er- wärmt werden. Ist die Summe der von den Sonnenstrahlen in einem bestimmten Zeitraum erhaltenen Wärme grösser oder kleiner als die- jenige, die der Komet in derselben Zeit nach den Erkaltungs-Gesetzen im Weltraum verliert, so wird sich das Volumen des Kometen im ersten Fall vergrössern, im andern verkleinern u. s. w.

Auf diese Art habe ich mir bisher die Möglichkeit gedacht, dass auch Kometen bloss aus elastischem Dunst bestehen könnten. Ich bin aber allerdings der Meinung, dass viele einen wirklich festen, starren oder tropfbar flüssigen Kern haben, und völlig mit Ihnen überzeugt, dass die bisherigen Beobb., da man Fixsterne mit ungeschwächtem Licht vermeintlich mitten durch einen Kometen gesehen hat, für nichts be- weisen

Die Akten über die angebliche Excentricität des t>^) in seinem Ringe scheinen noch nicht ganz geschlossen, Heeschel und South haben die wirklichen dunkeln Zwischenräume, nicht wie Steuve die ganzen Ansen, zu messen versucht, und allerdings im Mittel aus 35 Mes- sungen den östlichen Zwischenraum grösser (3",607) als den westlichen (3",532) gefunden. Allein theils ist dieser Unterschied 0",075 weit kleiner, als Struve zwischen den beiden Ansen fand, theils scheinen auch die Messungen unter sich nicht sehr übereinstimmend gewesen zu sein; zwanzig von diesen 35 Messungen wurden am 26. Apr. genommen, 10 von Heeschel und 10 von South, und gaben die Zwischenräume

Westlicher Oestlicher Heeschel .... 3",612 3",442

South 3,331 3,502

Doch schien auch Heeschel an diesem Tage der blossen Schätzung nach der östliche Zwischenraum grösser. Es muss also, wie Sie mit Recht bemerken, auf diese scheinbare Ungleichheit der beiden Zwischen- räume noch etwas anderes Eiufluss haben, als die etwa wirklich vor- handene, da diese letztere auf alle Fälle zu klein ist. um mit dem blossen Augenmaass beurtheilt zu werden.

Sie haben mich, lieber Gauss, wiederholt aufgefordert, Ihnen Preis- fragen vorzuschlagen. Wahrscheinlich ist dies Scherz; denn von mii* armen Dilettanten werden Sie wohl im Ernst keine zweckmässigen Preis- fragen erwarten. Indessen mag es freilich nachgerade nicht leicht sein, eine solche zu finden, deren Beantwortung theils wichtig genug, anderntheils aber auch nicht gar zu beschwerlich oder wohl gar in einem beschränkten Zeitraum nicht möglich ist. Deswegen hat wohl die Pariser Akademie statt ihren beiden letzten, nocli immer unbeaut-

1) Vergl. Brief No. 630 S. 509 und die betrefteude Anmerkung:. Kriu.

Olbers an Gauss. Bremen, 1828 August 12. 515

wortet gebliebenen Preisfragen noch eine ;5. hinzu zu fügen, bloss erklärt, sie wolle den Preis der nach ihrem Urtheile wichtigsten mathemati- schen oder phj'sisch-mathematischen Abhandlung ertheilen, die man ihr einsenden würde, der Gegenstand möge betreffen, was er wolle. Um Ihnen aber doch meinen Gehorsam zu zeigen, setze ich hier einige solcher Fragen her, melu\ dass Sie dieselben belächeln als gebrauchen sollen. Dass sie Kometen-Astronomie betreffen, werden Sie schon im voraus vermuthen, da Sie meine Vorliebe für dieselbe kennen.

1) Dieses Jahr wii'd es sich wahrscheinlich entscheiden, ob die Kometen wirklich im Weltraum einen Widerstand erleiden oder nicht. Dieser Widerstand rührt vielleicht grössten Theils von dem Stoff des Thierk reislicht es her, und dieser Stoff" ist vermuthlich nicht in Ruhe, sondern die Partikelchen revolviren nach KEPLER'schen, durch ihre Nähe untereinander modificirten Gesetzen um die Sonne. Der Wider- stand muss also auf rückläufige Kometen ganz anders wii'ken, als auf rechtläutige u. s. w. Es ist wohl noch zu früh, eine Preisfrage über die Gesetze, nach denen eine solche bewegte Materie die Kometenbahnen afficiren muss, aufzugeben?

2) Können bei dem ExcKE'scheu und auch bei dem BiELA'schen Kometen nicht noch Säkular-Gleichungen oder Gleichungen von langen Perioden stattfinden, die die Art, wie Encke und Damoiseau bisher die Störungen dieser Kometen berechneten, nicht kennen lehrte?

3) Schon einmal habe ich Sie um Belehrung über folgende Frage ^) gebeten. Es ist erwiesen, dass bei den fast kreisförmigen und nahe in einer Ebene liegenden Planetenbahnen die grossen Axen durch die perturbirenden Kräfte nur periodische Aenderungen erleiden. W^enn dies auch noch für die Pallas in aller Schärfe wahr bleibt, so muss es für manche Kometen noch mehr oder weniger gelten. Die Frage, in- wiefern sich dieses Gesetz auch auf Kometen anwenden lässt, und unter welchen Umständen sich ihre Bahnen demselben ganz entziehen, scheint mir sehr interessant.

Eine Reise mit Ihnen, mein geliebtester Freund, oder zu Ihnen nach Berlin, wo ich zugleich nicht nur Hrn. v. Humboldt, sondern auch mir sehi' nahe und sehr liebe Verwandte sehen könnte, hat allerdings einen sehr grossen Reiz für mich. Aber leider muss ich auf alles Reisen in dieser sublunarischen Welt Verzicht thun. und habe nur noch die grosse Reise aus derselben vor mir. A\'undern Sie sich in- zwischen nicht, wenn Sie etwa zufällig hören sollten, dass ich auf dem

^) Im Brief Xo. 626 S. 499. Die gleiche Frage hatte Olbers auch im Brief No. 327 V. 6. Mai 1828 an Bessel gestellt und von letzterem Autwort darauf im Brief Xo. 328 v. 28. Aug. 1828 erhalten. Krm.

33*

52ß Gauss an Olbers. Göttingen, 1829 Januar 31.

grossen Ocean herumschwimme. Man hat mir nämlich die Ehre erzeigt, das grösste Schiff, das je von Bremen gefahren hat, mit meinem Namen zu belegen, und nächstens wird der Olbers wahrscheinlich gegen 1000 deutsche Auswanderer auf einmal nach Brasilien bringen.

Ihnen aber, lieber Gauss, kann ich nicht anders als recht sehr zu dieser Reise nach Berlin rathen. Sie wird für Ihre Gesundheit vor- theilhaft sein, und Ihnen gewiss viel Vergnügen gewähren, zugleich halte ich sie auch für die Wissenschaft nützlich. Sie werden gewiss über vieles zu Eathe gezogen werden und manche guten Zwecke und Einrichtungen befördern und veranlassen können. Wenn Sie dieses Jahr zu dieser Reise frei und im Stande sind, so schieben Sie sie nicht auf] wer weiss, was sich in einem andern Jahre an Hindernissen finden kann.

An den Stellen, wo der Komet von Encke^) am 3. und 8. Aug. stehen musste, war mit meinen alten Augen durch meinen grossen Fraunhofer, dem ich absichtlich eine geringe Vergrösserung gegeben hatte, durchaus noch nichts zu sehen. Dies muss natürlich noch an der schwachen Erleuchtung liegen, die ihn noch gar nicht vom Himmels- grunde unterscheiden lässt; denn sein scheinbarer Durchmesser ist schon gross genug.

Das interessante Blatt von Hrn. Dr. Schlmidt, die Berechnung des im Parallel von 45° gemessenen Bogens enthaltend, soll nächstens mit herzlichstem Dank zurück erfolgen. Im neuesten August-Heft des Philos. Magaz. hat man (Bailt?) angefangen, Ihre Kopenhagener Preisschrift aus dem 3. Heft der von Schumacher herausgegebenen Astronomischen Abhandlungen zu übersetzen.

No. 633. Gauss an Olbers. [299

Göttingen, 1829 Januar 31.

Es ist sehr lange [her], dass ich keine direkten Nachrichten von Hinen erhalten habe; um so melu' sehne ich mich darnach und fühle niiih gedrungen, mich einmal in Ihr Andenken zurückzurufen. Von meinem ältesten Sohn, der im Okt. die Freude hatte, Sie in Bremen zu sehen. und später von dem General Haktmann habe ich gehört, dass Sie sich wohl befanden.

Ich meines Theils bin seit lauger Zeit immer so beschäftigt ge- wesen, dass ich fast nie Herr meiner Zeit gewesen bin. Im Sonnner

*) Bei seiner dritten vorausberechneten Wiederkehr. Krm.

Gauss an Olbers. Güttincfen, 1829 Januar 31. 517

erforderte die Leituno; der Messungen eine fast tägliche weitläufige Korrespondenz; seit meiner Rückkehr von Berlin kostete die \er- arbeitung jener Messungen einen Zeitaufwand von 2 3 Monaten, da ich dabei jeder Hülfe entbehrte. Ausserdem bin ich zum Mitgliede einer niedergesetzten Kommission zur Ixegulirung unseres Maasswesens er- nannt, und obgleich in dieser Angelegenheit bisher noch nichts ge- schehen ist, als dass ich mich etwas mit den weitläufigen Akten be- kannt gemacht habe, so ist doch schon dazu viele Zeit erforderlich gewesen. Wenn ich nun noch hinzusetze, dass ich in diesem Winter zwei Kollegien zu halten habe, und dass ich im Herbst in den durch Bouterweck's Tod erledigten Platz in der Fakultät und im Senat ein- getreten bin, woraus auch mitunter Geschäfte hervoigehen, so werden Sie es leicht begreiflich finden, dass ich für eigentlich wissenschaftliche Arbeiten seit geraumer Zeit auch nicht die geringste Müsse gehabt habe.

Erst seit ein paar Wochen habe ich au dergleichen einmal wieder etwas denken können. Ich bin dabei auf die Theorie der Kapillaraktion ^) zurückgekommen, zu deren Behandlung aus einem neuen Gesichtspunkte sich mir schon vor mehreren Jahren eigenthümliche Ideen dargeboten hatten. Die Theorie scheint mir dadurch an Einfachheit bedeutend zu gewinnen und die Mangelhaftigkeit der La PLACE'schen Theorie ge- hoben zu werden. Letztere ist uns den Beweis des Hauptsatzes, dass der Berührungswinkel der Flüssigkeit an der Wand des Gefässes kon- staut [ist], d. i. bloss von dem Verhältnisse der Anziehungskraft, die die Theile des Gefässes auf die Flüssigkeit ausüben, zu der Anziehungs- kraft der ersteren gegen einander abhängt, schuldig geblieben.

Von der erwähnten Eigenschaft habe ich schon seit Jahr und Tag einen Gebrauch in der praktischen Astronomie gemacht. Sie wissen, dass ich schon seit mehreren Jahren den Nullpunkt des Meridiankreises durch Einrichten auf das Nadir bestimme, wo das Bild des Fadennetzes von einer Quecksilberfläche reflektirt gesehen wird. Ist hier das Gefäss kleiner als das Objektiv, so geht offenbar ein Theil des Lichts schon deshalb verloren, allein ein noch grösserer Theil dadurch, dass vermöge der Kapillaraktion das Quecksilber selbst in einer bedeutenden Ent- fernung vom Eande merklich von der Plangestalt abweicht (Fig. 28, 1 auf S. 518). Ich vermeide dies, indem ich mich eines Gefässes bediene, dessen innere Fläche ich habe oben konisch, nach oben zu sich verengend, ausdrehen lassen, ungefähr unter einem Winkel von 45°.

In diesem Gefäss ist die Oberfläche des Quecksilbers ohne die geringste merkliche Konvexität. Man könnte von dieser Idee auch in

^) Vergl. auch Brief No. 163 vom 27. Jan. 1829 im Briefwechsel Gacss- Bessel. Krm.

518

Gauss an Olbers. Göttingen, 1829 Januar 31.

manclien anderen Fällen vortheilhaften Gebrauch machen. Man kann übrigens jenen Zweck auch ziemlich erreichen, wenn man das Queck- silber in eine sehr flache goldene Schale schüttet, oder in eine andere anquickungsfähige.

zj

Quecksilber /j

Fig-. 28.

Bei Gelegenheit jener Untersuchungen, die nicht wohl einen Aus- zug hier zulassen, bin ich neulich auf ein neues mechanisches Grund- prinzip gekommen, welches ich Ihnen doch anzeigen will. Bekanntlich verwandelt zwar schon das Princip der virtuellen Geschwindigkeiten die ganze Statik in eine mathematische Aufgabe, und durch d'Alembert's Princip für die Mechanik ist diese wieder auf die Statik zurückgeführt. Es liegt daher in der Natur der Sache, dass es kein neues Grundprincip geben Imnn^ das nicht der Materie nach in jenen beiden enthalten und aus ihnen abzuleiten wäre. Inzwischen scheint mir doch durch diesen Umstand nicht jedes neue Grundprincip werthlos zu werden. Das Princip der virtuellen Geschwindigkeiten ist allerdings unschätzbar, allein mir däucht, es hat das Eigenthümliche, dass es sich den Beifall erst bei näherer Bekanntschaft erwirbt, und dass es jedem, wenn er es zum ersten Mal kennen lernt, den Eindruck von Verwunderung macht, dass die Natur sich ein Gesetz aufgelegt hat, an dem man sein Kreditiv gewiss nicht gleich erkennt. Zweitens ist es zwar allerdings dem natür- lichen historischen Gange der Ausbildung der AVissenschaft selbst und der Ausbildung des Individuums (Anfängers) ganz angemessen, dass die Statik der Mechanik vorangehe, und diese auf jene begründet werde; aber aus einem höheren Standpunkte betrachtet sollte es, meine ich, doch gerade umgekehrt sein, indem die Statik nichts ist als ein ganz specieller Fall der Mechanik.

Ich finde nun, dass alles sich in ein höchst einfaches Gesetz*) zu-

^) Vergl. zu dem von Gauss aufgestellten Priucip des kleinsten Zwanges Crellk":; Journal Bd. IV, Gauss' Werke Bd. V, S. 23—28. Krm.

Gauss an Olbers. Güttingeu, 1S29 Januar 31. 519

sammenfasseii lässt, oder wenn Sie lieber wollen in zwei, indem ich ein triviales vorausscliicke :

1) Die Beweg^ung- eines freien materiellen Punktes in jedem un- endlich kleinen Zeittheilchen ist aus den einzelnen Bewegung-en. die er theils infolge der Trägheit nach seiner im Anfang des Zeittheilchens stattfindenden Geschwindigkeit und Richtung, theils infolge der ein- zelnen auf ihn einwirkenden Kräfte haben wird, zusammengesetzt.

2) Wenn die Bewegung eines Systems von materiellen Punkten nicht frei, sondern durch gegenseitige Relationen oder durch äussere Hindernisse beschränkt ist, so liegen die Plätze, wo sie nach einem un- endlich kleinen Zeittheilchen wirklich sich befinden, denen, wo sie [sich] infolge einer freien Bewegung befinden müssten, so nahe ivie möglich. Dies so nahe wie möglich ist gerade ebenso zu verstehen, wie bei der Darstellung von Erfahrungen die zufälligen Fehler involviren. Nämlich: Es seien m, m', m" u. s. w. die materiellen Punkte; p^j^'iP" '^- s- w. die Plätze des Raumes, wo sie zu Anfang eines unendlich kleinen Zeit- raums sich befinden; q, q', q" u. s. w. die Plätze, wo sie sich am Ende des Zeitraums befinden würden, falls sie sich alle frei bewegen könnten; r, /, r" u. s. w. die Plätze, wo sie sich am Ende des Zeitraums wirk- lich befinden; JS, jK', B" u. s. w. indefinite Plätze, wo sie sich unbeschadet der beschränkenden Bedingungen gleichzeitig befinden können, so dass Pi P\ P" u- S- w. wie auch r, r, r" u. s. w. sich unter dem allgemeinen R, R', R" U.S.W, befinden, nicht aber q, q', q" u. s. w.; dann ist das Aggregat

m {qrf + m' {qr^ + m" {q"ry + u. s. w.

•ein Minimum, d. i. das kleinste aus allen

m {qRf H- m' (q'R'f + m" iq"R"f u. s. w.

Dieser vollkommene Parallelismus zwischen den Auswegen, welche einerseits die Natur und andererseits der rechnende Geometer jedes bei seinem eigenthümlichen Geschäft in Kollisionsfällen einschlagen, hat mir viel Vergnügen gemacht. Es bedarf keiner Bemerkung, dass im Fall des Gleichgewichts

m {qpY + m' {q'p'Y + m" {(^'x)"y u. s. w.

selbst das Minimum ist.

Die im Nov. v. J. von hiesiger Societät aufgegebene Preisfrage ist von Haeding. Allerdings war an ihm die Reihe; allein so wie er seit seiner Aufnahme in die Societät sich nie als Mitglied gerirt hat, so war er auch, so oft sonst die Reihe, Preisfragen vorzuschlagen, an ihm gewesen wäre, von der Zumuthung frei geblieben. Allein diesmal be- stand Blümekbach darauf, und da Haeding sich dadurch in grosse

520 Olbers au Gauss. Bremen, 1829 März 3.

Verlegenheit gesetzt fand und mich dringend bat, ihm Fragen anzugeben, so habe ich ihm bloss solche an die Hand geben können, die von seinen eigenen Beschäftigungen nicht zu entfernt zu liegen schienen. Auch hat er das Verdienst der Einkleidung ganz allein. Es ist mir jetzt lieb, dass es so gekommen ist; wäre es mir wieder zugeschoben, so hätte ich unter anderen gerade die Fragen die Kapillaraktion betreffend mit vorgeschlagen, zu deren eigener Bearbeitung ich nun freie Hände behalten habe. Die Reihe des Aufgebens wird nun erst 1831 an mich kommen, wenn ich nicht früher dahin abberufen werde, wo höhere Fragen gelöst werden.

Mein fast dreiwöchentlicher Aufenthalt in Berlin hat mir in jeder Beziehung vielfachen Genuss gewährt. Ich finde das Leben in Berlin sehr angenehm und meine Vorstellungen in mancher Hinsicht berichtigt. Weiteres verspare ich auf eine mündliche Unterhaltung, in- dem ich die Hoffnung nicht aufgebe, Sie, mein theuerster Olbees, viel- leicht im nächsten Sommer einmal in Bremen zu sehen. Allgemein war das Bedauern, dass Sie sich nicht auch zu dieser Reise ent- schlossen hatten.

Mein zweiter Sohn wird nächste Ostern hier seine Studien anfangen, und mein jüngster sich der Landwirthschaft widmen. Beide machen mir manche Sorge.

Vom Himmel habe ich seit langer Zeit wenig gesehen. Mit Mühe habe ich lange nach der Opposition ein paar Ceresbeobb.^) bei 14° Kälte erhascht. Die grosse Kälte hat einen starken Einfluss auf den Gang der sonst unvergleichlichen HARDY'schen Uhr gezeigt. Den ENCKE'schen Kometen habe ich nur ein paar Mal gesehen, da ich keine Hülfsmittel habe zu Beobb., die sich mit den Dorpatscheu vergleichen könnten. Der zweite Refraktor in München, das Gegenstück zu dem Dorpatschen. wird für Berlin angekauft werden, oder vielleicht jetzt schon sein. Doch wissen Sie darüber und die Aussichten zu einer neuen Sternwarte in Berlin wohl schon mehr durch unseren Freund Encke selbst.

No. 634. Olbers aii Gauss. fsss

Bremen, 1820 ^lärz 3.

Ihr lieber Brief liat mir eine um so grössere Freude gemacht, da ich so lange, so sehr lange, in mehr als 5 ^Monaten, nichts Schriftliches von Ihnen erhalten hatte. Inzwischen schrieb ich dieses lauge Still-

1) A. N. Bd. VII, S. 329, Gauss' Werke Bd. VI, S. -i&l. Krm.

Olbers an Gauss. Bremen, 1829 März 3. 521

schweigen nicht einer Abnahme Ihrer Freundschaft oder Ihrer gütigen Gesinnungen gegen mich, sondern und wie ich nun aus Ihrem iSchreiben sehe, mit Recht Ihren vielen wichtigen Geschäften zu. Kben diese Ueberzeugung, dass nur Zeitmangel Sie verhindert habe, mich mit einigen Zeilen zu beglücken Sie wissen, dass jeder Brief von Ihnen für mich ein wahres Fest ist , hielt mich ab, diese Ihnen so kostbare Zeit durch meine unbedeutenden Zuschriften noch mehr zu beengen, besonders da ich Ihnen nichts zu schreiben hatte, was Sie auch nur einigermaassen hätte interessiren können.

Sehr verbunden bin ich Dinen für die höchst interessanten Be- lehrungen über die Kapillaraktion und über das neue, so äusserst merk- würdige mechanische Grundprincip. Ich zweifle nicht, dass letzteres bei Auflösung schwieriger und verwickelter mechanischer Aufgaben vor- treffliche Dienste leisten wird.

Die photometrische Preisfrage der Societät war mir sehr angenehm, und ich wünsche nur, dass sie recht würdige und erschöpfende Beant- wortungen hervorrufen möge. Ich habe mich vordem eine Zeit lang mit dem Gegenstande derselben beschäftigt und besitze auch noch ein gut gearbeitetes, meinem Dollond angepasstes KönLER'sches Photometer, wo die Diagonale durch Schrauben mit feinen Gängen gemessen wird, indem jeder Umgang wieder in 60 Theile getheilt ist. Allein die Ge- nauigkeit des Instruments war mir doch nicht genügend, w^eil hier die Lichtstärke immer wie das Quadrat der gemessenen Linie sich verhält, und immer andere Theile des Objektivs von anderer Dicke bei Ver- grösserung der quadratischen Oeffnung dem Lichte den Zugang ge- währen. Leicht verfiel ich auf die Konstruktion eines anderen Photo- meters, wo die Lichtmengen den Sektoren des Objektiv- Glases proportional sind. Hier sind alle Sektoren in Ansehung der Dicken des Objektiv- GLises einander völlig ähnlich, und die Lichtmengen verhalten sich einfacli wie die Kreisbögen, die die Sektoren begrenzen. Diese Bogen können durch Verniers bis auf 6 oder wenigstens 10 Minuten gemessen werden. ]\Ian muss alsdann dieses Photometer mit Dämpfgiäsern von ver- schiedener Dunkelheit verbinden, deren relative Lichtschwächung eben durch das Photometer gemessen w'erden kann, um für grössere Sterne oder hellere Objekte einen um so grösseren Bogen für den Sektor zu erhalten. Die Auswahl eines oder mehrerer unter sich genau zu ver- gleichender Standard-Sterne wird nicht wenig schwierig sein, weil man gewiss sein muss, dass diese Vergleich-Sterne selbst keinen bedeutenden Lichtwandel haben, wovon wohl nur sehr w^enig Sterne völlig frei sein mögen. Jedesmal, w^enn man die Lichtstärke eines noch nicht gemesse- nen Sterns bestimmen will, muss man auch einen Stern von schon be- kannter Lichtstärke mit beobachten, weil die Heiterkeit der Luft sehr

522 Olbers an Granss. Bremen, 1329 März 3.

verschieden sein kann. Auf die verschiedene Höhe der Sterne ist ge- hörig Kücksicht zn nehmen, nnd über die Schwächung des Lichts, die es nach dieser vei*schiedenen Höhe bei dem Durchgang durch unsere Atmosphäre erleidet, Eechnung zu tragen u. s. w. Sie sehen, dass ich meinen Beobachtungsplan schon ganz fertig hatte. Aber tinser einziger hiesiger Mechanikus Keaut war immer anderweitig oder mit seinen vielen eigenen zum Theü windigen Projekten so sehr beschäftigt, dass er nie zur Ausfühning der ihm aufgetragenen Maschine kommen konnte. So habe ich diesen Gegenstand aus den Augen verloren. Ich verspreche mir sonst von solchen richtig geführten photometrischen Untersuchungen noch recht \iele Aufklärung über den Weltbau überhaupt, und besonders den des Fixstern-Himmels.

Dass Sie unserem Haedln'g das Verdienst der Einkleidung der Frage nicht schmälern wollen, kann ich Ihnen nicht verdenken. Auch halte ich es nach dem, was ich von Berlin nicht durch Escke gehört habe, für sehr wahrscheinlich, dass Sie 1831 in Göttingen ^} keine Preis- fragen mehr aufgeben werden. ;^Iit der grössten Freude aber acceptire ich Ihr gütiges Versprechen, mich diesen Sommer mit einem Besuche beglücken zu woUen, imd halte Sie heim Wort. Bis dahin, oder bis zur Entscheidung dieser Angelegenheit will ich denn auch gern meine Neu- gierde zügeln. Möge sich alles so fügen, wie Sie es wünschen. Dass man in Hannover gleich bei Ihrer Eeise nach Berlin schon fürchtete, Sie bei dieser Gelegenheit für Göttingen zu verlieren, habe ich schon damals aus einer Unterredung mit einem angesehenen Hannoverschen Staatsbeamten vernommen.

Bei dem ENCKE'schen Kometen^) ist mir die Witterung sehr hin- derlich gewesen, die nur selten einen einigermaassen und fast nie einen ganz heiteren Himmel gewährte. Ich wünschte sehi\ seinen diesmaligen Anblick mit meinen Erinnerungen von 1795 und 1805 zu vergleichen. Ich habe auch diesmal durchaus nichts in ihm sehen können, was einem kleinen festen oder tropfbaren Kern ähnlich war. oder einen solchen möglicher "Weise einschliessen konnte. Die merkwüi'dige, sehr auffaUeude Verkleinerung seiner scheinbaren Grösse bei gleichem oder selbst ge- ringerem Abstand von der Erde, so "wie er sich der Sonne näherte, setzte auch mich Anfangs in Verwunderung, weil man erwarten miisste. die Einwirkung der näheren Sonne werde ihn noch mehr aufblähen; allein

^) Durch A. V. Hoiboldt waren 1327 die Unterhandlungen wieder an:ge- nommen worden, um Gauss für Berlin zn gewinnen. Die darauf bezüglichen Steiles ans den Briefen Gauss', Hoiboldt's, Schxjmacher's und Olbers' sind im Anhang ab- gedruckt. Krm.

*) Vergl. auch Olbers Bd. I. No. 114—117 und Brief No. 330 vom 4. Mai 1829 im Briefwechsel Olbehs-Bessel. Krm.

I

Olbers au Gauss. Bremen, 1829 März 3. 523

wahrscheinlich <»esohah dies wii'klich, iiiul eben die grössere Ausdehnnng- machte den vorher schon so schwer zu erkennenden dünneren Theil der üunstmasse völlig unsichtbar. Aber die nicht von mir, sondern von Struve bemerkte Excentricität des helleren Theils dieser Dunst- masse, ohne dass die Lage der Apsidenlinie, wenn ich die durch die beiden Mittelpunkte des Ganzen und des helleren Theils gezogene Linie so nennen darf, irgend eine Beziehung auf die Sonne zu haben schien, weiss ich mir durchaus nicht zu erklären, und sehr gern möchte ich Ihre Ansicht darüber wissen.

Sie werden wohl erst die Beendigung der neuen Messungen ab- warten, ehe Sie Ihr Werk über die Gradmessung vollenden? Werden diese neuen Messungen auch einen neuen Anschluss an die Tranchot'- >chen oder KEATENHOFF'schen Dreiecke gewähren?

Ich wünschte sehr, dass die Regulirung des Hannoverschen Maass- wesens so ausfallen möge, dass auch unser kleiner Freistaat dasselbe bei sich einführen und sich ganz dem Hannoverschen anschliessen könne. Dass unter Ihrer Leitung das Hannoversche Maassystem ganz vor- trefflich regulirt werden wird, versteht sich von selbst; aber etwas schwierig dürfte die Einführung bei uns doch werden, wenn die zu Grunde gelegten Einheiten sich zu weit von denen, die jetzt bei uns im Gebrauch sind, entfernten. Möchte doch ganz Deutschland, we- nigstens der nördliche Theil desselben sich über ein gemeinschaftliches Maassystem vereinigen!

Was mich selbst betrifft, so befinde ich mich in meinem 71. Jahre ganz erträglich. Meine Sinne, Gehör und Gesicht, nehmen nur wenig ab; nur mit dem Gehen will es nicht mehr, und ich verlasse meine Wohnung jetzt selten anders als im Wagen. Nur über den gewöhn- lichen und unabwendbaren Fluch des Alters habe ich zu klagen, die- jenigen, die mir im Leben so lieb und w^erth waren, nach und nach vor mir hinsterben zu sehen. Auch im vorigen Jahre habe ich einige höchst schmerzhafte Verluste der Art gehabt, und so fühle ich mich immer einsamer und isolirter in der Welt. Denn der Greis kann sich nicht wieder an neue Gefährten anschliessen.

Leben Sie wohl, mein allertheuerster Freund, und lassen Sie mich bald, recht bald wieder etwas von sich hören.

524 Olbers an Gauss. Bremen, 1829 Oktober 6.

No. 635. Olbers an Gauss/) [sse

Bremen, 1829 Oktober 6.

Vergebens habe ich diesen Sommer liindurch auf die Erfüllung Ihres mir halb und halb gegebenen gütigen Versprechens, mich mit einem Besuche zu erfreuen, gehofft, und nun, da der Okt. schon ein- getreten ist, darf ich wohl nicht mehr auf dieser Hoffnung beharren. Längst hätte ich Sie indessen schon deswegen erinnert und gemahnt, wenn nicht von der Mitte des Aug. an bis vor wenigen Tagen meine Schwester, die Käthin Metee, mit ihrem Sohne bei mir gewesen wäre, während welcher Zeit ich Ihnen kein Quartier in meiner Wohnung anbieten konnte. Jetzt aber bin ich wieder frei und würde mich un- endlich freuen, Sie hier wiederzusehen und umarmen zu können.

Ueberhaupt sind meine Erwartungen diesen Sommer unangenehm getäuscht worden. Benzenbeeg hatte mii' seinen Besuch versprochen; allein das kalte regnerische Wetter hat ihn zurückgehalten. Lindenau hatte sich durch Bürgermeister Smidt bei mir ankündigen lassen, ist aber ausgeblieben. Bloss meinen alten Freund, den Prof. Brandes aus Leipzig, habe ich auf einige Stunden, und den Direktor Quetelet aus Brüssel, den mir Schumacher und Eepsold zuführten, auf einen Tag zu sehen das Vergnügen gehabt. Sie werden das liebenswürdige Paar, Quetelet und seine Frau, auch in Göttiugen kennen zu lernen Gelegenheit gehabt haben.

Am 26. Sept. um IP' 53"^ wahre Zeit Abends ist hier eine Feuer- kugel,^) der Augenzeugen die Grösse einer 9 pfundigen Kanonenkugel zuschreiben, in perpendikulärer Richtung vom Zenith auf « Aquilae herunterfahrend und ein wenig über diesen Stern erlöschend, nicht zer- springend, gesehen worden, deren Schweif über 6™ sichtbar blieb. ^^'enige Sekunden nach ihrem Verlöschen trat ich auf mein Observations- Zimmer und sah a Äqiälae als einen schönen Kometen mit einem selir hellen gerade aufwärts gerichteten Schweif. Dieser sehr helle Schweif. Anfangs fast gerade, nach und nach sich immer mehr krümmend und schlängelnd, reichte nicht ganz bis a Aquilae, sondern verlor sich nach und nach bei 99. Die Axe desselben ging mitten zwischen g Aquilae und y z Sag ittae hmäwrch, er war hier fast am hellsten, und hörte ober- wärts mehr stumpf abgeschnitten auf. Nachgerade schien er sich mehr aufwärts zu ziehen, unten zu verkürzen und sich den Sternen des Pfeils

^) Zu dem Inhalte dieses Briefes vergl. aucli Brief No. 382 im Briefwechsel Olueus-Bessel. Krm.

«) Vergi. Olbeus Bd. I No. 159—160, S. 553—557. Krm.

I

Gauss an Olbers. Güttingen, 1829 Oktober 12. 525

etwas zu nälieiii. Ich wünschte sehr, dass diese Erscheinunc^ auch anderwärts beobachtet sein möge, wo sich denn die relative Bahn dieses Feuermeteors gegen die Erde sehr genau würde bestimmen lassen. Hier war es das heiterste Wetter. Ist auf Ihrer Sternwarte oder in Ihren Umgebungen nichts davon gesehen Avorden?

Ich werde nun, ^^■enn es die Witterung nur zulässt, sehr aufmerk- sam auf die Bedeckungen des Aldeharan sein. Ich hoffe, die Ursache der besonderen Erscheinung, dass sich dieser Stern bei seinen Ein- und Austritten so oft auf der Mondscheibe selbst zeigt, wird sich in Kurzem ausmitteln lassen. Ich bin noch immer geneigt, diese Ursache in einer schwächeren Brechung der Strahlen des Sterns als des Mondrandes zu suchen. Das Verzeichniss von den Beobb. dieses Phänomens, das South seiner Abhandlung über die Bedeckung von d Piscium beigefügt hat, ist sehr unvollständig. Ein einziges ]\Ial habe ich es im vorigen Jahr- hundert; eben bei Aldeharan selbst gesehen.

Dass ich so lange keine Zeile von Ihrer lieben Hand gesehen habe, schreibe ich bloss Ihren vielen wichtigeren Geschäften zu. Aber nachgerade verlangt mich doch sehr, zu hören, wie es Ihnen selbst und Ilirer theuern Gattin und Kindern geht. Was mich betrifft, so habe ich den schlechten regnerischen und kalten Sommer ganz er- träglich zugebracht, und werde nun in einigen Tagen mein 72. Lebens- jahr antreten.

No. 636. Gauss an Olbers. [300

Göttingen, 1829 Oktober 12.

Durch Ihren lieben Brief haben Sie mich um so mehr erfreut, je länger ich einer direkten Nachricht von Ihnen entbehrt hatte, wie ich denn in der That auch eben im Begriff stand, mein Andenken bei Ihnen zurückzurufen. Von Ihrem Wohlbefinden hatte ich zuw^eilen auf in- direktem Wege, zuletzt durch Hrn. Prof. Quetelet und durch Ihre Niece, Frau Generalin Hartmann, angenehme Nachricht erhalten. Meine Wünsche für die ununterbrochene Fortdauer desselben brauche ich Ihnen nicht auszusprechen; es macht, wie Sie wissen, einen wesentlichen Bestandtheil meines eigenen Glücks aus.

Die Bekanntschaft des Hrn. Quetelet ist mir sehr angenehm ge- wesen; wir haben mit seinem artigen Apparat in meinem Garten ver- schiedene Reihen von Versuchen über die Intensität der magnetischen Kraft angestellt, die eine von mir kaum erwartete Uebereinstimmung gewährten.

526 Gauss an Olbers. Göttingen, 1829 Oktober 12,

Auch mir hatte Lindexau schon für vorigen ]^Ionat einen Besuch versprochen, aber bis jetzt nicht Wort gehalten.

Mein eigenes Leben ist in diesem ganzen Sommer sehr einförmig ge- wesen; abgerechnet zwei Reisen nach Hannover im März zu einer Kon- ferenz der Maass-Regulirungs-Kommission. und im Mai zur Eegulirung der in diesem Jahre auszuführenden Triangulirungsarbeiten bin ich fast gar nicht aus meinen 4 Pfählen herausgekommen. Mein Plan war, dass meine drei Officiere, Müller, Hartmanx und mein Sohn, ein Dreiecksnetz erster und zweiter Ordnung vornehmen sollten in den Westfälischen Landestheil en; ersterer sollte erst das Land bereisen und Vorbereitungen treffen, während Haetmanx im Hildesheimschen und mein Sohn im Eichsfelde noch einige Lücken für die Detailaufnahme ausfüllten; hernach sollten alle drei in Westfalen gemeinschaftlich agiren, und im Sept., der sonst in Norddeutschland immer schönsten Jahreszeit, dachte ich nach Vollendung meiner Vorlesungen und einer anderen Arbeit noch auf einen Monat selbst ins Feld zu gehen und dann die Nähe von Bremen zu benutzen, um dort meinen theuren Olbers zu umarmen.

Leider hat sich wegen vielfacher Hindernisse alles ganz anders gefügt. Mein Sohn hatte seine Aufgabe, die allerdings die kleinere war, binnen 14 Tagen vollendet und reiste dann Anfangs Juni über Nienburg, um Müller aufzusuchen, von dem noch keine Nachrichten eingelaufen waren; in Uchte, Wagenfeld, Osnabrück und Iburg verfolgte er seine Spur, aber immer war jener schon abgereist. Er blieb also zuletzt in Iburg, um auf dem Döniberge, einem Hauptdreieekspunkte. wo die Preussen an dem vormals EpAiLLx'schen Platze vor einigen Jahren wieder eine Signalpjramide errichtet haben, die Messungen an- zufangen, aber schon nach wenigen Tagen wurde er durch eiuen Brief von Müller nach Twistringen abberufen. Jener fing hier die Messungen an, während Müller noch die Einrichtungen auf dem Thurme von Asendorf vorbereitete; dann wurde letztere Station gemeinschaftlich vorgenommen, wobei der Steinberg (mein Dreieckspunkt bei Verden von 1824) durch Heliotroplicht verbunden wurde. So war bei stets sehr ungünstigem Wetter der Anfang des Juli herangekommen, als Müller infolge eines anderen vom ]\Iinisterium ihm ertheilten Auftrags zu einer Reise nach Dresden, Wien etc. für dieses Jahr ganz von den Messungs- arbeiten abgerufen wurde.

Da zu dieser Zeit Haetmann mit seiner Aufgabe im Hildesheim- schen noch lange nicht fertig war, so blieb also mein Sohn für die grosse Triangulirungsarbeit allein; er wurde überdies vom Wetter, welches seit 1821 in keinem Jahre so schlecht gewesen war. gar nicht begünstigt, und hatte audi au^^ser den erzählten Arbeiten vom iregen-

Gauss an Olbers. Götting-en, 1829 Oktober 12. 527

wärtigen Jalire noch fast «ar keine Uebiing- in selbständigen Arbeiten mit einem REicHENBACHSchen Theodolitlien gehabt. Um so mehr ge- reicht es mir zur F'reude, dass er sowohl durch die Sorgfalt seiner Messungen als durch die Zweckmässigkeit der ganzen Anlage meine vullkummene Zufriedenheit verdient und meine Erwartung übertrotfen hat. Er hat bis zu seinem letzten Briefe (in diesem Augenblick wird er auf der Rückkehr sein) die Arbeiten an 8 Hauptplätzen Twistringen, Asendorf, Mordkuhlenberg (bei Damme), Nonnenstein (westl. Grenze des Fürstenthums ^^linden nnweit Bünde), Dörenberg, Bentheim, Kirchhesepe und Queckenberg (bei Fürstenau), und an 6 Plätzen zweiten Ranges AVagenfeld (s. ö. von Diepholz), Ostercappeln. Piesberg (bei Osnabrück), Neuenkirchen (bei Vörden), Hohe Egge (bei Halle in Westfalen), Wind- mühlenberg (bei Freeren), verschiedene andere Nebenplätze ungerechnet die Messungen absolvirt, so dass dieses ganze an die Seite Bremen Steinberg geknüpfte Netz seine Arbeit ist, mit Ausnahme des Platzes Knickberg bei Uchte, welchen endlich Hartmann im Aug. bearbeitet hat. Letzterer hat sich bei den ungünstigen Umständen auf die Be- setzung des Knickberges und auf die Vorbereitung der drei vormals hessischen Aemter Uchte, Auburg und Freudenberg zur Detailaufnahme im künftigen Jahre beschränken müssen. Ich bemerke noch, dass die Messungen meines Sohnes, die die Lage von 100 200 Ortschaften mit aller zu wünschenden Genauigkeit geben werden, nur mit einem 8zöll. Theodolithen ausgeführt sind, da ich hoife, eine andere Verbindung von Bentheim mit meinen Gradmessungs-Dreiecken weiter südlich durch grosse Dreiecke mit dem 12 zoll. Theodolithen künftig ausführen zu können, wo- bei der Thurm, der bei der Porta WestpJialica gebaut wird (Wittekind- stein), und der mit dem Köterberg und mit dem Dörenberg zu verbinden ist, wird benutzt werden können. Denn für höhere Zwecke möchte die ausgeführte Verbindung unzulänglich sein, da der dort nicht zu um- gehende Thurm von Twistringen ein sehr schlechter Standpunkt ist. Ohne diesen letzten Umstand würde sonst auch noch eine schärfere Messung der 2 AVinkel in Bremen, die ich 1824 nur ganz als Neben- sache behandelte, erforderlich gewesen sein. Es versteht sich übrigens, dass auch, wie die Sachen jetzt liegen, es sich nur um Ungewissheiten von ein paar Sekunden handelt.

Bei jener Zersplitterung der Arbeiten minderte sich für mich das Interesse, welches sonst noch meine eigene Theilnahme hätte haben können; mehrere andere Umstände aber machten, dass dieselbe ganz wegfallen musste. Das im Sept. erwartete schöne Wetter blieb ganz aus; meine Vorlesungen konnten erst nach der Mitte dieses Monats und die vorhin erwähnte Arbeit erst gegen Ende desselben beendigt werden, und dann war an kein Reisen mehr zu denken.

528 Gauss an Olbers. Göttingen, 1829 Oktober 12.

Die Leitung dieser Messungsangelegenheiten und die Verarbeitung derselben kostet mir ausserordentlich viel Zeit, hält mich sehr von eigentlich wissenschaftlichen Arbeiten ab, und ist so in jeder Beziehung eine grosse Aufopferung von meiner Seite. Verbinden sich damit noch allerlei Verdriesslichkeiten in dem administrativen Theile des Geschäfts, so könnte ich, unter uns gesagt, leicht gereizt werden, es Knall und Fall ganz niederzulegen. Die Verarbeitung der Messungen (über 200 Seiten Zahlen von meinem Sohn und etwa ebenso viel von Hartmann, und zwar in sehr koncentrirter Form) wird mir wohl einen grossen Theil des Winters zu tliun geben, so wie die in den verwichenen Monaten schon vorgenommenen Eechnungen die Vollendung der vorhin erwähnten wissenschaftlichen Arbeit verzögert haben, die mich eine lange Zeit beschäftigt hat, und von welcher Sie eine kurze Nachricht in dem heutigen Stück der hiesigen Gel. Anz.^) finden werden. AVenn ich mich recht erinnere, habe ich Ihnen schon früher einiges über diesen Gegen- stand geschrieben.

Sehr interessant ist die in Bremen gemachte Beob. der merk- würdigen Feuerkugel, und es thut mir sehr leid, dass mir diese Er- scheinung entgangen ist. Ohne Zweifel aber wird sie doch an vielen anderen Orten gesehen sein; sollte es nicht gut sein, eine öffentliche Aufforderung zur Mittheilung der gemachten "Wahrnehmungen bekannt zu machen? Bis jetzt habe ich nicht in Erfahrung gebracht, dass diese Feuerkugel in Göttingen gesehen wäre.

Auf die Bedeckungen des Aldebaran werde ich gleichfalls achten; für die nächste ist freilich bei dem schlechten Wetter wenig Hoffnung. Bei den wenigen Bedeckungen dieses Sterns, die ich in früheren Zeiten gesehen habe einer wenigstens erinnere ich mich mit Bestimmtheit , habe ich nichts von der angeblichen Erscheinung wahrgenommen, ob- wohl ich nicht im voraus meine Aufmerksamkeit auf diesen Umstand geschärft zu haben gestehen muss.

^) Principia generalia theoriae figurae fluidorum iu statu aequilibrii. Der So- cietät vorgelegt am 28. Sept. 1829. Die Anzeige hierüber findet sich in dem 165. Stück der G. G. A. Wieder abgedruckt in Gauss' Werken Bd. T, S. 29—77,. bezw. S. 287—292. Krm.

Olbers an Gauss. Bremen, 1830 Februar 22. 529

No. 637. Olbers an Gauss.') [337

Bremen, 1830 Februar 22.

In der Naclit vom 5. zum G. Febr. bin ich dem Tode sehr nahe gewesen. Zwar schon etwas erkältet, aber mich doch sonst wie ge- wöhnlich befindend, wurde icli kurz nachher, wie ich mich zu Bette gelegt hatte, von einem Sticktluss befallen. Eiskalt an Händen und Füssen, luftlos, mit dem Köcheln eines Sterbenden und unter krampf- haften Erschütterungen des ganzen Körpers, jedoch bei vollem Be- wusstsein eiwartete ich jeden Augenblick mein Ende. Indessen ist der Zufall wieder nach und nach [vor]übergegangen; ich erhole mich lang- sam, wie es bei meinen vorgerückten Jahren zu erwarten ist, und es scheint, dass ich noch wieder durchwintern werde. Ob ich micli darüber freuen soll, dass der Schritt in jene Welt, den ich doch bald werde thun müssen, und dessen oft grosse und qualvolle Beschwerden diesmal schon mehr als halb überwunden waren, unvollendet geblieben ist, weiss ich nicht recht. Genug, das Schicksal hat es so gewollt!

Die strenge anhaltende Kälte dieses Winters, die mir gar nicht mehr zusagt, war wohl die Hauptursache dieses Zufalls. Doch ist die Kälte dem Grade nach hier bei Weitem so gross nicht gewesen, wie bei Ihnen, oder im südlichen Deutschland. In meinem Gärtchen hinter dem Hause habe ich nicht mehr als 1 i^jö R gehabt. Auf dem AVall und anderen dem Ostwinde frei ausgesetzten Plätzen hat man 17° 18° be- obachtet. Das eingefallene Thauw^etter wird zu unserer grossen Be- ruhigung wieder von gelindem Frost unterbrochen, da wir sonst gewiss schon mit grosser und furchtbarer Wassersnoth zu kämpfen gehabt hätten. Die Weser, deren feste Eisdecke noch unerschüttert steht, ist wieder von 10 j Fuss auf 9 Fuss gefallen. Erst wenn sie 14 bis 16 Fuss hoch ist, pflegt unsere Gefahr anzufangen.

Anliegend nehme ich mir die Erlaubniss, Ihnen einen Aufsatz von meinem jungen Freunde Klüvee zu schicken, und um Ihr gütiges Ur- theil zu bitten. Er betrifft den Kometen,^) den Flaugergues allein beobachtet hat. Schon einmal hat sich, wie Sie sich vielleicht noch erinnern werden, Petees in Altona an Sie mit der Klage gewandt, dass er nichts aus den Beobb. von Flaugergues herausbringen könne. Ich veranlasste also Klüver zu einer neuen Untersuchung, wovon das

^) Mit diesem Briefe wird die feste und schöne Handsclirift Olbees' unsicher und zitternd. Zu der Erkrankung Oleers' siehe auch Brief No. 377 v. 6. März 1830 im Briefwechsel Gauss-Schumacher. Krm.

-) Komet 1826 III. Vergl. auch Brief No. 608 vom 25. Febr. 1827. Krm.

Olbers. II, 2. 34

53Q Olbers an Gauss. Bremen, 1830 Februar 22.

Resultat auf beikommendem Papier enthalten ist. Die Elemente, die Flaugeegues selbst in der BihliothSque universelle seinen 3 genaueren Beobb. vom 4.. 5. und 6. Apr. beifügte, stellen weder diese befriedigend dar, noch lassen sie sich mit den anderen Umständen der Erscheinung vereinigen. Sollte man nun niclit aus Klü^tsr's Rechnungen mit Zu- verlässigkeit schliessen können, dass sich Flaugekgues" Angaben schlechterdings [nicht] mit einem Kegelschnitt vereinigen lassen, und dass, so schwer dies auch zu begreifen ist, bei seinen Beobb. Ver- wechselungen von Sternen vorgekommen sein müssen? Klütee's Papiere bitte ich mir gelegentlich, es versteht sich unfrankirt, wie- der aus.

Haben Sie schon die Conn. d. T. für 1832 gesehen? Unerachtet, [dass] das Bureau des Longitudes mit Recht besorgt ist. gleich dem englischen aufgehoben zu werden, und um so sorgfältiger alles ver- meiden sollte, was ihm vorgeworfen werden kann, haben doch die flüchtigen Franzosen "wieder den Durchgang des Merkur anzuzeigen vergessen. Sonst versprechen sie für die folgenden Jahrgänge einige zweckmässige Verbesserungen. Daüoiseau hat nun auch die Ein- wirkung der Erde auf den HALLEY'schen Kometen im Jahr 1759 be- rechnet und gefunden, dass diese die jetzige Umlaufszeit um 12.2t3 Tage verkürzen wird, und er setzt nun das nächste Perihel 1835 Nov. 4.32 an. Der HALLEx'sche Komet gehört zu den grossen Kometen, die einen ansehnlichen sogenannten Kern zeigen. Ich gebe gern zu, dass seine Masse demunerachtet nur sehr klein sei; aber als ganz inkom- parabel mit der Erdmasse wird man sie doch wohl nicht annehmen können. Wenn nun die Erde seine Umlaufszeit um 12| Tag ver- mindern konnte, so wird doch auch seine Einwirkung auf die Bewegung der Erde nicht ganz = 0 gewesen sein. Ob sich nun gleich die Grösse dieser Einwirkung gar nicht bestimmen lässt, weil wir die Masse des Kometen durchaus nicht kennen, und auch nicht beiläufig zu schätzen im Stande sind, so möchte ich doch glauben, dass es nützlich wäre, zu berechnen, in ivelchem Shin, ob beschleunigend oder retardirend, der Komet auf die Erde eingewirkt habe? Da man jetzt neue Sonnentafeln konstruirt, so wird man auf diese mögliche Einwirkung wohl einige Rücksicht zu nehmen haben, und nicht so ganz unbedingt die Sounen- beobb. vor 1759 mit denen nach 1759 zur Erforschimg der mittleren Bewegung vergleichen können.

Der unerwartete schleunige Tod unseres herrlichen Repsold^) hat mich sehr erschüttert und betrübt. Ich liebte und verehrte in ihm

^) Unter dem 25. Jan. 1830 schreibt Schumacher an Olbkbs über Eepsold's Tod: „Wir asseu am Donnerstag- den 14. Jan. bei einem gemeinscbaftlicheu Freunde ScHüCHMACHER in Hamburg mit wenigen nähereu Freunden. Er ward noch vor Mitte

Olbers an Gauss. Bremen. 1830 Februar 2'2. 531

nicht bloss den genialen einzigen Künstler, sondern aucli den kräftigen tretflichen Mann. Alle Jahre pflegte er mich ein- oder zweimal zu be- >nchen und sein freilich immer sehr kurzer Besuch war jedes Mal ein wahres Fest für mich.

Ri-MKER ist in diesen Tagen hier durchgekommen; leider war ich noch zu krank, um mich so lange, wie ich wohl gewünscht hätte, mit ihm unterhalten zu können. Er geht wieder, wie Sie wissen, nach l'aramatta zurück, was mir sehr lieb ist. Denn dort kann er nützlicher sein, als hier in Europa. Er kam jetzt von Paris, wo er nur wenige Tage gewesen war, und ging nach Hamburg und Altona. Er bedauerte nichts mehr, als dass die Kürze seines Urlaubs ihm schwerlich ver- statten würde, nach Göttingen zu gehen, was er doch so sehr wünschte.

Zach lebt jetzt in Paris. Vom Steine hat ihn Ciyiale angeblich tranz befreit; aber an einem unheilbaren Blasen-Katarrh leidet er fast ebenso viel Schmerzen. Doch soll sein Geist noch ganz munter und thätig sein.

Ich habe wieder einen sehr schmerzlichen Verlust erlitten. Meine gute, mir so liebe Schwägerin, die verwitwete Amtmann Olbers, ist während meiner Krankheit gestorben und wird heute beerdigt. So verlieren wir alten Leute nach und nach alles, was uns auf dieser A\'elt lieb und werth war.

Doch ich halte Sie zu lange mit meinem Geschwätz auf, und ich bin ohnehin nicht gewiss, ob Sie auch dieses Gekritzel, noch ein Beweis meiner Schwäche, werden entziffern k<)nnen. Ich bitte recht sehr, lassen Sie mich reckt bald etwas von sich hören. Mich verlangt sehr, zu erfahren, wie Sie, wie Ihre verehrte Frau Gemahlin den AVinter überstanden haben, und wie es Ihren lieben Kindern geht.

der Mahlzeit zum Feuer abgerufen [Repsold Avar auch Oberspritzenmeister von Ham- l)urg:. Krm.J, wo er nur einige Minuten gewesen war, als ihn herabfallendes Gemäuer traf und Brust, Arme und Beine zerschmetterte. Er soll noch ein paar ]\Iinuteu die Pupillen der Augen bewegt haben, dies sind aber auch die einzigen Lebenszeichen, die man bemerkt hat. Kein Schrei, kein Stöhnen ist gehört. Er scheint, wie vom Blitz getroffen, schmerzlos, in der heitersten Stimmung, ohne den Tod zu ahnen, uns verlassen zu haben, und ich glaube, man darf seinen Tod beneidenswerth nennen. Nehmen Sie dazu, dass er seit einiger Zeit an einem trocknen verdächtigen Husten litt und die Nächte, wie er klagte, grössten Theils schlaflos und in einem fieber- haften Zustande hinbrachte, auch seiner eigenen Aussage nach das Interesse an allem, selbst an seiner Arbeit verlor." Krm.

34^

532 Gauss an Olbers. Göttingen, 1830 Februar 22.

No. 638. Gauss an Olbers. [soi

Göttingen, 1830 Februar 22.

Unser Briefwechsel ist lange Zeit unterbrochen gewesen; meiner- seits boten wieder meine Arbeiten, von denen die Verarbeitung der vorigjährigen Messungen einen Hauptbestandtheil ausmachte, noch meine Lebensverhältnisse einen bedeutenden Stoff zu einer Mittheilung dar. Jetzt giebt mir ein Ereigniss aus den letzteren zuerst wieder die Ver- anlassung; meine älteste Tochter, Ihre Pathe, ist seit ein paar Tagen die Braut eines sehr achtungswerthen jungen Mannes, unseres Pro- fessors (der oriental. Sprachen) Ewald, Ich habe in jeder Beziehung die grösste Hoffnung, dass mein geliebtes Kind in dieser Verbindung sehr glücklich sein wird, Sie, mein theuerster Olbers, nehmen an meinen Vaterfreuden herzlichen Antheil.

Das tragische Ende unseres unersetzlichen Repsold hat mich im Innersten erschüttert. Der grosse Künstler w^ar zugleich ein sehr edler Mensch, Unsere erste Verbindung geht bis 1805 oder 180G zu- rück, wo wir wegen der achromatischen Objektive in einige Korrespon- denz kamen. Ich vergesse nicht, dass er, so unerheblich jene Be- rührung auch gewesen war, nach der Katastrophe^) vom 14. Okt. 1806 sogleich auf die delikateste Art mir mit Weib und Kind einen Zu- fluchtsort in seinem Hause anbieten Hess, w^enn ich auch nicht in den Fall gekommen bin, eines solchen zu bedürfen. Im Jahre 1827 be- stellte ich noch bei ihm einige neue Ablesungs-Mikroskope für den REiCHENBACH'schen Meridiankreis, die er mir nach Jahresfrist zu liefern versprach. Ich hatte indessen wde er oft mehr auf sich nahm, als er zu schaffen vermochte die Hoffnung schon aufgegeben, sie noch zu erhalten. Indessen schreibt mir Schumachee ^), dass sie wirklich in Arbeit genommen und fast ganz fertig sind.

Von meiner Abhandlung^) über die Gleichgewichtsfigur der Flüssig- keiten unter der Molekular-Anziehung, die im Okt. vorigen Jahres ab- geliefert wurde, hat jetzt der Druck bereits angefangen.

In den nächsten Tagen werden Sie in den Ct. G. A}) eine ziemlich

^) Schlacht bei Auerstädt, in welcher Herzog- Cakl Wilhelm Ferdixaxd von Braunschweiü, Gauss' Förderer und. Beschützer, unter desseu Oberbefehl die preussische Armee stand, tötlich verwundet wurde. Yergl. auch Brief No. 150 und 151. S. 313 bis 315 in Bd. II, 1 und Saütorhs v. Waltershacsex, Gauss zum Gedächtuiss, S. 36—38. Krm.

-) Brief No. 375 vom 22. Jan. im Briefwechsel Gauss-Schumacher. Krm.

3) Vergl. Brief No. 633 vom 31. Jan. 1829, ferner No. 641 vom 7. Apr. 1830 und die betreffende Anmerkung. Krm.

M G. G. A. 32. Stück, 1830 Febr. 27. Gauss" Werke Bd. IV, S. 370—881. Krm.

fianss an 011)prs. Göttingeu, 1830 Februar 22. 533

ausfüluliche Keceus^ion von dem von Plana und Carlini herausgege- benen \\'eike über die Längengradmessung in Ober-Italien finden.

Bei der grossen Kälte Anfang dieses Monats habe ich zweimal den tiefsten Stand 23^ Reaumur gehabt. Ich glaube nicht, dass es hier tiefer gewesen ist, da ich in jenen Tagen fast stündlich nachgesehen (obwohl nichts aufgeschrieben) habe. Ich fand es übrigens eben nicht beschwerlich, bei einer Kälte von 20® auszugehen, da es beständig windstill dabei war.

Sehr verlangt mich, bald einmal von Ihrem Befinden durch Sie selbst Nachricht zu erhalten. Von Frau Kanzleidirektorin Wedemeier erfuhr ich dieser Tage, dass Sie im Laufe des Winters an einer Unpäss- lichkeit gelitten haben. Beruhigen Sie mich doch bald darüber. Wenige Menschen sind in diesem Winter ganz frei geblieben. Im Dec. w'ar ich auch an einem zwar nicht gefährlichen, aber doch sehr lästigen und schmerzhaften Uebel (einem Geschwür am Gesäss) acht Tage lang bett- lägerig, und die letzten Tage, ehe es sich öffnete, fast ganz unfähig, mich zu bewegen. Meine arme Frau leidet fortwährend. Im Herbst zeigte sich ein Ansatz zur Wassersucht, was aber wieder gehoben ist. Aber das ewige Erbrechen will gar nicht aufhören.

Da durch die Messungen meines Sohnes nunmehr eine zweite An- schliessung meiner Dreiecke an die KRAYENHorF'schen gewonnen ist, so wird Sie vielleicht besonders das Resultat für die Länge inter- essiren. Wenn ich die von Kratenhoff bestimmten Längen von Bentheim und Jever (von Paris) so abändere, wie die Grösse der resp. Parallelkreise nach Sciimidt's Dimensionen der Erde anders wird, als nach den von Krayenhoff angewandten Elementen, so stehen die Resultate so:

Längenunterschied zwischen

Paris und Jever nach Krayenhoff . . 5"34'10",395 ,, auf Schmidt's Dimensionen reducirt 5 34 1,827

Jever und Göttingen nach mir .... 2 2 25,927

Paris und Göttingen 7 36 27,754

= 30'"25^850

Paris und Bentheim nach Krayenhoff . . 49' 23",164 auf Schmidt's Dimensionen reducirt 4 49 15,939

Bentheim und Göttingen nach mir . . . 2 47 12,023

Paris und Göttingen 7 36 27,962

= 30"^ 25^864

Mittel ... 30°^ 25^857 Die grosse Uebereinstimmung beider Resultate ist keineswegs zu- fällig; wenigstens bedeutend grösser konnte der Unterschied nicht sein,

534 Olbers an Gauss. Bremen, 1830 März 15.

und wenn meine Messungen von Bentheim über Ostfriesland bis Jever fortgeführt sein werden, wird, hoffe ich. der Unterschied noch kleiner sein müssen. Lecoq's Bestimmungen sind zum Theil ganz enorm un- richtig; z, B. der Längenunterschied zwischen Bielefeld und Melle ist nach Lecoq 8'50",1, während er in Wahrheit 11'37",6 ist.

No. 639. 011)ers an Gauss. fsss

Bremen, 1830 März 15.

Unsere Briefe haben sich gekreuzt, aber ich kann nicht unter- lassen, Ihnen zu der frohen Nachricht von der Verlobung Ihrer ge- liebten Tochter mit dem Hrn. Prof. Ewald meinen herzlichsten, innigsten, theilnehmendsten Glückwunsch abzustatten. Ich höre von allen Seiten hier so viel ungemein Vortheilhaftes von Ihrem künftigen, in der ge- lehrten Welt schon so rühmlich bekannten Schwiegersohn, dass ich gar nicht zweifle, diese Verbindung wird das Glück Ihrer lieben Tochter dauerhaft begründen und für Sie und die Ihrigen die Quelle vieler Familien- und Vaterfreuden werden. Bezeugen Sie doch, ich bitte, so- wohl meiner theuren Pathe als auch unbekannter Weise dem Hrn. Professor meine glück wünschende Theilnahme.

Gern möchte ich bei der Gelegenheit auch etwas Näheres und Be- stimmtes von meinem anderen lieben Pathen, Ihrem Hrn. Sohn, hören. Ich bitte Sie, lieber Gauss, sagen Sie mir doch, was er macht, wozu er sich bestimmt hat, und wie und wo er sich zu seiner Bestimmung vorbereitet?

Mit Leidwesen sehe ich, dass Ihre verelirte Gattin noch immer leidend ist. Möge das jetzt herannahende Frühjahr doch einen wohl- thätigen Einfluss auf ihre Gesundheit haben. Auf diesen Frühling hoffe auch ich, da meine Erholung nur langsam fortschreitet. Indessen fahre ich doch schon von Zeit zu Zeit aus und komme zuweilen unter Menschen.

Die Wassersnoth ist hier gross und schrecklich gewesen. Viele Menschen haben ihre Häuser, ihr ganzes Besitzthum. wenigstens 10 ihr Leben in den Fluthen verloren. Noch wohnen wir auf einer Insel. Unser ganzes kleines Gebiet steht unter Wasser, das selbst bis in die Vorstädte reicht. Deiche und Kunstwege sind durchbrochen. Die Brücken über die kleineren Flüsse Wümme, Ochtum u. s. w. zei^stört. Den jetzigen dringendsten Bedürfnissen der Unglücklichen wird durch einen, die wohlthätigen Gaben ihrer Mitbürger zweckmässig anwen- denden Verein abgeholfen; aber der verursachte Schaden wird noch

Gauss an Olbers. Göttingen, 1830 März 28. 535

gfrosse Summen erfordern, auch nur um Deiche uiul Wege einiger- maassen wieder in Stand zu setzen.

Bewundernd habe ich die genaue üebereinstimmung gesehen, die die beiden Anschliessungen an die KKAYEXHOFF'schen Dreiecke über Jever und Bentheim in der Länge von Göttingen geben. Durch die Chronometer und die Verbindung durch dieselben von Altona und Green wich vermittelst Helgoland wird die Länge von Altona auf Paris bezogen 30'" 24^,97 sein; wenn ich Greenwicb und Paris 9'" 2P,G an- nehme. Diese chronometrische Bestimmung dürfte also doch etivas fehlerhaft sein. Allein vielleicht ist auch Greenwich und Paris etwas kleiner als 9"' 2P,6, und so wird sich der ohnehin massige Unterschied von Ihrer Bestimmung noch mehr vermindern.

Mit vielem Vergnügen und mit vieler Belehrung habe ich Ihre Recension des PLANA-CAELixi'schen Werkes gelesen. Die L'^nregelmässig- keiten der Figur unserer Erde treten doch immer mehr und gewisser hervor. Wie unregelmässig auch die Schwere auf der Erde vertheilt ist, habe ich besonders aus Biot's Zusammenstellung der Pendel-Bestim- mungen in seiner Abhandlung über die Figur der Erde (Tom. VIII der Schriften des Pariser Instituts) gesehen.

RüMKER wird doch vielleicht in Hamburg bleiben. Doch dies unter uns.

Bessel hat mit seinem prächtigen Heliometer, das er mir nicht genug rühmen kann, unter sich sehr übereinstimmende Messungen des Saturn angestellt. Er findet den Durchmesser des Ringes f und den des Planeten selbst über eine ganze Sekunde kleiner als Struve. Er schreibt diesen Unterschied einer Diffraktion der Lichtstrahlen am Rande der Objektive zu, die alle durch Fernrohre gesehenen hellen Gegenstände etwas vergrössert. Diese Vergrösserung ist in Struve's Fernrohr, wie er glaubt, grösser als in seinem.^)

Leben Sie wohl, theuerster Gauss, machen Sie mir bald, recht bald wieder die grosse Freude, einige Zeilen von Ihnen zu lesen.

No. 640. Gauss an 011}ers. [302

Göttingen, 1830 März 28.

Wie sehr die Gefahr, in welcher Sie geschwebt haben, mich er- schreckt und geängstigt hat, dai-f ich Ihnen nicht erst sagen. Herz-

^) Nach diesen Angaben fehlt ein Brief Bessel's an Olbers aus der Zeit 1830 Febr. im Briefwechsel Olbees-Bessel. Seh.

536 Gauss an Olbers. Göttinnen, 1830 März 28.

innige Freude machten mir darum die beruhigenderen Nachrichten Ihres zweiten lieben Briefes. Möchte doch dem bösen Winter, der so viel verschuldet hat, ein recht milder Kräfte stärkender Frühling folgen und Ihre Herstellung bald recht vollkommen machen.

Ich bin die letzte Zeit mit Arbeit recht überhäuft gewesen; die Verarbeitung der Messungen raubt mir wirklich gar zu viele Zeit; auch bei einer meiner Vorlesungen habe ich eine Zeit lang dupliren müssen. Von den Ferien, die für mich noch nicht einmal angefangen haben, werde ich auch wenig Erholung haben, da ich eine Menge von Geschäften auf dieselben habe prokrastiniren müssen. Von meiner Ab- handlung über Gleichgewichtsgestalt der Flüssigkeiten wird jetzt der letzte (7.) Bogen gedruckt; so bald ich selbst Abdrücke davon erhalte, werde ich Ihnen sofort einen zuschicken.

Sie erlauben mir wohl, den Aufsatz des Hrn. Kll'^-ek noch einige Zeit zu behalten, da es mir noch nicht möglich gewesen ist, mich über den Gegenstand au fait zu setzen.

Mein jüngster Sohn Wilhelm, nach welchem Sie sich so gütig erkundigen, wird sich der Landwirthschaft widmen. Ich habe dazu wegen seiner so entschiedenen Neigung meine Einwilligung nicht ver- sagen können, wie manche Bedenklichkeiten auch dabei eintreten. Er ist das letzte Jahr bei einem Prediger in der Nähe von Celle gewesen und wird jetzt zur Vorbereitung zu dem Kammerkommissair Ihsen in Poppenhagen (bei Neustadt a. Eübenberge) kommen, der ein halbes Dutzend junger Eleven hat. Einer davon, der zugleich der Stuben- genosse meines Sohnes werden wird, ist der Sohn Ihres ehemaligen Kollegen Dr. Albeks und Ihnen wahrscheinlich näher bekannt.

Der kleine Unterschied der geodätischen und astronomischen Längen- bestimmung Göttingen Paris mag aus sehr vielen Theilen zusammen- gesetzt sein.

Der astronomische Unterschied

zwischen Paris und Altona ist

39■M6^57 1_ -9 21,60 j-'^" ^-^'^^ 791 Altona Göttingen 0,05 ij *" '

der geodätische Paris Göttingen 30™ 2d',8

Unterschied 0^86

oder 12",9 in Bogen. Dazu können konkurriren:

1) Fehler meiner geodät. Messung zwischen T. ,^ _, ." .

^ ° lAltona Bentheim.

„s T- 11 T- -1 f Jever Dünkirchen.

2) J^ehler von Kra yenhoff zwischen ^„ , . t^.. , ,

IBentheim Dunkirchen.

3) Fehler von Delambre zwischen Dünkirchen Paris.

4) Fehler von Schmidt's neuesten Erddimensionen (Dimensionen des Idealellipsoids).

Gauss an Olbers. Göttingen, 1830 März 28. 537

5) Abweioliuii;; dt-r Xonnaleu zur tcirkUcJicn Erdfigiir von der Nor- malen zur Idealtigur, im Sinne senkrecht auf den Meridian, für Altona.

6) Dieselbe in Paris.

7) Fehler der chronometrischen Bestimmung zwischen Altona und Greenwich,

8) Fehler der Bestimmung des Zeitunterschiedes zwischen Paris und Greenwich durch Feuersignale.

p]s wäre unbillig, die Differenz von O'^jSG oder 12",9 der Quelle No. 7 allein aufzubürden; jede der 8 Quellen mag ihren Antheil daran haben. Hätten diese 8 Quellen alle in einem Sinne gewirkt, so hätte gar leicht ein 3 mal so grosser Unterschied hervorgehen können, we- nigstens scheinen mir Fehler etwa von folgender Grösse gar nicht unnatürlich :

1 0",5

2 2

3 0,5

4 10

5 5

6 5

7 4

8 10

]\Iir däucht also, dass alle einzelnen Operationen vollkommen ge- leistet haben, was man billiger Weise zu erwarten berechtigt war.

Bei meinem letzten Aufenthalt in Bremen sprach, wie ich mich erinnere, Hr. Senator Gildemeistek davon, dass etwa Hr. Klüver ein- mal mit einem Sextanten oder Theodolithen einige Winkel bei Bremer- haven messen sollte, um diesen Platz an bekannte Punkte anzuschliessen. Sollte dieser Plan schon ausgeführt sein, so bitte ich, mir gelegentlich solche Messungen gütigst mitzutheilen.

Ich habe jetzt auch von Hrn. Major v. Myrbach (Nachfolger des verstorbenen Generals Fallon) das erneuerte Versprechen einer bal- digen Mittheilung der österreichischen Dreiecksmessungen erhalten. Jener schreibt mir, dass die Längengradmessung im Parallel von Brest Wien bis an die östlichste Grenze der österreichischen Monarchie, auf Anregung des russischen Gouvernements, fortgesetzt werden soll, von wo letzteres sie bis zum Ural fortzusetzen in Zukunft beabsichtige. Möchte ich doch erst Müsse gewinnen können, an die Ausarbeitung meines beabsichtigten grösseren Werkes über die Behandlung der geodätischen Messungen denken zu können. Aber vorerst und bis zur Vollendung der Hannoverschen Messungen wird wohl daran nicht

538 Gauss an Olbers. Göttingen, 1830 April 7.

ZU denken sein. Vielleicht lasse ich im bevorstehenden Sommer die Messungen im östlichen Theil des Königreichs (bis zur Elbe und Alt- mark) ihren Anfang nehmen. Leider liegt nur die ganze Last der Verarbeitung allein auf mir, und ich muss allein die Stelle des ganzen trigonometrischen Bureaus vertreten. In diesem östlichen Theile sollen aber, denke ich, [sich] die Messungen nur auf Punkte ersten und zweiten Ranges beschränken, da dort ein Bedürfniss einer neuen Detail- aufnahme wenigstens nicht dringend ist.

Ein gewisser Ferdinand v. Sommer^) aus Braunschweig (er nennt sich selbst Doktor, obwohl ich fast zweifele, dass er dazu berechtigt ist) schickte in diesem Winter an unsere Societät eine vermeinte all- gemeine Auflösung der Gleichungen, die aber durchaus werthlos ist. Ich möchte, aus einem besonderen Grunde, wohl wissen, ob Sie, mein theuerster Freund, mit diesem Sommee wohl in irgend eine Berührung gekommen sind?

No. 641. Gauss au Olbers. [sos

Göttingen, 1830 April 7.

Durch einen fleissigen Zuhörer von mir, Hrn. Lijbsen aus Olden- burg, welcher nach Vollendung seiner Universitätsstudien dort als Lehrer der ]Mathematik am Gymnasium angestellt werden wird, überschicke ich Ihnen einen der erst vor ein paar Tagen mir abgelieferten Ab- drücke meiner [Priucipia generalia] theoriae figiirae fliiidorum in statu aequilibrii etc.^) mit der Bitte, dieses Werkchen mit Ihrer gewohnten freundschaftlichen Güte aufzunehmen.

Zugleich sende ich hierneben die mir gütigst kommunicirten Pa- piere des Hrn. Klüver, den Kometen von 1826 betreffend, zurück. Ich finde, dass, ohne einen sehr beträchtlichen Theil der Rechnungen zu wiederholen, es unmöglich ist, ein ürtheil über diesen Gegenstand zu fällen. Die Beobb. vom 3., 4., 5. und 6. Apr. geben mit einer ge- wissen Regelmässigkeit eine bedeutende Retardation der geocentrischen Bewegung, so dass kein bestimmter Verdaclitsgrund gegen eine der Positionen entstehen kann. Ob aber die Bahn durchaus durch keinen Kegelschnitt dargestellt werden kann, muss ich in diesem Augenblick, wo mir schlechterdings alle Müsse fehlt, selbst Rechnungen über den Gegenstand anzustellen, auf sich beruhen lassen. Vielleicht steht mir

1) Vergl. auch Brief No. 462 vom 24. Okt. 1822 und No. 46S vom U». März 1823 von Gauss an Olbers, S. 220 und 235. Krm.

-) Gai-ss" Werke Bd. V, S. 29—77. Vergl. auch Brief Xo. 638 vom 31. Jan. 1829. Krm.

Olbers an Gauss. Bremen, lS3(i April 28. 539

dazu künftig (aber sclnvei'lich bald) einmal Müsse zu Gebote, wo ich mir die J'apiere wieder ausbitten werde. Ich bin nicht ganz abgeneigt zu glauben, dass die Rechnungen, wovon die Haupt-Incidenzpunkte auf dem Oktavblatt stehen, nicht fehlerfrei sind, namentlich dass das n (ir 17",3), wovon das meiste abhängt, bedeutend zu gross ist, aber wie gesagt, Rechnungen habe ich gar nicht anstellen können, sondern bloss ein vages Aperru erregt in dieser Beziehung bei mir einigen Verdacht.

Dass schon Hr. Petersen^) mir über diesen Gegenstand Mitthei- lungen gemacht hat, ist mir durchaus nicht erinnerlich; sollte solches geschehen sein, so kann ich nur in meinen überhäuften, so verschieden- artigen Beschäftigungen eine Entschuldigung finden, solches völlig ver- gessen zu haben. In der That wird meine Zeit besonders jetzt durch so unabsehbar viele Dinge in Anspruch genommen die Sorgen und Besorgungen für 5 Kinder machen davon freilich einen grossen Theil aus , dass ich oft nicht weiss, wo mir der Kopf steht, und an wissen- schaftliche Arbeiten jetzt gar nicht denken kann. Entschuldigen Sie daher freundlich auch die Kürze und Leerheit dieser Zeilen.

No. 642. Olbers an Gauss. [339

Bremen, 1830 April 28.

Ich benutze die Gelegenheit, da Hr. Gehle, ein Theologie stu- dirender Bremer, der hier während der Ferien bei seinen Eltern zum Besuch war, wieder nach Göttingen zurückkehrt, um Ihnen für Ihren gütigen Brief vom 7. d. M. und das Geschenk Ihrer so höchst wichtigen, Epoche machenden Theoria figiirae fluidorum in statu aequilibrii den verpflichtetsten Dank abzustatten. Es ist erfreulich, dass von Ihrem Wahlspruch „Pauca sed matura" doch nur das letzte eigentlich An- wendung findet, und der unvergleichliche Baum^) doch auch viele Früchte trägt.

Zugleich, mein theurer Gauss, bitte ich Sie um Ihre Verwendung bei Ihrer Fräulein Tochter Wilhelmine, dass dieselbe beikommendes, freilich sehr unbedeutendes kleines Andenken Ihres alten Pathen gütig und nachsichtsvoll aufnehmen möge. Es ist von den wiederholten herz-

^) Muss heissen Peters: vergl. nächsten Brief von Olbers sowie Brief No. 637, S. 529—530. Seh.

") Wohl eine Anspielung auf das Siegel, das Gauss in letzter Zeit benutzte, ein Früchte tragender Lorbeerbaum mit seinem Wahlsi)ruch „pauca sed mahira". Krm.

540 Olbers an Gauss. Bremen, 1830 Mai 28.

liclisten und innigsten Wünschen für das Wohl und dauernde Glück der Uehensivürdigen Braut begleitet. Das Wort liebenswürdig soll hier kein fades Kompliment sein, sondern nach dem. was mir noch ganz kürzlich der Landes-Oekonomierath Lüdee von meiner lieben Pathin erzählt hat, verdient sie jenen Beinamen mit dem vollkommensten Recht. Die schöne Knospe, wie ich sie 1819 sah. muss sich herrlich ent- faltet haben.

Das bei dem hohen Wasser noch grössten Theils überschwemmte Gebiet von Bremen macht die Kommunikation mit den umliegenden Orten fortdauernd schwierig, und ich habe Klüver noch nicht wieder gesehen. So bald er hereinkommt, werde ich ihn auffordern, seine Rech- nungen strenge zu prüfen. Es war Petees, nicht Petersen, von dem Sie mir selbst erzählten, er sei in Altona zu Ihnen gekommen und habe geklagt, dass er aus den ßeobb. des in Frage stehenden Kometen keine Bahn ableiten könne. Sie hätten ihm geantwortet, die von Peters befolgte Rechnungs-Methode werde wohl gerade auf diesen Kometen nicht anwendbar sein, er müsse eine andere wählen. Ich fürchte immer, es liegt an den Beobb. selbst. Auch bei dem grossen Kometen von 1811^), den Flaugeegues selbst zuerst entdeckte, waren seine ersten, mir auf meine Bitte in originali mitgetheilten Beobb. bis zum Unglaublichen schlecht, und hatten Fehler von 20 und mehr Minuten. Die späteren waren besser, aber doch immer nichts weniger als gut.

Werden Sie auch dieses Jahr der Versammlung der Naturforscher in Hamburg beiwohnen? Ich denke nicJit hinzugehen, was mir wohl auch mein Befinden nicht erlauben wird; hoffe aber bei der Gelegen- heit durch den Besuch mehrerer meiner Freunde und Bekannten er- freut zu werden. Bessel, der schon Ende Juli in Altona einzutreffen willens ist, wird wohl nicht bis zu dieser Versammlung bleiben, be- sonders wenn Schumacher sein Vorhaben, im Spätsommer nach Paris zu gehen, noch ausführen sollte.

In der Sternkunde ist es noch immer merkwürdig still, und weder am Himmel, noch auf der Erde etwas bedeutendes Neues.

No. 643. Olbers an Gauss. fsdo

Bremen, 1830 Mai 28.

Ich weiss nicht, ob Ihnen Hr. Prof. Harding die Elemente mit- getheilt hat, die ich am 2. Mai. gleich nachdem ich die Beob. des Ko-

*) Komet 1811 I. Yergl. Brief No. 250 vom 31. Okt. und No. 'J^l vom 10. Nov. 1811 von Olbers an Gauss in Bd. II, 1. Kim.

Olbers an Gauss. Bremen, 1830 Mai 28. 541

nieten^) von Gambart erhalten hatte, aus dieser, der HARDiNo'schen vum 20. Apr. und meiner vom 30. Apr. ableitete. Zum Ueberfluss setze ich sie hier wieder her.

[Folireu die in Olbers Bd. 1 No. 119, S. 427 mitgetheilten Elemente.]

Die GAMBARTSche Beob. hatte ich so reducirt:

Apr. 21. IS»» SO'" 25^5 M. Z. Marseüle

317"33'28",8 -f 30' 25",3

Die mittlere Beob. vom 26. Apr. wurde freilich sehr gut, bis auf l'j".5 in der Länge und 1" in der Breite dargestellt; allein da der ganze in der Zwischenzeit vom 21. 30. Apr. scheinbar durchlaufene Bogen nur 6°.l beträgt, so konnte ich diese Elemente nur etwa als eine erste Näherung ansehen. Die Beobb. stimmen indessen noch fortwährend so gut mit diesen Elementen, dass ich noch keine Verbesserung an- zubringen weiss. Hier z. B. die Vergleichung mit 2 meiner letzten Beobb.:

Beobachtung- Kechn.-Beob.

Mai 19. 11" 5'"39^ 319°34'35" +23028'33" +21" —29"

20. 11 12 6 319 33 42 +234451 +6 —19

Hoffentlich werden diese Elemente auch die künftigen Beobb. er- träglich darstellen, und so ist Ihnen vielleicht folgende kleine Epheme- ride nicht ganz unangenehm.

[Folgt eine Epheraeride von Mai 25 bis Juni 29 in Stägigen Intervallen.]

Vielleicht wird sich die Sichtbarkeit des Kometen noch nicht auf den Juni beschränken. Er scheint viel mehr Dichtigkeit und Materielles zu haben als der ENCKs'sche Komet, deswegen das Sonnenlicht viel stärker zurück zu w^erfen, und wird so in weit grösseren Abständen von der Sonne wahrscheinlich noch hell genug bleiben, um ihn vom Himmels-Grunde zu unterscheiden. "Wenigstens ist jetzt noch sein ver- waschener Kern sehr glänzend. Der Komet schickt sich recht zu Beobb. mit dem Heliometer, und Bessel und Hansen werden uns ge- wiss ganz vorzügliche Beobb. von ihm liefern.

Was haben Sie für Projekte diesen Sommer, lieber Gauss? Ist keines darunter, das Sie in unsere Nähe führt und mich die Freude, Sie zu sehen, hoffen lässt? Werden Sie nicht die Versammlung der Naturforscher in Hamburg besuchen? Die dortige Versammlung wird dem Vernehmen nach sehr zahlreich und glänzend werden, und das reiche und üppige Hamburg alles aufbieten, Berlin und Heidelberg noch zu übertreffen und den verehrten Gästen den dortigen Aufenthalt so

1) Komet 1830 I. Vergl. Olbebs Bd. I No. 119 bis 121 und 194, S. 427—429 und 656. Krm.

542 Gauss an Olbers. Göttingen, 1830 Juni 14.

angenehm als möglich zu machen. Besonders werden viele englische und schottische Gelehrte erwartet, denen die Dampfschiffe jetzt eine so bequeme Gelegenheit darbieten, nach Hamburg zu kommen. Ich werde 7iicht hingehen. Die Reise Hesse sich allenfalls noch wohl machen, allein ich darf und kann mich schlechterdings nicht den Stö- rungen und Abweichungen von meiner gewohnten Lebensweise aus- setzen, die meiner dort gewiss erwarteten.

Bessel wollte schon Anfangs Juli in Altona sein, früheren Anzeigen zufolge. Ob er seine Absicht seitdem geändert hat. weiss ich nicht, weil ich von unserem Schumachee wahrscheinlich und wie ich mir schmeichle, wegen einer Eeise nach Kopenhagen, nicht wegen Krank- heit — in 4 A\'ochen nichts gesehen und nichts gehört habe. In An- sehung Schumacher's ist es mii' nur etwas bedenklich, dass auch die Astronomischen Nachrichten, die sonst, ihrem angegebenen Zwecke ge- mäss, bei Erscheinung eines neuen Kometen so häufig herauszukommen pflegen, ganz zurückbleiben.

Haben Sie schon etwas Näheres von neuen Achromaten gehört, in denen man statt Crown-Glas Bergkrystall mit dem Flintglase ver- bindet? Bei gleicher Apertur und VergTösserung und grösserer Hellig- keit und Schärfe soll sich die Brennweite dadurch auf f herabbringen lassen.

N. S. Ihre liebenswürdige Fräulein Tochter hat mir einen ganz allerliebsten Brief geschrieben. Danken Sie, ich bitte, in meinem Namen der schönen Braut bestens dafür, so wie für die freundliche und nach- sichtsvolle Aufnahme meines kleinen so unbedeutenden Andenkens. Ich würde meinem lieben Pathchen selbst danken, aber ich mag sie nicht mit dem Gekritzel eines alten Mannes behelligen und langweilen.

No. 644. Gauss an Olbers. [304

Göttingen, 1830 Juni 14.

Ich bin Ihnen noch für Ihre beiden letzten Briefe meinen innigsten Dank schuldig. Meine Tochter wii'd Ihnen selbst geschrieben haben, wie sehr Sie sie und uns durch das kostbare Andenken erfreut haben. Auf Michaelis wird sie ihren neuen Hausstand antreten, in welchem sie, wie alles mich hoffen lässt, ihr wahres und daueihaftes Glück fin- den wird.

Sehr verbunden bin ich Ihnen für Ihre den Kometen betreffenden Mittheilungen. Das Wetter ist bisher immer sehr ungünstig gewesen, und nachgerade fange ich an zu fürchten, wird er wohl für mein Hello-

Gauss an Olbers. Götting^eu, 1830 Juni 14. 543

nieter zu schwach geworden sein, und die letzten Beobb. werden wohl am füglicbsten Bessel und Stkuve überlassen bleiben, neben deren Beobb. kreismikiometrische Bestimmungen nur noch wenig A\'erth haben würden.

Die Oppositionen der Pallas und Ceres habe ich sehr gut beob- achtet.^)

Zu der Versammlung der >*aiuriürscher in Hamburg werde ich nicht reisen. "Wie sehr verlangte mich aber, Sie einmal wieder in Bremen zu sehen. Leider ist mir bei dem traurigen Gesundheitszu- stände meiner Frau und dem Zerwürfniss meines Hauswesens jetzt nicht verstattet, irgend einen Plan zu einer selbst massigen Abwesen- heit von hier zu machen. Ich habe im vorigen Monate nicht einmal die Reise nach Hannover unternehmen mögen, um die Messungs- geschäfte für das laufende Jahr persönlich zu reguliren, sondern den Lieutenant Haetmaxx hierher kommen lassen und dem Hauptmann MüLLEE meine Pläne nur schriftlich kommunicirt.

Das Interesse, welches Sie an diesen Arbeiten immer genommen haben, entschuldigt mich wohl, wenn ich Ihnen auch einiges von den diesjährigen Plänen anzeige.

Der Lieutenant Hartmann wird an der westlichen Grenze des Königreichs da fortfahren, wo mein Sohn im vorigen Jahre aufge- hört hatte. Er wird also von Bentheim oder richtiger von der Seite Kirchhesepe (Thurm) Queckenberg (bei Fürstenau) das Dreiecksnetz nördlich bis Ostfriesland fortführen. Er ist Anfangs dieses Monats ab- gereist, und heute habe ich bereits seinen ersten Bericht (aus Meppen) erhalten. Die Aspekten zur Bildung eines guten Netzes sind ganz günstig. Ein schon im vorigen Jahre von meinem Sohne ausersehener und vorläufig rekognoscirter Berg, der Windberg, eine Stunde nfirdlich von Sögel, qualiflcirt sich zu einem vortrefflichen Dreieckspunkte, welcher sich mit den alten Punkten Kii'chhesepe und Queckenberg, und mit den neuen Molbergen und Bassel (im Oldenburgischen), Kloster ter Apel und Onstwedde (auf Holländischem Gebiet) und Leer verknüpfen lässt. Die vier letztgenannten Punkte sind schon KRATENHOFr'sche, und vor der Hand wird es wohl imnöthig sein, dass ich über diese An- knüpfung hinausgehe, von welcher bis Jever und Ya.re\ zusammenhängende KRAYENHOFE'sche Drcicckc durch Ostfriesland laufen.

Der Hauptmann MiJLLER hingegen und mein Sohn sollen sich wälu'end dieses Sommers in dem östlichen Theile unseres Königreichs beschäftigen, welches noch gleichsam eine terra incognita ist. Müller ist in diesen Tagen von Hannover abgereist und wird den Anfang mit

"■) Vergl. A. X Bd. Vin, Xo. 185: Gauss' Werke Bd. VI, S. 462. Krm.

544 Gauss an Olbers, Göttingen, 1830 Juni 14.

der Besichtigung- des Holxerberges (bei Uelzen) machen. Mein Sohn wird ihm erst im Anfange des nächsten Monats folgen, da er nicht gern etwas von den Regiments-Manövern versäumen wollte, welche bis Ende des Juni dauern. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird dieser ganze östliche Tlieil ein sehr schwieriges Terrain sein, und also wohl in diesem Jahre noch nicht sehr viel daselbst absolvirt werden können. Ob es mir möglich sein wird, in diesem Jahre einmal selbst eine In- spektion dieses Terrains und der dortigen Arbeiten zu halten, steht noch dahin; einen länger dauernden Antheil werde ich aber jedenfalls nicht daran nehmen.

"Wenn dieser östliche Theil künftig auch erst abgethan sein wird, so würde nur noch theils der nördliche Theil des Bremischen, theils der Landstrich SW vom Falkenberg (über Walsrode, Neustadt bis Ha- meln und Holzminden hin) übrig bleiben, wodurch dann das ganze Königreich mit einem Dreiecksnetz übersponnen sein würde. Die wei- tere ganz specielle Vorbereitung für künftige Detailaufnahme würde dann auch ohne meine unmittelbare Mit'^sirkung allenfalls geschehen können.

Die^) Zeit, die mir in diesem Sommer zu eigener Arbeit übrig bleibt, denke ich der Fortsetzung meiner Abhandlung über die biqua- dratischen Eeste zu widmen, damit diese Arbeit, deren erste Anfänge sich schon von 1805 her datiren, ihrer Vollendung näher komme. Sie wird wenigstens noch zwei ausgedehnte Abhandlungen erfordern; vorerst werde ich es aber bei einer bewenden lassen und die erste mir dann wieder zu Theil werdende Müsse erst wieder einem anderen Gegenstande widmen, wahrscheinlich den theoretischen Methoden der Höheren Geodäsie. Es ist seit geraumer Zeit mein Schicksal gewesen, immer solche Arbeiten aufzunehmen, bei denen sich in der Darstellung nicht schnell fortschreiten lässt.

Von dem HERzoa von Sussex hat die Sternwarte vor einiger Zeit einyonHAEDY verfertigtes verkehrtes Pendel erhalten, in einer etwa 4 mal so grossen Dimension wie das früher von demselben geschenkte [G. G. A. 1820 S. 1806^), Es hat eine bedeutende Empfindlichkeit, wenn gleich Harüy's Hoffnung, dass man damit die Attraktion der Sonne, des. Mondes und der Berge soll messen oder augenfällig machen können, theils viel zu sanguinisch, theils ohne Sinn ist. Bei einer mittleren Stellung der Kugel entspricht ein Ausschlag des Zeigers von 1 Linie einer Neigung von 24 Sekunden, oder die Empfindlichkeit ist so gi-oss,

') Von hier ab bis „fortschreiten lässt" auch abgednickt in Gacss' Werken Bd. IX, S. 379. Krm.

^) Gauss' Werke Bd. VI. S. 435. Krm.

Olbers an Gauss. ^■. II. [BremeuJ, 1830 September 4. 545

wie die eines 34 mal so langen gewülinliclien Pendels. Was mich dabei am meisten interessirt, ist die Schärfe, mit der man die Dauer der Vibrationen bestimmen kann, und die Regelmässigkeit, mit welcher die L'ngleichheit derselben der Temperatur folgt. Ich werde meine Ver- suche damit vervielfältigen. Hier einige, wobei das Th[ermometer] sorg- tältifr notirt ist:

Thermometer Gentes.

Dauer einer Vibration

15»,8

;;\852

16.8

3.364

18,2

3.378

19,4

3,395

Natürlich ist die Temperatur-Aenderung nicht, insofern sie die Lauge der Stange oder die Dichtigkeit der Luft afficirt (dieser Einfluss ist so gut wie unmerklich), sondern insofern sie die Elasticität der Feder verändert, das Agens, und ich glaube, dass man diesen, so viel ich weiss, bisher noch nie quantitativ untersuchten Umstand zur Dar- stellung einer ganz neuen Art äusserst empfindlicher Thermometer müsse benutzen können.

No. 645. Olbers an Gauss. [341

V. H. [Bremen], 1830 September 4. Morgens 9 Uhr.

Ihr Briefe) hat mich sehr erschreckt. Von Schumachee^) habe ich bis jetzt noch jiiclifs erhalten. Ich kenne also die Ursache Ihres Kummers nicht, aber ich nehme im voraus den lebhaftesten, schmerz- lichsten Antheil.

') Dieser Brief ist niclit mehr vorhanden. Zu seinem Inhalte vergi. die folgende Anmerkung. Krm.

-) Gemeint ist der Brief vom 3. Sept. 1830 von Schumacher an Olbers, in welchem Schumacher einen Brief Gacss' zur Einsichtnahme schickt, der jedoch nicht mehr vorhanden zu sein scheint. Die auf das Obige bezügliche Stelle lautet dort: „Ich sende Ihnen anbei einen Brief von unserem Gauss, der mich sehr tief betrübt „hat. Alle Untersuchungen bei der Hamburger Polizei sind vergebens gewesen, und „der Polizei-Chef, Senator Dämmert, hält sich überzeugt, dass der junge Gauss nicht „hier ist.

„Der Brief ist in einem so bewegten Gemüthszustand geschrieben, dass ich „nicht ganz gewiss bin, was eigentlich Gauss will, dass Sie und ich thun soUen. Ich

Olbers. II, 2. 35

546 Olbers an Gauss. Bremen, 1830 September 12.

Gern würde ich Ihnen gleicli Logi.s in meinem Hause anbieten. aber ich erwarte täglich, spätestens übermorgen, den Landdrosten V. Dachenhatjsen, der meinen Sohn mit einem Besuche erfreuen "^^ül. Aber ich hoffe, dass Sie und Ihr Hr. Sohn schon diesen Mittag unsere frugale Kost mit uns theilen werden. Bis um 3 Uhr werde ich mit dem Essen auf Sie warten. Dass ich den übrigen Tag und alle fol- genden ganz zu Ihrem Befehl bin, versteht sich von selbst.

No. 646. Olbers an Gauss.') [342

Bremen, 1830 September 12.

Ich hoffe, dass Sie glücklich und wohl in Göttingen wieder an- gekommen sind und Ihre verehrte Kranke besser vorgefunden haben.

„glaube, er -nünscht, dass wir die Abreise befördern, den Ort, wobin er gebt, aus- „mitteln und demnächst Anstalten treffen sollen, ihn dort zu unterstützen." ....

Ueber die Veranlassung zu der Auswanderung von Eugen Gauss giebt Prof. Florian Cajoei in der Science (1899 Mai 19, N. S. Vol. IX, No. 229) ausführlich Nach- richt. Er schreibt dort [in freier Uebersetzung wiedergegeben] : „Eugen [der auf Wunsch seines Vaters und gegen seine eigene Neigung in Göttingen Jura studirte] ergab sich ganz dem wilden Leben eines Göttinger Studenten, ein Schmiss in seinem Gesicht zeugte von seiner Theilnahme an einer Mensur. Welches Leben er da führte, können wir ungefähr aus den Erzählungen entnehmen, die wir aus Bismakck's stür- mischer Göttinger Studentenzeit besitzen; diese begann etAva 1 Jahr später, als Eugen die Universität verlassen hatte.

Es ereignete sich nämlich ein Zwischenfall, welcher ein ernstes Zerwürfniss zwischen Vater und Sohn herbeiführte. Eugen gab seinen Kommilitonen ein solennes Essen und übersandte seinem Vater die Rechnung. Als letzterer seinem Sohne des- halb Vorwürfe machte, beschloss Eugen plötzlich, Deutschland zu verlassen und nach Amerika auszuwandern. Er ging auf und davon, ohne seiner Familie Lebewohl zu sagen oder sonst irgend welche Vorbereitungen für die Eeise zu treffen. Als Gauss von der Absicht seines Sohnes erfuhr, reiste er ihm nach und suchte ihn zur Umkehr zu bestimmen, gleichzeitig sagte er ihm aber, dass er seinen Koffer mitge- bracht hätte lind bereit sei, ihm die Mittel zur Eeise zu geben, falls er entschlossen wäre, sein Glück in Amerika zu versuchen. Der Sohn lehnte es ab, wieder heimzu- kehren, und beide reisten weiter [nach Bremen] "

Von dem bewegten Leben, das der junge Gauss in Amerika führte, geben die folgenden Briefe noch Nachricht. Aus dem erwähnten Aufsatze von Cajori geht hervor, dass es ihm schliesslich glückte, eine gesichorte und ireachtete Existenz zu erringen, und dass er sich mit seinem Vater wieder völlig aussöhnte, der letzte Brief von Gauss an Olbers vom 14. Mai 1839 deutet dies auch an. Krm.

*) Nach diesem Briefe und einer Mittheilung vom 6. Sept. 1830 von Olbers an Schumacher war Gauss vom 4. bis 7. Sept. in Bremen, um die Uebersiedlung seines Sohnes Eugen nach New York zu bewerkstellisfeu. Krm.

Gauss an Olbers. Göttingeu, 1830 September 13. 547

Ich eile Urnen hier zwei Briefe einzuschicken, von denen der eine am Mittwoch, der andere gestern hier eintrat'.

Es scheint, dass unser Schumacher seine Reise erst am 10. dieses über Gotha und Halle angetreten hat.

FocKE ist mit dem Benehmen seines Hausgenossen bisher sehr zufrieden.

In grosser Eile, weil die Post gleich abgehen wird.

No. 647. Gauss an Olbers. [305

Göttingen, 1830 September 13.

Ich bin krank hierher zurückgekommen. Ton den Fatiguen der Reise, der inneren Unruhe, die mich aus Bremen vertrieb, auf der Reise begleitete und mich hier nicht los lässt, Hess sich wohl nichts anderes erwarten. Indessen fühle ich mich schon heute merklich besser, und mit der Zeit werden sich ja die stürmischen Wogen glätten.

Könnte ich doch Ihnen und Ihrem edlen Schwiegersohn recht zeigen, wie tief, wie innig ich von Ihrer unbeschreiblichen Güte gerührt bin. Welch ein Mann ist dieser I Was wäre ohne Sie und ihn aus uns geworden!

Ich scheue mich, nacli dem Betragen meines unglücklichen Sohnes zu fragen. Was kann ich, wenn Sie nicht aus Schonung mir die Wahr- heit verschleiern oder mildern, zu hören erwarten, als dass von allen auf seine Erziehung verwandten Sorgen wenige oder keine Spuren zurückgeblieben sind.

Giebt es ein härteres, schmerzlicheres Loos, als wenn ein Vater nur sehnlich wünschen muss, dass sein Sohn ihm nie wieder vor die Augen kommen möge. Stände ich allein, so müsste ich einen solchen Wunsch für eine Versündigung halten; für mich entzöge ich mich der Gefahr ganz aufgerieben zu werden nicht. Aber ich stehe eingeklemmt zwischen schweren und einander widerstrebenden Pflichten. Ich kann, ich darf ihm nicht wieder Vater sein, als wenn er, und wie schwach ist die Hoffnung dazu, einst nach Jahren ein ganz veränderter, auf eigenen Füssen stehender Mensch geworden ist.

Ihr edler Schwiegersohn hat die Sorge für alle Bedürfnisse meines Sohnes bis zu seiner Abreise grossmüthig auf sich genommen. Aber bei einem, wie geringfügig es auch an sich ist, muss ich doch Ihre Ver- mittelung in Anspruch nehmen, mein theurer Olbees. Ich meine das Douceur bei meines Sohnes Abgange an Ihres Schwiegersohnes Dome- stiken, die doch manche Bemühungen seinetwegen gehabt haben werden,

35*

548 Gauss an Olbers. Göttingen, 1830 September 13.

SO wie auch an Ihre eigenen. Nur einen Freund ivie Sie darf ich wagen zu bitten, hierbei ganz meine Stelle zu vertreten, und auch die Be- stimmung ganz nach Ihrem Ermessen und nach meinem Wunsch, dass es anständig sei, zu machen. Dass ich Ihre Auslage sogleich erstatten werde, versteht sich von selbst.

Meinen jüngsten Sohn habe ich eine Stunde in Poppenhagen ge- sehen und bin mit ihm zufrieden.

Die Verbindung meiner Tochter wird nun doch übermorgen statt- finden, und dann wird das Paar sogleich auf ein paar "Wochen ver- reisen. Die Vorsehung schenke ihr alles Glück, das sie so sehr ver- dient. Meine arme Frau ist sehr schwach, doch scheint mir, nicht schlimmer als bei meiner Wegreise.

Von Benzenbekg habe ich hier einen zweiten Brief vorgefunden; ich habe mich einmal ein paar Stunden zusammen gerafft, alles was mich drückt, zu vergessen und sein Buch zu prüfen. Es schien mii-, dass seine Eechnungen über die Berechnung der Barometerhöhen nach Dalton's Hypothese in der Wurzel falsch sind, und dass eine richtige Eechnung ein ganz entgegengesetztes Resultat giebt, bei 5000 Fuss Höhe anstatt 16 Fuss finde ich -|- 2 Fuss, und beim Michaelisthurm statt 1 Fuss finde ich -f~ tot Fuss. Beim Monte Gregorio wird also in Dalton's Hypothese der Unterschied zwischen barometrischer und geometrischer Messung noch etwas grösser, und beim Michaelisthurm ist die Aenderung ganz unmerklich. A^'erde ich künftig etwas ruhiger sein, so werde ich die Untersuchung genauer vornehmen und Ihnen, w^enn Sie ein Interesse daran nehmen, auf [die] eine oder andere Art mittheilen.

Mein guter ältester Sohn ist bei seinen Messungsgeschäften auch unwohl. Es würde mir sehr schmerzlich sein, wenn meine Hoffnung, ihn nach Vollendung derselben eine Zeit lang bei mir zu haben, auch vereitelt würde. Es scheint, dass man Schwierigkeiten macht, ihm Urlaub zu bewilligen.

Sollte es aus irgend einer Ursache nöthig scheinen, dass ich vor der Abfahrt meines Sohnes noch einmal schreiben müsste, so haben Sie, bester Olbeks, wohl die Güte, mich zu benachrichtigen. Meine Absicht wäre sonst, nicht meinem Sohne noch zu schreiben. Er kann seinen im innersten Lebensmark verwundeten Vater nicht versöhnen, als durch Jahre lang bewährte Besserung.

Gottes Segen über Sie, theurer Olbers. und Ihre ganze Familie.

Olbers an Gauss. Bremen, 1830 September 21. 549

No. »148. Olbers au Gauss. [343

1 Bremen, 1830 September 21.

Es tluit mir selir leid, dass Sie krank von Ihrer Eeise zurück- gekommen sind; ich hoffe indessen, dass Sie jetzt ganz wieder hergestellt sind, und die glückliche Verbindung Ihrer liebenswürdigen Tochter mit Ihrem jetzigen Schwiegersohn fröhlich haben feiern können. Viel Glück und Segen dem neuen Ehepaar! Möchten Sie doch, wenn ich mein Leben noch vielleicht durchwintern sollte, die jungen Eheleute mir im künftigen Jahre auf einer Ferienreise einmal zuführen. Ich bin sehr begierig, Ihren würdigen Hrn. Schwiegersohn persönlich kennen zu lernen. Hofrath Heeren, der hier in voriger Woche einige Tage ver- weilte, sprach mit ganz ausgezeichnetem Lobe von ihm.

Ihr Hr. Sohn beträgt sich hier bis jetzt, so viel ich weiss, durch- aus gut und ist emsig mit Uebung im Schreiben und der englischen Sprache beschäftigt. Die Abfahrt des Schiffes wird sich wohl noch etwas verzögern. Vorläufig ist sie jetzt auf den 1. Okt. angesetzt. Ihren Auftrag werde ich ausführen.

Eine Erkältungskrankheit mit Flussfieber hat die intendirte Eeise unseres Schumacher, wie Sie wohl schon wissen werden, unangenehm aufgehalten. Olj und wann er sie jetzt antreten wird, weiss ich noch nicht.

Die Versammlung der Naturforscher in Hamburg, die am 18. dieses förmlich eröfthet wurde, scheint doch nicht ganz so zahlreich zu werden, als ich vermuthet hatte. His zum 15. Sept. hatten sich erst 56 Fremde als Mitglieder einschreiben lassen. Freilich werden diese nun noch zahlreicher naclikommeu, aber manche mag doch das schlechte un- beständige "Wetter, andere die sich so weit verbreitenden Unruhen zu- rückhalten. Ausser Strijve ist von namhaften Astronomen auch Littrom- dort. ScHrMACHEE hatte dessen ihm zugedachten Besuch bisher wegen seiner rnpässlichkeit ablehnen müssen. Encke war noch nicht an- gekommen.

Was Sie mir gütigst über Benzenberg und über die DALTON'sche Hypothese sagen, interessirt mich in hohem Grade. Ich gestehe es, ich habe gar nicht an der Kichtigkeit der BENZENBERa'schen Eechnung bei Voraussetzung der DALTON'schen Theorie gezweifelt, und deswegen diese Eechnungen auch gar nicht näher untersucht. Um so angenehmer wird es mir sein, wenn Sie mir Ihre Untersuchung dem gütigen Versprechen gemäss recht bald mittheilen wollen. Benzenberg hat mir noch nicht den Tag- seiner Herkunft angezeigt, welche Anzeige ich seit 3 Wochen

550 Gauss an Olbers. Göttingen, 1830 Oktober 7.

täglich erwarte. Die Jahreszeit "wird immer schlechter und dürfte einem halb Kranken nicht mehr zuträglich sein.

Noch sehe ich keine Nothwendigkeit, dass Sie noch einmal an den Abreisenden vor seiner Abfahrt schreiben müssten. Treten noch Um- stände ein, die dies nöthig oder doch wünschenswerth machten, so melde ich es Ihnen.

Einliegendes Briefchen ist seit meinem letzten Schreiben für Sie hier eingelaufen.

No. 649. , Gauss an Olbers. [soe

Göttingen, 1830 Oktober 7.

Ihrer gütigen Erlaubniss zufolge mache ich den Versuch, die Un- richtigkeit der BENZENBEEG'schen Berechnung der Barometerhöhen in Dalton's Hypothese zu entwickeln. Es handelt sich nicht um einen Rechnungsfehler im eigentlichen Sinn (erreur de calcul), sondern um einen Ueberlegungsfehler (erreur de raisonnement).

Um mich kürzer ausdrücken zu können, bitte ich, in Ihrem Exem- plare von Benzenberg's Buche die drei Zahlenkolumnen pag. 2 mit a, h, c und die 3 Zahlenkolumnen pag. 3 mit d, e, f gefälligst zu über- schreiben.

Die Zahlen a hat Benzenberg, wie er selbst sagt, von Dalton entlehnt. Es muss aber ein nicht angezeigter Druckfehler, der übrigens ohne Folgen ist, verbessert und 21,00 anstatt 21.90 geschiieben werden.

Die Zahlen h sind nach Biot, mit Ausnahme der dritten, welche Benzenberg so modificirt hat, dass das specifische Gewicht der trocknen gemeinen Luft wirklich = 100 wird. Es ist hierbei zAveierlei zu er- innern.

1) Die Art, wie Benzenbeeg pag. 3 sich ausdrückt, ist ohne Sinn,

denn die Zahl t„ ,„_ hat mit der erwähnten Modifikation 2:ar nichts 10495

zu schaffen.

2) Benzenberg hat nicht scharf gerechnet, er hätte sonst anstatt 1,1148 gefunden 1.114473. Siehe weiter unten. Die erstere Erinnerung ist von gar keinen, die andere nur von unerheblichen Folgen.

Die Zahlen c sind niclits anderes, als die Produkte axb. Schärfer berechnet müssten sie so heissen:

100,000000

76,491003

23,403937

0,105000

Gauss an Olbers. Göttingen, 1830 Oktober 7. 551

Die dritte findet sich daduich, dass die Summe der zweiten, dritten und vierten 100 geben muss, und dann ergiebt sich der oben erwähnte korrespondirende, berichtigte Werth in h dui-ch die Division mit a:

23,403937 _

In dem zweiten Tableau pag. 3 übergehe ich einen Augenblick erst die Kolumne d. Die Zahlen e sind den Zahlen h proportional,

und indem die eine - . ,-^ von Biot entlehnt ist, finden sich so die 10495

.... ^ 1 0,9691

ubngenz.B. = ^^^g^ = ^^^u.s.w.

Die Zahlen /' entstehen aus e nach der Formel

/•=?i, also 25270 = 2^X10830 u. s. w.

Die Zahl 2.V bedeutet hier die 28 Zoll (Xormalbarometerhöhe, wofür e galt) in Fuss ausgedrückt. Man berechnet also oftenbar die Zahlen f leichter und direkter nach der Formel

^_ 24488^^ wo 24488,33 = 2^X10495

Die Zahlen von Benzenbeeg ändern sich dann alle um eine Kleinigkeit, am meisten die für Sauerstolfgas wegen des oben bemerkten, an sich unerheblichen Fehlers; anstatt 21966 erhalten wii' nämlich 21973,01.

Die Zahlen f sind das, was man die Subtangente einer Atmo- sphäre nennt, nämlich die Höhe einer fingirten Atmosphäre von gleich- förmiger Dichtigkeit, äqual der Dichtigkeit am Boden der wirklichen Atmosphäre, welche fingirte Atmosphäre einen ebenso grossen Total- druck ausüben soll wie die wii^kliche.

Diese Dichtigkeit am Boden ist das, was die Kolumne c enthält. Der Gesammtdruck zweier verschiedenen Atmosphären verhält sich also offenbar wie das Produkt cf, oder wenn die auf eine Atmosphäre sich beziehenden Grössen ohne, die für eine andere geltenden mit Accenten bezeichnet werden, so wird sein

cl:d' = cf:f^f'

Benzenbeeg sagt von der Art, wie er die Zahlen d berechnet hat, bloss mit derjenigen Nachlässigkeit, die er sich oft zu Schulden kommen lässt, dass es Beispiele aus der Gesellschaftsrechnung seien. Das heisst offenbar nichts gesagt. Man erkennt aber sogleich, dass er schlechthin die Zahlen d den Zahlen c proportional gesetzt und so bestimmt hat, dass ihre Summe = 27,76 wird, nämlich

552 Gauss an Olbers. Göttingen, 1830 Oktober 7.

21,2336 = 76,49 X-j^ 6,4986 = 23,41 x^^'^^

0,0278= 0,10 X

Und dies ist ganz oifenbar falsch ; denn die Totalpressionen, welche die einzelnen Atmosphären in Dalton's Hj^pothese ausüben, sind nicht im einfachen Verhältnisse der Gewichtsantheile, welche diese Atmo- sphären an dem untersten Kubikfuss haben, sondern im zusammen- gesetzten dieser Zahlen einerseits und der Subtangenten /' andererseits.

Es ist nun sehr leicht, richtige Resultate zu finden. Da die Zahlen f den Zahlen b umgekehrt proportional sind, so verhalten sich die rieh-

tigen d wie v . also schlechthin wie a, und man hat daher ohne

weiteres <Z = 0,2776 -a

Ich finde so die richtigen Werthe

21,910968 5,829600 0,019432

27,760000

und mit diesen berechnet ergeben sich diejenigen den Benzenberg- schen ganz entgegengesetzten Resultate, welche ich in meinem vorigen Briefe angeführt habe.

Ich setze noch die gebrauchsfertigen Formeln für die Vergleichung des Druckes in Dalton's Hypothese mit der gewöhnlichen Rechnung her, wo die Logarithmen Briggische sind. Nur jemanden, der eine solche Scheu vor aller auch der leichtesten Mathematik hat, wie Benzenberg, kann es einfallen, hyperbolische Logarithmen zu suchen.

Bedeutet P den Druck einer Atmosphäre (in Zollen Quecksilber- höhe für die Höhe h in Fuss), so ist in Dalton's Hypothese

für Stickstoffgas logP= 1,3406616 0,00001718675// für Sauerstoffgas logP= 0,7656388 0,00001976391 für kohlensaures Gas logP=8,2885175 0,00002660213/i Dagegen nach der gewöhnlichen Theorie für gemeine trockne Luft log P= 1,4434195 0,000017734 75 //

Ich habe mich zwar bemüht, in diese Darstellung die erforder- liche Klarheit zu legen, allein ich weiss nicht, ob es mir gelungen ist. da ich mich fortwährend theils unwohl, theils zu ernstlichen Arbeiten

Olbers an Gauss. Bremeu, 1830 Oktober 20. 553

wenio; aufgelegt tülile. Vermissen Sie also etwas, mein theuerster Freund, so entschuldigen Sie es mit Ihrer gewohnten Nachsicht, und zeigen mir, was Ihnen nicht genügt, gelegentlich gütigst an.

Es würde vielleicht nicht ganz ohne Interesse für Sie sein, wie ich das nocoToy yeröog gefunden habe; denn in der That fiel es mir ebenso wenig wie Ihnen beim Lesen der BENZENBERG'schen Schrift ein, die Richtigkeit seiner Rechnung in Zweifel zu ziehen, noch hatte ich T.ust, sie Schritt für Schritt von vorne her zu prüfen. Von hinten zurück vielmehr wurde es mir evident, dass ein wesentlicher Fehler versteckt sein müsse, und dann war es freilich leicht, die Quelle zu tinden. Für diesen Brief würde jedoch diese Entwicklung^) zu weit- läufig werden.

Ich wiederhole nochmals den schwachen Ausdruck meines Dankes für alles, Avas Sie für meinen Sohn gethan haben, und so auch für Ihre freundschaftliche Bereitwilligkeit, die in meinem letzten Briefe gewagte Bitte zu erfüllen, und erwarte nur die x\nzeige über die Grösse meiner ablösbaren Schuld; denn dass ich die grössere Schuld, die Sie und Ihr edler Schwiegersohn mir auferlegt haben, nie abzulösen im Stande bin. fühle ich nur zu sehr.

No. 650. Olbers an Gauss. [344

Bremen, 1830 Oktober 20.

Ihr Hr. Sohn ist, wie Sie vorläufig von Hrn. Prof. Geeling, der mich hier mit einem kurzen Besuche erfreute, werden gehört haben, am 1:1 Okt. glücklich in See gekommen. Vom 29. Sept. an, wo er sich einschiffte, bis zu dem angegebenen Tage musste das Schiff des anhaltenden widrigen Nordwestwindes wegen am Ausfluss der Weser liegen bleiben. Dieser Verzug hat indessen das Gute gehabt, dass nun auch der wiederhergestellte Hr. Bredenkamp die Reise hat mitmachen können. Ein in Philadelphia etablirter, mitreisender deutscher Kauf- mann hat versprochen, sich gleichfalls Ihres Hrn. Sohnes anzunehmen, für den nach allen Erkundigungen wohl eher in Philadelphia als in New York etwas zu finden sein wird. Seit dem wirklichen Antritt der Seereise des Schiffes haben wir das schönste Wetter gehabt.

Uebrigens kann ich meine vorige Aeusserung nur bestätigen, dass sich der Verreiste hier vollkommen gut betragen hat. Seine Hand- schrift hat sich durch den hier genossenen Unterricht bewunderns- würdig verbessert. Auch hat er fleissig englische Sprache studirt, mit

1) Siehe Brief No. 651 vom 10. Nov. 1830. Krm.

554

Olbers an Gauss. Bremen. 1830 Oktober 20.

welchem Erfolge, kann ich nicht beurtheilen ; allein die nothwendige Uebung- in dieser Sprache auf dem Schiffe wird schon nachlvelfen.

Sehr bin ich Ihnen für Ihren letzten Brief vom 7. Okt. verbunden. Die Auseinandersetzung der Unrichtigkeit der BExzEXBERo'schen Rech- nung und Anwendung der DALTON'schen Theorie war mir äusserst interessant. Jetzt sehe ich, Dank Ihrer lichtvollen Darstellung, seinen Irrthum vollkommen ein. Schwerlich würde ich ihn von selbst geahnt haben, so wie nun seit 18 oder 19 Jahren, seitdem die Benzenbekg- schen Rechnungen^) gedruckt sind, noch kein Mathematiker, selbst die nicht, die sich ganz eigentlich mit der Würdigung oder Widerlegung der BENZENBERG-DALTON'schen Theorie beschäftigten, ihn bemerkt hat. Die Veranlassung, wodurch es Ihnen a posteriori evident wurde, dass irgendwo ein Fehler stecken müsse, möchte ich doch gern "v\'issen.

Die DALTON'sche Theorie kann also auf alle beim Höhenmessen vorkommenden Fälle ganz vernachlässigt werden. Ueberhaupt hat mir die Behauptung, dass die verschiedenen Gasarten, die zui' atmo- sphärischen Luft vermischt sind, gar nicht aufeinander drücken sollten, immer nicht recht glaublich und begreiflich geschienen. Unserem Benzenbeeg wird Ihre Belehrung sehr unerwartet gekommen sein, und ihm eine Lieblings-Puppe geraubt haben, mit der er sich so lange be- schäftigte. Ich will aber nicht hoffen, dass der Schrecken darüber nachtheilig auf seine Gesundheit gewirkt hat, ob ich gleich sonst seinet- wegen etwas besorgt bin. Ganz im Anfange des Septembers schrieb er mir, er werde in nächster Woclie den Tag seiner lange versprochenen Ankunft in Bremen anzeigen, und seitdem habe ich auch niclit das Ge- ringste iveiter von ihm gehört.

Der treffliche Encke hat mich besucht, und ich habe mit ihm 3 oder 4 recht vergnügte Tage verlebt. Haben Ihnen die Ohren nicht ein wenig geklungen, lieber Gauss? Encke hat ebenso viele Verehrung und Liebe für Sie als ich, und unser bewunderter Freund war ein Hauptgegenstand unseres Gesprächs.

RüMKEE, der, wie Ihnen längst bekannt ist, nicht wieder nach Neuholland zurückgeht, ist, wie er doch sehr wünscht, in Hamburg noch nicht wieder angestellt. Er schreibt mir unter anderem, dass Zach au einem Recidiv seiner Steinschmerzen leide und statt seiner vorgehabten Reise in die Hyerischen Inseln den AVinter in Paris bleiben muss.

Encke hat hier die Bedeckung von ;- Tauri am 5. Okt. beobachtet. Sie ist in Göttingen wohl nicht gesehen worden?

Am Hinnnel giebt es sonst, so viel ich weiss, nichts Neues: auch hier herum Gottlob auf der Erde nicht. Der 18. Okt. ist hier voll-

^) GrLBEia's Annalai der Physik, 1812 Ed. 4'2. S. 105—106. Krm.

Gauss an Olbers. Göttingeu, 1830 November 10. 555

kommen ruldg gefeiert worden. A\'ird Güttingen bei Gelegenheit des Cordons, den dem Vernehmen nach die hannoverschen Truppen an der hessischen Grenze^) beziehen werden, auch besetzt werden?

Ich bitte Sie recht sehr, lieber Gauss, mir die Kleinigkeit von d\ Kthlr. Gold für die vertheilten Trinkgelder nicht zu schicken, son- dern dies bis dahin anstehen zu lassen, wenn wir uns einmal persön- lich wiedersehen.

No. 651. Gauss an Olbers. [so?

Göttingen, 1830 November 10.

Indem ich meinen herzlichen Dank für alles, was Sie für mich und meinen Sohn gethan haben, nochmals wiederhole, konformire ich mich Ihrem Befehle, Ihnen die weit unter meiner Voraussetzung kleine Schuld nicht durch die Post zu erstatten, um so leichter, da ich wii'k- lich einige Hoffnung nähre, Sie vielleicht selbst noch im Laufe des Winters einige Tage in Bremen sehen zu können. Sollte ich nämlich, um mich von dem Stande der Aufnahmen genauer zu unterrichten, eine Reise nach Hannover machen, so würde ich gern, wenn es möglich zu machen ist, die von der Schnelligkeit, womit man jetzt die schöne Strasse nach Bremen fährt, gemachte Erfahrung benutzen, um mich ein paar Tage bei Ihnen zu erheitern.

Von Benzenberg habe ich unlängst wieder einen Brief gehabt, nach welchem er die Reise nach Hamburg nur wegen der unruhigen Zeiten aufgegeben hat. Es scheint also, dass wir uns wegen seines Befindens beruhigen können. Wenigstens glaube ich nicht, dass ich etwas verschuldet habe, da ich ohnehin erst vor Kurzem ihm nur im Allgemeinen geschrieben hatte, dass ich ein Versehen in seinen Rech- nungen bemerkt habe, wodurch die Resultate sich ganz entgegengesetzt gestalten, und dass ich mir wegen gegenwärtigen Zeitmangels die aus- führliche Auseinandersetzung, falls er sie überhaupt wünsche, auf eine spätere Zeit vorbehalten müsse. Soweit ich Hrn. Benzenberg kenne, wird ihn das wenig beunruhigen, und er, wenn ein anderer mit ihm verschiedener Meinung ist, wenigstens so lange es ihm nicht ad oculos demonstrirt ist, ohne weiteres voraussetzen, dass, wer von beiden Un- recht habe, der andere sei.

Die Art, wie ich seinen Irrthum entdeckt habe, ist sehr einfach. Ein blosser Blick auf die letzte oder 4. Kolumne der Tafel pag. 8

^) Zur Abwehr der im Kurfürsten thum Hessen -Cassel ausgebrochenen Un- ruhen. Krm.

556 Gauss an Olbers. Götting-en, 1830 November 10.

seiner Schrift reichte dazu hin. In der That, wenn h die Höhe (1. Kol ), a die Höhe des Barometers in Dalton's Hypothese, h die Höhe nach gewölinlicher Rechnung vorstellt, wo Sie der grösseren Einfachheit Avegen sich auch a und h in derselben Einheit wie h ausgedrückt,

also die Kolumnen 2 und 3 mit 12 dividirt denken mögen, so ist -rr

all

und -^v überall das Verhältniss des specifischen Gewichts der Luft zum ah

Quecksilber. Allgemein zu reden muss dieses also in beiden Hypo- thesen zwar ungleich sein, aber am Boden der Atmosphäre nothwendig

qleicli, nämlich die als Basis der Rechnung vorausgesetzte Zahl ^rprvr^- ^ ' o o 10495

Für li = 0 ist also jr ^= jtj folglich in richtiger Rechnung

y^ - = 0. Von Anfang an kann also h a nicht dem h propor- tional, sondern wenigstens den Quadraten hh proportional sich ändern.

während in Benzenbeeg's Tabelle dieses —-7^ - ganz offenbar für

ah

h = 0 einen endlichen Werth erhält. Dies zeigt offenbar einen Fehler

in der Grundlage der Rechnung.

Ich habe jetzt noch einen Auftrag an Sie. mein them-er Olbers, auszurichten. Am 28. Dec. d. J. ist ein halbes Jahrhundert verstrichen seit dem Tage, wo Sie in Göttingen die medicinische Doktorwürde an- genommen haben. Dieser Tag wird gewiss in Bremen von vielen Hun- derten von Familien, die den Segen von Ihrem Beruf genossen haben, dankbar und feierlich begangen werden. Auch unsere Medicinische Fakultät wird es sich nicht nehmen lassen, durch Erneuerung des Diploms ihre auch nur schwache Huldigung auszusprechen.

Man ist, da man nur sich selbst dadurch zu ehren fühlt, weit davon entfernt, Sie damit überraschen und es daher bis dahin geheim halten zu wollen. In der That hatte der zeitige Hr. Dekan schon im vorigen Frühjahr geäussert, wie sehr er sich freue, dass diese Ehre sein Dekanat treffe. Man hält es nun aber doch für schicklich und nothwendig, dass auf dem erneuerten Diplom alle gelehrten Gesellschaften genannt Averden, die die Ehre haben, Sie zu ihren Mitgliedern zu zählen, und da man auf keinem anderen Wege gewiss sein kann, solche vollständig zu erfahren, so bin ich von dem Hrn. Dekan ausdrücklich beauftragt und bevollmächtigt, Sie selbst um die Gewogenheit zu bitten, mir diese zur weiteren Beförderung anzuzeigen. Ich habe mit Ver- gnügen diesen ehrenvollen Auftrag übernommen, ich habe in Anbetracht aller ITmstände diesen A\'eg .selbst nur aniiemessen linden können und

011" r< an (lauss. Bremen, 1830 November 19. 557

schmeiclile mir daher, dass Sie mir meine Bitte iiiclit absolilagen wer- (leii. Ich bin wirklich iuiiiy g:liicklich darüber, ein Mitglied der Uni- \ersität zu sein, der diese Ehre zu Tlieil wird.

Mein ältester Sohn, dem ich seinen Urlaub ausgewirkt habe, ist >eit einigen Wochen liier, und wird auch noch einige Wochen hier lileiben. Er macht sich mir durch Uebernahme mancher bei der Ver- arbeitung der Messungen vorkommenden Ai'beiten recht nützlich.

Bei den unglücklichen Ereignissen in Antwerpen^) habe ich oft an Ihren Enkel denken müssen, von dem während meiner Anwesenheit in Bremen mehrere Briefe von dort her einliefen. Hoffentlich hat er längst vor der Katastrophe diesen Ort verlassen. Beruhigen Sie mich doch mit ein paar Worten darüber.

Ich komme noch einmal auf Hrn. Benzenbeeg zurück. Sie äussern Ihre Verwunderung, dass sein Irrthum allen entgangen ist, die Dalton und ihn bestritten haben. Ich selbst bin mit der Literatur dieses (Tegenstandes wenig bekannt und würde daher, da ich vielleicht eine kurze Anzeige des Buchs für die hiesigen Gel. Am. zu machen habe, es mit Dank erkennen, wenn Sie mir diejenigen Gegner, welche Sie dabei in Gedanken hatten, namhaft machen und nachweisen wollten. Ich habe nur in der neuen Ausgabe von Gehlee's physikalischem Lexikon bemerkt, dass Hr. Muncke (Artikel Atmosphäre) Hrn. Benzen- BEUd den bei weitem gründlichsten Vertheidiger von Dalton nennt, und dass Hr. Brandes (Artikel Höhenmessungen) Benzenberg's Rech- nungen ohne alle Prüfung anführt. Tralles hat in Gilbert's Annalen 1807. wie ich jetzt sehe, schon richtig gerechnet, und die blosse Ver- gleichung hätte die Unrichtigkeit von Benzenberg's Rechnung sogleich zeigen können. Aber letzterer scheute, wie es scheint, gar zu sehr alle ,.Buc]istabenrechmmg" und „Oelehrsamkeit^'' (pag. 15), obwohl er insofern Recht hat, dass diesmal ohne solche allerdings die Rechnung geführt werden konnte. Aber auch die „Regel de Tri'' darf nicht ohne Nachdenken gebraucht w^erden. Etwas unnöthig Schw'erfälliges scheint mir übrigens allerdings in Tralles' Darstellung zu sein.

No. 652. Olbers an Gauss. [345

Bremen, 1830 November 19. Zuerst meinen innigsten Dank für die frohe Aussicht, Sie noch diesen Winter einige Tage bei mir zu sehen. Führen Sie ja Ihre mir

^) Beschiessung- des von der revolutionären Partei besetzten Antwerpens durch holländische Truppen. Seh.

558 Olbers an Gauss. Bremen, 1830 NoTember 19.

SO angenehme Absicht aus. Auch Schümachee hat mir die erfreuliche Hoffnung gegeben, ihn diesen Winter hier zu sehen. Es wäre herrlich, wenn meine beiden lieben Freunde zu gleicher Zeit hier eintreffen könnten.

Von Benzenberg habe auch ich einen weitläufigen Brief gehabt, worin er auch die Unruhen als die Ursache seines Nichterscheinens angiebt. Sie müssen ihn noch nicht über seinen eigentlichen Rech- nungsfehler belehrt haben, denn er sagt bloss:

„Hofrath Gauss schreibt mir, dass er nicht die Dalton- „sche Theorie für wahr halte. Das Abwägen des Quecksilbers „sei zu misslich. Ich habe ihm geantwortet, dass Ramond den

2 „Fehler von Biot und Aeago nur ttttttvt^ Theile des Ganzen

„setzt, das ist also 1,5000 Fehler, und hiermit kann man zu-

„frieden sein." Da Benzenbeeg einen ziueiten Theil seiner Abhandlung auf Ostern zurüstet, so wäre es wohl passend, wenn Sie, lieber Gauss, ihm das Grundlose seines ganzen Luftgebäudes zeigten. Will er dann sich nicht belehren lassen, und weiter fortbauen habeat sibi. ' In einem kleinen Nebenpunkte scheinen Sie mir aber doch Benzenbeeg unrecht zu thun. Sie sagen die Art, wie sich Benzenbeeg pg. 8 ausdrücke, sei ohne

Sinn, denn die Zahl vtt-ttt^ liabe mit der erwähnten Modifikation nichts 10495

zu thun. Ich dächte doch, einigermaassen. Da die Angaben von Biot

und Davy für das specifische Gewicht der Säuerst oÖ'-Luft verschieden

waren, so wollte er dieses Gewicht so annehmen, dass das Gewicht der

trockenen atmosphärischen Luft tttt^t^ des Quecksilbers wurde, und

1049o

da musste er doch wohl die Gleichung

0,21 , 0,7893 , 0,0007 1

X ' 10830 ' 6997 10495 auflösen, um x zu finden.

Ihre Entdeckung zeigt nicht bloss den Fehler von Benzenbebg's Rechnung aus der DALxoN'schen Theorie, sondern überhaupt das Nich- tige dieser Theorie selbst. Denn da Gay-Lussac bei seiner berühmten Luftfahrt gefunden hat, dass auch in der grössten Höhe, die je ein Mensch erreicht hat, die atmosphärische Luft dem Volumen nach noch in derselben Proportion Stick- und Sauerstoff' enthalte, so kann die DALTON'sche Theorie nicht wahr sein.

Wenn ich von Mathematikern geschrieben habe, die Benzenbeeg bestreitend docli seinen Fehler übersehen liaben. so hatte ich Tealles,

Olbers an Gauss. Bremen, 1830 November 19. 559

MüxcKE und liauptsäclilich Brandes im Sinn. Mir war nicht mehr erinnerlich, dass Tualles die Sache schon richtig eingesehen habe. Brandes hat viel mit Benzenberg, gegen die ÜALTONSche Theorie streitend, korrespondirt. Sollten sich nicht auch damals Lindenau, Oltmanns u. s. w. üffentlich darüber erklärt haben, wenn ihnen der Irrthum in Benzenberg's Rechnung klar geworden wäre?

Ob mein Doktor-Jubiläum hier auf irgend eine Art gefeiert wer- den wird, weiss ich nicht. Ich selbst habe mich gehütet, von dieser Epoche in meinem Leben zu sprechen, zum Theil aus einer bei meinem Greisenalter wohl verzeihlichen Scheu vor der mit irgend einer solchen Feier immer verbundenen lästigen und angreifenden Repräsentation. Allein die Ehre, die mir die hochverehrte Medicinische Fakultät in Göttingen erzeigen will, ist gar zu schmeichelhaft, als dass sie mir nicht ein grosses Vergnügen machen sollte. Ich setze also Ihrer Aufforderung zufolge hier das Verzeichniss meiner literarischen Titel her. Ich bin:

Auswärtiges Mitglied der Könicjl. Akademie der Wissen- schaften zu Paris, des Kö'nigl. Niederländischen Instituts, der ItaUenischen Societät. 3IitgJied der Societäten zu London,

Göttingen, Edbiburg, Stockholm, Haarlem, der Kais. Leopoldinischen Akademie der Naturforscher, der Kais. Bussischen Gesellschaft der Naturforscher in

Moskau, der Gesellschaft natur forschender Freunde in Berlin, der Akademie nützlicher Wissenschaften in Erfurt, der Akademien in Boston

und Falermo, der Societäten für Physik und Heilkunde in Heidelberg

und in Marburg, der Astronomischen Societät in London. Korrespondent der Kö'nigl. Akademie in Berlin

und in München, der Medicinisch-Cliirurgisclien Societät in Berlin. Mliren^nitglied der Westfälischen Gesellschaft für vater- ländische Kultur.

Ich bitte Sie, mein theuerster Freund, da ich es nicht recht ver- stehe, dieses Verzeichniss zweckmässiger und anständiger zu ordnen.

5ß0 Gauss an Olbers. Göttingen, 1830 November 22.

Einige unter den angegebenen gelehrten Gesellschaften existiren viel- leicht gar nicht mehr, z. B. die Akademie nützlicher Wissenschaften in Erfurt, könnten also vielleicht weggelassen und am Ende durch ein etc. ersetzt werden.

Von meinem Enkel in Antwerpen, nach dem Sie sich so freund- lich erkundigen, haben wir recht gute Nachrichten. Er hat die dort vorgefallene Schreckensscene ganz unbeschädigt überstanden und sich durch Muth, Kaltblütigkeit und unermüdete Thätigkeit seinem Prin- cipal, dem Konsul Ellermann, in jenen unruhigen Tagen nützlich erwiesen.

No. 653. Gauss an Olbers. [sos

Göttingen, 1830 November 22.

Herzlichen Dank für die gütige Erfüllung meiner Bitte. Den Hrn. Dekan der Medicinischen Fakultät werde ich sehr damit erfreuen. Ich werde ihm das Verzeichniss zwar diplomatisch treu mittheilen, ein paar unbedeutende Bemerkungen halten Sie mir doch wohl zu Gute. Die Gesellschaft in Stockholm nennen Sie Societät; sie selbst nennt sich, so viel ich mich erinnere, (ich habe mein eigenes Diplom in diesem Augenblick nicht zur Hand) Akademie; mir hat letzterer Titel immer etwas vornehmer geklungen. Haben Sie nicht die Kopenhagener So- cietät vergessen? Ich meinte, dass wir damals (1820) zugleich zu ^lit- gliedern ernannt wären. Sie unterscheiden die Gesellschaften, deren Auswärtiges Mitglied Sie sind, von denen, deren Mitglied schlechtweg Sie sind, vielleicht insofern die Diplome der einen jenen Beisatz aus- drücklich enthalten, die der anderen nicht; in der Sache selbst ist aber wohl kein Unterschied; auch heissen Sie in unserem Staatskalender ausdrücklich Auswärtiges Mitglied der hiesigen Societät. Verzeihen Sie, bester Olbers, meine Mikrologie.

Der Grund meiner von Ihnen angeführten Bemerkung^) gegen Benzenberg war dieser. Es handelte sich an der ange2ogenen Stelle pag. 3 oben lediglich darum, wie die Zahl x = 1,1148 (richtiger 1,1144732) berechnet sei. Ich meinte, dass dies so geschehen müsse:

0,7893 X 0,9691 + 0,21 x -f 0,0007 X 1.5000 = 1

woraus also x ganz unabhängig von 7777^ ^^^'^^ ergiebt. Das Gewicht

10 4yo

gegen Queclisilher mochte Biot gefunden haben, Tsie er wollte, das Ee-

I

') Siehe Brief No. 649, vom 7. Okt. 1830. Krm.

Gauss an Olbers. Göttingen. 1830 November 22. 561

siiltat für X bleibt das.se-lbe. Geg:en Ihre Vertheidigung von Benzen- berg, dass das Gesuclite durch Anflüsung der Gleichung

0,21 0,7893 _^ 0,0007 _ 1

X "^10830 ' 699r~ 10495

gefunden werden müsse, sclieint mir erinnert werden zu müssen,

1) dass von den Zahlen 10 830 und G997 noch gar keine Rede gewesen war,

2) dass das x, welches hieraus folgt, nicht das ist, welches an der angezeigten Stelle bestimmt werden sollte.

Uebrigens würden Sie der Sache nach Recht haben, wenn die

Zahlen y^qoÄ' fiÖQ? ^^^t's £h:peri;»en<a?resultate und 0,9691, 1,5000

die Berechnungsv^'SwMditQ gewesen wären, was ich jetzt nicht unter- suchen kann, aber wegen der runden Zahl 1,5000 nicht wahrscheinlich finde. Dann würde ich aber den verworrenen Vortrag tadeln müssen, wo das Primitive und Derivirte wie Kraut und Eüben durcheinander geworfen wären.

Hr. Benzenberg scheint seine Briefe ebenso im Schlafe zu schreiben wie seine Bücher. Was er von meinem Briefe und seiner Antwort schreibt, ist ganz unwahr. Ich habe ihm nicht geschrieben, dass ich Dalton's Theorie nicht für wahr halte, sondern dass ich seine Berech- nung der Barometerhöhen in dieser Theorie unrichtig gefunden habe, und

in seinem Antwortschreiben steht kein Wort von Biot, ttt/tt^ i^i^d

10495

Ramond.

Er schreibt^) vielmehr bloss, dass er neugierig sei, meine Ansicht zu erfahren, und gleich hinterher, dass er jetzt ein Werk von 18 Bogen drucken lasse, worin Tafeln für seine Berechnung nach Beezelius' neuer Angabe der specifischen Gewichte.

Sie sehen also, dass ich ihn ganz richtig beurtheilt habe. Es ist ihm keinen Augenblick der Gedanke gekommen, dass er Unrecht haben könne. In demselben Briefe proklamirt er den Grundsatz, alles müsse öffentlich sein.

Hätte er nur einige Bescheidenheit gezeigt, so würde ich ihm die Entwicklung in einem Privatbriefe mitzutheilen mich begnügt haben. Allein so habe ich es doch angemessen gefunden, eine kleine Anzeige in den hiesigen Gel. Anz.^) zu machen. Eine kleine Züchtigung hat er wohl verdient.

^) Vergl. hierzu auch Brief No. 400 bis 403 iu Bd. II des Briefwechsels Gauss- ScHUM ACHER. Krm.

-) G. G. Ä. 196. Stück 1830 Dec. 11. Gauss' Werke Bd. V, S. 583—591. Krm.

Olbers. II, 2. 36

552 Olbers an Gauss. Bremen, 1830 November 25.

Obgleich ein Mann, der so glücklich ist, 3 mal so viel einzunehmen, als seine Bedürfnisse erfordern (cfr. Was verzehre ich in Düsseldorf?), allenfalls ohne grosses I^Iitleid zu erregen, die Druckkosten für 18 Bogen Makulatur zum Fenster hinauswerfen kann, so habe ich doch mit der erwähnten Anzeige mich beeilen wollen; schon vor 8 Tagen war sie übergeben und ist jetzt vermuthlich schon unter der Presse. Auch Hr. M[uxck]e hatte wohl verdient, wegen seiner leichtsinnigen Lob- hudelei ein wenig ausgestellt zu werden.

P. S. Vielleicht habe ich doch Benzenbeeg oben in einem Punkt Unrecht gethan, wenn er nämlich, als er an Sie schrieb, meinen Brief noch nicht erhalten hätte (er erhielt ihn am 3. Nov.). Ich sehe näm- lich, dass er etwas wie das Erwähnte (von Biot, , Eamoxd) in

einem Briefe vom 1. Se2)t. geschrieben hat. Er sagt aber nicht, dass

2

Ramond Biot's Bestimmung auf genau erkläre, sondern nui-,

dass letzterer so viel von Ramond abweiche. Auch schreibt Benzen- berg dies nicht als gegen einen Einwurf von mir, sondern als gegen einen von Brandes gerichtet. Ob ich in einem früheren Briefe (Aug.) gesagt habe, dass ich Biot's Abwägung nicht für genau genug halte (was allerdings meine Meinung ist), weiss ich nicht mehr, nur erinnere ich mich bestimmt, dass ich nicht gesagt hatte, ich halte Dalton's Theorie nicht für wahr, sondern nur, ich habe mich mit ihr nicht be- freunden können.

No. 654. Olbers au Gauss. [346

Bremen, 1830 November 25.

Nur mit zwei Worten zeige ich Ihnen den richtigen Empfang Ihres gestern eingelaufenen gütigen Briefes an, und wiederhole meine Bitte, das Yerzeichniss meiner literarischen ^'erbindungen ja nicht mit diplomatischer Genauigkeit, sondern gefälligst korrigirt und neu geordnet dem Hrn. Dekan mitzutheilen. Ich bin völlig unwissend und ganz ungeübt in dieser Sache, da ich noch nie vorher Anlass gehabt habe, diese Ehrentitel der Reihe nach anzuführen.

Ich habe nicht die Ehre, Mitglied der Kopenhageuer Societät zu sein.

Ueber alles Uebrige Ihres Briefes nächstens mehr. Mit Ungeduld sehe ich dem Blatte der O. G. A. entgegen, das die BENZENBERo'sche Recension enthalten wird.

il

Olbers an Gauss. Bremeu, 1830 December 19. 563

No. 655. Olbers an Gauss. [347

Bremen, 1830 December 19.

Ich hoflfe, Sie haben die Güte gehabt, die schülerhaften Fehler in dem Verzeichnisse meiner literarischen Verbindnngen zu korrigiren, und bitte, wegen dieser durch meine Ungeschicklichkeit Ihnen verursachten ^lühe recht sehr um Vergebung. In der That war ich noch nie in dem Fall gewesen, ein solches Verzeichniss meinem Namen beifügen zu müssen.

ScnuMACuER schreibt mir, dass er, wenn es ihm physisch nicht ganz unmöglich gemacht würde, am 27. Dec. Abends hier bei mir ein- treffen werde. Wie glücklich, wie unendlich glücklich würde ich mich schätzen, wenn ich auch Sie, mein theurer Gauss, zu derselben Zelt hier sehen und so meine beiden geliebten Freunde vereinigt verehren könnte.

Mit grossem Vergnügen habe ich die Eecension der Benzenberg- schen Abhandlung in den G. G. A. gelesen. Höchst neugierig bin ich, zu erfahren, welchen Eindruck sie auf Benzenberg machen wird. Sein Irrthum ist um so auffallender, da schon Dalton selbst, wie ich kürz- lich gesehen habe, die Barometerhöhen, denen jede in der Atmosphäre enthaltene Luftart nach seiner Theorie das Gleichgewicht hält, richtig berechnet hat.

Von meiner Erkältung, die mich besonders durch Husten und Schlaflosigkeit sehr angriif, bin ich grössten Theils wieder hergestellt, nur fürchte ich, dass die jetzt eingetretene stärkere Kälte leicht den Fort- gang meiner Rekonvalescenz aufhalten und ein Recidiv veranlassen könnte.

Wer wird wohl wieder an die Stelle unseres alten Freundes Mayer^) nach Göttingen kommen?

No. 656. Gauss an Olbers. [309

Göttingen, 1830 December 24.

Wie gern folgte ich Ihrer gütigen Einladung, um an der Feier des 28. Dec.*^) Theil zu nehmen; allein der traurige Gesundheitszustand meiner Frau verstattet mir keine Entfernung. Aber in Gedanken

^) Tobias Mayeb, Sohn des gieichuamigen berühmten Göttinger Astronomen, Professor der Mathematik und Physik, starb am 30. Nov. 1830. Krm. ^) Der Tag von Olbers' fünfzigstem Doktorjubiläum. Krm.

36*

564 Gauss an Olbers. Göttingen, 1830 December 24.

werde ich gegenwärtig sein, und keine Glückwünsche können herzlicher, und keine Wünsche, dass Sie noch eine lange Reihe glücklicher Jahre Ihren Verehrern erhalten werden, heisser sein als die mein igen.

Mein Sohn hat mich nun vor vier Tagen wieder verlassen, um nach Hannover zurückzukehren. Seine Hülfe bei Verarbeitung der grossen Messungs-Masse vom vorigen Sommer ist mir sehr nützlich ge- wesen. Vielleicht hat es für Sie einiges Interesse, zu erfahren, dass V. Ende's astronomische Bestimmungen im Lüneburgischen, namentlich seine chronometrischen Längenbestimmungen, ganz unerhört schlecht sind; so ist der Längenunterschied zwischen Uelzen und Lüchow um 9 Minuten unrichtig.

Für den Lauf des Winters wird Mater's Collegium von einem hiesigen Privatdocenten (dem Ihnen bekannten Dr. Schmidt) ausgelesen, dem dabei die Benutzung des physikalischen Kabinets nachgelassen ist. Welche Absichten man in Hannover in Rücksicht auf die künftige Wiederbesetzung dieser Stelle hat, ist mir noch unbekannt, jedenfalls muss jeder, der es mit Göttingen gut meint, wünschen, dass nicht ein seichter Vielschreiber, sondern ein gründlicher Gelehrter gerufen werde. Mir scheint, dass den verschiedenartigen Forderungen, die an den Nach- folger zu machen sein werden, nicht leicht jemand vollständiger ge- nügen möchte, als unser Gerling in Marburg. Er ist ein gründlicher Mathematiker, ein gründlicher Physiker, ein sehr geschickter Experi- mentator, ein ganz vortrefflicher Docent. Es fehlt ihm nicht an eigenen Ideen, aber es fehlt ihm eine Lage, wo er mehr freie Zeit zu eigenen Arbeiten hat, wie in Marburg, wo er der Professur der Mathematik und Physik zugleich vorstehen muss. In Göttingen würde er gewiss Arbeiten liefern, die den Kommentationen der Societät nicht zur Un- ehre gereichen würden. Endlich qualificirt er sich sehr gut eventuell zur Führung des Prorektorats, wovon die meisten jetzigen Mitglieder der Philosophischen Fakultät Dispensation haben. Mir persönlich könnte kaum etwas erfreulicher sein, als das Zusammenleben mit einem mir so lieben Freunde, und ich würde dann nicht mehr daran denken, meine Tage anderswo als in Göttingen zu beschliessen. Allein gerade weil ich selbst so lebhaft dabei interessirt bin, kann ich niclit wohl etwas dabei thun, wenigstens nicht, wenn ich nicht befragt werde.

Nochmals, theuerster Olbees, meine herzlichsten Glückwünsche II

N. S. Unseren Schumacher bitte ich herzlicli zu crüssen.

Olbers an Gauss. Bremen, 1831 Februar 25. 565

No. 657. Olbers an Gauss. [Sis

Bremen. 1S31 Februar 25.

Sehr lange habe ich Ihnen kein Lebenszeichen gegeben, aber Avalirlich desto öfter an Sie gedacht, besonders "wegen der traurigen Unruhen^) in Ihrem Göttingen, bei denen ich immer fürchtete, Sie möchten auf irgend eine unangenehme Art davon berührt werden. Dem Himmel sei Dank, dass doch noch alles besser und geschwinder ge- endet hat, als ich es erwartete; wenngleich die Universität noch wohl lange die unglücklichen Folgen dieses unvernünftigen Aufstaudes empfinden wird.

Jetzt giebt mir der Landes-Oekonomie-Rath Lüder von "\\'eende, der uns morgen wieder verlassen wird, den Anlass und die Gelegen- heit, Sie, wenn auch nur mit einigen Zeilen, da ich ihn gleich selbst erwarte, zu begrüssen.

Dass ich Sie, mein Theurer, am 28. Dec. v. J. nicht hier gesehen liabe, hat mir ganz ausserordentlich, und besonders des Hindernisses wegen, das Sie als die Ursache Ihres Nichtkommens angaben, leid ge- than. Ich hofte und wünsche herzlich und innig, dass es sich jetzt mit dem Befinden Ihrer würdigen Gattin gebessert haben möge, und dass der anfangende Frühling wohlthätig einmrken werde. Ich bitte recht sehr, mir bald einige wo möglich beruhigende Nachrichten zu geben. Von Ihrem Besuche würde ich doch wohl in jenen unruhigen Tagen keinen vollkommenen Genuss gehabt haben und rechne nun, dass Ihre Güte mir für die damals entbehrte Freude Ihres Besuchs vollkommenen Ersatz geben wird.

Wie sehr man Ihren alten Freund an jenem für ihn so festlich gewordenen Tage mit Beweisen von unverdienter Huld, Gewogenheit und Freundschaft überhäuft hat, werden Sie wenigstens zum Theil er- fahren haben. Unter anderen hat die hiesige Gesellschaft des Museums eine Medaille auf diese Jubelfeier schlagen lassen. Obgleich das darauf geprägte Brustbild in Ansehung der Aehnlichkeit wohl nicht sonder- lich gelungen ist (die Urtheile sind sehr verschieden darüber), so hoffe ich doch, mein hochverehrter Freund und Gönner, dass Sie beikommen- des Exemplar derselben mit gewohnter Güte als ein sonst sehr gering-

\) Aus politischen Motiven entsprungene Studenten-Unruhen in Göttingen, welche bald wieder unterdrückt wurden. Krm.

5(56 Gauss an Olbers. Göttingen, 1831 März 25.

Den jetzigen Kometen*) habe ich bisher nur wenig und nicht eher, als zuerst am 15. Febr. gesehen. Anfangs war mir die Tages- zeit seiner Sichtbarkeit zu unbequem, nachmals verhinderte das bei- spiellos anhaltende trübe Wetter seinen Anblick. Auch ferner werde ich ihn wohl nicht anhaltend beobachten, da er von so guten Astro- nomen viel besser und genauer beobachtet wird, als ich diese konfuse Dunstmasse zu beobachten im Stande bin. Da er bereits Ende dieses Monats mit der Sonne in Opposition kommt, und [da] sich dann der rückläufige Komet schnell von der Erde entfernt, auch lange nicht so kompakt und das Sonnenlicht zurückzuwerfen geschickt scheint, als der vom vorigen Jahre, so wird er sich wohl nicht länger, als bis zum Mondschein des März verfolgen lassen.

Doch ich muss schliessen.

No. 658. Gauss an Olbers. [sio

Göttingen, 1831 März 25.

Ich habe Ihnen noch meinen innigsten Dank abzustatten für Ihr freundliches Schreiben und für das gütige Geschenk, welches Sie mir mit der auf Ihre Jubelfeier geprägten Medaille gemacht haben. Letz- tere ist mir desto kostbarer, da ich Ihr Bild, wenn auch nicht voll- kommen ähnlich, doch in Hauptzügen keineswegs unähnlich finde. Auch unser Freund Lindenau hat die Güte gehabt, mir ein Exemplar der von ihm und Zach bei dieser frohen Veranlassung veranstalteten Me- daille zu übersenden.

Die hiesigen Unruhen haben mich unmittelbar nicht sehr "viel be- rührt; das Schlimmste war die Erschwei-ung des Herauskommens des Arztes zu meiner Frau besonders bei Nacht; Wagen konnten in den letzten Tagen nicht mehr passiren. Die Beschwerden der Einquartie- rung sind mit Geld abzukaufen.

Höchst traurig sind dagegen fortwährend meine häuslichen Ver- hältnisse, deren Druck noch durch manche Nebenumstände sehr erhöht wird. Seit Weihnachten hat meine Frau nicht mehr ausser dem Bette sein können.

Ihrem vortrefflichen Hrn. Schwiegersohn bitte ich für die gefällige Zusendung der aus Amerika erhaltenen Briefe, so niederscldagend sie auch sind, meinen gehorsamsten Dank abzustatten.

Von Hrn. Benzenberg habe ich abermals eine Druckschrift über

') Komet 1830 II, wurde 1831 Jan. 7 bis März 8 beobachtet. Krm.

Olbers au Gauss. Bremeu, 1831 März 28. 507

die Queeksilbeiwaage ') erlialten; da ich jedoch das Meinige gethau habe, so werde ich die Beuitheilung von derartigen Skripturen anderen überlassen.

No. 659. Olbers an Gauss. [349

Bremen, 1831 März 28.

Schon lieute statte ich Ihnen für Ihren gestern erhaltenen lieben Brief meinen herzlichsten Dank ab, da ich Ihnen im Auftrag von dem Postdirektor Focke nebst seiner gehorsamsten Empfehlung die Einlage zu schicken habe, deren Inhalt wenigstens etwas, wenn auch nicht viel besser lautet, als die vorigen Briefe aus Amerika.

Focke ist seit mehreren Wochen nicht unbedeutend krank ge- wesen, die jetzt eingetretene Besserung rückt nur langsam vor. Bei seinem Thätigkeits-Triebe ist ihm dies sehr unangenehm; doch erträgt er seinen langen Haus-Arrest geduldiger, als ich erwartete.

Sehr angenehm war es mir zu hören, dass Sie von den dortigen Unruhen w^enig berührt worden sind und auch die Last der Einquar- tierungen mit Gelde abkaufen können. ]\Iöchten nur erst Ihre liäus- lichen Leiden gelindert werden und die Krankheit Ihrer theuren Gattin bald eine günstige Wendung nehmen!

Auch uns steht vielleicht, wenn nämlich aus dem Feldzug des 10. Armeekorps nach Luxemburg wirklich etwas werden sollte, bald Einquartierung bevor, da das Hanseatische Bundes-Kontingent sich hier versammeln und zusammenstossen soll. Bei dieser Gelegenheit zeigt sich für unsere nur zum friedlichen Verkehr geeignete Stadt die grosse Schwierigkeit, ihre bei Ausrüstung eines Bundesheeres übernommene ^'erpflichtung zu erfüllen.

BENZENBERa haben Sie richtig beurtheilt. Er lässt sich durch Ihren doch so stringenten und unwidersprechlichen Beweis seines Irr- thums gar nicht irremachen, sondern behandelt ihn nm* als eine andere Meinung über die Anwendungsart der ÜALTON'schen Theorie auf die Höhenmessungen, die ebenso gut unrichtig sein könne, als die seinige. Dass er aber selbst sagt, er habe den Aufsatz von Tralles nie ge- lesen, sei aber doch überzeugt, dass Tralles seine Berechnungsart angenommen habe, ob Sie ihm gleich das Gegentheil gesagt haben, das ist doch gar zu arg und zeigt, wie so ^iel anderes in dieser neuen

^) Das Höhenmessen mit der Quecksilberwaage, Düsseldorf 1831, siehe auch die Briefe 647—653. Krm.

5ß8 Olbers an Gauss. Bremen, 1831 April 18.

Broschüre, dass er die Folgen seines Zufalles^) und die Einwirkung desselben auf seine intellektuellen Fälligkeiten noch nicht überwunden und beseitigt hat.

Mit dem letzten Kometen haben Sie sich wohl nicht beschäftigt? Ist Mayer's Stelle schon wieder besetzt?

No. 660. Olbers an Gauss. [sso

Bremen, 1831 April 18.

Einliegend habe ich Ihnen wieder einen Brief aus Amerika zu kommuniciren. Sie werden daraus ersehen, dass Ihr Hr. Sohn schon im Febr. Hoffnung hatte, in diesem Frühjahr als Lehrer placirt zu werden, dass er sich aber genöthigt gesehen hat, schon den letzten Rest des ihm gewährten Kredits zu erheben. Ob ihm nun vorkommen- den Umständen nach noch etwas ausgezahlt werden soll, werden Sie mii- gefälligst so hold wie möglich melden, damit Dr. Focke, der sich ge- horsamst empfehlen lässt, bei den Hrn. Bredexkamp und Plump das Nöthige verfügen kann. Dass auf alle Fälle fernere Geld-Erhelungen sehr erschwert werden müssen, scheint mir einleuchtend; aber diese können doch auch von der Art sein, dass ein kleiner >'achschuss das künftige Schicksal des jungen Mannes entscheidend bestimmen kann. Mich dünkt, Sie könnten in heliehiger Limitation sich darin auf Hrn. Bredenkamp verlassen, der, wie ich glaube, nur dann, wenn noch etwas ununigänglich nötJu'g oder nütxJivh sein sollte, dieses in wr- geschriehener Quantität dem Anfordernden nachzuzahlen hätte.

Mich verlangt recht sehr, mein theiu'er Gauss, von Ihnen und be- sonders von dem Befinden Ihrer lieben Kranken etwas zu erfahren. Unaufhörlich denke ich an Sie und Ihre jetzigen Bekümmernisse. Möge der Himmel Ihrer verehrten Gattin bald Linderung schenken! "Wirkt denn das Frühjahr nicht wohlthätig ein?

Ich erwarte jetzt gleich einige Freunde zum Mittagessen und muss deswegen schliessen.

No. 661. Gauss an Olbers. [sn

Göttingen, 1S31 April 21.

Da die Aussicht, welche ich früher hatte, dass ich um diese Zeit zur Eegulirung der Messungsgeschäfte nach Hannover würde reisen

') Vergl. Brief No. 495, S. 289, von Olbeks au Gauss. Krm.

Gauss an Olbers. Gütting-en, 1831 April '21. 509

müssen, und dass ich dann damit eint-n Abliug nach Bremen vielleicht würde verl)inden können, für jetzt nun ganz verschwunden ist, so stehe ich länger nicht an, Ihnen Ilire frühere kleine Auslage hierneben unter Wiederholung meines lebhaftesten Dankes für alle Ihre freundschaft- lidien ]Maassnahmen zu restituiren. Die Ursachen, weshalb jetzt an Messungen nicht gedacht werden kann, sind, dass 1) der Lieutenant Hartmaxn diesen Sommer in der polyteclinischen Schule Lektionen hält und 2) mein Sohn mit nach Luxemburg beordert ist. Wenn ich nun gleich noch immer einigen Zweifel hege, ob es zu diesem Marsche nirklich kommen wird, so wird doch jedenfalls mein Sohn in den nächsten Monaten für andere Geschäfte nicht disponibel werden.

Da Sie, wenn ich mich recht erinnere, früher an meiner Erwähnung meiner Theorie der imaginären Grössen einiges Interesse zu nehmen schienen, und die hiesigen Gel. Anz. Ihnen vielleicht nicht regelmässig zu Gesicht kommen, so nehme ich mir die Freiheit, Ihnen den Abdruck euies Artikels^) zu übersenden, in dessen zw^eiter, für sich verständ- lichen Hälfte die Grundzüge jener Theorie dargestellt sind. Dieser Aufsatz will eigentlich mit der Feder in der Hand gelesen sein, wo dann alles in grösster Klarheit erscheint; um Ihnen jedoch dies ev. noch mehr zu erleichtern, habe ich ein kleines Stück aus dem Schema der komplexen Grössen mit beigefügt, wo zugleich Schritt für Schritt als ein Beispiel die Versinnlichung der Multiplikation

(2 -f 5 i) X (1 + 2 i) = 8 + 9 i

angehängt ist. Es würde mich sehr freuen, wenn Sie gelegentlich mir Ihre etwaigen gütigen Bemerkungen mittheilen w'ollten. In den A'er- hältnissen meines Hauses geht es noch immer sehr traurig.

Indem ich so eben dieses Schreiben auf die Post schicken will, erhalte ich Ihren gütigen Brief vom 18. nebst der Anlage. Ich kann darüber heute nur noch hinzusetzen, dass ich die von Ihnen darin aus- gesprochenen Ansichten, welche vermuthlich auch die Ihres vortreff- lichen Hrn. Schwiegersohns sind, höchst weise und angemessen finde, und am liebsten Ihnen beiden alles anheimstellen und im voraus rati- habiren möchte. Soll ich aber etwas Bestimmtes ansetzen, so will ich noch einmal die gleiche Summe, die mein Sohn in Amerika erhoben hat, nämlich 150 M. Gold festsetzen, so, infolge Ihrer eigenen Aeusse- rung, dass nicht dieses Geld als meinem Sohne bestimmt zugedacht, sondern als ein Maximum angesehen werde, bis zu welchem Hi'. Bkeden- KAMP nach eigner Einsicht nach Noth wendigkeit, Nützlichkeit und

1) Gott. Gel. Anz. 64. Stück, 1831 Apr. 28, Gauss' Werke Bd. II, S. 169—178, enthaltend die Anzeige der Theoria residuorura biquadraticorum, commentatio se- cunda. Krm.

570

Olbers an Gauss. Bremen, 1831 Juni 13.

Würdigkeit gehen möge. Ihrem Hrn. Schwiegersohn bitte ich noch- mals meine Dankbarkeit und Verehrung zu versichern. SfalveJ MfeliöribusJ eiligst.

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Fig. 29. A Anfangspunkt.

Eelation von A zu a als -\~1 angenommen, was wir so schreiben: Kel. {A, a) = l, wird Rel. {A,p) = Rel. (a, A) = 1 sein; ferner Rel. (.4, &) = + i, Rel. {A, q) = Rel. {h, A)==—i.

Ferner Rel. (a, c) = Rel. (A, h) = Rel. (c, d) = ^ i] also Rel. {a, d) = + 2i, Rel. {A,d) = ^l-^2i = M.

Ferner ist Rel. {A, d) = Rel. {d, e) = Jf; also Rel. {A, e) = 2M; offenbar muss dann aber Rel. (e, f) = i M gesetzt werden, also auch Kel. {f, g) = Rel. {g, h) = Rel. {h, k) = Rel. {k, l) = iM oder Rel. {t\ l) = 5 i M, und Rel. {A,l) = 2M -{- biM= {2-^bi)M. Aber Rel. {A. I) ist wie Figura zeigt = 8-|-9i, also wird hierdurch die Multiplikation (2 4- 5 i) (1 -f 2 i) = 8 -}- 9 i versinnlicht.

No. 662.

Olbers an Gauss.

[351

Bremen, 1831 Juni 13.

Sehr leid hat es mir gethan, dass ich die schon so gewiss gehabte Hoffnung, Sie in diesem Frühjahr hier in Bremen zu sehen, habe auf- geben müssen. Ganz kann ich aber doch noch nicht daran verzweifeln,

Olbcrs au Gauss. Bremen, 1831 Juui 13. 571

Sie vielleicht noch späti-r in dicst-ni Jahre hier zu nniaimen, wenn sich erst tlurch den Eintlnss des Kommers, wie ich holl'e und von Herzen wünsche, die Verhältnisse in llnvni Hause etwas freundlicher gestaltet haben werden, und Sie vitdleicht andere, mit der Vermessung: nicht zu- sammenhängende Geschäfte nach Hannover führen sollten.

Ganz ungemein bin ich Hmen, mein theurer gütiger Freund, ver- pflichtet, dass Sie mir das Stück der G. G. Ä., das die wichtige Lehre von den bisher so wenig begriffenen, sogenannten imaginären Grössen wenigstens in nuce entwickelt, geschickt haben. Der Besitz dieses Stückes ist mir höchst schätzbar, denn ein blosses Durchlesen, wenn auch ein- oder zweimal wiederholt, würde mir nicht genügt haben. Aber wie kann ich Hinen genug für die grosse Mühe danken, womit Sie mir die Konstruktion der Multiplikation von

(2-f 5i)x(l + 2i) = 8 4-9i so deutlich gemacht haben. Ich habe nun eine ganz andere Vorstel- lung von den imaginären Grössen erhalten, und ahne nun den unge- heuren Umfang des neuen Gebiets, das sich hier der höheren Arith- metik aufschliesst, wenn ich mich auch noch in vielen Stücken dem Fuchs in der Fabel ähnlich fühle, der zwar die vielen herrlichen Sachen in der ihm vorgesetzten Flasche sehen, aber sie sich nicht ganz aneignen konnte. Ich hoffe, Sie werden einst alle Ihre in dieses Fach gehörenden grossen Entdeckungen in einem zweiten Bande Ihrer unsterblichen Disq. Arith. sammeln.

Mit Ihnen bin ich der Meinung, dass aus dem Marsche der Bundes- Truppen nach Luxemburg, aller drohenden Protokolle der Londoner Konferenz unerachtet, wohl nichts werden wird. Die Konferenz [be]- nimmt sich höchst ledern bei dieser fatalen Angelegenheit; aber be- sonders erscheint dabei der Deutsche Bund in der armseligsten, traurig- sten Gestalt. Ich fürchte sehr, er wird bald allgemein zum Gespött werden, wenn ihm die frechen Belgier so unverschämt trotzen und die Bundes-Glieder so wenig Schutz und Beistand bei ihm finden können.

Indessen ganz anders und schwerer, als die Luxemburger An- gelegenheit, beunruhigt mich jetzt die Cholera, die uns immer näher bedroht, und gegen die wir auch schon auf der Weser Yorsichtigkeits- Maassregeln und Quarantäne- Anstalten haben treffen müssen. Noch ist zwar, so viel wir wissen, Königsberg und Dorpat frei, aber beiden und also auch unserem Bessel und Stkuve die Gefahr sehr nahe. Das gestrige Gerücht, dass sie auch in Rostock und Flensburg ausge- brochen sei, hat sich Gottlob nicht bestätigt und scheint ungegründet. Der Himmel bewahre das näher bedrohte Lübeck! Wenn sich dieses nur des furchtbaren Feindes erwehrt, so werden auch wir, denke ich, dieses Jahr noch sicher sein.

572 Olbers an Gauss. Bremen, 1831 Juni 13.

Benzenberg will sich noch nicht geben. Er rüstet vielmehr eine neue Schrift auf künftiges Jahr zu. in der er, wie er mir schreibt, Ihnen einen eigenen Abschnitt zugedacht hat. Er beschuldigt Sie einer unrichtigen Rechnung, weil Sie nur für 3 Atmosphären, nicht zugleich für den Wasserdampf gerechnet hätten. Als wenn nicht ausdrücklich bei ihm und also auch bei Ihnen nur von völlig trockener Luft die Rede gewesen wäre. Er hat Schumacher aufgefordert, die Baro- meter-Messungen auf dem Michaelisthurm zu unternehmen, der ihm aber antworten wird, er fände Experimente ganz unnütz, wodurch man untersuchen wolle, ob 2 mal 2 wirklich 4 wäre. Kurz, es herrscht eine fixe Idee bei dem guten Benzeneerg, und ich fürchte mich ordent- lich auf seine nun bald bevorstehende Herkunft; denn mit Leuten in solchem Seelenzustande ist beschwerlich umzugehen.

PoissoN wird Ihnen wohl schon seine Abhandlung über die Haar- röhrchen-Anziehung selbst geschickt haben? Ich kenne sie nur aus der Einleitung, die in den Annales de Chimie et Pliysique von Aeago ab- gedruckt ist. Ich kann mir, wenn ich ihn anders recht verstehe, un- möglich denken, dass die geringere Dichtigkeit der obersten Schicht einer Flüssigkeit hier eine besondere Rücksicht verdiene, und mit in Rechnung zu ziehen sei, da sie doch wohl nur ganz unmerklich von der Dichtigkeit der folgenden Schichten verschieden sein kann.

Encke hat durch sein Jahrbuch eine grosse Verbesserung in der Conn. d. T. und dem Naut. Alm. veranlasst, die zwar erst in den Jahr- gängen für 1834 vollständig werden soll, aber doch in den mir kürz- lich zugekommenen Jahrgängen für 1833 sehr sichtbar ist.

Nun noch eine Frage und Bitte, mein theurer Freund. Sie haben mir aus Ihren Messungen die Erhöhung des Fussbodens der Göttinger SternAvarte über dem Spiegel der Nordsee zur Zeit der Ebbe bei Lang- warden zu 163.Vm = 503,3 Par. Fuss,^) und über Schumacher's Baro- meter zu 357,8 Fuss^) angegeben. Nach Schumacher steht aber seine Barometerkapsel 20,26 Toisen = 121,56 Fuss über dem Spiegel der Ostsee. ]\Iithin müsste die Nordsee bei der Ebbe 23,9 Fuss unter dem Spiegel der Ostsee liegen. Ich weiss wohl, dass schon einmal von dieser merklichen Differenz unter uns die Rede gewesen ist; allein ich möchte nun gern wissen, ob sich dieser Umstand nicht nachher näher aufgeklärt hat, und wie der Kontrast aufzuklären und auszugleichen sein möchte. Es scheint mir, dass die Ostsee überhaupt höher sein muss, als die Nordsee hei der tiefsten Ebbe, und dass auch die Ostsee beim Ostwinde an den dänischen Küsten merklich über ihr «rewöhn-

') Vergl. Brief No. 547 vom 28. Jau. 1825, S. 369 und No. 549 vom 19. Febr. 1825, S. 876, ferner No. 585 vom 4. Juli 1S25, S. 418. Krm.

Gauss an Olbcrs. Güttingen, 1831 September 16. 573

liclies Niveau' anscliwellen könne, aber ein Unterschied von 24 Fuss Kann doch wohl schwerlich stattfinden.

Ich habe vor wenigen Tagen wieder einen Anfall von Schwindel gehabt, befinde mich aber jetzt wieder ziemlich wohl. Miuiite ich doch auch bald von Ihrer theuren Gattin das Nämliche hören.

Den richtigen Empfang der 3.V Ethlr. hätte ich bald anzuzeigen vergessen.

No. 663. Gauss an Olbers. [312

Göttingen, 1831 September 16.

Eine schwere Zeit für mein Haus sind alle die Monate gewesen, die seit meinem letzten Briefe an Sie verflossen sind. Ach wie lange und wie hart hat die arme Dulderin gedrückt werden müssen, bis ihr Herz brechen konnte. Endlich ist es gebrochen. Am 12, Abends ist sie von dem Jammer des Lebens geschieden, und heute hat die Erde ihre irdischen Ueberreste wieder aufgenommen.

Meine beiden Töchter waren und sind mir eine wahre Stütze; meinen ältesten Sohn, welcher jetzt im Lüneburgischen eine Nachlese zu den vorigjährigen Messungen hält, liofte ich in ein paar Wochen hier zu sehen. Mein jüngster Sohn in Poppenhagen fängt eben an, sich von einer lebensgefährlichen Krankheit, die ihn vor etwa 6 AVochen befiel, zu erholen.

Möchte ich doch bald einmal wieder durch einige Zeilen von Ihnen und durch die Nachricht, dass es Ihnen w^ohl geht, erfreut werden. Erst spät hole ich jetzt meinen Dank für die werthen Sachen, die Hr, Kraut mir überbracht hat, hier nach.

Wegen der Wiederbesetzung von Bohxenberger's Stelle hatte man mich um meinen Eath ersucht, ich hatte Gerling dazu vorgeschlagen,^) welchem auch unter sehr vortheilhaften Bedingungen die Vokation nach Tübingen zugekommen ist. Allein das Ministerium in Cassel, welches einen hohen Werth darauf legt, ihn in ]\Iarburg zu erhalten, hat seine dortige Lage bedeutend verbessert, und er bleibt jetzt dort.

^) Vergl. Gauss' Brief No. 656, vom 24. Dec. 1830, nach, dem Gauss denselben Prof. Gerling auch für die Nachfolge von Tobias Mayer in Göttingen gewünscht hatte, eine Stelle, die nach dem folgenden Briefe von Wilhelm Weber besetzt wurde. Seh.

574 Olbers an Gauss. Bremen, 1831 September 24.

No. 664. Olbers an Gauss. [302

Bremen, 1831 September 24.

Mit der innigsten Theilnahme habe ich den Tod Ihrer theuren Gattin erfahren, von dem mich ein Schreiben von Hardixg schon unterrichtet hatte, elie ich Ihren Brief erhielt. Leider waren die Um- stände so, dass wir dem Himmel danken müssen, dass er die unaufhörlichen Leiden der armen Dulderin, die keine menschliche Kraft oder Kunst mehr heben, vielleicht nur selten einmal lindern konnte, endlich ge- endigt hat. Tröstend ist es für mich, dass Sie in dem Beistande Ihrer geliebten Töchter eine so wesentliche Hülfe in Ihrem Hauswesen finden, und von dem jetzigen Gesundheits-Zustande Ihres Hrn. Sohnes, meines Pathen, beruhigende Nachrichten erhalten haben.

Ich habe diesen Sommer öftere Anfälle von Schwindel gehabt, bin aber doch sonst ziemlich wohl gewesen. Jetzt habe ich seit etwa 4 "Wochen die Freude, meine geliebte Schwester, die Landes-Oekonomie- Eäthin Meter, und mehrere andere Verwandte bei mir zu sehen. Die Gegenwart dieser lieben Gäste erheitert mich sehr und bringt in meiner sonst so einförmigen Lebensart eine höchst angenehme und wohlthätige Abwechslung hervor. Den gestirnten Himmel sehe ich nur sehr selten an; ich bin zu sehr zu Erkältungen geneigt, und darf es nicht wohl mehr wagen, mich der kalten Nachtluft auszusetzen. Auch war kein besonderer Reiz dazu [vorhanden], da es, so viel ich weiss, seit längerer Zeit weder am Himmel noch auf Erden etwas sonderlich Neues in astronomicis giebt.

Die sich stets mehr nähernde Cholera erfüllt auch den grössten Theil meiner Mitbürger mit banger Furcht. Mich dünkt, es muss in vieler Hinsicht, wenn diese böse Krankheit doch einmal kommen soll, beruhigend für jedes Individuum sein, 1) dass sie ansteckend, nicht bloss epidemisch ist, und nur durch ein contag'ium befallen kann. 2) dass die Wirksamkeit dieses contagii sehr beschränkt scheint, sich also leichter vermeiden lässt, 3) dass das contag'ium nur bei denen die Krankheit hervorbringt, die dazu prädisponirt sind, und dass sich durch ein schickliches Regime diese Prädisposition fast ganz beseitigen lässt. Für mich selbst habe ich gar keine Besorgniss. Nicht als wenn ich mich ganz sicher gegen diese Krankheit hielte, sondern weil ich als 73 jähriger Greis überhaupt nicht ^iel mehr am Leben zu ver- lieren habe, und in dem so oft wiederkehrenden Schwindel täglich eine viel nähere Todesgefahr vor mir sehe. Aber für meine näheren Freunde und besonders für meinen Sohn bin ich nicht ohne grosse Besorgniss. Als Civilstauds-Beamten müssen ihm alle Todesfälle und Geburten von

Gauss au Olbcrs. Gütting'en, 1831 November 28. 575

den nächsten Umstehenden gemeldet werden, was natürlich die Gefahr einer Anstecknng nicht wenig vermehren kann. Wie dieses Gefahr- volle vermindert werden könne, ist schon einige Mal der Gegenstand unserer ernsten Berathung gewesen.

Von unserem Bessel habe ich kürzlich nichts gehört. Den letzten Nachrichten zufolge befand er sich auf dem Landsitze wohl, wohin er sich nach verschlossener und versiegelter Sternwarte, durch das un- verantwortliche Benehmen des Königsberger Stadt -Magistrats^) ge- drängt, zurückgezogen hatte. Ich hoffe, er ist dort sicher. Ob unser ScHrMACHER iu Altoua bleiben wird, wenn der von ihm, vielleicht nicht ganz mit Unrecht gefürchtete Feind näher rückt, weiss ich noch nicht.

Mit Vergnügen habe ich gehört, dass durch Ihre Einwirkung die Lage des braven Gekling so sehr verbessert ist. An Mater's Stelle ist Avohl noch niemand berufen?

Ich habe kürzlich nichts gelesen, was mich mehr interessirt hat, als des Professors in Utrecht Moll Abhandlung über die Erfindung der Fernrohre*), da wir nun daraus mit Gewissheit erfahren, dass, wenn auch Jacob Metius iii Alkmaar schon etwas früher auf diese Erfindung gekommen war, doch Hans Lippeeshey von Middelburg das erste Fernrohr dem Prinzen Moritz präsentirt und am 2. Okt. 1608 den Generalstaaten seine Bittschrift übergeben hat. ]\rETius' Bittschrift ist erst vom 17. Okt. 1608. Auch ist es merkwürdig, dass Lippershet's erstes Fernrohr von Bergkrystall war, und dass er auf Verlangen der Staaten gleich ein Binocle verfertigen musste.

Ich werde eben zu Tisch gerufen und muss also schliessen.

No. 665. Gauss an 01b ers. [sis

Göttingen, 1831 November 28.

Es ist ziemlich lange, dass ich Sie ohne Nachricht von mir ge- lassen habe, und ich fühle nicht ohne Beschämung, dass ich Ihnen längest für Ihren freundlichen tröstenden Brief hätte danken sollen.

^) Der Königsberger Magistrat hatte trotz Bessel's Einspruch und der Inter- vention des Oberpräsidenten einen Cholera-Kirchhof dicht bei der Sternwarte angelegt und die Leichen zu jeder Tageszeit um die Sternwarte herum dorthin befördern lassen. Vergl. Briefwechsel Gauss -Schumacher, Briefe Schumacher's an Gauss Ko. 400 vom 21. Aug. 1831 und No. 406 vom 17. Okt. 1831. Krm.

^) Vergl. den nach Olbehs' Tode in Schumacher's Jahrbuch für 1843 erschie- nenen Aufsatz von Olbers, wieder abgedruckt als No. 18 in Olbebs Bd. I, S. 195 bis 199. Krm.

576 Gaiiss an Olbers. Göttingen, 1831 November 28.

Aber Ihre Güte wird jetzt mit Ihrem Freunde nicht zu scharf rechnen und die Verspätung eines Lebenszeichens nachsichtig entschuldigen.

Ja, ich lebe noch, und wenn ich auch öfter an Unpässlichkeiten gelitten habe, kann ich mich doch über keine andauernde beklagen, wenn ich nicht Schlaflosigkeit und Ermattung oder Abgespanntsein so nennen soll. Aber unbeschreiblich niedergebeugt fühle ich mich fort- während durch alle die Stürme, die mich seit länger als einem Jahre getroffen haben, und ich weiss nicht, ob und wann ich mich wieder zu frischem Lebensmuth werde aufrichten können.

Was stets am härtesten auf mich drückt, ist das Yerhältniss zu dem Taugenichts, der drüben in A[merika] lebt. Ich kann wohl ver- muthen, dass Sie selbst mehr von ihm wissen als ich selbst, und dass Sie mir die späteren von Hrn. Bk[edenkamp] vielleicht mitgetheilten Nachrichten aus Schonung zurückgehalten haben. Ich weiss nur aus einem im vorigen Sommer direkt von ersterem eingelaufenen Briefe, dass er, nachdem er das erhobene Geld verthan, in Militärdienste ge- treten ist, und dann sogleich die Beschwerden davon so fühlte, dass er nur gleich wieder hätte herauskommen mögen. Mir hat es geschienen, dass, wenn es überhaupt noch möglich ist, dass die so tief eingewur- zelten Fehler der Schlaiflieit, Gedankenlosigkeit, Unordnung etc. ausge- rottet werden können, dies nur in dieser Schule zu erwarten ist, und [ich] habe damals von jenem Briefe gar keine Notiz genommen. Jetzt ist vor einigen "Wochen eine zweite Epistel eingelaufen, die ich sfuhj v[oto] rfemissionis] anschliesse. Wären die Umstände hier noch die- selben, so würde auch wohl von dieser keine Notiz genommen werden dürfen. Aber in meinem gegenwärtigen gebeugten Zustande fülüe ich um so tiefer das Bedürfniss, Ihren freundschaftlichen Eath in Anspruch zu nehmen, mit dem Sie in den 30 Jahren, wo Ihre Freundschaft einen Hauptbestandtheil meines Lebensglücks ausmacht, mich schon in so mancher Angelegenheit unterstützt haben, da Ihr klarer ruhiger Blick über Lebensverhältnisse und Ihre Bekanntschaft mit allen Umständen Sie vor allen dazu befähigen, und da gerade Sie auf eine so edle Art sich meiner dabei angenommen haben. Ich muss nun aber, damit Sie alles wissen, noch folgendes beifügen.

Seine Mutter, deren Leiden in dem letzten Jahre durch den Schmerz über einen so missrathenen Sohn so grausam und mehr, als ich hier sagen kann, geschärft sind, hat ihn in einem schon im vorigen Winter deponirten Testament enterbt, doch mit der ^loditikation. dass wenn er 1838 (zwei Jahre nach erreichter hierländischer Volljährigkeit, da er 1811 geboren ist) vollgiltige Beweise der Besserung gegeben habe, er von da an die Zinsen seines (übrigens nicht sehr bedeutenden) Erbantheils geniessen, auch 18-13, wenn er dann sich als selbstverwal-

Gauss an Olbers. Göttingeii, 1831 December 10. 577

tuiigsfäliig: bewählt habe, das Kapital erlialten solle. Sollte er aber so entartet sein, diese mütterlichen Bestimmungen anfechten zu wollen, >o solle er auf den Ptiichttheil gesetzt sein. Alle diese Bestimmungen sind mit grosser Klarheit und Unzweideutigkeit abgefasst (mir selbst >ind sie erst nach dem Tode bekannt geworden); ob sie allen Forde- rungen der juristischen Formen genau entsprechen, vermag ich nicht zu beurtlieilen.

Darf ich nun, mein theuerster Olbers, meiner Hoffnung, dass Sie mir es nicht versagen werden, meinen getrübten Blick mit Ihrem hellen zu erleuchten und zu richten, noch die Frage hinzufügen, ob im Fall Sie überhaupt eine Antwort angemessen halten, Sie ohne zu grosse Be- schwerde die Expedition nach Amerika gütigst besorgen könnten?

Nach dieser traurigen Angelegenheit, die mich täglich und stünd- lich drückt, will ich doch auch mit ein paar Worten etwas Ange- nehmeres berühren. Sie fragten in Ihrem letzten Briefe, ob Mayer's Stelle noch nicht wieder besetzt werde? Ich muss also w'ohl vergessen haben, Ihnen früher zu melden (ich hätte es schon im Frühjahr ge- konnt), dass diese Stelle (nicht ohne mein Zuthun, unter uns) an W. Weber konferirt ist, der auch schon seit dem mir so bedeutungs- vollen 12. Sept. hier ist. Er ist ein ebenso liebensw'ürdiger als talent- voller junger Mann, der gewiss einst unter den ersten Namen Göt- tingens glänzen wird, und der Umgang mit ihm lässt mich wenigstens manche Stunde meine eigenen Leiden vergessen. Prof. Schmidt wird die zuerst Gerling angetragene Stelle in Tübingen erhalten.

Möge Ihr nächster Brief mir auch recht erfreuliche Nachrichten über Ihr Befinden geben. Jede Zeile von Ihnen ist, [das] wissen Sie, ein Kleinod für mich.

P. S. Verzeihung für die durch ein Versehen ungewöhnliche Be- schreibung des Papiers.

No. 666. Gauss an Olbers. fsid

Göttingen, 1831 December 10.

In Ihrem Briefe^) verehre ich mit gerührtem Danke einen aber- maligen Beweis Ihrer theilnehmenden Freundschaft. Eine entschiedene Ansicht von Ihnen hätte nicht anders als von grossem Gewicht bei mir sein können. Da Sie aber eine solche nicht ausgesprochen haben, so muss ich wohl selbst ein Facit ziehen.

^) Dieser Brief Olbers', ungefähr vom Anfang Dec. 1831, ist nicht mehr vor- handen. Krm.

Olbers. II, 2. 37

578 Gauss an Olbers. Göttingen, 1831 December 10.

Sie erkennen in dem Militärdienste das beste Mittel, mancherlei Laster wie Faulheit, Unordnung etc. auszutreiben. Dies ist auch ganz meine eigene Ansicht. Dass der Soldat in Nord-Amerika so gut be- zahlt, gekleidet und verpflegt wird, hatte ich früher nicht einmal ge- wusst; so weit wird es jedoch wohl damit nicht gehen, dass nicht ein so unsinniger Verschwender auch noch eine gute Schule der Frugalität und Nüchternheit darin sollte finden können. Soll aber eine solche Schule anschlagen, so darf sie, wo die Laster so eingewurzelt waren, nicht zu kurz sein. Fünf Jahre sind, wie auch Sie zu denken scheinen, nicht zu viel, und wenn die einfache Dosis nicht wirkt, so wird es die doppelte thun müssen. Danach hätten wir also das Resultat. Bringt übrigens die Schule ihn früher zur Vernunft, wozu auch gehört, dass er sich in seine Lage fügen lernt, so kann es ihm unmöglich schwer werden, bald zum ünterofficier zu avanciren und nach fortgesetztem guten Betragen bei seinem künftigen Austritt irgend einen kleinen, seinen Mann nothdürftig nährenden Dienst zu erhalten, wobei er dann nach 7 Jahren, wenn er vollgültige Beweise seiner Würdigkeit gegeben hat, eine für solches Verhältniss nicht ganz unerhebliche jährliche Zu- busse erwarten kann. Ich wüsste wahrhaftig nicht, durch was er be- rechtigt wäre, höhere Ansprüche zu machen.

Dagegen bemerken Sie, dass Hr. Bredenkamp es für ein grosses Glück für ihn anzusehen scheine, wenn er aus jenen Verhältnissen wieder befreit würde. Nach dem ganzen Zusammenhang Ihres Briefes hält jedoch Hr. Bredenkamp solche Befreiung noch nicht an 2ind für sich für ein grosses Glück, sondern nur unter der Voraussetzung, dass dann ein anderer seine Sustentation auf unbestimmte Zeit übernähme. Unter solcher ^'oraussetzung würden ohne Zweifel sämmtliche Soldaten von Nord-Amerika ihre Entlassung aus dem Dienste für ihr grösstes Glück halten.

Sollte nun aber gar an seine Entlassung aus dem Militär die Noth- wendigkeit, ihn, ohne dass er auch nur den kleinsten Beweis der Würdig- keit oder reeller Besserung gegeben hat, nach Europa zurückzurufen, ge- knüpft werden müssen, so gestehe ich. dass ich daran nur mit walirer Seelenangst derken kann. Sie nennen es einen kostbaren Versuch; er würde es auch noch in anderem Sinne werden. Dass mit seiner bisherigen Individualität ein Wiederanfangen juristischer Studien zu einem gedeih- lichen Resultat führen könne, dazu habe ich gar kein Vertrauen (nicht einmal des Um Standes zu gedenken, dass gerade Gerling, mit welchem ich auch in Beziehung auf das traurige Verhältniss korrespondirt habe, auf das Entschiedenste seine jetzige Militärschule für das beste Besse- rungsmittel hält); ebenso wenig wüsste ich in Europa eine andere Karriere für ihn, als die eines auf fremde Kosten lebenden Tagediebes.

Olbers an Gauss. Bremen, 1832 Januar 18. 579

Ist null aber das lielin<,^eii «iiies solchen Versuches kaum wahrschein- lich. SU ist es dagegen, nach meiner Individualität, mehr als wahr- scheinlich, dass seine Rückkehr nach Europa, ohne ein ganz anderer Mensch geworden zu sein, mein Tod sein wird, wenn nicht sogleich mein i)hysischer, doch gewiss mein geistiger. Zu irgend einer Geistes- arbeit, die ein freies ruhiges Gemüth erfordert, würde ich nie mehr fähig sein. Von unseren Handlungen sind wir Herr, aber nicht von <leii ^^'il■kungen, welche Lebensverhältnisse auf unser Gemüth machen. Kichten Sie nun selbst, mein theurer Olbers, nicht sowohl, ob ich ein solches kostbares Experiment machen muss, als ob ich es machen daif. Alles, was ich nach Lage der Sache jetzt thun kann, ist, meinen ganz detinitiven Entschluss und eine Antwort, wenn Sie solche ange- messen halten, noch einige Wochen zu verschieben. Ich werde in diesen Tagen Gerling bitten, die Weihnachtsferien bei mir zuzubringen und, wenn er meine Einladung annimmt, die Sache noch von allen Seiten mündlich mit ihm besprechen. Wollen Sie, mein theurer Olbers, mich noch mit Ihrem gütigen Rath vorher unterstützen, so werden Sie [mich] sehr beglücken.

No. 667. Olbers an Gauss. [353

Bremen, 1832 Januar 18.

Ich weiss, welchen freundschaftlichen Antheil Sie an allen mich betreffenden Ereignissen nehmen, und so eile ich, Ihnen ein solches mitzutheilen, das mich am späten Abend meines Lebens noch unge- mein erfreut. Seit vorgestern ist mein ältester Enkel, Dr. Wilhelm FocKE, den Sie kennen, mit einem sehr liebenswürdigen Mädchen, Pauline, der Tochter des allgemein hochgeachteten Senator Pavenstedt verlobt. Die liebe, sanfte, gebildete und verständige Braut verheisst ihrem Verehrer und Verlobten mit Gewissheit die glücklichste Ehe im voraus, und diese Verbindung ist um so erfreulicher, da sie auch die bürgerlichen Verhältnisse meines lieben Enkels für die Zukunft fest und angenehm zu begründen scheint.

Die Hoifnung, dass mir mein Sohn noch eine Schwiegertochter zu- führen werde, muss ich nachgerade wohl ganz aufgeben; er scheint gar nicht heirathen zu wollen.

Den Gründen, mein allertheuerster Freund, warum Sie sich auf die Bitten des Amerikaners um Befreiung aus dem Soldatenstande nicht einlassen können und wollen, weiss ich nichts entgegen zu setzen. Angemessen scheint es mir aber, dass der Verirrte sowohl von dem Tode seiner verewigten Mutter, den er wohl noch nicht erfahren hat,

37*

580 Gauss an Olbers. Göttingen, 1832 Januar 25.

als auch von Ihrem festen Entschluss, nichts für seine Entlassung aus dem Militär thun zu wollen, unterrichtet werde, letzteres hauptsächlich darum, damit er, in der falschen Erwartung doch bald auszutreten, seinen Dienst nicht vernachlässige und sich weniger eifrig bemühe, sich die Zufriedenheit und wo möglich die Gunst seiner jetzigen Vor- gesetzten zu erwerben, worin ich noch die einzige Hoffnung seines künftigen Fortkommens sehe.

Bei dieser Jahreszeit, so gelinde der Winter im Ganzen bisher auch war, wage ich es nicht, mich mit kleinen astronomischen Beob- achtungen zu unterhalten; die unaufhörlich trübe und neblige Witte- rung giebt auch keine Versuchung. Gleich nach dem diesmaligen Mond- schein hoffe ich die Wiederauffindung des ExcKE'schen Kometen zu erfahren nicht selbst zu sehen.

Der tückischen Cholera traue ich noch gar nicht, sondern fürchte, dass sie im Frühjahr wieder mit erneuter Kraft und Bosheit auftreten werde. So eben höre ich, dass sich in Altona, wo man 8 Wochen frei war, wieder 3 Cholera-Fälle ereignet haben sollen. Aengstlich erwarte ich von unserem Schumacher die Berichtigung dieser unwillkommenen Nachricht.

Leben Sie recht wohl, mein theuerster, bester, geliebtester Freund, und erfreuen Sie mich recht bald mit einigen Zeilen. Wie geht es Hirer lieben Tochter, der Frau Prof. Ewald? Haben Sie schon Hoffnung, Grossvater zu werden?

Einen eticaigen Brief nach New York besorge ich gern, so bald sich nur Gelegenheit dazu zeigt.

No. 668. Gauss an Olbers. [315

Göttingen, 1832 Januar 25.

Freund Gerling ist bei mir gewesen, und wir haben die bewusste Sache von allen Seiten besprochen und auch nachher noch wiederholt darüber korrespondirt. Das Eesultat ist gewesen, dass dieser Freund dabei beharrt, eine abermalige Versetzung meines Sohnes unter Stu- denten für ganz unthunlich, und von der anderen Seite seineu jetzigen Militärstand für die beste Schule zu halten. Er hat mir mehrere ihm genau bekannte Fälle erzählt, wo diese Schule die besten Wirkungen gehabt habe, und dadurch meinen Muth zu erheben gesucht. Ich kann nun freilich zu solchem ^'ertrauen, dass in dem vorliegenden Falle die Schule zu hoch Erfreulichem führen werde, mich noch nicht erheben; allein so viel steht fest, dass ich in meiner Stellung im Leben und bei seiner Individualität nichts Angemesseneres an die Stelle zu setzen

Gauss an Olbers. Göttingeu, 1832 Januar 25. 581

liiibe. Ich habe daher in diesem Sinne jetzt gesclirieben nnd benutze llir (riitiges Anerbieten, den Brief nach Amerika zu befördern, mit L)ank.

Die P^reude. welche Sie an Ihrem Enkel und Ihr würdiger Hr. Scliwieg-ersohn an seinem Sohne erleben, habe ich mit innig gerührter Theilnahme aus Ihrem letzten Briefe erfahren. Wer verdient auch mehr solches Glück, als Sie!

Meine älteste Tochter, nach der Sie sich so freundlich erkundigen, befindet sich wohl und vergnügt, wenngleich zu dem doch immer zweideutigen Glück, Kinder zu haben, noch wenigstens keine nahe xVus- sicht zu sein scheint.

Sie haben vielleicht vor einiger Zeit in den G. G. Ä}) gesehen, dass der Preis auf verbesserte Photometer nicht hat zuerkannt werden können, wenngleich zwei Abhandlungen eingegangen waren. Die zweite, deren Verfasser sich übrigens fast mit Gewissheit errathen Hess, ent- hält manches Eigenthümliche, auch einen Vorschlag, der auf einer an sich sehr sinnreichen Idee beruht, die ich aber bei näherer Prüfung nicht stichhaltig gefunden habe. Uebrigens kann ich nicht leugnen, dass mir scheint, alle Methoden, die sich darauf gründen, dass man das Licht so lange schwächt, bis es einem gegebenen Auge ver- schwindet, könnten nur sehr rohe Resultate geben; jedenfalls sollte man damit anfangen zu prüfen, welche Uebereinstimmung unter sich sie geben, und zwar nicht an 3 oder 6 Messungen, sondern an einigen Hunderten. Ich bin geneigt zu glauben, dass allemal, w'o das kleinste sichtbare Licht die Einheit abgeben soll, Ungewissheiten von 30 oder mehreren Prozenten nicht zu vermeiden sein werden.

Ich habe mir eine Methode ausgesonnen, die auf ein anderes Princip sich stützt, wo nämlich das Auge über nichts als über Gleich- heit oder Ungleichheit zweier Gegenstände, die es immer neben ein- ander im Gesichtsfelde des Fernrohres sieht, zu urtheilen hat, und Freund Gerling die Hauptideen mitgetheilt. Ich hoffe, er wird sein grosses praktisches Talent dazu anwenden, diese Idee auszuführen. Uebrigens wissen Sie, dass auf meine Veranlassung die Aufgabe noch einmal wiederholt ist.

Harding hat sich nach dem Kometen^) bisher vergebens umge- sehen.

Ich komme noch einmal auf das Photometrische zurück. Ich ver- muthe, dass das Urtheil über gleiche? oder ungleiche? Helligkeit einer

*) Gott. Gel. Anz. 196. Stück, 1831 Dec. 10. Die Aufgabe wurde für Nov. 1834 noch einmal gestellt und der Preis dann Steinheil zuerkannt; vergl. Brief No. 683 vom 20. Jan. und No. 686 vom 22. Apr. 1835 und die betreffende Anmerkung. Krm.

-) Die Wiederkehr des ENCKE'schen Kometen im .Jahre 1832. Yergl. Brief No. 673 vom 28. Aug. 1832. Krm.

582 Olbers an Gauss. Bremen, 1832 Februar 12.

ziemlich grossen Schärfe fähig sein wird, wenigstens einer grösseren, als irgend ein anderes Verfahren, so bald die Gegenstände nicht sehr ungleiche Färbung haben. Im entgegengesetzten Fall, z. B. wenn roth mit grün verglichen werden soll, wird dies freilich wegfallen. Ich habe indess keinen recht deutlichen Begriif, luas eigentlich gleiche Helligkeit hier bedeuten soll. Bei gleichen Farben schaut man das unmittelbar an; aber ungleiche können als Empfindungen in Rücksicht auf Gleich- heit der Helligkeit im Grunde kaum verglichen werden. Am Ende bleibt da wohl gar nichts anderes übrig, als dass ein rother Stern und ein grüner Stern für gleich hell gelten, wenn einerlei aliquoter Theil die Grenze des Empfindbaren ist. Etwas Aehnliches gilt dann von der specifischen Helligkeit ungleich gefärbter Flächen, wo das Princip auch schon von Newton gebraucht ist. Bei der astronomischen Anwendung möchte indessen daran nicht so sehr viel liegen, da doch die sehr ab- weichend gefärbten Sterne nur seltenere Ausnahmen sind. Aber darin mag wohl viel Subjektives liegen. Vielleicht wären Augen möglich, wenn auch nicht menschliche, für die das violette Licht (nach jenem Begriif) viel heller wäre als das gelbe. Doch verzeihen Sie, lieber Olbers, meine unreifen Zweifel, da Sie selbst aus diesen Gegenständen viel mehr Studium gemacht haben als ich.

Haeding hat in letzter Auktion verschiedenes für Sie erstanden, was er Ihnen nächstens schicken wird.

No. 669. Olbers an Gauss. [354

Bremen, 1832 Februar 12.

Seit dem 24. Jan. bin ich krank, sehr bedeutend krank. Ich habe Ihnen schon oft meine häufig wiederkehrenden Schwindel- Anfälle ge- klagt, noch nie aber verlor ich dabei früher alle Besinnung. Am genannten Tage, wie ich meiner Art nach mich ganz wohl befand, eben mit gutem Appetit meine Mittagsmahlzeit zu verzehren anfing uud in sehr heiterer Unterhaltung begriften war, fiel ich plötzlich bewusstlos vom Stuhle, und Avürde mich heftig beschädigt haben, wenn nicht gerade mein Bedienter in meiner Nähe gewesen [wäre] und den Fallenden auf- gefangen hätte. Seit der Zeit ist dieser Zufall schon 3 mal, wenn auch mit verminderter Heftigkeit, wiedergekehrt, und auch in den ZAvischen- zeiten ist der Kopf selten ganz frei. Aderlasse, Blutegel, andere dien- liche Mittel, strenge Diät u. s. w. haben das Uebel etwas gemildert, nicht gehoben, und ich muss, ohne einen Auüenblick sicher zu sein, einen

Gauss an Olbers. Göttingen, 1832 Februar 18. 583

neuen Anfall derselben Art erwarten, der vielleicht der letzte sein könnte. Nun wie Gott will. Ich bin auf alles vorbereitet.

Doch genug; von meinen Infirmitäten. Der mir geschickte Brief wird besorgt werden, so bald das erste Schiff nach New York, walir- scheinlicii Anfangs März, abgeht.

Es hat mich sehr gefreut, dass Sie sich der Anwendung der Photo- metrie auf den gestirnten Himmel annehmen wollen. Man weiss schon, dass alles, was Sie behandeln, gelingt. Ganz theile ich Ihre Ansicht über das l'ngenaue derjenigen Photometer, die sich auf das Verschwinden des Gegenstandes gründen. Auch bin ich mit Ihnen und Lambert, BouGUER, Karsten u. s. w. überzeugt, dass unser Auge nur Gleichheit oder Ungleichheit der Lichtstärke sicher beurtheilen kann. Wie Sie nun die beiden zu vergleichenden Gegenstände neben einander ins Fernrohr bringen, und den helleren auf eine messhare Weise mit dem dunkleren zur Gleichheit bringen wollen, ist mir noch unhegr elf lieh. Kann dies wirklich geschehen, so ist die Hauptsache erfunden, Schwierigkeiten, die verschiedene Farben, scheinbare Grössen, wesent- licher Unterschied zwischen Helligkeit und Lichtstärke etc. etc. machen, werden sich wenigstens zum Theil heben lassen. Von letzteren führe ich nur noch an, dass bei Dämpfgläsern, die man wohl nicht ganz wird entbehren können^ es welche geben kann, für die der Mond ganz ver- schwindet, wenn doch Venus oder Sirius noch bei ihrer Anwendung sichtbar bleiben.

Doch ich fühle, dass das Schreiben mich angreift, und ich schliessen muss. Leben Sie wohl, mein allertheuerster, geliebtester Freund, Gott lohne Sie für alle die Freude, all das Glück, das Ihre Freundschaft auf meinen Lebenspfad verbreitet hat.

No. 670. Gauss an Olbers. [sie

Göttingen, 1832 Februar 18.

Ihr*) Brief vom 12. Febr. hat mich in eine Traurigkeit versetzt, die mich keinen Augenblick verlässt. Sie selbst zwar stehen hoch über dem Leben, wenn gleich im Besitz von allem, was dasselbe schmücken kann, innigst geliebt und verehrt von allen, die das Glück haben, Ihnen nahe zu stehen; aber alle von diesen, die einst nach Ihnen zurück-

^) Von hier ab bis ..von uns ab!" ferner die Stelle von „Ich beschäftige mich" bis zum Schluss auch abgedruckt in E. Schering, C. F. Gauss und die Erforschung des Erdmagnetismus, Seite 25—26. Abhandl. d. Gott. Ges. d. Wiss., 34. Bd. Göt- tinnen 1887. Krm.

584 Gauss an Olbers. Göttingen, 1832 Februar 18.

bleiben sollen, werden sich als Verwaiste fühlen, denen nichts einen solchen Verlust ersetzen kann. Wende doch der Himmel ein solches Unglück noch lange von uns ab!

Vielleicht macht es Ihnen eine kleine Zerstreuung, wenn ich Ihnen meine Grundidee zu einem Photometer ^), wie ich sie Geeling ange- geben habe, anzeige. Denken Sie sich einen Spiegelsextanten mit der Modifikation, dass der kleine Spiegel gar nicht belegt ist, sondern bloss von seinen Glasflächen reflektirt, beide Spiegel aber reichlich so gross wie das Objektiv des Fernrohres, der grosse auch so breit, wie es für die äussersten Fälle der Winkeldistanz zwischen zwei zu vergleichenden Sternen nöthig ist, damit jeder Punkt des Objektivs Licht bekomme. Man stellt den Sextanten so, als wollte man jene Distanz messen, so dass beide Bilder nahe bei einander erscheinen. Die ursprünglichen Lichtintensitäten der Sterne A, B seien a und l, die Intensität des Lichtes der Bilder aa, ßh, wo a und ß von der Oeffnung des Objektivs, der unvollkommenen Durchsichtigkeit der Gläser abhängen, ß ausser- dem auch noch von der Angulardistanz der Sterne. Jenseits des kleinen Spiegels ist aber noch eine Vorrichtung angebracht, vermöge der man das direkt gesehene Licht auf einen beliebigen Bruch = a reduciren kann, indem man statt des vollen Objektivs nur einem Sektor = // x 360° Licht verstattet. Dieses ju bestimmt man so, dass beide Bilder gleich hell erscheinen; man hat also /uaa = ßh. Jetzt macht mau einen zweiten Versuch, indem man den Sextanten umkehrt und also den vorher direkt gesehenen Stern reflektirt sieht. In diesem zweiten Versuch trete lu au die Stelle von u. ]\Ian hat also u'ah = ßa. War ursprünglich a = h, so wird man nothwendig // = // finden und vice versa; sind aber a, h ungleich, so hat man a -.h ^== ß : na = u'a : ß =

Vf-t :V/ii. Zugleich wird immer ///<'=- eine bloss von der Ans-ular-

aa

distanz abhängige Grösse sein, über die man aus vielen Versuchen das Gesetz ausfindig machen kann; nachdem dies gefunden ist. werden auch einseitige Messungen ein Resultat geben. Dies ist die eigentlich mathe- matische Grundidee; es versteht sich, dass an die Stelle eines grossen Sextanten mit kleinem Fernrohr hier ein grosses Fernrohr mit kleinem Sextanten (nur um die Sterne bequem zugleich ins Gesichtsfeld bringen zu können) treten muss.

Ich^) beschäftige mich jetzt mit dem Erdmagnetismus, nament- lich mit einer absoluten Bestimmuns: von dessen Intensität. Freund

^) Yergl. Anmerkung zu Brief No. 683 vom 20. Jan. 1835. Krm.

-) Yergl. hierzu die Anmerkung auf S. 683, ferner die in der daselbst er- wähnten Arbeit -wiederabgedruckten Briefe von Gauss an Gerlisg t. 14. Febr. und von Gauss au Schumachek v. 3. März 1832, No. 412 des Briefwechsels. Krm.

Olbers an Gauss. Bremen, 1832 Juli 27. 585

AVebkr macht nacli iiipiiu-i Angabe die Versuclie. So wie mau z. B. von Gescliwiiuli^^kt'it mir clurcli Ansetziing' einer Zeit und eines Kaums einen klaren Begriff geben kann, so, finde ich, muss zur voll- ständigen Bestimnmng der Intensität des Erdmagnetismus augegeben werden 1) ein Gewicht = jh 2) eine Linie = r, und dann kann man

Vp den Erdmagnetismus durch ausdrücken, d.i. ein doppelt gewordener

Erdmagnetismus, würde bei gleichem r ein viermal so grosses Gewicht, oder bei gleichem Gewicht ein halb so grosses r herbeiführen. Es scheint, dass, wenn man für ?• einen Zoll nimmt, 2? wohl nur wenige Milligramm beträgt. Die Versuche sind aber noch nicht vollständig. Ich Averde, wenn es Sie interessirt, Ihnen gern demnächst etwas Näheres mittheilen und bemerke nur, dass man dabei ^ivei Nadeln Ä und B nöthig hat (die eine ist übrigens ein Stab), dass die Wirkung des Erd- magnetismus auf B mit der Wirkung von Ä auf B vergleichbar ist, insofern man letztere in bestimmter nicht zu kleiner Entfernung spielen lässt, deren Kubus die letztere AVirkung umgekehrt proportional ist; die Wirkung des Erdmagnetismus auf A hingegen ist mit dem Mo- mente eines Gewichts, Produkt des letzteren in eine Linie, vergleichbar, was dann entweder durch die Waage, indem man ein kleines Gewicht jene Wirkung aufheben lässt, oder durch Beobachtung der Schwingungs- zeiten ausgemittelt werden kann.

Auch für Dekl. und Inkl. hoffe ich, mehrere neue Verbesserungen mit Weber's Hilfe angeben zu können.

Doch ich will Sie jetzt nicht länger mit meinem Geplauder er- müden. Gebe doch Gott, dass ich bald beruhigendere Nachrichten er- halte, dass die Gefahr, nicht von Ihrem, sondern von unserem Haupt abgewehrt ist.

No. 671. Olbers an Gauss. [353

Bremen, 1832 Juli 27.

Endlich muss ich Ihnen doch selbst sagen, dass ich noch lebe. Mein UebeP) ist freilich nicht gehoben, auch nicht zu heben. Indessen finde ich doch in der jetzigen Jahreszeit einige Erleichterung, leide nicht so heftig an Beklemmungen und Schwindel, kann oft mehrere Stunden ausser Bett sein, und bin ein paar Mal eine halbe Stunde im verschlossenen Wagen spazieren gefahren. Ich muss erwarten, wenn

^) Yergl. zu Olbers' Krankheit auch Brief No. 338 vom 14. Aug. 1832 im Briefwechsel Olbers-Bessel. Krm.

536 Gauss an Olbers. Göttingen, 1832 August 2.

nicht etwa ein Schlagfluss dazwisclien tritt, dass ich noch bis in den Herbst leidend fortvegetiren kann.

Nichts zerstreut mich mehr, als wissenschaftliche und besonders astronomische Neuigkeiten, mit denen mich unser braver Schumacher möglichst versorgt. Auch Ihnen bin ich für Ihren letzten Brief sehr verbunden. Die Idee Ihres Photometers gefällt mir ungemein. Ist Gerling schon in der Ausführung fortgerückt? Neugierig bin ich auf den Erfolg Ihrer magnetischen Untersuchungen, worüber Sie, so viel ich weiss, noch nichts bekannt gemacht haben. An dem treflf- lichen Weber haben Sie gewiss einen sehr angenehmen Kollegen. Ge- sellschafter und Mitarbeiter.

Was haben Sie überhaupt diesen Sommer gemacht? Werden die Vermessungen noch fortgesetzt? Ihr Hauptwerk über, die Gradmessung wird noch wohl lange nicht erscheinen?

Gewiss hat Santini Ihnen auch seine Berechnung und Ephemeride des BiELA'schen Kometen^) geschickt. Weil Santini das Perihel 3 Tage früher findet als Damoiseau, so sind die Oerter des Kometen nach beiden sehr merklich verschieden, welches die Aufsuchung erschweren wird. Nach einer beiläufigen Rechnung (zur genauen fehlt mir Lust und Kraft) sind die nächsten Punkte der Erdbahn und der Santini'- schen Kometenbahn 33 J Halbmesser der Erde von einander entfernt.

Die Feder will nicht mehr in der zitternden Hand fort. Leben Sie wohl, mein theurer Freund.

No. 672. Gauss an Olbers. rsi?

Göttingeu, 1832 August 2.

Ihr^) Brief hat mir die grösste Freude gemacht, um so grössere, da die verschiedenen zum Theil sich ganz widersprechenden Nach- richten, welche mir von Zeit zu Zeit auf indirekten Wegen über Dir Befinden zukommen, mich in fortwährender I'nruhe erhielten. Möchte

^) Erste vorausberechnete Wiederkehr dieses Kometen, siehe auch Olbers Bd. I, No. 125. Krm.

^) Dieser Brief ist mit Ausnahme der Stelleu, welche sich nicht auf die Erfor- schung des l^Iagnetismus beziehen, wieder abgedruckt in E. Sc}ieking. l". F. Gauss und die Erforschung des Erdmagnetismus, S. 35—39. Göttingen 1SS7. In dieser Schrift sind auch mehrere Briefe Hitmboldt's und Excke's an Gauss, sowie solche von Gauss au Gehlixg, Schumacher und Encke mitgetheilt, soweit sie auf die Erfor- schung des Erdmagnetismus Bezug haben, und eingehend Gauss" Antheil daran dar- gelegt. Krm.

Gauss an Olbers. Güttingen, 1832 August 2. 587

docli die Erleichterung, die Sie jetzt fühlen, immer fester und grösser werden.

Bisher habe ich nicht gewagt, Ihnen über meine bisherigen Be- schäftigungen zu schreiben, aber die in Ihrem Briefe enthaltenen Atnisserungen lassen mich lioifen, dass Sie einige Mittheilungen mit ge- wohnter Freundlichkeit aufnehmen werden.

Ob Gekling in Ausführung der photometrischen Ideen schon vor- gerückt ist, ist mir ganz unbekannt, und wird er mir auch wohl nichts darüber schreiben, wenn er die Absicht hat, demnächst eine Konkurrenz- schrift an die Societät einzuschicken.

Ich selbst habe auch seit meinem letzten Briefe gar nicht wieder daran gedacht, vielmehr seit jener Zeit mich anhaltend, ich kann wohl sagen fast ausschliesslich, mit dem Magnetismus beschäftigt. Ich habe in dieser Beschäftigung eine w^ohlthätige Ablenkung von so manchem Kummer gefunden; auch haben bisher diese Arbeiten [meine Erwar- tung] nicht bloss erfüllt, sondern weit übertroifen.

Von jeher schien mir, dass die Apparate, deren man sich für die magnetischen Bestimmungen bedient, sehr unvollkommen, und in einem schreienden Missverhältnisse gegen die Schärfe unserer astronomischen und geodätischen Messungen sind. Ich habe mir seit etwa 5 Monaten angelegen sein lassen, diesem Uebelstande abzuhelfen, wobei ich gleich Anfangs von einigen schon seit vielen Jahren gehabten Ideen ausging, aber freilich fast jede Woche noch auf etwas Neues gekommen bin. Gegenwärtig habe ich zwei Apparate fertig (ganz gleiche), womit ab- solute Dekl. und ihre Aenderungen, Schwingungsdauer etc. mit einer Schärfe gemessen werden können, die gar nichts zu wünschen übrig lässt, ausgenommen für mich ein angemesseneres Lokal, w^o kein Eisen in der Nähe ist und jeder Luftzug abgehalten ist. Beides fehlt mir in der Sternwarte und in meinem Hause, obwohl man den Einfluss davon auch nicht überschätzen darf; auch so, wie es jetzt ist, überbieten meine Messungen, meine ich, alles Frühere sehr w^eit. Es ist hier aber eine sehr grosse Ernte zu halten, und da ich, wenn der Himmel mir Leben und Kraft erhält, nicht abgeneigt wäre, diesen Gegenständen ein eigenes Werk zu widmen, so wird es damit, da ich stets alles Eilen mit Unreifem gehasst habe, w^ohl nicht so ganz schnell gehen. In- zwischen habe ich die Absicht doch gleich eine Anwendung, und zw^ar die allerwichtigste, in einer Societätsvorlesung bekannt zu machen, nämlich die Bestimmung der absoluten Intensität^) des Erdmagnetismus.

^) Intensitas vis magneticae terrestris ad mensuram absolutam revocata. Der Societät vorgelegt am 15. Dec. 1832. Wiederabgedruckt in Gauss' Werken Bd. V, S. 79—118. Krm.

588 Gauss an Olbers. Göttingen, 1832 Augnist 2.

Ich habe schon, so wie meine Apparate sich nach und nach vervoll- kommneten, eine beträchtliche Anzahl vorläufiger Versuche gemacht, und die letzten werden der Wahrheit, soweit es in meinem Lokal möglich ist, schon sehr nahe kommen; doch habe ich erst neulich wieder neue Vervollkommnungen hinzugesetzt, nämlich Vorkehrungen, um alle Distanzmessungen dabei mit mikroskopischer Schärfe auszu- führen. Auch hierbei ist mir Freund Webek durch Mittheilung seiner Hülfsmittel äusserst hilfreich gewesen.

Jene Vorlesung hoffe ich binnen einigen Monaten ausarbeiten zu können, und einen kleinen Anfang habe ich bereits damit gemacht, indem ich eine Einleitung aufgeschrieben habe, die das AVesentliche der Grundideen in einer mehr populären Darstellung entwickelt. Es scheint, dass wenige Personen hiervon bisher eine klare Vorstellung haben. Da es Sie vielleicht interessirt, diese Einleitung zu lesen, so habe ich mein Brouillon abschreiben lassen (H-veding^ hat die Gefällig- keit gehabt), und ich lege solche Abschrift^) hier bei. Bei der Bestim- mung, welche der Aufsatz, wozu diese Einleitung gehört, haben soll, ist es unnöthig zu bemerken, dass ich diese Mittheilung als bloss für Sie bestimmt betrachten muss. Finden Sie, mein theurer Olbees, sich aufgelegt, diesem Aufsatz Ihre Aufmerksamkeit zu schenken, und wün- schen über eines oder anderes darin weitere Aufklärung, so wird es mir die grösste Freude sein, jeden Wink zu befolgen. Dieses Mal noch ein paar Worte über die Schärfe meines Apparates.

Die absolute Dekl. wird mit grösster Leichtigkeit erhalten. Zwei Sekunden sind eine bestimmt sichtbar gemachte Grösse. Luftzug kann aber allerdings bedeutend grössere Anomalien hineinbringen. Die täg- liche Variation kann man besonders in den Vormittagstunden, wo sie am schnellsten ist, schon nach einigen Zeitminuteu sicher erkennen.

Bei Beobachtung der Schwingungsdauer einer Nadel lässt sich eine Schärfe erreichen, die ich selbst früher für unglaublich gehalten haben würde. Die Momente, wo eine Dauer zu Ende ist, haben nie einen Fehler von -^ig- Sekunde, sondern stets nur einige Hunderttheile. Ich beobachte nur kleine Schwingungen, d. i. ich fange ungefähr da au, wo man sonst aufhörte, und doch schwingt meine Nadel so. dass ich nach 6 oder 8 Stunden noch die Momente mit grosser Sicherlieit obser- vire; habe ich eine neue Nadel eingehängt, deren Sclnvingungsdauer noch unbekannt ist, so observire ich nur einige wenige Schwingungen zu Anfang und kann dann getrost auf einige Stunden in die Stadt gehen, wo nach meiner Zurückkunft von einer Ungewisslieit. wie viele Schwingungen unterdessen genuicht sind, gar keine Bede sein kann.

^) Die Abschrift ist bei dcu Onüiualbriefen iiiclit mehr vorhanden. Krm.

Gauss an Olbers. Güttiugen, 1832 August 2. 589

Icli habe sugar schon zuweilen bei Nacht etwas grössere Schwingungen eingeleitet, aber nicht wie Hr. Quetelet von 60 ^ sondern z. B. von 10®, wo icli die Nadel bei Nacht ihrem Schicksal überlassen habe, und nach dem Aufstehen am anderen i\[orgen mit Sicherheit habe angeben können, wie viele Schwingungen unterdessen gemacht sind.

Nichts desto weniger ist der modus prior (pag. 3) der Anlage dem zweiten hei lüeitem nachzusetzen, und zwar deswegen, weil jener eine viel längere Zeit erfordert, während welcher die Veränäerlichkeit des Erdmagnetismus sich auf das Entschiedenste bemerklich macht. Ich habe zwar auch mehrere Versuche nach dem modus prior gemacht, die nahe dieselben Eesultate geben, werde aber bei denen, die gelten sollen, mich nur auf den zweiten Modus beschränken. Vielleicht interessirt es Sie, die Resultate meiner letzten Versuche, obw^ohl solche immer erst als vorläufige zu betrachten sind, kennen zu lernen.

Als Einheiten angenommen:

1) das Gewicht, id est die Masse, die man ein Milligramm nennt,

2) das Millimeter,

3) diejenige beschleunigende Kraft, die in der Zeitsekunde einen doppelten Fall von 1 mm hervorbringt, wobei also die Schwere in Göttingen = 9812 ist,

ist die Intensität des horizontalen Theils des Erdmagnetismus in Göttingen

nach Versuchen vom 22. 26. Juli mit

Nadel 1 = 1,7762

mit Nadel A = 1,7780

im Mittel . . . =1,7771*}

wovon also die beiden einzelnen Resultate nicht viel mehr als den 2000. Theil abweichen. Die Veränderung der Intensität w^ährend eines Tages ist öfter 4 mal so gross.

Ein früherer Versuch, mit fast gleichen Attentionen gemacht, gab

1,7650

aber in einem anderen Lokal, w^o eben die Lokalität sehr gut i-^j^ Unterschied leicht erklärt, da überall Eisen nicht zu vermeiden war. Ich werde demnächst auch das Verhältniss der Intensität am ersteren Lokal zu der ganz im Freien zu bestimmen suchen.

Noch frühere Versuche, w^obei aber manche Kautelen**) noch nicht

*) Die Zahl bleibt dieselbe, wenn man resp. das Gramm und das Meter als Ein- heit ansieht.

**) Z. B. auch wegen Torsion der Fäden.

590 Gauss an Olbers. Göttingen, 1832 August 2.

genug berücksichtigt waren, mit anderen Nadeln und in anderen Lo- kalen gaben

am 21. Mai .... 1,788

24. Mai .... 1,777 4. Juni .... 1,779

Eine Menge von Untersuchungen habe ich mir noch vorgesetzt, die aber einen grossen Aufwand von Zeit kosten werden, z. B. über den Einfluss der Temperatur auf die Nadeln, über das allmähliche Ab- nehmen der magnetischen Kraft in den Nadeln, wenn sie Anfangs so stark wie möglich magnetisirt sind und dann theils mit, theils ohne Armatur aufbewahrt werden, über das Verhalten anderer Körper, ganz besonders des Ai-gentans pp. Bei allen diesen Geschäften wird mir die Hülfe des trefflichen Weber äusserst schätzbar sein. Vielleicht wird unser Gouvernement, wenn die Geldklemme nicht zu gross ist, dem- nächst nicht abgeneigt sein, ein eigenes magnetisches Häuschen, worin gar kein Eisen ist, zu errichten. Ich werde aber nicht eher darauf antragen, als bis alle meine Vorarbeiten gehörig reif sind.

Noch durch einen Umstand empfehlen sich meine Einrichtungen. Meine beiden ganz gleichen Apparate, die für alle Fragen, bloss die Inkl. ausgenommen, zureichen und die oben bezeichnete Schärfe geben, kosten inkl. von 6 Stahlstäben, jeder fast 1 ü schwer, zusammen nur 81 Ethlr. GAMBEY'sche Apparate für absolute Dekl., tägliche Variation, Schwingungsdauer, während sie alles nur sehr unvollkommen leisten, würden vielleicht zusammen, jeder einfach, fast 20 mal so viel kosten. Ich werde zunächst noch eine Anzahl Stäbe aus englischem Gusstahl verfertigen lassen, die, wie meine Erfahrungen zeigen, nicht bloss stär- keren Magnetismus annehmen, sondern ihn auch zäher an sich lialten, als Nadeln aus Cementstahl.

Doch es ist Jetzt wohl Zeit für dieses Mal hiervon abzubrechen.

Messungen werden in diesem Jahre wohl gar nicht gemacht wer- den, da keiner meiner Officiere disponibel ist. Ob vielleicht mein Sohn im Sept. noch einige isolirte Messungen wird machen können, ist nocli ungewiss. Er ist seit 4 Monaten in die reitende Artillerie eingerückt, hat jetzt sein Standquartier in Wunstorf und ist durch den Dienst ge- bunden.

Meine älteste Tochter hat leider seit einiger Zeit besonders au schwacher Brust gekränkelt, und eiue ordentliche Badekur in Ems ge- brauchen müssen. Seit ein paar Tagen ist sie zurückgekehrt, und wir hoffen, dass die Wirkung davon eine wohlthätige sein soll. Ich selbst finde, wenn sie morgens von ihrer Promenade, welche sie bei dem noch fortgesetzten Trinken des Emser Wassers immer machen soll.

Olbers an Gauss. Bremen, 1832 August 28. 591

bei ii)ir vorspricht, sie zu meiner Betrübniss immer sehr l)hiss und angegriffen.

Nun nocli meine innigsten Wünsche für Ihr Befinden, mein theurer Olbers. Wie sehr jede Zeile von Ihnen mich beglückt, wissen Sie; wofern es Sie aber zu sehr angreift, selbst die Feder zu nehmen, wird auch eine jeweilige diktirte Mittheilung mir stets schon grosse P'reude machen.

Der von Harding vor einigen Tagen entdeckte Komet ^) ist, wie ich aus der Zeitung sehe, auch schon etwas früher von Gambart auf- gefunden.

No. 673. Olbers an Gauss. [856

Bremen, 1832 August 28.

Ihr lieber freundlicher Brief und die höchst interessante Einleitung zu der Abhandlung .Jntcnsitas vis magneticae terrestris" etc., die mir Ihr Vertrauen schon jetzt zu lesen verstattet hat, und für deren ge- fällige Abschrift ich Hrn. Prof. Harding sehr verbunden bin, haben mir ebenso \iel Vergnügen als Belehrung gewährt. Ich habe beide wiederholt gelesen und wieder gelesen, weil mein schwacher Kopf nicht alles gleich fassen konnte; nun ist mir aber alles klargeworden, Dass man die absolute Grösse des Erdmagnetismus messen und mit der Schwerkraft vergleichen könne, hielt ich bisher für unmöglich. Ich glaubte, es wären nur relative Intensitäten des Erdmagnetismus zu vergleichen möglich, wenn man nicht etwa die Länge eines eisernen und eines gar kein Eisen enthaltenden Pendels mit einander vergleichen könnte; ein Mittel, das wenig Genaues zu geben im Stande sein wird, worüber ich aber mit Benzenberg ehemals korrespondirt zu haben mich erinnere. Jetzt sehe ich, wde Sie dies ganz ungleich sicherer und schärfer durch 2 Magnet-Nadeln zu erhalten wissen. Aber mit staunen- der Bewunderung sehe ich die Genauigkeit Ihrer Experimente und Resultate. Ihr Apparat muss ganz was Ausserordentliches sein. Doch wird auch wohl ein Gauss als Beobachter dazu gehören, um solche Resultate erhalten zu können. Der Gegenstand interessirt mich unge- mein, und Sie werden mich ungemein verpflichten, wenn Sie mir etwas über den weiteren Fortgang Ihrer Untersuchungen mittheilen wollen.

Mit grossem Leidwesen habe ich aus Ihrem Briefe vernommen, dass Ihre verehrte Frau Tochter nicht recht wohl ist. Ich hoffe, Sie

Komet 1832 EL, von Gambärt Juli 19, von Harding Juli 29 entdeckt. Ki-m.

592 Olbers an Gauss. Bremen, 1833 Januar 8.

können mir bald ihre völlige Wiederherstellung nach vollendeter Kur berichten.

Meine Besserung macht keine Fortschritte, doch bin ich auch nicht schlimmer, als ich es bei meinem vorigen Schreiben war.

Vor wenigen Tagen erhielt ich von Mossotti aus Buenos Aires 2 Beobb. des ENCKE'schen Kometen^) bei seiner diesjährigen Wieder- Erscheinung vom 2. und 6. Juni des Morgens. Es war mir ganz un- bekannt, dass dieser, doch gewiss sehr ausgezeichnete Mathematiker, nach Buenos Aires gegangen und dort bei dem topographischen Bureau angestellt ist. Mossotti fand den Kometen unerachtet seiner damaligen Erdnähe so Mein und lichtscJnvach, dass er verzweifelte, ihn mit seinem Sfüssigen Dollond noch weiter beobachten zu können (das Schiff von Buenos Aires segelte den 6. Juni). Kaum kann man sich des Ge- dankens erwehren, dass der Komet physische Veränderungen erlitten haben muss.

Entschuldigen Sie die Kürze meines Briefes mit meiner Schwäche.

K S. Da ich heute nicht gut mehr schreiben kann, so möchte ich Sie bitten, Hrn. Prof. Harding zu sagen, dass ich ihm für seine beiden letzten Briefe sehr dankte, dass nun sowohl seine Beob. vom 2. Aug. als die vom 21. Aug. sehr gut mit meinen Elementen^) stimmten, und dass er recht gern diese Elemente drucken lassen köline.

No. 674. Olbers an Gauss. [357

Bremen, 1833 Januar 8.

Unser Briefwechsel ist lange, für mich sehr lange, unterbrochen worden. Ihr Stillschweigen erkläre ich mir aus Ihren wichtigen Be- schäftigungen, das meinige entschuldigt sich aus dem Umstände, dass ich Ihnen nichts Ihre Aufmerksamkeit auch nur einigermaassen Ver- dienendes zu schreiben hatte. Indirekt habe ich freilich zweimal, durch Sir James South und Dr. Tiarks, etwas von Ihnen gehört. Aber länger kann ich es nicht aushalten. Ich muss mich einmal wieder selbst mit Ihnen unterhalten und Sie zugleich inständig bitten, mir von Ihnen, Ihr et' geehrten Familie und Ihren Beschäftigungen einige Nachricht zu geben.

South und Tiarks konnten mir beide nicht genug von Ihren be- wundernswürdigen Apparaten zu Iliren magnetischen Untersuchungen

*) Komet 1832 I, auch im Juni am Kai) ""^^ i"i -■^^itT- von Harding in Göttinnen beobachtet. Vergl. Olbers Bd. I No. 123 und 125, ferner Xo. 195, S. 657. Krui. -) Komet 1832 U, vergl. Olbers Bd. I, No. 122. Krm.

Olbers an Hau,--, liniii.ii. Ib33 Januar 8. 593

i-ühmen. Letzterer versicherte, von Ihnen vernommen zu haben, dass Ihre erste, der Künigl. Societät vorzulesende Abhandhing ^J über diesen Geofenstand bereits ganz fertig sei. Ich bin äusserst begierig, etwas Näheres darüber zu hören und zu erfahren. A\'ahrscheinlich werden Sie also wohl diese Vorlesung in diesen Tagen halten, oder schon ge- lialten haben.

Clausen hat mir seine Untersuchungen mitgetheilt, aus denen es mehr als wahrscheinlich, beinahe gewiss wird, dass der Komet ^) vom .lan. 1748 und vom Nov. 1819 identisch sind, dass dieser Komet vor 1758 eine Umlaufszeit von etwa 6,747 Jahren, nach 1817 aber eine von 5,60 Jahren hatte, und dass er etwa im Herbst 1836 zu seiner Sonnennähe wiederkehren wird. Da hätten wir dann einen Kometen von kurzer Umlaufszeit, der durch seine von Zeit zu Zeit stattfindende, sehr grosse Annäherung an den Jupiter eine sehr veränderliche Bahn beschreibt und den Rechnern noch lange zu schaffen machen wird. Ueber seine nächste Wiedererscheinung wird sich aber nichts Zuver- lässiges sagen lassen, bis die Störungen, die er zwischen 1819 und 1836 von dem mächtigen Jiqnter erlitten hat, wirklich berechnet sind. Denn er muss 1830 wieder eine geraume Zeit diesem Planeten nahe gewesen sein.

Ich habe mich dieser Tage mit der Entzifferung eines, der äusserst schlechten Hand wegen, sehr schwer zu lesenden Manuskripts des Ost- friesischen Astronomen David Faeeicius^) beschäftigt, das er Calen- darium historicum betitelt hat. Es enthält hauptsächlich nur täg- liche Wetterbeobachtungen, besonders von 1590 bis 1614, denen Fa- BRicius am Rande die Konstellationen beigesetzt hat, ohne jedoch auf den Mond je Rücksicht zu nehmen. Freilich finden sich auch manche astronomische Beobb., Höhen der Sonne und Fixsterne, Distanzen der Fixsterne von einander und von Planeten, Sonnen- und Mondfinster- nisse u. s. w. darin; aber diese, so gut sie für die damalige Zeit auch sein mögen, haben bei dem jetzigen Zustande der Sternkunde kein sonderliches Interesse. Was ich hauptsächlich darin suchte, habe ich nicht gefunden. So viel wie nichts von den während dieser Zeit er- schienenen Kometen, und gar nichts von seiner Entdeckung des Sterns Mira im Wallfisch, nichts von den in seiner Nachbarschaft erfundenen Fernrohren, die er und sein Sohn schon so früh benutzten, nichts von

*) Vergl. die Anmerkung auf S. 587 im Brief No. 672 und den folgenden Brief von Gauss. Krm.

-) Komet 1743 I bezw. 1819 IV, 1836 wurde dieser und überhaupt ein Komet nicht beobachtet. Zu der von Clausen vermutheten Identität dieses Kometen vergl. auch Brief No. 676 vom 9. Febr. 1833 und die Anmerkung 1 auf S. 599. Krm.

') Vergl. auch Olbers Bd. I No. 19, S. 200—211. Krm.

Olbers. II, 2. 38

594 Gauss an Olbers. Göttingen, 1833 Januar 11.

Sonnenflecken, die sein Sohn, der ihn gleich herbei rief, doch wahr- scheinlich zu allererst entdeckt hat u. s. w.

Nach einem Briefe von Sir John Heeschel hat HE^^)EESON auf dem Kap den ENCKE'schen Kometen 9 mal beobachtet. Die Beobb. waren aber noch nicht in England angekommen. Er hat mir zugleich seine Originalbeobb. ^es BiELA'schen Kometen geschickt.

Doch genug von diesen Kleinigkeiten, kleine Gesundheit macht weiter keine Fortschritte, doch vegetire ich bei strenger Diät und strengem Regime noch so erträglich fort. Möge der Himmel Sie, mein theurer Gauss, und die lieben Ihrigen auch dieses Jahr mit reichem Segen überschütten. Erhalten Sie mir Ihre bisherige gütige Freund- schaft und Liebe.

N. S. Besonders verlangt mich etwas von Ihrer würdigen, hoffent- lich nun ganz wieder hergestellten Frau Tochter zu hören.

No. 675. Gauss an Olbers. [sis

Göttingen, 1833 Januar 11.

Durch Ihren lieben Brief vom 8. haben Sie [mich] um so mehr er- freut, da ich dadurch bestätigt sehe, was ich von Zeit zu Zeit auf indirektem Wege erfuhr, dass es mit Ihrem Befinden leidlich geht. Möge doch das angetretene Jahr von Anfang bis zu Ende in dieser wie in jeder anderen Beziehung ein recht glückliches für Sie sein.

Recht sehr danke ich Ihnen für alle die interessanten Mittheilungen Ihres Briefes, ganz besonders für die Nachricht von dem Fund des Hrn. Clatjsen, worüber das Nähere zu erfahren ich überaus begierig bin.

Meine Abhandlung über die Intensität des Erdmagnetismus, d. i. ein kleiner Theü davon, ist im vorigen Monat in der hiesigen Societät. von deren mathematischer Klasse Sie jetzt der Senior sind, vorgelesen, so Avie auch ein Bericht darüber bereits in unseren G. Ä.^) abgedruckt ist. Da letzterer, wie ich aus Ihrem Briefe schliesse, Ihnen noch nicht zu Gesicht gekommen ist, so lege ich einen Abdruck bei. den ich jedoch vielleicht in dem Fall sein könnte, mir von Ihnen demnächst zurück- erbitten zu müssen. Durch ein Versehen habe ich nämlich nur einige wenige Abdrücke erhalten, wovon dies der letzte ist. und für einen

^) Gott. Gel. Anz., Stück 205—207, 1832 Dec. 24; Gauss" Werke Bd. V, S. 293 bis 304. Eine französische Uebersetzung dieser Anzeige hatte Humboldt an das In- stitut nacli Paris gesandt. Vergl. den Brief Encke's an G.\rss vom 21. Jan. 1S33 in E. ScHEKiNo, (Uuss und die Erforschung des Erdmagnetismus. S. 47—48, ferner Brief No. 22 von» 17. Febr. 1833 im Briefwechsel Homboldt-Gaüss. Krm.

Gauss an Olbers. Gütting-eu, l;^3o Januar 11. 595

gewissen Zweck, dessen ich gleicli erwälinen werde, würde ich einen noch nöthig haben. Vielleicht wird jedoch Schumacher diesen Artikel in den .4. X}) wieder abdrncken, in welchem Fall ein Kxemplar des neuen Abdrucks denselben Dienst wird leisten können.

Ich gehe nämlich mit dem Gedanken um, auf Erbauung eines eigenen Gebäudes t'iu- magnetische Beubb. anzutragen, aus welchem alles Eisen verbainit und durch Kupfer ersetzt ist, wie z. B. Humboldt ein solches auf eigene Kosten in Berlin gebaut hat, obwohl das von mir projektirte viel grössere Dimensionen haben müsste. Ich habe vorerst unseren Baumeister um einen Anschlag der Kosten ersucht, und würde, wenn ich demnächst bei unserem Ministerium einen solchen Antrag stellte, zur Abkürzung einen Abdruck jenes Artikels gern bei- legen. Ich vermuthe, dass man in Hannover einen solchen Plan bei- fällig aufnehmen wird, wenn der Kostenpunkt kein Hinderniss macht. Der Baumeister hat mir seinen Entwurf noch nicht abgeliefert, nach dem aber, was ich gehört habe, würden die Kosten sich wohl gegen 1000 M. belaufen können. Freilich muss dabei berücksichtigt werden, dass nach der früheren Art die blossen Instrumente (wie Gambey sie macht) leicht doppelt so viel als jene Summe kosten, während diese nach meinen Einrichtungen ein ganz unbedeutendes Objekt sind. In diesem magnetischen Observatorium würden die stündlichen Variationen der Dekl. alle Tage zu bestimmten Stunden zu beobachten sein, und daneben alle Jahre mehrere Male in grösster Schärfe die absolute In- tensität. Letzteres Geschäft, welches jedes Mal ein ziemliches Stück Arbeit ist, würde ich recht gern auf mich nehmen, nicht aber das erste, welches indess bald erlernt werden kann, und jedesmal nur ein paar Minuten erfordert, daher leicht von Hrn. Prof. Harding oder mitunter von einem Zuhörer besorgt werden kann.

Jetzt noch einiges über meine Kinder, wonach Sie sich so theil- nehmend erkundigen. Mein ältester Sohn, der seit Ostern 1832 bei der in Wunstorf garnisonirenden berittenen Artillerie steht und sich in diesem Verhältniss gefällt, ist letzthin 6 Wochen zum Besuch bei mir gewesen. Am Schluss des Jahres waren zugleich mein jüngster Sohn aus Oberbehme und Hr. Prof. Geeling aus Marburg auf acht Tage bei mir; jetzt lebe ich wieder einsam.

Mit der Gesundheit meiner ältesten Tochter geht es leider gar nicht zu meiner Zufriedenheit. Sie ist nicht krank, aber auch nicht gesund, sehr schwach und von jeder Anstrengung sehr angegriffen. Dabei leidet sie viel an der Brust.

Mein jüngster Sohn macht mir auch viele Sorgen. Nachdem er

M A. N. Bd X No. 238, S. 349—360. Krm.

38"

59(5 Gauss an Olbers. Göttinnen, 1833 Januar 11.

2 Jahr in Poppenhagen und jetzt fast 1 Jahr in Oberbehme in der Stellung eines Kostgängers sich der Landwirthschaft mit Eifer ge- widmet hat, scheint mir das Wünsclienswertheste, dass er nun eine Zeit lang zur Befestigung seiner Selbständigkeit in einer mit bestimmter Verantwortlichkeit verbundenen Stellung stehe, vulgo Verwalter, und dann nachher noch einige Zeit auf einer Universität auf Hülfstudien wie Botanik, Chemie pp. verwendet. In Rücksicht auf seine künftige Karriere hat er sich aber schon lange mit dem Projekt familiarisirt, nach Amerika auszuwandern. Ich kann nicht in Abrede stellen, dass in Deutschland für einen Laudwirth, dem nur ein sehr beschränktes Vermögen zu Gebote steht, die Aussichten eben nicht einladend sind (für welchen anderen Lebensberuf wären sie es aber viel mehr?), und dass wohl in der neuen Welt sich mit massigen Mitteln viel mehr aus- richten lässt, zumal da mein Sohn solide, arbeitsam und unverwöhnt ist. Ich habe daher jenes Projekt, wenn auch noch nicht bestimmt billigen, doch auch nicht absolut verwerfen können. Mein Sohn würde dagegen nichts lieber sehen, als wenn ich ihm erlaubte, sich je eher, je lieber, z. B. schon im bevorstehenden Frühjahr, einer Auswanderungs- gesellschaft anzuschliessen. Dies aber habe ich bestimmt verweigern müssen und bestehe auf der conditio sine qua non, dass er erst eine Zeit lang in einer Stellung, wie die oben bezeichnete ist, gestanden und mir dadurch eine volle Bürgschaft für seine Reife gegeben habe (er ist im 20. Jahre). Die Schwierigkeit ist nun, eine passende Stelle der Art, wo er zugleich wo möglich noch mancherlei zuzulernen Gelegenheit hätte, zu finden, obwohl ich hätte denken sollen, dass die Schwierig- keit nicht so gross sein könne, da er dabei gar nicht auf Salarium zu sehen braucht. Ich selbst kann dabei wenig oder nichts thun. Einen Versuch mache ich jetzt, da ein Freund sich verwendet, ihn bei Nathusius anzubringen, ich weiss jedoch nicht, wie viel jener bei diesem vermögen wird. Gelänge es, und gewönne demnächst mein Sohn das Wohlwollen dieses Mannes, so würde ich dies um so mehr als ein Glück für ihn ansehen, da er dort seine Kenntnisse ungemein zu erweitern Gelegenheit fände. Vielleicht könnte sich sogar dann ein Anhaltspunkt finden, der ihn von seinem Hauptprojekt, zu dem ich meine Einwilligung doch nicht gern gebe, ganz ablenkte.

Von meinem zweiten Sohn habe ich ein paar Mal Nachrichten erhalten, die Avenigstens besser sind als die früheren. Kr war noch Soldat, allein die Schule scheint viel zu seiner Besserung beizutragen. Ein Zeugniss seines Kai)itäns spricht sein vollkonnnen gutes Betragen aus; ein Brief an mich von seinem sor/eant-niainr (der nach einer glück- lichen Fügung ein halber Landsmann und nacli allem, wie es scheint, ein sehr achtungswerther Mann ist) bestätiut nicht nur jenes Zeugniss,

y

Gauss au Olbers. Güttinireu. 1833 Januar 11. 597

sondern bezeiig-t, tJuit hc will maJi-e a very good efficlent solcUer. und dass er sich dazu qualificiien werde, bald dessen Platz einzunehmen, der im laufenden Monat (Januar 1833) vakant werden würde. Mein Sohn selbst bezeugt seine gegenwärtige Zufriedenheit mit seiner Lage, und dass er an geregelte Thätigkeit und Sparsamkeit gewöhnt wird. Nach letzten Aeusserungen Avird mir indessen fast unwahrscheinlich, dass er die fragliche Stelle erhalten wird; er scheint jetzt gar keinen wirklichen Dienst zu thun, sondern hat mit einer kleinen Vergütung die Aufsicht über die lihrary der Garnison, und beschäftigt sich mehr mit Studiren als mit eigentlich militärischen Geschäften. Er bemüht sich und viele Anglicismen in seinen Briefen scheinen dies zu be- stätigen — , sich in der englischen Sprache recht zu perfektioniren, und hofft nach Ablauf seiner Dienstzeit durch die Empfehlung seiner Offi- ciere, deren Gunst er sich erworben habe, dadurch weiter fortzukommen. Er äussert nur einige Besorgniss wegen des Umstandes, dass nächstens der bisherige Kapitän abgehen und ein der Kompagnie unbekannter dessen Platz einnehmen werde. Einen Lieutenant, dessen Wohlwollen er rühmt, habe ich zu Zeiten in den Nachrichten über die Expedition gegen die Wilden in Zeitungen erwähnt gefunden, Lieutenant Kings- BURY. Ich erwarte nun mit Verlangen weitere Nachrichten. Einst- weilen möchte ich Sie, liebster Olbers, fragen, ob ich Ihnen ohne zu viele Beschwerde für Sie einen Brief zu weiterer Beförderung nach New York werde zuschicken dürfen?

Welche Absichten unser Gouvernement in Beziehung auf die Wieder- besetzung von Thibaüt's Stelle hat. ist mir zur Zeit noch nicht be- kannt genug. Eine bedeutende Zahl Aspiranten haben sich an mich gewandt in der Meinung, dass ich Ihnen dazu behülflich sein könne; ich werde mich aber ohne besondere Aufforderung nicht darein mischen können. Dirksen, auf den man w^ohl reflektirt hat, steht in Berlin schon so hoch, dass man davon, wie es scheint, jetzt abstrahirt hat. Bei TiARKS habe ich auf den Busch geschlagen, er scheint aber wegen seiner Verhältnisse zu dem englischen Gouvernement nicht darauf entriren zu wollen. Ein treffliches Docententalent und die Gabe, den Vortrag praktisch fruchtbar zu machen, hat ohne Zweifel unser Gerling, auch sonst vieles, was ihn empfehlen würde. Dies alles natürlich nur im engsten Vertrauen.

Unser Weber beschäftigt sich mit einer interessanten Arbeit über den Mechanismus des Gehens und Laufens; ich bin recht begierig darauf und verspreche mir viel Belehrung davon.

Unsere Reihen in Göttingen werden immer mehr gelichtet, und es ist zu befürchten, dass uns bald noch manche Verluste bevorstehen, da so viele in hohem Alter und schwach sind. Zu letzteren gehören auch

598 Olbers an Gauss. Bremen, 1833 Februar 9.

noch einige in unserer Fakultät, in der ich vor 3 Jahren der jüngste war, und vielleicht bald zu den älteren gehören könnte. Unser Freund Heeeen ist aber zu meiner Freude noch immer sehr kräftig und wohl.

Möchte ich recht bald wieder mit einigen Zeilen von Ihnen, mein theuerster Olbers, und vorzüglich mit recht beruhigenden Nachrichten über Ihr Befinden erfreut werden.

P. S. Eben ist der Baumeister bei mir gewesen. Wir können über den Platz des Gebäudes noch nicht einig werden. Hoffentlich wird sich von den veranschlagten Kosten noch sehr "\iel abdingen lassen. Ich gehe zugleich mit dem Gedanken um, in Gemeinschaft mit Weber einen grossen künstlichen Magnet herzustellen, der dem be- rühmten von Knight wenigstens gleich kommen soll.

No. 676. Olbers an Gauss. [sss

Bremen, 1833 Februar 9.

Sie haben mir durch Ihren lieben Brief vom 11. Jan. eine grosse Freude gemacht, und mit vielem Vergnügen und grossem Interesse habe ich in den Gott Anz. den Auszug aus Ihrer so äusserst wichtigen Vor- lesung gelesen. Die Stücke der Anzeigen schicke ich bei dieser Gelegen- heit zurück, da Sie dieselben vielleicht brauchen werden, und ich mir jetzt dieselben immer von der Bibliothek des hiesigen ^Museums wieder zum Nachsehen verschaffen kann. Ihr so scharfsinnig und zweckmässig eingerichteter Apparat hat meine grösste Bewunderung erregt. Es wäre sehr zu bedauern, wenn Sie nicht ein völlig zu seiner Aufstellung und Ihren magnetischen Untersuchungen geeignetes Lokal für ihn er- hielten.

Herzlich beklage ich, dass Ihre liebe Frau Tochter noch immer leidend ist, hoffe aber, dass das nun bald beginnende Frühjahr wohl- thätig auf ihre völlige Wiederherstellung wirken wird. Gleiche Hoff- nung muss ich mir auch für meinen Enkel, den so glücklich ver- heiratheten Dr. Wilhelm Focke, machen, der mir, seit vorigem Herbst immer kränkelnd, manche Sorge macht. 31it so grösserer Freude und Theilnahme habe ich die wirldlch sehr guten Nachrichten von Ihrem, fast möchte ich sagen, verloren gewesenen Sohn aus Amerika gelesen; mir um so unerwarteter \u\d angenehmer, da ich wirklich fürchtete, der junge Mann möchte in der rohen Umgebung amerikani- scher Soldaten physisch und moralisch völlig zu Grunde gehen. Gern, sehr gern werde ich Ihre Briefe nach New York besorgen.

fl

Olbers an Gauss. Bremen, 1833 Februar 'J. 599

Das Xäliei'e über Claüsen's Kometen werden Sie jetzt in den .1. X}) gelesen haben. Bei genauerer Ansicht finde icli, dass dieser Komet docli 18:19 dem Jupiter nicht so nahe gekommen ist, wie ich Anfangs glaubte, wenn seine Periode jetzt wirklich so klein ist, als ( LAUSEN sie giebt. Aber ottenbar kann er für die Dauer derselben auf '.0 vielleicht 100 Tage nicht einstehen, und wäre sie um so viel grösser, :su würde die Annäherung an den 4 sehr stark werden können. Immer würde ich doch die Berechnung der Perturbationen, die Jvpiter nach der von Clausen vorausgesetzten Umlaufszeit während der Jahre 1829 und 1830 in der Bewegung des Kometen hervorbringen musste, wün- schenswerth halten, um zu sehen, in welchem Sinne sich die Elemente dadurch ändern müssen, wenn man gleich die eigentliche Grösse dieser Aenderungen wegen Ungewissheit der Umlaufszeit nicht wird bestimmen können. Ich denke, diese Kechnung, da man keine grosse Schärfe darein zu legen braucht, wird nicht so gar schwer und langweilig werden, und Hesse sich wohl für 2 Hypothesen über die Dauer der l'mlaufszeit anstellen.

In einem späteren Briefe äussert Glauben noch die auch gar nicht unwahrscheinliche Vermuthung, dass auch der Komet ^) No. 69 von 1766 und No. 121 von 1819 identisch sein möchten. Die Verschieden- heit der Elemente würde sich daraus erklären, dass der Komet 1 \ Re- volutionen vor seinem Perihel im Jahre 1819 dem Jiqnter sehr nahe gewesen sei. Auch dieser Komet würde im Jahr 1836 wieder zu er- warten sein.

Mit meiner Gesundheit geht es in dieser Jahreszeit weiter nicht vorwärts. Ausser meinen anderen Beschwerden werde ich von einem ungewohnt hartnäckigen und heftigen Husten geplagt, der mir die nächtliche Ruhe nimmt.

Leben Sie recht wohl, mein allertheuerster Freund. Erfreuen Sie mich, wenn es Ihre Geschäfte erlauben, recht bald wieder mit Ihrer Zuschrift. Sie können sich kaum vorstellen, welche Freude mir jeder Ihrer lieben Briefe macht.

1) A. N. Bd. X No. 237, S. 845—848. Krm.

2) Komet 1766 II bezw. 1819 III, nach der Wiederentdeckung- dieses Kometen, dessen kurze Umlaufszeit zuerst Encke ermittelt hatte (vergi. Brief No. 885, Anmer- kung 2 auf S. 11), durch Winnecke im Jahre 1858 scheint sich diese von Clausen vermuthete Identität zu bestätigen. Krm.

ßQQ Olbers an Gauss. Bremen, 1833 Juni 21.

No. 677. Olbers an Gauss. [359

Bremen. 1833 Juni 21.

Ich kann beikommendes Packet, das ich für Sie aus Schottland erhalten habe, nicht abgehen lassen, ohne Sie zugleich selbst herzlich zu begriissen und Ihnen zu sagen, dass ich noch lebe wenigstens noch immer vegetire nicht recht krank, noch weniger gesund, bei fühlbar abnehmenden physischen und psychischen Kräften immer mehr veralte.

Im vorigen Maimonat bin ich durch die unerwarteten und plötz- lichen Todesfälle des KuLENKAMP'schen Ehepaars sehr erschüttert und betrübt worden. Er, Dieteich Ktjlenkamp, war zwar schon seit Jahi'en sehr leidend und krank, der menschlichen Gesellschaft ganz abgestorben, aber sein Tod war doch um so überraschender, da er sich gerade den Tag vorher, seiner Art nach, ungemein wohl gefühlt und befunden hatte. Sie, meine leibliche Niece, Mad. Heloise Kulenkamp, die Sie, lieber Gauss, recht gut gekannt haben, eine anscheinend völlig ge- sunde, noch immer schöne Frau, besuchte mich 17 Tage nachher, am 23. Mai, gegen Mittag, ich freute mich ihres blühenden Aussehens und der Versicherung ihres vollkommenen Wohlbefindens; sie ging von mir noch zu zwei Freundinnen, wird bei der letzteren auf einmal unwohl. es tritt ein Schlagfluss ein, und aller angewandten ärztlichen Hülfe unerachtet ist sie Abends 11 Uhr schon eine Leiche. Der Verlust thut mir sehr, sehr wehe.

Gross ist mein Verlangen, bald wieder etwas von ninen und den Ihrigen zu hören. Den besonderen Abdruck^) Ihrer Societäts- Vorlesung über die Abmessung der magnetischen Kraft besitze ich schon und lese ihn oft. Ist Ihr magnetisches Observatorium schon zu Stande ge- kommen? Ungeduldig erwarte ich, erwarten gewiss mit mir recht viele den weiteren Fortgang Ihrer trefflichen Untersuchungen, die uns noch so viele Aufklärungen über die wichtigsten Gegenstände der Physik versprechen.

Geuithuisen schreibt mir, im Vertrauen, dass er wahrscheinlich nach Bogenhausen an Soldner's Stelle kommen werde!! Er scheint indessen selbst zu fühlen, dass er für diese Stelle nicht passe.

Sehr erfreulich ist mir die jetzige russische Chronometer-Expedition in der Ostsee. Der Himmel gebe, dass sie durch keinen Zufall ge- stört werde.

^) Vergl. den folgenden Brief. Krm.

Gauss an Olbers. Güttingen, 1833 November 20. (301

Ang:enehm ist es mir auch gewesen, dass Aiet, wie ich schon längst gewünscht hatte, den Abstand^) des 4. -if Trabanten von seinem Hauptplaneten von Neuem genauer untersucht hat. Gleich wie Bessel sein grosses Heliometer erhalten hatte, forderte ich ihn zu dieser Unter- suchung auf. Aus Aiky's Beobb. ergiebt sich nun, dass 4 seine Tra- banten nicht mit der La PLACE*schen, sondern mit einer Masse ^) an- zieht, die der von Ihnen aus den Störungen der Pallas bestimmten sehr nahe kommt, ja noch etwas grösser als die ENCKE'sche scheint.

W'eun es irgend möglich ist, so erfreuen Sie mich bald, lieber theurer Freund, mit einigen Zeilen.

No. 678. Gauss au Olbers.') [sw

Göttingen, 1833 November 20.

Es ist sehr lange her, dass ich von Hinen keine Nachrichten, und wie ich besorge noch länger, dass ich Ihnen nicht geschrieben habe. Theils durch wirklich recht überhäufte und zeitversplitternde Arbeiten, theils (oder noch mehr) durch mancherlei Bekümmernisse und Sorgen bin ich in aller Korrespondenz zurückbleibend geworden. Ich darf jedoch nicht länger anstehen, Ihnen wenigstens ein Lebenszeichen zu geben.

]\Iit meiner Vorlesung über die Intensität des Erdmagnetismus, von welcher ausnahmsweise schon jetzt, also mehrere Jahre vor dem muth- maasslichen Erscheinen des betreffenden Bandes der Comm., ein be- sonderer Abdruck ausgegeben ist, komme ich bei Ihnen zu spät; in- zwischen hoffe ich, dass Sie das beikommende Exemplar, wenn auch nur des vielleicht besseren Papiers wegen, noch freundlich annehmen werden. Ich weiss nicht, ob Sie vielleicht Poggendorff's Uebersetzung^) in seiner Zeitschrift beachtet haben; diese ist ganz missrathen und völlig unbrauchbar, da sie die krassesten Fehler enthält.

Das magnetische Observatorium ist bis auf einige innere Einrich- tungen vollendet, und ich habe bereits vorläufig einen der bisherigen Apparate hineingestellt und angefangen, die Berichtigungen behufs Nullpunkt der Fadentorsion, besten Platzes der Aufstellung etc. vorzu- nehmen, wobei ich durch die Kürze und Dunkelheit der Tage, von

^) Vergl. hierzu Olbers Bd. I No. 151, S. 510 Anmerkung 1, ferner No. 153, ! S. 512—519. Knn.

I -) Dieser Brief ist mit Ausnahme einiger Stellen wieder abgedruckt in E. Sche-

I BING, C. F. Gauss und die Erforschung des Erdmagnetismus, S. 56 58. Göttingen ' 1887. Krm.

') Vergl. Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie, 28. Bd. 1833, 6. und 8. Stück. Ki-m.

(502 Gauss an Olbers. Göttingen, 1833 November 20.

denen das meiste oder oft das ganze durch zwei Collegia und ander- weite nie endende Störungen absorbirt wird, sehr gehemmt werde, so dass diese Operationen, die an hellen Sommertagen und freier Disposi- tion über die Zeit in 1 2 Tagen absolvirt werden könnten, jetzt meh- rere Wochen erfordern werden. Gar viel verloren ist jedoch dabei nicht; denn definitiv wird eine ca. 4 U schwere (2 Fuss lange) Nadel aufgehängt werden, w^ozu die Hülfsapparate fSpiegelhalter. Schiffchen pp.) erst angefertigt werden müssen.

Ich weiss nicht, ob ich Ihnen schon früher von einer grossartigen Vorrichtung^), die wir hier gemacht haben, geschrieben habe. Es ist eine galvanische Kette zwischen der Sternwarte und dem physikali- schen Kabinet durch Drähte in der Luft über die Häuser weg oben zum Johannisthurm und so wieder herab gezogen. Die ganze Draht- länge wird etwa 8000 Fuss sein. An beiden Enden ist sie mit einem Multiplikator verbunden, bei mir von 170 Gewinden, bei Webee im phys. Kab. etwa 50 Gewinden, beide um 1 pfundige Magnetnadeln ge- führt, die nach meinen Einrichtungen aufgehängt sind. Es sind daraus manche imposante, zum Theil Anfangs überraschende Versuche und Erfahrungen hervorgegangen. Zu den letzten gehört, was freilich hätte vorausgesehen werden können, dass gar keine grossen Platten oder starken Säuren erforderlich sind, um eine doch sehr gross in die Augen fallende Wirkung zu geben, ^\'ir nehmen stets nur reines Brunnenwasser und ein massiges Plattenpaar, zuweilen nur wie ein pr[eussischer] Thaler gross, und die Wirkung bleibt doch nicht sehr viel kleiner, als wenn noch so starke Säuren und noch so grosse Platten genommen werden (vorausgesetzt, dass man nur ein Paar anwendet). Ich habe eine einfache Vorrichtung ausgedacht, wodurch ich augen- blicklich die Richtung des Stromes umkehren kann, die ich einen Kom- mutator nenne. A\'enn ich so taktmässig an meinen Platten operire. so wird in sehr kurzer Zeit (z. B. in 1 oder 1 .V Min.) die Bewegung der Nadel im phys. Kabinet so stark, dass sie an eine Glocke an- schlägt, hörbar in einem anderen Zimmer. Dies ist jedoch mehr Spie- lerei. Die Absicht ist, dass die Bewegungen gesehen werden sollen, wo die äusserste Akkuratesse erreicht werden kann. A\'ir haben diese

^) Ueber diesen ersten elektromagnetischen Telegraphen linden sich eingehende Nachrichten in „Sartorius von Waltershausen, Gaoss zum Gedächtniss", S. 63 65, ferner Brief v. 20. Aug. 1833 von Gauss an Encke, wieder abgedruckt in „Schering, Gauss und die Erforschung des Erdmagnetismus", S. 56 ww^'Gött. Gel Anz. 12S. Stück (Gauss' Werke Bd. V, S. 524—525, roticiENooiiFF's Annalen 1884 Bd. o2, S. 562—572 mit einem Zusatz). Ein grösserer Theil der Leitung wurde 1845 Dec. 16 durch Blitz- schlag zerstört. Vergl. auch Brief No. 1030 vom 22. Dec. 1845, Bd. V des Brief- wechsels Gauss-Schumacher. Krm.

Olbcrs an Gauss. Bremen, 1833 December 3. 603

VoiTiclituiig bereits zu telejrraitliisclieii Versuchen gebraucht, die sehr gut mit ganzen ^^'örtern oder kleinen Plirasen gehingen sind. Diese Art zu telegraphiren liat das Angenehme, dass sie von Wetter und 'lageszeit ganz unal)liäiigig ist; jeder, der das Zeichen giebt und der dasselbe empfängt, bleibt in seinem Zimmer, ■'.venn er will, bei ver- schlossenen Fensterläden. Ich bin überzeugt, dass unter Anwendung von hinlänglich starken Drähten auf diese Weise auf einen Schlag von Göttingen nach Hannover oder von Hannover nach Bremen telegraphirt werden könnte.

An der Richtigkeit Ihrer Erklärung^) der P>scheinungen des Sa- /;n;n-inges habe ich zwai" nie gezweifelt, inzwischen ist mir noch eine Manier eingefallen, sie auf eine frappante Art zu bekräftigen. Man stelle bei Nacht ein blabium, wobei die Ringflächen recht blank sind und nur von Lampenlicht beleuchtet werden, so auf, dass das Auge in hinlänglicher Entfernung nur sehr wenig über letztere erhoben ist, und beschaue die Erscheinung durch ein Fernrohr. Man kann, wenn man will, die Entfernung so wählen, dass das Modell dieselbe scheinbare Grösse hat, wie der 'Saturnv'mg selbst. Ich habe Hakding aufgefordert (schon vor längerer Zeit), den Versuch zu machen; der Erfolg ist voll- kommen so gewesen wie in der Natur.

Haben Sie wohl das Buch von Seyffarth über ägyptische Astro- nomie einer Ansicht gewürdigt, und was halten Sie davon?

No. 679. Olbers an Gauss. [36o

Bremen, 1833 December 3.

Ihr Brief vom 20. Nov. hat mir eine sehr grosse Freude gemacht. Zwar schrieb ich Ihr langes Stillschweigen nur Ihren vielen Geschäften und dem eifrigen Verfolgen Ihrer grossen Entdeckungen zu ich höre nun mit Leidwesen, dass auch unangenehme Sorgen daran zum Theil Schuld gewesen sind ; aber doch entbehrte ich mit einiger Un- geduld das sonst so gewohnte Vergnügen, von Ihrer lieben Hand einige Zeilen zu sehen. Herzlich danke ich Ihnen nun sowohl für Ihren Brief als Ihre Abhandlung, die mir als Ihr Geschenk so werth ist, wenn ich sie gleich schon längst besitze und wiederholt durchgelesen habe.

Zu Ihrem vollendeten magnetischen Observatorium wünsche ich Ihnen Glück. A'on Ihrem galvanischen Telegraphen hatte ich schon

^) Von Olbers in Harding's Kleinen Ephemeriden für 1835 veröffentlicht, siehe auch Olbers Bd. I Xo. 151. S. 507—511. Krm.

504 Olbers an Gauss. Bremen, 1833 December 8.

durch das öffentliche Gerücht manches, zum Theil Unverständliches ge- hört, lieber ist mir nun, das Authentische über diese erstaunenswürdige Anwendung des Galvanismus zu erfahren. Allerdings würde sich mit dicken Drähten auch unter der Erde in Glasröhren ein solcher Tele- graph wohl für jede Distanz einrichten 1-assen, wenn man die Kosten daran wenden will. In freier Luft möchte ein Draht zu sehr zufälligen oder absichtlichen Beschädigungen ausgesetzt sein.

Von den Versuchen mit dem nachgebildeten V Ringe hat mir Harding einiges geschrieben.

Setpfaeth's Ämeige über seine ägyptische Astronomie, die er mir zuschickte, habe ich bisher bloss gelesen; ob das eigentliche Werk schon erschienen ist, weiss ich noch nicht. Früher, und dann auch wohl nur, wenn Kenner des ägyptischen Studiums uns belehrt haben, inwiefern Seyffarth richtig gelesen haben mag, lässt sich nicht darüber urtheilen. Manche seiner dreisten Aussprüche in der Anzeige haben für den Astronomen viel Unwahrscheinliches, selbst Unglaub- liches. Wie, HippARCH und Ptolemäus sollten von dieser ägyptischen Astronomie nichts gewusst haben, wenn es auch zu ihrer Zeit Sitte bei den Aegyptern gewesen wäre, die Horoskope auf alle öffentlichen Denk- mäler zu setzen? Wenn es aber auch wahr wäre, was Seyffarth behauptet, so haben wir ja in diesen Horoskopen nicht 1-iOOü alte Beobachtungen, sondern 14000 Berechnungen nach Gott weiss wie fehler- haften Tafeln oder Cyklen, wie schon daraus unwidersprechlich hervor- geht, dass in den von Seyffarth angeführten Beisi)ielen die Oerter von Planeten angegeben werden, die gar nicht sichtbar, sondern untei* den Sonnenstrahlen verborgen waren.

Mit viel mehr Interesse lese ich jetzt Newton's Leben von Brewster (in der deutschen von Brandes herausgegebenen Ueber- setzung), das ich zugleich mit der ausführlichen Eecension im Edin- burgh Revieivs zu vergleichen Gelegenheit habe. Was auch Brewster einwenden mag, so erhellt doch aus den von Brewster selbst beige- brachten Dokumenten, dass Newton im Jahre 1093 viele Monate hin- durch an gestörter Verdauung und Schlaflosigkeit litt, die mächtig auf sein Gemüth und seine Geistesstimmung einwirkten, zuletzt so stark, dass er einige Tage im Sept. wirklich in völlige Geistesverwirrung ver- fiel. Nach den von Newton selbst angegebenen Ursachen und Um- ständen seiner Krankheit wird es der Arzt sehr wahrscheinlich finden, dass Newton nach seiner Wiederherstellung doch nie wieder ganz die vorigen Geisteskräfte erhält.

Schumacher hat in meinem Namen die Italienischen Astronomen aufgefordert, den Versuch zu machen, um mit ihren grösseren Fkafn- HOFERSchen Achromaten die Flecken in der Venus wieder zu sehen,

OHifix :ui (iaii<s r.r.iiHii. 1833 Deceiiil'^r :v 605

(He Bi.vNCHixi darin bfobacliieif. 1>iani hini reducirte bei diesen Vonis- Heobb. die ( »elYiuing seines 70füssigen Objektivs auf 4 Zoll, und brauchte Okulare von 10 Zoll bis 4 Zoll Brennweite. Weder an Lichtstärke noch an VergrüsseiunfTskraft stehen also die grossen FRAUNHOFER'schen Achroniate dem BiANcmxi'schen Fernrohre nach, müssen es Avalirschein- lich noch bedeutend übertreffen.

Bürgermeister Bartels in Hamburg hat mich wissen lassen, dass Ifi-MKEii mit 2000 ^lark Gehalt bei dem Hamburgischen Observatorium angestellt sei. Ich habe Schumachkr um die näheren Umstände be- fragt, aber noch keine Antwort erhalten.

Dass endlich die 9 Beobb.\), die Hexderson von dem ENCKE'schen Ivometen am Kap im vorigen Jahr machen konnte, angekommen sind, werden Sie von Encke selbst wissen. Encke vermindert nun sein U um :jij. Doch wird sich dies erst definitiv ergeben, wenn die Jiqntcr- Masse völlig scharf bestimmt ist.

Mit dieser Bestimmung beschäftigt sich jetzt unser Bessel. Er schreibt^) mir, dass er schon 2 mal 82 (er misst immer zweimal) Distanzen der JHp<7e>--Trabanten von ihrem Hauptplaneten sehr genau «remessen habe. Merkwürdig ist es, dass er den Durchmesser des 4 wieder um etwa 0",8 kleiner findet als Struve.

Auch Ihnen wird ohne Zweifel in diesen Tagen ein ungenannter Mathematiker aus Falun in Schweden seine angebliche Konstruktion des regulären Fünfecks zugeschickt haben. Der Ungenannte scheint sich viel darauf zu Gute zu thun, und doch bedarf es nur eines Blicks, um das Irrige dieser Konstruktion einzusehen. Ton den 5 Winkeln am Umfange sind in dieser Konstruktion die 2 an der gegebenen Seite jeder 108^ 26' 6", die beiden folgenden einander gegenüberstehenden jeder 1060 51'21" und der letzte 109° 25' 6".

Was mich betrifft, so habe ich den Sommer über erträglich zuge- bracht. Mit dem Herbst stellten sich die Schwindel viel heftiger und öfter wieder ein. Nach einem reichlichen Blutlassen sind die Anfälle seltener und gelinder geworden, und ich vegetire so fort. Mehr kann ich wohl in meinem 76. Jahre nicht verlangen.

Leben Sie wohl, mein theurer geliebter Gauss, lassen Sie mich nicht zu lange nach einer, mich immer so sehr beglückenden Zuschrift von Ihnen schmachten.

^) Vergl. Brief No. 674 vom 8. Jan. 1838 an Gauss. Krm.

^) Brief No. 343 vom 20. Nov. 1833, S. 376 im Briefwechsel Olbers-Bessel. Krm.

QQQ Gauss an Olbers. Göttingen, 1834 August 31.

No. 680. Gauss an Olbers.'j [320

Göttingen, 1834 August 31.

Wenngleich man denen, die ihren Lauf auf dieser dornenvollen Erde vollendet haben, nur ein „Wohl ihnen" nachzurufen hat, so werden Sie doch nicht ohne eine wehmüthige Empfindung erfahren, dass unser vieljähriger Freund Harding uns heute Mittag vorangegangen ist. Er kam vor 12 Tagen von seiner Badereise nach Karlsbad etwas unwohl zurück, doch schien es noch vor wenigen Tagen nicht viel zu bedeuten haben, x^llein seit vorgestern verschlimmerte sich sein Zustand so schleunig, dass man schon heute früh seinem nahen Ende mit Gewiss- heit entgegensah.

Von Ihrem Befinden entbehre ich seit langer Zeit aller direkten Nachrichten. Ich meines Theils habe mich den ganzen Sommer, ohne eigentlich krank zu sein, unwohl befunden, wozu ausser der ungeheuren Hitze auch die vielfache Sorge, die mir mein jüngster Sohn macht, mitgewirkt haben mag. Vielleicht erinnern Sie sich, dass er sich der Oekonomie gewidmet hat. Seit 5 Jahren auf verschiedenen Gütern Lehr- ling und Kostgänger, waren alle Bemühungen, wozu ich selbst in meinen in dieser Beziehung konnexionslosen Verhältnissen freilich nicht viel mitwirken konnte, ihn in eine angemessene Stellung zu bringen, die zu näherer Vorbereitung zu künftiger Selbständigkeit dienen konnte, vergeblich gewesen, bis er endlich vorige Ostern eine solche fand. Leider war aber diese durch Umstände, die ausführlich zu erzählen zu weitläufig sein würde, und wobei ihm nichts zur Last fällt als Mangel an Weltklugheit, nur von kurzer Dauer, und er kam dann im Juni zu mir zurück, seit welcher Zeit die Sorge, was ich mit ihm machen soll, mich entsetzlich gedrückt hat. Er selbst richtete seinen Sinn auf Aus- wanderung nach Griechenland oder Amerika, wozu ich aber, da er erst 21 Jahre alt ist und bei aller Solidität und Thätigkeitslust doch noch zu wenig selbständige Weltklugheit bewährt hat, meine Einwilligung nicht geben kann. Er hat in dieser Zeit, da es an anderen Beschäfti- gungen fehlt, sich viel mit den magnetischen, auch anderen Beobb. be- schäftigt und ein wirklich ausgezeichnetes Beobachtungstalent gezeigt, so dass ich wohl daran gedacht habe, dass er sich zu einem sehr guten Beobachter für geodätische Messungen bilden könnte. Allein da doch dabei nur ein Eintritt ins Militär eine dauernde Stellung im Leben sichern könnte, so schreckt mich der Umstand ab. dass seine Augen.

*) Vergl. zu dem Inhalte dieses Briefes auch Gauss' Brief No. 457 vom gleichen Datum im Briefwechsel Gauss-Schitmacher. Krm.

Gauss au Olbers. (iüttingeu, 1834 August 31. 607

obwohl im (Tanzen >cliarf. doch fn^Jir knrzsiditig' sind (ungefähr wie die meinigen I. und icli erinnere mich noch mit Angst der grossen Schwierig- keiten, die man vor 7 Jahren meinem ältesten Sohn wegen seiner Kurz- sichtigkeit in den Weg zum Ofticier legte, obwohl dessen Kurzsichtig- keit mit der seines jüngsten Bruders gar nicht verglichen werden kann. Jetzt kürzlich hat sich indess durch die gütige Bemühung eines aus- wärtigen Freundes eine Aussicht gezeigt, dass er in seiner ursprüng- Uclipu Karriere als Oekonom bei einem reichen CUitsbesitzer vielleicht ankommen kann, eine Aussicht, die so schön ist, dass ich, durch die so vielen früheren Fehlschlagungen entmuthigt. kaum ihre Realisirung hotten kann. Gott gebe, dass sie nicht auch wieder zu Wasser wird. Binnen eines Monats muss es sich entscheiden.

Mein magnetisches Observatorium ist Ende März von Cook, An- fang Mai, wie sie wissen, von Schumacher und im Juli von Oerstedt besichtigt; letzterer wird unverzüglich ein ähnliches Etablissement in Kopenhagen errichten.

Das Blatt der G. G. A}), worin eine kurze Notiz über das hiesige magnetische Observatorium unlängst von mir gegeben ist, lege ich bei, da Ihnen solches vielleicht sonst nicht zu Gesicht gekommen ist. Vielleicht gebe ich dazu in Kurzem noch einen Nachtrag, wovon ich Ihnen vorläufig eine kurze Nachricht geben will. Für feine magne- tische Beobb. ist es zu vielen Zwecken unumgänglich nöthig, nvei Apparate aufgestellt zu haben, wie Sie schon aus meiner Litensltas vis etc. an vielen Stellen abnehmen können. In der Sternwarte waren früher, wie Sie wissen, zivei, einer davon wurde nun nach Vollendung des magn. Obs. überflüssig und ist an Weber abgegeben. Allein der andere war nun nicht mehr ganz würdig, die Kontrolle für den Apparat im magn. Obs. zu bilden, da jener nur eine einpfündige Nadel ist, und in der Sternwarte der Luftzug nicht ganz ausgeschlossen werden kann. Eine 4 pfundige Nadel erfordert nun aber durchaus eine Aufhängung an der Decke, und da schien [es] mir der Mühe werth zu versuchen, noch einen grossen Schritt weiter zu thun. Ich habe daher eine 25 pfundige Nadel an der Decke an einem etwa 15 pariser Fuss langen Kupferdraht aufgehängt. Die übrigen Vorkehrungen sind freilich nur vorläufige, sollen aber in Kürze durch sorgfältig gearbeitete remplacirt werden. Schiffchen mit Torsionskreis ist bereits fertig; Spiegel und Spiegelhalter sind in Arbeit, und ein dichter Kasten soll demnächst auch besorgt werden. Aber auch so, wde die Vorkehrungen sind, zeigen sich bewundernswürdig schön harmonirende Resultate, und es leidet gar

') Gott. Gel. Anz. 128. Stück, 1834 Aug. 9. Wieder abgedruckt in Gauss' Werken Bd. V, S. 519—525. Krrn.

gQg Olbers an Gauss. Bremen, 1834 September 9.

keinen Zweifel, dass man mit beiden Apparaten den feinsten astrono- mischen Beobb. an Schärfe gleichkommen kann. Dass die etwas grösseren Schwankungen in der magnetischen Dekl. an verschiedenen Orten be- w^undernswürdig harmoniren, ersehen Sie schon aus der Beilage^;; alle verschiedenen Versuche gleichzeitig an beiden Apparaten zeigen eine höchst merkwürdige Uebereinstimmung in den fast nie fehlenden ganz kleinen Schwankungen, die nur Bruchtheile einer Bogenminute be- tragen. Schon mehrere Male haben wir durch solche gleichzeitigen Beobb. in dem magn. Obs. und der Sternwarte die ühren an beiden Plätzen verglichen, und es hinterdrein auf wenige Zeitsekunden richtig gefunden. Also eine ganz neue unerwartete Methode der Längen- bestimmung.

Doch ich muss für heute schliessen. Meine beiden Töchter haben dieses Jahr eine Kur in Ems machen müssen, bei der jüngsten glaube ich einige wohlthätige Wirkung zu bemerken, leider weniger bei der ältesten.

No. 681. Olbers an Gauss. [sei

Bremen, 1834 September 9.

Die traurige Nachricht von dem Tode unseres guten Harding hat mich tief erschüttert. Noch unterm 27. Aug. hatte ich einen Brief von ihm, A^orin er mir seine Krankheit von ihrem Anfange an in Dresden beschrieb, sehr über Mattigkeit klagte, auch einige Unzu- friedenheit über die bis dahin gar nichts helfende Behandlung seiner Aerzte bezeigte, aber doch selbst gar keine Gefalu' zu ahnen schien. Ich verliere an dem Verewigten einen langjährigen, immer äusserst ge- fälligen und dienstfertigen Freund, den ich noch lange betrauern werde.

Dies ist der zweite, vieljährige astronomische Freund, der mir dieses Jahr entrissen wird. Der erste war der Prof. Brandes in Leipzig. Auch bin ich im Apr. durch das Absterben meiner ge- liebten Schwester, der L[andesJ-0[ekonomie]-Eäthin Meter in Hannover aufs Schmerzlichste betrübt worden, die so oft im Nachsommer mich durch ihren Besuch auf einige A\'ochen zu erheitern und zu erfreuen pflegte. So lösen sich bei vorrückendem Greisenalter immer mehr die Bande, die uns noch an dieses Erdenleben knüpften.

Mit der Göttinger Sternwarte werden Sie nun wohl eine andere Einrichtung treffen? Bei der Direktion von Sternwarten muss noth- W'endig das monarchische Princip vorherrschen. Koordination taugt

^j I>iL'^o Beilage ist bei den Originalbriefen nicbt nicbr vorhanden. Krm.

1

Olbers an Gauss. Bremen, 1834 September 9. 609

durchaus nidit. Mit einem fälii<ren geschickten, aber gehörig subordi- nirten (jiehülfen werden Sie bei dem grossen Vorratli trefflicher Jnstru- niente eine grosse astronomische Thätigkeit entwickeln können, da es erforderlichen Falls auch an freiwilligen V>rauchbaren Assistenten zu Rechnungen, gewöhnlichen Beobb. u. s. w. unter den Studirenden nicht fehlen wird.

Bei der beispiellos anhaltenden Hitze dieses Sommers habe ich recht oft an Sie gedacht, mein theurer Gauss, weil ich weiss, wie sehr Sie dabei zu leiden pflegen. Auch ich bin sehr davon ermattet worden. Allein sonst habe ich mich meiner Art nach diesen Sommer ziemlich erträglich befunden. Nach einem reichlichen Aderlass in diesem Früh- jahr kommen die Anfälle von Schwindel und Beklemmungen nicht so oft mehr wie sonst, erreichen auch seltener den hohen Grad von Inten- sität, den sie vormals so häufig hatten. Seit einigen AVochen wird es wieder etwas schlimmer, und ich werde nächstens versuchen müssen, ob Blutlassen wieder Linderung schaffen kann. Dass Kräfte, innere und äussere Sinne u. s. w. allmählich immer mehr abnehmen, schreibe ich dem vorrückenden Alter zu. In einem Monat vollende ich mein 76. Jahr.

Dass Ihnen Ihr lieber Sohn, mein lieber Pathe, einige Sorge ge- macht hat, habe ich ungern vernommen. Aber, mein theurer Freund, in welchem Fach fällt es jetzt einem jungen Manne nicht schwer, sich Anfangs Bahn zu brechen? Welches Fach scheint nicht ganz trostlos überfüllt? Und doch kommt jeder, der das Nöthige gelernt hat, thätig und ordentlich ist, endlich zum Zweck. Fata viam invenlent, denke ich immer bei meinen Enkeln, wovon einer, der Medicin studirt hat, künftigen Sommer die Zahl der hier schon w^eit über das Bedürfniss vorhandenen, Praxis suchenden Aerzte mit 5 bis 6 gleichzeitig heim- kehrenden Kollegen vermehren wird. Indessen ist es mir sehr lieb, dass Ihr Hr. Sohn jetzt zu einer passenden Anstellung Hoffnung hat, wozu ich im voraus alles mögliche Glück wünsche.

Für die so interessanten Nachrichten von Ihrem magnetischen Observatorium, Ihren kolossalen Magnetnadeln, und Ihren wichtigen Entdeckungen und Beobb. danke ich auf das Allerherzlichste. Wahrlich, wenn ich nur 10 Jahre jünger oder überhaupt noch mobil zu machen wäre, so müsste ich selbst nach Göttingen, um Ihren bewunderns- würdigen Apparat und Sie, mein Allertheuerster, mit demselben operiren zu sehen.

Ich weiss nicht, ob ich Ihnen schon sonst erzählt^) habe wir gedächtnisschwachen Greise wiederholen uns bekanntlich leicht ,

1) Im Briefe vom 18. Juli 1812 aus Paris (No. 262), Bd. II, 1 S. 508—509. Krm.

Olbcrs. II, 2. 39

Q-^Q Olbers an Gauss. Bremen, 1834 September 9.

dass mir einst Alexander v. Humboldt in einer Versammlung des Instituts als eine eben erhaltene, ihn sehr begeisternde Neuigkeit mit- theilte: „Scheubler in Tübingen habe Versuche mit einer Magnetnadel angestellt, die an beiden Enden einen Nordpol gehabt habe, wahr- scheinlich also eine aus 2 gewöhnlichen Magnetnadeln, die Südpole gegen einander gekehrt, und diese Südpole durch eine kupferne Ver- bindung auseinander gehalten, komponirte und dann im Schwerpunkte des Ganzen aufgehangene Nadel. Der Erfolg sei unter anderen ge- wesen, dass die täglichen Veränderungen der Dekl, statt einiger Mi- nuten, bei dieser komponirten Magnetnadel mehrere Grade^) betragen habe." Ich habe nachher nie wieder etwas von diesem angeblichen Versuche Scheubler's gehört. Ist Ihnen das Nähere davon bekannt? Verdient der Versuch Wiederholung?

In astronomicis giebt es, so viel ich weiss, wenig Neues. Die Stelle '') in Bogenhausen ist noch nicht wieder besetzt. In einer bei der Jahresfeier der Akademie in München gehaltenen Rede hat Schel- LiNG sehr nachdrücklich erklärt, dass sie durchaus nicht an einen solchen Menschen, wie Gruithuisen, den er zwar nicht nennt, aber sehr deutlich und sehr anzüglich bezeichnet, gegeben werden könne. Gruithuisen ist darüber sehr erbost, hat aber klüglich seine Bewer- bung um die Stelle eines Direktors des Observatoriums aufgegeben und sucht nur, den Gebrauch des vom Könige gekauften grossen Re- fraktors in einem eigenen dazu erbauten Gebäude zu erhalten,

Santini hat die Wirkung des widerstehenden Aethers auf den BiELA'schen Kometen nach den ENCKE'schen Formeln und Voraus- setzungen berechnet, und will nur 0,03 Tage für die Verfrühung des Perihels gefunden haben, da die Beob. nach ihm 0,45, nach Nicolai wenigstens 0,9 Tage giebt. Freilich muss die Wirkung des AA'ider- standes nach dem verschiedenen Volumen und der verschiedenen Dichtig- keit für beide Kometen verschieden sein, allein so viel dünner und so viel voluminöser dürfen wir doch wohl den BiELA'schen Kometen nicht voraussetzen, um einen so grossen Unterschied in dem Resultat auszu- gleichen. — Mir ist immer Encke's Voraussetzung, dass die Dichtig- keit des widerstehenden Mittels im Weltraum umgekehrt wie das Qua- drat des Äbstandes von der Sonue ahuelime, sehr unwahrscheinlich vor- gekommen. Ich dächte, diese Dichtigkeit müsse vielmehr nach den Ordinaten einer logarithniischen Linie abnehmen. "Was halten Sie davon, lieber Gauss?

*) Nach Olbeks Bd. II, 1 S. 509 statt 14' nur 45'. Knu. ') Vergl. auch Brief No. 458 vom 4. Sept. 1S34 im Briefwechsel G.\css-ScHr- MACHER. Krni.

Olbers an Gauss. Bremen, 1834 December 31. 61 X

Ich finde es nicht ganz unmöglicli, mit grossen lichtstai'ken Werk- zeugen den HALLFA-'schen Kometen schon im nächsten Winter, vorzüg- lich Febr. und März zu erblicken, und Averde die Astronomen zu seiner Aufsuchung auffordern. \)

»Sagen .Sie mir doch, ob unser guter Haeding seine Witwe in solchen Umständen zurückgelassen hat, dass sie anständig leben kann ? Erhält sie als Professorin Witwengehalt? Oder muss sie noch erst um eine Pension sollicitiren"?

In dieser Woche erwarte ich meinen Sohn von P3i'mont zurück, wo er eine mehr als 4 wöchentliche Kur gebraucht hat, die ihm dies- mal sehr nöthig that. Die überhäuften Arbeiten des vorigen Jahres, da er zu seinen sonstigen Geschäften auch die Stelle eines Polizei-Direktors hatte übernehmen müssen, hatten seine Gesundheit sehr geschwächt. Er rühmt nun, vom Wetter sehr begünstigt, den wohlthätigen Erfolg der Kur, und geht mit frischem Muthe den Beschwerden seines Amts wieder entgegen.

Im Apr. ist mir ein Urenkel geboren, dem man in der Taufe den Namen Wilhelm Olbers Focke gegeben hat.

Leben Sie wohl, mein allertheuerster geliebtester Freund, wenn es Ihnen Ihre wichtigen Geschäfte irgend verstatten, so erfreuen Sie mich bald wieder mit einigen Zeilen.

No. 682. Olbers an Ganss/j [302

Bremen, 1834 December 31.

Den Brief an Ihren Hrn. Sohn habe ich wenige Tage nach seinem Empfange direkt nach New York mit einem Schiffe zu besorgen Ge- legenheit gehabt, und icli hoffe, er wird jetzt längst in seinen Händen sein. Zwar hat, wie Ihnen vielleicht bekannt sein wird, Hr. Breden- KAMP (Firma Bredenkamp & Plump) schon vor geraumer Zeit fallirt; dies wird ihn aber doch nicht hindern, den seiner Fürsorge empfohlenen Brief an die Behörde zu befördern. Den w^ärmsten, lebhaftesten An- theil nehme ich an der Freude, mein allertheuerster geliebtester Freund, die Ihnen die guten Nachrichten von dem fast ganz Aufgegebenen ge- macht haben müssen. Sein Avancement zum ersten Sergeanten seiner

1) Siehe Olbers Bd. I No. 127, S. 444 ff. Krin.

^) Nach dem Inhalte dieses Briefes und der in nachstehender Anmerkung er- wähnten, vom 5. Not. 1834 datirten Veröffentlichung Gauss' und nach dem Brief No. 462 vom 28. Nov. 1834 im Briefwechsel Gauss-Schumacheb fehlt ein Brief Gauss' vom Nov. an Olbers. Krm.

39*

gj2 Olbers an Gauss. Bremen, 1834 December 31.

Kompagnie beweist doch gewiss seine völlige Besserung und sein jetziges gutes Betragen.

Personen, die Amerika besser kennen als ich, wollen mir ver- sichern, auch seinem ferneren Avancement oder anderweitiger Anstel- lung würde Hoifnung werden, wenn er sich nationalisiren Hesse. Um die Nationalisirung zu erhalten, sei es nöthig, 5 Jahre in Nord- Amerika gewesen zu sein, und dann mache dieser Akt keine bedeutenden Kosten. Wie gesagt, ich verstehe es nicht zu beurtheilen, ob diese Hoffnung gegründet ist. Wüssten Sie irgend einen wissenschaftlich gebildeten Mann, besonders einen Mathematiker in Nord-Amerika, von dem man einigen Einfluss auf die öffentlichen Angelegenheiten und Behörden er- warten könnte, so würde ich Ihnen sehr rathen, dass Sie einem solchen Ihren Sohn empfehlen. Ich bin fest überzeugt, dass Ihr allberühmter und allverehrter Name hinreichend sein würde, nicht allein diesen zur grösstmöglichen Thätigkeit und Verwendung, als auch diejenigen, von denen die Beförderung eigentlich abhängt, zur Willfährigkeit in Ihre Wünsche zu bewegen. Verzeihen Sie, lieber Gauss, wenn meine warme Theilnahme an dem jungen nun gebesserten Verbannten mich verleitet hat, Ihnen unaufgefordert und vielleicht unbescheiden meinen Eath auf- zudrängen.

Mit demselben Vergnügen habe ich vernommen, dass Ihr anderer Hr. Sohn, mein lieber Pathe, eine anscheinend so gute Anstellung er- halten hat. Möge sie ihm in jeder Hinsicht ganz zusagen. Da Sie mir nichts von der Frau Professorin Ewald sagen, so hoffe ich, dass diese Ihre geliebte Tochter jetzt wieder ganz hergestellt ist.

Sehr verbunden bin ich Ihnen für die Mittheilung Ihrer magneti- schen Beobb., besonders der gleichzeitigen Göttinger und Leipziger^) vom ersten und zweiten Okt., die äusserst interessant, und die Sie mir durch die schöne Zeichnung so recht anschaulich gemacht haben. Aller- dings würden bloss stündliche Beobb.. bei so schnellen Veränderungen der Nadel wenig nützen. Der Parallelismus ist auffallend und viel ge- nauer, als man erwarten sollte. Es wird sehr anziehend sein, solche gleichzeitigen anomalischen Bewegungen der ^Magnetnadeln über einen grösseren Erdraum an vielen Orten in ähnlichen Zeichnungen dar- gestellt zu sehen. Für mich möchte ich wünschen, in der Zeichnung, wie Sie es hier gemacht haben, immer nur eine Zeit, z. B. Göttinger Zeit, bei allen Beobb. zur Abscissen-Linie zu Grunde gelegt zu selien. Mit Verlangen werde ich den folgenden Stücken des Poüc.ENDORFF'scheu

*) Beobb. der maiinetiscbon Variation in Göttingen und Leipzii: am 1. und 2. Okt. 1834 mit 1 Tafel, in I'oogendorfk's Annalen der Physik und Chemie. 1834 Bd. 33, S. 426—433; Gauss' Werke Bd. V, S. 525—528. Krm.

Olbers an dau??. liivinen, 1S34 December 31. ßl3

JouiTials entj^ep-ensehen, wenn Sie fortfahren wollen, dies mit Ihren so höchst interessanten Beobb. und Aufsätzen über Ihre magnetischen Forschungen zu schmücken.

Harding's Stelle wird wohl nicht wieder besetzt werden? Aber haben Sie sclion einen Gehülfen bei der Sternwarte, oder wird der Dienst eines solchen einigermaassen durch freiwillige ersetzt? Sollten Sie einen jungen ^lann der Art haben, dem Sie astronomische ^^'erk- zeuge anvertrauen, so würde ich sehr bitten, ihn doch zur Aufsuchung des H.vLLEY'schen Kometen während dieses Winters und Frühjahrs zu ermuniern. Hoffentlich sind die Spiegel eines Ihrer grösseren Teleskope noch in hinreichend gutem Stande, um Erfolg bei der Nachforschung zu versprechen. Ich halte Teleskope^) von 13 und mehr Fuss für weit geeigneter, schwache Kometen aufzufinden, als Eefraktoren von ähn- licher Länge, weil die Spiegel einen viel grösseren Durchmesser zu haben pflegen, als das Objektiv-Glas, und es hier nur auf Lichtstärke, nicht auf Präcision ankommt; nur muss die Politur der Spiegel noch gut sein.

Dass DüNLOP in Paramatta zwei Kometen, den einen ^) vom l. bis 16. Okt. 1833, den andern 3) vom 21. März bis U. Apr. 1834 beobachtet hat, werden Sie schon wissen. Letzterer scheint derselbe zu sein, den Gambart am 7. und 9. März dieses Jahres sah. Dr. Petees in Hamburg ist jetzt mit seiner genauen Bahnbestimmung beschäftigt. Diese kann vielleicht interessant w^erden. Hendeeson's vorläufige Ele- mente taugen nichts.

Gruithuisen ist jetzt im Streit mit dem Geh.-Eatli v. Schelling und hat mir ein Exemplar seiner Streitschrift geschickt. Ich fürchte, er verbrennt sich die Finger, ob er gleich schon den Sieg erfochten zu haben glaubt. Auf unseren Bessel ist er höchst aufgebracht, weil ihm dieser seine Mond-Atmosphäre weg demonstrirt hat, die er sich nicht nehmen lassen will, und Bessel sich dabei und auch sonst anzüg- licher Redensarten gegen ihn bedient hat. Ich vermuthe, er wird im nächsten Stück der Analekten gegen Bessel zu Felde ziehen.

Den La LANDE'schen Preis hat dieses Jahr Aiky wegen seiner Beobb. der Jiitpife?-- Trabanten zur Bestimmung der J?<jjifer-Masse er- halten.

Die von dem jungen Littrow aus den Original-Tagebüchern heraus- gegebene Eeise des Pater Hell und seines Begleiters nach Wardoehuus hat mich sehr interessirt. Es ist also nunmehr erwiesen, dass diese

^) In gleichem Sinne .spricht sich auch Olbees zu Bessel im Brief No. 347 vom 14. Jiüi 1S34 aus. Krm.

-) Komet 1833, nur von Dunlop beobachtet, vorläufig-e Elemente von Hen- DERsox. Krm.

^) Komet 1834, bereits am 7. März zu Marseille von Gambart entdeckt. Krm.

524 Gauss an Olbers. Göttingen, 1835 Januar 20.

Jesuiten nachher ihre Beobb. korrigii't haben, ob es mir gleich noch immer dunkel bleibt, wie sie so fehlerhaft den Eintritt der Veyms beob- achten konnten. Schade, dass uns Littrow nicht das ganze Journal unabgekürzt in der Ursprache geliefert hat.

Weniger erbaut bin ich von dem „Leben Kepleb's von dem Frei- herrn V. Breitschweet aus neuerlich aufgefundenen Manuskripten", das ich erst kürzlich gelesen habe. Breitschwert scheint mir zu wenig mit Kepler's Werken vertraut zu sein. Zwei seiner Schriften „De Stella nova in pede Serpentarii" und .,De Cometis libelli III" scheint der Freiherr gar nicht gekannt zu haben.

Können Sie mir nicht sagen, lieber Gauss, ob die Göttinger Biblio- thek auch wohl Zeitungen besitzt. Ich suche den Jahrgang des Ham- burger Korrespondenten von 1770, den ich weder hier, noch in Ham- burg habe auftreiben können, wo man sie von keinen früheren Jahren als 1780 hat. Es würde mir lieb sein, bald darüber Nachricht zu haben.

Mein Befinden wäre jetzt erträglich, wenn mir nicht Brust- beschwerden und Husten nun schon seit so langer Zeit die nächtliche Ruhe so sehr verkümmerten. Denn darüber, dass die natürlichen Be- schwerden des Alters: Steifigkeit, Mattigkeit, Harthörigkeit u. s. w. immer mehr zunehmen, darf ich mich wohl nicht beklagen.

Mögen Sie, mein theurer geliebter Freund, das morgen beginnende neue Jahr nicht bloss recht glücklich, recht vergnügt, recht gesuud anfangen, sondern noch recht viele, viele Jahreswechsel in stetem Wohl- ergehen und ungestörter Zufriedenheit erleben! Erhalten Sie mir Ihre Freundschaft und Ihr bisheriges Wohlwollen, die mich so glücklich machen und gemacht haben.

No. 683. Gauss an Olbers. [321

Göttingen, 1835 Januai- 20.

Nächste Ostern wird der Dr. Goldschmidt als Observator oder Assistent bei der hiesigen Sternwarte eintreten. Es ist dies ein seiir geschickter und kenntnissvoller junger ]\[ann. der auch schon jetzt die täglichen magnetischen Aufzeichnungen besorgt. Andere und eigentlich astronomische Beobb. wird er jedoch vor seinem Antritt wenig machen können, theils wegen seiner entfernten Wohnung, denn die Witwe von Harding bleibt bis Ostern im ganzen Besitz der Wohnung und behält auch, auf meinen Antrag, noch im nächsten Sonnner den grösseren. Theil, wovon sie nur einige Zimmer abgiebt. unil den Garten, theils weil er als Privatdocent in diesem Winter nocli zu viele Lektionen zu

Gauss an Olbers. Güttin-ren, 1835 Januar 20. 615

geben liat, die ihm weni^: Zeit librio: lassen. Icli zweifle daher, dass er schon vorher Versuche zur Aufsuchung: des HALLEv'schen Kometen wird machen können, zumal da er gferade in solchen Geschäften noch gar keine Uebung hat. Andere dazu tüchtige junge Leute sind gegen- wärtig keine hier, und mir selbst erlaubt leider meine sehr schwan- kende Gesundheit selten, mich der Nachtkälte lange auszusetzen. Ist es aber irgend thunlich, so sollen Nachsuchungen gemacht werden.

Ihre gütige Theilnahme und Rathgebung wiegen meines zweiten Sohnes erkenne ich mit gerührtem Danke. Es wird wohl jedenfalls eine weitere Nachricht von dorther erwartet werden müssen; auch kann ich nicht leugnen, dass ich. zumal da ich niemand weiss, wo- durch es ins Werk gerichtet werden könnte, auch zu den Aussichten auf eifrige Verw'endung, die Sie mir andeuten, wenig Vertrauen haben kann; wenigstens haben meine bisherigen Erfahrungen in Europa mir keine solche Dienstfertigkeit gezeigt, so wie namentlich fast alle meine vielen Versuche und Bemühungen wTgen meines jüngsten Sohnes wenig- anderes bewirkten als einige höfliche Phrasen.

Leider haben die schönen Erwartungen, die ich noch vor ein paar Monaten von seiner neuen Lage hatte, sich gar nicht realisirt. Mein Sohn klagte gleich Anfangs über die Art der ihm zugewiesenen Ge- schäfte, die den ganzen Tag in nichts als mechanischen Schreibereien beständen, so wie über die superciliöse Behandlung. Er meldet mir nun, dass ihm dieses eigentlich landwirthschaftlicher Thätigkeit ganz fremde Verhältniss so unerträglich geworden sei, dass er das Engage- ment auf Ostern gekündigt habe. Ich selbst kann natürlich aus der Ferne über das Verhältniss, und ob und was meinem Sohne dabei zur Last fällt, gar nicht urtheilen, muss jedoch jedenfalls meinen, dass er Mangel an Weltklugheit bewiesen. Er behauptet freilich, es werde ihm nicht sehr schwer werden, ein anderes Engagement zu finden, aUein ich weiss nicht, ob er sich darin nicht getäuscht finden wird. Ich stehe dann wieder auf dem alten Punkt, nur in mehr als einer Beziehung noch schlimmer als vorher.

Ich weiss nicht, ob ich Ihnen früher wohl geschrieben, dass er schon seit 2\ Jahren das Projekt hatte, nach Amerika auszuwandern, ich kann dies nicht unbedingt verwerfen, da das Vermögen, welches ihm bei der Majorennität 1838 zufällt, viel zu klein ist, um in Deutsch- land etwas Bedeutendes damit zu unternehmen, w^ährend die Verhält- nisse in Amerika ganz anders sind. Ich habe jedoch meine Einwilli- gung nothw^endig an die Bedingung knüpfen zu müssen geglaubt, dass er erst ein imar Jahre in Deutschland in einer verantwortlichen Stel- lung sich bewährt gezeigt habe.

Auf eingezogene Erkundigung habe ich erfahren, dass die Jahr-

Q1Q Gauss an Olbers. Göttingen, 1835 Januar 20.

gänge des Hamburger Korrespondenten, welche die hiesige Bibliothek besitzt, erst mit dem Jahre 1784 anfangen. Mein ältester Sohn meinte, dass der von Ihnen gesuchte Band sich vielleicht in der K. Bibliothek in Hannover finden werde, die sehr reich an Zeitungen sei. Er würde gewiss mit Vergnügen Ihnen solchen besorgen, wenn er wieder in Hannover wohnte; allein er ist schon vor mehr als 14 Tagen, nachdem sein Patent endlich angekommen, sogleich nach seiner neuen Gar- nison Stade abgereist. Ich bin jedoch überzeugt, dass der Dr. Pertz Ihnen den Band, wenn Sie es wünschen, und wenn er da ist, sogleich schicken wird.

Das Kränkeln und die Schwäche meiner ältesten Tochter nimmt leider mehr zu als ab. Dagegen geht es mit der Gesundheit meiner jüngsten etwas besser.

Auf die Preisfrage^) der Societät, Photometer betreffend, sind drei Konkurrenzschriften eingegangen, wovon ich die eine unter der Kritik, die zweite nicht ohne Verdienst und die dritte ungemein gehaltreich finde. Mein Gutachten, welches ich vor einigen Tagen abgegeben habe, cirkulirt jetzt bei der Societät, und wird deren Entscheidung dann bald publicirt werden. Indem ich bei der ersten Preisschrift fast un- willkürlich an Gruithuisen denken muss, erinnere ich mich, dass Sie zuweilen der Streitschriften erwähnt haben, die jener berühmte Natur- forscher mit einem vielleicht noch berühmteren AVeltweisen wechselt. Da ich von letzterem bisher nichts gelesen hatte als vor drei Jahren eine kleine Broschüre über Faraday's neueste Entdeckung, die in ein damals mir noch unbekanntes Feld gehört, so habe ich durch gütige Vermittlung des Hrn. Hofrath Herbart einige andere Druckschriften desselben zur Einsicht erhalten, eine betitelt ..Ideen zu einer Philo- sophie der Natur" und die andere „Ueber die "Weltseele". So viel ich darin bis jetzt gelesen habe, scheinen mir die beiden (Gegner einer des anderen vollkommen würdig: zu sein.

^) Vergl. Brief No. 668 vom 25. Jan., 670 vom 18. Febr. und 672 vom 2. Auir. 1832, wo Gauss seine Idee über eine brauchbare Photometer-Konstruktiou Olbers an- giebt und mittheilt, dass auf seineu Rath Gerling diese Idee praktisch ausführen "Würde. Den Preis erhielt Steinheii. [G. G. A., 34. und 35. Stück, Gai-ss" Werke Bd. VI. S. 649 652), während Gekling nach G. G. A.. Stück 134 135 vom 27. Aug. 1835 der Verfasser der mit dem Accessit ausfrezeichneteu Arbeit ist. Krm.

Gauss an Olbers. [Göttingen, 1835 Februar.] 617

No. 684. Gauss an Olbers. [322

[Göttiiigen, 1835 Februar.]^)

Da Sie die erste Probe von vergleichenden magnetischen Beobb. so gütig aufgenommen haben, so wird, hoffe ich, eine zweite-) ein ebenso grosses Interesse haben. Es sind die 24 stündigen Beobb. an dem ersten neuen Termin, in Göttingen, Leipzig und Berlin gemacht. Sie haben vor den früheren den Vorzug einer längeren zusammenhängenden Dauer, und dass an drei Orten beobachtet ist, stehen ihnen dagegen vielleicht in der Beziehung etwas nach, dass bei der grossen Anzahl der Per- sonen, die sich in die Arbeiten getheilt haben (hier ihrer 8, ich selbst ohne Antheil), nicht alle gleich geübt waren, so wie auch in Berlin nur eine kleine Xadel (.1 f() aufgehängt ist, während in Göttingen und Leipzig 4 pfundige sind. Es ist zu bemerken, dass das Auftragen nur nach nominellen Skalentheilen geschehen ist, die in Göttingen und Berlin gleiche Geltung haben (21",8), in Leipzig aber eine etwas grössere, deren genauer AVerth mir aber noch nicht bekannt ist, auch wohl noch eine Zeit lang unbekannt bleiben wird, da die grosse Tor- sionskraft des ]\Ietallfadens einen ei heblichen Einfluss hat. mit dessen Ermittelung Hr. Prof. Mobius noch nicht umgehen zu können scheint. Eine dritte^) noch viel interessantere Probe wird jetzt in Kupfer gestochen, und wird Ihnen demnächst auf anderem Wege zukommen.

üeber das, was seit Juli 1834 hier Neues hinzugekommen, werde ich vielleicht bald eine Notiz in den G. A^) geben. Die 25 pfundige Nadel in der Sternwarte, mit ihrem Multiplikator von 270 Windungen unter 2700 Fuss Drahtlänge, in der grossen bis zum pln'S. Kabinet gehenden Kette, worin der Strom eine Drahtlänge von fast | ]\Ieile zu durchlaufen hat, bietet zu vielen interessanten Versuchen Gelegenheit, die noch auf lange Zeit Beschäftigung geben, und noch umfassendere geben könnten, wenn die Geldmittel nicht so beschränkt wären. Ein

^) Datum nach dem Inhalt dieses Briefes (Anmerkung 2 unten und Anmerkung 1 auf S. 620) vermuthlich Ende Jan. oder Febr. Krm.

*) Die Beilage, die Kurven der magnetischen Variation zu Berlin, Leipzig und Göttingen nach den Beobb. vom 29.— 30. Nov. 1834 enthaltend, ist hier fortge- lassen: sie befindet sich in Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie, 1835 Bd. 34, vergl. auch Anmerkung 4 dieser Seite. Knn.

") Gleichzeitige Beobb. der magnetischen Variation zu Kopenhagen und Mailand am 5.-6. Nov. 1834, veröffentlicht in den Ä. N. Bd. 12, No. 276, wieder abgedruckt in Gauss' Werken Bd. V, S. 537—540. Vergl. auch Briefwechsel Gaüss-Schümacher, Brief No. 464 466 iind die folgenden. Krm.

*) Gott. Gel.Anz. 36. Stück, 1835 März 7. Gauss' Werke Bd. V, S. 528—536. Krm.

gjg Gauss an Olbers. [Göttingeii, 1835 Februar.]

Versuch gehört aber zu den schönsten, die in diesem Fach je gemacht sind, und wird wohl den meisten Naturforschern sehr überraschend sein, obwohl ich nicht durch Zufall, sondern durch Prämeditation darauf gekommen bin und des Erfolges schon gewiss war, noch ehe ich ihn gemacht hatte. Es ist folgender:

Wenn die 25 ^ -Nadel in beträchtliche Schwingungen gesetzt wird, z. B. so grosse, wie der Kasten verstattet, etwa 27°, so können dabei die Nadeln im magnetischen Observatorium und im phj^s. Kabinet voll- kommen in Ruhe sein und bleiben darin, wenn die Kette nicht ge- schlossen ist oder eine der Nadeln davon abgesperrt ist. Ist oder wird aber die Kette geschlossen, so dass die Multiplikatoren im magn, Obs. und im Phys. Kab. mit darin sind, so fangen diese beiden Nadeln augenblicklich an mitzuschwingen. Aber am merkwürdigsten ist die Art der Schwingungen. Die natürliche Schwingungsdauer der Nadeln ist 25 U in der Sternwarte .... 42^3

4 ^ im magn. Obs 20,5

ivü. phys. Kab 13,8

so dass z. B. für die Nadel im magn. Obs. die Stellung auf der Skale in jedem Augenblick i durch die Formel

ausgedrückt wird, wenn A die Stellung der Nadel in Ruhe. R die an sich willkürliche halbe Schwingungsgrösse, T eine Epoche bedeutet, wo die Nadelstellung im Maximum war. Allein wenn die sympathetischen Schwingungen eintreten, so sind diese, allgemein zu reden, immer ge- mischte, nämlich eine natürliche von willkürlicher und eine inducirte von bestimmter Grösse, z. B. unter obigen Voraussetzungen die Formel

Dieses r ist dem Schwingungsbogen der grossen Nadel proportional und, wenn dieser am grössten ist, etwa = 20 Skalentheile. Fast noch merkwürdiger ist der a priori vorausgesehene und in der Erfahrung auf das Vollkommenste bestätigte Umstand, dass die inducirten Schwin- gungen, welche mit den inducirenden von gleicher Dauer sind, mit diesen nicht gleichen Anfang haben, sondern eine halbe Schwingungs- dauer (das Bogenargument 90**) davon abstehen. Die gezeichneten Figuren sehen allerliebst aus, und ich liabe es in meiner Gewalt, das R oder die natürliche Schwingung unmerklich zu machen, wo dann die Nadel also rein eine ihr nicht natürliche Schwingung zu machen ge- zwungen ist; so bald die Kette geöffnet wird, nimmt die Nadel sogleich wieder ihre natürliche Scliwinjrunsr allein an.

jr

Gauss an (Hlers. [Güttiugen, 1835 Febniar.] (319

Ganz iiliniiche Erscheinung:en im pliys. Kab., nur dass aus den Statt habenden Grössen Verhältnissen das ;• kleiner wird als im magn. Observatorium.

Am allermerkwiirdigsten aber ist der gleichfalls genau voraus- gesehene Fall, wo in der Kette eine zweite Nadel ist, deren natürliche Schwingungsdauer der der grossen gleich ist. Ich hatte dies nicht so- fort jealisiren können, aber jetzt ist dies auch geschehen, genau mit dem erwarteten Erfolg. Im phys. Kab. wurde die Nadel, wie man es nennt, astatisch gemacht, d. i. zwei Nadeln mit entgegengesetzten Polen verbunden, wovon die eine etwas weniges stärker ist als die andere. Auf diese wirkt

der Erdmagnetismus schwächer, daher längere ^

Schwingungsdauer, während der Multiplikator

nicht bloss ebenso stark wie vorher, sondern g noch fast 50^0 stärker einwirkt. So wurde l die Schwingungsdauer dieser Doppelnadel auch Fig. 30.

genau auf 42*,3 gebracht. Der Erfolg ist,

dass für den Augenblick, wo die Kette geschlossen wird, indem die 25 pfundige schon vorher schwang, die im phys. Kab. sofort auch anfängt zu schwingen, und diese Schwingungen, anfangs massig, nahmen beständig an Grösse zu, so dass sie nach l Stunde auf 30^ angewachsen waren. Hier sind nun aber die Elongationen mit denen der grossen Nadel gleiclize'iiig . obwohl nach Lage der Um- stände entweder gleichnamig (d. i. Maximum mit Maximum) oder un- gleichnamig (Maximum mit ^Minimum). Das ganze Phänomen ist eine Art von Abspiegelung dessen, was im Sonnensystem vorgeht, näm- lich der periodischen Störungen im ersten Fall, der Säkularstörungen im zweiten, nur haben sie den Vorzug, dass, während w'ir bei den Planeten- störungen bloss müssige Zuschauer sind, wir hier die ebenso scharf oder zum Theil noch viel schärfer zu messenden Wirkungen selbst nach Ge- fallen hervorbringen. Ueberhaupt ist die Schärfe in allen diesen Dingen bewundernswürdig. ^Mr vergleichen z. B. durch derartige Manöver die Uhren in der Sternwarte, dem magn. Obs. und phys. Kab. jeden Augen- blick auf 0^,1 genau, und ich bin vollkommen überzeugt, dass wir auf dieselbe Art ebenso sicher die Uhren in Göttingen und Bremen ohne Zwischenstation direkt vergleichen könnten, wenn nur jemand das Geld dazu hergeben wollte, eine | Finger dicke Kette von Kupferdraht von Göttingen nach Bremen zu führen. Vielleicht kann ich in Zukunft die Gleise von Eisenbahnen zu analogen Zwecken benutzen.

Ich muss noch bemerken, dass freilich genau betrachtet, ebenso gut die Schwingungen der zweiten oder dritten Nadel, Schwingungen in den beiden anderen erzeugen müssen; allein ich habe durch die Rech-

g20 Olbers an Gauss. Bremen, 1835 April 20.

nung gefunden, dass solche unmerklich sind, was auch die Versuche bestätigen. Vor der Hand, d. i. so lange man sich nicht auch Nadeln von ähnlicher Kraft, wie meine 25 pfundige, oder stärkere verschafft, wird also dieser interessante Versuch der sj'mpathetischen Schwingungen in grosser Ferne anderwärts nicht nachgemacht werden können. Ein paar solcher 25 pfundigen Nadeln kommen übrigens nach Kopenhagen. Hier bleiben vorerst noch 12 oder 14. Eine etwas beträchtliche Zahl muss man nothwendig besitzen, um in ihnen durch wiederholte gegen- seitige Verstärkung ihre volle Kraft hervorzurufen.

Sie müssen, mein theuerster Olbers, es mir schon zu Gute halten, wenn ich Sie so viel mit meinen magnetischen Beschäftigungen be- lästige, für die ich selbst ein so zu sagen dankbares Interesse haben muss, weil sie fast das Einzige sind, was mir die Tragung der zweiten Hälfte der letzten 41 für mich so trüben und bis diesen Augenblick sorgenvollen Jahre erleichtert hat. Es thut mir freilich weh, anderen tieferen Arbeiten gewissermaassen entfremdet zu werden, aber es liegt nicht an meinem guten Willen. Zur Ausarbeitung meiner allgemeinen UntersiicJmngen über die anziehenden und abstossenden Kräfte, von deren Inhalt Ihnen eines der darin vorkommenden Theoreme, welches ich in der Intensitas etc. pag. 10 angeführt habe, eine Idee geben kann, habe ich wenigstens ein halb Dutzend Male angesetzt, aber es immer wieder mit dem Gefühl weglegen müssen, dass dazu ein sorgenfreierer Geist erfordert wird.^)

No. 685. Olbers an Gauss. [ses

Bremen, 1835 April 20.

Endlich ist doch das lange von mir ersehnte Frühjahr heran- gekommen und der böse Winter beendigt. Ich habe diesen Winter viel gelitten, und wenn auch nun bei milderer Temperatur die katar- rhalischen Brustbeschwerden, die mich so sehr quälten, sich allmählich verlieren sollten, so fühle ich doch nur zu sehr, dass meine körperlichen und geistigen Kräfte durch diesen Winter eine sehr merkliche Schwächung, erlitten haben, die natürlich bleibend sein wird. Auch meine äusseren Sinne haben sfelitten, nämlich Gesicht und Gehör. Freilich alles Folgen

*) Der Schluss fehlt; zeitlich und inhaltlich ist es aber auch möglich, dass der vorliegende Brief No. 684 (ohne Unterschrift und ohne Datum) der Anfang eines zwei Bogen starken Briefes ist, und dass dann Brief Xo. 683 den zweiten Bogen bildet, zumal da letzterer nicht die sonst übliche Anrede im ersten Satze enthält. In der Sammlung der Originalbriefe werden die beiden Bogen als zwei getrennte Briefe ge- führt. Krm.

Olliers an (Jauss. Bremen, 1835 April 20. 621

des ziinelmieiulen Alters, über die ich kein Eecht zu klagen habe, da ich jeden noch zu frlehtMuh-n Tau- als ein überzähliges Gnadengeschenk ansehen niuss.

Mein Sohn und mein Schwiegersohn haben auch mehrere Monate gekränkelt und mir mitunter manche Sorge gemacht. Beide werden diesen Sommer eine ernstliche Kur gebrauchen müssen.

Doch genug von diesen Infirmitäten. Nun zuerst, mein aller- theuerster gütiger Freund, meinen herzlichsten, innigsten Dank für Ihre interessanten ]\Iittheilungen über die von Ihnen entdeckten Wunder des Magnetismus. Staunen erregen mir die gleichzeitigen Schwingungen der Magnet- Nadeln in dem astron. Observatorium, dem magn. Obs. und dem physikalischen Kabinet, und ihre Gesetze, ob Sie selbst gleich schon alle diese Erscheinungen nach einer mir noch ganz unbegreif- lichen Theorie vorausgesehen haben. Ein ebenso grosses Staunen die so genau gleichzeitig stattfindenden, augenblicklichen Anomalien auf eine grosse, noch unbestimmte Entfernung, sowohl in Länge als in Breite, wovon die mir so gütig geschickte schöne Karte der Ver- änderungen zwischen Göttingen, Leipzig und Berlin, und nun in den AstroiwmisrJien XacliricJiten zwischen Mailand und Kopenhagen so bewundernsAVürdige Beweise liefern. Wissen möchte ich nur im All- gemeinen, ob Sie die Ursachen dieser schnellen Schwankungen in kos- mischen oder terrestrischen Einwirkungen suchen, und ob Sie im letzteren Fall auch das Innere unserer Erde für eine glühende geschmolzene Masse zu halten geneigt sind? Freilich hätte ich noch viele andere Fragen zu machen, deren, wenn auch nur partielle Beantw^ortung mir sehr erwünscht sein würde, z. B. haben Sie schon die mittlere absolute Inklination und Deklination der Nadel für Göttingen genau bestimmt? Nimmt die westliche Dekl. noch immer ab, und in welchem Verhält- nisse? Finden auch nach den Jahreszeiten Veränderungen in der mitt- leren Dekl. statt, und befolgen diese noch dieselben Gesetze, wie sie Cassini am Ende des vorigen Jahrhunderts fand? etc. etc. Doch es würde unbescheiden sein, auf diese Fragen jetzt von Ihnen Auskunft zu verlangen, und ich will gern warten, bis das, w^as Sie der Welt öffent- lich mittheilen werden, uns darüber belehren ward.

Der HALLEY'sche Komet ^) hat nii'gends vor seiner Konjunktion erblickt werden können. Ein Beweis, dass er an Grösse und an Hellig- keit bei gleichem Abstände von der Sonne sowohl dem grossen Kometen von 1811. als auch dem von 1825 bei weitem nachsteht. Überhaupt

^) Zweite voraiisbereclinete Wiedererscheinung- des HALLEY'sclien Kometen (Komet 1835 III), welche erst im Aug. 1835 wahrgenommen wurde. Vergl. Brief No. 689 und 690. ferner Olbers Bd. I No. 127—129. Krm.

622 Olbers an Gauss. Bremen, 1835 April 20.

müssen wir, um liclitschwache Kometen lange vor und nach ihrer Sonnen- nähe sehen und uns die Wunder der Nebelflecke völlig aufschliessen zu können, nothwendig eine mit den grössten optischen Hülfsmitteln aus- gerüstete Sternwarte in den Tropengegenden von Amerika, 18 bis 16000 Fuss über den niederen Schichten der Atmosphäre erhaben, benutzen können, wo der Himmel völlig schwarz erscheinen und auch der schwächste Nebel sichtbar sein wird. "Was werden unsere Nachkommen auf einer solchen Sternwarte noch alles am Himmel entdecken? Und wir erhalten gewiss eine solche Sternwarte, wenn die Astronomen nur unanfhchiich an ihre Nothwendigkeit erinnern. Nun werden wir uns noch 4 Monate bis zur letzten Hälfte des Aug. gedulden müssen, ehe der HALLEr'sche Komet aufgefunden wird, und die Ungewissheit. die über die Zeit seines Perihels herrscht, gehoben werden kann. Eine Ungewissheit, die ge- wissermaassen noch immer grösser wird, da Pontecoulaxt nun nach abermaliger Revision seiner Rechnungen und Einführung einer richtigeren .Tw^^i^er-Masse den Tag der Sonnennähe auf Nov. 12,6 bestimmt hat. Dies kommt nur scheinbar mit Rgsenberger's Angabe nahe überein. Denn Pontecoulant hat den Einfluss des Merkur, der Venus und des Mars gänzlich vernachlässigt, die doch nach Rosenberger's Bestim- mung die Zeit des Perihels um 6 Tage verfrühen werden.

Dass Hrn. v. Steinheil der Preis wegen seines Photometers zu- erkannt worden ist, weiss ich bloss aus öffentlichen politischen Blättern. Da ich die Gott. Gel. Am. in einem Lesecirkel erhalte, so kommen die einzelnen Abtheilungen oft erst sehr spät an mich, und ich bin noch im December. Höchst begierig, etwas Näheres über dies Photometer zu wissen, habe ich mir doch mühsam den Januar und Februar dieser Anzeigen verschafft, aber noch kein Wort' über die Preisvertheilung darin gefunden. Sollte Ihre Relation über die eingekommenen Photo- meter schon gedruckt sein, so würden Sie mich sehr verpflichten, wenn Sie mir das Stück der G. G. A., worin sie enthalten ist. schicken wollten. Wird aber fürs erste noch nichts darüber gedruckt, so möchte ich die Bitte wagen, mir baldmöglichst eine kurze Beschreibung des Steinheil'- schen [Photometers] und Nachricht, was es dem Erfinder geleistet hat, und überhaupt künftig leisten kann, zu geben. Ein ganz zweckmässiges Photometer halte ich für ein wahres Bedürfniss unserer jetzigen Stern- kunde.

Dieser Tage las ich in dem 47. Bande des Quart erly Eevieu; in einer Recension von „Mrs. Somerville's MerJianism of the Jicavnh<." eine mir sehr auffallende Behauptung des Receusenten. Er raisonnirt so: Lagrange und La Place hätten bewiesen, dass, die Einwirkung der Planeten aufeinander möchte sein, wie sie wolle, doch die Summe der Quadrate aller ihrer F.xcentricitäten, jede mit einem unveränder-

Gauss an Olbers. Güttiugen, 1835 April '2'2. 623

liehen Koefficienten inultiiilioirt. eine nnveränderliche Grösse bleibe. Wären nun im Anfange die sämnitliclien Bahnen der Planeten voll- kommene Kreise gewesen, so wäre die Summe der Quadrate ihrer Ex- centricitäten = 0, und müsste auch immer = 0 bleiben, welches, da keiner jener Koefticienten negativ sei, nicht anders stattfinden könne, als wenn jede dieser Bahnen immer ein vollkommener Kreis bleibe. Ist diese Behauptung gegründet?

Von Ihrem lieben Sohn in Amerika haben Sie wohl noch keine Nachrichten weiter? Mir ist eingefallen, ob nicht Bowditcii der Mann wäre, der, wenn er auch selbst nicht unmittelbar Ihren Sohn weiter forthelfen, doch die Mittel und Wege anzeigen könnte, wie ihm weiter fortzuhelfen wäre. Die Uebersetzung von La Place durch Bowditch, die doch wohl auf der Göttinger Bibliothek angeschafft ist, würde Ihnen leicht Gelegenheit geben können, mit ihm einen Briefwechsel zu entamiren, der auch künftig meinem lieben Pathen, wenn dieser bei seinem Vor- satz bleiben sollte, seine ökonomischen Kenntnisse in Amerika geltend zu machen, von grossem Nutzen sein könnte.

Am 30. März ist das Amtsjubiläum meines seit unseren gemein- schaftlichen Universitäts- Jahren ununterbrochen sehr vertrauten Freundes, des Senators Dr. Deneken, sehr festlich von Rath und Bürgerschaft gefeiert. Ein solches 50 jähriges Jubelfest eines noch in wirklichem aktiven Dienste befindlichen Senators ist bisher eine so seltene Er- scheinung gewesen, dass sie sich fast in 300 Jahren nicht ereignet hat. Der Bremer Senat besteht aus 4 Bürgermeistern und 24 Senatoren; Deneken hat während der 50 Jahre nach und nach 18 Bürgermeister und 75 Senatoren als Kollegen gesehen.

Leben Sie wohl, mein allertheuerster, geliebtester Freund, der Himmel erhalte Sie und alle die Ihrigen in Gesundheit, Wohlergehen und Frohsinn. Wenn es Ihnen möglich ist, so erfreuen Sie Ihren alten Freund bald, recht bald wieder mit einigen Zeilen.

No. 686. Gauss an Olbers. [323

Göttingen, 1835 April 22.

Auf Ihren theuren Brief, den ich so eben erhalte, eile ich sogleich wenigstens ein paar Zeilen zu erwidern.

Recht von Herzen wünsche ich, dass der Frühling bald milder ein- treten möge als bisher, und wohlthätig auf Ihr Befinden einwirken möge. Auch meine Töchter leiden bei dem so ungewöhnlich lange an- haltenden rauhen Wetter sehr. Meine eigene Gesundheit ist fi-eilich

(524 Gauss an Olbers. Göttingen, 1835 April 22.

auch nicht viel werth. allein dem Wetter kann ich daran keine Schuld beimessen, da kühle, selbst rauhe Witterung mir im Allgemeinen am besten zusagt, während solche Wärme, wie z. B. die des vorigen Som- mers, meine Kräfte aufreibt.

Aus Amerika habe ich noch keine Nachricht weiter. Ich glaube nicht, dass unsere Bibliothek die von Ihnen erwähnte Uebersetzung besitzt, deren Existenz wie ihr Verfasser und sein Aufenthaltsort mir ganz unbekannt war.

Mit Verwunderung sehe ich aus Ihrem Briefe, dass unsere armen

0. A. in Bremen so wenig gelesen werden, und lege Ihnen daher einen Extra-Abdruck,^) den ich von einer Relation über einen von mir ge- haltenen Vortrag habe nehmen lassen, bei. Sehr viel Neues werden Sie freilich wohl nicht mehr darin finden, da ich das meiste, wenn ich mich recht erinnere, Ihnen vorher brieflich mitgetheilt hatte. Zu Vermuthungen über die Ursachen der magnetischen Veränderungen liegt noch zu wenig Stoff vor, und ich habe immer eine Abneigung oder wenigstens eine Scheu, Vermuthungen zu machen, wo eine Basis fehlt. Aber für kos- misch in dem Sinne, wie man das A\'ort nimmt, halte ich die Ursachen durchaus nicht. Die Frage kann bloss sein, ob sie unterhalb oder ober- halb der Erdoberfläche ihren Sitz haben. Ich hoffe, dass die Erfahrungen in Zukunft darüber entscheiden werden.

Die Induktionsversuche -) sollen hier bald nach einem noch grösseren Maasstabe gemacht werden. Es wird eine Induktionsrolle zubereitet, wozu etwa für 20 Ethlr. Draht verwandt wird (übersponnener). circa 3500 Fuss Länge zu etwa ebenso vielen (8500) Umwindungen. Wie ganz anders könnten die Resultate ausfallen, wenn grosse Geldmittel dazu verwandt werden könnten ! Sie wissen wohl nicht, dass das jähr- liche Budget für Sternwarte und Magnetisches Observatorium zusammen nur 150 Rthlr. Courant beträgt. Ich muss also meine Kräfte theilen

1. auf die Sache, 2. darauf, wie mit sehr geringfügigen Mitteln viel zu leisten ist. Von Steinheil's Photometer, so wie von den Vorschlägen des anderen Konkurrenten ist eine ausfühiliche Beschreibung in den G. G. Ä.^) gegeben. Ich bedauere ausserordentlich, dass ich gar keine Extra-Abdrücke \^on dem Blatt habe machen lassen, und in diesem Augen- blick auch nicht einmal Herr von meinem eigenen Exemplar bin. Ich habe es einem Freund geliehen, der gerade verreist ist und nicht unter

^) Dieser Abdruck (-36. Stück der G. G. A.) ist nicht mehr bei den Original- briefen. Vergl. Brief No. 684 S. 617 Anmerkung 2 und 4. Krui.

^) Vergl. hierzu Briefwechsel Gauss-Schümacher, Brief No. 478 vom 5. Apr. und No. 487 vom 6. Aug. 1836. Krm.

3) Gott. Gel. Anz. 34.-35. Stück. 1835 März 5, Gauss' Werke Bd. VI. S. 649 bis 652. Krm.

Gauss au Olbers. Göttingen, 1835 April 28. 625

einigen Wochen zurückkommen wird. Ich kann Ihnen daher auch die Nummer nicht mit Gewissheit nachweisen; allein da ich mich erinnere, dass ich fast gleichzeitig das Blatt mit dem anderen, wovon hier der Abdruck beiliegt, zur Korrektur gehabt habe, so sind sie ohne Zweifel von einer Woche, also jenes vermuthlich Nr. 35 oder Nr. 37. Wenn Sie sich in Bremen das Blatt nicht haben selbst verschaffen können, so wird Ihnen natürlich mein eigenes Exemplar nach der Rückkehr des Borgers gerne zur Ansicht zu Dienste stehen. Von dem Blatt 128 vom v.J. habe ich Ihnen, wenn ich nicht irre, damals einen Abdruck geschickt.^) Im entgegengesetzten Fall, und wenn es Sie interessirt, und Sie es nicht sonst leichter erhalten können, würde ich vielleicht noch einen Abdruck davon auftreiben können.

Dass der Himmel Ihnen körperliches Wohlbefinden und geistige Heiterkeit, ohne welche das Leben so wenig Werth hat, stets erhalten möge, ist mein innigster Wunsch.

No. 687. Gauss an Olbers. [324

Göttingen, 1835 April 28.

Hr. BoGUSLAwsKT, Konservator der Sternwarte in Breslau, zeigt mir an, dass er am 20. im Raben einen teleskopischen Kometen^) ent- deckt habe. Seine noch nicht genau reducirten Positionen am 20. u. 21. waren :

Apr. 20 12'^39°^,3 M. Z. ^ 11*^58' 11",4 Dekl. 12° 6'57",6 21 9 17,5 11 53 1,8 —11 32 18,1

9 54,0 11 52 52,2 11 30 53,1

Zugleich trägt er mir auf, Ihnen, mein theuerster Freund, diese Nachricht mitzutheilen.

Eilig.

No. 688. Olbers an Gauss. [364

Bremen, 1835 April 29.

Ich eile, Ihnen, wenn auch nur mit ein paar Worten, für die sehr

erwünschte geschwinde Antwort auf meinen letzten Brief den herzlichsten

Dank zu sagen, und eile um so mehr, damit Ihre Gefälligkeit Sie jetzt

licht noch zu neuen, nun unnöthigen Bemühungen veranlasst. Seit gestern

^) Im Brief No. 680 vom 31. Aug. 1834, S. 607. Krm. 2) Komet 1835 I. Krm.

Olbers. II, 2. 40

(326 Olbers an Gauss. Bremen, 1835 April 29.

habe ich den März-Monat der G. O. A. in Händen und nunmehr Ihren Bericht über die Preisschriften gelesen. Es ist mir unbegreiflich, wie der so sinnreich angeordnete Apparat in der nicht gekrönten Preis- schrift bei der Anwendung so fehlerhafte Resultate geben konnte, und ich hoffe noch immer, der Verfasser (doch wohl unser Freund Geklixg?) wird bei näherem Studium seines Werkzeugs die Fehlerquelle auffinden und beseitigen können. Dass auf die verschiedene Höhe der Sterne strenge Rücksicht genommen werden muss, versteht sich von selbst. Das Uebrige scheint wohl in dem noch nicht genug berichtigten Gesetz, nach welchem die zurückgespiegelten Bilder lichtschwächer werden nach den verschiedenen Einfalls- Winkeln, zu liegen. Sollte sich hier nicht etwas von Polarisation des Lichts einmischen? Bei der ge- krönten Preisschrift des nun Professor gewordenen Dr. Steinheil be- dauere ich nur, noch keine wirkliche Anwendung auf den Sternhimmel zu finden. Doch wird der Verfasser dies wohl nachholen, wenn das Werkchen, wie ich hoffe, bald gedruckt wird.

Nathaniel Bowditch unterschreibt sich in den Schriften, die ich von ihm gesehen habe, L. L. D. Memher of the American PhUosophical Society lield at Philadelphia, of the American Academy of Arts and Sciences (er ist also unser Kollege), of the Connecticut Academy etc. etc. Er ist unstreitig einer der ausgezeichnetsten Mathematiker von Amerika. Sein Practical Navigator hat viele Auflagen erlebt. Er hat viele Stellen im La Place, besonders in den numerischen Exempeln, verbessert, unter anderen tadelt er auch die allzu grosse Ausdehnung des Satzes, den ich in meinem vorigen Briefe erwähnte, dass wenn m. m', m" etc. die Massen, (i, a\ a" etc. die mittleren Abstände, e, e', e" etc. die Excentricitäten der Planeten sind,

me^ Va + me'^V~ä' + m"e"^ \a^ etc. = const.

sei. Er meint, man müsse ihn einschränken, weil man bei seiner Fest- stellung die 4. Potenzen von e, e' etc. vernachlässigt habe, da doch unter den so weggelassenen Gliedern einige weit grösser wären, als einige von den beibehaltenen. Sie können, wenn Sie wollen, viele Aufsätze von ihm in den Memoirs of the American Academy finden, die gewiss auf der Göttinger Bibliothek sein werden. Jetzt hat er das gigantische Werk unternommen, die Mecanique Celeste nicht bloss zu übersetzen, sondern mit einem fortlaufenden Kommentar zu vei*sehen. Der erste Band, schon 1829 gedruckt, wurde in England mit grossem Beifall auf- genommen; ob schon mehrere Bände heraus sind, weiss ich nicht Bowditch wohnt zu Salem, nicht weit von Cambridge und Boston, in Neu-England.

Eben erhalte ich Schumacher's Kometencirkular, worin Bouus-

üau-ss au ölii.r-. Uöttiugren, 1835 November 11. (527

LAWSKY einen von ihm am '20. Apr. beim Raben entdeckten kleinen Kometen [anzeigrt].

Mich wnndert, dass Littrow noch nicht [das] alberne Zeitiings- Geschwätz widerlegt oder berichtigt hat, als ob Herschel ihm ge- schrieben hätte, H.vlley's Komet habe seine Bahn verändert und werde nicht kommen.

Für die sehr interessanten Magnetica kann ich heute bloss danken.

No. 689. Gauss an Olbers. [S'^s

Göttingen, 1835 November 11.

Da Sie an meinen, wenn auch unbedeutenden Arbeiten immer ein so freundschaftliches Interesse nehmen, so bin ich so frei, Ihnen hier die Aushängebogen eines Aufsatzes über Erdmagnetismus und Magneto- meter^) zu überschicken. Ich habe mich nur auf dringendes Bitten von ScHUMACHEE (für Sein 1836 zum ersten Male erscheinendes Jahrbuch) entschliessen können, etwas in dieser Form zu schreiben, wozu ich sonst wenig Neigung habe, und vielmehr die darauf verwandte Zeit bedauern möchte Denn gerade Schreibereien der Art kosten mir sehr viele Zeit, und ich schäme mich fast, Ihnen zu sagen, wie sehr lange ich an jenem Aufsatze geschrieben habe. Wollen Sie, lieber Olbers, mir Ihre Be- merkungen und Erinnerungen darüber oifen mittheilen, so w^erde ich dies dankbar erkennen, um so mehr, da ich vieles von dem hier Be- rührten zu Zeiten auch mündlich vorzutragen habe, wo denn freilich bei manchen Dingen tiefer eingedrungen werden muss.

Von meinem zweiten Sohn habe ich vor gar nicht langer Zeit einen Brief gehabt, W'oraus seine nächsten Absichten bei seinem im künftigen Frühjahr bevorstehenden Austritt sich entnehmen lassen. Sie würden schwerlich jene errathen haben, aber er scheint mit Leib und Seele •daran zu hängen; er will etwa in einem theologischen Seminar noch Vorbereitung nehmen, um Missionar zu werden. Von seinem Vorgesetzten, Kapitän Loomis, war ein Zeugniss beigelegt, worin dieser seine Zu- friedenheit mit meinem Sohn als Militär sehr entschieden bezeugt, zu- gleich aber attestirt, dass dieser im vorigen Winter „in a religious meeting" öffentlich seinen Entschluss „henceforth to serve God" erklärt habe; Hr. Loomis bezeugt ferner sein gewissenhaftes behaviour nicht bloss [as] a saldier of the Government of the U. S., sondern auch as a

^) Wieder abgedruckt in Gauss' Werken Bd. V, S. 315—344. Vergl. auch Brief- T^-echsel Gauss-Schumacher, Brief No. 479 486. Kriu.

40*

ß28 Gauss an Olbers. Göttingen, 1835 November 11.

soldier of the cross and a foUower of Our Lord and Saiiour Jesus Christ.

Wie viel Falsches und Heuchlerisches sich auch oft in solche pietistischen Riclitung-en einmischen mag, so erkenne ich doch von ganzem Herzen das Gescliäft eines Missionars, soweit es darauf geht, den noch halbwilden Theil der Erdbewohner der Humanität zuzuführen, als einen höchst ehrwürdigen Beruf an. Mag mein Solm sich immerhin einige Jahre dabei versuchen.

Da Sie mir früher Ihre gütige Bereitwilligkeit erklärt haben, Briefe nach Amerika zu befördern, so nehme ich mir die Freiheit, einen Brief hier beizuschliessen. Ich habe den Zusatz ..care of Mr. Buedexkamp, Neiv York^^ nicht beigesetzt, da ich nach Ihrer früheren Nachricht un- gewiss bin, ob dieser nacli seinem Fallissement sich noch in Xew York aufhält. Ich hoffe jedoch, dass Sie ohne zu grosse Unbequemlichkeit irgend einen sicheren Weg wissen, da es doch im Grunde nur darauf ankommt, dass der Brief in irgend einer nordamerikanischen Stadt auf die Post gegeben w'ird.

Den Kometen^) habe ich nur wenige Male beobacliten können; in

der günstigen Zeit habe ich ihn auch nur einmal gesehen, wo sein Anblick

etwas sehr Auffallendes darbot. Es war (ich glaube am 12. Okt.. doch

schreibe ich in diesem Augenblick nur aus dem Gedächtniss) ein sehr

heller und sehr kleiner Kern da. der aber nach dem Scheitelpunkt des

parabolischen Schw'eifs zu, obwohl nicht genau, sondern etwas seitwärts,

einen fächerartigen Auswuchs hatte, etwa wie ein Ej-eis-

sektor von 120 '', viel heller als der Schweifstoff, aber

viel schwächer als der Kern, und eher rothgelh, während

der Kern w^eissgelb war. Leider habe ich dies nur einige

Minuten beobachtet, da mein Vorsatz an späteren Abenden

eine ganz besondere Aufmerksamkeit darauf zu richten,

durch das stets ungünstige Wetter vereitelt wurde. Ich

w^eiss also gar nicht, was ich daraus machen soll. Dr.

Fig. 31. Goldschmidt und meine Tochter sahen es ganz ebenso

wie ich. Die grosse Helligkeit des Kerns machte mir

Hoffnung, den Kometen Im Tage sehen zu können ; ich habe ihm mehrere

Male im Meridian aufgepasst, aber immer vergeblicli. wiewolil auch

jedesmal die Luft etwas dunstig Avar.

Die Theilnahme an magnetischen Beobb. verbreitet sich immer mehr; es sind Apparate von hier nach Upsala. Freiberg. München und Wien gekommen. In Eussland wird bald bis Xertschinsk mit Magneto-

') Der Halley'scIib Komet (1835 III). Zu iler merkAvürdiireu Ausströmung vergl. den folgenden Brief Olbers' und die zugehörigen Anmerkungen. Krm.

Olbers an Gauss. Ün'uieu, 1835 December 2. 629

nietern beobachtet werden. Dieser Tage zeigte mir aucli Aiey (Pond's Nachfolger) an, dass er die Absicht habe, bei Greenwich regelmässig magnetische Beobb. zu machen, und verlangte mein Gutachten.

Mit der Leipzig-Dresdener Eisenbahn soll ein magneto-galvanischer Telegraph verbunden werden (vor der Hand diese Xaehricht unter uns). Eine ganz artige Entdeckung oder Bemerkung^) habe ich vor etwa ü Wochen gemacht, dass man den Sinn (ob -j- oder ) eines galvanischen Induktions-Impulses ganz bestimmt mit den Lippen unterscheiden kann, so dass wir zum Spass schon so telegraphirt haben, dass die Depesche aufgeschmeckt wurde.

No. 690. Olbers an Gauss. [ses

Bremen, 1835 December 2.

Sie haben mir durch Ihren lieben Brief und Ihren herrlichen be- wundernswürdigen Aufsatz über Erdmagnetisnuis und Magnetometer eine sehr grosse Freude gemacht. Das glaube ich wohl, dass Ihnen diese populäre Darstellung viel mehr Mühe und Zeit gekostet hat, als wenn Sie bloss für Sachverständige hätten schreiben wollen. Aber es ist auch dagegen ein bisher unübertroffenes Muster einer Abhandlung geworden, die alles in dieser doch wahrlich an sich nicht ganz leichten Materie auch dem Laien ebenso klar, deutlich und fasslich, als gründ- lich darstellt; ich wüsste bei diesem Meisterstück durchaus nichts zu erinnern, und kann nur sagen, dass ich es innigst bewimdere.

Den Brief an Ihren Hrn. Sohn habe ich gleich besorgt. Bei der so bestimmt abgefassten Adresse schien allen eine specielle Rekomman- dation ganz unnöthig. Nie, ich muss es gestehen, hätte ich geglaubt, dass Ihr Hr. Sohn noch einst ein Missionar werden würde. Der Himmel möge seine Bemühungen auf diesem so unerwartet betretenen Wege segnen.

Den Kometen'*) habe ich doch, trotz meiner Altersschwäche, seit dem 22, Sept. mehrentheils aus meinem kleinen Gärtchen mit einem einfüssigen HorMANN'schen achromatischen Kometensucher öfter ge- sehen, mich auch zweimal, am 18. und 22. Okt., mühsam von meinem Bedienten auf mein sogenanntes Observation s-Zimmer schleppen lassen, und den Kometen wenige Mnuten hindurch mit meinem btüssigen Dollo7id, aber nur unter 44 maliger Yergrösserung betrachtet. Stärkere Ver-

^) Vergl. auch Brief No. 491 vom 13. Sept. 1835 im Briefwechsel Gauss- Schumächer. Krm.

'^') Vergl. zu dem Folgenden auch Briefwechsel Olbers-Bessel, Brief No. 352 vom 25. Okt. und No. 353 vom 16. Nov. 1835. Krm.

ßßQ ülbers an Gauss. Bremen, 1835 December 2.

grösserungen oder gar meinen 6füssigen Fraunhofer anzuwenden, war mir zu unbequem; auch durfte ich es nicht wagen, mich zu lange der ungewohnten rauhen Abendluft auszusetzen. Wahrscheinlich wegen dieser unzulänglichen Vergrösserung habe ich deswegen nichts bemerkt, als dass der sogenannte Kern mir offenbar elliptisch schien, der kleinere Durchmesser zu dem grösseren etwa wie 3 : 4, der grössere in der ver- längerten Schweifaxe liegend. Den blassen Schweif konnten meine alten Augen nur höchstens bis auf 10" oder 11° verfolgen, den Schumachee und seine Gehülfen doch einige Abende früher (am 14. und 15.) 30" lang gesehen hatten.

Von dem merkwürdigen Bart, den Sie am Kern den 12. Okt. wahrnahmen, hat Bessel den Anfang am 2. Okt. zuerst wahrgenommen, und will seine Veränderungen u. s. w., wie er mir schreibt, und wie Sie nun auch aus den Astron. Nachrichten werden gesehen haben, umständ- lich in Steindruck bekannt machen. Auch vom Hofrath Schwabe in Dessau hat mir Schumachee eine lange Reihe von Zeichnungen über diese Erscheinung geschickt, und eine ähnliche haben wir wahrscheinlich von Steuve und anderen noch zu erwarten. Ich habe Schumacher ge- beten, auch die von Schwabe bekannt zu machen. Der einzelne Be- obachter übersieht leicht etwas Wiclitiges, auch verändert, ihm selbst unbewusst, eine vorgefasste Meinung leicht seine Ansicht eines Gegen- standes. Deswegen ist es so lehrreich, die Zeichnungen und Beschrei- bungen mehrerer von einander ganz unabhängiger Beobachter zu ver- gleichen. Sie ergänzen, korrigiren und erläutern sich untereinander. So schreibt mir Bessel nichts von den 3 helleren Eippen. die Schwabe in der Ausströmung gesehen hat. Schwabe aber scheint die so höchst merkwürdige, oscillirend veränderliche Stellung der Ausströmung gegen den die Sonne und den Kometenkern verbindenden grössten Kreis über- sehen zu haben. Wahrscheinlich veranlassten Schwabe's hellere Rippen die 3 hellen Stellen, die Aeago an dem Kern zu sehen glaubte, und aus deren veränderter Lage er auf eine Rotation des Kerns zu schliessen geneigt war, die sich aber in den folgenden Tagen nicht be- stätigte.

Sehr wichtig ist es, dass Aeago durch entscheidende Versuche sich und seine Mitbeobachter überzeugt hat, das Licht des Kometen sei polarisirtes, d. 1. zurückgeworfenes Sonnen-, kein eigenthümliches phos- phorescirendes Licht.

Auch über die Perturbationen, die des Kometen Lauf bis zu seiner Sonnennähe erlitten hat, werden wir nun zwei mit der grössten Sorg- falt korrigirte Rechnungen von Rosenbeegee und Lehmann erhalten. Sollte sich aus diesen Rechnungen bestimmt ergeben, dass der Komet mehrere Tage sjpäter zu seinem Perihel gekommen ist, als die ge-

Olbers au Gauss. Bremen, 1835 December 2. §31

iiaueste Berechnung aller bekannten perturbirendeu Kräfte angiebt, so möchte ich den Einfluss eines uns noch unbekannten Weltkörpers*) wahrscheinlich linden. So hat Bouvard, als er die älteren Uranus- Heobb. nicht mit den neueren vereinigen konnte, an einen uns bisher unsichtbar gebliebenen Planeten jenseits des Uranus gedacht. Wirk- lich weichen auch jetzt wieder die neuesten Beobb. des Uranus regel- mässig um 30" von Bouvaed's Tafeln ab.

Die wichtige Frage, ob der HALLEY'sche Komet nach und nach seit seinen früheren Erscheinungen abgenommen habe, lässt sich aus dem, was bei seiner diesjährigen Sichtbarkeit wahrgenommen ist, wie es mir scheint, noch nicht entscheiden, wenigstens durchaus nicht mit Gev>"issheit bejahen. Sein Kopf war auch diesmal sehr glänzend, und den Schweif fand man schon 1531 und 1607 immer sehr blass. Viel kommt bei Beurtheilung dieser Frage auf die Kealität der römischen Beobb. ^) an, die man noch bezweifeln will. Ich habe für den 6. Aug. 15^ mittl. Berliner Zeit aus den neuesten Elementen von Rosenbergee, doch etwas flüchtig, berechnet

.'ix'o^ 82" 25' 46" Dekl.c# 22» 17' 58"

was mit Dumouchel's Zeichnung hinreichend genau übereinstimmt. Freilich ist in dieser Zeichnung die Zunahme der nördlichen Dekl. vom 5. Aug. bis zum 7. Aug. morgens in 2 Tagen nicht völlig 4', die nach der Rechnung wenigstens 8' 9' sein müsste; aber dies scheint mir eben für die Realität von Dumouchel's Beobb. zu sprechen. Bei seinen Schätzungen kann leicht ein Fehler von 4' 5' stattfinden, den er vermieden haben würde, wenn der Komet nicht wirklich gesehen, nur nach einer berechneten Ephemeride in die kleine Karte eingetragen wäre. Ich habe Schumacher gebeten, die von Dumouchel gezeichnete Sterngruppe mit dem Himmel vergleichen und die vornehmsten Sterne derselben genau bestimmen zu lassen.

Die Nachricht von der immer grösseren Verbreitung magnetischer Observatorien nach Ihren herrlichen Entdeckungen ist sehr erfreulich, und herzlich habe ich darüber lächeln müssen, dass man nun auch telegraphische Depeschen auf schmecken kann.

Eine kleine Broschüre: H. D. Wilkens, Specimina duo, mathemati- cum et physicum, Göttingen 1789, kennen Sie wahrscheinlich, und wird Sie auf alle Fälle auch wohl nicht sonderlich interessiren. Wilkens

^) Siehe auch Olbers' Brief vom 16. Nov. 1835 an Bessel, Briefwechsel Bd. II, S. 407. Krm.

^) Dumouchel fand den ÜALLEY'schen Kometen zuerst in Eom am 5. Aug., dessen Beob. zuerst angezweifelt wurde. Siehe auch Briefwechsel Gauss-Schumacher, Brief No. 489 und No. 490. Krm.

g32 Olbers an Gauss. Bremen, 1835 December 2.

bestimmte den 6. Sept. 1788 auf dem Göttingenschen Observatorium an zwei Stellen die damalige Dekl. der Magnetnadel, an der einen 17° 19' 34", an der anderen 17° 20' 21". Nahm nicht Tobias Mater zu seiner Zeit die Dekl. lG°i an?

Sie sagen mir, lieber Gauss, nichts von Ihrer und der Ihrigen Ge- sundheit und Befinden; Dinge, die mich doch sosehr interessiren. Ihren ältesten Hrn. Sohn habe ich im vorigen Sommer zweimal zu sehen das Vergnügen gehabt; der brave junge Mann scheint sich immer vortheil- hafter auszubilden. Ich selbst habe bei freilich immer zunehmender Altersschwäche dieses Jahr in Ansehung meiner gewöhnlichen Be- schwerden ganz erträglich zugebracht. Jeden Morgen rufe ich mir zu

Omnem crede dieni tibi illuxisse swpremum Grata siq:>ervemet qua non sjjerahitur hora

und dies um so mehr, da mich manche S3"mptome hoffen und erwarten lassen, dass ich einmal plötzlich durch einen Schlagfluss aus der Welt gehen werde, und die superveniens hora mir so lange grata bleiben wird, als ich meine noch immer so warme Theilnahme an allem Wissen- schaftlichen behalte. Mein Sohn hat sich im Frühsommer 10 Wochen in Pyrmont aufgehalten, und die Kur ist ihm. dem Himmel sei Dank, sehr gut bekommen. Vor 4 oder 5 Tagen, den 27. Xov. ist die Hochzeit meiner ältesten Enkelin Malvina Focke mit einem braven jungen Kauf- mann, Fkiedeich Migault, gefeiert worden. Dem frohen Hochzeits- mahle konnte ich meiner Schwäche wegen nicht beiwohnen. Das liebe Mädchen ist die letzten 7 ]\ronate in meinem Hause gewesen und hat mein kleines Hauswesen regirt, und ich entbehre ihren mir lieb gewordenen Umgang nun nicht ohne Emi)findung. Mein kleiner Ur- enkel entwickelt sich immer mehr und macht dem Urgrossvater manche Freude.

Doch ich komme zu sehr ins Plaudern, wie es uns alten Leuten denn leicht zu gehen pflegt. Erfreuen Sie mich, mein theuerster Gauss, wenn es Ihre wichtigen Geschäfte irgend erlauben, bald wieder mit einigen Zeilen. Sie wissen nicht. Avelcli ein Fest für mich jeder Ihrer Briefe ist.

AVenn Sie Hrn. Hofrath Heeren sehen, so bitte ich diesen meinen ganz speciellen Landsmann aufs Herzlichste von mir zu grüssen.

Gauss an Olbers. Güttingen, 1836 Miirz 1. 633

No. 691 (lauss an Olbers. [326

Oöttiiio-en, 183(5 März 1.

Mein ältester Sulin hat die Absicht, im Laufe dieses Jahres eine Keise durch die nordanierikanischen Staaten zu machen, zum Theil zu dem Zweck, die dortigen Eisenbahnen näher kennen zu lernen. Sollten Sie geneigt sein, ihn mit einigen Adressen zu versehen, so wird er solches dankbar erkennen, so wie er sich sehr glücklich halten wird, wenn er irgend Aufträge für Sie ausrichten kann. Er denkt im Laufe dieses Monats sich auf einem Bremer Schilfe einzuschiffen, kommt jeden- falls nach Bremen selbst, und vielleicht schon nach icenigen Tagen. Dass Sie, insofern er für seine Arrangements Ihres Eathes bedürftig ist, ihm solchen gern geben werden, bin ich gewiss. In der Ungewiss- heit, ob eine kleine an ihn noch zu machende Sendung ihn noch in Stade treffen würde, w^erde ich mir die Freiheit nehmen müssen, solche nach Bremen zu adressiren, und ich bitte daher, wenn solche eintrifft, sie bis zu seiner Ankunft gütigst aufzubewahren.

Die frohen Nachrichten, die Sie mir in Ihrem letzten Briefe vom 2. Dec. v. J. über Ihren Hrn. Sohn, über Ihre Kindeskinder und Kindes- kindeskind geben, habe ich mit der freudigsten Theilnahme gelesen. Wer verdient auch mehr ein solches Glück als Sie, mein theuerster Freund

Meine älteste Tochter, deren Geburtstag gestern zum 7. Male^) ge- feiert ist, ist den grössten Theil des Winters krank gewesen und ist es noch jetzt. Wenn auch nicht gerade unmittelbar Gefahr ist, so ist es doch sehr bedrückend, sie in jedem folgenden Jahre noch viel schwächer zu sehen als im vorhergegangenen.

Auch mein jüngster Sohn macht mir fortwährend grosse Sorgen. Von dem zweiten schweige ich ganz. Vielleicht kann mein ältester Sohn ihm in etwas nützlich w-erden.

Die Terminbeobb. von Nov. v. J. sind lithographirt. Viel merk- würdiger sind aber die vom Jan. ausgefallen, [wo ich]^) Beobb. ausser Göttingen, aus dem Haag, Marburg, Leipzig und [Mün]clien habe. Viel- leicht kommen noch einige nach. Nach Bonn ist [auch] ein Apparat von hier abgegangen ; für Green wich und Dublin sind ähnliche in Arbeit.

Seit Jan. habe ich auch einige A^ersuche über den sogenannten Thermomagnetismus^), richtiger Thermogalvanismus angefangen; wir

1) Vergl. Brief No. 204 vom 29. Febr. 1808, Bd. II. 1, S. 411. Krm. -) Die eingeklammerten Worte sind im Original abgerissen. Krm. ^) Siehe auch Brief No. 504 vom 17. Jan. 1836 im Briefwechsel Gauss -Schu- macher. Krm.

g34 Olbers an Gauss. Bremen, 1836 März 13.

haben neue Apparate angeordnet, womit man die "Wirkung ganz ausser- ordentlich verstärken kann. Vielleicht kann man davon für die Pyro- metrie (Hochöfen, Porzellanöfen, Schmelzöfen etc.) sehr wichtige An- wendungen machen. Meine eigenen Versuche bleiben freilich bei den mesquinen, mir zu Gebote stehenden Mitteln immer nur auf einen kleinen Maasstab beschränkt.

No. 692. Olbers an Gauss. [see

Bremen, 1836 März 13.

Ihr Hr. Sohn ist gestern am 12. März hier gesund uud vergnügt angekommen, und wird sich auf dem Schiff Copernlcus, Kapt. Harmes, nach Philadelphia einschiffen. Die Abreise des Coperiiicus ist auf ^Mitt- woch den 16. März angesetzt. Der Kapt. Haemes ist ein braver und gebildeter Seemann, derselbe, der das nachmals preussische Schiff, die Luise, um die Welt geführt hat. Die für Ihren Hrn. Sohn eingelaufenen Briefe, worunter auch Ihr Packet mit einer Druckschrift war, habe ich ihm abgeliefert. Gestern kam noch, anscheinend von weiblicher Hand, ein kleines zierliches Briefchen mit cito-cito bezeichnet an, das er also auch noch richtig erhalten hat. Für einige Empfehlungsbriefe nach Amerika von unseren vornehmsten, dort Verbindungen habenden Hand- lungshäuseru habe ich gesorgt.

Es thut mir unendlich leid, dass meine liebe Pathe noch immer kränkelnd ist, hoffe aber, die bessere Jahreszeit wird endlich gründ- liche Besserung herbeiführen. Eben die lange Dauer dieser Art von Kränklichkeit begründet diese Hoffnung.

Ich liabe bei diesem so veränderlichen, aber doch im ganzen sehr milden Winter zwar mancherlei kleine Beschwerden gehabt, mich aber doch ziemlich erträglich durchgewintert. Dass ich immer älter werde, von Monat zu Monat mehr an Körper- und Geisteskräften abnehme, fühle ich natürlich nur zu sehr.

Was Sie mir, freilich nur kurz, über die magnetischen Terminbeobb. vom Nov. vorigen Jahres, und von Ihren Versuchen über den Thermo- galvanismus melden, hat mich sehr interessirt. Besonders über die letzteren möchte ich gern bald etwas mehr wissen.

In der Conn. des tems für 1838 giebt Pontecoülant seine neue, sorgfältig revidirte Berechnung der Perturbationen des HALLEv'schen Kometen, nach der er nun das Perihel 183ö Nov. 15,01 findet, das KosENBERGER aus Bessel's Beobb., also durch die Erfahrung, auf Nov. 15,9454 festgesetzt hat. Der Hauptunterschied, der zwischen Pontecoülant und Posenberger statttindet, beruht auf dem Einfluss

Gauss an Olbers. Göttingen, 1836 März 18. 635

der kleinen Planeten Venus und Mars, für den Pontecoulant nur 0,32235, RosENBERGKR aber eine viel grössere Verkürzung der Um- laufszeit von mehr als (5 Tagen findet. Da Bessel jetzt auf eine Me- thode^) gekommen ist. den Eiiitluss der kleineren Planeten auf den Ko- meten leichter und schärfer zu bestimmen, so "wird er wahrscheinlich unter den beiden Rechnern entscheiden können.

Nun muss ich Sie noch mit einer Bitte beschweren, mein theurer (tauss. In den Jahren 1833 oder 1834 sind in Göttingen unter anderen medicinischen Dissertationen auch folgende

A. F. E. Koscher: de oculi mutationibus internis, qiioad objec- turum distantiam. 8°°.

W. V. H. Kirchhof: de iride ejusqiie motu. 8°". herausgekommen. Könnten Sie mir diese nicht verschaffen? Die Aus- lagen ersetze ich sehr gern, so bald ich den Betrag nur kenne.

No. C93. Gauss an Olbers. [327

Göttingen, 1836 März 18.

Hierneben habe ich das Vergnügen, Ihnen die gewünschten Disser- tationen zu übersenden.

Herzlichen Dank für die Unterstützung, die Sie der Reise meines Sohnes durch Empfehlungsschreiben verschafft haben. Mit einiger Aengstlichkeit horche ich dem Sturm, der hier diese ganze Woche ununter- brochen getobt hat.

Die weite A'erbreitung solcher Stürme gewahr zu werden, geben unsere magnetischen Beobb. zuweilen Gelegenheit. Während des letzten Termins, 30. /31. Jan., stürmte es hier sehr stark, aus allen Orten, von wo korrespondirende Beobb. eingelaufen sind (Haag, Leipzig, Marburg, München, Mailand, Catania) erschallen zugleich die Klagen über den heftigen störenden Sturm.

Demungeachtet ist dieser Termin der merkwürdigste von allen bis- her abgewarteten gewesen. Mehrere grosse und schnelle Bewegungen sind vorgekommen; allein nicht bloss bei diesen, sondern auch bei den kleineren findet sich für alle Orte die frappanteste Harmonie, nur auch hier wieder, je weiter nach Süden, desto kleiner die Bewegungen, und zwar die Abnahme der Grösse der Bewegungen in einem viel stärkeren Verhältnisse, als die horizontale Intensität grösser wird. (Vergl. A. N.

^) „Beitrag zu den Methoden, die Störungen der Kometen zu berechnen." A. N. Bd. XIV, Bessel"s Abhandlungen Bd. I, S. 29 ff. Krm.

536 Gauss an Olbers. Göttingen, 1836 März 18.

No. 276, S. 186 ganz unten.) A\ir haben also, wie es scheint, die Sitze der magnetischen Gewitter fast immer vorzugsweise im hohen Norden zu suchen. Aber um die Sitze in einzelnen Phallen auszumitteln, muss unsere Association erst viel weiter verbreitet sein, als sie bis jetzt ist. und auch dann wird die Arbeit keineswegs eine leichte sein, aus einem Grunde, den ich Ihnen, wie ich hoffe, leicht werde klar machen können. Schon jetzt weisen viele Erfahrungen darauf hhi, dass in einem Tage eine fast unzählbare Menge solcher magnetischen Gewitter oder Eruptionen stattfinden, die an sehr verschiedenen Orten sein mögen. Nehmen Sie z. B. an, es sei bloss eine Eruption bei Island, die in Göttingen etwa eine solche Figur für die Bewegung der Magnetnadel geben würde, und in Sicilien eine ganz ähnliche nur viel kleinere. Es sei eine halbe Stunde nachher ein ähnliche über (oder unter*) Arabien. Diese für sich allein wird auch eine ähnliche Figur hervorbringen, aber für Sicilien die grössere, für Göttingen die kleinere. Nach Maassgabe Fig-. 82. des Verhältnisses der Stärke der beiden Eruptionen

können nun daraus die Formen der zusammengesetzten Erscheinungen sehr ungleich werden und, wie bei einigem Nachdenken klar ist, die Zeiten der Maxima und Minima an verschiedenen Orten auch sehr ungleich ausfallen. Schon oft sind Fälle vorgekommen, wo man ganz von selbst einen solchen Hergang anzunehmen veranlasst wird. Sehen Sie z. B. in den A. N. Stück 276 in der Zeichnung die Stunde von 15^ 16^. Aber offenbar wird es sehr vieler, sehr weit aus- einander liegender, und sehr zuverlässiger und scharfer Beobb. bedürfen, um solche gemengten Wirkungen in ihre einzelnen Bestandtheile auf- zulösen, und aus diesen Gründen ist allerdings eine recht grosse \'er- breitung der Apparate und der Kenntniss, sie zu behandeln, sehr wün- schenswerth; vor allem aber auch eine gehörige gründliche Einsicht in das, was damit geleistet werden kann, verglichen mit den ehemals gebrauchten Apparaten, wobei, meine ich, gar nicht von solchen Pro- blemen hätte die Rede sein können.

Uebrigens breitet sich der Verein schon immer mehr aus. Meier- stein hat Apparate nach Halle. Freiberg, Wien und Bonn geliefert, wo sie freilich noch nicht in Tliätigkeit sind, nach Haag und München, wo trefflich beobachtet wird, nach Upsala, wo nächstens angefangen werden soll. In Arbeit hat er Apparate für Greenwich und Hublin. Nach Breslau sind von hier Stäbe gesandt. Nach Krakau liefert Breithaupt in Cassel einen Apparat etc. Bloss mit Berlin will es nicht vorwärts.

*) Denn darüber Avisson wir jetzt noch gar niolits;, und wo aller Boden fehlt, liasse ich alles Hypothesiren.

OlliiTs an (!:iii-<, r.niiirii. l^.'lf, Ajiril 7. 537

Die Beobl). des letzt cii Jenniiis weiden wohl aitch noch litho- giaphirt werden. Es entsteht jedoch die Schwierigkeit, wie für künftige regelmässige Lithographiriing die Kosten gedeckt werden sollen. Weber meinte, dass dies vielleicht durch Zusammentreten der Theilnehmer und Freunde geschehen könnte, wo dann der Aufwand für den einzelnen nicht so gar gross sein, und er dafür ein halbes Dutzend Abdrücke erhalten könnte. Ich zweifle aber, dass dies ausführbar ist, denn natürlich kann Hr. Prof. Weber sich nicht auf das Versenden und Kiiikassiren einlassen, das müsste durch \^ermittlung etw'a eines Kunst- oder Buchliändlers geschehen, was sich aber schwerlich hier in Göttingen einrichten lässt. zumal da das Geschäft bei seiner Zersplitterung doch zu unbedeutend sein würde.

Ich habe dagegen Hrn. Prof. Weber vorgeschlagen, in Göttingen ein allgemeines eigenes physikalisches Journal^) zu begründen, welches ausser vielem anderen Nutzen auch zur Magazinirung der magnetischen Beobb. ein bequemes ]\Iittel darbieten würde. Ich weiss aber noch nicht, ob seine grosse Bescheidenheit ihm erlauben wird, so etw'as zu unternehmen. Ich selbst kann freilich nichts dabei thun, als zu Zeiten einmal einen kleinen Beitrag geben, denn meine ganze Art zu arbeiten hat eine ganz entgegengesetzte Richtung; meine Arbeiten sind nicht zum Äaujnfüllen, und ein paar Bogen erfordern jahrelange Vorarbeit. Auch ist mir die grösste Qual, zu bestimmter Zeit eine Arbeit voll- enden zu müssen.

No. 694. Olbers au Gauss. [se?

Bremen, 1836 April 7.

Schon viel früher hätte ich Ihnen meinen schuldigen verpflichtetsten Dank für die so gütig besorgten Dissertationen und Ihren herrlichen so interessanten Brief abgestattet, wenn ich Ihnen nicht zugleich die täglich erwartete Nachricht von der glücklichen Abreise Ihres Hrn. Sohnes hätte geben -wollen, die durch Wind und Wetter so lange ver- zögert W' Orden ist. Am 21. März hatte sich Ihr Hr. Sohn, wie Sie aus seinem Briefe werden ersehen haben, in Bremerhaven an Bord des Copernicus eingeschifft; aber e^'st vorgestern, den 5. Apr., ist das Schiff, wie ich so eben erfahre, mit günstigem Ostwinde in See gekommen. Der beständig anhaltende westliche Sturm hatte es immer zurück-

^) Diese Zeitschrift „Resultate aus den Beobb. des Magnetischen Vereins im Jahre 18-36. Herausgegeben von C. F. Gauss und W. Weber" erschien im Juni 1837. Vergl. Brief Xo. 697 an Olbees v. 20. Juni 1837. Krm.

^38 Olbers an Gauss. Bremen, 1836 April 7.

gehalten. Am 28, März, wie der Wind auf 24 Stunden östlich ge- worden war, wollte es segeln ; allein bei dem Auslegen aus dem Hafen gerieth der Copernicus, ich möchte sagen, glücklicher Weise fest; er konnte erst wieder bei vollkommener Fluthöhe loskommen, und da hatte sich der Wind wieder gedreht. Kapitän Habmes rühmt die thätige Hülfe, die die 4 an Bord befindlichen Passagiere seiner SchifFs-Mann- schaft bei dieser Gelegenheit geleistet haben. Gleich darauf kam wieder ein heftiger anhaltender Sturm aus Südwesten, der vielleicht das Schiff, wenn es in See gekommen wäre, bis nach Norwegen hätte verschlagen können. Der CopernicAts legte sich wieder in den sicheren Hafen und hat nun vorgestern den günstigen Wind und das schöne Wetter benutzt. Da der Ostwind noch den ganzen gestrigen Tag fort- gedauert hat, so hoffe ich, dass schon ein gutes Stück Weges zurück- gelegt ist.

Dass Ihr Hr, Sohn mit einer überflüssigen Menge von Empfehlungs- Schreiben versehen worden ist, die er schwerlich alle benutzen wird und benutzen kann, werden Sie von ihm selbst wissen. Ueberhaupt hat der wackere junge Mann hier allgemein sehr gefallen, so dass jeder, der ihn kannte und kennen lernte, ihm gern behülflich sein wollte.

Was Sie mir über die magnetischen Observationen mittheilen, hat meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch genommen, und ich sehe vollkommen ein, wie äusserst wünschenswerth es ist, dass sich diese Beobb. immer mehr über einen grösseren Theil unserer Erdkugel ver- breiten, Dass es gerade in Berlin'^) nicht vorwärts will, hat mich sehr gewundert. Sind denn Humboldt, Encke, die beiden Ekmans. Mädler u. s. w. so kalt bei dieser wichtigen Angelegenheit?

Auch befremdet es mich, dass Kupfer in Petersburg, der doch ein magnetisches Observatorium, ganz ohne Eisen gebaut, benutzen kann, sich Ihrem Vereine, wenigstens so viel ich weiss, bisher nicht thätig angeschlossen hat. Wird in Norwegen noch gleichzeitig mit Ihnen beobachtet?

Wie sehr wünschte ich, dass der aucli von mir sehr verehrte Hr. Prof. Weber Ihre Idee, in Göttingen ein allgemeines physikalisches Journal zu begründen, in Ausführung bräclite. PoGaExroRFF's Annalen sind grössten Theils der Chemie gewidmet. Göttingen bietet gewiss eine vorzügliche Gelegenheit dar, eine solche Zeitschrift recht inter- essant zu nmchen. Ausser dem hohen \\'ertli. den ihr die Aufsätze der

^) Nach Brief No. 23 vom 30. Juli 1830 im Briefwechsel Hcmboldt-Gacss wurde in Berlin nach dem Abbruch von Humboldt'.s magnetischem Häuschen in der neuen Sternwarte, jedoch noch nicht mit GAUss'schen Apparaten beobachtet. Krm.

Olbers an Gauss. Bremen. 1830 April 7. 639

Göttiiifrer ^litarbeitcr p-t'^t-'ii Aviirdni. könnte auch die Gelegenheit zur theilweisen Austiillung- des übrigen Kaums benutzt werden, die das Zu- strömen so vieler auswärtiger physikalischer Werke, akademischer Me- moiren und .lournale für die dortige Bibliothek gewähren könnte. Unter anderen erfahren wir in meiner Umgebung alles, was in Italien und in HollamJ für die Physik geschieht, entweder garnicht, oder erst sehr spät und auf grossen Umwegen. Ein zweckmässiger Auszug aus den in diese Wissenschaft einschlagenden Abhandlungen würde gewiss allen Physikern sehr willkommen sein.

Wenn man einem Briefe von Cacciatore in Palermo an den Ka- pitän Smyth glauben kann, so hat uns eine ganz unverzeihliche Nach- lässigkeit dieses Astronomen um die Kenntniss eines neuen Planeten^) gebracht. Cacciatore schreibt, er habe im Mai 1835 bei dem Piazzi'- schen Stern h. XII. 17 noch einen Stern 7. S.Grösse gesehen, und den Abstand beider Sterne von einander bestimmt. Nach 3 Tagen trüben Wetters habe er die Sterne wieder gesehen und mit Verwunderung be- merkt, dass sich ihre gegenseitige Lage und Distanz verändert habe. Der neue Stern sei etwa 10" (vermnthlich Zeitsekunden) in jE und nicht völlig 1' in Dekl. gegen Norden in den 3 Tagen fortgerückt. Nachher blieb es bis zu Ende des Monats trübe, und da konnte der Stern der Dämmerung wegen nicht weiter im Meridian gesehen wer- den. — Aber warum suchte ihn Cacciatore nicht ausser dem Meridian, wo ein solcher, so langsam fortrückender Stern 7. 8. Grösse doch leicht gefunden werden konnte? Er hätte ihn dann bis zum Aug. be- obachten können. Wegen seiner so langsamen Bewegung glaubt Cacciatore, es sei ein Komet jenseits des Uranus gewesen. Ein Komet jenseits des Uranus konnte wohl nicht wie ein Fixstern 7. 8. Grösse erscheinen. In Frankreich scheint man geneigt, ihn für den Planeten zu halten, der nach Bouvard's Vermuthung jenseits des Uranus be- findlich sein soll. Dies letztere würde sieht leicht ausmachen lassen. Ein Planet jenseits des Uranus würde der in unserem Sonnensysteme herrschenden Analogie nach die doppelte halbe grosse Axe als Uranus für seine Bahn haben, und so könnte er auch jetzt noch nicht über gegen Ostnordost von dem Platz entfernt sein, an welchem er 1835 Mai war, müsste also sehr leicht wieder aufzufinden sein. Allein höchst wahrscheinlich war es ein Planet aus der Familie der Asteroiden, der sich nur deswegen so äusserst langsam zu bewegen schien, weil er gerade nach seinem Stillstande wieder anfing, rechtläufig zu werden; und so möchte er denn vor der Hand wieder ganz verloren sein.

Wie sind Sie mit Ihrem jetzigen Gehülfen bei der Sternwarte zu-

1) Vergl. hierzu Olbers Bd. I Xo. 156, S. 526—528. Krm.

540 Olbers an Gauss. Bremen, 1836 Juni 28.

frieden? So viel ich weiss, hat er noch öffentlich keine Proben seiner Thätigkeit gegeben.

Leben Sie wohl, mein geliebter Freund, erfreuen Sie mich, wenn es sein kann, bald [wieder mit]^) einigen Zeilen. Sie wissen, welches Fest ein von Ihnen für mich ankommender Brief mir [stets bejreitet.

K S. Eben bringt mir Eltermann Delius, der am o. Apr. in Bremerhaven und an Bord des Copernicus war, den Abschieds-Gruss von Ihrem Hrn. Sohne. Der Hr. Lieutenant Gauss war ganz gesund und heiter, mit seiner Einrichtung, Verpflegung und Umgebung sehr zufrieden, aber nun doch auch herzlich froh über die endliche Erlösung aus der so langen Blockade.

No. 695. Olbers an Gauss. [ses

Bremen, 1836 Juni 28.

In grosser Eile zeige ich Ihnen nur an, dass hier gestern die Nachricht von der am 22. Mai erfolgten glücklichen Ankunft des Copernicus in Philadelphia eingegangen ist.

Mich verlangt sehr, etwas von Ihrem und der Ihrigen Ergehen, und auch von Ihren etwaigen Reise-Projekten dieses Sommers zu er- fahren.

Ich befinde mich ziemlich wohl. Mein Sohn ist wieder in Pyrmont. Mein kleiner Ur-Enkel kränkelt bedenklich und macht mir manche Sorge. Doch bin ich auch vor einigen Monaten durch die Geburt einer kleinen Ur-Enkelin erfreut worden.

No. 696. Gauss an Olbers. [328

Göttingen, 1836 Juli 23.

Icli habe Ihnen noch meinen gehorsamsten Dank nachzuholen, dass Sie mich sogleich von der Ankunft des Cojjernicus in Philadelphia haben benachrichtigen wollen. Seitdem habe ich schon zwei Briefe von meinem Sohne selbst erhalten, einen aus Philadelphia, den andern aus New York. Der allgemeine Eindruck, den die Menschen dort machen, ist, dass fast jeder nur darauf denkt, to make moneij, und gierig seinem Gewinn nachrennt. Es seien ihm daher der grösste Theil der bislier abgegebenen Adressen oline allen Nutzen gewesen. Doch habe er auch

*) Die eing-eklamraeitou Worte sind wohl beim Entsieirelu abgerissen. Kriu.

Gauss an Olbers. Göttingen, 1836 Juli 23. 641

sehr rühmliche Ausualmieii j,^efuiideii. Xainentlich rühmt er sehr den Hannoverschen Konsul Meyer, einen Hrn. Vezib oder Vezin, und Hrn. \'auguan, Sekretär der Ph'iladelph'ian Philosojihical Society. Letzterer habe ihm vielfache Gelegenheit zur Bekanntschaft mit interessanten Personen in Beziehung auf seinen Hauptzweck, das Studium der Eisen- bahnen, eröffnet. Der enorme Gewinn, welchen die die Erbauung der Eisenbahnen dort leitenden Personen [erzielen], setzt den bloss an euro- päischen (oder Hannoverschen) Maasstab gewöhnten in Erstaunen. Er erwähnt eines Mannes, der zugleich die Erbauung von drei neuen Bahnen leite und dafür ein Honorar von 5000 Dollars fib- jede, also zusammen 22500 preuss. Thaler jjer annum erhalte.

Meine älteste, leider fortwährend sehr schwache Tochter ist vor acht Tagen abermals nach Ems zur Badekur abgereist, zur Gesell- schaft hat sie die Niece unseres sei. HARDiNa (Tochter des iu Klaus- thal gestandenen Superintendent Haeding) mitgenommen.

In der Casseler Zeitimg, ich glaube vom 10. Juni, fand ich in der Fremdenliste die Ankunft des Hrn. Senator Olbees aus Bremen mit Familie und Dienerschaft. Eine darauf basü'te Präsumtion scheint sich jedoch mit der Art, wie Sie der Reise Ilu-es Hrn. Sohnes nach Pyrmont erwähnen, kaum zu vertragen.

Im vorigen Frühjahr habe ich mich einige "Wochen hindurch viel mit optischen Versuchen^) beschäftigt, namentlich in Beziehung auf die Diffraktion, wofür ich einen ScHWEED'schen Apparat erhalten habe. Diese Gegenstände werden mir fast ebenso interessant, wie Magnetismus und Galvanismus. Ich habe jedoch jetzt mich mit Gew^alt ganz wieder davon trennen müssen, da es mir dazu an Zeit fehlt.

Ganz besonders wird meine Zeit jetzt in Anspruch genommen durch Geschäfte, die sich auf die Hannoversche Maassregulirung^) beziehen. Für die Wägungen habe ich eine Waage von Repsold erhalten, die er früher für seinen eigenen Gebrauch gleichzeitig mit einer für Schumacher verfertigt hat. Der letzteren scheint sie an Vollkommen- heit etwas nachzustehen, inzwischen denke ich, diesen Unterschied durch veränderte Behandlungsart wenigstens ersetzen zu können. Die Versuche damit, zuerst um sie in ihren Elementen genau kennen zu lernen, dann mir selbst Gewichtsätze abzugleichen, und ein aus Berlin erhaltenes pr[eussisches] Pfund mit anderen Exemplaren zu vergleichen, sind aber

^) Vergl. hierzu auch Brief Xo. 589 Tom 7. Juni 1836 im Briefwechsel Gaüss- ScHüMACHER. Krm.

^) Ausführlichere Nachrichten über Gauss' Beschäftigung mit dem Hannoyerschen Maass- und Gewichtswesen und besonders auch mit der Theorie der Waage und des Wagens giebt der Briefwechsel zwischen Gauss und Schumacher aus den Jahren 1836—37 und 1839. Siehe auch den folgenden Brief. Krm.

Olbers. II, 2. 41

Q^2 Gauss an Olbers. Göttingen, 1836 Juli 23.

ausserordentlich zeitraubend, wie Sie leicht ermessen werden, wenn Sie den letzten Artikel in Schumacher's J. B. 1836 betrachten, wo doch die ganze Arbeit bloss den Zweck hatte, ein Gewichtstück mit einem anderen zu vergleichen.

Unter meinen jetzigen magnetischen Experimenten ist das merk- würdigste eines, wo die Induktionswirkung des £'>-fhnagnetismus auf einen 700fachen Drahtring, übersponnen und zusammen über 13000 Fuss lang, bestimmt wird. Dieser Ring oder dieses Rad wird um eine Axe gedreht, die einen horizontalen Diameter des Rades bildet. Diese Drehungsaxe macht genau einen rechten Winkel mit dem magnetischen Meridian, und die beiden Enden des Drahtes sind bis zum Multiplikator des grossen Magnetometers der Sternwarte fortgeführt, welcher Multipli- kator jetzt aus 610 Umwindungen übersponnenen Drahts besteht. Die Drehung geschieht taktmässig nach der Uhr, alle 2* eine Um- drehung, und nach jeder halben Umdrehung wechselt vermöge eines eigenthümlichen Mechanismus die Verbindung der Drahtendungen des Rades mit ihren Fortsetzungen. Die Einrichtung ist nach Vorschrift der Theorie so, dass dieser Wechsel genau stattfindet, wenn das Rad dem magnetischen Aequator parallel ist, oder einfacher gesagt, normal gegen die Richtung der erdmagnetischen Kraft. So wirkt der durch die Induktion erzeugte Strom immer in einerlei Sinn auf das Magneto- meter und bewirkt, obgleich die ganze Drahtlänge so gegen 20000 Fuss lang ist, doch noch Ausweichung von mehreren Hundert Skalentheilen an der 25 pfundigen Nadel. Bei einigen Versuchen wird auch noch der Draht des Induktors (Schumacher's J. B. 1836, S. 41 ^), der aber jetzt nicht mehr 3537, sondern 7000 Umwindungen hat, mit in die Kette aufgenommen, wo also der Strom gegen 27000 Pariser Fuss sehr dünnen Drahts zu diu'chlaufen hat und dann noch immer 325 Skalentheile Aus- schlag giebt. Diese Versuche machen einen Theil von denjenigen aus. die zum Zweck haben, alles was sich auf die Wechselwirkung zwischen Magnetismus und galvanischen Strömen bezieht, auf absolute Maasse zu bringen. Genäherte Zahlenbestimmungen geben schon meine früheren Versuche. Die gegenwärtigen werden aber die Genauigkeit noch sehr vergrössern.

Auch die trigonometrischen Messungen ruhen dieses Jahr nicht ganz. Der Hauptmann Müj.ler bearbeitet gegenwärtig ein Dreiecksnetz west- lich von Göttingen. Den Antheil, welchen mein Sohn an der grossen Karte von Hannover nimmt, hat er während seiner Abwesenheit einem anderen Officier übertrafen, und in diesem Augenblick erhalte ich drei

^i ..Erdmagnetismus imd Mai]netomefe)" . ^^■ieder abgedruckt in Gauss" Werken Bd. V S. 315—344, daselbst S. 340. Krm.

Tiauss au Ollters. Göttingen, 1837 Juui 20. 643

neue Blätter Nr. :i5, 60 und 34. Es ist zu bewundern, dass dieses herrliche \\^erk hei der geringen Unterstützung, die es, wie es scheint, vom Publikum findet, so rasch fortschreitet. Unser Professor der Geo- <rraphie (Freund Heeren) kannte, wenigstens vor einiger Zeit, nicht einmal die Existenz der Karte.

N. S. Da von Bremen fast wöchentlich Schiffe nach Nord-Amerika abgehen, so hofte ich, Ihnen nicht gar zu viel Beschwerde zu ver- ursachen, wenn ich Sie ersuche, die Einlage einem solchen gütigst niitzutieben.

No. fi97. Gauss all Olbers.') [329

Göttingen, 1837 Juni 20.

Es ist eine unendlich lange Zeit, dass ich mit keinen direkten Nachrichten von Ihnen erfreut bin. Je mehr ich mich nun danach sehne, um so begieriger ergreife ich die Gelegenheit, mich einmal wieder in Ihr Andenken zurückzurufen, indem ich Ihnen ein Exemplar des un- längst fertig gewordenen ersten Bandes der Resultate^) überreiche.

Aus der Einleitung werden Sie Anlass und Plan dieser Publikation ersehen. Was der Titel angiebt, ist und soll sein nur der bei weitem kleinste Tlieil. Die Publikation der regelmässigen Teniiinbeobb. soll nur die fortlaufende Schnur sein, an die sich kleinere und grössere Aufsätze aus dem weiten Gebiete des Erdmagnetismus und allem, was damit zusammenhängt, anreihen sollen. Angefangen w^erdeu muss freilich mit leichten, allgemein verständliehen und dem ersten Bedürfniss nahe liegenden Sachen. Man wird sich das Publikum erst nach und nach zubilden müssen, denn wie verworrene Begriife noch mancher Orten herrschend sind, werden Sie aus dem AiEY-CnRisTiEN'schen Rapport über Humboldt's Brief) an den Herzog von Sussex zur Genüge er- sehen haben. Direkt auf so etwas zu antworten, kann man sich un- möglich entschliessen, aber jedes Blatt unserer Zeitschrift wird eine indirekte Antwort sein.

Nach und nach wird man zu subtileren Untersuchungen fortgehen können, aber erst, wenn das Elementare als jedermann bekannt und

^) Zwischen dem vorhergehenden und diesem Briefe fehlt ein Schreiben Olbers', welches nach dem folgenden Briefe nicht in Gauss' Hände gelangt ist. Seh.

^j Vergl. Anmerkung auf S. 637. Die von Gauss herrührende Einleitung zu diesem Bande der Resultate ist abgedruckt in Gauss' Werken Bd. V, S. 345—351. Krm.

') Siehe auch Brief No. 23 vom 30. Juli 1836 im Briefwechsel Hümboldt- Gauss. Der Brief Humboldt's an den Herzog von Sussex ist abgedruckt in E. ScHERiKG, C. F. Gauss und die Erforschung des Erdmagnetismus, S. 9 21. Krm.

41*

04:4 Gauss an Olbers. Göttingen, 1837 Juni 20.

keiner ^oben Misslegung mehr ausgesetzt betrachtet werden kann. Alles wird freilich darauf ankommen, ob die Zeitschrift bestehen kann. d. i. ob der Absatz gross genug sein wird, dass der Verleger dabei heraus- kommt. Im bejahenden Falle werde ich mit Vergnügen nach und nach alle meine Untersuchungen darin jjubliciren; im entgegengesetzten wird das Unternehmen bald wieder eingehen müssen. Ich fürchte mehr das letzte, als ich das erste hoffe.

Die Anzahl der Theilnehmer an den Beobb. vergrössert sich fort- während. Wahrscheinlich wird Krakau schon den nächsten Termin mit beobachten. Für Heidelberg und Brüssel werden jetzt hier Apparate angefertigt. Hoffentlich wird die Zeitschrift nachdrücklich beitragen, die Vergrösserung der Theilnehmer zu beschleunigen.

Ich komme nun jetzt zu Ihnen, mein theurer Olbers, mit einer grossen Bitte. Mein jüngster Sohn -wird im Sept. nach New Orleans abreisen, um im Missouri-Staat eine Existenz zu suchen, die er in Europa nicht hat finden können. Er wird sich vorher mit einem zwar ganz mittellosen, aber sehr wackeren Mädchen verheirathen. Je geringer seine eigenen Mittel sind, um so wichtiger ist es füi- ihn, dass er sie mit keinem oder möglichst geringem Verlust dorthin übertragen kann. Ich selbst vermag die verwiiTten gegenwärtigen dortigen Geld- verhältnisse gar nicht zu beurtheilen ; mir erscheint alles in einer chao- tischen Räthselgestalt. Aber an einem Handelsorte wie Bremen, der in so vielfacher Verbindung mit Amerika steht, A^ird man doch ein klares Urtheil darüber haben, und ich hoffe, dass es Hinen nicht zu viele Beschwerden machen wird, etwa durch Ihren verehrten Hrn. Schwiegersohn, der sich schon meinem ältesten Sohne so hüLfi-eich be- wiesen hatte, diejenigen Erkundigungen einzuziehen, die nöthig sind, um meinem Sohne über die vortheilhafteste und gefahrloseste Art. wie er sein geringes Vermögen dorthin transferiren kaijn, freundschaftlich zu rathen. Ich selbst habe wohl gedacht, ob es nicht vortheilhaft wäre, wenn nicht das Ganze, doch einen Theil baar mitzunehmen und zwar in französischen Goldmünzen (Napoleonsd'or = 20 Franc-Stücke). Hier sind indessen solche nicht zu haben, oder höchstens in gar nicht der Rede werther Quantität oder mit so übermässigem Aufwand, dass aller Vortheil mehr als absorbirt werden würde. Auch bescheide ich mich, solche Geldverhältnisse gar nicht zu verstehen.

Ich bin zwar überzeugt, dass Sie. mein theurer Olbers, Ihren Eath und Ihre freundschaftliche Theilnahme an dem künftigen Glücke meines Sohnes ihm nicht versagen werden, schon als t^olcJten. Er bringt aber noch zwei andere Ansprüche mit, als Ihr Pathe und als Verlobter der Tochter der Schwester unseres gemeinschaftlichen Freundes Bessel.

Mein Sohn hat übrigens für sich und seine künftiire Frau schon

Gauss an 011).^rs Höttingen, 1837 Juni 20. 645

Plätze auf einem im Sept. nach New Orleans von Bremen zu expedirenden Schiffe durch einen dortigen Makler AN'estuof belegt, und er könnte unter keinen günstigeren Auspicien reisen, als wenn es sich träfe, dass es der Olbers^) wäre, der ihn in sein neues Vaterland führte. Er meint, dass es sehr vortheilhatt wäie, wenn er es so einrichten könnte, dass er, ohne sich in New Orleans aufzuhalten, sogleich nach der Ankunft mit einem Dampfschiffe den Mississippi hinauf nach St. Louis weiter reisen könnte. Ob die Geldangelegenheiten sich so arrangiren lassen, dass dies thunlich ist, verstehe ich selbst nicht zu beurtheilen.

Mein ältester Sohn ist gleich nach seiner Rückkehr als Adjutant bei dem Stader Artillerie-Bataillon eingetreten. Seine äussere Lage ist dadurch nicht unbedeutend verbessert, so dass er, unverheiratet, sein selir gutes Auskommen hat, "wenngleich lange nicht zureichend, einen eigenen Herd zu bauen. Ich wünschte sehr, dass er Gelegenheit fände, seine schönen erworbenen Kenntnisse in Beziehung auf die Eisenbahneu bei uns nutzbar zu machen; ich weiss aber nicht, wie viel \\'illfähi'ig- keit für Eisenbahnen man von der Hannoverschen Stände- Versammlung zu erwarten hat.

In den letzten ^/^^ Jahren haben mich unsere Maassangelegenheiten einen grossen Aufwand von Zeit und Arbeit Sie stellen sich schwer- lich vor, wie grossen gekostet. Ich habe den Auftrag, die Dar- stellung aller Normalmaasse und Gewichte zu leiten. Aber dieses Leiten implicirt eine unendliche Menge von Messungen und Wägungen. Cirka 3 Wochen habe ich allein dazu verw^enden müssen, die Eintheilung^) eines Maasstabes, den ich habe anfertigen lassen, zu prüfen und die Fehler derjenigen Theilstriche, die ich nöthig habe (etw^a 70), zu tabu- liren. Mein Komparator ist sehr einfach, aber er leistet ebenso viel, wo nicht mehr, als der künstliche, den Bailt angewandt hat. Er hat ein gusseisernes Gestell, welches über 50 U wiegt. Sehr beschwerlich war es, dass ich damals im Dec. und Jan. genöthigt war, alle Ope- rationen in einem ungeheizten Zimmer zu machen, da im geheizten wegen der fortwährend unter meinen Händen vorgehenden Temperatur- Aenderungen nichts Scharfes zu machen war. Die Hohlmaasse (8 an der Zahl) sind fertig und sehr schön gerathen. Ebenso viel Aufwand kosten die Wägungen, wobei noch sehr viel zu thun übrig bleibt, namentlich die Darstellung der Gewichte von 1—100/?, wozu Waagen von ganz neuer Konstruktion erst vollendet und studirt sein wollen.

^) Zu Olbers' Ehren benanntes Bremer Auswanderer-Schiff. Siehe Brief Xo. 632 S. 516 so wie den folgenden Brief. Krm.

*) Vergl. hierzu Gauss' Werke Bd. V Xachlass, S. 682-635, nach der Bemer- kung auf S. 639 daselbst nach einer Aufzeichnung Weber's aus dem Jahre 1839 oder 1840 (?) mitgetheilt. Krm.

046 Olbers an Gauss. Bremen, 1837 Juli 13.

Die kleineren (Medicin- und Juwelen-) Gewichte sind fertig. Einen kleinen Aufsatz über eine subtile Korrektion an den Hebelwaagen von gewöhnlicher Einrichtung werden Sie in den G. G. A}) oder in den Astronomischen Nachrichten, wo er wieder abgedruckt ist, gelesen haben.

No. 698. 011) ers au Ganss. [seo

Bremen, 1837 Juli 13.

Sie haben mi]- durch das so interessante Geschenk Ihrer wichtigen magnetischen Resultate, noch mehr aber durch Ihren so lieben Brief eine ungemein grosse Freude gemacht. Allerdings haben wir sehr lange auf direktem Wege nichts von einander gehört. Ich muss in- dessen bemerken, dass ich zuletzt geschrieben hatte ^), und wenn mich dies auch gar nicht abgehalten haben würde, schon viel früher wieder zu schreiben, so tliat es hauptsächlich der Umstand, dass ich stets Ihnen nur das Ihnen längst Bekannte wiederholen kann, dass ich Sie immer mit derselben Wärme liebe, verehre und bewundere. Sie aber, lieber Gauss, könnten mir doch zuweilen ich bescheide mich gern, dass dies wegen Ihrer vielen Geschäfte nur selten und kurz gefasst geschehen kann ein paar ^^'orte über Ihr Befinden, Ihre Arbeiten, Ihre Entdeckungen sagen, die mir dann immer gleich erfreulich und lehrreich sein werden, und die ich nie unbeantwortet lassen will.

Die letzten indirekten Nachrichten von Ihnen habe ich durch den jungen Beandes aus Leipzig erhalten, der vor einigen Tagen von hier nach Altena abgegangen ist, und mir von Ihrem Befinden und Ihrer grossen fortwährenden Thätigkeit, in Ihren magnetischen Untersuchungen hauptsächlich, die angenehmsten Nachrichten brachte. Was mich be- trifft, so hatte ich den Winter ganz erträglich überstanden, aber die so ungewöhnlich kalten Tage der ersten Hälfte des Apr. gaben meiner Gesundheit einen Stoss, von dem sich der nunmehr 80 jährige Greis noch nicht recht wieder erholen kann.

Wenn für mich selbst der Winter so ziemlich hingegangen ist, so hat er mich um so schmerzhafter meiner besten hiesigen Freunde be- raubt. Besonders empfindlich war und ist mir der Verlust der Sena- toren Deneken und Gildemeister, und der Professoren Tkeviranus und KuMP. So wird man im Alter immer isolirter in der ^^'elt.

Mit wahrem Heisshunffer habe ich Ihre herrlichen Besultate des

ij Gott. Gel. Anz. 41. Stück, S. 401—405: A. N. Bd. XIV No. 327, :^. 241—244. Wieder abgedruckt in Gauss' Werken Bd. V, S. 511—513. Krni. ") Vergi. Anmerkung 1 auf S. 643. Seh.

Oll'trs an Gauss. Bremen, 1837 Juli 13. (J47

Mdynctisrlitvi Vereins diircl»o:elesen; aber ein eigentliches Studium der- selben behalte ich mir noch vor. Ich kann Ihre Furcht, dass das Unter- nehmen keinen hinreichenden Absatz finden werde, durchaus nicht t heilen. Welcher Physiker kann dieses Werk entbehren und muss und wird sich nicht dafür interessiren? So interessant das jetzige IStück auch ist, so versprechen die künftigen bei grösserer Ausdehnung des Vereins, vielleicht selbst bis jenseits des Aequators, doch noch immer interessanter zu werden. Und wie viel ist noch zu erforschen! Wie weit wird sich der so auffallende Parallelismus der augenblicklichen \'eränderungen erstrecken. Da die Erde, wie es scheint, zwei Nord- pole und zwei >*Südpole der magnetischen Kraft hat, so muss doch wohl dieser Parallelismus seine Grenzen haben? Nun man, dank Ihrer grossen Erfindung, die Beobb. in einer so grossen Schärfe machen kann, Hesse sich nicht auch untersuchen, ob die Stellung des Mondes gar keinen, auch nur sehr kleinen Einfluss auf die Magnetnadel habe?

Dass ich Ihren geliebten Hrn. Sohn, meinen lieben Pathen, mit seiner jungen Frau im Sept. hier sehen werde, freut mich ungemein. Weil aber gerade in diesen Monat das Jubiläum von Göttingen fällt, so habe ich wohl keine Hoffnung, dass Sie, mein theurer Freund, das junge Ehepaar bis Bremen begleiten werden, und ich so das Glück hätte, Sie vor meinem Abschiede aus dieser Welt noch einmal zu um- armen? Ich selbst verstehe zwar nichts von amerikanischen Geld- sachen, aber mein Schwiegersohn wird gern darüber alle möglichen Erkundigungen einziehen und die Absichten Ihres Hrn. Sohnes, so viel er nur irgend kann, zu befördern suchen.

Mit dem Schilfe Olhcrs werden die lieben Auswanderer aber ihre Ueberfahrt nicht machen können. Diese so schön gebaute Fregatte, die bisher alle ihre Reisen so glücklich machte, war auch diesmal auf der Fahrt nach New York schon bis in die Nähe der Bänke von Neu- fundland gekommen, als sie von einem wüthigen, 3 ganze Tage dauernden Orkan befallen wurde, der das Schiff so zurücktrieb und beschädigte, dass der Kapitän alle JVIühe [hatte], das ganz leck gewordene Schiff in den Hafen Cork von Irland zu bringen. Das Fahrzeug, ein wahres Wrack, wird höchst wahrscheinlich als keiner Reparatur mehr fähig oder werth kondemnirt werden. Glücklicher Weise ist keiner der Matrosen oder der 60 Passagiere beschädigt, und Cargo, Fracht und Passage-Gelder sind versichert.

Ich glaube es gern, dass Ihnen die Darstellung der Normal-Maasse und Gewichte viele Mühe und Zeit gekostet hat und noch kosten wird. Aber Ihr Scharfsinn hat bei der Gelegenheit doch wieder neue Ent- deckungen gemacht. Es ist doch nichts, lieber Gauss, was Sie anfassen, ohne ihm eine neue und vollkommenere Einrichtung zu geben.

g48 Gauss an Olbers. Göttingen, 1837 September 2.

Nun von meiner Seite eine Bitte, die Sie nur dann erfüllen mögen, wenn Sie ihren Gegenstand billigen. Wollen Sie nicht einen jungen Mann, der doch eine Druckschrift herausgeben will, oder herausgeben muss, veranlassen, die von Schumacher und mir in den Astronomischen Abhandlungen gelieferte TafeP) der Kometenbahnen von Neuem zu ver- bessern, zu kompletiren und besonders bis auf die jetzige Zeit fortzu- setzen. Es sind seit ihrem Abdruck fmit Inbegriff des in denselben Astronomischen Abhandlungen befindlichen unbedeutenden Nachtrages) so viele neue Kometen erschienen und berechnet, dass es gewiss allen Astronomen sehr angenehm sein muss, ein vollständiges Register ihrer Elemente zu haben. An allen nöthigen Hülfsmitteln kann es in Göttingen nicht fehlen.

Uebermorgen erwarte ich meinen Sohn von Pyrmont zurück.

Leben Sie wohl, mein theurer geliebter Gauss! Wenn es irgend sein kann, so erfreuen Sie mich bald wieder mit einigen Zeilen. Be- denken Sie, dass Sie nicht mehr lange mit Ihrem alten Freunde werden korrespondiren können.

No. 699. Gauss an Olbers. [sso

Göttingen, 1837 September 2.

Durch Ihren mir so lieben Brief vom 13. Juli haben Sie mich sehr erfreut, ganz besonders aber auch durch die Zusicherung, dass Sie und Ihr Hr. Schwiegersohn meinem Sohn in Beziehung auf seine Ueber- siedelung mit Belehrung und Rath aushelfen wollen. Ohne eine solche Aussicht könnte ich seinetwegen nur in grosser Unruhe sein. Er be- findet sich übrigens, bis ihm die bestimmte Abfahrt des Schiffes (ich glaube des Alexander), auf welchem er durch den ^Makler W'esthof schon vor längerer Zeit zwei Plätze belegt hatte, gemeldet werden wird, mit seiner ihm am 21. Aug. angetrauten Frau in deren Heimat, in Levern unweit Preussisch Minden.

Auch mein ältester Sohn hat sich unlängst in Stade verlobt mit einer Tochter des dortigen Medicinalraths Ertthropel.

Gerling^), der seine trigonometrischen ^lessungen in Hessen jetzt beendigt hat, hat jetzt noch eine Operation veranstaltet, die zur Be-

^) A'^ergl. Anmerkung 2 auf S. 166. Dieselbe Aufforderung hat Oi.bf.rs auch an Bessel im Brief No. 859 vom 5. Juli 1S3S gerichtet, aber erst 1S47 wurden von Galle und Cooper unabhängig von einander erweiterte Konietenverzeichnisse auf- gestellt. Krm.

'^) Von hier ab l)is „vom Foldberge her gesehen'' auch abgedruckt in Gauss' Werken Bd. IX, S. 379, 380. Krm.

Gauss an Olbers. Gottingen, 1837 September 2. 649

stimmiiii«;: des Längemniterschiedes zwischen Götting-eu und Mannheim dienen soll. Es werden Si^rnale auf zwei Bergen. Meisner und Feld- berg, gegeben; erstere sind in meiner, letztere in der Mannheimer Sternwarte sichtbar; beide aber zugleich auf einem Zwischenberge bei Marburg, wo Gekling mit einem IvEssELSchen Chronometer beob- achtet. Die Signale sind Pulverzeichen bei Nacht und heliotropische bei Tage. Das "Wetter ist nicht günstig: hier sind zwar bisher schon ziemlich viele Zeichen von beiderlei Art beobachtet, aber Gerling hatte nach seinem letzten Briefe noch fast nichts vom Feldberge her gesehen.

Diese Beobb. tragen noch mit dazu bei, jetzt meine Zeit zu be- engen, so wie vorgestern gestern ein extramagnetischer Termin, den ich den PARRorschen in Xordkap anzustellenden magnetischen Beobb. zu Gefallen doch veranstaltet habe, obgleich das Beispiel der vorig- jährigen Isländer Beobb. davon hätte abschrecken können, da aus letz- teren gar nichts herausgekommen zu sein scheint. In der Sitzung der Societät im Jubiläum (19. Sept.) werde ich eine Vorlesung^) halten über ein neues Mittel für die magnetischen Beobb. Es bezieht sich auf einen neuen Apparat, der für die (horizontale) Intensität ganz das- selbe leistet, was das Magnetometer für die Dekl, wodurch also die Aufgabe {..Eesidtate" S. 12), soweit von dem horizontalen Theile der erdmagnetischen Kraft die Rede ist, erledigt wird. Von einer rohen Probe der Grundidee linden Sie eine Andeutung in Schumacheb's Jahr- buch 1836 S. 19, woraus freilich nicht zu erkennen ist, in u-as das Mittel besteht, sondern nur ein sekundärer Theil von dem, was damit geschieht. In diesem Sommer habe ich aber den Apparat ordentlich ausführen lassen, und es sind sogar die beiden letzten Termine (der Haupt- termin vom 29. Juli und der "Extratermin vom 31. Aug.) vollständig damit beobachtet^», während ebenso vollständig in beiden auch im Magn. Ob.«i. der Verlauf der Dekl. beobachtet ist.

Der horizontale Theil des Erdmagnetismus kann also jetzt so scharf beobachtet werden, wie die Sterne am Himmel. Aber mit dem verti- kalen Theile wird eine ähnliche Genauigkeit niemals erreicht werden können; wer die Stelle der Intensitas vis etc. p. 15^) „Ex hoc rem reqidratur" gehörig studirt und beherzigt hat, wird dies leicht von selbst einsehen; wenn man aber auch nicht die gleiche Genauigkeit wie bei dem horizontalen Theil erreichen kann, so bin ich doch überzeugt,

^) Vergl. Anmerkung 2, S. 6.56. Krm.

*) Vergl. Resultate aus den Beobb. des magnet. Vereins 1837 VIII, Gauss^ Werke Bd. V S. 576-579. Krm.

») S. 91—92 in Bd. V der Werke. Krm.

ß50 Gaixss an Olbers. Göttingen, 1837 September 2.

dass man viel mehr erreichen kann, als bis jetzt erreicht ist. Das ist aber etwas, worauf ich mich nicht einlassen kann. Bei den Instru- mental-Hülfsnütteln für die beiden Elemente des horizontalen Theils konnten geistige Mittel ausreichen, d. i. durch eine gehörige Einrich- tung konnte man Apparate zur Erreichung der höchsten Genauig- keit darstellen, die eigentlich keine übermässig feine mechanische Ar- beit erfordern, und mit geringen Kosten angefertigt werden können. Der neue Apparat kommt nicht auf 50 Ethlr., natürlich alles schon Vor- handene, w^as dabei gebraucht wird, ungerechnet, namentlich Uhr, Theo- dolith und Magnetstab. Dagegen sind bei allem, wobei der vertikale Theil der magnetischen Kraft auf irgend eine Art mit ins Spiel kommt, sei es als Inklination oder anders, sehr fein, sehr vollkommen ausge- arbeitete, also auch am Ende kostbare Instrumente unentbehrlich, uner- lässlich und können durch nichts anderes ersetzt werden. Ein Inklina- tionsapparat von der gewöhnlichen Einrichtung, der nur so . weit be- friedigen soll, als wir jetzt wirklich sind, also wobei man noch weit, sehr weit zurücTc ist gegen das, was man wünschen muss, kostet schon mehr, als ich in einem oder zwei Jahren für Sternwarte und magneti- sche Anlagen zusammen zu verausgaben habe.

Ich habe schon längst die Meinung gehabt und geäussert, dass die CAVENDiSH'schen Versuche über die Attraktion von Bleikugeln ihre Be- rühmtheit nicht sonderlich verdienen, und dass man diese Versuche viel besser machen könnte. Ich sehe jetzt aus den Zeitungen, dass die Ver- suche in England wiederholt werden sollen, und dass der Schatz dazu eine „Beihülfe" von 500 Pfund St. ausgezalilt hat. Hotfentlich werden diejenigen, die die Ausführung machen, nun etwas Besseres liefern. Wenn man aber die Summen, die in England oder auch in Euss- land, wie das Beispiel von Jacobi zeigt auf einzelne Versuche ver- wandt werden können mit den jämmerlich mesquinen Mitteln ver- gleicht, womit bei uns zu Lande der ganze Haushalt besorgt werden muss, so verliert man freilich ziemlich die Lust, sich mit experimen- teller Naturforschung zu beschäftigen.

Ueber die Aufnahme unserer „Resultate" im Publikum scheint doch meine eigene Ahnung richtiger zu sein als Ihre Prophezeiung. A la honne heure! Ich habe das meinige gethan, und wenn das Publikum dergleichen nicht goutirt, so Avissen wir aufzuhören.

Für das Göttinger Jubiläum wird nocli von allen Seiten gerüstet; eine Sündfluth von Versen ist schon ausgebrochen. Ich erwarte hier Hrn. Gerling zum Besuche. Hu^aibolpt wird auch herkommen: möchte er nur seine Anwesenheit etwas über das Jubiläum hinaus ausdehnen, da während desselben und vorher so viel Zerstreuendes ist, dass ich ihn Avenig würde geniessen können.

Gauss au Olbers. Götting-en, 1837 Septeuiber 26. 651

P'ast iiHiss ich besorgen, dass ein t'riiheier Brief ^) von Ihnen niclit in meine Hände gekommen, sondern verloren ist. Sie sclirieben in Ilirem letzten Briefe, Sie hätten zuletzt geschrieben gehabt. Nnn habe ich aber zwischen Ihren Brii-fen vom 28. Jnni 1836 und 13. Juli 1837 keinen von Ihnen erhalten, während ich Ihnen entweder im Aug. oder Juli 1836 einen Brief schrieb, der gewiss in Ihre Hände gekommen ist. Hat also Ihre Erinnerung Sie nicht getäuscht, so ist nothwendig ein Brief V(tn Ihnen verloren gegangen.

No. 700. Gauss an Olbers. fssi

Göttingen, 1837 September 26.

Nachdem unsere Jubiläumsfeierlichkeiten von denen Sie ad nauseam usque durch die Zeitungen Kunde bekommen überstanden sind, muss ich Ihnen doch ein Zeichen geben, dass ich noch lebe. Wenig hätte in der That gefehlt, so wäre es mir wohl ebenso gegangen wie Göschen, der höchstwahrscheinlich als Opfer derselben vorgestern gestorben ist. Ein anderer hiesiger Professor, Dissen, war schon ein paar Tage früher gestorben, wenn aber bei dem auch das Jubiläum etwas mitgewirkt hat, so können es nur die Gemüthserschütterungen gewesen sein, da er, seit vielen Jahren auf sein Zimmer beschränkt, an den Feierlichkeiten keinen Theil nehmen konnte.

Ich selbst befand mich schon vorher nicht ganz wohl und war entschlossen, an allen Processionen und dem Aufenthalt in Kirche und Aula wobei die ebenso geschmacklose als drückend beschwerliche, sogenannte Amtstracht, ein Mönchsmantel, angelegt werden musste gar keinen Theil zu nehmen. Erst am Sonntag früh, wo wir benach- richtigt wurden, dass nach den Aufzügen, der Predigt pp. Präsentation vor dem König Statt haben sollte, entschloss ich mich noch, nicht zu- rückzubleiben. Allein schon bei der Versammlung in der Bibliothek, wo viele 100 Personen in engem Raum zusammengedrängt waren, be- fand ich mich in der desoxj^genirten Luft herzlich schlecht; dann kam die Procession unter dem bleiernen Mantel, dann der Aufenthalt in der furchtbar überfüllten Kirche, wo man kaum atlimen konnte, und eine geistlose Predigt, die gar kein Ende nehmen wollte. Ich war nahe daran, in Ohnmacht zu fallen. Dann neue Procession, dann eine Stunde im Freien stehend bei der Enthüllung der Statue, dann Präsentation.

^) Yergl. Anmerkung- 1 auf S. 643. Krm.

ß52 Gauss an Olbers. Göttingen, 1837 September 26.

Als ich endlich nach Hause kam, war ich g-anz in Schweiss zerfliessend, und musste nur schnell Wäsche und Kleider wechseln, um dem Fest- mahl beizuwohnen.

Ich glaube, dass ich Göschen's Schicksal nur dadurch entgangen bin, dass ich am folgenden Tage mich aller Theilnahme enthielt und ruhig zu Hause blieb, so wie am Dienstage der Theilnahme an der Promotionsfeierlichkeit; endlich, dass durch Fürsorge meines guten Weber gleich nach dieser alle Fenster geöffnet wurden, um erst wieder reine Luft einzulassen, so dass ich, als ich nach 12 Uhr zu der Societäts- sitzung eintraf, eine geniessbare liuft vorfand und meine Vorlesung halten konnte.

Gerling hatte während der ^A^oche in meinem Hause Quartier angenommen. Humboldt sah ich alle Tage bei mir, meistens jeden Tag mehrere Male. Er ist Abend abgereist. Ich habe seine Rüstigkeit bewundert. Er war von Berlin Tag und Nacht hierher gereist; von hier nach Hannover reiste er wieder während der Nacht.

Jetzt ist es nun wieder in Göttingen so still, wie es voi'her ge- räuschvoll gewesen war.

Mein Sohn schrieb gestern, dass sein Schiff am 1. Okt. unter Segel gehen würde. Er ist höchst wahrscheinlich jetzt schon in Bremen, und ich bitte Sie, ihm die Einlage gütigst zu übergeben. Ich bin über- zeugt, dass Sie und Ihr trefflicher Hr. Schwiegersohn dessen An- denken ich mich angelegentlichst empfehle ihm auf jede Weise mit Rath und That beistehen werden, und diese Hoffnung ist meine einzige Beruhigung.

Das Unglück^), welches den künftigen Schwiegervater meines ältesten Sohnes, den Medicinalrath Erythropel in Stade betroffen hat. werden Sie wahrscheinlich durch öffentliche Blätter oder dui"ch die Er- zählung meines jüngsten Sohnes erfahren haben. Es ist ein höchst harter Schlag für die ganze Familie.

Sehnlichst wünsche ich mir recht bald einmal wieder ein paar be- ruhigende Zeilen über Ihr Befinden, mein geliebter Olbeks. zu erhalten. Mancher Becher Weins ist während der Feierlichkeit auf Ihr \\o\\\- sein geleert.

^) Siehe den folgenden Brief Olbers". Seh.

(I11..TS an (i;ni.< l'.remeu, 1837 Oktul.er 14. (553

No. 701. Olbers an (iauss. [370

Bremen, 1837 Oktober U.

Sie liabeii mich mit zwei Briefen erfreut und bep^lückt, wofür ich ihnen den herzlich.sten Dank sage. Längst hätte ich den ersten schon beantwortet, wenn er mir nicht die Ankunft Ihrer lieben Kinder als schon im Anfange des Sept. bevorstehend angekündigt, und ich nicht geglaubt liätte, diese erst erwarten zu müssen, um Ihnen von den- selben etwas sagen zu können. Die Reisenden sind aber erst am 28. Sept. eingetroffen und am 2. Okt. nach Bremerhaven abgegangen. Ihr Hr. Sohn hat Ihnen eine in aller Absicht, sowohl körperlich als geistig, sehr liebenswürdige Schwiegertochter zugeführt. Er selbst hat uns allen ungemein gefallen; mit so viel Umsicht und Bedachtsamkeit scheint er eine so tiefe Kenntniss seines künftigen Berufs zu verbinden, dass sein Vorhaben aller Wahrscheinlichkeit nach den glücklichsten Ei-folg verspricht. Von seinen Geld-Einrichtungen u. s. w. wird er Ihnen selbst von Bremerhaven Nachricht gegeben haben. Die Reisenden gehen mit dem Schiif Alexander, Kapt. Mertens. Letzterer ist als einer unserer geschicktesten See-Kapitäne bekannt, und wird auch als gebildeter Mann gerühmt, was um so weniger zu bezweifeln scheint, da er der Sohn unseres verstorbenen, als Botaniker so berühmten Prof. Mertens ist. Einer meiner Enkel hat die Reise-Gesellschaft dem Ka- pitän, dessen ehemaliger Schulkamerad er war, noch besonders dringend emilfohlen. So viel ich weiss, liegt der Alexander in Erwartung eines durchstechenden Ostwindes noch auf der Rhede.

Gott sei Dank, dass Ihr Jubiläum ohne w^eitere nachtheilige Folgen für Sie, lieber Gauss, vorüber gegangen ist. Sie haben sehr wohl ge- than, sich den lästigen, angreifenden und langweiligen Ceremonien so viel [als] möglich zu entziehen. Das Beispiel von Göschen zeigt schreck- haft die Gefahr einer erzwungenen Theilnehmung an denselben. Für die übrigen Beschwerden bei demselben finden Sie sich gewiss durch den Umgang mit dem herrlichen Humboldt einigermaassen entschädigt. Sehr begierig bin ich, vorläufig etwas Näheres über Ihre Vorlesung zu erfahren, die so viel Beifall gefunden hat. Wenn es Ihnen nicht zu viel Mühe und Umstände macht, so schicken Sie mir doch das Stück der Oel. Am., worin Sie wie gewöhnlich Nachricht von dem Inhalt dieser Vorlesung geben.

Das traurige Unglück des braven Medicinalraths Ekythropel hat auch mich erschreckt und betrübt. Noch gestern erhielt ich einen Brief aus Stade, worin man mir nicht genug zu sagen weiss, wie viel die Stadt und deren Umgebung durch seinen Tod verloren hat, und

654 Olbers an Gauss. Bremen. 1837 Oktober 14.

wie sehr und allgemein man diesen betrauert. Das Schreiben enthielt zugleich eine sehr vortheilhafte Schilderung von Ihrer künftigen Schwiegertochter.

Die mit Ihnen gemeinschaftliche Aufforderung^! des Hrn. v. Hum- boldt zur Beob. der magnetischen Bewegungen in den 24 Stunden vom 13. auf den 14. Nov., um den etwaigen Einfluss der Sternschnuppen auf die magnetischen Perturbationen zu untersuchen, hat mich sehr erfreut. Ich interessire mich ungemein für alles, was diese Meteore betrifft, die immer mehr Anspruch auch auf die Aufmerksamkeit der eigentlichen Astronomen zu machen scheinen. Sechs in der Prager Versammlung anwesende Astronomen haben sich zu gleichzeitigen Beobb. in den bezeichneten Nov.-Tagen vei'bunden. Die gleichfalls merk- würdige Epoche vom lO./ll. Aug. ist dieses Jahr an vielen Orten be- obachtet, aber nii-gends besser als in Breslau. Von etwa 20 seiner Zuhörer unterstützt konnte Boguslawsky den Beobb. dieser Nacht eine Einrichtung geben, die in Ansehung der Vollständigkeit und des De- tails fast nichts zu wünschen übrig lassen. Auch in der Umgegend von Breslau hatte er Beobb. veranlasst, worunter sich hoffentlich solche korrespondirenden finden werden, dass man die Bahnen der so beob- achteten Sternschnuppen berechnen kann. Ich denke im Schumachee"- schen Jahrhuche^) eine kurze Uebersicht der August-Beobb. zu geben.

Mein Schwiegersohn Focke, der sich Ihnen nebst meinem Sohne aufs Gehorsamste und Angelegentlichste empfiehlt, hat sich bewogen gefunden, seinen Abschied von der Stelle des Postdirektors zu nehmen, und will den Rest seiner Tage frei von öflfentlichen Geschäften zu- bringen.

Zu dem auf eine so ehrenvolle Art erhaltenen Kreuz der Ehren- legion statte ich Ihnen meinen theilnehmendeu Glückwunsch ab.

Was mich selbst betrifft, so habe ich vor wenigen Tagen mein 80. Lebensjahr kränkelnd und leidend angetreten. Immer muss ich das erste Einheizen mit einer mehr oder weniger heftigen Erkältung, die sich durch Flussfieber und mehr oder weniger qualvollem Husten und Schnupfen äussert, bezahlen. Diesmal ist es etwas arg gewesen, scheint sich aber doch nun allmählich zu bessern. Indessen muss ich nun wohl bald eine Abrufung aus dieser Zeitlichkeit erwarten, der ich ohne Furcht und ohne Widerwillen entgegensehe. ;Mein einziger Wunsch

\) In der Allgemeinen Preussischen Staatszeitiuig. vergl. Brief No. 25 vom 30. Sept. 1837 im Briefwechsel Hüjiboldt-Gauss. Krm.

-j Astron. Jahrbuch für 1838, Olbers Bd. 1 No. 101, S. 558—566, siehe auch den Aufsatz Olbebs' No. 12 über Sternschnuppen in Bd. I, S. 155 174, der in Scuv- machee's Jahrbuch für 1837 veröffentlicht ist. Krm.

Gauss an oibers. Göttiiii^t'ii, ISoT Oktober 16. 655

ist es nur, dass sii.' plötzlich ohne vorhergehende lange Krankheit erfolge.

Wenn es Ihnen irgend niög-lich ist, mein theuerster geliebtester l'reuud, so erfreuen Sie mich bald, recht bald wieder mit einigen Zeilen.

No. 702. Gauss au Olbers. [332

Göttingen, 1837 Oktober 16.

Ich kann nicht unterlassen, Ihnen auf das Herzlichste für die grosse Güte zu danken, mit der Sie meinen Sohn aufgenommen haben. Er hat mir aus Bremerhaven geschrieben, Jede Stunde gewärtig unter Segel zu gehen. Aus der Börsenhalle, die ich immer jetzt, gleich wie sie ankommt, wegen der Schiifsliste durchsehe, habe ich gestern ge- sehen, dass am 11. Okt. (i\% Elise, Kapt. Koch, nach New Orleans unter Segel gegangen ist. Wenn ich aber nicht irre, war der Platz meines Sohnes auf einem anderen Schiffe, dem Alexander, und ich weiss nun nicht, ob mich mein Gedächtniss trügt, oder ob er vielleicht ein anderes Schiff gewählt hat.

Der Empfang des klassischen ^^'erks von Mädler und Beer über den Mond hat mich angelockt, die schönen Karten dieser Herren so wie die LoiiRMANN'sche etwas näher zu studiren. Früher war meine ganze Mondkenntniss auf das Mare Crisium und ein paar Flecken, etwa den Tijcho und Aristarch beschränkt, und wenn ich mir etwa bei einer Mondfinsterniss ein halbes Dutzend mehr gemerkt hatte, so waren sie doch bald nachher wieder vergessen. Die ScHROETER'schen Be- handlungen hatten mich nie anreizen wollen. Jetzt, im Besitze so schöner Hülfsmittel, finde ich es recht unterhaltend, im Monde etwas genauer herumzureisen, nnd ich ärgere mich über das ungünstige Wetter, das mir selten eine Stunde dazu vergönnt. Ganz besonders frappirt mich die Schärfe der zahllosen kleinen Krater, zwischen denen, besonders zwischen dem Mare TrauquilUtatis und Mare Nuhium, im Vollmonde sich zu orientii"en ziemlich schwer fällt, da die grösseren Flecken wie Hipimrch u. a. sich eigentlich gar nicht erkennen lassen. Sollte nicht eine reine Vollmondskarte eine verdienstliche Arbeit sein? Die Krater- konfigurationen stehen hier fast wie Sternbilder da, und mir däucht, man sollte sich bei der Festlegung von Fixpunkten nur an diese halten, deren Bestimmung ohne Zweifel einer verhältnissmässig grossen Schärfe fähig ist. Vielleicht lässt sich ein Heliometer dabei mit viel grösserem Vortheil gebrauchen, als die Fernrohre mit Mikrometerfaden, zumal ein Heliometer wie das Königsberger. Das weitere Terraindetail liesse sich dann dazwischen zeichnen. Mit Bedauern sehe ich doch, wie es

g56 Gauss an Olbers. Göttingen, 1837 Oktober 16.

dem armen Schroeteb in Mädler's Werk gelit. Ist er wohl nicht etwas zu hart behandelt? Einzelne Bevuen mö^en wohl untergelaufen sein, wie auf Schroeter's unglückseliger Tab. VIII mit Plutarch und Seneca (vergl, Mädler p. 20 Ij, welche er mit Hahn und Berosiis ver- wechselt haben soll, was doch auch wieder nach der Lage gegen den Cleomedes kaum glaublich erscheint. Ich habe diese Gegend, um das mir von Mädler angewiesene Königreich (mercurius falsus) nachzu- sehen, mehrere Abende durchmustert. Auch die Gegend südlich vom Flato, aus der Mädler und Beer den ScHROETER'schen Newton wieder vertrieben haben, habe ich einige Mal, auch nahe an der Erleuchtungs- grenze, in merklich plastischer Deutlichkeit gesehen, ohne etwas anderes zu finden, als zerstreute Klippen.

Bei Betrachtung des Mondes ist mir doch das Bedürfniss eines kräftigen FRAUNHOFER'schen oder PLössL'schen Fernrohrs recht fühlbar geworden. Unser Keichthum an wenig brauchbaren grossen Gefken'- schen Teleskopen ist eigentlich mir zur Last und zum Schaden. Ich sehe aus den Zeitungen, dass im Nov. dort Treviraxüs' Nachlass ver- steigert werden soll, worunter ein PLössL'sches Mikroskop und ein FRAUNHOFER'sches Femrohr sein soll. Können Sie mir nicht etwas Näheres über deren Beschaffenheit und ungefähren (Geld-)werth mit- theilen? Nach einem Katalog habe ich in die VAXDENHOECK'sche Buch- handlung (die im Zeitungsartikel als Vertheilerin mit genannt war) ver- geblich gescliickt; sie hätten keine bekommen, war die Antwort.

So eben komme ich aus dem Museum zurück, wo ich in der Börsen- halle gelesen, dass die Elise am 13. wegen konträren Windes nach Bremerhaven zurückgekommen sei; zugleich linde ich Ihren lieben Brief vor, woraus ich schiesse, dass 2 Schiffe nach New Orleans gehen, und dass der vorsichtigere Kapt. Mertexs seinen Alexander noch nicht hat auslaufen lassen. Ich werde nun immer nach der Windfahne sehen. Heute ist NW also möglichst ungünstig, um aus der Weser zu kommen. Eine Anzeige meiner Vorlesung für die G. G. A.^) habe ich noch nicht aufgesetzt. Sie wird aber wohl eine sehr kurze sein, und Wine Be- schreibung des Instruments enthalten, die doch im engen Baum nur unbefriedigend sein könnte. Vielleicht führe ich nur einige Proben von den Leistungen an. Was Sie vielleicht in Zeitungen gelesen haben, namentlich den Dämpfer betreffend, ist unkluges Zeug. Vermuthlich wird aber die Vorlesung in extenso*) bald gedruckt werden.

1) Göit. Gd. Anz. 173. Stück, 1837 Okt. 30. Gauss' Werke Bd. V. S. 3ö2 bis S. 356. Krm.

*) In den Resultaten aus den Bcobb. des magnetischen Vereins. lSo7. I. wieder abgediuckt in Bd. V der AVerke, S. 357—373. Siehe auch Brief No. Tl'i vom IS. Mär« 1838. Krm.

Olbers an Gauss. Bremon, 1837 Oktober 24. (357

Sie Würden mich recht sehr verptlichteii, wenn Sie mir einmal Ihr Urtheil über Mädlee's Ceusur von Schroetee's Arbeiten mittheilen wollten, die sich nicht bloss anf seine voreiligen Schlüsse, sondern auf die Zuverlässigkeit der Beohh. selbst erstreckt. Etwas misstrauisch bin ich immer gewesen wegen der angeblichen Xebelgestalt von Ceres und Pallas und ihrer enormen Grösse; von beiden habe ich nie eine Spur L'-esehen. sondern bei guter Luft immer nur reine stehende Punkte, gar nicht von Fixsternen zu unterscheiden. Auch von der Anse des l> rings konnte ich 1803 schlechterdings nicht das sehen, was Schroeter sehen wollte. Schroeter hatte w^ohl ein sehr scharfes Gesicht; aber man muss doch dabei die Schärfe eines Presbj^ten von der Schärfe eines Myopen unterscheiden, der in seiner Sehweite vielleicht ebenso gut sehen kann. Bisher ist mir noch niemand vorgekommen, der etwas gesehen hätte, was mein Auge unter gehöriger Einstellung der optischen Mittel nicht auch gesehen hätte. Indessen gebe ich gern zu, dass ich 1803 noch nicht so viele Uebung im schärfsten Sehen hatte wie später, und dass also mir etwas entgehen konnte, was Schroeter sah.

No. 703. Olbers an Gauss. [371

Bremen, 1837 Oktober 24.

Noch immer liegt der Alexander auf der Ehede, und es will noch immer kein Ostwind kommen. Die Geduld unserer lieben Reisenden wird also auf eine harte Probe gestellt. Möge es sich bald ändei-n. Solche Hindernisse des Absegeins sind im Herbst nicht ungewöhnlich. Wir haben sogar 1825 den Fall gehabt, dass Schiffe, die Ende Sept. 1825 völlig segelfertig waren, erst am 8. Jan. 1826 in See kamen.

Ich eile Ihnen von dem hier zu verkaufenden Fernrohr die ver- langte Nachricht zu geben. Es gehört nicht zu dem Nachlass des ver- ewigten Treviranus, ob es gleich mit dessen Büchern und Instrumenten am 20. Nov. verkauft werden wird, sondern zu dem eines gewissen Reimers, der vor einigen Jahren plötzlich eine grosse Neigung zur Sternkunde fasste, sich allerlei Instrumente und Bücher anschaffte etc., der Sache aber auch bald wieder müde w^urde. Bei dem Orkan des vorigen Jahres wurde der schmächtige Mann, wie er über den Domshof gehen wollte, vom Winde mit solcher Gewalt um und gegen einen Pfahl geworfen, dass wahrscheinlich etwas am Rückenmark beschädigt wurde, und er einige Monate nachher immer kränkelnd und leidend starb.

Das Fernrohr ist eins von denen, die in Utzschneider's Katalog zu 330 Gulden angesetzt sind, und kam dem verstorbenen Besitzer mit

Olbers. II, 2. 42

g58 Gauss an Olbers. Gottingen, 1837 November 1.

der Fracht und allen Nebenkosten auf 183 Kthlr. Gold zu stehen. Es ist ganz in Messing montirt, 4 Fuss 4 Zoll lang; das Objektiv hat 34 Linien Oeffnung und 42 Zoll Brennweite, 2 terrestrische und 3 astro- nomische Okulare, stärkste Vergrösserung 125 mal. Reimeks rühmte die Wirkung sehr. Nachher hat sich am Objektiv eine leichte Oxy- dation gezeigt, ein gar nicht ungewöhnlicher Fall bei FKAUNHOFER'schen Gläsern, deswegen ist es dem Mechanikus Keaut übergeben, der an- geblich das Objektiv auseinander genommen und von Neuem, wie er behauptete, polirt hat. Ob dadurch die Oxydation ganz weggeschafft worden ist, weiss ich nicht; so viel ist aber gewiss, dass sich jetzt wieder ein Ansatz davon zeigt, der indessen das Sehen durchaus nicht merklich hindern soll. Mein Enkel, Dr. AVilhelm Focke, der einige Liebhaberei für Astronomie hat, giebt der Leistung desselben, das er mehrere Wochen gebraucht und mit einem anderen Fraunliofer ver- glichen hat, ein sehr gutes Zeugniss, Inwiefern er aber kompetent zum Urtheil ist, weiss ich nicht.

Ich muss es nun Ihnen, mein theuerster Freund, gänzlich über- lassen, ob Sie auf dieses Fernrohr reflektiren wollen oder nicht. Ich würde eben nicht sehr zum Ankaufe rathen, bin aber gern zur Be- sorgung etwaiger Aufträge erbötig.

Ueber unseren verewigten Schroeter muss auch ich leider im Ganzen so urtheilen wie Sie, wenn ich auch Mädler's Strenge etwas hart finde. Schroeter hatte ganz übertriebene Begriffe von dem, was seine Teleskope leisteten. Er glaubte deswegen, Herschel ausgenommen, könne kein anderer Astronom das sehen, was er sehe, oder zuweilen auch sich zu sehen einbildete. Er kam erst etwas von der Ueber- schätzung seiner Werkzeuge zurück, als ich mit meinem f ünf f üssigen Dollond in dem von ihm so oft durchforschten mare crisium 2 Krater entdeckte, die er mit seinen grossen Teleskopen immer übersehen hatte.

Haben Sie auch von dem Prinzen Massena, Herzog v. Rivoli, einen Brief und eine Aufforderung, der Societe des Xaufrages beizu- treten, erhalten?

No. 704. Gauss an Olbers. [333

Göttingen, 1837 November 1.

Ihrem Wunsche zufolge übersende ich Ihnen einen Abdruck der Anzeige^) meiner Vorlesung. Letztere selbst wird wahrscheinlirh bald gedruckt werden.

^) Siehe Anmerkung: 1 auf S. 65(3. Krni.

OUit-rs an ('i;ni->. P.niiirii. IS.^T Noveinlur 10. 659

Die Keise meines >uliiies beiiiinihi^t mich sehr. Aus der Börsen- halle weiss ich. dass am 25. Okt. das Schiff unter Segel gegangen, aber schon denselben Tag wegen konträren AVindes wieder umgekehrt ist und sich zwisclien Bremerhaven und Fedderwarden vor Anker gelegt habe. Hier ist seitdem immer konträrer Wind gewesen. Heute zwar Südwind, aber mit heftigem Sturm. Ich wollte, es wäre lieber in deii Hafen selbst zurückgekehrt.

Unsere Zeitungen enthalten jetzt immer viel von Benutzung des Elektromagnetismus in Nord-Amerika zu starken mechanischen Wirkungen, Schitte zu treiben pp. Ich gestehe, dass ich an alles dies noch wenig (ilauben habe. 3Ian sieht auch offenbar, dass die Berichterstatter ganz unwissende Leute sind. AA'enn eine solche Maschine 200 ü hebt, so sagt das noch schlechterdings gar nicJits, "wenn man nicht erfährt, wie viele Fiiss diese 200 fl in der Minute gehoben sind. Nach einer mündlichen Nachricht des Hrn. Argelander scheint doch auch Jacobi selbst, dem Nikolaus eine so kaiserliche Unterstützung angedeihen lässt, keineswegs sehr sanguinische Hoffnungen zu haben.

No. 705. Olbers an Gauss. [372

Bremen, 1837 November 10.

Mit ein paar Worten muss ich Ihnen doch etwas über den Alexander sagen. Sie wissen, dass er am 29. Okt. mit einer ganzen Flotte (ich glaube 15 bis 16 Segel) von der Weser abgegangen und glücklich in See gekommen ist. Seit dem hat er den Sturm vom 1. und 2. Nov. aushalten müssen. So unangenehm dieser auch für unsere lieben Reisenden gewesen sein, und so sehr er die herben Leiden der See- ki-ankheit bei ihnen vermehrt haben mag, so war doch bei der Eichtung des Windes keine Gefahr für das Schiff zu besorgen. Schon glaubte man aber, es würde bei den anhaltenden südlichen Winden seine Fahrt um Schottland herum genommen haben; allein gestern haben war die Nachricht erhalten, dass der Alexander am 4. Nov. in vollkommen gutem Zustande auf der Höhe des Texels von einem unserer heimkehrenden Schiffe gesehen worden ist.

Sehr dankbar bin ich Ihnen, mein theurer Gauss, für das mir gütigst geschickte Blatt der G. O. A., aber nun um so begieriger nach dem vollständigen Abdruck Ihrer so äusserst interessanten Vorlesung.

Ueber die versuchte Anwendung der galvanisch-magnetischen Kräfte zu mechanischen Zwecken waren bisher meine Hoffnungen und Erwar- tungen, ich gestehe es, etwas sanguinischer, als Sie deren zu hegen

42*

ßßO Gauss an Olbers. Göttingen, 1837 December 30.

scheinen. Zwar ist nicht angegeben, wie hoch die 200 U in einer ge- gebenen Zeit gehoben [sind], allein wenn es den Amerikanern wirklich gelungen ist, dass ihre Maschine 1000 Umläufe in 1 Minute machte, so kann die Geschwindigkeit der Hebung doch wohl nicht ganz klein ge- wesen sein, und dann glauben sie, mehrere solcher Maschinen zu gemein- schaftlichei" Wirkung vereinigen zu können.

In Eile muss ich schliessen, da ich durch Besuch gestört werde.

No. 706. Gauss an Olbers. [ssi

Göttingen, 1837 December 30.

Nach langem Schweigen muss ich Ihnen doch einmal wieder ein Lebenszeichen von mir geben.

Wer wie Sie Weltverhältnisse immer mit klarem Blick betrachtet, und so manche kritischen Zeitpunkte durchlebt hat, weiss besser als andere, wie sehr in solchen ein falsches Gerücht^) dem andern folgt, und giebt auf Zeitungsartikel nie mehr, als sie verdienen. Indessen kann ich doch nicht unteiiassen, in Beziehung auf einige, wo mein oder mir nahestehender Personen Name genannt ist, Ihnen ganz be- stimmt das faktische Ja oder Nein zu melden, ohne dass damit gemeint ist, dass Schlüsse daraus gezogen werden sollen.

1. Dass ich meinen Abschied genommen habe, ist rein unwahr. Ja, weder in Göttingen noch in Hannover ist irgend etwas vorgekommen, was sich direkt auf mein Bleiben oder Xichtbleiben in Göttingen bezöge.

2. Dass Weber in Leipzig angekommen sei, ist rein unwahr. Er hat sich keinen Augenblick von Göttingen entfernt. Vielmehr arbeiten wir beide an der Redaktion der magnetischen Beobb. von 1837 und sonstigen Vorbereitungen für den zweiten Theil der Eesultate.

3. Was dagegen Ewald betrifft, so ist eine frühere Zeitungs- nachricht zwar an sich unwahr, aber wirklich sind doch von einer fremden Universität her Einleitungen gemacht, ihn dahin zu berufen. Für Göttingen w?re sein Verlust unbezweifelt mehr als ein harter, ein unersetzlichi^r, da er die Hauptstütze der Theologischen Fakultät ist, obwohl er eigentlich der philosophischen angehört. Noch schmerzhafter

^) Falsche Gerüchte, die sich au den Protest der 7 Göttinger Professoren Daul- MANN, Albrkcht, Jakob Und Wilhelm Gbimm, Gkrvdiüs, Weber und Ewald knüpften. Infolge Verweigerung des geforderten Huldiguntrseides und Nichtanerkennung des vom Könige von Hannover begangenen Verfassungsbruches wurden die Göttinger Sieben ihres Amtes entsetzt. Vergl. auch die folgenden Briefe und den Briefwechsel Gacss-Schümacher aus dieser Zeit. Krm.

OIIk'Is an (nuiss. Bremen. lf<38 Januar 8. (361

wäre für mich die Treuuunj,^ von meiner geliebten Tochter. Und doch weiss ich nicht, ob idi in der jetzigen La^^e der I)inp:e eine dieser beiden Rücksichten geltend machen darf, nm ihn abzuhalten, in eine ehrenvolle und sichere Stellung einzutreten.

Von meinem jüngsten Sohne habe ich natürlich noch keine Nach- richt haben können. Bloss in der Börsenhalle las ich vor etwa sechs Wochen, dass sein Schiff südlich von Irland gesehen nnd angesprochen sei. Ich bin aber wirklich ungewiss, ob ich Ihnen dies nicht bereits gemeldet habe.

Man hat mir Aiel von Brieferöffnungen gesprochen. Ich meinerseits habe bisher keinen Brief erhalten, der ii'gend eine verdächtige Spur ge- zeigt hätte. Freilich hätte auch in Gottes Namen jeder die an mich kommenden Briefe lesen mögen. Sie selbst werden beurtheilen können, ob der gegenwärtige unverletzt an Sie kommt.

Möchte ich doch bald einige beruhigende Worte über Ihr Be- finden erfahren.

No. 707. Olbers an Gauss. [373

Bremen, 183S Januar 8.

Den innigsten Dank für Ihren lange ersehnten Brief vom 30. Dec. d. V. J., der gam unversehrt in meine Hände gekommen ist. Ich brannte vor Ungeduld, irgend etwas Zuverlässiges über die Göttinger Angelegen- heit, und besonders über Ihre individuelle Lage bei derselben zu er- fahren; aber ich hielt es für indiskret, Sie früher darum zu bitten, bis Sie es selbst räthlich finden würden, mir etwas darüber mitzutheilen. Sie kennen meine warme Anhänglichkeit an die Georgia Äiigusta, und meine herzlichste Theilnahme an allen Schicksalen der Alma Mater, eine Anhängliclikeit und Theilnahme, die noch durch meine Liebe und Verehrung für mehrere der dort lehrenden grossen Männer, worunter Sie aber, mein Theuerster, bei w^eitem oben an und meinem Herzen am nächsten stehen, sehr vergrössert wird. Und so konnte ich einer zu- verlässigen Nachricht von Ihnen täglich entgegensehen.

Das hochherzige Benehmen der 7 Göttinger Professoren, die ihrer TJeherzengung ihre dortigen Anstellungen und Verbindungen geopfert haben, wird auch von mir, wie von allen biederen Deutschen, nach Ver- dienst gewürdigt. Ob ich aber an ihrer Stelle diese Ueberzeugung getheilt haben würde, bleibt mir sehr zweifelhaft. Ich kenne, um darüber urtheilen zu können, weder ihre Verpflichtung auf die Ver- fassung 1833, noch den Inhalt des Reverses, den man jetzt von Ihnen forderte, genau genug. AUein der Wertli einer Handlung wird nur

gß2 Olbers an Gauss. Bremen, 1838 Januar 8.

dadurch bestimmt, wenn einer das thut, was nach seiner individuellen Ueberzeugung recht ist.

Der Fall ist zwar keineswegs analog, aber ich möchte doch wissen, oh und U7üer ivelcJien Formen vor 30 Jahren die Huldigung für den damaligen König von Westfalen von den Göttinger Professoren gefordert und geleistet worden ist.

Dass Sie, mein theurer Gauss, sich künftig in Paris fixiren würden, wie die Zeitungen wiederholt versicherten, habe ich keinen Augenblick geglaubt. Aber für möglich hielt ich, dass Sie eine Reise nach Paris machen könnten, und dort die Entwickelung der Hannoverschen und Göttinger Angelegenheiten ruhig abwarten wollten. Ge\\-iss würde für Sie ein temioorärer Aufenthalt in Paris, wo man Sie nach Gebühr so hoch verehrt, nicht unangenehm und \ielleicht für [die] Wissenschaft überhaupt von den wichtigsten Folgen gewesen sein. Aber bleiben müssen Sie und werden Sie hoffentlich in Deutscliland, und zwar in unserem nördlichen Deutschland.

Was Sie mir über Ihren vortrefflichen Schwiegersohn, den Hrn. Prof. Ewald, sagen, ist mir einigermaassen räthselhaft. Der Verlust desselben, sagen Sie, ivürde für Göttingen unersetzlich und die Trennung von Ihrer geliebten Tochter ivürde Ihnen höchst schmerzhaft sein. Aber ist denn dieser Verlust des grossen Orientalisten für die Universität nicht schon ganz gewiss und entschieden? Kann noch, wie man aus dem Ausdruck „ivürde" schliessen möchte, irgend eine Ausgleichung dieser Angelegenheit möglich sein?

Von dem Alexander und unseren lieben Reisenden können wir natür- lich noch keine Nachricht haben. Da aber das Schiff ein so guter Segler ist, so wird es wohl jetzt schon lange an dem Orte seiner Be- stimmung angekommen sein. So bald ich etwas davon höre, melde ich es unverzüglich.

Mit Verlangen sehe ich dem neuen Hefte Ihrer magnetischen Beobachtungen entgegen.

Das so veränderliche Wetter dieses Winters wirkt sehr nachtheilig auf mich. Ich befinde mich gar nicht wohl, will Sie aber nicht mit meinen Klagen belästigen.

Ich hoffe von Ihrer Freundschaft und Güte, mein Allertheuerster, dass Sie mir gleich eine, wenn auch noch so kurze und kleine Nach- richt geben werden, wenn in Ihren oder den A'erhältnisseu derer, die Ihnen nahe stehen, irgend etwas Entscheidendes vorgefallen ist, oder Sie schon einen festen Entschluss für die Zukunft gefasst haben sollten.

Gauss au Olbers. Göttiugeu, 1838 Jauuar 16. 003

No. 708. Gauss au Olbers.*) fsss

Göttingeii, 1838 Januar 10.

Es war mir angenehm, aus Ihrem letzten Briefe zu erfahren, dass der meinige unversehrt in Ihre Hände gekommen sei. Ich weiss aber nicht, ob ich von dem Ihrigen dasselbe sagen kann. Die Oblate hing an der einen Fläche nur in wenigen Punkten mit dem Papiere zu- sammen, und an der anderen Fläche gar nicht. Ich konnte daher den Brief öffnen, lesen und so wieder zumachen, dass er vollkommen wieder in denselben Zustand kam, in dem er mir überbracht war. Auch zeigte sich gar keine Spur eines Petschaft-Eindrucks. Ich muss nun aber dahin gestellt sein lassen, ob alles dies nur eine Folge einer ur- sprünglich unvollkommenen Siegelung oder einer späteren Procedur gewesen ist.

Der einzige Beweggrund zu Ewald's am 4. Jan. angetretenen Eeise nach England ist gewesen, dass er seine jetzige unfreiwillige Müsse benutzen wollte, um einen längst gehegten Vorsatz auszuführen, nämlich einige Monate seiner Sanskrit- Studien halber sich in London aufzu- halten.

In Beziehung auf die Protestation'*), die so unglückliche Folgen gehabt hat, seheinen Sie wie vielleicht viele andere in einem Irrthum zu sein. Ich selbst hatte von der Bedeutung der eingereichten Schrift erst sechs oder sieben Tage später, als sie in einer Zeitung ab- gedruckt erschien, nähere Kenntniss erhalten, wo es zu spät war, durch Abrathen bei W[ebek] und E[wald] zu hindern. Von zweien der sieben weiss ich bestimmt, dass sie vom, Anfang an den Huldigungsrevers als ganz ausser Konnex mit ihren sonstigen Skrupeln betrachtet haben, und sich der Unterschrift desselben, auch ohne Klausel, nicht geweigert haben würden. Diese zwei sind Weber und Albrecht. Vermuthlich würde auch Ewald sich überzeugt haben, dass er dies, ohne sein Ge- wissen zu verletzen, könne. Vermuthlich fragen Sie nun aber, mein theurer Freund, wenn der Huldigungsrevers ausser Frage gewesen sei, was sie denn eigentlich bei Eingabe der Protestation für einen Zweck gehabt haben? Darauf kann ich aber nur antworten: „ich sehe selbst keinen Zweck dabei''. Wenigstens nicht bei Ewald und Weber, die gewiss gar keinen Zweck dabei hatten, und nur durch ihre Unter- schrift einer von ihnen wie eine Privateingabe beim Kuratorium be- trachteten Erklärung beitraten, weil sie es eben nicht lassen konnten.

M Der Brief ist ausnahmsweise in lateinischer Schrift geschrieben. Krni. ») Yergl. Anmerkung auf S. 660. Seh.

gg4 Gauss an Olbers. Göttingen, 1838 Januar 16.

Ob aber alle übrigen sich keines Zweckes bewusst gewesen sind, weiss ich freilich nicht; der eine hat wenigstens in seiner Antwort an die Leipziger Adressanten erklärt, dass man dem schwachen Verfassungssinn der Hannoveraner unter die Arme greifen müsse.

In Beziehung auf die Frage, die Sie mir in Ihrem Briefe stellen, kann ich nur antworten, dass ich Weber und Ewald so lange nicht als unrettbar für Göttingen verloren betrachten kann, als sie nicht ander- wärts Stellen angenommen haben, oder ihre hiesigen Stellen durch andere okkupirt sind. Es liegt, meine ich, von beiden Seiten so nahe, eine Ausgieicliung für möglich zu halten, und nach mehreren Indicien sind auch in Hannover alle, die es gut mit Göttingen meinen, [der Ansicht], dass solche Verluste eine unheilbare Wunde sein würden. Was Sie übrigens von einer Verhandlung durch Langenbeck mit den 4 damals hier befindlichen in Zeitungen gelesen haben, ist, so wie es erzählt wird, grössten Tlieils unwahr.

Es sind den vier Personen -(genau zu reden, ist nur mit dreien von ihnen gesprochen, nämlich mit Ewald, Weber, Albrecht) gar keine bestimmten Propositionen gemacht, sondern nui' ihre Geneigtheit, auf versöhnliche Schritte einzugehen, explorirt. Es ist also eine Er- dichtung (ich glaube eine hoshafte Erdichtung derjenigen, die jede auch partielle Aussöhnung zu hindern wünschen), dass sie die beiden in der Zeitung angegebenen Propositionen einmüthig zurückgewiesen hätten. Vielmehr weiss ich, dass Weber und Albrecht sich nicht geweigert haben würden, der zweiten Proposition, falls sie ihnen gemacht wäre, beizutreten, und von Ewald kann ich nur deswegen nicht dasselbe be- haupten, weil ich mit ihm über diese kurz vor seiner Abreise Statt gehabte Unterredung gar nicht gesprochen habe.

Mit Ihrer Aeusserung, dass Sie es für möglich oder, wie es fast scheint, für räthlicli gehalten hätten, dass ich wirklich nach Paris ge- reist sei; um das Ende der hierländischen Wirrnisse dort abzuwarten, kann es Ihnen doch wohl nicht ernst gewesen sein. Ich verstehe auch nicht recht, wie Sie es damit meinen, ob ich um einen unbestimmten Urlaub zu jenem Zwecke hätte in Hannover nachsuchen, oder hrevi manu ohne weiteres davon gehen, oder meine Stelle erst föi-mlich nieder- legen sollen. Auch abgesehen davon, dass zu keinem dieser Schritte ein hinlänglich drängendes Motiv vorhanden war, würde eine so abrupte Maassregel schon durch meine häuslichen Verhältnisse eine völlige Un- möglichkeit gewesen sein, wobei ich Sie nur an meine erblindete 95 jährige Mutter zu erinnern brauche.

Was ich aber besehliessen würde, falls ich in Göttingen alles zur Freudigkeit Nothwendige verlieren sollte, kann ich übrigens jetzt nicht sagen. Ich mag mir diese Möglichkeit noch ^m- nicht denken. Das

Gauss an Olbtrs. Göttiugen, 1838 Januar IH. 6(55

Weiseste würde in einem solclien Falle vielleicht sein, für den letzten Theil meines Lebens eine XDuihhäng'ige Stellung zu suchen, und zu dem Zweck meinen Aufenthalt in einem Lande zu nehmen, wo man dieselbe mit massigen Vermögensmitteln behaupten kann.

l'eber die Erfindung des amerikanischen Schmiedes, die Schiffe mit einer kleinen galvanisch-magnetischen i\Iascliine zu treiben, worüber Sie. mein theurer Freund, meine Ungläubigkeit nicht zu theilen schienen, habe ich vor Kurzem Gelegenheit gehabt, etwas Zuverlässigeres zu erfahren.

Zuerst durch Hrn. Stanley, Professor der Mathematik am Yale College (ich glaube nahe bei New York), also einen Specialkollegen des angeblichen Gewährsmannes, nämlich des Prof. Sillyman. Stanley versicherte mir auf meine Frage in den bestimmtesten Ausdrücken, es sei durchaus unwahr, dass Sillyman jene Erfindung protegire. im Gegen - theil, Sillyman betrachte sie nur wie ein Kinderspiel {a tot/), wovon er gar keinen praktischen Nutzen erwarte.

Noch bestimmter ist die Auskunft, die mir vor einigen Tagen Hr. Bache, Professor der Physik in Philadelphia, gegeben hat. Aller- dings sei von einem KaUad die Rede gewesen, nämlich es sei von dem Schmied, wenn ich recht verstanden habe, an Hrn. Bache selbst die P>age gestellt, „wenn eine Maschine so und so viel Gewicht in so und „so viel Zeit um eine so und so grosse Höhe höbe, wie viele dann „nöthig sein würden, um eine Dampfmaschine, etwa eine solche, wie bei „den Dampfschiffen gebraucht werden, zu ersetzen." Aber auf die Auf- forderung an den Schmied, nun seine Maschine, die das Gesagte leiste, zu produciren, habe er inmier nur tergiversirt und evadirt, und als er zuletzt sein kleines Modell vorgezeigt habe, sei dies allerdings in Be- wegung gekonmien, aber nur so lange, als lediglich die Friktion zu überwinden gewesen sei; so bald man ein noch so kleines Gewicht an- gebracht habe, sei die Maschine gleich zum Stillstand gekommen.

Hr. Bache (ein Abkömmling von B. Feanklin) hat übrigens hier bei Hrn. Meieestein nicht nur ein vollständiges einfaches Magneto- meter, sondern auch ein Bifilar-Magnetometer (Intensitätsapparat) be- stellt, so dass nach Jahr und Tag auch Philadelphia der magnetischen Societät beitreten kann, wenn der Himmel überhaupt diese Societät vom Untergange rettet. Hr. Quetelet hat den 1. Jahrgang der Resultate ins Französische übersetzt.

QQQ Olljers an Gauss. Bremen, 1838 Februar 6.

No. 709. Olbers an Gauss. [374

Bremen, 1838 Februar 6.

Meinem Versprechen gemäss eile icli Ihnen sogleich anzuzeigen, dass hier so eben mit der englischen Post die Nachricht von der glück- lichen Ankunft des Alexander in New Orleans eingegangen ist. Die Elise, Kapt. Koch, die zugleich mit dem Alexander- von der Weser in See gegangen, war schon ein paar Tage früher in dem dortigen Hafen angelangt. Weitere Umstände sind mir noch nicht bekannt. Da aber Sie gewiss nun in wenigen Tagen alles Nähere durch Briefe erfahren werden, so bitte ich Sie recht inständig, mich das, Avas das Befinden u. s. w. unserer lieben Reisenden betrifft, für die und deren Schicksale auch ich mich so lebhaft und herzlich interessire, bald möglichst \^1ssen zu lassen.

An Ihre ehrwürdige Frau Mutter hatte ich freilich nicht gedacht, als ich Ihre in den Zeitungen angekündigte Eeise nach Paris für mög- lich hielt. Ueberhaupt scheint es, dass ich mir die Lage der Dinge in Göttingen anders gedacht habe, als sie wirklich ist.

Ebenso irrig mag meine Vorstellung von der in Amerika er- fundenen magnetisch-galvanischen Maschine gewesen sein; doch hierüber zu einer anderen Zeit mehr.

Es befremdete mich Anfangs, dass ich Ihren Brief nicht mit den gewohnten Siegeln „G" oder „Pauca sed Matura" verschlossen fand. Bei näherer Betrachtung glaubte ich indessen, ein WALDECK'sches Familien- Wappen zu erkennen. Ich hatte meinen Brief, so viel ich mich erinnere, mit der Oblate sorgfältig verschlossen, will aber den gegenwärtigen mit meinem ,,W. 0." Petschaft siegeln.

Nächstens mehr. In grosser Eile.

No. 710. Gauss an Olbers. fsse

Göttingen, 1838 März 4.

Ich habe Ihnen noch für die gütige Benachrichtigung von der An- kunft des Alexander in New Orleans zu danken; fast gleichzeitig hatte ich dieselbe damals auch aus dei' Börsenlialle und der Hamburger Xeuen Zeitung erfahren, da ich bis dahin die Schiffsnachrichten immer gleich, wie die Zeitungen ankamen, durchmusterte. Erst gestern habe ich nun auch einen Brief von meinem Sohn erhalten, aber auch nur aus New Orleans, woraus ich also nur die dückliche Ueberkunft der Reise-

(i:tuv< an OIImts. Üüttingen, 1^38 März 4. G67

ji^esellsichatt cifaliie. 6ie waren im Begriff, in einigen Tagen in einem Dampfschiff den ^lississippi liinanl nach St. Louis zu gehen, von wolier also vielleicht bald weitere Nachi'ichten eintreffen können.

\\'enn Sie vielleicht in Zeitungen gelesen haben, „dass ich jetzt t-ntschlussen sei, in Göttingen zu bleiben", so hat dies gerade ebenso viel Werth, wie das frühere von meinem Vorsatz, nach Paris zugelien. Ueberhaupt rühren die meisten Zeitungsartikel aus G[öttingen] von hier wohlbekannten miserablen Subjekten her, die gar nicht in dem Fall sind, über dergleichen Verhältnisse aucli nur das Allergeringste wissen zu können.

Ich habe allerdings mehrere Einleitungen gemacht, um die viel- fachen Bleigewichte, die hier an mir hängen, abheben zu können. Es gehörten dazu die Vorbereitungen, um das kleine Vermögen, welches ich theils zu administriren habe, theils mein Eigenthum nenne, mobili- siren zu können. Gelingt alles, wie ich mehr wünsche als hoffe, so werde ich binnen der nächsten 4 5 Monate über etwas mehr als 15000 Kthlr. disponiren können, und vielleicht können Sie mir in dieser Beziehung guten Rath geben, da Sie doch wahrscheinlich oft in den Fall bedeutender Versuren kommen. Im Allgemeinen bin ich meiner- seits nicht dafür, alles an einen Nagel zu hängen. Ich habe wohl an österreichische Bankaktien und russische Papiere gedacht. Sind Ihnen vielleicht die belgischen Fonds so wie die Brüsseler Bankaktien nach Ertrag und Sicherheit näher bekannt?

Vorsorgen dieser Art sind unter jetzigen Umständen gewiss nicht unzeitig. Aber von einem bestimmten Vorsatz, Göttingen zu verlassen, ist jetzt noch ebenso wenig wie zu Anfang die Rede gewesen. Jeden- falls Aväre Paris der Ort, den ich zuletzt*) w^ählen wiirde. Ich habe seit dem unglücklichen 14. December an alles dies durchaus gar nicht gedacht, sondern meine Gedanken sind ausschliesslich dahin gerichtet gewesen, wie man das Unglück, theilweise wenigstens, reclressiren könne. Im engsten Vertrauen kann ich Ihnen sagen, dass ich noch immer sehr grosse Hoffnung habe, Weber für Göttingen zu erhalten, und auch die gleiche Hoffnung in Beziehung auf Ewald noch nicht ganz aufgebe, obwohl bei letzterem die Entscheidung bald erfolgen müsste, wenn sie nicht zu spät kommen soll, da er eine W'h'kliche Vokation nach Tübingen erhalten hat. Das Inserat von Lektionen in dem Leipziger Katalog war schon vor längerer Zeit dahin geschickt, und ist jetzt in keinem Fall daran zu denken, dass Ewald dort als Privatdocent aufzutreten geneigt sein könnte.

*) Ich sehe, dass diese Phrase wider meinen Willen zweideutig ist. Ich meine, dass ich fast an jedem anderen Orte lieber leben möchte als in Paris.

6(38 Olbers an Gauss. Bremen, 1838 März 10.

Vor 16 Jahren habe ich einmal mit Ihnen über die eigene Be- wegung der Fixsterne^) korrespondirt. Ich bin jetzt durch Aege- lander's Schrift veranlasst, etwas wieder auf diese Sachen zurückzu- kommen, und nicht abgeneigt, unter Benutzung der neueren Daten die Untersuchung selbst vorzunehmen. Unter uns, die Nachrechnungen, die ich bisher gemacht habe, zeigen, dass Aegelander's Arbeit eine höchst lüderliche ist. Auf sein Tableau pag. 33 38 ist gar nichts zu geben, da es von Eechnungsfehlern wimmelt.

Die „Resultate'''' für 1837 werden bedeutend stärker werden, als die von 1836. Von mir werden nur zwei Aufsätze darin sein, der erste meine Societätsvorlesung vom 19. Sept. ganz in extenso, nur mit AVeg- lassung des auf die Gelegenheit bezüglichen. Die meisten Aufsätze sind von Weber. Die Anzahl der Tafeln ist dieselbe wie voriges Jahr, nämlich 10, aber sie sind alle grösser. Beobb. etwa 3 mal so viel wie 1836. Meierstein arbeitet ausser den Apparaten für Pliiladelphia auch ein paar kleinere für Eoss und Sabine.

No. 711. 01I)ers an Ganss. [375

Bremen, 1838 März 10.

Ich danke Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie mir von der glück- lichen Ankunft unserer theuern Eeisegesellschaft in New Orleans so- gleich Nachricht gegeben haben. ]\röge die göttliche Vorsehung auch das fernere Unternehmen der lieben Auswanderer segnen und Sie, lieber Gauss, immer angenehme Briefe von dorther erhalten. Seien Sie, ich bitte, so gütig, mir ferner auch Nachricht von Ihren Kindern zu geben, für die ich mich so sehr interessire.

Ich sehe, dass Sie sich doch noch vorbereiten, allenfalls Göttingeu verlassen zu können, aber auch mit grossem Vergnügen, dass Sie wahr- scheinlich in Göttingen bleiben werden. Sehr gern sehe ich Sie der Georgia Augusta erhalten, die mit Ihnen den bisherigen Glanz völlig verlieren würde. Möge es deswegen gelingen, Ihnen und der Universität den würdigen Weber zu erhalten. So gross, so unersetzlich der Verlust von Ewald für die Universität auch ist, so sehe ich ihn auf alle Fälle doch nur für temporär an, und Ihrer geliebten, bisher in Göttingen immer kränkelnden Frau Tochter wird es vielleicht sehr wohl thun. einige Jahre in einem südlichen Klima zu wohnen.

1) Vergl. Brief No. 436, 438—440 i;Dec. 1821 bis Jan. 18'22i uml die Anmerkung- auf S. 148, ferner Brief No. 715 vom 5. Apr. 183S. Krni.

Olber- an (Jauss. Bremen, 1838 März 10. 009

Ueber Ihre (leklan.^t'lfgi'iiheiteii kann ich Ihnen nichts sacren; weder lit' rnssischen, noch die österreichischen oder belgischen Staatspapiere -ind mir hinreichend bekannt. Wie wenig ich selbst gute Gelegenheit zum vortheilhaften Geldbelepen kenne, werden >Sie daraus schliessen können, dass ich mir die Herabsetzung der Zinsen von 4 auf 3| 7o bei den Obligationen unserer Stadt, von Hannover und dem Württembergischen l\redit-\'erein habe gefallen lassen, ohne meine Kapitalien zurückzu- nehmen, weil ich sie in der Regel zu keinen höheren Procenten unter- zubringen weiss.

So äusserst angenehm und lehrreich ein temporärer Aufenthalt von einigen Wochen in Paris auch ist, so hätte auch ich keineswegs diesen ( >rt zum dauernden Wohnsitz wählen mögen. Nein, lieber Gauss, Sie müssen in Deutschland bleiben, und wie ich am meisten wünsche, in Göttingen. Sollte Ihnen aber dort der Aufenthalt zu sehr verleidet werden, so werden Sie, denke ich, sich leicht eine Stellung in Berlin oder München verschaffen können, wo Sie frei von allen ökonomischen Sorgen in otio cum dignitate sich ganz der Entwicklung Ihrer grossen genialen Ideen widmen können, wodurch Sie schon menschliches Wissen so selir vermehrt und gefördert haben.

Ihre Belehrung über Argelander's Arbeit war mir ebenso neu, als unerwartet. Führen Sie doch ja Ihren Entschluss aus, die neueren, wie es mir scheint, jetzt sehr reichhaltigen und zuverlässigen Daten zu benutzen, um uns die wahrscheinlichste Richtung der Bewegung unserer Sonne kennen zu lehren. Gewiss eines der interessantesten Probleme der neueren Astronomie.

Auf die „Besultate'' für 1837 bin ich sehr begierig. Dieses Jahr war besonders im letzten Drittel sehr reich an Nordlichtern.

Die neueren Nachrichten aus Amerika über die galvanisch-magne- tischen Maschinen lauten doch ganz anders, als die beiden amerikanischen Professoren (von denen Stanley, der Reisegefährte Ihres Hrn. Sohnes, mich auch besuchte) darüber referirt haben. In dem aus Amerika vom 27. Sept. 1887 datirten, zuerst in der Gazette de France 1838 lan. 10. mitgetheilten, nachher in Fkoriep's Neuen Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde No. 95 oder No. 7 des 5. Bandes über- setzten Aufsatz ist nicht von einem Schmied und seinem erbärmlichen Modell, sondern von einer Maschine von einer oder zwei Pferdekraft, oder genauer von einer Kraft, die einen 13 Centner schweren Wagen mit einer Geschwindigkeit von 7 englischen Meilen in einer Stunde fortschaffen könnte, die Rede, welche Maschine der Professor der Physik, Callan, zu Maynooth zu Stande gebracht hat. Die Maschine wird durch 40 mit Kupferdrath umwundene, dadurch unter sich ver- bundene Magnete, die mit einer galvanischen Batterie von 6 Quadrat-

ß7Q Gauss an Olbers. Göttingen, 1838 März 18.

fuss Zink-Platten in einer solchen Verbindung stehen, dass die Kette vermöge eines Sekunden-Pendels jede Sekunde einmal geschlossen und einmal wieder unterbroclien werden kann, in Thätigkeit gesetzt. Callax berechnet, dass eine Maschine von 20 Pferdekraft etwa 250 St. kosten, nicht völlig 4000 U wiegen und mit einem Aufwände von 300 U St. ein ganzes Jahr in Thätigkeit unterhalten werden könne. Ich bitte Sie reclit inständig, mein allertheuerster Freund, diesen Bericht, den ich nach Ihren Belehrungen mit grossem Misstrauen gelesen habe, ein- mal selbst anzusehen, und mir dann zu sagen, ob Sie noch alles für Kinderei und Spiel werk halten, oder ob Sie glauben, dass diese Ver- suche auch in Europa wiederholt und berichtigt zu werden verdienen, was mir nicht sehr schwierig scheint.

Der strenge Winter hat uns freilich verlassen, allein die Folgen davon fühle ich nicht nur in Brustbeschwerden, sondern auch seit wenigen Tagen in bedenklichen Schwindel-Anfällen, von denen ich seit den letzten Jahren ganz frei war. Das über 2 Fuss dicke Eis, das unsere Weser bedeckte, ist wider alles Erwarten ohne allen bedeutenden Schaden glücklich losgegangen.

No. 712. Gauss an Olbers/) fss?

Göttingen, 1838 März 18.

Recht herzlich danke ich Ihnen für Ihren gütigen Brief vom 10. d. M. Von meinem Sohne sind noch keine weiteren Nachrichten eingegangen, und ich fange an, mich wegen der gefährlichen Mississippi- Schiffahrt zu beunruhigen.

Ewald wird wohl die definitive Beschlussnahme wegen des Rufes nach Tübingen bis zu seiner Rückkunft nach Göttingen verschieben. Er hat London jetzt verlassen und wollte noch einen Monat sich in Oxford aufhalten.

Unter uns gesagt, ich besorge sehr, nach der Lage der Dinge, wie sie einmal wirklich ist, dass die in voriger Woche von Stadt und Uni-" versität gethanen Schritte zur Wiedergewinnung der verlorenen Pro- fessoren die Erreichung dieses Zieles, wozu sonst viele Hoffnung war, eher erschweren als befördern werden. Nähere Erläuterungen darüber kann ich freilich jetzt nicht wohl in einem Briefe geben.

Webee ist auf einige Wochen nach Berlin gereist. Sie sehen auch aus diesem Beispiele, was Sie von den Zeitungsnachrichten aus Göttingen

^) Der Brief ist in lateinischer Schrift geschrieben. Krm.

Gauss au Ollters. (iöttingeü, 1838 März 18. (i71

ZU halten liabeh. Sein Zweck ist liauptsiichlidi, den nächsten magne- tischen Tennin , ' ./ dort für dif /»^e»,9/</// abzuhalten, für die Dekl. 1. Aiiril

g:eschielit es daselbst uhnehin schon regelmässig durch Encke. Er hat zu dem Zwecke einen freilich nur ganz rohen Bifilar-Apparat mit- genommen und ist so viel früher dahin gereist, um erst Gehülfen an- werben und einüben zu können. Gleich nach Beendigung des Termins kommt er nach Güttingen zurück. Ich bin nun sehr neugierig auf das Resultat der Doppelbeobb. an zwei Orten. Denn hier soll der Termin auch an zwei Apparaten abgehalten werden, vielleicht auch in München.

Damit Sie doch von dieser Erweiterung des Feldes der magne- tischen Beobb. einen Begriff haben, lege ich von dem ersten Aufsätze^) der ..Resultate für 1837" den Korrekturbogen bei. Dieser Aufsatz ist übrigens nichts weiter als meine Jubiläumsvorlesung mit Weglassung des auf die Gelegenheit Bezüglichen. Diese Vorlesung war bestimmt, in extenso als eine der Beilagen zu dem intendirten Werke über das Jubiläum gedruckt zu werden, welches Werk nun aber W'gIiI ungedruckt ^) bleiben wird. Ein Bericht über das Jubiläum selbst wird aber doch zu finden sein in der nächstens erscheinenden Fortsetzung der Pütter- SAALFELD'schen Geschichte von Göttingen durch Oesterlet, die Anfangs bis Ende 1837 gehen sollte, aber nun gerade mit der Jubiläumsfeier endigt.

Die von Ihnen citirte Nachricht aus Nord- Amerika habe ich noch nicht einsehen können, ich habe aber Weber das Citat mitgetheilt, der in Leipzig oder Berlin leicht Gelegenheit finden wird, die Gazette de France zu erhalten. Nach Göttingen kommt diese Gazette gar nicht. Von Froriep's Notizen kommt hingegen ein Exemplar her, und zwar nicht für die Bibliothek, sondern für unser Museum (eine Leseanstalt verbunden mit einer cirkulirenden Lesegesellschaft); allein es scheint das betreifende Stück schon in die Cirkulation gekommen zu sein, welche eine Art „Verliess" bildet, aus dem erst nach mehreren Monaten die Sachen und häufig gar nicht wiederkehren.

Es scheint jedoch nach dem, was Sie anführen, dieser Artikel weder einen klaren Begriff über die Art der Benutzung, noch eine genügende Basis zur Beurtheilung der Glaubhaftigkeit des Faktischen zu geben.

Ich meines Theils habe bisher aus inneren Gründen eine sehr geringe Erwartung von einer derartigen Benutzbarkeit des Elektromagnetismus gehabt. Diese Gründe sind für mich sehr stark, aber keine entschiedene Gewissheit. Sie müssen daher entschiedenen Thatsachen weichen. Vor der Hand ist aber für mich die einzige entschiedene Thatsache, „dass der

^) Siehe Anmerkung 2 auf S. 656. Krm.

2) Vergl. hierzu Brief Xo. 729 vom 8. März 1839. Krm.

672

Gauss an Olbers. Göttingen, 1838 März 18.

Artikel quaest. in der Gazette de France gedruckt steht.'"'' Es würde darauf ankommen, ob der Erzähler ein Augenzeuge und ein sach- verständiger Augenzeuge ist, und welche Bürgschaft wir für seine Sach- verständigkeit haben. Hat der Briefschreiber von Hörensagen aus 3. oder 4. Hand rapportirt, so hat die Erzählung für mich nicht das geringste Gewicht. Cooper (in den Nutions on the Americans) behauptet zwar, dass in Amerika nicht so viel gelogen werde, wie anderwärts; allein man kann viel weniger lügen, als in Europa, und doch noch ent- setzlich stark lügen; auch behaupten andere, gerade im Gegensatz zu Cooper, dass die Amerikaner gern aufschneiden.

Von meinen inneren Gründen will ich Ihnen wenigstens noch etwas sagen :

Schon ein gewöhnlicher Magnet übt in der Berührung eine viel stärkere Anziehung aus, als in einer auch nur sehr geringen Ent- fernung. Dieses ist mit der Theorie in Einklang, und hätte aus der- selben vorausgesehen weiden können. Aber die Theorie lehrt mich, dass dasselbe in einem noch viel viel höheren Grade stattfinden müsse bei den künstlichen Magneten, die es nur transitorisch durch galvanische Spiralströme werden; ich meine weiches Eisen, z. B. in Hufeisenform, umwunden mit Draht, wird ein Magnet, so lange durch diesen Draht ein galvanischer Strom geht, so dass man es bis zu einem Tragevermögen von 200» ) U gebracht hat Aber man täusche sich nicht und glaube, dass dieser Hufeisenmagnet ebenso in Distanz wirke wie einer aus hartem Stahl, dem ein beharrlicher Magnetismus gegeben ist. Denn die Lebensbedingung, dem ersten einen so starken Magnetismus zu

geben, ist eben das Geschlossensein des Huf- eisens durch einen daranhängenden Anker. Derselbe Weich-Eisen-Magnet, der so 2000 U tragen kann, wird ungeschlossen nur ein sehr schwacher sein, und vielleicht, wenn die Ankerfüsse nur ^^ Linie abstehen, nur noch eine Anziehung arqnal icenigen Lothen aus- üben können. Ein sehr grosser Unterschied in dieser Beziehung muss der Theorie zu- folge stattfinden. Aber über das Quantita- tive können nur Versuche Belehrung geben, dergleichen ich noch nicht gemacht habe. Mit einem kleinen Bruclitheile der Summen, die der russische Kaiser für den p. Jacobi ausgeworfen hat, würde man schon über die Sache gehöriges Licht verbreiten können. Aber die Mesquinität der Mittel, die mir zu Gebote stehen, schliesst derartige Versuche ganz aus.

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Fio-. 33.

Olbers an Gauss. Bremen, 1838 März 24. (373

No. 713. Olbers an Gauss. [376

Bremen, 1838 März 24.

nire bewundernswürdige Erfindung des Bifilar-Magnetometers habe ich nun mit grossem Vergnügen aus dem mir gütigst überschickten Koirektur-Bogen kennen gelernt, und dankend wünsche ich Ihnen viel Glück dazu. Mit Ihnen bin ich äusserst neugierig, was die von Weber zu Berlin und von Ihnen zu Göttingen angestellten gleichzeitigen Beobb. für Eesultate geben werden.

Ihre Gründe, wodurch Sie a 'priori die Möglichkeit einer grossen durch den Elektromagnetismus zu bewirkenden mechanischen Kraft bezweifeln, scheinen mir fast unwiderleglich. Aber auch a ijosteriori möchte ich die angebliche Erfindung des Prof. Callan bezweifeln. Mich dünkt, wenn Callan schon so weit gekommen wäre, wie man vorgiebt, so müsste die Sache weit mehr Aufsehen und Lärm machen, als es bisher der Fall war. In dem sonst auf jede industrielle Erfindung so auf- merksamen England vdv^ dieser Angelegenheit noch kaum erwähnt, so gar nicht besprochen. Dem unerachtet habe ich den Artikel^) aus der Gazette de France für Sie abschreiben lassen, und schicke Ihnen denselben hier, weil ich gern Ihr jetziges Urtheil nach Einsicht dieses Aktenstücks und Ihre Belehrung darüber erfahren möchte. Ich bin mit dem Elektromagnetismus und überhaupt dem Galvanismus sehr wenig bekannt, und weiss nicht mal, warum Callan ein so grosses Gewicht auf die öftere und schnelle Unterbrechung und Schliessung der Kette legt; auch begreife ich nicht, warum die Magneten in gerader Zahl vorhanden sein müssen etc.

Wenn Sie von unseren lieben Reisenden weitere Nachrichten er- halten haben, so ersuche ich inständig um gütige Mittheilung.

Ich bedauere unendlich, dass es mit den Göttinger Angelegenheiten noch immer so schlecht steht. Ist an der Zeitungsgeschichte etwas wahr, dass Hofrath B.^) bei einem von ihm gegebenen Ball sich so unvorsichtig geäussert und die Anhänger der 7 Professoren dumme Tertianer genannt habe? Und wer ist dieser Hofrath und Prof. B.? Man hat hier, und vielleicht sehr mit Unrecht, auf Hofrath Bauer rathen wollen.

Ich leide noch immer an bedenklichem Schwindel, den ein Ader- lassen nicht hat beseitigen wollen.

^) Diese Abschrift ist nicht abgedruckt worden. Krm.

'-) Muss M. heissen (Mühlenbbcch) nach dem folgenden Briefe Gauss'. Krm.

Olbers. II, 2. 48

574 Gauss an Olbers. Göttingen, 1838 März 27.

No. 714. Gauss an Olbers. [sss

Göttiiigeu, 1838 März 27.

Ich danke Ihnen sehr für die Uebersendung der Abschrift des bewussten Artikels der Oazette de France. Nachdem ich solclien ge- lesen, finde ich noch keinen Grund, von meiner früheren Ansicht von der Nutzbarkeit des Elektromagnetismus zu mechanischen Zwecken auch nur ein Haar breit zurückzugehen.

Was zuerst das grosse Hufeisen betrifft, so ist es ganz in der Ordnung, dass dasselbe nach allen den übrigen angeführten Umständen ein enormes Tra^revermögen bekommen musste. Ich finde in diesem Experiment nichts Besonderes, nichts Nutzbares, ja nach dem, was ich in meinem vorigen Briefe über die Inkommensurabilität der Anziehung bei Schluss und der Anziehung in Distanz bemerkt habe, nichts zur Sache Gehöriges. Die am Schluss gegebene Beschreibung der Wiikung eines dem Anker angehängten Gewichts von 4(t// bei horizontaler Lage des Hufeisens ist unbefriedigend; man sieht nicht, ob die beiden Schenkel des Hufeisens neben oder über einander waren (vermuthlich Avohl das erstere), und ob das qu'on put le fah-e tlecifr de cette position ein Abgleiten der Ankerfüsse von den Schenkelfüssen oder ein oben an- fangendes Abtrennen bewirkte.

Was dann aber der Referent von der Benutzung, die Callan von jenem ganz bekannten, nur in grossem Maasstab ausgeführten Experi- ment machte, und von seinem anderweitigen Apparat sagt, ist für mich nur ein unverständlicher Gallimathias. So ei'zählt niemand, der nur die geringste Kenntniss von der Sache hat. Er greift nur hie und da einige Aeusserlichkeiten auf, ohne sie in den geringsten Zusammenhang zu bringen. Kein Mensch kann daraus sich einen Begriff von dem Apparat machen. So würde etwa Ihr Barbier oder Ihr Schneider von Ihrem FRAUNHOFER'schen Heliometer (übrigens sans comparaison gesagt) erzählen, wenn er es gesehen hätte. Bei h chor rcru dans cette occasion parait deux fois aiissi fort etc. weiss ich mir nichts Bestimmtes zu denken.

Ich enthalte mich daher aller Vermuthungen über den ÜALLAx'schen Apparat selbst, um ihm nicht Unrecht zu thun. Doch ist mir der Umstand wegen der geraden Anzahl der Stäbe verdächtig. Im All- gemeinen kann man genüss nicht sagen, dass mit einer ungeraden Anzahl keine Wirkung hervorgebracht werden könne. i)amit läugue ich aber nicht, dass dies bei der bestimmten Einrichtung Callan's der Fall sein könne, von der man aber, Avie gesagt, nach dieser Erzählung allein gar keinen Begriff hat. Ist aber diese Einrichtung wirklich eine solche,

G;iu>> an Olliers. Güttingen. 1838 April 5. 675

dass eine ungeradi- An/alil keine Wirkunp: «eben ka)Ui, während eine frerade eine bedeutende g-eben niuss, so eiiiält man einen sehr un»^iinstigen Beo^riff von Callan's Sachkenntniss, wenn er dies, was a priori hätte müssen einj^eselien werden können, erst aus Erfahrunjjen lernte.

Hierauf konnnt dann die Thatsache. Aber nur eine. Nämlich dass einem 100// wiegenden Rade eine sehr rapide Bewegung- durch sechs kleine ^lagnete imprimirt wird. Damit aber weiss man noch nicht viel mehr als nichts. Wie rapide wurde dann die Bewegung, und wie langer Zeit bedurfte es. bis sie iliese Rapidität erlangt hatte? Nur so könnte man den eigentlichen Nutzeffekt bestimmen, wenn man zugleich das Trägheitsmoment des Rades kennt. Ein hundert Pfund wiegendes Rad an einer festen, gut geschmierten horizontalen Axe, vielleicht diese selbst auf Friktionsrollen genau im Schwerpunkt aufgehängt, könnte, wenn man Zeit genug einräumt, selbst eine Maus, um nicht zu sagen ein ]\Iaikäfer oder ein Floh, in eine rapide Bewegung bringen.

"Weitere TJiatsachen finde ich nicht. Denn in dem, was folgt, heisst es wenigstens in Ihi-er Abschrift nicht il a fait construire, sondern il faif constnm-e, also nicht er hat machen lassen, sondern er lässt jetzt machen pp. Ich besorge sehr, dass am Ende Hr. Callan finden ward, er habe das darauf verwandte Geld in den Dreck geworfen.

Ob Hr. Geh. Justizrath Mühlenbeuch auf dem Balle qiiaest. die von Ihnen allegirten Worte gebraucht hat, weiss ich nicht. Diese Worte kenne icJi nur aus der Zeitung; w^as ich aber gehört habe, läuft dem Sinne nach auf dasselbe hinaus. Ohrenzeugeii habe ich nicht gesprochen. Die Sache selbst ist aber notorisch. Der von Ihnen allegirte ich Aveiss nicht durch w^elche Verwechslung, da die mir zu Gesicht ge- kommenen Zeitungsartikel, w^enn ich nicht irre, den wahren Anfangs- buchstaben M. enthielten mag w^ohl im Ganzen nicht viel anders denken, ist aber viel zu klug, um sich auf solche Weise bloss zu geben.

Aus Amerika fehlen noch immer weitere Nachrichten.

Die Zeitungsartikel E[wald] betreffend aus T[übingen] sind bis jetzt noch nicht in der Art, wie sie lauten, richtig. Vera mixta falsis.

No. 715. Gauss an Olbers. [339

Göttingen, 1838 April 5.

Da Sie gewünscht haben, Entscheidungen in Beziehung auf mich oder die mir Nahestehenden sogleich zu erfahren, so zeige ich Ihnen an, dass nach einem vor einigen Tagen aus Oxford eingegangenen Briefe Ewald die Vokation nach Tübingen angenommen hat. Die frühereu

43*

g7ß Gauss an Olbers. Göttingen, 1838 April 5.

Zeitungsnachrichten, die Sie vielleicht gelesen haben, aus Stuttgart und Tübingen waren falsch, insofern Ewald an den Tagen, von welchen sie datirt waren, noch keinen Entschluss gefasst, viel weniger erklärt hatte. Er hat sich mit blutendem Herzen entschlossen, weil er in den Aussichten, hier wieder eingesetzt zu werden, oder vielmehr in Be- ziehung auf die Art, wie dies geschehen könne, keinen festen Boden erkannte. Ich schweige von meinen eigenen Empfindungen.

Aus verschiedenen Gründen wünsche ich, dass Sie diese Mittheilung so lange für sich behalten, bis aus Württemberg eine officielle Anzeige bekannt wird, was freilich wohl in den nächsten Tagen zu erwarten ist.

Die Bittschrift der Universität ist aus dem Kabinet kurzweg ab- geschlagen. Ich hatte, wie ich Ihnen bereits andeutete, schon erwartet, dass auf diesem Wege nichts erreicht werden könne.

Wegen Weber bin ich noch in Ungewissheit. Vermuthlich kommt er morgen von Berlin hierher zurück. Verliere ich auch ihn, so sehe ich hier einer trostlosen verlassenen Existenz entgegen.

Geh. Justizrath Mühlenbruch ist in Hannover sehr gnädig aufge- nommen. Er ist zweimal beim König zur Audienz gekommen, und die Königin hat ihn mit dem Auftrage beehrt, ein Allerhöchstes Geschenk an Blumenbach, bestehend in einem Bergkrystall, zu überbringen. Hofrath Bauer erzählte mir diesen Morgen, der König habe dem p. Mühlenbruch den Wunsch eröffnet, dass die Universität noch einmal wählen möchte, und zwar einen aus ihrer Mitte. Das wäre dann die dritte oder gewissermaassen die vierte Wahl. Da die Zeitungen die desfallsigen Vorgänge zum Theil unrichtig referirt haben, so mögen Sie vielleicht die richtige Erzählung hier lesen.

Die erste Wahlzusammenkunft hatte kein Resultat, weil wegen zu geringer Zahl nicht gewählt werden konnte.

Bei der zweiten Zusammenkunft, acht Tage später, waren 20 an- wesende Wähler und 4 abwesende, d. h. eingesandte Stimmzettel. Es fielen 11 Stimmen auf mich, während die 13 übrigen sich unter 4 oder 5 andere Namen klein zersplitterten. Nachdem ich sogleich gebeten hatte, mich nicht auf die engere Wahl zu bringen, bei welcher zur absoluten Majorität nur 11 Stimmen nöthig waren, weil ich auf keinen Fall die Wahl annehmen würde, wurde durch die engere Wahl Planck in Celle gewählt. Dieser lehnte ab unter Vorschützuug seiner Geschäfte. Bei der dritten Versammlung wurde v. Papen gewählt, dessen Ab- lehnung nebst den (ziemlich treu referirten) Gründen Sie aus den Zeitungen kennen werden.

Ich habe meine erste Rechnung^) über die eigene Bewegung der

1) Vergl. Brief Xo. 710 vom 4. März 1888 und die Anmerkuni-- auf S. 668. Krm.

(iaiH- "! "ü-rs. Güttiuyon, 1838 April 5. 677

Sonne jetzt beendigt. Ich habe die nämlichen 300 Sterne, die Arge- LANDEu gebraucht hatte, zu Grunde gelegt. Alle Vorarbeiten habe ich aber erst neu machen müssen, theils weil sein Tableau^) gar zu dürftig und unzureichend, theils weil es, wie ich Ihnen schon gemeldet habe, ein wahrer Augiasstall ist.

Ich habe zuerst die sämmtlichen Sterne ganz scharf nach der Grösse der beobachteten eigenen Bewegung rangirt. Es finden sich, seinem eigenen Princip zuwider, t^ darunter, deren eigene Bewegung unter 0",l in einem Jahr ist, die kleinste bei i] HercuUs = 0'\Q^hl'd.

Ich habe sie hiernach in 39 Dekaden getheilt. Ich habe jede Dekade zuerst einzeln behandelt, nach einer Methode, die von der ARGEL.\NDER'schen ganz verschieden ist, und wobei ein willkürfreies Princip eine ganz clirelde Bestimmung des Endresultats giebt.

Da die wirkliche eigene Bewegung der Sterne im Räume von der- >elben Ordnung, wie die unserer Sonne, und im Ganzen nach meinen Resultaten eher grösser ist, so war natürlich, dass bei einer so kleinen Zahl von Sternen wie 10 die letztere oft fast gar nicht hervortritt, sondern fast ganz verdunkelt wird, und ich war gefasst, unter diesen 30 partiellen Resultaten viele zu finden, die einen fast ganz entgegen- gesetzten Punkt geben würden. So arg ist es aber doch lange nicht geworden. Sämmtliche 39 Punkte liegen in einer Halbkugel, oder viel- mehr in einem Stück der Kugellläche, welches noch merklich kleiner als die Halbkugel ist. Ich setze auf jeder Seite die Extreme her:

Kleinste AI . . .

. . 175° 43'

13.

Dekade

213 0

U.

H

Grösste JR . . . .

. . 312 35

36.

Dekade

302 6

25.

n

Nördlichste Dekl. .

. . -f73«22'

23.

Dekade

+ 59 30

13.

J5

Südlichste Dekl. . .

. . —58 39

24.

Dekade

20 1

35.

)5

Ich habe sodann 13 Gruppen von je 30 Sternen (immer genau nach der Grössenrangirung) gemacht. Natürlich darf man hier nicht das Büttel aus den vorigen Bestimmungen nehmen, sondern muss die Rechnung ganz von Neuem machen.

Hier liegen die Resultate schon weit enger zusammen. Die Ex- treme sind

^) Siehe auch A. N. Bd. 16 No. 363, wo Aegelander auf Gauss' Veranlassung Ergänzungen zu seiner Arbeit in den Petersburger Memoiren giebt. Krm.

g78 Gauss an Olbers. Göttingen, 1838 April 5.

für die ^ . . .

. . 218° 55' 287 23

4. Dreissig

8.

fiii- die Dekl. . .

. . +48° 40' 1 55

5. 10.

Nachher habe ich auf ähnliche AVeise 6 Gruppen gebildet, die 5 ersten zu 60, die letzte zu 90 Sternen. Die Resultate sind:

I.

251^58'

+ 37° 50'

IL

260 10

+ 33 45

III.

256 53

+ 41 46

IV.

273 47

+ 16 56

V.

248 54

+ 16 17

VI.

270 46

+ 11 45

Nochmalige Zusammenfassung in

3 Gruppen:

1—120

256° 22'

+ 35° 26'

121-240

267 15

+ 29 52

241—390

263 5

+ 14 32

Alle schlechthin in ein System zusammengefasst geben: 1—390 i 26P44'6" + 29°39'23"i)

Dies ist freilich wenig von Akgelander's Endresultat yerscliieden.

Indessen ist die Vereinigung der drei letzten Gruppen in eine nicht recht zulässig, erstlich weil an sich die kleinen Bewegungen ge- ringere Zuverlässigkeit geben und daher den folgenden Gruppen un- gleiches Gewicht beigelegt werden müsste, dessen richtige Taxirung aber eigenthümliche Schwierigkeiten hat. Zweitens aber, was unendlich wichtiger ist, weil (cf. die obigen 6 Gruppen) die letzteren Gruppen so unverkennbar einen südlicheren Punkt indiciren, was den gegründeten Verdacht erregt, dass eine konstante Ursache im Spiel ist. Eine solche konstante Ursache wäre, wenn durchschnittlich Bradlet's Dekl. zu süd- lich, oder Aegelander's zu nördlich wären, oder beides zugleich statt- fände. Offenbar werden dadurch die Eesultate verfälscht (im Sinn der Dekl.), und desto mehr, je kleiner die beobachtete eigene Bewegung ist. Nach einem freilich sehr rolien und sehr prekären Ueberschlage schätze ich, dass [umj diese Diskordanz wegzuschaffen man annehmen müsste, die beobachtete 75 jährige Deklinationsbewegung sei etwa durchschnittlich 4" zu gross (zu nördlich). Ich möchte die ]\röglichkeit von 2".5 bei Bradlet und + 1",5 konstantem durchschnittlichen Fehler bei Arge-

^) Muss nach dem folgenden Briefe Gauss' S. 6S0 heissen:

2610 51' 7" +270 5' 52" Krm.

Gauss au Olliers. Güttin^'en, 1838 April 11. (579

LANDKR nicht uiibt-diii^t läutjnen. Auch könnte viellelcJit eine strengere Rechnung:, die aber fast unüberwindliche Arbeit erfordern würde, etwas weniger als 4" g'^'ben. Wäre die Erklärung die richtige, so dürfte die wahre Dekl. wohl 40° erreichen.

Was sagen Sie, lieber Olbkks, zu dem Streit zwischen B[essel] und E[NCKE]y Vielleicht, wenigstens zu dem Anfang in den A. N.'^), Que de bnüt pour une omelettel

No. 716. Gauss an Olbers. [sdo

Göttingen, 1838 April 11.

Erlauben Sie mir, dass ich noch einmal auf die nordamerikanische Magneto-Mechanik zurückkomme und Sie um gütige Belehrung über einen mit dem Faktischen im Zusammenhange stehenden Umstand er- suche.

Mir selbst sind nur folgende drei Nachrichten zugekommen:

1. In Ihrem Schreiben vom 10. März sagen Sie, es sei in den frag- lichen Artikeln der G[azette] de Frfance] oder Froeiep's Notizen die Rede von einer Maschine von einer oder zwei Pferdekraft, die der Prof. C'allax zu Stande gebrncJit hat. etc.

2. In der Abschrift des Artikels der Gazette de France, die Sie mir gütigst unter dem 24. März zugesandt haben, heisst der betreffende Passus: Apres plusieiirs experienee (sie!) semblables il fait constriiire un appare'il etc.

3. In einem Stück der Casseler Zeitung von voriger Woche ist der ganze Artikel deutsch reproducirt, worin die betreffende Stelle heisst: „Nach mehrei-en ähnlichen Versuchen fertigte er einen Apparat an, dessen Kraft 1 bis 2 Pferdekraft gleich ist."

Es giebt dies einen Beleg für meine Aeusserung, wie schwer etwas Faktisches konstatirt wird, oder wie leicht sich durch Zwischenzeugen Entstellungen einschleichen. Während 1 und 3 harmoniren, steht 2 damit im Widerspruch.

Dass 1 und 3 das Richtige enthalten, dafür sprechen folgende Gründe :

I. Dass zwei Zeugen gegen einen auftreten.

IL Ihre gewohnte kritische Akkuratesse.

') Ä. N. Bd. 15, No. 844, 346 und 349; hervorgerufen wurde dieser Streit durch Meinungsverschiedenheiten über die Aufstellung-sart beweglicher Instnimente. Vergl. auch Berliner Jahrbuch für lfc;39. Krm.

680 Olbers an Gauss. Bremen, 1838 April 17.

III. Der Umstand, dass die Abschrift hin und wieder etwas nach- lässig gemacht ist, wovon die roth unterstrichene Stelle^) u. a, gleich einen Beweis giebt.

Dagegen könnte ich nur wieder einwerfen, dass nicht konstatirt [ist], ob 1 und 3 unmittelbar aus der Oazette de France geschöpft waren und sind. Wären beide nur zunächst aus Fkoriep's Notizen entnommen gewesen, so fiele die Kraft von I und II weg. Der Grund III will natürlich nicht viel sagen, und man könnte sagen, dass das, was weiter folgt, eher auf etwas Künftiges, als auf etwas schon Fertiges und Er- probtes hinzuweisen scheint.

Meine Kritik giebt also wenig Ausbeute, und deswegen greife ich zu dem natürlichsten Mittel, indem ich Sie gehorsamst bitte, doch in der Gazette noch einmal selbst nachzusehen, ob die fragliche Stelle wirklich heisst

il fait construire,

oder il a fait construire, oder il fit construire. Ein a zu wenig oder zu viel ändert die ganze Sache. Der ganze Gewinn ist freilich nui\ dass wir bestimmt wissen, ob die Gazette de France kein positives Zeugniss giebt, oder ob eines. Auch im letzteren Falle würde ich noch immer nicht gar viel Gewicht darauf legen, da wir nicht wissen, wie viele und wie zuverlässige Zwischeninstanzen zwischen Callan's Maschine und dem gedruckten Artikel sind.

In der allerletzten Eechnung, deren Resultat ich Ihnen in meinem vorigen Briefe anzeigte, habe ich einen Eechnungsfehler gefunden. Das Resultat, wenn man^^tre alle 390 Sterne zusammen nimmt, ist 261° 51' 7" und -|- 27° 5' 52", also doch etwas mehr vom ARGELANDEKSchen ab- weichend.

No. 717. Olbers an Gauss. [377

Bremen, 1838 April 17.

Den herzlichsten innigsten Dank für Ihre beiden lieben Briefe vom 5. und 11. April. Sehr interessant war mir das Resultat Ihrer Rechnung über die eigene Bewegung unserer Sonne, mit welchem Problem, wie Sie wissen, ich mich auch früher") beschäftigt habe. Ich hoffe, Sie werden das Umständlichei-e darüber in den Astronomischen Nachrichten bekannt machen. Für heute eile ich nur, Ihre Anfrage im Briefe vom IL, den amerikanischen angeblichen Gebrauch des Elektro-

^) Auf der vorigen Seite durch fetten Antiquadruck gekennzeichnet. Krm. ^) Vergl. Brief Xo. 433 vom 25. Nov. und No. 437 vom 29. Dec. 1821. Krm.

Gauss an Olbeis. Göttingen, 183ö April 29. (381

mao:netisiiius betieffend. zu beantworten. In der Gazette de France steht wirklich und buchstäblich: Apres plusieiirs experience semhlahles il f'ait vonstruire etc. Also kein a und kein fit. Ueberhaupt liat mir beim \'ergleich die Ihnen geschickte Kopie sehr genau geschienen. Auch ist das copvricnce semhlahles kein Fehler meines Abschreibers, sondern ein Druckfehler im (original, den dieser gewissenhaft mit auf- genommen hat. Hingegen beim Froriep heisst es wörtlich so: „Mit einem Apparat von (5 kleinen Magneten ertheilt Hr. Callan einem Eade, das 100 Pfund wiegt, eine ungemein geschwinde Drehung. Nach mehreren ähnlichen Versuchen fertigte er einen Apparat an, dessen Kraft 1 2 Pferdekraft gleich ist." Da ich, wie ich Ihnen von Callan's Versuchen Nachricht gab, nur Froriep's Notizen^ nicht die 0. d. F. vor mir hatte, so konnte ich Ihnen diesen Apparat als einen scliou zu Stande gebrachten angeben, da es nach der G. d. F. allerdings wahrscheinlich ist, dass er damals noch erst zu Stande gebi-acht werden sollte, und da mag denn der Frfolg weit hinter der Erwartung zurück- geblieben sein. Wenn es indessen wahr ist, dass Hr. Callan einem Eade, 100 fi schwer, schon mit G Magneten eine ungemeine Geschwindig- keit geben kann, so muss das Moment eines solchen Rades schon sehr beträchtlich sein, und es Hessen sich schon nutzbare mechanische An- wendungen von einer solchen Kraft erwarten. Aber sehr bedenklich bleibt es, dass man weiter von dieser amerikanischen Entdeckung nichts liürt. Findet sich denn gar nichts darüber in Sillyman's Journal, das doch wohl in Göttingen gehalten wird?

Der Streit zwischen B[essel] und E[ncke] ist mir sehr ärgerlich, aber unser Schumacher hat meiner Meinung nach ganz pflichtmässig dabei gehandelt, und B[essel] thäte sehr unrecht, wenn er den Ästr. N. deswegen künftig seine Beiträge entziehen wollte.

Ist noch nichts weiter von den lieben Reisenden gekommen? Ich verlange sehr nach Nachrichten.

No. 718. Gauss an Olbers. [sdi

Göttingen, 1838 April 29.

Ich danke Ihnen für die Mittheilung der richtigen Lesart in der Gazette de France. In dem Februar-Stück des BREwsTER'schen Journals finde ich einen Artikel von einem gewissen Watkins über Benutzung des Elektromagnetismus zu lokomotiven Zwecken. Er hat einige Modelle der Art beschrieben, die er aber selbst nur als Spielzeuge be-

ßg2 Gauss an Olbers. Göttingen, 1838 April 29.

trachtet, und [wobei er] die Möglichkeit, durch Ausführung in grossen Dimensionen irgend etwas Reelles zu erreichen, zu bezweifeln scheint.

Im letzten magnetischen Termin ist hier doppelt beobachtet, am gewöhnlichen Magnetometer für Dekl., am Bifilar-Magnetometer für Intensität. Grosse Bewegungen sind diesmal bei beiden nicht vorge- kommen, doch einige kleinere. Webee's Reise nach Berlin hatte haupt- sächlich zum Zweck, dort mit einem nur ganz roh gearbeiteten Bifilar- Magnetometer zu beobachten, während Encke am (kleinem ordinären M[agnetometer] die Dekl. beobachtete. Aehnliches ist in München ge- schehen, wo Steinheil in der Eile ein stattliches Bifilar hat machen lassen.

Die Beobachtungen^) liegen jetzt vor mir. Ich kann nur sagen, dass es der herrlichste Triumph des Bifilar -Apparats ist. "Wir sehen nun eine ganz neue Welt vor uns oifen, den Weg hinein gebahnt, und vielleicht, ja nur zu wahrscheinlich, die Thür nun vor uns zugeschlagen! Denn mit AVeber's Verlust wird unsere ganze Association wohl un- wiederbringlich zerstört.

Weber ist von seiner Reise noch nicht zurück, vermuthlich in diesem Augenblick noch in Halle. Vielleicht kommt er diese Woche.

Bei oder gleich nach seiner Abreise von hier (7. März) stand seine Angelegenheit so, dass ich erfuhr, der König wolle ihn wieder ein- setzen, wenn er eine Entschuldigung mache. Dieses ist ein Wort von einer grossen Latitude, und es schien denkbar, ja wahrscheinlich, dass es sich so werde auslegen und einrichten lassen, dass es mit der Ehre verträglich bliebe. Aber dergleichen liess sich durch Briefe nicht abthun. zumal da Weber zunächst von hier in die Leipziger Luft übergegangen war. die freilich später durch die Berliner bedeutend neutralisirt werden mochte. Jedenfalls müsste die Sache bis zu seiner Rückkehr ruhend bleiben, und es ist ihm Specielles also noch gar nicht mitgetheilt. Leider scheint sich aber in Hannover seitdem die Sache sehr verschlimmert zu haben. Zuerst durch die auf alle 7 gerichtete Petition der Universität und Stadt, deren Bewilligung man bei einiger Kenntniss der Personen für absolut unmöglich halten musste. Sodann durch das Erseheinen von Albrecht's Schrift. Vielleicht noch durcli andere mir nicht näher bekannte umstände. Der König scheint durchaus abgeneigt, iigend einen wieder einzusetzen, und dringt auf anderweitige Wiederbesetzung der Stellen.

Dies und mehreres ist mir halbofficiell absei ten des Kuratoriums eröffnet.

^) Vergl. hierzu auch Brief Xo. 611 vom IS. Apr. 1S3S im Briefwechsel Gaüss-

SCHCMACHER. Kmi.

Giiuss an Olbers. (jüttingeii, 1S38 April 29. (583

Das Kuratiiiiiini hat den besten AVillen, verniap: selbst aber wenig:.

Die Art der \\'iHderbesetzunjr scheint aber zur Zeit noch in seiner Hand zu lieirt'n. In Beziehung' auf A\'eber's Stelle hat es sie gewisser- inaassen in die mein'u/e gelegt.

Sie haben viel in Zeitungen von zum Theil schnöden Refus ge- lesen, oder sonst wohl gehört. Es mag manches davon wahr sein. Aber (feiviss ist (die schriftlichen Beweise sind in meinen Händen), dass für AA'EBER's Stelle schon im Februar drei Subjekte sich angeboten hatten;*) einer davon sogar ein Physiker, der einen gewissen Namen hat. Letzterer hat den in letzterer Zeit so berühmt gewordenen Pan- dektenlehrer und Ballgeber zu seinem Fürsprecher gemacht.

Ich wäre sehr glücklich, wenn ich in diesem schwierigen \'er- hältniss Ihren Kath haben könnte. Versagen Sie mir ihn nicht, aber Imld und gam offen und ohne Rückhalf.

So viel steht bei mir fest, dass ich hinter AA'eber's Rücken auf keine Weise instrumental sein darf. Er, mein innigst geliebter Freund, ein kindlich reines, treues Gemüth. liat mir schon früher erklärt, dass er, selbst nicht wieder eingesetzt, in meiner Nähe bleiben werde, selbst Jahre lang. Aber meinem Gefühle nach ginge dies über menschliche Kräfte, wenn er in seinem bisherigen Eigenthum (bis jetzt hat er die Schlüssel des phj'sikalischen Kabinets) einen Menschen walten sähe, der in seinen Augen als ein Niederträchtiger erscheinen niüsste.

Vielleicht ist unter den dreien einer, der ein leidlicher Doceut sein möchte, ja vielleicht für die Unterhaltung des grossen Haufens der Studenten ein besserer als Weber. Aber in Beziehung auf den Götter- funken Genie ist keiner, der w'erth wäre, ihm die Schuhriemen aufzu- machen, keiner der zur Erhaltung und Vermehrung des Glanzes von Göttingen in der wissenschaftlichen Höhe von fei'ne mit ihm zu ver- gleichen wäre. Unmöglich könnte aber einer davon seinen Platz bei mir einnehmen. In der That, unsere Arbeiten waren so in einander verwachsen und verflochten, wie nur bei d^m allerfreundschaftlichsten Verhältnisse möglich ist, und von jenen Subjekten kann ich doch keines meine Schwelle überschreiten lassen.

Wohl verkenne ich nicht, dass es einige Personen giebt, die Weber auch in Beziehung auf unsere gemeinschaftlichen Arbeiten, w^enn nicht ganz, doch einigermaassen ersetzen könnten, einige mehr, andere weniger.

Ich nenne Ihnen 3 solcher Personen. Stkinheil, ein äusserst genialer Mensch, Gerling, Genie freilich sehr untergeordnet, aber ein tüchtiger, gründlicher, auch an eigenen Ideen nicht unfruchtbarer.

^) Yergl. Brief Xo. 604 und 606 vom 7. und 9. Jan. 1838 im Briefwechsel Gaüss-Schttmächer. Krm.

584 Gauss an Olbers. Göttingen, 1838 April 29.

Ljstjüg, jetzt bei der Gewerbeschule in Hannover angestellt, ein junger Mann, der zwar noch nichts geschrieben hat, als seine scharfsinnige Doktor-Dissertation, er reiste nachher 3 Jahre mit Saetokiüs in Italien, der aber sehr gründliche Kenntnisse und einen grossen Fonds von Talent hat. Alle drei sind, wie ich glaube, mir aufrichtig zugethan.

Keiner derselben aber Avürde die Stelle, so bin ich überzeugt, an- nehmen, ich sage nicht ohne die Geiuissheit, dass Webee's Wieder- einsetzung unmöglich sei, das versteht sich von selbst, sondern ohne Weber's vollständigste Zustimmung. Steinheil schwerlich unter irgend einer Bedingung, da gegen seine Hülfsmittel in ]\Iünchen die hiesigen ganz armselig sind; bei Gerlixg findet einigermaassen Aehnliches statt, da das physikalische Kabinet in Marburg viel besser und zweckmässiger dotirt ist, als das hiesige. Bei Listing würde allerdings dieser Grund weniger stattfinden.

An den Resultaten für 1837 fehlt nur noch der letzte Bogen. Ich kann ihn nicht vollenden, ehe ich mit Weber Rücksprache ge- nommen habe. Sollen wir die neuen Aussichten für diesen Theil der Naturforschung als im nächsten Jahrgang weiter zu verfolgen ankün- digen, oder sollen wir von unseren Lesern trauernd Abschied nehmen?

So weit ich die Personen, die jetzt in Hannover die Macht in Händen haben, beurtheilen kann, erscheint mir A^'EBER's Wiederein- setzung fast hoffnungslos. Dircld kann ich selbst schlechterdings gar nichts thun. Gerade diejenigen Gründe, die vielleicht allein hier Wir- kung haben könnten, kann ich nicht selbst geltend machen. Indirekt hätte ich zwar noch einige Hebel, oder richtiger einige entfernte Mög- lichkeit, sie vielleicht in Bewegung setzen zu können. Aber in Er- mangelung genauer Kenntniss des Terrains wage ich nicht, mir eben etwas davon zu versprechen. Leist, auf welchen vielleicht indirekt zu wirken wäre, soll mit Schele in keinem guten Vernehmen stehen. Graf Münster soll eine vollständige Rekantation als unerlässlich be- trachten.

Von meinem jüngsten Sohne habe ich seit dem Briefe aus New Orleans noch gar keine Nachricht, und ich fange an, mich darüber zu beunruhigen.

Ewald wird vermuthlich in wenigen Tagen von London zurück- kommen. In etwa 14 Tagen werde ich dann meine Tochter verlieren, vielleicht um sie in diesem Leben nicht wieder zu sehen.

So schliesse ich heute mein 61. Lebensjahr.

Ich habe gar keinen Grund, die Sicherheit von Briefen jetzt in Zweifel zu ziehen. Ich brauche wohl nicht hinzu zu setzen, dass dieser Brief im eng-sten Vertrauen geschrieben ist.

Olbers an Gauss. Bremen, 1838 Mai 10. 685

No. 719. Olbers an Gauss.

[378

Bremen, 1838 Mai lu.

p]s tliut mir unendlieli leid, dass Sie Ihren trefflichen Weber höchst wahrscheinlich verlieren werden. So weit ich die Lage der Sache be- urtheilen kann, niuss ich glauben, dass der Künig- nicht nachgeben wird und gewissermaassen auch nicht nachgeben kann, ohne eine Erklärung oder Entschuldigung zu fordern, die der hochherzige "Webek schAverlich mit seinem Ehrgefühl verträglich finden wird. Aber w^eun sich dieser so ausgezeichnete Pln'siker auch von Göttingen entfernen und ander- wärts einen passenden A\irkungskreis suchen muss, so scheint mii- da- durch doch seine Mitwirkung bei Ihren so interessanten magnetischen Untersuchungen und Entdeckungen nicht aufgehoben, und die Ver- folgung der neuen Aussichten, die Ihnen der Bifilar-Apparat eröffnet hat, nicht abgeschnitten. Für Sie persönlich und für Göttingen Avird der Verlust immer gross und unersetzlich bleiben; aber kann es der Angelegenheit selbst nicht zuweilen auch vortheilhaft sein, Avenn auch an einem Orte ausser Göttingen gleichzeitige Beobb. ganz in Ihrem Sinne und in Ihrem Geiste von Weber angestellt werden, und wird sich nicht vieles einigermaassen, wenn auch nicht ganz, durch Briefwechsel ersetzen lassen, was das persönliche Zusammenleben darbot?

Im Ernst haben Sie wohl nicht meinen Kath bei Wiederbesetzung von Weber's Stelle verlaugt? Wie könnte Binen dieser von dem ge- ringsten Werth sein. Von den 3 mir genannten, Steinheil, Gerlinü und Listing, kenne ich nur Gerling persönlich. Er ist Ihr dankbarer Schüler, hängt mit Herz und Seele an Ihnen, und Sie haben ihn sich früher, wie ich mich erinnere, wohl zum Kollegen gewünscht. Vor Steinheil's grossem Genie habe ich alle mögliche Achtung, doch hat es mii' zuweilen geschienen, als wenn er vieles anfängt, das er nicht zu Ende bringt. Bei seiner heftigen Streitigkeit mit Encke war ich geneigt, ihn für etwas rechthaberisch, eigensinnig und leicht aufgereizt zu halten, weil ich damals Encke nur als einen sehr bescheidenen und sanften Mann kannte. Allein das Benehmen von Encke gegen Bessel hat mich die Sache anders beurtheilen lassen. A^on Listing weiss ich gar nichts, kenne auch seine Doktor-Dissertation gar nicht.

Ich sollte hoffen, dass Sie nach genommener Eücksprache mit Weber Ihren Lesern beim Schlüsse der Resultate für 1837 die Fortsetzung dieser so wichtigen Schrift ankündigen werden.

Ihre auch mir so liebe Frau Tochter, Frau Prof. Ewald, wird nun wohl bald Göttingen und Sie verlassen. Ich wünschte, dass Sie beider- seits den schmerzhaften Abschied schon überstanden hätten. Sehr gern

g36 Gauss an Olbers. Göttingen, 1838 Juni 11.

wüsste ich, wie jetzt die Gesundheit dieses Ihres Lieblinges be- schaffen ist.

Alle Tage sehen wir jetzt dem Alexander, Kapt. Mertexs, ent- gegen, der New Orleans am 22. Apr. verlassen wollte. Er wird Ihnen wahrscheinlich Briefe von Ihi-en Kindern mitbringen. Sollte dies nicht der Fall sein, so werde ich Sorge tragen, dass ich alles, was er sonst etwa von den lieben Ausgewanderten weiss, erfahre, und Ihnen dies dann sogleich mittheilen.

Ein Repetent der Theologie, Licentiat Piper, wollte Hardixg's Leben und Nachlass herausgeben, und ich habe ihm auf sein Verlangen zu diesem Zwecke eine Menge HARDiNG'scher Briefe anvertraut. Ist dieser Licentiat Piper noch in Göttingen, und wird aus seinem Projekt noch was werden? Beides möchte ich gern wissen.

Zum i\.ntritt Ihres 62. Jahres wünsche ich Ihnen alles mögliche Glück.

No. 720. Gauss an Olbers. [342

Göttingen, 1838 Juni IL

Es ist mir sehr schmerzhaft gewesen, dass Sie meinen letzten Brief so gänzlich missverstanden haben, zu glauben, ich verlangte Iliren Eath, iven ich auf das bewusste Ansinnen vorschlagen solle. In der That ist es [mir] auch nicht auf das Entfernteste in den Sinn gekommen, darüber Ihren Eath zu erbitten, sondern mein Zweifel, zu dessen Lösung ich die offene Aeusserung eines unparteiischen Freundes wünschte, war und ist, ob Ehre und Delikatesse überall verstatten, oder ob von der anderen Seite eine Ptlicht es fordert, mich einzulassen. Wenn ich dabei Namen genannt habe, so geschah es lediglich deswegen, weil ich ungewiss war, ob Sie es nicht zur Beantwortung meiner Fragen für relevant halten würden, erst zu wissen, wer ev. in Konsideration kommen könne.

Was Sie von einem Streite zwischen Steinheil und Encke schreiben, war mir ganz neu oder vielmehr unverständlich. Ich ei'innere mich, nicht, jemals irgendwo etwas von einem solchen Streite gelesen zu haben. Theilen Sie mir doch gelegentlich mit, wo ich die Aktenstücke darüber finden kann.

Den Schlussartikel der „Besultate für i857" habe ich auf Schrauben gestellt ausdrücken müssen; jeder der etwas zwischen den Zeilen zu lesen weiss, wird dies sogleich erkennen.

Sehnlichst habe ich gehofft, von Ihnen dasjenige zu erfahren, was der Kapitän Hertens von der A\'eiterreise meines Sohnes weiss. Da,

»)ll»frs an Gauss. Bivnion, 1838 Juni 19. G87

wie ich aus dun Z('itmi<;eii ^useluMi habe, der Alexander selioii vor längerer Zeit nach lirenierhaven ziirückg'ekommen ist, so vergrössert sich durch Ihr Stillschweigen meine längst gefühlte Unruhe über das Ausbleiben allei' direkten Nachlichten.

Meine älteste Tochter scheint in ihren Erwartungen von Tübingen sehr getäuscht zu sein, fast in jeder Beziehung, ausser der sehr freund- lichen Aufnahme von den Menschen.

P. S. Wie ich eben höre, ist der Anfang mit einer Wiederbesetzung der erledigten Plätze gemacht. Ein gewisser Subkonrektor oder Kollabo- i-ator AvEMANN in Ihlfeld sei zum Professor der Geschichte an Dahl- mann's Stelle ernannt und habe seine Vokation durch den Kanzleidirektor Leist erhalten. Das U[niversitäts]-K[uratorium] scheint gar nicht ge- fragt zu werden. Relata refero.

No. 721. Olbcrs an Gauss. [3?9

Bremen, 1838 Juni 19.

Ich bedauere, Sie so ganz missverstanden zu haben. Sie sehen daraus, dass Sie Ihrem alten stumpf gewordenen Freunde, der ohnehin immer kein Okdipus, nur ein Davüs war, alles recht deutlich vorbuch- stabireu müssen, wenn Sie eine bestimmte Antwort von ihm haben wollen.

Der Streit zwischen Steinheil und Encke ist nicht öffentlich ge- führt, sondern die Verunwilligung hat bei Steinheil's Anwesenheit in Berlin stattgefunden, wie Schumacher aucli gerade dort war, von dem Sie das Nähere erfahren können. Schumacher beklagte sich damals über Encke. dessen Hartnäckigkeit und Eigensinn alle Vermittlung vereitelt und alle Aussöhnung unmöglich gemacht habe.

Gewiss hätte ich sogleich alles gemeldet, was von Kapt. Hertens über Ihren Hrn. Sohn zu erfahren sein mag, wenn ich es nur selbst Avüsste. Aber Kapt. Hertens ist seit seiner Ankunft auf der Weser nur wenige Stunden in Bremen gewesen, um seinen Rhedern und dabei interessirten Kaufleuten Nachricht von seiner Reise und Ladung zu geben. Während dieser wenigen Stunden hat ihn der Freund, der mir versprochen hatte, ihn zu verhören, nicht gesehen. Er ist gleich nach Bremerhaven zurückgekehrt; weil der Alexander einer grossen Reparatur bedarf, so ist des Kapitäns ununterbrochene Gegenwait bei dieser Ver- zimmerung nöthig gewesen. So bald Hertens sich wieder in Bremen sehen lässt, soll er ausgefragt werden, und dann soll es an meiner Pünktlichkeit nicht liegen, Ihnen das Erfragte mitzutheilen. Auch er-

688 Gauss an Olbers. Göttingen, 1838 Juli 7.

warten wir in diesen Tagen ein zweites Schiff von New Orleans, und auch von dessen Kai)itän werde ich zu erfahren suchen, ob er etwa was von unseren lieben Ausgewanderten weiss. Ich tröste mich immer mit dem gewöhnlichen Ausspruche von Verreisten: Keine Nachricht, gute Nachricht. Wahrscheinlich wollen die neuen Amerikaner sich erst irgendwo fest ansiedeln und einrichten, ehe sie dem liebenden Vater die ersehnte Nachricht, aber dann auch desto umständlicher und be- friedigender geben. Billigen kann ich indessen ein solches Verschieben durchaus nicht; aber die jungen Leute haben selten einen Begriff davon, wie viel denen, die sie lieben, daran gelegen ist, auch nur ein Lebens- zeichen von ihnen zu erhalten, und wie gern diese auch ihre noch nicht in die Wirklichkeit eingetretenen Pläne, Aussichten und Projekte kennen möchten.

Endlich habe ich in einem englischen Journal, nämlich in dem be- kannten London and Edinburgh Philosophical Magazine by Brewster, Tailor and Phillips, No. 73 Febr. 1838, eine Abhandlung: „On electro- magnetic motive Machine by Mr. Francis Watkixs gefunden. Watkins giebt auch zwei Abbildungen solcher von ihm angeordneten Maschinen, wovon die eine besonders einfach scheint. Aber leider gesteht er auch, dass alles nur Spiel werk sei und bleiben Avird, wenn nicht noch ein glückliches Genie auf eine Einrichtung komme, luhich shall economicalhj employ this electro-niagnetic power on a sufficiently large scale, to be used ivith the desired success. Er scheint hierin viel von Jacobi zu erwarten. Ich aber glaube, dass, wenn der mächtige Genius meines geliebten Gauss, der uns schon so viele grosse Entdeckungen geliefert hat, sich mit Ernst auf diesen Gegenstand wendet und nichts findet, auch niclits zu finden sein wird.

Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie mir meine Aufrage wegen des Licentiaten und Eepetenten Piper noch nicht beantwortet haben?

No. 722. Gauss an Olbers. [343

Göttingen, 1838 Juli 7.

Nur mit ein paar Zeilen eile ich Ihnen zu melden, dass der Licentiat Piper noch in Göttingen ist; ob sein literarisch-biographisches Projekt noch zur Ausführung kommen werde, vermag ich zwar nicht zu sagen, aber er hat bestimmt versichert, dass er Ihnen nächstens selbst schreiben und die ihm von Ihnen mitgetheilten Papiere zurücksenden werde.

Aus Amerika leider noch immer keine Nachricht.

Olbers an Gauss. Urciiien, 1838 Juli 12. 689

Nu. 723. Olbers au (iauss. [sso

Bremen, 1838 Juli 12.

Ich danke recht sehr für tlie Au.skunft, die Sie mir wegen des Licentiaten Piper gegeben haben.

Der zuletzt von New Orleans angekommene 8chiffskai)itän ist be- fragt worden, er weiss aber gar nichts von unseren lieben Auswanderern. Ein besonderes Unglück kann sie aber nicht betroffen haben, sonst würde es wohl dort bekannt gewesen sein. Inzwischen hatte dieser Kai»itän wegen eigener Krankheit nur wenige Kommunikation mit der Stadt; und die Kommunikation mit dem Innern des Landes war auch wegen des in New Orleans herrschenden gelben Fiebers etwas gestört.

Seit Ihren grossen Entdeckungen interessirt mich alles, was den Magnetismus betrifft, sehr. Ich wage es daher, Ihnen einige mir kürz- lich vorgekommene, dahin einschlagende Notizen mitzutheilen, auf die Gefahr hin. Ihnen etwas zu sagen, was Sie selbst schon viel besser, genauer und umständlicher wissen.

In der Sitzung der Akademie zu Paris vom 4. Juni d. J. sprach PoissoN bei Gelegenheit einer Vorlesung über den Einfluss des an Bord befindlichen Eisens auf den Kompass auch von Ihrer Bestimmung der magnetischen Kraft. Ich muss aber bekennen, dass ich das, was im Institut No, 232 darüber steht, und was Poisson bei Ihrer Abmessung desiderirt, nicht recht verstehe.

Der Engländer Scokesbv setzt jetzt künstliche Magnete aus ge- härteten Stahlplatten zusammen, die dadurch eine ganz ausserordentliche Kraft erhalten. Er hat einen solchen aus 72 übereinander gelegten Stahlblechen verfertigt; jede Lamelle 15 Zoll lang, 1.^ Zoll breit und 1075 Gramm wiegend. Durch ein Brett, ^'^ Zoll dick, trug dieser noch einen eisernen Schlüssel, 139 Gramm schwer etc. etc. L' Institut No. 234.

Die Societät der Wissenschaften zu Haarlem, deren Mitglied ich zn sein die Ehre habe, hat mir ihr Programm für 1838 geschic-kt. Unter den vor dem 1. Jan. 1840 zu beantwortenden Preisfragen ist die 7. „II parait resulter des experiences de Mr. Jacobi (Potsdam 1835) et des Mrs. Stratingh et Becker (AUgem. Konst- en Letterbode No. 54 55) que la force electro-magnetique pourra etre employee comme un nouveau moteur etc. etc."

Die Societät verlangt, dass man durch neue Untersuchungen be- weise, wie sehr sich die elektromagnetische Kraft zu diesem Zweck verstärken lasse, welche Einrichtung eine solche Maschine haben müsse um 3 bis 4 Pferdekraft hervorzubringen u. s. w.

Olbers. II, 2. 44

gQQ Gauss an Olbers. Göttingen, 1838 Juli 15.

Die anhaltende grosse Hitze ist mir sehr lästig, nimmt mir die Kräfte und vermehrt meine Schwindel-Anfälle.

Ein am Montag den 9. geschriebener Brief von Schumacher [meldete] mir auf gestern, den 11. einen Besuch von Sir John Heeschel an, allein der sehnlich erwartete Gast ist ausgeblieben.

No. 724.

Gauss an Olbers. [344

Göttingen, 18B8 Juli 15.

So eben erhalte ich Ihren gütigen Brief vom 12. Juli, und da icli gerade ein Stündchen frei habe, so verwende ich es gern, Ihnen so- gleich zu antworten.

Ich bin gerade jetzt ganz Eremit. Meine liebe Tochter Therese ist vor acht Tagen mit ihrer Grossmutter ins Bad nach Kissingen ge- reist, so dass ich jetzt ganz verlassen bin. Weber ist, wie Sie wissen, in England und wird erst Anfang Aug. hierher zurückkommen.

Die Piecen, die Sie anführen, habe ich noch nicht gesehen oder übersehen. Das Institut hält unser Museum, und ich erinnere mich dunkel, von den aus Stahlbändern zusammengesetzten Magneten gelesen zu haben, worauf ich übrigens wenig oder gar keinen Wert lege, da gar kein Bedürfniss existirt, sich stärkere Magnete zu verschatten. als wir sie aus einem Stück haben können. Gross kann ohneliin die Ver- mehrung der Kraft durch Zusammenlegen auf keinen Fall sein. Poisson's Artikel ist mir entgangen, ich will ihn aber gelegentlich aufsuchen.

Die Haarlemer werden ihren Preis wohl selbst behalten.

Auf den Aufsatz von Watkins in Brewster's .lournal glaubte ich, Sie selbst in einem vor etwa 3 oder 4 IVIonat geschriebenen Briefe*) schon aufmerksam gemacht zu haben. Ich bin fortwährend der Meinung, dass eine ins Grosse gehende technische Benutzung gar nicht zu hoffen ist.

Hr. Herschel ist gestern Abend hier angekommen. Er war direkt mit der Diligence von Harburg nach Hannover gereist und ist. nach- dem er nur 2 oder 3 Tage da gewesen, hierher gekommen, A'ielleicht kann ich ihn bewegen, auf der Kückreise über Bremen zu gehen.

Er ist bloss hier, die magnetischen Einrichtungen kennen zu lernen, und zeigt viel Eifer, sie weiter zu verbreiten, selbst in die südliche Hemisphäre (Kap, Mauritius, Madras, Paramatta etc, etc). Auch in England ist, wie mir Weber schreibt, viel Empressement erwacht.

ij Brief Xo. 718 vom 29. Apr. 183S. Knn.

Gau<^ ;ni 011..T-; Göttiiiiron, 183s Juli 15. (591

Ausser Dublin und iTieeiiwicli. wohin Meiekstkix Apparate of^'liefert hat, wird auch in ('ainbridp:e ein Ktablissement wahrsclieinlich ent- stehen. Nach Kremsmünster ist kürzlich ein Apparat geschickt. Ebenso au Ctaimari) nach Hammerfest für die Skandinavische Expedition der Franzosen Der Ai)parat für Bache nach Philadelphia geht nächstens ab.

Soweit ist also alles recht gut. Doch fürchte ich jetzt den baldigen Tod des Ganzen. < )hne ^^'EBER■s bleibende Anwesenheit in Göttingen ist an ein Fortbestehen gar nicht zu denken. Das Fortbestehen ist an das Fortgehen der Publikation der ..Resultate^^ geknüpft, und von der Herausgabe hat Weher den grössten und beschwerlichsten Theil allein besorgt. Ich selbst kann so etwas gar nicht auf mich nehmen. Weber kann wieder eingesetzt^) werden, wenn er sich dazu versteht, gewisse Erklärungen abzugeben, die er schwerlich so abgeben wird; wenigstens ich selbst würde es niclit thun. Aber auch ohne Wieder- einsetzung in seine Stelle, die. da für unsere Institute so wenig ge- schieht, an sich eben nichts Anlockendes hat. würde ihn seine Anhänglich- keit an mich selbst Jahre lang in Göttingen festhalten, wenn seine Subsistenz auf eine würdige, seine Delikatesse nicht verletzende Art gesichert werden könnte. Aber wie lange wird dies dauern? Bei diesen trüben Aussichten ist dann ein zweites Hinderniss schon gleich- gültiger zu betrachten, nämlich dass gegen Ihre Erw^artung, aber über- einstimmend mit meiner Besorgniss. die Anzahl der Käufer der Resultate beim ersten Jahrgange so sehr klein gewesen ist. dass der Verleger einen haaren Verlust von ca. 300 Rthlr. gehabt hat. so dass er scliwer- licli sich zur üebernalime eines 3. Jahrganges entscliliessen wird. Transeat cum ceterisl Für meine noch übrigen Lebensjahre finde ich Stoff genug auch zu anderweitigen Beschäftigungen.

Zu dem vielen Ungemach, welches mich seit 7 Monaten so reich- lich getroffen hat, ist in der letzten Zeit noch eine rein persönliche Angst gekommen, die nämlich, taub zu werden. Schon oft habe ich bald auf einem, bald auf beiden Ohren schwer gehört, was aber immer nach einigen Tagen sich wieder verloren hat, und zwar jedes Mal nicht allmählig, sondern auf einmal. Ein Arzt, mit dem ich öfters davon ge- sprochen, wollte meine auf den letzten Umstand gegründete Meinung, dass die Ursache nur eine lokale sei, nicht gelten lassen, sondern meinte, es sei eine allgemeine Affektion des Nervensystems. Sein Widerspruch überzeugt mich jedoch nicht.

Seit 3 Wochen habe ich mich nun wieder mit diesem Uebel herum- geschlagen, zuweilen auf einem, zuweilen auf beiden Ohren taub. Ich

^) Yerg-l. hierzu Brief No. 28 vom 9. Juni 1838 im Briefwechsel 'HlnNfBÖLbT- GrAuss. Krm.

44*

(jg2 Olbers an Gauss. Bremen, 1838 August 24.

bin aus allerlei Symptomen auf die Idee gekommen, dass der Grund in [einer] Verstopfung der Eustachischen Röhre liegen könne, und habe in den letzten Tagen mehrere den Gegenstand betreffende Bücher gelesen (Teampel-Mencke, Lincke, Kramer). Der letzte hat auch die Operation sehr in seiner Gewalt, aber es bleibt doch eine widerwärtige Sache, sich eine silberne Röhre durch Nase und inneren Kopf treiben zu lassen, und deshalb nach Berlin zu reisen, da ich hier zu keinem Arzte in dieser Beziehung Zutrauen haben würde. Seit gestern ist aber doch wieder Hoffnung bei mir erwacht, dass nicht die Eustachische Röhre Schuld hat, sondern dass der (Trund im äusseren Gehörgange liegt, so dass ich jetzt selbst noch Herr darüber zu werden hoffe. Es scheint, dass manche Aerzte viel zu sehr geneigt sind, überall ungewöhnliche, verwickeitere und seltenere Ursachen zu suchen und darüber nahe- liegende zu übersehen. Meine eigene Kur, durch eingebrachtes Mandelöl, scheint wirklich gute Dienste zu thun.

N. B. Vorher schien völliger Mangel an Ohrenschmalz da zu sein, indem ich mit dem Löffel gar nichts heraus brachte, und das Ohr sich gieiclisam trocken berülirte; jetzt bringe ich aber doch wirklich ver- härtet gewesenes heraus.

Auch mich mattet die schwüle Hitze unbeschreiblich ab.

No. 725. Olbers an Gauss. [ssi

Bremen, 1838 August 24.

Einen kurzen, aber sehr angenehmen Besuch von Sir John Herschel habe ich denn wirklich gehabt und vielleicht Ihnen zum Theil zu ver- danken. Er kam hier am 26. Juli des Abends an und schenkte mir noch spät ein paar Stunden. Den 27. brachte er fast den ganzen Tag bei mir zu, und am 28. ging er nach Altona zu Freund Schumacher. bei welchem er bis zum 1. Aug. verweilte, und besonders zwei grosse achromatische Objektive von Utzschneider's Fabrik probiren und dann wahrscheinlich das beste davon kaufen wollte. Seine Unterhaltung war mir sehr interessant und lehrreich. Es zeigte sich indessen bei angestellter Vergleichung, dass er unerachtet der so sehr von ilim ge- rühmten durchsichtigen Luft am Kap mit seinen 20 füssigen Teleskopen an den Himmelskörpern nichts mehr hat walirnehmen können, als was Lamünt in Bogenhausen an denen, die der letztere auch über dem Horizont hatte, mit seinem grossen Refraktor gesellen hat.M

M Vorgl. hierzu auch Olbkks Bd. 1 No. 199, S. 6GS, GGi». Kn

Ollters an Gauss. Bn-nieii. 1S88 Au^Mist 24. (393

\'uii ihm erhielt ich auch eine «ienauere Xachriilil über Ihr Gehöi-, (las mit einem, dem äusseren Verlialten nach sehr ähnlidien Uebel be- haftet scheint, als das meinipe. Auch ich habe auf dem rechten Ohr das Gehör völlig verloren (wahrscheinlich aus einem organischen Fehler des Trommelfells), anf dem linken ist es sehr .Q^eschwächt, hier wahr- scheinlich vom Alter. lUn Ihnen, der Sie nach Herschel auf dem linken Ohr vollkommen put hören, wird das Uebel auf dem rechten Ohre auch hoffentlich nur vorübergehend sein. Sie thuen wohl, dass Sie fürs erste nur gelinde unschcädliche Mittel anwenden, wozu ich ausser dem lange fortgesetzten Gebi-auch des ]\fandelöls, S2)äter Ausspritzen des Ohrs mit lauem Seifenwasser, mit gemahlenem Senf geschärfte Fussbäder, eine spanische Fliege hinters Ohr, die man eine Zeit lang im Fluss erhält, u. s. w. rechne, ehe Sie sich zu einer Operation entschliessen. ich hoffe, jene gelinden ]\rittel werden das Uebel schon beseitigen. Für mich alten Mann ist natürlich keine Besserung mehr zu hoffen, nur Ver- schlimmerung vorauszusehen.

Mit Verwunderung und Erstaunen höre ich, dass die Resultate bisher so wenigen Absatz gefunden haben. Ich glaubte gewiss, kein Physiker würde sie entbehren können, entbehren wollen. Später und langsamer wird indessen der Verleger doch wohl wieder zu seinen Auslagen kommen. i\Iöchte doch eine ]\[ögliclikeit sein, Ihnen und der Georgia Ängusta den braven Webie zu erhalten.

Wie gefällt sich jetzt Ihre Frau Tochter in Tübingen? Noch keine Nachrichten von unseren lieben Ausgewanderten?

Hier hatte sich eine Anzahl junger Liebhaber der Physik vereinigt, die Sternschnuppen in der Nacht vom lO./ll. Aug. zu beobachten. Völlig trüber Himmel hat alles vereitelt.

Jetzt ist es nachgrade Zeit, sich nach dem ENCKE'schen Kometen umzusehen. Bisher ist er hier noch vergebens gesucht worden.

In einem hiesigen Tageblatt, Aurora genannt, vom 14. Aug. d. J., pg. 1519, steht unter der gewöhnlichen Rubrik: „Verschiedenes'''' folgende Notiz: „Zu London wird jetzt ein von einem Amerikaner, Namens Davenport, erfundener elektromagnetischer Eisenbahn-Wagen gezeigt. Eine ähnliche elektromagnetische Maschine wird als Druckmaschine bei einer New Yorker Zeitung benutzt." Die Quelle dieser Nachricht ist nicht ano-e^eben.

(394 Olbers an Gauss. Bremen, 1838 November 14.

No. 726. Olbers an Ganss. [382

Bremen, 1838 November 14.

Ob Sie gleich von dem Prof. v. Boguslawsky werden gehört haben, nnter welchen Umständen und abwechselnden Leiden ich noch fortlebe oder vielmehr fort vegetire, so muss ich doch mir selbst wieder das Vergnügen machen, einige Minuten mit Ihnen mich zu unterhalten, so Unbedeutendes ich auch vorzubringen habe. Kapt. Meetens vom Alexander hat nämlich endlich über unsere lieben Auswanderer selbst ausgefragt werden können. Er scheint Ihren Hrn. Sohn während der Reise sehr lieb gewonnen zu haben. Die Eeisenden wären selir gesund in New Orleans angekommen, hätten auch ihre Fahrt auf dem Mississippi glücklich vollendet. Die beiden Schwäger hätten sich getrennt, warum, das wusste er nicht anzugeben. Ihr Hr. Sohn habe Ländereien bei Ludwigsburg gepachtet, nicht gekauft, wahrscheinlich, um sich erst mit dem dortigen Landbau und dem Vertrieb der Produkte desselben bekannt zu machen, ehe er sich selbst durch Ankauf bleibend fixirte. Hr. Gauss und seine Frau wären seinen letzten Nachrichten nach wohl gewesen.

Diese jetzt alten Nachrichten werden Ihnen wohl kein Interesse mehr gewähren. Hoffentlich haben Sie nun selbst authentische und umständlichere, um deren Mittheihmg ich recht sehr bitte. Dem Kapt. Mertens, der in Kurzem mit seinem völlig ausgebesserten Schiff wieder nach New Orleans gehen wird, ist indessen dringend empfohlen w^orden, über die lieben Emigranten alle mögliche Kunde einzuziehen.

Das Wetter hat die Kometen-Beobb. gar nicht begünstigt. Indessen wird der ENCKE'sche Komet jetzt sehr gut mit blossen Augen gesehen, und soll an Lichtstärke fast einem Stern 4. Grösse gleich sein.

In der Allgemeinen Freitssischen Staaiszeiiuug No. 265 vom 24. Sept. wird umständlich berichtet, Prof. Keil in München habe auf eine von ihm erfundene elektromagnetische Kotations-Maschine ein Privilegium erhalten, vermittelst derselben die bedeutendsten Krankheiten, als Giidit. Lähmungen, Gesichts-Schmerz u, s. w. sicher geheilt, werde auch durch dieselbe beträchtliche mechanische Kräfte zu entwickeln im Stande sein. Sie kennen, lieber Gauss, schon meine Aufmerksamkeit auf alles, w^as den Elektromagnetismus betrifft. Ich schrieb also sogleich an Geuithüisen, verlangte von ihm zu wissen, was an den Wunderkuivu wahr sein möchte, auch sein und wo möglich Steinheil's Urtheil über die angebliche mechanische Wirksamkeit der Rotations-Maschine zu hören. Letzteres hat er mir freilich nicht verschafft; was er aber ge-

Gaus< an Olliors. Güttingen, 1838 November 20. (3* 15

.antwortet, sehen >iL' au.s der Einlap:e*\ die ich mir aber, weil ich Gkiithüisen noch nicht geantwortet habe, bald wieder erbitten muss. Finden Sie es der ^lühe werth, so werden Sie duich Steinheil das Nähere nnd Bestimmtere leicht erfahren können.

Hiesi«re junge Liebhaber der Phj^sik haben sich, hauptsächlich auf Veranlassung meiner beiden hier wohnenden Enkel zur Beob. der Sternschnuppen-) in der jetzigen November-Periode vereinigt. Die Nacht vom 11./1-. Nov. war trübe. Die vom 12./13. aber sehr heiter. Es wurden ^•on 2 Beobachtern, wovon der eine gegen Westen, der andere gegen Osten schaute, 185 Sternschnuppen angemerkt nnd in die Stern- karten eingetragen, worunter eine viel heller als Venus war. Zugleich wurden die Beobachter durch ein sehr schönes, um 2 Uhr Morgens anfangendes und bis zum Tagwerden anhaltendes Nordlicht unterhalten. Die letzte Nacht vom 13./14., wo den bisherigen Erfahrungen zufolge der eigentliche Glanzpunkt dieser Periode zu erw'arten war, ist leider wieder trübe gewesen.

Hoffentlich sind Sie von Ihrem Gehör-Fehler ganz wieder befreit?

No. 727. Gauss an Olbers. [345 ,

Göttingen, 1838 November 20.

Das beigehende Exemplar des zweiten Bandes der Resultate des Magnetischen Vereins bitte ich Sie mit Ihrer gewohnten Freundlichkeit anzunehmen.

Die Verlagshandlung wii'd, wie ich schon früher vorausgesehen habe, den Verlag nicht weiter auf sich nehmen, und es ist also zur Zeit noch ungewiss, ob und wie die Herausgabe eines dritten Bandes mög- lich sein wird. Ich hatte sonst w^ohl schon halb und halb darauf ge- dacht, die „AUgemeine Theorie des Erdmagnetismus"^) dafür zu be- stimmen, wenn ich im Laufe dieses Winters von anderen Geschäften Zeit zur Ausarbeitung derselben gewinnen könnte.

Für die gütige Mittheilung der von Hrn. Kapt. Mertens erhaltenen Nachrichten, meinen jüngsten Sohn betreffend, danke ich herzlich. Leider und zu unserer grössten Beunruhigung haben wir noch immer gar keine direkten Nachrichten von ihm. Auf indirektem Wege durch die dritte oder vierte Hand ist uns schon vor längerer Zeit eine dürftige zuge-

^) Den eingelegten Brief Gbüithoisen's vom 10. Okt. 1838 hat Gauss im folgen- den Briefe zurückgeschickt, er ist im Anhang unter No. 771 wieder abgedruckt. Krm. -) Siehe Olbers Bd. I No. 162, S. 566—568. Krm. ^) Vergl. Brief No. 738 vom 14. Mai 1839 und die betreffende Anmerkung. Krm.

696 Gauss an Olbers. GöttiDgen, 1838 November 20.

kommen, die zum Theil mit der Ihrigen in Widerspruch ist. Jene lautet u. a. dahin, dass er sich angekauft habe. Doch enthielt jene gleichfalls die Trennung von seinem Schwager, welch letzterer als Buchhalter, glaube ich. ein gutes Unterkommen gefunden habe. Dii-ekte Nachrichten von ihm hat aber seine Familie in Levern auch nicht. Seine und meiner Schwiegertochtei* Schwester ist jetzt als Gesell- schafterin hier bei meiner Schwiegermutter. Lieb würde es mir sein, wenn Sie noch von Hrn. ]\rEETENS erfragen lassen könnten, auf welche Zeit etwa die Nachricht, dass mein Sohn nur gepachtet haben soll, sich bezieht.

Da ohne Zweifel viele Briefe verloren gegangen sein müssen, und ich eigentlich jetzt gar keine sichere Adresse für meinen jüngsten Solm habe, so versuche ich noch einmal, durch meinen zweiten Sohn Nach- richt zu erhalten. Da durch die Post von hier geschickte Briefe öfter nicht angekommen sind, dagegen alle diejenigen, mit deren Besorgung ich Sie früher beschwert hatte, wie der Erfolg be^^iesen hat, richtig angekommen sind, so nehme ich mir noch einmal die Freiheit, den er- w^ähnten Brief hier beizuschliessen, indem ich hoffe, dass Sie wohl Gelegenheit haben, ihn durch eine sichere Gelegenheit in den Kurs der amerikanischen Posten zu bringen, von wo er dann, wie ich hoffe, schon zur Stelle kommen wird.

Aus dem hierbei mit meinem gehorsamsten Danke zurückgehenden Briefe des Hrn. GRuiTHnsEN ist nicht ersichtlich, dass der Apparat des Hrn. Keil irgend etwas Neues enthält. Einen Apparat, wodurch vermittelst Drehung eines Drahtgewindes zwischen den Polen zweier kräftigen Magnete ein galvanischer Strom (durch Induktion) erregt wird, hatte Weber bereits vor 2 3 Jahren ausgeführt, der, obgleich nur modellartig, von sehr starker AMrkung ist; fortwährend die leb- haftesten Funken, sehr starke Wasserzersetzung, die heftigsten physio- logischen Wirkungen, welche die Personen, die den Strom durch ihren Körper gehen Hessen, gewöhnlich nicht länger als ein paar Sekunden aushalten mochten. Ich selbst habe an mir von dieser ^laschine die phj^siologischen Wirkungen, von denen ich eben kein Liebhaber bin, nicht probirt pp. Steinheil hat Aehnliches nachher vor längerer Zeit . nach grösserem Maasstabe ausgeführt. Ob die physiologischen Wir- kungen unter irgend w^elchen Umständen wohWiätige sein können, da- rüber habe ich kein Urtheil, dies müssen die Herren Aei'zte ausmitteln.

Erhebliche mechanische AMrkungen sind von dieser Art \ov- richtungen gewiss nicht zu erwarten. Ich zweifle, dass sie. von zwei Menschenkräften gar nicht zu reden, nur die Kraft einer ]ilaus erreichen können. In der That. könnten auch nur so grosse Kräfte dadurch ge- wonnen werden, die im Stande wären, fortwährend die Kurbel des

Gauss an Olbers. Göttin-rLMi. 1838 November 20. 697

Apparates in 1 ►leliuuii- zu eihalti-ii, so wäre ja das Perpetuum nuAnle irefumlen. welches duch in sich unniöf!:licli ist.

Den ExcKESchen Kometen, der ziemlich hell ist, habe ich öfter tresehcn. aber eifrentliche Beobb. muss ich den Astronomen überlassen, die mit gleichem Zeitaufwande viel bessere Beobb. machen können.

Meine Gehörbeschwerde war sogleich, um die Zeit meines letzten Briefes an Sie. dem Ausstreichen des äusseren Gehörkanals mit einigen Tropfen nur kalten Mandelöls vollkommen gewichen, naclidem ich vorher eine Menge anderer Dinge, z. B. Senffussbäder etc., ohne den allergeringsten P^rfolg versucht hatte, wie auch ganz natürlich war, da diese bei einer bloss mechanisch wirkenden Ursache gar nichts helfen konnten. Es ist auch seitdem nicht wieder gekommen, und ich bin froh, dass ich es, wenn es einmal wiederkommen sollte, jetzt zu bannen weiss. Indessen ist es mir doch lieb, dass ich bei dieser Veranlassung durch Lektüre von einigen das menschliche Ohr betreffenden Umständen etwas rick- tigere Vorstellungen erhalten habe, als ich bis dahin gehabt hatte.

Meine älteste Tochter hat mich vorigen Sept. mit einem Besuche erfreut. In Tübingen kann sie noch gar nicht heimisch werden; trotz- dem hat sich ihre Gesundheit vorigen Sommer bedeutend gebessert.

Ich gehe jetzt damit um. den Apparat, dessen in den „Resultaten für 1837'' p. 7 8^) erwähnt ist. auf eine eigentliümliche Art ausführen zu lassen. Die Abänderung, welche \\'eber unter dem Namen Induktions- Inklinatorium gemacht hat, ist zwar im liöchsten Grade sinnreich; ich glaube aber nicht, dass man auf diese Art jemals sehr scharfe Resultate erhalten kann. Ich komme auf meine alte Art zurück, wobei ein von dem Drehungsapparat ganz getrenntes Magnetometer gebraucht w'ird, lasse aber an jenem zwei getheilte Kreise und Vorkehrungen zum scharfen Xivelliren anbringen. Ich bin geneigt zu glauben, dass man damit ziemlich scharfe Inkl., wenigstens so scharfe wie mit den gewöhnlichen Inklinatorien, erhalten kann, ja, wenn man noch anderes damit ver- binden will, auch absolute Dekl. Doch werde ich erst den Erfolg abwarten, ehe ich mich weiter darüber äussere.

In Beziehung auf die oben erwähnte Maschine, welche durch Induk- tion vermittelst einer Rotationsbewegung und einer angemessenen Kom- mutation einen fortwährenden galvanischen Strom erregt, will ich noch folgendes bemerken.

1) Von meinem eigenen Apparat {ResuU. 1837, p. 7—8) unterscheidet sie sich genau betrachtet dadurch, dass bei meinem Apparat nur die Erde inducirt, bei jenem Apparat hingegen ein künstlicher Magnet, vor dem die Rotation geschieht.

^) Gauss' AVerke Bd. V, S. 362—364. Krra.

598 011)er.s au Gauss. Bremen, 1839 Febniar 4.

2) Ausführen lässt sich ein solcher Apparat in verschiedenen Formen. Weber brauchte 25 pfundige Stäbe, auf jeder Seite etwa 2, also zu- sammen 100 U. Aelmliches hat Hr. Meierstein schon vor ein paar Jahren für den bekannten russischen Staatsrath Schilling v. Canstadt, welcher öfter hier gewesen und dabei u. a. Weber's Apparat bewundert hatte, ausgeführt, der aber (im Sommer 1837 gestorben) den Empfang des Apparats nicht mehr erlebt hat. Ausserdem hat Meierstein mehrere andere ausgeführt, so wie er jetzt einen für Muncke in Heidelberg arbeitet.

Der C'LARKE'sche Apparat unterscheidet sich in der Form haupt- sächlich dadurch, dass er einen Hufeisenmc\^\wi anwendet. Diese Form bietet einige technische Vortheile dar, die zur Beförderung starker Ströme dienen, und wer ex j^rofesso bloss darauf ausgeht, solche Ströme zu produciren, thut besser, Hufeisen anzuwenden als Stäbe. Allein bei uns verhält sich die Sache anders. Hufeisenmagnete qualificiren sich voi'züglich zum La.y^r?y/tragen; aber dieses Lastentragen ist doch an sich etwas Unnützes. Prismatische Stäbe hingegen, zum Lastentragen weniger geeignet, taugen allein für Untersuchungen, die scliarfe Resultate ver- langen.

Uebrigens, wenn man bloss darauf ausgeht, starke Ströme zu produ- ciren, so würde ich tceder die Hufeisenform, noch die prismatische Form, sondern eine dritte, von beiden verschiedene wählen, die, wenn man grosse Summen anwenden will, sicli dazu (lualificirt, die aller stärksten Ströme zu produciren, so dass eigentlich kaum eine Grenze abzusehen ist, über welche hinaus man nicht diese Ströme treiben könnte.

No. 728. Olbers an Gauss. [sss

Bi-emen, 1839 Fel)ruar 4.

Den Verpflichtesten Dank für Ihr abermaliges sehr gütiges Geschenk des so interessanten 2. Bandes der Resnltcde des Magnetischen Vereins statte ich Ihnen diesmal etwas spät, aber um so inniger und lierzlicher ab. Ich wünschte die schöne Gabe erst ganz durchzulesen, und dies ist langsam geschehen, weil ich zu solcher Lektüre mich nicht immer aufgelegt fühle. Es wäre sehr zu bedauern, wenn die Herausgabe des 3. Bandes Schwierigkeiten finden sollte. Etwas ktuiuten Sie die Kosten des Verlegers vielleicht veiinindern, wenn Sie künftig weniger Figuren lieferten. So angenehm es ist, den Paralltdismns der magnetischen Ver- ändei'uiigen in den Zeichnungen mit einem Blick überschauen zu können, so ist dies doch, nachdem schon so viele Proben da\on geüeben sind.

Olbt-r-; au (Jituss. lireuicn, lS3'.t Filirimr 4. (399

an sich nicht nn^hr nutii wendig-. Die Ersiiarniss wird aber wolü nur unbedeutend sein. Sollten Sie uns aber mit einer allirenieinen Theorie des Erdmaonetisnius beglücken, so würde mir diese noch wtMt lieber sein.

Den (»ft'entlichen Blättern zufolt^e wollen sich doch jetzt die Eng-- länder in grossarti^a^r A\'eise dem magnetischen Verein anschliessen.

Ihren Brief nach Amerika konnte ich beim Empfange nicht gleich bestellen, weil damals die Weser zugefroren und alle Schiffahrt ge- hemmt wai". Allein mit dem Anfange des Dec. war das ^\'asser wieder (»llen, und so ist er richtig befördert worden. Ob er sich aber dort bei der so unbestimmten Adresse zurechtfinden wird, ist mir zweifelhaft. Ich hoffe, Sie haben jetzt mehr und nähere Nachrichten von unseren lieben Ausgewanderten Kapt. Hertens habe ich nicht Aveiter befragen können, weil er noch immer auf Seereisen abwesend gewesen ist.

Recht sehr erfreulich war es mir, zu hören, dass die Gesundheit Ihrer Frau Tochter, der Frau Prof. Ewald, sich gebessert hat. Von ihm hört man aus Tübingen nur Angenehmes, und er scheint dort alle verdiente Achtung zu finden.

Da man in (Hfent liehen Blättern wiederholt versicherte, in Xew York werde eine Zeitung vermöge einer elektromagnetischen Maschine gedruckt, so hielt ich es für angemessen, mich näher danach zu er- kundigen. Das Ganze ist aber, wie ich vorher vermuthete, nichts als eine amerikanische Lüge, wie aus folgender Antwort erhellt.

New York, 1838 November 10. „Wegen der elektromagnetischen Maschine habe ich mich erkundigt, aber noch nicht gründlich; so viel ist indessen gewiss, dass keine hiesige Zeihuigs-Fresse von einer solcJien Maschine getrieben wird. Höchstens existirt hier nur eine kleine Maschine ohne weitere praktische Anwendung, und ich will versuchen, ob ich sie sehen kann,"

November 15. „Wegen der elektromagnetischen Maschine habe ich mich bei einem einsichtsvollen ]\Iann erkundigt, der mir sagt, es sei nur Spielwerk gewesen, und seiner Meinung nach könnte dadurch nie eine bedeutende Kraft entwickelt werden. Jetzt ist hier die Maschine nicht mehr zu sehen.''

Hingegen schreibt mir Gkuithuisen unterm 1. Jan. 1839 aus München:

„Prof. Keil ist mit seiner Bewegungs-Maschine noch nicht ganz fertig, glaubt aber schon jetzt versichert zu sein, dass ihre Wirkung bis zu 2 Manns-Kräften gehen werde. Ich mache mir Hoffnung, dass sie wenigstens das Uhrwerk der parallaktisch montirten Fernrohre werde treiben können."

Ich fürchte, weder Keil's Glaube noch Gkuithuisen's Hoffnung werden erfüllt werden.

Was mich selbst betrifft, so bekommt mir der bisherige gelinde

700 Gauss an Olbers. Göttingen, 1839 März 8.

Winter nicht übel. Wir halien sehr selten bis R. Kälte gehabt. Uebrigens kann man nicht einförmiger und regelmässiger leben als ich. Ein Tag geht genau hin wie der andere, und doch verfliesst mir die Zeit ungemein geschwinde. Wenn ich eine Woche kaum angefangen glaube, so ist sie schon wieder zu Ende. An Beschäftigung fehlt es mir nie. Meine Enkel sind wohl und meine Urenkel wachsen fröhlich heran. Ich habe jetzt 2 Urenkel und 3 Urenkelinneu. Diese so wie meine Enkel und mein Schwiegersohn erfreuen mich oft mit ihren Besuchen. Mein Sohn setzt seine nie genug von mir zu preisende kindliche Triebe und unermüdet seine musterhafte Sorgfalt für meine Pflege und meine Bequemlichkeit ununterbrochen fort. So fliessen meine alten Tage ebenso ruhig als angenehm dahin. Aber doch regt sich oft das Verlangen, nun auch mal bald selbst zu erfahren, was von unseren Ahnungen, Träumen, Vermuthungen, Hoffnungen und ^\'ünschen über unseren Zustand nach dem Tode wahr oder falsch sei. Diese Neu- oder Wissbegierde wird mir auf alle Fälle den Abschied aus dieser Zeitlichkeit und den Besuch des Todes-Engels weniger unangenehm machen.

Am Himmel giebt es, so viel ich weiss, niclits Neues.

jn'o. 729. Gauss an Olbers, [346

Göttingen, 1839 März 8.

Es war mein Wunsch gewiesen, [Ihnen] von meiner im Jubiläum der Universität gehaltenen Societätsvorlesung^) einen besonderen Abdruck aus dem grösseren Jubiläumsbericht zu schicken; allein durch ein Ver- sehen in der Druckerei sind von jenem Artikel die von mir bestellten besonderen Abdrücke ganz vergessen, d. i. gar keine gemacht. Ich kann daher meinen Wunsch nur dadurch befriedigen, dass ich Ihnen ein P^xemplar des ganzen Werkes schicke, welches ich gewogentlichst an- zunehmen bitte. Als ehemaliger Zögling dieser unglücklichen Universität lesen Sie auch wohl dieses Gedäclitniss der letzten Festtage mit einigem Interesse durdi. Dieses Buch ist in öffentlichen Blättern vielfach ver- höhnt, und ich habe keinen Beruf, dessen Defensor zu werden; aber das Avill ich doch bemerken, dass die Redaktion lediglich von dem Hofi^ath Bergmann geschelien ist, der also verantworten mag, Avas daran zu tadeln ist, das Korpus der Professoren und der Senat hat damit

^) Vgl. Anmerkung 2 auf S. 671. Xrni.

Gauss au Oll.ors. Gütthigcn, 1839 März (^. 701

auch nicht das Geringste zu schaffen gehabt. Meine Vorlesunjo: ist iil)rio:ens genau nach der Handschrift abg-edruckt, die ich bald nach dem Jubiläum abgeg:eben hatte.

Dass der l'ntergang- des magnetisclieu Vereins (welches ohne Zweifel eine nuthwendige Folge des Authr»rens der „Re-'ndfate" sein würde), für diesmal noch abgewehrt ist, indem wir einen anderen Verleger ge- funden haben, werden Sie aus der Anlage sehen. Es scheint nicht, dass dieser wackere Buchluändler das Bestehen dadurch sichern will, dass er an den Kosten zu sparen sucht, er scheint vielmehr das Aenssere kauni elegant genug für sich erhalten zu können. Leider kann dieser Tendenz in dem Augenblick nicht in allen Stücken genügt werden; so namentlich gefallen mir selbst die etwas ausgenutzten Ziffern nicht, womit die Tafeln gedruckt werden; aber dass der Druck /aer geschieht, ist unerlässlich, nnd die Officin hat sie nicht besser, ja nicht einmal genug, um auf einmal einen ganzen Bogen zu setzen, so dass von den Tafeln immer nur halbe Bogen gedruckt werden können. Kommt es aber v[olunte] d[eo] zu einem 4. Jahrgange, so soll darunter Abhülfe geschafft werden.

Dass übrigens durch Weglassen der graphischen Darstellungen der Terminbeobb. für das Bestehen des Verlegers etwas gew^onnen w^erden könne, muss ich bezweifeln, da unter der geringen Zahl der bisherigen Käufer ein sehr grosser Theil in den Theilnehmern an den Beobb. be- standen hat (Studenten pp.), denen daran gerade am meisten gelegen ist zu sehen, wie die von ihnen beobachteten Sprünge sich anderwärts gemacht haben. Diese Käufer würden grössten Theils wegfallen, w'enn die graphischen Darstellungen wegblieben, welche die übrigen Käufer umsonst erhalten.

Uebrigens sind und werden, wie Sie vielleicht schon wissen, die „Resultate''' ins Italienische (ich glaube von Feisiani), ins Französische (von Quetelet) und ins Englische (von Sabine) übersetzt; mir selbst ist aber von diesen Uebersetzungen noch nichts zu Gesichte gekommen. Der 2. Jahrgang in der englischen Uebersetzung wird, wie ich ver- nehme, auch im Juni erscheinen, und Sabine wünscht frühzeitig den 3. zugeschickt zu eihalten, um gleich die uebersetzung machen zu können.

Von diesem 3. erhalte ich übrigens eben die Korrektur des ersten Bogens, den Anfang meiner Schrift „Allgemeine Theorie des Erdmagne- tismus" enthaltend.

Für die gütige Beföiderung des Briefes nach Amerika im Dec, v. J. statte ich meinen gehorsamsten Dank ab, bin aber etw^as beunruhigt durch Ihre Aeusserung, dass Sie zweifelhaft seien, ob der Brief wegen der Unbestimmtheit der Adresse sich zurecht finden weide, indem ich

702 Gauss an Olbers. Götting'en, 1839 März 8.

geglaubt hatte, eine ganz vollständig bestimmte Adresse, nach der Vor- schrift meines Sohnes kopirt, auf den Brief gesetzt zu haben.

Von meinem jüngsten Sohne ist gegen Scliluss des vorigen Jahres ein Brief angelangt, leider meist sehr betrübenden Inhalts. Theils ist er lebensgefährlich krank gewesen und war bei Absendung des Briefes noch nicht hergestellt, theils hat er sehr bedeutende für ihn doppelt empfindliche Verluste erlitten. Seine Frau hat dagegen ihr Wochenbett glücklicli überstanden und wünschte zu ihrer Unterstützung die Her- kunft ihrer jüngeren Schwester, welche sich auch dazu entschlossen hat. Sie wird sich in sehr kurzer Zeit von Bi-emen nach Baltimore einschiffen in Gesellschaft einer hiesigen honetten Bürgerfamilie; nämlich ein junger Mann Namens Schöttler, aus Göttingen gebürtig, der schon seit 6 oder 7 Jahren in Amerika (St. Louis) in einer Maschinenfabiik engagirt ist und sich dabei etwas erübrigt hat, ist hierher zurück- gekommen, um Mutter und Geschwister dahin nachzuholen; diesen wird sich die Dlle. Fallenstein anschliessen.

Herzliche Freude hat mir die Nachricht von Ihrem AVohlbefinden gemacht, und wünsche ich nichts mehr als bald wieder ähnliche Nach- richten von Ihnen zu erhalten.

No. 730. Gauss an Olbers. [347

Göttingen, 1839 März 8.

Indem ich eben das beigehende Packet, in welchem bereits der Brief an Sie eingeschlossen ist, mit einer blossen Adresse begleitet auf die Post geschickt hatte, erhielt ich einen Brief aus Levern von der Mutter meiner Schwiegertochter (Bessel's Schwester), welcher mich veranlasste, meinen Boten wieder umzurufen. um statt jener Adresse jetzt noch diesen Brief beizulegen.

Ich muss Sie bitten, erst den Schluss des in dem Packet liegenden Briefes zu lesen, ehe Sie hier zu lesen fortfahren. Aveil das Folgende Ihnen sonst nicht verständlich sein würde.

Ich muss nun zuerst noch bemerken, dass die sümmtlirhen iH-tails der Schiffsreise von meiner Schwiegermutter, bei welcher die jüngere Fallenstein diesen Winter gewesen, aber vor t) ^^"ochen nach Levern zurückgekehrt ist, besorgt sind, und icli von diesen Details keine Kenntniss oder nur im Allgemeinen gehabt habe.

Jetzt schreibt mir die Frau Pastorin Fallenstein, dass Hr. Schöttler zwar gesagt habe, der akkordirte Ph\tz ,./» der SegeJkammcr"' sei ein ganz anständiger, dass sie aber nach einü:ezogener Erkundiüung das

Gauss an Olbers. Göttinnen, 1839 März •2>J. 703

t-Jeirenthfil eifiiliien liabe, indess also der Schöttler aus falscher Scham f'ineii Platz im Zwischendtnk unrecht benannt habe; sie könne ihre Einwillip:un<r nur geben, wenn fiir ihre Tochter ein Platz in der Kajüte belegt würde, und verlangt von mir darüber sogleich bestimmte Ver- sicherung.

Ich wundei-e mich nun zwar, dass die Frau l^astorin ihre Bedenk- lichkeiten nicht früher zur Si)rache gebracht hat. und kann um so weniger dabei etwas direkt thun. da ich

1) wie gesagt die Details nicht kenne; früher sollte die Reise über New Orleans gehen, jetzt wäre eine andere übei* Baltimore ge- wählt, früher ging es durch einen ^Nfakler Ll-dering. jetzt glaube ich durch einen anderen etc.

2) die Abreise so nahe bevorsteht, dass ich diesen Brief nicht um einen Tag zurückhalten kann, um erst die Erkundigungen einzuziehen.

Es scheint mir daher am einfachsten, dass ich Sie, mein theuerster P^reund, ersuche, wenn die Demoiselle Fallexstein sich bei Ihnen melden wiixl. ihr den Mehrbetrag einer Passage in der Kajüte über das früher Stipulirte auf meine Rechnung zu geben, denn alles übrige ist, ^\ie ich gehört habe, bereits vollkommen arrangirt, und mir Ihre Auslage gefälligst anzuzeigen, die ich dann dankbar erstatten werde.

Gesagt war mir, die Abreise von Bremen werde schon am 15. März vor sich gehen; meine Tochter, die ich in diesem Augenblick allein fragen kann, weiss es auch nicht genau.

Der Frau Pastorin kann ich nur antworten, dass ich an Sie die vorstehende Bitte gerichtet habe, und dass ich von Ihrer Geneigtheit aus Freundschaft für mich und ihren Bruder gewiss bin, dass also die Tochter die Reise getrost antreten kann.

Da aber auch dieser Brief noch heute abgefertigt werden muss, indem die Post in .V Stunde geschlossen wird, so muss ich diese Zeilen eiligst schliessen.

No. 731. Gauss an Olbers. [34s

Göttingen, 1839 März 28.

Aus der Reise, wovon ich Ihnen in meinem letzten Briefe schrieb, wird vermuthlich nichts geworden sein. Gleich den folgenden Tag nach Absenduug dieses Briefes erhielt ich von der Frau Pastorin Fallen- stein ein zweites Schreiben, worin sie mir meldete, dass sie ihre Ein- willignng gar nicht geben könne; ein paar von der Tochter selbst bei- gefügte Zeilen machten dies freilich wieder ungewiss, so dass ich selbst

7Q4 Olbers an Gauss. Bremen, 1839 Aj>ril 2.

noch nicht ganz bestimmt weiss, wie ich daran Ijin; indessen kann ich doch kaum glauben, dass sie sich noch zur Keise entschlossen hat, da ich sonst wohl schon von Ihnen eine Zeile über ihre Hinkunft nach Bremen erfahren haben würde. Uebrigens bin ich auch noch ungewiss, ob das Schilf (wenn ich recht verstanden habe, die Friederike Lu'ise nach Baltimore) schon abgesegelt ist oder nicht, ich sehe zwar alle Stücke der Börsenhalle, die nach Göttingen kommen, durch; aber es werden jetzt alle Wochen ein oder ein paar Stücke unterdrückt.

Ein neuer von meinem Sohne angelangter Brief ist doch insofern erfreulicherer Art gev/esen, als seine Gesundheit wieder besser gekommen ist. Der scheinbare Widerspruch zwischen den früheren Nachrichten klärt sich dahin auf, dass er allerdings eine Farm gekauft, aber einst- weilen eine andere gepachtet hatte, weil jene erst 1839 März 1 an- getreten werden sollte.

Dass der Dr. Listing zum Professor^) bei hiesiger Universität er- nannt ist. Averden Sie wohl schon aus öffentlichen Nachrichten erfahren haben. Er soll sein Amt zu Michaelis antreten.

xo. 732. Olbers an Gauss. [ssi

Bremen, 1839 April 2.

Sie hatten ganz recht, mit Zuversicht zu erwarten, dass ich Ihnen gleich Nachricht gegeben haben würde, wenn die Dlle. Fallen- stein sich bei mir gemeldet, oder ich sonst etwas von ihr gehört hätte. Aber bis jetzt ist dies nicht der Fall gewesen. Auch in dem immer sorgfältig nachgesehenen A^erzeichnisse der angekommenen Fremden (es werden aber nur die Namen derjenigen bekannt gemacht, die in einem der 5 vornehmsten Gasthöfe abtreten) koiimit weder ihr noch der Name Schöttler vor. Die beiden Schiffe, die am lö. März nach Baltimore absegeln sollten, sind zwar nicht den 15. (Wind und Eisgang ungünstig), aber wenige Tage später abgesegelt. Indessen waren wieder 2 andere Schiffe auf den 30. März zur Abfahrt destinirt, es also noch immer möglich, dass die Dlle. Fallenstein und ihre Reise-Gesellschaft eines von diesen beiden gewählt haben möchte. Aber nun sind auch diese in See gegangen, und ich habe nun die Hotfinnm- aufgegeben, die liebe Reisende noch zu sehen, wenn gleich wieder 3 Schiffe im Monat Apr. nach Baltimore zu expediren sind.

Sehr lieb ist es mir aber, dass jetzt der Briefwechsel mit Ihrem

'i An Webeh« Stelle. Krm.

Gauss an Olbers. Göttiniren, 1839 Mai 14. 705

Hrn. Sühne in it'gelniüssi<2:er ( Jrdnnng ist, und duss die letzten Xach- ricliten erfreulicher lauten. Zur Grossvaterschaft gratulire ich von ganzem Herzen. Ob Sie von einem Enkel oder einer Enkelin Gross- vater geworden sind, das haben Sie mir nicht gesagt, ich möchte es aber gern wissen.

Für Dir gütiges Geschenk des Buches über die Göttinger .lubel- feiei- danke ich aufs Veipflichteste. ]\rit grossem Interesse, Vergnügen, Belehrung und Bewunderung habe ich ihre Vorlesung gelesen.

Dass Jacobi nun doch so weit gekommen ist, mit elektromagne- tischer Kraft ein Boot langsam (3 Werste in einer Stunde, also eine deutsche Meile in 2\ Stunde) auf ganz stillem Wasser fortzutreiben, werden Sie aus den Zeitungen ersehen haben, für Schiffahrt verspricht dies freilich sehr wenig, ob es gleichviel mehr ist, als ich erwartet hätte. Ich sollte aber doch denken, dass sich eine Kraft auch nur von dieser Grösse zu manchen nützlichen Zwecken anwenden lasse.

Sehr erfreut bin ich, dass die Resultate durch den neuen Verleger ihren ungestörten Fortgang behalten werden.

Ihren künftigen Professor der Physik, Dr. Listing, kenne ich gar nicht. Die Schuld mag aber wohl an mir, nicht an ihm liegen.

In meinem letzten Briefe rühmte ich Ihnen, wie ich glaube, meine Gesundheit. Seit dem hat sich aber alles wieder sehr geändert. Mein böser Schwindel ist wieder eingetreten und widersteht allen bisher an- gewandten Mitteln.

No. 733. Gauss an Olbers. [349

Göttingen, 1839 Mai 14.

Beigehend übersende ich Ihnen ein Exemplar meiner ^^Allgemeinen Theorie des Erdmag ndismus'^ ^) mit der Bitte, solches mit gewohnter Freundlichkeit anzunehmen. Diese Schrift ist ein besonderer Abdruck aus dem 3. Bande der „Eesidtafe", wovon er etwa die Hälfte ein- nimmt.

Meine gute Mutter hat am 18. April ihi- vielfach dornenvolles Leben sanft beschlossen.-; Schon seit mehreren Jahren war sie ganz

') Wieder abg-edruckt iu Bd. V der Werke, S. 119— 1Ü3. Krm.

^j Im 9G. Lebensjahre. Im .Tahre 1817 war sie auf Bitten ihres Sohnes von Braunschweig- zu ihm i;ezogeu. Vergl. L. Häxselmasn, C. F. Gacss. Zwölf Kapitel aus seinem Leben. Leipzig 1S7S. Krm.

Olbers. II, 2. 45

YQlj Odbers an Gauss. Bremen, 1839 Mai 30.

erblindet, und in den letzten Monaten hatten ihre Kräfte sichtlich abgenommen.

Da in jetziger Jahreszeit Schiffe nach Amerika von Bremen .sehr viele abgehen, so nehme ich mir die Freiheit, Sie um gefällige Be- sorgung der Einlage zu bitten. Nach den letzten Nachrichten hatte mein jüngster Sohn Besuch von seinem Bruder Eugen, dessen gesetztem Wesen jener ein gutes Zeugniss giebt. Ich würde daher nicht abgeneigt sein, ihm sein noch in meinen Händen befindliches Erbtheil (zwischen 4500 und 5000 Rthlr.) schon früher zu extradiren, als nach der Bestim- mung seiner Mutter geschehen sollte, wonach der Termin auf 1843 gesetzt war. In Verlegenheit setzt mich dabei meine völlige Unwissenheit, ^^ie Geldangelegenheiten der Art auf eine zugleich sichere und mit möglichst geringen Kosten verbundene Art behandelt werden möchten, um nament- lich Geld, welches zum Tlieil baar in Göttingen vorräthig ist, zum Theil nach einiger Zeit disponibel gemacht werden kann, mit der grössten Sicherheit und geringsten Verkümmerung durch Kosten in St. Louis zahlbar zu machen. Ihnen, mein theuerster Freund, darf ich nicht zumuthen, mir darüber einen Rath zu geben, zumal da bei meiner gänz- lichen Unwissenheit mir eine in alle Einzelheiten gehende Belehrung nöthig sein würde.

Auf Ihre gütige Erkundigung will ich noch nachholen, dass von einem Enkel ich vor fast einem Jahre Gross vater geworden bin, der ein derber Amerikaner zu werden verspricht.

Nach einer kürzlich von Sabine erhaltenen Nachricht wird das englische Gouvernement auf 3 Jahre auf St. Helena, Kap Vaudiemens- land und in Montreal magnetische Beobb. anstellen lassen, so wie die Ost- indische Kompagnie in Bombaj^, Madras und am Himalaya.

Ich muss diesen Sommer 2 Kollegien lesen und bin dadurch und [durch] mancherlei andere Geschäfte in meiner Zeit leider so sehr beschränkt, dass ich an wissenschaftliche Arbeiten fast gar nicht werde denken können.

No. 734. ülbers an Gauss. [ssö

Bremen, 1839 Mai 30.

Sie haben mich schon wieder so gütig und so werthvoU beschenkt, dass ich wirklich äusserst beschämt bin, auf alle diese köstlichen Gaben nur durch einen zwar herzlichen, aber doch übrigens ganz sterilen Dank antworten zu können. Mit inniger Bewunderung sehe ich, wie

Olbprs an Gauss. Mreiiien, 18:i9 Mai 30. 707

die Tjehre Vdin ^Iat>netisimis sich unter Ihren Händen immer mehr ver- vollkummnet. A\ahrlicli alles, was Sie anf^reifen. bekommt gleich eine andere Gestalt und macht riesenhafte P^rtschritte.

Der mir geschickte Brief nach Amerika ist gleich durch das Handlungshaus von Wätjen und Comp, besorgt worden.

\\as aber Hire Anfrage betrifft, wie Sie ein Kapital von 4000 bis .")000 Ktlilr. am sichersten und wohlfeilsten in die Hände Ihres zweiten Hrn. Sohnes nacli Amerika schaffen können, so habe ich mich bei mehreren danach erkundigen müssen, denn ich selbst war darin ebenso unwissend, wie Sie nur immer sein können. Alle Befragten stimmen darin überein, dass dies am besten durch Wechsel von Hirem Hrn. Sohn auf Sie geschehen könne. Hir Hr. Sohn muss mit Einkassirung dieses Wechsels einen dortigen zuverlässigen Bankier oder auch eine Bank beauftragen. Der Wechsel wird der Gewohnheit nach mehrentheils auf GO Tage nach Si'ht ausgestellt. Der oder die einkassirende Be- hörde hat die Wahl, ob sie den Wechsel in Bremen (bei Gebrüder Focke) oder in London (bei Pkall]':r und Gabain) oder in Liverpool (bei Focke und Boult) zahlbar haben will. Für einen Ort muss sie sich aber bestimmt erklären. Wahrscheinlich wird Ihr Hr. Solm, wenn er dem Bankier unbekannt ist, von diesem nicht eher das Geld dafür empfangen, bis der Bankier Nachricht erhalten hat, dass der Wechsel in Europa wirklich bezahlt ist. In New York ist der Kurs eines Goldthalers. d. i. i- einer Pistole, gewöhnlich 79 oder 80 Cents (ein Dollar = 100 Cents), je höher, um so vortheilhafter für den Trassanten. Sie haben dann während der Tage nach Sicht Zeit genug, die bezogene Summe hierher unmaassgeblich nur an meinen Schwiegersohn, Dr. Focke, zu schicken, der dann die Bezahlung des Wechsels entweder hier in Bremen, oder in London, oder in Liverpool besorgen wird.

Noch kürzlich hat mein Enkel, Dr. Wilh. Focke, auf diese Art 8000 Rthlr. nach Amerika geschickt, die sein Schwager, Hr. Edmund Pavenstedt für ihn sehr vortheilhaft bei der Stadt Baltimore zu O^/^ be- legt hatte und in Wechseln auf ihn zog. Wäre Ihr Hr. Sohn in der Nähe von New York, und wollte und könnte Hr. E. Pavenstedt die Einkassirung in Europa übernehmen, so wäre die Sache auf einmal beendigt. Müsste sich aber Ihr Sohn an einen anderen, ihm übrigens noch nicht bekannten Bankier wenden, so würde ich sehr rathen, nicht auf einmal die ganze Summe, sondern nur einen massigen Theil, etwa 500 bis 1000 Rthlr. zu ziehen, um zu erfahren und zu sehen, ob er auch von dem, an den er sich gewandt hat, in Ansehung der Spesen und Provision billig behandelt werde. Erfahrung würde ihm dann wohl den besten

Weg lehren.

45*

Y08 Olbers an Gauss. Bremen, 1839 Mai 30.

Ich hoffe, ich habe Ihnen hier das Verlangte deutlicli und voll- ständig- auseinandergesetzt. Mein Kopf ist mir sonst jetzt so einge- nommen, dass ich schon seit einiger Zeit gar nicht mehr zum Schreiben aufgelegt bin. Dieser kleine Brief ist mir schon sehr mühsam geworden, und ich muss schliessen, ganz schwindlig.^)

') Am Schluss dieses letzten Briefes von Olbers' findet sich von Gacss' Hand „t 2. März 1840". Krm.

An ha 11 ff 1.

Briefe von v. Buch, Dieksen, Gauss, v. Humboldt, v. Lixdenau, V. MüFFLiNG. Olbees Und Schumacher aus den Jahren 1821 bis 1837, ferner ein Brief von Gruithuisen an Olbees vom 10. Oktober 1838.

Nu. 735. Y. Lindenau au Olbers.')

Gotha, 1821 Juni 23.

Indem ich Ihnen das Juni-Heft der Corr. astr. von Zach mittheile, schreibe ich zugleich das ab, was mir General ^lüPFLiNCr in Bezug auf Gauss geschrieben hat. In seinem Brief vom 1. Juni, Berlin heisst es: „Von Gauss habe ich auf meine Anfrage eine recht offene, „freimüthige Erklärung erhalten, dass er aus Gründen, welche ..Sie genauer kennten, wünschen müsste, Göttingen zu verlassen, „dass er den Aufenthalt in Berlin jedem anderen vorzöge, aber „dass eine Verbindung mit der Universität ihm nicht behage, er „wolle bloss in der Akademie sein. Ich habe mich nun mit „Altenstein besprochen, und er ist mit mir einverstanden, dass „Gauss als Academicien berufen wird. Jetzt muss sie noch dem „Staatskanzler vorgelegt werden (an dessen Einwilligung nicht „zu zweifeln [ist]), und dann muss die Sache aus den Händen „des bushaften Teufels des Tralles gehalten werden, der nichts „davon wissen und erfahren darf, weil er sonst alle Mittel auf- ,.bietet, um sie zu hintertreiben

^) Die im Folgenden mitg-etheilten Briefe No. 735 bis No. 740 geben mit dem Briefwechsel Gauss-Olbers aus dieser Zeit ausführliche Nachricht über einen zweiten Versuch, Gauss für Berlin zu gewinnen. Da auf die meisten der folgenden Briefe in Olbers Bd. II, 2 Bezug genommen ist, so schien ihr Abdruck schon aus diesem Grunde hier geboten. Der erste Versuch, Gauss für die neu gegründete Berliner Uni- versität imd die Akademie der Wissenschaften zu gewinnen, wurde bereits im Jahre 1810 auf Wilhelm und Alexander von Hu>[boldt's Veranlassung gemacht (vergl. Olbers' Brief v. 10. Apr. 1810 an Gauss und Gauss' Antwort v. 6. Aug. 1810 in Olbers Bd. 11, 1 S. 449 und 452). Krm.

7^2 Anhang 1.

No. 736. Dirkseu an Olbers.'j

Berlin, 1824 Oktober 12.

Zu meiner innig'sten Freude kann ich vertraulich melden, dass nunmehr gegründete Hoffnungen vorhanden sind, die schon so lange besprochene Berufung des Hrn. Gauss baldigst verwirklicht zu sehen. Bei dem letzten Besuche,^) den ich Hmen abzustatten die Ehre hatte, habe ich Ihnen die Verhältnisse bezeichnet, an denen die Sache sich im vorigen Winter zerschlagen hat. Auf die Berührung der Medicinal- Fonds, zu welcher man zu demselben Endzwecke zu schreiten beab- sichtigte, hat deshalb verzichtet werden müssen, weil sie keine dauernde Sicherheit zu gewähren im Stande sind. Da aber durch den Tod des Hrn. Geh.-Raths Wolf ein ansehnlicher Gehalt erledigt worden ist, so sind jetzt die Schwierigkeiten gehoben. Die philologische Klasse der Akademie, der dieser Gehalt eigentlich angehört, hat auch bereits officiell erklärt, auf ihre desfallsigen Ansprüche gern verzichten zu wollen, wofern die Summe zur Besoldung von Hrn. Gauss verwendet werden könne, und das vorgesetzte Ministerium hat keinen Anstand genommen, nicht nur diese Erklärung mit Wohlwollen aufzunehmen, sondern auch sogleich auf die Sache einzugehen

No. 737. Y. Müffliiig au Y. Liiulenau.')

[Berlin,] 1824 November 28.

. . . Heute schreibe ich wegen unseres Gauss, und zwar weil nun endlich und endlich unser guter vorti-efflicher, aber höchst langsamer Minister Altenstein mit der Sache so weit vorgeschritten ist. dass es folgendermaassen steht:

Die Akademie der Wissenschaften, von welcher p. Gauss bereits Auswärtiges Mitglied ist, hat sich erklärt, ihn als Ordentliches Mitglied aufzunehmen, und kann dazu 1700 l\thlr. jährlich tlüssig machen. l)ie

*) Diesen Brief liatte Olbers seinem Schreiben v. 3. Nov. IS'24 au Gatss, No. 539, beigelegt, vergl. hierzu auch Brief No. 536 vom 18. Okt. 1824. Krm.

'') Vergl. Brief von Oi.beks an G.vuss. vom 'l'l. Sept. 1824, No. 532, S. 345. Krui.

^) Dieses Schreiben hatte Gauss seinem Briefe vom 2. Febr. 1825 an Olbkrs, No. 548 beigelegt, vergl. auch Brief No. 543 vom 13. Dec. und 544 vom 17. Dec. 1824 an Olbers. Der Brief ist übrigens auch unter No. 14 in dem von K. Brvhxs herausgegebenen Briefwechsel A. v. Himhoi.pt-Gaiss abgedruckt. Krm.

Briett' von l'irks'jii. v. IMült'ling. v. Liiidtiiau. 713

matlieiiiatisclie Klasse wählt ihn in diesem Falle znm Sekretär, wozu ein (jiehalt von 300 Ktlilr. ausgesetzt ist. Dies wären liOUO Kthlr. und erforderte bestimmte Ptiichten, welche p. Gauss kennen wird.

Darüber, dass er bei der Universität nicht angestellt wird, waren wir bereits alle einig. Da nun aber der ^Minister zur Herbeischaifung von der Summe, welche noch an seiner Stellung fehlt, einen Titel haben muss. so hat er den Antrag an den König gemacht, den ich auch unter- stützt habe, dass der Hr. Gauss ihm, dem Minister, in allem, was das mathematische Studium betrilt't, rathgebend oder leitend für öffentliche Angelegenheiten und Institute, als Observatorien, polytechnische Insti- tute p. p. beistehe und sich unterzöge. Dies ist auch genehmigt, und der Minister hat dafür die Bewilligung auf 6 bis 700 Rthlr. erhalten, so dass von dieser Seite nun nichts mehr entgegensteht.

Ausserdem würde noch eine billige Reise- und Yersetzungskosten- Vergütung zu erlangen sein.

\Vas die Stellung betrifft, so glaube ich, dass neben der als Aka- demiker sich keine ehrenvollere finden lässt und wenn der Hofrath Gauss sich mit dem Minister zu benehmen weiss, so bekommt er einen grossen Eintluss auf das ganze mathematische Unterrichtswesen des Staates, wo er also ein grosses Feld hat und. ausserordentlich nützlich werden kann. Der Minister und die ersten Räthe werden ihm mit grossem Vertrauen entgegenkommen, alles übrige hängt von ihm selbst ab. Kommt es dazu, ein polytechnisches Institut zu bilden, wozu ich einen Plan entworfen habe, so würde er einen grossen Einfluss darauf üben, und dies ist zugleich eine Gelegenheit zu seiner Verbesserung.

Was den Gehalt anbetrifft, so kann ich mich nicht mehr erinnern, was die "Wünsche von Hrn. Gauss waren. Ich dächte, es wären 2400 Rthlr. und ein Quartier gewesen

No. 738. Y. Lindenau an Gauss.')

Gotha, 1825 Januar 4.

Wenn ich erst heute Ihre letzte freundliche Zuschrift beantworte und dafür bestens danke, so geschah dies zunächst in Veranlassung des A^'unsches, vorher eine Antwort aus Berlin zu erhalten. Diese ist vor wenig Stunden bei mir eingegangen und drückt, wie ich im voraus erwartete, grosses Bedauern über Ihre abschlägige Antw^ort aus, da

') Dieser Brief ist auch unter No. 16 im Briefwechsel Humboldt-Gauss abge- druckt. Vergl. Brief No. 546 von Gauss an Olbers vom 19. Jan. 1825. Krm.

714 Anhang' 1.

man mit Zuversicht hoffte, Sie für die preussische Monarchie gewonnen zu haben. General Müffling wünscht nun andere Vorschläge von mir zu hören, was mich denn aber in grosse Verlegenheit setzt, da Ersatz eine Unmöglichkeit ist

No. 739. Dirksen an Olbers.'j

Berlin, 1825 Januar 6.

.... Allein heute Morgen wurde hier die unerwartete Nachricht kund, dass Hr. Gauss den an ihn erlassenen Antrag abgelehnt habe, und zwar weil die Hannoversche Regirung 1) ihm selbst eine bedeu- tende Zulage und 2) seinem ältesten Sohne den Eintritt in das Artillerie- Korps bewilligt habe. Ich kann Ew. AVohlgeb. den unangenehmen Eindruck nicht beschreiben, den diese Nachricht allhier gemacht hat, und darf Ihnen nicht verhehlen, dass ich die begleitenden Argumente der GAUss'sclien Denkungsart, so wie ich dieselbe kennen gelernt habe. so unähnlich finde, dass ich in dem Ganzen irgend ein Missverständniss vermuthen muss. Denn erstlicli kenne ich Hrn. Gauss als einen Mann, dem es unter jedem Verhältnisse schwer werden würde, den einzigen seiner vollkommen würdigen Wirkungskreis käuflich zu stellen; zweitens ist es mir nicht wahrscheinlich, dass die erhaltene Zulage von der Art sei, dass sie ihm gegen das von hier aus gewordene Anerbieten be- sondere pekuniäre Vortheile verschaffen könne, und wenn auch, so hätte die hiesige Behörde in dieser Beziehung vielleicht noch niclit das letzte Wort gesagt; drittens hätte sein Sohn, und hätten alle seine Söhne eine weit glänzendere Beförderung im preussischeu als im han- noverschen Dienste unter andern schon dadurch zu erwarten, dass die Bedürfnisse von jenem verhältnissmässig weit grösser als von diesem sind. Endlich viertens, was mir die Sache vollkommen unbegreiflich macht, ist der schon erwähnte Brief vom 15. Nov.. mit welchem Sie mich zu beehren die Güte gehabt haben, der geradezu dasjenige ver- neint, was hier bejaht wird, und mir zu eben dieser Verneinung noch den bestimmtesten Auftrag, im engsten Vertrauen, ertheilt Es ist aus allen diesen Gründen, im Verein mit anderweitigen Wrhältnissen. dass ich fast vei-muthen möchte, dass der Antrag vielleicht nicht in seiner ursprünglichen und wahren h'orm an Hrn. Gauss gelangt, son-

*) Dieser Brief ist unter No. 17 in K. Brchns, Briefe zwischen A. v. Himbolpt und Gauss initgetheilt und danach hier wieder ahgedruckt. Vergl. aucli Brief No. 547 von Olbkrs an Gauss vom 28. Jan. 18'2r>. Krni.

Briefi' vnii I)iiks(ii. v. Buch. 715

(lern irpreiulwo Moditikatioiicii luiteiworfen worden sei, die, wenn ancli Privatzwecken sehr aiij^n'nu'ssen, deiinofli von der höchsten liehörde nicht beabsichtig-t worden sind.

Unter diesen Umständen werden Ew. Wohig^eb. mir hoffentlich er- lauben, Ihr pütiges Zutrauen zu mir, die Gefühle der Hochachtung;, welche Sie und ich gemeinschaftlich für den seltenen Mann hegen, und Ihre verdienstvollen und erfolgreichen Bemühungen zur Beförderung der ^^■issenscllaft in Anspruch zu nehmen und mich mit der dringenden Bitte an Sie zu wenden, mir rücksichtlich der Bedingungen, welche Hrn. G.\rss in officieller Form gestellt worden sind, und anderwei- tiger mit der Sache in Verbindung stehender Verhältnisse einige, so viel wie möglich genaue Notizen (versteht sich, im engsten Vertrauen) zu ertheilen, damit ich in den Stand gesetzt w^erden möge, eines ^) Theiles dem Mann, an Avelclien ich einen so ansehnlichen Theil des wissenschaftlichen Ruhmes unseres deutschen Vaterlandes geknüpft achte, bei seinen zahlreichen Verehi-ern allhier, zu denen ausser dem Prinzen August, Chef der Königl. Artillerie, die sämmtlichen Mit- glieder des Ministeriums, der Akademie der AVissenschaften und der Universität unbedingt zu rechnen sind, die ihm gebührende Recht- fertigung zu verschaffen, und anderen Theils ein in der Sache selbst etwa obwaltendes Missverständniss gehörigen Ortes zur Sprache zu bringen. Es würde mir besonders wichtig sein, wenn Sie die Güte haben wollten, mir bereits mit umgehender Post dasjenige anzuver- trauen, was Hmen von dieser Angelegenheit bekannt ist, und alsdann ferner die Erkundigungen einzuziehen, die Sie zur völligen Aufklärung der Sache etwa nöthig erachten mögen

No. 740. y. Buch an Gauss.')

Beriin, 1825 Januar 14.

Wenn uns eine grosse Hoffnung entgeht, so suchen wdr in solchem Schiffbruch nach Bretter und Masten, nach einem einzelnen Tau, um uns noch einige Augenblicke aufrecht zu erhalten und einen glücklichen Stab des Schicksals zur Rettung zu erwarten.

1) Den Passus vou „eines Theils" bis „zur Sprache zu bringen" führt Olbers in dem vorstehend erwähnten Briefe No. 547 an Gauss fast wörtlich an. Krm.

2) Dieses Schreiben, dessen Original sich im GAUss-Archiv zu Göttingen be- findet, ist mit Genehmigung der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften hier zum Abdruck gebracht. Gauss hatte es seinem Briefe vom 2. Febr. 1825 an Olbers, No. 548 beigelegt, vergl. auch Brief No. 546 vom 19. Jan. 1^25 an Olbers. Krm.

716

Aiihano-

Es ist ZU wichtig für uns, für den Staat, ich darf külin hinzu- setzen, für das Wohl der Wissenschaft überliaupt, sich zu überzeugen, ob noch irgend eine ferne oder nahe Aussicht sicli eröffnen kann, Sie hier zu sehen. Werfen Sie daher dieses Blatt nicht unwillig bei Seite, wenn Sie sehen, dass es von jemanden kommt, der kein anderes Recht hat, Ihnen zu schreiben, als vielleicht das tiefe Gefühl, was ihn durch- dringt, der grossen A\'irksanikeit, welche Ihre hiesige Anwesenheit haben könnte, würde und müsste.

Als man vor Jahren^) Sie befragte, ob Sie geneigt sein könnten, Ihren Aufenthalt hierher zu versetzen, und Sie einer solchen Versetzung nicht günstig waren, glaubte man Sie so fest an Göttingeu gebunden, dass man nicht leicht das Gelingen eines solchen Ereignisses nur für möglich gehalten haben würde. Da ward leider fast schon seit zwei Jahren^) versichert, so etwas sei doch wohl möglich, und General MüFFLiNG, der behauptete, mit Ihnen in genauen Verbindungen zu stehen, übernahm es für die hocherfreute Akademie, die dazu nöthigen Einleitungen zu treffen. Damals hatte die Akademie selbst nicht Mittel genug in Händen, um dies zu bewirken. Sie musste sich an den Mi- nister wenden, und dieser, von der Wichtigkeit der Sache völlig über- zeugt, versprach alles, was diese Angelegenheit nur befiu'dern könnte, und versicherte der Akademie, dass er hoffe, mit dem General ^Müffling die Sache zu einem glücklichen Ausgang zu bringen. Dem Minister ist eiu Zögern eigen, welches schon viele in Verzweiflung gesetzt hat. Statt mit beiden Händen zuzugreifen und das Ordnen des Etats bei so wichtiger Angelegenheit als Nebensache zurückzuschieben, ist dies dennoch nicht geschehen. Mit vielen unnöthigen Umschweifen ist es dem Könige vorgetragen worden, der verwundert geantwortet hat: „Glaubt denn der Minister mich so unwissend, dass ich Gauss nicht kennen sollte? Wozu solche Vorrede?"

Gott weiss, welche Anträge Ihnen gemacht sind. Die Akademie weiss davon nichts. Sie mögen unanständig genug gewesen sein. Den grössten Theil des Jahres abwesend, habe ich keine Kenntniss vom Verlauf der ganzen Sache gehabt und bereue es jetzt bitter, meinen Weg von Frankfnrt statt auf Gotha, nicht über Göttingen ge- nommen zu haben. Es würde mir vielleicht gelungen sein. Ihnen manche Verhältnisse zu entwickeln, welche man in der Ferne nicht deutlich zu erkennen im Stande ist. Bei meiner Zurückkunft ist das eiste Wort, was ich höre, eine Mittheilung des Ministei's an die Akademie, in welcher Sie alle Anträge jeder Art zurückweisen.

^) Im Jahre 1821, vergl. Briefe von Gaiss an Oi.hkrs. vom S. Juli 1>_'1. No. 4'24. S. 118, und vom 5. Dec. 1821, No. 434, S. 144 in diesem Bande. Krm.

-) Vergl. Brief von Gauss an Olhers vom 10. ^liirz 1SJ3. No. 468, S. 234. Krm.

I'.ii'! V lliicli an (iauss. 717

Die bestiirzlt' Akadciuic luicli su hoch ern-epften Hofl'mnijrt'n, will sioh von ihrem riiglück nicht überzeujifen. Sie oflaiibt an \\'i(ier\väitig'- keiten, welche ihr nicht bekannt sind, an Befürchtungfen. die itnge- ofi-ündet sein möchten, an \'eimeidung: nnangenehmer Verhältnisse, die gar nicht eintreten können. Sie giebt mir den Auftrag, Ihnen die ganze Lage der Sachen noch einmal vorzutragen, von denen Ihnen viel- leicht manches unbekannt sein könnte, als ein Biief, den man im Ver- trauen schreibt, und der eine vertrauliche Antwort erzeugen könnte.

Die Akademie wünscht Sie in ihrer Mitte, weil sie glaubt, dass eine so freie Stellung, als ihre Mitglieder geniessen, kaum anderswo den (gelehrten geboten werden könne. Damals, als man Ihnen An- träge zu machen beschloss, waren die Gehälter, über welche man dis- poniren konnte, nicht hinreichend, das hervorzubringen, was Sie ver- langen mussten. Seitdem ist Prof. Wolf, der Philolog, in Marseille ge-* storben. und man glaubt nun. es möglich zu machen, ohne neue Fonds Ihnen alles zu bieten, was zum beiiuemen und guten Leben hier noth- wendig ist. Sollte man Ihnen von Anstalten geredet haben, polytech- nische Institute und ähnliche Dinge, zu deren Direktion Sie berufen sein sollten, so hat die Akademie daran keinen Theil. Sie findet es unschicklich und glaubt die Erklärung noth wendig, dass Sie sich zu gar nichts verbinden, als Ihren Aufenthalt hierher zu versetzen. Keine Vorlesungen irgend einer Art. kein kollegialisches Verhältniss von Prä- sident, Kath oder 3Iinister. Sie sind frei, schalten mit Ihrer Zeit, wie es Ihnen gefällig ist, geben niemand darüber Rechenschaft, und nie- mand hat auch das Recht, eine solche auch nur von fern zu ver- langen. — Denn die Akademie ist ein völlig unabhängiges Institut, was unmittelbar unter dem König steht, unmittelbar dem König referirt und nur durch Kabinetsordres Befehle erhält. Der Ministei- hat auf die Akademie gar keinen Einfluss, noch viel weniger ein General oder irgend ein anderes Kollegium. Die Akademie wählt ihre Mitglieder selbst und sucht die Bestätigung unmittelbar bei dem Könige, nicht durch den Minister, der höchstens aus Höflichkeit davon benachrichtigt wird. Die Akademie vertheilt die auf ihrem Etat stehenden Gehälter nach ihrem Gutdünken, der Minister darf das nicht; viel weniger würde er daher, wie etwa Corbiekes in Paris, Gehälter streichen können. Was im Innern der Akademie vorgeht, wird dem Minister niemals be- richtet, und jeder Versuch denn wohin griffe ein Bureau nicht auf irgend eine entfernte Art sich hineinzumischen, wird jederzeit, schiene er auch noch so unschuldig, abgeschlagen und verworfen. Eine solche Freiheit, solche Unabhängigkeit des Wirkens wäre Ihrer nicht unwerth. und das Herz blutet, wenn man bedenkt, dass [eine] so treif- liche Lao-e nur von solchen benutzt werden soll, als sich jetzt darinnen

718 Anhang 1.

finden. Stehen Sie in gutem Yerhältniss mit denen, "welche grosse Aemter und Würden bekleiden, um so besser. Ist es nicht, so hat es auf Ihr Wohl und Wehe auch nicht den entferntesten Einfluss, kann ihn nicht haben, weil niemand in die Verhältnisse der Akademie einzu- greifen das Recht hat. Ich will nicht verhehlen, wie man mii^ erzählt, es sei ötfentlich ein sehr unanständiger Angrifft) auf [die] hannoversche Triangulirung gemacht worden, und als Urheber Menschen nennt, die sich hier befinden. Wahrlich eine edle Rache, solche Menschen durch Ihre blosse Anwesenheit zum erschreckten Verstummen zu bringen! In der Akademie finden Sie dergleichen nicht, und seit dem ersten Tage würden Sie dort die dominirende Stelle einnehmen, welche Ihnen ge- bührt.

BoDE hat sich Alterschwäche wegen gänzlich zurückgezogen, und schwerlich wii'd er noch lange unter uns bleiben. Dann wäre die von ihm eingenommene Wohnung eine sehr gute, welche der Akademie gehört die wäre die Ihrige, und auch von dorther Hesse sich noch eine Gehaltsvermehrung erwarten. Das Sekretariat der mathematischen Klasse, welches Ihnen von selbst zufällt, ist ein wirkliches Präsidium, was untei' den vier Sekretarien der 4 Klassen wechselt; daher wohl etwas Annehmliches.

Und nun lassen Sie mich eine Betrachtung zufügen, welche mich gar sehr bewegt. Berlin ist von allen Städten von Deutschland die, welche in wissenschaftlicher Hinsicht am meisten einer Hauptstadt gleicht. Hier ist mehr Raum, Antrieb und AMrken für wissenschaft- liche Zwecke. Ihre Schüler würden nicht Anfänger sein, sondern, wie Sie sie nur allein haben sollten, Männer in der Reife ihrer Bildung. Sie würden Göttingens literarische Hilfsmittel hier nicht vermissen, vielleicht noch mehrere finden. Der krasse Aristokratismus, welcher sich so mächtig über die Welt zu verbreiten strebt, ist hier auf einen engen Cirkel zusammengedrängt, in dem er auch nur verstohlen spukt. Er verwundet und beleidigt hier nicht. Die bürgerliche Freiheit des Redens und Handelns ist grösser als in irgend einem anderen Orte von Deutschland, und weit grösser, als man im Auslande sich vorstellt. Was würde Ihre blosse Anwesenheit, die Herrschaft solchen Geistes nicht schon allein für wohlthätige Folgen haben, für das ganze Land, für ganz Deutschland.

Reissen Sie uns aus der Barbarei, in der wir zu versinken in Gefahr stehen. Die Fauteuils von Euler, Lagraxcie und Lambert rufen laut, und wie gern hätte nicht schon der edle Tkalles Sie an

^) In Zacu's Corr. astr. Bd. X, vergl. Brief von Olbers au Gacss Xo. 50S, vom 8. Juni 1824, S. 310. Krrn.

Briefe von v. Bucli, SchnmaLher, v. Iluinlinldt. 719

diesem Platz über sich sitzen sehen. Unberufene Diener sehen die leeren Plätze, drängen sich vor, man stösst sie weg; aber die Unwissen- heit ist beharrlich, der Unverschämtheit gelingt es doch am Ende, wenn der höhere Geist vergebens erwartet wird. Die Mathematik, alles gründliche Forschen geht unter, und die Quelle, aus welcher so unge- mein viel Edles hervorströmen könnte, versiegt und kommt nie wieder.

Ich glaube Ihnen nocli versichern zu können, dass Aussichten für Ihre Familie sich hier mehr eröttnen als in Hannover.

Möchte ich Sie doch nicht ermüden, möchte doch ein freundlich Wort Ihre Antwort sein! Haben Sie Wünsche, Besorgniss, theilen Sie sie mir mit. Was Sie sagen, bleibt gänzlich Privatbrief, der Ihnen auf keine Art unangenehme Vorfälle veranlassen kann, und ich thue, was möglich ist, alles zu berichtigen, was Ihren ^^'ünschen gemäss sein kann.

No. 741. Scliumaclier an Gauss.')

[Altona], 1827 Mai 11.

.... Humboldt ist hier gewesen und hat uns beide sehr dringend nach Berlin eingeladen. Ich habe es auf Sie verwiesen. Er sprach auch ein paar Worte über eine Ihnen bewusste Angelegenheit, die er von Ihrer Seite als ganz aufgegeben zu betrachten schien. Mündlich mehr

No. 742. Y. Humboldt an Schumacher.

Berlin, 1827 Juni 2.

.... Ich bitte Sie innigst, Hrn. Gauss meiner Anhänglichkeit und Ergebenheit zu versichern, was Sie mir über ihn sagen, hat mich

1) Aus No. 302 des von C. A. F. Peters besorgten Briefwechsel zwischen C. F. Gauss und H. C. Schumacher wieder abgedruckt.

Die hier folgenden Briefe No. 741 bis No. 763 geben Aufschluss über die von A. V. Humboldt bei seiner Rückkehr von Paris nach Deutschland im Jahre 1827 wieder aufgenommenen Unterhandlungen, um Gauss" Berufung nach Berlin von neuem zu veranlassen, sie erstrecken sich über die Zeit von 1827 bis 1836 und wurden nur zwischen Humboldt und Schumacher geführt. Krm.

720 Anhang 1.

sehr aufgeregt. Icli werde mit grösster Diskretion davon Gebrauch machen. Der Minister v. Altenstein ist nicht zu umgehen; ich fürchte, dass er jetzt in den Geldfonds sehr eingeschränkt ist. da man über alles disponirt hat. Nach meiner Ansicht sollte man, um dem Vater- lande einen solchen Glanz zu verschaffen, das Unmögliche möglich machen. An meiner Betriebsamkeit soll es nicht fehlen. Sie kennen meine Verehrung, meine Bewunderung für den Mann; ich bin aber noch zu neu hier, um im voraus mich einer Hoffnung ergeben zu können. Haben Sie den besten Dank für die Andeutung. Ich freue mich der Aussicht, Sie mit Gauss hier zu sehen

No. 743. Y. Humboldt au Scliuraaclier.

Berlin, 1827 Juni 29.

.... Welche grosse Freude würde ich haben, Hrn. Gauss einmal wieder den Ausdruck meiner I>ewundernng darbringen zu können. Ich bin ohne allen Zweifel bis zum 16. Juli hier; es ist mir sogar wahr- scheinlich, dass ich den König nicht begleite (nach Teplitz). Hr. v. Alten- stein ist sehr aufmerksam gewesen auf die „ständige Mögliclikeif, von der ich Ihnen gesprochen, aber die Mittel der Ausführung können nur langsam herbeigescliafft werden. Nichts ist jetzt dazu reif; der Zeitpunkt vieler anderer Beschäftigungen wegen (Minister Altenstein geht selbst ins Bad) nicht günstig. Vielleicht wäre es diesem, unserem

Zwecke besser, wir hätten später ^) das Vergnügen, Hrn. Gauss

liier zu besitzen

No. ui. Scliumaclier au Gauss.-)

Altona. 1827 Juli 31.

.... An Humboldt habe ich geschrieben und ilim gemeldet, dass Sie es vorgezogen hätten, die Reise nach Bei-lin im vSpätjahr bei Jcüh- lerer Witterung zu machen. Privatim habe ich ihn sehr gebeten, wenn sie dort Ihnen etwas Ihrer ^^'ürdiges zu bieten haben, um Gotteswillen keine langen Unterhandlungen einzuleiten, sondern Ihnen die Eröffnungen nicht eher zu machen, bis alle möglichen Schwierigkeiten preussischer-

^) Diese "Worte sind im Original nicht zu entzifteru. Krm.

*) Aus Brief No. 305 des Briefwechsels Gacss-Schcmacuer abgedruckt. Krm.

'■•'•'■ V..I1 V. Humboldt, Scbuinaober. 721

seits beseitigt sind. Kr lülilt seihst zu tVin. als dass er nicht die Notli\vendi<rkt'it meiner Hemerkuiiir einsehen sollte. Antwort kann ich noch nicht haben

No. 745. Sclmmaclier an Gauss/)

Altena, 1828 September 7.

.... Es ist mir vorgekommen, als ob man im Allgemeinen keines- wegs Ihre Anstellung in Berlin wünscht. Ich nehme Hrn. v. Humboldt und die wenigen, die sich wirklich dort auszeichnen, natürlich von dieser Behauptung aus, die nur von dem Gros der Gelehrten gelten soll. Jeder dieser Herren*) hat seine eigenen Gesellschaf tscirkel, in denen er als Orakel gilt, und keiner ist gesonnen, seinem Ansehen durch die Erscheinung eines gewaltigen und als solches allgemein anerkannten Genies einen Abbruch zuzufügen. Wären Sie nicht, der Sie sind, sondern ein mittelmässiger Kopf mit einigem Ruf, so wür- den diese Herren Sie mit offenen Armen empfangen, da jeder dann die Hoffnung hätte, seine Superiorität über einen berühmten Mann zu zeigen, und seine Autorität in Gesellschaften noch fester zu be- gründen. Es ist mir auch vorgekommen, dass man mitunter be- sorgt war, Sie möchten Ihre Superiorität den Schwächeren mit zu wenig Schonung fühlen lassen; Sie sehen also, w^ie wenig man Sie dort kennt.

Bei der Vermischung der Stände in Berlin und dem freien Zu- tritt, den die Gelehrten zu den ersten Personen des Staates haben, kann die von mir vorausgesetzte Stimmung dieser Herren gegen Sie einen wesentlichen Einfluss auf Ihre Berufung haben, dem viel- leicht selbst Humboldt's Autorität nur mit Mühe das Gegengewicht halten kann.

Mit Humboldt selbst habe ich ein paar Mal über diesen Gegen- stand reden wollen und freilich nur aus der Ferne darauf hingelenkt. Er schien aber jedes Mal abzubiegen, und da ich nicht wusste, ob dieses Abbiegen in einer mit Ihnen selbst wieder begonnenen Unterhandlung, oder in einer Abneigung mündlich, wo man in grösseres Detail ein- gehen muss, mit mir über diesen Gegenstand zu konferiren, oder in

') Aus Brief No. 348 des Briefwecbsels Gatjss-Schcjmacher abgedruckt. Krm. *) Es brauchen nicht g-erade bloss Mathematiker zu sein. Selbst ausser Ihrem Fache haben sie dort Furcht vor schroff hervorragender Grösse.

Olbers. II, 2. 46

722 Anhang 1.

dem Gefühl seinen Grund liabe, dass er in diesem Augenblick niclit viel zu thun im Stande sei, so habe ich auch von meiner Seite nicht weiter in ihn «fedrungen

No. 746. Schuiuaclier an Olbers.

[Altona,] 1828 September 9.

.... Gauss dagegen hat seine Ankunft versprochen. Er will aber wahrscheinlich bei der Gelegenheit nur eine Stadt kennen lernen, die über kurz oder lang doch wohl sein Aufenthalt werden dürfte

No. 747. Gauss an Scliumaclier/)

Berlin, 1828 September 19.

.... Wäre Humboldt, dessen ganzes Wesen ich täglich mehr ehren und lieben muss, für immer an Berlin selbst geknüpft, so gestehe ich Ihnen, dass ich alle solche Unannehmlichkeiten für wenig achten und sehr gern das Leben in Berlin mit dem in Göttingen vertauschen würde, insofern es übrigens auf eine angemessene Art geschehen könnte, allein Humboldt spricht von seiner Eeise nach Asien im nächsten Jahre stets wie von einer ganz entschiedenen Sache, und ich sehe, im Ver- trauen gesagt, aus hundert kleinen Zügen, wie wenig er sich selbst unter dem Berliner Publikum gefällt, wie ohnmächtig auch alles Kleine vor seiner Superiorität absplittert.

Bei dieser Lage der Dinge denke ich also in der That jetzt ganz und gar nicht an eine Erneuerung ehemaliger Wünsche, die schwerlich jetzt zu etwas führen könnten, ohne deswegen in Abrede zu stellen, dass in Zukunft Konjunkturen eintreten könnten, die die Sache anders stellen könnten. Jedenfalls aber darf ich von selbst voraussetzen, dass Sie bei allem, was Ihre Freundschaft für mich Sie zu schreiben oder zu thun veranlasst, den Anschein einer Kollusion oder Mitwissenschaft von meiner Seite vermeiden werden

^) Aus Brief No. 349 des Briefwechsels Gacss-Schlmacher abgedruckt. Knn.

Briefe vnn Sclniinacher. (iauss, v. Huiiilxildt, Olbers. 728

No. 74S. y. lluinbohlt au Sclmiuacher.

Berlin, 1828 Oktober 18.

.... Ueber G[auss] bin ich im näheren Umgange entzückt ge- wesen; .... Er ist gar nicht abgeneigt von dem, was wir wünschen, aber es sind niclit 3500, sondern 4000 Ethlr. nöthig. Er wünschte auch die Direktion der A A^), wogegen mächtige [Schwierigkeit?] sich setzt. Er sagt, man brauche nichts zu übereilen. Ich denke, dass das Geld für eine nicht existirende Stelle schwer zu finden ist

No. 749. Scliumaclier au Olbers.

Altona, 1828 November 12.

.... Von Berlin habe ich unter der Hand, aber aus sehr sicherer Quelle, erfahren, dass unseres vortrefflichen Gauss' Versetzung dahin während seiner Anwesenheit wieder zur Sprache gekommen ist. Er verlangt jetzt 4000 Ethlr. und Direktion der A A- Der erste Punkt wird, wie billig, keine Schwierigkeiten finden, aber an dem zweiten wird, falls Gauss darauf besteht, alles scheitern. Mir scheint es auch nicht thunlich, dass man ein Geschäft, welches schon in anderen Händen ist, diesen durch einen Machtspruch nehme, weil Gai-ss es hesser machen wird. Mir hat er nichts über die Sache geschrieben, sollte er Ihnen Mittheilungen machen, so haben Sie vielleicht die Güte, ihn auf die Gefährlichkeit des Beispiels, w^enn es nur einmal zuge- lassen wird, aufmerksam zu machen

No. 750. Olbers an Scliumaclier.

Bremen, 1828 November 17.

. . . , Unser Gauss hat mir noch nichts über die Berliner Ange- legenheit geschrieben. Ich kann kaum glauben, dass er auf der Direktion der A A bestehen werde. Hier wenigstens klagte er oft über die Beschwerden und den Zeitverlust, den ihm diese Arbeit mache.

^) Leitung eher preussischen Vermessungen. Krni.

46*

724 Allhang 1.

Vielleicht hat er sich nur dazu erboten, um zu zeigen, dass er auch ihm aufzutragende Arbeiten übernehmen wolle. Uebrigens denke ich mit Ihnen über diese Angelegenheit vollkommen übereinstimmend

No. 751. Schumacher an Olbers.

[Altona,] 1828 November 29.

.... Gauss hat nicht, wie Sie vermuthen, und wie ich es auch geglaubt hätte, die A A als etwas angezeigt, das er auf Verlangen auch wohl übernehmen würde, sondern als etwas, das er als icesent- liche Bedingung verlange. Meine Nachrichten sind aus der ersten Quelle und sehr bestimmt über diesen Punkt, der, wie es scheint, allein das Geschäft zurückgesetzt hat

No. 752. Schumacher an Gauss/)

Altona, 1828 December 2.

.... Noch während Ihrer Anwesenheit schrieb icli an Humboldt und machte ihn aufmerksam auf die gute Gelegenheit, alles mit Ihnen abzusprechen. Aus seiner Antwort (er erwähnt 4™ und einer Bedingung wegen A A , die nicht so leicht zu erfüllen ist, als die 4™) schliesse ich, dass die Sache, wenn auch nicht zu augenblicklicher Entscheidung reif, doch in gutem Gange ist

No. 753. Olbers an Schumacher.

Bremen, 1828 December 6.

.... Von Gauss habe ich noch nichts. Wenn er wirklich so sehr auf der Direktion der A A besteht, so möchte ich fast vermuthen, dass er diese Direktion nur deswegen so eifrig sucht, um den Eintritt und das Fortkommen seines Sohns, des jetzt als Artillerie-Lieutenant in Hannover stehenden ehemaligen Gehülfen seiner Vermessungen, in preussische Dienste einleiten und befördern zu können

*) Aus Brief No. 351 des Briefwechsels Gauss-Schümaculr abgedruckt. Knu.

Briefe von Schumiulior, Olbers, (iuuss. 725

Nu. 754. (iauss an Schumacher.')

Güttingen, 1828 December 7.

.... Tn Beziehung auf den Gegenstand, dessen Sie noch erwähnen, bemerke ich. dass es ein Missverständniss ist, wenn A A als eine Bedingung angesehen werden. Ks war nur. insofern das Ganze nicht eilt, die Idee einei- Möglichkeit, die 4'" durch Bereitwilligkeit zu A A zu eileichtern, wenn über kurz oder lang Konjunkturen eintreten könnten, wo jene Bereitwilligkeit angenehm erscheinen könnte. Soweit die Bedürfnisse und Verhältnisse klar geworden sind, scheint 4™ b eher <; als = ^r zu sein, uti possidetis

No. 755. Schumacher au Gauss.')

Altona, 1828 December IG.

.... Ohne uti possidetis zu kennen und es daher mit x be- zeichnend, wissen Sie, dass ich von jeher in Bezug auf Umstände be- hauptet habe, die Inegalite

Bb < xg

finde statt. Dagegen sind manche und wichtige Gründe, wie es mir scheint, für

b>g.

No. 756. Schumacher an Olbers.

[Altona,] 1828 December 23.

.... Gauss hat mir geschrieben, die A A seien nicht als Be- dingung, sondern als Leistung, zu der er erbötig wäre, von ihm zu- srefüirt

1) Alis Brief No. 352 des Briefwechsels Gauss-Schümacher abgedruckt. Krm. ■^) Aus Brief No. 353 des Briefwechsels Gauss-Schümacher abgedruckt. Krm.

726 Anhang- 1.

No. 757. y. Humboldt an Schumaclier.

Berlin, 1836 März 20.

.... Wer könnte sehnlicher als ich wünschen, dass die Akademie einmal wieder in Gauss einen Lagkange besässe! Wie habe ich seit 8 Jahren dazu nichts versäumt und bin immer auf keinen Punkt ge- kommen, wo pecimiairement eine solche Berufung möglich wäre. Die eisige Zone liegt viel südlicher, als man nach Cousins Lobe glauben sollte.

No. 758. Schumaclier an Gauss.')

[Altona, 1836] März 22.

.... Der ganze Brief [Humboldt's] hat mir viel Freude gemacht, da er die tiefste und reinste Verehrung gegen Sie athmet. Er schreibt mir auch, dass er seit 8 Jahren alles gethan habe, damit Sie Lagrange's Zeiten nach Berlin zurückbrächten, bisher sei er aber immer noch auf den Geldpunkt gestossen. Dies scheint mir aber, wo es auf Ihren Besitz ankommt, ein so untergeordneter Punkt, dass ich gewiss glaube, wenn von Ihrer Seite nur hinzugehen Neigung ist, eine solche Oppo- sition könne Humboldt nicht störend entgegentreten, oder wenn sie es doch thut, leicht besiegt werden.

No. 759. Schumacher an Gauss.-)

Altona, 1836 April 2.

.... Ueberdies wünschte ich, offenherzig gestanden, Sie in Berlin auf eine Ihrer würdigen Art angestellt zu sehen, und also Humboldt, der, wenn ein neuer Antrag an Sie kommen soll, alles thun nuiss. nicht durch Nebendinge kälter zu machen

^) Aus Brief No. 516 des Briefwechsels Gauss-Schümacher abgedruckt. Krm. ^) Aus Brief No. 520 des Brief\vecli.sels Gaüss-Schumachek abgedruckt. Knn.

Briefe von v. Humboldt, Schumacher. 727

No. 7G0. V. Humboldt an Scliiimaclior.

Berlin, 1836 April 2.

.... ^lit seinem [Gauss'] Hierherkommen würde der älteste A\'iinsch meines hiesigen Lebens erfüllt. Als ich 1805 von meiner amerikanischen Eeise nach Kuropa zurückkam, und mich der König einlud, in der Berliner Akademie wirksam aufzutreten, antwortete ich dem Könige, „mein Erscheinen würde sehr unbedeutsam sein, aber ein Mann könne der Akademie den Glanz wiedergeben, er lieisse Karl Fkiedrich Gauss". Seitdem ist die Welt schlaöer, das Meer seichter geworden, und wie Sie geistreich sagen, in dem mare coenoso scheitere alles au ,.den Silberklippen"

No. 761. Scliumaclier an Gauss.')

Altona, 1836 April 7.

.... Am Ende [von Humboldt's Brief] kommt noch vor, dass er dem Könige schon 1805 gesagt habe: der einzige ]\Iann, der der Ber- liner Akademie neuen Glanz geben könne, heisse Karl Friedrich Gauss. Er sieht gewiss vollkommen ein, dass Sie dort unentbehrlich sind, und glücklicher Weise werden die mathematischen Mitglieder, die Ihre Anwesenheit, um nicht verdunkelt zu werden, fürchten, von dem Könige nicht gehört. Sollte er einen neuen Antrag bewirken, so steht es immer bei Ihnen, zu thun, was Sie wollen.

No. 76-2. Sehuiiiaclier an Gauss.')

Altona, 1837 September 28.

.... Sollte Humboldt Ihnen Anträge gemacht haben, so würden Sie, wenn Sie es sonst können, mich sehr verbinden, wenn Sie mir über die Art. wie Sie diese Anträge betrachten. Nachricht geben

') Aus Brief No. 522 des Briefwechsels Gaüss-Schumacher abgedruckt. Krm. 2) Aus Brief No. 592 des Briefwechsels Gauss-Schumacher abgedruckt. Krm.

728 Anhang 1.

No. 763.

Gauss an Scliumacher.'j

Göttingen, 1837 Oktober 20.

.... \ou solchen Anträgen, wie Sie am Schluss Ihres Briefes andeuten, ist keine Sprache gewesen. Auch weiss ich nicht, ob an dergleichen jemals im Ernste gedacht ist

No. 764. Gruithuisen an Olbers.'j

München, 1838 Oktober 10.

Indem ich für Ihren schätzbaren, gestern erhaltenen Brief ver- bindlichst danke, beeile ich mich, für diesmal bloss auf Ihre Anfragen zu antworten.

Ich verfügte mich heute morgens zu dem eigenthümlich noch gar nicht gekannten Hrn. Prof. Keil und Hess mir den magnetoelektrischen Eotationsapparat in seiner Wirkung zeigen, und zwar bezüglich auf meinen Körper selbst, und erforschte die Geistesfähigkeiten seines Erfinders.

Die letzteren fand ich im ganzen niclit gross, aber er hat grosse Sagacität und Erfindungsgabe. Wissenschaftlich scheint er wenig ge- bildet, noch weniger besitzt er gründliche medicinische Kenntnisse. Dass er seine Maschine emphatisch rühmt, ist ihm zu verzeihen, denn, ohne hierauf zu achten, habe ich sie von ausserordentlicher Wirkung gefunden. Keil hat mit Faradat gearbeitet.

Die Maschine entwickelt einen anhaltenden Strom einer ganz un- glaublichen Menge einer eigenen Art von Elektricität, und zwar mittelst eines 7 fachen Hufeisenmagnets, der 150 Pfd. trägt, und die durch zwei Multiplikatoren und durch zwei in Quecksilber laufenden Osmiuni- scheiben aufgeregt wird, wobei sich eine Menge Funken erzeugen; an der elektrischen Axe sah ich sogar die Spitze einer stählernen Nadel in

^) Aus Brief No. 593 des Briefwechsels Gaüss-Schumachkr abgedruckt. Krm. ^) Dieses Schreiben hatte Oi.bers seinem Briefe vom 14. Nov. 1S3S. No. TJ6 an Gauss beigelegt. Krm.

Briefe von Gauss, (iruitbuisen. 729

«ielbeiii und rotem Lichte verbrennen. Die AVirkunjr auf meine Arme war uniLrefähr nach den empfundenen Krschiitterunj^^en zu urtheilen, wie die einer galvanischen Säule von 800 Plattenpaaren. und zwar niit und dhne Wasserbad d^r Hand. Dabei ist «rar keine Isoliiung nöthifr; für die ^^'irkun<? wird kein galvanisch- chemischer Prozess gefordert; sie gfht unaufhörlich gleich fort und sogar bei jeder "Witterung, so lange gedreht wird.

Dabei linde ich bezüglich der Hauptwirkung der erregten magneto- »dektrischen Kraft, dass sie, bei gleichem Effekt, zarter und minder chemisch als die galvanische, ja zarter, feiner als die elektrische ist und dass sie, wenn sie nicht der Nervenkraft ganz gleich, doch ihr selir nahe kommend sein muss; denn alle seine vollbrachten mir er- zählten Kuren beweisen, dass sie auf eine Art die Nerventhätigkeit zu erregen vermag, die vielleicht der Wirkung der sogenannten elektrischen Fische am ehesten gleicht, daher erregt sie auch alle jene Funktionen des thiei'ischen Körpers sehr mächtig, die ohne Nervenkraft nicht statt- finden können, und bewirkt, allgemein wie örtlich angewandt, mit der Kraft das Wasser zu zerlegen, auf alle minder selbständigen krank- haften Substanzen allgemeine und örtliche organische Destruktionen, denen jeder gesunde Theil widerstehen kann.

Seine Anwendungsart in Krankheiten ist für jetzt noch ganz em- pirisch, und organische Fehler getraut er sich nicht zu heilen. Das Ganze scheint hierin noch in seiner völligen Kindheit, und es ist gegenwärtig noch nicht möglich, seine Tugenden und Gebrechen ge- hörig zu erörtern.

Aus der Verfertigung der Maschine macht er ein Geheimniss. Seine beste, wirksamste, die 150 Pfd. attrahirt und 7 Lamellen (Hufeisen- magnetbatterien) hat, kommt auf 220 Thlr. R.-W.; eine minder wirk- same kostet 165 Thlr., hat aber nur 5 Lamellen und GO Pfd. Attrak- tion. Zu jeder bestellten Maschine kommt eine ausführliche Gebrauchs- anweisung.

Die mechanische Maschinenkrafterregung durch eine elektromag- netische Batterie hingegen ist von minderer Bedeutung. Er glaubt sie höchstens auf zwei Menschenkräfte treiben zu können. Auf einer Eisen- bahn werden wir mit dieser Kraft also nicht fahren. Mehr hiervon, wenn ich die Maschine im Ganzen gesehen haben werde.

Anhang 2.

Drei nachträglich aufgefundene Briefe von Bessel an Olbees aus dem Jahre 1812.

No. 765. Bessel an Olbers/)

Königsberg. 1812 März 7.

Es ist endlich Zeit, mein hochverehrter Freund, dass ich mir wieder den Genuss bereite, Ihnen zu schreiben; dieses ist ja das einzige Mittel, mich zurückzuversetzen in die vergangene gute Zeit.

Ich habe einen höchst merkwürdigen Stern am Himmel gefunden. Es ist No. 61 Cygni^), welcher wie es mir scheint uns einen tiefen Blick in die Konstruktion des Weltgebäudes thun lässt. Der Stern ist doppelt, und beide haben die stärkste eigene Bewegung, die ich bis jetzt gefunden habe. Die Positionen für 1 755 finde ich

Praecession No. 61. 5,6 m 313«59'11",3 37«33'29",7 + 34",85 -f 13",91 7 m 313*^59' 25,7 3 7^33' 45,7

Da PiAzzi's Ort wegen der starken Bewegung nicht als für 1800 geltend angesehen werden kann, so habe ich 2 Beobb. der Eist Gel. reducirt, um daraus einen Vergleichungspunkt herzunehmen. Ich fand

1783,529 314«18'12",0 37Ul'40",2

1793,594 314^25' 1",0 37«44'39",0 314"25'16",0 37°44'48,"0 Praecessio 1800 = 34",85 -f 14",02

und hiermit, fast mit vollkommener Uebereinstimmung

motpropr. = + 5",250 + 3",321 für No. 61. 4- 5,265 + 3,146 für seq.

^) Dieser Brief gehört zwischen Brief No. 201 und 202 in Bd. I der von Eeman besorgten, 1852 in Leipzig erschienenen Ausgabe des Briefwechsels zwischen Olbers und Bessel. Auf ihn bezieht sich Olbers im Brief vom 27. März 1812, No. 203 dieses Briefwechsels. Krm.

'-) Yergl. zu Bessel's Entdeckung der Eigenbewegung von 61 Cygni und der Be- wegung der beiden Komponenten dieses Doppelsternes zu einander auch Brief No. 767, S. 788—742, ferner Olbebs Bd. I No. 55, S. 322, Bd. n, 1 Brief No. 257 und 259 von Olbers an Gauss, S. 499 und 502. Durch diese Entdeckung wurden die letzten Zweifel an der physischen Natur der Doppelsterne beseitigt. Im Jahre 1837 38 ge- lang es Bessel auch, die Parallaxe von 61 Cygni zu bestimmen. Krm.

734 Anhang- 2.

Sehr wünschenswerth wäre mir nun Flamsteed's Beob., um deren gütige Mittheiluiig ich Sie, theuerster Olbees, bitten möchte. Wir sehen aus dieser merkwürdigen Ersclieinung, dass die Wahrscheinlich- keitsrechnung sehr i'echt hatte, wenn sie schon früher die Doppelsterne für wirklich doppelt ausgab. Es gelingt uns hoffentlich, die Parallaxe dieses Sterns und die Bewegung beider um ihren gemeinschaftlichen Schwerpunkt zu beobachten, und dadurch die Summe der Massen dieser Sterne zu erfahren. AVollte man es wagen, aus beiden Beobb. die Umlaufszeit etwa = 700 Jahre und die Masse der Sonnenmasse gleich zu schätzen, so würde die Parallaxe grösser als 1" herauskommen.

Von Hrn. Staatsrath Klüber habe ich vor ein paar Tagen den Brief erhalten, den ich Ihrer Güte verdanke. Er schreibt mir, dass die Sternwarte mit mehreren kleinen Vortheilen dotirt ist, z. E. Brief- porto, Feuerung, Licht, eine Summe zu literarischen Bedürfnissen u. s. w. und fordert mich auf, den Gehalt, auf welchen ich Anspruch machen würde, anzuzeigen. Hier war in diesem Winter etivas geschehen, auch neuerlich eine Summe von 4000 Rthlr. herbeigeschafft: indess giebt mir alles dieses nicht die gewünschte Garantie, und ich habe deshalb an das Departement geschrieben und Sicherheit oder meinen Abschied gefordert; die Antwort, die ich erhalte, theile ich Ihnen sogleich mit. Ich glaube zwar, dass man mich auf keinen Fall hier zu verlieren wünscht; allein was die kriegerischen Aussichten für Ein- fluss äussern, lässt sich noch ni(;ht bestimmen. Meine Arbeit über die BRADLEY'schen Beobb. geht nun ihrem Ende zu, und es würde mich kränken, dann noch ohne Sternwarte zu sein. Diese Ansicht ist es immer, von welcher ich ausgehe, und die auch jetzt über mich ent- scheiden wird. Klübee antworte ich nicht eher, ehe das Departement mich dazu in den Stand setzt; ich hoffe, er wird diesen Aufschub von etwa 3 Wochen erwartet haben. Mir schlägt das Herz bei der Hoffnung, Sie theurer Olbers, wiederzusehen!

Vom Institut hal)e ich noch keine Silbe vernommen und noch viel weniger die Medaille erhalten. Auch La Place, der mir vor einigen Posttagen einen sehr höflichen Brief schrieb, erwähnt nichts davon. Die Quellen, aus welchen ich die Nachricht erhielt, sind zu respektabel, als dass ich noch zweifeln könnte; allein der lange Aufschub der An- zeige ist mir unerklärlich, zumal da ich weiss, dass Sie Ihre Medaillen immer ziemlich bald nach der Vertheilung erhielten. La Place, aus dessen Briefe ich schliesse, dass er unsere Sprache liest, sagt mir viel Schönes über meine Arbeiten, und versichert mich, dass er immer der erste sein werde, der ihren Werth anerkennt; obgleich dieses gewiss nur ein Kompliment ist, welches Ihr berühmter Freund seiner Humanität sagt, so freut mich doch, zumal in den ietzigen Zeiten, die kleine

Bessel an Olbers. Köiiii,'-sberg', ISl'i März 7. 735

Aufmerksamkeit «retren mich, die ich mir aus dem Briefe lierausdeute. Ueber wissenschaftliche Sachen schreibt er mir nur, dass die Ungleich- heit von langer Periode im Mondlaufe, die er Irühtr andeutete, und die Bvnr, benutzte, vielleicht von einer Verschiedenheit in der Figur der beiden Hemisphären der Krde herrühre. Alsdann ist die Kor- rektion der Epochen in Bürg's Tafel

+ 0". 190(3 [t 1750} 13",92 cos {Long. Perig. 2) -f 2 Long. Nodi}

Die Analyse dieser Gleichung ist leicht; allein man kann leider nicht wissen, welche von den dreien, die die Theorie giebt, die existirende ist. La Place will Bürg veranlassen, die Sache, nachdem mein Funda- mentalkatalog vorhanden ist, zu untersuchen.

Von Kkamp habe ich, nach langem Warten, einen völlig ein- willigenden Brief empfangen. Er giebt mir alles zu, hat selbst über diese Materie ein Memoire geschrieben, und so meine Bemerkungen bekannt zu machen gesucht. Er schreibt mir, dass die Akademie von Strassburg mich zum korrespondirenden ]\[itgliede erwählt habe, und ladet mich ein, in ihren Memoires zuweilen etwas drucken zu lassen. Hätte ich diesen Ausgang der Sache früher gewusst, so würde ich meine Abhandlung über die Fakultäten lieber nach Strassburg gesandt, als sie fürs Archiv bestimmt haben; jetzt war es zu spät, und ich habe mich mit der Mittheilung eines Auszuges begnügen müssen. Es ist doch tröstend für die Mathematiker und Astronomen, dass in ihrer Wissenschaft noch die alte Wahrheitsliebe herrscht; welcher andere Zweig der Gelehrsamkeit hat ein Beispiel aufzuweisen, dass ein 15 Jahr lang mit Wärme vertheidigter Irrthum aufgegeben wird, ohne dass ein bitterer Nachgeschmack zurückbleibt? Kramp hat mir den bis Jetzt erschienenen ersten Band der Strassburger M(hnoires, der, wie er schreibt, sich durch prächtigen Druck und Papier auszeichnen soll, und auch 6 Exemplare von der Ärithmetiqiie universelle, zugesandt; ich habe die Veranstaltung getroffen, dass das Packet in Leipzig angehalten wird, indem Kramp's Ärithmetique in Deutschland noch unbekannt ist, und ich durch die Mittheilung dieses Werks vielleicht einem meiner Freunde einen kleinen Dienst leisten kann. Scheint Ihnen der Umweg nicht zu gross zu sein, so befehlen Sie über ein Exemplar; so bald ich die Ankunft in Leipzig erfahre, werde ich es Ihnen alsdann zusenden lassen.

Nun noch eine Erscheinung am Himmel, die Sie zwar schon kennen, die ich Ihnen aber wieder ins Gedächtniss zurückrufe, und von der ich desto lieber eine Erklärung sehen möchte, da meine eigenen Unter- suchungen darüber (die ich vor einigen Woclien wieder vorgenommen und mit Berücksichtigung aller Umstände, die ich nur irgend als Ein-

736 Anhang 2.

fluss haben könnend vermuthete, geführt habe) ganz ohne Erfolg sind. Ich meine die Anomalie in den Ascensionen des Polarsterns, welche wie Sie wissen etwa 4^ Zeit beträgt, und eine Periode von 1 Jahr zu haben scheint. In der Nutation ist sicher kein Glied dieser Art, man mag die Konstitution der Erde annehmen wie man will, in der Aberration auch nicht, und die Beobb. scheinen mir zu regelmässig, um trügen zu können.

An ScHROETER, uuscren theuren verehrten Freund, theilen Sie gütigst bei Gelegenheit meine Bemerkung über 61 Cygni, die ihn inter- essiren wird, mit. Ich hoffe sehr, in Lilienthal und bei Ihnen wird es immer besser, und Sie fangen an, die wohlthätigen Früchte der wiederkehrenden Ruhe zu geniessen. \\'ir leben hier jetzt in Furcht des Krieges, trösten uns aber damit, dass wir mit dem mächtigen Kaiser vereinigt sind; wäre dieses nicht der Fall, so würden wir gewiss sehr unglücklich werden.

Ihnen und Ihrer lieben theuren Familie empfehle ich mich zur Fortsetzung Ihrer unschätzbaren Gewogenheit, und bin mit der einem geliebten Vater schuldigen Ehrfurcht und Hochachtung

Darf ich Sie bitten, die Einlage an Hrn. Kramp auf die Post geben zu lassen?

No. 766. Bessel an Olbers.')

Königsberg, 1812 März 26.

Jetzt kann ich Ihnen, mein theurer verehrter Olbers, die Ent- scheidung über mich und mein ferneres Schicksal mittheilen. Das De- partement hat auf meine neulich erwähnte Vorstellung mir nicht nur eine sichere Garantie für den Bau der Sternwarte durch die Ver- sprechung, die Fonds, die auf dem gewöhnlichen ^\'ege vielleicht nicht herbei geschafft werden könnten, vorläufig aus der Hauptkasse zu nehmen, gegeben; sondern auch mich ernstlich aufgefordert, den Pilger- stab niederzulegen und dem preussischen Staate getreu zu bleiben: es hat, trotz der schlechten Zeiten, mir eine Zulage von 300 Rthlr. angeboten, die, wie es mir schrieb, längst für mich bestimmt war, um mir den Aufenthalt in K[öuigsberg] angenehmer zu machen. Sie sehen, lieber Gebers, man verzieht Ihren Freund ein wenig; ich habe nun Hrn. Klüber herzlich für seine Güte gedankt und ihm das Nöthige

*) Dieser Brief ist zwischen Brief No. '20'2 und 203 im Bd. 1 des Briefwechsels Olbers-Bessel einzuschalten, auf ihn antwortet Olbers unter dem 10. .\pril 1S12. No. 204 des Briefwechsels. Krra.

Bessel an OIImts. Könisrsberp:. \'<\- Miirz _'H. 7;{7

nütgelheill. .Sit', lieber Olukhs, bei dieser Cielejü:enbeit wiederzusehen, würde mir ein Hauptentscbeidungscrriind gewesen sein; indess thue ich darauf keineswegs Verzicht, wenn nur erst Ruhe und Friede wieder- kehrt. Ihnen rechne die Astronomie es zu. dass sie liier einen neuen jträchtigen Tempel erhält.

Nun bin ich im Begriff, mich hier ganz einzubürgern, denn ich sehe aus allem, dass man mich hier nicht fortlässt und selbst das un- möglich Scheinende möglich macht, um hier die Astronomie in Blüthe zu bringen. Wundern darf es Sie aus diesem Grunde nicht, wenn ich Ihnen anzeige, dass seit ein paar Tagen ein Ring meinen Finger schmückt, mir gegeben von einem lieblichen, reizenden Mädchen, welches schon längst der Gegenstand meiner Wünsche war, die ich nicht aussein durfte, ehe ich sicher war. dass ihr Besitz der Erfüllung meiner anderen Pflicliten nicht entgegenwirkte. Jetzt aber bat ich den Vater um die Tochter und erhielt sie gern. kleine Braut, Theuerster, Verehrtester, hat sich das Vergnügen nicht nehmen lassen wollen, sich Ihnen selbst durch ein paar Zeilen bekannt zu machen, die ich Ihnen hier beilege; was darin fehlt, eigänze ich gern, denn ich kann Ihnen sagen, dass sie in jedem Betrachte liebenswüi-dig, jung, sittsam, schön, reich an Verstand und Herz, und die Tochter eines hier sehr angesehenen und geehrten ^lannes, des Ihnen als Naturforscher und Chemiker wahr- scheinlich rühmlichst bekannten Medicinalraths Hagen ist. Da sie alle Erfordernisse besitzt, die uns ein angenehmes, glückliches Leben be- reiten können, so mache ich auf Ihren Glückwunsch Anspruch, der reiner und herzlicher mir von niemandem zu Theil werden wird. Sehen Sie immer auf mich, lieber Olbers, wie ich es selbst thue; be- trachten Sie mich als einen Mann, der nur durch Sie glücklich geworden ist, und der dieses in keinem Augenblicke seines Lebens vergessen kann; der auch nicht vergessen wird, was ihm Ihre unschätzbare Liebe erworben hat. Doch genug hiervon.

Ihren Brief vom 9. März*) habe ich empfangen; Sie hoffentlich dagegen einen von mir.*) Wie soll ich es Ihnen danken, dass Sie meine Kreismikrometer-Abhandlung so aufmerksam gelesen haben? Ich w^ar überzeugt, noch manche Dinge vergessen zu haben, die aber nicht ver- gessen bleiben dürfen. Wollen Sie mir erlauben, in der M. C. einen Nachtrag drucken lassen zu dürfen, oder werden Sie selbst es thun? Wäre das erste der Fall, so würde ich gern von Ihnen hören, an w^n ich dieses Supplement nach Gotha zu adressiren habe. Es muss nichts verloren gehen, was Ihnen Erfahrung und Nachdenken gegeben hat.

^) Brief No. 202 Yom 9. März 1812 in Bd. I des Briefwechsels Olbers-Bessel. Krm. -) Der vorhergehende Brief Bessel's vom 7. M.ärz 1812. Krm.

Olbers II, 2 47

738 Aiibaiio: 2.

und icli Averde dafür sorgen, den Geist und Sinn Ihres Briefes m'6g- liclist treu darzustellen.

Hier theile ich Ihnen eine Ephemeride unseres Kometen*) mit. den wir, wenn der Himmel nur einig-ermaassen g-ünstig ist. ohne Zweifel wiedersehen werden. Die Sonnenörter, die ihr zu Grunde liegen, sind aus Bode entlehnt; im üebrigen ist die Eechnung scharf geführt, und Sie können daraus gleich beurtheilen, wie sieh meine elliptischen Ele- mente halten.

[Folgt eine Ephemeride des Kometen 1811, I von Apr. 12 bis Mai 30.]

Schade, dass wir in unseren Gegenden so sehr mit der Dämmerung zu kämpfen haben; südlich vom Aequator würden die Beobb. sehr leicht gelingen. Ich habe indess alle Praeparatoria gemacht, um erfolgreich zu sein, und ich hoffe, Ihnen bald eine Beob. schicken zu können.

Das Decemberheft der M. C. ist mir ausgeblieben; allein gestern empfing ich im Januarhefte Ihre Abhandlung übei- den Kometenschweif, die mich, obgleich ich Sie nur erst flüchtig las, ganz entzückt hat. Ich werde den ersten ruhigen Tag anwenden, sie aufmerksamer zu studiren, und erst dann werde ich dafür danken.

Dürfte ich Sie bitten, Schroeter mitzutheilen, was ich Ihnen oben schrieb. Es ist mir immer traurig, von dem Abgange der Post so be- engt zu werden, dass selten mehr als ein halbes Stündchen für Sie vorhanden ist. Ich weiss, in Lilienthal nimmt alles Theil an meinem Glücke, mit einer herzlichen Empfehlung von mir, zeigen Sie es daher an. Ihrer trefflichen Familie, vorzüglich der liebenswürdigen Doris und Hrn. Dr. Focke, sowie Ihrer immer gütigen Frau Gemahlin bitte ich mich zu empfehlen, auch an Albers und, wenn Sie ihn zufällig sehen sollten, Breuls.

No. 767. ßessel an Olbers.'')

Königsberg. 1812 Juni 1.

So unendlich werth und angenehm mir Ihr liebevoller Brief '), den ich schon fast seit 6 Wochen besitze, sein musste. so habe ich doch

*) Komet 1811, T, nach seiner Sonnennähe von Wisniewsky in Neu-Tscherkask 1812 Juli 31 zum zweiten Mal wiedergefunden. Auf die Möglichkeit dieser Wieder- entdeckung hatte Bessel aufmerksam gemacht. Krm.

*) Dieser Brief ist zwischen den Briefen No. '-'04 iind 205 des Briefwechsels einzufügen, es ist der in der Anmerkung auf S. 334, Bd. I des Briefwechsels Bessel- Olbrrs als nicht vorhanden aufgeführte Brief Bessel's. Krm

») Brief No. 204 des Briefwechsels vom 10. Apr. 1812. Krm.

Bessel an Olbers. Köuig-sberg-, 1812 Juni 1. 739

seine Beantwortung aufo^eschobeii . iiiii Iluien aiuli etwas interessantes Astronomisches niittlu'ilen zu können. Meine liebe treffliche Hanne dankt Ihnen recht freundlich für Ihre Güte und für das Vertrauen, welches Sie auf sie setzen; sie verdient es auch wahrlich und wird es Ihnen dadurch beweisen, dass sie mich auf den höchsten Grad des Glücks erhebt. Wir denken uns alle Tage zu Ihnen, lieber Olbeks; wer und wie Sie sind, habe ich hundei"t Mal erzählt; wenn wir gemein- schaftlieh uns überzeugen, dass Sie die Stütze meines Glücks waren und sind, dann strömt warmer Dank gegen Sie über, den ich Ihnen nicht weiter schildere, weil ich die glänzenden Augen, die ihn aus- sprechen, nicht malen kann. Meine Zufriedenheit ist indess doch nicht ungetrübt geblieben; ein sehr hartnäckiges und von üblen Zu- fällen begleitetes kaltes Fieber hat meine Schwester seit 9 Wochen krank gemacht. Allein jetzt ist es der herrlichen Witterung gewichen, und in wenig Tagen hoffe ich sie völlig hergestellt zu sehen.

Ueber Nr. 61 Cyg}n habe ich für die M. C. eine kleine Abhandlung geschi-ieben, deren Resultate sich meist auf die Beobb. gründen, die Sie mir gütigst mittheilten. Ich führe Ihnen die Hauptsachen daraus an :

Hevel beobachtete den Stern, ich habe, nachdem ich den Fehler des Instruments aus den Beobb. der Machina Cel. untersucht habe, daraus geschlossen

1661 ^ 3130 1'44",0 370 7'19",ö

Flamsteed's Beobachtung giebt mir, mit Berücksichtigung der eigenen Bewegung der 8 vergl. Sterne, mit fast unerwarteter Harmonie

1690 ^ 313«15'44",5 37" 15' 9".4

Bradley 1754:

JR Dekl.

313O58'30",2 37«33'13",9 31,0 12,8

11,3 12,1

Mittel ... 313

0 58' 30"

,6 370

33'

12"

,5

D'Agelet für 1784:

1783 Juli 12.

314«

18'30",9

37'

Ul

' 48,"4

1784 Sept. 24.

24,9

52,0

Okt. 15.

24,3

54,1

Okt. 16.

25,0

54,0

Nov. 24.

20,7

53,8

Mittel . . . 3140 18'25",2 370 41'52",5

47^

1690

314M9'38",0G

1754

25 13,98

1784

27 42,94

1794

28 46,66

740 Anhang- 2.

La Lande 179-i. 314M5'17",5 37U4'46",0

PiAzzi 1800. 3U«28'38",8 37«46'14",4

Die jährliche Präcession für die Zeit t finde ich

in ^ =- 34",860 + 0",000164 (t 1800) in Dekl. = 14",034 -f 0",002800 {t 1800) und wenn icli hieimit die Beobb. von Flamsteed, Bradlet, D'Agelet und La Lande auf 1800 reducire

37M0'36",20 43 55,14

45 36,68

46 10,16

Es ergiebt sicli hieraus, wenn ich der FLAMSTEEü'schen Beob. den Werth ^ und jeder anderen einzelnen Beob. den Werth 1 beilege, die eigene Bewegung

in AI + 5",0683; in Dekl. -^ 3",3584 und der Ort für die Zeit t

314*> 29' 4",88 -\- {39",9283 -f 0,000082 {t 1800)} {t 1800) 37« 46' 30'V27 + {17,3924 + 0,001400 (t 1800)} (t ISOO) Der Fehler dieser Formel bei den 4 Beobb. ist 1690 + 9",31 15".35 1754 2,23 -[- 0,64 1784 -|- 0,85 0.14 1794 12,19 0,04

Bei Hevel's Beob. giebt sie die M 307",6 und die Dekl. 39",7 kleiner an, als beobachtet wurde. [Bei] Piazzi's Beob. kommt die uiR auf 1794,86, die Dekl. auf 1795,17, welches in der That die Zeit ist, in welclier die meisten Beobb. angestellt wurden.

Der kleine Stern wurde folgendermaassen beobachtet:

1. 1753,8 Bradley: + 14",4 2 Beobb. + 16".0 1 Beob.

2. 1780 Sept. 20 Herschel: Distanz 16",117. Positionswinkel 36« 28' N.

Hieraus für

1780,7 -|-16",38 +9",58

3. D'Agelet für 1784,8 -}- 22,8 +7,6 1 Beob.

4. La Lande für 1793,6 +15,0 +9,0 1 Beob.

5. Piazzi für 1800 + 25,0 + 3,7

Ich selbst habe ihn 12 Mal mit dem Heliometer beobaclitet: Distanz im Mittel aus den sehr nahe übereinstimmenden Beobb. = 15".918.

T^essel ;m Olberji. Küniir^^bero;, islj Jmii 1.

11

Den Positionswinkt'l liabe icli auf die in der M. C. vor<?esclilaf?ene Weise mit dem Aeqiiatoreal ^-ll°2''i2"N beobachtet. Hieraus folgt

1812,3 -i- 19"J8 -|-3",05

Ich habe Ihnen alle diese Beobb. auf das einlieerende Blatt orezeichnet.

0/7<f<

< )/^azZi '

Of7S3,i^

QfXSO,? < )f7Si3,S

<37Sf2^

zo"

3Ö" ZP ZÖ^ ^ ~^

Fio-. 34.

^1^

Q/ffn^

Den Beobb, von D'Agelet und La Lande glaube ich weniger trauen zu müssen, weil sie nur einzeln, ich möchte sagen beiläufig, angestellt sind; offenbar würde die Erreichung grösserer Genauigkeit weit mehr Vorsicht voraussetzen, als hier angewandt wurde. Auch Piazzi's Be- stimmung halte ich für wenig sicher, indem die Anzahl der Beobb. des kleinen Sterns geringer als der des grossen ist, beider Mittel daher wahrscheinlich nicht gleichzeitig, und alsdann mit verscliiedenen Re- duktionsfehlern behaftet sind.

Bradley's, Herschel's und meine Beobb. scheinen also die tadel- losesten zu sein; allein in solchen Kleinigkeiten, wie hier in Rede kommen, sind sie ohne Zweifel nicht sicher, und daher mag es kommen, dass die durch diese 3 Oerter gezogene Kurve ihre erhabene Seite dem grossen Sterne zuAvendet, welches unverträglich mit den Naturgesetzen ist. Ich möchte daher aus diesen Beobb. nur schliessen:

\. dass die Sterne seit 1754 der kleinen Axe ihrer Bahnen zu- gerückt sind und weniger als -^ ihres Umlaufs vollendet haben, woraus eine Periode von mehr als 350 Jahren folgt;

2. dass die halbe grosse Axe >- 20" ist.

Setzt man die halbe grosse Axe, so wie sie uns erscheinen würde, wenn sie senkrecht auf der Gesichtslinie stände = a < 25"; die Um- laufszeit T=300 Jahre; die Summe der Massen = ;"; die jährliche Parallaxe = tt; so ist

2 1 '

'■fX^

und wenn /^ = 1, n = 0",46

7^2 Anbang 2.

Wenn man annimmt, dass die Sterne wegen ihrer geringen Hellig- keit und gemuthmaassten geringeren Entfernung eine geringere Masse als die meisten Sterne, und walirscheinlicli aucli die Sonne haben, so darf man hoffen, die Parallaxe in der That grösser zu finden. Das Maximum der Rektascensionsparallaxe ist (für 7i=^0"A6) 0".58, und ich glaube, dass sehr sorgfältige Beobb. dieses schon verrathen können, obgleich das eine Maximum Mai 4 nicht im Meridian observirt werden kann. Es thut mir sehr leid, dass ich Ihnen nicht meine ganze Abhand- lung in extenso mittheilen kann, sie ist ein wenig zu lang ausgefallen.

Meine Sterne zum BEADLFA'schen Katalog, 3175 an der Zahl, sind nun alle auf 1755 gebracht; die Xutation und Aberration ist au.s meinen Tafeln beigeschrieben. Es ist nun nur noch nöthig, sie mit den trigono- metrischen Linien der Dekl. zu multipliciren und mit Piazzi zu ver- gleichen. Doch ist die Hälfte auch in dieser Hinsicht schon ganz fertig. Alle Präcessionen sind überdies berechnet. Sie sehen, dass ich sehr bald fertig sein werde; ich würde schon näher am Ende sein, wenn nicht mehrere andere Arbeiten mir in den letzten 6 Wochen alle Zeit geraubt hätten, und wenn es meiner Hanne nicht so leicht würde, das ihr von Ihnen aufgetragene Amt, mich oft abzuhalten, zu handhaben. Die Zusätze zu der Kreismikrometer-Abhandlung, wofür ich nochmals danke, gehen heute nach Gotha ab. Haben Sie nicht gehört, ob Lindenau mir die Medaille überbringt?

Den Kometen^) habe ich leider nicht aufsuchen können; alle meine Maassregeln, ein dazu passendes Lokal zu finden, sind vergebens ge- wesen, und eins, welches mir passend zu sein schien, war es nicht. Hoffentlich aber sehe ich ihn bei der bevorstehenden Abwesenheit des Mondes, wenn nicht die hier sehr helle Dämmerung es hindert.

Ich wünsche Ihnen desto mehr Glück zu Ihrem Eintritt in das gesetzgebende Corps, da ich aus Ihrem Briefe sehe, dass nur eine Eeise, nicht ein immerwährender Aufenthalt in Paris, die Folge davon sein wird. Die Reise wird hoffentlich Ilirer Gesundheit wohlthätig sein, und damit ist mir ein sehnlicherer \\'unsch gewährt, als Sie immer in Deutschland zu wissen. Schreiben Sie mir bald etwas Gutes von Ihnen und denUirigen; ich selbst machte eine lange Pause, die Sie mir niclit entgelten lassen müssen.

*) Vergl. Anmerkung 1 auf S. 788. Krni.

Namen-Register.

(Die Kometen sind in der von J. G. Galle in seinem Verzeichniss der Kometenbahnen gewählten Bezeichnung gegeben.)

AiRY, Jupitertrabanten-Messungen S. 601; Auszeichnung durch den La LANOK'schen Preis S. 613.

Albrkcht, Amtsentsetzung wegen der Pro- testation S. (i(iO, 663—664, 682.

r''ANGOs, Konietenerdichtung S. 51, 445. 448—449, 451—453, 456.'"

Arago, Streit mit Zach S. 171, 175, 177; Ausgleichung von Wiukelmessungen S. 199; physische Beobb. am K. 1835 ITI (Hallet) S. 630; Persönüches S. 171, 409.

Argelander, Bewegung des Sonnensystems S. 149, 668, 669, 677—679, 680; geplante Gradmes.sung in Lappland S. 399.

Assas-Montdardier, Bestimmung der Pa- rallaxe und Eigenbewegung der Sterne S. 187—188, 301—302.

BAcnE,elektromagnetische Maschinen S.665, 669; Persönliches S. 665.

Baily. Finstcrniss von Thales S. 77; Kom- parator S. 645.

Banks. Persönliches S. 50.

Baumann, Gehülfe bei der Hannoverschen Gradme.ssung S. 803, 338, 340 341, 343—344, 869, 375.

Beer, Mondstudien S. 655—657.

Benzenberg, YerAvuudung bei Versuchen über Luftwider.'^tand der Geschosse S. 289, 478;barometrische Höhenmessungen S.548, 549 553, 554, 555 559, 560 563, 567—568: Persönliches S. 555, 572.

Bessel, Fuudamenta astronomiae etc. S. 10; Bestimmung der Vergrösserung von Fern- rohren S.lo:Polhöhenunt erschied zwischen Göttingen und Königsberg S. 40, 275 276,279—280, 301 ; persönliche Gleichung S. 85, 92 ; Bewegung des Sonnensystems

S. 150; Bahn des K. 161 8 S. 203; Unter- schiede in den Sterndekl. S. 224, 286— 287,468—469; Pendelbeobb. S. 238, 247; Präcession S. 250, 457; Pasqüich's Eliren- rettung S. 277, 289; Gauss' IL Berufung nach Berlin S. 297, 356; Biegung von Meridianfernrohren S. 339 ; Akademische Sternkarten S. 857 358 ; Ablehnung eines Rufes nach Berlin S. 377; Reise nach Hamburg zur Abholung des Pendel- apparats S. 377, 379, 390, 392 393; Länge der Toise du Perou S. 413 414; Wahlanziehung unter den Planeten S. 446 ; Reduktion trigonometrischer Messungen S. 451; geodätische Linie 456; Bestim- mung der Theilungsfehler des Meridian- kreises S. 460, 466, 468; Saturndurch- messer S. 585; Schliessung der Königs- berger Sternwarte wegen Choleragefahr S. 575; Jupitermasse S. 605; merkwürdige Ausströmung am HALLEv'schen Kometen S. 630; Störuugsrechnung bei Kometen S. 635; Streit mit Encke'S. 679, 681.

BL4.NCHI^^, Venusflecken S. 604 605.

BiELA, Entdeckung des K. 1822 I S. 196; des K. 1825 IV S. 427; des K. 1826 I S. 443.

BioT, Polhöhe von Dünkirchen S. 171; Aus- gleichung von Winkelmessungen S. 199; Figur der Erde S. 535; Specifisches Ge- wicht des Sauerstoffes S. 558, 561, 562.

BoDE, Jubiläum S. 195, 196; Tod S. 462; Persönliches S. 76, 233, 418, 718.

BoGusLAWSKY, Entdeckung des K. 1835 I S. 625, 627 ; Sternschnuppen S. 654.

BoHNENBERGER, Formcln für geodätische Rechnungen S. 182, 186; neue Heliotrop- konstruktion S. 428 ; Bestimmung des

744

Naraen-Keg-ister.

Indexfehlers und Bericlitigung der Hori- zontalaxe des Meridiankreises S. 439 440, I 459 ; Nachfolger in seiner Professur S.573. !

BoscovicH, Lothablenkung S. 506 507.

BoüVAED, Entdeckung des K. 1822 IV S. 202; transuranischer Planet S. 631.

BowDiTcii, Übersetzung von La Pläce's Himmelsmechanik S. 623, 624, 626; Per- sönliches S. 626.

Bradley, Aberration und Nutation S. 10.

Brandes, Sternschnuppen S. 417; baro- metrische Höhenmessungen S. 557, 559 ; Übersetzung von Newton's Lebensbe- schreibung S. 604; Tod S. 608.

V. Breitschwert, Leben Kepler's S. 614.

Brendel, Gauss' Nachlass über die Be- vi^egung des Sonnensystems S. 162.

Bbewster, Newton's Leben S. 604.

Brinkley, Unterschiede in den Sterndekl. S. 223—224, 286—287.

Brisbane, Gründung der Sternwarte zu Paramatta S. 96, 462.

Browne, brennender Mondvulkan S. 101-102.

V. Buch, Gauss' II. Berufung nach Berlin S. 366—367, 372, 715—719.

Bürg, Mondtafelu S. 77.

Bürckhardt, Tod 417.

Cacciatore, neu entstandener Nebelfleck S. 461 ; vermuthliche Beobb. eines neuen Asteroiden S. 639.

Cagnoli, Figur der Erde S. 187.

Callan, elektromagnetische Maschinen S. 669—670, 673, 674—675, 679—681.

Carlini, Längengradmessung in Oberitalien S. 532—533, 535.

Cassini, Bedeckung von y Virginis S. 37.

Catüregli, Beobb. des K. 1822 III S. 442.

Cavendish, Attraktion von Bleikugeln S.650.

Chladni, Persönliches S. 321.

Clarke, elektromagnetische Maschinen S. 698.

Clausen, Längenbestimmung aus Stern- bedeckungen S. 257, 258; Bestimmung von Planetenbahnen S. 258; Theilungs- fehler des Göttinger Mer.-Kr. S. 466: Bahn des K. 18 19 III S. 599; des K. 18 19 IV S. 18, 593, 594, 599; Untersuchungen über K. 1826 I (Biela) S. 443— 444, 449, 461, 479; Bahn des K. 1826 H S. 437, 441.

CooPER, Kometentafel S. 648.

Cordter, Zunahme der Wärme nach dem Erdinuern S. 503.

Dahlmann , Anitsentsetzung wegen der Protestation S. 660, 661—662. 687.

Dalton, Hypothese für die Berechnung barometrischer Höhenmessungen S. 548, ,5.50—552, 554, 558, 561, 563, 567.

Damoiseau, Haixeys Komet S. 239, 243, 530; Untersuchung über neuere Kometen S. 479, 498.

Daüssy, Vesta-Tafeln S. 385.

Davenport. elektromagnetische Maschinen S. 693.

Davy, specifisches Gewicht des Sauerstoffs S. 558.

Delämbre, Kometentafel S. 166; Tod S. 209; Persönliches S. 103.

Deneken, 50. Amtsjubiläiim als Senator S. 623; Tod S. 646.

V. DiNKLAGE , Charlotte , Verlobung mit Olbers' Sohn S. 167—168. 170. 178, 191; Tod S. 168.

Dirichlet, Privatdocent in Breslau S. 479.

DiRKSEN, Gauss" II. Berufung nach Berlin S. 338, 345—346, 349, 358, 369—370. 372—374, 377, 712, 714—715; als Nach- folger Thibaut's vorgeschlagen S. 597; Persönliches S. 224.

Drobisch, Bestimmung der Erddichte durch Pendelversuche S. 486.

DuMOUCHEL, Beob. des K. 1835 HIiHalley) S. 631.

DuNLOP, Aufflndung des ENCKE"schen K. 1822 S. 36, 265; Observator der Stern- warte zu Paramatta S. 462; Beobb. des K. 1833 S. 613; des K. 1834 S. 613.

Eckhardt, Vermessung von Hessen-Darm- stadt S. 269— 270.

Encke, Auszeichnung durch die Hälfte des La LANDE'schen Preises S. 8, 11: Nach- weisuiig der D'ANGos'schen Kometener- dichtung S. 51, 445,448—449,451—453, 456 ; Versuche mit dem Sextautenheliotrop S. 121 ; Bewegung des Sonnensystems S. 161; Goldene Medaille der Londoner Astronomischen Societät S.265; Pasqcich's Ehrenrettung S. 277, 281— 282, 289: Kuf

' nat;h Berlin S. 377, 384, 388, 413: Stö- rungen der Vesta S. 442, 446; Eeform des Berliner Jahrbuches S. 463, 474, 509; Beobb. der magnetischen Dekl. S. 671, 682; Streit mit Bessel S. 679, 681: Streit mit Steiniieil S. 685, 686, 687 ; definitive

\ Bahn des K. 1808 l S. 388: Störungs- rechnung für K. 1819 I und m S. 11, 39; Untersuchungen über K. 1819 IV S. 109; Elemente des K. 1822 I S. 202; Auf-

: suchungsephemeride für K. 1822 U

: (Encke) S. HO: Bahn des K. 182411

NauRu-Keirister.

745

S. 349: BalinviTbfs.sL-niiii; des K. 1832 I (Encke) S. üO").

V. E.NDK, FeliltT seiner cliroiiüinetiischen Läntrenbestiiniminji-eii im Lünebiiriifi.scheu S. 564; rersöiilielies 8. 47f).

ErAiLLY , Vermessuiig-en in Ostfriesland S. Kt— 11, 182, \^i, 25Ö; Triangulation Hannovers S. 14 15, l(i 17, tU, (53, (35, 80, 83—84, 86—87, 172-173, 472; Per- sönliches S. 16, 19.

Ewald , Verlobung mit Gauss' Tochter Wilhelmine S. ")32, 534; Verheirathung- S. 548, 54V); Amtsentsetzung wegen der Protestation S. 660, 661—662. 663—664, 667, 668; Sauskritstudien in England S. 663, 670; Berufung nach Tübingen S. 667, 670, 675—676.

Fabeicics, Calendariuni liistoricum S. 593,

594. Fallows, Aiisreise nach dem Kap S. 93 94,

96: Lichterscheinung im dunklen Theile

des Mondes S. 222—223. Fayolle, Reklamation gegen Gauss' Disqu.

gen. circa superficies curvas S. 508, 511. Fechner, Psychophysisches Gesetz S. 91. Flamsteed, Selbstbiographie und Verhält-

uiss zu NeAvton S. 464, 465. Flaugergües , Fehler bei den Beobb. des

K. 1811 I S. 540; Beobb. des K. 1826

III S. 469, 488. FocKE, Ernennung zum Postdirektor S. 273 ;

Erkrankung S. 567 ; Persönliches S 654. FouRiER, Ausgleichung von Beobb. S. 368,

374, 384. Frisiani, Italienische Uebersetzung der Re- sultate aus den Beobb. des magnetischen

Vereins S. 701.

Gai.le, Kometenverzeichniss S.51, 437, 648.

Gambart, Beob. einer aussergewöhnliclien Himraelserscheinung S. 478 479 ; Ent- deckung des K. 1822 I S. 196; des K. 1822 IV S. 202; des K. 1825 I S. 405; Elemente des K. 1826 V S. 463 464; Entdeckung des K. 1832 EI S. 591; des K. 1834 S. 613.

Gauss, Persönliches: Beauftragt mit der Hannoversclieu Gradmessung S. 20; Reise nach Holstein zu Schumacheivs Basis- luessung S. 32; Ernennung zum aus- Avärtigen Mitgiiede der Pariser Akademie S. 33; beabsichtigte Bewerbung um das Direktorat der projektirten Hamburger Sternwarte S. 81, 89, 118, 121—122; I. Berufung nach Berlin S. 711; IL Be- rufung nach Berlin S. 81, 118, 122,

144—145, 168—169, 170—171, 196,231, 234, 235—236, 237—238, 244, 247, 249, 252, 297, 305, 338, 345—346, 348, 349, 353—356, 362—363, 366—370, 372—374, 377, 481, 711 719; Rckognoscirungs- reise nach dem Holiehagen S. 98; Reise nach Braunsclnveig S. 126; Reise nach Amensen für die Winkelniessnngen auf dem Hils S. 126; erste Reise nach der Brockenstation S. 133; Reise nach Al- toua zur Uebernahme des Zenith-Sektors S. 142; Mitglied der Akademie zu Boston S. 201—202, 239; Sturz vom Pferde S. 236, 237 ; Konfirmation seiner ältesten Tochter "Wilhelmine S. 237; Reise mit seinem Sohne Joseph nach Bremen S. 250 ; erhält den Preis der Kopenliagener So- cietät für die Theorie der konformen Abbildungen S. 252; Pasquich's Ehren- rettung S. 277, 285, 287 288, 289, 292—293: Krankheit seiner Frau S. 303, 348, 352, 467, 473, 486—487, 533, 563; sechswöchentlicher Aufenthalt in Bremen S. 3S6; Besuch Olber's, Repsolb's und Schumacher's auf der Dreieckstation Zeven S. 343; schwere Erkrankung seiner Frau an den Masern S. 365 ; geplante Zu- sammenkunft mit Bessel, Olbers und Schumacher S. 386, 388 395; Zusammen- treff8n mit Bessel in Rotenburg S. 394; Unfall durch Umwerfen des Wagens S. 394—395, 396; Besuch Olbers' und Schumacher's in Zeven S. 396, 397, 398, 399; Aufenthalt in Bremen S. 402; Durch- reise durcli Bremen S. 423, 429; Reise nach Süddeutschland S. 427, 428; Durch- reise Repsold's und Schümacher's durch Göttingen S. 467; Besuch Humboldt's S. 468,^469; Besuch Dirichlet's S. 479; Aufenthalt in Altona zum Zweck der Zenith-Sektorbeobb. S. 484, 486; Rück- reise über Bremen S. 486; Eintritt in die Fakultät und den Senat S. 517; Be- auftragung mit der Reguliruug des Han- noverschen Maass- und Gewichtswesens S. 517; Reise nach Berlin zur Natur- forscherversammlung 1828 S. 517, 520; ni. Berufung nach Berlin S. 522, 719— 728; Besuch Quetelet'sS.525; Verlobung seiner TochterWilhelraine mit Prof. Ewald S. 532, 534 ; Reise nach Bremen zur Ein- schiffung seines Sohnes Eugen nach Ame- rika S. 546; Hochzeit seiner Tochter Wil- helmine S. 548, 549 ; Tod seiner zweiten Frau S. 573 574; Besuche Gerling's S. 579—580, 595, 650, 652; Gründung

746

Namen-Register.

der Resultate aus deu Beobb. des magne- tischen Vereins S. 637; Vorlesung zur Jubiläumsfeier S. 652, 653, 656, 658, 668, 671, 700 701 ; erhält das Kreuz der Ehren- legion S. 654 ; Gerücht von einer Über- siedlung nach Paris S. 662, 664, 667; gejjlanter Fortgang von Göttingen S. 664 665, 667, 668—669; Besuch John Her- schel'sS.690 ; Gehörbeschwerden S. 691 692, 693, 697; Geburt eines Enkels S. 702, 706 ; Tod seiner Mutter S. 705. Gauss, Joseph, Thätigkeit bei der Hanno- verschen Vermessung S. 307, 311, 325, 341,426,526—527; Eintritt in die Han- noversche Armee S. 346, 350, 441, 481, 714; Ernennung zum Artillerie-Officier S. 482—484, 487, 490; Versetzung zur reitenden Artillerie S. 590, 595; Reise nach Nordamerika zum Studium des Eisenbahnwesens S. 633, 634, 637 638, 640—641; Adjutant S. 645; Verlobung mit der Tochter des Medicinalraths Ery- THROPEL S. 648; Tod seines zukünftigen Schwiegervaters S. 652, G53 654. Gauss, Eugen, Unterbringung auf dem Gymnasium zu Celle S. 434, 447, 454; Beginn des juristischen Studiums S. 520; Flucht aus dem Elternhause S. 545 546; Auswanderung nach Amerika S. 546, 547, 549, 553,568, 569; amerikanischer Militär- dienst S. 576, 578, 596—597; wird Mis- sionars. 627—628; Persönliches S. 576 580, 706. Gauss, Wilhelm, widmet sich der Land- wirthschaft S. 520, 536; schwere Er- krankungen S. 573, 702; Veränderungen in seiner landwirthschaftlichen Stellung S. 596, (306 607 ; Auswanderung nach Amerika S. 596, 606, 615, 644—645, 653. 655, 659, 661, 666-667, 694, 696, 702— 704;VerheirathungniitderNichteBESSEL's S. 644, 648. Gerling, Vermessung Kurhessens S. 121, 230, 648; korrespoudirende Beobb. auf dem Inselsberge S. 236, 266; in Aussicht genommene Berufung nach Göttingen als Nachfolger Mayek"s S. 564, als Nach- folger Thibaut's S. 597, als Nachfolger Webkr's S. 683 684, 685; Ruf nach Tübingen au Bohnenberger's Stelle S. 573; Verbesserung seiner Stellung in Marburg S. 573, 575; bearbeitet die pho- : tometrische Preisaufgabe der Göttinger Societät S. 581, 587, 616; Läugen- bestimniung zwischen Göttingen und ]\I;innheim S. 648-649.

Gervinus, Amtsenthebung wegen der Pro- testation S. 660, 661—662.

Gilbert, Tod S. 290.

Gildemeister, Beob. der Sonnenfinstemiss 1820 S. 35; Vermessung des Bremischen Gebiets S. 178, 181, 185; Rekognoscirung der Umgebung Bremens S. 174, 176, 178-179, 250, 254, 256, 257; Anschluss Bremens an die Hannoversche Triangula- tion S. 245, 293, 4S9— 492; Tod S. 646.

Göschen, Tod S. 651, 653.

(toldschmidt, Observator in Göttingen S. 614; Beob. einer merkwürdigen Aus- strömung aniHALLEY'schenKometenS. 628.

Grimm, Jakob und\Vn>HELM, Amtsenthebung wegen der Protestation S. 660, 661 662.

Gküithuisen, Mondbeobb. S. 321, 457, 470; 5. Stern im Trapez des Orion -Nebels S. 509; Aussicht, in Soldner's Stelle ein- zurücken S. 600, 610; elektromagnetische Maschinen S. 694—695, 696, 699, 728— 729; Verwendung des Elektromagnetis- mus für Heilzwecke S. 729; Persönliches S. 509, 613, 616.

Hall, Beobb. des K. 1821 S. 188, 226.

Hansen, astronomische Bestimmung der Länge und Breite Bremens S. 396, 398 ; Bestimmung der Polhöhe der Seeberger Sternwarte S. 507; Elemente des K. 1823 S. 273; Identität des K. 1825 IV mit K. 1590 S. 431; Bahn d s K. 1825 IV S. 430, 435.

Hansteen, Untersuchungen überden Magne- tismus der Erde 8. 12.

Harding, Beob. der Sonnenlinsterniss von 1820 S. 33; scheibenförmiger Anblick von Doppelsternen S. 503 504 ; Stellung einer photometrischen Preisfrage S. 519 520; Tod S. 606, 608 ; Besetzung seiner Stelle S. 608—609, 613, 614; beabsichtigte Herausgabe seines Lebens und Nachlasses S. 686, 688, 689 ; Entdeckung des K. 1S25 n S. 430; Auffindung des K. 1S25 lU (Encke) S. 389, 427; Beobb. des K. 1820 n S. 439; des K. 182; III S. 491: des K. 1^32 1 S. 592; Entdeckung des K. 1S32 n S. 591.

Hardy, Pendeluhr S. 440, 454, 459: vir- kehrtes Pendel S. 544, 545.

Hartmann, Lieutenant, Antheil an der Hannoverschen Vermessung S. 104, 112 113, 125. 199, 213. 347, 397, 401, 526, 543.

Hart.mann-. General. Ernennung Joseph Gauss" zum (U'dcier S. 482 184.

Nanien-Rei,'ister.

747

Hkkben, Persönlicliea >. .>.»>, oi-«.

HtiNuicH, Vorübergaug des K. iSio II vor der Sonue S. 359.

He.sdkrsus, Beobb. des K. 1832 I (Enckk) S. 594, 005: Elemente des K. 1833 S. 613.

Hekschel, Wiu.ia.m, Doppelsterne 8.25,26, 30 31 ; Grössenschätzung der Fixsterne S. 89 90, 115; Eigenbewoguug des Sonnensystems S. 155, 166.

HfiRscHEL. Jon>-, Feldbeleuchtung bei Feru- rohren durch blaues Licht S. 436; Ex- ceutricität des Saturn ip seinen Ringen S. 514; Beobb. des K. 1832 m (Biela) S. 594; Verbreitung magnetischer Beobb. aui der südlichen Halbkugel S. 690 ; Per- sönliches S. 344.

Hekschel, Cabolixe, Persönliches S. 344.

Hoi'PENSTEDT, Anscliluss der Hannoverschen Vermessung an die KKAVENuoFF'sche S. 239—240, 283, 2b9 ; Verbesserung von Gauss' Stellung in Göttiugeu S. 354; Gauss' U. Ruf nach Berlin S. 377; Per- sönliches S. 229.

HüPEDEN, Persönliches S. 434 435, 478.

V. Humboldt, Alexaj^dee, besucht Gauss S. 468; Rückkehr nach Berlin 1826 S. 472, 474, 477; Gauss' I. Berufung nach Berlin S. 711; Gauss' HE. Berufung nach Berün S. 522, 719—723, 726, 727; Ueber- setzung der Anzeige der Inteusitas etc. S. 594; Mittheilungen über Erdmagnetis- mus S. 610; Brief an den Herzog von Sussex S. 643; Theilnahme an der Göt- tiuger Jubiläum-sfeier S. 650, 602; Auf- forderung zu magnetischen Beobb. wäh- rend der Stemschnuppenperiode Nov. 1837 8. 654; Persönliches S. 721, 722.

Jacobi, M. H., Anwendung des Elektro- magnetismus zum Kraftbetrieb S. 659, 688, 689, 705.

Inghirami, Beobb. des K. 182 1 8. 94; Beobb. des K. 1825 H 8. 435.

Ivoßy, neue Refraktionstheorie S. 123; Theorie der Parallellinien 8. 197, 476; Figur der Erde S. 328, 468, 470, 495— | 498, 507—508; geodätische Linie S. 339, 342, 456; Methode der kleinsten Qua- ^ drate S. 384, 468, 470—471, 473, 475— 476; erhält die goldene Medaille der Londoner Societät S. 468; Persönliches S. 197, 474, 486.

Katek, Beoh. eines brennenden Mondvul- j kans S. 77, 131 132:Pöndelbeobb. 8.238. !

Keil, elektromagnetische Maschinen 8. 694, 699, 728 729; Iiiduktionsappanit zum medicinischeu Gebrauch 8.694, 696, 729; Persönliches S. 728.

Kepler, Lebensbeschreibung durch Breit-

SCHWF.RT 8. 614.

KiTCHiNER, Pancratic Eye-Tube 8. 50.

Kleist, Vermessung des Bremischen Ge- bietes 8. 178, 1^5.

Klüver, Betheiligung an der Hannover- schen Vermessung 8. 240, 241—243, 292, 293, 294, 295, 299, 300, 303, 307, 319, 322, 369, 375, 385, 387, 391—392, 397, 401; Bahnbestimmung des K. 1826 in 8. 529—530, 538—539,540; des K. 1827 m 8. 493; Persönliches 8. 216—217, 269.

Kmeth, Observationes astronomicae 8. 132; Beschuldigung Pasqüich's S. 277 278, 281—282, 284—285, 288—289, 290, 296, 305, 309—310.

Köhler, Anstellung als Gehülfe bei der Hannoverschen Vermessung S. 292, 294 295.

Krayeneoff, Vermessungen in Holland und Ostfriesland 8.57, 173—174, 183; zu grosse Abplattung bei Beroclniuug seiner Dreiecke 8. 105; Azimuthmessun- gen 8. 186; Recension seines Werkes über die holländische Vermessung 8. 220 ; Fehler in Krayenhoff's Messungen 8. 268—269, 329, 331, 433—434, 454—456; Messungen um Jever 8. 413; Persön- liches S. 429, 431, 436, 440.

Kulexkamp, Tod des Ehepaares 8. 600.

KuLEXKAiip, Adolf, Austeilung als Ge- hülfe bei der Hannoverschen Vermessung S. 228—229, 232, 240; Eintritt in das preussische Heer 8. 245; Persönliches 8. 224—225.

KuxowsKY, auffällige Erscheinung auf der Sonne 8. 360.

Liaxgenbeck, Verhandlung wegen der Göt- tinger Sieben 8. 664.

Langsdokf, Reise nach Brasilien S. 142.

La Place, sur la diminution du jour S. 85; Figur der Erde S. 165, 328, 468; Er- krankung am Nervenfleber 8. 470, 472, 474; Tod S. 477; Theorie der Kapilla- rität 8. 517.

Lecoq, Fehler in den westfälischen Läugeu- bestimmungeu 8. 534.

Legendee, Lehrsatz über sphärische Drei- ecke 8. 433, 467.

Lehmann, Bahn des K. 1835 m S. 630 631.

748

Namen-Reffister.

Liebherb, Uhr der Göttinger Sternwarte S. 2, 15—16, 99—100.

V. LiNDENAU, wird Minister S. 2; Gauss' zweite Beriifung' nach Berlin S. 234, 237, 247, 252, 297, 359, 302, 367. 372, 711, 712 714; Sächsischer Gesandter in Eng- land S. 463; Gesandter beim deutschen Bundestage S. 469, 499.

LippERSHEY, Erfinder des Fernrohrs S. 575.

Listing, Nachfolger Weber's S. 684, 685, 704; Persönliches S. 705.

V. LiTTROw, Jos. JoH., Beob. des K. 1821 S. 88: Beschuldigung Pasqcich"s S. 277, 278, 281—282, 284—285, 290, 298; Per- sönliches S. 293, 297.

V. LiTTROw. Karl Ludwig, Herausgabe der HELL"scheu Beobb. S. 613 614.

LoHRMANN, Mondtopographie S. 442; Per- sönliches S. 545.

Lübsen, Persönliches S. 538.

LuLOFs, Reduktion des Meter auf rhein- läudische Fuss S. 182.

Mädler, Mondstudien S. 655 657.

Maskelyne, Meridianunterschiede ausMond- Rektascensionen S. 227.

Maupertuis, Lappländische Gradinessung S. 59, 66.

Mayer, Tobias (Physiker), Tod S. 563; Wiederbesetzuug seiner Professur S. 564, 568, 575, 577; magnetische Dekl. Göt- tingens S. 632.

MfiCHAix, Elemente des K. 1790 III S. 417; Beohh. des K. 1780 I S. 494.

Meister, Lehre von dem Flächeninhalt der Figuren S. 432.

Mende, Persönliches S. 230—231, 232—233.

Menz, Dänische Vermessung S. 255; Per- sönliches S. 405, 409.

Messier, 2 Bedeckungen von 7 Virginis S. 37—38; Beobb. des K. 1780 I S. 494.

Metius, Jacob, Erfinder des Fernrohrs S. 575.

Moll, Erfindung des Fernrohrs S. 575.

Mossotti, Beobb. des K 1832 I (Encke) S. 592.

V. MüFFLiNG, Differenzen in seinen Ver- messungen S. 129, 142, 150, 264, 270— 271; Gestalt der Erde S. 244; Gauss' II. Berufung nach Berlin S. 118, 234, 237, 247, 252, 359—360, 367, 372—374, 711, 712—714, 716.

Mühlenbruch, Audienz beim Könige von Hannover S. 676; Persönliches S. 673, 675, 683.

MiJLLER (Hauptmann), Antheil an der Han-

noverschen Vermessung S. 104, 120.124 126, 129—130, 134, 189—190, 192, 198— 199, 204—207, 210, 212—213, 251—253, 256, .303—305, 307—308, 319, 322, 325, 331, 34.3—344, 526, 543—544: Reise nach England S. 459. MuNCKE , barometrische HöhenmessuDgen S. 557, 559, 562.

Nehus, gemeinschaftliche Beobb. am Ze- nith-Sektor mit Gauss S. 481.

Newton, Verhältniss zuFlamsteed S. 464 465: Lebensbeschreibung durch Brewster S. 604.

Nicolai, Unterschied in der Schiefenbestim- mung der Ekliptik S. 3 ; Elemente des K. 1821 S. 74, 81, 86; Elemente des K. 1825 I S. 417.

Nicollet, Entdeckung des K. 1821 S. 59; Elemente desselben S. 102: Elemente des K. 1822 I S. 202.

Nürnberger, Betrachtungen über die Me- thode der kleinsten Quadrate S. 477, 480.

Oerstedt, Besuch in Altona S. 485; Er- richtung eines magnetischen Observa- toriums in Kopenhagen S. 607.

Oesterley, Fortsetzung der Pütter-Saal- FELü'schen Geschichte der Göttinger Uni- versität S. 671.

Olbers, Persönliches: Tod seiner zweiten Frau S. 1; Niederlegung der ärztlichen Praxis S. 51 ; Schreiben La Place's wegen Olbers' Vorlesung über den Mondeinfluss auf das Wetter S. 102; Besuche der Pro- fessoren Brandes und Dirksen S. 189, 524; Verlobung seines Sohnes S. 167, 168, 191: Wahl seines Sohnes zum Syn- dikus S. 178; Mitglied der Akademie zu Boston S. 202; Anstellung seines Neffen A. KuLENKAMP bei der Hannoverschen Gradmessung S. 224, 225, 228—229, 232, 240: Mitglied der Edinburger Akademie S. 239; Eintritt seines Neffen A. Kulen- KAMP in preussische Heeresdienste S. 245; Besuch Oerstedts S. 258: Pasquich's Ehrenrettung S. 277, 289: Erkrankung S. 309: besucht Gauss auf der Dreieck- station Zeven S. 343, 396, 398, 399: Er- nennung zum Ritter vom Danebrog-Orden S. 389, 390; Besuch Bessel's, Repsold's, Schumacher's und Thune's in Bremen S. 393 396; Wahl seines Sohnes zum Senator S. 427: Besuch Repsolds und Schumacher's in Bremen S. 447; Über- lassung des pRAUNHOFER'schen Hello-

Nnmon-Reffister.

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iiietcrs an die Ilamlmrirer Sternwarte S. 4<>2; Ankauf eints FuArNiioi-KK'schen Aequatoreals S. 4ti'_'; Sondunf;; seines Solines nach Brasilien S. 465; Benennung' eines Urenier Auswanderersdiiffes zu Oi.BKKs" Ehren S. 51ö— 016, 645, C47; Hesuch Qcetelet's. Repsold"s und St hü- macuek's S. 524; schwere Erkrankung am Stickfluss S.529: Besuch Ki mkeh's S. 531 ; Besuch Gerling's und Enikks S. 553, 554; fünfzigstes Doktorjubiläum S. 556, 563—564, 565 ; Verzeichniss seiner Mit- gliedschaften von Akademien und ge- l.'lirten Gesellschaften S. 559, 56U, 562; Träirung von Medaillen auf ihn S. 565, 566; Verlobung seines Enkels Wilhelm FocKE 8. 579; schwere Erkrankung an Schwindelanfällen S. 582—583, 585—586; Besuch von South und Tiakks S. 592; Geburt seines ersten Urenkels Wilhelm Olkeks Focke S. 611; Hochzeit seiner Enkelin Malvina Focke S. 632; Besuch des jungen Brandes S. 646; Besuch John Herschel"s S. 690, 692; Organisation von Sternschnuppen Beobb. in Bremen S. 693, 695 : Zahl seiner Urenkel und Urenkelinnen S. 70O; Tod S. 707. Oltmanns, Geographie des Königreichs Han- nover S. 58, 65 66; Finsterniss von Thales S. 76 77; Landesvermessung Hannovers S. 81 ; Vermessung Ostfries- lauds S. 84; Gehülfe bei der Hannover- schen Gradmessung S. 84; Professor in Berlin S. 348, 363, 365; Mitglied der Berliner Akademie S. 413.

Parrot, magnetische Beobb. am Nordkap S. 649.

Pasqüich, Beschuldigung der Erdichtung von Beobb. und Ehrenrettung 8. 277 278, 281—2^2, 284—285,287—290,292— 293, 296-298, 309—310; Absetzung als Direktor der Ofener Sternwarte S. 293, 294; Persönliches S. 321, 365.

Pastorff, Vorübergang des K. 1819 II vor der Sonne S. 358 359 ; Photosphäre der Planeten S. 360.

Peters, Bahn des K. 1825 IV S. 430; des K. 1826 III S. 529, 539—540.

Pingr£, über angebliche Erdichtung von Kometenbeobb. S. 116.

Piper, Herausgabe von Harding's Leben und Nachlass S. 686, 688-689.

Plana, Längengradmessung in Oberitalien S. 532, 533, 585.

PoGGENDORFF, Ucbcrsetzung der luten-

sitas vis magneticae S. 601; Persönliches S. 257.

PoGsON, Stufenwert der ( irössenklassen der Fixsterne S. 91.

PoissoN , Wahrscheinlichkeitsrechnung S. 870; Figur der Erde S. 468, 495; Ka- pillaritätstheorie S. 572; Erdmagnetismus S. 689, 690; Persönliches S. 409.

PoND, Läugenbestimniung aus Mondrektas- censionen S. 227; Polhöhenschwankungen S. 264—265, 269; Deklinationsunter- schiede S. 286 287 ; Auszeichnung durch die goldene ^ledaille der Londoner Astro- nomischen Gesellschaft S. 287.

Poxs, Beobb. des K. 1808 I S. 259; Ent- deckung des K. 1821 S. 59; des K. 1822

I S. 196, 219; des K. 1822 IV S. 202, 208, 219, 221; des K. 1825 II S. 430, 485; des K. 1825 IV S. 427; des K. 1826

II S. 437; des K. 1827 III S. 491. Pont:6coulant, Untersuchungen über die

Bahn des HALLEv'schen Kometen S. 622, 634—635. PuissANT, Beziehung zwischen Abplattung und geographischen Koordinaten eines Ortes S. 186—187.

QuETELET, Uebersetzung der Resultate aus den Beobb. des magnetischen Vereins ins Französische S. 665, 701.

Bamond, barometrische Höhenmessungen S. 558, 561, 562.

Reichenbach, Aenderung am Reichenbach- schen Mer.-Kr. der Göttinger Sternwarte S. 2, 5; optische Kraft seiner Fernrohre S. 5, 13—14, 25; Theodolithe S. 29-30, 44, 52—53 ; Theiluug von Kreisen S. 132 ; vom SchlaganfaU betroffen S. 348; Per- sönliches S. 30.

Reimers, Persönliches S. 657 658.

Repsold, Johann Georg, Meridiankreis der Göttinger Sternwarte S. 8; Pendeluhr S. 15; Reverbere S. 44, 53, 74, 105, 107; Heliotrop R. "scher Konstruktion S. 143; Tod S. 530—531, 532; Ablesemikroskop zum REicHENBACH'schen Mer.-Kr. S. 532; Persönliches S. 532.

Ritz, auffällige Erscheinung auf der Sonne S. 360.

Rosenbergee, K. 1821 S. 226; Untersuchun- gen über die Bahn des HALLEv'schen Kometen (1835 IH) S. 622, 630—631, 634—635.

RüMKEE, Ausreise nach Paramatta S. 96, 110; Beobb. zu Paramatta S. 202—203;

750

Namen-Register.

Absetzung als Astronom daselbst S. 324; Rückkehr nach Europa S. 531, 535, 554; Direktor der Hamburger Sternwarte S. 605; Elemente des K. 1821 S. 93; Beobb. des K. 1822 II (Encke) S. 231, 233; des K. 1822 IV S. 222; Entdeckung des K. 1824 I S. 370; Beobb. des K. 1825 I S. 450.

Sabine, Englische Uebersetzung der Resul- tate aus den Beobb. des magnetischen Vereins S. 701; magnetische Beobb. in den englischen Kolonien S. 706.

Santini, Beobb. des K. 1821 S 94; Bahn und Vorausberechnung des BiELA'schen Kometen S. 586, 010.

ScuEiTHAUEB, Entdeckung des K. 1824 II S. 339.

ScHELLiNG, Persönliches S. 610, 613, 616.

ScHEüBLER, Untersuchungen zum Erdmagne- tismus S. 610.

Schmidt, Bestimmung der Figur der Erde aus Gradmessungeu S. 507, 510; Nach- folger Bohnenbekger's in Tübingens. 57 7; Bahn des K. 1825 IV S. 431; des K. 1827 m S. 495.

Schnürlein, Bahnverbesserung des K. 1822 IV S. 219, 221.

Schroeteb, Nebliges Aussehen von Ceres und Pallas S. 452, 657; Zuverlässigkeit seiner Mondbeobb. S. 656—657, 658.

Schubert, Beobb. des K. 1808 I S. 259.

Schumacher, Krümmung der Mikrometer- fäden S. 3, 7—8; Begründung der astro- nomischen Nachrichten S. 96, 100, 103; Art von Heliotrop bei der Basismessung S. 144; Bode's Jubiläums. 195; Begrün- dung der astronomischen Abhandlungen S. 203; dänische Gradmessung S. 227, 375, 378; Verbindung Hamburgs mit Punkten der Ostsee S. 230; Abweichung der astronomisch und geodätisch be- stimmten Breite von Altena und Ham- burg S. 263, 264, 265; Aufforderung zur Veröffentlichung geodätischer Messungen S. 26S; Pasqüich's Ehrenrettung S. 278, 289, 296 ; Längenbestimmung auf Helgo- land durch Chronometer S. 287, 298, 301, 306, 323; Aufenthalt in Kopenhagen S. 306, 384; astronomische Bestimmung der Länge und Breite Bremens S. 396, 398, 448, 450; Erkrankung S. 460; astro- nouüsclie Hilfstafeln S. 474; Reise nach Künig.sberg S. 509; Gauss' III. Berufung nach Berlin S. 522, 719, 720—722, 723, 724, 725, 726, 727; Abdruck der Inten- sitas vis magneticae in den A. N. S. 595;

Aufforderung der italienischen Astro- nomen zu Venusbeobb. S. 604 605; Beob. von Catüregli des K. 1822 HI S. 442; Beob. des K. 1825 I S. 405; Persönliches S. 121, 247.

Schwabe, Physische Beobb. am Halley- schen Kometen 1835 S. 630.

Scoresby, kün.stliche Magnete S. 689, 690.

Seyffarth, ägyptische Astronomie S. 603, 604.

Shelton, Pendel-Uhr S. 16, 100. 454.

Sillymann, elektromagnetische Maschinen S. 665.

Soldner, Unterschied bei der Schiefe der Ekliptik S. 3; Vermessung Bayerns S. 270; wird zum Nachfolger Tralles" vorgeschlagen S. 367 368; Besetzung seiner Stelle S. 600, 610.

V. Sommer, Persönliches S. 220, 235, 538.

SoüTH, excentrische Lage des Saturn in seinen Ringen S. 514.

Stanley, elektromagnetische Maschinen S. 665, 669.

Starke, Vorübergang des K. 18 19 11 vor der Sonne S. 359.

v. Staudt, Elemente des K. 182 1 S. 79, 86, 91; Persönliches S. 188, 226, 229.

V. Steinheil, Konstruktion eines neuen Photometers (Göttinger Preisaufgabe) S. 581, 616, 622, 624; Magnetische Beobb. S. 682; zum Nachfolger AVeber's vorge- schlagen S. 083—684, 685; Streit mit Encke S. 685, 686, 687.

Strüve, Besuch in Göttingen S. 25; Beob. der Sounenfinsterniss von 1820 S. 33; Etudes d'astrouomie stellaire S. 161; Beob. d. Saturntrabanten S. 478; excen- trische Lage des Saturn in seinen Ringen S. 509, 514; 5. Stern im Trapez des Orion-Nebels S. 509; Beobb. am Encke- scheu Kometen S. 523; Bestimmung des Jupiter-Durchmessers S. 605.

Stbuyck, Distanz des Doppelsterns y Vir- ginis S. 24, 37 38; Jupiterbedeckung von 755 S. 38.

SüssEX, Herzog von. Geschenk einer HAKDY'schen Pendel-Uhr und eines ver- kehrten Pendels an die Göttiuger Stern- warte S. 440, 544.

Svanberg , Lappländische Gradmessuug S. 59, 66.

Thibaut, Wiederbesetzung seiner Professur

S. 597. Thune, sphäroidische Trigonometrie S. 185;

Tycho's Beobb. der K. 1 590 u. 1596 S. 399.

Nami'ii-Reijfister

TiAKKs. i-lirüiioiuetrisclie Läiiirenbi-.stim- imuii^en S. 2-^7, 'iHS. 301. 3üH; Nach- | foljjfer Thibaut's iu Güttinffen S. 597. j

TiTTKL, Diroktitr der Ofeiier Sternwarte S. 3t».">.

Trai.kks. Toil S. J-ifi: l'endelbeobb. S. 238; baroinetrisdie Höheninessiuiiren S. 557, 558 559. 5»>7; Persönliches S. 711, 718 719.

Trevirasus, Anstelluuir als Gehülfe bei der Hannoverschen Gradniessnng 8. 23, 29, 49. 50—51, 52: zur Kon.struktion des Heliotrops S. 49.

Tycho uk Brake. Beob. der K. 1590 und 1 5«)6 S. 399.

Ulrich. Tiieilnahme an den ersten helio- tropischen Versuchen S. 112: rcrsönliohes S. 121.

Valz, Wiederauffindung: des K. 1825 III (Encke) S. 389. 427.

fit;:. Ulis. CTti, HS2— 684, H85; Kei.se niuh Berlin S. «70— «i71. 682: Induk- tionsapparate für physiologische Wir- kung^en S. 696; Induktionsinklinatoriun» 8. 697, 698: Persönliches S. 683.

WuEWELL, Bestimmung der Erddiclite aus Pendelbeobb. S. 486.

WiLKENs, magnetische Dekl. in Göttingen S. 631—632.

WiNNECKE, Identität des K. 1858 mit K. 1819 III und K. 1700 n S. 599.

WisNiiiwsKi, Beobb. des K. 1808 I 8. 259.

Wolf, F. A., Tod S. 33^, 712, 717.

Wkonski, neue Theorie der Refraktion 8. 97: Figur der Erde S. 183; Persön- liches 8. 18, 94—95, 219, 223.

Young, Sternwarte am Kap S. 3; elemen- tary illustratious of La Place's me- chanics S. 171; Längenbestimmung auf Helgoland durch Chronometer 8. 298; geodätische Linie S. 456.

Wallteck. Besuch in Göttingen S. 25; Be- obachtung der Sonnenfinsterniss von 1820 S. 33: persönliche Gleichung S. 85, 92; Erddimensionen S. 182, 184, 333, 471; Beob. des K. 1821 S. HS; Tod 8. 226, 229.

Watkins, elektromagnetische ^Maschinen S. 681—682, 688, 690.

Weber, Wilhelm, erhält die Professur Tobias Maver's S. 577; Betheiligung an der absoluten Intensitätsbestimmung des Erdmagnetismus S. 585, 586, 588, 590; Mechanismus des Gehens S. 597 ; Redak- tion der Zeitschrift „Resultate aus den Beobb. des magnetischen Vereins" S. 637, 660; Amtsenthebung wegen der Pro- testation 8. 660, 661—662, 663—664,

V. Zach, Fehler in der Länge Bremens S. 56, 174; augebliclie Erdichtung von Kometenbeobb. S. 116; Differenzen in der Bestimmung der Brocken-Polhöhe S. 129, 284; Polyeder -Heliotrop S. 153, 160; Sonnenfinsterniss zu Bologna S. 167 ; Streit mit Abago S. 171, 175, 177; Genauig- keit seiner Längenbestimmungeu S. 174, 177, 186; Beschuldigung Pasquich's S. 277—278, 231—282, 284—285, 288— 290, 296, 305; Fehler in der römischen Kalenderrechnung S. 370; Erkrankung an Blasensteinen S. 469, 499, 531, 554; Beobb. des K. 1808 I S. 259; Persön- liches S. 42, 51—52, 167, 171, 177, 277, 310, 312, 344.

Sach-Register.

Aequatoreal, Bestimmung- der Korrek- tionselemente S. 278, 281-282, 296.

Allgemeine Theorie des Erdmagne- tismus, S. 695, 701, 705.

Ausgleichungsrechnung, S.871, 374 375, 380—381, 384.

Basismessung, Seeberger Basis S. 173, 177, 267, 270, 272; Basis von Melun S. 173, 177; Schumachers Basis in Hol- stein S. 267; Darmstädter Basis S. 270.

Bewegung des Sonnensystems, Ol- BERs' Untersuchungen S. 140 141, 151 153; Gauss' Untersuchungen S. 147 150, 154—156, 157—160. 161—163, 166. 668,676—679, 680; Preisfrage der Göt- tinger Societät S. 147; Einfluss der Aen- derung der Präcession S 457 458.

Bremen, Koordinaten S. 174, 176, 184, 187; Lage verschiedener Punkte S. 327. 329, 332—333. 360—361, 364: Höhen- unterschied gegen Altona S. 346, 354, 368—369, 371 ; astronomische Bestim- mungen der Länge und Breite S. 896, 398, 448, 450; Wassersnoth der Jahre 1827 und 1830 S. 474, 534-535, 540.

Calendarium historicum S. 593 594. Chronometer, (iang S. 147.

Determinatio attractionis, quam in punctum quodvis positionis datae exer- ceret planeta, etc. S. 15.i.

Diffraktion S. 641.

D i s q u i s i t i 0 n e s generales circa superficies curvas S. 438, 467, 471, 499, 508, 511.

Doppelsterne, a Herculis S. 17; Aen- derung der Distanz bei y Virginis S. 24, 25—26, 30—31,37—38; scheibenförmiger Anblick S. 503—504, 505.

Elektromagnetismus, Verwendung desselben für Heilzwecke S.694, 696, 729. Elektromagnetische Kraftmaschi- nen S. 659-660, 665, 669—670. 671 672, 673, 674—675, 679—682, 688, 689, 693, 694, 696—698, 699, 728—729. Ellipsoid, Bestimmung der Oberfläche

eines dreiachsigen E. S. 235. Erde, Bewegung: Bestimmung derGrösse und des Apex der B. aus den geocentri- schen Bewegungen der Kometen S. 259 : Dichte: Bestimmung der D. durch Pen- delbeobb. auf der Oberfläche und in Bergwerken S. 4>-'6. Figur: Lothablenkungen und Lothstö- rungen S. 138 139. 1H5, 167, 277. 378,379-380, 383, 506— 507: Messung eines grossen Längengradbogeus S. 181 ; Wai.beck's Dimensionen der Erde S.182, 184, 333, 471; Wronski"s Abhandlung über die F. der E. S. 183: Aenderung der geographischen Koordinaten infolge Aenderung der Abplattung S. 186. 187: Bestimmung der F. der E. aus Steru- bedeckungen S. 187; Müffi.ixu's Re- sultate aus seinen, Tkanchot's und Krayenhofk's Vermessungen S. 244: Abweichungen zwischen astronomisch und geodätiscli ermittelten Polhöhen und Liiiigendifferenzen und ihre Ur- sachen 8. 137-139, 263—264, 265, 276—277, 280—281, 284, 286, 375; Polhöhenschwankungen nach Posd's Beobb. S. 264 265: Ivory's Arbeiten über die F. der E. S. 328, 468. 470; Keduktion trigonometrischer Beobb S. 451 : genaue Bestimmung der F. der E. ^us vielen (iradmessuugen S. 471 47-2'^ 507 508, 510; Biot's Arbeit über «die F. der E. S. 535.

Sach-Register.

753

E rdiiiagiutisinus. Hanstkkn's luter- suclumiren S. 12; absolute Bestiiniming derInteusitätdesEr(liiiatrnetisnuisS.ö84 585, 58fi, 587 590, 591, 593, 594, 598; Heob. der Schwingunirsdauer von Magnet- nadeln S. 588— 589, 618— 620; magne- tische Beobb. S. 608, 612— 613, 617, 621, 628-629, 631—682, 633, 635-637,649. 671, 682. 706; Schki'bi.kr's Untersuchun- gen S. 610: Ursprung der erdmagneti- schen Kraft S. 624; Erdmagnetismus und Magnetiimeter S. 627, 642: magnetische Stürme S. 685 686; Bestimmung der vertikalen Komponente der magnetischen KraftS.649— 650, 697: allgemeine Theorie des Erdmagnetismus S. 695, 701, 705. Magnetische Apparate: [Magneto- nieter und Bifilarmagnetonieter S. 642, 649, 671, 678, Q^'I: Apparat zur Be- stimmung der Horizontalintensität S. 649; künstliche Magnete S. 689, 690. Magnetische Observatorien: in Göt- tingen S. 595, 598, 601, 603, 607, 624; Humhoi.dt's in Berlin S. 595, 638; in Kopenhagen S. 607; in Petersburg S. 688. Magnetischer Verein S. 636, 644, 665, 668, 690-691, 699, 706; Resul- tate aus den Beobb. des magnetischen Vereins S. 637, 638-639, 643—644, 647, 650, 665, 668, 684, 686, 691, 695, 698, 701, 705.

Fadendistanzen, neue Methode ihrer Bestimmung S. 262.

Fernrohr, optische Kraft S. 5, 13—14, 25, 36, 43, 135—186: Art von Haut bei Fraünhofer"s Objektiven 8. 146, 151 , 154, 658 ; Bestimmung der Vergrösserung S. 263; Feldbeleuchtung durch blaues Licht S. 436; Bestimmung des Durch- messers des Gesichtsfeldes S. 439; Gauss- sche Okularbelcuchtung S. 440; Güte der FRÄUNnoFER"schen Fernrohre S.469,472 473,478, 658, 692; achromatische Systeme mit Bergkrystall- statt Crownglas-Linsen S. 542: Erfindung des Fernrohrs S. 575, 593; Vorzüge der Teleskope vor Refrak- toren S. 613, 65S.

Feuerkugel, Beob. einer F. in Bremen S. 524—525.

Fixsterne, Eigenbewegung S. 27, 152, , 1S7— 188,301— 302; GrössenklassenS. 82, 89—90, 91—92, 115; Parallaxe 1187— 188, 301—802; Unterschiede in '.en Dekl. S. 223-224, 2S6— 287, 468—^69. Olbers. 11. 2.

Fünfeck, reguläres F. S. 605.

F u n d u m e n t a 1 s a t z der Algebra S. 439.

Geodäsie, Gauss' Untersuchungen zur höheren Geodäsie S. 429, 431—433, 438— 489, 466-467, 468, 471, 544: geodätische Linie S.889, 842, 456. 495—498. Göttingen, Studentenunruhen S.565, 566; Universitätsjubilänm S. 647, 650, 651 652, 653, 671 ; Amtsenthebung der sieben Güttinger Professoren S. 660, 661—662, 670, 673, 675, 676, 682, 684, 687; Ge- schichte der Göttinger Universität S. 671. Gradmessung (siehe auch Triangulation), Lappländi.sche G. und Unterschiede zwi- schen Mauperti'is und Svanberg S. 59, 66; geplante Wiederholung der Lapp- ländischen G. durch Argelander S. 399; dänische G. S.227; oberitalienische Längen- gradmessung Carlini's und Plana's S. 532—533, 535.

Hannoversche Gradmessung Gauss": Genehmigung S. 14; Ueber- tragung auf Gauss durch kgl. Reskript S. 20; Gehülfeu Gauss' bei derselben S. 21, 23, 29, 32, 34—35, 48, 84, 98, 125, 227-229; Plan für die Messung im südlichen Theil S. 53 ; Bewilligung des englischen Zenith-Sektors S. 74; Rekognoscirung des südlichen Theils des zu messenden Gradbogens (von Göttingen bis Hannover) S. 98 99, 104-106, 108, 124, 126—127; Winkel- messungen der Jahre 1821 1823 für den südlichen Theil des Bogens S. 120, 126—129, 131, 133—134, 198, 256, 260—261 ; Berechnung der Hauptdrei- ecke der Jahre 1821—1828 S. 163—164, 198—199, 211, 261-262, 271; Rekog- noscirung des nördlichen Theils des Gradbogens (Lüneburger Haide) S. 174, 175, 176. 178—179, 188—184, 188—190, 192—195, 199—200, 204—206, 209— 211, 212—218; die bei der Hannover- schen Gradmessung benutzte Abplat- tung S. 184, 333, 471; Anschluss au die KRAYENHOFF'schen Dreiecke bei Jever- Varel S. 195, 228-229, 232, 236, 239—240, 241, 245, 249, 250—251, 258—254, 256, 257, 260, 283, 289, 298, 438-434, 538—584, 535; Messun- gen der Jahre 1822 1823 für den nörd- lichen Theil des Gradbogens S. 198— 199, 210, 213—214, 215, 217—219; Rekognoscirung des Anschlusses an 48

754

Sach-Register.

Bremen S. 241—243, 246, 247-248, 250, 291—292, 303—305, 307—308, 315—317, 319, 322—323, 325, 331, 333, 337—338, 343-344; Verbindung der Hannoverschen Messungen mit den Kurhessischen, Darmstädtischen und Bayrischen S. 266—268, 270—271; Anschluss Bremens an die Hannover- sche Gradmessung S. 293—294. 295, 296. 386, 489 491; Anonymer Angriff auf die Hannoversche G. S. 310, 317, 718; Messungen der Jahre 1824—1825 zum Anschluss an Bremen und an die Kra yenhoff' sehen Dreiecke S. 311,313, 322, 337, 342, 347, 350, 355—356, 402—404, 407—408, 410—412, 414— 416, 417 419; neuer Anschluss an das dänische Netz 1824 S. 315—317; Ein- fluss spitzer Winkel auf die Genauig- keit S. 317— 318, 332, 334—335; An- schluss Helgolands an die dänisch- hannoversche Gradmessuug S. 404, 416; grössere Differenzen in den Messungen des Jahres 1825 und ihre Aufklä- rung durch Lateralrefraktion und Fehler des Instruments uud der Poin- tiruug S. 407—408, 410—411, 414— 416, 418—419, 420—422, 424—426; Ausgleichung der Resultate S. 447. 450—451, 456.

Heliostat, siehe Heliotrop.

Heliotrop, Erfindung des Heliotrops S.46 48; I. Konstruktion S. 49, 99, 111, 117, 119, 120, 124; Beuutzbarkeit auf grosse Entfernungen S. 107—108, 114, 200 Sextantenheliotrop S. 111 113, 180 Heliotrop 11. Konstruktion S. 124—125 Telegraphiren mit dem Heliotrop S. 127, 164, 169,313; Veröffentlichung über das Heliotrop S. 127, 160, 467, 476; Scnu- macher-Eepsold's Heliotropkonstruktion S. 143; Zäch's Polyeder S. 153, 160; sphärische Fläche als Heliotropspiegel S. 161; Verbindung von Heliotrop und Theodolith S. 169—170; heliotropische Lichtsendung zum Monde S. 181: Helio- trope bei der süddeutschen Vermessung S. 428; Bounexbergek"s Heliotropkon- struktion S. 428 ; Berichtigungsmethuden des Heliotrops S. 467, 476.

Helligkeitsberechnung bei Fix- sternen 8. 82, 89—90, 91-92. 115.

Himmelse r schein un g,Beob.eiuer ausser- gewöhniichen H. durch Gambaht S. 478 479.

Höhenmessungen, Bestimmung der re^- lativen Höhe einiger Dreieckspunkte S. 100, 156, 218—219, 361, 418; Höhe einiger Punkte über der Ostsee S. 230; barometrische Höhenmessuug S. 346, 354, 368-369, 375—376, 405—407; Höhen- messungen durch reciproke Zenithdistan- zen S. 366, 408 ; Höhe der Nordsee über der Ostsee S. 369, 375, 378, 419. 572; Ausgleichung und Berechnung barometri- scher Höhenmessungen S. 371, 374 375. 548, 549—553, 554, 556, 557—559,561. 563, 567.

Jahrbuch, Verbesserung des Berüner astronomischen J. durch Excke S. 463, 474, 509.

Imaginäre Grössen, Versinnbildlichung der Multiplikation S. 569 571.

Intensitas vis magneticae terrestris ad mensuram absolutam revocata S. 587 588, 591, 593, 594, 598, 600, 601.

K a p i 1 1 a r i t ä t. Untersuchungen zur Theorie der K. S. 517 518; Poissox's Abhand- lung über die K. S. 572.

Kimmung S. 412.

Kometen, Einfluss eines widerstehenden Mittels auf die Kometenbewegung S. 39, 226—227, 515, 610; D"Asgos' Kometen- erdichtuug S. 51, 445, 448—449. 451 453, 456; Lichtstärke S. 75—76. 494: angebliche Erdichtung von Kometen- beobb. im Berliner Almanach S. 116: Kometenerscheinung vor Napoleon's Tode S. 123 124; Olbers" Kometenverzeich- mss S. 166. 239, 244. 648; Damoiseaus Untersuchungen über Halleys und Bi£la"s Kometen S. 239. 24 3. 479. 498, 53U: Olbers' Aufsätze über den Hallet "sehen und BiELA'schen Kometen S. 413. 500; Clacsen"s Untersuchungen zum Biela- scheu Kometen S. 449. 461. 479; Unver- äuderlichkeit der grossen Axen der Ko- metenbahneu S. 499. 515: Materie der Kometenkerne S. 500—501. 502—503, 504—505. 508—509. 512—514: Möglich- keit eines Zusammenstosses eines Ko- meten mit der Erde S. 500. 502.

Komet 1590 und 1596, beobachtet durch Tycho S. 399.

1618. Bahn S. 203. ! 1699, vermuthete Identität mit K. 1799 i II S. 110.

Sach-Reirister.

Komet 1780 I. Licht wandol S. 494.

1808 I. Einsendmig von lieobb. S. -59; Excke's Halm. S. 3S8.

i8ii I. fohlt'ihafte Beobb. Flaügehgües' S. 540.

1819 I (Encke), Encke's Störuugfsrech- miiig S. 11, 8i»; Verkürzung der Um- laut'szeit und Benennung S. 39; Epbe- ineride und Siditbarkeit für 1822 S. 110.

18 iq II, VurübiTgang vor der Sonne S. 358—359.

1819 ITI, Enckk's Störuiigsrechnung S. 11: Identität mit K. 1766 11 S. 599.

1819 IV, Carlini's Bahn S. 18; Encke's Untersuchungen S. 109; Clausex's Unter- suchungen S. 18, 593, 594, 599.

182 1, Entdeckung 59—60. 64, 72; üeobh. S. 6-2, 64—65, 66, 67, 70, 81, 82, 83, 85, 87—88, 94, 188, 226: Elemente S. 72, 74, 79, 81, 86, 91. 93. 102; Ver- gleichung mit l^eobb. S. 79; Helligkeit S. 82, 91 ; \\'iederauf findung nach dem l'eriheldurchgang S. 124, 310; Eiufluss des wider-stehenden Mittels S. 226-227.

1822 I, Entdeckung S. 196—197, 219; Elemente S. 202.

1822 II (Encke), I. Wiederkehr S. 168, 169, 171, 177—178. 216, 222; Auffindung S. 36, 110, 231, 233.

1822 in. Beobb. S. 442.

1822 IV, Entdeckung S. 203, 208, 219; Beobb. S. 208, 215—216, 222; Verglei- chun-i- mit Nebelfleck S. 208—209; Ele- mentenverbesserung S. 219.

1823, Entdeckung S. 271 ; Beobb. S. 272, 273, 275, 286, 288, 294; zweiter Schweif S. 274, 275, 310.

1824 I, Entdeckung S. 370.

1824 n, Entdeckung S. 339: Elemente S. 339; Kern S. 345; Bahn S. 349.

1825 I, Entdeckung durch (iAMBAUT S. 405, 450; Beobb. S. 405, 408—109, 413, 416, 450; Identität mit K. 1790 S. 409, 416—417; centrale Bedeckung eines Sterns durch ihn S. 416; Elemente und Vergleichuug mit Eeobb. S. 417, 420.

1825 II, Entdeckung und Beob. S. 430, 435; Elemente S. 435—436.

1823 III (Encke), II. Wiederkehr S. 389, 413, 428: "Wiederaiiffindung und Beob. S. 427, 431.

1825 IV, Entdeckung S. 427; Beobb. S. 427, 428, 430, 435; Elemente S. 430,

431, 435; Identität mit K. 1590 S. 431, 435; Ephemeride und Sichtbarkeit S. 435. Komet 1826 I (Biei.a), Entdeckung und Elemente S. 443—444. 447, 449: Iden- tität mit K. 1806 I und 1772 S. 443— 446,

447, 448; Beobb. S. 44S, 449, 457: Wie- derkehr im Jahre 1845 46 und 1852 S. 449: grüsste Erdannäherung S. 449 450, 461.

1826 II, Entdeckung und Beobb. S. 437, 439; Bahn 437, 441.

1826 III, Beobb. S. 469, 488; Bahn- bestimmung S. 488, 529—530, 538—539, 540.

1826 IV. Beobb. S. 463.

1826 V, Elemente S. 463—464; Vor- übergang vor der Sonne S. 463 464.

1827 m, Entdeckung und Beobb. S. 491, 492.498: Bahnbestimmung S. 493; Iden- tität mit K. 1780 I, S. 493—495.

1829 (Encke), Aufsuchung S. 516; Beob. S. 520, 522.

1830 I, Bahn S. 540—541; Beobb. und Ephemeride S. 541.

1832 I (Encke), Aufsuchung S. 581; Beobb. S. 592, 594, 605.

1832 II, Entdeckung S. 591; Bahn S. 592.

1832 III (Biela), Bahnbestimmung und Epheraeride S. 586; Beobb. S. 594.

1833, Beobb. und P^lemente S. 613.

1834, Entdeckung und Beobb. S. 613.

1835 I. Entdeckung S. 625, 627.

1835 III (HALLEv'scher Komet), Auf- suchung S. 611, 613, 615, 621—622, 627 ; Beob. einer merkwürdigen Ausströ- mung S. 628, 629—630; Bahn S. 630— 631, 634; Abnahme seiner Helligkeit S. 631; Beobb. S. 631, 634.

1838 (Encke), Sichtbarkeit S. 694. Komparator S. 645. Krümmungsmaass bei planen Kurven

S. 429, 431.

L ä n g e n b e s t i m m u u g e n , durch trigono- metrische Messungen S. 55; durch Stern- bedeckungen S. 56, 257 258; Unter- schied zwischen astronomischen und geo- dätischen Längenbestimmungen S. 264; chronometrische Längeubestimraung von Plymouth S. 287 ; von Helgoland S. 287, 298, 301, 306, 323; astronomische Län- genbestimmung Bremens S. 396, 398,

448, 450; Längendifferenz Greenwich- Paris S. 442. 537; chronometrische Läu-

48*

756

Sach-Kegister.

gendifferenz Altoua- Bremen S. 450; Fehler in Lecoq's Längenbestimmungen S. 534; Unterschied in der astronomi- schen und geodätischen Längendift'erenz Göttingen-Paris S. 535, 536—537 ; Fehler in Ende's Längenbestimmungen S. 564; russische Chronometerexpedition S. 600; Längenbestimmung durch elektrischen Telegraph S. 608; Längenbestimmung zwischen Göttingen und Mannheim durch optische Signale S. 649. Landesvermessung, siehe Gradmessung und Triangulation.

Maass- und Gewichtswesen, Eeguli- rung des Hannoverschen M. und G. durch Gauss S. 517, 523, 641—642, 645—646, 647.

Magnetismus, siehe Elektromagnetismus, elektromagnetische Kraftmaschinen und Erdmagnetismus.

Magnetische Apparate, magnetische Ob- servatorien, magnetischer Verein siehe Erdmagnetismus.

Meridiankreis, Unterschied zwischen Beobb. am KEiCHEXBACH'schen und am REPSOLD"scheu M. S. 8; Beobb. aus dem Quecksilberhorizont S. 8, 302; Bestim- mung der Fadendistanzen S. 262; Bie- gung des Meridianferurohrs S. 278 279. 283—284, 300, 339, 440; Bestimmung der Theiluugsfehler S. 459—460, 466, 468, 510; Bestimmung des Indexfehlers und Berichtigung der Horizontalaxe S. 439—440, 459.

Meridianzeichen, S. 45—46.

Methode der kleinsten Quadrate. Gauss', Theoria combinationis etc. S. 68, 82, 94, 234, 235, 317, 374, 438, 458— 459, 460, 466, 468, 471, 499; Ivory's Einwendungen gegen d. M. S. 470 471, 473, 475 476; Nürxbekuek's Betrach- tungen zur M. S. 477, 480; Ausschluss von Beobb. S. 477—478, 480.

Mikrometerbeobachtungen, Berech- nung von Kreismikrometerbeobb. S. 69 70, 71 72; Keduktion der Beobb. am Kreismikrometer mit Barre S. 70 71.

Mikrometerfäden, Krümmung der M. S. 3 4, 6 7: Fäden aus Fiatina S. 4; Gla^mikrometer S. 4, 7, 9, 11: Einziehen der M. S. 5—6.

Mond, Lichterscheinungen im dunklen Theile S. 77—78, 84—85, 88—89, 90, '92—93, 101—102. 131—132, 223: Gruit-

hüisen's physische Mondbeobb. S. 321, 457, 470; Beek's und Mädler"s Mond- studien S. 655 657; Mondtopoirraphie S. 655. aioorrauch S. 311—312, 314.

Naturforscher- Versammlung. Berlin

1828 S. 520: Hamburg 1830 .S. 540. 541—

542, 549. Navigationsschule S. 75, 76, 83, 103. Nebelflecke, Entdeckung eines N. im

"Wassermann durch Olbers S. 43 44;

Neubildung- eines N. nach Cacciatore

S. 461. Nordlicht S. 695.

Pendel, verkehrtes, Empfindlichkeit S. 544; Einfluss der Temperatur auf die Elasticität S. 545. Persönliche Gleichung S. 85, 92. Photometer, OLBERs'sche Idee einer Pho- tometerkonstruktion S. 90, 521 522; Preisfrage der Göttinger Societät über eine neue Photometerkoustruktiou S. 519 —520, 521. 581, 587, 616. 622, 624; KöHLER'sches Photometer S. 521 : Gauss" Ideen zu einem neuen Photometer S. 581 —582, 583, 584, 616. Planeten:

Photosphäre S. 360; Walüanziehung un- ter den Planeten S. 446; über die Aus- sicht, neue Asteroiden zu entdecken S. 460. V e n u s , Photosphäre-Erscheinung S. 1 54 :

Fleckenbeobb. S. 604—605. Jupiter, Bedeckung des Jahres 1755 S. 38; Lichtring- Erscheinung S. 151, 154; Bestimmung seiner Masse aus den Vesta-Störungen S. 442. 446: aus Airy"s Trabantenmessungen S. 601 : aus Bessel's heliometrischen Tra- bantenmessungen S. 605. Saturn, Zahl seiner Trabanten S. 478; exceutrische Lage in seinen Eingen S. 509. 511, 514, 603: Durchmesser- bestimmungen mit dem Heliometer S. 535. Ceres, Beobb. S. 381. 520. 543: Unge- nauiiikeit der damaligen Ephemeri- den S. 385: nebliges Aussehen nach SCHROKTER S. 452, H57. Pallas, Beobb. S. 381.543: Ungenauig- keit der damaligen Ephcmoriden S. 3^5 : nebliges Aussehen nach Schroeteb S, 452, 657. Vesta, Störungen S. 442, 446.

Sach-Register.

757

Polhühe. (ies Shehallien S. '-»(i— JT: l'ol- höluMi vou Punkten iKt L-nirli-^^hen Grad- njessung S. L'S; rolhöhe vou Götlingen und Königsberg aus Beobb. von Zenithal- stonien S. 40. 'JSO: Polhühe vou Seeberg S. l'Jy. 507; Unsiclierheit in der Pol- höheubestimuning des Brockens S. 129, 507. 510, 51'2; Abweichung zwischen astronomisch und geodätisch bestimmten Polhöhen S. 187—139, 263—26-1. 265, 2t<4, 286, 375; Polhühe von Dünkirchen S. 171; Pond's Beobb. über Polhöheu- schwankungen S. 264 265; Polhöhe von Ciüttingen S. 272. 275—276. 278—280, 283—284, 299. 300. 301, 305, 510: Pol- hühe von Bremen S. 396; Bestimmung des Breitenunterschiedes zwischen Altona ^ und Göttingen S. 481, 483. 484. 487. 500. 502, 504, 506.

Präcession, Bessel's Untersuchungen über die P. S. 457. j

Princip des kleinsten Zwanges S. 518 —519, 521.

Principia gen. theor. fig. fluidorum in statu aeq. S. 528, 532, 536, 538, , 539.

Quecksilberhorizont S. 517 518.

JRefraktion, neue Theorie von Wronski S. 97; von IvoRY S. 123: terrestrische E. S. 230, 308; Lateral-Eefraktion S. 357. I 411, 414, 416, 418. 425—426, 451; Un- terschied der Refraktion bei Tag und Nacht S. 489.

Reverbere, Gebrauch derselben bei der Hannoverschen Vermessung S. 41. 53. 62, 105. 107; bei der englisch-französischen Vermessung S. 153.

Schiefe der Ekliptik. Anomalien in der Seh. d. E. S. 3, 17.

Sonnenfinsterniss, Beob. der S. von 1820 S. 33, 35, 59; Oltmann's Unter- suchung über die Sonnenfinsterniss von TiiALEs S. 76 77; Sonnenfinsterniss des Jahres 1826 S. 464.

Sterubedeckungen, durch den Mond S. 24, 37—38, ^55, 56, 223, 525, 528, 554; durch den K. 1825 I S. 416.

Sternkarten, Bessel's Projekt der aka- demischen Sternkarten S. 357 358.

Sternschnuppen S. 449, 654, 693, 695.

Sternwarte, am Kap der guten Hoff- nung S. 3; in Hamburg S. 81, 89, 95,

100, 336; in Paramatta S. 96,202—203, 462; N'ergrösserung der »irceuwicher Sternwarte S. 287; Umbau der Berliner Sternwarte S. 520; Schliessung der Königs- berger Sternwarte wegen Choleragefahr S. 575; Errichtung von Sternwarten iu den Tropengegenden Amerikas S. 622.

Tafeln, zur Reduktion von Kreismikro- meterbeobb. S. 71: Bürg's Moudtafeln S. 77; Delambres Kometcntafel S. 166; Olbers' Kometentafcl S. 166, 239, 244, 648; Vestatafeln S. 385; Schcmacher's astronomische Hilfstafeln S. 474.

Telegraph, optischer S. 127, 164, 169, 313; elektromagnetischer S. 602—604, 617, 619, 629, 642.

Theoria combinatiouis observatio- num erroribus minimis obnoxiae S. 68, 82, 94, 234, 235, 317, 374, 438, 458— 459, 460, 466, 468, 471, 499.

Theorie der konformen Abbildungen S. 252, 438, 466, 516.

Theorie der Parallellinieu S. 197, 220, 476.

Theoria residuorum biquadratico- rum S. 382—383, 385, 387, 471, 499, 544, 569.

Thermogalvanismus S. 633 634.

Trabanten, Zahl der Saturutrabauten S. 478.

Triangulation 1 siehe auch Gradmessuug), Epailly's Triangulation Hannovers S. 14-15, 16—17, 61, 63, 65, 84, 86—87, 172—173, 182, 184, 472; Vorzug der Theodolithen vor den Repetitionskreisen S. 20—21, 22—23, 28; Benutzung von Reverberes als Zielpunkte S. 41, 107; Benutzung des Heliotrops als Zielpunkt S. 46 48; GAUss'sche Koordinaten und Projektionsmethode der Hannoverschen Vermessung S. 54 55; Krayenhoff's Vermessungen iu Holland S. 57, 454 456; die Vermessungen v. Müffling's und Excke's S. 60—61, 129, 142, 150, 163; Gauss' Triangulation Hannovers S. 64, 4B6, 504, 512, 526—528, 538, 543—544, 642-643; Oltmaxn's Ver- messungen in Hannover S. 81, 84; Be- nutzung von Signalthürmeu als Ziel- punkte und Beobachtungspunkte S. 105, 318 319, 342; Vermessung Kurhessens S. 230, 266; Oldenburgische Triangula- tion S. 255; Vermessung von Hessen- Darmstadt S. 269 270; Vermessung

758

Sach-Resfister.

Bayerns S. 270—271, 477; über die astro- nomische und geodätische Bestimmung der Koordinaten eines Ortes S. 329 330.

Uhren, Gang S. 99 100; SnELTON'sche, REPsoLD'sche, LiEBHEHR'sche und Hardy- sche Uhr der Güttinger Sternwarte S. 2, 15—16, 99—100, 440, 454, 459.

V e r ä u d e r 1 i c h e S t e r n e , Variabilis Cygni S. 97, 103.

Waage, Korrektion der Hebelwaagen S. 646.

Zeitbestimmung durch Sternversch Win- dungen S. 39.

Zenithdistanzen, Beobb. von Z. am RKrcHESBACu'schen Meridiankreise S. 26 —28.

Zenith-Sektor S. 142, 179, 481, 487.

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Bd. 2 Abt. 2

Olbers, Wilhelm Wilhelm Olbers

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