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030

HARVARD UNIVERSITY

LIBRARY OF THE

GRADUATE SCHOOL OF EDUCATION

Pädagogiſcher Jahresbericht

für bie

Vollsſchullehrer Deutſchlands und der Schweiz.

Im Verein mit

Bartholomäi, Debbe, Gräfe, Hentihel, Kellner, Petſch, Prange, Schlegel und Schulze

bearbeitet und herausgegeben

Anguſt Küben,

Gemtnarbirecetor in Bremen.

Achtzehnter Band.

Leipzig: Friedrich Brandftetter. 1866.

L0 /

‚3P3 IE TU

HAKVARD UNIVERN MRAQUATE SCHOOL OF EDUCATION LIBRARY

JAN 4 1883 I), G d. A I dolle ed‘? wi

c

Inhalts» Berzeihniß.

L Religionsunterridht. Bon Dr. Moritz Säulze. . . : ei

HD. Mathematit. Bon Dr. Fr. Bartboloemät . . . .». . . 75 II. Dieneuefleu Eriheinungen anf bem Gebiete des dent⸗ [hen Spradunterrihts. AZufammengeftellt und befprochen

von Dr. 8. Relner . . . . 2 > 2222er 126

. Literaturlunde Bearbeitet von A. Rüben . . . ». 157

Anſchauungsunterricht. Lefen. Schreiben. Bon A. Lüben 180

Naturkunde Bon A. Lüben. -. - 2 2 0020. 217

Allgemeine Päpagogit. Bon Dr. $. Gräfe. - . . - 267

Zeichnen. Bon A. Lüben. 2 0 nen 352

Jugend- und Bolkoſchriften. Bearbeitet von C. F. Debbe 360 Belang. Mufitwiffenihaft. Orgel⸗, Elavier- und Biolin-

ſpiel. Bon €. Hentidel -. - - >». > 2 2 2 2 nen 385 Geographie. Bon WB. Prange . . . 2 2 2 220. 463 Gedichte Bon A. Plh - - » 2 20222 502

Die äußern Angelegenheiten ber Volksſchnule und ?}. . ihrer Lehrer.

Dentiäland. Bon A. Küben -. -. - - > 2 222. s 567 Die Schweiz. Bon 3.3 Säle . .-. - ... .. 632

Verzeichniß der Schriftiteller.

Helen, 170. Abt, 445.

Benele, 276. Berger, A., 216.

Adermann, 31. 50 (2.) —, 9., 61.

Adams, 364. Addner, 368. Adelberg, 58. 370. Albrecht, 152. Alrebi, 177.

v. Alvensleben, 525.

Andraͤ, 527. Andree, 383. Arnold, 203. Aſſmann, 527. Auguſt, 123. Auras, 211. Autenheimer, 115.

Baader, 816. Baggeſen, 169. Balck, 603. Ballien, 155. Baron, 360. 361. Barth, A., 449. —, €. G., 360. Barthel, 167. Battig, 96. Bauer, 152. Baumblatt, 98. Baumeifter, 178. Beilflein, 264.

Bergner, 460.

Berlin, 245.

Bernhardt, 373.

Bertbelt, 59 (2.) 213. 250.

Berthold, 251.

Beſchnitt, A583.

Befler, 250.

Beumer, 215.

Beuſt, 115.

Billert, 455.

Biihoff, 289.

Bloch, 260.

Blum, 252.

Blümel, 101.

Bodamer, 101.

Bodemann , 59.

Bodenmüller, 54. 265. 266.

Böhme, 93 (2.)

Bolze, 261.

Bone, 153,

Bopp, 259.

Bormann, 292.

Boßhard, 197.

Bopmann, 121. 496.

. Brähmig, 444,

Brandes, 46. Brandt, A., 458. M. ©. W., 251. Brandrapp, 371. Braun, 380. Braäunlich, 102. Bredow, 527. Brehm, 248. Brentano, 152. Brinkmann, 137. Brohm, 449. Bromme, 248. Bronn, 248. Broſig, 455. Brugier, 166. Bruhns, 128. Brünnert, 61. Bühler, 151. Burdard, 460 (2.) 461. v. Burger, 489. Burgwarbt, 205.

Caminada, 138. Gannabih, 492, Gaspari, 73. 865 (2.) Caspers, 78.

Caſſian, 527. Chriftoffel, 67.

Chun, 265.

Chwatal, 445.452. 460.

vi

Glafen, 114. Caudius, 118. Colshorn, 211. Cotta, 375. Cũrie, 256. Eurtmann, 285.

Daniel, 495. Davids, 110, Deinbarbt, 198. Deltzer, 24. Deutih, 59. Dielitz, 564. Dietlein, H. R., 205. —, ®., 558. Dietrich, 87. Dietſch, 551. Döring, A., 173, —, ©., 450. Dixpfeld, 57. 68. Dörr, 149. Dorſchel, 108. Dreßler, 276. Düder, 150. Dulon, 336. Dünper, 174.

Ebeling, 444. Edardt, 51.

Eder, 445.

Eiben, 247.

Eidhofj, 444. Eijelen, 530.

v. Eiterlein, 455. Emsmann, 259.

Erk, 438. 444 (2.) 445. Ernſt, 863. Fack, 491.

Faäſch, 102. 150. Feaur ‚321.

v. Feuchtersleben, 177. Siedler, 349.

Fiſcher, H. L., 530. —, D., 98.

R., 154.

Fittig, 264.

Fliedner, 262 (2.) Foͤrmes, 200. Forſteneichner, 245.376, Foͤrſter, 553. Foßler, 124. Frank, 530. Franke, 143.

v. Sranlenberg, 555. Franz, 365.

—, N, 452 (3.) Fräsdorff, 49. Frich, 261.

Frickart, 113. Fride, 452. Sriahöffer, 101. Fritze, 95. 263. Fröbel, 304. Froͤhlich, 814. Frypell, 581. Fuhr, 197. Yürbringer, 59. 61. 62.

Garde, 361. Gallenlamp, 1283. Gandtner, 122. Gartz, 445.

Georg, 150. Gerftäder, 375. Ofrörer, 533. Gläfel, 198.

Glajer, 497. Gnerlich, 202. 211. Gödele, 211. Goebele, K., 384. Goldammer, 295. Goldhann, 858. Gottſchalg, 102. Gottwald, 452, Götzinger, 150. Graben-Hoffmann, 431. Graf, 150.

Greef, 438: 458. Grimm, 179. Gröfchel, 453. Grofie, 257. 379. Grogfeld, 151, Grube, 172. 533, 534,

Verzeichniß der Schriftfteller.

Gruppe, 168.

Gſell, 359 (3.) Gute, 172 (2.) v. Gugler, 327. Guillemin, 500. Gurde, 2083.

@utelunft, 178. Guth, 110 (4.)

Häberlin, 368.

Hahn, 556, Hartmann, E. F., 285. —, %, 431.

Häfters, 100 (2.) Haug, 141.

Hechel, 125 (2.) Heidemann, 438. Heine, 558.

Heis, 112.

Held, Fr., 444.

v. Held, J. Ehr., 351. Henneberger, 373 (2,) Hentſchel, 103.

Herbit, 534.

Hergt, 67.

Herrfurth, 202. Herrmann, 285. Heufinger, 350. Hibeau, 362. Hiltenlamp , 207. Hirſch, C., 101.

—, W., 449. Hobein, 170. Hoffmann, F. L., 284. —, Frz., 363. 880.

Hoos, 141.

Hoͤpfner, 168.

v. Horn, 363 (2.) 370 (3.) 382. 383.

Hoͤrſchelmann, 489.

Hövelmann, 59.

Hübner, H., 264.

—, D., 498.

Verzeichniß der. Schriftiteller.

Hülftett, 176. Hüttner, 362. Hugelmann, 564.

Köpp, 102. Koppe, 254. „Körner, 371.

Huyſſen, 68. Rortenbeitel, 562. Kojad, 96.

Jaͤger, 373. Rothe, 432. 438. 439.

Jaͤlel, 59 (2.) 213. Kotz, 316.

Janjen, 438. Krebs, 459.

Jaspis, 71. Kretzſchmar, 33. 35.

Saflram, 210. Kreutzer, 111.

‘ber, 56. Krißinger, 374.

Johnſton, 264. Kroymann, 110 (2.)

Sperott, 56. Kühn, 202. Junghänel, 150. 154. Kühne, 204.

| Runge, 439. Kappes, 535. _ Küpper, 488. Keferftein, 248. Kurts, 350.

Kehr, 150. 214. Kurz, 167. 171.

Kebrein, 129. 143. 174. Rüfter, 444. 458.

Reilmann, 102.

Keller, G,, 176. Raban, 257. 258. ‚8. 6., 494. Zange 211 (2.) 537.

Rellner, 151 (2.) 209. Langenberg, 97. 125. 292. 170.

VIL

üben, 200. 206 (2.)

209. 210 (2.) 213, 256. 357.

Zucan, 173.

Ludwig, €. A., A458. —, 53. L., 350.

Lührs, 29,

Lukas, 307,

Luz, 438.

Mad, 455. Mangin, 500 (2.) Marggraf, 540. Marihall, 626. Materne, 40. 62. Maurer, 539. Meirner, 493. Mentel, 56. Menzel, 123.

. Merk, 105.

Meyer (:Hilpburgh.) 501. 462.

—, ®., 438, 452. Minoja, 432.

Kerner, 215. Laudhard, 140. 362. Möbus, 139. 211. Kieſel, 535. Zautenfchlager, 381 (3.) Möbius, 305. Rage, A60. Ledderhoſe, 383. Molitor, 357.

Klatt, 258 (2.) Kleffel, 453. 460. Le Hon, 254. Klein, 444. Lehrer, 198. Kleinpaul, 91. 106 (2.) Leitrig, 70.

Lederer, 287,

Kette, 369. 370. Leonhardi, 73.

v. Klöden, 495. Leunis, 255.

Klofe, 202. Leutemann, 369. Klotzſch, 136. Lindemann, J., 491.

Klusmann, 202. Rnauth, 65. 366. Rnieban, 100. Knigge, 384. Rnupfer, 103 (2.) —, K., 49. Koͤhler, 216 (2.) 296. Lobe, 455.

—, W., 167. Lippelt, 215. Liſzt, 459.

305. Loͤbker, 565. Kolb, 246. Loebnitz, 101. Kolberg, 438. Lommer, 449. Kolde, 51 (2. Lorenz, 455. König, 460. Lorey, 108.

Köpert, 536, 537. .. Lübben, 171..

v.Littrow,3.3.,499.500.

Moofer, 109.

Morf, 283. Moshamer, 365. Mühlbrecht, 455. Diüller(«Heilbronn.) 540.

un ) K., 375. Mushake, 601.

Nade, 200. 206 (2.)

209. 210 (2.) 218, Naumann, 176. Naveau, 369. Neumann, ©., 490. —, ©. €, 452.

—* 199. 861. 540 ..

vm

Niendorf, 104. Niffen, 28. Nitzelnadel, 541. Noad, 51. Nöldele, 69.

Divenwald, 438. Oblert, 113. Dltrogge, 212 (2). Oppermann, 370. Ortmann, 197. Deften, 460.

Dtto, 371. 379 (2).

Paldamus, 213.

Balme, 438.

v. Palmer, 270.

Banig, 135.

Pauliſch, 203 (3).

Par, 444.

Pechner, 204.

Bernat, 216.

Peter, 3. Chr., 158.

—, 9. 49.

Betermann, 59 (2).218. 881.

Pfau, 384. Bfifter, 270. Pflüger, 102, Pierſon, 559. Piſchon, 52. Pladüter, 202. Bohl, 264. Bollal, 104. Poͤtſchel, 202. Preſſel, 384. Preuß, 438. Priem, 371. Prinzing, 68. Prohl, 361. Pröhl, 159.

Haue, 270. Ravoth, 803. Nebau, 248. Rebling, 445. Reclam, 247.

Verzeichniß der Schriftfteller.

Heiler, 94.

Reißmann, 459. Neigel, 438.

Rengier, 209. Renneberg, 541. 543. Reuſch, 178.

Richter, 132 (2). Niede, C. F., 544. —, 6. A., 150. Niedel, 256. 262. 263, Rind, 458. Node, 432. Röder, 200. Röhm, 100. Kohn, 151. Rolfuß, 270. Römer, 252. Rößler, 209 (2). Röth, 371. Ruchte, 263. Rudolph, 149. Rüegg, 286. Ruhſam, 91. Ruland, 289. Ruß, 245.

Sandter, 216. Saupe, 168. 176. Schaͤfer, 167. Scharlach, 124. Scharpf, 100. Schaubach, 373. Schäublein, 438. 449. Scheibert, 288. 294. Scherf, 150. Scherz, 150. 154. Schilbe, 56. Schinnagl, 130. Schlecht, 118. Schlegel, 4. A., 72. —, K. F. 201. Schletterer, 432. 430. 452 (2). 455. Schlimbach, 199. 214. Shlotterbed, 108. Schmidlin, 251. Schmidt, F., 981.

Schmidt, Ferd., 376 (2). %t., 296. 398. -, % U, 249. —, 8., 274.

, K. A, 270. —, RM. 9. 432. Schmitt, D., 124. —, %, 54. 207. Schmig, 150. 158. Schmued, 548. Schnabel, 444.

* Schneider, J. 132.

ud .

Schoͤdler, 246.

Schrop, 857.

Schubert, F. L., 455. 47

Schuler, 62, 152. 200. 439.

Schulz, 127.

Schuſter, 565. Schüge, 27. Schwark, 550. Schwarzloſe, 458. Schwedler, 561. Sederholm, 42 (2). Seebold, 51. Seidel, 175. 297. 838. Seiffart, 500. Seinede, 210.

v. Seld, 379. Sellheim, 104. Selkjam, K., 20%. 2086. —, &, 209. Sering, 459. Seyffarth, 51. Sieber, 432, Silcher, 445. Simrod, 174. 175. Smidt, 366. 867. Sommer, 127. Sönkſen, 491. Spalving, 92: 119. Späth, 863.

Verzeichniß der Schriftiteller IX |

Spieler, 120.

Epig, 122 (2).

Stade, 550.

Stahl, H., 198. 214.

v. Stahl, H., 439.

Stählin, 624.

Stangenberger, 350.

Start, 311.

Steger, 201.

Stein, 349.

Gteinhaujen, 445.

Gtephan, 439.

Steuer, 202.

Etöber, 364.

Gtolley, 431.

Straube, E., 201.

—, %, 498

Stroeſe, 151.

Etubba, 11P. 119 (8).

Stublmann, 357.

Stüßner, 49.

Sulge, 460.

Gutermeifter, 178.

Taſchenberg, 249. Zerlinden, 93. 124, Teſchner, 449. Theobald, 259. Thienemann, 869.

Thierbach, 445.

149 (2).

Troſchel, 3855. 356.

v. Tihudi, 265. Zuma, 432, Zylor, 327.

Uhlenhuth, 879. Ule, 245. Ullrich, C. 145. G., 261. Ulrich, 432. Ulrici, 271. Ungewitter, 66.

v. d. Velde, 501. Vetter, 438. Viole, 460. Vogt, 460. Voigt, 365. Voigtmann, 134. Volcmar, 176. Volkening, 430. Völker, 358. Böllinger, 356.

Bormbaum, 563. Wadernagel, 175.

Dagner, A., 247. —, €, 327. —, 128.

Weiß, J. A., 107. Welder, 101. Welter, 551. Wenck, 262. Werner, 490. Wernicke, 551. Wetzel, E., 144. —, 5%, 144. Widmann, 131. 452. Miede, 125. 262. Miedemann, 364. Wiejendanger, 136. Wigand, 122. Wild, 8., 365. —, % 8., 382. MWildermuth, 270. —, D., 369. Minderlih, 150. Wittſtod, 267. Moebfen, 305. Moldemar, 322, Molf, 63.

Mölfel, 453. Wörle, J. ©. C., 568. —, K. 566. Würth, 215.

Wyß, 153.

d., —, 5 250. 254. 255 Zäh, 445.

—88 450.

Thomas, G. A., 458 (2). Walter, 63.

—, L., 59 (2). 213. Wangemann, 51, 64.

Thumfer, 253. Zieh, 438, Töpfer, 455. Trappe, 261.

Meber, 551 (2). Meegmann, 128. Megener, 137.

Meigeldt, 132 (2).

Zraut, 130. 131. 380. Weib, 538.

Zähringer, 120. 124. Beller, 292.

Biller, 285. Bimmermann, C., 73. —, R., 168. Zitzelsberger, 564. Zſchokke, 259, Zuberbühler, 188. Bimeigle, 460.

Negifter der Sammelwerke, Zeitihriften und anony- men Bücher.

Auswahl geiftlicher Lieder für Schule und Katechiſation, 439.

PBeatushöhle, die. Cine Erzählung ıc., 366.

Bilder zum Anſchauungsunterricht für die Jugend, 199.

Bilvderfibel. Ein Geſchenk für artige Kinder, 205.

Blätter, neue, für die Volksſchule der Herzogthümer Bremen, Berben 2c., 606.

Blüthen chriſtlicher Dichtung, 177.

Erde, die, und das Meer, 500.

Seftreden. Zur Erinnerung an die Enthüllung des Melanchthon⸗Denk⸗ mals, 72.

Fibel. Buchſtabir⸗ und Leſebuch, 204.

Forty-sixth annual Report of the Controllers of public schools etc. of Pennsylvania, 343.

Geſangbuch, chriſtliches, 69.

Geſchichte, die bibliſche, des alten und neuen Teſtaments, 59.

Helilon. 452. Herr Jeſus Chriftus, der, 62.

Cine Sammlung Lieber.

Subeldiffertation des alten Dr. Stiebel, 283.

Katechismus der chriftlichen Lehre ıc. für Rheinhefien, 49.

Katechismus, der Heine, ıc., 52.

Runft, die, des Klavierſtimmens, 455.

Lehr⸗ und Unterrichtsplan, 349.

Lehrer⸗Kalender, 601.

Leitfaden der Geographie, 493.

Leſebuch für die Mittelklaſſen, 208.

Leſe⸗, Schreib: und Spraͤchſchuͤler, ber kleine, 208.

Lieder, deutfche, ıc., 370.

Luthers, Dr. M., Katechismus, 50.

Negifter ber Sammelwerke, Zeitfchriften ac.

—, Ratehiömus, erläutert durch die Bibel ıc., 51.

—, mit einem Anbang, 52.

—, mit Sprüchen, 51.

Rechenhefte, 101.

Regeln für die deutſche Orthographie, 136.

Nepertorium für Sologejang, 452,

Schulblatt, Hannoverſches, 606.

Schulmeiſter, der, von Haſelwang, 382.

Schulzeitung, Hannoverſche, 606.

Sonntagsfreude, 380.

Staatsſchulen, Pennſylvaniſche, 344.

XI

Teſtament, das alte, ıc., 62.

Veberfiht der Thätigkeit des Kaiſerlich Ruſſiſchen Minifteriums ber Volles aufllärung, 322,

Vögel, hundert, aus allen Landern, 256.

Vollserzählungen ıc., 882.

Vorbilder, 383.

Mandtafeln zu F. W. Hungers Hand» fibel, 204 (2).

Winke zum Verſtaͤndniß der Bibel» ftellen, 50.

Bauberflöte, die. Zerterläuterungen 3c., 456.

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I.

Neligionsunterridt. Bon

Dr. Morig Schulze, Sup. und Beirfs-Schuliufpector zu Obrbruf bei Gotha.

Mer e3 ernftlih meint mit feinem Berufe als Religionslehrer, muß auch dem Fortſchritt huldigen. In allen übrigen Zweigen der Päda: gogik wird doch ganz entſchieden von ihm verlangt, daß er mit der Zeit fortfchreite ; wie könnte ihm auf dem Gebiete der Religion diefe Forderung erlafien werden | Steht der ftabile, der reactionäre Lehrer nicht in der ſtets fortſchreitenden Welt da, mie eine Ruine aus alter Zeit? Kann er hoffen, Bertrauen in feinem Kreife zu finden, wenn er aud nur in einem Punkte der Zeitbiloung fremb bleibt oder ihr wohl gar Hohn Sprit? Und Tann es nun vollends ein hriftlicher Neligionslehrer vor feinem Gewifjen vers antworten, wenn er gegen den Kortfchritt fi erflärt? Gilt doch au ihm, und vor Allem ihm, die bibliide Mahnung: Schicet euch in die Zeit! Prüfet Alles und das Gute behaltet! Wachſet in der Erfenntniß !

Einem riftlihen Neligionslehrer, der den Geift der Religion, die er verlündigt, richtig erfaßt und ber fein Auge für die gefchichtlihe Entmwide- lung derſelben ofien erhält, kann es nicht entgehen, daß das Chriften: thum eine Religion des Fortſchritts iſt. Wohl ift vorauszufehen, das diefe Behauptung Manchen höchſt bevenklich erfcheinen wird, die durch biejelbe das göttliche Anſehen unferer Neligton, ihre ewige Giltigleit und Dauer bedroht fehen. Allein betrachten wir näher, mas mit jener Behaup- tung ausgeſprochen ift, jo müflen alle Bedenken dieſer Art ſchwinden.

Iſt das Chriftenthbum, wie ich behaupte, eine Religion des Fortſchritts, fo liegt allerdings darin ver Gedanke ver Veränderlichkeit ausgefpro- hen, mögen wir den Ausbrud „Fortſchritt“ im eigentlichen oder im bild— lihen Sinne nehmen. Was fortjchreitet, bleibt nicht auf der nämlichen Stelle, auf der es fi anfänglich befand, es verändert in jedem Augenblid feinen Standpunkt. Der Wanderer fchreitet fort, indem er fich mit jeden Schritie weiter von der Stelle entfernt, von der er ausging. Der im Un terrichte fortſchreitende Schullnabe erleidet eine Veränderung, indem er an

Päd. Jahresbericht. XVII. 1

2 Religionsunterricht.

Kenntnifien zunimmt, immer Neues zu dem ſchon Erlernten binzulernt, im: mer mehr der Fertigleiten und Gefchidlichleiten fich erwirbt. Der Wagen, das Schiff, der Himmelstörper fchreiten fort, indem fie ihren Standpunkt gegen benachbarte Gegenjtände verändern, und in ihrer Laufbahn fortrüden. Es ift alfo keine Frage: „Fortſchreiten“ fchließt den Gebanten ber Ver: änderung in fih ein. Bezeichnen wir alfo das Chriftenthbum als eine Religion des Fortſchritts, jo jagen wir damit aus, daß aud auf das Chri⸗ ftentbum der Begriff der Beränderlihleit anzumenven, daß es nicht zu allen Zeiten fich gleichgeblieben fei, daß es im Laufe der Yahrhunderte jehr verfehiedene Geftaltungen angenommen habe. Und denken wir babei nur an die äußere Erſcheinung der chriftlihen Neligion, nur an das Ger wand, in dem fie auftritt, fo wird, jo kann an biefer Bemerkung gewiß Niemand Anftoß nehmen. Die Religionsgefdhichte lehrt ung ja zur Genüge, wie ſehr die Formen der Belenntnifie gewechjelt haben, wie viele Parteien in der einen chriftlihen Kirche entftanden, wie verjchieden die Confeſſionen berfelben find, und ſchon der Schullnabe weiß es, mie weit unfer proteftan- tiiher Glaube von dem der katholiſchen Kirche fi entfernt hat. Über von etwas ganz Anderem ift die Rede, wenn wir das Chriſtenthum eine Reli: gion des Yortjchritts nennen: nicht von den äußeren Formen, in benen es auftritt, fondern’ von feinem innerften Kern, von den Lehren Jeſu ſelbſt. Wir behaupten, daß auch fie einer allmähliden Fortbildung fähig find, daß fie weiter und weiter fih entwideln, daß das in ihnen Gingebüllte mehr und mehr zu Tage kommt, ungefähr ebenfo, wie aus dem Samenlorn bei günftiger Witterung die Pflanze fih entwidelt. Aber, höre ich fagen, iſt diefe Anfiht nicht eine Gottegläfterung? ift fie nicht Verfündigung an Gottes Wort ? ift nicht die Religion, zu der wir uns befennen, eine göttlihe Offenbarung? fagt nicht Je fus: „Meine Lehre ift nicht mein, fondern dei, der mich gefandt hat ?“ Gott ſelbſt hat aljo durch Jeſu Mund zu uns geredet, er, der Gwige und Unveränvderliche, der keinem Irrthum unterworfen ift und feinen feiner Rathſchlüſſe zurüdnimmt, er, der ewig Wahrbaftige, der Allvolllommene. Was er jagt, bleibt ewig wahr; was er thut, bleibt ewig volllommen. Wohl haben Menihen fein Merk oft verborben und verderben es noch, baben fi erbreiftet, ihm nachbeſſern zu mollen, haben ihre Erbichtungen feinen Belehrungen untergefhoben, haben fein Wort nah ihren menſch⸗ lihen Einfällen verdreht. Aber alles Dies ift au in den Fluthen der Beit wieder untergegangen oder erwartet noch feinen Untergang. Nur was von Gott ift, die von ihm geoffenbarte hriftlide Wahrheit bleibt ewig fteben ; denn fie ift volllommen : fie bedarf keiner Nachbeſſerung, tei- ner Ergänzung, feiner Läuterung. Sie ift eben darum keiner Verän— derung unterworfen; es ift Frevel, bei ihr von „Fortſchritt“ zu reden. Um dieſer Widerrede und Anklage gegenüber den Fortſchritt des Chriftentbums in's rechte Licht zu feßen, antworte ih zunähft mit einem aus der Erfahrung genommenen Gleich niß. Der Landmann betradtet das Samenkorn nur nad feiner äußeren Geſtalt; er weiß, wie es ausjeben, wie es fich anfühlen, welche Farbe, welche Schwere ed haben muß, wenn ed gut genannt werden und für feine Zwede tauglich fein fol. Ein An«

Religionsunterricht. 3

berer bleibt nicht blos bei ver Betrachtung der Außeren Hülle ſiehen: er zerlegt das Samentorn in jeine Beftanptheile und entdedt darin einen Keim, der von Samenlappen eingeſchloſſen if. Noch ein Anderer unters ſucht es mit dem Mirofeope und nimmt in bem fleime ſchon die Haupt: tbeile der künftigen Pflanze wahr: das MWürzelhen und den Stengel, der fih über die Erde erhebt. Der Chemiler endlich weiſt in demjelben durch weitere Unterfuhungen auf's genauejte dad Quantum des Nahrungsftoffes nad, das ihm eigen iſt. So findet jeder nachfolgende, tiefer blidende For: ſcher in dem gleihen Samentorn mehr, als fein Vorgänger. Wie nun, beißt das die Werle Gottes tadeln, fie ändern, fie beilern wollen, wenn der Mann des Fortichritt3 mit Hilfe der fi meiter entwidelnden Wiſſenſchaft durch fortgejegte Forſchungen immer mehr, immer Befleres, immer Gehalt- volleres in ihrer Einrihtung erfennt? Muß es nicht vielmehr unfre Bes munderung der ewigen Weisheit fteigern, die in das eine Samenlorn fo . viel für den denkenden Beritand zu legen wußte, daß berjelbe immer Neues an demſelben entvedt ?

Auf ähnliche Weife verhält es fih mit dem Worte der heiligen Schrift. Es liegt in demjelben ein fo vielfadyer, tiefer Sinn, daß mir nicht hoffen dürfen, ihn jemals ganz zu erihöpfen. Je öfter wir die Aus: ſprüche unfer8 großen Erlöferd durchdenken und je beſſer wir dafür vor: bereitet find, ein deſto größerer Gedankenreichthum fchließt fi in ihnen ung auf. Sf es aljo zu verwundern, wenn in Jeſu Lehren der Eine mehr, der Andere weniger findet, ver Eine beim nächſten Sinne der Worte ftehen bleibt, der Andere einen entfernten und tiefer liegenden Sinn in ihnen entdedt? ift ed zu vermundern, wenn bie eine oder die andere biejer An⸗ fihten bei Solden, die gleiher Gefinnung, gleihen Streben, gleiher Bils dung find, Anklang und Eingang findet, in weiteren Kreifen fi) verbreitet und die religiöfen Bebürfniffe ganzer Gemeinden ſammt ihren Anforderun: gen an. die chriſtliche Kirche dadurch ſich ändern ? Diefe Veränderung hängt offenbar mit der fortfohreitenden geiftigen Bildung bes Men— fhen zufammen. Sie treibt ihn mehr und mehr von den Aeußerlich⸗ keiten fih abs und dem inneren Kern der Wahrheit fih zuzu— wenden.

Darin aber beftehbt das, was ih den Fortſchritt des Chriſten— thums genannt habe. Die beforgten und fo leicht zur Verketzerung ges neigten Gegner mögen fih aljo beruhigen. Nicht in einer Beräns derung der Lehren felbft befteht der Fortfchritt, um den es fi bier bandelt, fondern in einem rihtigeren Verſtändniß und tieferer Auffaffung derſelben von Seiten der Menjhen. Es wird damit nicht behauptet, dab Gottes Wort mit der fortfchreitenden Beit vervolllommnet, wohl gar von den Menſchen durch ihre zunehmende Einſicht verbefiert werde, fondern nur, daß der Kern des reinen und wahren Chriſtenthums immermehr entwickelt werde, daß bie Menſchen zu einer immer rich: tigeren Ertenniniß des goͤttlichen Worts gelangen, je mehr ſie an wiſſenſchaftlicher Bildung zunehmen, je mehr ſie von herrſchenden Vorurthei⸗ len ſich losmachen.

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4 Religionsunterricht.

Wenn nur biefe Vorurtheile nicht bei Vielen jo mädhtig und feftitebend geworden wären, daß fie ganz blind find gegen bie überzeugendſten Gründe der Vernunft und der Erfahrung ! Sie haben Augen und jehen nicht; fie baben Obren und bören nidt. Sie verleugnen die nad immer fort: ſchreitender Erkenntniß der Wahrheit verlangende Natur ihres eigenen Geiftes. Sie überhören die Mahnung des von ihnen jelbit über Alles hochgeſchätzten göttlihen Worts: zu wandeln, nicht wie bie Kinder der Finſterniß, jondern wie die Kinder des Lichts, zu fors Shen in ver heiligen Schrift, ob ſich's auch aljo halte, zu prüfen und das als gut Erfundene zu behalten, zu wachſen und je mehr und mehr reih zu werden an Erkenntniß und Erfahrung, nicht zu mäh: nen, daß man es ſchon ergriffen babe, fondern dem nachzujagen, daß man’s ergreifen möge. Sie überjeben ganz die Erfahrungen ihres eignen Lebens, ihrer eignen geiftigen Entwidelung ; denn koöͤnnen fie leug- nen, daß ihr Glaube feit ven Jahren ihrer Kimpheit ein anderer, daß er mehr geworden ift und immer mehr werden kann ? Sie überfeben ganz die Ergebnifje der Gejhichte des Gottesreichs, die ja fo au: genſcheinlich ein Fortfchreiten des Menſchengeſchlechts in feiner religiöfen Bildung befunden. Sie erlennen in derjelben den fortſchreitenden Stufen: gang der Offenbarungen, den aud die heilige Schrift andeutet, wenn fie fagt: „Nachdem Gott mandmal. und mancherleimeije zu den Vätern ge: redet bat durch die Propheten, hat er am lebten zu uns geredet dur den Sohn’ ; aber gleihmwohl erkennen fie es nicht an, daß Gott auf Grund bie: jer „lebten“, dieſer volllommenften feiner Offenbarungen das Menſchen⸗ gejchleht in jeiner religiöfen Bildung meiter und immer weiter geführt jeben will. Nicht einen Stillftand derfelben follte die Lehre Jeſu berbei- führen, ſondern vielmehr eine Anregung geben zu fortfchreitender Erkennt: niß der Wahrheit. Darum verhieß auch der Stifter unjrer Religion fei- nen Süngern, daß fie der heilige Geift, der Geift feiner Offenbarung, der Geift des Worts, der lebendig macht, fie in alle Wahrheit leiten ſolle. Und fo fehen wir ja auh an den Apoſteln, nicht nur daß, fonvern auch wie fie fortfhritten auf Grund der Lehre Jeſu. Ich erinnere nur an den Streit derfelben über die Aufnahme der Heiden in’s Chriften: thbum und mie endlih dem Petrus ein Liht aufging, daß er ſprach: „Run erfahre ic es in der Wahrheit, daß Gott die Perfon nicht anfieht, ſondern in allerlei Bolt, wer ihn fürdtet und recht thut, der ift ihm angenehm.” Die Gegner des Fortſchritts überſehen aber auch ganz und gar, wie überzeugend die Geſchichte des Chriftenthbums ein Hortfchreiten in unferm Sinne nadhmeilt, überzeugend für Jeden, der ſehen will; denn zu allen Beiten, aud in den dunlelften, gab es einzelne Män: ner und ganze Gemeinden, die ihrem Jahrhundert vorangeeilt waren. Sie überfehen ja, und das ift ganz befonders auffallend, daß Luther jelbft, auf defien Worte fie ſchwören, ein Mann des Fortfchritts war, und daß der Geilt des Broteftantismus ein Geift des Fortjchritts if.

Einen geößeren Yortjchritt des Chriftentbums bat die ganze chriftliche Religionsgefichte nicht aufzumeifen, ald in dem großen Werfe der Refor: mation. Gelbit die ftabilften Orthodoxen preijen fie als die fegensreichfie

Religionsunterricht. 5

Sntwidelungsepohe des Chriſtenthums. Zwar betrachten fie die Refor- mation nicht ſowohl als einen Yortjchritt, jondern vielmehr ala einen Rüdjchritt zum reinen Svangelium ; aber dennoch werden fie, wenn fie auf: richtig fein wollen, nicht leugnen können, daß die Rirhenverbejjerung wiflih ein Fortſchritt zum Befleren war, daß fie das war, was id oben als Fortfchritt des Chriſtenthums bezeichnet habe: eine Entwidelung, richtigerer Erlenntniß des wahren Chriſtenthums, ein bejleres Verſländniß und eine tiefere Auffafiung feiner Lehren. Luther war aber ein Mann des Fortſchritts nicht nur beim Beginn feines großen Unternehmens, jondern er blieb e3 fein ganzes Leben hindurch. Er ſchritt von einer Ber: bejlerung des Krütlihen Weſens zur anderen fort; er drang immer tiefer in den Sinn des göttlihen Wortes ein und erklärte, daß er immer ein Schüler der heiligen Schrift bleibe, mit deren Grlenntniß er nimmer fertig werde ; er hatte in dem Streben nah der Wahrheit nimmer fih genug getban und weit entfernt, fein Wert als vollendet und unverbeſſerlich zu betrachten, ſprach er vielmehr noch in feinen lebten Tagen den Wunſch aus, daß es Andere nah ihm beſſer mahen möchten. Er felbjt aljo, der Mann des Fortjchritts, forderte zum Fortjcritt auf; und wie ihm von feinem feiner Anhänger, auch nicht von den jtrenggläubigften, der Vor⸗ wurf gemadt wird, er ſei als Mann des Fortſchritts, der er unleugbar war, von der chriſtlichen Kirche abgefallen, jo follte doch dieſer Vorwurf auch benen nicht gemacht werben, die in feinem Geift auf der Bahn des SortjchrittS weiter geben.

Berehtigung, ja die Verpflihtung zum Fortſchritt gibt und aber auch der Geift des PBroteftantismus. Diefer ift offenbar nicht ein Geiſt der Stabilität, fondern ein Geift des Fortſchritts, wie ja die Reformation jelbft ein Fortfchritt war. Es ift ganz vergeblibe Mühe, zu beweijen, daß Zutber und jeine Mitarbeiter ein unabänderlihes, für ewige Zeiten giltiges und bindendes Glaubenöbelenntniß hätten feitftellen wollen. Nicht einmal die proteftantiihen Bekenntnißſchriften, auf deren unbevingte Gel: tung und Befolgung die dem ftarren Confejjionalismus Ergebenen mit fo großem Eifer dringen, wollen für eine unabänderlihe Lehrnorm gehalten werden. Dies zu beweijen, genügt die Anführung einer Hauptftelle aus der Concordienformel, dur welche bekanntlich der ſtrengſte Luthera⸗ nismus feitgejtellt werben jollte. Sie jagt: „Wir glauben, lehren und be fennen, daß allein die einzige Regel und Rihtihnur, nad wel- cher zugleih alle Lehren und Lehrer gerichtet und geurtheilt werben jollen, feien allein die prophetiihen und apofloliihen Schriften des alten und neuen Zeftamentes. Andere Schriften aber der alten oder der neuen Lehre, wie fie Namen haben, follen ver heiligen Schrift nicht gleich gehalten, ſondern allzumal mit einander berjelben unterworfen, und anders niht angenommen werben, denn ald Zeugen, meldergeftalt nad ber Apoftel Zeit, und an weldhen Orten ſolche Lehre der Propheten und Apo: ftel erhalten morben." Nachdem nun die Concorbienformel biefe Zeugen namentlich aufgeführt hat, nämlich die drei allgemeinen Symbole, die Augs- burgiſche Eonfefiion, die Apologie derſelben, die beiden Gatechismen Luthers und die Schmalkaldiſchen Artikel, fährt fie fort: „Solchergeſtalt wird ver

6 Religionsunterricht.

Unterſchied zwiſchen den heiligen Schriften alten und neuen Teſtaments und andern Schriften erhalten, und bleibt allein die heilige Schrift der einzige Richter, Regel und Richtſchnur, nad welcher als dem einzigen Probirſtein ſollen und müflen alle Lehren erkannt und beurtheilt werben, ob fie gut oder bö3, vecht oder unrecht ſeien. Die anderen Symbole aber und angezogenen Schriften (nämlich die Augsburgifhe Confeffion u. f. w.) find nicht Richter wie die heilige Schrift, fondern allein Zeugniß und Erklärung des Glaubens, wie jederzeit die heilige Schrift in ſtrei⸗ tigen Artileln in der Kirche Gottes von den damals Lebenpen ver: ftanden und ausgelegt, und die bderjelben mwidermärtige Lehre ver worfen und verdammt worden iſt.“ Bedarf es meiter Zeugniß, daß das oberfte Princip des Proteftantismus das ift: Die heilige Schrift als einzige zuverläjfige und richtige Erlenntnipquelle chriftlicher Glaubens⸗ und Lebensregeln zu betradhten, daß die ſymboliſchen Bücher felbit ihre innere Autorität nur allein in ihrer Uebereinfiimmung mit dem Worte Gottes ſuchen, daß viefelben nur als Zeugniß für den fchriftgemäßen Glauben der damals lebenden Proteftanten, wie er nach dem Stande damaliger Beitbildung erfaßt werden konnte, angejeben fein wollten, und daß mithin auh den nahfolgenden Geſchlechtern dad Recht zufteht, den chriftlihen Glauben nad den Lehren der beiligen Schrift zu prüfen und die Lehrſätze, die fie nad dem Stande ihker Zeit⸗ bildung als nicht in derjelben begründet erachten , reiner und richtiger bar: zuftellen.. Wir könnten alfo nicht wahre Proteftanten fein, wären wir nicht auch Freunde des Fortſchritts.

Auf Grund des Schriftprincips ift denn auch in der That die pros teſtantiſche Kirche fortgefhritten und es bat fi dur die unabweis⸗ baren Nefultate der immermehr fih entwidelnden tbeologifhen Wiſſenſchaft und des allgemeinen Culturzuftandes ſehr viel in dem Glaubensbes wußtfein der proteftantifhen Seiftlihen und Laien geän: dert. Es läßt fih dies an vielen Lehren deutlih nachmeilen ; bier aber mögen einige Beilpiele genügen. Bor Allem ift die wichtige Ver: änderung zu erwähnen, welche fih mit der Lehre von der Inſpiration der heiligen Schrift zugetragen hat. Man hielt an der Ueberzeugung felt, daß jedes Wort, jeder Sab in der Bibel göttlihe Offenbarung fet, weil fie der heilige Geift den Verfaſſern derſelben eingegeben, gleihfam im die Feder dictirt habe. Dieſe Vorftellung mußte fich aber bei denkenden Theologen bald als unbhaltbar ergeben, und ſchon Carpov gab in feinem Syſtem der Dogmatit (1737) zu, daß die heilige Schrift in mathematifchen und phyſikaliſchen Dingen nicht nach der objectiven Wahrheit, ſondern nach dem jubjectiven Schein fprehe, und Baumgarten in feinem Syſtem der Dogmatit (1757) leitete die Einrichtung und den Stil und Bortrag der bibliſchen Bücher von ihren DVerfaffern ab und behauptete, daß fie bei Er⸗ jorfhung. der Gegenftände ihrer Berichte Fleiß und eigenes Nachdenken hät ten anwenden müfjen und daher auch in mande Heine chronologiſche und hiſtoriſche Fehler verfallen feien. Aber eine noch weit größere Veränderung erfuhr die Inſpirationstheorie durch die Profefloren Semler zu Halle und Ernefti zu Leipzig, jener durch feine Unterfuchungen über den Canon und

Religionsunterricht. 7

feine biftorifchscritifhen Schriften, dieſer durch bie richtigen Grundſätze der Bibelerllärung, die er in feinem Lehrbuch der Auslegung des Neuen Teſta⸗ ments (1761) aufftellte. Als nun die Fortfchritte in der Bibellunde, Bis belauslegung, Zerteritit, Sprachwiſſenſchaft, Alterthbumstunde, fowie der Phis Iojopbie, namentlid der Pſychologie und Anthropologie, der Geſchichte, der Aftronomie, der Geognofie und anderer Miffenichaften immer weiter fich ver breiteten und die Anfichten der gebildeten Laien fehr veränderten, mußten auch die Theologen zum Fortbau ihrer Wiſſenſchaft ſich entjchließen, wenn fie nicht in immer größeren Widerſpruch gegen die Cultur der Zeit treten und ihrer befchräntten Anſicht wegen mißachtet fein wollten. So ftellte ſich denn immermehr heraus, daß auch die Bibel vom mifienfchaftliden Stand» punkte aus zu beurtheilen, daß fie rüdfichtlich ihrer Abfaſſung menſchlichen Urſprungs, dak wohl Gottes Wort in der Bibel, aber nicht die Bibel Got⸗ tes Wort fei. Nachdem nun diefer Hauptgrundfag feſtſtand und bei fort gefeßter Prüfung ein immer befjeres Verſtändniß der heiligen Schrift erzielt wurde, verbreitete fi auch ein reineres Licht über fo manche Kirchenleh⸗ ren. Die ſymboliſchen Bücher erflären fih ganz entſchieden für die Drei- einigkeitslehre; aber wie viele Veränderungen hat diefelbe im Laufe der Zeit erlitten, da es Vielen wie Luther erging, der da fagte: „Es ifl ein näriih Ping vor der Vernunft, daß Drei Eins fein follte”‘, umd fie durch allerhand Grllärungen fi zu helfen fuchten. Die fortgefchrittene Bibelerllärung känn fie nicht mehr als giltig anerfennen ; die Hauptitelle 1. Joh. 5, 7, die allereinzige im: ganzen Neuen Zeftament, in welder ge fagt wird: ‚‚Diefe Drei find Eins”, ift als unecht ermwiefen ; ja, ſelbſt Eis ner der ftrenggläubigften Orthodoxen, der verftorbene Sup. Hahn in Bres⸗ lau, bat eingeftanden, daß die Säbe des athanaſianiſchen Symbolums über die Dreieinigteit fich gegenfeitig aufhöben oder zum Tritheismus führten. Wie fegensreich ift die große Veränderung, die mit ber Lehre vom Teus fel vor fi gegangen ift, eine Veränderung, die uns nicht nur von dem Hexenglauben befreit hat, der noch bis in die erften Decennien des vorigen Jahrhunderts über fo viele unfchuldige Perſonen namenlofe Folter: und To⸗ desqualen bradte, fondern die und auch frei gemadt hat von ber Furcht vor den Verführungen durch die Gewalt des Teufeld, an bie auch Luther noch glaubte, obgleih Johannes verfihert, Jeſus fei gelommen, daß er die Werke des Teufels zerftöre, und obgleich Jacobus fo beftimmt lehrt: „Ein Segliher wird verfuht, wenn er von feiner eignen Luft gereizet und gelodet wird.” Wie ganz anders wird die Schöpfungsgejchichte, bie Lehre vom Chbenbild Gottes, vom Sündenfall, von der Erbfünde, vom Dpfertode Jeſu und von vielen anderen Lehren jebt aufgefaßt, als in den ' fombolifhen Büchern! 68 ift darüber fchon genug geichrieben und aud) von mir in früheren Referaten des Jahresbericht bemerkt morden. Jeder aljo, der fehen will, wird erfennen, daß die proteftantifche ſKirche keineswegs die Geifter in Feſſeln ſchlagen und in Menſchen⸗ fagungen bannen will (denn Menfchenfabungen find ja doch die bei ihrer Entftehung als „Beugnib des von den „damals Lebenden‘ für echt evan⸗ geliſch ertlärten Glaubenslehren und die darauf gegründeten Confeffionen), Sondern vielmehr fortfchreitende Entwickelung chriſilicher Erkenntniß

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8 Religionsunterricht.

der Wahrheit auf Orund des Schriftprincips jedem Proteftanten zur Pflicht macht. Ebenſo wird Jeder, der ſehen will, leicht erkennen, daß in der That ein großer Fortſchritt geſchehen iſt, daß die Zeitſtrömung Alle mit ſich fortgeriſſen hat, daß ihr auch die Strenggläubigen nicht haben wider: ftehen fönnen, ja daß ihr Einfluß jelbit in den Schriften der Orthodoxeſien ſich nachweifen läßt. -

In richtigem DVerftändniß des proteftantishen Princips und in treuem Feſthalten an demfelben, aber auch in gerechter Würdigung der Forderungen des gegenwärtigen Gulturzuftandes haben in unjern Tagen evangelifch : ges

ſinnte Männer einen Bund gefchlofien, der die Fortbildung ber proteftantiichen

Kirche in Lehre und Verwaltung bezwedt. Sein Name „Broteftans tenverein“ bezeihnet beutlih genug den Boden, auf welchem feine Mitglieder ftehen, und den Zwech, dem fie dienen. Gr ſchließt Keinen aus, der ein Herz für's deutſche Boll und für die proteftantifche Kirche hat; er umfaßt Männer der verſchiedenſten tbeologifhen Nihtung und Abt Duld⸗ ſamkeit gegen Jeden, ver nur Liebe zur heiligen Sache hat und von bem eifrigen Streben befeelt ift, durch meiteren, zeitgemäßen Ausbau der pro⸗ teftantifchen Lehre und Verfaſſung zur Förderung chriftliher Wahrheit und chriſtlichen Gemeindelebens mitzuwirten. Es follte aber auch kein protejlans tiſcher Lehrer von diefem Verein ſich felbit ausichließen ; er verleugnet ja fonft den Geift des Fortjchritts, den wir aus allem bisher Geſagten als den Geift des Chriftentbums und des VProteftantismus erlannt haben. Der Lehrer fol fich ja ſtets auf der Höhe der Zeit halten, und liegt ihm daran, insbeſondere feinen Religionsunterricht zeitgemäß fortzubilden, um denſelben mit dem Leben, das ihn umgibt, in Einklang zu bringen, und Chriften der Gegenwart, nicht Chriften des Mittelalters zu bilden, jo darf er auch gegen die überaus wichtige Zeiterfcheinung des ‘Proteftantenvereins nicht gleich gültig bleiben.

Ehen deswegen ift aber auch im biesjährigen Jahresbericht als em hervorragendes Greigniß des vorigen Jahres

Der erjte deutſche Proteftantentag, gehalten zu Eifenad am 7. und 8. Juni 1865, zu erwähnen und auf die Schrift binzumeifen, melde dieſen Titel führt (Elberfeld, bei Friedrih, 1865. 12 Sgr.).

Wohl find die Männer, melde den Proteftantenverein fchlofien, ver: jhieden nad) Stand und -Beruf, verſchieden auch nad ihrem religiöfen Standpunkt, aber eins in der Liebe zur proteftantiichen Kirche und voll Ei⸗ fers, ihr durch zeitgemäße Fortbildung in Lehre und PVerfafiung eine wür⸗ digere Stellung und fegensreihere Wirkſamkeit zu fihern. Der Rame des Veroins deutet hinlänglih an, daß feine Mitgliever auf dem Boden „des evangeliichen Chriſtenihums“ ftehen und daß fie von den Grundprincipien des Proteftantismus fi leiten laſſen. Der Zweck veflelben ift in dem Statut deſſelben kurz ausgeſprochen: „Erneuerung der protelan- tifhen Kirche im Geifte evangelifher Freiheit und im Eins Hang mit der gejammten Culturentwidelung unfrer geit.“ Im einzelnen ſetzt es ſich zum Zwed:

Religionsunterricht. 9

1) Den Ausbau der deutſchen evangeliihen Kirhen auf der Grunds lage bes Gemeindeprincipg je nad den befonderen Berhältnifien der vers ſchiedenen Länder mit deutſcher Bevölkerung, fowie die Anbahnung einer organischen Verbindung der Landestirchen ;

2) Die Belämpfung alles unproteftantifchen hierarchiſchen Weſens ins nerhalb ber einzelnen Landeslirchen und die Wahrung der Rechte, Ghre und Freiheit des deutſchen Proteftantismus ;

3) Die Erhaltung und Förderung chriftliher Duldung und Achtung zwiſchen den verfchiedenen Gonfeffionen und ihren Mitgliedern ;

4) Die Anregung und Förderung des chriſtlichen Lebens, ſowie aller der Kriftlihen Unternehmungen und Werke, welche die fittlihe Kraft und Wohlfahrt des Volks bedingen.

Welcher Proteftant, und namentlich welcher proteftantifche Religions: lehrer, der nicht ganz von dogmatifchen Vorurtheilen und unduldfamem Nes ligiongeifer befangen ift, follte fih nicht einem Verein mit ſolchem Zwecke von ganzem Herzen zuneigen ? Oder kann er Proteftant fein, wenn er nicht aud proteftirt gegen Alles, was gegen den Fortſchritt des won Luther be- gonnenen Reformationsmwerls ftreitt ? Und „wogegen proteftirt der Proteftantenverein?“ Diefe Frage hat einer der würbigften, gelehr: teften und erfabrenften Geiftlihen des Herzogthums Gotha (Sup. E. Här: ter) in der Both. Landeszeitung fo trefilich beantwortet, daß ich mic nicht enthalten kann, fie bier wörtlich mitzutbeilen.

Er fagt: „Warum bat der Proteftantenverein, deſſen Übfichten durch⸗ aus friedliche find, dennoch einen Namen ſich beigelegt, der ziemlih kampf: luſtig klingt? Hätte er fi nicht lieber den evangelifchen oder den chriftlich- irenijhen Derein nennen jollen? Die Antwort liegt nahe. Der Berein war fi bewußt, daß er bei aller Friedensliebe doch nach entgegengejeßten Seiten bin zu proteftiren haben werde.

ft jeine Abfiht, den chriftlihen Glauben und die Wiſſenſchaft mit einander auszugleihen, fo kann er einmal nicht zugeben, daß der Glaube der wahre fei, der fih um die unbeftreitbarjten Ergebnijje der Wiſſenſchaft niht fümmert, oder ihnen ohne haltbare Gegenbeweije widerſpricht. Dagegen wird er ebenjo ernſtlich ſolchen Freunden ber Wiſſenſchaft entgegentreten müfjen, welche den chriftlihen Glauben, auch den Slauben deſſen, der für die Wahrheit zu zeugen gelommen war, durch die Wiſſenſchaft für widerlegt und überwunden auszugeben (1. Ror. 8.). Auch ift gegen bie zu proteftiren, welche den Bwiefpalt des Glaubens und der Wiſſenſchaft für unausgleihbar er: tlären, obgleih der Glaube, was ihm die Willenfchaft zu feiner Begrün- dung bietet, gern benußt, und obgleih die Wiſſenſchaft denen, welche ihren Forſchungen und Berehnungen nicht zu folgen vermögen, deren Nefultate doch zu gläubiger Annahme empfiehlt.

‚Der Proteftantenverein proteftirt gegen den Aberglauben, weil, und gegen den Unglauben, inſo weit derſelbe unvernünftig ift, gleich: wie aud der Herr gegen die Unvernunft (Marl. 7, 22) proteftirt hat. Ges gen beide nimmt er den Glauben in Schuß, welcher Licht, Kraft und Zroft gewährt, und er ſchaͤtzt diejenigen Glaubenswahrbeiten am höchſten, welche

10 Religionsunterricht.

nicht dem einen oder dem anderen Bebürfniffe, fondern allen dreien gleich: mäßig entgegenlommen.

Der unkirchliche Sinn fo vieler unfrer Zeitgenoſſen iſt dem Pros teftantenverein keineswegs ein erfreuliches Zeichen der Zeit, vielmehr ift es ihm eine wichtige Angelegenheit, dahin zu wirten, daß die Mittel zur Hei: ligung zwedmäßig gebraudt werden. Demnach widerſpricht er ſowohl des nen, welde die Tage des Herm einzig und allein materiellen Zweden und Genüflen weihen, als aud denen, weldhe durch orbnungsmäßige Eonntags: feier allein ſchon den vollgiltigen Beweis ihres Chriſtenthums führen zu lönnen, vermeinen.

Der Wunfh des Proteftantenvereind, den einzelnen Gemeinden grö: Beren Einfluß auf die Leitung und PBermwaltung der äußern und innen kirchlichen Angelegenbeiten zu verjhaffen, wird ihm den Widerſpruch Derer zuziehen, welche zunädft in dieſer Beziehung mohl- gemeinte Berathung der Gemeinden wünſchenswerth erachten, bezügli aber auch den Kampf gegen die, welche Willlür an die Stelle ber Freiheit feßend auch in kirhlihen Dingen ihre Sonderinterefien. keinen Augenblid aus den Augen zu feßen gewohnt find. Als Freund der Reformation und als Feind confeffionellen Haders wird der Proteftantenverein gegen die zu pro: teftiren haben, welche no in confejfionellen Borurtheilen befan» gen leben, nicht minder aber auch gegen die, denen Duldſamkeit nichts als Gleichgiltigkeit ift, und die den Werth oder Unwerth eines Gonfef: ſionswechſels nad den materiellen Vortheilen oder Nachtbeilen bemeſſen, welche derjelbe in feinem Gefolge hat.

Doch es bedarf wohl nicht die Häufung von Beifpielen um nachzu⸗ weifen, daß der Proteftantenverein feinen Namen nit mit Unrecht führt, daß er gegen Undriftenthbum und Scheindriftenthbum zu proteftis “ven bat, und daß ihm die Zuftimmung und Beihilfe Derer, welche das Chriftentbum nad feinem wahren Werthe ſchaͤtzen, fehr zu wünſchen ift.

Seine Aufgabe ift eine große. Möge ed ihm gegeben fein, das un- veräußerlihe Reformationswerk der Kiche auf eine ebenfo gemifienhafte, uneigennüßige, gottinnige Weife in unfrer Zeit zu üben, als ed von ben - Reformatoren und den erften Freunden und Beförberern ihrer Veftrebungen vor drei Jahrhunderten geſchah! —F

Daß dieſer Wunſch in ſchöne Erfüllung gehe, iſt gewiß das herzliche Berlangen aller wahren Freunde der proteſtantiſchen Kirche und des deut⸗ fhen Volles, Und geht er in Erfüllung, welch eine heilſame Wirkung des echt proteftantiihen Sinnes und Strebens wird fih dann auch im Kreiſe der Lehrer kundgeben ! Wie viel biblifcher, wie viel einfacher, wie viel frucht: barer wirb fih dann der Religionsunterricht geftalten! Der Lehrer wird dann zwar immer in gerechter Würdigung der hoben Verdienfte unfrer großen Reformatoren und in aufrichtiger Bewunderung des großen Forts ſchritts, den burd fie die chriftliche Lehre gemacht hat, aber doch auch ein= gedenk feines proteſtantiſchen Berufs, die weitere Fortbildung des Nefor: mationswerks fördern zu helfen, ſich bemußt werben, was es heißt und wie jehr es feine Pflicht ift, ein proteftantifcher Lehrer des 19. Jahrhun⸗ derts zu fein. Gr wird fi freuen, daß er, frei von hierarchiſchen Drud

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und von den Feſſeln des Symbolzwanges, dem beſſeren Gefühl feines Her⸗ zend ungehindert folgen und fih ganz der reinen Chriftuslehre hingeben fann. Es wird nit nur in Einklang ftehen mit dem Leben der mächtig fortgefohrittenen Zeit, fondern auch, was noch meit höher anzujchlagen ift, mit fich felbft; er wird Ruhe finden für feine Seele, indem das Gemifien ibm bezeuget, daß er es redlich mit der Wahrheit meint.

Mag es aber immerhin no viele Lehrer geben, die ihren Proteftan- tismus nur im Fefthalten am Buchſtaben der ſymboliſchen Schriften ſuchen, es wird die Zeit kommen, wo aud fie erlennen werben, daß biefe Schriften, weil fie menſchlichen Urfprungs find, ihre großen Mängel haben, und daß überhaupt der Reichthum der evangeliihen Wahrheit viel zu groß und uns erihöpflih ift, ald daß er in bleibenden, für alle Zeiten giltigen Belennts nißſchriften aufgeftellt werben könnte. "Man kann höchftens fo viel davon geben, als das gegenmärtige Zeitalter davon erkannt bat; ein fünf: tiged Gejhleht wird tiefere Blide thun und wielleiht nit wenig ſich wun⸗ dern, wie fehr auch wir noch an der Echale gehangen.

Mag es immerhin Viele geben, die es dem Proteftantenverein zum Vorwurf machen möchten, daß ed auch ihm nicht gelingen werde, Alle zu einer vollen Uebereinfliimmung des Glaubens zu ‚bringen. Das will er gar nit, und kann es auch nicht. Immer mird auch bei den durch äußere tirhlihe Gemeinfhaft Verbundenen mie es ja felbft bei den Ortho⸗ doreften der Fall ift die größte innere Glaubensverſchieden— beit bleiben. Denn der Glaube muß fih ja bei Jedem verfchieden auss bilden, da die geiftigen Anlagen, die Empfänglicleit für Religion, die Er- ziebung, die Erfahrungen und Erlebniſſe, melde alle die Ausbildung des Glaubens bevingen, bei den Menjhen fo verfchieben find. So wenig im Staate die Verjchiedenheit der Stände je aufhören wird, fo wenig werden ih die Chriften je in einem Glaubenabefenntniffe vollftändig einigen, fo verfchieden wird bei ihnen immer die fubjective Auffaffung des Glaubens fein. Darum verlangt der Proteftantenverein von feinen Mitgliedern nur den protejtantifchen Geift des Vorwartsſtrebens und ven chriſilichen Sinn der Duldung.

Mag es immerhin Viele geben, die das Chriftenthbum für gefährbet balten, wenn jo Manches von feinen alten Formen fällt. Die Wahr: beit bleibt, wie auch die Form wechſele; fie ift geblieben felbft unter den mißgeftaltetften Formen ; fie wird fiegreih allen Wechfel der Form über: dauern. Aber der Proteflantenverein will dazu helfen, fie zu läutern und fie in der Form erfcheinen zu laffen, wie fie die Beitbildung fordert. Und dabei fürchtet er die Widerfaher des Fortſchritts nit. Sie empören ſich wider Gottes Ordnung, fie empören fi miber den Geift, der dem Werke Chrifti einwohnt, fie empören ſich wider die menfchliche Natur, die auf Wahrheit im Denken und Handeln ausgeht. Wider diefe Mächte vermögen fie ja nichts. Nein jüdiſcher Hoherath Löfchte mit feinen Gemaltthas ten das Licht des Chriftenthums aus; kein Papfttbum mit feinen Werfen der Finfterniß konnte das Verlangen nah Glaubens: und Gemifiensfreiheit dämpfen ; fein Feind des proteftantifchen Fortſchritts weder innerhalb, noch außerhalb unferer evangelifhen Kirche mit feinen offenen und vers

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ftedten Angriffen konnte der weiteren Entwickelung riftlicher Religionger: kenntniß wehren.

Das Gute gedeiht nur langjam, die Wahrheit bricht fih nur allmäb: lih Bahn ; jenes kann eine Beit lang niedergebrüdt, aber nie ganz unter: drüdt, diefe kann verbunfelt, aber nie ganz ausgelöjht werden. In biejer Zuverjiht und im Bewußtſein feines redlichen Strebens hofft der Proteitan- tenverein auf eine beflere Zulunft unferer Kirche und bemüht fi, fein Scherflein zur Herbeiführung verjelben beizutragen. An dieſem Bemühen tbeilzunehmen bat aber offenbar, nächſt dem Geiftlihen, feiner einen größe: ven Beruf, al$ der Lehrer. Ihm fei es daher angelegentlih empfohlen, fih nicht gegen diefe Strömung der Zeit abzufchließen, fondern fi mit den Beitrebungen und Leiftungen jenes Vereins näher befannt zu machen, felbjt zu prüfen und erft nad gewiſſenhafter Prüfung zu urtheilen. Namentlich verjäume er es nicht, außer ber ſchon erwähnten Schrift „Der erjle deutfhe Proteftantentag”, die. eine überaus wichtige Frage behan⸗ delnde Schrift von Dr. Peterjen, Generaljup. in Gotha, „Die pros teftantifche Lehrfreiheit und ihre Grenzen“ (Frankfurt a. M., bei Winter, 1865) zu lefen und fih die „PBroteftantifhen Flug: blätter (im Auftrage des Proteftantenvereind herausgegeben und redigirt von Dr. 8, Zittel, bei Friedrichs in Elberfeld, 1866. Preis 10 Sgr.) zu halten, Sehr viel LXehrreihes und Anregendes für den Neligionslehrer enthalten auch die A Nummern der „Proteftantifhen Slugblätter für Baden“ von Zittel, melde ſchon 1865 erſchienen find (gebrudt von Mohr in Heidelberg). In einer überaus Haren und anfprechenden po: pulären Darftellung werben in denſelben mehrere der wichtigſten Religions: feagen verhandelt, wie in den Auffägen „von den Belenntniffen‘, von ber Bibel‘, „zum Oſterfeſte“, „von dem apoftoliichen Glaubensbekennt⸗ niſſe.“

Wenn wir nun den Zwed und die Bedeutung des Proteſtantenvereins in's Auge faſſen, ſo erkennen wir in ihm ſogleich ein Hauptmittel, den Fortſchritt der religiöſen Erkenntniß und des religiöſen Lebens im Geiſte des Proteſtantismus zu fördern, lönnen und aber auch vorberjagen, wer die entichiedenen Gegner dieſes Vereins fein werden. Es find die Tra:= bitionellen, die an dem Buchſtaben kirchlicher Sabungen felthalten, und bie’ hierarchiſch Gefinnten, die unter dem Abjolutismus der alten Kirhenverfafjung fih wohlfühlen.

Solcher Gegner gibt es leider noch fehr viele, mwie au das vergan- gene Jahr wieder nur zu ſehr tundgegeben hat. Denn wo nur ein Zorts ſchritt zur zeitgemäßen Berbefierung des Religionsunterrichts geſchehen ift, da hörte man auch immer wieder den unbegründeten Notbihrei: „Die Religion ift in Gefahr!" Das ift das Lofungswort der katho⸗ liſchen Beloten, durch welches fie, wie namentlich im Großherzogthum Ba: ben das Volk gegen jede Schulreform im Geifte der Neuzeit einzuneb: men ſuchen. Man braucht nur den Hirtenbrief zu erwähnen, ben der Erz⸗ biſchof von Freiburg im vorigen Jahre erließ, um das aufrühreriſche Treiben dieſer Partei erkennen zu lafien. Stellt er doch in Mannheim verfolgte Mitglieder des wandernden Cafıno als Märtyrer dar; ſchildert er doch das

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neue Schulgefeb als im höchſten Grade verberblih für die Religion; be bauptet er doch, der Neligionsunterricht allein genüge nicht, um die Kinder bei der fatholiihen Kirche zu erhalten, wie die Erfahrung bei höheren Vür⸗ ger: und Mittelfchulen lehre ; fordert er doch geradezu zur Wiperfeglichkeit gegen das zu Recht beftebenve Schulgefeß auf, indem er unterfagt, daß Geiftlihe in den DOrtsjchulratb treten, damit fie nit auch zu biefer Re ligionsverberbniß beitragen. „Die Religion ift in Gefahr!” So rufen aber auch die proteſtantiſchen Zeloten aus, die es bei ihrer hierarchi⸗ fen Gefinnung nicht ertragen können, daß die Beauffihtigung der Schule in die Hände von Sachverſtändigen gelegt ift, und die bei ihrer firengscon- feffionellen, d. i. traditionellen Richtung: es für höchſt bedenklich halten, daß der Religionsunterriht nicht nah dem Buchſtaben des Katechismus, fondern nad der reinen Lehre der heiligen Schrift ertbeilt mwerben fol. Ja, es wurde ſelbſt im Herzogthbum Gotha bei einer PVerfammlung des Guftav: Adolf⸗Vereins behauptet, der Schule dürfe keine Liebesgabe dieſes Vereins mehr zugewendet werden, weil fie „ver Kirche den Rüden gelehrt habe” ; und ein junger Geiſilicher ging jogar fo weit, daß er behauptete, „vie Leh⸗ rer müßten nad dem neuen Schulgefeß undhriftlicd werden, wenn fie es nicht ſchon wären. So weit für die blinde Parteifucht der. Eiferer für veraltete Orthodoxrie! „Sie eifern um Gott, aber mit Unverſtand“ (Roͤm. 10, 2); fie fpreben den Lehrern, die rein bibliſchen Religionsunterridt treiben, alle proteftantiiche Rechtgläubigkeit ab ; fie bedenlen gar nicht, wie unrecht fie ihnen damit thun, wie tief fie damit ihr innig religiöfes Gefühl verlegen, wie ſehr fie damit in Widerſpruch mit fich felbft geratben und proteftantiihen Sinn, bejonvers aber den Geift der Wahrheit und der Liebe verleugnen.

Es wird hier am Orte fein, einige Thatſachen, die doch am ſchla⸗ gendften Verunglimpfungen widerlegen, ven zelotiſchen Widerſachern entge genzubalten. Ich halte mich dabei an die mir zunächſt liegenden, weil ich dabei aus eigener Grfahrung reden kann, und weil aud die gothaiſche Schulreform von den Gegnern des Fortſchritts hart angegriffen und ale religionsgefährlic bezeichnet worden iſt. Wie ungereht und aus ber Luft gegriffen der Vorwurf ift, daß unfere Lehrer und mit ihnen das ganze Land durch Das neue Schulgefeg enthriftliht werden, das lehren ſchon bie geſetzlichen Beftimmungen, melde unfer Staatsminifierium mit den Zanbtagsabgeorbneten vereinbart bat. Diefe ftellen unter allen Unterrichts- gegenftänden ver Bollsjchule die Religion oben an in die erfte Reihe, ge: treu dem Grundſatze: „Es ift in feinem Andern Heil’ ıc. 5; fie forbern zwar Befreiung vom Symbolzwang aus Gründen der Pädagogit und ber Religion („Werdet nicht der Menſchen Knechte!“) und ftellen Menjchen- wort nicht dem Gottesworte gleih, aber fie veradhten nicht das Wort Zu: tber’s, fondern halten es in Ehren und fordern angemefiene. Verwerthung defielben; fie fchreiben einen NReligionsunterriht vor, der fih auf die biblifche Geſchichte, namentlih des Neuen Teſtaments gründet, alſo einen echt evangelifchen, ertheilt mit der feiten Ueberzeugung: „Ich jchäme mid bes Evangeliums von Jeſu Chriſti nicht, denn 20.“ ; fie verlangen Her⸗ anbildung der Kinder zu einem wohlverftandenen, Har erfaßten Glauben,

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nad dem Grundſatz: „Prüfet Alles ꝛc.“ Noch mehr belundet die evan- geliichschriftliche Auffaſſung eines ſolchen NReligionsunterrihts der für ben: jelben vor ein paar Jahren vom Schuiratb Dr. Schmidt herausgegebene Entwurf, über melden bereits früher berichtet wurde, und bie große Sorgfalt und Gemwifienhaftigleit, mit welcher verjelbe von allen Seiten be rathen worden ift (ſ. Jahresbericht 1865) und jebt von ben Herren Über: confiftorialratb Dr. Schwarz und Sculratb Dr. Dittes zu einem Leit- faden für unjere Volksſchulen ausgearbeitet wird. Und ganz befonders wird die Ausführung des Schmidt'ſchen Entwurfs, wie fie der Seminar-Inſpector Kehr im 1. Band feines „hriftlihen Neligionsunterrihts in der Volksſchule“ (f. Pad. Jahresberiht, 1865, ©. 26 ff.) begonnen bat, jeden Unbefangenen überzeugen, wie ungeredht der Vorwurf ber Reli gionsloſigkeit ift, wie evangelifch-chriftlih vielmehr der Neligionsunterricht bei uns behandelt wird.

Wir haben aber auch noch andere Thatſachen aufzumeifen, durch welche der chriſtliche Geiſt unferer Schulen auch unter dem neuen Schulgefebe treu bewahrt wird. Unfere Lehrer verftenen nämlid die CEmancipation der Schule von der Kirche keineswegs in dem Sinne, wie fie von beſchraͤnkten Köpfen aufgefaßt und verleumderifcher Weife uns fchuldgegeben wird : als ein Losſagen von der Kirche, als eine Berleugnung des Chriftentbums, als ein Aufgeben der Religion. Sie find verftändig genug, um einzujeben, daß ihre Emancipation nur in einer Beränderung der Schulverwaltung ober in einer Uebertragung ber Beauffichtigung und Leitung der Schulange: legenheiten von kirchlichen auf Schulbehörven, aber keineswegs in einem Ver: lofien der Kirche oder gar in einer ihr feindfelig entgegenftehenden Richtung. Eie find aber au religiös genug, um es tief zu empfinden, welch uns ausiprehli großen Werth die Religion für die Schulerziehung bat und würden ihr und fi die Seele entzogen fehen, wenn ihnen der Religions unterricht genommen würde. Auch find fie, wo ihnen nicht hierarchiſcher Hochmuth oder jonft ein feindjeliges Verhältniß entgegentritt, friedfertig ges nug, um gern das freundlide Einvernehmen mit. ihren Drtögeiftlihen fort- beftehen zu laſſen. Ja, fie fühlen fi verpflichtet, in dem gemeinfamen Merle der Erziehung zur Neligiofität mit den Geiſtlichen Hand in Hand zu geben, und auch durch die Schule die Zwede ber Kirche zu fördern. Das find aber nicht leere Behauptungen. Gerade in meiner Amtsthätigleit, als Bezirks⸗Schulinſpector, habe ich der Beweiſe dafür in Menge. Ciner diene für viele. In einer Conferenz mit den Lehrern meines Bezirks hielt einer derfelben einen Vortrag über-bie Frage: „Iſt der Lehrer berechtigt," nach der Trennung der Kirche von der Schule die Schullinder zum Beſuch ber Kirche zu zwingen und ift ein folder Zwang namentlid Tleinerer Kinder, vom jebigen Standpunkte der Pädagogik aus betrachtet, zu rechtfertigen ?“ Wei der Verhandlung über dieſen Gegenſtand ſprach fih nicht nur der Vortra⸗ gende mit Wärme für Erziehung der Kinder zur Kirclichkeit aus, fondern es ſprachen fi) aud alle anderen Lehrer entſchieden dahin aus, daß es Pfliht der Schule fei, für die Kirche zu wirken, daß fie bie Kinder zwar nicht durch phyſiſchen, wohl aber durch moraliihen Zwang an den

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Beſuch der Kirche zu gewöhnen hätten (beſonders bie drei lebten Schul: jahre) und daß fie durch ihr eigenes Beiſpiel kirchlichen Sinnes, durch Er⸗ läuterung der Kirchenlieder, durch Belehrung über das Gebet, durch Erklä⸗ rung des Sonntagsevangeliums, durch Abfragen der Predigt dahin wirken müßten, die Theilnahme am Gottesdienſte den Kindern lieb und ſegensreich zu machen. Heißt das, wie die Verleumder fagen, „ver Kirsche ven Rüden lehren‘, „teligionslos fein‘‘, „entchriftlicht werben $"

Meitere Thatfachen ſprechen hbinlänglih dafür, daß die neue Schul reform gar nicht darauf ausgeht, eine Sheidewand zwiſchen Kirche und Schule aufzuführen over die Geiftlichen principiell von der Betheis figung am Sculwerle auszufhließen. In der Oberbehörde berathen ſich Geiftfihe und Schulmänner über dafjelbe; an der Bezirks⸗Schulinſpection find ebenfalls Geiftliche betbeiligt (mie 3. B. der Schreiber diefes), menn fie nad) der Forderung des Schulgeſetzes als „practiſch-geübte Schulmäne ner” fih bewährt haben; in den Orts-Schulvorſtänden bat der Geiftliche Sig und Stimme und ift mit nur wenigen Ausnahmen zum Vorfißenden ernannt worden. Ueberhaupt befteht, mo nicht auf der einen oder der ans deren Seite gefehlt wird (und welcher Stand wäre von Solchen ganz frei, die ihren Beruf verfennen und ihre Rechte mißbrauden ?), unter Geiftlichen und Lehrern das gute Verhaͤltniß fort, wie früher.

Hinweg alfo mit dem unbegründeten, lieblojen Vorwurfe, daß durch die neue Schulteform der Lehrer entchriftlicht, die Schule der Kirche entjrem: det werde. Mag es immerhin etwas yarabor Hingen und Manchem an- ftößig erfheinen das Wort, welches Lüben auf der XV. allgemeinen deutſchen Lehrerverfammlung in Leipzig ſprach: „Die Schule beparf der Kirche nicht und die Kirche bedarf der Schule nit“, feine Wahrheit wird fih doch überall bewähren, wo bie Schule in das ihr zu: ftehende volle Recht eingetreten ift und, wie in allen übrigen Unterrichtss gegenftänden, jo namentlih auch in Bezug auf den Religionsunterricht gewiſſenhaft ihre Schulvigkeit thut. Man darf nur nicht etwas Anderes in jene Worte legen, als in ihnen liegt, wenn man fie in Beziehung auf ſolche Orte auffaßt, an benen die Schule bereits zur Selbſiſtaͤndigkeit gediehen if, mithin als eine hiftoriihe Wahrheit, ale das Ergebniß aus vorlie⸗ gender Erfahrung. In diefem Sinne hatte fie Lüben geſprochen, wie fi aus feiner Rechtfertigung derſelben (Allg. deutihe Lehrerzeitung, 1866, Nr. 8) gegen die Ginwendungen Dr. Riede’3 (ebendaf. 1865. Nr. 42 und 46) ergibt ; er redet nur von dem Verhältniß, welches thatjädhlih in Bremen beflebt.. Wie dort, fo ift es z. B. auch bier im gothaiſchen Lande zur Wahrheit geworben: die Schule bedarf der Kirche niht. Wo die Schule unter der Leitung einer ſachverſtaͤndigen (doch gewiß aud in Bezug auf den Religionsunterricht ihrer Aufgabe gewachſenen) Oberſchul⸗ behoͤrde fteht, da hat fie in diefer Stellung Beruf und Mittel genug, um auch in religiöfer Hinſicht von felbft und für ſich allein ihre Miſſion zu erfüllen. Es bedarf dann aber auch die Kirhe der Schule niht naͤm⸗ lich als Mittels zur Heranbildung eines chriftlich gefitteten Volles; denn

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fie kann gewiß fein, daß die Schule dieſe Aufgabe ganz zu ber ihrigen macht oder maden muß, wenn fie überhaupt ihren Beruf als den einer chriſtlichen Vollsſchule im Auge bat und heilig hält. Die Beſorgniß vom Gegentbeil könnte nur aus einem Mißtrauen entftehen, das man gegen bie intellectuelle Befähigung oder gegen den guten Willen der Schulbehörbe faßt, die ja den Lehrern keine Lehrmwilllür geftattet, fondern ihnen genaue und ftrenge Lehrvorſchriften gibt und die Befolgung derſelben gemwifienhaft überwadt. Auch bat ja der Geiftlie immer noch einigen Antheil an bie fer Ueberwahung : er lernt beim Confirmandenunterriht die Refultate des Religionsunterricht3 der Schule kennen, er muß als Mitglied des Schul: vorjtandes des Lehrers Treue in der Ertbeilung dieſes wie alles anderen Unterrichts beauffichtigen ; und wenn er ſich nur nicht felbft von der Schule trennt, wenn er es verſteht, mit dem Lehrer ein vertrauensvolles Verhält⸗ niß zu erhalten, wie förberfjam kann er zu einem fruchtbaren Religions⸗ unterricht mitwirlen! Gemwiß, wenn Geiltlihe und Lehrer Hand in Hand geben, jo werben fi alle Beiorgnifie heben, welche man in Betreff der neuen Schuleinrihtung ausgefproden hat. Sie find ja doch hauptſächlich aus dem Vorurtheil entitanden, daß Geiftlide und Lehrer bei dieſer Ein- richtung „wider einander” arbeiten würden. Sollen fie das? will das die neue Schulgejeßgebung ? kann das geſchehen, wo Liebe die Herzen einigt ? Aber es fchwindet freilich alle Liebe aus den Herzen Derer, die mit ftarrer Herzenshärtigleit am Alten fefthalten und erllärte Feinde des Fortſchritts find. Schon im vorigen Jahregfbericht babe ih an einem mir nabeliegenden Beiſpiele gezeigt, wie dieſe Stabilen in ihrer eingebil: deten Rechtgläubigleit das Berdammungsurtheil über Anderspenlende aus: ſprechen und Alles mit jeſuitiſcher Heimtüde verleßern, was dem Yortfchritte dienen fol. Auch in dieſem Jahresberichte ift Aehnliches zu berichten. Die mertwürbigite Zeiterjheinung bes vorigen Jahres in dieſer Beziehung iſt bie Encyclica des Papftes. Durch diefes Nundfchreiben, das überall in der ganzen gebildeten Welt den größten Anftoß erregte, hat der Bapft jevem Fortſchritt der Beitbildung Hohn geſprochen und ſich förmlich losgeſagt von der Aufgabe, die Religion in Einklang zu bringen mit der gefammten Cul⸗ turentwidelung unferer Zeit. Nein Wunder, wenn nun die katholifche Geift: lihleit namentlih in Baden, ſich für berechtigt und berufen hält, ihrem Oberhaupte in der Verletzerungsſucht nacdzueifern. Aber anftatt daß den Stabilen und Reactionären unſerer Kirche über fol unchriſtliches Trei⸗ ben die Augen aufgeben follten und daß ihnen klar werden follte, wie fehr fie den Geift des Proteltantismus dadurch verleugnen und der Tatbolifchen Kiche in die Hände arbeiten, treiben fie ihr zelotiſches Weſen fort und ſuchen auf alle Weife ven Ausbau ber Schulreform zu hindern. Kann es ein gehäffigeres Zreiben geben, als die auch im vorigen Jahre noch fort dauernde Proteſthetze gegen Schenkel? ift es nicht ein unzweideutiges Zeichen katholifirender Verketzerungsſucht, daß die proteltantiihen Stabilen in den Untenruf der Ultramontanen „bie Religion iſt in Gefahr” fo ent ſchieden einftimmen ? läßt es nicht auf die .gehäffigfte Aufhebung des Volks ſchließen, daß, wie öffentlich berichtet wurde, ein Schulmädchen aus der Schule weg und mit dem Schredensruf: „ber Schenkel ift dal der Schenkel ift

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da 1 durch's Dorf lief, als ein baden'ſcher Schulrath, ein ſehr wohlwollen⸗ der Mann, zur Bilitation in die Schule kam ? *)

Doch je plumper die Angriffe und je ſchroffer die Widerſprüche find, deito mehr ift zu hoffen, daß der gefunde Sinn des Volks das Rechte von dem Falihen unterjcheiden lernt. Mit diefem Gedanken tröfte auch ich mich bei den Angriffen, welche auf mid namentlih als Referenten für den „Paͤdag. Jahresbericht“ geſchehen und durch melde die Traditionellen mein Chriſtenthum, ja ſelbſt meinen Charalter zu verdächtigen ſuchen. Er⸗ Härt doch der eine derſelben, Ballien, ſelbſt unverholen, daß er von „principieller Antipathie“ gegen mich erfüllt ſei, alſo von vorgefaßten Meinungen bei ſeinem Aburtheilen über mich ſich leiten laſſe; ſucht er doch meine Ehrlichleit und Wahrhaftigkeit in Zweifel zu ziehen, er, dem Männer, wie Dr. Dielterweg, Dr. Lange, ein K. Sil. (im theol. Literatur: blatt der Darmftäbt. Kirchenzeitung, 1865, Nr. 33—66) das Urtheil ges ſprochen haben, er, den der preußiihe Minifter von Mübler der Un: wahrheit bezüchtigt (ſ. Dieftermegs Rheiniſche Blätter, 1865, Juli und Aus gufl) und dem derjelbe die Fähigkeit abſpricht, practiihe Handbücher für den Neligiondunterricht zu liefern, da ihm dazu die nöthige tbeologifche Bil: dung abgehe! Gin Anderer, ein Medlenburger, €. Seubert un: terzeihnet er fih, greift mich in einer jo unwürdigen Weiſe an, daß er gar nicht verdiente, bier nur erwähnt zu werben ; benn er treibt einen ge- meinen Spott mit mir, indem er mid, ja auch Diänner wie Lüben, R. Schmidt und Schwarz (dem er eine „geiſtdurchwirkte Perjönlichleit” nennt) zu verunglimpfen und in folder Bornirtheit erjcheinen zu lafien ſucht, daß Jeder, der mih und die Anderen nur aus feinem Schmähartikel Iennt, ftaunen muß, wie man ſolche kenntniß- und urtheilslofe, ſolche unchriſtliche und irreligiöje Menjhen, wie wir na chſeinem Urtheile find, in ihren ein: flußreichen Nemtern laflen kann. Er ſcheint überhaupt auf dem Gebiete des literariichen Kampfes feine anderen Waffen zu kennen, als hämifche Sronie und lieblofe Verletzerung. In diefen Waffen ift er ftark, aber ſehr ſchwach

* Wie fih ber Fanatismus in Folge folder Aufbetzungen gegen bie Kreunbe des Fortſchritts auch unter ben Laıen ber fatholifchen und proteftantifchen irche weiter verbreitet bat und auf's Entjchiebenfle äußert, dafür nur zwei den⸗ felben charakterifirende Beijpiele aus dem vorigen Sabre. Um bei der angeb- lichen Religionsloſigkeit der Univerfitäten befjer für die Bildung excluſip katholiſcher Männer zu forgen, haben Sräfinnen alles Ernftes daran ge dacht, eine rein katholiſche Univerſität zu gründen. Gleichen ihnen nicht in ihrem Streben die confejfionellen Eiferer unter den Proteſtanten, die eine rein und fireng confelfionelle Vollsſchule haben wollen und, wo biefelbe zeitge- mäß reformirt wird, auch von Neligiouslofiyleit der Schule reden? Ein an deres Beiſpiel berichtet die Proteftantiiche Kırdenzeitung (1865, Nr. 6, ©. 148): Einer der Hamptagitatoren bei den Proteften gegen Schenkel, ber Bürger und Brivatmann Herr ©. U. Fabricius in Heidelberg, bat in einer neueften „An⸗ ſprache für Chriſten aus verjhiedenen Städten und Ländern” (Preis: 2 Kreuzer) feinem theologiſchen Beitstanz ſoweit Raum verftattet, daß er von „unferen drei majenätifhen, wahren, großen ©dttern” redet und dieſelben auf's Aderhöflihfte um Intervention erfucht mit ben Worten: „Erbarmen Gie ih unfer regt guädigli 1!" Bid. Jahreſbericht. XVIIL 2

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in Gegengründen. Er holt dieſelben weit ber aus der Ruͤſtkammer mit telalterlicher Dogmatik, ſchreibt fie nad und ſtuͤtzt fi ohne ſelbſtſtän⸗ diges Urtheil auf Autoritäten. Eben deswegen aber iſt dieſer Katechismus⸗ held hier zu erwaͤhnen, da ſein Beiſpiel recht deutlich zeigt, wie ein Lehrer des 19. Jahrhunderts nicht fein ſoll und wie laut der Geiſt der päpflichen Encyclica aus denen fpricht, die jedem Fortſchritt der geiſtigen und veligiös fen Bildung feind find. Wer feinen Schmäbartilel lefen will, der findet ihn im Medlenburger Schulblatte von Kliefoth, 1865, Ar. 44, 45, 47, A8 und 52. Es fällt mir nit ein, mich dem Verf. g zu vechtfertigen und feine Gntgegnungen zu widerlegen ; ich babe mid oft und Mar genug über die traditionelle Orthodoxie und den Katechismus aus⸗ geſprochen, fo daß.es keiner Wiederholung bedarf. Aber mein Seberrichter bätte doch fo gewifienhaft fein follen, daß er, ehe er gegen mich fchrieb, erſt meine Anfihten und deren Motive kennen gelernt und wenigſtens meine ausführlihen Crörterungen über den Katechiämusunterriht (Allg. deutſche Lehrerzeitung, 1853, Nr. 11) und über den hannover’ihen Katechismus (Pädag. Zahresberiht. XVI., S. 42 ff.) berüdfichtigt hätte. Zur Charak teriftil des Seubert'ſchen Schmähartifels wird es genügen, nur Yolgenbes anzuführen. Der Verf. will nicht verfteben, was Schwarz; damit fordert, daß er fagt: „Die Grenze der Lehrfreiheit darf nicht durch die Autorität bet Buchſtabens ber heiligen Schrift beftimmt werden”, und doch kennt er ja wohl das Wort: der Buchftabe töbtet, ber Geiſt iſt's, der lebendig maht! Mir ftellt er die Aufgabe, den Katebismus auf meinen Bibel: trichter (I!) zu legen und chemiſch zu fcheiden, was von dem Inhalte aus der Schrift und was aus ber alten Kirchenlehre if, „eine Arbeit, die wohl in das Bereich der Inmöglichleit gehören dürfte ().“ Ueber Schmidts Wort: „Nicht Oppofition, fonden Pietät gegen den Rates chismus its, daß wir ihn aus der Schule herauslegen“, fagt er: „Pas it eine Abfurdität, die meiter nicht ber mindeſten Beachtung würdig if, aber fein vernünftiger Lehrer wird fih durch folde Gründe in feinem Urtheile über den Katechismus wankend machen lafien.“ lm ſich felbft als einen Rechtglaͤubigen auszuweiſen, ſetzt er ſehr ausführlich die Lehre von Jeſu als einem wahrhaftigen Gotte und von ſeinem dreifachen Amte auseinander, ganz fo wie fie Anjelm im finfterften Mittelalter aus: gebildet hatte. Gr fagt dabei unter Anderem, daß unfer Schöpfer (Je fus) unfer Bruder geworben (während doch im Natechismus felbft flieht, daß Gott, der Bater, der Schöpfer des Himmels und ber Erbe fei), ferner daß Jeſus ein ftellvertretendes Strafleiven babe erbulden, daß er als ein wirt: liches Opfer, daß ein Gott für uns babe fterben müflen! Doc genug für jeden denkenden, nicht mehr im Mittelalter lebenden Religiondlehrer. Als „Facit“ feines Aufſatzes gibt der Verf. felbft an, „daß ein Religions⸗ "unterricht, in Grundlage des Neuen Teſtaments ertheilt, nicht ein chriſt⸗ Lücher genannt werden kann, wenn bie Gottheit Chriſti geleugnet und fein Merk ald Prophet, Hohepriefter und König ignorirt wird.“ Als Haupts tendenz aber gibt er dabei fund: „ven päbagogifchen Jahresbericht bei allen chriſtlichen Lehrern zu verbrängen.” Nun, von einem mecdlenburgiſch geſchulten Lehrer ift ein ſolches Auftreten nicht zu verwundern. Biber dab

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auch von Württemberg aus ein gleicher Angriff erfolgt ift, das muß befvemden, da bort jo viele wackere Männer wohnen, bie, dem Obfcuran- tismus abhold, mit Harem, gediegenem Willen und marmem Herzen vor- wärts ftreben in allem Guten. Doch der Gegner, der boft gegen mich auf: tritt, fteht ſehr vereinzelt da und fein maßlos unbefonnenes, abſprechendes, ſchmah⸗ und verbammungsfüchtiges Auftreten bat aud unter feinen eigenen Landsleuten und zwar bei allgemein geachteten Perfönlichleiten ven tiefiten Unmillen erregt. Grobheit jcheint ihm zur anderen Natur geworden zu fein und wohl gar für die Straft des Glaubens zu gelten. Er überbietet darin ſelbſt ven Medienburger. Sein Name ift Kübel, Pfarrer in Eifin- gen, ein jugendlicher Heißſporn von 30 Jahren. Er war aljo noch nicht geboren, ala ich ſchon jeit Jahren in Amt und Würden ſtand; und ich babe mich nah Kräften bemüht, an meiner theologifchen und pädagogiſchen Fortbildung zu arbeiten und mid auf der Höhe der Zeit zu halten, habe auch in verfchiedenen Berufsfreifen nah beiden Richtungen bin reiche Gelegenheit gehabt, mir der heilſamen Grfahrungen viele zu erwerben. Und nun tritt diefer junge Mann, dem man zurufen mödhte: „Bleibe zu es richo, bis Dir der Bart gewachſen ift”, als mein Lehrmeilter auf und bes handelt mich wie einen balbblödfinnigen Schulfnaben, der „eine Lection vers dient.” In einer breitheiligen Strafpredigt will er beweilen, 1) wie „ans maßend“, 2) wie „oberflächlich“ und 3) wie „zweideutig“ ich „mit dem chriſtlichen Glauben umſpringe!“ Es ift nit möglid, die ganze Menge grober Verunglimpfungen, die in biejen drei Theilen aufgejpeichert find, bier wieder zu geben, und fie alle zu widerlegen, ift wahrhaftig auch nicht der Mühe werth. Nur Giniged werde angedeutet, um den blinden Eifer des jungen Mannes zu charalterifiren. Gr hält mir vor, daß ich die Thatſache einer objectiven Erlöſung verwerfe; aber will er denn gar nichts wiflen von dem Worte des Ichlefiihen Dichters: „Sit Chriftus taufenpmal in Bethlehem geboren und nicht in Dir: Du bliebeft ewiglich verloren” oder non dem Worte des Apoftels: „Wer Chrifti Geift nicht bat, der iſt nicht fein?” Cr tadelt es, daß ih Gott nit für ein rache⸗ und blutdür⸗ ftiges Weſen, jondern für einen Gott der Liebe halte, der nicht verjöhnt zu werben braucht ; aber denkt er denn gar nicht daran, daß es heißt: „Alſo bat Gott die Welt geliebt, daß er feinen eingebornen Sohn gab ꝛc.“, und daß „Bett die Welt mit ihm felber verfähnt” hat, nicht aber fid mit der Welt? Gr nimmt daran Anjtoß, daß ih „ven. perfünliden Teufel vermwerfe ;”’ aber fchreibt er denn wirklich noch in unjerer Zeit das Hagelwetter und andere zeritörende Naturereignifie dem Zeufel zu? mill er denn fo gänzlich ignoriren, welch Unheil dieſes Dogma über fo viele Mens ſchen gebradyt hat und wie Viele in Folge defjelben als angeblide Verbüns dete des Teufels auf's graufamfte gemartert und einem qualvollen Tode preisgegeben wurden? Gr meint, id „verflüchtige den objectiven Gehalt des heiligen Abendmahls“, aber glaubt er denn wirklich an eine magifche Wirkung des Sacramente ? gilt es ihm wirklich mehr, den wahren Leib und das wahre Blut Chrifti beim heiligen Abendmahle in fih aufzunehmen, als ven wahren Chriſtus, feinen Geift und Sinn, und dieſe heilige Feier fo zu begehen, daß er in Wahrheit von ſich fagen kann: „Ich lebe, doc 2*

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nun nicht ich, Chriftus lebt in mir ?“ Go viel vom erſien Theile ber Strafprebigt, der fih auf die Anmaßung bezieht, mit ber ich mir erlaube, eine andere Anſicht von ver chriſtlichen Lehre zu begen, als der junge Zelot. Im zweiten Theil,>der von meiner Oberflaͤchlichleit handelt, will er zeigen, wie ih, aller Klarheit und Logik baar, in einer entfeglichen logiſchen Con⸗ fufion mid befinde. Nun, das ift ein Tadel, ven ich zum erften Male bier vernehme; denn auch die fchärfften Recenjenten baben mir bis⸗ ber noch nie Klarheit und Logit abgeiprohen. Es wäre mir zwar ein Leichtes, dem jungen Manne nachzuweiſen, an welcher Unklarheit und Bes grifiöverwirrung er felbft noch leidet und wie wenig er darum befähigt und berechtigt ift, über die Logik Anderer zu urtbeilen; doch man lönnte mir vorwerfen, daß ich damit nur zu leichten Kaufs den Zabel zurüdgegeben hätte. Seine Art zu verketzern wird genugfam erkannt werben, wenn id) fur; darlege, wie er bier ganz in die Luft fit. Er citirt Worte, bie id) gar nicht gejagt, und ſchiebt meinen Worten einen Sinn unter, den ic ofjenbar nicht damit verbunden habe. Er will feine Lejer glauben machen, ich fei jo beichränkten Geiftes, daß ich eine Religion ohne Glaubens⸗ inhalt wollte, und bebucirt feitenlang in wahrhaft kindiſcher Weife, daß eine Religion ohne Dogma undenkbar ift, wozu er übrigens ſogar noch fremde Autoritäten berbeizuzieben für nöthig hält. Fun babe ich zwar gegen die Dogmen geeifert, aber gegen welche? Schon das Vorſtehende deutet es bins laͤnglich an; aber ich habe es auch deutlich und oft genug ausgefprocen, daß es die ſcholaſtiſche Dogmatik, daß es das Unhaltbare in der traditionellen Kirchen: lehre, baf es die Menſchenſatzung ift, wogegen ich anlämpfe. So gehört denn der junge Zelot zu denen, die Augen haben zu ſehen und doch nicht feben, die lefen und nicht willen, was fie gelefen haben, oder, was noch Tchlimmer ift, die den Verfaſſern Dinge andichten, die fie gar nicht gefagt haben, nur um fie vor den Leuten anzufhwärzen. Gibt er mir do ſchuld, ich hätte behauptet, daß „jeder folle lehren können, was ihm beliebt”, ‚ich made immer aus dem Pfarrer den Popanz (1), welches Letztere allerdings, wie er jagt, fehr „komiſch“ wäre, da ich ja ſelbſt ein Pfarrer, und zwar ein Oberpfarrer bin. m legten Iheile wirft er mir noch Zweideutigkeit vor, weil ih „die heilige Schrift ftets in den Vordergrund au ſchieben ſcheine, um aus ihr Capital gegen ven Katechismus zu machen.” Hier kennt feine Schmähfuht feine Grenzen mehr. Hatte er mich vorher zu einem Deutſchkatholilen geftempelt und trotzdem in feiner unlogiſchen Weife von mir aud wieder gejagt, ih hofire gegen Rom, fo macht er mich bier zum größten Ignoranten, der nicht einmal die paulinifhen Leh⸗ ven kennt, noch die Entwidelung der religiöfen Erkenntniß feit des Heidel⸗ berger Paulus Zeiten, in die er mich zurüdichreibt ; ja, er fagt geradezu, daß ich mit der heiligen Schrift „todettire”, „um ihr unter lauter böfliden Mefpectöbegeugungen ihren eigenen Inhalt zu rauben !“. Dagegen ein Wort zu fagen, halte ich unter meiner Würde. Fehlt doch dem jungen Beloten gang der heilige Ernſt, wo es fih um das SHeiligfte und Ernfiefte handelt! Mo bleibt da die Liebe, die aus dem Glauben kommt, die Liebe, bie nicht nah Schaden tradhtet ? wo auch nur der Anftand, den ein gebil⸗ deter Menſch beobachten fol ? Wehe, wenn ein Obertribunal der Inquifition,

Religionsunterriäht. 21

aus ſolchen Heißfpornen gebilvet, über Andersdenkende abzuurtheilen hätte ! ein Tribunal von foldyer Flachheit, Verblendung, Arroganz und Perfidie, wie fie dieſer glaubensftolge Giferer an den Tag legt. Wie wird er fi vor ſich jelbft ſchaͤmen, menn er nah Jahren diefe Verunglimpfungen mit ruhiger Ueberlegung wieder liest! Sie find, das ſei ſchließlich noch erwähnt, zu lefen im „Südbdeutfhen Shulboten“, 1865, Nr. 9 und 10.

Eine Andeutung in dem fo eben Mitgetbeilten, daß ih naͤmlich „mit Rom hofire‘‘, gibt mir Beranlaflung, nochmals, wie es ſchon in früheren Berichten geſchehen ift, darauf binzumeifen, wie fehr die Trapitionellen unter den Broteftanten per katholiſchen Kirche in die Hände ars beiten. Das babe id Schon früher nachgewiefen und je mehr ich gegen den traditionellen Confejlionalismus eifere, weil er ganz entjchieben .eine tatbolifirende Richtung nimmt, je beutliher ich dies ausgeiproden babe, deſto unbegreiflicher ift es, wie Herr Kübel von mir fagen kann, „ic bofire mit Rom“, ich’ liebäugele mit der katholiſchen Kirche. Er muß meine Aeußerungen über diefen Punkt gar nicht gelefen haben, durch melde id dod wahrhaftig zu folhem Vorwurf keine Veranlaſſung, im Gegentheil eine ganz entgegengejebte Richtung kund gegeben habe; höchſtens könnte er ihn darauf gründen, daß ih auch an Werken katholifcher Verfaſſer gern das Gute, was ich in ihnen finde, rühmenn anerfenne.. Aber dann müßte er mir auch ſchuldgeben, ich liebäugele mit den Belennern des Mofaismus und mit den Anhängern der altorthodoxen Lutheraner, da ih auch an den Wers ten des Israeliten Löwenheim, fowie eines MWangemann, Materne u. U. ges Iobt babe, was zu loben if. Doch es gilt bier nit fo wohl meiner Rechtfertigung gegen jenen Vorwurf, den ein verftändiger Lejer des Pädag. Jahresberichts im Ernſt mir gar nit machen Tann, fondern nur von Neuem zu conftatiren, daß die Traditienellen wirklich der katholiſchen Kirche in die Hände arbeiten. Als der Bapft die Welt mit feiner Encyclica über» zafchte, in der er Alles, was den heutigen Völlern hochheilig, was in allen Berfafiungen fanctionirt ift, led ald Irrthum verwarf, die Rüdlehr in mit: telalterliche Prieſterherrſchaft und Geiftesbeprüdung in Ausficht ftellte, und am Schluſſe ertlärte, es fei nicht daran zu denken, daß ber heilige Stuhl fih jemals mit dem Fortſchritt der Zeit, mit den liberalen been, mit ber modernen Givilifation verföhnen fünne und folle: was thaten da die Zions⸗ wächter der proteftantifchen Orthodoxie? Sie ſchwiegen; meld ein beveutfames Schweigen! Ja, fie geben deutlich genug zu verftehen, daß fie mit den päpftlihen Sägen eigentlich ganz einverftanden wären. Nur Eins wird von ihnen beflagt: daß der Papft ſtolz und wornehm genug war, bie angebotene Allianz mit der proteftantifhen Reaction zu verfhmähen, daß er vielmehr auch von ihr unbebingte Unterwerfung forderte. Indeſſen ar: beiten fie doch immerfort an einem Buͤndniſſe mit der latholiſchen Kirche und erſt vor Kurzem (am 17. März 1866) wurbe aus Heidelberg gemel- det (f. Proteft. Kirchenzeitung Nr. 12), daß dort die „confefjionelle Allianz” ver ultramontan-tatholifhen und pietiftiich-proteftantiihen Stürs mer vollzogen fei, gegründet befonders „auf den guten und feiten Boden dogmatiſcher Einheit.”

Diefer Tatholifivenden Tendenz kann nicht beſſer entgegengewirkt mer:

22 Religionsunterriäht.

den, als durch einen den Forderungen ber Beit entſprechenden Religions⸗ unterricht, gegründet auf das klare Wort der heiligen Schrift, getragen von echt evangelifch:proteftantifhem Geifte und durchdrungen von frommer Liebe zu Zeju, dem Anfänger und Vollender unjered Glaubens. Gute Winle für einen folhen Neligionsunterridht geben die Aufſäße von Fiedler, Dir. der Bürgerfhule zu Waltershaufen bei Gotha, über den Religionsunterricht in der Elementarllafje (Allg. deutihe Lehrerzeitung, 1865, Nr. 3 und 4) und in der Oberllafie (Ebendaſ, 1866, Nr. 13 und 14); von D..: Apborismen über das Princip der Entwidelung im NReligionsunterridhte (Ebendaſ., 1865, Nr. 8); von N. N.: Ein Wort über anſchaulichen Religionsunterricht (Ebendaf., 1865, Nr. 25); von Ziedemann: Wie muß der Religiongunterricht befchaffen fein, wenn er die Schüler wahr: baft religiös machen foll? (Ebenpaf., 1565, Nr. 81, vorgetragen auf ber XVL allg. deutſchen Lehrerverfammlung).

Auf diefe und andere lefenswertbe Abhandlungen näber einzugehen, würde bier zu weit führen, zumal da die nachfolgenden Beurtheilungen der in Sabresfrift erfchienenen Bücher zu aͤhnlichen Bemerkungen Beranlafjung geben, wie bier zu machen wären. Eine Bemerkung aber muß dieſen Bes urtheilungen noch vorausgefchidt werten, die nämlich, daß fih aud diesmal wieder eine zu fpecielle und umfaffende Ausführung einzelner Disciplinen des Religionsunterrihts fund gibt. Das ift nun zwar für die Selbfibildung des Lehrers fehr heilfam ; aber es verleitet ihn auch leicht, den überreichen Lehrftoff, den er fih aus ſolchen Schriften angeeig- net hat, auf feinen Schulunterridt überzutragen ; ja, es ilt mander Ber: ‚fafler folder Specialfchriften (wie über Bibelkunde, über Geſchichte der Kir⸗ chenlieder und des Nirchengefanges, über das chriftlihe Kirchenjahr, über Geographie Paläftina’s ıc.) fo von wer Wichtigkeit feines Gegenjtandes ein- genommen, daß er ihn aud in der Schule ganz fpeciell ausgeführt willen will. Diefe und manche andere Erfahrung hat mic veranlagt, in ber All⸗ gemeinen deutſchen Lebrerzeitung (1866, Nr. 8) einen Aufjag über bie Bereinfahung des Religionsunterrichts zu verdffentliben. In⸗ dem ich auf denſelben verweife, enthalte ich mich bier einer näheren Mo: tioirung obiger Bemerkung. Für diesmal fei nur noch eines jpeciellen Zweigs des Neligionsunterrihts gedacht, der in den Schulen oft gar zu eingehend und zu gelehrt cultivirt wird. Sch meine die Bibellunde. Kehr fagt in feinem „Chriftliben Religionsunterriht in der Vollsſchule“ Bo. I, S. 42, wo er von dem Plan für den Religiondunterricht der Oberklaſſe ſpricht, fehr richtig: „Mit einer Belehrung über Namen, Werth, Eintheilung ꝛc. ver Bibel foll begonnen werben, weil die Rinder bie religiö« jen Wahrheiten in und aus der Bibel leſen follen. Bibelkunde ift unbejftritten nothwendig.” Über er vermeift babei auch auf ein fehr beberzigenswertbes Wort von Schüren, mwelder jagt: „Was man gewöhnlid Bibelkunde nennt, ift nichts Anderes, als ein langmweilendes Sprechen fiber die Bibel, eine Mittheilung von Notizen, weldhe langfam gelernt und fchnell vergefjen werden. Der mit folhem Unterrihte verbun⸗ bene Zeitverluft ift zu bellagen, aber viel beflagenswerther ift der Ber: luft, ven die Rinder dabei an ihrer Seele erleiven tönnen. Diejes Sprechen

Religionsunterricht. 23

über Gottes Wort raubt den Kindern fo leicht die Freude an demjelben und täufcht fie über ihre Herzensftellung zu demjelben. Denn ein Rind, welches jo über die Bibel fprechen kann, weldes 3. B. weiß, wann, von wem und zu welchem Zwece vie Pſalmen gefchrieben worden find, wie viel Arten von Plalmen es gibt, was Yußpfalmen, meſſianiſche Pfalmen u. j. w. find, lommt doc leicht in die Gefahr, zu glauben, es fei mit ven Palmen belannt. Was hat es aber an biefem Gerippe ? Kann es dadurch im Leide getröftet, in der Verſuchung geftärkt, auf dem Sterbebette beruhigt werden ? Ich habe das eben Genannte und noch manches Andere über die Palmen gewußt, batte aber noch einen gelefen, fondern kannte höchſtens einzelne Sprüche, wie fie zeriireut im Katechismus vorlommen. Iſt das aber Bibeltunde, wenn man über die Bibel zu ſprechen zu ſchwatzen weiß, die Bibel jelbft aber nicht kennt? Während man heutiges Tages die Naturkunde in rechter Weife jo treibt, dab man die Kinder einführt in die Natur, die Dinge und Erſcheinungen darin fie fehen läßt und dadurch verliehen lehtt: belommt manches Kind Kunde von der Bibel, ohne daß es dieſelbe gebörig lief; alfo eine Kunde ohne Kenntniß.“ Freilich hat aud das Bibellejen feine Bebentlichleiten, wenn es nicht mit geböriger Auswahl gejchieht, und wenn es nicht gehörig geleitet und beauffichtigt wird. Ich babe wiederholt darauf hingewieſen und lafje jetzt einen Andern reden. Gin Mitarbeiter an den „Zeititimmen aus der reformirten Schweiz“ hält in dieſem Blatte (1866, Nr. 3, S. 44 ff.) über Bibellunde unter Anderem folgende Anſprache an bie Lehrer: „Ihr jagt: Die Bibel ift das Wort Gottes und als ſolches abjolut wahr, ohne menſchlichen Irrthum, ohne einen wirllichen, wenn auch mit manchem ſcheinbaren Widerſpruch in fich jels ber. So werdet Ihr mit voller Ueberzeugung aud Eure Katechumenen lehren und fie daher energifch und erfolgreich ermahnen, bie Bibel vom erfien bis zum legten Worte zu lejfen und als Wort Gottes gläubig an⸗ zunehmen. Die Befiern unter ihnen folgen Eurer Mahnung. Es iſt Euch, wie es ſcheint, ein völliges Geheimniß; aber es ift leider eine Thatſache, daß diefe Eure Zöglinge ſchon das erfte Mal trog alles guten Willens jehr ſchwer durch die Bibel hindurchkommen, gejchweige denn, daß fie bier ein zweites Mal den Muth hätten, fih durchzuſchlagen. Denn don das erfle Mal bleiben fie, wenn nicht im zweiten, doch im dritten und vierten Buch Mofes faft gar fleden, fintemal fie da mit aller Mühe kein abjolutes Wort Gottes, welches Ahr ihnen doch fo beftimmt verheißen habt, herausfinden können ; fondern fie finden fonberbare und unglaublihe Geſchichten und längft abgethane Gebräudhe und Geſetze. ine Erholung find ihnen dann die Eurzweiligen Gefchichtöbücher und wir wollen glauben, daß fie im Glau⸗ ben an Guere Unterweifung die Widerſprüche mit in den Kauf und die Mythen und Sagen und Legenden als baare Gedichte hinnehmen und fi) dadurch, fo gut oder fo ſchlecht es geht, den Einn für gefhichtlihe Wahr: beit mit Gewalt verderben. Vom Buche Hiob verftehen fie das 1. und 2. und das 42. Kapitel; dagegen vom 3. bis 41. Kapitel iſt's ihnen ein ziemlih duntled Wort Gottes. Die Palmen treten ihnen näher und er- ſcheinen darum als heilig und ſchön. Viele Sprüde verſtehen fie auch gus; ben Prebiger weniger und das hohe Lied gar nicht. In den Pro:

24 Religionsunterricht.

pheten allen ſind ihnen die Verſe mit großgedrudten Buchſtaben, weil ſie aus dem neuen Teſtamente als an Jeſus Chriſtus erfüllte Weiſſagungen ihnen befannt find, Worte Gottes; aber bazwifchen lange, lange Streden unverftanden und ungenofien. Am Ende des canonifchen alten Teflamentes angelangt, find fie gegen das Wort Gottes, das Ahr ihnen verfprachet, ſehr kühl geworben ; fie koͤnnen's nicht finden, werben unterdeß älter, legen die Bibel bei Seite. Sie behelfen fih dann im Leben mit Menigerem, mit dem, was fie im neuen Zeftamente verſtehen, mit Gebets⸗ und Geſang⸗ büdhern. Chriftenmenihen können fie Deſſen ungeadhtet gewiß fehr wohl bleiben. Es wäre ganz gegen die Erfahrung geurtbeilt, wenn man meinte, wer die Bibel nimmer leſe, fei deshalb kein Ehrift mehr. Aber au nad unferer Erfahrung ifl’d doch ein großer Abbruch für das religiöfe Leben des Einzelnen und der Gemeinfchaft ; dafielbe verliert an Freudigkeit, Saͤt⸗ tigung, Kraft ſehr viel, wenn es nidt aus der Bibel ſelbſt, als dem claſ⸗ fiihen Fund: und Sammelorte urfprünglichfier Religion immer iwieder neu fih bereichert.” Was fcheint aljo zwedmäßiger und nothiwendiger für das Bibellefen nicht bloß in der Schule, fondern auch im Haufe zu fein, als ein Bibelauszug in der Weife und nad der Form, wie ih es in ben beiden vorigen Jahresberichten vorgeſchlagen habe ? Gewiß werben auch bie ortbodoreften Gegner, wenn fie nur pädagogifhen Sinn haben, aus Liebe zum Worte Gottes diefen Vorſchlag billigen, fo bald fie denjelben ernſtlich prüfen und ihre Schulerfahrungen dabei zu Hilfe nehmen, namentlich aber aud, wenn fie aus dem ſchon früher erwähnten „Alten Zeftament im Aus⸗ zuge für Schule und Haus, nad Luther's Ueberjeßung‘ herausgegeben von Kris (Leipzig, bei Tauchnitßz) die beantragte Einrihtung näher kennen ges lernt haben.

Schließlich fei im Voraus auf ein Werk ver nachfolgenden „Literatur“. nämlih auf das von Sederhbolm, Nr. 12, befonders aufmerlfam ges madt, weil e8 am meilten dem gerecht zu werben fucht, was wir in Bor: flehendem als unabmeisbare Forderungen unferer Zeit an einen wahrhaft chriſtlichen und fruchtreihen Religionsunterricht bezeichnet haben.

Literatur.

A. Religionslehre. 1. Für Lehrer.

1. Kritit und Abfertigung der Schrift: „Der religißfe Unterrichtöftoff für ein», zwei⸗, drei⸗, vier⸗, fünf« und fechellaffige Vollsſchulen in Stadt und Land, ausgewählt und vertheilt von Dr. Gaulborn, in Gemeinſchaft mit E. Meier, Paftor, und F. Miller, Landſchullehrer“, vom praktiſchen Stand» punkte und lediglih mir Rüdfiht auf die einklaſſige Volksſchule. Cine Denkſchrift von J. 5. Deltzer, evangel. Volksſchullehrer. Eibing, Nen⸗ mann⸗Hartmann'ſche Buchhandlung (Edw. Schlömp). 64 ©. Preis 6 Sgr.

So klein dieſe Schrift iſt, ſo intereſſant iſt ſie doch, weil ſich hier ein an die preußiſchen Regulative gebundener Lehrer über ven Lehrplan zum

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Religionsunterrichte in einer Weiſe vernehmen läßt, mie man es nicht zu bören gewohnt ift und wie e3 wohl nur wenige preußifche Lehrer zu thun wagen. Er tritt bier gegen den von Saalborn entworfenen und von der hödften Unterrihtsbehörbe anerkannten Lehrplan auf. In ſehr gemäs Bigtem Tone, aber fehr Har und entfchieden zeigt er die Verlehrtheit dieſes Lehrplanes (jevod nur in Bezug auf ein klaſſige Schulen) nah und man hört aus Allem den praktiſchen Schulmann reden, ber fein Miethling ift, fondern dem bie religiöſe Erziehung feiner Schulfinder wirllih am Herzen biegt, und der mit denlendem Geifte aus feinen langjährigen Erfahrungen fi ein gefundes paͤdagogiſches Urtheil gebildet hat. Es ift nur zu bes dauern, daß er unter dem Drude der Regulative lebt. Wie ganz anders würde er feinen Neligionsunterridht einrichten, wenn er fih ganz frei bes wegen könnte! Es verdient aber alle Anerfennung, daß er gleichwohl fo unverholen feine Bedenken gegen die Beflimmungen der Regulative äußert, und um ben blinden PVerehrern der legtern ein Beilpiel vorzuhalten, wie fih Lehrer, die nicht Sklaven, nicht bloße Drefiurmafchinen fein wollen, troß des Regulativzwanges ein felbitfländiges pädagogifhes Urtheil bewahren Lönnen, führe ich aus der vorliegenden Echrift folgende Erllärung des Ber: fafier® an: „Der-im 3. Regulativ für die beiden erften Schul: jahre ausgewählte, beziehungsmweife angebeutete religiöfe Unterrichts: Koff überfteigt nad meinem Dafürbalten die Faſſungskraft der Kinder die fes Alters in der Negel weit. Es ift eine anerfannt richtige pädagogifche Zorderung, daß von den Rindern nihts gelernt werden darf, was niht vorher erflärt, verflanden und zur bemußten Aneignung fähig gemacht worden if. Die Regulative betonen dieſe Forderung überall aufs Nachdrücklichſte. Diefelbe fließt aber noth⸗ wendig eine andere in fi, nämlich die, daß den Kindern nichts zu lernen gegeben werde, was fie auf dem zeitigen Stand» puntte ihrer geiftigen Entwidelung noch nicht zu faſſen vermögen unddarum ihnen auch nicht erflärt werden fann. Wenden wir das auf den vorliegenden Fall an. Das Bater unfer ift ein Gebet, das zum vollen Berftänpniß feitens des Betenden nit nur eine gereifte chrifilichereligiöfe Erkenntniß, fondern aub, und das vielmehr noch, einen gewiflen bereit erreichten Standpunkt des inneren Glauben? leben3 bedingt. Der Iutberifhe Morgen: und Übendpfegen, fo einfah ſchön und vollsthümlih fie auch fein mögen, eignen fi megen ihres dogmatifchen Colorits eben fo wenig für Heine fehsjährige Kinder, als das haͤusliche Meimvershen: Chrifi Blut und Gerechtigkeit, das iM mein Schmud und Ehrenkleid, damit will ich vor Gott beiteh’n, wenn id werd’ in den Himmel eingeh’n. Die Säße: Das malte Gott Ba: ter, Sohn und heiliger Geift, durch Jeſum Ehriftum, deinen lieben Sohn, dein heiliger Engel fei mit mir, daß der böfe Feind Feine Macht an-mir finde können nur mit Bugrundelegung der am ſchwerſten verftändlihen Hauptdogmen der evans geliihen Kirche; von der Dreieinigleit, von dem Mittleramte Jeſu Chrifti, von den Engeln und Teufeln zum Berfländniß gebradht werben, und eine folhe Unterlage der chriftlichsrefigiöfen Erkenntniß wird man bei fehsjäh:

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rigen Kindern weder vorausſetzen, noch vermitteln wollen. Gbenjo verhält

es fi) mit den meiften Wochenſprüchen und Wochenliedern, weide

die Kleinen bei dem mit dem jebesmaligen Morgengebete der Schule ver bundenen Herſagen derſelben feitens der älteren Kinder fih allmäblih an⸗ eignen follen. Für diefe Kinder, von denen ein Schulratb ſehr wahr ger fagt bat (of. die minifterielle Dentichrift vom 16. Febr. 1861), daß fie zum großen Theil geiftig unentwidelt und ungemwedt, flumm und ſprachlos find, find auch die biblifhen Geſchichten von ber Schöpfung, dem Sünvenfalle, der Sundfluth, Abraham's Berufmg, Mofis Sendung und auch viele neuteftamentliche kaum anders ala Abſtracta. Mid vünkt, man tbäte befier, wenn man dieſe Kinder während ber erſten Hälfte des erften Schuljahres wie es fromme Gltern bei ihren bäuslihen Andach⸗ ten thun ftille fiten und mit gefaltenen Händen dem Religionsunterrichte ber größeren Schüler zuhören ließe. Gmpfängen fie do fo aud eine Ah⸗ nung von bem über fie waltenden himmliſchen Vater, Und, nachdem in diefer Zeit durch den anderweitigen Unterricht ihr Geift einigermaßen ge wedt und ihr Mund geöffnet ift, wenn dann der Lehrer wöchentlich einmal zu ihnen redet von dem Gwigen, Unfichtbaren, von Gott, bem Schöpfer Himmels und ber Erde, dem Allmächtigen, Allwiflenden und All⸗ gegenwärtigen, dem Heiligen und Gerechten, dem Bater der Liebe, der alle feine Geſchoͤpfe, große und Meine, ernährt, erhält und bebütet, befon- ders auch die frommen Kinder, und jpäterhin an fie heranträte mit einem ge: eigneten Chriftusbilde und es ihnen freunplich erflärte, wie ein Kind es kann verlieben ; wenn er fie dann noh 10 leicht verftändlide Sprüde, ferner 10 von den in großer Auswahl vorhandenen und das kindliche Ge⸗ müth entjprechenden Reimverschen: Gott ift, wo die Sonne gläht, Db ich lange leben werde, Fürdte Gott, liebes Kind, Wie der Kleine Jeſusknabe, Zwei Augen hab’ ih klar und bel, u. |. w., endlich, wenn man durchaus will, bie gehn Gebote und das Pater unfer lehrete; mich dunkt, fage ich, ein folder Unterricht würde für die erfle ve ligiöfe Entwidelung der Kleinen von größerem Erfolge fein, als das täg- lihe Herplappern unverktandener oder ſcheinbar verftan: bener Sprüche, Kirchenlieder, biblifher Geſchichten; und ber Lehrer würde feinerjeit3 das freudige Bewußtſein haben, der Mahnung Jeſu: „Laſſet die Kindlein zu mir kommen; denn ihrer ift das Himmel: reich“ nachgekommen zu fein. Ob der Lehrer in dieſer Begiehung feine Schuldigkeit gethban habe, das wird der geittenge Herr Revifor leicht erlen- nen können an der Freudigkeit, mit welcher bie Kleinen ihre wohlner: ftandenen Sprüche, Gebetlein und Lieververschen aufjagen und fi über bie ihnen vorgezeigten Chriftusbilder ausfprechen. So vorbereitet könnten fie dann ſchon im zweiten Schuljahre an dem georbneten Religionsunterricht ber Unterklafje freilid nah Maßgabe ihres Bildungsgrades und ohne fie mit Memorir: und Lernftoff zu überſchütten, jelbitthätigen Antheil nehmen.‘

Diefes Neferat aus dem Keinen Schriftchen wirb ben Werth deſſelben und die päbagogiihe Züchtigleit ſeines Verfaſſers klar andeuten und man wird darnach ſchon vermutben lönnen, in weiber Weile er ſich über ben

Religionsunterricht. 27

verkehrten Saalborn'ſchen Lehrplan, namentlich über vie Anzahl der Lebe Runden, über Auswahl und Bertheilung des Unterrichtd: und Memorirftofies ausſpricht. Näher auf Einzelheiten einzugeben, erlaubt der Raum dieſes Blattes nicht. Aber ih kann nicht umhin, wenigftens noch meine Freude darüber auszubrüden, dab ein Lehrer aus dem Lande ber Regulative fo frei und offen für die Wahrheit eintritt, und daß aud er auf eine Ber: einfahung des Religionsunterrichts binzielt, wie ich fie in mei: nem fchon erwähnten Aufſatze (Allg. deutſche Lehrerzeitung, 1866, Nr. 8) empfohlen habe als da3 naturgemäße Mittel zu einer wahrhaft riftlich- frommen Erziehung unſerer finder.

2. Entwürfe und Katecheſen über Dr. M. Luther's Heinen Katechismus.

Bon Dr. Fr. W. Schüke, Seminardirector. Leipzig, Teubner, 1864

65. 2.—8. Lieferung & 7) Sgr.

Ueber die erfte Lieferung dieſer Entwürfe und Katecheſen, ſowie über die Schrift deſſelben Berfaflers: „Die katechetiſche Form nah ihrer hiftorifchen Entmwidelung und ihrem Stand in der Gegenwart‘, welche gleich fam ein ausgeführter Proſpectus zu jenen ift, wurde bereit3 im vorigen Sahresberiht das Nöthige mitgetheilt. Das Werl wurde dort von allen Denen, welhe den Katehismusunterriht ausführlih und in ftrenger Auf einanderfolge zu betreiben Luft und Beruf haben, beitend empfohlen, weil fie aus demselben lernen können, dieſen Unterriht klar und erbaulich zu ertbeilen. Auch in feiner weiteren Fortführung zeigt es fi) ebenſo empfeh⸗ lenswerth, wiewohl die Lehrer, die nicht auf dem ſtreng confeffionellen Standpunlte ftehen, an manden Lehren und Auseinanderjegungen Anftoß nehmen werden und der Schreiber Diefes bei feiner Anfiht von der Noth⸗ wendigleit einer Vereinfachung des Neligionsunterricht3 mit der Breite und Ausführlichleit des hier gegebenen am wenigſten einverftanden fein kann.

Mit der 5. Lieferung ift der erfte Band (447 ©. ſtark) geſchloſſen. m ihm iſt das erfte Hauptftüd abgehandelt. Die Lieferungen 6—8 reihen bis zum Schluſſe des erften Artitels (bereits 294 ©.), fo daß ber zweite Band, der das zweite Hauptftüd enthält, noch viel volu⸗ mindöjer werben wird, als der erfte.

Es ift merkwürdig, mit welcher Zaͤhigkeit die ftreng Confeflionellen an diejer Anordnung des Katehismus fefthalten. Obgleich auch fie überzeugt find: Aus dem Glauben kommen die Werke, und obgleich Luther felbft am Schluſſe des 1. und 2. Artikels auf die Entmwidelung der riftfihen Ge⸗ finnung und That aus dem Glauben hindeutet, bleiben fie doch dabei, bie Sittenlehre der Glaubenslehre vorangehen zu lafien. Und warum? Weil im Katechismus die 10 Gebote den Glaubensartileln voranftehen. Aber nit bloß aus Reſpect vor der beftehenden Ordnung, fondern aud aus dogmatifhen Gründen. So der Verfaſſer. „Wir verlennen nicht, jagt er (S. 6. des 2. B.), die Bedeutung ver Gründe (namentlih Lisko’s) für die eben jeßt angedeutete Ordnung, meinen aber, daß die Gründe für die gewöhnliche Ordnung der Lehrftüde überwiegen. Iſt es jchon bes dentlih, den Katechismus, und wäre ed auch nur in der Anordnung feiner Lehrftüde, vor den Kindern corrigiren zu wollen, jo ſcheint es auch boge

98 Religionsunterricht.

matiſch völlig unrichtig, hinter dem Belenntnifie zu Gott dem Bater, welches entſchieden ein untrennbares Stüd des chriſtlichen Glaubens if, auf das Gefeh zurüdzugreifen und auf den vordhriftlihen Boden zu tre ten, ftatt, wie es der Katechismus thut, unmittelbar zu dem Belenntnifie an Gott den Sohn überzugeben. In unferm Glaubensbefenntniß darf alfo zwiſchen dem erften und zweiten Artilel kein Lebrftüd eintreten, am allerwenigften da6 Geſetz. Denn wer nah dem erfien Artilel von Her zensgrund Gott als feinen Bater beiennt, der ift nicht mehr unter dem Geſetz.“

Der Verf. verlangt alſo alles Ernſtes, daß wir erſt Juden werden ſollen, ehe wir Chriſiſen werben, und doch ſagt der Apoſtel: „Ihr habt nicht einen knechtiſchen Geiſt empfangen, daß ihr euch abermal fürchten ſollt, ſondern ihr habt einen kindlichen Geiſt empfangen x.” Gr hält es noch für durchaus nöthig, „auf.das Geſetz zurüdzugreifen” und erft „unter dem Geſetz“ zu fieben. Gr folgt dabei lieber dem belannten dogmatiſchen Vorurtheile der ſcholaſtiſchen Orthodoxie, ald ver Bibel, die uns lehrt, daß Gottes Güte uns zur Buße leiten fol. Er felbit erllärt das zweite Haupt: ftüd für das „Hauptftüd der Hauptftüde” und hätte es darum aud einer Religionslehre zu Grunde legen und voranftellen jollen; gleihwohl ftellt er es in zweite Linie und wirb dadurch in die Nothwendigkeit verjeßt, aus dem⸗ felben im erften Hauptftüd gar Manches zu anticipiren. Cbenjo bat er felbft am Schluſſe des erften Artileld einige Moral beifügen müflen (wozu natürlich die Worte Luthers Beranlaflung geben), obgleih er es für „Dog: matiſch völlig unrichtig” erllärt, bier „auf das Gefeß zurüdzugreifen. Wir meinen, der chriftlihe Religionslebrer folle gar nicht „auf den vordrift: lihen Boden treten“, um Moral gu lehren; er folle vielmehr bei ber chriſilichen Moral fliehen bleiben und nicht nur bei jedem Glaubensſatz auf die Früchte hinweiſen, die der eben behandelte Glaube bringen foll, ſon⸗ bern auch die in der Glaubenslehre mitgetbeilten Sittenlehren, nad jener in guter Orbnung zufammenfaflen. Wenn er es übrigens „bedenklich“ findet, „ven Katechismus, und wäre es auch nur in ber Anorbnung feiner Lehrftüde, vor den Kindern corrigiren zu wollen’, fo darf man freilih von ihm nicht erwarten, daß er ihn in noch viel wejentliheren Punkten corris giren werde, wie er denn aud in ber citirten Stelle von „dem Belennt: nifie an Gott den Sohn” redet und damit in den entichiedenften Wi⸗ berfpruch zu Jeſu eigenen Worten tritt, der jo ernſt und nachdrücklich jagt (ob. 17, 3), daß wir nur an den alleinwahren Gott glauben, in ihm, Jeſu Chrifto felbft, aber den erkennen follen, ven er geſandt hat.

3. Unterrebungen über ben Meinen Katehismus Luther's. Ein praktiſches Handbuch für Scähullehrer von 3. Niffen, weiland Schul⸗ Iehrer in Glüdſtadt. Achte Auflage Kiel, E. Homann, 1865. XVI und 74 8. 2 Thlr.

Fünf Auflagen diefes Werts hatte der Verf. noch felbft beforgt und haben fich feit dem Tode befielben (1858) wieder drei Auflagen nöthig ges macht. Beugniß genug, dab das Buch belannt genug und in weiten Krei⸗ fen empfohlen iſt. Es bebarf daher Teiner neuen Empfehlung, natürlich nur für

Religionsunterricht. 29

Golde, welche den ſtreng confeffionellen Standpunkt des Verfafiers theilen. Andere werben zwar auch viel Anregendes und Lehrreiches in dem fleikig und mit warmer Liebe gearbeiteten Buche finden, jedoch aud Vieles, mas fie mit ihrem rein bibliichen Chriftenglauben nicht vereinigen koͤnnen. So gibt fi) der Verf. 3. B. vergebliche Mühe, die Kirchenlehre von der Drei- einigteit zu beweifen. Gr überfiebt ganz den Widerfprud, der darin liegt, daß brei unterſchiedene Subject, denn von der „Perfon‘‘ fagt ex, daß fie „ihrer ſich felbft bewußt ift und fi von Andern unterſcheiden kann, und baß fie ſelbſt denken und wollen kann”, alſo doch wohl ein jelbfiftän: diges Weſen iſt, doch ein Subjert bilden, „gleiches Weſens, gleich ewig, glei gewaltig.” Sehr ſchwach find auch die Beweije für Zaus berei, die der Verf. wirklich für etwas „Reelles“ hält.

Seit der 5. Auflage, bie der Verf. noch ſelbſt bejorgt hat, ift nichts Weſentliches an dem Buche geändert worden.

4. Katechismusſchule für Lehrer in Kirche, Schule und Haus über Dr. Martin Luther’s Heinen Katechismus mit Erklärung von Dr. Albert Lührs, Superintendent in Beine. Quae bene didiceris, bene docebis. In drei Abtbeilungen. Erſte Abtbeilung X und 167 S., zweite Abtheilung. 230 S., dritte Abtheilung. 280 S. Hannover, Hahn'ſche Buchhandlung, 1863.

Was man in diefem meitfhichtigen Werke finden und mie Nef. über dafjelbe urtheilen werde, darüber kann dem Lefer diefes Berichts kein Zwei⸗ fel fein, wenn er erfährt, daß Lührs einer der Herausgeber des fogen. „neuen“ hannover'ſchen over richtiger des Walther'ſchen Katechis— mus von 1653 if. Man wird ſich des ausführlihen Berichts über den „Hannoverihen Katechismusſtreit“ und der eingehenden Beurtbeilung des „neuen“ (Walther’ichen) Katehismus im XV. B. des Paͤdag. Jahresbe⸗ richts erinnern. Wir können uns daher einer Charafterifirung des vorlies genden Buches enthalten, da es, wie der Verf. felbit fagt, an den neuen bannover’fhen Katechismus ſich anfhließt. Freilich hätte der Berf. am liebften Walther felbft zu feinem Führer fih ausgewählt, da eben der neue” hannoverſche Katechismus venfelben „für die Gegenwart (}) bearbeitet hat’, und da nad des Berfafiers Ueberzeugung in ihm die ganze fatechiftiiche Entwidelung von Quther bis heute zum Ausprud kommt (2 1), fo hat er ihn bei feinem Buche zum Führer gewählt. Gr fühlt alfo die Nothwendigkeit des Fortſchritts nach zweihundertjaͤhrigem Gtillftand (fett Walther) ; aber ift der Kortjchritt, den er in dem „neuen“ hannover'ſchen Katehismus findet, wirklich ein Fortfehritt, wie ihn „bie Gegenwart” fors dert ? zeigt er nicht felbft überall, daß zwifchen ihm und Walther tein wer jentlicher Unterſchied obwaltet? Der Lejer mag felbit urtbeilen ; wir bieten ihm bierzu wenigfiens ein Beijpiel dar. Walther fagt von der Erb: fünde: „Darinnen ein jeder Menſch empfangen und geboren wird, durch Mangel des Ebenbildes Gottes und durch Befledung mit dem Bilde Adams.’ „Dieſe Erklaͤrung Walther’s”, jagt nun der Berf., „charaklteriſirt doch bie Erbfünde nicht nad ihrer wirklichen Beichaffenheit, wie fie leibt und lebt, fondern ift rein formaler Art, dazu hat fie für eine fo widtige all gemeine Kirchenlehre und für. einen Katechismus zu viel perjönlihen Aus:

80 Religionsunterricht.

beud‘‘; er zieht daher die Erklaͤrung der Erbſuͤnde im neuen hannover jchen Katechismus vor, welche fo lautet: „Sie iſt das fündliche Werberben, in weldhem nad dem Fall Adam’s und dem Berluft des göttlichen CEbenbildes alle Menſchen geboren werden; da fie zu Glauben, Furcht und Liebe Bots tes untüchtig und voll böfer Suft find, und in foldem Stande Kinder des Zornes und Todes. Gr rühmt an diefer Erllärung befonbers, daß fie ſich eng an die Augsburger Eonfeflion Art. 2. anſchließt. Wer aber wird im ihr ſowohl in ſachlicher, als aud in ſprachlicher Müdficht eine (rs Härung finden, bie den Forderungen der „Gegenwart“ enifpricht ?

Das Wert ift alfo nur folhen Lehrern zu empfehlen, die den alt» or» thodoren Standpunkt einnehmen oder bie genöthigt find, nady dem „neuen‘‘ bannov. Katechismus zu unterrichten. Finden fie in demfelben aud nicht eine fo praftifche Anleitung, wie in anderen Handbüchern, fo finden fie doch in diefem mit Wärme und viel Gelehrſamkeit gefchriebenen Bud viele Ans regung zum Nachdenken, namentlih in den zahlreichen Citaten aus anderen, beſonders aus Luther's Werten.

5. Der lleine Katechismus Luther’s erläutert und ben Müttern unb Slementarlehrern zum Gebrauch bargeboten von 5. A. Hofmann, Uber- lehrer einer Armenihule in Hamburg. Hamburg, Nolte (Herold'ſche Buch⸗ handlung), 1865. VIII und 302 ©. 1Thir.

Für die Glementarklafie ift der Unterricht beftimmt, zu welchem der Berf, bier ein Handbuch für den Lehrer liefert. Cr bat nun zwar ausdrüdlich bemerft, daß er nicht die unterfte Elementarklaſſe dabei im Auge bat, fondern die folgende (mit 8: bis Yjährigen Kindern); aber au für diefe bietet er zu viel, und er hätte den Gebraud feines Buches füglich nod auf die Mittelllafle ausdehnen ſollen. Es trifft auch bier ein, was Rei. in feinem Auffage über Bereinfahung des Religionsunterrichts gejagt bat: daß von manden recht mwohlmeinenden und eifrigen Lehrern beim Res ligionsunterridte des Guten zu viel geſchieht. Cinigermaßen hat das aud der Verf. gefühlt, indem er ſelbſt meint, es könne ibm möglicherweile zum Borwurf gemadht werden, „daß er zu viel gegeben, daß Einzelnes für dieſe Klaſſe noch zu hoch ſtehe und daß namentlich die beiden legten Hauptitüde gar nicht in die Elementarklafje gehören‘‘ ; ja er erkennt felbft die Aufnahme dieſer beiden Hauptitüde als einen „Uebelftand, den er nit ganz zu bejeitigen wußte‘, er jagt jelbit, daß diefe Haupttüde die tiefften Wahrheiten des Chriftenthums behandeln und dem Rinde ferner ftehen als die erſten“, rechtfertigt jedoch ihre Aufnahme damit, daß er behauptet, „die Kinder feien während der Beit, daß die erfte Hälfte des Katechismus behandelt wird, in der Regel auch ſchon geiftig fo herangereift, daß fie etwas feltere Speife vertragen können.’

Aber gerade das iſt dem Berf. am meiften zum Vorwurf zu machen, dab er fhon in der Elementarklaſſe Katechismusunterricht treibt, und auf feine Frage: „Iſt es nicht unpädagogiſch, den Kates chismus ſchon in der Glementarklaffe behandeln zu wollen ?'' antwortet Mef. mit einem entjchiedenen Ja, indem er ſich ftatt weiterer Begründung theils auf feine Erflärung über den „Religionsunterricht für Schullinher ber beiben erften Schuljahre” in ber allg. deutſchen Lehrerzeitung (1862, Nr

Religionsunterricht. 31

415—14) beruft, theils auf das Verfahren der meiften orthodoren Päbagos gen bei Behandlung des elementaren Religionsunterrihtd. Doch ſcheint der Ber. nit nur daran gebunden zu fein, „die fünf Hauptitüde ſchon in ben Siementarflafien auswendig lernen zu lafien‘‘, fondern er iſt auch felbft für den Katechismus fo eingenommen, daß er den Wunſch ausſpricht: „Möchte er wie für das Haus fo namentlid für die Elementarklafie das einzige Bud fein, nach welchem fi recht im Segen unterrichten läßt."

Die gemahten Ausftellungen bindern indeß den Ref. nicht, das vor Begende Buch als ein jehr empfehlenswerthes zu bezeichnen, und zwar nicht bloß für jolde Lehrer, die an den Katechismus gebunben find, fondern aud für ſolche, die es für „unpädagogiſch“ halten, ihn ſchon in ber Glementarklafie zus Anwendung zu bringen. Denn der Verf. befolgt nicht nur die richtigſten paͤdagogiſchen Grundfäge, ſondern verfteht es auch, den rechten Zon zu treffen, um feinen Unterriht anfchaulih und erbaulid) zu machen. Gr wil, „daß die Kinder nie Etwas lernen, wobei fie ſich nichts zu denken, womit fie nicht irgend einen Begriff zu verbinden wiſſen“; er behauptet: „Die Form des Unterrichts muß bei dieſer Katechismuslehre noch mehr als bei den andern Lehrbisciplinen dem kindlichen Faſſungsvermögen völlig angepaßt, die chriſtlichen Wahrheiten müflen nicht als abfiracte Dogmen dem Rinde vorgetragen, jondern durch Geſchichten aus ber beiligen Schrift und dem täglihen Leben ihm auf concrete Weile ans Ihaulicd und anziehend gemadt, ihm als natürlich und nothwendig nahe gebracht, und die Beifpiele aus dem Grfahrungstreije des Kindes felbft hervorgeſucht werben; immer beutlih, anregend und lebendig fein. Beſonders aber verfieht es der Verf. recht gut, den Ton zu treffen, in welden man zu ben Rindern eben muß, um ihnen bie 2ehren bes Chriſtenthums nicht nur „deutlich und mundrecht“, fondern auch „lieb und

zu mahen. Darum und weil das Buch eine reiche Fundgrube von praltifhen Beziehungen auf das Slinderleben und trefilide Anwendun⸗ gen vom bibliſchen Geſchichten und anderen Grzählungen, von anſprechenden Verſen und Bibelfprühen enthält, wird es den Lehrern der Unter, ja aud) der Mittels und Oberllaflen fehr mwilllommen fein. Immer aber bleibt ber Wunſch übrig, der Verf. möchte für feinen Zwed den Katechismus ganz unberüdfichtigt gelafien haben: wie viel einfaher, naturgemäßer und wirt famer würde fein Unterricht ſich geftalten! Gewiß würde er dann auch das für die erften Kinderjahre noch durchaus nicht paſſende Vaterunſer hier ſchon anzuwenden Bebenten getragen haben. Bei Lepterem beftemdet es, daß ber Berf. die dritte Bitte nur auf die Schidjale der Menjchen deutet, während hier doch der boppelte Wille Gottes zu berüdfichtigen ift: der, welcher uns Gebote vorjchreibt, und der, welcher uns Schidſale auferlegt.

6. Handbuch zu Luther's Katehismus mit Bibeliprüchen von Dr. €. Adermann, bergofprebiger. Salzungen, Lonis Scheermefler. 1857. vw 216 17

Hierzu gehört Nr. 18: uther’e Katehismus mit Bibelſprüchen für ben Religionsunterricht in Stabt- und Landſchulen.

Noch dem Datum der Vorrede bat Dr. Adermann in Meiningen vor

Rehendes Handbuch ale Erläuterungs: und Erklärungsfchrift gu

32 Religionsunterricht.

dem von ibm 1855 herausgegebenen lutheriſchen Katechismus mit Bibel fprühen veröffentliht. In ſolcher Geflalt ift es in den Verlag obiger Hof: buchhandlung zu Salzungen übergegangen, welche feit ihrem Beftehen große Thätigkeit entwidelt und kein Mittel jcheut, befonvers auf dem Gebiete der Kirche und Schule und zwar nicht bloß für niedere, fondern auch für höhere Unterrihtsanftalten (wir erinnern nur an „Der Menih und feine Vergei⸗ ſtigung. Ein Wort an die nad Wahrheit ftrebenden Yünglinge von G, ih. Arnold” und „Sagen der alten Griechen, der reiferen Jugend bei⸗ deriei Geſchlechts erzählt von AR. Schneider, Prof. am Gymnafium zu Meiningen‘) fehr gebiegene Schriften zu verbreiten. Im Intereſſe derjeni⸗ gen Schulen, in welchen der Religionsunterriht auf Grund des Luthe⸗ riſchen Katechismus noch ertheilt wird, machen wir auf died Hands buch, weiches bereitö unter den Lehrern einen guten Klang bat, von Neuem mit Freuden aufmerkjam.

Das Handbuch geht den „‚Borbemerlungen‘ zufolge zunähft auf bas Einzelne ein, indem es Erklärungen der Hauptitäde und der Bibelſprüche enthält und Auffhluß über Anorbnung und Behandlung des Lehrfiofis in bem erwähnten Leitfaden gibt. Der Verf. geiteht felbit ein, daß, wie im Katechismus, jo auch im Handbuch Manches fteht, was nicht für alle Schulen paßt. Was in Volksſchulen, oder wenn bie Zeit Inapp zuges mefien ift, weggelafien werden fann, ift, wie im Leſebuch, in Klammern eins geſchloſſen. Berichtigte Ueberſetzungen der Bibelſtellen jollen bloß für den Lehrer und nicht in ben Unterricht gehören, ein Wink, dem wir doch nit unbedingt folgen möchten, indem es hinfichtlih gar mander Stellen im A. und N. T. nit ſchaden lann, auch die Schüler auf bie richtigere Ueberſetzung berfelben hinzuweiſen. Großen Fleiß hat der Verf. auf die MWorterflärungen verwendet. Sollten dieſelben ihrer Cinfachheit wer gen als überflüfiig erjcheinen, jo gibt der Verf. mit Recht zu bedenlen: 8) das Nächfte wird oft am meilten überſehen, es muß aljo darauf hinge⸗ wiefen werben; b) beim Erklaͤren wirb in boppelter Weife gefehlt, man findet zu wenig darin, man legt zu viel hinein, dem zuletzt genannten Fehler beugen hauptſächlich die jcheinbar überflüffigen Erflärungen vor, ©) diefe einfahen Erklärungen joll nicht der Lehrer nem Schüler, jondern ber Schüler dem Lehrer geben, d. b. der Lehrer foll fie dem Schüler nicht vorfagen, fondern abfragen. Das Berhältniß, in welchem das Hand: buch zu dem Lehrbuch ftehen joll, bezeichnet ber Verf. mit den Wor⸗ ten: „Es ift in beiden Büchern obngefähr wie in der Stereoflopie mit den 2 Bildern ; nur im Zuſammenſchauen der beiden hebt fi das Ganze rund und voll heraus.” Ueber die Grllärung der Sprüde äubert ſich ber Verf. fo: „Meine Meinung ift nit Die, daß ber Lehrer Spruch für Spruch in feiner Schule erllären fol. Die gegebenen Grllärungen haben großentheils mehr einen negativen als politiven Zwed; fie wollen abhalten, falſch aufzufallen und falſch auszulegen. Ich bin im allgemeinen lein ſon⸗ derlicher Freund vom ausführliben Erklären der Bibeliprüde im Religions unterriht, aus Gründen, von denen ich bier nur zwei andeuten will: a) es wird viel Beit damit verbracht, b) es wird viel Dünfel damit erzeuget. Die ſich einbilden, fie verftännen einen Spruch, wenn fie eine jogenannte Gr:

‚Religionsunterricht. 33

klaͤrung davon geben können, verftehen ihn erft recht nicht. Bum rechten Bibelverftändniß führen nicht fomwohl Commentare, als vielmehr Leben und Grfahrung. Wichtiger als die Auslegung der Sprüde ift daber für jugend» lihe Gemütbher Leben und Erfahrung Damit foll natürlih ihrer Auss fegung in den Schulen keineswegs aller Werth abgefprodhen fein.” Mas die Art und Beſchaffenheit der Sprüche anlangt, fo befolgt der Per: fafieer den Hauptgrundſatz bei aller Bibelauslegung: „Schrift wird durh Schrift erklärt“ „Wer ſich des Handbuchs bedienen will, ũberſehe daher die Bibelſtellen nicht, auf die darin verwieſen wird, ſondern ſchlage ſie auf und leſe ſie durch.“ Zum Ueberfluß rechtfertigt ſich der Verf. deswegen, daß viele Beiſpiele, wie manche Sprüche mehrmals vor: kommen. „Dies wird wohl“, heißt es mit Recht, „nicht auffallen, da ein und derſelbe Spruch, wie ein und dieſelbe Thatſache verſchiedene Seiten und Beziehungen hat.“ Wie der Lehrer die im Handbuche erklärten Sprüche behandeln ſoll, darüber ertheilt ver Verf. den ſehr beher- zigenswerthen Wink: „Es iſt nicht nöthig, den logiſchen Bau jeder Spruch⸗ gruppe, den das Handbuch in's Licht ſetzt, lehrhaft einzuprägen oder gar auswendig lernen zu laſſen, ſondern es reicht hin, ihn anſchaulich und fühlbar zu machen, am beſten ſo, wenn der Lehrer durch geſchickte Fragen dem Kinde Anleitung gibt, ihn ſelbſt herauszufinden und gewahr zu wer: den.” Was den beabfichtigten Nußen feines Handbuchs anlangt, fo ſpricht fih der Verf. darüber fo aus: „Sol das Handbuch erfprießliche Dienfte leiften, jo muß es nicht bloß gelefen, fondern auch durchdacht und geiftig verarbeitet werden. Lehrern, die es, ohne fih auf ben Unterricht vorzubereiten, bloß in die Schule mitnehmen wollen, um daraus abzulefen, was fie brauchen, wird es nicht wiel helfen.”

Mir unterlafien es, an Beijpielen nachzuweiſen, wie der würbige Verf. Das, was er in den „Vorbemerkungen“ in Ausficht ftellt, wirklih ausgeführt bat. Die competenteften Beurtheiler haben ihm ſchon bei dem erjten Ers feinen des Handbuchs das Chrenzeugniß gegeben, daß er Zrefiliches ges leiftet hat. Ja, wir ſiehen niht an, zu betennen, daß der Berf. mehr getban hat, als er veriprohen. So finden wir 3.2. bei den citirten Lie- derverfen ihre Verfaſſer nebft deren Todesjahr angegeben. Auch fehlt es nicht an Kernſtellen aus ven Schriften Luther's und anderer Kirchenmänner. Beide Buthaten- find gewiß dem Lehrer, mwelder feinen Religionsunterricht moͤglichſt fruchtbar zu machen fucht, jeher mwilllommen.

Nun, jo möge denn das Adermann’she Handbuch immermehr Anerlens nung und Eingang finden. Unter treuer Benußung und forgfältigem Ges brauch diefer Handreihung kann ein ftrebfamer Lehrer füglich abſehen von den Statehiämuserflärungen, melde ſich bereits zu einem umüberjehbaren Haufen aufgethürmt haben und Jahr aus Yahr ein aus allen Winkeln Deutſchlands wie Pilze zum Vorſchein kommen.

7. Kurzgefaßtes Handbuch zu Dr. Martin Luther's Heinem Kate» chismus, mut bejonderer Berüdfichtigung des Zwidauer „Leitfadens zu einem einjährigen Neligionsunterrichte”, von Karl Theodor Kretzſch⸗ mar, Öberlehrer am Eymnaſium zu Plauen. Dritte, vielfach vermehrte

Auflage. Zwickau, Buchhandlung des Bollsfchriften« Vereine. 1861. VI und 200 ©. 221 Ggr.

Päd. Jahresbericht. XVIO. 3

34 | Religionsunterricht.

Hierzu gehört Nr. 20: Leitfaden zu einem einjährigen Religionsunter- richt, —* Nr. 21: Winke zum Verſtändniß ber im Zwidauer Leit⸗ faden zum Katehismus-Unterricht angeführten Bibelſtellen.

Im Anſchluſſe an die legte Bemerkung zu Nr. 6 theilen wir zunächſt die erften Worte aus dem Vorwort zur zweiten Auflage des vorliegenden Buches mit. „Die Katehismusliteratur ift feit wenigen Jahren fo anges wachſen, daß fie faum noch in ihren bedeutenderen Griheinungen überſehen werden kann. Es ift dies ein erfreuliches (?) Zeichen davon, daß man in immer weiteren Kreifen zurüdtehrt (l) von felbft gewählten Wegen zu dem beilfamen Worte, darauf unfere theuere Kirche erbauet if. Auch vors liegendes Handbuch, das ſich zunädft an die Zwidauer Ausgabe des Ka⸗ techismus anſchließt, tritt in zweiter Auflage wieder in Reih und Glied, um an feinem geringen Theile ferner noch Handreichung zu thun zu bem gro⸗ gen heiligen Baue Der Berf. ftellt fih alſo jelbft als einen Gegner des Fortſchritts dar und freut fi, daß man ‚in immer weiteren Krei⸗ fen zurüdtehtt nicht zur einfachen, aus dem lauteren Worte Gottes ge: ſchöpften Chriftenlehre, fondern zu der ſcholaſtiſch-dogmatiſchen Kirchen⸗ lehrte. Gr betrachtet daher auch nit die chriftlihe Lehre, die uns Jeſus gegeben hat, als die Hauptſache beim Religionsunterrichte, ſondern die Lehre über Chriftus, wie fie von ber Kirche dogmatiſch ausgebildet worden if, und warnt ausbrüdlich davor, dem 1. Artilel eine zu große Ausdehnung zu geben, nur damit dem „Mittel: und Höhepunkte des Katehismus, dem briftologifhen Theile fein volles Necht geſchehe.“

Der Geift des Werks wird aus diefer Mittheilung genugſam erkannt. Die Anordnung defielben folgt vom erjten bis zum legten Hauptflüde ftreng den Worten des Katehismus. Die Darftellung ift gebrängt und firebt eine Form an, die fich leicht in die Tatechetiiche Behandlungsweiſe übertragen läßt. Der Verf. läßt ſich aber leicht, befonders durch feine Gewährämänner, wie Ahlefeld, verleiten, einen Gedankenreichthum zu entfalten, ver mehr glänzt, als nüßt, mehr ein Spiel der Phantafie, als ein einfach natürliches Ver⸗ ſtaͤndniß des Wortes erzielt. So ©. 195: „Er nahm Brot und Wein. Brot: bie ftärlenve, Leben erhaltende, Wein: die erfreuenbe, edle Gottesgabe. Lebensmittel find Lebensbilder. Ich bin euch fo unentbehrs lich, fo genießbar, ald Brot und Wein. Lavater. Bi. 104, 15. Wollen wir noch weiter ſuchen, fo ift das Korn in der Mühle zesmalmt, das Brot des Lebens in der Hite bes Feuers gebaden, ver Wein aber in der Son⸗ nengluth greift und dann durch die Slelter gegangen. So ift auch das Brot des Lebens in der Hiße und Gluth bereitet, Ahlefeld. Wenn ver Herr das Brot, das doch aus vielen Körnern zufammengefjegt ift, feinen Leib nennt, fo zeigt er damit an, wie unjere Gemeinde vereinigt jei, und eben bie Bedeutung hat ed, wenn er den Wein fein Blut nennt, denn es iſt aus vielen Zrauben und Beeren ausgepreßt. Chryſoſtomus.“ Ebenſo gejucht find die Beweife, welche der Verf. für die Dreieinigkeit aufftellt, na⸗ mentlih feine Anmerlung S. 83: ‚Die göttliche Dreieinigkeit erbliden wir unter andern im Mofaifhen Segen, wo breimal der Herr genannt wird, der Gott Israel's, der doch nur Einer ift, und zwar zuerft al3 ber Urſprung alled Guten (der da fegnet und bebütet), jodann zweimal verbunden mit

- Religionsunterricht. 35

dem Worte Angefiht, erftlich als die Quelle des Lichts und der Gnade, nämlich als der Sohn, wie ihn Johannes darftellt, und hierauf als ver ewige Geift des Friedens und der Volllommenheitl. Nah Meyer, Vorrede zum Bibelwerf, 1. Theil.” Ob mohl ver Verf. felbft im Ernft glaubt, daß Mofes fi) den „einigen Gott“ als ein aus drei Perſonen beftehendes We fen gedacht, daß er bei jeinem Segenswunſch diefe drei Perfonen im Auge gehabt, daß er überhaupt bei feinem ftrengen Monotheismus an eine Zrinität gevaht babe?! Unter ven Werten des Teufels zählt der Ber. merkwürdiger Weife auch das auf, „daß er uns bei Gott verklagt wegen unjerer Sünde, den Tod für uns fordert.” Wie finnlih, wie un: würdig von Gott gedacht! und wo bleibt das anklagende Gewiſſen? Die Intoleranz des Verfaſſers leuchtet aus der Strenge hervor, mit mweldyer er die Ausübung der Grcommunication empfiehlt mit dem fehr ſchwa⸗ Ken und unhaltbaren Hinweis auf einen Trunfenbold, der vom Abenpmahle auszuschließen ſei. Evangel. Rirchenzeitung.

Doch genug. Das Buch hat bei allen Mängeln auch fein Gutes und hat auch ſchon im Kreife der Geſinnungsgenoſſen des Berfafjers Beifall ge funden. Es foll zum eigenen Denken anregen, nicht Ejelsbrüde fein. Der Verf. jagt deshalb felbft, und das ift bei allen ſolchen Handbüchern zu be berzigen: „Es joll dadurch Niemandem eine gründlibe Vorbereitung und Anlegung eines eigenen Heftes erfpart werden. Es ift nicht gut, in der Schule und bejonders in der Religionsftunde aus der Hand in den Mund leben.”

Noch fei bemerkt, daß die Verlagshandlung jedem Gremplar des Hands buchs den „Bwidauer Leitfaden‘ gratis beigibt.

8. Der dritte Artilel nach dem Heinen Lutherifchen Katechismus in zwöolf Katehejen. Bearbeitet von Karl Theodor Kretzſchmar, OÖberleh- rer am Gymnaſtum mit Realfchule zu Plauen, und Wilhelm Leopold Große, Bicedirector am Seminar zu Plauen. Zwigau, Buchhandlung des Volksſchriften Vereins, Julins Döhner, 1865. VI und 127 ©. 15 Sgr.

Dies Werk ſchließt ſich eng an das fo eben unter Nr. 7 beſprochene an, fo wie es auch zum Theil denſelben Verfaſſer hat. Die Herren Krettz ſch⸗ mar und Große geben nämlich bier eine Probe methodifcher Behandlung des in jenem Werke gegebenen Stoffes. Sie betrachten es mit Recht als „eine eigenthümliche Erſcheinung, daß, während die Ratehismuslitera: tur, foweit fie die commentatorifhe Behandlung des Stoffes be trifft, feit ein paar Jahrzehnten fait zu dem am reihften angebauten Gebiete der pädagogiſchen Literatur fih entfaltet hat, die katechetiſche Behandlung des Stoffes im Verhältniß zu jener äußerft kärglich ver treten iſt. Diefe Erſcheinung erllärt fih hauptſächlich aus der Schwierig. keit, den Katehismus nad den Regeln der Katechetik ſchriftlich zu bearbeis ten.” Trotz diefer in Wahrheit mohlbegründeten Schmwierigleit haben ſich bie Berfafler, von maßgebenver Seite wiederholt aufgefordert, eine Anzahl Katechiſationen zu ſchreiben, die Aufgabe geftellt, mit Zugrundelegung des Sprudmateriald im Bmwidauer Leitfaden an einer Anzahl von Rates

3 *

36 Religionsunterricht.

chiſationen die katechetiſche Verwendung des im Kretzſchmar'ſchen Handbuch gegebenen Stoffes zu erweiſen. Um über die ſchwierigſie Partie des Katehismus namentlich jüngeren Lehrern eine Handreichung zu bieten, baben die Berfafler ven vritten Artikel zum Gegenftanb ihrer Kateche⸗ jen gemadt, von welden Kretzſchmar die erften 6 und Große vie letz⸗ ten 6 bearbeitet bat.

Die Digpofitionen zu den 12 Katecheſen find folgende: J. Ich glaube an den heiligen Geift: 1. Wefen des heiligen Geiftes, 2. Offenbarung feines Weſens in der beiligen Geſchichte, 3. Nothwendigkeit feiner Sendung. II. Die Berufung: 1. Was beißt: der heilige Geift hat mid berufen ? 2. Wodurch beruft ber heilige Geiſt? 3. Wie beruft der heilige Geift ? 4. Wie kann fi der Menſch dazu verhalten? II. Der beilige Geift erleuchtet mit feinen Gaben: 1. Der heilige Geift erleudtet uns dur das Geſetz über unfere Eünde. 2. Der heilige Geift erleuchtet uns durh das Evangelium über Gottes Gnade. 3. Er führt uns daburd zur Belehrung. IV. Bon der Rechtfertigung aus dem Glauben: 1. Vom rechten Glauben. 2. Bon der Nedtfertigung aus dem Glauben. 3. Vom Frieden, durch den uns der heilige Geift unfere Rechtfertigung bes zeugt. V. Der heilige Geift bat mih im rehten Glauben ges beiliget: 1. Der rechte Glaube bewirkt die Liebe 2. Die Liebe treibt zur Seiligung in Gedanken, Worten und Werten. VI. Der beilige Geift erhält mih im rechten Glauben: 1. Was verfteben wir darunter ? 2. Welches find die Feinde, die vom Glauben abwendig maden wollen ? 3. Wie erhält uns der heilige Geift im Glauben? VII. Bon der Kirche: 1. Das Weſen. 2. Der Name. 3. Die Eigenſchaften der Kirche. VOL Die Kirhe mit ihrer Erfheinung: 1. Das Merk des hei⸗ ligen Geiftes an der Kirche. 2. Eintheilung der Kirche in eine fihtbare und unfihtbare, fämpfende und triumpbirende. IX. Bon den hejonderen Kirhengemeinfhaften: 1. Wie find die einzelnen Kirchengemeinſchaf⸗ ten entftanden ? 2. Welches find die Hauptunterfchiede ? 8. Wie haben wir uns gegen andere Kirchengemeinſchaften und 4. wie gegen unfere eigene Kirche zu verhalten? X. Vergebung der Sünden: 1. Was ift die Bergebung der Sünden? 2. Wie ift fie zu erlangen ? 3. In welchem Um: fange werden bie Sünden vergeben? 4. Wem werben bie Sünden ver geben? XI Bon der Auferſtehung des Fleiſches: 1. Was ift die Auferftiebung des Fleiſches? 2. Mit welcherlei Leibe ftehen bie Zodten auf? 3. Worauf gründet ſich diefer Glaube? 4A. Was foll er in uns wirkten? XI. Bom emigen Leben und von der ewigen Berdbammniß: 1. Bom Mittelzuftand als Borzuftand von Beidem. 2. Vom ewigen Le ben. 3. Bon der ewigen Verdammniß. 4. Wichtigkeit diefes Glaubens für unſer ſittliches Leben.

Fürwahr inhaltsſchwer ſind die Hauptſätze und Theile der dargebotenen 12 Katecheſen, bei deren Bearbeitung die Verfaſſer „eine Oberklaſſe von gu⸗ tem Mitteldurchſchnitt“ vorausgeſetzt haben. Die Geſichtspunkte, welche fie dabei geleitet haben, find: 1. „Analytiſch⸗-ſynthetiſche Entfal— tung des Katechismus auf Grund der heiligen Schrift, mit Herbeigiehbung der bewährten fatehetifhen Hilfsmittel.

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Dies iſt treulichft geſchehen, ohne freilih dem alten und neuen Grundfaße wifſenſchaftlicher Theologie, deren goldene Früchte auch der Schule zu Gute tommen follen, nämlich dem Grundſatze: „ver Buchftabe tödtet, aber der Geift macht lebendig” Rechnung getragen zu haben. Lehrer, welche von Oben ber mehr anf ven Buchltaben als auf den Geift hingemwiefen werden, finden in biefen wegen der Natur ihrer Hauptfäße und deren Theile theilmeife mehr era» minirenden als unterrichtenden Katecheſen eine ziemlich ergiebige Quelle. 2. „Möglihft correcte Sragform und Fragftellung, ohne big zur Pedanterie getriebene Strenge” Wir find keine fonderlichen Freunde von pebantifher Strenge, weder in mündlicher noch in ſchriftlicher Katecheſe, können aber doch nicht umbin, den Verfafiern den wohlmeinenden Nath zu geben, zu Vater Dinter noch fleißiger als fie gethan, in bie Schule zu geben, um von ihm noch mehr zu lernen, was Ratechefen, welche für Lehrer muftergültig fein follen, notbthut, nämlich die Anwendung und den Gebraud der materiellen Gigenfhaften der Fragen: Deutlichkeit, Beitimmtbeit und Bmedmäßigleit. 8. „Ueberfihtlichleit in Ord— nung und Behandlung.” Dafür ift im Allgemeinen gejorgt worden; nur hätte an mehreren Punkten auf die Durdfichtigleit der augzuführenden Gegenftände mehr Fleiß verwendet werben follen, damit die Kinder aus kla⸗ rer Veberzeugung mit David fprechen lernen: „Dein Wort, o Gott, ift meined Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.” 4A. „Rind: lier, erbauliher Zon, mit Bermeidung aller Salbapderet. Ob die Berfafler von lebterer ganz frei find, laſſen wir dahin geitellt fein. Kindlicher, erbaulider Ton wird zwar oft angeftimmt, aber ficherlich bald wieder gedämpft unter den dem kindlichen Geifte und Herzen aufgebürbeten maffiven Werkftüden einer Dogmatit, aus welcher der Geilt eines Rein: bardt, v. Ammon und Käuffer gewichen ilt durch bie beliebte theo- logiſche Reaction in dem fonft jo aufgellärten Voigt: und Sachſenlande.

9. Dispofitionen Über Bibelterte, ein Hilfsbuch für ben Lehrer beim Religionsunterrihte. Gefammelt und herausgegeben von 8. Dietrich, 2. Knabenlehrer zu Auerbach im Boigtlande, und mit einem Vorworte ver- feben von 8. ©. Betermann, Director der evangel. Freiſchule zu Dres- den. Zweite, verbefierte und vermiehrte Auflage. Dresben, Adler, 1864. XXVI und 310 ©. 20 Sgr.

Diefe Dispofitionen werden gemwiflenhaften Lehrern won Werth fein, welche gewohnt find, fih namentlih auf die Religionsftunden gründli vor: zubereiten. Sie geben einen reihen Stoff zur frudtbaren Behandlung der biblijhen Geschichte, fowie einzelner Abjchnitte der Schrift beim Bi⸗ bellejen 3. B. ver fonn: und felttäglihen Perilopen. Auch beim Ka⸗ techismusunterrichte laſſen ſich viele verjelben mit Nußen anwenden. Die Dispofitionen find freilich nur kurze flizgenartige Gerippe, denen ber Lehrer felbft erſt Beift und Leben einzubauden bat. Aber fie geitalten fi dann auch gewiß zu Gebilden, die fih dem Geift und Herzen des Schü⸗ lers einprägen und befrudtend auf deſſen religiöjes Leben wirlen. Dan: tenswerthbe Zugaben zu den meiften Entwürfen find Hinweifungen auf beftinnmte Verſe im zu behandelnden Zerte und auf verwandte Aus ſprüche der heiligen Schrift, melde zu weiterer Ausführung und Ber:

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werthbung der in der Dispofition angedeuteten Gedanken dienen follen. Die Dispofitionen find wohl zum größten Theil Previgtiammlungen ſtreng⸗ gläubiger Kanzelredner entnommen, womit nicht gefagt fein fol, daß nicht auch Lehrer, welche auf einem freieren tbeologifhen Stanbpuntte ftes ben; die meiften derfelben fehr gut für ihren Unterricht benuben können. Vorausgeſchidt ift eine „überfichtlihe Angabe der Bibelftellen‘ (nad der Reihenfolge der bibliſchen Bücher) S. VI—XXVI und am Schluſſe S. 297—310 ein alphabetifheg Sadhregifter, wodurch der Gebraud des Buches weſentlich erleichtert wird.

10. Srundlinien des Religionsunterrihte in ben unteren unb mittleren Klaſſen ber deutſchen Bollsfhulen von Georg Hoffmann. Erfter Theil, enthaltend Unterweiſung zum Gebete nebft ben erſten Be⸗ lehrungen über ben breieinigen Gott, ferner Behandlung ber altteftaments fihen Geſchichten und bes erflen Artikels. Bayreuth, in Commilfion bei Carl Gießel, 1865. XIII und 202 ©.

„Obwohl diefem Büchlein eine ſolche Geftalt gegeben if, daß es als Lehr⸗, Lern, Lejes und Gebetbuh für die Kinder in Schule und Haus dies nen kann, fo ift es doch nicht ſowohl für die Sand des Schülers, als viel mehr des Lehrers beftimmt und will diefem eine Handreichung fein zur Ertheilung eines gründlichen, geiftigen und nachhaltigen Religionsunter- rihtd auf der Unter» und Mittelftufe. Cs bietet daber nicht bloß den Lehre, Lern⸗, Geſchichts- und Lefeftoff, fonbern gibt auch, bald in kurzen Andeutungen, bald in ausgeführteren Unterredungen, Winke für unterricht⸗ lihe Behandlung vdefjelben und zeichnet fo die Grundlinien des geſammten Religiondunterrichtes in den untern und mittleren Klaſſen der evangeliſchen Boltsihulen nah Stoff, Plan, Gang und Methode.”

So ſpricht fih der Verf. felbft im Vorwort über Inhalt und Beftim- mung jeines Buches aus. Indeſſen meinen wir doch, daß ſich daflelbe gar nicht dazu eignet, aud den Kindern in die Hand gegeben zu werden, wie der Verf. meint. Denn abgejehben davon, daß die 32 Eeiten lange Einleitung nur eine Methodik für ven Lehrer ift, fo find auch dem für bie Finder beftimmten Texte viele methodische Winke, viele Anſprachen, ent: widelnde Fragereihen und erllärende Bemerlungen beigemifcht, die doch nur den Lehrer beim Unterrichte unterftügen jollen. Ueberdies feßen die Anwei⸗ jungen, die bier dem Lehrer gegeben, die Fragen, die ihm in den Mund gelegt werden, bei demjelben eine fo große Unfähigkeit fich felbft zu helfen boraus, daß er vor den Eltern feiner Schullinder, denen dann doch auch dieſes Buch zu Gefihte fommen würde, ſich jchämen müßte wegen des ge= ringen Vertrauens, das bier in feine geiftige Befähigung und paͤdagogiſche Bildung geſetzt wird.

Veranlaßt wurde der Verf. zur Abfafiung feines Buchs durch den Bes ſchluß der baierifhen Landesſynode, durch melden das Religionsbüchlein „Erſter Unterriht von Gott” abgefhafft wurde. Cr will nämlih vor der Einführung eines neuen Religionsbuchs einen Beitrag liefern zur Löfung ber Frage über das Was und Wie eines Religionslehrbuchs für die untern und mittleren Klaſſen der evangelifhen Volksſchu— len Baierns,

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Der Geift, von dem er ſich dabei leiten läßt, ift der ftrengsconfefs fionelle, wie ſchon daraus abzunehmen ift, daß er „vorzugsweiſe die einſchlägigen Werle von Wangemann, Ranke, Materne, Kurk, Bormbaum, Theel, Wiedemann zc. bei feiner Arbeit benußt bat.‘ Gr vrängt daher nicht nur ſchon den Kindern der Unterllafien den Ratehismus und bie daran gelnüpfte Orthodoxie auf, fondern läßt fi auch zu ‚ganz unpädngos giihen und unbiblifhen Dingen verleiten. So lehrt er die Rinder des er: ften Schuljahres recht [hön und zwedmäßig zu Gott beten und ihm danken für feinen Schuß, dann aber ganz dafjelbe wieder gegen Jeſum ausſprechen und 3. 2. beten:

Die Naht nunmehr vergangen ift, wir danken Dir, Herr Jeſu Chrift, daß Du uns frei von aller Plag geſund läßt ſehen diefen Tag.

Dir bitten Di, Du Onabenftrahl (?), leucht uns in diefem Jammerthal (1), beſchirm uns täglich und auch beut, bewahr uns ferner allezeit. Amen.

So unzwedmäßig es ift, Heine Kinder jelbit bei ihren Gebeten in Wis derſpruch mit fih zu führen und jo unpädagogifh, fie bier vom „Onas= denftrabl” und „Jammerthal“ reden zu läfjen, ebenjo unzwedmäßig und unpaͤdagogiſch ift es, mit ihnen fchon die Lehre vom heiligen Geiſte zu behandeln und fie zu ermahnen, daß fie ihn nicht betrüben und ihn um Hilfe bei ihrem legten Ende anrufen follen, fie ſchon von ber Dreieinigleit zu unterrichten, fie ſchon das Vater unfer beten zu lebren ꝛc.

Doh wir entbalten ung, meiter von den zahlreihen Mißgriffen und Irrthümern zu reden, welche die Folge der Hyperorthodorie des DVerfafjers find. Dagegen müfjen wir die große Sorgfalt und Liebe rühmen, die un: vertennbar den Verf. bei feiner Arbeit befeelt, und die guten Winle und Beifpiele, die er den Lehrern für die Behandlung des gebotenen Stoffes ge: geben bat. Wir müfjen nur bedauern, daß er dabei fo fehr im alten Syitem befangen if.

Der Plan feines Werks ift, den Religionsunterriht in folgenden 4 Abftufungen zu geben: 1. „Unterweifung zum Gebete nebit den erften Belehrungen über den dreieinigen Gott’, um „das Verftänpniß und den rechten Gebraud der zu lernenden Gebete zu vermitteln und bie Bafıs für die bibliihen Gefhichten und den weiteren Unterricht in der Ne ligion zu gewinnen.” 2. „Hierauf ſoll das Kind hören von den großen Thaten und Eigenjhaften Gottes”, nämlich die wichtigften Geſchich⸗ ten des 4. 7. mit Anfchluß des erften Glaubensartitels an bie Schöpfungsgefhihte. 3. Soll es über den heiligen Willen Gottes (die zehn Gebote Crlenntniß der Sünde und Verlangen nad dem Gr: Idfer) belehrt werden. A. Soll es vom Heilande und feinem Werte hören (die wichtigſten Gefcichten des N. 7. - Crlöfung, Heiligung, lebte Dinge). In vorliegendem Buche find bloß die beiden erften Stufen be: arbeitet, die beiden folgenden follen in einem zweiten Theile gegeben werben

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11. Der erſte Religionsunterridht fir Kinder evangelifcher Chriſten. Mit befonderem Anſchluß an die „Erläuternden Beftimmungen zur Anwen- dung der Grundzüge, betreffend Einrichtung und Unterricht der evangelifchen einflaffigen Elementarſchulen“ ber konigl. Regierung zu Merfeburg vom 2. Januar 1855. Bon 8. Materne, Director des Schullehrer-Seminars zu Schloß-Eifterwerda. A. Für den Lehrer. Zweite Auflage. Eis⸗ Ieben, ©. Reichardt, 1865. 147 ©. 15 Sgr.

Der Verf. täufcht fih, wenn er meint, der von ihm der unterfien Stufe für den erften Religionsunterricht zugewieſene Lehrſtoff biblijcher Geſchichten, der Katechismusſätze ohne Erklärungen, einzelner Verſe des Kir⸗ chenliedes und einer beftimmten Summe von Gebeten redtfertige ſich von jelbft als den im Allgemeinen rihtigen. Daß außer Anderen na= mentlid der Referent den Religionsunterriht für die Kinder der erfien Schul: jahre ſich anders denkt und einrichtet, wird denen nicht unbelannt fein, die gelefen haben, was er feit länger als zehn Jahren darüber in der allgem, deutfhen Lebrerzeitung und in Diefterwegs Jahrbuch gejhrieben hat. So findet er es ganz ungeeignet für die erften Schuljahre, den Unterricht, wie es im vorliegenden Buche gefhieht, mit dem Vater unfer zu beginnen, deſſen herrlicher, tieffinniger Inhalt von Heinen Kindern ſchlechterdings nicht gefaßt werden kann und deſſen verfrühete Anwendung gewiß bie Segenstraft defielben für alle fpäteren Jahre beeinträchtigt. Cs ift Zäufhung, wenn der Berf. fhon in der zweiten Schulwoche beginnt: „Ihr verfteht nun, das Vater unfer zu beten” und darauf die zweite Gebetsübung mit den Worten einleitet: „Das walt’ Gott, DQater, Sohn und heiliger Geiſt! Ich danke Dir, mein himmlifher Bater, durch Jeſum Chriftum, Deinen lieben Sohn, daß Du mich dieſe Naht ꝛc.“ Referent bat Lehrer gefunden, welche jelbft die erften Worte dieſes Gebet3 unrichtig auffaßten, weil fie die lateiniſche Conftruction derjelben nicht verftanden. Es ift Tau⸗ fung, wenn er bei den Heinen Kindern ein richtiges Verſtändniß der Worte vorausfeßt: „Schaff' in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen gewiſſen Geiſt“, die er ihnen in der dritten Schul: woche nad der „Bußtagsanfprade” zu lernen und zu beberjigen gibt. Man hat Mühe genug, den größeren Kindern die ungewöhnliche Bedeutung der Worte „einen gewiſſen Geiſt“ begreiflih zu mahen. Doch Referent fieht von Richtigkeit und Zmedmäßigleit des ausgewählten Lehrſtoffs ab, da die Wahl defielben durch den confejfionell-traditionellen Standpunlt des Verfaſſers bedingt ift.

Wichtiger dünkt dem Berf. eine „Auslaffung über die Ordnung des gegebenen (und von ihm als richtig angenommenen) Materiald zu fein.“ „Die biblifhen Gefhichten find nad dem Kirchenjahr geordnet, wobei natürli die Rüdfiht auf das natürliche Jahr nicht ausgeſchloſſen if. Der Zeit vom 1. Aovent bis zu Trinitatis find Gefhichten aus dem N. T., ber Zeit von Trinitatis bis zum 1. Advent Geſchichten aus dem A. T. zus gemwiefen.” Zur Rechtfertigung diefer Anordnung jagt der Berf.: „Es gilt mir als das allein Richtige, bei der biblifhen Gefchichte mit den Klei⸗ nen jih durch das Kirhenjahr leiten zu lafjen. Wir geben als Hriftliche Lehrer von vorn herein ja nicht allein darauf aus, fünftige Staatebürger zu erziehen, die unter dem Landrechte ſtehen; wir erziehen ja

Religionsunterricht. 41

Sole, die der Herr bereit im Sacramente der Taufe zu den Seinigen ges macht bat, deren einiger Zroft im Leben und Sterben einft das fein fol, daß fie des Herrn eigen find; wir erziehen Glieder der hriftliden Kirhe.” Wie entſchieden und abfprechend aber auch der Verf. jede andere Anordnung als unrichtig verwirft, ja, wie undriftlid auch nah dem mits getheilten Edict des Verfafierd jeder andere NReligionsunterriht erjcheinen muß, der nicht nad) feinem kirchlichen Syſtem geordnet ift, jo erlaubt fi Referent doch, anderer Meinung zu fein, felbft auf die Gefahr hin, von ihm für undriftlih gehalten zu werden. Referent hält es nun einmal für weit natürlicher und zur Erweckung kindlich frommer Gejinnungen wirkſamer, den Religionsunterricht der Kleinen an das anzuſchließen, mas dem leben und Ideenkreiſe derjelben am nädjiten liegt, an ihr pflichtmäßiges Verhalten ges gen Eitern, Lehrer, Mitſchüler, und von da allmählid zum Verhalten gegen Gott fortzufchreiten, als mit dem Baterunfer zu beginnen (mas die Kinder mit einem Mebermaß von gang neuen, frembartigen religiöfen Begriffen und Anſchauungen überjhüttet) und nur des Kirchenjahres wegen zuerjt (von Dftern bis Pfingften) den Kindern mitzutheilen: „wie am Oftermorgen brei fromme Frauen zu des Herrn Jeſus Grabe gelommen find“, „wie der Herr Jeſus fih der Maria Magpalena gezeigt hat "und nad einigen anderen bibliihen (namentlid Wunder) Geſchichten „wie der Herr Jejus gen Himmel gefahren iſt“ und ‚mie die Jünger am Pfingitfefte den heiligen Geift empfangen baben.” Indeſſen glaube der Berf. nicht, daß Referent bei den Kleinen gar nicht auf das Kirchenjahr Rüdficht nehme ; es geſchieht von ihm auch, aber nicht in dieſer zmangvollen und gezwungenen Weife, und doch, wie er glaubt, behaupten zu können, fo, daß aud er feine Schüs ler zu „Gliedern der Kirche“ erziebt. Der Verf. bat übrigens ſelbſt das

Zwangvolle und Unnatürlihe dieſer Ordnung gefühlt und daher bemerlt:

„Den Kleinen, welde zu Dftern in die Schule treten, und bie nur noch bis Zrinitatis Gejhihten aus dem neuen T. bören, ift durch die zwijchen Oſtern und Trinitatis mit den älteren Schülern der Unterftufe anzuftel: lenden Wiederholungen ein Blid in die Gefdhichte des SHeilandes er- öffnet.” Damit kann ſich aber Neferent gar nicht einverftanden erllären, da er es für ſehr beventlich hält, die Kleinen von vorn herein an das ftille Zus bören bei dem Unterricht der Größeren zu gewöhnen (was erfahrungsmäßig nichts nübt, aber viel ſchadet), und da es doch zu viel verlangt ift, wenn die Kleinen aus einem Bruhftüd vom Ende der evangeliſchen Geſchichte „einen Blid in die Geſchichte des Heilandes’ gewinnen follen.

Wie gut es übrigens der Verf. verfteht, auch die nach unferer Anſicht vorzeitig beigezogenen confejfionellen Lehren zum Heil der Schüler zu ver: wertben, und welchen Beifall diejer erfahrene Schulmann bereitd gefunden hat, ift bekannt genug. Und fo wird auch dieſes Werk feiner Hand nicht bei der zweiten Auflage ftehen bleiben, zumal da die confefjionaliftifcy ges ſchulten Lehrer an demfelben einen lehrreihen Führer finden. Dieſer gibt ihnen nicht nur gute pädagogiihe Winke, ſondern auch eine fehr durchdachte und forgfältig durchgeführte Vertheilung des Lehrſtoffs auf die einzelnen Schulwoden.

Zu bemerken ift no‘, daß bie erite Abtheilung des Buchs den Gur

42 Religionsunterridt.

fus für eine Unterllafle mit 4 Stunden für den Religionsunterricht, bie ziveite den für eine Klaſſe mit 24 Stunden für den Religionsunterriht ent- bält, dieſe jedoch nur mit Hinweifungen auf jene, dagegen mit Zugaben zu beiden Abtbeilungen und mit Crweiterungen zu einzelnen Geſchichten der 1. Abtheilung.

2. Für Shüler.

12. Leitfaden ber evangelifhen Glaubens- und Gittenlehre. Ein Borfhlag zur Körberung bes Relipionsunterriäte, Bon Dr. Karl Seberholm, evangel. Prediger (in Moskau). Leipzig, Breitlopf und Härtel, 1865. XV und 88 S. 15 Ser.

13. Grundzüge der chriſtlichen Sittenlehre für bie Jugend. Bon Dr. Kari Sederholm, evangel. Prediger. Ebendaſelbſt, 1865. IV und 43 ©, 71 Ser.

Dies Wert muß allen folgenden Lehrbüchetn der Religion für Schüler vorangeftellt werben, ba es ſich vor allen anderen dur das Streben nad einer zeitgemäßen und praktiſchen Geftaltung des Religionsunterrichts aus⸗ zeihnet. Ich fagte: „Das Werl’; denn es ift nur eins, da Nr. 13 „nur ein wörtliher Abdrud des legten Abfchnittes vom Leitfaden Nr. 12 ift. Und wodurd zeichnet fich dieſes Werk vor anderen fo rühmlich aus, in denen ſich die „großen Gebrechen unferer Dogmatik“, wie der Berf. fast, nur zu fehr wieberjpiegeln ? Der Lefer wird fich dieſe Frage fofort felbft beantworten lönnen, wenn wir ihm die Ausftellungen aufzählen, die ber Berf. an den vorhandenen Leitfaden des Neligionsunterrihts madht. Es find in kurzen Andeutungen folgende : 1. Die meiften find zu lang; „man macht das Lehrbuch felbft zum Lehrer. Alſo Ueberfütterung (vergl. meinen Auffab über Vereinfachung des Neligionsunterrihts). ‚Man vermeide bie einfchläfernde und geifttödtende Breite 1" 2. €3 fehlt in ihnen Haupt: ſächliches. „Namentlich ift der officiele Katehismus unferer Kirche, der Heine Iutberifche, viel zu kurz und lüdenbaft und baber ungenü: gend.” 3. Die meiften entwideln nur die conventionelle Kir: henlehre‘ und find in der That nichts als Gompendien der „Conſiſto⸗ rialreligion‘‘, des „octroyirten Regierungsproteftantismus‘‘, „‚verlürzte do g⸗ matifhe Compendien‘, „Leine Hutteri redivivi nah hergebra cd; tem Schlendrian geſchrieben.“ „Wir kommen doch in dem Lerftänbniß der chriftlichen Wahrheit immer weiter, und wir müflen daher auch im Stande fein, die theologiihen Formeln, von denen unfere Katechismen ftrogen, bei denen aber der junge Chrift gewöhnlich ſich ſchlechterdings nichts zu denlen vermag, in verftändlide Wahrheit aufzulöfen und umzuſetzen. Es ift nicht recht, wenn wir ihm dies nährende Brot vorenthalten und ihm dafür. einen Stein, das Petrefact todter Formeln reihen.” 4. „Die meiften unferer Katehismen tragen an fi das Gepräge der Menſchenfurcht. Nicht ver heilige Geift, der ein Geift der Freibeit ift, Sondern unfer papierner Papſt, das Belenntniß und das Concordiens buch bat fie dictirt.“ ‚Die Anmaßung, die in der Behauptung liegt, daß die im Belenntniß niebergelegte Auffafiung des Wortes Gottes unfehl: bar, daß fie immer die durchaus richtige und bie ihm volllommen ent⸗

Religionsunterricht. 43

ſprechende fei, foll hier zurüdgewiefen werden. „Das Wort Gottes iR wahr, ob aber auch unfere Auffaſſung deſſelben mahr fei, bleibt nod lange eine offene Frage, welche die Kritik zu erheben wohl beredhtigt if.“ „Es ift eine nicht zu leugnende Thatſache, daß ein Wider: ſpruch befteht zwijchen der als rechtgläubig proclamirten Kirchenlehre und dem religiöfen Bewußtfein unferer Zeit. Diefer Wider: fprud will vermittelt und verjöhnt werben, und gerade in einem Lehrbuch für das Bolt Io der Verſuch gemacht werben, dieſe Vermittelung anzu⸗ bahnen.” 5. „In den meiften der vorhandenen Leitfaden ſpiegelt ſich der Standpunkt ab, auf dem der Verfaffer eines jeden ſteht und gibt ihm eine bald buchftabengläubige, bald rationaliftifhe, bald pietiftifche Färbung ; das geſchieht aber immer auf Koſten des reinen Chriſtenthums.“ Alfo ift das erfte Erſorderniß an ein chriftliches Lehrbuch: „ein durchaus gejundes Chriftenthum, ein Chriftentbum ohne Beigefhmad.” 6. Die meiften Katechismen mit Ausnahme des erften, des lebensfrifchen Heinen lutheriſchen find in einer trodenen, abftracten Sprade geichrieben.” 7. „Die Form von Fragen und Antworten an un: jeren Katechismen ift fiherlid von Uebel. Sie fteht der Tatechetifchen Durdarbeitung des Lehrftoffs im Wege und ift ein Eingriff in die Aufgabe der Katecheten. 8. Es ift unpädagogifh, das angezogene Schriftmwort vom Zerte abzujondern und als Gontrole unter denfelben zu eben ; vielmehr muß es in den Tert verwebt fein und mit ihm Ein Ganzes bilden. 9. „Sin Leitfaden des Religionsunterrichts, welcher Segen ſchaf⸗ jen fol, muß aus dem Vollen gefhöpft, aus ver lebenpigften, hei— ligften Ueberzeugung heraus gefchrieben fein. Ob aber dieſes auch mit allen den vorhandenen der Fall fei, mögen Andere beftimmen. Wir mäflen bier unfer Urtheil zurüdhalten.”

Den größten Anftoß aber nimmt der Verf. daran, daß bie meiflen der vorhandenen Leitfaden zwar die Glaubenslehre ausführlich geben, „die Sit: tenlebre aber der Jugend ganz, ober fo gut wie ganz, vorenthalten.” Und doch, meint er, „muß vor Allem die fittlide Energie, in ber das Weſen des chriftlichen Glaubens befteht, von dem jungen Chriften ge lernt werden, er muß lernen, den „natürliden Menſchen in fih jelbft zu überwinden, lernen, wie er fein Leben lang an fich felbft zu arbeiten bat und ſich felbft anhalten fol, den Willen Gottes zu feinem Willen zu madhen. Dazu gibt ihm die riftlihe Sittenlehre die Anleitung. Und von der ift beim Religionsunterrichte wenig oder gar nicht die Rede! Und was etwa davon gegeben wird, das ift meift jo kümmerlich und wirb fo abftract und kühl gegeben, daß es unmöglih Frucht bringen Tann,”

Eeit 54 Jahren ift der würbige Verf. bemüht geweſen, einen Leitfaden zu Stande zu bringen, der die gerügten Gebrechen vermeide und den auf geftellten Forderungen entfpredhe. Erſt nah Verwerfung von wenigftens zwanzig Entwürfen ift der vorliegende, „mehrmals überarbeitete Verſ uch“ zu Stande gekommen, den er nur zu dem Zwecke veröffentlicht, eine allſei⸗ tige Prüfung feiner Grundfäge herbeizuführen und die SHerftellung eines möglichft genügenden Leitfaden zu veranlaflen. Diefe Beſcheidenheit des hochbetagten Berfaflers ift ebenfo anerfennungss und ehrenwerth, wie ber

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Hare Blid, der praltifhe Sinn und der fromme Eifer, mit welchem er au dem Ausbau eines fruchtbaren chriftlihen Religionsunterrichts arbeitet. Er ſelbſt bezeichnet fein edles Streben mit den Worten von EL Harms, defien lebensfrifche Darftellungsweife er befonders liebt, von feinem Zeitfa- den fagt: er will geben, „mas den Geift erhebt und den Willen ftärlt, was den Glauben nährt und die Sitte regelt das ganze Leben lang.”

Der Lehrgang, den der Berf. einfchlägt, ift ein ganz eigenthüms liher. Er bält nämlih drei Eurfe ein. Auf der erfien Stufe gibt er (&. 1214) den Katechismus, aber nur den Tert der fünf Hauptflüde unverändert, von den Crllärungen Luther's aber nur „fo viel als benugt werden konnte” und mit Hinzufügung weiterer Erflärungen. Als Beijpiel geben wir den Anfang und Schluß des erflen Hauptflüds: „Das erfte Gebot: Gott fpridt: Ich, der Herr, bin Dein Gott. Du follft nicht an⸗ dere Götter haben neben mir! Du follft Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen und ibm treu anbangen. Nichts in der Welt fürdte jo, ald Dich zu verfündigen an dem heiligen Willen Gottes. Nichts in der Welt liebe fo, wie Gott, Deinen Bater im Himmel. Auf Gott vers traue und nicht auf Menſchenmacht. Wenn Du aber irbifhe Luft oder Hab’ und Gut oder Anfehen mehr liebft als Gott, jo haft Du andere Göt- ter neben dem Ginen, und verachteſt Gott, Deinen Herrn und Bater, und bift nicht werth, dab Du fein Kind heißeſt.“ Zu dem Schluſſe der Gebote „Ich, der Herr ıc.” fügt der Berf. die Crllärung ; „Gott ifl ge recht. Cr jpriht: Der Sohn foll nicht tragen die Mifiethat des Baters. Allein die Folgen der Sünde können aud den Unfchuldigen treffen. Darum fpricht Gott bier zu den Menſchen: Hütet eu vor der Sünde, denn wo ihr meine Gebote übertretet, fo kommen die Folgen euerer Ueber⸗ tretungen nicht bloß über euch, fondern auch über euere unſchuldigen Nach⸗ tommen. Fürchte Gott und balte feine Gebote, fo werden die Folgen Deines Wohlverhaltens aud Deinen Rahlommen zu gut fonımen, und fie werden Dih noch in Deinem Grabe fegnen” Und weiter fügt der Berf. binzu: „Gott ſpricht: Ich bin der allmächtige Gott, wandle vor wir umd jei fromm. Darum follt ihr heilig fein, denn ich bin heilig, der Herr euer Gott. Das if die Summe der zehn Gebote Gottes. Rein Menſch ift zwar je heilig, allein wir follen trachten immerbar, daß wir ims mer beiliger werden. Das aber it das Große Gebot, weldes uns unfer Herr Zejus Chriſtus gegeben: Du fol lieben Gott x.“, und nun folgen noch vortreffliche Vorſchriften über vie kindliche Liebe zu Gott und über die brüderlidhe Liebe zu den Menſchen, die allerdings im erflen Hauptftüde nur zu ſehr fehlen.

Auf der zweiten Stufe (6. 14—34) gibt der Berf. eine „Summe der biblijhen und der Kirchen⸗Geſchichte“, wo er in gebrängter Kürze folgende Abjchnitte behandelt: 1. die Bibel, 2. die Urgefchichte des menſchlichen Geſchlechts, 3. die Berbeibung Israels, A. Jeſus Chriſtus, 5. die apoftolijche Kirche, 6. die katholiſche Kirche, 7. die evangeliſche Kirche Diefer Abſchnitt foll eine ausführliche bibliſche Gefchichte (durch deren Aus: dehnung oft Wichtigeres verfäumt wird) entbehrlich machen und ein Mittel- glied zwiſchen der 1. und 3. Abtbeilung bilden. Des Berf. gibt bier eine

Religionsunterricht. 45

gute Auswahl des Nothwendigſten, was jeder Chrift won ber Geſchichte des Gottesreihd und von den Schidfalen der chriftlihen Kirche „ſchlechterdings wiffen muß.” Merkwürbig, daß er noch die Schreibart Pabſt beibehält.

Auf der dritten Stufe (S. 3545) wird die „Summe der evangelijhen Glaubenslehre” aufgeftellt, und zwar in folgenden Abfchnitten: 1. Gott, 2. Offenbarung Gottes, 3. der Menſch, 4. Gottes Vorſehung und MWeltregierung, 5. die Abkehr des Menfhen von Gott, 6. Chriſtus, unfer Erlöfer, 7. die Kirche Chrifti, 8. die Ewigkeit. Auch

bier, wie überall im Bude, ift nirgends ein Bibelcitat zu leſen; aber die’

Bibellehre und die Bibelmorte find überall in die einzelnen Lehrjäße gejchidt und wirkfam verwebt. Es weht überhaupt durch das ganze Bud ein echt biblifcher, kindlich frommer und fromm ergreifender Geilt ohne alle dogma- tiſche Berbüflerung.

Seite 46— 88 nehmen endlich die „Örundzüge der hriftliden Sittenlehre“ ein, mithin ven Haupttheil des Buchs. Auf die Sitten- lehrte legt aljo der Berf., und mit Recht, das größte Gewicht; und doch if fie von den drei Lehreurjen ausgeihlofien! Wie gebt das zu? Der Berf. hat nämlich, wie es jcheint, nur jene 3 Abtheilungen für die gemwöhn- lihe Volksſchule, wie wir fie haben, beftimmt; denn er jagt: „vie 1. ift für Kinder, die 2. und 3. für Confirmanden und die 4. (die Sit tenlebre, für Schüler, deren Denkkraft durch geordneten Shuls unterriht geübt worden iſt.“ Aber er wünſcht, „daß die Sittenlehre jedesmal in den Eonfirmandenunterriht bineingezogen werde, und er gibt ſelbſt dazu in jenen drei erften Abtheilungen überall Anleitung, wie bei den einzelnen Lehren das praktiſch-ethiſche Moment zu berüdfichtigen fei. Wir haben alfo in der vierten Abtheilung einen höheren Curſus, in mel- chem ebenfalls Glaubenslehre mitgetheilt wird, aber nur als Subſirat der ausführlicher zu behandelnden Sittenlehre. Er behandelte diefelbe nach fols genden 10 Pflihtgeboten des Chriftenthbums: 1. Mache auf, der Du Schläfft, und erkenne Dih! 2. Achte auf die Mahnung Deines Gewiſſens und thue Buße! 3. Wade und bete! 4. Kämpfe ven guten Kampf des Blaubens! 5. Schaffe treu das Deine! 6. Trachte zuerft nad dem Reiche Gottes! 7. Halte treu an Gott dur Chriftus. 8. Liebe Gott über Alles ! 9. Liebe Deinen Nächſten wie Dich felbft! 10. Heilige Did Gott! Gern theilten wir einige Proben diefer Sittenlehre mit, namentlich die von Nr. 119—125, welche von der Belämpfung des Geſchlechtstriebes han⸗ deln, zumal da der Verf. felbft diefen für die Heiligung des Lebens fo überaus wichtigen Gegenftand zu ganz bejonderer Beachtung empfiehlt ; aber wir haben unfer Referat ſchon weiter ausgedehnt, ald es fonft zu gejchehen pflegt. Dies geſchah aber auch nur, weil wir es für unfere Pflicht hielten, nicht nur dem ehrwürbigen Verf. ein Zeichen der Anerlennung feines hei« ligen Eifers und feines tieſdurchdachten Werks zu geben, ſondern auch, fei- nem Herzenswunſch entjprechend, zu zeitgemäßer, wahres Chriſtenthum för: dernder Umgeftaltung des im ganzen „jo kläglich zurüdgebliebenen religiöfen Unterrichts” aufzumuntern. Wie Viele beihämt es, daß bier ein Ruſſe den Deutihen mit gutem Beiſpiele vorangeht, wie Biele aud von Denen, die doch nicht unter dem Symbol: oder Regulativgwang ftehen |

46 Religionsunterricht.

So jehr wir übrigens vie biblifche Fafjung des Werles ehren, fo aufs fallend iſt es uns doch, daß der Verf. geflifientlich jedes Bibelcitat ver: meidet. Wir ftimmen ihm allerdings darin bei, daß „das Bibelmort mit dem Zerte ein Ganzes bilden muß‘; aber um dem Bibelſpruch einen blei⸗ benden Eindrud und Halt zu verfchaffen, ift ed doch gewiß gut, wenn er als Bibelwort befonders markirt, als bibliihe Beglaubigung bezeichnet, ober wenn er aus ber heiligen Schrijt felbit wenigftens in ein neben dem Bud zu führendes Spruchbuch eingetragen wird. Ebenſo auffallend ift die Kürze, mit der die biblifhe Geſchichte behandelt wird, da doch eine eingeben: dere Beiprehung einzelner biblifcher Geſchichten fo viel zur Beranfchaus lihung religiöfer Wahrheiten und Sittenlehren beiträgt ; doch weiß man ja nicht, wie der Verf. diefen Theil feines Buchs in feinem Unterrichte aus führt. Endlich müflen wir noch bemerken, daß das Werl des Berfaflers, fo frei au defien Standpunkt ift, doch hier und da einen leiſen dogmatiſchen „Beilhmad‘ bat, wie 3. B. der unbibliſche, ſcholaſtiſche Ausdruck „Gott⸗ menſch“ zeigt, dagegen ift der Teufel gänzlih aus demſelben verbannt.

Mit Freuden begrüße ih den mürbigen Verf. als einen Gefinnungs- genofien, namentlih in Bezug auf die auch von mir eritrebte Vereinfachung des Religionsunterridhts.

14. Ratehismus ber Kriflihden Lehre. Nur aus Worten ber Schrift für Schulen veformirter und unirter Gemeinden zuſammengeſtellt von Friedrich Brandes, reformirtem Pfarrer zu Göttingen. Göttin« en, Vandenhoeck und Ruprecht, 1865. VII und 176 S. 10 Sgr. 24

pl. & 73 Ser.

Auch dieſes Werk ift, wie das fo eben beſprochene Sederholm'ſche, rer formatorifher Art, darauf berechnet, dem Neligionsunterrite, eine neue, vom Katehismus ganz unabhängige, den Forderungen der Gegenwart in evangelifhem Geifte entſprechende Faſſung, kurz einen rein-bibli⸗ hen Unterricht zu geben. Es unterjheidet fi aber von jenem da⸗ dur, daß es nicht Lehrſaͤtze in bibliicher Faſſung, fondern nur Bibelmorte zu freier Faſſung der Lehren gibt.

Wir erbliden in diefem Werte eine erfreulihe Frucht des hanno⸗ ver'fhen KRatehismusftreites oder der Anregung zum Beſſeren, bie derfelbe gegeben bat, und rühmen nicht nur den Freimuth, mit welchem der Berf., felbft ein Hannoveraner, durch fein Werk der kirchlichen Reaction offen entgegentritt, fondern auch und nody viel mehr den evangelifchen und irenifchen Geift, der aus feinem Unternehmen ſpricht. Gr felbft äußert fih über die Veranlafiung und Tendenz befjelben im Vorworte folgender: maßen :

„Die vorliegende Arbeit ift durch die Katechismusnoth veranlaßt, wie fie in den legten Jahren fühlbar genug hervorgetreten if.‘ Das hat fih wohl Mar herausgeftellt, daß die einfache Wiedereinführung der Lehr: bücher aus dem 16. und 17. Jahrhundert eine Unmöglichkeit fei, ſchon we⸗ gen des Mißtrauens und Wiverwillens, mit welchem ſolche Verfuche von den Gemeinden aufgenommen werden. Es ift nicht wohl möglid, die ges fammte evangelifche Kirche auch in ihren wirklich chriſtlichen Mitgliedern fo

Religionsunterricht. 47

um einen von den Katechismen der Reformationdzeit zu verfammeln, daß nit gegen die theologische Faſſung deſſelben aller Orten offener und. ges beimer Widerſpruch ſich erböbe und nur durch eine Gewiſſensbedrüdung ohne Gleichen würde deshalb die Wiederherftellung eines ſolchen Buches in den Bollsunterricht gefchehen können. Die aus der Reformationgzeit über: lieferten Katechismen baben als Unterrichtsbüder ihre Zeit gehabt, jebt aber find fie ſchon deshalb unbrauchbar geworden, meil fie, wie die Erfah: zung lehrt, nur dazu dienen können, den Frieden der Kirche zu ftören und mit dem Streite Verwüftung in biejelbe hinein zu bringen. Wenigfteng kann der Berfafjer vorliegender Arbeit keine andere, als diefe Ueberzeugung ausfprehen, auch auf die Gefahr bin, veshalb von dieſer oder jener Seite geſcholten zu werden, aber ex meint au, die Frage, welcher Katechismus zu gebrauchen, fei nicht lediglich Sache des Glaubens, fondern auch ber Zwedmäßigleit. Jedes Buch, welches Unfrieden und Verwü— ftung in die Gemeinden trägt, ift eben dadurch verderblich, und bie evangelifche Kirche ift nicht berufen, ben Katechismus Luther's oder den Pfälzer, jonden das Evangelium zu treiben.”

Um nun das Anftößige der altreformatorifhen Katehismen fern zu halten (was er nicht nur in ihrer einer früheren Zeit angehörigen Form und Sprache, fondern auch in ihren der Theologie jener Zeiten entſprun⸗ genen und dieſe enthaltenden Faſſung ver einzelnen chriftlihen Lehren findet) ftellt er bier „ein Lehrbuch zujammen, welches das Chriftenthum lediglid mit den Worten der urjprünglichen Quellen, ver Bibel felbft darftellt, welches aljo nicht irgend eine, ob zwar auf dem Grunde des Schriftthums erwachſene, Beittheologie, jondern den unmittelbaren Ausdrud des chriſtlichen Glaubens gibt, wie ‚ihn die Apoftel und Propheten in ihren Schriften niedergelegt haben.” Gin foldes Wert, meint er mit Recht, dürfte, wenn e3 gelungen, „als ein Werl des Friedens für unfere Kirche bezeichnet werben.“

Der Inhalt ift folgender: Ginleitung: Bon ber Religion im All: gemeinen. I. Theil: Bon Gott unferm Vater: 1. Von Gottes Dar fein, Weſen und Eigenſchaften, 2. Von Gott ald dem Schöpfer, Erhalter und Regierer der Welt, 3. Bon Gottes BVerhältniß zum Menſchen, A. Bon

des Menſchen Verhältniß zu Gott, 5. Von Gottes Verhalten gegen den

Sünder; IL Bon Chrifto Jeſu unferm Erlöfer: 6. Chrifti Perſon, 7. Leben, Peiden, Sterben, Auferftehen, 8. Wert, 9. Wie der Chrift das Heil erlangt; III. Vom heiligen Geiſte unferer Kraft: 10. Der Ehriften Hoffnung, 11. Wandel im Allgemeinen, 12. Berhalten zu Gott, 13. in Beziehung auf fi jelbft, 14. gegen den Nädjften, 15. Bon der. hriftlihen Gemeinde.

Als Proben der Darftellung geben wir zunädit die erfle Frage der Einleitung:

41. Wac verſteheſt Du unter Religion ?

Daß ih mih zu Gott halte und meine Zuverſicht febe auf ‚den Heren, daß ih verlündige alle fein Thun. (Pi. 73, 28);

48 Religionsunterricht.

ferner den Anfang des J. Theils „Bon Gott unferm Baler“ : 15. Kannfl Du Gott kennen lernen ?

Daß man weiß, daß Gott fei, ift und offenbar, denn Gott felbft bat es uns ofienbart. (Rom. 1, 19.)

16. Wodurch beun offenbart ſich Gott den Menden ?

1. Gottes unſichtbares Wefen, das ift, feine ewige Kraft und Gottheit wird erjeben, jo man be wahrnimmt an den Werten, nämlihd an ber Ehöpfung ver Welt; aljo daß fie feine Entſchuldigung haben. (Röm. 1, 20.)

2. Ihr Gewiſſen bezeuget fie, dazu aud die Gedanken, bie ſich unter einander verklagen oder entjchuldigen. (Röm. 2, 15.)

3. Ih gedenle an die vorigen Zeiten, ich rebe von allen Dei⸗ nen Thaten und fage von ben Werken Deiner Hände. (Bj. 148, 5.) u. ſ. fj. 4 u. 53

endlich geben wir noch eine Probe aus dem II. Theil „Bon Chriſto Jeſu unſerm Erlöfer” und zwar von Ehrifti Werk:

133. Zu welchem Bwede bat nun ber Sohn Gottes bas Alles tbun unb

leiden müſſen?

Gott hat den, der von keiner Sünde wußte, für und zur Sünde ges madht, auf daß wir in ibm würden die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. (2. Cor. 5, 21.) |

134. Wie lautet beshalb die Ermahnung, mit welcher bie Betſchaft von

Chrifto an jeden Menihen und fo auch an Dich berantritt ?

Laſſet euch verjühnen mit Gott! (2. Cor. 5, 20.)

135. Was iſt denn bas: mit Gott verföhnt werben ?

Daß mir die Kinpfhaft Gottes empfangen. (Gal. 4, 5.)

136. Wer ift denn ein Kind Gottes ?

Welche der Beift Gottes treibt, die find Gottes Kinder. (Rö⸗ mer 8, 14.)

Wir glauben damit ein anjchaulihes Bild vom Geifte und von der Form des Lehrbuchs gegeben zu haben, müfjen aber noch bemerken, daß wir der Kürze wegen die Sprüche meggelafien haben, die jeder der im Ganzen 426 Fragen und Antworten (ausgedrudt, aber mit Eleineren Lettern) beigegeben find. Diefe Sprüche follen zur näheren Erläuterung und Begründung dienen, während nur die großgedrudten auswendig gelernt werben follen.

„Der Menſch fragt und Hottes Wort antwortet”, das, fagt der Verf., it no immer die Praxis der- evangelifhen Kirche geweſen; und biefem Grundſatze ift er auch in feinem ganzen Buche treu geblieben. Welcher evangelifche Lehrer follte ihm darin nicht beiftimmen ?- Und doch mirb es unter den ftreng Confeffionellen nicht menige geben, die an diefem Buche Anftoß nehmen, weil es die traditionellen Formen über Vord wirft und weil ed jo mande Sprüche nicht enthält, die von ihnen um ihrer Lieblings⸗ dogmen willen vorzugsweiſe betent werden. Aber kann es unter den pro⸗ teftantishen Lehrern anders zu einer Einigung kommen, ald wenn fie ber

Religionsunterricht. 49

Tradition entfagend, „vie Schrift, nur die Schrift, aber auch die ganze Schrift“ bei ihrem Unterrihte zur Geltung kommen lafjen ?

Als ein Dert des Friedens für unfere Kirche bezeichnet der Verf. feinen Katechismus; derſelbe ift aber auch als ein Wert des Fort: ſchritts zu bezeichnen in dem Sinne, wie wir es in der Einleitung zu unferem diesjährigen Referat gewünjcht haben. Wir wünjchen darum aud von Herzen mit dem Berf., daß „eine Bereinigung von evangeliihen Männern, wie dies jelbe etwa aus einer Synode hervorgehen könnte”, ſich's zur Aufgabe machte, im Geifte des Verfafiers und auf Grund feiner Vorlage der Kirche ein Werk zu liefen, „Das nur die Schrift zum Worte kommen ließe”, und bie Herflellung einer wahren „Unionskirche“ anbahnte.

15. Leitfaden bei Erklärung bes Luther'ihen Katehiemus für Oberklaſſen evangelifcher Volleſchulen bearbeitet von Conrad se ner, Kirchſchullehrer in Pohl. Plauen, NReupert, 1865. 95 &. geb. 4 Sgr. 25 Expl. geb. 3 Thlr.

16. Kotehismus ber hriftliden Lehre für bie eamgelläbrateftantifihe inabeſondere für Rheinheſſen. Mainz, Kunze, 1866. 72

gr.

17. Säte und Sprüde I michriſtlichen Religionsunterriht vom achten bis zehnten Jahre. Gin Handbüchlein für Kinder. Auszug aus dem zweiten Lehrgange ber Anleitung zur planmäßigen Behandlung bes Lehrbuchs ber Kriftliden Religion nad ben Grundſätzen der evangeliichen Kirche in vier Echrgän en ber Schule unb im Konfirmanbenunterricht von 2». 5. €. 8 8dorff, weiland Prediger und ee I Zieſar. Dritte Auflage. Brandenburg, Wieſike, 1862. 20 S. 13 S Dieſe drei Schriften nehmen einen weniger ſtreng ——— Stand⸗

puntt ein, als die unter den nachfolgenden Nummern genannten.

Nr. 15 (Stügner) folgt zwar aud dem Gange des Ratehismus, aber nicht dem altsorthopogen Syſtem. Go bezeichnet der Berf. die Erb: fünde als die angeborne Neigung zum Böfen und unterjcheidet fie von der wirtlihen Sünde. So erllärt er die Dreieinigleit nur als drei ver ſchiedene Dffenbarungen des einigen Gottes in der Schöpfung, Erlöfung und Heiligung. Kurz es weht bier mehr ein freier, echt biblifcher Geift und man vernimmt nur leife Anllänge an das traditionelle Dogmenſyſtem. Die Lehrläge find Mar und bündig; nur an einigen Stellen könnten die Grllärungen treffender fein, wie in Bezug auf die „kanoniſchen“ Bücher der Bibel. Bon den Apokryphen fagt er mit Red: : fie follten in keiner Bibel fehlen.

Ebenſo frei vom Symbolzwang und orthodoren Ideen hält ſich Nr. 16 (Rheinheffifher Katechismus). Er ftellt dad Glaubensbelennt: niß voran und gibt diefes, fo wie die nachfolgenden 10 Gebote, das Gebet des Herrn und die Einfegungsworte der heiligen Sacramente ohne Grllärung auf den beiden erften Seiten. Die Glaubenslehre handelt fol: gende 6 Hauptſtüle ab: 1. Gott und feine Eigenjchaften, 2. Schöpfung und Vorſehung, 3. Sünde, A. GCrlöfung, 5. beiliger Geift, feine Gnaden⸗ wirlungen und Gnadenmittel, 6. künftige Leben ; die Sittenlehre handelt

Päd. Sapresteridt. XVII. 4

50 Religionsunterricht.

von den Pflichten gegen Gott, gegen uns ſelbſt und gegen den Naͤchſten. Einige Schul⸗, Morgen: und Abendgebete und eine „lurze Geſchichte der chriſtlichen Kirche” machen den Schluß. Wir können das Büchlein em pfeblen.

Auch Nr. 17 (Fräsporff) empfiehlt fih als in freierem Geifte ge: ſchrieben. Das zeigt fih ſowohl in feinem einfah natürlihen Lehrgang und kindlich verſtändlichen Lehrſäten, ald aud in feinen Lieberverfen und Gebeten.

18. Luther's Katehismns mit Bibelfprüdhen für ben Religionsunter- richt in Stabt- und Landſchulen eingerihtet von D. Adermann, Ober bofprebiger (in Meiningen). Fünfte verbefferte Auflage. Salzungen, Scheermefierihe Hofbuchhandlung, 1865. IV u. 88 S. 3 Sgr.

19, Hauptſätze (dr den Eonfirmandenunterriht nad Luther's Laze⸗ chismus von D. C. Adermann, Oberhofprediger. Sechſte Auflage. Hildburghauſen, Keſfelring'ſche Hofbuchhandlung, 1865. 31 5. 2 Sgr. Nahdem das Handbuch zu Nr. 18 bereitö oben unter Nr. 6 beipro

hen worden ift und das Büchelchen bereits die fünfte Auflage erlebt bat,

bedarf es keiner meiteren Beſprechung deſſelben. Daß der Lehrer zu den

412 „Lernſprüchen“ von den ihm zur Auswahl auf jeder Seite beigefüg:

ten Sprüden noch mehrere lernen lafien werbe, fteht wohl nicht zu er

warten.

Nr. 19 Tann ebenfalld, da es in ſechſter Auflage erfchienen ift, als befannt vorausgeſetzt und nad Nr. 6 beurtheilt werben. Es befolgt ftreng die Ordnung der ſechs Hauptftüde des Katehismus.

20. Dr. Martin Luther's Katehismus mit untergelegten Bibelſprüchen

und biblijhen Geſchichten ale Leitfaden zu einem einjährigen Reli»

ionsunterridht. Bierzehnte Auflage Zwickau, Buchhandlung bes oltsjchriftenvereins (I. Döhner), 1865. 79 S. 14 Ber.

21. Winke zum Verſtändniß ber im Zwickauer Leitfaden zum Katechismus Unterricht angeführten Bibelftellen. Zwickan, Julius Döhner (Buchh. des Bolfsichr..Vereins), 1865. VII u. 50 S. 6 Sgr.

Das zu Nr. 20 gefchriebene Hanpbuh von Kresfhmar ift unter Nr. 7 beſprochen worden. Der fireng=confeffionelle Geift und Lehrgang dieſes Leitfadend ift darnach zu beurtheilen. Einen großen Borzug bat derſelbe vor vielen andern Leitfaden, daß er auf den auf 45 Schulwochen abgemefjenen Stoff nur je drei Lehritunden wöchentlich rechnet. Ob aber in denfelben alle angegebenen Sprüche durchgearbeitet werden können, ift jehr die Frage. Viele derfelben könnten auch wegbleiben, da ſie nur mit Beziehung auf veraltete Dogmen ausgewählt find.

Der Verf. von Nr. 21 geht von der „Wahrnehmung aus, daß ber Zwickauer „Zeitfaden” noch viel zu oft als ein gewöhnliches Spruchbuch angejeben und gebraudt wird. Hierdurch veranlaßt, will er mit feinen „Winken“ in das rechte Verſtändniß der dem Natechismusterte bort untergelegten Bibeljprüche einführen, damit diefelben, ihrem Zwecke ges mäß, den Tert der Hauptftüde, fowie der Beifügungen und Anmerlungen zu benfelben bibliſch begründen, erläutern und befräftigen.

Relig ionsunterricht. 51

Dadurch aber fol nit der Gebrauch eines Handbuchs überflüjfig gemacht werden, und es bat auch Herr Kretzſchmar (vielleiht der Verf. diefer „Winke“) ein folhes gejchrieben, wie wir oben unter Nr. 7 angezeigt has ben. Jene „Winke“ follen alfo die Behandlung des „Leitfadens“ erleich- tern und, indem fie „bie logifhe Verwendung der in ihrer Vielheit (ja wohl!) Manchen vielleiht übermwältigenden Sprüche andeuten,“ den Xeit- faden recht würdigen und fruchtbar zu machen lehren. Denen, die nad dem Bwidauer Leitfaden lehren, wird daher diefe Schrift zu einer gründ- - lihen Vorbereitung auf den Unterricht von großem Ruben fein.

22. Dr. Luther's kleiner Katechismus für ben Schul- und Konfirman- benslinterricht in Frage und Antwort kurz und fahlih erläutert unb mit poflenden bibliſchen Beifpielen, Liederverfen und Nachweis längerer Bibel- abſchnitte, ſowie mit nöthigen Anhängen verfeben burhd Dr. T. Wange maun, ÜUrdibiaconus und K. Seminarbirector zu Cammin in Bommern. Berlin, bei 3. A. Wohlgemuth, 1865. VI u. 138 ©. 10 Sgr.

23. Erfies Religionsbuch für Kinder evangelifcher Chriften. Bon Karl Adolf Kolde, Paſtor in Fallenberg in Oberſchleſien. Sechſte Auflage. Drealan. bei Trewendt, 1865. VII u. 102 ©. 3 Sgr., dauerhaft geb. 4 Ser.

24. Luthers feiner Katechismus, in Kragen und Antworten einfach zer- liedert und mit Zeugniffen aus Gottes Wort und ber Kirche verfehen von . A. Kolde, Paftor in Fallenberg in Oberſchleſien. Bierte Auflage. —— bei Trewendt, 1865. II u. 124 ©. 4 Sgr., dauerhaft gebun⸗

5 x.

25. Sprüde ber heiligen Schrift und Geiſtliche Lieder nad bem bibliſchen Geſchicht⸗⸗ und Katechismus. Unterrichte für'e Auswendiglernen ſtufenweiſe geordnet, nebſt Luther's kleinem Katechismus. Bon Ernft Eckardt, Schuldirector zu Glauchau. Dritte, umgearbeitete Auflage. oh 1865. IV u. 99 S. 5 Sgr. 25 Er. roh 27% Thlr., geb. 31 r.

26. Einfache Erklärnug bes kleinen Katechismus Dr. Martin Luther's, in ezzen und Antworten verfaßt und mit Zeugniſſen der heil. Schrift verſehen. Zum Gebrauch beim Schul⸗ unb Confirmandenunterricht. Bon Hermann Seebold, Probſt und Primariatpfarrer zu. Lüchow. Vierte berbe erte, Auflage. Sdttingen, Bandenhoed u. Ruprecht, 1865. VI unb

. or.

21. Dr. Martin Lutber’s Heiner Katechismus nebſt 180 Sprüchen nah dem einzelnen Lehrſtüceen geordnet und mit kurzen Bemerkungen ver- ſehen von 2%. W. Seyffarth, Hilfsprebiger und Rector ber ftäbtifchen Zürgeriäuien zu Luckenwalde. Luckenwalde, Selbfiverlag bes Verfs. 1865.

. gr.

28. Luther's Tleiner Katehismus mit Sprüchen. Neuflabt a. O., Karl Wagner. 51 ©. 3 Ger.

29. Dr. Martin Luther's kleiner Katechismus, erläutert burdy Bibel und Gefangbud für Kirche, Schule und Haus. Zum Beſten ber oberber- alien Lehrer - Wittwens und Waifen- Kaffe herausgegeben. Elberfeld, ideter [ce Bude und Kunftbandlung (A. Martini u. Grüttefien), 1865.

n.

30. Spruchbuch zu Luther's kleinem Katechismus nebft 3 Anhängen. Her⸗ ausgegeben von A. Noad, Rector ber evangeliſchen Bürger⸗ und Elemen⸗

4*

52 Religionsunterricht. tarſchule iu Glogau. Zweite erweiterte Auflage. Glogau, Zimmermann, 1865. 28 ©.

31. Spruchbuch für Schulen In drei Eurfen verfaßt vou Dr. F. A. Piſchon, Königl. onnftoricl-dtath Prediger und Profefior emerit. in Berlin. Erfier Curfus nad dem Ratehismus Lunther's. Eicbente Auflage. Berlin, 8. Laſſar's Buchhandlung (Eduard Bloch), 1865. 20 ©. 24 Sgr., 40 Er. 2 Thlr. 20 Sgr., 100 &r. 5 Thlr.

32. Der fleine Katehismus Doctor Martin Futher’s nebſt grruäbuß. Zweite unveränberte Auflage. ehleomig, Drud unb Berlag bes Taubſtummen⸗Inſtituts, 1864. XVII u. 54 ©.

33. Dr. Martin Luther's Kleiner gaicsiemus mit einem Anbang. Für die Kleinen. Dreiunddreißigſte Auflage. Schleswig, Drud und Verlag des Taubflummen-Inftituts, 1865. 80 Dieſe Schriften jchließen fih jämmtlih dem Ratehiämus an und ge:

ben zu demjelben mehr oder weniger erllärende und beweifende Bibelfprüche,

Liederverfe, Hinmeifungen auf biblifhe Geſchichten und eigene erläuternde

Zuſaͤtze.

Die folgenden Nummern ftehen ſämmtlich auf dem ſtreng:confeſſionel⸗ len Standpuntlte.

Wie namentlich der Geift, der Inhalt und die Behandlung von Nr. 19, 20 und 21 bej&haffen fei, braucht nicht erjt erörtert zu werden, da die Berl. Wangemann und Kolde bekannt genug find und von dem ftreng orthodox⸗regulativiſchen Weſen ihrer Schriften ſchon in frü- beren Berichten die Rebe gemejen ift.

In dem Wangemann’ihen Katehismus ift durch größere Lettern unterſchieden, was für den Schulgebraud beitimmt tft, von dem, was beim Gonfirmandenunterricht gegeben werden fol. Der kleine Drud ift aber ein ſchädliches Augenpulver. Im Anbange werden behandelt: 1. die Beichte und das Amt der Schlüflel, 2. die h. Schrift, 3. Gefeß und Suangelium, 4. das riftlihe Kirchenjahr, 5. der chriftlihe Hauptgottesdienſt, 6 Unterfheidungslehren, 7. die äußere und innere Miffion, 8, die —æe 9. die Taufhandlung und der Pathenſtand, 10. die Confirmation. Dann folgen noch die 24 Artikel des augsburgiſchen Glaubensbelenntniſſes und Schulgebete. Den orthodoren Lehrern wird dieſes Buch feiner präcifen Faſſung und feines reichen Inhalts wegen willlommen fein.

Ueber Kolde's Katehismus 3. Aufl. ift im 14. Jahrg. des Päd, Jahresb. (vergl. 15. Jahrg. ©. 59) referirt worden. Sein Erſtes Ne: ligionsbuh (Nr. 20) ift eigentlih nur bibliihde Gejchichte für Kinder nom 6—9. Jahre mit vorausgejhidten Gebeten und nacfolgendem Rates hismus. Den Geſchichten find feine Lehren, aber gutgemwählte Sprüche und Liederverſe (lebtere jevoh meiſt aus veralteten Regulativliedern) beigegeben.

Bei der Beſprechung der 2. Aufl. von Nr. 22 (Ed ardt) in ®. 15, ©. 62 ift fchon der Fleiß des Vfs., fowie die jorgfältige Vertheilung bes Stoffes und die feite Repetitiondorbnung, die er vorjchreibt, gerühmt, aber auch das Vebermaß des Memorirftoffs gerügt worden.

Der Berf. von Nr. 26 (Seebold), ein orthodorer Hannoveraner, ipricht im Vorworte nur von feiner großen DBerebrung des Katechismus

Religionsunterricht. 33

und gibt denſelben zunachſt in feiner ganzen Vollſtaͤndigkeit mit dem Mor⸗ gen⸗ und Abendſegen, mit dem Benedicte und Gratias, mit der Haustafel und mit den Fragſtücken. Dann folgen Lieder zum Katechismus und dann die Erklaͤrung deſſelben. Nach ſeinem Inſpirationsbegriffe können die Apo⸗ kryphen nicht zur Regel und Richtſchnur des Glaubens und Lebens dienen. Der Geift feiner Dogmatik ift durch und dur der alte fcholaftifche des Mittelalters.

Gleichen Geiftes ift Nr. 27 (Seyffarth), wie ſchon ber eine Lehr füaß „Gott ift Menſch geworden‘ genugjam anbeutet. Die Auswahl ver Cprüde ift ganz nad) diefem Geifte getroffen, der nur ein Buchitabengeift ift. Uebrigens ift auch diefe Schrift, wie die von Deltzer (Nr. 1), vers anlaßt dvurh Dr. Saalborns religiöfen Unterrichtäftofj, der von der K. preuß. Regierung empfohlen war und mit dejlen Auswahl und Anorbnung der Berf. nicht übexeinftimmt.

Die Wahl der Sprüde in Nr. 28 (Neuftädter Nat.) die, obne irgend einen Lehrſatz, nur nad der firengen Folge des Katechismus geges ben find, tft befjer, als bei Nr. 27, deuten aber doch auch zumeilen auf eine ortbodore Dogmatik bin.

Nr. 29 (Elberfelder Kat.) gibt in 76 Lectionen den Wortlaut des Rat. ohne alle weiteren Zufäße, als nur Bibeliprüdhe, Lieber; Lehrab⸗ ſchnitte und Geſchichten aus der Bibel. Gin Anhang gibt 1. Erklärungen zu einigen Haupiftüden des Kat. nah Dr. Sad, 2. die Bücher der heil. Schrift, 3. die hriftlihe Haustafel, 4. das chriſtliche Kirchenjahr und 5. einige Gebete, Troftiprühe und Lieder.

Ne. 30 (Noad) gibt nit einmal den Text des Kat., ſondern nur Sprüche zu den einzelnen Abſchnitten deſſelben und im Anhange eine „Vers theilung des religiöfen Memorirftoffes auf 6 Klaſſen, bezüglich auf 1. Ka⸗ tedhismustert, 2. Sprüde, 3. Palmen, 4. Kirchenliever, 5. bibliihe Ges Fichten.

Nr. 31 (PBifhon) ebenfo, aber auf 52 Wochen vertheilt, und im Anhange „Lieber des Geſangbuches, zum gotteödienftlihen Gebrauch für evangeliihe ©emeinen, nah ven verjchievenen Zeiten des Jahres zu lernen.” Nr. 32 und 33 (Schleswiger Kat.) find durch und durch ſchola⸗ ftich-orthobor, mas fi namentlih aud in ber gejhmadlofen Auswahl von Liederverfen zeigt. So fteht in Nr. 32 ©. 29 folgender Bers:

In meines Herzens Grunde Dein Nam’ und Kreuz allein Zuntelt al’ Zeit und Stunde; Drauf kann ich fröhlich fein. Erſchein mir in dem Bilde Zum Zroft in meiner Roth, Mie du Herr Chriſt jo milde Dich (!) Haft geblut' (!) zu Tod. Insbeſondete ift für „pie Kleinen‘ in Nr. 33, jo niedlich auch das Format des Weftentafhenbüchleius ift, doch zu viel für die unterſte Klaſſe

54 Religionsunterricht.

gesehen, nämlich der gunze Katechismus, eine kurze (meiR gut gefakte) ehe Jeſu, Danz 1. chriſtliche Gedichte, 2. Gebete, 3. ne a und zum Schluſſe nah alter Art das Giumuleins.

31 Enchiridion. Dr. Martin Luthers Heiner Rıtehiemns. Nah dem Irizizal-Amtgıben herausgegeben ven Dr. 2. Fi Th. Säueider, König- * *8 wirecteꝛ zu Reuwiet. Gehfe Unflsge. Newwied, Genfer, Gar nichts weiter, als der Tert der fünf Gauptflüde des Katechis⸗

mus; würke in Uctaviermat mer ein paar Eeiten füllen. Barum fi

duber ein Königl. Eeminartirectee als den Herausgeber breit macht, und warum das Gane wicht einem Leſe⸗, Religions: oder Spruchbuche beige: geben iR, läyt ach nicht einfchen.

35. Unweijung für Eltern Schrer ‚aut Eduaiveriäube yet Ertheilung bet Neligiontsunterrihte bei Kindern wen 5—7, beriebungäweile

5 Jahn Ben S Bebenmäller, Directer em nar im im ritte, verteitere Auflage Freiburg um Breiögen, Serker, 1 1865 Ville. 1528 10 Sy.

gen, 1854, beigegeben werben. In berjelten wird die möthige Darmonie der Schule mit der dhriflicen Jumilie berädfichtigt.” Ge berühtet ber Beri. jeltR und fügt fyüter hinzu, daß feine Edriit won

minnern empfichlen und ihm veriichert werben jei, „Dit Benubung biefer Schrift jei ſſets von gutem Grfelge kegleitet gemein“ Wir wellen aud agehen, bob fe Latbolifcen Sabre von Rupen fei

tiie Lehrer aber künnen ven ihr feine Anwendung in ihren Eulen ma: hen. Der gegebene Stoff belebt in: 1. Gebeten, 2. Eprüden, 3. Un ftuuungeunterribt mit religiöjer Beztebung und 4. bibliiden Grzäblungen. Man fiebt vwielich ans biefem Bude, wie manden Rasen bie Tatholifche Echule bereits vom ber protekıntijchen gegagen hat.

36. Auleitang zur Grebeilung ae ee ur Ben 3. Edmitt, Kepetiter am erNiichälichen Et, Peter. Kır Xpprebatien tes hedwwärtiglicn Derra Erzkiigeit _Aweite Aufse. Freiburg im Breisgan, Derter, 1565 VIIw268 €. 18 Ger. Pir haben viefes Wert an den Schlaf unjers Referats über Die Re :suölehre gekellt, weil es theils für Lehrer, theils für Edüler ge

jtrieben ik, un» weil ed nur eine einzelne Yehre, nämlich die vom

Eacrament bes Altars um» befien würküger une fegensreicher eier

i ürde

Religionsunterrictt. 55

Auch wir müfien, felbft auf die Gefahr hin, abermald von dem zelotiſchen Pfarrer Kübel als Einer verfchrieen zu werden, der mit Rom bofire, den Berf. rühmend auszeichnen, da er ben heiligen Gegenftand, den er hier abhandelt, fo ernit nimmt, die Katecheten fo gründlich über denjelben unterweift, fie fo eindringlih ermahnt, ihre Katechumenen auf bie beilige Feier des erſten Abendmahls mwürbig vorzubereiten, und mit fo warmer Liebe .zu den Rindern redet, dab man aus dem Allen den erjahr: nen, wohlmeinenden und gewillenhaften Seelforger erkennt.

Was der Verf. gibt, ift in folgende drei Abſchnitte vertbeilt: I. Winke für den Katecheten: 1. Wichtigkeit der eriten Communion und des Erftcommunicanten » Unterriht? , 2. Anforderungen an den SNatecheten, 3. Welche Kinder find zur erften heil. Communion zuzulafien? 4. Drt, Zeit, Umfang des Erſtcommunicanten⸗Unterrichts, 5. Weiſe des Unterrichts, 6. Unmittelbare Vorbereitung, 7. Der weiße Sonntag, 8. Nach dem weißen Sonntag. II. Der Unterriht von dem allerbeiligften Sacıa ment: 1. Bon der Gegenwart Chrifti im allerheiligften Sacrament, 2. Bon dem beil. Mebopfer, 3. Bon der beil. Communion. III. Die Vorbe— reitung zur Generalbeicht: 1. Der Unterricht über die Generalbeicht, a. die Generalbeiht überhaupt; ihr Nutzen, b. vie einzelnen Beftandtheile (Gewiſſenserforſchung, Reue, Vorſatz, Beiht, Genugthuung), 2. Anreben an die Gıftcommunicanten in der Beichtwoche (Beftimmung des Menfchen, Todfünde, Folgen der Todſünde, läßlihe Sünde, der verlorne Sohn, die Beharrlichkeit). Anhang: Einige Anreden für den weißen Sonntag.

So zwedmäßig und anfprehend nun auch die Daritellung, und fo berzlih auch insbejondere die Anreden an die Kinder in diefem Buche find, fo kann doch felbitverftänplih die Anerkennung dieſer guten Eigenschaften deſſelben von unjrer Seite nur eine relative fein. Denn nimmermehr kön: nen wir und von dem Standpunkte der proteſtantiſchen Bibelmifjen- ihaft aus mit den ftreng ortbobor=:tatholifchen Kirchenlehren einver: ftanden erflären, welde bier vorgetragen werden, wie 3. B. .mit denen vom Meßopfer, von der Brotverwandlung, von den gäten. Werfen ıc. Sie haben den größeren Mainzer Katehismus von P. Debarbe (Mainz, 1860) zur Grundlage und der Verf. erklärt es felbft als feinen Grundfaß, fih „ganz fireng an das Katehismuswort zu halten.” Ins defien können doch auch Proteftanten aus diefem Buche lernen, indem es auch für fie mande gute und beberzigenswertbe Winte enthält, wie fie väterlih auf die Herzen der Finder, welche fih auf den wichtigen Tag der Gonfirmation vorbereiten, einzumirten und ihr Verhalten in dieſer Zeit zu überwaden und zu heiligen haben. Nebenbei künnen fie aus demſelben auch gar Manches über Entftehung und Bedeutung Tatholiiher Gebräuche und Symbole lernen und durch eine Wergleihung ber evangelif hen Lehren und Einrichtungen mit ‘ven katholiſchen neue Stärkung in ber Liebe und Werthſchaͤzung des 6 Proteftantiomus gewinnen.

56 Religionsunterricht,

B. Biblifhe Gefdidte. 1. Für Lehrer.

37. Handbuch zur unterrichtlichen Behandlung ber bibliſchen Geſchichten. Enthaltend Erklärungen, praktiſche Diaterialien und Ans leitungen, Tatechetiiche Beilpiele und Winke für Lehrer in Bürger⸗ unb Boltsihulen von 3. Chr. Igerott. Zweiter Theil. Neues Tefa- ment. 3meite, verb. u. verm. Auflage. Quedlinburg, Bafle, 1865. VII u. 636 ©. 1% Thlr.

Die zweite Auflage des 1. Bandes ‚Altes Teſtament“ ift 3. 16 S. 40 f. angezeigt worden. Diefe Anzeige ifl auf der Müdfeite des vor⸗ liegenden Buches abgedrudt. Der Lefer lann daraus entnehmen, daß er aud in diefer Fortſetzung troß der Vorliebe des Bis. für die Regulative viel Gutes zu erwarten hat. Auch wird er einen großen Reichthum an Material zu gründliher und praltifher Verarbeitung der biblijhen Ge⸗ Schichten finden, fowie eine gute Anleitung zur Verdeutlichung und Bes feftigung derfelben durh ragen. In lesteren zeigt fih der Verf. aud bier als einen Katecheten, der die Meifterihaft Dinter’s in dieſem Fache nicht nur anpreift (f. Vorwort zum 1. Theil), fondern auch ſich anzueig» nen und den Lehrern anzuempfehlen bemübt if. Den pädagogiihen Talt des Verfs. erfennt man aud daraus, daß er im Bormworte zu vorliegendem Theil die Lehrer warnt, alle Lehren und Ermunterungen, alle Gedan⸗ fen, die in einer Geſchichte liegen (und die auch bier in großer Fülle ge: geben find) auf einmal vorzutragen und zu entwideln, unb fie vielmehr anmeift, bei jeder Gefhihte Einen Hauptgedanten durchzuführen. „Hu verſchiedenen Zeiten und verſchiedenen Gelegenheiten Berfchiedenes, fagt er, Anderes bei Kleinen, als bei Größeren, Ginen Ge: danken gut und erbaulich durdgeführt, ift befier, ald über Vieles wenig oder gar nichts fagen und das Herz der Kinder kalt laſſen.“

Neu bearbeitet find in der 2. Auflage folgende Geſchichten hinzuge⸗ fommen: 1. Dig böjen Weingärtner, 2. Das cananäifhe Weib, 3. Bom Züngling zu Nain, 4. Bahäus, 5. Jeſu Einzug in Serufalem und vie Zempelreinigung, 6. Einſetzung des heil. Abendmahls, 7. Philippus und der Kämmerer aus Mohrenland. Aber auch außerdem fehlt es in dieſem Theile nicht an vielen Verbeſſerungen und Zufäßen.

Der Berf. kann überhaupt mit Recht von feinem Buche fagen: „Für Seminarien und Präparanden-Anftalten dürfte es ſich empfehlen, da in bemjelben die h. Schrift in den wichtigſten Abjchnitten ihre Erklaͤrung ges funden bat und wohl Etwas dazu beitragen möchte, daß die Katechetif nicht vernadläffigt wird, die für die Lehrer jo unentbehrlich if.”

38. Handbuch für Lehrer zur unterrihtlihen Behandlung bibli— her Geſchichten in ber Vollsſchule. Bearbeitet von A. Schilbe, 2. Mentel, F. Iber, Lehrern zu Homburg in Kurheſſen. Erſter Band, Geſchichten des alten Teflamentes. XVIu. 460 8. Zweiter Band. Beihichten bed neuen Teftamentese. IV u. 276 © Dritte ver befierte u. vermehrte Auflage. Caſſel, I. ©. Ludharbt, 1865. 1 Chlr. 20 Ser.

Meligionsunterricht. 57

Die Verfafier diefes Buchs, von denen der erftgenannte, Schilbe, 1862 geftorben ift, beiennen ſich felbft zum ftrengften Eonfejfionalismus und altorthoporen Supranaturaligmus und weifen Beurtheilungen, welde nit den Glaubensgrund, auf dem fie ftehen, anerfennen, im voraus als unwilllommen zurüd. Da Ref. nun nicht zu denen gehört, die, am ſtreng⸗ fien Sufpirationsbegriff feſthaltend, jeden Fortſchritt der Schriftforichung und religiöfen Aufllärung zurüdweilen, die, nur um ibrem ftarren Buchflabenglauben treu zu bleiben, ver heiligen Schrift Gewalt anthun, die, von Wunderſucht getrieben, mit dem SHereinragen der unfichtbaren Welt in die fihtbare ihre Spiel treiben, die fih nicht fcheuen, jetzt noch bie Lehre von einem perfünlihen Teufel und feinem Wirken in der grob- finnlichſten Weife aufzufaflen, wie vie Verff. thun: jo kann und mag er fh aud nicht in eine Kritil des Buches einlafien. Ref. begnügt fi) da⸗ ber mit einem kurzen Berichte über deſſen Tendenz und Anlage.

Die Berfi. betrachten die heiligen Geſchichten, als „Facta, um ihrer felbft willen gefcheben, leineswege bloß als Yolie für einzelne oder einen Gomplerus von Lehren, darum müſſen fie au in ihrem Berlaufe, (dem) äußeren zunähft, dann (den) innern erfaßt werben. „Dieſer Unterricht fol den neuen Menſchen aufbauen helfen und muß darum einen er: bauliden Charakter haben. „Das haben wir gewollt, ernftlih, unter Gebet, daß Gott uns öffne die Augen, damit wir erlennen möchten bie Wunder an feinem Geſetz und die Wunder. am Wort vom Kreuz.” ‚Das Dort (des Lehrers) muß nicht bloß zum Herzen der Kinder, fondern auch zum Herzen Gottes gehen.“ Das Handbuch joll den Lehrern zunaͤchſt die Geſchichten ,,. warm machen am Herzen, fie follen zunächſt den Se gen empfangen und dann aus ihrer Fülle den Stleinen geben. Das Bud „will darım keine Krüde für die Lehrer, fein Magazin von Dispofitionen, feine Sammlung von abgerifjfenen Lehren und Rubanwendungen fein, eine bloßen eregetiihen Crcurfionen (Ecurſe), endlih auch nicht allerlei erbaulide Gedanken über bie Ge: Schichten geben, welde nur an biefen vorüber und um fie herum fübren, fondern es will wirllih in fie hinein führen.‘ Indeſſen haben doch die Berfi. einer jeden Gefchichte eine aus dieſer felbft entlehnte Dispofition zu Grunde gelegt, die auch in ihren Hauptzügen jaft durchweg angegeben iſt; auch haben fie das, was nur für den Lehrer ift, durch den Drud bemerllid) gemacht. Aus dem N. T. find 67 Geſchichten (bi Gera und Nehemia), aus dem N. T. 48 (bis zur Ausgießung des heil. Geiftes) bearbeitet worden. Bon Rudelbach, Gueride, Bölter, Flügge u. A. ift das Werk fehr empfohlen worden und wird ortboboren Lehrern aud ferner eine willlommene Handreichung fein.

39. Ein Wort über Zwed, Anlage und Gebraud des Schriften: Enchiridion ber biblifhen Geſchichte ober oragen zum Berkänd- niß und zur Wieberholung derſelben (beffelben ?). n %. W. Dörpfeld, Hauptiehrer in Barmen. Zweite Auflage. ——Sæ C. Bertelsmann, 1866. 34 S. 2 Sgr.

Hierzu gehört Nr. 34 Endiridion ıc. Dem Ber. kommt es, wie ber Zitel anbeutet, vor Allem darauf an,

58 - Religionsunterricht.

die bibliſche Heilsgeſchichte fo zu behandeln, daß bei den Schülern gutes Berfiehben und fihres Behalten erzielt werde. „In Abfiht auf das Berfänpniß ift zumächft ſchlechtweg die Bethätigung des „verflandes: mäßigen” Denlens gemeint, und in Anſehung des Bebaltens bie Uebung des „GOedaͤchtniſſes“, ein gebächtnißmäßiges Wiederholen, jedoch mit Ginsehnung beflen, worauf ſchon die Sprache hindeutet, weldye „Den: fen’ und „Gedachtniß“ als verwandte, eng verbundene Dinge fafien lehrt.” Bu dieſem Bwede fhrieb der Berf. das Endiridion, in welchem er auf Geiten nur die Ueberſchriften der einzelnen bibliſchen Geſchichten und zu denfelben ragen gibt, mit deren Beantwortung der Schüler dem Lehrer in der Schule oder ſich felbft daheim den Hauptinhalt der einzelnen Geſchichten wienerzugeben hat. Zu dem Endiridion aber ſchrieb der Berf. aub dies Wort über Zweck, Anlage und Gebraud jenes Schrift: chens, um die praktiiche Anwendung und Nüplichleit deſſelben zu zeigen. Die von Ihm angewendete Frageform findet er darım empfehlenswerth: 1. weil fie die Uufmerlfamleit wedt und baburd ein fchärferes Merten, ein reicheres Griennen und Freude am Griennen und Lernen bewirtt, 3. well ſie Ueberſichtlichkeit, Verftändlichleit und Behaͤltlichkeit befördert, 8. well fle durch Berglieverung das Beherrſchen des Stoffes erleichtert, 4, well fie durch diefes Berlegen das geiftige Band bloßlegt, welches die einzeinen Theile zuſammenhaͤlt; 5. weil fie der unmittelbaren Repeti⸗ ton dienen kann. Mit großem Bedacht bat au der Verf. feine Fragen ſo geftellt, daß die Schüler angeleitet und ermuthigt werben, in längeren Antworten das Gelernte wiederzugeben, dab fie die Neibenfolge ver Bes gebenbeiten ſich ſicher einprägen, daß fie mit Worten des Tertes antwor- ten können und daB fie einen guten Führer zu grünblicher Repetition ba- ben. Befonderen Werth legt Ref. aber darauf, daß die Schüler in paflen: der Weife mit der Beantwortung der Fragen ſchriftlich befchäftigt werden können. Nur will ibm jcheinen, als ob es babei zu jehr an Anleitung feble, don Geiſt und die Haupttendenz ber einzelnen Gejdichten Har ber: vorzuhbeben, worauf es doch bei der Verwerthung des Hiftoriihen haupt: ſachlich ankommt, das ja nur bazu dienen foll, den Glauben zu ftärten und das flttliche Urtbeil zu fhärfen. Schließlich eifert der Verf. noch peaon das „Berlatehifiren und Memoriren voluminöfer Katechismen, didleis iger Veltladen ac. und fordert auf, nad) feiner einfacheren Methode den boden, „elaſſiſchen“ Werth der VBibelbücher wieder mehr zur Anerlennung u bringen.

2. Für Schüler. a Für Oberflaffen und ganze Säulen. 40, Die heilige Geſchichte den Kindern erzählt von Dr. Hermann Adelberg. Erlangen, Unbr. Deichert, 1865. an 239 ©. 7 Sur. Auch unter dem Haupttitel:

Seſchichtebibliothetef * Ha —88 —W r Kinder herausgegeben von Dr. Hermann

4. Die bibliſche Geſchichte det alten und neuen Teftamentes

Religionsunterriäht. 59

ür katholiſche Boltefchulen bearbeitet von einem Priefler der Diöcefe

aſel. Mit Gutheißung der Hochw. Biſchöfe von Baſel, Ehur, St. Gallen,

Saufanne, Genf und Sitten. Einſtedeln, New⸗York und Cincinnati; Drud

ee von Gebr. Karl und Nikolaus Benziger, 1864. 235 ©. gr.

42. Biblifhe Geſchichte des alten und neuen Teflamentes für bie untern Klaſſen fatholifher Gymnaſien und anderer höherer Unter⸗ rihtsanflalten. Bon W. Hövelmann geiftl. Lehrer am Gymnafium zu Paderborn. Mit kirhliher Approbation. Paderborn, Junfermann (Pape Wwe.), 1866. IV u. 272 ©.

43. Bibliſche Geſchichte. Mit Worten der Bibel erzählt von Friedrich Wilhelm Bodemann, Paftor zu Fintenwerber. 13. revidirte Auflage. Gdttingen, Bandenhoed und Ruprecht, 1865. VI u. 201 S. 5 Ger, 24 Exempl. 3 Thlr.

4. Bibliſche Geſchichten für Schule und Haus, ber heiligen Schrift in Dr. Luther's Ueberſetzung unter Feſthaltung des inneren Zuſammenhanges nacherzäplt und mit pafienden Bibelſprüchen und erbaulichen Lieberverjen begleitet von Friedrich Deutſch. Zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage. Breslau, ©. Morgenftern (Aug. Schulz u. Eomp.). IV und 222 ©. 6 Sgr.

45. Bibliſche Geſchichten mit Bildern. Mit Worten ber Beil. Schrift erzählt und herausgegeben von A. Berthelt, 3. Jäkel, 8. Petermann, 2. Thomas. Mit 104 Illuſtrationen nah Driginalgeihnungen von Emil Sachße. Zweite, mit Bibelfprüchen vermehrte Auflage. Leipzig, J. Klinthardt, 1865. IV u. 244 ©. 9 Ngr. 25 Er. 53 Thlr. Belin-Pa- pier 12 Nor. 25 Er. 74 Thle.

46. Biblifhe Geſchichten. Mit ben Worten ber heil. Schrift erzählt und mit Bibelfprüchen verjehen. Ausgabe ohne Bilder. Herausgegeben von X. Berthelt, 3. Zälel, 8. Betermann, 8. Thomas. Dritte unver änderte Auflage. Leipzig, I. Klintyarbt, 1865. 6 Ngr., 25 Er. 34 Thlr.

47. Bibliſche Geſchichten. Kür bie Obertlaffen ber evangeliſchen Bolfs- fhulen bearbeitet von Mori Fürbringer, Stadtiſchulrath in Berlin. Nebft einem Anhange, enthaltend eine Sammlung von Gebeten unb feſt⸗ ſtehenden Theilen bes liturgiihen Gottesbienftes. Bierte Auflage. Berlin, Divin Prausnit, 1865. XXI un. 364 ©. geb. 12 Ser.

Wie der Haupttitel von Nr. 40 (Adelberg) andeutet, ift dieſes jeßt erſchienene Bändchen der Anfang eine Geſchichtsbibliothel. Der Berf. ift nämlid von der Erfahrung ausgegangen, daß die Kinder am liebften wahre Geſchichten hören, daß der Flinderfreund in der Weltge⸗ ſchichte eine unerfchöpflihe Duelle wahrer Gefchichten findet, daß er fie aber in lebendig anſchaulicher Weile vortragen muß, wenn die Kinder das sechte Intereſſe daran nehmen follen, und daß er darum nicht bloß bie Greignifie in der Geſchichte jchildern muß, fondern vor Allem auch „vie Berfönlichleiten, welde die Geſchichte machen, und den Schauplaß, auf welchem fie fi) bewegen.” „Kurz, fagt er, die Gefchichte muß den Rindern in Geſchichten erzählt werben. So will denn der Berf. nun die Welt geſchichte in diefer Weiſe für Kinder und Lehrer bearbeiten. Ex beginnt fie mit der „heiligen Geſchichte,“ weil viefelbe nah feiner Anficht „jowohl die Anfänge aller Geſchichte, als auch den Faden eines böbern, wahren Berftänpnifies der Weltgefchichte enthält, ohne welde man fh in berfelben, wie in einem Labyrinthe, nimmer zuxecht findet. Gr

ai Religionsunterricht.

fuhrt fie jedoch nur von der Schöpfung bis zur „Geburt Sefu, des neu gebornen Ronige der Juden“ fort. Die Sprade ift „ſo viel als möglih” bie Gprache der heil, Schrift, die Darflellung klar und fließend, aber durch⸗ webt von fireng orthodoxem Weifte, ber eine freiere Auffafiung der Ge⸗ ſchichte nicht guläßt.

Die beiden folgenden Nummern 41 und 42 haben Ratholilen zu Ber: ſaſſern und ſind für katholiſche Schulen gefchrieben, jene für die Ober: Malen der Volleſchulen, diefe für die unteren Klaſſen latholiſcher Gymnaſien

Der ungenannte Verf. von Nr. 41 bat bei feinem Buche die Werte von Suunacher, Schmid, Overberg und Ming, namentlih aber das von Sqhuſter zu Grunde gelegt. GE if ibm bei feiner Arbeit be ſondere darum zu tbun geweien, ben organiſchen Zuſammenhang zwiſchen vom A. une R. J. möglich Mar darzußellen‘ Gr zieht darum auch bäufig m den Aumetkungen RParallelen zwiſchen dem U. u. R. T., z. B. bei der Wiyubtung ven Thurudau zu Wabel, wo er bemerlt: „Dur den Stol; ver trurmbamee zu Babel wurten die Sprachen verpieljältigt; durch die Cemutb der Meſtel am Rfngitiviie wurken fie geeinigt.“ Zwei Bei wmben yullaltin 9, Yarelüde aus der beil. Schrijt (Bibelfiellen zum Aus: Wräbhtliinen Und zur Verdereitung auf den Unterraht, und 2. Ueberſicht wi Wbnbaren der Aatechisuus in ihrer Verbindeng wit den bibliihen Gr iſen. Das Buch iR ſchön ausgeſtattet und reichlich wit Bildern, Auch mi einer Relieſtarte vom heil. Lande verfehen Bei feiner ſieten Vtealebung anf den katholiſchen Glauben ift es natürlich wur für katholiſche waulen au empfeblen.

Ar, 49 (Hövelmann) if zwar für Symnafien geſchrieben, aber doch nur für die Serta und Quinta, „für welde allein die bibliſche Ge: ſchichte (und zwar für Serta die des A., für Duinta die des R. T.) nad dom allgemeinen Unterrichtsplane ein beſonderes Lehrjach bildet.” Die Weichichten des U. Z. werben in 115, die des N. T. in 131 Grzählun: an, jene unter 8, diefe unter 5 Abſchnitten mitgetheilt. Der Berf. gibt nur den Test des heil. Edhrift ohne alle Zuthaten, natürlich in felbfiflän- diger Ueberfepung und Behandlung, wobei man freilich oft die Kernſprache vutber's vermißt. Die Darftellung ift Mar und gefällig, Das katholifche Clement blidt in derfelben nicht durch.

Die biblifche Gefhihte Nr. 43 (Bodemann) bat in der 12. Auf lage (die 15000 Gr. ftart und binnen 2 Jahren vergriffen war) ein Ju: bildum erlebt, indem fie mit derſelben nunmehr in 100,000 Gremplaren verbreitet IR. Die 13. Auflage bedarf darum keiner neuen Gmpfehlung. Wie der Titel fagt, iſt fie mit den Morten ber Bibel erzählt. Die 124 Oeſchichten des A. (Vorbereitung des Heils) und des NR. I. (Ausrichtung des Heil) find ohne alle Beigaben; nur am Schlufie findet fi eine Zeit: tafel zur biblifhen und Kirchengeſchichte.

Re, 44 (Deutſch) gibt d1 Geſchichten des N. und 78 des R. T mit Worten der Vibel und einer guten Auswahl von Bibeliprüchen,, ſowie mit fa durchgangiger WBenugung der 80 Lieder der Regulative Wo bei den lehteren „der alte AÄusdrud, weil unſrer Zeit nicht mehr ver Randlih, In don gegenwärtigen Sprahgebrauh umgefebt

Religionsunterricht, 61

werben mußte, geſchah es mit der größten Pietät ohne bie geringfle Aen⸗ derung des Inhalts. Die ſprachliche DVerjüngung mußte erfolgen, wenn das betrefiende Lieb der Kirche erhalten werden fol. Wie jeder Menich, fo bat aud jedes Beitalter feine Gaben.“ Cs ift anerlennenswerth, daß ver Berf. hiermit der Zeitforderung Rechnung trägt, und mit Recht beruft er fih denen gegenüber, „die am Buchſtaben Kleben bleiben wollen,” auf 2 Ror. 3, 6 (der Buchſiabe tötet ıc.) und auf Luther's Vorgang, der ja auch alte Kirchenlieder zeitgemäß bearbeitet bat, ſowie auf die Barianten- menge der lutberiihen Bibelüberſetzung. Sein Buch ift, wie früher vom Gen. Sup. D. Hahn, jo jet vom Gen. Sup. D. Grbmann warm em» pfoblen worden. Die neue Auflage deſſelben ift vielfad durch Umarbeitung, Erweiterung und Verkürzung mander Geſchichten und durch Aufnahme - neuer wichtiger Stüde verbeflert worden.

Die bibliihen Geſchichten von Berthelt zc. (Nr. 45 u. 46) find befannt genug und aud bereits B. XIV, ©. 53 beiprocden.

Ueber Nr. 47 (Zürbringer) fiehe die Anzeige B. XVII, ©. 47. Das Buch hat fi ebenfalls, wie die unten ſtehenden für die Mittel: und Unterllaſſen (Nr. 48 und 51) bereits in mehreren Auflagen Bahn ges

b. Für Mittelllafien.

48. Biblifhe Geſchichten. Für die Mittelliafien ber evangeliichen Boltsichulen bearbeitet von Morig Kürbringer, Stabtichulrath in Ber⸗ lin. Nebft einem Anhange, enthaltend eine Sammlung von Morgen, unb Abenbgebeten und Liedern. Achte Auflage. Berlin, Alwin Prausnig, 1865. XVI u. 179 ©. geb. 74 Sgr.

49. Ausgewählte bibliſche Geſchichten bes alten und neuen Teflamen- tes für Mitteltlajfen, möglihf wortgetreu nad ber heiligen Schrift erihle und mit Kernfprüchen verfehen von E. Brännert, Lehrer an ber Nädchenſchule zu Rudolſtadt. Rudolſtadt, Verlagsbuchhandlung ber fürfl.

priv. Hofbuchbruderei, 1864. VIII u. 120 ©. 6 Sgr. .

Biblifhe Erzählungen, für Schüler in ben Unter- und Mittel» Haffen ber Vollsſchulen bearbeitet von H. Berger, Schullebrer. Deflau, Baumgarten u. Comp., 1866. 74 ©. 4 Sgr.

Nr. 48 (Fürbringer) ift das Mittelglied zwifhen Nr. 47 u. 51. Diefe bibliihen Geſchichten follen durch ihre Verbindung mit den beiden erften Artileln des hriftlihen Glaubens die Erlenntniß des durd die ganze heil. Geſchichte gehenden Heilsplanes Gottes in der geeignetfien Weife vor: bereiten. Die Kirchenlieder find gang nach dem Driginalterte abgebrudt. Bergl. die Anzeige im B. XVII, ©. 48,

Der Verf. von Nr. 49 (Brünnert) glaubt bei feinem Unterrichte gefunden zu haben, „daß bie einfahe Bibelſprache den Kindern oft verftändlidher war, als unfre Schriftſprache, in welcher manche Bücher die biblifhen Geſchichten erzählen.” Andere denken barüber freilich anders, wie z. B. Schuler, |. Nr. 53. Bon den mitgetheilten Geſchichten follen 20 mit einem Sternchen bezeichnete den Kindern des erften Schuljahrs zu bieten fein. Nubanwenbungen gibt er nicht, faßt aber den Hauptgebanten jeder Geſchichte in den unter diefelben gejeßten Sprüchen zuſammen.

50

62 Religionsunterricht.

Auch Nr. 50 (Berger) verfährt in gleicher Weife, wie Ar. 49, nur durch zwedmäßigere Kürze fih von dieſer unterfcheidend.

c. Für Untertlaffen.

51. Biblifhe Geſchichten. Für bie Unterflaffen ber evangeliidhen Bolts- ulen bearbeitet von Morig Hürbringer, Stadtſchulrath in Berlin. Nebſt einem Auhang, enthaltend eine Sammlung von Sprüden unb Lies bern, mit pen schn Geboten unb bem Gebete bes Herrn. Siebente Aufl in, Wwin Bransnis, 1866. X und 80 ©. geb. 5 Ger.

52. Der erſte Keligionsnnterrigt für Kinder evangeliſcher Ehrißen. Mit befonderem Anſchluß au bie „Srläuternden Beflimmungen zur Auwendung der Grundzüge, beireffenb Eintihtung und Unterricht der edangelilen eine Haffigen Clementarſchulen“ der Königl. Regierung zu Merfeburg vom 2. Ja- Bi 1855. Bon 8. Materne, Directer bes Schullehrerſeminars zu

Säloß-EiRerwerba Ausgabe B: Für die Schüler. Eisleben, ©. Reichardt, 1865. 74 ©. 3 Gar.

. Uusgewählte ide ins Für bie drei erfien Schuljahre bearbeitet vom Präceptor Ehr. 8. Lehrer an der Elemen⸗ tar aub —— in —R Stuttgart, Chr. Balſer, 1866. IV unb

. Das erſte Religionsbud für evangeliihe Kinder von 5 bis 8 Jahren von Dr. 8. Schneider, Königl. Seminardirector in Bromberg. Ausgabe

für die Schule. Poſen, Heine, 1566. 48 ©.

Ba ee a ——

beten. Grimma, Oscar Senn. “6

56. Der Herr Zeine ebrinun 44 Heine Geſchichten aus feinem Leben.

Für Bleinere Kinber. belſprüchen. Grimma, DO. Sem. 46 ©.

Ar. 5 (Fürbringer), die unterfte Etufe zu Rr. 47 u 48 gibt of fenbar für die erfien Edhuliahre zu viel und zu Schweres. Der Berf. fügt nämlich zu un 9a t. und 18 n. t. Erzählungen auf die beiben erſten

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mit Deiner Gnade :c.”, „Jeſus lebt x.”, die die Faſſungskraft der Kleinen überfleigen.. Die Sprüde find meiſt ſehr gut gewählt, aber aud zu

Bon Rr. 52 (Materne) gilt dafielbe. Hierzu gehört die oben um ter Rz. 11 befprocddene „Ausgabe für den Lehrer.“

Der Bar. von Rr. 53 (Schuler) findet es nit zwedmäßig, daß die Zahu’ichen bibliſchen Hiftorien in den unteren Klaſſen der höberen Lehr: anfalten zu Stuttgart eingeführt find. Gr erflärt es mit Recht für un« paſſend, die Geſchichten (mie es dort geſchieht) Kindern von 6—9 Jah⸗ ren mit den Borten der Bibel zu geben, weil deren veraltete Sagconfructionen für Kinder diefes Alters nimmermebr verkändlih find und es ihm unmöglid machen, nad foldem Ruſter die Geſchichten zu leſen und nachzuerzählen. Auch nimmt er Anſtoß an vielen unpafienden, oft das Ehamgefühl der zarteren Jugend ver: legenden Ausprüäden, durch welche der Lehrer feibh nicht felten in Berlegenbeit fommt. Bon felden Aufhten geleitet, bat er mit feinen

Religionsunterricht. 63

bibliſchen Geſchichten ein, von vielen Lehrern und den Eltern ihrer Schü: ler längft gefühltes Bedürfniß zu befriedigen und der Jugend eine heilige Geſchichte zu liefern gejucht, welche fie mit Leichtigkeit, Luft und Freude lefen und in ihr zartes Herz und Gemüth aufnehmen können. Fernerhin hat er aber dabei die fchönen und kräftigen Ausprüde Luther’s, und befonders dies jenigen, welche als Memomirftoff dienen, verbote(nidt ti)nus aufgenoms men. Mit richtigem Tacte bat er dafür geforgt, daß die Erzählungen nicht zu lang und wo möglid nicht mehrere derjelben in eine zujammengefaßt wurden. Wir können diefe Hare, einfahe Darftellung als eine in den meis ſten Fällen recht wohlgelungene, das Kindesalter anfprechende empfehlen.

Nr. 54 (Schneider) gibt nur 18 Geſchichten, aber jede in kurze Abſchnitte getheilt und entipricht darin, fowie in einer einfachen und gefäls ligen Darftellung den Grundfäßen der vorigen, unter Nr. 53 angezeigten Schrift. Indeſſen hält er fih doch firenger an das Bibelmort und gibt in den Katechismusftüden, Liederverfen und Gebeten den Negulativgeift zu ers fennen. Das Büchlein ift für Kinder von 5—8 Jahren beftimmt ; und nicht bloß die Seminarübungsihule, jondern auch feine eigenen finder haben dem Berf. als Correctiv für die Verftändlichleit der Darftellung gebient.

Die bibliſchen Gefhihten von Nr. 55 und 56 find mit Worten der Bibel erzählt und haben nichts Eigenthümliches, außer daß den im Anbange zufammengeftellten Sprühen Fragen oder erklärende Ueberſchriften voran: geftellt find, um die Kinder befier auf den Inhalt derſelben aufmerkſam zu maden.

d. Hilfabücher zum Unterridte in ber biblifhen Geſchichte für Si Schüler und Lehrer. 9 Bite |

37. Endiridbion ber biblifhen Geſchichte oder: Fragen zum Verſtändniß und zur Wiederholung berjelden von F. W. Dörpfeld, Hauptlehrer in Bremen. j 8 8 eite vermehrte Auflage. Gütersloh, C. Bertelsmann, 1865. 50 ©. gr.

58. Hilfsbüchlein für ven Unterricht in ber Bibelkunde. Erſte Stufe. Lefen und Aneignen bes hiſtoriſchen Inhalts der Bibel. Bearbeitet von E. Walter, Hauptlehrer an ber Knaben-Bürgerfhule. Mit einem Vorwort von Dr. Otto, Rector der Knaben-Bürgerihule zu Mühlhauſen. Mühle haufen i. Th, Danner, 1866. 112 ©.

59. Die Bedeutung ber Weltſchöpfung nah Natur und Schrift von M. Dei Kranffurt a. M., Heyder und Zimmer, 1866. VII unb 96 ©. Ueber Zwed, Anlage und Gebrauh des Enchiridions (Nr. 57) bat fih der Verf. (Dörpfeld) in einem bejonveren Schriftchen ausgefprochen, über welches bereits oben zu Nr. 39 ausführlich berichtet worden if.

Nr. 58 (Walter) ift eine Nahbilvung von Nr. 57, wenigftens in Tendenz und Einrichtung das getreue Ebenbild deſſelben, und bedarf daher keiner nochmaligen Befchreibung Wie Dörpfeld (Nr. 39), fo empfiehlt bier Dtto, im Vorwort, die Methode dieſes Yragebüchleins als eine vor: trefflihe Anleitung zum Leſen, Verftehenlernen und Uneignung des Lehr und Lernſtoffs, zu ſelbſtſtaͤndiger Durcharbeitung defielben, zu guter und gründlicher Repetition und nebenbei zur Sprachbilvung.

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Religionsunierricht. 66

miliennamen dieſes lieben Mannes, nämlid Schwarz, Schwarzer ober Schwarzert auch „für Alt und Jung” wieder an’s Licht bringt. Die Darflelung im „Lutherbuͤchlein“ ift anſchaulich, lebendig und feflelnd. Auch it die Sprache anmuthig und fließend, obſchon altertbümlihe Formen, an denen unjer „Jung und Alt“ keinen rechten Geihmad findet, wie „fintes mal, gewann“ u. ſ. w. gebrauht werden. Nädft dem „Reformatiensbüchs lein” von Nonne (f. Bd. XVII, ©. 52) verdient das „Lutherbüchlein“ gebübrende Anerkennung.

61. Philipp Melanchthon. Ein Lebensbild für Ult und Jung von Franz Knauth, Rector zu Mühlhaufen in Thüringen. Zweite, vermehrte Auf lage. Mit Ph. Melanchthon's Statue von 3 Drake nebft dem Contrefey feines Petſchafts. (Lin Theil des Neinertrags ift für Verunglüdte, für Kranke und für Kinder und Rettungshäuſer befiimmt.) Berlin, 9. U. Wohl smmb. 1865. 143 ©. 5 Egr.

Das beſcheidene Schrifthen, mweldhes zum erften Mal im %. 1860 er ſchien, verdankt feine Entftehung dem Wunſche, dem deutſchen Wolle evan- geliſchen Belenntnifjes für die damals bevorftehende Säcularfeier des Todes Melanchthon's ein mahrheitsgetreues und allgemein verftändliches Bild fei- nes Lebens und Wirkens vorzuführen. Da das Büchelchen nicht mifien: Ichaftlihen Zweden dienen, fondern lediglich das Gedaͤchtniß des großen „kraeceptor Germaniae“ im deutſchen Volle new beleben follte, fo kam es dem Berf. weniger darauf an, neue Uuellenforfhungen zu bieten, als vielmehr die Momente im Leben des ausgezeichneten Mannes heraussubeben, aus welchen ſich der Reichthum und die Kraft feines Geiftes, der Adel fei- ner Gefinnung, die Innigkeit feines Glaubens und die Bedeutung feines Wirkens für das Gelingen der Neformation am leichteften erkennen läßt. Im Rahmen feines äußeren Lebens tritt uns feine innere Entwidelung, feine jeltene geiftige Begabung, die Fülle feines Wiſſens, die Tiefe feiner Gelehrſamkeit, das innige Freundfchaftsverhältniß zu Luther, fein verbienft: liches Wirken für Kirhe und Schule, feine fchriftitelleriihe Thätigleit, feine erfolgreihe Mithilfe an der Bibelüberſetzung, fein unerſchrockener Muth bei der Beförderung und Pertretung des Reformationswerks, aber auch fein fanfter, verföhnliher Sinn, feine Borfiht und Schüchternheit, ja Aengfilich« keit, die immer wieder durch Luther's Entſchiedenheit und kraͤftiges Vor⸗ fchreiten überwunden werden mußte, entgegen.

Unter den Beilagen befindet ih Paul Eber’s Weberfegung von Melanchthon in lateinischer Sprache verfaßter Gevihte: „Von dem Echutze der heiligen Engel gegen des Teufels Lift“, ferner M. Johann Gigas Weberfegung einer precatio Melanchthon's und zweier lateinischer Tifchgebete deflelben.

Möge das mit Liebe und Fleiß gejchriebene Werkchen aud auf feiner neuen Wanderung zum deutfchen Volle fi der freunplihen Aufnahme zu erfreuen haben, die ihm bei feiner erjten zu Theil ward und die es in Wahrheit verdient. Volks⸗ und Schuibibliothelen follte es nicht fehlen.

62. Die Geſchichte ber Inden von der Hüdtehr aus ber Babtzloniſchen Ge- fangenfcheft bis zur Aufloſung ihrer nationalen Gelbftflänbigteit, mit ſieter War. Jahreßberit, XVIU. 5

66 Religiondunterricht,

Hinweifung auf bie Heilige Schrift. Ein Haudbuch beim Lejen und Unter

richten in der Heiligen Schrift ; insbeiondere beim Studium ber Geſchichte

und Geographie Paläſtina's, fo wie ber flaatlidhen, kirchlichen und bürger-

Iihen Ginrihtungen und Gebräuche ber Iſraeliten zur bibliihen Zeit. Bon

Friedr. Bild. Ungemwitter, Lebrer in Lennep. Mit 4 Zeittafeln. Gli⸗

tersloh, ©. Bertelsmann, 1865. VII und 173 S. 20 Ger.

Aus dem durch ernftes Bibelſtudium genäbrten Geifte und Herzen eines achtbaren Lehrers ift das vorftehende Hanpbud zur Geſchichte der Juden hervorgegangen. Sein umfangreicher Titel gibt genügend an, was er ent hält und bezwedt. Mit vollem Rechte fagt der Verf. im Borworte: „Um ‘einen (durchaus unentbehrlichen) Weberblid, einen in etwas fideren Stand⸗ punlt beim Studium der Bibel zu gewinnen, gehört vorzugsweife, daß man ſich mit der Geſchichte der Juden, überhaupt mit dem Volle, welches Gott auserjeben und befähigt hatte, ein Segen für alle Geſchlechter der Erde zu werden, gründlid befannt zu maden; daß man ſich eine moͤglichſt Klare Einſicht in das Verhältniß dieſes Bundes:Bolls zu feinem unſichtbaren Oberhaupte zu verfchaffen ſuche, die Geflaltung feines äußern unb innen Lebens in den verſchiedenen Beitepodyen, feinen Einfluß auf die übrigen Nationen u. A. m. genau kennen lerne, fpeciell anzugeben wiſſe. Um bas bin zu gelangen, fol vorliegende Bearbeitung eines wichtigen Abſchnittes ber jüdifhen Geſchichte bilfreihe Hand leiften und fo zugleid einen Beitrag zur Grflärung des N. T. insbeſondere liefern. Die in dem Xert enthaltenen Bibelſtellen follen entweder das Ausgejagte beftätigen, vervollftändigen, oder neue Ideen erweden. Bei der Ausarbeitung dieſes Geſchichtsabſchnittes find vorzugeweile „Das Morgenland von ©. Preiswert“ und „Das Neue Zeftament von Otto von Gerlach“ benust worden.” Daß die Be nutzung dieſer Vorarbeiten eine umjihtige, einfichtspolle und forgfältige ges weſen iſt, davon legen die 61 Abfchnitte, welche von dem Berf. beſprochen werben, jehr genügendes Zeugniß ab. Die Lectüre der ganzen Schrift, de⸗ ren reihem Inhalt auch die ſchöne Form entipridht, bat uns viel Genuß gewährt und wird allen Gebilveten, welche den bezeichneten Abſchnitt ber Geihichte des Volls, aus welchem das Heil gelommen ift, näber Tennen lernen wollen, insbejondere allen Lehrern, welche zum Beiten ihrer Schu⸗ len auf tiefere Begründung und weitere Vermehrung ihres geſchichtlichen Wiſſens bedacht find, aus voller Ueberzeugung empfohlen. Wir wünſchen von Herzen, daß dieſer erfte Theil des angezeigten Buchs freundliche Aufnahme findet, damit der Verf. zur Veröffentlihung der von ihm beabs fihtigten anderen beiden Xheile, in welden „die Geographie von Bas läftina mit 4 Meinen Karten” und „ber Tempel und das Haus ber Siraeliten zur biblifhen Zeit” behandelt werben foll, ermuthigt und gektäfs tigt wird. Bon Heinen Berihtigungen und Ergänzungen, bie da und bort vielleicht gemadt werden könnten, ſehen wir bier ab, können jedoch nicht umbin zu bemerfen, daß der an fi ganz vortrefilihe „Aufruf an Iſrael“, welcher mit den Worten anbebt :

Komm doch berzu, o Sirael,

Und trinle aus dem füßen Duell ꝛc. erft dann in Erfüllung gehen wird, wenn bie Schutt: und Steinmaſſen fammt Dornen und Heden, welche in allerhand Menſchenſatzungen dieſen

Religionsunterricht. 67 „Quell“ umgeben und abfperten, binweggeräumt fein werden durch die Kraft des Geiftes evangelifcher Wahrheit. Ä

63. Charakterbilder aus der Reformationsgefhihte Italiens. Zur Belehrung und Erbauung ber Gemeinde, bargeftelt von Rages Chris foffel, Pfarrer in Winterfingen, Bafelland. Erſte Lieferung. Erlangen, Andr. Deichert, 1865. V und 73 ©. 7} Ser.

Dieſe Schrift will einem doppelten Zwecke dienen, nämlih: erſtens einen Einblid in die evangelijhe Erwedung in Jtalien gewähren und damit zugleich zum Verſtändniß des italienifchen Bollscharactere, ſowie zur Grlenntniß der Gründe für das Scheitern der reformatoriichen Beftres bungen in Stalien das Shrige beitragen, fodann durch Vorführung einzelner Glaubenshelden in ihrem Leben, Wirlen und Leiden um bes Glaubens willen zur Erbauung der chriftlihen Gemeinde mitwirken. In der vorliegenden erften Lieferung ift das innere und äußere Leben Ga⸗ leozzo Caracciolo's und Baldaffare Altieri’s gefhildert. Er fterer, ein hervorragendes Mitglied der evangelifhen italienischen Gemeinde Genfs und mit Calvin innig befreundet, ift infofern ein Märtyrer feines reformatorischen Belenntnifjes geworden, als er ihm zu Liebe auf die Bor: theile verzichtete, welche ihm hohe Geburt und Reichthümer gaben, und fi) von feiner italienischen Heimath, feinem Weib und feinen Kindern freiwillig trennte. In Altieri tritt uns das Bild eines thatlräftigen Mannes ents gegen, der eifrig beftrebt ift, dur Verbreitung der Schriften der deutſchen und ſchweizeriſchen Reformatoren und durch diplomatiſche Wirkſamkeit bie evangeliſchen Gemeinden Italiens feſter zu gründen und gegen die Verfol⸗ gungen der päpftlihen Partei zu jchüten. Beide Charakterbilder find ans ziebend geichrieben und wohl geeignet, den oben angegebenen Zwed zu fürs den. Wir empfehlen fie denen, die fih für Specialitäten aus der Refors mationsgeſchichte intereffiren. |

D. Bibliſche Geographie.

64. Paläftina beichrieben von C. Hergt, Berfafler der dem Sophienfift in Weimar gewidmeten Wanblarte des [gelobten ?] Landes. Weimar, geor graphifches Inſtitut, 1865. XII und 499 S. 24 Thlr.

Der Ber. hat nicht die Abſicht, das reihe Material aller Quellens Schriften über PBaläftina in ſyſtematiſcher Weife nach allen Richtungen bin erjchöpfend zu bearbeiten; feine Darftelung ift daher nicht die ftreng« foftematifhe, fondern nimmt oft ven Charakter von Reifeberihten an, Die Aufgabe, die er ſich geftellt hat, gebt nämlich dahin, „was allgemein wifienswerth wäre, jo an einander zu reiben, wie ed in möglihft abge= rundeten Bildern fich gegenfeitig am natürlichften beleuchten, am zweck⸗ mäßigften ergänzen und ftufenmweife die Auffafiung von größeren Gruppen bis zur Ausbildung einer klaren Gejammtanfchauung befördern möchte.” Und fo gibt er denn nad einer Schilderung der plafliichen Geſtalt des Landes und nad) einer biftorishen Weberfiht über die vorisraelitiihe Bes völlerung, über die Nachbarvoöller und über bie Zeiten nach der israelitiſchen

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Religionsunterridht. 69

das Gebet kurz und kindlich fei, daß fein Inhalt die ganze Schularbeit heilige und darum allgemeiner Natur ſei, an den inhalt des ges meinſchaftlichen Gefanges anfnüpfe und mwomöglid zu der nachfolgenden Bibelftelle hinüberleite, daß es nicht frei gefprocen, ſondern feftftehend formulirt werde, daß der Lehrer felbft bete, während die Echüler mit gefalteten Händen und zu Boden gefentten Bliden fiehen, und daß er überhaupt „ſelbſt durch fein Gebet den Kindern ein rechtes Vorbild werde und ihnen durch fein eigenes Vorbild zeige, mie ein Chriſt mit ſei⸗ nem Gott und Heiland im Gebete Umgang pflege.” Der liturgiſche Gang, welchem auch die Gebete hier eingeordnet werden, iſt folgender : Lied, Gebet, Zert, V. U., Lied, Segen. Zuerſt gibt der Verf. Morgengebete für die Vollsihule und Gebete zum Anfang und Schluß der Nachmittagsſchule, dann folgen Gebete für die Sonntags: und Feiertagsſchule, Morgengebete für Mittelſchulen, Abenpgebete für Erziehungsanftalten, Confirmandens, Beicht⸗ und Abendmahlsgebete, Tiſchgebete für Erziehungsanftalten, Schulgebete in befonderen Fährlichkeiten und bei bejonderen Feierlichkeiten, endlich kurze Reimgebete und Bibelſprüche für Kleinkinderbemwahranftalten. Im Anbange ftehen : ein Berzeichniß der fonntäglihen Perikopen und eine Oftertabelle (in welcher aber bedeutende Drudfehler find: 34, 38. und 5. März !). Ueber: mande Grunbjäße und Behauptungen des Berfaffers ließe fich ftreiten ; doch flimmen wir in der Hauptfadhe mit ihm überein. Der orthodoxen Färbung, die bier und da hervortritt, entſpricht auch die veraltete Form ſo mancher in bie Gebete verwebten Verſe, wie S. 11:

Daß mir würben losgezählet,

baft du wollen fein gequälet ;

daß wir möchten troſtreich prangen,

baft Du fonder Troſt gehangen.

67. Chriſt liches —— für Schulen. Bierte Auflage, bearbeitet von Dr. W. Nöldele, Director der Stabttöchterjchule zu Hannover. ‚van nover, HDahn' ſche Hofbuchhandlung, 1865. VI und 216 ©. 10 Sgr

68. Ehriflihes Geſan and für böbere an Sdttingen, Banbenhord und Ruprecht, 1865. und 96 S. 6 S

Beide Geſangbücher unterſcheiden ſich buch Umfang und Anordnung, Nr. 67 gibt 200 Lieder mehr als Nr. 68 und ordnet ihren Gang nad dem Kirchen⸗ und Schuljahr, während Nr. 6% den hiſtoriſchen Weg einjchlägt und, ‚von Luther bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts fortjchreitend, die Geſchichte des Kirchenliedes zur Anſchauung bringt. Beide Gejangbücher ftimmen aber aud überein in dem ortboporen Geifte, der fie durchweht und in ihrem Gejhmad an ven veralteten Formen ber Kernlieber.

Nr, 67 (Nöldele), verfaßt von Ahrens, Havemann und Lü— deling (1836), hat fih hauptjäkhlich ven „Verſuch eines allgemeinen evans geliichen Geſang⸗ und Gebetbuchs, Hamburg bei Perthes, 1833“ zum Mus ſter genommen und ift in der 4. Auflage nur wenig verändert erfchienen. weil no de des Buches kann man aus ber einen Probe erfens

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70 Religionsunterricht.

Der Menih von eim Weib gebom

Mit Web und Schmerzn in Gottes Zorn Und lebt allhier ein Heine Zeit

In Jammer, Noth und Dürftigleit.

Sm Anbange gibt ed Verzeichniſſe der Melovien, der Bibelftellen, der Liederbichter und der Lieder.

Nr. 68 (Göttinger Geſangbuch) hat die meiften Lieder aus Nr. 67 entlehnt, ift aber noch mehr auf ben urfprünglichen Text zurüdgegeben. Mit pädagogischer Bwedmäßigleit hat es die möglichfte Beſchraͤnkung angefirebt, um „nur das Belle, jo zu jagen kirchlich Klaffifhe, und zwar wirt lid Sangbares der Jugend darzubieten. Der Anhang diefes Buches gibt ein Berzeihniß der Lieder a) nad ihrem Inhalte b) nad alphabetifdher Reihenfolge.

69. Beiträge zu einer frudtbaren Behandlung ber burd bie preu- ßiſchen NRegulative beflimmten evangelifhen Kirhenlieder Unter befonberer Bezugnahme auf ben Unterricht im lutheriſchen Katehiemus, wie der Kirchen⸗ und Baterlandegeſchichte und mit Berüdfictigung des gejamm- ten Liederkreiſes der bewährteften evangeliihen Geſangbücher bearbeitet und herausgegeben von Wilhelm Leitrig. Mit einem Borwort von W. Stolgenburg, Tönigl. Regierungs- und Schulrath in Liegnitz. Dritte vermehrte und verbefierte Auflage. Berlin, bei Ebuarb Bad, 1865. AV 383 ©. 28 Ger.

Nah allen Seiten hin hat der Berf. mit großem Fleiß und mit ums» fihtiger Auswahl dafür gejorgt, durch fein Wert „ein umfangreiheres , tie feres und darum fruchtbareres Verſtändniß des evangelifhen.Kird: liebes zu vermitteln, als es burch die vorhandenen Hilfsbücher ermöglicht wird“, zugleih aber au „in dem Material, das für ſolche Bermittelung berbeigezogen ift und mit dem Kirchenliede in engfter Verbindung ftebt, an= deren Disciplinen der Volksſchule, wie dem Katechism̃usunterrichte, der Kirchen⸗ und Vaterlandsgeſchichte ungelünftelte, wirkſame Handreichung zu gewähren.” Für jenen Zmwed beſtellt er ausführliche lebensvolle Bio: graphien der Dichter bei jedem Liebe in den Vordergrund, gibt dann den Gedanfengang der einzelnen Lieber an, weiſt durch beigefügte Bi⸗ belfprühe auf die biblifhen Srundlagen und Anklänge derſelben bin und nimmt auf die Erklärung mißverflandener Gonftructionen und als terthümlicher Wörter und Wortformen Rüdfiht. Für diefen gibt er mehr denn hundert anſchauliche Erzählungen für den Katechismus, für Kirchen⸗ und Vaterlandsgeſchichte; auch fügt er Notizen über die Melodien der Lies der bei, fowie Hinweifungen auf die Stellen verjelben, die ſich beim Re⸗ ligionsunterriht anwenden lafien. Dieſe Sinweifungen bat er im Anbange ſowohl für die bibliſche Geſchichte, als aud für den Katehismus überficht: lih zufammengeftellt, denen er auch noch Megifter über die Lieder, Dich: ter und Tonmeifter beifügt. . Das Werk enthält jehr viel Gutes ; wenn nur das Beſſere der Neuzeit nit Jo ganz vernadläffigt und das ungenieß⸗ bare Alte nicht in feiner abftrufen Form gegeben wäre! Nur ein’ Regula tivmann kann ed für gut finden, ber jebigen deutſchen Schule noch Berje zu bieten, wie bie in dem berrlihen Liede „Wach' auf, mein Herz ꝛc.“:

Religtonsunterricht. 71

„Heint, als die dunkeln Schatten Mich ganz umgeben hatten, Hat Sa⸗ tan mein begebret, Gott aber hat's verwehret. Ja, Vater, ald er ſuchte, daß er mich frefien mochte, War ih in Deinem Schooße, Dein Flügel mich beſchloſſe.“ Das ift doch der Schule der Gegenwart zu viel zus gemutbet ; und warum follen die wirklich guten Verbeflerungen alter Lies der nicht angenommen, und die herrlihen neuen Lieder von Hey, Bretjchneis ber, Niemeyer, F. Schmidt, Lover u. v. A, verworfen werben ?

F. Erbaulides.

70. Sieben Briefe über das Lefen ber Bibel, gerichtet an eingefegnete Zünglinge und Zungfrauen, bie Gottes Wort lieben; wie am evangelifche Ehriften überhaupt von Dr. A. S. Jaspis. Herausgegeben und verlegt von dem Hanpt-Berein für chriftlide Erbauungsichriften in ben Preu«- Bifhen Staaten. Berlin, Magazin be® Haupt-VBereins, 1864. VI und 626. 5 Ger.

Der Verf. ift zum Schreiben diefer Briefe durh die Wahrnehmung veranlaßt worden, daß es im criftlihen Volle am eifrigen Lejen ver hei⸗ ligen Schrift und noch mehr an eingehender Schriftbetradhtung überall fehlt. Dem Mangel an beftändiger und verftändiger Beichäftigung mit Gottes Wort kann feiner Ueberzeugung nah nur dadurch abgeholfen werben, daß man bie heranwachfende jugend, und zwar ſchon vom 12, Lebensjahre an, gewöhnt, täglich in der Schrift zu leſen und das Gelefene zu bebdenlen und zu beberzigen. Diefe Briefe jollen dazu mithelfen, daß die Bibel der Ju⸗ gend für das lange, ernfte, oft überaus ſchwere Leben nahe gebradht, zu einer Quelle der Kraft und bes Trofles für das ganze Leben gemacht werde. Und in der That find fie recht geeignet, zu einem fruhtbringenden Bibellefen anzuleiten. Die Sprache des Verfaſſers ift einfah und vers ftändlich. Man merkt es ihm an, daß e3 ihm die Sache des Herzens und Gewiſſens ift, die Jugend ſchon früh auf das Heilige zu lenken und in ihr Liebe zur Schrift zu entzünden. Im erften Briefe gibt er die Gründe für ein öfter wiederkehrendes Bibellefen an. Der erfte Grund ift: daß bie Bibel der unmittelbar aus Gott fprubelnde Duell der Wahrheit und Er⸗ quidung für Geift und Herz ift, jede andere religiöfe Schrift nur Waſſer bietet, welches aus ihr gefhöpft if. Der zweite Grund iſt: daß die Kraft des heiligen Geiftes mittelft des Mortes fih dem Menſchen mittheilt, durch das Leſen der Schrift das menſchliche Gewiſſen gellärt, gewedt und ges Ihärft wird. Der 2. Brief gibt Antwort auf die Frage, mie die Bibel mit Segen gelefen werben fol. Der 3. und 4. Brief ertheilen hierzu noch ber fondere Rathſchlaͤge. Der 5. bringt auf ein tägliches Bibellefen, räth, die biblifhen Bücher im Zuſammenhange und planmäßig zu betrachten, dabei auf die einzelnen Zeiten des Kirhenjahres Rüdficht zu nehmen und natürs lih aud durch Grlebniffe und Stimmungen des Herzens fi leiten zu laſ⸗ fen. Die Bewegung des Gelefenen im eigenen Herzen, die Anwendung auf das eigene Leben bleibt immer das Wichtigſte. Diefem Briefe find 4 Bei⸗ lagen angehängt, enthaltend : 1. eine Sammlung von Bibelftellen für die Seftzeiten ; 2. eine dergleichen für befonvere Lagen und Bedürfniſſe; 3. Minte für eine eingehende Betrachtung von Kol, 1, 1-23; 4. Das Lied Gellert’$

73 Religionsunterricht.

über das Bibelleſen: „Soll Dein verderbtes Herz zur Heiligung geneſen zc.‘ Der 6. Brief nennt einige Hilfsmittel zu einem tiefer einpringenden Berftänb: niß der Schrift, 3. B. Bengel’d Gnomon. Im 7. Briefe redet der Berf. von dem Bimede ber einzelnen n. t. Schriften und ihrer Bedeutung für bas Ehriftenleben.

Theilen wir auch des Berfafiers ftreng kirchlichen Standpunkt nicht und können wir und darum aud nicht mit einzelnen Heußerungen befielben einverftanden erllären, die einem Inſpirationsbegriffe entjpringen, welchen wir als durch eine unbefangene tbeologifche Wiſſenſchaft überwunden betrady- ten, fo drüden mir doch dem Berf. dankbar die Hand für das gute Wort, das er zur rechten Zeit geiprochen und wünſchen ibm Lohn für daſſelbe, daß e8 eine gute Statt in recht vieler Jünglinge und Jungfrauen Herzen finde und in denſelben Luft und Liebe zum Verkehr mit Gottes Wort wede. Mögen auch die Lehrer dazu mitwirken |

11. Sechs Reben an ſcheidende Schüler Eine Mitgabe ber Schule und des Hanfes für Iünglinge und Jungfrauen. Bon Aug. Adolph Schle⸗ nel, Rector an der Bürgerihule zu Adorf. Plauen, bei Neupert, 1866. VI und 28 ©.

Aus dem Vorworte dieſes Schrifthens erhellt, dab der Verf. die freund: liche Abfiht Hat, „dem vielbefchäftigten Lehrer einige Srleihterung bei Bor: bereitung auf dergleichen Neden zu gewähren.” In materieller Beziehung kann es auch wohl manchem Lebrer dieſen Dienſt leiften ; aber in formeller Hin» fiht möchten wir diefe Reden nicht als Mufter empfehlen, va fie zu viel Doctrinäres enthalten, oft zu flelettartig abgefaßt und bei allem Wohl: meinen doch nicht berzergreifend find. Wie viel vorzüglicher find doch bie „Schulreden“ von Clemen u. A., von denen ber Verf. gar nichts zu willen fcheint, da er übers ven Mangel folder Neben Hagt.

712. Feſtreden. Bur Erinnerung an die Enthüllung bes Melanchthon⸗ entmals am 31. Drtober 1865 in Wittenberg. Gerausgegeben vom Comitd der Melandhtbon- Stiftung. Wittenberg, bei R. Herrofe,

1865. 52 ©.

Nachdem am 19. April 1860, bei der 300jährigen Gedächtnißfeier bed Todes Philipp Melandtbon’d auf dem Marlte zu Wittenberg neben Luther's Stanpbilde der Grund zu dem Melanchthon⸗Denkmal gelegt worden ar, ift daflelbe am Neformationsfefte 18565 feierlih enthüllt wor den. Das vorliegende Büchlein enthält nun 5 Reden, die bei dieſer Feier am 30. October (vom Gymnaſialdirector Dr. Schmidt, Director des Pre⸗ digerfeminard Dr. Schmieder, Rector der Uniwverfität HallesWittenberg Dr. Dernburg, Decan der theologischen Facultät vafelbft Dr. Jacobi und Decan der pbilofopbifhen Yacultät Dr. Rofenberger) gehalten wurden und vom 81. October die Seitprevigt de Sup. Dr. Shapper, die Weibereve des Generaljup. Dr. Hoffmann und die liturgifhe Dane kesfeier von Dr. Schmieder. Bom 1. Nov. ift, da die „Nachfeier nur für die ftäpdifhen und vorſtädtiſchen Schulen beftimmt war”, nichts mitge⸗ theilt als, die mehrfach verlangte Predigt des. Archidiaconus Dr. Seel:

. Religtondunterricht. 13

fiſch. Die lettere ift, ba fie für bie Kinder gehalten wurde, natürlich po⸗ pulärer gefaßt, als jene Neben und Predigten, in denen aber auch für den Zebrer gar mandyes Lehrreiche und Erbauliche enthalten ift.

73. Das erfie Hauptſtuck des Heinen Katechismus Lutheri, das finb bie 10 Gebote, autgelegt in Brebigten für das chriſtliche Boll von 8. 9. Caspari, weil. Pfarrer zu Münden. (Predigten L). Fünfte Auf lage. Stuttgart, bei Steintopf, 1865. 187 S. 74 gr.

Diefe Predigten des als Volldlehrer bewährten, in München 1861 ges florbenen Pfarrers Caspari gehören infofern aud in den Pädag. Jahresbe⸗ richt, als fie den Lehrern, die den Katechismus zu erklären haben, ein Hilfs⸗ mittel bei der Auslegung ber 10 Gebote fein künnen. Der Verf. redet in einer Haren, bünbigen und echt populären Sprade zum Volle, und daß er damit Anklang gefunden, beweift das Erjcheinen der fünften Auflage,

74. Der Katechismus der Kreugträger in ben Pjalmen 42 unb 43. Ein Lehr» und Troſtbüchlein für Leivende von A. Easpers, Kirdenpropft and Hanptpaflor zu Hufum. Leipzig, bei Teubner, 1865. VIII und 108 &. 12 ©gr.

Ref. nahm Anftand, dieſes Schriftchen mit den vorausſtehenden unter die Rubrik „Erbaulihes” aufzunehmen, da der Inhalt nad feinem Gefühl ein ſehr unerbaulicher if. Um den Geift vefielben kurz zu charalteriſiren, finde eine einzelne Stelle aus dem Capitel von des Kreuzträgerd Kampf mit Gott bier Platz: S. 42 heißt es unter Anderem: „Die Angft von Satan angeregt wird durch des Satans Mittel der Hoffnungsloſigkeit noch vermehrt. Satan bietet Alles auf, Satan öffnet die Hölle. Die Hölle ſchredt mit ihrer Zlammengluth und mit der Ewigkeit ihrer Qual Die Hölle ſchreckt mit der lechzenden Zunge des reihen Mannes, mit ſei⸗ ner flehenden Stimme es ift mir, als ob feine Zunge meine Zunge, feine Stimme meine Stimme wäre. Ich böre als zu mir geredet: Sohn, Du haft Dein Gutes empfangen, und nun wirft Du gepeiniget, und Got⸗ tes Gnade und Jeſu Blut kann Dich niht mehr retten.” Das ift denn doch wohl auch für den Strenggläubigen des Satans und der Hölle etwas zu viel. Wer jedoch nad foldher Belehrung und Grauidung für feine Seele verlangt, der findet in dieſem, nicht ſpeciell für Lehrer und für die Zwede der Schule gejchriebenen Büchlein reihe Nahrung.

G. Allgemeine.

75. Katechetiſche Bierteljahrefhrift für Geiſtliche und Lehrer. Ein Beiklatt zum bomiletifhen Monatsblatt „Geſetz und Zeugniß“ beraus- egeben unter der verantwortlichen Rebaction von ©. Leonbarbi und ©. Simmermann, evangelifch-Iutheriichen Pfarrern im Königreihe Sachſen. rfler Jahrgang 1865. Leipzig, bei Teubner, 1865. VII und 240 ©. Jaährlich 1 Er. Diefe Zeitfehrift, welche mit dem hbomiletiihen Monatzblatte „Geſetz und Zeugniß“ zufammen halbjährlih 1 Thlr. 20 Sgr. koftet, ift aud für fi allein zu haben (jährlih A 1 Thlr.) Sie enthält: 1. leitende Artikel

74 Religionsunterricht.

über die Behandlung des Katechismus und einzelner Stüde befielben, über Ratehismus: Sramina, über Confirmanden» Unterriht und Religionsunterricht in der Schule; 2. Katecheſen und Katechiſations-Entwürfe; 3. Erklärungen von Bibelabſchnitten für die Vollsfhule,; A. kürzere Schulreden. Im Ans ſchluß werben die neueren Erſcheinungen der latechetifchen Literatur in kun gen Recenfionen beiprocen.

Im diefer Zeitfhrift jollen die Diener des Katechismus und Gchrifts worts in Kirche und Schule fi gegenfeitig „über ihre Lebrart und Lehrrefultate wiſſenſchaftlich ausſprechen und in praltifhen Beifpielen ver: antworten. Sie will „dafür mitwirken, daß das katechetiſche Wort des Religiondunterrichts in Kirche und Schule individual durdgearbeitet und hiermit feiner individualen Wirkung mehr und mehr zugeführt werde.” Und dadurch foll fchließlih „der Zuſammenhang geftärkt werden, in welchem ber Religionsunterriht der unerwachſenen und heranwachſenden Jugend mit ber Kirche des reinen Lebrworts fteht und zum Gedeihen von Schule und Kirdye ungerrilien ftehen muß.”

Daß die Herausgeber und Mitarbeiter einer fireng kirchlichen Richtung buldigen, wie fih aus den Abhandlungen und Necenfionen ergibt, hindert nicht, ihre Zeitfchrift als ein Magazin lehrreiher Interweifung und Un» segung zu empfehlen.

II. Mathematik.

Bearbeitet von Dr. Bartholomäi in Jena.

I. Methode.

1. „Man bat e3 oft und gewiß nicht mit Unrecht als einen Vorzug der franzöfifchen mathematifchen Literatur gegenüber ber deutihen gerühmt, daß in dem Lande der Gentralifation die bebeutendften Gelehrten es nicht unter ihrer Würde halten, auch eigentliche Lehrbücher verjenigen Wiſſen⸗ ſchaften zu fchreiben, zu deren Vervolltommmung fie jelbft am Meiften beis trugen, während bei und vie Verfaſſung von Lehrbüchern nur ben diis minorum gentium überlafien blieb, over höchſtens die erfte Arbeit eines bei diejer Veröffentlihung noch wenig befannten Gelehrten zu fein pflegte, der fih damit der mathematiſchen Welt im Ganzen und Großen vorftellen wollte. Der Grund diefes Gegenjaßes liegt nicht etwa darin, daß der Deutihe weniger die Ueberzeugung gehabt hätte, mit einem guten Lehr⸗ buche ſegensreich wirken zu können. Das Bewußtſein iſt wohl ſchon längft allgemein verbreitet, daß für den Anfänger das Beite eben gut genug ift, während eher in den höheren Xheilen der Wiſſenſchaften dem Schüler Lüdenhaftes oder gar minder Genaued geboten werden darf, wo er ſchon die Fähigkeit erlangt hat, ergänzend und kritiſch feinen Lehrgang zu con troliren. Der Grund lag vielmehr fiherlih in der politiſchen Geftaltung unſeres Vaterlandes, welche es nahezu unmöglid machte, daß das Lehrbuch eines, wenn auch noch fo bedeutenden Schriftſtellers in den benachbarten Duodezſtaaten eingeführt wurde, der auf ſeinen eigenen Mathematiker viel zu ſtoiz war, als daß er feine Schriften nicht vorgezogen hätte. Darin war allerdings ein Hemmſchuh für bebeutende Männer, ihre Zeit und Mübheleiftung an Schriften zu wenden, in welcher untergeorbnete Geifter ihnen Concurrenz machen und dabei auf Erfolg hoffen durften. Es if ſicherlich kein Hereinziehen von Politit in damit nicht Zufammenhängendes, wenn ich behaupte, ein geeinigtes Volt und gute Lehrbücher in irgend einem Zweige der Wiſſenſchaft gehen ftetd Hand in Hand, und wie ber Gedanke einer naturnothwendigen Zuſammengehoͤrigkeit in den beiden legten Jahr: zehnten deutlicher und kräftiger zum Durchbruche kam, jo wird Niemand,

ze m ertere Sch Yyrtieeen dvie Hermalbildung geaast aber ben B-'rterrzıa med Geinitsichene Iemeiwegs Daher

neu Des Kixterıe, weite ıhre Leitner, zri wenn viele zu Den beten Eki.cm artizer, ie wer Iricthor “ren: buber Te lands Emubige Iberiate, bch irn joxger ————

feine Nriacke: ein Zuridietren auf tie Ginbeit beim Drei, Zunft mur Bieliag ci eime umnithig Peulirttrit, als eine Zeitverichwen: bung zu betra&bten"* _“

Eileen eine Neu von iczensunten Rebnungss

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*, Canter, Zeiridr. für Raid. = Fivi. IX fir ©. —* ract. Rechnen x. j34 VRerwert Da fe dieſe deal- meierei, gemiidt mit balber uud ganzer Unmatzbeit, weil auf llebertreitung be- zuhenb ? Die Sule bezwet un tie fermale Riltung, end den beien Scha- ber Rauimenn wenig brauchdar finden, Leim janger DBaubandwerier feinen Echulfenntminen befe

iefelben Uebertreib was en uud nicht ne in Erng anf dei,

Mathematik, 177

möglihft zu vereinfachen und dadurch überfichtlicher zu machen. „Man bes firebe ſich zunaͤchſt fagt Dr. Unger die Schüler innigft vertraut zu machen mit ben Weſen der Zahl und verweife viejelben ſpäter, nach: dem fie bereit3 die erforderlihen Fortſchritte gemacht haben, um es gehörig würdigen zu lönnen, bei jeder Gelegenheit auf ven oberiten Grundſatz alles practifhen Rechnens: „Man rechne ſtets mit den kleinſten und bequemften Zahlen’ aufmerljam, und man wird ber befonderen Ned nungsvortbeile nicht bedürfen; der Schüler wird feine anwendbare Ablür- zung überfehen, ohne daß ibm hierzu beſondere Vorſchriften gegeben zu wer: den brauden, oder daß man auf eine Regel zu verweilen bätte, die für den vorliegenden Fall und für die insbejondere vorlommenden Zahlen einer Bereinfahung fähig it. Man leite ferner den Unterricht fo, dab der Schüler jo wenig wie möglih nad gegebenen Regeln zu rechnen veranlaßt wird, jondern ftets felbjt aus den vorliegenden Bedingungen die entſpre⸗ ende Regel finden muß, und man made nicht das Ginüben der bereits gefundenen Regel, jondern das Finden derjelben zur Hauptbeſchaͤftigung. Man befolge beim Unterricht überhaupt den Grundſatz, daß man dem Schü- ler nicht ſogleich das Allgemeine gibt und feine Thaͤtigkeit lediglich darauf bejchräntt, das Gegebene auf bejondere Fälle anzuwenden, fondern man laſſe ihn zunächſt umgelehrt von dem Beſonderen nah und nad zu dem Allgemeinen auffleigen und erft alsdann das Gelbftgefundene unter bejon- deren Bedingungen benußen, und man wird auf diefe Weife nicht nur ges wandte, fondern auch gründlihe Rechner bilden; man wird die Denk kraft der Schüler nicht blos bei einzelnen Momenten des Unterrichts in Anſpruch nehmen, fondern dieſe in fortwährender Thätigleit erhalten. Der Schüler wird aljo auch nicht blos von Zeit zu Zeit Gelegenheit haben, zu denten, jondern er wird fortwährend an's Denten geübt und fomit an’s Den ten gewöhnt und. dadurch befähigt werben, alle äußeren Erjcheinungen rich⸗ tig aufzufafien und zu beurtheilen.‘

„Es darf daher 3. B. ein Gejhäftsmann, der einen Realſchüler als Lehrling aufnimmt, nicht verlangen, daß biejer mit allen Rechnungsvortbei: len jeines Geſchaͤfts belannt, wohl aber verlangen, daß er in den Stand geiest fei, über die Zahlverhältnifie einer Aufgabe ein Mares und ficheres Urtheil zu fällen und recht bald mit Sicherheit fi in dem Gebiet der Bes rechnungen feines Gefchäftes bewegen zu können *).“

4. „Unſre Zeit vrängt in allen Gebieten auf Vortbeile und Abkürzun⸗ gen, verbunden mit Sicherheit und Einfachheit, bin. Im Rechengebiete ift diefed nicht immer recht gewürdigt worden. Bielleiht aus dem Grunde, weil man fih zu jehr vor dem Moloch des geilttöbtenden Mechanismus fürdhtete. Viele unferer Rechenbüher wiflen daher aud nichts mehr von Vortheilen und Ablürzungen, und nur in ber legten Zeit traten einige das wit, wenn auch jparfam, hervor. Mer die Furt vor dem Mechanismus nicht überwinden Tann, den bitten wir das Buch anzufehen, und er wird die Ueberzgeugung gewinnen, daß alle Bortheile und Abkürzungen nicht nur auf mathematiſchen Grundfäßen beruhen, jondern auch, daß das Suchen

*) Ruhſam Programm ber Aunaberger Realſchule [2] 1865. ©. A. 5

18 Mathematik.

nad) Bortheilen und der Verkehr mit denfelben eines Thells ungemein ben Scharflinn, das Sicherheitsgefühl, die Erkenntnißkraft wedt und flärft, an- dern Theils aber zugleih ven Willen übt und erregt, audy das Schwierigfte durch gefchidte Operationen zu überwinden, eine Uebung, durch welde die Rechenkunſt an Geiſtesgymnaſtik wenigftens nichts einbüßt.” *)

5. „Erzielung mechaniſcher Fertigleit ift Die Hauptaufgabe des Rechen: unterrichts bei Elementarfhülern. So wie der erfte Unterriht im Leſen und Schreiben hauptſächlich nur bezweckt, ven Schüler zu diefer Fertigkeit zu bringen, fo zielt ver erfte Unterricht im Rechnen eigentlih nur darauf bin, den Schüler dahin zu bringen, daß er rechnen kann. Das Rechnen mit volllommen klarem Bemwußtfein und die Einficht in die vielfältig ſich darbietenden Rechenvortheile ift bei Glementarfchülern nit immer zu em reichen, weil es mathematifhe Anlagen (?) vorausfebt. Bei vielen Schülern muß der Lehrer fi damit begnügen, fie zu der unumgänglih nöthigen Rechenfertigkeit zu bringen, die fie befähigt, fih in Zahlenkreiſen höherer Ordnung zu bewegen. Das ift immer möglid, denn die Schüler eignen fih eher eine Fertigkeit an, als eine Gewandtheit im Denken. Die mei: ſten Schüler können nicht viel denken und lernen es, wenn fie ed jemals lernien, doch erft fpäter. Daß man mit Slementarfhülern auf eine weit: ſchweifige Art, wenn fie faum eine Species mit erträglicyer Fertigleit rech⸗ nen können, ein wirkliches Denkrechnen durchgeht und auf dem Wege der Theorie ihnen das volle Verftänpnig und Gründlichleit beizubringen fucht, ift Zeiwerluſt. Der Lehrer thut befier, wenn er ein ſolches Rechnen auf: fchiebt bis zu einer Zeit, wo die Schüler die mehanifhe Schwierigleit über: wunden und das nöthige Handwerkzeug für die Behandlung der ihnen vor: gelegten Aufgaben gewonnen baben und der dabei in Betracht kommenden mannigfachen Verbältniffe kundig find. Mit folden Schülern, die leine Gewandtheit im Dperiren mit Bablen haben, kommt man, felbft wenn fie ziemlich fähig find, nur langfam vorwärts. Man trifft in manden Schulen, felbft in Oberclafien, Schüler, weldye bei guter Befähigung eine genügende Sertigleit in den A Species haben. Sie find vernadläffigt worden, und mit ihnen ift nit eher etwas zu maden, als bis fie das Verfäumte nach⸗ geholt haben. Cs lohnt fi nicht, mit ihnen eine Rechentheorie durchzu⸗ geben, und mwäre fie no fo klar und gründlih; es bilft nit, wenn man fie auf die Nechenvortheile aller Art hinweiſt; es ift vergebens, daß man ihnen Stoff zum Denten bietet; mit den ausgemwählteften Aufgaben macht man keinen Cindrud auf fie; fie fühlen fih verratben uud verkauft, wenn fie fih auf dem Gebiete bes verfiandesmäßigen Rechnens und in verwidelteren Grempeln oder gar in ber Rechen kun ſt bewegen follen. Der Lehrer verfäume es daher nicht, ſchon bei den Elementarſchülern den Grund zu ber für das fpätere Rechnen und zu ber fürs Leben nötbigen Fertig⸗ teit und Sicherheit im Rechnen zu legen; im vorgerüdten Alter läßt fich das Berfäumte nur ſchwer nachholen, ähnlich wie beim Lefen.

„Aus diefen Gründen hält es der Berf. für pädagogifch richtig, das Rechnen mit größeren Bablen verhältnigmäßig früh eintreten zu lafien und

*) Langenberg, Vortheile und Ablirzungen im Rechnen [11] ©. ILL

Mathematik. 79

dagegen das Rechnen mit Sortengroͤßen ſo lange zu verſchieben, bis die Schüler eine hinreichende Fertigkeit dazu haben und im Stande find, es ohne Unterbrechung durchzuführen. Er hält es gleichfalls für richtig, daß die vier Specied nacheinander behandelt werben, damit der Schüler erft in einer Grundrechnung recht tüchtig werde, bevor er zu einer neuen fchreitet. Diejes ift wenigſtens beim Tafelrechnen feftzubalten, wogegen der Lehrer beim Kopfrechnen die vier Species gerne mit einander vermiſchen kann.“*)

6. „Um den Fleiß der Schüler anzuregen und ihren Eifer hervor zu rufen ift ed gut, wenn dieſelben in der Necenftunde nad ihrer Gejchide lichteit im Rechnen etwa gruppenmweijfe nach der Stufenfolge der Erem⸗ pel zufammenfiken. Dabei fiten alfo diejenigen, die auf gleicher Stufe ftehen, und eine Abtheilung bilden, zufammen, und zwar in jeber Abtheilung der Yertigfte oben an. Bei befonberen Uebungen, welche mit ganzen Glafien vorgenommen werden, um die mechaniſche Yertigleit der Schüler zu befördern, und melde man „Proberechnen‘ oder „Wettrechnen“ nennen kann, wechſeln die Schüler ihre Pläbe. Bei jevem aufgegebenen und ausgerechneten Srempel rüden diejenigen Schüler, welche ihre höher figenden Nachbarn überflügeln, um einen PBlab höher... Solde Uebungen muß (?) der Lehrer mit Elementarſchuͤlern faft fortwährend treiben, mit den größeren Schülern aber wenigftens zu Anfang jedes Semefters. Für bie Schüler if dieſes Verfahren ganz erſtaunlich anregen, und für den Lehrer hat es das Gute, daß er von dem Stand und von den Fortfchritten ver einzelnen Schüler genauer Kunde erhält, die Schwähen und Lüden bei dem ſchlech⸗ ten Rechner leicht entvedt und die guten Rechner nicht überfhäßt.**)

7. „Man glaube nicht, daß bei der Bevorzugung der mechanischen Zertigleit, vie man auf diefe Weife zur Grundlage des Unterrihts macht, die formelle Seite des Linterrichtd zu wenig PBerüdfihtigung findet, Es ift unausbleiblich, daß der Schüler dadurch aud formell gewinnt. Der Ge winn, daß in dem Knaben das Bemußtjein erzeugt wird, daß er etwas mit Fertigleit Tann fei ed auch nur addiren einftelliger Zahlen tft ſchon beträchtlich; dieſes Bewußtſein erzeugt in ihm ein reges Intereſſe für den Unterricht, das der verſtändige Lehrer ſchon benutzen wird. Iſt die Fertigkeit erſt da, fo pflegt auch ſehr bald das klare Verſtaͤndniß zu kom⸗ men und man kann mit leichter Mühe Ergänzungen machen.***)

8. „Bon unendlihem Nugen ift e8 auch für den zulünftigen Kauf⸗ und Gefhäftsmann, wenn er als Nealfhüler wenigftens bie drei unteren Claſſen einer Realſchule abfolvirt, alfo erſt aus der A. Claſſe ins geſchaͤft⸗ liche Leben übergeht. Für ſolche aber, die für das Comptoir ſich worbereis ten wollen, wird es hoͤchſt zwedmäßig fein, wenn fie den ganzen Realſchul⸗ eurfus abfolviren. Denn die wahre tiefe Einficht in die höheren Rechnungs⸗ arten 3. B. in die Zinfeszing-Rentenberehnungen sc. ift ohne mathematijche Kenntniſſe gar nicht zu erlangen.

„Doch nicht blos der zu erlangenden Ginfiht wegen in beſondere höhere Rechnungsarten ift dad Studium der Mathematik unerläßlih, ſon⸗

* Davids, Rroymenn te Zweites Rechnenbuch. [47] S. VI. VII.

*0) Ebendaſelbſt &. VII ““) Ebendaſelbſt ©. VIII.

30 Mötemtif

dern audy des allgemeinen geiftbildenden Ginflufies wegen if es wünſchens⸗ werth, tüdhtige Kenntniſſe in dieſer Wiſſenſchaft fih zu erwerben. Und wie - jeher eine tiefe geifiige Bildung aud dem Handelsſtande in unferer Zeit Roth that, Das ſieht Jeder ein, der die Anforderungen ber Jetztzeit und die hohe Aufgabe dieſes Standes in Bezug auf das materielle Wohl des Gtaates kennt *).'

9. „Ss if nothwendig und durchaus ohne Nachtheil, den Rindern An⸗ fange Gäbe vorzufprehen, da ihnen oft der Ausorud mangelt und fie daber fhüdtern und gar nicht antworten**).”

10. „Ih bin kein Freund von Aufgaben, welde mit weitläufigen Zexien dem Schüler eine Menge von geographilchen, ſtatiſtiſchen, hiſtoriſchen und technologiſchen Kenntniſſen beibringen wollen, denn ich glaube, daß von al ven zahlreichen Notizen in den NRecenftunden doch nichts gelernt wird. Dagegen halte ich es für fehr nothwendig, daß der Schüler ſchon auf den unterfien Stufen eine große Gewanbtheit und Sicherheit im Zifferrechnen erwerben, und dazu halte ih die Klammerrechnung für durchaus unent- bebrlid ; weil nur fie den Schüler zu gleichzeitiger Anwendung verſchiedener Regeln nöthigen***)."‘

41. „Die Grempel find muftlaliihen Sompofitionen zu vergleichen; Aufgabe und Facit bilden ein harmoniſches Ganzes, in weldem das Facit ver Schhlußaceord if. Diefen Schlußaccord will der Schüler bören, ſobald ex bis zu demjelben gelommen if, und man darf ihm bdenjelben nicht ver: enthalten, weil man ihn dadurch um das Gefühl der Beiriedigung bringt, das gerade der Rärkite Sporn für ihn fein fol. Intereſſirt es ihn nicht mehr, am Schluſſe feiner Rechnung zu erfahren, ob er richtig rechnete, oder wicht, jo iR jein Seichäft zu einem blojen Geſchäft berabgelunten. Außer: dem giebt das Facit dem Rechner, wenn es ibm belannt ift, leitende Ge⸗ danten; es veranlaßt ihn, wenn er das Grempel nicht zu rechnen verftebt, Die Probe zu machen; er denlt fidh in das Erempel binein, macht Berjude zur Röfung, und dieſe gelingt ibm vielleiht ohne Hülfe, währen ohne Facit das Erempel ſchon weniger Reiz für ihn bat, und er vor einem fol- dyen, wenn es ihm zu ſchwierig erjcheint, wie vor einem Schlagbaum fille Rebt und, in Untbhätigleit verbarrend, pie Hülſe des Pförtners, der vielleiht anderweit beidhäftigt ift, erwartet oder auch mit einem Rutſch über den Schlagbaum binwegiest. Die Facite pflegen in eigenen Facithüchern zu⸗ jammengettagen zu werben und bann bat entweder ber Lehrer allein bas Sacitbuch in den Händen (oorausgefegt, daß der Schüler nicht verfiohiner Weile in ven Beſiß eines ſolchen gelangt ift) oder die Schüler haben es in Gebrauch. Im erften Falle hat der Lehrer das zeitraubende Berhören

*) Rubjam, Programm ber Annaberger —— [2) 1865. ©. 5. “) Reiſer, Denkrechnen in der Bolteihule. [7] & “) Sofmann, Aufgaben ans ber niederen Keiihmeit dj. © 3. a Greunke ber augewanbten Aufgaben glauben nicht etwa, baf durch beſagte tigem entſetzlich viel gelernt werbe, ſondern ſetzen voran, bag ber ben Gepenfanh Ion einigermaßen fennt und meinen, dag Anwendungen nüß- (id; feien, wenn fie fo eingerichtet finb, daß bie Sache feier zur Sroänjung das Rechnen fordert. Ueber bie eeihligteit bes Rehuens mit Slammern Rub wir vollkänbig einverfiauben, aber bas iſt nichts Neues

Mathematif. 81

der Facite vorzunehmen, wobei mitunter die Facite von ſolchen Crempeln, die der Schüler gar nicht gerechnet hat, verhört werben, und er macht dann gar oft die unangenehme Entdedung, daß die Schüler, vielleicht, weil fie etwas mißverftanden, oder überjehen, ins Blaue hinein rechneten und die Stunde aljo ohne ein wejentlihes Reſultat verlief. Im zweiten Falle find meiftens viele Schüler ohne Facitbuch; entweder hat der Schüs ler es gar nicht angeſchafft, oder er hat es vergeflen, verloren, feinem Brus der geliehen, oder zerrifien, oder er behilft fi mit einem Facitbucde, das zur Auflage des Buches gar nicht paßt u. j. w. u. |. wm. Es kommt nicht felten vor, daß einzelne Facitbücher förmlich in der Clafje circuliren, wobei vielfahe Störungen und Streitigkeiten vorlommen. Ein folder Schüler, der das Facitbuch nit zur Hand bat, feßt ſich oft, nachdem er fein Exem⸗ pel halb ausgerechnet hat er will, um ſich eine vergeblihe Mühe zu mahen, erft mal fehen, was da kommt, jo lange müßig fein, bis er ein Facitbuch erhafhen kann. Wenn er endlich eins befommen, es fich viels leiht ertämpft bat, jo gebt das Blättern und das Suchen in dem Wald von Faciten an, wobei venn oftmals mehr geblättert als gefucht wird. Nah meiner Meinung müflen die Facite, wenn fie den Exempeln nicht unmittelbar hinzugefügt worden find, den betreffenden Abfchnitte jedesmal angehängt werden.‘ *)

12. „Zwar bezweifelt wohl faum Einer, dab das Capitel von ben Gleichungen ein lehrreiches ift, und die Geiftestraft des Schülers ungemein fördert, wohl aber meinen Biele, die Durcharbeitung defjelben müfle höheren Lebranftalten überlafien bleiben und jei für die Voltsfhule ein Ding ver Unmögligpleit, dennoch können die Gleihungen auch in der Vollsſchule mit erheblichen Nutzen durchgenommen werben**).“

18. „„Die gemeinen Brühe fallen von felbit weg (?), wenn alle wit einander in Berbindung zu bringenden Größen zunädhft nah dem Sys ſtemalfyſtem getheilt find. In Frankreich find von hundert gebildeten Men⸗ ſchen vielleicht nicht zwei im Stande zwei Brüche wie 44 und 44 mit ein ander zu multipliciren oder burd einander zu dividiren, fie haben es aber auch in ihrem ganzen Leben nicht ein einziges Mal (?) nöthig. Alle ihre Rechnungen führen auf Hundertheile oder Tauſendtheile, aber nie auf ſolche untheilbare Zahlen. Obwohl es bei und aud nicht vorlommt (?), daß ähnliche Aufgaben im Verkehr auftauchen, werben body die finder in den Schulen gezwungen, dergleihen mühjelige Fipereien vorzunehmen, durch bie ihnen die ganze Luf am Rechnen und einer mathematifhen Dentweife (7) für immer genommen wird, ohne Nuten (2) und ohne Sinn, nur weil es der alte verfiorbene Magifter dem Herrn Lehrer es eben jo eingebläut hat. Drittel, Siebentel, kurz alle gemeinen Brüche giebt es naturgemäß (1?) gar nit für das decadiihe Zahlenſyſtem. Dies hat ed nur mit Zebnteln x. ⁊c. zu thun. Daß aber die Sünde der Bäter, melde die gemeinen Brüche eingeführt haben, noch an den Kindern heimgeſucht wird, indem fie

2) Davids, Kroymanns Zweites Redenbud. [47] ©. IV. V. Cs wäre bierzu viel zu bemerfen, grade deshalb milfien wir's heute unterlaflen. .. ) Ausmann, Pract. Schulmann XIV, 30.

wab. Jahreßberiht. XVII. 6

82 Mathematik.

gezwungen werben, mit dem unnüben, jchwerfälligen Wuft (9) zu bantiven ift ein bimmeljchreiendes Unrecht (I), welches zu unterdrüden und zu jüßs nen die Aufgabe jedes Menjchenfreundes ift. Wir verhehlen uns nicht, daß die Einführung der Decimaleintheilung auf fehr viele Schwierigleiten ftoßen muß, allein diefe können fein Hinderniß fein, welches unüberfteiglih wäre; und es find vorzüglich die Kaufleute und Lehrer berufen, an ber Beleitis gung der Widerfiände zu arbeiten. Die Erfteren, indem fie die Ueber: jeugung von der Nothwendigleit einer Neform fich jelbft verfchaffen und vers breiten, die Andern, indem fie die Jugend mit den Mitteln vertraut mas hen, fi die Bejchwerlichleiten der Uebergangsperiode zu erleichtern." So ſpricht Herr Zöllner; fiher aber ift er in feiner Begeifterung für das Decimalſyſtem zu weit gegangen. Zu Lehrern wendet er fich, indem er fie der großen Sünde zeiht, die gemeinen Brüche eingeführt und fort behanu⸗ delt zu haben, und indem er verlangt, daß fie die VBeichwerlichleiten bes Uebergang3 zur Decimalbruchrechnung erleichtern folen. Ich bezweifele, daß Herr Zöllner ein Lehrer ift, und zwar deshalb, weil er von den Zweden der Schule und dem Weſen der Brüche fonderbare Begriffe zu bes gen fcheint. Die Schule hat höhere Zwede als die blofe Abrihtung fürs nächte practiiche Leben. Der formale Zwed des Unterrichts ift der hoͤchſte und wichtigſte; derjelbe kann aber durch ein blofes Dreifiren und Abrichten in den menigen Handgriffen und durch mechaniſches Arbeiten nad ver Schablone nicht erreiht werden. Die Eymnaſtik des Geifles liegt vielmehr in den Dingen, welhe man gar zu gern als „mühfelige und unnüge Fitze⸗ reien” ausgeben möchte. Leider aber bat fi das frebsartige Uebel ſchon weit verbreitet, daß man die Unterrichtsmittel allein nad dem trägerijchen, verführerifhen und verberbliden Maßftabe beivertbet, wie fie ſich unmittels bar in Hingende Münze umfegen lofien, und daß man jede Wiſſenſchaft, die fih nicht gerade ald Milchkuh ausbeuten läßt, als unpractiſches Zeng über Bord wirft. Statt der gebiegenen, allgemein menſchlichen Geifteabil« bung, welche das einzig fihere und wahre Befähigungsmittel eines jeden Menſchen und die ftrictefte Aufgabe einer jeden Schule fein follte, erwartet man von denſelben nichts meiter, als eine bloje Anweiſung zu den näch⸗ ften practiihen Handgriffen, und indem die Lebrerinftitute kraftlos dem Einfluffe der herrſchenden Richtung nachgeben, verfallen die meiften jener materiellen Richtung, die nit im Stande ift, Die wahre geiftige Befähigung als Pfahlwurzel in den Boden der Praris hinabwachſen zu laſſen. Ich kann nicht begreifen, wie Herr Zöllner von einem Unterſcheiden zwiſchen gemeinen und Decimalbrühen und von einer Uebergangsperiobe reden fan. Es giebt dem Weſen nah gar feinen Unterfchied zwifchen gemeinen und Decimalbrühen; blos in der Darftellung unterjheiden fie fi) von einander. Jeder Bruch ift das NRefultat oder eigentlidh die bildliche Darstellung einer Divifion. Die gemeinen Brühe können und werden daher nie wegfallen. So lange man noch mit 17 und 23 bdiyie« dirt, jo lange wird es auch no 17tel und 23tel geben, eben fo gut in Frankreich als in Deutfhland. Es ift daher ein colofjaler Irrthum, wenn Herr Zöllner meint, daß es Drittel, Siebentel zc. ıc. naturgemäß für das decadiſche Spitem nicht gebe. Er wollte wohl jagen, daß man fie in ber

Mathengtik, 83

Form von Decimalbrüden nit barftellen und bandhaben könne Die gemeinen Brühe 44 und 44 und die Decimalbrüde „Ay, und „445, find in ihrer Behandlung ganz glei, nur laſſen fich die beiden letzten nad) ber Natur unferes Zahlenjyftems durch die bloſe Angabe des Zählers ſchreiben, nämlid 75 0,11 und 7425 = 0,013. Der die Multiplication ober Divifion von +} mit J% nicht verfteht, der verfteht es auch nicht bei „I, und 3308, und wenn er das Lebtere dennoch kann, fo hat er es mecha⸗ nisch gelernt. Die Decimalbrühe befördern den Mechanismus, aber ſchwer⸗ lih die „mathematiſche Denkweiſe“ und ich fürchte, daß viele Nechner dies jelben biejerhalb lieb gewonnen haben und noch lieb gewinnen werden. Es mag wohl ver Fall fein, daß viele Kranzofen mit der Bruchrechnung nicht vertraut ‚find, ob dies aber ein Vortheil für fie it, oder ihnen gar zum Lobe gereicht, das ift nach meiner Anſicht eine andere Frage.*)”

14. „Selbit die beiten Lehrbücher haben eine Darftellung der Ber wandlung periobifcher Decimalbrüche in gemeine, der ein höchft überflüffiges und den Anfänger beläftigendes Glement, nämlich die unendlihe Reihe ein: geführt. Es läßt ſich aber dieſer Webelftand leicht vermeiden, wenn man gleih von vorn herein bei der Verwandlung gemeiner Brühe in Decimal;

brühe den Reit mit in Betracht zieft. Es fei > ein Achter Bruch und werben dabei n Decimalen berüdfichtigt, fo ift

& r

3 I Ca Cg ... Ca + 5700

wo r den Reft beveutet. Iſt nun c, Cn.0g . . . On die Periode des Deci⸗ malbruchs font r = a, allo

70 0, 63.

folglich wenn auf beiden Seiten ſubtrahirt wird,

& Ba rT ne

& 1 b dm) =(,c, 62 03... alſo ... 2 0, 0, O9 Oz... On yax b 1 ) I

*) Hedelmann in Mag. für Kaufleute. J. ©. 174. | **) Aus 5 unert6 Archiv für Math. u. Phyſit. Iſt auch für Elementar brauchbar, 3. B

5 5 Bu . tr rt bat man alfo z— 045 45 45... fo iR i x 7 2 040 ty I.... 6*

84 Mathematik.

15. Ueberraſchend ift die Naturgemäßbeit, Gründlichleit und Einfach: beit des „Bruch- oder Zweiſatzes“ und unverlennbar der bildende Einfluß auf die Dentthätigleit des Schülers, groß die Yaplichleit des Verfahrens und erfreulih der Zeitgewinn.’‘ *)

2. Formenlehre und Geometrie.

16. „Die naturgemäße Entwidelung des Kindes, in welcher der geos metriſche Anſchauungsunterricht die Hauptrolle fpielt, bat ihre entfchiedenen und mächtigen Gegner. Zu diejen rechnen wir den ganzen ultramontanen Klerus ebenfo wie die proteftantifhen Pictiften. Die aus den Jeſuiten⸗ ſchulen der Jetztzeit erwachlenen frommen Verderber eben jo wie die aus dem Rauhen Haufe, den Eiberfelver und Basler Miiftonsbrütanftalten aus dem Ei gebrochenen Leiſetreter und die Anhänger der preußifhen Regula⸗ tive. Unſere Gegner find alfo, um es kurz zu fagen, alle diejenigen, welche aus unfern Kindern, ein dummes, an Autoritäten willig glaubenveg, leicht lentbared Volk erziehen wollen.” **)

17. „So irrig und unmahr es ift, die Anſchauung in untergeorbneter Bedeutung oder in Trennung oder gar im Gegenjaß gegen andere fogenannte Geiftespermögen in dem fogenannten Anſchauungsunterricht zu faflen, und zu meinen, vermöge des Anſchauungsunterrichts hätte man den Zögling zu den

ober

x 05 85_5 y,_1»ı 100

Beiläufig kann die Verwandlung eines unrein periodiſchen Decimalbruches in einen gemeinen leicht auf bie Verwandlung eines reinen zurüdgeführt wer» ben. Es if z. B.

X == 0,306 81 81 81... = 2,306 + 0,000 81 81 81...

. 306 1 Nun if aber 0,306 000° und 0,000 81 81 81... = 0,81... 1.8 alſo 1000 99’ 306 1 9 0,306 81 8181.. = 1000 t Ivo’ pp’

ober, wenn wir beide Brüche auf einerlei Nenner bringen, 0,306 818181... EL, Diefe Auflöfung, die an fich bemerkenswerth if, ift aber höchſt nubequem. Da- ber jeßen wir 99 = 100 1, aljo 306. 99 306 . (100 1) = 30600 306,

und erhalten 306 + 0600 306 +81 60381 306 0,306 81 81 81 g95000 * 99000

2) Rubjam, Progr. der Annaberger Realſchule 1865. [2] ©. 7. “*) Beuft, ber wirklihe Aufhauungsunterricht zc. sl .2

Mathematik. 85

höheren geifligen Sunctionen zu entwideln und heranzuziehen, fo unwahr und irrig ift e3 andrerjeits, den menſchlichen Geijt im Kindes und Jugend» alter noch fo ſehr von der Sinnlichleit um: und befangen vorauszufeßen unb anzunehmen, daß er der Abftraction gar nicht fähig und ihm deshalb die fogenannten abftracten Begriffe ganz fern zu halten ober in möglichft finnlich⸗ymboliſcher Anfhauungsform nahe zu bringen ſeien.“*)

18. Worin ſoll nun der eigentliche Unterricht feinen Anfang oder feine beftinnmende oder bejeelende Mitte haben? Schon in den Fröbel’jhen Kindergärten fpielt die Mathematik eine vorherrſchende Rolle. Man pflegte dafür allerlei Gründe anzugeben, die mid keineswegs befriedigten. Freund Beuft betrieb mir nun gar die Beichäftigung mit dem Maß mit jo aus: ſchließlichem Nachdrucke, daß ich gerade zu an das Morgenland von Kunft und Willenfhaft, an Aegypten und an des alten ägyptiſchen Volkes gött⸗ lihe Berehrung für das Maß gemahnt wurde, gemahnt wurde daran, daß die eigentlihen Erfinder der Kunſt und Wiſſenſchaft und unjere Erzpäda⸗ gogen, die Griechen, die Wiſſenſchaft vom Mae, Wiſſenſchaft (Mathematik) im engern Sinne nannten. Es fiel mir ein, daß e3 nichts "gebe im Him: mel und auf Erden und unter der Erbe, im Reihe der Natur und ber menſchlichen Geſellſchaft, wo nit das Maß eine ganz befondere Herrſchaft führe, jo daß jelbfi ein Ariftoteles den Begriff der Zugend nicht beſſer als die maßvolle Mitte des Zuviel und Zumenig beftimmen zu können glaubte. Und in der That, ift nicht alles organifche, leibliche und geiftige Leben an das Maß gebunden? Iſt nicht das wahre Schöne und Gute durd das Maß bevingt? Keine Kunft ift möglib ohne Maß, keine fittlihe That obne Maß, kein gejellihaftliher Organismus, feine Wahrheit, keine Wiſſen⸗ ſchaft. Es zieht ſich das Maß durch alles Dajein ſchlechthin bevingend und beſtimmend hindurch, daß ohne daſſelbe nichts waͤre als das Chaos, und es daher verzeihlich iſt, wenn man das ganze Univerſum auf beitimmte fefte Zahlenverbältnifle hat zurüdführen zu können geglaubt, und mancher eingefleiichte Mathematiler es noch glauben mag. Unleugbar alſo ift es, daß das Maß die Grenze bildet zwifchen Leben und Tod und zwar im Reihe der Natur wie des Geiftes; unleugbar ift, daß die höhere cultur: geſchichtliche Entwidelung des Menſchengeſchlechts im gebeimnißvollen reli: giöfen Ahnen der göttlihen Kraft des Maßes und mehr noch im begriffs⸗ mäßigen Grfaflen und Handhaben vefielben den Anfang nahm; unleugbar endlich, daß das Leben des Kindes im Maße zu pulliren, das Kind im Mape zu athmen anfängt, ja im Maße fih im Dafein und felbft in feinem Berhalten zur Mutter und fpäter zum Vater zurechtfinden und fühlen und freuen lernt. |

„Das Leben hat im Maße feine beftimmende Bebingung. Es find nicht nur überall im leiblichen wie im geiftigen Organismus felte und innerhalb bes fimmter Grenzen unabänderlihe Maßverhältniffe, ſondern nach diefen gegebenen Mabverhältnifien findet fi auch der Menſch zuerft in Raum und Beit zu recht, und jefte Maßverhältnifie find es, die ihn in feinen Empfindungen zuerit beftimmen und beberrfhen. Er lernt den Raum meflen nad) der Länge feiner Arme und

2) Ladendorf, ber wirkliche Aufhauungsunterridt ꝛc. [54] &. 25.

86 Mathematik,

Füße und beftimmt vie Unterfhiede der Zahl nad den Fingern, die ihm jogar die natürlide Grundlage für das wiſſenſchaftlich begründetfte und practifh braudpbarfte decadiſche Zahlenſyſtem bieten. Aber wir geben wer ter und mahnen nicht nur an das theilweiſe noch gebeimnißvolle Walten der Zahl und des Raumes für die Entwidelung und Thätigleit der Sinne, jondern müflen auch aufmerfjam madyen auf das noch geheimnißvoliere Walten verfelben Zahl und defielben Raumes für die Entwidelung bes äfthetifhen und ethiſchen Sinnes, ja felbft der Duelle alles höheren Lebens des BWahrbaftigleitsfinnes.*)

19. „Der Anfhauungsunterriht hat es zunähft in feiner Anwen: dung auf die Größen: oder Maßenlehre nicht blos mit der abftracten Zahl und deren mehanifh zu übenden Berbindungsweifen oder nur mit bem nicht minder abftracten Raume und deſſen ftofflofen Formen und Geftaltun: gen zu thun. Pielmehr ift die Größe und deren Verhältniſſe in ihrer, das natürliche und fittlichgefellfchaftlihe Leben beberrfchennen und regelnden Mirklichleit Stoff und Inhalt des Unterrichts.‘ **)

20. ‚Es ift eine eigentbümliche Erſcheinung, daß die Formenlehre bisher fo wenig Beachtung in den Volksſchulen gefunden bat.

„Es ift doch nicht leicht ein Gegenſiand, der fo tief in alle Beichäfe tigungen des wirklihen, ja felbit des landwirthſchaftlichen Lebens eingriffe, als die Geometrie, abgefehen davon, daß fie der Lehrgegenftand ift, der am meiften zur formellen Bildung des Geiftes beiträgt, indem er jeder Alters: ftufe eine entſprechende höchjft genügende Nahrung bietet.

„Ich kann mir diefe Erſcheinung nur dadurch erflären, daß dieſe Wif: fenfchaft, bisher nur ein Monopol der Fachmänner, auf eine Weile behan⸗ delt wurde, die jeden Laien die Erlernung derſelben erfchwerte und einen Nimbus von Gelehrſamkeit um fich zog, der das fchlichte Auge des Volle: ſchullehrers blendete.

„Nebenbei waren es allerdings die Requifiten: Zirkel, Wintelmaß, Transporteur, die man von der Geometrie jo unzertrennlih glaubte, daß fie die Symbole derfelben wurden, welche die Einführung biefes Willens in die Boltejhulen als unausführbar erjcheinen ließen.

„Es ift auch wirkli nicht zu leugnen, daß die Anſchaffung eines auch nur einigermaßen entfprechenden Zirkels und die Schwierigkeit, ihn zu hand⸗ haben, ſchwer zu überfteigende Hindernifje fein mögen 2c.“***)

*) Tadendorf, der wirflihe Anſchauungsunterricht 2c. [54] S. 31—33. Bir wollen uns dieſe Lobpreifung im Ganzen gefallen lafien, können aber nicht verichweigen, daß fie an lebertreibung, Unffarheit und Unrichtigkeit Teibet. „Unleugbar aljo ift es 20.” bedeutet, daß bie mit biefen Worten eingefeiteten Behauptungen ats ſolche bezeichnet werben, welche durch das Vorhergehende be- griintet find; dieſe Begründung aber fcheint uns zu fehlen. Was benkt ſich ber Berfafler bei Säken wie: „Das Maß ift die Grenze zwilchen Leben und Tod 7?“ Das decadiſche Syſtem ift um fein Haar beffer begründet, ale jebes andere. Seine Brauchbarkeit liegt in der Sprache. (Vergl. Bartholomät Philoſophie der Math. &. X.)

**) Laden dorf, ber wirkliche Anſchauungsunterricht 2c. [54] ©. 34.

”**) Schledt, Raumlehre. [56] Herr Schlecht hat leider Recht, wenn er bie Gtiefmätterlichkeit hervorhebt, mit weicher ber geometrifhe Unterricht bie und ba in der Volksſchule ertbeilt wird. An elementarifher Behandlung fehlt

Mathematik. 87

21. „Das Aufjuhen der Durchſchnittspunkte gerader Linien ift eine ſehr fruchtbare und allfeitige Geiftesübung, daher die nambafteften Metho— bier, befonders der Peſtalozziſchen Schule fie empfehlen. Allein, es darf nichts gegeben werben, es muß Alles dur eigne Anſchauung unter An: leitung des Lehrers gefunden werden. Gollte es zu meit fortgefegt werden, jo würde es unfruchtbar, meil zu viel Reflerionen vorausfegend und daher langweilig und geifttöbtend. Es ift daher nicht ratbjam, über vier Linien mit der Entwidelung des Geſetzes hinauszugehen.‘‘*)

22. „Die Volksſchule kann keine Feldmeſſer beranbilven, aber fie kann ten Schülern der Oberclafie Gelegenheit bieten, fih im Mefjen von Linien auf dem Felde zu üben, kleinere Grundſtülde aufzunehmen, die Pläne ders felben zu zeichnen und die Fläche derjelben zu berechnen. Eoviel gebört in den Lehrplan der Volksſchule, und ſoviel ift auch erreihkar, wenn fols gende zwei Bedingungen erfüllt find: 1) der Lehrer muß die Sache Ner« ftehen,, 2) die Schulgemeinde muß die Ausgabe von 30 bis 85 Fr. für die Inſtrumente nicht fdyeuen.’‘ **)

23. „In mandhem Seminar (der Schweiz) wird der Unterricht fo ertheilt, wie ihn die Lehrer jpäter verwenden können. Das Seminar bes fißt koftbare Inſtrumente, welche die Volksſchule jpäter nicht hat und melde er auch für feinen Unterricht nicht brauchen kann, falls er fie hat. Wenn im Seminar ausfhließlih mit fo koſtbaren und complicirten Inſtrumenten ges arbeitet wird, und dem künftigen Lehrer nit auch die einfachen Verfah⸗ rungsweiſen gezeigt werden, weldhe in den gewöhnlichen Fällen einer and: vermeflung, einer Adervertbeilung, eines Nivellements eine hinreichende Genauigteit bieten, fo ift er zu einem fruchtbaren Unterriht in ber Gens metrie in einer Volksſchule nicht befähigt. Das Seminar follte daher in erfter Linie die einfahen Verfahrungsmweifen lehren, bei welden man ſich auf wenige und mohlfeile Inftrumente bejchräntt und erſt fpäter auf den theurer Inſtrumente eingeben. Nachdem im Ceminarunterriht die Plani- metrie durchgearbeitet ift, Lönnen die gewöhnlichen Aufgaben des Feldmeſſens mit Kette und Winkelkreuz gelöft werden; und das kann im erften oder zweiten Seminarjahr gefhehen. Am Edlufie des maibhematifhen Unter: richts, der außer der Planimetrie auch die Elemente der Stereometrie, der ebenen Trigonometrie, der Projectionslehre und der Algebra zu umfaſſen bat, tritt auch noch ein Curfus der practifhen Geometrie ein, bei welchem die Theorie des Meßtiſches, des Nevellirinftrumentes und des Winkelſpiegels ertlärt werden. Bis dahin werden die HZöglinge Fertigkeit im technijchen und topographifhen Zeichnen erlangt haben und auch in der Phyſik fo

es nicht und aus ber Volleichule ift wohl überall Euclib vertrieben; auch bie „Mtienfilien” find nit Schuld an dieſer Vernachläſſigung, fondern bie Behör⸗ den, die Seminarien, bie Lehrer.

Schlecht, Raumlehre. Die Fruchtbarkeit ber Uebung ſoll nicht bes ſtritten werben, aber ihre Altlfeitigleit können wir nicht zugeben. Wenn bie Anleitung bes Lehrer® nicht nothwendig ift, befto beſſer. Mit vier Linien ift die Sache gewiß nicht abgethan.

“) Bähringer, Leitfaben ac. [61] S. 184.

88 Mathematik,

weit vorgerüdt fein, daß fie in das Berftänpniß der Inftrumente eingeführt werden Tönnen. Schließlich erhalten fie aub Anleitung zur Grtbeilung bes geometriihen Unterrichts in der Volkaſchule.““)

24. „Der Volksſchullehrer kann dem geometriſchen Unterridhte nur fehr wenig Seit widmen, er wird fi daher auch beim Feldmeſſen auf bie ein fachſten Aufgaben bejchränten müſſen. Diefe wenigen Aufgaben müfjen aber fo gelöft werben, daß die Löfungen einen practiihen Werth haben, d. h. daß die Zeichnungen und Berechnungen etwa einem Haufe oder einem Tauſche oder einer Theilung zu Grunde gelegt werden können.“ **)

25. „Es ift nicht zu vertennen, daß es von hohem Werthe wäre, wenn auch den Mädchen der Sinn für geometrifhe Formen erfchlofien würde; denn fie find ja in der Folge die erſten und mwichtigften Factoren bei der Bildung und Erziehung des aufblühenden Geſchlechts, überdies unterftügt mande Gewerbsfrau und Lanbmwirthin ihren Mann in dem leichs ter auszufübrenden Theile feines Gejchäftes, fie ift ibm die Gehülfin.

„Daß die Hausfrauen auch im Garten, beim Stellen und Aufhängen ber verſchiedenen Geräthe und Gegenftände in Zimmer und Kühe Sinn für Form und Symmetrie brauden, ift allgemein anerkannt.” *”*)

26. „Der Stoff des geometrifhen Unterrichts ift nicht mie bei ber bibliſchen Geſchichte, der Naturgeſchichte zc. ald ein gegebener und zu ge: bender anzujehen, jondern: Der Schüler hat unter Anleitung des Lehrers zu ſuchen, zu finden, zu conftruiren.‘})

27. ‚Der Lehrer ift der Steuermann; er bejtimmt bie Richtung bes Weges; er leitet den Gang und behütet nor Abwegen; doch foll der Leh- ter dad Suchen den Schülern nie ohne Weiteres überlafjen, jondern ftets durch Fragen birigiren, durch Fingerzeige anregen; ſonſt wird das Suchen leicht zu einem dumpfen Pinbrüten, zum voreiligen Verzweifeln an dem Erfolge.” ++)

28. Meifenborn +++) hält die heuriftifch:genetifhe Methode beim Un: terrichte mit Anfängern für unzwedmäßig. Entweder nämlid fo argu: mentirt er - -- ift die ganze Methode nur Schein, der Lehrer leitet durch jeine ragen und Bemerkungen die Echüler zu dem gewünſchten Ziele bin, das mwird der Schüler bald merken und wünſchen, man möge ibm lieber das Reſultat gleich mittheilen, da es jedenfalls leiter fei, die Richtigkeit eines Satzes zu bemweijen, als den befhmerlihen Meg zur Entdedung bess jelben zurüdzulegen. Oder man läßt wirtlih den Schüler jelbftftändig die verjhiedenen Säge finden. Diejes kann auf drei Arten geihehen. Man fönnte den Schüler jeven nur möglihen Weg verfolgen lafjen, damit er entweder ein brauchbares Refultat finde, oder zu der Grlenntniß gelange, daß auf diefem Wege kein ſolches zu erreichen fei. Dieſes würde jeden: falls eine faus eine arge Zeitvergeudung fein. Man wird deshalb in der Megel den

9 Bübringer, Seitlaben ıc. [61] S. 184.

*s) Ebendaſelbſt. ©. 1

“er, Sartenhaufer, Anfangögrände ber Geometrie ꝛe. ©. III, +) Block, Bract. Schulm. XIV, 23.

+y) Ehenbafelbfi.

+rr) Elemente der Planimetrie. Halle 1864.

Mathematik. 39

Schüler vor unfruhtbaren Unterfuchungen abhalten. Zu dem Bmede kann man ihm nur deutlih maden, warum ein beftimmter Weg zu feinem Ziele füht, ein Verfahren, welches wohl gleihfalls zu zeitraubend iſt. Daher wird man ſich meiſt mit dem bloßen Abmahnen von ver Betretung un⸗ fruchtbarer Wege begnügen, wobei aber wieder ein großer Theil des beab⸗ ſichtigten Nubens ver Methode verloren gebt. Die genetifch = heuriftifche Methode hat aber au die Nacıtdeile, daß fie dem Hange der Jugend zu planlofen Reden Vorſchub leiftet und in dem Schüler den Düntel erzeugt, ala könne er bereits durch Entdeckungen die Wiſſenſchaft bereichern.”

29. „Dieje Bemerkungen jagt Gretihel*) haben uns über raſcht; mir haben es für eine abgethane Sache gehalten, daß der inter richt in der Geometrie nad der genetiihen Methode erfolgen jolle, damit der Schüler die Freude des Auffinden der einzelnen Säße mit geniche und einjebe, warım gerade dieſe Säße und Probleme an jeder beftimmten Stelle zur Sprade kommen. SHeurifliih in dem Sinne, daß man den Schüler jeden Weg, auch wenn es ein Irrweg wäre, gehen läßt, ohne durch eine berichtigende Anmerkung in feinen Gedanlengang einzugreifen, ſoll natürlid das Verfahren niht fein. Die Gedanken der Schüler auf der richtigen Fährte zu erhalten, fie nicht von dem gejebten Ziele abfchmweifen zu lafien, das ift eben die Pflicht des Lehrers. Planloſem Geſchwätz dürfte übrigens der geometriſche Unterricht bei Weitem weniger Vorſchub leiften, als jeber andere Zweig des Unterrichts, bei welchem ver Lehrer die Selbitthätigtelt der Schüler zu mweden weiß; der Gegenftand felbft, die Sicherheit und Strenge des geometriihen Gedanlenganges find dem entgegen. Daß aus der Etärlung der eignen geifligen Kraft und aus dem wachſenden Vertrauen auf diejelbe eine jo arge Selbjtüberhebung des Schülers die Folge fein müfle, wie der Verf. meint, darf wohl billig bezweifelt werben; märe dies wahr, jo bliebe nichts meiter übrig, als den Schüler fo weit als nur mög: lih durch die Unterrichtsmethode unfähig zu felbfiftändigem Denten zu ma- hen. Bereinzelte Erſcheinungen dürfen bier nicht als allgemeine Norm ans genommen werden.’ |

80. Belanntlih unterſcheidet man in der Arithmetil eine zweifache Null, die abjolute und die relative. Die eine wie die andere bezeichnen Richts (?), und die Verſchiedenheit ift nicht ſowohl objectio als fubjectiv (2), indem fie allein auf der Operation beruht, wodurch die Null entftanden ift. Denkt man fih nämlih die Null entftanden durch die Subtraction zweier an Werth gleicher Bablen, ift mit andern Worten O0 a a, fo hat man die abjolute Null; denkt man fih aber die Null entftanden dadurch, dab man 1 durd eine unendlich große Zahl getheilt hat, alſo O ſo bat man die relative Null

„Dem entiprechend giebt e3 auch einen zweifahen PBarallelismus, einen abfoluten und einen relativen. Das Weſen des abjoluten, ideellen Baralles lismus befteht darin, daß der Winkel zweier Geraden einer Ebene abfolut 0 ſei. Solde Linien ſchneiden fih nicht, ſelbſt wenn man fie unendlich lang

*) Zeitfährift für Math, m. Phyſil. Lit. IX. ©. 110. 111.

90 Mathematik.

denkt; denn wenn fie ſich ſchnitten, fo bildeten fie einen gewiſſen, wenn auch noch jo Leinen Winkel. Das Weſen des relativen Parallelismus befteht darin, daß zwei Linien einer Ebene fi im Unendlichen oder mas auf daflelbe hinausläuft, unter einen unendlich Heinen Winkel treffen. Weil wir vermittelft unſeres Anſchauungsvermögens nur endliche Stre⸗ den verfolgen können, fo fällt dieſer relative Parallelismus dem Weſen nad) mit dem abfoluten zufammen; und wenn etwa die Wintel, welche bei dem Durchſchnitt zweier abfolut parallelen Linien entfliehen, einen gewiflen nus meriſchen Zufammenbang haben, jo wird dieſer BZufammenbang auch für die Mintel gelten müflen, welche bei dem Durchſchnitte zweier relativ par: allelen Linien entftehen, und umgelehrt; oder ed müßte denn ein numeriſch angebbarer Unterfchied der abjoluten und relativen Null beitehen, was nicht bes all ift.‘‘*)

"31. „Mit Recht muß man fih wundern, daß die Gergonne⸗Tell⸗ kampf'ſche Erklärung der Aehnlichkeit nicht ſchon längft in alle Lehrbücher übergegangen ift, da fie die Aehnlichkeitslehre wefentli vereinfacht.‘ **)

*) Feaur, Lehrbuch ıc. [64] ©. 24.

”) Boymann, Geometrie der Ebene. [63] Borwort. Wir glauben vielmehr, daß es ein arger Mißgriff ift, wenn man befagte Definition zum Aus- gangepuncte nimmt und zwar aus dem einfahen Grunde, Weil in ihr keine unmittelbare Hinbeutung auf die Korm liegt, und weil fie eine Lage fordert, bie an fi gar nichts wit ber Form zu thun bat. Nach dem populären Be ‚griffe ber Aehnlichkeit find Dinge ähnlich, wenn ihre entiprechenden Elemente dafielbe Verhältniß Haben. Alſo find Vielecke V und V“ ähnlich, wenn ihre eniſprechenden Seiten a,b,c,...m; a‘, b‘,c’‘,... m‘ und ihre entiprechenben Wintel @,B, Yı...u; a, BY’... ga: daſſelbe Verhältniß Haben ober weun

a:b:c:...m=a’/:b';e':....m‘, a:ßıy:...uma:ßiy's..:m. it. Hieraus folgt aber re me Tu tst te b:b=a+b+cHt... mia +b+c+...+Fm c;e=a+b+c+...+m:#+b’+c+...+m‘

m:m'=a+b+c+..+m:a+b’+c'+...+m' a=a+rß+yt... tu: + +y +... t+u' B:f=atptyt.. tue +ß+y+-..+u yıy=arßt+yt+.. te: + tY'+... tu

: a:W=atpßt+yYt.. te + ty tr..t+e' man Lönnte alfo folgende Definition aufflellen: Vielecke find ähnlich, wenn je wei entſprechende Seiten wie bie Seitenfummen und je zwei entſprecheude Win⸗ auf wie die Wintelfummen fi) verhalten. Aus unferen Gleichungen ergiebt fich eiter a: a b: p ... =m:m' al, y—y',..ıum—u' was bie übliche Definition ergäbe. Die Gergonne-Telllampf’iche findet natux⸗ gan erft fpäter und nach einer neuen Vermittlung ſtatt. Schon ber Umfland, man bie letztere nicht wohl uriprünglih für die Congruenz brauden fan, iM ein ficheres Zeichen, daß ihr eine anbere Stelle, ala am Eingange der Aehn⸗ lichleitslehre gebührt.

Mathematlik. 91

II, Literatur.

1. Arithmetil.

a. Rechenbücher für ben Lehrer.

1. Anweiſung zum practifchen Rechnen für ben Gebraud an Real⸗, Handels⸗, Gewerb- und Bürgerichulen, ſowie namentlih zum Selbflunterricht für Lehrer, Haublungslehrlinge, Commis und felbfifändige Geihäftsleute bear- beitet von Dr. Ernft Kleinpaul. 3. Auflage. Barmen und Elberfeld Langewieſche's Verlagsbuchhandlung, 1865. 421 ©.

Das Bud hat ſich vielfah Freunde erworben; auch wir haben es (X, 276) lobend erwähnt. Sn diefer neuen Auflage hat ver Verf. fämmtlicye Abſchnitte infofern umgearbeitet, als er alle Auflöfungen auch ohne Pros portionen giebt, fo daß dem Lehrer freie Hand gegeben wird, die Propor: tionen beizubehalten oder fallen zu laflen. Die Darftellung ift faßlih und Mar, die Beifpiele practifch, das Material vielfeitig.

2. Der Redenunterricht in ben untern Claſſen der Realſchnlen. Vom Ober⸗

lehrer Rubfam. Programm ber Annaberger Realſchule. 1865.

Der Berfafler haracterifirt in diefem Programm die Art und Meile, wie ber. Rechenunterricht in der Annaberger Realſchule betrieben wird. Von feinen allgemeinen Anfihten haben wir ſchon unter Methode (3, 8 und 15) Einiges mitgetheilt. Die Methode caracterifirt ſich nun zunädft dadurch, daß in den drei unterften Claſſen dafjelbe getrieben wird. Dafür ſpricht der Gintritt verfchieven vorgebildeter Schüler und Nüblileit der Nepetition. Sodann aber verarbeitet jede Claſſe das Penfum der vorher: gehenden in anderer Form und auch mit anderem Material. Sin der fol: genden Claſſe find alfo die Aufgaben ſchwieriger, die Verhältniffe mannig- falliger, die Auflöfungen allgemeiner. Um dem Lehrer ein anfchauliches Bild des Fortfehritts zu geben, wollen wir folgende Fälle berausjchreiben:

I. Curſue. IL urfus. II. Eurfus. Subtractionsprobe durch Subtractionsprobe durch Subtractionsprobe durch Addiren. Subtraction. die Neunerprobe.

Echte, unechte; einfahelStamm: und abgeleitete Doppelbrüche, gemeine u.

und gemiſchte Brüche. gleich: und ungleichnamigeſbeſondere Brüche. Brüche.

Addition und SubtractionlAopition und Subtraction| Addition und Subtraction

gleihnamiger Brühe. auch folcher ungleichnamisjauch folder ungleichnamt- ger Brüche, deren Genesiger Brüche, deren Gene: ralnenner ohne bejonvereiralnenner durch eine be Rechnung gefunden wird. ſondere Rechnung gefuns

" den wird, Capital, Zinſen, Zinsfuß, Glaͤubiger, Schuldner ,‚Staatspapiere, Actien,

Procent. Promille, Hypothelk. Coupons, Dividenden, Praͤmien u. ſ. w.

92 Mathematif.

Der Inhalt eines Dreieds wird gefunden, wenn gh 2F man das Product aus der Grundlinie und Höhe? J 6 * Jr⸗ h durch 2 dibibirt, 2 F

u. |. w. F

u. ſ. w. Ps, rod x. in einen De⸗ I4, „Iz 2c. in einen Deslä, „7, ıc. in einen Des cimalbrud) zu verwandeln.'cimalbruch zu verwandeln.|cimalbrud) zu verwandeln. 256 Thlr. geben zu 6%, 11345 fl. geben zu 44 Wie viel hat man für in 5 Jahren wie vielin 2 Zahren 6 Monateni450 Thlr. 24 %, Staats: Binfen? wie viel Zinfen? ſchuldſcheine, am 20. Dec. mit demnächſt fälligen Coupon getauft bei einem Cours von 98% zu zahlen ? 6 Säfl. Weizen werden 6 Säfl. 3 Mg. tofteni6E Schfl. Toften 305 fl. mit 28 Ihlen. bezahlt, wie 29 Thlr. 25 Sgr., wieſöſtr. Wie viel Scheffel viel koſten 31 Scheffel? viel koſten 15 Malter? für 16 Thlr. 174 Sgr.?

38 Ile, 31 Schit. 909 Me. 142 Thir. 1305:244= 6} 6äfl.:x

28.33 14.81 __ 179 (mit Meglaffung der Ne: 6 = 77) 1. 6.99 Ahle. benrechnungen) u. |. w. | u. ſ. w.

Der Verf. beehrt ſeine Methode mit dem neumodigen Namen der Con⸗ centration indem er von derſelben nur zu ſagen hat: „Die Methode der Concentration, beſonders beim Unterrichte der jüngeren Schuͤler ift die na⸗ turgemaͤßeſte, die auf die paͤdagogiſche Regel baſirt iſt: „Von dem Einfachen zum Zuſammengeſetzten“, die Methode iſt jedoch fo obngefähr das Gegentheil was man jonft Concentration zu nennen pflegt; das ift nun zwar fein Fehler, aber das Wort ift flörend. Genug die Methode trägt den Ber: bältnifjen in ganz verftänbiger Weife Rehnung und was die Sache ans langt, fo lernt der Schüler in jedem nädjten Curſus nicht nur etwas, ſon⸗ dern fogar viel Neues und meiflens etwas, was ihm auf der vorhergehen⸗ den Stufe zu ſchwer fein würde. Man kann die Anordnung des Stoffes auch fo anjehen, daß an das Welernte foviel Anwendungen gelnüpft wer: ben, als bewältigt werden könne, und daß fih der Umfang der Anwen: dungen erweitert, wenn ber Theoretische fich erweitert bat. Dieſer Gedanke ift bereit3 mebrfah durchgeführt worden, und man fann daher die Arbeit des Verfafiers als eine eigenthümlihe Modification defielben betrachten.

3. Das practifche Kopfrechnen, enthaltend Beifpiele aus dem Kinbertreife unb dem bürgerlihen Leben mit Berüdfiätigung der in ben Oftfeeprovinzen gebräudhlihen Münzen, Maße und Gewichte nebft einigen ingerzeigen und Erläuterungen von 3. Spalving, wiljenichaftlichem Lehrer an ber Kreis khulc zu Dorpat. 2. Aufl. Dorpat, E. J. Karow, 1865. 170 ©. 2 gr.

Winter und Hentichel waren die Mufter, welche dem Berf. vorlagen. Gr behandelt die Zahlen von 1 bis 10, von 1 bis 100, über 100 hin⸗

Mathematik. 93

aus, die Brüche, die benannten Zahlen. Es werden die Zahlen eingeübt, dann mit ihnen gerechnet. Die Fingerzeige und Erflärungen And anfangs ziemlich zahlreih,, nehmen aber gegen das Ende immer mehr an Umfang und Menge ab; Bortheile und Abkürzungen fehlen nicht; algebraifche Auf: gaben, die fi recht gut zum Kopfrechnen eignen, werden bargeboten, die Addition der arithmetischen Reihe ift, wenn auch nur in ihrer einfachlten Form aufgenommen worden; Pieljeitigleit der Auflöfungen wird angeftrebt, von ber Aufgabe 23: 4 werben 3.2. 13 Auflöfungen mitgetheilt, und die Beitrehnung ift mit zmedmäßigen Vorbereitungsaufgaben verſehen. Dagegen fol das Einmaleins auswendig gelernt werden, und mande Aufgaben ents balten einen Widerſpruch mit dem Refultate. So ift 3. DB. auf die Frage: „Die viel Beine haben zwei Hagen?” gar feine Antwort möglih; denn 4 Beine ift falſch weil 4 A= 8 ift, und 8 Beine ift faljh, weil jede Kape eben nur ihre 4 Beine und keinerlei Theil an den 4 Beinen der andern Kate hat. Urfprünglih ift das Dividiren nur ald Meflen auf: gefaßt, während es in der Bruchrehnung aud als Theilung behandelt wird. Ungenau find Ausdrüde wie folgende: „Wie heißt ein Theil, wenn das Ganze in 4 gleiche Theile getheilt wird 2”, „70 ift 6mal größer als 11% u. |. w.

4. Anleitung zum Unterriht im Rechnen. Gin methodiſches Handbuch für Lehrerfeminariften und Präparanden bearbeitet von A. Böhme, orbentlicher Lehrer an der Königl. Augufts-Schule zu Berlin. 3. Aufl. Berlin, 1865. 328 © 1 Th.

68 bedarf nach unferer früheren Beurtheilung (XV, 92) nur die Ans zeige diejer vermehrten Auflage.

5. Aufgaben zum Kopfrechnen. Ein Handbuch für Lehrer, namentlich in Volles fhulen, von A. Böhme, orbentlicher Lehrer an der Auguſta⸗Schule in Ber- fin. 2. Aufl. 1865. Leipzig, ©. W. 5. Miller. 136 ©. 15 Ser.

Vergl. unfere Anzeige der 1. Aufl. XI, 71.

6. Kopfrehenaufgaben, Decimalbrüihe, Ansziehung der Quadrat⸗ und Kubil⸗ wurzeln für Seminarien und Bürgerſchulen von 3. Terlinden, Seminare lehrer in Neuwied. Neuwied und Leipzig, 3. H. Heuſer'ſche Buchhandlung. 1865. 54 ©. 5 Ser.

Die wir aus dem Vorwort erfahren, bildet vorliegendes Schriftchen eine Abtheilung eined demnächft erjcheinenden Wertes. Der Inhalt ift auf dem Titel vollftändig angegeben. „Die Kopfrehenaufgaben fagt ver Berf. fogenannte Dentrechenerempel, die vorzugsweife den Verftand als Refleriong: und Combinationsvermögen üben follen, find meift algebraifche Aufgaben, melde aber ohne Sleihungen mit rein arithmetifchen, vollsthüm⸗ lihen Aufgaben zu rechnen find. Ich vente mir biejelben geförberten Res chenſchulern von Zeit zu Beit neben dem anderen Rechenunterrichte ber als zu Inadende Nuͤſſe, gewiſſermaßen als Bahlenrätbjel aufgegeben.” Diefels ben find ganz intereflant, obgleich fie hie und da präcijer ausgedrückt fein fünnten. Die Decimalbrüde find zwar ganz gut behandelt, bieten aber mit Ausnahme der Bemertung ©. 19, über das Berwandeln gemeiner Brüche

9 Mathematik

in Decimalbrüche nichts Eigenthümliches. Die Wurzelausziehung iſt eben⸗ falls ganz tadellos gearbeitet, aber ebenfalls ohne beſondere Cigenthumlichkeit.

7. Das Denkrechnen im der Volkeſchnle. Bollſtändige Anleitung zur metho⸗ diſchen Behandlung dieſes Unterrichtsgegenſtandes mit einer großen Anzahl ſyſfematiſch geordneter Uebungsbeiſpiele und Andeutungen zur Loͤſung beriele ben bearbeitet von H (?) Reiſer, Muſterlehrer zu Gammertingen, Ritter bes Tönigl. preußiſchen Kronenordens 2c. 2. Aufl. Stuttgart, Albert Koch, 1865. 256 ©. 24 Gar.

63 begegnen und zunädjft folgende Uebungen: 1) die Bahlen von 1 bis 3 werben lennen gelernt, 2) die Zahlen von 4 bis 6 werden kennen gelernt, 3) die Ziffern 1, 2, 3 werben Iennen gelernt, A) die Ziffern 4, 5, 6 werben kennen gelernt, 5) praktiſche Beifpiele über die Zahlen 1 bis 6, 6) das Abzieben innerhalb ver Zahlen 1 bis 6, 7) die Zahlen und Zif⸗ fern 7 bis 10 werben fennen gelernt, 8) das Zuzählen innerhalb der Zah: len 1 bis 10, 9) fchriftlihes und münbdliches Zuzählen der Zahl 2, das Abziehen von 1 und 2 x. ES gebt nun in den Zahlen in Kleineren und größeren Abtheilungen weiter und zwar faft immer in elendem ESchematid: mus. Und daneben eine nicht geringe Anzahl von Aufgaben, melde ganz prähtig find, die der Berfajjer mit Fleiß und Gefhid erfunden hat. Recht gut ift au der mit „das Berlegen in andere Zahlen‘ überfchriebene Abſchnitt.

Trotzdem würden wir dem Berfafler die Führung der Kinder im Be⸗ reihe der ganzen Zahlen gern überlafien ; in der Bruchrechnung jedoch möch⸗ ten wir ibm faum einen Bapagei anvertrauen. Auf ber zweiten Seite wirb bei der Definition von Zähler und Nenner angelangt, dann werden Brüche erweitert und gehoben, wofür ver Verf. ohne alle Scrupel vergrößert und verkleinert jagt, ald ob 3 < $ wäre. Dann wird erzählt, wenn Brüche durch 2, A ⁊c. abgekürzt merben können, ohne daß der geringfte Grund dafür angegeben wird, wähtend der Sag eine Stelle findet: „Wenn die Querfumme von Nenner und Zähler durch 3 und 2 tbeilbar find, läßt ih der Bruch durch 6 ablürzen.” Zwar wird hinzugeſetzt, daß dieſe Ne gel nicht zuverläfftg jei, aber das macht die Sache nach ſchlimmer, denn Regeln, weldhe in der Arithmetit nicht zuverläflig find, - find eben feine. Die Addition der Brühe beginnt mit den Worten: „wenn bie Brüche, welche zufammen gezählt werben follen, gleiche Nenner haben, fo addirt man die Zähler und fept den Nenner darunter.” Go fteht immer bie Regel bie no dazu einjeitig iſt, weil fie ſich nur auf die fohriftlihe Darftellung bezieht an ber Spige Wie ftimmt das mit den häufig fogar breiten Gniwidelungen in den erfteren Parthien des Buchs?, wie fiimmt es über- banpt zum „Denkrechnen“? Troßtzdem ift auch bier wieder viel gutes Material zufammen gearbeitet. Die angewandten Rechnungen bieten eine Menge von Aufgaben mit den Zwijchenrefultaten, an denen man nur feine Freude haben kann. In Summa: Gin fo ungleich gearbeitetes Buch ift uns ſelten vorgefommen, ungleih in Stofj und Behandlung, verftändig und unverfländig. Irren wir nicht, jo kannte fi der Verfaſſer nicht beruhigen, bevor er durch eine originelle Leiftung die Meifter in der Rechendidactik,

Mathematik. 98

insbeſondere Grube hinter fi gelaſſen hatte. Das ift ihm nun leider nicht gelungen. Die Grube'ſche Arbeit ift aus einem Gufle, aus einem Grund⸗ gedanken hervorgegangen und darum .anregend und fürberlich, felbft wenn fe auf Irrthum beruben follte.e Hier wird aber auf wunderliche Weile combinirt, was bei Grube und beiläufig bei den übrigen Meiftern getrennt ift, und umgekehrt. Auch würbe wohl keine von dieſen im Sabre des Heils 1865 feine Anweifung mit den Worten beginnen: ‚Rinder, jeht euch ein: mal im Schulzimmer um und nennt mir Dinge, die nur einmal vorhanden find! Was fiehft Du nur ein Mal? Kind: den Dfen, die Ubr, den Kaften, das Pult. Lehrer: Was habe ich auf der Tafel (richtiger: auf die Zafel) gemacht? ıc.” Auch folgende Aufgabenreihe würde Keiner von ihnen zufammengebradht haben : „Unna hatte O Pflaumen getauft und davon fogleih 2; wie viel brachte fie nad Haufe (zwei logiſche Sprachfebler, denn die richtige Antwort ift: das weiß Niemand, weil man nicht weiß, wie viel fie nachher gegefien hat) ? Bu Haufe gab fie ihrem Brüderhen 2 Pflaus men, wie viel bleiben ihr von 7? Anna hatte noch eine Heine Schwes fer, der fie von ihren 5 Pflaumen ebenfalls 2 fchenkte, mie viel behielt fie jest noch übrig? Der Mutter hatte es gefallen, daß Anna ihre Pflau- men mit ihren Gefchwiftern theilte (Geben und Schenlen ift nicht Theilen), und da fie kurz zuvor auch Pflaumen gelauft batte, jo jchentte fie ihr 6 Pflaumen (mas beiläufig von der Mutter ziemlich albern war). Anna fing nun an, ihre Pflaumen zu eflen, und dieſe ſchmedten ihr vortrefflich, weil die Mutter fie gelobt hatte (davon ift nichts erwähnt worden). ıc.

8. Hüulfebuch für den Rechenunterricht. 2. Heft. Zunächſt für Schulfehrer- Seminarien beftimmt. Bearbeitet von 2. Fritze, Lehrer am Lönigl. Schul- lehrerfeminar zu Oranienburg. Brandenburg a. H. Adolph Müller. 1865. 100 ©. 74 Ser.

-Das erfte Heft haben mir bereit? (X VI, 66) angezeigt. Das gegen wärtige handelt von den Decimalbrühen und der Ausziehung der Quadrate und Gubilwurzeln und enthält einen Nachtrag zum erften Hefte. Die Des cimalbrũche find tadellos abgehandelt, nur bezweifeln wir, daß die Verwand⸗ lung ver Decimalbrühe in gemeine Brüche nach der Darfiellung des Vers faſſers verſtaͤndlich wird. Wenigſtens ift die Induction nicht vollftändig, und deshalb der allgemein ausgeſprochene Sag unzuläſſig. Doch ſoll ung dies nicht geniren, da die zweite Methode fomohl eract als leicht verftänds lich if. In der Lehre von den Duabratwurzeln heißt es: „Aus 7569 ſoll die Quabratwurzel gejucht werden. Durch die in 8. 2 beſprochene Grup: pentheilung erfahren wir, daß die Quadratwurzel bier zweiftellig ift. Nennt man die Zehner deſſelben a, die Einer b, Jo ift in 7569 enthalten: 1) as, 2) 2 ab, 3) b?. Da a eine Anzahl Zehner beveutet, jo macht a? Hun: derter aus, a? ift alſo in den 75 Hunderten der gegebenen Quadratzahl enthalten. Die kleinſte Quadratzahl ift 64 mit der Wurzel 8; a kann alfo höchſtens 8 Zehner betragen. Nimmt man a?, d. b. 64 Hunderter von 7569 hinweg, fo bleibt ver Reft 1169 und’ in diefem muß 2ab + b? enthalten fein. Da 8a Behner und b eine Anzahl Einer beträgt, jo iſt 2ab eine gewille Anzahl Zehner und muß in den 116 Behnern bie Bahl

96 Mathematik.

1169 geſucht werden, in denſelben kann aber auch gleichzeitig ein Theil von bꝰ enthalten fein. Nun iſt 2a == 16 Behner, 2 ab vielleicht = 16. Behner oder aud etwas weniger ; mithin ift b-wahrfcheinlih 116 Zeh⸗ nee: 16 Behner = 7 Einer. Dann beträgt 2ab 112 Behner; der Net von A Behner + 9 Giner reiht gerade für br aus. Nach biefer Auseinanderfeßung werben folgende practiihe Ausführungen Har jein

y75 |] 69 = 87 64

20 = 16) 116 112 (2ab) 49 49 (b? 0

Das iſt alles ganz rationell und verſtaͤndig und für Seminariſten eine ganz paflende Auffaſſung; aber es ift die Frage, ob man mit der Formel (a + b)? = a? + 2ab? + b? ausreicht, wenn fie ifolirt dafteht und miht durch die ganze niedere allgemeine Arithmetit getragen wird. eben: falls muß fie erft vielfah auf das Quadriren decadiſcher Zahlen in voller Umftändlichleit angewandt werden, ehe man fih beim Radiciren auf fie ver lafien kann, 3. ®.

324? = [(300 + 20) + 4]?

= (300 + 20)? + 2.(800+20).4+4°2

90000 9 (32) + 12000 + 2 (2.3.2) + 40 + 4 (2?)

+ 2560 + 256 (2.32.4) + 16 + 16 (42)

= 104976 = 104976. Doch wollen wir biermit dem Verf. perjönlic feinen Vorwurf machen, fondern nur die Forderung ausgeſprochen haben, daß in den Lehrplan ver Seminare die allgemeine Arithmetit aufgenommen werde.

9. Leitfaden für ben Unterricht im Rechnen. Für Lehrer an Bollsihulen und Scullebrerjeminare bearbeitet von Guſtav Battig, Lehrer am Tönipl. karholiihen Scullehrerfeminar zu Breslau. 3. Aufl. Breslau, Wild. Bottl. Korn, 1865. 135 S. 12 Sgr. Eine kurz gefaßte Anleitung, die zwar in der Methode nicht gerade etwas Eigentbümliches bietet, aud wohl nicht bieten foll, aber unbedenklich als Wegweiſer empfohlen werden kann. Die vier legten Abjchnitte behan⸗ deln die Decimalbrühe, die Quadratzahlen und Uuabratwurzeln, die Cus bitzahlen und Cubilwurzeln und die Berhältniffe und Proportionen. Ueber die Wurzelausziehung vergl. Nr. 8.

10. Leitfaben für ben Unterricht im Rechnen in höheren Unterrichtsanftalten nebſt zahlreichen Beifpielen von Dr. Carl Koſack, Oberlehrer am Gym

Mathematik. 9

nafiunm 38, Nerbhauſen. 2, Aufl Berhhanlen, 1865, Carl Haacke. Erfie

Ath. 95 &. Zweite Abıh. 107 ©. 6 ©

. Der: Darf. jet die Fertigkeit im Rechnen kt ganzen Zahlen voraus und beginnt nun feinen Unterriht mit Definitionen, Säßen und Regeln. Daflelbe Verfahren wird auch in der Bruchrechnung fortgefeßt. In der zweiten Abtbeilung treten. die Regeln zuräd und neben den Grllärungen Meifterbeifpiele, hin und wieder auch allgemeine Formeln in den Vorder⸗ grund, wie 3. B. die Formel der Ainsrehnung 1002 cpt in ihren verjchiedenen Formeln. Nah alle dem hat der Verf. einen nachfolgenden reinwifienfchaftlihen Curjus im Auge, den vorzubereiten mit zu feiner Auf gabe gehört. Die Entwidelung iſt genetiih. Die beigefügten Aufgaben find ſehr einfach formulitt und daher auf kleinem Naume in ziemlicher Anzahl vorhanden.

11. Bortheile unb Abtiirzungen im Rechnen. Kür den Schul- und Geſchäfts⸗ mann und ſolche, bie €8 werben wollen. Bon E. fan Benberg Güters⸗ lob, 1865. Verlag von €. Bertelsmann. 156 ©. 224 Sgr.

Der Ber. ift den Leſern des Yahresberichts bereils als tüchtiger Di: dactiker befannt, und diefer kann ſchon aus dem Titel und dem Umfange der Schrift errathen, was er zu erwarten bat. Es wird -uns in ber That eine große Menge von Abkürzungen und Auflöfungsmethoden gebos ten, welche für den Unterricht höchſt ſchätzenswerth find. Gleichwohl müf: fen wir Einzelnes bemerlen. Yür den im der allgemeinen Arithmetik Ge: ſchulten find die Abkürzungen auf ven erften Anblid verftändlich, aber ficher gibt es Lehrer genug, welchen das Zeug zu diefem Verflänbniß fehlt und für die der Verf. mehr Sorge hätte tragen ſollen. Dahin gehört die Addition der geometriihen Reihe, die Umformung 97.103 (100 3) (100

+3) = 100? 3?, die ſchoͤne Divifion 64321 : 29

"84321 : (30 1) = 221738 60 |

4 2.1=2 63 60 3 2.1 = 2 52 30 22 1. 12 4 231 210 21 7.1 7 | 28 Reit. Päd. Jahresbericht. XVII. 7

98 Mathematik.

Sodann dürfte bie und da eine Ablürzung doch nur Aebhaberei ſein. Ich wenigſtens rechne mit der Zerlegung 108 8.3.8.4 weniger ſchnell als mit 108 = 9.12. Endlich haben wir ftellenweife über Raum: verſchwendung zu Hagen. So heißt ed 5. B. 894 X 906 8046 5364

819964 Oder: 894 X 900 + 6 804600 + 5364

809964 Und fo geht's 5 Seiten in einem Zuge fort. Der Schüler wird gewiß durch die Beihäftigung mit diefen Ablürzungen ſchneller rechnen ler: nen, nicht weil er fi die Negeln aneignen, fondern weil er durch fie in das Weſen der Zahl eingeführt wird. Der Berfafier behandelt das ganze Gebiet des elementaren Rechnens und eröffnet überall eine reiche Fundgrube arithmetifchet Beziehungen, welche das Verfahren .ablürzen oder mindeflens lehrreich find und die Zahlkraft ftärken. 12. Sechs Reihen arithmetiſcher Regeln innerhalb ber vier erfien —— aler ten zur Repetition über ben Schulunterricht insbefonbere für Nealj

von 10 bis 14 Jahren aulammengefell von Dtto Fiſcher, Oberſtudien⸗ —F 2. Aufl. Ulm, 1865. erlag der Wohler’ihen Buchhandlung.

Inhalt: I. Anfang der Bruchrechnung. Aliquote Theile. II. Bon den Doppelbrüden und vom Zweiſatz. IIL Bon der Schlußrehnung und vom Gnthaltenfein. IV. Kettenſatz. V. Bon den Decimalbrühen. VI. Bon den Bablformen überhaupt von den Verhältnifien und Proportionen ; Anfang zu Kopfrehnungen und mündlihen Beiprehungen (S. 40—52), Der Le fer wird wohl manches Brauchbare finden, aber nicht viel. Die Sprache ift mitunter etwas kauderwelſch, wie 3. B. glei im erften Sape, ber da beißt: „Ein Bruch ift eine Anzahl von Zheilen der Einheit, welche man ih in lauter gleiche Theile zerlegt vorflellt.” Auch neumodige Namen fommen vor: Anſatzhruch ein Bruch, defien Nenner und Zähler oder befien Nenner oder Zähler ein Product ift; ver leitende Satz, deſſen Begriff Re ferent vergebens gejucht hat. Die Darftellung ift dogmatiſch, die Beweiſe fehlen nicht felten, find faft durchweg einförmig und daher einfeitig.

13. Dae praktiſche Rechnen mit befonberer Berldfichtigung bes Decimalſyſtems. Ein Handbuch für angehende Kaufleute und alle Stänbe im bürgerlichen Leben. Bon 2. Baumblatt, Tönigl. Lehrer ber Handelswifienfchaften an ber Kreiſsgewerbsſchule zu Kaiferslautern. Kaiferslantern, Verlag von Hugo Meuth, 1865. 215 &. 20 Ser.

„Das Bud ift für jeden Gejchäftemann im bürgerlichen Leben, bejon- ders für junge Kaufleute gefchrieben, die bereits in Geſchaͤften fiehen ober in folde mitreben wollen. Das praltiſche Rechnen mit Zugrunvelage der

Mathematik. 99

Decimalbrühe wurde ausführlih und faßlich gelehrt, das ContosCorrent in feinen verjhiedenen Formen durch Muſter⸗Conto⸗Corrente mit ins und aus: laͤndiſchen Geldern erörtert; den Gelprebuctionen und der Binsrechnung wurde die möglichſte Sorgfalt zugewendet; auch wurde ber Frankfurter Eourgzettel ertlärt und das metriihe Maß und Gewicht nad ber Fürzeften Methode rebucirt.” Seinem Zwecke entſprechend gebt der Verf. ſogleich mediam in rem, beftrebt fih und zwar meiftens mit Glüd faßlich zu fchreiben und ſchafft recht gutes Material herbei. Nur in der Geſellſchafts⸗ rechnung greift er einige Male ſehr fehl. Die Regel für die Vermiſchungs⸗ rechnung ©. 49 kann präcifer ausgebrüdt werben. Die Zinsrechnung be ginnt mit dem Guriofum : „Die allgemeine Formel ver Zinsrehnung ift a.p.n 100° Diefer Ausprud iſt aber Feine Formel, denn jede arithmetiſche Formel ift eine Öleihung. Er wird zur Formel, wenn man ihn dem gleichjebt, was er bebeutet, nämlich dem Zins z: a.p.n 100° Hat der Lernende das Zeug dazu, dieſe Formel zu verftehen und da⸗ mit zu operiren, fo gibt man ihm diejelbe am 1 paflenbfien in der Form 100 z =a. und bat damit mit einem Schlage bie ganze einfache Zinsrechnung erledigt, indem ohne Weiteres —_ &d.p.n 100 z 100 z _. 100 z * 0 = p.n '’?P a.n 7 .p aus derjelben folgt. Auf jeven Fall aber ift es inconfequent, den Sins nad

die andern Zahlen aber ohne Hinzunahme dieſes Ausbruds zu bes

apa 100 rechnen.

b. Rechenbücher für den Schüler.

14. Fo aben aus ber nieberen Aritimetil. Zum Gebrauch in ben unteren en höherer Lehranftalten bearbeitet von Kriebrihd Hofmaun, Pro- er ber Mathematik am Gymnaflum zu Bayreuth. Bayreuth, 1865, Hein-

rich Grau. 115 ©. 12 Ser.

Da der Berf. kein Freund von angewandten Aufgaben ift (vergl. Meth. Nr. 10), fo ift es confequent, daß er keine folhen aufgenommen bat. Die erfte Abtbeilung enthält Aufgaben über unbenannte ganze Bahlen und zwar fo, daß erft jede Rechnungsart für fi geübt und hierauf jede mit den übrigen verbunden wird. Die Verbindungen werben immer zu: fammengejebter und buch Klammern bargefteli. Die einzelne Aufgabe nimmt ſehr oft 6 und 7 Zeilen in Anſpruch. In der zweiten Abtbeilung werden Aufgaben über einfach benannte Zahlen gegeben. Dieje werden da: bei 3. B. in folgender Weife dargeftellt : „Der Ertrag eines Feldes ift in 6 auf einander folgenden Jahren afl,bfl,cefl,d fl, e fi, £ fl.; wie groß ift der Durchſchnittsertrag ?'

7*

100 Mathematik.

a == 3945 5868 7892 b== 4123 6087 8217 ce = 3816 6259 7946 d = 8786 5748 7658 e = 4077 6137 8025 f 39239 5972 8108.

Die dritte Abtheilung bat mehrfach benannte Zahlen zum Gegenftante. Die Form der Aufgaben ähnlih wie im 2. Abſchnitte, z. B. „Wenn m Stüde einer Maare a Thle. b Sgr. o Pf. often, was koſten n Stüde

a 6) @ (16) m 6 27 6 8....: MM a= 7 51 5 3..... 405 b = 23 21 17 2T ..... 21 e=5 9 11 8 ..... 3 n = 45 8 90 128..... 107.“

Die vierte Abtheilung bietet Aufgaben über gemeine unbenannte Brüche, die im Allgemeinen, wie die Aufgaben im 1. Abfchnitte vom Einfacheren zum Sufammengefebteren fortſchreiten. Daffelbe gilt von dem fünften Ab- Schnitt, welder die Decimalbrühe enthält. Die Schrift liefert auf dieſe Weiſe ein ungemein reihes Material für die einfachften und zujammenge- fegteften Zablenverbindungen.

15, Rechenbuch für die VBollsihule von Albert Häſters. Beſonders bearbei⸗ tet für bie norbbdeutichen Staaten außer Preußen von U. Knieban, Leh- rer in Lutter a. B. I. Rechenbuch für Unterllaflen. 53 ©. 21 Sr: IL Rechenbuch für bie Mittelklaſſen. 104 S. 5 Sgr. IH. Rechen⸗ buch für bie Oberfiaflen. 160 SS. 8 Sgr. Eſſen, G. D. Bädbeler. 1865. j

Bergl. Paͤdag. Yahresberiht XV, ©. 96. Die Ausgabe für den Lehrer enthält zugleih Methodiſches.

16. Rechenbuch für die Volkefhule von Albert Häfers. Beſonders bear- beitet für die füddentichen Staaten von Philipp Röhm, Lehrer an ber oberen Knabenſchule in Kaiſerslautern. I. Rechenbuch für Unterllafien. 53 ©. 10 fr. II. Rechenbuch für Mittelliafien. 104 S. 18 tr. Kechenbuqh für Oberklaſſen. 172 ©. 28 kr. Eſſen, G. D. Bädeker. 1 v

Vergl. Pädag. Jahresbericht XV, S. 92. Die Ausgabe für den Leh⸗ rer enthält zugleich Methodiſches.

17. Sammlung von Aufgaben für bie Schlußrechnung. Bearbeitet für Realan⸗ Kalten und gehobene Bolleichulen von Oberpräceptor Scharpf, Lehrer ber Mathematik am Lönigl. Gymnaſium, an ber Fortbilbungs- unb Gewerb- fhule in Ulm. 4. Aufl. Ulm, 1863, 3. Ebner'iche Buchhandlung. 1. Bochn. 115 ©. 2. Bochn. 114 ©. Reſultate. 47 ©.

Die Anorbnung erfieht man aus folgender Inhaltsangabe: Aufgaben zu deren Löfung 1) nur ein Schluß nöthig ift, 2) zwei ober mehrere

Mathematik. 101

aͤhnliche Schlüſſe, 3) nicht ähnliche Schluüͤſſe ꝛc. noͤthig find. Ueber die Aufgaben felbft iſt nicht viel zu ſagen. Sie find gefhidt zuſammengeſiellt und haben bereit3 vie verbiente Aufnahme gefunden. Wir empfehlen auch diefe neue Ausgabe. |

18. Rechenbuch für Vollsſchulen und untere Gymnaſialklaſſen von ©. Th. Loe b⸗ nis, Lehrer am Gymnaſium Andreanum zu Hildesheim. Hildesheim, 1864, Gerſtenberg'ſche Buchhandlung. Erfter Theil. Die vier Grunde rechnungen mit benannten und unbenannten Zahlen, gemeinen und zehn⸗ theiligen Brücken. 168 S. 8 Sgr. Zweiter Theil. Die zuſammen⸗ geſetzten Rechuungsarten. 178 S. 8 Sgr. Antwortenheite.

Wir empfehlen diefe neue Ausgabe mit Verweifung auf Pädag. Jah⸗ reöberiht XIII, ©. 75.

19. NUebungsbuch zum mündlichen umb fchriftfichen Rechnen filr Elementarſchüler fowie fir die Schüler in Abend⸗ unb Sonntageiulen. Bearbeitet nad bem Leitfaben zum Unterrihte im Rechnen von Konrector 8. Frickhöffer. Neu bearbeitet von 3. Welder, Oberlehrer in der Knabenabtheilung ber Mittelfchule auf dem Markt in Wiesbaden. Wiesbaden, Chrifian Lim⸗ barth. 2. Heft. 4. Aufl. 1864. 60 S. Reſultate. 3. Heft. 1863. 56 ©. & 4 Sgr. .

Wir verweilen den Leſer auf unfere frühere Empfehlung (XV, ©. 98).

Rechenbuch für die Hanb des Schülers von C. Hirfch, Lehrer zu Lüders⸗ borf bei Neuflofler in Medlenburg- Schwerin. 1. Heſt. Zahlraum von 1—20. Bismar, Roftod und Ludwigsluſt, Hinſtorff'ſche Buchhandlung und beim Verf. 1865. 24 Ser.

Enthaͤlt nur einfache Aufgaben, die zur ftillen Beichäftigung recht gute Dienfte leiften werben,

20

21. Rechenhefte. Stufenweis georbnete Aufgaben zum jchriftlihen Rechnen für Schulen entworfen und herausgegeben. Nordhauſen, Verlag von Carl Haade, 1864. 1. Heft: Zahlentreis.von 1 bi8 10. 32 ©. 2. Heft: Die vier Species in erweitertem Zahlenkreiſe. 32 ©. & 2 Ser.

Die Aufgaben fließen faft alle Anwendung aus und befleißigen fich der größten Ginfachheit. In dieſer Beſchränkung find fie aber als gut zu bezeichnen.

I

22. Anfgaben zum praltifchen Rechnen nach einem naturgemäßen Stufengang

für dentſche Bollsſchulen. Bon ©. Bodamer 1. Heft: Rechnen im

Zahlranme von 1 bi6 20, 2. Heft: Rechnen im Zablraume von 1 bis 100,

3. Het: Rechnen im Zahlraume von 1 bis 1000 mit reinen unb ange⸗

wandten Zahlen, 4. Heit: Rechnen mit Zahlen über 1000 mit reinen und

angewandten Zahlen, Auflöfungen zum 2. und 3. Heft. Biberach, Dorn’iche Buchhandlung, 1864, 1865. & 2 Sgr.

Höchſt einfahe Aufgaben. Die Anwendung tritt fehr zurüd, im 1. und 2. Hefte fehlt fie gänzlich. Sonſt gut.

23. Aufgaben zum Zifferrechnen. Bon I. Blämel, zweiten Lehrer an ben Vorbereitungsflaflen bes Stifabetanum. Breslau, Iofef Mar u. Comp.

102 Mathematik.

1. Heft. Die vier Species in einfach benannten Zahlen fortgefeht von R. €. Pflüger 5. Aufl. 656. 3 Sgr. 2. Heft. Die vier Species mit mebr benannten Zahlen. 3. Aufl. 1862. 56 S. 3 Sgr. 3. Heft. Die Brüche. 3. Aufl. 1863. 56 S. 3 Sgr. A. Heft. Negelbetri, Zins, Geſellſchafts⸗ und Miſchungsrechnung, Decimalbräche. 3. Aufl. 1864. 111 ©. 5 Sgr. (fortgeießt von Pflüger. Facitbuch zum 1. Heft.

Diefe Aufgaben erfhienen zuerft 1854 (IX, 133), haben fih alfo gut durchgeſchlagen und werben es auch ferner thun.

24. Praktiſches Rechnenbuch für Landwirthe, Handwerker und Kauflente, beſon⸗ ders zum Gebraude in Fortbildungsſchulen von I. G. Keilmann. Hep⸗ penheim a. B., Verlag von G. Allendorf. 1863. 10 Sgr.

Was das Schriftchen ſoll, kann man ſchon aus der oben (Meth. Nr. 2) errathen, beſtimmt aber aus der Art erſehen, in welcher der Verf. die Her⸗ ausgabe deſſelben motivirt: „Aber ſagt er immer wird das Gedächt⸗ niß einer Stutze bedürftig fein, und dieſe ſoll in dieſem Büchlein geboten werben.” Dieſe Stütze kann es aber nad unſerer Anſicht nicht gewähren, und koͤnnen ihm alſo keine Empfehlung mit in die Welt geben; es müßte denn etwa wegen des Anhangs (60 ©.) geihehen, der in der That man: ches gute Material über die verſchiedenſten Verhältnifie darbietet.

25. Die vier Grundrechnungsarten in unbenannten ganzen Zahlen. 9. Aufl. 1864. (24 S.). Die vier Grundrechnungsarten in gleich und ungleich benannten Zahlen. 8. Aufl. 1864. (48 &.) Die vier Grundrechnungs⸗ arten in unbenannten, fowie in gleih und ungleich benannten Brüchen. 5. Aufl. 1864. (48 S.). Die Anwenbung ber vier Grunbrechnunge arten 20. 7. Aufl. 1865. Bon Georg Kdpp. Worms, Rahle. & 24 Ser.

Sn XIHO, 75 zeigten wir beziehungsweife die 5., 4., 3. und 2. Auf: lage dieſes Rechenbuchs an. Es ift alfo fleißig gebraudt worden. Daß es nichts Ausgezeichnetes bietet, haben wir ſchon gejagt, doch mag es fehr viele Schulen geben, für die es genug gibt.

26. Vollsthümliches Rechenbuch für Elementarſchulen. Herausgegeben von U. Bräunlid und W. Sottfhalg. Weimar, Herrmann Böhlen. II. Heft: ür Mittelllaffen. 2. Aufl. 1864. 56 ©. 24 &gr. II. Heft 1. Abth.:

ür Oberklaſſen. 1865. 72 ©. 24 Ser.

Dir müflen auf unfere lobenden Anzeigen in XVIL 6 und XI, 135 verweilen.

27 Aufgaben zum Zifferrechnen. Mit Berldfichtigung ber neueren ſchweizeriſchen Münzen, Maße und Gewichte. Herausgegeben von Friedrich Fäſch, Lehrer in Bafel. St. Gallen, Huber u. Comp. (Fehr). 1. Heft. Jahlen⸗ raum von 1 bis 100. 3. Aufl. 1862. 44 ©. 2. Heft. Das Rechnen mit größeren Zahlen. 3. Aufl. 1862. 32 S. 3. Heft. Das Rechnen mit Sorten. 7. Aufl. 1865. 36 S. 4. Heft. Das Nechnen mit Brüchen. 3. Aufl. 1865. 426. Schlüffel jum 1. bis 3. Hefte. & 3 Ser.

Für Schulen, melde den Rechenunterricht mehr oder weniger befchrän- fen müflen, recht gut (vgl, XIII, ©. 78.)

Mathematif. 103

28. Hufgasen über bie Decimalbruche. Kür den Schulgebrauch entworfen und mit Erläuterungen en verjehen von E. Hentſchel, Seminarlehrer in Weißen⸗ ee Leipzig, Carl Merjeburger, 1865. 52 8. 2 Sgr. Antwortenbeft.

r.

Die Aufgaben ſind in folgende Abſchnitte vertheilt: „Einleitende Uebungen, die vier Grundrechnungsarten in reinen und gleich benannten Zahlen, die vier Grundrechnungsarten in ungleich benannten Zahlen, vers mifchte Aufgaben, abgelürzte Multiplication und Diviſion.“ Dieſe lebtere Abtheilung würden wir nicht ald Anhang betrachten, wie der Verf. thut, fondern als integrivenden Theil des Ganzen. Die Aufgaben find wohlge⸗ ordnet und fehreiten flufenmäßig vorwärts. In den Anmendbungen enthal ten fie interefiante Notizen und führen recht vielfeitig in die fremden Maße u. ſ. w., bejonvers die franzöſiſchen, ein. Die Srläuterungen ent» halten nit viel weniger als eine Anleitung zum Rechnen mit Decimals brüden. So ift 3. B. das Verwandeln der Decimalbrühe in gemeine Brühe und die Divifion jo ausführlich auseinandergefeßt, daß ſich ber Schüler leicht zurecht finden kann.

29. Sammniung von Rechnungsaufgaben für das Zifferrechnen über bie vier Species mit unbenannten unb gleichbenannten Zahlen. Gin Lernmittel

für bie Sand der Schüler von Bartbolomäns Kuupfer, Lehrer. Frei⸗ Burg | i. Srer ſche V⸗rlagsbuchhandlung. I 1864. 6 &. IL. 1865.

30. Sammlung vom Rechuungsaufgaben über das Zifferrechnen über bie vier Species mit uubenaunten unb ungleichbenannten Zahlen. Für die Hand bes Lehrers von Bartholomäus Anupfer, Lehrer. Freiburg i. B., Herder'ſche Buchhandlung. I. 1864. 88 ©. I. 1865. 152 ©. 8 Sr. Ich hatte mich laͤnger als eine Stunde plagen müſſen, um nur zu er⸗ fahren, in welcher Weiſe die aufgeſtellten Zahlen zu Aufgaben benutzt wer⸗ den, und zwar vergebens geplagt; ich mußte alſo unverrichteter Sache ein⸗ fach weiter blättern und abwarten, ob der Verf. an ſpäterer Stelle Aufllä- rung gäbe. Dies that er dann wirllich. Das Brincip ift das ben Rechen fäben zu Grunde liegende. Um zu veranfchaulihen, wollen wir ben einfachften Kali befhreiben. Das erfte Heft für Schüler enthält 10 „Zet⸗ tel’, jeder 6 Zeilen folgender Art: 12

7065, 4670; 369, 5634.

Die Sal 12 gehört nur zur Multiplication und Divifion. Die Zahl 7065 3. B. enthalt nun folgende Bahlen 7, O0, 6, 5; 70, 06, 65; 706, 065; 7065. Nun werben folgende Aufgaben gebildet

7+04+6+5+44+6+7+0+3+6+9+5+6+3+4, 70 +6 +65 +46 +67 +70 +36 +69 +56 +63 + 34, ‘706 + 65 4 467 + 670 + 369 + 563 + 634,

7065 + 4670 +.369 + 5634,

70 65, 70. 46, 69 36, 56 34

706 65, 670 467, 69 36, 634 563

7065 4670, 5634 369

104 Mathematit.

:+65.2,70.2,69.2,34.2 65 .2,670.2,369 . 2, 634. 2 7065 . 2, 4670 . 2, 369 . 2, 5634 „2 65 :2,70:2,69:2,34:2x.

„alfo meld ein unerfchöpfliher Duell von Aufgaben“, ruft der Verf. Unerſchoͤpflich, aber es ift auch darnach, denn viel und gut iſt felten bei fammen. Bei den Subtractionsaufgaben mag außerdem noch mancherlei Verwirrung unvermeidlich ſein.

a. Sammlung von Aufgaben für ben Rechennuterricht. Hereueßegehen von ®; Bridge, Lehrer am Lönigl, Schullebrerfeminar in Oranienburg, ©. Sell» ein, Lehrer ber höheren Bürgerfchule zu Neuſtadt Eberswalde und E. tenborf, Lehrer an ber höheren ühteriqufe Zſelbſt I. Heft. 4. Aufl. Brandenburg a. 9., 1865, Adolph Müller. Enthält das Rechnen mit angewandten gaben in einfachen Aufgaben. welche aber dur jorgfältige Benugung des Raumes ziemlich zahlreich find Sie genügen nur in beſchränkten Berhältnifien, find aber für dieſe recht gut

32. Lehr⸗ unb Uebungsebuch ber Elementararithmetik mit faft 3000 Aufgaben und beren Löſungen zum Gebraude der Yatein-, go Gewerbfehufen, ſo⸗ wie der höheren Feiertagsſchulen von Dr. Pollak, Rector und Profeſſor am königl. Lyceum zu Dillingen. 3. Aufl. Augsburg und München, Berlag der Mattb. Rieger'ſchen —— 1865. 358S. 20. Egr. Das Buch muß für ſehr reicher Leute Kinder geſchriehen fein, denn

es heißt die eine Aufgabe: „An dem Tage der Preifevertheilung erbielt ich

von meinem Vater um 4A fl. weniger zum Gefchenf, als von meinem On⸗ fl. Wie viel hat leßterer mir gefchenkt, wenn ich von erfterem 7 fl. be kommen babe?" Wenn wir dem Leſer fagen, daß auf S. 3 mehr als 2Ozifferige Zahlen vorlommen und auf ©. 4 die Aufgabe geftellt ‚wird :

„Melde Zahlen erhält man, wenn man die Einheit zuaft um 1, dann

um 2, bernah um 3, 4, 5, 6, 7, 8 und zulegt um 9 Ginbeiten ver:

geößert *”, fo wird er in einer Hinſicht vollfländig orientirt fen. Der

Verf. veführt den Grundfaß : „vom Leichteren zum Schwereren I” im «Sans

zen vollfländig, während er ihn in den einzelnen. Mbfchnitten fehr wohl bes

achtet. Was die Aufgaben anlangt, fo finden‘ ſich foldye, welche nicht ‚viel

.merth find, in nicht unerbebliher Anzahl. Zu folden reinen wir auch

jolde, welche äußerlih ein ganz unſchuldiges. Geſicht madhen, im Innern

aber doch voll Schalt’s find, 3. B. „Wie viel Tage. brauchen 5 Mann, wenn fie täglih 5 Stunden arbeiten, um einen Brunnen gu graben, went zu einem andern eben fo tiefen Brunnen. bei gleicher Vodenbeſchaffenheit

3 Mann 80 Tage braudten, wobei fie täglib 8 Stunden arbeiten ?'

Ganz richtig ift Hier ‚der gleiche Boden, vqrausgeſetzt, aber es ift Die Yrage,

ob die Arbeitsvertheilung bei 5 Mann eine eben fo bequeme ift, als "bei

3 Mann; und ob fi jene nicht theilmeife im Wege fiehen, währen». ich

biefe gegenfeitig fördern. Dagegen finden fih auch gange. Parteien von

recht guten, ja ausgezeichneten Aufgaben, wie Die Beiſpiele über wirkliche

Berhältnifje S. 10, die jhönen Aufgaben über Beituerhältgifie ꝛc. Pie

Sprade ift unbeholfen, bisweilen geradezu entjeglih. So beißt es z. 2.

Machematik. 105

„Ssebex wmrehr. periobiiche Decimalbruch ift einem gememen Brüuche glei, deſſen Zahlen bie Ziffern, welche ſich nicht wiederholen, nebft denen, die zur Periode gehören, enthält; von diefer Zahl ſind uber noch die zur Periode nicht gehörenden Ziffern abzuziehen, und veflen Penner aus fo viel Rennern beſteht, als die Beriove Bifferitellen bat nebit ſo viel daran gehängten Nullen als außerperiodiſche Ziffern vorbanden fin.” Was den Ynhalt des Buches anlangt, fo werben außer den jonft üblihen Gegenftänden die De cimalbräche, vie Kettenbräcde, vie Proportionen und die Ausziehung der Quadrate und Cubilwurzel behandelt. Sodann treten überall Megeln und Lehrſätze bald mit, bald ohne Beweis auf. Die Beweisführung dürfte nicht überall Beifall erwerben. Win theilen folgennes Beifpiel mit: „Sin Brad wird burd einen andern dadurch dividirt, daß man ben zweiten Bruch (den Divifor) umftärzt, d. h. deſſen Zähler zum Nenner und veflen Nenner zum Zähler macht, und ſodann den erflen Bruch durch den andern multiplicht. Es iſt z. B. I

F 0. Wird, nämlich der Bruch 4 durch 5 dividirt, fo iſt der Quotient

3 BE 6 5 8 mal zu klein, weil man mit 8 mal zu viel dividirt bei bar ber muß ber erhaltene Quotient noch mit 8 multiplicirt werden, woduck matt

EXKB 5 5 apatee Zi EX erhält.

1

33. Sammlung von Aufgaben ans der einfachen und zuſammengeſetzten Regel⸗ betri mit befonbexer rAttigung bes höheren Gejchäktsvichrene. Watt Stern, Diefterweg, Henſer u. A. für Glementar- und Realjchulen von Dr. C. met, Lehrer an der Gr. Realfchule zu Biedenkopf. Gießen, 1864, J. RN M)iderfche Buchhandlung. 2. Aufl. Erſte Stufe. 36 ©. Zweite Stufe. 32 ©. à 4 Sgr. : Du Die erſte Auflage 'ift nicht in den Buchhandel gefommen. Inhalt der

„Erften Stufe: I. Hauptſaͤchlich nah dem Inhalt geſchiedene Yufgaben,;

1. Aufgaben vorbereitenden Inhalts, 2. Waarenrehmung, 3. Gewinn: und

Verluftrehnung, A. Durchſchnitisrechnung, 5. Arbeitsrehnung, 6. Theilungs⸗

rechnung, 7. Geſellſchaftsrechnung, 8. Zinsrechnung; II. Vermiſchte Adfı

gaben ; Inhalt der „Zweiten Stufe” : I. Nah dem Inhalte gefhiedene Aufs gaben: 1. Spejenrehnung, 2. Rabattrehnung, 3. Binfeszinsrechnung,

4. Terminrechnung, 5. Miidungsredinung; O. Münzrechnung, 7. Wechſel⸗

rechnung; II. Vermiſchte Aufgaben. Sn jedem Abfchnitte ſiehen vie leich⸗

teren Aufgaben voran. Die Aufgaben find zwar nicht masgezeichnet, aber fo gut, wie viele andere, bürften nber in manden Abfehnitten nit iw hin» reichendet Menge vorbanben ſein. Aus der Geſellſchaftsrechnung mag fol

gende Aufgabe bier eine Stelle finden: „„E. beginnt ein Geſchaͤft mit 8246

Thalern. Nachdem er daſſelbe 24 Jahr auf eigene Rehnung betrieben,

tritt noch F. Hinzu mit 1200 Thalern, und abermals 14 Jahr fpäter noch

G. mit 950 Thalarn als Compagnon . in baffelbe ein. Wenn nun bie

Auflöfung des Geſchaͤfts, die genau 6 Jahr nad feiner Eröffnung erfolgte,

106 Mathematik.

ber Gewinn 12,800 Thaler betrug, fo if zu berechnen, welchen verhält nißmäßigen Gewinnantheil Jeder zu empfangen bat. Die Möglichkeit diejes Falles ift nahezu undenkbar ; denn handelt es fih um gemöhnlide Geſchäfte, fo wird beim Gintritt eined neuen —— a freie Bahn ge mat, 2) wird der Gewinn in lürzern ober längern Fritzen von Neuem angelegt oder vertbeilt; es Lönnte alſo nur von einem Unternehmen bie Rede fein, das feiner Natur nad) erft nah 6 Jahren abjchließt und dann mit einem Male 12,800 Thaler reinen Gewinn abmwirft, aber auch in dieſem Balle, der übrigens unwahrſcheinlich genug ift, wird beim Gintritt bes Com⸗ pagnons ein Vertrag gefchlofien. Webrigens wollen wir dieſe Aufgabe nicht gerade dem Verf. aufſiechen. Man findet derartiges Fabrikat auch ander: wärts in Hülle und Fülle. Unſere Spar:, Conſum⸗ und Borjchußvereine, Actiengeſellſchaften ꝛc. werben für die Gefellfehaftsrechnung faft gar nicht benubt. Ebenfalls blos um eine Bemerkung daran zu tnüpfen, theilen wir nachfolgende Aufgabe mit: „Wenn ein Malter Korn befter Qualität zu 10 fl. SO kr. von der mittleren zu 9 fl. und von ber geringiten zu 7 fl. 20 fr. verlauft: wird, fo ift welches der Mittelpreis des Kornes? Diefer

fol nun offenbar arme FIR FIRE _ 8 fl. 56% fr.

fein. Dies ift aber fall. Denn And a Malter zu a fl. und 4 Malter zu b fl. vorhanden, fonft der Mittelpreis aatpb . ‚_.&+tb m nicht m —— Es iſt nur dann m = m , wenn @—b)(@—A)=o ift, d. b. wenn die Mengen glei find. Yür n Preife ift eretret. 4m _ stb+rot+...+m

B+y+...+tru n wenn bie Sleihung Befeht; (e+ß+y+. Ma tbtor. .ton)=ı(ea+ Ab+yc+...+um) Man muß alſo zu dieſen Aufgaben wenigflens. eine Bemerkung machen.

34. Aufgaben „em praltiſchen Rechnen für Neal⸗Handels⸗, Gewerbb⸗ umb Bürgerſch Bon Dr. Ernfi Kleinpaul, Hector in Barmen. 5. Aufl. Barmen u. Elberfeld, W. Langewieſche's Buchhandlung. 152 ©. 124 Ser.

35. Keen Aufgaben zum praktiſchen Rechnen von Dr. Ernſt Kleiw

aul x

„Rah dem in der 4. Auflage die durch die neueren Münze, Gewichte- und Goursverhältnifie nothwendig gewordenen Veränderungen durchgeführt und zugleich die in Bezug auf Ausdehnung und Anorbnung einzelner Abs Schnitte als zwedmäßig erkannten Verbefierungen getroffen worben find, konnte ich für die vorliegende 5. Auflage keine Beranlafiung zu wefentlichen Abänderungen finden. Nur rüdfichtli der dſterreichiſchen Eomrsverhälmifie, bei der Gold⸗ und Silberrechnung, jowie bei der Mifhungsrachnung ift eine

Mathematik. 107

Umgeftaltung der Aufgaben eingetreten.” So ver Berfafier. Wir verwei⸗ fen einfach auf unjere frühere Empfehlung XV, S. 100.

36. Erſter Unterricht im Rechnen auf Anſchauung und 60jährige Erfahrung ge⸗ grümbet. Entworfen und beranpgegeben von Joſeph Auton Weiß, Ti« niglicher Rath und quiesc. Vorſtand des königl. Eentraltaubftummen-Infi- tuts in Münden. Zum Gebrauch für ben Privat- und Schulunterricht. I. Abtheilung 1865. (49 ©). 12 Sgr.

Die Arb it ift autographirt. Nachdem ber Verf. in der Beſchreibung feines Werkchens, mit der „Jugend“ alfo gefhälert: „Auf den Seiten von 41 bis Seite 48 habe ih auch die Uhr durch alle Stunden und Viertel⸗ ftunden anſchaulich dargeftellt, weil ich öfters wahrnahm (Du wirft mir nicht übelnehmen, wenn ich das fage), daß fo Manche von euch, nicht mehr fehr Hein, wohl nicht die rechte Kenntniß der Uhr befigen und daher manchmal zu ſpät zur Schule kommen“ beſchließt er die Vorrede mit folgenden Wor- ten: „Würde Dir diefes Werkchen einigen Nutzen bringen, was ich herzlich wünjdhe, und ich die Ueberzeugung gewinnen, nicht fruchtlos die vielen Tau: ſende von Punkten gebildet zu baben, fo follft Du recht bald ein ähnliches Werkchen, wohl für größere Schüler berechnet, nämlich die Bruchrechnung anſchaulich dargeftellt, erhalten. Nun liebe Yugend ! fo fei Gott mit Dir und halte dieſes Sprüdlein feit im Sinn:

Stehſt Du einft ald Bürger diejer Welt Im Umgang mit Waar’ und Geld, So halte rechtlich Maß in allen Dingen, Diefes wird Dir Gottes Segen bringen. Der Berfafler, Dein väterliber Freund.“

Es thut uns leid, für die Arbeit des Münchener Veteranen, der über 58 Jahre gelehrt hat, nad) unferer Ueberzeugung lein empfeblendes Wort zu haben. Doc wollen wir unſer Möglidhftes thun, und dieſelbe möglich genau beſchreiben. Auf Seite 1—3 finden fih alle Summen, welche klei⸗ ner als 21 find, in Punkten bargeftellt und zwar in folgender Form

8+7 14

©. 4 big 8 enthält die Differenzen aller Zahlen bis 19 in folgender allerdings pſychologiſch richtiger Form

10 A=6 = oo. oo 0.60 . 0.00

©. 9 bis 16 treten die Producte von O0 X 1 bis 10 9 auf und zwar in der Yorm

3x 7 m ee 1.0. oe.) 0 © .0eo.....

Hieraus folgen S. 17 bis 24 bie Umterungen, mie 3. B. 2:8—

Az eo. .o.

‚8323 und 26 enthält das Theilen mit Sieft, z. ec 2:5 =2X 2 + 1 °. 0. ., 6. 27 das Cinmaleins, S. 29 und 30 Tas

108 Mathematik

bellen zum Addiren, Multipliciren, Subtrahiren und Numeriren, S. 81 - 48 die Maße und Geldmaß, Schwermaß, Getreidemaß, Laͤngenmaß, Flaͤchen⸗ maß, Ellenmaß, Holzmaß und Zeitmaß. Bei dem Geldmaße z. B. iſt ein Gulden gezeichnet, darunter 2 halbe Gulden, unter dieſen 10 Sechſer, unter dieſem 20 Groſchen, darunter 60 Kreuzer und darunter endlich 240 Pfennige und zwar fo, daß man an der Anordnung ſieht 1 Gulden = 2 halbe Gulden = 10 Sechſer 20 Groſchen 60 Kreuzer 240 Bfennige, 1 halber Gulden = 5 Sechfer 10 Grofhen 30 Kreuzer 120 Pfennige, 1 Sehfer 2 Grojhen 6 Kreuzer 24 Bien: nige, 1 Grofhen 3 Kreuzer 12 Pfennige, 1 Kreuzer 4 Pen: nige if. Gulden und balbe Gulden find fo zu jagen nad der Natur ge zeichnet, die übrigen Münzen nur durch Symbole dargeftellt, welche bei den Kreuzern bis zu Punkten zufammenfhrumpfen. Ob das Werkchen für Zaub: ftumme brauchbar ift, wagen wir nicht zu entjcheiden, werden ung aber von einem Taubftummenlehrer ein Urtheil darüber erbitten und, dafern bies günfig ausfällt, im nächſten Jahre mittheilen.

37. Aufgaben bes praftifhen Rechnen nebſt kurzer Anleitung zur 2öfung derſel⸗ den vortı Standpunkte der Concentration aus für VBürger- und Voltsfchn- Ien, ſowie für mittlere Klaſſen böberer vebzamftalten Fortbildungsſchulen unb Gewerbetreibende von A. Lorey nud R. Dorſchel in 4 Abtheilun⸗ gen. 2. Aufl. 1865, Verlag von Heimbert Iacobi. 176 S. 16 Ser.

Mir fügen zu unferem Urtheile (XV, 104) nod das des „Kirchen⸗ und Sculblatts’, in welchem es beißt: „Die ıc. find Aufgabenfammlun: gen, die dem immer. mehr zu Geltung lommenden Grundjage huldigen:

Der Unterricht fei vor Allem praltifch und made tüchtig für's Leben. Sie

bieten ein reiches Material, haben aber mehr die gehobenen Bürgerichulen

Im Auge”, mit der Bemerkung, daß wir mit Freuden in dem Buche das

vermifien, was man fo häufig in banaufifcher Weife „praltifch” nennt.

38. Rechenbuch fiir das praftifche Nechnen von B. Schlotterbed. Schwerin, 1865, Berlag von Auguft- Hildebrand. . 1. Heft. Zahlraum von 1 bie 10. 46. 1) Sgr. 2. Heft. Zahlraum von 1 bis 100. 40 ©. 2 Sgr. 3. peit Zahlraum von, 1 5i8 1000 und darüber. 40 ©. *

wirthſchaftliche Aufoaben (für größere Mädchen). 64 S. 5 Sg. 39. Antworten zum 2, 4. und 5. Heft von Schlotterbed's Rechenbuch xc.

„Roh ein neues Rehenbud für Medlenburg ? Ich daͤchte, wir bätten bereits an Werner und Goltan-Moltmann, an Duikow und Wagner ge: nug.“ So odet ähnlich mag wohl ver Eine ber der Andere beim Gr: ſcheinen dieſer Hefte ausrufen. Und dennoch hofft der Verf. auf ein be ſcheidenes Pläschen in den medienburgifhen Schulen für feine Büch⸗ lein ; ja er glaubt fogar, "daß diejelben bie und da mwilllommen fein wer: ven, da fie bei großer DBilligleit und zwedmäßiger Einrichtung -ebenfos wohl das Vedorfniß der gewöhnlichen Bollsfhule wie des bes gehobenen

Mathematik 109

Bolks⸗ und Vurgerſchule befriedigen. . . . . rm ift aber für: den. ſpuaͤte⸗ sen Gewerbtreibenden ein gewerbliches Rechnen, für den Landwirth ein land wirtbichaftlihes, für das Maͤdchen ein hauswirtbfchaftlihes Rechnen ‚eben jo berechtigt und nothwendig, als für den fpäteren Kaufmann ein kaufmän- nifhes. So der Berfafler. Daß feine Aufgaben fih neben andern Büs dern Bahn brechen werben, ift nicht zu bezweisefn, benn enthalten fie auch gerade nicht3 Ausgezeichnetes, jo können, fie doch ben Vergleich mit vielen anderen aushalten. Was die verjchiedenen praltiichen Rechnungen anlangt, fo liegen uns nur die hauswirthſchaftlichen Aufgaben für größere Mädchen . vor. Dieje find unbedingt zu empfeblen. Denn ift aud die eine oder bie anbere nicht tabelfrei, fo find fie im Ganzen doch ſo vortrefflich, daß man unwillkürlich zur Feder greift, um zu ſehen, wie die aufgeftellten wirtb: ſchaftlichen Regeln durch die Zahl bewahrheitet werben.

40. Sinigaben zum Tafelrehnen für Vollsſchulen, herausgegeben von Ludwig Moofer. Meißen, Louis Moſche. Erſtes Heft. Bür Elementarklaſſen. Die vier Orunbrechnungsarten mit reinen, gleich benannten Zahlen. 7. Aufl. 48 ©. Zweites Heft. Für Mittelliafien. Die vier Grundrechnungs⸗ arten mit ungleich benannten Zahlen. Durchſchnitis⸗ und Zinsrehnung, Regelbetri ohne Brüche, Münzen, Maße, Gewiöte sc. 7. Aufl. 46 ©. Drittes Heft. Kür Oberklaflen. Die vier Grundrehnungsarten mit Brü⸗ hen, Berhältnig- Proportionen, Regelbetri mit Brüchen. 5. Aufl. 40 ©. Biertes Heft. Decimalbruchrechnung, Zinsrehnung, Zufammengeſedte Regeldetri mit directen und indirecten erhältniffen, Negel mit Kinf Sägen Be septem, novem etc., Kettenrechnung. 4. Au . ünftes Heft. Decimalbruhrehnung, Rechnung von Zins auf Bine ober Injesgmerehnung Termintehnung oder Rebuction der „rapitalterthine, rocentrechnung, Rabattrechnung ober Discontorechnun OR 40 ©. Gecjfies Heft. Einfache und zufammengefetste Geſe (Gaftesehmung, Re er Miſchungarechnung, Progreſſionen oder Reiben, 2. Aufl. 14 6

Bei A von diefen Heften fehlt vie Jahrzahl, bie beiben legten find 1859 erjdienen. Daher jcheint ed, als ob fie Labenhüterbienfte verrich⸗ teten, und wir fühlen uns nicht veranlaßt, ein Wort zu jagen, wodurch fie von diefem Dienfte befreit würden. Die Zitel der einzelnen Hefte erweden kein gutes Vorurtheil für die Logik des Verfaſſers. Da wir eine ältere Sammlung vor uns haben, wollen wir uns kurz fallen und nur ein Paar Einzelheiten berühren. „Eine SHochzeitsmutter hatte 4 Kuchen, den einen ſchnitt fie in 8, den zweiten in 12, den britten in 15, den vierten in 18 Theile. Gin Dieb nahm von jedem Kuchen 5 Theile. Mit welchem Bruche läßt fih das Geftohlene ausprüden ? Gewiß eine wunderliche Hochzeitsmut⸗ ter, noch wunderlicher ift aber der Dieb und am wunderlichiten die Frage. Oh, men 0, .. ehe} und 0,00... 886 m Daher der Regel ꝛc.“ Diefes „Daher iſt ren aus ber Luft gegriffen. „Wie viel bat Dominit in einer Wode zu verzehren, wenn er jaͤhrlich 260 Thlr. Gehalt hat!" Mer meiß

das? Wie viel braucht er für Wohnung, Kleinung, zur Kirmſe, zum Geburtstag u. |. w.? Erſt wenn man das weiß, kann das Verzehren einer

110 Mathematik.

Rechnung unterworfen werden; waͤre aber der Mühe nicht werth. Im Bezug auf die Reihen nur die Frage: was werden die Schüler mit den Formeln

—3m +1 anfangen? Schließlich wollen wir nicht verſchweigen, daß die Aufgaben rein arithmetiſch, im Ganzen nicht übel find, und vielen andern durchaus nit nadhfteben.

41. Das grundlegende Kopf» unb Hifferreinen. Eine Sammlung methobifch angelegter Hechenaufgaben mit ganzen unb gebrochenen Zahlen für Bolle- und Reallulen von 3. Fr. Guth, Muflerlehrer am Königlichen Schul⸗ Ichrerieminar zu Nürtingen. 2. Aufl. 1866, Karl Aue in Stuttgart.

42. Das angewandte Kopfs und Zifferrechnen ale Vorſchule bes Lebens. Cine Sammlung praltifger Rechnungsaufgaben für Bolls- und Realſchulen, ſo⸗ wie für die unteren Klaſſen der Kortbilbungsfhulen von 3. Fr. Guth, Mufterlehrer am Königl. Seminar zu Nürtingen. 4. Aufl. 1865, Karl Aue in Stuttgart. 156 ©.

43. Refultate zu dem grunblegenden Kopf⸗ unb Ziflerrehnen von I. Er. Guth «.

44. inne zu bem angewandten Kopf- und Zifferrehinen von I. Er.

uth x.

Was Nr. 40 anlangt, fo verweilen wir auf unfere frühere Anzeige (XV, 97 und XVI, 65). In Nr. 39 wird mit der Rechenbildung Miß⸗ brauch getrieben. Sonft ift die Mannigfaltigleit des Ausdruds zu loben, die Auswahl der Ausgaben als eine gute zu bezeichnen und der Andeu⸗ tungen zu erwähnen, welche in der Bruchrechnung auftreten.

45. Aufgaben zum Kopfrechnen für Schüler in Stabt- und Lanbichulen von U. Stubba, Oberlehrer in Bunzlau. 3. Aufl. Leipzig, Eduard Kummer, 1865. I. Die vier Species in unbenannten Zahlen. 16 ©. I Ser: II. Die vier Species in benannten Zahlen. 16 ©. 14 Ggr. Die Brüde. 16 ©. 14 Ser.

Weber dieſe recht gut gearbeiteten Aufgaben |. Pädag. Zahresbericht vm, ©. 168,

46. 3. Kroymann's Erſtes Rechnenbuch ober Rechnen für Aufänger, gänz⸗ lich umgearbeitet von ©. Davids, Lehrer an ber Realihule in Neumün- fler. 13. Aufl. Altona, Johann Kriebrih Hammerich, 1865. 8 Gar.

47. 3. Kroymann's Aweites Rechnenbuch für Mittelklaſſen, gänzlich umgear- beitet von ©. Danibs, Lehrer an ber Realfchule in Reumilnfter. 16. Aufl. Altona, Johann Friedrich Hammerich, 1865. 12 Ber.

Nah den Auslaffungen (Math. Nr. 5 fi.) des Verfaflers über vie Aufgabe des Nechnens können wir und nicht unbedingt für feine Arbeit ertlären, wer aber feinen Grundſaͤten hulbigt, findet in ihr, mas er braucht, zu Genüge.

Mathematik. 111

48. Rechenſibel von R. L. Rreugen. 5. Aufl. Friedberg, Bindernagel unb mpfi, 1865. 20 ©. 4 Vergl. Padag. Fahrerbencht XI, S. 203. Zu bemerken iſt, daß das Schriſtchen zum Beſten der Alicen-Stiftung verkauft wird und durch feine vier erften Auflagen 200 fl. eingebracht bat, welde Enmme zum Beſten von Wittwen und Waifen von Lehrern verwandt murbe.

c. Wiſſenſchaftliche Lehrbücher.

49. Lehrbuch ber Arithmetit. Erſter Curſus. Bon Dr. B. Ohlert, Nector der höheren Bürgerſchule in Gumbinnen. Elbing, 1865, Reumann-Hart- manu’fhe Buchhandlung. 201 S. 20 Sgr.

Inhalt: Allgemeine Einleitung. Buchftabenrehnung entgegen: geſetzte Groͤßen; Potenzen und Wurzeln negative Potenzen, Ausziehen der Duabrate und Gubilwurzel, Wegfchaffen ver Srrationalität des Ren ners, doppelter Werth der Duadratwurzel, reelle Imaginäre Größen, Bruch⸗ potenzen ; Zahlenlehre Bahlenfyfteme, Numeriten, vier Species, Deci- malbrüde, Theilbarleit der Zahlen, Kennzeichen dafür ; Berbältnifie arith: metiſche Proportion, Regelvetri, Rabattrehnung, Discontorehnung, die Re gula falfi, Gefellihaftsrehnung, Kettenregel; die algebraifhen Gleichungen vom erften Grade mit einer und mehreren Unbelannten.

Diefe Inhaltsangabe erwedt kein gutes Borurtbeil und der Inhalt felbft wird von uns zu leicht befunden. Im Ginzelnen wäre etwa noch Zolgendes zu bemerken. Der Begriff des Bruchs wird gleich bei der De: finition der Zahl gegeben, es ſcheint aber naturgemäßer, ihn erſt bei ber Divifion heroortreten zu laſſen. Der Gegenfag bejtimmte und unbeftimmte Zahlen für bejondere und allgemeine ift wohl nicht zu billigen. Der Saß

ab —= ba ift nit bewieſen. wird eine unausgeführte Divifion ges

nannt; in a : b fiehbt man aber gerade als das Refultat der Dis

vifion an. „Entgegengeſetzte“ Größen werden als ſolche befinirt, „melde die Beſchaffenheit haben, daß die eine dur Hinzufügung der anderen nicht vermehrt, fondern vermindert wird. Damit jcheint dem Anfänger wenig ar zu fein, und dann fragt ſich es noch, was entgegengejeßte Zahlen d. Die natürlichfte und rationellite Ableitung ift die aus der Biere, + atbre et... Die Divifion eined Polynoms durch ein Polynom ro Tr. *— würden wir lieber in folgender Weiſe entwideln: Setzt mınb+c-+. =pb+re+t...=p, ſo iſt

a +tbroe +... ar” F folglich nach dem Begriffe der Divifion a+p = (@ +P)+tx(@+p)

112 Motbematik. alſd, wenn n (# + p‘) fubtrahirt wird,

+9 —-Zze+tNM=-ı@+tr) woraus ohne Weiteres

mithin

atp _ & mp. ray +P)

⸗7 .— f]

at+p a e + p | folgt. Die Ausdrücke „negative Potenzen’’ für Potenzen mit negativen Ep powenten, und „Brudpotenzen” für PBotengen mit gebrochenen Erponenten, ſollten bei Anfängern nie gebraucht werden. Die NRationalrechnung des a Nenners fchließt mit der Form —— —— ab, was wohl bald i ſchließ 5 Try: hl zu R. Die Potenzgeſetze werden, wie es in der Orbnung ift, auch für negative und ‘gebrochene Erponenten bewiejen, aber es fehlt jebe Anbeutung, ob m

fie für (a + b) mb (a + b)* gelten. Man könnte audy über bie Allgemeinheit der Beweiſe an der Potenzlehre überhaupt ftrelten, denn der Verf. bevient fi nur der befonderen Srponenten, doch trifft dies nur bie Form. Auch Aufgaben find beigegeben. Die äußere Cinrichtung derfelben wird zum Theil in Beifpielen erkannt werden können: | u Ta—2b+8co+B5d ' 4. —9b+8c— d

ER |

*

9a —50—7d at 8b 6co Ad —5a+ b+ Ile 7b+ 9e 8d 3a + 9b +2d

12a b+40 —3d . 68 follen a) alle 8 Reihen abdirt werben (D. b) die vier erſten Nei- ben abbirt (II), die vier legten Neiben addirt (III), d) II von I ſubtra⸗ hirt, e) III von UI fubtrahirt, £) I von III fubtrahirt werden.“

50. Lehrbuch ber allgemeinen Arithmetit und Algebra für höhere Lehrauſtalten. Theoretifher Leitfaden zu ber Sammlung von Beilpielen unb Aufga⸗ ben von Prof. Dr. Eduard Heis. Bon Dr. Kari Wilhelm Neumann, Oberlehrer an der Realſchule 1. Orbnung zu Barmen. Elberfeld, Langer wieſche's Berlagshandlung, 1865. 165 & 24 >

Die vortrefflihe Aufgabenfammlung won Heis if befannt. Zu ihr enthält das vorliegende Lehrbuch das vollftändige theoretiiche Material in der von Heis gegebenen Ordnung. Fügen wir noch hinzu, daß ber Berl. feine Aufgabe gut gelöft hat, jo haben wir Alles, was nothwendig ift, gejagt.

Mathematik. 113

51. Lehrbuch ber Arithinetit und Algebra für Bezirks» und GSecunbarfchuien, Lehrerfeminare und zum Selbſtunterricht. Bon K. S. ridart, Lehrer ber Mathernatit umd Naturkunde an ber Bezirksſchule in Zofingen. Exfter Eur- ſus. Aargan, Remigius Sauerlänber, 1865. 256 ©. 1 Thlr. 6 Ser. Inhalt: Die Grundrehnungsarten mit einfad benannten Zahlen, das

Rechnen mit vielfach benannten Zahlen, das Nehnen mit Brüchen, Rechnen

mit Decimalbrühen. Das Buch gibt der Hauptfahe nad eine elementa-

rishe Behandlung jfämmtlicher theoretifher und praftifcher Aufgaben, welche dem angegebenen Inhalte entſprechen, aber es begnügt fi nicht mit der anihaulichen Behandlung, fondern macht überall Uebergänge zur wiſſen⸗

Ihaftlihen Darftellung und ſucht Alles ftreng zu erweilen. Die verfchies

benen Ausprudsformen für verfchiedene Begriffe, Säge und Beziehungen

werben zufammengeftellt, Subtraction ſowohl wie Divifion, wo es fein muß, ftreng als Doppelaufgabe gefaßt, allgemeine Säge über die Operationen

entwidelt, Klammern eingeführt und mit Functionen gerechnet, wie z. B.

8 +1) (4 + 2). As Anihauungsmittel bedient fi der Verf. oft

des Rechtecks. Die Lehre von der Zheilbarleit ift ausführlih, ftreng, mit

Sinzunahme der Buchftaben behandelt. Die Aufgaben find praltifd), bie

Löfungen viclfeitig, in ver Zeitrechnung bieten fie ein Stüd Geſchichte des

Kalenders. Die Kettenbrühe find ausführlich zur näherungsweifen Abkür-

jung der Brüche behandelt, der Kettenſatz ftreng abgeleitet.

Zu diejer allgemeinen Beſchreibung des Buches, die fo günftig ausge- fallen ift, noch ein Paar einzelne Bemerkungen. Der Berf. weiß, daß ber Ausdrud „mal größer ala 4“ falſch ift, braucht ihn aber doch und fors dert, daß man ihn in dem Sinne von „3 mal fo groß als 4“ auffafien jole. Wir glauben nit, daß dies zuläffig if. Bei der Multiplication wird die Neunerprobe bejchrieben, aber der Beweis mit der Bemerlung ver: hoben, daß die Gründe dafür erjt fpäter entwidelt werben könnten. Das ift nicht richtig, indem der Beweis in der That ſchon möglich ift; auch find wir mit folchen vorausgenommenen Sägen nur in dem alle allenfalls ein- verfimden, wenn man Etwas bamit erreichen Tann, mas aber bier durchaus niht der Fall if. Das Aufjuhen der Theiler der Bahlen würden wir lieber etwa in folgender Weiſe darftellen : |

Sind 3. B. die Theiler der berühmten Zahl 360 anzugeben, fo hat man zunädjit _

560 = 2.2.2.3.3.5—=2°.32,5

Aus den Grundfactoren 2, 2, 2, 3, 3, 5 bildet man nun jämmtliche Kombinationen mit Sinzunahme von 1 und erhält

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Päd. Jahrebberich.

114 Mathematik,

2.2.2.5 40 2.2.2.3.3=72 2.2.3.3=- % 2.2.2.8.5 = 120 2.2.3.5 60 2.2.3.3.5 = 180 2.3.3.5 9 2.2.2.3.3.5= 360.

oder man kann, da der Verf. die Multiplication ver Summen kennt, die Theiler durh das Product 1+2+4+8

(+2 +44 8) (1 +34 9) (1 + 5)=!+3 +6+12+24 \ .(1+5) +9+18+36 +72 —=1+2+448+3+6+412+244+9+18+36+72+5+10+ 20+40+15+30+60+120+ 45 +90 +180+360, in welchem Refultate die Summanden die Zheiler find. Aus der lebteren Darftellung findet man auch ohne Weiteres die Zahl der Theiler t t=(8+1)(Z+1)(1 +1), oder allgemein die Zahl vr Theiler für ar bI cr... t=p+Na+NAe+N. welche nach der Anlage des Buches Tanz am Platze gewefen wäre,

52. Die elementare Arithmetik in ihrer wiſſenſchaftlichen Begründung und prak⸗

tiihen Anmwenbung von B. I. Claſen, ter an ber fönigl.

großh. Rormalfchule in Luxemburg. Luremburg, eter Brüd, 1865. 12 Gar.

Inhalt: Die ganzen Zahlen, die Decimalen, die Brühe oder Yractios nen, Numeration, Apbition, Subtraction, Multiplication, gemeinſchaftliche Mape, gemeinfchaftlihe Theile, gemeinſchaſtliches Vielfaches, gemeinſchaft⸗ lider Nenner, Primzahlen, Theilbarkeit der Zablen, Rechnungen, bei welden mehrere des vier Nechnungsarten in Anwendung kommen. Einfache Regel: detri, Procentrehnung, Zinsrechnung, das Einfachſte über Staatspapiere und Xctien, Kettenregel, Durchſchnittsrechnung, Repartitions: und Gefell- ſchaftsrechnung, Miſchungsrechnung, Gold⸗, Silber und Münzrechnung, Bro: portionen. Man kann nicht läugnen, daß die Begriffe ſcharf gefaßt mer: den, ebenſo wenig, daß viele Aufgaben ſowohl ein ſcharfes Auffaſſen der Begriffe vorausſetzen als umgelehrt den Schüler zur richtigen Auffaſſung zwingen. Dahin gehören 3. B. Aufgaben folgender Art: ine Diviſion ergab zum QDuotienten 45 und ließ feinen Reit, welchen Quotienten hätte fie ergeben a) wenn der Dividend 5 mal fo groß geweſen wäre, als er mwirklih war? b) wenn er nur ber fünfte Theil gemwefen wäre von dem, was er wirklich war? c) wenn der Divifor 5 mal fo groß geweſen wäre, als er wirklich war d) wenn der Divifor nur dem 5. Theil feines wirk⸗ lichen Werthes betragen hätte? e) wenn Dividend und Divifor zugleich 5 mal jo groß gewefen wäre, als fie wirkli waren ? f) wenn beide den fünften Theil ihres wirklichen Wertbed betragen hätten ?” Auf der andern Seite aber können wir und mit der Darftellung nicht befreunden. Bon dem Sape: „Eine Größe, die fo groß ift als die Einheit, beißt eine Ein» beit” und von ähnlihem wollen wir abjehen, obgleih eine Größe, die fo groß ift als die Einheit nicht blos eine Einheit heißt, fondern auch iſt, weil jedes Ding aud ein Ding it; aber was foll man zu Darftellungen fagen wie die folgende: ‚Man kennt das Product und den Multiplicand

Mathematik. 115

und fucht den Multiplicator, d. h. man ſucht, wie viel Größen eine ge wiſſe Anzahl von Einheiten ausmacht, wenn man weiß, wie viel Einheiten in dieſer Größe enthalten find.” Oper: „Wenn man eine Zahl A in zwei Xheile zerlegt, B und C, fo ift das Neunzehntel von A == dem Neunzehntel von B + dem Neunzehntel von C ober 5 = m + nn Wählt man nun den Theil B fo, daß er durch 19 theilbar iſt, fo ift das Neunzehntel von A == eine ganze Zahl + das Neunzehntel von C. Pas Reunzehntel von A ift alſo dann und nur dann eine ganze Zahl, zc.” fas gen? Und andere Sätze übertreffen diefe nody mit an Schwerfälligleit und Unbeholfenheit.

53, Elementarbuch ber Differential» und Imtegrafrehnung mit zahlreichen An- wenbungen aus der Analyfis, Mechanik und Phyſik zc. für techniſche Lehran⸗ Ralten bearbeitet von Frie drich Antenheimer, Rector ber Gewerbe ſchule in Ball. Weimar, 1865, Bernhard Friedrich Voigt. 406 ©. 2 Thlr. 10 Ser.

Der Verf. Ihlägt das ganz gewiß richtige DBerfahren ein, jede Theorie alsbald anzuwenden und auf die mannigfaltigite Weife zu verwerthen. Die Theorie ift ein wenig dürftig, aber die Anwendungen find nit nur uns gemein zahlreich, ſondern auch höchſt vieljeitig und inſtructiv. Naͤher auf den gediegenen Inhalt einzugeben, ift aus begreifliher Weiſe bier nicht geſtattet. | |

2. Geometrie

a. Sormenlehre.

54. Der wirkliche Anfhauungsunterriht anf ber unterfien Stufe ber Größen- lehre von Friedrich Beuſt, Vorſteher einer Exrziehungsanftalt in Zürich. Züri, I. Schabelik, 1865. 71 S. 10 Ser.

Das Schriftchen hat zwei Verfaſſer. Herr Beuft „geſteht bereitwillig”, daß in dem Auffage Ladendorf’3 die wiſſenſchaftliche Seite des Anſchauungs⸗ unterricht3 tiefer erfaßt, volllommener und würdiger durchgeführt ift ala von ihm ſelbſt, und er „nimmt daher feinen Anjtand, feine eigene Arbeit zum Dpfer zu bringen”, während auf der andern Seite Herr Labendorf „die Ars beit des Freundes freudig begrüßt und ihr die mohlverbiente Anerfens nung wünſcht.“

Was nun zunädft die „wiſſenſchaftliche Begründung des Anſchauungs⸗ unterricht3”' won Herrn Ladenberg betrifit, jo ift fie uns fo ziemlich ungenießbar. „Die Wiſſenſchaft unferer Tage ift, mag man vom fogen. apriori’schen Den- ten oder vom erfabrungsmäßigen Beobachten ausgeben, in beiden Yällen, darin ausgemündet, daß alles wahrhaft Ideelle, auch wirklich, alles Wirkliche aber individuell oder doch irgend mie finnlih wahrnehmbar fein muß . . .. Die abftractefte und wenn man will angeltrengteite geiftige Ahätigleit, das logifch-begrifflihe Denten, d. b. das Denten ber rein los giihen Begrifisbeftimmungen kann und darf den mütterlihen Boden der Anſchauung nicht verlafien, nod von fi weiſen, ohne fofort unwahr ober

8 %

116 Mathematik.

felbft unlogifch zu werden.” Mit diefen Worten dharacterifirt ber Berfafier feinen wiſſenſchaftlichen Standpunkt. Wir können venfelben nicht einneh⸗ men, jei es, daß wir den Berf. nicht verftehen, ſei es, daß er wirtlih an- derer Anfiht ift, ald wir. Den eriten Sa müflen wir ohne Weiteres zu: rüdweifen. Der Logarithbmus 3. B. ift gewiß etwas Ideelles und auf jeden Fall auch wahrhaft ideell; aber wirklich ift er nit. Cr ift lediglich ein Probuct unferer Gedanken und ihm kommt außerhalb derfelben keine Eri- ſtenz zu. Sinnli wahrnehmbar ift er erft recht nicht. Aber auch das Wirk: liche ift nicht finnlih wahrnehmbar. Denn was wir wahrnehmen ift lediglich unfere Empfindung, d. h. wir nehmen ein Geſchehen wahr, was in uns, zwifhen und und ben Dingen ftatt bat, aber nichts von den Dingen jelbft. Das ift nicht blos eine philoſophiſche Anſicht, fondern fie ift bereits Ge⸗ meingut aller Naturforſcher geworben, und einer der geiftreichften unter den Lebenden, Helmbols, fpricht fie deutlih in den Worten aus: „Die Sins nesempfindungen find uns nur Symbole für die Gegenftände der Außen: welt und entſprechen diefem etwa jo wie der Schriftzug und Wortlaut dem dadurch bezeichneten Dinge. Sie geben uns zwar Nachricht von den Eigen thümlichleiten der Außenwelt, aber nicht befler, als wie einem Blinden durch Wortbefhreibung von der Farbe geben.” Was den zweiten Sag ans langt, fo ſcheint das Logiſche und Pſychologiſche vermengt zu werben. Die Logik forderf, daß der Begriff blos die Qualität des Gedachten im Den: ten enthalte, nichts mehr und nicht3 weniger; aber diefe Abftraction ges lingt uns thatfächlich nicht, indem fi der Umfang des Begriffes in Folge des pſychologiſchen Mechanismus mit einmiſcht. Wir jubftituiren gemifier maßen dem allgemeinen Begriffe Beſonderes, Individuelles, beftimmte Ans fhauungen, aber wir müfjen, wenn wir keinen logijhen Fehler machen wollen, dieſes Beſondere wieder eliminiren, d. b. in der That in dem Beionderen nur den allgemeinen Begriff feſthalten. Pſychologiſch find wir an den Boden der Anſchauung gefeflelt, aber logiſch müſſen wir uns da⸗ von befreien, wenn wir überhaupt die Wahrheit finden wollen. Alle gro« ben Fortſchritte in der Mathematik insbefondere, find durch rein begriffliche Denloperationen, durch die höchſte Abfiraction und PVerallgemeinerung zu Stande gelommen. Wir werden alfo in einem gewiſſen Sinne jagen köns nen: Das logifhe Denen kann den Boden der Anſchauung nicht verlafs jen, muß ihn aber doch verlafien.

Den pädagogifhen Hauptfag formulirt Herr Ladendorf, ähnlich wie Schleiermacher, in folgenden Worten: „Der Zwed der Erziehung wie alles Lebens ift der Selbftgenuß des Dafeins, die möglichſt böchfte Lebensfreudigleit, die jedes menſchliche Individuum nur in der leiblich geiftigen Selbftbethätigung bat und empfindet..... In diefer Zwedbeſtimmung ber Erziehung find alle übrigen mit enthalten, fo weit fie Wahrheit und Wirklichkeit in fich tragen.“ Dem erften Sage können wir nicht beiftimmen, theils weil er undeutlich, theils weil er zu unbeftimmt if. Undeutlich aber ift er, weil man nicht fteht, was Selbfigenuß im Gegenfaß zu Genuß und noch viel weniger, was Selbfigeuuß des Dajeins bedeutet; unbeftimmt ift er, weil es rein willfürlih ift, worin wir die hoͤchſte Lebensfreubigleit oder in welcher leib⸗

Mathematik. 117

lich geiſtigen Selbſtbethätigung wir dieſelbe ſeßzen wollen. Wir wären damit in den ſchroffſten Subjectivismus und Eudaͤmonismus zurückgeworfen. Da⸗ ber müſſen wir auch den zweiten Sab verwerfen.

Die nun fo häufig bei berartigen allgemeinen Auseinanderfeßungen des Monismus. das, um was es fich eigentlih handelt, gar nicht aus ben Auseinanderfeßungen folgt, fo ift es auch bier. Die Methode des Herrn Beuft ift von den aufgeftellten wiſſenſchaftlichen Lehrfägen völlig unabhän- gig. Die Darftelung der Methode nimmt 30 Seiten ein und da ſich der Berfafler mit Ausnahme der Sleihungen einer lobenswertben Kuͤrze befleis Bigt, fo ift aud ein Auszug nicht möglid. Die Anſchauungs⸗ und Lehr: mittel überhaupt, die auch bei dem Verf. zu haben find, find folgende:

1) Stäbdn . . fr. 70 Cent. 2) Fuß⸗, Ellen: und Ruthenbändihen . 1:8 =: (9) 3) Bund von 100 Stäbdhen . . ; 10 4) Baulaflen mit 8 Würfeln & 1 Gubitzol : 85 5 5) Baulaften mit 4, 4, 4 Cubilzollen 90 = 6) Baufaften mit }, 4, * 4, 4Cubitzolle 1: 7) Baukoſten bis zu „2% Cubilzollen . 1 s 20 s 8) Anſchauungsmittel 8 Flaͤchenrehhnen s 75 9) 1 Wage, 2 Hectogr., 10 Decagr., 50 |

Gr., 10 Gentigr., 10 Halbgr., 10 Decage. 9 > 50 = 10) Räftgen mit-Orammgemidhten . 2

11) Büchschen mit 10 Sünfeentigramme, 10

Center. . . 12) 20 Einer von Rupfer, 20 Fünfer, 20

Zehner, 20 Zwanziger von Zink, 20

halbe und 20 ganze Fr. von weißer Com⸗

pofition, 20 Fünffr., 20 Zehnfr., 20

Zwanzigfr. von Meffing mit Banknoten

von 100, 500, 1000 Fr. . . 6: 13) Drabtwürfel von 1’ bis 3" Rantenlänge.

Zu jedem Lehrmittel wird ein Leitfaden gegeben.

Aus diefen Lehrmitteln kann ſich wohl der Lejer ein ohngefähres Bild der Unterrihtömethobe machen. Zu Anfang „erhalten die Kinder 10 Stäb- hen, jedesmal einen Zoll lang. Damit legen fie ſymmetriſche Figuren, zeichnen dieſe in natürlicher Größe ab und zählen, wie viele Zolle fie ver: braucht haben. Der Lehrer dagegen fchreibt, indem er dem Kinde ben Stift fo in die Hand gibt, wie daſſelbe ihn führen ſoll, mit deſſen Hand die entfprehenden Ziffern dazu. Das Kind muß diefe Ziffern überfahren und nachzubilden fuchen.” Kennt nun das ind die Längen von 1’ bis 10° und die dazu gehörigen Ziffern, jo fchreitet der Unterricht zu beſtimm⸗ ten Aufgaben. SR z. B. die Aufgabe „3 + 4’ gegeben, fo muß das Kind zuerſt die Aufgabe lefen, legt fovann zwei Figuren, von melden bie eine mit 3, die andere mit 4 Stäbchen zufammengefebt iſt, 3. B.

118 Mathematik.

zeichnet fie ab, legt die Stäbchen beider Figuren in eine gerade Linie, uns terſucht, wie lang diefelbe ift und fchreibt das Ergebniß 3" + 4" = 7" neben die gezeichnete Figur. Für das Weitere müflen wir auf die Schrift jelbft verweifen. Es kann nicht zweifelhaft fein, daß durch eine geſchidte Benußzung der dargebotenen Anjhauungsmittel zur Selbfithätigleit des Schi: lers Veranlaſſung gegeben wird, und wir empfehlen daher die gemachten Borfchläge der Beachtung und Prüfung.

55. Leitfaden für den erſten Unterricht ber Planimetrie. Bon C. Clandius, Hauptlehrer der Gewerbeſchule in Lübed. 2. Aufl. Dittmer'ſche Buchhand⸗ fung, 1865. 44 ©.

To nur Definitionen und Aufftellung der Lebrfäge (vergl. XIV, 119).

56. Kleine theoretifche und praktiſche Raumlehre nach einer neuen Methode auf unmittelbare Anſchanung gegrümbet von U. Schlecht, köonigl. geiſtlichem Rath und Imipector am königl. Scullehrerfeminar zu Eichſtätt. Erſter Curs. Eichſtätt, 1864, Druck von Martin Däntler. 38 ©.

Die von dem Verf. in Anwendung gebrachte Methode hat ihren „Schwerpunkt in dem quadrirten Papier, welches nicht nur den Zirkel ent⸗ behrlich macht und zu allen Conſtructionen nur ein Lineal und einen Win⸗ tel erfordert, ſondern auch den Grund des Verfahrens unmittelbar in con⸗ cretem Falle zur Anſchauung bringt, daß es des abſtracten Beweiſes nicht

bedarf.” Wahrſcheinlich wird mit uns Mancher ſtaunen, daß der Schwer⸗

punkt der Methode im Papier liegen ſoll, und wenn es auch „‚quabrirtes‘’ iſt; das ift jedoch fireng genommen nicht der Fall, jondern die Hauptſache find die Quadrate, in welche die Zeichnungsebene eingetheilt if. Dieſe Quadrate find nun vom Berfafler in der That in zweierlei Hinfiht mit Vortheil be: nußt worden. Cinmal zur. Flächenvergleihung und dann zur Zerlegung ber Bewegung in zwei andere, melde ſenkrecht auf einander ſtehen. Auch die Parket⸗ und Teppichornamente haben uns recht wohl gefallen. Damit hört aber nach unferer Anficht die Fruchtbarkeit der Duadrate auf. Was in einer Beziehung gut ift, verdient deshalb noch nicht in jeder Hinficht Berüdfidh: tigung oder gar den Vorzug. Die Quadrate gewähren in der That vielfad feine Grleichterung und nöthigen zu unnützen Beihränlungen. Wir haben ſchon früher (IX, S. 138) ein ähnliches Unternehmen von Hillard erwähnt und uns won demfelben nicht viel verſprechen können ; auch heute nad) zehn Jahren haben wir unfere Anfiht in diefem Punkte nicht ändern können. Daber können wir der „neuen Methode“ Teine große Zukunft verlündigen, ihren geehrten Erfinder aber wollen wir darauf aufmerkſam maden, daß Abs fürzungen wie wr, auf, wlıc. hödhft ftörend find und um fo mehr vermie⸗ den werben können, da durch biejelben nicht viel Raum gejpart wird.

* Mathematil. 119

57. Anhang zum Leitfaden idr den geometrischen Aufhauungeunterricgt von $. Spalving. Dorpat, E. 3. Karow, 1865. 15 ©. 3 Sgr.

Enthält blos Definitionen und barunter ſeiche, welche dem Schüler vorerſt noch unverftänblid fein werben. Wir halten deshalb Das Schrifts hen für wertblos.

58. Aufgaben für bie rechnenbe Geometrie. Für bie Oberflafien der Vollksſchn⸗ len und gewerbliden Fortbildungsſchulen zufammengeftellt von A. Stubba, Oberlehrer am Seminar in Bunzlau. Zweites Heft: Planimetrifche Auf⸗ gaben, zu beren Berehnung Quadrat⸗ und Eubifwurzeln nöthig find. Leip⸗ sig, Eduard Kummer, 1866. 33 ©.

59. Berechnungen der Aufgaben bes zweiten Seite ber Aufgaben für bie red" nende Geometrie von A. Stubba. ıc.

60. Facitbädlen zum ameiten Seite ber ulsaden für bie rechnende Geometrie

von A. Stubha. x. 11

Das erfte Heft haben wir here (XVI, &. 74) angezeigt. Das vor: liegende enthält Aufgaben über Dreiede, Bierede, reguläre Vielede, Kreife, Elipfen und Opale und Berwandlung der Figuren. Die Aufgaben find wie die des erften Heftes ebenfalls einfah, nur daß Duadratwurgeln und Quadratzahlen gebraucht werden, weshalb aud der pythagoreiſche Lehrfag eine Hauptrolle jpielt. Bemerlenswerth find die Aufgaben, in welchen Bers bältnifje von Beitimmungselementen gegeben find. Anläufe zu praktiſchen Aufgaben wie „Bei einem Neubau, der ſchon 20 Fuß hoch geworben ift, fol eine ſchräge Auffahrt zum Hinauffchaffen des Materials angebracht wer: den. a. Wie lang wird fie, wenn 36 Fuß weit vom Haufe angefangen wird? b. Wie viel Bretter von durchſchnittlicher Breite 2c. gehören zu diefer Brüde?” ſollten öfters gemacht werden. Sonft find die Aufgaben nur zu loben.

Die „Berehnungen” macht der Berf., jo wie fie der Schüler loͤſen würbe oder follte, wa wir ganz in der Orbnung finden. Bei ber Berech⸗ nung ber Aufgabe „Zwei Reifende bewegen fid von demfelben Punkte aus, der eine nah Süden, der andere nach Weſten. Wie weit find fie von einander entfernt, wenn fie bei gleicher Gejchwindigleit jeder 80 Meilen zus rüdgelegt haben? haben wir die Bemerkung vermißt, daß die Auflöfung nicht fireng richtig iſt. Auch konnte ſchon die Frage geftellt werden, ob bie Auflöfung richtig ſei. Dezeihnet man nämlih den Bogen zwifchen beis den Reiſenden durch und die Bogenabftände berfelben von dem Kreu⸗ jungspunlte ihrer Wege durch a und 8, jo iſt bekanntlich

co @ = cos a cos $ + ein & sin P cos wobei u den an den Seitenwinleln « und 4 eingejhlofienen Flächenwin⸗ tel bedeutet. Diefer ift bier 90°, aljo eos @ == coB a cos 4

Am einfachften if e3 nun, den Yequator als Ausgangspunlt zu neh⸗

men. Dann iſt $ = co, aljo co8 P = cos &

Rechnet man unter diefer Vorausſetzung die vorliegende Aufgabe, fo ergibt fih die Entfernung ber beiven Reifenden zu 113, während Herr Stubba 118, 187 hält. Das ift lein großer Fehler, er wird aber be:

120 Mathematif. -

trächtlicher bei größeren Entfernungen. Denten wir, daß jeder der Reifen: den einen Quadranten burdlaufen habe, jo beträgt ihre Entfernung von einander ebenfalls einen Quadranten, aljo 1350 Meilen, während fie nad der Auflöfung mit Hülfe des pytbagoreifhen Satzes mehr ald 1890 betra- gen, alfo um mehr als 540 zu groß ausfallen würde.

61. Leitfaden für dem Unterricht in ber Geometrie an ſchweizeriſchen Volksſchu⸗ fen. Bon H. Zähringer 2. Aufl. Züri und Glarus, Rieger unb Seller, 1864. 104 ©. 16 Sgr.

„Die ganze Anlage des Buches ift diefelbe geblieben, aber im Einzel nen find viele Berbefierungen und zahlreihe Erweiterungen binzugelommen.” Mir laſſen es deshalb bei der Einmeifung auf unjere frühere Empfehlung (X, ©. 284) bewenven, und maden nur noch bejonders auf die gebie- genen methodologiſchen Augeinanderfegungen des Verfaſſers aufmerkjan.

b, Wiſſenſchaftliche Lehrbücher.

62. Lehrbuch der ebenen Geometrie mit Uebungsaufgaben für höhere Lehran⸗ falten von Dr. Th. Spieler. Oberlehrer an ber Realſchule zu Potsdam. 2. Aufl. Botsbam, 1865, Verlag ber Hiegel’ichen Buch⸗ und Mufilalien- handlung. 260 S. 25 Sgr.

Der Berf. erzählt uns, was Lehrſatz, Aufgabe, Beweis ıc. fei und behandelt dann die Lage geraver Linien, die ebenen Figuren im Allgemei- nen, die Congruenz der Dreiede und das Parallelogramm. Sodann bes gegnen wir einer Abhandlung über die geometrifhe Aufgabe mit Daten und Hülfsconftructionen nebft einer großen Schaar von Hebungsaufgaben, ferner der Lehre vom Kreiſe, der regulären Polygone, der Bleichheit ver Figuren, der Proportionalität der Linien, der Aehnlichleit der Figuren und der Ausmeſſung des Kreiſes. Das zufammen genommen bildet den erften und zweiten Curſus und enthält das üblihe Material. Aber ver dritte Eurjus, der von den Transverjalen, der harmonischen Theilung, den Achn- lichleitspuntten, den Chorbalen, ven Berührungsaufgaben und den Streig- polaren handelt, ift jo reich bedacht, daß er, abgeſehen vom Lebungsftoffe, das Bud denen zuorbnet, welche die neuere Geometrie am meilten berüd: fihtigen.. Der vierte Curſus endlich bringt die Anwendung der Algebra auf die Auflöfung geometriſcher Aufgaben, metrifhe Relationen vom Dreied und ben Figuren im Kreife. Die Darftellung ift euklidiſch, kurz und knapp, aber doch beſtimmt und verſtändlich. Jedem Sage wird fein logifcher Titel gegeben, und was wir für fehr zwedmäßig halten, viele Säße find mit Namen belegt und mit Weberfchriften verfehen. Die Uebungsaufgaben find jebr gut. Der Eucliveanigmus zeigt fi bei unferem Verfafler recht au: genjheinli in ber Heranziehung der apagogifhen Veweiſe, wo fie gar nicht nöthig find. Geht man genetifch zu Werke, fo wird man oft nicht einmal an einen folden denken können. Nehmen wir zur Grläuterung die Umkeh⸗ rung des Saßes des Ceva. Werben bie Seiten (felbft) AB, BC, CA eines Dreiedd ABC an den Edtransverfalen in den Punkten Z, X, Y fo ge= ſchnitten, daß 1) AZ. BX.CY=AY.BZ.cxX,

Mathematik. 121

fo ſchneiden ih AX und BY in O im Innern des Dreieds, und man erhält alfo vie Grade CO, melde vie Seite AB (felbft) in 2’ fchneivet. Daber ift nad) dem Gabe des Ceva 2) AZ.BX.CY== AY, BZ’. CX, folglich erhält man durch Diviſion der Gleihung 2) dur die ®feihung 1) AZ _ BZ AZ BZ oder AZ : BU —= AZ: BZ, . woraus ohne Weiteres folgt, daß AZ’— AZ ift over daß die drei Punfte C, O, Z in gerader Linie liegen, daß alfo auch die Gerade CZ durch O gebt ꝛc. Schielt man bier nicht auf das, was bewiejen merben foll, fon: dern läßt man ſich lediglich durch das Gegebene weiter trieben, fo Tann man, mie gejagt, gar nicht auf den apagogiſchen Beweis verfallen, der beis läufig bier auch nur die Form defielben hat und ven hier entwidelten Gedan⸗ tengang verbedt.

63. Lehrbuch der Matbematit für Gymnaſien und höhere Lebranftalten von Dr. Johann Robert Boymann, Oberlehrer am Gymnaflum zu Coblenz. I. Geometrie ber Ebene 3. Auflage Köln und Neufl., 8. Schwann'ſche Verlagsbuchhandlung, 1865. 20 Sgr.

Inhalt: Allgemeine Ginleitung, Grundbegriffe, gerade Linie, Winkel und Parallelen, Dreied, Viered, Parallelogramm, Kreis, Gleichheit gerad: Iiniger Figuren, Maß, Verhältniß, Proportion, Aebhnlichleit der Figuren, BProportionalität ihrer Seiten und Flächen, Eigenfchaften ver Vielede, bes fonderd ber regulären, Berechnung des Kreifes und Beftimmung der Zahl zz. Der Anfang enthält „harmoniſche und polarifdhe, Potenz: und Aehnlichleits: beziebungen. Die Darftellung ift euflivifh, deutlih und überfihtlih. Zu bemerlen ift der Beweis des ‚‚merfwürbigen Punktes, des Dreieds“, in wel⸗ chem fi die Geraden von den Winkelſpitzen nad den Mitten der Gegenſei⸗ ten fchneiden. Die Aehnlichleitsvefinition ift oben (Math. Nr. 31) erwähnt.

64. Lehrbuch der elementaren Planimetrie von Dr. B. Féaux, Oberlehrer am Oymnafium zu Paderborn. 3. Aufl. Paderborn, Ferdinand Schöningh, 1865. 192 S. 224 Ser.

Inhalt: Begriff und Einleitung der Geometrie, Lehre von den Punk⸗ ten, Lehre von den Linien (gerade Linie), Lehre von den ebenen Figuren (dad Dreied, Viereck, Mittellinien des Dreieds, die vier merkwürdigen Punkte des Dreieds), Lehre von den Polygonen, Kreis, Projectionen, Gleichheit der Figuren, Ausmeflung ver Figuren, pythagoreiſcher Lehrſatz, Proportionalität der Linien, Aehnlichkeit der Figuren, Flächenraum ähnlicher Figuren, Verwandlung und Theilung der Figuren, harmoniſche Theilung, harmonische Strahlen und Anwendung, algebraiſche Geometrie, reguläre Fi⸗ guren mit Rüdfiht auf den Kreis, Kreisrehnung u. f. w., geometrifche Ordn. Der Sag von der Wintelfumme des Dreied3 ift mit dem Thibauts fchen Beweife verfehen. Mittellinie des Dreieds nennt ber Berfafler eine mit der Grundlinie eines Dreieds in der halben Höhe parallellaufende Ges

122 Mathematik.

rade. Er macht von derſelben fruchtbare Anwendung, beſonders auch bei den ſogenannten vier merkwürdigen Punkten des Dreieds. Der kleine Ab⸗ ſchnitt über Projectionen hängt in der Luft und bleibt lieber weg. Die harmoniſche Theilung iR recht a aehrheft dig. 120 iſt nicht richtig. Das im Einzelnen. Im Ganzen liebt der Berf., wie ganz reiht, die allgemeinere Auffaflung und verfiebt aud vie lleineren Abſchnitte mit Ueberſchriften Die Darſtellung iſt gut.

65. Lehrbuch ber ebenen Geometrie nebſt einer Sammlung von 650 Uebunge⸗ aufgaben zum Gebraude an höheren Lehranflalten und beim BSelbffnbium von Dr. Carl Spig, Lehrer am Polytechnicum in Carlsruhe. 3. Aufl. Leipzig unb Heidelberg, ©. F. Winter’jhe Berlagshandlung, 1865. 255 ©. 12 Ggr.

66. Anhang zu bem Lehrbuche ber ebenen Geometrie von Dr, Earl Spik. xc. 87 ©. 12 Ser.

Inhalt: Einleitung, von den geraden Linien in der Beſtimmung einer Ebene, von den Winleln, von den ebenen Figuren im Allgemeinen, von den Winkeln in den geradlinigen Figuren, von ber Congruenz der Figuren, von ber Gleichheit und Berechnung der gerablinigen Figuren, der Kreis in Berbin- dung mit den ein- und umgefjchriebenen regelmäßigen Bieleden und Berech⸗ nung bes ftreifes, von den Doppelverhältnifien, von der Snvolution. Aus biefer Inhaltsangabe erhellt, daß die neuere Geometrie berüdfidhtigt worden if, von ber übrigens der Berf. einen beträchtlichen Theil der Aehnlichleit ſub⸗ fumirt bat. Die Darftellung ift die euclidiſche, die Definitionen aber werden genetiih entwidelt. Der Uebungsftoff ift redyt gut, die Darftellung Har und deutlih. Nur bei der Involution dürfte der Anfänger etwas rathlos fein.

67. Planimetrie für Gymmaflen, Real- und Bürgerihulen von Dr. Au gar Bigand. Halle, Drud und Berlag von 9. W. Samitt. Erſter Cur⸗ us. 7. Aufl. 1863. 86 ©. Breiter Eurfus. 6. Aufl. 1864. 105

.— Dritter Surius. 1866. 69 ©

Das vorliegende Lehrbuch ift wie wir bei feinem erflen Erſcheinen ausfprechen, (III, S. 115) nit nad unferem Sinne, wohl aber in fei- ner Art vortrefflich gearbeitet. Seitdem ift es in vielen Tauſend Eremplas ven verbraudht und dem Unterrihte zu Grunde gelegt worven, jo daß wir ben fchlagendften Beweis haben, daß es der genetifhen Methode nicht leicht wird in die Gymnaſien einzubringen. Näher auf die drei vorliegenden Curſe einzugeben, halten wir bier für unnöthig. Nur zweierlei fei bemerkt. Erftens enthalten die beiden erfien Curfe eine Anzahl von Lehrfäßen und Aufgaben, die in jeder Hinficht Anerkennung verdienen, bejonders auch in fofern als die des zweiten ben dritten vorbereiten. Drittens ift ein neuer Curſus binzugelommen, welder bie neuere Geometrie enthält. Die Dax ftellung ift kurz und knapp, aber deutlid, die Figuren find zwedmäßig ge wählt, fo daß an ihnen der Anfänger eine große Hülfe bat. Deshalb möchten wir diefen Curfus denen zum erften Studium empfehlen, welche fih in die neuere Geometrie einarbeiten wollen.

. 68. Die Elemente. der analytifden Geometrie für den Schnlunterricht bearbeitet von Dr. D. Gaubtner, Director des Symnafiums wub ber Reafichafe

Mathematik. 123

zu Minden. 2. Aufl. Minden, 1865, Berlag von Auguſt Bollening.

65 S. 74 Gar.

Da wir viefes Schriftdhen bereits (X VI, ©. 76) rühmend erwähnt haben, haben wir nur zu bemerfen, daß die neue Auflage die Ableitung der Euren aus der allgemeinen Gleihung des zweiten Grades enthält und eine ziemlihe Anzahl von werthvollen Aufgaben varbietet.

8. Mathbematil,

69. Bollänbige logarithmiſche unb trigonometriſche Tafeln von Dr. E. %. Au⸗ guß, Profeſſor und Director bes Kölniichen Benigpmnaflume in Berlin,

itter bes rothen Adlerordens vierter Claſſe, Mitglie mehrer geehrten Ge⸗ ſellſchaften. 6. Aufl. Leipzig, Veit u. Comp., 1865. 15 S

Die Kürze der Beit, welche ſeit dem Erſcheinen ber 5. ef verfloflen iR (X VI, 6. 74) beweift zur Genüge, daß dieſe empfehlensiwerthen Tafeln fleißig gebraucht werden.

70. Die Elemente ber Mathematil Ein Leitfaden ſür den mathematiſchen Un⸗ terricht in höheren Lebranftalten von Wilhelm Gallentamp, Director der ftäbtifchen Gemerbeipute in Berlin. 3. Au I. Theil. Arithmetik unb Algebra. re und die Planime e. Sferlohn, Julius Bä⸗ deler, 1865. 140 S Wir verweiſen auf unſere früheren Anzeigen (XIV, 126 XV, 120)

in denen wir dieſes guten Lehrbuches lobend gedacht haben.

71. Mathematiſches Wörterbüclein. Für Lehrer der Mathematik. Bearbeitet von 3. Menzel, Berlin, Berlag von Adolph Stubenraud. 147 S. 15 Sgr. Greifen wir einige Artitel beraus, um eine Probe der Behandlung

zu geben. „Abfolut, lat. absolutus = von nichts Anderem abhängig; keiner nähern Beftimmung bedürftig, unbedingt. 1. Eine unbenannte Zahl kann baber eine abjolute Zahl genannt werden, da fie das Vielfache einer von einem beftimmten Begriffe unabhängigen Einheit if. 2. Eine Zahl, welche unabhängig von der Beziehung auf Pofitivität und Negativität be trachtet wird, aljo nicht mit den befannten Vorzeichen bedacht ift, heißt man abfolute Zahl.” Wenn die unbenannte Zahl ein Vielfaches der Ein: beit ift, fo üft fie buch die Einheit bedingt, und nur dieſe abjolut. Die Zahl, welche mindeitens ein Denken vorausfegt, felbft iſt ‚nichts ſchlechthin Abfolutes. Redet man aber von abfoluten Zahlen, fo fiebt mau von diefer Bedingtheit ab und man kann diefen Namen ganz unbedenklich brau⸗ den, da 3. 3. die Zahl 4 dieſelbe ift, mag fie ſich auf Ellen oder fonft etwas beziehen. Dann find aber alle Zahlen, die in der urfprünglichen Zahlenreihe nicht gegeben find, relative Bahlen, alfo nit nur + 4 und 4, fondem auch 4, V5: VAA ꝛc. Auch wären wohl relative und abjolute Primzahlen, velative und abjolute Höhe und dergleichen zu er: wähnen. „Abftand: das Abftehben, ver Raum, um melden zwei Orte von einander entfernt find. 1. Der Abftand eines Punktes von einer ge raden Linie oder einer Ebene wird angegeben durch die Rechtwinlelige, weiche an dem Punkte auf die Linie oder Ebene gezogen werben kann ıc.”

124 Mathematik.

Hier vermiflen wir den Abftand zweier Punkte im Raume, den Abftand zweier Punkte auf der Kugeloberflähe, den Abftand eines Sterns oder überhaupt eines Himmelspunttes vom Zenith. „Abftumpfen x.” hier fehlt die Abftumpfungsflähe. „Abſciſſe“ wird wohl mit der Ordinate zufammengefaßt werden müflen. „Apagogifch (vom griechiſchen apa- gög6) ıc. „Apothem (vom griechiſchen apotithämi) :c” Cs if inconjequent, das eine Mal das Subftantiv, das andere Mal das Verb ans zuführen. Unter „eliminiren” fehlt die fogenannte englifhe und franzoͤſiſche Slimination. Die erflere mußte neben den angeführten erwähnt werden. Die „Ellipfe” ift nicht als Kegel: oder Cylinderſchnitt aufs gefaßt. Unter gerade fehlt gerade Zahl Parzahl. Unter imaginär

2 .

wird behauptet: „Die Zahl Y_-9 ift imaginär, denn fie eriftirt gar nicht, bat nur ven Schein der Eriftenz. Sie eriftirt aber, wie jeder Mathematiler weiß, fo gut wie J. „Spur“ wirb geometriih als Grundſchnitt gefaßt, Grundſchnitt aber erllärt als die Linie, in welder eine ebene Flaͤche eine Projectiongebene ſchneidet. Wo bleibt da die Spur einer Geraden, eines Punktes? Aus dem Gefagten wird erhellen, daß wir nicht viel zur Empfehlung bes neuen Wörterbüchleins zu fagen haben.

Nah Abſchluß der vorftehenden Arbeit gingen aus dem Sabre 1865 noch ein und follen im naͤchſten Bande befproden werben:

1. Kopfrehenaufgaben, Decimalbrüde, unslebung der Qua⸗ dDrat- und Cubikwurzeln für Seminarien und Bürgerſchulen von J. Zerlinden, Seminarlehrer in Neuwied. 8. (III und 55 S.). Neumieb n. Leipzig, 3. H. Heufer, 1865. cart. 5 Sgr.

2. Aufgaben zum praltifhen Rehnen für [hweizeriihe Bolls- fhulen. Bon H. Zähringer. L bis XII. Heft. Züri und Glarus, Meyer u. Zeller, 1865 m. 1866.

8. Die Arithmetil in ſyſtematiſch georbneten Aufgaben für Sähu- en umb zur Gelbfibelehrung bearbeitet von 3. Foßler, Lehrer am Groß⸗ geraogt. pceum in Karlerube. I. nm. II. Abtheilung, nebſt Refultaten.

arlörube, Chr. Fr. Müller, 1865.

4. Lehrbuch der Arithmetik zum Gebraude an Fortbilbungsfchuien und zum Gelbftunterrichte. Mit Tabellen zu gegenfeitigen und Reductionen in⸗ und ausländiſcher Maße, Gewichte und Münzen nebſt vie⸗ len Beiſpielen hierüber fo wie über bie verſchiedenen Rechnungsarten im bürgerlichen Leben, über geometriſches und kaufmänniſches Rechnen von D. Echmitt, Lehrer der Mathematif an ber Lönigl Gewerbfchule und latei⸗ niihen Schule zu Landau. Mit einer Steintrndtafel. gr. 8. (VIII unb 204 ©.). Landbau, Ed. Kaufler. 1865. 20 Ger.

5. Aufgaben zu Uebungen im ſchriftlichen Rechnen für Bürger- umb Boltsfhulen von J. ©. F. Scharlach, Schuldirector in Halle. 1. bis 5. Heft. Halle, Schroͤdel u. Simon, 1865. cart. & 3 Ger.

Mathematif. 125

6. Sompenbium ber Planimetrie nad Legenbre für bem Säulpe- brauch bearbeitet von Dr. Earl Heel. Zweite Auflage. gr. 8. ( n. 67 ©.). Reval, 5. Ringe, 1865. 4 Thlr.

7. Stereometrifhe Aufgaben nebft ihren Aufldfungen, für ben Gebrauch in höheren Lehranflalten bearbeitet von C. Hechel. Erſtes Heft. gr. 8. (116 S.) Ebendaſelbſt. 3 Thlr.

8. Bortheile und Abkürzungen im Rechnen. Für ben Schul⸗ und Geſchãftsmann und folhe, die es werben wollen. Bon E. Langenberg. gr. 8. (VII n. 159 ©). Gütersloh, C. Bertelemann, 1865. 224 Gyr.

9. Lehrbuch der Mathematik für höhere Unterrichtsanſtalten von Dr. Paul Wiede I. Theil. Planimetrie und ebene Trigonometrie. 8. (206 &. und 1 Xafel). II. Theil. Arithmetit (VI u. 317 ©.) Mit 3 Säuftrationen. Leipzig, D. Wigand, 1665 u. 1866.

Die Redaction.

Il:

Die neneiten Erfcheinungen auf dem Gebiete des deutſchen Sprachunterrichts. BZufammengeftellt und beſprochen von Dr. 2. Kellner.

Meberfidt. 1. Sprachlehrliche Schriften nee Elementarſchulen im Allge⸗

Bruhns, Nr. 3. Beegmann Rigert Nr. 5. Nr. 6. Traut, Nr. 9. und "Rißter, Wr .11.— Bieten

Nr. 16. Wegener, Nr. 17. Brinmann, Sr. 18. Gaminaba,

19. Landyardt, Nr. 21. Haug, Nr. 22. Franke, Nr. 23. Uri, Nr. 26.

U. Sprachlehrliche —— —2 Lehranftalten und zum

Sommer, Nr. 1. Schulz, Nr. 2. Trant, Nr. 7. Satmagel, Nr. 8. Volgtmann, Nr. 12. Panik, Mr. 13. Klokfä, Nr. 15. Wetzel, Nr. 26.

II. Styl- und Aufſatzlehren. A. Für Elementarſchulen.

Weegmann, Nr. 4. Ritſert, Ar. 5. Wibmann, Rr. 10. Wei⸗ elbt und Richter, Nr. 11. „, Gaminaba, Nr. 19. Laudhardt, Rr. 21. ranfe, Nr. 23. Ulli, Nr.

B. Für höhere Shulanftalten.

Ritfert, Nr. 5. Widmaun, Wr. 10. Möbus, Nr. 20. Lande barbt, Nr. 21. Kehrein, Nr. 24.

IV. Rechtſchreiben und Interpunktion betreffend.

Panitz, Ar. 13. Päbag. Berein in Bromberg, Nr. 14.

Die n. Erfcheinungen auf d. Gebicte des b. Sprachunterricht. 127

1. Kleine dentſche Sprachlehre. in Leitfaben für ben Unterricht in der Mutterſprache mit vielfachen Aufgaben zu münbficher und fchriftlicher Webung zunächſt für untere Klaſſen höherer Lehranftalten wie zum Selbftunterrichte von W. Sommer, Lehrer an der höheren Stabtihule zu Olpa. Pader⸗ born, Berlag von Schöningh, 1866. gr. 8. VIU und 130 ©. 10 Ser.

Der Berf., welcher erft Mirzlih ein Hülfsbuh für den Unterriht im Deutihen Aufſatze herausgegeben bat (fiehe den vorigen Jahrgang, ©. 140), gebt von der Anfiht aus, daß e3 Aufgabe höherer Unterrichtsanftals ten fei, dem Schüler zuerft dasjenige aus der Grammatik der Mutterfpradye zum Bemwußtjein zu bringen, was ihn befähiget, das Fremde zu verftehen. Gr Hagt, daß der Schüler Declinationen und Caſus ꝛc. unterſcheiden folle, ohne durch feine Mutterfprache einen Haren Begriff davon erhalten zu ba: ben, und daß deshalb ver Iateinifche Unterricht nicht recht fort wolle, Darum lehnt er feine Spradlehre an die gangbarften lateinifhen Grams matiten an und beginnt mit der Wort: oder Yormenlehre, gebraucht auch ſtets neben der deutfchen die lateinische Terminologie. Orthographie, Inter: punktion und das Nöthigfte aus der Berslehre find in einem Anhange bes bandelt.

Mir möchten bezweifeln, daß unfere Gymnafiallehrer von dem vor: arbeitenden Gebrauche einer ſolchen deutſchen Grammatik ſich fonderliche Cr: leihterung des Unterrichts im Lateinischen verſprechen werden. Wir glau⸗ ben vielmehr, daß eine Vorbereitung, wie fie fih der Verf. dentt und wünscht, praktiſch ſchwer auszuführen fein dürfte, und daß fie Dinge, die einmal gelernt, d. h. auswendig gelernt werben müflen, auch nicht jehr er heblich erleichtern würde.

Hiervon abgejehen ift übrigens anzuertennen, daß die Arbeit des Ber: faflers eine fleißige und brauchbare iſt, die das Nothwendigſte faßlih und richtig zufammenftellt. Auch dem Gelbitunterrichte von Schulpräparanden kann fie allenfalld genügen.

2. Die dentſche Grammatik in ihren Grundzügen. Kin Leitfaden beim Unterrichte in ber Mutterſprache von Dr. Bernhard Schulz, Gym- nafinlichrer. gaaberborn, Berlag von Schöningh, 1865. gr. 8. VI und

57 ©. gr.

Der Berfafjer unterrihtet an einem Gymnaſium (Conig in Weſtpreu⸗ Sen), deſſen Schüler theild geborne Deutſche, theils aber auch polnischer Nationalität find. Diefer Umftand muß den Unterricht allerdings ſehr er: ſchweren und jcheint dem Verf. wichtig genug, um die bejondere Betreibung des deutſchen Sprahunterrihts und die Herausgabe einer Grammatit für die Schüler zu rechtfertigen. Er hält in einer ſolchen utraquiſtiſchen An: ſtalt vie gelegentlihe Antnüpfung der grammatifchen Regeln an bie Zectüre wicht für ausreichend.

Wenn wir aud dieſe Anſicht theilen, jo hätten wie doch gerade des⸗ wegen eine Einrichtung des Buches erwartet, melde ſolch' eigenthümlichen Zufländen Rechnung trüge und ſich deshalb auch durch eigenthümliche Folge und Handhabung des Unterrichtäftoffes auszeichnete, namentlih aber auf

128 Die neueften Erfcheinungen auf bem

die in den Umfläuden begründeten Schwierigleiten des mündlichen Aus: drudes und auf desfallfige Uebungen Rüdjiht nähme.

Dem ift jedoch nit fo. Das Buch ift eine Srammatil, welde ſich ihrer ganzen Yafiung nad auch in jedem anderen Gymnaſium, in jeder an- deren höheren Schule gebraudyen läßt und von ihren zahlreihen Mitſchwe⸗ ſtern in nichts Wefentlihem abweicht. Mit diefer Thatfache foll jedoch nicht in Abrede geftellt werben, dab das Buch für feinen befonderen Zwed in ben Händen eines tüchtigen Lehrers noch von Nutzen fein und auch im Allge meinen als brauchbar bezeichnet werden kann. Cine Inhaltsüberſicht hätte den bequemeren Gebrauch erleichtert.

3. Kurzgefaßte beutfhe Spradlehre. Bon &. Fr. Bruhns. Dritte Auflage. Lübed, Dittmer’ihe Buchhandlung, 1865. 8. 42 ©. 5 Ger. Ohne irgend ein Borwort und ohne Bezeihnung des näheren Zwedes,

tritt diefes Büchlein in die Welt. Es enthält ein Serippe der Gramma- tik, weldyes jedoch ein vier Seiten umfafiendes Verzeichniß der ablautenden Beittörter gibt, dagegen der Saplehre nur drei Seiten mehr widmet und ebenfo auf drei Geiten die Orthographie erlediget. Uebungsaufgaben feblen.

Wir vermuthen, daß dieſes Büchlein in die Hände der Schüler ge geben und die Grundlage des vom Lehrer ertheilten grammatifchen Unter: richtes abgeben fol. Es mag im Ganzen auch bierzu, wie fo manche an⸗ dere feines Gleichen, pafjend fein.

4 Geſchäftſsaufſätze in fahlicher und kurzer Darftellung ale Leitfaben für bie Hand der Schiller ber III. Elementarfiaffe, jowie für Sonntage- und Winterabend-Schüler bearbeitet und herausgegeben von J. mans, Lehrer. 6. Aufl. Biberach, 1863, Dorn'ſche Buchhandlung. gr. 8. 51 ©. 4 Sgr.

Wie ſchon der Titel befagt, handelt es fi hier um eine Sammlung aller möglihden Gefhäftsaufjfäse, melde die Schüler in den Händen baben follen, um die gebotenen Mufter zu lefen und hiernach felbftthätig äbnlihe Arbeiten zu liefern. Deshalb find auch den einzelnen Beifpielen kurze Aufgaben beigefügt. Der Anhang gibt eine Erflärung der im bürger lihen und gewerblichen Leben vorlommenden Fremdwörter. Das Bud lies fert auch brauchbare Dictirfioffe und kann überhaupt mit Nuben verwendet werben.

5. Die Lehre vom beutfhen Style ober praftiihe Anleitung zum rich⸗ tigen deutſchen Gedankenausdrucke für bie oberen Klaſſen ber Boltsichulen, höhere Möpchenfchulen, Schullehrerfeminarien, umb einzelne Klaſſen ber Realanflalten und Gymnaſien, wie aum ion En Bon Ernfi Zub» wig Nitfert. Neu bearbeitet von Dr. Fridolin Wagner, Ditprebiger, Siufpector und Lehrer der höheren Mädchenſchulen zu Darmflabt. Achte Aufl. Darmftabt, 1865, Verlag von Job. Phil. Diehl. gr. 8 XI und 468 ©. geh. 24 Ser.

Neben mannigfahen Belehrungen über deutſchen Styl und die ver ſchiedenen Arten der fchriftlihen Darftellung enthält das umfangreiche Buch

Gebiete des deutſchen Sprachunterrichts. 129

eine ſehr große Anzahl theils ſtizzirter, theils ausgefuͤhrter und im Ganzen gluͤdlich gewaͤhlter Uebungsaufgaben, Dispoſitionen und Muſterbeiſpiele. Der geſammte Stoff iſt unter folgende Rubriken gebracht: L Beantwor⸗ tung von Fragen. IL Erzählungen. ILL. Beſchreibungen: 1) Lehrbeſchrei⸗ bungen. 2. Schönbejhreibungen (Schilderungen). IV. Pergleichungen« V. Erllärungen (auch Raͤthſel). VI. Abhandlungen. VII. Gefpräke, VIH, Briefe (freundfhaftlihe und Geſchaftsbriefe). IX, Geſchaͤftsauf⸗ ſaͤze. Schon aus dieſen Rubriken können wir auf die ungemeine Reid haltigleit des Buches ſchließen, melde noch buch einen theilmeije come prefien und ökonomiſchen Drud gefteigert wird. Wer fo Vieles bringt, muß mohl Jedem Etwas bringen, und jo möchte denn kaum eine Kategorie von Lehrern genannt werden tünnen, melde nicht etwas Brauch: bares in diefem Buche finden würde. Volklsſchullehrer werben namentlich den I II. III. und VII. Abſchnitt für ihre Zwede benugen können, Gymnaſial⸗ und Realſchul⸗Lehrer finden in ben Abſchnitten IV. VI. VU. und III. 2 gar viele brauchbare Stoffe.

Wir ftehen nicht an, diefe Styljchule als eine ber veihhathafen, da⸗ neben aber auch wohlfeilſten angelegentlich zu empfehlen.

b. Hilföbuch zum deutſchen Sprachunterricht in allen alaſſen der Elementarſchule von J. Kehrein, Seminardirector in Montabaur. Pader⸗ born, Verlag von Schöningh, 1865. 8. V und 171. 10 Sgr. Der auf dem Gebiete wifienfchaftliher Sprachforſchung rühmlich be:

kannte Verfafier bat fich mit diefem Büchlein wiederum auf das Gebiet ber

Schulpraris begeben. Die Gliederung des Ganzen ift nad SJahrgängen ge

ſchehen und ftellt für jeden Jahrgang etwas Beftimmtes al3 Aufgabe und

diel hin. Es iſt nämlich, wie zumeift in fübdeutihen Schulen, angenommen, daß die Kinder vom fehlten Jahre ab, wo fie ſchulpflichtig werden, bis zum zurüdgelegten dreizehnten Lebensjahre jedes Jahr in eine andere höhere

Mafie oder Adtheilung übergehen, und daß fih fomit auch jedes Jahr ver

Unterrichtsftoff fteigert.

Das Büchlein zerfällt in zwei Hauptabtheilungen, von denen bie erfte in kurzen Bügen und ſtizzenhaft darlegt, was jeder ber acht Jahr⸗ gänge zu leiſten hat. Die zweite Abtheilung ift dagegen ein Hilfsmittel zur praltiihen Ausführung des in der erften Abtheilung Verlangten. Der Accent liegt hierbei weſentlich auf den ſchriftlichen Auffagübungen, welche der Verf. zugleich für den mündlichen Gedankenausdrud benugt wiſſen will, Biele der Mebungsaufgaben find entlehnt, namentlih aus Mepler’3, Boden: müller's und des Referenten Schriften. Ein Anhang bietet Belehrungen über die Declination und Gonjugation, ſowie eins Weberfiht der ſtarken, tüdumlautenden und unregelmäßigen Verben. Xebtere mag bem Lehrer im: merhin willlommen fein, in die Volksſchule felbft wird fie in folder Vollftäns digleit nicht Eingang finden Tönnen. -

Das Schriften enthält viele Shäßbare Winke und Aufgaben und wird namentlich in den Händen gut worbereiteter jüngerer Lehrer Ruben Riften und Mißgriffe hindern können.

Die Ausftattung ift gut. Der Preis war nicht angegeben.

Päd. Jahresbexicht. XVII. 9

130 Die neueften Erfcheinungen auf bem

1. Grundzüge der neuhochdeutſchen Grammatik nebf einem An⸗ bange: Zropen unb Biguren, Metrit and ser. 6.8 u ten, insbeſondere Seminarien. Von Dr raut. Leipzig, Verlag von Merſeburger, 1865. EI. 8. ie 136 *. 9 Sgr.

Hr. Dr. Traut will mit ſeinen Leiſtungen auf dem Gebiete des deut⸗ ſchen Sprachunterrichts allen Verhaͤltniſſen gerecht werden, und liefert dem: nah in dem vorliegenden Büchlein einen Leitfaden für höhere Lehranſtal⸗ ten und Seminare.

Zunädhft bemerken wir, daß der Verf. mit einem Motto von Gtod: mayer aus der Enchllopäbie des Erziehungs⸗ und Unterrichtsmwefens beginnt, wonach von Sedem, der die Mutterſprache verſtehen will, nicht blos gram: matische, fondern auch mundartliche und hiſtoriſche Kenntniſſe gefor: dert werben. .

Was ift demnach natürlicher, als daß wir in dem Büchlein munbart: lihe und hiſtoriſche Kenntniſſe juchten. Allein wir fuchten vergebens. Denn die zwei Seiten Einleitung und einzelne wenige Bemerkungen über die Vollsiprahe (über melde ?), ſowie die Beifügung einiger althochbeutjchen oder mittelhochdeutichen formen lünnen wir doch nit als mundartlidye und biftorifche Kenntniſſe betrachten.

Mir möchten jedoch dieſe getäufchte Erwartung weniger hoch anſchla⸗ gen, wenn wir nur wüßten, wie der Verf. mit jenem Motto (laut einer Bemerkung am Schluſſe der Borrede) es rechtfertigen will, daß fein Bud insbefondere für Lehrerſeminare paſſe.

Das Bud ift einfach eine Grammatit, wie wir deren ſchon viele baben, und als ſolche auch für Lebrerfeminare fhon brauchbar ohne die Re⸗ quifite jenes Motto's.

Cher möchte fih die Bezeihnung „für Seminare” bei Dielen rechtfertigen, wenn der Verf. auf die Volksliteratur oder auf die Li⸗ teratur im Allgemeinen eingegangen wäre. Einen Anlauf zu lebterem bat er in dem Anhange gemacht, welchen wir zwedmäßig finden, weil er zum Berftändnifie und zum böberen Genufle der poetiſchen Literatur befähigt. Doch können wir nicht unbemerkt lafien, daß Hr. Traut zu diefem Anhange nicht immer die beften Quellen benupt zu haben jcheint. So hätte S. 99 das Verbältniß der Uuantität zur Betonung, wie es im Deutſchen Geltung bat, hervorgehoben werben follen. Manche Erflärungen find ferner nicht richtig oder nicht beftimmt genug, fo 3. B. die Erllärung vom Reime, vom Sonette, vom Märchen und von der Novelle. Den Unterfhied zwiſchen Ballade und Romanze hat und Echtermeyer Mar gemacht, Leſſing den ride tigeren Begriff von der Fabel, J. Paul den ber Idylle gegeben.

8. Zitfaden Beim Unterrichte in ber deutſchen Formen⸗-⸗ und Satzlehre für bie unteren Klaſſen der Gymnaften und Realfchufen nad ben neueflen beutichen Spraäbliern bearbeitet von Maurus Schinnagel, riefter und Profeflor in Wien. 6. Aufl Wien, bei Bed, 1805. ge. 8.

u. 170 ©. 18 Sgr.

Es läßt fi von dieſer kurzen Grammatik weiter nichts fagen, als daß fie zwedmäßig eingerichtet, in faßlicher, Harer Weile und guser Kirb« ung die wichtigeren fprachlihen Regeln und Formen barftellt und auch in

Gebiete des deutſchen Sprachunterrichts. 131

ver Satzlehre genügt. Der Bert. hat weſentlich Becker's Syftem und An- ſichten ‚befolgt, ohne ſich gegen andere Auffafiungen abzufchließen. Daß der Leitfaden bereitd die 6. Aufl. erlebt bat, beweift übrigens, mie fehr man ihn in Deflerreich ſchaͤtzt.

9. Kleine dentſche Sprachlehre nebft Mebungsanfgaben und einem An⸗ hange; Satzausdrudelehre und Auffatzlehre. Fir Bollsſchulen. Bon Dr. H. Th. Traut, Bürgerſchullehrer in Leipzig. Leipzig, Verlag von Merſe⸗ burger, 1865. tl. 8. VIII und 119 S. 6 Sgr.

Der fleißige Verfafier (vergl. den vorigen Zahrgang, ©. 125) will die Grammatik nicht aus dem Mereihe der Vollsſchule verbannt wiſſen. Das im Mechenunterrichte für die einzelnen. Aufgaben bie arithmetijchen Regeln find, das find ihm fir die fprachlichen Arbeiten die grammatifchen Regeln. Er neigt fih mit Stern der Anficht bin, daß bald die Zeit kom» men werde, in welder man wieder ganz unabhängig vom Leſebuche in ſtreng georbnetem Gange die Grammatik in der Schule, wenigſtens -in ber gehobneren Bollsjchule treiben werde. Wir wollen mit ihm weder über diefe Anficht, noch über die gewagte Parallele mit dem Nechenunterrichte echten, fondern lieber noch bemerten, daß Hr. Traut in feinem Büchlein ein Minimum geben will, deſſen ein Seder bevarf, der Anſprüche auf Sdulbildung macht. Wir haben gegen diefes Maß unter der Vorausfegung nichts Wefentliches einzuwenden, daß der Berf. gehobene Volksſchulen im Auge hat. Etwas Neues will er weder in Betreff des Inhaltes noch in Hinſicht auf die Methode geben, nur einzelne veraltete Irrthümer wegjchafs fen. Zu folden rechnet er beifpielsweife die Copula und den Conbitiona- 18. Der Inhalt iſt folgender: I. Lautlehre. II. Wort: und Wortformen: ihre. III. Saglehre (Rection.. IV. Sapzeihenlehbie Anhang: I. Sapausprudslehre. II. Auffatzlehre. Beiſpiele und Uebungsaufga: ben find den einzelnen Capiteln beigegeben.

Das Büchlein, welches vecht freundlich ausgeftattet ift, reiht ſich den befieren Sprachlehren biefer Art ebenbürtig an.

10. Der ſchriftliche Gedankenausdrud. Lehre and ucbung für Bür⸗

gerſhulen bearbeitet von B. Widmann. I. Heft. X und 67 Seiten in 8.

Ameites Heft. 106 S. Verlag von Merſeburger in Leipzig. Beide

Hefte zufammen 12 Sgr.

Der Verf. ſpricht fih dahin aus, daß man beim Sprachunterrichte bald analytifch, bald ſynthetiſch verfahren müfle, daß die Schule bei der Aualyfe jedoch immer von einem Heinen Ganzen auszugehen und die Sprach⸗ erjheinungen biesan zum Bewußtſein zu bringen habe, Er will nun die ſen analytijchen Unterriht an das Leſebuch antnüpfen, da aber gar vers ihiedene Lefebücher im Gebrauche find, fo bat er felbft Mufterftüdte zus. Behandlung ausgewählt.

Weiter geht des Verfafiers Anficht dahin, daß bie verſchiedenen Sprach⸗ formen nur einzeln, nah und nach vom Schüler aufgefaßt und erlannt werden können. Auf der unteren Lehrſtufe befchräntt ſich der Untere richt blos auf die mwefentlicfte Erläuterung und auf richtige Darſtellung des

9

132 Die neueſten Erſcheinungen auf dem

Geleſenen (Rechtſchreihung) vermittelft Abſchreibens und Wiedergebens aus dem Gedaͤchtniſſe. Erſt auf der mittleren Stufe (etwa mit dem 9. oder 10. Altersjahre) beginnt der eigentliche formelle Sprachunterricht. Doch iſt dieſer Unterricht anfangs wieder blos propädeutiſch, indem er das Formelle der Sprache nur in ſoweit berüdſichtigt, als es wieder zum Ver⸗ ftänpniß des Geleſenen und zur eigenen ſchriftlichen Darftelung dient. Die beiden. Hefte beginnen mit dieſer mittleren Stufe und vertbeilen das ganze Gebiet in folgender Weife: I. Kenntniß der Wort» und Saparten. U. Die Wortbiegung. IL, Die Wortfügung. IV. Das Gapgefüge. In der Orthographie hat der Berf. Dr. Klaunig’s3 belanntes Werl: hen zur Richtſchnur genommen, am Schlufie aud ein ziemlih ausreichen: des Mörterverzeihniß gegeben. Das Bud ift mit Fleiß und methodiſchem Gejhid ausgearbeitet und wird jebem Lehrer der deutſchen Sprache will tommene Uebungsftoffe liefern. Die meiften Mufterftüde find paſſend ge wählt und lönnen wegen ihrer Kürze auch den Schülern leicht dictirt werben.

11. Styliſtiſche und grammatifhe Aufgaben für die Kinder ber un teren Stufe der Mittelllaſſe. Bearbeitet von C. D. Weigeldt und 9. F. Richter, Bürgeriäulicheer zu Chemnig. Chemnitz, Verlag von ©. ode, 1865. 8. 56 ©. 24 Gr.

und:

Sammlung auegeführter Stylarbeiten nebſt einem Anhange gramma- tiſcher Aufgaben für Mittelllaſſen. Gin Huifsbuch für Lehrer bei Erthei⸗ lung bes ſtyliſtiſchen und fprachligen Unterrichts in Stadt⸗ und genden

len. Bearbeitet von den Obigen. Chemnitz, ode, 1865. 8. 130 ©. 10 Ser.

Die Berfaffer wollen die Stylarbeiten der Mittelllafien beichräntt willen : 1) auf Wiedererzaͤhlung kurzer Erzaͤhlungen,

2) auf Anfertigung einfacher Beſchreibungen,

3) auf Einlleivung von Erzählungen und Beichreibungen in Briefform, und endlich: 4) auf Anfertigung einer Briefe aus dem Kinderleben.

Darum liefert das zweite der oben genannten Büher Erzählungen (61), Beihreibungen (120) und Briefe (47), denen noh 20 Berglei: hungen beigefügt find, um auch denjenigen Lehrern zu genügen, welde derartige Bearbeitungen für Mittelllafien münden. Den Schluß bilden einige grammatische Aufgaben über die wichtigſten Rebetheile, ven Gab und die Wortbildung. Es ift diefe Sammlung eine Vorſchule over L Abthei⸗ lung der im vorigen Jahrgange (S. 142) angezeigten und empfohlenen „Stolaxbeiten für Mittelllafien‘ von Aler. Junghänel und 3. G. Scherz.

Die gegebenen Erzählungen find mit durch gejperrten Drud marlirten Mertmörtern verfeben. Dieje DMertwörter ſoll der Lehrer bei Be ſprechung der Erzählung an die Wandtafel anfchreiben und nad ihnen vie Erzaͤhlung erft muͤndlich, dann fchriftlich wiedergeben laflen.

4

Gebiete des deutſchen Sprachunterrichts, 133

Das erftere der beiven Bücher ift ein Aufgabenbuch für bie Sand ber Kinder und nad obigen Grundſätzen eingerichtet. Bei den darin vorkom⸗ menden Beichreibungen find keine Merlwörter, ſondern hinleitende Fragen angegeben. Die folgenden Beifpiele werden unjern Lejern das Berfahren Har machen.

L Mit Merkwörtern.

Der treue Hund.

Dieb Haus, ſtehlen. Hund Wurſt nicht bel⸗ len —. erkannte Abſicht ſprach: mich beſchenkt, nicht bellen damit du ungehindert ſtehlen achte Geſchenl nicht! fing an bellen, Herr erwachte. Dieb ſprang Fenſter —, ohne entwenden —.

Mer nicht hören will, muß fühlen,

Bwet Knaben, Garten, Bienenhaus —. rief. Gärts ner —: nicht nahe! Bienen ſtechen! Auguſt geborchte. Karl —: nie geſtochen! näherte —. Schritte gethan, Stich, ſchmerzte. Geſchrei Gärtner herbei —: Siehe, nicht bören fühlen !

Der Fuchs und der Rabe.

Nabe Kife Baum, verzehren. Fuchs, ſchlich ſprach: Nabe, ſchöner Vogel! Gefieder Federn Adlers. Etimme ſchön, fhönfte Bogel —. Rabe, figelte, freien, öffnete, entfiel --—. Fuchs ſprang —, ſchnappte —, vers ſchlang late aus.

I. Mit Fragen. Die Milch.

1. Bas ift die Milch? 2. Wie ift ihr Gefhmad? 3. Mas bildet ſich auf der Mil, wenn fie einige Zeit ruhig in Aeichen ftehen bleibt 2 4. Wie nennt man dieje Dede ? 5. Womit wird der Rahm abgenommen ? 6. Wozu benugt man denfelben ? 7. Wie heißt bie übrigbleibenve Starlet 8. Was macht man aus ihr?

Das Kochſalz.

1. Bas if das Salz? 2. Woraus gewinnt man bafielbe? 3. Mas erbalten viele Speifen durch Beimifhung des Salzes und wie werden fie dadurch? 4. Wovor werben viele Speifen (nenne einige) dur Einſalzen geſchutzt? 5. Kür welche Thiere ift das Salz unentbehrlih *_ 6. Welde Farbe hat das Koch⸗ und welche das Viehſalz?

134 Die neueften Erjcheinungen auf dem

Das Mefler.

1. Was ift das Mefler ? 2. Bon wem wird das Meffer verfertigt ? 8. Woraus beftebt dafielbe? 4. Aus welchen Stoffen tft vie Klinge und das Heft gemaht? 5. Wozu braudt man das Mefler? 6. Wie muß es daher aud fein? 7. Nenne einige Arten von Mefiern.

Die Arbeit der Verfafler ift im Ganzen brauchbar, feßt jedoch voraus, daß der Lehrer Geift und Leben vor Mechanismus und Langweiligleit zu bewahren wiſſe.

12. Dr. Mar Müller's Bau-wau-Theorie und ber Urfprung ber Eprade. Ein Wort zur Derfländigung an ben SBerausgeber ber „Bor- Icfungen über bie Wifſenſchaft ber Sprade.” Bon Dr. Ehriſtopb Sottl.

Voißtmann, Brofeffor im Coburg. Leipzig, Berlag von Bernhard Schlicke, 1865. 8. VIII n. 173 ©. 1} Thlr.

Das Bud des Dr. Müller wurde in vorvorigem Jahrgange eingehend befproden und dürfen wir daher unfere Lefer zunächſt auf diefe Beſprechung verweijen.

Die Frage nach dem Urſprunge der Sprache iſt alt und ſchon oft an⸗ geregt; Herder bat in neuerer Zeit das Intereſſe für deren Loͤſung wieder aufgefriſcht. Zwei Theorien find zur Löfung dieſes Problems haupt⸗ jählih aufgeftellt und erörtert worden, welhe Müller der Kürze wegen bie Bau⸗w wau (Nahahmung des Hundegebelld) und Bah:pah (Interjection) Theorie nennt.

Der eriten zufolge find bie Wurzeln der Sprache Nahahmungen von Lauten, der zweiten zufolge find fie unwilllürliche Interjectionen. Die erfte Theorie war bei den Philoſophen des achtzehnten Jahrhunderts ſehr popu= lär. Es wird demnach angenommen, daß ber noch ſtumme Menſch auf die Stimmen der Vögel, Hunde, Kühe, den Donner des Gemitterd, das Braus fen des Meeres, das Säufeln des Laubes ıc. gehorcht und dann verfucht babe, diefe Töne nahzuahmen. Indem er dann feine den Naturtönen nad: gebildeten Laute für die Bezeihnung der Gegenftände, von welchen jene Zöne audgingen, braudbar fand, verfolgte er biefen Gedanken weiter und arbeitete fih die Sprache aus. .

Es wird nun in der vorliegenden interefianten Schrift gezeigt, „daß bie Tonnahahmung fogenannte Onomatopoieia als Bau⸗wau⸗Theo⸗ rie, d. 5. fo allgemein gefaßt, mie Prof. M. Müller e8 thut, zur Erflä- rung des Urjprunges der Sprache allerdings zwar völlig unzureichend if, daß aber mit M. Müller die Tonnachahmung bei der Frage nad dem Ur: fprunge der Sprache für die Löjung bderfelben für überflüffig zu halten, oder ganz zu verwerfen, viel zu weit gehen, und das Rind mit dem Babe ausfhütten beißt. Es wird vielmehr bewiefen, daß beftimmte Natur: laute neben beftimmten Naturgefegen die einsigen äußeren Factoren find, die für den Urfprung der Spradhe in Betracht kommen und das dunkle Raͤthſel Iöfen können.

Es kann nicht Aufgabe des Jahresberichts fein, auf die erwähnte Trage jelbft einzugehen oder dem gelehrten Verfaſſer der vorliegenden Schrift in

Gebiete des deutſchen Sprachunterrichts. 135

feinen Beweifen und Deductionen zu folgen. Unſere Leſer wiflen nun, was fie von Hm. Boigtmann’s Arbeit zu erwarten haben, und wer ſich für ders artige Speculationen intereffirt, möge ſich das gut ausgeftattete Buch kau⸗ fen. Wenn er nad) deſſen Lectüre auch in der Hauptfache keineswegs alle Zweifel und Dunkelheiten gelöft fieht, fo wird es ihn doch jedenfalls in wiſſenſchaftlicher Beziehung fördern und ihm namentlih in etymologijcher Hinfiht und in Betreff der Verwandtſchaft der Spraden mande ebenfo Ihäsbare als belehrende Aufichlüfie geben.

13. Das Wefen ber Lautfhrift. Zur Begrüßung ber 15. allgemeinen deutfchen Lehrerverfammlung zu Leipzig von Dr. K. Ganis, Oberlehrer au

der Realſchule in Leipzig: Weimar, Berlag von H. Böhlau, 1865. gr. 8.

46. 8 Sgr.

Der Verf. will durch feinen anziehenden Vortrag dazu mithelfen, daß bie allgemeinen Grundſätze für die Verbeſſerung unferer Orthographie ges prüft und feitgeftellt werden. Ein Grunpfaß, der phyſiologiſch-pho—⸗ netiſche, ift es deshalb, den er in feinen GConfequenzen zur Grörterung bringt, weil diejer ihm ver erfte und michtigfte zu fein fcheint und außer- bem eine zufammenbängende Erwägung noch nicht gefunden hat.

„Jeder Glementarlehrer, jagt er S. 35, der bei den Anfangsgründen des Lejens und Schreibens auf die Laute zurüdgebt, weiß ed, wie fehr durch jede Incongruenz zwiſchen Laut und Schrift feine Thätigleit. erſchwert wird, und die Berfuche, die Schreibweife der Deutſchen zu verbeflern, ha⸗ ben darum bei den Volksſchullehrern fo viel Intereſſe gefunden, weil Alle aus Erfahrung willen, daß hauptſächlich die Inconſequenz der Schrift und das Mißverhaͤltniß zwiſchen Laut und Schrift die Schuld davon tragen, daß der größte Theil der Zeit des Unterrichts in der deutſchen Sprade mit orthographiichen Dingen zugebracht werben muß.”

Wir werden ſchon durch diefe treffende Bemerkung auf das Ideal der

Rechtſchreibung, welches dem Verf. vorfchwebt, hingewiefen. Gr jagt bar: über: „‚Diejenige Schreibung ift Nechtfchreibung, welche die Aufgabe ber Särift überhaupt erfüllt, welche die Laute des Wortes nah Qualität und Quantität genau wieder gibt, oder melde reine Lautſchrift ifl. Jede andere Aufgabe, die man der Schrift ſonſt ftellen und wonad man den Begriff der Rechtſchreibung beftimmen mag, ift ihr fremd. Alle biftorifchen, grammatifchen, logiſchen Principien, durch die man die Schreibung zu be: ſtimmen verſucht, haben nicht? mit dem Weſen und der Aufgabe der Schrift zu thun, find ihe völlig fremdartige Dinge. Wir willen wohl, daß dieſer Begriff der Orthographie ein Ideal iſt, ein Seal, dad Jedem, der bie Sprache eines Volles zuerit in Schrüftzeihen zu faſſen verſucht, vorjchwebt, ein deal, das, da jede lebende Sprache im ewigen Flufle der Veränderung fi befindet, nimmer erreicht werden kann, das aber demungeacdtet, wenn die Schrift nicht "zur Hieroglyphe werden foll, fortwährend angeftrebt mer: den muß. Jede Schreibung ift nur infofern Rechtſchreibung, als fie dieſem Ideale ˖ ſich nähert ; jede Verbeſſerung der Rechtichreibung muß dieſes Ideal zu verwirklichen ſuchen.“

Unſere Leſer werden hieraus entnehmen, was ſie im Weſentlichen von dem Vortrage des Hrn. Verfaſſers zu erwarten haben. Cr bietet eine Fuͤlle

136 ‚Die neueſten Erſcheinungen auf bem

von ebenfo geiftreihen als treffenden Anfihten und Reflerionen und wird jeden bentenden Lehrer vom Anfange bis zum Ende gleichmäßig fefleln. Im ‚engen Rahmen find bier die Mejultate gründlicher Forſchungen und ernften Nachdenlens zufammengedbrängt. Als näherer Beleg hierzu möge noch die fpeciele Jubaltsanzeige folgen:

1. Lautſprache und Arten der Schrift. 2. Aufgabe der Lautſchrift im Allgemeinen. 3. Qualität des Lautes. 4. Duantität des Lauted. 5. Ber: änderung der Qualität des Lautes durch feine Ouantität. 6. Wirkung der Quantität der Vocale auf die der Confonanten. 7. Schriftlihe Bezeich⸗ mung ber Qualität des Lautes. 8. Schriftliche Bezeihnung der Duantität des Laute. 9. Werth der Lautfhrift. 10. Allgemeinheit der Lautfchrift. 11. Begriff und Ideal der Orthographie.

14. Regeln für bie beutfhe Orthographie und Interpunktion, ausgearbeitet im Auftrage des pädagogiſchen Vereins hierſelbſt. Bromberg, 1865, Berlag der M. Aronſohn'ſchen Buchhandlung. ML. 8. 20. 2 Gyr

Der pädagogifche Verein in Bromberg hat eine Commiſſion erwählt, weldye ein kurzes Regelbuch für die Ortbograpbie und Interpunktion ent⸗ werfen folltee Das Refultat der Arbeit ift vorliegendes Heften, an mel: ches die Hoffnung gelnüpft wird, daß es einen Heinen Beitrag zur Gleich: foͤrmigkeit in der deutſchen Rechtfchreibung liefere.

Das Unternehmen war jedenfalls ein nüßlihes und nachahmenswer⸗ thes; die Ausführung felbft befchräntt fih zwar nuf auf dus Nöthiofte, wird aber immerhin dem wichtigen Zwede foͤrderlich fein.

15. Die Formenlehre der neuhbochdeutſchen Schriftſprache. Bon Dr. Zheodor Klotzſch. Leipzig und Heidelberg , Berlag der Winter’fchen Buchhandlung, 1865. gr. 8. XIV und 143 ©. 20 Sgr.

Der Berf. jagt in der Vorrede felbft, daß er weit davon entfernt fei, ben Lehrern etwas Neues bieten zu wollen, und daß fein Werlchen nur den Bmed habe, das aus dem unermeßlichen Schatze unferer gegenwärtigen Sprache mit Fleiß und Sorgfalt zu fammeln, was dazu dienen kann, das Verſtändniß der Formen und die Weberfiht über die Geftaltung unjerer neuhochdeutſchen Schriftiprache zu erleihtern. Das Bud verfolgt biernady zunächſt den doppelten Zweck, Denen, weldye deutfhe Sprache zu lehren haben, ein praktisches Handbuch zu fein, und Denen, welche die deutjche Sprade lernen mollen, als ein überfichtlihes Hülfsbuch zu dienen.

Wir können diefem nur hinzufügen, daß der Verf. feinen Zwed mit Sadlenntniß und guter, das praftiihe Moment berüdfichtigender Auswahl verfolgt und ein brauchbares Buch geliefert hat. Nur ftellen wir anbeim, ob es nicht zwedmäßig geweſen wäre, auch Einiges aus der Satzlehre und Wortfolge im BZufammenhange zu geben. Ausländern, auf melde ja aud gerechnet wurde, dürfte damit gedient fein.

Die Ausftattung ift ſehr gut.

16. Dentſches Sprachbuch für die erfle Klaffe der Secundarſchulen auf Grundlage des neuen zürcheriſchen Lehrplans bearbeitet von U. Wieſendan⸗

ger. Zürich, Drud und Berlag von Friedr. Schultheß, 1864. 218 ‚in 8 13 Sgr.

Gebiete des deutſchen Sprachunterrichts. 137

Deutides Sprachbuch für Die zweite ‚Rtafie ber Secundarſqhulen, von demſelben Verf. 1865. 316 ©. 15 Sgr

Das vorliegende Buch fol ein Seprmittel jein, welches den gefamm- ten Unterrichtsftoff für die deutſche Sprade in ſachgemäßer Gliederung ent- hält. Ein bloßes Leſebuch, das nicht NRüdfiht nimmt auf die fchriftlichen Arbeiten der Schüler Tann bei aller fonftigen Vortrefflichleit nie dem Schul⸗ bevürfnifje ganz entfprehen. Die vorliegende Arbeit enthält demnad einen Berfuh, die Schullectüre mit den fchriftlichen Arbeiten der Schüler in’ ven naturgemäßen Zuſammenhang zu bringen.

Die beiden Theile des Buches enthalten nun eine große Anzahl fin fenmäßig georbneter Lefeitüde in Proja und in poetiiher Form, an welche fh mehrfach Aufgaben für den ſchriftlichen Gedankenausdruck anreihen. Auch einzelne Entwürfe zu Auflägen find gegeben. Den Schluß eines jeden Iheiles bildet die Grammatil, das beißt, eine Auswahl und Zufams menſtellung deſſen, was für jede Klafle angemefien erfcheint. Die deutſche Grammatik ift hierbei auch mit der franzöfifchen in vergleichende Beziehung gebracht. Kür Secundarfchulen, melde belanntlih über das Ziel ver Ele mentarfchule hinausgehen, wird das Werl ein geeignetes Hülfsmittel beim Unterrihte fein und mande recht gute Aufgaben bieten.

17. Praktiſche deutſche Sprachlehre für Volksſchulen von H. Wegener, Lehrer in Gr. Lobke. Hildesheim, 1865, Verlag der Fincke ſchen Buchhand⸗ lung. 8. VIII und 85 ©. 14 Sgr.

Der Verf. jagt in dem Vorworte: Die Sprache erlernt ſich keines⸗ wegs blos durch die Grammatik; jedoch ohne diefe geht's auch nicht. Meiner Meinung nah ift ein Dreifaches nöthig: Grammatit, münblide und ſchriftliche Uebung, und Leſen guter Stüde, natürlih im Geſichtskreiſe der Boltsfhule. Deshalb babe ich neben den DBeifpielen viele Aufgaben gegeben und ab und an Lefeftüde hinzugefügt. So belommt ber Unterricht Leben !

Weſentliche Dienfte haben bei Abfafiung des Büchleins geleiftet: ber praftiihe Lehrgang von Kellner und die beutihen Spradlehren von Jahns und Wanzenrind.

Im Uebrigen fönnen wir au in Betreff diefes Schriftchens nur das iwieberbolen, was wir am Schluſſe der Anzeige des Leitfadens von Ad, Brintlmann fagten.

18. Leitfaden für ben Unterricht in der beutfhen Sprade. Zum Gebraud (e) für Schüler vom achten Sabre an bearbeitet von Ad. Brink⸗ many, Collaborator am Progymmafium zu Leer. Leer, Berlag von C. Meyer.

. VII und 119 ©. 7 Ser.

Der Verf. will, daß der Lehrer den Dialect, die provinziellen Eigen» tbümlichleiten der Sprache ald den Standpunkt anjehe, von wo aus er bie Schüler in das große Gebiet ver Mutterſprache einzuführen bat. Je mehr es ihm gelingt, behauptet ex weiter, den Schüler. zum vollen Verſtaͤndniß der Sprache zu bringen, die er täglich hört und ſpricht, um fo ficherer wird er ihn auch die deutſche Literatur (?) verftehen und demnächft felber deutſch jchreiben lehren.

138 Die neueften Erfcheinungen auf dem

Zunähft if das Bud für Progyumnafien beftimmt, der Verf. wünſcht aber auch veflen Eingang in die Volksſchulen. Das Ganze zerfällt in 3 Hauptabtheilungen, deren erfte Borübungen namentli unter Berüdfich⸗ tigung der Orthographie bietet. Der zweite, gleich dem erflen auf ein Jahr berechnete Theil umfaßt die Wortlehre; der dritte Abſchnitt enthält das Weſentliche aus der Satzlehre. Dringend empfiehlt der Verfafier überall fhriftlihe Uebungen ; Kreide und Schwamm, Griffel und Schiefertafel follen nicht viel ruben.

Denn der Verf. den Dialect als den Standpunkt angejeben wiſſen will, von dem der Unterriht ausgeben fol, fo würben ſich unfere Leſer doch irren, wenn fie.eine methodiſche Anweifung biezu oder Proben von Dialecten in dem Buche fuchhten. Außer der plattdeutichen Ueberſchrift eiwer und wenig pafiend erfdheinenden Mordgeſchichte (die quaade Foelle) haben wir nichts Dialectifches finden können.

Im Uebrigen ift das Buch eine von den Gridheinungen, wie fie uns jedes Jahr bringt ; bald mit dieſen, bald mit jenen größeren oder gerin- geren Movificationen. Es ift brauchbar in der Sand eines tüchtigen Leh⸗ rers, der als Lebensweder au dem Abftracten oder Mechaniſchen anſchau⸗ lihe Friſche und Geift zu geben verſteht.

19. Aufgaben zur Uebung im münbliden und [hriftlihen Sprad» ausdrud(e) in ben mittleren Klaflen ber Vollsſchule. Kür die Hand bes Schülers eingerichtet. Mit einer Anleitung für den Lehrer. Heraus⸗ gegeben von J. M. Caminada, Lehrer der Mufterihule in Chur. Mit einem Borworte von (m), Seminarbirector F. Zuberbüßler. Chur, 1865, Drud und Berlag von 8. Hit. 56 und 100 Seiten. reis ber Aufgaben für Schüler. 4 Ger.

Neferent macht vor der Beiprehung dieſes Schrifthens zunaͤchſt dar anf aufmerliam, daß es der Uebung im mündliden und fchriftlichen Sprahausprude gewidmet if, aljo den grammatischen Unterricht ausſchließt.

Der Berf. will den Sprachunterricht nicht vom Lefeunterrichte trennen. Er erwähnt daher zunädjit die Abjhreibeübungen und legt biefen wohl in Betreff des Rechtſchreibens, nicht aber in Hinfiht auf Sprachver⸗ fländniß Werth bei. Gr will das Abfchreiben daher auch auf bie unteren Klaſ⸗ ſen beihräntt willen. Veſſeren formalen Gewinn verſpricht ſich der Berf. vom Nachſchreiben, weldes die Stufe der Nachbildung vepräfentirt, doch aber für höhere Zwede nicht hinreiht. Hr. Caminada kann daher mit diefen an's Leſebuch anzulnüpfenden Mebungen um fo weniger zufrieden fein, als er eine Hauptbebingung für das Gedeihen des Unterrichts in ber Mannigfaltigleit erblidt. Diefe Mannigfaltigleit befteht nun nad der Anleitung des Hm. Caminada in folgenden Uebungen :

I. Stufe. Uebungen in Beränderungen der Form. Seine Er zäblungen in einfahen Sägen bilden den Stoff. II. Stufe Verän⸗ Berungen der Form mit Anwendung von zujammengefebten Sähen. IH. Stufe. Auffindung des Planes von einem gegebenen Stüde. IV. Stufe. Anordnung von ungeorbnetem Stoff nad einen ge gebenen Plane. V. Stufe Entwerfung von Aufjägen nad "gegebenem

Gebiete des beutjchen Sprachunterrichts. 139

Plane. VI. Stufe. Gebichte, deren Inhalt in die profaifche Form über: tragen werben joll.

Der Berf. hat über jede dieſer einzelnen Stufen methodiſche Winte gegeben, die manches Treffende und Gute bieten.

Wenn auch die oben bezeichneten Uebungen das betreffende Feld kei⸗ neswegs erjhöpfen oder ganz neu find, vielmehr bereits in manden Lehr: gängen zur Anwendung kamen, fo ftimmen mir im: Wefentlihen doch dem Borworte des Directors Zuberbühler bei, welcher fie für vorzüglich geeignet erllärt, die Sprachkraft zu ſchärſen, das Denken zu üben und den Ausdruck freier zu geftalten, "

20. Stoffe zu deutſchen Stylübungen. Eine Sammlung von Mufter- an ‚Entwärfen und Aufgaben für die Oberklaſſen höherer Schulen von . Möbus. Berliu, 1865, bei R. Gärtner (Amelang). VIII u. 280 @.

in 8. gebeftet. r Thlr.

Der Berf. erfennt in der Vorrede felbit an, daß an Schriften, wie die vorliegende, fein Mangel, meint aber, daß die vorhandenen entweder an Ginfeitigleit leiden, indem fie gewiſſe Hauptgattungen des Style umbeadhtet laflen und fich vorzugsweije auf dem Gebiete des Berftandes bewegen, fel: tener aus dem nicht minder reichen Quell des Gefühls⸗ und Willenlebeng jhöpfen, oder daß fie bei fonftiger Mannigfaltigleit eine zu geringe Aus: wahl bieten, anderer Schattenfeiten nicht zu gedenken.

Unferes Bedunkens will dieſe Entſchuldigung nicht viel jagen, ja fie Scheint, infofern fie auch zugleih Beſchuldigung ift, den Schriften gegenüber, welche der Berf. benutzt bat, ſogar wenig oder auch gar nicht gerechtfertigt. Sie ift eben nur ein Gemeinplap.

Aber e3 bedarf auch einer ſolchen Entſchuldigung gar nit. Iſt das Buch gut, fo wird es neben den bereitö vorhandenen ähnlichen Schriften Ihon Anerlennung und Wege finden. Das Bedürfniß auf dem Felde des ſchriftlichen Gedanlenauspruds ift jo groß, mannigfah und vielfeitig, daß neue Schriften immerhin willlommen find, wenn aud feine derfelben allen Berhältnifien genügen kann.

Das Buch des Hrn. Möhus ift gut, und fomit berechtigt. Es ent halt zunaͤchſt 94 Erzaͤhlungen, Beichreibungen, Schilderungen und Charak⸗ teriftilen,, meiftens aus muftergiltigen Schrüfftelleen entnommen. Hierauf folgen 40 Betrachtungen, Gntwidelungen und Abhandlungen, gleichfalls aus Mufterjhriftftellern entnommen. Daran reiben fih 115 Gebantenfloffe und Dispofitionen, meiftend aus den Schriften von oft, Bed, Cholevius, Viehoff, Herzog, Kellner u. A. entlehnt. Den Schluß des Ganzen bilden über 200 Aufgaben ohne weitere Ausführungen oder Grläuterungen.

Als den beften und praktiſch braukhbarfien Theil des Buches möchten wir die Gedankenftoffe und Dispofitionen anſehen; bier ſcheint auch die Auswahl der Themata durchweg am gelungenften. Dagegen finden fi unter ben voraudgehenden Mufterflüden doch einzelne, die wir mit Inhalts» reiheren, gebiegeneren und lernigeren Stüden vertaufcht ſehen möchten, jo 3.3. Rr. 15 6. 21 (Großartige Empfangsfeierlihleiten), Nr. 83 ©. 120,

140 Die neueſten Erſcheinungen auf bem

Ne. 90 Seite 129. Die empfindfame Raturbetradhtung könnte auch weniger vertreten fein! Die Ausflattung des Buches ift gut.

21. Anleitung zum Unterridte im beutfhen Styl für Vollsfhulen und Kortbildungsflafien. Auf Grund ber reprobucirenden, collectiven unb probueirenden Thätigleit. Bon Dr. &. F. Lauckhard, Großherzoglich Säch⸗ ſiſchem Oberſchulrath. Weimar, Verlag von H. Böhlen, 1864. 8. VI und 186 Seiten, 18 Sgr.

Das Boah zerfällt in einen allgemeinen, mehr tbeoretifivenden und einen befonderen, vorwiegend praltifhen Theil. Der erftere gebt bis Seite 82 und nimmt demnach faft die Hälfte des Ganzen ein. Der zweite Theil gibt Aufgaben für die Elementar⸗, Mittels, Ober: und Yort: bildungsllafle.e Aus diefer Delonomie des Buches läßt fi ſchon entnehmen, dab es Fein Aufgaben: Magazin ift, und daß fi bieienigen Lehrer taͤuſchen würden, welde ein folches erwarten. Der Accent liegt wefentlid auf der Methope.

Mie gewöhnlich, redhtfertiget der Verf. auch die Herausgabe feiner An: leitung mit der Behauptung, daß der Unterricht im ſchriftlichen Gebanlenaus- drude mit den übrigen Lehrgegenftänden der Volksſchule nicht gleichen Schritt gehalten, d. b. noch nicht das Erforderliche geleiftet habe, und daß die Ur⸗ fache biervon entweder in der Methode felbft, oder doch in deren falfcher Anwendung zu fuchen ſei. Vorerſt weilt er darauf hin, daß man gar oft das Lehrobject nicht rihtig auffafle und die Aufgaben namentlich) nicht von denen für böbere Bildungsanftalten unterfhieve. Hiernach fordert er, daß man jeden Aufſatz vor allen Dingen als ein Ganzes auffafie und die Schüler an diefe Auffafiung gewöhne. Namentlich gilt ihm die Er⸗ Ienntniß und Auffafiung des Hauptſatzes oder Hauptinhaltes einer jeden Arbeit für durchaus nothwendig, indem fie fidher zurecht führt und bei einiger Uebung Luft und Liebe zur Ausarbeitung ſchafft.

In Betreff des Lehrverfahrens unterfcheidet der Verf. drei Arten von Uebungen, nämlih reprodbucirende, producirende und collective. Die erftere bat den Zweck, einen vorhandenen. Stoff, ein Leſeſtück, wenn es nad feinem Inhalte oder Zuſammenhange aufgefaßt ift, in kürzerer oder ausführlicherer Form fchriftlich darzuftellen, die legtere, über ein gegebenes Thema eine fchriftliche Ausarbeitung, einen Auffag zu maden. Bei beiven Arten der Thätigkeit des Schülers ift die Feftitellung des Hauptgedantens oder Hauptinhaltes vor der Ausarbeitung ein weſentliches Exrforderniß. Der Berf. ſchaͤrft hieneben ein, daß das Reproduciren ein münbliches und ein fchriftliches fein Kann und fol, und daß man das erftere viel öfters benugen müfle, als gewoͤhnlich geſchieht.

Die producirende Thatigkeit bat das Eigenthümliche, daß bie eins fhlagenden Borftellungen, Begriffe und Gedanken nicht gegeben, ſondern vie Dinge und Berhältniffe nur genannt find, das Thema allein gegeben ft. Die Gedanken müfjen gefunden und in Zuſammenhang gebracht, da⸗ neben aber aud fürs Intereſſe am Gegenftande geforgt werden.

Da jeboh dem jo wichtigen Lehrgegenftande mancherlei Hindernifle entgegen treten, welde theils im Schüler, theild im Lehrer und in fonftigen

Gebiete des deutſchen Sprachunterrichts. 141

bemmenden Berhältnifien liegen, fo glaubt der Verf. nody ein Lehrverfahren in Vorſchlag bringen zu müflen, welches zwijchen ben beiden erwähnten mitten inne fiebt und als vermittelnder Uebergang zwifchen beiden betrach⸗ tet werden Tann. Er bat diefe Betreibungsart die collective Thaͤtigkeit genannt, weil nach derfelben durch die vereinten Kräfte aller Schüler und des Lehrers die Aufgabe gelöft wird und die Arbeit als Product vereint wirlender Kräfte zu. Stande kommt. Das Wefentliche des Verfahrens bes fteht darin, daß der Lehrer die aufgegebene Arbeit in der Schule unter der Beihilfe Aller zu Stande kommen läßt. Hieran fchließen ſich noch einige praltiihe Bemerlungen, namentlich aud über die Correctur der fchriftlihen Arbeiten. Der Berf. empfiehlt wechſelſeitige Gorrectur dur die Schüler, welder eine Selbftcorrectur vorausgehen und dem Einzelnen dadurch erleichtert werden foll, daß einige der muthmaßlich befleren oder mittleren und ſchlechteren Auffäge laut vorgelefen und befprocdhen werben.

Mir haben im Obigen den Gang und die Anfihten des Herrn Berf. zumeift mit deflen eigenen Worten wiedergegeben und fomit den Lefer in den Stand geſetzt, felbft zu urtbeilen. Uns will es fcheinen, als ob der theoretifche Theil zu Gunften des praltiihen hätte kürzer gefaßt werben lönnen, und daß hierdurch die Deutlichleit nicht gelitten haben würde. Was die drei Stufen anlangt, fo würden wir die collective als eine durchaus nothwendige betradhten, dagegen die producirende hauptfſaͤchlich nur auf die DOberllafien befchränten. Es will uns aud feinen, als wenn die Unterfheidung der einzelnen Stufen nicht ganz fireng und klar bezeichnet‘ und durchgeführt worven fei. Die Aufgaben des praftifchen Theiles lehnen fih zumeift an das im Großherzogthume eingeführte Leſebuch an und find gut gewählt, wie denn überhaupt die ganze Schrift des Herrn Verf. anregt und belebrt.

22. Die Grammatil in ber Boltsfhule Bon. J. Haug, Seminar- Oberlehrer in Gmünd, und F. 3. Hoos, Schullehrer in Hobenberg. Ravensburg, Beriog ber Dormihen Buchhandlung, 1865. gr. 8. IV. und 74 Seiten. 12 Sgr.

Das Schriften zerfällt in 2 Abtheilungen, deren erfte fi über vie leitenden Grundfäge und die Sichtung des Stoffes ausspriht, deren zweite die Perarbeitung des Stoffes und die Vertheilung veflelben auf drei Mafien bietet. Der zweite Abjchnitt wurde vom Lehrer Hoos, ber erfie vom Oberlehrer Haug bearbeitet.

„Man tft jest faſt allgemein der Anfiht, heißt es im eriten heile, daß in ver Volksſchule der Sprachunterricht von dem Sachunterricht nicht zu trennen iſt; daß die Volksſchüler durd den Gebraud der lebendigen Sprache felbit, alfo durch Uebung im münblihen Unterricht, am Leſebuch, bei ihren Auffchreibungen zu befähigen find, ein fchlichtes Hochdeutſch zu verftehen, und fib darin mündlich und ſchriftlich einfach und correct auszus drüden.”

Die Spradlehre fol demnach nicht Selbitzwed fein, fondern rein praktiſchen Bmweden dienen, und es fragt ſich demnädft, welde Regeln und befonderen Belehbrungen aus der Grammatik in er Volksſchule nicht zu entbebren find?!

142 Die neuelten Erjcheinungen auf bem

Der Verj. weit vorerfi darauf bin, daß bie preußiſchen Regulative leine theoretische Kenntniß der Grammatik von den Kindern fordern, daß Sem.Director Bod und Paſtor Bölter, ebenfo wie Bumüller und Shufter das grammatiihe Material möglichft (auf ein Minimum) bes ſchraͤnken, daß jedoch andere Methodiler, . B. Ohler, der alten theore⸗ tiſchen Grammatik die Schulthüre weiſen, diefelbe aber in ihren fpeciellen Lehrgängen wie zu einer Hinterthür wieder bereinlaffen.

" Die Frage: Was foll aus der deutſchen Grammatik in der Bollsfhule gelehrt werden? ift nah der Verf. Meinung bier: nah nod eine ofjene und deren Beantwortung Zwed der Schrift.

Ehe die Antwort verjuht wird, bemertt Herr Haug, dab er als Se minarlehrer noch keine Gelegenheit gehabt babe, Kinder zu unterrichten, ein Geſtaͤndniß, was allerdings ſehr auffallend Eingt und bejondere eigene Erfahrungen nit vermutbhen läßt. Doch führt Herr Haug als ſolche an, dag er vielen Schulprüfungen beigewohnt, durch dieſe jedoch nicht die Ueber: zeugung babe gewinnen können, daß das vorgenommene Grammatilalische ziemlih mehr ale Gedaͤchtnißwerk fi. Man mag dies gugeben, zugleich aber auch entgegnen, daß fich diefelbe Erjcheinung auch bei anderen Unter⸗ rihtögegenftänden finden fünne, und daß hiernach vorerft zu ermitteln ſei, in wie weit Trägheit oder Ungeſchick des Lehrers dabei mitwirfen. benfo mödhte man den Vorwurf, daß viele Methobiler theoretiih Einſchraͤnkung der Grammatik predigen und praltiich wieder ihre Predigt vergellen, bamit entihuldigen können, daß die Schulen gar mannigfaltig in ihrer Einrichtung und ihren Bedürfnifien find, weshalb das Streben Allen zu genügen, leicht eine Stofffülle beranlaßt, die unter gewiflen Berhältnifien geradezu ſchädlich wirt. Dem jei aber, wie ihm wolle, immerhin ift es ebenjo wichtig, als nüßlih, jene Frage gründlich zu erörtern. Die Verfaſſer haben gu diejem Zwede wejentlih den „negativen Weg eingefhlagen, indem zunädhft feftgeftellt wird, was von der Grammatit nit in die Volksſchule gehört, alfo ausgeſchieden werden muß. Ob es hierbei nicht befier gewejen wäre, diefe Ausſcheidung mit fpecieller Beſchraͤnkung auf die Landſchule vor: zunehmen, jtellen wir anheim. Uns möchte dieſe Beſchraͤnkung um fo ge rechtfertigter erjcheinen, als, wie ſchon angedeutet, die Vollksſchulen nad Dertlichleit und Ausdehnung fehr verfchieden find und demnach auch ver: fchiedene Bedürfnifie haben. Cine 3Haffige Elementarſchule in einer etwa noch gewerbfleißigen Stadt, aus der die Knaben mohl gar in eine höbere Unterrihtsanftalt übertreten, mag immer noch Volksſchule bleiben; aber fe wird im wiſſenſchaftlichen Unterrichte doch entſchieden höher gueifen müflen, als die einklaſſige Landſchule. Referent ijt in feiner Volks⸗ ſchulkunde (5. Aufl.) bemüht gewefen, dieſen Verhältnifien und Abftufungen auch im Sprachlichen Rechnung zu tragen.

Wir nehmen indeflen an, daß Herr Haug vorzugsweiſe Landſchulen im Auge hat und billigen daher auch die beim Ausſcheide-Prozeß beftimmende Frage: „Fordert das Sprachverſtändniß oder der mündlide „und namentlih fohriftlide Ausprud dieſe oder jene „grammatilalifde Belebrung unumgänglich?“

Herr Haug folgt nun bei feinen ferneren Augeinanderjegungen dem

Gebiete des deutſchen Sprachunterrichts. 143

Gange der gewöhnlichen Sprachlehren, und wir können ihm bei jeinem AusiheivesProzefie im Ganzen genommen mit Zuftimmung folgen, natürlidy unter der erwähnten Borausjegung, daß er einfache Landſchulen im Auge hatte. Obgleih wir uns überzeugt haben, daß Ainaben von 13 bis 14 Jahren unter der Leitung eines tüchtigen Lehrers ſelbſt ſehr ſchwierige Satz⸗ gänge mit Sicherheit und vollem Verſtändniſſe zergliederten und durch ſolche Uebungen ofienbar an Denb und Sprachfertigleit gewonnen hatten; jo find wir body mit den vom Derf. angegebenen desfallfigen Beichränlungen im Mefentlihen einverftanden. Nur möchten wir darauf kein fo befonveres Gewicht legen, daß in Betreff der Saplategorien oft Verſchiedenheit der Anſichten herrſcht. Das sub judice lis est, gilt in gar vielen Rapiteln der Spradlehre 3. B. auch in der Orthographie. Oft lünnen beide Streitende Recht haben, und immerhin werben dur die Erwägung Denkt: und Sprachfertigkeit gefördert.

Wie die I. Abtbeilung des Büchleins unfer Intereſſe erregt und im Ganzen unfere Zuftimmung erworben bat, jo auch die zweite, praftiihe Abs theikng. Wir haben das empfehlenswerthe, gut ausgeftattete Schriftchen mit jener Befriedigung aus der Hand gelegt, die man nad einer Unter: baltung mit denkenden praftiihen Männern zu empfinden pflegt.

23. Aufgabenfammiung für ben Unterridt in ber beutfhen Sprache, georbnet nad 3 Lehrfiufen. Bon Hermann Franke, Lehrer im Weimar. Weimar, Verlag von. 9. Böhlau, 1864. 8. 4 Bar:

Die Aufgaben find nad den brei Klaſſen der Schulen (Unter:, Mittel und Oberklafie) zufammengeftellt, ohne daß die eine oder andere ‚ver beiden oberen Abtbeilungen eine Wiederholung oder Befefligung des Früheren aus: ſchließt. Das Ganze Inüpft fih an die früher bereits erjdienenen Mate: tialien bes Verfaſſers und bietet auch Stoffe zu Dictaten. Die Uebungen ſind finfermäßig, zumeift nach Maßgabe des grammatiſchen Syſtems, georbnet und berüdjichtigen vielfah auch die Orthographie. Das Büchlein bietet neben Vielem, was den Schüler geiftig anregt und zum Sprachverſtändniſſe und zur Spradjfertigleit führt, auch Mandes, was eben nur dem Mecha⸗ nismus ftiller Beichäftigungen dient, ift aber doh im Ganzen genommen brauchbar und empfehlenswerth.

24. Entwürfe zu beutfhen Auflägen und Reden nebft einer Einleis tnng, enthaltend das Wichtigfte aus der Styliſtik und Rhetorik fiir Gym⸗ naflen, Seminare, NRealihulen und zum Selbſtunterrichte von Joſeph Kehrein, Seminar-Director ꝛe. zu Montabaur. Bierte, verbefierte und nermebrte Auflage. Paderborn, Berlag von Ferdinand Schöningh, 1865. gr. 8..X und 314 Seiten. 24 Ser.

. Das Buch ift bereit durch fein viertes Erfcheinen genugſam gerichtet. Es ift eine der veichhaltigften Stofffammlungen, die wir lennen, ausgezeich⸗ net Durch richtigen Takt in der Wahl und durch zwedmäßige Anordnung des Stoffes. Daß dabei die ethifche Seite, das Berhältniß des Menſchen zu Gott, zu feinen Mitmenſchen, zur Natur, überhaupt das Chriftentbum mit feinen Lehren, Pflihten und Belohnungen mehr berüdfichtigt it, als Lies in. den meiſten äbnlihen Magazinen der Fall, geweiht dem Buche

144 Die neueiten ‚Erjcheinungen auf dem

zum befonberen Verdienſte. Auch die Ginleitung über Styliftik und Rheto⸗ rit gibt kurz, aber gründlich und anziehend das Wichtigfte zur Sadye, und ift für Lehrer und Schüler gleih nüglihd.

| Der Herr Berfafler bat gute Quellen benupt, wie joldes bei feiner umfafienden Kenntniß der Literatur nicht anders zu erwarten war; aber er bat auch niemals unterlafien, diefe feine Quellen gewiſſenhaft anzugeben, was um jo mehr hervorgehoben zu werben verdient, je feltener ein ſolches Berfahren zu werben fcheint.

Beſonders glüdli tft der Berf. in der Auswahl der Broben zu ein zelnen Gattungen der profaifhen Darftellung (II. Abtbeilung) gewejen, und fefielt diejer Theil auch ſolche, die nicht gerade eines Entiwurfes oder Thema’s zum deutſchen Aufſatze benöthiget find.

Die äußere Ausftattung ift dem guten Inhalte angemefjen, der Preis biernady billig zu nennen.

25. Die dentſche Sprade. Line nad methobifhen Grunbfägen bearbeitete Grammatik für böbere Lehranftalten und zum: Gelbfiunterrichte von Ed, Wesel und Fr. Wepel, Lehrern in Berlin. Zwei Theile in einem Bande. Berlin, Verlag von X. Stubenrand, 1865. gr. 8, XVI unb 403 Geiten. 27 Sgr.

Eine umfangreihe, nicht gemöhnlihe Arbeit zweier thätiger Lehrer. Die Berf. machen zunähft darauf aufmerlfam, daß in ben meiften Lehrob: jecten Lebrbüher und Leitfäpen vorhanden find, nad welchen das Unter rihtömaterial auf die verjchiedenen Stufen vertbeilt werden Tann, daß folhes aber gerade für den Unterricht in der deutfhen Sprade, foweit der» felbe höhere Lehranftglten angeht, meiftens nicht der Fall il. Hieran knupft fih ſodann der Nachtheil, daß auf ganz verfhiedenen Stufen fait derfelbe Unterrichtsftoff verarbeitet wird. Diefer Nachtheil hat auch noch darin feinen Grund, daß den Zöglingen kein Buch in die Hand gegeben werben konnte, wonad fie beflimmt memoriren und repetiren, oder ſich Raths erholen koͤnnen.

Die vorliegende Grammatik ſoll nun ſolchem Uebelſtande durch eine methodiſche Gliederung des Stoffes für verſchiedene Stufen abhelfen. Der Natur einer höheren Schule entſprechend, in welcher eine Vorſchule, eine Mittelſchule und eine obere Schule unterſchieden werden muß, haben die Verf. den ganzen Unterrichtsſtoff auf drei Stufen vertheilt, jo zwar, daß die Etymologie ſich über alle drei Stufen ausdehnt, die Orthographie vor⸗ nehmlich der eriten und zweiten Stufe anheim fällt, bie Syntax und bie Interpunktionslehre aber befonders auf der zweiten und dritten Stufe zu behandeln find. Um die Anſchaffung zu erleichtern, ift das ganze Buch in zwei Theile getheilt, von denen jeder bejonvers Läuflih, Der erſte enthält die Etymologie und die Ortbographie, der zweite die Syntax und die Inter⸗ punttionslehre. Aeußerlich haben die Verf. die 8 Stufen durch verſchiedenen Drud und durch die Marginalbezeihnungen I., II. und II. unterſchieden, wobei e3 ſich von felbft verfteht, daß nicht immer jeder Paragraph alle diefe Nummern enthält, fondern wohl je nah feinem Inhalte die Behand» lung auf einer ober der andern Stufe ausfhließt. Der Wortbildungslehre

Gebiete des deutſchen Sprachunterrichts. 145

baben die Verf. befondere Aufmerkſamkeit gewidmet, meil fie mit Necht glauben, daß dieſer oft vernadläffigte Zweig des Sprachunterrichtes nicht nur die Jugend lebhaft intereffirt, fondern au auf Spradverftänpniß und Sprachfertigleit einen ſehr weſentlichen Einfluß übt.

Wir haben in diefer Spracdlehre, wie fchon oben bemerkt, keine ge- wöhnliche Yabrilarbeit, keine Fruͤhgeburt fchulmeifterlicher Eitelfeit vor uns. Die Verfaſſer haben über ihre ſchwierige Aufgabe reiflih nachgedacht und die Refultate ihres Nachdenkens mit der Erfahrung verglihen. Doc glauben wir bei aller Anertennung darauf aufmerkjam machen zu müflen, daß vie Vertbeilung des Stoffes auf drei Stufen in den meilten Fällen ſchwerlich genügen oder den thatſächlichen Verhältnifien und Bepürfnijien entjprechen dürfte. Auch möchte das Nebeneinander der verjchiedenen Stufen etwas unbequem und verwirrend fein. Wenn ferner dem erften Theile die Ety⸗ mologie zugemwiefen worden, fo wollen wir nicht unbemerkt lafien, daß diejer Begriff jehr allgemein genommen worden ift, indem man in biefem eriten Theile auch die gefammte Lehre von den Mebetheilen, von der Flexion und Rection findet. Daß die Orthographie im erften Theile ald Anhang und ganz jelbitftändig bingeftellt worden, bat auch feine Bedenken, und dürfte ed methodiſcher geweſen jein, fie theilmeife ind Ganze, aljo in bie Etymo⸗ Iogie, in die Lehre von den Wortarten, von der Flerion der Rection x. einzufügen, fodann aber erft das Ginzelne kurz und überfihtlich zuſam⸗ men zu ftellen.

Die Berf. geſtehen felbft zu, daß fie Vieles, daher auch Allen Etwas bringen. In der That gehen fie in Manchem zu fehr ins Detail, fo z. B. bei der Conjugation des Verbs. Die jehs Klafien könnten be Ihräntt, Die Rebuplilation ganz meggelafien werben. Iſt lebtere doch im Neudeutihen faft ganz verſchwunden und überhaupt nur noch fo verftedt, daß zu ihrem tieferen Verſtäaͤndniſſe nothwendig auf das Lateinifhe, ganz befonder8 aber auf das Griehifche verwiefen werden muß.

Diefe Bemerkungen follen der tüchtigen Arbeit keinen weſentlichen Ab: bruch thun. Referent ertennt vielmehr gern die Hare Darftellung, die im Ganzen gelungene, aufs Praltiſche gerichtete Auswahl, die in der Haupt: lade angemefiene Gliederung des Stoffes an und glaubt, dieſe Grammatif allen Lehrern, felbft den Volksſchullehrern empfehlen zu können. Letztern dürfte fie ein fehr zwedmäßiges Mittel zum Selbſtſtudium fein.

Die Ausftattung ift recht gut, weshalb der billige Preis um fo mehr Anerkennung verdient.

26. Stoffe und Entwilrfe für praktiſchen Spradunterricht in ber Volksſchule. Zufammengeftellt und bearbeitet von C. Ullrich, I. Haupt- Ichrer am Waiſenhauſe zu Kaſſel. Kaflel, 1865. Berlag von 93. ©. Zudharbt. gr. 8. VI und 145 Seiten. 12 Sgr.

Schon in früheren Jahrgängen unjeres Berichtes (1861) ift ber Zeitungen des Berfafjerd auf dem Gebiete des Spracunterrichtes aner: lennend gedacht worden‘, und wir haben daher auch biefen neuen Beitrag mit günftiger Meinung zur Hand genommen.

Ghe wir näher auf das Buch felbft eingehen, fei ed und vergönnt,

Pad. Jahresbericht. XVIU. 10

146 Die neueften Erſcheinungen auf bem

einen originellen Paſſus aus dem Vorworte anzuführen. Der Verf. jagt:

„Zwei Hinderniffe find beim Sprachunterrichte zu belämpfen: unſere Kurzſichtigkeit und unfere Kurzathmigkeit. NKursfichtig find wir, denn es fehlt unferem geiftigen Auge fo oft der pfychologiſche Blick, alfo, daß mir über dem Object fo leicht das Subject, den Schüler in deſſen leiblicher und geiftiger Entwidelung, in feiner organifhen Entfaltung außer Augen lafien, während doch nur unter der Borausjegung, daß auf Grund dieſer pſychologiſchen Erkenntniß das ganze Unterrichtsmaterial gefichtet und Iharf begrenzt wird, das Ideal: lebendige Wechſelwirkung, ge- treue, auf ®egenjeitigleit gegründete Dienftleiftung von Gefammtnnterricht und Sprache zu erreihen flieht. And bie Rurzathmigleit, ſowohl die der Producenten als au ber Gonfumenten, ter wollte diefelbe in Abrede ftellen? Wie kommt es, dab ſich bie Literatur auf dem Gebiete des methodiſchen Sprachunterrichtes fo auffallend mehrt? Weil Jeder, in deſſen Kopfe eine neue Idee auftaucht ober dem die Praris eine friihe Manier zuwirft, alsbald den Fund der Allgemein: beit darbietet, was ja an und für ſich nicht zu tadeln wäre, wenn nicht die Cinzelidee anſpruchsvoll für das verlörperte Ideal fih bielte, und wenn nicht jo viele Käufer lebenslang fih daran genügen ließen. Rein! fo wenig die Könige, die aus Munificenz für den Kölner Dombau gefchentten prächtigen Fenſter für den Dom felber halten, ebenfo wenig dürfen Schrift fteller und Lehrer auf einem fo unfertigen Gebiete, wie dem der Methodik des Spradhunterrichtes glüdlihe Gedanken und geſchickte Manieren für ein untrügliches Syſtem ausgeben und anfeben; wir wohnen ja bis dahin nur in proviforishen Hütten, und wenn der eine oder andere fein Fenfterchen mit einer wilden Rebe umkraͤnzt bat, fo muß mit der Entblätterung die Illuſion fterben.” |

Mas hier der Verf. über die Kurzathmigkeit, wie ers nennt, fagt, ift jedenfalls praltiſcher und klarer, als fein brillanter Excurs über die Kurz: ſichtigkeit. Wer, glei dem Referenten, die Aufgabe übernommen bat, nicht bloß Kataloge, fondern auch die Bücher durdzumuftern, welche binnen Sahresfrift im Gebiete des Sprachunterrichtes erfcheinen, der wird jene Kurz. athmigkeit allerdings nur beftätigen können.

Herr Ullrich liefert nun zunächſt im vorliegenden Schrifthen „Grup: pirte Lefeftüde,' melde inhaltlih mehr oder weniger verwandt find. So beitebt 3. 2. die Erfte Gruppe aus folgenden Stüden: 1) Das Früblingsmahl (Gedicht). 2) Des Frühlings Pflangenfhmud (Brofa). 3) Das erwachende Thierleben im Frühlinge (Proſa). 4) Zrühlingsgloden (Gedicht). 5) Die Taverne (Gedicht). An diefe innerli verwandten Stüde knüpfen fih nun Entwürfe für deren Behandlung, melde den Zwed baben, das tiefere Verſtaͤndniß zu fördern, Bergleihungspunfte zum deut: lihen Bewußtſein zu bringen und aud den Inhalt für die mündliche und Ichriftlihe Spradhgewandtheit zu verwertben. Das formell Grammatifche ift hierbei unberüdfichtigt geblieben.

Lehrer und Schüler können dur foldye vergleichende Behandlung von Lejeftoffen nur gewinnen, vorausgejegt, daß der erflere ein Mann von

Gebiete des deutſchen Sprachunterrichts. 147.

Geift und Leben if. Doc Scheint ung die Mahl der Lefeftoffe und deren prattiihe Behandlung für gewöhnliche Volles und Landſchulen etwas zu hoch angelegt und zu flizzirt zu fein.

Ein zweiter Abjchnitt des Buches gibt Sapbilder. Der Berf. jagt, dab die Lehrer fih oft mit Kreuz und Querfragen vergebens abmühen, das Berftändniß größerer Sabganzen zu erzielen, daß alsdann die Schüler den Wald vor lauter Bäumen nicht fehen. Er will ein beſſeres, fichereres Mittel bieten. „Wenn die Bimmerleute, jagt er, die Ballen, Niegel, Schwellen ꝛc. behauen und zugeridtet haben, bezeichnen fie die einzelnen Stüde zum Merkmal für die rafhe Zufammenfügung, und wenn Kinder aus den befannten Klöbchen einen Bau aufrihten wollen, verfinnlicht ihnen eine Beichnung, ein Bild das Modell dazu. Ganz ebenjo wird den Schülern unter einem anſchaulichen Bilde der grammatiſche Bau gebotener Säge und Perioden dargeftellt, Haupt: und Nebenfäge erhalten unterſcheidende Bezeich⸗ mung, und die Schüler werben veranlaßt, das Ganze nad) dem einen oder dem andern Bilde umzuformen. Sind fie dur eine Reihe von Uebungen bier in der Aufflellung der einfachſten Sagbilder und dem Beritänpnifle derjelben feftgewworden, dann findet die Anwendung derſelben auf das Leſen und die Anfertigung Heiner Auffäbe ftatt.‘

Dies Berfahren, welches wohl aub nur ald Manier bezeichnet werben darf, ift nicht gerade neu, und’ in der praltiihen Anwendung auf den jchriftlihen Ausprud zweifelhaft. Damit es einzelnen Lejern defto deut: licher werbe, möge ein Beijpiel des Berfaflers folgen.

„Die lebhaften Schilderungen, welde die Tarentiner ihm von dem glüdlihen Leben machten, das im ruhigen Schoße ihres Vaterlandes und in Gejellfchaft feiner dortigen Freunde auf ihn warte, vollendeten endlich die Wirkung, die der gewaltfame Buftand, worin er feit einiger Beit gelebt batte, auf ein Gemüth, wie das feinige, machen mußte, indem fie ihm zu: gleih den ganzen Wiverwillen, den er nach feiner Verbannung von Athen gegen den Stand eines Staatsmannes gefaßt hatte, und feinen ganzen Hang zur Abgeſchiedenheit von der Welt und zum Leben mit fi felbft und mit guten Menſchen wieder gaben, welches ihm, wie er glaubte, jetzt um jo nöthiger war, da er fein Gemüth auch von den geringften Noftfleden, die von jenem ſyrakuſiſchen Hofleben zurüdgeblieben fein könnten, zu reinigen wuͤnſchte. (Wieland.)

Mn

A, a, aꝰ, A, b,b2,b, c2,b, c,d?,c, e?,ad,e?, b3,a%,b3, A Die lebhaften Schilderungen, a welde die Zarentiner ihm von dem glüdlichen Leben machten, a? das im ruhigen Schoße ihres Baterlandes und im Kreiſe feiner

bortigen Freunde auf ihn warte, A vollendeten endlich die Wirkung, b bie der gewaltfame Zuſtand, b* worin er feit einiger Zeit gelebt batte, b auf ein Gemüth, 0? wie das feinige, b machen mußte,

10*

148 Die neueften Erſcheinungen auf bem

c indem fie ihm zugleich den ganzen Widerwillen,

d? den er nad feiner Verbannung von Athen gegen den Staub eines Staatsmannes gefaßt hatte,

c und jeinen ganzen Hang zur Abgeſchiedenheit von der Welt ıc. wiedergaben,

oꝰ weldes ibm,

I wie er glaubte,

oe? jegt um fo nöthiger wear,

da er fein Gerkütb auch von den geringften Noftfleden,

a* die von jenem ſyrakuſiſchen Hofleben zurüdgeblieben fein könnten,

b3 zu reinigen wünfdte.

Erläuterung.

A einziger Hauptfab durch einen eingeſchobenen Nebenfag erften und zweiten Grabes getheilt;

a ein fih unmittelbar auf den Hauptfag beziehender Adjeltivſaß, alfo Nebenjag erften Grades;

a? ein den vorangehenden Nebenjag erften Grades beſtimmender Ad: Meltivfag, aljo Nebenjas zweiten Grades;

b PBeifügung zum Objelt („Wirkung“) des Hauptfages, ein ben Hauptfag beftimmenvder (durch ein Baar ihm untergeorbneter Nebenjäge zwei Mal getbeilter) Adjektivſatz, alfo Nebenjag erſten Grades;

b? Beifügung von „Buftand”, ein ſich auf b beziehender Apjeltivfag, aljo Nebenfag zweiten Grades;

c? Beifügung zu „Gemüth‘, ein b untergeorbneter, verlürzter Ads jektivſatz, alfo Nebenfaß zweiten Grades;

ce Nebenfag erften Grades. Denfelben logiſch gefaßt ift er zweites aa: von A (die Schilderungen vollendeten -— und gaben wieder);

d? Beifügung zu „Widerwillen“ im Nebenfab co, aljo Nebenſaß zweiten Grades;

oe? ein auf c fi beziehender Adjektivſatz, alſo Nebenjag zweiten Grades;

a? ein e? untergeorbneter Adjektivſatz, aljo Nebenfag dritten Grades;

b3 Ergänzung (Grund von „um fo nöthiger”), ein auf e* fih be ziebenvder, durch eine Einjhiebung getbeilter Adverbialjag, als Nebenfab dritten Grades;

at Beifügung zu „Roſifleden“, ein untergeorbneter Aojeltivfag, alfo Nebenjaß vierten Grades,

Den Schluß des Ganzen bilden Stylprdben, auf ven Gegenſaß gegründet, und für die Oberklaſſe einer gehobenen Voltsjhule berechnet. Solhe vom Verf. ausgeführte Gegenſätze find: Leben und Tod, Der Morgen und Abend, Der Winter und Frühling. Ueber die pral- tiſche Behandlung und Verwerthung diefer Stoffe fehlen die Fingerzeige.

Unfer Endurtheil über das Audy geht dahin, daß es zwar gute Steffe

Gebiete des beutjchen Sprachunterrichts. 149

enthält, daß dieſe aber nicht genug in praktiſch⸗methodiſcher Hinficht verar: beitet worden find, und daß das Ganze daher noch den Eindruck des Un: fertigen macht. Gar mandem Lehrer wird das Buch einerfeits zu viel, anderntbeils zu wenig geben. Der adhtungswertbe, warm für feinen Ge: genftand begeifterte Verfaſſer idealiſut zu ſehr, ſowohl nad der jubjectiven als objectiven Seite hin. .

Schlußbemerkung.

Referenten iſt auch in dieſem Jahre eine Anzahl Schriften zugegangen, welche ſchon in früheren Jahrgaͤngen des Jahresberichts angezeigt und bes urtheilt, aber im Laufe der Zeit neu aufgelegt wurden.

Wenn der Jahresberiht nicht einen unverbältnigmäßigen Um: fang erbalten fol, jo erjcheint es als Nothwendigkeit, ſolche neu aufgelegte Sähriften nur anzuzeigen und dabei auf die früher gefhehene Befprehung bins zuweifen. Namentlid dürfte fich diefes Verfahren alsdann volllommen rechtfer- figen und den Wünjchen aller Leſer genügen, wenn die neue Auflage keine w es ſentlichen Aenderungen erfahren hat. Wir jagen uns zwar, daß es Lejer gibt, welche nicht alle Yahrgänge des Berichtes beſitzen; aber ebenjo gibt es auch wieder Lefer, die fie ganz oder doc zum größeren Theile zu eigen haben. Es ift billig, auf letztere vorzugsweiſe Rüdficht zu nehmen und ihnen nicht zuzus mutben, das mehrmals zu laufen und zu lejen, was fie ſchon gelauft und gelefen baben. Ebenfo wenig kann dem Referenten auferlegt werden, nur zu wiederholen, was er bereit3 früher geurtheilt hat.

Im Nachfolgenden geben wir daher ein Berzeihniß der neuaufge: legten ſprachlehrlichen Schriften, welde uns in diefem Jahre zu: gegangen, aber bereits mehr oder weniger eingehend beſprochen wurden.

1. Des Kindes Sprach heft, oder praltifche deutſche Sprachlehre. Heraus- gegeben von Wilh. Friedr. Dörr, Lehrer zu Bobenheim. 3. verb. Aufl. Preis 8 Krenzer. Worms, 1865, Berlag von 3. M. Rable N. 8. 48 Seiten. Siehe Jahresbericht von 1859 Geite 81.

2. Das Leſebuch in der Mittelklaſſe. VBegleitichrift zu dem erfien Sefte bes deutfchen Sprachbuches von Heinr. Stahl, Lehrer an ber höberen Bürgerſchule zu Wiesbaden. 2. verb. Aufl. Wiesbaden, Verlag von Lim- back 1865. Preis 4 Sgr. 8. 28 Seiten. Siehe Iahrgang von 1860 Seite 152.

3. Deutihes Sprachbuch. Ale Uebungöbeit zum Lefebuche, bearbeitet von

ar. Stahl. I. Heft. Für Mittelflafien. 2. umgearbeitete Auflage. iesbaden, Berlag von Limbartb. 1865. Preis 4 Sgr. 8. 88 Seiten. Siehe Jahresbericht von 1860 Seite 152. .

rattifhes Handbuch für den Unterricht in beutfchen Stilübungen van

ndiwig Rudolph, Oberlehrer an einer höheren Töchterſchule in Berlin 3. Abtheilung. 2. Aufl. Berlin, Nicolai. 1865. 8. 340 Seiten. 1 Thir. Siebe Zahresbericht von 1862 Seite 143 und von 1860 Seite 116.

5. Dentijhes Uebnugsbuch. Eine Sammlung von Mufterfiüden, Auf- gaben und Sprachregeln für Volloſchulen und bie unteren Klaſſen höherer

4

150 Die neueiten Erſcheinungen auf bem

10.

13.

14.

15.

Säulen. Nach methodiſchen Grunbfägen georbuet und mit Berüdfichtigung ber von einer Kommilfton im Auftrage bes ſchweizeriſchen Lehrervereins feR- eftellten Orthograpbie und Terminologie. Herausgegeben von Friedrich 173 Lehrer in Bafel. I. Heft für Unterflafien. &t. Gallen, Berlag von Huber u. &omp., 1864. 8. 88 Geiten. 9 .— IL Heft für Mittel» Hafien. 8. 154 Seiten. 13 Sgr. III. Heft für Oberllafien. 234 Geiten. 18 Sgr. Siehe den vorjährigen Bericht Seite 118.

. Aufgaben gu mündlichen unb fhriftlihen Spradäbungen in

nieberbentfchen Volkeſchulen. Bon JZch. Friedr. Düder, Lehrer in Reue ſtadt. 4. Aufl. Neuftabt, beim Berf. u. in ber Aladem. Buchhandlung in Kiel, 1864. 8. 188 Seiten. Angebunden: Aufgaben zur Erzeugung unb Einprägung der Wortbilder, von demſelben. 2. Aufl. Neuſtadt, fiver- lag, 1864. 46 Geiten. Siehe Jahresbericht von 1860 Geite 115.

. M. W. Goͤtzinger's Aufangegründe ber dentſchen Sprachlehre in Regeln

und Aufgaben. 10. Auf Leipzig, Berlag von Hartknoch, 1865. ML 8. 247 Seiten. 10 Sgr. Siehe Jahresbericht von 1861 Seite 155.

Stoff zum Dictiren nach methodiſch georbneten Regeln ber beutichen Orthographie. Zum Gebrauch für Lehrer und Schüler an Bolle- und höheren Bürgerſchulen und ven ’untern Klaſſen ber Gummaflen, wie

-auch für Erwachſene zum Gelbfiunterrihte. Bon Earl Winderlich. 2.

Aufl. Breslan, Trewenbt, 1864. 8. 136 Seiten. 15 Sgr. Eiche Jahres⸗ bericht flir 1847 Seite 402.

- Sammlung ausgeführter Stilarbeiten für Mittelllaſſen. Gin

Hilfebuch für Lehrer bei Ertheilung bes fliliftifchen Unterrichtes in Stadt⸗ und Landihulen. Bon Alex. Jungbänel und 3. G. Scherz. 2. verm. und verbeflerte Auflage. Chemnitz, Verlag von E Fode, 1865. 8. XII und 132 Eeiten. 10 Sgr. Siehe Jahresbericht fiir 1862 Seite 133.

Materialien zur Uebung im mündlichen und ſchriftlichen Gedankenans⸗ brude für Bollsfhulen von C. Kehr, Seminar - Iufpector in Gotha. 2. Aufl. Gotha, Verlag von Thienemann, 1865. gr. 8. 88 Seiten. Preis 10 Sgr. Siehe Jahresbericht für 1860 Seite 118.

. Die Wort- und Satzlehre ber beutfhen Sprade für untereunb

mittlere Klaſſen höherer Lehranftalten von Werd. Schmitz, Lehrer an ber Realſchule I. Ordnung in Barmen. 3. Auflage. Elberfeld, Bäbeder, 1865. 8. 64 Seiten. 5 Sgr. Siehe Jahresbericht für 1857 Seite 134.

. Die Grundzüge ber beutfhen Grammatil. Gin Leitfaben beim

Unterricht in der Mutterfprahe von Dr. 2. Georg, Hauptiehrer am Real- gymmaflum zu Bafel. 2. verbeflerte Auflage. Bafel, Verlag von Bahn- maier, 1865. gr. 8. VII und 72 Seiten. Preis 74 Sgr. Siehe Jah⸗ resbericht für 1860 Seite 113. *

Aufgaben zu den methobifhen Stylübungen. Bon © af.

2. Auflage. 2 Ser. 1865 unb 1864. Leipzig, Verlag von %. Klinfharbt. Siehe Jahresbericht file 1863 Seite 112.

Deutſche Sprachlehre in finfenmäßig fortichreitenden Aufgaben von U. Scherf, Rector in Ebftorf. 3. verbefierte Auflage. Lilneburg, Verlag von Engel, 1865. gr. 8. 40 Seiten. 3 Sgr. Siehe Jahresbericht für 1861 Geite 148.

Das Nötbigfie aus der deutſchen Spradlehre für Vollsiähliler (verteilt in Unter, Mittel- unb Oberllafie) von Dr. G. U, Riecke. 3. verbeflerte Auflage. Stuttgart, H. Lindemann, 1865. g. 8. 48 Geiten, Preis 6 Krenzer. Siehe Jahresbericht für 1861 Seite 146. j

Gebiete des beutfchen Sprachunterrichts. 151

16. wege: ber dentſchen Sprachlehre für Elementarihulen von TR. Nohn, Seminariehrer. Braunsberg, in Commiſſion bei Eduard Beter, 1866. 8. 32 Seiten. 2'/s Sgr. Zweite verbeflerte Auflage. Siehe den vorjährigen Jahresbericht Seite 123.

17. Kurze dentfhe Sprachlehre nach ben bewährteften Grunbfähen und Forſchungen; ansgeflattet mit Haffifchen Beiſpielen, mit Wieberbolungsfragen und einem Uebungsfelde. Gin Leitfaden zum Gebrauche in Seminaren, und in ben mittleren Kiafien böberer Schulanftalten ; insbefondere eine Vor⸗ ſchule zu tieferem Stubium in der Muitterſprache. Bon 2. Kellner. 12. ſehr verbefierte Auflage 1866. Altenburg, Verlagsbuchhandlung von 9. A. Bierer. gr. 8. X und 166 Seiten. 12 Sgr.

18. Der Sprachunterricht in feiner Begründung durché Leſebuch. Ein Leitfaden für den ſprachlehrlichen Unterricht in ben Mittel- und Ober» Haffen der Volls⸗ und Bürgerfchulen, von 2. Kellner. 11. Auflage (erſcheint Ende 1866). Altenburg, H.X. Pierer. 16 Sgr.

Anhang.

Bearbeitet von Auguſt Lüben.

J. Spradlehrlide Schriften für Elementarjdulen.

1. Kleine beutfhe Grammatik ohne Worte. Beifpiele, Ueberjchriften, Tabellen, Wörter-Berzeichniffe als Grundlagen bei dem Unterrichte in ber Sprachlehre. [Für Kinder in Volksſchulen. Zufammengeftellt von U. Stroeſe, Tonrector in Coswig. M. 8. (40 ©.) Wittenberg, U. Herrofe, 1865. 24 Ger.

Der Titel gibt den Inhalt des Buches treu an. „Ohne Worte‘ beißt: obne erflärenden Xert. Ohne Zweifel will der Verf. dadurch zu er: tennen geben, daß er das Hauptgewicht auf die Beſprechung der Beiſpiele legt und baran bie Belehrung Inüpfen will. Darin ftimmen wir ihm bei und wird ihm Jeder beiftimmen; aber wenn man in ſolchem Büchlein dem Schüler auch noch einfache Erklärungen gibt, fo bat er darin ein nicht zu verachtendes Material für Wiederholungen. So werben aud Biele mit uns denten.

2. Sprachlehre für Volkeſchulen. Bon W. Bühler. 8. (VI und 87 &.) Freiburg in Br., Herber’ihe Verlagshanblung. 1865. Die wichtigſten Regeln der Wort: und Saplehre find in gewöhnlicher Folge dargelegt und durch Beifpiele erläutert. Daran reihen fich zahlreiche, im Ganzen recht zwedmäßig geftellte Aufgaben.

3. Lehrgang zur leihten Erlernung ber deutſchen Sprade. Für die Bolleſchnle angefertigt von J. Grotzfeld, Lehrer. Heit 1-6. 12. Aachen, Heufen. Zufammen 121 Sgr. (Deft 1 vierte, Heft 2 zweite, Heft 3 zweite Auflage.

Die erften fünf Hefte find im XV, und XVI, Bande angezeigt und

m

152 Die neuejten Erjcheinungen auf ben

zur ftillen Selbitbefhäftigung empfohlen worden. Diefem Zwede entfpridyt auch das fechlte Heft, welches die Saßlehre behandelt.

4. Leitfaden für den deutſchen Sprahunterridt in ber Bolke— fhule Bon Wild. Albrecht, Lehrer an ber Herzoglichen Haupiſchule in eölken. Dritte Auflage. 8. (VI und 140 Seiten.) CEbthen, P. Schett- er, 1865.

Diefer Leitfaden enthält die Hauptregeln der Sprache und zu denfelben ausreichende Beilpiele und Aufgaben zur Uebung. Die dritte Auflage ift von der zweiten nicht mejentlich verjchieben.

5. Sprachheft bes Elementarſchülers. Bon Bräceyter EB. u. Schuler, Lebrer in Stuttgart. Vierte, verbefferte und vermehrte Auflage. 8. (48 Seiten.) Stuttgart, H. Tindemann, 1865. 3 Ger.

Enthält hauptſaͤchlich Stoff zu Sprahübungen.

6. Handbud der dentſchen Sprachlehre für Volkeſchulen. Nach dem neuen Syſtem bearbeitet von Joh. Schneider, Lehrer au ber Knaben⸗ fhule am Himmelpfortgrunde. 3. Klaſſe. Kilufte Auflage. 8. (III und 70 Seiten.) 4. Klafie. 1. Semefter. Bierte, uuveränderte Auflage. (65 Seiten.) Wien, Lcop. Sommer, 1865. cart. 4 und 6 Ser.

Die grammatiihen Belehrungen find meiftens in Latechetifcher Form dargeftellt, wodurd für Schüler eine unangenehme Breite entftebt. Die vorliegenden Auflagen find den früheren gleich.

HD. Spradlehrlide Schriften für höhere Lehranftalten und zum Selbftunterridt.

7. Grundzüge ber nenhochdeutſchen Grammatik filr höhere Bildungs⸗ Anftalten von Friedrich Bauer. Siebente berichtigte Auflage. gr. 8. (XVI und 209 ©.) Nörblingen, €. H. Bed, 1865. 14 Sgr.

Dieje Arbeit ſtützt ſich wefentlih auf die Forſchungen J. Grimm's und gibt auf jeder Seite Zeugniß von den tüchtigen grammatiſchen Kenniniſſen des Berfafierd. Die Anordnung ift, der Beltimmung gemäß, eine willen: ſchaftliche; doch gibt der Verf. in der Vorrede jpecielle Anweifung für bie Bertbeilung des Materiald nad methodiſchen Geſichtspunkten, was jeden⸗ falls als jehr dankenswerth anzuerkennen ift. Die Darftellung iſt durchweg eine populäre, gariz dem Bebürfniß der Schüler entjpredhend. Tiefer ein: gehende Unterjcheidungen find in Anmerkungen verlegt, ebenjo die gut ge wählten Beifpiele.

Wir empfehlen vdiefe Arbeit nicht nur der Beachtung der Gelehrten: ihulen, jondern wünſchen fie auch in die Hände der Vollsfchullehrer, da wir überzeugt find, daß fie ihre grammatiſchen Kenntniffe durch biefelbe er: weitern werben.

8. Deutige Grammatik und Stilübungen zunächſt für Gewerb⸗ und Realfhulen von Dr. Brentano, Lehrer an der königlichen Gewerbſchule in Fürth. I Kurs. Fünfte, verbeflerte Auflage. (XIV und 114 Seiten.) Rüruberg, 3. L. Schmid, 1866. 8 Sgr. II. Kur, Bierte, vechefierte

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Gebiete des beutichen Sprachunterrichts. 153 Auflage. 1865. 10 Sgr. III. Kurs. weite, verbeflerte Auflage. 1860 10 Sgr.

Dies Wert ift bereitö im IX. und XII. Bande befprohen und als ein für höhere Schulen braucpbares bezeichnet worden. Jenen Urtheilen fügen wir binzu, daß der Verf. bemüht gemwefen ift, dem Merle in den neuen Auflagen die möglichfte Bolllommenheit zu geben, ohne jedoch Haupt⸗ verändberungen barin vorzunehmen.

9. Die Wort- und Saplehre Der deutſchen Sprade für untere und mittlere Klaſſen böherer Lehranftalten von Ferdinand Schmitz, Lehrer an ber Realfchule I. DO. in Barmen. Dritte Auflage. MM. 8. (64 ©.) Elber- feld, Bädeker'ſche Buch. (AM. Martini und Grüttefien). 1865. 5 Ser. geb. 6 Ser.

Dies Schrifthen enthält die Elemente der Wort: und Sablehre in überfüchtlicher Anordnung und faßliher Darftellung. Jeder Sprachregel find die nöthigen Beifpiele hinzugefügt. jedenfalls ift das Büchlein zu Wieder bolungen ganz geeignet.

10. Srammatifhe Grundlage für den beutfhen Unterriht im höheren Lehranftalten. Bon Heinr. Bone, Prof. und Director bes Gymnaſiums zu Mainz. Zweite, vermehrte Auflage. 8. (VIII und 128 Seiten.) Köln, Du Mont-Schauberg’ihe Buchhandlung, 1865. 15 Sgr. Da die vorliegende Auflage von der erften nicht weſentlich abweicht,

jo können wir bier auf die Anzeige derjelben im XV. Bande zurüdweifen.

11. Die erfien Grundregeln der deutſchen Sprache. Nach den An⸗ chten der neueren Grammatiker bearbeitet und mit vielen Aufgaben ver- eben. Kür Schüler der unterften Klaſſen höherer Lehranftalten. Bon Fr.

Er. Peter, weil. Lehrer an der höheren VBürgerfhule zu Hannover.

Vierte, mit Berlitfihtigung der vom Königlihen Oberihul- Kollegium

empfohlenen Orthographie vermehrte Auflage, gr. 8. (VIII und 92 ©.)

Hannover, Hahn'ſche Hofbuchhandlung, 1865. 5. Thlr.

Der Berf. hat feiner Zeit den pädagogiſchen Grundfag, in der Gram: matik vom Satze auszugehen, mißverftanden, dahin nämlich, daß er glaubte, man müfje gleih zu Anfange menigfiens das Wejentlichfte der ganzen Satzlehre nehmen. In Folge deſſen redet er ſchon auf den erften Seiten feines Buches von elliptiihen, von zufammengezogenen und zufammenges festen Säßen, von Haupt: und Nebenſätzen u. vergl., handelt auch ſchon Eeite 10 die ganze Interpunttionglehre ab. Das zeigt von Mangel an methodischen Takt und methobifcher Durchbildung. Auch in den Beleh⸗ rungen felbfi vermißt man den Methodiler. Dagegen verdient der Reich: thum an meiltens gut gewählten Beiſpielen Anerlennung.

HI. Styl- und Auffaslehren.

12. Leitfaben der Styliſtik für ben Schul⸗ und Selbſtunterricht von Fr. Wyß, Lehrer der beutihen Sprache am Seminar in Münchenbuchſee. 8. (VI und 107 Seiten.) Bern, 3. Dalp, 1865. Cart. 4 Thlr.

Das Werken ift für Schüler, felbfiverftändlich für Schüler höherer

154 Die neueften Erfcheinungen auf bem

Säulanftalten, beftimmt und vom Verf. bereit in dem Seminar benugt worden, an dem er als Lehrer der deutihen Sprade wirkt. Es enthält Alles, mas Jemand zu willen nöthig bat, der fih von anerkannten Regeln bei Anfertigung von Auffäben der verfhiedenfien Art will leiten lafien. In höheren Anftalten, folglid aud in Seminaren, muß folde Kenntnif erreiht werden. Ob dazu das ganze Willen erforderlich ift, was der Berf. in feinem Leitfaden vorträgt? Das möchte ich nicht gerade bejaben ; immer bin aber muß das Wichtigfte daraus zur Erkenntniß kommen. Am beften wird das gewonnen werben durch Betradhtung von Muſtern. An Beiipielen zur Grläuterung läßt es der Verf. im Allgemeinen nicht fehlen, wohl aber an ausgeführten Muften. Wie für die Abhandlung, fo würden wir aud gern Muftern für die übrigen Stylarten begegnet fein; es würde bei paſ⸗ jender Wahl dazu nicht viel Raum erforderlich geweſen fein.

Abgefeben hiervon, gehört das Buch entſchieden gu den guten, das höheren Anftalten wohl zur Einführung empfohlen werben kann.

13. Sammlung ausgeführter Stilarbeiten für Mittertiaifen Ein Hälfebu für Lehrer bei Ertbeilung bes ſtiliſtiſchen Unterrichts in Stabt- und Lanbichulen. Bon Alex. Zunghbänel und I. &. S Ameite, vermehrte und verbefferte Auflage. 8. (XH und 132 Seiten.) Chemnig, ©. ode, 1865. 10 Bar.

Dies Büchlein enthält 60 Beichreibungen, 28 Grzählungen, 10 Um: ſchreibungen kleiner Gedichte, 20 Nachbildungen, 20 Bergleihungen, 40 Briefe, 20 vermifchte Auffähe und 10 Crflärungen von Spridwörtern. Das Material ift im Ganzen für Mittelllaflen geeignet. inter den Briefen finden ſich einige, die der Kindesnatur nicht ſonderlich entiprechen, oder auch überhaupt nicht als gelungen bezeichnet werden können. In den Beſchrei⸗ bungen von Naturgegenftänden kommen bier und da Unrichtigleiten und Ungenauigleiten vor, zu deren Aufzählung es uns jedoch an Raum fehlt. Die oben angezeigten Arbeiten von Weigelot und Nichter leiden bieran eben⸗ fall und find in diefer Beziehung mit einiger Vorſicht zu gebrauden.

IV. Säriften über Ortbograpbie.

14. Orthographiſches Uebung buch von R. en Rector ber höheren Töcterihule. Bromberg, M. Aronfohn, 1865.

Das Uebungsmaterial ift nad) den Regeln der Orthographie geordnet und beftebt faft ausfchlieglih aus Wörtern. Die Uebungen follen mit der Grammatit in Beziehung geftellt werden. Der Unterricht wird aber doch der Hauptfahe nad darin befteben, daß die Schüler die dargebotenen Wörter durch wiederholtes Anſchauen richtig jchreiben lernen. In der Hand mittelmäßiger Lehrer dürfte der Unterricht leicht uninterefiant für die Schüler werben.

Gebiete des deutſchen Sprachunterrichts. 155

V. Für den gefammten Sprahunterricht der Unterftufe.

wär Fabeln von W. Hey. Für die Unterfiufe behandelt von TE. alien. 12. (79 &.) Brandenburg, Selbfiverlag, 1865. 6 Ger.

Nah des Verjſaſſers Anficht ift bisher in den allermeiften Schulen viel zu wenig Gebrauch von den Hey'ſchen Yabeln gemacht worden. Seine Arbeit foll daher die Aufmerkfamleit der Lehrer auf diefe „echten Rinder poefien’’ Ienten. Nach unferer Kenntniß von der Sache kommt der Berf. damit zu jpät. Seit mindeftens fünfzehn Jahren ift kein gutes Leſebuch mebr erjchienen, das nicht veih an Hey'ſchen Yabeln wäre.

Der Berf. tritt, wie das Vorwort fagt, mit diefem Büchlein „ohne den allergeringftien Anſpruch auf“, jedenfalls aber doch in ber Abficht, Lehrern zu zeigen, wie fie diefe Fabeln auf der Unterftufe zu behandeln haben. Daß er aud in diefer Beziehung den Neigen nicht eröffnet, wird ihm belannt fein; aber damit wollen wir nicht jagen, daß feine Arbeit hätte unterbleiben lönnen. Herr Ballien kann ja feine Vorgänger übers trefien. Sehen wir feine Arbeit darauf näher an und wählen wir zugleich Nr. 1, „Der Pudel”. Seine Behandlung dieſer Zabel zerfällt in folgende nenn Abſchnitte: 1) Vorſprechen. 2) Bors und Nachſprechen. 3) Kurze Behandlung. 4) Auffchreiben einzelner Wörter. 5) Niederſchreiben Heiner Säge. 6) Niederfchreiben der Fabel in ganz einfachen Sägen. 7) Was für ein Thier if der Pudel? 8) Wörtliches Auffchreiben der Zabel... 9) Hinzufügen der Fabel vom Möpshen und Spischen.

Neu find, wie jeder fieht, diefe Gefichtspunfte nit. Aber darin foll kein Borwurf liegen; wenn nur die Ausführung gut if.

1) Borfprehen. In diefem Abſchnitt zeigt der Berf., wie der Lehrer vorzufprechen babe. Die erfte Zeile: „Wer hat hier die Mil ges naſcht ?“ ſoll „in Scheinbar heftigem, raſchen Tone’’ gefprochen werben. Dazu paßt aber der fonft ruhige Ton der Yrau nicht; wie es ſcheint, ſoll der Lehrer fi mit diefer heftigen Frage an die Kinder felbft wenden und thun, als befände fich der Naſcher unter ihnen; denn der Verf. ſagt: „Du bift's geweſen!“ unb „Biſt Du's geweſen?“ Auf die Beſchuldigung ſagen die Kinder „Nein, nein, id nicht!“ Der Frage fügt der Verf. ſelbſt die Worte hinzu: „Ei freilich, Du haft ja Deiner Mutter neulih die Milk im Topfe ansgetrunten. Wer bat fih denn von Eu ſchon einmal darüber ber: gemacht?” „Sch, ich, ic auch!“ antworten die finder.

Beim Sprehen der Worte: „Pudel, komm doch!“ foll der Lehrer winten, beim Vortrag der Zeile: „Die Hausfrau fah ihn an mit Lachen“, „laden, [7 beiter ftellen, zur Erde jeben, als fei der Pubel da’; vie beiden Zeilen: „ba bing er den Schwanz bis auf die Erben und heulte und ſchaͤmte ſich fo ſehr!“ follen „ſchwer, hohl, langſam“ gejprochen werben, die Schlußzeile endlich „kraͤftig“. „Der naſchet wohl fo bald nicht mehr.“

Dramalifirungen diefer Art halten wir nicht für empfehlenswerth. „Hergemaht” gehört der niedern Ausdrudsweiſe an, kann alfo Lehrern nicht empfohlen werden.

2) Bor: und Nahfprehen. Die Kinder follen zuerft leife mit:

156 Die neueften Erfcheinungen auf bem Gebiete zc.

ſprechen. Das ift nicht empfehlenswerth; man fpridt zwedmäßiger laut vor und läßt fogleih laut nad ſprechen.

3) Kurze Behandlung. Hier zeigt der Verf. eigentlih nur, wie die Fabel abzufragen if. Wir erwarten daher vor allen Dingen correcte Fragen. Man böret „ft die Frau ſchon drin in der Küche geweien, bat fie etwa zugefehen, wie ihr die Mil ausgenafcht worben iſt?“ „Wo mag fie den Zopf mit der Milch bingeftellt gehabt haben? Recht hoch hinauf?“ ‚Wer hat da binaufreihen lönnen? Der Pudel. Wie hat er das gemacht?“ ‚Hat die Hausfrau den Pudel wohl gleich gefeben, als fie in die Küche hinein getreten iſt?“ „Was würde fie denn mit dem Pudel, dem Dieb, gemacht haben, wenn fie ihn beim Milchnaſchen ertappt hätte? Es würde ein Baar Schläge gegeben haben.” „Bas für ein Dieb? Der Milchdieb.“ „Barum foll er ſich bes feben laſſen? Weil er einen weißen Bart hat.” „Wie mag der Pu⸗ del an feinem ganzen Leibe ausgejeben, was für Haare mag er gehabt haben?” „Und wie fpottet fie ihn nun aus, wie fagt fie zu ihm?” ‚Run (,) das bat den Pudel wohl fehr gefreut? O nein! Nicht? ich dente (‚) Hund und Katze find gute Freunde?“

Sole Fragen können einem Lehrer wohl einmal beim Unterrichte enb f&hlüpfen ; in einer fchriftlihen Anweiſung für Lehrer dürfen fie aber nicht vorlommen.

4) Auffhreiben einzelner Wörter. Dabei bleibt es nidt; es werden auch grammatiſche Belehrungen ertbeilt, wogegen indeß nichts zu erinnern ift.

5) Niederfhreiben Heiner Säge. Unter Wr. 4 kommen die GErllärungen Hauptwort und Gefhlehtsmwort vor; hier wird eine Definition von Eigenfhaftswort gegeben. Drei Wortarten in einer Stunde zu erllären, dürfte fich jchwerlid empfehlen.

6) Niederfhreiben der Kabel in ganz einfahen Säßen. „Der Pudel bat die Mil genafht. Der Pudel hat einen Milchbatt. Die Hausfrau lacht, oder lat ihn aus.” U. f. w.

Zu folden Uebungen ift die Fabel zu gut. Statt die Fabel in fo ſchlechtem Deutſch darzuftellen, laſſe man fie lieber auswendig lernen; das wird die Spradhe der Kinder mebr bilden, als das Aufichreiben folder Säße.

Gegen Nr. 7—9 haben wir nichts Wefentliches zu erinnern.

- Ob ver Verf. mit feiner Arbeit den Clementarlehrem einen banltens- wertben Dienft erwiefen hat? Die Lehrer mögen felbft urtbeilen.

IV. Literaturfunde,

Bearbeitet von Auguft Lüben.

I. Methodik.

1. Die Anſicht, daß die Hafjifhe Literatur die forgjältigfte Berüdfich- tigung in allen Schulen verdiene, findet immer mehr Anerlennung In den höheren Schulanftalten ift ihr ſchon feit Jahren ein Ehrenplaß gefichert, namentlich feit der Zeit, wo Hiede mit feinem Bude „Der deutſche lin: terriht auf deutſchen Gymnaſien“ (Leipzig, 1842) dafür eintrat, und durch Erllärung von Gedichten zeigte, worauf es darin in erfter Linie anlomme. Die Gymnaſien, Realſchulen und höheren Töchterihulen dürften wohl zu den wenig beneidenswertben Ausnahmen gehören, in denen der Literatur: geſchichte nicht wöchentlich mehrere Stunden ausgeſetzt wären, und in denen weben einem Maren Ueberblid über das ganze Gebiet nicht auch durch aus: reichende Proben der nöthige Einblid gewährt würde. Selbſt die mittleren Bürgerihulen, mit welchem Namen wir die fünf» bis ſechsklaſſigen Stadt: ſchulen bezeichnen, in denen fremde Sprachen nidht oder doch nur ausnahms⸗ weiſe und in geringem Umfange gelehrt werden, bleiben ſeit einem Jahr⸗ zehnt und länger nit mehr unberührt von der Literaturgefchichte, wenig: ftens nicht von dem Kern derſelben, den Literaturproben. Dafür haben die Lejebüher der Neuzeit gejorgt, diejenigen derjelben nämlich, welche reich find an guten Poefien nicht nur der neueren, ſondern aud einer etwas zurüd- greifenden Zeit. Wo folche Lefebücher verftändig gebraucht werden, da bat man Literaturkunde und damit Literaturgefchichte, wenn der Lehr: und Lec- tionsplan auch feine bejonderen Stunden dafür anfest. Ja nod mehr: felbft in die gewöhnliche Volksſchule dringt die Literatur ein, theils eben: falls durch die Lejebücher, theild dur die Beziehungen, welche andere Un⸗ terrihtögegenftände darauf nehmen. Daß dies fo umfangreid mie möglich geicheben möge, dafür nimmt der Schuldirector R. Schufter in Oſchatz in Rr. 27 der „Sähfiihen Schulzeitung‘ won 1865 das Wort. Cr wünjdht,

158 Literaturfunde.

daß die Literatur und ihre Geſchichte namentlich berüdfichtigt werden möge in der Religion, im Lefen, in der Geographie und Geſchichte. Im Reli: gionsunterricht fol hauptſächlich auf das Kirchenlied, alfo auf bie ber: vorragendſten Liedervichter, auf Luther, B. Gerhardt, Gellert u. A. binge: wiejen und fo viel über ihre Leiftungen gejagt werden, ald ben Kindern dienlich if. Wenn die einfhlägliche Literatur der legten Jahre einen Schluß hierauf geftattet, jo geſchieht das auch wohl bereits in größerem oder ge: zingerem Grabe in den preußiſchen Volksſchulen, für welche die Regulative die Beiprehung von „achtzig Kernliedern“ fordert; wenigftens bieten bie Unweifungen zur Befprehung derſelben, deren belanntlidy mehrere vorhan⸗ den find, hierzu Beranlafjung genug. Wo man nod etwas weiter geben und eine Geſchichte des Kirchenlieves geben kann, dba bietet fich die weiter unten beſprochene, von Prälat Zimmermann bevorwortete kleine Schrift „Geſchichte des evangeliichen Kirchenliedes“ brauchbares Material. Im Lefes unterricht fol hauptſächlich in der Oberllafie auf Literaturfunde Rüd: fit genommen werben. Der Berf. will darüber natürlich die Hauptaufgabe der Lejeftunde, „ausdrudsvolles und verftändiges Leſen“, nicht vernadyläf: figt feben, fagt aber fehr nichtig : „Jedes einzelne, namentlich jebes werth⸗ vollere Lefeftüd fordert zu einer kurzen Beiprehung auf, und dabei kann es nidht fehlen, daß aud Bemerkungen aus dem Gebiete der Literaturge⸗ fchichte oft vorlommen. Man follte die finder in oberen Klaſſen überhaupt daran gewöhnen, die den einzelnen Lejeftüden untergebrud: ten Namen der Verfaffer niht zu überfeben, diefe Namen fogar mit vorzulefen. Auf befonders wichtige und gefeierte Namen macht man dann noch befonders aufmerlfam, indem man fi über die ge nannten Schriftfteller und über diefes und jenes Werk derſelben ausfpridt. Auch kann hierauf der Lehrer felbft eine gut gewählte Probe aus den Wer: ten eines von ihm erwähnten Schriftfiellers vorleſen. Gewoͤhnlich bören die Schüler oder Schülerinnen dies recht gern, erinnern vielleicht gar den Lehrer in der naͤchſten Stunde an das ihnen in der vorigen gegebene Ber: ſprechen, ihnen ein Gedicht oder irgend einen Abfchnitt aus einem größeren Werte vorzulefen.” In Bezug auf die Geographie fagt der Verfafier : „Bon Weimar zu ſprechen und dabei nit von den Zeiten Karl Auguft’s, von Schiller, Göthe, Herder, das dürfte dem Freunde der Literaturgejchichte beinahe unmöglih fein. Unb unnüß ift bei ber fortfchreitenden Bildung die Crwähnung folder Männer, welde von der ganzen Nation gefeiert werden, doch wahrlih nicht! Spricht der Lehrer von Florenz, jo gedenkt er auch des Dante Alighieri und des erhbabenen Monarchen, unferes Königs, der als Prinz die Verſe dieſes Dichters in unfere theure Mutteripradhe überjegt hat. Davon kann wohl kaum ein Lehrer unjerer Heimath ſchwei⸗ gen, das muß jedes Sachſenkind erfahren. Und den Namen Leſſing wird man bei Erwähnung der Stadt Camenz, den Namen Paul Fleming bei Erwähnung von Hartenftein einem ſächſiſchen Schulkinde nicht verjchweigen, und an Gellert und feine Zabeln und geiftlihe Lieder wird man es erin: nern, wenn man von Hainichen redet.” In Bezug auf den Geſchichts- unterricht heißt es: „Die meiften großen Helden und Ereignifle der Ge⸗ ſchichte find durch Schriftfteller und Künftler, durch Wort und Bild, durch

Literaturkunde. 159

Gedichte und Denkmaͤler gefeiert worden, man bringe doch alſo auch dieſe Helden und dieſe Ereignifie der Geſchichte und die großen Meiſter, in deren Werken fie uns vorgeführt werben, in Verbindung. Bei der Erzählung des Trojaniſchen Krieges gedenle man auch des Homer, bei der Erzaͤhlung der Schick⸗ ſale Coriolan's und Caͤſar's nenne man auch, wenn man es überhaupt für gut findet, den Shalefpeare, und erzählt man von der Jungfrau von Orleans, von Maria Stuart, von Ballenftein, fo ermähne man auch die mit diefen Perſonen fih beſchaͤftigenden unvergänglihen Werte Schillers. Welch großes Ber: gnügen gewährt allen Kindern die Geſchichte (oder die Sage) vom Tell! Und wie gut werden fie fih das gleichnamige Zrauerfpiel merten, wenn man es mit der Erzählung jener Geſchichte in Berbindung bringt, vielleicht gar die tieferfchütternde Klage des Arnold von Melchthal: „O, eine edle Himmelsgabe ift das Licht des Auges” zc., oder den Monolog des Tel ihnen mittheilt.” ‚Die Beziehungen des Nibelungenlieves auf Attila geben erwünfchte Gelegenheit, diejes großartigen Gedichtes Erwähnung zu thun. Dft aber braudt man derartige Verbindungen gar nicht erſt zu jus hen, oft genug bat die Geſchichte felber Helden der That und Helden des Liedes und der Kunft, Fürflen der Erde und Fürſten im Reiche der Dicht kunſt und anderer Künfte in Verbindung gebradht. Mancher berühmte Dich: ter oder Künftler lebte am Hofe irgend eines geſchichtlich bebeutenden Fürs fen gder trat mit einem ſolchen in Verbindung, erzählt man von dem Yürften, fo kann und darf man aud des Dichters, des Künftlers gedenten. Ber 5. B. ſaͤchſiſche Gefchichte lehrt und bei Heinrich des Grlauchten Gr: werbung von Thüringen einen Blid auf die Landgrafichaft wirft und dabei ven Landgrafen Hermann erwähnt, der wird aud gern zu den lindern von dem befannten Sängerktieg reden. Und iſt auch dieſe Erzählung vielleicht nur Sage, die Dichter, welche ſich dabei den Sieg ftreitig gemadt ha⸗ ben follen, haben meift wirklich gelebt, fo Wolfram von Eſchenbach, Wals ther von der Bogelweide, Heinrih von Dfterdingen, Reinmar von Zweter und Biterolf. Und nun kann man ein wenig ftehben bleiben bei biejer Blüthezeit mittelalterliher Poefie, vielleicht ſogar eine pafiende, leicht ver ſtaͤndliche Probe aus jener Zeit, 3. B. aus den Gerichten des lieblichen Sängers Walther von der Vogelweide, den Kindern mittbeilen, und das Jutereſſe der Kinder für die Gefchichte wird dadurch beftimmt nicht beeins tädtigt, fondern erhöht.“

Wenn wir auch aus napneliegenden Gründen für die Volksſchule auf die Geſchichte der Literatur wenig Gewicht legen, vielmehr es auf Kennt⸗ niß der Literaturproducte abſehen, fo ſtimmen wir dem Vorſchlage des

Verfaſſers doch volllommen bei, und wüunſchen recht ſehr, daß bie Lehrer recht bald "überall mögen befähigt fein, denſelben auszuführen.

2. Herr Dr. H. Proͤhl in Berlin, vortheilhaft befannt auf dem Ge biete der Literaturgejchichte, hat ſich in einer befondern Schrift :

Der deutfhe Unterriht in feinem Verhältniß zur Nas tionalliteratur. ge. 8. (X und 102 ©.) Berlin, W. Mö—⸗ fer, 1865. Thlr.,

160 Literaturfunde.

ausführlid über den Unterricht in der Literaturgeſchichte und alle damit verwandten Fragen ausgeiprochen. Obwohl er dabei nur die höheren Schu: len im Auge bat, fo berührt er in feinen Auseinanderfegungen doch Nan⸗ des, was auch für ven Volksſchullehrer und die gehobene Vollsſchule ins tereflant if. Aus diefem Grunde geben wir nachſtehend die Ueberſchriften der befprodyenen Gegenftände an und fügen da, wo es erwünfjdht erjcheint, einige Bemerkungen binzu.

Der deutfhe Unterriht vor fünfundzwanzig Jahren und Hiede’s Auftreten. Diefer Abſchnitt gewährt einen Weberblid über die Beftrebungen, den Unterricht im Deutſchen neu zu geftalten.

Die jepige Stellung des deutfhen Unterrichts an Öym nafien und Realſchulen.

Beziehungen des deutſchen Unterrihts zu den übrigen Unterrihtögegenfländen. Der Unterricht in der Mutterjpradhe ſoll zunähft in enge Beziehung zu dem im Lateinifchen, dann aber auch beſon⸗ ders zu dem in ver Geſchichte gefebt werben. „Zu einer fehr engen Ber- bindung des gefcichtligen und deutſchen Unterrichts findet fich eine vor⸗ treffliche Gelegenheit, wenn in einer Obertertia die Geſchichte von 1517 bie 1645 (mit befonderer Berüdfihtigung der deutihen) das Winterfemefter ausfült. Dan kann dann faft Alles an Schiller’s Profa anlaüpfen. Muß auch leider Schillers Abfall der Niederlande für Secunda aufgefpart wer⸗ den, jo kann doc die Belagerung von Antwerpen und ber breißigjährige Krieg vollftändig gelefen werden. Wegen ver großen Bortheile einer fol: den Verbindung und da gerade in der Zertia eim velllommenes Mufier für die Profa zu geben ift, wenn der Schüler überhaupt jchreiben lernen foll, finde ich während die ſes Semeſters gegen eine entichiebene Bevor: zugung der Profa nichts einzuwenden.”

Die Lectüre als Mittel der Erziehung. Diefer Abſchnitt enthält viel Beherzigenswertbes. Mit Hiede, Heiland (Provinzialſchulrath in Magdeburg) u. A. erlennt der Berf. die Lectüre unjerer deut- [hen Klaſſiker als die eigentlihe Grundlage des deutſchen Unterriht® an. Aber was gelejen wird, das foll auch vortbeilhaft auf die EGittlichleit des Schülers wirken. „Wie bei aller Unterweilung, fo kommt es auch bei dem deutſchen Unterrichte nicht ſowohl auf Ausbildung des Scharflinnes, des Wiges, als auf Erziehung des Herzens an. So oft die Nationalliteratur mit. den Grundjägen der Schulerziehung in Wider: ſpruch tritt, wird die Schule die Kenntniß der Klafjiter nicht verbreiten kön- nen. Gerade die vaterländifche Literatur darf ein jugendliches Ge: müth am wenigften ärgern.” Wieland's Oberon ift nit für die Schule gejchrieben, und Platen's Werle können dem Schüler nicht in die Hände gegeben werden. Gr ift durch die wenigen Heinen Gedichte, die in Schullefebühern von ihm fteben, wenn fi eine oder die andere Ode auf Jtalien unter ihnen befindet, ſchon genügend vertreten.”

„Alaſſiſche Schriften von mehr oder weniger fittenlojer Haltung in ber Schule zu lefen, um vor falſchen Richtungen zu warnen, wird laum Je⸗ mand einfallen. Aber aud), daß einzelne Werke ver deutichen Literatur nur deshalb in ver. Schule gelefen werben jollen, um die faljhen religiöfen

Literaturkunde. - 161

KRichtinigen in der Literatur aufzubeden, ift für mich und gewiß für mans den anderen Lehrer des Deutjchen, der nur in einem einfachen und reinen Material arbeiten möchte, ein höcft abftoßender Gedanke.” Leſſing's Nathan der Weife fol jedoch nicht ausgejchlofien werden. „Dieſes Drama, indem es fih did aktiſch geradezu mit religiöfen und ethijchen ragen in großem Maße beichäftigt, ftellt feinem unverlennbaren Angriff auf das Chri- ſtenthum .(?) ein jo erhabenes fittlihes Ideal gegenüber, daß ſowohl ber Autor als die hriftlide Schule, welche die deutſche Literatur gaftfreundlich bei fih aufgenommen bat, die Erläuterung des jchwierigen Stüdes während des Unterrichts als ein Recht beanfpruchen kann.’

Mit dieſer letzteren Anficht fühle ich mich volllommen in Einklang. Ich habe ven Nathan oft mit den Seminariften der erften Seminarflafie befprochen und immer gefunden, daß ber Gewinn daraus für fie ein fehr erheblijer war.

Ueber die Stellung der Jugendfhrift zur Schülerlec» türe Der Berk. faßt hier nur die reifere Jugend und die klaſſiſche Nas tionalliteratur in's Auge. ALS geeignet werden genannt: Michael Kohl- haas von Heinr. von Kleift, Wilh. Hauff's Lichtenftein, Theod. Koͤrner's Er: zählungen und Dramen, Novalis’ Heinrih von Ofterdingen, Immermann's Hofſchulze (der illufteirte Roman, aus dem die Gefchichten von Mündhhau: fen und deſſen Schloſſe ausgefchleven find).

Prüfung eines Vorjhlages von Roth und Lübker. Be: zieht fih auf die planmäßige Lectüre von Schriftftellern des jechzehnten Jahrhunderts.

Grimm's Sagen und die Gedichte von Claudius. Beide ‚werben eindringlich empfohlen. Den Sagen wird in ber Schule ber Bor: zug vor den Märchen gegeben ; lebtere ſollen vorzugsweiſe erzählt werben,

Bemerkungen über das Verhältniß dererjtenguten Bro: faiften der neueren deutſchen Literatur zum Unterricht, Der Berf. weiſt beſonders auf Windelmann bin. „Sein Styl flötet ſiark und voll, wie die erfriihte Schalmeie, welche eine Nacht hindurch im vollen Brunnentroge gelegen bat.”

Leſſing. Leſſing's Proja if den Schulen in neuerer Zeit ganz be: ſonders und fiber mit Recht empfohlen worden, da feine Brofa die gute Schreibart unferer gegenwärtigen guten Schriftfteller begrünvet hat. Der Berf. empfiehlt dieſelbe nicht fo ganz unbedingt, er weift vorzugsweife auf vie bin, „wo es vom Haflifhen Wltertbum ausgeht, um die Gefetze ber Boefie und ver bildenden Künfte zu unterfuchen. „Sn der Prima muß ver Laokoon gelefen werden.”

Herder. Im: Uebereinftiimmung mit der „Realſchulordnung“ für Preu: Sen will der Verf. Herder berüdiichtigt ſehen, auch fein Leben, da feine Ju: gend fo muſterhaft ſei. Als vorzugsweile beachtenswerth, auch für höhere :öchterihulen wird der Sid bezeichnet ; von den Schulreden werden nur empfoblen „Nicht der Schule, ſondern dem Leben” und „Bon der Annehm⸗ lichteit, Nüplichleit , Nothwendigkeit der Geographie.” Dann auch die klei⸗ neren Sachen, die fi ſchon in Lejebüchern finden.

Pab. Jahtesbexicht. ZVIIL 11

.162 Literaturkunbe.

Goͤthe. „Er ift mehr ein Dichter für Männer als für die Jung⸗ linge. Nicht die Schule foll dem Jünglinge, ſondern das Leben dem Manne ihn ganz zu verfiehen lehren.” Aus feiner Proſa werben empfoh- len: die Kaiſerkroͤnung, Friebrid'$ des Großen Bedeutung für die deutſche Poeſie, der Straßburger Münfler, die Gampagne in Frankreich. Von den ‚größeren Dichtungen in erfler Linie Hermann und Dorothea und bie Ipbigenie, dann Gög von Berlihingen. „Am meiften aber ent ziehen fib Göthes Gedichte der Schule.” Doch hält der Verf. ſolche Gerichte, „deren Inhalt nicht finnliche Leidenſchaft, ſondern ein geiftiges Streben bildet, zur Erklärung in der Schule für geeignet. Dazu gehören die jchon in Leſehüchern verbreiteten.

Schiller, Seine Proſa wird als Mufter für die reiſere Jugend bezeichnet. Bon den Gedichten foll umfaflender Gebrauch gemacht werben, Aus den Dramen werben hervorgehoben: Wilhelm Tel, die Jungfrau von Drleans, Maria Stuart, Wallenftein.

Ueber die Lyriler feit Klopftod, mit befonderer Rüd: fit auf ihre Beziehungen zum fiebenjährigen und zum Freiheitstriege. Klopftod fol nidt, wie man vorgefchlagen, bin fort nur „ebrenvoll erwähnt”, fondern forgfältig befprocdhen werben, worin ih dem Verf. ganz beiftimme. Dann wird befonders auf Voß, Gleim, Namler, Körner, Ernſt Schulze, Arndt und Rüdert bie gewieſen.

Moderne Richtungen. Lenau wird als wenig geeignet bezeich net, Heine verworfen, namentlich auch feine in vielen Lejebüchern befind⸗ lien „Grenadiere“, „in denen ein wahres lebermaß von Schwärmerei für Napoleon fpult.” War denn aber die große Mehrzahl der franzöſiſchen Soldaten nit in der That in dem Grade für Napoleon begeiſtert? Richt ber eigenen, fondern biefer Begeifterung bat der Dichter Werte geliehen. Von diefem Standpımlte babe ic) das Gedicht immer angefehen.

„Eine große Anzahl unferer Lejebücher enthält von den Producten der neueren Lyrik entweder zu viel oder das, was fie liefert, in falſcher Aus: "wahl." Dies Urtheil erfheint um jo härter, da der Berf, nicht näher darauf eingeht, vielmehr nur auf Ed. Mörike, „als auf einen der klar⸗ sten Köpfe unter den neueren Lyrilern“ hinweiſt.

Meber die deutfhen Lefebüdher für Shuien. Was ber ‚Berf. im diefem Abſchnitte fagt, ift nicht bedeutend. Die Leſebücher follen nach feiner Anſicht ihren pädagogifchen Bwed ſcharf in's Auge faflen und nicht zugleih Anthologien ober literarhiſtoriſche Handbücher jein wollen. Das wird allerdings nicht nöthig fein, werm die. Schüler eine Gedichtſamm⸗ lung wie den Echtermeyer und neben derſelben alle größeren Dichtungen is Driginalausgaben haben. Aber wo ifl denn das burihzuführen ?

Ueber Dialectpzoben. Dafür ift der Verf. nicht ſehr eingenom⸗ men. Doch empfiehlt ex für Lejebücher, die nur in NRiederbeutichland gebraucht werden, Gedichte von Voß, Frit Reuter ober Klaus Groth, für märtifche nur. Bornemann’sche Gebichte,

Das Mittelhochdeutſche. Abweichend von, Rud. von Naumer, will der Verf. das Althochdentſche un» Oothiſche von den Gynmaßen und

Literaturkunde 163

Nealſchulen ausgejchlofien haben. Gegen das Mittelhochdeutſch ift er das gegen nicht, wünjcht vielmehr, daß die Nibelungen oder der Iwein auf Schulen gelefen werden möge.

Meberfeßungen aus fremden Spraden.

Borbereitung des Lehrers auf die Klaſſenlectüre. Hier über wird fat zu wenig gejagt.

Die. Erläuterung und ihre Örenzen. Die Berglieverung fol nicht lünftlidher fein als die Gliederung, welde der Dichter felbft feinem Bropucte gegeben bat. „Um vie Schönheiten einer Dichtung zu zeigen, bes darf es oft nur weniger Worte; nicht felten werden fie fich fogar fchon beim Leſen darlegen laflen. Ein zur Vorbereitung der eingehenden Be: ſprechung oft wieberholtes Borlejen jcheint nicht pafiend. Der Lehrer lieft das Leieftüd nicht zuerft, ſondern nötbigen Falls nah den Schülern mit Heworhebung aller von ihnen falſch gelefenen Stellen.” Ich halte das -Umgelebrte für das Ridtige. Denn 1. erleihtert gutes Vorleſen durch den Lehrer das Berftänpniß, und 2. lernt der Schüler durch gutes Borlefen beffer leſen, als durch Verbeſſern nes fehlerhaft Gelefenen. Das iſt eine alte und bewährte pädagogische Negel, nad der man ja 3. B. auch in der Orthographie verfährt. |

Die Lectüre von Dramen und Balladen in der Klaſſe. „Dramen werden am beften von den Schülern mit vertbeilten Rollen unter Leitung des Lehrers oder nom Lehrer allein vorgelefen.” Ich ziehe Lebteres vor, da das Verſtändniß hierdurch Mehr gefördert wird. Der Lehrer muß aber ein klangreiches Organ bejiten unb ein guter Leſer fein. Der Berf. iſt gegen den Vorſchlag Rudolf von Raumer's, ven Schülern vor der Lec⸗ türe die unerläßlihen Erklärungen zu Dramen gebrudt in die Hände zu geben ; ex will vielmehr aucd hierin den Uharalter der Schule gewahrt willen. Eingehende Grörterungen will er jedoch als Ausnahmen angefehen wiſſen. Das Maß der Erörterungen hängt, wie begreiffih, von dem gan- zen Bildungsgrade der Jugend ab. Da ein gutes Drama ein Kunſtwert ift, fo wird immer viel Anlab zu eingehenden Beſprechungen vorhan⸗ den fein.

Lefen und Declamiren. Der Bert. empfiehlt größere Beady: tung des Declamirens, warnt aber vor dem „mimijchsgefticulatorifhen Zu: ror der alten Declamirftunde.”

Verhbältniß der deutſchen Literaturgeſchichte zur Lectuͤre. |

Beifpiel einer falfjhen Unterrichtsmethode, welche an die deutſche Lectüre gelnüpft ift. Der Verf. warnt in dieſem Ab⸗ Schnitt wor Benutzung ungeeigneter Muſter.

Ein Blid auf vie Volls: und Bürgerfhule, fo wie auf ben Unterriht der Töchter höherer Stände Für diefe Schulen joll das Deutſch der Hauptgegenftand fein. Die Lejebücher für diefelben jollen von einem vollstbümltchen Geift durchweht fein.

Untverfität und fpäteres Leben.

11*

164 Riteraturfunde,

N 3. Grube fpriht fib im I. Bänpchen feiner unten angezeigten „Aeſthetiſchen Vorträge”, S. 103 f., über die Behandlung der Schiller’: hen Romanzen folgendermaßen aus.

„Die Schiller ſchen Romanzen bebürfen weder eines gelehrten noch eined weitläufigen Commentard, um verftanden zu werben; wohl aber kommt ihnen eine Erläuterung oder vielmehr Auslegung des in ihnen lie genden reihen Ideengehaltes zu ftatten, und von dem auch für das Be wußtjein aufgefchlofienen Inneren ausgehend wird dann auch um fo befier die Ihöne Form, die kunftvolle und doch jo einfah und durchſichtig ſich barjtellende Compofition verftanden und gewürdigt werden. Wird vieles Verſtaͤndniß nicht durch ermüdende Grünplichleit und pedantiſche Kleinig⸗ teitsträmerei verleidet, dann wirb es aud eine bis in das fpätefte Alter fortwirlende Liebe zu diefen Gedichten begründen, vor Allem aber jenes ge: dantenloje Ableiern, jenes hohle Pathos beim Leſen und Declamiren, das fo oft das feinere Ohr beleidigt und bie äſthetiſche Wirkung beeinträch⸗ tigt, gründlich befeitigen. Diefe Gedichte find wie zum Declamiren ges fchaffen, vie Mufit ift fo ſehr in die Rede felber übergegangen, daß fie bie mufilaliihe Begleitung nicht mehr brauden, ja geradezu abweifen. Weil man aber die Jugend viel zu früh die Schiller ſchen Romanzen lefen und berjagen läßt, früher, als ein tiefered Verſtaͤndniß möglich ift, ald das Bar ‚thos nicht bloß im Gefühl, fondern aud im Geift einen Wiederhall findet weil in den „Flegeljahren“ wohl das kräftig ausgeprägte dramatiſche Leben der Handlung lebhaften Anklang findet, aber, fobald ver Reiz der Neuheit vorüber ift, aud das Ernſte wieder in's Komiſche gezogen wird: jo iſt es nicht zu verwundern, daß gerade durch die Schule vie nachhaltige Wirkung der Schiller'ihen Romanzen wieder beeinträchtigt wird, indem fie jelbige zu früh überliefert oder in ungeeigneter Weiſe zu grammatifchen und ſtyliſtiſchen Uebungen benußt.“

„Der Mißbrauch hebt aber den Gebrauch nicht auf, und das Rechte wird fih immer mehr und mehr Bahn breden. Es würde nicht blos für bie äfibetische, ſondern auch für die fittlihe und nationale Bildung eine empfind: lihe Xüde geben, für eine tiefer gehende Geiſtes⸗ und Herzensbildung ein nicht wieder gut zu machender Fehler fein, wenn Schillers Gedichte im Unterricht der deutihen Jugend keine Stelle finden würden. Das haben alle einjichtigen deutjchgefinnten Erzieher und Schulmänner aud wohl ers fannt und dem Dichter, der wir kein Anderer vor und nah ihm ein Leh⸗ ter und Biloner des deutſchen Volles (nicht eines Bruchtheils vornehmer Geister) geworden ift, in den Herzen ihrer Böglinge eine freundliche Stätte zu bereiten gefirebt, unbeirrt von dem frivolen Treiben jener negativen ſtri⸗ tifer, die, ſiatt mit wahrbafter, der Eigenthümlicdhleit und Größe unfers nationalften Dichterd gerecht werdenden Kritik das liebevolle Eingehen in den Geift und Kern Sciller’8 zu fördern, auf den Wegen ver blafırten Gebruͤder Schlegel gewandelt find, aber auch ſchnell genug das Schichal diefer Romantiler erfahren haben. Wie alle Meifterwerle überhaupt, wer: ben auch Schiller'3 Romanzen insbeſondere durd ihre pofitive Wirkung alle negative Kıitit zu Schanden machen.

Die in Borftebendem ausgelprochenen Anfihten find ohne Zweifel

Riteraturfunbe. 165

richtig, aber, wie mir fcheint, nad der einen ober andern Seite hin etwas zugeſpitzt. Grube erlennt an:

a) Die Schiller'ſchen Romanzen find ein treffliches Mittel für die äfthetifche, fittlihe und nationale Bildung der Jugend ;

b) fie werden aber der Jugend durchſchnittlich zu früh zugeführt ;

c) fie bedürfen weder eines gelehrten noch eines weitläufigen Commen⸗ tars, wohl aber j

d) einer Auslegung des in ihnen liegenden reihen Ideengehaltes.

In Betreff des erften Punktes theile ih mit vielen Andern ganz Grube’ Anfiht und würde es mit ihm für eine bedauerliche Beeintraͤch⸗ tigung der Jugend halten, wenn man ihr diefe Dichtungen vorenthielte,

Die Frage, mann die Jugend mit den Schillerjhen Romanzen bes fannt gemacht werden folle, ift nicht ganz leicht zu beantworten ; jedenfalls fol das aber nicht früher gefchehen, als bis ein ausreichendes Verſtändniß derjelben möglih if. Das bängt aber nicht von den Jahren, fondern von dem Bildungsftande ab. Für ein gar zu weites Hinausſchieben fann ich nicht flimmen ; der Schüler foll auch bei der Beiprehung etwas Ordentliches lernen, er foll fid mit einiger Anftrengung in das Berftänds niß bineinarbeiten, foll lemen, daß man fi ein Kunſtwerk, an dem ein genialer Mann vielleicht Monate lang gearbeitet, an dem er noch nad) Jah⸗ ren neue Berbeflerungen angebracht, nicht fo im Umſehen anzueignen ver: mag. Für ein erfolgreiches Arbeiten vdiefer Art halte ich gut gefchulie zwölf bis vierzehnjährige Knaben geeignet, und wer fi) dieſer Anſicht nicht anſchließen kann, der muß die Schiller'ſchen Romanzen der großen Zahl ver deutjchen Knaben und Mädchen, melde ihre Bildung in den fünf: bis ſechs⸗ Haffigen Stadiſchulen erlangen, vorenthalten,

Hinfichts des dritten Punltes geben die Anfichten der Lehrer audeinans der, mehr aber wohl auf dem Papier als in der Schule. „Srmübende Gruͤndlichleit und pedantiſche Kleinigkeitskraͤmerei“ find natürlid überall vom Uebel, mithin aud bei der Erliärung Schiller'ſcher Rmanzen. Aber wer mir darin zuftimmt, daß es fih vom pädagogiihen, ja felbit vom fittlihen Standpunkte aus empfiehlt, daß der Schüler fi) das Verſtändniß erarbeitet, ber wird mehr zu erllären haben, als derjenige, melder die Beiprehung diefer Dichtungen nur mit der reiferen Jugend vornehmen will, ohne daß man ihm jenen Borwurf machen kann. Sicher aber wird derfelbe, falls er den Gegenftand überhaupt begreift, mit Grube der Mei: nung fein, daß die Darlegung des Speengehalts eine Hauptjahe bei ber Beſprechung einer Romanze ift, das, wozu alles Andere dienen fol. Gram⸗ matiſche Uebungen an den Romanzen vorzunehmen, halte ih auch für unangemeflen, obwohl e3 ja begreiflihder Weiſe mehrfach des richtigen Vers ftändnifies halber erforderlich ift, auf Saßeonftructionen einzugeben. We⸗ niger empfindlich dagegen bin ich gegen ſwliſtiſche Uebungen, mündliche mie ſchriſtliche. Es kann feinen Widerwillen gegen eine Romanze erzeugen, wenn ih den Schüler veranlafle, ſchriftlich und mündlich den Inhalt derfelben ans zugeben, ven Gedankengang, die Idee darzulegen, die darin auftretenden Pers fonen zu charalteriſiren, zwei verwandte Dichtungen mit einander zu vergleis hen u, |. w. Solche Uebungen habe ich vielfach und mit fehr gutem Grjolge

166 Literaturfunde.

anftellen laſſen und immer gefunden, daß fie gun; geeignet find, ben Gchäler tiefer in das Berfländnik der Tichtungen einzuführen und ihm in ungepwungen fer Weife zu Spradgewandtheit zu verbeifen. Niemals babe ih die Grjab: rung gemadt, daß den Echülern durch eine Behandlung in dem angegebenen Einne eine Dichtung wäre verleivet worden. Wie Sollte das aud möglich fein ? Kunftwerte, wie wie Schiller ſchen Balladen, bleiben Gpelfeine, wenn fie aud, fo zu Tagen, mit Füßen getreten werden, und erweiſen ihre wohl: thätige Wirkung fo oft, als fie Jemand auf fi wirten läßt. Daß Grube im Grunde eben fo denft, glaube ich aus einer Aeußerung in der Borrede ju dem zweiten Bändchen feiner „‚Achbetiichen Borlefungen‘ entnehmen zu lönnen. Dort heißt ed nämlih: „Frei und often flellt fi die Natur vor Aller Augen bin, die Menfhen fönnen und fjollen fie erfor: fhen, berehnen, zergliedern; aber ihr unendlich ſchöpfe⸗ riſches Leben behält fie doch, und es wohnt in ihr ein göttliches Gebeimnib, das wir wohl glauben und empfinden, aber mit unferm Ber: flande doch nit ausdenten und ergründen lönnen.“

„Ss ift der gleihe Fall mit der Raturpoefie des Boltsliedes. Daſſelbe wird in feiner Fortpflanzung fiets verändert, umgebilvet, neuge

ſchaffen, und bleibt doch immer fi ſelbſt gleih. Ich habe hier

die edelften Geftaltungen im Sinne, in welden der Gharalter der Allge⸗ meinheit noch nicht in den der Gemeinheit berabgejunten it. Diefes echte Bollslied if zwar aud in Aller Munde; es wird an allen Orten und Enden, vom Wanderburſchen und der Stallmagd, in der Spinnftube und auf der Alp, auf der Straße und im Wirthshaus gefungen und es wird doch nimmer alltäglihd und alt, ed bewahrt eine ju- gendlide Friſche und Schönheit, die ihm bleibt, auch wenn es aus dem Gedaͤchtniß des lebenden Geſchlechts längf geſchwunden und nur burd) ein Jahrhunderte altes „fliegendes Blatt” auf die Gegenwart gelommen if.‘

Gerade fo denke ih auch über unjere Haffiiche Kunſſpoeſie, ſpeciell über die Schillerſchen Romanzen.

U. KRiteratur.

1. Literaturgeſchichte.

1. Geſchichte der deutſchen NRational-Literatur. Zunächſt für hö⸗ bere ZTöchterfäulen und weiblihe Erziehungsanſtalten bearbeitet von @. er. gr. 8 (XVI und 301 ©). Freiburg i. Br., Herder, 1865. Diefe Shrift ift zum Gebrauh für Schülerinnen beflimmt. Vieles

bat fie natürlih mit zablreihen andern Büchern biefer Art gemein; von einer nicht geringen Anzahl derſelben unterfcheivet fie ſich jedoch dadurch vortheilbaft, daß fie das große Heer mittelmäßiger Dichter unberüdfichtigt läßt, fidh kurz, aber anregend über Zeiten und Berfonen ausſpricht, nach moͤglichſter Unparteilichleit firebt und fo viel Proben einlegt, als zur Bes

Literaturkunde. 167:

gründung ber abgegebenen Urtheile erforberlih find. Völlig ausreichend zu der Bildung, welche in höheren Töchterfchulen dur die poetiſche Literatur erreiht werben fol, halten mwir diefe Proben allerdings nod nicht; aber dafür kann ja leiht durch Einführung einer guten Sammlung geforgt werben.

2. PAR RL LT ber bentihen Fiteratur vom deinvih . e, verbefierte Auflage. gr. 8. u einzig, ©. ©. Teubner, 1865. 1 EL ge. ge Fan Diefer Leitfaden hat bald die Anerkennung gefunden, welche er ver: dient. Der erften Auflage baben wir im XIII. Bo. des Jahresberichts rühmend gedacht und dabei den Wunſch nad Verringerung des Materials ausgeſprochen. Der Berf. ift hierauf jo weit eingegangen, als es ſich mit feiner Anfiht vertrug, und bat dafür einzelne wichtige Partien etwas er: weitert. Bon einer weiteren Bejchräntung hielt ihn die Anficht zurüd, daß ein Leitfaden für höhere Schulanftalten auch sum Nadfchlagen müſſe ge braucht werben können. Dagegen wollen wir um fo weniger etwas einwen⸗ den, als das Linmwefentlichere ohnehin durch kleineren Drud ausgeſchieden worden ift

3. Orundriß ber Geſchichte ber deutſchen Literatur von Dr. J. W.

Schäfer. Zehnte, auf's neue durchgearbeitete und verbefierte Auflage. gr. 8.

( und 204 ©.). Bremen, 4. D. Geisler, 1866. 124 Sgr.

Diefe neue Auflage gibt, wie die früheren, auf jeder Seite Zeugniß von dem Beitreben des Verfafiers, feinem Werte die möglihfte Vollendung zu geben. Dadurch bleibt das Buch auf der Höhe der Wiſſenſchaft und verdient fi immer neue Empfehlung.

4. Die beutfhe Nationalliteratur ber Neuzeit, in einer Neibe von Borlefungen bargefiellt von Karl Barthel Siebente Auflage, in Amer . fungen ergänzt und fortgeführt von ©. Emil Barthel. gr. 8. (XVIU und 647 ©.) Braunſchweig, Ep. Leibrod, 1866. 2 Thlr.

Dies Buch ſcheint fich immer neue Freunde zu erwerben. Die ſechſte Auflage erfhien Ende 1861, und nun ift bereits wieder eine neue da. Das Wert hat Geift und Ton unverändert beibehalten; der jeßige Herausgeber, der Bruder des Verfaſſers, hat aber bereit manche ſchätzenswerthe Anmer⸗ tungen hinzugefügt, die den Text theil erweitern, theils berichtigen und fortführen. Da die Zahl diefer Anmerkungen aber ſchon auf 185 fi bes läuft, fo dürfte es nun angemefjen erſcheinen, fie dem Zerte einzuvers eiben. "

5. Geſchichte der deutſchen Literatur. Bon W. Lindemann. Crfie bis dritte Lieferung. gr. 8. (Bogen I—27.).. Freiburg i. Br., Herder’ ſche Berlagshanblung. 1865 und 1866. & Lieferung 12 Sgr.

Das Werk wird fünf Lieferungen umfaflen und in kurzer Zeit vollens det fein. Die dritte Lieferung bricht in dem Abſchnitt „Bon Opitz bis Gottſched“ ab; das Merk geftattet daher no fein begründetes Urtbeil; wis werden deshalb im naͤchſten Bande darauf zurüd kommen,

168 Literaturfunbe.

6 Leben und Werke dentſcher Diäten. ee ber ben

in ben brei lehten Jahrhunderten von O

Mit ſecht Bildniſſen in Stahlſtich. gr. 8. 9 ob Es er ac Ba

Fr. Brudmann, 1866,

Auf diefe tücdhtige Arbeit haben wir bereitö bei ver Beſprechung bes erfien Bandes die Aufmerkſamkeit unferer Leſer zu Ienten gefuht. Es zeichnet ſich vor verwandten Arbeiten dadurch aus, daß es bie bedeuten deren Perſoöͤnlichkeiten der legten drei Jahrhunderte ausführlicher beſpricht und an ihnen die ganze Gutwwidelung der Literaturgeſchichte dieſes Zeit⸗ raumes zeigt. Dies Verſabren iR das allein richtige für alle Diejenigen, welcht ſich näher mit der Lireraturgefchichte befannt machen wollen, ohne fie zur Ledentauigabe zu machen, aljo für die große Mehrzahl der Ge⸗ dildeten.

{er verliegende Wud enthilt das ſiebente bis dreizehnte Bud). * Nar darin wie Anderen derreden: die leßten Schleſier, Günther, Wer⸗ nide. KRedet. Gotder. Srüerrt, Sıhumwer, Hagedorn, Haller, Uz, G. Ch. Kar, Namier, Diem. Widocüs, fat alle mit einer gewiſſen Vorliebe, wu irn mamind eine Undel der Sc zu wergüten, das geftörte Gleich: gewicht derzudeen. dos Neritelver pureätjuräden und der deutſchen Li teratur eine Nerde non ide söımn, ia er Art wahrhaft dichteriichen Veſtrebdungen zu retten mmuren“

Tie wenden Erztitihe ferien Gettichen, Lichtwer, Hagedorn, Gellert, Yeodes war Zirliaxr kur.

T. Gei&iäte fee eranzeli Gen Kirdenliches für Schule und Hans. Deserwerzei zen Dr. 8 Zimmermann, Grebbeg hefſ. Prälar. XVIIIG © Hale 3. Fride, 1865. 71 Ser. Tas „Rene“ an tier Ausgebe iR der Titel. Das Werten erſchien ua2 bat weil leme weite Rertreiteng aeumien. Dennod) iſt es

555, em kısıtares Dale für Abe, die ab im Kirze mit ber Geſchichte des

8. 34 Se 3 Gin —— ur Ge⸗

Eruk Höpfner, Obetlehrer am

Syanchum ju Ic - Kun N (II us 59 €.) Berlin, Stilla aut ven Mapten, 1565. | Tr.

Wedberlin wurte 1584 —— und furt 1651, überlebte alſo Opiß, als teiten Tergänger er oft bejeichnet wird, um zwölj Jahre. Ragt er au witt als beieutender Dichter beroer, fe bat er doch mandes friiche Lied gejungen und ſich dadurch eime Stelle in der Citeratungeidhichte gefichert. Der Beri. beſpricht feine Berbienfte unparteiic und hat offenbar gründliche Studien tazu gemadit. Wer ih etwas eingehender mit Literaturgeſchichte beichäjtigt, darf dieſe Arbeit wicht unbeachtet Iajien.

Görbe’s Lehen aunt Werke in hronelrgiihen Tafeln für gebil- ee Berehrer des Dichters deardeitet von Iulind Saupe, Profefior am

Literaturkunde. 169

mm n Gera. eite Auflage. Snppiementbanb zu Tänmtlichen hm nd Gdthe's Werten. ne 155 ©.) mie Ar 4) Gera, Ranits, (1854) 1866. 12 Ser.

Es if befannt, daß Goͤthe's Gedichten Erlebtes zu Grunde liegt, mess halb er feine Arbeiten aud „vie aufbewahrten Freuden und Leiden feines Lebens” nannte. Daß nun durch Kenntniß der „Erlebnifle” das Berftänds niß der Dichtungen wefentlich erleichtert wird, verftebt fi von ſelbſt. Das Studium einer guten Biographie des Dichters ift daher unerläßlich. Die vorliegende Arbeit enthält eine jehr gebrängte Biographie Göthe's und die genaue Angabe von Jahr und Tag der Entftebung und Vollendung jeder Arbeit. Jede Seite des Buches ift zu dieſem Zwecke durch eine ſenk⸗ rechte Linie in zwei Hälften getbeilt; bie linke Hälfte enthält die Biographie, die rechte die Angabe der Arbeiten. Die Einrichtung ift praktiſch, das Bud) daber. ven Berehrern Göthe'3 zu empfehlen. Schabe, daß wir es nur wit einer Titelausgabe zu thun baben; denn ficher würde ber Verf. mande Aenderung und Bermehrung geliefert haben, da feit 1854 über verfchiebene Arbeiten genauere Auskunft gegeben worden ift.

2. Biograpbien.

10. Albrecht von Haller als Chriſt und Apologet. Bon ©. Baggefen,

er am Münfter zn Bern. gr. 8. (114 ©.) Bern, H. Blom, 1865.

Der Berf., ein evangelifcher Geiftliher, ift feiner Zeit von ven Be⸗ ftrebungen C. Vogt's, Moleſchott's, Büchner’s, Darwin’s u. A. unangenehm berührt worden. Da man deren Uinglauben bäufig als Folge ihrer tieferen Kenntniffe der Natur anfieht, jo wird Mancher beventlih und befürchtet von den weiteren Fortiſchritten auf diefem Gebiete Gefahr für den &riftlichen Glauben, ja völligen Sturz deſſelben. Dieſe Anficht theilt der Verf. nicht und ftüßt fi dabei auf einen der größten Naturforſcher des vorigen Jahr: hundertö, auf Haller, der namentlih in feinen fpäteren Jahren einer des rechtgläubigften Chriften geweſen fei und die Zreigeifter feiner Zeit, vor Allen Voltaire, belämpft habe. ‚Er (Haller) bleibt, jagt der DVerf., ein Beugniß für Beides, daß der Glaube die echte Wiſſenſchaft nicht zu fürchten bat, und daß die MWiflenfchaft im Dienfte des Glaubens von ihrer Würbe und Wahrheit nichts einbüßt.” Wenn der Verf. dabei an einen mit ber Vernunft in Einklang befindlihen Glauben denkt, fo ftimmen wir ihm voll fommen bei, ftügen uns aber bierin niemals auf eine einzelne Perſoöͤnlich⸗ teit, alſo auch nicht auf Haller. Es beweiſt Nichts, wenn ein alter, kraͤnk⸗ liher Mann orthodox wird. Auch kann heut Niemand behaupten, daß Haller diefe Richtung würde eingefhlagen haben, wenn er in unferer Beit gelebt Hätte. Diefen Beweis aus den Schriften Haller’s führen zu wollen, it daher ein ganz unfruchtbares Unternehmen. Wenn die GBeiftlichen: dem von ihnen befürdten Unglauben entgegentreten wollen, fo mögen fie dafür forgen, daß Naturforfhung und Chriftenglaube in Ginllang bleiben tönnen, Das wird möglich fein, wenn fie ihre flarre Orthodoxie auf:

179 Literaturkunde.

geben und ihre Predigten fo einrichten, daß auch die Gebildetſten Zeit ihnen freudig zuſtimmen koͤnnen. Es wird darum mit der Gittlich: keit nicht ſchlechter ſtehen.

11. Göthe in den Jahren 1771 bite 1775. Bon B.R. Abeken. Zweite Auflage. gr. 8. (434 S.) Hannover, C. Ruͤmpler, 1865. 14 Thlr. Das Buch behandelt den Zeitraum von Göthe’3 Aufenthalt in Straß

burg bis zu feiner Weberfievlung nad Weimar. Diele Beit ift infofern von

befonderem Sinterefie, als fie uns mehr als jede andere Bötbe's Autwidelung eriennen läßt. Aus Goͤthe's Geſpraͤchen mit Edermann wifien wir, daß aud er „vie Epoche der Entwidelung als die wichtigfte eines Individuums‘ anfabe. Der Gedanke, den genannten Zeitraum zum Gegenftanb einer bes fonderen und ausführlihen Darflellung zu maden, kann daher als ein glüdlicher bezeichnet werden. Nach unferem Dafürbalten bat der Berf. die ih geftellte Aufgabe fehr gut gelöft. Er trägt nicht nur alle Thatſachen dieſes Lebensabſchnittes treu vor, fondern unterwirft diefelben auch einer eingebenden Beurtheilung. Dur Lebteres befommt die Darftellung eine gewifie Breite, aber man muß doch auch zugeben, daß durch eine ſolche Bes urtbeilung der Zwed der Schrift weientlich gefördert wird. Der Berf. gibt ſich ohnehin als einen ebenfo einfichtigen, als vorurtbeilsfreien Beurtbeiler

Goͤthe's zu erfennen. Große Anerlennung verbient aud der Yleiß, welden

der Verf. auf die Erforſchung der Göthe⸗Literatur verwandt bat; es bürfte

faum ein Verl, ein Auffag, ein Brief vorhanden fein, deflen nit an pafiender Stelle gedahht würde. Das Werk fei daher den Freunden Göthe's beftens empfohlen.

12. gen abe © Arndt. Sein Leben unb feine Schriften. Don €, angenderg Mit einem Stahlfih: Arndt's Denkmal in Bonn. gr. 8.

ri und 280 ©.) Bonn, Weber, 1865. 14 Thlr. Diefe Biographie gehört zu den beften, bie wir über Arndt haben. Der in Bonn lebende Berf., der dem trefflihen Manne gewiß näber fand, erweilt fih als ein genauer Kenner des Lebens und der Schriften Arndt's, md es ſcheint ihm fein Bug von Belang daraus entgangen zu fein. Seine Darftellung iſt einfach, aber koͤrnig. Arndt's Schriften werben überall da berangesogen, wo fie der Zeitfolge nah bingebören. Wo es wirkungsreich ift, läßt der Verf. Arndt jelbft ſprechen und macht dadurch den Leſer nad und nad vertrauter mit defien Denkt: und Spradmeife, als es fonft mög: Ih gemefen wäre. Bon den 34 Abſchnitten ift einer dem „Dichter“

Arndt gewidmet, der uns befonders angeſprochen bat.

13. Weber Klaus Groth und feine Diätungen, zum Theil au® unge» brudten Quellen, von Ed. Sobein. (60 S.) Hamburg, Perthes, Befler und Maufe, 1865. 12 Sgr.

Die erfien 15 Seiten find dem Leben Groth’ gewidmet, die folgenden feinen Dichtungen. Das Leben biefes in kurzer Zeit berühmt gemorkenen Mannes bietet auffallende Ereignifie nicht dar, verdient aber dad die Bes achtung begabter Yünglinge.

Groth iſt am 24. April 1819 in Heide, dem Hauptfleden ver Nord⸗

Literaturkunde. 174.

hälfte des Landchens Ditmarſchen, geboren. Sein Vater hatte dort einen Heinen Landbeſitz und kaufte fpäter eine Windmühle dazu, da er das Müller: und Zimmergewerk gelernt hatte. Klaus beſuchte nur die dortige Bürgerjchule, da die Rectorihule dem Vater zu theuer war und auch wähs rend der Sommermonate regelmäßigen Schulbefuh forderte. Im 16. Lebensjahre wurde er bei einem benadbarten Kirchſpielvogt Schreibgehülfe, Die ibm bier bleibende Muße benußte er zu feiner Selbfibilvung. Die Freude am Lernen erwedte den Entjhluß in ihm, Lehrer werben zu wollen. Er beſuchte zu diefem Zmede das Seminar in Tondern. Rafls Iofe Studien bewirkten, daß er ausgezeichnete Fortfchritte machte und am Schluß des Kurfus ein glänzendes Examen befland. Er wurde darauf Lehrer an der Mädchenſchule feines Geburtsortes. Die vierzig wöchentlichen Gtunden, welche er zu geben hatte, binverten ihn nicht, ſich den ernfteften Studien hinzugeben. Mathematik, Aeſthetik und Spraden waren es vor: zugsweiſe, denen er fi mit dem anftrengendften Fleiße widmete. Seine Ürbeitzzeit begann des Morgens 4 Uhr. Nah und nad reifte in ihm der Plan, der Dichter feines Volles zu werden. 1847 ging er nad ber Infel Femarn zu einem Freunde, zunädft in der Abficht, feine geſchwächte Sejundheit wieder berzuftellen. Aber bier ſchuf er aud feinen „Quidr born”, mit dem er 1852 hervortrat und fofort ben allgemeinften Beifall erwarb. 1853 ging er nad) Kiel und fand dort an Prof. Müllenhof einen fördernden Freund; 1855 verweilte er am Rhein; 1856 wurde er Ehren» doctor der Bonner Univerfität, und jeit 1857 wirkt er in Kiel als Bro: feflor der Literaturgefchichte.

Groth's plattveutihe Gedichte find allgemein bekannt; es ift daher nicht nöthig, bier näher darauf einzugeben. Das bier genannte Schriftchen gibt ohnehin genügende Auskunft über dieſelben.

14. Dentſche Dihter und Brofaiften von der Mitte bes 15. Jahrhunderts bis auf unfere Zeit nah ihrem Leben und Wirken geſchildert. 2. Abth. 3. Bd. Bon Heinrich Kurz. Mit 16 Bortr. (in Holzſchn.) gr. 16. (III und 645 ©.) Leipzig, Teubner, 1865. 4 Thir.

Lag uns nicht zur Beurtheilung vor.

3. Erläuterungen von Dichtungen.

15. Wörterbuch zu ber Nibelungenot (Lied). Bon Auguſt Lübben. Zweite, vermehrte und verbefjerte Auflage. gr. 8. (III unb 206 ©.) Oldenburg, G. Stalling, 1865.

Die neue Auflage ift eine mefentliche verbefierte ; überall bemertt man in berfelben den großen Einfluß, den Holtzmann's Arbeiten auf dieſem Gebiete ausgeübt haben. Freunde des Nibelungenlieves werben dies Wörter- buch nicht entbehren können, F

16. Erlänterungen deutſcher Dichtungen. Nebſt Themen zu ſchriftlichen Aufſätzen, in Umriſſen und Ausführungen. Ein Hülfsbuch beim Unterricht in des Literatur, Erſte Reihe. weite, vermehrte nud verbeilerte Auflage,

172 Literaturfunde,

Seransgegeben von C. Bude, Lehrer an ber höheren Tochterſchule in

Magdeburg. gr. 8. (XI und 307 &.) Leipig, Kr. Branbfetter, 1866.

Die erfte Ausgabe dieſes Theiles erfhien 1858. Die gegenwärtige fann mit gutem Rechte eine „vermehrte und verbeflerte” genannt werben, eine vermehrte, da fie 75 Seiten ftärler ift, als bie erfte, eine verbefierte, da der Berf. fih bemüht hat, vie einzelnen Arbeiten etwas mehr abzu⸗ runden.

Gude's Art der Erflärung iſt befannt: Darlegung und allgemeine Bes urtbeilung des Inhalts vom künftleriihen Standpunkte und Charalteriftrung der auftretenden Perfonen ift ihm die Hauptfahe. Aus dem Leben der Dichter wird nur fo viel herangezogen, als zum Verftändniß der erläuterten Dichtungen erforderlih ift. Directe Sprahbildung liegt nicht im Plane des Buches oder doch nur fo weit, als aus den Beiprehungen Beranlaflung zu Stilübungen genommen wird.

Für weitere neue Auflagen oder neue Bearbeitungen empfehlen wir dem Berf., die Gliederung innerhalb der einzelnen Arbeiten durch paſſende Drudeinrihtung au dem Auge bemerkbar zu maden, ba bierburdy dem Lefer der Gebrauch des Buches erleichtert wird.

17. Erläuterungen beutfher Dichtungen. Nebft Themen zu fAhrift- fihen Auffägen, in Umriffen und Ausführungen. Dritte Reihe. Herans⸗ gegeben von &. Bude, Lehrer an ber höberen Töchterichule zu Magdeburg. gr. 8. (VII und 196 ©.) Leipzig, Fr. Brandfletter, 1865. 3% Thlr. In diefem Bändchen find 17 Dichtungen behandelt, nämlid von

Schil ler: Wallenftein, Klage der Geres, das Eleuſiſche Zeit, Kaflandra,

bee Zander; von Göthe: der König in Thule, Sängers Klagelied,

Mignon; von Chamiffo: die alte Wafchfrau; von Schwab: die Thurs

brüde bei Bischoffszell; von Uhland: des Knaben Berglied, Bertran de

Rom, Graf Eberhard der Raufhebart; von %. 8. von Stolberg:

Lied eines deutfhen Knaben; von W. Müller: Schwertlied; von Klop⸗

ftod: die Frühlingsfeier. Außerdem ift noch eingelegt eine Vergleihung

zwifchen Schiller und Göthe und zwiſchen Schiller und Uhland.

18. Heftbetifhe Borträge von U. W. Grube. Erſtes Bändchen: Göthe's Eifenballaden und Schiller's Ritterromanzen. Zweites Bändchen: Deutſche Volkslieder. br. 8. (IX und 213, IV und 306 Seiten.) Sferlohn, I. Bäpeler, 1864 und 1866. °/s unb 1/e The.

Das erfte Bändchen" enthält folgende neun Vorträge: 1) Nordiſche Elfenlieder und Göthe's Erllönig. 2) Göthe’3 Fiſcher. 3) Vergleiche mit deutſchen Elfenliedern. 4) Schiller's Romanzen im Gegenfaß zu Goͤthe's Balladen. 5) Schiller's Taucher. 6) Der Handſchuh. 7) Der Kampf mit dem Draden. 8) Der Nitter Toggenburg. 9) Der Graf von Habs» burg. Das zweite, flärtere Bändchen behandelt nur drei Gegenftände, diefe aber ausführlicher, nämlih: 1) Deutfche Volkslieder. 2) Bom Kehr⸗ veim bes Volksliedes. 3) Der Kehrreim bei Göthe, Uhland und Rüdert.

Dir haben beide Bändchen mit Vergnügen gelefen und halten uns überzeugt, daß dieſelben viele aufmerkſame Lefer finden werben, wie fie denn

Literaturkunde. 178

dieſelben auch verdienen. Wo es ſich um Beſprechung von Poeſien han⸗ delt, da hat es der Verf. vorzugsweiſe auf Darlegung des Ideengehaltes abgeſehen, und hierbei zeigt er die Geſchicklichkeit, die wir längſt an ihm tennen und ſchaͤtzen. Feine pſychologiſche und äſthetiſche Auseinanderfegungen treten und auf jeder Seite entgegen und machen uns die Dichtungen werth.

Wenn wir die Arbeiten auch unſern Lejern, den Lehrern alfo, beftens empfehlen, jo wollen wir damit nicht auch zugleich Jagen, daß fie diefelben als für den Schulgebrauch berechnet anjehen follen; Schulbücher find dieſe „Aeſthetiſchen Vorträge” nicht und follen es auch nicht fein; aber Lehrer werden daraus Manches im Unterricht verwenden koͤnnen.

19. Shakſpe are's ee feinem Grundgedanfen und Inhalte nach erläu-

te Fe Dr. Auguf Döring. gr. 8. (96 S.) Berlin, Grote, 1865.

In einer längeren Ginleitung charalterifirt der Verf. alle Schriften und größeren Auffäße, die bis jet über Shakeſpeare's Hamlet erfchienen find, und weit die Hauptirrthümer in denſelben nah. Darauf entwidelt er feine eigene Anfiht am Faden des Drama’s mit großem Scharfſinn. Näher bierauf einzugehen, müflen wir uns verjagen, da wir es bier zunädhft nur mit der deutfchen Literatur zu thun haben. Aber wollten doch nicht unters lafien, die Freunde des großen englifhen Dichters auf diefe Schrift aufs merlfam zu maden. '

20. Iphigenie auf Tanris. Ein Schaufpiel von Gothe. Für e unb 4a g eiintert —* H. p (70 S.) —— Aue, 1865. 9 Sgr.

Der Berf. gebt von der völlig richtigen Anſicht aus, daß Dichtungen, wie Goͤthe's Iphigenie, für Biele der Erläuterungen bebürfen, wenn fie von ihrer Lectiixe wahren Nußen baben jollen. Bor Allem ift das für die veifere Jugend nötbig, die man jebt mit Vorliebe und mit völliger Berechtigung in die deutfche Kaffifche Literatur einzuführen bemübt ift, theils um ihr einen höheren Grad allgemeiner Bildung zu verleihen, theils um fie ſprachlich zu fürden. Der Berf. liefert hiezu einen recht guten Beitrag, Geine Gr Härung ift einfah und allgemein verftändlid, daher weiteren Kreiſen zu⸗ gänglid. In der Einleitung. wird der. Begriff das Drama, das Goͤthe'ſche Schauspiel und ſein Berhältniß zur antilen Sage, der Eharalier ver: auf tretenden Perjonen und endlich die Idee der Dichtung beiprochen. SHieran reihet ſich eine fpeciellere Erklaͤrung einzelner Ausdrũcke und Beiprehung ver Berhältnifje in den einzelnen Aufzügen. Gin Anhang bezeichnet 25 Stellen von fprudartiger Schönheit und Kurze.

21. Ueber Schil ler's Wilhelm Tell. Ein Vortrag gehalten zum Beflen bes Halliiden Frauenvereins zur Armen- und Kranfenpflege am 2. März 1865 von Dr. Karl Lucae, Brivatbocent. 8. (35 &.) Halle, Buchhand⸗ lung des Waifenhaufes, 1865. Yes Thlr.

Der Berf, befhräntt ſich der Hauptſache nad darauf, zu zeigen, wi⸗ Schiller die bekannten Quellen ſeiner Dramen benutzt hat; nur hier und da wird ein einzelner Theil der Dichtung analyfirt. Vor einem gemiſchten

[ >

174 Literaturkunde.

Publikum iſt ſolch eine Behandlung gewiß am Platz und ſicher auch ganz interefiant gefunden worden; auch wird es dem Vortrage jetzt, nachdem er gedrudt vorliegt, nicht an Lefern fehlen; aber Reues über Das vortreffliche Drama haben wir nirgends darin gefunden.

233. Schiller ale Iyrifger Dichter. Bon Heinrich Düntzer. gr. (IV nuub 263 Geiten.) Wenigen-Jeue, C. Hochaujen, 1864. 8 Gyr. Schillers Iyrifhe Gedichte. Grläutert von Heinrih Düntzer. 8 Hefte. gr. 16. Ebendaſelbſt, 1864 und 65. & Heft 4 Sgr., einzeln 6 Sgr.

Beide Schriften gehören zuſammen;: die zuerft genannte iſt gewiſſer⸗ maßen die Ginleitung zu der zweiten. Schon in den vorhergehenden Bän- den haben wir wiederholt anerlannt, daß der Berf. zwar mitunter etwas weitläufig wird, dennoch aber ganz entſchieden zu den geſchickten Erklärern unferer klaſſiſchen Dichter gehört, wie er durch zahlreiche einfhlägliche Ar: beiten dargetban hat. Daß der Verf. übrigens merkliche Fortſchritte im Crläutern gemacht bat, beweift diefe neue Arbeit; es ift Alles abgerundeter darin, als in früheren. Ban kann und foll fo ein Buch nit in einem Buge lefen; aber was wir gelefen, bat uns fehr mohlgefallen.

16.

4. Ausgaben älterer Dichtungen.

2. ltand, Leben und Lehre. Rab dem Altſä von 2. . —* Fer Auflage. 8. Av hf: er 3 , R 2. Friedrichs, 1866. °/ı Thlr.

„Was Klopftod wollte und nicht vermochte, das chriſiliche Cpos dich⸗ ten, das war vor taufend Jahren einem newbelehrten Ghriften gelungen“, einem fähfiihen Bauer, wie die Sage berichtet. Dieſes herrliche Gpos ift von Stannegieher, Grein, Köne, Rapp und Gimrod äberfegt und dadurch Allen zugänglich gemacht worben, bie mit der altnieberbeutfchen Sprade des neunten Jahrhunderts unbelannt find. Die erfte Ausgabe der Sims sod’fchen Ueberjegung erfhien 1856, und daf nach zehn Jahren eine neue erforberlich war, beweift, dab fie viele Freunde gefunden hat. Daß fie bie felben verdient, iſt laͤngſt anerlannt. Wir fremen ums, fie in guter Aus Rattung awo zu billigen Breife wieder zu baben.

4. Das Annolied. Genauer Abdruck bes Opibifchen Tertes mit Aumer⸗ tungen und Wörterbuch von Joſeph Kehrein, Director des herz. nl Lehrerfeminars zu Montabaur. 8. (VI nnd 85 ©.) Franffurt a. M. Berlag für Kunft und Wiffenfchaft. G. Hamacher, 1865. 12 Ger.

i Das Unnoliev wird von Prof. Holtzmann in das Jahr 1080 ver st umd dem Prieſter Lambert von Hersfeld zugejhrieben. Es ift ein dgefang auf den Erzbiſchof Anno. Herder nennt es „ein Pindariſches

Loblied“ und Holgmann „ein tiefpoetifhes, hormoniſches, auf reicher Bil-

dung ruhendes Wert, ein Wert aus Einem Guß and Fluß, kbeall jelbRändig,

briginal.“ Kehrein wanſcht, daß es namentlich in unfern Gymnaſien neben dem Mbelungenliede möge geleſen werden. Mit Hülfe des ganz vollſtaͤm⸗

Literaturkunde. 176

digen Worterbuches, in dem ber Herausgeber von Neuem feine ausgezeich⸗ nete Kenntniß des Althochdeutſchen dargethan bat, wird Jeder zum Ber: fländniß des Gedichts kommen, der es ernſilich will.

25. Die FrithiofSage. Der Jugend erzählt von Friebrich Seidel. Mi

—— ii 3 Huhn u. He 8. & u. ir & eng:

J. 83. Weber, 1866,

Die ſchöne, in Deutfchland bereits viel befannte Frithjof⸗Sage erfcheint bier in einer illuftrirten Bearbeitung für die Jugend. Sie kann derfelben auch ohne Bedenken in bie Hand gegeben werden; denn fie ifl gut er: zählt. In vielen Scenen läßt der Bearbeiter Proſa und Poeſie wechſeln und bereitet dadurch paſſend zum Lejen metrifher Ueberſetzun⸗

gen vor.

5. Gedichtſammlungen.

26. Edelſteine dentſcher Dichtung und Weisheit im XIII. Jahr⸗ hundert. Ein mittelhochdeutſches Leſebuch zuſammengeſtellt und mit einem Wörterbuche verſehen von Philipp Wackernagel. Dritte, verbeflerte Auf. Inge. gr.8. (XXXVI am 312 ©). Frankfurt a. M., Heyber umb Bimumes, 1865. 14 Thir. | Ä |

Die ‚Edelfteine” find den Lehrern un Gelehrtenſchulen hinreichend be fannt ; es bevarf daher bier nur der Anzeige der neuen Auflage. Für le jüngeren unferer Leſer bemerfen wir jedoch, daß alle Terte in der Sprache des dreizehnten Jahrhunderts gegeben find, das einen großen Theil bes

Buches einnehmende Nibelungenlied nah der Ausgabe von Lachmann, der

betanntlih nur eine mäßige Anzahl von Abenteuern für echt anertennt.

Außer diefer Dihtung enthält das Wert noch: Den armen Heinrich, Otto

mit dem Barte, Lieder non Hartmann von Aue, Reinmar dem Alten, Wal

ther von der Wogelmeide (59), Einiges aus Freidanks Veſcheidenheit, Profa

aus David von Augsburg und Berthold von Regensburg. . J

Das angehaͤngte Woͤrterbuch iſt ganz geeignet, dem Anfaͤnger das Studium zu erleichtern, ebenſo, was in ber Vorrede über die Vocale und Gonjonanten gejagt wird. 0.

Dem Herausgeber gebührt das Berdienft, durch diefe Schrift und an⸗ dere Arbeiten nachdruͤdlich auf die germaniftifchen. Stubien biugemwiefen zu haben. . |

27. Das dentſche Räthſelbuch. Geſammelt von Karl Simrock. Zwelle Auflage. Frankfurt a. M., Chr. Winter. Gebrudt in dieſem Jahre. Diefe neue Ausgabe unterjcheidet fi von der erften dadurch, daß der

Herausgeber Alles ausſchloß, was das Anſtandsgefühl verlegen kann; bie

vollſtandige Ausgabe ift neben biefer zu haben. Wir können biefe Aus

ſcheidung nur billigen, va das Bud nun auch der Jugend in die Hand gegeben: werden kann. Diefelbe bat an hen 1242 dargebotenen Rummern noch genug zum Zeitvertreih und zur Echärfung bed. Racbenle. . . :

176 ‚Riternturtunde.

28. Der altdentſche Helbenfang in drei Proben. Nibeln Gudrun Parzival, für Schule und Haus von Julius Caupe, Prof. am Gym⸗ nafhım zu Sera. 8. (VIII und 136 ©.) Gera uw. Leipzig, H. Kauitz,

. 10 gr.

Die drei großen, auf dem Zitel genannten Epen find in Proſa er zählt. Die Erzählungen haben den Grad der Ausführlichleit, der erforbers ih ift, um ein vorläufige Bild von den Dichtungen zu erlangen. Be deutfamere Stellen find metrifh, nah guten Weberfegungen, wieber- gegeben,

Für den Schulgebraud ift die Arbeit nicht geeignet ; dagegen empfeh⸗ len wir fie der etwas reiferen Jugend als eine gute Lectüre zur Einfüh: rung in diefe Dichtungen,

29. Sammlung ausgewählter Stüde aus den Werten beutfher Brofaiter und Dichter, zum Erklären und münblichen Bertragen iu ben verfhiebenen Klaſſen der Gpmnafien, herausgegeben von Dr. ©. 8. U. Hülftett. Zweiter Theil: aus bie beiden mittleren Klaſſen. Zweite Ab» theilung: Für die dritte Klaſſe. Dritte, forgfältig durchgeſehene, verbefjerte und vermehrte Auflage: gr. 8. (XXI und 336 ©.). Leipzig, Priebr. Fleiſcher, 1865. 25 Gar.

Die übrigen Abtheilungen dieſer Sammiayg And mir nicht. befannt ; die vorliegende enthält viel Gutes in Proja und Poeſie, Mberfichtlich geord⸗ net, wird ſich daber für den auf dem Zitel angegebenen Zwed als brauch: bar erweijen.

.

30. Sammlung deutſcher Gedichte, welche ſich ‚um Declamiren in ben

mittleren nnd oberen Gymnaſialllafſen eignen, herausgegeben von Dr. 4 Volckmar, Director am Lönigl. —*8 zu Aurich. Dritte, verbeſſerte Auflage. (IX und 470 ©.). Göttingen, Vandenhoeck u. Ruprecht, 1865. 1 .

Sm dieſer Sammlung find die beſſeren unſerer Dichter faſt alle ver- treten, die hervorragendften natürlich durch eine gröfere Anzahl von Etüden. Die Auswahl ift mit Geihmad angefertigt.

31. Sammlung beutfher Gedichte, di Schule und Sans. Gefammelt und methobitch zufammengeftellt von Ernſt Keller, Sechſte Auflage. 8.

(160 ©.). Berlin, ©. Hempel, 1866, 5 Egr. .

»_ . Aus 47 Dichtern der neueren Beit, etwa von. Gellert und Gleim an

gerechnet, find für diefe Sammlung benußt worden. Die Auswahl kan

als zwedmäßig bezeichnet werben und fcheint auch nad den Nuflagen

34 ſchließen Beifall gefunden zu haben.

32. Gellertbuch. Herausgegeben von Ferdinand Naumann. Mit einem Titelkupfer: Das geifllihe Lieb Gellert's (nad) einer Originatzeichnung des

Brof. E. Benbemann) unb drei Lithographieen: das Portrait,‘ EOrab uuib -. : Faeſimile Gellerts. Zweite, unveränberte Auflage. Ir. 8. (VII und 307 6). Dresben, &. ©. Meinhold und Söhne 1 Chr. . ., -

.. Gine größere Anzahl von Dichtern und befannten Schriftſtellern hat Beiträge zw diefem -,,@ellestbuche” gelisfert, von denen fi ein Theil direct

Literaturkunde. 177

auf Gellert bezieht. „Züge aus Gellert's Leben“ von dem gemüthvollen G. Chr. von Schubert eröffnen das Werl. Den Freunden Gellert's wird Manches dargeboten, was ihnen Freude machen wird.

33. Charis. Griechiſche Antbologie in dentſcher Ueberfeung. Ausgewählt für Frauen von Berta Alrebi. Nebft kurzer Geſchichte der griechifchen Poefie und mythologiſchem Anhang. br. 8. (VI und 602 ©.). Berlin, H. Kaftner, 1865. In engl. Einb. m. Goldſchn. 3 Thlr.

Das Streben, die poetiſchen Echäbe des klaſſiſchen Altertbums gebil⸗ deten deutſchen Frauen in guten Ueberjeßungen zugänglib zu machen, ift in neuerer Zeit wiederholt hervorgetreten, und verdient Anerlennung und Ermunterung. Gern weiſen mir daher auf diefe neue griebiihe Anthos logie bin, und um fo lieber, da fie mit feinem Tacte angefertigt ift und nur Zrefflihes enthält. Diefelbe bringt Proben aus den verjchiedenften Dibtungsarten, fo namentlihd aus Homer's Ilias und Odyſſee, aus Heſiod's Merle und Tage, Hymnen, Glegien, Epigramme, Yamben = Dichtungen, lyriſche Dichtungen, Idyllen und Dramen von Aeſchylos, Sopholles und Quripives. Hier und da find kurze Grläuterungen unter dem Terte ges geben worden, Mythologiſches ausgenommen, wofür der Anhang genü: gend forgt.

Die Ausftattung ift ausgezeichnet.

34. Blütden Hriftlider Dichtung aus allen Zeiten ber Kirche für jeben Tag des Zahret. Kine Mitgabe auf die Lebensreile. Füufte Auflage. 16. (397 ©. mit 1 Chromolith.). Stuttgart, 3. F. Steinfopf, 1866. 17 Sgr Die Auswahl kann ald eine gute bezeichnet und Erbauungsbepürftigen

wohl empfohlen werben.

6. Auszüge aus Klaffilern.

35. Geiſt deutiher Klaſſiker. Eine Blumenleſe ihrer geiftreihfien und gemütbvoliftien Gedanken, Darimen und Ansiprüde. Herausgegeben von Ernſt Freiherr von Feuchtersieben, Verfaſſer der Diätetil der Seele. Driste Auflage. 1.—10. Theil. 16. Wien, Hartenleben’® Berlag, 1966. 2, Thlr.

Die vorliegenden zehn Bändchen enthalten Auszüge aus Götbe, Schiller, Herder, Hippel, Klinger, Lejfing, Lichtenberg, Bieland, Benzel:Sternau und Jean Paul. Jedem diefer Dich ter ift ein Bändchen gewidmet: Es ift nur Profa ausgemäblt worden. Als Ziel wurde dabei in’s Auge gefaßt, „nicht nur durch organifche Anorbnung in jedem Bande ein anziehendes und inftructives Ganze, fondern auch durch die Art der Auswahl ein Gefammtbild der Lebensanfiht jedes einzelnen Schriftftellers zu geben.” Dieſe Aufgabe hat der Herausgeber in vortreff: lichſter Weiſe geloͤſt. Verwandte Gedanlen ftehen überall beifammen und find mit befondern Ueberſchriften verfeben ; daraus erwächſt der fehr erhebliche Vortbeil, daß man einem beitimmten Gedanken längere Zeit nachgeben und ſich ihn von verſchiedenen Seiten ber Tann beleuchten laffen, wodurch das

Bär. Jahreabexicht. XVIL. 12

doch gem jar E:r5 weten Orime ws jedes Rünchen darch eine zwar kurze, aber sıte Gi:ralteriiik des beireffenten Tit:ers

7. Peetil

36. Leitfaten ker Boetil für tm Zul» aut Eelt-Usterridt. Ben Etts Eut Lehrer ber terrixn Errade und Piterstar. gr. 98. (VI amp 72 €.) Zänd, Sr. Eduiiheg, 1865. 5 Zr.

Zies Sckriftchen zeiknet fih ver vielen äbniiden Arkeiten vortheilbaft durch Ciniskteit und Peihräntung des Steñes und lebentige Tarftellung aus. Ter Berf. lebat fi, ebne jeine Selti:rintigleit aufzugeben, haupt: ſäclich an vie Meitter ättbetiiter Wipenſchaft, an Th. Bilder und M. Girriere an, und lift tiefe, wie aub andere Männer von CEinſicht, oft feitft reden. Die Wahl der zur Beranjhauiihung dienenden Boefien iR eine recht gute.

8. Mytbologie,

37. Die nordiſchen Götterfagen, einfah erzählt von „Dr: A. Reulh.

8. (VI und 139 E.). Berlin, H. Edyintler. 1565. 20 Ser.

Die alten fhönen Eagen, welbe die Grundlagen unferer dentſchen Mythologie bilden , werben vom Berf. in einfader, auch der reiferen Ju- gend verſtaͤndlichen Weiſe erzählt und durch gut entworfene Holzſchnittzeich⸗ nungen erläutert. Um Lefer, die nody ganz unbelannt mit dem Gegenftande find, nicht durch die barbarifhen Namen abzujdhreden, bat der Berf. dieſel⸗ ben in Anmerlungen unter dem Text erllärt. Die ſechs Abſchnitte, in weldye das Material gebracht wurde, tragen folgende Ueberſchriſten: 1. Die Welten und ihre Entſiehung. 2. Odhin und das Aſengeſchlecht. 3. Thor und feine Großthuten. A. Hänir und die Banen. 5. Freyja und ihre Liebhaber. 6. Leli und das Weltende.

38. Kulturbilder aus Sriebenlanbs Religion und Kunſt. Popu⸗ läte Dorträge von Dr. U. Baumeifter. Mit ficben Abbilbungen. gr. 8. (VOL und 232 &.). Wainz, C. G. Runge, 1865. 1 Thlr. 12 Ser. Ausgerüftet mit ausreichenden philologiihen Kenntniſſen hat der Verf.

(Sriehenland bereift und alle die Derter aufgefudht, über welche die Maf-

fiiben ESchriftfieller fo anſchaulich berihten. Was er aus ihnen geſchöpft

und was er dort gefhaut hat, davon giebt er in diefen Vorträgen Kunde.

63 find folgende fieben Vorträge, die er darbietet: Der Barnaß und Delphi.

Die eleujinishen Mofterien. „Prometheus. Das griehiihe Theater, zwei

Borträge. Ueber das Kunftideal in den griedifchen Götterbilvern. Gries

chiſche Götterbilder (Zeus, Hera, Apollon, Artemis, Hermes, Bacchus).

Alle find ar, anſchaulich und fehr interefiant gejchrieben, jedem Gebilvdeten

verfländlih ; Lehrer der griechiſchen Literatur und Geſchichte, jo wie übers

Riteraturfunde. 179

baupt Alle, welche nad vollem Verſtändniß einjhläglidher Poeſien ftreben, werden das Bud mit Nupen lefen. Die Abbildungen (Lithographien) ftellen griechiſche Gottheiten dar.

39. Sagen und Märchen aus ber Heroenzeit der Griechen und Römer für die Jugend bearbeitet von A. 2. Grimm. Mit fehe Illu⸗ Rrationen. Dritte, jehr ſtark vermehrte Auflage der „Märchen ber alten Griehen und Römer.” gr. 8. (IX und 498 S.). Leipzig, I. M. Geb» hardt's Verlag, 1865. cart. 2 Thlr.

Dies Wert behandelt diejelben Stoffe, welche Schwab in feinem be kannten Werle „Die fchönften Sagen des Hafliihen Alterthums“ bearbeitet bat. Da dies Werk jedoch älter ift, als das Schwab'ſche, fo haben mir nicht eine Nachahmung vefielben vor uns. Aber auch wenn das der Fall wäre, fo können. doch beide Arbeiten gar wohl neben einander befteben. Die Grimm'ſche ift in höherem Grade für die heranwachſende Jugend bes ftimmt, als die etwas höher gehaltene Schwab'ſche. Das Wert gewährt eine gute Grgänzung des Geſchichtsunterrichts, jo weit er die alten Gries hen und Römer betrifft, und kann der Jugend wohl empfohlen werden.

Der Drud iſt vortrefflich.

12*

V. Anſchauungsunterricht. Leſen. Schreiben.

Bearbeitet von

Auguſt Lüben.

I. Agcthodiſches.

1. Anſchauungsunterricht.

1. Die Stimmen, welche ſich mit uns gegen einen geſonderten Anſchauungsunterricht ausſprechen, mehren ſich. Kehr ſagt in ſeiner unten beſprochenen „Methodik des ſprachlichen Elementarunterrichts“ ©. 44: „Wir fordern den Anſchauungsunterricht als das Erſte des Elementarunterrichts und verbinden ihn organiſch mit dem geſammten Sprach⸗ und Schul⸗ unterricht. Es gibt noch Pädagogen, welche dem nicht beiſtimmen. Sie geben den Anſchauungsunterricht in geſonderten und beſonderen Stunden. Dir thun das nicht. Der Grund für unſer Handeln iſt einfach der: Wir fordern, daß der Spradhunterriht mit der Anjhauung, daß der Reben unterricht mit der Anjhauung (Stäbchen legen), daß Geographie mit der Anſchauung beginne, mit einem Worte, daß aller Untrriht Ans fhauungsunterridt fein fol. Wir fragen nun mit Recht: Wenn aller Unterridt Anſchauungsunterricht ift und fein foll, wozu nod ertra Anjhauungsunterriht in befonderen Stunden? Uns ift der An— - fhauungsunterriht feine Disciplin, fondern ein Brincip.‘ Rector Blod fagt in feinem „Einrihtungss und Lehrplan für die zweite Bürgerfhule zu Merjeburg” ©. 16: „Als Grundlage des elemen- taren Sprachunterrichts wird häufig ein abgefonderter Anſchauungs—⸗ unterricht gefordert und geordnet. Derfelbe wird alsdann wohl als ein Stammunterridt für die fpäter felbfiftänpigen Zweige des Uns» terrichts angefehen. jeder Wiſſenszweig bat aber feinen eigenen Anfang, feinen eigenen Anſchauungsunterricht. in felbfiftändiger, abgefonderter An» ſchauungsunterricht erjeint daher objectlos.“ Geminardirector

Anfchauungsunterriht. Lefen. Schreiben. 181

Albrecht in Cöthen ift derſelben Anfiht. In feinem Auffabe ‚Der Anfhauungsunterriht” (Evangeliſche Volksſchule von Ballien, 1865. 4. Heft) fagt er an der Stelle, wo er fi) über das Vogel’fche Verfahren im Schreib: leſe⸗Unterricht ausſpricht (S. 346): „— und beshalb habe auch ich ſchon längft den ifolirten Anſchauungsunterricht auf meinem Lectionsplan ges ftriden. Die Centralijation bat zu ber Einfiht gebracht, daß die Ber fplitterung des Elementarunterrichts in befondere Anſchauungs⸗, Denkt: und Spredübung, Leſen, Schreiben und Auswendiglernen der geiftigen Förderung bes Schülerd nachtheilig und daß ein befonderer Anjhauungsunterriht auf der Etufe der Anſchauung ein unorganifhes Clement ei.“

2. Ueber die Gegenftände, welche zur Anſchauung gebracht und beſprochen werben follen, herrſcht noch immer große Verſchiedenheit unter den Lehrern, ungeadhtet es doch nicht fo ſchwer ift, hierüber ſich endlich zu einigen. Biemlih allgemein wird doch anerkannt, daf der Anfchauungs- unterricht, wie jeder andere Unterrichtögegenftand, auch eine materiale Eeite bat. In Betreff des Materials, welches bei der Bildung der Jugend verwandt wird, ſteht allgemein feft, daß es ein werthvolles fein foll. Halten wir das für den Anfhauungsunterricht feft, jo müflen wir fordern, daß nur Gegenftände, Erſcheinungen und Berhältnifle darin zur Sprache gebracht werden dürfen, die es werth find, daß die Kinder das mit befannt gemacht werden. Die Summe der werthvollen Vor: Rellungen und Begriffe, die ein Kind befigt, muß dur jede Stunde Anihauungsunterriht vermehrt werden, fonft erfüllt viefelbe ihren Bwed nit vollitändig. Am ficherften wird das geſchehen durch Betrachtung von Naturlörpernund Naturerfheinungen, bemnädft von Berbältniffen der Menſchen untereinander. Darauf rihte man aljo das Augenmerk.

Albrecht fpriht fih a. a. D. für das Betrachten von Körpern, vorzugsweife Naturlörpern aus, und bält das überhaupt für leichter, als das Betrachten von Bildern, worin wir ihm natürlich beifliimmen. Cr empfiehlt, Bilder der betrachteten Gegenftände bei Wiederholungen zu bes nußen, aljo den Körpern nachfolgen zu laflen, wogegen nichts einzu: wenden ift. i

Dem ſehr gebräuchlichen Verfahren, den Anfhauungsunterrigt mit der Sähulftube und den Gegenftänden berjelben, oder mit dem menſch⸗ liden Körper zu beginnen, tritt Hector Seyffarth im „Sculblatt für die Provinz Brandenburg” (1865, 7. und 8. Heft) entgegen. Weber die Bänle, den Dfen, die Fenfter der Schulftube zu ſprechen, hält er für eine unrichtige Auffafiung des Grundfaßes „vom Nahen zum Yernen‘‘, worin ihm nicht Viele beiflimmen werden. Gr faßt den Unterricht als „auf Anihauung gegründete Denkt: und Sprehbübungen” auf und legt demjelben vie bekannten Wille'fhen Bilder zu Grunde. „Die Kübe und die Pferde auf dem Bilde und der Knecht Johann, der aufs Feld reitet,” das ift das, mas dem Rinde „geiltig am nächlten liegt, was feinem Einplihen Weſen am meiften zuſagt.“ Das mag fein, wenn das Kind dabei an die Kühe und Pferde und an den Johann des Baters benlt. Aber Rammen denn alle Glementarfchüler aus folhen Berhältnifien? Darf denn

182 Anfhauungsunterricht. Leſen. Schreiben.

alfo ein Bauerjüngelden allgemein maßgebend werben für die Auswahl des Stoffes für den Anſchauungsunterricht? Soll der Lehrer in Elementar: Uoflen von Schulen mit Kindern aus höheren Ständen auch damit beginnen? Diefe Frage wird der Verf. nicht bejahen wollen. Ob er aber für folde Kinder die Abbildung etwa des Innern eines Salons mit Jagd⸗ und Schooßhunden, betreßten Bebienten, Kammerzofen u. dergl. in Borfchlag bringen würde, müßte dahin geftellt bleiben.

Der Ber. zeigt an einem Beifpiele, wie man die Unterhaltung über eins ber angesogenen Bilder (Taf. 8) führen fol, um „auf Anfchauung gegründete Denk⸗ und Sprehübungen” zu erhalten. Des befieren Berfländ: niſſes halber theilen wir den Anfang beflelben mit.

„Wer ftebt bier auf der Straße?

Auf der Straße fteht ein Mann.

Mas bat der Mann an?

Der Mann hat einen Kittel (Nutte) an. Wie fieht der Kittel aus?

Der Kittel fiebt blau aus.

Was bat der Mann umgebhängt ?

Der Mann bat einen Kober umgehängt. Woraus ift der Kober gemacht?

Der Kober ift aus Stroh gemacht.

Mas bat der Dann auf dem Kopfe?

Der Mann hat einen Hut auf dem Kopfe. Woraus iſt der Hut gemaht? aus Stroh.”

Ich erlenne natürlih an, daß die Kinder bei diefem Verfahren urtbeilen und ſprechen. Aber welder Gewinn erwädhft ihnen fonft noch daraus? ©elangen fie zu neuen Vorftellungen, oder werden ihnen mindeftend früher erhaltene deutliher? Das muß Jeder mit mir verneinen. Denn ob ein Mann mit blauem Kittel und Stroblober auf der Straße ſieht, das iſt ein Willen ohne allen Werth, und eine Unterhaltung darüber mit Kindern iſt darum nichts weiter, ald ein Geſchwätz. Zu ſolchen inhaltslojen Unter: tedungen hat die Schule feine Zeit, auch die Elementarjchule nicht. Darum weg mit ſolchen Bildern und folhen Unterrebungen,

3. Der Anjhauungsunterriht verfolgt befanntlihd auch den Bwed, das Sprachgefühl zu bilden und die Sprachfertigkeit zu fteis gern. Man erreiht Beides, indem man im Unterricht nad und nad die gebräudlichften Sprachformen in rihtigen Saͤtzen Borführt und einübt. Letzteres gilt natürlich vorzugsweife von den fehwierigeren und den findern weniger geläufigen Yormen. Welche Yormen der bejonderen Ginübung bes bürfen, darüber muß fich der Lehrer vor Beginn feines Unterrichts ebenio Har fein, als über die Folge, in der das gejcheben fol. Eelbitverftänplid) können und ſollen nit alle Säße, die bei der Beiprechung eines Gegen⸗ ftandes als Antworten gegeben werben, die in Angriff genommenen Sprach⸗ formen enthalten. Das Geſpräch wird vielmehr in ungezwungener Weife geführt, und nur darauf gefehen, daß die betreffende Form an geeigneten Stellen zum Ausdrud kommt. In meinem Schrifthen „Erundfäge und Lehrgänge für den Sprachunterricht“ (Leipzig, 1858) habe ich die Sprach⸗

Anſchauungsunterricht. Leſen. Schreiben. 183

formen, welche im erſten und zweiten Schuljahre auf dieſe Weiſe eingeübt werden ſollen, bezeichnet und auch zugleich die Folge angegeben, in der das geſchehen kann. Es iſt dabei dem Grundſatze „vom Leichtern zum Schwe⸗ rern“ Rechnung getragen worden. Die Gegenſtände der Beſprechung find bei jeder dieſer Sprach- Uebung genannt, und aus dem Citat bei der erfien Uebung (S. 23) erfieht Jeder, daß diefelben Gegenftände in derjelben Drbnung auch im erften Theile meines „Lefebudhes für Bürger: ſchulen“ behandelt find, und zwar in der zweiten Abtbeilung deſſelben, die erft im zweiten Halbjahr, etwa zu Anfange bes letzten Vierteljahres, Gegenftand des Unterridhtes ift.

Rector Seyffarth fpriht ſich a. a. D. auch für Einübung der fhwierigeren Sprachformen in, der bezeichneten Weife aus, will aber dem Lehrer keine Folge dafür vorfchreiben, fordert indefien doch aud „einen ge: willen Plan, nah dem vom Leichtern zum Schwerern vorgejchritten wird.” Aun, den habe ih eben aufzuftellen geſucht, und wenn demfelben auch die Folge zu Grunde liegt, welche die Saplehre an die Hand gibt, fo verdient mein Berfahren darum dod nicht „grammatiſches Schematifiren’ genannt zu werden, wie Herr Rector Seyffarth es thut. Es find zwei Geſichtspunkte, welche bei Seitftellung eines Lehrganges für den Anihauungsunterriht genommen werden müjjen. Es müfjen nämlich zuerft die Gegenftände gewählt und geordnet werden, über welche im Laufe des Jahres geſprochen werden foll, und dann ift feftzuftellen, welche Sprachformen in den Geſprächen über die= felben einzuüben find. Weber das Eine, noch das Andere fann dem Lehrer erlajlen werden, am wenigiten dem Anfänger.

„Bilder, fagt Hector Seyfiarth, können zwar (nämlich bei meinem Ber: fahren) auch benußt werden, verlieren aber bei diejer Behandlung faft ganz ihre Bedeutung.” Ja mohl; aber ih habe auch ſchon oft genug gejagt, daß ih Bilder wie die Wilte’fhen, Winkelmann'ſchen und Stahl’ihen für den Anjhauungsunterricht verwerfe.

Hätte Nector Seyffarth die Sache etwas genauer angejeben und nas mentlih auch gelejen, was ich feit 1861 im Päpdag. Yahresberiht und im Prakt. Schulmann darüber gejagt, er würde mich fchwerlid zu denen ges zäblt haben, melde ven Anſchauungsunterricht auf Koften der Kindesnatur fchematifiren.

Die Kinder in einem Geſpräch, das ich überjchrieben habe „Das Kind in der Schule“, zu Sätzen zu veranlafien wie „ic grüße, ich ſitze“ hält Nector Seyffarth für „unpſychologiſch“, und fuht das aus der Gigenthümlichleit der Kinder zu erweifen, daß Kinder anfangs immer in der dritten Perfon von ſich fpreben. „Darin, jagt er, liegt ein wichtiger Fingerzeig aud für die Jahre, wo fie das Ich ſchon gebrauden; fie be: ſchaͤftigen ſich lieber mit dritten Berfonen und Dingen außer ihnen, als mit ſich ſelbſt.“ Freilich! Aber folgt daraus, daß es unpafiend jei, mit ſechs⸗ jährigen Kindern ein Geſpraͤch, wie das bezeichnete, zu führen, und ihnen darin die Frage vorzulegen: „Was thuſt du, wenn bu in die Schule trittft und den Lehrer erblidit?” Oder wenn ber Lehrer an das vor ihm fißende Kind im Laufe des Gefprähs die Frage rihtet: „Was thuft du jetzt?“ Graͤulicher Pedantismus wäre ed, wenn man aus dem Örunde, dab breis

184 Anfchauungsunterricht. Leſen. Schreiben.

jährige Kinder nit fagen „ih trinken, fondern Karl trinten, wenn fie trinten wollen”, in einem Geſpraͤch mit fechsjährigen Fragen wie bie aufgeworfenen vermeiden wollte, damit fie nur nicht in den Fall kommen zu fagen „ich grüße, ich ſitze“. Ginen hoben Grad von Naivität ſetzt es voraus, wenn Nector Seyffarth ſich bei diefer Gelegenheit zu jagen erlaubt: „Wer fchon Kinder genau beobadtet hat, wenn fie anfangen zu fprechen, der wird bemerkt haben, daß fie von fich immer in der dritten Berfon zuerft ſprechen.“ Diefe Rindermädchen:Weisheit foll ih natürlih in Er wägung ziehen und bei meinen etwaigen künftigen ſchriftſtelleriſchen Arbeiten beachten, ich, der ich feit einem Menfchenleben Zaufende von Kindern bes obachtet babe. Ich weiß nicht, wie alt Rector Seyffarth ift; aber nach diefer Aeuberung möchte ich ihn für recht jung halten.

4. In einem Auffage in Nr. 24 der Sidi. Schulz. von 1865 werden von E. Kühn in Rleinftruppen die Borderungen feftgeftellt, denen Bilder für den Glementarunterricht entfprehen müſſen. Bir heben daraus einige beadtenswerthe, wenn auch nicht gerade neue Sätze heraus,

„Die durch wirkliche Gegenftänve, fo durch Abbildungen follen bie Kinder zum Sehen gebildet werden. Der Synthefis müſſen die Bilder nad Folge und Ausführung entſprechen. Für die Glementarllafle gehört nun jedenfalls der Anfang der Entwidelungsreihe. Zunächſt werde den Kindern die Abbildung nur eines Gegenflandes bingegeben. Denn bei Zerlegung eines Gompleres werden bie Kleinen durch Einzelheiten irre gemacht; fie verwechſeln das Weſentliche mit dem Unwefentliden. Daraus ergibt ſich fogleih eine weitere Forderung: Die Bilder follen nit nur einfahe Gegenftände darbieten, fie follen auch fo einfadh als möglich dargeftellt fein.‘ Gemalten Bildern ift entſchieden der Vorzug zu geben; „denn fie nähern ſich der MWirklichleit am meiften und erleichtern nicht. nur die VBermittelung für die von den Kindern zu zeihnenden Umrifie, fondern fie fleigern auch durch die Farben das Intereſſe der Kinder. Der bloße Umriß verlangt eine breifade Abftraction: Abftrao tion von der Räumlichleit, von der Farbe und vom Schatten; darum er ſchwert der bloße Umriß dem Kinde die Auffaffung; er fegt einen Reich: tbum von Anfhauungen voraus, den das in der Anfhauung ungeübte Meine Kind nicht haben kann.” „Zu bunt und zu grell gemalte Bilder ftören das Gleihgewicht der Anfhauung. Andrerſeits darf aber die Wahr: nehmung auch nicht zu ſchwach fein, denn fie erfüllt bei nur einiger Dauer die Seele mit Unmuth und läßt ein trübes, verwijchtes Bild zurüd. Bei Darftellung von Bildern für den Unterrichtsgebrauch ift alfo die rechte Mitte zu balten: ein mildes, aber doh audh lebendiges Colorit muß ihnen gegeben werden.” „Die Bilder müjjen auf weißes Papier in fcharfen Umriſſen gezeichnet fein.” „Für die Clementarftufe darf eine Tafel nur eine Abbildung enthalten.”

5. Zn Rr. 19 (1865) des Oldenburgiſchen Schulblattes ift von DE. ein „Lehrplan für den Anfhauungsunterriht in der Volle ſchule“ mitgetbeilt worden. Ohne daß es direct ausgeſprochen wird, erfennt man doch jogleid, daß der Verf. an einen gefonderten Anjchauungsunterricht

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denkt. Cr bat das Material für zwei Jahre feſtgeſtellt und angeordnet. Wir flizgiren den Lehrgang nadflehend kurz.

Erſtes Jahr. Bom Mai bis zu den Hundstagsferien: einige Gegenftände aus der Wohnftube, einige aus der Kühe, aus der Kammer, dem Stall. Bon da bis Michaelis: Gegenftände ans der Schule und vielleiht einige Handwerld- und Adergerätbe, aber nur jolde, welche vorgezeigt werben können. „Wenn zwifchendurd ein gefangenes Mäushen, eine von den Kindern erlegte Schlange, ein Froſch oder eine Heufchrede beſprochen wird, fo wird das die Kleinen ganz bejonders ers freuen, doch dürfen dergleihen Ausnahmen nicht zu oft wiederkehren, damit fie den einmal feftgeftellten Plan nicht zu fehr ſtören.“ Michaelis bis Weihnachten: Beſprechung der Hausthiere nach guten Bildern und, wenn die Zeit vorhanden, einiger wilden Säugethiere und Vögel, die dem Kindern mehr oder weniger belannt find. Weihnachten bie März: Der Menſch. Zunähft Betrachtung ber einzelnen Theile, dann Unters rebungen über die Bebürfnifie des Menſchen, über Erhaltung und Zerſtö⸗ rung bes Körpers oder einzelner Theile, Gejundheit und Krankheit. März bis Mai: Zhätigleiten der Eltern und Geſchwiſter, Handwerker und Landleute. Auch werben einige Lectionen über das Wohnhaus, über das Gebäude, Pläße, Etraßen des Wohnortes fruchtbar zu machen fein.

Zweites Jahr Sechs⸗ bis adtjährige Schüler vereinigt. Der Blan im Großen und Sanzen berjelbe; es werden aber andere Gegenftände zu Grunde gelegt. Im Sommerfjemefter: Pflanzenreih und ein Theil des Thierreihe. „Aus dem Pflanzenreih find Bäume, Sträucher, Blumen, Getreide, Gemũſe, Gewürze, insbefondere auch Giftpflanzen zu berüdfichtigen. Bei Beiprehung der Zhiere wähle man, mo möglid, aus jeder Orbnung, aljo ein Raubthier, ein Nagethier ꝛc., einen Klettervogel, einen Eingvogel ꝛtc.“ Mihaelis bis Ende November „Der Menſch. Nachdem bie einzelnen Theile möglichjt alljeitig befprochen find, finde Alles Berüdfihtigung, was über die Mittel zur Erhaltung der Gefunpheit, über das Verhalten bei gewiflen Krankheits⸗ und Unglüdsfällen für die Kinder wiſſenswerth er fpeint.” December: einige Mineralin. Januar; Betrachten matbematifher Körper, ale: Würfel, Walze, Kegel ıc. Februar bis Mai: geograpbifch:phufiicher Kurfus, nah Harder. Den Schluß bildet die Heimathskunde.

Wo man gefonderten Anſchauungsunterricht ertheilt, da kann ein Lehr: gang wie der vorftehende immerhin innegehalten werden; nur rathen wir, auch mit SLandlindern nicht gar fo tief in die Viehftälle einzubringen, da beflere Gegenftände in Menge vorhanden find, und die Kenntniß deö menſch⸗ lichen Körpers bis auf fpätere Zeit zu verfchieben.

6. Im vorigen Bande beipraden wir die Idee des Pfarrers Jäger, die Schöpfungsgefchichte der Bibel als Feitfaden für den Anſchauungsunter⸗ richt zu benugen, und fpraden dabei aus, daß ein fo origineller Vorſchlag wohl noch nit gemadht worden fei. Heut haben wir über einen vers wandten Vorſchlag zu berichten. M. Chrenberg in MWermsporf- hat in ver Sädf. Schulz, Nr. 35 (1865) einen Lehrgang mitgetheilt, in dem der Anfhauungsunterriht In Verbindung mit der bibliſchen

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Geſchichte und der Katechismuslehre gejeßt wird. Der Berf. bat dabei das zweite Schuljahr im Auge. Es wird zum Verſtaͤndniß feines Lehrganges ausreihen, wenn mir ein paar Stufen daraus und von ben übrigen die Ueberjchriften mittheilen.

1. Die Schule Gefprädsftoff: Der Menſch bedarf von früher Jugend an der Bildung, der Erziebung, des Unterrichts. Das Haus kann das allein nit. Die Schule ift nothwendig. Werth einer guten Schul: bildung für künftige Zeiten. Pflichten des Schülers ꝛc. Die geeignetten biblijhen Geſchichten würden bier fein: Johannes, Jeſus, Moſes, Samuel’ Kindheit. Auch können zur Erheiterung und Veranſchaulichung $abeln, 3.3. „Die beiden Hunde”, eingejhaltet werden. Paſſend ge: wählte Bibelſprüche und Dentvershen befefligen das bier Ent: widelte und Gegebene, fo wie auf allen nachfolgenden Stufen.

2. Das Haus. Das Bild eines Haufes wird in den ein jachſten Conturen vorgezeihnet. Die Kinder verfuhen die Nahbildung. Gefprähsftoff: das Bebürfniß, der Nugen befielben. Der Bau, die Arbeit, das Material und deflen Gewinnung. Die einzelnen Theile, Räume und ihre Beitimmung. Die Wohnftube, Form, Größe, Möbel ꝛc. Dann die Bewohner, die Familie. Verhältniß der Glieder; Thätigkeit, Sorg⸗ falt und Liebe der Eltern; Pflihten der Kinder. Geſchwiſterliebe ꝛc. Das vierte Gebot erklärt und memorir. Biblifhe Geſchichten: Das erfte Ehepaar, Kain und Abel, Noah und feine Söhne, Abraham, Iſaak, Jacob und feine Familie, Eli und feine Söhne, Abfalom ꝛc.

. Der Garten. 4 Der Bauerbof 5. Der Wohnort. 6. Die Heimatblihe Gegend. Das Baterland. 7. Die Erde. 8. Der Himmel. 9. Gott, der Herr. 10. Chriftus.

Mir haben nichts Dagegen, wenn bei paflender Gelegenheit neben finn- lichen Anſchauungen auch fittliche gegeben werben; aber eine Berbin: dung, wie fie bier angeftrebt wird, halten wir für unnatürlid und weder im Interefie des Anſchauungs⸗, noch des Religionsunterrichts.

2. Leſen.

1. Im vorigen Bande wies ich auf das allerwärts fih fund gebende Streben hin, für jedes Laͤndchen, für jede Provinz größerer Staaten bejfondere Leſebücher herzuſtellen. Dies Streben ift vielfah von Lehrern ausgegangen, die auf diefe Weife ihre Ideen am vortbeilbafteften zu realifiren gedachten, theild aber aud von Regierungen, welche fih Nupen von der Uniformirung ihres Schulweſens verſprachen. Nah unjerem Das fürbhalten ftebt died Streben im Zuſammenhange mit der Borftellung , die man gegenwärtig von den Leſebüchern für die Volksſchulen bat. Man ſieht biefelben vorzugsmeife ald Bücher an, melde den Schüler befannt maden follen mit dem Stüdchen Land, das er feine engere Heimath nennt. Gr fol dadurch die Heimath kennen und lieben lemen, damit er ſichs niemals einfallen laſſe, auszuwandern. Das fpricht man freilich nicht offen aus,

Anjhauungsunterriht. Leſen. Schreiben. 187

aber daß es im Hintergrunde liegt, iſt unfchwer zu erfennen. Man will diefen Particularismus aus Gigennuß und fragt nichts nad dem unfäg- lihen Unheil, das daraus erwächſt, wie die traurigen Erſcheinungen dieſes Sabre (1866) beweiſen. Schwerlid würden bie deutſchen Voͤlker in fo verabfcheuenswürdiger Wuth gegen einander entbrennen, wenn diejer Partis cularismus nicht feit Jahrhunderten und in unferer Zeit mehr als jemals genährt worden wäre. Zwar bat man das Häßliche defielben in letzterer Zeit wohl gefühlt und eine allgemeine Verbrüderung herbeizuführen geſucht; aber mehrtägige Sänger, Turn: und Schüßenfefte vermögen nicht gut zu machen, was Schule und Staatsleben unaufhörli verderben. Solche Sefinnungsäußerungen des Volkes werben erft ihre Wirkung haben, wenn man aufhört, jedem Jungen während feiner ganzen Schulzeit feine engere . Heimath zu einem Eldorado zu machen, das feines Gleihen nicht mehr in der Welt bat. Man lehre ihn Deutfchland als feine engere Heimath ans ſehen und forge durch Unterricht und Erziehung dafür, daß er das lieben lerne, dann wird die fo lang erfehnte deutſche Cinheit von ſelbſt kommen, und ohne blutige Kriege. Bon diefem Standpunlte aus wünfchen wir, daß man die angebdeutete Anficht über das Volksſchul⸗Leſebuch verbefiern und ihm fatt des provinziellen einen allgemein deutſchen Charakter geben möge. Damit wollen wir aber nicht fagen, daß es von Deutfhthum überfprudeln ſolle Immerhin möge ed an paflender Stelle die Schönheit des deutſchen Landes und die Tüchtigleit feines Volles hervorheben; aber in weit höherem Maße muß es dur feinen Inhalt darnach ftreben, jedem veutichen Finde eine allgemeinsmenjhlide Bildung zu verleihen, muß es dafür forgen, daß e3 dur die anerkannt trefflihen Geiftesprodufte un: ſerer beften deutſchen Denker und Dichter deutih fühlen, deutſch denten, deutfh handeln lerne.

Daß die Herftellung und Einführung von Lanbeslefebühern auch noch andere Nachtheile zur Folge bat, das bat Theodor Hoffmann aus Hamburg in Nr. 13 der Allgem. d. Lebrerzeitung (1865) überzeugend nach⸗ gewielen. Cr bejorgt, daß fie dem Aufblühen der Schulen binverlich fein werden, „indem fie dem Wiſſen der Lehrer beftimmte und daher bald zu enge Grenzen ziehen”, auch dem Streben ber einzelnen Lehrer, zur Vers befierung der Volksſchul⸗-Leſebucher beizutragen, hemmend entgegentreten, „Lehrern und Verlegern würde bie Quft vergeben, neben dem Landesleſebuch Neues zu fchaffen, da fie auf eine Verbreitung ihres Werkes, auf einen ger nügenden Abſatz nicht rechnen können. In Wahrbeit lönnten die beften Bücher für die Schule dann die niht gefhriebenen fein.”

„Wir wollen einen ftrebenden, wenn auch vielfach irrenden und fehl: greifenden, doch immer friſchen, lebendig vorwärts dringenden Lehrerftand, der mit der Beit lebt und feinen Blid offen erhält für das, was feine Zeit fordert, und mas ihm nod fehlt, ihren Forderungen zu genügen. Und eben deshalb erllären wir und entſchieden gegen fogenannte Landes» Lefe: und Lehrbücher.“

„Bir glauben, die Benugung wirklich ſchlechter, auch nur in auffallen» dem Maße fehlerhafter Bücher kann nicht leicht fortvauern, wenn bie eine

188 Anſchauungsunterricht. Leſen. Schreiben.

Bedingung nur erfüllt wird, daß das ganze Schulweſen unverhüllt vor den Augen liegt. Jede Schule muß in dieſer Beziehung ihre Bücher und Lehr⸗ mittel in den regelmäßigen Berichten, welche an die VBorftände und Behoͤr⸗ den zu liefern find, genau anführen. Wenn dann Zufammenftellungen und Beurtbeilungen von Sadverftändigen gemadt und in Bereinen befproden werden, fo übt man einen moralijhen Zwang auf die Lehrer aus, fich des Unbraudhbaren zu eniledigen und unter den vielen wirllih guten Büchern eines nah dem Etande der Schule und nad eigenen Wünſchen zu mäblen. Wir wenigfiens ſehen in der Mannigfaltigleit einen Vorzug vor der Ein⸗ förmigleit und völligen Webereinftimmung und wollen lieber eine zu große Yengftlichleit bliden lafien, als durch Gleichgültigleit gegen Einrichtungen, welde vie freie Entwidelung der Schule hindern, irgend welcder Gewaltherr- ſchaft auf diefem Gebiete Vorfchub leiſten.“

Damit fchließt Hoffmann feinen leſens⸗ und beberzigenswerthen Aufſatz.

2. Der Seminardirector Dr. Schneider in Bromberg hat unter dem Titel „Aufgabe und Biel der einklaſſigen Volksſchule“ einen aus der Ber rathung des Seminarlehrer:Collegiums hervorgegangenen Aufſatz, austrüdlid als Rathſchlag und Hanpreihung für die Lehrer bezeichnet, veröffentlicht. Der Lehrplan ift auf die einfachften Ziele und die ſchwierigſten äußeren Sculverhältnifie berehnet. In Bezug auf den Lefeunterridt heißt es barin (nad dem Gentralblatt von Stiehl, DecembersHeft 1865): „S- 20. Für den eigentlichen Lefeunterricht bleibt dem Lebrer die Wahl zwiſchen der Schreiblejemethode und der Lautirmethode; lebterer wiederum eben jo wohl in ihrer älteren Form, wie in derjenigen, welde fie durch den Director Grügmader erhalten hat. Es darf vorausgejeßt werden, daß nur nod die allerälteften Lehrer die Buchftabirmethode treiben. Den Ber: fuh mit der JZacotot’fhen Methode dürfen ſich nur bie begabteften Leh⸗ rer erlauben, und auch diefe nur dann, wenn ihre Schule fehr regelmäßig befucht wird. „8. 21. Weihe Methode nun auch der Lehrer einſchla⸗ gen möge, jo muß von ihm verlangt werden, daß alle feine Schüler nah denerftien zwei Shuljabren zufammenbängende Sprade ftüde lefen und ganze Sätze jhreiben tönnen; und zwar müf- fen die Kinder nicht nur von der Vorſchrift, oder von der Fibel abſchrei⸗· ben, fondern auch einen ihnen vorgefprocdenen oder von ihnen gebilteten Sap ohne Vorſchrift richtig aufichreiben Lönnen.” „Sg. 22. Auf der Mittelftufe find die Kinder dahin zu bringen, daß fie ganze Spradftüde in gebundener und ungebundener Rede in deutſcher und lateinifher Schrift ſinnrichtig lefen ; deutſche und lateiniſche Schrift geläufig aufzeichnen, ein kurzes Dictat nachſchreiben und ein nad Form und Inhalt leichtes Sprach⸗ ftüd felbftftändig niederfchreiben können.” „8.23. Auf der Oberftufe müfjen die Kinder jedes größere Echriftftüd, aud ein foldhes, das ihnen bis dahin fremd mar, mit Ausdrud richtig und leicht zu lejen verfteben, ſofern der Inhalt deſſelben dem Lebenstreis des Schülers nicht zu fern liegt, Sie müflen jedes Dictat richtig nachſchreiben und zuſammenhaͤngende größere Spradftüde, wie münblih, fo auch ſchriftlich reproduciren lönnen.“ „J. 24. Auf allen drei Stufen werben geeignete Sprachſtüde poetiſcher

Anſchauungsunterricht. Leſen. Schreiben. 189

Form, amf den beiden oberen auch proſaiſche nach vorangegangener aus⸗ führlicher ſachlicher Beſprechung von den Kindern memorirt.“

Wir find mit dieſen Forderungen einverſtanden, hätten aber gewuͤnſcht, daß den Lehrern noch befonders zur Pfliht gemacht worden wäre, für ge: naues Verſtändniß aller Lefeltüde Sorge zu tragen; denn hieran lafien es in der That viele Lehrer fehlen; fie meinen ihr Ziel erreicht zu baben, wenn die Kinder die Stüde des Leſebuchs nur fließend leſen fönnen.

Auf einen incorrecten Ausdrud, dem man recht oft begegnet, müflen wir aber noch aufmerkſam mahen. Man darf nänmlich nicht jagen: dem Lehrer bleibt die Wahl „zwiſchen der Schreiblefemethode und der Lautirmethode“, fondern muß fagen: zwifhen der Lautirme⸗ tbode mit, oder ohne Anwendung der Schreiblefemethode; denn die Schreiblejemethode läßt ebenfomohl das Buchſtabiren wie das Lau⸗ tiren zu. Das Lautiren muß man aber in unfern Tagen von jevem Lehrer für das Lejen fordern, da es die natürlide Me thode dafür ift; man kann ihm aber frei geben, ob er

a. Lefen und Schreiben vollftändig trennen, oder

b. das gemiſchte Schreiblejen, nad) dem Drud: und Schreibſchrift zus

gleih angewandt werben, oder

co. das reine Schreiblefen einführen will.

Für uns freilich ift dieſes Dreierlei nichts Gleichgültiges, da wir nur das Schreiblefen auf Grund des Lautirens für richtig halten und die Lehrer davon zu überzeugen fuchen würden. ber wo man es mit Lehrern ſehr verfchievdener Bildungsitufen zu thun bat und nicht pers ſönlich einwirten kann, da halten wir dieſes Freigeben in ber Methode für nothwendig.

$. Lehrer M. Richter in Lunzenau ſpricht fih in der Sächſ. Schule zeitg., Nr. 23 (1865) für das reine Schreiblejen aus und verfichert, die günfligften Erfolge dadurch erzielt zu haben, was wir aud leinen Aus genblid bezweifeln. Oberſter Grundfag ift ihm: „Die Kinder lernen zuerft die Schreibihrift fertig ſchreiben und leſen. Dies ift das Fundament, worauf ſich alsdann die Beibringung der Drudicrift gründet. Dieje wird leiht erlernt, weil zwiſchen ihr und der Schreibjchrift mannichfache Aehn⸗ lichkeiten vorhanden find.’ Ueberraſchend iſt, daß der Verf. fein Verfahren für neu bält. Wahrſcheinlich verleitete ihn dazu „Lebensbilder J.“, die er bei feinem Unterricht gebraudt.

4. Es ift zu bedauern, daß die Volksſchullehrer fo felten Gelegenheit haben, die Schulen tüchtiger Lehrer des In⸗ und Auslandes kennen zu lernen ; mande Ginfeitigleit und Verkehrtheit würde dann unterbleiben oder doc bald befeitigt werden. Einer folhen begegnen mir in Nr. 33 des Medienburgiihen Schulblattes von 1865. in junger Elementarlehrer zeigt dort, wie er das Schreiblefen betreibe. „Die erfte Schreiblejeftunne, fagt er, beginnt damit, daß der Lehrer den Echülern das Beichen und den Namen fir das „ti gibt.” Während die Kinder das i fchreiben, „zieht der Lehrer ſchnell jedem Kinde auf feine Tafel einige Linien für die Grund⸗ buchftaben, wobei er ſich Raum läßt, um fpäter die Linien für Tiefs und

190 Anſchauungsunterricht. Lefen. Schreiben.

Hochbuchſtaben zwiſchen einzureiben.‘ Gehört das auch nody zur Schreib: lefemethode ?

„In der zweiten Schreiblefeftunde, am Nachmittage, beichäftigen ſich die Kinder eine Zeitlang fchriftlid und mündlich mit dem „i“. Sur Ab: wecjelung (1) gibt man ihnen nunmehr das Zeichen „n’ und fagt: „Das Ding (I) beißt ‚‚n” (Name) und läßt es fchreiben. Nachdem „i” und „n“ abwechſelnd gejchrieben ift, lieft der Lehrer, der eine Seite der Wandtafel voll „ni und „in“ geſchrieben bat, diefe Seite vor und jagt den lindern, er babe die Seite „geleſen.“ Jetzt müflen diefe auch leſen. Der Lehrer jagt ihnen: ‚Bei dem Lefen thun wir zu dem „mn“ (Name) jo: „n“ (Laut). Damit man Abwechſelung (!) gewinnt, wird das „i” auch als Borlaut einige Tage gebehnt gelefen. Mährend die Kinder leſen, hat eines von ihnen den Beigeftab und deutet auf das Wort, welches gelefen werben fol. Hierzu wird die ganze Klafje herangezogen. So lernen vie finder ohne Mühe das Nachleſen. Wie das „i” und „n“, fo werden alle Budh: ftaben ver Fibel bis zum „L‘ bin behandelt, indem mit jedem einzelnen alle möglihen Berbindungen eingegangen werben ; doch treten ſchon in ber zweiten Schulmohe die beweglichen Drudbuchſtaben ein, mit welchen eben» falls die in der Sprache vorlommenden Bujammenftellungen, inſoweit vie Kinder die Laute kennen, vorgenommen werben.”

Sclimmeres fann man wohl nicht über die Schreiblefemethope zu leſen befommen, und man muß fib in der That wundern, daß fo etwas in einem Blatte veröffentlicht werben kann, deſſen Redacteur ein Seminarbdirecs tor iſt. Schreibſchrift, Drudicrift, YBuchftabiren, Lautiren das Alles mit einander verbunden nennt man „Schreiblefeunterriht ?" Gibt es denn gar kein Mittel, die einzelnen Lehrer dahin zu bringen, wenigftens etwas von dem zu lejen, was über den Unterricht in der Elementarjchule gejchries ben worden ift?

5. Sn der Rurbeffifhen Shulzeitung (Nr. 11—16, 1865) findet ſich ein längerer Auffag über den erften Leſeunterricht, in dem alle vernünftigen Gedanken, melde bis jeßt hierüber veröffentliht wurden, zu einem überfihtlihen Ganzen verarbeitet find. Da wir faft Alles, was darin berührt wird, wiederholt in ähnlicher Weiſe im Jahresbericht ausges ſprochen haben, fo bejchränfen wir uns darauf, unfere Leſer auf dieſe Arbeit aufmerffam zu maden.

Ebenso können wir uns zu zwei leſenswerthen Aufjägen in Saug’s Magazin der Pädagogik, Heft 1 und Heft 5 von 1865, verhalten. Der erftere hat den Lehrer Fr. Strigl, der zweite den Lehrer Joh. Beil zum Verfaſſer.

6. Wenn auch in allen Unterrichtsgegenftänden darauf zu halten if, daß die Kinder ein reines, gutes Hochdeutſch fprechen, möglidhft frei vom Dialect, fo liegt diefe Sorge doch in erſter Linie dem Lefeunterridht ob. Wie wenig aber in dieſer Beziehung in recht vielen Schulen gefchieht, davon kann man fih nicht nur in den Schulen jelbit, ſondern auch überall im gewöhnlichen Leben überzeugen. Die große Mafle des Bolles redet in

Anfchauungsunterridht. Leſen. Schreiben. 191

den meiften Gegenden Deutſchlands, als märe nie ein Verſuch mit der Cul⸗ tur ihrer Sprache gemacht worden. Und vielerorts geſchieht das auch wirk⸗ lich nicht ; denn theils fprechen die Lehrer oft genug ſelbſt den Dialect ihrer Heimath, theils glauben fie, nichts zur Verbeſſerung des Dialectes beitras gen zu können, oder ſcheuen auch wohl gar die damit verbundene Mühe und Anſtrengung. Aus eigener Erfahrung weiß ih, daß der Lehrer viel zur Erzielung einer guten Ausſprache beitragen kann. Dafjelbe beftätigt der Hofprediger Dr. Schweißer in Gotha in Nr. 378 des Hamburger Schul blattes. „Im Confirmandenunterricht ſprechen die Kinder der Bürgerfchule bier (in Gotha) ihr Deutſch nicht mehr thüringiſch“, jagt er. Darauf müſ⸗ jen aud die Beitrebungen allerwärts geridytet fein. Etwas wird bei ber ungebilveten Boltstlafje immer vom Dialect zurüdbleiben ; aber dahin follte man ed dod bringen, daß man fich überall einander leicht verfieht, der Nordländer den Süpländer, der Nheinländer und MWeltfale den Oftpreußen. Wie gelangen wir aber zu dieſer Einheit in der Ausjprade, zunädt we⸗ nigſtens innerhalb des Kreiſes der Gebilveten ? Schweiger jagt: „Wollen wir in diefem Punkte eine Einheit, und es it der Mühe werth, daß bie Schule dazu hilft, daß jedem Redner die deutſchen Worte richtig aus dem Munde perlen, wie man es jet faſt nur bei großen Scaufpielern hört: fo müflen die Lehrer fih geradezu die gute Bühnenſprache aneignen und lehren.” Dieſer Gedanke war mir neu. Über es liegt etwas Wahres darin. Schade nur, daß nur der Heinfte Theil der Lehrer öfter Gelegen» beit hat, die „gute Buͤhnenſprache“ zu hören. Ich in meiner Stellung als Seminardirector, der ich auch tagtägli mit der ſchlechten Ausſprache meiner Zöglinge zu kämpfen habe, weile diejelben überhaupt auf das bö- ber gebildete Publikum bin, deſſen Sprache doch durchſchnittlich auch die verebeltere if.

In einem zweiten Aufſatze in derjelben Nummer bezeichnet Schweißer das fhöne Lefen als ein Kennzeihen wahrer Bildung, worin wir ihm gern beiftimmen. Cr jagt darin: „Ein Beihen wahrer Geiftesbiloung ift e3 daher immer, wenn Jemand einen großen Schriftfteller feines Volkes, namentlid) die Dichter und ganz beſonders die Dramatiler, richtig und gut vorlefen kann. Darin zeigt ſich eindringender Geift, Verjtänpniß des wür⸗ digften Gedankengehalts, der erhabenften Gefühle, der edelften Grundſätze. Niemand kann das ohne Berftänpniß für fremde Eigenthümlichkeit, ohne er weiterten Gefichtöfreis des Geiſtes. Darum ift die Hebung im guten Vor⸗ lefen würdiger Kunſtwerke aud ein mejentlihes Mittel, zur wahren Bils dung zu gelangen ; und jeder ſollte die Gelegenheit zu ſolcher Uebung un» ter tücdhtiger Leitung eifrig benugen. Auch ift es heilfam, wenn die Far—⸗ bung in der Jugend lebhafter wird. Das Map kommt jhon mit ver wadjenden Reife. Das Vorlefen von Dramen nur Haffifhe foll man dazu wählen mit vertheilten Rollen fteht, was den Ton betrifjt, dem Agiren auf der Bühne unmittelbar nahe, und ift beſonders bildend.”

Es dürfte fih empfehlen, daß die Lehrer in ihren Conferenzen ben Gegenſtand in diefem Sinne pflegten.

192 Anſchauungsunterricht. Lejen. Schreiben.

8. Schreiben.

3. Ueber den Ehreibunterriht ift in den legten Jahren viel Gutes gejhrieben worden. Deßungeachtet wirb er von vielen Lehrern, mitunter in ganzen Gegenden, noch jo nah altem Brauch eribeilt, als eriftirten Edriften, wie wir fie von Dietlein, Herkfprung, Hirſche u. 1. haben, noch gar nicht. Wo die Lehrer felbft nicht von ſolchen Arbeiten Kenniniß nehmen, da follten es doch die Schulauffeher tbun, um das Nö: thige veranlafien zu können. Lehrer Osſswald gibt in Ballien’s Evang. Volksſchule, 1865, A. Heft, ein Bild vom „Echreibunterriht nah dem al ten Styl“, fagt aber darin nichts, was nicht ſchon von Andern, jo na mentlih von Dietlein, gejagt worden wäre.

2. Bom Lehrer Schmidt in Ludlum wird im Braunfhmeigifchen Schulblatt, 1865, 3. Heft, ein Conferenz:Bortrag über „Die pſychiſchen Vorgänge beim Auffafjfen und Nieverfhreiben eines Bud: ftaben‘ mitgetheilt, in dem vom Standpunkte der Beneke'fchen Pſycholo⸗ gie aus gezeigt wird, daß zur ſcharfen Auffafjung der Buchftaben fcharfes Anſchauen der Form und der einzelnen Theile deſſelben und wiederholte Uebung im Darftellen erforderli fe. Ich glaube, das mußten die Lehrer, die fih um Methode befümmern, ohnehin ſchon. An feine Darftellung reis bet er dann folgende vier Theſen:

a. Der Schreibunterriht muß feine Durhführung ganz und gar auf die pſychiſchen Vorgänge gründen, welde bei der Auffaſſung und Darſtel⸗ lung eines einzelnen Buchſtaben, wie überhaupt aller objectiven Dinge, für die Beobachtung fi geltend machen.

b. Die Vorſchriften find, wie fie bisher als Vorlagen benupt wurden, gänzlih aus dem Schreibunterridhte zu entfernen, weil fie für die richtige Darftellung der Schrift von ganz untergeorbnetem Werthe, vielmehr ein Hinderungsmittel find.

ec. Die Correctur beim Schreibunterridte ift lebiglih darin zu fuden, daß a. verfehlte Formen an der Wandtafel nahgewies fen und dann b. durch entſprechende Lebungen in die rihtigen verwandelt werden.

d. Ein Hauptmüttel für Erzeugung einer fiheren Hand ift die oft wiederholte Analyje der Buchſtaben, wodurch nas mentlih am beiten der Berwilderung der Schrift vorgebeugt werben Tann.

Diefe vier Grundfäge haben die Anerkennung tüchtiger Methodiker ion längft erhalten; fie bilden die Fundamentalſätze der Methode des Schreibunterrichts und verdienen daher wohl, wieder in Grinnerung gebracht zu werben.

3. Das Provinzial:Schulcollegium zu Königsberg hat fi von den evangelifhen Eeminaren ber Provinz Bericht über den „Schreibunterricht in den Schullehbrer-Seminarien“ erftatten lafien und daraus zu einer Verfügung über dieſen Gegenfland Anlaß ge: nommen, aus der wir nad dem Gentralblatt von Stiehl (1865, 1. Heft) das Wejentlichfte mittheilen,

Anſchauungsunterricht. Leſen. Schreiben. 193

Nach Anſicht der Seminarlehrer fehlen gegenwärtig noch Vorlegeblaͤt⸗ ter, die ſich nach Schrift und Inhalt für den Unterricht im Seminar eig⸗ nen. „Die tbeils im Gebrauch befindlichen, theils blos beurtheilten Bor: legeblätter von Herziprung, Rojed, Walpheder, Näpdelin und ven Langenfalza’er Schul:Verlagsvereine find. mit Recht als in ber Schriftform mangelhaft und deshalb nicht brauchbar bezeichnet. Es ftimmen die Gutachten auch darin überein, daß der Ductus in den Vorſchriften von Heinrichs ein mufiergültiger iſt. Gleichwohl können fie aber auch nicht als Vorlagen für die Zöglinge gebraucht werden, da fie feinen ftufenmäßigen Gang und angemeflenen Stoff enthalten. Aus diefem Grunde orbnen wir on, daß für ven Schreibunterriht die Schrift der Vorlagen von Heinrihs maßgebend fein foll, gebrudte Vorſchriften aber jerner niht mehr in Gebrauch genommen werben.”

Hiergegen ift im Ganzen nichts einzuwenden ; immerhin aber halten wir e3 für recht erfprießlih, wenn den Seminariften der oberften Schreib: tlaſſe gegen den Schluß bin, etwa im lebten Halbjahr, gute mehrzeilige Vorſchriften zur Nachahmung gegeben werden, da die Schönheit der ge: ſtochenen Borjchriften durch Borfchriften an der Wanpdtafel niemals erreicht wird, ein trefflihes Mufter aber fehr zur Naceiferung anfpornt. Nur auf diefe Weije lernt der Seminarijt erlfennen, was im Schönjchreiben geleiftet werden kann. Auch für Kinder der Oberklaſſen ver Vollsjchulen empfiehlt fih der Gebrauch gedrudter Vorfchriften aus demfelben Grunde.

Die Verfügung fährt nun meiter fort:

„Der Schreibunterriht im Seminar hat den boppelten Zwed :

a. daß die Seminariſten ſelbſt gut jchreiben lernen,

b. daß fie gut fchreiben lehren lernen.

Daraus folgt, daß fie das Schönfchreiben fo lernen müflen, wie fie es lehren follen, und daß fie dur die Analogie des Unterrichts, den fie em⸗ pfangen, mit dem, ven fie zu ertheilen haben, gleihwie in anderen Gegen: flänven, fo auch im Schreiben eine unmittelbare Anleitung zu erhalten ba: ben. Für die Vollsichule ift es aber feit lange durd die Erfahrung be- wiejen, daß es nicht allein keiner Borjchriften bedarf, ſondern es auch för: verlich ift, die Schüler nad der Vorfchrift des Lehrers an der Wandtafel jchreiben zu lafien, ausgenommen die Schulen, in denen ber Lehrer dazu nicht fähig. iſt.“

„Sol der Schüler einen Buchftaben gut fchreiben lernen, fo muß er denfelben nicht auf der Vorſchrift fertig daftehen, jondern vor feinen Augen an der Wandtaſel entjteben ſehen, damit er jeden Zug jaßt und genau wahrnimmt, wie bie einzelnen Züge fich zum QBuchftaben verbinden. Dabei wird gezeigt, warum er die Striche fo und nicht anders maden barf, und wie er fie zufammenzufeßen bat. Auch wird er vor biefem und jenem Feh⸗ ler gewarnt.”

„Nach diefen Erläuterungen beginnt das Schreiben des veranſchaulich⸗ ten Buchftabens nad dem Vorbilde, das die Schüler an der Wanpdtafel entiteben ſehen. Die Uebung ift jo lange fortzujegen, bis die gorm im Ganzen .richtig bargeftellt wird. Erſt wird frei, dann nad) dem Zacte ges ſchrieben. Die Buchftaben werden nad der genetijchen Folge geübt, erit bie

Wär. Jahreßbericht. XVII. 13

194 Anſchauungsunterricht. Leſen. Schreiben.

kleinen deutſchen, dann die großen, darauf die lateiniſchen Heinen und gro⸗ ben. Auch die Zufammenftellung der Buchſtaben zu Wörtern, und fpäter die Berbindung der Wörter zu kürzeren und längeren Säben wird an ber Zafel gezeigt.‘

„Nachdem fo die Schriftformen einzeln und in ihrer Verbindung wit einander gelehrt, mit dem Auge fiher gefaßt und von der Hand bis zur rihtigen Darftellung geübt find, werden verſuchs⸗ und zeitweife längere Stüde, welche den verſchiedenen Gegenftänden des Seminar-Unterrichts an gehören, ohne Borfchrift frei gefhhrieben. Dann aber find eingelne Bud ftabengruppen zu wiederholen, Wörter und Säge nad) Borfhrift theils frei, tbeild mit Angabe des Tactes zu üben, fo daß der Schreibgang noch ein bis zwei Mal durdgearbeitet wird. Dabei müflen fih die Geminariflen über die Bildung der Buchflaben ausſprechen und einzelne von ihnen ſchrei⸗ ben mit Kreide an der Wanbtafel.”

„Nachdem der Schreibgang zum eriten Dale abfelvirt ift, empfiehlt es fih, in der erflen Hälfte jeder Stunde eine Buchftabengruppe zu wiederho⸗ len, in der zweiten dagegen Wörter, in welden die eben geübten Budhfla- ben häufig und in ben verfchiebenften Berbindungen vorlommen, fowie Säbe jchreiben zu laflen. Dabei werden die Budftabenformen, welche nicht correct gebildet worden, vom Lehrer an der Tafel vorgemadyt und von den Schülern erläutert. Auch machen Einzelne alle genannten Uebungen an ber Wandtafel mit durd.”

„Im zweiten Jahre werben auch Geſchaͤftsaufſätze (Quittungen, Red nungen u. dergl.) nad) Vorſchrift an der Wandtafel oder diotando geſchrie⸗ ben, fo daß jeder Seminarift eine Heine Sammlung für den Schulgebrauch erhält.”

„Der oberfte Seminarcurfus bat feine Schreibiiunden mehr, es wird monatlich eine Querfolio⸗Seite, halb deutſch, halb lateiniſch, in ein befon- deres Heft gejchrieben. Dieje Probefchriften find bei den Abgangsprüfungen als Ausweife über die Leiltungen im Schreiben vorzulegen.”

„Der hier bezeichnete Gang bezwedt au, die gewöhnliche Handſchrift . der Schoͤnſchrift conform zu bilden. Nachdem durch die Vorfchrift an ber Wandtafel eine genaue Darftellung der Buchſtaben, theils einzeln, theils im der Verbindung mit einander erreicht if, werden Verſuche ohne Vorbild ge macht und zuleßt wird ganz frei geſchrieben.“

a. Man lafje nit ungemöhnlih groß ſchreiben, fondern die Buchſta⸗ ben etwa in der Größe darftellen, die fie in der Handſchrift haben müflen.

b. Man geftatte au im Anfange keinerlei Ridhtungslinien ; ed wird nur auf einfache Linien gefchrieben und wenn ausreichende Fertig: keit erlangt ift, müfjen auch diefe wegfallen.

o. Man lafie in den Schönfdhreibeftunden die Buchſtaben nicht fo langſam fchreiben, daß es nicht mehr Schreiben, jondern Zeichnen zu nennen ift. Allmählich ift raſcher zu jchreiben, als Aufangs, wo die Buchftabenformen geübt werden. Um das Tempo gu re⸗ geln, wird der Tact angegeben,

Anſchauungsunterricht. Leſen. Schreiben. 195

d. Es darf weder in der Schön:, noch anderweitigen Schrift geduldet werben, daß die Schüler die Buchftaben verfchnörteln und allerlei verfchönernde Striche, die nicht notbiwendig zur Form gehören, an: bringen.

e. Endlich ift mit Gonfequenz darauf zu halten, daß die Seminariften ihre fämmtlihen jchriftlihen Arbeiten gut und jauber jchreiben.‘

4. Das Hamburger Shulblatt enthält in Nr. 375 einen mit J. F. C. H. unterzeihneten Lehrplan für den Schreibunterridt, in dem vom Zweck, vom Stoff und von der Methode gehandelt wird. Als Auf: gabe für die Untertlaffe wird „vorzugsmeije Einübung der Buchftaben- formen durch Tactjchreiben‘ bezeichnet, woraus zugleich erhellen joll, „daß die Verbindung der Buchftaben, wenn auch niht ganz zu: rüdgefest, doch nicht wefentlih betont wird, daß dagegen auf richtige Darftellung der vier Alphabete und ver Ziffern aller Fleiß verwen: det werben muß.” Wie das aus dem Tactjchreiben folgen joll, begreife ih nicht; denn durch das Tactjehreiben ſoll der Schüler ja überhaupt ba: bin fommen, daß er jpäter ſchwungvoll, aljo mehr oder weniger immer im Zacte ſchreibe. Die Buchftaben ein paar Jahre lang nur oder doch vor: zugsweiſe ohne alle Verbindung mit andern darftellen lafjen, heißt die Auf: gabe zur Hälfte in Angriff nehmen. ine ſolche Zrennung ift unnatürlich, daher unftatthaft, eben fo unftatthaft, als wenn man ein Jahr lang ohne alle Rüdfiht auf Betonung wollte leſen lajien, etwa zu dem Zmwede, um erſt mechanische Fertigkeit zu erzielen. Der Berfafler verftößt mit feiner Vorſchrift gegen allgemein anerlannte Grundfäße der Didaktik.

Was der Verf. über die „Normalſchrift“, bejonders über das Größenverbältnig ver Buchſtaben jagt, verdient feine Nachahmung. „Alle fpigen Oberlängen, das find t, k, d, 8, t d follen 3, die Schlei⸗ fenlängen, alfo I, b, d, h, k, 1, b, dagegen A Grundſtriche hoch fein.“ Ebenfo werden die Verbältnifie für die Unterlängen beftimmt. ‚Die Dop: pellängen find 6, refp. 7 oder 8 Grunpitridhe lang, aljo 6 Grundftride: ſ, 7 Grundſtriche: f, ft, 8, und 8 Grundſtriche: s, f, ss.’ Weiter Tann man ja wohl die Willkür, denn nur dieje herrfcht hier, nicht treiben. Wie weit follen die Linienfyfteme auseinander gerüdt werden, damit Ober: und Unterlängen und die Langbuchftaben einander nicht berühren ? Oder kommt darauf nichts an, daß dieſe Buchitaben mit ihren Spigen in einander fah: ven und oft durch mehrere Linienfyfteme hindurch ein unförmliches Gezerre bilden ? Wir haben anderwärts, fo namentlih auch in Bremen, diefe Will: für auch angetroffen, haben fie aber aud überall für unftatthaft, für ge ſchmadlos erklaͤrt. Wie man in der Drudihrift dergleihen Unſchicdlichkei⸗ ten niemals ausführt, jo darf man das auch in der Schreibſchrift nicht.

Die Frage, ob mit Linien, oder mit Linienblättern, oder ohne Linien gefhrieben werben foll, beantwortet der Berfafler dahin: „Es ift ſehr ſchwer, ohne Linien ganz langjam und doch gerade zu fchreis ben, wogegen die Linien bei der Schnelljchrift nicht felten hinderlich find; daraus folgt:

13*

196 Anſchauungsunterricht. Leſen. Schreiben.

a. Die Mittel: und Unterklaſſe ſchreibt nur auf Linien, damit bie Schüler allen Fleiß auf die Buchftaben verwenden können. In der Mit: tellfafje wird der Uebergang zum Linienblatt gemadht.

b. Die Oberklaſſe fchreibt durchweg auf Linienblättern und übt fi, in der Kladde und im Schnellicreiben allmählich ohne alle Linien gerade zu Schreiben.”

Hierüber werden die Anfihten wohl immer getheilt bleiben. Da das Schreiben ohne Linien aber von Allen als Ziel bezeihnet wird, Jo follte man nicht vergefien, daß man dies um ſo ſchwerer erreicht, je länger man ſich der Linien bevient. Als ich noch Schreibunterricht ertheilte, babe ih von der Elementarklaſſe an gar feine Linien anmenben lafien, und ba bei ſtets gute Reſultate erzielt.

5. Auch in der Kurheſſiſchen Shulzeitung (1865, Nr. 4—8) ift ein Lehrgang für den Schreibunterricht enthalten, der fich über Alles verbreitet, was dabei in Betraht kommt. Der Verf. lehnt fih an bie Hedmann'ſche „Reform” (eine Anleitung zum Schreibunterriht für Lehr rer) an, und empfiehlt deſſen „UnterlagNege” und „Schreibpapier-Nepe” ſehr dringlid. ine fiebenjährige Benugung verfelben bat ihn von ihrer Vortrefflichkeit überzeugt. Auh Oswald (j. oben) fpridt fi für die Hedmann’ihe Methode und deflen Lehrmittel aus,

6. Die bayerſche Negierung bat den Gebrauch dieſer Hedmann'ſchen „Unterlag:Screibneße unterjagt, weil fie den nadhtheiligiten Ein: fluß auf das Sehvermögen der Kinder üben müſſen. Das ift ganz begreifid. Oswald in dem oben angezogenen Aufſatze meint, dies Verbot fei nur dur die ſchlechten Nachahmungen der Hedmann’ihen Bor lagen hervorgerufen worden. Wir fennen dieſe Nahahmungen nicht, befipen aber die Hedmann’schen Vorlagen felbft, und halten dafür, daß die bayer’iche Regierung wohlgethan hat. Dieſer ganze Linienkram ift entbehrlich.

7. Das Echreiben mit Griffeln auf Schiefertafeln führt drei Uebelftände herbei: übermäßige Drüden, zu feltes Halten der Feder und faljhe Lage der Hand. Diefe allgemein beltannten Erfahrungen macht ©. Mayer in Heilbronn in der Volksſchule von Hartmann in Ulm (1865, 3. Heft) zum Gegenftand der Beſprechung und empfiehlt, während ber Beit des Tafelſchreibens auf die Darftellung der Grundſtriche zu verzichten, damit der Schüler gar nicht veranlaßt werde, ftärker als beim Haarſtrich aufzubrüden. „Für den Schreibunterricht, jagt er, iſt es ja doch ganz gleiche gültig, ob der Buchſtabe Schatten und Licht bat oder nicht, wenn nur die Form richtig iſt! Geht man fpäter zum Screiben mit der Feder über, fo ift e8 gar nicht jo ſchwer, Srundftrihe machen zu lernen, da die Feder eben zu diefem Zwecke gefpalten if. Aus diefem Grunde bedarf ed dann aber auch nur eines verhältnigmäßig leichten Drudes, um die gewünfchten Grunds ftrihe zu bilden. Daß man bei diefem Verfahren mit der ridtigen Hals tung der Finger und der Hand nichts mehr zu thun haben werde, will ich natürlid nicht behaupten, aber das behaupte ich mit aller Entſchiedenheit, daß es viel leichter damit gebt, und dab auch für fpäter viele Unzuträge lichleiten abgeſchnitten find.’

Anſchauungsunterricht. Leſen. Schreiben. 197

Dieſer Vorſchlag iſt jedenfalls der Prüfung werth.

8. Im Schul⸗Archiv für die ſächſiſchen Herzogthümer, 1865, Nr. 21, findet ſich eine lefenswertbe „Schutzrede für die Tacts fhreibemethbode” von Pfarrer 9. Startloff.

9. In Württemberg ift feitend der Regierung eine Commiffion -zur Fefflellung einer Normalfchrift ernannt worden,

U. Eiteratur.

1. Anfhauungsunterridt.

1. Anſchanunge⸗, Dat und Sprechübungen für bie britte Siementar Hafie von 8. J. v oßhard. Dritier beſchreibender Theil. 8. (X und 104 S.). Zürich, Meyer u. Zeller, 1865. 12 Sgr. Den erfien und zweiten Theil diefer nun beendeten Arbeit haben wir im XVL und XVII. Bande angezeigt und empfohlen. Wie im zweiten heile, jo ift auch bier die Grammatik mit hineingezogen worden. Die Bes ſprechungen find im Allgemeinen etwas höher gehalten, ganz wie es der entwideltere Standpuntt der Schüler fordert. Wenn in den verjcies denen Schulen auch nicht alle hier behandelten Gegenftände zur Anſchauung und genaueren Beſprechung gebracht werden können, jo wirb das Maß der realen und ſprachlichen Kenntniſſe, welche in dieſem Anfhauungsunterricht gewonnen werben, doch immer ein erfreuliches fein und eine gute Grund» lage für den weiteren Realunterricht abgeben.

2. Der Anigauungs-Unterrit in der Boltsihule Ober: An ſchauen, Denten, Sprechen unb Schreiben F an ber Realien, des Stols und der Srammatil. Bon I. H. Fuhr und & H. Ortmann. IL Heft: Stylübungen für alle Klaſſen 2 Boltsihule gr. 8. (XX und ‚306 ©.) Dillenburg, C. Seel, 1865. 1 Thlr.

Auh unter dem Titel: Die Stylübungen mit angelebnter ®rammatil für alle Klaffen der Bolleifhule Im Anſchluß an ben Anfhauungsunterricdt.

Das I. Heft vieles Wertes haben mir im XVI. Bande angezeigt und als recht brauchbar für den Anjchauungsunterriht empfohlen. Dies I. Heft erweitert nicht nur den Streis der Gegenftände des Realunterrichts, die zur Anſchauung und Beſprechung gebraht werben, fonvern verbindet damit georonete Stylübungen und grammatiiche Belehrungen. Dadurch ges ftaltet fih die Schrift zu einer Anweiſung für Stylübungen und hätte auch unter den Sprachſchriften aufgeführt werben können. Die meilten Styl⸗ übungen ergeben ſich ganz naturgemäß aus dem Anfchauungsunterrichte, andere, wie die Geſchaͤftsaufſaäͤtze, erjcheinen fremdartig dazwiſchen, mußten aber, da die Schule ihre Berüdfihtigung fordert, doch an geeigneter Stelle

198 Anfchauungsunterricht. Leſen. Schreiben.

eingefchaltet werden. Im Ganzen wird fidh der Lehrgang als brauchbar er: weilen, wenngleih wir der Meinung find, daß die Bezeihnung „An: Ihauungsunterridt” für „Realunterricht“ auf der mittleren und oberen Uns terrichteftufe nicht als ſehr zutreffend erſcheint.

3. Materialien für Aufhauuugsunterriht und Heimathékunde. Bon Heintih Stahl. Wit 4 großen colorixten Wanbtafeln, gezeichnet von M. 3. Lens in Wiesbaben. - Zweite, vermehrte Ausgabe. gr. 8. (XI und 160 ©.). Wiesbaben, W. Roth, 1866. 23 Ser.

Eine Bergleihung diejer „zweiten, vermehrten‘ Ausgabe mit der erften ergibt, daß wir ed nur mit einer Titel-Ausgabe zu thun haben. Die „Ber: mehrung” beftehbt nur in einem „Vorwort zur zweiten Ausgabe” und einer Lithographie, welche eine-der großen Tafeln ſehr verkleinert darftellt, wodurch ih der Verleger das abermalige Berfhiden der großen Zafeln erfparen wollte. Wenn ein Verleger derartige Wege einſchlägt, feine Waare in Er: innerung und an den Mann zu bringen, jo jagt man heut zu Tage wer nig dazu; ein Autor follte aber diefelben nicht mit ihm betreten,

Unfer nicht ſehr günftiges Urtheil über das Wert haben wir im XVI. Bande abgegeben.

4 Das Stäbchenlegen und die Erbfenarbeiten im Bolleihul- unterridte. Als eine Girunblage bes Zeichnens, bes Rechnens und ber geometzilhen Formenlehre. Herausgegeben von Heinrich Deinhardt und

briftian Gläfel, Lehrern der vereinigten evangelifchen Schulen in Wien.

Mit 40 Lithographirten Tafeln. gr. 8. (31 ©.) Bien, €. Gerold'e

Sohn, 1866. "

Das Stäbchenlegen und die Erbjenarbeiten Froͤbels können gar wohl als eine Grundlage für das Zeichnen, Rechnen und die geometriihe For: menlehre angejehen werden, aber wegen des Materiald do nur als eine unvollfommene, wenigitens für das Zeichnen und bie Formenlehre. Wenn der Kindergarten ſich damit bejchäftigt, fo finden wir das ſehr angemefien ; die Volksſchule muß aber darauf auch noch aus andern, nahe liegenden Gründen vetzihten und fi) befieren Materials bedienen. Zur Ausbildung „des praftiihen plaftifchen Darſtellens“, was bie Verf. fordern, wird es dabei nidht an Gelegenheit fehlen.

5. Stuttgarter Bilderbud. ar Anihauungsunterridt für Kinder von brei bis acht Jahren von Ehr. F. U. Lehrer. Mit Illuſtrationen von C. Dffterbinger, H. Leutemann und @. Kolb. qu. gr. 4. (30 Ehromolith. und 30 ©. Text.). Stuttgart, Thienemann (Jul. Hoffmann.) cart. 2 Thlr.

Die bier dargebotenen Bilder follen nicht einen methodiſchen Anz ſchauungsunterricht vermitteln, fondern zur Grundlage ungezwungener Un: terbaltungen dienen, die am natürlichften von den Müttern mit ihren fin: dern geführt werden. Bor gewöhnlichen Bilderbüchern zeichnet das vorlie: gende ſich fehr vortheilhaft durch böchft gelungene Ausführung jo wie da: dur aus, daß jedes Blatt nur Verwandtes darbietet. Dargeftellt find Kunſt⸗ und Naturgegenftände, Scenen aus dem Leben ver Rinder und ber

Anſchauungsunterricht. Lejen. Schreiben. 199

Erwachſenen. Bw jeder Tafel gehört eine Seite Tert, welche eine Anleitung zur Beiprehung des Dargeftellten gibt.

Wir empfehlen das hübſche Bud Müttern, melde nad einer bilden» ben Beihäftigung für drei⸗ bis fechajährige Kinder fuchen.

6. Bilder zum Anihauungs-Unterriht für bie Ingeub. I. Ente baltend 30 colorirte Blätter mit Abbilbungen verſchiedenartiger Gegenftänbe.

IL Enthaltend 30 colorirte Blätter von Abbildungen mit Gift⸗ und Eule

tur- Pflanzen. Zweite, verbefferte Auflage. gr. Kot (16 u. 13 ©. Tert.).

Chlingen a. N., 3. F. Schreiber. cart. & 13 Zhlr.

Die 16 eriten Tafeln des I. Theiles ftellen verſchiedenartige Kunſt⸗ gegenftänbe dar, die folgenden Thiere aus verſchiedenen Klafien, namentlid aus den oberen. Der II. Theil enthält, wie auch der Titel angibt, nur Pflanzen. Das Colorit der Naturgegenftände ift in den meiften Fällen zum Griennen binreihend treu, wie auch die Zeihnung; man kann ſich der Abbildungen daher auch im Schulunterricht bedienen. Der Tert gibt aus⸗ seihende Erllärungen ver Abbildungen,

2. Leſen.

1. Für den Slementarunterridt.

2 Reines Schreiblejfen.

1. Fibel von ©. Schlimbach. gr. 8. (54 ©.) Gotha, E. F. Thiene

mann, 1866.

Die eriten 36 Seiten find der Schreibjchrift gewidmet, die folgenden 18 der Drudihrift. Die Vorführung der Schreibbudftaben beider Alpha- bete erfolgt auf den erften 20 Seiten. Der Berf. ſchließt fich dabei dem Verfahren von Bogel an, gebt aljo von Hauptwörtern ald Normalwörtern aus. Die durch die Hauptmwörter bezeichneten Gegenftände find neben ben felben bildlich dargeftellt, im Allgemeinen gut. Dann folgen Säße und Leſeſtücke. Die Drudſchrift geht bald von einfahen Eäpen zu Heinen Er: zäblungen und Gedichten über. Zwei Gruppen von Gigenfchajts: und Beits wörtern, die auf Dinge bezogen werben follen, haben eine ziemlich iſolirte Stellung und wären wohl entbehrlich.

Die Schrift ift gefällig ; nur hätte das Bufammenftoßen von Langbuch⸗ ftaben noch forgfältiger jollen vermieden werben.

2. Schreiblefe-Kibel. Bon Robert Riedergeſäß. gr. 8. (73 ©.). ı 5 Sallmayer u. Comp. 1865. 12 Sgr. Anleitung dazu (16 ©.) Diefe Fibel enthält auf 50 Seiten nur Schreibſchrift, auf den folgen:

den Seiten Aufgaben zu jchriftlihen Sprahübungen in Drudſchrift. Als erfted Lejematerial dienen Wörter und Säße; die Hauptwörter werben bis zum Cintritt der großen Buchftaben klein geſchrieben. Die Schrift ift recht gefällig, von der zweiten Seite an aber fon zu klein. Die Anleitung hätte für Lehranfänger noch etwas praltiſcher fein können,

200 Anfhauungsunterricht. Leſen. Schreiben.

#3. Leje- und Anufhauungebud für die erſten Schuliahre. Bear beitet von Fr. Möder und P. Foͤrmes, Lehrern in Darmfabt. gr. 5. (IV u. 136 ©). Darmfladt, E Zernin, 1565. 8 Ser.

Der Schreibſchrift ſind 28 Seiten gewidmet. Der Fortjchritt in ben Uebungen ift im Ganzen angemejlen. Die Verfafler haben das Hedmann’jde Linienneb angewandt, wozu uns in den Glementarflafien wenig Beranlaj: fung vorhanden zu fein jheint. Denn daß daraus den Kindern eine Gt: leihtesung für das Schreiben erwüchſe, beruht auf Täuſchung; die Finder gebrauchen ziemlich viel Zeit, ebe fie in dem Linienneß fchreiben lernen. Dazu kommt noch, daß durch das Liniennetz die Reinheit der Schrift mert: li beeinträdtigt wird, auf den legteren Seiten, auf denen bie Buchſtaben Keiner find, fo fehr, daß das Ganze wie mit Flor bevedt ausfieht. Mer genöthigt ift, folhe Schrift lange anzufehen, hat Nachtheil für feine Augen zu beforgen.

Die zweite und britte Abtheilung des Buches enthalten Drudidrit. Anlage und Auswahl machen eine Verbindung des Anſchauungs⸗ und Leſe⸗ unterrihtd möglih, was dem Bude zur Empfehlung gereiht. Der erfte Theil meines Lejebuches ſcheint den Berfaflern maßgebend geweſen zu fein.

4. Erſtes Leſebuch für Shulen und zum Privatunterricht, zu- gteid als Srundlage für den ortbographiihen und ſprachlichen Unterricht. on Präceptor Ehr. 2. Echuler, Lehrer an ber Slementar- und Realanftalt

in Stuttgart. 8. (118 ©). Stuttgart, H. Lindemann, 1866. 8 Ger.

Der erfte Bogen ift der Schreibfehrift gewidmet, alles Folgende der Drudirift. Gegen die Stufenfolge in der Schreibfchrift ließe ſich Manches einwenden, da mehrere fchwierig barzuftellende Buchſtaben zu früh auftreten, mehr jedoch noch gegen den Inhalt, der vielfah nur aus Sylben und Form⸗ wörtern beftebt. Daſſelbe gilt von einem großen Theile des Stoffes in der zweiten Abtheilung, und man erfennt, daß der Verf. durd fein Buch nur Lefefertigleit erzielen will, eine Aufgabe, die fih gute Leſebücher nicht mehr ausſchließlich ftelen. Sole Lejebücher haben wenig Anziehendes für Die Kleinen. Bon diefem Standpunlte aus müflen wir ed auch tadeln, daß der Berf. fo viel dürres Material für den grammatifchen Unterriht auf: genommen bat. Erſt in ber dritten Abtbeilung wird anziehenverer Leſe⸗ ftoff dargeboten. Einen Fortſchritt finden wir fonah durch das Büchlein nicht begründet.

5. Leſebuch für Bürgerfhulen. Herausgegeben von Auguſt Züben, Seminardirector in Bremen, und Earl Nade, weiland Lehrer der I. Bür- gerſchule in Merſeburg. Erſter Theil. Mit Abbildungen zur Unterſtützung des Anſchauungsunterrichts. Neunte, verbefierte Auflage. gr. 8. (IV und 88 S.). Leipzig, Fr. Branbfletter, 1866. 4 Ser.

Die I. Abtbeilung, S. 1—40, enthält nur Schreibfchrift, die II. nur Drudichrift. Auf allen Stufen ift durd den Lefeftoff vie Verbindung des Anihauungsunterrihts mit dem Schreiblefeunterricht wie mit dem fpäter jelbftftändig auftretenden Lefeunterricht ermöglicht,

Anfchauungsunterricht. Leſen. Schreiben. 201.

6. Leſebuch fir &@lementartlaffen ber Volkeſchulen mit Aumwenbung der Schreiblefemethobe bearbeitet von K. F. Schlegel, Lehrer an ber hö⸗ beren Zöchterichule in Magdeburg, und Fr. U. Steger, Lehrer in Hohen⸗ rode. Achte Auflage 8. (IV und 84 ©.) Weißenfels, &. Prange, 1865. 3 Ser.

Die Schreibfehrift umfaßt 19 Seiten und ift im Ganzen gut, Dann treten zunädft Schreib» und Drudicrift neben einander auf. Bon Seite 26 an dient das Material vorzugsweiſe ver Orthographie. - Erft gegen den Schluß kommen anſprechende Lefeftüde.

Wir können ed nicht billigen, wenn ein Leſebuch das bloße Lejenlernen und die Orthographie jo ftark betont, wie es bier geichehen iſt.

7. Erſtes Uebungebuch im Lejen, nah ben Orunbfägen ber Schreib- leſemethode für Bollsihulen und Elementarliafien höherer Lehranflalten be- arbeitet von E. Otraube. Dritte, berichtigte (Titel-) Auflage. gr. 8. (VI und 144 S.). Elbing, F. W. Neumann-Hartnann. 1865. 44 Sgr. In der Vorrede gibt der Berf. eine kurze Anleitung für ben erften

Lefeunterriht, wie er nah der reinen Schreibleſemethode zu ertheilen ift. Kleinigkeiten abgerechnet, ift das Gefagte durchaus richtig und zeigt von Kenntniß der Methode. Eigenthümlich ift dem Verf., daß er ven Kindern das Leſebuch erſt nah 6 bis 7 Monaten will in die Hand gegeben mwif: fen; der Lehrer joll das Schreiblefe-Material an die Wandtafel fchreiben und fih fpäter zur Cinübung der Drudichrift einer Lefemafchine bedienen. Mir billigen das Verfahren ganz, da auf dieſe Weife eine größere Aufmerk- famleit der Kleinen und ſonach ein rafcherer Fortfchritt erzielt wird, em: pfeblen aber eine merllihe Abkürzung der Zeit. Den Lehrgang für dies Berfahren enthält pas Buch in Drudjhrift; Schreibjchrift fehlt, gegen alle Gewohnheit, in dem Buche ganz, da der Lehrer fih bafür der Tafel bedienen joll.

Das Lefematerial ift für zwei Jahre ausreihend und im Ganzen gut gewählt. Sinnloje Sylben fehlen im erften Abfchnitt ganz ; doch kommen etwas viel Wörter darin vor, die den Kindern für fich nicht leicht ver- ſtaͤndlich gemacht werben können, was jedenfalls ein Uebelſtand ift.

Auf eine Verbindung des Anſchauungsunterrichts mit dem Lejeunterricht ift nirgends Bedacht genommen, mas wir bedauern.

p. Gemifhtes Schreibleſen.

8. Erſtes Leſebuch zum Gebrauche bei Anwendung ber Leſemethode nach acotot. Bon K. Seltzſam, erſtem Lehrer an den Vorſchul⸗Klaſſen bes ymnaſiums zu St. Maria⸗Magdalena. Zehute Auflage. 8. (122 ©.).

Breslau, ©. 3. Aderholz. 3 Sgr., geb. 4 Ser.

Dies Leſehuch unterjcheidet fi von allen anderen, die mit ibm für das erfie Schuljahr beftimmt find, dadurch, daß es gleich mit ganzen, für das bezeichnete Kindesalter berechneten Lejeftüden beginnt, die barin ges gebenen Wortbilder auffaflen und dann nah und nah in ihre Beitanbtbeile zerlegen und biefe fefthalten läßt. Dies Verfahren gewährt mindeftens ven. Vortheil, daß das Kind von Anfang an etwas Verftehbares und Interefſan⸗

202 Anfchauungsunterricht. Leſen. Schreiben.

tes zum Leſen erhält und vor dem tobten Sylbenlram, der in älteren, ja vielfah auch noch in neueren Fibeln zum großen Leidweſen der Kinder ſich findet, bewahrt wird. Nach vieler Richtung bin hat dies Leſebuch jeden: falls auch ſehr wohlthätig auf die Lefebücher für Anfänger eingewirkt ; denn wenn dieſelben auch nicht, wie bier gefchieht, mit ganzen Lefejlüden begin» nen, fo machen fie dod mit verftehbaren Wörtern den Anfang und geben möglihft bald zu Säben über.

Der Berfafier verbindet mit der Druchkſchrift von Anfang an die Schreibſchrift, was wir aus oft dargelegten Gründen nicht für angemefien halten.

Der Inhalt des Lefebuches ift gut.

9. Kibel. Des Kindes erfies Schulbuch. Nach der Methode bes Dr. Vogel in Leipzig zufammengeflellt von Kluſsmann, Lehrer in Jever, und F. Buaduter, Lehrer in Oldenburg. Zweite Auflage. 8. (IV u. 103 ©.).

Idenburg, ©. Stalling, 1865. 4 Ser.

Die erfte, 1862 erjhienene Auflage haben wir im XIV. Bde. ange: zeigt. Der Vorrede zufolge haben die BVerfafler nur wenige Aenderungen bei diefer Auflage vorgenommen, für die fie „unzweifelhaft den Beifall der Kollegen‘ zu erwarten hoffen. Wir haben dieſe Aenderungen nicht aufs fuhen mögen, da der Berleger uns ein ungebeftetes Eremplar fandte, was heut zu Tage Niemand mehr thut. Wenn man zu der Roth, weldye der inhalt der Bücher den Recenfenten oft madt, auch nod die Unbequemlichleit binzufügt, dann darf man fi wohl nicht wundern, wenn fie folde Bücher künftig ganz unberüdfichtigt laſſen.

10. Erſtes Lefebud zum Gebrauch in Elementar-Schulen unb beim Privat-Unterricht von Franz Kühn. 21. Auflage. 8. (148 ©). Bres⸗ lau, W. ©. Korn, 1865. 34 Sgr.

Nur für katholiſche Schulen. Wir haben bereit3 im 10. und 14.

Bande dies Lejebuh als ein brauchbares bezeichnet, wenngleih es nicht

ganz unjern Anſichten entjprict.

11. Erfies Leſebuch für katholiſche Stadt» und Landſchulen. Mit Rüdfiht auf den Schreiblefeumterriht. Herausgegeben von Joſeph Steuer, Nector an der Pfarrihule zu St. Matthias in Breslau. 18. Auflage. 8. (IV u. 156 ©.) Breslau, 3of. Mar u. Eomp., 1865. geb. 3 Sgr. Schon in der vorhergehenden Auflage find die bebeutungslofen Sylben

des eriten helles entfernt worden, und die Schreibichrift hat einen Blaß, freilih nur einen ſehr befcheidenen, zwifchen der Drudſchrift erhalten, wäh: rend fie diefer fonft angefügt war. Ber zweite Theil enthält „kürzere Leje: ftüde zur Wedung einer religiöfen Gefinnung”, und darin einen Abſchnitt über Gott, der mit ber Dreieinigleitslehre beginnt. Sole und andere fi daran reihende Stoffe gehören nicht für die erſten Schuljahre, und hindern und, das Bud befonders zu empfehlen.

12. Erftes Lefebuh nad ber Lautlehre methobifch bearbeitet von G. Snerlig, 8. Herrfurth, G. Klofe, ©. Poͤtſchel, Lehrern in Breb-

Anfchenungsunterricht. Leſen. Schreiben. 203 lau. Elfte, verbeflerte Auflage. 8. (128 ©.) Breslau, E. Trewendt, 1865. 3 Sgr.

Das Buch gehört feiner ganzen Anlage nah einer älteren Zeit an; denn wer bietet wohl heut noch Lefeftoffe dar wie: eb auß Auß ab öß Be eb ab Ba ib Auß Be Bi äß of.“

13. Schreib» und Lefefibel von &. Gurde. Mit Bildern von Dtto Spedter. Siebente Auflage. 8. (104 ©). Hamburg, D. Meiner, 1865. cart. 6 Ger.

Da mir das anfprehende Büchlein mehrmals im Jahresbericht bes fprohen haben, jo genügt ed, das Dafein der neuen Auflage ans zuzeigen.

14. gunb Bibel Erftier Theil. Uebungsbuch zum grundlegenden Leſe⸗, chreib⸗ Het: und Schönfchreiberlinterriht in der Unlerklafſe ber VBolksſchulen. Zugleich als Einführung in die poetifhen und profatichen Lefetüde der Hand⸗Fibel von Otto Schulz. Bearbeitet von F. Pau⸗ liſch, Lehrer in Merka bei Sommerfeld. weite, verbefferte Auflage. 8. (1 5 Berlin, L. Oehmigle's Berlag ( Fr. Appelius), 1865. 2 Sgr., geb. gr.

Dazu: Begleitiworte zur Hand⸗Fibel von 4 Pauliſch. Für die Herren Leh⸗ zer. Zmeite Auflage 8. (8 S.). Ebenbaſelbſt. Hand-FKibel. Zweiter Theil. Poetifhe und proſaiſche Leſeſtücke;

Gedichte ; Sprüche der heiligen Schrift ; bie fünf Hauptfläde des chriſtlichen

Glaubens. Für die Unterllaffe der Boltefchulen. Bearbeitet von F. Pau⸗

liſch. 8. (64 ©.). Ebendaſelbſt, 1866. 24 Ser.

Der erfte Theil enthält viel Sylben und Wörter. Der Stoff bezwedt nur 2efefertigleit und etwas Orthographie, leidet aljo an großer Einfeitig: keit. Die Schreibfhrift tritt nur in einzelnen Buchftaben auf. Die auf den erflen Seiten eingebrudten kleinen Bilder find bürftig.

Das Lei Material des zweiten Theiles befteht aus Kleinen Gedichten und Erzählungen, die ziemlich planlos an einander gereihet find. Die 64 aus gebrudten Bibelftellen find dem größten Theile nah für Kinder der Elemen: tarklaſſe eben fo unverftändlich, wie bie ſich daran fchließenven fünf Haupt: ftüäde das chriſtlichen Glaubens.

Die Schule würde Nichts verloren haben, wenn beide Büchlein unger drudt geblieben mären.

15. Elementaräbungen im Auffaflen und Nachſprechen, Schreiben und Le- jen mit Bildern zunähft für Zaubfiumme und Vollfinnige mit mangel- haften Sprachorgan. Bon W. Arnold, Infpector an ber Taubftummen- Anſtalt in Riehen. 8. (VIII u. 102 ©.) Fraukfurt a. M. 8%. Brönner, 1865. 4 Zhlr.

Mir müflen uns bier auf Mittheilung des Titels bejchränten, da uns Erfahrungen auf dem Gebiete des Taubitummenslinterrihts fehlen. Vom Gebrauch des Buches für Bollfinnige mit unvolllommenen Spracdporganen mäüflen wir aber abratben; denn wer würbe bei biefen wohl mit dem am jchwierigften bervorzubringenden Laut h beginnen und ſchon auf ber fünften.

204 Anſchauungsunterricht. Lefen. Schreiben.

Seite Lautserbindungen bringen wie bfsh! Auch gegen bie fonftige Rei: benfolge würden wir viel einzuwenden haben; denn wer bildet wohl auf ein und derſelben Seite ſenkrecht über einander, einen gefliefelten Sporn, einen Bfarrer im Zalar, einen Pfropfen auf der oberen Hälfte einer Weinflaſche und darunter eine Rolle Draht ab! Gegen einen Theil der Abbildungen laſſen fih aud fonft fehr erhebliche Einwendungen maden.

c. Für Drudiärift allein. * Wanbtafeln.

16. Wandtafeln zu F. W. 8 Handfibel. Zweite X Sol. ( 18 a, Grauen 3 Thlr. 3 "Rge. gr. Diefe 18 Tafeln enthalten Sylben und Wörter, etwa in ber Folge der älteren Fibeln für Drudſchrift. Die Schrift ift groß und fhön. Im Allgemeinen ift die Zeit folder Wandtafeln aber vorbei.

17. Banbtafeln zu F. W. Hunger’s Handfibel. Alphabet in Schreib⸗ und Drudicrift. gr. Foi. (6 Blatt.). Ebendaſ. 4 Thlr.

Die 6 Blatt ſollen zu einer großen Wandtafel zufammengellebt und dann im Schulzimmer ‚aufgehängt werden. Drud: und Schreibbudfta: ben fteben übereinander und find binreihend groß, um von einer ganzen Klaſſe gejehen werben zu können. Die Schreibformen find im Ganzen ge fällig, werden jedoch nur da benubt werben, mo biejelben gerade gebräuch⸗ lich find. Die Zorm des großen D Läuft oben zu ſpitz zu.

** Bücher (Bibeln).

18. Uebungsftoff beim erſten Lefe-Unterridt nad —— Methode zu den Leſetafeln und dem erſten Leſebnche von Franz Kühne. Dritte Auflage. 8. (8 Seiten). Breslau, W. G. Korn, 1865 4 Biennige. Das erfte Lefebuch, zu dem dieſer „Uebungsftoff” gehört, haben wir

im vorigen Bande angezeigt. Die darin dargebotenen Geſpräche und Fa⸗

bein find für Schulen beftimmt, deren Lehrer Verehrer der Methode Jaco⸗

tot’s find,

19. Kleiner Kinderfreund ober erſtes Lefebüchlein für Meine Kinder, bie nach ber Yacotot’ihen Methode Lefen lernen. Bon Fr. Pechner, Rector ber Bürgerfchule in Birnbaum. 2. Auflage. gr. 8. (24 ©.). Lanböberg a. d. W., Bolger und Klein. 1865. 24 Sgr.

Enthält 30 Heine Erzählungen und Gedichte, die ganz für Heine Kin⸗ der geeignet find.

20. girl Buchſtabir⸗ und Leſebuch. 18. Auflage. 8. (52 &.). Baberborn, D. Winkler. 2 Sgr.

Gehört nad Anorbnung und Inhalt einer laͤngſt vergangenen geit an, Wo läßt man überhaupt noch buchſtabiren?

Anſchauungsunterricht. Leſen. Schreiben. 205

21. Bilber-Fibel. Ein Geſchenk für artige Kinder. 8. (16 Blatt.) Berlin,

Hugo Kaftiner, Leipzigerfir. 61. 1 Sur.

Dos erfte Blatt enthält die Heinen und großen Buchftaben des deutfchen und lateiniſchen Alphabets. Die naͤchſten 13 Blätter haben auf ihrer Vorberjeite je zwei Gruppen Bilder, meiftens Scenen aus dem Kinder⸗ leben. An irgend einer leeren Stelle ift darin ein Buchſtabe des Alpha⸗ bet3 angebracht, zu dem die Bilder einige Beziehung haben. Die Bilder find grob, die Blätter meift überfüllt. Die vier legten Seiten enthalten kleine Gebete und Gedichte und das unentbehrliche Einmaleins, mit dem bie liebe Jugend jo früh als möglich zu quälen man ſich verpflichtet hält.

2. Zür das zweite und britte Schuljahr.

22. Sprech⸗Schreib⸗Leſeſtoffe für benvereinigten Elementarſprachunterricht. Zugleid als Anihluß an jede .; Volftändiges Elementarſprachbuch für die drei erfien Schuljahre von Y. M. Dieklein, erfiem Lehrer in Warten- burg a. E. Zweites Heft: Die Drudichrift. Der einfach erweiterte und der zufammengezogene Sat. gr. 8. (VIII und 136 ©.) Langenfalze, Verlaga⸗Comptoir, 1866. 7! Sgr.

„Der erfte Unterriht in der Mutterfpradhe d. i. der erfte Unterriht im Anfhauen, Denten, Sprechen, Schrei⸗ ben und Lefen ift auf der Unterfiufe ftets als ein harmo— nifhes Ganzes aufzufaffen, zu handhaben und durchzu—⸗ fübren, die genannten einzelnen Theile defjelben find in gegenfeitige Beziehung und ftete Wechſelwirkung zu feben, die erfien Vebungen im Anſchauen, Denten und Sprechen find an die zu Grunde gelegten Schreib: und Lefeftoffe anzulnüpfen und endlid: die Schüler jind durd fleißigen, planmäßigen und rechten Sprachgebrauch zum richtigen Spreden ung durch gründlide Bildung ihres Spradge: fühls zum reiten Spradverftändniffe zu führen.“

Hält der Lefer viefe Worte des Verf. mit dem ausführlichen Titel zus ſammen, jo wird er ſich eine Vorftellung von dem bier angezeigten Büchs lein machen können. Wo man bafjelbe dem Unterricht zu Grunde legt, da wird es nicht ſchwer halten, einen gedeihlichen Clementarunterricht darnach zu ertbeilen. Auf allen Seiten ift Beranlaflung gegeben zu guten Ans ſchauungs⸗, Sprech⸗ und Leſeühungen. Das Yuch enthält namentlich auch einen großen Reichthum an guten Gedichten zur Bildung des religiöfen, fittliden und aͤſthetiſchen Gefühle. Die vom Verf. jelbft herrührenden Ar⸗ beiten find meiltens recht anſprechend und nur bier und da nicht einfad genug in den Saßconftructionen. Auch in der Nachbildung Hey'ſcher Fabeln bat fi der Verf. nicht ohne Glück verſucht.

23. Erſtes Schul-⸗ und Bildungebud. Bearbeitet von H. Burgwardt, Nector der Bürger- und Boffsfäufen zu Wismar. Zweiter Theil: Leſe⸗ Rüde für den vereinten Leje-, Dent-, Sprech⸗ unb Sprachunterricht, für die Heimaths⸗ und Raturfunde, fowie für ben fittlich-religiöfen Anfchauunge« unterricht, nebſt 230 methodiſch geordneten Aufgaben zu mündlichen und

206 Aunſchauungsunterricht. Leſen. Schreiben.

ſchriftlichen Spradlibungen. 29., verbeflerte umb vermehrte Auflage. 12.

(XIV und 332 ©.) Altone, @. 67 Sälüter. 1865. 83 Ser.

Dies Bundy darf nicht als ein Leſebuch angeſehen werden, wie die neuere Zeit fie gebracht hat, als ein Buch nämlich, welches das Belle in Brofa und Poeſie aus unferer Literatur darbietet, foweit diefe für Schul: finder verwendbar if; es muß vielmehr als „Schul: und Bildungs in dem Sinne betrachtet werden, wie der Zufab auf dem Titel angibt, als ein Bud, das die Refultate des gewöhnlichen Anfhauungsunterrichts bringt, ver Grammatik dienen und außerdem bie fittlich:religiöfe Bildung fürdern will, und zwar durch Erzählungen und Gedichte. Jene Stoffe find für ein Lefebudy als „trivial” bezeichnet worden, wie wir aus ber Vorrede zu diefer Auflage erfeben, von dem zuerft genannten Stanbpunlte aus mit Recht. Denn welhes Kind vermag fi daran zu erheben, wenn es leſen muß: „Hinter dem Haufe ift ein Stall. Im Stalle habe ih manche Dinge geſehen. Da ift das Pferd, das Füllen, die Hub, das Kalb, das Schaf, das Lamm, der Dchje, die Ziege, das Schwein, der Gjel, das Huhn, der Hahn, die Gans, die Ente. Dies find lebendige Geſchöpfe, Thiere.“ Oder: „Wenn id etwas von mir felber ausfage, fo nenne id nicht meinen Namen, fondern feße für meinen Namen das Wörtchen ich, 3. B. ih leſe. Sind da mehrere Perfonen, die etwas von ſich ausjagen, fo nennen fie ſich wir, z. B. wir lejen.” Aber wenn man ſich au ganz auf den Standpunft des Berfaflers ftellt und das Buch zugleih als ein Hülfebudy für den Anſchauungs⸗ und Sprachunterricht anfieht, fo fragt ſich's doch, ob es ſich verlohnt, dergleichen Sachen den Kindern gebrudt barzubie ten; es werben das Manche mit uns verneinen.

Die neue Auflage unterfcheibet fi von den früheren durch einen Am hang von 20 Gedichten, durch welche das gute Lefematerial nicht unerheb⸗ lich vermehrt worden ift.

Sin Betreff der angewandten Orthographie fei bemerkt, dab der Berf. ftatt ſſ überall ß jchreibt, was Vielen nicht recht jein wigd.

24. Lefebuh für Bürgerſchulen. Heransgegeben von Yuguft Xüben, Seminarbirector in Bremen, und Earl Nade, weil. Lehrer der J. Bür- gerfchule zu Bremen. Zweiter Theil. Fuufzehnte, verbeflerte Auflage. gr. 8. (VII und 168 ©.). Leipzig, Fr. Branbfletter, 1565. 6 Gar.

Im vorigen Bande wurde die 14., im Sabre 1865 erjchienene Auf Inge angezeigt ; noch in demfelben Jahre war eine ziveite, die hier genannte 1b. Auflage, nothig. Während ich dies fchreibe, wird die 16. Auflage vorbereitet.

eefebuh für Bürgerſchulen. Heransgegeben von Auguſt Küben, 1m und I Node. Bierzehnte, verbefierte Anflage. (VIII und 200 ©.). ve 1866. 8 Ger.

25, Der Heine Lefe-, Schreib- und Sprach⸗Schüler. Des Schälers zweites Schulbuch. 8. (192 S). Elberfeld, Bädeler (U. Martini and Grüttefien), 1865. 8 Sgr.

Anſchauungsunterricht. Leſen. Schreiben. 207

Mit dem Lefeftoffe wechſelt Material zu Spradübungen ab. Beibe find im Ganzen zwedmäßig gewählt und angeordnet. Das Buch dürfte ſich daher in Vollsſchulen ald brauchbar erweilen.

83. Für Mittelklaſſen.

26. Baterländifches ehr. und Leſebuch für bie Mittelfaffen der Volle⸗ Bon Johann Schmitt. 8. (VIII und 232 S.). Darmflabt, Ehr. Fr. Wil, 1865. 7 Sgr.

Um dem Titelmorte „Lehrbuch“ Rechnung zu tragen, bat der Her: ausgeber bejonders die weltkundlichen Gegenftände in's Auge gefaßt, welche nad feinem Dafürhalten in dem Unterricht der Mitteltlafien auftreten müf- fen. In richtiger Würdigung beginnt er mit ver engften Heimath des Kindes und behandelt zunädft die Schule, das Haus, den Garten, Dorf und Stadt, das Feld, die Wiefe und den Wald, das Wafler, Himmel und Erde, d. b. das, was das Auge an jedem Orte der Erde am Himmel er: blidt (Sonne, Mond, Sterne, die augenjälligen Lufterfheinungen) und was fi nicht felten in der Erde findet (die befannteften Mineralien). Daran reihet fi) die weitere Heimath, nämlich das Großherzogthum Heflen, und Deutſchland. Der lebte Abſchnitt hat den Menſchen und Gott zum Ge genftande. Bon Gott ift natürlih nur in Gedichten und Erzählungen die Rede. Das Kapitel Über den menſchlichen Körper würden wir ausgefchlof- fen und in das Leſebuch für die Oberklaſſe verlegt haben, da nur die rei: feren Kinder der Volksſchule für einen eingehenderen Unterricht über dieſen Gegenftand befähigt find. Die Auswahl ift in allen Abjchnitten als eine angemefjene zu bezeihnen. Am mwenigfien haben uns mehrere Stüde über die Schule gefallen, fo namentlih Nr. 1, in dem die Kinder über vie Sculverfäumnifie belehrt werden, und Nr. 8, in dem „Hans Schluri“, eine unnatürlih darakterifirte Perſon iſt.

27. Der Kinderfreund. Ein Denk⸗, Spred- und el für bie mittleren Klaflen der Borteiäulen, herausgegeben von U. Hiltenkamp, Lehrer in Sof. 8. (262 ©. u. 8 ©. lith. Schreibfchrift u. Beichnungen). Soeſt, Naſſe, 1864. 6 Ggr.

Für katholiſche Schulen beſtimmt.

Die ganze Anlage und Haltung des Buches laͤßt ſich ſchon aus dem nachſtehenden Inhaltsverzeichniß erlennen.

Gebete und Lieder. I. Abtheilung. Einfache Saͤtze als fortgeſeßte Uebung im elementariſchen Leſen, als Uebung im Leſen mit Verſtand und Ausdrud und zum Aufſchreiben ver Gedanken. II. Abth. Leſeſtüde in gebun⸗ dener und ungebundener Rede, zur Fortſetzung der Sprechübungen, Refoͤr⸗ derung der Leſefertigkeit und der religioös⸗ſittlichen Bildung III. Abth. Blide in die Natur. Erſcheinungen in der Natur; die Erde, das Weltall, Zeit eintbeilung, das Kirchenjahr. IV. Abth. Einiges aus der Naturbejchreibung. V. Abth. Der Menſch. VI. Abth. Einiges aus der Geographie. VII. Abth. Sprahübungen. VII. Abth. Kleine Briefe für fleißige Kinder.

Der Berf. ift wohl von ber neueren Leſebuchliteratur und ven dem,

208 Anfchauungsunterricht. Leſen. Schreiben.

was über viefelbe feit Jahren gejchrieben worden if, unberührt geblieben; er ſteht no auf dem veralteten Standpunkte der Kinderfreunde“, bie an den „moraliihen Erzählungen‘ und am „Nüblichen” geftorben find. Gleich die Ueberſchriften der eriten Lefeftüde laſſen das zur Genüge erlennen. „Bas ein Ding if. Die Dinge haben Namen. Was ein Ding thut. Wie ein Ding if. Was mit einem Dinge geſchieht. Bon welchem Stoffe ein Ding gemacht wird. Was ein Ding bat oder beſitzt. Die Dinge be: fteben aus Theilen. Die Dinge haben eine Farbe.” U. |. mw. Wer daran noch nicht genug bat, ber leje Folgendes. Nr. 51. Die Schreibfeder. rüber gebrauchte man zum Schreiben nur die didfien Febern aus einem Gänjeflügel ; jebt nimmt man faft nur mehr (?) die Stahlfeder. Auf welhe Weife wurden die Federn zum Schreiben tauglich gemadht ?

Born bat man der Feder einen Schnabel mit einem Spalt ge geben ; nun laſſen fih zarte und ſtarke Stride damit bilden. Drückt man nämlich auf bie Feder, fo gibt fidh der Spalt etwas mehr auseinam der, und der Strih wird breit. Hört man auf zu drüden, fo jpringen beide Spigen zujammen, und der Zug wird jein.

Der Schnabel ift pfeilfürmig, oben breit und unten ſpiß. Da durch erhält er Kraft, gerade jo wie der Schnabel eines Vogels oder ein eiferner Nagel.

Die Federn find vorher durch's Yeuer gezogen worden. Dadurch baben fie das überflüffige Fett verloren und an Härte gewonnen.

Man ſchneidet die Fahne nit dicht über der Spule ab, ſondern läßt die Feder lang, damit man fie beſſer halten könne.

Mer der Jugend nicht befiere Bildungsftoffe zu geben vermag, der jollte ſich doh ja auf den engen Kreis feines unmittelbaren Berufes bes ſchraͤnken und nicht als Schriftiteller.

28. Leſebuch für die Mittelllaflen ber Bollsfhule. Herausgegeben von ben beiben Sole ien ber dritten Abtbeilung der Bürgerſchule zu Chemnitz. gr. (VIII und 271 ©.). Chemnik, Pickenhahn u. Sopn, 1866. 74 Ser.

Dies Buch kann zu den brauchbaren gerechnet werden. Die Stoffe entprechen dem Alter von 9—11 Jahren und geben Anlaß zu Belehrun- gen über allerlei Gegenftände und Erſcheinungen, welche den Rindern nabe liegen. Auch an guten Gedichten fehlt es nicht. Am wenigſten geeignet und zu dem Geift der übrigen Stüde paflend ift Nr. 1, in dem das Kind mit den Schülerpflichten belannt gemacht wird. Dazu kommt, daß immer die zweite Perjon gebraudt ift, während doch das Kind als Leer zu den: fen ift und angemefiener aljo von fi felber ſpräche. Die fi daran reis benbe „Mahnung zur Selbftthätigleit” ift auch nichts werth, eben fo Nr.

4, „Was mir ein Leſebuch erzählt.‘ in Anhang enthält „Aufgaben für den Spradunterrihi”, die es auf Benußung der Lejeftüde zu gram- matiſchen Zweden abſehen und im Ganzen fih als brauchbar erweifen werben.

20. Deutihes elebnd für bas mittlere Kindesalter. Herausgegeben von den Brübern K. Gelgam, erfien Lehrer an den Borjchul-Kiaflen des

Anfhauungsunterricht. Lefen. Schreiben. 209

Magbalenen-Gyumnaflums zu Breslau, und 2. Seltzſam, erſtem Lehrer an

den Vorſchul⸗Klaſſen bes Eliſabeth⸗GGymnaſiums zu Breslau. Fünfte,

verbeflerte Auflage. 8. (XVI und 336 ©.) Breslau, %. Hirt, 1865.

123 Ser.

Das Buch ift feinem ganzen Inhalte nah für Mittelllafien geeignet. Srzäblungen, Gedichte und belehrende Auffäße wechſeln mit einander ab, von legteren find die naturbiftoriichen durch 85 Holzjchnitte illuſtrirt.

30. Lefebuh für Bürgerfhulen. Herausgegeben von Auguſt Lüben und Carl Nade. Bierter Theil. Zwöilfte, verbefferte Auflage. gr. 8. (VIU und 216 ©.). Leipzig, Sr. Branbfletter, 1865. 9 Ser.

31. Leje- und Sprachbuch für Taubſtummenſchulen zum Gebraud bei bem Anſchauungsunterrichte von Ed. Mößler, Infpector ber Königl. Taubſtummen⸗ Anftalt zu Osnabrüd. J.-III. Abtbeilung. gr. 8. Osna⸗ brüd, F. Rackhorſt, 1864 und 1865. & 12 Ser.

32. Zwei Bilderbogen, ein Hülfgmittel für die erfien Sprech⸗ und Sprach⸗ übungen mit Taubſtummen, enthaltend über 300 bilbliche Darftellungen von Gegenfländen aus den nächſten Anfhanungegebieten in einer bem all- mähligen in der Lautbildung entſprechenden Ordnung von Ed.

ößler, Inſpector der Königl. Taubſtümmen ⸗Anſtalt zu Osnabrück. Eben⸗ dafelbft, 1865. 6 Gar.

Da der Jahresbericht den Taubftummenunterriht nicht in ben Kreis

feiner Beſprechungen zieht, jo begnügen wir uns bier mit der Angabe des

Titels diefer Schrift und der Bilderbogen.

4. Für Mittels und Oberllafien.

33. Leſebuch. Für Mittel» und Oberklaſſen gehobener Mäbchenichufen, als Borftufe des deutichen Lefe- und Bilbungsbuches für böhere Töchterſchulen und weiblide Erziehungsanflalten, herausgegeben von Dr. L. Kellner Ne⸗ gierungs- und katholiſcher Echulrath in Trier. Zweite, durchgeſehene Aufe lage. 8. (XI un. 487 ©.) Freißurg i. Br., 1865. 16 Sgr.

Der gefammte Inhalt zerfällt in ſechs Abtheilungen mit folgenden Ueberſchriften: 1. Erzählungen, Parabeln, Zabeln und Maͤrchen. 2. Rer ligion und religiöjes Leben. 3. Schilderungen und Bilder aus der Natur: geſchichte. A. Bilder aus der Geographie und Geſchichte. 5. Lyriſche und didaktiſche Gedichte. 6. Erzaͤhlende Dichtungen.

Auswahl und Anordnung geben in allen Abſchnitten Zeugniß von dem feinen Geſchmack und pädagogiichen Takte des Herausgebers ; das Leſe⸗ buch kann daher von Neuem latholiſchen Töchterſchulen beſtens empfohlen werben.

34. Kleiner Leſe⸗Freund. Gin Uebungsbuch für mittlere Klaſſen katho⸗ liſcher Elementarſchulen. Bearbeitet von M. Mengier, Lehrer an ber Dom-Knabenichule zu Paderborn. Dritte, verbefierte Auflage. 8. (139 ©.). Baberborn, F. Schoͤningh, 1865. 4 Ser.

Der Inhalt zerfällt in zwei Abtheilungen, von denen bie erfte Be f&reibungen, die zweite Erzählungen enthält. Die Beſchreibungen behan: Wär. Jahreßberiht. XVII. 14

210 Anſchauungsunterricht. Leſen. Schreiben.

deln Gegenſtaͤnde des Anſchauungsunterrichts und find im Ganzen etwas troden gehalten. Einen größeren Theil derfelben müfjen wir als ungeeig- net für ein Lefebuch erahten. Man urtbeile felbft: „Unſer Lehrer bat in der Echule einen Stuhl. An dem Stuhle fehe ich einen Giß, eine Lehne und vier Füße. Der Eig ift groß und flach; man kann bequem barauf fipen. Die Lehne heißt Rüdlehne. U. ſ. w. Die Erzählungen erinnem febr an die der verfjchollenen Kinderfreunde : „Spiele nicht mit Schießge wehren. Die böflihen Kinder. Gin Schüler, wie er nicht fein jol. Gin unartiger Knabe. U. f. w.

5. Für Oberllafien.

35. Deutfches Lefe-, Lehr⸗- und Sprachbuch für Schule und Haus.

Bon H. Jaſtram, zweiter Lehrer an der Parochialſchule zu St. Albani

in Göttingen. 8. (XVI u. 450 ©.) Göttingen, Deuerling, 1865.

10 Egr., geb. 124 Ser.

„Das vorliegende Lejes, Lehr: und Sprachbuch will einerjeitd uner⸗ jhütterlih fefthalten an dem Alten, Bewährten, andererjeit3 aber ſich den Fortſchritten der Neuzeit nicht verfchließen. Und weldes ift jenes Alte, Bewährte? Cs ift das Wort Gottes, und bei biefem Grunde will auch diefes Buch bleiben und fi nit wiegen und wägen lafien von allerlei Wind der Lehre.”

Mit diefen Worten der Vorrede ift der Geift des Buches bezeichnet. Das ganze Material ift in folgende vier Abfchnitte gebracht: I. Erzähluns gen und andere Lejeftüde. II. Weltlunde. III. Bibellunde. IV. Sprach⸗ lehre. Im erften Abfchnitt find 158 Nummern dem Lutheriſchen Katechis⸗ mus gewidmet. Der Abjchnitt über die Welttunde bietet reichlich jo viel dar, als in einer Volksſchule verarbeitet werben kann, aud der über Gram⸗ matik. Man kann zugeben, daß der Voltefchule Bücher dieſer Art zur Wieder: bolung erwünfcht find ; aber ein Leſebuch im Einne und Geifte der Gegenwart können fie nicht erjegen. Wenn irgend ein Schulbuh, fo muß es gerade das Lejebuch fein, welches der Jugend eine Richtung auf das Ideale gibt.

36. Leſebuch für Bürgerfhulen. Herausgegeben von Auguſt Küben und Earl Nade. Fünfter Theil. Zehnte, verbefferte Auflage. gr. 8. (VIII u. 224 ©.). Leipzig, Fr. Brandfletter, 1866. 9 Ser.

37. Leſebuch für Bürgerfchulen, Herausgegeben von Auguft Lüben und Earl Nade Sechſter Theil. Giebente Auflage. gr. 8. (VIII u. 348 S.). Leipzig, Fr. Branbfletter, 1865. 124 Sgr.

Ich erlaube mir bier nur die Bemerlung, daß neben ver bisherigen

Ausgabe des ganzen Leſebuches auf befonderen Wunſch aud eine Ausgabe für katholiſche und confeffionellegemifchte Schulen veranftaltet worden iſt.

6. Tür höhere Schulanftalten.

38. Deutfhes Leſebuch für die unteren Klaffen ber höheren Töch⸗ terfhulen. Erſter Theil. Herausgegeben von Dr. Ferd. Seinecke. Zweite, verbeflerte Auflage. gr. 8. (VIII u. 280 ©.) Dresden, 2. Eh⸗ leımann, 1866. 16 Sgr.

Anfhauungsunterricht. Leſen. Schreiben. 211

Dies Leſebuch ift für Mädchen von 7—10 Jahren beflimmt, enthält daher verhältnigmäßig leichte Dejeftüde, daneben aber auch gar mandhe, die nad Inhalt und Umfang über dies Lebensalter hinausgehen. Cine Anordnung vom Leichtern zum Schwerern ift vom: Herausgeber verfucht worden, aber wohl fchwerlid durchweg gelungen ; es foll dem Lehrer über: laflen bleiben; die für feine Klaſſe wünſchenswerthe Folge berzuftellen. Nach unferem Dafürbalten gehört dies zu den Aufgaben des Herausgebers eines Leſebuches. Bei der Auswahl fah der Herausgeber darauf, Stüde zu wählen, die ſich nicht bereits in jedem Leſebuche fänvden ; daher begegnen wir bier manchem weniger befannten Stoffe. Für unbegründet müjjen wir aber die Anficht des Herausgebers halten, daß das Erjcheinen eines neuen Leſe⸗ buchs nur dann als gerechtfertigt erjcheine, wenn es wenig ſchon benußte Leſeſtüce enthalte. Die Lejebücher haben vielmehr mit dafür zu forgen, daß das Belle Gemeingut der ganzen Nation werde,

Der Vorrede zufolge find die Veränderungen, weldhe der Herausgeber bei diefer zweiten Auflage vorgenommen hat, jo bedeutend, daß wir es fall mit einem ganz neuen Buche zu thun haben.

39. Lefebuh für Bir erfünten, beſonders für höhere Knaben⸗ und Mädchenſchulen von di Möbus. II. Stufe. Kür Mittelklaſſen. Erſte Abtheilung. Zweite, vermebrte Auflage 8. (III u. 168 S.). Berlin, R. Gärtner, Amelang’iche Sortiments-Bughanblung, 1865. 8 Sr.

Dies Lejebuc gehört zu den befieren der neueren Zeit, ohne fich jedoch gerade bejonders vor anderen auszuzeichnen.

40. Deutſche Leſeſtücke, für ben Abſchluß bes Lefeunterrichts im ber geho- benen Deittelfchule, zugleich als Vorſtufe zu bes Verfaſſers Deutihem Leſe⸗ buche ſür die mittleren und oberen Klaſſen höherer Lehranftalten, zufam« mengeftellt von Dr. D. Lange, PBrofefior in Berlin. Iweite Auflage. gr. 8. (VIn. 217 ©.). Berlin, R. Gärtner, Amelang’ide Sortiments. Buchhandlung, 1865. 12 Sgr.

41. Deutſches Leſebuch für die mittleren und oberen Klaſſen höherer Lehr⸗ enfalien. Ein Lehr⸗ und Hilfebudh für den aclamımmtunterziht in ber beute ſchen Sprache, herausgegeben von Dr. D ange, Prof. in Berlin. Erſter Theil. (Mittlere Stufe). Fünfte, sei uflage. gr. 8. (VIII und 312 ©.). Cbenbafelbft, 1865. 16 © Beide Schriften find im XV. Bande von uns angezeigt und empfoh⸗

len worben.

42. Eoldhorn und Godeled8 Deutſches Leſebuch. Aus den Onellen. Erfter Theil. Zweite Auflage. Belorgt von Theodor Colshorn. 8. (IV u. 325 ©.) Hannover, ©. Rumpler, 1865. 12 Sgr.

Den erften, 1859 erſchienenen Theil dieſes Leſebuches haben wir im

13., die beiden folgenden im 14. Bande angezeigt und empfohlen. Da

die vorliegende zweite Auflage nur zwei neue Stüde erhalten bat, fo kön⸗

nen wir auf jene Beurtheilung verweilen.

43. Dentſches Leſebuch. Bon R. Auras und G. Gnerlich, ordentlichen Lehrern an der Realſchule am Zwinger zu Breslau. Zweiter Theil. Vierte,

14”

212 Anfhauungsunterricht. Leſen. Schreiben.

verbeflerte und vermehrte Auflage. gr. 8. (VIII u. 392 ©.). Breslau, F. Hirt, 1865. 224 Sgr.

Proja und Poeſie find in dem Buche getrennt. In der erften Ab: theilung find die verfchiedenen Darftellungsformen vertreten, in ber zweiten die epifche und lyriſche Poeſie; aber in feiner derjelben find fie überfichtlid geordnet, was wir für ein Lebensalter, für mweldes dies Buch beftimmt if, als wunſchenswerth, ja als nothwendig erachten. Wer dann das Verwandie nit Behufs fruchtbarer Vergleihungen hinter einander lejen lafien will, dem ift für Planlofigkeit noch Raum genug gelafien.

Die vorliegende neue Auflage bat mancherlei Berbefierungen erhalten und bietet in der That viel lefenswerthes Material dar.

4. Deutiches Leſebuch. Zweiter Curfus. Bon ©. Dltrogge. Zebnte, nachgejchene, ſonſt unveränderte Auflage. gr. 8. (VIII u. 424 ©.). Han- nover, Hahn, 1865. 20 Ser.

Schon bei Anzeige früherer Auflagen haben wir bies Leſebuch als ein gutes empfohlen, lönnen daher jebt auf Begründung unſeres Urtheils ver: sichten.

45. Deutfhes Lefebud von ©. Ditrogge. Neue Auswahl. Erſter Theil. Ameite, verbefierte und flark vermehrte Auflage. gr. 8. (XIV u. 546 ©.) - Dannover, Hahn, 1866.

Bor etwa 30 Jahren bat Oltrogge unter demjelben Titel ein Leſe⸗ buch für höhere Schulen herausgegeben. Die ziemlih weite Verbreitung befjelben binderte ihn, die Verbefierungen anzubringen, welde ihm wün- ſchenswerth, ja nothwendig erſchienen. Namentlih wünſchte er eine Ver⸗ mehrung oder auch Vertauſchung der Stücke durch gute Productionen der neueren Zeit. Dagegen proteſtirten aber die Lehrer, welche das Leſebuch gebrauchten, und ſo entſchloß ſich der Herausgeber ein neues Leſebuch von der Tendenz des erſteren anzufertigen und zum Gebrauch neben dem aͤlte⸗ ren anzubieten. Das bier genannte Buch ift der erfte Theil defielben. Er ift für Kinder von 11—13 Jahren beftimmt. Das Material zerfällt in zwei Theile, in einen profaifhen und einen poetifhen. Jener umfaßt 366 Eeiten, diefer nur 180. Doch tritt mit dem poetifchen Theile kleinerer Drud ein, jo daß aljo die Zahl der Poeſien immerhin eine jiemlih be: trädhtlihe it. Der hier angewandte Drud erſcheint jedoch ald etwas zu Mein und ganz geeignet, zur Schwähung der Augen beizutragen. Der profaifche Theil enthält Erzählungen, Maͤrchen, Sagen, geſchichtliche Dars ftelungen, Befchreibungen, und zwar naturgeſchichtliche, phyſilaliſche, Schils derungen aus der Länder: und Völkerkunde, endlich unter der Rubrik „Bes fehrungen” etwas über das Weltgebäude. Der poetifhe Theil enthält epiſche, lyriſche und dramatifche Dichtungen, in einem Anhange Rätbjel und Sprühmwörter. Die epiſche Dichtung ift dur Stüde aus der Odyſſee, aus dem Nibelungenliede, durch Erzählungen, Legenden, Balladen, Romanzen, Fabeln und Parabeln vertreten, die dramatische durch Scenen aus Schiller's

Anſchauungsunterricht. Leſen. Echreiben. 213

Wilhelm Tel. In einem Leſebuche für höhere Schulanftalten würden wir den Tell einem fpäteren Alter aufbewahren. Sonft kann die Auswahl im Ganzen als gut bezeichnet werben.

46. Dentſches Leſebuch von Dr. F. E. Paldamud, Director ber böberen Bürgerichule in Frankfurt a. M. Obere Stufe. Zweite Abtheilung : Aus⸗ wahl beutfher Profa. gr. 8. (XXI u. 569 ©.) Mainz, C. ©. Kunze, 1865. 1 Thlr. \

Mit dieſem Bande ift das „Deutjche Lefebuch‘ beendet. Die vorans gegangenen Theile haben wir in den früheren Sahresberihten beſprochen und den höheren Schulanftalten empfohlen, ohne uns dabei zu Weber ſchwenglichkeiten zu erheben. In diefem Theile ift der Herausgeber bis auf Johann Geiler von Kaifersberg (1445— 1510) zurüdgegangen. Von ihm aus find die hervorragendſten Profailer bis zu den jegt lebenden, bis zu Leo in Halle, Liebig, Gutzkow, Auerbah und Mommfen, berüdfichtigt worden. Die Auswahl ift durchgängig mit Umſicht und richtigem päbas gogiſchen Tacte getroffen, bei den älteren Profaitern jedoch zu reichlich aus⸗ gefallen. Wenn man beventt, daß jedes Stüd mehr oder weniger einges bend bejprodhen werden muß, wenn es fi für allgemeine und Sprach⸗ bildung erſprießlich ermweifen foll, jo weiß man in Wahrheit nicht, wo die Zeit dazu herkommen foll.

Die erften 131 Seiten haben auffallend Heinen, für unſere ſchwach⸗ äugige Tugend viel zu Meinen Drud, was man überall bevauern wird, mo man das Buch in Gebrauh nimmt,

47. Lebensbilder IV. Leſebuch für höhere Bildungsanflalten. Bon Ber: thelt, Jaͤkel, Petermann, Thomas. Bierte, vermehrte und verbeflerte Auflage. gr. 8. (XX u. 651 ©.). Leipzig, 3. Klinkharbt, 1865. 1 Thlr. BVartiepreis 10 Erpi. 71 Thlr.

Das reihe Material zerfällt in zwei Übtheilungen, von denen bie erite ald Grundlage einer Literaturgefhichte dienen, die zweite den Realuns terriht unterftügen foll. Sn ber erften Abtheilung find faſt alle Dichtungs⸗ arten in guter Auswahl vertreten, das Drama jedoh nur durch Brud: ftüde; die zweite Abtheilung enthält Naturbilver, Bilder aus der Voölker⸗ und Länderlunde und Geſchichtsbilder.

Die vorliegende vierte Auflage bemeift, daß das Werk Beifall gefun- den bat. Im Intereſſe der Jugend wünſchten wir etwas weniger Stoff, aber größeren Drud, |

48. Lefebuh für Bürgerfhulen. Herausgegeben von Auguſt Lüben und Carl Nade. II, bie VI. Theil. Leipzig. Fr. Brandftetter. Näheres fiehe oben! Diefe Theile find auch für höhere Schulanftalten geeignet. Der VI. Theil Tann als Grundlage für den literaturbiftoriichen Unterricht benugt werden. Cr führt pas Material in chronologiſcher Folge vor und enthält kurze Lebensabrifie der hervorragendften Dichter und Schrift: ſteller aller Zeiträume,

214 Anfchauungsunterricht. Leſen. Schreiben.

7. Unmeifungen zur Behandlung des Leſeunterrichts.

49. Die Methodik des fpradliden Elementarunterridhte. Hiſto⸗ rifhe Entwidelung ber Leſelehrmethoden und tbeorerifch-praftifhe Anwei⸗ fung zur Behandlung des vereinigten Anſchauungs⸗, Spreh-, Schreibe, Lefe- und Sing Unterrichtes für Die Volksſchule. Bon €. Kehr, Seminars infpector, uud G. Schlimbach, Elementarlehrer. gr. 8. (X und 164 ©.). Gotha, E. F. Thienemann, 1866.

Der Inhalt diefer Schrift zerfällt in zwei Theile, von denen der erfte die geſchichtliche Entwidelung, der zweite die theoretijch-praltiihe Darftellung des ſprachlichen Clementarunterriht3 für die Volksſchule behandelt. Im erften Theile wird die Zeit der Buchftabirmethode, der Lautirmethode, der Schreiblejemetbode und des vereinigten Anſchauungs⸗, Sprech⸗, Schreib, Leſe⸗ zc. Unterrichts (Elementarunterrihts) beſprochen und darauf die Stel⸗ fung der Berfafier hierzu bezeichnet. Im zweiten Theile werben zunächft bie Grundfäße für diefen Elementarunterrit dargelegt, dann wird dem ans gehenden Lehrer gezeigt, wie er neu eingetretene Glementarfchüler zu behan- bein und melde Borübungen er für den Clementarunterricht anzuftellen babe, und hieran reihet fih eine Behandlung der Normalmwörter der oben angezeigten Fibel von Schlimbach, von dem aud diefer Theil des Buches tft, während alles Andere Kehr zum Verfaſſer bat.

Dir haben uns diefer Echrift gefreut. Denn menn fie aud, wie leicht begreiflih, in der Sache felbft nichts Neues bringt, fo ftellt fie doc alles Bekannte überfidhtlih und anregend dar, gerade in dem Umfange, wie Lehranfänger dieſes Wiſſen zu einer erfolgreichen Thätigkeit nötbig haben, wenn fie diejelbe bemußt ausführen wollen. Die Hauptarbeit (bis S. 80) bat natürlich Kehr geliefert, der fich in derfelben von Neuem als erfahrener, einfichtiger Ehulmann und gefchidter Darfteller feiner Gedanken ermeift.

Kehr befennt ſich zu der Vogel'ſchen Schreiblefemethode, bat biefelbe jebod merllih mobificirtt. So ift er 3. B. für Vorübungen zu dieſem Unterricht und führt diefelben ganz fo aus, mie ih es 1863 im XIL Bande meines „Praltiihen Echulmannes‘ gezeigt habe; dann wendet er Anfangs, wie ih im I. Theile meines Lefebuches, nur die Schreibſchrift an, und läßt die Drudichrift erft auftreten, nachdem die Kinder bereits leidlich leſen können. Bei folhen Abänderungen verſchwindet ein Theil der Echmierigleiten, welche die Vogel'ſche Methode darbietet, menngleih die Folge, in der die Schreibbuchſtaben vorgeführt werden, den Fortjchritt vom Leitern zum Schwerern völlig unbeadhtet läßt, ganz abgefehen davon, daß das große und Heine Alphabet zugleich eingeübt werden müfjen, was mit dem Grundfaß der Ginfahheit auch nicht in Harmonie if. Hier ftimme ih mit Kehr nicht überein, was mich aber nicht abhält, dies Buch ange: benden Lehrern beftend zu empfehlen. Befolgen fie auch nicht die von ihm angewandte Methode, fo werden fie doch namentlich daraus lernen, mie die Anihauungeübungen mit dem Schreiblefeunterricht zu verbinden find und ben Clementarunterricht bildend und intereflant zu maden iſt.

50. Das Lefebuch in ber Mittelklaſſe. Begleitſchrift zu bem erften Heft bes beutihen Sprachbuchs von Heinrich Stahl, Lehrer an der höheren

Anſchauungsunterricht. Lejen. Schreiben. 215

. Bürgerfchnie zu Wiesbaden. Iweite, umgearbeitete Auflage. 8. (IV und 28 ©.). Wiesbaden, Chr. Limbarth, 1865. 4 Ser. Was der Verf. in dieſem Schriften über das Lefen und Erklären ber Lefeftüde jagt, ift richtig, aber fo wenig neu, daß wir bier davon ab» ſehen lönnen, näher darauf einzugeben.

3. Schreiben.

1. Methobifher Lehrgang für den erfien Shreibunterridt. Ein Beitrag zur Löſung der Schreibirage von C. ©. Kerner, Borficher einer Borjhule für Knaben. gr. 8. (16 ©. Drud u. 8 ©. Lithogr.). Gtutt« gart, A. Schaber, 1865. 74 Sr.

Das Berfahren des Berfafiers beim erften Schreibunterriht ftügt ſich auf Benugung eigenthümlich liniirter Schiefertafeln und gut berechnete Vor⸗ übungen. Seine Anmeifung hätte ſich für Anfänger im Unterrichten über» zeugender und überfichtlicher darftellen laſſen.

2. Borlegeblätter für ben erften Unterricht im Schönſchreiben. Bon K. Würth, Lehrer in Biblis. Erſtes def: a deutſche Schrift. Vierte, verbefjerte Auflage. Worms, I. M. Rahlke.

Einige Buchſtaben abgerechnet, iſt die ar u anfpredienb, Die Stu⸗ fenfolge ift im Ganzen angemefjen.

3. Shönfhreibe-Enrfus für deutſche und lateiniſche Schrift in 13 Heften. Seransgegeben von P. 3. Beumer, Lehrer. Neue, ver⸗ befierte Folge. 4. Weſel, A. Bagel. Preis pr. Dutzend 10 Sgr., alle 13 Hefte in Kapfel 11 Ser. Jedes Heft wird einzeln abgegeben.

Die erſten 6 Hefte umfaſſen die deutſche, die folgenden 7 bie latei⸗ niſche Schrift. Jedes Heft befteht aus 10 Linürten Blättern und einer eins oder zweizeiligen Vorſchrift. Stufenfolge und Text find gut, vie Schrift ift kräftig und gefällig Wo man fi folder Schreibbefte über: haupt bevienen will, da werben ſich dieſe als recht brauchbar und zugleich als ſehr billig ermeifen.

Die innere Seite des Umſchlags enthält als Bugabe einen Glemens tarsCurfus im Rechnen, in der deutſchen Sprade, Geographie und Nas turkunde.

4. Borſchriften in deutſcher und lateiniſcher Schrift geſchrieben von G. Lippelt, ordentlicher Lehrer am Königl. Gymnafium zu Ratibor.

4. (26 Steintafeln). Natibor, Thiele, 1864. 12 Sgr.

Gegen dieſe Stufenfolge ließe ſich namentlih in der Currentſchrift Eis niges einmwenden ; die Schrift aber ift gefällig und kräftig. Wenn die Ab⸗ fiht des Herausgebers dahin gebt, die einzelnen Vorſchriften den Schülern in die Hände zu geben, fo halten wir den Fortichritt in den erften Uebuns gen für zu raſch.

216 Anſchauungsunterricht. Leſen. Schreiben.

5. Sandter's Vorſchriften für Schnlen und zum Selbſtunterrichte. 1. u. 2. Heft. qu. 4. (& 10 lith. Blatt). Prag, Santow. 7 Egr. Das erfte Heft enthält Current, das zweite lateiniſche Schrift. Gegen die Stufenfolge ift nichts Erhebliches einzuwenden ; die Schrift if ſchön.

6. 35 Borlegeblätter zum Schönſchreiben in beutfher Current für Schüler ber Oberflaffen von Auguft Berger. Zweite Auflage. qu. 4. Nördlingen, C. 9. Bed. 12 Sgr.

Der Tert ift der Naturkunde entnommen und kann als gut bezeichnet werden. Die Schrift ift Fräftig und gefällig.

7. Die Eurrent-Ralligrapbie. Anleitung in ſecht bis zehn Stunden ſchön jdreiben zu lernen, von F. &. Pernat, Lehrer der Kalligraphie im Miünchen. Dir einem Bormort von G. Mayr, Gentral-Bräfes des bayr. fath. Gelellenvereins. I. Theil. Deutſche Currentſchrift. 4. (12 und 28 lith. ©). Münden, Lindauer, 1865. 8 Ger.

Dies Werkchen befteht aus einer kurzen Anleitung zum Schreiben und aus einem lithographirten Schreibhefte mit den nöthigen Vorſchriften. Die Uebungen haben das Eigenthümliche, daß jeder Kleine Buchſtabe mit einer etwa zolllangen wagerechten Linie beginnt. Wir geben zu, baß durch dieſe Hebung das Geradefchreiben erleihtert wird, können uns aber nur wenig davon für die gute Darftellung der Buchſtaben felbft verfprehen. Die Schrift felbft hat nichts Gefälliges. Alte verborbene Hände mögen ſich bei gutem Fleiße nad des Verf. Methode in kurzer Frift verbefiern; für die Schule ift das Verfahren nicht anwendbar.

8. Kalligraphiſche Mufter-BTätter aller Schrift-Gattungen mit ben verichiedenften Verzierungen für Verehrer der höheren Kalligraphie, fo wie befonber® für Kalligraphen-Lithographen, Graveure und Edildermaler von Auguft Köbler. Giebente, fehr vermehrte und verbefierie Auflage. 8. (32 81. Lith.). Hamburg, €. Gafmann.

9. Kalligraphiſche Studien zur Benntzung für Lithographen, Schreiber, Screiblebrer, Maler, Graveure 2c., fo wie für alle Freunde ber höheren Kalligraphie von Auguſt Köbler. quer 4. (10 Steintafeln, wovon 1 in Bunttrud). Ebendaſelbſt. 18 Sgr.

Eulen liegt die Benutzung folder Mufterblätter ſern; Kalligraphen von Fach, Lithographen, Graveure und Schildermaler werden biefelben aber gut benugen können. Die Ausführung ift durchweg gefhmadvoll.

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VI. Naturkunde.

Bearbeitet- von

Auguft Lüben.

I. Methaik.

1. Ullgemeine Naturlunde.

1. Die Frage, welhe „Stellung der Volksſchullehrer zu den Naturwiffenjhaften einzunehmen babe“, ift oft aufgewor: fen, aber nicht von allen Seiten ber übereinftimmend beantwortet worden. Die Einen halten dafür, daß ed am beften wäre, wenn der Volksſchullehrer gar feine Stellung zu den Naturwiſſenſchaften hätte, fich vielmehr fo weit als thunlich abwehrend zu venjelben verhielte. Für ihn genüge es voll: fommen, wenn er fih mit der biblifchen Naturgeſchichte befannt mache, etwa nad der im Calwer Berlag erichienenen Schrift, damit er über bie in der Bibel vorlommenden naturhiftoriihen Namen im Neligiondunterricht, rejp. beim Bibellefen,. die nöthige Auskunft geben könne Gin Wiſſen, welches hierüber binausgehe, fei für den Volksſchullehrer nicht nur völlig entbehrlih, ſondern geradezu ſchädlich, wenigſtens in vielen Fällen, da es bie chriſtliche Religion gefährde, von Gott abführe, wie das Beifpiel bedeu: tender Naturforjcher, wie C. Bogt, Molefchott, Büchner, Ropmäßler u. U. fattfam beweife, „zur Vergötterung der Natur führe”, wie auf der Allgem. deutſchen Lehrerverfjammlung in Mannheim von Einer Seite ber behauptet wurde. Aus diefen Gründen wird in gar manchen beutihen Seminaren den künftigen Bollsjhullehrern nur ein Minimum aus der Naturlunde dar geboten, kaum etwas mehr, ald was in den für die Volksſchule beftimmten Lefebühern darüber enthalten ift. Aber auch da, mo man ſich von den angebeuteten Anfichten nicht leiten läßt, fehlt es doch an ber nöthigen Zeit für die Naturkunde, da andere Gegenftände ein fo großes Maß derfelben in Anſpruch nehmen, fo namentlih die Mufit, demnächſt auch der Reli⸗ gionsunterricht.

Andere ſind der Meinung, der Volksſchullehrer habe eine ſehr be⸗ ſtimmte Stellung zu den Naturwiſſenſchaften einzunehmen, eine ſolche näm⸗

218 Naturkunde.

lich, durch die er ganz in diefelben eingeweihet werde. Dars nah müfle er fi) ganz vertraut maden mit allen Theilen verfelben, die in der Schule gelehrt würden oder von denen ber Beitgeift dringend fordere, daß es geſchehe. Er müfie aljo mindeftend ganz befannt fein mit dem äußern und innern Pau der Nepräfentanten aller größeren Gruppen des Thier⸗ und Pflanzenreiches, der äußern Geftaltung und chemiſchen Zuſam⸗ menfegung ber Hauptgruppen des. Mineralreihes, der allmäligen Bil: dung der Erdrinde, mit ven Lehren der Phyſik und Chemie, durch welche nicht bloß die Mechanik des Himmels, ſondern auch alles dasjenige erflärt werben könne, was in der Induftrie, in den Gewerben und in der Landmwirtbichaft zur Verwendung komme. Ja noch mehr: er foll nicht nur in dem Genannten fo fiher, fo gut bewandert fein, daß er nichts Faljches mebr darin lehrt, alfo nicht Anfichten über dies und jenes vorträgt, bie längit als unrichtig erwiefen worden find, nein, er foll aud in feiner ens geren Heimath, im nädhften Umkreiſe feines Wohnortes nämlich , geradezu als Naturforicher auftreten, foll beobachten, was kreucht und fleudt, was da wächſt, wodurch an biefer und jener Stelle dies und das MWahsthum bevingt ift, foll Wind und Wetter beobadhten, Thermometer und Barometer, fol die Schweine auf Trichinen unterfuchen können und viele® Andere. Die das von den Volksſchullehrern verlangen, gehören zu den vorurtbeils: feeieften, gebilvetfien Männern unferer Beit, zu Denen, welde die jebige Zeit zu beurtbeilen vermögen und aus eigener Erfahrung wiflen, in wel hen Umfange das Wohl der Voͤlker durch die Ausbildung der Naturwiſ⸗ jenichaften bedingt wird. Sa, ein fehr erbebliher und nicht gerade ber ſchlechteſte Theil der Volksſchullehrer felbft gehört mit zu Denen, die das unbedingt anerfennen und eifrig nachzuholen ſuchen, was bie Seminare bei ihnen verfäumt baben.

Daß ich felbft auf der Seite diefer „Anderen“ ftehe, braudye ih wohl nicht erft zu fagen, wie e3 ja auch unnöthig ift, dieſen Standpunft jet noch als den allein berechtigten nachzuweiſen. Unfere Seit fchreitet bereits mit gewaltigen Schritten über die Häupter Derer hinweg, welche den Volks⸗ ſchullehrer von der naturmwiflenfchaftlichen Bildung ausfchließen wollen, und noch ebe ein Bierteljahrhundert vergangen fein wird, wird man von ihnen

erzählen, wie wenn Einer heut in Kinderkreifen oder in Spinnftuben ans fängt: „Es war einmal ein Mann, der bieß . .

Nummer 19 der Sähjijhen Schulzeitung von 1865 tbeilt eine Rede mit, die ein ſächſiſcher Seminarlehrer, 3. in A., am 12. De: cember 1864 bei einer feierlihen Gelegenheit im Seminar gehalten bat, die fih über „die Stellung des Volksſchullehrers zu den Naturwiſſenſchaften“ verbreitet. Der Berf. zeigt feinen Zöglingen zunädlt, „welchen Werth die Kenntniß der Natur für den chriftlihen Lehrer babe”, und erörtert bann, „mas er beim Studium der Naturwiflenichaften zu beadten babe. eb: teres ift für uns bier natürli die Hauptſache. „Wenn aber auch die Be bauptung, jagt der Berf., daß die Naturmifienichaft von Gott abführe, zurüdgewiejen werden muß, fo möchte ih doch beshall nicht fagen, daß das Studium der Naturwiſſenſchaften für den Einzelnen, und nament: li für den chriſtlichen Lehrer, ohne alle Gefahr jet, es gilt vielmehr, wie

Naturkunde. 219

beim Stubium jeder Wiflenfchaft, fo namentlich bei dem ber Naturwiſſen⸗ Ihaft das Wort eines alten Heiden: „Wage, weiſe zu fein !' Wenn ic Ihnen daher, meine jungen Freunde, die Beichäftigung mit naturwiſſen⸗ ſchaftlichen Gegenftänden angelegentlih empfehle, jo mögen Sie dabei Fol⸗ gendes im Auge behalten: 1) So wie bie heilige Echrift fein Lehrbuch ber Naturwiſſenſchaft ift, jo ift 2) auch nicht Alles Naturwiſſenſchaft, was fih dafür ausgibt. Es kommt vielmehr 3) Alles darauf an, die Natur immer vom Standpunkte der driftlihen Weltanfhauung gu betrachten.” Nur der letzte Punkt hat bier für uns ein Intereſſe. Was der Verf. als weitere Ausführung bierüber gibt, fpricht er in dem Satze aus: „Die Na: tur ift nicht nur ein Wirtungsplag von Naturkräften und Gefeßen, fon= dern in dieſen Gejeßen find die Gedanken des lebendigen Gottes verlörs pert.“ Bu dieſem Sab befenne ich mi auch fehr gern. Aber ih halte es nicht für richtig, dies als cine nur „chriſtliche Weltanſchauung“ zu bes zeichnen ; denn dazu kann fi auch der Jude und Muhamedaner erheben, vielleicht felbft der gebildete Heide. Wenn man alfo nur das verlangt und nah meinem Dafürhalten kann man allerdings nicht mehr verlangen, richtiger wünſchen fo braucht man in der That nicht beſonders zu betonen, daß der Vollöfchullehrer die Natur immer vom Standpunft der chriſtlichen Weltanfhauung betrachten ſolle. Ich halte dafür, daß die Nas turlunde in den Seminaren wie in den Schulen ganz einfach zu lehren if, wie fih ihr Inhalt unbefangenen Sinnen barbietet und wie fie im Laufe der Jahrhunderte, vor allen Dingen in unferem Jahrhundert erforiht wor: den if. Einer befonders dazu gefärbten chriftlihen Brille bedarf es nicht, wohl aber eines guten Mikroſkops, um damit tief in’d innere der Natur zu ſchauen. Finden chriftlich erzogene Seminariften und Kinder dann in den mannigfahen, oft bewunderungswürdigen Vorgängen Gott nicht, jo nöthige man fie nicht, gegen ihre Leberzeugung zu befennen, fon: bern warte ab, bis ein tieferes Verſtändniß der Cache fie dazu führt.

Mebrigens ift der Verfaſſer ein entfchiedener Freund der Naturkunde, und es ift darum nicht an einem guten Crfolg feines Unterrichts zu zweifeln.

In ähnlichem Sinne ift es wohl zu verftehen, wenn Carl Ruß in feinem unten genannten Buche „Naturwiſſenſchaftliche Blide in’s tägliche Leben” die Aufgabe eines Lehrers der Naturwiſſenſchaften mit den Worten bezeihnet: „Er bat das hehre Ziel, feine Schüler zu den Quellen ber ewigen Wahrheit und des Lichts zu führen, ihnen alle Wunder des Lebens und der Welt zu erfchließen, und ihnen die Genüfle, Freuden und Vortheile zugänglich zu machen, welche eben das rechte Innere der Natur in unend» lich reicher Fülle bietet!

2. Das Schulblatt der Provinz Sachſen bringt in Nr. 9 (1865) einen Bortrag von C. Schreiber in Zeig über „Die Stel: lung der Volks- und Bürgerfhule zu den Naturwiſſenſchaf— ten”, in dem bie große Bedeutung ber letzteren für das Leben und als Bildungsmittel in überzeugenpfter Weife bargetban wird, Der Berf. for: dert baber für alle Volls- und Bürgerjchulen einen ausreichenden Unter: sit darin und bezeichnet die Aufgaben deſſelben mit Worten, die ich einit gebraucht babe. Go lange der Naturkunde in den genannten Schulen noch

220 Naturkunde.

nicht ihr Recht wird, ift es immer noch ſehr loͤblich, foldhe Vorträge in Lehrerconferenzen und andern geeigneten Verfammlungen zu halten und zu veröffentlichen.

3. Es ift eine befannte Erfahrung, daß eine große Anzahl von Men ſchen keinen Einn für die Echönheiten der Natur befist und daher eine Neihe von edlen Genüfien entbehrt, ganz abgejehen davon, daß fie in folge befien auch nie recht kennen lernen, was ihnen in ber Natur müßt oder fhadet. Die Urſache des Mangels an Naturfinn if in der Vernach⸗ läfjigung zu fuchen, welde die große Mehrzahl in der Jugend nad) dieſer Richtung bin erfährt. Auf dem Lande, mo fih in den allermeiften Faͤllen die anſprechendſten Naturgenüffe ungeſucht darbieten, findet fi oft Nies mand, der die Kinder in finniger Weife darauf binwiefe; die Eltern find überhaupt, namentlid aber in dieſer Richtung ungebilvet, und die Lehrer glauben in vielen Fällen, daß dem Leſen, Schreiben und Rechnen jo brobs lofer Rünfte halber keine Stunde entzogen werden dürfe. In ſolchen Fällen fehlt au die Ahnung davon, was man den Kindern vorenthält und wie man fie für ihr ganzes Leben ſchaͤdigt. In großen Städten, wo es nidt an gebildeten Eitern und Lehrern fehlt, bleibt der Naturfinn unentwidelt aus Mangel an Natur. Treibt dann fpäter die Mode fo armfelig ev zogene Großftädter nad) dem Harz, nad der fähfifhen Schweiz, dann bat ber Beobachter reichlich Gelegenheit zu ſehen und zu hören, wie die mübe machenden Berge verwünjcht werden und wie es in jo beſchwerlichen Ges genden keinen höheren Genuß gibt, als eine gute Flaſche Berliner Weißbier. Viel befier ald die Kinder der Lanpbewohner und Großftädter find die in den kleineren Städten daran, da die Natur bier leichter zu⸗ gänglih und das Maf der Bildung im Allgemeinen etwas größer ift, als auf dem Lande. Der Umftand aber, daß der naturkundliche Unterricht im⸗ mer noch zu den wenig gepflegten Gegenftänden gehört, bewirlt auch in diefen günftigeren Verhältniffen nody immer, daß der Naturfinn bei ber Jugend mehr oder weniger unentwidelt bleibt und ber Naturgenuß ſich auf eine gute Mahlzeit von Erdbeeren und SHeivelbeeren beidhräntt.

Einſichtige, naturfinnige Lehrer haben diefen Mangel in der Jugend» erziehung längft gefühlt und zur Abhülfe aufgefordert. In diefem Jahre ift das wieder gejhehen von Ramde im „Schulblatt für das Her— jogtbum Braunſchweig“ (2. Heft, 1865) und von €. Ruß in ber „Cornelia“ von Pilz (IV. Bd. 3. Heft, 1865). NRamde redet an gedachter Stelle von dem „erziebliden Einfluß, den ber Unter: riht in der Naturlunde auf das Kind ausübt” Gleich zu Anfange fagt er: „Es ift die Sache der Erzieher, durch zeitige Einwir⸗ tung auf Berftand und Gemüth des Kindes den Naturfinn zu erweden, und billig follte das Elternhaus damit ſchon früh beginnen ; aber wie bort nicht allein Vieles verfäumt wird, was der intellectuellen und fittliden Ent⸗ widelung des Kindes förderlich fein könnte, und vielmehr der Schule über: lafien bleibt, da3 dazu Nöthige zu leiften ; fo zerftört vielmehr der häus⸗ lie Einfluß noch oft die guten Keime, die aud in diefer Hinficht in der Schule gewedt und genährt werden.” Bon der Schule nun fordert ber Derf., daß fie das Verfäumte nachhole. In welcher Richtung Haus und

Naturkunde. 221

Schule wirlen follen, um jevem Menſchen „einen Reichthum der reinften, edelften, unjchulvigften und wohlfeilften Freuden““ zu verfchaffen, das zeigt er in angemefienfter Weile. Wir heben daraus nur ben folgenden Sag bervor : „Wenn wir bei des Winters ftarrer Kälte, welche die ganze Natur in das weite weiße Sterbegewand gehüllt hat, hbinaustreten und ſehen in tauſend Arvftallformen Zweige und Grashalme bereift, in denen fih die Haren Mittagsjonnenftrahlen tauſendfach fpiegeln und bredien; wenn wir dem Beeifen unjerer Fenfterjheiben zujehen, wie die Eisnadeln ſich ihre Spigen reihen, um die lieblichſten Gebilde von Palmen, Feljen: und Baumgruppen zu formen; wenn wir bei mäßigem Yroft die fallenden Schneefloden auf dunkelm Grunde auffangen und die regelmäßigen Formen derjelben erfennen ; wenn wir enblich unjer Auge zu dem mit Sternen über- fäeten Himmel eines ftrengen Haren Winterabends emporrichten, jo muß das Gefühl der Bewunderung, des Staunend und der Freude unjer Herz bewegen.”

Ruß beantwortet a. a. D. die Frage: „Wie erzieht das Haus fein Kind zum Naturfreunde?“ Wir übergehen, was der Berf. im erſten Theile feiner Arbeit über „Werth und Nugen aller Naturkenntniß für’3 tägliche Leben” fagt, und heben daraus nur hervor, daß nach feiner Anfıht „das erfte und wichtigſte Material der Erziehung in der freien Natur zu finden ſei.“ „In ihr gibt es nichts Unwahres, nichts Unfhönes, fie bietet nur reine und hehre Genüſſe. Mit großer Ein« fiht und vollem Recht fchöpft daher auch bereit die Froͤbel'ſche Methode der allererften Erziehung (in den Kindergärten) unermeßliche Schäbe aus der Natur während dagegen die häusliche Erziehung, ſowie die ver Schulen dieſen wundervollen Reichthum leider noch falt völlig unbeadhtet laſſen.“

„Mit aufmerkſamem Blicke können wir den Einfluß der Natur von den erften Stabien der Erziehung an leicht verfolgen: Thier, Pflanze und Stein find die erften dem erwadhenden Kinde in die Augen fallenven Gegenftände und melde Fülle fchöner, poetijcher und für alle Zeit blei⸗ bender Ginvrüde vermag die finnige Mutter mit ihrer Huͤlfe hervorzu⸗ bringen.”

„Dann weiter: der lebhafte Knabe, das rubeloje Mädchen womit wären fie wohl leichter und erfolgreicher zu bejchäftigen und zu befries digen, als mit den Gegenftänden der Natur? Sie bieten einen fo wuns dervollen Reichthum aller Mufeftunden, wie ihn der pedantiihe Fachmann vergeblih in irgend etwas Anderem zu entdeden vermöchte.‘

Dem Borftehenden fügen wir noch aus dem zweiten Theile der Ars beit den Abſchnitt hinzu, in dem der Berf. zeigt, wie eine verftändige Mut⸗ ter ihre Kinder zur Naturtenntniß zu führen babe. Cr jagt: „Nur em Heines Fledchen von Gottes ſchoͤner Erde genügt zum Beginn unferer Stu: dien; ja, ed muß fogar Hein und eng begrenzt fein, damit wir und nicht zeriplitteen, fondern vielmehr erſt dasjenige, was es bietet, recht genau ken⸗ sen lernen. Hier wachen Blümchen, die wir längft kennen, deren lieb⸗ licher Bedeutungen wir aus ber Jugendzeit und wohl erinnern, die wir aber ſeitdem meiftens vergefien haben. Es ift Tauſendſchoͤnchen, Butterbiume,

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222 Naturkunde

Bienenſaug. Sie find zu den erſten botaniſchen Unterhaltungen der Mutter allermeiſt ausreihend. „Tauſendſchonchen nennt man dieſe Blume, weil fie jo fhön ift und ihrer viele Zaufenb über die Aue zerfirent find.“ Oder, „weil das Blümchen aus jo vielen ſchönen Blättdyen befiebt, dab mar de ren wohl Zaufend zählt.” „Auch Gänjeblümdyen beißt ed weil es dort wächſi, wo die Gänje auf die Weide geben.” Run aber gar die Butter blume ‚fie bat ihren Ramen davon, bab man jie den lindern in der Sonne unter'3 Kinn hält, um am dem gelben Wiederſchein zu fehen, ob fie gern Butter efien.” Der „Bienenfaug aber hat feine Benennung davon, daß die Bienen fo fleißig aus feinen Blütben Honig faugen” Rum tnũpfen fih bieran fogleich zahlreiche andere Belehrungen. Cin Butterbiu: menftengel ift bereits mit den zierlichen, wolligen Samen befegt, und wäh rend ein Bubchen feine Blastraft an denfelben erprobt, ertlärt die Mutter, daß dies die Samen der Pflanze feien, welde ver Wind neu ausjäet und aus denen dann wieder lauter neue Pflanzen mit Blumen erwachſen. Das Saugen der Biene führt dann aus der Botanik zur Zoologie. Welche dülle von Belehrungs: und Unterhaltungsftofi bietet nicht das Leben der Biene, dann das der Ameife, das eines Regenwurmes in feiner Schäplid: feit, das eines Froſches in feinem Nutzen für den Haushalt der Natur!“ „Gelegentli wird dann aber die treue und verfländige Mutter des Abends aud wohl ein Stundchen Muße finden, um in einem guten nas turgeichichtlihen Werte über Zaujenpihönden , Butterblume, Bienenfaug, Biene, Ameije, Regenwurm und Froſch nadzulefen. Und wahrlid, es bes dürfte nur weniger folder Spaziergänge der Mutter mit den Kindern, weniger Leſeſtündchen der erfteren, dann davon find mir feil übers

jeugt ! finden beide Theile bald inniges Vergnügen daran, ja wahren

Heißhunger nad) diefen bisher ungeahnten Genüflen.‘

Um wie viel befler wird das Alles aber gelingen, wenn wir erft Mütter haben werden, die nicht blos durch Franzoͤſiſch, Engliſch, Mytho⸗ logie u. dergl., jondern aud durch und für Naturkunde werden gebilvet fein. Darauf ift in erfter Linie binzuarbeiten.

4. Zn ähnlihem Sinne, wenn audy zu anderen Zwecken, fpricht fi W. Werner in der „Cornelia” von Pilz (TIL. Bd., Heft 4, IV. Bd., Heft 2, V. Bd., Heft 3) in einem Aufſatze mit der Ueberichrift „Das Sausmufeum” aus. Um beobahten zu lernen, um zu einem auf Ans fhauung gegründeten Willen zu gelangen, foll der Knabe in freier Natur ſammeln, was feinen Blid auf fi zieht, Tbiere, Pflanzen und Mineralien und daraus und Anderem ein „Hausmuſeum“ erflehen zu lafien. In vie: len Familien geichieht das ſchon, in anderen ift man gleichgültig dagegen, in nod anderen ſucht man es zu verhindern, weil Kleider aller Art entſetzlich dabei leiden.

„Das Sammeln, jagt der Berf., ift zunädft eine Gtiquettenfrage. Auf dem geraden Wege liegt fo wenig, was die Kinder anzieht, unb von ihm abzufhweifen, führt bier in den Sumpf, dort in die Domen oder wohl gar in die nichtliebenden des Feldhüters, in lauter verdrießliche Dinge. Darum freut fih wohl der Bater, wenn feine Kinder auf bem Sonntagsipaziergange hübſch neben oder hinter einander gehen, mit bem

Naturkunde, 223

Geſichte gerabeaus. nur dem Orte zgugelehrt, wo das Biel des Weges liegt; darum ift die Bonne fo befriedigt, wenn fie endlich die Zöglinge, die wan⸗ deinden Püppchen, forgfältig, majchinenhaft langweilig vor ſich berjchreiten fiehbt. Mühe, große Mühe hat's gemacht, die Kinder fo weit zur Ctiquette zu erziehen wir möchten fagen jo arm zu madhen. Sa, verarmt find folde Kinder. Für fie blühen die Blumen am Wege vergeblich ; fie ſehen fie nur als ferne, mehr oder weniger bunte Punkte auf der Wiefe, da die ſchöne Geftalt fih nur in der Nähe erlennen läßt. Ihnen gligern die Steine umfonft jo heiter und bunt vom Boden herauf, und „ei wie langfam, ei wie langjam, ei wie langfam kriecht die Schned’ von Ed’ zu Ga” haben fie zwar im Buche auswendig gelernt, jahen es aber nie mit eigenen Augen, denn jene wandert andere Wege, ald die Landſtraße. Ges wiß find folhe Kinder arm an eigenen Grlebnifien und Beobachtungen, Was fie lernen, nehmen fie auf Treu und Glauben an, jagen es, wie die Beweiſe der Richtigkeit, buchftabentreu nad), aber kommen auf diefem Wege wohl nie zu der Fähigkeit, fich jelbft die fiheren, realen Grundlagen für theoretiſches Wiflen zu verfehaffen, oder die ihnen vom Leben zugeführten und aufgenötbigten Eindrücke denkend zu durchſchauen, zu orbnen, zu fidhten und eine eigene jelbititändige Weltanficht fi zu bilden. „Es gibt feinen tönigliden Weg zu den Wiſſenſchaften“, gilt, wie jenem Prinzen, dem es gejagt wurbe, noch heute jedem Finde, das durch eigene Zhätigleit fein geiftiges Leben felbft begründen foll.

„Die Schule ift nach Zeit und Mitteln nit im Stande, für Alles, was fie lehrt, die realen Belege zu bringen. Im Geographiihen, Ges ſchichtlichen, Naturgeſchichtlichen, ja in jedem Zweige muß fie namentlich bei größeren Schülern eine Summe von im Leben gefammelten Beobachtungen und BVorftellungen vorausfegen, und der Unterricht wird jederzeit die Schüler am einflußreichften berühren, welche bereitd reih an Anſchauungen und Voritellungen find, die fie nur zu verbinden und in Beziehung zu fegen brauchen.”

„Die Beobachtungsluſt, diefe vornehmite Quelle des Wifjens, zu eröffr nen, beginnt die Schule mit Anfhauungsunterricht, der, recht geleitet, dem Bögling unbemußt eine zwedmäßige Weife für kindliche Beobachtungen an: gewöhnen wird.”

Aus der weiteren Begründung beben wir nur noch folgende beach⸗ tenswertbe Säbe aus,

„Rege Theilnahme an der umgebenden Welt ift der Grund des Sam: melns, und darum gilt’s, dieſen Zrieb nicht zu unterbrüden, ſondern in die rechte Bahn zu lenken. Ein fammelndes Kind füllt nicht blos die Zaſchen mit Steinen und Scherben fondern auch den Kopf mit Vorſtel⸗ lungen und Erinnerungen.‘

„Sammelnde Kinder zeigen mit gefundem Naturgefühl, wie wenig fie be dürfen, um glüdlich zu fein, indem fie das Gewöhnlidye nicht verſchmaͤhen.“

„Der Heine Sammler ift auf dem beften Wege, feine Heimath gründ: li kennen und lieben zu lernen ; denn ihren Inhalt zu begreifen, hat ihm Mühe gemacht.”

„Gekaufte Sammlungen haben kein beimathliches Gepräge, find allge:

2324 Naturkunde.

meine und, was wichtiger iR ver Verkaͤuſer pactt Die Gigenichaften bes Sammlerd niht mit ein. Die erziebende Wirkung ver Bemühung des Selbftihaflens, die mit dem ſich mehrenden Ber fleigenbe Freude, der fhibare Grfolg ſtetiger, wenn aud geringes Bemühungen ; der fid) ent: widelnde Schonheitsſunn, welder Anfangs mit rohen Formen, fpäter nur mit den fchönften fi) begnügt ; die werdende Urbnung, zu der nur andeu⸗ tend Erwachſene Beranlafiung geben vürfen : das Alles geht verloren, wenn dem Meinen Sammler eine wohlgesrunete Sammlung, fertig gelanft, über: geben wird. An diefe Gegenftände ſchließt ſich keine Grinnerung von Re benumfländen, Fundort u. f. w.; es bleibt nur das pbantajielofe Ginerlei des Herausmehmene und des Himeinlegens, und enblid Unordnung oder Zerſtoͤrung als Ginziges, wodurch fidh der Xhätigfeitätrieb daran äußern tann. Außerdem find Sammlungen, wie fie für das Hausmuſeum im Ausſicht genommen werden follen, eben nicht zu kaufen. Das Hausmufeum muß entiteben.”

Mir wünfcen, daß recht viele Gitern durch diefen Aufſaß für den Gegenfand mögen angeregt werben.

5. Daß der Unterricht in der Raturfunde in neuerer Zeit zu größerer Wnertennung gelommen if, unterliegt einem zweit Unter den neueren Freunden und Goͤnnern befjelben finden ſich aber in den höheren und nie deren Schichten vielſach foldhe, die ibm nur das Wort reden, weil fie „praltiihden Nußen“ von ibm erwarten. ee Regierungen ihüben die Raturwijienichuften und Alles, mas fie fördert, weil fie von ihrer Ber: breitung und Wnwendung im Yeben Grböbung der Landmann und die Gemerbetreitenten, weil fie davon Verbeſſerung ihrer Slonemilhen Xage beiten. Gm Borfieber eines lanbwirtbichaftlidhen Vereins fügte wir unlängf: „Der naturkundliche Unterricht in unjern Yandidulen muß praltiicher werben. Statt über Zellyewebe und dergleichen Dinge zu |peciben, mülen bie Yebeer won Ammenisl reden und wo mög: lich in jeder Unterribtöltunde darauij zurädiommen.“ Damit if die Ans ſicht dieſer Leude über den naturctundlichen wie überhaupt über allen Un⸗

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wubre ut der Katurtunte bezeichnet wma im treffenden Beifpielen int

Die enscae Grbeen ——— ut ein ellgemims Raturgejeg Mir inikeriim 5 9. ein Gremplar von Lö⸗ wenzte eder Tanz unbe um ter tue cinximm Vilanzen fjelbR zuloms

* als Repräfentant

Naturkunde. 225

eines wichtigen Gattung des Pflanzenreihes, der Syngenififten. Der Schüler foll eben eine dee gewinnen von den wichtigen Familien des Pflanzenreichs und ſchließlich vom Pflanzenreih überhaupt.”

„Beim phyſikaliſchen Unterricht intereffirt uns eine MWaflerpumpe, eine Sprige nur in fofern, als fie das Borbandenfein und die eigenthüms lihe Wirkung des Luftoruds erkennen laſſen. Auf diefen Punkt, auf die Geſetze des Luftoruds muß fih die Aufmerkfamleit bei Beiprehung jener Gegenſtaͤnde concentriren.”

„Und fo ift beim naturtundlihen Unterrichte alles Detail nur Hülfs⸗ mittel und Ausgangspunkt, um, foweit die Verhältnifie der Schule es ges flatten, zur Renntniß des Großen und Ganzen ber Natur zu gelangen. Jenes ift das Fundament, diejes der eigentlihe Bau, um deſſen willen jenes gelegt wird.

In Betreff des praltiichen Nubens ver Naturkunde fagt der Berfafler : „Was die Echule für die einzelnen Berufsarten an praltiihen Kenntniſſen mitgeben kann, das ijt in dieſen Gegenftänden kaum das ABC, ja kaum der erfte Buchftab deſſelben; und in der Werlitätt, auf dem Ader, im La» ven ac. felbit wird jedenfalls in ein paar Stunden oder in noch fürzerer Zeit Alles (und wohl noch mehr) gelernt, was die Schule mit vieler Diübe und beim beften Willen nur immer lehren kann, weßhalb es fih nit der Mübe verlohnt, im Schulunterrihte auf diefe praktiſchen Kenntniſſe befonderes Gewicht zu legen. Wollte fi der Schulunterricht ernftlih auf dergleichen Dinge einlaflen, jo müßte er fich zerjplittern in ein ganz maßloſes Gemwirr von praltiiden Anweiſungen, zufammengerafit von allen Eden und Enden des ungeheuer weitjchichtigen Gebietes menſchlicher Thätigkeit. Und in ber Werkſtatt, in der Küche u, |. w. würde man ſchließlich lächeln über bie paar bürftigen Broden unzujammenbängenver Kenntnifje, die für den Eins zelnen dabei abfallen würden.”

2. Naturgeſchichte.

6. In der im September 1865 in Gotha abgehaltenen Hauptvers fammlung des allgemeinen gothaifhen Landes:Lehrervereins hielt der Ses minarlehrer Burbach einen Bortrag über das Thema: „Welches ift der Zweck des naturgefchichtlihen Unterrichts in der Vollsſchule und was ift in Bezug auf Stoff und Methode zu beachten, wenn diefer Zwed erreicht wers den foll, und welde Mittel find dazu erforderlich ?’ Den erften Theil der Frage beantwortete er dahin: „Der Zmed des naturgeſchichtlichen Unterrihts it: den Schüler heimisch zu machen in der Natur feiner Heimath, indem ihm die Mannigfaltigleit, Gejeßmäßigleit und Schönheit derfelben zum Bewußtſein gebracht wird.” Man wird Urſache haben, fi zu freuen, wenn das Biel überall erreicht wird ; aber genau genommen ift es doch ein wenig zu enge gefaßt, da aud die jchönfte und in naturhiftos riſcher Beziehung am reichſten ausgeftattete Gegend Thüringens nur ein Brudftid aus der Gejammtnatur darbiete. Kenntniß der beimifhen Nas tur muß den Anfang bilden und jo umfafiend angeftrebt werben, als thuns lid) ; aber die wahre Aufgabe des naturgefchichtlihen Unterrichts ift doch

Päd. Jahreabericht. XVII. 15

226 Raturfunbe.

bie, zur Kenniniß der Hauptgruppen der Naturlörperüberhaupt und dadurdy zu einer allgemeinen Kenntniß der Ratur zu führen. Tiefe Aufgabe erheiſcht aber, daß man in der Zoologie aud von den Affen, Bären, Löwen, Zigern, Hyänen, Elephanten, Känguruh's, Wallfiſchen, Bas pageien, Pfefferfrefiern, Etraußen u. f. w., in der Botanik von den Citro⸗ nen, der Baummolle, dem Thee, den Gacteen, den Palmen u. 9., in ber Geſchichte der Erpbildung auch von anderen Formationen ſpricht, als fie gerade in der Heimath vorlommen.

7. Lehrer E. Senf in Berlin beantwortet in Ar. 8 der „Berliner Plätter” (1865) die Frage, wie der naturgeſchichtliche Unterricht in der Großftadt als Mittel für die Gemüthsbildung der Jugend zu benupen fei. Die Hindernifle, weldye ſich namentlidy dem botaniſchen Unterriht in fehr großen Städten darbieten, liegen auf ber Hand, und wo man es nidht dahin bringen kann, daß ein paar Kräuter: frauen oder Tlänner angeftellt werden, welde die Pflanzen für die Schu⸗ len in friihen Gremplaren bejorgen, oder wo man ſich nicht entichließt, das nothwendigſte Material jährlidy in Blumentöpfen zu ziehen, da werben die Finder allerdings nit viel Pilanzen zu ſehen befommen. Selbfiver: fänplih wird dann auch die Gemüthsbildung leer ausgehen. Als Griab für die lebende Pflanze fhlägt der Baf. Abbildungen verfelben vor. Die Abbildungen follen aber groß, naturgetreu, jchön ausgeführt und faus ber colorirt fein. Werde der Unterriht etwa fünf Jahre lang an dieſel⸗ ben angelnüpft und namentlih mit dem Anſchauungs- und Lefeunterricht direct verbunden, jo würde das find eine Menge von Borftellungen erhal« ten und dann eine große Freude empfinden, wenn es einmal Gelegenheit erbielte, die Gegenſtände felbft in der freien Natur zu feben.

Unter fo ſchwierigen Berhältnifien werden allerdings fehr gute Abs bildungen einen leidlihen Erjaß für die Natur bieten ; aber ein Nothbe⸗ helf bleiben fie immer, und man follte daher nicht fo umfaflenden Ge⸗ braudy davon machen, wie bier empfohlen wird.

Bezug nehmend auf den bier angeführten Auffaß, zeigt Lehrer C. 2. Zahn in Berlin in Nr. 21 und 22 ver „Berliner Blätter‘, worauf Leh⸗ rer bei botaniſchen Excurſionen das Augenmerk zu richten haben.

8. Im December:Heft des „‚Centralblattes” (1865) von Stiehl iR „Aufgabe und Ziel der einklaffigen Boltsihule” nah dem ‚Lehrplan‘ des Eeminardirectord Dr. Schneider in Bromberg feſtgeſtellt. Wir theilen daraus das mit, was die Naturgejchichte betrifft und begleiten es mit einigen Bemerlungen.

„S. 47. Der weltkundliche Unterrigt kann in einer vecht umfaſſenden Weiſe betrieben werden, ohne daß e3 dazu einer befonderen Lebrfiunde bes darf, wenn nur die Eprehübungen ordentlich vorgenommen und die Sprach ftüde verjtändig gelefen werden.“

In die „Sprehübungen‘’ läßt fih allerdings Bieles aus der Natur: geihichte, auf die es uns hier nur anlommt, verlegen ; aber durch verftän« diges Leſen der Spradhftüde läßt ſich wohl Giniges über die Raturlörper mittheilen, die Naturgegenftände jelbft lernt indeß dadurch kein Kind kennen.

Naturkunde. 2897

„8. 52. Im der Naturkunde (Naturgefchichte) haben die Kinder die wichtigften Mineralien nad ihrer Art, wo es wefentlich iſt, nach ihren Beſtandtheilen, nach ihren Kraͤften und ihrem Gebrauch im Haus und in der Werkſtätte kennen zu lernen.’

„Sie find mit dem Bau und den Beſtandtheilen der Pflanze ver traut zu maden und haben die Anſchauung von ihnen und ihren weſent⸗ lichen Unterfchieven an der Betradhtung ver in ihrer Heimath vorlome menden Giftpflanzen, der einheimifhen Nubpflanzen und (2) Ob ſi⸗ bäume zu gewinnen. Bon ausländiſchen Pflanzen find ihnen bie in der heiligen Schrift zumeift genannten, wie Delbaum, Balmen, Ce der, Yiop , ferner diejenigen Culturpflan zen zu bejcdreiben und wo: möglih in Abbildungen zu zeigen, deren Producte bei uns täglih im Braud find, wie die Baummollenftaude, der Theeſtrauch, ver Kaffeebaum, das Buderrohr u. |. w.“

„Don Thieren baben die Kinder ebenfalld zuerft die einhei— mifchen, fodann die in der heiligen Schrift meiftgenannten, endlich die für das Eulturleben der Menfhen wichtigen kennen zu lernen. Dei der Behandlung kommt ed darauf an, daß die Aufmerkjamfeit bes Schüler auf die Lebensart des Thieres (Ameiſe), auf den Dienft, den es bei jeinem Leben oder nah dem Tod den Menfchen leiftet und auf die Weiſe diefed Dienftes (Biene, Seidenraupe) und auf die wunderbaren Er- ſcheinungen des thierifhen Lebens (Schmetterling) gerichtet werde.”

Wir vermifien in dieſen Beftimmungen die Betonung der wahren Aufgabe des naturhiſtoriſchen Unterrichts, mie mir fie bereitö oben angedeutet und in früheren Bänden genauer bezeichnet haben; dagegen find Bibel und Nubanwendung mehr al3 billig hervorgehoben. Die Bibel als ſolche hat mit der Aufgabe des naturhiſtoriſchen Unterrichts gar nichts zu thun, und ihre geflifientlicye Erwähnung kann nur dazu beitragen, den rechten Stand: punkt zu verrüden.

9. G. Karl in Breitenbig gibt in Nr. 10 des „Schulblattes der Brov. Sachſen“ (1865) feine „Berthbeilung des naturgefchichtlichen Unterrichtöftoffes in der zweiten Klaſſe der Bürgerſchule.“ Die Auf: gabe, welche er fih für dieſe Klaſſe geftellt hat, bezeichnet er folgender: maßen.

„Die Natur in ihren taufend und abertaufend Wechfelbeziehungen fen: nen zu lehren, die innige Harmonie in dem unerjchöpflihen Reichthum der Sricheinungen und hierdurch die wunderbare Erbabenheit und Schoͤnheit wenigſtens ahnend empfinden zu laſſen, das iſt mir bei der Thaͤtigkeit in diefer Klafie ein Hauptaugenmert gemefen.

„Ras Aufſuchen des Thema's aus all’ den reizenden Variationen Arten genannt, die Unterfuhung über die Größe der Aehnlichkeit und Verſchiedenheit verjelben mit dem verarbeiteten Gedanken, dem Gattung: und Familiendharatter das ift mit Recht die zweite Stufe des Unters richts und eine ebenfo intereflante wie bildende Gymnaftit des kindlichen Geiſtes, der durch die Abwefenheit folcher Ideen und allgemeinen Geſetze nur gelangweilt, wo nicht gequält wird ; aber wenn die Fannilienzufam: mengehörigleit auch im Allgemeinen das verfnüpfende Band ber Betrach⸗

15*

228 Naturkunde.

tungen der Naturlörper it für den Sommer, wo die ſchoͤne Natur unverhüllt dem febenden Auge entgegenftrahlt, foll fie ſelbſt, foll fie jo unmittelbar wie möglid vor die Piorten des Geiftes treten. Darım we niger die leibliche Verwandtſchaft, fondern das zeitlihe und räumliche Beis einanderjein leitet unfere Betradhtungen, nicht die Genealogie der verſchie⸗ denen Geſchlechter, nicht die Blutsverwandtidaft, wohl aber die Lande mannſchaft und Zeitgenofienhaft und deren Urfahen und Wirkungen find unjere fommerlihen Führer, find die leitenden Sjpeen. Nehmen wir im Lauje des Blumenjahres Abſchied von den legten feines Geſchlechtes, das wir nun auf ein ganzes Jahr wieder verſchwinden fehen, dann widmen wir uns ihm ausſchließlich, erzäblen von den Helden feines Haufes : fiellen den Gattungs⸗ und Yamiliendaratter zuſammen.“

„Hieraus ergibt fi ſchon, welcher Werth auf die Ausflüge der Schü⸗ ler in die Natur zu legen ift, wie ein vernünftiger Unterrit in der Ras turgeihidhte ohne perjönliden Verlehr mit der Natur gar nit gebadıt werden kann.“

Hieran reihet der Verf. eine fehr gute, von Erfahrung zeugende Dar: legung jeines Verfahrens auf Excurſionen mit der Klaſſe, von ber wir Kenntniß zu nehmen bitten. Das Weſentlichſte daraus enthalten folgende Schlußſaͤtze:

„a) Die Excurſionen find zum gedeihlichen Betriebe des naturkund⸗ lihen Unterrichts unentbehrlid und befördern die Kenntnik und Liebe zur Natur in eigenthümiid erfolgreicher Weife.

b) Die Ercurfionen follen nicht blos einzelne Zweige des naturkund⸗ lihen Unterrichts, ſondern alle, d. h. Zoologie und Mineralogie ſowohl ala Botanik berüdjihtigen und ergänzen.

c) Die GErcurfionen müflen im innigften Zuſammenhange mit bem Schulunterricht ftehen.

d) Die Ercurfionen jollen namentlih auf die Mechjelbeziehungen der Naturgegenftände unter fih und auf die gegenfeitige Bujammengehörigteit aufmerljam madyen.

e) Die Disciplin darf nicht zu loder fein, damit der Zwed der Ep eurfion. nicht darunter leidet.”

Die „Stoffvertbeilung” hat der Berf. im Wefentlihen nad der Jahreszeit vorgenommen, jedoch das Schwierigere in den zweiten feiner Curſe geftellt. Dabei ift bis auf die Viertelftunde hinunter bezeichnet, was in jeder einzelnen Lection zur Beiprehung kommen foll. Diefe Bertheilung inne zu balten, halten wir für unmöglid. Ohnehin wird es feinem Ken⸗ ner der Gegenftände und des Unterrichts entgehen, daß das Penfum für die meiften Stunden zu groß ift. Cine Häufung des Material hat Ober flädhlichleit zur Folge, die überall, in hohem Grade aber in der Raturs geſchichte ſchädlich ift.

10. Der Schul- und Seminardirecior Boſſe in Wolfenbüttel theilt im erſten Hefte des „Schulblattes für das Herzogthum Braunſchweig“ (1865) feine Anſicht über den Unterricht in den Realien auf ber Mittelftufe der Landſchule mit. Der Aufjag fchließt fih an einen im vorigen Jahrgange deſſelben Blattes enthaltenen über den Anſchauungs⸗

Naturkunde. 229

unterrit an, der an die Wilke'ſchen Rilvertafeln angelnüpft worden iſt. Nah der Anficht des Berfafiers gehören für die Mittelfiufe aus den Rea⸗ lien befonders Geographie und Naturgeſchichte. Beide follen jedod nicht getrennt, jonden mit einander verbunden gelehrt werden. Diefe Anfiht theile ih nicht. Denn wenn beide Gegenjtände auch dem⸗ felben Zwecke der Heimathelunde dienen, fo ift dod ihre fachges mäße unterrichtliche Behandlung zu verfchieden, als daß ſich eine Verbin⸗ dung empföhle.

In noch höherem Grade als gegen diefe Berbindung muß ih mid gegen den Lehrgang erllären, den der Verf. dafür auffiellt. Es find näms li ungefähr diejelben Sefihtspunfte, welhe man fonft im Anjhauungss unterricht nahm, die ihm die Grundlagen für feinen Leitfaden geben, näms Kb: 1. Uebung im Gruppiren der Dinge unter allgemeinere Begriffe. 2. Zheile der Dinge. 3. Die Größe der Dinge. 4. Geftalt der Dinge, 5. Farbe der Dinge. 6. Stoff und Entitehung der Dinge. 7. Ort und Lage der Dinge. 8. Zweck und Nutzen der Dinge. 9. Die Beit.

Für die Naturgefchichte geftaltet fich darnach der Fehrgang folgenpermaßen.

Abfchn. 1. Gruppirung der Thiere, Pflanzen und Mineralien nad Kiaſſen.

Abſchn. 2. „Die Theile des menfhlihen Körpers; Theile des Huns des, einer Taube, einer Eidechſe, eines Karpfens, eines Mailäfers, eines Kohlweißlings, eines Regenwurms, eines Baumes, einer Mobnpflanze (die Benennungen: Stamm, Stengel, Schaft, Halm), einer Blüthe ber wils den Roſe.“

Abſchn. 3. „Angabe der Größe einiger Thiere.“

Abſchn. 4. „Die Bezeihnungen: Keilförmig, jehwertförmig, bogen: fürmig, gabelförmig, röhrenfürmig, trichterjörmig, glodenförmig, eingebogen und gemwölbt, ſchlank, glatt, raub, und Angabe von betrefienden Gegenſtän⸗ den, befonders aus dem Pflanzenreiche.“

Abſchn. 5. Gegenftände aus dem Thier⸗ und Pflanzenreihe, an des sen fih die an Bapierftüden (I) angefhauten Farben befinden.

Abfehn. 6. „Die Entitehung der Pflanzen. Der Same (Gchote, Kapſel). Das Säen der Pflanzen und das Bervielfältigen derjelben durch Seglinge. Gebauete und wildwachſende Pflanzen ; bejondere Urſachen der Ausbreitung der legteren. Fortpflanzung der Tbiere, der Säugetbiere durch lebendige junge, der übrigen (?) durch Gier. Verwandlung der Inſecten.“

Abſchn. 7. „Der Aufenthalteort der Thiere: Hausthiere und wilde Thiere, Verbreitung und Aufenthaltsort ver Maus, des Maulmurfd, des Hamfters, des Hafen, des Rehes und anderer Eäugethiere. Aufenthaltsort der Bögel; Schwimmvögel, Sumpfoögel. Der Standort der bisher den Kindern befannt gewordenen Pflanzen.”

Abſchn. 8. „In diefen Beziehungen werden betrachtet: die Thiere (Schädlichleit mancher Zhiere), die Pflanzen (Giftpflanzen), Eteine, Eifen, Blei, Steinkohle, Torf. Gefährlichkeit einiger Minera.i:n, als: des Schwefels, des Arſeniks, aber au ihr Nutzen. Die Naturproducte des braunfhweigifhen Landes.”

Abſchn. 9. „Das Alter der Pflanzen einjährige, zweijährige, viel jährige. Der Lebenslauf einer einjährigen Pflanze im Allgemeinen. An:

230 Naturkunde.

gabe über die Blüthezeit verſchiedener Pflanzen, welche den Kindern bereits befannt geworben find. Die Lebensdauer verſchiedener Thiere und die des Menſchen (die verſchiedenen Altersftufen deſſelben).“

Ich babe manchen recht eigenthümlichen Lehrgang für bie Naturge⸗ ſchichte, auch für die Mittelſtufſe, kennen gelernt; dieſer ſteht leinem der eigentbümlichiten nach. Eine größere Zerreikung des von Natur zuſammen⸗ gehörigen Materials, als fie bier willlürlihen Kategorien zu Liebe vorge nommen worden, if ja wohl kaum nod denfbar. Wenn Jemand in ben zwanziger Jahren jo etwas verſucht hätte, jo würde man vielleicht we⸗ niger bedenklich geweſen fein, da man fih damals in dieſen Rategorien verrannt hatte; aber heut noch einem fo veralteten, längft überwundenen Standpuntte zu begegnen, erregt unier Erſtaunen.

Jeder Naturlörper iſt ein Ganzes, und muß als ſolches aufgefaßt werden, wenn man ibn verfieben will; feine Entſtehung, Vollendung und Geſchichte gebören daher zujammen. Heut die Pflanzen zu „grappiten”, nah einem Monat ihre „Theile benennen laſſen“, nad weiteren vier Moden „die Größe‘ derfelben ermitteln, nad Verlauf won abermals vier Wochen ihre „Geſtalt“, wiederum fpäter ihre „Zarbe‘ u. |. w. in's Auge taten, das it in einem Grabe unnatürlich, der wohl faum nod übertroffen werden fann.

Der Umftand, daß der Berj. diefen Lehrgang ſchon vor einer Reihe von Yabren entworfen hat, ändert nichts in der Sache; denn er wird nicht nur jept, 1865, veröfientlidt, fondern wird aud in der Bürgerjchule im Wolfenbüttel bejvlgt.

11. Das ZulisHeft 1865) des „Centralblattes“ von Stiehl bringt ein Reierut, welches ver Berathung einer Eeminarbirectoren-Gonferenz zu Grunde aelegen hat, ala es fih um Feitflellung eines Lehrgangs für den naturaeibidhtliden Unterridt am Eeminar handelte Aug Grund der requlativiihen Beſtimmungen bezeichnet der Berf. die Auf: gabe des naturgeſchichtlichen Unterrihts wit den Worten: „Die Zöglinge ſollen dur jinnige Betrachtung des Ginzelnen eine Ahnung von dem gro: Ben Naturganzen gewinnen, um dadurch in der Rutur heimiſch zu werben und ſie als eime Urentanmg der Weisbeit und Güte Gottes ſowie als dus Subitrat für die dem Menſchen von Gett übertragene Herrſcher-Thaͤ⸗ tigteit ertennen zu lernen.” Dieje gebrängte Zujummmenfafjung lönnen wir faum als den Sinn deſſen bejeichnen, was die Reyulative etwas umfländ: licher und weientlih bejier jeiiitellen. Nicht „um im der Ratur heimiſch zu werden und fie ald eine Tijenbarung der Weisheit und Güte Gottes kennen zu lemen‘, joll vie Raturgeichichte gelehrt werden, fon: dem um das große Wert der Schöpfung, wie hohe, göttliche Jdee, die fidh tarin fund gibt, veritehem zu lermen, uud uns dieſem Verſtaͤndniß beraus das geiitige wie leibliche Wedl der Menſchen zu ſoördern. Als völlig um aus und die Hauptaujgabe trübend if der Zujah : „als das Cubfirat für vie dem Menſchen von Gott übertragene Herrjcher: Thäͤtigleit.“ Herrſcher⸗ xlüfe durch den naturgeſchichtlichen Unterricht zu näbeen, if es Yegte, was turin anzufireben iR. Das Kind mie der Seminarii lernen leicht begreiien, daß wir bie Raturlörger mie die Returiräfte für uns

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wenden bürfen, ja verwenden müflen, wenn wir eriftiren wollen, und bas mit ift ed eben genug.

An dieje Feſtſiellung der Aufgabe des naturgeſchichtlichen Unterrichts ſchließt fi eine Kritit der Wege, melde bisher dafür eingeſchlagen wor: den find. Diefe Wege find: 1) „Der alte ſyſtematiſche“, 2) „vie Lüben’sche Methode“, 3) „ver Weg’der Monographie und Grups pirung.”

Der „alte foftematifhe Weg” wird mit Net als „unelementariſch“ bezeichnet, und dann noch hinzugefügt, „daß er an dem Mangel (!!) leide, daß er, nad einer gewiſſen Bollftändigkeit ftrebend, zu viel Stoff anhäuft und darüber die genaue Betrachtung des Einzelnen unterläßt. Dieſer Vorwurf trifft nicht volllommen zu, da dieſer Fehler dem „alten fyfie matifhen Wege‘ nicht durchaus mefentlich ift, fondern nur der, daß er vom Allgemeinen zum Befondern fortjcpreitet und ein naturhiftoriihes Syſtem zum 2eitfaden macht. Cinfeitig aber ift ed, daß der Verf. hier nur vom „alten ſyſtematiſchen Wege” redet und den gegenwärtigen außer Acht läßt. Gin „Iyftematifcher Weg” darf überhaupt nit im Semi⸗ narunterricht (wir reden zunädft nur von der Naturgefdichte) befolgt wer: den. So völlig gebroden ſcheint der Verf. überhaupt nicht mit dem „ſy⸗ ſtematiſchen Wege” zu haben, denn er glaubt, dem bezeichneten „Mangel‘ durch beflere Ausmahl abhelfen zu können, verlennt aljo ganz und gar, daß das nicht das Weſen des „ſyſtematiſchen Weges’ ift. Faſt heiter Klingt es, wenn der Verf. feine ungenügenve Beurtheilung des ſyſtematiſchen Lehrganges mit den Worten fchließt: „Ueberdies bemerle ih, daß die neue⸗ ren, allerdings richtigeren Behandlungsweiſen des naturgejchichtlichen Unter: richts meines Wiſſens noch nicht die Refultate aufzuweiſen haben, die ihrer Zeit der alte Raff und Schubert's Naturgefhichte erzielt haben.” Woher weiß denn ber Verf. das? Wo fahe er eine richtige Methode ohne ges nügenden Erfolg anwenden ? Was hat denn das oberflähliche, zum Xheil Läcerlihe Gerede Raff's für Nugen gehabt? Was haben Echubert’d Ro: tigen und gemütblihe Phrafen über die Naturlörper zur Erkenntniß ber Natur beigetragen ? Mer heute noch folche Todten heraujbejhmört, von dem möchten wir mit Hans Sachs fagen: „Du (Petrus) magil's (die Lands⸗ Inechte) laſſen rein (in den Himmel), du mußt mit jhn bebangen jein.”

Mit noch größerer Unkenntniß fpridt der Verf. von meiner Me thode. Seine Darftellung derſelben läßt mid vermuthen, daß er fie nur aus meinen allererfien Darftellungen kennt, und daß er von ihrer Auss bildung durch jpätere Echriiten und zahlreihe Abhandlung im Jahres» berichte und im Praktiſchen Schulmann gar keine Kenntniß genommen bat, Das aber durfte ih von einem Manne, von einem pädagogisch und nas turbiftorifch gebildeten Eeminardirector erwarten, ber von feiner Behörde auserfeben war, die Grundlinien für eine fo belangreiche Berathung zu zie- ben. Was foll ich dazu fagen, wenn der Verf. behauptet: „Bei Bejchrei= bung ver Repräfentanten wird in biefer Methode gewöhnlich das Haupt⸗ gewiht auf Einübung der Terminologie gelegt!" Iſt denn ber Standpunft des Verfaſſers ein jo bejchräntter, daß er nicht erlannte, daß ih durch Alles, was ich über einen Naturlörper fage, volle, dem jedes:

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Lam Wrzeh ou Verrirtnk der Echte af es we erlennen, wenu ter Tert. I.n: „ie Aucrübrliiten ka Berkreikemg Argri'satanten nam ber jeder neuen Eise Des linterrides unt mehr at und periä’t Ih im legten Gurjins bei Deiradtuug ter Fe milien und Urenunsen im türen Sande der Syſtenatit Seel Cure hindurch ſind meine Beſchreibungen aueführlid. I es wide begreiink. tuß ver Unterricht fi nad Erlangung foldyer Kenntnifte kurzer jan mE auf (vrung derſelben zu ber neuen Aufgabe fdhreiten faun, nämlıd das be funute Material mit neu binzulommendem zu grappiren, d. b. zu Fa milien, Urpnnungen und Alafien zufammen zu fallen * Iſt das „dürrer Sans ver Syſtemaſtit“, wenn man den Schüler zur Ertenntniß der Ginbert fuhrt, nie In der Ihm bis dahin vorgeführten Mannigfaltigleit berriät 7 Und ſchließt denn m-ine Methode überhaupt mit der Syſtematik ab? Folgt nit vielmehr darauf in der Zoologie und Botanik noch ein vollländiger anatomiſch⸗phyſiologiſcher Curſus ?

Lie ſiarkſie Probe feiner Unkenntniß nicht nur meiner Methode, ſon⸗ dern des ganzen Weſens des naturbiftorifchen Linterrichts bringt der Berf. um Schluß, Indem er fagt: „Sodann iſt diefe Methode mit Recht auf die Unſchauung bafirt; die genaue Beihreibung der Repräfentanten bat nur dann Werth, wenn an das Naturprobuct felbit oder eine febr ante Abbildung angelnüipft if, Wie nun aber, wenn der Lehrer das Na⸗ turproduct zur Lehrſtunde nicht beforgen kann oder, meil er nachlaͤſſig it nicht beforgt ? wenn die Abbildungen, die er ald Surrogat benußt, Ichlecht find, oder wenn er gar keine Abbildungen bat? In allen folden Fallen Ift die genaue Beſchreibung des Naturproducts nad Beftalt, Farbe, Uelichnung, Bau u, ſ. f. ohne das Subftrat der Anjhauung eine wahre Nothzuͤchtigung der Cinbildungskraft und völlig erfolglos. Die weniger

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genauen, mehr fhildernden und erzäblenden Beſchreibungen der alten Lehr: büder, etma der Echubertfhen Naturgeſchichte, können das Naturproduct oder das Bild weit eher entbehren.” Wahrlich, eine folhe Blöße würde ih kaum ein Präparand geben, der irgend etwas von mir über meine Me: thode gelejen hätte. Niemals babe ih gejagt, daß meine Bejchreibungen vorgelejen oder frei vorgetragen werben follen, mich vielmehr ftet3 ernftlich davor verwahrt. Eie haben feinen andern Zwed, als dem Lehrer zu zei: gen, wie er die Naturlörper betrachten laſſen fol und ihm dabei etwas an die Hand geben. Weiß denn ferner der Verf. nicht, daß ich für meinen . erflen und zweiten Eurjus, alfo da, mo von Repräfentanten die Rebe ift, nur folde Repräfentanten gewählt babe, die überall leicht zu haben, allge: mein befannt find? daß ich in den Fällen, mo die Objecte nicht in die Kaffe gebracht werben können, immer auf gute Abbildungen gedrungen und bereits felbft begonnen habe, ſolche zu liefern? Iſt Verftand in ver Behauptung, daß meine Methode ſich nicht empföhle, wenn fie im Seminar von einem Lehrer angewandt werde, der zu „nachlaͤſſig“ ift, die erforder: lien Naturkörper oder Abbildungen berjelben zu beforgen ? Wäre es nicht in der Ordnung, ftatt die Methode aufzugeben, einen folhen Seminarlehrer zum Lehrfaal binauszumerfen ? In jolhen Fällen empfiehlt der Verf., zum Schubert zu greifen; ich dagegen empfehle, wenn fol ftrafbarer Unfug nicht abgeftellt werden kann, gar keinen naturbiftorifchen Unterricht ertbeilen zu laſſen. Denn es ift befler, die Seminariften lernen eine Sade gar nicht, als ſchlecht, als völlig verwerflich.

Man erkennt unfhmwer, daß ver Verf. hat gegen meine Methode po: lemifiren wollen ; aber er bat es herzlich ſchlecht, jchülerhaft gemacht. Ich fann Tadel vertragen und nehme mwohlbegründeten mit aufrichtigem Dante bin. Aber unverftändige Reden weiſe ich zurüd, erforderlichen Falls auch etwas derb.

„Der Weg der Monographie und Gruppirung”“, wie Mafius, Grube und Herm. Wagner ihn betreten, ift dem Verf. au nicht der rechte für den Seminarunterricht, ungeachtet er in unüberlegter Uebertreibung behaup⸗ tet, daß derjenige, „der es vermöcdte, auh nur ein Wiefenblümden in allen feinen Theilen, in allen feinen Beziehungen, in der Totalität feines Dafeins und Lebens zu durchſchauen, der habe in ihm die ganze Na⸗ tur!“ Mafius darf bier kaum genannt werben ; denn fiher hat er nie mals daran gedacht, daß der naturgefchichtlihe Unterriht pure nach feinen „Ratur-Studien’’ erteilt werden folle ; feine „Zoologie“ beweift das ſchon, obwohl aud fie noch Fein mwirklihes Schulbuch ift, auch nicht fein foll. Auch Grube hat wohl ſchwerlich daran gedacht, den ganzen naturgefchicht: tigen Unterriht aus Biographien beftehen zu lafien, wie er fie geliefert, eben jo wenig Wagner, wie feine „Pflanzenkunde“ beweift, in der er bie Biographieen im Grunde nur in dem Umfange anwendet wie ih, der ic) fie im erften und zweiten Curſus auftreten, doch aber auch für michtige Objecte noch im dritten Curſus gelten laſſe, wie aus meinen einjchlägliden Arbeiten im „Praktiſchen Schulmann” genugjfam zu erfennen ift. Zuſtim⸗ mend erfläre ich mich, wenn der Verf. fagt: „Alle diefe Herren (Mafius, Grube, Wagner) tragen in die Natur etwas hinein, was nicht in ihr liegt.

234 Naturkunde,

Die Natur ift aber in fi felbft jo Shön und herrlich, dab fie dieſes Hin: eintragend nicht bedarf: es bedarf eben nur einer finnigen Vertiefung in die ihr wirkidh innewohnenden Schäße, einer keuſchen Anfchauung der Nas tur ſelbſt, dann wird fie dem Beſchauer größere Schönheiten erſchließen, als alle von Außen bineingetragene Philofophie und Poeſie ihr zu borgen vermögen.” Wie ſiark der Verf. in feinen Schlüſſen ift, daS möge folgende Probe erweiſen: „Soll und darf, jagt er, der naturgejhichtlide Unterricht ven gleihen Weg einſchlagen, aljo etwa durch Vorführung einer ausgewaͤhl⸗ ten Reihe folder naturgefchichtlihen Lebensbilver die Schüler im ganzen Gebiete der Natur orientiven ? Ich glaube fon daraus, daß fein Lehr bud eriftirt, meldes dem Lehrer bei Ginjhlagung dieſes Weges zur Benupung empfohlen werben könnte, erhellt die Unausführbarleit dieſes Vorſchlages.“ Aljo daraus? D, dafür würde bald geforgt werden. Herr Geheimrath Stiehl brauchte nur zu veröffentlichen: künftig ſoll aller Unterricht in der Naturgejhichte in Biographien ertheilt werden, und ehe ein Vierteljahr verginge, würden wir bie betreffenden Lehrbücher nah Dugenden zählen. Dan ſehe doch nur auf die literariihen Erzeug⸗ niſſe bin, weldye die Regulative hervorgerufen haben !

Nah Ablehnung der vorfiebend genannten Unterrichtswege für die Naturgejhichte geht der Verf. nun über zur Darlegung feines eigenen Weges. „Ich befenne mich, jagt er, ale Pävagog zum Standpunlte des Ellecticis- mus, der nad dem Grundjage verjährt: Alles ift Euer! Folgendes würde nad) meiner Anſicht der einzufchlagende Lehrgang fein.‘

„a. Cine Reihe von Repräfentanten der michtigften Orbnungen (nicht der mwidtigften Gattungen und (?) Geſchlechter das würde zu viel wers den —) bildet die Grundlage des Unterrichts. Sie werden aus den ein: beimijchen Naturproducten ausgewählt, ihre Bejchreibung geht von genauen Anfhauungen der einzelnen Theile aus, will jedoch nicht bloß bie Zermis nologie ald Grundlage des fpäteren Unterrichts einüben,, fondern fie ſchil⸗ bert das Leben des Naturproduct3 in feinen Beziehungen zum Naturgans zen, d. h. der Lehrer gebe für jeden NRepräfentanten ein monograpbijches Lebensbild.“

„b. Nachdem die Zöglinge in dieſer Weiſe mit den wichtigſten Grund⸗ typen aller Naturproducte belannt geworden find, werben auf ber zweiten Stufe an diefe Repräfentanten diejenigen zur gleichen oder einer verwandten Orbnung gehörenden wichtigften Naturproducte angejchlofien, vie zwar nicht fo ausführlid, aber doch ausreihend bejchrieben und durch Abbildungen veranfhaulidt werden. Bei der Ausmahl verjelben ift darauf zu rüchſich⸗ tigen, ob fie für die praltiihe Anwendung von Bedeutung find, 3. B. der Kaffee, oder ob fie von folder Merkwürdigkeit find, daß heut zu Tage jelbft der gemeine Mann mit ihnen befannt gemaht werben muß, 5. B. ber Löwe. Nach biefen Gefihtspunkten läßt ſich leicht eine nicht zu große Zahl von Naturgegenftänden auswählen, deren Kenntniß dem künftigen Vollks⸗ ſchullehrer unentbehrlich ift.”

„o. Nachdem folder Geftalt das Gebiet im Einzelnen durchwandert ift, wobei duch den Anſchluß an die Grundtypen fhon ein Weberblid ver

Naturkunde. . 235

Ordnung und Harmonie des Naturganzen angebahnt ift, findet nun auf ber dritten Stufe des Unterrichts die gruppirende Naturbetrachtung ihre Stelle, 3. B. der Wald und jeine Bewohner ; der Garten, feine Feinde und Freunde ; die Getreidepflangen und ihr Bau; die Pflanzen und Thiere der ftebennen Gewäjler ; das Naturleben des hohen Nordens verglichen mit dem der hödhften Gebirge u. f. w. Daneben ift eine kurze ſyſtematiſche Klaſſi⸗ fication der drei Naturreiche als Abſchluß erforderlich, damit die Zöglinge ſich in der Natur mit Sicherheit orientiren lernen. In der Botanik ift es das Linne’she Syſtem.“

nd. Durch alle drei Stufen bes Seminar-Unterrichts sieht ih aber nod eine Thätigleit hindurch, die den Zwed bat, den Zögling in der ihn umgebenden Natur heimiſch zu machen und ihn zur finnigen und freudigen Beihäftigung mit derfelben anzuregen und anguleiten. Jeder Zögling bringt zur naturgejchichtlichen Stunde mit, was er von Naturgegenftänden aus den brei Reichen gefunden hat: der Lehrer nennt den Namen und zeigt das hervorſtehendſte charalteriſtiſche Merkmal der mitgebradhten Dinge. Die Spaziergänge, die Arbeiten im Garten, die unter Leitung des Lehrers ver: anftalteten Excurſionen bieten Gelegenheit zur Sammlung dieſes Materials, und üben in der Kunft zu ſehen und zu ſammeln.“

„Was endlich die Beziehungen auf das praltiihe Leben anbetrifft, fo ift fie bei der Auswahl der Repräfentanten fowohl als der an fie ange ſchloſſenen Orbnungsgenofien vorzugsweife maßgebend, bei den Gruppirun: gen in Stufe 3 gibt fie die hauptſäͤchlichſten Gejichtspunlte ab, und durch den ganzen Unterricht wirb jede Gelegenheit zu berartigen Mittheilungen auf's forgfältigfte und gefliffentlichfte benutzt.“

Diefe Aufftelung der Stufen für den naturgeſchichtlichen Unterricht zeigt zur Genüge, daß es nicht Anmaßung war, wenn ich oben ſagte, meine Methode habe in hohem Grade beftimmend auf den Unterricht in der Na: turgeſchichte eingewirkt. Die hier gelennzeichneten drei Stufen find im Weſent⸗ lien meine drei erften Curſe. Der am Schluß der Charalterifirung der eriten Stufe gebrauchte Ausdrud „monographiſches Lebensbild“ ift zwar fein von mir gebrauchter oder aud nur acceptirter ; aber meine ausführliden Be: ſchreibungen von Thieren und Pflanzen, wie fie theild meine „Anweiſun⸗ gen’ enthalten, theils der „Praltiſche Schulmann” fie von mir gebracht hat, find im Ganzen dafielbe, was man „monographilches Lebensbild“ nennt, eine Benennung, die vom Standpunfte eines georbneten Schulunterrichts wenig Sinn bat.

Nicht ganz zutreffend ift in dem in Rede ftehenden Abjchnitt (a.) ber Ausdrud „Ordnungen“, da er wohl in Bezug auf das Thierreich, weniger gut aber auf das Pflanzenreich gebrauht werden kann. „Oattungen und Geſchlechter“ ift unzuläffig, ba beide Ausdrüde daſſelbe bezeichnen, nämlich genus.

Der bier gezeichneten zweiten Stufe fehlt, um meinem zweiten Curjus ganz zu entſprechen, nichts weiter als der Zuſatz, daß auf die Bildung von Gattungen Rüdficht zu nehmen fei. Im Laufe des Unterrichts wird fih das ohnehin ganz von felbft machen; denn wenn auf der eriten Stufe

286 Naturkunde.

j. B. von der Nabe die Rede geweſen ift, und es foll auf der zweiten Etufe, wie der Verf. beifpielsweife anführt, der Löwe charalterifirt werben, fo wird daburd die Battung begründet.

Die dritte Stufe des Berfafiers entjpriht meinem britten Eurfus, eine Forderung abgerechnet, die ich aber aud verwerfen muß, bie For: derung nämlich, welche als „gruppirende Naturbetrachtung“ bezeichnet wor: den if. Als Gewährsmänner für diefe Betrachtungsweile führt der Berf. Tſchudi, „Die Alpenwelt“, Schacht, „Ber Baum“, Roßmäßler, „Die Ratur im Winterlleide‘‘, „Die vier Jahreszeiten‘, „Das Süßwaſſer⸗ aquarium‘, und Taſchenberg, „Was da fliegt und riet“, an. Bon dieſen Edhriften if feine einzige weder für den Schul-Unterricht beftimmt, noch geeignet: es find Gahriften für erwachſene, gebilpete Naturfreunde, Mus der MWerf. in feiner dritten Stufe fpeciell bervorhebt, enthalten dieſe ES. triiten obnebin nicht, was bier freilih nebenfählid ift. Hätte der Verf. unteriaiien, Beiſpiele anzuführen, fo würde Niemand unter „gruppirender Nuturbetradtung“ verftanden haben, was er damit bezeihnet. Denn bei „grußirenter Naturbetrachtung‘‘ denkt jeder naturhiftorifch Gebildete an eine Wetratungeart, die den Zwed bat, die zufammengebörigen Natur Nuper in groͤkeren oder Heineren Gruppen (Klaſſen, Orbnungen, Familien, Gattungen) sufammenzufiellen und einer Betrachtung zu unterwerfen. Btwmar Anderes bat ja auch in ber Naturgeſchichte gar feinen Ginn. ‚Wale, „Warten“, „ftehende Gemäfier” u. |. w. find gar keine naturbiftos Ucden Vegriffe, auf die ſich beftimmte, von Natur zufammengehörige Na« tuntorper deziehen, fondern Bezeihnungen von eigenthümlich gearteten Brdlofalttäten, G©egenflände, die der Erdoberfläde ein beftimmtes Geprage verleihen, mo fie in einiger Ausdehnung auftreten, alfo Glemente dor pbyfitalifhen Geographie. Man begegnet wohl bier und ba jolchen Begriffsvermedfelungen, erwartet fie aber nicht bei einem preußiſchen Seminardirector. Naturgefhichte und Geographie berühren ſich allerdings bier ; aber wenn man ein Bild von einem Walde geben will, fo nennt man wohl die darin vorlommenden Pflanzen und Thiere und redet kurz von ihren gegenfeitigen Beziehungen, aber man läßt fi) nicht auf genauere Be: trachtung ihres Baues ein. Wo wollte man aud da enden, ivenn man fo verführe I

Neben dieſer abzumweifenden „gruppirenden Naturbetrachtung“ fol „eine kurze ſyſtematiſche Klaffification der drei Naturreiche‘ erzielt werben. Gine furze? Wie fol das verftanden werden ? Der Sa: „Sn der Bo- tanik tft es das Linnd’fche Syſtem“, gibt hierüber Auskunft. Das Lin néoſche Pflanzenfpftem ift eine braudybare Tabelle für das Beitimmen, für das raſche Auffinden einer Pflanze ; einen weiteren Zwed aber hat es niht. Im Seminar foll aber burd die Syſtematik jo viel als thunlich gezeigt werben, daß eine Reihe von Gewächſen immer nad einem Mufter gebaut find, alfo natürlihe Bamilien bilden, und daß diefe Familien wies der unter ſich Berührungspunlte haben und in ihrer Totalität ein orgas nifhes Ganze bilden. Dieſer Zwed kann aber nur durd ein natürliches Syſtem erzielt werden, Wie viel Zeit zur Darlegung eines folden erfor:

Naturfunde. . | 237

derlich ift, hängt von der Menge des ben Böglingen befannten Materials, bauptjächlidy aber davon ab, ob dafjelbe mit Nüdjicht hierauf gewählt wor den oder, wie oft genug gejchieht, nur planlos aus der naͤchſien Umgebung zufammengerafft worden if. Man fiebt aljo, daß es wenig Sinn und Werth bat, die Syſtematik jo furzer Hand abthun zu wollen.

ALS einen weſentlichen Mangel in dem Lehrgange des Verfaflerd muß man es bezeichnen, daß an feiner Stelle darin vun. dem inneren Bau und der inneren Berufsthätigleit der Organe die Nede ift. Abgefehen von dem, was in der Boologie gelegentlid im Großen und Ganzen vorkommt, muß bier: auf zum Schluß des ganzen Unterrichts Bebacht genommen werden, in dem Einne und Umfange, wie ich e3 in meinem vierten Curſus thue und wos für ich mir erlaube, auf die neuefte Auflage meiner Pflanzentunde hinzu⸗ weiſen; denn ohne diejen Theil ift aller naturhiſtoriſche Unterricht unzu⸗ länglid. Wir haben von einem organifchen Naturlörper erft genügende Kenntniß, wenn wir ihn, fo zu fagen, in» und auswendig kennen. Ohne: bin entſpricht ein folder Unterricht allein der Art und Weiſe, dem Geifte der jegigen Naturforfhung. Wer fih mit dem Aeußern allein begnügt, der gleiht, um nur ein Beijpiel heraus zu greifen, ven alten Cochyliologen, die ih auf das Sammeln der Schnedenhäufer und Mufcelichalen ber ſchränkten und in Glasfchränten Staat damit machten. Dergleichen erllärt man heut zu Tage 'für eine amüfante Rnaben:Befchäftigung, nicht aber für Naturgeſchichte der Weichthiere. Wer hiervon noch keinen Begriff hat, dem empfehlen wir, einen Blid in ven III. Band von Bronn's „Klaſſen und Ordnungen des Thierreihes”, den mir weiter unten angezeigt haben, zu werfen.

Was der Verf. unter d. jagt, klingt ganz empfehlenswerth. Dennoch müflen wir fehr ernftli davor warnen, die Einrichtung zu treffen, daß jeder Seminarijt Naturgegenflände aus allen drei Reichen mit in die Uns terrichtöftunden bringen darf, um fie ſich benennen und bie charalteriftifchen Mertmale zeigen zu lafien. Cine derartige Einrichtung macht jeden geord⸗ neten Unterriht unmöglih, ganz abgejeben davon, daß er einen Lehrer mit ganz vorzüglihen naturbiftorishen Kenntniſſen vorausfeßt. Die Seminas riften müfjen angehalten werben, aufgefundene Naturkörper felbft zu unter: fuhen, zunädit in der Art, daß fie jeden gefammelten Naturlörper vom Scheitel bis zur Zehe fo genau befehen, daß fie mündli und aus dem Kopfe davon Rechenſchaft geben koͤnnen, dann mit Hülfe geeigneter Bücher den Namen felbft zu ermitteln ſuchen. Iſt Beides erfolgt, dann möge, falls noch Unſicherheit herrſcht, der Lehrer außer der Unterrichtszeit gefragt wer⸗ den. Bon ſolchem Verfahren darf man ſich Erfolg verjprechen, nicht aber von jenem,

12. Lehrer E. Franke in Eisleben verfuht in Ballien’s „Evans gelifher Volksſchule“ (Heft 3 u. 5 von 1865) in Roßmäßler's Fußftapfen zu treten, d. b. ftatt Naturgefhichte Naturkunde zu lehren. Es hans beit fi dabei um die Mittelftufe (3. Klaſſe) einer mebrllafiigen Töchter ſchule. Die Naturgefchichte ſoll zwar den Leitfaden für den Unterriht abs “geben ; es ſoll aber außer derſelben auch zugleich das Leichtere aus der

238 Naturkunde.

Chemie, Phyſik und Technologie berüdfihtigt werden. Die Ausführung wird an zwei Beifpielen gezeigt, an der Beſchreibung der Kuh und des Huhns. Die Beihreibung der Kuh wird benußt, um die Mil, die des Huhns, um die Gier von diefem Standpunkte aus zw betradhten. Bei Beiprehung der Milch bält fih der Berf. im Ganzen im Bereich des Bu: laͤſſig, da er fih darauf befchräntt, nad Stöchhardt die Beftanptbeile der Mich: „Wäfirige Fluͤſſigkeit, Fettkügelchen, Käſeſtoff, Milchzucker“, zu zei⸗ gen oder auch zu nennen; bei Behandlung des Eies wird dieſe Grenze aber bereit3 überfchritten. Da heißt es: „Das Ei befteht aus einer Schale von koblenfaurem Kalle Verſuch: Webergieße die zeritoßene Schale eines Gies mit verbünnter Salzfäure, und fie Löft fih unter ſchwachem Aufbraus fen in der Säure auf. Das Aufbraufen entftehbt dur die Entweichung der Koblenjäure, die durch die Salzjäure bewirkt wurde ; da ſich beide Säus ren im alte nicht vertrugen, fo mußte die ſchwächere der ftärleren wei⸗ hen. In ver Salzfäure befindet ſich jetzt aufgelöfter Kalk; gießen wir etwas Schmwefeljäure unter dieſelbe, jo fchlägt fich der Kalt ale Gyps nie der, indem er fich mit der Schwefelfäure verband.”

Es gehören nur mäßige chemifche Kenntnifie dazu, um zu erlennen, daß in dieſer Belehrung eine Anzahl Borftellung (Koblenfäure, Salzfäure, Schwefelſaͤure, Kalt, Gyps) unerörtert bleiben, auch in der That bei biefer Gelegenheit nicht erörtert werben können, und daß der Unterricht in Folge defien ftatt entwidelnd dogmatiſch wird, alfo gegen den oberften Grund: faß der Didaltik verftößt. Cs ift eine völlig unnüge Berfrübung, auf einer ſolchen Bildungsftufe hier und da ein Stüdhen Chemie oder Phyſit aus dem Zuſammenhange berauszureißen und dadurch die jo nothwendige Einheit des Unterrichts zu ftören. Man leiftet nur etwas Tüchtiges, wenn man fi concentrirt, nicht aber, wenn man ſich zerftreut. Es ift früb ge nug, wenn die Rinder dergleichen Gelehrfamteit ſich auf ber Oberftufe ans eignen, wo ohnehin für Chemie und Phyſik der rechte Plazt ift.

Die Beiprehung des Eies enthält noch Einiges, was ausgeſchie— den werden muß, worauf wir aber nad dem Geſagten nit einzugehen brauden.

13. Lehrer Lamprecht in Trebbin beantwortet im 6. Hefte von Ballien’3 „‚Evangelifcher Voltsfhule” (1865) die Frage: „Wie find bie Kinder mit den Gewächſen ber Heimath belannt zu maden, und wie iſt der Sinn für Pflanzentunde dadurch im ihnen zu weden und zu ſchärfen?“ Aus der ganzen Arbeit erfieht man, daß der Verf. den Gegenftand mit Liebe und auch in der rechten Weile betreibt. _ Da wir indeß nichts darin gefunden haben, was nicht wiebers bolt im Jahresbericht und anderwärts gefagt worden wäre, jo begnügen wir ung mit dieſer Bemerkung.

14. Ueber das Verfahren Herm. Wagner’s, bei der Betrachtung der Pflanze vom Samen und defjen nähfter Entwidelung auszugeben, iſt weiter unten bei Anzeige feiner Pflanzentunde Giniges ges jagt worden.

Naturkunde 289

3. Phyſik.

15. In der Hauptverſammlung des allgemeinen gothaiſchen Landes⸗ Lehrervereins wurden folgende Theſen über den phyſikaliſchen Unterricht in der Volksſchule zur Verhandlung geſtellt.

„a. Beim Unterrichte in der Phyſik iſt in der Volksſchule alljährlich das erſte Halbjahr zur Durchſprechung der mechaniſchen Erſcheinung der Körper zu verwenden, Die übrigen Kapitel der Phyſik fallen demnach auf die Winterhalbjahre, und die allgemeinen Eigenfchaften der Körper find nur da zu erwähnen, wo ſich Gelegenheit darbietet.“

„b. Jeder Abjchnitt beginnt mit dem Erperimente, aus dem die Na- turgejege abgeleitet werden, und am Schluffe eines jeden Abfchnittes muß nachträglich das Syſtem vom Schüler felbft, unter Anleitung des Lehrers, aufgeflellt werden.‘

„©. Ohne Experiment ift der Unterricht in der Phyſik in der Volks⸗ ſchule ohne Nußen, und die Verſammlung beauftragt daher das Präfivium, bei Herzogl. Staatsminifterio den Antrag zu ftellen, bafjelbe wolle verfüs gen, daß jeder Ortsvorſtand alljährlich eine gewifle Summe, jedoch mins deſtens 15 Zhaler zur Anſchaffung von phufilaliihen Apparaten für feine Ortsſchule zu verwilligen bat.”

Wir bedauern, daß für die erfte Theſe die Begründung fehlt, da wir nicht einzufehen vermögen, warum die mechanifhen Eigenſchaften der Koͤr⸗ per den Curſus eröffnen follen. Wir halten dafür die Lehre vom Magne: tismus und von der Märme für viel geeigneter.

Die zweite Theſe bat ſich bereit3 allgemeine Anerkennung erworben. Der Antrag unter c. ift die Confequenz derfelben. 15 Thaler jährlich ift zu hochgegriffen; 10 Thaler auf zwei, höchſtens drei Jahr reichen vollloms men aus, das Nöthigfte zu beſchaffen, wenn die Lehrer jelbft Hand anlegen, d. h. allerlei Heine Apparate felbft anfertigen.

Ueberrafchend aber iſt das Nefultat, das die Debatte über dieſe The: fen ergab, nämlid: „Es ift vorerft darauf zu ſehen, daß die Schüler der Volksſchule im Lejen, Rechnen und Schreiben die nöthige Fertigkeit erlangt haben, ehe mit dem Unterrichte in der Phyſik begonnen wird. Diefer Un- terricht muß zwar mit Grperimenten begonnen werden, doch find hierzu feine theueren phyſikaliſchen Apparate nothwendig.“

Was ſoll man bei ſolchem Beſchluſſe denken? Sind die gothaiſchen Volksſchulen in der That noch fo weit zurück, daß fie im Leſen, Rechnen und Schreiben niht das Nöthige leiften? Wann gedenken fie denn dahin zu kommen? Muß dazu erft das reorganifirte Seminar die geeigneten Leb: er bilden ? Ober verfteht die große Mehrzahl der Volksſchullehrer jo wenig Phyſik, daß fie fih vor der neuen Aufgabe fürdtet ? Oder finden fih uns ter ihnen Solche, die der Phyſik aus Gründen abhold find, wie fie fidy bei manchen Theologen unferer Tage finden ? Es ift ſchwer, fich bier durch zu finden, und ih wünſchte, daß ſich hierüber ein vorurtheilsfreier und fach: fundiger gothaifcher Lehrer ausſpraͤche.

16. In erfreulihem Gegenjaße hierzu fteht ein Beſchluß der tatho⸗ liſchen und evangeliſchen Oberſchulbehörden Württembergs. Nachdem

240 Naturkunde.

von Sachverſtäͤndigen die Herſtellung eines billigen phyſikaliſchen Apparats durch den Mechanikus Spindler in Stuttgart veranlaft worden war, haben die genannten Behörden befohlen, daß er innerhalb des Schuljahres 1865—1866 auf Rechnung der Shulfonds angeſchafft werde. Der ganze Apparat koftet mit Berpadung, Kiſte und ber unten genannten Schrift des Reallehrers Bopp 9 il und enthält folgende Ge: genftände :

a. Magnetismus: 1. Hufeifenmagnet. 2. Mognetnabel, zugleich für Gleltro-Magnetismus eingerichtet.

db. Slettricität: 3. Grüner Glasflab. A. Kugeln von Hollunder: mark an einem Seidenfaden. 5. Elektroſtope. 6. Clektrophor von Kaut⸗ ſchuk mit Dedel. 7. Leydener Flache.

0. Sleltro: Magnetismus: 8. Galvanijhes Glement. 9. Glel tromagnet.

d. Licht: 10. Brennglas. 11. Glasprisma.

e. Wärme: 12. Thermometer.

f. Bufferdrud: 13. Verbundene Röhren, zugleih zur Nachwei⸗ fung des Luftdruds zu gebrauden 14. Epringbrunnen durch Waſ⸗ ferprud.

g. Quftdrud: 15. Stechheber. 16. Släferne Eprige. 17. Saugı beber. 1%. Heronsball, zugleih als Epringbrunnen durch Luftorud, als Sprigflafhe und zur Erklaͤrung der Feueriprige zu verwenden.

b. Unziebung: 19. Sechs Haarröhrdhen, nad) abnehmender Weite geordnet, 20. Bleigewidht zur Beſchwerung bes Huſeiſenmagnets umd Sleltromagnets,

4 Chemie

17. „Solldie Chemie in den Lehrplan der Bollsfhule aufgenommen werben?!“ Dieſe Frage wird von G. Gejell in Gh. in Rr, 43 ver „Alsem. veutichen Lehrers.“ ven 1865 anfgeworfen und durd Sinweiſung au) das Verſtändniß, welches der Schüler dadurch über Rd ſeldit. nämlich über feine Xerblihleit, über eime Reihe von Erſchei gen in tur Katar wand im Vereiche des gewähalihen, mumentlih auch

1

gerrerdliden Ledent erhal, dejabet. ZJugleich wire amd im Kürze gejeigt, dad 03 ehme fetture Mpparate un Chumiziws möglich ſei, dieſen Unter dire ia der Qritsitule zu ertieien, welt Ber Verj. je meit gebt, zu bes

hurden. daß fer ter Sande urd gewehrühe Staetj eigentliche Cxpe⸗ man mitt vndedingt netdrendig jeien, inden man nur auf die Bei⸗ erce des täaguden Ledens Bi ine um» dieje za erfliren brumche,

Kr kıamia dem er. darin ini. Auf tee Sürmmenie der Chemie auch in den \unVisu\ce geichet Ierten suite um Auf Aahär mücht erbebliche Autılne terderi:d em, aim ader für, daß min Ad gar michi urau) iriııe doc, une wre Mut auf Nernbe werzäbien müßte,

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u met Dr. G Durre ia Nero Dre: iz Sr derdðchen Iuderrz.“ zen INES vunım Unizag 2m? Dem zum Geburisiage des

Naturkunde. 241

Großherzogs von Baden vom Prorector der Univerfität Freiburg, Profefior der Chemie 2. von Babo, erlaflenen Programm, die Chemie als Bil: dungsmittel des Arztes betreffend, mit, in dem an treffenden Beijpielen gezeigt wird, welche Bedeutung das Studium der Chemie auf die Behandlung der Kranken ausübt. So fern diefe Mittbeilung au den Lehrern zu liegen fcheint, fo ift fie doch geeignet, Solchen eine Ahnung von der großen Wichtigkeit der Chemie zu gewähren, die hiervon noch feine Borftellung haben. Bon dieſem Standpunlte aus wünjhen wir, daß die Lehrer von diefem Audzuge, noch befler von dem Programm ſelbſt Act neh⸗ men mögen, Die Chemie ift für Viele noch etmas völlig Unbelanntes; fie halten dieſelbe für ein nüglihes Willen für Apotbeler und etlihe Fa⸗ britanten, nicht aber für Etwas, wovon auch der Lehrer Kenntniß nehmen oder wovon er gar in der Schule ſprechen folle. Es ift darum dankenswerth, wenn bdiefelben von Zeit zu Zeit darauf aufmerkſam gemadıt werden, daß die ganze Welt voll chemiſcher Vorgänge und Jeder gut beratben ift, wenn er diefelben mindeſtens fo weit kennt, als er davon berührt wird. Den Schluß des Auffages erlauben wir uns nachftehend mitzutheilen. „Es wird (in dem Programm) der Vorſchlag gemacht, die auf den Gelehrtenſchulen vorzugsweife herrſchende Bildung etwas zu bejhränten und durd die jogenannten eracten Wiſſenſchaften die formelle Geiftesbildung zu vervollftändigen, weil in Mathematit und Phyſik eine viel fchärfere Konſe⸗ quenz geübt werde ald in Sprachen. Auch die Naturgefhichte biete, be⸗ fonders in den untern Klafien, bei heuriſtiſcher Methode, ein treffliches Mittel zur Schärfung der Beobachtungsgabe. Der Mediciner follte alſo im 2yceum ein Jahr weniger bleiben und dieſes auf der Univerfität mit Mathematil, Phyſik u. ſ. w. füllen. Dann würde das 3. und 4. Semeiter um dieſe Studien erleichtert jein und Raum für Chemie bieten. Wir übers geben dieſe Art der Zeiteintheilung nad dem neuen Plane, weil es uns genügt, auf die formelle und materielle Wichtigkeit ver Chemie und auf die Nothwendigkeit, fie zu ftudiren, aufmerkſam gemadt zu haben.“ „Wenn beute von Anthropologie die Rede ift, jo kann die organifche Chemie, jo wenig fie immer noch ausgebildet fein mag, nicht umgangen werden. Alle Declamationen gegen Materialismus verhallen mit der Zeit, ja werden bald gar keinen Wiverhall mehr erzeugen. Der Arzt foll freilich mebr fein als Thierarzt, ſoll aud auf das Gemüth feiner Kranken zu wirs fen fih bemühen, und kann, wo er das rechte Vertrauen gewonnen, aud) ein Eeelenarzt fein. infeitigleit ift nirgend mehr geftattet, aud bei dem Lehrer nicht. Die Chemie muß viel tiefer in die geſellſchaftlichen Schich⸗ ten eindringen. Alles, was v. Babo für den Arzt gejagt, wiederholt fi) in vielen Ständen bis zu dem Landmann hinab, der viel zu beobadten, zu überlegen, Beziehungen und Creignifie in Rehnung zu bringen bat. Wie viel aber der junge Lehrer formelle Bildung aus diefem Studium in feine Klafjenführung mitbringen würde, das möchte wohl Jedem einleuchs ten, ber unfern Auszug aus dem v. Babo'ſchen Programme mit eingehen: der und nachelfender Aufmerkſamkeit gelefen hat.” „Es follte in allen größeren Städten den lernbegierigen Lehrern zur Weiterbildung in diefem Sache Gelegenheit geboten werden. Man möchte Päd. Jahreßberiht. XVII. 16

242 Raturfunbe.

mehr thun, als die Adyieln zuden, wenn man hebt, an welchen Schäden unſer Boltsfhulmefen durch mangelnde Borbildung der Lehrer leidet.”

Lesteres bedauern wir mit Türre, zugleich aber auch, daß man ſich noch immer nicht entſchließen kaun, Lehrftoffe in der Bollsfchule aufs jugeben, die der Chemie, Phyſik u. ſ. w. den Eintritt in dieſelbe erſchwe⸗ ren, ja unmöglih mahen. Ban prüfe, wie viel aus dem aliteflament- lichen Material für den Neligionsunterriht als Ballaft über Borb geworfen werden könnte, ohne die religiöfe Bildung der Jugend im Mindeſten zu beeinträchtigen !

19. Unter der etwas geſuchten Ueberſchrift „Bielleiht ein Stüdchen Wegebauarbeit“ empfiehlt ein Uingenannter in Ar. 35 der „Berliner Schul⸗ zeitung“ (1865) die Beihäftigung mit Chemie, und zwar zunähft bes Vortheils wegen, den fie ihm in der eigenen Hauswirtbichaft und beim Landbau gewähre, dann als Mittel zur Berbefierung feiner Gtellung im den Gemeinden, da er durd feine chemiſchen Kenntnifie ſowohl dem Ge⸗ werbsmanne als dem Lanbmanne nützen lönne, enbli des naturtundlichen Unterrihts halber. „Ich behaupte, jagt der Verfafler: Wer Nidis von Chemie veritebt, kann keinen guten naturtundlichen Unterricht ertbeilen. Er kann weder die Nothwendigleit der Athmung noch dieſe ſelbſt erklären, eben fo wenig, woher die Pflanzen die Menge von Kohlenftoff, deſſen der Boden nur wenig enthält, nehmen. Wer will in der Mineralogie grünklid unterrichten, wenn er nicht weiß, was Ralf und Gyps iſt? Wer in der Phyſil von der Wärme handelt, wird ſchwerlich die Wärmeentwidelung beim Kalllöſchen und bei Mifhung von Echweielfäure und Waller umgeben, erflären aber nur mit Hülfe chemijcher Kenntnijie können. Muß einen Lehrer, dem foldye fehlen, nicht ein drüdendes Gefühl befchleihen, wenn er im naturkundlichen Unterriht genannte Dinge und Erfcheinungen oder Aehnliches zu behandeln bat? Ich meine, wir haben jhon mehr denn zu viel ſolches Drudes zu leiven, den abzumwerfen nit in unjerer Macht ſteht. Befreien wir uns darum doch von dem, der unjerer Kraft und unjerem Willen weichen muß. Studiren wir! Treiben wir namentlid auch Chemie! Sie fördert unfere Wohlfahrt, ift unentbehrlih für's Amt und obendrein interefjant. Ich zahle einem Jeden 50 Thaler, der mir bemweift, daß ihm drei Stunden beim Romanlefen fchneller vergangen find, als diefelbe Zeit beim chemiſchen Er: perimentiren.“

20. Der gegenwärtige preußifche Unterrihtäminifter bat die Berfügung feines Amtsvorgängers vom 19. November 1859, wonach „in dem Semi: nar⸗Unterricht die mwichtigften elementaren Lehren der Chemie, namentlidy foweit fie auf Agricultur Bezug haben, mehr als bisher, etwa im Anſchluß an die Unterweifung im Gartenbau und in der Obftbaumzudt, Berudfiche tigung finden könnten“, bei Gelegenheit der Empfehlung ber weiter unten von uns angezeigten „Anfangsgründe ber unorganiſchen Chemie’ von Fritze, unlängft (33. März 1865) anerlannt. Aus dem Behufs Empfehlung dies fer Schrift eingeholten, im MärzHefte des Centralblattes von Stiehl ab: gedrudten Gutachten entnehmen wir Folgendes :

„Es laßt ſich nicht verfennen, daß heutzutage eine Bekanntſchaft mit den Anfangsgründen der Chemie und mit den vornehmften Anwendungen

Naturkunde. 243

derfelben innerhalb des Gebietes derjenigen Bildung liegt, die das Leben von dem Lehrer fordert. Die Berührung mit Induftriellen und mit gebils deten Landwirthen, das Verſtaͤndniß von Beitungsartifeln, über die man von dem Lehrer Auskunft verlangt, die Vortheile, die unjere Beit über haupt der Verwerthung chemiſcher Entvedungen verbanlt, ſowie die bildende Kraft, die in dem Anfchauen und Erklären chemiſcher Vorgänge liegt, maden es nothwendig, daß der künftige Lehrer nicht bloß eine allgemeine Borftellung von dem Weſen chemiſcher Erfcheinungen erlange, ſondern daß ihm eine ausreichende Anzahl verjelben vor Augen geführt, erklärt und nah ihrer praftiihen Anwendung und Bedeutung beſprochen werde.“

21. „In Berlin find auf Anorbnung des Magiftratd und ber Stabtverorbneten extra für Lehrer praktiſche Curſe über Chemie u. ſ. w. ans geordnet.“ (Rh. Bl. XV. Bo. 3. Heft 1865.)

5. Landwirthſchaft.

22. Die landwirtbfchaftlichen Vereine, die jeßt in allen deutſchen Läns dern eine erfreuliche Thätigkeit im Sinne des Fortſchritts entwideln, fahren fort, von den Seminaren eine umfaffendere, auf das Prak— tifhe gerihtete naturmwiffenfhaftlide Bildung zu verlan- gen, damit die Lehrer befähigt werden, in dieſer Richtung in ihren Echus len, in Fortbildungsſchulen und in ihren Gemeinden überhaupt thätig zu fein. In diefer Forderung werden fie mädhtig vom Zeitgeift unterftüßt oder richtiger : der Beitgeift ruft diefe Forderung hervor. Kein Landlehrer kann ſich ihr heutzutage ohne Nachtheil entziehen. „Die Gegenwart ver langt in jedem Dorfe einen Mittelpuntt, jagt Diefterweg (Rh. Bl. XV. 8. 1865), von dem die Gefammtbildung der Bewohner, befonders der Ju⸗ gend, einheitlih und harmoniſch ausgeht, einen Mittelpunlt, an den man fh zu wenden bat, wenn von Verbefierungen in Bildungsangelegenheiten die Rebe ift. Diefen Mittelpuntt bildet fein Anderer als der Lehrer, Wir verlangen daher eine fo alljeitige Bildung von ihm, daß er ben dadurch eniftebenden Anforderungen entſprechen kann.“ Diefterweg hat hierbei nicht bloß vie allgemeine Bildung, fondern auch die eben bezeichnete naturwiſſen⸗ fhaftlihe im Auge Wir tbeilen feine Anfiht ganz und gar. Jeder Lebe zer ijt ja ohnehin von Haufe aus ein praltiiher Mann, und darf fi das ber auch dem praltifhen Leben, d. h. dem Leben jeiner Bemeinde nit entziehen. Wöge der Lehrer immerhin bei feinen Naturſtudien und in ſei⸗ nen Schul⸗Unterricht einen höheren Gefichtspunlt nehmen, die Verwendung feiner einfhlägliben Senntniffe für den Wohlftand der Glieder feiner Ge: meinde beeinträchtigt ihn dabei nit. Die größten Naturforfcher unjerer Zeit gehen ihm in großem Maßftabe mit ihrem Beifpiel voran. Es darf auch nicht unbeachtet bleiben, daß eine verartige Stellung in der Vemeinde ganz und gar im Intereſſe der Lehrer jelbft liegt ; denn wenn die Gemein» den durdy irgend Etwas zur Verbefierung der Lehrerftellen geneigt zu machen find, jo ifl e8 ein ſolches Entgegenkommen der Lehrer, ein foldes Nützlich⸗ wachen berfelben,

16”

244 Naturkunde.

Im Grunde haben die Seminare auch ſchon ſeit Decennien darauf bingearbeitet, ihre Böglinge für einzelne Zweige der Lanpwiribichaft zu bes fähigen, namentlih für Obftbaumzuht und Gemüfebau, und in manden Ländern gewiß mit gutem Erfolg. Die preußiihe Seminarbirectoren:Con: ferenz, deren wir oben bei der Naturgefhichte gedacht haben, hat auch bier: über ihr Gutachten abgeben. Sie fagt:

„In Betreff des praltiiden Gartenbaues und der Obftbaumzudt wurde feftgeitellt, Daß jeder Seminarift in beftimmten wödhentliden Stun: den alle Arbeiten und Beihäftigungen erlernen müfle, welche nothwendig find, um den Boden hinlänglich vorzubereiten, Pflanzen zu ziehen und Dbftbäume zu veredeln, daß in Bezug des legtern jeder Seminarift beim Abgange eine Probe abzulegen im Stande fei. Jedes Seminar wird in einem fpeciellen Lehrplan das Nähere nahmeifen. In Betreff der Theorie für Garten und Obſtbaumzucht ſei ein abgefonderter Unterricht nicht zu er theilen. Sie fließt fih an den naturkundlichen Unterriht an und wird bei den betreffenden Stellen deſſelben angereibet werden.‘

„A. Anſchluß an die Naturgefhichte, a. im Thierreih iſt beſonders Rücſicht zu nehmen auf die nützlichen und ſchädlichen Thiere; b. bei den Pflanzen ift Beichreibung, Anbau und Verwendung 1. der Gemrüfearten, 2. der Zutterpflanzen, 3. der Arzneigemäcfe beſonders zu beadıten, jo wie die Ernährung der Pflanzen, PBervielfältigung und Berjeßung berfelben, Beredlung der Obſtarten, von den Lebensbevingungen der Pflanzen, bie Aderung und Loderung des Bodens zu berüdfichtigen ; co. bei der Mine salogie ift auf die Bodenarten einzugehen.‘

„B. Anſchluß an die Chemie. Bon der fehlerhaften Bodenmiſchung, der Düngung, deren Einfluß auf die Pflanzenftoffe, woraus fi die Pflan- zen auferbauen, find zu erörtern. Auch die Verwendung der Pflanzen zu tehnifchen Bmweden, 3. B. Brauerei, Brennerei, Zuder», Eſſigfabrikation, ferner die Gasbereitung, Bildung des Zorfes, der Braun: und Steinlohle 9— beſprechen.“ (Stiehl, Centralblatt, 1865. September⸗ und October⸗

eft).

Dieſen Beſtimmungen können wir zuſtimmen, da durch Nichts darin die Zwede der Lehrerbildung beeinträchtigt werden. Wir bemerken mit Vergnügen, wie der Geiſt unſerer Zeit die Naturkunde, die man hier und da im Intereſſe der Religion fern zu halten ſucht, in die Lehrſäle der Se minare bineindrängt.

23. In Nr. 10 des „Württembergifhen Schulblattes” (1865) wird von Ph. Schüz die Forderung, in den Werktagsſchulen landwirthſchaft⸗ liche Kenntniſſe anzuftreben, ganz entſchieden und mit Recht abgelehnt : „Der befte Hebel der Landwirthſchaft von Seiten der Schüler ift eine tüch⸗ tige allgemeine Schulbildung und von Eeiten der Lehrer eine mufterhafte Bewirtbichaftung ihrer eigenen Güter; auch fönnen, wo e3 angeht, freie Vorträge ver Lehrer über landwirthſchaftliche Gegenftände vor intelligenien Bauern ſehr förberlih wirken; nur follten fie in keinerlei Hinfiht mit un⸗ fern gewöhnlichen Forthildungsſchulen vermengt werben.”

Naturkunde. 245

U. kiteratur.

1. Allgemeine Naturkunde.

1. Naturbilder. Kür Jung und Alt. Bon A. Forſteneichner. Mit Originalzeichnungen von H. Küſter. br. 8. wI 2. 506 S.). Schaffhau⸗ fen, $r. Hurter, 1865. 14 Thlr.

„Eine eine Rundſchau in der Vogel⸗, Injectens und Pflanzenwelt I

Und zwar fo, daß der Verf. mit finnigem Auge und reihem, poetiichen

Gemüth dem Leben in der Natur nahgeht und das Walten Gottes darin

empfänglien Herzen zeigt. Der Berf. lehnt fih an Tſchudi, Maſius,

Zafchenberg u. A. an. Der alfo an folden Darftellungen Freude findet,

dem darf das Buch beflens empfohlen werden. Manches daraus kann

man aud für die Schule gebrauchen. Der Berf. ift Katholik; Proteftanten brauden fih aber darum nit von der Lectüre ded Buches abhalten zu laſſen.

2. Vaturwiſſenſchaftliche Blicke in’s tägliche geben Bon Karl Au. Mit 27 in den Text gebrudten Serii@nitten. (HI u. 427 ©.) Breslau, Ed. Trewendt, 1865. geb. 1 Thlr.

Das Bub ift zunächſt für Frauen beftimmt, wird aber auch vom maͤnnlichen Gejhleht mit Nußen können gelefen werden. Die „Chemie der Küche“, die „Phyſik in der Häuslichkeit”, „Frauenbotanik“ und „Ge fundheitslehre” find die in demjelben beſprochenen Gegenftände. Der Berf. bat es verftanden, den alltäglichjten Gegenftänden ein großes Intereſſe ab: zugewinnen, theils indem er ihren Einfluß auf das Leben, bie Geſundheit und auf die Bildung des Geiftes und Herzens nachwies, theils indem er feinen Belehrungen eine ſchöne Form gab.

Wir glauben uns nicht zu irren, wenn wir dem Buche eine gute Zus kunft propbezeiben.

3. Die Natur. Ein Leſebuch fir Schule und Haus. Nah dem Schwe⸗ difchen des Profefiors Dr. N. 3. Berlin in Lund frei bearbeitet von Dr. Lorenz Tutſchet. Mit 175 Holgihnitten. Dritte, unberänberte aufage. 8. (X u. 560 S.). Münden, Literariſch⸗artiſtiſche Anſtalt ber J. Eotta’ihen Buchhandlung. 1866. 1 Thlr.

Die uns vorliegende dritte Auflage ift wirklih eine „unveränderte“, denn fie enthält fogar alle die Fehler, welche ich bei Anzeige der zwei⸗ ten Auflage (j. Band 16) gerügt habe. Da hiervon weder die Verlags: handlung, noch der Herausgeber Kenntniß genommen, jo kann von einer weiteren Beiprehung des Buches abgejehen werden.

4. Dr. Dtto Ule’8 ausgewählte Heine naturwiſſenſchaftliche Schriften. I. Bändchen: Die Chemie der Küche. 8. IV u. 256 S.). II. Bänd⸗ hen. Bilder ans ben Alpen unb ans der mittelbentfüen Ge⸗ Re 8. (U und 239 ©) Halle, ©. Schwetſchle, 1865.

18 r.

246 Naturkunde.

. Der Verf. ift unſern Leſern längft als Mitherausgeber der naturwiſ⸗ ſenſchaftlichen Zeitſchrift „Die Natur‘ vortheilhaft bekannt. Es genügt da⸗ ber, auf das Erſcheinen' dieſer Schriften aufmerlfam zu machen. Was in ben beiden Bändchen vorliegt, ift fhon in der genannten Zeitſchrift ver- öffentliht worden, bringt aljo wenigftens in ber Hauptſache nichts Neues. Aber darauf kommt es auch in der That nit an; es ift vielmehr ehr angenehm, nun das beifammen zu haben, was fid dort zerſtreut findet.

Das erite Bänden wünſchen wir vor allen Dingen in die Hand jeder Hausfrau, damit fie daraus lerne, was zur Ernährung gehört und wie die Nahrungsmittel zu bereiten find, damit fie die befle Wirkung ber: vorbringen. Wir mwünfchen daſſelbe aber auch in bie Hand der Lehrer, damit fie in der Chemie, in einer Chemie, vie in jeder Volksſchule gelehrt werden muß, ihre Schüler und Schülerinnen über dieſe wichtige Angelegen: heit belehren.

Das zweite Bändchen werden Alle mit Intereſſe leſen, bie jene Ge: genden bejudht haben, aber auch Alle, denen bies nicht vergömt ar. Sie werden zugleih daraus erjehen, wie man reifen muß, um Nußen vom Reifen zu baben.

5. Das Bud der Natur, bie Lehren ber Phyſik, Aftronomie, Chemie, Mi⸗ neralogie, Geologie, Botanik, Phnftologie und Zoologie umfaflend. Allen Dune der Naturwifienichaft, imöbelonbere den Symnaften, Real» und

öheren Bürgerſchulen gewidmet von Dr. Friedrich Schödler, Directer der Großherzogl. Seiten Provinzial Realigule in Mainz. Fünfgehnte, burchgefehene Auflage. In zwei Theile. Mit 976 in ben Text eingebrudten Holzſtichen, Sternfarten, Monblarte und einer geognoſtiſchen Tafel in Far⸗ bendrud. gr. 8. (I. Thl. XL u. 447 ©. II. Thl. XIV m. 565 ©&.). Braunſchweig, Bieweg u. Sohn, 1865. 24 Thlr.

Mas dies Buch enthält, gibt der Titel an. Der Inbegriff der ge fammten Naturkunde wird darin dargeboten, und zwar fo, daß in jeder ein: zelnen Willenfhaft das Wichtigfte in zufammenhängender miflenfchaftlicher Meile, aber in durdaus populärer Darftellung gegeben und durch ganz vorzüglih ausgeführte Abbildungen verfinnliht wird. In allen Theilen entfpricht der Tert dem gegenwärtigen Standpunlte der Wiſſenſchaft. Um aber äußere Veränderungen dieſes beliebten Schulbuches möglihft zu ver: büten, bat der Verf. bei der vorliegenden Auflage den Zert jelb nicht weſentlich geftört, die neuen Entdedungen aber ald Anhänge in jeder eins selnen Abtheilung hinzugefügt, was volle Anerlennung verbient und dem Bude feine bisherige ebrenvolle Stellung in [ber Literatur auch ferner fichert.

2. Naturgeſchichte.

A. Abbildungen.

6. Großer Atlas der Naturgeſchichte. Ein Aufhanungs-Unterricht für Säule und Haus. Das Thierreih in 80 colorirten Tafeln mit 40 Bo⸗ en Tert und zahlreihen Holzſchnitten. Von ©. Kolb. 14. Lie ferung. Fol. Stuttgart, Krais u. Hoffmann, 1865. & 1 Thlr.

Naturkunde. 247

Die 12. Lieferung haben wir im vorigen Bande angezeigt, die 13, it uns nicht zugegangen ; dagegen erhielten wir Lieferung 6—11 nad» träglih und können nun dem Früberen hinzufügen, daß ber Tert bis Bor gen 33 vorliegt und mit den Fiſchen abichließt. Derjelbe ift durchaus brauchbar, die in denſelben eingedrudten Holzſchnitte lafjen nichts zu wuͤn⸗ jhen übrig. Ebenſo haben die colorirten Tafeln etwas Frifhes und An: ſprechendes. Einigen Inſecten⸗Tafeln hätten wir etwas weniger Staffage gewünſcht.

B. Sammlungen.

7. Oſtfriesland's Laubmoofe. Geſammelt und herausgegeben von €. @. Eiben, Präceptor in Aurih. Erſte Lieferung. Nr. 1 bis 50. Kol. Selbſiverlag. In Commiſſion bei R. 3. Frerichs in Aurih, 1865. Su Mappe 1 Thlr.

Die Mooſe diefer Sammlung find auf fteifem Papiere befefligt, bie Heineren in Bapierlapfeln, Name und Fundort find auf gebrudten Betteln enthalten. Die Anorbnung ift eine fyjtematiihe. Die Eremplare find fehr gut gepreßt, der großen Mehrzahl nah mit Früchten verjehen, und jehr reichlich gegeben worden, reiher als in andern uns befannten Täuflichen Moosfammlungen. Wir empfehlen daher das Unternehmen allen Freunden der Mooskunde. Gelingt es dem Herausgeber, nah und nad alle von ihm aufgefundenen Moofe Oftfrieslands in feiner Sammlung darzubieten, fo wird diejelbe nahezu eine Sammlung der norbveutihen Moosflora reprä: jentiren.” An der Hand diefer Sammlung wird es dann Jedem leicht wer: den, die Mooſe Deutſchlands zu ftubiren.

8. Herbarium zum zweiten Eurfus ber Pflanzenkunde von Hew mann Wagner. Herausgegeben von Albert Wagner. Bielefeld, Vel⸗ bagen u. Klafing. 2 Thlr. 10 Sgr.

Dies Herbarium ift mir nicht aus eigener Anſchauung befannt. „Es enthält, jagt Hermann Wagner, außer den in der dritten Auflage des Buches fpeciell behandelten 36 Arten noch 64 andere deutfche Pflanzenfpe: cies, theild derjelben, theil3 verwandten Familien angehörig, im Ganzen alfo 100 Arten, Die gut zubereiteten Pflanzen find fauber auf meißes Belinpapier aufgebeftet, mit lateinifhen und deutſchen Namen, Angabe der natürlihen Familie und der Klaſſe des Linnéſchen Spitems, des Standortes und der Blüthezeit verfehen und nach dem natürliden Syſtem geordnet.“

C. Schriften.

a. Füur Lehrer. 1. Anthropologie.

9. Geſundheitslehre für Schulen von Earl Reclam, Profeſſor ber Medicin und Poligeiarzt zu Leipzig. gr. 8. (31 ©.). Leipzig und Hei⸗ beiberg, ©. F. Winter, 1865. 2 Sgr.

Der duch fein „Buch ber vernünftigen Lebensweife” auf dieſem Ger biete längft vortheilhaft befannte Verf. bat in dieſem Schriftchen Alles zu:

245 Lten

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1 Eat vi men vellerbet, ent wır limcen water Urted Rute abgehen

raß es za ven autem reruliren Ectrten über Tırurseitükee gebiet Je

allen drei Peiten if das Eikt:-2e berrstuhehen zus m anrdeabie

Eeife keitricben werden. Sas tem Meniten müpt eder febet, in min

gets vergefien, aber nicht im den Ücrberurumb aektelit werten; werkmeit

bemüht fich der Berf., feine Leier im das Leben ber Rater einzuiähren mi

ihnen das wunterkare Kalten darin zu zeigen. Te Abbildungen ge

nügen. 3. Zenlegie.

11. Dr. $. ©. Broun’s Klofien und Irtuungen bes Thierreihe, wifewideft-

lich bargefeflt in Bcrt und Bit. Forigeiekt von Dr. W.

Sreiefio in Söıtingen. 2er. 8. 40.—45. —A— Boegen 76- A, Id.

CX -CXXXVI. —* unb Heidelberg, C. F. 1865.

⸗Von dieſem bedeutenden Werke iſt nun der dritie Band vollendet Er enthält die Weichthiere oder Malacozoen, während der erſſe die Amor: phozoen, der zweite die Actinozoen bradte. Wir müjlen wieberbolen, was wir ſchon in den früheren Anzeigen ausſprachen, daß das Werl zw ven vorzüglichſten gehört, die wir in der zoologijchen Literatur beiigen, möge man den Tert oder die Abbildungen darauf anſehen. Grflerer zeigt im allen Abtheilungen den gegenwärtigen Stand der Zoologie, indem er neben eigenen Forſchungen die ganze vorhandene Literatur berüdfihtigt, Lebtere machen die foftbarjten Kupferwerle entbehrlih, wenn es fih niht um Epe: cies:Etudien handelt. Die Ausführung ift mufterhaft.

Um die Vollendung des Werkes nicht mehr zu lange binauszufchieben, find die nody fehlenden Bände zugleih in Angriff genommen, und find für die Ausführung Fachgelehrte von Auf damit beauftragt worden. Der Her: ausgeber wird die Mürmer bearbeiten, Dr. Gerftäder in Berlin die Glie⸗ bertbiere, Dr. Steindadhner in Wien aus den Wirbelthieren die Fiſche. Diefer Urbeitövertbeilung können wir ung nur freuen, ba fie zur Vervoll⸗ fommnung bes Wertes weſentlich beitragen wird. Von ber Arbeit über die Oliederthiere Liegt ſchon die erfte Lieferung vor ; fie enthält das Allge⸗ meine über die Gliederfüßler.

12. Illnftrirtee Thierleben. Cine allgemeine Kunbe des Thierreiches von Dr. A. E. Vrehm , Director bes zoologiſchen Gartens in Hamburg.

Naturkunde. 249

Dit Abbildungen nach der Natur, ausgeführt unter Leitung von R. Kreiſch⸗ mer. Lieferung 35 bi 50. 2er. 8. (Bogen 1—49.) SHilbburgbaufen, Bihliograph. Juſtitut.

Diefe Hefte enthalten die Naturgefchichte ber Vögel und führen die jelbe bis zu der ſechſten Ordnung, den Singvögeln, fort. Es ift befannt, daß der Berf., wie fein Vater, ein ſehr tüchtiger Ornitholog iſt; er fhöpft daher für diefe Abtheilung fo recht aus dem Bollen, aus der reichften Cr» fahrung, die durch feine Stellung als Director des zoologiſchen Gartens in Hamburg täglih vermehrt wird. Es ift in der That ein Vergnügen, jeis nen lebenspollen Darftellungen, denen er nicht felten einen poetiſchen Hauch zu verleihen weiß, zu folgen. Er ſpricht von feinen Vögeln wie von alten Belannten, mit denen er Jahre lang zufammen gelebt, Freud und Leid mit ihnen getragen bat. Fein Zug in ihrem Leben, kein Seelenzuftand derſel⸗ ben ift ihm entgangen. Die Abbildungen find nad Compofition und Auss führung Meifterflüde, möge man darauf die großen Tafeln, deren jede Lies ferung zwei bat, oder die einzeln eingebrudten Stüde anjehen. Das Bert gereiht den Verfaſſern, den dafür thätigen Künjtlern und der Vers lagshandlung zu großer Ehre.

13. Die Hymenopteren Deutſchlands nah ihren Gattungen unb theil- weile nah ihren Arten als Wegeweiſer für angehende Hymenopterologen unb gleichzeitig als Verzeichniß der Halle'ihen Hymenopterenfauna analy» tiich zufammengeftellt von Dr. E. 8. Zafchenderg. Mit 21 Holzſchnitten. gr. 8. (VI u. 277 ©.). Leipzig, &. Kummer, 1866. 1% Thlr.

Eine neue Bearbeitung der Hymenopteren war längft Bebürfniß ; der kundige Berf. bat fi daher ein Verdienſt durch Abfafjung dieſer Schrift erworben. Die Yamilien und Gattungen diefer interefjanten Ordnung mer: den ausführlih und jcharf charalterifirt, von den Arten viele durch Angabe der unterjcheivenden Merktmale, während andere nur genannt werben, was wir infofern bedauern, als bie Befiter des Buches nun doch noch nah ans deren Schriften greifen mũuſſen. Dan kann das Werk übrigens als eine Hymenopteren⸗Fauna von Nord: und Mitteldeutichland anfehen und als ein recht gutes Hülfsmittel für das Studium diefer Inſeltengruppe betrachten.

4. Botanit.

14. Anleitung zur Kenntniß ber natürfiden Kamilien ber Pha- nerogamen. Gin Leitfaden zum Gebrauch bei Borlefungen und zum Stu» bium der fpeciellen Botanik von Dr. Joh. Anton Schmidt. gr. 8. XXIV u. 350 S.). Stuttgart, E. Schweizerbart, 1865. 1 Thlr. 20 Ser. - Dies Werl behandelt vorzugsweiſe die natürlichen Yamilien, melde in

Deutihland vertreten find. Es geſchieht das in der Meife, daß zuerit die

widtigften Merkmale in Form einer ‘Diagnofe vorangefhidt und dann die

Familien ausführlid und mit Hervorhebung der Abweichungen daralterifirt

werden. Als Beifpiele werden bejonvers folhe Pflanzen hervorgehoben,

welche für die betreffende Familie vorzugsweiſe charalteriſtiſch erfcheinen, denen dann noch ſolche angefügt find, welche durch ihre Producte oder ald Bier: pflanzen Anwendung finden. Die Slennzeihen ber Gattungen und Arten

250 Naturkunde.

fehlen gewöhnlih ganz. Behufs bes Weiterftubiums iſt bei jeder Familie die einfchlägliche Literatur aufgeführt, was eben fo wichtig als dankens⸗ werth ift.

Das Buch kann ala eine tüchtige Arbeit bezeichnet werben.

15. Pflanzenkunde für Schulen von Hermann Wagner. Zweiter Eur fus: Das natürliche Pflanzenfynem, an 36 beutiche Pflanzenarten auge ſchloſſen. Dritte, völlig umgearbeitete und mit zahlreichen Abbildungen verfehbene Auflage. 8. (X u. 258 ©.). Bielefeld, Velhagen und Klafing. 1865. 3 Thlr.

Diefe dritte Auflage ift ein meues Buch geworben, 36 Pflanzen bies nen als Nepräfentanten von eben fo viel Familien. Die für diefen Zwed gewählten Pilanzen find ausführlich beſchriehen, und zwar nad ihrer gan» zen Entwidelungsweife. Es wird mit der Betrachtung bes Samens bes gonnen, die allmählide Entwidelung deſſelben mitgetheilt und dann zu ber Beichreibung der vollkommenen Pflanze fortgejchritten. ch babe dies Ver fahren ſchon in früheren Bänden des Jahresberichtes als ein naturgemäßes empfohlen, war jedoch ver Meinung, daß es für bie richtige Auffafjung der Pflanzenentwidelung genüge, wenn eine mäßige Anzahl Pflanzen aus ver: ſchiedenen Abtheilungen des Pflanzenreihes in ihrer Gutwidelung aus dem Samen von den Schülern felbft im Laufe des Sommers un: ter Anleitung des Lehrers beobadtet würden. Ich halte dieſe Anfiht auch noch heut für richtig. Fuͤr Wagner's Verfahren gehören fehr begeifterte und fehr rührige Lehrer, wenn die Mittheilungen über die Ent: widelung der Pflanzen mehr als Wortwerk werden follen. Abgeſehen bier: von, find die Befchreibungen ver Pflanzen durchweg gut und ganz fo ab: gefaßt, wie fie im Unterriht verwandt werben können. Gute Abbildung der Heineren Theile der Bluͤthe und Frucht unterftüben den Text. An die Pefchreibung der Repräfentanten reibet fih eine fehr kurze, oft nur aus ein paar Worten beftehende Charakteriftit der belannteften Arten verfelben Gattung, dann werben die Gattungs⸗ und Familienkennzeichen mitgetbeilt, und zum Schluß wird auf verwandte Familien bingewiefen, gemwöhnlid au nur mit ein paar Worten. Daß ich dieſen Fortgang im Unterricht für den richtigen halte, ift aus meinen eigenen Arbeiten auf diefem Gebiete befannt ; ich halte aber dafür, daß man Behufs Aufftellung von Familien noch etwas mehr Material nöthig hat, ald Wagner gibt, oder daß man doch das von ihm angebeutete noch ausführlicher behandeln muß.

Diefer Abweichungen ungeachtet empfehle ich aber das Buch doch ber Beachtung der Lehrer.

16. Bilanzentunbe Für Schulen und zum Gelbfiunterrihte.e Bon U. Berthelt und Ernſt Beſſer. Dit vielen Abbildungen. Zweite, verbeſ⸗ ſerte und vermehrte Auflage. gr. 8. (X u. 229 ,. Leipzig, I. Klink⸗ barbt, 1866. 4 Thlr.

Ueber die ganze Anlage des Buches haben wir im 14. Bande Bes riht erftattet und dort die Arbeit als eine für den Schul und Selbftunters richt brauchbare bezeichnet. Die Lehrerwelt hat diefe Anſicht getheilt, wie

Naturkunde, 251

die nad vier Jahren erfolgte neue Auflage beweiſt. Worin die Verbeflerun: gen und Vermehrungen befteben, ift natürlich ſchwer nachzuweiſen; aber ed läßt fih mit gutem Grunde annehmen, daß die Berfafler gewiſſenhaft dabei werden verfahren fein. .

17. Populäre Botanik von Eduard Ehmiblin. gr. 8. Lieferung I—

11 (30 Bogen und 30 colorirte Tafeln). Stuttgart, G. Weije. 1865.

& Lieferung 4 Thlr.

Die erften 224 Eeiten behandeln die allgemeine Botanik in einer dem gegenwärtigen Stanbpunfte im Allgemeinen entſprechenden Weije, wenn auch die neueiten Forſchungen noch nit überall Berüdfihtigung gefunden has ben. Der fpecielle. Theil gibt zunaͤchſt Anleitung zum Botanifiren und Planzeneinlegen, dann einen Schlüffel zum Unterfuchen der Gattungen und Arten der Pflanzen Deutſchlands, worin unſichere Aeußerlichkeiten, wie ber Habitus und die Blüthenmonate die Grundlage abgeben. So zmwedmähig es ift, dem Anfänger möglihft viel Hülfen zum Beltimmen zu geben, fo halten wir doch fo unfichere für wenig empfehlenswerth. Wir haben dafür ohnehin ſchon zwedmäßig eingerichtete Werte. Ein Werl wie bas vorlie gende hätte ſich diefe Aufgabe gar nicht ftellen, fondern vielmehr dem ab gemeinen Theile eine Beſchreibung ver heroorragenpfien Pflanzengeftalten anreiben und durch Abbildungen erläutern folen. Abbildungen find dem Werte allerdings auch beigegeben, aber viefelben find durchgaͤngig zu Hein und baber nur bem Kenner verftändlih, für ben fie natürlich üben flüſſig find.

18. Die Gefäß-Tryptogamen Weftfalens von C. Berthold, Gymna⸗ fiolfehrer zu Brilon. 4. (36 S. u. 2 lithogr. Tafeln). Brilon, M. Fried⸗ länder, 1865. 4 Thlr.

Diefe Heine Schrift enthält eine zufammenhängende Parftellung ber äußern Form und des innen Baues der Gefäß-Cryptogamen, eine fyite- matiſche Aufzählung und Beichreibung der bis jetzt aufgefundenen Arten und eine Ueberſicht über die Vertbeilung derjelben. Wenn der Verf. aud bier und da älteren Anfichten über den Bau der Gefäß-Eryptogamen be: richtigend entgegentritt, fo Tann man doch nicht eben jagen, daß er den Gegenfland felber weiter führt oder auch nur in allen Theilen dem gegenwärtigen Standpunfte gemäß barftellt, woran wohl die Abgelegenheit Brilon’3 von großen Bibliothefen einen Theil der Schuld tragen mag. Milde’s Arbeit über die höheren Sporenpflanzen Deutſchlands und der Schweiz fheint dem Verf. noch nicht zugänglid geweſen zu fein.

Meftfäliihen Freunden der Botanik, fpeciell dieſer Pflanzengruppe, fann die Arbeit aber immerhin empfohlen werden, da die Beſchreibungen zur Beflimmung ausreihend und die Fundorte genau angegeben find.

19. Das Pflangenleben, deſſen Wachtthum, Sprache und Deutung in Ger dichten und Ansiprühen. Ein Beitrag aur finnigen Betradtung ber Na- tur von M. ©. W. Brandt. 8. (XXXVII u. 579 ©) Frankfurt a. M., Chr. Winter, 1866.

252 Naturkunde.

Im Zabre 1851 ließ der Herausgeber ein ähnlihes Werl unter dem Titel „Die Pflanzenwelt, deren Leben, Sinn und Sprade in älteren und neueren Dichtungen’ erjcheinen. Die Liebe zu dem Gegenftande hat ihn wohl bewogen, denfelben noch ferner im Auge zu bebalten. lnbelannt gebliebene Quellen eröffneten fih ihm, Freunde halfen fammeln oder dichteten ſelbſt, und fo hatte fi nad und nad bei ihm Material zu einem zweiten Werke angejammelt, Das er jet unter dem Titel „Pflanzenleben‘’ darbietet. Wie in jenem Werte, fo wechſeln auch in diefem Dichtungen und Proſaaufſätze ab, doch herrſchen jene vor. Die verſchiedenſten Dichter und Schriſtſteller, befannte und unbelaunte Größen haben bazu beigefteuert, aud ber Heraus⸗ geber. In der Natur folder Dichtungen liegt es, daß fie ipmbelifiren. Das kann nad verſchiedenen Richtungen bin geſchehen. Der Herausgeber liebt von biefen nur die religiöfe, richtiger : die firenggläubige. Nach bies fer Bemerkung wiſſen die Lefer, was fie zu erwarten haben, und merben fih nicht überrafht finden, wenn fie Namen wie ob. Arnd (wahres Chri⸗ flenthum), Zac. Böhme, Hamann, Kriginger, Binzendorf u. A. begegnen. Neben ſolchen trifit man allerdings auch nicht felten Männer wie Herber, Nüdert, Uhland, Hoffmann von Fallersieben, R. Reinid ; aber dennoch bat Bas ganze Bud die bezeichnete Färbung, felbft die Ginleitung nicht ausgenommen. Ber nun den Etandpunlt des Herausgebers theilt, dem wird die Schrift manden Genuß gewähren, und denen fei fie empfohlen. Aber das können wir nicht wünſchen, daß der botanishe Schulunterricht eine Färbung diefer Art befommen möge ; von einer Benubung des Buches in diefer Richtung möge man daher abjeben.

5. Mineralogie.

20. Die neueften Kortihritte der Mineralogie unb Geognofie zufammengeflellt von F. U. Römer, Bergrath nnd Borland ber känigl. Bergalatemie zu Clausthal. (Eine Ergänzung der Syuopfis der Minera⸗ logie ımb Geognofie. Hannover, 1853.). gr. 8. (IH u. 59 ©.). Same ver, Hahn, 1865. 4 Thir.

Der Verf. ift wiederholt aufgefordert worden, von feiner 1853 erſchie⸗ nenen „Synopſis der Mineralogie und Geognofie”, die den dritten Theil von Leunis' Eynopfis bildet, eine neue Auflage zu beforgen, hat aber zu jo einer umfaflenden Arbeit die Zeit niht finden fünnen. Damit feine Arbeit aber noch brauchbar bleibe, hat er fi zur Herausgabe der hier ge⸗ nannten Heinen Echrift entſchloſſen. Alle Entvedungen, die auf dem ge nannten Gebiete in den lebten 12 Jahren gemacht worden, find bier in Kürze niedergelegt und daher leicht zu überfhauen. Obwohl der Berf. ſich an feine Eynopfis anlehnt, fo ift diefe neue Schrift doch aud für andere ältere Schriften über Mineralogie zu gebrauchen und mird ſelbſt denen an» genehm fein, die fi nur fchnell mit dem Neueften belannt machen wollen.

21. Die Mineralien nad den Kryſtallſyſtemen georbnet. Ein Leit- faden zum Beſtimmen berjelben vermittelt ibrer kryſiallographiſchen Eigen- Ihaften von J. Reinhard Blum. gr. 8 (VIn. 32 S.). Leipzig und Heidelberg, C. F. Winter, 1866. 5 Thlr.

Naturkunde. 253

Herr Profefjor Blum übt feine Zuhörer alljährlih in einem Pralti: -

kum im Beftimmen von Mineralien. Eine reihe Sammlung von Kryftal: len liefert ihm bierzu das erwünjchte Material. Die Anwendung von Buchs ftaben für die Kryſtallſyſteme und Kryſtallgeſtalten geftattete große Kürze und Ueberfichtlichleit, zwei Eigenſchaften für ein zum Beftimmen bergeflells tes Buch, die für feine Brauchbarleit entſcheiden. Mit Benutzung eines Anlegegoniometerd wird daher Jeder, der die Sache ernftlih nimmt, feinen Zwed erreichen.

22. Pragmatifhe Geſchichte von Entflebung, Geftaltung, Ber- wandlung, Sranit-, Eis⸗, Waſſer⸗, Iufeln-, Thier⸗, Men- fhen- und Mondbildung, Ueberfluthung, Zertheilung, Ocea⸗ ntrung und Fortentwidelung der Erde nad phyſiſch, geologiſch,

Wbibliſch, mythiſch, gefchichtlihen Quellen, ein Buch für Schule und Haus son ae. gr. 8. (IV und 211 ©.). Münden, 2. Finfterlin, 1865.

r.

Was bisher über die Entſtehung, Geſtaltung ꝛc. der Erbe gejagt wor: den ift, genügte dem DBerf. nicht ; er unterwarf daher den Gegenftand einer neuen Prüfung. „Ich babe geſucht, jagt er, und mit Gottes Hülfe gefun- den, und übergebe meine Forſchungen ſowohl den Herren Fachgelehrten, als allen denkenden Menfchen, die nah der Erkenntniß Gottes und der nicht despotiſch verheimlichten, ſondern liebreih geoffenbarten Natur traten.’ Recht dankbar find wir dem Verf. dafür, daß er uns die Beurtheilung fei- ner neuen Hypotheſen dadurch ſehr erleichtert hat, daß er fie uns in einem turzen Paragraphen überfichtlih mittheilt. Wir maren dadurch der Mühe überboben, das ganze Bud zu lejen, was für einen Recenfenten unter Um: ftänden eine ſehr jchwere Aufgabe it. Um dieſe Mühe auch unfern Lejern zu erfparen, feßen wir dieſen Paragraph ber.

„Nachdem ich bereits in der im Januar d. J. erfchienenen Brofchüre : „sur Offenbarung der Weltorbnung”, insbefondere Entftehung, Drehung und Mebrung ver Weltlörper die allgemeinen Gründe dafür aufgeftellt babe, daß alle Planeten und Firiterne magnetiih find, daß ſich alle duch magnetiihe Kraft um ihre Mittellörper bewegen und fi Dres ben müflen; daß durch ihre Drehung ihre Ausdehnung nothwendig wählt und durch Außere Ausdehnung ein innerer Hohlraum entfteben muß; daß fih dur ftete Vergrößerung des hohlen Baumes -die innere Hitze vermehrt ; daß die ftet3 größere Hiße die inneren Wände des Plas neten jhmilzt ; daß dadurch inwendig ein Schmelzfluß entfiehen muß, mels cher bei ftets fteigender Hike in Gas übergeht; daß durch dieſen Schmelz fluß die Wände des Planeten allmählich durchgerieben werden; daß der Schmelzfluß envlih den Gleicher durchbrechen muß und, einem Schleuder⸗ ftein glei, in den weiten Himmelsraum fortgefchleuvert wird und einen Cometen bildet ; daß auf diefe Art, wie alle Planeten, auch unjere Erbe aus der Sonne entſchleudert wurde und Anfangs ein Comet war: nad Allem dem kann ih nunmehr, nachdem jeit vem Erfcheinen obiger Broſchuͤre feinerlei Wivderlegungen () aufgetaudt find, zur bejonderen Geſchichte des Erdkörpers übergehen.“

Auch wir beabfihtigen „keinerlei Widerlegung“ dieſer lühnen Ideen,

254 Naturkunde.

bedauern aber, daß uns der Raum fehlt zu weiteren Mittbeilungen Ber 28 Sgr. für feine Grheiterung ausgeben kann, dem können wir das Bad beitens empfehlen. Schon ver Radhmeis, daß Feldſpath von Welt: {path abgeleitet ift und Granit „Geranni“, „Grfigerann” be deutet, it allein 5 Sur. wertb.

33. Histoire complöte de la grande eruption du vesuve de 1631, avec la carte, au 1/25,000, de toutes les laves. de ce volcan, depuis le seizidme sidcle jusqu’au-jourdhui; par H. Le Hon. gr. 8. (64 ©.) Bruxelles, C. Muquardt, 1866.

Der Veſuv gebört für uns zu den intereffanteften Bulcanen, da mir ihm am meiften Aufihluß über diefe großartige Naturerfheinung verdans fen. Es verlohnte fih daher wohl, ihn zum Gegenfland einer monogta⸗ phiſchen Arbeit zu machen und die große Gruption von 1631 zum Aus Hangepunlt zu nehmen. eine mühſamen Unterfuhungen bat ver Verf. in einem großen, fhön ausgeführten Kartenbilde aud bildlich dargeſtellt Gs find darauf mit verjchiedenen Farben und eigenthümlidher Schraffirung alle Lavaſtroͤme feit jener Zeit dargeſtellt.

b. Für Sääler. = Für Schüler höherer Säulen. Alle drei Reide.

24. Leitfaden für ben Unterridt in der Raturgefhichte Bon Karl Kopye, Vrefeſſer aut Oberlehrer am könial. preußgiihen Gynmaflam zu Sof. Dritte, werbeflerte Wuflage. gr. 8. (VII u. 184 ©.) Gfien, G. D. Bibeler, 1565. 2 Tplr.

Die zweite, 1857 erſchienene Auflage baben wir im 11. Bande be fprodhen, die erfte im 8., und lünnen darauf zurüd verweilen. Die Schrift entfpriht den gegenwärtigen Anforberungen nit ganz, fon darum nicht, weil der innere Bau der Organismen, namentlid der Pflanzen, ganz unbes rädjichtigt geblieben iR.

25. Naturgeſchich te. Der Ingend gewirmet von Hermann Wagner. Mit zablreihen Abbilbungen auf 18 celoririen Tafein und 32 Holsichnitten. br. 5. (IV m. 258 S.). Stattgart, 8. Thienemann's Berlag (Zul. Hoff» mann), 1565. cart. 1 Thlr.

An Arbeiten, wie die vorliegende, haben ſich ſchon Biele verſucht, Wenige mit der Befähigung des Verfaſſers. Wagner beit reiche Specials tenutnifie und eine treffliche Darftellungsgabe. Daher kann er das Paf- fende wählen und richtig und angenehm vortragen. Dem Zwede ent fprehend, find in diefem Werte nur die intereflanteften Bertreter der widh-- tigften Gruppen aller drei Reiche behandelt werden, nicht in fpeciellen Be ſchreibungen, ſondern nad ihren Lebenderjbeinungen, ihrer Ontwidelung, ihren Bejiehungen zum einander, ihrer Pebentung für ven Menihen. Was die Beſchreibungen in Betreff der Ausfübrlichleit vermifien laflen, dad er⸗ jegen die beigegebenen, meiltens coloristen Abbildungen. Wir halten da⸗

Naturkunde, | 955

für, daß der Berf. nach jeder Beziehung hin das Nechte getroffen hat und empfeblen daher fein Buch der Jugend mittleren Alters zur fleifigen Be nußung.

26, Entbedungs-Reifen in ber Wohnftube. Mit feinen jungen Kreun- den unternommen von H. Wagner. Zweite, vermehrte und verbefierte Auflage. Mit vielen Abbilbungen, fowie mehreren Xonbildern. gr. 8. ( u. 163 ©.). Leipzig, Spamer, 1866. 4 Thlr. cart. 3 Thlr.

27. Entdelungs-Reifen in Hof und Haus. Mit feinen jungen Freunden anternommen von H. Wagner. Zweite, vermehrte und verbefferte Auf- lage. Mit 100 in den Text gebrudten Abbildungen, Buntdrud- und Ton⸗ —7— gr. 8. (VIII u. 168 S.). Ebendaſelbſt, 1866. 4 Thlr. cart. 4 Thlr.

28. Entdbedungs-Reifen in Flur und Feld. Mit feinen lieben jungen Freunden und Freundinnen unternommen von H. Wagner. Zweite, burchgefebene Auflage. Mit 110 Abbildungen, zwei Buntbrud- und brei —— gr. 8 (VIII und 164 S.). Ebendaſelbſt, 1866. 3 Thlr. cart. r.

29. Entbedungs-Reifen im Wald und auf der Haide. Mit feinen lieben jungen freunden und Freundinnen unternommen von H. Wagner. Zweite, durchgefebene Auflage. Mit 130 Abbildungen, zwei Buntdruck⸗, zwei Tonbildern und einer Ertrabeilage von getrodneten Moovien. gr. 8. (VIII und 192 ©.). Ebendaſelbſt, 1866. 3 Thlr. cart. 3 Thlr.

30. Entdedungs-Reifen in ber Heimath. II. Stabt und Fand. Naturgeichichtiiche Streifzlige in Mitteldeutſchland, mit feinen jungen Freun⸗ den unternommen von H. Wagner. Mit 100 Abbildungen, drei Ton« drud-, fowie einen bunten Titelbilde. gr. 8. (V un. 192 ©.). Ebendaſelbſt, 1866. 3 Thlr. cart. $ Thlr.,

Diefe Schriften haben gleich bei ihrem erften Erſcheinen die Aufmerk⸗ ſamkeit der Lehrer: und Jugendfreunde auf fi gezogen und bereit3 den ihnen gebührenden Beifall gefunden. Der Verf. verfiebt e3 in hohem Stade, in anjhaulider und anmuthiger Weife über naturhiſtoriſche Gegen: ftände der mannigfachften Art zur Jugend zu reden. Mas er bejchreibt, bildet er zugleih mit kunftgeübter Hand nah der Natur oder nad guten Originalen ab, ohne fih dabei auf Zotalanfichten zu bejchränten, wie das jo oft in derartigen Schriften gefchiebt ; feine Abbildungen geben vielmehr ſtets Ginfiht von dem Bau der Objecte, wodurch allein tiefere Kenntniß erlangt werden Tann.

Zoologie.

31. Schul⸗Naturgeſchichte. Kine analytiſche Darflellung ber drei Natur- j reiche, zum Selbfibeftimmen der Naturkörper. Mit vorzüglier Berück⸗ Arion der nütlihen und ſchädlichen Naturlörper Deutſchlands für höhere ebranftalten bearbeitet von Dr. Johannes Leunis, Profeſſor der Natur- geihichte am Joſephinum in Hildesheim. Erſter Theil. Zoologie. Fünfte, verbefierte umd vermehrte Auflage. Mit 700 Abbildungen auf 500 Holy föden. gr. 8. (XVI und 367 ©.) Hannover, Hahn, 1865. 28 Sgr.

Die Einrihtung des Buches iſt geblieben, da fie ih dem Verf. bes währt bat; aber innerhalb der einzelnen Abfchnitte find alle die Verän⸗

2866 Naturkunde.

derungen angebracht worden, welche der Fortſchritt in der Zoologie fordert und dem Zwede des Buches dienlich find. Die Abbildungen find vermehrt worden. Das Buch kann ſonach von Neuem empfohlen werben,

32. Naturgeſchichte. Thierkunde für TZöhterfhulen und deu Pri- vatunterriht. Mir befonverer Rückſicht auf den häuslichen Beruf des weiblihen Geſchlechts bearbeitet von Jakob Niedel, Lehrer an ber höheren Bürgerfchule [2 Heidelberg.” Mit 54 in den Tert eingebrudten Figuren. gr. 8. (XVI u. 278 ©.). Heidelberg, 3. Groos, 1865. 20 Ger.

Der Berf. ift der Anficht, daß der Zwed des naturhiſtoriſchen Unter- rihts bei Maͤdchen erreiht ift, wenn fie die nöthige Stenntniß vom Bau der Thiere im Allgemeinen, von ihrer Lebensweiſe, ihren Eigenthümlichkei⸗ ten, ihrem Nugen und Schaden haben. In diefem Einne ift die vorliegende Arbeit ausgeführt. In allen Abtheilungen bejchräntt fih der Verf. auf Mit: tbeilung des Allgemeinften und defien, mas im Leben Verwendung zuläßt. Dabei geht er überall vom Allgemeinen aus und redet, wie nicht zu ver meiden, dabei von Specialitäten, wie wenn diefe den Stindern bereits be⸗ tannt wären. Für die Darfiellung hat er die Form des Vortrags in bem Grade gewählt, daß er felbft die Anredewörter groß jchreibt, das Thema abbricht, um feine Schülerinnen nicht zu ermüden u. |. w. Das ift jicher nit die Art, wie Mäpchen Raturgefhihte zu lernen baben. Statt ihnen Vorträge zu halten, gemähre man ihnen Anfhauungen und fordere fie zum eigenen Beobadhten auf. Daraus wird fih das gewünſchte „Al: gemeine über den Bau der Thiere‘‘ von felbit ergeben, außerdem aber noch viele Andere von nicht geringerer Bedeutung Gin Buch aber, welches dazu Anleitung geben will, muß etwas anders ausſehen, als das vor liegende.

33. Hundert Bögel aus allen Ländern Zur Anſchauung und Beleh⸗ rung für Die Jugend in Karbendrud ausgeführt. Ler. 8. (8 Chromolith.). Stuttgart, 9. Müller. cart. 18 Ser.

Die belannteren in= und ausländischen Vögel find nad ihrer natür lihen Verwandtſchaft zufammengeftellt und im Ganzen ziemlich gut gejzeich⸗ net und colorirt. Man kann das Werken daher jüngeren Schülern wit bejonderer Vorliebe für Ornithologie wohl in die Hände geben.

Botanil.

34. P. F. Türie’s Anleitung, die im mittleren und nörblihen Deutſch⸗ land wilbwadhfenden und angebauten Pflanzen auf eine leichte und fichere Weile durch eigene Unterſuchung zu beſtimmen. Elfte, verbefierte Auflage.- Dritte Auflage ber Bearbeitung von Auguft Lüben, Seminardirector in Bremen. 8. (VIII und 400 ©.). Leipzig, 3. €. Hinrichs'ſche Buchhand⸗ fung, 1865. 1 Thlr.

Dieje neue Auflage enthält alle botanifchen Entdedungen, welde in den lebten Jahren in dem Gebiete, welches die „Anleitung“ umfaßt, gemadht worden find, ift alfo für dafielbe eine vollftändige Ylora der Phanerogamen und Gefaͤß⸗Kryptogamen. Die erflien 40 Seiten enthalten Alles, was ber

Naturkunde. 257

Anfaͤnger aus der Organographie und Syſtematik zu wiſſen noͤthig hat, um mittels des Buches jede ihm vorkommende unbekannte Pflanze durch eigene Unterſuchung beſtimmen zu koͤnnen. In der Tabelle für die Aufſuchung der Gattungen liegt das Linné'ſche Syſtem zu Grunde, während dagegen in dem zur Beſtimmung der Arten dienenden Theile die Anordnung nah einem natürlihen Spfteme erfolgt it. Dur dieſe Einrichtung wird der angehende Botaniter unvermerft mit beiden Spitemen zugleich vertraut. Um leiht möglihe Jrrungen zu verbüten, find bei den Gattungen und Arten jo viel Merkmale angegeben, daß bei aufmerkſamer Beobachtung Nies mand fehlgehen kann, wie zahlreiche Erfahrungen gelehrt haben. Vortheil⸗ bafte Drudeinrihtung hat es dabei möglih gemaht, dem Buche einen - Umfang zu geben, der die Taſche des reifenden Botanikers nicht fehr be: Ihwert. Das Werkchen darf ſonach Lehren, Schülern höherer Schul anftalten, Seminarien, Pharmaceuten und allen Freunden der Botanil von Neuem empfohlen werben,

35. Zafhenbuh ber Flora von Nord- und Mittel-Dentidland. um Gebrauhe in Schulen und auf Ercurfionen, bearbeitet von Dr. Ern roffe. 8. (VI u. 236 ©.). Aſchersleben, O. Carſted'ſche Buchhand⸗

fung (L. Schnod), 1865. 121 Sgr.

Dies Taſchenbuch umfaßt das Gebiet, welches Garde's Flora und Cüs rie's Anleitung, von mir bearbeitet, fich geitedt haben, Böhmen ausges _ jchlofien. Die Anordnung ift nad dem Linné'ſchen Spftem erfolgt. An Mertmalen find von Gattungen und Arten nur die eigentlich unterjcheiden: den aufgeführt ; von Charafteriftit der Gattungen und Arten ift aljo nicht bie Rede. Das Buch ift ein bürftiger Auszug aus Garde, der dur zahls reihe Abkürzungen unerquidlid wird. Wir halten Bücher, die über die Gattungen und Arten fo wenig Mertmale mittbeilen, mie bier gejchieht, für den Schulunterricht nicht für erfprießlich.

36. Flora ber Umgegenb von Hamburg und Altona. Anweiſnug zum Beftinimen ber phanerogamiſchen Gewächſe der Heimath für Schüler und angehende Botaniker von $. C. Laban. 8. (III u. 164 ©.). Ham⸗ burg, B. ©. Berendſohn, 1865. 12 Ser.

Diefe Flora hat im Ganzen die Einrihtung meiner Bearbeitung von Curie's Anleitung zum Befimmen der Pflanzen Nord: und Mitteldeutſch⸗ lands. Die erfte der drei Abtbeilungen dient zur Ermittlung der Linné'⸗ ſchen Klaſſen, die zweite zur Beftimmung der Gattungen mittels dichoto⸗ miſcher Zabellen, die dritte zur Beitimmung der Arten. Gin Anhang gibt eine Weberfiht der im Gebiete vorkommenden Pflanzenfamilien. In der dritten Abtheilung ift die Anorpnung nah Koch's Flora erfolgt. Die Kennzeihen der Sattungen find bier im Zufammenhange wiederholt, was zwedmäßig if. In der Angabe der Merkmale beſchränkt fi der Verf. überall auf das geringfte Maß, auf die eigentlich unterjcheidenden Merl male. Blütbezeit, Größe und Standort find überall hinzugefügt.

Die Lehrer und Schüler der Hamburger Schulen find dem Verf, für diefe Arbeit zum Dank verpflichtet,

Bäb. Jahresbericht. XVII. 17

258 Naturkunde,

37. Flora des Herzogtbums Holftein, bes Fürſtenthums Lübed, der Stadt Tübed und deren Umgegend. Anweiſung zum Selbſt⸗ beflimmen aller im Herzogthum Holftein, ım Fürſtenthum und anf tem Ges biete ter Stadt Füred mild wacdhtenden phanerogamiſchen Pflanzen, für Echü⸗ ler, angehende Botaniker und PBharmaceuten von F. K. Kaban. 8. (V u. 250 S.). Hamburg, B. S. Derendiohn, 1866.

Bon Lübed und Holftein aus bat man gegen den Verf. den Wunſch audgeiproden, ihnen für ihre Gebiete eine Flora anzufertigen, wie die eben beiprodhene von Hamburg. Cine jolde zu liefern, konnte dem Berf. nicht ſchwer werden, da es ſich im Grunde nur darum handelte, den in der Hams burger Flora aufgeführten Pflanzen die Stanvörter von Lübed und Hob ftein hinzuzufügen. Daher ftimmen beide Schriften in allen andern Theilen auch fajt wörtlich überein.

38. Flora des Herzogthums Lauenburg, oder Aufzählung und Beſchrei⸗ bung aller im Herzogtum Lauenburg wiltwachjeuden ‘pflanzen. Bon Dr. W. Klatt. 8. (II und 224 ©.) Hamburg, W. Jowien, 1865. 24 Syr.

Einen wiflenfhaftlihen Werth bat diefe Flora nit, beaniprudt fie auch wohl nicht. Dagegen Türfte fie fich Freunden der Botanik jenes Lund: hend und dortigen Eulen in ihrer Beſchränkung empfehlen. Die Un: ordnung ift nach einem natürlihen Epftem erfolgt. Familien, Gattungen und Arten find für ben bezeichneten Gebrauch ausreichend charakteriſirt, jedoch nicht bejchrieben, wie der Titel vermuthen läßt.

39. Norddentſche Anlagen-Klora, oder Anleitung zur fchnellen Beftim-

mung der in den öffentlichen Unlagen towie in den gewöhnlichen Yuftgärten . NE. Klatt. Mit

vorlommenten Zierbäume und Zierſträucher. Von 30 lıthogr. Zafıın Zeichnungen des Berfaſſers. gr. 8 (AU u. 84 E.). Hamburg, W. Jowien, 1865. 18 Sgr.

Dies Werk enthält:

1. eine Beitimmungstabelle der Zierbäume und Sträucher nach den Blättern,

2. eine Ueberfiht der Bierbäume und Sträucder nad dem Linné⸗ fhen Geſchlechtsſyſtem,

3. eine Ueberſicht der Zierbäume und Sträuder nad) dem natür lihen Syſtem, und vollftändige Beſchreibung berjelben,

4. Ungaben über die techniſche Benußung der Zierbäume und Bierfträucher, die ſich in unfern Anlagen und Luftgärten finden.

Ein Werk dieſer Art kann für Laien in der Botanik als nützlich be zeichnet werben, und mir würden das vorliegende empfehlen, wenn ſich der Berf. etwa mehr Mühe gegeben hätte, feinen Gegenftand erj&höpfender zu behandeln. Co aber fehlen gar mande Bäume und Sträuder, bie ſich z. B. in ven öffentlihen Anlagen Bremens, das dod auch zu Norddeutſch⸗ land gehört, vielfah finden. Die Zahl der bejchriebenen Arten beläuft ih auf 157. Bon jeder Art ift ein Blatt abgebildet, was Anfängern immerbin eine gute Crleichterung gewähren wird.

Naturkunde. 259

Mineralogie,

40. Leitfaden zum mineralogiihen Unterriht an Gymnaſien nud Gewerbſchulen. Bon Dr. Th. JIſchokke, Profeflor an ber aargauifchen Santonejchule. Zweite, verbefierte Auflage. gr. 8. (Illu. 47 ©.) Aarau, H. R. Sauerländer, 1664. 6 Sgr.

Der Verf. wünfcte für feine Schüler ein Buch, das ihnen die nöthig: ften Anbaltepunlte gewährte, eine fruchtbare Wiederholung erleichterte, aber feine Vorträge nicht entbehrli machte. Darum verfaßte er den bier ges nannten Leitfaden. Cr enthält die SKennzeichenlehre, eine Ueberficht der Stunpftoffe, eine zum Beſtimmen tauglide Weberjiht des Mineralreiches in analytiſcher Form, und eine fpecielle Orpktognofie, die zujammengejeßten Mineralien mit eingefhlofien. Die Anordnung ift eine natürliche.

41. Leitfaden der Naturgeſchichte für höhere Schulen und zum Selbſt⸗ unterricht mit beſonderer Berückſichtigung bes Alpenlandes von G. Theo- bald, Brofefior an der Kantonsfhule zu Chur. Mit Abbilbungen im Holzichnitt. Dritter Theil. Mineralogie (X u. 263 ©.) Chur, 2. His, 1865. 20 Ser.

Das Buch bebandelt die Orpktognofie und Geologie, beide in wiſſen⸗ ſchaftlicher und für ven Zweck höherer Lehranftalten ausreichend ausführ: licher Darftelung. Auch die Anwendung der Mineralien ift überall berüds fihtigt worden. Wegen ver fpeciellen Bezugnahme auf die Alpen empfiehlt ich der Leitfaden vorzugsweiſe den höheren Sculanftalten der Schweiz.

Den erſten und zweiten Theil dieſes Wertes haben wir fchon früher angezeigt ; jener erihien 1863, dieſer 1864.

3. Phyſik.

. a Kür Lehrer.

42. Erfier Unterricht in ber Phyſik. Anleitung zum Gebraud ber für die württembergifhen Bollsihulen zufammengeflellten pbyfitaliichen Appa⸗ rate. Mit Genehmigung der königlichen Commiſſion filr die gewerblichen Fortbildungsichulen bearbeitet von Reallehrer Bopp. 8. (44 ©.). Ra⸗ vensburg, Dorn, 1865. 4 Sgr.

Die Grundlage für den in diefem Büchlein ertheilten Unterricht bilden die oben aufgeführten phyfitalifhen Apparate. Es wird dabei immer von Berfuhen ausgegangen, wie die Methodik es verlangt. Die Darftellung ift verſtaͤndlich; das Büchlein kann daher Lehrern und Schülern zum Ges brauch empfohlen werben.

43. Phyſikaliſches Hanpwörterbucd. Hülfebuch für Jedermann bei phy⸗ fitaliſchen ragen. Mit in den Text eingedrudten Holzichnitten. Bearbeitet von A. H. Emsmann, Dr. und Profeſſor. Zwei Bände, gr. 8. (IV, 565 u. 714 ©.). Leipzig, Otto Wigand, 1865. 53 Thlr. Bei dem heutigen Umfange der Phyſik und den ſich völlig drängen: den Entdedungen in dieſem Gebiete ift ein phyſilaliſches Handbuch, das über das Vorhandene Auskunft gibt, für Alle Bedürfniß, die für biefen Gegen

17*

260 Naturkunde.

ftand Sinterefie haben. Verbindet ein ſolches Buch in den einzelnen Ar⸗ titeln mit der erwünjchten Bouftändigleit Kürze, jo ift es um fo angeneh⸗ mer und braudbarer. Dies kann im umjfajjendften Sinne von dem bier genannten Merte gejagt werden. Ich habe eine Reihe Artifel eingehend geprüft, aber keinen gefunden, ver mid nicht vollftändig befriedigt hätte, Das Ruch kann daher Allen, die fih auf dem gegenwärtigen Standpunkte der Phyſik erhalten wollen, beftens empfohlen werden. Die Ausstattung ift ſehr anſprechend.

44 Oründlicher Einblid in bie gebeimnihvollen Wunder ber Naturkräfte. Bepuläre Naturmiflenfhaft zur Seibfivelehrung. In an⸗ ziebeuder und leicht faßliher Korm für dem benfenden Mann, die wißbe⸗ nierige Jugend, fomie aud für die gebildete Damenwelt bearbeitet von Emil Bio. Erſtes für ſich völlig abgeſchloſſenes Bändchen: Die Luft und ihre Wirkungen. 8. (X u. 93 ©.) Augsburg, in Commiſfion von 3. A. Schlofler, 1865. 12 Sgr.

Schon mehrere Jahre bat fih ver Verf. mit dem Gedanken beichäf: tigt, „ob denn feine Möglichkeit vorhanden fei, die Naturwiflenfchaften in eine Form zu kleiden, in welder fie jeder Gebildete, der ſich für dieſelben intereffirt, wenn er auch durchaus feine mathematiſchen Vorkenntniſſe befißt, nicht nur gründlid und wiſſenſchaftlich erfaflen kann, ſondern daß diejelben zugleihb aud eine angenehme und anziehende Unterhaltung in den Mufe: ftunden (Mußeftunden) bilden.” Nachdem er fih alle Echwierigleiten ‚nor tirt“, die er bei feinen eigenen Studien kennen gelernt hatte, glaubt er „Died hohe Ziel’ erreihen zu können. Wodurch? Dadurch, daß er die Briefform mählte, die ihm geftattete, breit und rebfelig zu merden. Zu folhen Anſchauungen gehört in der That eine große Naivetät.

Mer dieſe Form liebt, der wird in biefem Büchlein feine Rechnung finden. Um dem Berf, gerecht zu werden, fei bemerkt, daß die behandelten Gegenftände zu den interefjanteren der Quft gehören, daß der Berf. jedoch Mandes mit beranzieht, was man nad dem Specialtitel nit erwarten durfte.

b. Für Schüler höherer Säulen.

45. Compendium ber Phyfit von Theodor Sob, Dr. med., Brofeffor der Phyſik in der philoſophiſchen Section des königl. Lyceums zu Bamberg. Mit 61 Helzſchnitten. gr. 8. (U u. 279 S.). Grlangen, Ferd. Enke, 1866. 1 Thlr. 6 Sgr.

Das Bub ift, wenn das auch weder auf dem Titel noch in einer Borrede gejagt wird, für den Unterriht in höheren Schulanftalten beftimmt, da es ſich auf die höhere Mathematik ftügt. Hierfür wird es fich feiner Ueberſichtlichkeit und Klarheit wegen als fehr braudbar erweiſen. Jutereſ⸗ fant ift die Gruppirung des Materiald. Der Berf. bat nur drei Hanpt- abſchnitte: I. Allgemeine Phyſik. IT. Phyſik des wägbaren Stoffes. (Bleihgewiht und Bewegung der feften Körper. Die Zlüffigfeiten. Die Bafe. Lehre vom Ecall.). III. Phyfit des Aethers. (Liht. Wärme. Magnetismus. Gieltrictät.).

Naturkunde. 261

46. Die Phoſik, für den Schulunterricht bearbeitet von Albert Trappe, Königl. Profeffor und Prorector an ber Realihule am Zwinger zu Bres⸗ lau. Dritte, welentlich verbeflerte und bereicyerte Auflage. Mit 245 in ben Tert gebrudten Abbildungen. gr. 8. (VII u. 296 ©.). Breslau, Ferd. Hirt, 1865. 25 Sgr.

Die zweite Auflage haben wir im 12. Bande beurtheilt und nad mehrfacher Beziehung hin als ein „recht braudbares Schulbuch” bezeichnet. Die vorliegende dritte Auflage hat außer mancherlei Berbeflerungen einen ziemlich umfangreihen Abjchnitt über Chemie erhalten, dasjenige nämlich, was hieraus in Gymnafien gelehrt zu werben pflegt. Jedenfalls hat das Wert dadurh an Brauchbarkeit noch gewonnen.

47. Lehrbuch der Phyſik für Schule und Haus. Bon Dr. Heinrich Bolze. Zweite, vermebrte und verbefierte Auflage. gr. 8. (III u. 294 ©.). Cottbus, U. Heine, 1965. 27 Sgr.

Die zweite Auflage unterfcheidet fi) von der erften der Hauptſache nah nur darin, daß die Abjchnitte „Polarismus“ und , Geometrifhe Auss einanderfeßungen” meggelafien find und dafür ein kurzer Abriß der Chemie hinzugefügt if, der an den Schluß geftellt wurde. Sonſt bemühte ſich der Berf., noch größere Kürze und Schärfe in der Darftellung zu erzielen. Dies Streben ift von Erfolg gemefen ; denn das Lehrbuch zeichnet ſich in der That dur erfreuliche Klarheit aus.

48. Anfangsgründe der Naturlebre von Dr. 3. Frick, Großberzogl. Bad. Schulrath. Fünfte, gänzlich umgzarbeitete Auflage. Mit 254 in dem Tert gebrudten Holzſchnitten. gr. 8. (XIII u. 217 S.). Freiburg i. Br., Fr. Wagner, 1865. 27 Sgr.

Die früheren Auflagen waren für die höheren Bürgerfhulen und bie mittleren Klaſſen der Oymnafien beftimmt, enthielten daher Manches, was für Letztere nicht ganz geeignet erſchien und durch Sternchen bezeichnet wor: den war. Die meitere Entwidelung der höheren Bürgerſchulen erforderte nah und nad einen umfangreicheren Unterricht, das Bud wollte daher für diefe Anstalten auch nicht mehr recht paſſen. Diefe Umftände haben den Berf. bewogen, dafjelbe nur für die mittleren Klafien höherer Echulanftals ten zu befliimmen und darnach neu zu arbeiten. Daß die Arbeit dadurd an Braudbarleit gewinnen mußte, leuchtet ein; fie bat nun einen Kreis, in dem fie ganz genügt.

49. Lehrbuch ber Phyſik für bie unteren Klafjen der Mittelfhu- fen. ®on Dr. Georg Ullrich, Director der Landes⸗Oberrealſchule im Krems. Mit zahlreihen in ben Tert gedrudten Holzichnitten. 8. (III u. 150 S.). Wien, Sallmeyer u. Komp., 1865. 3 Thlr.

Für die auf dem Titel genannten Klafjen gehört dies Buch zu den beiten, die uns feit längerer Zeit vorgefommen find. Der Verf. gebt überall von Erfheinungen und Berjuhen aus, deutet diefelben jedoch mehr an, und fchließt hieran die Begriffsbeftimmungen und Folgerung in fehr befimmter und fnapper Form, woraus dem Ecüler für feine Wiederho— langen eine große Hülfe erwaͤchſt. Für die Wiederholung ver im Unter:

262 Naturkunde.

richt gehabten Anſchauungen geben die ſaubern Abbildungen genügenden Anhalt. Die Ausflattung iſt anſprechend.

50.0 Aufgaben aus der Phyfit nebfl einem Anbange, pbofitalifche Tabellen enthaltend. Zum Gebrauche für Lehrer und Schüler in höheren Unterrichts⸗ anftalten und befonders beim Selbftunterricht bearbeitet von Dr. C. lied: ner, ordentlihem Sauptlehrer am Gymnaſium zu Sanau, früher an ber Realſchule daſelbſt. Mit 55 in ben Tert eingebrudten Holiftiden. gr. 8. (XII, 118 u. 25 ©.‘. Braunſchweig, Fr. Bieweg u. Sohn, 1865. 16 Ber.

51. Aufldöfungen zu ben Aufgaben in ber Phyſik. Mit 103 in ben Tert einnebrudten Holzſtichen. Dritte‘, verbeſſerte und vermehrte Auflage. gr. 8. (II u. 165 ©.). Ebendaſelbſt, 1865. 24 Ser.

Dir haben uns bereits über die früheren Auflagen anertennend aus: geſprochen und können uns daher mit Wiederholung unferer Empfehlung begnügen.

52. Die Mechanik. Em Lehr- und Handbuch zum Gebrauche an Gewerbe und Realſchulen, fowie zum Privatſſudium von Dr. Julius Wend, Di- rector ber herzoal. Gewerbeſchule zu Gotha. Mit 175 Figuren in Holy fohnitt. gr. 8. (X u. 493 S.). Leipzig, F. 4. Brockhaus, 1866. 13 Thlr.

Eeit der Zeit, mo neben dem Baufahe das Mafchinenwefen einen hoben Aufſchwung genommen, bat man aud in den höheren modernen

Schulanſtalten, fo namentli in den Gewerbe: und Realſchulen, der Me

chanik größere Aufmerkſamkeit zugewandt und fie wiederholt jelbitftändig bes

arbeitet. Diefen früheren Bearbeitungen reihet fih die bier genannte in mürdiger Weife an. Der Verf. war zunaächſt darauf bedacht, dem Lernen: den ein klares Bild von den Gefepen der Mechanik und ihrem Zuſammen⸗ bange zu geben und Beides dann dur ausgeführte Beijpiele zu fördern.

Die Anwendung diejer Gejeße auf das Mafchinen: oder Baufach blieb aus

geſchloſſen, ein Verfahren, was Billigung verdient,

53. Leitfaben für den Unterridt in ber reinen und angewandten Mechanik! Bon Dr. Paul Wiecke. Mit 46 eingebrudten Holzſchnitten und 1 litbographirten Tafel. gr. 8. (ITT und 172 ©.) Leipzig, Otto Wigand, 1865. 20 Sgr.

Von der Wend'ſchen Schrift unterſcheidet ſich dieſe durch größere Knapp⸗ beit, eine geringere Anzahl von eingedrudten Figuren und durch größere Rudfihtnahme auf die Anwendung der Mechanil. Da der Vortrag ein Harer ift, jo wird fih das Buch als Leitfaden” gewiß aud als brauchbar erweijen, namentlih auch als Anhalt für felbitftändige Durcharbeitung des im Unterrichte Gebörten.

54. Bopuläre Phyſit oder leihtfaglihe Naturlehre für Töchter» ſchulen. Mit befonderer Rüdfiht auf den häuslichen Beruf des weiblichen Geſchlechts bearbeitet von Jakob Miedel, Lehrer an ber böberen Bürger- ſchule zu Heidelberg. Mit 75 in den Tert eingebrudten Figuren. gr. $. (XIX u. 224 &.\. Heidelberg, I. Groos, 1662. 20 Ser.

Der Verf. weiß von feinem Buche viel Vortrefflihes zu jagen, hätte aber jedenfalls befier gethan, das Nühmen unparteliihen Recenfenten zu

Naturkunde. 263

überlafien. Wenn wir aud zugeben, daß der Verf. im Ganzen ben rid: tigen Stoff für höhere Töchterfchulen. gewählt bat, fo müflen wir doch auch von diefer Arbeit jagen, was wir oben über die „Thierkunde“ des Verfaſ—⸗ ſers ausſprachen, daß fie nämlid an unangenehmer Breite leidet.

Was der Verf. über den Gebrauh feines Buches in der Vorrede fagt, läßt ung feine ſehr günftige Meinung über feine methodifchen Grund: fäge befommen. Tarnad wird „ver Pehrer am beiten thun, jeden einzelnen Baragraphen vorher von den Schülern lefen zu lafjen, und ihn felbit nad: ber in feinem Vortrage erklären, ergänzen oder weglafjen, was er für gut findet. Das auf diefe Weile in einer Stunde Durcdhgenommene kann dann für die nächſte Stunde aufgegeben werden, damit fo auf dem Wege des Privatfleißed das Gelernte mehr befeftigt werde und in Fleifh und Blut abergehe.“

e. Für Schüler in Volkeéſchulen.

55. Naturlehre für Volksſchulen und Fortbildungsſchulen von. Miedel, Lehrer an ver höheren Bürgerſchule zit Heidelberg. Dritte, ver» mebrte und verbejlerte Auflage. Mit 23 Holzſchnitten. 8. (57 5.) Hei⸗ beiderg, G. Weiß, 1865. 4 Sgr.

Diefe Heine Schrift ift ein gedrängter Auszug aus des Verfaſſers oben bejprodener „Phyſik für Töchterjchulen‘‘, hat daher audy diefelbe An: ordnung, d. h. diefelbe, die den Büchern für höhere Schulanftalten eigen ift, wonach mit den allgemeinen Eigenfihaften begonnen und mit dem Welt: gebäude gejhloflen wird. Daß diefe Anordnung einen Kortichritt vom Leitern zum Echwerern nit in ſich ſchließt, ift befannt. Gehen wir das von ab, jo können wir von dem Büchlein jagen, daß ed das Wichtigfte aus der Naturlehre für Kinder der Volksſchule darbietet, auch in angemeſſe⸗ ner Form; man kann fich deſſelben daher wohl für den Unterricht bedienen.

4 Chemie.

56. Grundriß der Chemie. Gin Leitfaden für den Unterricht an Gewerbe⸗ ſchulen und verwandten Lebranftalten. Unter Beriidfihtigung der Beftim- mung der Schulordnung für bie techniſchen Lehranftalten bearbeitet von Dr. &. Nuchte, Lehrer ber Chemie und Naturgeſchichte an der königl. Ge⸗ werbeihule zu Neuburg a. d. D. gr. 8. (VII u. 338 S.). Rofenheim, &. Huber, 1866. 24 Ser.

Die Anorbnung des Materials ift die gemöhnlide. Es wird nämlid das Allgemeine vorausgefhidt, dann die anorganiſche und hierauf die or: ganiſche Chemie abgehandelt. Den Schluß macht eine kurze Geſchichte der Chemie. Anerlennenswerth ift, daß der Verf. eben fo ſehr nach klarer Eins ficht, ala nad) Verwendbarkeit des Wiſſens im Leben, namentlih im Bes reich der Gewerbe und Fabriken, ftrebt. Aus diefem Grunde kann das Buch den auf dem Zitel genannten Anftalten beftens empfohlen werden.

57. Anfangsgründe ber unorganifhen Chemie. Bearbeitet von L. riße, Lehrer am Scullehrer Seminar zu Oranienburg. br. 8. (Il u. 112 &.). Brandenburg, A. Müller, 1865, cart. 10 Ggr,

264 Raturkunde.

Was Boftel Iund Schlichting in ihren früher von uns beſprechenen Schriften anftrebten, verfuht der Berf. diefer „Anfangsgründe.” Eein Ber: fahren ift weder von dem dieſer Echriftfieller, nody von dem Stöchardt's, dem Begründer der richtigen Methode für den Unterricht im der Chemie, verfhieden ; aber er bietet etwas weniger Stoff als jene, wogegen wir an und für fih nichts zu erinnern haben. Wir würden uns vielmehr jehr freuen, wenn erft endlich in allen deutfchen Seminaren fo viel Chemie gelehrt würde, als bier geboten wird. Hoffentlich ſchließt aber der Verf. Die ar: ganiſche Chemie nicht ganz aus, da fie für das Leben von großer Wich⸗ tigteit it und außerdem Auffchluß über die Zufammenfegung der Organis- men gibt.

58. Chemiſche Bilder aus dem Alltagsleben. Nah dem Englildhen bes James Johnſton. Neue Ausgabe. gr. 8. (XVI u. 460 ©.). Leip- zig, Senf, 1865. 1 Thlr.

Dies Werl erihien 1854 und hat feitvem feine neue Auflage erlebt ; auch die jetzt vorliegende ift nur eine Titel-Ausgabe.. Man muß fi dar: über wundern, denn die Schrift ift wirklich gut; fie verbreitet ſich, aͤhnlich wie Ule's Chemie der Küche, über die wichtigſien ®egenftände für das menſchliche Leben, und belehrt in ſehr anſchaulicher und anziehender Weile darüber.

59. Zeitfährift für Chemie, Archiv für das Gefammtgebiet ber Wifien- haft. Herausgegeben von F. Beilftein, R. Fittig und H. Hübner in Böttingen. Neuer Jahrgang. Neue Folae. II. Band. 1. Heft. gr. 8. (2 Bogen). Leipzig, Quandt u. Händel, 1866. Jahrlich: 34 Thlr.

Dieje Zeitfchrift hat fi eine doppelte Aufgabe geftellt: raſche Veröf fentlihung eingefandter neuer Driginal:Arbeiten und auszugsweife Mitthei⸗ lung aller irgend zugänglichen in: und ausländifhen neuen Abhandlungen. Dadurch bildet fie gewiſſermaßen einen laufenden Jahresbericht für vie Chemie, was für vielbejdhäftigte Chemiler und Alle, die fihb mit den Fortſchritten der Chemie vertraut halten wollen, fehr widtig if. Daß die Zeitſchrift diefe Aufgabe jehr gut löſt, ift befamnt. -

5. Technologie,

60. Lehrbuch der hemifhen Tehnologie, Bon Dr. Jof. Joh Pebl, Profeflor ver Chemie und Technologie am k. k. polytechuiſchen Infitut im Wien. Ginleitung zur chemiſchen Technologie. Erſte Hälfte Mit 57 dem Terre eingebrndien Holzſchnitten. gr. 8. (208 ©). Bin, B. Braw- müler, 1865. 14 Thlr.

Die Einleitung zur chemifhen Technologie zerfällt in einen allgemei: nen und einen bejondern Theil ; erfterer Tiegt ganz vor (S. 1— 176), leß⸗ terer iſt erft begonnen. Der Berf. hatte bei der Abfafiung ficher das po: Intechnifche Inftitut vor Augen, an dem er als Brofefior wirt. Seine - Darftellung ift daher eine gelehrte, immerhin aber ſehr Klare und anfchauliche.

Für Anftalten, wie die genannte, kann das Buch daher als ein vortrefi: liches bezeichnet werden. Die Ausftattung deſſelben ift fehr gut.

Naturlunde 266

6. Landwirthſchaft.

61. Ueber die Berückſichtigung volkswirthſchaftlicher Geſichte— punkte im gefhihtlihrgeographifhen Schulunterricht. Ein Vortrag, gehalten in der Berfammlung mittelrbeiniicher Lehrer an Real⸗ fhulen und verwandten Schulanflalten, von Guſtav Chun, Oberlebrer in Frankfurt a. M. gr. 8. (II u. 12 S.). Frankfurt a. M., 5. 8. Auf fartb, 1865. 2 Ser.

Der Berf. verlangt, dab im Unterriht in der Geographie und Ge: ſchichte volkswirthſchaftliche Gefihtspunfte genommen und vollswirthicaft: lihe Grundſätze zur Beiprehung gebracht werden follen. In dem Bor: trage wird das aber mehr angedeutet als klar gezeigt, mas darin feinen Grund bat, daß der Verf. beftrebt ift, das Weſen der Volkswirtbſchaft dars zulegen, ftatt vorauszuſetzen. Wir geben übrigens dem Berf. injofern Recht, ale wir der Anficht find, daß Geſchichtsunterricht, der ſich's nicht zur Auf gabe macht, die Entwidelung des Menſchengeſchlechts zu zeigen, von unter: georbnetem Merth iſt. Gefchieht das aber dagegen, fo knupfen fih daran ungeſucht vollswirthſchaftliche Lehren. Rur warnen wir vor dem Zuviel, damit nicht die Hauptfadhe beeinträchtigt wird. Cs dürfte übrigens zmedmäßig fein, die Idee durch Beifpiele zu erläutern, wozu wir dem Berf. den Praktiſchen Schulmann empfehlen.

62. Landwirthfhaftiihes Leſebuch von Dr. Friedrich von Tſchudi. Bom ſchweizeriſchen landwirthſchaftlichen Berein getrönte Vreisſchrift. Vierte, verbeſſerte Auflage. Mit 61 Abbildungen. gr. 8. (XIII und 388 S.). Frauenfeld, 3. Huber, 1865. 1 Thlr.

Dies mit großem Beifall in der Schweiz mie in Deutichland aufges nommene Buch bat folgenden Anhalt: 1. Von der Landwirtbicbaft und dem Landwirt. 2. Bon Luft, Wafler, Wärme und Licht. 3. Der Boden und bie Bodenbearbeitung. A. Bom Dünger. 5. Vom Bau und Leben der Pflanzen. 6. Die verfchiedenen Adergewaͤchſe. 7. Obft und Wein. 8. Die Hausthiere und ihre Pflege. 9. Allerlei Lehren und Betradhtungen.

Der Berf. bat fein Leſebuch für Yortbildungsfchulen beftimmt, nicht für die Volksſchule, die ſich direct nit mit der Landwirthſchaft befafien fann. Die ganze Haltung defjelben ift eine vortreffliche; denn während die Verfaſſer ähnlicher Schriften nit aus den Kuh⸗ und Schweineſtaͤllen beraustommen, bemübt fi Tſchudi, feine Leer anzuregen, das Selbftven: fen zu weden und zu fördern und fittliche Lebensanfhauungen zu befeitigen. Es ift für ſchweizeriſche Schulen beftimmt und nimmt ganz direct auf dor⸗ tige Verhältnifie Rüdficht ; da aber die landwirthſchaftlichen Verhältnifie in Deutihland mit denen der Schweiz in vielen wejentliben Stüden überein: flimmen, fo verdient das Buch au von deutfchen Lehrern und Landwir⸗ then Beachtung.

63. Anleitung zur Obſtbanmzucht in Schullehrerjeminarien, in Werktags- und Kortbilbungsihulen. Bon F. 3. Bobdenmüller, Geminardirector in Ettlingen. Dritte, verbefferte Auflage. Mit vier litbo- arapbirten Tafeln. gr. 8. (VIII u. 48 S.). Ettlingen, F. Diehm'ſche Buchdruckerei, 1866,

266 Naturkunde.

Dies Schriftchen behandelt die ganze Obftbaumzudht fo Mar und «. ſchaulich, daß jeder ſich felbit darnach unterridten kann, woraus von felbk folgt, daß es fi jehr gut für den Unterricht in Seminaren und Schulen eignet. Der preußifche Uinterrichtsminifter und der badiſche Oberſchultath baben das Büchlein für den gedachten Zwed betvefienden Orts empfohlen, welcher Empfehlung wir uns gern anſchließen.

64. Die Maikäfer und Engerlinge, mit befonberer "Berüdfichtigung ihrer Vermehrung, des durch fie entfiebenden Schadens unb ber Art ihrer Ber tilgung. Bon F. J. Bodenmüller, Seminardirector in Ettlingen. Mit einer lithographirten Tafel. gr. 8. (VI u. 27 S.). Karlsruhe, G. Braun, 1966.

Diefe Schrift it aus dem Wunſche entftanden, zur Verhütung bes Schadens beizutragen, den die Dailäfer oft in Deutichland anrichten. Der Verf. beichreibt zu diefem Bwede den Mailäfer und feinen Engerling, zeigt die Größe des Schabens, den er anridtet und gibt die erprobten Mittel zur Bertilgung befielben an. Belanntlid ift über diefen Gegenftand ſchon viel gejihrieben worden. Das Beſte darüber findet ſich jebod in größeren Merten, wie 3. B. in den „Forfi:{jnfecten‘ von Ratzeburg; es mar daber immerhin zwedmäßig, Zuverläffiges in einer Heinen, leicht zugänglicen Schrift zufammen zu fielen. Das ift denn auch in der That bier mit Geſchick geſchehen: nur in der Beſchreibung des Mailäfers felbft find einige Heine Untidhtigleiten untergelaufen, worauf indeß bier nicht viel anlommt, da Jedermann den Maitäfer jo weit kennt, als für feine Bertilgung er forderlich iſt.

vl. Allgemeine Pädagogik .

Bon

Profeſſor Dr. H. Gräfe, Borfteher der Bürgerfchule in Bremen.

1. Encyklopaͤdie der Paͤdagogik.

1. Encyliopäbdie Der Pädagogik im Grundriß. Zum Gebrauche bei Borlefungen und zum Selbfiftudium. Bon Dr. Albert Wittftod. Hei- beiberg, Fr. Baflermann, 1865. 134 ©. 8. 24 Sr. .

Der Berf. gehört bekanntlich zu den Nadicalreformern auf dem Gebiete der Schule, und fein Eifer für Hebung berjelben und des Lehrftandes ver: dient unftreitig Anerlennung. Die von ihm vorliegende Encyllopädie muß. aber in dem fahlundigen Lefer ven Wunfch erweden, daß er zur Zeit von wiſſenſchaftlich⸗ paͤdagogiſchen Arbeiten, oder doch von ihrer Veröffentlihung, ſich noch fern halten möge. Denn fein Wiflen bewegt ji im Gebiete der Paͤdagogik, d. i. der Erziehungsmifienfchaft, noch ganz auf der Oberfläche. Es gehört ein bober Grad von Selbitgefühl dazu, eine ſolche Arbeit zum Gebrauche bei Borlefungen (doch wohl auf der Univerfität ?) zu beftim- men, und daß der Verf. fie wirklich dazu beftimmt hat, muß gerechte Bes denken gegen die pädagogiihe Alademie hervorrufen, vie er, wenn ich nicht re, in Frankfurt begründen will.

Der Berf. glaubt, daß er einem tiefgefühlten Bepürfnifie abgeholfen habe, da es ſehr noth thue, „ih auf dem jebt von fo vielfadhen und verichlun: genen Wegen durchkreuzten Gebiete der Pädagogik zu orientiren. Zugleich will er aber durch feine Arbeit andere Päpdagogiler anregen zu ähnlichen Arbeiten; denn die Anfichten feien verfchievden und die Wiſſenſchaft werde nur gewinnen, wenn recht viele Encyllopädien der Pädagogik entftünden (?). Das ift in der Ihat eine etwas ſeltſame Anfiht, wenigftens müflen wir dringend wünſchen, daß die etwaigen Nachfolger des Berfafierd Befleres liefern. "

Die ſyſtematiſche Encyllopädie der Pädagogik verfolgt nur den formalen Zwed der Drientirung ; fie it nur ein Wegweiſer. Ihre Auf gabe befteht nicht darin, das ganze erziehlihe Wiſſen ſachlich erihöpfend

268 Allgemeine Pädagogik.

barzulegen, was Sache der pädagogiihen Real encyklopädie ift, fondern nur darin, den Inbegriff dieſes Willens überjihtlih und gegliedert ausein- ander zu legen, damit fih das Weien und der Umfang der Erziehungs wiſſenſchaft und ihrer einzelnen Theile oder Disciplinen, ſowie die innere Beziehung diefer zu dem Ganzen und zu einander erfennen, und dadurch ein fruchtbarer Ueberblid über das Ganze der Wiſſenſchaft gewinnen läßt, der zugleich zeigen kann, was in berjelben bereits geleiflet worden, was noch zu leiften if. Die Löfung diefer Aufgabe ift nur möglich durch phi⸗ loſophiſche (alfo auch logifche) Entwidelung, die von dem Begriffe der Cr ziehung ausgeht.

In der Arbeit unſers Verfaſſers findet fih aber weder Etwas von Entwidelung überhaupt, noch weniger von philofophifcher und logifcher Ent: widelung. Gr gibt nur willkührliche Worterflärungen, zählt ohne fyftema tifhe Ordnung Disciplinen auf, die Glieder der Pädagogik find oder aud nicht find, ſpricht darüber fehr ungezwungen, ohne in das Wejen berfelben irgend einzugeben, gibt ftatt feiner Anſicht vielfach nur die Anderer, aber ohne Plan und Auswahl und zählt ohne alle Kritit in bunter Reihe vice Büchertitel auf, läßt aber nicht felten wichtige Werke unerwähnt. Et kennt fogar keine andere Bearbeitung der fpflematifhen Encyklopaͤdie der Pädagogik als die von Stoy, obgleih er die „pädagpgifhe Wiſſen Ihaftstunde von Wörlein fpäter citirt.

Der Berf. unterſcheidet als Haupttbeile der Pädagogit Fundamen⸗ talsWiffenfhaften (Anthropologie und Ethik), hiſtoriſche Päda: gogil und fyftematifhe Pädagogik. Die hifloriihe ftelit er vor die fpftematifcge, weil zuerft nah den Quellen der Wiſſenſchaft geſucht, zuerfi der biftorifhe Boden, auf welhem fie rubt, betradhtet werden muß, damit ihr wahrer Inhalt nicht ver feblt werde, und begreift darunter die Literaturgeihichte der Pädagogil, die Gefhihte der Pädagogik und die Hermenen: tit und Kritil der pädagogiſchen Syſteme. Dieſe unwiller Ichaftliche und unlogifhe Auffaffung ift ſchon ein genügender Beweis, dab es dem Verf. an innerem Berufe zur Löfung der Aufgabe fehlt, die er ſich ftellen zu müflen geglaubt bat. Ob die biftoriihe Pädagogik ihre Stelle vor oder nad der ſyſtematiſchen zu erhalten bat, mag zweifelhaft fein. Beide bedingen ſich gegenfeitig, wie die Glieder in jedem Organismus ; di hiſtoriſche Pädagogik kann aber in keiner Weile die Gewähr geben, daß dit Erziehungswiſſenſchaft zu ihrem wahren Inhalt gelange. Dem Verf. ſcheint dabei vorgefihwebt zu haben, daß die Päpagogit keine rein philoſophiſche Wiſſenſchaft ift, fondern vorzugsweife auf Grfahrung beruht, und er bat ierthümlich Gefchichte und Erfahrung als gleichbedeutend genommen. Refe rent hält es, wie er ſchon früher dargelegt hat, für das Angemeflenfte, die biftorifhe Pädagogik auf die ſyſtematiſche folgen zu lafien, weil tiefe ohne jene verftändlih und fruchtbar ift, nicht aber umgelehrt jene ohne bisfe.

Bon größerer Bedeutung ift es aber, daß des Berfaflers Auffaſſung der biftorifchen Pädagogik aller Wiſſenſchaftlichkeit und Logik entbehrt, 6Es werden Literaturgefchichte und Hermeneutik ber Geſchichte der Paͤdagogik wehengeoränet, Neu ift dies allerdings, aber völlig verkehrt. Die Liter

Allgemeine Pädagogik. 269

tnrgefhichte der Pädagogik gehört eben jo wenig zum Organismus ber Erziehungswiſſenſchaft, ſo wenig der Einband eines Buches zum Buche jelbft gehört. Keinem Berfafier einer theologifhen oder juriftiihen Ency: Mopädie ift es jemals eingefallen, die Fiteraturgejchichte der Theologie oder Jurisprudenz zu einem organifchen Gliede der Wiflenfchaft zu erheben. Mas aber die Hermeneutif betrifft, welche bekanntlich die Grundfäße dar: legt, wie Schriften zu verftehen und auszulegen find, fo bat bdiejelbe gar feine bejondere und eigenthümliche Beziehung zur Wifjenfhaft der Päpa: gogil. Bon einer fpecififh:pädagogiichen Hermeneutik zu ſprechen, ift ein: fah Unfinn. Dem Berf. bat vorgefhwebt, daß in der theologifchen und jeriftifhen Encyllopädie von Hermeneutif die Rede ift, er bat aber dabei vergefien, daß diefe Wiſſenſchaften pofitive im ftrengen Einne find, inmie: fern fie auf gefchriebenen Quellen von eigenthümlicher Art beruhen, die für fie eine Autorität bilden, der fie fi unterwerfen müflen. Das genaue Berftänpniß und die rihtige Auslegung dieſer autoritativen Quellen erfor: dert zwar leine andern Grundjäße als die der allgemeinen Auslegung: tun (Hermeneutil), aber doc in der Anwendung bderjelben bejondere Bor: und Umficht, und nur infofern ift von einer bejondern theologijhen und juriftifchen Hermeneutik die Rede.

Bon der Aufgabe der biftoriihen Pädagogik bat unfer Verf. Teine völlig Mare Anfiht, wiewohl er bier nody am meiften Richtiges fagt. Er hält die Geſchichte der praftiihen Erziehung und der erziehlihen Xheorie nicht auseinander, und er hat eine ©liederung der hiſtoriſchen Pädagogik nicht einmal verjudt.

Die jpftematifhe Pädagogik, deren Begriff nicht einmal feft: geftelit wird, läßt der Berf. in die theoretifhe und praftifhe Päs dagogik auseinander treten. Dagegen ift Nichts zu erinnern, menn auch Referent die Bezeihnung reine und angewandte Pädagogik ſchon darum für angemefiener hält, weil dadurch einer Verwechſelung der praf: tiſchen Pädagogik mit der praftiihen Erziehung von vornherein vorgebeugt wird. Die theoretiihe Pädagogik wird fehr fur; und nur mit einigen Ausfprüden von Erziehungstbeoretifern über Begriff und Princip der Er: ziehung abgefunden. Sie wird als verjenige Theil der Erziehungswiſſen⸗ Schaft bezeichnet, welcher fi mit dem Aufſuchen und Ordnen der Grund» fäße und Regeln für das Geſchaͤft der Erziehung befaßt. Diefe Definition ift zu weit, da fie auch die praltiihe Pädagogik umſchließt. In der Auss führung (wenn von einer folden überhaupt die Rede fein kann), wird aber die theoretiiche Paͤdagogik wieder in allauenger Beichränlung gefaßt, indem ihr nur die Feftftellung der oberften Principien, des Zieles der Er- ziebung zugewiefen wird. Die praftifhe Pädagogik ſoll dagegen nad: weifen, wie viefes Biel erreicht werden kann. Die theoretifhe Pä⸗ dagogik ſchrumpft daher zu einer bloßen pädagogifhen Zwedlehre (Te leologie) und entgegen der praktiihen faft auf Nichts zufammen. Sn die legtere, welche der Berfafler bei feinem Mangel an logifhem Den: ten aud als päbagogifhe Prarid bezeichnet, fällt nun natürlih aud das, was fonft und mit vollem Rechte der theoretiſchen zugetheilt wird, namentlih die körperlihe Erziehung, die Disciplin, der Unterriht. Die

270 Allgemeine Pädagogik.

praftifhe Pädagogik umfaßt nad) dem Verf. zwei Haupttheile: vie Erzie⸗ bungslebre und die Unterrihtslehre, und bie erftere zerfällt in folgende Theile. 1. Koͤrperliche Erziehung: a. Sanitäts:Päpagogit (Diätes tit und Gpmnaflit), b. Heil:Pädagogil ; 2. Geiftige Erziehung, c. Familien Pädagogik, an melde die Paͤdagogik des Kindergartens ſich anfchließt, d. die Lehre von der Mädchenerziehung, e. Inſtituts Paͤdagogik (Waiſen⸗ Erziehung, Rettungsbäufer), f. Schul-Pädagogil, deren untergeorbnete X heile wiederum find Volksſchul-Paͤdagogik, Fachſchul⸗Paͤdagogik (Gymnafial:Bädar gogit, Berufsihulen), Schul:Berjafjungslehre (Schulgefepgebung und Schul: reht, Schulauffiht und Schulftatiftit), Magiftral:Bäpagogit (Vorbereitung für das pädagogifhe Studium, Lehrerbildung, der Hauslehrer, Amtsfüh⸗ tung), die Lehre von der Disciplin. Die Unterridhtslehre, der zweite Haupttheil der praltiihen Pädagogik, ſchließt in fih a. Didactik, b. Methodik (Katechetik, Sokratik) und c. pädagogijches Seminar. Diejes wüfte Durdeinander von wirklichen und eingebilveten paͤdagogiſchen Die ciplinen ſpricht aller logifchen Gintheilung und ſyſtematiſchen Anordnung Hohn, und es verlohnt fi nicht der Mühe, ein weiteres Wort darüber zu verlieren.

Die eigenen Anſichten, die der Verf. bei Beiprehung der einzelnen Dieciplinen darlegt, geben öfters zu Widerfprud Veranlaſſung. So 3. B., wenn er die Gymnaſien und Realſchulen als Fachſchulen bezeichnet, die Schulbehörden ausfhließlid mit „ausgebildeten Pädagogen’ bejebt willen will, den Communalſchulen unbedingt das Wort redet, den Zaubftummens und Blinden:Unterriht in die Heilpädagogik vermweilt.

2. Sncyllopäbie bes gefammten Erziehungs. unb Unterrichte⸗ weſens bearbeitet von einer Anzahl Schulmänner und Gelehrten, berau& gegeben unter Mitwirlung von gorofefior v. Palmer und Brofefior Dr.

ildermuth in Tübingen von Dr. 8. U. Echmidt, Rector des Gym⸗ nafiums in Stuttgart. 44.—48. Heft. Defterreih (Schluß, bie Geſchichte ber YPädagogıl. 5. Bb. ©. 289-768. Gotha, Rudolf Befler, 1865. & Heft 12 Sgr.

Der im 43. Hefte begonnene Artifel „Defterreih” (von Dr. Ficler) füllt mit Ausnahme weniger Eeiten das 44., 45. und 46. Heft. Die übrigen bemerkenswerthen in ben vorliegenden Heften enthaltenen Artikel find : Oldenburg (von Harms), DO:ppofitionsgeift (von 9. Lange namenb lid von jüngeren Lehrern ſehr zu beberzigen), Orbnung (von Ylashar), Pädagogit (von Ernft Moller), Pädagogik des Alten Teftamentes (von Debler), Paͤdagogik ded Neuen Zeftamentes (von Palmer), Geſchichte der Pädagogik (von ©. Bauer noch nicht beendigt).

3. Real-Encyllopäbie bes Erziehungs. und Unterrihtewefene nah Latholifhen Principien. Unter Mitwirkung von geiftlichen und mweltliden Schulmännern für Geiſtliche, Vollsſchullehrer, Eltern und Erzieher bearbeitet und herausgegeben von Hermann Molfuß, Pfarrer zu Reileifingen im Großherzogthum Baden, und Adolph Pfifter, Pfarret und Ecyulinfpector zu Rißuffen im Königreihe Württemberg. Dit Appro⸗ batiou des Hochwürdigſten biſchöflichen Drbinariats zu Mainz. Dritter

Allgemeine Pädagogik. . 271

Band britte und vierte Lieferung. Bierter Band erfte Lieferung Muſik bis Roufjeau, Mainz, Klorian Kupferberg, 1865. 1866. 3. Bd. &. 337— 638. 4 Bd. ©. 1—160. gr. 8. Jeder Bd. 2 Thlr.

Die bemerkenswertheſten Artifel in den vorliegenden Heften find: Ortsſchulaufſicht. Pädagogik und ihre Geſchichte (etwas dürftig), Peltalozzi, Philanthropie, Realfhulen (ungenügend), Neligionsunterriht und Geſchichte defielben. Der polytechniihen Schule in Karlsruhe find in dem Artikel: „Realſchulen“ 7 Seiten gewidmet, obgleih fie gar nicht hierher gehört. Noch weniger gebührt dem Artikel „Orgel’ eine Etelle in einer Real⸗Ency⸗ Hopädie des Erziehungs» und Unterrichtswejens.

2. Anthropologie und Pſychologie.

4. Leib und Seele. Grundzüge einer Pſychologie des Menſchen. Bon Dr. Hermann Alriei. Leipzig, T. D. Weigel, 1866. 725 ©. gr. 8.

3 Thir. 24 Sgr.

Das wiſſenſchaftliche Denken erzeugt viele Irrthümer, es bejeitigt aber auch diefelben immer wieder bald nad Fürzerer, bald, nach längerer Zeit. Giner der gefährlichiten dieſer Irrthümer ift der Materialiömus, der den Geift leugnet und, obgleich jchon früher als ein Irrthum erkannt, in neue: fier Zeit von Diolefhott, Bühner und Karl Vogt erneut und uns ter das Voll gebraht worden if. Diejer Irrthum fchien zwei Jahrzehnte hindurch fiegreich zu fein, aber er hat nur den Anftoß gegeben, die Natur des Menſchen von Neuem und gründliher zu unterfuhen, und durch bie wiflenfchaftlihen Ergebnifje dieſer Unterfuhung ift der Materialismus in feiner ganzen Blöße, Unhaltbarkeit und Nichtigkeit dargeftellt worden. Zur Zeit find diefe Ergebniffe freilich erft das Eigenthum wifjenjchaftlicher Den- fer geworben, fie werben aber fiher nah und nad auch in andern Kreiſen zur Anerkennung gelangen. Außer mehrern berühmten Phyſiologen haben fih um die Widerlegung des Materialidmus auf dem Gebiete der Pſycho⸗ logie bejonders 3. H. Fichte und Hermann Ulrici verbient gemadt. Weber die gediegene Arbeit des erftern ift im vorigen Bande des Jahres⸗ berichts berichtet worden, die des leptern liegt gegenwärtig vor.

Ulrici's Werk zerfällt nad einer Ginleitung in zwei Haupttheile, den phyſiologiſchen und pſychologiſchen. Jener unterfuht in 4 Abſchnit⸗ ten das Wejen des Stoffes und den Begriff des Organismus, die Bezie⸗ bungen des menſchlichen Leibes zu den pſychiſchen Erſcheinungen, das Ners venfyftem und .die Seele, die Sinnesorgane, ihre Functionen und pſychiſche Bedeutung. Der pſychologiſche Theil hat 5 Abjchnitte: das Bemustjein der Ausgangs: und Mittelpunft der Piychologie in feinem Grund und Urs ſprung, die bewußte Seele in ihrem Verhalten. zu ihrem Körper und zu anderen Körpern (Wachen, Schlafen, Träumen, Somnambulismus, Geiftes- ftörungen und Gemüthstrantheiten, TZemperamente, Lebensalter, Geſchlechter, Race und Nationalität), die bewußte Seele in ihren Beziehungen zu ſich ſelbſt (Gefühlsleben, Vorftellungsleben, peenafjociation, Cinbildungstraft und Bhantafie, Triebleben, Streben, Begehren, Wollen), die bewußte Seele

272 Allgemeine Pädagogik.

in ihren Beziehungen zu andern Seelen (natürlid-fociale Triebe und Ges fühle, ethiſche Gefühle, Borftellungen und Strebungen, Erziehung und Bil: dung des Menfchen), die Eeele in ihrem Verbältnifie zu Gott.

Die Tendenz des Verfaſſers und die Ergebnifje feiner Unterfuhungen treffen im Wejentlihen mit denen 3. H. Fichte's zufammen. Auch Ul rici gebt nicht von Abftractionen oder in der Luft ſchwebenden Theorien und Hppotbejen, fonvdern von den Ergebnifien der Naturwiflenidaft aus und gelangt auf felbft gebahntem Wege, durch felbfiftänpige Forſchung zu einer idealiſtiſchen Lebens: und Weltanfhauung, d. h. zu dem Ergeb⸗ nifie, daß der Seele gegenüber dem Leibe, dem Geifte gegenüber ber Na⸗ tur nicht nur ein felbftftändiges Dafein, fondern aud die Herrſchaft nicht bloß gebühre, ſondern aud thatſächlich zuftehe. Darin liegt allerdings ein gewifier Dualismus, der jept vielfach für veraltet und befeitigt gilt, aber doch nicht ein folder Dualismus, der Seele und Leib, Geift und Natur als directe Gegenfäße betrachtet. Daß aber zwifchen den Erſcheinungen im Eee lenleben und im Leben bes Organismus, zwifchen den geiftigen und natür: lihen ein Unterſchied ftattfindet, ift unleugbar.

Ich muß es mir leider verfagen, den Weg anzudeuten, auf welchem Ulrici zu dem angegebenen Reſultate gelangt, und mid damit begnügen, auf fein Buch nur aufmertfam zu mahen. Denkende Lehrer, die im Stande find, einer wiſſenſchaftlichen Darftellung zu folgen, und geneigt, über den neueften Stand pfychologifhen Wiſſens fi zu unterrichten, werben nicht verfäumen, das Buch zu ftubiren. Die Form der Darftellung if zwar eine wiſſenſchaftliche, aber doch fo einfah und Mar, daß auch diejenigen, die nicht Philofophen vom Fach find, dem Berf. in feinen Unterfuhungen folgen" können.

Der neuere Materialismus ift, namentlih durch Büchner's Schrif⸗ ten *) gegenwärtig weit verbreitet und hat leider auch unter den Lehrern, aus fehr natürlichen Urſachen, nicht wenige Anhänger ; denn er erhebt feinen Anſpruch auf ftrengeres Denken, die Schriften, in welden er geprebigt wird, find fo oberflählich, daß jeder des Leſens Kundige fie verfiehen kann, feine angeblihen Beweife fo handgreiflich, daß man feinen Kopf dur Nachden⸗ fen nicht anzuftrengen braudt. Um ber weitern ®erbreitung dieſer alle Grundlagen der fittlihen Natur des Menfhen umb ber Erziehung unten grabenden Denkart unter den Lehrern einigermaßen entgegen zu wirten, will id wenigſtens eine Stelle aus Ulrici's Buche ihrem wejentlihen Zw balte nady mittheilen.

Der moderne Materialismus bedient ſich des ſpecifiſch phyſiologiſchen Begriffes der Secretion und behauptet, die Vorftellungen würden vom Gehirn in ähnliher Art ausgefchieden, wie die Galle von der Leber und der Urin von den Nieren, oder auch, der Gedanke jei eine Bewegung, eine Umfebung des Gehirns ; der Wille if der nothmendige Ausprud eines durch äußere Einwir⸗ tungen bedingten Zuflandes des Gehirns. Von Freiheit des Willens, fagt Ulrici

*) Büchner, Dr. Enid, Kraft und Stoff. 8. Aufl. 1862. Derſelbe, Geiß und Natur. 2. Aufl.

, Allgemeine Pädagogik. 273

mit Recht, kann bei einer ſolchen Anſicht gar nicht die Rede fein, Sünde und Berbrehen find dann nur die Folge eines krankhaſten oder naturwidrigen Buftandes des Gehirns ; und, ſetze ich hinzu, es ift völlig unbegreiflich, wie eine moralifhe Erziehung nod möglich fein, wie durch moralifhe Mittel, durch das Wort, durch Ermahnung und Vorftellung der Wille beftimmt wer: den kann. Nach dem modernen Materialismus ift der Menſch nur bie Summe von Eltern und Amme, von Ort und Zeit, von Luft und Wetter, von Schall und Licht, von Koft und Kleidung, oder: Der Menſch ift nur das, was er ißt. Dieſe Säbe fo heißt es bei Ulrici weiter richten in ihren Conſequenzen den Materialismus ald Syſtem. Denn confequenter Weiſe kann diefen Eäben gemäß von einer wahren und fals ihen Auffafiung, Meinung, Borausfegung nicht die Nede fein, ihnen ges genüber finlen Wahrheit und Unmahrheit herab zu leeren Namen ohne Sinn und Bedeutung. Denn fo gewiß es verkehrt wäre, von einer wah⸗ ren oder unmahren Umjeßung des Hirnftoffes, einer wahren oder unwahren Secretion der Galle zu reden, oder gar diefen Urin für wahr, jenen für unwahr zu erllären, jo gewiß ift es auf materialiftiihem Stand⸗ punlte widerfinnig, wahre und unwahre Vorftellungen zu unterjheiden, fo gewiß ift es alfo eine nicht nurvöllig willlürlide, ſondern ſich ſelbſt widerfprehende Behauptung, wenn der Materia— lift feine Gedanten und Säße für wahr, die der Gegner für unmwahr erklärt. ft der Gedanke und alle Gedankenverknüpfung nur der Erfolg eines bloßen Naturprocefjes, der als folder unter den ges gebenen Umftänden und Bedingungen unvermeiblih jo und nicht anders erfolgen muß, jo haben alle Gedanken, alle Begriffe, Urtheile, Echlüfle das ſchlechthin gleihe Recht. Dies führt der Verf. noch weiter aus und zeigt durch eine nicht zu widerlegende Schlußfolge, daß es eine durchaus leere und baltlofe Fiction ift, wenn die Materialiften Anfpruh auf bie Richtigkeit ihrer Anfiht machen.

Wie der Materialismus nicht dabei ftehen bleiben kann, die Wahrheit der ihm gegenüberftehenden Anficht zu beftreiten, ſondern confequenterweife alle Wahrheit leugnen muß, jo kann er eben fo wenig dabei ſtehen bleiben, die Freiheit des Willens in Abrede zu ftellen, ſondern er muß confequen: termweife den Willen felbft negiren. Denn der Wille ift thatfächlich nichts Anderes, als die Thätigleit, durch welche ich einen gegebenen Impuls zum Beweggrund meines Strebens und Handelns made, gleichvief, ob ber Act, durch den ich ihn dazu made, ein freier oder von anderen Einflüfjen abhängiger if. Müßte ih, wie der geftoßene Stein, dem gegebenen Antriebe unmittelbar folgen, jo hätte ih nicht nur Heine Freiheit, fondern überhaupt Teinen Willen, eben fo wenig, wie der fortgeftoßene Stein. Mit der Freiheit des Willens hört natürlich aller Unterſchied zwifhen Gut und Boͤſe, alle Berantwortlichkeit auf. Daher erflärt auch der moderne Mater rialismus Lafter und Sünde für bloße Aeußerungen kranlhafter Zuftände des Gehirns und Nervenſyſtems. Diefe Confequenz verftridt ihn aber wies derum in einen vernichtenden Selbſtwiderſpruch, denn es ift noch Niemans dem gelungen, zwijchen dem Behirn des Tugendhaften und dem des Lafter

Pay. Jahreberiqᷣt. XVII. 18

274 Allgemeine Pädagogik.

baften, dem Gehirn des abgefeimteften Betrügers und dem des ehrlichen Mannes irgend einen Unterſchied zu entdeden.

Der Materialismus als wiſſenſchaftliches Syftem ift völlig unbaltbar. Wenn der Gedanke nur das Product eines reinen Naturprocefies if, fo folgt mit Nothwendigleit, daß es überhaupt keine Wahrheit, leine Er⸗ kenntniß und Wiflenfhaft, fo wenig wie Recht und Sittlichkeit für den Menſchen gibt, daß alfo auch der Materialismus für fih nicht in Anſpruch nehmen kann, was überhaupt nicht eriftirt. Die Nichtigleit der mate⸗ rialiftiihen Auffafjungsweife der pſychiſchen Grideinungen wird ſodann die ganze überaus klare Darſtellung dieſer Erſcheinungen nach⸗ gewieſen.

5. Die Wiſſenſchaft vom Menſchen in feinem Leben und in fei- nen Thaten, mit befonberer Berüdfihtigung der Menfchenergiebung.

Dargeftellt von Karl Echmidt. Mit Holzichnitten und coforirten Litho⸗

graphieen. Auch unter dem Titel: nntbropelagie x. 2. Thl. Dresben,

onis Ehlermaun. 1865. 607 ©. gr. 8. 2 Thlr. 21 Wer.

Der Inhalt diefes lebten Wertes des zu früh dahin geſchiedenen Schul: ratb8 Schmidt ift bereits im vorigen Bande des Yahresber. ©. 453 mits getbeilt worden, und ich kann mich deshalb hier auf einige allgemeine Bes merkungen über den Charakter des Buches beichränten. Dafielbe fiellt die Anthropologie in ihrem ganzen Umfange dar, und es liegen der Darfiel- lung die allgemeinen Gedanten zu Grunde, daß Kraft und Materie, Geift und Leib nit nur ein Giniges, fondern überall aud ein Individuelles, Geftaltetes find, daß das Leben ein fteted Werden, eine ununterbrocdhene Bewegung, die gefammte Natur und jedes Einzellebendige ein einig ewig Ent⸗ ftehendes und Vergehendes if. Auf diefer Grundlage ift zwar das ganze Spftem der Anthropologie aufgebaut, und der Verf. zeigt fih nit nur als Denter, ſondern au als gefühlvoller, für alles Gute und Edle begei» fterter Menſch, aber dennod fehlt dem Syſtem vielfad die Einheit, indem der Perf. nicht überall den Stoff durch felbitfiändiges Denten entwidelt -und verarbeitet hat. In der Ausführung feines anthropologiſchen Syflems ift er Gllectiter, d. h. er bat Auffafiungen und Anſchauungen verjchieden: artiger phyſiologiſcher und pſychologiſcher Syſteme für das feinige heran» gezogen und zu einem Ganzen verarbeitet, wodurch die Einheit des Geban: fenganges oft geftört wird. So begegnet man z. B. an einer Stelle eigen: thümlihen Auffafjungen der Beneke'ſchen und Herbart'ſchen Piychologie, an einer andern foldhen, welche dieſen pſychologiſchen Syſtemen völlig fremd find, Damit foll indeß in keiner Weife die Arbeit als eine Art Compilation be: zeichnet werben. Sie ift im Ganzen durchaus eine jelbftändige von eigenem Denten getragene und aud) die anderdwoher genommenen Gedanken bat ver Verfaſſer für feine Auffafiung denkend zu verwertben geſucht; fie ift nur nit, wie man zu fagen pflegt, überall aus einem Guſſe.

Die befannte lebendige, blühende, ſchwungreiche Darftellung, wodurch der Berf. ‚feine Zuhörer und Lefer für feinen Gegenftand zu interefjiren, für feine Anfiht zu gewinnen und zu erwärmen wußte, findet fih auch in fe: ner Anthropologie wieder. Ob dieſelbe gerade bier am rechten Plage if,

Allgemeine Pädagogik. 275

läßt ſich bezweifeln. Die Darftellung der Anthropologie erfordert nament⸗ lich in ihrem pſychologiſchen Theile mehr ein ruhiges, bejonnenes, klares Denten und- eine einfache, fehmudlofe, den Gedanten fcharf ausprägende - Darftellung ; eine poetifirende und fombolifirende Sprache, Heranziehung von Stellen aus Dichtern leiften für die Wahrheit von Anſichten, für eine vernünftige Weberzeugung nichts, und find nur geeignet, bie klare Auffajr fung zu trüben.

Daß der Berf. ein Anhänger der Phrenologie ift, wurde ſchon im vorigen Bande des Jahresberichts hervorgehoben. Seine Darſtellung der Pſychologie hat dadurch nicht gewonnen.

Bin ich hiernach auch mit dem Verf. mehrfach nicht einverſtanden, ſo erkenne ich doch gern an, daß ſein Buch nicht nur von großem Fleiße zeugt und viele vortreffliche und fruchtbare Gedanken enthält, ſondern daß auch bie ganze Lebensanſchauung, die ſich darin ausfpricht, eine durchaus edle ift, wie fih von Schmidt's idealer Richtung ſchon von vorn herein erwarten läßt. Vieles Cinzelne mag Widerfpruch finden und verdienen, in den Endrefultaten wird Jeder ihm gern beiflimmen, dem felbit eine ideale Natur inmwohnt.

Der Begriff der Anthropologie wird vom Verf. in einem ungleich weitern Sinne genommen, als es in der Wiſſenſchaft gebräudlidh iſt. Sie umfaßt nah ihm im Grunde Alles, was den Menſchen und fein Leben betrifft, nit nur die Anatomie (in die für den eigentlihen Zweck des Werkes zu ſehr in's Einzelne eingegangen wird), und Phyſiologie, fo wie das, was man gewöhnlid unter der Piychologie begreift, jondern aud die Logik, Methaphyſik, Ethik, Erziehungslehre im gedrängten Umrifle, ja ſogar eine Art Encyllopädie der Wifienfchaften. Das ift in der That des Gw ten zu viel, und der Hauptgegenſtand hat dabei jchwerlih gewonnen ; ja, diejes Bielerlei kann leicht für die Lehrer, welche das Buch vorzugsweije im Auge bat, nadhtbeilig werden, weil fie zu dem Glauben verleitet wers den können, als erhielten fie durch einen ſolchen Umriß der Wifjenfchaften, der übrigens im Einzelnen vielfah Widerfpruch heraus fordert, eine Einficht in das Mefen einer jeden.

Das Gelungenfte in dem Werke fcheint mir der Abjchnitt über die Erziehung zu fein, und was fonft gelegentlih über Erziehung gefagt wird. Hiervon nebme ih nur die Anfiht des Verfaſſers von den Kindergärten aus. Die Lehrer werden da bie fruchtbarſten Anregungen für ihr Denten und Thun finden. Beſonders made ich aufmerlfam auf das, was über die Erziehung der Individualitaͤten (S. 593) gejagt wird; denn gerade den Lehrern muß immer und immer wieder zugerufen werden : berüdfichtige fo viel als möglid die Individualität eined jeden Deiner Schüler. Die Schule kann und foll freilih nicht die Individualität jedes Schülers ge währen lafien oder fie weiter fortbilden im Gegenfaß zu ber Individualität der andern Schüler. Sie kann es nicht, weil der Lehrer nicht im Stande if, Die Individualität eines jeden genügend fennen zu lernen, fie foll es nicht, weil es gerade ihre Aufgabe ift, das Gemeinfame ber verfchiedenen Individualitäten in ihrem Schülerkreife herauszubilden, die Individualitäten gegeneinander auszugleichen und fie dem Ganzen bienftbar zu machen. Dieje

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276 Allgemeine Pädagogik.

Aufgabe kann aber um fo volllommener gelöft werden, je mehr die Indie vidualität eines jeden Schülers in Allem, wo fie Berechtigung hat, Beach⸗ tung findet. Wie jelten dies in Schulen gefhieht, oder wenn dies zu bart fein follte mie oft es nicht geſchieht, ift befannt genug. Alle Lehrer find mehr oder weniger geneigt, in der Schule nur ihre Individua⸗ lität zur Geltung zu bringen, und zu fordern, daß alle Schüler auf die gleihe Art fih benehmen, ihre Pflicht erfüllen, wo nicht gar in ihren Kenntniſſen fortfchreiten.. Wie oft ernten nicht die ſchwächer begabten, die ungeadtet ihrer Anftrengung unvolllommene Arbeiten liefern, Tadel ftatt verdienten Lobes ; wie oft wird nicht die in Folge rafcher körperlicher Ent⸗ widelung fich zeigende geiftige Schlaffheit und Trägheit falſch beurtheilt, wie oft der in Folge feiner Individulität zur Zerftreutheit und Unaufmerk⸗ ſamkeit Geneigte, der von der Natur mit einem fanguiniihen Tempera⸗ mente Ausgeitattete und deshalb Flüchtige, Leichtfinnige, Muthwillige für feine Vergehungen härter geftraft, als recht ift! Es ift deshalb fehr zu wünjchen, daß dasjenige, was im vorliegenden Werke über die Erziehung der Sndividualitäten jo treffend gejagt wird, allgemeine Beachtung Anden möge.

6. Dr. F. &. Beneke's Neue Seelenlehre, für Freunde ber Naturwahr- beit in anſchaulicher Weile Dargefiellt von Dr. G. Raue, Profefior an ber mebicinifhen Alabemie in Philadelphia. Vierte Auflage. Mehrfach um gearbeitet, verbeſſert und vermehrt von Johann Gott ich Dreßler, &- minar-Director a. D. in Baugen. Mainz, F. H. Erler (&. Faber' ſche Buchhandlung), 1865. 263 S. gr. 8. 1 ZThlr.

Dreßler, der Bearbeiter und Herausgeber diefer neuen Auflage bes Raue’ihen Commentars über Beneke's Seelenlehre, ftellt an die Spiße ſei⸗ ner Vorrede den Saß: „Bei der vierten Auflage eines Buches kann ſich bie Vorrede kurz faſſen.“ Wenn dies etwa beißen foll, daß die vierte Aufs lage ein unumftößliher Beweis von der Vortrefflichleit des Buches und ber Nichtigkeit feines Inhaltes ei, jo müßte das beftritten werden. Ein Bud), das mehrere Auflagen erlebt, ift darum noch nicht vortrefflid ; man kann von ihm zunächſt nur jagen, daß es große Verbreitung gefurtben bat. Neben guten Büchern haben auch nicht wenige feichte und oberflädhliche viele Auflagen erlebt.

Menn angenommen werben lann, daß die Schrift von Raue unter den Volksſchullehrern große Verbreitung gefunden hat, jo könnte man von der Bildung diefer und ven Seminaren beinahe eine fehr ungünftige Mei nung erhalten. Denn der Berf. bat, um Beneke's Seelenlehre feinen Les jern zum Berftändniß zu bringen, eine Form der Darftelung gewählt, wie fie in einer Vollsjchule oder allenfalls in einer Präparandenanftalt am Plate fein würde. Lehrer, welden man die Piychologie nad einer fo elementarifh:anfhaulihen Methode wie die von Raue beibringen muß, würden befier thun, mit der Pfychologie ſich gar nicht zu befaflen.

So einfah die Methode ift, welche zur Erllärung und Begründung der pſychiſchen Erjcheinungen angewendet wird, fo populär und handgreif: lich ift die Art der Erflärung und Begründung jelbft, und fo eigenthüm: ih die Logik, die dazu angewendet wird. Hier ein paar Beiſpiele.

Allgemeine Pädagogik. 277

Gine der ſchwierigſten Fragen in der Pſychologie betrifft das Be⸗ wußtjein. Das Bewußtfein als Thatſache kennt Jeder, denn Jeder ift fih defien bewußt, was er fiebt, hört, empfindet, was er dent, fühlt und wil, Worin aber das Mefen des Bewußtſeins zu fuchen iſt, worin es feinen Grund bat, wie es entfteht, das find Fragen, die bis jebt noch feine allgemeiner als richtig anerlannte Beantwortung gefunden haben, Beneke und nah ibm Dreßler-Raue macht fih die Beantwortung der Frage nad) der Entſtehung des Bewußtſeins leicht, indem er die durch nichts bewiefene Behauptung aufftellt, daß das Bewußtſein durch die Anſammlung unbewußter Spuren (Empfindungsrefiouen) entſtehe. Yortlage*), der fih über Beneke's pſychologiſche Arbeiten im Allgemeinen nicht ungün> fig ausſpricht, erklärt ganz mit Recht dieſe Behauptung für eine folce, die den Regeln der Logik widerjpreche, weil aus der bloßen Anſammlung vieler unbewußter Elemente nad den Dentgefegen nichts andres entitehen lönne als ein großer Haufen unbewußter Elemente. Und damit müßte Drepler-Raue einverftanden fein, da er an einer Stelle gewiß mit Recht erllärt, daß aus Nichts nicht Etwas werden könne. Jene Benele ſche Behauptung wird nun von Dreßler:Raue folgendermaßen erläutert: Als wir zum erften Male in die Schule famen, zeigte uns der Lehrer 5. 2. den Buchſtaben A. Wir faßten ihn auf und es blieb davon eine Spur zurüd. War uns nun diefer Buchſtabe ſchon Har bewußt ? Leider zeigte fih das Gegentheil, als wir am folgenden Tage danach gefragt wurben. Was that der Lehrer? Cr ließ uns vdenfelben wiederholt genau anſehen und nachſprechen; wir hatten neue Auffaflungen von ihm und fie alle vereinigten ſich mit der erften zurüdgebliebenen Spur. Jet war ung ber jelbe ſchon klarer bewußt u. |. w. Nicht wahr, das iſt ein recht anjchaus liher und unumftößlicher Beweis, dab das Bewußtſein durch Anfammlung von bewußtlojfen Spuren **) entſteht? Nur Schabe, daß diejer Beweis gar nichts beweilt. Denn böchftens würde dadurch dargethban, daß duch Ans fammlung von Spuren nur das Bemwußtjein Elarer wird, daß es alfo ſchon mit der erften (nach Benele unbewußten) Spur vorhanden ift. Aber auch nicht einmal dies wird durch die anſchauliche Auseinanderjegung von Drepler:Raue bewiefen; denn es ift in derjelben offenbar das Be: wußtfein mit der VBorftellung verwechjfelt, die zwar Inhalt des Be: wußtjeind werden kann, aber nit das Bemwußtjein ſelbſt if. Die Ent« ſtehung des Bemwußtfeind wird von Dreßler-Raue noch unter einer an« dern Form dargeftellt, nämlich jo: die Uxrvermögen ***) find unbemußt, tragen aber ſchon urfprüngli die Fähigkeit in fi, bewußt zu werden, und es entwidelt ſich dieſe Fähigkeit zum wirklichen Bewußtfein, fobald die Bermögen durch Reize, die auch unbewußt find) erregt werden und beide fich mit einander verbinden. Dagegen ift zuvörberft zu bemerken, daß dies eine ganz willlürfihe Annahme ift und das Selbfibewußtfein, dad nah Be⸗

*) Syſtem ber Pſychologie. 1. Thl. ©. HU. **) Bergl. Bo. 14 des Jahresberichts S. 497 ff. >) Vergl. Bd. 14 bed Jahresberichts ©. 497,

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einem Ulrvermigen) eine Gurizrun: eure, tie am at med gar mit bewußt zu werden braztt, wie der Säz.ınz beweit, bei weile ſich jertmährend

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Pinfiologen, von welden ih nur Loge, Iudmwig, Wagner, Bell: mann, Zid, Helmbolg, Schiff nennen will. Die Bexele ſche yiy chologiſche Schule nimmt in ihrer abicluten, uwnwinienichaitlichen Abgeſchloſ⸗ fenheit von diefen Forſchungen nicht die geringiie Retiz, weil ihr Beier dem zu feiner Zeit übrigens entihulpbaren Ginfall hatte, alle pfycholo⸗ giihen Thatjachen lediglich aus dem Gelbfibewuhtjein erflären zu wollen

dies ein Grundſehler der Benele ſchen Pſychologie if, leuchtet ein. Seele und Leib bilden für diefes Leben eine untrennbare, lebendige Ginbeit. Die dur das Denlen von ihrem Organismus abgetrennte Eeele if Richts als ein Abftractum. Dies ſcheint Drefler gar nicht gefühlt zu baben, fonfl würbe ex entweder nicht ein fo großer Berehrer der neuen Piychologie fein, oder das Abfiracte weniger baflen **).

Durch jeden finnlihen Reiz wird, nad Beneke's Lehre, ein jinnliches Urermögen verbraudt, es bilden fih aber während des Schlafes immer wieder neue Umermögen an, durch welde die verbrauchten erjeßt werben,

*” Dr. I. Fr. Bruch, PBrofefior der Theologie und Prebiger in Straß⸗ burg, Theorie bes Bewußtſeins. Straßburg, 1964.

=) In feinem Bude: „Benele oder die Seelenlehre als Naturwiffenichoft (Bauten 1846) Theil II. S. 144 heißt es am Schluſſe ber Anmerkung wört- ih: „Wäre e6 erlaubt, dem Bater Unfer eine Bitte zuzufegen, fo würbe ich vorfhlagen: „Bater im Himmel erlöfe uns vom Abſtracten!“ Diefer Gedanke if, von feiner völlig unpaflenten Form ganz abgeieben, in ber That eine höchſt merfwürdige Aeußerung aus der Reber eines Biochofsgen und BL- dagogen. Daß gewifle Völker, 3. B. Negerflämme in Afrika, feinen Siun für abfractes Denten und in ihrer Sprache keine Wörter für Abftractes beſitzen, if unbegreiffig aber, wie fi Jemand nach einer ähnlichen Sulturkufe zu- siidfehnen kann,

Allgemeine Pädagogik. 279

und zwar geſchieht diefe Anbildung (von welcher das Selbfibewußtfein nichts weiß) vermittelft derjenigen Liht:, Schalls und anderen ſinnlichen Reize, bie während des Wachens auf die Seele einwirlen (oder in der Sprache der Beneke'ſchen Schule) in die Seele eingehen, mit dem Urvermögen fich aber nicht feit verbinden. Was für eine monftröje Vorftellung, daß aus Licht⸗, Schall: ıc. Reizen Urvermögen entftehen follen, die doch zum Weſen der Seele gehören! Sehr naiv maht Raue (5. 244) ſich felbft den Einwurf: „Uber wird, wenn die pſychiſchen neuen Lrvermögen diefen Entftehungsgrund haben, die Seele nicht ein Ding, das aus Licht, Luft, Duft ꝛc. befteht * Und wie finnreich und anfchaulid weiß er dieſen Gin: warf abzuweifen! „‚Hiergegen frage ich: wird der Leib- dadurch, daß wir Kartoffeln 2c. genießen, ein Ding, das aus Kartoffeln beſteht?“ Daß Licht, Schall, Duft zc. wirklih mit der Seele felbft in Verbindung kommen, wird von Dreßler und Raue alles Grnites als fiber angenommen. „Breilich”‘, jo beißt es weiter, „müflen wir annehmen, daß Licht, Schall ıc. den Kräften unferer Seele verwandt feien, wie die Nahrungsmittel mit den Kräften unſeres Körpers verwandt find. Und was ftünde diefer Annahme entgegen ?

Mittels der Hypotheſe von dem Verbrauche der Urvermögen erflären die Benelianer die Erſcheinung, daß wir eine Ermüdung und Abfpannung der Seele (nämlich des Vermögens oder der Vermögen der Seele.zu fehen) fpüren, wenn wir uns einige Stunden in einer Gemälvegallerie oder einem Raturaliencabinet mit Befichtigung der Gegenftände befhäftigt haben. Die „neue Pſychologie“, die Alles aus dem „Selbftbemußtfein‘ zu erklären vor: gibt und den leiblihen Organismus, alfo au die Sinnesorgane, vornehm ignoriert, fieht die Urſache diefer Ermübung und Abfpannung darin, daß durch das ftundenlange Betrachten mannigfaltiger Gegenftände die für das Sehen beftimmten Urvermögen der Seele, die vorher leer waren, jebt von den zahlreichen Reizen alle (?) oder faft alle erfüllt und dadurch verbraudt worden find. Wer mit der „neuen Piychologie” nicht belannt ift, kann freilih auf den Einfall gerathen, die Urfache jener Ermüdung und Abſpan⸗ nung ganz oder doch zum Zheil zu juchen im Sehorgane, in den Nerven, welde das Sehen vermitteln, und einen Beweis zu finden in jener Naͤh⸗ terin, die vom Morgen bis zum Abend mit feinen Näharbeiten bejchäftigt ift und am Abend über Angegriffenfein und Schmerzen ihrer Augen Hagt. Ein folder Einfall wäre aber völlig ungereimt, wie die Benelianer zu be: weifen im Stande find. Denn fie mwiflen pofitiv, daß das Auge für das Sehen feine andere Bedeutung hat, als die eines Fenftervorhanges, ven man zuziehbt, um das grelle Licht der in das Kenfter fallenden Sonnen⸗ ſtrahlen zu mildern *).

Die „neue Pſychologie“ hat naͤmlich die große Entvedung gemacht, daß das Organ des Sehens, das Auge, nicht die Urfache des Sehens ſei. Als ob jemald vor Benele ein Seminarift jo dumm geweſen wäre, dergleihen zu glauben! Es heißt in der That fein Publikum für fehr bes

.-

”) Bergl, Dreßler a. a. O. J. S. 21.

280 Algemeine Päbagogif.

ſchraͤnlt halten, wenn man ihm ſolche Dinge als neue Authällungen Gewiß, das Auge if nidt die Urſache des Sehens; denn es hi. i Seele

Eeele, welche ſieht. Das weiß fah jedes Kind, Bisher, d. h. bis Benele bat freilih Jedermann auch die Anſicht gehabt, daß die Eee

Sehen das Auge als Drgan bevürfe, d. h. daß das Gehen, vwelches ei Thaͤtigleit der Eeele ift, durd daS Auge vermittell werde. Doch weit ges fehlt! Seit den Offenbarungen durd die „neue Pſychologie“ wiſſen wir das beflr. Das Sehen it em unmittelbarer Act der Seele und das Auge erſcheint höchſtens zugleich thätig. Es ift alfo noch fehr die Frage, ob es überhaupt mit dem Sehen etwas zu thun hat. Die „neue Pſychologie“ will diefe Frage aber nicht verneinen. Das Auge ift allerdings nötbig ; denn Paulus madt 1. Cor. 12, 17 die trefiende Bemerkung: „Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo bliebe das Gehör ? Wie vermöhte die Eeele dem maſſenhaften Andrange des Lichtes zu wi⸗ berfiehen, wenn nicht dafür geforgt wäre, daß das Uebermaß des Lichtes von ihr abgehalten würde? Und lediglich diefem Zwede dient das Auge. 68 ift nur dazu da, das mafienhafte Einſirömen des Lichtes in die Seele zu verhindern, zugleidy aber auch, einer mäßigen Menge von Licht den Zu⸗ gang zur Seele zu geflatten. Warum zu diefem Zwede nicht eine bloße Deffnung binreicht, warum das Auge unnötbiger Weife fo kunfiwoll einge richtet if, wozu die feinen Nerven nöthig find: das und Anderes himmert die „neue Pſychologie“ nicht. Eie bat Beweife für ihren Hauptfas in Be reitſchaft, durch melde ſich alle Nebenfragen von felbft erledigen. Hören wir diefe Beweiſe! Gewiſſe Krante konnten bei verſchloſſenen Augen ein bejchriebenes Blatt, das man ihnen auf die Serzgrube legte, lefen *). „Sollte es da glaublid fein, daß das leiblihbe Auge ber Lejer fei, die Seele nur den Bericht vernäbme ?" Nun, das bat, ich wiederhole ed, noch fein vernünftiger, d. b. vdentender, Menſch geglaubt. Jene Thatſache als richtig vorausgefegt, Lönnte man dann nicht ſchließen, daß aljo doch in gewifien Iranthaften Zufländen der ganze Leib Auge wäre? Und wie gebt es da doch zu, daß die Eeele durch das mafienhafte Zuftrömen des Lichtes nicht geflört wird, daß fie dennoch der überwältigenden Macht der maſſenhaft eindringenden Lichtreize fich zu erwehren vermag? Oder follte etwa der von mir aus jener Thatſache gezogene Schluß faljch fein ? Eolite die Somnambüle das befchriebene Blatt nur haben lejen können, weil es ihr gerade auf die Herzgrube gelegt worden war? Gut, dann bitte ich nur, daß mir die „neue Piychologie‘‘ erkläre, „warum nur die Herzgrube und nicht aud ein anderer heil der Körperoberfläde, z. B. die Nabel: gegend, oder der Naden, in ſolchen kranthaften Zuſtaͤnden eine Pforte bil- det, durch welche das Licht in die Eeele einftrömen kann. Etwa die Ner⸗

5x

*) Bei Somnambülen ſoll biea beobachtet worben fein. Der Somnambn- lismus ift aber noch wenig aufgellärt. In den Beobadhtungen beffelben mag einiges Wahre mit viel Taͤuſchung vermiſcht fein. Mertwürbig if jedenfalls, daß gerade Dreßler das oben Erwähnte als eine unbeftrittene Thatſache nimmt.

Allgemeine Pädagogik. 281

ven mit in's Spiel zu bringen, das darf die „neue Pſychologie“ nicht, denn. diefe haben nach ihr mit dem Sehen gar Nichts zu thun.

Vielleicht ſteht es aber mit einem andern Beweife befier. Als ein ſolcher joll nämlidy die Frage dienen: „Hat der Sterbende nicht zuweilen fhon Stunden lang vor dem wirklichen Tode zu fehen und zu hören auf gehört, obgleih Auge und Ohr unverjehrt geblieben find? Woher weiß denn aber die „neue Pfychologie”, daß diefe Organe bei dem Sterbenven wirflih noch in vollkommen gefundem Zuftande find? Iſt nicht der nabe Aod ein Beihen, daß das organiſche Leben im’ Verlöſchen kegriffen ift ? Und wird man wohl das Recht haben, ohne irgend einen Beweis anzu: nehmen, daß die Sinnesnerven allein von dem bis auf den hödhften Grad geftiegenen Leiden des Organismus ausgenommen find’? Noch mehr! Nach der Lehre der Benelianer, der ich nicht widerfprehen will, nimmt bie Seele an innerer Stärke bis zum Tode ftetig zu. (Raue, ©. 254.). Kurz vor dem Zode wird fie alfo wohl den höchſten Gradı der Stärke erreicht haben, ven fie im irdifchen Leben erreihen kann. Und troß diefer Stärte fieht die Seele des Sterbenven nit, obgleih das Licht wie in gefunden Zagen ihm in's Auge fällt? Kann dies vernünftiger Weife ein Beweis da- für fein, daß die Seele unmittelbar fiebt ? Ich meine, man könnte daraus eher alles Andere erfchließen, als gerade die. Ach weiß nicht, mie Dreßler die von ihm angeführte Erjheinung erllären will. Ih für mein Theil vermag diefelbe nur dahin zu deuten, daß entweder das Auge, d. b. feine Nerven, nit mehr im Stande find, das Sehen zu vermitteln, oder wenn dies wirklich nicht der Fall wäre, daß die Seele kein Intereffe mehr bat, zu jeben, daß fie nicht mehr fehen will, Diefes Nichtwollen fommt aber belanntlid (und auch Dreßler weiß es) gar oft auch bei völlig gefunden Menjhen vor. Wir fehen häufig nit, was vor unfern Augen vorgeht, weil das ganze Intereſſe, die ganze Aufmerkſamkeit unferer Seele von einem andern Gegenitande völlig in Anfprud genommen if. Was folgt nun hieraus? Iſt es ein Beweis dafür, daß die Seele den Lichtreiz unmittelbar in fih aufnimmt, daß fie unmittelbar fieht, daß das Organ des Sehend das Sehen nicht vermittelt ? Gewiß nicht! Es bemeift nur, daß zum Sehen noch etwas gehört, was Dreßler nicht erwähnt. Der Lichtreiz mag vermittelt oder unvermittelt in bie Seele gelangen, bie Seele fieht in beiden Fällen nur, wenn ihr Intereſſe, ihre Aufmerkſamkeit in irgend einem Grade bazu tritt.

Mas bisher vom Sehen und dem Auge gegen Drefiler gejagt worden, gilt analog von den übrigen Arten der finnlihen Empfindungen und den übrigen Einnesorganen. Zur Eteuer der Wahrheit muß id) übrigens bemerlen, daß in Betreff der Sinnesorgane Raue nit ganz fo weit gebt, wie Dreßler, indem er wenigſtens zugibt, daß biefelben nicht blos eine negative Beftimmung haben, ſondern aud die von außen ber zu entwidelnden Seelenvermögen pofitiv zu unterflügen beflimmt find. Denn zur Grzeugung finnliher Empfindungen bebürfe die Seele ge: junde Sinnesorgane.

Duantitatives niemals DBualitatives, d. b. eine blohe Menge von Dingen oder Zufänden von einer befimmten Beſchaffenheit niemals ein anderes Ting von einer ganz andern Beſchaffenheit erzeugen Tünne; oder, um Raue’s anſchauliche Beweisführung beizubehalten, daf aus einem Haufen Gerfientörner, made man ihn auch nod fo groß, niemals Hafer werde. Gegen dieſes Gejeg verftöht die Logik der Benele’ihen Biy: dologie, wicht muz bei bem miblungenen Berjuhe, ven Uriprang bed Der wußtfeins zu ertlären (ſ. oben), fondern auch bei andern Gelegenheiten. So findet Benele z. B. zwiſchen der Thierfeele und der Menfchenfeele nur einen quantitativen Unterſchied, obgleih er wohl laum geneigt fein wird, zwiſchen den pſychiſchen Erſcheinungen und Yeuberungen beim Thiere und beim Menſchen alle qualitativen Unterſchiede zu leugnen. Denn die

fittlihen und religiöfen Gefühle, Borftellungen und Begriffe finden ſich beim Thiere gar nicht. Nah Benele muß diefe qualitative Verſchie⸗ denheit zwiſchen dem Menſchen und dem Xhiere aus quantitativen

alfo alle fih fpäter herausftellenden qualitativen pſychiſchen Unterſchiede - der Nenſchen zulegt aus jenen blos quantitativen bervorgeben.

Die pſychologiſchen Arbeiten Benele’3 begannen feit 1820 befamnt zu werden ; fein abgeſchloſſenes Syſtem erſchien zuerft 1833 in feinem Lehrbuche der Pſychologie, defien zweite Auflage im %. 1845 noch von ihm ſelbſi beforgt wurde. Seitdem ift, namentlid veranlaßt durch genaue und ergiebige phyſiologiſche Unterfudungen (ſ. 0.) und die Erneuerung des Materialismus der Pſychologie erhöhte Aufmerkfamleit gewidmet worden, und es haben fi pſychologiſche Auffafiungen geltend gemacht, die den frü⸗

heren vielfady widerjpredhen , fie als unbaltbar nachgemwiefen haben. Die Arbeiten von Fortlage, Schaller, 3. H. Fichte, Ulrici, Brud, Staegmann, Bundt und Andern haben der Pſychologie eine völlig neue Geftalt gegeben, fo daß die früheren pſychologiſchen Auffafjungen und Spiteme, au die von Herbart und Benele in ihren eigenthümlichen Grundlagen gegenwärtig als veraltet bezeichnet werden können. Dreßler und Raue, die Sommentatoren uns Berbreiter der Beneke ſchen Pſycho⸗ logie, haben von den neueften Fortjchritten ihrer Wiſſenſchaft nidyt die ge- tingfte Notiz genommen ; für fie find jene Arbeiten gar nicht vorhanden. Meng dies aber als ein jhlimmes Zeichen angefeben werden muß, fo ift ſolches Ignoriren doch in fofern gerechtfertigt, als das pſychologiſche Syſtem Benele’3 auf willtürlihen Hypotheſen mühevoll und küͤnſtlich aufgebaut if und für Grgebnifje der fortfchreitenden Forſchung durchaus keinen Raum bat. Ein Lächeln muß es aber erregen, wenn die Anhänger Benefe’s bie Pſychologie ihres Meifters noch fortwährend als die „neue Pſychologie“ bes . jeihnen, und damit ihre völlige Untenntniß auf dem Felde ihrer Wiſſenſchaft an den Tag legen. .

‚Allgemeine Päbagogif. 283

7. Des alten Doctor Stiebel Iubelbiffertation fir Aerzte, Erzie⸗ ber und Kinderpfleger. Frankfurt a. M., I. D. Sauerländer's Verlag, 1865. 100 ©. gr. 8. 15 Ser.

Enthält vier Abhandlungen: 1. Gehirndiätetik der Säuglinge und Heinen Kinder (Miniatur: Pfychologie) ; 2. Rathſchlaͤge für angehende Kin⸗ berärzte; 3. Warum die Säuglinge ſchreien; 4. Ueber das Verhalten bei bigigen Ausihlagstrantheiten der Kinder. Nur die erfte Abhandlung hat auch für Erzieher Interefie.

3. Zur hiſtoriſchen Pädagogik.

8. Zur Biographie Heinrih Befalozzi’s. III. Bon alt Seminar director Morf, Wailenvater in Winterihbur. Winterthur, Buchbruderei von ©. Bleuler⸗Hausherr. 94 ©. Lex. 8.

Das vorliegende Heft diefer werthvollen Schrift ift Dieſterweg ges widmet. Der Berf. hat zu demfelben viele handjcriftlihe Quellen benutzt, die ihm von verfchiedenen Seiten bereitwillig dargeboten wurden. Gr fdil- bert in der neuen Gabe in 12 Abjchnitten Peſtalozzi's Leben und Stre⸗ ben in Burgdorf. Die Abfchnitte führen folgende Ueberfhriften: 1. Sein Verl. 2. Nefultate feiner Berfuhe in Stanz. 3. Seine Verſuche in Burgdorf. 4. Weitere Hülfe durch Stapfer. 5. Das erfte amtliche Zeug: niß. 6. Peſtalozzi's erſie methodiſche Schrift. 7. Die erſten Gebülfen Pe: ſtalozzi's. 8. Das Gutachten der Gefellfhaft für das Erziehungsweſen. 9. Wachſender Ruf. 10. Von dem Buche: „Wie Gertrud ꝛc.“ 11. Die nächſten Folgen dieſes Buches. 12. Die Gegner. Der lebte Abjchnitt. ſcheint noch nicht abgeſchloſſen zu fein, denn er befhäftigt fi nur mit den Gegnern aus der Baſedow'ſchen Schule. Bon befonderem Sntereife ift der fünfte Abjchnitt, der das erfte amtliche Zeugniß über Peſtalozzi's Wirkſam⸗ feit in Burgdorf bringt. Daſſelbe ift erftattet von der Schulcommiffipn zu Burgdorf, auf Grund einer abgehaltenen Prüfung der Schuljugend, die Peſtalozzi 8 Monate lang uriterricytet hatte, an den „Bürger Peſtalozzi“ gerichtet und vom 31. Mai 1800 datirt. Es heißt darin unter Anderm: „In dem Alter von 5—8 Jahren, in welchem nad der bisher befannten marternden Methode die Kinder: die Buchftaben kennen, fillabiren und lejen gelernt, haben Ihre Schüler niht nur diefe Penſen in einem bisher un« gewohnten Grade ber Vollkommenheit zu Ende gebracht, jondern die faͤhig⸗ ften unter ihnen zeichnen fich bereits als Schönfchreiber, Zeichner und Rech⸗ ner aus. Bei allen haben Sie die Neigung zur Geſchichte, Naturgefchichte, Meßkunſt, Erdbeſchreibung u. f. w. zu erweden und beleben gewußt, daß ihre künftigen Lehrer, wenn fie von diefen Vorbereitungen vernünftigen Gebrauch zu maden willen, ihre Arbeit -ungemein ’erleichtert finden müfs fen.’ „Aber was hat Ihre Lehrart noch für Vorzüge vor andern, die man bi3 dahin getrieben hat ? Neben den fchnellen Fortſchritten, die darin gethan werben, im zarten Alter, wo jeder Unterricht ſchon feine Stelle findet, ift fie hauptfählih dazu geeignet, daß fie im häuslichen Zirkel von jeder Mutter, von jedem älteren Kinde, ja von jeder verftändigen Magd unter

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L;

Allgemeine Pädagogik. 285

ordnung gegenwärtig nicht zur Hand, jo daB ich darüber nicht entſchei⸗ den kann.

10. Biographiſche Bilber und Skizzen aus bem Herzogthum Meéſi⸗ ningen. Herausgegeben von E. F. Harimann. IL oe. Zum Beften bes eRalogi-Dereind, Salzungen, 2. Scheermeſſer'ſche Hofbuchhanblung, 1865. 51 ©. 8. 5 Ger. Eine gewiß mühfame und im Iocalen Intereſſe verdienftlihe Arbeit,

die jedoch auf allgemeineres Intereſſe leinen Anſpruch macht. Ueber Schu⸗

len und Lehrer enthält fie nur ganz kurze Notizen, und nur einige wenige bavon liefern einen vereinzelten Strih zu dem Bilde der Schulzuftände früherer Zeiten. In einem Dorfe wurde die Schule bis 1808 in Privat-

bäufern und von da bis 1862 im Hirtenhaufe gehalten. In einem ans .

dern bielt der Lehrer, der 1723 verftarb, im Winter Schule, während er

im Sommer das Vieh hütete. In einem dritten waren von 1650 an nod

Hirten Lehrer, die im Winter die Kinder lehrten und im Sommer das Vieh

hüteten. Unter dieſen Lehrern befanden fih auch zu Zeiten Zagelöhner

und Bauern, die wegen körperliher Schwäche ihre Güter ihren Kindern übergaben, von biejen ihre Alimentation empfingen und die geringe Lehrer: befoldung als Biergeld betrachteten.

4. Erziehung uud Unterricht. Bolksfchul- Pädagogik.

11. Lehrbuch der Erziehung und bes Unterrichts von Dr. W. J. G. Eurtmann, emeritirter Director bes Schullehrer-Seminars zu Friedberg, Nitter des Kaiferl. Rufl. St. Stanislausordens und bed Großherzogl. Se. Ordens Philippe bes Großmüthigen. Erſter Theil. Auch unter bem Titel: Lehrbuch der Erziehung von x. Siebente revibirte Auflage bes Schwarz Eurtmann’ihen Werkes. Heidelberg, ©. F. Winter'ſche Verlags» bandlung, 1866. 420 ©. gr. 8.

12. Allgemeine Unterridts- und Schulerziehungslehre. Eine An- leitung zur gwedmäßigen des Lehramtes für Volksſchullehrer. Nach dem beſtehenden Metbobenbuche bearbeitet von Franz Herrmann. II. Auf⸗ lage. Prag, 1865, Fr. Aug. Erebner. 266 ©. 8. 20 Sgr.

Scheint nur eine jogenannte neue Titel-Ausgabe zu fein. Bergl. Jah⸗ reöberiht Br. 14. ©. 530 f.

13. Grunblegung zur Lehre vom erziehenden Unterrichte. Nach ihrer wiſſenſchaftlichen und praftifcgereformatorifchen Seite entwidelt von $rof. Dr. &. Ziller. Leipzig, Louis Pernitzſch, 1865. 490 ©. gr. 8. 1 Thlr. 15 Sgr.

Am vorigen Bande des Jahresberichts konnte ih nur über bie erfte Hälfte diefes interefianten Buches berichten, die zweite Abtheilung hat es mit der näheren Beflimmung bes Unterrihtszwedes zu thun, und es iſt deshalb in den Paragraphen 12 bis 20 von dem Intereſſe und der Biels feitigfeit defjelben nah ihren verſchiedenen Berhältnifien die Rede. Das allgemeine Urtbeil über die Schrift, das ich bei ber Anzeige der erften Abs theilung ausgefprodhen babe, muß ih auch nach Durchſicht der zweiten auf recht erhalten. Veranlaſſung zum Widerfprud bietet mir dieſelbe weniger

286 Allgemeine Pädagogik.

dar, als die erfte ; vielmehr finde ich mich binfichtlich der näberen Beftim- mung bes Unterrichtszwedes meift mit dem Verf. in Uebersinftimmung. Da ih das Weſentliche der eigenthümlichen Anfihten und reformatorischen Bes firebungen vefielben bereits im vorigen Jahre beiprodyen babe, jo erjcheint mir ein näberes Eingehen auf den Inhalt der zweiten Abtbeilung um fo weniger erforderlich zu fein, ald diejenigen, melde fi für wifienihaftliche Pädagogik intereffiren, jedenfalld mit dem Bude nähere Belanntihaft maden werben. Schade, daß durch die oft mehrere Seiten ohne Unter⸗ bredung fortlaufenden Abjäge und durd lange Perioden das Studium der gedankenreichen Schrift nicht wenig erſchwert wird.

14. Die Pädagogik in überſichtlicher Darflellung Gin ne

für Lehramtscandibaten, Volkeſchullehrer und Erzieher. Bon F. U.

Director am deutſchen Lebrerfeminar bes Kantons Bern. Zweite Häl

Bern, 3. Dalp’ihe Buch⸗ und Kunſthandlung, 1866. ©. 161—377. 3

Der bier vorliegende Schluß dieſes vortrefflihen Lehrbuchs der Päpa- gogit, das bereits im vorigen Bande des Jahresberichts (S. 474 f.) em: pfoblen worden itt, führt, gunädft mit der praltifchen Etziehung den zweiten Adfchnitt zu Ende. Der dritte und letzte Abjchnitt legt „das Syſtem ber Erziehung‘ dar, ftellt in der Einleitung zunächft den Begriff und die Io gifche Gliederung defielben feit und handelt fodann von der Pflege, der Bucht und dem Unterrihte nah Zwed, Mittel und Methode. Die Unterrichtögegenftände werden in drei Gruppen getbeilt: 1. Die idealen Fächer (Religionsunterriht, Sprahunterriht, Geſangunterricht). 2. Die realen Faͤcher (Zablenlehre, Raumlehre, Realunterriht). 3. Die Fertigkei⸗ ten (Beichnen, Schreiben, Turnen). Dieſe Rlaffifitation der Lehrſächer, wie freilich jede andere ebenfalls, läßt manchen Bedenken Raum. Zunächſt Tann die Gruppe der Fertigkeiten logifch nicht den beiden andern Gruppen neben; geordnet werben, da fie auf einem ganz anderen Eintheilungsgrunde beruht, als diefe letztern. Sodann ift es ar, daß eg nicht von dem Lehrſtoffe oder dem ftubftantiellen Inhalte eines Lehrgegenftandes abhängt, ob ber Lehrgegenftand zur idealen oder realen Gruppe zu rechnen ift, ſondern lediglich von der Art und Weile, mie dieſer Lebrftoff im Unterrichte bear beitet wird. in und derſelbe Unterrichtögegenftand kann ebenſowohl der idealen als der realen Bildung dienen. So 3. B. die Gefhidte, die Na: turfunde, felbft der Religionsunterriht. Von dem Sprachunterrichte an fid läßt fi in feiner Weiſe behaupten, daß er ein ideales Lehrfach fei, obgleich derfelbe das nothwendige Mittel für jeden idealen, aber aud realen Unter: richt ift, und das Zeichnen könnte faft mit gleihem Rechte, wie ber Ge fang, in die Gruppe der idealen Unterrichtögegenftände geitellt werden. Iw deß ift auf diefe Bedenken gegen die vom Berf. angenommene Rlaffification der Lehrfächer kein zu großes Gewicht zu legen, da, wie gejagt, jede Klaſ⸗ fification logifhe und ſachliche Bedenken zuläßt.

Hoffentlich mwird die vortrefflihe Schrift von Ruegg in der Lehrerwelt bie verdiente Beachtung finden und in berfelben über mandye Partien der Grjiehungss und Unterrichtslehre ein helleres Licht verbreiten, namentlid

Allgemeine Pädagogik. 287

über die Unterrihtsmethope. Ueber dieſe berrihen noch die unklarſten Bor: ftellungen, wodurch der Unterricht vielfah in Methodenkünftelei und in falfhe Bahnen bineingetrieben worden iſt. Unfer Verf. hat das Wefen ver Unterrihtsmethode richtig erfannt. Sie ift diejenige Thätigleit des Lehrers, wodurch der dem Schüler zunächft äußerlich als ein Fremdartiges entgegen- tretende Unterrichtsgegenſtand fo zubereitet wird, daß derſelbe nah und nad von dem Schüler innerlih aufgenommen und zum völligen geiftigen Eigen⸗ thum werben kann und wird. Die Methode gliebert fih in den Lehr⸗ gang, der gewöhnlid allein als die Methode angefehen wird, und der es damit zu tbun hat, den Lehrftoff in zwedmäßiger Weife auseinander zu legen und die Aufeinanverfolge feiner Theile richtig anzuorinen, die Lehr: form, welde dem Lehritoffe die geeignete Form gibt, um vom Geifte des Schülers aufgenommen werben zu lönnen, und bie eine innere (An⸗ ſchauung, Borftellung, Begriff) und eine äußere (akroamatiſche oder vor⸗ tragende, erotematifche oder fragende) ift, und in die Lehrweiſe, welche die innerlihe Aneignung des Lehrftoffes und die Umwandlung deſſelben in geiftiges Eigenthum vermittelt, unmittelbar vom Geifte des Lehrers ausgeht und in der Klarheit, Lebendigkeit und Wärme des linterrichts befteht. Die Bezeihnung Lehrgeift ftatt Lebhrweife würde noch trefiender und dem Mißverftändnifle weniger ausgelegt fein.

Die Methodik der einzelnen Lehrfächer hat der Verf. mit Recht aus⸗ gefchlofien, da dies dem Plane feines Lehrbuches entjpricht.

15. Erziehungslehre für ifr. Aeltern, Lehrer und Tehramtszdg- linge. Bon A. Lederer, Muſterhauptſchuldirector und Lehrerbilbner an der Tönigl, ifraelit. Präparandie in Verb. Peſth, 1865, Robert Lampel. 184 ©. 8. 2% Sgr.

Der Berf. gebt von der Anfiht aus, daß die bereits in vielen Schrif:

ten bargelegten richtigen Erziehungsgrundfäße noch lange nicht genug in bie

Maſſen des Volks gebrungen find, und deshalb fo lange für die Verbrei⸗

tung berjelben durch Schriften wie durch die That gemirkt werden müfle,

bis jeder Vater ein denkender Erzieher, jede Mutter eine verftländige Erzie⸗ berin, jedes Gemeinbeglied ein warmer Schulfreund, das ganze Zeitalter ein pädagogijches wird. Diefe Anficht, fo wie der Umftand, daß es ifraelitifchen

Eltern und Schulamtszöglingen nod immer an einem pädagogifchen Lehr

bude fehlt, das mit ihrem angeerbten Glauben und ihrer religiöfen Ueber:

zeugung völlig übereinftinmt, bewog den Verf. zur Ausarbeitung und Her: ausgabe feiner Erziehungslehre. Nach einer Eintheilung, weldhe von der

Pädagogik und ihrer Eintheilung, den leiblihen und geiftigen Anlagen, den

Lebens: und Entwidelungsgejegen und der Beltimmung des Menjhen ban-

delt, werben in drei Abfchnitten die Grundfäße der Erziehung im Kindes⸗

alter, im Stnabenalter, im Sünglingsalter dargelegt. Auf ſyſtematiſche An⸗ ordnung und wiſſenſchaftliche Begründung hat der Verf. natürlich verzichtet, dagegen Alles für die praltiihe Erziehung Wichtige auf dem Grunde dhrift: licher Erziehungsfchriften in Kürze dargelegt. Das fpecififh Sfraelitifche in der Schrift zeigt fih nur in der Beifügung hebräiſcher Wörter zu manchen

288 Allgemeine Pädagogik.

deutfhen Wörtern, in der Bermeibung ſpecifiſch chriſtlicher Ausvrüde und in häufiger Bezugnahme auf das 9. 7.

16. Der Kern ber Grsichnnge. Wrage. Bortrag zum Veften der Innern Miſſion gehalten von Dr. ert, Abnigl. PBrovinzial-Schulrath. Stet⸗ tin, Th. von der Nahmer, 1865. 44 ©. 12. 74 Ger.

Bon der Kinderftube ausgehend, gelangt der Berf. durch Hinweiſung auf Grfabrungen, die jeder Vater und jede Mutter machen kann, zu fol- genden Saͤtzen: Jedes Kind hat einen ihm eigenthümlichen geiftigen Urzaze fand. Diefe urſprungliche Verſchiedenheit in den Geiſtesrichtungen der Kin⸗ derfeelen ift eine ſpecifiſche und weſenhafte. Jede einzelne Kindesſeele bat neben ven allgemein menſchlichen Begabungen einen bejondern, ihr eigen- tbümlihen @eiftesgehalt von und aus Gott erhalten, und fie bat bamit die Aufgabe überlommen, in dieſer ihrer Richtung innerhalb der menſch⸗ lichen Beichräntung und kraft des allgemeinen menſchlichen Vermögens ihren Geiftesgehalt zur vollendeten Darftellung zu bringen. Die Erzie⸗ bung bat demnah die Aufgabe, an jedem Kinde nicht nur das all⸗ gemein Menſchliche, fondern auh das ihm Gigentbümlihe und Jndi⸗ viduelle fo zur Gntwidelung und Reife zu bringen, daß berfelbe Menſch in allen Lagen und allen Lebensäußerungen, in allem ort: jhreiten und notbwendigen Wandel feiner Dent: und SHandlungsweife als: ein urfprünglies, fi ſelber ftets getreues und durch und burdh barmonifh geftimmtes Weſen fih fund gibt. Cs liegt daher weder in der Vollmacht noch in der Macht der Eltern und Grzieber, das ihnen anvertraute Kind nad einer ganz beliebigen und willkürlichen Richtung hin⸗ zuleiten. Die individuelle Anlage ſchließt auch die Kraft ihrer Entwidelung in fi ; der Erzieher hat deshalb vor Allem die Individualität des Kindes zu erforjchen, zu verfteben, und fo aus und von dem finde zu lernen, wie, woburd und wozu es erzogen fein will. Sodann hat die Erzie bung dafür zu forgen, daß von dem finde alles Dasjenige fern gehalten wird, was durch befondern Reiz jeine Entwidelung ftört, in faljche und fündige Richtung treibt ; daß eine geiftige und fittlihe Atmojphäre um daſ⸗ jelbe hergeftellt wird, aus der es gejunde und geſundmachende Ginprüde empfängt ; daß ihm ein Beichäftigungstreis angewieſen wird, in weldem es ſich möglichft frei bewegen kann; daß ihm ein Pflichtentreis übertragen wird, in dejlen wohl erreichbarer ,. aber nie erreichter Erfüllung, es fih in feiner fittlihen Schwäde und fo ſich felber in feiner tiefiten Schädigung erlenne.

Das iſt der Kern der Erziehungs-Frage und der Hauptinhalt des Vortrags. Was von S. 29 an nod über Staat, Kirche und namentlid ‚über die Schule gejagt wird, kann hier um jo mehr unberührt bleiben, al# der Verf. aus Nüdfiht auf feine Zuhörer nur die höheren Schulen im Auge bat.

Meferent ftimmt dem Perf. darin bei, daß dem Kinde nicht bios quantitative Eigenthümlichleit angeboren iR, wie die „neue Pipe:

Allgemeine Pädagogik. 289

logie” behauptet, ſondern auch qualitative; ebenfo aud darin, daß bie der Individualität entſprechende Erziehung die richtige und bie Bildung bes Charakters das Weſentliche ſei. Cr bebauert nur, daß die engen Grenzen eines Bortrages dem fcharf beobachtenden Verf. nicht geftattet haben, tiefer auf die Frage von der urſprünglichen Individualität des Kindes einzugehen, da biejelbe für jeden Erzieher, aljo auch für den Lehrer von entſcheidender Wichtigkeit ift.. Bei diefer Frage verdient befonders Zweierlei einer ge nauern Grörterung. Das Eine ift der jo überaus verfchievene Grad der . "Stärke, in welcher die urjprüngliche Gigenthümlichfeit in den einzelnen Kin: dern ausgeprägt it. In vielen ift fie fo ſchwach, daß man fie in der That nicht mit einiger Sicherheit erfennen und daß man aus ihnen Alles machen fann, was man will, Das Zweite betrifft die Unterfheidung def fen, was wirlklich urſprüngliche oder nur unwilllürlid anerzogene Eigentbümlichleit im Kinde if. Cine Verwechſelung beider ift ungemein leiht, führt aber natürlih nur zu erziehlichen Mipgriffen. Dem Verf. würden viele. Erzieher dankbar fein, wenn er in anderer Form ſeinen Ge⸗ genſtand weiter ausführen wollte.

17. Die neuen Elemente, bie das Chriſtenthum in das Erzie- hungs⸗ und Unterrihtswejen eingeführt bat. Beleuchtet von Carl Ruland. (Separatabdrud aus dem Repertorium ber päbagogilchen Journaliſtik und. iteratur XIX 6). Münden, Louis Finfterlin, 1865. 19 © 8 4 Sgr.

Durch DVergleihung der vorhriftlihen Zeit mit der chriſtlichen werden als ſolche Clemente gefunden : Richtigere Auffafiung der Beſtimmung des Menihen, der nicht blos, wie man im Altertbume meinte, für den Staat, jondern ala abjoluter Selbftzmed zur Gottähnlichkeit zu erziehen iſt; eine edlere Anfiht über die Willenihaften und deren Zmed, und Herporhebung des moraliſchen Gefühle als Stüßen der Erziehung ; Herftellung des rich: tigen Verhaͤltniſſes zwiſchen dem irdifchen und ewigen Berufe des Menfchen und demgemäß die Erhebung der Religion zum Hauptgegenftande bes Un⸗ terrichts; die Gleichberehtigung und Gleichftellung aller Menſchen; die würbigere Stellung des Weibes, die Heiligkeit der Ehe, die höhere Würde der Familie und größere Reinheit des Yamilienlebens, damit auch eine befiere Yamilienerziebung ; Berallgemeinerung des Unterrihts und der Schus len. Durch das Chriſtenthum wurde auch das Verhältniß des Staates zur Erziehung eine andere und befiere, und manches brauchbare erziehliche Ele⸗ ment des Altertbums in veredelter Geftalt in die chrifilihde Welt berüber genommen, 3. B. das ganze Gebiet der Wiſſenſchaft und Bildung, das bie Alten mit dem Namen Mufil bezeichneten. Dies find die Hauptgedans ten der Abhandlung, die bin und wieder noch etwas befier hätten ausges führt werden lönnen.

18. Eines nah dem Andern! Ein Vorſchlag zur Reform bes Unterrichts- wefens mit befonderer Rüdfiht auf bie Gelehrtenſchulen, bargelegt von Albert Biſchoff. Nörvlingen, &. H. Beck'ſche Buchhandlung, 1866. 35 S. 6 Ser.

Der Titel und die Tendenz dieſer Heinen Schrift erinnert an bie früs

Her (Bd. 16, ©. 512) angezeigte, die den Titel „Eins“ führt, unterſcheidet

Päd. Jahresbericᷣt. XVIIL 19

290 Allgemeine Pädagogik.

ih aber ſonſt von diefer in weſentlichen Punkten. Der Berf., der Sub: rector zu Uffenheim in Mittelfranten ift, und von der päbagogijhen Lite: ratur eine Außerft geringe Meinung hegt, weil jie nad feiner Anficht meift Unkraut enthält, bat fich verpflichtet gefühlt, aus der Stille feiner Studir⸗ und Schulitube auf den offenen Markt hinaus zu treten, um einen Uebel⸗ ftand in unferm Unterrichtsweſen zur Sprache zu bringen, auf dem bisher zwar hin und wieder bingemwiejen worden ift, aber vergeblid. Der Unter richt in den Schulen aller Art, au in den Bollsichulen, wird vom ihm als ungenügend bezeichnet, und Daß der Lehrerftand dies felbft fühle, jollen die häufigen Lehrerverfammlungen bemeifen, die überall eine Reform der Schule fordern. Den Grund, warum der Schulunterriht Ungenügendes leilte, jo darin liegen, daß es demjelben an Einheit fehle, daß zu Vielerlei neben einander getrieben und dadurch Zeit und Kraft der Schüler zu ſehr zexrfplittert werde. Daher will er durch Geltendmahung des Grund⸗ jages : „Eines nad dem Andern‘ den Schulunterriht zunädft in den Ge: lehrtenſchulen, dann aber auch in allen andern Schulen reformirt wifien. „Eins nah dem Anden! Gehr's nicht gleichzeitig, fo wird's vielleicht naheinander gehen. Wie märe es denn, eine Beitlang blos Xatein und faft nichts als Latein zu treiben ? Laßt einen Anaben vier Fahre blos Latein lernen, jo wird er wohl zulept etwas Tüchtiges leiften, und lat ihn dann zwei Jahre lang blos das Griechiſche treiben, er wird ſchnell zu einer Yertigleit kommen, wie er fie jebt nie erlangt, und laßt ihn dann ein oder zwei Jahre Gefchichte oder Mathematit oder Phyſik oder neuere Spraden lernen, entweder inmitten jener Beit oder am Schlufle, aber im- mer nur Eines nad dem Undern, meinetwegen au das Eine und Andere nur ein -halbes Jahr lang, aber beftändig, täglich, nicht blos in zwei Stun⸗ den der Woche, was gilt die Wette? er lernt lieber, grünblicher, ex lernt mehr und befier. Auf diefe Weife brauchen wir nichts aufzugeben von dem, was einmal Unterrichtögegenftand ift, und mit dem non multa, sed multum wird's jeßt rechter Ernft.” Das geht freilich auf die Gym- naſien; man darf aber nur ftatt Latein und Griechiſch andere Lebrfächer jesen, ſo kann es auch auf Real⸗, Bürger: und ſelbſt Volksſchulen bezogen werden.

Es iſt nicht zu verkennen, daß der Verf. auf einen Uebelſtand in unſerm Schulunterrichte hinweiſt, der ſchon vielfach gefühlt worden if. Dadurch, daß viele Lehrgegenſtände neben einander und natuͤrlich jeder nur in ein paar wöchentlichen Stunden, getrieben worden, entſteht eine Zer⸗ jplitterung an Zeit und Kraft, welche die Fortichritte der Schüler ungemein bindert. Das Mittel, welches der Verf. zur Bejeitigung des Uehelſtandes vorjhlägt, würde im Allgemeinen gewiß recht wirkſam fein, wenn ſich nur bie Lehrer zur Anmendung deſſelben bequemen wollten. Diefe haben aber gegen eine Einrichtung des Unterricht3 wie bie vorgejchlagene allerlei Be⸗ denfen. Sie fürdten, der Unterricht möchte zu einfürmig werben und bie Schüler würden die Luft daran verlieren. Das in einem Lehrfache Gelernte würde auch bald wieder vergefien fein, wenn bafjelbe noch während der Schul⸗ zeit aufhörte, betrieben zu werden. In den Schulen mit mebrem Lehrern,

Allgemeine Pädagogik. 291

und wo unter biefen einige Fachlehrer find, würden auch vielleicht manche äußere Schwierigleiten entftehen in Bezug auf Vertbeilung der Lehrſtunden.

Dieſen Bedenken juht der Verf. entgegen zu treten, und fie find in der That nit von großem Gewichte. Denn die Meinung Tann. ja nit dahin geben, alle wöchentlichen Lehrftunden immer nur einem ein- zigen Lehrfache zuzumenden, fondern nur dahin, daß ſtets nur einige Lehr: fächer zu gleicher Zeit neben einander betrieben werben, damit man jedem täglich mwenigftend eine Stunde widmen kann. Und mas das Vergeſſen des in einem Lehrfahe Gelernten betrifft, jo tritt dafjelbe nad dem Ab- laufe der Schuljahre do ein. Was für einen Werth mag doch ein Wil: fen haben, das durch ununterbrodene Pflege nur während ver Schulzeit ein mehr oder weniger unficheres Beſitzthum bleibt, nach berjelben aber bald verloren geht? Wollte man nur den Stoff in jedem Lehrfahe auf das für die Bildung wirklich Nothivendige befhränten, dieſes Nothwendige aber nur vecht tüchtig üben, jo würde es auch dann noch eben fo lange, wie ber Lehrſtoff ‚bei der gegenwärtigen Cinrichtung, im Geifte des Schülers baften, wenn aucd der betreffende Lehrgegenftand in ber Schule einem ans dern Plaß madhte.

Der Verf. bat fih nur bemüht, pen Grundſatz „Eines nad) dem An⸗ bern” zur Anerlennung zu bringen und er gibt für bie Anwendung deſſel⸗ ben nur wenige, ungenügende Andeutungen. Damit bat er gerade das unterlajlen, was für ihn das Wichtigſte hätte fein follen. Die Aufftellung allgemeiner Grundſaͤtze und ihre theoretiihe Begründung hilft wenig, wenn die Möglichkeit ihrer Durchführung in der Praris nicht nachgewielen wird, Mancher Lehrer wird vielleiht die Nichtigkeit des Grundſatzes an ſich zus zugeben geneigt jein, er vermag fih nur nit zu überzeugen, daß er prals tiſch durchjührbar if. Auch hat der Verf. ein Bebenlen ganz unerwähnt gelafien, daS vielleiht gerade das wichtigſte if. Die meilten Lehrfächer enthalten Bartien, die in einem frübern Alter durchgenommen werden köns wen, und wieder andere, deren fruchtbares Verſtändniß ein reiferes Schul alter vorausfegt. Nehmen wir 3. B. das Rechnen in einer Bürgerjchule, Es ift nit möglih, daſſelbe in den erften drei oder vier Schuljahren ſo weit als es nöthig ift zu lehren, weil für gewiſſe Rechnungsarten erft das ſechſte und fiebente Schuljahr geeignet if. Derfelbe Fall findet auch bei alten Spradhen Statt. Der Berf. hat ſich nicht darüber ausgefprochen, in welchem Alter des Schülers er das Latein angefangen willen will. Setzen wir auch diejen Anfang in das zwölfte Lebensjahr, was nad der allge meinen Praris belanntlih etwas fpät ift, jo muß doch bezweifelt werben, daß die Schüler in vier Jahren, felbjt bei 12 und mehr wöchentlichen Lehrftunden, dahin gelangen werben, einen ſchwierigern lateiniſchen Schrift fteller mit einigem Nußen für ihre geijtige Bildung zu lefen, weil zum Ver: ftänpniß nicht nur ein etwas veiferer Geift, Sondern auch die Velanntfchaft mit Geſchichte und Nealien erfordert wird, die vielleicht erjt jpäter eintreten follen und können. Dadurch wird allerdings, nad meinem Ermeſſen, ber Grundjag und die Anfiht des Berfaflers nicht geradezu umgeftoßen, aber doch dahin beſchraͤnkt, daß in den obern Klaſſen die Anzahl der neben

19*

282 Allgemeine Pädagogit.

Es ift ein allgemein als gültig anerlanntes logifches Geſetz, daß blos QDuantitatives niemald® Qualitatives, d. h. eine bloße Menge von Dingen oder Zuftänden von einer beftimmten Beſchaffenheit niemals ein anderes Ding von einer ganz andern Beſchaffenheit erzeugen lönne ; oder, um Naue’s anſchauliche Beweisführung beizubehalten, daß aus einem Haufen Gerftenlörner, made man ibn auch noch fo groß, niemals Hafer werde. Gegen diefes Gejeß verftößt die Logik der Benele’ihen Pſy⸗ hologie, nit nur bei dem mißlungenen Berfuche, den Urjprung bed Bes wußtſeins zu erllären (ſ. oben), fondern auch bei andern Gelegenheiten. So findet Benele 3. B. zwifchen der Thierjeele und der Menfchenjeele nur einen quantitativen Unterfihieb, obgleih er wohl kaum geneigt fein wird, zwiſchen den pſychiſchen Erjcheinungen und Aeußerungen beim Thiere und beim Menjhen alle qualitativen Unterjdiede zu leugnen. Denn bie fittlihen und religiöfen Gefühle, Vorſtellungen und Begriffe finden fi beim Thiere gar niht. Nah Benele muß dieſe qualitative Verſchie⸗ denheit zwifhen dem Menſchen und dem Xhiere aus quantitativen Berbältniffen 'erflärt werden. Diefelbe vertehrte Logik findet fih aud im feiner Anfiht vom Angeborenen. Gr meint nämli, daß der Seele (oder deren Urvermögen) nur quantitative Unterſchiede angeboren feien, daß alfo alle fi fpäter berausftellenden qualitativen pſychiſchen Unterſchiede

- der Menſchen zulegt aus jenen blos quantitativen hervorgehen.

Die pipchologiihen Arbeiten Beneke's begannen jeit 1820 belannt zu werben ; fein abgefchlofienes Spitem erſchien zuerit 1833 in feinem Lehrbuche der Pſychologie, deſſen zweite Auflage im J. 1845 nod von ihm ſelbſt beforgt wurde. Seitdem ift, namentlid veranlaßt durch genaue und ergiebige phyſiologiſche Unterfuhungen (f. o.) und die Erneuerung des Materialismus der Piychologie erhöhte Aufmerkjamleit gewidmet worden, und es haben fih pſychologiſche Auffafiungen geltend gemacht, die den frü⸗

heren vielfady widerſprechen, fie als unhaltbar nachgewiefen haben. Die Arbeiten von Fortlage, Schaller, J. H. Fichte, Ulrici, Brud, Staegmann, Wundt und Andern baben ver Piychologie eine völlig neue Geftalt gegeben, fo daß die früberen pſychologiſchen Auffafjungen und Syiteme, au die von Herbart und Benele in ihren eigenthümlihen Grundlagen gegenwärtig als veraltet bezeichnet werden können. Dreßler und Raue, die Commentatoren und Berbreiter der Benele'ihen Pſycho⸗ logie, haben von den neueften Fortichritten ihrer Wiſſenſchaft nicht die ge tingfte Notiz genommen ; für fie find jene Arbeiten gar nicht vorhanden. Meng dies aber als ein ſchlimmes Zeichen angejfehen werden muß, fo ift ſolches Ignoriren doch im fofern gerechtfertigt, ald das pſychologiſche Syſtem Beneke's auf willtürlihen Hypotheſen mühevoll und künſtlich aufgebaut ift und für Ergebniſſe der fortfchreitenden Forfhung durchaus feinen Raum bat. Gin Lächeln muß es aber erregen, wenn die Anhänger Beneke's die Pſychologie ihres Meifters noch fortwährend als vie „neue Pſychologie“ bes zeihnen, und damit ihre völlige Unkenntniß auf dem Felde ihrer Wiſſenſchaft an den Tag legen. .

‚Allgemeine Päbagogif. 283

„71. Des alten Doctor Stiebel Jubelbiffertation fir Aerzte, Erzie- ber und SKinberpfleger. Frankfurt a. M., I. D. GSauerländer's Verlag, 1865. 100 ©. gr. 8. 15 Sgr.

Enthält vier Abhandlungen: 1. Gehirndiätetik der Säuglinge und Heinen Kinder (Miniatur: Pfychologie) ; 2. Rathſchläge für angehenve Kin⸗ deraͤrzte; 3. Warum die Säuglinge ſchreien; 4A. Ueber das Berhalten bei bigigen Ausichlagstrantheiten der Kinder. Nur die erfte Abhandlung bat auch für Erzieher Intereſſe.

3. Zur biftorifchen . Pädagogik.

8. Zur Biographie Beni PBeftalozzi’s. IIL. Bon alt Seminar director Morf, Wailenvater in Winterihur. Winterthur, Buchdruckerei

von ©. Bleuler-Hausherr. 94 ©. er. 8.

Das vorliegende Heft diefer werthvollen Schrift ift Dieſterweg ge⸗ widmet. Der Verf. hat zu demjelben viele handſchriftliche Quellen benußt, die ihm von verfchiedenen Seiten bereitwillig dargeboten wurden. Er ſchil⸗ dert in der neuen Gabe in 12 Abſchnitten Peftalozzi’d Leben und Stres ben in Burgdorf. Die Abſchnitte führen folgende Meberfhriften: 1. Sein Merl. 2. Nefultate feiner DVerjuhe in Stanz. 8. Seine Verſuche in Burgdorf. 4. Weitere Hülfe durch Stapfer. 5. Das erfte amtliche Zeug: nie. 6. Peſtalozzi's erfte methodiſche Schrift. 7. Die erften Gebülfen Be: ſtalozzi's. 8. Das Gutachten der Gefellihaft für das Erziehungsweſen. 9. Wachſender Ruf. 10. Bon dem Buche: „Wie Gertrud ꝛc.“ 11. Die nächſten Folgen dieſes Buches. 12. Die Gegner. Der lebte Abfchnitt. Scheint noch nicht abgefchlofien zu fein, denn er bejchäftigt fih nur mit den Gegnern aus der Baſedow'ſchen Schule. Bon befonderem Intereſſe ift der fünfte Abfchnitt, der das erfte amtliche Zeugniß über Peſtalozzi's Wirkfams keit in Burgdorf bringt. Daſſelbe ift erftattet von der Schulcommiffipn zu Burgdorf, auf Grund einer abgehaltenen Prüfung der Schuljugend, bie Peſtalozzi 8 Monate lang unterrichtet hatte, an den „Bürger Peſtalozzi“ gerichtet und vom 31. Mai 1800 datirt. Es heißt darin unter Anderm: „In dem Alter von 5—8 Jahren, in welchem nad der bisher befannten marternden Methode die Kinder die Buchftaben kennen, fillabiren und lejen gelernt, haben Ihre Schüler nicht nur dieſe Penfen in einem bisher uns gewohnten Grade der Volllommenbeit zu Ende gebradt, fondern die fähig» ften unter ihnen zeichnen fich bereits als Schönfchreiber, Zeichner und Rech⸗ ner aus. Bei allen haben Sie die Neigung zur Gefhichte, Naturgeſchichte, Meßlunſt, Srobefhreibung u. ſ. w. zu erweden und beleben gewußt, daß ihre künftigen Lehrer, wenn fie von diefen Vorbereitungen vernünftigen Gebraud zu machen willen, ihre Arbeit -ungemein ’erleichtert finden müͤſ⸗ fen. „Aber was bat Ihre Lehrart noch für Vorzüge vor andern, die man bis dahin getrieben hat? Neben den jchnellen Fortjchritten, die darin gethan werben, im zarten Alter, two jeder Unterricht ſchon feine Stelle findet, ift fie hauptfächlih dazu geeignet, daß fie im häuslichen Zirkel von jeder Mutter, von jedem älteren Finde, ja von jeder verftändigen Magd unter

284 Allgemeine Pädagogik.

der häuslichen Arbeit angewendet werben kann. Welcher Gewinnft für die Gemeinden, für die Eltern und für die Kinder.

Im Jahre 1800 bildete fih eine „Gefellihaft von Freunden des Er⸗ ziehungsweſens“ in der beftimmten Abſicht, die Beſtrebungen Peſtalozzi's zu unterftügen und zu allgemeinerer Anerlennung zu bringen. Cine Commij: fion aus ihrer Mitte erhielt den Auftrag, Peſtalozzi's Methode an Ort und Stelle zu prüfen und ber Gefellfihaft Bericht zu erftatten. Männer von Bedeutung, wie Paul Ufteri von Züri, Lüthi von Solothurn u. A. was ren unter den Mitglievern derjelben. In dem von dieſer Commiffion er» ftatteten Bericht beißt es unter Anderm:

„Allererft haben mir bemerkt, daß die Kinder der Peſialozzi'ſchen An⸗ ftalt außerorventlih geſchwind und Außerft volllommen budftabiren, lefen, Schreiben, rechnen lernen. In einem einzigen halben Sabre find fie im Stande, hierin auf jene Stufe zu gelangen, zu der nur irgend ein Dorf ſchulmeiſter in 3 Jahren fie zu erheben vermöchte. Wahr iſt's, die Dorf: ſchulmeiſter find gewöhnlich Teine Peitalozzi, und man findet auch nicht alle Tage ſolche Gehülfen, wie Freund Peſtalozzi. Aber uns büntte do, daß nit das Perfonal der Schule diefe außerordentliche Erſcheinung hervor⸗ gebracht habe. Es dünkte uns, die Lehrart felbft fei Urſache davon.”

„Und worin befteht die Lehrart ? Darin, daß man der Natur allein die Hand bietet, daß man fie zur eigentlichen Lehrerin macht. Die Ge lehrten jollen fih auf folgende Weife hierüber ausdrüden: Diefe Lehrart geht nur von Anjhauungen aus und führt das Kind allmählig und von felbft auf abftracte Begriffe. Noch einen Bortheil bat dieſe Lebhrart; er beftebt darin, daß eben diejer Erziehungsweg überall nie einen Lehrer er bliden läßt. Er erfheint nirgends als ein Weſen höherer Art, fondern, wie die liebe Natur, ift und mwebt und lebt er mit den Kindern als mit Seinesgleihen, und fcheint eher von ihnen zu lernen, als fie etwas zu lehren.‘

Nah dem Vorworte ift leider feine Ausfiht vorhanden, daß im fol genden Sabre das folgende Heft dieſes vortreffliden Wertes erſchei⸗ nen wird.

9. Der älteſte, bis jetzt belannte Lehrplan für eine beutfde Schule (die Schule der Stabt Eisleben) im Jahre 1525, aufgefunden und nah dem Driginalbrude nebſt einigen Bemerkungen herausgegeben von Sriedrih Lorenz Hoffmann, Dr. der Rechte. Hamburg, Perihes⸗Beſſer und Maule, 1865. 32 S. 8. 6 Ser.

Der urjprünglih in Placatformat gebrudte Lehrplan ift lateiniſch ab: gefaßt und für die bamals in Gisleben beftehende vreiklajfige lateinifche Schule beftimmt. Daß diefer Lehrplan, der übrigens kaum Etwas enthält, was nicht bereits bekannt ift, wirklich ver ältefte bis jetzt befannte Lehr “plan für eine deutſche Schule fei, muß ich bezweifeln. Wenigſtens babe id Grund zu vermutben, daß fi in der Stuttgarter Schulordnung vom %. 1501, auf die ih im XIV. Bande des Yahresberihts ©. 515 bingewiefen babe, auch ein Lehrplan befinde, Indeß ift mir diefe Schul

Allgemeine Pädagogik. 285

ordnung gegenwärtig wicht zur Hand, fo daß ich darüber nicht entjcheie den Tann.

10. Biographiihe Bilder und Skizzen aus bem Perpstbum Mir ningen. Herausgegeben von E. F. Harimann. II Het. Zum Beften bes eRalogi-Dereine, Salzungen, 2. Scheermeſſer'ſche Hofbuchhandlung, 1865. 51 ©. 8. 5 Ser. Eine gewiß mühſame und im localen Intereſſe verbienftliche Arbeit,

die jedoch auf allgemeineres Intereſſe leinen Anſpruch macht. Ueber Schu:

len und Lehrer enthält fie nur ganz kurze Notizen, und nur einige wenige davon liefern einen vereinzelten Strih zu dem Bilde der Schulzuftände früherer Beiten. In einem Dorfe wurde die Schule bis 1808 in Privat bäufern und von da bis 1862 im Hirtenhauſe gehalten. In einem ans dern bielt der Lehrer, ver 1723 verftarb, im Winter Schule, während er

im Sommer das Vieh hütete. In einem dritten waren von 1650 an noch

Hirten Lehrer, die im Winter die Kinder lehrten und im Sommer dad Vieh

hüteten. Unter dieſen Lehrern befanden fih auch zu Zeiten Zagelöhner

und Bauern, die wegen lörperliher Schwäde ihre Güter ihren Kindern übergaben, von biefen ihre Alimentation empfingen und die geringe Lehrer: beſoldung als Biergeld betrachteten.

4. Erziehung und Unterricht. Bolksfchul- Pädagogik.

11. Lehrbuch ber Erziehung und bes Unterrichts von Dr. W. J. ©. Eurtmann, emeritirter Director bes Schullehrer-Seminars zu Friedberg, Nitter bed Kaiferl. Ruf. St. Stanislausordens und des Großherzog. Sc Drbens Bhilipps des Großmüthigen. Erſter Theil. Auch unter dem Titel: Lehrbuch der Erziehung von ꝛc. Siebente revidirte Auflage des Schwarz Eurtmann’shen Werkes. Heidelberg, ©. F. Winter’iche Berlags- handlung, 1866. 420 ©. gr. 8.

12. Allgemeine Unterridte- und Schulerziehungslehre. Eiue An⸗ leitung zur zwedmäßigen pübrung bes Lehramtes für Volksſchullehrer. Nach bem beftehenden Metbobenbuche bearbeitet von Franz Herrmann. II. Auf age. Prag, 1865, Fr. Aug. Erebner. 266 ©. 8. 20 Ser.

Scheint nur eine fogenannte neue Zitel-Ausgabe zu fein. Bergl. Jah:

reöberiht Bd. 14. ©, 530 f.

13. Srunblegung zur Lehre vom erziehenden Unterrichte Nach ihrer wiſſenſchaftlichen und praftifchereformatorifchen Seite entwidelt von

rof. Dr. T. Ziller. Leipzig, Louis Pernitzſch, 1865. 490 &. gr. 8.

1 Thlr. 15 Sgr.

Im vorigen Bande bes Syahresberichts konnte ich nur über bie erfte Hälfte dieſes intereſſanten Buches berichten, bie zweite Abtbeilung bat es mit der näheren Beilimmung des Unterrichtszwedes zu thun, und es ift deshalb in den Paragraphen 12 bis 20 von dem Intereſſe und der Biel: feitigleit deſſelben nah ihren verfchiedenen Verhaͤltniſſen die Rede. Das allgemeine Urtheil über die Schrift, das ich bei der Anzeige der erften Abs theilung ausgeſprochen habe, muß ich auch nah Durchſicht der zweiten auf vecht erhalten. Beranlafiung zum Widerſpruch bietet mir dieſelbe weniger

296 Allgemeine Pädagogil.

fie dur ihre Grienntniß auch zur richtigen Darflellung derfelben gelangen. Aus diefen Grundgedanken allein Läßt fi ermefien, „ob das ganze Eyyfiem mit all feinen geifligen Conjequenzen den Forderungen entipridht, von des ren Grfüllung feine Lebensfähigleit abhängig if.” Die Erlenntniß von Froͤbel's Grundgevanten ift aber nicht leicht, denn er jelbR gibt fie in einer Form, die vielfah gedeutet werden kann und deshalb oft unverflänblich wird. Auch find feine Aufichlüfie felbft wieder nur Bruchflüde größerer Sedantenreiben, Aphorismen, denen bald die Begründung, bald die Folge, bald die legte Confequenz fehlt. Da „jede Reform auf dem Gebiete der Erziehung nur dann vor ſich geben, nur dann Ausfiht auf Erfolg haben fann, wenn fie von einer Reform der Lebensanfhauung, des Begriffs der Menſchheit, der Idee ihrer Beitimmung kegleitet wird” : fo verfudht ber Berf. nadbzumweilen, daß die Welt: und Lehensanfhauung Fröbel's in ber That diejenige fei, zu welder auf ihrem jegigen Standpunkte die Menſch⸗ beit naturgemäß bingebrängt wird, und daß temnad die aus biejer Welt: anfhauung fi entwidelnte Erziebungsmethobe die richtige fein müſſe.

Die Weltanſchauung Fröbel’s findet der Berf. nun in defien Anficht ausgeſprochen, daß überall in der Melt eine fi ftet3 gleiche, aber flufen: weis fi fleigernte Kraft wirkſam if, ein und daſſelbe Geſetz waltet, nad dem jedes Ting fih zu dem entwidelt, wozu es feiner Organifation nad) befimmt if Dieſes Geſetz if auch im Menfhen und in der ganzen Menitbeit wirtjam. So ſpricht fih Froͤbel allereings in der „Menſchen⸗ erziebung‘ aus, nur iſt tiefer Gedanke nicht von ibm allein und zuerft ge: dacht worden ; derfelbe war fen vor Fröbel Gemeingut aller Denkenden. Tiefe Weltanſchauung Fröbel's kann, wie der Rerf. ebenfalls richtig be: merlt, mit den Austrüden Pantheismus, Nationalismus oder Materialis⸗ mus nidt velitändig richtig bezeichnet werten. Denn fie if, fo wie Frö⸗ bel fie aufjaßt und in etwas dunkeln Andeutungen darftellt (vgl. Jahres⸗ beriht Bd. 16, S. 474) ein Eemiſch aus Schelling'ſchem Pantheismus und chriſtlicher Reit. Der Berf. gebt zu weit, wenn ex fagt, daß Fro⸗ bel dem Menſchen wieder feine rechte Eielle im Weltall angewiefen babe, wenn ex den rbilcicrbiihen Grundgedunfen yröbel’s für fo frudtbar hält, dag aus ihm eine neue Erziebungstheorie ſich entwideln lafie, eine völlige Ummwälzung in der praftiihen Erziehung dadurch bewirkt werben könne, und wenn er glaubt, daß aus den nad Froͤbel's Erziehungsanſichten ein: gerichteten Erziebungdanftalten beitere, reinere, beiligere Menſchen bervor: geben würden. Mit ſolchen Ueberihwenglichteiten it der Sache Fröbel’s nicht xdient.

24. Kindergarten, Bewabr-Anfult and Elementar⸗Klaſſe. Her⸗ tgegeben water Witwirkung tes „Deutichen frrötel-Bereins“ von U. Killer in Getha. Fr. Echmidt unt Fr. Seidel in Beimar. VI. Jahr- ganz Weimar, Hrrmanz Bẽdlau, 1565. 12 Nummern & 1 Bogen. gr. 8. Bierteljährtig I Egr.

Ter vorliegente Jahrgang tiefer Zeitickrift, über welche bereits in ven beiden vorhergehenden Baͤnden des Jahresberichts berichtet werben iſt, bringt unter Anderem zwei Aufiüge, welche eine kurze Beiprehung heraus⸗

Allgemeine Pädagogik. 297

fordern. Der eine ift gegen meine Auslaffung über die Froͤbel'ſchen Kinder⸗ gärten in Bd. XVI. des Jahresberichts S. 484 ff. gerichtet, bricht aber in Nr. 7 unvollendet ab. Es fiel mir natürlih nicht ein, zu erwarten, daß meine dort ausgeſprochenen Bedenken überall Zuftimmung erhalten oder gar die Arbeiter am Fröbel’ihen Kindergarten überzeugen würden. Erwarten durfte ich aber, daß dieje letztern, wenn fie es der Mühe werth hielten, mir zu entgegnen, meine Bedenken widerlegen würden. Dies ift jedoch nicht gejchehen, die angeblihe Wiverlegung beginnt damit, daß die Gegner der Kindergärten „Stillftande» und Rüdſchrittsmaͤnner“ titulirt werben. Das heißt in der That, die Widerlegung fih etwas zu leicht maden. Nicht anders iſt es mit dem, was bdiefem Eingange folgt. Der Auffab balt fih namentlih daran, daß ich gefagt habe, die Kindergaͤrten wären zur Modeſache geworden, die Speculation hätte ſich derfelben bemädhtigt. - Wie in aller Welt hat man darin Gründe gegen die Kindergärten finden können ? Glaubt man vielleicht, ich wüßte nicht, daß der Mißbrauch einer Eade gegen diefe felbft noch nichts beweift ? Und wie bat man nicht er fennen können, daß ich durch jene Worte lediglich etwas Thatfächlihes habe ausſprechen wollen, woraus ſich die rajche Verbreitung der Kindergärten zum Theil erllären läßt? Bon allen meinen Bedenken gegen bie Kinder⸗ gärten ift nur ein einziger berührt, aber nicht widerlegt, nämlich ber, daß diefe Anftalten allmählich aber ficher die Erziehung der jüngeren finder ber Yamilie und der Mutter entzögen. Zur Entlräftung dieſes Bedenkens wird gejagt, der Kindergarten nähme die Kleinen nur wenige Stunden bes Tages in Anfpruh, die Mutter bätte fie unter allen Umftänden einige Stunden des Morgens, des Abends und die liebe lange Nacht (12). Iſt bad Scherz oder Ernſt? Will man die Erziehung der Mutter darauf ber jchränten, ihren Kindern Speife und Trank zu geben, fie zu waſchen und anzulleiden, fie zu Bett zu bringen und bie fchlafenden zu überwachen ? Oper will man die häusliche Erziehung zur bloßen Sonntagsjade machen ? Und vergibt man, daß dur die Kindergärten nothwendig in den Müttern der Gedunfe erzeugt wird, daß fie felbit wenig oder nichts mehr für bie Erziehung ihrer Kinder zu thun hätten, weil ja der Kindergarten ſchon das beforge? Allerdings entzieht auch die Schule die Kinder dem Haufe mehrere Stunden des Tages, aber in einem Lebensalter, mo fie der müt: terlihen Erziehung nicht mehr in demfelben Maße bebürfen, wie in bem Borjchulalter, und zu einem Zwede, der im Haufe gar nicht erreicht wer den kann.

Ich babe zugegeben, daß bei der Abgefchlojjenheit, in welcher fich die Yamilien in größeren Städten von ihren Nachbarn leider zu halten pflegen, eine Beranftaltung wenig oder kein Bedenken erregen würde, melde bas BZufammenlommen, Zufammenleben und gemeinfchaftlihe Spielen von Kin⸗ dern für ein paar Stunden des Tages ermöglichte und förderte, Es wird darauf geantwortet, daß dies ja gerade dafjelbe fei, was Froͤbel gemollt babe und mas die Kindergärten wollten. Wirklich? Ich hatte hinzugefügt : „Die „Kindergärten” haben aber eine weiter gehende Tendenz und eine an dere Einrichtung : fie find Spieljhulen geworden. Warum wird biefer Zuſatz ignorirt ? Will man die Nichtigleit der darin enthaltenen Behaup⸗

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En um So Bee Der Aufſatz von Prof. Kühne will daher der Idee der Kindergärten bei

dem großen PBublitum und insbeſondere bei den Müttern nod mehr Gim- gang verihaffen. Und er ift für biefen Bwed ganz vortrefflih geichräeben,

Das Fortfchreiten der Cultur macht auf dem Gebiete der Erziehung, wie auf jedem andern Gebiete menschlicher Thätigleit, eine Arbeitstheilung nöthig, wenn das hödfte Ziel erreicht werden foll, welches die jeweiligen Eulturverhältnifie geftatten. Diefe Arbeitzibeilung begann mit der Grün- bung der erfien Schulen und wurde allgemein mit der Ginführung bes Schulzwanges. Seitdem iſt das Gebiet der Erziehung zwiſchen Haus und Säule getheilt. In Folge des gewaltigen Aufihwunges der Eulturverhält:

Allgemeine Pädagogik. 299.

niſſe ift aber da3 Bedürfniß einer Arbeitstheilung auch bezüglich des bi ber der häuslichen Exziehung allein überlafienen Gebietes immer ftärler herr vorgetreten. Dafür zeugt die Entſtehung der Kinderbewahranftalten, ber Kindergärten, vie feit lange beftehende Gewohnheit begüterter Familien, in Kinder vom zarteften Alter an der Pflege von Bonnen zu über geden. |

Es ift richtig, daß das Princip der Arbeitstheilung ſich nicht blos im Gebiete des Materiellen, fondern auch auf geiftigem Gebiete mit der fleis genden Cultur mehr und mehr geltend macht. Ein Blid auf die Willen Shaften Tann Jeden davon überzeugen; auch die Entftehung ver Schulen liefert dafür den Beweis, Dieje Arbeitstheilung findet aber in der Natur der Dinge und Verhaͤlmiſſe ihre Grenze. Sie kann niemals bis in’s Un⸗ endliche fortgehen, fie ift aud nicht für Alles nothwendig. Es gibt Dinge und Zerhältnifie, die jo einfah und in ſich abgeſchloſſen find, daß fie ber auf fie gerichteten Thätigleit gar keine Beranlaflung zu einer Zheilung und Defonderung darbieten, wenn niht rein äußerlihde Umftände binzutreten. Auf dem Gebiete der Erziebung ift ed nur die Schule und ihr Unterricht, wo das Princip der Arbeitstheilung ſich geltend machen kann und muß. Die Erziehung im engern Sinne ift fo wenig abhängig von den Fortjchritten der materiellen und wiſſenſchaftlichen Eultur, daß ihre Ziele und Mittel ieh nur in langen Zeiträumen merklich verändern, die zur Löjung ihrer Aufgabe erforberlihe Thaͤtigkeit aber jedenfalls fo einfach, daß fie zu feiner Zeit und auf keiner Culturftufe, ohne den Hin⸗ zutritt bejonderer äußerer Umftände, unter die Familie und andere Perfo: nen vertheilt gu werden braudt. Sole äußere Umftände haben aller dings bei den Kinderbewahranftalten mitgewirkt, bei den für die wohlhaben⸗ deren und reihen Volksklaſſen find fie nur in der Einbildung vorhanden oder durch verkehrte Richtungen der Eultur, die nicht zu fürbern, jondern zu belämpfen find, hervorgerufen. Daß begüterte Familien ihre Kinder vom zarteften Alter an Bonnen, zu deutſch Kindermaͤdchen, übergeben, mag in nicht wenigen Fällen feinen guten Grund haben und wird dann gewiß nit zu mißbilligen fein, wenn die Mutter das Kindermädchen als Erzie⸗ hungsgehülfin nur infoweit betrachtet, als fie verbinvert ift, das Erzie⸗ hungsgeſchaͤft felbft zu beforgen, immer aber bleibt fie auch dann diejenige, welche die Leitung der Erziehung in der Hand behält, und das Verhaͤltniß ift ein ganz anderes, als das zwiſchen Mutter und Kindergarten. Jeder mann würde es mit Recht tadeln, wenn die Mutter die Erziehung ihres Kindes den größern Theil des Tages ohne Noth dem Kindermädchen ſelbſt⸗ ſtaͤndig überlafien wollte, wie es ficher den flärkiten Tadel verdient, daß namentlih in Frankreich viele wohlhabende Eltern ihr Kind ſchon als Säugling außer dem Haufe und Mohnorte in Pflege geben und Fremden feine Erziehung während mehrerer Jahre überlafien. Des Berfaflers Princip der Arbeitstheilung auf dem Gebiete der haͤuslichen Erziehung würbe übrigens in ‚feiner Conſequenz weiter führen, nämlich zu einem Borlindergarten. Denn wenn die gegenwärtige Culturftufe für bie Erziehung vom 3. bis zum 6, Lebensjahre eine Theilung der Erziehungs:

3) Allzemeine Tiragegif.

arbeit vurh ven Slinperzıruen erisrtert, je muß, ba bie Gultur mit Üchen kleiten oder zur rudrirts wien, icadern zei weit i

feäter gewiß eine Guitsrtze eintreten, tie eine Weitere Ibeilung ver Ex Peiungtarbe in den veri erlien Schenöizkren bei Kindes nöthiz maden

N iocate Mrz Wit ver higmzen Gultur wahien fertmäheens Die materiellen und geitizen Berärtzine, werden mit jedem Tage die Ber: hältninie des cñentlichen unt geielligen Lebens verwidelter. Ilm jeme Bes Dürt:i”e zu beirietigen, tiefen Anferberungen zu entipredien, bedarf ed von Log zu Tage mehr Anftrenzung ver Kräfte, mehr Aufwınd am Yet. Es

zurkdi&rauben wollen. Der Meni aber tft ein Product feiner Zeit, ein Glied eines großen Ganzen und laun ungeftrait wicht eigenmächtig binter den Anforderungen feiner Zeit und der Geſellichaft zurädbleiben. Jener Mehraufwand an Kraft und Zeit if demnach wwerläßlih; und da bes Menſchen Kraft beſchränkt, die Zeit der Arbeit ihm zugemeflen iR, fo wirb es eben zur Nothwenvigleit, den Theil der Arbeit, den er nidt mehr be wältigen fan, in andere Hände zu legen, eine neue Arbeitstbeilung vor- en.

ft dies nit freilich ohne daß der Berf. dies beabſichtigt ein vortrejjlihes Plaidoyer für die leider jo zahlreihe Klafie der Frauen, die „ihren Morgen dem Bug und Putzladen, den Radymittag dem Spazieren⸗ geben, den Abend aber der Gefellihaft und dem Theater‘ wibmen *) und die eine folhe müffiggängeriihe Thätigleit für eine dur bie fleigende Eultur an fie geftellte Forderung, als eine ſociale Pfliht betrachten ? Da, wo die gefteigerten materiellen Bebürfnifje wirklich die Arbeit der Frau zur Erhaltung der Familie erfordern, wird man es nidht tadeln, wenn fie ihr Kind einer Kinderbewahranfialt oder einem Kindergarten zuführl. Die über wiegende Mehrheit der Mütter, welche vom Kindergarten Gebraud machen, find aber in einer andern ungleih günftigern Lage. Sie haben mit Küche und Hausweſen wenig oder nichts zu thun, weil dafür Köchin und Haus: mädchen forgen ; für die Toilette forgt die Näbterin und Putzmacherin, für die Wäfche die Waſcherin. Sie fhiden ihre Kinder in den flindergarten nicht wegen lieberhäufung mit häuslichen Arbeiten, fondern weil fie es für eine von der gefteigerten Cultur ihnen auferlegte Pfliht halten, am Bor: mittage in eleganter Toilette mit einer Luxusarbeit fih zu befhhäftigen, ein belletriftiiches Journal oder einen Roman zu lefen, Befuche zu empfangen oder zu erwiebern, unter Anleitung des „Bazar Pläne für ihren Pup zu machen, nad Tifhe auf dem Sopha von ihrer VBormittagsarbeit ein Stümd- hen ungeftört auszuruben, dann eine Landpartie oder einen Spaziergang

* Mobins in ber unter Nr. 29 aufgeführten Schrift ©. 12.

Allgemeine Pädagogik. 301

zu machen ober einer ftaffee-Gefellichaft, des Abends aber einer Borflellung in der „öflentlihen Bildungsanſtalt“, Theater genannt, oder einer Theege: jellihaft oder einem Balle beizumohnen. Daß in Folge der fteigenden Eultur, oder richtiger Aftercultur, ſolche Erſcheinungen in der Frauenwelt von Tag zu Tage häufiger werben, ift unleugbar, es wird barüber faft allgemeine lage geführt. Das find keine gefunden, heilſamen Früchte, das find ſchaͤdliche Auswüchſe der fortjchreitenden Cultur, die man nicht bejchö- nigen, nicht befördern darf, denen man mit aller Kraft entgegenwirken follte. Die Kindergärten aber geben dieſen Auswüchſen neue Nahrung, und nicht wenige Vorjteher von Nindergärten und Freunde der Flindergars ten⸗Idee beftärlen die oben nad der Natur geſchilderte Klafie der Frauen in dem Wahne, daß fie nur ihrer focialen Stellung, ihren gefelligen Pflichten, den Anforderungen der fortgejchrittenen Cultur genügen.

Die Kindergärten können diefen Vorwurf nicht mit Grund von fi abweilen ; fie beabſichtigen freilich nicht, die Mütter darin zu beftär ten, ſich ihren erziehlichen Pflichten zu entziehen, fie (d. h. diejenigen, welche nicht lediglich der Speculation ihre Entftehung verdanken) wollen vielmehr die Familiemerziehung veredeln; aber ihre ganze Tendenz leiftet gegen ihren Willen dem mehr und mehr um fich greifenden Uebel Borfhub, Denn fie beſchraͤnken ſich nicht darauf, den Familien, für deren materielled Beſtehen bie Mutter durch ihre Thätigleit mit forgen muß, zu dienen, fie erbeben vielmehr den Anſpruch, ein nothwendiges Glied in dem Erziehungsganzen zu fein, und fie find in übermwiegender Anzahl gerade für die Kinder wohl: babenver und reicher Familien beftimmt.

Der Berf. des in Rebe ſtehenden Auffoges macht nun noch weiter auf Folgendes auſmerkſam: 1. die Eltern find nit im Stande, die Erziehung in dem zarteiten Alter jo zu leiten, wie es bie Grundfäße einer vorgeſchrit⸗ tenen gefunden Pädagoge darunter ift natürlih die Pädagogik bes Kindergartens gemeint erheiihen. Bei einer verkehrten Erziehung geben die in jedem Kinde jchlummernden herrlichen Keime und Xriebe verloren oder fie können ſich erſt in jpäter Zeit durch den Schutt erziehlicher Ders fehrtbeiten mühfam durcharbeiten. 2. Die heutige Erziehung der Ju⸗ gend ift nicht darauf eingerichtet, viefelbe zu Erziehern auszubilden. Der Knabe muß zur Aneignung allgemeiner Bildung fidh vielerlei wiſſenſchaft⸗ liche und praftiihe Kenntnifje erwerben, dann ſich fperiell für feinen künfs tigen Beruf vorbereiten und in dieſen eintreten. Das Mäpdyen verläßt die Schule, um in einem PBenfionate allerhand auf die Ber; Ihönerung des lünftigen Lebens berechnete Dinge zu lers nen, und lehrt dann in das elterlibe Haus zurüd, um die Beit mit Ueberwahung des Haushalts, Lectüre, Mufil, Stiderei und gejellige Unterhaltung auszufüllen. Der Berf. wünſcht aber, daß jede Jungfrau, deren Zeit und pecuniäre Mittel es geftatten, einen praltiichen Curſus in einem gutgeleiteten Kindergarten durchmachte. 3. Durch die Arbeitstheilung wirb das häusliche Leben der Zamilie nicht ärmer, es wird im Gegentbeile reicher. Der: Kindergarten fol die häusliche Erziehung nicht erjegen, er joll fie ergänzen. Die Früchte des Kindergartens werden in das Haus übertragen.

802 Allgemeine Pädagogik.

Hierauf muß ih Folgendes entgeguen: ad 1. Die Richtigleit ber Kindergarten: Pädagogit wird bier vorausgefeßt, während fie doch erft zu erweifen if. Die Fortfchritte der Pädagogil betreffen vorzugsweiſe die Schulpaͤdagogik und die Hauspädagogif wird kaum davon berührt, vielleicht nur mit Ausnahme der phyſiſchen Crziehung. Die bäuslihe Erziehung der Kinder vor Eintritt der Schulzeit ift glädlicher Weife fo einfady und erfor: dert fo wenig Kunft, daß dazu ſchon Liebe zu den Kindern unb gejunder Menihenverftand volllommen ausreiht. In der Vorſchulzeit ver Kinder erfolgt die Entwidelung der Slräfte und Anlagen vorzugsweiſe durch die Natur jelbft und durch Den unbeabfichtigten Einfluß der Umgebungen. Die erziebliche Fuͤrſorge braucht bier mehr bios pflegend und verhütend einzutre⸗ ten. Borzeitiges Weden und Grregen der Kräfte durch ſyſtematiſche und tünftlie Einwirkung tft in der Negel geradezu jhäpli und rädt ſich Ipäs ter durch geiftige Schlaffheit. Freilich Laßt in vielen Familien die Exzie- bung der Rinder viel zu wünfchen übrig ; dies trifft aber mehr die reichen, wo Lurus und Genußſucht als Lebenszwed gelten und bie armen, wo Mangel an Bildung und Noth des Lebens binberlid find. Daß die bäus: lihe Erziehung im Allgemeinen oder in ber Mehrzahl ver Familien ſchlecht fei, läßt ſich jchwerlic mit Grund behaupten. Aber aud nicht alle Kinder: gärten find annähernd fo, wie fie der Idee nad fein jollen, und gar manche jelbit in einem Seminare gebildete Flinvergärtuerin wird nicht im Stande fein, die Erziehung richtig zu leiten. Ueberdies wird es dem Kin⸗ dergarten ungleich jchwerer ald dem Haufe, bie Individualität der Finder zu berüdfichtigen, was gerade in dem Vorſchulalter beſonders wichtig ift.

Ad 2. Eine befondere Borbildung für den Vater: und Mutterberuf iſt gar nit nöthig, wenn nur fonft die Bildung der Ainaben und Mäb- den. die rechte und das Familienleben ein fittliches if. Die Bildung vie ler Maͤdchen ift freilich fo, wie Brof. Kühne fie audeutet, nur barüber kann man fih wundern, daß er diefe Art der Bildung ganz in der Orb nung zu finden und die Beftimmung bed Weibes nur darein zu feben fheint, ſich das Leben zu verfhönern, nicht dur treue Erfüllung ihrer Pflichten als Gattin, Hausfrau ‚und Mutter, fondern durch gejchäftigen Mübiggang, eiteln Tand und Befriedigung der Genußſucht. Vielen Min nern wird durch eine Frau dieſes Schlages das Leben gewiß nicht verſchoͤ⸗ nert, wie jchon bie fi ſtets vermehrende Anzahl der Hageltolgen zeigt. Denn eine Bildung und Stellung der Frauen, wie Prof. Kühne fie ans deutet, wirklih eine nothwendige Yolge der fteigenden Gultur wäre, jo müßte man fie und damit auch wohl die Kindergärten ala ein nothwendiges Uebel hinnehmen. Dann werben aber auch jo gebildete JZungfrauen wenig Quft bezeigen, einen Curfus im Kindergarten durchzumachen.

Ad 3. Das find Zlufionen. Mütter, die auf der Höhe der Eultur ftehen, haben ja nicht Zeit, ſich viel um die Erziehung ihrer Kinder gu befünmern, und es ift um fo weniger anzunehmen, daß fie dies thun wer« den, als ja der Kindergarten ihnen die Sorge und Mühe abnimmt, und fie zu der Zeit, wo bie Rinder aus vemfelben zurhdlehren, andere von bex Cultur gebotene gejellige Pflichten zu erfüllen haben. Cs fdheint mir ein Widerfprud darin zu liegen, bie Noethwendigkeit der Kindergärten damit zus

Allgemeine Padagogik. 303

begründen, daß die heutigen Mütter keine Zeit haben, in genügender Weiſe die Erziehung der Kinder in die Hand zu nehmen, und body vorauszufeken, daß diefelben Mütter durch die Nlindergärten in den Stand gefeßt würden, ihre Erzieherpflichten befier zu erfüllen.

Aus dem Vorſtehenden ergibt fich jebenfalla, daß Prof. Kühne den Keen der Trage nicht berührt hat. Die Bedenken gegen die Kindergärten beruhen nidyt blos darauf, daß fie die Yamilienergiehung untergraben, ſon⸗ dern bauptijählih auch darauf, daß fie Spielfhulen find, meil ihre ganze Einrichtung eine ſchulmäßige if und fein muß, das Spiel in ihnen ſchulmäßig und mit einer gewiſſen Syitematil betrieben wird, woburd das Spiel als folhes und fein mwohlthätiger Einfluß auf das Kind verloren geht und an die Stelle der natürlihen Entwidelung eine künſtliche tritt, endlich weil fie durch abfichtlihe Verfnüpfung von Uebung der ntelligenz mit dem Spiele bie geiltige Entwidelung zum Nachtheile diefer und des fpäteren Unterrichts verfrüben. Können diefe Bedenlen wirklich widerlegt werben, fo wird wenigſtens die pädagogische Berechtigung ber Kindergärten an ſich gewiß allgemeine Anerlennung finden.

Als Anhang zu biejem Referate mögen noch einige Bemerkungen Platz finden. 8. Schmidt im zweiten Theile der Anthropologie (S. 443 fi.) empfiehlt von Neuem die ‚Kindergärten, ohne daß feine Anſicht vom Spiel damit in vollem Einklange wäre. Das Spiel ift ihm ganz mit Recht die zhbätigleit ohne andern Zwed, als thätig zu fein, die finder: poefie, da8 Epos, die Iliade und Odyſſee, die jedes Kind durchlebt und jedes Kind jchreibt. Es ift das freie Sihausleben der Kinder: träfte, obne äußern Zwed, um ihrer jelbit willen. Dennod billigt er die Vermiſchung won Spiel und Beihäftigung in den flindergär: ten, die abjihtlihe Ausbildung aller Leibes: und Geifteskräfte durch das künſilich veranftaltete und ausgefonnene Spiel, die Anknuͤpfung geometrifcher Anihauungsübungen an dajjelbe.

Gegen die Kindergärten erflären fih außer Scheibert (Mr. 22): Dulon (Nr. 39), wenn auch nit ausprüdlih, doch durch feine Anficht vom Weſen des Spiels, Woebde (Nr. 28), und Möbius (Nr. 29) fieht fie als ein nothwendiges Uebel an.

25. Die matbematifhe Formenlehre ber Fröbel'ſchen Spiel- ınd Beihäftigungsmittel für Kinder er und zum Berftändniß ber Fröbel'ſchen Pädagogit von Dr. E. Ra Mit in den Tert ges drudten Gollhnitten. Berlin, 1866, an 8 Th. Chr. Ft. Enslin. 101 © gr. 8. 12 Sgr.

Mas die —e Auffaſſung der Kinderſpiele als bloße Mittel, möglichſt angenehm die Zeit zu vertreiben, betrifft, jo bat der Berf. ganz recht, dieſelbe zu verwerfen; er hätte nur binzufügeh follen, daß dieſe Auf- fafjung die der großen Menge ift, welche weder Fähigkeit, noch Zeit, noch auch Bedurfniß bat, über alltaͤgliche Erſcheinungen tieffinnige philoſophiſche

304 Allgemeine Pädagogik.

Betrachtungen anzuftellen. Das Spiel tft Arbeit bes Kindes, durch bie es feine lörperlihen und geiftigen Kräfte übt, entwidelt und bildet. Diefe Wirkung haben die Stinderfpiele ſchon lange vor Yyröbel gehabt und haben fie auch bei den Kindern, welche nicht in Kindergärten das Spiel ſchul⸗ mäßig erlemen. Der Berf. fragt, ob es recht fei, ven Kinderſpielen, dieſer Kindesarbeit, gleihgültig, gedankenlos, theilnahmlos zuzuſehen. Gemiß nicht! Man foll fih aber aud um die Spiele der Kinder nit mehr be fümmern, als durchaus nöthig ift, man foll die Kinder bei ihren Spielen nicht gängeln, man fol ihnen nicht die Freiheit rauben, das Spiel nicht in Syſteme bringen, nicht abſichtlich Borftellungen und Begriffe dem Kinde daran zum Bemwußtfein bringen wollen, bie erft für fpätere Zeit geeignet find. Denn das Spiel hört eben damit auf Spiel zu fein, es wird Zwang, Unterriht, es wird unnatürlih, es verliert dadurd gerade bie bildende Kraft, die ihm eigen ift, es verbildet. Und gerade dies ift es, was man wohl nit ganz mit Unreht den Spielen in den Kindergärten zum Borwurf macht. Die. Seele des Kindes abftrahirt ſchon in den erften Jahren ganz unbewußt gar Biele8 und eignet es fi an, aud die einfahen geomes triihen Formen. Hierzu bedarf es in der That befonderer Spielmittel nicht, da jeder Gegenftand dazu Stoff und Beranlaflung darbietet. Wer aber darauf ausgeht, durch bejondere Mittel, abfichtlih und nah einem gemifien Syſteme die geometrifhen Vorftellungen in Kindern von 4 und 5 Jahren zu anjchaulidem Bemwußtjein zu bringen, verfündigt fi an ber richtig ver: ftandenen naturgemäßen Entwidelung des kindlichen Geiftes, denn folde geiflige Zreibhausgärtnerei ift Unnatur und führt zur Unnatur. Glüdlicher: weiſe erreichen dergleichen einer gefunden Paͤdagogik Hohn ſprechende Ber: ſuche und Beftrebungen immer bald ihr Ende. So ſuchte man ſchon in der Blüthezeit des Peſtalozzianismus die mathematischen Lehren, 3. B. die Ausziehbung der Quadrat: und Cubilwurzel, wenn aud nit vier: und fünfjährigen, doch neun⸗ und zehnjährigen Knaben durch die Anſchauung beizubringen, man ließ aber derartige Verſuche mit vollem Rechte bald wie der fallen. Mie in Feld und Garten jede Art der Gewächſe ihre Zeit des Säens und Pflanzens hat, jo hat auch in dem Unterrichtsgarten jeder Ge genftand feine Zeit und jede Verfrübung hindert fein Gedeihen und bringt die geiftige Entwidelung in faljhe Bahnen.

Des Verfaſſers Meinung geht nun allerdings nit dahin, daß bie Elemente der Geometrie, die er in feiner Schrift gibt, in den Kindergärten gelehrt werben jollen; es ift aber aud nicht erfihtlih, mas die Kinder gärtmerinnen damit anfangen können und wie fie dazu zu dienen vermögen, die 6 erſten Spielgaben Fröbel’3 in ein belleres Licht zu jeßen und gu fruchtbarerer Benutzung derjelben beizutragen.

26. Mutter⸗ unb Kofelieder. Dichtung unb Bilder zur edlen Pflege bes Kinbheitlebens. Ein Familienbuch von Friedrich Frö⸗ el. Bmeite Auflage. Mit Randzeihnungen, erflärendem Terte und Sing⸗ weifen. Berlin, Th. Chr. Fr. Enslin, 1866. 92 ©. Tert und 35 ©. Singweijen. gr. 4. 33 Thir. Den reihen Freunden ber Fröbelihen Kinderpaͤdagogik wird dieſe neue Ausgabe der Mutter: und Koſelieder, die mit Recht in ihrer urfprüng:

Bd

Allgemeine Päbagogif. 305

fichen, wenn auch oft mangelhaften Geftalt wieder erjcheinen, mit ihren hüb⸗ ſchen Randzeichnungen unftreitig eine willlommene Gabe fein. Wie man aud über den poetischen Werth diefer anſpruchsloſen Lieder urtheilen mag, wahr ift es, daß ſich darin ein an Liebe zu der Kinderwelt reiches Gemüth wiberjpiegeli.

271. Die Bewegungsipiele bes Kindergartens. Nebſt einem Anbange von Ball-, Kugel- und Bauliebern und kurzen Sprüden. Bon Auguſt Köhler, Director des Lehrerinnen-Seminars in Gotha. Zweite umgear- beitete und vermehrte Auflage. Weimar, Hermann Böhlau, 1866. 164 ©. gr. 8. 1 Thlr.

Die erfte Auflage erihien 1862. In der Einleitung ſpricht fich der Verf. über das Spiel aus, ohne das Weſen deſſelben erjchöpfend zu bes zeichnen, da er durch feine Ueberzeugung von der Vortrefjlichleit der Kin⸗ dergartenfpiele gebunden if. Wenn er jagt, daß diejenigen, melde vie Behandlung und Verwerthung des Spiels in den Kindergärten nicht bil ligen, für unbedingte Spielfreiheit der Kinder kämpfen, fo ift dies uns richtig ; denn es verfteht fih won jelbft, daß eine Anregung, Ueberwachung, ja jelbft eine Leitung des Spield nit unzuläffig fein kann, unter Umftäns den fogar nöthig ift (vgl. Bd. 17 des Jahresberichts S. 494), nur bie Art der Ueberwachung und Leitung in den Kindergärten halten fie mit dem Weſen des Spiels unverträglid. Vom Standpunlte der Kindergaͤrten ift das Buch durchaus zu empfehlen, wie auch die fobald nöthig gewordene zweite Auflage beweift, daß e3 viel benußt wird. Weber die Poefien darf ih nichts fagen, da fi der Verf. allen Tadel von Golden verbittet, die nichts Beſſeres geben können und id in der That zu dieſen gehöre.

6. Weibliche Erziehung und Bildung.

28. Die Befimmung und Erziehung bes Weibes. Gin Vortrag, ge⸗ halten im literarifch-gefelligen Verein zu Oldenburg von Karl Woebden. Didenburg, 1865, Schulze'ſche Buchhandlung. 104 S. 8. 10 Ser.

29. Die Korberung ber Gegenwart an bie Bildung ber Frauen. Kefirede am 12. Sanuar 19866 im Auftrage des Leipziger Lehrervereins ges halten von Dr. Paul Möbius, Direstor der 1. Bürgerfchule. Leipzig, 3. 3. Weber, 1866. 20 ©. gr. 8. 5 Sgr.

Beide Vorträge verbreiten fih über eine Yrage, die feit einiger Zeit für die päpagogifhe Beiprebung mit auf der Tagesordnung ſieht und der ren große Bereutung nicht verlannt werden kann. Die Berfafjer ftimmen in allem Wejentlihen volllommen überein. Mit Abmweifung aller ertremen Anfichten, wie die des Gngländers Mill, welcher den rauen auch das po⸗ litiſche Wahlrecht zugeiprohen und den Butritt zur Rednerbühne im Bars lament zugeftanden willen will, find beide darin einverftanden, daß die heu⸗ tige Erziehung der Mädchen vielfach verkehrt fei, daß bei der Bildung der felben ihre natürlihe Beſtimmung als Hausfrau, Gattin und Mutter feft im Auge behalten, aller bloße Flittertand abgemwiejen werden müſſe. Wenn beide Verfaſſer weiter für das weibliche Geſchlecht eine tüchtige Schulbil⸗ Wan. Iahreßberigt. XVIIL 20

[een ar m ga ff FE Hrtitlg Hi Sr Ai ?: : h + AR) 27 4

Erſahrungen vor.

Der Bortrag unter Rr. 28 wiberjpricht mit vollem NRechte einigen zu weit gehenden Anforderungen Birhow’s am den Unterricht in Züchter: ſchulen, indem ex betont, daß die Erziehung für das Hausweſen im engerem Sinne fowohl während der Schulzeit, ala bejonders nad ihrem Abichluffe weſentlich Sache des Hauſes bleiben werde

Beide Schriften verdienen die Beachtung Derer, welche für die Sache der weiblichen Bildung Intereſſe fühlen.

1. Di in Deutſchland, ‚, England und e Schule in tie Rußland, Eng

Die Säule in Deutſchland.

Die veutihen Schulen überhaupt, befonbers auch vie Vollsſchulen, gelten für die beften auf der Erbe. - Andere Böller finden zwar an den Dentihen manche ſchwache und dunlle Eeiten, und mande ſehen, allerdings nit ganz mit Unrecht, etwas geringfhäbig auf uns herab; den Ruhn lafien Sie uns aber alle, daß in Deutihland für den Unterricht ber Zus gend aller Stände beſſer gejorgt ift, als irgend wo. Wem man auch wicht jeven Bug im beutfchen Schulweſen {hin und vortrefflich findet, jo hut mas dafielbe doch überall zum Muſter. Deutſchland bat allerbinge eiw Hecht, die Anerkennung dieſes Vorzugs beflens zu accepiises un» barauf ftolg zu fein. Nur mögen wir uns wor Ueberhebung bewahren tab nicht in den bünlelhaften Bahn verfallen, unfer Schulweſen in allen feiswew Zügen, Tintihtungen und Tendenzen als ganz volltommen. als unverbeſſer⸗ lih anzufehen,; nur mögen wir uns durch ben geredyifertigten. Güolz auf

Allgemeine Plubagogik. 307

unfere ſchuliſche Arbeit nicht jo weit: verblenden laſſen, deb wir auch das Umpolllommene, die ſalſchen Richtungen und ſchwachen Selten, die unſer öffentliches Unterrichtoweſen unſtreitig neben ſeinen Vorzuͤgen darbietet, über ſchon ones. gar für Bolllommenheiten halten. Davor kann uns neben dem befonnemew Bl auf wufere Schulzuftände boſonders auch die prifenbe Ber achtung ver Stimmen bewahren, wie fi lobenb ober tadelnd im In⸗ und Awdlande darkbex vernehmen lafien, und es wird daher am PBlabe jein, ſelche in der lebten Zeit Iaut gewordene Stimmen zu vernehmen und ben Grunde oses Ungrans der Urtheile, die ſie über die deutſche Schule aus- 28 zu prufen. Hoͤren wir zuerſt eine Stimme aus dem ultramontes en r.

20. Der Schulzwamg, ein Stüd moberner Tyraunei. Ben Joſ. Lukas. Lanbehut, 1865, Joſ. Thomaun’ihe Buchhandlung. 162 ©. 8. 16 Sgr. Unter Schulzwang verfieht man belanntlich zweierlei, nämlich im weis

terw Sisme des Werkes vie Shutpflihbtigleit ver Kinder, melde die

Eitern nötbhigt, dieſelben nach Erreichung eines gewiſſen Lebensalters in

eine Schule zu ſchicken, und im engern Sinne bie Verpflichtung der Bltern,

ihr Amd im eine beftimmte Schule zu fchiden, oder wenn fie dies nicht wollen, an dieſe Schule das herloömmliche Schulgeld und andere gejepliche

LZeiftungen zu entrichten. Den Schulzwang in lebterm Sinne hat der

Bat. nicht im Auge; man würde ihm fjonft wohl allgemein beiſtimmen;

vom em folder Schulzwang ift unnötbig, unberechtigt, ja wranniſch, und

wo er nady beftebt, follte ev je eher, je lieber bejeitigt werden. Nur mit dem Schulzwange dor erſtern Art, oder riektiger mit der allgemeinen

Schulpflichtigleitd bat es der Verf. zu thun. Indeß ift auch biefe

wur: dad Aushaͤngeſchild, hinter welchen fich der eigentlide Gegenſtand ver

Rledt, vem er zu Leibe geben will, fo wie ders, was er erfirebt. Diefer

eigentlichen Gegenftand , feine eigentliche Tendenz verbirgt er unker einem

andern Rauten, weil eu ſich fcheut, fe in Deutiſchland ehrlich und offen zu beysichwen, weit er hofft, das Boll zur täwjchen und als angeblicher Ritter gegen eme Tyrarmel un für eine Freiheit daffelbe für fich zu gewinnen.

Gr. ſtrebt nach nichts Beringerem, als darnach, den Vollsunterriät

vn Deutſchland wieder ganz in die Gewalt der Kirche, tn

Die Hand der Geiſtlichkeit zu bringen. Diefe Tendeng durfte er

feeilid, weder auf dem Titel, neh in der Schrift felbſt offen befennen;

Denn bie überisiegende Mehrzahl: des Volkes, ſelbſt in Latholiihen Landen,

id diefer Tendenz. deu latholiſchen Kirche und Geritlichleit entgegen.

Die in Dewtichland ‚gefeplihe Schulpflichtigkeit ſchließt allerdings eisen Zwang in fi, wenn die Eliern ihr Kind nicht zu rechter Zeit einer Schale übergeben, Diefen Zwang wird Niemand als eine Härte, als Ty⸗ varmei mit Recht bezeichnen können. Denn jede Familie, die für einen ge eigneten Unterricht ihrer Kinder ſelbſt forgen lann und will, ift von bie fer Berpflihtung ausgenommen. Die übrigen aber, die dieſe Sorge weder übernehmen tönen, nody wollen, müflen ſich doch gewiß moraliich verpflich⸗ sat fühlen, ihr Kind im irgend eine Schule zu fehiden. Unfer Verf. ift nun froilich weit. davon entfernt, dieſe moraliſche Verpflichtung der Eltern aus⸗

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"Allgemeine Päbagogif. 309

umd die Tyramei des Schulzwangs in den modernen Staat eingeführt has ben follen. Hätten fie nur der Kirche und der Geiftlichleit allein die Ju⸗ genderziehung überlafien wollen, fie würden ihm liebe Verbündete geworden fein. J. ©. Fichte, PBeftalozzi, Zahn und Conforten werben tüchs fig mitgenommen, weil fie an den beillofen Zuftänden der deutfchen Schule und an der Einführung der Tyrannei des Schulzmanges große Schuld tra gen, der Haupt-Sifndenbod ift aber Diefterweg. Proteftantismug, Li⸗ beralismus und Nationalismus tragen und halten den Schulzwang und bie verkehrte Richtung im Schulmefen, Katholicismus und Volkswirthſchaft⸗ Iehre find allein geeignet, die Schule aus den Banden der Tyrannei zu befreien und fie in die patriarhalifhen Zuftände des Mittelalters zurüds zuführen. Riehl mit feinen mittelalterlihen Anfchauungen und Neigungen iR deshalb ein Leibmann des Verfafiers.

Herr Lukas fordert im Namen der Freiheit Aufhebung des Schul⸗ äwanges und Freiheit des Unterrihts. Diefe legtere ift des Pudels Kern. Was die kirhlihe Partei in Belgien durchgeſetzt bat, das will unfer Verf. auh in Deutſchland durchgeſetzt wiſſen. Der Staat foll felbft keine Schulen errihten, was ihm ja fo viel Mühe und Koften ver: urſucht; er ſoll die Errichtung von Schulen völlig freigeben, ſich alles Ginfluffes auf diefelben enthalten, damit die Kirche ſich der Ju— gendbilbdung wieder ganz bemädtigen kann. Kirche und Geift- lichleit wollen damit nicht nur dem Staate eine große Laft abnehmen, fon» dern die Eltern aud von der Tyrannei des Schulzwanges befreien ; denn ftatt poligeilicher Mittel werden fie das fanftere Mittel des Gewiſ⸗ ſenszwanges anwenden, um die Eltern zu nöthigen, ihre Kinder den kirchlichen Schulen anzuvertrauen.

Herr Lukas würde aufrichtiger geweſen fein, wenn er auf feine Fahne nicht: „Schulzwang“, fonden: „Freiheit des Unterrihts im Sinne der katholiſchen Geiſtlichkeit“, gejchrieben hätte. Cr möge fi aber über den Erfolg feiner Bemühungen nit täufben. Schon Bel: gien könnte ihn vor einer ſolchen Täufhung bewahren. Dort waren alle Bedingungen vorhanden, die zum Gelingen eines folchen Planes erforbers lich find, und doch ift derfelbe nur halb gelungen ; in Deutichland findet fi aber faum eine einzige diefer Bebingungen. Weber die jogenannte Freiheit des Unterrichts brauche ih mich bier nicht weiter auszufprechen, fondern auf Band 16 des Jahresberichts S. 510 f. zu vermeifen.

Wie Herr Lulas über den YZuftand der deutſchen Schule denkt, läßt ſich Thon Daraus abnehmen, daß er eine radicale Ummälzung in Betreff ihrer Stellung für unumgänglid nothwendig erllärt. Nach ihm leiftet felbft in Preußen, dem „klaſſiſchen Lande der Schulen und Kaſernen“, die Volks» ſchule fo gut wie gar Nichts und er bringt für feine Anficht drei Beweiſe bei. Der erfte ift einem Auflage in dem Schulblatte der Provinz Brans denburg vom Jahre 1839 entnommen, in welchem ein Scullehrer über eine yäbagogifhe Reife durch 30 Dorfihulen der Provinz Brandenburg Bericht erftattet. Diefer Lehrer richtete. in einer Schule 30 bis 40 Fragen über bibliſche Geſchichte an die Kinder, aber nicht ein einziges vermochte auch wur eine berfelben richtig oder nur überhaupt zu beantworten. Richt

310 Allgemeine Pabdagogik.

ein einziges wußte, warum das Weihnachtsffeſt gefeiert wird, und auf Die Frage: ſeid ihe auch dhriftlihe Finder ? antworteten alle im Char: Re! Mo bleibt aber da die fo ſehr gerühmte ergiehlihe Wirtjamleit ber Fo⸗ milie ? Lernen dies die Kinder in der Regel wicht ſchon, che fie die Schule beſuchen ? Over könnten und Sollten fie es nicht menigfiens ſchon non ihren Eltern lernen? Ein Bauernburfch aus einem andern Dorje, der als Knecht diente und mit dem ber Berichterflatter fi in An Geſprüch einlich, konnte nicht den vierten Theil von 7 Thalern herechnen, meinte, dab das Neue Teſtament 25 Gvangelien eutbalte, und antwortete auf die Frage, an wen ex benn eigentlih glaube: „Un wen web id benn eigentlich glauben * An den König von Preußen.” Und dieſer Burſche batte, wie er ſelbſt fagte, in feiner Kindheit nach einander zwei Schulen beſucht, zwös chentlich böchftens einen Tag gefehlt und immer gut gelemt. Herr Lulas fiebt diefe Grfahrung als einen Beweis an, bis zu welchem Grabe ber Verdummung der wifjenihaftlih und methodiſch ‚getriebene Vollsunterricht unferer Beit die unteren Klaſſen hinumter drüden könne, wie ber Bauer feines gefunden Mutterwitzes beraubt werde, ohne daß ber Auflug ven Buchftabenmeisheit, den er dafür erhalte, fo weit ginge, ihm als eine xt Erſatz für Die eingebüßte Naturkraft zu dienen Wie leichtfertig ift tiefes Urtheil! Sch babe ven betreffenden Jahrgang bes Schulblaties wicht zur Hand, möchte aber faft glauben, daß es um bie große Mehrzahl jewer Säulen beſſer beftellt geweſen jei, weil fonft Herr Qulas es bei biefen paar Erfahrungen nicht würde haben bewenden Jaflen.

Den zweiten Beweis bilden mehrere ungünfiige Meußerungen über Volksſchulen, Seminare und die in ihnen gebildeten Sehrer, die Her Lu⸗ kas in den „biftorifchspolitiichen Blättern‘ geleſen hat. Dieſe ganz allgemein gehaltenen Aeußerungen ftammen aus ber Beit kurz nach dem Tode bes Minifters v. Altenſte in umd aus Kreiſen, welche ben Nachfelger befiel- ben, Eihhorn, zur „Umkehr“ drängen wellten, ober, wit andern Won ten, aus dem Lager der politiſch⸗ und flirchlich reactionären Partei, haben mithin nur eine geringe Beweistraft.

Der dritte Beweis, aus ber .neueften Zeit hergenommen, ſcheint ge wichtiger zu fein. Nach SBeitungsberichten befanden fih im 3. 1863 am tex den 66,700 zum Militär GEinberufenen 8800 ohne alle Schulbilpung (d. b., wie es fcheint, fie Zonnten weber lefen noch jchweiben). Am um: günftigften war das Verhältniß in der Provinz Preußen, wo von 5358 (2) Mann 1314 weder lefen no ſchreiben konnten, am günſtigſien in ber Provinz Sachjen, mo auf 11,764 Cingeftellte nur 86 ohne jebe Schuk bildung waren,

Es gehört in wer That sine große Verblendung dazu; aus Baiſpielen and Thatſachen ſolcher Art von Schluß zu ziehen, daß Das gegemmärkige preußiſche Schulweſen ſchlecht ſei und ber Grund avon im Schagzwange und im Staats⸗Schulregiment liege. Mad würde ſich erſt zeigen, wenn 8 An die Willkühr ver Eltern geftellt wäre, ob fie ihre Kiuder übesbaupt, oder wie oft und lange Zur Schule Jchiden wollten! Die Merbältnigie bei der zum Militär einberufenen Mannidaft zeugen gerabegu gegen Iren Mer fafer. Denn in ‚ver Prinz Sachen, wo daſſelhe mm günfigfiem Max,

Allgemeine Pudagogik. sı1 ** ——— und das vom Herrn Lukas verabſcheute Schulregiment

Emwas findet unfer Verfaſſer aber doch am neueſten preußiſchen Volks⸗ jchulweſen gut, nämlich die „Regulative.“ Dadurch ſei doch die revolutio⸗ wäre Richtung der Schule in ihrem Abfalle von der Kirche, die unter dem Minierium Wltenftein in böchfter Blüthe geftannen, zurüdgebrängt, wenig: Pens die äußere Disciplin unter den Schullehrern wieder hergeftellt wor: ben. Dies jei aber auch das Einzige, was in neuerer Zeit in ber preu⸗ siihen Vollsſchule befier geworben.

Das Schulweſen in Preußen bat, wie das deutſche überhaupt, noch mande Mängel, und fie haben fi gewiß nicht vermindert, feit dort die Shubeswaltung emen Weg «ingeihlagen bat, der dem vom Dinifterium Atenfiein erfolgten gerabegu emtgegengejegt iſt. Gin fpecifiiher Mangel in den preufiichen Schulen iſt der militärische, in Schelt: und Schimpfmörtern, heißender Ironie, zohen Ausprüden ſich kundgebende, unfreunbliche Zom, nen jo häufig Lehrer gegen ihre Schüler anfchlagen, und von dem ſich jelbft Seminarlehrer nicht frei zu erhalten wiſſen. Es hieße uber ver Wahrheit in’s Geſicht fchlagen, wenn man die Leiſtungen der preußifchen Schule im Wigemeinen nicht rühmend anerlenwen mollte.

Kebex vie Mängel der Bollsichulen in dem außerpreußishen Deutſch⸗ land weiß Here Lulas Nie zu fagen, als daß viele Schullehrer in Baden amd Württemberg politifcherevolutionär find oder waren, und daß in Baiern mach Der Anſicht des Miniſteriums bei vielen Lehrern die Berftandesrich: Sung ‚übesiwiege.

Aus dem Mitgetheilten geht wohl zur Genüge hervor, wie ſchwer «3 Ham Lulas geworben iſt, nachiheilige Folgen des Schukwanges und reale Grunde für feine „wreiheit des Unterrichts‘ aufzufinden.

31. Fi Bolte Wule in Defterreid. Bin Beitrag zu Ihrer Neugeftaltun De. Gran Stark. len. Yan Salnayer n rar &

* ar 6 Ser.

„Die Schulverfaſſung der deutſchen Volksſchulen für die 4. 2. öftemeichiihen PBrovingen vom Jahre 1805 enthält manche für da⸗ als trefitihe Beftimmuug umd hatte unfere Schulen denen anderer beut: Sen Staaten zum Theil gleich, zum heil vorangeftellt. Allein bald än⸗ derte fich dieſes Verhaͤltniß. Während faft überall die fpäter folgenden Bricbensjahre weile benicht worden find, ver Bollsbilvung eine geiſtige md materielle Macht zu ſchaffen, auf ber jeve Größe des Staates ſich aufbaut, wurde in unfem Reiche alles was wahre Bildung ber Staatsbürger zu er zeugen geeignet geweſen wäre, nicht nur von ben untern, fonbern von allen Staͤnden abſichtlich fern gehalten und nach Sträften mehr oder minder gewalt: thätig untervrücdt Man unterband alle Palsadern des geiftigen und po⸗ litiſchen Lebens und irrte fo weit ab, dab man glaubte in der Trägbeit wer Alnthätigleit nes Vollageiſtes, ja in einer alle Schichten durchdringen⸗ ren Mutfütihung ben Talisman für vie Sicherheit nes Throne umb bie Wohlfahrt des Staates gefunden zu haben.”

Diefes Urtheil, das der Verf. an die Spike feiner Schrift ftellt, ift

312 Allgemeine Päbagogik,

hart, enthält aber fidher nur Wahrheit. Das in allen Berhältuifien auf regend wirlende Jahr 1848 brachte au in die öfterreihische Echulverwals tung neues Leben. Es wurte amtlih anerlannt, daß „Bermebrung ber Schulen und ihres biöherigen allzuärmlichen Lehrftoffes, höhere Bildung ber Lehrer, eine gümfligere äußere Stellung verjelben, endlih eine folde Lei⸗ tung des Volksſchulweſens, welche alle Interefien defielben mit gleidem Gifer und gründlicher Einfidht verfolgt”, dasjenige fei, was vorzüglich Noth thue. Die neue Regung blieb jedoch ohne durdhgreifende Folgen, und vie jo eben angebeuteten Uebelſtaͤnde wurden nicht gehoben.

Zwiſchen ven ſchulpflichtigen und ſchulbeſuchenden Kindern findet, mit Ausnahme von Tyrol und Salzburg, in allen Provinzen Deflers reichs ein großes Mißverhältniß ftatt. In jenen beiden Provinzen ift nadh dem Berf. die Anzahl der jchulbefuhhenden Kinder größer, als die ber ſchul⸗ pflihtigen ; in den übrigen Provinzen befuchen aber von den 3,822,719 ſchulpflichtigen Kindern nur 2,544,514 die Schule, und 1,278,205, alfo 380 Procent find unbefhult. Es fommt 1 ſchulbeſuchendes Kind im ganzen Reihe auf 183 Einwohner, in Tyrol, Mähren und Böhmen auf 7, in Schleſien auf B, in Ober: und Unteröfterreih und in Salzburg (?) auf 9, in Steiermark auf 10, in Kärnthen auf 12, in ber jerbiihen Wojwod⸗ fhaft und in Ungarn auf 18, in Siebenbürgen auf 14, in rain auf 15, im Küftenlande auf 18, in der Militärgrenze auf 20, in Galizien auf 37, in Croatien-Elavonien auf 40, in Dalmatien auf 47’, in der Bulowina auf 63 Einwohner. Hierbei ift zu beachten, daß die Schulpflidht mit dem vollendeten 6. Lebensjahre beginnt und für die Alltagsfchule mindeſens 6 Jahre dauert,

Die Anzahl der Schulen betrug in Deſterreich (das öfterreidhifche Jtalien ausgenommen) 25,799 im 5. 1850, und 28,997 im 3%. 1859, batte fih alfo in diefem Beitraume um 3198 oder um 12% Procent vermehrt, während in demjelben Beitraume die Bevöllerung von 33,006,502 auf 35,236,518 Verfonen, aljo um 2,230,011 oder um 6% Procent, und bie Anzahl ber Edullinder von 2,338,763 auf 2,670,655, mithin um 332,392 ober um 14 Procent geftiegen ift. Veſonders groß ift in Defterreid der Mangel an befondern Mädchenſchulen. Selbſt in mancher Hauptftadt ber beutjchen Provinzen findet man noch Schulen, in welchen durch alle Klafien Knaben und Mädchen gemeinſchaftlich unterrichtet werden. Die ganze Monardie, mit Einſchluß des öfterreichifhen Staliens, hat 2240 Städte und 66,377 Martifleden und Dörfer, aber nur 1407 öfientlihe und 245 Privat Mäp- chenſchulen, und von ven erftern fommen 412 auf Zyrol, 294 auf lin: garn, 207 auf Siebenbürgen, 111 auf Italien, auf fämmtlihe übrigen Provinzen aljo nur 383.

Der Unterriht in den Bollsfhulen (Trivials und Haupiſchulen) ers firedt fib auf Epradunterriht (Lefen, Sprachlehre, Rechtichreibung, mund⸗ liher und jchriftlider Gedanlenausdrud), Schreiben, Rechnen, Gejang und (in den Hauptſchulen) Zeihnen. Bon Geſchichte, Geographie, Raturlehre, foll überall nur dag Wichtigfte in Verbindung mit den Leſeübungen bei- gebracht werben.

Allgemeine Päbagogik, 313

Ueber die Leiftungen ver äfterreidhifchen Volksſchulen urteilt der Verf, nicht günftig. Gr bat dieſes Urtheil aus mündlichen und brieflihen Mits theilungen inländifher Echulmänner, aus Berichten und Abhandlungen in pädagogifchen Schriften und Tagblättern, aber auch aus eigenem Ginblid in den Unterricht in» und ausländifher Volksſchulen gefchöpft.

Im Neligionsunterridht werden Katechismus und biblifche Ge⸗ ſchichte zu wenig mit einander in Verbindung gebradht, zu wenig auf das Gemüth berechnet und lebendig angeeignet, dagegen meiſtens überwiegend ald Verſtandes⸗ und Gedäaͤchtnißſache troden behandelt. (So ift wohl auch in den meiften außeröfterreihifhen Schulen). Die Kinder werden zur erſten Beichte und Communion ſchon in einem Alter zugelafen, mo fie die Bedeutung dieſer heiligen Handlungen noch nicht verfiehen. (Iſt Schuld der Kirche.) in großer Theil der Schuld des mangelhaften Religionsuns terrichts fällt auf die unzwedmäßig abgefaßten Religions:Lehrbücher.

Die Denk⸗ und Sprebübungen werden in vielen Schulen gar nicht, in den meiften andern verkehrt oder oberflädlih, oft nur wegen der Prüfung, überall aber vom Lefen und Schreiben getrennt behandelt.

Das Schreib:Lefen findet fi nicht häufig. Gewöhnlich wird das Leſen mit der Drudichrift begonnen, häufig noch buchſtabirt. Beim Sefen fehlt oft das Verſtaͤndniß, die mechaniſche Fertigkeit wird felbft von ben Schulbehoͤrden als Hauptſache angefehen; beim Schreiben wird zu ſehr auf Schönheit der Schrift geachtet. Im Rechtſchreiben ift ge: wöhnlib das Auswendiglernen von Negeln die Hauptfahe. Auf den mündlihen Gedanlenausdrud wird wenig Werth gelegt und wenig Sorgfalt verwendet, und im fhriftliden Gedanltenausdrude erw reicht es die Mehrzahl der Schulen nicht, daß die Kinder lernen, ſich über Dinge der Umgebung und der Natur, über Berbältnifie und Creignifie, weiche die eigene Perſon berühren, in leichten Aufjägen und Briefen deut- lich und richtig auszubrüäden. Das Rechnen mirb entweder gar nicht oder doc zu wenig als formales Bildungsmittel benußt, zu wenig auf die praltiſchen Lebensverhältniſſe bezogen, das Kopfrechnen gewöhnlich nur nes benbei, gelegentlih und ohne organifhen Zuſammenhang mit dem ſchrift⸗ lichen Rechnen betrieben, °

Auch die weitere Ausführung diefer Mängel ift fehr allgemein gehal⸗ ten, und es muß dem Berf. die Vertretung feines Uriheils natürlich über: lafien bleiben. Nur darauf fei hingemwiefen, daß derſelbe die ſchweizeriſchen Schulen und den Unterricht in ihnen für ganz vorzüglich hält, und daß Unvolllommenbeiten, wie er fie an dem Unterrichte in den öfterreichifchen Schulen bervorhebt, filh, wenn auch minder häufig und in geringerem Grade, aud außer Defterreidh, felbft in der Schweiz finden werben.

Was der Verf. auferdem noch über die Hauptfchulen (höhern Volks⸗ ſchulen), die weiblichen Arbeitsſchulen, die Wiederholungsſchulen, Schulauf⸗ fichtsbehorden, ſagt, kann bier übergangen werben, eben fo wie feine gewiß zwedmäßigen Borfchläge in Bezug auf die Unterhaltung der Schulen. Da: gegen möchte nod das Wichtigſie über Lehrerbildung, Yortbildung, Stellung und Beſoldung der Lehrer kurz zu erwähnen fein,

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250 Fl. laun erſt einer langen Reihe von Dieufjahsen bis 500 #1. Feigen. Im Vergleich damit find die Lehrergehalte in Mari: fleden und Dörfern meift befier. Die Unteriejeer haben anf vem Tanke oft uebft Wohnung unb Kol 70 Fl. Gehalt und auferbem noch einem Abeil des Mefnerei-Ginlommens, der nicht felten über 100 Fi. beträgt. Gelb in ganz armen Gegenden Böhmens bann das Einfsmme eines Dorfihullehress zu 250 400 ZI. angawmmen werken. (Bergl. Iahees-

32. en ek ein bie Desenmert t von » Yröftih, Rector TR —* S.⸗Weimar. Jena, Friedrich —— * 190 ©.

Der Berf. hat die durchaus richtige Anſicht, daß vie deut ſche Volls⸗ ſchule unter den ähnlihen Anfalten aller Euliusuöller der Bor umb Jet:

auf perdiene. Dennoch müſſe eingeflanhen werben, daß auch die deutſche Volksſcule ihre Aufgobe noch nicht vollſftaͤndig ‚get bhaibe.

mus, endlich auch die auf Vervolllemmnung bes Bolleichulumnterrihts ab⸗ jielenden Preisfragen üher bie „abftracte Richtung“, die „geringe Rachhal⸗ figtet des Unterrichts” unb amdere Berhäktnifle, jo wie bie wieliahen Bor jhläge zur Mefomu der Bollefhulen, bie won Crziehern uns Lehrem felbft ansgehen. Die Urſachen der nad beiishenden Ungenüge ver Ballsfdhuie fiebt der Verf. hauptsächlich in folgenden Punkten : 4. Die Vollaſchele fehlt iR eine unvolifiändige, sine biofe Rindberfäule, 2. Das Leben madt in der Gegenwart ſehr große Aniprühe an kie, welche is daſſelhe eintreten; 8. die Vollsſchule übergibt ihren Zögling dem Leben nod um:

Algemeise Päbagegif. 815

seit, und es tritt nam für ihn big gu feiner Selbſiſtändigleit eine bilbungs- loſe, gefährlide Zwifchenzeit ein. Der Berf. glaubt alje, baß ben Der deutschen Volksſchule noch anbaftnden Mängeln buch eine weitere Ausdehnung ihrer Wirtfamleit abgeholſen werden könne, unb er mill fie deshalb rüdwärts durch eine Vorſchule für das 3. bis 6. Lebens: jahr und vorwärts dur) eine SZünglingsfchule für das 14. bis 20. oder wenigfiens 18. Lebensjahr erweitert wifien. ir fiheint ver Verf. da in ‚einem großen Irrthume befangen. Wenn die Thätigleit des Ginzelnen iu: nerhälb eines gewifien Kreiſes nicht den erhofiten Exfelg hat, fo ift ficher nicht anzuratben, daß er dieſen Wirkungslreis erweitere. Aehnliches gilt von dem reife des Schulunterrihts für die Vollsjugend. Der Berf. fudht die Urſachen ver Unvolllommenheit und des Ungenügenden in der Birtfamkeit ver Vollaſchule nicht ba, wo fie zu Juden find. Nicht Karin beftebt dieſe Unvollkommenheit, dag es der Vollaſchule überhaupt nicht möglid ift, innerhalb ihres gegenwärtigen Wirkungskreiſes das Nothwen⸗ dige und Wünfchenswertbe gu Jeiften, weil »iejer Kreis äußerlich zu eug ‚gezogen iſt; fonbern barin, dag fie innerhalb dieſes Kreifes das an fie Möglihe wegen vielſacher ungänfiiger Veshältnifie wicht zu leiten vermag. Dieſe ungünftigen Berhälmifie Fiegen theils in dem Lehrer, theils außer ihm, werben ſich niemals ganz befeitigen laſſen, können aber durch Zuſammen⸗ wirten der betreffenden Kräfte an Zahl und Ginfluß noch weſentlich ner mindert werben.

Sodann Spricht fi in der Forderung des Verfafſers and eine Bar: kennung der Bildung und Bilbungsquellen und eine Ueberſchätzung der Schulbilbung aus. Die Bilbung, wie fie seinem jeven Mienjchen zu wüns chen wäre, befteht nicht in einem moͤglichſt hoben Grabe ver Ausbildung ber intellectwellen und aͤſthetiſchen Anlagen ober in ber möglidit großen Menge von Senntnifien, Sondern vielmehr in ber den Lebensverhältnifien angemefienen und werhaltuiimägigen Ausbildung alle Anlagen des Men ſchen, wobei das Hauptgewicht unter ‚alles Umſtaͤnden auf die Ausbildung des religiös-fittlihen Gefühls, welches die Grundlage der Geſinnung jein muß, und den Charakter fällt. Diefe Bildung kann und foll zwar durch die Schule begründet und möglich gemacht, kann aber durch biejelbe niemals vwellendet werben, wenn man ihre Wirkfamleit auch bis zum 20, Lebensjahre des Menſchen ausdehnen wollte. Sie vermag ihre relative Vollendung mer durch bie eigene Arbeit eines Seven unter dem GEinflufle des Lebens felbft zu erlangen und es unterliegt Seinem begründeten Zwei⸗ fel, daß Jedem die Grwerbung ver ihm nüthigen und gutzäglihes Bildung nur erſchwert werben würde, je länger er über einen gewiſſen Punlt hin: aus gejhult wird. 68 ift einer der größten und nachtbeiligiten Irtthü⸗ mer in der Lehrerwelt, die Wirkfamleit der Schule, bie S hulbildung, entgegen der Selbfibilvung und ber bildenden Macht des Lebens, zu über Sägen; es iſt ein arger Jrrthum unfess Berfafens, wenn er meint, daß durch die Schule allein ‚oder vorzugsweiſe, und bux eine Erweiterung ber felben Genußſucht, Lurms, Egoianum und andere ſittliche Gebrechen befeitigt werden konnten, und es iſt faſt anbegreiflich, wie er alles Ernſtes meinan kann, das Heil wurxde Inmmen, on hie Pollsſchabe als Zürglings-

816 Allgemeine Päbagogit.

ſchule fortgefebt würde. Unter dieſer Juünglingsſchule verſteht er nicht eine Fortbildungsſchule in dem gewöhnlichen Sinne, mie fie hier und da als Sonntags: oder Abendsſchule beſteht; denn er fagt ausprüdlih, er wife wohl, daß der Verwirklichung feiner Jünglingsſchule große Echwies rigleiten entgegenftänden, und er wolle ſich deshalb vorerft mit einer Fokt⸗ bildungsfchule begnügen, in welder bie Jugend vom 14. bi zum 17. Lebensjahre täglih 2 Etunden Unterriht in Religion, Deutſch, Rechnen und Nealien erhielten. Aber au in viefer Beſchränkung muß die, dor» derung des Verfaſſers in ihrer Allgemeinheit eben fo beftritten werben, wie feine allgemeine Forderung einer Kinder⸗-Vorſchule für das 8. bis 6. Les bensjahr oder eines fogenannten Kindergartens. Der Himmel möge in Gnaden unfere Volksjugend davor bewahren, vom 8. bis zum 17. Lebens» jahre fo gejchult zu werden, wie der Berf. es für nötbig bält. Ich geböre befanntlid nicht zu denen, melde die Schulbildung des Bolles auf das Notbpürftigfte, auf das vom unmittelbarften Bedürfniffe Geforderte befhräntt eben wollen, wie die preußiſchen Regulative dies anftreben, aber die Lieber: zeugung ftebt bei mir feh, daß 8 Schuljahre für die Vollsjugend vollkom⸗ ‚men ausreiden, um ſich alle erforberlihe und wünſchenswerthe Schulbil⸗ dung anzueignen, wenn nur die Hinderniffe und ungünftigen Berbältnifie befeitigt werden können, die innerhalb dieſes Beitraums der Wirkſamkeit der Volksſchule im Wege fteben.

Der Verf. bat in den Abfchnitten feiner unverlennbar von reiner Liebe für das Volt und feine Bildung getragenen Schrift, mo er von ber oben und techniſchen Leitung, den Arbeitskräften der Vollsſchule, der Schulver faflung, den äußern Hülfemitteln, dem Innern und der Schulgeſetzgebung ſpricht, mande dieſer ungünftigen Verhältniſſe berührt, aber andere nicht minder einflußreihe unberührt gelafien oder nit genug bervorgeboben. Seine Eule der Zukunft gleiht einem Baue, der durch feinen Um: fang und feine äußere Ausftattung einen vortreffliden Eindruck macht, defien Grund und innere Einrichtung aber feinem Zwede nicht genügend entſpricht.

33. Unſere Zeit und bie Schulreform. Bon J. B. Kotz, Schullehrer in Unterbießen. Augsburg, 1865, 8. Kollmann’iche Buchhandlung. 40 S. gr. 8. gr.

34. Die Bolleihute ine Studie und Kritil von Geor El Baader. ver

burg, B. Schmid'ſche Derlagsbuchhandlung, 1865. 20

Beide Echriftihen behandeln, Nr. 34 als Gegenihrift von Nr. * die ſchon ſo vielfach beſprochene Schulfrage, ohne neue Geſichtspunkte zu entwickeln, und beide hätten füglich ungebrudt bleiben können. Es wird nad und nad des Guten doch zu viel, wenn gegenwärtig no& immer Einzelne über Reform und Gmancipation der Schule das fo oft Gefagte lediglich wiederholen, ohne eine neue Idee binzuzubringen, jumal wenn dies in einer fo fhwerfälligen Sprache, mie in Rr. 33 und fo weit aus bolend wie in Nr. 34 geſchieht. Ich könnte das Referat über beide Rum: mern hiermit fchließen, wenn es mir diesmal nit darauf anfäme, Anſich⸗ ten und Stimmen über die Schule in Deutſchland vorzuführen.

Allgemeine Pädagogik. 817

Hear Koh hat eine äußerſt günflige Meinung nom deutſchen Volke, Nah ihm ift die Eintracht in demſelben feit gewurzelt, es bat feinen Bes ruf erlannt, daß die Macht des Staates nicht in der Perjon des Regen: ten‘, ſondern in ibm ſelbſt wurzelt; es bat Selbftvertrauen gewonnen, es iM aus langem Schlafe aufgemedt worden durd die Bildung bes Boltes, welde für zwei Drittheile der Bewohner eines Landes durch die Vollsjchule vermittelt wird. Diefe bat wejentlihen Antheil an dem fich überall fund gebenden Streben nah Bolllommenbeit, an der Blüthe des Gewerbfleißes, an dem vermehrten Wohlftande, an der lebendig gemorbenen potriotiihen Gefinnung. Freilich zeigen fi auch manche Uebelftände und Gebrechen. Seit einigen Jahren wird die Jugend trog allen Lehrens und Lernens, ungeachtet aller Ermahnungen und Belehrungen immer rober, uns gehorfamer und trogiger (7); die Zahl der Strolche und Bettler im Lande vermebrt fi, die Zuchthäufer find überfüllt. Die Urſachen diejer betrüben: den Erſcheinungen ſieht der Verf. in dem fo häufigen Mangel an religiös fittliher Bildung in der Yamilie, befonders aber in der allzu großen Hus manität unjerer Zeit, in der allzu humanen Gefeßgebung, aber auch wieder in dem allzu ftrengen Anjälfigmahungs:®ejebe, und weiter in der wenigſtens für das Land allzulurzen Schulzeit (die in Baiern allerdinge zu kurz ift, jo viel ich weiß). Wieviel geholfen werden künnte, wenn der Volksſchule mebr Aufmerljamteit, Sorgfalt und Unterftüäbung zugewendet würde, gebe ſchon daraus hervor, daß die meiften Verbrecher in den Kreifen fich zeigen, wo die Bollsbildung noch am weiteſten zurüd it. Die Volksſchulen leiften ſchon jebt Befriedigendes, aber es kann in ihnen noch Vieles befier werben. Indeſſen beſcheidet fi der Berf., daß alle Gebrehen der Menjchbeit durch die Volksſchule gehoben werden können, und darin bat er unbeftreitbar Recht. Manche Klagen über die unzulänglide Wirkſamkeit der Volkesſchule baben lediglich ihre Mängel in den übertriebenen Borftellungen von biefer Wirkſamkeit und den maßlofen Anſprüchen an biefelbe.

Es gewährt. flets Intereſſe und Belehrung Unfichten über die deutfche Säule von Männern zu vernehmen, die in berjelben arbeiten over aus msmittelbarer Nähe fie zu beobachten Gelegenheit haben. Bon nicht min» derem Intereſſe und noch belehrender find aber die Urtheile, die aus dem Auslande fich über den BZufland unferer Schulen vernehmen lafien und die hervorgegangen find aus einem Vergleich dieſer mit den Schulen eines fremden Landes. Ich führe daher noch zwei ſolche Urtbeile an.

Das erſte lommt von einem deutſchen Amerilaner, dem Berfafler bes unter Nr. 39 aufgeführten Buches, Zur richtigen Würbigung deſſelben muß zuvor bemerkt werden, daß Dulon, vor 18 Jahren Baftor in Bre⸗ men, in lirhlider und politifher Hinficht zu den fortgejchrittenften Forts fchrittsmännern zählte, viele Anhänger batte, in Folge feiner agitatorijchen Zhätigleit ob mit Recht oder Unreht, muß ich bier dahin geftellt fein Iafien, da die Anfihten hierüber getbeilt find, und ich nicht (Gelegenheit gehabt habe, mir eine eigene in ber Sache zu bilden von feinem Amte

vorſteher thätig geweſen if. Große Behkbigung, Uuwgie uns Frrimeth werden auch feine Gegner ihn zugeſtehen müflen, währe and eine Frrunde eine gewifle Obexflächlichleit feiner Anfihten und Bhrafenveicktbuau ter feines Ausvrudsmeife nicht mit Grund werben abweilen innen. Dulsn ba in feinem weiter unten zu beſprechenden Bude in oiwem beſondern Abſchnitte fein Urtheil über die deutſche Schule abgegeben.

„An der Spitze der Schule der Wels ſteht dis ventſche Schule, ix verfitäten, Gynmafien, Seminare, Burgerſchulen, Bollsſchulen Alles dm geihlofien, ver Werlflätte wurdiger Borfichuinreifter nicht zu vergefiem.“ Mit viefem Sape beginnt jener Abſchnitt. Ich übergebe natürlich daB, was er über bie liniverktäten und Gymnafien ſagt. Nach ihnen ſprtcht

er zumäcdft won den Schullehrer⸗Seminaren. Er meint freilich, daß eigen» Ki auch bie Volksſchullehrer auf der lniverfität ihre Bildung erhalten follten, aber praltifcher wie manche Enthufiaflen in Deutſchland, verkennt er nicht, daß die Verwirklichung dieſes Gedanbens unter deu Berhältuiiien, wie fie gegenwärtig finb und ned lange bleiben werden, weder möglid noch zuträgiid fein würde, deshalb will eu, wis bie Sachen mm einmal liegen, das Schullehrer⸗ Seminas in hoben Ghren halten. „Die Seminase baben in großer Zahl Bollsfchullehrer gebildet, Die in ihren Wiſſen uud Können hoch über der Maſſe des Volles ſtehen und mil: rüfiger: Koft ilwes Schüler von Stufe zu Stufe beben. In ihnen beſiht Deutſchlann . eime: Macht der Bollsbilvung, um die jedes Land ber Welt es beneiven Ian.“ „Sie lönnen ihr Verdienſt nach Umfang und Dedeutung getroſt neben das: der Univerſitaͤten und Gymnaſien ſiellen

Die deutſchen zeichnen ſich nad: Dulon 3 Uetheile au® durch methodiſchen Unterricht, darch bie: Sicherheit und Gewandtheit, wo⸗ mit Rinder von verſchiedenem Schulalter. zu glebiher Zeit untereidtet- ws beſchäftigt werden, durch der Umfang unb bie: Btünpiidkeit' des Wiſſtus das fie vermitteln, durch die Erregung bes Selbſtdenlens in den Schülern, durch die vortreffliden Schulbücher, die in ihnen eingeführt find, durd bie Ruhe, Ordnung, Regelmäßigleit, den äußern Anftand, die in ihnen vorherr⸗ ſchend find. In Bezug auf vies Letztere ſollen aber die Belwen den Ruhm nicht ſich ausſchließlich anrechnen; denn „ie ganze Dent« und Anſchaunage⸗ weiſe, die in ber monarchiſchen Luft großgezogen wisb, ber monandifhs- Geiſt, der alle Windel durchkriecht, alle Berkältnifie durchdringt: unv. im allen ſich einmiftet, thut mehr abs ihre padagogiſche Meiſterſchaft. Mit deu Muttermilch jaugt das Kind den Geilt des Gehorſams ein.‘

Neben großen Borzügen haben lniverfitäten und Spnmaflen, wand Dulon’s Urtheil, auch mande Schattenjeitew;. in Bezug auf die Bollz- ſchulen erwähnt er, außes ber bürftigen Beſoldung und zu untergeorbrmiens Steflung der Lehrer, nur zwei Mängel, bie nad ihm aber nid in Sem Lehrern, fonbern in dem Monarchismus Deutfchlanns ihren Grund habeu. Diefer Monarchismus ſchafft nämlid, nah Dulon, aus jedem Schufa rector, Schulinfpector, Schulmeiſter einen Staatsbeamten, einen kleinen Mo⸗ naschen, und fühet in bie Schulen den religiöſen Glauben ein, „der cud weder das Probuct der Befdränttheis oder des Dechnaniel der Heuihelch if,”

Allgemeine Pudagegil. 818

Die Schulen Werben zur Frommigkeit commanirt: VBibel, Kuatochismus und Geſangbuch fpielen eine Hauptrolle in dem ontſetzlichen Trauerſpiels“ „Der Unfug des erzivungenen und auf obrigleitlicyes: Gonunantn Werttiebenen Religion iſt die. püfterfte aller Schattenfeiten, die die vautfher Schule dar⸗ bietet!” Damm erlennt man den Repwblilaner. und den: ertvemen Rutionaliſten. Beinen enthält jein Uxtheil etwas: Wahrheit.

Ein ganz anderes Urtheil über die deutſche Schule faͤllt im Englaͤnder, der Bi. von N. 38, der fi dabei auf die Anſchaumgen und Mittbeilun: gen, Anderer fügt, namentlich eines Herrn Pattiſon, der Deutſchland bereit bat, um deſſen Schulweſen lennen zu lemen. Her Tylov abs GEnglaͤnder, Borftand im Romits einer Londoner Schule und Anhaͤnger der in England zahlreihen Partei, welche alle Schulangelegenheiten. ven freien Gatidliehungen der Eltern und der Gejellichaften von Schalfseunden über lafien willen will, welche zur Grhaltung der Schulen Gelpbeiträge liefern, nimmt naturlich zunächtt Anftoß an dem Schulzwange in Deutichland. Daher komme 03, dab die Schule häufig Kinder erhalte, deren Eltern auf den Unterricht wenig Werth legen und ſich nicht darum kümmern, ob etwas gelernt wird. Da der Staat non jedem Rinde ein beftinmtes Minimum von Kenntnijien und Fertigkeiten fordere, jo müfle der Lehrer feine meifte Zeit auf die ta⸗ ientlofen und. trägen Schüler verwenden, umb koͤnne die befiern nicht fe fördeun, wie ihre Begabung es verbisnen würde, Dadurch werde jede Schufe auf ein gewiſſes Durchſchnitts⸗Niveau herabgedrückt, über welches fie fich beträchtlich erheben könnte, wen der Zwang wegfiele. In den deutfchen Bollsſchulen finde fi daher eine: ziemliche Gleichförmigleit des Miflens, aben leine geiftige Frijche.” Daß dieſe letztere den deutfchen Schulen im Allgemeinen abgejprochen wird, beruht ficher auf mangelhafter Beobadıtung; wit der ziemlichen Gleifärmigfeit des Willens hat es aber feing Richtig: keit. Weit entfernt jedoch, daß dies den beutfchen Schulen zum Tadel ges reihen Ian, liegt darin nur ein Lob für viefelben. Bei aller Gleichfor⸗ migfeit wiflen unfere Schüler doch ungleidh mehr, ala vie beflen in den. engliihen Schulen, und es if gewiß ein großer: Ruhm, daß bei uns vie mittelmäßigen und ſchwachen Köpfe über den guten nicht. vernachlaͤſſigt werben,

Die von der Peſßalozzi ſchen Schule in ven Vordergrund geftellte for: male Bildung wird von dem Gngländes für einen Irrihum erflärt, oder nad für übel angebracht bei Kindern zwiſchen 7 und 14 Jahren. Denn Das Sind müſſe zuerfi realen Stoff erhalten, über welchen es denken lann, und verfelbe wüfje ihm eingeprägt, eingeäbt, nicht blos vorgetzagen werben. Die preußiſchen Negulative, welche dem Lehrftoff auf ein ſehr geringes Maß zurüdgeführt hätten und in ganz Norddeutſchland (?) und in einem großen Theile des übrigen Deutſchlands (2) zur Richtſchnur vienten, hätten ihr Ziel auch überfchoflen, nur eine Uebertreibung mit einer andern vertauſcht. Sie fiellten den Grundſatz auf: „Was das Kind in der Schule zu erwer⸗ ben bat, if nit ein Wiffen, jondern ein Können; der Glementaw Unterriht liefert niht Wiſſenſchaft, ſondern Fertigleiten. Diejer Grundſaß fei dunlel, und die aus einer preußifchen Dorfihule ausgetretenen Kinder ſchienen allerdings wenig zu wiſſen, aber auch wenig zw können. Es ſei ein gesade fe unpraltiicher Irrchum wie ber des: Peſtalozztanismus,

320 Allgemeine Pädagogik.

wenn man glaube, eine folibe reale Grundlage für den Unterricht durch unmäfiges Memoriren gejchriebener oder gebrudter Worte zu gewinnen. Was die NRegulative anlangt, wird man gern beiftimmen; aud) das Urtheil über die formale Bildung der Behalonifcen Schule if nit falſch, trifft aber nicht mehr zu, da in Deutſchland bereits feit längerer Beit der ein» feitige Formalismus aus der Schule verbrängt worden iR, ſchon vor dem Erſcheinen der Regulative.

In Sachſen, den thüringifhen Herzogthämern und weiter ſüdlich fo ſpricht ſich das engliiche Urtheil weiter aus fheine das bewegliche Naturell der Bevoͤllerung das gedaͤchtnißmaͤßige Drillen fi) vom Leibe ges halten zu haben, und in Preußen felbft fäbe bie Regierung (??) ven Rif griff bereits ein.

In Deutfhland fo heißt es weiter —, und namentlich in Rorb- deutfchland fehlt es den Eltern an Intereſſe für Schulfragen, was fid nur daraus erklären läßt, daß das ganze Schulweſen von officiellen Ber: fonen geleitet wird, welche einzig ihrem Vorgeſetzten verantwortlich und als Beamte des Staates dem Wirkungskreiſe der Gemeinden, dem Ginflufie der am Sculorte fib bildenden Anfihten und Wuͤnſche entrüdt find. Die Nichtigkeit diefes Urtheils kann unmöglid geläugnet werden. Denn wenn auch nicht fo allgemein, wie unfer Engländer anzunehmen fcheint, fo herrſcht doc vielfach, bejonders auf dem Lande, unter den Gltern eine überaus große Gleidhgültigleit gegen die Schule, und zwar aus dem angegebenen Orunde Es ift daber auch nady meiner Anfidht nicht unbedenklich, wenn die Lehrer fo eifrig darnach fireben, Staatsdiener und von allem Ginflufle der Gemeinden und des Eltern völlig frei zu werben. jene Gleichgültig⸗ feit würde fiher nody weiter um fidh greifen, wenn die Beſtimmung im den Grundrechten von 1849, wornad aller oͤffentliche Unterricht unents geltlih fein fol, jemals in Kraft treten follte. Mertwürbig bleibt es in⸗ deß, daß jener Tadel von einem Engländer ausgeſprochen wirb, da Enge land's Volksſchul⸗ und Bollebildung der deutfchen fo fehr nachſteht, und zwar gerade deshalb, weil eine fo große Anzahl der Gltern gegen alle Schulbildung fo gleichgültig ift.

In Würtemberg fo bören wir von dem englifchen Berichterftatter, Seren Battifon, weiter giebt es eine Partei, die die Aufhebung des Schulzwanges anitrebt und zu welder Dr. v. Steinbeis, Director der t. Gentralftelle für Gewerbe und Handel, gehört, derjelbe, der auch bei den belannten Schulausftellungen mit an der Spige fand”). Diefe Partei geht weder von einem abitracten Principe perfönlicher Freibeit noch von ultramonta= nen Principien aus, fondern von praktiſchen Erfahrungen über die Wirkung fiaatlider Schulverwaltung, und begt die Meberzeugung, dab nad Beſeiti⸗ gung des gejeblihen Zwanges die Schulen fi) gerade fo füllen würden wie jest (?), Andere geben nicht fo weit, fondern wünſchen nur den Wegfall der ausschließlich kirchlichen Schulverwaltung oder größere Theilnahme des

*) Dr. v. Steinbeis Hat wenigſtens die Unterfiellung als „ungereimt” bes zeichnet, daß er gegen die Unterfägung ber Schulen durch den Staat ſei.

Allgemeine Padagogik. 321

Volles und der Eltern an derſelben, ein Wunſch, der unſtreitig vollbe⸗ rechtigt iſt.

Herr Tylor ſchließt mit folgender Bemerkung, in der viel Wahres liegt: „Man f&eint es in Deutfchland bis jegt noch für unmöglich zu halten, die Unterhaltungstoften für Anſtalten wie bie mürtembergijhen Yortbildungss ſchulen ganz ohne Negierungshülfe aufzubringen. Aber ſchon das in Wür- temberg befolgte Eyftem, nad) welchem ein Theil dieſer Koften durch die Schulgelder, der Reit zur Hälfte von der Gemeinde, zur Hälfte vom Staate gededt wird, bat viel vortheilhafter gewirkt, als jemals Freifchulen oder Zwangsſchulen oder reine Staatsſchulen wirken werben.” Diefe Bemerkung enthält Wahrheit, nicht blos für Fortbildungsſchulen, fondern auch für die gemöhns lihen Volksſchulen, und in dem noch weitverbreiteten Syſteme der Freiſchu⸗ len nit zu verwecjeln mit dem Epfteme der Freiſchüler ſehe ih einen nicht geringen Webelftand; dagegen ift die in Deutſchland übliche ges ſetzliche Schulpflichtigkeit, die nur von unordentlihen und gegen das mahre Wohl ihrer Kinder gleichgültigen Eltern als ein Zwang gefühlt wird, uns fireitig eine Pfliht gegen die Jugend, eine Wohlthat für das Boll, ein mäcdhtiges Förderungsmittel allgemeiner Bildung.

Daß im deutſchen Vollsfhulmefen noch Manches befier fein Tönnte, wird von Allen bereitwillig zugeftanden werden, und es ift aucd in dem Jahresberichte mehrfach gelegentlih darauf hingemwiefen worden. Bor Allem ift zu beflagen, daß für die Jugend in unfern Schulen binfihtlidh der Ges junpheit und der körperlihen Erziehung nicht gut genug geforgt iſt. Die äußere und innere Einrihtung der Schulhäuſer läßt viel zu wünſchen übrig; den meiften Volksſchulen fehlen geeignete Epielpläße, das Turnen ift noch lange nicht allgemein als nothwendig wenigſtens für ſtädtiſchen Schulen ans erfannt. Gngland und Nordamerita übertreffen uns in dieſer Beziehung. Dort wird der Ausbildung des Körpers mehr Aufmerkfamfeit gemidmet, und bei Erbauung und Einrichtung der Edhulhäufer werden die gejunpheits lihen Rüdjichten befjer gewahrt.

Ein anderer Mangel in unferm Schulmefen betrifit den Lebrftoff. Meber die Lehrfächer herrſcht jo ziemlich Uebereinſtimmung, welcher Stoff aber aus jedem in die Volksſchule gehöre, darüber giebt es noch fehr ver⸗ ſchiedene Anjihten. Bald wird, wie dur die preußiſchen Regulative, der Lehrſtoff allzuſehr bejchräntt, bald überfteigt feine Maſſe das zuträgliche Map, wie viele Lehrpläne zeigen. Ueber dem blos Wuͤnſchenswerthen wird das Nothwendige nicht felten vergefien, und die Lehrziele werden oft weit böber geitedt ald die allgemeine Bildung erheiſcht. Wo dies der Fall iſt, kann nur eine oberflählihe und unzureidende Schulbildung erzielt werden,

Unſern Volksſchulen fehlt ſehr häufig der erziehende Charalter, fie find noch vielfah bloße Lernſchulen, die ihre Schulpigkeit volllommen gethan zu baben meinen, wenn fie ihren BZöglingen nüglihe Kenntniſſe und Fer⸗ tigleiten aneignen. Das BVerdienft, das fie fi dadurch erwerben, darf nicht gering angejchlagen werben, fie würden fi aber noch ungleich verbienter maden, wenn fie für die Erziehung, für die Bildung des Gefühld, der @efinnung, des Willens, des Charakters eine größere Thätigleit entjalteten.

Pad. Jahresbericht. XVII. 21

328 Allgemeine Padagogik.

Mit diefem Letzten hängt ein Mangel zuſammen, ber ſchon oben in Bezug auf die preußiſchen Schulen gerügt worden ift, nämlidy der unfreusd- lihe Zon der Lehrer gegen die Schüler, der ſich vielfah, wenn aud nicht fo grell, in den außerpreußifhen Schulen findet. Diele Lehrer meinen, die Kinder wären nur um ibretwillen da, und fie müßten diefen durch eine firenge Amtsmiene, durch einen ftrengen Amtston imponiren. Jedes Ber geben wird als eine Art Majeftätsbeleivigung, jeder Widerſpruch als Unge⸗ borjam und Frechheit angeſehen, jugendlicher Leichtfinn mit böjem Willen verwechſelt und Unzulänglichfeit der geiftigen Kraft als Schuld angerechnet, zu geſchweigen von den Schimpfwörtern und Obrfeigen, womit bie Jugend traktirt wird. Viele Lehrer wähnen, vergleichen gehöre zu einer ſtrengen und guten Schulzudt.

Die Schulen in Rußland.

35. Ueberfiht der Thätigleit des Ruſſiſch⸗Kaiſerlichen Miniſe⸗

riums ber Bollsaufllärung und der ihm untergeorpmeten

elebrten und Lehranftalten in den Jahren 1862, 1863 und 1864.

Fr us bem Auffiichen überſetzt. Gt. Petersburg, 1865. 332 und 375 Seiten. exic. 8.

36. Zur Geſchichte und Statifil ber Belehrten- und Schulanfal- ten bes Kaiferlih Ruſſiſchen Minifteriums der Bollsanftlä- rung. Nach oiftciellen Quellen bearbeitet von &. Woldemar. Erſte Aus

abe. Für das Jahr 1865. Gt. Petersburg, 1865. Buchbraderei don —* Aſſmann. 271 ©. Lexie. 8.

Dieſe beiden Baͤnde geben ein ſchoͤnes Zeugniß von dem Cifer, dem Ernſte und der Umſicht, womit die ruſſiſche Regierung die Volksbildung durch Errichtung neuer und Verbeſſerung ſchon beſtehender Schulen zu he⸗ ben beſtrebt iſt, und gewiß wird es vielen Lehrern angenehm ſein, über diejenigen Schulen in Rußland etwas zu hören, die unjern Bürgers und Volksſchulen entſprechen.

Unfern Bürgerſchulen ſtehen in Rußland ungefähr die Kreisſchu⸗ len gleich, deren es zu Anfange des Jahres 1863 unter der Leitung des Miniſteriums der Aufklaͤrung 416 mit 23,952 Schülern und 2743 Leh⸗ rern und Beamten gab. Dieſe Schulen entſprechen aber, nad der allge meinen Anfiht der ruſſiſchen Pädagogen, in ihrer jepigen Einrichtung und Wirkſamkeit dem Zmede gar nicht, zu welchem fie gegründet worden find. Sie haben mindeftend 3, viele A, wenige 5 Klaſſen und werden von recht⸗ gläubigen (griehifh orthodoren), katholiſchen und proteftantifhen Schülern, in manden Bezirten auch von Muhamedanern, Lamaiten und Gößenanbe- tern beſucht, wovon etwa NO Procent Söhne von Naufleuten, Bürgern und Bauern find. Die Lehrfächer find im Allgemeinen Religion, ruſſiſche, franzöfifhe, deutſche, zumeilen auch italienifhe Sprache, Arithmetik und Geometrie, allgemeine und ruſſiſche Gefchichte, allgemeine und ruſſiſche Ges⸗ graphie, Galligraphie und Beinen, in einigen auch Handelswiſſenſchaſten und Buchalten. Nah der Abſicht ihrer Gründung foll in den Keeisfſchu⸗

Allgemeine Päbagogik. 823

ien der Jugend, welche der Möglichkeit, eine Symnafialbilbung zu erhalten, beraubt ift, und namentlich den Kindern der Bürger, unbemittelter Adeli⸗ gen und ber untern Beamten eine abgejchlofjene Bildung zu Theil werden. Um einen fihern Erfolg in den Lehrfächern zu erzielen, wurden kurzgefaßte Schulbücher zufammen geſtellt. Man hatte aber nit an die Vorbildung von Lehrern gedacht, die fähig wären, die dieſen Schulen geftellte Aufgabe sihtig und rationell zu löfen. Die Folge davon war ein todtes, gedädht: sißmäßiges Einlernen des Inhaltes der Schulbücher. Statt wirklicher Kennt⸗ nifie erhielt ver Schüler blos Definitionen, Worte, Namen und Zahlen. Sie lernten zwar, wie viele Declinationen und Conjugationen die ruſſiſche Sprache befist, oder welche Endung der Genitiv der erfien Declination hat, waren aber nit im Stande, den einfadhiten Brief logiijh und zufammenhängend abzufuflen; fie konnten nit nur die Ramen aller ruffifchen Fürften mit Angabe der Jahreszahlen ihrer Thronbefteigung,, fondern aud die Namen eguptifcher, babyloniſcher, afiyrifher und anderer Fürften aufzählen, ohne auch wur irgend eine hiſtoriſche Thatſache zu verftehen; fie kannten die Nas men vieler Flüfle Afrilas, während fie nicht mußten was ein Fluß ift, woher ex kommt und welche Flüſſe ſich in ihrer naͤchſten Umgegend befinden. Mit einem Worte, in Folge der Verpflichtung ber Lehrer, den abgejchlofjenen Gurjus nad) den vorgejchriebenen kurzgefaßten Schulbühern durchzugehen und bei dem gänzlihen Mangel pädagogiſcher Kenntniſſe und Einfiht trat der Unterricht in den Kreisſchulen in vollftändigen Widerſpruch mit dem praltifchen Leben, und eine Folge davon war ihr allgemeiner Verfall und Gleichgültigkeit des Publilums gegen diefelben. Die Eitern jchiden ihre Kinder größtentheild nicht deßhalb hin, damit fie den ganzen Lehrcurfus burhmaden, fondern nur damit fie eine Beitlang irgend etwas lernen. Daher kommt es, daß die oberften Klaſſen nur wenige Schüler zählen, während in bie unterfte Klafie zu Anfange des Curſus viele eintreten, wo⸗ von aber fchon nad) einigen Monaten nicht wenige wieder weggehen. Durchs jchnittlid kommen auf jede Kreisihule nicht über 57 Schüler, oder je 19 Schüler auf jede Klaſſe, da die meiften diefer Anftalten, nur drei Klaſſen haben. Ginige baben fogar 20 und noch weniger Schüler, fo daß auf einen Lehrer nur 2 oder 3 Schüler kommen.

Das Minifterium kennt diefe Mängel, die übrigens nicht in allen Bezirken in gleihem Grade obwalten, und denlt auf eine Reform der Kreis⸗ ſchulen. Es wird beabfichtigt, ftatt derjelben, je nach den localen Bedingungen, zweierlei Arten von Schulanftalten zu errichten: in Städten, wo die größte Anzahl der Lernenden dem Bürgers und Bauernftande angehört, die feiner Gymnaſialbildung bevürfen, und denen eine gründlide Clementarbildung genügt, follen zweiklaſſiſche höhere Parochialſchulen mit einem den localen ‚Bedürfnifien der Bevoͤlkerung angepaßten Unterrichtölurfus, die Stelle der Kreisſchulen einnehmen. In Städten dagegen, wo fid unter den Schülern viele Kinder von Edelleuten, Beamten, wohlhabenden Kaufleuten und as brifanten befinden, die einer höheren oder Gymnaflalbildung bedürfen, follen an die Stelle der gegenwärtigen Kreisſchulen PBrogymnafien oder Gymnafıen treten. Außerdem dürften einige Kreisfchulen in Lebrerfeminare zur Bor: bereitung von Glementarlehrern umgeflaltet, oder bei denſelben wenigftens

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324 Allgemeine Pãdagogik.

pädagogifche Abtheilungen zu dieſem Zwede errichtet werben. Die Kinlei- tung einer folben Reform ver Kreisfebulen hat bereit begonnen.

Die Kreisichulen ftehen unter unmittelbarer Aufjicht des Gouvernement⸗ Schuldirectors und an ber Spitze jeder Anftalt befindet ſich ein Inſpector. Das Lehrerperſonal beſteht gewöhnlich aus 1 Religionslehrer, 3 wiſſen⸗ ſchaftlichen Lehrern und 1 Zeichenlehrer, fremde Sprachen werden übrigens nur in einigen getrieben. An Gehalt beziehen ber Inſpector S50—500 Rubel, der Religionslehrer 200 , die wifjenjchaftliden Lehrer 300400, der Schreib: und Zeichenlehrer 200 Rubel.

Die Boltsfhulen in Rußland find von verſchiedener Art und fteben unter verſchiedener Oberleitung. Die Zahl der unter bem Miniſte⸗ rium der Volksaufklaͤrung ftehenden, iſt die geringſie und betrug zu Anfang des 3. 1865 im Ganzen 1846 mit mehr ald 80,000 Schülern. Die Anzahl der unter geiftlicher Verwaltung, unter den Minifterien bes Innern, der Reichsdomaͤnen und Apanagen ftebenden iſt ungleich größer und beträgt, mit Ausnahme der weftlihen, baltiihen und fibirifhen Gouvernements, mebr als 30,000 mit über 600,000 Lernenden auf eine Einwohnerzahl von 45 Millionen. Es kommt hiernach 1 Schule auf 1500 und 1 Schuk- find auf 70 Bewohner, fo daß auf dieſem Felde nod viel zu thun if. Mebr als die Hälfte diefer Schulen find Kirchſpiels- oder Parochialſchulen, die von der griechiſcheorthodoxen Geiftlichleit unterhalten werden. Auf Ber mehrung der Bollsihulen hat die Aufhebung ber Leibeigenſchaft bereits großen Einfluß gehabt. Die Koften der Unterhaltung der nicht kirchlichen Boltsihulen tragen vorzugsweife die Gemeinden, ein lleinerer Theil derſel⸗ ben wird vom Staate getragen und durch freiwillige Beiträge von Privat perfonen beftritten. Der Unterricht in den Volkeſchulen umfaßt Religion, Leſen, Schreiben, Rechnen (die 4 Species) und Kirchengeſang, wenn bie vorhandenen Mittel es geftatten. In den ſtädtiſchen Vollsſchulen erhält der Unterricht je nah den vorhandenen Mitteln und Bedürfnifien gewöhn⸗ (ih eine größere Ausdehnung, z. B. auf die Elemente fremder Spraden, ber Geometrie u. f. w. Die Leiftungen der Volksſchulen in den nothwendig⸗ ften Lehrfächern ift fehr ungleich, am wenigſten befriedigend im Allgemeinen in den von ber Kirche und ven Geiftlihen gegründeten und geleiteten. Wie wenig felbft im Mittelpuntte der Auftlärung die Sertigleiten bed Les ſens und Schreibens verbreitet find, geht daraus hervor, daß bei der Volks⸗ zäblung in Petersburg im December 1862 fih 274,521 Perfonen janben, die nicht leſen und jchreiben konnten.

Die obere Leitung und Verwaltung der Volksſchulen war früher unter mehrere Behörden vertheilt, aljo zerfplittert. Dieſer Uebelitand ift feit 1864 für mehrere Gouvernements durch Einführung von collegialiiden Schul bebörden unter dem Titel „Schulrath“ befeitigt und dadurd) Das nothwen dige Zuſammenwirken der oberfien Behörden, von melden die Schulen in legter Inftanz abhängen, angebahnt worden. Diele Schulräthe befteben aus den Nepräjentanten jener Behörden, und das Minifterium der Bolte« aufllärung ift darin durd den Schuldirector des Gouvernementd oder einen der Schulinfpectoren vertreten. In den Befugnißlreis des Schulraths ge hören alle innern Ungelegenheiten der Schulverwaltung, während dem Mi

Allgemeine Pädagogik. 325

niſterium ber Bollsauflärung die Oberleitung des Unterrichtsweſens zufteht. Bugleih ertheilt dieſes Minifterium auf Antrag der Schulräthe Zuſchüſſe an die verjchiedenen Volksſchulen.

Dem Reglement der Elementar:Boltsfhulen vom 14. Juli 1864 liegt der durchaus richtige Hauptgedanfe zu Grunde, daß die Regierung dem frühern Syſtem der Kronſchulen d. h. der Staats⸗ ſchulen, der Gründung der Volksſchulen durd die Staatöregierung ent: fagend, von nun an der Thätigleit der Gemeinden und Privaten in bdiefer Angelegenheit einen möglichft weiten Epielraum geftattet und ſich die Aufs gabe ftellt, ftatt überall felbft Vollsfhulen zu gründen, nur deren Grüns dung zu begünftigen, vie Privatthätigleit auf diefem Gebiete anzufpornen, die Beitrebungen der verfchiedenen Behörden, Perfonen und Inſlitutionen unter einander in Einklang zu bringen und auf das eine gemeinfame Ziel binzulenfen. Diefer Grundidee gemäß bat das neue Reglement hauptjädh: lih Folgendes im Auge:

1) die Fortfchritte der Aufflärung nicht durch Mittel des Zwanges, fondern der Aufmunterung zu beſchleunigen.

2) Nach Möglichkeit die Centralifation und büreaufratiiche Verwaltung der Schulen zu vermeiden.

3) Den Unterricht möglichſt frei zu geben, indem den Gemeinden und Privatperfonen ein weiter Spielraum in der Anlage von Schulen geftattet und der Zutritt zum Lehramte erleichtert wird.

Die das neue Reglement wirken wird, läßt fi zwar bei der Kürze der Zeit noch nicht ermefien. Da jedod die darin ausgejprodenen Grund: fäge durchaus richtig find und in Deutſchland ſich vielfach bewährt haben, fo unterliegt es feinem Zmeifel, daß fie auf die allmählige Hebung des Volksſchulweſens den heilfamften Einfluß ausüben werden, wenn man fie nur conjequent feitbält und durchführt. Dies iſt freilih eine unerläßlidhe Bedingung. Wie nachtheilig es für das Schulmelen ift, wie ſehr der ges deihliche Foriſchritt deſſelben aufgehalten wird, wenn die oberiten Behörden in den Grundfäßen für die Leitung der Schulen ſchwanken, und die befte- henden Einrichtungen öfterem Wechſel unterliegen, davon zeugen unwiderleg⸗ lich mande deutſche Staaten. Auch davon liefert die deutſche Volksſchul⸗ geſchichte Belege, daß es für das Schulweſen nicht förderlich it, wenn von oben ber zu viel in dafjelbe bineinregiert wird.

Bei der weiten Ausdehnung des Neiches und ben bisherigen Verhält- nifien wird es freilich in Rußland nod einer langen Zeit und großer Ans ftrengung bedürfen, ehe die Volksbildung fih auf eine befriedigende Stufe erheben wird; die weſentliche Grundlage hierzu ift aber bereits vorhanden, theils durd die Aufhebung der Leibeigenichaft, die Rußland dem bochberzis gen Entſchluſſe des Kaiſers verdankt, theils dadurch, daß das Minifterium Kar erlannt hat, was Noth thut. Dies Leptere zeigt fih aud in den Maßnahmen zur Förderung einer beflern Vorbildung der Lehrer für ihren Beruf.

Der Volklsſchule fehlt es gegenwärtig noch fehr an tüdhtigen Lehrkräfe ten, worüber man fih natürlih nicht wundern darf. Zum Unterrichten und zur Errichtung von Schulen foliten zwar früher nah dem Geſetz nur

326 Allgemeine Pabagogik.

Perſonen zugelaflen werben, welche beftimmte Kenntnifie beſäßen und bas gehörige Zeugniß über ihre Gittlichleit vorzumeilen vermödten, Es wurde von dem Bewerber um ein Lehramt an Volksſchulen gefordert, daß er den Curſus einer Kreisſchule vollendet, oder die Prüfung in gemifien Fächern beftanden babe. Diefe Einjchräntung der Lehrfreiheit hat fih aber, nad den Erfahrungen des Minifteriums, nicht als zuträglid erwieſen, weil ber Lehrer nicht blos Kenntniſſe bedarf, fondern auch zu unterrichten verſtehen muß. Ungeachtet der ſcheinbaren Strenge bei Zulaſſung zum Lehramte an Volksſchulen drängten ſich doc fortwährend Perfonen zu, die der allernoth⸗ wendigften Eigenſchaften eines Lehrers ermangelten. Auch wurde das Gejeg vielfah nicht beachtet, jo daß nicht nur in Dörfern, fondern aud) in Stäpten viele Perſonen mit Unterrichten ſich befchäftigten und noch gegenwärtig fid beſchaͤftigen, melde die vom Gejege geforderten Zeugniſſe nicht beſißen verabſchiedete Soldaten, Schreiber, des Leſens und Schreibens fundige Bür ger und Bauern. Nach dem neuen Reglement ift die Zulaflung zum Uns terrihten nur abhängig gemacht von der Genehmigung des Kreisichulrathes. Diefer wird aber doch wohl eine folhe Genehmigung nur dann ertbeis len, wenn der Bewerber wenigſtens die erforderlihen Kenntnifie nachweis⸗ bar befigt ?

Die Nothwendigkeit einer rationellen Ausbildung derjenigen, vie fid dem Vollsſchulamte widmen wollen, wird von dem Minifterium vollftändig anerlannt. Hierzu find in Rußland früher nur einige vereinzelte Berjudye gemadht worden. Im %. 1820 wurde beim Petersburger Gymnaſtum ein BVorbereitungscurs für Elementarlehrer eingerichtet, der aber ſchon nad) zwei Jahren wieder aufhört. in ähnlicher 1838 an dem ehemaligen pädage: giſchen Hauptinftitute gemachter Verſuch fand nah zehn Jahren fein Ende. Dagegen hat das 1828 gegründete Lehrerfeminar in Dorpat befiern Fort⸗ gang und auf die Vollsihulen der Oftfeeprovinzen den fegensreichfien Ein⸗ fluß gehabt. Das Minifterium hat Maßregeln zur Borbildung von Zeh vern ſchon länger ins Auge gefaßt. Bereits im 3. 1860 wurden babin abzielende Entwürfe ausgearbeitet, und 1862 und 1863 einige Lehrer ins Ausland gejendet, um an Ort und Stelle die Ginrichtung der Lehrerſemi⸗ nare beſonders Deutfhlande und der Schweiz Tennen zu lernen. Auch außerhalb des Kreiſes des Minifteriums wurde die Frage der Lehrerbildung vielfach erörtert. Drei Anfichten fuchten fih geltend zu maden. Nur Wenige wollten die Borbildung für das Lehramt für ganz überflüffig er: Hären und den Bollsunterriht, namentlihb auf dem Lande ganz und gar der Geiftlihfeit anvertraut willen. Andere erllärten fih für Einrichtung befonderer Lehrerbildungsanftalten, noch Andere für Ginrihtung pädagagi- ſcher Curſe an den Gymnafien und Kreisichulen, und nit Wenige bielten ed für möglih, auf rein praltiihem Wege Lehrer beranzubilden, indem die⸗ jenigen, die Neigung für das Schulfach bejäßen, ſich für daflelbe bei tüch⸗ tigen Lehrern ausbildeten. Das Minifterium entſchied fih für die Grün: dung befonderer Lehrerjeminare, was unter der Vorausſetzung, daß die bei: den andern Wege nicht geradezu ausgeſchloſſen werden follen, durchaus zu billigen if. So lange der Mangel an einigermaßen tüchtigen Lehrern in Rußland jo groß ift, wie gegenwärtig, follte jever Weg zur Heraubildung

Allgemeirie Padagogik. 827

von Lehrern benubt werden. Cs find nun auch 1862 ein Seminar in Finnland, 1864 mehrere im Koͤnigreiche Polen und eins für die fpeciell euffifhen nordweſilichen Gouvernements gegründet worden. Außerdem ift noch jeit 1862 bei der liniverfität in Kijew, im NKafaner und Moskauer Lehrbezirk für Bildung von Lehrern proviſoriſch Fürforge getroffen worden. Jedenfalls wird mit Errihtung von Lehrerjeminaren nah Maßgabe ver vorhandenen Mittel und Lehrkräfte fortgeſchritten werben.

In Nr. 86 werden no einige Nachrichten über die Seminare in Dorpat und Molodetſchnja, einem Fleden im GBouvernement Wilna, mitgetbeilt. Das erftere, das 1861 neue Statuten erhielt, ift Staatsan- Ralt und auf 10 ZBöglinge berechnet, die aus den fleißigften unbemittelten Kreisſchülern ausgewählt und auf Staatsloften erzogen werden. Mit die: fem Seminar, auf welches jährlid 3179 Rubel verwendet werben, ift eine Elementarſchule und eine Armenfchule verbunden, und in der erflern verje ben die Seminariften den Unterriht. Das Seminar in Molodetſchnja ift 1864 gegründet, bat 2 Klaſſen und ift für 60 NKronzöglinge eingerich⸗ tet, wovon jeder jaͤhrlich 830 Rubel an Stipendien erhält, und außerdem für 20 Böglinge, die für ihren Unterhalt felbft zu forgen haben. Diefe Anftalt Loftet jährlih 11,800 Rubel.

Es könnte aus den beiden Bänden noch viel Intereſſantes über den Zuſtand der Vollsfchulen, über die ifraelitiiden Schulen, über die Mädchen⸗, Privat: und Sonntagsihulen mitgetheilt werden, wenn dies bier nicht zu weit führen würde. Es mag nur no erwähnt werden, daß in Wir. 85. II, und zwar ©. 346 ber Beilagen, das Verzeichniß der ausländiichen Gelehr⸗ ten und Literaten mitgetheilt ift, melde an der Beurtheilung der Entwürfe der Statuten für die ruſſiſchen Univerfitäten und allgemeinen Bildungsans Halten Theil genommen und Orden erhalten haben. Es finden fich unter Andern darunter Curtman in $riebberg (St. Stanislausorten 2. AL), Dr. Keferftein, Lehrer an der Handelsfhule in Dresden (St. Stanis⸗ lausorden 8. Kl.), NRegierungs:Schulratb Bod in Königsberg (St. Annens orden 3. AL).

Schulen in England.

37. Das Bolksſchulweſen in England und feine nenefte Entwide Iung, bargeftellt von Ernft Wagner, Dr. phil. Stuttgart, 3.8. Meb- ker’ihe Buchhandlung, 1864. 215 ©. gr. 8.

38. Indufrie und Schule Mittheilungen aus England von Alfred Ty⸗ lor. Auf Veranlaſſung der Königl. Württemberg. Eentraiftelle fir Ge⸗ werbe und Sanbel dentſch bearbeitet von Dr. Bernhard v. Gugler, Rec- tor an der Königl. volytehniihen Schule in Stuttgart. Mit einem An⸗ yang des Bearbeiters über engliihes Unterrichtsweſen. Stuttgart, Wilhelm

igichle, 1865. 351 ©. 8. 1 Thlr. 12 Sgr.

Ne. 37. enthält 13 Abfchnitte, die folgende Weberjchriften führen: 1. Schulverhältnijle bis zum Ende bed 18. Jahrh.; 2. die Volksſchule im Anfang des 19. Jahrh.; 3. der Staat und das Vollsſchulweſen; 4. die Jeitenden Behörden im Volksſchulweſen; 5. die Lehrer; 6, die Schulen ;

328 Allgemeine Päbagngil.

7. der Unterricht ; 8. die Kleinkinderſchulen; 9. die Abendſchulen und Fortbil⸗ dungsſchulen, Prüfungen ber Society of Arts; 10. Armenſchulen; 11. Schu⸗ len für Bermahrlofte, Rettungsanftalten, Anftalten für jugendliche Verbrecher; 12. Militärs und Flottenſchulen; 13. die Schulgejeßgebung von 1862.

Nr. 38. ift veranlaßt worden dur die internationale Ausftellung von 1862, und verbreitet ſich über die Verhaͤltniſſe der Induſtrie und der ges werbtreibenden Klaſſen in England, über die englifhen Schulen und (nur furz) über die Schulen in Frankreich, Deutfchland und Belgien.

Seit einer Reihe von Jahren wendet fih der Blid deutfher Schul: männer mit einer gewillen Vorliebe dem Echulwefen Englands zu, wevon ber Grund unftreitig darin liegen muß, daß dafielbe Gigenthümlidleiten bat, die geeignet find, Intereſſe zu erregen, und daß man darin gewiſſe Vorzüge zu finden glaubt, die dem unfrigen fehlen. Das Folgende wird ergeben, ob dies wirklich ver Fall ift.

Bis vor wenigen Jahren befümmerte fih in England die Etaatäregies zung um ben Sculunterriht der Bollsjugend gar nit. Derfelbe war lediglibd Sache der Eltern und wohlthätiger Gefelliaften, die fi für Schulzwede bildeten. Dies Verhältniß war ber natürlihe Ausfluß des in England herrſchenden Principe der Selbftverwaltung und ber perſönlichen Sreibeit, welches alle nicht durchaus nothwendige Cinmifhung der Etaatss regierung in die Angelegenheiten der Gemeinden, der Corporationen und der Einzelnen entſchieden zurüdweift. Ungeachtet der rühmlihen Thätigkeit für Gründung von Schulen für die Vollsjugend, welche namentlich feit Beginn des gegenwärtigen Jahrhunderts bedeutende Schulgefellichaften entwidelten, zeigte fi do vor etwa 50 Jahren, daß die Bildung der ärmern Klaſſen in England eine der Ausdehnung nah fehr beſchränkte und der Qualität nad höchſt mangelhafte fei, und daß es in hohem Grade an den unents bebrlichften Bildungsmitieln fehle. rmittelungen ergaben no vor 30 Jahren, daß faft die Hälfte aller fchulfähigen Kinder theild einen gamy unzulängliden, theils gar feinen Unterricht genofien, und die übrigen jeden falls keinen, der fi annähernd dem in deutihen Boltsihulen hätte an die Eeite ftellen künnen. Die Aufmerlfamleit der Staatsregierung wendete ſich nunmehr, freilih zunähft in ungemein bebutjamer und faum bemerk⸗ barer Meije, der Schulbildung der Jugend ber unbemittelteren Stänve zu. Im Jahre 1833 murde zuerft ein Beitrag für Volksſchulzwede aus der Staatslafje verwilligt, und 1839 eine aus fünf Mitgliedern beftebende Abtheilung des Geheimen Rathes ald eine Art Oberſchulbehoͤrde eingejept, die jedoh nur die Aufgabe hatte, die Verwendung der vom Parlamente zu Zweden der Förderung der Volksbildung verwilligten Gelder zu überwachen. Die Allgemeinheit diefer Aufgabe mußte von jelbit dahin führen, daß viefe Behörde fih einen wirklichen Einfluß auf vie Schulen zu verſchaffen fuchte, was ihr auch, nad deutſchen Begriffen freilich in fehr befheidenem Maße, gelang. Die Gründung einer Staatsnormalſchule zur Bildung von Lehrern und Lehrerinnen fcheiterte zwar an der Echwierigleit, dem Nelis gionsunterrichte eine allgemein befriedigende Einrichtung zu geben, dagegen wurde 1840 das Spftem der Schulvifitationen durch eigens dazu ernannte

Allgemeine Pädagogik. 329

Inſpectoren unter allgemeinem Beifalle durchgeführt. Nach diefem Spfteme erhält keine Schule und fein von einer Gefellfchaft oder einem Privatmanne gegründetes Seminar eine Staatsunterflüßung, wenn nicht der Oberſchul⸗ behörde das Recht ver Pifitation durch die Inſpectoren eingeräumt wird, Die Pifitation wird alfo keiner Anftalt aufgezwungen. Sm Jahre 1861 maren 60 folder Inſpectoren thätig, die von A00 bis 700 Bir. St. Gehalt bezogen. Gewöhnlich wird angenommen, daß der Inſpec⸗ tor während 35 Wochen des Jahres wöcentlih 5 Schulen (eigentlich Klafien) infpicirtt. Die von ihnen erflatteten jährlihen Berichte werden durch den Druck veröffentlicht.

In den Jahren 1846 und 1847 wurden mehrere neue Schulverorbs nungen erlafien, welde die an befondere Bedingungen gefnüpfte Unterftüßung der Schulen durd jährliche Beiträge betrafen, und auf befiere Bildung der Lehrer, auf Verbeſſerung der Lehrergehalte, auf Ausftattung der Schulen mit zmwedmäßigen Lehrmitteln abzmwedten. Die Ausgaben vermehrten ſich dadurch ehr bedeutend. Im Jahre 1850 betrug der jährlihe Staats beitrag 125,000 Pfund Sterling, 1860 aber bereits nahe an 800,000 Pi. Stel. Unftreitig ift, wie aus Nr. 37. bervorgebt, die be ſchränkte Yürjorge des Staates für das Volksſchulweſen ſchon bis jekt von den mwohlthätigften Folgen geweſen; dennoch zählt in England das foges namte Yreimilligenfyftem (voluntary system), das jede Eins mifhung des Staates in das Vollsſchulweſen, jede flaatsfeitige Unterftüßung abweiſt, noch zahlreihe Anhänger, zu denen aud Herr Tylor, Verf. von Nr. 38. gehört. Diefer fucht zwar feine Anfiht durd Gründe und Er fahrungen zu rechtfertigen, welhen man bebingte Wahrheit nicht abfprecdhen ann, die aber doch durd eine Vergleihung des gegenwärtigen und frübern Buftandes der Vollsſchulen thatfächlich widerlegt werden. Nur der Unterints niß deuticher Schulzuftände Tann man es zufcreiben, wenn Engländer das beutjhe Schulſyſtem mit feiner Schulpflictigteit und ftaatlihen Leitung als ein Bwangsfyftem (compulsatory system) verfchreien.

Biel Eigenthümlihes bat in England die Lehrers und Lehrerinnen: Bildung, die fih in zwei Stufen vollendet. Die erfte oder unterfle Stufe umfaßt eine Lehrlingszeit. Schüler und Schülerinnen der Volksſchu⸗ len, die ſich durch Ordnung, Fleiß und Fortfchritte bervorthun und Neigung zum Lehrfach haben, werden bis zum 18. Lebensjahre in der Schule zu⸗ rüdgebalten, um zur Unterftügung der Lehrer als Gehülfen (nit mit den Monitoren des Lancafterfyftems zu verwechfeln) zur Seite zu ftehen. Sie beißen Schullehrlinge, erhalten von dem Lehrer oder der Lehrerin auch Unterricht, für ihre Mithülfe in der Schule vom Staate eine Vergütung und müflen ſich jährlih einer Prüfung dur den Schulinſpector unterzies ben. Nur gut eingerichtete, mit tüchtigen Lehrkräften verjehene Schulen haben das Vorrecht, ſolche Schullehrlinge zu halten. Seminare find von Schulgeſellſchaften, religiöfen Gemeinſchaften und von der Staatskirche ein» gerichtet, erhalten aber vom Staate Unterftügung. Im Sabre 1863 beſtan⸗ den 16 Lehbrer:, 15 Lehrerinnens und 4 gemifhte Seminare, deren Zög⸗ linge meilt frühere Schullehrlinge waren. Das größte hatte 172, das

330 . Allgemeine Pädagogik.

Heinfte 15 Böglinge Die linterflügung aus Stantsmitteln beitrug 78 Pre cent ber Gefammtloften, die fih im Ganzen auf 103,000 Po. Sterl. be liefen, jo daß durchſchnittlich auf jedes beinahe 3000 Pfo. St. kommen, Mit den Seminaren find Uebungsſchulen verbunden. Die Zöglinge erhal ten größtentheild vom Staate, andere von Gefellichaften oder aus Stiftun gen Stipendien. Der Unterricht erfiredt fi auf bie Lehrfaͤcher der Volle fhule, die nur eingebender und vollftändiger behandelt werden, und auf andere rein formal bildende Lebrgegenftände (Mathematit, Lateiniſch, eng⸗ lifche Literatur, Naturlebre und Mechanik), Aus diefen lehteren kann jeder Seminarift beliebige wählen, er braudt fi aber nur in einem einzigen prüfen zu laflen. Für bie weiblihen Böglinge ift der formale Unterricht natürlich nicht ganz berjelbe, dagegen lfommt in ihnen Haushaltungstunde vor. Die Prüfung im Zeichnen und in Muſik ift facultativ. Gricchiſch lönnen in einigen Seminaren die Zöglinge lernen, wenn fie wollen, neuere fremde Sprachen find aber überall ausgeſchloſſen. Jede Lection dauert / in der Negel eine Stunde ; ber betreffende Gegenſtand wird vom Lehrer vor getragen, dann abgefragt, oder auch von Anfang an mit den Böglingen durchſprochen. Wöchentlihd werden 30—40 Lectionen ertbeilt und 18 Stunden für den Privatfleiß ausgejegt. Weber Pädagsgil und Schulmethode werden von den Muſterlehrern Vorträge gehalten. Aus den Seminaren geben die fogenannten geprüften Lehrer und Lehrerinnen hervor, weil fie ein Faͤhigkeitezeugniß nad einer abgelegten Prüfung erhalten. Außer dem gibt es aber au viele ungeprüfte Lehrer, welden jedoch ber Staat keine Gehaltszulage gewährt, die Zahl der geprüften Lehrer mehrt ſich jährlich.

Der Gehalt eines geprüften Lehrers kann durchſchnittlich auf BA Pfb. Gterl., einer folben Lehrerin auf 62 Pd. St., der ungeprüften bezw. auf 62 und 35 Pfd. St. berechnet werden. Einzelnen Lehrern fell es gelingen, durch Nebenverbienft ihr Cinkommen bis auf 300 Pid. St. zu bringen. Durchſchnittlich kommt 1 Lehrer auf etwa 120, ein Schullehr⸗ ling auf 50 Schüler. An Stadtſchulen bat ein Hauptlehrer nicht jelten 200, zuweilen gar 400 Schüler. Die engliiben Lehrer führen faft dieſel⸗ ben Klagen wie die deutſchen. Eie wünſchen ein größeres Ginlommsen, mehr Anſehen und Ghre in der Geſellſchaft, geringere Abbängigleit von ber Localichulleitung und den Geiftlihen, enplid die Möglichkeit, Schulinſpec⸗ toren zu werden. Der Lehrer ift weder Staats» noch Klirchendiener, meiß auch nicht Diener der Gemeinde und er bat daher nur auf Schäßung u rechnen im Berbältniß feiner Leiftungen oder nad ber Stellung, die ex fih zu den nädften Leitern der Schule zu verſchaffen verſteht. Dex Leh⸗ rerſtand als ſolcher genießt in der öfientlihen Meinung keiner befondeven Achtung, wie dies doch in Deutihland der Fall it, aber dem tüchtigen Lehrer fehlt die Achtung in der Regel nicht.

Der lönigl. Schulinfpestor ift fein Vorgejebter des Lehrer, ſondern übt auf denfelben Einfluß aus nur durch den Beriht übes feine jährliche Biktation. Auch außerdem bat ver Lehrer feinen Vorgejebten in unferm Sinne. Dagegen flieht er nach vorausgegangenem Bertrage ausprhelich im Dienfte der Localjeulleitung und es hängt von den Berfönlichleiten biefer

Allgemeine Paͤdagogik. 831

für ihn Alles ab. Es ann fein, dab man ihm Vertrauen fchenlt und ihm in feiner Schule völlig freie Hand läßt und er hat dann eine beneidenss werthe Stellung ; e3 fann aber auch fein, daß jedes auch noch fo unerfahs rene Mitglied des Localausfchufles fi ein Urtheil über feine Wirkfamteit anmaßt, daß Herren und Damen, die einen Beitrag zur Unterhaltung der Schule geben, in feinen Unterricht drein reden, ihn critificen, ihm immer neue Pläne aufdringen. Gewöhnlich find in den Localausſchüſſen Geiſt⸗ liche, die dann in der Regel den Borfiß führen und dieſe üben dann als folde, wenn auch nicht als @eiftlihe, ein anerlanntes Auffihtsrecht über die Schule. Diefe Abhängigkeit des Lehrers wird in dem Falle nod brüdender, wenn ein heil der Beſoldung vom Schulgelde beftritten wird, weil er dadurch auch von der Laune der Eitern abhängt, die ihre Kinder beliebig aus der Schule nehmen koͤnnen, oder fobald die Geiftlihen als Borftände der Localausihüfie auch die Regulirung der Befoldungsverhält nifie in der Hand haben. Won der Regierung kann der Lehrer niemals wirkſamen Schuß erhalten, denn dieſe kann höchſtens der Schule die Staats» unterftüßung entziehen, wodurch jedod die Stellung eines Lehrers noch übler werben muß,

Die Verwendung von Lehrern als Säulinfpectoren findet vielfah Wis derſpruch, felbft unter den Lehrern. Man meint, der Schulinſpector müſſe ſchon wegen der Mitglieder der Localleitungen und der Geiſtlichen, mit wel⸗ chen er in geſchaͤſtliche Beziehung kommt, alademiſche Bildung beſitzen. Nah der neueften Echulgefeßgebung von 1862 ift indeß die Verwendung von Lehrern mwenigftens als Gehülfen der Schulinfpectoren vorgejehen.

In der ganzen Stellung ver Lehrer in England ift Unbeftimmteg, Unſicheres, Schwankendes. Die Unftellungs:Verträge, melde die Local Schulausihüfie mit den Lehrern abſchließen, find ſehr verſchieden, eine ger fiherte Stellung, einen feftbeftimmten Gehalt, der wenigſiens nicht vermins dert werden kann, haben die Lehrer in England nicht, wenigftens. nicht in dem Maße, wie in Deutihland. Auch findet ein geordnetes Aufrüden von niedrigern Stellen in höhere nicht ftatt, obgleich die Möglichkeit dazu nicht abgeichnitten if. Die befiern Stellen haben in der Negel die tüchtigern Lehrer inme, und der häufige Stellenwechjel hat feinen Grund hauptfächlich darin, daß die Lehrer ibre äußere Stellung zu verbeflern ſuchen. Für bem Fall eintretender Dienftuntüchtigleit haben nur diejenigen Lehrer Ausſicht auf eine hoͤchſtens zwei Drittel der jährlihen Beſoldung betragenden Pen: fion, welche an Schulen angeftellt find, die Staatöunterftügung genießen.

England eigenthbümlih, und fiher aud in Deutſchland nachahmungs⸗ wertb, ift es, daß die Schulen für Mädchen gewöhnlich, häufig auch die Glementarliafien der Knaben, von Lehrerinnen verfeben werden. Die Zahl diefer kommt daher der Zahl der Lehrer zgiemlih nahe. Im J. 1862 befanden fih in Großbritannien unter 10,082 geprüften und angeftellien lehrenden Perſonen 5888 Lehrer und 4194 Lehrerinnen, und unter 15,752 Scullebrlingen 7963 männlihe und 7789 weiblihe. Der Berf. von Nr. 37, der das englifhe Schulweſen dur eigene Anſchauung genauer kennen gelernt bat, fpricht ſich namentlih auch über die Lehrerinnen im England ſehr vortheilbaft aus, Gr jagt: „Ih fand unter Schulmei⸗

332 Allgemeine Pädagogik.

ſtern *) und Lehrerinnen fehr würbige Berfönlihleiten, die mit Ernſt und Liebe in ihrem Beruf arbeiteten und fi eines fegensreihen Wirkungskrei⸗ ſes erfreuten. Die Disciplin, welche fie in den Eulen handhabten, war meift trefflich, troß der großen linregelmäßigkeit im Schulbefuh und ver vorherrſchenden Tendenz, die Strafmittel fo viel als möglich zu beſchrän⸗ fen. Insbeſondere war ich überrafht, in den Mädchen: und Kleinkinder fhulen, auch in ſehr zahlreich beſuchten, melde unter der Obhut von eb: rerinnen ftanden, überall die firengfte Orpnung, Ruhe und Aufmerffamteit zu finden, die mir bewies, daß aud eine große Zahl von Mädchen, durch die beftimmte, aber zarter auftretende Autorität einer Lehrerin ebenjo gut oder vielleiht noch befier im Baum gebalten werben kann, als durch die mehr fohredende männlidhe Energie eines Lehrers.‘

Die Vollsihulen in England find theils Privatſchulen, theils döffentlide Shulen. Die Anzahl der erfteren ift ſehr groß; fie ent- halten mehr ale 30 Procent der überhaupt eine Schule befuchenden Kinder. Unter 3594 lehrenden Perfonen in den Privatichulen von 10 Diftricten befanden fih 523 Lehrer und 3071 Lehrerinnen, von welden nur 10 Leh⸗ rer und 7 Lehrerinnen ein Fahigkeitszeugniß erworben hatten. Die öffent: lihen Schulen find theils vom Staate unterftüßte, theild vom Staate ganz unabhängige. In England und Wales beftanden 1858 24,563 öffentliche Säulen (d. i. Schulklaſſen) mit durchſchnittlich 68 Kindern in jeder, neben 34,412 Privatſchulen, wovon jede durchſchnittlich 25 Schüler zählte. Unter 1895 Schulen in 10 Bezirken befanden fih 22 Procent für Knaben, 18 Broc. für Mädchen, 49 Proc. für beide Gefchlehter und 11 Proc. Klein finderfhulen. Die Anzahl der in die Regifler der öffentlihen und Privat Werktagsſchulen einfchließlich der Kleinkinderſchulen eingetragenen Rinder bes trug etwa 40 Proc. aller Kinder zwiſchen 3 und 15 Jahren, und etwa 50 Broc. aller Kinder zwifhen 6 und 15 Jahren, wobei in Betracht zu ziehen ift, daß von fämmtlichen Kindern zwiſchen 3 und 15 Jahren etwa 12 Proc. andere als Volksſchulen beſuchten.

Von der Anzahl der in die Schulregifter eingetragenen Kinder darf man nicht auf die Schulbildung der Bollsjugend einen Schluß maden, denn die englifhen Volksſchulen leiden an drei großen Webelftänden : ‚der Kürze der Schulzeit, dem unordentlihen Schulbefuhe und dem öftern Wedh: fel der Schule, Uebelftände, die ihren Grund in der feiner Be: Ihränlung unterworfenen Willkür der Eltern haben. Die bierher gehörigen Verhältniffe laflen fich fehr jchwer genau ermitteln, aber fo viel ift ficher, daß fehr viele Slinder ſchon vom 11. Lebensjahre an bie Säule verlafien, die meiften nur etwa A Sabre ihres Lebens die Schule mebr oder weniger regelmäßig beſuchen. Manche urtbeilsfähige Stimmen wollen jogar wiflen, daß die mittlere Dauer des Beſuches der Volksſchule nit mehr als 2 Jahre betrage, was indeß wohl eine zu niebrige Ans

*), In England wirb die VBegeihnung „master (Scähulmeifter) dem „tee- cher‘ (Lehrer) vorgezogen. Das Ietstere Wort bezeichnet mehr einen bloßen Fachlehrer, das erftere einen Lehrer, ber zugleih die Zucht, ba® Regiment ix der Schule in ber Hand hat unb ber Borgeieite ber Schullehrlinge if,

Allgemeine Pädagogik. 333

nahme, oder doch nur etwa dann zutreffend ift, wenn die verfäumten Schul: tage in Abzug gebracht werden. Der Schulbeſuch ift jehr unregelmäßig. Man kann annehmen, daß von fämmtlihen Kindern in den Vollsſchulen 17 Brocent nur 50 Tage im Jahre zur Schule lommen, 19 PBrocent 50— 100 Zage, 21 Procent 100—150 Zage, 24 Brocent 150—200 Tage, 19 Brocent über 200 Tage, wobei zu bemerfen ift, daß im Jahre an 220 Tagen Schule gehalten wird. Die Eltern wechſeln mit der Schule, bie ihre Kinder befuchen, ungemein häufig, Unterſuchungen, die hierüber in einer größern Anzahl von Schulen angeftellt worden find und fich über einen 7Tjährigen Zeitraum erftredten, ergaben, daß von 100 Scullindern 41 nur 1 Jahr, 24 nur 1— 2 Jahre, 15 nur 2—3 Jahre, 9 nur 3—4 Sabre, 6 nur A—5 Jahre, 5 über 5 Sabre dieſelbe Schule be ſuchten.

Die Schulhäuſer find ſehr verſchieden, aber durch den Einfluß der an beftimmte Bedingungen gelnüpften Staatsunterftügung in der neueren Zeit beiler geworden. Die meilten find einftödig und die Schulräume bes finden fih aljo zu ebener Grove. Die Wohnungen der Lehrer find in der Regel nit darin. Meiſt enthalten die Schulhäufer nur einen einzigen großen Saal, der bis 500 und mehr Kinder fafien fann und in welchen die 3 oder mehr Klafien einer Schule ihre bejonderen Plätze haben, die duch Gänge, oder auch dur Borpänge von einander abgejondert find, bezw. abgefondert werden können. In größeren Schulen find die Geſchlech⸗ ter getrennt und haben dann entweder bejendere Schulräume oder auch bes fondere Schulhäufer. Yür die Trennung ber Geſchlechter haben fid in Sngland befonders jachverjtändige Frauen ausgejproden.

Die Eintheilung der Schüler einer Schule in befondere Klafien bat große Schwierigkeit, da es völlig in dem Belieben der Eltern ftebt, in wel⸗ chem Lebensalter und zu welcher Zeit fie ihre Kinder zur Schule ſchicken wollen. Daß dadurd überhaupt der Unterricht ſehr erjchwert und der Gr: folg deſſelben, zumal bei den andern oben angedeuteten Mebelfländen, jehr gehindert werden muß, iſt ſelbſtverſtaͤndlich.

Der Lehrplan hängt meift vom Lehrer ab, und umfaßt gewöhnlich Leſen, Schreiben, Rechnen, Religion, Grammatik, gemeinnügige Kenntnijie, Geſang, Zeichnen, Leibesübungen. Die einzelnen Lectionen dauern meift nur eine halbe, jeltener eine ganze Stunde. Das früher in den engliſchen Schulen berrihende Syftem der Monitoren findet nicht mehr ftatt. An feine Stelle ift das Chorlefen, Chorfprehen, Chorantworten getreten, bad aber in neuefter Beit mehr und mehr dem individuellen Lebrverfahren weicht, wie ed in deutihen Schulen üblih if. Der Unterricht im Lefen und in der Orthographie hat bei der linregelmäßigleit der Schreibweife und Ausſprache im Engliſchen feine befonderen Schwierigkeiten. Bielfah if noch die Buchftabirmethode in Gebrauch obgleich ihre Nachtheile mehr und mebr anerlannt werden. Die Lautirmethode läßt fih nicht gut auf das Engliihe anwenden ; neuerdings gebrauht man deshalb die fogenannte Seh: und Sprechmethode (look-and- say method), eine Abändes rung der Lautmethode, welche darin befteht, dab man die einzelnen Buchs flaben glei in Sylben und Heinen Wörtern dem Kinde vorführt und zus

334 Allgemeine Pädagogik.

fammen ausiprechen läbt. Das Rechnen wird faft nur durch mechaniſche Ginübung nah Regeln gelehrt. Der Unterricht in der Grammatil be ftebt in dem Auswendigiernenlaflen von Definitionen und Regeln. Die Geographie wird mit Hülfe von Wanblarten zwedmäßiger gelehrt und durch Sartenzeichnen auf der Schiefertafel eingeübt. Bon Geſchichte tommt nur die bibliſche und englifche vor.

Das GejammtsErgebnik des Unterrihts in Gngland kann unter ben angedeuteten Berhältnifien, namentli im Vergleich mit Deutſchland, nur ſehr unbefriedigend fein, und es ift gar nit unglaublid, daß, wie 1858 ein Sculinfpector in feinem Berichte fagte, in den ftaatsjeitig inſpicirten und unterftägten Schulen nur etwa 4 der Schüler am Schluſſe ihrer Schul zeit fo weit gebracht find, daß fie eine (nad engliihen Begriffen) ausreis ende Schulbildung erhalten haben, namentlidy befriedigend leſen, ſchreiben and rechnen können. Wie mag da das Grgebnik in ben nidt infpicitten Schulen fein |

Die Disciplin ift in den engliiden Schulen im Allgemeinen gut. Freilich fehlt dem Lehrer die arktlihe Autorität der deutfchen Lehrer, und er lann nur durch feine Perjönlichleit ſich Reſpect verfchaffen. Dagegen if die engliiche Jugend rubiger und, gleih den Erwachſenen, geneigter, bem Allgemeinen Geſetze, deſſen Nothwendigkeit fie einmal erfannt hat, fi zu unterwerfen. Die allgemeinen Disciplinarmittel, Belohnungen und Stra⸗ fen, kommen natürlih auch in Gngland zur Anwendung. Die leptern befteben in törperlicher Züchtigung (nicht gar häufig), Strafarbeiten, Nach⸗ ſihen, SHinabrüden auf einen .niedrigern Pla, ſchlechte Noten und Zeug: nifje; unter den Belohnungen jpielen die Shulpreife (Geſchenke von Büchern, Bildern, Reißzeugen, Farbenſchachteln ıc., aber auch Chrenzettel) eine große Rolle, und es wird von den Gliern ein großer Werth darauf gelegt, oft leider ein zu großer, indem ſchon mande Gitern ihre Finder im eine andere Schule brachten, weil in derſelben mehr und befiere Breife ver tbeilt wurden, als in der vorigen. Einen fehr wohlthätigen Ginfluß auf die Disciplin bat die perfünliche Iheilnahme, welche theils die Lehrer, theils die Mitglieder der Localleitungen, oder einzelne Privatperjonen, oder die Sculgemeinden überhaupt, den Kindern gegenüber zu äußern pflegen. Den Lehrern muß daran gelegen fein, daß ihre Schule bei den Gitern beliebt iſt and bleibt, daher bebanveln fie in der Regel auch die Kinder freundlich, beteiligen ih an Luft und Spiel derjelben. Scyulfefte im Freien werden oft veranftaltet. .

Das Schulgeld, welches in allen Volksſchulen, die nicht gerade Ur menfchulen find, von den Eltern bezahlt wird, if verfhieden. In ven meiften Schulen beträgt es wöcentlih 1 bis 3 Bence (10 Pfennige bis 24 Sor.), in andern fteigt e8 bis A Pence und darüber. Gin großer Mebelftand ift die wöchentliche Entrichtung deflelben, venn da es nur für die Wochen bezahlt wird, wo das Kind die Schule wirklich befucht, werben dadurch die Schulverjäummnifie befördert. Schulen, in welden ein Schulgeld nit begahlt wird, werden in Sngland felbfi won den Arbeitern am wenigſten geachtet.

Hllgemeine Pädagogik. 335

Es würbe zu weit führen, wenn bier auf die einzelnen Ärten der Volksſchulen eingegangen werden follte. Das Vorftebende wirb genügen, um fi eine Borftellung von der englifchen Bolksfchule zu mahen. Wer über das Einzelne fi noch näher unterrichten will, muß die Schrift von Wagner felbft nachleſen. Rus einige allgemeine Bemerkungen mögen noch einen Blap finden,

In England find nur bie erften Anfänge einer Verbeſſerung der Bollsbildung durch Die Schule gemacht worden, aber für die kurze Zeit (denn ein halbes Jahrhundert ift für eine Sache diefer Art ein kurzer Beit- raum), daß der Volksſchule Aufmerkſamkeit und Sorgfalt zugewendet wor⸗ den iſt, ſind die Ergebniſſe ſchon bedeutend. Die beſſere Schulbildung, die ſelbſt von der arbeitenden Klaſſe ſehr geſchätzt wird, hat bereits auf die Geſittung des Volles den wohlthaͤtigſten Einfluß gehabt. Gleichgültigkeit gegen die edleren menſchlichen Intereſſen, Aberglaube, Rohheit, Verbrechen Aaben fib vermindert. Darüber, ob die Fürforge des Staates für die Schulen diefen zuträglih ift, find die Stimmen in England noch getbeilt. Biele, und darunter gehört Herr Tylor, der Berfafler von Nr. 38, ver neinen e3. Sie ftügen ihre Anfiht auf volkswirthſchaftliche Principien und anf die Erfahrung. Sie meinen, jo wie jede Cinmiſchung der Staatsregies zung in bie induftriellen Berhältnifie und Intereſſen nur Nachtheil bringe, eben fo nachtheilig ſei diefelbe in Bezug auf die Bildungsinterefien und Schalverhaͤltniſſe. Eine ftantsfeitige Bevormundung der Erziehung des Vol: tes jei eben fo unftatthaft, wie eine Bevormundung des Handels, der Fa⸗ brifen, der Gewerbe. Hierbei wird nur überfehen, daß materielle Intereſſen und Bildungsinterejien von weſentlich verfchiedener Art find. Die Sorge für die materiellen Interefien kann man getroft. denjenigen überlafien, denen fie angeben; denn da auf ihnen die äußere Griftenz eines Jeden berubt, wird auch Jeder ohne fremden Antrieb oder fremde Fürforge ihnen die ers forderlihe Aufmerkfamleit jhenten. Die Bildung gehört aber zu den ideellen Bedingungen und Grundlagen aller menſchlichen Eriftenz, eben fo wie Das Recht und die Sittlichkeit, die, meil fie mit der Außer Kam, materiellen Erifteng nicht unmittelbar zufammenzuhängen fcheinen, von den meiften Menfchen gering geachtet und vernadläffigt werden wür« den, wenn fie nicht Anregung und Unterftügung erhielten, biefe Beringuns gen zu beſchaffen. Was würde beraustommen, wenn es den Ginzelnen überlafien bliebe, für ihre Recht, ihre Sittlichkeit felbft Sorge gu tragen, ohne Unterflüßung des Staates, der Kirche? Eben fo würde es lange dauern, ehe Bildung dur alle Klaſſen der Bevölterung dränge, wenn die Sorge dafür lediglich den Einzelnen überlaffen würde. Es ift ganz richtig, daß wie arbeitende Klaſſe im Allgemeinen Menfchenverftand genug befibt, ihre Angelegenheiten zu beforgen und zwar befier, als Andere es für fie thun Sönnten. Es läßt ſich auch nicht in Abrede fellen, daß diejenigen Kinder in der Schule am meiften vorwärts kommen, die zu Haufe eiterlidhe Wuffiht und Zucht finden. Verkehrt ift es aber ficher, daraus die Schlüffe gu sieben, daß die arbeitende Nlafie auch für ihre höhern, ideellen Ange logenheiten ohne alle anderweite Hülfe genügend fergen, und- daß. mar al

336 Allgemeine Pädagogik.

len Eltern die Fürforge für die Bildung ohne alle Ginmilhung des Staas tes oder (was auf daflelbe hinausläuft) von Geſellſchaften überlafien lönne. Herr Tylor erwähnt nod, daß in England die Arbeiter, die oft erſt nad den Jugendjahren in Sonntags: und ähnlichen Schulen Bildung juchten, die ihnen gebotenen Wege und Mittel mit großem Gifer benugten und mit Aufwand von viel Gelbfithätigleit ihre Bildung zu vermehren fuchten, wähs rend in Deutſchland nad der Schulzeit fich weniger Eifer für weitere Fort bilvung zeige. Died mag wahr fein, bemweift aber für feine Anficht nichts. Denn in England wird folder Eifer gewiß nur bei einer Meinen Minder⸗ zahl der betreffenden Bevöllerung zu finden fein, wie ftatiftijhe Erhebun⸗ gen beweilen, und in Deutjchland ift das Berürfniß, fih nah der Schul⸗ zeit fortzubilden aus dem Grunde geringer, weil eben, mit geringen Auges nahmen, Alle in der Schule eine ungleich befiere Bildung erhalten, als in England. Uebrigens fehlt in Deutſchland in den betreffenden Klaſſen ber Gifer für Yortbildung nit in dem Maße, wie Herr Zylor anzunehmen ſcheint.

Die Schulen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika.

39. Aus Amerila über Schule, denutſche Säule, amerikaniſche Schule und beutfh-ameritaniihe Schule von Rudolph Dulon. Teiniig unb Heidelberg,” &. F. Winter'ſche Verlagshandlung, 18686. 10 S. 8.

Dieſe Schrift, über deren Verf. ich bereits oben einige Andeutungen gegeben babe, gibt nicht ein einigermaßen vollftändiges Bild des amerilas niſchen Schulweſens, fjondern nur allgemeine Anſichten und Herzensergies Bungen über bafjelbe, und enthält 4 Abjchnitte: 1. die Schule; 2. Die deutihe Schule; 3. die amerikaniſche Schule; 4. die deutſcheamerikaniſche Schule. Nur die zwei lebten Abjchnitte geben uns bier an.

Die amerikaniſche Schule zeigt viel Engliſches, bat fi aber eigens thumlich ausgebildet. Die Volksſchulen zerfallen in zwei Hauptarten, näme lich in die Clementarſchule (Primary School) und die Grammar School (Brammatil:Edhule). In mehrern größern Städten find beibe getrennte Anftalten mit bejonderen Vorſtehern, in anderen bilven beide zus fammen eine einzige Anftalt unter der Bezeihnung Diftrictsfhulen. In der Glementarjchule find fait durchgehende die Geſchlechter gemijcht, in den Grammatikſchulen bald getrennt, bald gemijht. Jede Volksſchule zerfällt in eine Anzahl Stufen, die zumeilen big 12 fteigt.

In der Clementarſchule ift Lefen, Buchſtabiren und Morterllärung (definitions) die Hauptfahe. In den unteren Klafien wird ein „zweifels haftes“ Kopfrechnen getrieben, in den mittlern und obern Tafelredynen, das jedod nur in dem mechaniſchen Einlernen der vier Species befieht. Die „kurze Divifion‘ erjcheint als das Ziel der Slementarfchule, und bödhflens werden noch die Gintheilungen der Maße und Gewichte gelernt. Schreiben und Beichnen kommen in den oberen Klaſſen vor, es wird aber wenig darin geleiftet, Auch dem Unterrichte im Gefange und in den gemein« nügigen SKenntnifien wird nicht viel Aufmerlfamleit gewidmet. In der

Allgemeine Pädagogik. 337

Grammatitihule werden Lefen, Buchſtabiren und Worterllärungen fortgefegt, dad Hauptgewicht fällt aber auf die Grammatil. Mit der Analyfe des einfahen Sapes wird begonnen und den Schluß in ver oberften Klafle bils det die Correctur fehlerhafter Säke und die Anfertigung von Aufjäben. Schreiben und Rechnen treten nun in den DBordergrund ; im erfteren wirb ziemlich viel geleiftet, und das lebtere beginnt mit der „langen Divifion‘ und der Gintbeilung der Münzen ber vereinigten Staaten, gebt durch bie Brühe und Decimalbrühe, kommt zu den angewandten Rechnungsarten und Ichließt mit der Gewinns und Verluftrehnung. Bon Algebra kommt nur wenig vor, die Geſchichte beſchraͤnkt ſich meift auf die vereinigten Staaten, Geographie wird eifrig betrieben, im Geſang und Zeichnen nicht viel ges leiſtet.

Die Unterrichtsmethode in den amerikaniſchen Schulen iſt die Gedaͤcht⸗ niß⸗Methode. Von Anſchauung und Entwidelung wiſſen die Lehrer in der Regel nichts. Alles wird gebächtnißmäßig eingelernt. Der eigentliche Leh⸗ rer ift das „Terxtbuch“ oder Lehrbuch. Jedem Lehrfad wird, fobald vie Kinder lejen können, ein foldes zu Grunde gelegt. Diefe Textbücher wiſ⸗ jen mit fiherm Tacte das Intereſſante, Wichtige und praktiſch Brauchbare bervorzubeben und zeichnen fih in der Regel durd große Klarheit und Sablichkeit der Darftellung aus. Das Geſchaͤft des Lehrers befieht nur darin, ein Penfum aus dem Tertbuh aufzugeben, das die Schüler zu ler⸗ nen haben, und dafjelbe in der nädften Stunde abzubören. Der Lehrer braucht jelbft von dem Gegenftande nichts zu wiſſen, er kann ihn mit den Schülern zugleih aus dem Tertbude lernen, und gerade darin feben bie Amerilaner einen großen Vorzug diefer Bücher und ihrer Lehrmethobe.

Die Disciplin ift, nad Dulon, in Amerila eine befondere Kunft und Fertigleit, die befonvers gelernt und eingeübt fein will. In der Kin⸗ derwelt Amerila’s herrſcht große Zuchtloſigkeit. Mit den Züßen floßen, mit voller Fauſt in’s Gefiht jchlagen, mit Steinen werfen und aͤhn⸗ liche Rohheiten find bei der Jugend ſehr häufig, und es verbindet fi damit eine Nüdfichtslofigleit, die fih um die Folgen wenig befüms mer. An Muth zum Angriff, an SKedheit im Magen, an Unvers ſchämtheit den Erwachſenen gegenüber fehlt ed dem amerilanifhen Sina ben nicht. Von der Blöpigleit, der Befcheidenbeit, der Burüdhaltung bes deutſchen Kindes weiß der junge Republilaner eben fo wenig, wie von Pietät gegen ben Lehrer. Gilt es, dem Lehrer oder der Schule einen Streich zu ſpielen, fo find alle bereit, obne Nüdjiht darauf, wie empfindlih und fchmerzli der Lehrer daburd betroffen wird. Gin innigered Verhaͤltniß zwiſchen Lehrern und Schülern, wirkliche Anhaͤnglich⸗ keit an die Schule findet fih nit. Der amerilanifche Knabe ift ein mun⸗ terer, aufgewedter, kraͤftiger Burſch mit hellem Kopfe und großem Selbſt⸗ vertrauen, aber ohne Tiefe des Gefühls, ohne höheres Interefie, ohne Spur idealer Richtung ; ein vielfach liebenswürdiger Burſch, jedoch oft jehr uns verihämt und durchaus oberflählich, äußerlich, zudtlos. Die Schule macht diefe Uebelſtaͤnde nur noch ärger, indem fie durch ihren fchlechten Unterricht die Jugend langweilt, abftumpit, ihr läftig wird. Da die Lehrer größtens

Pad. Jahreßberigt. XVIN. . 22

838 Allgemeine Pädagogik.

theils es nicht verftehen durch methodiſchen Unterricht, burh Wort und Bid die Jugend in guter Bucht zu erhalten, fo beifen fie fidh mit einem Mechanismus, mit einer Urt militärischer Ordnung. Wird es während des Unterrichts unruhig, fo wird commanbirt : eins, zwei, drei und bie ganze Klafie erhebt fi, fteht kerzengerade da, kreuzt bie Arme über die Bruſt, dann über den Rüden, und auf gleihes Commando fest fich die ganze Klaſſe wieder, und es wird im Unterrichte fortgefahren. Auch das Hinausgehen aus der Schule erfolgt auf Commando bantweile und bie Ordnung wird da bis an die Pforte erhalten. Außerhalb dieſer hört aber alle Ordnung auf. Neben viefem militäriſchen Mechanismus jpielen die „Verdienſmoten“ (merits) eine bedeutende Holle in der Disciplin. Am Schluſſe jeder Lection oder jedes Schultages erhält der Schüler nah Maß: gabe feiner Leiftungen in Fleiß und Betragen eine Anzahl Merits, die in ber Negel die Zahl zehn für eine Lection nicht überfteigen. Rur vor ber Prüfung, die einen Schulabfchnitt beſchließt, Meigt die Zahl der möglidyen Merits oft bis auf Hunderte für jedes Jah. In den unteren Klaſſen erhält nun der Schüler, der die genigende Zahl von Merits erworben bat, an jedem Tage ein Billet oder eine Karte, wodurch die Runde des Wohlver: baltend den Eltern mitgetheilt wird. ft eine gewifie Anzahl gewöhnlicher . Bervienftlarten erworben, fo erfolgt eine größere Berbienftlarte, und na

vier derjelben ein Preis, der in einem Bilde, einem Buche u. dal. beſieht. In den oberen Klaſſen werden die Merits während eines ganzen Schulab⸗ fchnittes regiftrirt und auf Grund der Geſammtzahl erhält dann jeder Sch: ler einer Klaſſe feine Nangnummer.

Der Schultag währt in der Regel von 9—12 und von 1—3 Uhr; ber Sonnabend ift ganz frei. Mit den Schulftunden, welche bie Lehrer er theilen, wechfeln die Lernftunden ab, in weldhen die Schäler unter Aufficht ber Lehrer „ihre Bücher ftupiren‘‘, auch wohl ſchriftliche Arbeiten anfer: tigen. Diefem „Studiren” find täglich bis zwei Stunden gewidmet, fo daß für den eigentlihden Unterriht nur drei täglihe Stunden übrig bleiben. Um in biefen wenigen Stunden Seit für den Linterricht in ben verfchiebes nen Fächern zu finden, werben bie Lectionen arg zerrifien. Wan findet sicht allein Lectionen von 30 Minuten, fonden aud von 20, 15, 10, ja von 5 Winuten. Selbſt Anfchauungsunterricht, der fih in manchen Lectionsplänen findet, fol oft nur 5 bis 10 Minuten dauern.

Das Schulmefen die Militärs und Navigationsfchulen andgerem: men ift nicht Sache der Union, fondern nur Sache der einzelnen Staa: ten, welche die Union bilden. Die Unionsregierung bat daher mit der Säulverwaltung nichts zu thun. Un der Spike des Schulweſens eines Staates fteht der Staats: Superintendent des öffentlichen Unterrichts oder der Staats: Schulinfpector, der Mitglied des Oberfchulrathes iſt. Derſelbe bat, die Oberaufiht über die Schulen und leitet diefe durch allgemeine Vorſchriften und Negulative nah den Staatsgejeßen. Die Schulen jedes Bezirles haben einen Bezirksſuperintendenten, der jährlih über ven Stand der ihm unterftellten Schulen an den Staatd:Superintendenten zu berichten bat. Die Anzahl der Schulgefeße ift meift groß. Im Allgemeinen regeln fie einen awedmäßigen Mechanismus, indem fie jevem Betheiligten den

Allgemeine Pädagogik. ‚339

- Kreis feiner Berpflihtungen mit einer oft peinlichen Pünktlichkeit anmeifen, als läme das Heil der Schule mehr von einem georbneten Ineinandergrei⸗ fen mechaniicher Beitanbtbeile, als von dem Geilte der Lehrenden.

Die Bildung der Lehrer läßt ungemein viel zu wünjhen übrig. Es werden zwar im einigen Staaten junge Leute auf Öffentliche Koſten auf Ala⸗ bemien zu Lehrern ausgebildet, aber in völlig unzureichender Weile. Sie werben nämlich daſelbſt vier Monate lang unterrichtet, dann eraminirt und ald Lehrer angeftellt, und nicht felten erftredt fich der Unterricht lediglich auf-das Nothpürftigfte der Lehrfächer in den Volksſchulen. Erft feit Kur⸗ zem bat man angefangen, die Notbwendigleit einer befiern Ausbildung der Bollsichullehrer anzuertennen. Es find bier und da unter ber Bezeichnung „Normalſchulen“ Bildungsanflalten für Lehrer und Lehrerinnen ent⸗ flanden. Am meilten rühmt Dulon die Normalfchule im Staate Illinois, für welche ein Gebäude für 182,000 Dollars erbaut worden ift, und im der 1864 mehr als 300 Yöglinge ſich befanden, darunter 200 junge La- dies, die fich zu Lehrerinnen ausbildeten. Der Curjus umfaßt drei Jahre und die Böglinge find daher in drei Klaſſen getheilt. Das erfte Jahr ift der engliihen Spracde, dem Schreiben, Zeichnen, dem Gefange, der Geo: graphie, dem Rechnen, der Algebra und, fofern ed gewünſcht wird, der la= teiniihen Sprade gewibmet. m lebten Drittel diefes Jahres beginnt aud) ver Unterricht in der „Wiſſenſchaft, Methode und Geſchichte der Erziehung.‘ San zweiten Jahre treten ein Gefchichte, Chemie, Botanik, Pſychologie. 3 britten Jahre werden mehrere ber genannten Gegenftände fortgejeßt, es tritt . facultativ höhere Mathematik hinzu, der Nahdrud wird aber auf die Uns terrihtömethoden und auf die praftiihe Uebung in der Mufterfchule gelegt. Eine ähnlihe Anjtalt in St. Louis bat nur einen zweijährigen Lehrcurfus unb etwa 60 Zöglinge. .

In den amerifanifchen Voltsjchulen arbeiten ungleich mehr Lehrerinnen als Lehrer, und zwar nicht blos in den Mäpchenfchulen und in gemijchten Klafien, fondern auch an Ainabenjchulen. In Newyork waren an einer Be- zirkatnabenſchule zwei Lehrer und fieben Lehrerinnen, und an einer Bezirks: mädchenjchule neun Lehrerinnen und kein einziger Lehrer. In St. Louis waren für 12,500 Kinder fchulpflictigen Alters 18 Lehrer und 167 Leh⸗ rerinnen angeftellt. Der Grund von dieſer großen Anzahl der Lehrerinnen mag zum heil darin liegen, daß fie weniger koften, als die Lehrer. Die Lehrerinnen erhalten in den größern Städten 300 bis 900 Dollars, wäh⸗ zend . Lehrer nicht oft weniger ala 900 D., in vielen Fällen jedoch 1200 bis 1500 D. erhalten.

Die öffentlichen Schulen (neben welchen es eine große Menge Privat: Fchulen gibt) find in Amerika Staatsanftalten, und werben auf Roften jedes Staates erhalten. Wo fih das Bedürfniß einer Schule zeigt, wird eine foldye errihtet. Die Schulhäufer find gut, zwedmäßig eingerichtet und mit allem Nöthigen, auch mit Lehrmitteln vortrefflich ausgeftattet. Die großen .Stäpte zeigen dabei gewöhnlich eine Liberalität, wie man, nad Dulon, in

‚Deutihland wohl in fürftlihen Marfiällen und beim Bau von Schweine:

‚und Kubftällen auf königliben Domänen, aber felbjt in bedeutenden Gym⸗

nafien leineswegs immer findet.

22”

840 Allgemeine Pädagogik.

Die öffentlihe Schule ſieht allen Kindern offen, nicht allein Denen der Bürger des betreffenden Staates, ſondern aud den Kindern ber —— anderer Staaten, der Nichtbürger und Fremden. Alle Kinder, die Iommen, werden ohne und Bedenken a ler unterrichtet. Und nicht

Gtaatsloften mit der größten —— aber auch ohne alle —⸗s dargereicht. Die Unentgeltlichlkeit des Unterrichts erſtredt ſich in mehreren Staaten über die Boltsfhule hinaus. GE gibt nicht wenige höhere Schu- len, Alademien und Univerfitäten, wo der Unterricht Jedem, der Tommi,

madıt, wird in der Republik ausreichend gejorgt durch guieingerichtete wn- entgeltlihe Abendſchulen und unentgeltliche Borträge über bie verjchiedenften Facher und in den verfhiedenfien Formen. Selbft für Einwanderer beſtehen Abendſchulen, in welchen fie unentgeltlih und, wie Dulon fagt, in ſehe tüchtiger Weiſe in der englifhen Sprache Unterricht erbalten.

Der republilanifhe Geift verſchmäht natürli jeden Bwang, wo fel- der nicht unumgänglidy nötbig if. Daher kennt man in der Union keinkn Schulzwang. Die Benupung der Schulen flieht Jedem für feine finder frei, aber er wirb dazu nit durch das Geſetz genöthigt. Dulon fagt nichts von dem Einflufie diefer unbefchränften Freiheit auf den Schulbeſuch - and den Erſolg des Unterrichts; er fpriht fi aber über die Wir fung der Schulen auf die Vollsbildung im Allgemeinen aus. Das ame ritanifhe Boll, fo fagt er, hält fid für das gebildetſte und cultivirtefte Bolt der Erde, und es bat darin unbeflreitbar recht, wenn man den Maß tab gelten läßt, der in der Negel angewendet wird, und die Neger und die eingewanderten Srländer außer Beirat läßt. Es gibt kein Boll der Grde, in dem einige Fertigleit im Schreiben, im verfländigen mimdlichen und fchriftlihen Ausprude fo allgemein verbreitet wäre, wie unter ben ein» geborenen weißhäutigen Ameritanern. Dan wird ſehr felten einer Berfon begegnen, die nicht lefen, fchreiben und in leidlich guten Sägen ſprechen tann. Knaben im ſchulfähigen Alter verfallen allerdings recht oft dem wüſten Straßenleben, recht oft auch der frühen Erwerbgier, und bie beutiche Regelmäßigleit empört fi über den Unfug. Allein aud der verwahrlofete Knabe erkennt feiner Zeit die Nüglichleit, ja Nothwendigkeit des Schreiben- lernens und benußt endlich die Abendſchule. Das Ehrgefühl iR bei dem Ameritaner nicht in ſehr hohem Grade entwidelt, aber nicht fchreiben zw lönnen, das würde fein Land bejhimpfen. Perfonen, die volllommen ges läufig lefen und fchreiben können, eine nicht unerheblide mit leivlicher Or» tbographie und Grammatit verbundene Gewandtheit im ſchriſtlichen Auge drud befigen, einige Fertigleit im mechanifchen Rechnen felbft in ber Löjung ſchwierigerer Aufgaben des kaufmaͤnniſchen Rechnens befigen, mit den ber» vorragendſten Thatſachen der heimathlichen Geographie und Geſchichte belaumt find, ein verftändiges Urtheil über die Verfafjung der DVereinigten Staaten haben und bei denen einige Anllänge an phyſilaliſche und aſtronomiſche

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Kenntmifie gefunden werben, find fo häufig zu finden, daß man, nad Dis Ion, annehmen Tann, fie maden in den Staaten, wo die Schulverhältnifie am günftigften find, 90 (?) Procent der Bevöllerung aus.

- Eine Eigenthümlichkleit der amerilaniihen Schule ift ihre völlige „Res ligionslofigkeit”, wie man fi in Deutſchland auszuprüden pflegt. In der - Unionsverfaflung ift völlige Gewiſſens⸗ und NReligionsfreibeit verbürgt, und in Folge dieſes oberſten Princips verbieten die Gefepgebungen der einzelnen Staaten Alles, was das religiöfe Bemußtjein des Einen oder des Andern verlegen Eönnte. Die Schulen werden von Rindern aller religiöfen Bes tenntnifje und Secten ohne Unterſchied beſucht, und es werden in ihnen leine Lehrbücher geduldet, die im Intereſſe der. einen oder andern religiöfen Genoſſenſchaft verfaßt worden find. Dagegen findet die von Dulon als wunderlid bezeichnete Sitte ftatt, jeden Schultag mit dem Lefen eines fur gen Abjchnittes der Bibel zu eröffnen. Jede Erflärung, jede Commentirung dos gelefenen Abfchnittes, jedes mwilllürlihe Eingreifen des Lehrers in das individuelle religiöfe Bewußtſein ver Schüler ift aber unterfagt. Natürlich) find aud die Schulen von allem kirchlichen und geiſtlichen Ginflufie völlig frei. In den Staatsſchulbehörden befinden ſich allerdings zumeilen Geiſt⸗ liche, aber nicht als folde, fondern als Bürger, die durch das Vertrauen ihrer Mitbürger dazu berufen find.

In Deutfhland finden fih nit Wenige, welche die amerilanifche Schule wegen ihrer „Religionglofigleit”, ihres rein ftaatlihen Charakters und der linentgeltlichleit ihres Unterrichts als Mufter anfehen und nah ihr die deutſche Schule umgeftalten mwollen. Es ift aber ftets ein mißliches Ding, einzelne Einrichtungen eines Landes berausgerifien aus ihrem natürs lichen Bufammenhange mit vielen andern, in ein anderes Land mit ganz verſchiedenen Verhaͤltniſſen, die ſich hiftorifch gebildet haben, zu verpflanzen. Dabei lommt in der Regel etwas Gutes nit heraus. Die deutſche Schule mag mander Berbeilerung bedürfen, die amerilanifhe wollen wir aber nicht copiren. -

Unter deutſch-amerikaniſcher Schule verftebt Dulon bie von Deutihen gegründeten und geleiteten oder nad deutſcher Art eingerichteten Privatſchulen oder Bereinsihulen in den vereinigten Staaten. Er bat von den Deutihen in Amerika vielfach feine gute Meinung und gewiß nicht mit Uns recht; denn gar viele mögen fi) durch Trunkſucht und andere unliebjame Eigen⸗ ſchaften unvortheilhaft auszeichnen. Indeß erkennt ſie Dulon in Bezug auf Bildung als eine Macht an, namentlich durch ihre Geſang⸗ und Turnvereine, ſowie durch ihre Schulen. Ueber dieſe letzteren ſpricht er ſich theils nur in allgemeinen Ausdrüden, theils mit ganz ſpecieller Beziehung auf ſeine Schulunternehmungen in Newyork aus. Hier mag nur erwähnt werben, daß Schulen, wie fie in Deutfchland eingerichtet find, in Amerila fein Glüd machen, fondern eine traurige Rolle fpielen würden. Jeder Deutfche, der dort eine Schule gründet, muß ſich den dortigen Anfihten, Vorurthei⸗ len und Gewohnheiten mehr oder weniger anbequemen, wenn er nicht von vorn herein Schiffbrudh leiden will. Daher zeigen die deutſch⸗amerikaniſchen Schulen eine Mifhung deutſcher und amerilanifcher Einrichtung in äußeren

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Dingen, wie in Unterriht und Metbove. Sie haben mit den größten Schwierigteiten zu länpfen, die aus der Willkür der Eltern entipringen wub in der Natur und Stellung der Privatichulen liegen. Immerhin aber wire in ihnen der Unterricht im Allgemeinen auf eine jwedmäßigere, mebr äuf die Bildung des Geiftes berechnete Art ertbeilt, als in den fpecififch-amerts kaniſchen Schulen. Und dadurd haben fie bereitd angefangen, auf dieſe legteren einen günftigen Ginfluß auszuüben, der nad) und nad) gewiß fich verſtaͤrken wird.

Den bei weitem größten Theil des legten Abſchnittes in Dulon’s Bude füllen die Mittheilungen des Verfaſſers über feine Schulunternehmungen im Newport und das, wie er fagt, dur die Schuld ſchlechter Menjchen , bie unter der Maske der Freundſchaft ihn bintergingen, berbeigeführte Scheitern derſelben. Hierauf kann natürlid hier nicht eingegangen werben. Dagegen wird es nicht unpaflend fein, noch einige allgemeine Bemerkungen anzufü- gen, die ich der brieflihen Mittheilung eines Freundes iu Newyork ver danke. Derfelbe fchreibt mir im Wefentlihen Folgendes.

- Das Gewicht defien, was bie Wortführer, fo auch Her Dulon über das amerilanishe Schulweſen jagen, hängt nur zu ſehr von ber per fönlihen Stellung und allerlei Intereſſen der Darleger felbft ab. In dem biefigen Schulweſen findet ein häufiger Wedel, ein ftetes Auf: und Rie derfluthen kaum entftanbener, dann ſchon wieder fpurlos verſchwundener An: ftalten ftatt. Das ſpecifiſch amerilanifche Echulmwefen liegt allerbings in Folge feines alibefannten bloßen Mechanismus fehr im Argen. Dennoch werden diejenigen, melde überhaupt eine Schule beſuchen, in berjelben ums ter dem mächtigen Einflufie des öffentliben Lebens und ber allverbreiteten Zeitungslectüre, für das biefige Leben und feine Ziele merkwürdig brauch⸗ bare und früh felbftftändige Leute. Freilih Alles nicht in unjerm Sinne, der mehr auf das reale als das Materielle, mehr nach der Tiefe als nad bei Breite bin: gerichtet if. Lobt nun, abgefeben von dem Schulmechanis mus, 3. B. Herr Dulon das amerilanishe Schulweſen doch mit einer ge wifien Emphaſe, fo ift ihm dieſe überhaupt eigen, wenigfiens ftet3 ba, wo er nachher einen Fußtritt ertheilen will. Ich muß indeß bezweifeln, daß er das amerikanische Schulwejen aus eigener Anfhauung genügend kennt, um ein jelbitftändiges Urtheil darüber abgeben zu können. Was er in feinem Buche über dafielbe fagt, bat er wohl mehr aus befannten Quellen ober aus Mittheilungen Anderer entnommen. Die deutſch-Amerikaniſchen Säulen, welde immer aufs Neue in Programmen die Reform des gefamm: ten „verrotteten ameritanifchen Abrichtungsweſens ala einer Hunde: und Affendrefiur ꝛe.“ in die Melt hinein proclamiren, machen os eben wieber nad ihrer Façon und oft herzlich ſchlecht. Ihr erſtes Princip, womit fie das Publikum, dieſes taufendföpfige Ungeheuer, zu paden und feine Taſchen zu Öffnen fuchen, lieft man auf ihrem Ausbängefhilb: Die freie deutſch-amerikaniſche Schule Darunter verfteben ſie nun ſchon lange nicht mehr die von Kirchengewalt und geiftliher Willlür emancipizte oder die an confefjionellen Religionsunterriht als obligaten Lehrgegenſtand nicht gebundene Schule, fondern eine ſolche Schule, die von vornherein aller Religion Hohn jpriht und die unmündige Jugend, noch ehe ſie ſich

Allgemeine Pädagogik. 343

felbft die Hofen zufnöpfen kann, zur Selbfiftänvigleit durch „reines Dens fen”, zum Materialismus binleitet, und aus ber dann allein ganz freie, jeve Autorität, jede dem philoſophiſchen Erkennen ſich entziehende Ueberlie— ferung verwerfende Menſchen die Menfchheit der Zukunft bervor- gehen müſſen. Diefe Menfchheit aber, jo lange fie bier die Schule beſucht, it dann wahrlid um kein Haar gelitteter, wie die eine amerifanijche bes ſuchende, und wenn fie die Kinderſchuhe ausgezogen und bergeftalt nur „am Bufen der Natur’ gejogen bat, fo trinkt fie mehr Bier, verpufft für tendenziöfe blos äußerliche ;yeitlichleiten mehr Geld, begt unter ſich mehr Zank und Zerſetzungsluſt, als irgend ein anderer Theil der Bevölkerung, und kommt und führl bei alledem dem Enpziele allgemeiner Bervolllomm- nung und Menfchenbeglüdung ſchon und lepiglih auf Erden um feinen Zoll näher; denn fchon der nächſte Schritt fiebt Die vom vorher⸗ gehenden zurüdgelafiene Fußtapfe mieber im Gande verweht. Die Lehrer folder Schulen und bier liegt's eigentlid find meift jene neunmal weiſen, doch nie mit dem Heinften Penſum ihrer Selbftläuterung fertig wer⸗ denden Menjchen, zuvor gewöhnlih Zeitungs: Mitarbeiter, ZTheaterrecenjen- ten zc., oder aus Deutjhland um irgend eines Vergehens willen bierher gejchafit, die dann mit der Prätenfion fommen, bier alle Mängel zu heben. Betommen fie eine Stelle, jo find fie Anfangs zu Allem bereit, was nur irgend billiger Weiſe verlangt werden darf, bald aber willen fie entweder nicht oder thun nichts. Das Bierfeidel, hier wohl nody mächtiger, al3 ın Deutſchland, regiert, und nicht felten werfen an öffentlihem Orte der Di: vector und feine Lehrer dieſe Gefäße ſich gegenfeitig an's freie Haupt. Die deutſch-amerikaniſchen Privat: oder Penfionsanftalten find eigentlich dajjelbe, nur vornehmer. Sie glänzen mit einer Menge Lehrer und Lehr: damen, imponirenden Localitäten, prächtigen Ankündigungen in Briefen und Zeitungen, mit allen möglichen Lehrfähern in ihren Lectionsplänen, und ziehen dadurch für kurze Zeit Zöglinge an, für welde um des Renommé's willen ein hohes Schulgeld bezahlt wird, verſchwinden aber, ba ihre Lei— ftungen in zablreihen Ankündigungen nicht entfprehen, bald wieder, wie zahlreiche Beiſpiele beweijen.

Da die Dulon'ſche Schrift die Organiſation des amerikaniſchen Staats⸗ ſchulweſens kaum, oder eigentlich gar nicht, erkennen läßt, ſo glaube ich im Sinne der Leſer des Jahresberichts zu handeln, wenn ich aus zwei mir vorliegenden Jahresberichten über das Schulweſen im Staate Pennſylvanien, wo das ſtaatliche Syſtem am meiſten entwidelt zu fein ſcheint, noch einige Mittheilungen anfüge.

40. Forty-sixth annual Report of the Controllers of public schools of the first school-distriet of Pennsylvania, eomprising the City of Philadelphia: for the year ending deeember 3t, 1864, with their gecounts. Philadelphia 1865. 328 ©. gr. 8. unb mehreren Abbildungen von Schulbänfern im Auje und Grundriß.

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4. Pennſylvaniſche Staateſchulen. Bericht bes Superintenbenten ber Staatsſchulen von Pennfylvanien. Klir das Zahr endend mit dem 2. Juni, 1862. Harrisburg: Staate-Druderei, 1863. 225 Seiten unb 102 Seiten ſtatiſtiſche Tabellen, gr. 8.

Die größte Stadt in Pennſylvanien, Philadelphia, mit etwa 600,000 Ginwohnern, bildet den erften Schulviftrilt des Staates und hat eine eigene Schulverwaltung. Im Jahre 1818 befanden fi in ben öffentliden Schulen der Stadt 3082 Höglinge, im J. 1864 dagegen 74,343, bie in 876 Schulen von 84 Lehrern und 1194 Lehrerinnen unterrichtet werden. Die Schulen bilden 5 verfdhiebene Gattungen. Es finden ſich darunter nämlih 1 Central: Hohfhule (die zwiſchen einem Real: Gymnafium unb einer polytehnifhen Schule in der Mitte fteht), 1 Hoch⸗ und Normalſchule für Mädchen (etwa gleich einer Realſchule erfier Ordnung für Töchter mit Lehrerinnen-Eeminar), 61 Grammar schools (höhere Bürgerfhulen), 70 Secundarſchulen (Bürgerſchulen), 190 Primärfhulen (Elementarfhulen), 53 Säulen, die in feine diefer Gattungen pafien (unclassifled schools).,

Die Central: Hodhfhule mit 449 Zöglingen hat außer dem Principal (Vorfieber) 14 Profefioren der lateiniſchen, deutſchen und franzöfiiden Sprache, der Geſchichte und fhönen Wiſſenſchaften, der theoretifhen und praftifhen Mathematil, der Aftronomie, der Anatomie, Phyſiologie und Nas turgefchichte, der Phyſik und Chemie, der Moral, Bhilofopbie und Bolitik, der Kalligraphie und der Buchbaltung, des Zeichnens. Das durchſchnitt⸗ lihe Alter, in welchem vie Zoͤglinge eintreten, ift 14 Jahr 10 Monate, einzelne find aber bereits 16—17, ja 18 Jahr alt. Der geſammte Lehr» curſus ift sjährig, 70 Procent der Zoͤglinge verlafien aber die Anftalt ſchon vor Ablauf von zwei Jahren, 15 Procent bleiben länger als zwei Sabre aber nicht vier Jahre und 15 Procent bleiben vier Jahre Der Gehalt des Principals ift 2250 Dollars, der Profefioren 1200 bis 1800 D.

Die Hoch⸗ und Normalihule für Mädchen mit 300 Böglingen bat 1 Vorſieher, 9 Lehrerinnen für Rhetorik, alte Gefhidhte, Geologie und Bos tanil, Zeichnen, böbere Mathematit, engliiche Literatur, Beredtſamkeit, Grammatik und Aufiäge, neuere Gefhichte und Geographie, Algebra und Arithmetit und 1 Lehrer der Muſik; der Vorſteher trägt vor: Theorie unb Praris des Unterrichts, Algebra, Chemie und Phyſik Das Alterder 71 im Jahr 1864 eingetretenen Zöglinge war burchjchnittlih 164% Jahr. Der Ge» balt des Vorſtehers ift 1800 Dollars, der Lehrerinnen 600, des Muſik⸗ lehrer 400 D.

Die Grammar-schools, deren es 61 giebt, find theild höhere Knaben⸗, theild höhere ZTöchterfhulen, darunter auch einige für farbige Knaben und Mädchen. Ihr Umfang ift verjchieden; die Heinfte zählt nur 160 Zög⸗ linge und bat nur 3 Lehrer, einfchließlich des Vorſtehers; die größern ba: ben über 300 Böglinge und 5 bis 6 Lehrer. Nur in zwei biefer böbern Bürgerfhulen werden Knaben und Mädchen zufammen unterrichtet. Wie böbern Anabenfchulen haben einen PBorfieher mit 1500 Dollar Gehalt, fonft mit wenigen Ausnahmen Lehrerinnen, deren Gehalt 340 bie 450 D. beträgt, vie hoͤhern Töchterjhulen ohne Ausnahmen Borfteberinnen wait 750 D. Gehalt und Lehrerinnen mit 340 bis 450 D.

Allgemeine Päbagogi. 345

Der Secunbarfhulen find im Ganzen 70, theils für Knaben, tbeils für Mäpdhen; nur in wenigen find die Geſchlechter gemiſcht. Sie haben (au die Knabenfhulen), mit geringen Ausnahmen, Vorſteherinnen, die 450 D., und 3 bi A Lehrerinnen, die 320 bis 360 D. Gehalt beziehen.

Die Primarſchulen, deren Anzahl 190 beträgt, find meift gemifchte Schulen, indeß giebt es einige, für Knaben und Mädchen befonvers. Sie haben faft ohne Ausnahme Vorfieherinnen und Lehrerinnen, wovon vie erſtern 400, die legtern 300 bis 340 Dollar Gehalt beziehen.

Unolassified schools giebt e8 im Ganzen 53. Sie enthalten meift Anaben und Mäpchen und haben gewöhnlich nur eine oder zwei Lehrerins nen, zuweilen auch wohl einen Lehrer. Der Gehalt it 300 bie 400 Dollars.

Ueber den zwifchen den vier Gattungen der Volksſchulen ftattfindenden Unterſchied, ihre Klafieneintbeilung und ihren Unterricht giebt der Bericht keine Auskunft. Es ift aber anzunehmen, daß in den höhern Bürgerfchus len teine fremde Sprache gelehrt wird,

Die Gehalte der Lehrer und Lehrerinnen find für die Lebensverhälts niſſe in Philadelphia nur mäßig, und namentlih die der .legtern bält der Bericht für zu niedrig. Er meilt nah, daß 800 Lehrerinnen täglih nur 80 Gents, 200 nur 1 Dollar per Tag, alſo kaum foviel erhalten, als eine Waſchfrau an Tagelohn, und daß die am beften befolveten fi) meifl ſchlechter ftehen, als die Pförtnerin (Schuldienerin). Dabei iſt es nod ein fehr großer Uebelftand, daß die Gehalte nicht baar, fondern in Anweiſun⸗ gen auf die Staatslaffe ausgezahlt werden, die die Lehrenden nur mit einem Berlufte von 12 bis 15 Procent anbringen können, wodurch z. B. ein Gehalt von 400 Dollars auf 352 bis 340 D. berabgebrüdt wird. (Died Verhaͤltniß ift mir aus dem Berichte nicht völlig Mar geworden.)

Auffallend ift die fo fehr überwiegende Anzahl der Lehrerinnen, die in der Hochſchule für Mädchen fogar höhere Mathematik, Geologie, Botanik lehren. Der Bericht jagt, daß das Syſtem der Lehrerinnen fi nicht blos durch die Rüdfiht auf Koſtenerſparniß als nüßzlich erweiſe, ſondern fidh auch in der Schule felbft bemährt habe, daß die Schulinfpectoren nicht blos in Philadelphia, fondern auch in den verfchiedenen Kreiſen (counties) bes Staates über die Wirkſamkeit der Lehrerinnen fi fehr vortheilhaft aus⸗ fprächen (was allerdings Nr. 41 beweift), und daß wahrſcheinlich in nicht langer Beit alle Volksſchulen im ganzen Staate, die größern Grammar schools für Knaben auögenommen, mit Lehrerinnen bejegt werben würben. Vebrigens mar (nad Nr. 41) im Jahre 1862 im ganzen Staate Penn folvanien in Bezug auf die Anzahl der Lehrer und Lehrerinnen das Vers hältniß diefes, daß unter der Gefammtzahl von 14,380 lehrenden Berjonen fih 7987 Lehrer und 6393 Lehrerinnen befanden.

Das gefammte äffentlihe Schulweſen von Philadelphia fteht unter ber Leitung einer befondern Überfchulbehörde, dem Board of Controllers of Poblio Schools, die einen Bräfiventen, einen Secretair und Hülfsſecretair bat, und deren 27 Mitgliever in 10 Ausfhüflen (committees), jeder aus 5 Berfonen beſtehend, fih in die Gefchäfte theilen. Der 1. Ausſchuß bat bie Verwaltung der Hochſchule für Knaben, der 2. die für Mädchen, ber 8, die des Grund: und fonftigen Eigenthums, ver 4, bes Rechnungsweſens,

346 Allgemeine Pädagogik,

der 3. der Beifteuern (? supplies), ber 6. der übrigen Schulen, außer den Hocfchulen, der 7. hat die Prüfung der Lehrer, ver 8. die Gorge für bie Textbuͤcher, der 9. beforgt die Ausgaben, ver 10. hat es mit den Be: richten zu tbun. Behufs der Specialverwaltung ber öffentliben Schulen, bie beiden Hochſchulen ausgenommen, ift die Stadt in 26 Bezirke getheilt, deren jeder eine der Oherſchulbehoörde untergeordnete Schulbebörde hat, die aus einem Präfidenten und 12 Mitgliedern befteht und am erflen Montag jeden "Monats eine Sigung hält,

Die gefammten Ausgaben für Schulzwede betrugen 1864 in Phila⸗ delphia 822,162 Dollars. Bon diefer Summe kamen 21,585 D. auf ueue Schulhäufer, 2500 D. auf Schreibhülfe bei den Bezirks : Schulbehorven, 5036 D. auf Drudtoften und Heine Ausgaben, 20,942 D. auf Schulges raͤthe, 45,751 D. auf den Lohn der Schuldiener, 30,121 D. auf Defen, 59,729 D. auf Feusrung, 22,070 D. auf Reparaturen und Anjchaffungen, 49,874 D. auf Bücher und Lehrmittel, 11,996 D. auf Grundzins, 35,778 D. auf Miethe von Edulhäufern und 524,750 D. auf die Beſoldung der Lehrenden.

Mit Ausnahme von Philadelphia gab es 1862 in dem Staate Penn⸗ ſylvanien 1808 Schulbiftricte und 11,990 Staatsſchulen mit 14,380 Leh—⸗ vera und Lehrerinnen uud 617,839 Schülern und Schülerinnen. Die Geſammt⸗ Inften der Schulen betrugen 2,227,164 Dollars, die durch einen Beitrag von 262,000 D. aus der Staatslafle, durch eine „Schultare” und eine „Bautaze‘ nufgebracht wurden. Für Anlauf, Bau, Miethe und Reparatur von Schul: baujern wurden 355,315 D. ausgegeben, und für den Unterricht 1,367,181 D. Der Gehalt eines Lehrers betrug monatlich im Durchſchnitt 23 Dollars 81 Cents, der einer Lehrerin 18 Dollars 55 Cents; die Kojten eines Schullindes einſchließlich ver Lehrergehalte, Feuerung und gewöhnlichen Aus: gaben jährlich im Durchſchnitt 2 Doll. 61 Gt. Die Gehalte ver 65 County⸗Superintendenten (Bezirt3 : Schulinfpectoren) find ſehr verſchieden, im. Allgemeinen nad der Anzahl der unter ihrer Aufficht ftehenden Schw len.. :Derjenige, welcher die geringfte Anzahl Schulen, nämlih 11, unter ſich batte, erhielt nur 185 Dollars Gehalt, während diejenigen, die 273 bis über 500 Schulen beauffichtigen, meift 1000 Doll., einer 1250, einige aber auch nur 800 Doll. erhielten.

Fuͤr die Bildung von Lehrern und Lehrerinnen ſcheint gut gelorgt zu fein, Für die letztern allein gab es 1862 7 Seminarien mit 40 Leh⸗ vorn und 929 BZöglingen. Jedes Seminar hat eine Bibliothel (durch⸗ ſchniitlich von 467 Bänden) und die erforderlichen Sehrapparate. Die Sg linge find zu zwei Drittheilen Erterne, zu einem Drittbeil Interne ober Roftgänger. Der: Aufwand für die leptern betrug ohne ben Unterricht durchſchnittlich 2 Doll. 66 Cts. per Kopf und Woche.

3, In den meiften Gounties ober Bezirken, die Stäbte ausgenommen, in nur im Winter Schule und zwar durchſchnittlich während eines Zeit⸗ raums von 5 Monaten 10 bis 12 Tagen. In ben Landdiſtricten wirb He Winterjhule gewöhnlich im November oder December eröffnet und im April geſchloſen. Da, wo aud im Sommer währen 3 bis 4 Monaten Schule gebakten wish, geſchieht dies, wie aus ben einzelnen Berichten in

Allgemeine Pädagogik. 847

Me. At hervorzugehen ſcheint, auf Koften der Familien, die zu diefem Bwede - zufammentreten und einen Lehrer miethen. Diefe Sommerſchulen werden vorzugsweiſe von jüngern Kindern beſucht. Der Schulbefuh der Winter: Schule ift übrigens ehr unregelmäßig. Bon den im Jahre 1862 in die Schulliften eiftgetragenen 607,839 Kindern waren durchſchnittlich nur 63 Brocent in ben Schulen anwefend. Der Kriegszuftand hatte nur in fehr geringem Grabe auf den Schulbefud eingemwirkt; denn im J. 1861 waren ducchfchnittlih nur 64 Procent der eingefchriebenen Kinder in ver Schule anweſend. ns Die Lehrer haben keine feite Anſiellung, fondern werben nur für dig Winterſchule und dann wieder für die Sommerjhule, wo ſolche flattfindet, angenommen. In den meilten Fällen mögen diefelben Lehrer immer wieder von Neuem angenommen werben; dennoch ift der Wechſel der Lehrer nad einem oder einigen Winterhalbjahren ſehr häufig, oft unterrichtet in demfel: ben Schulhaufe im Sommer ein anderer Lehrer als im Winter, und viele Lebrer müfjen im Sommer fih eine andere Beidhäftigung ſuchen. Lehrer: verfammlungen finden in den meiften Diftricten jtatt, und mehrere Scyul: infpectoren rühmen den Eifer, mit welchem die Lehrer trog ihrer kaͤrglichen

Befoldung ihre Fortbildung anftreben. \ Gin großer Mebelftand ift eg, daß in 24 von den 65 Counties bes Staates noch die Sitte anzutreffen if, daß die Lehrer Wohnung und Kofl wöchentlich abmechfelnd bei den Eltern der Schüler erhalten. In einigen diefer Counties finden ſich zwar nur vereinzelte Fälle vieler Sitte, "in ark dern dagegen ift fie faft allgemein, weil dadurd die Schulſteuer verminvert wird. Einige Schulinfpectoren mollen in derſelben nidt gerade etwas Nachtheiliges erbliden, während die meiften fi entſchieden dagegen erflären. Diefe Sitte, Tagen fie, ift ein Ueberbleibfel aus der Zeit des Barbarismus, dem auf einmal ein Ende gemadht werben follte. Sie hat ihren Urfprung in der Selbſtſucht und Abt nadıtheiligen Einfluß auf die Lehrer aus in Bezug auf Moral und Smtelligenz. Die Lehrer (und Lehrerinnen) müffen oft 1, 2 und mehr Meilen*) geben, um von der Schule nad ihrer zeit: weiligen Wohnung und von biejer zu jener zu gelangen, durch Did und Dünn, Schmuß und Schlamm, Schnee und Sturm. Dft finden fie in ih⸗ rer Wohnung keinen geeigneten Plab, fih zu trodnen und zu wärmen; oft erhalten fie naſſe Füße und lehren mit feuchten Kleidern guräd, um dann in einem Halten Zimmer und feuchten Bette zu fchlafen. Manche gehen auf dieſe Weife in wenigen Jahren ihrem frühzeitigen Grabe entges gen. Nicht minder nachthoilig ift das Reiheum: Wohnen (. Boarding Runde‘) in Bezug auf Moral und Intelligenz. Die Lehrer haben keinen Pla zum Studieren, und wenn fie fih den Tag über in ber Schule müde gearbeitet baben, find fie gemöhnlicd gezwungen, den ganzen Abend in der Yamilie zuzubringen und ſich in eine lebhafte. Converſation einzulaflen, wenn fie nicht ald ungejellige Lümmel betrachtet werden wollen. Dadurch wird es ihnen au unmoͤglich gemacht, fi auf den Unterricht vorzubereiten. Uebri⸗ .)J

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Allgemeine Pädagogif. 848

die Schulen verwendeten Geldmittel, noch fehlt), um mit dem Schulweſen in Deutihland einen Vergleich aushalten zu können.

8. Lehrplan. Disciplin. Bermifchtes.

42. Lehr⸗ und Unterrigts-Plan einer gemiſchten Klaſſe. Bien, * ſtock und Lubwigsluſt. Hinſtorff ſche Hofbuchhandiung. 1865. 46.8

43. Nor mal⸗Lehrplan für die erſte und zweite Bürgerſchule zu Baltert- haufen von Dr. D. Fiedler, Schuldirector. Waltershauſen. Egling’ ide Buhbruderei. 1866. 23 6. gr. 8 .

Nr. 42 ſcheint für eine beftimmte Schule entworfen und für ähnliche Schulen als Mufter aufgeftellt zu fein. Ob dabei Borfchriften der Schul, bebörde zu Grunde gelegen haben, ift nicht zu erfehen, aber zu vermutben, Die Schüler, von 6 bis 14 Jahr alt, find in 6 Abtbeilungen gebracht, die aber nicht in allen Stunden zugleich anweſend find und in einigen Lectionen in eine geringere Anzahl zufammengezogen werben. Neben der Bertbeilung des Lehrſtoffes ift meift auch der Lehrgang angegeben. Bon den 26 wöchentlichen Lebrftunden find 3 der Ratechismuslehre, 2 dem Nas tehiamusaufjagen, 8 ver bibliihden Geſchichte, 2 dem Bibellefen, 1 den Berilopen, mithin 11 religiöfen Stoffen gewidmet. Nah der täglichen Morgenandadht werben jeden Tag fogenannte Morgenpenien (der Katechis⸗ mus, Lieder, Palmen, chriftlihe Fragſtüde und Haustafel, Sprüche) berge fagt. Die Religion ift unftreitig der wichtigfte Lehrgegenftand, aber von 26 Stunden 11 auf religiöfe Lebrftoffe zu verwenden, ift doch zu viel. Chriftlihe Frömmigkeit wird dadurd gewiß nicht gefördert. Beim Echreibs lefen werden erft alle einfahen und Doppel:Bolale vorgeführt, dann nad und nad die Confonannten, und jeder von dieſen wird mit jedem Vokale verbunden, eine Manier, die nicht zwedmäßig if. Das Lehrverjahren beim Rechnen ift befler, auch das bei dem Spradunterriht. Die Weltkunde umfaßt Geographie, Weltgefhichte und Kirchengeſchichte. Aus der Geogras phie kommen außer den Elementarbegriffen blos Deutihland und insbejons dere Medlenburg vor, bie übrigen Länder Curopa's und die übrigen Erd⸗ theile nur, wenn nod Zeit übrig bleibt. Die Naturkunde ift ganz ausge⸗ ſchloſſen. Man fieht, diefer Lehrplan ift eben kein Muſter.

Nr. 43 bringt den Lehrplan für die Bürgerſchulen in Waltershaufen. Die erfte Bürgerſchule hat 7 Klaſſen; die A unterfien find für beide Ge⸗ Schlechter und der Lehrcurſus ift in jeder einjaͤhrig. In den beiden ober» ſten Klaſſen, die einen zweijährigen Curfus haben, find die Geſchlechter ges trennt. Gegen die Vertheilung des Lehrftoffes in die verfchiedenen Klaſſen läßt fih wenig einwenden. Die aſtronomiſche Geographie fommt in Kl. IIL wohl zu früh, da die Geometrie erft in der IL. Knabenklaſſe eintritt. Die Geſchichte beginnt in der IV. Klaſſe, aljo mit Sjährigen Schülern ebenfalls zu frab, und es ift ſchwerlich zu billigen, daß mährend eines ganzen Jahr zes wöchentlich 2 Stunden in dieſer Klafie auf die altgriechiſchen Sagen und in der IIL Klafie auf die thüringiihen Sagen verwendet werben. Auf keinen Kal kann man das Geſchichte nennen. Beſſer würde es gewiß fein, dieſen Sagen weniger Zeit zu widmen, ben Gejchichtsunterricht auf

0 Allgemeine Pähngogik.

Die zwei oberfien Klaſſen zu befdränten und in ver III. und IV. Klafie lieber der Geographie mehr Zeit zu widmen. Das Turnen für. Die Auaben ift in den Lehrplan aufgenommen.

44. Ueber das Wefen und bie Bedeutung ber Shul-Disciplin. Bortrag bei ber Schullehrer⸗Conſerenz bes Kirchenlreiſes Brieg am 13. Septeinbee 1865, gehalten von Friedrich Kurtd, Hector ber Stabtſchulen h Brieg. Herausgegeben zum Bellen der Schiefiihen Lehrer- Wittwen-

nterKügungs-Anftalt. Brieg, 1565. Adolph Bänder. 24 ©. 8. 21 Ser.

Dieſer Vortrag, eine Bearbeitung des von ber Regierung zu Breslau nen Lehres:GenferenzBereinen für 1865 geftellten Thema’s, ift gut geſchrie⸗ ben, .entwidelt dad Weſen und die Bedeutung der Schulvisciplig zwar in gebrängter Kürze, aber richtig, betrachtet wie Grziehung als ein weſentliches Städ der Schulaufgabe und meift die erziehende Macht des Unterrichts wortrefjlih nah. Der Anhalt der Heinen Schrift verdient daher von allen Behrern beachtet und beberzigt zu werben.

45. Elternhaus und Schule Beiträge zur Löſung ber einheitlichen Er⸗ jiehungsaufgabe in Schule unb Haus. Herausgegeben von &. Heufinger, Organiſt und Lehrer in Neuftadt bei Coburg und J. Ctangenberger, Lehrer in Hambur ., IV. Jahrgang. 4 Hefte & 6 Nummern von 4 Bogen. Leipzig. . G. Priber. 1865. 188 ©. gr. 8. 20 Sgr.

Diefe Blätter wollen den Eltern und Lehrern nicht Fertige, nicht einen Curſus der Erziehung barbieten, fondern mehr den Sinn für Jugend erziehung weden, als ihn befriedigen, mehr die Beobadhtung jhärfen und die Erfahrung bereichern, als erziehliche Necepte geben. Sie bringen baber Vieles Eigenes und Entlehntes —, was nur eine fehr entfernte, mit unter gar keine Beziehung zur Erziehung bat. Die in verfchiedener Form ausgeprägten Mittheilungen zeugen von einem linderfreundlichen Sinne, von beiligem Ernſte für die Sache der Erziehung und die ſprachliche Dar: ftellung ift gewiß wohlthuend friſch und lebendig. Zuweilen ftößt man auf etwas zu viel Sentimentalität. Als das Zeichen wahrer Rinderfreundlichleit dürfte e3 jchwerlich gelten können, wenn Jemand (S. 12) die Tafchen ftets mit Bonbons und füßem Nafchwerk gefüllt hat, um jedem bübjchen Kinde auf der Straße davon mitzutbeilen. Daß dieſe Zeitfchrift, die nicht eine Schul: zeitung fein will, aber für Eltern und Lehrern Interefie bat, gegenwärtig ſchon vier Jahre beiteht, iſt unftreitig ein gutes Zeichen, und fie würde gewiß noch mehr Ruben ftiiten, wenn fie mehr als bisher Charalterzeich nungen us der Kinderwelt, Grziehungsbilder und Erziehungsrejultate brin- gen molite,

46. Unterridt in ben für das Bollewefen wichtigſten Beftimmun- —X des bayeriſchen Straf- und Polizeiftraf-Bejegbudes

e Säulen bearbeitet von J. 2. Ludwig, Lehrer und Kantor zu Bindlad

bei Bayreuth. Bamberg. Buchner’ihe Buchhandlung. 1866. 52 ©. 8.

Es mag Vielen noch fehr zweifelhaft fein, ob Belehrungen über vie Strafgeſetze in die Volksſchule gehoͤren, jedenfalls verdient der Verſuch, den her "Verf. hierzu gemacht bat, alle Anerkennung. Im den Vorbemerkungen

Allgemeine Pädagogik. 351

ſpricht er fi über den Zmed und Gebrauch des Schrifthens ſehr verftän- dig aus, wie von ihm als dentenden und erfahrenen Pädagogen erwartet werden konnte. Sowohl Auswahl, ald Anordnung ift zwedmäßig.

41. Schulreden. Ein Beitrag, dur Symnafial-Päbagogif von Dr. Johann Chriſtoph dv. De 8. B. Schulrath und Stubiendirector. Zmeite Samm- tb, Grau'ſche Buchhandlung. 1866. 347 ©. gr. 8.

Da diefe Schulreden Gymnafiaiverhältnifie betreffen, jo kann über fie bier nicht ‚berichtet, und nur gejagt werben, daß einige verjelben zugleid) auch auf allgemeinere Gegenftände ſich beziefen, namentlih Nr. 2 Grinne: zung an Beltalogzi, Nr. 3 über den fittlihen Beift des Lernend, Nr. 5 Erinnerung an Göthe, Nr. 6 Betrachtungen über den Lehrerberuf, Nr. 9 über den Anftand, Nr. 15 zur Borfeier des Schillerfeftes, Nr. 19 am ein: bımdertjährigen Geburtätage Jean Paul Friedrich Richters.

fung. Bayreu

VID. Zeichnen.

Bearbeitet von Auguſt Lüben.

I. Methodiſches.

1. Der ſchon in dem Abſchnitt über die Naturkunde angezogene „Lehrplan“ des Seminardirector Dr. Schneider in Bromberg weiſt dem Zeichenunterricht eine ſeiner Wichtigkeit angemeſſene Stellung in der Volksſchule, ſelbſt in der mit großen äußeren Schwierigkeiten Tämpfenbne, an. Derfelbe foll in allen Abtbeilungen ertheilt und in der oberen bis zur perfpectiviihen Beiprehung von Körpern ausgebehnt werden. Um feis ner Aufgabe ganz zu entfprechen, foll der Unterriht auf allen Stufen wit geeigneten Sprehübungen in Verbindung gebracht werben. „Die Aufgabe diefer Beiprehung ift, das Kind zu einer fiheren und Haren Grienntniß und Unterfcheidung der Formen und Maße der Dinge, unter denen es lebt, zu erziehen.‘

„Es wird demnah ein Beichenunterricht, welcher die Kinder einjeitig und gedankenlos mit Abmalung von allerlei Vorlegeblättern bejchäftigt, und defien NRefultat darin befteht, daß wenige Kinder eine ziemliche Fertigkeit in der Darfiellung von Zeichnungen erlangen, die in’3 Auge fallen, während die allermeiften gar nichts lernen, von der Volksſchule ausgejdlofien.”

Der Lehrgang wird darauf in folgender Weife flizzirt.

„Auf der Unterftufe fügt fi der Beichenunterriht in denjenigen, welcher dem Schreiben, Sprechen und Lejen gewidmet ift, ein, und bat nur den Bwed, der Heinen Hand eine gewiſſe Kertigleit in der Darftellung von Linien zu geben und das junge Auge zu einer Vorftellung von dem Bilde zu bringen. Dazu reiht aus, daß das Kind die beim Schreiblefeunterridht befprodhenen, an der Wanbdtafel in einfachen Linien vorgezeichneten Gegens fände, jo gut es kann, auf der Schiefertafel nachzeichne.”

„Die Mittelftufe zeichnet in befonders dazu angejeßten Zeiten ein- fache geometrische Figuren abwechſelnd aus freier Hand und mit Lineal usb

Zeichnen. 353

Map. Es kommen der Reihe nad) das Duabrat, das regelmäßige Adhted, das regelmäßige Sechsed und der Kreis zur Behandlung. Durch Theilung von Seiten, durch Biehen von Hülfslinien, durch Weglöfchen einzelner Theile der Figur entftehen Schönheitsformen und Lebensformen.‘

„Biel diefer Stufe ift die Bildung einer ficheren Hand und bie Uns Fe im Gebraud der einfachiten Inſtrumente, wie Lineal, Maß und

ixkel.“

„Bei den Beſprechungen der vorkommenden Operationen wird das Kind die gerade Linie, gleiche, ungleiche, gleichlaufende und ungleichlaufende Linien; ebenſo rechte, ſpize und ſtumpfe Winkel; Dreiede, Vierede, regel⸗ mößige Figuren, den Kreis und deſſen Hülfslinien und Winkel kennen und unterjcheiden lernen. Dabei wird fi ihm eine Klare Vorftellung von der Sleihheit der Linien. und Winkel, von der Gleichheit und Congruenz ber Figuren einbilden.‘

„In der eben bejchriebenen Ausdehnung und in der bezeichneten Ans ſchaulichleit gehört die Raumlehre in die Volksſchule; was darüber hinaus« gebt, wie Definition, Beweisführung, Lehrſatz, Yormel u. dgl. ift ausges ſchloſſen.

„Auf ver Oberſtufe hat das Kind zuerſt vorgezeichnete Figuren nad) gegebenem verjüngten ober erweiterten Maßſtabe nachzuzeihhnen, darauf hat es geometriſche Anfihten von einfach gejtalteten Gegenftänden nad) gegebenem Mapftabe darzuſtellen. Solche Gegenſtaͤnde find Bimmergerätbe, Garten flächen, Bohnhäufer, Kirchen, Gebäude überhaupt ; kurz Körper, welche ge rade Kanten und große Flächen barbieten. In den Zeichnungen werben Conturenſchatten eingeführt.”

„Das gemeinfame und allen Kindern erreichbare Biel ift ein nod fihererer Gebrauch der Geräthe, eine gewandte, leichte Hand und ein jcharjes Auge für die Merlmale der Form und deren Berhältnife. Dabei wird das Kind eine Klare Borftellung von der Aehnlichleit der Figuren ge winnen.” ®

„Während auf diefer Stufe an ſich fhon dem Lehrer eine große Mans» nigfaltigleit der Bewegung und Auswahl gelafien wird, ift fähigen Kindern das weitelte Feld aufgetban. Sie werden im Zeichnen von Plänen und Grundrifien geübt, zur Anlegung von Karten angeleitet ; weiter haben fie fchwierigere geometrifche Formen, zufammengefeßte Anfichten darzuftellen, end» lich die Gegenftände fortfchreitend nad der Bejchreibung aus dem Gedaͤcht⸗ niß nad eigenes Erfindung zu zeichnen.‘

„Geförberte Lehrer thun mit bejonders begabten Schülern den legten Schritt, indem fie diefelben zur perfpectivifchen Betrachtung und Darftellung einfacher geometrijcher Körper anleiten und zu derjenigen ‚anderer körper⸗ licher Gegenſtaͤnde führen.‘

„Die Ausdehnungen werben dem Kinde gegeben, von ihm gemefien, nad dem Augenmaße gejhäßt. Sie werben erft genau feitgebalten, ſodann nad verjüngtem oder erweitertem Maßſtabe genommen. Cbenjo wird aud bier von der Copie zur Darftellung des Befchriebenen, zu der des Belanns ten fortgefhritten. In den Zeichnungen werden Schattirungen von Flaͤchen angebradht. Die Beiprehung macht die Rinder mit den einfachen Körpern,

Pad. Jahresbericht. XVII. 23

354 Zeichnen.

wie Würfel, Säule, Kegel und Kugel und mit deren Mafverhältniffen betannt.“

Der Lebrgang enthält nichts Neues, aber er iſt für die bezeichneten Berhältnifie zwedmäßig.

2. In den weiter unten aufgeführten „Monatsblättern zur Yörberung des Zeichenunterrihts’' von H. Troſchel hat fi ein Streit entipounen über die Frage, ob Wanpdtafeln für den Beihenunterriht zu benußew find oder nicht.

Die Benußung von Wandtafeln, die in ihrer Gefammtheit einen ger orbneten Lehrgang vdarftellen, hat zur Borausfegung, daß alle Schüler einer Klaſſe oder größeren Abtheilung im Zeichnen auf gleiher Etufe fehen, alfo im Ganzen gleihe Zeichenfertigteit haben. Bei dieſer Borausfepung macht der Zeichenunterrit wenig Schwierigteiten und kann mit fehr guteim Erfolg jelbft von Xehrern, denen die Disciplin Schwierigfeiten macht, sder die nur mäßige Fertigkeit im Zeichnen befigen, ertbeilt werden. Wir find principiell überall da für einen ſolchen Kllafjenunterriht, wo er nur irgend ousführbar if. Es entfleht durch denfelben ein frifher Wetteifer unter dem Echülern, und der Lehrer behält Zeit zu allgemeinen Belehrungen. Lang: jährige Erfahrung bat uns aber überzeugt, daß man die Schüler einer Klaſſe nur im erften Curjus des Freihbandzeihnens mit Nupen jo zuſam⸗ menbalten kann. Wenn für irgend einen Gegenftand, fo finb namentlich die Kinder für das Zeichnen fehr verfchieden begabt. Ginigen fliehen Gar und Auge in einem Grade zu Gebote, daß ihnen nad furzer Anleitung alle den Kräften angemefiene Darftellungen in befriedigenpfter Weiſe gelin⸗ gen; Andere dagegen quälen fi) monatelang ab, ehe es ihnen nur gelingt, eine ſaubere gerade Linie zu zeichnen. Es ift begreiflih, daß beiberlei Schü- ler leiden, wenn alle Schüler der Klaſſe dieſelbe Aufgabe zu löfen baben, ganz abgefehen davon, daß ein derartiger Unterricht manche disciplinariſche Ungebörigteiten hervorruft, und aud da, wo dergleichen nicht zu beforgem fteht, die fähigeren Schüler, welche die Aufgabe früher löfen, als die ſchws⸗ heren, gegen den Schluß der Stunde zum Pauſiren verurtheilt. Man muß auf den übrigen Stufen von diefem Zufammenhalten ver Klaſſe ab» feben und die Schüler durchaus nad ihrer Befähigung bejhhäftigen und weiterführen. Das ift auch in der That nicht fo fchwierig, wenn ber Leh⸗ ver die Schüler ftets nah ihrer Fähigkeit ordnet, alſo alle diejenigen zu jammenfegt, die auf ziemlich gleicher Stufe fih befinden. Bon Wandtafela läßt jih dann aber natürlid fein Gebrauch machen; an ihre Stelle müſſen Borlegeblätter treten, fo lange von ihnen überhaupt Gebraudy zu machen iſt. Rach Beendigung eines Clementarcurfus, etwa in dem Um⸗ fange, wie ihn meine weiter unten genannte „Anleitung zum Zeihenunter richt‘ enthält, find die Schüler zum Naturzeichnen überzuführen, wozu man nd am zmedmäßigiten der Peter Schmidt'ſchen oder ber Heimerding ſchen (Hamburg) Holzlörper bedient. Der angemefjene Fortſchritt erfordert, daß jeder Schüler feine Körpergruppe vor fi bat, alfo nit mi einer größeren Schülerzahl, von denen jeder einen andern Standpunkt Dazu bat, zu gleicher Zeit diefelbe Gruppe zeihnet. Schüler, melde das perfpen tiviſche Beichnen beginnen, nehmen ven Lehrer in ven erften Wochen vol

Zeichnen. 355

fändig in Anfpruch, wenn fie raſch und bewußtvoll fortjchreiten follen. Es empfiehlt ſich daher fehr, immer nur fünf bis fehs Schüler zugleih in dieſe Stufe einrüden zu laflen und die übrigen, was gar nicht ſchwer ift, fo gu befhäftigen, daß fie mit Nuben für fi arbeiten können.

Troſchel vertritt die Mandtafeln, während Andere (Gennerich in Berlin, Hube in Greifswald, Stuhlmann in Hamburg) gegen ben Gebrauch derfelben find. Unſere Stellung hierzu gebt aus dem Vorſtehen⸗ den hervor. Auch find wir mit Stuhblmann (Hamburger Schulblatt Nr. 367) der Anfiht, daß Troſchel den Gebrauch der Wandtafeln zu weit ausdehnt und daß perjpectiviihe Darjtellungen auf venfelben nicht als Vor bereitung zur Berfpective angejehen iverden können. Hierzu gibt es nur ein Mittel: die Benupung geeigneter Holzlörper. Mit Stuhlmann geben wir denen von Heimerding den Vorzug vor den Peter Schmidt'ſchen, da fie mannigfaltiger find und fünftliche, leicht verrüdbare Körperzufammenr ftellungen entbehrlich machen.

DO. Literatur.

1. Monatsblätter zur Förderung bes Zeihenunterridhts an Schulen. Herausgegeben von Tugs Troſchel, Kupferſtecher uub Zeichen» lehrer an ber Dorotheenfläbtiichen Healichule zu Berlin. Erſter Jahrgang. gr. 4. Berlin, Nicolaifche Verlagsbuchhandlung (G. Parthey). Seit —* 1865. Bierteljährlih 15 Sgr.

Von dieſer neuen Zeitſchrift liegen uns nur die erſten fünf Nummern vor. Ihr Zweck iſt: Förderung des Zeichenunterrichts. Da der Zeichen⸗ unterricht in höheren wie niederen Schulen in der That noch ſehr darnie derliegt und an vielen Orten noch gar nicht ald nothwendiger Schulunter: richts-Gegenftand anerlarmt wird, fo kann man ſich Diefes Unternehmens nur freuen und ihm guten Fortgang und lange Dauer wünfhen. Dazu ift aber erforderlich, daß fih außer den Zeichenlehrern auch tüdtige Pädagogen bes theiligen, die etwas vom Beichenunterricht- verftehen. Denn die ım$ vorlies genoen fünf Nummern geben ſchon Zeugniß, daß Niemand weniger geeignet it, einen gedeihlichen Fortgang und eine wirkliche Förderung der guten Sade zu fihern, ald die dazu fpeciell Berufenen, die Zeichenlehrer. Schon die oben berühbrte Wandtafel⸗Angelegenheit hat einen beißen, unerquidliden Streit hervorgerufen. Wir wünjcen mit dem Herausgeber nicht Ängftliche Vermeidung alles Streites, halten aber dafür, daß man erjt einen tüchtigen Grund legen ſollte, ftatt jih auf dem unbeaderten Felde umberzubeißen. Diefen Standpuntt empfehlen wir vor Allen dem Herausgeber, ber im „Proſpect“ zum Kampf berausfordert, und zwar um jo mehr, da feiner Feder offenbar noch die nöthige Gewandtheit fehlt.

Bon den größeren Arbeiten der vorliegenden Nummern nennen mir: Ueber Beter Schmidt, G. Schabow und bie Brüder Dupuis. Bon Tro⸗ ſech el. Ueber ven Zeichenunterriht bei den Griechen. Bon F. Lorking

23”

356 Zeichnen.

in Berlin. Ueber Wandtafeln. Bon Troſchel. Ueber die perjönlide Stellung der Zeichenlehrer. Von Troſchel. Iſt der Zeichenunterricht auf Gymnaſien den Anforderungen der heutigen Zeit genügend ? Bon Dr. Ba: ter. Ueber den Zeichenunterriht nad Porlegeblättern, Wandtafeln und Modellen. Bon C. Hube (gegen Troſchel). Ueber den Zeichenunterricht in Realfchulen.

Außerdem enthalten die meiften Nummern kurze Anzeigen von neuen Merten für den Beichenunterricht. .

2. Zeichenſchule in Wandtafeln für ben Stufen-Unterriht an Schulen. Herausgegeben von Hugo Troſchel. Berlin, Nicolaifhe Verlagsbuchhaud⸗ lung (G. Parthey), 1865.

Dies Werk ift auf 12 Lieferungen, jede zu 10 Zafeln, Imp.:Fol, berechnet, und der Preis einer Lieferung auf 2 Thlr. 20 Sgr. fellgeftellt worden. Einer Anzeige ded Werkes entnehmen mir folgende Inhalts⸗ Ueberſicht.

Erſte Stufe: Lieferung I. II. Für Schüler von 8—10 Jahren. (Serta und Quinta.) a. Flaͤchen (Formenlehre). b. Körper (Grundbe⸗ griffe der Perſpective). c. Vorübungen zu Ornamenten.

Zweite Stufe: Lieferung IH. IV. Für Schüler von 9—12 Jahren. (Quarta.) a, Körpergruppen (Elemente der Perfpective mit Ans wendung der Diftanzpuntte.) b. Gefäße und Ornamente,

Dritte Stufe: Lieferung V. X. Für Schüler von 11— 14 Sahren. (Zertia,) Lieferung V. Geſichtstheile. Lief. VI. Köpfe im Profil. Lief. VII. Köpfe en face. Lief. VIII. Köpfe 4. Lief. IX. Die Peripew tive und die Projectionslehre.

Bierte Stufe: Lieferung XL Für Schüler von 13 —16 Jahren. (Unter:Secunda.) Theorie und Entwidelung der Projectionslehre und ber Berfpective.

Sünfte Stufe: Lieferung XL—XIL Yür Schüler von 142—19 Jahren. (Ober:Secunda und Prima.) a. Anwendung der Perjpective (In⸗ terieurs zc.). b. Conftruction der Schatten. c. Planzeihnen.

Die VL Lieferung ift erfhienen und mit bem dazu gehörigen Texte zu 3% Thlr. beredynet worden. Da wir fie nur flühtig im Buchladen ge lefen und fie uns jetzt nicht vorliegt, fo fünnen wir ein begründetes Urtheil darüber nicht abgeben.

3. 40 Wandtafeln für den erfien Unterriht im Ornament-Zeide nen. Entworfen von 2. Völlinger. 1. u. 2. Lieferung. Tafel 1 bie 20, gr. Fol. Regensburg, U. Coppenrath, 1865. & 26 Sgr.

Beide Heſte enthalten ornamentale Blumen: und Blattformen in ein: fachen Umriſſen und ohne Schattenangaben. Die Formen find gefällig, in kräftigen Strichen ausgeführt und überall, wo es erforderlich war, mit den nöthigen Hülfslinien verfehen. In Klaflen mit Schülern von nahezu glei- her Zeichenfertigleit wird man dieſe Wandtafeln daher gebrauchen können,

Zeichnen. 357

4. Erläuterung zu den 24 Wandtafeln für den elementaren Unterriht im Freibandzgeihnen von Dr. A. Stublmann. Be- leitet von einem Vorworte von Otto Jeſſen, Director ber öffentlichen

erwerbeichule in Hamburg. Mit 24 litbographirten Figuren auf 4 Tafeln.

gr. 8. Hamburg, X. Grining, 1866. 7% Sgr.

Der Inbalt der uns nicht vorliegenden „Wandtafeln” ift auf den 4 beigegebenen Zafeln enthalten. Gr befleht in ebenen oder ganz flach ger baltenen Gebilden, die faft alle aus dem Leben entnommen und meilteng von ornamentaler Bedeutung find. Contourſchatten fehlen, was wir nicht gerade billigen können, da fie den Gindprud, den eine Zeichnung auf den Beihauer macht, erhöhen und ohnehin leicht verftändlih zu maden find. Die. Figuren felbft find anſprechend. Gegen die Reihenfolge dürfte ſich bier und da etwas einwenden lafien. Ueber die Art und Weiſe ihrer Ausfüh- zung geben die Grläuterungen Auskunft. Wir bemerfen nody, daß die Wanpdtafeln einen Clementarcurfus vorausfegen ; der Verf. empfiehlt dafür das von Fröbel begründete Nebzeichnen.

5. Anleitung zum erftien Zeihenunterridt für Knaben- und Mäbchen- ſchulen. Bon Auguſt Lüben, Seminarbirector in Bremen. I. bie V. Heft. Bremen, Hermann Geſenius, 1866. Ale Hefte zufammen 1 Thlr., einzeln Heft L—IV. à 6 Sgr., Heft V. 9 Ser.

Diefe Anleitung ift jet in den Verlag von Gefenius in Bremen übergegangen und ganz neu und ſehr fauber bergeftellt worden. Sie ent» hält einen vollfiändigen Lehrgang für das Elementarzeihnen, nad deſſen Durcharbeitung die Schüler zum Naturzeichnen geführt werden können. Das erfte Heft enthält 30 Borlegeblätter, auf denen gerade Linien, Winlel, ges radlinige geometrifhe Figuren, ohne und mit Verzierungen, dargeſtellt find, das zweite 25 gerablinige Vorderanfihten von verfchiedenen Gegenftänden. Diejen beiden Heften entfprechen die beiden folgenden in der Art, daß im dritten 30 theils einfache, theils verzierte frummlinige geometrifhe Figuren, im vierten dagegen 25 krummlinige Vorderanſichten verfchiedenartiger Gegen» fände Darftellung gefunden haben. Das fünfte Heft enplih enthält 16 größere Figuren, Vaſen und Verzierungen, in gr. Quart, welde eine directe Borbereitung für Bauhandwerker gewähren.

6. Elementar⸗Freihandzeichnen für Boltsjhulen, insbefonbere für Mittelſchulen und gewerbliche Kortbildungsfchulen von U. Schrop, Zeichen« lehrer an der thurgauiſchen Cantonsjchule. Leichte Ornamente in bloßen Umriffen. qu. 4. Frauenfeld, 3. Huber, 1865. In Mappe 16 Ser.

Das Heft enthält 24 in NKreivemanier ausgeführte Beichnungen, bie Sämmtlid leiht und geihmadvoll find, auch angemefien vom Leichtern zum Schwerern fortſchreiten, fih daher für den Schulgebraud empfehlen.

7. Benetiih Lane mar ide Grundlage des Freibandzgeihnens von Dr. 3. ©. Molitor. Kür alle Schulen, in denen ein grünblicher Unterricgt ertbeilt wird. L Abtheilung: Gerablinige Formen 42 Blatt. II. Atheilung : Krummlinige Formen 42 Blatt, gr. 4. Carlsruhe, J. Beith. à 1 Thlr. 6 Ser.

358 Zeichnen.

Dies Werk ift für den erften Unterricht im Beichnen berechnet und beginnt vemgemäß mit einfachen Linien und Winkeln, gibt aber jhon von Tafel A an perſpectiviſche Darftellungen. Dies halten wir für einen gro: ben Mißgriff. Kinder von 8 Jahren, mit denen der Zeihenunterricht durch: fchnittlich mit Erfolg begonnen werden kann, haben für perfpectiviihe Dar ftellungen noch kein Berftänpni. Daher entftehen, wenn fie Vorlegeblätter diefer Art copiren follen, eine Menge Fehler, die nicht nur das Auge be leidigen, fondern das des Schülers geradezu verbilden. Wir lönnen diejen Lehrgang daher nicht empfehlen. Wo man es aber für angemeflen erach⸗ tet, in der Beit, wo das Naturzeihnen nad einfachen Modellen geübt wird, noch perfpectivifche Darftellungen copiren zu laflen, da wird man von den bier dargebotenen Gebraud machen koͤnnen.

8. gen enfante für Volkeſchulen, Wiederholungsſchulen umb zum elbſtunterrich von Joſeph Goldhann. 1. u. 2. Heft. quer ge. 4 Ye alt Steintafeln und 7 ©. Text) Wien, Sallmeyer u. Comp. Die hier dargebotenen Zeichnungen follen vom Lehrer an die Wand⸗ tafel gezeichnet und darnach von den Schülern copirt werden. Wir haben gegen dies Verfahren, fo lange es fih um einfache Figuren handelt, Nichte einzuwenden, rathen aber aus nahe liegenden Gründen davon ab, fobald das Borzeihnen einen größeren Theil der Zeit in Anfprub nimmt, mas von manchen der Zeichnungen gejagt werden muß. Mit dem innegebalte nen Stufengange können wir ung nicht überall einveritanden ertlären, ba mehrfach gegen den Fortſchritt vom Leichtern zum Schmwerern verfloßen wor den iſt. Ginfichtige Lehrer werben aber derartige Verſtöße leicht verbeflern lönnen.»

9. Arbeiteſchule. Herausgegeben von Fr. Seidel und Fr. Schmidt. VO. Das Netszeichnen. II. Abtheilung. Krummlinige Figuren für Kinder von 7 bis 12 Jahren. qu. gr. 4. (13 Steintafeln und 4 ©. Text) VID. Das Thonmodelliren. Für Kinder von 4 bis 14 Jahren. (9 Stein⸗ tafeln und 4 ©. Tert.) Weimar, Böhlau, 1865, & 12 Ser.

Das VII. Heft enthält eine große Anzahl von krummlinigen Figuren auf Neptafeln. Gegen die Stufenfolge ift nichts Erhebliches einzuwenden. Auch find die meiften Yiguren anſprechend. Hier und da finden fi Heine Berftöße gegen die Perfpective, die in folhem Werke allerdings hätten ver mieden werben follen. Die Linien find alle auffallend ftar. In leinem Valle dürfen diefelben von den Schülern jo ausgeführt werden.

Das VIII. Heft enthält eine Anleitung zum Thonmodelliren. And bei diefer Wrbeit find die Herausgeber fichtlih bemüht gewefen, eine gute Stufenfolge herzuftellen und gejchmadvolle Gegenftände auszuwählen. Ja wie weit Erſteres gelungen ift, vermögen wir nicht mit Sicherheit zu fagen, da uns die Fertigkeit im Mobelliren fehlt. Gegen die Perjpective if im biefem Hefte noch ärger verjtoßen, als im VII.

10. Das Breibanbzeiänen nad geometrifhen Körpern und Gyp® mobellen. Für Real» und Gewerbsſchulen. Bon Joh. Wilh. Säle,

Zeichnen. 359

Brofefior an ber Eantonsichule in St. Gallen. br. 8. (IV und 67 ©. mit 23 Steintafeln, worunter 6 in Tondrud.) St. Gallen, Huber u. Comp., 1865. 27 Ser.

Diefe Schrift ift für Schüler und foldhe Lehrer beftimmt, melde ſich jelbft im Zeichnen fortbilden wollen. Nach einer längeren Einleitung, in welder von ver Wichtigkeit des Zeihnens und von ber Metbobe für den Zeichenunterricht die Rede ift, kommt die Anleitung felbft. Sie erftredt fich auf das Zeihnen nad; geometrifchen Körpern, auf das Verfahren beim pers fpectivifchen Conftruiren der Körper, auf das Schattiren derjelben und auf das Zeichnen nah Gypsmodellen.

Wir bedauern, von diefer Schrift fagen zu müflen, daß fie fih weder für Schüler, noch für Lehrer befonders eignet, da die Darftellung nirgends elementar genug if. Wer die Perjpective in der hier angegebenen Weije lernen foll, kann fie fih nur ganz mechaniſch aneignen und wirb daher faum zur rechten Selbftftändigfeit darin kommen.

11. Kleine Vorſchule des Zeihnens. Enthalten 18 Blätter leichte Vor⸗

lagen für bie erften Tinblihen Zeichnungsverfuhe auf ber Schiefertafel.

Herausgegeben von Franz fell. Chur u. Leipzig, Grubenmanı. 4 Ser.

Die beiden erften Zafeln enthalten Dreiede und Duadrate, alle fol- genden Vorderanfihten von gewöhnlichen Gegenftänden (Tiſch, Leiter, Schaus fel, Eimer, Thür u, |. w.), bis Tafel elf in geraden Linien, von der zwölf: ten an in geraden und krummen. Der Kortjchritt vom Leichtern zum Schwerern iſt nicht durdhmeg gewahrt. Gin Theil der Figuren hat etwas Steifes. Die Linien find durchgängig zu ſtark, zur Förderung eines fau- beren Zeichnens daher wenig geeignet.

12. Borlegeblätter zu einem fiufenmäßigen Selhnungs-Unter- sit in der Bolleihule und zur Selbſtbildung. Herauegegeben von Franz fell. XI. Heft. 8. (12 Blatt.) Ebb. 4 Sgr.

Jede Tafel enthält einen recht anſprechenden, gut ausgeführten Land⸗ ſchaftstheil (Baum, Baumgruppe, Felspartie, Haus mit Bäumen, Mühle

u. ſ. w.), ganz geeignet für junge Landfchaftszeichner mit mäßiger Fertigfeit.

13. Borlegeblätter zu einem ftufenmäßigen Zeihnungs-Unter- zieht in ber Volkoſchule und zur Selbfbildung. Herausgegeben von Franz Gfel. XV. Seit. Lanphäufer. 8. (18 Blatt.) Ebd. 4 Sgr. Die Lanphäufer find nur in Vorderanfihten, alfo ohne Perjpective,

dargeftellt, darum aber doch nicht auffallend leicht, was feinen Grund in

den mannigfahen arditeltonifchen Verzierungen bat. Die meiſten Anfich: ten find recht anfprehend. Die Ausführung ift fauber.

IX. Sugend- und Wolksichriften.

Bearbeitet

von

©. 9. Debbe, E&ulvorfteher in Bremen.

A. Jugendſchriften. IL Erzählungen.

1. Trudchen, das Waifenfind. Cine Erzählung von Richard Baron.

Verlag von Eduard Trewendt in Breslau. 75 Egr.

Die Erzählung tbeilt uns die Lebensihidjale eines jungen Mädchens, der Zochter eines polnifhen Edelmanns, welcher im Aufftand feines Boltes gegen Rußland ums Leben kam, mit. Aud die Mutter verliert auf der Zludt das Leben. Das hülflofe, noch nicht einjährige Trudchen findet in der Familie des guten Paftor Holm liebevolle Aufnahme. Auf wunder: bare Meife finden ſich enplich die Angehörigen des Kindes. Abgeſehen von einigen Unmwahrfceinlichleiten (Unverlegtbleiben des Kindes bei ber Schlittenaffaire und diefe felbft) ift die Erzählung durdaus lebensvoll und interefiant. Die Charaktere, welche darin auftreten, find vortrefflid gezeich⸗ net. Das Buch ift namentlich für die weiblihe Jugend zu empfehlen.

2. Der Regerlönig Zamba, eine Sclavengeſchichte. Seitenſtück zu On⸗ tel Zoms Hütte Aus dem Engl. bearbeitet von Dr. C. G. Bart. 2. Auflage. Sıuttgart, I. F. Steinfopf, 1865. 15 Egr.

Diefe zuerft im Jahre 1853 in deutſcher Sprache erſchienene Grzäh- lung giebt uns das Lebensbild eines in Gefangenſchaft und Sclaverei ges rathenen Negerhäuptlings. Der Berfafler nennt die Erzählung ein Seiten: ſtüd zu Onkel Toms Hütte. Wer nun aber erwartet, einen Roman, ähn⸗ ih dem erwähnten von Mr. Stove, in diefem Bude zu finden, ber wird fich getäufcht ſehen. Wir begreifen in der That nit, wie der Bes arbeiter dazu kam, dieſe Bezeihnung mit auf das Titelblatt zu feben, da 077 Grählung mit Onlel Tom nichts weiter gemein bat, als daß

Jugend- und Volksſchriften. 361

ſie auch, wie dieſes, eine Selavengeſchichte iſt. Die Erzählung iſt in den bekannten Miſſionsſchriftenton geſchrieben, welche die Barthſche Jugend⸗ zeitung charakteriſirt. Anhaͤnger dieſer Richtung werden die Schrift mit Intereſſe leſen.

3. Bas der Menſch ſäet, das wird er auch ernten, von Richard

Baron. Breslau. Eduard Trewendt. 74 Sgr.

Dieſe Erzählung ſteht der oben genannten etwas nah. Wir beſtreiten die Swedmäßigfeit, jungen Lefern fo verichmigte Charaktere vorzuführen, wie den Branz in diefer Erzählung, zumal fie Gottlob im Leben ſehr jelten vorlommen. Die Charatteriftit des Ernſt ift vorzüglih gelungen. Der Berfaffer bat ſich die verfchiedenen Situationen Mar vorgeftellt und fie gleihjam abgezeihnet. Das dargeftellte Verhältniß des Knaben zu feiner Mutter ift wohl geeignet, jugenplihe Herzen für ein ähnliches Verhaͤltniß zu begeiftern. Die Schrift ift empfehlenswerth.

4. Sei willkommen! Drei Erzählungen von Dom Prohl, mit 6 Bil bern, in lithographiſchem Farbendrud von Louiſe Thalheim. Breslau, Eduarb Trewendt. 1865. 1} Thlr.

Wir haben alle drei Erzählungen mit Intereſſe gelefen. Die Palme gebührt der Erzählung ‚das Baterhaus.” Die Erzählungen eignen ſich für die reifere Jugend, insbejondere für Mädchen.

5..Der Taubſtumme. Eine Erzählung für bie Iugenb und beren Freunde

von Mobert Riedergeſäß. (8. 173 ©. mit 1 Holzſchn). Wien, U.

Pichler'ſs Wwe & Sohn. 1865. cart. 3 Thlr.

Der Berfafier erzählt uns die Lebensihidjale zweier Brüder, deren einer taubftumm if. Die Kinder werben durd eine Bigeunerbande geraubt und kommen, der eine nach Berlauf von einigen Jahren, der andere erft im Munnesalter, ind Elternhaus zurüd. Was die Ausführung anlangt, fo bemerfen wir mit Freuden, dab die Erzählung im Oanzen als gelungen bezeichnet werden darf. Der Schluß ift etwas künſtlich. Der Titel paßt nicht bejonders zum Bude, indem gerade der Taubftumme quantitativ ges gen feinen Bruder fehr zurüdtritt. Für Norbdeutiche ift die Orthographie ftörend: Wirt, Tränen, Sonnenftral ıc.

6. Die Shwalben. Eine Erzählung für bie reifere weibl. Iugenb von

Hedwig Gaede. 8. (184 ©.) Berlin, Guſtav Neumann. 1865. 18 Ser.

Die Berfafierin will uns mit dem Leben zweier Familien, einer reis hen und einer armen, belannt mahen. Sie f&hlägt den eigenthümlichen Meg ein, dies durch die gegenfeitigen Erzählungen benachbarter und bes freundeter Schwalben zu thun. Für die Sade felbft wird dadurch natür⸗ (ih nichts gewonnen. Die einzelnen naiven Bemerkungen der Schwalben haben feinen Werth. Biele Shwierigleiten bietet aber der Weg. Die Schmalben find belanntlid Zugvögel. Was nun während ihrer Abweſen⸗ beit geſchieht, bringt uns entweder die Berfaflerin, oder die Schwalben ers’ fahren es nachtraͤglich und erzählen e6 uns dann. Viel befier wäre es

362 Jugend⸗ und Bolfsichriften.

geweien, wenn die Schwalben ganz aus der Geſchichte weg geblieben wären, Die Geſchichte ift fo intereffant, und die Berfafferin legt fo viele Proben . ihrer Begabung an den Tag, daß das Buch, in der von und vorgeſchla⸗ genen Weije bearbeitet, ungetheilten Beifall würde gefunden haben.

1. Robinfon Erufoe, des Welteren Reifen, wunberbare Abenteuer und Cxr- lebniſſe. Nen bearbeitet von Ludwig Hüttner. ingeführt burd eine Geſchichte der Nobinſonaden, fowie eine Lebensjtigge von Daniel be Fos, dem Berfafler des älteften Robinfon, von Dr. C. F. Laudharbt, Groß berzogl. Sachſen⸗Weimar. Schulrath. Prachtausgabe. Zweite, verb. Auflage. Mit vielen Abbildungen. Leipzig, Otto Spamer. 1866.

Diefe Schrift ift bereits im 15. Jahrgange des Jahresberichts ange zelgt und befprochen worden. Die raſche Folge der zweiten Auflage bes ftätigt das dort ausgefprochene lobende Urtheil. Wir find überzeugt, daß fih das Buch auch fernerhin viele Freunde erwerben with.

8. Die Meine Robinfon. Oder: Wunderbare Schickſale einer jumgen Schweizerin, für die weibliche Jugend. Bon Dr. 2. Hibequ. Mit einem Zitelbilde. 8. (200 ©.). Berlin, C. A. Ed. Meyer. cart. 15 Ggr. Ein junges Mädchen, Tochter reicher Eltern, hat eine ſtrenge Erziehe⸗ ein. Aus Rache verleumdet fie diefelbe, fürchtet aber die Zolgen und ent läuft. Sie fällt Seiltänzern in die Hände, bleibt indeß nur wenige Gtun- den bei ihnen und findet dann Gelegenheit zu entfliehen. Bon mitleidigen Menihen mit nach Hamburg genommen , dient fie dort als Kindermädchen; fie verkleidet ſich als Knabe, nimmt Schiffsdienſte an und ſchifft fih nad Oſtindien ein. Auf der Hüdreife wird das Schiff ſchadhaft. Unna, als Matrofe Dres genannt, ſetzt mit dem Kapitain, behufs einer Recognoſci⸗ ung an eine Heine Inſel. Während ihres Verweilens dafelbft kommen Seeräuber und nehmen das Schiff weg. Die beiden Menſchen führen kurze Zeit ein Leben & la Robinfon. Eines Tages verjchwindet der Kapitein beim Baden. Dres fest ihm ein Denkmal und findet bald darauf Gele genbeit, mit einem Schiffe nah Amerila zu entlommen. Das Schiff ver brennt in der Nähe des Landes. Dres wird von wohlwollenden Den- ſchen mit nah Mocca genommen. Dort des Diebftahls angeklagt, kommt fie ins Gefängniß; fie entflieht und fchließt fih einer Karavane an, vie nah Mecca und Medina reift. Eie zieht mit einer zweiten Karavane nad Jerufalem. Dort kommt fie in große Noth, fie trifft aber den gutem Grafen Sternfeld, und reift mit ibm nad Ronftantinopel und Rom, und von bort in die Heimath zurüd. Hier trifft Anna ihren alten Kapi⸗ tain, in Nom findet fie ſchon ihre ehemalige Erzieherin.

Man fieht, der Verfaſſer hat Phantaſie. Das ift aber auch Alles. Die gröbften Unwahrjceinlichleiten jagen einander. Dazu noch die Menge der naturgefchichtlihen Schniger. Das Buch ift natürlich nicht zu empfehlen.

9. Ein gutes Herz.

10. Kleine Berjäumniffe. 11. Glüdswegjel. 12. Bdjeg Gewiſſen.

Sugend= und Bolksichriften. ah?

13. Der Vaſcherjunge.

Erzählungen von Franz Hoffmann. Stuttgart, Schmibt & Spring. 1866.

cart. & 4 Thlr. |

Die Erzählungen von Franz Hoffmann können füglih Jugendromane genannt werben. Sie fcheinen nur den Zwed zu haben, ben Leſer für kurze Beit zu unterhalten. Der Verfſaſſer verfteht es, die Situationen jo zu verflehten, daß fie den Leſer ſpannen. Nicht aber verfteht ed ver Ver: fafler, Perfonen fo zu charakteriſiren, daß fie dauernd unfer Intereſſe in Anfpruh nehmen. Die Gejhichte wird mit Wuth gelefen und vergejien; denn das müßte ein bornirtes Kind fein, welches die Erfindung an den Hoffmannihen Erzählungen nicht merkte. Auch die Sentenz der Erzählun: gen ift verwerflih. Der gute Menjch hat allerlei zu leiden, böfe Menſchen ereiten ihm allerlei Herzeleiv. Endlich fiegt die Tugend und ihr Lohn ift Reichthum und Erdenglück. Möchte der begabte und talentvolle Schrift: fteller doch endlih eine andere Bahn einſchlagen. Er hat durchaus Talent, interefjant darzuftellen. Wir empfehlen ihm, Stoffe aus der Geſchichte zu entnehmen und fie wahr und lebensvoll für die Jugend zu bearbeiten.

Mas die Stahlftihe anlangt, welche den obengenannten Büchern beis gegeben find, fo begreift man oft nicht die Ungefhidlichleit, mit welcher die Situationen gemählt und aufgefaßt find. u

14. Erzählungen für die weibliche Jugend von Eharlotte Späth. Zweite (Titelj- Auflage. 8. (III u. 298 ©. mit 5 Stablfidhen u. Titel in Stahiftih). Leipzig, Emil Berndt. 1866. Im engl. Einb. 14 Thlr. Das Buh enthält 9 Erzählungen. Diefelben erjcheinen hier nit

zum erften Male im Drud, fondern find von ber Berfaflerin aus Zeitjchrif:

ten mit dem Wunſche zufammengeftellt, „daß injonderbeit der Herr feinen

Segen darauf legen möge, und daß durd fie ein Körnlein auf dem großen

Felde der innern Miffion ausgeftreut werde.’ Man erkennt aus dieſen der

Borrede entnommenen Worten, melden kirchlichen Standpunkt die Verfaſſe⸗

rin einnimmt. Freunden diefer Richtung kann das mit Gejhid gefchriebene

Buch empfohlen werden.

15. Nah der Arbeit. Erzählungen für die reifere weibliche Jugend von Elara Ernft. 8. (140 ©.). Stuttgart, Schmidt & Spring. cart. 27 Sgr. Sechs Erzählungen. Sie enthalten Skizzen aus dem Leben, und ſind wahr und anfhaulih erzählt. Die begabte Verfaſſerin verſteht es, die Herzen der Lejerinnen zu feileln, und weiß ihre Erzählungen jo anzulegen, daß aus ihnen Manches gelernt wird, ohne daß der Leſer auch nur im Geringften die Abfiht merkt. Wir empfehlen das Buch namentlih für Töchter über 15 Jahren. Ä

16. Bas ans einem Hirtenbüblein werben kaun. Mit 4 Abbild. im Stahlſtich. 16. (124 S.)

17. Die Belzjäger der Hubfonsbaicompagntie Mit 4 Abbilb. ir Stablſtich. 16. (112 ©.) Be gen von W. DO. v. Horn. Wiesbaden, Iulius Niebner. cart.

364 Jugend- und Volksſchriften.

Der fleißige Verfaſſer bietet bier wieder zwei kleine Bänbdhen bar, welche von der ‘jugend gewiß mit derjelben Freude werden aufgenommen werben, wie die zahlreihen vorhergehenden. Bei mandyen fehr productiven Schriftſtellern kann man es nicht loben, daß fie jährlih eine größere Zahl von Jugenderzählungen bringen; bier freut man ſich. Hom griff früh ge nug in die reale Wirklichkeit, er entnahm feine Helden der Geſchichte alter und neuer Beit. Die ihm zu Gebote ftehende Kunſt, die Charaktere wahr und interefjant zu zeichnen, bürgt für Lejer. Berfafler konnte es verſchma⸗ ben, Situationen zu erfinden, fie ergaben fih ihm von ſelbſt. Horn's Schriften haben vor vielen andern den Borzug ftrengiter Wahrheit, Harfter Darftellung und anſchaulichſter Charakteriftit der Perſonen. Pr. 16 erzählt uns die Lebensgefhihte Dupals, Wegründers und erfien Auffehers der weltberühmten kaiferlih öftere. Münzfammlung, der Inhalt von Nr. 17 ergiebt jih aus dem Titel. Beide Hefte lönnen empfohlen werden.

18. Der Schatten bes Kreuzes. Aus dem Engl. von W. Adams. 4. Auflage. 16. (60 ©.). Berlin, Juſtus Albert Wolgemuth. 5 Sgr. Ein Schrifthen im Styl der Tractäthen und Miffionsichriften. Da wir dergl. Sahen eher für nachtheilig, als fürdernd halten, fo können wir das Heft nicht empjeblen.

19. Nazi, ber Geißbub. Ein Bild aus ben Salzburger Alpen, gr. 16. (104 6). 20. In Ungarn. gr. 16. (122 ©.)

. Was bie Natur ben Kindern erzählt. gr. 16. (116 &.). Erzählungen für Kinder von 8— 14 Yabren von Franz Wiedemann. 9—ı1. Bändchen von Wiedemanne illuftr. Bibliothek für die Jugend. Dres den, Louis Ehlermann. geb. & 10 Sgr.

Recht empfehlenswerthe Bücher, die von der jugend dankbar werben aufgenommen werden. Nazi it ein vortreffliher Typus eines armen, aber rechtihafinen Buben, der fhon in der jugend lernt, auf eignen Füßen geben. Staffage bieten die Alpen, welche vortrefflich befchrieben und ge f&hildert find. Nr. 20 wird dem jugendlichen Lejer wohl zuweilen eine Gaͤnſehaut jchaffen; da indeß nichts Webertriebenes vorlommt, jo läßt fi Nichts dagegen erinnern. Nr. 21 richtet das laufchende Ohr und ſuchende Auge des Kindes auf die Natur. Es giebt dort viel zu beobadhten. “Der Berfafier weiß es, und er leiht dem jungen Naturfreunde willig feine er fahrene Führerhand.

22. Geſchichten bes Pfarrers Siebentifh von K. Stöber. gr. 16. (128 S.). Stuttgart, 3. F. Steintopf. 1865. cart. + Thir.

Der Titel paßt nicht zum Buche. Daſſelbe enthält Mancherlei, unter Anderem auch Erzäblungen des Pfarrers Siebentiid. Der einheitliche Faden fehlt. Stöbers Schriften zeichnen fi jonft duch Originalität und einen eigenthbümlichen, zumeilen etwas derben Humor aus. Davon bat auch dieſes Bändchen Beifpiele aufzuweiſen. Das Buch ift Alt und Jung zu empfehlen.

Jugend- und Bollsichriften. 365

23. Der Seidenmweber Eduard Danbitz. Aus. ber Belagerung von Nörb- fingen 1634. Zwei Erzählungen von K. Wild. gr. 16. (152 ©.) Stutt⸗ Hart, 3. F. Steinkopf. cart. 7} Sgr.

Ein vortrefflihes Bud. Die erfte Erzählung theilt bie merfiwürbigen Erlebnifle eines Webergejellen mit. Derfelbe bereift Frankreich, tritt dort in die deutjche Legion ein und macht die Reife nad Algier mit. Die Erzählung ift durchaus frei von allen romanhaften Webertreibungen, und haft. nicht nah Effelt auf Koſten ber Wahrbeit. Die zweite Erzählung ftebt der er: fien nit nach; fie iſt, wie aus dem Titel erfihtlih, eine biographijche Darftellung aus der Beit des breißigjährigen Krieges.

24. Alte Geſchichten aus dem Speſſart von K. 9. Caspari. 3. Auflage, 25. Zu Straßburg auf ber Saanı Dorffagen. ah 9. Cas-

Yart. 3. Auflage. Stuttgart, 3. F. GSteinlopf. & 74 ©

Gaspari war Prediger auf der Kanzel und als —— Seine Lebensbilder find Predigten, wozu ihm die Wirklichkeit den Text giebt. Ohne in frömmelnde Salbadereien zu verfallen, zeigt er Gottes Walten in den Geſchicken der Menihen. Seine Schriften verdienen bie märmfte ‚Smpfeblung.

26. Aus dem Bolfsleben. Erzählungen für bie Jugend von J. U Mob:

pamer. gr. 8. (246 ©. mit 1 Holzfohnitttafel.) Wien, A. Pichlers Wwe. Sohn. 16 Sgr.

Der Verfaſſer bietet «Meine moraliihe Erzählungen im Vollston bar.

Die Darftellung ift gut. Manche der Leinen Geſchichten find aber recht

fade und entbehren der Pointe. Das Bud ift für kathol. Leſer gejchrieben.

27. Des Leinen Albert Reue von Emma gran. 8. (130 ©. mit 1 Holzſchnitte und 3 color. Bildern.) Wien, U. Pichler Wwe. & Sohn. cart. 3 Thle.

Unter obigem Titel erzählt die Verf. eine Reihe Kleiner anziehender Geſchichten, welche einen Einblid in verſchiedene Familien gewähren. Etwas ſtörend ſind die vielen Provincialismen (Jauſe? „ich aber kenne mich in Allem aus,“ ſtatt ich bin geſchickt genug, mit Allem fertig zu werden). Auch die Orthographie iſt bedenklich: Kafeh ſtatt Caffee, Schämel ſtatt Schemel, Sofa, Sofie ꝛc. Jugendſchriften müſſen in jeder Beziehung cor⸗ rect ſein, und neue Orthographie durch Jugendſchriften einführen wollen, halten wir für ein verfehltes Unternehmen.

28. Theodor, das Muſter eines Sohnes, der ſeine Eltern liebte und ehrte und bem es daher wohl ging auf Erben. Moraliihe Erzählung jr bie reifere Jugend. rei nad dem Wranzöflihen bearbeitet von H. 2. Auflage. Mit 1 Stahlſtich. 12. (191 ©.) Augsburg, B 5. Same: Berlagsbuhh. 12 Sgr.

Der Berfafier verfällt in den gewöhnlichen Fehler orthodorer Jugend⸗ ſchriftſteller. Er legt Kindern Worte in den Mund, welche ſelbſt von Er⸗ wachſenen geiprohen das Prädikat überfchwenglih und raffinirt verdienen. Obwohl der Verlauf der Erzählung im Großen und Ganzen interefjant und

368. Jugend⸗ und Volksſchriften.

Nesen und Munde uhtspranck, up datt He ersticken scholde,. wente He sach woll, datt He von so fehle Wunden nicht sterfen konde, daerna richteten se de Ledderen up, do settede ehner de Ledderen an siene Hellebaerden, und woldede de uprichten helpen, wente, se hadden nenen Boedel, des gled de Ledderen van de Hellebar- den aff, und stack dem hilligen Marterer mitten dorch, und wur- pen ehme also up datt Holt, afers de Ledder sprang wedder uht dem Fuere toer Sieden aff, to leep Johan Holm toh und schloeg ehme mit den Fuesthaemer so lange up de Brust, datt; He sterf, und braeden ehme also up de Koelen, wente datt Holt, wolde. nicht brennen, also handelden se Broeder Heinrich ump der Wahr- heit willen *).“

Auch Luther jagt: „Hinrich von Süppben, Evangeliſcher Prediger gu - Bremen, ift nicht mit einem Feuer, oder einer Art des Todes, durch die Dithmarſiſchen Beftien getödtet worden. Was nun Smibt's Darflellung im Ganzen anlangt, jo verbient fie alles Lob.

33. Lebensbilder. Eine Weihnahtsgabe für junge Mädchen von &. Ybb-- ner. Hamburg, Hermann Grüning, 1866.

Die 4 Erzählungen werden namentlih von ber reiferen weiblichen Jugend gern gelejen werben.

II. Bilderbücher.

34. Rehmt’s zu Herzen! Ein Ziehbildberbuh mit Verwandlungen für ie liebe Sagen: „12 fein colorirte Bilder nah Original-Eompofitionen von —* . Häberlin. Verlag von J. F. Schreiber, Eßlingen. 1 Xhir.

gr.

Die Einrichtung dieſes Buches iſt originell. Die ſechs Bildertafeln find ſo eingerichtet, daß vermittelſt einer Ziehſcheibe raſch ein anderes Bild

2) Lautet in ber Ueberfegung: Das Feuer aber wollte nicht brennen, jo oft fie es auch anziindeten. Nicht wenig übten fie ihren Muthwillen an Heinrich, fie ſchlugen ihn mit Hellebarden und Stıöden. Dies bauerte wohl 2 Stunden, während ber Zeit ſtand Heinrich bis auf's Hemde nadt vor dem Feuer mit gen Himmel erhobeuen Augen. Endlich nahm man eine große Leiter und band ihn feft Darauf. Site wollten ihn fo in's Feuer werfen. Setzt fing Heinrich an, von feinem Glauben zu ſprechen; ba ſchlug ihn einer mit einem Fauſihammer anf den Mund und ſprach zu ihm: „Erſt brenne, hernach magfi du lejen, was du willſt.“ Dann trat einer mit dem Fuß auf Heinrich's Bruſt und band feinen Hals fo ſehr an die Sproſ⸗ fen der Leiter, daß ihm das Blut aus Nafe und Mund fprang. Dies geihab, um ihn zu erfliden, denn man ſah wohl, bafj er von ben vielen Wunden nicht ferben konnte. Darnach richteten fie die Leiter auf und es fegte einer feine

ellebarde an bie Leiter, um fie fo mit aufgurichten, in der Meinung, Heinrich ei ja nur leiht; aber bie Leiter gi von ber Hellebarbe ab, und dieje Bach den heiligen Märtyrer mitten durch. Setzt warfen fie ihn auf dae Holy; aber die Leiter Iprang wieder aus bem Feuer zur Seite ab. Da lief Johann Holm bin und ſchlug ihn mit dem Fauſthammer fo lange auf die Bruſt, daß er ftarb. Dann brieten fie ihn auf den Kohlen, aber das Holz wollte nicht brennen. So banbelten fie an Bruder Heinrih um ber Wahrheit willen.

Sugend= und Volksſchriften. 869

gezogen werden kann. Die Doppelbilver find Gegenftüde, d. h. dad eine ftellt das Gegentheil vom andern dar. Jedem Bilde find einige Reimverfe in kindlicher Sprache beigefügt. Dieſe bemeglidhen Bilder gewähren Beinen Kindern geoße Freude, nur fürchten wir, daß fie nicht haltbar genug find. Auch der Preis ift hoc.

35. Bilder⸗Geſchichtchen für kleine Kinder. Mit 47 fein colorirten, „bom Maler Bolt in Nörblingen componirten Bildern, nebſt kindlichen + Reimen von Carl Thienemann. 2. Aufl. qu. 4. (12 colorirte Stein- "tafein.und- 1 Blatt Text.). Eßlingen, Schreiber. cart. 114 Sgr. Diefes Buch ift für das erfte Kindesalter beftimmt. Die hübſchen Bilder werden gewiß das Kind erfreuen. Die Reime find in kindlicher Sprache geſchrieben. J

36. Aus der Kinderwelt. Ein Bilderbuch für junge Kinder von Ottilie WWildermuth. Mit 12 colorirten Bildern von Guſtav Süß und erh. Ro part Zweite, um das Doppelte verm. Auflage. qu. 4. (IV und 75 ©.). Stuttgart, bei A. Krabbe. cart. 1 Thlr. 12 Sgr. Recht anziebend gejchriebene und im kindlichen Ton gehaltene Erzähs lungen, welche Kindern etwa im Alter von 8 Jahren viel Freude machen werden. Der Styl ift Inapp und dabei durdaus edel. Lefeftoffe dieſer Art werden nit verfehlen, die. jpradhliche Ausbildung der Kinder in vors sügliher Weile zu fördern. Die Abbildungen find recht gut.

37. Des Kindes Heimath von Thekla Naveau. Mit 12 Bildern, gezeich⸗ net von Julius Hoffmann. Stuttgart,‘ Gebr. Sceitlin. cart. 14 Thlr.

ol. 2 Thlr.

Der Inhalt des. Buches fällt unter folgende Ueberſchriften: Nahrung, Kleidung, Wohnung, Hausthiere, Garten, Wald, Winter, Sonne, Wafler, Familie, gemeinfames Spiel, die Nat. Jedes Kapitel hat ein fauberes Zondrudbild. Es finden ih Sprüche, Verſe, Beiprehungen der Bilber, fleine Erzählungen, Lieder zc. unter jeder Nummer. Das Ganze ift mit Geihid zujammengeftellt, und wird der Mutter eine willlommene Hülfe und Vorlage, dem Rinde eine Freude fein.

38. Zehn Thiergeſchichten mit Bildern für Peine Knaben und

.... Mädchen. Gezeichnet und herausgegeben von Heinrich Zeutemann. qu. gr. 4. (21 ©. mit eingedruckten Holzichnitten.). 4. Auflage Leipzig, 8. Schlicke. 10 Sgr. color. u. cart. z Thlr. |

: Bu. belannten Ihieranelvoten liefert bier der geniale Thiermaler

Leutemann Suuftrationen. Der Name des Herausgebers läßt Bebeutendes

erwarten. Wer das Hefthen in die Hand nimmt, wird feine Erwartungen

nicht getäufcht ſehen und fi daran ergögen.

II. Geſchichte.

39. Der Auffland zu Katro. Hiftoriihe Erzählung aus dem Feldzuge Bo» naparte's in Aegypten im Jahre 1798. Kür die Jugend bearbeitet von Dr. ©. Kletke. 8. (164 S.). NeusRuppin, Dehniigle. 124 Sgr.

PD. Jahresbericht. XVIIL 24

370 Jugend- und Volksſchriften.

40. Die 3 Könige von Jeruſalem. Hiſtsriſches Gemäſde aus ben Zeiten ber Kreuzzlige. Für die Jugend bearbeitet von Dr. &. Kletke. Reau- Auppin, Verlag von A. Oehmigke. 124 Ger.

Beide Schriften gewähren einen Maren lieberblid über die behandel⸗ ten Zeiträume und geſchichtlichen Thatſachen. Nr. AD beſchraͤnkt fi auf die Durftellung der Greigniffe. In einem hiftoriihen Lehrbuche billigen wir das. Ein Werk aber, welches einen Abſchnitt aus der Geſchichte behan⸗ belt, thut wohl, den geſchichtlichen Vorgang aud in feinem culturhiftoris ſchen ie barzuftellen. Namentlich, wenn es ein epochemachendes Greig- niß iſt.

41. Konradin, der legte Hohenſtanfe. Eine geſchichtliche Erzählung für die Jugend —8 on Guftav Oppermann. iso) Reu- Ruppin, Alfred Oehmigke. 12; Ser.

Ein dankbarer Stoff. Mit dem jugendlichen und ritterlichen Kon⸗ radin gehen von vorn herein die Sympathien jedes deutſchen Knaben. Die Darſtellung iſt gut, einfach und edel. Das Buch kann daher empfoh⸗ len werden.

42. Deutſche Lieber zur dentſchen Geſchichte. Mit kurzen Erläuterum- gen. gr. 16. (136 ©.). Stuttgart, I. F. Steinkopf. 74 Ser. Eine recht pafiende Auswahl. Die Erläuterungen find fahgemäß und mit Geſchick abgefaßt. Die prägnante Kürze derjelben hat der Deut: lichleit feinen Abbruch gethan.

43. Die Eroberung von Konflantingpel. ine Geſchichte, dem Volke und ber Jugend erzählt von W. D. v. Horn. Mit 4 Abbildungen in Stahlſtich. 16. (105 ©.) Wiesbaden, Niedner. cart. 74 Sgr.

44. Die Kaiferin Maria Tberefia. Ein LFebensbild, dem Volle unb ber Jugend dargeftellt von W. D. v. Horn. Mit 4 Abbildungen in Stahl⸗ Rid. 16. (126 5) bp. cart. 74 Sgr.

45. Der alte Fritz, ber Held und Liebling des deutſchen Volles, Kür bie Jugend und das Volk dargeftellt von W. D. v. Horn. Mit 4 Abbildun- gen in Stablitih. 16. (184 ©) Ebend. cart. <4 Sr.

Ueber Horn’s Schriften haben wir bereits oben ein günſtiges Urtheil abgegeben ; wir fünnen dafjelbe hier nur wiederholen. Die einfadye ſchmud⸗ loſe Darftellung, verbunden mit einer durchaus richtigen Vertbeilung von Licht und Schatten, endlich aber die wahre und richtige Charalteriſtik der Berjonen fihern dem Berfafler dankbare Leer.

46. Die alte Geſchichte bis zu ben Berferkriegen den Kindern erzühl

von Dr. Hermann Adelberg. Erlangen, Andreas Deichert, 1966.

Es war das Beſtreben des Verfaſſers, die Geſchichte der alten Völ⸗ fer, deren Belanntichaft die Kinder in der heiligen Schrift ſchon gemacht baben, der Jugend jo zu erzählen, daß fie nit nur ein anſchauliches Bild von Pand und Leuten der alten Welt erhalte, fondern aud den Zuſam⸗ menbang der Gedichte der letzteren mit derjenigen des Bolkes Iſrael voll:

Jugend- und Volksſchriften. 371

ſtäͤndiger erfaſſe und die Uebereinſtimmung ihrer Geſchicke mit dem Worte Gottes tiefer erlenne. Dieſes Beſtreben hat nun weiter keinen Einfluß auf bie Erzählungen gehabt, als daß der Verſfaſſer von Zeit zu Zeit einige er⸗ bauliche Betrachtungen einſchaltet. Das Buch unterfcheidet fi fonft von den vielen Geſchichtsbüchern, welche Charalterbilver der Völker geben, nicht weſentlich.

47. Thaten und Schickſale. Bilder und Skizzen aus ber deutſchen Ge⸗ chichte. Der Jugend gewidmet von J. Priem. Mit 6 fein colorirten (ithographirten) Bildern. 8. (VI u. 176 S.). Nürnberg, Rob. Koenecke, 1866. cart. I Thlr.

Das Buch enthält abmwechjelnd Völkergeſchichte und Biographifches.

Es iſt im Ganzen interefjant gefchrieben und wird Knaben im Alter von

10—12 Jahren eine willlommene Gabe fein. Der legte Abjchnitt „Forts

jchritte des Menſchengeſchlechts“ hat wegen der großen Lüdenhaftigleit nur

geringen Werth. Bom Titelblatt müſſen wir in Bezug auf die Bilder das.

Mörtchen „fein“ wohl ftreiden.

48. Sieben Jahre ſchwerer Zeit. Eine geſchichtliche Erzählung aus ben Tagen der Frembherrihaft für Jung und Alt von Dr. Chriſtian Möt. Caſſel, C. Lucdhardt. 10 Sgr.

Die Drangſale und Noth der Heſſen in den Jahren 1806—13 bat der Verf. in getreuer und lebenswahrer Weife erzählt. Das Buch ift mit Märme gefchrieben und verdient alle Beachtung. Fern von allen Ueber treibungen läßt der Verf. Ihatfahen reden. Ein ſolches Bud ift wohl geeignet, das Herz der heranwachſenden Generation für die Thaten ber Bäter zu entflammen, und daher darf ed namentlich zur Anſchaffung für Jugend⸗ und Volksbibliotheken warm empfohlen werden. Die Ausftattung it ſehr mäßig.

49. Der große König und fein Recrut. Lebensbilder aus ber Zeit bes fiebenjährigen Krieges. Unter theilweifer Benutzung eines biftoriihen Ro⸗ mans von A. H. Brandrupy. Kür Volk und Heer, insbefondere für bie vaterläubifche Jugend bearbeitet von Franz Otto. Dritte, durchgeſehene Auflage. In 2 Theilen. Mit 8 Ton» und Buntbrudbildern, fowie 120 in den Text gedrudten Sluftrationen. Leipzig, Otto Spamer, 1866. 13 Thir., in engl. Einb. 2 Thlr.

Kernpunkt des Buches ift die Gefhichte Friedrich! des Großen. Der ‚Recrut nimmt Theil an den verjchiedenen Feldzügen des großen Königs, geräth dabei in ruſſiſche Gefangenſchaft, und mird nad erlangter Freiheit ein bedeutender Kaufmann. Die verjihiedenen Kriegsfahrten geben Veran⸗ lafjung zu Schilderungen öfterreihifher und rufjisher Länder. Das Bud gewährt fleibigen Knaben gewiß eine angenehme Lectüre. Einige Barthien find etwas breit angelegt, Die Ausftattung iſt vortrefflich.

50. Geſchichten aus ber Geſchichte. Belehrende Erzählungen von Friedrich Örner, Director und Profeſſor an der Handelsalademie zu Peſth. Crfter Theil. Mit 4 (tithogr.) Illuſtrationen. hoch 4. (VI u. 226 ©). Dres⸗

ben, Meinhold u. Söhne, 1865. cart. 1 Thlr. 6 Sgr.

24”

372 Jugend» und VBolksichriften.

Die Schrift enthält in fieben Abteilungen : Griechiſche Heldenjagen. Altafiatiiche Königsgefhichten. Griechiſche Heldengeſchichten. Römiſche Kö⸗ nigs- und Adelsſagen. Römiſche Kaiſergeſchichten. Deutſche Götter⸗ und Helvenfagen und Heldengeſchichten. Gothiſche, vandaliſche, longobardiſche und nordiſche Heldengeſchichten.

Das hier im Allgemeinen bezeichnete Material iſt ſchon unzählige Male für die Jugend bearbeitet worden, auch ungefähr in dem hier belieb⸗ ten Umfange; der Verf. glaubt jedoch einen neuen Geſichtspunkt für die Bearbeitung gefunden zu haben; er will durch die Geſchichte die Jugend zu dem „unerjcütterliben Glauben an eine böbere fittlihe Weltorpnung, welhe dem Recht und der Wahrheit ftetd den Eieg verleiht, fei ed aud nad) langen ſchweren Kämpfen“, führen, ein „lebenviges ſittliches Gefühl, felbft- bewußte Religiofität und mannbafte Geſinnung in ihr weden.“ Solde Zwede ſeßen jih aber wohl alle wohlmollenden Jugendſchriftſteller, wenn fie hiſtoriſche Darftellungen wäblen, ja der GHejchichtsunterricht an und für ſich ſetzte fie ſich. Mie der Verf feinen Zmwed zu erreihen ſucht, ift fhon aus den von ihm gewählten Ueberjchriiten einigermaßen zu erſehen. Statt die Namen feiner Helden dazu zu verwenden, wie es offenbar am natürlicjten ift, alfo zu ſchreiben: König Rampjinit, König Sefoftrie, Statthalier Pjametih u. |. w., jest er: „Reihtbum macht nicht glüdlid.” „Der Ruhm des Eroberers.“ „Unrecht But gedeihet nicht“ u. ſ. w. In demjelben Sinne verſchmäht er es au, die Erzählungen fofort mit Thatſachen zu beginnen, wie die Jugend jie gern vernimmt ; er fängt vielmehr mit moraliſchen Auseinander: jekungen an, etma von der Art, wie Campe’d Robinfon fie bat und von denen Jeder aus eigener Erfahrung weiß, daß die Jugend fie überjchlägt. Als Probe geben mir die Einleitung zu der Erzählung des reichen, geizigen Königs Rampiinit.

„Wenn der Raufmannslehrling früh in's Geſchäft, wenn der Meifier und Gejelle mit Tagesanbruch wieder an die Arbeit gehen, und wenn der Schulfnabe feine Bücher und Hefte, nachdem er faum mit Bebagen den Morgentaffee getrunfen bat, zufammen fuchen und nah dem Schulhauſe wandern muß: da denten wohl Alle: Da droben der reiche Heinze hat es doch befier ; denn der kann ſchlafen, fo lange es ihm beliebt, kann fpazie- ren geben, wann und wohin er will, kennt feine Sorgen und fann ſich fein Leben auf jede Meife angenehm maden. Nicht obne Mißgunſt ſehen Lehrlinge, Meifter und Schulfnaben hinüber nad den niedergelafjenen Rous leaur, auf die ſchöne Landſchaften gezeichnet find, fo daß es fi binter ihnen ganz befonders angenehm ſchlafen muß. Wie gut hat es doch ein Reicher! feufzt der Lehrjunge, wenn er in fein trodenes Brod hineinbeißt ; hätteft vu doch nur einen Heinen Iheil won Heinze's Vermögen, denlt der Meifter, damit dich nicht immer die Sorgen plagen, woher du Kleidung für dich und deine Rinder nehmen folljl, und der Schulknabe denkt: Wenn du reich mwäreft, brauchteſt du nichts zu lernen und feine Aufgaben aus zuarbeiten, dann mwürdeft du Reifen unternehmen und ſchöne Geſchichtsbücher lefen, um dir die Zeit zu vertreiben.”

„Die Welt beneidet den reihen Heinze, fie ahnt aber nit, melde Sorgen ihn peinigen, damit er um fein Geld nicht betrogen, damit es ihm

Jugend- und Volksfchriften. 373

nicht geftoblen ober er ſelbſt wohl gar bes Geldes wegen ermorbet werde, Und da er den ganzen Tag nichts zu thun bat, fo verfolgen ihn ftets die Sorgen um fein Geld, daß er kaum zur Ruhe kommt. Wie menig Reid): thum fähig iſt, den Menfchen glücklich zu machen, das lehrt uns die Ge ſchichte des aͤgyptiſchen Könige Nampfinit, der wor mehreren taufend Jah⸗ en lebte und allgemein für den reichften König der Welt galt.“

Das geht no über Campe und meit, weit über Gellert, ver für feis nen „Damokles“ mit ſechs Zeilen Gröffnungsmoral auszureihen glaubt und auch wirklich mehr als ausreiht. Wir haben dem Verf., ver Ges legenbeit hatte, eigene und fremde Finder zu beobadhten, mehr Renntniß der Kindesnatur, mehr pädagogifhen Tact zugetraut. A. 8,

51. Charaktterbilder ans der alten Welt. Nah den Quellen entwor⸗ fen von Prof. Dr. Senneherger, Ad. Schaubach und Dr. Ernft Bern» Barbt. gr. 8. (V und 371 S.). Hildburghaufen, L. Nonne, 1864. cart. 2} Thlr.

Auch unter dem Titel:

Griechiſche Geſchichte in Biographien. Nah den Duellen bear-

beitet von Dr. U. Senneberger, Profefior am Gymnaſium in Meiningen.

Diefer Band enthält die Biographien von Adilles und Odyſſeus, Ly⸗ turg, Ariftovemus und Ariftomenes, Solon, Miltiades, Themiftolles und Ariftives, Perikles, Alcibiades, Eofrates, Kenophon, Epaminondas und Pe: lopidas, Demofihenes, Alerander und Philopömen.

Im Inhaltsverzeihniß find die Quellen, d. h. die alten griechiſchen Scriftfteller angegeben, aus denen der Ber. ſchöpfte. Er legt, und mit Nebt, einen Werth darauf, aus den Quellen geihöpft 'zu haben. „Alle Kritik der Neueren, die bier und da Züge an diefen Bildern verändert oder ganz ausgelöfcht bat, ift grundſätzlich ausgeſchloſſen geblieben. Natürlich geſchah dies nicht aus einer thörichten Abneigung gegen die moderne hiſto⸗ riſche Kritik oder einer Verlennung ihrer Verdienſte. Aber es fchien nicht nur erlaubt, ſondern auch nit ohne Zmedmäßigleit, jugendlichen Leſern auf unfern Eymnaſien zunädft einmal die hervorragenden Geftalten und Charaktere des griechiſchen Alterthums in dem Lichte vor die Augen zu führen, in welchem dieſelben von dem Alterthbume jelbft geieben murben. Diefe Darftellung mag dann die Grundlage bilden, auf melder ſich bie von der hiſtoriſchen Kritik der Neueren geläuterte Gejhichtsauffafiung des bellenifhen Altertbums gründet und aufbaut.‘

Für den fpeciellen Zwed, den der Verf. fich mit feiner Arbeit jebte, ift diefe Anficht gewiß berechtigt, ja allein richtig ; für weitere Leferkreife, die doch gewiß erwünfcht find, würde es fich dagegen gerade empfohlen ha⸗ ben, die Anfichten der neueren Kritik berüdfichtigt gefunden zu ſehen. Doc wollen wir hierauf nicht zu viel Gewicht legen. Die Arbeit ift jonft durhaus gut, und kann der reiferen Sjugend beflens empfohlen mer: den. 9%

52. Geſchichte ber Griechen von Oskar Jaͤger, Director des K. Frieb- rich⸗Wilhelmsgymnaſiums und Realſchule J. C. zu Köln. Mit einer Ab⸗

374 Jugend⸗ und Bolfsichriften.

Bildung bes Parthenon in Kupferſtich gr. 8. (AL u. 848 S.). Güte

Iob, ©. Bertelsmann, 1866. 2 Thlr.

Der Berf. hat den Inhalt in vier Bücher mit folgenden Leberjchriften gebrabt: 1. Von den Anfängen des Bolles bis auf die Perſerkriege. 2. Bom Anfang der Perfertriege bis zum Anfange des peloponnefifchen Krieges. 3. Vom Anfange des peloponnefiihen Krieges bis zum Tode Philipps von Macedonien. 4. Die Beiten Aleranders des Großen.

Der Berf. bat bereits ein ähnliches Werk über die Geſchichte der No⸗ mer berausgegeben, ging daher an diefe neue Arbeit mit Erfahrungen, die demfelben nur förderlid) jein tonnten. Daber ift e8 ihm denn auch in anertennenswertber Weife gelungen, ein klares und anziebendes Bild des griechiſchen Volkes und Lebens zu entwerfen, das nicht blos von der rei: feren Jugend, für die es zunächſt beftimmt ift, fondern aud von gereifteren Männern mit Befriedigung wird gelefen werden. Der Berf. bat mit der zufammenbangenden Darftellung das biographiſche Moment in zwedmäßiger Weiſe zu vereinigen gewußt und eben dadurch beiwiefen, daß er für ein größeres Publikum zu fchreiben verfteht.

IV. Gedichte.

53. Weibnachtsbilchlein für Schule undb Haus, enthaltend Adventelie⸗ ber, Weihnachtslieder, Weihnachtswünſche, Nenjabrewiniche von W. Krigin- er, Königl. Seminardirector in Droyßig. Bei, Verlag von F. 9. We⸗ el, 1866. 6 Sgr. cart. 74 Sgr.

Neben guten Gedichten enthält das Buch auch einige, melde pafien: der weggeblieben wären. Hauptſache ift doch bei bverartigen Verſen, daß der Anhalt von Kindern verftanden wird, damit der Mund nit etwas jagt, wovon Herz und Kopf nichts weiß. Zur Begründung unferes Ur: theils laflen wir bier ein Weihnahtsgeviht aus obiger Sammlung folgen :

Pflanz von deinem Meihnadhtsfrieden Bei uns einen Friedensbaum,

Und laß wohnen uns bienieden Still in feines Schattens Raum. Lab die lieben Eltern wandeln Unter ihm wohl früh und fpat, Dort fie weinen, dort fie bandelu Mie es mit ſich führt dein Rath! Laß uns Kindlein fröhlich fpringen Unter biefem Friedensbaum

Und dir jaucdzen und dir fingen Und dort träumen füßen Traum, Und wenn jchlägt die legte Stunde Für die Eltern, für das Kind,

Laß uns ruhn in feiner Runde Und ihn rauſchen fanft und lind.

Das ift wenigftens Fein kindliches Weihnachtslied.

Augend= uud Volksſchriften. 375

54. Gratulations buch, enthaltend Geburtstage-, Neujahre- und Weibnachts⸗ wünſche für Kinder im Alter bis zu 14 Jahren, gejammelt von Johanna @otta. 3. Auflage. 8. (IV u. 299 S.). Berlin, Otto Janke. 3 Thlr. Das Buch enthält Wünfce zu den kirchlichen, bürgerlihen und Fa:

milienfefttagen für Kinder in dem oben angegebenen Alter. Es enthält

neben guten auch vecht herzlich ſchwache Wünſche, die nichts anderes find, als Wortgeflingel ohne Sinn und Berftand. In neuefter Zeit hat man überhaupt angefangen, von den Neujahrsmwünjchen ıc. ganz abzuftehen. Viele

Lehrer leiten die Schüler an, ihre eigenen Gedanken ohne Vers und Reim

den Eltern barzubringen, und vernünftige Eltern finden daran mehr Ge

fallen, ald wenn das Kind eine Reihe. von Berjen bervellamirt, welche mes der die eigenen Gedanken auedrüden, noch Anſpruch auf das Prädicat

„paſſend“ machen können. Zur Beftätigung lepterer Behauptung ſetzen

wir bier aus obiger Sammlung ein Gedicht ber, welches ein höchſtens

14jähriges Kind feinen Eltern zur filbernen Hochzeit darbringt. Als einft der Liebe Zauberband Mit Myrtben Eure Loden kraͤnzte, Und füßer Freude Wunderlaut Euch mwonnevoll entgegenglänste, Da blühte Slüd um Glüd, da mar Elyfium die Welt voll Mängel. Und jeliger als Gottes Engel Erſchien das vielgeliebte Paar. Das that der Liebe Feuerkuß, Der beiligite der Göttertriebe ıc.

V. Geographie und Neifen.

55. Die Belt im Kleinen für bie Heine Welt von F. Gerfläder. 1. Bd. Allgemeine Einleitung. Mit 2 (lithograpbirten) Karten in Bunt» drud. Zweite, verbefierte Auflage. br. 8. (VIII u. 111 ©.). Leipzig, Verlag von B. Schlide, 1866. cart. 20 Sgr.

Die erfte Auflage diefer Schrift ift im XI. Bande angezeigt und im Ganzen empfohlen worden. Die vorliegende zweite Auflage g leider nicht ganz frei von Heinen Ungenauigleiten. Man vergleihe 3. B. was über,

die Entftehung der Seen, über dad Rauchen des Waſſers, über die An:

ziehung der Erde, das Nichtgefrieren des fließenden Waflers ıc. gefagt ift.

Wir willen recht gut, wie ſchwer es ift, mande Dinge jo populär

Darzuftellen, „daß jedes Kind fie entweder allein begreift, oder daß jede

Mutter fie mit Hülfe des Buches erklären kann“; dennoch müfjen wir bie

Forderung fefthalten, daß man Kindern nie etwas Halbwahres mittheile.

Mas ein Kind nicht begreifen kann, joll man ihm nidt zu erllären

fuchen.

56. Charakterbilder aus der Länber- und Völkerkunde von Karl Müller. Skizzen zu Luſt und Lehre für bie reifere Jugend gebildeter Stände. Mit 8 Bildern im litbographiſchem Farbendruck von A. Haun. br. 8, (VIu. 331 S.). Breslau, E. Trewendt,_1865. 15 Thlr.

376 Augend- und Volksſchriften.

Der Verfaſſer gibt eine Charakteriftil verſchiedener Volksſtämme uno bat in feiner Auswahl neben manden in äbnliben Werten nie ſeh⸗ (enden Völkern auch folde behandelt, welche dem jugendlihen Lejer bis dahin unbelannt waren. Der Berf. beftrebt fi, jtets das Volk zu feiner Mohnitätte in die richtige Mechfelbeziebung zu bringen. Der Styl ents ſpricht billigen Anforderungen. Nah unferm Dafürhalten hätte der Berf. feine Darftelungen wobl etwas lebendiger geftalten können. Die Etüde Nr. 1 und 3 find etwas zu breit erzählt und leiden an Wiederholungen. Die Bezeihnung auf dem Titel „für die reifere Jugend gebildeter Stände erjheint uns überflüfüg, Die Bilder laſſen zu wünjhen übrig.

VI Literaturbiftorifches.

57. Die Frithjof Sage. Erzählt von Ferd. Schmidt. Mit farbigen Il⸗ Juftretionen von ©. Bartſch. 16. (XII u 1325) Bedin, 9. Kafluer. cart. 4 Thlr.

Es ift ein glüdliher Gedanke, diefe altnordifche Heldenfage der Ju⸗ gend mundgereht zu mahen. „Wir erkennen erft dann, warum die beuts ſchen und nordiſchen Voͤlker fo vernichtend und durchſchlagend auf die ge ſchwächten Nationen des Südens wirken lonnten, wenn wir die tieferen Quellen ihrer wilden Kraft, die großartigen religiöfen Vorftellungen, als die eigentlichen Zriebfedern ihres Handelns nad ihrer ganzen Bedeutfamteit würdigen und in Anſchlag bringen, denn alle Fülle des Lebens ſtrömt aus dem Geifte und dem Glauben hervor. Erſt dann gebt ung die große Les bensaufgabe der germanischen Nation, als bildender Sauerteig in der Welt zu wirken, in ihrer ganzen Tragmeite auf, wenn mir in ihrer Mythologie geſehen haben, wie fie von Alters ber die größte Kraft des Gemüths mit der Tiefe des Gedankens vereinigten.” Wer diefe Worte des Altmeiſters ac. Grimm anerlennt, der muß wünjchen, daß die Schaͤtze unferer Bor: fahren an’s Tageslicht gebraht und lebendig unter und werben. Dazu reiht F. Schmidt in feiner Frithjofsfage bülfreihe Hand. Die Bearbeitung verdient alle Anerlennung.

58. Somer’8 Werke, bearbeitet von Ferd. Schmidt. Mit 55 IMuftratio nen von ©. Bartſch. 1. Tbeil: Iliade. Der trojaniidhe Krieg. 2. Thell: Ddyfjiee. 8. (V u. 488 ©.). Berlin, Hugo Kaſtner. 27 Sgr. geb. 1 Thir. 6 Sur.

Diefe vortrefflihen Bearbeitungen find von der Kritik mit folder Au⸗ erfennung beurtbeilt, daß es kaum mehr nötbig ift, noch einmal auf die vielen Vorzüge derfelben aufmerkfam zu machen. Wir freuen ung, daß das Werl nun fon in dritter Auflage vorliegt, und wünſchen ihm auch ſer⸗ ner den verdienten Krfolg.

VII Naturbiftorifches.

59. Naturbilder Kür Yung und Alt von I. Forſteneichner. Mit Ori⸗ inalzeihnungen von H. Küfter. br. 8. (VI u. 506 S.). Schaffbaufen, - Eriebric Hurter, 1865. 14 Thlr.

Jugend⸗ und Volksſchriften. 377.

Rundſchau und Stimmen der Natur. Waldſchau, Wieſenſchau, feld: hau, Gartenbau. Mas der Vogel fingt, der Käfer zirpt und ſchwirrt, und die Blümchen einander zuflüftern, das hat der Berfafier verfudt, ab: zulaufhen und in die kindliche Sprade zu überfepen. Es ift ihm im Großen und Ganzen gelungen. Cr ift bei Tſchudi und Mafius in die Echule gegangen, und bat von dieſen Meiftern gelernt. Leider kommt er aber bin und wieder auf Abwege. Gr hört etwas, mas die Nas tur nit jagt: Die Natur if das Bild der volllommenften Zwedmäßigfeit. Diefe bis zum Ueberdruß oft wiederholte und ſchein⸗ bar bewiefene Theorie ‚wurde für den Verf. der Irrleiter. Seit Darvin fein berühmte Buch über die Entftehung der Art gejchrieben hat, müßten die Prediger der Nüplichleitötheorie eigentlih verftummen. Man mag. zu dem Darvin’shen Bude Stehen, mie man mill, eins iſt unumftöplih wahr: „Der Kampf um das Daſein“ ift die Urſache des Beſtehens und Unter gehend der organifhen und beziehungsmeife auch unorganiſchen Natur. Zaufende von Organismen find im Kampfe um das Dafein untergegangen. Denn die Eriftenz fo mander Zhiere mich zu Lobpreifungen des Schöpfers auffordert, jo muß die Erinnerung an die ausgeftorbenen Arten mid doch . zum Schweigen bringen, denn fie gingen unter, weil fie dem „Kampfe um das Daſein“ nicht gewachſen waren. Wir kennen die Natur wie ſie jetzt iſt; daß ‚fie nicht immer jo war, lehrt die Geologie und Paläontologie. Ob der gegenwärtige Zuftand für die eriftirenden Naturkörper der abjolut zwedmäßigfte ift, daS bemeilt daS Dafein der Körper. Tritt eine andere Schöpfungsperiode ein, fo werden Organismen untergehen und neue ent= ftehen, mit neuen Eigenſchaften und Eigenthümlicpleiten, nicht weil e3 fo zwedmäßig ift, fondern weil das Gegentheil zu den Unmöglidleiten gehört. Sehen wir ab von diefen allerdings recht oft ftörend auftretenden Zwed⸗ maͤßigkeits-Auseinanderſetzungen und etwas reichlich auftretenden Lobpreifuns gen und Gefühlsergiekungen des Berfaflers, io fann das Buch empfohlen werben.

VIII. Scriften vermifchten Inhalte. 60. Die Welt der Jugend.

Unter diefem Titel kündigt die Redaction von Otto Spamer's Illu⸗ firirter Jugenpbibliothet ein Unternehmen an, weldes die größte Beachtung verdient. Don ber Ueberzeugung ausgehend, daß der Erzieher inmitten der anfteigenvden Fluth von Yugend: und Volksſchriften doch nur fehr ſchwer eine ternbafte Nahrung für feine Plegbefohlenen findet, daß die Jugendliteratur reich ift an Senfationsnovellen, Criminalgeſchichten ꝛc. und daß die Mode der Berbreitung folder ES chriiten Vorſchub leiftet, will die bez. Ned. durch Vereini- gung der vorzüglichſten Kräfte eine Reihe gediegener Jugendſchriften, von ber vormaligen Bedeutung der Campe'ſchen Jugendbibliothek ſchaffen. Die Schrifs ten find bejtimmt für Rinder von 12—16 Jahren. Die Stoffe, melde bes handelt werden, follen der Geſchichte, der Länder und Völkerkunde, der Menſchen⸗, Thier⸗ und Pflanzenwelt entnommen fein. Auch foll unter der Rubrik „Erholungsfiunden” Scherz und Spiel feine berechtigte Stelle fin

378 Jugend⸗ und Volksſchriften.

den. Die einzelnen Nummern ſollen im Allgemeinen nur in Form kür⸗ zerer Aufſätze auftreten; wenn aber ein intereſſanter Stoff Gelegenheit lie⸗ fert, das geiſtige Schaffen in Geſchichte, Geographie und Naturbeſchreibung zu einem abgerundeten Bilde zu geftalten, fo foll das in bejonveren Baͤn⸗ den geſchehen, die nah Ausftattung und Richtung fih der Hauptgruppe diefer neuen Sammlung von Jugendſchriften anſchließen. Die einzelnen Bändchen follen elegant cartonirt, etwa 80 100 Seiten ftarl, reich illw ſtritt 10 Egr. loften. Abonnementspreis für 6 Hefte beträgt & 74 Ger.

Die renommirte Berlagshandlung fteht mit der Ehre ihrer Firma für die zwedvienlie Ausführung dieſes Programms ein,

Uns liegen von diefer neuen Jugendbibliothet 6 Bändchen zur Be wetbeilung vor, diejelben haben folgende nähere Bezeichnung :

. Heute und ehedem.

. Draußen und daheim. . Oben und unten.

. Sonſt und jeßt.

. Auf und abwärts.

. Fern und nah.

Wir freuen und, im Allgemeinen fagen zu lönnen, daß die Ausfüh: rung nicht weſentlich hinter den obigen Verſprechungen zurüdgeblieben ift. Die 6 Bände enthalten fehr anziehende und zugleich belehrende Lectüre. Die geſchichtlichen und geographifhen Schilderungen find mit Wärme und anſchaulicher Weife vorgetragen, letzteres wird durch gute Holzichnitte und Zondrudbilder unterftügt. Die wenigen Erzählungen find interefiant, und it bei ihnen alles das glüdlid vermieden, mas die Ned. an andern Er⸗ zäblungen tadelt. Die naturgeſchichtlichen Abriffe find nad guten Quellen bearbeitet und frei von ftörenden Unrichtigleiten. Wie im Programm, fo tritt auch in der Ausführung die Mineralogie und was damit zujammens bängt zurüd. Gern haben wir die Heinen Artikel unter „Erholungsſtun⸗ den‘ gelefen. Wir empfehlen der Nedaction, dieje Rubrik mit Eorafalt zu pflegen. Das Bilderrätbjel in Nr. 5 wäre pafjender weggeblieben. Gine fo kurze Beſprechung der Lavater’fhen Charalterzeihnungen und Tempera mente bat für die Jugend keinen Werth, und ſchwerlich wird man bie bild lihe Darftellung, namentlich des Sanguinifers, zutreffend finden. Auch der Choleriter ift falſch dargeſtellt. Man ift länaft davon zurüdgelommen, ihn als einen Menſchen aufzufaffen, welcher bei jeder Veranlafjung mit einem Knüppel darein ſchlägt. Am Schlufie jedes Bändchens findet fi ein fur: zer Geſchichtskalender nach Monaten geordnet. Ginige Hefte haben als ans genehme Zugabe Lieder mit Kllavierbegleitung.

Die oben angegebenen kurzen Titel der einzelnen Hefte entfprechen nicht immer dem Inhalte.

Mir empfehlen die Welt der Jugend auf das Angelegentlichſte.

1) DE RD

61. Wohlthäter der Menſchheit. Vorbilder des Hodfiuns, der Thatkraft und chriſtlichen Dentungsart. Herausgegeben in Berbindung mit Th. Ur min, Schultrath Dr. 6. 5. Laud hard, Profeſſor 8.2.5. Mezger, Mo

Jugend- und Volksſchriften. 379

ritz Schlimpert, eis Ernft Stötzuer, Dr. Wilhelm Wäg- ner u. A. von Dr. . Greße, Oberlehrer an der Realihule zu Aſchers⸗ ‚leben, und Franz Otto, Mitherausgeber ber illuftrirten Bibliothefen. Mit

75 in den Zert gebrudten Abbildungen, einem Titelbilde, ſowie mehreren

Tonbildern. gr. 8. (IX u. 229 &.). Leipzig, Berlag von Dito Spamer,

1866. 1 Thlr., in engl. Einband 14 Thir.

Das Buch enthält Biographien und Charalterzeiänungen von Lous Caſas, Friedr. v. Spee, Chr. Thomafius, Aug. Herm. Franke, Peſtalozzi, Salzmann, Gellert ꝛc. ıc. Diefelben find mit Fleiß und Berftänpniß ab» gefaßt. Die Darftellung ift einfah und faßlih und wird von wißbegierigen finuben gern gelefen werden. Das Buch verdient einen Plab in jeden Jugendbibliothek. Die Ausftattung ift jehr gut.

62. Das Bud merkwürdiger Kinder. Lebensbilber aus ber Yugendzeit und den Entwidiungsjahren merkwürdiger Menfchen. In Verbindung mit

Dr. C. b- Laudbard, M.Schlimpert, B. Shubmann, W. Wäg⸗

ner u. A. berausgegeben von Franz Otto. Zweite verbefierte Auflage.

Mir 50 in den Tert aebrudten Abbildungen, einem Titelbiſde, fowie 3

Zonbildern. gr. 8. (VIII u. 190 ©.). Leipzig, Verlag von D. Spamer,

1866. 1 Thlr., cart. 1} Thlr.

Aus diefer Auflage ift weggeblieben: Kapitän PB. Forfter’3 erfte Sees fahrt, dafür eingeſchaltet: Benj. Franklin. Ob die weggelafiene Nummer nicht ganz geeignet war, können wir nicht beurtheilen, da die erfte Auflage und nicht zur Hand if. Die eingefchaltete biographiihe Skizze von Beni. Franklin verdient einen Plap in diefem Buche. Die Biographien find lebensvoll und interefjant gejhrieben und werden für gereiftere Knaben eine angenehine Lecture fein. Zu bedauern ift, daß der Herausgeber die ſchon im XIV. Bande des Jahresberichts monirte Geſchichte des Fübeder Wuns derlindes abermals hat aboruden laſſen.

63. Wenig gekannte Länder unb fehr bekannte Menſchen. Geſchrie⸗ ben zur Luſt und Lehre für tie reifere Augend und das Bolt von A. Frei⸗ herr von Geld. gr. 16. (III u. 351 ©.). Potsdam, 1864, Riegel’jche Bude und Winfllatienbandlung. % hir.

Der Berf. gibt in diefem Buche Charalterbilder folgender Perfonen und Landſchaften: Friedrich Wilhelm III., das Fiſchland, der Minifter Freiherr von Stein, Anhalt Deffau unter dem Herzoge Leopold Friedrich Franz, der Feldmarſchall Hort, Dftfriesland, Lithauen, Wilbelm, regierender Graf zu Lippe- Schaumburg, und Friedrich riefen. Daß der Zitel des Buches den Inhalt genau bezeichnet, bezweifeln wir. Dftfriesland und Lithauen find ſchon wiederholt vom ethnographiſchen und topographiichen Standpuntte aus beichrieben worden. Das indeß nur nebenbei. Der Berf. weiß duch eine gejhidte Darftellung den Lejer zu fefieln und daher wird e3 ibm an letzteren auch nicht fehlen.

64. Deutfhe Heimathebilder. Schilderungen aus bem heimiſchen Na⸗ tur- und Eufturleben von E. Uhlenhuth, Rector der Realmittelichule in gr. 8. (V und 160 S.). Berlag von Hugo Kaſtner, 1865.

bir.

330 Jugend- und Bolfsichriften.

Huhn, Schaf, Schwein, Holz, Torf, Kohlen, Flachs, das find Dinge, die Jeder kennt, und die fo oft befchrieben find, daß man meinen follte, es ließen ſich diefen Gegenftänden wohl kaum neue Seiten abgewinnen. Wenn obiges Buch letztere Meinung nun auch nicht gerade umftößt, fo bat der Berf. ed doch verftanden, feinen Gegenftänden die interefiante Seite abzu: gewinnen. Die Heinen Abhandlungen find mit Sachkunde geſchrieben.

IX. Periodiſche Blaͤtter.

65. IAugenpblätter für chriſtliche Unterhaltung und Belehrung. Jahrgang 1865. Unter Mitreirkung von mehreren Yugenbfreunden berane- egeben von 3. Braun. Mit 4 Stablſtichen und 6 fein colorirten Bildern.

—* Originalzeichnungen von Anton Braith, Franz Kolb u. Schütz. Stutt⸗

gart, Gebr. Scheitlin. 1 Thlr. 18 Sgr.

Bon dieſer Zeitſchrift erſcheinen jährlih 12 Hefte, die einen ſtattlichen Dand geben. Tüchtige Mitarbeiter forgen mit der Herausgeberin für gu: tes Material. Dafielbe ift den verſchiedenſten Willensgebieten entnommen. Zu bedauern ift, daß die Jugenvblätter nicht gang frei find von latholifis renden Momenten. Aus dieſem Grunde empfehlen wir fie nur für die katholiſche Jugend.

66. Franz Hoffmann's neuer beutfher Jugendfreund für Unterbal- haltung und Veredlung ber Jugend. Jahrgang 1865. Mit vielen Abbil- dungen. gr. 8. (IV und 572 ©.) Gtuttgart, Verlag von Schmidt & Sprung. In engl. Band. 2 Thlr.

Enthält belehrenden und unterhaltenden Stoff aus den verfchiedenften Gebieten. Gute Stahlftidhe, Steinprudbilvder und Holzſchnitte find zur Illu⸗ ftration zahlreih vorhanden. Die Meine Abhandlung: „das Leben im Sumpfe“ ift vom naturbifteriihen Standpunkte aus betrachtet nicht völlig correct.

67. Iugenbbazar. Duelle belehrender Unterhaltung und nütlicher Beſchäf⸗ tigung. Herausgegeben von Dr. 9. Th. Zraut. Vierteljahrshefte 9 Gyr.

4 Serte: 28 Sgr. Leipzig, U. Waldow. 1. Band 1865.

Dem großen Mode-Bazar gleich, erjcheint dieſe Zeitung in Unterhal- tungsnummern und Ürbeitenummern. Erſtere enthalten Erzählungen, be ſchreibende und geſchichtliche Auffäße, naturwiſſenſchaftliche Auffäpe, Bio: grapbien, Gedihte, Mufilalifches zc., legtere Stidmufter, Häfelmufter, Ta piſſerie- und Perlenarbeiten, Ausftehmufter und Ausftechichneidearbeiten, Holzfägearbeiten, Schnittmufter ıc.

Die Ausführung ift lobenswerth.

68. Sonntagsfreude. 11. Jahrgang. Freiburg, Herderſche Buchhandlung. Ausgabe in 52 wöchentlichen Nummern und in 12 Monatsheften. Breit: jährlich 1 Thir. 6 Sgr.

Vom Jahrgang 1865 lagen abermals nur 3 Monatshefte vor. Wir

Ihließen uns in Bezug auf fie der Beurtheilung im 16. Bande des päd.

SJabresberichtes an.

Augend= und Volksſchriften. 381

69. Deutſche Iugenpblätter. Mit Illuſtrationen. Fünfter Jahrgang. 1865. Redigirt von Karl Petermann, Schuldirector in Dresden. gr. 4. (IV und 208 S.) Dresden, Eigentbum des jähfiihen Peftalozziverein®. Leipzig, 3. Klinkharbt. 1 Thlr. 10 Sgr. Der vorliegende Jahrgang verdient dad Lob, meldes mir ‚ben frühes

ren ertbeilt haben. Es paart fi darin wieder das Nübliche mit dem Ans

genehmen in erfreuliher Weile. Die Jlluftrationen ſtehen den Arbeiten

nicht nad. N. 2.

B. Bolfsfäriften,

I Erzählungen.

70. Bolfserzählungen von $. Schmidt. 4 Bändchen & 7} Ser. 2. Auflage. Berlin. Berlag von Mar Böitcher. u Der Berfaffer gab vor einigen Jahren eine Anzahl Voltserzählungen unter dem Titel „Kalender: Gejhichten‘ heraus. Diefe Sammlung erjcheint in den vorliegenden Bollserzählungen im zweiter und vermebrter Auflage. Es find einfache Darftellungen aus dem Volksleben. Verfaſſer vermeinet ſtrenge die Herbeiführung fünftliher unnatürliher Momente, deshalb ſpre⸗ hen die Meinen Gefhihten an und werden gewiß ein großes Lefepublicum finden. Das „pädagogiihe MWagftüdchen” aus Band A wäre wohl paſſen⸗ der weggeblieben, denn gar zu leiht könnte es Jemand nahahmen mollen, und das halten wir für bedenklich. .

71. Baftian, oder denen, bie Bott lieben, muß Allee zum Beſten dienen. Agnes und Sophia, oder bie Leiden und Gefahren ber gemiſchten Ehen. Zwei Erzählungen für chriſtl. Jugend und chriſtl.

- Bott von Ottmar Lautenſchlager, Briefter der Erzdidecie Münden-Frei- fing.. Geſ. Erzähl. 10. Bändchen. Yugaburg, 1866. Berlag der Math. Riegerſchen Buchhandlung.

712. Das Fer ber heiligen drei Könige Cine Erzählung für heim. Jugend und chriſtl. Volt von Ottmar Lautenſchlager. Gel. Erzähl. 22. Bdch. Mit 1 Stahlſtich. 2. Auflage. 8. (243 ©.) Augsburg 1863. Berl. der Math. Riegerihen Buchhandlung. 12 Sr. |

73. Die Liebe und das Kreuz. Krzählungen für chriſtliche Jugend und chriſtliches Votk von Ottmar Lautenſchlager, Briefter der Erzd. München⸗ Sreifing. Mit 1 Stahlſtich. 3. Auflage Augsb. 1865. Berl. ber Math. Riegerihen Buchhandl. 12 Sgr. =

Der Berf. fchreibt feine Bücher nicht für Hriftlide Jugend und Hriftlihes Volt, fondern für tatholifche Jugend und katholiſches Boll. Es wird ſchwerlich proteftantishe Ehriften geben, welde, mie Rec., alle drei Bände durdlefen; auch rathen wir es keinem. Alle drei Schrif⸗ ten find Zendenzichriften von untergeorbnetem Werth. Wir wollen es dem Verf. nicht abjpreden, daß er Talent zur Darftellung hat. Ihn aber mit dem Verf. der Dftereier in Parallele zu ftellen, wie das von Seiten der Ber: lagshandlung geſchieht, das erſcheint uns etwas ftarl. Am kraſſeſten katholiſch Aft die Erzählung ‚‚Agnes und Sophia”. Der ganze Apparat der katholiihen Kirche muß helfen, die Gefahren der gemifchten Ehen zu

882 Jugend⸗ und Volksſchriften.

fhifdern : dabei vergißt Verf. fo ſehr Anſtand ımd Würde, dab er z. B. dem Luther ein „großes und grobes Maul“ vindicirt. Der Jahresbericht darf nicht zum Zummelplaß confeſſioneller Streitigleiten werden, ſonſt würden

wir dem Herrn Prieſter wohl ſagen, warum wir gemiſchte ‚Chen für bes denklich balten.

74. Der Schulmeifter von Hafelwang, ober bie

ber Wirthsſtube. Eine Dorfgeſchichte. Wien 1865, bei Leop. Sommer.

Der Herausgeber‘ diefes Heftchens bietet feinen Lejern „bie auf Er fahrung ſich ftügenden individuellen Anfichten über Gemeindes und Gewerbe: Angelegenheiten oder darauf bezüglidhe fociale Einrihtungen, wie fidh die⸗ felben ihm feit einer Reihe von Jahren aufgebrängt haben”. Für bie

rm der Darftellung entſchied fich der Verfaſſer, nachdem er Zſchokkes oldmacherdorf gelefen hatte. Wir haben beim Leſen des Büchleins uns des Gedantend nicht erwehren Üönnen, daß fi) der Verfafier die Aufgabe

‘des gemeinnüßigen Gemeindemitgliedes in jeder Beziehung weit aus zu leicht

dacht bat. Wer Gelegenheit hatte, eine demoralifirte Gemeinde anzuje

‘ben, weiß, daß Generationen dazu gehören, um Wandel zu ſchaffen. Auch erfcheints uns, als fei ein Schreinergefell ein ſchlechter Schulamtscandidat.

Lehren ift bekanntlich eine große Kunft, welche dutch Mühe und Zleiß er

lernt fein will.

75. Franz Kerndödrfer. Cine Geſchichte aus bem lieben Handwerkerſtande und für ihn erzählt, von W. D. v. Born. 2. Auflage. Wiechbaden, Zulins Niednerſche Berlagehandlung. 1865. reis 10 Sgr.

Eine Erzählung für das Bolt, mie fie fein fol. Der ſchlichte Bär: gerfinn findet in diefem Bude in glüdlichfter Weiſe feine Berberrlichung. Wir find überzeugt, daß Bücher diefer Art nicht mur überall gern gelejen, (ondern daß fie auch mandem Leſer zum Segen gereichen werben.

76. Srifella. Eine Erzählung ans ber Geſchichte Echottlands von F. 8. Wild. 8. (160 ©.) Stuttgart, 3. F. Steintopf. 1865. Pr. 15 Sgr. Der Kampf um die Religion hat die höchſten Güter des Lebens Hein

erfcheinen laflen gegenüber dem zu erringenden Preiſe. Das lehrt und

niht nur die Zeit der erften Chriftengemeinen, ſondern aud vor allen

Dingen die Zeit der Reformation. Befonders bartnädig waren belanntlid

dieſe Kämpfe in Schottland. Der Berf. bietet ung einen GSinblid im dieſe

trübe Zeit. Cr erzählt im engeren Sinne die Lebensgeſchichte einer heroiſchen

Scottin und liefert uns fo ein Zeit: und Eittengemälde des 17. Jabe

bunderts. Das Buch ift recht gut geſchrieben und kann beſtens empfohlen

werden.

77. Bollserzählungen. Das Leben Benjamin Franklins für Jung und Alt in allen Ständen. 3. Aufl, Hildburghauſen, Keſſelringſche Hof buchhandliung. 2? Sur.

Das Leben berühmter Männer muß allen Menſchen ein Spiegel fein,

‚tn das fie ſchauen, um bie eigenen Flecken und Fehler zu erlennen und

Jugend- und Bolfsfchriften. 383

der Vervollkommnung nachzuſtreben. Benj. Franklins Leben wird für alle Zeiten ein Mufter und Vorbild bleiben. Wir freuen uns, daß die recht gut erzählte Biographie für einen fo billigen Preis Jedem zugänglich ei macht wird.

78. Borbilbder. Srantlim, Stephenſon, Piepenſtock. Zum Beſten der Märkiſchen Natorpſtiftung. Elberfeld, Bädekerſche Buch⸗ und Kunſthand⸗ lung. In Barth. zu 1 Ser.

Gin ſehr empfehlenswertbes Unternehmen, welches die Unterftügung aller Menſchenfreunde verdient. Die Heinen Inapp gehaltenen Biographien find anregend gejchrieben und richten das Auge des Leſers auf Männer, deren Andenken ſiets bei uns im Segen bleiben muß.

ID. Gedichte.

179. Der Iebenjäßrige Krieg. Ein Gemälde mit Licht und Schatten von ©. F. Ledderhofe. Herausgegeben von dem chriſtlichen Vereine im uch lichen Deutieland. 8. (VI und 181 ©.) Eisleben, 9. Klöppel (G. Schulze in Leipzig) 1865. geb. 74 Sur.

Der Berf. greift bis zur Ihronbefleigung Friedrichs des Großen zus rüd, charalteriſirt ſelbſt die Jugend deſſelben, gibt eine Weberficht der bei⸗ den erjien jchlefiihen Kriege und erzählt dann die Begebenheiten des fieben- jährigen Krieges jo ausführlich, als das Intereſſe der Lejer es erbeijcht, für die feine Arbeit berechnet if. Obwohl der Verf. mit großer Anerken⸗ nung von Friedrich fpricht, Jo billigt er doc deſſen religiöfe Anfchauungen nit. Aber er gehört nicht zu den religiöfen Fanatilern, ift vielmehr mild in feinem Urtbeil. Seine Darftellungsweije ift einfah und anjpredend; das Bud wird daher in den Freien, für die es beftimmt ift, gern geles fen werden. A. 8.

II. Zeitfchriften.

80. Slobus. Suußricte Zeitfgrift für Ränder- und Völkerkunde. Herausge⸗

geben von Karl UAndree. Achter und neunter Band. gr. 4. Dilddutg⸗

banfen, Verlag des Bibliogr. Inſtituts. 1365—66. & Band 3 Thlr.

Diefe Zeitfehrift berüdfichtigt gleichmäßig alle Theile der Erde und ver: breitet fih über Land und Leute und alle wichtigen Erſcheinungen auf der Erde, ‚gibt auch Austunfteüber die neuelte einſchlägliche Yiteratur, über Horfhungsreifen u. dgl. Wer daher die Zeitjchrift regelmäßig und mit Aufmerkſamkeit lieft, bleibt in Betreff der Länder: und Bölferlunde immer auf dem Laufenden. Die Darftelung ift immer anziehend und wird fehr oft dur große, naturtreue und ſchön ausgeführte Holzichnittzeihnungen unterftüßt. Die Lehrer der Geographie dürfen ſich das Wert nicht entges ben laſſen. A. 2.

1. Die Maje. Ein Volfeblatt für Alt und Yung im deutſchen Baterlande. Herausgegeben von W. D. v. Horn. Achter Jahrgang. Mit zwälf Ab⸗ bilduugen. gr. 8. (588 ©.) Wiesbaden, I. Niedner. 1866. 2 Thlo.

:384 Jugend⸗ und Volksſchriften.

Dieſe Zeitſchrift hört mit dieſem Jahrgange auf zu erſcheinen. Wir bedauern das, da fie immer eine Reihe von trefflichen Arbeiten für bie mittleren Volksſchichten brachte. Gewiß ift, daß die acht erfchienenen Bände ein Material enthalten, dad auc ferner verdient gelefen zu werden. AL.

IV. ®ermifchtes.

82. he. Kin allegorifhes Märchen. Aus ben Latei des jas

AN Friedrich Se Um, Krichkſche Buch⸗ und ri

Pſyche in mwortgetreuer Ueberſetzung gehört zu den Werten, welde an Freunde pilanter Zectüre verfiegelt eingefhidt wird. Preſſel bat verſucht, biefe Götter «Liebesgefhichte mit möglichfter Vermeidung alles Obſcönen fei: nen Lefern genießbar zu machen. Wir zollen der meifterhaften Bearbeitung alle Anerlennung, bezweifeln aber doh, daß des Verf. Wunfh: „Möchte es gelungen fein, das einzige antite Märchen in einer Kunſtform wieder zu ‚geben, welde demſelben über vie gelehrten Kreife hinaus Eingang und Heimathsrecht verſchafft“, Erfüllung findet.

83. Mein Onkel Benjamin yon Elaude Zillier. Ins Deutide über- tragen und mit einem biographiihen Vorwort verjehen von Ludwig Pfau. Stuttgart, bei Emil Ebner. 1866. .

Das Bud ift Beine Volksſchrift, es gehört firenge genommen gar nicht in den pädagogifhen Jahresbericht, wir wollen uns deshalb auch daranf beſchraͤnken, zu bemerfen, daß denkende Leſer insbefonvere die meifterhaft geſchriebene Biographie des Dichters zu beachten haben. Lehrer werben

‘ein befonderes Intereſſe an der bumorififchen Darfiellung der Lehrer-Lauf:

bahn des El. Zillier nehmen.

84, Ueber den Umgang mit Menfchen von Adolph Freiherrn Knigge. 14. Originalausgabe in 1 Bande. Aufs Neue turchgearbeitet und einge leitet von Karl Goedeke. 8. (XXIII und 396 &) Hannover, Hahn⸗ ſche Hofbuchhandlung 1865. 11 Thlr.

Es giebt Bücher, deren Titel iſt fo bekannt, daß fie in Jedermanns Munde find, deren inhalt aber viel weniger bekannt ift. Zu diefen Büchern gehört Anigges Umgang mit Menfhen. Man ſollte denken, eine Belehrung über dergleihen Dinge müßte für jeden Menſchen ein jo tief gefüblte® Be dürfniß fein, daß es einer Empfehlung faum mehr bedürfte. Die Erfahrung lehrt das Gegentheil. Treilich liegt das Buch in 14. Auflage vor. Wenn man aber beventt, daß ed zum erſien Male im Jahre 1788 erſchien, und daf ‚e8 feinen ebenbürtigen Goncurrenten bat, jo Ast der Erfolg nit. Das Buch ift vortrefflich gefhrieben. In den meiften Yällen möchte man dem Verfafier zurufen: „Du haft recht,” „das habe ich felbft erfahren.“

Bei diefer 14. Auflage find wieder, wie bei den vorhergehenden Aus: gaben, mannigfadhe Verbeſſerungen angebracht, jedod immer mit der gebübß: renden Pietät gegen den Verfaſſer. Das Gute, mas in Knigge's Werf war, ift forgfälig geſchont, es ift aber ftiliftifch wie fachlich vor dem Haude ver: altender Bergangenbeit bewahrt. Wir empfehlen das Bud allen, namentlich jungen Leuten beim Eintritt in das Berufsleben. Die geringe Summe, welche man für das Buch ausgab, wird fih ohne Zweifel vortrefflich verzinjen,

X. Geſang. | Bearbeitet

von

E. Hentſchel.

J. Geſangleben.

A. Allgemeines.

1. Weſen des Geſanges. Geſang iſt, wie Graben⸗Hoff— mann in feiner Schrift: „Die Pflege der Singſtimme“ x. an⸗ giebt, im. weiteften Sinne: „Muſik, welde durch die menſchliche Stimme ausgeführt wird”; im engern Sinne dagegen: „Die Kunft, durd die Stimme als Inftrument nah allen Regeln der Mufit und des guten Ges ſchmads in fompathiichen, das Ohr und die Empfindungen eines jeden ges bildeten Menſchen angenehm berührender Weife fih muſikaliſch zu äußern.”

Dem miderfpriht nicht die von Scholz in den „Illuſtrirten Monatsheften” gegebene Definition der Muſil überhaupt: „Muſik of fenbart und im MWohlllange die Schönheit der menſchlichen Seele; fie giebt das seine Empfindungsleben des Menjchen, losgelöft vom Urſächlichen, Ges genftänvlichen, buch pas Medium ber Töne, in analoger Bewegung mit der Seele jelbft.‘

Denn ob auch im Sefange das Urſaͤchliche, Gegenftänplihe durch das Wort bezeichnet fei, fo drüden doch die binzutretenden Töne nicht dieſes Urſaͤchliche, Gegenſtaͤndliche ſelbſt, fondern immer nur die davon herrührende Empfindung aus.

Mie wenig der Ausdrud der Empfindung an beftimmte mufilalifche Glemente Tonart, Rhythmus, Melodie, Harmonie gebunden jei, das giebt fih in den manderlei Compofitionen eines und deſſelben Zer⸗ tes fund.

Es bleibe darum dem Nachdenken der Leſer überlafien, ob Scholz darin Recht bat, wenn er fagt: „Derjelbe Text Tann öfters und verſchie⸗ den componirt werben, denn Worte lafien verjchiedene Auffafjungen zu ;

Pad. Jahrebberigt. ZVIIL 25

386 Geſang.

aber nur eine Compoſition wird ganz im Sinne des Dichters fein, genau feiner Empfindung entſprechen.“ )

2. Bedeutung des Geſanges. Wahr und treffend fagt hieräber das Beiblatt zu den ‚Berliner Blättern”, 1865, 12: „Wie mannicfad au die Mittel zur Offenbarung des Geiftes feien: über alle hinaus ragt das Wort, das die eigentlih wahre Brüde von Geift zu Geiſt bildet. Die verllärte Wortſprache aber ift die gefungene, if die holde Muſica, Luthers Freundin und Vertraute. Ja, es ift faft, als begönne das Reich ‚ver Muſik, das ift der [höngeformten, melodiſchen un» harmoniſch⸗gefügten Töne da, wo für die gefteigerte, verfeinerte Serlenflimmung das fimple Wort nicht ausreicht, um alle Nüancen des durdhgeiftigtek Gemütbes In der jeelenvollen Mufit erjchlieft fi dem finnenden Menſchen das von allem Materielien entbundene Geifterreich ; fie hat etwas Engelhaftes, Himmliſches, Driginal-Göttlihes und wird die Pförtnerin zum Allerheiligſten. Gine Schule darum, wo nidt viel, nicht gern, nicht fchön gefungen wird, if herz⸗ und gemütblos ; fie ermangelt des Wlementes, welches das aflerwirk famfte ift, um zur ternbaften, fruchibringenvden NReligiofität und Gottjeligleit zu führen. Mufit weiß, wie nichts Anderes, jene unausfprechlich füße, befeligende Sehnſucht nad dem Ueberirbifhen zu erweden, die ein Haupt requifit ift zur Gottſeligkeit. Dirum thats Noth: Willſt recht frommen, gottinnigen, gottfeligen Himmelserben und Gottesreidh8:Bürger du erziehen, fo nimm die bolde Mufica dir zur Gebüffen. Seine befiere, feelenvollere, treuere Bafallin magft du finden im Himmel und auf Erden.“

3. Pflege des Gefanges. Auch im abgelaufenen Jahre ift im Allgemeinen zur Pflege des Gefanges Vieles getban worden, und zwar iM den verfchiedenften Lebenskreiſen. Wir denen hierbei an den fortgeſetzten treuen Fleiß der Lehrer, der in zablreihen amtlichen Berichten anerlannt if, an die Thätiglelt der Cantoren, wovon die Menge kirchlicher Aufführungen jeugte, an die nicht felten ganz energifhen, durch Einübung und öffent⸗ lihe Aufführung großer Tonwerte befundeten Anfttengungen ber Bereime für gemifchten Chor, an die Ruͤhrigkeit ver Liedertafeln und anderer Ge: nofenfhaften für Männergefang ; vesgleihen an die mit jedem Curſus er neuerte Arbeit ver Seminare zur Heranbildung braudbarer Gefanglehrer und Gantoren, an das abermalige Erſcheinen von Anmweifungen zum Ge fangunterridht, an die Bermehrung der Ehorals und Liederbüder, an bie Darbietung neuer Stoffe für den Hausgefang und an fo Mandes, was durch die pädagogifhen und mufilaliihen Journale für Gefangleben und Geſanglehre geſchehen ift.

4. Die Erfolge dieſer Thaͤtigkeit find vielfach erkeunbar, fo 9. in der Verbeſſerung des Schul: und Sirchengefanges ; in einem gewifien Maße von feinerer Gefittung bei vielen Mitgliedern der Männervereime ;

) Beder’s „Rheinlieb“ iſt zu feiner Beit wohl hundert Mal camıpoxiıt worben ; man bat jedoch abren ; dab ber Lan ine de —— nen ale biejen! bezeichnet melde am —— ſpreche. —5 er es getban, fo fo wäre * inne a ie a maßgeben —* eier nt Sänger bes KRheinliedes

Geſang. 387

in der Zunahme von Antheil und Berftänpnib hinfichtlich Naſſiſcher Muſik⸗ werte, wenn auch nur in größeren Städten; in ver geſteigerten Empfäng: lichkeit des Volksſinnes für das Schöne in Worten und Tönen. Dazu kommt als Hauptſache der freilich ſchwer zu bemeflende, aber unzweifel⸗ baft vorhandene Einfluß des Geſanges auf das religiöfe Leben des Ein» zelnen und der Geſammtheit. Nicht erreicht ift jene innige Verſchmel⸗ zung des Bejanges mit dem ganzen Dafein des Bolles in allen Kreifen, vie wir ald „Lebensgejang“ angefirebt haben.

5. Geſchichte des Geſanges. Die rege Thätigleit, welche der Geſchichte der Tonkunſt überhaupt zugewandt wurde, bat auch für Yie Ge: ſchichte des Oeſanges ihre Früchte getragen. Im Hinblid auf den Gefang im Allgemeinen ift bier uw. A. Reißmann's „Orundriß der Muſik— geſchichte“, wo mit Recht gejagt wird, daß ohne Kenntniß der Vergan⸗ genbeit ein volles Berftänpniß der Gegenwart nicht zu ermöglichen jei, an: zuführen. Speciell die geiftlihe Vocalmuſik angehend, verdient vor Allem 9 M. Säletterer’3 „Weberfihtlihe Darftellung der Ge: ſchichte der kirchlichen Dichtung und geiftliden Muſik“ ge nannt zu werden, ein Buch, weldes mit Begeifterung für die Angelegen- beiten der heiligen Tonkunſt eintritt und volllommen geeignet ift, ein regeres Intereſſe für einen Gegenftand zu erweden, „ver jedem religidjen Gemüthe, welchem Belenntnifje dafjelbe fi) auch zuneigen möge, fo nahe liegt und eine alljeitige Beachtung fo jehr verbient.”

Nah diefen allgemeinen Bemerkungen fallen wir nun das Geſang⸗ leben in einzelnen, gefonverten Kreiſen in's Auge.

B. Der firhlide Kreis.

1. Allgemeines.

6. Verhältniß der Kunft zur Religion. Darüber dufert fih, und zwar vom katholiſchen Standpunkte aus, Dr. Franz Lorenz in der einleitenden Abhandlung zu feiner Schrift: „Haydn, Mozart und Beethovens Kirchenmuſik und ihre katholiſchen und proteftantifjhen Gegner.” Cr fagt:

„Daß von den beiden bier concurrirenden Factoren (Religion und Kunſt) die Religion der höhere fei, gebt ſchon aus dem Umſtande hervor, daß die Religion für die Kunſt als ein unabmweisbares Bedürfniß, um fich, wie der Epheu um die Säule, aus der Niedrigleit emporzuminden bie Kunft aber für die Religion nur als ein herrlicher, aber dennoch nit un- entbebrliher Schmud ericheint ; denn die orientalifch griechiſche Kirche, wie der Muhamedanismus, haben gar keine oder kaum nennenswerthe Kunft, die proteftantifche Kirche hinwieder blog auf dem Gebiete der religidjen Sontunft Herrliheg auf jenem der religiöjen Malerei und Plaftit hin⸗

25*

gegen nur Untergenrbmeies ober Bereinzeltös aufzuweilen, während wir az tue. Ivı wre Bolte, ſei's im alter oder neuer Zeit, wo wirklich eine —* m Großen und Ganzen und nach den Geſetßzen echa⸗

Aue Srcrıl..uaz werlaujend aufgetreten, fie ſieis auf’ —— XR. d——er jchen und bie emimentelien Leiſtungen ihrer Cheragen

za N. m zweien Boden entiprofien“ . „I ‚den > „Eder zwei geohen Hälften, in bie fih die Kun m FR ‚'’paleen, der antilen und ver chriſtlichen um) a - x te beite trennt” Isszeriiie, jEihbh Götter genannt, die Homer's x . „zer nt, menu nicht zuweilen Parteihader dazu

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ben Rerijchen zu idumen“ -

Gefang. 389

nimmt. Schon auf ſtheoretiſchem Wege laßt ſich aus biefer Augeinander: jegung erlennen, daß die chriſtliche Kunft, auch hier der getreue Spiegel der Kriftlihen Religion und daher auch gleich diefer im diametralen Gegen» faß zur beidnifhen, eben fo ein Recht, wie ein Bebinfniß haben müfle, diefen Charalterzug göttlicher Liebe und Erbarmens, menſchlichen und über: menſchlichen Duldens und Leidens als ein integrirendes, ja als eines der weſentlichſten Elemente in fih aufzunehmen und alle diefe jo mannichfachen Gefühle und Empfindungen auch durd alle Mittel der Kunſt, wie fie ihr auf ihren verſchiedenen Stufen der Entwidelung zu Gebote ftanden, zur Darftellung zu bringen. In der That beftätigt auch ein nur flüchtiger Blick auf die zahllofen Werke der chriſtlichen Kunft, namentlich der Malerei, gleichviel welcher Entwidelungsperiode, gleichviel ob der italienischen, deut: ſchen oder ſpaniſchen Schule, daß die Maler mit Vorliebe, ja faft aus: fhließlih die Darftellung göttlih menſchlichen Liebens und Grbarmeng, Duldens und Leidens zum Vorwurf ihres Pinfels, foferne fie ihn der Keligion geweiht, genommen und daß bei dem anerfannt größten unter ihnen, bei Raphael, nebit idealer Formenſchönheit, gerade ber feelenvollfte Ausprud des tieflten Empfindens, den er feinen Geftalten verliehen, von jeber mit Recht als der größte Vorzug gegolten bat.‘

Den Gebrauch, welchen der Verf. von diefen Sägen in Bezug auf die kirchliche Tonkunſt macht, lernen wir weiter unten kennen.

7. Bedeutung des religiöfen Gejanges. „Das menſchliche Wort, die menjhlihe Rede ift nicht der allein adäquate Ausdruck des ins nern Lebens, deshalb treibt dieſes Leben in den Gefang hinein.” Biel Schönes und Zreffendes hierüber findet ih in der Schrift: „Weber Choral und Liturgie”, herausgegeben „von einem Benedictinermönde des NKlofters St. Dlartin zu Beuvon im Donauthale”, 1865, ſowie in bes ren Beurtbeilung von einem Ungenannten in der „Evangelifhen Kirchen⸗ zeitung.“

8. Cine Mahnung aus alter Zeit. Sie tönt berüber zu nns in der Vortede des Halle'ſchen evangelifchsreformirten Minifteriums zu der 1745 beforgten Ausgabe von Lobwaſſer's Ueberſetzung der Palmen und wird immerhin bier gehört werden dürfen. „Dan danke Gott”, jo ſchreibt das Minifterium, „ver uns allerlei Gnadenmittel zum Heil unjerer Seelen darreiht, und uns dadurch aus unferer geiftlihen Scläfrigfeit und Trägheit zu einer brünftigen Andacht zu ermweden fucht, daß wir Ihm mit Luft unferer Herzen fingen und fpielen, und bier ſchon mit den Geligen im Himmel ein fröhlihes Halleluja anftimmen follen. Anſtatt ſchaͤndlicher Sauf:, Huren: und anderer zur Wolluft reizenden Lieber, laſſe man doch des großen Gottes Lob aus Herz und Mund erfchallen, und gebraude Gedanken, Sinnen, Mund und Stimme zum Lob deilen, der einen gemacht, Bernunft und alle Glieber gegeben hat. Man führe die jungen Kinder von Jugend auf an, daß aus ihrem Munde dem Herrn ein Lob bereitet werde, und daß nicht aus einem Munde gebe Loben und Fluchen. Man laſſe die Rechte des Heren fein Lied fein, wie David, im Haufe feiner Bil: grimſchaft, Pi. 119, 54. Man nehme Anlaß aus Liedern, fih mit ans

390 Geſang.

bern zu erbauen, ſich davon zu beſprechen, und ſich ſelbſten zur geiſllichen Freude, wie auch zum Lobe Gottes, zu erweden: Lobt Ihn mit den und Munde, Welchs er uns beides jchentt, Das ift ein ſel'ge Stunde, Darin man fein gebentt !

9. ECinheit und Wahrheit find die Forderungen, welde mit dem genannten Benedictiner auch jein Beurtheiler in der „Ev. Kirchen⸗ jeitung‘ mie an den gejammten Cultus, jo ganz bejonders an die tirchliche Zontunft fell. „Der Gefang, die Mufica, darf im Gottesdienfle nicht eine felbitftändige, aus der organischen Verbindung mit ven übrigen Iheilen des Cultus gelöfte Stellung einnehmen. Der Gejang muß eben Wabhrheit fein für die Gingenden wie für die Hörenten. Es muß das eigene Leben der Gemeinde, des Chors, des Geifllihen fi im Gefange of⸗ fenbaren, er muß aus diefem Leben nothwendig wie die Blume aus der Pflanze bervormachien. Gr darf daher weber feinem Inhalte noch feiner Form nach, weder in Bezug auf die Stelle, die er im Cultus einnimmt, noch in Bezug auf die ausübenden Perfonen etwas an fi tragen, was hiermit im Widerſpruch fiebt. Alles todte, alles unverfländlicde und unver Randene, alles dem innern Leben des Eultus fremde Weſen ift abzuthun, damit aus dem innerftien Quellpunkt des Glaubenslebens heraus ein Reues geboren werde.‘

10. Neues Jutereife für ältere Mufil Gin foldhes hei fh in zunehmendem Maße tundgegeben, und zwar durch neue Ausgaben älterer geiftliher Tonwerke, dur Aufführung folder Werte in Concerien und durd die Bemühungen um die gottesvienftlidhe Verwendung verjelben, „Die Strömung des Zeitgeifted”, fügt Franz Brendel in ver „Reuen Zeitſchrift x.“, 1866, 1, „iR zunächſt darauf gerichtet, mit der Ber gangenbeit abzurechnen, das überfcmmene große Material aufzuarbeiten, die Schäge frübererer Zeit mehr und mehr der Menge zugänglih zu machen.“

Yu demſelben Sinne, nur mit jpeciellem Dezug auf protefautijde Mufl, äußert ih Guſtav Mülheim Teſchner in der Borrede zu feiner neuen Ausgabe der „Kirchengefänge” Gans Leo Haßler's. „Unſtreitig bat vie Theilnahme und das Intereſſe für den älteren geifliden Kunſtgeſang, für den protefantifhen Tonſat insbefondere, je den legten Jahrzehnten bedeutend zugenommen. Die Rille, tief innerlide Macht dieſer bebren, jungfräulich keuſchen, reinen Kunſt einer veligiös be geitterten Bergungenheit bat ſelbſt gegenüber den Pofaunenftüßen ber neu: romantiſchen Schule des abjoluten Gfiectes von Reuem immermehr Anerken⸗ nung gefunden Dielen böhf erfreulihen Umfjchwung der Dinge verban: fen wir offenbar pmädhft und am meiflen dem großen umfangreichen Duck lenwerte über den evangelifhen Kirhengefang von Winter: feld. Gab daflelbe doch den Anfiob zu weiteren Forfdungen auf ben Gebiete des proteſtantiſchen Choralichages, unter denen vorzugsweiſe die wertboellen Arbeiten eines Filis, ert, v. Tucher, Laprig u. A. zu erwähnen find.”

Gefang. 839

‚Auf katholiſchem Gebiete treten uns zahlreiche Kundgebungen in gleihem Sinne entgegen. Bir kommen auf den Gegenftand zurüd. . Hier jei nur zweierlei angeführt. Bei der 17. Generalverfammlung in Trier flellte Prä- fect Haber! aus Paflau den Antrag: „Die harmoniſchen Compofitionen der mittelalterlihen Meifter follen verbreitet und gepflegt werben, und es find zu biefem Bwede das Werk der Musica divina von Dr. C. Broste, Towie die Sammlung von Lüd zu empfehlen. In dem Berichte darüber, „Säcilia“, 12, beißt es: „... Es handelte ſich um jene Meilterwerte, die uns unter Katholiten Proske allein im ihrer urjprüngliden, unent: weihten Geſtalt dargeboten, um die Werte eines Paleitrina, Drlando, bie in der Muſik das Naͤmliche leifteten, was bie großen Meifter der Ars chitectur, Bildhauerei und Malerei im Mittelalter auf ihrem Gebiete her⸗ vorbracdhten.” Der Antrag wurde wehrfeitig unterftügt und einflimmig an genommen. Franz Witt in feinem ſehr anziehenden Aufſatze: „Gi: nige wenig gelannte Gomponiften des 16. Jahrhunderts“, „Cäcilia“, 12, ſagte: „Jeder Orden koönnte und ſollte über bie hervor⸗ ragenden mufitalifch ihätigen Mitglieder feines Ordens Notizen ſammeln. Freilich ſind ſolche Forſchungen ſehr mühſam; allein nur dadurch kommt in die Muſilgeſchichte Licht und Klarheit, und gar viele brauchten nur eine genauere Kenntniß jener herrlichen Runftepoche, um von Begeilterung für diefelbe erfüllt zu werden.”

11. Würdigung des Neueren. Sie ift eine verſchiedene. Wäh rend Ginige fi) ganz in das Alte verfenlen und bas Neuere verwerjen, tragen Andere mehr oder weniger auch dem legteren Rechnung, und es iR bauptfählih die Brendel'ſche „Neue Zeitſchrift für Mufil”, welche es verneint, daß irgend eine Periode bie Kunft allein bejeilen babe, uud im Gegentheil eine fortwährende Entwidelung forbert und fördert. Diejelbe Stellung nimmt u. A. auh Gottſchalg, der Redacteur der „Urania‘ ein.

Ich halte es für irrig, daß nur die Vorzeit im Stande geweien, geift lich zu componiren, die Gegenwart aber unfähig dazu ſei. Daß lebtere der Kirche mandes Unkirchliche, Aeußerliche, der Glaubenstiefe und Ins nerlicgleit Entbehrende dargeboten hat, ift allerdings nicht zu verlennen.

Dir kommen weiter unten auf den Gegenfab zwiſchen dem Alten und dem Neuen zurüd,

12. Sebafian Bad. Mbermals it Vieles geſchehen, um ber Syeptzeit die Merle des großen Meifters wieder näher zu bringen und mebr und mehr verftändlih zu machen. Dazu ift u. A. die Aufführung ber Matthäus: Baifion in Karlsruhe nebft dam über biejes Oratorium gehaltenen Bortrage von Carl Dreher, abgebrudt in der „Ev. Kits henzeitung”, Ne. 72, zu rechnen. Dort beißt ed: ... „Haydn, Mozart, Beethoven, jelbit Händel haben mehr oder weniger ihren Ausgangspunft von der im Allgemeinen befannten, italiſchen Schule genommen. . -. Bad dagegen, ber ächt deutſche Meiſter, fieht für bie Heiften ifolirt da; feine Werke find für das große Publikum anfänglich unverftänpli, eben weil zu ihm eine belannte VBerbindungsbrüde feblt, weil es fo ſchwer hält, die Glemente feiner Kunft aufzufinden, Nicht durch die

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ng fi N eigenthäiig ve und fehr —8 er dieſelben in Gr ab f Ihm feine, er i te Melodie wieder 4 verwenden. Jede feine im 3 N ber Brößte mufit nt dieder ein and fe; Manieren fintrz Annerſten übe eugt Halifche Ereget des und body ſtets derfelbe ſchwung al e bon deſſen Erhab enbeit * Hefe in Baprkeit e

Werke Baleftrinz ie, Crbabenpeit und ber en iR. .. BE ſich mi Morten nicht Aafı dern. Sa

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*) Darım an geflprt, weil ie bi haufig vom „Vale 7) ſtrinaſtyl·⸗ die Nede in

Geſang. 393

Hnen iſt die höchfte Einfachheit mit der flaunensmertheften Kunft der Ar "4 vereint und darüber ruht eine himmliſche Ruhe und Aarheit: Mitten n'den beengenpften Schranten der Polyphonie vermag er eine fo geniale

Bu Freiheit der Stimmführung zu entwideln und zu behaupten, daß man ſich Tmwilltirlich zur Anbetung und Bewunderung gezwungen fiebt; ein Haudqh

y

pnlichen Geiſtes zieht durch feine Tonſätze, ein Schimmer himmliſcher Bert Jarung liegt: auf ihnen. Wie beklagenswerth iſt es, daß dieſe Werke zu⸗

- Zain Folge des Eindringens der Inſtrumentalmuſik in die Kirche, dann ⸗aner Ueberhandnahme erftaunlicher Geſangsvirtuoſitaͤt und zuletzt gaͤnzlichen

Mangels an aller Geſangskunſt, uns jo gut wie völlig verloren gegangen Fmb,. d. h. nicht: verloren in ihrem Vorhandenfein, fondern verloren für’ bie

Rice und für die Gläubigen, da fie nicht mehr aufgeführt und gehört 'merden .- —Einnen nen Die Kirche Hat ſich felbft ihres köſtlichen Schmudes be : --ranbt, feit fie auf die Werle der alten Meifter, die ihr die jhönften Früchte

ihres Genies dargebracht haben, verzichtet bat. Wir verlennen das Gute,

2 = a8 und auf dem Gebiete kirchlicher Tonkunft die legten Jahrhunderte ges = bracht haben, nicht und vermögen und an ben klaſſiſchen Werken von Mo⸗ - zart, Haydn, Beethoven, Cherubini und Anderen innig zu erfreuen, einen

—⸗ ——

Erſatz aber für die alten Meifter für dasjenige, defien man ſich leichtſinnig entäußert hat, können wir nun und nimmermehr darin erbliden.“ 8 chle t⸗ terer a. g. D., ©. 149.

2. Der Chor.

14. Seine Stellung. Auf das Unfihere und Fragliche derjelben, fowohl was die Beziehung zum Gottesdienfte, als was die äußere Eriftenz

betrifft, weift u. U. Schletterer miederholentlih bin. Früher fei das

anders gewefen. ... . „Wir glauben annehmen zu dürfen, dab von An⸗ fang an in ver Liturgie ver lutheriſchen Kirche der Chor eine beftimmte und geeignete Stelle gegenüber dem Gemeindegefang eingenommen bat, die man ihm fpäter entzog, ſeitdem die Predigt ein fo erbrüdendes Uebergewicht im Euitus gewann, ſeitdem man die Schule einer ihrer ſchoönſten Beſtimmun⸗ gen den Chorgefang in den Kirchen auszuführen entfremdete, und feitoem man im Laufe ver Zeit begonnen hat, die Mittel, welche unfere Borfahren für die Unterhaltung und Pflege des Kirchengefanges zuſammen⸗ bradyten, ‚für andere und wahrlich nicht geeignetere Zwede zu verwenden.‘ leider muß zugeftanden werden, daß an vielen Orten die kirchlichen Schüs Ierhöre eingegangen und alle Verſuche einer Wiederberftellung derjelben erfolglos gemefen find. Gar ſchlimm ift feitbem die Lage mander Canto⸗ zen, die fh zu gewiſſen Chorleiftungen verpflitet ſehen, ohne jedoch Die nöthigen Chormittel Sänger und Geld! zu amtlider Der fügung zu haben. Es Tieße ſich ein Buch über dieſe Notbftände ſchreiben.

Richt aller Orten werden die Anftrengungen erlannt, die Opfer gewürbigt,

venen ſich vielleicht der Cantor unterzieht, um den Ehorgefang möglich zu

mahen.. - 15. Ideales. Dennoch bielbt an fih im Gültigkeit, mas bie

„Sv. Rishenzeitung” a. 9. D, fagt: „Auch der Chor muß biefe

894 Geſang

Eagelſprache des Geſanges reden, in ihr beten lernen. Eine ſchwere Aufgabe für unfere Tage, die eben deshalb in Schulen und lehrer-Seminarien fleißig zu beachten fein moͤchte! Auch das möchten auf das Entſchiedenſte accentuiren, dab zu foldhem ———

Rattet werben ſollte, wer ihn als lebendiges Glied

nollsieben bereit if. Deshalb if ein jeder Anfang zur Bildung

chenchoͤren aus den Gliedern Der Gemeinde, aus Kelten Gliedern, die dem Herrn mit Freuden bienen wollen, mit großem Dank gegen Bott zu grüßen. Nur da if es möglid, daß auch der Chorgefang Wahrheit hab der Ghor betend fingt und fingen» betet, umd alles, nur gexub und Kuna begwedende Zejen gäylih von —— fen gehel-

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$

8 Ber Choral. a. Der proteſtantiſche.

16. Seine Form. Die Frage: Db chytbmild, ob aus: eglihen? hat aufgehört, zahlreiche und lebhafte Erörterungen —— Anzuführen iſt jedoch Folgendes:

Schletterer ſteht auf Seiten ver Vertreter des rhythmiſchen Che⸗ rals. Er ſagt a. g. O.:... „Mit der Reformation wurde die Melodie nicht mehr allein vom Geiſilichen oder vom Chore geſungen, ſondern eiw fimmig von der ganzen Gemeinde. Man mußte daher bei ver Wahl ver Weiſen fein Augenmerk auf ſolche richten, die entwerer fchon allgemein be launt oder doch fo zugänglich und faßlich waren, daß fie leicht erlernt und behalten werben konnten. Am liebften nahm man weitverbreitete Volls⸗ melodien in die Kirche berüber, und fo wurde es möglich, dem menotemen gregoxianiſchen Choral almälig einen ae ren Bollögefang entgegenzufegen. Der jugendlich frohe, jubilirende Geif, die Firhlichen Dichtungen der Reformationsperiode —* —*8 auch die Melodien derſelben.“ Aber ſchon im 17. Jahrhundert begimut, wie des Ber, weiterhin berichtet, die „NRivellirung des Chorals in gleiche

"— ‚Bas man durch diefe Nivellirung eingebüßt hatte, das ſuchte man durch geſchmadloſe Schnörkel und läderlide Zuthaten gu en feben.” Im 18. Jahrh. „wirb die Meform des Chorals, d. b. feine gelind- lie Demoralifirung, glüdlih durdgeführt.” ... „Der Choral verliert jede rhythmiſche Gigenthümlichleit. Selbſt die breitheilige Taftart wirb aus: gemerzt und bie ausſchließliche Herxihait des geraden vierikeiligen Taltes burchgejeßt. Es eutfiehen eine Menge neuer, unvollsthümlicher, kangweiliges Melodien. Alles, was noch in den vorhandenen Weifen an jene erdabene Kraft und den erjhütternden Irnft der alten Kirche erinnert, wird jongpältig venpnitt und ausgetilgt, fo daß zuiebt fogas jeder größere Intervallenſchritt durch Tleine Noten ausgefüllt und überbrüdt wird.“ ... . „In ber &he- ralbudliteratur des 19. Jahrhunderts findet fchließlih eine große Schei⸗ bung Batt, je nachdem ein Ghoralmert in Wie Beit vor ober nad don ni formbeitrebungen fällt. Die erflere Klafie bringt die

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Gefang. BAR

Ralt, die fie im Laufe der Zeit angenommen haben lahm, wermäfle, ſchwunglos die andere Klaſſe fucht den jogenannten rhythmiſchen En ralgefang zu fördern und gibt die Singweiſen in ihrer Drigi

Ueber die Zulunft des rhythmiſchen Chorals fagt ber Berfafler : „Roh hat die Frage, ob der rhythmiſche Choralgefang durchzuführen. it, eine allgemeine Erledigung nicht gefunden. Die Zahl feiner Gegner, befow ders unter den Geiltlihen, ift noch jehr groß. Dennoch haben viele pro⸗ teftantifche Gemeinden in Bayern, in denen ber rhythmiſche Geſang einge führt ifl, den fchlagenden Beweis geliefert, daß derſelbe durchführbar if und die Würde des Gottesbienftes durch ihn in feiner Weiſe beeintwächtigt erſcheint. So begen wir denn die frohe Zuverſicht, daß mit dem gereinig« ten SLieverterten allmälig aud die Driginalweifen unferer Kiche zurüd» gegeben und daß endlich dieſelben Worte und diefelben Melodien in allen proteftantifchen Kirchen Deutſchlands gebraucht werden.” - 47. Sortfegung Auguf Reimann fabt den Uebergang des rbythmiſchen Chorals in den ausgeglichenen nit als Verfall, jom dern als einen ſich mit Nothwendigkeit vollziebenden organiſchen Bros ceß auf. Ich theile das von: ibm Gefagte mit, und zwar unter Voraus⸗ Ihidung des Paragraphen, welcher im Allgemeinen von dem Urfprunge des proteftantiihen Chorald handelt. „Auf den Boden der chriſtlichen Lebensanſchauung verpflanzt, gewinnt das Vollslied eine neue Form, es wird zum geifllichen Bollsliede im Gboral. Daß ſchon früh vor der Reformation ein geiftliher Volksgeſang in deutlicher Sprache fi bildete, wurbe bereit erwähnt. Auch in der Kirche mag er Eingang gefunden haben, doch nur vereinzelt. Erſt in ber Kirche der boöhmiſch⸗ mäbrifhen Brüder erlangte er größere und allgemeinere Pflege und durch Luther wurde er vollftändig herrſchend in ber proteftantischen Kirche. Wenn auch feine Thätigleit in Bezug auf Erfindung ber Melodien in dem Umfange, wie bisher in der Regel angenommen wurbe, nicht erwieſen ift, fo ift doch feine gefammte übrige Wirkſamleit für die Förderung und Bey breitung des heutjchen Choralgefanges unbeftritten groß und erfolgreich. gewe⸗ fen. Die Melodie des alten kirchlichen Hymnus gebt ebenſo wie die Volls⸗ melodie in den proteftantiihen Gottesbienft über und wird bier Gemeinde⸗ lied. Aber dieſe Melovien werden ganz bedeutſam umgeftaltet. Namentlich werben die Schlüſſe entichievener der Strophe mit klingendem Schluß ent« {predenb herausgebildet. Das proteftantiiche Gemeindelied, der Choral, folgt ganz treu dem Princip des Reims wie das Bollslied, aber er ftellt es mufilalifh nicht mit dem mannichfachen rhythmiſchen Hülfsmitteln dar, fondern nur mit dem intenfiv unterjheidenden Accent einer rubigen Melo— dieentfaltung, gebrängt metrijcher Einheit und mit dem Harmoniereichthum des alten Hymnus. Die Hymnen fügten fi natürlich dieſer Umgeftaltung am willigften ; fie waren ja in dem für ben Gemeindegejang einzig mög⸗ lichen accentuirenden Rhythmus erfunden. Den Bollsliebweifen mußte nas türlich erft ihr weltliber Schmud, ber ſinnlich reizwolle Rhythmus abge fireift werden.” ... .

„Bei Heinrich Schüß 1585—1672 wirkte der italienifche Einfluß bes flimmend auf bie Weiterentwidelung des nur accentuirend rhythmiſchen Cho⸗

2

896 Geſang.

vos durch jene Choralbearbeitungen, in denen er die langen Roten mif den kurzen vertaufchte, die nicht eigentlich rhythmiſch und obne Beobadıtung einer. beftimmten Taktart gejungen wurden. Schon in den unmittelbaren Nachfolgern, bei Johann Hermann Schein und Andreas Hammer: ſchmidt wird dann der Choral faft ganz nur accentuirend rhytbmifh. S h ein flellt "zwar den Rhythmus noch in Noten von verfhiedenem Werth dar, aber nicht in rhythmiſchem Werhjel, fondern nad dem PBrincip der Quan⸗ Mätsmeffung. Wie das Princip fi dann in der Poeſie allmälig ganz verlor und der Accent Versmaß und Strophe zu beberrfchen begann, ver: lor fi jenes Princip auch in der Mufil, und für ven Choral blieb ver nur accentuirend bargeftellte Rhythmus jetzt der einzig zwedmäßige, baber wird ihm allmälig jene Verſchiedenheit der Darflellung rhythmiſcher Make übgeftreift, die Zöne von gleicher Zeitdauer werden nur dur den Accent unterſchieden. So erfcheinen ſchon die für den Gemeindegeſang beftimmten Ghoralbearbeitungen von Hammerſchmidt; ebenfo von Carl Briegel, Chriftian Flor (+ 1692), der noch bin und wieder rhythmiſchen Wechſel it feinen Bearbeitungen anwendet, überläßt (nad der Vorrede zum zwei ten heil) dem Ausführennen, welchem der Wechſel nicht gefällt, lauter Ehoralnoten davon zu mahen. In den nachfolgenden zahlreihen Choral⸗ fammlungen findet felbft der Zripeltalt nur bei wenigen Melodien noch Gingang.“

18. Fortfegung. Gegenüber der von Einigen aufgeftellten Be hauptung, daß die Gemeinden niemals chythmifch gefungen hätten, könnte zum Beweiſe Mes Gegentheild auf Hanns Leo Haßler's „Kirchen: gefänge” xc., neu herausgegeben von ©. W. Teſchner (vergl oben Nr: 18) hingewiefen werden. Das Wert enthält 67 Choräle in rhyth⸗ miſcher Form und es wird ber Cantus firmus derfelben von Teſchner ausdruͤcklich als dem „Gemeindeliede‘ angehörig bezeihnet. Auch fagt Haßler in ver Vorrede felbft (1608): „Nachdem ich vor wenig Jaren | nur etliche Teutſche Geiftlihe Gefäng | auff den contrapunctum sirhplicem, mit vier fiimmen folder art vnnd maſſen gefeßet | daß dieſel⸗ bigen auch inn den Chriftlihen verfammlungen | von dem gemeinen Mann | neben dem Figural mitgefungen werben fönnen | darüber jelbften aud vermerkt vnd erfaren | daß foldes in den Kirchen zu Nürnberg | al« lermeift aber | vnd zwar anfängflich | inn ber Kirchen bey vnſern Frauen | fo woln in meiner | als anderer bergleihen composition, von der lieben gemeinen Burgerfchafft | mit fonderer anmutyung | Chriftlidem luft vnd eiffer geſchehen: Hab ich | zwar zu feinem andern end | dann zu Lob vnnd Chr deß Allmächtigen | mehrer ermunterung vnd erhebung Gottfeeliger Herben | ond erwelfung gröfjerer andaht zum Gebett vnnd Panffagung | auch die andern Gefäng vnd Pjalmen | fo vil man deren | nicht allein inn den NRürnbergifhen | fondern auch andern Chriftlihe Kirchen | durch das ganke Jar zu fingen geübt vnd gewohnt | auff gleihmäfjige Ma: nier | nicht zwar der jubtilen vnnd groſſen kunſt nach | fonder als für einfeltige Chriſtliche bergen componim | vnnd in Drud außlommen laffen wöllen.’

Gefang. 803

19. Fortſetzung. Ein Zeugniß für ben rhythmiſchen Choral legt auch die „Ev. Kirchenzeitung“ ab, wenn fie in Nr. 42 jagt: „Uns fern geiftlichen. Vollsgefang den Ehoral aus feiner Erſtorbenheit zu ‚weden, die alten Lieder nad) Tert und Melodie in ihrer alten Kraft, Weite . beit und Schönheit wieder in Uebung zu bringen, die geiftlofe und geiſt⸗ tödtende Verſchleppung, die Zerreifung und Störung der Rhythmen durch Gleichmachung des Längenmaßes aller einzelnen Töne, durch Zwifchenfpiele der Orgel, durch Vermeidung jeder rafcheren Bewegung, zu befeitigen und diefe Lieder in einer das "Leben wedenden Geftalt da dem Cultus einzufü« gen, wo. das Bedürfniß zu fingen am fräftigften ſich regt, das find die Beftrebungen, die feit geraumer Zeit in der evangelischen Ehriftenheit Deutfhlands ſich kundgeben und die au bisher nicht ganz wirkungslos geblieben find.”

Mas bie mir vorliegenden Choralwerle aus dem Berichtjahre betrifft, jo giebt G. W. Teſchner, wie ſchon erwähnt, die Choräle Leo Haßler’z dem Original gemäß in rhythmifcher Form; bei 2. Ertl und C. €. Par „Ehoräle ‚für Männerftiimmen‘‘) finden ſich beide Formen, die „alte“ und die „neue ; fonft überall kommen nur ausgeglichene Melodien vIx.

20. Wefen und Werth des proteftantifhen Chorals. Eine wichtige Stimme ‚hierüber vernehmen wir aus Tatholifhem Munde in Zellner’s „Blättern für Theater, Mufit und bildende Kunfl“, 1866, 42, wo es alſo beißt: ... . „Dagegen beruht vie proteflantifche Kichenmufit, deren Gntftehen vor bie Paleftrinaifche Reformepodhe, welche die ‚entaxtete Kirchenmuſik wieder in die Bahnen der Würde zurädführte, fallt, die alfo zu einer Zeit erfhaffen wurde, in welcher der katholiſche Kirchenſtyl gerade den Gulminationspunlt feiner Verwirrung in ‚der: Schule Der ‚Niederländer erreicht hatte, auf dem Haren Grlennen der Widrtigkelt eines gemeinfaßlichen, daher vollsthümlichen Geſtaltung der gottesdienſilichen Mufil, an der die Gemeinde unmittelbaren Antheil nehmen ſollte, an: ver fie fi direct erbauen. konnte, weil fie ihrer Faſſungskraft volllommen ent ſprach und überbies das tief eingreifende Mittel der lebendigen, dem Volle angebörenden Sprache zum Untergrunbe hatte. Der Choral, die Bafis der proteflantiichen Kirchenmuſik, belanntermaßen aus dem Bollsliede hernorge gangen, ober vielmehr das Vollslied felbft, ift eine Form, welche Einfach⸗ heit und Würde in glüdlichfter Weife vereinigt. Seine Faßlichkeit liegt in der Liepmäßigleit feines Weſens, der Knappheit, mithin Ueberſichtlichkeit feiner Structur, feine Kraft in der Gewalt des Einklanges, feine Würde in der Gemeſſenheit der Bewegung, in der Diatonik, fein Ernſt in ven ‚der katholiſchen Kirche entlehnten Zonarten. Haben nun auch im Laufe ber Beit und mit dem Hinzutreten des ſelbſtſtaͤndigen Orgelipiels und. ver In⸗ firumente kunftwollere Formen (Formen, die heute der Gegenftand ber höch⸗ ften Runftbemunderung find) begonnen, ven Choral zu umſpielen, fo blich das Weſen des Chorals felbft unberührt, und die reichere Ausihmüdung bat ihm feine Volksthuͤmlichkeit in nichts genommen oder beeinträchtigt.”

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808 Geſang.

b. Der katholiſche Choral.

21. Der gregorianifhe Choral „Gregor d. G. in ſeinc Abneigung gegen die Heiterkeit weltliher Bildung, feste der —e Friſche und Fülle des ambroſianiſchen Kirchengeſanges den trüben Ernſt bed Mönchageſanges, wie ex ihn ſelbſt liebgewonnen hatte, entgegen ; ftatt des melodiſchen Schwungs, der dem ambrofianiichen Gejange eigen war, führte er, von der Anfiht ausgehend, dab beim chrütlihen Cultus die bödfle Kunſt in der höchſten Cinfachheit angeftrebt werben müſſe, ein eintönig ja segelmäßigen Talten wiederlehrendes, mit einfachen Modulationen fi erhe bendes Recitativ ein und während die ambrofianifhe Geſangweiſe die Mit- theilnahme der Gemeinde beanſprucht hatte, zeigt uns der gregorinnilde den moͤnchiſch ſtrengen Abſchluß der Kirche nit nur gegen die Melt, jan dern auch gegen die Prieflerlichleit des chriſtlichen Volles im Tempel Es iſt jedoch nicht zu leugnen, daß Gregor in feinen Gejängen ven erniten Greif der Andacht, des Gebete? und der priefterlich gepaltenen Begeifterung tnübertrefflih auszubrüden und feitzubalten wußte” So Ehletterer .0.g D. Als Prieſter⸗ und Chorgefang ſteht alfo, feinem urfprünglicen Weſen nath, der gregorianifhe Choral dem in fpäterer Zeit auch in ber latholiſchen Stiche üblidy gewordenen Gemeindegeſange gegenüber. Die leg ten Jahrzehnte haben rühmliche Arbeiten, theils über die Lehre, theild Aber die Wiederbelebung des gregorianiſchen Geſanges entſtehen ſehen.

22. Fortſetzung. Eine der wichtigſten iſt die ſchon unter Rz. 7 genannte Gchrift eimes Benedictinermöndes übers „Choral und Liturgie Daß der Benedictiner den gregorianiihen Choral bauptfählic als Brie Rergejang auffabt, gebt u. U. ans folgendem Ausſpruche hervor: „Um Choral zu fingen, ift muflalifhes Gehör, einige techniſche Kenntniß sun Uebung, vornehmlich aber Yeömmigleit und gejunder Sinn erforbes lich; um gut Choral zu fingen, muß das Genannte in erhöhten Grabe varhauden und überdies gepanrt fein mit dem Verſlaͤndniß ber lateinifchen Sprade und lirchlichen Litusgie; um ewlih volllommen Choral zu fingen, bebarf es zu alledem perfönlicher Heiligkeit, denn ber Choral fans vom Heiligen und iſt jelbft ein hbeiliger Geſang, ſowie eine umbilk dende Macht, die zur Heiligkeit führt.” Die Schrift ift von latholiſcher, wie nicht minder von proteſtantiſcher Seite mit hoher Anerltennung -beup theilt worden, jedod, und zwar wiederum auf beiden Seiten, mit Aus nahme der von dem Derf. kundgegebenen Unterfhäbung der polys phlonen Kirchenmuſik (des mehritimmigen Chorgeſanges). Da biss eine Principienfsage betrifft, fo fei noch das Folgende baniber mit

28. Yortfebung. Ber Benedictiner meint: Je veiner und inniger fh im Gefange Poeſie und Mufit verfchmelzen, je treuer, anſchaulicher und unmittelbag die Idee Geftalt -gewinnt, deſto edler bethätige ſich bie Kuuft. Sm der reinen einftimmigen Vocalmuſik, dem vecitativen Choral, „wo das Wort des Geiſtlichen, getaucht in den fühen Ton, in die Gngeliprade bes Geſanges übergeht”, finde das am vollftändigften und durchgreifendſten ſtatt.

Geſang. 899

Der polyphone Geſang gleicht ihm dem durch viele Rohren und Behälter

en, wenn auch in farbig fankelnden Bechern eredenzten, jener aber dem unmittelbar am frifhen Born gefähöriten Waſſer. Dagegen bemerkt Die „Eoumgel, Stiechenzeitung‘ : „Das Eintauchen des Wortes in den. jüben Ton iſt ein weſentlicher und dem Geiſte des Menſchen notbwenviger Act gar vollen Offenbarung feine® Innern. Aber diefer Act führt weiter, weil dem Geifie des Menſchen mit vieſem Eintauchen nicht Genüge geſchieht und weil «3 ihm eben eben fo nothwendig ift, durch volles Ausſtrömen der Lime auch das noch auszuſchütten und zu offenbaren, was nur in biefen vollen Tönen ſich offenbaren lann. So entfteht der volle Geſang, fo ent ſteht Die wolle Munft mit allem Reichthum three Gaben, bie nit conven⸗ Koneller Natur und wilfkürlichen Urſptungs, fondern eben fo gewiß von Gott in die menſchliche Natur gefenkt find, als die Amfänge ber muftlar ijchen Reeitation. . Während das Wort bei der Recitation durcht aus dominitt, mehr geſprochen als geſungen und eben nur in den Strom der Muſiea getaucht, ven ihr gefärbt wird, ohne darin aufzugeben, gleichſam nur anklopfend an bie Thür, die zu dem Reich der Töne führt, oder m Ihr fliehen bleibend, breitet fi) bei dem vollen Geſange pas Reich der Töne um das Wort herum jelbftftändig aus, wie ein neues Kleid, mit vom das Wort überzogen wird. Sa es kann fo bebedit werden von ben Zönen, dab e3 in feinem alten äußern Gewande kaum noch wahrzunehmen MR, ohne daß dies ein „Berluft” wäre; denn das innere Wort wird in bies Sen Tönen offenbar, anders, neu, berrlicher als in dem äußeren Wort, md dieſe Offenbarung durch den Zon, wie er im Geſange zur Srfcheinung kommt, überfteigt die in dem Worte oder defien mufttalifcher Necitatten um fo "viel, als das Kleid der Töne herrlicher und feierlicher ift, denn bas des Worts.“

Das fi jeden Falls richtig, womit aber nicht gejagt fen folk, daß die Stimme des Benedictiners ganz zu überhören ſei, wenn er im Allge⸗ meinen forbert, daß dem Worte in wumfaflenderer Weife Rechnung getras gen werbe, als es nicht felten geichieht.

24. Der latholifhde Gemeindegeſang. Derfelbe befteht zum Theil in gewifien arienmäßigen Liedern (Marienliedern ꝛc.), die nad ihrer mufilalifchen Geftalt ſehr dem meltlihen Bolkslieve gleichen ; zum Theil im Gefängen ernfierer Form, Gemeindechorälen, kaum verſchieden von dem wwangeliicyen ausgeglidyenen Choral. Dies ift das „einfache deutſche Kir⸗ chenlied“, dem Dr. Franz Lorenz in feiner Scift: „Haydn, Mo» yart’s und Beethoven's Kirhenmufit ıc.” ben großen Vorzug heilegt, daß allein durch diefen Geſang die katholiſche Gemeinde eigent Ir und direct erbaut werde.

4. Kirchenmuſik im engern Sinne. a. Evangeliſches.

25. Neform. Hier if bauptfählih darauf binzumeifen, daß von mehreren Seiten ber eine mwürbigere, nicht des kirchlichen Ernſies und bet

am älterer geiftficher Muſil vorhanden, gemahnt wird. Schletterer fagt : Man möchte immer wieder und in immer bringenberer Zeile ben

jurüdgelehrt, für die fie ihre gottbegeifterien Uxheber befiimmten.“

jernung genommen) der Jafrumentalmujil überhaupt. „Im die Kirche gehört nur reine Bocalmufil; fie wirft am befriedigenpflen, ermögs

seihe Mibbräude, welche darch die Inſtrumente veranlaßt und unterküßt werden, wir machen nur au) bem Unfug, der mit Solsgejängen in

werwirft Shletterer die Santatenform, und zwar wegen der Solage: fänge (Arien, Duetten x. „bie umier ſich nicht jelten durch lange Rech tatine verbunden find“). „Selb die herrlichen, von einem gläubigen, ern⸗ Deu Geifte durchdrungenen Kirchencantaten Seb. Bach's ericheinen bei dem Borwirgen banftreiher Sologejänge weniger zum lirchlichen Gebrauch geeige wet. In der Kirche ſoll nicht Bas Individuum, ſondern die ganze Ge meinde, oder an ihrer Stelle der Chor, bir frommen Stunmung

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Gefang. 401

worden find, giebt Zeugniß davon, daß ein ernfter Geiſt unjere jungen Gomponiften zu durchdringen beginnt.‘

b. Katholiſches.

29. Reform. Zahlreiche Stimmen baben fi im lebten und vor legten Jahrzehent ganz beſonders gegen den Berfall der katholiſchen Kirhenmufil erhoben, und es ift eine Nüdfehr zu der Einfachheit, dem Exrnfte

. und ber Würde der alten Zeit entjchieden gefordert worden. Ob das Neuere ganz oder nur theilmeije zu verwerfen, ob die Inſtrumentalmuſik noch zu dulden, oder völlig zu verbannen jei, ob fih der Rüdgang im Bocale bis auf Baleftrina oder wohl gar bi8 auf Gregor erftreden ſolle, ob die Kiche und der Klerus allein zu befeblen, der Künftler nur zu geboren "babe, oder ob auch diefem eine Stimme zulomme: darüber find die Anſich⸗ ten allerdings in hohem Grade verſchieden. Cine vermittelnde Stellung nimmt im Allgemeinen die „Cäcilia” ein, während fi) dagegen in der Schrift A. ©. Stein’s (Pfarrer zu St. Urfula in Köln am Rhein): „Die katholiſche Kirchenmuſik“ eine unverföhnlihe Gegenjäplichleit gegen neuere Kunft und künftleriiche Freiheit fund giebt. Daß eine Res form ſich nah und nah vollziehen werde, wenn auch nit im Sinne firengfter Epelufivität, unterliegt feinem Bweifel; ihre Nothwendigkeit kann der nit in Frage ftellen, welcher den oft rein weltlichen Styl jener Mefien zc. kennt, welde namentlih in den Kirhen von Dörfern und Heinen Städten aufgeführt zu werben pflegen.

30. Die „öfterreihifhe Kirhdenmufil.” Die vielfachen Bes denlen, welche gegen die Kirchlichleit auch der Mefjen ıc. von Joſ. Haydn, Mozart und Beethoven erhoben find, haben eine Vertheidigung dieſer Werte durh Dr. Franz Lorenz zu Wiener Neuftadt in der Schrift „Haydn, Mozart und Beethoven's Kirhenmufil und ihre tatbolifhen und proteftantifhen Gegner‘ hervorgerufen. Um die Cinwürfe gegen die „öfterreichifche Kirchenmuſik“, ald deren bedeutendfte Nepröfentanten eben Haydn, Mozart und Beethoven aufgeftellt wer den, zu widerlegen, faßt er fie in Folgendem zufammen: „Die oͤſterreichiſche Kirhenmufit ftammt aus der bereit3 gejunfenen neapolitanifchen Schule, die Mataboren derfelben, namentlih 3. Haydn und Mozart*), lebten, ſelbſt

*, Wenn der Berf. gerabe in biefem Helumed ber gegnerifchen Argumente nur Haydn und Mozart, nit aber Beethoven nennt, fo liegt Dies wohl baran, Daß jene Argumente allermeift wider Haydn unb Diozart, viel weniger wiber Beethoven gerichtet find, befien Meſſen ja ohnebies eine gottesbienftliche Verwen⸗ bung nicht gefunden haben und nicht finden können. Kür unlirhlih an fich werben allerdings auch diefe Werke von Diehreren erklärt, 3. B. v. A. ©. Stein in der genannten Schrift und von Graf Laurencin in: „Zur Geſchichte der Kirgenmufil.” Erſterer jagt: „In ihren Meſſen haben Joſ. Haydn, Mozart und Beethoven nur ihre eigene Gemüthsſtimmung und ihre ſub⸗ Pectine Auffaffung ber Xertworte wiedergegeben, unb haben biejen Ausdruck

Diejelben mufitaliigen Formen eingelleidet, beren fie fich im ihren übrigen Arbeiten bedienten, ohne auf den Eultus ber Kirche, auf bie Stimmung, welde Die Kirche bier in den Gemüthern hervorrufen will, überhaupt ohne auf bie

Pad. Jahresbericht. XVIIL 26

402 Gefang.

frivol, in frivoler Zeit, waren bei Compofition ihrer Kirchenwerle vom Gin flufje vornehmer Mäcene und Weltmänner nit wmabhängig, braten zu gleich ihre eigene künftlerifhe Subjectivität mit auf diejes Gebiet, malten Situationen und Gmpfindungen in der Kirche, und fo entftanden jene Zonfhöpfungen, die, mwenngleih in anderer Beziehung Meifterwerle, doch allzu fehr individuellen Stempel tragen, viel zu mweltlid heiter, viel zu ſinnlich ſchön, viel zu prachtvoll rauſchend find, um noch als kirchliche zu gelten.‘

31. Fortſetzung. Die Entgegnungen ded Dr. Lorenz bilden den Hauptinhalt der vorl. Schrift, und man wird die leptere felbft leſen müſſen, um feine Anfichten vollfiändig Tennen zu lernen. Hier fei nur Died angedeutet: 1. Den Einwurf, daß die öfterr. Kirchenmufil ihren Ur: fprung aus ber bereits verborbenen neapolitanifhen genommen, fudt Dr. Lorenz durch den aus allen Kunftgebieten bergeleiteten Nachweis zu ent: träften, welch geringen Einfluß der Ursprung auf die weitere Entwidelung neu entftehender Kunſtepochen gehabt; „gleihwie e8 auch bei der Frage, ob ‘eine neue Fadcel mehr oder weniger hell leuchten wird, vor allem auf fie und niht auf den herabgebrannten Stumpfen anlommt, an dem fie fi ehtzündet.” 2. Es könne kein Vorwurf für unfere Großmeifter fein, in ihren Kirchenwerken ihre Subjectivität ausgeprägt zu haben. „Ein Fehler, der von Phidias Yupiterflatue bis zu Beethovens D-Mefie herauf, ven Merten aller großen Genies anllebt, ift am Ende leiner mehr und aus der Abweſenheit deflelben fogar ein bedenklicher Schluß auf Abweſenheit genialer Begabung geftattet.” 3. Die chriftlide kirchliche Tonkunſt habe im Gegenfage zur heidniſchen das Recht und die Pflicht, beflimmte religidie Empfindungen auszubrüden, und Situationen und Zuftände wie die chriſt⸗ lihen Maler mit Farben, durch Töne auszumalen. Das ergebe ſich aus dem Wefen der hriftliden Religion. Bergl. oben Pr. 6. 4. Der Behauptung, dab Mozart und Haydn frivol in frivoler Zeit gelebt und gewirkt, ftellt Dr. Lorenz eine Reihe von Thatſachen zum Beweiſe der Gläubigkeit und der Frömmigfeit der beiden Meifter gegenüber, *) und be,

Kirche viel Rüdficht zu nehmen. --- Sie flanden als Menſchen nicht auf derjeni⸗ en Höhe ber allgemeinen und riftliden Bildung, melde fie in den Stand ejetst hätte, dem geiftigen Strömungen ihres Zeitalter® zu wiberfiefen” u. f. m.

Bei G. Laurencim heift e8: ... „buch Haydu's unb Mozart's geif-

reih-frivolen Kirhenfiyl warb bie Menge verwöhnt und verborben, durch

Beethoven's phantaftiihrideaien hingegen geblendet.“

9 „Mit Entſchiedenheit, faft mit Entrüſtung weiſet Mozart in einem Briefe

den Zweifel feines Baters, ob er denn auch regelmäßig zur Beichte gebe, zurid,

and auch von Paris aus ſchreibt er an ihn, daß er, nachdem fein Concert

lich abgelaufen, den Gott verfprochenen Rofentranz gebetet und dann im x

zoyal ein Gefrornes zu fi) genommen habe. Der gewiegtefle, in ber irengfien

Schule des Lebens gereifte Dann kann nicht gottergebenere, chriftlichere GSeftn-

nungen begen, als de in dem unübertrefflichen Briefe ausgelprochen find, den ber

kaum 22jährige Yüngling über den plöglichen erfchütternben Todesfall feiner Mut- ter in Paris an den alten Hausfreund Bullinger nad Salzburg ridtet.....

In Leipzig fertigt er bie Nergeleien feiner dortigen Freuude bie unpaſſen⸗

den katholiſchen Kirchenterte ſichtlich verſtimmt mit ben Worten ab: Ihe Prote⸗

Routen ahnet nicht, was unſereins bei biefen Dingen, deren Einbrüde man -fchon

Gefang. 403

bauptet ſeinerſeits, daß die ganze leichtfinnige Gewiſſenloſigkeit ber Gegner nebft einer gehörigen Dofis Effronterie dazu gehöre, um ſolchen Thatſachen gegenüber ſolche Verläumbungen zu magen. 5. „Woran liegt's aljo, wenn die öfterreichifche Kirchenmuſik nichts taugt? an der verfehlten Kunftrichtung ? am Styl?“ Go frägt der Berf. und fährt dann fort: „Und da liegt’s auh”, ruft Vater Thibaut („Ueber Reinheit der Tonkunſt.“ 4. Aufl), „eure Kirchenmuſik, ihr Phaͤalen, ift ja viel zu aufgeräumt und heiter, um noch als foldhe gelten zu können. Pfui, Gott fo anzutrompe ten und anzupaufen; als ob er der luſtigen Geſellſchaft nichts zu fagen hätte!“ Dem flellt nun Dr. Lorenz Folgendes entgegen: Heiter ſei jede aͤchte, wahre Kunſt, auch bie religiöje, zu allen Zeiten gemwejen, wie ſich dies in der Gothik der altveutihen Bauwerke, in der Kunft jener alte deutihen und altitalieniihen Maler, die doch vor allen andern den Stem⸗ pel wahrer Froͤmmigkeit trägt, ja, bei aller Erbabenheit, auch in der Kunft Baleftrina’s zeige. „Was bat jener große Meifter, ein um 200 Jahre anticipieter Mozart, anders gethan, ald daß er, um Helmholtz's Worte zu gebrauben, an bie Stätte der gelehrt verwidelten Muſik der Nieder: länder den Wohllaut confonirender Accorde geſetßt, ſowie ihrerſeits in fpäterer Beitepoche die beiven Hahydn, Mozart und Beethoven den auf teaditionellem Yormalismus ruhenden Kirchenſtyl von Fur, Albredhtsberger zc. mit ihrem eigenen, von Gefühl, Geift und Schönheit durchdrungenen ver tauſchten. Schön aber darf und foll jedes Kunſtwerk, aud das rel giöje, fein. Ein Runftwert, das alles, nur niht [hön, ift niht minder unvolllommen mie eines, das nur ſchön.“ 6. Zur Widerlegung der Behauptung, daß die öfterreichifche Stirchenmufit ver würdenollen Einfachheit entbehre, zu lärmend, zu rauſchend, zu jehr Trompeten» und Paukenmuſik fei, weiſt Dr. Lorenz auf den gefammten katholifchen Eultus bin, der es wie fein anderer liebe, fih, namentlich bei Hochfeſten, ftatt an den kalten Verſtand, an Sinne und Herz der Gläubigen zu wenden. Gr beſchreibt in diefem Sinne: ein feierlihes Hochamt. So fei denn Mar, fagt er zuletzt, daß die oͤſterreichiſche Kirchenmuſik in Bezug auf ihre an⸗ geblihen Gebrehen und Berbrechen wenigftens Mitfchuldige und die auss

von Kindesbeinen eingelogen fühlt; ihr ahnet nicht, was man empfindet, wem man e8 nieberfchreibt: Benedictus qui venit oder Agnus dei miserere. „Haydn fiel täglich, während er an ber „Schöpfung“ arbeitete, auf bie Kniee, Gott um das glückliche Zuftandelommen bes großen Werkes bittend.‘... Alle feine Sompofitionen, auch) bie früheren, pflegte er Eingangs mit einem from⸗ men: „In nomine domini“ zu bezeichnen. ... Noch bewahrt Eifenflabt, als die rũhrendſte Reliquie, ven Betihämel, auf dem der große Dann täglich vor feinem Gott und Schöpfer in die Kniee geſunken; dieſen ſtets vor Augen zu haben, er- ahnt er aufs einbringlichfte die Chorknaben, darunter bem noch lebenden Uhl, als fie ihm ihre Aufwartung machten, beim Componiren von Kirchenwerlen nur an ihn zu benfen, nur ihm bie Ehre zu geben, ermahnt er Hummel ihren Singe meifter, Mozarts und Albrechtsbergers Schüler.” ... „Und dieſem Geiſt gegen. über fchredt man, fo wie bei Mozart, um das ſchwanlkende Lattenwerk ſelbſtfa⸗ Bricirter Hypotheſen zu flügen, jelbft vor Lüge und Berläumbung nicht zurüd, Igreist ben Blöbfinn nieder: „Haydn felbft babe gegen feine Kirchenwerke nur erachtung gefühlt”, magt bie Blasphemie: „Seit Haybn if bie Kirchen⸗ muſik gottlo® in bes Wortes ſcharfer Bedeutung!“ , 26

404 Geſang.

gezeichnetſten darunter, an allen Eden und Guben ber Kunſtgebiete zähle, ja am Gude als Hauptmitſchuldigen die Hierarchie jelbit, die den Cultus mit jo vielem ceremoniöjen Pomp und finnlidyen Reizen umgeben, „unte welchen ohnehin“, wie einer im Unmuthe fi ausgedrüdt, „bie Sirchen: muſil noch als daseinzig Bernünftige, menſchlicher Weiſe Geniekbare erfcheint.‘*) 32. FJortjegung. Uebergebend zu der Ftage „von ber mögliden

und unmöglichen Reform der latholiſchen Kirchenmuſik“, unterſcheidet Dr. Lorenz drei biftoriidy gegebene Hauptformen der chriſtlich katholiſchen Tom: auf: den gregorianiihen, ven Balefirina: und den modernen Nirhenftipi **), ertennt jeder Fern ihre beienvere Berechtigung zu und will keine aus dem Cultus verbannt wien. Es foll bei dem „vernünftigen Gompromis‘ bleiben, auf das die Zeit, diefe große Notbhelferin und Ber mittlerin, die ganze Angelegenheit zurüdgeführt hat, feudem Gregor d. Gr. den amtrojumijden Grejang verbannte. Bon der alten liturgifhen Muñl (dem gregerianiiden Gejange, bat ſich gerade jo viel erhulten, als nothig, um den eigentlich tirdlichen Jumctionen jenen Charalter umerjchütterlicher Steligteit, des Daneraden im Wechſel ;u verleihen, den der Rathe: lcsmus als fein mweientlihes Merkmal und feinen Borzug betrachtet; vie übrige Kirchenmuſit aber but in den latbelijden Ländern bieffeit umb jez ſeits der Alpen allmitiih den mehr oder minderen Grab ber Gutwidelung errikt, deiien ne nach Beritiedenheit ren Zeit und Art fähig geweien. Dabei jollte man e3 bewenzen lajjen” Tie ausjühliden Grör kungen, melde dieſen Suse zur Stütze diemen, müfen an Urt und Cie nachgeleſen werten, benertt jei nur, daß auj bie großen Echwierigleiten der Ausfütrung bingewizien wüt, melbe enrüchen würben, wenn num der Baleſtrinaſtdl a caps.\a zjuliing wäre, jcıwi baf der Verj. einen Ausſpruch Riebl's anjubrt, Ber curitıeden zu Guaien ber firhlichen aflrumental —— wa zwar wegen icres Gininnjes auf des gejammie Mufilichen 38 Jertjegung Uchrigens wül Dr. Lorenz bie Mängel uud

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Gefang. 405

Uebelftände, welche ſich in der Kirchenmuſik eingeſchlichen haben, ausgemerzt wiffen. Nur bierin, und nicht in einer Ausmerjung der Musica sacra felbft, könne eine vernünftige und nützliche Reform beftehen. Allerdings fei die Kirchenmuſik feit Haydn und Mozart in wenigen Decennien zu einem betrübenden und anftößigen Grade von Bermeltlihung und Frivolität berabgefunten, .... „jene große contrapunftifche Kunſt, die, ohne daß man's gewahr ward, ſelbſt den mehr melismatifh gehaltenen Theilen der Meſſen unjerer Großmeifter zu Grunde lag, machte nun. einem, nur den Uneinges weihten blendenden, lediglich auf Effect berechneten Raffinement der Com: poſition Plag; jene trefflichen, ächt kirchlihen Gradualien und Dffertorien, wie fie frühere Meifter gejhaffen, wurden nun burd jene modernen Einlag« flüde verbrängt, wo der Compofiteur der „‚geläufigen Gurgel” einer Gän: gerin Gelegenheit gegeben, mit den nicht minder „geläufigen Fingern“ eines Inftrumentalvirtuojen eine Art eleganten Zweikampfes zu beſtehen, oder irgend einem Männergefangvereine ein Stellvihein geboten, um fi und die andädtigen Zuhörer durch eine Art „geiftlider Alpenfängerei” zu er⸗ gögen. Dem ſoll gemehrt werden. „Verftände es unfere Hierardie, mit Klugheit und Entſchiedenheit bier einzugreifen, den Baum ſchonend, ihn nur von ben wilden Sprößlingen befreiend, fo ſtände unſere vaterf. Kichenmufit aufs neue verjüngt und gereinigt in all ihrer eigenthümlichen Schönheit wieder da, ebenbürtig dem Bellen, was in Jtalien und dem pros teſtantiſchen Deutjhland zur Verherrlichung der Religion in der Musica sa- ora geſchaffen worden.

34. Fortſetzung. Bemerkt ſei noch, daß die Schrift des Dr. Lorenz in den „Signalen“ und der „Norddeutſchen Muſik— zeitung‘ zuftimmend beuriheilt worden ift”). An den Redacteur der legteren gelangte wegen Aufnahme der zuftimmenden Recenſion eine ano» nyme Zuſchrift, worin feine NHatholicität in Bweifel gezogen wurde. Gr bat diefen Zmeifel befeitigt und ſich dabei gegen die „Zeloten“ erklärt, welche die katholiſche Kirche au in Betreff der Muſik „hinter dag Mittels alter zurüdverfeßen möchten”. Auch die Nedaction von Bellner’s „Blät: tern für Theater, Muſik und bildende Kunft“ ftellt fi in der Hauptfadhe auf die Seite des Dr. Lorenz. Wiewohl fie „nicht allen fei: nen Argumenten unbedingt beipflihten möchte”, glaubt jie do, daß es den Gegnern nicht jo leicht fallen dürfte, diefe Argumente zu entlräjten.

85. Der Herbed’fhe Styl. Eine „Wandlungsphafe des Meß⸗ ſtyls“, ift nah dem Urtheil der eben genannten Zeitſchrift angeftrebt in einer neuen Meſſe von Herbed, dem verbienfivollen Dirigenten des Mie- ner Männergefang:Bereind. Der Componiſt ift bemüht gewejen, „vie ans tife Ausprudsmeife mit den heutigen Ausdrudsmitteln zu amalgamiren, dag ebrfurchteinflößende Weſen des Paleftrinaftyld mit dem populären Zone der choralartigen Melodiebildung, den ftrengpolyphonen Kunftfaß mit der

*) Die „Signale bezeugen ihm, baß er energiich Front mache gan „ben: Zelotiemus und Purismus, der von ber einen Seite nur den Styl Paleſtrina's nnd der alten Italiener überhaupt, von ber andern gar nur ben gregorianiichen Geſang gelten laſſen will,‘

406 Geſang.

feingeaͤderten Charalteriſtik ſchildernder Elemente, die Objectivität der ge ſchloſſenen Vocalmaſſen mit der von ſubjectivſter Empfindung durchwehten orche⸗ ſtralen Behandlung, den Diatonismus des 16. mit der freieſten Chrome tit und Enharmonik des 19. Jahrhunderts nicht blos durch Neben einanderftellung zu verbinden, fondern in einander aufgegangen zu machen, zu einem, das Gepräge organifdher Einheit tragenden Ganzen zu verſchmel⸗ zen. Das fei vielleicht nicht in Jebermanns Augen ſpecifiſch katholiſch; dafür aber fei die Meſſe durch und durch kirchlich, fie athme von ver erften bis zur legten Note religiöfen Geift, und darauf komme es an.

36. Schluß. Cs fteht kaum zu erwarten, daß die Begenfäge, melde in den Anfichten und Beitrebungen der Katholiken hinſichts der Kin chenmuſik ftattfinden, ſich ſehr bald ausgleichen werden, denn dieſe Gegen fäse beruben im tiefften Grunde auf der verjchiedenen Art, wie das We: fen der Kirche jelbit von den Ginzelnen gefaßt wird und wie fie zu derjfelben ſich ftellen. Zweierlei läßt fi indeß vorher⸗ fagen: 1. Der gregorianifche und ber Paleftrinaftyl werben in ber großen Mehrheit der Kirchen nicht die berrfhenden werden, dazu iſt ber eine zu monoton und büfter, der andere zu ſchwer; 2. die leichtfertigen Kirchen mufilen, an melden bie Statholilen jo reich find, werden jedoch verſchwinden und ernfteren, würdigeren Werten mit oder ohne Inftrumentalbegleitung nah und nah Pla machen.

C. Der Schulkreis. 1. Die Bolksfchule.

a Allgemeines.

37. Aufgabe der Schule „Der Elementar: Gejangunterricht bat feine Aufgabe noch nicht erreiht, wenn er dem Schüler ein gewifles Maß techniicher Gefangfertigleit beibringt, Stimme und Gehör ausbildet; fondern das Enpdziel alles Geſanges in der Volksſchule befteht darin, daß die Schüler bei ihrem Abgang einen Schaß der ſchönſten und beften voltsthümlichen Lieder mit in's Leben binübernehmen, daß durch den Gefang das religiöfe und patriotifhe Gefühl der Rinder rege gemadt, der Sinn für das Schöne gewedt und überhaupt die Bildung und Bereblung des Gemüthes gefördert werde.” So Wilhelm Kothe in: „Kurzgefaß— ter Leitfaden für metbopifhe Behandlung des Gefangun: terrihts in der Volksſchule.“ Derjelbe feht binzu: „Die glüdliche Löfung diefer Aufgabe jebt voraus: daß die betreffenden Gejfänge mit gro: Ber Sorgfalt eingeübt und häufig wiederholt werden; daß die Lieder nad Tert und Melodie anſprechend und wirklich werth feien, über die Schule binaus behalten zu werben; daß ein beitimmter mohlgeorbneter und ge nau abgegrenzter Lieder: Curjus feitgebalten werde, nicht allein im einer Klafie, einer Schule, fondern in ganzen Bezirken. Leider macht fid mas die Auswahl des Gefangftoffes betrifft die perſönliche

Gefang. 407

Liebhaberei zum Nachtheil des Ganzen wohl felten in fo hohem Maße geltend, wie bier.”

N Stolley fagt in jeinem „Geſangfreunde“: „Der Geſang dient mehr als ſonſt ein Zweig des Schulunterrichts dem unmittelba⸗ ren Ausdruck des Gemuͤthslebens. Dieſer Umſtand, wie der andere, daß der Geſang das Kind in's Leben hinein und durch's Leben begleiten ſoll, verleihen dem Geſange eine nicht geringe Wichtigkeit. Dieſem doppelten Zwed entſprechend, muß der Geſangunterricht beftrebt fein, 1. einem mög» lichſt edlen Geſang zu erzengen und 2. das Kind zum ſelbſtſtändi— gen Singen zu befähigen.“ Was den erſten Punkt betrifft, ſo will der Verf. ja wohl ſo verſtanden ſein, daß nicht nur in edler Weiſe (was Tonbildung, Accentuation, Ausſprache, Vortrag ꝛc. betrifft) geſungen wer⸗ den ſoll, ſondern daß auch edle Stoffe zur Verwendung zu bringen find. Auf die Forderung des felbitftändigen Singens Tommen wire weiter unten zurüd.

b. Eine Norm für den Sejangftoff.

38. Zahl der Choräle und Volkslieder. In dem auf bie einfachſten Ziele und ſchwierigſten VBerhältniffe berechneten Lebrplane des Seminarbirectord Dr. Schneider in Bromberg, für die einllafiige Volks: Säule, Gentralbl, 1865, 12, wird die Zahl der Choräle, und eben fo die der Volkslieder für die Unterftufe auf 5, für die Mitteljtufe auf 15, für die Oberftufe auf 20 feftgeftellt.

c, Die Choräle.

39. Jetzige Sahlage. Sn den meilten Schulen wird eine aus: reichende Anzahl von Kirchenmelodien feft und ficher eingeübt, und zwar mit Beachtung der landſchaftlichen Lesarten. Die Auswahl und Uebung der Choräle, jchließt fih, wie auh Kothe a. g. Orte empfiehlt, allermeift dem Feſtikreiſe des Kirchenjahres an. Was die Choralterte betrifft, fo iſt Bieles gefhehen, um vie matten und faben Reimereien, melde ſich eine Zeit lang in den Gejangbüdern breit mahten*), aus den Schulen ber

*, So 3. DB. ein Lieb, welches ben Freveln fleuern follte, Die bei Anlage ber ebauflenn \ u g an ben zu beiden Seiten gepflanzten Bäumen begangen Wire . Da hieß ee:

8.4. Wenn matt ber Wanbrer Labung fuht, Und nicht bes Silent Durft allein,

Entblößt von Trank und Speife, Des Kranken Pein nur ſtillet Winkt ihm vom Baum die golbne ruht, Der Bäume Frucht; ein füßer Wein Er ißt und fegt die Reife Der aus dem Apfel quillet,

Geſtärkt und fröhlich weiter fort, Erfreut auch des Gefunden Herz Erreichet den beſtimmten Ort Und führt e8 dankbar himmelwärts Unb dankt Gott für die Bäume. Zu Gott, dem Freubengeber.

ZuB. 4 bemerkte die „Ev. Kirchenzeitnug“: „Man denle fi im Hin⸗ ne biefes Wildes etliche Wegeaufſeher, die ben geftärkten Wanderer ein⸗ gen.”

408 Geſang.

auszubringen, fie der wohlverdienten Vergeſſenheit zu überweifen und bie Kernlieder der Kirche an ihre Stelle zu feben.

Faft allgemein, und zwar ganz mit Recht, werben die Choräle ein- ſtimmig gefungen*), womit nicht ausgefchlofjen ift, daß dann und wann aud einmal ein breiftimmiger Choral, woran die Schüler eine befonbere Freude zu haben pflegen, eingeübt werbe.

d. Die Bollslieder.

40. Die Sadhlage. Mehr und mehr find folgende Säße zur Geltung gelangt: Die Auswahl der Lieder erfolgt im Allgemeinen in der Stufenfolge vom Leidhtern zum Schmerern. Wichtige Borlommniffe im Schulleben (Schul: und patriotiiche Feite), die Rüdficht auf die Jahreszei⸗ ten ac. rechtfertigen indek mancherlei Abmweihungen. Nur das Beſte ift für die Sinder gut genug. In den unten Klaſſen werden die Volle lieder einftimmig, in den folgenden Klaſſen zwei⸗, nad Umftänvden auch wohl vreiftimmig gefungen. Ein Normalftoff von auserwählten, immer wiederkehrenden, unverlierbar einzuprägenden Liedern foll feftgehalten wer: den. Neue Stoffe find jedoch nicht ausgeſchloſſen, fie bilden einen zwei⸗ ten, freien Lievercurfus, binlaufend neben dem Hauptcurfus der conftanten Sefänge.. Zum Normalftoff fagt Stolley**:.. „Es ift ein fchönes Ding um das Auswendigfingen, wenn Wort und Ton friih und frei aus der Bruft bervorftrömen, jo ganz unfer Eigenthum und mit und vermad» fen. Streben wir an‘, daß unfere reifere Jugend 10 bis 20 vollsthüm lihe Lieder, wo möglih diejelben, in biejer Weile nah Melodie und Tert fi aneigne. Es wäre ein großer Gewinn!“

e. Anbahnung des Lebensgefanges.

4. Verwerthung der Lieder. Wie eine folde in ſehr zwed: mäßiger Weife ftattfinden könne, davon geben u. A. die in den „Berliner Blättern” 1865, Beiblatt Nr. 10, beichriebenen Schulfefte einer höhern Töchterfehule außerhalb Berlins ein Beiſpiel. Es fanden dieſe Feſte im Anſchluß an erinnerungsreihe Zage ſtatt. So am 31. Mai, mit dem ſich das Andenten an Joahim Neander, Friedrich Wilhelm L, Sriedrih den Großen, Hardenberg und Tied (melde beide jedoch nur vorübergehend zur Srwähnung kamen), fowie ferner an Ferd. Schill und %of. Haydn verband. Dem fortlaufenden Vortrage des Directors fügten ſich Gedichte, weldhe von den Schülerinnen geſprochen und Gefänge, welche von ihnen ausgeführt wurden, finnvoll ein. Das Ganze endigte mit dem A. Verſe aus 3. Neanders herrliben Liede: „Lobe den Herren, den mächtigen Koͤnig der Ehre‘, während der 1. ſchon beim Beginn des Feſtes gefungen war. Man leje a. g. D. das Nähere.

*, „Der Choral ifl Gemeinbegefang unb sie folcher in ber Regel nur ein- Rimmig auszuführen” W. Kothe a.g. DO

) Jedoch fagt A. Stolley a. g. De „Dos voltethämliche Lieb eigmet ſich vorzugemweile zur einflimmigen Ausführung. Das Lied mag in ber mehrfiimmigen Ausführung an Siebticfeit und Mannigfaltigleit gewinnen, c# erreicht fo aber nicht das Gewicht, welches ihm in ber Einſtimmigkeit beiwehnt.

Geſang. 409

f. Das erſte Schuljahr.

42. Adolph Klauwell. Derſelbe iſt Lehrer in Leipzig”) und genießt im In⸗ und Auslande einen nicht unbebeutenden Ruf wegen ber ganz vorzügliben Weife, wie er den von Dr. Vogel begründeten Glemen«

- tarunterriht ausführt. Das Weſen dieſes Lehrverfahrens beſteht darin,

daß Alles, was gelehrt und geübt wird, in engem Zujams menbange mit und zu einander ftebt. „Der fo wichtige Anſchau⸗ ungsunterricht ſteht in ganz genauer Verbindung "mit Beihnen, Schreiben, Lefen, Memoriren und Singen. Es werben nur die Gegenſtände veran⸗ ſchaulicht, befproden und gezeihnet, an deren Namen zugleidd Schreiben und Lefen geübt werden fol. Es wird nur gezeichnet, was genau betrach⸗ tet, nur gelefen, was geichrieben und wiederum gejchrieben, was verftanden und gelefen worden iſt. Ebenſo werden nur folhe Sprüdlein und Vers⸗ hen gelernt, ſolche Geſchichten erzählt, ſolche Liedchen gejungen, welche dem dem Anfchauungsunterrichte als Lehrobject dienenden Gegenftand behandeln, beleben oder illuftriren, aljo wieder in innigem, weſentlichem Zufammenhange mit den Sprad:, Schreib: nnd Lefeübungen ftehen.... Es findet alſo in allen geiftigen und leiblichen, mündliben und ſchriftlichen Uebungen eine Con: centration im beften Sinne des Wortes ſtatt.“ Demnah werben im erften Schuljahte gefungen: I. die Heinen zweizeiligen Verschen, welche in der Fibel (Lebensbilder, I. Leipzig, Klinkharbt, A Sgr.) unter den Bes f&hreibungen der abgebildeten Gegenftände fteben und bei der Unterredung duch Vor: und Nachſprechen eingeprägt worden find; als Melodien wer: den am liebften allbelannte Volksweiſen benugt. 2. Kleine, recht in’s Ge⸗ bör fallende Bolts» und Kinderlieder, und zwar wiederum im Anjchlufie an den Anſchauungsunterricht. So läßt man 5. B. nah dem Bilde Mond das Rinderlied: „Wer bat die ſchönſten Schäfchen“? nad der Bes trachtung des Bildes Vögel das Volkslied: „Ale Vögel find ſchon da’ fingen; zu dem Bilde Pfeil paßt das Lied: „Mit dem Pfeil dem Bo⸗ gen‘, ve Bilde Chriftbaum: „Am Weihnachtsbaum die Lichter bren« nen” u. |. w.

48. Fortfegung Was die Zahl der Lieder betrifft, jo werden 10 bis 15 für ausreihend gehalten. Dazu kommen einige lürgere und leiht zu lernende Choräle.

„Alles muß beziehungsweiſe | hön (rein, im Zalte und mit richtiger Ausſprache) gefungen werden. Wann und wie oft ſchon gelernte Liedchen wieder zu fingen find, das richtet ſich nad Fähigkeit und Bedürfniß. „Fühlt man, daß die gepflogene Unterrevung einer Belebung oder die Rinder einer Grmunterung und Erfriſchung bedürfen, nun, fo flimmt man ein paflendes Lied an. Oder gefältt Ginem einmal, wenn ich fo fagen darf, der Geift in der Klaſſe nicht, oder ſcheint einmal das Band zwiſchen Lehrer und Schüler etwas gelodert, auch da kann durch friihen Gejang der trübe Geiſt veriheudt und das Band wieder fefter gelnüpft werden.

®) Seine erfie päbagogi Ib mpfing er noch unt niſch im e emna —ã 208 je Bildung e yf 8 & unter Harnij

2. Böhere Säulen.

44. Mipfände Als folhe bezeichnet Schletterer mehrfach die bürftige Pflege, welche der Gefang erfährt, und die Ablöſung der Schulen vom mufllaliiden Ktirchendienſft. „Die Schulen baben fi nad und nad von aller Betheiligung am mufifalifchen Kirchendienſt losgefagt. Das Ins texefie, das man dafür der Jugend beizubringen verfäumt bat, fehlt nun auch den Erwachſenen. Ja, was noch ſchlimmer if, die proteitantiiche Geiftlichteit ſelbſt hat keine Theilnahme für den mufilaliihen Theil des Cul⸗ tus und vermag gar nicht zu ermeflen, was die Kirche durch das Verzich⸗ ten auf die herrlichſten Kunftwirkungen verloren bat. Die ganze gelehrte Erziehung und die Geiftlichleit erhält ja auch nur eine folhe bat alles abgetban, was nod eine Kunſtpflege ermoͤglichte, und es darf daher nicht wundern, wenn man ſchließlich eine Generation von Maͤnnern im Amte ſieht, denen jedes Kunſtintereſſe mangelt und die doch ein ſolches, als nothwendiges und bringendes Bebürfniß, fo fehr baben follten.” .

Da nun aber der Gefang und die Muſik als Kunſt ein mefentlicher Theil des Gottesdienftes ift, der in unverantwortlider Weiſe vernadhläfligt er: ſcheint, da hierdurch ein wichtiger Theil ber öffentlichen Gottesverehrung Roth leidet, fo trage man doch Sorge, indem man in ben gelehrten Schu⸗ len dem Gefange wieder größere Aufmerlfamleit und Pflege zumendet, daß die lebende Generation unmuſikaliſcher Theologen allmählig durch eine an: dere erfegt und durch das Intereſſe, welches auf dieſe Weiſe mit der Zeit für kirchlichen Gemeindes und Kunftgefang wieder rege gemacht wirb, eine Hebung und Beſſerung beider möglich gemacht werben kann.”

Nicht alle Gymnaſien verhalten ſich in der bier bezeichneten Weife zur Sefangpflege und dem kirchlichen Gejangsdienft, wie denn 3. B. nur Schul- pforte und Beiß als Ausnahmen angeführt fein mögen. Unter der preu: ßiſchen evangeliſchen Geiftlichleit finden ih einzelne Männer von böhf gediegener Muſikbildung. So aud in Sahfen, wo die „alten Thomaner” ihren längft zur Tradition gewordenen guten Ruf behaupten. Im All—⸗ gemeinen wäre den evangelifhen Theologen ohne Zweifel eine befiere muflaliihe Vorbildung zu wunſchen, die jedoch eine gründliche fein müßte, weil eine flach dilettantifhe dem Amte nichts nüßt, dagegen aber leicht Conflicte mit den Cantoren und Lehrern berbeiführt und darum in Wiefer Richtung fchlimmer ift als gar keine,

45. Trihordium. Unter diefem Namen gab B. Widmann eine Sammlung dreiftimmiger Gejänge für Männerftimmen berans, nachdem und im vorigen Jahre E. Grell mit feinen bvreiftimmigen Mo⸗ tetten eine töftlihe Gabe dargereiht hatte. Yür die Berechtigung und Bwedmäßigfeit des breiftimmigen Männergefanges führt er folgende wid ige Gründe an, die wohl von Allen, welche die Sache angeht, recht ernſtlich zu erwägen wären.

1) Der breiftimmige Satz wird von den älteften Theoretifern der Mufll bis auf die neueften berab als eine das Ohr volllommen befriedigende Har⸗ monie anerfannt. Die Trias harmonica wird aber aud

2) in den verfhiedenften Bocal: und Snftrumentalformen prabtiſch

Geſang. all

bargeftellt von Olarean's Zeiten (defien „Dodecachordon erjchien in ber 1. Aufl. 1547; es enthalt ſchon breiftimmige DVocalcompofitionen) an bis auf unfere Zeit.

3) Der dreiftimmige Sag hat für Männerftimmen in einer Hinficht fogar einen nicht unmefentlihen Vorzug vor dem vierflimmigen Sage, ins dem jede einzelne der drei Singftimmen mehr Kaum zu ſelbſtſtaͤndiger Ent⸗ faltung bat, als bei vier Stimmen in dem ohnedies beſchraͤnkten Umfange des Männergefanges möglich ift.

4) Der preiftimmige Chor ift aber auch leiter ausführbar als ver vierftimmige. Belanntlih find die Mittelftimmen ſchon an und für fi ſchwerer zu treffen, als bie außeren Stimmen ; allein bei dem vierftimmigen Maͤnnerchore ift dies noch um einen merklihen Grad ſchwerer, theils, weil bie in fo engem Umfange gejeßten Stimmen nicht immer eine leichtfaßliche Ausrundung haben können, theild, weil die Stimmen, ala nahe beiſammen liegend, weniger unterſcheidbar find.

5) Es wird hier vorausgejegt, daß die Schüler an Bpmnafien und anderen höheren männlichen Lehranftalten in zwei abgejonverten Gefangab: theilungen unterrichtet werben, von denen die oberen Claſſen den Männer gefang pflegen. Da nun an bie geringe Zeit der Uebung von nur zwei wöcentlihen Stunden nicht allzugroße Sunftforderungen geftellt werden können, fo mag es zwedmäßiger fein, nur den breiftimmigen Männergefang zu cultivicen, was bejonders dann um jo gebotener erjheint, wenn nur über eine geringe Auswahl von den verjchiedenen Gattungen der Männer ſtimmen zu verfügen iſt.

Herr Widmann hätte dazu noch 6) eine Hinweifung auf bie größere Schonung fügen können, welche die meift noch unreifen Tenöre und Baͤſſe der Schüler beim blos dreiftimmigen Mannerchore, gegenüber dem vier: flimmigen, erfahren.

3. Die Blindenanftalten.

46. Neigung der Blinden zur Mufil. Hierüber fpricht fich 5. Roesner im „Brandenb. Schulblatte”, 1865, 9 und 10, bezeichnend und lehrreih aus. ‚Auf das eigenthbümlih geihärfte Ohr der Blinden if aud die Erſcheinung zurädzuführen, daß fie faft alle eine innerlihe Neigung zur Muſik erlennen laflen. Nicht daß fie, wie irrthümlich wohl ange nommen wirb, mit befonderer Anlage und Neigung zur Tonkunſt von Ratur ausgeſtattet wären! Das Wohlgefallen an Sang und Klang erwächſt aus dem Buftande der Blindheit, und aus der Neigung entwidelt fi die relas tive Befähigung. Fremdlinge in der räumlihen Welt, haben fie ein um fo größeres Recht auf die Welt der Gefühle und Empfindungen, welde die Mufil in ganz einziger Art ihnen erſchließt. Cs hat das Reid der Töne einen mächtigen Reiz für ihr dunkles Leben. Hier findet die Phan⸗ tafie die angemefjenfte Nahrung, die natürliche Sehnſucht der Seele nad, Freude und Genuß die jhönfte Befriedigung. Mufit wird für den Blinden die Geifterfpradhe, der er laufcht, mit deren Bilden er bekannt und vertraut wird, die fein Herz ſpricht und die ihm geftattet, in ihren

““ bezeichnet, wenn es dort heißt: „Der Männergefang, als folder, iR und bleibt höchſt bedeutend, ſchon darum, weil er an der Duelle fleht, ans welher immer und immer wieder zu jhöpfen aud vie erbabenften Gattungen der Mufil nit umhin können. Diefe Quelle if die Mufil des Bolles, vor Allem: das Vollslied! Es giebt zwar eine große muhlalifche Literatur, in welder auch die leifeften Spuren biefer Duelle nicht mehr zw finden find. Sie wird aber darum auch ſchwerlich je Gemeingut werben, fie wird bleiben, was fie if: ein Privileg einer auserlefenen mufillalifchen Geſellſchaft, auserlefen nicht in Bezug auf Tiefe, Reinheit, Klarheit, Adel der Empfindung, fondern in Bezug auf abfonderlihe Stimmmgen, meht oder weniger ercentriihe Anfchauungen, mebr oder weniger ungejunde Ge⸗ fahlemifhungen und vielleicht auch feinere muſilaliſch⸗techniſche Vorbil⸗ dung. Indeſſen wird, auch wenn wir von Mozart und Beethoven abſehen, doch den Meiſtern die Unſterblichkeit vorzugsweiſe innewohnen, die aus jener Quelle geſchoͤpft haben. Denken wir flatt allen nur an Franz Schubert und Weber.“

„Bir wiflen wohl, daß auc der Männergefang zum Theil deshalb gejunten if, weil er fih von biefer Duelle entfernt bat, weil er fa unmürbigen Kunftflüden Dinge bat leiften wollen, vie ihm ferne bleiben müflen, weil er, auf der andern Geite das infahe mit dem Trivialen verwechſelnd, die Pfade der ärgfien Proſa mit einer mitunter entfeglihen Behaglichkeit gewandelt if. Wir wünjdten, daß bies von der fpecifiihmufitalifhen Eeite nicht gebulvet würde. Wir wollen für den Männergefang keine Regeln aufftellen, die mit ben geweibten Idealen unferer deutihen Mufit nicht im Ginllang fiehen. Aber wir verlangen, daß der Männergefang in feiner großen Bedeutung ridtig gewürdigt und im Auge behalten werde. Denn für fehr Viele iſt er die Halle, durch weldye fie in das Gebiet der Mufit überhaupt eingeführt werden, und nicht blos in das der Mufil, fondern auch in das der Poeſie, damit aljo ver Kunft überhaupt. Wir bitten dies zu beberzigen. Der ächte Muſiler im wahren Sinne des Wortes, der innerhalb eines Männergefangvereines im Anterefie der wahren Kunft wirkt, thut mehr für die wahre Ausbreitung Achter mufifaliiher Bildung, als mander, der hochmüthig auf folder hun herabblidt.“

Geſang. 418

„Wenn ein Berein, wie der Wiener Männergefangverein, und fein feinfinniger,, muſikaliſch und poetiſch hochgebildeter Leiter, es fih zur Auf: gabe maden, al’ ihr Können den einfachſten, aber ebelften Blüthen ber Liederfunft mit voller, vielleicht mit vorwiegender Hingebung zur Dispoſition zu ftelen, fo ift das gerade ein Beiſpiel, dem wir nur Nachahmung wünſchten!“

48. Das Dresdner Sängerfeſt. Nicht von Allen iſt es ge⸗ prieſen worden, die Berichte lauteten im Gegentheil ſehr verſchieden. Neben dem Beifall klatſchender Hände haben auch ſcharfe Kritilen und ſchneidende Gloflen ſowohl “ber den mufilalifchen, wie über den politischen Erfolg des Feſties nicht gefehlt. Wenn der Deutſche Sängerausihuß in feiner Belanntmahung vom 26. Juli jagt: „Vorbei find die Tage eines ewig unvergeßlichen Feiled. Der deutſche Sängerbund bat feine erfte Bus fammentunft beendigt. Gin großes Unternehmen war es für Dresven, in feine Mauern den Chor deutſcher Männer einzuladen. Aber berrlih, über alle Worte herrlich, it das Unternehmen binausgeführt worden” —, fo äußerte fih dagegen Dr. Franz Brendel in feiner Zeitſchrift, 1866, Nr. 1, „Zur Lage‘, folgendermaßen: „Aeußerlich Blendendes, Pomps bafted hat das vergangene Jahr allerdings mehrfach geſehen. So das Männergefangfeft in Dresden. Daß jedoch dafjelbe in der ihm verliehenen Geſtalt ein verfehltes war, darüber ift wohl kaum irgendwo nod ein Zweifel. In folder Weiſe hatte daſſelbe weder eine künſtleriſche, noch eine nationale Bedeutung. Die gefammte Prefie hat dies, jo weit mir Urtbeile darüber zu Geſicht gelommen find, faft mit Ginftimmigleit ausgeſprochen, und auch die Befucher kehrten deprimirt und vielfach entiäufcht von dem Feſte zurüd.“

49. Fortſetzung. Was fpeciell den muſikaliſchen Theil des Heftes anbelangt, mit dem wir es hier lediglich zu thun haben, fo prüfte der betreffende Artikel in Nr. 50 der „Sängerhalle” zunähft die Berehtigung folder Mafjenaufführungen, wie fie in Dresden ftattges funden. „Sind folde derartige Aufführungen muſilaliſch noch zu billigen ? Haben fie denn noch irgend einen mufilalifchen Werth, können die Lei» flungen nod derartige fein, daß die aufgeführten Compofitionen gu ihrem Rechte gelangen?” Die Antwort wurde im bejabenden Sinne unter Sins weis auf die in Drespen bei dem Anfangshoral und Menpdelsjohn’s Geftgefang an die Künftler gemachte Erfahrung ertheilt, „daß auch Auf» fübrungen von dazu geeigneten Gefängen durch größere Mafjen ſehr wohl einen gerade ihnen eigenthbümliden Eindrud auf die Seele des Hörer gu maden geeignet find.*) „Maflenaufführungen haben andere Vorzüge und andere Mängel,

% Der Verfaffer fette hinzu: „Allerdings mag in Dresben bie Totafität der ganzen Situation mit dazu beigetragen haben. Die jchöne, Iuftige, poetifche Salle in herrlichſter Umgebung, die feſtliche Stimmung, das allen An⸗ weſenden gemeinfame Seftgefübll "Mag das immerhin beigetragen haben! Aber das ſchlummerte in ber Seele! Gelsſt wurde e8 erſt burch ben Ge⸗ fang, erft da fam es in Fluß! „Ja, dann ift aber bie Wirkung feine rein mufilaliſche,“ wird man einwerfen. Ich entgegne: „aber eine künſileriſche mar fie doch.“ IR es denn ſchlechthin nöthig, daß man Blind if, um über Muflf zu urtheilen? Der ganze Menih war länftierifh bewegt. Das If genug.”

414 Gefang.

als Aufführungen gewöhnlicher Bereinshöre. Was Ihren an Gorrectheit des Ausdrudes und Bortrages im Cinzelnen abgeht, erjegen fie auf der andern Seite durch die Fülle der Tonmaſſe und dur die Großartigkeit und Wuchtigleit des dadurd bedingten Eindrudes.”

50. Fortſetßung. Bei der jharfen Lritit, der alsdann der Ber fafler die dem Feſte dargebrahten neuen Sompofitionen unterwarf, fagte ee: „Wollen wir den Männergefang mufitalif heben, jo muß unjer Urtheil venjelben Maßſtab anlegen, den die glorreihe Entwidelung ver Mufit in Deutfhland feit 8O Jahren uns in die Hand giebt, in bie Sand zwingt. Es muß mit einer gewiflen Strenge der Trivialität, vie im Gebiet des Liedes, und namentlich im Gebiet des vierftinnmigen Liedes für Männerfiinmen, eine unverdiente Zuflucht gefunden hat, ein Halt! zus gerufen werden. Die Kritik unferer Sänger if zu lar. Die Nachgiebigkeit der häufig nur zu ſehr von ihren Sängern abhängigen Dirigenten ift zu groß! Man bezeihne als flach, was flad ift, auch wenn auf den Zitel der Name eines „beliebten Componiften” ſteht. Man wende nicht ein, daß dann weniger Neues geliefert werden würde. Gott gebe, daß es fo ſeil Wir baben genug! Man fuhe nur! Unter dem WBufle von Ropitäten liegt noch mande Perle vergraben. Auf den übrigen Bebieten ver Muſik ift man thätig, das Wertboolle ji anzueignen, was in einer früheren Periode von einer Anzahl fruhtbarer Geifter der Welt geboten wurde, und was zu viel war, um von der damaligen Mitwelt aufgenom- men zu werden!”

51. Hortfegung. Ueber die Leiftungen ver Sänger fpridt ſich unfer Artikel mit einer gewiſſen Zurüdhaltung aus; man kann jedoch abnehmen, daß ihn Vieles befriedigte, während er Anderes u bemängeln hatte, wozu namentlich die ſchlechte Direction einzelner Lieder und der nad» theilige Einfluß gehört, den die Unzahl wenig oder gar nicht ‚befähigter Sänger, der bloßen „Feſtſchmarotzer“, übte.

H. St. bezeugt in feinem Berichte über die Dresdner „Subeltage”, „Sängerballe” Nr. 32 u. f., daß die Ausführung des muftlahfchen Abeiles des Feſtes ſeine Erwartungen bei Weitem übertroffen babe.

Dagegen nennt Dr. Gerfter in Regensburg, ein begeifterter Freund, Vertreter und Förderer des deutſchen Geſangweſens, in feinen „epi⸗ Britifhen Variationen über das Drespner Sängerfeſt“, „Sängerballe‘ Nr. 50, den muftlaliihen Erfſolg deſſelben geradezu einen ſehr unbefriedigenden. Er jagt: „Rad; meiner Anfıht wirkte zu foldem Refultate Verſchiedenes zuſammen. Theilweiſe die verjpätete Ausfendung der Feitgefänge, theilmeife im Verbältniß zu den wirklich Singenden bie viel zu ſtarke InftrumentalsBegleitung,, tbeilweife fehlerhafte Direction ein⸗ zelner Geſaͤnge, hauptſächlich aber, daß wenigitens zwei Dritttbeile ber Sänger nicht als ſolche, jondern als Bergnügungs:PBaflagiere nad) Dresden famen, die fi auf Koften der Drespner vergnügte Tage machten, weshalb auch Jene nicht ganz Unrecht haben, welche jagen, daß das Dresvener FeR mehr eine großartige Bummelei, denn ein deutſches Gelangfeft geweſen, weil der großen Mehrheit der Sängerfefte der Geſang Nebenſache geblieben.

Geſang. 415

Deshalb aber den Drespnern und dem Keflausfhuß einen Vorwurf machen zu wollen, wäre febr ungerecht. Die Dresdener haben alles getban, um das Feſt glänzend herzurichten und auszuftatten. Sie haben die Gaftfteunds Theft im böchften und fchönften Grabe geübt und ſich des Feſtes wegen noch mit großem Schulden belaſtet. Wenn Dresten einen Vorwurf: treffen kann, fo iſt es der, daß es nicht zu wenig, fondern zu viel gethan hat, denn daß bis zum legten Zage Jeder noch als Saft angenommen wurde, der fi als Sänger meldete und feinen Thaler erlegte, bat der Vorfigende des Feſt⸗ ausſchuſſes in der Bunvesverfammlung felbft als Fehler ausgejprochen. Chenſo wenig ift aber dem Bundesausſchuſſe hierüber ein Vorwurf zu mahen; dieſer bat eben auch alles getban, mas er vermochte, um dab Dresvener Yet zu dem zu geftalten, was es fein ſollte. Daß eben ſolche Maſfſen nicht zu beberrihen, daß bei der großen Mannigfaltigteit ver Gingelbünse, und noch gegenfeitiger Unbelanntichaft mit einander, ferner bei dem großen Mangel des Bejuches der Proben, überhaupt dem Willen der großen Mehrheit, fi im Gefange nicht anzuftrengen, und darin nichts leiften zu wollen, tbeilweife auch nicht zu fönnen gerade der Mafien- effect verloren ging und ebenjo die Ginzelvorträge Abends im Tumult und Getöje, welches mit aller Anftrengung nicht zu bemwältigen war wegen der Größe der Halle, der Maſſe der Zechenden und Lärmenden, auf dem Podium und gebieltem Fußboden Herumpolternden nidht zur Geltung und Ge bör gebracht werden konnten war eine ſehr betrübende Erfahrung. Daß aber daran der Bundesausſchuß oder gar die Satzungen des Bundes Schuld tragen, ift eine mehr als lächerlihe Behauptung, und daß diejes anderd wäre, wenn die Bundesfaßungen geändert würden, ift nicht minder ein Zeichen der praltifchen Unerfahrenheit und perfönlihen Gehäfligteit: Die einzelnen Bünde ſchiden die Sänger und an diefen liegt es, dahin zu wirken, daß künftig wirkliche Sänger kommen?!‘

52. Fortfeßung. Feſt fleht wohl dies: 1) Die Anhäufung ſehr ‚geober Sängermaflen führt fehr große Schwierigleiten und Mißftände herbe

* Je größer die zufammenftrömennen Maſſen, deſto weniger iſt darauf zu rechnen, daß der einzelne Sänger von innerem Intereſſe an dem Geſange durchdsungen, und nicht viel mehr durch Anderes angezogen und eingenommen ſei.

3) Der mufilalifhe Erfolg folder Niefenaufführungen fteht in teinem Berhältniß zu den in Bewegung geſetzten Kräften und den ſchweren Opfern an Gelb.

4) Das Boll im Ganzen und Großen gebt leer dabei aus.

2. Das Bolt im Allgemeinen.

. 53. Die Sadlage Das Bolt ift nicht jangesfrifcher und ſanges freudiger geworden in den lebten Jahrzehnten; es verflummt im Gegen« theil mehr und mehr.

Mas den geiftlihen Gefang betrifft, fo heißt es in dem Xrtilel des ‚Brandenburger Schulblattes”: „Die Pfalmen und das enangelliche

416 Geſang.

Richenlied”, 1865, 11 und 12 u. A.: ...„Und wie fiebt es jeut mit der Gefangesfülle und Gefangfeligleit unferes Bolles? Man möchte jaf mit 1. Sam. 4, 22 antworten: Die Herrlihleit if dahin von Sfrad.... Unſerm Bolt ift die Gefangesluft abhanden gekommen; es ift fatt geworben! Erwerben und Genießen, das if die Lofung der Zeit. In den Kirchen em Bingen nod immer unfere bertlihen Lieber, aber viele aus dem Volle geben nit mehr oder doch nur äußerſt felten zur Kirche und in ben Häufern und auf den Gafien, in der Werkſtatt und auf dem Felde if der geiſtliche Geſang faft ganz verfiummt.”*) Der Berfafier wendet fih am Schluſſe mit den Worten an die Lehrer: „Meine lieben Freunde mb Mitarbeiter, unfere Aufgabe ift es nun, durch die Schule des Bolles Herz für feinen töftlichen Lieder: und Melovienfhas wieder zu gewinnen und bie ausgezeichnetfien Perlen vefielben dem jungen Bolt zum unverlierbaren, tbeuren, in Roth und Tod tröftlihen Befigthbum zu machen. D, welde Segen verheibende Arbeil! Grinnern wir und nur daran, was biefe Lie der gottergebenen Seelen geweſen und noch find.”

In Betreff des weltlihen Bollsgefanges werben unfere Leſer aus eigener Srfahrung im Allgemeinen mehr vom Berftummen als von einem neuen Erwachen beflelben zu jagen willen. Gin ruffifher Paͤdagog fagte bei feiner Anwejenbeit in Weißenfels zu mir: Wie ift das? In Deutſch⸗ land finde ih in allen Schulen fchönen Geſang, jedoch das Volk fingt sicht; in Rußland haben wir feinen Schulgefang, aber das ganze Volt ift ein fingendes!

54. Die Schulen haben die Schweigfamleit des Volles nicht ver: ſchuldet und werben fie aud nicht ändern. Was fie zu thun baben, lann nicht fraglih fein. Je mehr der Geſang im Bolle verfchwindet, defle forglider bat ihn die Schule zu pflegen; je materieller und pres faifher das Leben wird, deſio mehr hat die Schule der Gemüthsbil⸗ dung ihre Fürſorge zuzuwenden, und das kann fie weientlih durch Poeſie und Gefang. Was mir da ſäen, wollen wir in Hoffnung jäen; Manches wird verweht, Einiges aber bleibt doch, leimt in der Stille, blüht im Verborgenen und trägt endlid vielleicht erft in fpäter Zeit feine Frucht; tönen unjere Lieder nicht auf den Straßen und in den Häufern, auf Bergen und Fluren wieder, jo tönen fie gewiß bei Vielen im Innern nah, und ſchon das ift ein Segen!

II. Gefanglehre. A. Allgemeines.

1. Der Lehrer.

85. Seine Dualification. Graben:Hoffmann in der ſchon genannten Schrift rügt vom Stanbpunlie der Stimmpflege und

*) Der Berfaffer weift babei auf einen in ber „Evangel. Kirchenzeitung‘ erfhtenenen Synobaibericht bin, worin gefagt wirb: „Der häusliche Geſang nach allen Verichten verſchwunden, und der muß doch eigentli bie Uebung um Seftigleit für den Geſang in ber Kirche geben.”

Geſang. 417

Stimmbildung aus die mangelhafte Unterweiſung und Ausbildung, welche die künftigen Volksgeſanglehrer als Seminariſten empfangen. (S. Rr. 57.) Es bleibe dahingeſtellt, ob ver Vorwurf alle Seminare und alle in gleihem Maße trifft; jeden Falls ift es .eine Pflicht diefer Anftalten, vie Öefangunterrichtd - Angelegenheit recht ernft zu nehmen und fie ja nicht als ein Anhängfel zu behandeln, auf welches eben nicht gar viel anlomme, 56. Zortfegung Graben-Hoffmann rügt ferner das lin weſen, welches auf dem Gebiete ber privaten und böheren Gefangbilvung durch Lehrer, welche der nöthigen Qualification überhaupt entbehren, getrieben wird, und ftellt die Forderungen auf, welde an den Gefanglehrer wie er fein foll, zu machen find. Um bier der legteren zuerft zu erwähnen, fo wird verlangt, ver Gefanglehrer foll vor Allem Lehrer fein, d. h. padagogiſche Kenntniſſe und Lehrfertigleit befigen. Gr foll ferner Künſtler fein, d. b. er muß das, was er leiftet und lehrt, nicht blos aus Inſtinkt und Raturgabe, ſondern mit dem vollen Bewußtſein lehren und leiften, daß es den Gefegen und Regeln entjpricht, welche die Nichtigkeit und Schönheit bes Geſanges bedingen. Der Gefanglehrer muß Mufiler im vollen Sinne bes Wortes, d. h. als folder durch und durch theoretiſch und praftifch ges bilvet fein.*) Endlich muß er auch ein praftifch gebildeter Sänger fein, ein Sänger, der unter ber Leitung eines wirklichen Meifters im Gefange 1) die Erkenntniß von einem wahrhaft fchönen und edlen Zone empfangen hat, 2) diefen mit eigener Stimme bat bilden, 8) den Ton und die Technik zum Ausdruck der Empfindung in den Grenzen des Schönen bat vermerthen lemen.**)

57. Fortſetzung. „Welcher Artffind aber die meiften, vie ſich mit Sefangunterricht befafien? 1) Sind es Lehrer, die ihre Geſangsweis⸗ beit nur aus Büchern gefogen haben; 2) ſolche, welche fi mit einem wirklichen, mandmal fogar berühmten Gefanglehrer öfter unterhalten oder einige Lectionen bei ihm genommen, jedoch nichts von ihm gelernt haben, fih dann aber feine Schüler nennen, 3) folhe, welche mit mufitalifcher Bildung richtiges Urtheil und den feinften Geſchmack verbinden, nie aber das Handwerk gelernt haben, welches jede Kunſt mit fih führt. ... Alle drei Arten find Leute, die eine Sache lehren wollen, welde fie felbft nicht ver

" Nur zu oft,” fo fagt ber Berfafler, „hat bie Unfertigkeit und Ungeſchick⸗ lichleit des Lehrers in mufilalifcher Hinfiht bie Stimme des Schillers benach⸗ theiligt,. indem er meiftens in Tonarten fingen.ober fogar üben läßt, wie er fie gerabe auf Noten vor fih bat, ohne Rüdficht darauf, ob fich in ihnen die Stimme

ihrer neturgemäßen Lage befindet ober nicht. Gin Lehrer muß wenigftens bie ebräuchligen Uebungs⸗ ober Gefangsftüde fofort in allen Zonarten fpielen Üunen, wenn er nit alle Augenblide in Gefahr kommen will, eine Stimme durch verrüdung aus ihrer natürlichen Lage zu übermüben ober möglichen Falle zu ruiniren.'

*r), Der Verfafler giebt Übrigens zu, daß das von ihm entworfene Bilb des öchten Gelanglehrers Fon ein utopifches zu fein ſcheint und räumt gewiſſe Ver⸗ mittfungen zur Dedung einzelner Mängel ein; ... . „einzig unerreihbar“, feßt er jedoch hinzu, „wirb die Heranbilbung eines Sängers in bem gelte fein, daß ber Lehrer ſelbſt nit bie Zonbilbung unb bie

erwerthbung des Tones auf Fünfllerifhe Weife mit feiner eigenen Stimme ge- und erlernt bat.“

Pab. Jahresbericht. XVII 27

418 Geſang.

Kehen, die ſich für etwas ausgeben, was fie in der That nicht ſind, bei denen man alſo nicht weiß, was größer ift, die Anmaßung und Gewifien- dofigleit ihrer Seits, oder die Beichränktheit und Verblendung derjenigen, weldye fi) ihnen anvertrauen.”

Fortwaͤhrend alfo erheben ſich proteftivende Stimmen gegen bie Un— jäbigleit der Gefanglehrer und das Unheil, welches fie anrichten! Gollen diefe Stimmen nicht endlid einmal verftummen? Prüfe bo Jeder von uns fein Wiflen und Können, fein Thun und Laflen mit gewifienhaftefter der und was übel erfunden wird, das werde gebeflert um jeben

reis)

2. Pflege und Erhaltung der Stimme.

58. Daserfte Gefek beim Singen ift, wie Graben⸗;Hoffmangn 0968. jagt: Halte ftets Maß, und zwar: 1) in Bezug auf die Kraft des Tones, 2) auf die Dauer im Singen und 3) auf den Umfang der Stimme.

59. Anllagene Mebrfah baben ſich dergleihen abermals, wie unter Nr. 55 fchon angedeutet, gegen die Lehrer, Cantoren, Vereinsdiri⸗ genten x., gerade wegen Unkenntniß, Leihtfinn und Gemifienlofigleit in Behandlung der Stimmen erhoben; eben fo gegen bie Gänge jelbft, welche durch eigene Schuld ihre Stimme gefährden, ja wohl wirklich geritören.

Am entfhiedenften trat Graben-Hoffmann a. 9. D. auf: „Wem man bedenkt“, fo heißt e3 dort, „daß eine fhöne Stimme zu den. Ihönften und ebeliten Gejhenten des Himmels gehört, die und die tiefften und böchften Empfindungen der menſchlichen Seele, jowie die zarteften Regungen des Herzens, die keine Morte auszubrüden vermögen, mit ihrer umnade ahmlichen Baubergewalt zu dedhiffrien vermag, wenn man ferner daß eine hervorragend jchöne Stimme ein Capital ift, welches Vielen, die den Verluſt berjelben zu beflagen und nun ihr Leben in Roth und Mühe binfriften, äußerlid ſchon eine glänzende Lebensflellung hätte bes reiten können, fo haben Diejenigen, welche an der Zerftörung der Stimme ſchuld find, jene um alle die Freuden, welche ihnen in Ausſicht ftanden, be trogen, ihnen das Capital geraubt, und wenn die Zerftörung der Stimme außerdem Berluft der Geſundheit zur Folge gehabt hat, noc gegen das Gebot gejündigt, welches Luther fo ſchön mit den Morten erflärt: Wir follen Gott fürdten und lieben, daß wir unfern Nächften an feinem Leibe keinen Schaden noch Leid thun ꝛc.“

„Kein meltliher Richter zieht Euch, die Ihr dies Verbrechen begangen habt, deshalb zur Rechenſchaft; doch ſchaut nur bin auf diejenigen, die durch Euern Leichtfinn, Cigennuß oder Eure Selbfifuht um das Glüd ühres Lebens betrogen wurden, und Ihr fühlet, wie der Fluch brennt, den Guer innerer Richter, dad Gewiſſen, unvertilgbar in Eure Bruft geprägt.“

60. Bortjegung. Graben-Hoffmann fagt ferner: „Das Ber ſtoͤrungswerk der Stimmen beginnt zumeift fchon bei Kindern, unb zwar ix ber Schule. Faſt alle Kinder haben Singftimmen, darunter viele, befonders

Geſang. 419

Knaben, hervorragend ſchöne. Die wenigſten behalten dieſe jedoch Aber vie Kindheit hinaus, weil entweder an ihren Stimmen methodiſch gefrevelt wird, ober weil fie, was beſonders bei Mädchen häufig der Fall iſt, das Singen ganz unterlafien haben. Methodiſch freveln nenne ich, bie Finder ſchreien ftatt fingen zu lafien; in überfüllten Räumen, in heißer ftidiger Luft den Gefangunterriht zu erteilen und ohne Unterbrehung fingen zu laſſen, ftatt die Clafien jo zu theilen, daß die Stimmen noch Refonanz finden und ver Sugend zwifhen dem Singen die nöthige Ruhe gegönnt wird; fie in bem Umfonge, welcher nur bei einer prima donna assoluta vorauszufegen ift, mit überreistem Tone fingen zw lafien, ftatt den Umfang einer Kinderftimme, die beſonders bei Mädchen fehr gering ifty zu berüdfidhtigen. Man febe nur die Schulbücher der Kinder an und man wird ohne Zweifel über die Naivetät erftaunen, mit welcher ſtets von der Stimme vie hoben Töne ver- langt werden, ohne ihr einmal Ruhe in der Ziefe gu gönnen” .... Unter: den Mißbräuchen, melde einen unbebingt ſchädlichen Einfluß auf die Stimme ausüben, erwähnt der Verfafler vor Allem „die Verwen⸗ dung der Kinder zu den fogenannten Currende: und Straßengefängen, jowie bei Begräbnifien und was jetzt, Gott fei Dank, nur noch felten vortommen mag, zu dem bie Lehrer und Gantoren fo jehr herabſetzenden Bettelumgang zur Neujahrözeit, mo die Rinder ihre Stimmen und ihre Gefundheit zu Marlte tragen müfjen.”*) Als Blöpfinn oder grobe Unvernunft wird es ferner bezeich⸗ net, daß man Finder bis in die Zeit hinein fingen läßt, wo bei Knaben die Mutation und bei Mädchen die Menftruation eintritt, oder wohl gar fo lange, bis die Natur den Prozeß ganz vollzogen bat...... Knaben haben beim Gintritt der Mutation das Singen ftetd ganz einzuftellen, bis die Stimme ſich wieder als wohllautende Männerftimme (wenn auch nur in geringem Umfange) zeigt und Mädchen bis gu ihrer vollbradten Ent widelung zur Jungfrau.**) 61. Fortjegung. Unter den höheren Lehranftalten für Jünglinge weit der Verfafier bauptjächlih auf vie Seminarien hin, „weil für die

*) „Se ift wirflich zum Lachen, wenn man bie gefühlvolle Parteinahme ber Menſchen für Thiere fieht, wie fie in Wuth und Thränen darüber ausbrechen, wenn einem Pierde oder Hunde eine etwas zu fchwere Laſt aufgebllrbet wird, es aber gang natürlich finden, daß ein armes Ktind im binnen Mäntelchen bei Sturm und Regenwetter, ober in Kälte und Schneegeftöber zu ihrer Erbauung feine Glieder erlältet und erfriert und fein Lungchen überreizt, fo daß oft jeber Regentropfen als Nagel zu feinem Sarge und jede Schneeflode als Faden zu feinem Leichentuche auf daſſelbe niederfällt.“

”., „Was thut man aber ftatt deſſen? Jünglinge werben in allen höheren Lehranftalten, Semiwarien, Gymnaſien 2c., beſonders, wenn fle den Kirchengeſang pe Belorgen haben, oder in den Unftalten, in welchen durdaus ‚Die Elode” von

mberg, oder „Die Schöpfung” von Haydn aufgeführt werben müſſen, nach faum halbvollbradhter Mutation in den Baß gebrängt oder in den Tenor geſchraubt, mb bei Zungfranen können bie lieben Mütter es gar nicht erwarten, bis ihr Köchterchen mit, einer großmädhtigen Notenmappe burd die Stabt zieht unb in Geſellſchaft mit großen Arien alberne langweilige Menfchen zur Bewunderung binteißt, aber jeden wahrhaft gebildeten Menden und Mufillenner zur Bere zweiflung bringt.“

27*

420 Geſang.

Böglinge derſelben die Etimme mit zur Ausübung ihres Berufes nothwew big ift und fie gerade der zäheflen Körperconftitution und der forgfältigfien Pflege ihrer Gejundheit bedürfen, um nad dem Gintritte in ihr Amt nicht früb den gewaltigen Anftrengungen zu erliegen, Denen fie ausgefegt find” ...... „So viel mir belannt, werben in Seminarien nur gejunde, ärztlih als ſolche bezeichnete Jünglinge aufgenommen. Cine flaatlihe Un⸗ terfuhung würde aber ergeben, daß die meiften Lehrer an Hals: und Bruß- trankheiten fterben.... Weshalb fuht man daher nit Alles zu ver meiden, was ſchon frühzeitig den Keim zu dieſen Leiden auch nur bilden tann? Wozu läßt man in Seminarien vierflimmige Männerchöre fingen, wobei halbreife Stimmen in den höchſten Lagen des Tenors fih abmühen und in den Auswüchſen des Bafles ihren Kebllopf erprüden? Warum wird in dieſen Inftituten nit die richtige Behandlung und Berwenbung der Stimme cultivirt, da aus ihnen dod Männer hervorgehen, die |päter, wenn auch nicht gerade Gejangmeifler werden, doch Unterricht im Gejange ertbeilen? Unter viefen Herren aber find die meilten nicht nur in Un: wiſſenheit über die Gefahr geblieben, welde das Singen während der Mutation für Stimme und Gefundheit mit ſich führt, fondern fie ſelbſt find in diejer Hinfiht gemißbraudt worden, und daher ftet3 bereit, daſſelbe Berbrehen wieder an den Stimmen Anderer zu begeben.”

„Für Chöre von Knabenftimmen im Berein mit balbreifen ame ftimmen ſchreibe oder arrangire man bie betreffenden Gefangflüde fo, ber Zenor nicht dad eingeftrihene e überfleigt und ber Baß nicht unter * große g reiht, da Alles, was im Tonmaterial darüber hinausgeht. bei den Tenören unreife® Zeug, bei den Bäflen aber ein unnatürliher Auswuds üt, der nach vollendeter Reife der Stimme wieder verloren gebt.‘

62. Gefundpbeitsregeln Biel Wichtiges diefer Art giebt Rode a. g. O., geitübt auf Erfahrungen und Beobadhtungen mannid. fachſter Art. Er fagt u. A.: „Bor allen Dingen führe der Enger ein ordentliches, in jeder Beziehung regelmäßiges Leben! Alles was ber Ge ſundheit ſchadet, kann aud von keinem Nugen für die Stimme fein .... Der Magen ift das beite Wetterglas für die Stimme befindet ſich der da unten nicht wohl, jo fteht audy über ihm in Bruft und Hals Sturm im Stalender! In Hinfiht auf Speifen und Getränle mag Dir darum Folgendes den Maaßſtab geben: Was Dein Magen nidht gut vertragen fann, das wird aud der Stimme nie wohlthun! Die Stimmorgane finb ja auch, fo zu fagen, der Rauchfang für den Magenbeerb und der böfe Ruß ſetzt ſich überall an. Es iſt eine bekannte Thatſache, daß die Ze meift einen guten Appetit haben; ein Beweis, daß fie einen guten Magen befigen, der aud Bedingung zu einer gefunden, dauerhaften Stimme if. Beides ergänzt fi, denn nad mehrftündigem Singen wird ed Dir gewiß ftetö vorzüglich fchmeden! Bon einigen Speijen behauptet man allerbings bie Schäplichleit für die Singorgane, als von Nüfien, Chocolave, Mehl: fpeifen, überaus fettem Yleifh und Gemüſe allein, ift Dein Magen der Art, daß er Dir nicht durch allerlei Winke andeutet, die ihm angemuthete Arbeit fei ihm unangenehm, fo wirft Du auch an der Stimme keinen be fonders ftörenden Einfluß bemerten. Mäfigfeit ift freilih vie Hauptſache!

® Gefang. 421:

Wollteſt Du Speifen in Unmäßigfeit genießen, von denen man behauptet, fie wären ſehr empfehlenswertb für Deine Organe: Kandiszuder, Lakritz Rettigbonbons, Pfeffermuͤnzkuchlein, Meerrettig, gedörrte Zwetſchgen, rohe und halbweiche Cier, Punſch, Warmbier u. ſ. w. Du würbeft bald bie gegentheiligen Folgen verfpüren !

Beim Theater macht man in diefer Beziehung gar fonverbare Erfah: rungen. In der Garderobe, welche ich als angeftelltes Mitglied zuerft be: trat, bemerkte ich, daß der erſte Zenorift, ein Mann, den ganz Deutfchland rühmend fennt, vor der Vorftellung ftet3 fo lange Cigarren rauchte, als es die Zeit nur geftattete. in Anderer ftedte fi fo lange Bonbons in den Mund, bis er die Bühne betreten mußte. Der erfte Baffift ‚jaure Gurten und ein zweiter Baſſiſt Italiener von Geburt genoß vor dem Singen fogar Käfe! Wie gefällt Dir diefe Zufammenftellung ?1 Ein anderer gleihberühmter Tenorift trank wieder Kaffee während der gangen Vorftellung, den man doch als ſchädlich bezeichnet. Viele trinken Bier Mande Punſch Diejer ißt Brotrinde Jener einen Apfel und was koͤnnte man nicht noch alles anführen!

Aus Allem gebt auch bier wieder meine Lehre hervor: Beobachte Dich felbft, und was Dir nit gut befommt, das laß bleiben! Perjönlich halte id am unfhäplichften für Jedermann: ein Stüd harte Brotrinde, um, namentlih bei Trodenheit, die Schleimprüfen zu entleeren. Oft vermag diefes auch ſchon der Bloße Gedanke! Denke 3. B. recht lebhaft an eine faure Gurfe und ſogleich wird ſich Mundwaſſer einſtellen. Bleibt es ohne Erfolg, jo beiß Dir auf die Spihe der Zunge und die Trodenheit wird bald gehoben fein. Was haben Sänger nicht jchon über das Bier- und, MWeintrinten gefprohen! Mein befcheidener Rath ift: Prüfe, mad Dir von Beiden am zuträgliiten ift und das genieße mit Maß, mie ed die Rüde fiht auf Deine Geſundheit im Allgemeinen fordert. Bier möchte, feiner Beftandtheile wegen, dem Weine vorzuziehen fein. Bekanntlich ift ber Dampf des fiedenden Bieres ein ganz vortreffliches Mittel gegen Halsleiden und Marmbier ift ftet3 auch von guter Wirkung. Hüte Dich aber fehr vor dem Trinten des Biere oder anderer, bejonders kalter Getränfe in ven. Paufen des Singens! Ich halte dieſes öftere Vorkommniß bei Geſang⸗ vereinen für den hauptſächlichſten Ruin der Stimmen. Sobald die Urgane warm find, muß jedes kalte Getränt ftreng vermieden werden. Es iſt nicht allein für die Stimmen vom größten Nachtheil, indem es fie zerftören muß, fondern auch für die Lungen demnad Iebensgefährlid. Laumarmen Punſch in ganz geringen Portionen, vielleicht theelöffelmeife genommen, balte ich nebit Warmbier noch für das Beſte. Eben jo gefährlich halte ich, e3, in freier Talter Luft zu fingen und noch obendrein beim Singen zu marſchiren, was ftet3 vermieden werben ſollte. Hieraus folgert auf natür« liche Weile, daß man fih vor dem fchnellen Wechſel von warmer und kalter Luft fireng zu bewahren bat. Wie oft geichieht das aber bei Feitgelagen, die noch dazu in einem mit Tabaksrauch überfülltem Locale abgehalten werden!”

Mas das Rauchen felbft betrifit, ſo bat es auf bie Organe, mäßig genofien, gewiß nicht fo großen Einfluß, als die did mit Dampfwolten

® 22 Gefang.

verpeftete Luft. An dem auf folde Gelage folgenden Morgen wird men ſtets eine Härte und Spröbigleit in der Stimme bemerten. Kommt nun noch das üblihe Nebehalten, laute Rufen lund Schreien dazu, fo ift eime Serftörung auf die nädjftfolgenden Tage, aber auch eine allmälige Zerrüt tung jelbft der gejundeften Stimmmittel, die unausbleiblige Folge !'‘

B. Maffenunterridt.

1. Die Tonzeichen.

- 68. Noten oder Ziffern? Ich kenne keine hierauf bezügliden Kundgebungen von Bebeutung, welche im abgelaufenen Jahre ftattgefunden hätten. Die große Mebrzahl der Schulen und Vereine ift, wie ich's im: mer vorausgefagt habe, bei den Noten geblieben, auch in Zukunſt dürfte eine Aenderung bierin laum eintreten. In den mir belannt gewordenen methodifhen Anleitungen zum Geſangunterricht, ſowie in den zablreih vor: liegenden Lieder⸗ und Choralbeften ift nirgends ein Gebrauh von den Bif: fern gemadit.

64. Buchſtaben- oder ZabInoten? Die Frage ſchwebt noch, obne daß fie jedoch in unferm Berichtjahre eine fortgejebte, eingehende Cr: örterung für weitere, über die Provinz Preußen hinausgehende Kreiſe ge funden bätte. Was die Schulen der genannten Provinz betrifft, fo haben fih viele Lehrer für die Zahlnoten entſchieden, nicht, wenige andere dagegen fie bebartlih abgelehnt. In der Provinz Sachſen verloren dieſe Tonzeichen im Jahre 1864 dur Reinthaler's Tod einen energifchen Vertreter, in den Schulen hatten fie aud bei Lebzeiten Reinthaler's wenig oder gar feinen Eingang gefunden. Als neues Muſikwerk in Zahlnoten liegt nun vor: „Alte Weiſen in neuerer Weiſe“ von dem verbienftvollen Seminarlehrer €. H. R. Waldbach zu Pr. Eylau, der jeden Falls, wie bier abermals zu erjfehen, nad allen Richtungen bin das nöthige Zeug be fißt, um die Bahlnoten, wenn fie ein Recht auf allgemeine Anwendung beim Volksgeſange haben, in diefes Recht mit einzufeben.

2. Der Unterricht felbft. a. Allgemeines,

65. Grundzüge. Es liegen an neuen Lehrwerken vor: 1. Hart» mann’s (Lehrer und Organift in Sferlohn) „Geſangunterricht für Schulen“; 2. X. Stolley’3 (Lehrer an der Buͤrgermaͤdchenſchule in Kiel) „Sefangfreund”; 3. MW. Kothe’s (Seminarlehrer in Lieben- tbal) „Rurzgefaßter Leitfaden für die methodiſche Bebands lung des Gefangunterridts in der Volksſchule“; 4 A. Ul: rich's „Stimmbildungsmethode”; 5. Shäublin’s (Lehrer an der Realſchule in Baſel) „SO Tabellen für den Gefangunterridt in Volksſchulen“ und in 7. Auflage H. M. Schletterer’s (Rapells

Geſang. 423

meiſter in Augsburg) „Praktiſche Chorgeſangſchule.“ Weſent⸗ lich Neues iſt überall nicht zu Tage getreten. Das Geleiſtete ſtimmt in den Hauptſachen mit dem bereits zur Norm Gewordenen überein und ift nur im Einzelnen verſchieden ausgeprägt. Man läßt aljo zuerit nad dem Gehör, fpäterbin nah Noten fingen. Auf beiden Stufen, ber Ge hoͤr⸗ wie der Notenfiufe, werden theils beſondere Uebungen zur Stimmbildbung, fowie für Rhythmik uns Melodik angeftellt, theils Lieder und Choräle gefungen. Das Ziel in Rhythmik und Melodik ift nicht jene Selbftftändigleit im Singen a vista, mie fie im Leſen a vista erreicht wird *); ein gewiſſer Grad von Eelbitftänbigteit läßt ſich inbeß immerhin erreichen und es foll derſelbe auch wirllich angeſtrebt wers den. Die betreffenden Uebungen find theils beſondere, theils ſchließen fie ih an die Lieder und Choräle an; legteres iſt die Hauptſache. Bei den befonderen Uebungen werden Rhythmik und Melopik zeitig in Verbindung gefeßt; Uebungen der Ausſprache treten bald hinzu, Was die Melodik gn ſich betrifit, jo werben die Intervalle auf den erfien Stufen meift nad ihrer abjoluten, weiterhin fat überall nad) ihrer rela⸗ tiven Größe aufgefaßt. Die Methode ift vorwaltend die ſynthetiſche. Eine Anzahl von Liedern und Chorälen wird nach der Folge der Tonarten, und hier im Einzelnen wieder nad) der Abftufung der rhythmiſchen und melo⸗ diichen Uebungen vorgeführt, was jedoch nicht ausſchließt, daß zugleich in einem freien Choral: und Liedercurſus auch andere Stoffe zur Verwen⸗ dung kommen, wie fie der Jahreszeit, den kirchlichen und patriotichen Fe⸗ ſten u. f. mw. entjprechen.

b. Specielle3.

66. Hartmann. „Durch praltiihe, einfach gehaltene Uebungen

fol die Zonanfhauung und das Tonbewußtſein der Schüler fo geförvert werden, daß fie ohne weite Ummege, zur Mitwirkung in einem Sängerdhore befähigt werben. .. . Um durch das mufilaliiche Ges fühl die Theorie anjhaulicher zu maden, find häufig Modulationen, befons ders aus den Dur» in die Moll-Zonleitern angewandt; auch ſchien das Faplichfte aus der Harmonielehbre zur Grleihterung in Zreffübungen —, ‚jo wie aus der Metrik zur fteten Orientirung für die Schüler nit fehlen zu dürfen. Wie der Sprachunterriht dur die Anlnüpfung an Mufterftüde der Boefie und Profa an Intereſſe und Erfolg gewinnt: fo ſchließen fi aud den Singübungen Lieder an, die wegen ihrer Gediegen⸗ beit und Schönheit beſonders zur Anwendung erlernter Regeln geeignet find. In feinem „erften Curjus‘ gibt der Berjafier das Allernothiwendigite über Notenwertb, Paujen, Taltarten und Intervalle, worauf er die Tom leitern von C-, G-, D- und A-dur mit ihren Hauptaccorden vorführt, im

*, Mit Recht ſagt Kotbe: Die Schiller fo weit zu fördern, daß fle ein Stud felbnftändig vom Blatt fingen, iſt nicht Aufgabe der Volkeſchule; wohl aber kaun und foll die Note felbft ſchwächeren Schülern ſchätzbare Anhaltpunkte bieten zur raſcheren und leichteren Erfafjung der Melodie.“

424 Gefang.

jeder Zonart einige Uebungen macht, und alsdann zu entipredhenden ein:

und zweiflimmigen Liedern übergeht. Im „zweiten Gurfus” folgen die ‚übrigen Dur», und eben fo die fämmtlihen MollsTonleitern, ebenfalls mi Anſchluß von paflenden Liedern, vie aber bier meiſtens drei» und vierfiiw mig auftreten.

67. A. Stolley. Die Glieverung des Geſangunterrichts in a. Yas Gehörfingen, b. das einflimmige und c. das mehrftimmige Singen nah Roten bietet fih ihm als eine „natürlide und zwed⸗ mäßige” dar.

1. Die Stufe des Gehörſingens. a. Uebungen in der Tom bildung ; b. georbnete accordiſche Uebungen (der DursDreillang in einigen Brechungsformen) ; gefonderte Zaltübungen ; d. Zaltübungen in Verbin⸗ dung mit dem Eingen) : e. allmäliger Aufbau der Zonleiter unter Verück⸗ fihtigung des Taltes und der Betonung; f. GEinprägung der Haupttöne neben den Stufenintervallen ; g. nebenbergebende Ginübung leichter Kin⸗ derlieder im Umfange einer Terz, Quart, Quint ıc.; h. allmäliges Be fanntmaden mit den Noten (Biertelnoten) im Umfange der Tonleiter, fowie mit dem Linienfoftem (alfo ſchon Heraustreten aus der bloßen Ge böripbäre) ; i. k. erftes Notenlefen und erftes Notenfingen, L verſchiedene Uebungen im Halten, Ans und Abjchwellen des Zones ıc.; m. nebenher gehende Hebung paſſender Choräle.

2. Das einftimmige Singen nah Noten. a. b. Wiebder⸗ bolung der Accord: und Zonleiterübungen, jebt aber nad Noten; c. Er weiterung der Zonleiter nad oben und unten; d. Beiprehung des Noten: ſyſtems; e. f. g. h. verſchiedene Notengattungen, Pauſen, Taltarten ; i. k. Verſeßungszeichen, Bau der Zonleiter, ganze und halbe Zöne, Benennung der Zonflufen; 1. Bildung der transponirten Tonleiter; m. die Haupt: accorde; n. Kennzeichen der Tonart, leitereigene und fremde Töne, Aus: weihhung ; o. Sylbenton und feine Verwandlung im Zalte; p. nebenher: gehende Uebung von Liedern und Chorälen.

8. Das zwei- und mehrſtimmige Singen nah Roten. a. Mehrftinnmige Borübungen ; b. dergleichen Lieder und Choräle; ce. bie Molltonleiter, Baralleltonarten, Mollaccorve ; d. Gefänge in Moll; e. Nie derfchreiben von Zönen und Tonreihen nad) dem Gehör.

" 68. Wilhelm Kothe. In wohl ermogener Beſchränkung auf das Nothwendigſie ftellt derfelbe folgenden Stufengang der widhtigften Elemen: tarübungen auf: 4. Borbereitende Uebungen. Keine Ausiprade der Bocale. Uebungen im gleihmäßigen Zählen und Taktiren. Unterſchei⸗ bung und Beflimmung zweier gegebener Töne a. nah ihrer Dauer, b. nad ihrer Stärle, c. nad Höhe und Tiefe (gleichhoch, höher, tiefer). 2. Zonbildung. Nachſingen einzelner Zöne auf die Sylbe la, auf tie verſchiedenen Selbftlaute, auf Selbitlaute in Verbindung mit Mitlauten, Mehrſylbige Wörter, kurze Eike und Eprüde. 3. Gehör:, Stimm; und Treffübungen. Der PDurbreillang. a. die 1., 8., 5. und 8, Stufe, b. die 1. A. 6. 8. Stufe. Gelbitftändiges Treffen genannter Gtw fen in verſchiedener Folge. Ausbildung und Bufammenftellung der Dur⸗

Gefang: 495

tenleiter durch die beiden Tetrachorde co de f} g ah c. Verſchiedene Ausführung der Zonleiter in Bezug auf Bewegung, Athmung, Tonftärte; tegtlihe Unterlage. * Eintritt der Tonzeichen. Reine Zreffübungen, a. Ink erften, b. im zweiten Zetrahord. Einfache melodifhe und rhythmiſche Mebungen im Bereich der Tonleiter. Einfache Taktverhältnifie. Selbſiſtän⸗ Diges Treffen fämmtlicher Tonftufen vom Grundtone aus. 4. weis und dreiftimmige Uebungen. 5. Ginführung in die mit C-duf nähfitverwandpten Tonarten. 6. Einführung in das Roi gefhleht. 7. Kleine dromatifhe Tonfolgen.

W. Rothe feht hinzu: „Die Elementarübungen find niemals Selb zwed, fondern nur Mittel zum Zwed. Sie dürfen nicht zu meit ausge dehnt werben, gleihmwohl find in jeder Singftunde ungefähr 10 Minuten darauf zu verwenden. (30 Minuten kommen auf die Einübung neuer, 20 Minuten auf die Wiederholung ſchon durchgenommener Lieber).”

69. Auguft Ulrich. Sein Stufengang ift folgender: 1. Die Zonbildung Ginzelne Zöne werben unter genauer Beobachtung ber Regeln für Haltung des Körpers, Mundftellung, Athmung, Ton: anſchlag zc. fo lange auf die Vocale a und e geübt, bis fie correct und fauber erj&einen. 2. Aufftellung und Uebung des Duraccordes. Die Töne 1, 3, 5, 8 werben ohne Notengeftell durch über einander ftehende Punlte bezeihnet. 8. Die Durtonleiter. Treppenartiges Bild derſelben. „Der Schüler fingt die Zonleiter aufs und abwärts und trifft jeden be. zeichneten Ton auch außer der Reihe. 4 Verlängerung der Zons leiter nah oben und unten. 5. Die Zonzeiden. a. Bezeich⸗ nung der Töne nad Höhe und Tiefe. Hier treten mit einem Male fänmts liche Noten ein und es werben alle Durtonleitern bis Fis- und Ges-dur aufgeſtellt. b. Bezeihnung der Töne nad ihrer Dauer. Ueberficht der Noten⸗ und Paufengattungen. c. Die erften Uebungen im Singen nad Noten. Accord und Tonleiter von C werben in 4 Talt gejungen, bann folgen noch 4 Sägen in G, D, B und D zur Uebung im }, 4, 4 und $ alt. 6. Webungen im Angeben, Binden, Tragen und Schwellen bes Tons. 1. Zn C-dur, und zwar im Bereich

von c—g, werden die belannten Secundens, Zerzens, Quarten⸗ ıc. Gänge gefungen, und zwar 1. raſch, 2. gebunden, 3. getragen, 4. ans und abs. gefhwellt. Hieran Schließen ſich 2. mehrere Geläufigleitsübungen und 8. folgen Uebungen, um a. Brufte und Mitteltöne, b. Mittel und Kopftöne zu verbinden. Unter 2. u. 3. überjchreitet der Verf. wenigſtens in den legten Uebungen ofienbar das Gebiet bes Schulunterrichts, wie denn 4.B.

= zZ mn nn

b a as g ges f langſam gefungen werben follen, um aufwärts bis as die Mittelftimme in die Kopfſtimme, abwärts bei ges bie Kopfflimme in bie Mittelftimme übergeben zu laflen. Bas Ganze ift für die Volksſchule nur’ von geringem Werth, weil auf der einen Geite zu viel, auf der andern zu wenig gegeben wird und dem Gegebenen tbeilmeife (namentlih mas die Rhythmil betrifft) die elementarifche Gliederung und Stufenfolge fehlt.

436 Geſang.

70. Schäublin dagegen bewährt ſich in feinem Tabellenwerke als einen Runftyäbagogen im vollen Sinne des Worte. Ausgehend vom eins geftrihenen g und a, ber naturgemäßen mittleren Zonlage, wird der Tonraum ganz allmälig erweitert, ohne der Stimme jemald Ges walt anzuthun, und alles, was für Stimmbildung in ber Bollsichule nothwendig, was an theoretiſcher Kenntniß esforberlih, was für Meledil und Rhythmik aufzufaflen und zu üben ift, wird in beiterwogener, eben ſowohl fubjectio wie objectiv bemefiener Folge und Berlnüpfung nad un nach eingeführt und behandelt, wie es fich eben für den Elementarunter- richt gehört. Die Dispofitien if im Weſentlichen diefelbe, wie in bes Ber: faſſers Gejanglehre für Schule und Haus, beſprochen im XIII. und XIV, Bande des Päpag. Jahresberichts. ine neue Auflage dieſer Geſangſchule, die dritte, ſoll demnächſt erſcheinen und wird biefelbe, wie auf dem Titel bes Tabellenwerles bemerkt ift, als Anleitung zum Gebraude bes lehteren dienen.

71. 5. M. Sähletterer arbeitet in feiner erfien Abtheilung, aus⸗ gebend von den Mitteltönen, die Tonelemente in enger Begrenzung in C-dur duch, geht dann in der zweiten Abtheilung zu ben andern Zonarten über, erweitert die Rhythmik, führt auch einigermaßen in die dem Chorſchüler faßlihen und nüglihen Grundlehren der Harmonik ein und prägt auf jeber Stufe das Gewonnene in kleinen Liederfäßen und Liedern praltil aus. Dei dem allen aber ftrebt er vom Anfang bis zum Ende mit der Con: fequenz des erfahrenen Meiflert auch rihtige Tonergeugung, pro: greffive Bildung der Stimme, allmälige Gewinnung des fhönen Gefangtones und Verwerthung veflelben im ausprudswollen Bortrage hin. Die weife Begränzung des Lehr: und Lernfloffes mag we fentlih dazu beigetragen haben, daß dieſe Chorſchule Thon die fiebente Auflage erlebte.

O. Einzelunterridt.

72. 2. Rode Derjelbe bat fi in der mehrgenannten Schrift die Aufgabe geitellt, „‚venjenigen, welche weder Zeit, Gelegenheit, noch Geldmit tel befipen, um bei einem bewährten Lehrer Unterricht zu nehmen, eine Anleitung zum Selbftunterrichte zu bieten, foweit berfelbe eben mög: lich if.‘ Er faßte dabei vorgüglid die männlichen Sänger in's Auge, ımd zwar jene vielen Mitglieder unferer zahlreichen Männergefangvereine, bie als einerfeits wiel befchäftigt und nicht eben reich, andrerſeits der Muſil gänglih unkundig, einer einfachen, klarverſtändlichen Anleitung zum Selbfiunterricht bebürfen.” Bu feiner Arbeit bewog ihn nicht aus das rege Jutereſſe an der Kunſt, fondern wie ex offen gefteben will ein gewiſſes Mitleiven. „Mich überlam oft eine Art Grauen, wenn id bei Dilettantenaufjührungen gewahrte, wie jo manche hübſche Stimme durch unnatürlide Behandlung nicht zu voller Geltung kam, durch unrichtigen Umfag und Anſchlag verbuntelt, in ihrem ſchönen Alange beeinträchtigt und verunftaltet wurde, ober der unbejorgte Sänger ji jogar an der Geſund⸗

Geſang. a7

beit und dadurch am Leben ſchadete! Aus letzterem Grunde ſchon ſollte Jeder, der einem Geſangspereine angehört, ſich wenigfiend bie allernothwen⸗ bigften Kenntniffe in Betreff feiner Stimme zu verfhaffen fuchen, mas ex ja in einigen Stunben erreihen kann.” Selbſtverſtaͤndlich ift übrigens die Schrift geeignet, nicht blos unmifiende Sänger, fondern auch unwiſſende Lehrer des Gefanges zu unterrichten. „Unverzeihlich bleibt es“, fo fagt ‚bes Derf., „wenn die Leiter der Vereine ſelbſt nicht den entjernteften Begriff von der. Behandlung der Singwerkzeuge haben und das Lörperlihe Wohl ihrer Anvertrauten leihtfinnig auf das Spiel feßen. Wie viele Klavierjpieler und fonftige Inſtrumentaliſten gibt es, welde ihre Böglinge im Belange unterrichten, ohne auch nur eine Ahnung von den Grundregeln des Gefam ge zu haben! Was würde aber die Welt von einem Sänger jagen, bes

tolinunterriht ertheilen wollte, und nicht einmal wüßte, mie man dem

Bogen führt? Unter diefen Ufurpatoren des Gefangunterrichtes findet fi vielleiht aud einer, dem mein Schriften willlommen if, da es jo wage ich zu behaupten das Nothwendigite und in feinen eingeftreus ten Uebungen das umfaſſendſte Uebungsmaterial bildet.“ Für Heranbil⸗ dung von Geſangkuͤnſtlern im ſtrengeren Sinne des Wortes hat der Verf. nicht geſchrieben. „Ich habe von einem ädten dramatiſchen Saͤnger zu hohe Begriffe, als daß ih nicht der Meinung fein ſollte, ein ſolcher beduͤrfe nothwendig ber ftrengften und gewiflenbafteften Leitung eines durch und durch gebildeten Lehrers).“

73. Fortſetzung. In 19 Briefen behandelt Rode Folgendes; Haltung und Kleidung Athmen Gintheilung der Stimmen. Ums

fang, Regifter, Wechſel Anſatz Anſchlag PBocalifation: a, o, ö, e Bocalifatim: i, ü u —. Weitere Bemerkungen. Offener und gebedter Anjag Doppellaute und Confonanten Zeit und Dauer des ESingend, Eolmifation. Grundlage der Geläufigleit Uebung von 3—8 Zonen Meitere Uebungen Bortamento Staccato Falſet Crescendo und Decrescendo Triller, Läufer Vorfchläge, Nachichläge, Mordent u. |. mw. Gejundheitslehren und Schluß. Rode ift Sän- ger von Beruf, befikt eine gute pädagogifhe Bildung nebft einem Schatze von Erfahrungen und hat fih als Gefanglehrer vielfach bewährt. In wei⸗ ſer Beſchränkung lehrt er nur das Nothwendigſte, dies aber in eben ſo faßlicher als gründlicher Weiſe, ſo daß die Schrift gewiß von erheblichem Nutzen fein wird.

Hören wir einige Stellen aus dem Abſchnitte: „Anfhlag”...., „Bei einem Gefunden foll kein Vocal mit den Ausgängen der Aafenhöhle etwas gemein haben, und wenn ed dennoch jo ift, jo haft Du einen Na⸗ fenklang, den Du Dir abgemöhnen mußt. Du kannſt den Fehler leicht, finden, leiter wenigſtens als die Abgewöhnung Dir fallen wird, twiewohl. auch dieſe keine großen Schwierigkeiten darbietet. Wo Nichte heraus ſoll, brauchſt Du nur den Ausgang zu verſchließen! Darum ſinge einen Ton auf die verſchiedenen Vocale und halte Dir dabei die Naſe zu. Haben ſi einen anderen Klang, als wenn Du die Naſe offen läßt, jo mußt Du lange mit zurüdgehaltener Nafe fingen, bis fein Unterſchied mehr bemerkbar ift. Solches verfuhe auch bei allen Confonanten, nur nicht bei m und.n,,

428 Geſang.

denn wenn es Dir bei Ihnen ebenfalls gelänge, Lönnteft Du mehr als jeder Andere. Somit würde der widrige „Naſenklang“ over „Nas fenton“ befeitigt 1"

74. Sortfebung „Wir wollen nun von anderen, nidt min der garftigen Klängen reden. Du weißt, daß Du eine Zunge im Munde haft, welde Du nad verſchiedenen Richtungen bin bewegen kannſt. Gerne: Siehſt Du Dir dur einen Epiegel in ven Mund, jo be merkſt Du im Hintergrunde der Munphöhle, ich möchte jagen, einen fleis ſchigen Borhang mit einem Meinen hängenden Zäpfchen in der Mitte oben. Alle diefe Dinge können das Ausſtrömen des Tones fehr ver» hindern und ihn veranlaflen, entweder faft ganz darin zu verballen oder an Orten anzufhlagen, welche ihm einen unangenehmen Klang beimifchen. Crhebft Du zum Erempel hinten die Zunge (Zungenwurzel) und verftopfft fo den Ausgang, wie es der Hornbläfer mit feiner Fauſt thut, fo fchlägt der Ton in der Kehle an und Du erhältft den „Kehlton.“ „Drüdfi Du mit beiden Händen bie Seiten Deines Haljes, mo die Mandeln liegen, gegen einander, fo verengft Du den Schlund, der Ton kann nicht frei heraus und prallt am bintern Gaumen an. Dadurch entfteht ein Zon, der mit Zug und Neht den Namen „Saumenton“ führt. Wie Du es nun anzu: fangen baft, um weder Kehl⸗ noch Gaumenton zu fingen, das liegt wohl auf der Nahen Hand! Darum laß die Luftröhre mit dem Kehlkopfe in ru biger, natürlicher Lage, gib dem Tone die Richtung nad der Mundoͤffnung, und damit Du es kannſt, lege die Zunge auf natürlihe Weife platt in den Mund, daß fie die untern Vorberzähne mit ihrer Spike berührt, drüde den fleifchigen Vorhang und die Seiten des Halfes nicht zufammen und öffne dabei den Mund fo weit, um zwifchen die Zähne ungefähr die Breite bes Daumens legen zu können. Haft Du alles ſchoͤn gerichtet, fo gib einen Zon an. Diefer wird, wenn Du alle Stellungen reiht machſt, fi in ein Mares, deutliches a verwandeln, und fomit hätten wir den erften Bocal gebildet, welcher der jchönfte und hellſte, weil natürlichſte von allen iſt.“

75. Yerdinand Sieber. In feinem „Abe der Gefangs: funft“, welches in zweiter Auflage erfchienen ift, hat Sieber dem Zerte ber erften Auflage (1853) aus den Grfabrungen einer meiteren zwölfjäh: rigen Thätigteit als Gefanglehrer, eine Anzahl ſchätzbarer Vermehrungen und Verbefferungen beigefügt, um nichts vermifien zu lafien, was in den Bereich des eigentliben Kunftgefanges gehört, nichts was die Bil⸗ dung und Behandlung der Stimme angebt. Das Ganze ehthält nun folgende Artilel: Athmung, Betonung, Conſonanten, Diphthonge, Ci⸗ genthümlichleit der Stimmen, Folgerichtigkeit der Studien, Geſchmack, Hal« tung des Koͤrpers, Imtonation, Keblfertigleit, Lungen und Luftröhre, Mund: ftellung, Nafentlang, Ohr, Portamento, Regifter, Scalenftudium, Ton Umfang der Stimmen, Vocaliſation, Wechſel der Stimmen,

ichen.

Nachſtehendes aus dem Artikel „Intonation.“ „Worin beſteht denn bie Kunſt einer reinen und ſchoͤnen Intonation? Der jedesmalige zon muß unmittelbar, zwar leife, aber ganz beftimmt und vollfommen rein erklingen, ohne erft irgend eine Art von hör:

Geſang. 420 .

barer Borbereitung mit zu bringen... .. Sinige Sänger. ſchiden jebem Zone einen oder mehrere Töne voraus und gelangen fo erſt über eine Brüde auf den eigentlihen Ton. Dieje vorausgejhidten Töne find, obs gleich oft nur ſehr jchnell und im Fluge angegeben, doc für ein gehildetes Ohr deutlich zu vernehmen und von ſehr ſchlechter Wirkung. Am bäyfig ften nimmt man folde Bor: und Bwifchentöne beim Portamento wahr, wg der ſchlechte Sänger, wenn daſſelbe bei Noten ftattfindet, die weit von ein⸗ ander entfernt liegen, die ganze dazwijchen liegende Zonreihe zu Gehör bringt, ein unleidlicher Fehler, den die Italiener strascinare, d. h, Durhichleppen, nennen. Andere lafien vor jedem Worte ein h, n oder r vernehmen und meinen, weil fie felbit es nicht beadyten oder vernehmen, es müfle auch dem Ohre der Zuhörer entgehen. . . Noch Andere beglei, ten jedes Athmen und jeden Ginfag mit einem gewillen Stöhnen .gbex Schluchzen und glauben, diefe Art der Intonation gebe dem Ausprudg großen Reiz. Wieder Andere endlich bringen anfangs, d. h. beim Sntos niren, gar keinen ertennbaren Ton, vielmehr nur einen Laut zum Vorſchein, ein vernehmbares Brummen oder Summen, das erft im erescendo und forte zu einem wirklichen, oft fogar recht fchönen Zone fih umgeftaltet; allein ver Ton mag fo jhön lauten wie er will er iſt nichts werth, wenn er johleht angefangen, d. h. undeutlich in⸗ tonirt wurde.” oo.

76. Maria Heinrih Schmidt füllte das 6. Heft von feiner periodiſchen Schrift: „Sejang und Oper“ größtentheild mit einer, Bes urtheilung der 2. Auflage von Friedrich Schmitt's „Großer Geſange⸗ ſchule für Deutfhland” aus Diefes Wert war von dem Goncert- meilter Horft Nägeli in einer befondern Broſchüre *) ganz außerordent⸗ lich gepriefen und gr. Schmitt als „einzig zuverläffiger Tonbildner in Deutihland‘ bezeichnet worden. M. H. Schmidt greift dieſe „eraltirten Zobeserhebungen” von Buch und Autor als eine unmwürdige Reclame ap und unterwirft nun bie „Große Geſangſchule“ felbft einer eingehenden Kri⸗ tik, die Vieles in dem Werke anerkennt, Manches in Frage ftellt, Anderes verwirft, entſchieden aber den Anſpruch (die „jelbitgefällige Illufion“) des Berfafierd zurüdweilt, ein ganz neues Fundament in ber Ges ſangskunſt gefhaffen zu haben. Cs würde zu weit führen biefer jeden Falls ſehr belehrenden Keitit **) durch alle 24 Kapitel ver in Rebe

°) „Ueber ben Berfall bes bramatifhen Geſanges in Deutfch⸗ fand und Friedrich Schmitt.“

“r) Mitunter ift fie von ziemlicher Schärfe, 3. B. in Betreff ber Lehre Sr. Shmitt’s: „Man lernt mit Empfindung zu fingen, wenn man fi früh⸗ zeitig daran gemähmt bat, bie Accente in ber Muſik gehörig hervorzuheben, for wie auch bie Anfangebuchflaben der Worte und Sylben ſtark zu betonen. Wenn man fich ferner daran gewöhnt, einen finnigen, ernften Blick feft auf einen Punkt

richten unb mit feelenvollen Gebanlen beichäftigt zu jein ſcheint x.” Hier at ber Kritiker: „Rein, einzig zuverläffiger Tonbildner in Deutfchlanb, durch ſolche jämmerliche Äuferlidhe * lernt kein Menſch mit Smpfinbung fingen, meber mit wahrer, noch mit ſcheinbarer! Wer ben Gegenftanb feines Vortrages nicht mit feinem tiefften Gemith erfaßt und durchdringt, wer nicht bie geiflige,

480 Gefang.

ſehenden Geſangſchule gu folgen; doch möge folgende Stelle daraus bier Blap finden *)... „Die menſchliche Stimme, dies ebelfte Inftrument, bat eine höhere Aufgabe, als durch feiltämzerifche Gambaben in athem⸗ ſtockende Verwunderung zu verjeßen, mit ihm find uns bie Mittel gegeben, unfere innere Gefühlswelt in ideeller, Eumftverllärter Weife zu offenbaren, and des Herzens Wonne und Weh in einer Sprache mitzutheilen, bie den Hörer tief und ficher trifft, um auch fein Herz mit ben verlünbeten Gefüͤh⸗ len zu füllen. Dieſe Wirkung ift die hoͤchſte, welche der Geſangskunſt über baupt möglich ; aber nur dann erreichbar, wenn Wort und Ton ſich zu innigſter Verihmelzung hierzu vereinen. Jemehr nım die eigentliche Bras vour fich diefer Verſchmelzung entzieht, indem fie die Worte gleihfam nur als Aetterſtangen benußt, um ihre equilibriſtiſchen Kimſte daran zu zeigen, je mehr opfert fie von ihrem Empfindungs⸗Element. Freilich hat die Bro⸗ vour ihre unantaftbar Tünftleriihe Berechtigung; durch ihre Sauberkeit, Sleganz, Anmuth, Sicherheit und Kühnheit vermag fie ben Hörer vom Ainnligen Woblgefallen an bis zum Rauſche des Entzüdens hinaufzuwir⸗ bein, doch es wird ihr nimmer jene ftille Nührung, jenes tiefe Ergriffenfein gelingen, von dem ver Hörer auch nod einen veredelnden Gewinn zieht, indem die Dffenbarungen einer künſtleriſch erglühten Seele auch die jeinige erleuchten und mande ſchöne Regung darin gum Leben bringen, die nur vom Genius der Kunft erwedbar find.”

„Der getragene Geſang wirkt intern, der Bravourgefang ertern, Wear den erfien ausführt, muß ihn mit feinen edelften Seelenkraͤften, mit dem ganzen Reichthum feiner inneren Welt füllen und mit unbebingter He: gebung gleichſam darin aufgeben, aud vom euer der Begeifterung ergrij⸗ fen fein. Der legtere bedarf ſolcher tiefen Gefühlserregung nicht, fein Hauptreiz beftebt in der leichten mechanifchen Thätigleit der Kehlmuslein, die unfehlbar dem Willen des Singenden folgt; und wie der dazu verwend bure Ton nicht jene Sntenfivität gebrauden kann, wie der große declamas torifche Belang, fondern im Allgemeinen fih in den Grenzen füßflingenver Lieblichteit hält, fo find aud die dazu erforderlichen aͤſthetiſchen Eigenſchaf⸗ ten, als Anmuth und Grayie, folche, weldhe von der Natur verliehen wer- den und am hinreißendften wirken, wenn ſich ihr Zauber ohne Bewußtfein des Vortragenden offenbart. Doc ohne den Unterſchied, welcher zwiſchen den beiden bervortretenditen Geſangsſtylarten befteht, weiter zu verfolgen, baben wir nur das Eine feftzubalten, daß die Geſangsbravour in der nas

Befähigung bat, bas alfo in fein Gefühl Aufgenommene und ihm Zueigenge- worbene kuͤnſtleriſch zu geftalten und als ein Geifl- und Seelenvolles zu ör zu bringen, der wird weber mit feinem finnigen, ernften, auf einen Kante ge richteten Blick und feiner ſcheinbaren Beſchäftignug mit feelenvollen Gebanten, noch mit feiner außerordentlich gut eingellbten äußeren Empfindung feine Affec⸗ tation anb Unnatur zu verleugnen im Stande fein |“

*) Vorher ift bemerkt, daß Fr. Schmitt in ben von ihm aufgeftellten 260 Gefänfigteits-Erercitien der menſchlichen Stimme allzuviel zumuthe. „Bei ber heiligen Eäcilie: wer biefe 260 Exercitien mit Geläufigfert fingen Tarm, ber wird vor keiner Schwierigteit mehr zurädiäreden, und hätte fie, wie einft bem Meifter Tartini, ber Teutel dietirt.“

Getang. 481

türliden Beihaffenheit und dem Charakter der menſchlichen Stimme, ſowie in ihrer angemefienen Verwendbarkeit, eine bejhränlende Grenze findet.‘ 777. Schluß. In dem genannten Hefte gibt M. H. Schmidt auch einen Artikel über Carlotta Patti („enorme Bravour bei wenig Herz und Gemüth‘') und findet dabei Veranlafjung, auf die Mängel unjerer Ges fangscorpphäen hinzuweiſen und die beutjche Toleranz zu verurteilen, welche ſich längft gewöhnt bat, auf einen wirffichen Kunſtgeſang zu verzichten... . „Anjer Ohr verlangt keine edel gebildete Stimme mehr, weil es den Be griff dafür eingebüßt bat, wenn nur einzelne Töne, fo unfchön fie auch fingen mögen, unſer Trommelfell in Bewegung bringen; wir erfragen es mit Lammesgebuld, wern wir vergeblich zu erforſchen fuchen, in mwelder Sprache der Sänger uns feine Gefänge vorträgt; wir find fo gefällig, bie beulende Sentimentalität für Achte Empfindung zu nehmen, und erlaſſen es dem Sänger, von feinem Verftande und feinem Gefühl Gebrauch zu maden: kurz, wir find in unfern Anforderungen an bie deutſche Sängerſchaft fo genügiam geworben, daß fie fich bereitö der Nothwendigleit entbunden ev achtet, dem Bellen nachzuſtreben.“

Das wäre alſo Verfall! Möge die höhere Gejanglebre ihrerfeits ' Mittel und Wege finden für die Erhebung zum Beſſern.

II. Kiteratur.

A, Lehr- und Uebungswerke mit oder ohne Liederſtoff.

1. Die Pflege der Singſtimme und bie Gründe von ber Ferſtörnug unb bem früßzeitigen Berluſt derſelben. Ein Wort filr Alle, welche fingen, Singen Iehren und überhaupt für Gefang ſich interelfiven, von Hoffmann. Dresden, Bruno Wienede, 1865. 1—

2. Geſangunterricht für Schulen von F Hartmann. Erſter Curſus, enthaltend Singübungen und ein- und zweifimmige Choräle und Lieder für Sopran und Alt. Zweiter Curſus, enthaltend Singübungen und mei⸗

entheils drei⸗ und vierſtimmige Choräle und Lieder für Sopran und At. ſerlohn, F. Bädecker, 1866. 1. Emrfus geb. 4 Sgr. 2. Curſus geh. 10 Sgr. 1. und 2, Curſus. aufammengebunben 15 Ggr.

8 Der Gejaugfreunb. Eine Sammlung ber fhönften ein-, zwei» und breiflimmigen Lieber für Schule, Haus und Leben. Im brei un. Im Auftrage des Kieler Lehrervereins bearbeitet und herausgegeben von A. trag Lehrer an ber Mädchenbürgerſchule in Kiel. Erſies Heft: Methor

bilder Fhrer für ben Geſangunterricht in der Vollseſchule nebſt vorberei- tenben Tonübungen, einftimmigen Kinberliebern für das GBehdrfingen and —— ni eh a bie pr bes Ka vermeh ots

uflage. rt. Ameites 0 einftimmige 6 zw mige Lie⸗

der nebſt vorbereitenben Tonlibungen unb 7 Canons. 3 Gyr. Drittes

Heft: 34 zweiſtimmige und 21 breiftimmige Lieber nebſt vorberettenben Ton⸗ erg ba

Übungen. 3 Sgr. Kiel, Schwers'ſche Buchhandlung, 1865.

'

458 | Geſang.

4, Kurzgefaßter Leitfaden für die methodiſche Bebenblung bes

Sefangunterrihts in ber Volkeſchule. Zufammengeftellt von Wil⸗

eim Kothe, Seminar-Mufikiehrer. Zweite vermehrte Auflage 4 Gar. raundberg, E. Peter, 1865.

5. Stimmbildungs-Metbode, enthaltend bie hauptſächlichſten Uebungen jur Ansbilbung des mufllaliihen Gehörs und ber Gingflimme, mit befon- derer Berückfichtigung bes Gefangunterrits in ber Schule, von |

. Neid. * r. (Mit Wandtafeln 8 Silbergroſchen). Berlin, 1865, mann u. er.

ttiſcheC ſchule von Schletterer, Kapellmei in Auge» burn. ee ERICH ar Ehrifian De,

Der Seibfiunterriht im Gefange. Eine Abhandlung in XIX Brie fen nebft Beilpielen. Allen Gefangvereinen Deutſchlande gewidmet von 2. Rd Großbergogl. Badiſchem Sofopernfänger. Heibelberg, Kr. Baſſer⸗ mann, .

8. Kurze Anleitung zum grünbliden Stubium bes Gefanges (Abc der Sefangstunf). Bon Ferdinand Sieber, Brofeffor der Duff, Berfaffer des „Vollſtändigen Lehrbuches der Geſangkunſt.“ Zweite, ver mehrte unb verbefierte Auflage. Leipzig, Heinrich Matthes, 1865. 15 Sgr.

9. Befang nnd Oper. Kritifchebibactiihe Abhanblımıgen in zwangloſen Hef- ten. Herausgegeben von Maria Heinrich Schmidt. ECehfes Heft. Magbeburg, Heinrichehofen, 1865.

10. Aufeitung zur vollfänbigen Ausbilbung im Gefange Nebk Lehre, das Organ zu fräftigen, bauernb zu verfchönern, Fehler beflelben en unb ben hochſten oh kang der Stimme zu erzielen. Bon Anatır

inoja, Profefior ber Muftf. Bierte Auflage. Hildburghauſen, Kefjelrinz.

11. Zwei⸗ und breikimmige Siugäbungen mit lateinifhem Texte wmnb beigefligter. deutſcher Ueberſetzung für Sopran und Alt (oder Tenor und Baß). Zum Gebrauche bei dem Unterrichte angehender Kirpenfänger. Her⸗ ausgegeben von U. Tuma. Heft IL. 20 Ngr. Wien, 5. Weſſely.

6

7

- .

Nr. 1. Eine Kleine Schrift von nur 89 Geiten, bie aber einen Reich⸗ tbum wichtiger Belehrungen enthält, weshalb zu wünſchen ift, daß fie.im den Händen aller Lehrer und Leiter des Geſanges, jowie nicht minder der (erwachfenen) Sänger felbit fein möge. Das Büchlein erichten im Juni 1865, kurz vor dem Drespner Sängerfefte; es wollte in den Tagen bes allgemeinen Gefühlsraufhes eine Anregung zu einem Momente des Sam⸗ meins fein, in müßigen Augenbliden eine nüglie Unterhaltung gewähren. „Welche Gelegenheit”, fo fagte der Berf. im Vorworte, „Lönnte auch paſſender fein zur DVeröffentlihung eines erniten Wortes über die Pflege der Stimme, als die, welche taufend und abertaufend Menſchen an einem Punkte im Deutichland zufammenführt, die alle ein tiefes Interefie und warme Lisbe füs den Geſang bekunden.“ In 6 Capiteln, denen eine Cinleitung vorans geht und ein Abſchluß folgt, wird Nachftebendes gegeben und befproden : 1. Allgemeine Grundfäße; 2. Die Schule und der Leber: gang in’sLeben; 3. Geſanglehre und Gefanglehrer; 4. Das Leben (die Praxis); 5. Phyfiologie und Pflege der Stimme; 6. Der Männergefang. Im lestgenannten Cap. wird gefagt, daß unter den Hunderttaufenden, melde ſich gegenwärtig in Deutſchland bei dem Männergefang betbeiligen, die Mehrzahl yon ihnen ihre Stimmen

Geſang. 433

zu Grunde richten würden, wenn ihre Uebungen und Vorführungen nicht fo vereinzelt wären, daß die Natur Zeit gewönne, ſich von felbft immer wieder won der Unbill zu erholen, welche verjelben häufig zugefügt worden

MM „Der im Männerhor Sündigende gleiht einem Menſchen, der fi vielleicht alle acht Tage einmal ein Räufchchen zu Schulden kommen läßt, ja vielleiht hin und wieder auch einmal, wie man fo zu fagen pflegt, der Natur einen Stoß gibt, wobei er alt und grau werden kann; dabei kann er, der Sänger, es jedoch eben jo leicht einmal verjehen und jeine Stimme dermaßen jhädigen, daß fie fich nie wieder erholt. In diefer Gefahr be finden fih 1. befonders die äußeren Stimmen und vor Allem die Tenöre, 2. alle Stimmen, a. bei zu langer Dauer der Uebungen, b. wenn ber Dirigent ‚in Bezug auf Kraft den Chor nicht höchſt forgfältig überwacht, weil dann ein Heil den andern jo lange treibt, bis fi die Stimmen über: nommen haben.“ Sn der Ueberzeugung, daß der Männergejang als Bergnügungs: und Inſpirationsſache mit dem großen Sängerbunpfefte feis nem Bulminationspunlt erreicht habe, fordert der Verf. mit Necht, daß man num auch darauf Bedacht nehmen müfle, „ſich als Sänger zu verebeln und ſich mit den eritrebten Leiftungen in ven Dienft der Kunft zu ftellen. Uster nochmaliger Hinmweifung auf die Michtigleit des Ganzen theile ich den Wunſch des DBerfajiers, daß feine Rathſchläge „fih als Samentorn zur Frucht des Guten in die Herzen aller Derer ſenlen mögen, welde ſich für Befang intereſſiren.“

Nr. 2. Diefe Gefangfchule will in einem Merle das Gefammtma: tertal für den Geſangunterricht darbieten, damit die koftfpielige Anſchaffung verfchiedener Sammlungen, ſowie das zeitraubende Pictiren vermieden wers den. Sie vereinigt demnah Theorie und Praris, Singübungen und Rieder in ſich. Bon dem Lebrverfahren des Verfaſſers ift im Alle- gemeinen ſchon die Rede gemwejen und es kann baflelbe der Hauptſache nad) als berechtigt anerlannt werden. Im Einzelnen wäre freilich dies und jenes zu bemängeln, 3. B. die Art, wie auf Seite 1 alle jehs Notengats tungen auf einmal vorgeführt werden, ohne jede Andeutung, wie die Vers anſchaulichung zu bewirken; ober auf 3 der Sag: „Die Dur: (harte) Tonleiter. Große Terz; auf 2 ganze Töne folgt ein halber, auf 3 ganze folgt ein halber Ton.” Was ift eine große Terz? Davon erfährt der Schüler nichts. Soll die Definition dem Lehrer überlaflen bleiben? Warum dann nicht aud die Des Sinition der Dur-Zonleiter? Auf Seite 5 tritt plöglich die G-dur-Zonleiter auf, blos eingeführt durch die Ueberſchrift „O-dur: die halben Töne: h— co und fis—g” und erläutert dur die „Anmerkung“ (?): „Das Beichen 4 hängt jeder Note die Syibe is an; fis ift einen halben Zon höher als £. Bo bleibt da das Methodiſche? wo der Grundfag: Bon der Sache zum Beihen? Bertannt ſoll durchaus nicht werden, daß hier ein Schüs L.erbud vorliegt, das weiter nichts fein will, als 1. Liederheft, 2. Merk sad Uebungsbüchlein für den Glementarcurfus ; aber wie kommt daſ⸗ felbe. unter diefen limftänden zu dem Titel „Geſangunterricht“? Hr. Hartmann mird einſehen, daß er entweder dieſen Titel ändern oder vers Werkchen eine methodische Anleitung für den Lehrer beifügen muß. Mas zun bie Bejänge betrifft, fo enthält der 1. Curfus 8 zweiſtimmige

wär. Jahresberxicht. XVLL 28

434 Geſang.

Choraͤle, 30 ein: und zweiſtimmige Lieder; der 2. Curſus 26 drei⸗ umb vierfiimmige Choräle, 60 vergleihen Lieder und Leine Motetten. Viele Schulmaͤnner find belanntlih gegen pierftiimmige Kinbergefänge, und zwar mit Recht. Die Zahl folder Gejänge ift glüdliher Weife in dem vorliegenden Bude nur eine Meine und verringert alſo nicht weſentlich feine Brauchbarleit,. Die Ausmahl des gefammten Choral» und Yigural- ſtoffs unterliegt im Uebrigen keinem Zabel; im Gegentheil ift anzuertennen, daß der Herausgeber nur Muftergültiges zu geben bemüht war. Wenn er freilich jagt: „Was aber wohl hauptfählicd dieſes Werktchen von ähnlichen unterjcheiven dürfte, ift die Auswahl der Choräle und Lieder, die fo ge troffen ift, daß ſowohl für Shulanpadten, wie für fonflige ern ſte und beitere Gelegenheiten vielfeitiger Stoff dargeboten wird“, jo foll zwar dieſe Reichhaltigkeit nicht in Frage geftellt, zugleich aber doch ausgeſprochen werden, daß jie ein Vorzug ift, der auch mander andern Sammlung zu: gejprodhen werden muß.

Nr. 3. Heit 1. gibt aljo als Lehrerbuch die methodiſche Anlei- tung zum Unterriht und die nad dem Gehör einzuübenden Lieder; Heft 2 und 3, enthalten ald Schülerbüder pie vorbereitenden „Zonübungen” (chythmiſch, melodiſch, harmonisch) nebit dem nah Noten zu verarbeitenben Lieverftoffe (keine Choräle). Gine ganz gute Anorbnung. Der „metho⸗ diſche Führer”, wie der Verf. die Anleitung im 4. Hefte nennt, enthält des Trefflihen nit wenig und verrätb den Pädagogen von GEinſicht und Erfahrung, der zugleich eine grünblide Mufilbildung befißt. Aber fons berbar I Lehrftoff und Methode find in 22 Paragraphen jo bunt Burke bergemworfen, daß mwenigitens ber angehende Lehrer fi wohl Idhwen li feinen Lehrgang und die methodiſche Behandlung des Ginzelnen darnaqh wird zurechtlegen und abnehmen können, jelbit nicht mittelfi ber niel u aphoriſtiſchen Yingerzeige in $. 211 So z. B. wirb in $. 3 eine gem genügende Anleitung zu „accordiihen und Zonleiterübungen‘’ gegeben, in 8. 4 und 5 aber folgt dann eine rein objective, ſyſtematiſche Dar ftellung der ganzen Rhythmil, ohne jegliche Andeutung unterrichtlicher Berarbeitung. $. 6 aber bringt nun „Die Zreffübungen”, alſo wieder ein Stüd Methode I! Aehnliches pafiirt auch weiterhin. Offenbar bat der Berk. in der Abficht, „der eigenen Zurechtlegung des Lebrftoffes von Seiten des Lehrers nicht vorzugreifen”‘, einen. ziemlich unfieren „methodischen Führer“ geliefert, Unftatt ganze Abjchnitte der Allgemeinen Mufiliehre und dazpri⸗ chen vereinzelte unterrichtlihe Anmweifungen zu geben, mußte er den Lebe . gang von Stufe zu Stufe genau vorzeihnen und auf jeder Stufe ſagen: Hier wird das und das gelehrt, und zwar jo und jo. Da mußte Seber, woran er war, wußte, was er zu thun und zu lafien hatte! Wöge Herr Stolley in diefem Einne ungefäumt die nöthige Umarbeitung ſei⸗ ned „Führers vornehmen, ohne eine Beeinträchtigung der Selbftitän digfeit der Lehrer zu fürchten. Yür völlig fachkundige, urtbeilsjähige, eo fahrene und geübte Lehrer fchreibt überhaupt Niemand einen Führer. Gegen die Auswahl der Lieber und Gefänge ift nichts zu erinnern.

Nr. 4. Eine ſehr maßvolle, die realen Bedingungen und Verhaͤltniſſe ver Volksſchule überall im Auge bebaltende, päbagogifh und muflalid

Gefang. 43B

wohlberechtigte Anleitung, ganz entſprechend den Grundſaͤtzen, melde ſich nach und nad) für einen methodischen Gefangunterricht, der das Endziel hat, das Bolt in den Schäßen feiner beften Lieder heimisch zu machen, geltend gemacht haben. „Drei Hauptfeinde find ed”, diefe Stelle wollen wir dem Büchlein entlebnen, „mit denen falt jede Schule zu lämpfen bat: die fehlerhafte Ausſprache, das Unreinfingen (Detoniren) und das Schreien. Die ſprachliche Seite des Gefangunterrihts kann von ben Sprachſtunden eine große Unterftügung erfahren. Das Unreinfingen wird nad) und nad gehoben durch Bildung des Gehör: und Tonſinnes. Das Schreien ift größtentheils Folge der Nohbeit, der ſchlechten Disciplin und des regellofen Athmens. Je mehr Athem verwandt wird, befto größerer Sorgfalt bedarf es, alles Verlepende im Zone zu vermeiden. Vorherrſchen⸗ des Pianofingen fördert die Reinheit und verhindert das Schreien.”

Nr. 5. Ein ganz mohlgemeintes Hefthen, das aber die rechte me thodiſche Geftaltung des Unterrichtes zu jehr vermiflen läßt, um den Schw len empfohlen werden zu können. Auch in rein ſachlicher Hinficht ſtehen erhebliche Bedenten entgegen. Eine richtige Stimmbildungsmethode müßte doch mit der Erzeugung und Cultur der mittleren Töne beginnen ; davon ift aber bier keine Spur zu finden.

Nr. 6. Hier ift Methode, ſowohl nad Seiten ber Tonanfhauung und Zonerfenntniß als der Tonbildung bin, während zugleich das rein künftleriihe Clement (in Poefie und Mufil) die angemefienite Vertretung findet. Für die Volksſchule liegt freilich das vorgeftedte Biel ſchon etwas

zu hoch; dagegen iſt dieſe Chorgeſangſchule für Bürgerfchulen, cReolſchulen, —** sc. in vorzüglihem Maße geeignet.

Nr. 7. Das Eigenthümlihe diefer Schrift (74 ©.) beruht darauf, vof fie nicht den Höheren Kunſtgeſang, jondern blos denjenigen Grad der Ausbil⸗ dung auftrebt, defien auch der Dilettant bedarf, um überhaupt fagen zu dürfen, er lönne fingen, und daß fie dies mit ungewöhnlicher Sorgfalt thut, alles Eins zelne ſehr genau und zugleich in der faßlichſien, populaͤrſten Weiſe beſprechend. So z. B. im 15. Briefe die Cultur des „Falſets (der Kopfitimme) . ... „Wie foll man aber nun die Ropfftinnme, die in der Hauptſache wie überhaupt die Stimme ein Geſchenk des Himmels bleibt, vet üben? Ich will Dir ein Geſchichtchen erzählen! Als ich in Dresden meine tbeatraliihe Lauf bahn begann, lebte nod der berühmte Geſangslehrer Mieljh. Meine Wißbegierde und die Yreunplichleit des alten Mannes zogen mic oft in feine faft ländliche Wohnung außerhalb der eigentlichen Stadt. Eines Tas ges frug er mih: „Nun, mein Sohn, wie fteht’3 mit Deinem Zaljet 9 übR Du es fleißig ?“ „Ach“, antwortete ih, „das ift fehr ſchwach und will durdaus nicht gebordyen,“ „Dann will ih Dir einen Rath geben‘, fagte der Alte, „finge, wenn Du es übt, in Deine hohle Hand hinein,’ Ich wußte damals nicht, was er damit meinte. Später beſuchte ich ihn wieder und er that, nad) manchen anberen, wieder biefelbe Frage und ich gab dieſelbe Antwort. „Ich will Dir einen Rath geben, mein Junge”; fagte der Meiſter wieder, „Itelle Di vor das Fenſter und thue, indem Du dafjelbe mit Deinem Falſet anfingft, als ob Du es anhauchen woll⸗ teft I" Jest hätte ich ihn wohl verſtehen können, allein feine Meinung

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436, Gefang.

war mir noch nicht Mar, und erft durch Selbſtbeobachtung babe id heraus: gefunden, was der berühmte Lehrer damit fagen wollte. Der Tonſtrahl, das war feine Meinung, follte mit feinem Anſchlage recht nad vorn, in die Lippen hineinfallen und ein leifer Hauch follte dem Falfettone voran: gehen. Hieraus ift unleugbar zu fchließen, daß die Faljettöne im Grunde gerade in der Weiſe erlernt und geübt werden müflen, wie jene der Bruſt. Wie wäre es auch fonft möglih, das zu erreihen, was ald der größte Triumph der Gefangstunft betrachtet wird, einen Ton im Yaljet anzufchlas gen, denfelben beim Anfchwellen in das Bruftregifter hinüber zu tragen und ihn dann wieder beim Abmehmen und Berklingenlafien in das Yalfet zu führen, ohne daß ein Bruch bemertlih? Nur hat der Lernende beim Falfetüben noch mehr auf den tiefgeftellten Kehlkopf, den weitgeöffneten Rachen, ven Anschlag in die Lippen und den mitgehenden Hauch zu adten. Gin Anſchlag in die Lippen ift zwar infofern eigentlich unmöglich, als ja die Zähne theilmeife davorftehen, aber der Schüͤler trage ſich in feiner Einbildungskraft ftet3 mit dem Gedanken: Du follft in die Lippen fingen. Gr vente fi aud bier wieder den Ton: ſtrahl weder in die Höhe, noch geradeaus gehend, ſondern auf den Boden. Auf diefe Weife wird er das Nechte treffen und die Lippen bilden in ber That ein Anfagrohr, melde dem Zone Fülle und Weichheit verleibt.”.... Wie die Schrift allen Gefangvereinen Deutſchlands gewidmet iſt, fo ſei diefelbe diefen Vereinen hiermit empfohlen, und außerdem zugleich allen Lehrern und Lernern des Gefanges auch außerhalb der Vereine.

Nr. 8. Ein ABC, in dem die Hauptftüde der ganzen Geſangkunk enthalten find und zwar nad ber Lehre eines Meifters, welcher „vieler görtliden Kunſt fein ganzes Leben und Wirken freudig geweiht bat.”

Nr. 9. Der Inhalt diefes fechften, faft ganz dur eine Recenfion ver Geſangſchule Fr. Schmitt's ausgefüllten Heftes ift zwar, wie ſchon angegeben, allermeift fritifher und polemijher Natur, aber gerade da⸗ durch geſchieht es, daß gewiſſe Gegenftände ver Phyſiologie und der Ges fangbildungstunft fehr genau erörtert werden. So z. B. die Regiſter⸗ frage, in der bekanntlich nocd ganz entgegengefegte Anfichten ftattfinden. ‚„Mäbrend ſelbſt jene Gefanglehrer, welche vie Eriftenz mehrer Regifter im einer Stimme in Abrede ftellen, doch mindeltend ein Bruft: und Falſetre⸗ giſter zugeben, behauptet Fr. Schmitt, jede Stimme babe nur eins, und zwar ein Bruftregifter. Die Widerlegung der Schmitt’fhen Theorie muß in dem Hefte felbft nachgelefen werden. Yür die Praris bemerkt übrigens unfer Verf. fchließlih: ‚Beobachtet der Lehrer nur die Vorſicht, alle Töne ſchwach einjegen zu lafien, dann kann er au ficher fein, daß biefelben Rh von felbft regeln und gerade fo genommen werden, wie fie genom: men werben müſſen. Verhütet er ferner das ftarle Hervortreten einzelner ne, und wacht darüber, daß diefe fo lange gemäßigt werden, bis ſich auch die ſchwächeren und ſchwachen der Zonleiter den andern glei erfräfr tigt haben; kurz, richtet er fein ganzes Augenmerk auf die Herftellung einer im Toncharalter ausgeglihenen Scala, dann ift die Annahme von fo und fo. viel Zonreihen auch gänzlich irrelevant. Laͤßt der Lehrer aber „nur bie Pater. walten“, d. h. geftattet er dem Schüler die Töne fo zu fingen, wie

Geſang 437

fie ihm am bequemſten find, dann freilich wird es ſehr fraglich bleiben, ob er jemals eine gleihmäßig..tlingende Stimme damit erzielt.‘

Nr. 10. Ein Werkchen von 100 Seiten in Duodez, das, mie bei der Anzeige früherer Auflagen ſchon gefagt wurde, eine Reihe von jhäß- baren Belehrungen in folgender Anoronung enthält: Erfter Curfus. Nötbige Vorlenntniffe. Die Stimme und deren Pflege. Anwendung ber Stimme. Ausbildung der Stimme. Der Vortrag. Zweiter Curſus. Bon der Stimme. Uebung der Stimme. Der Vortrag. Wahl der Singe flüde. Verbeſſerung und Miederberftellung ver kranken Stimme. Im I. Eurfus wird das Nothwendigite vorgetragen und zum Verftäntniß des IL Curſus vorbereitet, welcher alsdann das giebt, was in jenem ausgelafien wurde, „um nicht den Leſer mit einem Male zu ſehr zu überhäufen.‘ Der Berj. hat das Büchlein auf Grund eines Manujcripts der Catalani ausgearbeitet („an deſſen Wechtheit zu zmeifeln mie nicht den mindellen Grund haben‘), zugleih aber wichtige Lehren aus den Werten der berühm: teften Geſangmeiſter älterer und neuerer Zeit binzugetban. Um noch eins mal der Stimmregifter zu gedenken, fo nimmt Minoja deren für den bo: ben Sopran drei Bruft:, Mittel: und Kopfſtimme an, für jede der übri- gen Stimmen dagegen nur zwei Bruft: und Kopfitimme. „Pie Kopfs ftimme des Bafles ift fo ſchwer mit der Bruſtſtimme zu nerbinden, daß es nur in ganz feltenen Fällen geſchieht. In der Regel wird es gar nicht gehbt, um die Baßſtimme nicht zu verberben.... Der Tenor dagegen muß Brufts und Kopfftimme verbinden lernen. Gewöhnlich ift der höchſte Ton der erfteren das g, aljo werde die Uebung mit f oder g angefangen; dieſe Uebung befteht darin, mit demfelben Tone aus der Bruft» in bie Kopf ſtimme und aus dieſer wieder in jene zurüd zu geben. Das Mittel zu diefem Uebergange ift, die Bruftftimme zu mäßigen und bie Kopfftimme anzutreiben, da jie von Natur ſchwächer ift als die Bruftftimme. Die nicht fo weit reihenden Bruftftimmen müſſen bei e anfangen.” Das Singen der Scala ‘wird für das Schwerfte und Nothwendigſte, aber auch Beloh⸗ nendfte erllärt. „Es führt kein anderer Weg zur Meifterfhaft. Wer es dahin gebradht hat, die Scala in den verfchiedenen Tonlagen, mit voll fommen reiner Intonation und in jedem Tempo zu fingen, ver fann ale dann aud, was das Techniſche betrifft, Alles fingen. Alle tücdhtigen Ges fanglehrer empfehlen und fordern daher die täglihe Uebung derſelben vor allem Andern, und felbft die völlig ausgebildeten Sänger und Sängerin nen, die ed ernit meinen mit ihrer Kunft, laſſen nie einen Tag vergehen ohne dieſe Ucbung, durch deren Unterlafjung ſtets Rüdſchritte entſtehen.“

Nr. 11.. Vortreffliche Uebungen für den getragenen, wie auch fär den figurirten Chorgeſang, theils von Tuma ſelbſt (dem Vermuthen nach), theils von Lotti, Martini, Orlando di Laſſo und Cordans. Sie beſtehen in ausgeführten, ziemlich umfänglichen zwei: und dreiſtimmigen Compoſitionen für den Knaben- oder Frauenchor mit lateiniſchen Kirchen⸗ texten (Laudate pueri - O salutaris hostia Agnus dei —. Ave verum Christi corpus Tantum ergo u. ſ. w.). Es können bieje Ge⸗ fänge jeder katholijhen Choranftalt angelegentlih empfohlen werden, nidt blos als’ Mebungen, fondern auch nm ihres edlen Inhaltes willen an fi,

488 Gefang.

B. Geſänge.

1. Für Kinderſtimmen. (Auch die ein- und zweiftiimmigen Schulchoralbücher find bier eingereibt,

obſchon felbftverftännlih der einftimmige und zmweiltimmige Choral von Stimmen jeder Art gefungen werben Tann.)

1.

7

il.

Selangunterridt für Schnien, von Philipp Tietz, Geſangleher am Königl. Gymnaſtum Andreanum und ber höhern Töchterſchule in Bierter Theil. Liederſammlung. Zweite, vermehrte Auflage. Hildesheim, Gerſtenberg. 1865.

Bollſtändiges Liederbuch zum Preußiſchen Kinderfreund von A. E. Preuß und J. A. Better, zufammengefiellt und herausgegeben von Rudolph Palme, Organift und Diufitiehrer. Op. 6. Magdeburg, 1865. Heinrichhefen. Preis: 7% Sgr.

Seſangbuch für kathoſiſche Schulen. Cine Sammlung von 120 ein» und mebrflimmigen Schul» und Bollsliedern. Hexausgegeben von Wilbelm Kotbe, Seminars Mufiliehrer. Dit hoher Genehbmiguug des hochwürdigſten Herrn Fürſtbiſchofs zu Breslau. Ausgabe für Edhüler. Ei * rt. Braunsberg, 1865. Fin Selbfiverlage und in Commiſfion ei E. Beter.

Liedertranz für Wolle-, Bürger, Reale und Lateinſchulen. Bon Georg Luz. Stuttgart, Augufl Schaber. 1866.

. Liederbuch für Schul- und Volksgeſang in Worten und Weifen. WIE

Grundlage des Gefangunterrichts in Bürger⸗ unb Landſchulen und mit Beridfidtigung des iIpäteren Alters eingerichtet unb heraußgegeben vor Wilhelm Meyer. Zweites Heft. 73 Yieder und 10 Ganond. Brite, verbefierte Auflage. Hannover, Hahn. 1865.

Sechs zwei- und dreiftimmige Schullieder. Wort und WBeife von Meinhard Reigel, Hauptiehrer an ber erweiterten Mäbchenfchule in Mann» beim. Lahr, F. H. Geiger.

Sammlung ber jhönften und beſten Jugend», Volla⸗ unb VBaterlanbe- lieber für Volks- und Bürgerſchulen. Ausgewählt und bearbeitet von Theo⸗ dor Odenwald, Sefanglehrer an ber Sejammtftabtichule zu Gera. Erſter Theil: 135 zweiftimmige Orfänge. Zweiter Theil: 78 breiftimmige Gejänge. Gera, Hermann Kanitz. 1865.

Sang und Klang für Mädchenſchulen von Auguft Heidemann. In brei Heften. Drittes Heft, enthaltend 54 meift mehrflimmige Lieder. Dritte Auflage, herausgegeben von Carl Kolberg, Königliher Domfänger und Geſanglehrer an der Konigl. Realſchule und der Königl. Auguſtaſchule zu Berlin. Berlin, 1865. Rudolph @ärtuer. Preis: broſchirt 5 Sgr.; 100 Exemplare 12 Thlr.

. Lieder für Iung und Alt, herausgegeben von J. J.. Schänblin,

Lehrer am Nealgymnaflum zu Baſel. Sechſte (Stereotype)Auflage. Ausgabe für Deutflande Bajel und Leipjig, 1865. Bahnmaier En

. Liederkranz. Auswahl heiterer und ernſter Gefänge für Schule, Haus

und Leben. Herausgegeben von Ludwig Erk und Wilhelm Greef. Zweites Heft 92 breiftimmige Lieder enthaltend. Zehnte, vermehrte und verbefierte Auflage (Reue Stereotyp-Ausgabe). Eſſen, Bäbeder. 1866. Sechs Sefänge für breiffimmigen Chor, mit befonderer Berückichtigung bes Gebrauchs in Schulen, von Ferdinand Janfen. Op. 6. ör L Bartitur und Stimmen Preis 224 Sgr. Heft IL Partitur und

men Preis 25 Sgr. Bremen, Praeger und Meier.

Gefang. 439

12. Reue Auswahl brei» unb vierfiitimiger Meber für bie obern Klafſen ber verſchiedenen Lehranftalten (Gymnafien, Keal-, Bürger⸗, Töchter- und Volks⸗ ſchulen). Wrrangirt und heransgegeben von Präceptor Eh. 2. Schuler, Selanglehrer an der Königl. Realſchule in Stuttgart. Stuttgart, Nitsichke.

13. Eanons Zum Schulgebraudge und als Anhang zu jeder Chorgeſangſchule, gefammelt von H. M. Schletterer, Kapellmeifter in Augsburg. Nörblin- gen, €. 9. Bed. 1866.

14. Auserlefene Lieder ber katholiſchen Kirche für alle Zeiten bes Kirchenjahres. Nebſt einem Anbange von Marienliebern für die Maiandacht. Zum Gebraude für höhere Zöchterichulen und geiftlihe Genoflenichaften, dreiftimmig bearbeitet von B. Kothe, Könige. Muſildirector in Oppeln. Breslau, & E. €. Leufart (Conftantin Sander).

15. Deutſche Liederkrone in golbnen Tonihmud Tiebliher Melodien für alle Zeit- und Sebensverbältniffe 70 Balmbäume am Lebensftrome ber- heiligen Schrift. Religiöfe Gefänge im Cantus firmus, zum Gebraud in höheren Schulen, Seminarien und im Vereinsleben. Heransgegeben von A. D. Volkening, Lehrer und Organiſt. I. Bud. Ausgabe A. Hild-⸗ burghaufen, Kefielring’fhe Hofbuhhanblung. 1865.

16. Auswahl geiftliher Lieder für Schule und Katechiſation. Zum Be- flen ber Prediger⸗ und ber Lehrer⸗Wittwenkaſſe in ber Kreis-Synobe Moers. Preis geheftet 2 Sgr. Moers, 1865. 3. W. Spaarmann.

17. Schulgeſangbuch aus dem St. Petersburger Geſangbuche für Evange⸗ liche Gemeinden in Rußland, zufammengeftellt durch H. von Stahl, Paftor und Religionslehrer ber beutihen Hauptihule zu St. Betri in St. Peters⸗ burg. St. Petersburg. 1865. Ouſtav Haefiel.

18. Choralmehodien bet Berliner Gefangbuches für Kirche, Schule und Haus. Herausgegeben von C. Kuntze. Aſchersleben, H. €. Hud. 1865.

19. 141 Ehoräle unter Berückſichtigung des Merkel'ſchen Taſchen⸗Choralbuchs, zweiſtimmig bearbeitet von Karl Heinrih Stephan, Kantor und Mufile Director an der Haupt- unb Pfarrkirche zu St. Maria unb Martha in Ka⸗ mens. Kamenz, Krauſche. 1865. "

Ne. 1 —13 enthalten vorwaltend Figuralgefänge, menig oder gar feine Ehoräle; in Nr. 14 und 15 find beide Formen ziemlih gleihmäßig vertreten; Nr. 16 und 19 find reine Choralbüder. Nr. 15 17 liefern ausſchließlich Einftimmiges, Nr. L—3 und 18 Ein: und Mebrftimmiges, Ar. A und 5 u. 19 Zweiltimmiges, Nr. 6 mei: und Dreiftimmiges, Nr. 9, 10, 31 und 14 Dreiftimmiges, Nr. 12 und 13 Drei: und Vierſtim⸗ m . Was die Auswahl und Bearbeitung der Lieder und fonjtigen Figu⸗ ralgefänge betrifit, fo läßt fih nah Allem, was in den legten Sahrzehnten Maßgebendes feftgeftellt und Vorbildliches geleiftet worden ift, etwas weſent⸗ lich, tm Ganzen und Allgemeinen Verfehltes kaum noch auffinden, aud dürfte e8 unmöglich fein, jebt noch bei jedem einzelnen Liede feftzuftellen, wem das geiftige Eigenthumsrecht urfprünglich zufteht oder nicht. Zweifel⸗ (08 ift nur, daß bei Unterjuhungen der Art die meiften Fäden auf Lud⸗ wig Ert zurüdlaufen, der fi über Mangel an Beahtung von Seitet’ des Stammes Nim durchaus nicht zu beflagen bat.

Nr. 1. 44 Iſt. 43 2. und 10 3ſt. Lieder. Gute Auswahl im’ Ganzen. Beachtung der Volksweiſe. Wenig empfiehlt fih indeß Nr. 23, wo der „luftige Knabe” ſich jelber aljo anfingt:.

440 Geſang.

Ich bin fröhlich, wohlgemuth, Folgt mir, Yrüber, madts wur fo

Laufe, hüpfe, Ipringe, Und feid guter Dinge; Bin ein junges raſches Blut, Eeid wie id vergrügt umb froß, Immer guter Dinge. Seht nur, wie ich ſpringe!

u. |. w.

Wo if ein Junge, der das von felber fingen lüunie?

Ar. 2. 120 Lieder und 18 Ganons. Ter Herausgeber bat ſich bie Aufgabe gefiellt, „alle für den Gejang geeigneten Stũde des Break umb Betterjchen Kinverfreundes in einer Ausgabe zu vereinen“; es foll darch diefes Liederbuch ermöglicht werden, das Leſebuch auch als Grundlage beim Gefangunterriht zu verwenden, und find dabei die drei obern Etufen ber Boltsihule in's Auge gefaßt. Die Uriginalmelodien der Texte find möglich berüdjichtigt worden; zu andern Zerten bat Hr. Balme yafiende Meile: dien entiehnt, endlich find folhe Lieder, für die fih feine Melodien ver wenden ließen, von ibm felbft und zwar in muſilaliſch beredtigter Weiſe componirt worden. Tas Ganze ift mit Fleiß gearbeitet. Unter den Lie bern fehlen freilidh mehrere, welche der Jugend lieb find, ;. B. Morgen roth Treue Liebe bis zum Grabe Golone Abendjonne Lobt froh den Herm Mit dem Pfeil dem Bogen u. a.

Nr. 3. Während für einen feftfiehenden Cyclus Kircylicher Gefänge durch das Didcefangefangbudy geforgt if, foll bier eine für die ganze Schulzeit und alle Berhältnifie des Schullebens berechnete, zur Anbahnung eines allgemeinen Lebensgefanges geeignete Auswahl weltlider um geiftliher Bollslieder dargeboten werden. Für die „untere Stute ausichlieblihes Eingen nah dem Geböre find 37 ein= und ziweis flimmige, für die obere und mittlere Stufe Eingen nah dem Geböte mit Hülfe der Noten 68 zweiftimmige Lieder beftimmt (. vorherrſchend zu üben ift der ein= und zweiftimmige Gefang’); im Anbange folgen nod 15 dreiflimmige Lieder und Heine Chöre. Das Ganze ift von entſchiedenem Werth für katholiſche Schulen.

Nr. 4. 71 Nummern. „Der praltiihe Pehrer bleibt auch im Ge fangunterrihte auf dem Boden des Lebens, der Möglichfeit, Cinfachheit und Angemeſſenheit. Weniges, aber dies gründlich gut, fertig, fiher, ift ſelbſ beim Singen und beim EGingftoff für die Echule ein Hauptſpruch.“ Wenn ber Herausgeber ſich dies als Grundſatz vorgegeichnet bat; wenn ex- fordert, daß die Melodien lieblih und angenehm obrfällig erllingen, mehr natürlich und behaltbar als jchwer und künſtlich verwidelt fein follen; wenn er Terte von „entſchiedener Solidität” verlangt und „fade Reimereien, über welchen Noten und Zonverbindungen ohne allen Geſchmad fteben‘‘, desgleihen aud „Unmahrbeiten im Gedanken des Liedes’ ſchlechterdings nicht leiden will: fe iſt er dem allen in feinem Liederkranze wirklih nachgelommen und bat in den 6 Mbtbeilungen: I. Tageszeiten, IL Jahreszeiten und Naturleben, IIL Baterlands», TZurn- und Wanderlies» ber, IV. Volkslieder, V. Der Gefang VI Kirhlides und Örabgefänge einen ausreichenden und berechtigten Liederfloff ri: den zweiftimmigen Schulgefang geliefert,

Geſang. 441

Nr. 5. Ein in Worten und Weifen ächt vollsmäßiges, 73 zweiſtim⸗ mige Lieder und 10 Canons enthaltendes Singbuch, das auf allen Seiten Beugniß ablegt von dem Fleiße des Herausgebers bei Auswahl und Bear: beitung des Stofies, ſowie von dem feinen Sinne, mit dem er das an Ab Berechtigte und -zuglei dem Schul⸗ und Lebenögejange wahrhoit Dienlihe zu erfennen und zu geflalten wußte.

Nr. 6. Wenn unter Rr. 4 die Sterne jo angefungen werben:

Liebe holde Sterne, Euer bold Geflimmer

Mit fo fanftem Schein, Giebt mir heilgen Muth, Zu euch in die Kerne Und ich lieb euch immer, Ladet ihr mid ein, Seid ihr doch fo gut. Sendet mir von oben Ohne Streit und Wirren Himmelsgruß und Luft, Mandelt ihr dort leis,

Und es fühlt erhoben Nehmt mid) nah dem Jrren Sich des Kindes Bruft. Auf in euern Kreis.

fo dürften unfere Leer doch wohl zu viel des Unklaren, Verwaſchenen und Verſchwommenen darin finden, als daß fie idiefem Liede eine Les bensfäbigleit beilegen könnten. Nicht befier fieht es anderwärts aus, z. B. in Nr. 5: „Un mein Vaterland”, wo es beißt:

Wo mir der Kindheit Blumen fprießen, '

Möcht' ich des Lebens Lauf beichließen.

Drum (?) lehn' ih mid mit Herz (?) und Hand

An dich, mein liebes Vaterland.

Die Mufit iR wenig befier als die Zerte, namentlih was die dilet. tantiſchen Unbeholfenheiten des dreiſtimmigen Satzes betrifft. Das Gange waͤre wohl beſſer ungedrudt geblieben.

Nr. 7. Theil I. enthält 135 zweiſtimmige, Theil IL. 78 dreiſtim⸗ mige Lieder und Gefänge. Es ift fein Grund vorhanden, die Auswahl, refp. die Bearbeitung. (3.3 von Mendelsſohn's „Der Frühling kommt mit Braufen‘‘) zu bemängeln oder bie Angemefienheit und Brauchbarkeit des Ganzen fuͤr eine mehrklaſſige Stadtſchule in Frage zu ſtellen.

Nr. 8. Das Dreiſtimmige waltet vor. Die Geſammtzahl der Lieber beträgt 54; davon find 20 „mit gütiger Erlaubniß des Hrn. Mufilvirector 2. Erk nad befien barmonifcher Bearbeitung bier aufgenommen.” Unter dem Uebrigen finden fih ein paar neue Nummern von Deften, anſpre⸗ hend in der Melodie und glatt im Gabe; aud einige von einem gewiſſen Lehmann niht ©. Lehmann, Seminarl. in Eliterwerda), 5.2. Nr. 19, wo alle 7, jchreibe fieben, Abfäge auf der Harmonie der Tonica ges macht werden!) Hoffentlih ift Hr. Lehmann nidt zu alt, um noch einige Nachſtudien in der Compofition zu mahen. Im Allgemeinen if das vorl. Hejt nicht zu verachten.

Ne, 9. Kin ſchätzenswerthes, auch außerhalb der Schweiz verbreileteg Singbud mit dem v. Cihendorff’fhen Motto: J

‚Biele Boten ‚gehn und gingen Zwiſchen Erd, und Himmelsluſt, Far

442 Gang.

\ Solchen Gruß kan keiner bringen, Als ein Lied aus friſcher Vrufi.

120 auserlefene Lieder find unter folgenden Ueberſchriften gegeben: L. Zageszeitn, II. Jahreszeiten, III. Chriftliche Felle, IV. Lob Gottes, V. Natur, VI. 2eben, VII Baterland und Heimath, VIII. Turnen und Wandern, IX. Romanen.

Ne. 10. Diefe altbewährte Sammlung mit dem Motto:

Schlichte Wort und gut Gemüth

Sit das rechte deutſche Lied erſcheint in erneuerter Stereotyp: Ausgabe, nad) Auswahl, Bearbeitung und Anordnung der Lieder „vielfach verbefiert und fahgemäß umgeftaltet.” „Den gebobenen Anforderungen unferer Zeit entfprehend, mußten die im Wort und Ton weniger werthvollen Lieder durch werthuollere, durch, Blu⸗ tben ächt deutſcher Nationalität“ erfegt werben. Wie alle Er k'ſchen Emm kungen, fo zeichnet fi auch die vorliegende dadurch aus, daß fie nicht der Sentimentalität und nicht dem äußern Effect, fondern einzig und allein ber wahren, tief innigen Gmpfindung huldigt und ihr in Wort und Ton dem edelften Ausdeud verleiht.

- "N. 11. Zür gehobene Schulen eignen fidh diefe Geſänge, die einer gewifien Friſche nicht entbebren, intereffante Bäge in der Erfindung enchal⸗ ten ohne gefucht zu fein und für die einzelnes Stimmen überall jangbar geichrieben find, ohne Zweifel gang gut, zumal da der Gomponift die Terte mit aller Sorgfalt gewählt hat. Auch Frauenchoͤre werben guten Gebraud von ihnen machen können.

Nr, 12, Cine für Oberklaſſen mwohlgeeignete Zufammenftellung älterer und neuerer Lieder von Abt, Rind, Fr. Schneider, 2. Böhner, Fink, Mendelsfohn Bartholdy, Harder, Huber, Fred, Zöllner, Silder, Neulomm, Händel, Lahner, Knecht, Kreuger, Würfel und Schuler ſelbſt. (Letzterer bat zwei Lieder ge: liefert, die innig empfunden und nit ohne Gewandtheit conftruirt find, babei aber doch etwas Dilettantijches verratben, Nr. 33 dur die Detaven in den äußeren Stimmen, Nr. 34 dur den zweimaligen gleihen Schluß auf der Dominante) Die Angabe des Titeld, nad welcher der Heraus geber alle Lieder arrangirt hätte, ift nicht correct, denn es ſtehen auch mehrere Originale unter den gelieferten 24 Nummern.

Nr. 13. „Reine andern Gejangübungen bieten, wie die Canon, Abn: liche Gelegenheit, das Gehör, den Taktſinn und die Sicherheit der Schüler zu fördern und zu befeftigen, Nicht die Luſt an kunſwollen Tomfägchen, oder das Beſtreben, durch anmuthige Spielereien die Lernenden anzuregen, haben die vorliegende Eammlung hervorgerufen, fondern Iediglid das Ber langen, einen hoͤchſt fhähbaren Uebungsitoff für folhe Schalen zu gemwin- nen, in denen der Gefang mit Ernſt und Eifer gepflegt wird.... „Die vorl. Sammlung 59 Canons aller Art, leichte und ſchwere, einfache und eomplicirte, ernſthafte und fcherzbafte.” Dies aus bem Vorworte. Die Sammlung iſt beſtens zu empfehlen.

Ne. 14. „Zür die höheren katholiſchen Toͤchterſchulen, wo Gefang: unterricht Tunftmäßig betrieben wieb, fehlt es bis jebt an einer Sammlung

Geſang. 448

mehrſtimmiger Kirchenlieder, die als Uebungsſtoff und zugleih ala Mitte‘ zur Gefhmadsbildung dienen könnte. Auch bei dem Gottesdienfte in Frauen? Udflern kam man zumellen wegen paſſenden Materials in Berlegenheit, weil nicht immer und überall die Gefangträfte vorhanden find, um größere Come pofitionen für Frauenchor in der Literatur überhaupt nur fpärlid vers treten auszuführen. Diefem zmweifahen Bebürfnifie möchte die gegen» wärtige Sammlung gemügen, und zwar durch Dreierlei: a. gebaltvolle Melodien und Terte, b. Berüdfihtigung der kirchlichen Bebürfnifie während bes ganzen Kirchenjahres, c. Beſchräänkung auf das Nothwendigfte, um der Preis nicht unnöthig zu erhöhen.” Diefen Notizen aus dem Vorworte ſei noch beigefügt, daß die Zahl der Gefänge einfhließlih der im Anhange ſtehenden 13 Marienliever 65 beträgt und daß die Sammlung, bervorges gangen aus der Hand eines bewährten Künftlers, volllommen geeignet if}; Bem oben angegebenen Doppelziwede zu genügen. Selbſtverſtaͤndlich können Die Geſaͤnge mit dem Harmonium begleitet werden, wo dann, wie ber Herausgeber andeutet, der Alt durch die hinzufügte tiefere Octave verftärkt werben mag.

Nr. 15. 70 Choräle in rhythmiſcher Gorm und fonftige geiftliche Liner (wie 3. B. Harre, meine Seele, Schoͤnſier Herr Jeſu Lat mich gehn Lebt den Herrn, er iſt die Liebe!) „Die Liederkrone hat nad ihrem Inhalt Bedacht genommen für alle Zeit: und Lebensverhältnifie und damit der gebildeten Jugend in höheren Schulen und dem Bereingles ben etwas Werthvolles und Bleibendes darreihen wollen. Sie ſoll ihnen ein Elim in der Wüfte des Lebens fein, mo fie ſich unter den Palmen» bäumen an den Waflerbrunnen erquiden und ftärten können. Text uud Melodie ftehen gleichberechtigt in der innigften Verbindung mit einander u. |. w.“ Die vorliegende Ausgabe A. giebt blos den cantus firmus; Ausg. B fol alle Lieder in dreiſtimmige Harmonie, Ausg. „im vierfliimmigen Tongewande für Gefang, Klavier sder Harmonium” bringen. Bei der Auswahl der Lieder find flache, verwäfierte Terte ausgeſchloſſen worden. Was die Mes Iodien betrifft, fo iſt nur bei Nr. 18 die Umfeßung der Melodie: „Here Gott, did loben alle wir” in den 2, » Takt zu bemängeln, die eine völlige Berlehrung der profodifhen Accente berbeiführt.

Nr. 16. 58 der vorzüglichften evangelifchen Kirchenlieder (von denen 10 für die Unterklaſſe, fernere 14 für die Mittelllafle, weitere 14 für bie Oberklaſſe beftimmt find, mozu im Gonfirmationsunterrichte die lebten 20 kommen), vollftändig abgebrudt, mit Melovien in auögeglichener Form.

Nr. 17. „In den köftlihen Schatz unferer Kirchenlieder die evange⸗ liſche Jugend einführen zu wollen, bedarf keiner Rechtfertigung. Herz und Geiſt iſt durchaus empfaͤnglicher für die in dieſen Liedern webende Glaus bensſtaͤrke und Liebesfülle, als irgend ein ſpaͤteres Alter. Bu den Liedern gehdren die Melodien, anf welche beim Religionsunterrichte mit zu achten tft; die Jugend muß fie kennen lernen, denn auf ihr beruht die Zulunft der Gemeinde.” Die Zahl der Lieder beträgt 71, und zwar find fie nad ihren Dichtern biftorifch geordnet, von Martin Luther, + 1546, bis auf Albert Anapp, + 18683. Gelernt follen fie in 6 Jahren werben, jedoch nicht isn ber biftorifchen,, ſondern in eines andern, nah ben Faſſungsdermöͤ⸗

444 Geſang. gen der Schüler bemeſſenen Folge. Die Melodien ſtehen in ansgegliche

ner Form.

Nr. 18. 158 Melodien in Viertelnoten, theils ein-, theils zweiftimmig, obne Zert. Dabei ein Anhang von 7 breiflimmigen Chorälen. Der zwei⸗ und breiltimmige Saß verräth die Hand bes geübten Meifters.

Nr. 19. Ein ganz brauchbares Melodienheft in Biertelnoten, mit untergelegter zweiter Stimme, obne Text. Die Melodien fiehen in Leipzig Drespner Lesart. Die Schwierigkeiten des zweiliimmigen Satzes hat be Herausgeber nit ohne Glüd überwunden.

Nahbemerlung: Einige zur Beſprechung eingeſendeten, neue Auflagen” älterer Liederfammlungen find unerwähnt geblieben, weil nichts daran neu iſt, ald der Titel,

Bon meinem Liederbain ift Heft L in 20Ofter, Heft II. in ISter Gtereotyp » Auflage erſchienen. Desgleihen wurde die Kinderharfe in Ster Auflage ausgegeben.

2. Für Männerflimmen.

I. Religidfe Sefänge für Männerfimmen von Bernbard Kein. unähf für Seminarien und bie oberen Klaſſen der Oymuaſten und Reh Aulen, wie auch für Gingvereine neu herausgegeben von Rudwig Erk und Ernft Ebeling. Sechftes und fiebente® Heft. Berlin 1865. rast wein (M. Bahn). Netto 4 Sgr.

2. Salvum fac Regem für vierfiimmigen Männerchor, componirt var Sr. Held. 5 Sgr. Berlin, Hugo Kaftner.

3 Morgengelang für vier Männerffiimmen, Chor unb Soli, com ponirt von Idſeph Schnabel. Zweite Auflage. Partitur und Stimmen 10 Sgr. Stimmen apart 5 Sgr. Bresları, von F. E. ©. Leuckart.

4: Choräle für Männerffimmen (in alter und neuer Mefobieform). Für bödere Schulen und Singvereine. In zwei Heften er anegegeben von Lud⸗ wig Erf und Karl Ed. Ber. I Heft. 5 Sgr. Efien, Bädeler, 1868.

5. Bierſtimmiges Männergefang- Eboralbud. Hundert geiffide . Lieber, theils vollſtändig, theils in einem Auszuge von brei bie ſecht Strophen, mit neunzig in ber evangeliichen Kirche gebräudlichen Melebien für den Männerchor vierflimmig gefett und zum Gebrauch für Seminarien, Gymnaften, Rehrerconferenzen und Männergelangvereine herausgegeben vor 3. D. Eickhoff, Seminariehrer. Moere, 1866. 3. W. Spaarmam.

6. Zwei und fünfzig der gebräudfihften Chotäle mir Text nach dem Berliner Sefangbude, leicht ausführbar für wierfiimmigen Männerder, geſetzt von Hermann Käfter, Königl. Mufitvireetor und Organifi an der Hefe und Domlirde. Berlin, 1866. Friedrich Schulze.

9. Dentſcher Liederſchatz. Zunächſt fir Seminarin nnd die Köhern

Alaſſen der Gymnaſien und Realſchulen. Neu bearbeitet unb herausgegeben

von Ludwig Erf. Biertes Heft. 26 Geſänge für vierfiimmigen Mäunr

| 0x „enthaltend. 5 Sor. Berlin, 1865. Th. Chr, Fr. Snslin (Adolph nelin).

8. Amphion. Saummlung ausgewählter mehrſtimmiger Lieder und Gefängt für Männerchor. Veranſtaltet und ben Seminarien, oberen Gymuaſial⸗ tlaffen, Liedertaſeln x. gewibinet von Bernbard Brähmig. Heft 1 und 2. > 6 Sgr. Eitiehen, Kuhnt'ſche Buchhandlung ı(@.. Gräfenban).

Gang. 445

9. Botltsflänge. Lieber für mehrſtimmigen Männerhor. In Eimzelffimmen besausgegeben von Ludwig Erf. Baß II. Dritte Auflage. Nebſt einer für den Dirigenten geeigneten Partitur. Zweites Heft, 43 Gelänge ent haltend. Preis ber Partitur 10 Sgr. Preis der Einzelftiimme 4 Sur. Bei Abnahıne von 20 Exempl. 3 Sgr. Leipzig, 1866. Drud und Verlag, von

- Zulins Klinkhardt.

10. Dreißig deutſche Volkslieder, für vier Männerfiimmen gefett-von

Eilcher. Auswahl aus den 12 Sammlungen der Sülcher'ſchen Volle⸗ lieber für vier Männerflimmen. Erſte Lieferung. Zweite Auflage. Tübingen,

1865. Laupp.

11. Lie derhefte für einfachen und vollsmäßigen Männergefang; berausgegeben von Carl Eder. Erſtes Heft. Zürich, Baſel und Gt. Gallen, bei Gebrüder Hug, Leipzig, bei Fr. Hofmeifter.

12. Sechs vierfiimmige Männerchöre, componirt und bem Männerge- fangverein „Wohlen“ freundlihft gewidmet von Adolph Zah. Scaff⸗ haufen, Brobtmann’fhe Buchhandlung. 1865.

13. Zwei Männerhdre: I. Meeresabend von M. Graf Strachwitz. u. Fifcheriied von Ernft Scherenberg, comp. von G. Mebling, p- 23. Magdeburg, Heinrichahofen. I. Partitur 5 Sgr., Stimmen 5 Ggr.;

. Partitur 4 Sgr,, Stimmen 5 Sgr.

14. Sangesbruder! Grüß dih Gott! Xert und Muſik von Albin Thierbach, Cantor und Lievermeifter des Saal» Sängerbundee. Magde⸗ burg, Heinrichshofen. Complet 9 Sgr., Part. 4 Sgr., St. 5 Sgr. |

15. Album für vierffiimmigen Männergefang. Nr. 43, Gartz: Seid einig. 8 Sgr. Nr. 44, Ehwatal: Laudate Musicam, 9 Sgr. Magde⸗ burg, Heinrichthofen.

16. Neues und Altes für mehrfiimmigen Männergefang, zunädhf für Seminarien und Oberklaſſen der Gymnaſien und Realſchulen sc. her⸗

ausgegeben von Karl Wild. Steinhaufen, Seminar-Mufitiehrer. Künftes Heft. 74 Sgr. Neuwied und Leipig. I. H. Heufer.

171. Deutihe Söngerhalle. Auswahl von DOriginal-Compofitionen für vier⸗ Rimmigen Männergelang, gejammelt und herausgegeben von Franz Abt. Dritter Band in 8 Lieferungen, Bierte Slelerunn, 20 Sgr. Partitur apart 8 Sgr., Singfliimmen apart 12 Sgr. F. E. C. Leufart (Conſtantin Sander).

EN 16 find religiöfen, Nr. 7 und 8 gemiſchten, Nr. 9—17 aus:

ſchließlich weltlichen Inhalte. Die lebte Gruppe ift fo georbnet, daß unter

9— 12 vie einfadheren, vollsmäßigen Lieder fteben, während Nr. 13 in den

Kunftgefang übergeht, der dann von Nummer zu Nummer mehr vortritt

und in Nr. 17 feine feinften Gebilde darbietet. |

. Nr. 1. Die die vorliegenden Hefte zeigen, ſchreitet dieſe hochwichtige, äußerft wohlfeile Herausgabe der Partituren von B. Klein’s unüber troffenen religiöfen Männergefängen erfreulih vor. Es ſei hiermit von

Neuem auf diefelbe bingewiefen. In Heft 6 find enthalten: XVIIT. Pfalm

CXI. XIX. Agnus Dei; in Heft 7: XX. Sei mir gnäbig, Gott!

(nad Pſalm 57 und 56). XXI. Wer unter dem Schirm des Hödften

wandelt (Pfalm 91). 0

Ne. 2. Eine leiht ausführbare und zugleih wirkungsvolle Gompofition,

in der fih Gemüthsinnigkeit und kirchlicher Ernſt nereinigen. Empjehlends

werth befonders für Seminaze und Gymnaſien.

AR Geſang.

.Nr. 3. Wenn ſeit den Tagen B. Klein’s, Schnabel's wa Berner’s der einfachere Styl der Männerchöre im Allgemeinen einem mehr fünftlihen gewichen ift, fo wird die vorliegende, fehr Mare und durch⸗ fihtige Compofition, in der ſchoͤne Effecte mit einem geringen Aufwande vor Miffeln erreicht werben, für Sculanftalten, Heine Landchoͤre ıc um fo be achtenswertber fein.

Rr. 4. Diefe Ehoralfäge find hauptſaͤchlich für Seminaren und Lehrer: Gefangvereine ausgearbeitet. Das Beitreben der Herausgeber war „im All: gemeinen darauf gerichtet, den Choralſatz möglihft einfach und natürlich zu halten und alles Künſtliche darin gänzlich zu vermeiden.” Auch fuchten fie „auf eine möglichft bequeme Stimmlage, wornach bejonders die Brufttöne zur genü⸗ genden Geltung kommen konnten, binzuarbeiten.” Wie ernft unfer Altmeiſter Grit folde Dinge zu nehmen pflegt, ift belannt, und wenn er auf die wichtige Mitwirtung von E. Ed. Par binweilt, fo ift ſchon hieraus abgunehmen, dab den Arbeiten des Lebteren die künftleriiche Berechtigung nicht mangels. ehem Choral find mehrere (bald 2—4, in anderen Fällen ſelbſt 6—8) Äeztverfe beigegeben. Daß beide Ehoralformen, die ( „jogenannte” ) chyth- miſche und die ausgeglichene, vertreten find, kann nur erwünfcht fein.

Nr. 5 if zunächſt aus dem Bedürfniß hervorgegangen, „ven Böglingen des Königl. Seminars in Mörs ein Buh in die Hand zu geben, aus welchem viejelben zu jeder Beit irgend ein werthvolles Lied der evangelifchen Kirche vierftimmig fingen können; dann aber auch aus der Erwägung, daß ein ſolches Männergefang » Choralbuh wohl dazu geeignet fein dürfte, ein gleihes Bebürfniß für Männergefangvereine überhaupt, beſonders aber für Maͤnnerchoͤre der Lehrerconferenzen, Gymnaſien und Realjchulen zu befrie ‚digen. Die Terte ſowohl wie die Melodien (ausgeglidhene Form) find, mit nur 3 Ausnahmen, dem „Cvangel. Geſangbuche für Rheinland: Wet: phalen‘ entnommen. Hiernach empfiehlt fih das Wert, die fleikige, im Aonfoge manche eigenthümliche Züge nacweifende, Arbeit eines verdienſt⸗ vollen rheinifhen Seminarlehrers, allermeift für die dortigen Provinzen.

Nr. 6. Jeder Melodie find mehrere Zertverfe untergelegt. „Der Verfaſſer war bemüht, mit der Kirchlichleit des Satzes eine möglichfi leichte Ausführbarleif zu verbinden.... Wo die durchgeführte Vierſtiminigkeit die. Klarheit des Satzes beeinträchtigt hätte, iſt der dreis und zweiſtimmige Satz vorgezogen worden. Die Stimmen ſelbſt bewegen fi in möglichſt engen

tenzen; der erſte Tenor überfteigt 5. B. nicht das eingeftrichene g in der Höhe, der zweite Baß nicht das große g in der Tiefe” Die Nüglichkeit anch dieſes Choralbeftes unterliegt um fo weniger einem Zweifel, da Alles fer ſangbar gejebt iſt. "Ne 7. Mit diefem vierten Hefte des „Liederfhaßes” vermehrt ſich die Zahl der Gefänge von 95 auf 121. Auswahl und Bearbeitung baben In des Herausgebers bewährter Weiſe ftattgefunden. Bu den werthvollſten Stuͤcken viefes Heftes dürften gehören: Spohr's „Selig find die ZT odten“, ein Abendgefang von Zöllner („Herr, der du mir das Leben‘), ein Beati mortui von Mendelsfohn:Bartholdy, Palm 121 von demfelben (aus dem „Clias“), Händel’s „Würbig fit das Lamm“, ein Balvum

Geſang⸗ 411

fan rogem, nach einer ältesen Melodie bearbeitet. von Ebeling, Spohr's „Auf und laßt die Fahnen fliegen ! 10

Nr. 8. „Den auf dem Titel benannten Kreifen zur Kräftigung und Erhaltung der Sangesluft eine namhafte Fülle frifchen, anregenden Stoffes zuzuführen, war ver Hauptzwed bei Veranftaltung diefer Sammlung. Daß bierzu auch eine Anzahl alter,. lieber Stammgäfte mitgeladen wurde, bürfte gernih wicht unwilllommen fein, ebenfo wie der Umftanb, daß Weltliches und Geiftlidhes, daß neben dem Ernfte auch das heitere und humeriſtiſche Genre angemefiene Berüdfichtigung gefunden.’ Heft 1 enthält 26, Heft 2 28 Nummern. Der ‚alten Stammgälle” find im Verhaͤltniß doch nur menig, was tein Vorwurf fein foll, da eine Sammlung, die vorwaltennd Neues bringt, doch: auch ihre Berechtigung hat. Un Gomponiften fine in ben neuen, oder doch bisher weniger beiannten, theils auch erſt für Maͤnner⸗ Bimmmen arrangirten Geſaͤngen vertreten: Bed in Verden, Braͤhmig in Detmold, Streben. in Straljund, ©. Flügel in Stettin, 5. Flügel ebennafelbft, Concone in Paris (mur eine Melodie ift von ihm), Kreujchmer in Dresden (Breiscomponift vom Sängerbumbesfeft), Müller in Wolfenbüttel, Ons low, Greve in Prag, 2. Köhler in Königsberg, är Shöbel, Büchner in Meiningen, Fiſcher in Harzburg, Abt in Braunfhweig, Drath in Bunzlau, Speidel in Stuttgart, Shaab in Leipzig, Schneider in Schweinfurt, Schönem olf in Hilvburghaufen, Appel in Defiau, Albrecht in Zittau, Schmidt in Reichenberg, Möhring in Neuruppin, Zieg in Hildesheim , Geſemann in Wolfen: büttel, Beder in Würzburg, Stein in Wittenberg, Kindſcher in Götben und Mendelsfohn-Bartholdy eine ftattlihe Schaar von Rapellmeiftern, Mufilvirectoren, Cantoren, Organiften und fonftigen Meiftern der Töne! Unter ihren Gaben it in der That des friſchen, anregenden Eingftoffes nicht wenig, und fo verdient Herr Brähmig, ber fie zu ges winnen wußte und nun ber Sängerwelt des ganzen deutichen Baterlandes in fhöner Bereinigung barbietet, dafür Gruß und Dank. Eine durch Originalität und geiftigen Inhalt hervorragende Compofition iſt C. Zlügel’s Salvum fac regem, gejungen von den Weißenfelfer Seminariften vor ihrem Könige den 21. September 1865 am Siegesdenkmal bet Roßbach.

Nr. 9. L. Erk's „Volksklänge“, die bekanntlich in einer Parts turausgabe erfdhienen, werden nun auch auf mannichfaches Begehren in Einzelſtimmen, nebft einer für den Dirigenten geeigneten Partitur, von Neuem dargeboten. Das 1. Heft enthielt gleich dem vorliegenden Zweiten 43 Lieder und: Gefänge; von dem „Liederſchatze“ unterſcheidet ſich die Sammlung dadurch, daß fie nicht, wie jener es thut, hie Auswahl der Lieder den Beichränfungen unterwirft, welde der Schullreis forbert; Die neue Ausgabe empfiehlt fi wie durch den reihen und gediegenen Fr halt und dia genauen Angaben der Vortragszeihen, jo auch buch die ſchoͤne äußere Ausftattung, die bei dem niedrig geftellten Preife um fo bantenswertber il. Das 3. Heft wird noch in dieſem Sabre erſcheinen.

A. 10. Aus Fr. Silcher's allbeliebten Bollslievern werben bier 2 mal 15 der fchönften in einer hübſchen Gtimmenausgabe bargeboten,

118 Geſang.

Die Partitur zu dieſen beiden Heſten wird ums amf ſeſſe Beflellung abge geben und koſtet 30 Kr. = 9 Sgr.

Ar. 11. „Mit viefen Liederheften, gewibmet dem Nllgemeinen deut: ſchen Eängerbunde, foll den Gängern ein leidt zu beſchaffender und leicht

werden.” Das vorliegende 1. Heft enthält 52 Nummern, 17 barımiez aus dem Bollsınunde, die übrigen 35 von der Gompefttion des Heraus gebers. Letere follten in fo großer Zahl und, anderen Gomponifien gegem über, jo ganz ausſchließlich nicht gegeben fen. Herr Eder iR ein ge wanbter Conponiſt und bejigt ohne Zweiſel ein glüdliches, in dieſen Liedern vielfach bewährtes Zalent für Grfindung vollsmäßiger, leichtfabliher um» doch nicht orvinärer Weifen und Aythmen; er täufdt fi aber, wenn ex meint, irgend ein Berein, oder gar der Allgemeine beutihe Eängerbund werde geneigt fein, oder ſich aud nur zumuiben lafien, außer den Original voltsliedern nur jeime Lieder zu fingen. Cine folde Prätenfion gemacht zu baben, wird er zwar beftreiten, allein fie fällt ihm zur Laſt, ſobald vie Grwägung eintritt, daß die meiſten Bereine fih auf eine Lieverfammlung angewiejen fehen, weil fie außer Stande, oder auch nicht gewillet find, mehrere dergleichen anzuſchaffen.

Nr. 12. Es ermangeln diefe Lieder nicht einer gewiſſen Friſche; allein der Somponift ift fein gründlich durchgebildeter Mufiter, fonft würde er nick in Nr. 1 drei Schlüſſe auf der Tonica gemadht haben (von denen namens lid) der zweite das Recht und die Bedeutung des dritten vollſtändig ufur pirt), ſowie er aud nit in Nr. 2, Seite 4, Talt 2, die umvermittelte, ſehr häßliche Accordfolge vom 3. zum 4. Viertel gejchrieben hätte.

Rr. 13 - 15. Liedertafelgefänge von jener noblen Art, wie fie bie Heintihshofenihde Muſilhandlung zu veröffentliden gewohnt ik Reb⸗ ling’s „Meeresabend“, ftarl befegt und gut gejungen, muß von durch⸗ greifender, faft dramatiſcher Wirkung fein; empfindungsvoll gebichtet umd glũdlich componirt iſt auch das „Fiſcherlied.“ Thier bach und Gars fingen kraͤſtigen Gang von deutſcher Einheit in Lied und Leben, währenh Ehmwatal die Mufica ſelbſt in friſchen und feoben Klängen preiſt

„Schon Luther hat beſungen Er faß in heitrer Nunde,

Die edle Muſica, Froh wie ein Braͤutigam, Ihr iſt von ihm erklungen Da ſcholl von ſeinem Munde Manch' kraftig Gloria! Laudate muaioam!““

Nr. 16. 11 arrangirte Geſänge nach Originalen von Franz Schu: bert, Beethoven, Mendelsſohn-Bartholdy, Fesca und Händel nebſt der ſchon urſprünglich für den Maͤnnerchor gefegten „Bilden Jagd“ von C. M. v. Weber. Nachdem Her Steinhaufen ſeine Gewandtheit in ſolchen Arrangements bereits in den vorangehenden vier Heften bewährt bat, iſt es ihm auch bier gelungen, ven Maͤnnerchoͤren auf dieſem Wege werthvolle Gaben, zu welchen u.. 9. ein Saß aus dem 113. Bialm von Fesca und das Halleluja aus dem, Meſſigs“ gehören, zw

Geſang. 445

wiühren. Als ein Fehlgriff dürfte jevoh die Aufnahme von F. Schu: bert’s „Am Meere”, Dichtung von H. Heine, zu eradten fein, da diefe Dihtung nimmer etwas Anderes fein Tann, als der Ausdruck fubjeltivften Empfindens, und namentlich die Worte:

„Seit jener Stunde verzehrt fih mein Leib, ia Die Seele ftirbt vor Sehnen,

Mich bat das unglüdjel’ge Weib

Ä Bergiftet mit ihren Thraͤnen“ vom Chore gejungen, alle Wahrheit verlieren.

Nr. 17. Die „Deutfhe Sängerhalle” bewährt fih unter Franz Abt's Redaction auch in diefem Hefte als Organ des feineren, kunſtmaͤßi⸗ gen Männergefanges und wird als ſolches jenen Vereinen, die fich zu höheren Zeiftungen bereits erhoben, von Neuem empfohlen.

3, Kür gemifchten Chor.

1. Musica sacra. Sammlung ber beflen Meifterwerfe bes 16. unb 17.

: Yahrhunderts, für 4 bis 8 Stimmen, berausgegeben von Franz Lommer. XI, Bond: Selectio modorum ab Orlando di Lasso compositorum, continens modos quatuor, quinque, sex, septem et octo voeibus con- cinendos. Tom. ur 5 Thlr. Berlin, Trautwein (M. Bahn).

2. Kirhengefänge: Pjalmen und geiftliche Lieber, auf bie gemeinen Me⸗ lodien mit vier Stimmen fimpliciter geſetzt von Hans Leo Haßler ır. von Nürnberg, ADCVIII. Neu herausgegeben von Guſtav Wilhelm Zeichner. Berlin, 1865.

3. Harfenllänge. Eine Sammlung geiftfiher Lieber für gemiſchten Chor, berauagegeben von 3. 3. Schaublin, Lehrer am Realgymnaſium in Bafel, und Alb. Barth, Diacon zu St. Theodor in Bafel. Erfter Theil. Zweite Auflage. Bajel, Bahnmaier (E. Detloff), 1865. 10 Sgr.

4. Auswahl von Gejängen für den gemilten Chor der Eymnaſien, Reale und höheren Bürgerichulen. Nebft einem Anhange von Turnliedern für den allgemeinen Gejang. Herausgegeben von Peter Stein, Geſang⸗ lehrer am Königlichen Gymnaſium in Düfjelborf. Erftes Heft. 74 Ser. Düffelborf, 1865. Wild. de Haen.

5. Shul- und Turnliederbud. Serausgegeben von Dr. Rudolph Brom und Dr. Wilhelm Hirſch, am Symnafium zu Thorn. Dritte vermehrte Auflage. (Zweiter Abbrud.) Thorn, 1866. Ernft Lambeck.

Nr. 1. Der vorliegende 11. Band dieſes großen und wichtigen Werles, das von der preußifchen Regierung in höchſt dankenswerther Weife geſtützt und gefördert wird, enthält 21 Compofitionen des Dlagnificats, fämmtlid von Orlanda Laſſo, und zwar zu 4, 5, 7 und 8 Stimmen, Mer fih in den Neihthum und die Herrlichkeit alter Kirchenmuſik verjenten ill, der tubire biefe wunderbaren Tonſätze.

Ne 2. Wie das vorige, fo..ift auch dieſes Werk: in feiner neuen, correcten Ausgabe ein Beweis, daß ed unferer gegenwärtigen Zeit Ernft iſt mit der Pietät gegen die hohe Kunſtblüthe einer reihen Vergangenheit. „Daſſelbe ift auf dem Gebiete des einfahen Tonfages für proteftans tiſche Tonweiſen nicht allein eine der höchſten und edeljten Leiftungen, ſon⸗ dern bie beite und bedeutenpfte Schöpfung überhaupt, herrührend von einem

Pad. Jahresbericht. XVIIL 29

450 Geſang.

Künſtler erſten Ranges, der mit vollen Rechte als der beutide Paleftrina bezeichnet werden kann, dem aber leider die Proteftanten eine Gtellung einzuräumen verfäumten, wie fie katholiſcherſeits einem Jacob Gallus gebührt hätte.” Die Zahl der Ehoräle beträgt 67. Sie fichen in rhythmiſcher Form und haben, wie wir es bereits durch bie Choralbüder von Zahn u. N. gewohnt find, nicht eine taktiſche, fondern die im Driginal vorgefundene ftropbifche Eintheilung. Was ben Tonfap be teifft, fo rühmt Teſchner mit Recht die Künftler» und Meiſterſchaft Haßler's, „worin er Alle überragt, zunächſt an Tiefe der Auj: faffung und an vollendetem Ebenmaße, fodann an nerviger, energijcher Harmonieführung, die gleichwohl den ſcharf ausgeprägten Charakter tppen des alten Zonfpflems nie zu nahe tritt, ſchließlich an Glafticität und melodiſchem Schwunge der Stimmenführung, die den cantus firmus meht trägt und hebt, als durd eine Gegenmelodie von zu flarter Hebung über ftrablt und verbuntelt.‘

Nr. 3. Die erfte Auflage diefer Sammlung wurbe im XIIL Bande des Päd. Yahresberichtes angezeigt, auf den deshalb zurüdverwiefen wird. Hier ſei nur bemerkt, daß die fehr beachtenswertbe Sammlung für ale kicchlichen und fonftigen Beranlafjungen eine Geſammtzahl von 80 vier ftimmigen Ehorliedern darbietet, herrührend von 37 Componiſten älterer und neuer Beit.

Nr. 4. 53 geiftlihe und meltlihe Lieder und Chöre, theild in Driginalform, tbeild vom Herausgeber für den gemifhten Chor nad Männergefängen und Gonftigem arrangirt (wobei Kuhlau, bt Kreuger, Gersbach, Greger, Zöllner, Andre, Shärtlid, Schnabel, 3. Klein, Breidenftein u. A. genannt werben). Ein Anhang liefert noch eine Reihe von einftimmigen Turnlievern „für den ale gemeinen Gefang. Das Ganze iſt zwedgemäß. Der Herausgeber doas mentirt ſich ald Muſiker ſowohl in den Arrangements, wie in dem ſelbſi⸗ componirten „Feſtgeſange zum Geburtstage des Königs” (Nr. 25).

Nr. 5. Der erfte Abprud der 3. Auflage diefes brauchbaren, 115 Nummern, allermeift mit volksthümlichen Melodien, enthaltenden Liederbuches 1]. Königs: und PVaterlandslieder, II. Turn und Wanderlieder, IIL Ge fänge bei befonveren Beranlafjungen (bier aud Ehoräle), IV. Gefellige und vermifchte Lieder wurde im XIV. Bande des Päd. Jahresberichtes aw gezeigt. Daſſelbe it für Symnafien beſtimmt.

4. Für mebrerlei Ehorformen.

1. Alte Wetfen in neuer Weife. Kür allfeitigen Gebraud im chriftlihen Familien, Schulen umb Vereinen, eingerichtet von E. H. R. Waldbaqh, Muſiklehrer am Königl. Seminar & Pr. Eylan. 3 Abtheilungen in 2 Selten, Heft I. Abtheilung I. und LI. 60 Lieber. Königsberg. Sckk und

nzer.

2: Liederbuch für Turner and für Schule und Haus. Zum zwe-, breic und vierflimmigen Gebrauche eingerichtet, herausgegeben won. (9. D ring, Königlih Preußiſchem Mufil- Director. Zweite Au Neumann -Hartmann’ihe Buchhandlung (Eduard Schloemp). 1865.

Gefang. 451

Nr. 1. „Eine Anzahl von bewährten geifilihen und weltlichen Lies bern, die fih in unfern neueren Lehr: und Singbüchern zerftreut porfinden, wird bier, ftufenmeife geordnet, für möglichſt alljeitige Verwerthung in Mmappfter Form oriftlihen Häufern, Schulen und Vereinen geboten. Bet: nabe alle Lieder find dreiftimmig fo gejeßt, daß fie fih in der für jede Stimme bequemjten Lage ein», zwei- und dreiſtimmig (aud mit Auseinan⸗ berlegung, Vertauſchung und Verdoppelung der Stimmen —-zum Theil jogar vierflimmig) fingen und begleiten lafien. Weil aber für ſolchen Satz eine Zonart nicht zureiht, fo iſt, abgefehen von allen übrigen Bortheilen, ihon aus diejem Grunde die Schreibung im Einsſchlüſſel (Zahlnoten) bier allein zutreffend und zuläffig, daher auch zur Anwendung gelommen.” Wie nun die Ausführung der Lieder von mehr oder weniger Kinder-, Männer: oder ‚gemijchten Stimmen zu bewirken fund wie zugleich bie Begleitung einzurichten ſei, das bat ver Herausgeber in der vorgebrudten, mit jehr großem Fleiße gearbeiteten Anmweifung deutlih und unter fteter Anführung von Beifpielen auseinandergeſetzt. Und fo liegt denn, überrafchend genug, ein Univerfallieverbuh vor, das unter allen Umftänden, wie viel und wie vielerlei Stimmen auch vorhanden fein mögen, mit Vortheil zu gebrauden ift, und zwar ohne oder mit Begleitung, welche lebtere wieder ſowohl von dem Alaviere, als auch von Streich- oder Blafeinftrumenten übernommen werden fann! Gin ſolches Werk war allerdings nur mittelft der Zahlnoten berzuftellen.. Die Zahl der Lieder, von denen 3O im Preußifchen Kinder: freunde oder in den Volksliedern für die Provinz Preußen enthalten find, beträgt 60. Die Auswahl ift vortrefflih, die muſikaliſche Bearbeitung tadellos. Den Kennern und Freunden der bier angewandten Notenschrift wird das Werk eine milllommene Gabe jein.

Nr. 2. „Den eigentlihen Bollsmelodien iſt in dem einfachen zweis fimmigen Sabe ihr Necht gefcheben. Die bei mehreren nod befindliche 3. Stimme kann, da fie nur Füllftimme ift, fobald es an Zeit zur Eins übeng oder an Sängern fehlt, ganz mweggelafien werden. Dagegen verlang⸗ ten und erhielten alle diejenigen Dielodien das vierftimmige Gewand, melde entweder zu Geſängen feierlihen Inhalts verwendet, oder in ihrer Anlage auf den vierftimmigen Saß berechnet worden find. - Wenn nun noch bemerkt wird, daß bei den nur zweiſtimmig gefeßten Liedern etwa Theil nehmen mollende Zenoriften und Baſſiſten unisono mit dem Sopran oder Alt fingen können, fo dürfte in Betreff des Muſilaliſchen genug gejagt, und zus glei der vollsthümliche Standpunkt, auf welchen fih die Lieder in techa nifcher Beziehung Stellen, bezeichnet fein. Was die Lieder an fi betrifit, fo jollen fie an ver Berleitung der Turner, „ih in ihrem Kraftgefühle für eine abfonberliche Art von Gefhöpfen zu halten, denen alle übrigen Vet⸗ haltnifje unbedeutend und alle Nichtturner bedauernswerth erjcheinen”, nicht beitragen. Und hierin Tann der Herausgeber der Buftimmung aller einfichtsnollen Pädagogen gewiß fein. Die Zahl der Lieder beträgt 152 und zerfallen felbige in die befannten Abtheilungen: Zurnliever, Wander

lieder, Helvenlieder u. |. mw.

k.0.

29*

452 Geſang.

6

12.

18.

5. Lieder und Geſaͤnge mit Pianofortebegleitung.

. Johann Sebaftian Bad. Arien und Duette aus verihiebenen Cantaten

und Mefien, dem Magniflcat und ber Matthäus -Balfion mit Begleitung bes Pianoforte, bearbeitet von Robert Franz. Neue Ausgabe in einzelnen Nummern. Breslau, F. E. C. Leudardt ( Eonftantin Sander).

Hetilon. Eine Sammlung mehrflimmiger Lieber und Gefänge mit Be

gleitung bes Pianoforte. Nr. 1—27. Magdeburg. Heinrihehofen. . Nepertorium für mebrfliimmigen Solo-Gefang mit Pianoforte

Begleitung. Nr. 1—17. Magdeburg, Heinrichehofen.

. Compofitionen von Georg E. Neumann. Op. 2. Heft I. ber Heinen

Duette. 15 Sgr. Op. 3. Heft LI. der großen Duette. 1 Thlr. 24 Ext. Riga, Gebrüder Betrid.

. Bolybymnia. Zwei⸗ und breifiimmige Chorgefänge mit Pianofortebe

gleitung. Zum Gebraude für Schul» unb Frauenchöre, meiſt aus ben znufitalifcen Claſſikern ausgewählt unb theilweife arrangirt von Benedict Widmann. Leipzig, Carl Dierfeburger. 12 Sgr.

. Rheinlebeu. Bier und zwanzig Lieder von gofwann von Fallers⸗

leben. Dit Singweifen herausgegeben von H. M. Gchletterer, Capell⸗ meifter in Augsburg. Neuwied und Leipzig, 1865. 9. H. Heufer.

. Drei und vierzig Kinderlieder von Hoffmann von Fallersleben.

Nah Original» und Bollsweifen mit Clavierbegleitung herausgegeben von Sans Michel Schletterer, Capellmeifter in Augsburg. 15 Sgr. Cafııl, Auguft Freyſchmidt.

Die Geburt Jeſu. Weihnachtslieder mit verbindender Erzählung ned Worten ber beitigen Schrift von Wilhelm ride, Gpmnaflallebrer ia Samm; in Muſik gejettt und zum Gebraud bei der Weihnachtsfeier in Kindergärten, Bewahranftalten, Kleinlinderſchulen und im häuslichen Kreife bearbeitet von Conftantin Schöbe, Vorficher eines Kindergartens und einer Glementarihule in Bremen. Klavier- Auszug 10 gr.

14 Sgr. Bremen, Aug. Sr. Cranz.

. Duidborn-Lieder von Klauß Groth, für eine Geſangſtimme mit

Pianoforte - Begleitung gefet und ben freunden bed Duidborn gemibme von Wilhelm Meyer. Hannover, Riewe und Thiele. 124 Sgr.

. Herzblättchens muſikaliſcher Hausſchatz. Kleine Unterhaltung

ſtücke nach beliebten Melodien, Prälubien, und Choralmelodien zc. für Piane⸗ forte und Geſang, bearbeitet von F. X. Chwatal. Op. 187. Bändchen II. (Lieferung 7—12). 12 Sgr. Magdeburg, Heinrihehofen. 6 Lieferungen nach beliebiger Wahl.

Sehe Geſänge für eine Singftimme mit Begleitung bes Piano forte von Mobert Franz. Neue revidirte Ausgabe. Breslau, F. €. 9. Leuckart (Conſtantin Sander). 25 Sgr.

Sechs Geſänge für eine Singſtimme mit Begleitung bes Piand⸗ forte, componirt von Mobert Franz. Op. 36. 25 Sgr. Breslaz, 5. E. ©. Leudart.

Sechs Lieder für eine Singfiimme mit Begleitung bes Bianoferte, commponict von Heinrich Gottwald. Op. 10. 224 Op. Breslau, eudart.

14. Zwei religiöfe Gefänge von Albert Knapp und von Karl Gerod,

für Sopran oder Tenor mit Piansforte und Violoncell, componirt von

Gefang. 453

Ehr. Wölfel. Op. 1. Nr. 1. 1f.3 kr. Nr. 2. 1.3 kr. Gktutt gart, Zumfleeg.

15. Sechs Lieder für eine Singftimme mit Begleitung bes Pianoforte, von Arno Kleffel. Op. 4. 1 Thlr. Riga, Petrid.

16. Sehe Lieder für Mezzo-Sopran ober Bariton mit Pianoforte- Begleitung, componirt von Georg F. E. Neumann. Op. 1. 1 Thlr. 24 Sgr. Riga, bei Gebr. Petrid.

17. Sieberblütpen von J. Befchnitt, Dirigent der Stettiner Liebertafel, r. 4.

18. Zwei Lieder für eine Singſtimme mit Begleitung bes Bianoforte, componirt von Wilhelm Gröjhel, Opernfänger. Op. 2. 10 Ger. Gtettin, Prüy und Maul.

Unter Nr. 1—7 fliehen Werte, die entweder nur Mehrſtimmiges oder doch Mehrftimmiges neben Sinftimmigem enthalten. Alles Uebrige ift ein ftimmig.

Nr. 1. Diefe Shöne Ausgabe Seb. Bach' ſcher Sologefänge enthält. 1) an Arien: 8 Nummern für Sopran, 7 für Alt, 5 für Tenor, 8 für Baß, à 5—10 Sgr.; 2) an Duetten: 7 Nummern, & 5—10 Sgr. Der Klavierauszug von Robert Franz ift vortrefflich.

Mr. 2 und 3. Erftere Sammlung enthält liebartige, meift neuere Driginalcompofitionen für 2—4 einzelne Stimmen, fo z. B. unter Nr. 26 ein Zerzett: „An die Hoffnung‘, für Eopran, Tenor und Baß von 8. 5. Himmel, unter Nr. 27 ein Duett: „Bertrau’ dem Herrn‘, für Sopran und Alt von Georg Müller. Nr. 3 dagegen liefert Duetten, Terjetten und Quartetten aus Opern und Oratorien, fo 3. B. unter Nr. 2 das Terzett aus der „Schöpfung“: „gu bir, o Herr”, unter 17 ein Quartett aus „Mojes in Egypten” von Roffini. Beide Werke werben gut rebigirt und find gewiß Dielen willlommen.

Nr. A enthält -in op. 2 3 Duette und eben fo viele in Op. 8, fämmtlich für Sopran und Baryton. Die erfteren find Lieder mit mehreren Strophen, die andern dagegen durchcomponirte Gejänge. Sie verratben fämmtlih auf Seiten des Componiften eine gemwandte Feder und eine gute Begabung für ausprudsvolle Melodie.

Nr. 5. Der jehr thätige Herausgeber bemährt auch in diefem Werke das Talent einfihtsvolleer Auswahl resp. Bearbeitung gehaltreiher Gefänge bauptfählich für Schule und Haus. Die „Polyhymnia“ enthält 12 zwei⸗ fimmige und 8 breiftiimmige Nummern von Beethoven, Chr. Schulz, Harder, €. M. v. Weber, Nägeli, Gollmid, Metbfeffel, G. 9. Fiſcher, 3. Gersbah, Händel, Pergolefe, André, Fr. Schubert, Mozart, Mehul, J. PB. Shmidt und J. Haydn. Die werthvolle Sammlung wird um fo leichter den Cingang in Schulen und Familien finden, da fie mit höchſt anftändiger Ausftattung eine unges wöhnlihe Billigleit des Preifes vereinigt.

Nr. 6. Frifhe Wein⸗, Tanz- und Geſellſchaftslieder für Erwachſene, mit Melodien tbheild aus dem Vollsmunde, theild von 9. v. Fallers⸗ leben jelbft, von Schletterer und Andern. Mehrere dieſer Lieder find für 3 oder 4 Männerftimmen eingerichtet,

454 Geſang.

Nr. 7. Ein treffliches Haus- und Familienbuch! Die Kinderlieder unſeres Dichters find allgemein befannt und gejhäbt; hier werben 43 ber felben in ſchönſter Ausftattung zu einem fabelhaft niedrigen Preiſe ber fingenden und fpielenden Jugend dargeboten. Was die Melodien betrifft, fo find die meiften derſelben Vollsweiſen, die übrigen rühren ber von bem Dichter felbft, ſowie von Schletterer, der den eigenthümliden Ton diefer Lieder gut getroffen bat, von Slüd, Gersbach, E. M. Arndt u. A. Die Nlavierbegleitung ift überall im Charakter des Liebes gehalten, dabei aber ſehr leicht auszuführen.

Nr. 3. Ein gutes Hülfsmittel für den angegebenen Zwed. Die ein gelegten Gejänge nebft Alavierbegleitung find ohne alle Schwierigkeit ans zuführen.

Ne. 9. „Die clafiifh-fhönen und Hangreichen Lieber des Quidbern haben mehrfach feit ihrem Erſcheinen mufilaliihe Bearbeitungen erfahren, ohne daß es einer derjelben auch nur annähernd gelungen wäre, im dba licher Weife die Gunft der Sänger zu gewinnen, wie die Dichtungen jelht in immer neuen Verjüngungen die Leſer zu fefleln wiflen. Und body eignen fie fih gerade in ihrer eigenthümlihen Mundart für den Gefang fo jeb, daß man fie bei finnigem Lefen gleichſam muſikaliſch erklingen bört. Eine Uebertragung für Gefang, einfad, tief, wie die Lieder felbit, und aus ihrer Natur und Art berausgefhöpft, müßte fie zu lieblihen, lebensvollen Her jen3bildern geftalten. Ein neuer Verſuch einer jolden Uebertragung wird baber gerechtfertigt und den vielen fangestundigen Freunden des Luid- born willlommen fein.” Die bier am Ende ausgefprochene Erwartung bürfte nicht unerfüllt bleiben: vie Lieder find vollsmäßig, einfah, wahr und innig componirt und enthalten au in der Begleitung mandyen eigen tbümlichen, treffenden Zug.

Nr. 10. Eine Zufammenftellung von 48 Kleinen Rlavierflüden und Cvollsmäßigen) Kinderliedchen in einer Art Tafchenformat mit elegantem Etui. Zt mit Gefhid gemacht und kann ald Geburts: oder Weihnachts⸗ geſchenk für „Herzblättchen‘ (dem ich aber eine andere Bezeihnung wünſchte) dienen.

Nr. 11—18. Hier liegen nun noch Gefänge für eine Singſtimme mit Begleitung vor, die irgend eine befonvere Beziehung zu Schule, Boll oder Haus nicht haben, fondern eben nut in rein künſtleriſchem Sinne zum Ausdrud individuellen Gemüthslebens dienen. Voran ftehen billig die Meifterliever unjeres Robert Franz, bei denen nur bemerkt fei, daß die 6 Nummern aus Op. 9 einzeln zu haben find, und zwar Nr. 3, 4 und 5 & 5 Sgr., die übrigen à 74 Sgr. Ihnen ſchließen ſich die Lieber des (ſchleſiſchen?? Componilten Gottwald würdig an. Die übrigen find fo geordnet, wie es ihnen in Bezug auf Originalität der Erfindung und Innigkeit des Gefühlsauspruds zulommen dürfte, wobei ich gern erwähne, daß Verfehltes nicht darunter ift, wohl aber durchweg fich ein ernſites fünftleriihes Streben bemertlih macht. |

Gefang. 455

Anhang. A, Theorie und Gefhichte der Muſik.

. Ratebismus ber Muſit. Bon J. ©. Lobe. Achte Auflage. Leipzig,

3.3. Weber, 1865.

. Borftufe zur Harmonie-Lehre für Seminar-Afpiranten von Fried»

rich Wilhelm Sering, Königl. Muftl-Director und Lehrer der Mufit am Seminar zu Barby. Magdeburg, 1865, Heinrichshofen.

. Mobulationstbeorie mit Beifpielen zunähft für angehende Or⸗

ganiften von Morig Brofig, König. Mufikpirector und Kapellmeifter an ve Kathebrale zu Breslau. Breslau, F. E. C. Leudart (Eonftantin San er), .

Die Blehinftrumente ver Mufil. Ihre Geſchichte, Natur, Hand⸗ Jebung und Verwendung in ber Inftrumental-, Gefange-, Militär» und Zanzmufit, erläutert von F. 2. Schubert. Leipzig, &. Merſeburger,

. Amei populäre Borlefungen über mufilalifhe Akuſtik von

r. Ernſt Mad. Gräz, Leuſchner und Lubensky, 1865.

. Anleitung zur Erhaltung und Stimmung ber Orgel. Für

Organiften unb Landſchullehrer, welche ihre Orgel felbft in Stimmung und

gutem Zuſtande erhalten wollen, bearbeitet von J. G. Zöpfer, Profeſſor

der Muſik am Großherzogl. Seminar und Organiften an ber Stabtlirdr

vn Weimar. Zweite durchgeſehene und verbeiferte Auflage. Mit einee fel Abbildungen. Jena, Friedrich Maufe, 1865.

. Die Kunft des Klapvierfiimmend Anweiſung, woburd fi jeber

ANufitverfänbige fein Klavier felbft rein flimmen und etwaige Störungen in der Mechanik befeitigen kann. Nebft beiehrenden Regeln bei Ankauf, Transport, Aufftellung und Haltung beffelben. Eine neue, leicht begreife lie Stimm-Methode, auf 40jährige Erfahrung begründet, von einem prak⸗

tiſchen Klavierfliimmer und Lehrer, zum Nut und Frommen aller Muſiltrei⸗

12.

13

benben herausgegeben. Leipzig, Carl Minde. 5 Ser.

Ob Sängerballe, ob Sängergrund? Offenes Senbichreiben an bie Sänger und Gejangsfreunde beim Erften Deutſchen Sängerfeſt zu Dres⸗ ben, wie an alle Sänger, wie Sangesliebhaber des Vaterlandes, von Earl Billert in Berlin. Berlin, 1865, Hermann Menbel.

. Örunbriß der Muſikgeſchichte von Auguft Reißmann. Münden

Fr. Brudınann, 1865.

Ueberſichtliche Darftellung der Geſchichte der kirchlichen Did tung und geifligen Mufit von H. M. Schletterer, Kapellmeifter im Augsburg. Nörblingen, €. 9. Bed.,

. Haydn, Mozart und Beethoven's Kirdenmufit und ihre Tatho »

üſchen und protefantiihen Gegner. Bon Dr. Franz Xorenz. Breslau, FJ. E. €. Lendart, 1866.

Beethoven und feine Werte. Eine biographiſch⸗bibliographiſche Skizze von Dtto Müuͤhlbrecht. Leipzig, C. Merfeburger, 1866.

Beethoven's Klavier-Sonaten. Für die Freunde der Tonkunſt er⸗ läntert von Ernſt von Elterlein (Berfaffer der Broſchüre: „Beethovens

456 Belang.

Eympbonien nad ibrem idealen Gehalte 2c.). Dritte, umgearbeite umb vermehrte Auflage. Leipzig, Heinrich Matthes, 1866. 20 Rar.

14. Die "Zanberfldte Fert-Erläuterungen für alle Berehrer PRoyarit. Nebſt dem vollſtändigen Tert der Zauberflöte. Leipzig, Theedor Piäser, 1566.

15. Der mohlerfahrene Mufiliehrer. Zbeeretifd-praftiice Unfeitung jur Ginübung eines Tonftüdes nah metboriihen Grundiägen von Auguf Müller. Laugenjalge, 1665, 5. ©. 2. Grefter.

Nr. 1. gibt in Frage und Antwort eine Reihe kurzer und präciſer Belehrungen, bauptjählih die Allgemeine Mufillehre, die Harmonie umd die Kunſtformen betrefjend, für Zolde‘, die einen gründlichen, umjaflenben Unterriht nit haben können. Biel kommt beim Studium folder Bert hen nidt heraus; die Nachfrage nad) dem vorliegenden mu jedoch ſtark fein, da ſchon 8 Auflagen nöthig geworben find.

Fr. 2. liefert in beiter Ferm gerade dus, was für die Unterwerfung und Uebung der Fräparanden in der Sarmonielehre erfordert wird.

Nr. 3. Cine treiilihe Anweifung zur Modulation, neben der Thesrie eine Reihe von 136 vier, fünf: und ſechstaktigen, zum Theil ſehr ſchönen Orgeljügen als Beiipiele zum Anſchauen, Analyfiren, Ginüben, Transpe: niren und Rachilden entbaltend.

Ar. 4. Tie Unkarbeit über die Piekinftrumente if befanntlich jeibR unter Muſikverſtändigen greß. Ser zur Klarheit vordringen möhte, dem tann durch das vorliegende ſeht velljiäntige, faßlihe und praltiihe Bud belles Licht gegeben werten.

Kr. 5. Die ertte tiefer beiden, durch Inbalt und Form fehr amzie: benten Vorleſungen bitrift die Helmbolg’jde Theorie der Corti' ſchen Gebörfafern, vie andern vie Urſachen der Harmonie der Töne.

Kr. 6. Bei ver allbekannten Geben Bedeutung Prof. Töpfer’s für das Urgelbaumweien if e3 genug, auf tie neue Auflıge diefer Edhrift hin⸗ juieijen, die in eben jo grünzlicder als jabliber Darſtellung Alles enthält, was Dem Urganiiten in der angegebenen Rittung möthig ıR und was zu deobadten feine Tritt erbrikt.

Fr. 7. Tie Stimm:Merkore des Verieñers if nicht eigentlich nem, aber einizt und prattiſd. Der Saurtwer:h des Büchleins liegt in den fehr umtatenten Belebrungen, tie der alte Stimmer über tus Bianoforte, feinen Bau, die Medanik, die Suiten ss. Iswie über alles das ertbeilt, was in irgend erdeniiter Veiſe dazu zeböten kann, jih eia gutes Inſtrument zu veriba”en und deñelde in guien Jutande zu erhalten. Was das Stimmen beiti”t, io ninmt er wir Nett an, daß Solchen, die entfernt von ir Stadt wohnen urd ale Runteteunde [ih am an ihr Klavier hab ten lönnen, wesen befien Jtredüisen Tiätönen uber davon verſcheucht, oft wit Sxurzen vergedens auf einen —— warten, das vorliegende Bücdlein wiitoumen jein werde. Pinreiradt auj den Gefammtinhalt der Schriiꝛ jagt a: „So mäkte ih der Wuwelt gern nüglid fein, indem id verkehende lan z;Sörige Eriabrungen niederidrieb, meber in ben Stunden nach meine Feitit mid Adends merkmul ein Inızer Schlaf unten krah war Ritte, va weilte id, che ih den langen beginne, meine Me

Geſang. 457

ihode, deren Ruben ich vielfach erprobt, noch veroͤffentlichen.“ Ich glaube dem waderen Veteranen bie Verſicherung geben zu können, daß feine durch und durh praftifche Arbeit Vielen zum Nutzen gereihen wird.

Nr. 8. Der für die Sache des beutichen Männergejanges hochbegei⸗ fterte Verf. hält für die beſte Localität zur wirkſamen Beranftaltung coloſ⸗ faler Gejangaufführungen einen tefjelartigen Thalgrund, in deſſen Mitte auf einem Kegel fih die Tonquelle (die Sängermafje) befindet. Die Begründung biefer Anfiht ift interefjant, die Ausführung der Sache freilich mit großen Schwierigleiten verbunden |

Nr. 9. und 10, zwei verbienfllihe, auf felbfiftändigen Studien ihrer Verf. beruhende Werke, geben in anziehender, gewählter Darfiellung gerade fo viel, das eine aus der Mufitgefchichte überhaupt, das andere aus ber Geſchichte des Kirchenliedes, als dem Lehrer, der zugleich mit dem mufila« liſchen Kirchendienſte betraut ift, zu willen eriprießlich fein möchte. Möge der Ernſt und die Wärme, womit H. M. Echletterer feinen hochwich⸗ tigen Gegenftand behandelt, jeden feiner Lefer durchdringen !

Nr. 11, eine mit Sachkenntniß und großer Gewandtheit verfaßte Vers theidigungsſchrift bauptfählic des Haydn'ſchen und Mozart'ſchen Kirchen⸗ ſiyls, iſt dem weſentlichen Inhalte nach bereits näher bezeichnet.

Nr. 12. „Beethoven zog ſich bekanntlich von allem intimen perfoͤn⸗ lichen Verkehr zurüd, fo daß nur wenige Auserwählte einen tiefen Blid in fein Inneres zu thun vermochten, und auch diefen Freunden gegenüber war er meiltens zurüdhaltenn. Daher find von feinen Beitgenofien uns nur wenige glaubwürdige Mittheilungen überliefert, die wohl zum Theil noch von unrichtiger, individueller Auffaffung nit frei fein mögen. Das gegen hat uns Beethoven felbft das reichte Material in feinen Werken bins terlafien. Seine Compofitionen find feine befte Biographie, der befte Schlüfs jel zu dem ihm eigenen Leben, denn er kannte ein foldhes ja nur in ber Mufil; für äußere, fociale Verhältnifie war er nicht geſchaffen, unfähig, fih mit Gefhid darin zu bewegen. In feinen Werken aber bat er ih jelbft mit Meifterhand gezeichnet; da erzählt er uns offen und freimüthig feine Schidfale, fein Freud und Leid ; in ihnen erfennen wir bie hats ſachen und Gedanken, ziehen mit Beethoven hinaus in die Welt, jubeln mit ihm über die Schönheiten der Natur, mifhen uns in das Kriegegetümmel, durchfurchen die Wogen des Meeres, und beobadten das Leben der Mens fhen um uns her. Wir fehen ihn im Frühling des Lebens überjprubeln von Föftfihem Humor, dann zu der ernften Thätigleit des Mannes, der feinen Beruf fühlt, übergehen, bis wir ihn in ſchwerer Stunde von Gors gen gebrüdt wiederfinden und Zeuge davon find, wie er kämpft und nah Freiheit des Körpers und Geiftes ringt, bis ihm der Frieden wird und er zu Gott eingeht, deſſen Verberrlihung er feine beiten Kräfte gewidmet. Das alles fpiegelt ih ſcharf und treu in feinen Compofitionen, den Men: ſchen gegenüber hat er geſchwiegen. Wer fih deshalb eng mit Beethoven’s Leben befreunden will, der lefe nicht nur die Echriften über ihn, ſondern

458 Geſang.

höre von feiner Ruſik, fo viel er lann, dadurch wird erſt ein richtiges Verſtaͤndniß vefielben möglid. Eo bildet auch bei der verliegenben Efze der erfle Theil, die Biographie, (geftüst auf die größeren Werte ven Lenj, Marz, Robl, Schindler, Wegeler, Nies und Anderen) wur einen Gemmentar zum zweiten Theile, dem Gataloge, der dem Lefer den Leite den zu weiteren eigenen Studien bietet.” Go ver Berf. der beichrenden und anziehenden Schrift im Borwort. Und damit wird es übereinfim: mend fein, wenn wir uns in

Nr. 13. recht genau in Beethoven’s Klavierfonaten einführen la fen, nachdem der Berf. des fehr ſchätzbaren Buches daſſelbe zum Theil völ lig umgearbeitet und vielfady vermehrt bat.

Ar. 14. gibt Erläuterungen über die Bedeutung und den Sinn ber Bauberflöte, „zugleih aber auh” und deshalb vorzüglihd wird das Schriftchen bier angeführt über Geift und Herz Mozart’s ſelbſ Der Verf. möchte etwas dazu beitragen, „daß die Verehrer Mozart's in ihm nit nur den großen Meiſter der Töne, ſondern auch den großen Mann und edlen Menſchen verehrten.“

Nr. 15. enthält Erfahrungen und Rathichläge eines Nlanierlehrers für feine zablreihen Collegen und Golleginnen, die nur beachtet zu werben brauden, um recht viel dazu beizutragen, daß die oft fo faure und erfelg Iofe Arbeit der Unterweifung im Pianofortefpiel eine leichtere und zugleid fruchtbringendere werde.

B. Orgelmufil,

Praktiſche Orgelſchule von Aug. Brandt. Zweiter Eurius. 1 Ti. 3 Sgr. Leipzig, C. Merfeburger.

24 Infiructive Trioe für bie Orgel in fortſchreitender Orbrrumg dem Leichteren zum Schwereren mit genauer Verzeichnuug bes Fingerſatzes ſowie ber Pebalapplicatur, componirt von G. Ad. Thomas. Op. 10. Leipzig. DBreitlopf m. Härte. 1 Thlr. 74 Nor.

3. 20 leichte Präludien zum Gebraud beim Öffentlichen Gottetdienſte son E. Schwarzloſe, König. Seminarlehrer zu Oranienburg, Opus 2 10 Sgr. netto. Potsdam, Riegel (A. Stein).

4. Ehr. H. Rind Prälndien. Zweite Auflage. Woblſeile Ausgabe ber ſchönſten „Boripiele zu ben gebräuchlichſten Chorälen ver evangelilden Kirche.“ Ausgewählt und nen herausgegeben von Wilhelm Breef. 3 Drgelvorfpiele. Fünftes (Schluß-) Heft. 124 Sgr. Eſſen, Bäbeler.

Sechs Ehoräle mit Bor- und Seeiicenielen zum lirchlichen Gebrarche, für die Orgel componirt von G. Ad. Thomas. Op. 9. Leipzig, Buir kopf u. Härtel. 15 Nor.

6. Leit ausführbare Bor- und Nachſpiele für die Orgel compe nirt von Hermann Küſter, Mufilbirector und Dom-Organift in Berlin. Zweites Heft, enthaltend 14 Bor- nnd 6 Nadfpiele 74 ar. Nen⸗Rup⸗ pin, Dehmigte und Riemſchneider (R. Betrenz).

7. Sehe Fugen für die Orgel, componirt von C. Albert Ludrißg Op. 8. 20 SEgr. Erfurt und Leipzig, ©. W. Körner, '

41

2

®

5

Geſang. 450

8. Prälndium und Fuge (B-dur) für bie Orgel, componirt 9 3 Ludwig Krebs. 10 Sgr. Erfurt und Leipzig, ®.®. Krner; r

9. Neue Orgelcompofitionen von Dr. Franz Lifst. 1. Avo Marla von Arcadelt. 2. Ora pro nobis, Fitanei. 3. Pio IX., Hymnus. A. Evo- eation a la Chapelle Sixtine. Miserere von Allegri und Ave verum cor- ps von Mozart. 5. Variationen über den Basso continuo des erſten

atzes ber Cantate: „Weinen, Klagen, Angft und Noth find bes Chriften Thränenbrot” unb das Crucifixus der H-moll-Mefie von Seb. Bady,

Nr. 1. Hiermit if Brandt's Orgelſchule abgejhloflen ‚und es darf au dieſem zweiten Zheile des Werkes das Zeugniß gegeben werden, baß er bei wohl erwogener progreffiver Anorbnung des Stoffes die Forderun⸗ gen an ben Schüler auf das nicht allzu ſchwer Erreichbare bejchräntt ‚und doch allem für das Studium Wefentlihen Rechnung trägt, fo daß er vor ausſichtlich gleih dem erften fih unter den Orgelſchuͤlern wie unter ihren Lehrern zahlreihe Freunde gewinnen dürfte, wozu die ſchöne äußere Auss flattung, der fehr deutlihe Stich und der hoͤchſt billige Preis das Ihre beis fragen werben. .

Nr. 2, ift ein wichtiges Hülfsmittel für die befondere Ausbildung im triomäßigen Spiel, ausgeflattet mit dem doppelten Vorzuge trefflicher Tech⸗ nit (für welche Hr. Thomas bereitö durch feine Pedalſtudien fehr Bebeus tendes geleiftet bat) und geiftwollen mufilaliihen Inhalts. Verdient ein boppeltes Notabene !

Nr. 3. Erfindung und Arbeit geben dieſen Präludien Anfpru auf Beachtung und Anerkennung. Ohne befondere Schwierigkeiten zu enthals ten, find fie doch Jo „leicht” Teineswegs, daß fie nit dem Seminariften der mittleren Stufe einen für feine Kräfte pafienden Webungsftoff dar: böten,

Fr. 4. Wenn Wilhelm Greef im Vorworte fagt,. daß mit der neuen Ausgabe dieſer Vorfpiele (185 Nummern in 5 Heften & 124 Sgr.) „dem ausgezeichneten SKirchenmufiler und unvergeßlihen, am 7. Auguft 1846 beimgegangenen Orgelmeifter Chr. Heint Rind ein Denkmal wie der neu aufgerichtet fei, gemiß zur Freude und zum Gegen Vieler“, To Schließe ich mich diefem Ausſpruche gern an,

Nr. 5. Die Vorfpiele find mit Künftlerhand aus Choralmotiven (ber erften Zeile der Melodie entnommen) herausgearbeitet, dabei aber fo eins fach gehalten, daß fie vom Blatte gefpielt werden können ; der Choraljag ift eigenthHümlich und weift eine Reihe von Schönheiten in Harmonie und Stimmenführung nad).

Nr. 6. Die leichte Ausführbarfeit, der lirchliche Styl und die foliden, einfachen, aber anziehenden Formen dieſer Compoſitionen, unter denen ſich mehrere bochfeftlihe, ausgeführte Stüde befinden, madt neben dem äußerft niedrig geftellten Preiſe auch dieſes zweite Heft der Küfter’jchen Bor: und Nachſpiele (das erfte wurde im vorigen Bande angezeigt) einer befondern Beachtung werth.

Nr. 7. Ber Componift ift Cantor zu Niedergebra in Thüringen. Seine fehr tüchtigen Fugen, entiprofien (wie mir belannt) dem gründlich⸗ ften, mit begeifierter Hingebung Jahre lang fortgefegten Stubium Bach's,

460 Sefang.

Tiefern ein ſchoͤnes Zeugniß, daß ’e3 unter den Gantoren und Drganiflen Thüringens immer noh Männer gibt, die den alten kirchenmuſikaliſchen Ruhm ihres Landes zu wahren wiſſen.

Nr. 8. Geförberte und ftrebende Organiften werben dieſe Compoſition bes berühmten alten Krebs, beftehend in einem ganz eigenthümlichen, in Bach'ſcher Weife componirten Adagio und einer mächtigen Zuge mit Bor theil in den Kreis ihrer Studien ziehen.

Nr. 9. Auch die Gegner Liſzt's werden zugefieben müflen, dab in diefen Eompofitionen die gewählten Motive in origineller, geiſwoller WBeife verarbeitet find und daß der geniale Meiſter bier der Orgel Rlangefiette son wunderbarer Wirkung und hinreißender Schönheit abgewonnen bat.

C. Klaviermuſik.

1. Elementarfähnle bes Klavieripielers. Line Sammlang von Finger Abungen und melobifhen Hebungsflüden mit Erläuterungen nr bie Te» nit des Spiels, methodifch bearbeitet von Friedrich Zweigle. Zweite, umgearbeitete Auflage. 2 fl. 24 fr. = 1 Thlr. 12 Sgr. netto. Gtattgart, G. A. Zumſteeg.

2. 22 Special-Uebungsfüde mit Fingerſatz und ohne Octavenſpaunum⸗ gen. Zur Ausbildung beider Hände und in fortfcpreitenber Orbmung für a8 Pianoforte componirt von Theodor Deften. Op. 291. Dlagbeburg Heinrihshofen. compfl. 20 Sgr. Heft I. und Heft U. & 12} Ser.

3 Rlavier-Etuden für ben täglichen Gebrauch, componixt von Jean %ogt. Op. 66. . Leipzig, Bartholf Senff. 15 Sgr.

4. Ein Kinderfef. Acht vierhändige Klavierfüde von Arno Aleffel. Op. 5. 13 Thlr. Riga, Gebr. Petrid, Leipzig, Fr. Hofmeilter.

5. Dix Sonates par R. Viole Pr. 1 u 2% 25 Sgr. Leipiig, 8. 5. Kabnt.

6. Adelaide von Matthiſſon. Muſik von 8. van Beethoven. Für Pie noforte allein eingerichtet von F. X. Chwatal. Zu 2 Händen mit Te, 12, Sgr., zu 4 Händen, 15 Sgr. Magdeburg, Heinrichshofen.

1. 3 hab’ im Traum geweinet, Lied von H Heine, componirt ven M. ‚Rdnig: Zrangfcription filr das Pianoforte von B. Sulge. Op. 3 10 Sgr. 3. F. U. Küfter in Weimar.

8. Syumpbonten von Joſeph Haydn, für bas Bianoforte zu vier Hiw- den bearbeitet von ©. Klage und ©. Burchard. Nr. 1-50. Magde⸗ burg, Heinrichehofen.

9. Archis berühmter Compofitionen für zwei Pianoforte zu acht Hin den von Earl Burdard. Rr. 1. Mozart: Don Iuan. 14 Tblr. Nr. ?. Beethoven: Andante aus einem Octett. 3 Thlr. Pr. 3. Beethoven: ‚Allegretto aus der A-dur-Symphonie. 1 Thlr. Nr. 4. BVeigl: Ommertart zur Schweizerfamilie. $ Thlr. Magdeburg, Heinrichshofen.

19. Mareia eroica, componirt fiir großes Orchefer von Wilhelm Berg ner. Op. 2, arrangirt für Pianoforie zu 4 Händen. 20 Sgr. Nige, Gebr. Petrich

Gefang. 461,

11. Symphbonien von ıI. Haybn für Bianoforte zu 4 Händen, Violine Ki ðhlonceno⸗ von Earl Burchard. Nr. 2. G-dur. Magbeburg, Hein⸗ &hoTen.

Nr. 1. Eine wohlangelegte, wirkliche Elementarfchule, welde durch

Berlegung des Lehrftoffs in kleine Portionen ein ficheres Fortichreiten des Schülers ermögliht, und melde die jo hochwichtige Technik des Inſtru⸗ ments als Hauptjache behandelt, dabei aber. ven Lernenden auf allen Stu⸗ fen durch eingefügte anmutbige Hanpftüde erfriſcht. Gleich der Unfäng weit: darauf ‚bin: I. Die erjten Stunden am Klavier. U. Die. erften Fin⸗ gerübungen im Umfang von 5 Tönen. III. Die erften melodiſchen Tou⸗— füde. IV, Weitere Fingerübungen im Umfang von 5 Tönen. V. Bei tere melodifhe Stüde in größerem Tonumfang und zur Cinübung verſchie⸗ dener Spielweifen. u. |. w. Ueberall find ausführliche, ſehr genaue Erläus terungen für den Lehrer gegeben. Der Preis von 1% Thlr. für 71 6. ist umd Noten in gr. Fol. ift ein ſehr billiger. + Ne 2% Hier gibt es aljo 5. B. Uebungen unter folgenden Weber’ ſchriften 1. Stoßen und Binden, 2. Zonleitern mit einer Hand, 3. Mbldr' jen beider Hände, 4. ‚Oeläufigfeit, 5. Anjchlag aus dem SHandgelent, 6. Fingerwedfel, 7. Ausdehnen und Zuſammenziehen der Hand u. f. w. Hr. Deften bat das. alles in feiner gewandten, glatten und ſauhern Weife, mit dem Techniſchen das Elegante verbindend, ausgeführt, jo daß bie Uebungen allermeift zugleich melodidje Eharalterjäße find.

Nr. 8. UWebungen aus der Feder eines bewährten Meifterö, die vor Allem auf Grreihung des gefangvollen, getragenen und gebun: benen Spiels binzielen, dabei jevod auch dem Rechnung tragen, was der Schüler der Mittelftufe fonft noch „täglich zu ererciren hat (Staccato, Dctavengänge ꝛc.). Jede Uebung bildet ein anziebendes Tonftüd im Um: fange von 4 oder 2 Eeiten in gr. Fol. Der Yingerfaß iſt genau bes zeichnet.

Nr. 4. Ganz hübſche Schilderungen aus dem Slinderleben in Bildern und Zonftüden, welche beiderjeitd aud von Erwachſenen mit Intereſſe ans geihaut und geipielt werden dürften (die NKlavierflüde ſetzen ſchon einige Geübtbeit voraus). Für mich hat es freilich immer etwas Widerſtrebendes, wenn die Kinder fi felbft mit ihrem Sein und Leben in fünftlerifcher Darftellung betradten oder in folder fogar wiedergeben jollen, wie aljo 3. B. bier unter den Ueberſchriften: Gemüthlihes Beifammenfein Schuͤtzenmarſch der Knaben Kinderreigen Der Puppe Wiegenlied Der Meine Reitersmann Auf der Gonbel Sindermaslerade (121) Eelige Erinnerung.

Nr. 5. Diefe originellen, in einem durchaus eigenthümlichen und felbftftändigen Style componirten Tonwerke erfordern zwar nicht eine ehr body gefteigerte Zechnil, wohl aber gebildete Spieler und Hörer, die den geiftigen Gehalt einer Zonfhöpfung, möge fie fi mehr in hergebrachten oder in neuen und freien Formen bewegen, zu erlennen wiflen ober fidh wenigftens darum bemühen,

462 Geſang.

Nr. 6. in leicht ſpielbares Arrangement der Adelaide in ange gebener Form, nicht eine Transfcription. Cine folde ift dagegen

Nr. 7, und zwar eine eben fo jchwere als brillante, concertmäßig in Liſztſcher Weile,

Nr. 8. Diefe trefflihe Ausgabe der ewig frifhen und beitern Sin fonien Haydn's verdient, immer von Neuem unfern Leſern in Grinne zung gebracht zu werden. Nr. 1, 2, 8, 5, 6, 9, 28 find ſchwer; Ar. 4, 7, 8, 10—27, 29, 80, 35, 36, 38, 41, 42, 44, 47, 49, 50 we niger fhwer; Nr. 31 —Sh, 37, 89, 40, 43, Ab, 46, 48 lad

ar.

Pr. 9. Ghenfalls ein fehr dankenswerthes Unternehmen, dem ber befte Fortgang zu wünjchen.

Nr. 10. Im noblen Styl componirt, kräftig und nicht ohne Gigem tbümlichleit. Dabei dankbar zu fpielen.

Nr. 11. Berdient die volle Beachtung aller Seminare, Lehrerver⸗ eine, Präparanden-Anftalten zc., ſowie aller Muſilkraͤnzchen und Familien, wo bie Belegung thunlich iſt.

D. Violin- und Violoncellomuſik.

Der junge Concertif. Leichte Variationen für bie Violine mit Begler tung des PBianoforte. Zum Gebraud beim Unterricht, als auch befonbers für ſolche Spieler, welche keine höhere Lage nehmen können, componirt von Ludwig Meyer. Op. 8. a. Ausgabe Mr Biofine, b. Ausgabe für Bir Ioncello, & 16 Ser.

Wohl geeignet zur Förderung und Erfriſchung junger Biolins und Bioloncellofpieler, bie fih im Yamilienkreife damit mögen hören laſſen.

XI. Geograpbie.

Bom

Regierungs⸗ und Schultath W. Prange in Cöslin.

Vorbemerkung.

Sm dem XVII. Jahrgange des Paädag. Jahresberichts iſt begonnen worden, eine zufammenfaflende und orientirende Recapitulation deſſen dar⸗ zubieten, was über die Gedankenbewegungen, die praltiihen Weiſen, den Unteriht moͤglichſt fruchtbar zu geftalten, und über die allmählige Weiter entwidelung der urfprünglihen Ideen auf dem Gebiete des geograpbir fen Unterrihts in den erften acht Jahrgängen enthalten if. Als vie Hoffnung am Schluſſe jener Darbietungen ausgefprohen wurde, demnaͤchſt eine ähnliche Zufammenfaflung des verwandten „gnbalts der übrigen Jahrgänge des Bad. Jahresber. nachfolgen laſſen zu wollen, wenn bie Berhältnifie nad) Gottes Willen es zuliehen, waren bie inzwijchen eingetretenen, das ganze Ars beitsleben des Schreibers diefer Darbietungen völlig umgeftaltenden Berhäftnifie nod gar wicht einmal zu ahnen. Aber feit fie fih anlündigten ımd in Tusrz bemeflenen Friften dann vollzogen, trat auch die gefteigerte Schwierig. Beit ein, der in Hoffnung gegebenen Zuſage in bisher gewohnter Weiſe rechtzeitig genügen zu können. Insbeſondere mußte die geftörte Berührung mit den Bezugsquellen der neu erjcheinenden geographifden Bücher, Karten, Beitfäriften, neben den andermweit entftehenden Hemmungen zur Bermebrung dieſer Schwierigkeiten beitragen. Wenn e3 nun dennoch verfucht wird, ben Durch die Zuſage erregten Erwartungen wenigftens theilweife gerecht zu werden, fo mag das ein Wagniß fein, welches vielleicht beſſer unterbliebez aber es ifi doch andrerfeits ein Abſchluß jener begonnenen Rüdblide und Bufammenfafiungen zu wünfchen, felbft wenn verfelbe, mie diesmal nicht anders moͤglich, nur gedrängt hingeftellt werben kann.

Das Jahr 1855.

4. Am Ende des Jahres 1854 war durch die drei Preußifchen Hegulative ein gewiſſer Abſchluß der frühern Zeit der praktiſchen Weiſen wer Thätigleit in der Vollsſchule gebracht, ein neuer Plan, ein neuer

464 Geographie.

Grundgedanke und Geift, ein neues praltiihes Biel für diefe Thaͤtigleit hingeftellt worden. Das gab Veranlafjung, im IX. Pädag. Jahresberiqhte zunäct eine vergleihende Zufammenftellung der frühern und gegenmärtigen allgemeinern Soeen-Strömungen auf dem Gebiete des geographiſchen Unter richts voranzufhiden, dann aber das Augenmerk auf den geographiicen Anfangsunterriht, auf die Beziehungen des Schul⸗Leſebuchs zum geographifhen Unterricht in der Volksſchule, auf die Stellung dei mathematifchrgeographifchen Unterrichts in nichtgelehrten Säulen, auf den Kartengebrauch, auf die geographiihen Illuſtrationen und auf das kulturgeographifche und weltkundliche Glemeni m gewöhnlichen Unterricht zu richten. 2. Die Geftaltung des geographiihen Anfangsunterrichts wird außer dur die Natur des geographiſchen Lehrſtoffs weſentlich mit durch das Biel bevingt, welches unter gegebenen Schulverhältnifien und Bildungs bebürfnifien angeftrebt und von der Tendenz bei der Art, mie dieſen Verhältnifien und Bedürfniſſen Genüge geleiftlet werden fol. Wo ein wij: ſenſchaftlicher geographifher Unterricht erforderlich wird, ift der Anjang® unterricht danach zu bemeflen; wo jene Erforderniſſe wegfallen, ein über wiegend reales oder gar nur ganz populäres, elementares Bebürfnib obmwaltet, und überdies noch allerlei Beſchränkungen in Zeit, Lehrmitteln, Lehrkräften ihren hemmenden Einfluß ausüben, da werden aud die grund legenden Geftaltungen dieſes Anfangsunterrichts danach modificirt. Theis wird Werth auf Gewinnung einer gewiſſen Summe von abftracten Be: griffen gelegt, in der Meinung, daß damit dad Verſtaͤndniß eines ſyſte⸗ matiſchen Unterrichts begründet werde; theils fehidt man eine concreiet Betrachtung eines ſinnlich uberſchaubaren, nahgerüdten Landgebietes (Um gegend, Heimath) mit minderer oder größerer Detaillirung voran, entwedet um ebenfalls zu Begriffen oder zu Anjhauungen zu gelangen, oder um nur Auge, Sinn und Phantafie für fpätere Betrachtungen unter VBeihükie der Karten zu gewöhnen, zu ordnen, zu fchärfen. Theils wird von Anfang an auf Karten: Conftruction und Rartenbetrahtung hingearbei⸗ tet, theils durch gelegentlihe Wanderungen, Unterhaltungen, Erinnerungen eine Art Erſatz für alle derartige planmäßige ‚Vorbereitungen zu gewinnen verjudt. Welche Wege auch gewählt werden mögen, praltiihe Lehrer ner gen überwiegend der Erfenntniß zu, daß ein Anfangsunterricht, welcher bob auf mündlich bereite Definitionen abziele, und etwa die Betrachtung der nädften Umgebungen zu dieſem Behuf anitelle, der empfehlenswer tbefte fei. Sie bezeichnen deshalb eine gut bemefiene Heimathskunde als den beiten geographijhen Anfangsunterricht aus ſpecifiſch fachlichen, wir aus pädagogifhen Gründen. Nicht nur die Volksſchule, welche über ie fen Unterricht nicht fehr weit hinauszulommen pflegt, da jie nur noch Bas terlandslunde anzulnüpfen bat, ſondern auch gehobenere Schulen haben daran eine gute Vorftufe oder erfte Stufe des geographiſchen Unterrichts. Es ift von nit wenigen Lehrern Anleitung zur zwedmäßigen praftijden Ausführung einer [hulmäßigen Heimathetunde zu geben verfudt mer: den, die unbeftritten befte bleibt von dem Oberlehrer Finger in Frank het a. M. veröffentlichte „Unmeifung zum Untersiht in. der Heimaths⸗

Geographie. 465

lunde.“*) Im Allgemeinen ergibt ſich aus ben ſachentſprechenden Vor⸗ ſchlägen, welche darin und in andern Schriften niedergelegt ſind, Folgendes:

a) Die Heimathskunde hat zunädlt den Zwech, Kinder zu dem Erkennen geograpbifher Berhältnifie durd deren concrete Anſchauung anzuleis ten und fie in der nächften Umgebung zu orientiren. Sie follen fe ben lernen, gewöhnt werden, das Gejehene zu richtigen Vorftellungen und zuletzt zu einfachen Begriffen zu erheben, um mit dieſer Hülfe den fernern geographifchen Unterricht zu veriteben.

b) Zum Behuf der Drientirung ift es erforderlih, daß vor den Augen

der Kinder und unter ihrer Beihülfe bie einfache Zeichnung des Orts⸗

plans entftehe und dann von den Kindern nachgebilvet, beiprochen, eingeprägt werde.

0) Vom Berftänpniß des Ortsplans ift zum Verftänpniß der Landlarten almählig überzuleiten, dabei aber alles noch auszuſcheiden, was über die Deutung der auf Landlarten zur Anwendung lommenden Bezies bungen geographifcher Verhaͤltniſſe binausliegt.

d) Zu große Detaillirung bei der Beiprehung heimathskundlicher Vers bältnifje, mögen dieſelben geographifcher ober naturkundlicher oder geſchichtlicher Natur fein, widerſpricht dem Bwed der fhulmäßigen Heimathskunde. Das irrthümliche Beftreben, die Sad) e zu erjchöpfen, führt in diefem Falle zur Erjhöpfung der Berfonen, nämlid der Freudigleit und Friſche der Kinder. Beſonders find alle ftatiftis hen Details in engiten Schranten zu halten.

e) Die Grenze des heimathlihen Raumes, über welden die Beſprechun⸗ gen ſich verbreiten, darf nicht von vorn berein zu weit hinausgerüdt werden. Erft gilt e3, das zu erfennen, was innerhalb des kindlichen Geſichtskreiſes liegt; danach wird die Umgebung in's Auge gefaßt zur Erweiterung der ſachlichen, nicht der blog begriffsmäßigen Grundlagen der elementaren Geographie.

f) Es ift unguträglid , in lauter concentriſchen Kreifen von der Kennt⸗ niß des Heimathsorts bis zur Behandlung der entlegenften Erb: und Simmelsräume fortzufchreiten.. Vielmehr wird es als gerechtfertigt zu erachten fein, dag nah Abſchluß der Heimathskunde entweder zur Vaterland skunde (in Voltsjchulen) oder zu elementaren Betrachs tungen des Erdglobus in mathematischer und phyſikaliſcher Bezies bung übergegangen wird, um daran die Laͤnderkunde anzuſchließen. (Bürgers und Realſchulen.)

g) So viel es irgend die Schulverhältnifie geitatten, find bie Kinder auch beim geographiſchen Anfangsunterrichte ſelbſtthätig zu machen. Bloßes Vordociren iſt zwedwidrig. Sei's durch Anfertigung kleiner Zeichenſtizzen auf der Schiefertafel oder Papier, ſei's durch Eintra⸗ gungen einfachfter räumlicher Verhaͤltniſſe in ein fertiges Kartennetz, ſei's dur Anfertigung Heiner Darftellungen des Durchgenommenen, oder durch fchriftlihe Beantwortung von MWiderholungsiragen,

*) IR 8 een in nener Auflage erſchienen (Berlin, Weidmannſche Buche

Bär. Jahresbericht. XVI. 80

466 Geographie.

ſei's in der Lehrſtunde ſelbſt durch Aufzeigen u. |. w., kurz irgend wie find die Finder in’s thätige Intereſſe zu ziehen.

8. Seitdem das Volks⸗Schulleſebuch aus feiner ſrühern peri: pheriſchen Stellung in eine Art centraler Stellung für die Boll« ſchule gerüdt und damit die Aufgabe verfnüpft ift, den gefammten well kundlichen Unterrichtsftoff der Volksſchule an das Schulleſebuch anzufchliehen, tritt dem Glementarlebrer die Frage brennend nahe, wie dieſer Anſchluß und eine bildende Verwerthung des Leſebuch⸗Inhalts zu bewirken ſei. Leber die Beantwortung diefer Frage gehen nicht bloß die theoretiſchen Anficten, fondern noch vielmehr die praftifchen Verſuche bis jegt noch weit ausein⸗ ander. Abgeſehen von den ältern Echullefebüchern (Rinderfreunden x.), welche mwefentlih andern Zweden als die neuern zu dienen beftimmt er feinen, ift fhon in der Anordnung, Wahl, Bearbeitungsform ber Lefeabs ſchnitte der legtern eine große Differenz wahrzunehmen. Auch die ganje innere Delonomie dieſer Bücher zeigt merllihe Verſchiedenheiten. Darin jedoch pflegen fie übereinzuftimmen, daß fie das Hauptgewidht auf water: landskundliche Berhältnijie legen, und alles darüber hinaus Greifenbe nur kurz berühren; daß fie ferner den Stofj entweder in kurzzufammenge drängte Weberfidhten faflen, oder ihn in Heinen gerundeten Bildern einzelner Parthien, Localitäten u. |. w. darbieten, und 'endlih daß fie ihn bei aller lehrhaften Volksfaßlichkeit doch zugleih in irgend welcher Art illuftriren, um ihn anziehend zu maden. Sie liefern aljo bald in größerm, bald in geringerm Grade nur Brudftüde, melde zmar be Unterricht erläutern, ergänzen fol, welche aber, weil fie nicht immer in Verbindung zu erhalten waren, nicht wohl als budftäblich feftzuhaltender Leitfaden angejeben werden können. Gin Theil biefer Abſchnitte gibt über wiegend nur elementare Unterlagen, ein anderer Theil derfelben dagegen einzelne Materialien zum Ausbau. Bei legtern ift dad provinzielle Intereſſe leitend. Es wird darum das Lejebuch theild der ſachlichen und formellen Ergänzung bedürfen, tbeils kann es zu dem Unterricht Grgän: zung und Illuſtration gewähren,

Empfohlen ift die nachfolgende, kurz angebeutete Mobalität der Ber * des Leſebuchs für die Zwecke des geographiſchen Vollsſchulun⸗ terrichts.

Nachdem die nächſten heimathlichen Umgebungen unter Betonung der geographiſchen Verhältniſſe anſchaulich durchgenommen, das Landkarten⸗ Verſtaͤndniß angebahnt und die unentbehrlichſten geographiſchen Grundbegriffe vermittelt, dann aber alsbald die weitern Belehrungen auf die ganze hei⸗ mathliche Provinz gerichtet worden find, um mit Hülfe der Karte die beveutfamften topifhen und phyſilaliſchen Gigenthümlichleiten derfelben auf zufaſſen, tritt das Leſebuch mit in den Dienft diefes Unterrichts. Beſonders wird e8 der naturbefhreibende Inhalt fein, der mit feinen Heinen Epecials Beihreibungen paſſend in den geograpbifchen Unterricht eingelegt wird. Möglienfalls ift auch Sitte, Berlehr und Betriebfamleit der ber mathlichen Provinz in einzelnen Abfchnitten beachtet; dann laflen ſich die ebenfalls verwerten. Iſt demnächit mit Hülfe der Karte die Landesein theilung, eine mäßige Auswahl von Städten und fonft berwortretenben

Geographie, 467

Drifhäften eingeprägt, fo kann es gelingen, buch Bufammenfafjung ver natürlihen Bopdengeftaltung und Bodenbeſchaffenheit, der Elimatifchen Ber bältnifie, der Natur: und Kunfterzeugnifie in einzelnen, beftimmt abzus grenzenden Gebieten Heine charalteriſtiſche Landſchaftsbilder zu fchaffen. Und gerade bierbei ift das Lefebuch meift eine trefflihe Hülfe, weil es vers artige fertige Ginzelbefhreibungen und Schilderungen zu enthalten pflegt. Natürlich muß der Lehrer zuvor ſich dieſen Stoff planmäßig vertheilen, und dabei auch die Schwierigkeit‘ der ſprachlichen Darftellung in Anfchlag bringen. SGelbfiverftänplic wird ein innerer, fadhliher und räumlicher Zur fammenbang ver fo zu benußenden Stoffe mit im Auge behalten werden müſſen. In Rüdfiht auf außerdeutfhe und gar außereuropäiſche Zändergebiete pflegen die Lejebücher eine taktvolle Verkürzung der Darftelluns gen anzuwenden, ein Fingerzeig zugleih für bie vollsfhulmäßige Bes handlung dieſer Gebiete. Der Unterriht braudt dann eine fammelnde, firirende Bafis, die er am leichteften in den Planiglobien geminnt. Erſt daran das nächltliegende Topiſche und mathematiih Geographiſche, foweit es Volksſchülern gebührt, einzuprägen, liegt im Intereſſe des Vers Händnifjes der daran zu fnüpfenden Einzeljhilderungen einer charakteriſtiſchen Auswahl von hervorragenden Groräumen, Gebirgen, Flußgebieten, Städten u. |. w. Faßliche Bonengemälde und Reiſebeſchreibungen beleben dann den etwas dürren Stelettbau jener Grundlegenden topijhen und mathematiſch geograpbifhen Anſchauungen. Stellt das Leſebuch Belehrungen über das Meltgebäude an's Ende, fo mag fie der Volksſchulunterricht auch an’s Ende bringen; richtiger wären fie anderswo einzuordnen.

Auf Die angedeutete Weile wird allervings nicht viel, aber e8 wird etwas und zwar in gewillem Sinne etwas relativ Ganzes erreiht. Das mit kann fi in den meiften Fällen die Volksſchule genügen laſſen, in vie len Fällen abjolvirt fie thatſächlich dies nicht einmal, in ben wenigſten wird fie merklich darüber hinausgeführt.

4. In nidhtgelehrten Schulen begehrt man nur das Weſentlichſte, Unentbebrlihfte aus der mathbematifhen Geographie? Diefe Forderung ift jehr dehnbarer Natur. Dr. Diefterweg begreift darunter das, was zur rihtigen Auffafjung der täglihen und jährlichen Erjheinuns gen, welche das unbewaffnete Auge wahrnimmt, nothwendig ift, und mas zugleih die Erkenntniß der allgemeinften und wichtigſten Erſchei⸗ nungen auf der ganzen Erde und am Himmel bevingt. Was hiervon uns mittelbar gejehen oder irgendwie dem vernünftig Dentenden leicht ans ſchaulich gemaht werben kann, fo daß es eingesehen, verſtanden und begriffen werben kann, gehört in bie Volksſchule; alles Webrige ' nit. Hiernach würden alfo die leichteft faßbaren, vem bloßen Aug bes Kindes fih aufnöthigenden Erſcheinungen, welche durch tägliche Wie derkehr einen tiefeingreifenden Ginfluß auf die allgemeinften Naturs und . Zebensverhältnifje ausüben, an die Spitze der bezüglihen Belehrungen zu ftellen fein. Was darüber hinausliegt, wäre zu einer Art zweiter Stufe zufammenzufafien, wie es einige ſehr befannte Leitfäden auch gethan haben, Mit den Kapitels Ueberfchriften: Horizont; Geftalt, Größe, Bewegung ber Grde u. f. w. ift im Grunde genommen nur die Beziehung der Belehrun⸗

30”.

4168 Geographie.

gen, aber weber deren Art noch Maß angegeben. Diefelben Ueberfäriften findet man in den wiſſenſchaftlichen, biejelben in populären Lehrbücher; ihre Begriff ift ebenfalls fehr dehnbarer Natur.

Melde Lehrftüde im Einzelnen der Volksſchule zuzuweiſen ſein werben, das ift im Päd. Jahresb. IX, ©. 218 217 beſonders aufge führt, fo daß der Kürze halber darauf verwiefen wird. Erſt gilt es das äußerlihde Was und dann das Wie des Erſcheinens zur Ar ſchauung und zum Bemwußtfein zu bringen; der Schein vertritt vorläufig bie Wirklichkeit; Erklärungen fallen noh weg. Ob im Schul— lejebucd hiervon etwas enthalten ift oder nicht, das entſcheidet für die Nothwendigkeit diefer Belehrungen in der Volksſchule felbftredend gar

‚nichts, der Berneinungsfall entſchuldigt deshalb eine etwaige Berfäumnig

des Lehrers nicht. Nur das jei noch erwähnt, daß eine Crörterung bed Darum und Wodurch dieſer Erfceinungen nicht in bie Voltsjule gehört, und im Fall Lejebücher hierüber Aufſchluß zu geben die Miene

"annehmen, wird die genauere Prüfung bald erkennen lafien, daß dieſe Auf

ſchluſſe gemeinhin die ſchwächſten Parthien des ganzen Buchs find. Worte tönnen die nöthige Anfhauung unbedingt nicht erfeßen und überflüjig madıen.

5. Mas den pädagogiihen Gebrauch der Karte im Unterriht am betrifit, jo fteht feit, daß die Karte weder zum bloß hergebrachten Anhäny jel dieſes Unterrichts zu völlig gleichgültiger Benupung, noch daß fie zum förmligen Bilderdienft, fondern zu einer verftändig auszubeutenben Hülfleiftung zur Erwerbung innerer Anfhauungen von Grölolalen und deren natürlihen Berhältnifjen beftimmt if. Bute Karten find beut zu Tage mit Refpect einflößender Sachkenntniß, Genauigteit, Berechnung md Planmiäßigteit bergeftellt, wovon Unkundige gar feine Ahnung haben; fe beruhen auf fehr in's Einzelſte eingehenden Studien und Combinationen von Refultaten der Mefiungen und Forfhungen und enthalten in oft ſeht unjheinbarem Gewande auf einem Blatt mehr wirklich Beachtenswerthes als ganze Atlanten bloßer mechaniſcher Kartenfabrilanten. Gute Karten find ein Schatz; der foll gut benugt werden. Wie denn, wozu denn? Sie müſſen gelejen werben; dies Rartenlefen muß förmlich gelehrt und ge lernt werden, um nur erft zu erfahren, was ber Kartograph eigentlid Alles dur die mancherlei Zeihen bat ausprägen und zum Lernen, Com: Diniren, NRefultate ziehen dem denkenden Belhauer in naturgetreulte Vereinigung vorlegen wollen. Seine Zeihenfprahe muß vom Finde in die Wort ſprache übertragen werben. Dadurch wird allmählig das innere Bild der Karte vor die Seele defjelben gebracht, und hieran liegt Allee. So lange dies innere Bild von ver Karte fehlt, mangelt auch die lichteit beftimmtefter Fixirung darauf zu beziehender Belehrungen ; es ift der geiftige Erſatz für das nicht im Wirklichkeit Ueberfchaute. Die Karte if Unterrichts: Hülfgmittel, der unentbehrlihe Unterbau für den darauf foıt und fort zu beziehenden mündlichen Unterricht, der mit dieſer Hülfe die innere Anſchauung von den wirklichen Berbältnifien betrachteter Sroräume erzielen jol. Sie liefert nicht alles ſchon fertig, fie regt nur die geiſtige Arbeit an, welche dies Biel eritreben fol. An ihnen will gefehen, phan

Geographie. 469

taftemäßig geftaltet, das Bild geiftig in die MWirklichleit überfept, gedacht und combinirt fein, ſoll aud) eingeprägt und zu Folgerungen angeleitet wer« den. Sie ift Handhabe und Brüde des geographifchen Unterrichts. Das Rartenlefen verlangt Plan, megen des anſcheinend regellofen Durcheinan⸗ der der Beihen auf den Blättern; der Unterricht verlangt SMarbeit, Sichtung, Orbnung bei diefem Plan. Glüdlicherweife kommen die wirklichen Naturverhältnifie dieſem Bebürfniß entgegen, indem fie die großen Maflen, die Hauptformen derjelben und ihre Gliederung, die Art der Vertheilung, der Zagenverhälinifie u. ſ. w. deutlich ſcheiden und erkennen lafien. Sol hen Haupigeſichtspunkten bat das Kartenlefen erft einzeln nachzugehen; danach bat e3 diejelben in ihrer Wechſelwirkung auffaflen zu lehren. In diefen Worten ift die Direction der Arbeit zu ſehen, deren weiter ein: dringende Fortſetzung durch allerlei Bergleihungen immer fruchtbarer, bele⸗ bender, reihhaltiger wird. Eine planmäßige, relativ erfchöpfende Karten ausbeute erjeßt ganze geographiſche Leitfänen und Lehrbücher. Es mwürbe ein Irrthum fein, anzunehmen, daß der Lehrer ausſchließlich worbocirend, vorlejend, vworerllärend an der Karte ftehen folle; nein, den Kindern ſoll der größere Theil der Arbeit zufallen. Erſt müflen fie Art und Gang der Kartenbenugung an Beifpielen gelernt haben; dann aber follen fie ſuchen, leſen, deuten, zufammenfaflen, und dabei vom Lehrer nur geleitet, ergänzt werben. (Ueber diefen Gang cf. den Päd. Yahresb. IX, ©. 221 ff.)

Wenn gleih nicht ohne viel Berechtigung dem Gebrauch ber Reliefs tarten das Wort geredet wird, jo ift doch einerjeits die Vollsſchule nicht in der Lage, von diefen Empfehlungen ſonderlichen Nugen zu baben; fie hat feine derartigen Karten. Uebrigens den mifienfchaftlihen Werth guter Reliefs unangefochten gelafien, ift ihre Benutzung im praltiſchen Unterricht ganzer Klafjen von nur bevingtem Werth. Zum Beichauen aus ber Bogelperfpective find fie doch eigentlih gar nicht einmal beftimmt, ferner find fie mit ſehr feltenen Ausnahmen nad zweierlei Mapftab ge fertigt, von denen der für vertilale Erhebungen ftets höher ift als der für Horizontale Erfiredungen. Die Proportionen der Maße widerſpre⸗ hen deshalb in fi der Wirklichkeit, wenn fie mehfelsweife auf ein- ander bezogen werden. Somit liefern die Nelieflarten ein Doppelbild, welches bie Betrachtung wieder zu theilen fuchen muß. Yür die Erkennung ver Bodenplaftit find fie eine ungleich werthvollere Hülfe ald alle Plan⸗ karten fie dem Schüler gewähren lönnen, fie bebürfen aber immer noch ber - Anleitung zum genauen Herauserlennen deſſen, was fie enthalten, und was fie lehren wollen.

Ein oft ftörender Umftand liegt bei den verfchiedenen zum Schulge⸗ brauch dargebotenen Karten in dem Mangel an Einheitlichkeit des Materials, weldes fie enthalten. Während man meinen follte, für die gleichen Bildungsbebürfnifie der Schulen ließe fih doch in Rüdſicht auf Art und Fülle viefes Materials vom päbdagogifhen Standpunkte aus eine Norm feftfiellen, welche zugleih der Einheitlichkeit des Unterrichts fürs derlich werben könnte, zeigt doch die Erfahrung im Gegentheil vie größte Mannigfaltigteit, jo daß alſo von einem übereinflimmenden Maß des Grforberlihen für die verſchiedenen Arten der Schule und der Bil:

470 Geographie.

dungaftufen der Schüler noch keine Neve if. Was wirb Alles für Volks⸗ ſchulen angepriejen, ganz ohne alle Berechnung von Zeit und Kraft, von Bepürfniß und erforderlihen Geldmitteln !

6. Die Tagsforderung, den Unterricht mehr zu vertiefen und m verlebendigen, hat das Augenmerk auf dazu dienlihe Wege und Mib tel gelentt. Beſchraͤnkung, Aflociation, Beherrihung des Etofis vermitteln bie Vertiefung. Die frifchere Belebung wird durch beflere Lehrmethode und liebjameres Singeben in die Eadye, vornehmlich aber in neuerer Zeit durch Slluftration erfirebt. Unzweifelhaft befundet es gefunden paͤdagogiſchen Takt, wenn mande fterile Parthien des Unterrihtsfloffs durch Hinzunahme geeigneter, erläuternder, anziehender Mittbeilungen den lindern etwas ges nießbarer gemacht werben. Viele tühtige Männer haben dieſe Aushülke längft in ihrer Praris benußt, und feit nah und nad Sammlungen folder erläuternden Mittbeilungen erfcbienen find, in glüdliher Mahl der Etofie und in anfprechender, finniger Darftellung, bat fi der Gedanke, den Un terriht intereffant zu machen, verallgemeinert. Weil es gilt, imere Anfhauungen voll Leben, Yarbenfriibe und möglichfter Raturwahrheit zu vermitteln, fo greift der Lehrer, fojern er fi felbft dazu nod nicht genng gerüftet ertennt, nad folden Hülfen, Sie können viel Frucht jchaffen, fie baben aud ihre Gefahr. Darauf kommt es im Unterriht nicht an, va} ein fteter geiftiger Nigel geübt werde, um den Appetit auf Neues wach zu erhalten. Vielmehr follen beftimmte Penfa gut gelehrt und feſt eingeprägt werden, und das kann dur den verjudlihen Neiz fhmudreiher Darfiel lungen leicht in den Hintergrund gedrängt werden. Bor nichts ift mehr ju warnen, als vor einer Art belletriftifcher Geographie mit bunten, oberflählihen, gebaltlofen Ausfbmüdungen, unter weldhen das wirllid geographiſche Intereſſe leer ausgeht. Wir brauden knappe, ftrenge Kof, melde der Jugend die Mühe des Lernens fühlbar macht und im Bewußb fein erhält, und das Amüfement überhaupt ausfchließt. Freuen foll fid die Jugend auch im Unterricht, aber nicht des Amüfements, fondern der Gewin: nung fefter Rejultate der Lernarbeit. Grquidende und verflärente Mittbeilungen follen nicht ganz verpönt fein, aber der Unterricht darf nid bloß Gewürz und Schmud darbieten. Nur ſparſam follen gut gewählte, gut d. h. klar, faßlich. erfriſchend gefchriebene Bilder an geeigneter Stelle vorgeführt und ohne fie zu zerpflüden, zum Vollgenuß überlafien werben. Das wirkt wie es foll; zu viel derartige Illuſtrationen find eben zu vid. Die Stimmen vieler einfihtsvollee Schulmänner haben derartige Ueber: ſchwenglichkeiten verurtbeilt, weil fie auf Abmege führen und den Ernſt der Sache verlümmern. Diefelben Stimmen reden aber. weilem Maßhalten unter Berüdlihtigung der gegebenen Bildungshöhe in dieſen Stüden einhellig das Mort.

7. Für die Höheren geographifhen Lehrftufen wird das Bepürfnik und die Förderung als beredytigt anzuerfennen fein, daß ber Unterricht ſic gur Kultur geographie geftalten müfle. Für Volks⸗ und niedere Bär: gerſchulen ließen ſich Außerftens nur vereinzelte Brucftüde und grund legende Lehrabſchnitte zugefteben, welche kulturgeographiſcher Art wären Die Sache geht dieſen Schulen, wie ſie in den überwiegend meiften Urt

Geographie. 471

find, weit über ihre Kräfte früher war in der weltkundlichen Zu: fammenfafjung der realen LUnterrichtsftoffe eine Art YAequivalent für vie nicht zu verfolgende Kulturgeographie verblieben. Es hat fidh aber ber Gedanle einer vollsfhulmägig georoneten Weltluhde mehr und mehr verflühtigt. Nur bie und da wird das Bebürfniß, der Zerftreuung und Ueberfchwänglichleit im Unterricht zu wehren, dadurch zu befriedigen geitrebt, dab man die Baterlandpstunde als die trefflihe Gelegenheit benußt, die manderlei weltkundlichen Elemente innerlih zufammen zu fließen, und mit den geographiſchen Berhältnifien das gefammte vaterländiihe Naturs leben in richtige Berbindung zu bringen. Jenſeits der Grenzen der Bas terlandskunde gehen dann die Wege der einzelnen Unterrichtsgebiete wieder auseinander, um Gelegenbeit zu grünblicherer Uinterweifung über biejelben geben zu können. Die Volksſchule ift jedoch felbiiverftändlih nicht in der Lage, die einzelnen Wege verfolgen zu können; fie bat fi auf bie Grundlagen zu beichränten, welche nahe genug liegen, um behandelt werben zu können, und inbaltreih genug find, um die vorhandene Kraft und Zeit vollauf in Anſpruch zu nehmen.

ı

Das Jahr 1856.

1. Ein vollgültiges Zeugniß für das fort und fort überaus rege wiſſenſchaftliche Interefie an der Geogrophie gewähren die in ausge debnteftem Maße mit ganz erftaunlidem Aufwand von Kraft, Beit, Geld fortgefebten geographifhen Forſchungen und Studien über alle einjchlagen- den Verhältnifie und Grideinungen. Gin nit minder kräftiges Beugniß it aus dem Bemühen zu erkennen, die Refultate dieſer Anftrengungen in möglihft weiten Streife den Gebil deten zugänglich zu mahen. In ans ſprechenden, Iehrreihen Darftellungen, welche nicht kahl bin referiren, ſon⸗ dern aud dem denkenden Kopf Anlaß zu weiterem Eingehen und Sinnen geben, und ohne den Granit der Sache abzujhwäcden, doc durch die geiſt⸗ volle und anlodende Form deren Neiz zu verflärlen fuchen, breiten viele gute Schriften den neuen, interefianten Stoff vor jedermann aus. Sie befriedigen das Bildungsbedürfniß des Einen, und weden die Neigung des Andern, von dem Neuen Notiz zu nehmen. Dadurch ift das Intereſſe ges fteigert und verallgemeinert; es if bis in Schichten des Volks eingedrun= gen, in denen vormals Niemand daran dachte, fi mit fernen Laͤndern und Leuten jo eingehend zu befaſſen. Nun aber ſoll aub die Schule ſchon von früh auf ein ähnliches Intereſſe anregen, und durch georbneten geo⸗ graphiſchen Unterricht einen entſprechenden Schap bes Willens und eine genügende Befähigung erzielen, um nachmals vie erforberlihe Orientis rung in geographiſchen Dingen, welche das Berufsleben forbern möchte, zu erleihtern. Sehr nahe liegt es, daB aus fittlihen und praktiſchen Gründen von den Berftändigen nicht ſowohl ein Schweifen in’s Weite und Breite, Sondern ein liebjames, gründlidhes Gindringen in die vaterlän: diſchen Verbältnifie gemünfcht werden mußte So bat fih auch allmäh: Lig die allgemeine Ueberzeugung gebilvet, daß jelbft dem geringften Mann im Boll fein Vaterland befannt werden müſſe. Für die neuere Zeit

412 Geographie.

iR es Karakterifiidy, daß diefe Uecberzeugumg fo tief gewurzelt iR, ubwehl

bisher die Schule vorzugsweile fehr allgemein wiſſenſchaſtliche Jutereſſen mehr als das nächſte Lebensbedürfniß beadhtet hatte. War doch bisher dem PVaterlande felten mehr wie jedem andern Lande Beachtung zugewenbet, ja eher weniger. Es mußte fo zu fagen für das Boll ganz neu entvedt werden, um es ihm doppelt lieb zu machen; es mußte auf feine Beſchrri⸗ bung mehr Fleiß und Sorgfalt verwendet werden; Leitfäden und Lehrbö⸗ cher gaben den Abſchnitten, welche vaterländiihe Räume und Berhältnifie berührten, ausgedehntere Berbältniffe; andere Schriften forgten für vie Bes frievigung des angeregten Bildungstriebs der reifenden und ber gereiften Jugend nicht immer in völlig unbebentliher Weiſe —, und um bis zungen in's Blaue hinein zu verhüten war der Blid fe auf das Bebärk niß des praktiſchen Lebens gerichtet zu halten, um entiprechenbe Aufers derungen an den gesographiſchen Unterricht in den Volls⸗ und Bürgeridyu- len daraus berzuleiten.

Diefe Momente waren Anlaß, im X. Jahrg. des Päd. Jahresb. ber neuften Rathſchläge zur Förderung des geographifchen Unterrichts und feiner Metbode zu gedenlen, auf die für die reifere Jugend und das Volk berehnete geographifche Literahır, auf die Feftftellung des prall: tifhen Berürfnifies bei dem geographiſchen Schulunterricht zu achten, und auf das beftehbende Verhaͤltniß des geographifhen Shulunterrichtes zur Diffenfhaft, wie zu den Anforderungen der neuen Pädagogil und Didaktik und des praktiſchen Lebens binzumeifen.

2. Schwerlich lommt es noch vor, daß ein Lehrer die Nothwen: digkeit des geographifchen Unterrihts in der Bollsfhule befämpft; ob auch feiner mehr vorlommen mag, der ihn deſſenungeachtet in jeiner Schule dennoch aus irgend welchem binfälligen Grunde nicht ertheilt? Ziel, Weg, Hülfsmittel, Alles ift befannt , felbfttändige Praris ift vollauf berech⸗ tigt und gewährt, und dennoh! Wie oft verirrt ſich der Unterricht in bloßes Worts und Gedächtnißwerk, und verabfäumt das Nothwendigſie: die Anfhauung, die Mare, feitbegrenzte Orientirung in ber nächſten Nähe und in den am meiften dharalteriftiichden Gebieten, auf welde ſich der Vollsſchulunterricht beichränten muß. Diefe Anihauung kann in ben überwiegend meilten Fällen feine unmittelbare, concrete fein, für Bolls: f&hüler vollends nicht. Es wird darum von F. Wagner im Median: burgifhen Echulblatt empfohlen, Abbildungen durch Banoramen: Bläfer in ver Schule befehen zu laſſen, um einen Erſatz zu gewinnen. Beitraubend und ftörend wird ein derartiges Bilderbeſehen ohne Zweiſel werden, aber ohne Nuben ift es nit: ja es kann vielen Kindern weit erfprießlicher fein als das Anhören der mündlich gegebenen ober ber vor: gelejenen Eharalterbilder. Alleinige Hülfe gewährt es allerdings auch nicht. Selbſt bei Erwachſenen ift das Rejultat alles Lefens, Hörens, Bilderbe fhbauens, aller Eharaktergemälvde u. |. w. nicht felten recht Tpärlich und ungewiß, wie viel mehr bei Kindern!

3. Un der Unſicherheit ber Nefultate des geographiichen Unterrichts ift nicht felten die Blanlofigkeit deſſelben Schuld. Der wirklich durch zunehmende Stoff if} vorher nicht gehörig bemefien und beicränft, Hinten

Geographie. 473

ber nicht weiter erwogen; ber Willkür ift Spielraum gelafien. Cs ift nicht ganz unwahrfcheinlid, daß eine Verkennung der Abjicht bei der vorſchrifts⸗ mäßigen Benußung des Vollsfhullefebuhs zum geographiihen Un: terricht dieſe Planlofigleit mit herbeigeführt hat; und doch kann der Werth eines feften, guten Plans und die firicte Beachtung deſſelben nicht in Ab» rede geftellt werben. In einem ſolchen Plane können weder bloße ftelets artige Notizen und Tabellen, nod jene unbemefjenen und ungeprüften Merk: würbigleiten aus allen Wiſſens⸗ und Lebensbereihen eine berechtigte Stelle finden: weder bloßes tobtes Knochenwerk, noch ungeſalzener Miſchmaſch ohne feften, foliven Gehalt. Und die Schullarten find ähnlicherweife dem Plane anzupafien: ihr Werth liegt weder in großer Fülle noch in großer Kargheit des dargeftellten Materials, fondern in der glüdlihen Gombination eines haralteriftiihen Gefammtbildes, in der Anfchaulichleit, Deutlichkeit und Weberfihtlichkeit, womit gar oft fachliche Gediegenheit jehr wohl zu ver: einen if. Über in allen Stüden iſt's do der Lehrer felbft, auf den ed anlommt. Der rechte Mann ſchafft auh mit unvolllonnmenen Plänen und Mitteln noch etwas Befriedigendee. Daß er e3 nirgends auf ein Spyitem in feinem Volksſchulunterrichte anzulegen habe, bedarf feiner wies derholten Erwähnung, es verſteht fih von jelbit.

Zus, früher Seminarlehrer, empfahl auf feinen 5 Stufen des gen: graphiſchen Unterrichts (engeres Vaterland, Deutjchland, Europa, die übri- gen Grotheile, die Erde im Berhältnig zur Welt), im Anſchluß an das Leſebuch nur eine mäßige Anzahl georbneter Haupt parthien durchzu⸗ nehmen, und alle minutiöfen Ausführungen und unergiebigen Notizen weg⸗ zulafien. (Selbft Angaben der Grenzen, Größen, Bemwohnerzahlen u. dgl. bei Kleinftaaten will er geftrihen wiſſen.) inzelne größere Bilder, welche beim engern Vaterland fi über die beveutfamften Bezirke, bei Deutſch⸗ (and über größere dharakteriftiihe Streden, bei den Erdtheilen über noch umfafiendere Bereiche ausdehnen follen, verbunden mit Cinzelgemälvden aus dem Pölferleben, find die Säulen, welche alles übrige Material tragen jollen. In mie weit dazu das Leſebuch benugt werden kann, hängt von defien wohl beredhnetem Inhalt ab. Es wird aber beiten Falls recht um: fichtiger Vorbereitung auf folhe Bilder bepürfen, wenn fie ihres Zweds nicht verfeblen jollen. Zu der ſachlichen Erwägung muß aud die ent: ſprechende Zeitbemefiung binzutreten, damit der Lehrer haushälteriſch zu Merle geben und zu einem erwünſchten Abihluß gelangen kann. Der legtern Forderung bat der jegige Schulratb Bod zu entſprechen geſucht („Schulblatt der ewangel. Seminare Schleſiens“ 1856, 1. Heft), indem er zugleih Werth darauf legt, daß der Unterrihtsplan im Leſebuch jelbft fchon porgezeichnet werde.

Bon befonderm Werth für einen wirklih pädagogiſch wohl begründe: ten und Mar durchdachten Plan für den geographifhen Unterridt find bie Ausführungen, melde Dr. Stößner in Annaberg in feinen „Glemen: ten der Geographie in Karten und Zert gegeben hat. Seine 3 Heinen, einander concentrifh umfaſſenden Atlanten, worin Tert und Far: tenbild genau gleihen Schritt halten, find jo angelegt, daß die Karten buch rothen und ſchwarzen Drud das Neuhinzulommende von dem

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Frühern fofort für's Auge kenntlich unterfheiden Laffen, während im Tert das Neue in ftärferem Drud bervortritt. Im Interefie des Sch nl bevürk niffes find die Karten fehr einfach gehalten, fo daß fie auch wohl nadıge geihnet werben könnten, und der Terxt ift fehr Inapp umb präcis auf das Mefentlihfte aus allen drei Gebieten der Geographie beihräntt. Dennoh können Volks ſchulen dies Material nicht bewältigen. Ihre Lehrer jedoch koͤnnen viel daran lernen.

4. Mit ven veränderten Anforderungen der neueren Seit bat bie

° felhfftändige Behandlung jedes einzelnen realen Unterrichtsgebiet? auch m

der Boltsihule nicht zufammenftimmen können; es war jene aufzugeben, um im Real-Unterrichte beftimmten Tendenzen zur Förderung der ſprach⸗ lihen, welttundliden, vaterländifchen und kirchlichen Ent widelung der Volksjugend Plab zu maden. So viel es die Natur der Sache mit fih bringt, fol Alles, was in der Schule gelehrt und gebt wird, den Snterefien diefer Entwidelung in den bezeichneten Richtungen dienftbar gemadt werben. Auch im geographiſchen Unterricht gibt es reich ih Veranlaſſung und Gelegenheit, zunähft ſprachliche Bildung fördern zu helfen. Warum follte in unebler, unlogifher Sprachweiſe gefragt, warum follte ungenau, lodderig, unbeholfen geantwortet werben dürfen? Es ifl feine Spur von Grund zu der Annahme vorhanden, daß die Geographie allerlei Nadläffigleiten in der Darftellung, Beſchreibung, Begriffebeftim: mung geftatte; im Gegentheil, fie duldet dergleichen nicht, fondern verlangt Sorgfalt, Genauigteit, Ganzheit, Klarheit. Und gerabe hierin kann den Kin: dern das Schulleſebuch zu Hülfe fommen, indem es ſolche Leitungen enthält. Der geograpbifhe Zwed wird nicht nur nicht beeinträchtigt, wenn der Un: terriht ſprachlich correct und gut fih abmwidelt, er wirb vielmehr um fo fiherer erreicht.

Aehnlich verhält es fih mit der Förderung weltlundlidher und vaterlänpifher Interefien. Jene können jeit längft als jelbftwerftänd- ih angejehen werden; dieſe find es in den neueren Zeiten in hervor: zagender Art, mworein die gefammte Voltsbildung einmündet. Jeder foll das Vaterland gründlich kennen, um es, dann recht vollbemußt lieben zu lernen, ber gemeine Mann im Volt nicht minder als ber gebilvete, jedoch ein jeg⸗ liher nad den Verhältnifien feiner übrigen geifligen Cntwidelung. Kos mopolitijche Liebhabereien, welche Alles nivelliren, haben in der Volksschule teinerlei berechtigten Boden; das Baterland gehört in’s Centrum der Bollsihulbildung. Seine äußern, räumlihen und feine innern Lebens verhältniffe, ſoweit fie Kindern zugänglich zu maden find, follen friſch und lebendig beſchrieben und gefchildert werden, mehr als alles nicht Bater laͤndiſche; und auch bei Beiprehung bes letztern kann ſich der vaterländijde Geſichtspunkt Geltung verfhaffen. Zwar ift befremdlicher Weiſe unfere geo graphiſche Literatur nicht ſonderlich reih an Schriften, welde dem Raten lande jo recht zu Ehren helfen ; doch herrſcht auch kein hemmenvder Mangel. Der Pädagog. Jahresbericht weit geeignete Bücher nad.

5. Am menigiten feinen kirchliche Intereſſen durch ben geogro⸗ phiſchen Unterricht gefördert werben zu können. Wirb aber erwogen, daß

Geographie. 475

die Jugend in chriftliher Geſinnung erzogen, in chriſtlichem Geifte unter richtet werden foll, jo kann aud die Geographie der Mithülfe dabei nicht verweigert werden. Eine Gelegenheit ift ihr u. A. durch Beachtung der evans geliihen Miffionen in außereuropäifchen Ländern gegeben. Da es uns» zuträgli ift, dieſe Länder in ihren geographifhen Beziehungen fo fpeciell beim Volbsſchulunterrichte zu behandeln, als fie es an ſich wohl vers bienten, jo ift, wenn fie überhaupt in einer der Volksſchule nahe liegenden Rüdfiht beachtet werden follen, doch durch die Hinweifung auf das evan⸗ geliſche Miſſionsweſen am ebeften eine dem religiöfen Stindesleben entfpres ende Eeite zu erfaflen. Cs muß als empfehlenswertb erachtet werben, vor allen andern das Augenmerk der evangelifhen Volksſchüler auf die Los cale in fremden Erdtheilen binzulenten, die im Mijfionsleben Bedeutung haben ; denn unmöglich kann die Volksſchule dem Miffionsleben fremd blei: ben wollen und follen. Daß Mißgriffe und Verirrungen hierbei vorlom: men mögen, ſei's aus übergroßem, unklarem Eifer, ſei's aus Unfenntniß, iſt zugugeben ; der Mifbraud hebt befanntlih den richtigen Gebrauch nicht auf. Ueberſchwänglichkeiten, Verzettelung des Unterrichts⸗Intereſſes, bewußt: gemachte Ungeheuerlichleiten bei Nachweiſen des Heidenelends u. dergl. find eben nicht der gefunde Zufland des Unterrichts.

6. Unzweifelhaft befteht für die reifere Jugend und das Volk ein Bebürfniß, von den Ergebniffen der geographifchen Arbeiten unjerer Meifter ihrentheils entfprehenden Nußen zu ziehen. Man intereffirt fi für das Zheater der Welt: und Tagsbegebenheiten in allen Volksſchichten überaus lebhaft, und mill über daſſelbe unterrichtet fein, bisweilen wenigſtens unterritet zu fein ſcheinen. Daher das Lefen geeigneter einfchlagender Bücher, Zeitſchriften u. dgl. weit und breit. Menn gründlide Sad» tenntniß, edle Darftellung, chriſtlich-vaterländiſche Hals tung und Auffaſſung dergleihen Schriften beimohnen, dann ift ſolche Lectüre nur zu empfehlen. Gelehrten Anftrihs, picanter, geiftreich fprubelns der Sprache, namentlih aber gefunder Ueberſchwaͤnglichkeiten und Forcirt⸗ beiten im Chriftentbum und im Patriotigmus bedarf es nicht nur nicht, fondern dieſe Eigenſchaften ftellen den Werth alsbald in Frage. In der Regel find ſolche Schriften compilatorifcye Arbeiten, entlehnt, etwas umge: Raltet und dem vorausgefegten Bedürfniß angepaßt. Das ift an fi kein Fehler; es gibt recht treffliche, auf diefe Weife entitandene Bücher für den beregten Bmed. Neben venfelben jedoch auch eine faft noch größere Zahl theils mattberziger, blaſſer, theils mit vilettirendem Nippen und Naſchen an allerlei Effect machenden Schilverungen ſchöngeiſtig gejchriebener Bücher, zu: fammengetragener Neuigleiten, wodurch lediglich der Geldſpeculation, nicht aber dem paͤdagogiſchen Intereſſe gebient werden fol und kann. Ja mande derfelben arbeiten dem platteften Materialiemus in die Hände, und ridten durh Förderung naturaliftiicher Weltanihauung in der Jugend und im Bolt großen Schaden an, indem fie im Grunde genommen zu troftlofer Geiftesöde führen, obwohl fie mit oft nicht geringem buntfarbigften, pridelnd- fen Wortgepränge viel Geift zu fprudeln fcheinen. Unter dem Zitel „geos graphiſcher Bilder” ift manch entbebrliches, manch gefährlihes Buch ange: priefen ; man muß deshalb das prüfende Auge dafür offen behalten, Der

476 Geographie.

Jugend gönne man gute gengraphifche Erholungs⸗Lectüre, aber geographiſche Bilder, worin man folhe Erholung zu fuchen pflegt, müflen dennoch and tücdhtigen Kern haben und zum Nachbenten anreizen.

Für den Schul gebrauch find ſolche Bilder noch mit erhöhter Sorg⸗ falt zu prüfen, ob fie nah Stoff, Form, Geift und Tendenz den Schul: zweden entſprechen; denn nicht alle Lehrer können ſich aus gediegenen Wer: ten erft den probehaltigen Stoff zufammentragen und für den Schulgebrauch erneut zurichten. Ohnehin ginge damit meiftens der originale Duft ver: foren, worin gerade eines der erfriſchendſten Momente folder Bilder zu finden ift.

7. Die Volksſchule bat auch beim geographifhen Unterricht das praktiſche Leben und feine Bebürfniffie im Auge zu behalten. An fih ift diefer Unterricht wiffenfhaftliher Natur. Während höhere Schulen ſich in der Lage befinden, dieje Natur direct für ihre Bildungs: jwede auszubeuten, muß die Bürger: und Volksſchule davon abjehen. Die Volksſchule ſoll fih vorerft auf die Baterlandstunde bejchränten, dieſe braucht das Volt im Leben zunächſt und am meiften. Die unent: behrlichſten Kenntnifie, erworben durd Erläuterung der Schulleſebuch⸗ Abſchnitte und durch zwedmäßigen Kartengebrauch, find die mohlmeislid bemefiene Aufgabe ver Boltsfhule Damit iſt viel, ja in nit went gen Fällen ſchon weit mehr geforbert, ala thatſächlich bei treuem Lehrer: fleiß und anerkanntem Gefhid geleiftet wird. Thöricht wäre es, mehr for- dern und namentlih erwarten, der Vollsſchüler werde nahmals von jeltft dur das Leben das Baterland ſchon kennen lernen, die Echule müſſe ihn in’s Weite führen, um jeinen Blid zu entjefieln. Die Erfahrung lehrt das Segentbeil. Bürgerfhulen können und follen mehr leiften, fie haben dazu mehr Kräfte, mehr Zeit, mehr Mittel, auch meift mehr vorbereitet: Rinder.

Soll der geographifhe Schulunterriht dem Bebürfniß des prals tifhen Lebens entiprehen, fo darf er kein bloße Gedaͤchtnißwerk je, fondern muß die geiftigen Kräfte dergeftalt üben, dab ein beftimm: ter Fond von Kenntniſſen erworben werde, welche im fpätern pral tiſchen Leben fihere Verwerthung finden. Bloße formale geiftige Kraft übung genügt nicht allein, auch das, woran fie vorgenommen wird, muß an fih und für das Leben bebeutfam fein. Weber der Begeifterung für reine Geographie mie man es nannte war von neuern Methor dikern allerdings die Tendenz für bie Lebenspraris verabjäumt. Insbeſon— dere war ber jogenannten politijhen Geographie faft alle Beachtung eine Zeitlang verjagt. Damit war über das Hiel hinausgeſchoſſen. Staa ten, Städte, Häfen, Handelöwege u. dgl. gehören doch auch mit zur Geo graphie ; gerade der Bürgersmann hat darin ein ganz naheliegendes In terefie für feinen ganzen Arbeits: und Handelsverkehr. Das zu erwerbende geographiſche Wifien muß deshalb der Wirklichkeit angepakt und für den realen Gebrauch bemefien werden; nichts Todtes, Unfrudtbares, fondern friſches, farbiges Leben, dem man es abmerft, daß man es gebraw hen Tann, und dazu tüchtige, gäbe Ginübung und Bejeftigung defien, was

Geographie. 471

als umverlierbared Gigentbum in’s praltiihe Leben mitgenommen wer: den foll.

Es bedarf faum der Grinnerung, dab die vorhin erwähnte Beachtung bejonderer Tendenzen ganz eigens mit dem praktiſchen Lebensbedürfniß zus Sammentrifit ; lebteres ift der Anlaß, welcher jene herbeigeführt bat.

8. Was endlih das gegenwärtige Verhältniß des geograpbifchen Schulunterrihts zur Wiſſenſchaft, zur Pädagogil und zum bür— gerlihen Leben anbetrifit, jo liefert zwar die Wiſſenſchaft immer noch das Material, die Pädagogik regelt die Wege der bildenden Verwendung defjelben und das bürgerliche Leben zeigt die praftiihen Biele; aber in ben niedern Schulkreiſen haben fi Utilitäts-Beftrebungen vorgebrängt, wie nie früher. Unverlennbar ift von der Schularbeit bis zur Löjung der idealen Aufgabe der allumfafienden geographiſchen Wiſſenſchaft ein gar großer Abs ftand. Keine Eule füllt die Kluft zwiſchen beiden aus, felbft die Ge lebrtenfchule niht. Nur das Streben kann es alfo fein, deſſen Berech⸗ tigung in Frage kommt. In der Volksſchule iſt ſelbſtredend alles wiſ⸗ ſenſchaftliche Streben volllommen unberedtigt ; in der Bürgerſchule bat man fih vor irriger Leitung diejes Strebens in Acht zu nehmen, Ein idealer Hochflug iſt ein eitler Zraum in diefen Schulen. Man wird einen hübſchen Schatz von geographifhen Kenntnifjen vermitteln können ; aber die Löjung diefer Aufgabe ift an die Bedingung gelnüpft, daß nicht in's Maßloje hinein eine überſchwängliche Fülle topifchen, phyſiſchen, polis tifcheftatiftiichen Materials aufgehäuft und dem Gedächtniß eingetrieben werde, Es muß ja mandes von diefem Material durchaus eingeprägt werden, aber vor Allem kemmt es doch auf Erſchließung des Verſtändniſſes, auf Ginblide in den Zufammenhang an. Der wiſſenſchaftlich gute geographijche Unterricht wählt fein Material nad dem Kriterium der Geeignetheit zu gründliher und ſachentſprechender Belehrung über die wirklichen Erbverhält: nijle im Ganzen und Einzelnen. Gr ſcheidet kurzweiligen Ballaft aus, orbnet den Stoff nad Stufen und beftimmten in der Sache gegebenen Ka⸗ tegorien, gebt ihn erft gejondert, dann comparativ dur ‚und faßt endlich das Ganze in wiſſenſchaftlichem Geifte zufammen. Der nicht wiſſenſchaft⸗ liche hält weder dieſe Ordnung, noch dieſe Behandlungsweiſe feit; feine vergleihende Betrachtung pflegt ſich höchſtens auf räumliche Lagens, Großen⸗, Gliederungs⸗, Bewaͤſſerungs⸗ u. |. w. Verhaͤltniſſe zweier gegen⸗ übergeftellten Erdlocale einzulaſſen, während der wiſſenſchaftliche Unterricht auf jeder einzelnen Erpftelle die gegebenen Naturbedingungen mit dem fattiſchen Beitand der daraus entwidelten Natur: und Menfchenverhältnifie vergleihend zujammenhält. Niedere Schulen können und follen das nicht; fie haben genug mit der Betrachtung der vaterländifhen geographifchen Verhaͤltniſſe und der ſchlichteſten Art ihrer Vergleihung zu thun. Schon dabei behalten fie glüdliherweie keine Zeit zu dem Lernen der vielen dem fchnellen Vergejien anheimfallenden Merkwürbigleiten, die viele Bücher zu fernen vorjhreiben möchten. Gegen die erften Jahrzehnte gehalten, welche der regen Begeifterung für Umgeftaltung des Unterrichtöwejens im Peſialozzi'ſchen Sinne die reihfte Nahrung gaben, ift die paͤdagogiſche Bedeutſamkeit des geographiſchen Unterrihts nachmals ſehr merklich zurüds

478 Geographie.

getreten. Aber fie ift nicht nur nicht völlig erlofhen, fonvern hat jegt zwar in bejhräntterm Umfang aber um fo fiherer au für die einfachſten Volksſchulen ihr befeftigtes Necht gewonnen. Auch diefer ift in der Ba: terlandslunmde ein in der That reiches und dankbares Gebiet überwie fen, worauf fie felbft noch durch das Lejebud planmäßig heimiſch gemacht werden foll.

Auf diefem Felde und etwa noch auf dem Gebiete der Geographie des heiligen Landes fann fie fih nun pflegfamer Ausbeutung des Stofjs zum Frommen der jchlihten Volksſchüler bingeben, Nachdenken und Urtbeil weden, das Gemüth befruchten und fo die bemußtoolle Liebe zum Baterlande nähren und ftärten, welche nachmals das Bolt ſchmüden fol. Daß der Unterriht nit in formalen Webungen des Geiftes ver laufen, fondern allen Ständen und Schichten auch materielle Kenntnifie zuführen müfle, wie das Bedürfniß des bürgerlihen Lebens es erfordert, ift bereit oben angedeutet. Es mwird daburd dem materiellen, ed wird jebod auch dem fittliben Leben dadurch gedient. Was zur Erzeugung des Be: wußtſeins von der Gemeinjamleit der urfprünglichiten Lebenselemente unjers Volks mithilft, ift überall von Bedeutung. Wo ferner locale Umftände greifbar nahen Einfluß auf Verhältnifie des focialen Lebens ausüben, melde in weiterm Umfange wichtig werben, da liegt ed ganz im Intereſſe dieſes Lebens, dergleihen Orte und ihre befonvern geographiſchen Umftände aud zu lehren und zu lernen. Ueberall richtet ſich die Jetztzeit auf Beachtung gegebener Berhältnifie und dadurch herporgerufener wirklicher Berürf nifle des praltifchen Lebens. Wer Blid für Wirklichkeiten bat, extennt auch die Nothwendigleit der Berüdfichtigung derjelben im Volklsſchul⸗ unterricht.

Das Zabı 1857,

1. Obwohl die Zeit als abgefchlofien anzufehen ift, in welcher mit befonderm Eifer nad guten, probehaltigen Methoden für die einzelnen Unterrichtözweige geſucht wurde, jo hat fie doc ihre unverächtliche Frucht getragen, die um fo weniger zu unterfchäßen ift, als fie die jebige Ent⸗ widelung der Unterritsthätigleit bervorgebradht hat. Es hat Mühe und Arbeit geloftet, auch für den geographiſchen Unterricht bildende Methoden aufzufinden und fie Jahre lang praltifh zu erproben; man wird fi vor ber Geringahtung der Methode hüten müflen, fonft könnte der überwundene Mechanismus des Verfahrens wiederkehren.

Der Jahrgang 1857 des Pädag. Yahresberihts erinnert an einige methodiſche Vorjhläge, gedenlt dann der Beugnifle für den Sammel fleiß in der geographifdhen Literatur, ferner der nöthigen Kritik des Unterrichtö: Materials, ferner des Widerftreit3 der Doppelinterefien Wiffen: fhaftlihleit und Gemüthlichkeit im Unterricht unter Hinweis auf Jlluftration befjelben, und endlich weift er auf die verhältnikmäßig ge singe Pflege der phyſiſchen und mathematiſchen Geographie.

Geographie. 479

Als Anhang find noch die Kartennetze und ihre Verwendung zum Kar⸗ tenzeichnen in der Schule berührt.

2. Als die Fee der Concentration bes Unterrichts vor einigen Jahren auftaudte und mannichfady ventilirt wurde, namentlih von C. Vol⸗ ter im „ſüddeutſchen Schulboten”, war dieſelbe auch im „Schulblatt der evangeliihen Seminare Schlefiens” zur Beiprehung gebracht. Der das malige Director Jungllaaß in Steinau, jeßt Schulrath in Bromberg, hatte fie zuerſt jo aufgefaßt, daß der Religionsunterricht mit dem geographiichen, geſchichtlichen und naturkundliden Unterrite zu Einem Ganzen verarbeis tet werben ſollten. Es war zu erwarten, daß dieſe Auffafjung feinen Bo⸗ den in der Praxis gewinnen würde, und fie ift deshalb auch bald aufges geben worden. Dafür wurde auf Einheit des Grundtons im gefammten Unterrichte bingewiefen. Nüdfihtlih der Geographie wurde auf Voll: ftändigleit überall verzichtet, fogar in Beziehung auf die Vaterlandg: kunde. Nur Lebensbilder, melde im Unterriht zu allmäliger Entfaltung kommen follten, („erft Gebirge allein, dann Flüffe allein, dann beide verbunden, dann weiter die Landestheile und Städte erſt für fich, dem» nächſt mit den Flüſſen und dann mit Zlüffen und Gebirgen verbunden“), blieben ald Aufgabe befteben, und die Forderungen auch dafür traten fehr vereinfadht auf.

8. Solchen LXebensbilvern, d. h. abgerundeten, naturgetreuen Lands ſchaftsbildern, redete ſchon früher auch das Walvded’ihe „Schulblatt”“ das Wort, und ging mit der Yorderung alljeitiger Vollendung berfels ben in allen möglichen Beziehungen und tiefer geiftiger Crfafjung flugs weit über das Volksſchulziel hinaus, Aehnlich geſchah es mit der Forderung vorzugsweiſer Beachtung der topiihen und phufiichen Verhaͤltniſſe und mit der Yorderung recht concreter culturgeographifcher Eharalterbilder (mit Weglafjung eingelegter gejhichtliher Skizzen), deren lebendige Schilderung die Einbildungstraft vornehmlich bejhäftigen müſſe. Sehr richtig wurde innige und finnige Naturbetrahtung empfohlen, vom verfrühten Kartengebrauch abgeratben, ſcharfe Markirung, fowie gehörige Cinirbung der Zagspenfa für nöthig erachtet. Statt des uns zwedmäßig gefundenen bloßen Bortrags follte eine friſche, zur Selbſt⸗ thätigleit antreibende Unterhaltung als Unterrichtsform angewendet werben.

Auch die Löw'ſche „Paͤdagogiſche Monatsſchrift“ trat für den Gebrauch geographiiher Charakterbilder in die Schranken, um dadurch zu einer unerläßliben Beihränlung und zur natürlichseinheitlichen, organiihen Ders Enüpfung bes geographifhen Lehrftoffs zu gelangen. Unter Berwerfung ber in den meift nicht „lesbaren“ Leitfäden und Lehrbüchern aufgefpeicherten „ungebeuern Stofihaufen‘, der Vereinzelung an ſich zujammengehöriger Glieder, der Ueberbürbung mit Definitionen und aller „Miſchmaſch“ Geos graphie, in welder alles Erdenkliche „verkoppelt“ werbe, wird ſtrenge Abs wägung, Eingrenzung und natürlicher organiſcher Zuſammenhang des lehr⸗ baren Stofjs, und ſinnige Vergleihung des wirklich geographiſch Ins terefie Erwedenden angerathen. Das Zuviel verwirrt. Statt aller Zw

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Geographie. 481

Die Gegenreve gegen Lüdde richtete ſich vorzugsweife auf die in ber Braris ded elementaren mathematifch »geographifchen Unterrichts bes währte Weiſe, durch forgfältige Entwidelung der ſcheinbaren Berhält: nifie die wirklichen zum richtigen Berftänpniß zu bringen. Es gilt erſt die Grfheinungen kennen zu I nicht aber fofort das fertige Sys ſtem zu octroyiren. Die richtige Einſicht in die Wahrbeit der Verhältnifie wird durch Ableitung der lebtern aus den Grölärungen nur aufgehalten ; ber Weg des Selbftfindens ift der ficher überzeugende und erfolgreiche, das Veberliefern fertiger Refultate führt zu tobter Gelehrſamkeit.

Bernau genommen trifft eine ſolche Gegenteve den Dr. Lüdde nicht, weil er gar nicht von der erfien, elementaren Ginführung in bie Geographie handelt, fondern dieſe in einen Borbereitungscurs verweift, wel⸗ cher der ſyſtematiſchen Behandlung vorhergehen ſolle. Yür die eles mentare Einführung in bie mathematifche Geographie ift der Weg durch die Erfheinungen zur Wirklichleit der naturentfprechenpfte.

5. €. Wetzel betont für die Ertheilung des mathematiſch⸗ geographis fhen Unterrichts mit befonderem Nahprud, daß nicht mit Modellen und Zeichnungen, fondern mit der wirklichen Anfhauung begonnen wer den müſſe. Was fih der unmittelbaren Anſchauung entzieht, kann nur durch Anſchluß an Belanntes auf dem Wege der Induction vor die Seele des Kindes geführt werben. Erft nad Entwidelung der Sade foll dann deren Grläuterung durh Zeihnungen u. f. w. folgen. Für Ans fänger ift die dur Beginn mit der Wirklicleit ihnen zugemutbete Abftracs tion aber jedenfalls zu ſchwer, deshalb kann diefe niht an ben Anfang geftellt werben. Zuerſt ift die Erkennung des Scheins das Nothwendige.

6. 2. Rudolph tritt befonders für die größere unterrichtliche Pflege ver phyſiſchen Geographie auf. So lange die mathematische Geographie im Zuſammenhange nur den obern Klaſſen überwiefen werben müfle, bie politiide aber erft dann den Schülern beveutjam werden könne, wenn ber Geſchichtsunterricht das Verſtändniß dafür genugfam vorbereitet habe; fo lange folle die phyſi ſche Geographie in den Vordergrund treten, um ben organiſchen Zuſammenhang aller natürliden Groverhältniffe zu erjchließen. Nudolph findet mit Recht an den bloßen Oberflähenformen, Wafler: foftemen u. ſ. w. fein Oenüge, noch weniger an bloßen Namen Anfüb- rungen von Producten; er dringt auf lebendige Bilder von den Erd⸗ räumen, und redet inſonders ber fleißigen Beachtung der Pflanzengeor grapbie das Wort, wobei er alles philoſophiſche Phantafiren und alles Aeſthetiſiren entſchieden abwehrt, mit vollftiem Recht.

- 7. Die eminenten Fortfchritte, weldye die ununterbrochen weiter drins genden Forſchungen und die wiſſenſchaftliche Durcharbeitung ihrer Reſultate machen, bringen es mit fi, daß auch der ernftefte, jelbftftändigfte Autor und Zebrer fih auf das Sammeln deſſen, was andere vor und neben ihm ers kannt und errungen haben, einlafien muß. Man bedarf ber concreten Baſis, um weiter zu bauen, und diefe kann nur aus dem reihen Material gewon⸗ nen werben, das ringsum zujanmengetragen wird. Un und für fi iſt der Sammelfleiß durchaus unveraͤchtlich; aber wenn er, flatt mit einer. fruchtbaren, objectiven PBlanmäßigleit gepaart zu fein, von rein ſub⸗

Bar. Jahreabeticht. XVUL 31

482 Geographie,

jectivem Dilettantismns geleitet wird, daun if bie päbagogiiäe Gefahr der Abirrung in bloße Befriedigung des wechſelnden Amüſements ſehr nahe gerüdt, Leider hat die neuere geographiiche Literatur eine wahre Fluth von ſehr unfoliven Productiomen zu Tage gefördert, welche nur auf Nippen und Naſchen, oder auf Weberreizung der jugendlichen Phantafie, auf Mebertreibungen und Schieſheiten berauslaufen, und nicht nur Teime Empfehlung jondern Abwehr verdienen. Der mit den Forſchungen Schritt baltende Sammelfleiß, wie er in den „Mittheilungen aus ber Perthes ſchen geographiſchen Anſtalt“ von Jahr zu Jahr reicher und umfaflenber ent egentritt, oder wie man ihm in den beften unferer größeren geographiſchen

ehr: und Handbücher begegnet, ift alles Anerkennung werth. Auch ber Flejß ift nicht unberechtigt, welcher fih auf Ueberarbeitung und Gruppirung des ftteng wilignf&aftlihen Stofis für bie gebilveten Kreife verlegt, die nicht Mube haben, ver Wiſſenſchaft in ihren mühſamen Bahnen zu folgen, aber doch an deren Refultaten Interefie nehmen. Dagegen jenes Zurehhtmachen geographiſcher Lectüre und Belehrungen, das durch ein vorgeblihes Bil⸗ dungsbebürfuiß der jugend fich legitimiren möchte, im Grunde aber zur auf .Speculation beruht und nach der Befriedigung eines ſolchen Bebürf niljes, oder nach der Gefährbung der Jugenbbilpung gar nicht fragt, iR mehr als beventlih. Es verftedt ſich binter allerlei Aushaͤngeſchilder für die Schuljugend, die reifere Jugend, die Gebilveten aller Etände, Schule und Haus u, dgl, und nannte diefe Productionen „Bilder“, weil die Leh⸗ ter, um bem Unterrichte die alten Feſſeln des todten mechaniſchen Namens und Zahlenweſens abzuftreifen, Leben und concrete Anjhauung an bes ren Stelle bringen wollten. Bilder werben nun einmal verlangt, und es gibt deren, von guter Hand bearbeitet und mit päbagogiihem Tact zu fammengeftellt, recht werthvolle. Uber vieles, was fi unter dieſem Ra- men anpreift, iR bedenkliche Marktwaare, weil ihm der tüchtige ſachliche Ges balt abgeht, und weil diefer Mangel unter allerlei blendender Hülle von Wortſchmud und fertiger Illuſtration, wie bei vielen Jugendſchriſten, ver dedt wird. Ueberdies ift die pädagogiſche Rüdfiht bei folder Zabril- arbeif gerade die am wenigften beachtete, während fie dem Lehrer am hoöch⸗ ften ſtehen muß. Der Lehrer braucht nur wenige, aber gute, ſachlich treue, in der Darftellung Mare, friſche und. doch wohl verftändliche Bilder für den Unterriht ; denn neben denſelben hat er Vieles zum unverlierbaren Gigen thum der Kinder zu maden, und das koſtet Mühe und viel Zeit,

8. Lehrmethode, Lehrform, Unterrichtsmaterial, Sinn und Geiſt, worin unterrichtet werben fol, das find alles oft beantwortete und dennoch fort und fort ofjene Fragen, über welche noch allerlei in's Reine zu briz gen wäre. Die Kritik hat dabei noch weiten Spielraum. Wer 3. 8. nachforſchen will über das Maß des verwendbaren, elementaren Unterrichts floffes, der wird weder aus den vorhandenen Leitfäden, nod aus bem Munde der Lehrer ganz kategoriſche Antworten über die in's Ginzelne dringenden Fragen erhalten, Weberall no flüffige Grenze, um nad Um fänden fo oder anders zu wählen, in ber Regel bes Stofis meit mehr, als factiſch durchgenommen werben kdann und foll, und darum flatt bilden der Methode noch vielfah mechaniſches Gedächtnißwerl. Ob es nicht eiw

Geografie. 483

mal zu gehöriger, allgemein anzuerkennender Fetfebung in biefen Stüden kommen wird ? Weit gefehlt, daß bloß der mechanifirenden Laune zu Liebe ſolche kritiſche Wahl getroffen werden dürfe, die Willie ift doch in der That ſeither groß genug, und vie Laune des Ginzelnen auch, um nicht nach Timitirens den Feitfeßungen fich umfehen zu müflen. Wo ift die Grenze bei der Orts: funde; ift fie Selbftzwed, ift fie nur Mittel; welche Seiten der Betrachtung find obligatoriſch, welche ungerechtfertigt; wohin mit den geographifchen Grundbegriffen u. j. w.? Das find nur ein paar dahin gehörige Fragen, der ven Loͤſung noch lange nicht zur Uniformität führen, aber doch mehr Klarheit in die Elemente bringen kann, als fie bei vielen praftifchen Lehrern gefun⸗ ben wird. Aehnlich ift es bei den folgenden Benfen für die weiteren Unterrichtöftufen, wie der flühtigfte Blid in die verſchiedenen Leitfäden und Lehrbücher zeigt. Stoffwahl aus den geographifchen Gebieten, Maß deſſel⸗ ben aus patriotifcher oder kosmopolitiſcher Ruckſicht, Stellung naturkund⸗ licher und gefchichtlicher Lehrftüde, welche entweder einzuflechten oder abzus halten find, Proportion diefer Partien untereinander und mit Rüdficht auf Stuſenfolge und Zeit: das find bier mehrfach fraglide Momente. Mag immerhin vie Praris der Mannigfaltigleit hold fein, eine gewiſſe Baſis, worauf fie ſich entfaltet und eine gewifie Umgrenzung, innerhalb deren fie fh in allen äbmlihen Berhältnifien gleihmäßig zu bewegen bat, ift doch allegeit viel werth. Doch daran fehlt noch viel,

9. Aehnliche Sichtungen und Feitftellungen bleiben für das Material, welches auf den Landkarten ausgebreitet wird, ein wahres pädagogifches Bedurfniß, ganz abgefeben von den ungemeinen Verſchiedenheiten, welche unter den Kartenwerken fonft noch beftehen, mit Rückſicht auf Anlage, tech niſche Ausführung, Art und Sorgfalt der Darfiellung bei Generalifiruns gen ober bei Hervorhebung der Bodenplaftil, auf Namenbeifügung u. vgl. Herner ift gründlich aufzuräumen unter den Büchern, welche angeblich der „bildenden Lectüre“ oder ber Verlebendigung des Unterricht3 dur Chas rakterſchilderungen dienen wollen, aber ſichtlich oft ganz andere Hintergedan⸗ ten haben. Es if mandes elementare Lehrbuch in feinem mathematijch und phufilalifh:geographiichen Theile gründlich zu revidiren; denn es if ſchier zu verwunbern, daß in deren nicht wenigen noch Unrichtigleiten, Un» genanigleiten, Nebenfächlichleiten bei Hintanfeßung von Hanptfahen gefunden werben, welde längft aus unfern guten geographifhen Werten zu berich⸗ tigen gewejen wären. Wirb außerdem noch em Blid in die Praris beim geographiſchen Unterricht in den Schulen gemorfen, fo ift noch bejonderer Arlaß zur Kritik in ber Art und dem Geift gegeben, womit der Unterricht ertheilt wird. Dhne ungerecht zu fen, wird gefordert werben müflen, daß der geographifche Unterricht geordnet, gründlich, genau und mit erns flem Sinn ertheilt wird, einem Sinn, welcher fih nit nur aller ſchie⸗ lenden und verunglimpfenden Bemerlungen über religiöfe Anfchauungen und Beſtrebungen der mancherlei religiöfen Parteien forgfältig enthalt, fonden im Gegentheil in patriotifher und kirchlicher Hinfiht mit Wärme das beſondere Bebürfnib der Jugend zu pflegen und zu befriebi« gen beflifien iſt. Bon jenem lauten und müften Gewirr, worin allerlei regellod durcheinander geworfen und nur nothbürftig auf eine geographiſche

81 *

tern abſchwaͤchen, und je band Berfoßtrng ſchaͤdigen zu wollen. Richts deſto weniger iR die Forderung einer ange meflenen Bflege der Gemüthsbilpdung der Jugend nit nur zuläfſig fie ift geboten und vellauf berechtigt. Wiſſenſchaft und Gemiihsleben ſchlie ken einander fo wenig ans, daß fie vielmehr ganz wohl Hand in Hand mit einander gehen uub einander fürdern fünuen. Es if gar nicht nöthig, daß die eine das andere beeinträdtigen und damit zum Nachtheil des einen

Lehrerconferengen, Prüfungen u. |. w. Die Schule jell lehren und einũben. Das ift oft ſaure Arbeit, welche Lehrer wie Schüler anſtrengt und ermübet Es if durchaus in der Orbnung, nad folder abjpannender Arbeit, ja zur furzen Unterbrechung verfelben, Momente zur Erfrifhung und gemüthlichen Erquidung eintreten zu lafien. Im geographiſchen Unterricht gibt es Lehr ftude, welche tüdhtige Anſtrengung erfordern, bevor fie fücheres Gigenthum der Slinder werben ; Gedaͤchtniß und Verſtand wollen wader im Aniprud genommen jein, bevor ein befrievigended Ergebniß erreicht if. Bei folden Benjen Ruhepunkte zum Athemfjhöpfen durch a Mütheilungen, Schilderungen, Bilder eintreten zu laſſen, ift eben fo ſchulmeiſterlich richtig ale es der Sache fürderlih if. Freilich bis zum förmlihen „Baden im Pfuhl der Lebensbilder“, wie Kirchmann in Eutin in we nig aͤſthetiſcher Hyperbel ſich auszudrüden beliebt bat, kann es nicht fom= men follen. MUebrigens hat es damit zur Zeit feine guten Wege. Pag aud viel Wortwerk, Lebensunwahrbeit, zurechtgemachtes PBhantafiegemäle in den fogenannten Lebensbildern mit unterlaufen, es flebt ja nichts ent⸗ gegen, derartige Bilder bei Seite zu lafien, und dafür ſachentſprechende, natur» und lebenswahre, ganz ſchlichte Darftelungen zu wählen. terbilder find nun einmal das viel begehrte und viel verwendete Mittel, um den linterricht zu beleben und ihn gemüthlich anfprechend zu machen, da bei den Kindern die dürre Wifienfhaftlichleit und ftrenge Geiftesarbeit nicht verfängt. Finder wollen concrete Ginzelheiten, woran fie lernen und zugleich fih erfreuen. Man enthalte fie ihnen nicht vor, benube fie übei- gend aud nicht, um die Tugend dadurch nad ſtirchmann's Rath zur WU: gemeinpeit und philoſophiſchen Weltanfhauung‘ zu erheben. Bon derars tigen nebelbaften Beilen hält eine nüchterne und gefunde Vollksſchul⸗Praxis mit Necht berzlih wenig. Es müflen ja auch nicht lauter „Bilder feim, welche zum Behufe der gemüthlihen Grfrifchung mit in den Unterricht verflohten werden. Sobald der ſtramme Unterricht auch einmal in vers gleichende Betrachtungen, in Nachweiſe des Zuſammenhangs zwiſchen Volks⸗ und Naturleben, in geſchichtliche Mittheilungen über intereſſante Loralitäten

Geographie. 485

übergeht, erfriſcht das ebenfalls. Allerdings if’s nicht leicht, foldye Par thien zu foldher gemüthlichen Grauidung gut zu wählen und zu geftalten, da die Gefahr der Abirrung aus dem Hundertſten in's Taufendfte nahe liegt ; aber ein tactooller Lehrer, der die Sache und die Kräfte der Kinder kennt, kommt damit ſchon zurecht. Nimmt er außerdem die: wohlverftan: bene Mandlarte, ober allerlei gute Abbildungen zu Hülfe, und hutet fich vor den zulegt obſchmedenden Veberihmänglichleiten oder verbrandten Tri⸗ vialitäten, dann lann er in ber That die Kinder ebenfogut gemüthlich er wärmen und erauiden, al3 er fie intellectuell fürbert.

11. Jlluftration if jeit einigen Jahren das Schlagwort gewor ben, welches wie ein Talisman gegen alle Uebel ver Weberanftrengung wie der Langeweile helfen fol. Es wurde der geographiſche Unterricht dur mancherlei damit verflochtene Partien aus andern Uinterrichtögebieten, befon- ders naturkundlichen, ethnographiſchen, geſchichtlichen illuſtrirt; er wurde auch illuſtrirt durch Randbilder bei den Karten, durch Bilderatlanten, durch Bilder und Karten im Text bes zu Grunde liegenden Lehr: oder Hand: buche u. dgl. Bald ſchieden fi zwei Stofffreife, denen einer den firieten Lernftoff umfaßte, indeß der andere erläuternde Beigaben enthielt, mit welchen jener durchſetzt, reſp. eingerahmt werben ſollte. Es hat nicht gefehlt, daß bei manchen leicht gefangen zu nehmenden jungen Gntbufinften ſich das Urtheil über das correcte Verhaͤltniß beider Stofftreiſe zu einan- der fih verdunkelte, und fie die Sache nun irrthumlicherweiſe dergeflait um⸗ kehrten, daß der Lernftoff jörmlich überwuchert wurbe von den illuſtriren⸗ ven Beigaben. Das ift ja freilich verkehrt und es iſt vollauf gerecht⸗ fertigt, daß gegen foldhe Heberwucherungen um jo lebhafter gelämpft wurde, als theils praktiihe Schulmänner, theild Geographen ihnen das Wort re: deten. (Bon den leßtern u. A. Reuſchle!). Bor Allem ift weifes Maß uns wohlüberlegte Cin ſchraͤnkung bei dem Zebtauch der Zluftrationen nöthig, ſowohl auf dem Gebiet der vaterländiſchen Geographie, als auf dem der gefammten Zänderlunpde, ja auf legterem vorzagsweiſe. Nur das Noth⸗ wendigfte, Yruchibarfte, Vildendſte bat Berechtigung, nicht aber das bios Groösliche, Pitante; darum gilt es ſolche Dinge hervorheben, welche in das Herz des Volkes bineingreifen, feinen Glauben, feine Bildung, fein in beiden wurzelndes privates und öffentlidhes Leben, in Sitte und Verkehr ih auöprägendes Denten und Empfinden. Ueberſchwang, Bombalt, leere Reflerion, triviale Wie wären ein viel zu ſchlechter, unwürbiger Erfah für jene fpontanen Beziehungen ; jene find freilich billiger als dieſe. Keinen: jalls ift dem ruhigen, geordneten Schulunterricht irgend welcher Lurus in Wort und Bild gefund ; er lenkt ab von ver nötbigen Sammlung und Vertiefung, und führt fo recht mitten binein in bie allem ernflen, Schweiß toftenden Lernen feinpliche biafirte Oberflächlichleit, vie nidyt genugfam vor unferer gegenwärtigen fern zu halten iſt. Weg mit allem hohlen Schein von Bildung und Arbeit, lieber orventliche tüchtige Arbeit des Geiftes, auftrengenvde Selbftihätigkeit : fie führt weiter als Alles beledenve- Biel wifjeret, fie allein ift der beutihen Tugend würdig.

Ob in den Kriftlihen Vollsſchulen die Einflechtung von gügen aus dem Miffionsleben in folhen Gegenden fatthaft fein könne, in welchen

ir N 7 el

verbreiteten Prazi burdheinander folder Rittheilungen, welche auher ber prideinben Wirkung für ven Augenbid nidyts Fruchtbares binterlafien, wird jeber nur leid verſtaͤndige und wehlgefiunte chriftlihe Bürger uab Laubemane dech wei leber feinen Kindern Thatjachen ans dem Miſſtondleben unjerer Side vorgeführt zu feben winichen, woran die fernen Länder der Erbe überhaupt der chriſtlichen Heimath erſt immerlich nahe gerüdt werben. Muß denn Alles er dann für wichtig gelten, wenn es nad dem dadurch zu exiamgenten Gelde oder nach dem abentenernben Amüfement unftäter Zourifien gemeilen, Rh als ausgiebig erweiſt? Um berartiger Rittbeilungen willen brancht die Schul geographie immer noch keine ausfchliefliche Miffio ns: Geographie

zu werben,

12. Die auffallende Spärlidhkit, womit im einer beträdgelichen An zahl vom Zeitfäben, Grunkrifien, lleberfihten, Zebrbüdern u. f. w. be Geographie die mathbematifhe und phyſiſche Geographie bebadt zu werben pflegte, bat vaft mit Rethwenbigteit eine ungerechifertigte Berjän

In

der eifrige zurüdichreden. Leitere beichränlen fih auf eine Art hergebrachten Materials und geben nicht darüber hinaus, um fidy und bie Kinder mit gu verwirren; fie aber damit gewöhnlich die lanı: läufigen irrigen oder halbwahren Yuffafiungen bei, welde anbermeit längft baben. Au ſehr trefflihen Schriften if jebt burdaus kein Mangel mehr (Dieflerweg, KC. Wepel), und an Yufmunte

sungen, imäbejondere bie phyſiſche Geographie mit mehr eingebender zu beadten, bat es namentlich feit N, v. Humbolbt und C. Ritter gefeblt. Gerade die phyſiſche an ift eine Fundgrube von nifien für den duschgreifenden Ginfluß der Natur der Erde au phyſiſche und geiftige Entwidelung ber und es haben ſich die geiftoolifien Männer um die Entwidelung dieſer deugnifie bemüht, mm bie thatſaͤchlichen Grfdeinungen der Eulturgeographie, vie oft fo wunderſan veridelten enthmographifchen Beziehungen und ben bifloriidden Gang ber folgewichtigfien Ereignifle aus denſelben mit zu erläutern und wit gu ver ſtehen. Das Object ner phyſiſchen Geographie iR noch heute Das alıe Fine wie vormals, aber was für einen erftaunlihen Umfang bat es dur die fosjhende usb denlende Betrachtung nach allen Seiten bin gewannen! Schon haben Die werthvolleren Lehrbücher begonnen, den ſeitherigen Schade

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Geographie. 287

bes Verklitmung zu filgen (D. Volter, v. Berghaus, v. Küben)/vober in ven kleinen Leitfänen iſt's meiſt beim Alten geblieben. Hatie doch das bit: beibige Lehrbuch der Geographie von Cannabich nur feine ſeſſen 16 Seiten Ginbeitung, worin ſummariſch Alles, was nicht Die polltifche Geographie,‘ abgethan warb! 0 13. Endlich die Kartennetze. Bon vielen adyibaren Seiten wird das Kartenzeichnen mit großer Lebhaftigkeit begehrt. Ginyelne:: jehen barin ven Kern alles gengraphifchen Unterrichts, andere ein mechanifches Bebilel, anvere geben in ber Würbigung bes Kartenzeichnens eine gol⸗ bene Mittelſtraße, indem fie dafielbe mit befonnenem Urtheil beichräntt wifien: wollen. Namentlih war Director v. Klöden in dieſen Gtüden überaus’ nüchtern und fcharfiebend. Die verſchiedenen Modalitäten, unter welchen das Kartenzeichnen in Bürger-, Real, lateiniſchen, Militär: und verwandten Schulen betrieben worden ift, haben im Lauf der Zeit mannichfaltge Wechſel erfahren. Bon ber Gonftructionss Methode Agren’s an, bei weicher nad fe bezeichneten, zahlreichen Poſitivnen das Kartenbild im fertigen, richtigen Blaniglobien : Reg nad und nach im Länbers Contour und in wer inneren Ausführung durch Gintragung der Ylüfle, Gebirge u. |. w. gewonnen wer⸗ den follte, durch die vereinfachenden Welfen Kapp's, wonach das Retz nur and Quadraten beſtehen, aber vom Schüler felb entworfen werden fellte, durch v. Mlöden’s nur auf einzelne Abſciſſen imd Ordinaten bafitte Ein: rahmung, buch von Ganftein’s auf einfache geometriihe Figuren vedu⸗ eite Grundgeſtalten der orientirenden Umſchließung, durch Bits mit etlichen Hälfsconftructionen unterflüßten gerablinigen Bierede, durch Lohſe's gerad linige BidzadsGeneralifirung der vielſach gebuchteten Grenz umd Birnen Gontowre hindurch, bis zu Oppermann’s vein mechaniſchem Uebetziehen bes matt und fein angebeuteten richtigen Contourbildes iſt 08 ein weiter Weg gewejen, ver mit allerlei praktiſchen Abänderungen bwechiwanbert il, Schließlich blieben zwei Weiſen die vorherrſchenden. Nartenemtwürfe mit freier Fauſt auf der Wanbtafel und auf dem Papierblatt der Schüler in Risgenbaften, ven wahren Verhaͤltuiſſen nur wnrwolllummen . ich annöheret: den Umriſſen, und forgfältiger in das fertige geographiſcheNes eingetragene Karten. Seitvem kam die Induſtrie auf SHerftellung von Netzen für Wand: und Hanplarten, und fie befehränkte ſich nicht auf einzelne, wejentlihe Karten, fondern umfaßte flugs ganze Atlan- ten. Man muß. billig fingen, in: welchem MWerhäliniis has Bedürfniß des Schulunterrihts zu dieſer Induſtrie ſiehe? Es kann nicht wohl ein Bedarfniß behauptet werden, ganze Atlanten in Schulen zelchnen zu Lafjen , da offenbar außer dem Nartenzeiäinen, wie ſchon v. Klöben richtig fab, noch ganz audere, bebeutfamere Arbeit im geographiſchen Schulunter: richt vorliegt, eine Arbeit, welche nicht zur Rebenfache herabgedrudt wer ven dürfe Das Kartenzeichnen Imın in ber Schule nicht Gelb: zwed, es kann nur Mittel zum Zwei fein Die Bollsihute nu in ihren einfachen Berhältnifien in dem meiften Faͤllen gänzlich darauj ver⸗ zichten, in ben Bürger». unb Gtabtfchnien wird auch jede zu viel Zeil forbeunbe Gonftructiongarbeit mit Kartennegen verntieden "werben müflen. So bleiben alfe aux ‘vie festigen Kaztenmehe ala guter Aus

u tee dee much militärische Vorbildung erſtrebenden Schulen ein sauusnee, jelkiitanmmger KartenzeichenzCurfus eingerichlet werben,

unse ulm "Hai Das dem des Unterrichts; und ebenfe nur m Dame dan dar detaunl lir te ſten Ausführung nehmen, wa SE mus a u merliic ermgusbemiren t beiehränten mitien,

L ©. SE Küpper. Gemmußnilemer: ir-"ınen ver Geagrapbie im ; inger , 1365. 26 ©. 3 Ser

Geographie. 489

Beranftellung bezeichnender Buchftaben (M su Mer, L == Lane,

I == Snjel, Str = Straße, F = Fluß ıc.) werben bie zu lernenven

tepiichen Momente marlist. In der vierten Abtbeilung find 10 Auf

gaben zur Recapitulirung des Gelernten geftellt. Bu beliebigem Gebraud find zwei Tabellen angehängt, deren eine die Arealgröße und Ginwohnergahl des europäiihen Staaten (am Maßſtab der Größe der Rheinproninz ger meſſen), und deren andere die ähnlichen Angaben in Beziehung auf die

Brovinzen des Preußiſchen Staats enthält. Man fieht, dab die paar

Blätter nur einen Fingerzeig geben wollen, das topifche Lernmaterial an

ber Karte nady der auch font längft gangbaren Art der Benutzung räums

licher Bufammengehbörigleit und Aneinanbergrenzung einzuprägen.

2. Dr. C. F. A. von Burger: Allgemeiner Umrif der Erbbe- hreibung für die unterfie Klaffe ber Iateinifhen Schule, fowie für einen gründlichen Anfangsunterricht Überhaupt. 24. Aufl, Erlangen. Bläfing (Deidpert),.1865. 40 &. 33 Sgr.

Am Weſentlichen enthalten die wenigen Blätter ein topijches Stelett, äbnli dem von Großmann und Gribel, unter Hinzufügung einiger gen: graphiſcher Begrifiserlärungen. Es wird mit Auftralien begonnen und bis zu Guropa bin, aljo von der einfadhen Ferne zur complicirten Nähe fort: gegangen. Grenzen, nfelgruppen, Gebirge, Flüſſe, Ueberlichten der. Laͤn⸗ der und Gtädte, Alles im Grunde nur nomenclatoriihe Unführungen in einer der geographifchen Lage entfprechenden Anorbnung: das ift der Inhalt, ber unter ſietem Gebrauch der Karten, und unter belebenden Ergänzungen durh den Lehrer erſt Fleiſch und Blut erhalten muß. Im Anhang finden fih noch einige Angaben über die Größe und Cinwohnerzahl ber Grdtheile, über die Menfchenitämme, die Religionen, die Beichäftigungsmeiien der Böller und die Berfafjungen. Die unterfte Sllaffe höherer Schulen foll bamit die erforderlichen topiichen Srundlagen des geographiſchen Linterrichts gewinnen, welcher fih in wiſſenſchaftlicher Anordnung darauf aufbaue lafien foll,

3. A. Hoͤrſchelmann: Ueberfiht ber gefammten Geographie für den erfien Unterriht in Gymnaſien und Bürgerfchulen. 8. Aufl. von Th. Dielitz, Prof. und Director. Leipzig. Schulte, 1866. 90 ©. 6 Sgr.

In vielen Zaufenden von Gremplaren in den Schulen verbreitet, bat diefer Heine Leitfaden fi) durch feine angemefiene Beichränlung auf vie rund legenden Momente für den wiſſenſchaftlichen Anfangs» Unterricht in der Geographie bereitd hinlänglich bewährt, um jeinem ferneren Gebrauch zu gleihem Behuf ein günfliges Prognofliton ftellen zu dürfen. Er enthält die populären Grundanfchauungen aus der mathematiſchen und phyſiſchen Geographie in den einfachften Lineamenten, gibt die erforderlihen elemen: taren Definitionen an geeigneter Stelle, jchließt dann die Grundzüge ber topijhen Geographie daran an, wobei nicht blos die Namen der Flüſſe und Gebirge, ſondern noch nähere Angaben, bei jenen über Urſprung, Richtung und Mündung, bei diefen über die Gipfelhöhen zufammengeftellt werben, uud faht im dritten Abſchnitt von ©. 43 an die wichtigſten und nächſt⸗

4. ©. Renmenn, Lehrer: Kleine Erbbeigreibnug mit (beiembenr) Berädfitiaung. Des Brenßiiden Staates. Ne völlig umgrarberet Un Leipꝛig. Schultze. 1865. 142 ©. 5 Eyı.

Bwar denft fid der Berfafier die Bertheilung des geographiſchen Tehr- Rofis in gehobenen Bolls: und in Mittelfhulen auf fünf Jahre fo vertheilt, vaß auf fünf correfpombirenden Lehrfinfen der Heimathesrt, die Provinz, die fünf Grötheile im Allgemeinen, Guropa (ohne Deutjchland m Beſondern), Deutihland wit ganz Preußen und Defterreich, bie fremben Grötheile, der gefammte Umfang allmählich zur Behandlung kommt; aber das Buch feines Vaters bat er nad einer baven abweichenden Folge ge orbnet. Nanmlich 1) allgemeine Erdkunde, 2) Deutſchland (fyeieh Bea nad den einzelnen Provinzen, S. 35—70); dann in ber zweiten Raumes: hälfte des Büchleins 3) Guropa, 4) die aufereuropäifchen Grbtheile. Der meifte Raum ift des Länder: und Gtäbtebeicrreibung zugewieſen. Es mu eine große Anzahl von Städten und barin eine Menge Mertwürbigleiten

angeführt, weit mehr als in Mittelihulen, geſchweige in Boltsichuien, fix weiche das Buch mitbeimmt ift, gelernt werben können ımb follen. Ran fann nicht alle Städte auf der Erde bis zu 50,000 Ginmohuern berab, and) nit alle deutſchen Städte bis zu 10,000 Ginwohnern herab in bes Bollsſchule lernen lafien wollen. Es liegt aud gar fein Bedückniß ver, ſaͤmmtliche reife der einzelnen Preußiichen Regierungsbesirte von den Bolls: Iälern lernen zu laſſen; es genügt, wenn fie die Kreiſe ihrer beimathlichen Provinz kennen lernen. Die Rüdfihten, welche der Berf. ſonſt im Auge behält, find bie hergebrachten, das aufgeftellte Material das allbelannte. Sie und da mangelt es an Präcifion des Ausdruds. (6. 17: Schreelinie it von der Erde 15,000° entfernt! ©. 23: Alpiniſches Syſten: 6. 22: Glatzer Gebirgs⸗Syſtem! ©. 7: Sommer: und Winter: Wendekreis; u. a. m.) Bwedmäßiger wäre der Gtofi auf 3 Gurfe zu ver theilen geweſen.

Berner, Eantor uub Lehrer: Kurzgefaßter Leitfaben für ben pen Unterridt in ber Geographie. Zweite Aufl. Schwerin. ildebrandt, tr 48 S. 24 Sgr.

Der ganz kurze Auszug aus dem alibelannten Material, der bier mit topographiſchen Andeutungen zur Staͤdtebeſchreibemg und einigen Augaben aus ber mathematiſchen und phyfilaliichen Erdbeſchreibung verjehen if, feige

Geographie. 4601

ganz der Altern Art ver Betrachtung. Einer überſichtlichen Darſtellung ven Guropa iſt eine etwas fpeciellere von Deutſchland und feinen Staaten Medienburg an der Spige beigegeben. Im Mebrigen find in den wa⸗ nigen Blättern jelbftverftänplih nur nothoürftige Angaben zu ſuchen; fie gehören in die Kategorie ſolcher billigen Lehrmittel, die durch ihren niedrigen Preis für aller Schüler Hände berechnet find.

6. 9. Peter, Lehrer: Geographie für die Volksſchule. Mit beion- berer Berüdfihtigung Thüringens überhaupt und des SHerzogthums Meiningen insbefondere. 2te Aufl. Hilbburghaufen. Gadow u. Sohn, 1865. 93 &. 34 Gar.

In Stoffwahl und Stoffanorbnung, fowie in der ſachlichen Bearbei: tung folgt das Büchlein der Cannabich'ſchen Methode. Lage, Größe, Ein: wohnerzahl, Bodengeftalt, Gemäffer, Klima, Produkte, Bildung, Beihäftigung der Bewohner, Verkehr, Eintheilung, Ortfchaften mit hiſtoriſchen und an: dern Merkwürdigkeiten bilden das Fachwerk; kurze Beſchreibungen, nomen: Hatorifhe Angaben, befonvers bei den Produkten und „berühmten Männern‘ (cf. ©. 24, 43, 44, 48 ıc.) aus allen Nationen, füllen dafjelbe in ber: gebrachter Meife aus. Gegen die ſachliche Nichtigkeit der Angaben wird wenig einzuwenden fein; aber man kann die Bebürfnißfrage, ob Bolls: ſchüler nothwendig all das hier Aufgeftellte lernen müſſen, nicht bejahen wollen. An den Namenregiftern von frembländifhen Produkten, welde fie nie zu Geſicht belommen, an den Namenteihen berühmter Perfonen, von denen fie weiter nichts zu erfahren belommen lönnen, von der Lifte berühm:- ter Bauwerke, deren Eriftenz ihnen nur verfichert werben könnte, haben dod) Volksſchuͤler rein gar nichts für ihre reelle Bildung. Der Verfafjer führt Bananen, Bataten, Yalappe, Etinkthier, Fregattvogel u. |. w. an, er nennt Calderon de la Barca, Murillo, nennt die Namen italienifher Maler, Baukünftler, Dichter, Naturforſcher, franzöfifher Staatsmänner, Gelehrten, Dichter u. f. w., der Philoſophen Spinoza, Baco, der Schwärmer Sweden: borg u. A. Billig fragt man nüdtern cui bono? wenn ſich's um ele mentare Unterweifung von Volksſchuͤlern handelt.

71.2) 9. P. Söonkſen, Lehrer: Beograpbie ber Herzogthämer

Sähleswig-Holffein. Mit beſonderer Berüdfihtigung ber inneren Berbältnifie. Yür Die Hand der Schüler. Kiel. Schulbuchhaublung, 1865. 41 ©. 33 Ser. b) M. W. Fack, Lehrer an ber Gelehrtenſchule in Kiel: ee von Schleswig-Holftein. Eine gedrängt allgemein peo raphiſch ge- baltene Beichreibung biefe® Landes fllr Haus und Schule, tnsbefonbere für sale geobener Säulen. Kiel. Alabemiihe Buchhandlung, 1865. 46. 3 Sgr.

ec) I. Lindemann, Lehrer: Geographie ber Hergogthlmer

Schleswig. Holfein für Schule und Haus. Kiel. Schwere, 1865.

63 ©. 33 Ser.

In dem erjten dieſer drei Schrifthen (a) werben von $. 1—10 mit anguerlennender mwillenjchaftliher Genauigleit kurz und knapp die topifchen Berhältnifie und die ftaatlihen Einrihtungen zufammengeftellt, und ver gleihende Bevöllerungs:Zabellen an die Andeutungen zur Ortskunde anges

Fa dem zweiten (b) werben emie Rüdblide auf nie geicdhidtlidhen in ben Herzeg:bümern jeit 1460 voran sgeihidt. dam felgt eine näher einzebende Beidreibung der Boden: umb wöherungs-Berbiitmiiie , ferner jpecieller Nodweis der Mimariihen Berbält: der Produlte, des Handels, der Bertebrswege, der Beikäftigungen der Bewohner, der Bertbeilung von Kirden und Schulen im Lande, und bern reiben fh die Ertidaften mit ihren Mertwürtigteiten. Xabellariiche lecker: ſichten und veraleidende Zujammenkellungen orientiren über Die Lage ber größeren Ortſchaften wie zum Erſaß für tie manaelnde Karte —, über

In dem dritten (c\ wird ein Ueberblid der ganzen Landesgeſchichte vorangefhidt, dann werden von &. 2—11 die meilten der bei b. anac: führten Berhältnijie durdigenommen. Etatt der bier ganj bei Eeite ge

So hat jedes der drei Büchlein feine Eigenthümlichleiten; a. iR wifienfchaftlicher als b. und c., leptere find fchulgeredhter als erſteres. Für jo heichränfie Gebiete if die Aufnahme fo vielen Details in die Leitfäden, woraus ihre Geographie in der Schule gelernt werben fol, zuläffig und ausführbar.

8. 1, ®- Fr. Eannabi's Sönlgsographie 19te Aufl. Zum aweiten al neu bearbeitet von Dr. 5. M. Oertel, Prof. in Meißen. Weimar. Voigt, 1865. 274 S. 15 Egr.

Grundlage und charalteriftiiche Tendenz biefes feit mehreren Iahrzeim- ten verbreiteten Buchs find beibehalten; aber im Einzelnen wie in ganzen Partien find weſentliche fachliche Verbefierungen angebradt. Wenn die aui möglichfte Bollftändigteit zielende Beachtung der zahreidhen Landes » Gimtbei: lungen, welde wenigftens in ber Schule niemals alle gelesut werben konnen und follen, aufgegeben, wenn ferner namentlich, in Rückſicht auf die außereuropäifchen Länder, auf ihre Bodenbefcdhaffenbeit. Natur, Broduction und Eultur, auf die Städtebefhreibung u. f. w. noch viel größere Be ſchraͤnkung durdgeführt würde, dann möchte es wohl geſchehen, daß dies Du ebenfo nupbar würde als mandyes andere. Freilich bliebe dann Caunabich nicht mehr Cannabich. Lehrer werden übrigens jet Manches aus dem Bude lernen können, da die Neubearbeitung mit Sachkenntmiß und Geſchidc bewirkt if,

Geographie. 493

9. Leitfaden ber Bere ankie für Töchterſchulen. 7. Aufl. Leimig, Biolet, 1865. 164 ©. 10 ©

Diefer Leitfaden behält die frühere Einrichtung bis auf diejenigen Beränderungen bei, melde bie Zeit im Befißitande hervorgerufen bat. Darum trifft das Urtheil, welhes im Päd. Jahresbericht XIL, ©. 338, bereit3 über frühere, und zulegt im XIV. Päd. Jahresbericht, S. 300, über die ſech ſte Auflage gegeben ift, auch jebt noch zu. In Stoff nicht überfüllt, in der Anordnung überfihtlih und fchulgemäß, mit Cinfügung biftorifher Hauptmomente bei den Staaten, ift es immerhin ein brauchbares Hülfgmittel für die Hand der Kinder, obſchon darin die Beſchreibung der wefteuropäifchen Länder vor der der übrigen europäifchen Länder durch bie etwas ausführlihere Beſchreibung von Deutfchland getrennt if. Man ers fennt wohl, daß der Verf. die Lage der Länder zum leitenden Grundge danken der Anoronung gewählt hat.

. I. Meirner, Ober- Realiäullehrer: Schulgeographie. 1. Zell: Specielle Beihreibung Defterreihe und Deutihlunds, ee mit einer geſchichtlichen Darftellung ber öſterreichiſchen Sronländer

bie 2, Rlafte ber Realihule. Wien. Mayer, 1865. 133 ©. ex 2. Theil: Die enropäiſchen Staaten außer Oefterreih und Deuclen

Alten, Afrika, Amerila und Auftralien. Für bie 3. Klaſſe ber Realichue. Daf. 1866. 160 ©. 15 Sgr. 3. Theil fol bie Länder der Erde über ſichtlich noch einmal behandeln, dabei aber die flaatlichen Verhältniſſe etwas mehr zurüdtreten laſſen und die gefchihtlichen Augaben in Wegfall bringen.

Im Vorwort wird erwähnt, daß dies Lehrbuch für die zweite Lehr fiufe auf die Karte bafirt fei, und in deren fleißiger und angemeflener Be nugung feine ftete Ergänzung finden folle, um dem Schüler zum freien Entwerfen von Rartenjlizzen, „dem richtigen Ziel des geographiſchen Un» terrichts“ wie Berf. meint, zu verhelfen. Für dieſe Stufe beftimmt Berf. eine ganz kurze Meberfiht der Bodengeftalt und Bemäfjerung, des Klima’s, der Produkte und Bevölferung der Staaten Europa’s (S. 1-13), einen Ueberblid über die geographifchen Verhältniſſe des ganzen Kaiſerthums Defterreich, eine ſpecielle Bejchreibung der Jämmtlichen einzelnen Kronländer deflelben, nad Gebirgen georpnet, und eine kurze Behandlung Deutjchlands. Es entſpricht der wifjenfchaftlihen Tendenz der Aufgabe, daß die oro: und hydrographiſchen Verhaͤltniſſe näher detaillirt werden. Berf. behandelt fie fo, daß 3. B. bei ganz Defterreich erft ein Weberblid gegeben, und dann bei den einzelnen Kronländern das darauf Bezüglihe wiederholt und er» gänzt wird. Er hält überall die gleiche Dispofition fefl: Grenze, oro⸗ und hydrographiſche Verhältnifie, Städte und Orte, Klima, Naturprodulte, Bes wohner, und fliht nicht nur einen geſchichtlichen Gefammtüberblid über die Gntftehuung der öſterreichiſchen Monarchie ($. 13), fondern bei den einzelnen Kronländern aud eine georbnete Reihe darauf fpeciell bezüglicher geſchicht⸗ licher Angaben ein ($. 25, 27, 30, 33, 36, A5, 48). Mancherlei Wiederholungen find dabei unvermeidlih. In der Angabe der Städte und’ ihrer Mertwürbigkeiten ift ein aͤußerſt Inappes Maß gehalten; dagegen find die Verkehrsſtraßen und Bildungsanftalten mehr hervorgehoben, bie und da auch die Landesſitten angebeutet. Als Schulbuch ſcheint die Schrift zwed.

494 Geographie.

enfiprechend zu fen. ©. 54 wird bie Höhenangabe des Drtles (20,006° Ratt wie ©. "a Rebt 12,500) mm corrigiren fein.

11. Ir. E. Keller, Seminulchrer: Der Brengiige Staat. Gin Deu bud der Baterlanbstunte. IL DBb., 4. unb 5. Haltband. ©. 257 bie 804 uud 4 ©. Sachregiſter. Minden. Bolfening, 1864, 1866. & 25 Sgt.

Bei der Anzeige der drei erfien Halbbände (Bär. Jabresber. XIV, Be 308, XV. 296, XVIL 269) if mit vollfier Anerkennung ber rübe-

übe ch, die große Eorgfalt und Grünblidleit bereits hervorgehoben, der Berf. den reihen Stoff gejammelt, gefichtet um» verarbeitet bat. Gine gleiche Anertennung iſt aud in Rüdficht auf die beiven legten Halb: bände auszuſprechen, womit ein inhaltreihes Werk zu einem gerundeten Abſchluß gebracht worden ift, weldyes den verſchiedenſten Ständen als vor: trefflihes Handbuch zur Drientirung über das materielle und geiflige Leben des Preußiſchen Staats dienen kann. Ein nicht unbeträdtlidher Theil des

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I,

daran angefchlofien werden, beifen zur näheren Grörterung des Werths bei felben. Zugleich find an geeigneter Stelle neue Tabellen zur Bergleihung des Sonft und Seht zufammengeftellt, nah dem alten Bengerbergifchen Sape: „Zahlen beweiſen.“ Bon befonderem Werth für gebildete Laien, welche nicht in der Lage find, all die Stadien des geſchichtlichen Werdens und der Entwidelung der einzelnen Inſtitutionen des Staats aus ven Queliſchriſten ja verfolgen, müflen bie hiſtoriſchen Darſiellungen dieſer Ent⸗ widelung in gebrängtem Zuſammenhange fein. Eie liefern fummeriide Ginblide in die wejentlihften Momente des innern Berwaltungslebens im Preußiſchen Staate. So 3. B. U. Br. ©. 302-416 eine hurze Ge ſchichte der Entwidelung der evangeliihen Landeslirche, von S. A16—504 dasan angefchlofien, eine ähnliche Nachweiſung der Entwidelung des Preußiſchen Unterrihtsweiens, umd ferner bis ©. 688 der Rechtspflege, des Finanz⸗ und Steuerweſens, des Heer: und Kriegs: Marinewefens. Durch Einflehtung der Kernftellen darauf bezügliher Grlafie, Ordres, Geſetze iR zugleich die Gewinnung der ſachentſprechenden Geſichtspunkte zur Beurthei⸗ lung des geihichtlihen Entwidelungsganges ermöglicht. Gerade für dieſen Behuf hat der Berf. mit fihtliher Vorliebe gearbeitet. Denn wenn audı die vorangeftellten Leberfichten der Behörden und ihrer gefammten Reflort verhältnifie, und wenn aud ferner die von S. 689 bis zum Schluß be arbeiteten, die phyſiſche und techniſche Cultur des Staats betreflen: den Momente unter Beigabe von vielen Tabellen ebenfalls umfichtig beachtet find (3. B. Bergbau, Salinen, Hütten, Metalle, Bronzen, Salze, Steine, Landbau, Grundbeſitz, Viehzucht, Gewerbe und Induſtrie, Handel, Sollverei, Baarenbewegung, Berlehrömittel, Wege u. |. w. bis zu ber Berwaltung), fo ift doch jenen geiftigen Entwidelungs: Grfheinungen 2* fpecieller nachgegangen.

Die neueſten geſchichtlichen Erlebniſſe der Sommermonate des Jahres 1866 werben in Folge ber glänzenden Siege der Preußiſchen Waffen über bie Defterreihiihen und Suddeutſchen vorausfichtlic weſentliche Reugefal:

Geographie. 498

tungen durch den erweiterten Befisfland herbeiführen, und dadurch merben notbwendig viele Angaben des Keller'ſchen Buches unzutreffend werben, Aber für die feitherigen Provinzen behalten fie dennod ihren Werth, und darum Tann das Buch als ein recht nutzbares Hülfsmittel zur Belehrung über den bisherigen Preußiihen Staat für Jedermann auch jetzt noch leb⸗ baft empfohlen werden.

12. Dr. $. A. Bantel, Prof. und Inſp. adj.: Handbuch ber Geo-

grapbit. 2. Aufl. 1., 2. Lieferung S. 1—256. Leipzig. Fues, 1865.

Lief. 12 Sgr.

Bon diefem ebenjo inhaltreihen, als trefflih bearbeiteten ‚größeren geographiihen Werke ift im Pad. Yahresberiht XII, ©. 349 fi., XUL, 803 fi., XIV., 316 fj. jo ausführlich die Rede gewejen, daß darauf eins fah zurüdgewiejen werden kann. Die wohl verdiente, jehr günftige Aufs nahme, welche das Werk über Erwarten ſchnell gefunden hat, macht feine neue Auflage ſchon nah 2 Jahren erforberlih. Wenn nun aud der Plan, der Geift und die Tendenz der Durchführung leinerlei wejentlihe Verände⸗ rungen erfahren werben, jo kann es ja nicht fehlen, daß der gründliche Fleiß des Berfafers fih nicht blos mit Berichtigungen unvermeiblicher rungen genügen, fondern daß er durch Benutzung der Refultate ver uns ausgefeßt fortgehenden Forſchungen alled Neue hinzufügen wird, um dem Merle den berechtigten Anſpruch auf Vollſtändigkeit und Gründlichkeit zu bewahren. Insbeſondere werden ja die neueſten, burchgreifenden Berändes rungen, welche durch den ruhmreihen Aufſchwung Preußens in Zolge feiner neueften großartigen Siege berbeigeführt find, jedenfalls wie eine neue Karte von Preußen und Deutihland, jo auch eine neue Bearbeitung der Geo: graphie beider Gebiete erfordern. Die eigenthümliche Frische und Lebendig- feit, die patriotiihe Hingabe in kernigem, deutſchen Sinn, welder alle weientlihen Momente zu einem großartigen Gejammtbilde zufammen zu faflen und zugleich eine große Menge fehr interefjanter und lehrreicher ein⸗ zelner Landſchaftsbilder integrirend damit zu verbinden weiß, fihert dem Werte feinen bleibenden Werth in allen gebildeten Kreijen, und ganz vore zugsweiſe in der Lehrerwelt. Man braucht dafjelbe faum noch empfehlen zu wollen. In den erften beiden Lieferungen ift das erfte Buch (matbes matbijhe und phyſiſche Geographie) ganz, vom zweiten Buche (außer europäifche Exrbtheile) der Anfang der Geographie von Afien (Allgemeines. Klein⸗Afien. Armenifhes Hochland. Euphrats und Zigris-Land und ein Theil der Geographie von Syrien und Baläftina) enthalten. Bis jebt be tragen die Erweiterungen ſchon einen Bogen,

13. Dr. G. A. v. Klöden, Prof. und Oberlehrer: Handbuch der Erd- kunde. 21. Aufl. 2. Theil PBolitifhe Geographie Wu. d. T.: Haudbudh derländer- und Staatenkunde von Europa. Berlin. Weidmann, 1865. 1.—3. Lief. (Bogen 1—54). à Lief. 1 Thlr. (Der erfie Theil der 2. Aufl. lag nicht vor.)

Die großen Vorzüge diefes ausgezeichneten, vor allen geographifchen

Handbũchern hervorragenden Werles find glei bei dem allmäbligen Gr»

ſcheinen feiner erſten Auflage im Päd. Jahresbericht mit rüchhaltloſer Ans.

496 Geographie.

erfennung begrüßt. Daſſelbe ift der Lehrerwelt mit um fo vollerer- Ueber zeugung auf das Angelegentlihfte empfohlen worden, als darin thatſaäͤchlich Alles beifammen angetroffen wird, was als Nefultat der geographiſchen Forſchungen alter, neuer und neuefter Zeit und als Frucht geiftvoller und umfichtiger Behandlung des geographifhen Naterials zur Begründung und Förderung tüchtiger geographiſcher Kenniniffe und Bildung anzufehen iR (of. Päd. Zahresberiht XI, S. 309 ff. XI., ©. 351 fi., XI, €. 303 ff., XIV., ©. 318 ff., XV., ©. 291 ff.). Es ift eine veide Bundgrube für jeden gebildeten Freund der Geographie, zumal für ben Lehrer derſelben an höheren Lebranftalten; denn es find darin die mannig: faltigften natürliden, politiihen, ftatiftiichen, geſchichtlichen und kulturgeos graphiſchen Berhältniffe niht etwa nur fo im Großen und Ganzen einer ernft wiſſenſchaftlichen Darftellung und Vergleihung unterzogen, fonbern der Verf. hat auch bis in Meinfte Details hinein mit großem Sammelfleiß, kritiſchem Takt und gebildetem Gefhmad eine Menge belebender Lanpiafts- bilder, fowie Volls⸗ und Gitten-Eliszirungen bineingearbeitet, daß das Ge: fammtbild nicht blos ſehr vervollftändigt, fondern auch illuftrirt erſcheint Welche Seiten geographifcher Betrachtung (natürliche Bodenplaftit, Bewaͤſſe⸗ rung, Mlimatifche, Productiond:, Handels:, Verlehre:, Verwaltungs:, Volls⸗ bildungs⸗ u. f. w. Berbältniffe) man bei den einzelnen Staaten verfolgen möchte, überall findet man gründliche, vieljeitige Belehrung zur Würdigung der natürlichen und ftaatlihen Bedeutung derfelben, fo dab man beim Nachſchlagen nirgends im Stich gelafien wird. Aus diefem Grunde bat denn auch das Werk felbit über die deutfchen Grenzen hinaus fchnelle Ber breitung gefunden. Der Berf. bat im 2. Theil jet nicht nur die Zahlen angaben, namentlih in den vielen Zabellen, den jebigen Berhältnifien entfprehend beridhtigt, fondern aud die Produltionsangaben ermeitert, mande Länder, 3. B. Italien, ganz umgearbeitet, und einen fiteratur: Nachweis vorangefhidt. Ohne Zweifel wird dadurd der ferneren Berbtei: tung des Wertes aufs Beſte gedient, fo daß es von Neuem mit aller Ungelegentlichleit empfohlen werden kann. Die Lieferungen 1—3 enthalten die pprenäifche Halbinfel, die Alpen: Halbinfel, die Schweiz, Frankreich, Belgien, die Niederlande, Großbritannien und Irland, die flandinavijce Halbinfel, die dänifhen Ynfeln und Dänemarl. Um Beifpiele intereijanter tulturgeographifcher PBarthien anzubeuten, möge auf ©. 60, 199, 242, 263, 337, 359, 473, 614, 797 fj. verwiefen werden. Sehr fpeciell find u. 9. die topographifgen Beſchreibungen der größten Städte ausgeführt (London, Paris, Rom, Neapel). Mit ebenfo viel Sorgfalt find die Ber kehrswege (cf. Alpen), die Handelöbewegung (cf. England), die Boden benußung (cf. Spanien und Italien) beachtet, überall eine Fülle von Belehrungen.

14. Dr. J. R. Boymann, Gymnaſfial⸗Oberlehrer: Grundlehren der

ee ab den Ge sarapbie für Gymnafien, ealſchulen und andere höhe . i

Berfafler’s.) Köln u. —B Per Fe Labs. er * Zoplit beleben

Zu dem Behrffe, die fundamentalen mathemathifch-geographifchen Ber

hältnifje der Erde und einige allgemein wichtige aſtronomiſche Berhältnifk

Geographie. 497

in wiſſenſchaftlich begründeter und doch gut verſtaͤndlicher Weiſe kennen zu lehren, dazu wird ſich das kleine Schriftchen ganz brauchbar erweiſen können, da ganz zwedmäßig conſtruirte Figuren die Erläuterungen unterſtützen. Von $. 1—7 wird die Himmelskugel und deren Gintheilung, die Firfterne, das Sonnenſyſtem, die Lage, die Beitimmung der Entfernung eines Geſtirns u. a. m. behandelt; 8. 8—12 enthalten die mathematifch » geographijchen Grundlehren, $. 13 Giniges über die Zeitrechnung im Kalender, $. 14 u. 15 etwas über den Mond und die Verfinfterungen, 8. 16— 20 Mittheilungen über die Planeten, Kometen, Sternihnuppen, Zodialallicht, Copernilanijches Sonnenſyſtem u. |. w. Die Darftellung ift eract, durch mathematijche Bes vehnungen und Nachweiſungen unterftüßt (cf. Berechnung der Entfernung und Größe eines Geſtirns) und für Gymnaſiaſten jedenfall® unſchwer ve» fländlih. Sie umfaßt zwar nur das Nächſiliegende und ftellt es als fer tige Nefultat bin, aber der fachkundige Lehrer wird daran leicht durch methodische Entwidelung noch manches Andere anzulnüpfen vermögen,

15. Dr. E. Glafer: Charatterbilder franzöſiſchen Landes unb Leb en. Seftgabe fiir Jung und Alt. Gießen, 1865. Wider. 158 ©, 20 Ser.

In dem Sinne, daß die abitracte Scheidung bes geographifchen Lehrftofis in topiſche, phyſikaliſche und politiihe Geographie nicht allzulange beibehalten, ſondern für die reifere Jugend die lebendige Einheit der Culturgeographie angeftrebt werden müfle, und geftüßt auf Grube's Ausſpruch, „ein vierzehn» jähriger Schüler müfje nicht nur die Namen 3. B. ruffifcher oder franzöfifcher Flüfle und Provinzen genau aufzuzählen willen, fondern eine klare Ans ſchauung in Bezug auf ſittlich religiöfes, geiftiges und techniſch⸗induſtrielles Leben des betreffenden Landes und feiner Leute aus der Schule mitbringen“, liefert Derf. bier bunte Bilder aus Yranlreih und aus dem Leben ber Franzoſen in möglidjjt abgerundeter Form. Er erweitert damit gemifler maßen das, was Grube in feinen „geographifchen Eharalterbildern‘ aus dem gleichen Bereich aufgenommen bat, und hat um jo lieber vie faft novelliftijche Form beibehalten, weil er dadurch am beften die lebendige Friſche der Darfiellung der benugten Autoren zu bewahren münjchte, Sranzöfifches Privatleben und feine Eigenthümlichleiten, öffentlihe Bauten und Pläße und ihre wiflenjchaftliche und künftlerifche Bedeutung, National haralter, Sitten und Anlagen der Franzoſen, franzöfiiher Cultus und Erziehung, Verdienſte der Franzoſen um die Naturwiſſenſchaften, Sprache und Geſchichtſchreibung der Franzofen und Frankreichs bisherige Politik gegen und feine indujtrielle Bedeutung für Deutſchland: das find die Hauptmomente, welde in 23 Cinzelbildern behandelt werden (3. B. Paris bei Nacht und die Boulevards, Baftillenplag, Louvre, Tuillerien, Verſailles und Montmorency, Quartier Marcel, Pantheon, Notre Dame, Neujahrstag, Klöfter, Penfionserziehung, Jardin des plantes, Aquarium im Boulogner Gebölz, Hedensarten, Induſtrie u. |. w.).

Abgeſehen davon, daß Grube mit feinem vorhin erwähnten Ausfprud ein gut Stüd über das Biel unjerer gegenwärtigen Bürgers und Neal»

ſchulen, von Volksſchulen gar nicht zu reden, hinausgreift, indem thatſaͤchlich Var. Jahresbericht. XVII. 32

498 Geographie.

eine Bekanntſchaft mit Land und Leuten in der gemeinten Art bei vier: zehnjährigen und noch Altern Schülern nicht erreicht wird, if es jedenfalls ſehr fraglih, ob Glaſer mit feiner Schrift die unferer Jugend zutraͤgliche Speiſe und den ihr angemeſſenen Ton getroffen hat. Gleich ver zweit Abſchnitt (Familienheerd) fireift fo bedenklich an geiftige Koketterie mit Phraſen, welche achtzehnjäbrigen Franzöfinnen in der Regel nicht zu Gebote ftehen dürften, und er läßt fo viel romanhafte Sympathie vurhbliden, daß deutfche Maͤdchen und Knaben wohl verlegen werden müflen. Dazu kommt, daß einzelne Scenen in einer einzelnen Yamilie unmöglich ein zutreffendes Spiegelbild des franzöfiichen Familienlebens geben können. Was Ton und Diction anbetrifft, fo ift die Entlehnung des Stoffs aus Schriften, welche durch eine gemwiffe geiftreiche Brillanz der Worte, durch herumhüpfende Ne miniscenzen aus wiſſenſchaftlichem und künftlerifchem Gebiet des Alterthumd wie der Neuzeit, durch comparative Zufammenftellungen von Urtheilen über großartige Schöpfuhrgen des menfchlihen Geiftes feſſeln wollen, jo iM ein gewiljes Haſchen nad eleganten Gffecten der Darftellung, eine Art fraw göfifcher Unftetigkeit bei der Betrachtung, eine vielfach durchblidende Neigung, politiiche Reflerionen anzubringen: dies Alles ift von zweifelhaft päbagogt ſchem Werth für unfere deutfhe Jugend. Daß jugendliche Lefer das Bud nicht flugs verftehen können, weil ihnen die zahlreichen Beziehungen au allerlei Erſcheinungen des Geiſtes⸗ und Kunſilebens unmöglich bereits be kannt find, ift der geringere Schaden; befonnene Pädagogen balten von ihnen gern alles fern, was zu lederhaftem Gelüft verführen könnte. Die gilt u. 9. von den Abfchnitten 5—11; in ähnlicher Weife gilt die nicht ausreichende Leichtverftänvlichleit für das 12., 19 21. Kapitel, währen Abſchnitt 14, 15 noch lange kein treues Bild der franzöfifhen Kloͤſter und der Penſionats⸗Erziehung abgeben, und bie Abſchnitte 16 38 mehr nalur wiſſenſchaftliche Vorkenniniſſe erfordern, als unfere Jugend erworben haben kann. Alſo „für Jung‘ paßt diefe „Feftgabe” wenig; ob „für Alt“ das ift Gefhmadsjahe und bier nicht zu erörtern. Grube würde bes Büchlein ſchwerlich für eine adäquate Fortſetzung feiner „Charalterbilde” anzujeben geneigt jein.

16. Dr. DO. Hübner, Director des flatififchen Central⸗-Archivs: Statifiſche Tafel für alle Länder der Erbe. 14. Aufl. ber dentſchen Aucgebe 1865/66. Kranffurt a. M. Bofelli. Ein Blatt in Rieſenfolio. 5 Spt.

Ueber die 13. Aufl. diefer Tabelle, melde zwar vornehmlich für Kauf leute beachtenswerth, aber in mehreren Beziehungen Behufs rafcherer Ir gleihung ftatiftifcher Verhältniſſe auh für Lehrer nützlich ift, murbe M Päd. Zahresberiht XVII., ©. 278, berichtet. Im Wefentlichen if die Einrihtung unverändert geblieben, nur die Bahlenangaben find der neufks Zeit entjprehend abgeändert. Künftig werden vorausfichtlidy bedeutendeit Veränderungen für Deutfhland erforderlih werben.

17. 3. Straube: Methobifher Handatlas zum "Kartenzeiäntl für Schulen. Berlin. Straube (Blumenftraße Nr. 82). In Commiffien bei Plahn⸗Sauvage. 1865.

Gesgraphie. 499

Ueber viefen Atlas ift im Pad. Jahresbericht XVL, S. 248 fi. und XVIL, S. 290, ausführlicher berichtet und feine eventuelle Verwendbar⸗ keit im praltiihen Schulunterricht in höheren Schulen erörtert. Hier fei nur angemerlt, daß noch eine anfprechende Repetitionslarte für Deutſchland binzugelommen ift, welde in gleiher Ausführung (Meere blau fchraffirt, Fluͤſſe blau, Gebirge braun in Tuſchmanier) ein nußbares Wiederholungs:Hülfsmittel darbietet. Sie ift ohne alle Namen und Gtäptes zeichen, enthält aber in feiner Punltirung die bisherigen, nunmehr aller dings theilweife antiquirten Ländergrenzgen. Bon demjelben Lithographen entworfen unb gezeichnet ift auch neh eine Gifenbahnlarte von Mittel:Europa erfhienen, welche auf. einem Niejenblatt ſaͤmmtliche mitteleuropäifchen Bahnlinien und zwar mit Angabe fämmtlicher Gifen - bahnſtationen enthält. Da die officiellen Materialien der Gifenbahn« Directionen dabei benußt find, jo darf eine correcte Bollitändigfeit erwartet werden. Trotz des großen Formats der Starte fehlt ed doch nicht, daß auf den Linien im mittleren heile des ganzen Gebiets, namentlich im Bereich des Nheins, der Weſer und Elbe und ihren Verbindunäsftreden, und ebenjo im PosGebiet, die Stations⸗ Namen ungemein gedrängt ſtehen und ben raſchen Gebraudy der Karte erjchweren. Die Billigleit des Blattes in kithographifcher Ausführung muß dieſe Mibftände etwas vergeflen laſſen.

Shlußbemerlung.

Gegen die Fülle der Beſprechungen literariiher Erſcheinungen auf geographiihem Gebiete ftehbt das Wenige, was dies Mal dargeboten werben kann, ſehr mertlih zurüd. Daraus einen Schluß auf die Spärlichleit der neuen Griheinungen im Jahr 1865 machen zu wollen, hieße das Nichtige verfehlen und die beengenden Umſtaͤnde vergeſſen, unter welchen es dies Mal unmöglid war, diefen Grideinungen mit der früheren ſammelnden Gorgfalt zu Werke zu geben, ja nur überhaupt ihrer anfightig zu werben. Es fieht in Gottes Hand, ob es nod einmal verftattet fein wird, die feit einer durch zwanzig Jahre hin fortgefebten und wie gern eingeftanben wird, mit Aufopferung und Hingabe verfolgten Arbeit aufnehmen und auch nur zu dem Abſchluß bringen zu können, welder in der recapitulivens den Ueberſchau der Ergebnifie früberer Darfiellungen gefunden werden dürfte.

Anhang. Bearbeitet von Auguſt Lüben.

1. Die Wunder des Himmels ober gemeinfaßliche Darftellung bes Welt- ſyſtemes. Bon 3. v. Littrow. Fünfte Aufl. Nah ben neueften Ertieritten ‚der Wi enichaft Bearbeitet von Marl dv. Lit ittrow, Director der Sternwarte und Profefior der Aftronomie an ber k. E Univerfität Wien. Mit 10 kith. Tafeln und 147 Holzfhnitten. gr. 8. (XVII u, 1033 ©.) Stuttgart. ©. Weife, 1866. 34 Thir.

32*

600 Gesgraphie.

2. Atlas bes gefirnten Simmels. Heransgegeben von v. Littren

Dritte Aufl 1.—4. Lieferung. Ebendaſelbſi.

Es wird genügen, die Lefer auf das Vorhaudenſein dieſes Werks aufmertfam zu machen, defien Titel wenigftens keinem Lehrer unbelannt H. Wir münfhen ihnen aber mehr, als eine Titel-Bekanntſchaft. Die „Zur der des Himmels“ find in der That fo auferorbentliher Art, daß ie @ebildete davon Act nehmen muß, und etwas davon muß auch in ber legten Dorffchule gelehrt werden. Die Fortfchritte, melde im ven lebten Decennien auf dem Gebiete der Aftronomie gemacht worden, find außer: ordentlih und nur vom Manne von Fach zu überfehen; wer ſich, mie dr große Mehrzahl der Lehrer, nur nebenbei mit Aſtronomie befehäftigt, bleibi ohne Kennmiß derſelben und lehrt möglicherweife in der Schule nad einen ‚älteren Buche Dinge, deren Nichtigkeit durch die neueren Forſchungen be reits erfannt iſt. Dagegen fihert das Studium biefer Schrift. Der jebige Herausgeber ift ein fehr tüchtiger Aſtronom, wie ſchon feine amtlide Stellung erwarten läßt. Es konnte ihm daher keine aſtronomiſche Get: dedung von Belang entgehen. Bu dem hieraus fich ergebenden Borzugt des Buches kommt noch ein zweiter, fehr wichtiger: daß es nämlich durd» weg populär gejchrieben ift und alle fhwierige aſtronomiſche Berechnungen ausſchließt; es kann daher auch von denen verftanden werden, welchen das höhere Rechnen unbelannt iſt. DBeigegebene und eingebrudte Abbildungen tragen ohnehin zur Veranſchaulichung bei.

Der „Atlas des geflirnten Himmels” ift zwar ein felbftftänbiges Merk, darf jedoch als ein Supplement zu der vorflehenden Schrift angeſehen werden. Gr wird in 6 Lieferungen (& 5 Sgr.) vollendet fein. Bu des fauber ausgeführten Zafeln gehört ein ausreichender Tert.

3. Aftronomifhe Jugend⸗Abende von S. Seiffart. 8. (VIn. 1606)

Berlin. €. Heymann’s Verlag (A. E. Wagner), 1865. 1 The.

Dies Werkchen enthält in zehn Abfchnitten die Glemente ver Afır- nomie in einer für die Jugend faßlihen Darftellung. Alle Abfchnitte ent: balten ziemliche zahlreiche, gut ausgeführte Abbildungen. Neben den Dar: ftellungen einzelner Sternbilver findet fi nod eine Sternlarte. Wir halten das Buch für 14—16jährige Schüler ganz geeignet.

4 Die Wunder ber Gternenwelt. Illuſtrirte Aftronomie für Leim Bon U. Buillemin. Mit farbigen Kupfern umb vielen Holzſchnittes. gr. 8. (501 ©.) Berlin. R. Shlingmann, 1865. 2 Thlr.

5. Der Dcean und feine Geheimniffe und Wunder. Bon Arte Mangin. Mit farbigen Kupfern und vielen Holzfchnitten. gr. 8. (309 ©) Ebendaſelbſt, 1866. 14 Thir.

6. Die Erde und das Meer. Illuſtrirte phyſiſche Geographie. it fer bigen Kupfern und vielen Selsfenitien. gr. 8. (IV n 410 5) de daſelbſt, 1866. 2 Thlr. "

. Das Reid der Luft. Bon Arthur Mangin. gr. 8. (IV x. #326) Ebendaſelbſt, 1866. 1% Thlr.

‚- Die vorfiehenden vier Schriften führen den gemeinfamen Titel „Weltall“ Sie find „für die veifere Jugend und für Alle, melde das große Bud du

4

Geographie. 501

Natur ſich erfchließen wollen”, beitimmt. Ihren inhalt geben die Titel im Allgemeinen an. Wir fügen zu ihrer Empfehlung in den Streifen ber Bollsfhullehrer hinzu, daß jede diefer Schriften ihren Gegenftand faſt er- Ihönft, daß ohne Ausnahme die neueften Beobadhtungen aufgenommen, die beften Schriften benußt worden find, und daß die Darftellung im beiten Sinne des Wortes populär, doch anziebend if. Die Abbildungen, auch die naturbiflorifchen, die fih namentlih in Nr. 5 und 7 zahlreich finden, find gut, wie überhaupt die ganze Ausftattung ſich empfiehlt.

B. Meyer's Hand⸗Atlas der neuefen Erbbeihreibung. 40.—42. Lieferung. gr. Folio. Hilbburghaufen, Berlag des bibliographifchen In⸗ Rituts. 3 Thlr.

Diefe drei Lieferungen enthalten auf 6 Blätten: das Kaijerreich Merilo, Südamerika, füpliher Theil, Württemberg, Baden und Nheinpfalz, Polynefien, Borderindien und SHinterindien. Die Karten find fänmtlid 1865 von E. ©. NRävenftein in London entworfen, dürfen daher ala fehr zuverläffig angefeben werden. Räume, welche das Hauptbild leer ließ, find forgfältig benugt worden durch Detaildarftellungen. Die Ausführung im Stich ift fauber und für das Auge wohlthuend. Der Atlas kann ſich daber ven beiten feiner Art zur Seite ftellen.

9. Karte von Paläfina von ©. W. M. van der Velde. Deutiche Ausgabe nach der zweiten Auflage ber „Map of the holy land.‘ Maf- fab: 1: 315000. Acht Blätter in Farbendruck. Gotha. Juſtus Pertbes, 1866. 24 Thlr. Aufge. in Mappe 35 Thlr.

Die Karte von Paläftina nimmt unter den beften feiner Art die erfte Stelle ein. Ihre Angaben find fo richtig, wie eine Karte, für deren Dar: ftellung die vorzüglichiten Geographen thätig geweſen find, fie nur bringen kann. Die Ausführung ift ungemein fauber und durch den Farbendrud, der das Tiefland grün, das Hochland mattbraun barftellt, für das Auge ſehr wohlthuend. Schulen, die noch nicht im Beſitz einer guten Karte von Baläfiina find, machen wir daher befonders auf die hier genannte auf: merkſam.

XL. Geſchichte. Bearbeitet von A. Petſch,

Lehrer in Berlin.

Vorbemerkungen

über Geſchichte und Gefchichtsunterricht.

Nah dem Inhalte der meiften pädagogifhen Zeitichriften, fowie nah den Programmen paͤdagogiſcher VBerfammlungen foweit dem Schreiber dieſes foldhe zur Kenntniß gelommen find zu urtheilen, ftanden Geſchichte und Geſchichtsunterricht nicht gerade im Mittelpuntte des Denkens der deut: ſchen Lehrerwelt. Die Zahl der Aufſätze, die fih mit dem genannten Ge genftande befhäftigen, ift in allen dem Referenten befannt gewordenen pä: dagogiſchen Blättern verhältnißmäßig gering, und in den Programmen ber meiften größeren Berfammlungen kommen Themata dieſes Inhalts über haupt gar nit nor. Und doch, wie bedeutend ifl gegenwärtig in ber deutſchen Literatur überhaupt das der Geſchichte zugewandte Intereſſe, wie mächtig gehen in unferen Tagen die Wogen der Geſchichte felbfi !

Allerdings ift auf diefem Gebiet zu einer lebhajteren Discuffion inner balb der pädagogifhen Welt nicht fo viel Stoff und Beranlaflung vorhanden, ald auf einigen anderen Gebieten des Schulunterrichts. Tie Meinungen geben bier nicht fomweit auseinander, wie in Betreff z. B. dei Religions » und des Spracunterrihte. Ueber gewiſſe Principienfragen f man zu einer annähernd allgemeinen Webereinjtimmung gelangt. Darm ift es ganz natürlih, daß die Arbeit der Pädagogen in der Schule und in der Literatur ſich mehr auf die Ausführung der vorhandenen Ideen, al auf die Revifion und Bereicherung des vorhandenen Ideenſchatzes gerich⸗ tet bat.

Wenn man die Yeußerungen der pädagogiihen Schriftfieller während des verflofienen Jahres überblidt, jo ſcheint fih im Allgemeinen eine ge wife Ausgleihung der Anfichten, eine Abſchwaͤchung der Ertreme zu vol: ziehen. Die weit aus einander fahrenden Anfichten früherer Jahrjehente

Gefchichte. 503:

tommen allmälig in altbewährte Geleife wieder zurüd. Die „biographiſche“ Methode wird nicht in aller Strenge mehr durchgeführt. Wurden vor eini⸗ gen Jahren Stimmen laut, welche die Gulturgejhichte in den Vorbergrund flellen und den Untersiht mit Schilderungen über Sitten und Lebensweiſe der Bölfer beginnen wollten, fo legt man jebt wieder das Hauptgewidht auf bie Handlung, und aufdie Erzählung derjelben. Die Begeijterung für die bloße Zerritorial: und Localchronik und für die daraus erwachſende „engere Baterlandsliebe verſtummt allmälig gegenüber dem Verlangen nah wirk— liher Geſchichte. Die Vereinigung der Gefhichte mit der Geographie, und das Herauslejen derfelben aus dem Leſebuche findet feine jo warmen Bertheidiger mehr, wie ehedem. Auch mo man gegen bieje Grfindungen der neueren pädagogiſchen Aera nicht offen und direct auftreten mag, ſucht man doch mit guter Art und mit Bewahrung des Scheins dem als un: zwedmäßig Crlannten auszuweihen. Während jo der über jeine Ufer ges getretene Strom der Meinungen mehr und mehr in fein natürliche Bett wieder zurüdtritt, find allervingd auch vereinzelte Aeußerungen ganz radis caler Natur vorgelommen, die aber, weil fie von dem gewöhnlidhen Ideen⸗ gange zu weit ab liegen, für die Beurtbeilung des Ganzen nit maßgebend fein können, auch ihrer Kremdartigteit wegen nicht von großem Einfluß, wenigftend nicht von unmittelbarem auf bie literariiche Production und die Schulpraxis fein werden.

Zu diefen Aeußerungen muß wohl ein Artilel der „Berliner Blätter‘ gezählt werden, der gegen nichts Geringeres als gegen die Welt gejchichte überhaupt als Lehrgegenſtand der Volksſchule gerichtet iſt.

1) Ein Mitglied des Evangeliſchen Schulvereind hatte ſich beklagt, ed werde in der Volksſchule zu wenig Zeit auf die NRefor: mationsgefhihte verwandt. Sin Folge deſſen find von dem genann- ten Verein einige Fragen aufgeftellt worden, Nämlich:

1. Bo ift in der einklaffigen Elementarfhule die Re: formationsgefhihte am beften einzuſchalten?

2. Iſt e8 wünfchenswerth, in einer mehrklaſſigen (kann’s fein, auch in einer einllaffigen) Elementarfhule aud andere wihtige Stüde aus der Geſchichte der criſtlichen Kirche den Kindern mitzutbeilen, und wo wäre eine jolde Mittheilung anzubringen ?

3. Erſetzt das bloße Leſen folder Stüde aus der Geſchichte der dhrift: lihen Kirche die mündliche lebendige Mittheilung verjelben durch ben Lehrer ?

Ueber dieſe Fragen läßt nun Hr. Büttner in Nr. 46 der „Berliner Blätter (Jahrgang 1865) fich folgendermaßen aus: „Für das Chri: ftenvolt bat das Erzählen der Weltgeſchichte nur injomeit Sinn und Segen, als fie Geſchichte der Gottesoffenbarung ift, die Geſchichte des in der alten Zeit vorbereiteten Gottesreiches. Das Menſchliche in ner Weltgejhichte, Holz, Heu, Stoppeln, gehört nicht in die Bollsihule; fie hat nicht den Beruf, in alle menſchliche Schwaͤchen

504 Geſchichte.

und Gebrechen, Sünden und Verbrechen einzuführen und dann gu fuchen, ob fi in der Spreu ein gutes Weigenlorn auffinden und zum Geelenheil verwertben laſſe, fondern Gold, Silber und Edelgeſtein, das fi im euer bewährende Menſchenwerk in der Weltgeſchichte foll die Volksſchule lehren, fofern e3, gottgegeben und geweiht, zum Ausbau feines Reiches förderlich und dienftbar gemefen. Dann wird das Boll auf dieſer feiner einzigen universitas litterarum in der Schule Gott ald den ewig walten: den, ewig ſchaffenden und regierenden fennen und verebren lernen, daß es ihn überall und allezeit fürdte und liebe.”

„Gemeinhin tbun wir jo, als wäre bie Gottesoffenbarung im erften Pfingſtfeſte auf Erden abgeſchloſſen, als ließe Gott jeitvem die Völler und Fürften in abfoluter Laune und Willlür falten und walten, und würde nur dereinft einmal wieder erwachen, um zum ſcharfen, unerbittlihen Zorn⸗ gericht dreinzufahren.” „Die gefammte Weltgeſchichte if Gottes Dffenbarerin, ift das unerbittlide Gottesgericht.“

Bon diefer Gottesoffenbarung in der Weltgefchidhte vor, in und nad Chrifto muß auch das Volkskind ein Mares, geiftverftändliches, herzergreifen: des Gefammtbild in fein oft fo ödes, triftes, geift« und herzloſes Arbeits« leben mitbelommen. Es ſoll überall und allegeit ſpüren: „Sn ibm leben, weben und find mir!" „Ohne Kenntniß der Weltgeſchichte bleibt ung auch die Bibel troß aller nod fo feinen Grpli: eationen, troß alles Dogmatifirens und Memorirens ein mit fieben Siegeln verfhlofjenes Bud.”

„Die Volksſchule treibt Baterlandsgefhihte: Diefe aber if nur ein irgendwo berausgewachfener Aft der Allgemeingefhichte: Sie will Reformationsgeſchichte treiben: dieſe aber ift nur ein in ven Lebensbaum eingefügtes Edelreis, an und für ſich völlig boden⸗ und finnlos, total unverſtändlich und in feiner abgerifienen Sfolirtheit fogar ſchädlich. Das Marliren der Reformationsgejhhichte, als der Geſchichte des Widerſpruchs und Kampfes wider die römifchelatholifhe Kirche, ſchafft ganz abgejeben von ihrer Unverftändlichleit miderdriftlihen Haß und Verachtung der anderen Neligionsgemeinihaft, indem fie und zum Phari⸗ fäismus, der Cigengeredhtigkeit und Selbftüberhebung in geiftlihen Dingen treibt. Das Forciren der VBaterlandsgefchichte, zumal wenn, wie gemöhn lich, die brudermörderiſchen Schlachtgeſchichten mit ganz befonderer Borliebe flammend erzählt und die blutvampfenden Kriegsfürſten auf Koften der pal⸗ menumſtedten Friedensfürſten über Gebühr erhoben und glorificirt werben, erzeugt hrififeindlihen Nationalhaß, reproducirt das engherzig jũdiſche Pripcip der Nationalität, treibt zu Gigengerechtigleit und Selbftüberbebung in weltlihen Dingen” u. |. m.

Daraus ergibt fih für den Geſchichtsunterricht in der Boltesfchule Folgendes :

1. „Die Reformationsgefhiähte für fih allein gehört night in die Volksſchule. Ohne Kenntniß der vorangegangenen Reichs⸗ geſchichte ift fie boden» und ſinnlos. Sucht fie aber ein Lehrer dur Aufzählung einer Menge von Irrthuͤmern und Sünden ver roͤmiſchkathe⸗

Gefchichte. 505

fifhen Kirche zu motiviren, fo erfcheint dieſe durch die-fummirte Häufung aller nur moͤglichen Verirrungen und Schlechtigkeiten, deren Entftehung ganz unerliärt und unbegreiflich bleibt, ald wahres Bild der Finſter⸗ niß” u. |. w.

2. „Die Bollsfhulefollvernünftigerweije alle Haupts- momente der Reichsgeſchichte Gottes darbieten.” Der Her Verf. deutet nun kurz diefe Hauptmomente an. Wir mollen nur Giniges daraus hervorheben. „Zuerſt muß die Kirche um ihren irdifhen Beſtand ringen, dies dauert bis zur Belehrung Gonftantin’s ; fodann muß dieſelbe, nachdem fie fih von Eeiten der weltlihen Macht Duldung errungen hat, fi dieſe felbft unterwerfen, muß ſich jelbft als Weltmacht conftituiren. Dies geichieht allmaͤlig, bis zur Vollendung durch Gregor VII., ven „Herrn der Herren. Sin den Kreuzzügen und in der welterobernden Mifs fion feiert die als Weltmacht conftituirte Kirche ihren höchſten Triumph. „Die Erjheinung des römischen Katholicismus ift darum nicht gottwibrig, fondern gottgeoronet und geweiht. „Die Kirche arbeitet nunmehr an ihrem inneren Ausbau. Menſchliche Irrungen ſchleichen fih ein” u. ſ. w. In dieſer Weiſe ſollen dem Schüler die wichtigſten Greigniffe vorgeführt werden, und angeſchaut werden bauptfählih in ihrem Verhaͤltniß zur chriftlichen Kirche.

3. Die Volksſchule kann diefe Aufgabe erfüllen, fie muß es fönnen, weil fie es foll*), Das roh empiriihe, gedans tens und zuſammenhangloſe Aneinanderreihen von Thatfahen muß aus dem Geſchichtsunterricht verbannt fein. Es muB überall Sinn und Berftand, innerer göttli nothmwendiger Zufammenbang, ja eine ‚folhe lebendige Eins beit fein, daß die gefammte Weltentwidelung im geſammten Menſchenge⸗ ſchlecht als der lebenvige Leib Gottes erfannt wird.” „Frei⸗lebendiger Vortrag, der allein Leben erzeugt, ift durchaus nothwendig.“ „Das bloße Lefen im eingeführten Leſebuch hilft nit nur Nichts, fondern ſchadet ge: radezu. „Dazu kommt, die eingeführten Leſebücher bringen meift blutjam⸗ merwenig (!) von der Reichsgeſchichte Gottes. Man hat's eben nicht für nöthig gehalten.” Der Herr Berf. erwähnt ein Leſebuch, meldes auf 17 Seiten die Reformationsgeſchichte erzählt, „ohne daR für die Reformation irgend ein anderes veligiöfes Motiv angegeben würde, als: „Luther ſah von Wittenberg mit Zorm auf den Ablaßunfug.” „Er glaubte, weil er Doctor der heiligen Schrift fei, jo müfje er gegen ſolch ſuündliches Treiben ei ern.‘

„Du mein Gott! Mit diefem Motiv foll fi das Volkskind die Ne formation erllären. Eo lernt kein Menſch diefe urgewaltige Weltbewegung verftehen ! Das Kind lernt nur aus den Duisquilien der Menſchengeſchichte Gott ignoriren, die Menfchen bafien und verachten. lernt fih mit Abſcheu von einer gottlojen Welt abwenden, deren Geſchichte vornehmlich aus Raubs und Mordgeihichten befteht.‘'

®) Grinnert tein wenig an bie belannte Nebensart zur Kenmeichnung bes ruſſifchen Müflene,

506 Geſchichte.

4. Der Here Verfafler will, daß die Geſchichte als Einheit und im Bufammenbang begriffen und erfaßt, daß alles Aphoriftiiche, Zeritüdelte, Bufammenhangslos » Zufällige im Geſchichtsunterricht unterworfen Werbe.” Darum will er keine gelegentlihe Antnüpfung an das Kirchenlied. „Das zufällige Anknüpfen von Allem an Alles verwirrt den Geiſt.“ „Es if eine Sünde gegen das Volkskind, als ob's von Haufe aus bümmer waͤre, als das Kind der höheren Stände, ja ald ob es ſchwachköpfig unb blöd: finnig wäre, wenn man ihm nicht ebenfogut die Kraft des planvoll-zu- fammenbängenben, ſyſtematiſchen Denkens zutraut, wenn man es wie einen Albino (2?) oder Halbafien behandelt.“

Man fiebt, der Herr Berf. gebt in feinem Artikel den gewöhnlichen Anfihten über den Geihichtsunterricht, ſowie der deutſchen Grammatit hery baft zu Leibe (die ſtelienweiſen Ausfälle gegen die Logik find zwar nicht minder energiſch, aber ein wenig verftedter).

Wenn nad den eigenen Worten des Verfaflerd, die Bibel nicht obme Weltgefhichte, die Reformation nicht ohne die voraufgegangene Geſchichte, die vaterländifche nicht ohne die allgemeine Geſchichte, wenn überhaupt das Ginzelne nicht außerhalb feines natürlihen Zufammenbanges zu verftehen ifl, wie will man da aus der Summe alles Geſchehenen die Geſchichte des Reiches Gottes ausfondern aus dem, was blos menſchlich (Holz, Gtuoh und Stoppeln u. |. w.) ift? Wer möchte bier die Ausleje machen ? Die Geſchichte umfaßt Alles, was die Entwidelung der Menjhheit angeht, und was ber Verfafier die „Neichögefchichte Gottes‘ nennt, ift Tein unweſent⸗ liches Clement derſelben. Und wuͤrde dieſes Clement vernachlaͤſſigt in bez Geſchichtserzaͤhlung, fo könnten wir eine ſolche nicht für eine rechte Ge⸗ ſchichtserzaͤhlung anerkennen.

Neben den auf dieſen Punkt bezuͤglichen, ſehr zweifelhaften Sätzen ent⸗ bält der Artikel viele gewiß recht freffende Bemerlungen über manches Ginzelne. Daß er die vaterlaͤndiſche Geſchichte auch wie jede andere Geſchichte als etwas Menſchliches zumeilen etwas jehr Menſchliches anfiedt, und nicht, wie ein anderer Autor, als eine Duelle, aus ver ein „futliches Heil” entwidelt werben könnte, daß er die häufig ſehr ungenügende Dar: ftellung der religiöjen Berbältnifje, namentlid ber Reformationsgeſchichte, tadelt, daß er den lebendigen Vortrag des Lehrers verlangt, und die Me: nung verwirft, als könnte das Kind der Volksſchule nur ganz wereinzelte Broden aus der Geichichte verjtehen, dies alles find Dinge, denen man ſehr wohl zuftimmen kann. Vollkommen richtig ift ed ferner, daß jedes Herausreißen eines Stüdes der Weltgefhichte aus dem Zuſammenhang (fe ed Reformations⸗ oder vaterländifhe Gejhichte) nur eine unvolllommene, einfeitige Einfiht gewährt. Nur wird man fih in einfaden Elementar ſchulen vielfad mit dem Unvolllommenen begnügen müflen, weil ein Pie reres nicht erreichbar iſt.

. 2) Während in dem fo eben citirten Aufſatz eine Scheidung des well: hiſtoriſchen Materials in Göttliches und Menſchliches, gefordert, und dos

Geſchichte. 507

letztere aus der Volksſchule verwieſen wird, beantragt ein anderer Artikel eine ähnliche, ebenſo willtürlihe und unmöglihe Scheidung, nur nad einem anderen Gintheilungsgrunbe.

In einem Artitel des Schulblattes der Provinz Sachſen (1866 Rt. 1), . betitelt: „Unterrit in der vaterländifchen Gejhichte nad Umfang und Methode für die obere Klaſſe einer höheren Bürgerfchule” heißt ed u. „die Liebe zum Vaterlande fol den Herzen erft eingepflanzt werben ; fie bat noch keine beftimmte Geftalt gewonnen. Welchen Stoß würden Liebe und Pietät erhalten, wollte man geiftig unreife Kinder zu Mitwiflern menn auch längft vergebener und verbüßter fchwerer DVergehungen der Eltern maden! Wie verkehrt und gefährlih märe alſo ein Unterriht, der das Kleinlihe und Niedrige vor oder neben das Hervorragende und Erhebende ftellte I Oper follte etwa das Ausmalen der Sünde in ihrer Häßlichleit einen heilſamen Schreden und Abſcheu vor gleihem Thun ven Sinverherzen einflößen ? Hat ſich nicht die Abfchredungstheorie im Lauf der Jahrhunderte, weil gerade das Gegentheil des beabjichtigten Erfolges berbeiführend, als ver« derblich erwiefen? Iſt es nicht ein anerlannter Erziehungsgrundſatz, den Kin⸗ dern nur gute Mufter vorzubalten ? das Gute muß die Atmofphäre fein, in 'der die Kinder athbmen. Denn das Gute ftedt auch an. Darum vermwerjen wir als unbeilftiftend die Mittheilung des Unfittliben und Gemeinen, vor zuglich für die Jugend!“ Gewiß find diefe und derartige ehemals häu« figer, als jebt vorlommende Mahnungen redht gut gemeint, vielleicht jo» gar veranlaßt durch eine Ausfchreitung nach der entgegengefeßten Seite bin, nämlid durd ein haͤmiſches, geflifientliches Hervortehren aller Schattenjeiten, aber im Grunde genommen ift das Eine jo vermwerflich wie dad Andere, obſchon jenes, als der Ausfluß einer wohlwollenden Gefinnung, eber zu ent« ſchuldigen ift, als dieſes. Gedichte ift nun einmal Gefhichte, was geſchehen ift, das ift geſchehen, und die Motive, aus denen die Handlungen geflofien, find zum größten Theil gemeine, egoiftiiche, und nur ausnahmsweiſe gute ober gar großmüthige. Der Geſchichtslehrer muß erzählen, was geſchehen, wie und warum es geſchehen ift, nach beitem Willen. Soll er eine Auswahl treffen, weil er nicht Zeit hat, Alles zu jagen, fo mag er das minder Wichtige vom Weſentlichen und Wictigften ausjcheiden, aber nicht das Böſe vom Guten. In jedem Charakter mischen fi eigenthbümlih Licht und Schatten, und bie Art und das Verhältniß, wie fie gemiſcht find, macht eben die Eigenthüm⸗ lichteit des Charakters aus, Wer viefes Verhältniß verändert, der fälſcht die Wahrheit, ob durch Bufaß oder durh Weglafiung eines weſentlichen Momentes, das ift beinahe gleichgültig. Sollte es wirklich fittlide Ge fahren für den Schüler mit fih führen, ihm Welt und Menſchen zu zeigen, wie fie eben find, jo jtreihe man lieber die Gefchichte vom Lehrplan, aber ein Carricaturbild in usum Delphini made man nit daraus.

Es bat mit der vorhin ausgeſprochenen Befürchtung auch gar keine Noth. Nicht das Böje, welches in jedem unverborbenen Gemüth Abſcheu erregt, seizt zur Nahahmung ; Niemand liebt das Böfe an ſich, fondern hoͤchſtens das Object, weldhes er durch eine böfe Handlung zu erreichen gebenlt.

Der beite Dienft, den der Gefchichtsunterricht dem Schüler leiften kann, ift der, daß er ihm eine Vorſchule zu der im Leben nothwendigen

508 Geſchichte

Welt: und Menſchenkenntniß wird. Die Schule würde dem Knaben einen ſchlimmen Dienft erweifen, wollte fie ihn durch eine Geſchichte voll lauter Edelmuth zu der Meinung veranlafien, als wäre die Welt, in die er nad einigen Jahren treten fol, ein Wohnplatz für Heilige, Edle und Gerechte. Die Enttäufhung, die binnen kurzer Zeit nicht ausbleiben könnte, würde, wie dis zu gefcheben pflegt, ihn aus einem Ertrem in’3 andere treiben und ihn mit einer Grbitterung erfüllen, die ihn das noch vorhandene Gute verkennen ließe.

3) Mehrfach finden wir in den vor uns liegenden padagogiſchen Zeit⸗ ſchriften die Forderung wiederholt, daß als vaterländiihe Geſchichte bie deutſche Geſchichte gelehrt werben folle, nit die Specialgeihichte der engeren Heimath. In einem, weiter unten genauer citirten Artilel aus dem „Centralblatt für die Preußifche Unterrichtsverwaltung” wird es geta- delt, daß der Verf. eines hiftoriihen Lehrbuchs für preußiſche Seminariften die deutſche Gefhichte mit dem meftpbälifchen Frieden abbrede, und von da an nur preußifhe Geſchichte erzähle. Im „Sculblatt der Provinz Sachſen“ (Nr. 21, 1866) heißt es: „Unter vaterländifher Geſchichte if nicht allein brandenburgifh:preußifche, fondern deutſche Geſchichte zu verftes ben.” Bon einem meiterhin näher befprohenen Buche „Geſchichte des Landes Anhalt” von Heine befürdtet ein Recenfent des Sähfiihen Schul blattes die Beeinträhtigung der deutſchen Geſchichte u. ſ. w. Soviel dem Schreiber Dieſes befannt ift, wird in vielen deutſchen Volksſchulen allgemeine veutfche Gefchichte gelehrt ; in den größeren deutſchen Staaten dagegen hat man, aus leicht erflärlihen Gründen, meift die Geſchichte der engeren Heimath bevorzugt. Wollte Gott, daß die Entmwidelung, an deren Schwelle wir zu fliehen fcheinen, binnen Jahresfriſt dahin gediehe, die Erfül- lung dieſes Munfces als etwas Selbſtverſtändliches berbeizuführen.

Die deutſche Gefchichte für Volksſchulen gut zu bearbeiten, ift gewiß nicht leicht, und man muß den Echulen Gfüd mwünfchen, die den geſchicht⸗ lihen Unterriht mit der dem Knaben meit näher liegenden alten Ge Schichte beginnen können. In der deutihen Gefcichte, mit Ausnahme ver neueften, fehlt ed, verglihen mit der griechiſch⸗roͤmiſchen und mit der einiger anderer europäijcher Länder, ſehr an beftimmt ausgeprägten leitenden Perſönlichkeiten, an charakteriſtiſchen, mit dramatiſcher Lebendigkeit fi abs widelnden Begebenheiten. Cs ift fo viel Nebulofes, Verſchwimmendes in der mittleren deutſchen Geſchichte (abgefehen davon, daß überhaupt alles fpecifiih Mittelalterlihe dem Verſtändniß der Gegenwart ungemein fern fteht). Zwar gibt es ausgeprägte Charaktere, bedeutende Handlungen ge: nug, aber bald bei diefem Stamm, bald bei jenem; man bat es dabei ſel⸗ ten mit dem Ganzen zu thun. Es gibt Lehrbücher der deutſchen Geſchichte, die auf 20 bis 30 Dctavjeiten von den Hohenftaufen und dem Interregnum erzählen und dabei im Ganzen kaum einige Seiten lang von Deutſchland fprehen. Konrad III.? Kreuzzug! Frievrih Barbarofia ? Italieniſche Feld züge ! Kreuzzug! Heinrich VI? Stalienifhe Angelegenheiten! Neapel! Fried rih IL? Lebt faft nur in und für Stalien; Streit mit den Päpften, den Iombardifhen Etädten und Kreuzzug. Endlich die letzten Hohenſias⸗ fen ? Kämpfe in Italien. Was in Deutſchland vorgeht, wird nur bei

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läufig erwähnt. Bon ver Beit des Interregnums pflegt nicht allguniel ges fogt zu werben. Die Wahl der ausländifchen Kaiſer fowie dann vie „lais Ieiofe, die fchredliche Zeit” werden mit einigen üblichen Redewendungen bes lagt.

„Deutſchland“, jo ungefähr läßt ein politiſches Blatt ſich dieſer Tage vernehmen, „ilt von jeher ein eigentbümliches Land gewejen. Es fehlte ihm auch in der Zeit feiner Blüthe Manches, mas jonit ald conditio sine qua non eines politiihen Organismus betrachtet wird: es hatte feine Grenzen, die man beftimmt hätte angeben können, feine politiihe Verfaſ⸗ fung, wenigitens feine, die jemald unangezweifelt in voller Wirkſamleit gewejen wäre; ed hatte nicht einmal einen officiellen Namen, bei dem ein vernünftiger Menſch fih Etwas hätte denlen können (denn das heilige rös miſche Reich deutfcher Nation enthält eine Unmahrbeit und einen Wider ſpruch des einen Attributs gegen das andere).

Die Geſchichte einzelner Stämme, vor allem die brandenburgiſch⸗preu⸗ ßiſche, hat freilid außer dem geringeren Umfang den Zuſammen⸗ bang, den ftetigen Yortichritt der Entwidelung, das ſcharf Abgegrenzte des Materials und vor allen Dingen das häufige Hervortreten charalteriftiicher leitender Perfönlichleiten voraus (während umgekehrt von mandem deut: ſchen Zerritorium, bald in dieſe bald in jene politifche Gemeinjchaft und Bewegung mit bineingerifien, eine zuſammenhaͤngende Geſchichte kaum zu ſchreiben ift).

Zroß aller dieſer Schwierigkeiten, die bei der beihränlten Stunden» zahl für den Seichichtsunterriht in der Volksſchule doppelt fcharf hervor: treten, muß die Aufgabe gelöft werden. Vielleicht ift es für eine glüdliche Löfung derfelben rathſam, den mittleren Theil der deutfchen Gejchichte etwas minder ausführlih zu behandeln, um für die neuere Zeit deito mehr Raum zu gewinnen, uud dadurch den unmittelbaren Grund zu legen zum Ber: ftänbniß der Gegenwart.

4) Eine ftehende Forderung, die in faft allen Yeußerungen über den Geihichtsunterricht wiederlehrt, ift die, daß der Vortrag des Lehrers von der Wärme eines an den Begebenheiten theilnehmenden Gemüths durchs drungen fein müfle, daß namentlid der Unterricht in der vaterländilchen Ges ſchichte des warmen patriotifchen Gefühle nicht entbehren lönne. Es fällt dem Mef. nicht im mindeften ein, die Wahrheit dieſer Anficht zu beftreiten; indeſſen kann die einfeitige und nachdrüdliche Betonung dieſer Forderung auch bie nachtheiligften Folgen haben. In Sachen des Gefühls läßt fih durchaus nichts vorfchreiben und erzwingen, Was nicht ungewollt, ja, was nidt wnbewußt zu Tage tritt, ift umgeht. Jede mit Abficht vorgebrachte Aeuße⸗ sung des Gefühls offenbart eben nur nod die Abſicht, aber nicht mehr das Gefühl, und bewirkt zumeift einen Einvrud, demjenigen gerade entgegen: geſetzt, den fie bervorbringen ſollte. Ganz echt und wirkſam iſt eigent⸗ lich nur diejenige Aeußerung des Gefühls, die dem Fühlenden ſelbſt erſt, wenn fie gethan iſt, zum Bewußtſein lommt. Es würde daher ein Fehler fein, wenn ein Lehrer ei’ es auch in der beiten Abſicht mit dem Vorſatz an feinen Vortrag ginge, in denfelben eine gewiſſe Wärme binein- zulegen und Bewunderung, Indignation a. |. w. an beftimmten Stellen

510 Geſchichte.

anszudrũden. Alles Forcirte macht dabei einen hoͤchſt peinlichen Eindru, auch auf jüngere Schüler, die für das Wahre und Falſche im Gefühlsaus: drud einen feinen Inſtinct zu baben pflegen. Der Lehrer nehme jih einfach vor, vie Geſchichte zuerzäblen, fie ſo wahr, jo klar, fo anfhaulidh zu erzählen, wie nur möglid. Wenn er wirtlid ein Herz bat für Menſchenwohl und Menſchenweh, wenn ihm wirklich fein Baterland lieb und werth ift, jo kann es ja nicht fehlen, daß die Worte bier und da mit mwärmeren, nacdprüdlicheren Accenten und von wahrer Begeifterung angebaut, aus feinem Munde hervorgehen. Wo aber jenes innere Feuer nicht brennt, und der wärmere Accent nur dur einen wohl überlegten ftärleren Drud der Spradorgane bernorgebradt werben foll, da iſt eine nüchterne, verfländige, wenn auch etwas kühle Darftellung einem gemachten Bathos vorzuziehen ; denn ein foldyes iſt immer:

„unerquicklich, wie der Nebelmind, „der berbitli durch die dürren Blätter fäufelt !“

Nun aber wolle man bejonders bevenlen, daß ein freies Ausftrömen des Gefühls erft da ftattfinden kann, wo ber Geiſt fich frei und unbeeng: fühlt, nnd von dem Mechaniſchen feines Thuns nicht mehr vollftänbig Mm Anſpruch genommen wird. Bon einem Schüler, der bei einem öffent: lihen Reveactus noch durch die Rüdfiht auf Correctheit und leidlichen Fluß der Rede in Anjprud genommen wird, von einem angehenden Mu⸗ fiter, der durch feine Compofition erſt einige Sicherheit in praltiſcher An: wendung der Harmonielehre erlangen will, von vielen wird Niemand ein ſtarkes Hervortreten irgend welcher Smpfindung erwarten. Der Ge ſchichtslehrer, der von Herzen und zu Herzen reden will, muß zuvor lange und tüchtig mit dem Sopfe gearbeitet haben, muß jeines Gegenftanvdes fe: weit Meifter fein, um nad dem Bedürfniß des Augenblids damit fchalten zu lönnen, muß ven ſprachlichen Ausprud fo in feiner Gewalt haben, daß er für jede Nüance der Empfindung und des Gedankens mühelos die rechte Bezeichnung trifft. Das trifft bei Anfängern im Unterrichten nicht immer zu, oft auch bei ſolchen nicht, die längft feine Anfänger mehr find. Gs gibt keinen trübjeligeren Anblid, als Jemand zu hören, der nur mübjen den Faden feiner Rede feithält, mühjam und fiodend fpridt, und ver fi dabei anftrengt, warm und einbringlid zu reden. Gerabe aber ver Ur fänger, ver am mindefien zu einer wirklich eindringlicen, das Herz berüb senden Daritellungsweije befähigt it, gerade der wird dur die For derung einer das Herz erwärmenden Darftellungsweife am eheften ver: anlaßt, ein übertriebenenes Pathos anzunehmen. Darum kann ein ſtetes Dringen auf diefe gemütbanregende Qualität der Geihihtserzäblung nur dazu dienen, viel Unerqguidlides an’s Kagesliht zu fördern, während die wahre Empfin: dung einer folden Aufmunterung niht bedarf, vielmehr, wo fie nur wirklich vorhanden it, durch kein Mittel zurüdgedrängt werden fann, und fi) fogar gegen ben Willen des Sprechenden kundgibt. Uebri⸗ gens hat die Haltung der großen Mehrzahl des veutichen Volles in allen politiihen ragen bis auf diefe Stunde bewielen, daß viel flärler ber

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wegt wird durch Sympathien und Antipathien, durch Haß, Neid, Liebe und Mitleiv, als dur vernünftige Erwägungen, daß ihm öfter das Gerz mit dem Kopfe durchgeht, als daß der Hopf das Herz beberrihte... Klare Sins ſichten find in den Reden ver Vollsführer feltener als pathetiſche Declamas tionen. Wenn man nad) den im öffentlichen Leben fich kundgebenden nas tionalen Eigenjhaften einen Schluß auf die Schulen wagen darf, fo möchte es in diefen beim geſchichtlichen Unterricht weit weniger an gemütblicher Grregung, als an Klarheit der Begriffe, an Yolgerichtigleit des Dentens und an Solivität des erworbenen Wiſſens fehlen. Darum vor allen Din» gen Klarheit, ungeſchminkte biftoriihe Wahrheit, feine gemüthliche, rührende, „berzerwärmende‘ Begriffsconfufion! Es gibt nichts Leberflüfligeres im Schul leben, als gemütblihe Grregung ohne Gewinnung feiter, bejlimmter Gin fihten. Es ift wie Sonnengluth über unfruchtbarem Sandboden; fie treibt fein Leben daraus hervor, ohne Nutzen verfliegt fie wieder.

5) Die Anwendung biftorijher Gedichte beim Geihichtsunterricht Scheint immer mehr in Gebraud zu kommen. Raum möchte fi unter den in den legten Jahren erjchienenen Sammlungen biftorifher Charakterbilder ein Wert finden, das nicht auch Gedichte enthielt. Selbit in Lehrbüchern findet man deren fehr häufig. Dabei mehren fi) die eigends für den Gebrauch beim Geſchichtsunterricht beftimmten Gebichtiammlungen. Die hohe Bedeutung der Poeſie für den Gefchichtsunterriht ift von namhaften Pädagogen oft genug betont worden, und wird gegenwärtig in ber paͤdagogiſchen Welt allgemein anerlannt.

Dagegen ſcheint man in Bezug auf die Auswahl ber Gedichte noch nicht zu feititehenden Principien gelangt zu fein, wenigitend kommen in ben meiften Büchern, die jolhe Gedichte enthalten, noch auffallende Berftöße gegen Grundjäge vor, die, wie man meinen jollte, als jelbitwerftändlic und auf der Hand liegend gar keiner befonveren Grörterung bevürften.

Mas bei jolhen Zufammenitellungen biftorifcher Gedichte am meiften und am widerwärtigiten auffällt, ift ver Mangel einer ſtren⸗ gen Kritil über den poetifhen Werth der aufgenommenen Stüde, Nur wenige Herausgeber maden eine ehrenvolle Ausnahme, bei den mei fien ſcheint es, als hätten fie bei den betreffenden Gebichten irgend melchen poetifchen Werth gar nicht für nothwendig erachtet, vielmehr unbedenl⸗ lich jede Reimerei, die auf eine hiſtoriſche Thatſache Bezug hat, aufgenoms men. Mindeftens ein Viertheil aller Gedichte in den neuerjchienenen Lehr⸗ büchern find das Papier nicht werth, auf dem fie gefchrieben ftehen, und einzelne find darunter, die in bedenklicher Weife an die Verslein auf den betannten Bilderbogen erinnern. Es ift dies eine betrübende Erſcheinung. Wir haben eine klaſſiſche Literatur, und wohl alle die Männer, vie jegt Bücher fchreiben, haben einft Gedichte von Göthe und Schiller und etlichen anderen Klaſſikern gelejen und gelernt; vie meiften von ihnen haben aud) einen Theil von der Haffiichen Literatur anderer Völler lennen gelernt. Es muß ihnen dod eine Ahnung aufgegangen fein von dem Weſen dichteri⸗ fcher Schönheit. Wie ift ed moͤglich, daß fie jo oft die elendeiten Reime⸗ reien copiren, um fie der Jugend als Mufter für den Geihmad und als Quelle biftorifher Grfenntniß in die Hand zu geben? Abgeſehen vun Dem

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totbmifchen Stümpereien ganz unbekannter Papierverderber, begegnen wir allzu häufig den minder gelungenen Produltionen befjerer Dichter, die ſich mit Recht eines gewiſſen Anſehens auf dem deutſchen Parnafius ‚erfreuen, aber doch nicht gerade zu den eriten Größen gehören, und Manche s invits Minorva geſchrieben haben, das man ihnen verzeihen, aber nicht der Ju: gend als Mufter und Vorbild in die Hand geben follte. Der Sammler hiſtoriſcher Gedichte fann natürlih nicht, wie ber Herausgeber eines Leie buches, einer poetischen Anthologie, ausſchließlich nad ven Perlen und Edel⸗ fteinen im Schage eines Dichters ſuchen; er will wo möglid alle wichti⸗ gen Begebenheiten und Berjonen der Geſchichte durch ein Gedicht iliuftriren; ex fieht mehr auf den Inhalt, und fühlt wegen des poetiſchen Werthes eines ſolchen Gedichtes feine Sewifienszweifel beruhigt, wenn unter demjel- ben ein adtbarer Name ſteht. So dienen denn die Ramen eines Seidl, Bogl, Baur, ©. Hefeliel, ſelbſt Novalis u. A. als Yabrilftempel zur Ac⸗ crebitirung von mancherlei poetiihem Ausfhuß*).

Sodann find unter den ausgewählten Gedichten viele von großem äftbetiihem Werthe, die aber, obwohl von geſchichtlichen Creigniſſen und Berfonen handelnd, doch keine biftorifchen Gedichte find. Der Dichter bat volllommene Freiheit, nicht nur das Thatſächliche eines gefdyichtlichen Borganges feinen Zweden gemäß umzugeftalten, fondern auch einen, von dem urjprünglihen ganz abweichenden geiftigen Inhalt bineinzulegen. Gr darf den gejhichtlihen Borgang ale ein Schema benupen, feine eigenen Gedanten hineinzufchreiben, darf die Perfon zum Träger feiner eigenen een und Empfindungen umgeftalten. Gerade die größten Dichter haben von bdiejer Freiheit den ausgedehnteſten Gebrauch gemacht, und haben hifte riſche Thatſachen meiltens nicht in der Abfiht bebanbelt, ein hiſtoriſches Bild zu liefern, fondern ihre Ideen dadurch auszujprehen. Gerade bie ſchwaͤcheren Dichter greifen gern nach bedeutenpen hiftorifhen Scenen, weil fie meinen, dur bloße Darlegung eines an ſich bedeutenden Etoffes auch ein bedeutendes Gedicht zu liefern. Solche Dichter vertrauen inftinttmäfie nicht auf das, was fie in den Gegenftand bineinlegen wollen, fondern au das, was ſchon urjprünglid darin liegt, daher denn bie vielen entfjeglid matten Gedichte, die mit vielem Pomp und Wortgepränge ein welterſchüͤt⸗ terndes Ereigniß, oft auch nur einen auf theatraliichen Gfielt berechneten Aufzug erzählen, aber doch nur davon fagen, was der proſaiſche Darſteller auch hätte jagen können.

*, Man meint zuweilen wohl, auch mittelmäßige Gedichte, wenn fir unr in correcter Form einen bedeutenden Borgaug erzählten, könnten ſehr wohl im Geſchichtsunterricht benutzt werben, weil die poetiihe Form ji dem GSedächtniß leiht einpräge und auh dem Stoffe, wenigſtens durch Reim und Rythmus, noch einen beſonderen Reiz binzufüge. Wau bdedenle aber, daß bie anſpruchsvollere, poetiſche Form nothwenbigerweile einen Gehalt ver laugt, ber in projaiicher Form fih nicht wohl barfiellen ließe, demn wenn in Berjen nur gefagt wird, was in Brofa eben fo gu! gelagt werben Eönnte, fe bat man babei den widerwärtigen Gindrud einer Über das Ziel hinausgehenten, aljio zwediofen Anftrengung, der immer etwas Yächerliches ambaftet. Manche Aneldote, gut und einfach in Proſa erzählt, würde unfer Jutereſſe cr weden, während fie in gereimter Proſa geradezu auausitchlic wird.

Geſchichte. 51%

Mil nun der Sammler diefe Art biftorifcher Gedichte vermeiden, greift ee nach dem wirklich Bedeutenden, fo findet er häufig die hiftoriihe Treue I&hleht gewahrt. Auf diefen Punkt ſcheint man nit genug zu adten; man hält für hiſtoriſch, was in der Ueberſchriſt auf einen hiſtoriſchen Ges genftand binbeutet, und fogar für recht hiſtoriſch treu, was feine groben Verſtöhe gegen den Außerlihen Berlauf der Begebenheiten aufpeilt.

Nun aber kommt es auf einen Verſtoß der lepteren Art wenig an. Wenn Schiller den Ottolar von Böhmen bei der Kaiſerkroönung Rudolfs anweſend fein, wenn Shaleipeare Böhmen an’s Meer gränzen läßt, fo fann eine kurze Bemerkung dies berichtigen. Weit wichtiger ift ed, daß der Charakter des Beitalterd und der Hauptperjon in dem Gedichte gewahrt fei. In dieſer Beziehung läßt fih z. B. Schillers Wallenftein, Shaleſpeares Caͤſar, Göthed Egmont nicht für den Geſchichtsunterricht verwerthen, weil bier die Hauptperfonen mit den wirklihen biftorijhen Perfonen wenig oder gar feine Aehnlichkeit befinen. CS gibt Gedichte, wie 5. DB. vie auf die Rolandsfage bezüglihen v. Uhland, ferner auch „König Karls Meerfahrt‘, die als Edelfteine deutfher Dichtung in keinem Leſebuche fehlen jollten, die der Schüler auswendig lernen und zum Theil aud fingen fol, aber in die Geſchichtsſtunde gehören fie nicht. Hier ftehen wir ganz auf dem Boden realer Thatfahen. Mähren, Sagen, Mythologie u. dgl nebft Gedichten, die Derartiges darftellen, haben nur eine Berechtigung, wenn fie dazu dienen jollen, die Anſchauungs⸗ und Gmpfindungsweife einer vergan⸗ genen Periode der Periode ihrer Entſtehung nämlid ertennen zu laſſen. Bei modernen Dichtungen trifft dies in der Negel nicht zu.

Ferner find von manden Sammlern hiſtoriſcher Charalterbilder und von Berfaflern biftorischer Lehrbücher bin und wieder auch Gedichte aufgenommen worden, die faſt in jedem Leſebuche, unbedingt aber in jedem Schullieder⸗ buche zu finden find, und in allen Schulen Deutſchlands gefungen werden. Solche Gedichte wie z. B.: „Prinz Eugen der edle Ritter”, „Preiſend mit viel ſchönen Reden” u. X. braudten wohl nur erwähnt, nicht in extenso abgedrudt zu werben, da man Schulbücher nit ohne Noth auch nur um die Heinfte Kleinigkeit vergrößern und vertheuern muß.

Daß die ausgewählten Gerichte auch dem Standpunlte und der Yafz ſungskraft der Schüler, für die fie beftimmt find, angemejjen fein müſſen, verſteht fih von jelbjt, und wir finden in dieſer Beziehung in den vorlies genden Echriften feine erheblihen Verftöße. Die Forderung, beim Unter richt die Entwidlungsftufe des Schülers genau zu beachten und bemjelben nichts Unverftändliches zu bieten, ift in der neueren Pädagogik mit jo vies lem Nachdruck geltend gemadht worden, daß auch auf dieſem Gebiete Nies mand fie außer Acht gelafien hat.

Es müflen demnah manderlei Eigenihaften ſich bei einem Gedicht vereinigt finden, wenn es für den Geſchichtsunterricht tauglich fein foll, Bu den vorhin angedeuteten Punkten kommt übrigens nody einer, der bie Auswahl außerordentlid erſchwert. Der Dichter joll zwar nad eines Dichter Worten „auf einer höheren Warte ſtehen, als auf der inne der Partei’, jedoch gerade der Dichter kann ſich bei dem Kämpfen und Rins

gen feiner Mitmenjhen einer lebhaften Parteinahme nicht entſchlagen. Ver pab. Jahreiberiät. XVIIL 83

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ſonnenheit und abwaägender Verſtand können über Parteileidenſchaften fiegen, Phantaſie und Empfindung, bie dem Dichter eigenthümlich find, drängen vielmehr zu ſolchen bin. Der Philoſoph und der Hiftoriter können ſich über Parteigegenjäpe erheben, der Dichter, falle er Dichter bleiben will, fann es nicht. Aus diefem Grunde ift ein großer Theil deutſcher Gedichte, die fonft allen Anforderungen entfpreden, nur für einen Theil deutſcher Schulen geeignet. Man kann von einem Defterreicher füglich nicht verlan gen, daß er bei den Gedichten zum Ruhme Friedrichs d. Gr. baflelbe em- pfinde, was ein Preuße dabei zu empfinden pflegt. Allee, was die Re formation betrifft, ift nur für eine Hälfte Deutſchlands benupbar. Gereimie Heiligenlegenden werden, wenn fie nicht einen befonderen poetiſchen Werth haben, dem Proteftanten immer ein wenig kalt und nüchtern vorlommen. Es liegt daher in der Natur der Sache, daß die Anzahl wirklich empfeh⸗ lenswertber Gedichte äußerfi gering ift, und daß es nur bei der ausge: dDebnteften Kenntniß der deutſchen Literatur möglid fein wird, ein eini germaßen reichliches Material zufammenzuftelen. Velefenheit in Ge dihtjammlungen und „Feſikalendern“ reicht dazu nicht aus. Dieſe Epär lichteit des geeigneten Materials ift übrigens kein Unglüd, denn vie Bor führung eines Gedichtes foll immer eine Seltenheit bleiben, nur an den Höhenpunften der Geſchichte eintreten, und eine gewiſſe. Feltesftimmung in dem Schüler hervorrufen. Andernfalls würde die Kunſt entwürvigt, und bie Arbeit des Lehrens und Lernens zu häufig unterbroden. Darum kann man getroft alles Mittelmäßige über Bord werfen, man wird, ment audh wenig, doch immer nod genug des Guten zurüdbehalten. Seinen ſchlechteren Dienit könnte man dem Stnaben leiften, als wenn man ihn mit dem Lefen oder gar mit dem Auswendiglernen ſchlechter biftorischer Gedichte mal traitiren und ihm jo Poefie und Geſchichte verleiden mollte.

6) Unter den Abfchnitten kulturbiftorifchen Inhalts finden ſich aud in der Regel einzelne Abfchnitte über die Literatur der Hauptoöller. In man hen Lehrbuchern find einfad die Namen der. hervorragendſten Schriftftelle genannt, höchſtens mit den Yahreszahlen ihres Lebensanfangs und ⸗Endes. In anderen findet man die Angabe ihrer wichtigiten Werte, und in no anderen auch biographifhe Notizen über die Schriftiteller, Inhaltsangabe einzelner Werke, Urtheile über den äſthetiſchen, moralijden oder wiſſenſchaft lien Werth derſelben kurz eine Literaturgejhichte in nuce. Mef. glaubt, baß bier eine planloje Behandlung des Gegenftandes zu großen Mißgriffen führen kann. In den meilten Schulen, für melde derartige Lehrbücher mit Literaturgefhidhte in verjüngtem Maßſtabe beftimmt find, wird diee Lehrgegenftand in befonderen Stunden betrieben, und die Schüler haben wohl gar einen Leitfaden für die Literaturgefhichte in Händen. Was fol bann eine Miniaturausgabe dieſes Gegenftandes in den für ſolche Schuler beftimmten Lebrbüdhern? Höcflene wäre es zwedmäßig, die Namen bern tender Schriftfteller am geeigneter Stelle zu nennen, bedeutende Werke mit den gleichzeitigen geſchichtlichen Ereigniſſen anzuführen, damit der Schuler das im literarifchen Unterricht erworbene Willen an rechter Etelle in ſein hiſtoriſches Wiſſen einordne, und fo das Bild von der Gultur einer gemi} fen Zeitepoche vervollftändige. In folden Schulen dagegen, imo entiweht

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gar feine oder doch eine ſehr geringe Bekanntſchaft mit der Literatur vors auögejegt werben darf, möge man von den wichtigften Werten, foweit es thunlich ift, den Inhalt andeuten, aber nicht allzu Inapp, damit der Schü⸗ ler wenigftens wirkliche Vorftellungen erhalte. Wo dies nicht angeht, ift die Hindeutung auf berühmte Dichter und Schriftfteller volllommen zwedlos.

Urtheile über den aͤſthetiſchen Werth literarifcher Werke und dergleichen Dinge gehören nicht in den Geſchichtsunterricht. Wie unzureichend ift meiftens das Maß geiftiger Reife und angeborner Empfänglichkeit, meldhes die Jugend böberer Schulen gerade diefem Gegenftande entgegenbringt. Nureine eingehende Beihbäftigung mit der Literatur ſelbſt kann Einfihten und Verſtändniß Schaffen. Dergleihen muß mit allem Ernſt, aller Vorſicht, mit Gejhid und pädagogifcheın Talte betrieben, und kann niemals jo nebenher abgemadt werden. Dieſes Zufpiben des Urtheild über einen Dichter oder ein Dichs terwert in einen einzigen prägnanten Ausprud ift an und für fih ſchon eine bedentllihe, dem natürlihen Gefühl höcdft widerwärtige Sade. Die Sülle des Lebens und die Mannigfaltigleit der Erſcheinungen in einem Werte des Genius lafien ſich felten genügend in eine kurze Formel faflen, und wenn auch was hat der Schüler davon, wenn ihm dergleichen geboten werden? Es ilt, als lernte er eine Weinkarte ausmendig, ohne das @etränt jelber koften zu dürfen. Als Beiwerk in den Geſchichtsunterricht gehört dergleihen wenigſtens nicht.

Allerdings Lönnen literariihde Erſcheinungen von immenfem Einfluß auf den Gang der Geſchichte fein, und dann geziemt es fi, im Gefchichtds unterricht dieſer Erſcheinung als eines gejchichtlihen Faltors Grwähs nung zu thun. Dann muß aber der mweltbewegende Inhalt auch fo dar⸗ gelegt werben, daß der Schüler eine wirkliche, nicht bloß eine jcheinbare Einſicht in die Hauptſache erhält. Nicht auf den äfthetifchen oder wiſſen⸗ ſchaftlichen Werth eines Wertes fommt es dabei an, fondern auf die Mir fung, die es auf die Beitgenofjen und auf die Nachwelt ausgeübt hat. Im diefer Hinfiht hat Schloſſer ein Mufter aufgeftellt, welches bisher leider wenig Nachahmung gefunden bat, wohl aber, namentlid in Bezug auf die neuefte Geſchichte, Nachahmung verdient. ES ift geradezu erftaunlih, im was für Rleinigleiten und Nebendinge ſich zumeilen die „Culturgeſchichte“ verliert, während das Geiltige, die treibende, weltbewegende Idee, das eigent⸗ liche Agens, ganz übergangen wird,

7) Daß die Volksſchule ftatt einer lüdenlo® zufammenhängenden mehr eine monograpbijce, das Wichtigſte ausführlich behandelnde Darftellung anftreben muſſe, mird wohl allgemein anerlannt. Allein die dafür ange führten Gründe find oft ſeltſamer Art, und es kann nicht fehlen, daß Schlechte Gründe für eine gute Sache ſchließlich auch dieſe felbft verderben. Da follen die Schüler zwar die einzelnen Stüde, aber dieſe Stüde im Bufammenhang noch nicht veritehen können, da follen fie vom Ginzelnen auj’s Aligemeine geführt werden, und diejes aus jenem abftrahiren lernen, da ſollen fie fchließlih durch die Biographie etwas „Anſchauliches“, „Pla⸗ ſtiſches“ zu jeben und zu hören befommen, wahrſcheinlich, weil eine Perfon in natura allerdings etwas Anſchauliches und Plaſtiſches ift, momit freilicy noch nicht gejagt iſt, daß dieſe Cigenthümlichleit aud dem zuläme, was

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&L6, Geſchichte.

von einer Perſon erzählt wird. Der wahre Grund für die monographiſche Behandlungsweiſe liegt wohl darin, daß das eigentlihe Objelt der Ge ſchichte der Menſch als denkendes und handelndes aljo als geiftiges Weſen if. Diefes Objelt muß darum im Verlauf des Unterrichtes dem Schüler in anfchaulicher Weiſe vorgeführt werden.

So lange die Geſchichte ſich mit allgemeinen Ueberſichten befaßt, fo lange bat fie nicht mit dem dent: :ven und wollenden Individuum zu tbun, fondern nur mit größeren Gruy-m, mit einer Mafle, in der das Indivi⸗ Kaum und mit ihm die wejentlichften Eigenſchaften des Menſchen verihmin den. Gin „Abriß“ der Gefhichte gleicht aljo einer botanifhen Unterwei fung, die etwa auf dem Gipfel eined Berges mit weiter Umſchau ertheilt würde, bei welcher der Schüler nur große Pflanzengruppen, Tannenwälder, Kornfelder, Grasflähen u. f. w., aber niemals eine einzelne Pflanze in nächlter Nähe zu ſehen beläme. Allerdings werden ja ſolche Belehrunzen über Standort, Wahsthbum und Anbau der Pflanzen im Großen aud im botanifhen Unterricht vorfommen müflen, aber es würde derfelbe doch feht unfruchtbar bleiben, wenn nicht vorzugsweife das einzelne Individuum be trachtet und bis in feine Heinften Theile zerglievert würde. Das Weſent⸗ liche an der Pflanze wird niemals bei der ſummariſchen Betrachtung einer Gruppe, fondern nur durch Unterfuhung des Individuums Mar. Go wird die Geſchichte erft da zur wirklichen Geſchichte, wo fie den Menſchen als Individuum auftreten läßt, ich meine nicht gerade als einzelnes Indi⸗ piduum, denn mas Ginen bewegt, kann zu gleicher Beit Biele bewegen, aber do fo, daß die vem Menfhen als Individuum zulom: menden Eigenfhaften zur Erfheinung fommen. (Ein Be fpiel mag dies erläutern. Wenn ich fage: „An Stelle der Deutſchen fir den mir einige Jahrhunderte nah Chrifto in den Ländern öfli von der Elbe Slaven, die von Often ber aus Afien gelommen waren“, jo mag dieſe Thatfache noch fo richtig und unzweifelhaft fein, ich ſehe aber bier nichts von den Motiven, weldhe die Einwanderer bierbertrieben, nichts von den Mitteln, dur die fie das Land in Beſitz nahmen, ich fehe mit einem Wort feine Menfchen denken, empfinden und handeln. Wirb dagegen ger jagt: „Die Hinrihtung der gefangenen Sachſen zu Verben follte das Sad» ſenvolk erjchreden, diente aber nur dazu, daflelbe zu erbittern und zu einem neuen heftigeren Aufftande anzureizen“, fo tritt bier jchon ein inbivibueller Vorgang, ver fich freilich in taufenden von Individuen gleihmäßig wieder bolte, veutlih hervor. Nocd mehr ift dies der Fall, wo das einzelne Ja bividuum, zumal ein bedeutendes in bebeutender Stellung, zum Oegenſtande der Betradhtung wird.)

Ein Glementarfhüler kann von der Botani! um auf biefes Ber fpiel noch einmal zurudzulommen, nicht fo viel erfahren wie der Zöf ling einer Realfhule. Über ein Fehler würde es fein, wenn man diefelbe Zahl von Pflanzen, welche dieſer beim Unterricht zu fehen betommt, and jenem vorzeigen wollte, aber, da zur Vorzeigung jeder einzelnen bie Zei mangeln würde —: in Bündeln und Gruppen. Niemand wirb thörih genug jein, dies zu thun, aber beim Geſchichtsunterricht verfährt man froß aller längft geprebigten befleren Einſicht ſehr häufig fo, und viele Lehrbü

Geſchichte. 517:

her, die den Stoff ausgejprodhener Maßen in fchulgeredhter Zubereitung: darbieten wollen, geben eine gleihförmige, Alles in allgemeinen Zügen ane. deutende, blaſſe Ueberſicht. Mag die Unterrichtäzeit noch jo beſchränkt, mös gen die Berbältniffe einer Schule noch fo einfah fein, irgendwo muß der gefhihtlihe Unterriht, wenn ein folder uber baupt einen Sinn und einigen Nutzen haben ſoll ſich fo umftändlih auf den Grund und Zufammenbang der Beges-. benhbeiten einlaffen, daß der Schüler einen GCinblid in: alles Weſentliche gewinnt, und gleihfam das Nädermert der Geſchichte aus nähfter Nähe arbeiten fiebt. Nur die, Zahl folder eingehend dargeftellten Perioden follte den Unterfchied zwiſchen einem lurzgefaßten und einem eingebenderen Gejchichtäunterricht ausmachen, weit weniger aber die Umjtänplichleit und Genauigteit der einzelnen Darftellung, ſowie ja auch, je nad der Ausdehnung des naturkundlichen Unterrichtes, weit mehr die Zahl der betrachteten Individuen, als die ©, nauigfeit der einzelnen Betrachtungen variiren muß.

(In diefer Beziehung möchte der Unterriht in der Weltgeſchichte yon dem Unterricht in der bibliihen Gedichte noch Manches profitiren können. Hier gibt man keine bloßen Ueberjihten, jondern wählt eine geringere Ans zahl von Geſchichten aus und erzählt dieſe in aller Umftändlichleit, wie fie in der Bibel felbft erzählt find, ja man ſetzt, mo die mangelhafte Auffafr ſungskraft jüngerer Schüler es erfordert, jogar noch hinzu.)

In diefer Weiſe und aus diefen Gründen müflen wir auf eine vors wiegend menographiihe Behandlung der Geſchichte dringen, nicht aber darum, „weil bie Rinder den Zuſammenhang doch nicht fallen” oder „weil die einzelne Perſon etwas Anjchaulides ift’’, loder gar „damit aus der concreten Ginzelnheit das Allgemeine abftrahirt werde‘, und wie vergleichen Redensarten mehr find, von denen zwar ein gewiſſer Bruchtheil richtig ift, die aber doch zu irrigen Auffaflungen Veranlaſſung geben.

8) Es ermedt fein günftiges Borurtbeil für ein Werk, wenn auf feis nem, Titel die Bezeichnung „für Schule und Haus” oder „ein Lern» und Leſebuch“ u. dgl. zu finden iſt. Es gibt zwar fehr tüchtige Werke, welche diefe Bezeichnung tragen, dann aber paßt dieſelbe meiſtens gar nicht; viel: mehr find ſolche Werke entweder für die Schule oder für das Haus gear beitet, es find entweder Bücher zum Leſen oder zum Lernen. Auf allen Gebieten, fogar in der Willenfchaft, firebt man nad Arbeitstheilung und nad der größtmögliden Bolllommenheit in einer Specialität.. Man fertigt beut zu Zage Werkzeuge in verſchiedenen Formen an, für die man früher nur eine fannte, um für jeden einzelnen Zwed die paſſendſie wählen zu können. Warum wollen wir in der padagogiſchen Literatur dieſem Buge ver Zeit nicht folgen? In früherer Zeit, wo bie Herftellung eines Buches kofifpieliger mar, mochte ein Lehrer der Geſchichte zufrieden fein, wenn er reſp. der Schüler überhaupt ein Buch mit gefchichtlihem Inhalt hatte, und mochte dafielbe auch für verſchiedene Zwede benugen. Sm Seitalter ver Dampf und Schnellprefie, wo der literariiche Markt fich alljährlich mit einer Fluth neuer Schriften füllt, von denen Niemand fagen Tann, warum fie im die Welt gejebt mworben find, da wäre es gewiß jehr ungwedmäßig;

518 Geſchichte.

ein Buch nicht auf einen ganz beſtimmten Zwed zuzuſpitzen, und Alles wahrzunehmen, was diefem Zwed in irgend einer Weiſe dienen kann.

Mer aljo die Feder zu einer belebrenden Schrift anfept, der muß fih bewußt fein, ob er für die Privatleftüre oder für die Schule ſchreibt. Wir brauden die Unterfchiede nicht anzudeuten, fie liegen auf der Hand. Ber aber für die Schule fchreiben will, muß fih ganz beitimmt vornehmen, entweder für den Lehrer oder für den Echüler zu fchreiben. Es exiſtiren wirtiih Schulbücher, bei denen man das nicht erfennt! Daß ein Buch, aus dem Schüler fih auf die Lebrftunde präpariren folen, jo daß fie frei vortragen, und der Lehrer nur ergänzend, auftlärend, berichtigend hinzufügt, daß ein foldhes wieder anders abgefaßt fein müfle, als ein Ruch, wel: bes nad) dem freien Vortrage des Lehrers dem Echüler zur Repetition dienen fol, das liegt ebenfall8 auf der Hand, und die meiften der befieren Schulbücher find auf fo fpecielle Zwede zugejhnitten. Nun aber bevente man, mie vag und nebelhaft das Ziel eines Echriftftellers fein muß, der gleih für Alles, für Schule und Haus fhreiben will. Die Zayl derartiger Schriften ſcheint allerdings im Abnehmen begriffen. Bei den meiften, welde die erwähnte Bezeihnung tragen, tritt die ſchulmäßige Auflaflung und Be handlung deutlid genug hervor.

9) Im „Centralblatt für die gefammte Unterrihtsverwaltung des Preußiſchen Staates“ ift S. 585 fi. des Jahrganges 1865 ein Gutachten abgeprudt, welches ein Seminardirector über ein für Seminarien beflimmtes Lehrbub der Geſchichte abgegeben bat. Darin verbreitet fi der Verf. auch über die Grundſaͤtze, nah welden feiner Meinung nad der Gefchichtsunter: richt in Eeminarien ertheilt werden muß. Cs beift: „Die Anforderungen, welche gegenwärtig an eine für die Belehrung der reiferen Jugend beitimmte Darftellung der vaterländifhen Geſchichte gemacht werden, find folgende:

1. Klare Hervorhebung der den Entmwidlungsgang diefer Geſchichte offen: barenden Thatſachen.

2. Kennzeibnung des Charakter der hervorragenden Perfonen, melde in diefen Gntwidlungsgang leitend und fördernd eingreifen.

3. Andeutung der Kulturzuftände und ihrer allmäligen Gntwidlung.

4. Cine aus driftlidem und patriotiihdem Sinn bervorgegangene An:

ſchauung der Geſchichte 5. CEinfache, anſchauliche, aber zugleich edle, chriſtlich und patriotiſch er wärmende Sprade, von der Sünglinge angezogen werben.

6. Eine genügende, das richtige Verftänpnig ermöglihende Ausfübrlid- feit, welche jomohl die einzelnen Begebenheiten und Berfonen in ib: ter Stellung und Bedeutung gehörig erfaflen hilft, und den innern, urfählihen Zuſammenhang ihrer Entwidlung nachweiſt, als die Ge winnung eines felbftitändigen gefbichtlihen Urtheils erleichtert.”

„Schlachten und Friedensfchlüffe find unter den gefchichtlichen Far: toren in den meilten Fällen von folgenjchmerer Bedeutung, fo daß ihre Ge ſchichte, nicht ihre bloße Aufzählung, leineswegs unerbeblid genannt zu werden verdient. Ohnehin bat die männlihe Jugend ein natürliches In⸗ terefje an Kriegen und Siegen. Ueberdies ſteht die Kulturentwidlung da mit in nächfter Beziehung.”

Geſchichte. X

„Was die durch kulturgeſchichtliche Abſchnitte am Schluß der Perioden zu fördernde Gewinnung des geſchichtlichen Urtheils anbetrifft, ſo wird da⸗ bei zu bemerlen fein, daß das Urtheil über ganze Perioden eine ſchwierige Sache für Zünglinge if. Sie ericheinen dazu nicht gereift genug, zumal fie thatfächli noch viel Mühe haben, einzelne Begebenheiten und hiſtoriſche Charaktere ohne Vagheit ſachentſprechend zu beurtheilen.“

„Mit der getroffenen Etofjmahl hängt es zufammen, daß der Perf. die deutſche Gefchichte mit dem meitphälifhen Frieden abbriht, um von diefer Zeit ab beinahe ausſchließlich die Geſchichte der preußiihen Regenten vom großen Kurfürften an darzuftellen. Aus der deutſchen Geſchichte und aus der in biefelbe eingreifenden fremdländifhen Geſchichte wird nur fo viel herangezogen, als mit der preußifchen in unmittelbarfte Berührung tritt; legtere wird als das Centrum der neuen Geſchichte angefehben. Cine ſolche Wahl und Anſchauung hängt mit fubjectiver Beurtbeilung der neueren Ger ſchichte zuſammen; fie ift jedenfalls in hohem Grade ftrittig, und es wird ihr vorausfühtlid die begründete Anfehtung nicht fehlen. Wie völlig be= rechtigt für preußifche Sünglinge die ftärlere Betonung der preußiihen Ges ſchichte, zumal der Zeit vom großen Kurfürften an, fein mag, fo läßt es doch die gerehte Würdigung der deutihen Geſchichte nicht zu, ihr nach dem breißigjährigen Kriege eine der preußiſchen untergeorbnete Rolle anzumeifen, und fie in legterer aufgeben zu laſſen. Dadurch mürbe das faktiſche Vers hältniß faft ganz umgekehrt; und eine ſolche Umkehrung könnte dem Vor⸗ wurf parteilicher Cinfeitigleit der Geſchichtsbetrachtung ſchwer entgeben. Die Bedeutung der gefhichtlihen Entwidlung des gefammten deutichen Volles wird dabei gar leicht verfümmert, wichtige Momente aus der Geſchichte der nichtpreußifchen deutfhen Zander kommen nicht zu gebührender Geltung, die Wechſelbeziehungen verjchieben fih gar fehr zu Ungunften der lekteren, das fadhentiprechende Urtbeil erfährt mancherlei trübende Färbung. Wo erkläre termaßen preußifche Geſchichte behandelt werden foll, da iſt's in der Ord⸗ nung, die deutſche mit ihr zu verbinden; wo es gilt, deutiche Geſchichte zu lehren, foll die preußifche eingefügt werden, und zwar für die preußis fhen Sünglinge ald ein befonderd wichtiges und darum hervorragendes Element.”

In Bezug auf die beim Geſchichtsunterricht heranzuziehende vaterläns difche Poefie warnt der Verf. vor einem Uebermaß. „Da die Gedichte ges lefen over frei geſprochen werben follen, fo gebietet ohnehin das pädagogis She Intereſſe eine weiſe Beichräntung, um nicht durch Ueberfättigung ab⸗ zuftumpfen, und den Sinn von der Gefchichte felbft mehr ab⸗ als zu ihre binzulenten.“

Sehr Karakterifiifch ift es, daß der Verfaſſer darauf dringt, den Ser minariften „Iprahlid mehr zuzumutben, fe aud in die inneren Seiten des geihichtlihen Lebens einzuleiten, und ihnen ben geiftigen Boden zu fenns zeichnen, worauf dafjelbe erwächſt.“ „Vermögen folde Sünglinge wirklich nur eine ganz einfahe Spradhe in kurzen Eäpen zu veritehen, und haben fie noch mit Erfaflung der Außerlichften Seiten der Begebenheiten zu ringen, dann würde eine Ginführung in die Kenntniß der Bauſtyle, Malers und Dichterſchulen und Aehnliches noch verfrüht fein.” Gewiß! Man redet in

620 Geſchichte.

Büchern, vie für Seminariſten beſtimmt find, —— reader 10 bis 12 Jahren allenfalls ganz angemeflene S Selten an viele verfelben mit einem) mangelhajt entwidelten, —— nicht ab ſpprechenden Eprachverſtaͤndniß in das Seminar eintteten, jo wird Bed) rim ſolche Unvolltommenbheit zu bejeitigen fein, wenn man die vochanbene umb nur Shlummernde Kraft herzhaft berausjorbert.

In Bezug auf das Berhältnik der preußijchen zur deutichen Gejchichte Bat der unbetannte Hr. Berf. gewiß nit Unredht, wenn er darauf Weingt, dab sub titulo „deutſch“ nicht ausſchließlich preukiide Geſchichte gelehrt were. Bir wünfchen gewiß, daß der Seminarifi aub z. DB. von ben Zuürfenfriegen, von dem fpanijchen Grbiolgetrieg, von Maria Therefiad Re: gierung und Joſephs IL Reformen, von den Sämpfen Deſterreichs mit Zrantreih, von den ſüddeutſchen Mittelftaaten u. ſ. w., daß er darüber ges nügend belehrt werde. Wir verfiehen aber nicht recht, was es heißen fol, „vie preußiiche Geſchichte folle der veutichen eingefügt werden.” Eine eigent ld) deutſche Geſchichte, d. b. eine Geſchichte, in weldyer das deutſche Boll, oder deilen Oberhaupt in feiner Qualität ald deut ſches Oberhaupt eime Rolle ſpielt, eine ſolche gibt es felbft vor dem dreikigjäbrigen Kriege nur noch bin und wieder. Nach demfelben geben die einzelnen Theile Deutſchlands meiſtentheils ihre eigenen Wege; das Band der Reichseinheit loft fi, und die einzelnen Territorien werden, wenn auch mod nidt de jure, doch de facto fouverain. Wer demnach die deutſche Geſchichte feit dem weitphäliiben Frieden erzählen will, wird ſich ſchon bequemen wüfer, die einzelnen Haupttbeile Deutſchlands befonders zu betrachten. Gine Bo litit z. B, der man als der höheren Cinheit die öſterreichiſche, ſächſiſche, preußifhe u. ſ. w. einfügen und unteroronen lönnte, erifiirt doch im All gemeinen nidht. Es iſt dies eine von den vorhin ſchon angedeuteten Schwie⸗ rigleiten, die mit einer fhulmäßigen Behandlung der deutſchen Geſchichte verlnüpft find.

Dabei wird ed, wenn anders die Geſchichtsſchreibnng dem thatfäd- lihen Berbältniß entſprechen fol, fih ganz von jelber nahen, daß bie Geſchichte des jugendlich aufitrebenden nordiſchen Staates den breiteften Raum einnehmen und theilmeis jehr in den Vordergrund treten wird. Denn bier ift zeitweis nicht nur das Meifte, fondern aud das Heilfamfle für Deutſch⸗ land gejheben. (So 3. 3. zur Zeit des großen Kurfürften, der den Ge lüften Ludwigs XIV. am kräjtigften enigegentrat, Pommern den Schweden und Oftpreußen den Polen entriß, während das Oberhaupt des deutichen Meiches die MWicderauslieferung deutihen Bodens an die Schweden bemirfte) Daß in den Seminarien die Gejhichte Deutſchlands einigermaßen vollfiändig behandelt werde, mie der Verf. des erwähnten Gutachtens es verlangt, if wohl immer nod ein ſehr beſcheidener Wunſch. Es wäre lebhaft zu wi ſchen, daß in allen deutſchen Seminarien aud das Widtigfte aus der als» ten Geſchichte, wenigſtens der beiven Hauptvöller des Altertbums, gelehrt würde. Gine gewifje Kenntniß der griechifchen und römischen Gefchichte if für das Verſtändniß der Gegenwart, vor allen Dingen für das Verſtändniß der deutſchen Nationalliteratur ganz unbedingt nothwendig. Wer diefe nit befigt, bleibt von einem fruchtbaren Verlehr mit unferer klaſſiſchen Literetut

Geſchichte. 621

und damit von jeder höheren Geiftesbilbung ſchlechthin ausgefchlofien. Keine noch jo genaue Kenntniß der Babenberger, der Wittelsbacher, der Asca⸗ nier u. |. mw. fann eine, wenn auch nur beichräntte Kenntniß des Alter thums erjegen, Auf den Burgen der biderben eifengepanzerten Ritter find bie. Ideen, die das Stammlapital im geiftigen Befig der gegenwärtigen Menfchheit ausmachen, nicht gewachſen. Sollen anders die Volksſchullehrer dem gebildeten Theil der Nation angehören, jo ift ihnen dazu eine gemifje Bekanntſchaft mit der alten Geſchichte nothwendig.

10) Wir finden unter den neu erfchienenen Leſebüchern wieder meh; rere, die nicht einzelne Bilder aus der Gejhichte, fondern ein mirllihes Compendium, einen lüdenlofen freilih ziemlih furzen Abriß der Gedichte bieten. Am weiteſten möchte nad diejer Richtung hin das Leſe⸗ buch von Fir geben, namentlich der legte, „die weite Melt‘ betitelte Theil.

Eine ſolche Darfiellung ift weder für den Lejeunterricht noch für den Geſchichtsunterricht recht zu gebrauden. Wenn in der Volksſchule überhaupt pon Geſchichte (oder auch nur von Baterlandstunde im Allgemeinen) die Rede jein ſoll, jo kann das Leſebuch unmöglid Alles enthalten, was in diefem Unterricht vorgebradht ‚werden muß, und bei rechter Benußung ber Zeit auch vorgebradht werden kann. Darum kann die mündliche Darfiellung ausführliher und umftändlicher fein, als die im Lefebub. Dadurch wird das Intereſſe erwedt, die Einſicht vertieft und ſchließlich durch jenes größere Intereſſe an der Sache fhon mehr für das Behalten gethban, als durch ein halbes Dußend Nepetitionen. Natürlid wird vorausgeſetzt, daß der Bortrag des Lehrers von der Art fei, daß er mit dem Ausprud den Nas gel ziemlich ſicher auf den Kopf trifft, fonft ift die breitere Darftellung nur defto unllarer und wirkungsloſer.

Beim Leſen im Leſebuch wird natürlich mit einem minder reihen Stoff die Zeit volllommen ausgefüllt. Denn ein folder Unterriht bat immer zwei Dinge in’s Auge zu fafien, die Sache und die Sprade. Dieje leptere muß, wo fie nit unmittelbar verftanden wird, erft erläutert werden, und die hiſtoriſchen Belehrungen werden durchkreuzt von fpradliden Bemerkuns gen. Erzaͤhlt der Lehrer, fo ilt es feine Sade, den Ausprud immer fo zu wählen, daß derjelbe unmittelbar verjtändlih ift. Er fucht wenigſtens jeven Ausprud, der noch erſt einer Grläuterung bedürfte, vollftändig zu vermeiden, umſchreibt oder fügt erläuternde Zujäge ein, die den Gang ber Erzählung möglichſt wenig unterbrehen. Das kann ein Abſchnitt in einem Lejebuche nicht leilten. Man bevenfe, mie verfchieden felbit in den auf gleiher Stufe jtehenden Schulen doch die Auffajiungstraft und der Ideen⸗ seihthbum der Schüler iſt; mie verjchieden jind die Anjchauungen eines Landkindes von denen eines Stadtlindes, wie ganz andere Borftellungen ers wirbt die Tugend in einem einfamen Walddorfe, wie ganz andere in einem an der Seelüfte belegenen. Was bier ſelbſtverſtändlich ift, bedarf dort der eingehenpften Grläuterung. Dazu kommt nun der große Einfluß des örts lihen Dialelts. Don deſſen Mort: und Eonftructionsformen, von deſſen ſpruchwoͤrtlichen Redensarten hängt das leichtere oder ſchwerere Verftändniß einer hochdeutſchen Periode oft mejentlih ab. Ein Xtilel im Leſebuch mag abgefaßt fein, wie er will, er wird in der Mehrzahl der Schulen

5223 Geſchichte.

nicht ohne ſprachliche, und überhaupt die Darflellung betreffende Erläuterungen verfiänvlidh fein. Des Lehrers Sache aber ifi ed, zu willen, was feine Edyüler verftehen, und was fie nicht verfieben, und danach feinen Bertrag einzuribten. Und nur ein folder Vortrag kann der Sache felbft ihr velied Recht wiederfahren lafien. Eine mit grammatifhen, etymologiihen x. Ep plication enabwechſelnde Geſchichtsbetrachtung wird nie recht intenfiv wirten, fo wenig wie die Pectüre einedaus ländifchen Dichters, fo lange man Grammatıl und 2erilon alle Augenblide zu Rathe zieben muß, einen rechten Ginblid in die Schönheit der Dihtung gemährt.

Nur folge hiſtoriſche Darftellungen, die, von Meifterhband entworfen, tiefer in die dunklen und verborgenen Gänge der Geſchichte oder in die Falten des menjhlihen Herzens bineinleuchten, als eine gemöhnlide Ex zählung dies vermag, folche, die ſich vermöge ihrer meifterhaften Form bem Gedächtniß unmiderfteblih einprägen und bei jeder Wiederholung den Leier mit ftet3 frischem Intereſſe erfüllen, nur ſolche Darftellungen, die des Er: läuternd und wiederbolten Leſens werth find, follten im Lejebud Bias baben, nicht aber Auseinanderfegungen, bie faft jeder Lehrer mündlidy ebenfo gut, wo nicht befier, geben fann.

Ueber die Art und Weiſe, wie der Geſchichtsunterricht in der Volls⸗ ſchule an das Leſebuch anzuschließen ſei, gibt Herr Kalder im Schuiblati der Provinz Brandenburg (S. 285, Jahrg. 1865) eine Anweiſung, aus welcher hervorgeht, daß man über die urjprünglide, etwas gar zu natun wüdlige Idee, die Geſchichte einfadh aus dem Lejebuhe berauslefen zu laſſen, mehr und mebr hinauskommt, und das Leſebuch in der Geſchichte⸗ flunde ein wenig in den Hintergrund hinein zu complimenticen bemübt if

Nachdem über den die Vorſtuſe bildenden Unterridht in der Heimathes⸗ funde gehandelt worden, heißt es weiter:

„an der Oberklaſſe geftaltet fi die Gefhichtöftunde in folgender Weiſe. Der Lehrer hält einen freien Bortrag auf Grund des bezügliden Lefetüds im Schulbuche, mobei er bejonders fein Augenmerk auf bie Sprache der Unterlage gerichtet hat, zu deren Verſtändniß der Schüler ge führt werben fol. Das Leſeſtück hat fich der Lehrer durd eine forgfältige Vorbereitung fo zu eigen gemadt, daß er den Inhalt ohne alle Ber bülfe des Buches darzuftellen im Stande if. Der weniger Geübte unter fügt fih anfangs durch einige Stihmörter, melde er fih auf einem Bettelhen vermerlt bat. Die Theilnahme der Schüler fihern mir und nit allein durch die ſympathiſche Macht, momit das eigene Intereſſe aa der Sache die Kinder jederzeit zu fefleln im Stande ift, fondern auch durd das geeignete Hineinzieben der Hörer in die Entwidelung der Darflellung mittelft der Frage. Der Schüler fließt aus einem mitgetheilten Greignib auf die Wirkung deſſelben, aus ber GCharattereigenfchaft der Perfonen auf ihre Folgen u. ſ. w. Bei einem organifhen SHauptabfchnitt der Sache macht der Bortrag Halt. Der Lehrer läßt fih mit einem zufammenjafler den Wort den Inhalt feiner Mitiheilung aufs Kürzefte angeben, und ſchreibt die gefundene Bezeihnung mit vorgejegter Nummer unter die ſummariſche rt an die Wandtaſel. Ginige Fragen befefligen die Sache und

Geschichte. 5923

erläutern etwaige Unklarheiten, und nun folgt eine zufammenhängenbe Miederholung durch den Schüler.“

„Iſt in dieſer Weile die mündliche Durcarbeitung des Stoffes ger ſchehen, jo wird endlich das big jet wor dem Schüler gefchlofien lienende Leſebuch aufgeſchlagen, und das betreffende Stüd mit forgfältiger Betonung am Faden ber Dispofition gelefen.‘

„Schließlich ſei noch erwähnt, daß mir in der Geſchichtsſtunde nicht andere Ideale haben und nicht mit anderem Maße mefien, ald in dem Chriftentbumsunterriht, und daß mir in der Geſchichte die Hauptjache darin finden, daß unfere Kinder den Finger Gottes in derſelben erkennen lernen. Es foll das nicht ſowohl durd breite Neten, oder eine gemachte Salbung, als vielmehr durch die Snergie der ganzen Darftellung und durch trefiende Schlaglichter aus dem göttlihen Wort geſchehen.“

Man denke über die bier emp’ohlene Methode ein wenig nah! Der Lehrer präparirt fi fo, daß er den Abfchnitt aus dem Leſebuch frei (ohne Benugung des Buches) erzählen kann. Da er die Diepofition des Erzählten an die Tafel fchreiben foll, auch nach diefer Dispofition foll leſen lafien, fo muß er fih natürlih striete dem Leſebuch anſchließen, und kann nicht mehr und nicht weniger erzählen, als „was im Bude fteht.” Aber nod melır, er foll fogar in Bezug auf die Ausdrudsmeife fih dem Bude anschließen. Glüdlib, daß Lehrer und Schüler doch menigitend noch auf einem Gebiet ihre Selbfithätigleit und ihren Echarffinn geltend machen fönnen, nämlih bei der Bezeihnung der einzelnen Abjchnitte behufs der zu entmwerfenden Dispofition. Sollte au bier no der Subjectiviss mus‘ zu ftark bervortreten, fo findet ſich wohl nod ein College, der, um einem „längft gefühlten Bedürfniß abzubelfen‘“, ein Büchlein mit den bes treffenden charalteriftiichen Bezeihnungen herausgiebt. Dann mürde in den Schulen, die ein und dafielbe Lefebuh benußen, beim Gejhichtsunterricht etwa dieſelbe Munnigfaltigkeit herrſchen, wie auf Srercirplägen, mo Truppen nad ein und demſelben Reglement erercirt werden. Daß eine ſolche regles mentsmäßige Uniformität mitunter fehr dienlih fein kann, um Geſchichte zu maden, das ift nicht zu bezweifeln, ob aber auch, um Geſchichte zu lebren, das ift mehr ala zweifelhaft; befonders menn 'man bedenkt, daß die Form, in der die Lejebücher den geſchichtlichen inhalt präfentiren, oft eine recht gebredhlihe und unwirkſame iſt.

(Viele der fogenannten realiftiihen Leſebücher bringen ihren biftorifchen „Stoff“ in der allerordinärften, fchleppenditen Darftellung, in gewöhnlichem Alltags: Bücher: Deutih, welches fi einigermaßen lieft, aber geſprochen ſich nicht fonderih ſchön anhört. Nun denke man die Lehrer einer ganzen Provinz fih Stunde für Stunde präparirend auf folde Lectionen, und diejelben dann möglihft getreu recapitulirend! in Theil der Xefes bücher gibt aud den Stoff in einer etwas alterthümelnden Manier, die an Luthers und feiner Zeitgenoffen Manier erinnern fol. Natürlid mie überall, wo das Große von Kleinen nachgeahmt wird, hat man der Sprache ver Lutherſchen Bibelüberfegung nit die Kraft, die Angemefjenbeit, den Schwung und die gewaltige rythmiſche Bewegung abgelaufcht, fondern das Relativum „ſo“ (ftatt „ver, die, das,” oder „welder ꝛc.“), ferner die häufige

524 Geſchichte.

Voranſetung des attributiven Genitivs vor das betrefſende Hauptwort, die unentwidelte, gleihförmige Nebeneinanderftellung mehrerer durch „Und“ verbundener Hauptfäße und dann namentlih die im neueren Hochdeutſch wegfallende Enpfilbe der dritten Berfon Singularis bei den Verben, fo da von der Luther'ſchen Diction nichts weiter nachgeahmt wird, als das Ans tiquirte, leineswegs aber diejenigen Cigenthümlichleiten, um beren willen die Luther'ſche Bibelüberfegung durch alle Zeiten hindurch der Quell der Berjüngung für unfere Mutterſprache bleiben wird.)

12) Schließlich mag bier nody erwähnt fein, was die „Allg. Deutſche Lehrerzeitung bei Gelegenheit der Lehrmittelausftellung auf der XV. Als gemeinen Deutſhen Lebrerverfammlung über die daſelbſt ausgeftellten Hülle mittel für den Geſchichtsunterricht bemerkt. Cs heißt in Nr. 39 v. Is.: „Unzertrennlih mit der Geographie verbunden ift-die Geſchichte. Go reich⸗ baltig die Hüljsmittel für jene find, fo arm find fie für diefe; denn es find nur zwei Arten Anjhauungsmittel denkbar: biftorifche Atlanten und Bilber; diefe als Portraits oder als hiſtoriſche Darfielungen. Daß die Atlanten ein vorzüglihes Mittel find, darüber ift nicht zu ftreiten; man lieſt ge willermaßen die Geſchichte ab. Das veränderte Kartenbild vermittelt in der Crinnerung die Urfahen und den Gang der Greignifle. Die vortrefflichen Arbeiten in diefem Fache von Voigt, Rohde, Bretichneider, fomwie das prächtige Wert Spruner’s find befannt. Trotzdem wird die Verwerthung diefes Unterrichtsmittels eine beſchränkte fein, weil in vielen Berhättnifien die Anſchaffung eines biftoriihen neben dem geographiihen Atlas kaum verlangt werden kann. Aus diefem Grunde find für die Praxis die biftorifch : geographifhen Wandkarten wichtiger. Wir haben bereit der Ch mann'ſchen gedacht; ihr Preis ift nicht zu theuer, und leiner guten Bürger ſchule, von Realſchulen gar nicht zu reden, follten dieſe oder auch andere ähnliche Karten fehlen. Wenn aber lein Geld dazu da iſt? Auch biefe Gventualität, die, jehr häufig vorlommen ſoll, wenn es der Schule gilt, iR zu berüdfidtigen. Es kann geholfen werden. In jeder erften Klaffe findet ih ein Knabe, oft auch mehrere, der befonderes Talent zum Nartenzeichnen bat und auch wohl im Stande ift, ein Kartenbild vergrößert darzufiellen. Diefe Knaben müfjen eintreten, fo ed den Vätern der Stadt an Gelb ge bricht für biftoriihe Wandlarten. Sie copiren nad und nad, je nah dem Bedürfniffe, in großem Maßftabe die Karten aus dem Atlas des Lehrers; natürlich ift die Arbeit eine freiwillige. Nah ein Paar Jahren find fo viel Wandlarten da, als zum Gefchichtsunterriht nothwendig find. Beſon⸗ "ders Semimaren dürfte diefe Art der Grwerbung zu empfehlen fein; vie jungen Leute lernen dabei doppelt. Von Bildern gewahrten wir: „Bas deutſche Knabenbuch,“ 100 Geitalten in Wort und Bild. Es find gute Bilder von Methufalem und Salomo bis zu Römer und Blücher; aud als Umſchlaͤge find fie zu benugen und als ſolche befonders zu empfehlen. Auf der eriten Stufe des Geſchichtsunterrichts, mo er biographiſch ift, müßten dieſe Oeſtalten ebenfo, wie der belanute „Raiferbilverbogen‘, eine gute Unterftügung fein. „Weber's Gallerie berühmter Perfönlichleiten bietet gute Portraits; es wäre in ähnlicher Weife zu benugen wie das vorige. Bon hiſtoriſchen bilplihen Darftellungen war wenig da, Prachtwerke, was

Geſchichte. 625

rüßen fie der Schule? Sie wandern in den Salon der Reihen dieſer Erde, und dienen dazu, Wartenden einige Minuten die Beit zu vertreiben. In diefer Beziehung fehlt es an einem größeren Werke, das, ähnlich der Schnorr'ſchen Bilverbibel, die wichtigſten Momente in künftleriiher Con» ception zur Darftellung brädte. Die Bilder müßten groß, dürften aber nicht zu theuer fein, denn daran fcheitert jo oft die Einführung eines guten Lehrmittels. Als Hülfsmittel zum Studium der Gejhichte bietet Martens in. Lübed als Manufeript 10 chronologifhe und ethnographifhe Tafeln; Dr. Meier hat eine Ueberſichtskarte der Weltgefhihte auf einem Blatte entworfen; es ift colorirt und wird dadurch wohl überfihtlihb. In ftiller Gtunde Tann der ftubirende Lehrer, diejer Bufammenftellung folgend, feine Kentniſſe prüfen, manden © Lüden fih bewußt und in manden Stüden ſich klarer werden.“

Kkiteratur. I. Lehrbücher, Leitfäden, Charafterbilder u. f. w.

A. Allgemeine Gefchichte.

1. v. Aldensleben, Allgemeine Weltgefhichte für das Volk. Mit taujend Sluftrationen. Nah den beiten Duellen bearbeitet. Wien, Berlag

von U. Wenediet. In Lieferungen von 20 Seiten Duartiormat (auf 70

bis 80 berechnet) & 5 Sgr., reip. 25 Nr.

Unter ven für ein größeres Publikum berechneten Darftellungen der Weltgeſchichte ift die vorliegende wohl ein Unicum. Schoh der Profpectus ift augenſcheinlich in dem Bemwußtjein abgefaßt, daß hier nichts Gewoͤhnliches dargeboten werde. „‚Der Freiheit eine Gaſſe! Diefe Worte, mit denen ſich ein ſchlichter Mann des Boltes heldenmüthig dem Tod in die Arme ftürzte, um fein Baterland von dem ode der Tyrannei zu befreien, ſei unfer Mottol” „Und wie leicht ift es, den Spruh Scillerd (die Weltgefhichte ift das MWeltgeriht) zur Wahrheit zu bringen! Es genügt, zu der Exs reichung dieſes hoben, edlen Zieles mit voller Unparteilichkeit die Thatſachen felbft jprechen zu laſſen, fie darftellen, ohne den Wortſchmuck der Berberr: lihung, wie ohne die Verblendung des Vorurtheils!“ (Natürlih| ver geiftreiche Herr Verfaſſer weiß ohne Zweifel einen leichten, einfachen Rath, ein Millionär zu werden. Man laujt Altien oder Staatspapiere, wenn fie weit unter Pari ftehen, und verlauft fie wieder, menn fie geftiegen find, und fest das fo lange fort, bis man eine Million profitirt bat! Proba- tum est!)

Schließlich wendet der Herr Verf. fih an den gefunden Sinn des Volles, „welches bei einer folhen ſchlichten, einfachen und allgemein ver: ſtandlichen Erzaͤhlung der Thatſachen das richtige Urtheil won felbit wird

626 Geſchichte.

zu fällen wiſſen, und jo die Geſchwornen des Weltgerichts bil« den, welches in der Weltgejhichte liegt.‘ Angemeſſener wäre es wohl, ein Bublitum, das ver Belehrung durch ein populäres Wert noch bedürftig ift, lieber als Zuſchauer auf bie Zribüne und nicht gleih als Nichter auf die Bank der Gejhwornen zu laden. Biber das liegt fo in der Beit, und ſchmeichelt dem Publikum.

Sonſt hat man die Weltgefhidhte allgemein als ein Ding angefeben, das von Menſchen gemadt wird, In dem vorliegenden Wert erfährt nun der von Vater Herodot eingeführte Uſus eine zeitgemäße Erweiterung, indem die MWeltgejchichte bier anhebt mit der Organifation des Urſchlammes. Als die eriten Akteure der Weltgeſchichte werden bier die antediluvianijhen Ungeheuer aufgeführt. Nah ven Worten der Ginleitung wäre es eine UAnmaßung von Eeiten des Menihen, wenn er feine Geſchichte mit bem Auftreten feines Geſchlechts beginnen und fomit für nichts Anderes ein Intereſſe zeigen wollte, als für das, was auf ihn felber Bezug bat. Nun, Beſcheidenheit ift in unferen Tagen eine fo feltene Tugend gemorden, daß wir fie „rühmen müfjen, wo wir fie finden!”

Die Yuuftrationen zu dem vorliegenden Wert (Driginalzeicdhnungen, feine Clihe's!) find meift recht anfprehend blos als Zeichnungen bes trachtet, und ſogar theilweiſe recht inſtruktiv. Namentli gilt dies von ben Abbildungen von Waffen, Geräthihaften, Schmucſachen u. dergl. aus der Stein: und Bronzeperiode, und von den ardhiteltonifhen Abbildungen. Im Debrigen zeigen dieſe Jlluftrationen eine jeltfame Hinneigung zu Mord und Würgejcenen, jo daß man nad flüchtigem Durchblid derjelben faſt meinen tönnte, ein Wert zur Belehrung für Anatomen vor fih zu haben. Eltern⸗ mörber, denen mit Halen das Fleiſch vom Leibe geriſſen wird, abgehauene Glieder Alles in fchredlihem Realismus dargeftellt.

Der Zert felber mweiht von dem üblihen Ton der Darftelung nicht unbedeutend ab, und nähert ſich häufig dem legeren tändelnd - migeinden Seuilletonftyl. Die Begebenheiten ver Weltgefchichte werden bier vorgeführt, wie die Stadtneuigleiten in einer Wochenchronik, die über Kriegslärm, Theater, Ball, Kammerreden und Damenmoden mit gefhmwäßiger Leichtigkeit binweggautelt, ohne irgend Etwas allzu ernft zu nehmen. Gin oberflaͤchliches, zuweilen etwas: fades Geplauder über meltgejhichtlihe Dinge! So etwa tönnte man den Inhalt bezeichnen. Daß natürlid von den Eigenſchaften, die auf Talent zur Darjtellung, tüchtigen Kenntnijien u. vergl. beruhen, bier nicht die Rede fein kann, verjteht fih von jelbit. Aber gelegentlide Hindeutungen auf Pjaffen, Aberglauben, Heucelei und Volksverdummung, wo in der Geſchichte nur vun einem religiöjen Gegenftande die Rede if; ferner eine vecht breite, behäbige Darftellung der Verhältnijfe, die man m voltsthümlichen Schriften unferer Zeit je nachdem fie mehr für das er wachſene oder mehr für ein jugendlihes Publitum beftimmt find ent weder nur andeutet, oder gar mit einem Schleier bevedt; dann ein Tauſend theils wunderlicher, theils fürchterlicher Bilder, dies Alles, verbunden mit einem bocdtönenden Proſpectus, muß ja wohl fchließlih „zieben. Tit balten es für die Pflicht der Leſer dieſes Jahresberichtes, ſolchen Werfen, we

Geſchichte. 627

fie dem unlundigen Publitum in die Hände geftedt werben follten, nad Kräften entgegen zu wirken.

2. Andrea, Grunbriß der Weltgeſchichte für höhere Bürger- fhulen und mittlere Gynmmafialllaffen. Mit 8 colorirten Karten. Bierte verbeflerte und vermehrte Auflage. Kreuznach. R. Voigtländer, 1866. 203 ©. gr. 8. 25 gr.

Die „Allgemeine deutſche Lehrerzeitung‘ jagt über dieſes Buch: „Ein gediegener-Leitfaden, deſſen fchnell aufeinander folgende Auflagen die verdiente günftige Aufnahme deſſelben bezeugen. Die beigegebenen hübjchen Karten be: banveln 1) das füdmeftlihe Afien, 2) Paläftina und die angrenzenden Länder, 8) Griechenland, A) Alt:Stalien, 5) das römifhe Reich, 6) ger: maniihe Neihe um 500 n. Chr., 7) Karls des Großen Reich und 8) Europa zur Zeit Napoleons. Die neue Auflage unterfcheidet fih von den vorhergehenden hauptfählih dadurch, daß die Biographien mehrerer hervor: zagender Männer, wie Melanchthons, Wallenfteind, des großen AKurfürften, des Prinzen Eugen, Steins und Scharnhorſts hinzugefügt und die Begeben- beiten der letzten drei Jahre wenigſtens angedeutet find. Die „Allgemeine Schulzeitung“ äußert ſich ebenfall® ſehr günftig über diefen Xeitjaden. Diefelbe bellagt, „daß die meilten unjerer Schulbücher zu Bieles enthalten.’ „Sie geben jehr Vieles, was gerade erit die Aufgabe des Lehrers im mündlichen Bortrage ift, und was doch aus Büchern niemals erlernt wird.‘ In diefer Beziehung wird der in Rede ftehende Leitfaden als ſehr brauds bar empfohlen, weil er nur das enthält, was unumgänglich nothwendig ift, und vom Schüler wirklich gelernt werben ann.

3. Afimann, Dr. W., Handbuch der allgemeinen Geihichte Für höhere Lehranftalten und zur Selbfibelehrung für Gebiidete. 2. Theil. Geſchichte des Mittelalters, 1117 ©. gr. 8. Braunſchweig, 1865. Vie⸗ weg u. Sohn. 1: Th. .

Lag nicht vor. Der erfte Theil dieſes Werkes ift im XV, Bande des Jahresberichtes, das Ganze ‚überdies in mehreren pädagogiſchen Zeit: ſchriften empfohlen worden.

4 Bredow, Lehrbuch der Weltgeſchichte, oder umftänblihe Erzählung der mertwürbdigftien Begebenheiten aus der allgenieinen Weltgefchichte. Ber fonder® für Bürger» und Landſchulen, fowie auch für Töchterſchulen und zum Selbflunterriht. Füufzehnte vermehrte und verbeſſerte, bie auf bie neuefte Zeit fortgeführte Auflage. 478 ©. gr. 8. Altona, 1866. Ham⸗ merid. 1 Thlr.

5. Gaffian, Dr. Brof., Lehrer an ber höheren Bürgerfchule zu Frankfurt a. M., Handbuch ber allgemeinen Weltgejhichte auf geographiſcher Grundlage und mit Bri dühtigung, ber Culturgeſchichte, file Bürger, Real⸗ und Gewerbeihulen. Nebft einem Anhang chronologiſcher Tabellen. Zweite, vermehrte und verbefierte Auflage. Frankfurt a. M. Jaeger'ſche Buche handlung, 1866. 416 ©, gr. 8.

Diefes ziemlih umfangreihe Lehrbuch ſucht eine möglihft tief in das Weſen der Dinge einpringende Darftellung aller bei der gejchichtlihen Ents widelung wirtjam gemwejenen Factoren zu geben. „Es wird‘, wie es im

528 Gedichte,

Vorwort zu erften Auflage heißt, beim geſchichtlichen Unterricht die Kennt niß des Geſchehenen, des Charakters der verſchiedenen Perioden und ber bandelnden Perfonen, der Entwidlung und Bildung der Bölter, der wid» tigen Entdedungen und Grfindungen über eine bevorzugte oder gar au ſchließliche Aufzählung von Schlahten und Friedensſchlüſſen, von Kaiſer⸗ bäufern und Regententajeln u. f. mw. die Oberhand behalten müfjen.” Diefem Grundfag gemäß nimmt denn auch das kulturbiftoriihe Material einen fehr bedeutenden Raum ein. Jedem Hauptabjchnitt der Geſchichte if eine kurze geographiſche Skizze des Schauplaßes der Begebenheiten voran: geſtellt Die orientaliihen Verhaͤltniſſe der alten Zeit find nur Inapp, bie der Griehen und Römer defto ausführlier bebanvelt.

Das Buch ift durch zweierlei Drud zur Benupung für zwei verfhie dene Stufen eingerihtet. Für die erfte, die propädeutifche, ift die Erzaͤh⸗ lung der wichtigften Begebenheiten beflimmt, das Kulturhiſtoriſche dagegen für vie höhere Stufe.

Das Buch ift darauf berechnet, nad vorangegangener miünbficher Darftellung von Seiten des Lehrers dem Schüler zur Wiederholung und Ginprägung des Gehörten zu dienen. Die Erzählung bewegt ſich barım in kurzen, Inappen, aber ſcharf beftimmten Zügen, die mehr andeuten als befchreiben und ausmalen. Dieſe Darftellungsmeife läßt natürlich eime Hervorhebung des Antheils, den das Gemüth des Darftellenden an den Begebenheiten nimmt, fowie eine moraliſche Abmägung der Motive ver Handelnden nicht leicht zu, febt diefes vielmehr von der voraufgegangenen mündlichen Erzählung voraus. Die kulturhiſtoriſchen Abfchnitte find reich⸗ baltig, und man ftößt überall auf den- fihern Grund tüdtiger, umfaffender Detailtenntniß. Unter den ſchönen Künften iſt die Baulunft am ausführ lichften behandelt. Noch anſchaulicher würden die diefem Gegenftande ge: wibmeten Capitel werden, wenn die Verſchiedenheiten der einzelnen Bauftyle nicht blos aufgeführt, charakterijirt und einander gegenüber geftellt würden, fondern wenn zunädft das Grundprincip der Conftruction (die theilweiſe Bedingtheit defielben durch den baulihen Zwed und das YBaumaterial) und fodann die aus demfelben mit Nothwendigkeit bervorgehenden conftructiven und decorativen Formen behandelt wären, damit der Schüler einen Bauftyl nicht als eine willtürlihe Zujammenftellung mehrerer Kunſtſormen, fondern als eine organische, aus dem Princip und ben gegebenen Berhältnifjen ber vorgewachſene Einheit erfaflen lernte.

Im Einzelnen könnte wohl noch Manches theild berichtigt, theils genauer und zutreffender ausgebrüdt werden. So ift der Ausprud, „di Eophiften in Athen, leichtfertige und verderbliche Leute’, in feiner Unein: gefchränttheit unpajiend, weil er die Ausartung als das Weſen und di Regel erſcheinen läßt. Ungenau ift es ferner, zu behaupten, Plato hätte uns „anziehende Berichte über die Lehre des Solrates hinterlaſſen,“ ta Plato's Dialoge zwar ſehr anziehbende Berichte, aber doch wohl von feiner eigenen Lehre, nicht von der des Sokrates, find. Daß Ariſtoteles „Die Lehren des Plato und des Sokrates zu einer Wiſſenſchaft ausgebildet‘, bezeichnet denn doch das Verhaͤltniß jenes Philofophen zu dieſen beiden ſehr ungenau und mißverftändlih (eine treffende Bezeichnung berartigit

Geſchichte. 529

Berbältnifie in zwei oder drei Zeilen möchte übrigens feine Schwierigleiten baben), von feinen Werten foll „nur ein Meiner Theil erhalten fein”, ein Ausdrud, der dem Schüler wohl ſchwerlich die redhte Idee von dem Um⸗ fange einer Geſammtausgabe des jegt noch Vorhandenen geben wird. „Arouet von Voltaire und J. J. Rouſſeau ftrebten eine gänzliche Umgeftaltung der religiöfen und politiihen Verhältniſſe an“, ift ebenfalls ungenau, da Voltaire an eine radikale Umgeflaltung der politiihen Verhaͤltniſſe kaum gedacht hat; ihm fcheint wielmehr im Allgemeinen der aufgellärte und mohlmollende Despotismus volllommen zu genügen. Uebrigens gehört Rouſſeau nicht zu denen, welche vorzugsmeije mit ‚den Waffen des Wied und Spottes‘ fämpfen, vielmehr haben alle feine Hauptichriften ein jehr ernithaftes Anſehen, und fein politiſches Hauptwerk ift fo ſyſtematiſch abgefaßt, wie nur möglich. Auch ermedt es eine faljche Vorftellung von Montesquieu’3 „Geiſt der Ges fege‘‘, wenn al3 die Quintefienz deſſelben die Empfehlung der Republit als der zu eritrebenden Staatsform angegeben iſt. Dies ift die mehr oder minder deutlich hervortretende Tendenz der Roufjeau’shen Schriften, während der „Geiſt der Gefeße” die ftärkiten Sympathien für eine geſetzlich geordnete Monardie an den Tag legt. Nicht blos die Royaliſten befämpften ben Convent wegen der neuen Conftitution, fondern aud die Ultras von ber andern Eeite, und eben diefer Umftand machte ihre Beliegung leiht. Sehr verfehlt jcheint die Gegenüberftellung von Göthe und Schiller, die fi ein« ander ‚wunderbar ergänzen‘ follen, was freilih zum größten Theil wahr ft. Wenn aber nun dieje leivigen, nadten, kahlen und, weil zu viel fagenden, darum nichts fagenden Antithefen wiederholt werden von Idealismus und Realismus, Objectivität und Subjectivität, Volks⸗ poefie und Runftpoefie, wenn dies fo nadt und kahl einander gegenüber» geftellt wird, fo gibt das einen falſchen Sinn. In folde Antitheſen kann man, wenn man fie zu dem beftimmten Zwed eigends definirt und dadurch ihren Sinn einſchraͤnkt, allerdings etwas Richtiges hineinlegen. Der Schüler, der die Werke Beider nicht genügend kennt, fann es nicht. Dergleichen Redensarten von Schiller, dem Spealiften, und Göthe, dem Nealiften, find, wie bäufig die ganze Literaturgeſchicht ein bequemes Ruhekiſſen für folche, die von den eigentlihen Werlen des Genius weder Etwas fühlen, noch verſtehen, noch überhaupt wiflen, aber doch darüber mitreden müflen, und fi dafür an Neußerlichleiten und an fertige Redensarten halten, mit denen man, wie mit geprägten Münzen in der Zajche, bequemlich klappern kann.

Trotz alledem bekundet die Abfaſſung namentlich der Abſchnitte über Kunſt und Literatur mit ihren kurzen, oft trefflichen Charalteriftifen der Merle und ihrer Schöpfer eine bedeutende Kenntniß auf bdiefem Gebiet (Schreiber diejes ſchließt von dem, was einigermaßen innerhalb feines Ges fichtsfreifes liegt, auf das Uebrige) und ein gar nicht gewoͤhnliches Talent der Darftellung. Ob in Deutjhland viele Schulen eriftiren, in denen es gerathen fein mödte, all dieſes Material wirklich vorzuführen, mag dahin» geftellt bleiben. Der Derf. warnt felbit in der Vorrede vor einem Zuviel. Uebrigend werben örtlihe'Berhältnifje bier von großem Einfluß fein. Man tann in Münden, Dresden, Berlin u. |. w., wo die Schüler täglih an

Yan. Japresberigt. XVII. 34

530 Geschichte.

‚Bauwerlen ver verfhiedenften Kunftform vorübergehen, ſchon weiter af dieſen Gegenftand eingehen, als in einer Heinen Provinzialftadt.

Das vorliegende Wert möchte feiner ganzen Haltung und Faſſung nah nur für die oberften Klaſſen höherer Lehranftalten geeignet fein, und felbft die dem propädeutifchen Unterricht gewidmeten Abjchnitte nähern ſich meiftend dem der höheren Unterrihtsftufe entfpredhenden Ton. Sedenjals bat man e3 bier mit einem durchdachten, gediegenen und tüchtigen Schul: buche zu thun.

6. Dr. Eiſelen, Lehr- und Leſebuch für den erften geſchichtlichen

Unterridt. Berlin. Wieganbt und Griehen, 1865. 208 S. 8. gu.

124 Ser.

Lag dem Ref. nit vor. Die „Allgemeine deutjhe Lehrerzeitung“ jagt von dem Bude: „Fuür die unterfte Klaſſe höherer Lehranftalten be— ſtimmt, foll diefes Bud ein Vorläufer von Stade’3 Erzählungen aus der "griehifhen und römiſchen Geſchichte fein. Darum ift die griehiläe Eage nur in einem kurzen Abjchnitt vertreten, dagegen enthält ed aus: führlide Grzählungen aus der alten aſſyriſchen, babyloniſchen, mediſch perſiſchen, lydiſchen, phoͤniziſchen und ägyptiſchen, nicht minder aus ber al: ten deutſchen Geſchichte, erzählt ferner von Karl d. Gr., den Kreuzzügen im ‚Allgemeinen, von Luther, Friebr. d. Großen, den Befreiungstriegen, und gibt in einem Anhange ein Verzeihniß der Hohenzoller'ſchen Fürſten. Die ‚getroffene Auswahl ift eine jehr zmwedmäßige und dürfte auch für die Oberllaflen "niederer Schulen ausreihen; außerdem weiß der Verf. fehr gut zu enäh ‚len. Das Bud iſt empfehlenswerth.“

71. Fiſcher, Eonrector, Ferd. ndw., Leitfaden für ben Unterrigt in »bder Geſchichte für Boltsfhulen in 3 Euren. 2. und 3. Eure. Zangenjalza, Greßler. 134 Sgr.

8. Paul Frank, Geſchichte des Mittelalters (Weltgefchichte, 2. Bin’ hen). Für Schule und Haus faßlich bargeftellt. Leipzig, 1865, Berlas von Merjeburger. Gebe}, 264 S. 12 Sgr.

Bon der ganzen, auf drei Bändchen berechneten Weltgeſchichte des Hrn. Berfafjers liegt dem Referenten nur das zweite Bändchen vor. G behandelt im Zufammenhang nur die deutſche Geſchichte und fügt bie wid tigften Begebenbeiten in den übrigen Ländern, ſowie die üblichen culter hiſtoriſchen Skizzen an geeigneter Stelle ein. Was dieſe MWeltgefchichte ver vielen anderen auszeichnet, ift ihre große Billigleit (die wohl nur ducch den fehr engen Drud möglich geworben ift). Der Darftellung ift eine ge wille Gewandtheit nicht abzujpreden, und im Allgemeinen ift ein der pr "pulären Beftimmung des Werkes angemefjener Ton richtig getroffen worden. Leider ſcheint daſſelbe auf einer nicht allzutiefgehenden Bekanntſchaft mi den Quellen ver deutſchen Geſchichte zu beruhen; man findet überdies vide Ungenauigfeiten im Einzelnen, Spuren einer gewiſſen Flüchtigleit in der Bearbeitung. S. 82 3. B. „Auf dem Zürftentage zu Oppenheim ward fein

Beihlöhte, 531

ri (TV.) trog der rübrenpften Bitten feiner Konigswürde fo lange vers luſtig erlärt, bis er ſich vom Banne befreit haben würde.” (Stellt ven Sachverhalt ungenau dar, außerdem war der Fürfientag nicht zu Oppen beim, fondern in Tribur). Won dem „berühmten Reichsgeſetz“, der golde⸗ nen Bulle, beißt es S. 197 nur, daß fie „die Rangverhaͤlmiſſe der Fürften beſtimmte, und den Kurfürften von Mainz, Trier, Cön, Böhmen, Pfalz, Sadfen und Brandenburg den erften Rang nah dem Kaiſer vers lieh.” Man bevenfe, was für Boritellungen fi der Leſer über einzelne Ipätere Vorgänge im bveutfhen Reihe machen muß, wenn er über eine Fundamentaleinrihtung, wie den in der goldenen Bulle feftgefeßten Modus der Kaifermahl, fo ganz in Unwiſſenheit belaffen wird. Bon Parcival heißt es ©. 174: „da er alles Wunderbar, mas bier (nämlich auf der Grals burg) geſchieht; an ſich worübergehen läßt, ohne zu fragen, muß er durch ſchwere Prüfungen fih die Neinheit der Seele erjtreben, welche ihm ven Beſiß der Gralburg verfchaffen fol.” Es ift ſchwer zu entfcheiden, was Leſer, die das betreffende Gedicht nicht Tennen, ſich bei diefem Satze wohl vorftellen mögen. Dann läßt der Hr. Verf. Friedrich J. von Brandenburg feinen Wohnſitz in Berlin nehmen, während doch Johann Cicero der erfte Hohenzoller war, der feinen Wohnfig dauernd in der Mark Brandenburg nahm. Daß Deutfhland, wie es S. 89 heißt, im Sabre 1077 ein Wahls reich geworben fein foll, ift gleichfalls unrichtig. Die Lifte folher Irrthümer und Ylüchfigfeiten könnte leicht noch vermehrt werben. '

Daß in einer populären Geſchichte auch dem Sagenhaften fowie ber Anekdote ein angemefjener Raum gegönnt werden müfje, wird Niemand bes fireiten wollen. Nur muß die Sage immer aud als folde hervorgehoben und von der beglaubigten Geſchichte deutlich gejchieden fein, was in dem vorliegenden Werk nicht überall gejhehen if. Hin und wieder find Ge dichte hiftoriichen Inhalts der Erzählung eingefügt. Einige davon find ganz gut gewählt ; mehrere aber audy ohne allen poetiſchen und hiſtoriſchen Werth. Bon einem Brincip bei der Auswahl verfelben, nad welchem etwa bag Belanntefte unferer Literatur durdhgemuftert und das Paſſendſte ausgewählt wäre, ift nicht3 zu verjpüren. Vielmehr jcheint aufgenommen zu fein, was dem Hrn. Verf, gerade als einigermaßen geeignet zur Hand oder im Ge daͤchtniß war.

Somit mag das Werk feiner anjprechenden Darftelung und nament⸗ lich feiner Billigleit wegen Soldhen empfohlen werben, denen die Beſchaf⸗ fung eines umfangreiheren und theurern Werkes nicht möglih if. Hat es auch manche Mängel, jo wird ſich doch immerhin ein gemifier Grad ge ſchichtlicher Kenniniß daraus gewinnen laſſen. Nur für die Schule möchte Ref. ed unter keinen Umftänden empfehlen. Hier müllen wir Arbeiten auf foliverem und zunerläffigerem Grunde haben, und glüdlichermeife haben wir deren auch in binreichender Anzahl.

9 Geſchichte Quftan Adolphs nah Andreas Fryxell. Neue (Titel . Ausgabe 1865. Verlag von Senf's Buchhandlung in Leipzig. 320 ©. 871 Shle. (Mit dem Portrait ©. Abolph’s nah N. v. Dyt). u

34*

RB? Geſchichte

Eine in jeder Beziehung vortreffliche Biographie. Cine klare, an ſchaulich⸗ Erzaͤhlung, die faſt nur den Gegenſtand ſelber reden zu laſn ſcheint, bei aller Ruhe und Objectivität doch ſpannend, die militäriihen und oft fehr verwidelten diplomatiſchen Verhaͤltniſſe leiht und überfihtlid ‚darlegend ! Dabei jo unparteiiih und vorurtheilsfrei, daß aud bie leijeften ‚Bedenken, die man beutjcperfeitS gegen dad Auftreten Guflav Adolph's in unſerem VBaterlande erheben kann, gewiſſenhaft abgewogen und verfländig gewürbigt werden. Uns Deutide wird beſonders interejfiren, was der ſchwediſche BVerfafier über den GEndzwed Guſtav Adolph's bei feinem deut: ſchen Kriegszuge ſchreibt. Es beißt:

„Ouſtav Adolph's Plan, roömiſcher Kaiſer zu werden, oder wenigftens ‚einen Theil des noͤrdlichen Deutſchlands unter die ſchwediſche Krone zu bringen, bildet den zweiten und noch wichtigeren Oegenſtand bifteriicer dorſchungen. Zum erſten Male findet man, daß nach der Schlacht von Leipzig die Rede davon iſt, wo ber Kurfürft von Sachſen in ber exfien Freude fih erbot, für einen folden Plan mitzuwirten. Durch Guflav Adolph's außerordentliche Erfolge ward wenigſtens der letzte Theil dieſes Planes von einem Traumbild zus Möglichkeit, Wahrſcheinlichkeit, Wirllich⸗ keit. Daß Guſtav Adolph ſchon damals ſolche Abſichten hegte, vermuthet man auf Grund des Zuges nach Weſten. Man bemerlte, daß, wenn der König nur die Abſicht gehabt hätte, ven Kaiſer zu einem billigen Frieden zu zwingen, er bloß nötbig gehabt hätte, geraden Weges auf das wehrloſe Wien loszumarfdiren ; die Schwenkung nach dem Rheinftrome bin bezmedte "dagegen offenbar, die umliegenden Länder zu erobern, und für ſich die dow tigen Fürften und Böller zu gewinnen. Bald zeigten ſich noch bedenklicere Zeichen. Guſtav Adolph ließ ganz Franken den Eid der Treue für fih und die ſchwediſche Krone ablegen. Sein fhonendes Verfahren gegen die Ratholiten ward aus demfelben Gefihtspuntte beurtheilt. Guftan Adolph nahm alle Yeußerungen, die man in folder Richtung gegen ihn that, ſcher⸗ zend bin; dennoch befand fi in dem Friedensvorſchlag, den er bald darauf dem Kaifer fchidte, die Bedingung, daß Guftav Adolph zum römiſchen Kai: ſer erhoben werden folle, d. h. zum Nachfolger Ferdinand's.“

„Man bat es getadelt, daß Guſtav Adolph einen Theil Deutſchlands für fi behalten wollte, und hat demnad Groberungsluft und Eigennub als die Haupttriebfeder feiner ganzen Unternehmung bingeftellt. Die Sad fann aber auch von einer ganz andern Seite betrachtet werben. @uflav Adolph verwandte Schwedens Einkunfte blos für Deutfchlunds Wohl, ul war daher ſowohl berechtigt, als verpflichtet, feinem eigenen Volle Vottheile zu verſchaffen, die dieſen Opfern entſprachen, namentlih da fein Plar auch bauptfählid für das Beſte Deutfchlands berechnet war. Ganz richtig war nämlih Guſtav Adolph's oft wiederholte Bemerkung, daß jeder Friede nichts nutzen würde, bis man eine Macht errichtet haben würde, die far genug fei, Deiterreih das Gegengewicht zu halten. Wo nicht, fo würden die Heinen deutſchen Staaten bald wieder in Wirren und Berfall gerathen, eine wehrlofe Beute für einen neuen öfterreichifchen Croberer, oder vielleich für einen fremden Eindringling. Wie rihtig Guſtav Adolph’

Gefchichte, 588°

Scharjblid, die Lage der Dinge beurtheilte, bat die fol⸗ gende Geſchichte Deutſchlands nur zu gut gezeigt.“

„Daß der König die Errichtung einer oſtſeeiſchen Großmacht beqbſich⸗ tigte,, ift wohl ohne Zweifel, jchwieriger jedoch zu enticheiden, ob er biete lich Abſichten auf die Kaiſerkrone hatte u. f. w.“

Die deutfhe Bearbeitung ift mit Geſchick und Sorgfalt redigirt wor: ben : und ber Ausbrud zeigt nirgends den Zwang einer Meberfegung. Wir, empfehlen das Werl jedem Gefchichtslehrer als eine angenehme und belebs rende Lectüre, namentlich aber jeder Bibliothel für veifere Schüler.

10. Gfroͤrer, Zur Geſchichte deutſcher Volkerechte im Mittelale ter. Nach bem Tode des Verfaflere herausgegeben von Dr. Weiß. Zwei⸗ ter Band. Schaffhaufen, Hurter'ſche Buchhandlung, 1866.

Das genannte Berl ift der Nedaction des Yahresberichtes zur- Bes ſprechung in demfelben eingefandt worden, und es mag darum hier mit aufe geführt werden, obſchon es nicht zu der Klaſſe von Schriften gebött, mit: denen es diefer Beriht zu thun bat. Wer fih mit quellenmäßigen Bears: beitungen der Geſchichte von rein willenfchaftliher Zendenz belannt machen! muß, der wird ſich fchon der gemöhnliden wijfenihaftlihen Hülfau mittel bedienen müflen, um mit der betreffenden Literatur au courant gu bfeiben. ..n

Der vorliegende zweite Band des Werkes entwirft ein Bild von dem Gulturzuftande des mittleren Europa in den Jahren 600 bis 800 n. Ehr. Die Haupttendenz des Ganzen ift dahin gerichtet, die unermeßlichen Seg; nungen nachzuweiſen, die das Chriftenthbum durch die damalige Stiche über die damalige Menſchheit gebradht bat. „Die Kirche war die Xrägerin ber Cultur, des geifligen, fittlihen und focialen Fortſchritts.“ Dies tritt aus jedem Gapitel des Buches greifbar hervor. Wir jehen auf allen einzelnen Lebensgebieten, wie die Kirche Liht und Humanität in bie theilweis ers ſchredende Barbarei des damaligen Europa bringt. -

Das Wert enthält eine überaus reihe Ausbeute eine ausgedehnten Duellenftudiums, wovon auch wohl Vieles zum erften Male an’s Licht tritt ; oder doch zu einem umfafjenden Gejammtbilde der Eultur jener Set: ten nutzbar gemaht worden it. Auf die culturhiftorishen Darftellungen des fränliſchen Beitalters wird das Merk jedenfalls von maßgebendem Gin:

fluß fein.

11. Grube, A. W. Charakterbilder aus ber Geſchichte und Sage, für einen propäbentifchen Geſchichtsunterricht. 3 Thle. 10. Aufl. mit 3 Stahlſtichen. gr. 8. Leipzig, Brandfletter. 3 Thlr.

Zu diefem in der pädagogifhen Welt überall befannten, in dieſem

Jahresbericht mehrfach befprohenen Merk ift im verflofienen Jahre als ein

Hülfsbuch beim Unterricht erjchienen :

5B4: Geſchichte.

Grube, U. W. Dieberhofungabud zu ben Eharafterbifbern ans ber Geiciähte- und Sage. 70 ©. gr. 8. Leipzig, bei Branbfletter, 1865. 74 Ger. Ueber den Zwed und die Tinrihtung dieſes Buches äußert fi ber

Bert. im Vorwort:

„Mit einem bloßen Auszug zum Auswendiglernen konnte und wollte ich mich nicht begnügen, da erft dann das Auswendiglernen von Namen und ‚Zahlen von Nupen ift, wenn der Schüler mit eigener Thätigleit in feiner Wiederholung zuvor inwendig gelernt, felber für diefes Inwendigler⸗ nen gearbeitet bat.“ „Der Lehrer muß den Schülern Anleitung geben, daß fie felber Das Wiederholen lernen. Dies geihiehbt am beflen durch Repe⸗ titiongfragen, welche der Repetent zu Haufe neben feinem Geſchichtsbuche vor Augen bat, um nad deren Anleitung den Stoff wieder durchzuarbei⸗ ten. Mit dem bloßen Wiederdurchleſen des Lehr: und Handbuches iſt be Yanntlih wenig gewonnen.” „Ich habe die Fragen fo geftellt, daß fie den Schüler nöthigen, den ganzen Abjchnitt durchzuleſen und auch durch⸗ gubenten.” „Stage ih: „Welcher Strom fließt durch Eghpten?“ fo iR die Antwort leiht und kurz. ber fie wird inbaltsreicyer und bildender, weil fie das Urtheil berausfordert, wenn ih frage: Welche Bebeutung bat der Nil für Egypten?“ „Indem die. Fragen über das bloße „Was“ und „Wo“ hinausgehend auf das „Wie, „Woher „Warum x. den Haupiton legen, aljo den Schüler nöthigen, fi hen Stoff nach den Kate gorien der Kaufalität, Movalität, des Zweds u. f. mw. zurechtzulegen, ge winnt berfelbe Eintbeilungen und Ueberfihten, die ihm das Behalten we ſentlich erleichtern.“

13. Profeſſor Dr. W. Herbſt, Director des Gymnafiums und ber Realſchale in Bielefeld, Hiſtoriſches Hülfsbuch für Die oberen Klafſen vor Gymnaſien und Realſchnlen. I. Alte Geſchichte. (Auegabe für Eym⸗ naſien). Mainz, Verlag von C. ©. Kunze, 1865. gr. 8. 183 S. 12 Sgr.

Inm vorjährigen Bericht ift der dritte, die neuere Geſchichte behandelnde

Theil dieſes Werkes beiprohen und in feiner von den meiften Leitfäden

abweichenden Gigenthümlicpleit charakterifist worden. Nunmehr liegt ber

erfte, auf hie alte Geſchichte bezügliche Theil diejes Werles vor, und zwar in zwei verjchievenen Nedactionen, die eine für Gymnafien, die andere für

Realſchulen. Nur das erfie Dritttheil ift von Hrn. Dr. Herbft felbft ver

faßt worden, den zweiten Theil der griechiſchen Geſchichte (von den Berfer

triegen an) hat Hr. Dr. Jäger, die römiſche Geſchichte Hr. Dr. Ederß be arbeitet. Der urjprünglibe Plan ift von allen drei Bearbeitern im Ne jentlihen inne gehalten worben, nur daß Hr. Dr. Ederk keinen Abriß der römifchen Literaturgejchichte hinzugefügt bat, weil dieſe fich, feiner Anfıht nah, an die Lectüre der lateinischen Klaſſiker anfchließen muß. Ueber die orientalijchen Mölker ift nur das Nothürftigfte angegeben, über bie Perſe nur bei Gelegenheit ihrer Berührung mit den Griechen geſprochen. Die

Mythologie der Griechen iſt fehr vollftändig gegeben. In ber für Gymn⸗⸗

fien beftimmten Ausgabe find für die wichtigſten Dinge und Begriffe bie

Ueſſiſchen Bezeichnungen, hin und wieder auch bezeichnende Ausſprüche alter

Autoren in der Originalſprache beigefügt, .

Eine Hinweifung auf bie biftorifhen Quellen, wie ſolche in Lehr

Geſchichte 68

büchern für Gymnaſien ſonſt wohl beigefügt wird, findet ſich in dem vor⸗ liegenden Leitfaden nicht. Dafür will der Verf. ein beſonderes ‚‚Uuellen?” buch“ erfcheinen laſſen. Die „Allgemeine Schulzeitung‘ empfiehlt das Buch mit folgenden Worten:

„Das Buch zeichnet fih auch in diefem Theile hauptſächlich durch zwei große Vorzüge aus. Es tft theild nach eigenem Quellenftubium, theils aus den beften wiſſenſchaftlichen Forfhungen gründlich herausgearbeitet, und zum andern ift der umgelünftelt mwiedergegebene Stoff plans und licht⸗vo geordnet und gruppirt, wodurch deſſen Auffafiung und Aneignung wefent-. lich erleichtert wird.‘ "

Referent kann diefem Urtheile nur zuftimmen.

14. Kappes, Erzählungen ans ber Geſchichte für ven erflen Unterricht auf Mittel- und höheren Bürgerſchulen zufammengeftellt. Zweite Aufl. 1866, - Freiburg i. Br., Fr. Wagner’iche Buchhandlung. gr. 8. 272 ©, 24 Sgr.. Die erfte Auflage dieſes Buches ift im XIII. Bande diefes Jahres⸗

berihtes S. 308 als ein brauchbares Schulbuch empfohlen worven. ‚„Dbir

wohl der Lehrftoff in der Qualität ih nicht wejentlih von dem, was Vüch⸗ lein ähnlicher Beltimmung zu enthalten pflegen, unterjcheidet, fo fit die ſchlichte Art der Darftellung, die gerundete Abgrenzung der Einzelbilver- und bie Friſche derfelben wohl geeignet, daß fie Kindern als willkommenes

Hülfsmittel in die Hand gegeben werden.” Nur mwurbe die allzuknapper

Behandlung der neueren politischen Geſchichte gerügt. Dieſem Mangel tft:

in der zweiten Auflage einigermaßen abgeholfen durch Hinzufügung mehrerer:

nener Paragraphen. (Karl V. Der Schmallalvifshe Bund. Das Toncil zu Irient. Der Augsburger Religionefrieve. Der breibigjährige

Krüeg. Tilly. Wallenſtein. Guſtav Adolph. Die übrigen neu hinzus

gejügten Baragraphen betreffen die Geſchichte vom Ausbrud der franzöfifchem

Rewvolution bis zum Wiener Congreß). Somit bat das Buch eine gewifie

Vollftändigleit erreicht, und kam aud in jolden Schulen, die mit dem’

biographiihen Glementarcurjus den Unterricht in der Geſchichte überhaupt

abſchließen, als Lehrbuch benußt werden. Uebrigens find die beiden Theile

des Werkes, die in ber erſten Auflage getrennt erichienen, nunmehr im‘

einen Band vereinigt. Er

15. Dr. Kiefel, Director bes Gymnaflums zu Düffeldof. Die, Weltge- ſchichte für Höhere Schulen und zum Selbftunterricht. Erfler Band. Die vorhriftliche Zeit. Zweite verbeflerie Auflage. Freiburg i. Br., Herber’s Berlagsbuhhandlung, 1866. 633 ©. gr. 8.

Nah den Worten der Vorrede will der Verf. in diefem Werk bie Ges ſchichte fo erzählen, daß daraus das Walten Gottes erkannt werde. . Ex will für reifere Schüler und Lefer eine tiefer in das pragmatiiche Element einführende Darftellung liefern.

Der Verf. hat nun jein Merk fo eingerichtet, daß die Reflexion, welche die Greignifie beleuchten fol, nicht durchweg mit in die Erzählung felbft verwebt iſt, ſondern zumeift eine jelbftitändige Stellung einnimmt. Die Erzählung ift alſo zumeift rein fadhgemäß, natürlih nur in großen Zügen das Weientlichfte der Creignifie und ihren innern Zuſammenhang

536 Geſchichte.

anbeutend. Aber ſebr zahlreiche Paragraphen allgemeinen Inhalts geben dem Verf. Gelegenbeit, die Geſchichte mit feinen Ideen zu beleuchten.

Dem Ref. will es nun fcheinen, als ob jene mebr erzählenden und beichreibenden Abjchnitte der bei weitem vorzüglichfie Theil des Buches waͤ⸗ ven. Sie beruben augenſcheinlich auf gediegenen Studien, find ruhig und würdig gebalten, au wird die Darflellung für foldye, die mit der Geſchichte ſchon einigermaßen belannt find, und für folde if ja auch das Wert zunachſt nur bereihnet den gemügenden Grad von Klarheit befigen. Diefe Abfdnitte find wirflid geeignet, gründlihe Belehrung daraus zu ſchoͤpfen

Dagegen lañen die Abſchnitte allgemeineren, betrachtenden und abmi: ' genden Indalts Manches zu wünſchen übrig. Die Betrachtung dringt nicht überall in die Tieſe (3. B. die Abſchnitte „China“ und „Indien“ enthal ten durchaus niht mebr, als viele andere Lehrbücher weit geringeren Um: fang?, und bie Turkellung der indischen Neligionsverhältniffe geht durchaus wicht auf das Weſen der Sache genügend ein). Der dem Referenten zu⸗ gemeftene Raum werkuttet nicht. auf einzelne Anfihten des Berf. näher einzugeben : jont wödhte ib bei vielen derjelben das Schiefe und Unzurei⸗ ende leitt nıtrerkm lim (1. B. die Inder ſchrieben keine Geſchichte, weil fie feine Geſidte datten! Cäſar konnte feine wahrhaft ſtaatsmänniſche Aubgabe eriü.ien, weil er ab aut bie demoltatiſche Partei ftügte, und dieſe niemals etwıs ſchañen, immer ner opponiten und negiren fann, u. berol. mehr).

Bor allen Dingen aber ſeblt es den Abſchnitten, die fich zu eine eimas allxemeineren Petrxttuny erheben, bäufig fo jehr an der noͤthigen Beimmtbrit, Aarbeit und Zurkittirleit des Ausdruds auch jelbft da, wo die Betratiuny nicht eden ZUl;u jehr im bie Tiefe gebt, daß es dem

ichwer wirt, Ab burdzwwiniee, und felbfi.ganz gemöhnliche Gedan⸗ oft den Schein einer gewifen „rembartigleit annehmen,

Zum Eelttturium may tas Werk fi benugen laſſen. Die Shale Isun fh auf ein mũbſeliges Seramsjchälen geiftreiher, aber oft ſehr ge wegter Echlubichyerungen and einer nicht gemügend durchſichtigen Hülle nicht

16. Dr. Köpert, Glementercuriun ber Weltgeſchichte für Gynm— fien, Real» une böbere Pürgerichulen. Gısieben, 1566, Drud und Berlag von Reihertt. 5. 1348. 7| Eyr.

Tiefer Leitſjaden if auf eine zujammenbängende Geſchichtserzählung be rechnet. Der darin enthaltene barze Abriß derjelben if in gebrängter, aber Harer und überfidhtliher Weite geihrieben Die Sprache ift durchaus cm rect und dem Zwed angemefen. In Bezug cuf Auswahl und Anorbnung des Etoffes hält der Hr. Verj. fih an das in Büchern ähnlichen Umſange Ueblide. Aus ver alten Seit if im Weſentlichen nur die Geſchichte ke Griechen und Römer, aus der mittleren und neueren Zeit im Wefentlicen die Gefbichte der Deutiden erzäblt. Die Grjäblung fließt mit dem zwei⸗ ten Rarifer Frieden. Einige kurze Hindeutungen auf einzelne charalteriſtiſche

Geſchichte. 537

Züge und Anekdoten, wie fie in manden Leitfäden im Terte ver Erzäb: lung in Parentbefe angeführt zu werden pflegen, find bier unter den Text geftellt ; es fcheint dies zwedmäßiger zu fein, da dem im Lejen noch ungeübten Schüler jede Etörung in der Auffafiung des Zufammenhanges eripart wird, Einzelne Uingenauigleiten find vorhanden, aber nicht von Belang. Der Leitfaden ift jedenfalls ein recht brauchbares Schulbuch.

17. Dr. Köpert, Geſchichtscurſus für die mittleren Klaffen der Oymuafien und Realſchulen. Dritte vermebrte und verbefferte Auflage. Eisleben, 1865, Drud und Berlag von Reichardt. 177 ©. 8. 12 Bgr.

Iſt nah einem ähnlihen Plane wie das vorhin genannte Werl bes arbeitet, nur mit dem Unterſchied, daß es mehr Thatſachen anführt, dafür aber das Ginzelne in einer knapperen Faſſung ausbrüdt, fo daß die Ueber⸗ ſicht fich mehr der tabellariſchen Form nähert. Außerdem if am Ende bes eriten Hauptabjchnittes eine geographifche Ueberficht gegeben; und am Schluß des Ganzen finden ſich zwei Regententafeln (nämlich die der europätichen Regenten jeit dem Wiener Congreß und die der Brandenburgiſch⸗preußiſchen Herrſcher). Auch in diefem Leitfaden find, wie im vorigen, die einzelnen charalteriſtiſchen Züge dur Bemerlungen unter dem Terte angedeutet.

18. Dr. ©. Lange, Profeffor in Berlin, Leitfaden zur allgemeinen Geſchichte, für höhere Bildungsanflalten. Erſte Unterrichtöftufe (der bio» graphiſche Unterricht). Achte verbeflerte Auflage. Berlin, 1865, Berlag von Rud. Gärtner. 875.8. 75 Sgr.

Die hiſtoriſchen Leitfäden des Hrn. Verfafiers find in dieſem Jahres⸗ bericht mehrſach befprodhen worden. Dem pädagogischen Takte, der fih in der Auswahl und Anoronung des Stofjes im Aligemeinen, ſowie auch in ber Auswahl für jede einzelne Unterridtsftufe kundgibt, haben viele paͤda⸗ gogiſche Zeitichriften Gerechtigkeit wiederfahren laſſen. Zahlreiche Auflagen beweijen die praltiihe Brauchbarkeit diefer Schulbücher, und der Schreiber Diefes erlennt gewiß die mannigfahen Vorzüge derſelben gern und willig an. Um fo mehr muß es ihn Wunder nehmen, daß in dem vorliegenden Leitfaden ſich Einzelnes bis in die achte Auflage mit forterben konnte, was fih doch auf den erfien Blid als der Verbefierung dringend bepürftig dar⸗ ftellen muß. Ref. bält es nicht für überflüffig, auf einige Flüchtigkeiten aufmerljam zu mahen, damit diejelben womöglich aus den jpäteren Aufla- gen ded Buches verfhminden mögen. Den erften Abfchnitt hält Nef. für gänzlih mißlungen. Man vente fihb Schüler von etwa 10 oder 11 Jah⸗ ren, die zum erſten Mal in der Geſchichte unterrichtet werben, die nun das figen in geipannter Erwartung der Dinge, die da kommen follen. Nun dente man fi den Unterricht folgendermaßen beginnend : „Merkwürdige Begebenheiten aus den älteften Zeiten wifien wir wenige, Zwar werben -und wunderbare Geſchichten von großen Männern und rauen erzählt, wir Iefen von Kriegen, vie einzelne Voͤlker mit einander führten. Diefe Er⸗ zählungen find aber wenig glaubhaft, und gleiben ven fhönen Märchen, melde wir in unjerer früheften Jugend gebört haben. Doch gibt ed aug

538 Geſchichte.

ben älteften Zeiten merlwuͤrdige Baudenlmaͤler, aus denen wir ungefähr Schließen künnen, wie da6 Leben und Treiben der Menfchen befchaffen ge weſen if. Verſetzen wir uns in das beutige Borberindien, fo finden wir bier uralte, in Felſen gehauene Tempel. In der Nähe von Bombay fie gen zwei Leine Injeln, Salfette und Elephante. Auf der erfteren if ein großer Tempel, defien Dede auf hoben Säulen ruht. Die andere hat mebrere Tempel, die aus vielen Gemächern beiteben. Alles iſt mit Trep⸗ pen, Säulen und Bildwerlen verziert. Noch merkwürdiger find aber bie berühmten Zempelgrotten von Ellore, mitten in Borberinvien. Hier fieht man Säulen, Brüden, Kapellen, in welchen die indische Götterlehre darge: ftellt ift, unter der Erde. Am bemunderungsmwürdigften find auf der ent: gegengejebten Küfte Vorderindiens die in Felſen gebauenen Pagoden oder Zempel von Mahamalipura. Vieles von diefen Dentmälern ift ſchon zer: ftört ; aber die Ruinen ſtehen no und geben uns ein Zeugniß von dem Fleiß und der Aunftfertigleit der alten Inder.” Was bat denn nun der Schüler wohl aus alledem geleınt? Daß es auf Ealfette einen Tempel gibt Mit hohen Säulen, auf Clephante einen desgleichen mit mehreren Ge mädhern. „Tout comme chez nous !“ wird der Schüler denten und fi an iegend ein Gebäude aus feiner Heimath erinnern, welches aud hohe Säus len, refp. mehrere Gemäder bat. Was der Schüler fi nun wohl bventen mag bei den „Säulen, Brüden, Kapellen, in melden die indiſche Götter: lehre dargeſtellt iſt. Wie? Indiſche Götterlehbre ? Gr weiß nod lem Dort davon! Eine Götterlehre dargeftellt? Wie denn? Daß eine Lehre in Worten dargeftellt werden kann, davon bat er möglichermeiie durch den bereit empfangenen Unterriht ſchon eine Borftellung ; aber in Säulen, Brüden und Kapellen? Was follen übrigens Brüden unter der Erde? Das wird feine Neugierde aufs höchſte fpannen. Gr wird begierig fein, zu erfahren, was denn das Alles zu beveuten habe, und fiebe da, die Grzählung fpringt mit einem Male über nad Egyptn. Denn von Indien weiß ber Schüler nun genug! „Aber der Lehrer könnte ja das Alles noch weiter ausführen, um etwas deutlichere und beftimmtere Vorftel: hingen beim Schüler zu erzeugen !’ Ausführliher kann er allervings be ſchreiben, aber beitimmte Borftellungen wird er von den bier bebanvelten Gegenftänden kaum erzeugen, wenn er feine Befchreibungen nicht durch gute und deutliche Abbildungen unterftügen kann. Gin Bauwerk beichreiben, auch wenn man die deutlichiten Borftellungen davon hat (und wie viele Leb: rer haben ſolche in Bezug auf die indifchen Baumerle), und anbererfeild Ah nah einer bloßen Beihreibung ein richtiges Bild machen, ift gar nicht leicht, amd faft unmöglih, wenn man in feiner Anſchauung fein Analogen zu dem Befchriebenen findet. Genug, dieſe ganze Materie paßt nicht recht für den Anfang bes geſchichtlichen Unterrihte. Was der zweite Abſchnitt hiber Aegypten fagt, ift nicht mweientlih anders. „Nach allen diefen Bent: mälern‘, beißt es ſchließlich, „ju deren Grridtung unglaublidde Mühe und Beit erforderlih war, können wir auf die Bildung und das Leben ber Aegypter ſchließen.“ a, wenn der Schüler nur eine Ahnung davon hätte, wie das moͤglich iſt! „Es wird uns fo mandes von ihren mädytigen ſtö⸗ nigen erzählt, die große Eroberungen gemacht haben. Aber biefe Geſchich⸗

Geſchichte. 539.

ten find mit Yabeln und Märden ebenfo durchwebt, wie die Erzählungen über Indien.” Sa, menn der Schüler nur erſt Etmas davon gehört hätte ! Aber zweimal erhält verjelbe bloß eine Kritik über Dinge, die er gar nieht lennt, Mit den indischen Erzählungen ift es nicht recht richtig, mit den ägyptiſchen auch nicht. Wenn er nun auch die Sache jelber nicht meiß, fo weiß er doch, was er davon zu_halten hat!

Im dritten Paragraphen beginnt die Gefhichte des Cyrus. Das if nun ein für die Darftellung minder fpröder Stoff, ald das Vorhergehende. Und dennoch wie unbeholfen beginnt dieſe Erzählung ! „Wenn wir ung etwa 550 Jahre v. Chr Geb. in den weftlihen Theil Aſiensnach Perſien verſetzen (ia, wer das heut nod könnte, fih 550 Jahre v. Chr. Geb. irgendwo hinzu⸗ verfeßen !), jo finden wir bier um diefe Zeit einen König Namens Cyrus. Seine Jugend ift noch mit mandenyabeln und wunderſamen Geſchich⸗ ten ausgefhmüdt. Über die großen Thaten, die er vollbradt bat, find wahr!” Gemiß! die Thaten, die Jemand vollbracht hat, find wahr! Wenn dod alle Säße in der Geſchichte fo gewiß wären, wie die— fer! „Es wird nämlich erzählt, daß in dem mediſchen Reiche ein König Aſtyages geberrfht habe.“ Wie? nämlih?? Iſt denn dies eine Beftär tigung für die Wahrheit der großen Thaten, die Cyrus vollbradt hat? Nach dem ©. 7 u. 8 Hector's Fall, das Schidſal feines Leihnams und dei: ſen Beltattung ausführlich erzählt find, heißt es ©. 8 weiter: „Der große Hector Scheint eine Ahnung von dem bevorftehenden Untergange Itoja’s gehabt zu haben. Denn (!) ald er einft die Stadt verlaffen und auf Ras Schlachtfeld geben wollte, begegnete ihm feine Gattin Andromache mit ihrem Heinen Kinde.“ Warum ift nur Hector’3 Abfchied von feinem Meibe erſt nach feinem Tode, warum nicht bei feinen Lebzeiten erzählt? S. 49 beißt es von Luthers Gattin: „Sie hieß Katharina von Bora. Dadurch, daß Luther fih mit ihr verheirathete, nachdem er die Moͤnchskutte abgelegt hatte, gab er allen Geijtlihen ein Beifpiel zur Nachahmung.“ Der gram⸗ matiſchen Conſtruction nah liegt das Hauptgewicht auf dem Ablegen ber Mönchs kutte, als hätten fich früher vie Geiftlihen in derſelben verheirathet. ©. 51 beißt es von Martinig und Slavata „man warf fie nad altböh⸗ miſcher Sitte 80 Fuß tief in ben Schloßgraben hinab!“ Gine feltfame Sitte, Menſchen 80 Fuß tief in Schloßgräben binabzumerfen! 6. 72 beißt es: Es kam zu blutigen Kämpfen bei Groß-Görſchen, Baußen u. f. w., vor allem aber zur bfiutigen Schlacht bei Leipzig.” Als wäre es zu ben erftgenannten Kämpfen nicht ganz jo fehr gelommen, mie zur Schlacht bei Leipzig! Dergleichen elegantiora liefen fih noch in Menge berausfins den. Es find dies zwar nur unbedeutende Cinzelnheiten, die dem Werthe des Ganzen feinen wejentlihen Abbruch thun, und die Nef. gar nicht rü: gen wollte, wenn das vorliegende Buch eben kein Schulbub für die Hand der Schüler märe. Möchte eine fpätere Auflage von vergleichen Unebenheiten gejäubert fein !

19.. Maurer, Geſchichtebilder, Darftellung ber wichtigften Bege- benheiten und berühmteften Perſonen aus ber alten Geſchichte, dem Mittelalter, ber neuen und neueften Zeit. Nach den beften Quellen

20. Marggref, Yeitfıren beim erken Unterridt in ber Selige⸗ ſchichte fir Samzıten wur höhere Pärzeriäuten 6. vob U 101 ©. 6. Berlin, Lebmisle'd Budbentiung 1; Eye.

21. Müller, Opmnsfal-Erctrier. Ggeitfaben für ben Unterridt im ber Beihidte mit beisurerer Berüdistizung ver zrurren teutichen Geſchichte tür Gpmnafien, Yatein- mar Reulihnien, für agree uub zum Edikhantertiht. Frit einem Bermer von Brei. Dr. Hirzel 4 mies änterte Aal. Seiüb:cum, Ziearlin, 1566. 285 2. gi. Fi 2*

22. Nobert Niedergefäh. Tirecier einer Lehr · uud Tryebangaauſtalt für ben. Zeiten und Renſchen. Bilder aus veraaugener ZJeit im Fer ten, Eprũchen unb Gertikten zur Belebung tes Eiumer für”Geisite ab zur Einiübrang im tie Teutiche Piteramır. Für Schale zub Oras. Bun, 1966, Drnd und Beriaz von A. Pichter's Biume zub Gem. gr 5 310 ©. 1 Tbir. 6 Sg.

„Bon nambaften Pädagogen und Echrüftftellerm‘‘, beikt e& im Berwett, „wie Grube, Rılm, Krietigib u. A. iR bereits der Gegenfand von tem angedeuteten Gefihtepuntte (nämlid der Rotbwenvigleit einer biegrapbifden und monographiiken Behandlung der Geſchichte beim erften Unterricht) auf gefaßt worden; fie haben jedoch mehr oder weniger eine gefördertere ala die elementare Etufe geiftiger Bildung bei ihren Lejern vorausgejebt. Der Berf. des vorliegenden Werkchens hat die rein elementare Stufe im Aug gehabt und zu dieſem Bebufe in dem jedesmaligen kurzen Geſchichtsbilde der realen, in der Eentenz oder dem Ausſpruche einer berühmten Berfünlid keit der et hiſchen und in der geſchichtlichen Poeſie ver äbetif hen Exite des Gegenftandes gerecht werten wollen.”

Denn hiſioriſche Chbaralterbilder einen Einn haben und beim Unter richte berechtigt fein follen, fo müflen fie mehr bieten, als die gemöhnlice Geſchichtserzaͤhlung zu geben pflegt; fie müſſen einen fern: und Anotenpunlt der Gefchichte, fei es durch die Umftändlichleit der Erzählung, ſei es durd eine befondere Meifterfchaft der Darftellung, lebendiger vor das Auge des Lefers treten lafien, als ein gewöhnliche Lehrbuch es thun kann.

Diefe Aufgabe ift in der vorliegenden Sammlung nur unvolllonmen gelöft worden. Die Aufſätze find theils gewöhnliden Lehrbüchern entnom: men, theils in fehr gemwöhnlihem Compendienftyl für diefe Sammlung eigens gearbeitet. Nur ein Theil derjelben befteht aus paflend gewählten Brud ftüden aus den Werken guter Schrijtfieller. Nah den Auffägen folgen ge wöhnlid unter der etwas fonderbaren Aufſchrift „Blüten“ einige berühmte Dicta biftoriiher Perjönlichkeiten. Leider find viele von dieſen Ausſprüchen jo ohne alle Berbinpung mit ihrem thatfählihen Hintergrunde bingeftell, daß fie weit eher felbft ver Beleuchtung bedürfen, als daß fie auf die &: zäblung irgend welches Licht werfen könnten.

Jedem Geſchichtsbilde find ein oder mehrere Gedichte, vie auf das Erzaͤhlte Bezug haben, beigefügt, von denen aber etwa nur die Hälfte ben Unforderungen entipriht, die man an em in ſolche Sammlung aufzune: mendes Gedicht ftellen muß. Nicht jedes an und für fih gute, auf einen biftorifhen Gegenftand Bezug nehmende Gedicht ift zur Benutzung in der

Geſchichte. 341

Geſchichtsſtunde geeignet. Ein großer Theil der hier aufgenommenen Ge⸗ dichte iſt übrigens elende Reimerei.

Nach welchem Princip die vorliegenden Aufſaͤtze ausgewählt und zu⸗ ſammengeſtellt find, iſt dem Ref. nicht recht Mar geworden. Aus der neue⸗ ten Geſchichte ift 3. B. Folgendes behandelt: „Entvedung Amerikas durch Columbus, Raijer Marimilian I., der legte Ritter Raifer Karl V. Gine Raiferlrönung (Diihmar). Die Vertheidigung von Szigeth durch Bring (Münd). Der 3Ojährige Krieg. Die Belagerung Wiens durch die Türken 1683 (Schubert), Prinz Eugen, der edle Ritter. Aus dem Leben der Herzogin Dorothea Sibylla v. Liegnig und Brieg. Der merkwürdige Zod des Malers Francesco Franzia (Wakenroder). Die Bildner Viſcher, Kraft und Lindenaft (Hagen).”

23. Dr. Nißelnadel, das Biflfenswürbigfie aus der Welt- und Bulturgefhidte in Biographien undb Erzählungen dom Standpunkte hrifffider Weltbetrachtung. Ein Lehr- und Lefe- buch für das dentihe Voll in Schule und Haus, fowie für Volls- und Schuibibliothelen. Zwei Bände. Zmeite verbeflerte und ftarf vermehrte Auflage. Saalfeld 1865. Verlag von C. Rieſe. Preis 2 Thlr.

Die zweite Auflage diejes Werkes ift nunmehr volftändig erfchiegen.

Wir verweilen auf die Beſprechung derjelben im vorjäbhrigen Bericht, ©. 642.

Damals lagen dem Ref. die legten Abfchnitte bes in 12 Lieferungen ers

fhienenen Wertes noch nicht vor, indeß macht das unterdeß Neuhinzugekom⸗

mene eine Modification der vor einem Jahre über dad Werk ausgeipraches nen Anſichten nicht notbmendig.

24. U. Renneberg, Hauptlehrer, Blicke in die Weltgefhichte Ein hiſtoriſches Lern- und Leſebuch für die oberen Klafjen mittlerer Bürgerſchu⸗ len, bie unteren Klaffen der Oymnafien und Realſchulen, für Lehrer⸗ Bräparanden -Klaffen u. f. w. Leipzig 1865. Berlag von Merfeburger. tu. 8. 348 ©. Preis 18 Sgr.

Die Borrede verſpricht ziemlih viel. Das Buch enthält, wie es heißt „Biographien, in ſich abgerundete Cinzelvarftellungen, fo viel als möglich in einer Faſſung, daß die Handlung zu [hauen und die Perjo: nen in ihrer Rede zu hören find.” „Jedes Bild erfcheint in kla⸗ rer Öliederung der Hauptvorgänge unter bezeichnenden Ueberjchriften‘‘ u. |. w. Bon jener eigenthbümlihen Faſſung wird man im Terte ſelbſt nicht viel fpüren. Derfelbe bringt den hiftorishen Stoff im Ganzen und Großen in der Auswahl, Anoronung und Ginlleivung, wie es bei erzählenden Lehr: büdhern ähnlihen Umfanges auch fonft üblih war, ehe nämlich die „bio: graphifhe Methode” und die „abgerundeten Bilder’ erfunden waren (mas übrigens Schreiber Diejes eber für ein Lob als für einen Tadel möchte gel» ten lafien). Der Unterichied befteht nur darin, daß man bier die Dar: ftellung ber Handlungen und des Perfönlihen als die Hauptſache, als bie eigentlihe Biographie betrachten, dagegen die in „Inappiter Form“ beiges fügten Belehrungen über geographiiche, ethnographiſche, religiöſe zc. Verhält- nifje nur als Ginleitungen zu jenen Biographien anfeben ſoll. Früher wurde das Material im Weſentlichen auch fo angeordnet, in Bezug auf das

genommen, indem nämlih die eigentlihe Gräblung jener Begebenheiten

. unter der Ueberitrütt Frieder. Wilh. TIL erſcheint (cljo bie game Slate 0)

Kıcpbe auf das Conto dieſes Königs geſchrieben wird), worauf dann zwei Piograpbien von Blüder und 3b. Körner felgen. Durch tie Anordnung ift die ausfübrlite Erzählung ver Schlachten von der Raphet, von Ligny und von Waterloo, tie in ter erfien Erzäbling wur gan fe erwähnt jind, binter ten zweiten Pariſer Frieden und den Wiener Gong mb binter diejem Allen, und nachden Europa jweimal zur Rube gelangt if, flommt dann der Nufrnf ven ih. Körner: „Sriih auf mein Boll, die Zlammenzeihen rauden!” Wo bleibt da die Zpunnung, das Intereſſe, das

von einem Trama, keijeren Berftänpnifies wegen, die einzelnen Rollen nad) einander vorleien wollte? Zu ſolchen Runderlichleiten verleitet eine aus der Mangelbaftigleit der Bezeichnung entiprungene jalide Auflaliuns. Gin Glüd, daß die meiften Verjaſſer von ähnlichen Lebrbũchern Talt geun; befigen, vie in Vorreden theoretiich aufgeftellten Grundiäge hernach in prazi nicht durdzufübren, ober es doch bei unbedentenden Anläufen Ba be wenden zu lajien.

Tie Kapitel find in kleinere Abſchnitte getbeilt und jeder berfelben mi einer ven Inhalt anzeutenden Ueberihrift, die Kapitel ſelbſt wit einem Motto verfeben. Jenes mag dazu dimen, dem Edrüler Vie Ueberfidt und namentlidy das Wiederaujfinden des Cinzelnen bei der Wiederholung zu erleihten. (Als Beijpiel möge bier angeführt werden: $. 19. „Prim Gugen, der edle Ritter”, „des Prinzen Jugend‘, „Eugen, der treue Die⸗ ner”, „Eugen, der große Mann’, „Eugen, der große Feldherr“, „Prim Eugen vor Belgarad” ſdas belannte Gedicht], und „der ſpaniſche Exrbfolgekrieg “) Die Charalteriſirung jedes Hauptabihnittes durch ein davorgefeßtes Motiv ft gewiß eine bedenllihe Eade. Allerdings kann an mandyen Stellen ein Bers, ein Sprüchwort, ein Bibelfprudy ſehr geeignet fein, eine Eitnr tion oder eine Perfünlichleit treffend zu zeichnen. Aber dann möge man doch ein foldhes Wort mit in die Erzählung verwebn. Wird dafielbe au eine bevorzugte Etelle, vor das Kapitel, hingeſtellt, fo gibt es leicht, be fonderd wenn e3 nicht ganz glüdlid) gewählt if, dem Gedanlengang ein einjeitige, wohl gar eine jchiefe Richtung und jtört die Unbefangenbeit Det Auffafiung. Nicht jede Perfon, nicht jeven Vorgang fann man mit einem Diltum genügend bezeichnen. So 3. B. geihieht dem Kaifer Joſeph IL denn doch Unrecht, wenn als Urtbeil über fein Streben und Wirken das Motto bingeftellt wird: „Es irrt der Menſch, fo lang ex firebt!“ Der Irtthum war dod nicht das Wejentlihe in den Idealen, die dem edlen Kaiſer vorſchwebten. Um den Schüler zum Berftänpniß „beilenifhen Be: fens” anzuleiten, iR das Motto: „Da fie fih für weile hielten, find fe

Geſchichte. 1543

zu Narren gemorben”, gewiß eine ſehr unpaſſende Vorbereitung. Man⸗ ches Motto iſt nichtsſagend, wie z. B.

„Wie aus verborgner Tiefe Schacht

Des Lebens Keime drangen,

Alſo iſt Romas Stern aus Nacht

Der Zeiten aufgegangen.“ Damit ſoll nicht geleugnet werden, daß der größere Theil der Mottos wirt [ih gut gewählt if. Bon den zahlreihen, dem Zerte eingefügten Gedichten it etma nur die Hälfte probehaltig, Ein Theil derjelben befteht aus elen- den Reimereien. Die vierhundert Pforzheimer haben gewiß ein beſſeres Loos verdient, als in Verfen wie die von Bauer verewigt zu werden, ebenfo ber tapfre Commandant von Graudenz Wie ift eg möglih, den „Choral von Leuthen“ in fo matten Verſen erflingen zu laſſen, wenn doch eine fo gewaltige Darftellung, wie die von Scherenberg, vorhanden iſt! Das Bud würde gewinnen, wenn man bie Hälfte der Gedichte einfach ftreichen wollte. 83 ift Schade, daß der Hr. Verfafier die Mühe und Arbeit, die ihm das Auffuhen der Motto’3 und ber zahlreichen Ueberſchriften unfehlbar verurſacht hat, nicht lieber auf den Tert ſelber verwandt hat, um noch einzelne ſach⸗ liche Ungenauigfeiten und einige ſprachliche Härten zu verbefiern; fein Buch würde ein recht empfehlenswerthes geworden fein, denn im Allgemeinen iſt der rechte Ton für eine anſchauliche und lebendige Darſtellung ganz gut getroffen. Auch ſo, wie es nun eben iſt, kann es immerhin als ein brauchbares Unterrichtsmittel bezeichnet werden. 25. A. Renneberg, Leitfaden für den Geſchichtsunterricht in der

Form von Geſchichtstabellen. Leipzig 1865. Verlag von C. Merſeburger.

90 Seiten. Preis 6 Sgr.

Diefer Leitfaden ſchließt fih eng an des Verfafierd ,„‚Blide in die Meltgeihichte.” Nach diefem legteren Buche foll der Lehrer die Gefchichte vortragen, nad jenem foll dann der Schüler das Gehörte repetiren. „Die kurzen Säge”, heißt es im Vorwort, „meift ganz ohne Zufammenhang, fo: wie die einzelnen Worte, oft in Verbindung mit Interpunltionszeichen (7), follen zunädft des Schülers Erinnerung an das Gehörte unterftügen, als⸗ dann ihn anteizen, den Gedankengang und Zuſammenhang aufzufuchen,” Die einzelnen Abſchnitte und Paragraphen tragen biejelben Motto's und Ueberſchriften, wie die entjpredhenden Stüde des ausführlicheren Lehrbuches. Folgende Stelle möge als Beifpiel für die Art der Darftellung gelten. 63 heißt Seite 17: ‚1. Pyrrhus jhlägt die Römer bei Heraclea. Die Römer Herren von Mittelitalien, nun Blide nah Unteritalien, fo

Krieg mit Tarent. Beranlafiung: die Tarentiner beihimpfen einen römischen Geſandten, da römifches Heer. Die Zarentiner rufen Pyrrhus von Epirus, den größten Feldherrn feiner Zeit; tüchtiges Heer, 26,000 Mann mit Elephanten. Siegsgewiß, meil er glaubt, die Römer kennen feine Kriegskunſt; doch deren Schlahtorbnung und Tapferkeit bei Heraclea, fhwerer Sieg (vie Clephanten;) „mit ſolchen Kriegern wollte ich die Welt erobern!’ Cineas, Gejandter nah Rom: Rom ein Tempel; der Senat eine Verſammlung von FKönigen. Allerdings wird der Schüler dadurch an alle einzelnen Züge der angehörten Erzählung wieder erinnert, ob er aber den

(644 Geſchichte.

Bufammenbang- diefer Einzelnheiten in der Darſtellung des Leitfadens wie der erfennt, ift ſehr zweifelhaft. Was der Schüler von einem gehörten Bortrage am leichteften und ficherften behält, das find eben einzelne Züge, bejonders die recht draftiihen, ungemöhnlihen, anekvotenhajten, mogegen et den Faden des Zuſammenhanges fehr bald wieder ve-liert. Diefer gerade muß durch ftete Wiederholung am meijten befeftigt werben, weßhalb eine jufammenbängend jtilifirte Weberficht immer befier ift, als ſolche zufammen: bangslojen Notizen, die zwar den Schüler, wie es im Vorwort beißt, am regen, „ben Sedanlengang aufzuſuchen“, aber ihn ſchwerlich in Stand jeßen, denjelben auch zu finden. (Es würde gar nicht ſchwer fein, auf demjelben Raume dafjelbe Material in leidlich zuſammenhängender Weife bar: zuftellen.) Wer die „Blide in die Weltgefhichte” als Lehrbuch zu benuben fih bewogen fühlt, wird daneben diejen Leitfaden den Schülern als ein zwedmäßiges Unterrihtsmittel in die Hand geben können.

26. C. F. Niede, der Bollemund in Dentfhland. Ein Wegweiſer im deutſchen Vaterlande fürs Volt und feine Lehrer. Rorbbaufen 1865. 1. Büdhting. 306 ©. 8.

Nef. geſteht, daB die Vorrede zu diefem Bud in ihm kein fonberlid günstiges Vorurtheil für den Berfafler ermedt hat. Diefe heftigen Ausfälle egen die „Büchermacher“ und „Bopfwidler”, die in Bezug auf deutſche Itertbumslunde bisher im tiefften Irrthum ftanden, und die von dem Verf. mit größter Beratung geftraft werden, ſcheinen nicht von einem Manne zu ftammen, der, fein Leben lang mit der Wiſſenſchaft beſchaͤftigt, fehr wohl weiß, daß die erften Schritte auf ein neues Gebiet häufig fehl geben; der daher dem Irrthum als einer befannten und nothwendigen Gr: Iheinung mit derjenigen Gemüthsruhe entgegentritt, die man felbitverftänd: lihen Dingen gegenüber zu bewahren pflegt. Uebrigens geben doc mande Streihe des erzürnten Berfaflerd gegen die „Zopimidelei ins Blaue, weil mande der hart belämpfjten Meinungen älteren Datums find und von ben Alterthumsforſchern nicht mehr vertreten werden. Für ein Bolt von Bar: baren etwa nad Art der Nothhäute im Felfengebirge hielt man die alten Deutſchen in neuerer Zeit nicht mehr. Ebenſowenig werden die zahlreichen Götzen, die man aus Mangel bejjerer Worterllärungen bier und da ben Drtsnamen zu Grunde legte, wohl nicht mehr ernftlih aufrecht erhalten. Jedoch findet fih in dem Buche auch mandes Appercu, welches dem Lerl, (vefp. feiner Partei unter den Archäologen) eigenthümlich ift, und welches die Reſultate der deutſchen Archäologie theils mopificirt, theils widerlegt. theilen bier die Grundzüge feiner Anſchauungen mit.

Im grauen Altertbum war der größte Theil von Europa (namentl der Süden, Weften und die Mitte) von Kelten bewohnt, vie mehrer Sahrhunderte v. Chr. bereits ein Kulturvolt waren, Aderbau trieben und auh Städte bauten. Deutihland wurde in den legten Jahrhunder⸗ ten v. Chr. von germanifhen Stämmen überjhmemmt, melde vie Kelten unterwarfen und allmälig germanifirten. Dieje fo wie alle fpäteren Ban derungen von Bollsftämmen namentlih auch diejenigen während ber fogenannten Böllerwanderung hat man fi nicht jo vorzuftellen, als

Geſchichte. 546

ab ganze Volksſtaͤmme ihre Wohnſitze verlafien. hätten, fo daß anbere bafür in die leer gelafjenen Gebiete hätten einrüden können jondern ftets blieb das Gros der Bevöllerung in der Heimath, und nur das befiglofe Proletariat, der jüngere Nachwuchs, der bei der bejchränlten Bertbeilung non Grund und Boden leer ausgegangen war, wanderte aus, um ſich mit dem Schwerte in der Hand ein Befisthbum zu erlämpfen. In einer Zeit, wo Aderbau und Viehzucht faft die einzigen Exrwerbömittel find, muß nas türlic eine ftetige Vermehrung der Benölterung eine Menge befiplojen Prpletariats bervorbringen, dem nicht anders zu beljen ift, als durch Aus⸗ manderung. Drangen nun folhe auf Raub ausgehende Schaaren in eim fremdes Gebiet, fo werden fie wahrjcheinlih den Stamm der Bevöllerung nicht ausgerottet, fondern nur unterworfen haben, wobei dann die Native nalität der Sieger allmälig aud auf die Befiegten überging. Nachdem nun aljo die Mitte Curopas germanijirt war, brangen von Oſten ber ſla⸗ viſche Etämme bis über die Elbe vor, wunterwarfen die Germanen, und ſlaviſirten den Nordoften des gegenwärtigen Deutſchland, bis vom Jahre 926 ab das deutſche Element wieder nad Often vordrang und die Slaven wieder germanifirte, ein meltgeidichtliher Proceß, in welchem wir ung gegenwärtig noch befinden. Somit wäre alſo bei allem Sins und Herflus tben von Nationalitäten der Stamm der Bevöllerung befteben geblieben und hätte nur mit dem Gindringen einer fremden Volkerſchaft eine Beimiſchung feemden Blutes erfahren. Die Aneignung des fremden Idioms wurde den Befiegten erleichtert erſtens durch die nahe Verwandtiſchaft der betrefienden, demſelben Stamm enifprofienen Sprachen, und ſodann durch die geringe Entwidlung derfelben. Bei. dem geringen Anſchauungskreiſe der damaligen Generationen enthielt die Sprache nur wenig Wörter und Sprachformen, deren Aneignung leicht war. (Was wir vom Buftande der deutſchen Sprache im 9. und 10. Jahrhundert willen, ftimmt freilich nicht vecht zu diefer Aunahme.) Demnah wäre alfo der Wechfel verjhiedener Nationen auf, unferem heimathlichen Boden nicht vor ſich gegangen wie in Amerila bie Vertreibung und Ausrottung der Rothen durch die Weißen, fondern wie in den Ödftlihen Theilen Deutſchlands die Ausbreitung deutſcher Sprache and Sitte unter den flaviihen Stämmen.

Während nun die Sprahen wechſelten, erhielten ſich doch die Gigen- namen, bejonders die Ortdnamen, wie wir dies bei der Germanifirung flas vifher Gegenten noch heut beobachten können, nur wurden diefelben vielfach umgemobelt, in eine dem neuen Idiom adäquate Geſtalt. Ueberall und nob heut zu Zage ſehen wir ſolche Beifpiele vor Augen bat das Bolt die Neigung, fremde Wörter, die ihm unverjtändlid find, fo umzumandeln, daß fie einen gewiflen Einn erhalten. (Ic erinnere an die bekannten Ummwandlungen: Bagage in Package, Fourage in Zutter- age, Ambition in Anbietion mit dem Begriff des Unbietens, des Feilbietens einer Waare.)

Der Hr. Verf. findet den Beweis für feine Behauptungen darin, daß niele ſcheinbar deutſche Cigennamen im Deutjchen feinen vernünftigen Sinn haben, auch aus dem Slaviſchen fih nicht erklaͤren laſſen, wohl abe

Pad. Jahresbexicht. XVII. 38

346 Geſchichte.

aus dem Keltiſchen fo herzuleiten ſind, daß ihre Bedeutung dem Bde ver bezeichneten Sache entſpricht. Den Haupttheil des Buches bildet nun die Ableitung mebrerer Hun⸗ derte deuticher Eigennamen (und auch vieler anderer Eubflantive) aus ld: tiſchen Wurzeln, wie biefelben in der heutigen Sprache der ren, Bretomen, ‚Gälen ıc. zu finden find. Ref. gefteht nun, über diefen Theil der Arbeit -tein ſachgemäßes Urtheil abgeben zu können; den eigentlichen Werth dieſer Urbeit für die Wiflenfchaft mögen Andere prüfen. Man fiidet faft in jedem Kapitel viefer Schrift einzelne Beifpiele von Namendeutungen, die durd ihre innere Wahrſcheinlichkeit und die trefiende Bezeichnung der Sade wir: lich überrajchen. Yreili begegnet man auch manchen Ablettungen und Gombinationen, bei denen die Rühnbeit des Hrn. Berf. im Combiniren offenbar weit größer war, als feine Beionnenbeit. Und überbies fin ben ſich ja wohl in je zwei, in ihren Lautverbältnifien nicht allzufehr von einander abmeihenden Spraden eine große Menge von Wörtern, di eine entjernte Aechnlichleit des Klanges haben, und dabei Dinge bezeichnen, bie auch eine gewiſſe Beziehung zu einander haben. Wenn alfo die Frei⸗ beit gegeben ift, ein Wort etwas ftart umzugeftalten und an den Dingen verfchiebene Seiten und Eigenſchaften in’s Auge zu faflen, fo iſt es wur sin Spiel des Witzes, des Scharffinns und der Gombinationsgabe, eine Menge Gigennamen aus jeder beliebigen Eprade, aus dem Griechiſchen u B., abzuleiten. Die eiymologifchen Ableitungen nad der bloßen Aehnlich beit des Klanges zweier Wörter haben in der Sprachwifjenfchait fo gründlih Fiasko gemacht, daß jeder derartige Verſuch ſehr vorjichtig anf ‚genommen werben muß. Wo man die allmälige Umwandlung eines Bor tes nicht weit hinauf verfolgen kann, da wird jede Hypotheſe über feinen Urſprung äußerft problematisch bleiben. Bin Gejeg aber, wie das berihmie von, Jal. Grimm aufgelelte Lautverfhiebungsgejeg, welchet ein ziemlich zuverläfiiges Kriterium für etymslogijche Ableitungen bildet, fan nur ba Unwendung finden, wo eine Sprade im Bunde auf einander folgender Generationen continuirlich weiter gebildet wird, nicht aber, Wo unverfänpliche. Namen von fremden Zungen umgebilvet werben. Abgeſehen von dieſer in der Sache ſelbſt begründeten Unſicherheit zuf man geiteben, daß ſowohl die hiſtoriſchen wie die etymologiſchen Combinoa⸗ tionen des Hrn. Verf. häufig eine frappante MWahrjcheinlichleit für ih ba ben, und daß fie, mag ihre hiftorifhe Wahrheit groß oder llein fein, im merhin als Erzeugnifje eines ſcharfſinnigen Kopfes betrachtet werden müflen. Namentli die Idee von der allgemeinen Verbreitung des keltiſchen Elements vor dem germanifhen bat, von geihichtlihem Standpunkte aus betrachtet, Manches für fih. Daß der Südweſten Deutfhlands vor dem Gindringen der Germanen von Kelten bewohnt gemejen fei, ift auch 3. B. von Jal Grimm zugeftanden morden. Caäſar ſpricht von einer Zeit, wo die Gallier mächtiger gewwejen feiern, und Invaſionen nad Germanien gemadt hätten In Böhmen finden wir ein keltiſches Volt vor der Groberung biejes Yan deq durch Marbod. Tacitus berichtet, daß bie Sprade der Eſthen der sritanifchen aͤhnlich ſei, was man vielfach für eine bloß oberfläͤchliche Achn⸗ Aichleit des Klanges gehalten hat, die den römiſchen Gejchichtöfchreiber ja

Geſchichte 547

Viefer Bemerkung veranläßt babe, Andeutungen genug, die eime firen gere wiſſenſchaftliche Präfung diefes Gegenſtandes wohl redtfertigen würden.

63 iſt nit unmöglid, daß ſich ein großer Theil, ja das meilte defien, was der Verf. bier von etymologiſchen ‚Ableitungen vorbringt; als unhalt⸗ bar, und daß trogdem feine Apercus im Weſentlichen ſich als richtig her⸗ ausfellten.

RK. Schubert, Srunbriß der Weltgeihichte. Für Schule und Haus Teigufapli bargeheit. Dien, Berlag von Pranbel und Ewald. 1866.

4 Sgr.

Diefer Grundriß foll ein Lehr: und Hülfsbuch fein für den erften zus fammenhaͤngenden Geſchichtsunterricht in Öfterreihifhen Schulen, na- mentlich in „hoͤheren Klafien von Töchterſchulen und aͤhnlichen Bildungs: anftalten.” ‚Die Auswahl auf diefem Gebiet”, heißt es im Vorwort, „ift eine fo geringe, daß nicht wenige Schulen gendthigt find, nah Büchern zu greifen, melde, von Nicht: Defterreihern verfaßt, nicht immer in jener Weife und mit jener Rädfiht unferes Vaterlandes erwähnen, wie ber treue öſter⸗ reichiſche Lehrer aus Patriotismus dies wünſchen muß.” Das Buch ents halt eine zufammenhängende Ueberſicht über die politiihe Geſchichte, der, in berfümmlider Weife, am Ende jedes Hauptabſchnittes einzelne Kapitel kulturhiſtoriſchen Inhalts angehängt find. Der Verf. wollte ſich dabei einer Darftellung bedienen, „die zmwijken der behäbigen Breite des gefchichtlichen Charafterbildes und der oft allzu prägnanten Kürze des Leitfadens die rechte Mitte hält. Lepteres ift freilich ein fehr dehnbarer Begriff, da es Leit—⸗ fäden von mindeftens doppeltem Umfang gibt, die ein durchaus nicht größer zes Material behandeln. In dem vorliegenden Grundriß iſt z. B. von den Begebenheiten, welde die Lostrernnung der Schweiz von Deutfchland zur Folge hatten, nur gejagt, daß Defterreih feine Mat habe „abrunden“ wollen, dabei aber auf MWiderftand von Seiten der Walpftädte geftoßen ſei. Ferner werden die Kriege Defterreihs und Preußens gegen Napoleon etwas fummarifch abgemacht, indem es heißt: „Der Donner ber Geſchütze wieder ballte von der Oſtſee bis in die Schluchten der Pyrenäen.” Nur einige der wichtigften Schladhten „sollen angeführt werden‘, fo 3. B. die von Aufterlig, von Jena, Aſpern und Wagram (wobei jedem Namen noch das Datum nebft einer charalteriftiichen Bemerkung hinzugefügt iſt). Man wird geſte⸗ ben, daß eine ſolche Darfiellung fich von der „allzu prägnanten Kürze” der Leitfäden nur dadurch unterjcheibet, daß bie bier angewandte Kürze keine allzu prägnante ift,

Eingeftandenermaßen will der Hr. Berf. ein Buch liefen, das dem öfterreihifhen Patrioten minder berbe ſchmeden foll, als dies bei den außer: balb Deſterreichs gejchriebenen Lehrbüchern der Geſchichte meift der Fall zu fein ſcheint. Man kann ein ſolches Beftreben, wenn es ſich nit mit der hiftoriſchen Wahrheit in Widerſpruch feht, gewiß nicht tadeln. Mag jedoch das Intereſſe des Geſchichtslehrers noch fo ſehr auf dieſer oder jener Seite enga⸗ girt, mag feine Sympathie für die eine der Parteien nody fo ftark fein, mean darf von ihm verlangen, daß er wenigfiens bie offentundigen That: fachen felbft richtig erzählte. Wir erwarten von einem Katholiken von vorm

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548 Geſqhicht.

herein eine anders gefärbte Darftellung der Reformationsgeſchichte als ven ‚einem Proteftanten. Die folgenden Stellen enthalten aber Ungenauigleiten, ‚welde ben Leſer über die thatſächlichen Verhaͤltniſſe im Unllaren lafien. Es heißt S. 184: „Vom Papfte aufgefordert, den Irrthümern zu entjagen, gelobte Luther dies anfänglid, änderte aber plöglid feinen Sinn und trat, da er von feinem Kurfürften ſich gejchügt ſah, immer breifter mit feinen Irrlehren hervor.” (Das muß den Schein erweden, als hätte Luther id einfhüdtern lafien, und ale hätte erft der vom Kurfürften zugefagte Schub ihm Muth zu weiterem Wiverftande gegeben, Dann ©. 185: „Durh Luthers Beginnen wurde aber nicht nur der lirchliche, fondern aud ber weltliche Friede heftig erjchüttert. Dieß geſchah vorerſt durch den Aufftand der Nitterfchaft, die einen legten Verſuch wagte, um die ritterlicye Freiheit gegenüber der fürftlihden Macht wieder emporzubringen, dann aber burd die fogenannten Bauerntriege, welde großes Unheil über einen Theil Deutid: lands brachten.” Die Bauernfriege werden in ber Regel auf das Conto der Reformation gejept, das ift Ufus geworben und geblieben. Und doch zeigten fi die erften Gährungen zur Zeit, als Luther laum geboren mar, und bieje Bewegungen waren feit jener Zeit niemals ganz eritiöt worden. Nun aber aud gar die Bewegungen innerhalb der Ritterſchaft der Reformation zur Laft zu legen, ift ein wenig originel.*) Dieſe un ein paar ähnliche Ungenauigfeiten abgerechnet, bewahrt die Daritellung eine mwürdige, objective Haltung. Der „Grundriß” ift jedenfalls ein ganz braud: bares Schulbud.

28. Ludwig Schmued, Leitfaden zum geſchichtlichen Unterrichte m ben untern Klaſſen der Realſchule. 1. Th. für die 2. Ktaffe, 2. Th. für die 3. Klaſſe. Wien 1864 und 1866. W. Braumüller, Hofbuchhänbler. gr. 8. 1.2.1556. 2 Th. 1746.

Der Plan dieſes fireng nad) dem ethnographiſchen Princip gearbeiteten Leitfadens meidht wefentlih von dem ab, was in jebiger Zeit wohl in ven meiften deutſchen Echulen beim erften Gefchichtsunterriht üblidy iſt. Das Buch foll eine kurze Ueberficht über die Geſchichte derjenigen Völler geben, mit deren Ländern es der geographifche Unterricht in den unteren Aiafien der Realſchulen zu thun bat. Der erfte Theil enthält nad einer gamj turgen Ginleitung über die geichichtlihe Stellung Griechenlands und Roms einen Abriß, erft der öfterreidhifchen, dann der deutſchen Geſchichte, „‚eritere”, wie e8 im Vorwort heißt, „eingehender, als dies fonft der Fall fein wirt.“ (Eie umfaht 109 Octapfeiten). Der zweite Theil behandelt Frankreich, England, Italien und die pyrenäifche Halbinfel. Nef. weiß nicht, inmwiewet

*) Chacun & son goft! Wenn Latholifche Schriftfieller Gefallen daran finden, das Wort „Reformation“ immer zwifchen Anführungeftrihen zu gebrau- hen (wie aud im vorliegenden Bude geicheben if), jo kann man fügli peu proteftantiiher Seite nichts dagegen haben. Sie werben bamit eine Bezeichunng nicht befeitigen, die nun einmal hiſtoriſch geworden if. Hoffentlich wird kein Proteſtant fi bie Mühe geben, von einer „Latholiihen” Kirche zu fprecdhen, ob ſchon ber Ausdruck katholiſch ſeinem eigentlihen Wortfinne nach dem Pre teftanten ebenjo wmgerechtfertigt erjcheinen muß, wie bem Katholilen bas Bert „Reformation,“

Geſchichte. | 549:

vie Auswahl und Anordnung des biftorifhen Matertals in dem vorlegen den Leitfaden durch den Organifationsplan der öfterreihifchen Realſchulen, oder durch die pädagogifchen Anſichten des Herrn Berfafiers bedingt morben il. Daß diefe Vorführung der einzelnen Völler nach einander mande In⸗ convenienzen zur Folge haben muß, liegt auf ver Hand. Da in Yolge biefer Methode die meiften wichtigen Begebenheiten, bei denen nämlich; meh: rere Hauptvölfer Europas zufammengemirkt haben, mehrmals berührt mers den müfjen, jo werden fie natürlih, da Raum und Unterrichtszeit nicht nad Belieben zu Gebote ftehen, jedesmal nur kurz berührt, mehr erwähnt, als erzählt. Das Ganze bleibt eine farblofe allgemeine Ueberficht, die doch am alterwenigften für die Anfänger in der Geſchichte geeignet ift, ein Uebel, weldes an einzelnen Stellen durch Anwendung allgemeiner Ausdrüde ftatt Anführung concreter Berhältniffe no weiter ausgedehnt wird, als das angewandte Spftem es an und für fich erfordert. So heißt es 3. B.:

‚Richt friedlihe Zeiten waren Albrecht beſchieden. innere Unruhen, jomie Rämpfe mit feinen Nachbarn forderten feine ganze Thatlraft heraus. In erfterer Beziehung hatte er der Reihe nah Aufftände in Wien, des ftegerfchen und öfterreichifchen Adels niederzufhlagen;; in legterer befchäftigten ihn bäufige Kämpfe mit den Erzbifhöfen von *alzburg, dem ungariſchen Grafen von Güſſing, und König Andreas III. von Ungarn, zuletzt auch mit Böhmen, mobei nicht geläugnet werden kann, daß fein Streben, die Macht feines Haufes zu ermeitern, einige Male die Beranlafjung dazu war, wenn es auch andererjeit3 wahr ilt, daß feine Feinde durch Angriffe ihn mehrmals jelbft zum Kampfe zwangen.‘

„Das Hauptftreben Albrecht3 ging dahin, Friede und Sicherheit im Innern zu erhalten, den willkürlichen Zöllen zu fteuern, welche vie rheini- ſchen Fürften erhoben, zugleich aber auch feine Hausmacht zu ftärlen. Seit⸗ dem bie Fürften ihre Macht auf Koſten ver königlihen in ihren Ländern gehoben hatten, waren die Könige immermehr darauf anggwiejen, in einer bedeutenden Hausmacht ihre Stüge zu ſuchen. Gleichwie Adolf Died ges than, richtete auch Albrecht darauf feine Blide. Indeß mißlangen feine Abfihten auf Holland und Meißen, und aud fein Plan, fein Gefchledht auf den Böhmishen Thron zu bringen, fdyeiterte an dem Widerſtande der Böhmen” Was für blafje Allgemeinheiten, und noch dazu für Anfänger in der Gefchichte!

Ungenauigfeiten im Ginzelnen find nit ganz ausgeblieben.

Der Ausprud ‚Napoleon fiel den Engländern in die Hände” erwedt wenigftend in dem Untundigen nit die richtige Vorftellung von der betref: fenden Begebenbeit.

Richt Friedrich Wilhelm der Große, fondern befien Sohn nahm den Titel „König in Preußen‘ an; wenn der Verf. Erfteres au nicht zu fa gen beabjihtigt hat, fo muß doch jeder es aus feinen Morten herauglefen.

Friedrich der Große war feinesmegs, mie ed S. 150 heißt „ganz das Gegentbeil feines ftrengen Baters. Die Bibelüberjegung wurde auf der Wartburg nicht vollendet, fondern begonnen, u. dgl. mu Das Streben nad objectiver Wahrheit ift unverkennbar, nur an einzelnen Stellen. bricht eine fpecifiich öſterreichiſche Auffaſſung duch. Häufiger noch

550 Geſchichte

begegnet man einzelnen Spuren des ſpecifiſch öfterreichifchen Deutſch 3. B. in dem Borwort: „mit fteter Zugrundelegung der Karte”, ebendaſelbſt: „daß die alte Geſchichte nit einbezogen wurde”, S. 96 „Blüdyer, diejer oft fo fiegreihe Feldherr!“ ©. 98 die „Sintanbaliung der Einfuhr“ ©. 92: „Männer, welde ſich um die lange vernadjläfjigte Mutterſprache annahmen“, u. f. w.

Diefe Cinzelnheiten abgerechnet, iſt die Ausdrudsweiſe nit ohne Bes wandtheit. Bei allem Fleik und aller Sorgfalt aber, mit ber dieſer Leit⸗ faden ausgearbeitet worden ift, find doch die, aus der ganzen Anlage ent fpringenden Nachtbeile fo bedeutend, dab wir die Benukung befielben nur für folhe Schulen empfehlen dürfen, die etiwa durch ihren ganzen Organi⸗ fationsplan zur Innehaltung des ftreng ethnographiſchen Lehrganges gend: tbigt fein follten.

29. Handbuch für den biographiſchen Geſchichtsunterricht, von Dr.

KR. Schwartz, Oberſchuirath und Gymuafial- Director in Wienbaben.

II. Theil. ittfere und neuere Gedichte. 5. verb. Auflage. Leipzig, ©.

Fleifcher. 1865. XIV u. 241 &. 8. 1 Thlr.

Ueber viejes Buch fchreibt die „Allgem. Schußeitung”: „Gleich ben Geſchichtsbüchern von Joſeph Bed, zeichnet fihb das vorliegende vor, vielen, von Ratholiten verfaßten dadurch vortbeilhaft aus, dab es nicht confejlionell einfeitig, entftellend und verlegend if. Zudem empfiehlt es ſich bei reichem Sachgehalt durch einfahe, fahliche, anfpredhende Darftellung. Das Leben hervorragender Männer wird durh eine Skizze mit der Gejammt- geichichte fo verbunden, daß ein fortlaufendes Geſchichtsbild entfteht, in weldhem einzelne Figuren mit bejonderer Vorliebe ausgeführt find. Dem Leben Winfried's z. B. find faft 10 Seiten gewidmet und wird bemielben aus den Poefien Ferrand's die Mundergefchichte angereiht, wie ein bürrer Steden, den der Apoftel in den Boden geftedt, fih in einen Blüthenbaum verwandelt, weldher Glaub’ und Hoffnung duftete in manches verzweijelnde Herz, womit felbjtverftändlid nur die Wunvdergläubigleit der Vorzeit be zeichnet wird, Für die poetiihen Beigaben hätten wir eine ftrengere Aus— wahl aus dem Claſſiſchen gewünſcht. In den geſchichtlichen Angaben findet ih noch manches, mas von neuerer Forfhung verworfen wird.” (Ginzelne Ungenauigfeiten, die fchließli noch monirt werden, ſcheinen nicht fo be deutend zu jein, daß fie den Merth des Ganzen weſentlich beeinträdhtigten.)

30. Dr. Ludwig &tade. Erzählungen aus ber alten Geſchichte in biographiſcher Form. 1. Theil. Griechiſche Geſchichte. Sechſte vermehrte und verbeſſerte Auflage, 15 Sgr. und Erzählungen aus der mittleren und neueren Geſchichte in bi grapbiicher Form. 2. Theil. Neue Geſchichte. Bierte vermehrte und ver⸗ befierte Auflage. 1865. Oldenburg, Berlag von Gerhard Stalling. 15 Egr.

Dieje Erzaͤhlungen haben in früheren Jahrgängen diefes Berichts be: reits viel Anerkennung gefunden. Im VII. Bande wird von dem frühe: ten Bearbeiter diefes Faches die „‚Ichöne, anziehende, von poetiichem Gau durchwobene Darftellung‘’ viefer Geſchichtsbilder hervorgehoben, vie, nament: ih fo weit fie der alten Gedichte angehören, frifh ans ben Unellen

Gefshichte, 861.

geſchhpft ericheinen. Sie werben noch beſonders als zur Privatlectüre ges

eignet empfohlen. Daß das vorliegende Werk zu den werthvollſten Schul⸗

büchern feiner Art gehöre, ift in der pädagogifchen Welt ziemlich allgemein anerlannt worden. Der erfte Theil hat in der neuen Auflage durch die

Hinzufügung der Odippusſage eine Bereiherung erfahren. Gewiſſe Beden⸗

Ien, die den Verf. urfprünglid von der Behandlung diefer Sage abhielten,.

fheinen duch die Nüdjiht auf die Wichtigleit derſelben und durch das

Beifpiel anderer Autoren überwunden zu fein. In dem die neue Geſchichte

behandelnden Theile find namentlihd bei der Geſchichte des breißigjährigen

Krieges und des Abfalld der Niederlande einige ‚berfömmlihe Irrthümer

berichtigt worden. Der Herr Verf. hat e3 vorgezogen, die Reſultate neuerer

Forſchungen in Noten unter dem Texte anzubeuten, anftatt den urfprüng«-

lichen Text jenen Forſchungen gemäß umzugeflalten. Mag man diejes

Berfahren für zwedmäßig halten oder nit, jedenfalld wird dadurch

erreicht, daß der Leſer neben der wiflenjchaftlih neu begründeten auch bie

traditionelle Anfıht tennen lernt, die doch nun einmal in das Bemußtfein

Bieler, ſowie in viele Werke unjerer ſchönen Literatur übergegangen ift, und

die darum zur Erientirung diefem Gebiete nicht gut entbehrt werden kann. In emeuter Auflage find ferner folgende, in dieſem Jahresbericht

mehrfach beiprodhene und empfohlene Werke erſchienen:

31. Weber, Lehrbuch der Weltgeſchichte mit Rüdficht auf Cultur, Lite ratur und Religionswefen, und ein Abriß der deutichen Literatur⸗Geſchichte als Anhang. 2 Bde. Elfte veränberte und biß auf bie Gegenwart fort- geführte Auflage. Mit einem Namen- und Sachregiſter. gr. 8. (XLIV u. 1924 ©.) Leipzig, Engelmann.

32. —, Allgemeine Weltgeſchichte mit befonderer Berüdfichtigung bes Geiſtes⸗ und Culturlebens ber Völler und mit Benugung der neueren ger ſchichtlichen Forſchungen für bie gebildeten Stände bearbeitet. 6. Bd. Ge⸗ ae bes Mittelalters. 2 Theile. 1. Hälfte. gr. 8. (416 ©.) Cbend.

Ad.

33. Welter, Gymn.Prof. Th. B., Lehrbuch der Weltgeſchichte für GEymmafien und höhere Bürgerſchulen. 1. Theil. Die alte Geſchichte. 23fe vermehrte und verbefierte Auflage. gr. 8. (XV n. 392 ©.) Münſter, Coppenrath. 15 Ger.

34. Dr. Wernide, Lehrbuch der Weltgeſchichte für höhere Töchter ſchuſen. Gifte vermehrte und verbefierte Auflage. Berlin, 1865.. Ver⸗ lag ber Naud’ihen Buchhandlung. gr. 8. 258 ©. 24 Sgr.

Diefes Lehrbuch ift im V. und VII. Bande des Jahresberichtes bes fprochen worden. Die Anorpnung im Ganzen ift, laut der Vorreve zur elften Auflage diejelbe geblieben, nur .Cinzelnes in der mittleren und neueren Geſchichte ift neu bearbeitet worden. Drud und Papier find auch bei diefer Auflage vortrefflich.

B. Baterländifche Gefchichte.

35. Rudolph Dietfh, Abriß ber Brandenburgiſch⸗preußiſchen Geſchichte. Mit 3 Karten. Beigabe zu des Verſaſſers Grundriß ber allgemeinen Geſchichte. Dritte durchgeſehene und verbefierte Auflage. Leip⸗ zig, Drud und Verlag von Teubner. 1865. 126 ©. 8. 12 ©gr.

ven Ibariıten zwismmengeträngt werden, wobei es freilih wit! ohne mebriade ivratlide Härten und Unchenbeiten abzr: jangen it, teren te.tiatize Amimerung in einer tciacnben Yrkr wit leiter Nade vc.\;ıen werden fünnte. Daß ber Hert Ber. des peñtro o: vt:iden Staudrautt mit Gutidiedenbeit jur Geltung Kiez. 3 über {don bervorgebeten werten Natürlich uk vie Arfıftung u einzinen Buntten von 2er icuf gewöhnlichen mertlid, abweiden Ee bet es 5,2. €. 10? ven dem berüdtigten Böllnerihen Religionsertit: „et men and gegen die Perionen feiner Beranlafier (Wöllner, v. Rüdelriuserder zu erinnern bat, was man auch über das dem Chrifientium mict ext: ſprechende Leben am Hej un» gegen vie Aumenbung der weitliiien Gemalt in firchlichen Saten jagen mag, wie vollländig man and) bei Bielen

Zrömmelei zugeben mus, es war democh im göttlibden Acht nad in den Zufänden der Zeit aufs vollſtändigſte begränke Wenn ſich gegen die weblmeinende Abficht der Regierung allentbalben, et nicht ohne Läſterung, geipent ward, (sic!!) num Gett bat mit feiner Zuchtruthe darüber gerichtet.” Der im Jahre 1817 durch Friedrich Si:

Raum gab umd viel Streit umb Hader im ibrem Gejolge hatte.“ „Dont: bar erfannte”, heikt es ferner in Bezug aui Die beiemnın ——— folgungen, „das Bell auch die Zurkdführung der in Umfurzplämen ver: irten Jugend (Zurädfübrung Der berirrten Zugen»tt Gi wie zart ausgebrüdt! Tas könnte wohl einen Ebevalier Riccamt zu einer befjeren Meinung über die deutihe Sprache beflimmen). „Zurd bie Be tufung des allgemeinen Landtages,” heißt es €. 119, „war ber Grund zur confitutionellen Berfafjung gelegt.” (Gerade im Gegentheil! Turd die Einberufung der Provinzialftände, fowie jpäter durch den allgemeinen Landtag follte eben die vielfeitig verlangte conftitutionelle Berfafiung ver: mieden, es follte gewijiermaßen ein Surrogat dafür geboten werben. Kaum bat Friedrich Wilhelm IV. fih an einem anderen Urte ſchärſer und be fiummter gegen eine conftitutionelle Berfafjiung ausgefproden, als im ver Gröffnungsreve zum allgemeinen Landtag.)

Wie ſchon angedeutet, werden über die citirten Stellen die Meinungen ſehr von einander abweiden. Dagegen wird Niemand die jonfigen trefi- lihen Eigenſchaften des vorliegenden Leitiadens verlennen, der unter ben für höhere Lehranftalten beſtimmten unbeftritten eine der erſten Etellen ein nimmt.

Geſchichte. 558

36. Die dentſche Geſchichte, ein Wiederholungsbuch für Mittelklaſſen. Bon

W. Dietlein. Quedlinburg, Ftanle. 1864. 8 Sgr.

Lag dem Ref. nicht vor. Der Verfaſſer ſagt in dem von ihm heraus⸗ gegebenen Schulblatt für die Provinz Sachſen“ in einer Selbitanzeige:

„sn diefem Büchlein babe ih den Verſuch gemacht, au dem ganzen Bereiche der deutſchen Gefchichte fo viel in kurzen, knappen Sätzen bervor: zubeben, als mir für die Mittelllafien von Bürgerknaben» und Mädchen: ſchulen nöthig erſchien.“

„Um nicht nur eine zuſammenhangloſe, für den Schüler unintereſſant Zuſammenſiellung von Zahlen und Namen zu geben, babe ih ſtets, wenn au hie und da nur dur einzelne Worte, die natürlihe Folge der Thats fachen angedeutet.”

„Damit auch denjenigen Lehrern, die nah einer von diefem Buche abweichenden Anorbnung verfahren, daſſelbe handrecht werde, fo ift der ganze Stoff in kurze Abfchnitte getheilt, von denen einzelne je nad Be: dürfniß weggelafien, oder hie und da in veränderter Aufeinanderfolge benupt werden können. Daß ih die preußifhe Gefchichte im Allgemeinen etwas bevorzugt habe, wird hoffentlih Niemandem auffallen.”

37. Eduard Förſter, Königl. Seminarlehrer zu Münſterberg. Deutſche Gedichte für den Geſchichtsunterricht. Mit Beziehung auf bes Verf. „Hülfsbuch zum Unterricht in ber beutfhen und brandenburgiich- preußifhen Geſchichte“ gefammelt und mit literarifhen und biftorijchen Rotizen verjehen. Erfurt u. Leipzig, G. W. Köruer’s Verlags - Buchhand- Iımg. 1865. gr. 8 112 ©. 12 Sgr.

Das Bud enthält 120 Gedichte biftoriihen Inhalts, die etwa zur Hälfte der deutfchen Gefhichte im Allgemeinen, zur Hälfte fpeciell der preußifchen Gejhichte angehören. Es fpringt auf den erften Blid hervor, wie jehr der Verfafler bemüht gewejen ift, nur wirklich probehaltige Moefie in feine Sammlung aufzunehmen, und lieber [parfamer in der Aufs nahme zu fein, als die Weizentörner unter der Spreu verfchwinden zu lafien. Wir treffen denn auch in dem Dichterverzeichniß faft nur auf die geachtetften Namen des deutfhen Parnaſſus. In der Sammlung ift neben der Iyrifhen und epifhen Poefie auch die dramatifche vertreten, indem aus „Götz von Berlihingen”, „Wullenjtein‘ und „Ernit von Schwaben” Brudftüde mit- getheilt werden, die geeignet find, belle Echlaglichter auf die dargeftellten Geſchichtsepochen zu werfen. Die literariichen und biftorishen Anmerkungen find meift kurz und recht fahgemäß. Somit fönnten wir die vorliegende Sammlung den Collegen zur Benußung empfehlen. Nur im Einzelnen möchten wir einige Ausftellungen machen. Das erſte Gedicht, die Klop⸗ ftod’ihe Ode „Hermann und Thusnelda”, gehört in ihrer hyperpathetiſchen Darftellung wohl ſchwerlich im die Volksſchule.

„Ha, dort fümmt er, mit Schweiß, mit Römerblut, Mit dem Staube der Schlacht bededt! So fhön war Hermann niemals! So hat's ihm

Mie von dem Auge geflammt!

Hermann! Hermann! So bat di

Niemals Thusnelda geliebt!

564 Geſchichte.

Selbſt nicht, da du zuerſ im Cichenſchatten Mit dem bräuplichen Arm mid wilder faßteſt! Fliehend blieb ih, und ſah bir

Schon die Unfterblileit an.‘

Bei aller kritiſchen Gewiſſenhaftigkeit des Berfafiers iR denn doch Manches mit untergelaufen, was zwar gut gemeint, aber ſchlecht geratben ft So ift z. B. George Hefetiel ganz unverhältnigmäßig farf vertreten, theilmeis mit ſehr ſchwachen Gedichten. Wenn wir diefem Dichter auch mandes fchöne, den derben, naiven und humoriſtiſchen Volkston glüdlid nachahmende Gedicht verdanken, fo ift dod nicht zu leugnen, daß das Talent diefes Dichters in keinem Verhaͤltniß fteht zu der Maſſe der pro ducirten Dichtungen, und daß man vielen derjelben das Gemachte und Horcirte anmerkt. „Wie der große Kurfürft den Schweden zeigt, was eine Harte iſt“,“) ift doc etivas zu trivial, und der barin vertretene Humor ifl ſchwerlich nach Jedermanns Geihmad. Durchaus trivial und obne den leifeften Anflug von Geift und Poefie ift auch das letzte in der Sammlung enthaltene Gedicht des genannten Dichters, „die Hohenzollern‘; es ift eben nur eine gereimte Geſchichtstabelle und fteht an poetifhem Wertb au] gleiher Stufe mit anderen NReimereien, die, wie 3. B. die verfificirten Genusregeln, nur zur Unterftügung des Gedächtniſſes bervorgebradt Find. Das vorlepte Bericht, „An des Königs Geburtstage” (Vater, kröne bu mit Segen u. f. mw.) mag recht jhäßenewerth fein, wo man bei der Geburts tagsfeier des Königs ein auf die Feier bezügliches Lied nach einer belannten Choralmelodie will fingen laflen. Was vemjelben einen Pla unter den biftorifhen und für den Geſchichts unterricht beftimmten Gedichten verichafft bat, ift nicht recht einzufehen. Die Lesart im legten Verſe des „Heil dir im Siegertranz‘ mag immerhin die Original-Lesart”*) fein, an und für fi Hingt diefelbe höchſt ungefhidt. Im Vollsmunde bat fich eine andere eingebürgert,***) und es wäre jedenfalls beſſer, in der Schule biele leßtere beizubehalten. Wenn der Herausgeber die Anmerlung zum Preußen liede benugt, um Hoffmann v. Fallersleben Eins zu verjeßen, jo ift dies an biefer Stelle gewiß ſehr unpafiend. Die deutſche Volksſchule verdankt diefem Dichter unendlih viel, Nur durch feine zaflreihen, in kindlichem Geifte gebichteten Lieder ift es möglid geworden, die ſchoͤnſten Blüthen des deutſchen Vollsgefanges in den Schulunterrig: bineinzuziehen. Nur von diejer Seite tennen ihn die Schüler der Vollsſchule, feine „Unpolitiihen

*) Da mit Baufen und Trompeten Keiebrid Wilhelm Rörte endlich Haufen in dem Land die Schweben, iefes Leben gar zu ſchändlich

Weil ber Kurfürft nicht daheim, Eilte mit ber Reiterei Bei dem Heere an dem Rhein, Ueber Maabeburg berbei, Gegen bie Franzoſen. Gnad' Euch Gott, ihr Schweben.

”*) „Jede geweibte Kunſt Neife durch deine Gunſt. Bürgerverdienfi ermärm’ An beiner Bruſt.“ “.) „Fuhl in bes Thrones Glanz Die hohe Wonne ganz ac.”

Geſchichte. bhb

Lieder“ find ben jungen Staataburgern wohl noch unbelannt, und mer ihn wegen biejer Lieder ded „Undanks und der Königsfeinpfchaft zeihen will, möge dazu wenigftens eine pafiendere Gelegenheit wählen, In einer für die Schule beftimmten Schrift lag wohl keine Veranlaſſung vor, in diejer rüdfichtölofen Weife dem Dichter das fchwärzefte der Lafter, ven „Undank“, vorzuwerfen.

38. H. von Frankenberg, Geſchichte des Preußiſchen Vaterlandes. Bis auf. unſere Tage fortgeführt von Becker. Dritte verbeſſerte Auflage. Berlin, Schweiggerihe Hofbuchhandlung. 164 ©. Sedez. 10 Sgr. Jedenfalls eins der anfpruchglofeften Büchlein unter allen, die je über

einen Theil der großen Tragödie „Weltgeſchichte“ gefchrieben find. Es er:

zählt die Gefchichte der Mark Brandenburg bis zum Regierungsantritt des großen Rurfürften nur ganz kurz, andeutungsweife, von ba ab ein wenig umftändlider, am umftändlihften die militärifchen und friegeriihen Ver⸗ bältnijje, und zwar in einer recht treuberzigen Manier, wie fie ebevem, namentlid in Eleinbürgerlichen Kreiſen, wohl häufiger zu finden war, als in unferer ernſt und politifch geftimmten Zeit. Wie weit die Harmlojigleit in der Auffaflung des Herausgebers geht, davon ein Beilpiel: „Auch Protefianten‘‘, heißt es, nachdem von den Deutſch-Katholiken die Rede ge: geweſen, auf Seite 152 meiter, „‚traten aus ihrer Kirche aus, nannten ſich Lichtfreunde und bildeten freie Gemeinden. Gigentlih maren viele neuen Religionen feine Religionen mehr, denn die Leute glaubten nicht mehr an Gott und Chriftus, jondern fagten: die Welt it von felbit ent: ftanden und regiert fich ſelbſt! Diefe gottlojen Gemeinden murben von der liberalen Partei benußt, die Zwietracht und Unzufriedenheit jäete.

So nahte das verhbängnißvolle Jahr 1848.

„In Preußen hatte Friedrich Wilhelm von Anfang feiner Regierung an immer danach geftrebt, dem Volke nah und nah mehr ‚Freiheiten zu gewähren, und jo verjuchte er es, und bemilligte durch ein Patent vom 18. März die Wünfhe des Volles. Allgemein war der Jubel und das Volk drängte fi nah dem Schloſſe in aufrichtiger Freude. Der Revo: Iutionspartei aber war es leicht, bei diefen großen verfammelten Volks⸗ majjen Streit und Schlägerei bervorzurufen, jo dab das Militär einfchreiten mußte, allein das aufgeregte Volk ließ ſich nicht auseinander treiben, und ein furchtbarer Straßenkampf entfpann fih*) u. f. w.“ „Friedrich Wil beim IV., der ftets für ein einiges Deutfhland geglüht, wollte ſich an bie Spibe des Gefammtvaterlandes jiellen, aber die Revolutionspartei wollte

*, Kür eine ſpätere Auflage möchten wir folgende Verſion vorſchlagen: „Ftiedrich Wilhelm IV. Überrajchte eines fhönen Morgens die Hauptftabt, bie ar nichts bergleihen abnte, mit einer Konftitution. Der Jubel über dieſes in reußen nech ganz unbelannte Geſchenk war ungeheuer. Das jubelnde Boll drängte fih auf die Straßen, ja fogar auf bie Dächer. Unglücdlicherweiſe fielen daber einige Tosgerifiene Dad;ziegel herunter, verwundeten und töbteten einige vorübermarfdirende Soldaten, und biefen gingen aus Unvorfichtigleit in der ba» bei entflandenen Verwirrung einige Gewehre 108, wodurch wieder einige Perſonen auf ven Dächern und an ben Fenitern getöbtet wurben” u. |. mw.

566 Geſchichte.

nichts davon wiſſen.“ Doch genug! ——

wie eine Geßner'ſche Idylle, lauter edelmüthige, unſchuldige, harmisfe —2 im Paradieſe, welches bier Preußen heißt, natürlih auch mit einer entipredbenden , alles Böfe veranlafienden Schlange, ver böfen liberalen Bartei. Wir empfehlen das Büchlein allen denen, bie ihre naive Herzenseinjalt durch Betrachtung des blutigen Grnfles der Weltge⸗ ſchichte nicht gefährden wollen.

39. Ludwig Sabn, Friedrich der Große, greite Auflage. Berlin, 1865.

Verlag von ®. Her. 452 5. 8. 1 Tb

Das vorliegende Bud ift eine billige Boltsantgabe des uriprünglid in reiberer Ausftattung erſchienenen Wertes über Friedrich den Großen. „Cine neue Geſchichte Friedrichs des Großen”, beißt es in der Vorrede zur eriten Ausgabe, ‚bedarf für Viele wohl einer Rechtfertigung über bie Gründe ihres Entſtebens. Das Leben des großen Königs ift dem preußi⸗ fhen und dem deutihen Zolte fo oft und fo ausfübrlih erzählt werten, daß ein neuer Verſuch diefer Art zunädft überflüffig erfcheinen mag, zumal eine populäre Darftellung, bei welcher es auf eigene neue Forſchung nicht abgefehen war. Gegen dieſes vorläufige Bedenken will id mich nicht darauf berufen, daß das flets erneute Intereſſe an dem Heldenfürften und bie nimmer erfchöpfte anregende Macht und Bedeutung feiner Geſchichte jhon an und für ſich die wiederholte Erzählung derjeiben rechtfertigen. Ich meine vielmehr, daß nah den mancderlei treffliben Darftellungen von Friedrichs Leben und Wirken, melde in volfsthümlibem Ton bereits vor: handen find, dennoch eine Geſchichte bejondere, eigene Geſichtspunlte für fih muß geltend maden.” Und folde macht denn ber Berf. für fid geltend, indem er fagt: „Es ift in die vulgäre Auffaflung einzelner Theile der Entwidelung und Thätigkeit des gefeierten FZürften fo mandyerlei Stereo: types und doch Schiefes gelommen, es ift ferner durch die überwiegende Bedeutung, welche einestheild den anelootenhaften Zügen in des Königs Leben, anderntheils feinen fchöngeiftigen, literariſchen Neigungen eingeräumt wurde, das wahrhafte Bild des großen Regenten jo vielfah umbüllt wor: den, daß ed ber Mühe zu lohnen ſchien, dafjelbe in feiner Reinheit, Schͤrfe und rechten Größe gerade den Augen des Volkes vorzuführen.” In leßterer Beziehung erwähnt der Verf. befonders der Jugendgeſchichte Friedrichs, da gewöhnlih „der Kronprinz bios als Märtyrer der rohen Tyrannei eine ungebildeten Vaters, feine eigenen fchweren Berirrungen aber in dem uns ſchuldigſten Lichte dargeftellt werben.” „Und doch entipricht e3 nicht blos der biftorifhen Wahrheit, ſondern zugleich der Achtung vor der großen Perſoͤnlichleit des Königs weit mehr, den Entwidlungsgang befielben von dem leichten und eitlen Sinn der Jugend dur die ſchwere Zeit der Prüfung hindurch zur ge wiflenhaften Pflihtübung ernft und unbefangen zu ſchildern, und die zugleich bei aller Schrofiheit höchſt bedeutſame Wirkſamkeit des Vaters in's rechte Picht zu ftellen.” Run, in legterer Beziehung ift aud wohl in populären, fowie in den für die Schule beftimmten Darfiellungen bereit3 eine Wandlung eingetreten, nachdem Ranlke und felbft Schlofler in der Geſchichte des acht⸗ zehnten Jahrhunderts die wulgäre Idee von Friedrich Wilpelm IL als von

Geſchichte. 557

einem bloßen Nelrutenerercirmeifter bejeitigt haben. In dem vorliegenden Merk tritt das Verhältniß zwiſchen Vater und Sohn deutlicher und jchärfer hervor, als in den gewöhnlichen populären Darftellungen. Der Dresdner Aufenthalt und feine verberblihen Folgen, ſowie die Verhältnifie am Dresoner Hofe felbit werden zwar mit derjenigen Zurüdhaltung berührt, die in voltsthümlichen Darftellungen über verartige Verhältniſſe am Orte ift, aber doch deutlih genug, um die Tiefe des Verderbens ahnen zu laflen. Der Berf. verfhmäht, wie ſchon angedeutet worden, die Reprodnktion mancher landläuftgen Aneloote (obwohl es an Anelvoten, ſoweit ſolche zum Eharakterifirung nothwendig find, nicht fehlt), und dringt dafür überall auf den Kern und das Weſen der Sache. Namentlich die Schilderung von der Art und Weife, wie Friedrich die innern Angelegenheiten des Staates verwaltete, feine Regierungsgrundſätze ſowohl, wie die Form feiner Ge⸗ ſchäftsführung, jene Stellung und fein Verhalten gegen die ihn umgeben- denn höheren Staatöbeamten, das Alles nimmt einen breiteren Raum ein, als in den meiften ähnlichen Darftelungen. Das häusliche Leben des Königs ift mit vorzügliher Anfchaulichkeit gefchildert. Vortrefflich ift auch die jchwierige Aufgabe gelöft, kriegeriſche Begebenheiten in gemeinverftänds liher Weiſe darzufiellen, dabei eine genügende Einficht in den Gang und den Zufammenhang der Greignifle zu geben, ohne jedoch den Laien durch ſtrategiſche und taltifche Specialitäten abzufhreden, was gerade beim jfiebenjährigen Kriege Feine Kleinigkeit if. Die Bejchäftigung des Königs mit Literatur und Kunft, fein Berhältniß zu feinen ſchöngeiſtigen Freunden ift mwenigitens fo eingehend beiprodhen, als die populäre Beitimmung der ganzen Schrift es geftattete.

Friedrich's des Großen Charalterbild ift nicht immer mit Unbefangen- beit vargeftellt worden. Die Erſcheinung dieſes Mannes war jo be Deutend, daß verjchievene Parteien in unjerem politiihen Leben beftrebt waren, aus bemfelben einen ber Ihrigen zu machen, und fi mit feiner Autorität zu deden. Gin conjervatived Blatt ermahnte kurz nah dem Er⸗ fcheinen dieſes Buches feine liberalen Landsleute, fich hier das Bild des großen Königs genau anzufeben, um zu erlennen, welch eine weite Kluft zwifchen diefem und ihnen jelbit beſtehe. Ganz richtig, nur kann man mit ganz vemfelben Net die umgelehrte Anwendung machen. Gerade meil der Verf. dieſes Buches die Regierungsgrundjäße Friedrich's, fowie feine Negentenpraris fahgemäß, unbefangen und eingehend darlegt, wird es auch dem einfadlten Leſer Mar, wie zwijhen Damals und Sekt eine Kluft be feftigt ift, die nun und nimmermehr wieder nad rüdwärts hin überfchritten werden kann. Neben den großen und erhabenen Zügen, die der „mohle wollende und aufgellärte Despotismus” in diefem feinem edelften Vertreter aufmweift, können wir uns bei einigen anderen Zügen eines geheimen Grauens nicht erwehren, und jo jehr wir uns des damals gelegten Grundes ſtaat⸗ licher Größe freuen, fo haben wir doch Grund, Gott zu danken, daß wir in einer foldhen Zeit nicht haben leben müfjen. Möge man dieſe „Photographie obme Retouche“ fleißig betradhten und dabei einjehben lernen, daß die Gegenwart nit nad einem politiihen Paradigma von damals durchdecli⸗ pirt und conjugirt werben kann, |

D58 Geſchichte.

40. Gerhard Beine, Oberlehrer am Herzogl. Landesſeminar zu Athen. Ge⸗ ſchichte des Landes Anhalt und feiner Fürſten. Ein Stäück deuticher Geihichte, dem anhaltiſchen Volke erzähle. Köthen, 1866. Verlag von Eduard Heine. 232 ©. 8. Geb. 124 Sgr., geb. 15 Gar.

Den meiften Lehrern an deutſchen Voltsfchulen ift gegemmärtig beim Gefhichtsunterriht die Aufgabe geftellt, die Chronik eines Stammes oder eines Iheiles von Deutichland in Verbindung mit der deutihen Geſchichte porzutragen. Dieje Aufgabe ift bier in Bezug auf das Herzogthum An: halt in ganz anerlennenswerther Weife gelöft worden, troß ber Schwierig: leiten, die gerade bei einem deutſchen Kleinftaate, der nicht unmittelbar in den Bang der großen Weltbegebenbeiten eingreift, bervortreten müflen. Nicht bios jeder Bewohner von Anhalt, jondern jeder gebildete Deutſche überhaupt taun das vorliegende Buch mit Intereile lefen, weil ed auf wichtige Cpochen der allgemeinen deutſchen Geſchichte erhellende Streiflichter wirft, und in Bezug auf wichtige Weltbegebenheiten mande Epecialitäten beibringt, die fonft in populären Darftelungen ver allgemeinen Geſchichte keinen Raum finden. Namentlich aus der Neformationsgefchichte, dem breißigjährigen Kriege, den ſchleſiſchen Kriegen, der Napoleonifhen Herrihaft in Deutſchland und dem . Wefteiungslampje werben viele einzelne daralteriftiihe Büge mitgetheilt, welche ganz geeignet find, das Wild, das man von biefen Begebenheiten gewonnen hat, im Ginzelnen intenfiver und lebhafter zu coloriren.

In der ganzen Darftellung herrſcht eine ruhige, objective Haltung ; der Ausdruck ift einfach), anjprehend und in gutem Sinne populär.

4. A. W. Muller, Ardidiaconus an der Stabtlircde zu Meiningen. Deutic- lands Wiedergeburt. Gine den Hauptzligen nad vollfiänrige Geſchichte ber deutichen Befreiungsfriege. Mit den fie feiernden Freiheits⸗ und Bater- Iandereden Dräfede’s. Cine Feftgabe zur goldnen Yubeifeier des Sieges tages der Schlacht bei Waterloo. Magdeburg, 1865. Heinrichthofen ſche Buchhandlung. gr. 8. 280 ©. 11, Thlr.

Eine Feſigabe, zum Andenken an eine nationale That, mit „Freiheits⸗ md Baterlandsreden verdient wohl, wenn fie auch nicht fperiell für wie Schule oder für Pädagogen beftimmt iſt, doch von dieſen gerade eine befondere Beachtung, weil die Erinnerung an die Ehrentage der Nation gerade bei der Jugend lebendig muß erhalten werden. Mag darum die oben näher bezeichnete Schrift au hier Erwähnung finden.

Die Aufgabe, die der Herr Berf. ſich geftellt bat, ift etwas heterogener Ratur. Er will eine im Weſentlichen vollſtändige Geſchichte der Befreiungs: kriege geben, und zugleih das Bild eines Kanzelredners vor uns erſcheinen laſſen, der aus den Begebenheiten jener Zeit Beranlafiung fhöpft zu religiöfer Erhebung. Es gibt Bücher, die Reden enthalten, und zur Ein: führung in das Verſtändniß verfjelhen eine hiſtoriſche Darftellung Der zu Grunde liegenden Thatſachen, und wiederum Bücher, in denen ein bifteri: ſcher Inhalt bin und mwisder durch eine Rede beleuchtet wird. Welches von beiden bier beabfidhtigt jet, ift nicht recht erfidhtlid. Bielmehr fcheint Jedes von Beiden eine felbfifländige Bedeutung einnehmen zu follen. Was nun die hiſtoriſche Darftellung felbft betrifft, jo gibt diefelbe über die Be gebenbeiten bis zum October 1813 einen kurzen, aber Haren Uederblick, ver

Geſchichte. 569

mir einzelnen braftiihen Zügen, Anelvoten u. vergl. reichlich ausgeftattet -

und im Ganzen recht anziehend if. Die Schlaht bei Leipzig, der Feldzug in Frankreich, der Wiener Congreß, der Feldzug von 1815 und namentlich) die Schlaht von Bellealliance nebft den unmittelbar darauf folgenden Er eignifien find ausführlicher behandelt. Namentlich zeigt die eingehende Darftellung der leßteren Schlacht, über die fo viel Ungenaues und Unwahres theilmeis mit Abfiht, in Umlauf gefeßt worden ift, daß der Herr Verfafler die von der Kritik revidirten Alten jener Begebenbeit gewiſſen⸗ haft benußt bat. Auch bier zeigen die vielen einzelnen der Erzählung ein gefügten Charalterzüge eine nicht unbedeutende Belefenheit des Herrn Ber: faflers in den betreffenden Schriften, ſowie eine kritiſche Benutzung derjelben und die Fähigkeit, daS gewonnene Material in draſtiſcher, mwirkjamer Weiſe ju verwenden. Ob man indefien die Reden des Bremiſchen Pfarrers und Biſchoſs Dräjede mit demfelben Intereſſe lefen wird, ift zu bezweifeln. Mögen diefelben als Kanzelreden, deren nächfter Zwed die religiöfe Erbau- ung ift, noch jo vortrefflid fein, mögen fie in der hochgehenden Bewegung ded Augenblidd, gefprodhen mit. der innigften Begeifterung, eine noch fo mädtige Wirkung geübt haben, das Alles reiht nicht hin, um einer Gelegenheitsrede eine dauernde Bedeutung zu ſichern. Nicht die Michtigkeit bes behandelten Gegenftandes jihert einer Rede diefe dauernde Bedeutung, fondern einzig und allein die geiftige Probuctivität, die im einzelnen Faltum das Allgemeine, das bleibende Geſetz ſchauen läßt, und zwar in einer Form, die dem unfaßbaren geiftigen Gebalt die feſteſte, greifbarfte Gehalt verleiht. Won einer folhen, über dag momentane Bedürfniß hinausgehen⸗ den Qualität vermag Ref. in.den mitgetheilten Reden wenig zu verjpüren, ein Geftändniß, das vielleicht verlegend fein mag für Jemand, der einft den Worten des Nedners felber gelaufht bat, und dem aljo mit der Ev innerung an jene Worte auch die ganze, volle Erregung des Augenblids wiedet vor die Seele tritt. Bielleiht mögen die mitgetheilten Bruchftüde als Mufter homiletifher Behandlung wichtiger nationaler Creigniſſe bie Aufmertfamteit des Geiftlihen verdienen über dieſen Punkt fühlt Ref. ſich nicht berufen, zu urtbeilen.

Dem Bude find an Stelle einer Vorrede zwei biographiſche Skizzen beigegeben, nämlih vom Herzogl. Meining’ihen Schloßhauptmann v. Maus derode und vom Koͤnigl. Preuß. Superintendenten a. D. Holzapfel, von denen der GErftere als Officier den ſpaniſchen Feldzug 1810, den ruſſiſchen 1812 und fodann die Befreiungskriege durchgemacht bat, während der Lebtere als Dragoner am Feldzug von 1815 AUntheil genommen hat. Diefe beiden Skizzen enthalten manches Mertwürdige aus den großen Greignifien jener Zeit. Ein größeres Intereſſe werden Diejenigen daran nehmen, die ben genannten Männern perfönli nahe geftanden haben. Auch fonft läßt der Herr Verfaſſer im Verlauf der Erzählung wohl perjönlide und private Verhältnifie hier und da mit hineinjpielen; doch iſt im Ganzen das feige halfen, was von allgemeinem und öffentlihem Intereſſe ift.

42. Dr. 8. Pierſon, Oberlehrer an der Dorotheenſtäbtiſchen Realſchutx in VOerlin. Leitfaben der preußiſchen Geſchichte. Rebfl chrowlogiſchen

560 Geſchichte.

und ſtatiſtiſchen Tabellen: Preußiſche Regententafel, Wachtthum bes branben-

burgiſch⸗preußiſchen Staates. Zeittafel der preußiſchen Geſchichte. Preußiſcher

Geſchichtokalender. Genealogiſche Ueberſicht bes Hauſes Hohenzollern. Laben-

preis © Ser. Berlin, 1865. Verlag von W. 3. Peiſer. Friedrichtſtr. 142. . .

„Die preußiſche Geſchichte“, heißt e8 im Vorwort, „an bildender Straft jo reih wie faum irgend eine andere, fo überaus fähig, zumal jenes fitt- liche Heil zu wirken, das einer jeden vaterländifhen Geſchichte entquillt, muß auf preußiſchen Schulen nit nur im Mittelpuntt des hiſtoriſchen Unterrichts fteben, fondern aud in dem Penfum veflelben bei weitem ven größten Raum einnehmen. Eie darf bier nicht als Anhang der deutſchen Geſchichte, noch auch als Beigeordnete der griechiſch-römiſchen, fie foll ſelbſt⸗ ſtaͤndig und als Hauptſache betrieben werden. Dieſe Forderung iſt ſeit dem Eintritt des Verfaſſungsweſens dringender als je; weil mit den politiſchen Rechten eines Volles deſſen Verpflichtung wächſt, fi von der Geſchichte feines Staates eine genaue Kenntniß anzueignen, weil dieſe die beſte Quelle eines ftarlen, freudigen Nationalgefühls und einer begeifterten Baterlands: Tiebe ift, und meil ohne folde Tugend feiner Bürger am wenigſten ein . Berfafjungsftaat gedeihen kann.“ Gewiß verdienen dieſe Iehteren Worte der Vorrede die lebhaftefte Zuflimmung. Der Patriotismus oes Herrn Berfafierd hat fih an andern Orten (in pädagogiſchen Zeitjchriften) in einer etwas überfhmänglichen, phrafenreihen Weife fund gegeben. Auch die bier Eingangs citirten Worte der Vorrede find nit ganz frei von diefer Eigen: thümlichleit, Dieſer Umftand könnte mandyen Leſer im Voraus gegen die vor: llegende Schrift einnehmen, dod wird man in dem Werke jelbft eine weit ftrenger bemefjene Ausprudsmeife und eine weit bejonnenere Auffaffung der une finden, als in den Borreden und Seitungsartiteln des Herm Ber: fajlers.

Gerade dieſes Buch läßt, verglichen mit früheren Erzeugniſſen äbr- licher Tendenz, deutlich erlennen, wie erfriihend und kräftigend die zwei Jahrzehende üffentlihen Lebens gewirkt haben. Bon jener harmloſen, demüthig:loyalen Sentimentalität, die Alles rofenrotb malte, ift bier feine Spur mehr zu finden. Der Verf. gebt, troß alles preußiſchen Selbitgefühls und trotz theilmeifer Ueberſchwänglichleit, doch ſchon mit der ungeſchminkten hiſtoriſchen Wahrheit frei heraus. Es herrſcht in dem Werk nicht mehr jene ſchwüle, dumpfe Treibhausatmoſphäre einer künſtlich durchwärmten, ſo— genannten „patriotiſchen Geſinnung.“ In einem freien, öffentlichen Staats⸗ weſen muß Alles die freie Luft vertragen können. Durch die vorliegende Darſtellung weht flellenweife ſchon ein recht friſcher Wind. Das Merk legt deutlich Zeugniß ab von gründlichen gejhichtlihen Studien; es herrſcht darin bie klare, mit thatfählihem Material gleihjam gefättigte, immer auf den Kern der Dinge abzielende Ausdrudsweiſe vor, tie fie nur Berfafiern eigen zu fein pflegt, die ein Buch fehrieben, weil fie Etwas mußten, nicht aber denen, bie erft Etwas ftudirten, um ein Buch zu fchreiben. Namentlich find die reihlih der Erzählung beigefügten Abſchnitte kulturbiftoriihen Inhalts fehr au loben, weil viefelben wirklich charakteriſtiſche Züge in recht anſchaulicher Daritellung zus Sprade bringen. Wenn die Vorrede behauptet, Bad vor

Geſchihte | gar

enbe. Mer! enthalte mehr Etafi, ‚als: bie vorhandenen, Bücher ahnlicher

endenz „Ip, kann. ſich Referent, ipar nicht für die ympebingie, Giltigleit diefes Sahes verbürgen, muß aber. ‚bei tätigen, daß von den ihm hefganten Werken ähnlicher Tendenz keines DaB, opzliegeahe in der ‚angebeuteten Hin⸗ ſicht übertrifft. Als Anhang iſt dem Buche eine, wie dem Referenten ſcheint, recht wegdmaͤßige Zabelle beigegeben. Dieſe enthalt in drei Columnen neben einander ‚geftellt die wichtighen gleichzejtigen Begebenheiten der ſpeciell preußiſchen, ber deutihen und der aligemweinen Geſchichte. Daran flieht fih ein „Bechichtslglenner”, d. h. eine Tabelle der nach, ven Monatsdatum geochmeten biftpriigpen Greignifie and. ſchliehlich eine e gorealogiſche uaternat über das Haus Hohenjollern.

J. Schwebler. tere in Körik bei fteuftabt ad. D.: Rleine reußiſche

u Any ‚Kür die Hand der Kinder in ein⸗ und 'mebrflaffi igen Elemen⸗

tarſchulen. “ein Hillfedůchlein zur" Erleichterung imd Hördetung des mittelft

Leſebuche und mänblicher Darſtellung teiheiten vaterländifdyen Geſchichte⸗

unterrichtes. Ausgabe B. (mit Karte) 25 Sgr. Ausgabe A. (ohne Karte)

. 2 Sor., mit weißem Sihreibpapier. bus [gaflen & 1 Sgr. mehr;, Karte ber Beiseidaupiäe in, Brandenburg, Schlefien, Sachſen und 83 öhmen dei 78 Im Selbſiverlage bes Birfaflers, fofeie in Commiſſio bet TA

Stubenrand,. Berlin, 1866.

Der Berf. gefteht, „daß die Erfolge des nur mittelft Leſebuchs und mündlicher Darſtellung ertheilten Geſchichtsunterrichtes nicht derart befriedig⸗ ten, wie man es pünſchen muß. Die von ‘den Kindern geſorderte Kennt⸗ niß der Geſchichte blieb troß aller Muhe und Arbeit im Allgemeinen doch recht mangelhaft.” „Zu diefer eigenen Wahrnehmung gefellte ſich das Belenntniß ‚eifriger, ‚pflipttreuer Collegen, leider dieſelbe Crfahrung gemacht zu haben.’ Der Verf. verfucht nun, dieſes Webel auf einem allerding „nicht mehr üngemöhnlichen Wege” zu befeitigen, nämlich durch Abfafjung eines neuen Leitfadene. Und er ift damit nicht unglüdlidy geweſen; denn „eine mehrjährige. Praxis“ hat ihm „aufs Evidenteſte beiwiefen“,; dag Freude am Unterricht, Friſche in der Auffaſſung, Genuß ohne Weberans firengung, Schlagfertigleit im Antworten und das ermutbigende Bewußtfein, einen wirklichen Schaß zu beſitzen“, daß dies Alles der Erfolg geweſen ift, der fih an die Benugung diefes Büchleins gelnüpft hat. Man darf an ein ſolches Bud, ſchon mit gewiſſen. Spmartyngen. herantreten, ih größeren als bei gewöhnlichen Leitfäden.

‚' ine gewiſſe Originalität iſt denn auch dem Büdlein nicht abge Spsechen, . Der geſchichtliche Stoff ift in gang kleine Abschnitte getheilt und diefe find mit Titeln verjehen, die in ihrer mitunter recht draftiihen Aus drudsweiſe gewiß ‚vie Hufmerkjamleit der, Schüler erregen werden. Go hat die Erzaͤhlung pon der Schlacht bei Roßbach die drei Abſchnitte: „Furcht⸗ los vor, ber Schlacht“, „Kühn in der Schlacht“, „Froh nah der Schlacht”; bei der Liegniger Schlacht heikt es: „der Sad“ und „das Loc”, und von dem. Lager zu Bunzelwig: „Darin, „Ringsum“, „Darüber.

. Um eine beitimmtere: Idee von der Austeudäweife des Herrn Bere fe. zu geben, laſſen wir hier noch zmei Abſchnitie folgen. .

‚sro YA dem Winpmäplenhügel .ıbei, Probſtheida fchreitet Napoleon ums Pad. Jahteiterift. XVII, 36

567 Sqchichte

ber, ſchweigend un büher. Erſchöpft wirft er ſich am Wadhifener asf einen bölzernen Schemel; eine Biertel,-Etunde überläht er ih dem Schlaſe. Ehrmum fichen vie Generäle um ibn ber.

Nah Leipzig reitet er dann, nimmt dort fein Hadhiquartier uud orbuet den Rüding an.

Ningsum acht brennende Dörfer gleich Todtenſadeln

Auf dem kalten Erdboden ruben 46,000 todte und ven wundete Berbündete neben 38,000 Yranzofen.

Auf den Angefihtern der topten Helden ruht beiliger Arie vor, auf denen der armen gräßli Berflünmelten unbeſchreiblicher Shmerz Märtyrerjhmer.

Auf dem Angefiht der weniger (!) verwunbeien Sieger wohnt unermehlihe Freude.

Um Himmel glänzen die Eterne (und wie Sterne glänzen in unſerm Herzen die Namen und das Gedächtniß derer, bie für bie Frei⸗ Beit gefallen),

Ben Himmel endlich dringt bei dem vollen Rang der Felbmufil Aug überfiiömenden Herzen das laute, endloſe Lob des barmberzigen Gottes.

Durch dieſes Büchlein ſoll naͤmlich der ans Leſebuch geknipfte Inter richt in der Weiſe unterflügt werden, dab der Schüler durch die kucjen Boragraphen eine bequeme Ueberfiht über das allzu reichhaltige, ſeine Zaffungstraft überfleigende Material des Leſebuches gewinnt, auch einen dequemen Anhalt für die häusliche Nepetition erhält.

Das vorfiehende längere Citat aus dieſem verhältuikmähig unbeber tenden Mahmwert mag hier ſtehen als ein Beleg dafür, was für wunder liche Blüthen jene „Alles an's Leſebuch anlehnende *" neue Hera dei Pädagogik treib

6. F. Kortenbeitel, Lehrer an der vierklafſigen Säule in Sroß⸗ ESchone⸗

Bed. Karze Ueberfict ber preußiſchen Gelgidte ya \ Echtt- verlage des Berfafiers. C. Müller's Buchbruderei in Reufobt Gm. 1866. 8 2726. 1} Egr.

Das Büchlein liefert eine kurze Meberfiht über die Brandenburgid yreußiicdhe Geſchichte, und verweift in Bezug auf die widhtigeren und barım genauer zu behandelnden Perioden verjelben auf die betreffenden Stelles des Weret’ihen Leſebuchs. Es fell diefer Heine Leitfaden alfo den dr ſammenhang vermitteln zwiſchen den in jenem Leſebuch geboienen hiſtoriſches Fragmenten.

Das vorliegende Buchlein hat die größte Aehnlichleit mit dem vorhin befprochenen Leitfaden von Schwedler, fowohl in Bezug auf feine Zenber; wie auf feine Sinrichtung, doch unterfcheidet es ſich von jenem vwortbeilbaft durch das Fehlen gewifier Auswüchſe, wie fie in ber obigen Beipredung beroorgehoben wurden. Es herrſcht bier eine etwas fadhgemäßere Dar: Rellung, obwohl flellenweife auch Ginzelnes mit bineingenommen iR, wes eigentlich in eine Meberficht nicht gehört, vielmehr nur dazu dient, die ari⸗ führlihere Beihichtöbarftellung zu coleriven. Go find z. B. vie Barkareia

Gefchichte: 663

der Soldaten während des SOjährigen Krieges bis auf vie gräufigfien ana> tomiichen .Spyecialitäten bin. genau erzählt. Doch bericht im Banzen eine angemefiene, ſachliche Erzaͤhlungsweiſe. Manche ‚Cinzeinbeiten, die zum mindeften zweifelhaft find, find hier ohne. Bebenten ala beglaubigte Geſchich⸗ ten erzählt, doc möchte dies, in Anbetracht des Umfanges und Bwedes des Büchleins, nicht gerade allzufehr zu tadeln fein. Das Büchlein tritt in anſpruchsloſer MWeife für einen ganz eng begrenzten, aber darum auch ganz beftimmten Bwed auf, und wir glauben, daß es für diefen Bwed mit Nutzen gebraucht werben Tan.

In ermeuerter Wuflage ift auch wiederum erſchienen das altbelannte Lehrbuch von u

4. Vormbaum, Gem.-Dir., die braudenburgifä-preußifhe Ge⸗ zHichte für Lehrer an Gtadt- und Landſchnlen, für die Jugend aller Religionsnerwandten und auch für Baterlanbefreunde bearbeitet. Reunte, mit Berüdfichtigung ber preußilchen Regulative umgearbeitete und vermehrte Auflage. 312 5 gr. 8. Leipzig, Hoffmann. Preis 25 Ger.

45. WBörle, bie dentſche Geſchichte für Volleihulen bearbeitet. Mit bem

Bildniß Karls des Großen. Stuttgart, Lubreht und Comp. 1864.

80 Seiten. Duodez. 5 Ger.

Das Büchlein ftellt fi die Aufgabe, auf einem Raum von 5 Drud« bogen die heutfche Gejchichte im Zufammenbang zu erzählen und zwar in einer Sprade, die allenfalls aud dem Schüler der einfachſten Dorfichule ohne Weiteres verftänplich if. Gewiß ein dankenswerthes Unternehmen! Die ſchwierige Aufgabe, eine zujammenhängende Geſchichte für die Volks⸗ fhule auf fo engem Raume zu erzählen, war bisher noch nicht geloͤſt. Auch jeut noch iſt mit Löfung verfelben der Dank der deutſchen Lehrerwelt zu verbienen; denn in bem vorliegenden Büchlein if fie kaum ihrer Löfung näher gebracht worden. Einerſeits fcheinen dazu die hiſtoriſchen Kenntniſſe des Hrn. Verf. bei weitem nicht folive genug fundirt zu fein, anbererfeits ermangelt der ſprachliche Ausdrud deſſelben fo jehr der nötbigen Schulung und Durhbildung, daß nicht einmal die nothpärftigfte ſprachliche Correct⸗ beit erreicht worden if. So heißt es 3. B. Seite 1: „So gut es eine Schande tft, wenn man einen Anaben, ein Mädchen fragte: was ift dein Großvater geweien, wo hat er gewohnt, bat er feiner Familie Ehre gemacht oder nicht, war er rei oder arm, ein geadhteter oder veracteter Mann? eben jo gut follte billigerweife jedes deutſche Kind auch das Nöthigfte wifien von ber Geſchichte des Volles, dem es angehört.‘ (Uebrigens ift der Ge dante felbft eben fo ungereimt, wie der ſprachliche Ausdruchk). 6. 2. „Wenn man eine Geſchichte fchreibt von einem Bolle, jo macht man ba und dort einen Haltepunlt in der Erzählung, das nennt man Berioben over Zeitabſchnitte.“ ©. 17, „Der (Heinrih VI) flug dem edlen Vater nicht nach“ und ©. 73 vom electrorsmagnetifchen Telegrapben: „Aber nicht genug! Aud die Eifenbabn iſt noch eine Schnede gegen ven Flug bes Adlers; und diefer Adler, ja der Blip felbit, iſt der Telezraph!“

36*

681 Geſchicht.

Es iſt ſchade, va die oben angedenteten Raͤugel lein ſo lideres Product haben zu Stande lommen laflen; denn ber ſriſche, bebendigt ira des Ganzen, ſowie ber patriotiſche Geiſt, in dem das Werl gefchrieben iR, find wohl der Auetlennung werth. '

I

46, Bigeldberger, Reafieniehrer,, Baieriſche Geſchichte für Mittelſchelen vorzugsmeite für Gewerbeſchulen. Mit einer color. Karte von Baiecn (Folio) 111 ©. 8. Amberg bei Bohl. 9 Gyr.

Hat dem Ref. nicht vorgelegen.

II. Tabellen und Karten.

4. Th. Dielig, Prof. und Director an der Wuigſtäbtiſchen Nealichnle ya Berlin, Geographiſch⸗ſynchrouiſtiſche Leberfiht ber Weltge⸗ .. Seite Fünfte verbefierte Auflage Berlin. Berlag von A. Dunder.

:. 1866. 39 ©: Duart. 30 Ger.

Enthält eine ſynchroniſtiſche Zufammenftellung der widhtigfien geſchicht⸗ chen Creignifie, und für jeden Hauptabfchnitt ver Geſchichte eine geogra⸗ phiſche Meberfiht über die Ausdehnung und Bujammenjegung der in dieſet Periode ‚am meiften bervortretenden Staaten.

w.:Chrifian Hutzelmann, Lehrer an ber König. Gewerbeſchule im Fürtk. Zabelle der baierifhen unb deutschen Geſchichte, mit Berkd- ſichtigung der allgemeinen und der Culturgeſchichte. Für ben Schulgebrauch bearbeitet. Nüruberg, Ludwig Schmidts Verlag. 1866. gr. 8. 74 ©. 10 Syr.

Dieſes Buch iſt jo eingerichket,. daß nad Art ſynchroniſtiſcher Tabellen die gleichzeitigen Begebenbeiten der römiſchen und germaniſchen, jobann der deutſchen und der bairiſchen Geſchichte in zwei reip. drei Columnen nebes einandergeltellt find, während bie übrigen Hauptvölter Guropas mit ihren wihtigiten hiſtoriſchen Thaten nach einander aufgeführt merken. Das kul turhiſtoriſche Materigl- wird in beſonderen Abſchnitten behandelt, und nict nach ethnographiſchen, ſoudern nach ſachlichen Rüdlichten angeorunet. Dec it Dieje Pigpolition nidyt überall, ftreng innegehalten, indem die weltgefchidk liben Begebenheiten der neueiten Zeit ohne Unterjhied mit unter Die Rubril „Deutſchland“ und auch Eulturhiftorifhe Notigen, namentlich liserariid: hiſtorijſche, mit unter die politiihen Begebenheiten geftellt find. Ueber⸗ jichtlich wird dadurch die ‚vorliegende Tabelle eben nicht. Es kann fein, bad jie im Anſchluß an einen ganz beilimmten Lehrplan entworfen und biejem möglichft genau und zwedmäßig angepaßt ill. Die Behandlung des kulturgeſchichtlichen Materials ift keine ganz gleihmäßige, Wir finden unter mancer Rubrik bloße Namen genannt, unter einer anderen wieder Warte anzejührt, zumeilen find and) aͤſthetiſche Urtheile oder biographiſche Notizen binzugefügt. Die Auswahl der Namen, die ald Vertreter einer Kunſt oder Wiſſenſchaft zulammengeftellt find, erfcheint.oft ziemlich willkührlich. Soz®. ©. 69. „Philojophie”: „Baco 9. Verulam, Gartefius, Malebrandye, Spr

Geſchichte. 565

itdja}, Leibnitßz, Kant, Fichte, Hegel; Schelling.“ Wo bleibt Herbark) Her doch weit nachhaltiger und tiefer wenn auch geräufchlofer auf gewiſſe Gebiete des Denkens eingewirkt bat, als fein Wntipode:: Ficht« Mo bleiben ferner Lode, Berliey, Hume, welche gerade diejenige Gedanken⸗ bewegung anregten, an die Kant unmittelbar anknüpfte, die daher in ber Entwidlungsgefbicte der Philoſophie vielleicht wichtiger 1% Als mander der vorbin genannten Philofophen. Unter „PBhilologie‘ werden aufgeführt: „‚Geßner,. Ernelti, Heyne, Fr. A, Wolff, Hermann, W. v. Humbotpt, Thierſch, die beiden’ Grimm und Lachmann.‘ Hier find alſo nur deutſche genannt, und aud dieſe nicht vollftändig, Noch wunderlicher ift die Auswahl für die Geſchichte. „J. Schleiden, Grotius,: Raleigh , Maciavelli, Schlözer, IJ. v. Müller, Riebuhr, Heeren, Schlofier, Rottech, Ranke, Macaulay.‘ S. 70 wird „Götz von Berlichingen“, „das WVorbild eines: Woldspramas,” ver. „Fnuſt⸗“ vagoegen ‚Has: Vorbild eines: Kunfidramas““ genannt. Der Ane Ansorndı ifn bier jo jchief wie der andere. . Hütte :3. 9. der „Fauſte wicht anderweitige, alle® Andere überragende geniald Bigmfhaften, um Keinen fpeciell fünftlerifhen Vollendung willen wirds man ihm tet: nen fehr hohen Play anweiſen können. Ein Mufter zines dramatiſchen Run ſtiwerkes iſt er jedenfalls nicht, em Aus den -angeführten Gründen muß der Ref. ‚die —R om vorliegenden Tabelle für: den -Schulgebraud tank ‚bezweifeln,

4. Dr. Röbter, Seprer am Gymngſtum in Münfte e, Ueberficht ber Bran- Denburatifh-preußifhen Geſchichte. ext au der hiſtoxiſben Karie des Preußiſchen Staates von Kiepert. Berlin, Stitke und ' van’ Muyden! 1866. 16 © 8 5 ögr.

Iſt im Mefentlichen eine gedrängte Ueberſicht der wichtigſten Greignifie der brandenburgiſch⸗preußiſchen Geſchichte, mit bejonderer Hervorhebung der: jenigen, welche Gebietdveränderungen des Etaates zur Folge batten, nebit genauer Angabe der erworbenen rejp. abgetretenen Landestheile. Lehrer der Preuß. Geſchichte, vielleiht auch Schüler, melde diejelbe etwas eins gehend betreiben follen, werden neben der Kiepertihen Karte vie vorlie- gende Ueberfiht Behufs leichterer und ficherer Orientirung mit Nutzen ge brauden Tönnen. (Die Karte felbft, zu der das vorliegende Schrijtchen den Text bildet, ift auf S. 648 des vorjährigen Berichtes bejproden worden.)

50. Dr. Guſtav Schuſter. Tabellen zur Weltgelchichte in mehreren durch den Drud geihiedenen Curſen. Siebente Auflage. Hamburg, O. Meißner. 1865. 91 S. Mi. 8. Preis 5 Syr.

Sft in früheren Jahrgängen dieſes Berichtes (XT. S. 419) als brauch⸗

bar empfohlen worden. „Die Gefchichte der allerneueften Zeit‘, heißt es im

Vorwort zur vorliegenden fiebenten Auflage, „iſt diesmal im Gegenſaß zu

dem Bmed eines Schulbudyes und dem fonft in diefem Büchlein befolgten

Spitem in einer etwas zu ausführlihen Weiſe behandelg worden (Es

bezieht ſich dies auf die Greignilie von 1848 bis 1865). „Ss iſt Dies

nur aus NRüdjibt auf das Intereſſe gejcheben, welches nicht bloß Gimach: fene, fondern auch ſchon Echüler reiferen Alterd an den Greignifien eben verflofiener Jahre zu nehmen pflegen.” Ref. glaubt, daß in der That fol

566 Geſchichte.

chen Schülern eine überſichtliche, ganz ſachgemaße Darlegung dieſer Art um fo mehr willkommen fein wird, als im Unterricht aus Mangel an Zeit bie neueften Greigniffe bäufig gerade am Inappfien behandelt, mei wohl gar aus gewiſſen Rückſſichten ganz vom Unterricht ausgeſchlofſen werben.

51. Illuſtrirte Geſchichteblätter für Stabt und Land. Unter Mitteir- fung von Dr. Lonie Büchner, Dr. Ludwig Edarbt, Br Freiboſd, Dr. & Gihr, W. Hieronymi, Julius ante Eonife Dtte, U. dd Dr. B. Wägner, Karl Wiuterfein, Dr. ®. Zimmermenn ». U, rebigizt von Ra air Maunbeim, 3. Schneider. 1865. gr. 8. 1-4 Het

„Bon diefen Blättern”, heißt es in der „Allg. beutfchen Lehrergeit.”, „welche die Geſchichte in einer ſreiſinnigen Auffofiung zu einem Gemein: gute Aller machen und daburh in allen Schichten der Bevöllerung vie rechte Begeifterung für das Vaterland erzeugen wollen, erſcheinen feit Juli v. %. in monatlihen Heften je 2 Bogen. 6 Hefte bilden einen Dart, bem ein Juhalts verzeichniß beigegeben wird. Der 1. Band, der bereits in wöchentlichen Lieferungen erſchienen ift, koſtet 10 Sgr. Den Inhalt bilden sufammenbängende Gefhichtserzäblungen in vollstbümlicher Darftelung woran fi Biographien, ktulturgeichichtlihe Abhandlungen, Zeitbilver u. |. w. anfchließen follen. Die vorliegenden Hefle beginnen mit der Geſchichte von Griechenland, fhildern die Kreuzzüge, Die Cutſtehnng und aufblübende Macht der Städte im Mittelalter, Merito, den Fürften Blücher bei Ligny und enthalten außerdem noch manches Intereſſante, fo daß ihre Stoffe and mannigfache Abwechſelung darbieten.“

XII Die äußern Angelegenheiten der Wortsfiule

und ihrer Lehrer. . Bearbeitet von Auguſt Lͤben. m

1. Die deutfche Bolköfchule der Gegenwart.

Gedrängte Ueberſicht.

Der Herr Rector Fröhlich aus Raſtenberg im Großherzogthun Weimar hat 1865 auf der Allgemeinen deutſchen Lehrerverſammlung in Leipzig über „die Volksſchule der Zukunft“ geſprochen und in biejem Jahre (1866) feinem Vortrage eine bejondere Schrift unter dieſem Titel folgen laflen, die in der Urbeit über „Allgemeine Pädagogik” gewürdigt morden ift. Der Anklang, den das Thema bei den verfammelten Lehrern fand, gab deutlicher als alles Andere zu erfennen, daß die gegenmär: tige deutfhe Vollsſchule Vielen nicht genüge und daher der mejentliden Umgeftaltung, reſp. Verbejlerung bebürfe. Es wurbe bei diefer Gelegenheit mancher beberzigenswerthbe Wunſch laut; zu einer vollen, Haren und übers fihtliben Darlegung diefer Wünſche kam es jedoch nidt, was feinen Grund theild in Mangel an Zeit, theils aud darin hatte, daß bie Mehr; zabl der Lehrer in diefer michtigen Angelegenheit felbft noch nicht ganj Har ſieht, womit wir nicht gerade einen Vorwurf ausfprechen wollen, ‚da der wahre Inhalt fo großer Fragen ſich erft nad) jahrelangen Arbeiten aller Betheiligten und nad reihen Erfahrungen herausftellt. Ohnehin muß diefe Angelegenheit als eine flüfjige betrachtet werden, die ſich mit ber fortjchreis tenden Kultur ändert und oft jhon nad einigen Decennien eine ganz anz dere Geftalt annimmt.

Mer ein Bild von der Zukunftsſchule in fih entiteben laſſen wil, das nicht in der Luft ſchwebt und eben darum ſchwer zu verwirklichen ift, der muß die BVollsfchule der Gegenwart möglidft genau kennen. Diefe Kenntniß fih zu verihaffen, fcheint Mancher für .leicht zu halten, Wir haben gefunden, daß dazu außerorventlihe Anftrengungen erforberJich find. Denn abgefeben davon, daß man Kenntniß nehmen muß, ‚non ‚dem

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568 Die äußern Angelegenheiten ber Volksfchule ꝛc.

ungemein reihen Material, welches die Literatur in zahlreichen Zeitſchriften und felbftändigen Echriften bietet, gehört dazu auch der Beſuch vieler Schulen in Städten und auf dem Lande, und richtiger Blid für das Alles, unparteiiihe, vorurtheilsfreie Würdigung des BWahrgenommenen. Wenn wir daher in Nacftehendem über die deutfhe Volksſchule der Ge genwart ſprechen, refp. referiren, fa geipbieht es in der Ueberzeugung, dab wir nur Unvolllommenes zu bieten verhiögen, um fo mehr, da wir uns bier der größten Kürze befleibigen müflen. Unſer Zwed ift erreicht, menu wir Dieſem und ‚Jenem behüflid> geipaukeg' find, "fr zein ·Bild won. dem degenwärtigen BZuflande der’ Boltsfchule zu verſchaffen. Vielleicht weiß man es uns auch Dank, wenn wie hier und ba die vorhandenen Schäden andeuten.

1. Der Begriff Volkeſchule

Der Begriff Volksſchule if ſchwierig zu definiren. Der Staat for dert für die Schuͤler der Volfsfgüle das Minimum des erziehenden Unterrihts,. das, was als die Grundlage der allgemeinen Menſchenbildung anzufehen if. Diefes Minimum bat fidy mit der zunehmenden Kultur gefteigert, und ift darum heut ein höberes, ale vor einem Jahrhundert, oder ul zur Zeit der Eniftehung der Vollsichule. Cs fällt Manchem ſchwer, dies anzuerlennen, am ſcwerſten denen, bie ber ver kehrten Anfiht find, ein unmifjendes Volt laſſe fich leichter regieren, glaube unbedingter und fehter, als ein gebllvetes. Tie Vertreter biefet Anſicht fangen an vereinzelt dazuſtehen; das Volk felbft hat fie iſolirt, indem es bie eng gezogene Grenze durchbrach und umfaſſenvere Kenntniſſe überhaupt, namentlid aber in der Mirtterſprache und ‘in den Rea— lien, und größere Fertigkeit in der bikdlichen Darftelfting, in‘ dem für viele Lebensverhältnifje uneritbehrlichen Zeichnen verlangte. Biefe Forderungen find überall’ mehr oder weniger durch den Bildungsgrab eines Ortes’ be fimmt worden; fie find daher in ‘Städten größer als auf dem Lande. Darin liegt aber eben auch die Schwierigkeit, den Begriff Vokksſchule zu befiniren, das Bildungsmaß für diefelbe feflzuftellen.

In Brengen ift das” Biel’der einftafjigen Volksſchule, alfo derjent gen Schule, in der nur das Minimum des erztehenden Unterrichts gefortert werden kann, durch das bekannte Regulativ' beſtimmt; in neuefter Seit bit das Minifterium aber genauer angegebei, wie’ weit es den Begriff Volksſchule faßt. In einem Erlaß vom 27, Febr. 1865 heißt "ed: „Tie Grenzſcheide zwiſchen den höheren Schulen Hund der Elementurſchulen bilde bie Berechtigung zu gültigen Abgangspräfungen, md alle Säulen, denen dieſe Berechtigurig ‘fehlt, gehören zut Kategorie der Clemen: tarfchulen, felbft dann, wenn in ihnen, eine über das Biel der Elementer ſchule hinausgehende ſprachliche oder Realbildung argeftrebt wird, ober bie Qualifitatton ihres Vorftehers Durch’ akademiſche Studien‘ bedingt iſt“ Schulen der lefteren Art witd 'man alſo höchſtens „böhere Bolts: ſchulen“ nennen fönnen; in Städten ift vielfad‘ dafür’ der Name „Bär: gerfchule“ gebraͤuchlich geworden, und häufig unterſcheidet man dann noch orfe und gi eite Bürgetfchufe. MT een dd u.

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-Die änkern Angelegenheiten ber Volksſchule ꝛe. 569

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2. Die Behrerbilbungeanftalten.

8. Die Aufnahme Junger Leute in die Seminare erjolgt meiſtens nach vollendetem achtzehnten Lebensjahre, Hier und: da ſchon ein bis zwei ‚Jahr früher. Da die Mehrzahl der Volksſchullehrer aus den niedern Stän⸗ den hervorgeht, fo haben die, melde fih ihm widmen, in ber Regel nur eine Voltoſchule beſucht. Ihr bis zum Austritt aus der Schule erlangtes Wifſen tft daher nur ein beſchraͤnktes. In vielen Fällen bat noch nidt ‘einmal ermittelt werden koͤnnen, ob folde Knaben wirklich die erforderlichen Anlagen haben. Ihre Präparandenbildung erhalten fie dann in den meiſten Fällen bei einzelnen Lehrern, feltener in wirklichen Praͤparanden⸗ anſtalten, Bedenkt man, daß bie einzelnen Lehrer ihre beſte Kraft ihren Schulen zu widmen haben, fo kann man ſich leicht vorſtellen, was: ber Mehrzahl ver fo befhulten Präparanden in Abendftunden geboten werden wird. Gerade die "Sabre, in denen junge Leute eine anregenden, zum Nachdenken aufltachelnden Unterrichts bedärfen, geben Vielen verloren; fie find den größten Theil der Tageszeit anf fich felbft angefviefen, und das Meifte von dem, mas fie fi aneignen, nehmen ste gedächtnißmähig auf. Auch der beſte Seminarunter⸗ richt ft: nicht im Stande, aus: Präparanden mit ſolcher Bildung tüchtige und vor afen Dingen denkende Lehrer zu machen; fie bleiben nicht nur unllar und auffallend Iüdenbaft in ihrem Willen, fondern vermögen bafielbe auch nicht genügend zu ordnen, zu organifiren, worauf voch für einen Lehrer außerordentlich viel ankommt.

Zöglinge, weldhe den Seminaren aus höber ftehenden Baurgerſchulen, Nealſchulen oder Gymnaſien zugeführt werden, find in den meiſten Fällen recht mittelmaͤßige Köpfe; denn begabte Schüler dieſer Anſtalten widmen fich gewöhnlich andern Berufdarten.

Die Präparandenbildung muß im’ Allgemeinen noch als mongelhoſt bezeichnet werden. Ob deſondere, etwa zweiklaſſige, nicht zu umfangreiche Anftelten init recht tüchtigen Lehrern die beſite Abhülfe gewähren würden, laßt ſich nicht mit Eicherheit behaupten, ift mir aber ſehr wahrſcheinlich.

"b. "Deutfhland hat ce. 140 Seminare, von denen 62, darunter - 10 für Lehrerinnen, auf Preußen kommen, mährend Defterreih im Ganzen mr 10 (18 ‘in ‚ver ganzen Monardie) aufzumeifen bat, alfo nicht einmal fo viel wie da3 Heine Sahfen und Hannover, die jeder 11 befiken. Bayern bat 10, wie Defterreih, Mürttemberg 3, eben fo viel Bapen. Diefe Thatfahen find bezeichnend und erflären manche Erfcheinungen, auf die wir weiter unten suraätommen.

Die meiften Seminare find Internate und Baben einen zwei—⸗ ober dreijährigen Hurſus. Man iſt im Allgemeinen zu der Erkennt niß gelommen, daß ein smeijähriger Kurſus aud bei befierer Organifation der Präparandenbilbung nit ausreicht, und richtet darum dreijährige ein. Die meilten Seminare befinden fi& in kleineren Städten und find namentlih in Preußen arundfäßlih in folde verlegt morden, weil man ſolche Derter: in erziehlicher Beziehung ımd auch mit Nüdfiht auf die der: einftigen Berhältniffe der Seminariften als Lehrer für geeigneter erachtet. GSs laͤßtiſich etwas für dieſe Anficht fagen, während andererſeits aber and

570 Die äußern Angelegenheiten ber Vollsſchule ze.

nicht verlannt werden kann, baß eine große Stabt auch viel Gelegenheit für allgemeine Bildung darbietet und den Geſichtskreis junger Leute, die aus beſchraͤnkten Berbältnifien flammen, erfreulich erweitert.

Die Unterrihtsgegenftände der meiften Seminare find: Pd: dagogik, Religion, deutfhe Sprache, Rehnen, Geometrie, Beographie, Geſchichte, Naturgefhichte, Phyſik, Sqrei— ben, Zeichnen, Muſik und Turnen.

In der Paͤdagogik wird vielfach nicht Gewicht genug auf die Piydo:» logie gelegt, ungeachtet doch leicht zu erlennen it, daß Lehrer, die den kindlichen Geift ausreihend kennen, mit mehr Grfolg an der Ausbildung befielben arbeiten werben, als folche, bei denen das nit der Fall if. Die Specielle Unterrihtsfiunde pflegt von den Fachehrern ertheilt zu werden, die allgemeine Pädagogik vom Director. Angemeſſener dürfte es fein, wenn Beides in einer Hand vereinigt bliebe. Wahrſchein lich if diefe Trennung nur eingeführt worden, weil bie meiften Directoren die einzelnen Unterrichtsfaͤcher nicht genug beberriden, in den anzuwenden: den Methoden daher auch nicht heimifch genug find. Aus demſelben Grunde fieben fie auch den fo überaus wichtigen Unterrihtsübungen be Seminariften ziemlich fern. Zur bewußten Anwendung der Grundſaͤte des erziebenden Unterrichts und ber Disciplin gelangt aber der Seminar nur, wenn er feine Uebungen im Beifein des Lehrers der Pädagogik an ftellt und auf der Stelle von demfelben durch Winke, Vormachen u. |. m. corrigirt und eine nähere Beſprechung ber gemachten Fehler in vie Stunden für Pädagogik verlegt wird. Wo Lepteres vorlommt, pflegt die Beurtbeir lung vielfah den zubörenden Geminariften übertragen zu werben. Das artet aber recht oft in eine grundfäglice und darum febr bedenkliche Arit- telei aus, Beſſer ift es, der Lehrer der Pädagogik fordert den betreffenden Seminariften auf, fi am Maßftabe der erkannten Grundfäge für den Um terricht felbft zu richten und fügt dann zum Schluß in ermunterndem Wohb wollen hinzu, was jener überfehen bat. Bei folder Einrichtung erreiht man in verhältnißmäßig kurzer Zeit das Biel, das die Seminare ſich in Betreff der Unterrihtsübungen überhaupt -zu fteden haben: die Semi⸗ nariften nämlidy dahin zu bringen, daß fie wiflen, ob fie in ben einzelnen nn rogegenfländen ver Volksſchule bei ihrem Unterriht richtig ver: fabren.

Auf den Religiondunterridht wird in den meiften Seminaren eine verhältnißmäßig große Stundenzahl verwandt, felten unter ſechs Stun den mwöchentlih. Selbftverftänplid müflen die Seminarifien genaue Kennt niß von der Religion erlangen, um einft einen fruchtbringenden Unterricht darin ertheilen zu lönnen. Uber wenn man die entbehrlichiten Theile, na mentlih das U. T. nur berührte, ftatt mit Vorliebe bei ihnen zu verwei⸗ len, und darauf verzichtete, daß die Seminarifien ſich die bibliſchen Geſchich ten u. U. buchſtäblich aneigneten, fo ließen fih wohl wöchentlich einige Stunden erfparen,

Die deutfhe Sprache erftredt fi in allen Seminaren auf Le: fen, Grammatik und Stiliftil, in wenigen aber auf Literatur: kunde, was als ein weientliher Mangel bezeichnet werben muß. Zei

Die Angern Angelegenheiten ber Volksſchule c 571

unfere gute, zum Zheil Llaffifche deutſche Literatur enthält, ift mehr ala irgend etwas Anderes geeignet, die allgemeine Bildung der Volksſchullehrer zu fürbern, fie mit der echten Denk: und Empfindung weile des beutichen Volles und feines dermaligen Bildungsftandes belannt zu maden und ſprachlich zu kultiviren; eine Bernadhläfligung derfelben im Seminar muß daher als eine empfindlihe, durch Nichts zu rechtfertigende Beeinträchtigung der Seminariften angejehen werden.

Im Rehnen und in dee Geometrie bejchränlt man ſich in ben meiften Seminaren mehr als billig auf die Forderungen der ‘gewöhnlichen Bollsihule.. Schulvorfteher an höheren ftäptifhen Volksſchulen kommen daher nicht felten mit jo vorgebilveten Lehrern in Berlegenbeit, wenn fie ihnen den betreffenden Unterricht in den Oberklaſſen übertragen wollen.

Auf den NRealunterriht wird in den meilten Seminaren nicht Gewicht genug gelegt, ungeachtet derjelbe jo viel bildende Glemente enthält und von der ganzen Richtung unferer Zeit fo ernſilich gefordert wird. In der Geographie dominirt in bedenlliher Weile das topiſche Glement, während das phufilaliihe auf ein Minimum beihränlt wird. In ver Ge: ſchichte wird oft nur daß engere Vaterland ins Auge gefaßt, um den Pars ticulars Batriotismus zu erhöhen, während viele herrliche Momente für Cha⸗ ralterbildung unberüdjichtigt bleiben und die Kenntniß von der geſeßtz⸗ lihen Gntwidelung des Menſchengeſchlechts dem Seminariften verborgen bleibt. Für die Naturlunde wird nicht felten Kenntniß der betrcfjenden Stüde eines eng begrenzten Leſebuches als Ziel bezeihnet, und jelbit in ſolchen Sällen, wo man etwas weiter gebt, doch nicht darnach geitrebt, den Seminariften ausreihenne Kenntniß vom Bau und Leben der Gefchöpfe, von der in der bunten Mannigfaltigleit ſich kundgebenden Ginbeit zu ver: haften. In der Phyſik befhräntt man ſich meiftens auf Grllärung der gewöhnlichften Naturerjheinungen, während die Chemie fo gut wie unberüdfichtigt bleibt. In Preußen hat man fie fo weit zugelafien, als die Landwirthſchaft fie fordert, während die in Städten getriebenen Gewerbe doch nicht weniger Berüdfichtigung erheiſchen, wie jchon die in böberen Bollsfhulen (Bürgerjhulen) auftretende Technologie beweiſt. 6s ift mer: würdig, wie man die Forderungen der Zeit in der Lehrerbildung jo ganz und gar unberüdfihtigt laſſen kann, und nicht einmal dafür forgt, daß die Boltsfchullehrer fie kennen und verfteben lernen.

Bon den größeren Landmwirtben und landwirthſchaftlichen Bereinen wird feit Jahren für die Seminare Unterriht in ver Landwirthſchafts⸗ tunde, mit Ginjhluß des Gartenbaues und der Obftlultur, ge fordert, damit die Lehrer befähigt werden, diefelbe in ben Gemeinden zu fördern, theild durch Belehrung ihrer Schüler, theild durch Borträge in Aderbauvereinen. Die Regierungen begünftigen diefe Forderungen, da fie begreifen, daß mit der Hebung des Wohlftandes audy die Steuertraft der Staatsangehörigen waͤchſt. Was für diefe Zwece erforderlich ift, läßt ſich im naturwiſſenſchaftlichen Unterricht, wenn er rechter Art ift, volllommen esreihen; bejondere Stunden aber dafür anzuſeten, halten wir nicht bloß für überfläffig, fondern fogar für ſchädlich, da Anderes dadurch beeinträd- Kigt wird Wo die Seminare Internate find, empfiehlt ſich etwas praltiſcher

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672 Die äußern Angelegenheiten der Volksfchule x.

Gartenbau aus Behmpdheitsrädfihten und um den Einn für flille Raten beobadytung zu wecken und zu pflegen; auch kann damit, mo die Gelegen⸗ heit günftig ift, etwas Bienen: und Eeidenzudt verbunden werben, mei aus diefen Beihäftigungen dem künftigen Pehrer ein erbebliher Nebengewinn ermadfen kann. ber davon muß überall in den Seminaren abgeſehen werden, Zandwirtbe bilden zu mollen.

Als eine Berirrung müflen wir es bejeihnen, wenn in einzelner Seminaren and Anleitung gegeben wird zum Korbflebten, Schnißen von Kellen, Quirlen, Holspantefieln u. a. Dingen.

Am Schreiben gefhiebt im Ganzen mobl überall das Grforberlice, im Zeibnen müßte dagegen vielfach mebr geleiftet werden, bauptfädhlic, um nad diefer Richtung bin den Geihmad mehr zu bilden.

Die Muſik wird in den- meiften Seminaren mit großer Vorliebe ge pflegt, und erftredt ih auf die Theorie der Tonfunfl, auf Gefang, Biolin» und Orgelfpiel. Lebteres hat mit der Schule natürlich nichts gu tbun, wird aber, wie überhaupt der grofe Umfang der muſikaliſchen Bildung, von der Kirche gefervert, die obne einen fo gebildeten Diener nicht fertig werben fann , und ibn menigftens auf tem Lande in andern Streifen nicht findet. Es darf aber nicht überfeben werden, daß Alles, was in diejer und in lanmmwirtbichaftliber Beziebung im Seminar gefordert worden, den Seminariften an ihrer Lehrerbildung und künftig ſelbſiverſtändlich den Säulen verforen gebt.

Das Lehrercollegium der Seminare wird in den allermeifien Fällen aus einem Theologen al® Director und aus feminariftiid gebildeten Zahblebrern, das Wort niht in ganz frengem Sinne genommen, zujammengefekt. In Ländern, wo man regierungsfeitfig im ben Schulen die Ortbodorie pflegt, if ſtrengſte Necdtgläubigteit, Förderung des Miſſionsweſens und anderer fremmen ®ereine die befte Empfehlung zum Seminardirector. Wir baten bei Yefernng dieſer Stellen begreifliher Weiſe gegen eine beologiſche Bildung an und für ſich nichts einzumenden, halten aber dafür, dak fie nicht in erfter Linie zu fordern if; erite und oberfte, daber ader auch unerläklite Forderung itt vielmehr die, dab der Seminardirecter ein vieljeitig gebilveter, cbaralternoller Mann, ein hervorragender Pädagog, ein gefcbidter, Durch längere und manninsaltige Praxis erfabrungsreih ge werdener Lebrer und ein küchtiger Menicentenner if. Wo fich derſelbe dieje Bildung ermerben bat, ch auf\einer Univerfifät, oder auf einem Se minar und dur füchtiged Exibfiftudium, darauf kommt e3 nicht an; es iR eben genug, dab er fie bat. Bei ſolchem Manne darf mar ficher fein, daß er die Aufaabe des Seminars, tüchtige Lehrer zu bilden, keinen YAugaentlid ans dem Nuge verlieren und ſich nicht durch Berfolgung von theeloaiſchen Liebbatereien daron abbringen lallen wird. m Intereſſe der Reiteichule in es Tchr zu dedeuern, tab dieſe Anfıcht bis jekt wenig Be rüdiichtigung geunten bat.

Der Beift, welder in ten Seminaren berribend if, wird zwar durd Mancherlei. ſebt weientlib aber durb das Lebrercollcgtum , insbeſondere wieder dur ten Tirecter ersenst Der ſchlimmſte Geil, der ſich in fek Der Anſtalt Bilden faun, iR der der Jrömmelei und Heuchelei, da er Lei

Die, süßen Angelegenheiten ber: Boflsihule:g 578

Sbarakter vexdirbt. Mir verlangen, daß in den Seminaren das Strehen nad reiner Eittlileit und höchſter Vervolllommnung im Beruf alle Zög linge hejeelt, um» daß das Lehrercollegium ihnen darin mit gutem Bei⸗ ſpiel vorangeht.

Die Behandlung der Zöglinge muß eine humane fein; bie Seminarlebrer müflen in ihnen die künftigen Lehrer erbliden und adten, Schimpfen und Ecdelten und was damit fonft zufammenhängt, darf babher bei Seminarlebrern nicht. in. Uebung fein. Unvererfeits, ‚müflen aber auch die Zöglinge ſich fo feine Sitten aneignen, daß fie ihre Lehrer nit Duck ungebübrlices Verhalten, durch vorlautes Mbiprehen u. dgl. regen. Man hört auf beiden, Seiten non Ueberjhreitungen, von denen einige recht Starke im vorigen Bande des Jahresberichtes verzeichnet worden ind,

3. Der Bildungsftand der Lehrer.

Die deutſchen Seminare haben troß ihrer Mängel einen ſehr re ſpectabeln Lehrerſtand gebildet. Die lebten funfzig Jahre müflen als ein Zeitraum bezeichnet werden, in dem in diefer Beziehung. Tüchtiges geleiltet worden ift, ganz ficher mweit mehr, als in allen Zeiten vor ber. Das durchſchnittliche Bildungsmaß der jeßigen Lehrer veicht für pie gewöhnlihen Verhaͤltniſſe der Vollsſchulen volllommen aus, bleibt aber doch in einzelnen Gegenjtänden hinter den Forderungen zurüd, welde böbere ftädtifche Volksſchulen mahen. An empfinvlichften treten die ſich bier zeigenden Lüden in der Sprache, Arithmetit, Geometrie und in ben Nealien, namentlib in der Naturgeichichte, Chemie und Gejchichte zu Tage, Die didaktiſchen Kenntniſſe find befriedigend, wenn aud nicht immer jo tief begründet, als es bei umfallenderen phychologiſchen Studien der Fall fein.würbe. In religiöjer Beziehung nimmt die große Mehrzahl ver Leh⸗ ver einen freieren Stanbpunlt ein, ſelbſt diejenigen, melde einen jehr or⸗ thobnren Religionsunterricht erhielten. Was einzelne Seminare hierin verderben, macht die reiche Literatur und Die ganze Zeitrichtung wieder gut. Irreligiöſe Voltefchullehrer gehören jedoch zu den fehr großen Aug nahmen. In der ‚Handhabung der Disciplin laſſen fih ebenfalls Fort⸗ Ichritte wahrnehmen; fie ift im Ganzen gerechter und in Bezug auf. die Strafen milwer, menjhliher geworden. Doc, laſſen jüngere, nicht genüs gend anthropologiſch gebildete Lehrer in diejer Beziehung noch Manches zu wünjden übrig, Die ſeelſorgeriſche Thätigkeit möchte überall nody et was zu fteigern fein. Viele Lehrer an öffentlihen Schulen glauben genug zu tbun, wenn fie ihre Sculftunden gemwillenhajt ertheilen; in allen übris gen Beziehungen ftehen fie ihren Schülern fern oder gehen ihnen doch nicht mit der Liebe nach, deren die Kinder zu ihrer fittliden Gntwidelung fo ſehr bebürfen. Die Lehrer an Privarfhulen übertreffen hierin recht pft die an öffentlichen Anſtalten. Höchſt erjreulih iſt aber das friſche Streben nad Weiterbildung im Berufe, überhaupt noch größerer millenichaftlicher Bervolllommnung, das fi bei einer nit geringen Anzahl von Xebrern, jüngern wie älteren, kundgiebt. Die Einen fallen dabei den ganzen Bes zuf ins Auge, Andere ſuchen jih in einzelnen Fächern zu vervolllomms zen, am vorherrſchendſten in den Nealien, in des Literaturgejhichte und in

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574 Die Aukern Angelegenheiten ber Volleſchule x.

ven Meueren Sprachen, wenn die Berhältnifie in größeren Städten Dazu Anlaß geben.

Sin ſchoͤnes Zeugniß für den tüchtigen Bilvungsfland der Vollaſchul⸗ lehrer ift jedenfall vie 1865 erlafiene Verordnung der fähfhen Regie rung, nach welcher Seminarzöglingen unter gewiſſen Bedingungen der Be ſuch der Univerfität und in Folge deſſen das Cinrüden in höhere Schul⸗ ämter geflattet worden ift.

Man will die Beobachtung gemadht haben, dab die Bildung ber norddeutfhen und proteftantifchen Lebrer eine größere ſei, als bie der ſüd⸗ deutihen und katholiſchen. Wo die Seminare fo fparfam fi finden, wie in Deſterreich, liebe ſich das wohl annehmen; doch haben wir ſelbſ uns bierüber noch kein vollftändiges Urtheil gebilbet.

4. Die collective Thaͤtigkeit der Lehrer.

Die Lehrer haben erlannt, daß Ginigung ſtark macht, und erfireben diefelbe auf geiftigem und materiellem Gebiete mit anerlennenswertber Be barrlichleit. Wie fo oft im Leben, trennt aber aud fie hierbei die Neligion, die chriſtliche Religion, indem fih das Heine Häuflein der nad ihrer Anſicht NRechtgläubigen überall abjondert, nur unter fi conferixen, nur feine Wittwen und Waifen unterflügen wil. Das läßt fi run leider nicht ändern; die Freiheit fordert, fie ihre eigenen Wege fo lange geben zu laſſen, als es ihnen beliebt.

a. Auf geiftigem Gebiete äußert fi die collective Thätigleit ber Lehrer in Conferenzen und größeren Verſammlungen. Gine hoͤchſt wichtige Rolle Spielen darin die SpecialsConferenzen, wie fie ih in Heine ren und größeren Städten und innerhalb benadhbarter Dörfer finden. Die Gonferenzen diefer Art find theils amtliche, theils freie. Wo reger Gifer herrſcht, gedeiben letztere am beften, meil die Lehrer darin rüdbaltlos fid äußern dürfen und aud die Schwächeren darunter fi zu reden getrauen. Den amtlichen Eonferenzen ift die Dauer gefichert; aber es feblt vielfach in ihnen das rechte Leben; man arbeitet und betbeiligt fi bei ber De batte, weil man muß, nicht weil man will. Sole Eonferenzen nehmen nicht felten den Charalter der völligen Beichulung der Lehrer durch ben Borfigenden, der ganz gewöhnlid ein Geiſtlicher if, an. Katedhismnk und Bibelabfhnitte werben in tbeologiicher Breite beſprochen, Katechiſe⸗ tionen gehalten und gefchriebene oder bereits gebrudte Arbeiten vorgelefen. Mitunter läßt fih der Herr Superintendent aud aus Veranlafiung der Zeitläufe verleiten, Aufflärungen über Bolitit, wie über das Strafbare det Polenaufftandes, des amerilanifchen Bürgerfrieges u. f. w. zu geben, dar mit die Lehrer doc wiflen, mie fie auf die zeitunglefenden Bauern einzw wirten haben, wenn fie mit ihnen in der Schenfe oder anderwärts je fammen lommen. Hier und da wirb aud der Beitausfüllung halber vie gelungen.

Außer den Specials-Eonferenzen gibt e8 auch hier und da Provin⸗ ztal-Conferenzen, wie in der Provinz Preußen, in Gchlefien, in Brandenburg, in Holftein, Oldenburg, Hannover, Braunfhweig, aud mehr’ fach in Suddeutſchland. Sie find aus dem Gefühl der Standesgemeinfhafl

Die ãußern Angelegenheiten ber Volkoſchule ꝛc. 575

entfprungen und werben nicht ohne perfönlihe Opfer jährlich wenigftens einmal abgehalten, theild um das Gtandesbewußtjein zu beleben, theils um auf einmal weitere Kreiſe anzuregen und berufstüchtiger zu machen, theils um mancherlei offene Schäden im Schulgebiete dur imponirendes Auf treten zu befeitigen oder deren DBejeitigung durch Belitionen wenigſtens an⸗ zuftreben, theils um befler für Wittwen und Waifen und für einen forgen- freien Lebensabend zu jorgen, oder ſich gegen Feuersgefahr zu fihern. In den lleineren Staaten werden diefe Conferenzen im Ganzen gern gejehen, und die von ihnen ausgehenden Wuͤnſche und Borfchläge werden vielfach berüdfichtigt (Oldenburg, Sachſen); in größeren Staaten, fo namentlidy in Preußen, bereitet mar ihnen hier und da Schwierigkeiten, indem man regierungsfeitig vom Beſuch berfelben abmahnt, wie in den Provinzen Preußen und Schlefien, wo die Leitung der Berjammlungen in den Häns den freifinniger Lehrer liegt. Bei fleikiger Theilnahme und tüdhtiger Leitung lönnen folche Berfammlungen viel Gutes ftiften; man muß daher ihre

Verbreitung wünfchen.” In Sachſen haben ſich dieſelben bereit? bewährt.

Neben den zahlreichen Special:, Provinzials und Landes » Conferenzen befteht nun no die Allgemeine deutſche Lehbrerverfammlung, gegründet im Jahre 1848 und bis heute mit einigen in der Ungunſt politiſcher Verhaͤltniſſe liegenden Unterbrechungen fortgeführt. Sie ift kein Berein, bat feine Statuten, ernennt jedoch alljährlih einen Ausſchuß, der die Einleitungen zur naͤchſten Berfammlung zu maden bat, fonft aber mit keinerlei Machtbefugniß betraut iſt. Ihr alleiniger Zweck ift, die Standes» gemeinſchaft rege zu halten, den Berufgeifer zu beleben und die Berufs: tüctigleit eines jeden theilnehmenven Lehrers zu erhöhen. Wer ihr andere Zwede unterlegt, 3. B. behauptet, fie ftrebe die Trennung der Schule von: der Kirche an, der fennt fie entweder nicht, oder will fie verleumden, weil fie feinen perfönlihen Beitrebungen entgegen wirkt. Die Gegenftände, weiche zum Vortrag und zur Discufiion lommen, beziehen ſich lediglich auf vie Schule Niemals find geflifientlih Themata zur Verhandlung ges beat worden, deren Tendenz auf Spaltung, auf Trennung von Kirche und Schule binausliefen, vielmehr bat der Ausfhuß das flet3 fo meit ad» zuwenden geſucht, als das in feiner Macht ſtand. Wenn aber Gegenflände dieſer Art berührt wurden, dann ift es aliegeit mit der Offenheit gefcheben, vie einem freien Manne ziemt; und immer ift daS Pro und Contra gleiche mäßig zum Worte gelommen. Gelang ed dabei der in Orthodorie bes fangenen Partei niht, den Sieg zu erlangen, jo lag das daran, daß fie in ungenügender Bahl vertreten war und durch ungejchidtes Auftreten, wie 3. B. in Mannheim, ihre Sache verdarb und alle Sympathien einbüßte. Die Berfammlung bat fih bis jetzt ganz entjchieden den Charalter der Freifinnigleit bewahrt, aber nad biefer Richtung bin nie die Grenze über« Schritten.” jede Verſammlung hatte eine nicht geringe Anzahl der tüdhtigften Schulmänner und Pädagogen Deutſchlands aufzumeijen, die theils mit Vor⸗ trägen bervortraten, theils fich lebhaft an der Debatte betheiligten. Daß diefe Männer beftimmend auf die Verfammlung einwirken, ift ohne Zweifel, daß diefelbe aber überhaupt „von einer Keinen Zahl begabter Männer bes herrſcht werde‘, wie am 26. Eept. d. J. auf der Reallehrerverſammlung

576 Die äußern Angelegenheiten ber Volfsſchuhe ac;

in Frankfurt a. M. von einem fehr trefflichen: Pädagogen gejagt muche,*) muß in Abrede geftellt werden; denn auf jeder Verſammlung baben fih neben denen, die der Mebner im Auge hatte, ſehr tüchtige Perſönlichleiten geltend gemadt. Nur das Gine geben wir gern zu, dab die Züchtigen überall den Mittelſchlag mit fi fortreißen; aber das liegt in der Natur ber Sache, und ift gewiß nicht zu bedauern, wenn bie „begabten Männer“ ih auf rechtem Wege befinden. In lleineren Vereinen iſt es oft ein Gin: ziger, der eine nachhaltige Wirkung ausübt, die Uebrigen, beherrſcht. Soll das geändert werben, jo muß „die Heine Zahl begabter Wänner” vermehrt werden. Mein Wunſch war das ſchon lange. Mögen bie Freunde der Allgemeinen deutſchen Lehrerverſammlung darnach ftreben, daß es mehr und mehr erfüllt werde!

Eine Heine Anzahl vechtgläubiger Lehrer hat den Verſuch gemadıt, eine Lehrerverfjammlung zu Stande zu bringen, die der Allgemeinen beuts Shen Lehrerverſammlung die Spige bieten, fie mwomöglih vernichten follte; der Verfuh kann als miblungen angejehen werden,* weshalb wir barauf nerzihten, ihn näher zu charatteriliren.

Gine collective Thätigleit haben feit einigen Jahren aud die Sul: Directoren Sachſens entwidelt, indem jie jährlih einmal zufammens famen und die Organijation ihrer Schulen beriethen,

Der preußiſche Unterrihtsminifter ruft von Zeit zu Zeit die Directoren gleihartiger Schulen zujammen und legt ihnen wid: tige ragen über die Organifation diefer Unftalten und den darin zu er theilenden Unterriht vor. So waren 5. DB. im vorigen Sabre alle Seminardirectoren der Monardie nad Berlin berufen worden, um ihr Urtheil über den gejammten Seminarunterricht abzugeben. Solche Be rathungen können recht erjprießlih werden.

b. Saft in noch größerem Umfange, ald auf dem geiltigen Gebiete, bat fih die gemeinjame Thätigkeit der Volksſchullehrer auf dem materiellen entwidelt, und zwar in Nichtungen, in denen fie fowohl von den Gemein den, als aud von den Staaten nur wenig Beihülje erhielten und aud künftig werden zu erwarten haben. Es ijt die Sorge für die Lehrer: Wittwen und «Waifen und die im Schuldienit untauglich gemorbenen Lehrert, melde vie Lehrer provinzen: oder länderweis zufammengejühtt bat. Peſtalozzi-Vereine, zu denen Dieftermeg in den Peſtalozzi⸗ Beiern des Jahres 1846 den Anftoß gab, finden ſich jest in allen deutſchen Staaten. Sie jammeln Gelder, um dadurd die Thränen der Witten und Waiſen zu trodnen. Da bierzu die Mittel der Lehrer nicht ausreichen, fo wenden fie ſich bittend an mitleidvige Herzen, geben Concerte, veranſtallen Lotterien, errichten Schulbücherverlage u. dergl. So pflegt man fonft nur für Verunglüdte, für Abgebrannte, Ueberſchwemmte, verwundete Krieger und deren Hinterbliebene zu ſammeln. Es berührt und ſchmerzlich, daß die Lehrer bleibend nad ſolchen Mitteln greifen müſſen. Xeiver läßt fi das jegt aber nicht ändern, und man muß fich freuen, daß die Lehrer in dieſer Richtung eine Thätigleit entwideln, eine Zhätigleit, die fie nicht entehrt,

) Bergl. Dörpfeld, Evang. Schulblatt, 1865, S. 375.

Die Äußeren Angelegenheiten ber Volksſchule a. 577

menn unfröhliche Geber dabei auch etwas über die Lippen murmeln, was wie „Bettelei”. klingt. Nicht minder verbreitet find die Sterbekaſſen, durch die man der Familie drüdende Berlegenbeiten beim Eintritt des Todes erſparen will. Vielfach find die, Lehrer au zu Brandverſicherungs-⸗ Bereinen- zufammengetreten, ungeachtet es Afiecuranzgejellichaften genug gebt. Man kommt aber auf biefe Weiſe wohl etwas billiger gu ange meftener Euntſchaͤdigung.

5. Die Nebenbeſchäftigungen ber, Lehrer.

So esmübenb. und anfisengend die Arbeit eines treuen und gewiſſen⸗ baften. Lehrers auch ift, jo nimmt fie doch nicht alle Aräfte, auch nicht alle Tageszeit in Anſpruch; ein ‚guter Reſt von Kraft und Zeit bleibt immet noch zur freien. Verwendung. Der Theil der Lehrer, welcher nicht mit Nobhrungsforgen zu kaͤmpfen hat. und zugleid mit Liebe zu geiſtiger Thaͤtigkeit erfüht ift, verwendet beide auf Stupien der verſchiedenſten Urt oher.. treibt, menigftend die liebgeworbene Muſik in weiterem Umfange. Mancher fühlt fih auch gebrungen, fchriftitellesnn thätig zu fein. Melden Theil daran mitunter die Eitelteit hat, von der die Lehrer natür- lih eben jo wenig frei find, wie andere Menfchentinder, können wir bier ununterſucht laſſen. Das Schrififiellern hat immer pas Gute, im hohem Grade zus Klärung der Gedanken beizutragen, felbft wenn dabei nur „Ihäpbares Material‘ für die Aramerläden oder gar nur für den Papier farb einer Schulgeitungs-Rebaction herausfäme. Aber e3 kann aud feinen Augenblid verlannt werden, daß wir diefen Nebenbefchäftigungen der Lehrer ſchon manche treffliche Arbeit, manches gute Buch für Lehrer und Schüler verbanten. Bleibt der fchriftfielleende Lehrer in ver Sphäre feines Bes rufes und yerfällt er nicht in den fehr beventlihen Fehler, um des Geldes willen zu ſchreiben, jo gehört diefe Thätigleit nicht blos zu ben ebrenpften, ſondexn auch zu denjenigen, burd die der ganze Stand auf eine böbere Stufe fommt, durch die das Gedeihen der Schule merklich gefördert wird.

Die weniger gut botirten Lehrer verwenden den Reſt ihrer Kraft und Zeit. auf das Ertheilen von Privatunterricht, falls fih dazu Gelegen⸗ beit bieset. Bleibt diefe Thätigleit in den natürlihen Grenzen, führt fie alfe nicht zur völligen Erſchöpfung oder zur Vernachlaͤſſigung der Arbeiten, neren Ausführung außerhalb der Schulftunden. der Beruf forbert, wie Bor bereitung auf den Unterricht, Corrigiren von Schülerarbeiten, Unfertigen non Sehrsaüteln, Präparaten u. |. w., jo ift im Grunde nichts gegen diefelbe einzuwenden. Ernſilich abratben muß man aber von der Art des Privats unterrichts, den mandye Lehrer als fogenannte „Nuchftunden” in den ihnen zugewieſenen Klaſſen ertheilen. Cs kommt bei folder Einrihtung nur gar zus leicht dahin, Daß die Eltern meinen, wenn ihre finder bald in bie nädjtfolgende Klaſſe verfebt werden follen, fo müfien fie fih den Lehrer dadurch geneigt zu machen ſuchen, daß fie ihre Kinder in die Privatfiunden deſſelben ſchicken. Cine folde Anſchauung ſchadet eben jo ſehr ben Lehrern. wie ver Schule. Jedes LVehrercollegium hat vie Pflicht, dafür zu forgen, daß fie ih nit in der Schulgemeinve bilden. Grforberlihen Falls müßte ſelhft, die. Behärhe gegen ſolchen Mißbrauch einfchreiten.

Pab. Jahresbericht. XVII. 37

578 Die äußern Angelegenheiten ber Volkoſchule ꝛc

Die Landlehrer haben feltener zu lohnendem Privatunterricht Gelegen beit und find oft am meiften gendtbigt, noch Gtwas durch Rebenbeidät: figungen zu erwerben. Sie treiben dafür Gartenbau und Landwirth haft, wenn Ader bei ihren Stellen ift, befafien ſich auch wohl noch mi Bienen: und Seidenzudt. Es läßt ſich gegen ſolche Befchäftigungen Nichts einwenden; fie find für die vorausgeſetzten Berhältnifie ale natur liche, zugleidh als ſolche zu bezeichnen, welche eine wohlthätige Abmedtelung in die geiftige Ihätigleit bringen. Aber fie werben nadıtbeilig für ben Lehrer und feine Schule, wenn fie zu meit ausgebehnf werden. Lehre, welche während des Sommerbalbjahres fon vor Beginn ihrer Schule wii bis drei Etunden anftrengende Gartenarbeiten verrichten, oder in da Mittagsftunden und nah dem Schluß der Schule fogleih auf's Zeh laufen, um dort eine ermüdende Thätigleit zu entwideln, haben das rechte Maß in diefer Art von Nebenbeichäftigungen überjchritten ; fie gehören de Schule nur noch halb an. Wo die Noth zu folder Thätigkeit treibt, de muß die Gemeinde die Stellen verbeflern, wo der Geiz davon die Urjade iR, da muß die Behörde dagegen einſchreiten.

6. Die Befoldungen ber Lehrer.

Seit ein paar Decennien iR die Nedensart von einem „auslbmmlihe Sehalt” der Volksſchulleher gebräudlich geworben, leider aber bis heute im den meilten Iheilen Deutſchlands Nedensart geblieben. Zwar if wicht ps vertennen, daß man überall die Unzulänglichteit der Lebrereinnahmen er tonnt und aud wirklich überall die Gehalte erböbt bat; aber man bil dabei doch fo fonderhare Begriffe von den Berürfnifien eines Lehrers, vos den Forderungen feines Magens und feines Kopfes, dab man weit, er Rebe ſich drilant, fei eine beneidenswertbe Perſon im Orte, wenn ec es nad einer Reibe von Hungerjabren endlich bis zu 300 Thalern gebradt Ye. Man ſebe nur die Gebaltsilalen an, welde von ven fäptiiäe Bedoͤrden auiyeitellt und im jeder Schulzeitung wiedergegeben werben, ci die 300 nit den Mirtelpuntt, oft genug ben Gipfelpunft darin bilke. Wie ein Hausvater mit Frau und vier, fünf lindern diefe Summe übe das ganze Jahr und über alle Jamilenglieder vertheilen foll, daß fein Io und fin Glied zu dar kcanmt, das ift eine noch nicht gelöfle Auſgebe Sn wabres Alüd iR es nod, daß felb ein Mann nicht die ganze Evum am erfien Zanuat jedes ZJabres prämmerando ausgeyahlt befommt; e wärte adt Taae lang nicht aus Dem Korizerbrechen berauslommen und ir den weten Faäͤlen troß alles Kerpiſjerbredens doch mur bis zum erim Nah tum rasen und ft Tann genöthigt feben, wit ben Seinen # dungera eder zu Ketten, eder amd Deides zugleich. Denn die Gemeine vertinte au Die Staaten: * mu den Fiulmiden i wir dee der detgenen Fehler”. e min m wüniden, daß ibaen une Stimme junck: „Am * ge ir unterließet, die Lehrerze nie zu mt „auitiumihen” * men“ © hiaan'urte verzcden wort? So leide gewiß wicht

Die Außern Ungelegenbeiten ber Volkoſchule ec, 6579

durch guten Schulunterricht zu Theil werden, ſonſt würden fie bereit jein, diefelben befier zu lohnen.

. Um möglihft zu fparen, errichten bie Gemeinden für mehrklaſſige Schulen eine Reihe von Stellen, die wit Hülfslehrern bejebt werden. Diefe beziehen das Minimum der Gehaltsjlalen, 100, 120, 150, 200, in großen Städten feit furzer Zeit auch wohl 250 Thlr. jährlih, und find auf Kündigung angeſtellt. Wo die Hülfslebreritellen die der ordentlichen überragen und das ift meiftentheils ver Fall —, da leidet pie Schule darunter, Denn jo ein hungernder Hülfslehrer meldet ſich zu jeder Stelle, die zehn Thaler mehr einbringt, und wechſelt in einem Jahre nicht felten zwei Mal Gin fo häufig, ja felbit nur jährlich eintretender Wechſel ift ober der Ruin jeder Schule und wirkt aud auf die Lehrer nachtheilig ein, Bevähten doch die Gemeinden und die Regierungen, daß die Kinder es find, die den hieraus erwachſenden Schaden zu tragen haben.

In neuerer Zeit bat man aus Gründen der Sparjamleit auch ver ſucht, Lehrerinnen in größerer Zabl anzuftellen.. Wir haben gegen die Unftellung berjelben Nichts zu erinnern, da die Erfahrung gelehrt hat, daß fie oft eben fo viel, jelbft mitunter mehr leiten als Lehrer, beſonders in Mäpchenihulen und Glementarllafien. Über wenn das der Fall ift, dann muß man fie auch den Lehrern im Gehalte gleichitellen, und nicht meinen, daß jo ein armes Mäpchen froh fein könne, jo ein leidliches Unterkommen gejunden zu haben.

Mo die Lehrer Kirchendiener find, aljo zwei Aemter befleiden, da rechnet man ihnen recht oft die hieraus erwachſende Cinnahme ganz oder doch zur Hälfte bei ihrer Ginnahme als Lehrer an. In neuefter Zeit bat man angefangen, das Ungerechte dieſes Verfahrens zu erfennen. Aber fo viel mir belannt, ftehen Württemberg und Bremen jest noch als vie einzigen deutfchen Staaten da, in benen man von diejer Anrechnung Abs ſtand genommen hat.

Wie die Bejoldungen, jo find au bie Benfionen ber Volksſchullehrer bemefien. Das Schulblatt der Provinz Preußen berichtet in feinem Jahrgange non 1865 von einem verhbungerten penjionixten Lehrer. So großes Uufleben dieje Mittheilungen exregten und jo unungenehm fie in manden Areilen berübrten, fo kann man ſich dod in der That nicht über jolde Grideinungen wundern. Denn wo man einen alten, arbeitöunfähigen Lehrer mit dreißig Thalern penfionirt, da müſſen ſolche Fälle eintreten.

Ebenjo fiebt es mit den Wittmwenpenfionen aus, und es ift ein Glüd, daß die Lehrer endlich felbit für die Wittwen und Wailen eingetreten ſind. In Kurheſſen belam eine Lehrerwittwe nod vor zwei Jahren nicht mebr als fünf Ihaler Penſion jährlid. Als das belannt wurde, da haben jelbft nichtbeifiiche Lebrer zur Linderung der Noth beigefteuert.

7. Beſchaffenheit der Volksſchulen.

In. neuerer Beit ift ven Shulbäufern eine größere Aufmerkſamkeit zugewandt worden; alte mit niedrigen Zimmern und Heinen Fenſtern find aufgegeben und durch neue mit ausgezeichneter Dentilation erjegt worden, Die nicht jelten ſchon durch ihr fchönes Aeußere die Aufmerkſamkeit auf fi

87”

580 Die äußern Ungelegenheiten ber Volleſchule ꝛc.

ztehen. Die Subfellien werben feit einigen Jahren mit Rüdkiht auf die Körperlichleit der Kinder fo vortheilhaft conftruixt, daß Sciefwerden, Kurziihtigteit und ſchnelle Ermüdung kaum nod in den Schuliverbäftnifien Nahrung finden. Aerzte und Lehrer haben ſich verbunden, um in dieſer Beziehung das Beſte zu ſchaffen. Es bleibt nur noch zu wünfden übrig, daß jeder einzelne Lehrer mit peinlicher Gewiſſenhaftigkeit auf gutes Sitzen der Kinder fiebt und für Neinlichleit und gute Luft der Zimmer forgt.

In ganz Deutihland herrſcht Schulzwang, d. b. das Erwerben ber jedem Menfhen unumgänglich nöthigen Kenntniſſe wird durch Geſetze gefowwert. Das Wort klingt ein wenig hart und iſt unlängft von einem Herrn Lukas als „ein Etüd moderner Iyrannei” bezeichnet morben. Jeder MWohlwollende freut ſich aber dieſes Zwanges wegen der herrlichen Früchte, die er bis jegt erzeugte. Man eriennt auch unſchwer, daß es dem Herrn Lukas weit weniger um Bejeitigung defielben zu thun ift, als barım, die Schule fiher in die Hand der Kirdhe zu bringen, wenn es ber: jelben etwa gelingen follte, fi unvermerlt von ihr zu befreien. Die Schrift hat weiter oben (S. 307 u. f.) ihre Würdigung gefunden, ift aud ſonſt ſchon abgefertigt worden, fo von Luz in feiner „Beleuchtung” (Münden, Yinfterlin, 1866).

Die Schulzeit dauert in proteftantifhen Ländern vom vollendeten 6. bis vollendeten 14., in latholiſchen durdfchnittlid nur bis zum voll endeten 12. Lebensjahre. Daß eine Berfürzung der Schulgit um zwei Jahre, und zwar in der Zeit, in weicher die Slinder am meilten zu lemen pflegen, weil fie anfangen, den Werth der Kenntniſſe und ertigleiten zu erlennen, höchſt nachtheilig auf die Bildung des Volles einwirlen muß, if teicht zu begreifen. Es unterliegt auch keinem Zweifel mehr, daß vie Volls ſchichten, welde ihre Bildung allein der Volkaſchule verdanten, im Allge⸗ meinen im nördlichen Deutſchland höher gebildet find, als im ſüdlichen, namentlih in Üelterreihd. In den Zagen des usnglüdfeligen Krieges zwiſchen Preußen und Defterreih ijt es auch wiederholt ausgefproden wor: ven, daß jenes nicht blos durch feine Zündnadelgewehre, ſondern in erfer Linie durch die Intelligenz ſeiner Soldaten Siege erfodhten babe, wie kein Jahrhundert fie kennt. Nector Frohlich möhte die Schulzeit durch Fortbildungsjhulen um 4 bis 6 Jahre verlängern; wir halten eime folhe Berlängerung nit für durchaus gefordert, wenn die acht Schuljahre, die bereit gefjeglich feftftehen, ordentlich beuugt ‚werben. Es iſt ein Jr tum, wenn man von den Kenntniffen, welche die. Schule barbietet, alles Heil erwartet. Das Leben mit feinen zahlreichen Verhältnifin und Yor berungen unterrichtet in ber Beit vom 14. bis 20, Jahre in der Regel viel beſſer und nachhaltiger als die Schule.

Der Schulbefud ift in den letzten zehn Jahren wohl überall ein bejlerer geworden, läßt aber hier und da, namentlid auf dem Lande und während der Sommermonate noch Manches zu wünſchen übrig. Lehrer und Ortspolizei müfjen in dieſer Angelegenheit Hand in Hand geben und geoße Ihätigleit entwideln, wenn es befier werben fol. Daß fafl in allen größeren Staaten einzelne Kinver theild noch ganz, theild mehrere Jahre lang der Schule entzogen werben, ift leider nis in Abrede zu flellen.

Die nern Angelegenheiten ber Volkosſchule 2. 581

Am Jahre 1864 beſuchten von ben ſchulpflichtigen Kindern in Württem⸗ berg nicht ganz + Procent gar keine Schule, in Preußen 6 Peocent, in Defierreih 24 Procent, in Frankreich aber 41 Procent.

Hier und da erleidet der Schulbeſuch noch durch den Sonfirmans denunterricht der Prediger Unterbredhungen und Störungen, die vers mieden werden könnten, wenn man ihn nad Beendigung des Vormittags: unterrichts eintreten ließe, wie das z. B. in Berlin angeordnet ift.

Der Unterricht erjtredt fih überall in ven Volksſchulen mindefteng auf Religion, Lefen, Schreiben, Rechnen, deutfhe Sprade, Befang, Geographie und etwas Naturkunde. In den höheren Bolksſchulen der Städte kommt dazu noch Geſchichte und Zeichnen. Für einige Länder, namentlih für Preußen, ift feit einigen Jahren auch das Turnen zum Unterrichtsgegenſtand erhoben worden.

Für die Mehrzahl der Volksſchulen liegen beſtimmte Lehrpläne zu Grunde, die das Ziel der einzelnen Klaſſen wie der ganzen Schule feft: ftellen; bier und da wird aber au ohne Plan gearbeitet, jelbft in mehr⸗ Haffigen Schulen. Das ift fehr zu bedauern, erklärt aber vie Unklarbeit in den Antworten auf eine Frage nach den Leitungen der Schulen, wie fie Dr. Dürre unlängft einem kleineren norddeutſchen Lehrerverein vorge ‚legt bat.

Die Lehrmittel für die Schulen haben fih in erfreuliher Weife vermehrt und aud Eingang gefunden. Indeſſen ift die Zabl der Schulen, denen gute Landkarten, Naturalienfammlungen und phyſikaliſche Apparate fehlen, doch nicht eben gering. Zum Theil tragen die Lehrer hiervon die Schuß, zum Theil aber die Ortsſchulvorſtaͤnde, die Ausgaben für folche Dinge für rügenswerthe Gelpverfhmwendungen halten. Die Einführung von Schullefebüchern ift allgemein geworben; doch fehlt es nicht an ein: zelnen Landſchulen, die au auf dies Lehrmittel versihten, da fie mit Bibel, Gefangbud und Katehismus glauben auskommen zu können. Das ift tbörihte Verblendung. Es ift wahr, dab Eltern, die ihre Kinder in Vollsſchulen ſchiden, der Beſchaffung von Schulbühern in der Negel fehr abgeneigt find und immer vorgeben, dad Geld dafür nicht zu haben, Die Lehrer dürfen aber diefer Anſicht nicht Vorſchub leiften, ſondern müllen oft Selegenheit nehmen, zu zeigen, wie fehr gute Schulbüder ven Unterricht fördern.

Im Großen und Ganzen kann man ben geiftigen Standpunft der Voltsihulen als einen recht erfreulichen bezeihnen, namentlid in pro⸗ teftantifhen Ländern. Die Kinder werden im Denten geübt, lejen mit Ausdruck, Schreiben leferlib, oft fogar Schön, können ihre Gedanken gar leidlich mündlich und jchriftlih ausprüden, berechnen mit ziemlicher Leichtig: kit, was der gemühnliche Lebensverlehr fordert, und haben häufig aud genügende Kenntniß von der Erde, von ihren Produkten und den auf ihr vortommenden Erſcheinungen. Die meifte Unklarheit fcheint in der religiöfen Erkenntniß zu berrichen, was jeinen Grund mwejentlih in der Stellung bat, die insbefondere proteftantiihe Lehrer zur Bibel einzunehmen glauben müflen; fie wagen es nicht, die Rinder zu einem confequenten Denlen über bie Religion anzuleiten und laſſen fie fort und fort auf dem altieitamemt-

582 Die äußern Angelegenheiten ber Volksſchule x.

lihen Standpunkte verharren. In vielen Volksſchulen tritt auch der Real unterricht noch fehr zurüd und umfaßt nicht felten nur die Kenntnifte, welche fi die Kinder lefend aus dem Leſebuche angeeignet haben.

Trop des im Ganzen befriebigenden Standes der Schulen gibt es, wie in den leßteren jahren bei den Rekrutenprüfungen ermittelt worden ift, immer noch einen Theil der Bevoölkerung, der ohne Schulbildung auf wähft, wenigftens fi in dem Nefrutenalter als unbefhult erweift. In Preußen ift das in der Provinz Sachſen jetzt noch nicht 4 Procent, in der Provinz Brandenburg etwas meniger, in Meftphalen etwas mehr als 1 Brocent, in Poſen und Preußen, wo die Sprade große Schwierigfeiten bietet, über 16 Procent. In Bayern batten 1865 unter den Rekruten eine mangelhafte Schulbildung in Mittelfranfen 4 Procent, in der Uber pfalz 15 Procent, in Niederbayern 19 Procent. In Medienburg Tieferte die jüngfte Rekrutenprüfung merklich ungünftigere Refultate; denn von je 100 Netruten batten in den Städten 70, im Domanium 90 und u der Nitterfhaft 94 gar feine oder eine mangelhafte Schulbildung. In ber Ritterſchaft konnten 39 Procent Rekruten weder fefen, noch ſchreiben, noch rechnen. Das erinnert an Staaten ohne Schulzwang, wie Frankreich, in dem 800,000 Kinder gar feinen Unterricht genießen und $ der Rekruten dürftig und kaum befriedigend lefen, an Belgien, wo 31 Procent der Pe völferung weder lefen, noch ſchreiben, an Stalien, von defien 22 Millionen Bewohnern gegen 17 Millionen weder lefen, noch fchreiben können.

8 Die Säulaufidt,

Die oberſte Schulauffiht wird überall von den Staatsregierungen ausgeübt, was auch ganz in der Orbnung if, da fie ja das Vollkswobhl nah jeder Richtung bin fördern follen. In jedem größeren Staate gibt es befondere Unterridtsminifter, die das Echulruder in der Hand baben und in allen Provinzen durch Regierungsfchulräthe controliren und an ordnen laflen. Die Lolalfhulinfpection wird in den meiflen deut Shen Staaten durd den oder die Drtsgeiltlihen ausgeübt. Die Geiſtlichen beanfpruchen die Schulauffiht noch als ein Recht der Kirche, indem fie die Volksſchule ala ein Inſtitut anſehen, das feine Criftenz der Kirche verdankt. Mie viel daran wahr oder nit wahr’ ift, kann bier unerörtert bleiben. ins aber fteht feit, daß nämlid die gegenwärtige Volksſchule nicht das Wert der Kirche iſt, fondern ein Werk der Forderungen der jebigen Zeit, die durd einen tüchtigen Pebrerftand unterftügt und realifirt worden find. Mir flelln den günftigen Einfluß, den einzelne Geiftlihe auf das Gedeiben der Boll ſchule ausgeübt haben, nicht in Abrede, ertennen denfelben vielmehr gern ımd dankbar an; aber viele derfelben haben gegenwärtig weder die nötigen Kenntnifle zur Schulauflicht, noch den guten Willen zur wirklichen Hebung ber Schulen. Es fehlt nit an zahlreichen Beifpielen, die beweiſen, daß die Geiftlihen nur Sinn für den Religionsunterriht, refp. die bibfifche Ger ſchichte haben und nicht Stunden genug dafür anfeßen tönnen, und dah fie dem Realunterricht, insbefondere dem naturmifienfchaftlichen , ſeindlich entaeaentreten, ihn wirklid überall beeinträchtigen und verbrängen, wo fi

Sadet thun können. Solche Männer taugen nun und nimmermeht

Die Aufern Angelegenheiten. ber Volkoͤſchuſle ꝛc. 883

zu Sculauffehern für bie gegentwärtige Zeit. Mit Freuden muß daher Jeder Einrichtungen begrüßen, mie fie in den letzten Jahren im Herzogthum Gotha und im Großherzogtum Baden für die Schule getroffen worden ſind; der Segen derſelben wird nicht ausbleiben.

Die Ortsſchulvorſtände, die ſich in einzelnen Ländern finden, haben es in der Regel nur mit den äußeren Angelegenheiten der Schule zu thun. Sie lönnen viel zum Gedeihen der Schule beitragen, wenn fie ihre Aufgabe ernftlich nehmen und den guten Rath der Lehrer berüdfichtigen. Barum follten diefe auch in keinem Ortsfchulvorftande fehlen.

9. Die Schulgefeßgebung.

Die Schulgeſetzgebung ift etwas, mas nirgends recht im Deutichland gedeiben will. In Heineren Staaten bat man bier und da einen leivlihen Anfang damit gemadt, in größeren, ſelbſt in Preußen, befien Schulweſen fonft eine hervorragende Stelle in Deutfchland einnimmt, fehlt ein durchgreifendes Schulgefeg noch ganz. Es bat gewiß feine großen Schwierigleiten, für einen großen, aus ſehr verfchievenen Elementen zufammengejegten Staat ein brauchbares Schulgeſetz herzuftellen; aber es ge: winnt doch zumeilen aucd den Anſchein, als wäre ven Regierungen ein foldes unbequem, indem es das Negieren mit freier Hand mehr als er: wünicht beihräntt.e Wenn man aber eine zeitgemäße Geſetzgebung für alle anderen Staateinftitute und Staatsverhältnifie für nöthig erachtet, fo follte man fie doch der Schule, der das Zoll feine Bildung verdankt, nidt länger vorenthalten. Cine Reihe von unangenehmen Erſcheinungen, unter denen die willlürlihe Behandlung der Lehrer Durch die infpicirenvden Geiſt⸗ lihen bereits eine traurige Berühmtheit erlangt hat, würden durd ein guids Schulgeſetz bejeitigt werden.

10. Die pädagogifche Literatur.

Die pädagogiſche Literatur hat in ben lebten zwei, bei Decennien einen Auffhmwung genommen, wie nie zuvor. Bas Zeitjchriften- weſen blüht; die Schulbücher treten jo maſſenhaft auf, daß man in Gefahr fommt, von ihnen erbrüdt zu werden, bejonder® von Leſe⸗ und Rechen: büdhern, zu deren Abfafjung fib ‚nahezu Jeder befähigt glaubt. Ber vierzig, funfzig Jahren wurden Zeitidriften und Schulbücher borzugsweife von Geiftlihen, die irgend eine Stellung zur Schule hatten, herausgegeben; jest find es vie Volksſchullehrer felbft, die Beides in der Hand haben. Wenn irgendwo, jo bat ſich bier der Volksſchullehrerſiand von der Geiſtlich⸗ feit emancipirt; und das gereicht ihm zur Ehre.

Sn den Beitfchriften berricht im Allgemeinen ein frifcher, freier Geift, wie er den Bollsfchullehrem im Ganzen eigen ift; nur wenige berjelben flimmen einen frömmelnvden Ton an oder Juden ihre Hauptaufgabe in ver Pflege der Orthodoxie. Die kleineren Blätter, die in erfter Linie pro⸗ vinziellen Bebürfnifien und unter diefen ganz beſonders den materiellen genügen wollen, leiden nicht jelten an Stofjmangel, bringen daber oft recht dürres Zeug, gemöhnlih nur lobende Recenſionen, da ihren Necenfenten meiſtens die Sachlenntniſſe abgeben, werden auch wohl zumeilen ber

584 Die äußern Angelegenheiten ber Vollsfchule ır.

‚Zummelplag für perfönliche Bänlereien, wie befanntlic; Keinem ſchlechter on: ſtehen, als den Lehren. Es wäre fein Ungläd, wenn das eine ober andere biejer Blätter nom Schauplatz abträte unb dem Belleren ben Ein: tritt geflattete. Lehrer, welche fich auf bie Lectüre diefer Beitfchriften be ſchraͤnken, fteben in Gefahr, einfeitig, provinziellebefhräuft zu werden, einem fhlimmen Gorpsgeift zu verfallen. Cin Blatt von allgemeiner Tendenz. wie 5. B. die Allgemeine deutiche Lehrerzeitung, follse jeder Lehrer neben ‚feinem Brovingialblatte leſen.

Diefterweg wünfchte den Lehrern neben den ernften Echulzeitungen noch einen „pädagogifhen Kladderadatſch“, ver ladend die Wahrheit fage. Herr Hermann Görwig hat einen folden ſeit 1861 in Stadtſulza unter dem Titel „Erbolungsftunden der lachenden Philoſophie für gemüthliche Vollsſchullehrer und alle Freunde des Standes ‘‘ erjcheinen laſſen. Obwohl Diefterweg dieſen Kladderadatſch bei feinem Erſcheinen enpfoblen bat, jo müflen wir body bezweifeln, daß derfelbe in feinem Sinne redigirt worden if. Es iſt gewiß eine umgemein ſchwierige Aufgabe, ein ſolches Blatt zu fchreiben. Man merkt den Wigen gar zw leicht das Ge machte an.

Unter den Shulbühern finden fi jet ganz vortreffliche für ale Fächer, ſowohl für Lehrer als für Ehüler. Doc fteben wir bier bavon ab, einzelne zu nennen; der Zahresberiht führt fie ohnehin in allen feinen Bänden auf. Zu bevauem ift nur, daß die Lehrer immer noch gendtbigt find, vorzugsweife nad den Büchern zu greifen, die für einige Groſchen zu haben find. Solche Bücher mögen für Dies und Jenes gut jein, zum fördernden Studium taugen fie in der Regel wenig, treten bemfelben oft bindernd in den Weg.

Welch einen Reichthum von Lehrmitteln zur Beranfjdar: lichung des Unterrihts, namentlih des gefammten Realumterridts, wir befigen, das bat die Ausftellung derſelben auf der Allgemeinen deutſchen Lebrerverfammiung zu Leipzig im Sabre 1865 gezeigt. Ber dem Büchermarlte etwas fern ftebt, der muß erftaunt fein über den Neid: thum, der dort entfaltet worden war. Und dod war bas nur ein lleinet Theil von den wirklid vorhandenen Lehrmitteln Möchte doc nur vedi bald jede Volklsſchule das Beſte davon haben und zum Ruben der Jugend verwenden !

+ Diefterweg +

Zu dem Aufihwunge, den das deutſche Schulweſen in ven lepten vierzig Jahren genommen, haben zwar Viele beigetragen: Behörden, Lehrer, Gemeinden, Niemand aber in fo reihem Mafe, wie der nun dahingeſchiedene Dieſterweg. Das erfennen nicht blos feine Freunde und Verehrter as, fondern, wie wir hoffen dürfen, auch feine Gegner. Seit 1820, we a Director des Eeminars in Mörs wurde, hat er fi ausſchließlich, un gwar mit der ganzen ihm innewohnenden Saft, dem Boltsiculneden

Die kußern Angelegenheiten ber Volkoſchule x. 585

yewidenet. Seine Einwirkung auf feine Böglinge war von Anfang an eine außesorbentlihe. Sein lebhafte, immer und immer zum Denten, zum Forſchen anreizender Unterricht, feine raftlofe Berufsthätigleit, fein bei jeder "Gelegenheit fi kundgebendes Wohlwollen erwedte die Seminariften und feſſelte fie für immer an ihn; nur von einem Judas unter ihnen weiß ſeine : Biographie zu reden, defien Namen wir nicht nennen mögen, ba bie jüngere Lehrerwelt ihn ohnehin ſchwerlich kennt. Schmittbenner fagt von Dieſter⸗ weg’ s Wirken am Rhein fehr bezeihnend: „Preußen bat am Rhein, im . &oblenz, Cöln und Wefel, drei furchtbare Feltungen gebaut und ausgebaut zum Schutz und Trutz gegen die Nachbarn und zur Sicherung bed Reiches. Über es hat eine andere aufgetbürmt, die ift noch ftärfer und nod- feiter, das ift die Eultur des Volles. An diefer nun bat der Dr. Dieſterweg bauen belfen und beim Geniewejen tüchtige Dienfte getban, wie er bemm ein tücdhtiger Meiſter ift in Licht und Feuerwerk.“

Dieftermeg’s pädagogiſche Thätigleit nah Außen bin, für Das ge fornmte Deutihland und weit über feine Grenzen hinaus, beginnt mit ber 1827 erfolgten Gründung der Zeitfchrift: „Rheinische Blätter für Erziehung und Unterricht.” Die Wirkung derjelben war glei von Anfang an eine außerordentliche. Der Grund hiervon war nicht in den gelehrten Abhand⸗ lungen über Erziehung und Unterriht zu ſuchen, obwohl diefe auch zu keiner Zeit darin fehlten, ſondern in ber frifhen, anregenden Sprade, in der insbejondere alle von Diefterweg jelbft herrührenden Aufſätze geſchrieben ‘waren, dann aber aud darin, daß er es verftand, die Gegenftände "zur Sprache zu bringen, welde die Intereſſen des Lehrerfiandes am lebhafteften berührten. Ich babe die Rheiniſchen Blätter von Anfang an bis bemt gelejen und kann verfihern, aus feinem Werte fo viel Päbagogit gelernt zu baben, dur keins fo zum MWeiterftreben, zum Streben nad hödyfter Vollendung, zur Berufötrene, zu gemeinfamer pädagogischer Thätigleit an: geregt worden zu fein, als durch fie. Lange Jahre hindurch habe ih jedes neu erjchienene Heft ſtets in einem Zuge durchgeleſen, felbft wenn ich fie erſt am fpäten Abend erhielt. So ift es aber natürlich nit blog mir, fo iſt es Zaufenden von deutſchen Lehrern gegangen; Alle waren jeine leenbegierigen, feine vantbaren Schüler.

Neben den Rheinifhen Blättern erſchienen feine zahlreihen päpagogi: Shen Schriften, von denen feine Lehrbücher, wie fein Leſebuch, feine Leſe⸗ lehre, feine Spradlebre, fein Rechenbuch, feine populäre Himmelskunde u. a. ‚gwar höchſt vortheilhaft auf die Umgeſtaliung des Unterrichts, auf bie Berbefierung der Methode gewirkt haben, im Grunde aber doch von jeinen Belegenheitsfchriften, wie von feiner „Paͤdagogiſchen Reife‘, feinem „Sollen und Wollen“, feinen Schriften gegen die preußiichen Negulative, feinem „Jahrbuch“ u. a. übertroffen wurden. In der Beurteilung pädagogiſcher Schäden war Diefterweg umübertreffih. Was er in zahlreihen Aufſätzen namentlich in den legten 10 15 Jahren über den bergebrachten Religions: unterricht gejchrieben, hat vielen Lehrern die Augen geöffnet und es ihnen unmöglid) gemacht, fernerhin einen auf Verdummung berechneten Religions: unterricht zu ertbeilen. Wander ift dadurch in Conflicte gelommen und bat darunter leiden müflen; aber das ließ fich nicht vermeiden und durſte

586 Die äußern Angelegenheiten ber Volksfchule ıc.

nicht vermieben werden. Dieflerweg felbit hat die Conflicte nicht gefchent, wenn ſich's um bie Bertheidigung einer guten Eade, oder um bie Be feitigung von Uebelftänden handelte. Seine religiöfe Anfıht und ſei Belämpfung ver Beauffihtigung der Schulen durch bie Beiftli haben ihm in den Reiben ber Lepteren ein ganzes Heer von Gegnern und mande Schmaͤhſchrift gegen ihn hervorgerufen. Aber wer kennt noch die Ramen ihrer Berfafler, wer bat fie überhaupt behalten wollen? Gie find längft vergefien, während Diefterweg’s Name ehrenvoll fortleben wird, und zit blos im Gebächtniß der Lehrer, fondern Aller, die dem Fortichritt buldigen. Roh lange hinaus wird er ihnen das Bild eines echt dentſchen Chatab ters fein.

Im Jahre 1832 wurde Dieflerweg dur das Minifterium Altenfein, dem Preußen feine Erhebung verdankt, nad Berlin zum Director bes Seminars berufen. Bet feinem Einzuge in das Seminar brad die Achſe des Wagens, der ihm und den Eeinen diente. Das war ein fchlecter Anfang. Aber trog alledem entfaltete er doch bald eine berrlihe Wixtfam: keit. Der Ruf des Seminars verbreitete fi) weitbin. Gine Einwirkung auf die Berliner Lehrer und das Berliner Schulweſen gelang ihm aber erft ganz nah und nah. Die Ginflußreiberen dieſer Herren ſcheinen fh wenigfiens anfangs dem Fremden etwas fpröbe entgegengeitellt zu baben. Aber es gelang doch, einen Fehrerverein zu gründen, in dem Dieflerweg die Seele war. Mehr als vorher tritt von diefer Beit an Dieftermeg’s Streben bevor, den ſchon halb und halb in Vergefienheit gekommenen Beftalogi wieder in Grinnerung und zu Ehren zu bringen. Für ihn und Roufleau bat er mande Lanze in den Nheinifhen Blättern gebrochen. Die Aus: dauer, die Confequenz, mit der er für den Begründer des naturgemäßen und darum geiftentfefielnden Unterriht3 gefämpft, hat bewirkt, daß Peſialszji jest in aller Munde lebt, daß fein edles Streben, fein Berbienft allgemein belannt ift und anerfannt wird. Ganz befonders nachhaltig dafür wirkte bie im Jahre 1846 von ihm ‚hervorgerufene Peftalozzi-fgeier. GB entſtand eine foͤrmliche Peftalozzis Begeifterung. Diefterweg benugte dieſelbe zur Gründung von Peftalozzi: Anftalten, von Peftalozzi: Vereinen, die ſich die Berforgung von Lehrerwaifen und Lebrermittwen als Ziel ftedten. Die jelben find jet bereits über ganz Deutfchland verbreitet und vermehren fih mit jedem Jahre. Wer ihrer Bildung gefolgt ift, der weiß, daß Diefterwey zu ihrer Entitebung den Anlaß gegeben hat und daß es aljo eigentlih Diefterweg: Vereine find. Auch der Vorurtbeilsvolifte muß daraus ertennen, daß er ſich nicht blos das Belämpfen des Untauglihen, des Schäplicden zur Aufgabe gefegt, fondern daß er auch mit allen Aräften nah de Gründung von Liebeswerten ftrebte. Wenn irgend Etwas, jo ift das ber befle Beweis für Dieſterweg's echte Religiofität, die Zeloten, Fanatiker ihm jo oft haben ftreitig maden wollen, weil er den Muth batte, zu empfehlen, ben von ihnen mit Sorgfalt confervirten dogmatiſchen Plunder über Bor zu werfen, um bie Voltsfchule flott und fegelfähig zu machen. Das wid unvergefien bleiben,

In diefer Zeit war in Preußen an die Stelle des Minifterimmö Altenftein das Minifterium Gichhorn getreten, dem bie friige Strömung,

Die äußern Angelegenheiten ber Bolkefchule x. 187

die Dieſterweg hervorgerufen, äußerſt unbeqiem war, weil fi} darin von feinem Standpunkte aus fchleht regieren .ließ. Dieſterweg follte zum Schweigen gebracht werden; aber dem muthigen, für Recht und Fortſchritt erglühten Manne ging e3 wie feiner Zeit Petrus und Johannes, auch er ſprach: „ih Tann es ja nicht lafien, zu reden von dem, was ich als richtig erfannt habe, und dahin zu wirken, daß e3 in den Köpfen hell und in den Herzen marm werde, und diefer Stimme, bie ich als Gottesftimme ertenne, muß ih mehr gehorchen, als der des Herrn Miniſters.“ Das führte 1847 zu feiner Entlafjung aus dem Amte, 1850 zur Penſio⸗ nirung. Damit war die Achſe des Schulwagens gebroden, den Diefler- weg felbft führte. Es mar fehmerzlih für ihn, ſchmerzlich für alle feine Verehrer, änderte aber in feinen Anſichten Nichts. Nach wie vor fuhr er fort, Front zu machen gegen alle Berlehrtheiten auf- dem Gebiete ver Schule, und hinzuweiſen auf das, was er als recht erlannt hatte. Grfteres bat der Schöpfer der preußifchen Regulative reihlih erfahren; für Lebteres fönnen wir auf Froͤbel binweifen, für befien Ideen er begeiflert wor⸗ den War. '

Sn den Testen Jahren fuchte Diefterweg feine pädagogiſchen Ideen auch im preußiihen Abgeordnetenhauſe zur Geltung zu bringen, zum Ber dauern aller Freunde des KFortjchrittes nicht mit fichtlihem Crfolg, mas aber offenbar nit an ihm, fondern an den Berhältnifien lag. Indeß werben feine Worte aud dort nicht vergeblid geſprochen worden fein; wie alle Wahrheiten, werden aud fie Samen für die Zulunft fein.

Im vergangenen Jahre haben Berliner Lehrer den 75. Geburtstag Diefterweg’3 würdig gefeiert und dadurch zu erkennen gegeben, wie hoch fie ihn ehren. Seine Marmorbüfte ift an dieſem Tage in dem von ihm gegründeten Peſtalozziſtift in Pankow bei Berlin aufgeftellt worden. “Man fann nicht gerade jagen, daß fie nur dahin gehört; aber leider find wir noch nicht fo weit, fordern zu können, daß ihr ein Ghrenplag neben ben Statuen der Männer angemwiejen wird, „vie fi um das Vaterland ver: dient” gemacht haben, neben Scharnhorft, Gneiſenau, Blüher. Das kommt fpäter. Bor der Hand mögen ſich die Lehrer darauf beſchränken, die nad) jener Marmorbüfte angefertigte Gypsbüfte in ihren Arbeitszimmern aufzus ftellen, um fi bei ihrem Anblid für ein Etreben zu begeiltern, das Dieftermeg 6 würdig ift, das ihn ehrt. Das wird ber bejte Dank fein, den fie ihrem Meifter bringen können.

Mas die Volksſchule und ihre Lehrer an Diefterweg verloren haben, brauchen wir bier nicht noch befonder® beroorzuheben. Jedermann weiß, daß er zu den Bollenveifien auf dem Gebiete der Erziehung und bes Unterrichts gebörte, daß er der treuefte Freund der Lehrer, ihr und ber Schule Wortführer war, für ihre Bildung und Eelbftändigteit fämpfte und “fie zur Selbfthülfe für ihre Wittwen und Waiſen vermodht bat. Wir treten wohl einem zu nahe, wenn wir fagen, daß wir jeßt Niemand haben, ber uns ihn aud nur einigermaßen erfehen könnte. Uber geloben wollen wir ihm, in feinem Geifte fortzuarbeiten, nad allen Richtungen bin auszuführen, was er begonnen bat. Dazu möge uns Gott beifen!

588 Die äußern Angelegenheiten ber Velksichule x.

Diefterweg. wurbe am 29. October 1790 in Giegen geboren. Ja Herborn in Naſſau und in Zübingen ftudirte er Theologie, widmete ſich aber bald der Pädagogit. Bis 1812 war er Hauslehrer in Mannheim, dann zweiter Lehrer an der Ecole secondaire in Worms, 1818 bis 1818 Lehrer an der Mufterfhule zu Frankfurt a. M. 1818 zweiter Rector ber lateiniſchen Stadtſchule in Elberfeld, 1820 bis 1832 Director des Semi nars in Mörs, von da an bis 1847 Director des Seminars für Stabi: schulen in Berlin. Er ftarb am 7. Juli 1866 an ber Cholera, bie we nige Tage vorher jeine Gattin bingerafit hatte.

2. Die einzelnen deutichen Staaten. I. Preußen.

1. Lebrerbedarf.

1. Mährend in andern Berufsarten jo großer Ueberfluß an Bewer: bern ift, daß die Regierung warnen muß, fih denfelben zu widmen, lann der Bedarf an Lehrern immer noch nicht gebedt werden. Im Regierungs⸗ bezirt Köslin haben c. 100 Lebrerftellen mit Präparanden bejeßt werben müjlen. Im Etraljunder Regierungsbezirk fehlt ed fogar bier und da an Präparanden, fo daß ganze Gemeinden ohne Lehrer find. Wenn aud nicht ausschließlich, jo ift diefer Mangel an Lehrern doch hbauptjählid aus dem geringen Gehalt zu erllären, das die Lehrer immer noch vielfad be: ziehen. Nah Baftor Quiſtorp's Mittheilungen gibt es in Hinterpommern nod eine Menge Lebrer, deren Eintommen nicht 100 Thlr. beträgt. Dr Emeriten beflommen nad vielleiht 40 Dienftljahren 20 bi 40 Waler, die Wittwen und Waifen 15 Thle., „während die Wittwe eines ziemlid im Nichtsthun lebenden Bahnmärters bald zu 7%, des vollen Gehaltes ib res Mannes fteigt. In andern NRegierungsbezirlen herrſcht kein Lehrer: mangel,

2. Lebrerbildungsanftalten.

2. Die Zahl ver Bräparanden, melde fih zur Aufnahme in die Seminare melden, ift in einzelnen Landestheilen eine merklich geringen, als ſonſt. Da aber jährlih eine bejtimmte Zahl in jedes Seminar ein treten ſoll, jo ereignet es fich bier und da, daß junge Leute aufgenommen werden, denen e3 an der nöthigen VBorbildung und Begabung fehlt. Ja der Abſicht der Behörden liegt das natürlih nicht; fie bedauern vielmeht diejen Umſtand ſehr.

3. Die Präparandenbildung erfolgt, wie bekannt, meiſtens bush einzelne Lehrer, weniger durch bejondere Anftalten. In den legien Jahren bat diefelbe erfreuliche Fortichritte gemadht. Die Regierungen ge ben ſich die dankenswerthe Mühe, den Bräparandenlehrern mitzutheilen, worauf fie nad ven bei ven Prüfungen gemachten Erfahrungen bei ihrem Unterridt das Augenmerk bejonders zu richten haben, Das Centralblau von Stiehl

u Bau cr ru va

Die Kußern Angelegenheiten der WVolboſchule ꝛ. 589

enthält in dem Jahrgange von 186% drei hierauf bezügliche Verordnun⸗ gen, naͤmlich von den Regierungen zu Königsberg, Breslau und Trier.

Die Verordnung der Regierung zu Königsberg (Heft IL.) ift durchaus tm Sinne der guten modernen Pädagogik gehalten, und vervient daher die ſorgfaͤltige Beachtung der Präparandenlehrr. Nach verfelben jollen . vie Präparanden burhjchnittlih jeden Wochentag wenigitend drei Unterrichts⸗ Hunden erhalten, die fayriftlichen Arbeiten und Vorbereitungen nad einem beftimmten Plane ausführen und nicht gu viel Beit auf das Hofpitiven und Helfen in der Schule verwenden. Die Kreis⸗Schul:⸗Inſpectoren ſollen die Präparanden von Beit zu Seit gründlich prüfen. Der Unterrichteftoff foll denkend verarbeitet werden. Seine Gefchichte, kein Lied, fein Stud aus dem Lefebuche foll aufgegeben werben, welches nicht zuvor zum anges meſſenen Berftändniß gebracht worden if. „Auch ſchriftlich find die Er⸗ gebnifje des Unterrichts darzulegen, fo Daß kein Tag ohne derartige Aus⸗ arbeitungen bleibt. Es muß eine vorzüglihe Sorge jedes Präparandens lehters fein, den fchriftliden Ausdruct der Zöglinge durch fortgehende Uebung in dee Verarbeitung des Unterrichtsſtoffes zu fördern.“ Ganz be ſonders wird hervorgehoben, auf gutes Leſen und Erzaͤhlen zu halten. In Geographie und Geſchichte fcheint das Lefebuh maßgebend fein zu follem. Für die Naturgefchichte wird die „richtige Beobachtung“ ala die Hauptjache bezeichnet. Nach den ebenfalls beachtenswerthen Mittheilungen der Bres⸗ lauer Regierung (Heft 4) lafien die Präparanden in der Naturkunde nody viel zu mwünfhen übrig. Nach derſelben find auch die muſilaliſchen Leiſtun⸗ gen der Aſpiranten noch nicht befriedigend, eben ſo die im Zeichnen und Schreüben. Nach den Beobachtungen, welche im Regierungsbezirk Trier gemacht worden find (Heft 11), zeichnen ſich beſonders die Praͤparanden portBeifhaft im Wiſſen und Können aus, welde bereits an Winterſchulen und Beinen Nebenfchulen gearbeitet haben. Die Regierung wunſcht jedoch darum nicht, daß man die Präparanden in zu jagendlichem Alter in ber Säule verwende, worin wir ihr auc im Intereſſe der Schulen beipflichten.

Ale drei Regierungen fordern die Präparandenlehrer dringlich auf, sur ſolche junge Leute aufzunehmen und zu behalten, ‚Die einen fichtlichen innern Trieb zum Lebrfahe haben, fleißig und zuverläjiig find und jeden⸗ falls. volllommen ausreihende Befähigung befigen.‘‘

Ob die in Preußen jept bellebte Art der Präparandenbildung vie befte ift, Iafjen wir wahingeftellt fein. Die Aufgabe ift eine fchwierige und wird vieleicht noch in keinem deutihen Staate ganz befriedigend gelöft.

: 4. Wir find bisher der Meinung geweim, daß‘ in Preußen nur Boltsjchullehrer angeftellt werden, die einen vollitändigen, wenn auch nım zwetjäbrigen Seminarkurfus durchgemacht haben. Gin Artilel „Leber das Zortarbeiten und Präpariren des Volksſchullehrers“, der fih im 6. Jahr⸗ gange (1865) der „Berliner Blätter’ findet, bat biefe Anfiht als eine irrige erfennen lafien. Wir lafien das Aufſchluß gebende Stüd hier folgen. Seite 119 beißt es: „Wir begegnen brittend Lehrern, und fie finden ſich häufiger noch als die beiden ſchon vorher ſtizzirten Klaſſen melden vie bittere Armuth und der drudende Mangel alle Berufdfrendigleit rauben, deren Kopf und Herz fo ausſchließlich von ber Sorge um bes Leibes Nah:

590 Die äußern Angdegenbeiten ber Vollaſchule x.

rung und Nothdurft, um das Auskommen beberefcht werben, dab fie an Vortarbeiten und Präpariren faum noch denken; Gifer und Kraft zur Ar beit ſcheint bei ihnen gänzlich verloren zu fein. Mit Seufjen treiben fie ihr Tagewert oder vertommen in der Miföre, der der Kleinhäusler fid fo oft überläßt, wenn er des Lebens Noth und Prangfale vergeſſen will Das find doppelt bellagenswertbe Leute, wenn feitens der nädften Berge festen, der PBaftoren, nichts Erwedendes, nichts Aufmunterndes ihnen gebo: ten wird, wenn leine Spur von Hirtentreue bei denen ſich findet, an welche fie zuförderft gewiefen find, wenn ihnen da nur der ftudirte Piarrberr, der tabelnde Nevifor entgegentritt, fein Förderer und Helfer in der Arbeit. In diefer Lage befinden fi bejonders viele von denen, welche erft in den zeiferen Mannesjahren, zuweilen fogar als ergraute Familienvaͤter Schul meifter werben wollten und ale fogenannte Schulamtsbewerber ſich bei einem Bräparandenlebrer in möglichit kurzer Zeit für das Cramen abrichten lieben, entweder weil ihr Handwerl, ihr Geſchaͤft nicht mehr recht ging, oder weil Hochmuth und Ghrgeiz fie trieben, und ihnen die Stellung eines in jeinen Gintünften fiher geitellten Schulbeamten gar zu lodend erjdien ober von andern fo vorgeipiegelt wurde, abgejeben von ſonſtigen, nichts weniger als löblihen Gründen. Und leider ſcheint man an manchen Orten ver zugsweife gerade auf foldhe Leute bei Belegung der Stellen Rüchſicht zu nehmen und ihnen beim Umjatteln erheblich Vorſchub gu leilten. Zu dem Umkreis weniger Meilen könnten wir mehr ald 30 Ortſchaften nennen, wo teine ſeminariſtiſch vorgebildeten Lehrer angeftellt find, jondern 7 fai- bere Schneider, 4 Kaufleute rejp. Commis, 4 Tiſchler, 3 Schufter umd die übrigen aus dem Stande der Gärtner, Bucbinvder, Schiffszimmerleute, Schmiede, Matrofen, Soldaten, Bojamentirer u. f. w. Und in einer nam baften Provinzialftadt eriftirt noch jeßt die nur von einem Lehrer befbrate Bräparanden-Anftalt, deren Zöglinge jene gewejenen Handwerker, Kaufleute, Golporteure u. ſ. w. zum größten heile einft waren. Zur Zeit ihre Blüthe zählte fie Uber dreißig Schüler, von denen in dem einen Jahrgange etwa funfzehn und in dem andern fogar nur neun fih zur Aufnahme in das Seminar vorbereiten ließen, die übrigen, aljo die große Mehrzahl, meldete ſich fogleich zum Bewerber: Cramen. Gegenwärtig find unter den Präparanden diefer Anftalt vier .in dem Alter von 28 bis 33 Jahren.” „Sit es befremdlih, daß bei diefen fo nothrürftig fürs Schulamt vorbereiteten Leuten, für welche der Lehrerberuf oft nichts. weiter ift als ein böberes Handwerk, Luft und Liebe, Eifer und Unfttengung verjchwinden, wenn fe ſich ſelbſt überlajlen find und ihre Erwartungen und Hoffnungen in Bezug auf äußerliches Wohlergehen jämmerlicy getäujcht werben? Mur vend und unzufrieden treten fie in die Klaſſe und verfehen als untreue Miet linge einen Dienft, ben fie in ven feltenfien Fällen aus innerem Drange eeitrebten. Ich möchte mir erlauben, aus der Nachprüfung eines ſolchen Bewerbers, der bereitd mehrere Jahre im öffentlihen Amte geftanden, ein Brucftüd mitzutheilen. Die Kritik bleibt dem freundlichen Leſer überlafjen.” „Seminars Lehrer: Zreiben Sie in Ihrer Schule Baterlanpstunde? Graminand: Nein, Heimatbötunde. S.⸗LE.: Was fagen Sie darin Ihren Kindern?

Die äußern Angelegenheiten ber Volksſchule x. 391

@.:.Run, ich erzähle ihnen von den Himmelsgegenden.

S.⸗L.: Wie machen Sie das den Kindern Mar?

G: Ru, ic fage zu dem Knaben, ſiehe, rechts von bir ift Often,

S.⸗L.: Wenn fih nun aber der Junge herumdreht?

E.: (Belinnt fi) eine Weile.) Ich fage ihnen, wo die Sonne auf gebt, Kinder, da ift Often.

S.⸗L.: Wie können Sie ftatt Dften jagen?

E.: (Mit feiter Stimme.) Welten. .

S.⸗L.: Wo ift Norden?

E.: Wo feine Sonne jceint.

Das Factum bat fih erft in diefem Jahre (1865) zugetragen.”

Sole Zuflände find wahrhaft bedauernswürdig. Ich bin fehr froh, daß ich nicht preußischer Unterrichtsminifter bin; denn fo Etwas würde meine Ruhe, mein Wohlbefinden ſehr merklich beeinträchtigen, wenn ich es nicht in kürzeſter Friſt ändern könnte.

5. Die Abgangs: und Wiederbolungsprüfungen der Vollsſchullehrer werden jest vielfah in der Weile ausgeführt, daß jeber Eraminand in den einzelnen Bädern einen Zettel mit einer Frage erhält, über die er ſich in volllommen abgerundeter Rede auszujprehen hat, for bald die Reihe an ihn kommt. Die Cenſur hängt von dem Ausfall der Antwort ab. Wehe alfo dem Armen, der nichts zu jagen weiß! Es mös gen beftimmte Erfahrungen zu diefem Verfahren geführt haben. Nach den Erfahrungen, die ich felbjt bei zahlreichen Lehrerprüfungen gemadt babe, muß ich daſſelbe verwerfen. Nein Craminand kann Alles willen und be antworten, wonach ein Sraminator fragt. Unterbält Lebterer ſich aber in woblmollender Weile mit ihm, fo wird er nad Verlauf einiger Beit erken⸗ nen, wie es mit deſſen Willen ausfiebt. Darnach mag er ihn dann cen⸗ firen. Bet diefem Verfahren darf man aber freilich nit 20 bis 30 Exa⸗ minanden vor fih haben, fondern höchſtens A bis 5. NKürzt man die Zeit dann nicht gar fo fehr ab, fo kann man von Jedem ſich ein Urtbeil bil den und Jedem gerecht werden.

Die 20fte Nummer des „Schulblattes für die Prov. Preußen” (1865) enthält einen ausführlihen Bericht über eine Wiederholungsprüfung, welche unter dem Vorſitz des Schulrathes Bock in Königsberg abgebalten worden iſt. Die, fehriftli geftellten Fragen find darin mitgetheilt. Wir können diefelben hier nicht wiedergeben, theilen jedoch die nachſtehende kleine Probe daraus mit. Seite 167 heißt es: „Den Schluß des mündliden Examens bildeten Fragen nad wirklichen Volksſchriften und nah Biographien ber BVoltsfchriftfteller.. Es murde u. a. gefragt nah Horn (meldem?), He. bei, den Brüdern Grimm, Jerem. Gotthelf, ihrem Leben und ihren Werten. Bon Lepterem wußte Niemand etwas. Auf die an einen gerich- tete Frage, ob er Hebel kenne, antwortete der junge Vollsſchullehrer (er if doch jedenfalls mindeflens drei Jahre im Seminar geweſen? —) ehr vergnügt, er kenne einarmige und zweiarmige Hebel. Als man ihm Hart machte, daß es fi bier nicht um den Hebel der Phyſik, fondern um den Schriftfteller Hebel handle, legte er fofort Zeugniß ab von ber "empfangenen literariiden Bildung; er wußte anzugeben, daß bviefer Hebel

592 Die üufern Angelegenheiten der Bolkeſchale se.

zwei Etüde geſchrieben, das Gedicht „der Wegweiſer“ unb nen Yufias „ner Maulwurf”, die jih neben andern im Slinderfreun von Preuk und Better befinden. Bon den Brüdern Grimm wußte der Gefzagte mit- jutbeilen, daß fie in Berlin gelebt und „Risvergefchichten” geidhrieben hätten.“

Hiernady zu urtheilen, wird es dem Herm Schulrach Bod gicht Tchwer en m grobes Berdient um das Cänimejen ber Provinz "Breuben zu

Nach dem „Edulblatte” von Sad bringen die katholiſchen Ele mentarlebrer in der Mehrzahl eine geringere Bildung aus ben Seminaren in das Schulfach mit, als die proteftantiihen. (1865, 6. 239.)

6. Seminariften, die aus einem Seminar verwiefen werben find, ohne fie jedod für immer vom Schuldienft auszuſchließen, dürſen fich pri⸗ vatim auf Die Lehrerprüfung vorbereiten und dann ihre Zuleflung gu der jelben bei ver betrefienven Regierung beantragen. Die Zulafiung wir jevod von der Genehmigung des Untersichtsminifiers abhängig gemadı. (Stiehl, Gentralbl. 1865, Heft 12.)

7. Bu Erin im Regierungsbejirt Bromberg if ein latholiſches Scullehrer:Seminar für 80 Zöglinge gegründet und am 15. Dctbr. 1865 mit dem erften Cötus von 26 Zöglingen eröffnet worden.

3. Lehrer. Allgemeine Berbältniffe,

8 Am 1. Dctbr. 1864 wurde in Pr. Friebland ein neues Semi⸗ nar eröffnet. Herr Schulrath Bock bielt vie Ginführungsrebe. Darauf hielt der neue Director Schu Is, früher Paftor, eine Antritterede. Auf Grund der Tertesworte „Lafiet die Kindlein zu mir kommen zc.” ſchilderte er das Amt der Seminarlehrer, den BZwed des Seminars, vie Ihätigleit der Böglinge und das Amt ver Glementarlehrer. „Die Hinderniffe treuer Lehrer im Amte find nad den Ausführungen dieſes Herm Seminar: directors: 1) die Demofraten im aufgellärten Geile, 2) die freifiunigen Eltern, die von Religion nidts willen wollen, 3) die Dummen, die jeihf nichts wiflen und um ibre Elternpflichten ſich nicht kümmern.” (Schulbl. f. die Prov. Preußen, 1865, ©. 15.)

Das klingt fait fanatiſch. Eiferer diefer Art follte man nit an bie Spitze fo wichtiger Anftalten ftellen. Für die Antrittsrede eines Seminar: birectord gibt e8 kaum ein paflenberes Thema, als die Frage: „Welches ft Die Aufgabe des Seminars 2“

9. Erfeeuliher als die vorhergehenden Bemerkungen iſt eine Kurze Charalteriftil der Lehrer der Prov. Preußen, melde der Her ausgeber des eben citirten „Schulblattes“ gibt. Seite 19 beißt es dafelkk: „Seit etwa vier bis fünf Jahren ift unter den Lehrern in Preußen eine Bewegung hervorgetreten, die fi würdig allen andern Bewegungen der Reuzeit auf ſocialem Gebiete anſchließt, und deren Bedeutung zu unten ſchaͤtzen Leichtfinn wäre. Troß aller Hindernifle, die ihnen entgegenflehen, limpfen die Lehrer doch muthig und mit größter Ruhe uns Beſonnenheit

Die Aufern Angelegenheiten ber Volkeſchule x 593 °

für den Fortſchritt der Volksſchule, und ohne Furcht erörtern fie Fragen über Erziehung und Unterriht, über die Zuftände und Verhaͤltniſſe der Schulen, über ihre eigene perfönlihe Lage und Stellung, wiewohl ihnen die Berechtigung zu alledem heftig beftritten wird. Sie haben fo gut wie andere Kategorien der Gefellichaft das Prinzip der Selbfthilfe kapirt, und da fie und die Ihrigen noch immer bie bitterfte Noth, ja das nadtefte Elend in fiherer Ausfiht haben und Niemand, durchaus Niemand ernftlich daran denkt, unleugbare Pflichten gegen fie zu erfüllen; jo fuchen fie fih felber zu helfen, fo weit es ihre allerdings beſchränkten Mittel erlauben. Für die Wittwen und Waifen forgen fie mit beifpiellofer Energie durch immer wiederholte Anträge auf Reformirung der Departements:Unterftügungs» Kofien, durch Gründung privater Witten : Unterftüßungs » Kafien und der Beftalozzi= Bereine; um ihrer eigenen Noth im Alter zu begegnen, geben fie eben damit um, Benfions: Hafen zu gründen; ihr Vermögen endlich fuhen fie durch eigene Vereine gegen Yeuersgefahr fiber zu ftellen. Sind das nicht bedeutende Symptome eines vorwärts ftrebenden Geiftes unter ihnen, einer Selbftändigleit im Denken und Handeln, die nicht ohne Fol: gen auch auf die weiteren Kreife der Geſellſchaft bleiben können 2”

Dies Schöne Bild erinnert uns an Nathans (Leſſings) Wort: „Zraun, ein ſchöner Titel!” Mögen fih die preußijchen Lehrer überall und immer fo ermeijen!

10. In manchen Provinzen befteht die Anordnung, daß bei Bes feßung vacanter Schul: oder combinirter Schul: und Küfterftellen die für fie ermählten oder beitimmten Perfonen angemwiejen werden, eine fogenannte Sſchul⸗ und im entfprehenden Falle auch eine KRüfterprobe an Drt und Stelle abzuleiften. Dieje Einrihtung bat den alleinigen Zweck, den bezüglihen Gemeinden Gelegenheit zu geben, nad der Berufung des Lehrers oder des Lehrers und Küfters mit ihm und feiner Tüchtigfeit für fein Amt durch feine perjönliche Vorftellung nähere Belanntfchaft zu machen, und, falls begründete Aufforderung ſich dazu ergeben follte, gegen feine Anſtellung mit dem, was gegen feinen Wanvel ober feine Lehre zu fprechen fcheint, Einſpruch zu erheben. Dieſer Zwed ift in einzelnen Fällen ver kannt worden. Hier und da find nämlich dieſe Proben als abzunehmende Prüfungen, deren Grgebniß über die Fähigkeit zur Anftellung Entſcheidung bringen jolle, angejehen und behandelt worden, Dieſer Anſchauung tritt bie Behörde entgegen und bringt in Grinnerung, daß nur fie zur Erthei⸗ lung 5) Prüfungszeugnifien berechtigt fei. (Stiehl, Gentralbl. 1865, S 425.

41. Die Lehrer der Provinz Preußen befaßen in ihrem „Volks⸗ ſchulfreund“ bis Ende 1864 ein unabhängiges Schulblatt, das lange beftanden bat und zuleßt von dem Prediger Voigdt und den Lehren El ditt und Better redigirt wurde. Der neue Schulrath Bod und ber Seminardirector Dembomsty haben den Perleger des Blattes gegen den Schluß des Jahres aufgefordert, ihnen die Redaction defielben zu über: tragen, wibrigenfalls fie ein neues gründen und alle 14 Tage erjheinen lafjen würden. Neben einem folhen Regierungsblatte, das ohnehin noch vem Lehrer » Gmeritenfonds eine Einnahme gewähren folle, konnte der

Pan. Jahreiteriht. XVIIL 88

» 594 Die äufern Angelegenheiten ber Volleſchule ze.

alte „Bolksihulfreund‘ natürlich nicht beftehen; in Folge einer Aufiorde zung des Verlegers legten daher die oben genannten Herren die Rebartion nieder. (Sad, Schulbl. 1865, ©. 50.) Den Vollsſchulfteund haben wir fonft durch Tauſch erhalten; von dem neuen Blatte ift uns leine Rumme jugegangen, daher wir ohne Urtheil über daflelbe find. Nr. 50 des End’ Ihen Schulblattes bringt jedoch eine Kritik defjelben, vie nicht jehr exbau- lid klingt. Wie wir aus Nr. 16 des Schulblattes erſehen, halten ur ſehr wenig Lehrer den Vollsſchulfreund, haben das freilih aud nicht nö⸗ tbig, da die Prediger ihn auf Koften der Kirdfpiel: Schultafien anſchafſen

Denn der Herr Schulrath Bod mehr Thaten diefer Art ausführt, fo würfte es ihm laum gelingen, fich die Liebe der dortigen Vollsſchullehrer zu erwerben.

12. Der Communallehrer » Berein in Berlin bat ein Verzeihuiß ſaͤmmtlicher Lehrer und Lehrerinnen an dortigen Gemeindejchulen zuſammen⸗ geftellt und drucken laſſen, das ein intereflantes ftatiftiihes Material dar bietet. Die Lehrer find nad ihrer Anciennität geordnet, und von jebem Einzelnen ift das Datum feiner Anftellung, die Schule und Klafſe, in wel her er unterrichtet, die wöchentlichen Unterrichtsfiunden, Gehalt, Lebens⸗ alter und Dauer der Zhätigleit vor definitiver Anftelung, Wohnung x- genau angegeben. Nach dieſem Berzeihnik find an den 31 Gemeindeihu len 31 SHauptlehrer, 247 Nlafienlebrer und 16 Xebrerinnen (für willen ſchaftlichen Unterricht) angeftellt; 5 Klaſſen werben interimifiih und 10 als vacante durch Vertretung verwaltet. Die Lehrerinnen beziehen 300, die meiften Lehrer 400, 450 und 500 Thle. Gehalt. Tas TRarimum des Gehalts für Klaſſenlehrer, 750 Thlr., erhalten 13, den nädffolgenden Sas, 700 Thlr., ebenfalls 13 Lehrer; die Hauptlehrer haben 750 WO Thlr. Gehalt.

13. Lebrern in Mleineren Städten ift der Verlauf von Schreibmate rialien an ihre Schüler geftattet.

Gehalte.

14. Im 1. Hefte des Centralblattes ift eine Ueberficht der Gehalts: verbeflerungen enthalten, welde in den 12 Jahren von 1852 bie 1868 erfolgt find. Diejelben find theils aus Gemeindemitteln, theils aus Staats⸗ mitteln geleiftet worden. Ihre Höhe ergiebt ſich aus folgender Ueberficht. Aus Gemeinde aus Staats⸗, Stifts⸗

Provinz. mitteln, n. a. Fonde. Summe. Breußen ... . . 82,139 Thlr. 10,791 Thlr. 92,930 Th. Vojen ......51,437 7,090 58,527 s Schleſien..... 93,238 5,138 98376 Bommern .... 51,568 = 4,235 55,803 Brandenburg . . 99,846 = 12,053 =: 111,899 : Sadien .... . 71,656 4744 76,400 Meftfalen ..... 70,886 4957 75,343 : Rheinprovinz. 193,411 + 19,400 212,811 Hobenzollem . 1,343 181 = 1,524

715,024 Thlr. 68,589 Thlr. 783,613 Ablz.

Die äußern Angelegenheiten ber Volksſchule 2. 595

. 35. Die Beſoldungen der Direetoren und Lehrer an Schule lehrer: Seminarien find unterm 1. Febr. 1864 folgendermaßen feſtge⸗ ſtellt worden.

1) Die Normal⸗Beſoldungen der Directoren und Lehrer betragen;

A. für die Directoren ;

an den Seminaren zu Berlin und Königsberg 1200 Zhkr. an den übrigen Seminaren Bd . . - - x... 1000 an den a a von 600 bi3. . 700

B. für die orbentliden Lehrer: an bem Seminar zu Berlin 800, 700, 650, 600, 500,

erP

8 400 Thlr. - 5. an den Seminarien mit 5 Lehrern 650, 550, 500, 450, 400 Ihlr.

o. an den Seminarien mit A Lehrern 650, 300, A450, 400 Zhlr. d. an den Seminarien mit 3 Lehrern 650, 500, 450 Thlr. e. an den Seminarien mit 2 Lehrern 600, 500 Thlr. f. an den Lehrerinnen -Seminarien mit 3 Lehrerinnen 400, 350, ' 800 Zhlr. g. an den Lehrerinnen » Seminarien mit 2 Lehrerinnen 800, 200 Thlr. C. für Muſterlehrer und Lehrer an den Uebungsſchulen 350 Thfr. D. für Hülfslehrer und Hülfslehrerinnen: a. an dem Seminar zu Berlin 225 Thlr. b. an den übrigen Seminarien . 200 = 2) Neben der Normal: Befoldung, mithin ohne Anrechnung auf bies felbe, wird den Directoren, Lehrern und Lehrerinnen freie Wohnung, oder wo dieſe nicht vorhanden, eine baare Entfhädigung gewährt. Der Werth der Natural: Wohnungen wird überall: zu 10 0 des Gehalts oder der Res muneration berechnet, die baare Entjhädigung aber gleihfalld mit 10% des Gehalt reſp. der Nemuneration bewilligt. Bei der Feſtſtellung der Penfionsbeiträge wird der Werth der freien Wohnung reip. die Wohnungs : Entihädigung mit zur Berehnung gezogen.

Peſtalozzi Vereine.

186. Die Peſtalozzi⸗Vereine gedeihen, wie die uns vorliegenden Jah⸗ resberichte beweiſen, recht gut. Als eine nicht zu entſchuldigende Abnor⸗ mität müffen wir es aber bezeichnen, daß der ſchon oben (11) genannte "@eminardirector Dembomsti zu Königsberg es zu Anfange biejes »Jahres (18065) unternommen bat, den jegensreih wirkenden Peſtalozzi⸗ Berein für die Provinz Preußen zu untergraben, zu zerjtören, und zwar cus Dem alleinigen Grunde, weil ihm die politifche Geſinnung der Etifter deſſelben nicht behagt. Am 24. Yan. des genannten Jahres hat er die Gnperintenventen zur Verbreitung folgender Grllärung aufgefordert: „Der heſtehende Peitalozzi: Verein unjerer Provinz ſieht das Schulblatt für Die Moltaſchullehrer des Provinz Preußen als das zur Beſprechung der Ber eins⸗Intereſſen beitimmte Organ an, und hat die ftatutenmäßig fefigefeßte

88*

595 . Die äußern Ungelegenheiten ber Volkeſchule x.

Hauptverfammlung der Mitglieder mit der fogenannten Provinzial: Lehrer Verfammlung vereinigt. Die Unterzeichneten fehen ſich dadurch von aller Einwirkung auf die Vereinsthätigkeit ausgefchlofien, da das genannte Blatt und die Provinzial-Lehrer-Berfammlung Tendenzen verfolgen, an denen fe ſich nah ihren Anſchauungen nicht betheiligen können. Indem fie deshalb biemit öffentlich erllaͤren, daß fie aus dem befiehenden Verein ausfheiten, zeigen fie zugleich ihren Gefinnungsgenofien an, daß fie zur Bildung eines neuen Peftalozzis Bereins zufammengetreien find, der unter Feſihaltung des

Zwedes und der wejentlihen Beſtimmungen des alten Statuts der guten Sade ohne alle Nebenrüdfichten dienen und den Vollsſchulfreund als das Vereinsorgan anfehen wird.‘

. Ein foldes Unternehmen richtet fich ſelbſt. An den Lehrern ber Pro: ving Preußen ift ed nun, zu zeigen, daß fie das Lob verdienen, weldes ‚ihnen das Schulblatt in der oben (9) mitgetheilten Charakteriftit ertheilt. In Nr. 8 fagt der Herausgeber des Scuiblattes: „Die Schreiben des Seminarbirectors Dembowsli erregen überall das größte Aufſehen. Alge ‚mein fpriht mau ſich mit großem Unmillen und ſehr indignirt über die jelben aus. Aus der ganzen Provinz liegen Schreiben vor und zwar meill in fo, ſtarken Ausprüden, daß fie ſich nicht gut veröfientliben laſſen, me mit aber nicht gejagt fein foll, daß fie nicht recht fcharf dem Nagel auf den Kopf trefien. Bon Abfall haben wir bis jebt nur aus wenigen Rird- jpielen und einer Stadt etwas vernommen; dagegen wird fehr häufig ver fibert: „In unferm Kirchſpiel oder in unjerer Stadt ift fein Abtrünniger, Wir halten feft am alten Beftalozzi: Verein. Daß aber Herr Dembomsli ‚und feine Partei eine große Thätigleit entwideln werden, um nicht zu er liegen, ift begreiflid. Die erfte von ibm abgehaltene Seneralverfammlung zählte fhon 50 Theilnehmer,, darunter aber nur circa 15 Lehrer. © wird aber bald befier kommen; Seminardirector Zacharias in Karlene it mit Jämmtlihen Böglingen feiner Anftalt beigetreten. Handlungen diefer Art verdienen, ernften Tadel. Gin Seminarift, der aus der Taſche feiner Eltern lebt und Unterftügung vom Staate erhält, darf Vereinen, de Gelobeiträge fordern, nicht beitreten.

4. Schulgemeinden.

. 17. Bon der Generalverfammlung der katholiſchen Vereine Deutihlands find folgende zwei Anträge angenommen worden: 1) Die Verſammlung erblidt in dem Schulzwange einen unbeilvollen Eingifi in die Rechte der Familie; 2) fie fordert die katholifchen Vereine in der Ländern, wo Schulzwang befteht, auf, die geſetzliche Befeitigung deſſelbes anzuftreben.

Ueber dies vermerflihe Streben ift ſchon oben bei Beſprechung be einjhläglihen Schrift von Lulas (|. S. 307 u. f.) die Rebe geweſen. | 418. In dem Gentralblatt von Stiehl (1865, 6. 617 u. f.) fie Abbildungen von Subfellien für Kinder von 5—7, 8—10 we 11—14 Jahren enthalten, die Beachtung verdienen, wo es ſich um Ne anſchaffung von Baͤnken und Pulten für Glementarfchulen handelt,

Die äußern Angelegenheiten ber Volfsihule x. 597,

Aunch die paͤdagogiſche Section der ſchleſiſchen Gefellihaft für vater ländifche Eultur bat über dieſen Gegenſtand wichtige Ermittlungen angeftellt und durch den Drud veröffentlicht.

5. Schulauffidt.

19. „Um in die von ben geiftliben Lobal⸗Schulinſpectoren auszuübende Schulaufſicht einen feiteren Halt, eine größere Blanmäßig: feit, einen organiſcheren Yufammenhang und eine intenfivere Wirkjamteit za bringen“, bat die Regierung zu Merjeburg angeordnet, daß jährlich über jede Schule ein umfafiender Schulberiht an den Ephorus erflattet. werden fol. Die dabei zu nehmenden Gefichtäpunlte find fpeciell feftgeftellt: und auch die Lehrer davon in Kenntniß gejebt worden. Die ganze Ber: ordnung Tann als eine bebeutende, vortheilhaft auf die Schulen wirkende bezeichnet werden; wir theilen daher das Hauptjächlichfte Daraus mit. (Stiehl, Gentralblatt 1865, 3. Heft.)

Borfragen.

Wie viel wöchentliche Unterrichtsſtunden erhält jede Abtbeilung und zu welder Tageszeit ?

Iſt ein vollfländiger linterrihtsplan mit genauer Abgrenzung der Lehrziele für die einzelnen Abtheilungen feftgeflellt und vom Superintenben« ten genehmigt ?

Wird das Schultagebuch überfihtlih und genau geführt?

Macht der Lokal⸗Schulinſpector bei jedem Schulbeſuch feinen Vermerk darin? Wie oft hat er hiernach im lebten Schuljahre die Schule beiucht?.

Den Unterriht Betreffendes. Einrichtung der Morgenandacht, mit weldher der Unterricht eröffnet wird.

I. Reltgionsunterricht.

A. Die Unterklaffe.

Wie iſt der Unterrichtsftoff in Bezug auf bibliihe Geſchichte, Katechis⸗ mus, Spruh, Lied und Gebet feftgeftellt und vertheilt? Wie viel’ bibliſche Geſchichten aus dem Alten und Neuen Teftament insbejondere werden zur Aneignung gebradht und nad welchem Geihihtebuhe? Melde Stüde aus dem Natehismus werden eingeübt? Sind die Wochenſprüche feft beftimmt, und nah melden Gefichtspuntten? Sind die Lernſtoffe feft eingeprägt? Wird das Gelernte deutlich und finngemäß aufgefagt, einzeln und im Chor? Zeigt ſich ein dem Standpunkte der‘ Kinder entfprechendes Berftänpniß? Wie verfleht es der Lehrer, ſich gu den Kleinen berabzulafien, fie innerlih anzufafien und zu fürdern ?

B. Die GOberklaffe (mit der Mittelllajle). 1. Bibliihe Geſchichte. Wie iR der gefammte Stoff der biblifhen Geſchichte in balbjährige’ Gurfen unter Bezugnahme auf die Ordnung des Kirchenjahres vertheilt?

00 Die äußern Angelegenheiten ber Vollksſchule ıc.

der Finder nah Deutlihleit und Schönheit auf ber Schiefertafel, im Schreibebuche? Wie fteht’3 um die Torrectur des Geſchriebenen in ven Schreibebühern duch den Lehrer? Wie find die Schreibebüher äußerlich gehalten? Sind die Umfchläge frei von Anftößigem in Wort und Bild? Merden die Bücher im Schulſchranke aufbewahrt oder mit nah Haufe ge geben? Wird auch nah gebrudten Vorlagen und nah Diktat gefchrieben? Wird, und mit welchem Grfolge, Taltſchreiben geübt?

3. Sprade. Wird der Epradunterriht an's Leſebuch und zwar an ausgewählte Stüde gelnüpft? Wird bei Einführung in das fogenannie logiſche Verftänpnig unnübes Hins und Herreden vermieden? Wird bei Ginführung in das grammatifche Berftänpniß ein beftimmier Gang ver folgt? Wie ſteht's bei den Kindern um Kenntniß der Mörterllafien (Wort⸗ lIebre)? Wie um die Einfiht in den Bau der verjdhiebenen Saßformen (Saplehre)\? Wie weit find die Kinder geübt, beftimmte Sapformen münd: lich und fchriftlih nadzubilden? Wie weit find fie im Stande, Gelefenes mündlih und fhriftlid zu reproduciren? Wie weit find fie in münbdliches und fchriftliher Darftellung eigener Gedanken geübt? Welcher Art find die Auffäge? Hat der Lehrer eine beitimmte Stufenfolge für die Aufgaben? Wie ſieht's um’ die Rechtſchreibung und Beichenfegung? Gorrigirt ber Lehrer die Aufſätze ſorgfältig und läßt er Fehlerhaftes umarbeiten? Wie find die Auffagbüdher äußerlih gehalten? Welche Hülfsmitiel braucht der Lehrer beim Spradhunterricht 3

MM. Rechnen.

A. Die Unterhlaffe.

Biel derfelben. Wird eine Nechenmafchine benupt, ober Rechenftäbe, ober welche fonftigen Veranſchaulichungsmittel? Wie weit zeigt ſich bei dem Kindern Intereſſe, Sicherheit, Gewanptheit ?

B. die Oberklaffe (mit der Mittelllafie).

1. Tafelrehnen. An welches Lehrbuch fließt fih der Lehrer an? Melhes Aufgabenbuch ift in den Händen der Kinder? Ziel der Schule und Verbältniß der geförderteren Kinder zu demjelben. Wie viel Abtheilungen find vorhanden, und ftehen die einzelnen Abtheilungen auf entſprechenden Etufen? Wie fteht’3 um die Fertigfeit und Sicherheit im Löfen der Auf gaben, um die Einfiht in das Verfahren, um felbftändige und zuſammen⸗ bängende mündlide Darftellung der Löjung? Sind die Sciefertafeln mi Schwaͤmmchen oder Laͤppchen zum Neinigen verjehen ?

2. Kopfrechnen. Steht das FKopfrechnen mit dem Tafelrechnen in Beziehung? Werden die Aufgaben aus dem Bereiche bed Verkehrs ge nommen, in dem die Kinder jebt fchon fliehen, oder in den fie vorausſicht⸗ Ld einmal treten? Wie meit find die Rinder im Kopfrechnen gefördert in Bezug auf den Grab der Schwierigleit der geftellten Aufgaben, in jchnelle und ficherer Auffafjung der gegebenen Zahlverhältnifie, in Fertigfeit, Sicher heit und ber dem Kopfrechnen eigenthümlichen Gewandtheit der Löjung?

Die Außern Angelegenheiten ber Volkoſchule u ADE

IV. Weltkunde.

. Wird der Unterrictsftoff nur aus dem Lehrbuche genommen, oder findet er feine planmäßige Erweiterung? Wird ein beflimmter Gang inne gehalten, und welcher? Etwa im Sommerhalbjahr Naturkunde ( Raturges Ihichte und Raturlehre), im Winterhalbjahr Vaterlandskunde ( Geographie und Gefhichte)? Welche Unterrichtsmittel, namentlich Landlarten und Abs bildungen, find vorhanden? Wie fteht’s mit den Kenntniſſen der Kinder nah Umfang und Sicherheit ?

V. Gefang.

Wird blos nad dem Gehör gefungen, oder nah Noten, oder nad Ziffern? Welche Ehorals und Liederbeite find in den Händen der Kinder? Wie viel Choralmelodien werden eingeübt? Wie fteht’3 bei den Kindern mit der Sicherheit auch im Cinzelfingen? Eind die liturgifhen Chöre fiher geübt? Wie viel Vollsliever werden eingeübt? Urtheil über bie Auswahl. Wie übt der Lehrer zu fefter und reiner Tonbildung? Wie ſteht's um diefelbe und um verftändliche Ausſprache des Tertes bei ben Kindern? Womit leitet der Lehrer den Gefang ein? Wird auch mehr fimmig gefungen ?

VI. Zeichnen in Verbindung mit Formen= reſp. Raumlehre.

Wird diefer Unterrihtsgegenftand betrieben? Wie und mit welchem Kefultat ?

6. Schriften über Echulgefeßgebung.

Gefetze und Verordnungen über Befolbung, Dienfttwohnungen, Diöten, Umzugskoſten, Urlaubebewiligung, Unterflügungen, Benfion, Be⸗ rechnung der Dienftzeit, Beitritt zur Wittwenfafle ꝛc. der Lehrer au den

reußiſchen Gymnaſien, PBrogumnafien, Real, höberen Bürger- und Töchter⸗ len, Provinzial⸗Gewerbeſchulen, Schullebrer-Seminarien nebſt ſtatiſtiſchen Mittheilungen über die Höhe ihrer Gehälter. Nach amtlichen Quellen zu⸗ fammengeflelt von Dr. Eduard Mushacke, Oberlehrer an der Konig⸗ ſtädtiſchen Nealihule zu Berlin. 8. (32 ©.) Berlin, ®. Schulze (Wohlgemuth’s Buchh.), 1865. 74 Egr.

Der ausführlidhe Titel gibt den Inhalt diefer kleinen aber recht brauch⸗

baren Schrift genau an.

7. Lehrer : Kalender. Lehrers Kalender für 1866. Liegnitz, H. Krumbhaar. 12% Ser.

Die Einrichtung diefes Kalenders ift zwedmäßig. Er enthält außer einem aftronomifchen Kalender zugleih einen Schreiblalenvder, Yormulare- zu Schüler: Berzeihnifen und Stundenplänen, ſtatiſtiſche Nachrichten, das Inhaltsverzeichniß des Stiehl’ihen Gentralblattes und die Titel literarifcher Neuigkeiten. Die beiden legten Stüde find jedenfalls ſehr überflüffig; denn wer Kenntniß der Regierungs-Verordnungen erlangen will, muß bas Central blatt ſelbſt halten, und Büchertitel offeriren unfere betriebfamen Buchhand⸗

lungen gern gratis.

ME Die äußern Angelegenheiten ber Volksſchule zc.

0. Medlenburg.

1. Bei der jüngften Nekrutirung hatten von je 100 eingeſtellten Rekruten in den Städten 70, im Domanium 90 und in der Ritterſchaft 94 gar keine oder eine mangelhafte Schulbildung. In der Ritterſchaft konnten 39 Procent Rekruten weder lefen, noch jchreiben, noch rechnen.

Solche Zahlen verurtheilen die betreffenden Schulen in jhärfiter Weiſe

2. Nah dem Medienburgiihen Edulblatt (1865, Nr. 46) mirb aber bier und dort in den Heinen Städten bes Landes das Berlangen nach höherer Bildung laut; man forbert höhere Bürgerihulen. Das MR ein gutes Zeichen.

3. Wir werden uns fohwerli irren, wenn wir das Berhältniß der Schule zur Kirche als eine der Urſachen des unbefriebigenden Zuflanbes ver medienburgifchen Volkeſchulen bezeihnen. Orthodoxe Geiflliche werben nur felten zugeben, daß die Volksſchulen eine zeitgemäße Gintichtung erhalten; fie bejorgen insbefondere von den Naturmiflenichaften Gefahr für den Ölauben. Ob die medienburgifchen Lehrer und Gemeinden bereits zu deſer Anficht aelommen find, willen wir nicht, möchten ed aber glauben. Um:$o teperiihe Gedanken gleih im Keime zu erftiden, bringt das Medien burgifhe Edhulblatt in Nr. 16—21 „Gedanken über Ridtigftellung ver Volksſchule zur Kirhe‘’, aus denen wir nur einen als Probe ausheben. In Nr. 20 beißt es: „Daß die Snfpection über bie Volksſchule ben Geiftlichen nothwendig zufallen muß, und nicht etwa ber Schulgemeinde“ oder dem Magiftrat wie man feit dem Abfall der großen Mafje vom Chriſtenthum zu fchreien angefangen und bis auf den heutigen Tag nidt aufgehört hat liegt nach unjern geſchichtlich- dogmatiſchen Borausjeßungen außer allem Zweifel. Denn bat das gottgefeßte Amt der Gnabenmittel überall ein infpicirendes , controlirendes, ja auch eraminirendes Hecht und Pflicht an die ihm anvertraute Gemeinde, und ift anvererjeits der Lehren fland Nichts ale Hülfe und Statihalterfhaft diefes Amtes an der unmün digen Zaufgemeinde, fo ift damit ohne Weiteres die Inſpections⸗ und Graminationspflibt der Geiftlihen in der Vollsichule gegeben. Denn das Amt bat die Pflibt, fih fort und fort über die Richtigkeit materiell und formell richtiger Erziehung der Rinder zu vergewiflern. Sodann aber wird dem Lehrerſtande dadurd das Bewußtſein feiner ftellvertretenden und des⸗ balb unter Oberaufjiht des gottgejegten Paſtorates geführten Erziehungs ftelung wad erhalten und das Bewußtfein ihrer Nlirchengebörigleit, welches heutzutage den Kindern noch faft mehr als den Erwachſenen fehlt, feft und wmvertilgbar eingepflanzt.”

Zrefflihe Logik! Aber die Zeit ift nit mehr fo fern, wo diefelbe in ihrer ganzen Blöße wird aufgebedt werden, wo man über die Häuptet Diefer „‚gotigefeßten PBaftoren‘‘ hinmwegjchreiten wird.

4. Ein erheblides Hinverniß für das Gedeihen der Bolls:, namenb lih der Landſchulen ift die fogenannte Sommerjchule, d. b die Cin⸗ richtung, wonach ber größere Theil aller zehnjährigen Kinder während des Sommers, d. b. während 30 Wachen, von allem Unterricht dispenſirt wid. Das iſt troftlos und ganz geeignet, den tüchtigften Lehrer zu emimuihigen:

wa 0

' Die äußern Angelegenheiten ber Volfefchule ꝛc. 608

Nr. 39 und AN des Medienburgifhen Schufblattes (1865) enthält einen lefenswerthen Artikel von einem mir perfönlich unbelannten Namensvetter, C. Lüben in Elvena, Mangel an Dienfiboten wird als Urſache dieſer Ginrihtung bezeichnet. |

5. Seit fünf Jahren befigen die Lehrer einen Lebensverſiche— rungsverein mit einem Kapital von 13,000 Thlrn. und einem Reſerve⸗ fonds von 9000 Thlrn. Die Verfiherungen erfolgen nad eigener Wahl von 50 bis 200 Thlrn. Die zu zablenden Prämien betragen (ohne Genuß ber Dividende) 20 Edhill. -- 1 Thlr. 14 Schill.

6. Bom NAmisverwalterer Bald ift bei Hinftorff in Wismar ein ſtatiſtiſches Werl erfchienen, das den Titel führt:

Das Schnlweſen in Medlenburg- Schwerin, ale erfte Abthei⸗

fung des zweiten Bandes der bomanialen Berhältniſſe. Geh. ! The -

Wir kennen das Werk noch nicht aus eigener Anſchauung.

II. Schleswig-Holſtein.

I. Bon Holftein aus wird berichtet, daß die Zahl der Lehrer nit mehr zur Befriedigung des Bedürfniſſes ausreiht; zu einer Stelle mit 600 Marl, freier Wohnung und Feuerung hatte ſich fein einziger Bewerber gefunden.

2. Zn Tondern ift ein fogenanntes Autodidakten⸗Eramen,

eingerichtet worden, offenbar, um den Gintritt in das Schulfach zu er. leihtern. Wie viel man von den Autodivalten fordert, willen wie nicht, fordert man aber weniger, als von einem tüdtigen Eeminariften beim. Abgang vom Eeminar, fo vergeht man fih gegen die Schulen 8. Die Lehrer haben große und natürlich mwohlbegründete Furcht vor der Einführung der preußiſchen Regulative; fie halten ihre Schulen für befier, als die nad den preußiſchen Negulativen eingerichteten. Hier: über fieht mir fein Urtheil zu. Doc möchte ich den Lehrern empfehlen; fih nicht vor der Zeit Sorge zu machen. Die zwölf Jahre, währen welcher die Regulative zu Recht beleben, haben ihnen mande Epige ab» gebrohen. Zahlreiche officiele Ecdyulberichte, namentlih aud Berichte über- die Seminare, beweilen, dab man in preußiigen Ecyulanftalten auch un. behindert nad den beiten Methoden unterrichten fann. Wo die Regulative. einen unangenehmen Drud ausüben, da liegt es in ber Negel in der Bes fangenheit der naͤchſten Vorgefebten.

4 In Altona iſt eine Organifation des ganzen dortigen Volke⸗ ſchulweſens in Angriff genommen worden. Der enticheidendfte Schritt da⸗ für ift in der Anftellung eines Schulrathes in der Perfon bes fehr geadhteten bisherigen Inſtitutsvorſtehers Chr. Andreſen gejhehen. Wir gratuliren der Stadt Altona dazu umd freuen uns, daß ihre Behörben zu‘ der Sinfidht gelommen find, daß eine folde Perfon ımentbehrli für die Entwidelung des Schulweſens iſt; denn fie gerade ift das organiftzende, beiehenbe un» befsuchtenbe Clement darin. \

604 Die äußern Angelegenheiten der Bolksfäule x.

IV. Hannover.

1. Der Fonds zur Bewilligung von Zulagen an verbienie, im böberen Dienftalter ftehende und verbältnifmäßig ungenügend beſoldete Schullehrer ift von 195,000 auf 25,000 Thlr. erböht worden. Die Unter ftügung erfolgt nad folgenden Grundfägen: 1) Selbftändige, d. i. auf eigene Haushaltsführung berechnete Schulftellen, müflen, wenn die Schüler zahl nit unter 25 bleibt, eine Einnahme von mindeftens 120 Xhlm. haben. 2) Eind fie mit einem Kirchendienſte verbunden und zählt die Schule mindeftene 30 Kinder, oder beträgt die Schülerzahl erheblich über 30, fo muß die Ginnahme der Regel nah auf 140 bis 150 Thlr fi belaufen. 3) Echulvienfte, welche bei minveflens 60 Rindern mit einem Kirchendienſie verbunden find, oder erbebli mehr als 60 Kinder haben, erfordern mebr als 150 Thlr. bis zu 200 Thlr. Ginnahme, 4) Säul bienfte mit mehr ale 90 Kindern und einem Slirhendienfte 200 bis 250 Thlr. 5) Stellen für (ftudirte) Rectoren beftimmt, follen der Regel nad 850 bis 400 Thlr. eintragen, und Stellen in Städten und Fleden über baupt erfordern, fofern die Verbältnifie mwefentlih von denen bes platten Landes fi) unterjcheiden, ein Einlommen, weldes die unter 1 bis 4 aw genommenen Saͤtze merklich überfteigen. (Allgemeine deutjche Lebrerzeitung, 1865, ©. 47.)

2. Auf der im April 1865 ftattgefundenen Lehrerverfammlung in Göttingen haben die Lehrer felbft ihre Wünfhe in Bezug auf das Dienft eintommen ausgeiproden. Sie gehen mit ihren Forderungen für Land lehrer nit über 400 Thlr., für Stadtlehrer nit über 600 Thlr. hinaus, baten ſich aljo in ſehr bejheidenen Grenzen. (Das Nähere in ber Sannoverfhen Schulzeitung, 1865, Nr. 11.)

8. Die Angelegenbeit des geftifteten Peſtalozzivereins hat guten Hortgang. Unter den Einnahmen befinden fi Geſchenke von der Königin mb von Dieftermweg.

4. Eine „weſentliche Erhöhung der Wittwen⸗ Penſionen“ für die Sabre 1868 AB ift von der Direction der Volksfchullehrer » Wittmentafle, ſowie aud vom Cultusminifterium abgelehnt worden, da man dadurch das Beſtehen der Kaſſe gefährvet glaubte, eine Anficht, die mande Lehrer nicht tbeilen.

5. Die Lehrer der Landproftei Lüneburg haben am 1. Jan. 1865 eine Lehrer-Wittmen: und Waifenklaffe errichte. Der jährliche Beitrag beträgt mindeftene 1 Thlr. Die Eigenthümlichkeit der Anftalt be fteht darin, daß fie nicht für alle Familien gleih hohe Unterflügungen ge währt, fondern dieſelben allen einzelnen berechtigten Yamilienglievern in gleicher Höhe zufließen läßt. Sie zahlt alfo da am meiften, wo bie größte Anzahl jüngerer Kinder und aljo im Allgemeinen die größte Bedürftigkeit fi findet. Gine Gteigerung der Fonds erwartet man von außerorbentlichen Ginnahmen, namentlich aud von literariihen Unternehmungen.

6. Man beabfidhtigt die Gründung einer Sterbe und Begräbwislafle für Lehrer, deren Frauen und Witten.

7. Sehr günftig bat fih ein Lehrer-Brandbverjiherungsr

Die äußern Angelegenheiten ber Volkoſchule ꝛc. 608

Berein geftalte. Nah dem lebten Rechenſchaftsberichte zählt berjelbe 1207 Mitglieder, die ein Kapital von 1,096,855 Thin. verfihert haben. In der Kaſſe befinden fih 1655 Thlr., was zu ber Hoffnung berechtigt, daß die Interefienten feinen Beitrag werben zu zahlen haben.

8. Die ftädtifhen Collegien in’ Hannover haben für den Bau ‚iner zweifahen höheren Töchterſchule 53,000 Thlr., zu denen moch etwa 5000 Thlr. fommen werben für Heizung mit feuchter Luft und Mt Bentilation, für den Bau einer zweifachen Mittelfhule 46,000 Thlr., wozu wohl gleihfalls nodh 5000 Thlr. für Heizeinrichtung und Lüftung binzulommen werden, bewilligt. Die ftäptifchen Collegien in Hildesheim haben den Bau einer neuen Central-Knabenſchule beſchloſſen. (Allgemeine deutſche Lehrerzeitung, 1865, ©. 279.)

9. Unterm 13. Mai 1865 bat das Confiftorium angeorbnet, für alle mehrklaſſigen Shulen Lehrpläne feitzuftellen, in denen nicht ‚nur die Lehrziele für. die einzelnen Unterrichtögegenftände für jede Klaſſe, ſondern auch der Lehrgang bezeichnet iſt. Das iſt jedenfalls eine ſehr verdienſtliche Verordnung, da es nur zu oft vorkommt, daß in derartigen Schulen jeder Lehrer jo ſehr feinen eigenen Gang geht, daß an ein Zu: ſammenwirken gar nicht zu denken iſt.

10. Ein Conſiſtorial⸗Erlaß vom 31. Juli 1865 Bat die Beauf⸗ fihtigung der Volksſchule zum Gegenftand. Derfelbe lobt eingangs die verdienftliche Thätigleit der Geiltlichen als Schulinjpectoren, findet aber, daß bin und wieder die Schulen nicht fo regelmäßig beſucht werben, als es das Intereſſe derfelben erbeifht. In Folge diefer Wahrnehmung wird das Ausjchreiben, welches die Einführung von Monatsbüchern betrifft, in Erinnerung gebradht, und die Geiltlihen werden aufgefordert, ihre Bejuche in dem betreffenden Buche zu notiren. Schließlich wird das Vertrauen ausgesprochen, daß dieſe Infpectionen in einer Weife vorgenommen werden, durch welche die Lehrer in den Geiftlihen nicht nur ihre Vorgejegten, fon: dern aud die Gehülfen ihrer Freude erlennen mögen. (Vollſtaͤndig abge drudt in der Hannoverfhen Schulzeitung, 1865, Nr. 22.)

11. Hannover befißt 11 Seminare, und zwar 2 evangeliſche Lehrerinnen: Seminare zu Hannover und Dsnabrüd, 6 evangelifche Lehrer: Seminare zu Alfeld, Aurich, Hannover, Lüneburg, Neuenhaus und Stade, 2 desgl. katholiſche zu Hildesheim und Osnabrüd, eine juͤdiſche Lehrer Bildungsanftalt zu Hannover. Die Kurfe find theils einjährig, theils gweis, theils dreijaͤhrig; an einigen Seminaren beftehen auch drei⸗ und eins jährige Kurſe neben einander. Die Zahl fämmtliher Seminarlehrer beträgt 59, ver Böglinge circa 450. Der Zubrang zu den Seminaren ift ſehr erheb⸗ KH, da faft immer nur die Hälfte der Bewerber in viefelben aufgenommen werden können. Ber Grund dazu wird in den geringen Anforderungen .bei ver Aufnahme in das Seminar und in der damit verbundenen Beſrei⸗ ung vom Militärdienft gefuht. Die jogenannten Bezirksſeminare, d..b. Seminare mit einjährigem Kurfus, follen künftig einen zweijährigen Kurfus erhalten. Im Seminar zu Aurich ift das Zurnen jegt obligatorifcher Unterrichtögegenfland, ob aud in den übrigen Landetſeminarien, iſt uns wicht. belannt. BR

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O5 Die änkern Angelegenheiten ber Volksſchule zc.

12. Un pädagogifhen Zeitſchriften erfheinen in Haunswer: Hannoverſche Schnlzeitung. Im Auftrage des Brovinzial-Lebrer: bercims ‚Dülbesfeim herausgegeben von H. F. W. Bartholomdus. OHilbet⸗ im, Lax. Gin friſches, gut redigirtes Blatt. Hannoverſchee Schulblatt zur ——— zwiſchen Schule und ung.

Haus Über ragen des Unterrichts und ber Erzie ausgegeben ven 8. Gallin, Director der Mittelfhule in Hannover. 3. Jahrg. n.

Neue Blätter für bie VBollsfhule ber Herzogthüner Bremen unb Berden und bes Landes Hadeln. a unter Wedaction von

. vd Garlen, 8. 9%. deler, ©. . —88 H. U. Hadeler, ©. Hähn. 5. Jahrgang. Stade,

V. Oldenburg.

1. Das Dienſteinkommen der Lehrer iſt noch Immer unzu⸗ reihend. Gine darauf gerichtete Petition der Lehrer an den Landtag if von diefem der Regierung zur Berüdfihtigung empfohlen worden. Ob darauf fhon Etwas erfolgt tft?

2. Um dem Peftalozziverein die nöthigen Mittel zu verſchaffen, haben die Lehrer die Gründung eines Selbftverlags zur Herausgabe ver fhiedener Schriften, als Katechismus, Liederbuch zc. beſchloſſen. Das Be triebscapital ſoll durch Actien & 1 Thle. aufgebracht werden.

3. Die Lehrer-VBereine baben überall guten Fortgang, und geben Beugniß von dem cifrigen Streben der Lehrer nad Tortbildung.

4. Das Centralcomit6 des Lehrervereins bat das Oberſchulcollegium erfucht, die Aufnahme und Entlafjung im Ceminar von Michaelis in den Mai zu verlegen, wo die Echulen ihre Aufnahme haben. Gbenfo haben fle den Wunſch ausgejprodhen, daß der gefehlihe Unterricht der Schule nit möge durch den Konfirmandenunterricht verkürzt oder geftört werten.

5. Das zu Oftern 1866 ausgegebene 23. Programm der Vorſchule und böberen Bürgerfhule zu Oldenburg enthält von dem Rector dieſer Anftalten, K. Straderjan, eine beachtenswerthe Abhandlung über „das Plattdeutſche als Hülfsmittel für den Unterridt.“

VI Braunſchweig.

1. Obwohl die dlonomifhen Verhaͤltniſſe der Lehrer erft in den leg ‚teren Jahren etwas verbeflert worden find, fo lafien fie doch immer nod viel zu wünjchen übrig. Wie es fcheint, follen die Wünfche der Lehrer in nächfter Beit befriedigt werben. In den fechöllafiigen Gemeindefchulen der ‚Stadt Braunfchweig beträgt das Gehalt für die Unterllafle jeit vem 1. Januar 8865 300 Thlr. und fteigt für jede folgende um 50 Thlr., fo daß die oberfte mit 550 Thlrn. abſchließt.

2. Die mittleren Bürgerfhulen haben Injpectoren zu Borfebem, die unteren fogenannte dirigirende Lehrer. Grfiexe finb Zpeologen, Dugtere werden aus der Zahl ber Lehrer gemählt und erhalten fir ihre Mühewaltung 100 Thlr. und freie Wohnung. Nah unjerem Dafücheiten

Die ‚äußern Angelegenheiten der Volksſchule ꝛc. 604

würden bie mittleren Buͤrgerſchulen durchſchnittlich beſſer beratben fein, wenn :fie ihre Vorſteher (Inſpectoren) aus der Zabl der tüchtigſten Balls: ſchullehrer erhielten, da biefe durchgängig in allen Schulſachen tüchtiger ſind, als die Theolgen, die ja eben ihre befte Zeit pflichtfchuldigft und auch aus innerem "Antriebe der Theologie widmen müflen. Die Schule wird ihnen nie etwas anderes als eine Webergangsftation fein.

3. Schon vor einigen Jahren find Verhandlungen eingeleitet worden, welhe die Befreiung der Lehrer von den niederen kirchlichen Dientten zum Zwed haben; der Erfolg verjelben ift aber noch wenig ſichtbar, da weder die Gemeinden dazu große Quft bezeigen, nody die Lehrer exnfilich Darauf driugen, wenn fie Berlufte dabei haben follen. Die. große Mehrzahl der Lehrer wünfcht aber nicht nur die Befreiung von niebeuen kirchlichen Geſchaͤften, fondern mwünfht bie bisherige Stellung dex Prediger zu ven Schulen gelöft zu ſehen, mas wiederholt in den größeren GSonferenzen zum Ausdrud gekommen if. Wie anderwärts ..in Deutihland, ſo wollen auch die Lehrer im Herzogthum Braunjchmweig nicht ohne Auſſicht fein; fie verlangen nur, von jachverftändigen Männern con teolirt zu werden, von Männern, welche bereit und befähigt find. .eine zeitgemäße Ginrichtung der Schulen zu fördern, Männer, melde neben dem NReligionsunterriht auch die weltlihen Dinge zu ihrem Recht kommen lafien. Wenn die Lehrer ofien bervortreten und in ihrem Streben nidt laß: werden, jo märe es wohl möglih, daß fie Aehnliches erreichten, wie im Herzogthum Gotha.

4. Das Herzogthum Braunſchweig bat drei gehrerbildungsan: falten, von denen jevoh nur die in Wolfenbüttel Landesſeminar iR; denn die zu Braunfhweig will nur Lehrer für diefe Stadt aus⸗ büden, und die zu Blantenburg bildet Gymnaſiaſten blos nebenbei und privatim zu Lehrern. Das Wolfenbüttler Seminar umfaßt eine zweillaffige Realihule und eine PBräparandenanjtalt, melde die Stelle des Seminars anderer Staaten vertritt oder doch vertreten fol. Die Aufnahme in die Realſchule erfordert die Reife der Oberllafje einer Stadt» oder gehobenen Landſchule. Der Unterricht, bejonders für Schulamtsafpiranten berechnet, erſtredt fech auf ſtatechismuslehre, Bibellunde deutihe Sprache und. Literas tur, Rechnen, Geographie, Geſchichte, Naturkunde, Geometrie, franzöfisde Sprache, Singen, Schreiben, Zeihnen und Turnen. Der Klaſſenkurſus at im Durchſchnitt ein zweijährige. Aus der erſten Klaſſe erfolgt alljährlich eine Verſetzung in die Präparandenanftalt, für welche die erforderliche Reife im Stlawierjpiel ein bejonderes Eramen darthun muß, und. welde ein. Aller von mindeftens 17 Jahren vorausjeßt. Der Kurſus in dieſer Anftalt ‚if ein breijähriger, und dem entſprechend jind die Zöglinge in drei Abthö⸗ lungen geſchieden, von denen die britte nur an dem Unterricht Theil nimmt und den Lehrübungen beimohnt, obne aber fjelber folhe vorzunehmen, kie gweite und erſte hingegen Lebrvorträge und katechetiſche Probeleltiouen balten. Der Unterricht erftredt fi auf die bereitd- auf ber Realſchube vertretenen Disciplinen, mit Ausſchluß der franzöjiihen Sprache, und auf Pädagogik, Drgelipiel, Violinſpiel, Generalbaß, Katechiſiren und Gartenban, mud zwar ſollen die meilten Alnterrichtögegenftäude fo vertheilt werden, daß

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die &ußern Angelegenheiten ber Volksſchule c. 609

Ständen angehören. Das forgfältig überwahte, in der gebil» lie geiftig angeregte und bis zu dem möglichen Grade entwidelte auf derjelben Bank figen mit einem Finde, das nicht bloß im ‚oft im Schmuß aufgewadjen, jondern nicht felten auch geiltig nmen ift, weil feine Eltern fich entweder nur fehr wenig, oder „ver weniger verkehrter Weile um daſſelbe befümmerten. Und ejhehen, damit jedes Kind Gelegenheit habe, einen möglichit bos von Schulbildung zu erlangen. Die Abit ift aljo jedenfalls vortreffliche, eine durhaus humane. Die Oberjchulbehörbe will Irmenjhulen, Volksſchulen, mittlere und höhere Bürgerfchulen, allerdings nur die beiden erſieren; fie fondert aljo gewiſſermaßen jugend nad den DBermögensverbältnijien ihrer Eltern. Hiergegen das demokratiſche Gefühl des Herrn Dr. Nee und Genofien ein f, weil es fich verlegt fühlt, was wir volllommen begreifen. Im 348 wurde bereit3 diejelbe dee in Lehrerkreiſen und anderwärts Seitdem ift fie aber von der Tagesordnung verihwunden. Man ſehr allgemein, daß die Idee zwar jehr anjprechend, aber nicht aus⸗ jei. Eltern mit nad der einen oder andern Richtung hin verwahrs ındern wird ed allerdings gleichgültig jein, in welcher Geſellſchaft ‚ver bejhult werden, nicht aber ſolchen, die in ihren Slindern bie Güter erbliden, die ihnen zur gemwijjenhaften Förderung anvers rden find, und bie für jie gethban haben, mas Menſchen thun kön⸗ ‚nen ift es vielmehr heilige Gewiſſensſache, ihre Kinder vor übler Gefells “bewahren, und man würde ihnen unverantwortlihe Gewalt anthun, „an fie in die Nothwendigkeit verjegte, darauf eine Reihe von Jah⸗ :zichten zu müflen. Dazu kommt, daß jeder erfahrene und vorur⸗ sie Lehrer weiß, daß Kinder, die geiſtig angeregt und ſprachlich ents find, ſchon im eriten Schuljahre faſt doppelt jo große Fortfchritte - Schule maden, als ſolche, bei denen dies nicht der Fall if. Das ‚he ih auf Seiten des Entwurfs der Oberjchulbehörde, wenn ich auch ven muß, daß mir „Armenſchulen“ principiell zumider find. Diefen n vermeide man und unterjcheide nur Boltöfchulen mit höherem und ı, rem Gchulgelde, die man, wie ih es in Merjeburg gethan, als erfte zweite Bürgerſchule bezeichnen kann. Den Borjhlägen Dr. Rée's iſt Theodor Hoffmann in ber ' *rift „Die allgemeine Volksſchule.“ (Hamburg, Nolte. 1866) entgegen »sten, und Griterer bat darauf in ber Brochüre „Die allgemeine Volks⸗ fe, oder Standesſchulen?“ (Hamburg, Hoffmann u. Campe. 1866) ge worte. Hoffmann vertritt den Entwurf der Oberjchulbehörde, da er -ın fehr fleißig und mit vielem Geſchid mitgearbeitet hat. Der Naum stattet uns nicht, näher auf beide Schriften einzugeben; aber wir haben ide mit großem Intereſſe gelejen und empfehlen fie Allen, die Antheil .pmten an der Gntwidelung des deutichen Bollsjchulmeiens.

x, Lübeck.

In Lübed ift man rajcher zu einem ziemlich befriedigenden Reſultat „ut dem Volksſchulweſen gelommen, als in Hamburg. Mir liegt der, Päd. Jahresbericht. ZVIIL 39

CO Die uber Argeleeabeiten ber Betteidale x.

Gutwurf ;u cmem Gele far va R-llsiismeien u cm az gebinm Berikt ver, bene ausxz:ı na ir zum’ Cie Dceiberirtr Cs eier Cxtwari ikca zum Geis eioten werten, beste ah we ni estabern, ideiat ter Ber ı:.. zu 'az, wenistems las ı3, Bud 5 „bee Ebsucclense” eziei ji Ties wur xt.re zu: 2 opener des Senats, den weiten ans ver Icrz farcı, 6 auf ven Beriung an Düryı: Br:'2:725 vom Senat je enr:: enden kürzer ten Zamuzızu, 4 von vem Füryı: Autikrre aut tets \atre zu erzeunnecben Rızunen, nämlih zwei Geritisten des xubediiten Äteitzıtes muB je xebrerz zu Lübediigen Etuis, zum 2 vom Senate, nıt jemer Anke BE ke Bwede des ber: Schuicellerisms vorzuzöwerk geeimeten, etemiı-t zu x ſechs Jabre zu ernennenden Ruzuvden. Dies be: Steloegem ext Bas arjammie Zchulmweien, übt and die Inipection ans eder ermrmmz Be Echulinĩpectoten.

Fu den ẽfentlichen Pelleibulen ſell gelebtt werben: Reizien, Leica. Schreiben, deutſche Sprache, Nechnen, :’comeirie, Erttande, Aısuehende, Geſchichte, Zeibn en, Geſang und Iumen ‚ir Mitten treten tree Buch die Berihiedenbeit des Geſ Slechts bedingten Merrvuticnen Bes limterruke) ein, und binzw fommt für diejelben eine regelmähıze linterweijumg im weib lichen Handarbeiten.

Die Zahl der öffentliben Vollsſchulen iR für jekt auf vier Simahen: und drei Mäpchenichulen feitgeiegt worden. Die meiten dieſer Cdusien find mindeftens vreillafig. Der Staat gewährt geeignete Cdyulbäujer mit freier Wohnung für den Hauptlehrer, überläßt tieiem aber das Schulzein und die näcfte Sorge für die übrigen Lehrer. In treilluifigen Bellsiche: len muß neben dem Hauptlehrer weniaftens nod einer der Hülfſslehrer eine vollfländige Eeminarbildung erbalten haben. Reben dem Schuigeide erhal ten die Hauptlehrer aus öffentliyen Mitteln eine jährlübe, von 5 m 5 Jahren um 50 Mark fteigende Beihülje, welche für den Hanptlehrer am den Knabenſchulen mit 1000 Marl beginnt und bis 1200 Mark fteigt, für den Hauptiehrer an den Maͤdchenſchulen dagegen mit 600 Mark begimmt und bis 800 Mark fteigt.

Die Inſpection der öffentlihen Bollsfhulen in der Stabt und im den Borflädten wird von der Znjpections:Commifjion mwahrgennmmen. Diefelbe befteht, unter der Leitung des Vorfigenden des Ober: Schulcolie giums, fowie unter Beiordnung zweier von Ichterem aus feiner Mitte zu committisenden Mitglieder, aus zehn vom Ober-Schulcollegium anf je tes Jahre zu erwählenden nfpectoren, welde jedoch nicht fungirende Lehrer fein dürfen. Bon diefen zehn Inſpectoren find fünf in der Art zu mäblen, daß für jede diefer fünf Stellen je einer der fünf evangeliſch-lutheriſchen Kirchengemeinde « Vorftände der Stadt zwei feiner Mitglieder dem Über Schulcollegium in Vorſchlag bringt; die übrigen fünf find von diefer Be börde ohne ſolchen Vorſchlag frei aus den Bewohnern der Stadt oder der Vorſtaͤdte zu waͤhlen.

Dadurch iſt die Inſpection der Volksſchulen durch die Geiſtlichen ale ſolche beſeitigt, was bereits einige Unzufriedenheit bei der orthodoxen Bar tel erregt bat. j

Die äußern Angelegenheiten der Volkoſchule ce. 611

Für die Landfchulen bleibt das Geſetz vom 6. Juni 1863 im Be ſentlichen in Kraft.

Brivatihulen dürfen von Jedem errichtet werben, ber feine fittliche, wiſſenſchaftliche und techniſche Befähigung zur Leitung verfelben vor dem Dber-Schuicollegium nachgewieſen hat.

Man bat die Abfiht gehabt, einen Schulrath anzuftellen, bat aber vorläufig, und wie es ſcheint, aus Furt vor einem Mißgriff, davon Abs fland genommen.

Das Seminar ift in feiner bisherigen mangelhaften Cinrichtung belafjen worden.

Ein Mitglied des (interimiftifchen ?) Ober-Schulcollegiums, der Haupts lehrer W. Deede, jcheint bei der Yeitltellung des Schulgejeges in meh: rexen wichtigen Punkten in der Minorität geblieben zu fein, was ihn be ftimmt bat, feine Anſichten in einer Heinen Brodüre, betitelt „Zur Schub frage‘ (Lübed, Aſchenfeldt, 1865), darzulegen. Er fordert darin ein Bierfahes: 1) die Anftellung eines Schulrathes, deſſen Hauptaufgabe bie padagogiſche Inſpection der Volksſchulen fein foll; 2) die Herfiellung eines vollftändigen Seminars; 3) die Herftellung von vier, hoͤchſtens ſechs größe: ren Volksſchulen an Stelle der jebt eriftirenden 9 Stadt: und 3 Vorſtadt⸗ Schulen; 4) Uebernahme der Gelvverhältnifie der Volksſchulen dur den Staat, „d. b. Befreiung des PVollsihulunterriht3 aus den Händen ber Speculation.“

Wir halten Deede's Anſichten für wohlbegründet und find ber Mei⸗ nung, daß man fie als Biel im Auge behalten muß. Man würde ihnen auch wahrſcheinlich glei zugeftimmt haben, wenn man ſich nicht gar zu fehr von dem Grundjag hätte leiten lafien, ven beftehenden Berhältnifien möglihft Rechnung zu tragen.

XI. Sachſen.

1. Obwohl erft vor zwei Jahren ein neue Seminar für 80 Semi- nariften in Borna errichtet worden ift, jo können die Seminare body ben Bedarf an Lehrern nicht deden; es finden ſich daher eine Anzahl Schul: gemeinden im Lande, die ihre vacanten Schulſtellen vergeblich ausbieten.

2. Cine in diefem Jahre erlafjene Verordnung der Regierung, nad) welcher au tühtigen feminariftifh gebildeten Lehrern der Beſuch der Univerfität Leipzig geftattet ift, bat in weiten Kreifen freubige Zuftimmung gefunden. Sie lautet wie folgt:

„Während die Anforderungen an die Leiftungen der Volksſchule von Jahr zu Jahr wahjen und in deſſen Folge namentlih an die Directoren und Oberlehrer an Bürgerfhulen Anfprüche auf umfafiendere Berufsbildung gemacht werden, als die Schullehrerjeminare gewähren können und ihrer eigenthümlihen Beftimmung gemäß gewähren follen, hat vie Zahl an alas demifch gebildeten Männern, die fi bisher, wenn aud in der Regel in der Hoffnung auf jpätere Anftellung in geiftlihen Aemtern, zu derartigen Stellen meldeten, ſich weſentlich gemindert.

Um nun den hierdurch. mehr und mehr fühlbar gewordenen Bedürf

39 *

612 Die äußern Angelegenheiten ber Vollsſchule ꝛc.

niffen möglichft abzuhelfen und zugleih demjenigen Theile des Lehrerfiandes, welcher, auf den Seminarien vorgebildet, feine Ihätigleit der Volkafchule dauernd und ausſchließlich zuwendet, die Füglichleit zu gewähren, ſich bie für ihre oben bezeichneten Stellen erforderlihe allgemeine und höhere Bib dung anzueignen, bat das unterzeichnete Minijterium befchlofien, verſuchs⸗ weile zu geftatten, daß einzelne, beſonders tüchtige Lehrer die Univerfität Leipzig befuhen, und verorbnet daher in Uebereinflimmung mit den 18 Evangelicis beauftragten Staatsminiftern ‘Folgendes:

8. 1. Lehrern, welche zu ihrer höheren Ausbildung für den Lehrer beruf die Univerfität Leipzig befuhen wollen, ohne fi dazu durch das vorſchriftsmäßige Gymnaſial: Maturitätszeugnig legitimiren zu lönnen, joll dies auf zwei hinter einander folgende Jahre geftattet fein. $. 2. Ziefel ben müſſen bereits vie gejeßlich vorgefchriebenen Prüfungen beitanden und jedenfalls in der MWahlfähigleitsprüfung die I. Cenfur „Vorzüglich“ ober mindeftens den erften Grad der LI. Cenfur „Gut mit Auszeihnung‘ erlangt haben, dazu bereits im öffentlihen Schuldienſte thätig gemejen und darüber, fo wie über ihr gefammtes Verhalten ein günftiges Zeugniß beizubringen im Stande jein. Das betr. Zeugniß ift von dem Lolalſchulinſpector auszu: ftellen, von dem Diſtriktsſchulinſpector und der Kreisdirection zu beftätigen 8.3. Mit Ablauf des zweijährigen Zeitraums ihrer alademifhen Studien baben ji ſolche Lehrer einer Prüfung zu unterwerfen und ſich deshalb rechtzeitig bei der in Leipzig beftehenden Prüfungscommiſſion für das höhere Schulamt Sect. II. zu melden, bei welcher zu diejem Zwede die erforder lihen Einrichtungen werben getroffen werden. $. 4. Diefe Prüfung win in eine fchriftlihe und mündliche zerfallen und fih im Weſentlichen auf bie im Regulativ, die für Candidaten des höheren Schulamt3 zu haltenden Prüfungen betrefiend, aufgeführten Segenftände erfireden. Nähere Beſtim⸗ mungen bleiben zur Zeit vorbehalten. $. 5. Lehrer, welche diefe Prüfung beitanden haben, erlangen dadurch die Befähigung zur Anftellung an ven: jenigen Anftalten, welche in dem $. A diefer Verordnung gedachten Regulatide 8. 2 sub b. bezeichnet find. $. 6. Dagegen ift der Uebergang zu einem Falultätsſtudium für Lehrer, welche ohne vorher beitandene Gymnafal Maturitätsprüfung die Univerfität befuchen, durchaus unzuläffig.‘

3. Sachſen zählt jet 12 Seminare, 1 katholiſches zu Bauen mit 8 Seminariften und 19 Präparanden, und 11 evangelifche, zu Annaberg mit 4 Kl., 77 Seminar., 63 Projeminar., 8 Lebrem,

10

Baupen s 4 :s 74 41 Callenberg s 3 : 64 ? 10 (Lehrerinnenſem.)

Dresden «4 s 78 ? 6 =: (Friedrichsſtadt)

Dresden 4 = 4 43 5 : (Bietfänerihes)

Orimma 4: 72 44 5 : Grimma s 3 s 30 7 5 2 (Nebenjeminar)

Noſſen »s 4 s 80—90 ; 7. 6

Die äußern Angelegenheiten ber Volksſchüule x. 613

Plauen mit 4 Kl., 100 Seminar, 50 Brofeminar., 6 Lehrern, Wobnbug A s 50 20 6 5 Borna, erft Michaelis 1863 gegründet.

4. Der Gemeinderath in Wien hat au in diefem Jahre drei Lehrer zur Allgemeinen deutichen Lehrerverfammlung (nach Leipzig) abgeorbnet. Ties jelben hatten zugleich den Auftrag erhalten, Kenntniß vom fähfifhen huls wejen zu nehmen und nad ihrer Rüdkunft darüber zu berichten. Lebteren Bericht hatte Herr Frühmwirth übernommen. In demfelben kommt folgenve Stelle über die fähliihen Lehrer vor:

„zer ſächſiſche Lehrer fuht den wirklichen Bedürfniſſen des praktiſchen Lebens gerecht zu werben, und zwar in der Art, mie es gerade für Sachſen nothwendig if. Er ift alſo nit nur Pädagog im Allgemeinen, fondern er weiß auch den fpeciellen Intereſſen feines Vater⸗ landes, ja fogar einzelnen Ortsverhältnifien in der Schule Rechnung zu tragen. Der ſaͤchſiſche Lehrer jchließt fi nicht gleihfam von der Außens welt ab, fondern er fteht mit feinen Anſchauungen und Beftrebungen mits ten in dem regen Bolfsleben und wird von den Mogen bdefjelben getragen. Und das ift ein Vorzug!) Die Echule wird überall nur dann die em wünjchten Früchte tragen, wenn fie fih auf den praftiihen Standpunkt ftellt, und der praktiſche Unterriht muß auch fpecielle, örtlihe Verhältniſſe in das Bereich feiner Erwägungen ziehen. Dabei aber verliert man in Sach⸗ fen gleihwohl das große gemeiniame Vaterland und die allgemeine Schulerziehung nicht aus dem Auge. Der Sachſe denkt und fühlt ſich durchaus zuerft als Deutſcher, und erft in zweiter Linie als Sachſe. Er hängt zwar mit Leib und Eeele an feinem engeren Vaterlande; aber er würde feinen Augenblid anſtehen, die theueriten Intereſſen vefielben dem Wohle von Großdeutſchland zum Opfer zu bringen. Die nationale Charalterbildung leidet aljo keineswegs darunter, wenn die Schulbildung mit den Bebürfs nifien des bürgerlihen Lebens Hand in Hand gebt; aber auch die ſitt⸗ [ide Entwidelung des Menſchen erfährt dadurch Heinen Abbruch. Der Sadıje ift bis in die unterften Schichten des Volfes hinab in der Regel gottesfürchtig, arbeitfam und mäßig; er iſt ein treuer Bürger und treffs liher Hausvater. Die praltiihe Richtung der Schule ſchadet alfo der alls gemeinen Bollserziehung nicht, nügt der Schule felbft ungemein, denn biefe wird dadburh populär.

5. Die wieberholt in früheren Sahrgängen von und befprochenen Vereine und Anftalten zur Yörderung des materiellen Wohls der Lehrer haben aud in diefem Jahre ihren guten Yortgang gehabt.

X. Sachſen-Weimar-Eiſenach.

1. Nad einer Mittheilung des Cultusminifteriums vom 31. Dec. 1864 find im ganzen Sande 653 Lehrer in 453 Schulgemeinden angeftellt. Unter den Schulen find 18 katholiſche und 4 jüdiſche. Die Zahl der Schullinder ift feit 1850 von 41,183 auf 44,203 geftiegen. 1850 Tas men auf einen Lehrer 70, 1863 nur 68 Finder, Die Brivatihulen find in der Zahl ihrer Echüler zurüdgegangen.

614 Die äußern Angelegenheiten ber Volksſchule ꝛe.

2. Der Präfivent des Landtags bat den Antrag geftelli, die Regie rung zu erfuchen, ein organifhes Vollksſchulgeſetz vorzulegen, das eine Gr mweiterung der Xehrerbildung, Schulbeauffihtigung durch Fachmänner in angemeflener Beſoldung einführt. Diejer Antrag wurde nad langer Bera thung angenommen und wird hoffentlich einen guten Verlauf nehmen.

3 Am 10. und 11. October 1865 bielt der deutſche Fröbel⸗ verein in Eifenad feine erfte Generalverfammlung. Der bei Bühlan in Weimar erjhienene Jahresbericht theilt über die Verbreitung ber fin dergärten interefiante Notizen mit. Nicht bloß in Deutichland, ſondern auch in Frankreich, in den Niederlanden, in Italien, in England und Ruf: land, jelbft in Norbamerila findet Froͤbels Sache immer mehr Freunde. Die bei der Berjammlung angeftellten Prüfungen befriebigten allgemein. Am nächften Jahre wird die 2. Generalverfammlung in Cöothen jein. Wolfram, Chronik des Vollsſchulweſens.)

X. Sachſen-Coburg-Gotha.

1. Dem gothaifhen Peſtalozziverein gehören ſaͤmmtliche Leh⸗ ver als Mitglieder an. Obwohl feine Mittel noch beſchränkt find, fo bat er fih doch vielfah als wohlthätig erwiefen. Der in Siebleben verflorbene Lehrer Umbreit bat dem Berein 325 Thlr. und feinen literarijchen Rad: laß vermadt. Das Kapitalvermögen ift dadurch auf 1070 Thlr. angewachſen.

2. Herr Schulrath Dittes ın Gotha hat einen Jahresberidht über das Lehrerfeminar daſelbſt herausgegeben, ber außer dem Bor: wort eine Nede, die Stellung und Aufgabe des Seminars betreffend, ent: hält, dann die gefeßlichen Beftimmungen über die Ausbildung der Boll fchullebrer, die Chronik der Anftalt, eine Weberficht des im Schuljahr 1844 extheilten Unterriht3, die Haus: und Schulorbnung, ein Berzeichnik der Lehrer und Seminariften. Das ift jedenfall ein nützliches Unternehmen, flieht aber doch nicht vereinzelt da, wie der Herr Verf. meint, da z. 3. die nafjauifhen, württembergiſchen und bavenfhen, außerdem aud die Schmeizerifchen Seminare Programme mit Abbanplungen und Seminarnad« richten erfcheinen laſſen. Die Rede, gehalten beim Einzug des Seminars in ein dafür eingerichtete Kloftergebäude, und die Lieberjicht des erteilten Unterrichts find natürlich die interefianteften Theile des Programms, eignen fih jevoh nicht zu einem Auszuge. Zur vollen Durdführung des Lehr plans find natürlich noch einige Jahre erforberli ; in der oberften Klaſſe mußte daher mandes zufammengebrängt und repetitoriich, verbunden mit Erweiterungen, behandelt werben.

Die Seminariften haben die Vergünftigung, ihrer Militärpflidt ald einjährige Freimillige zu genügen und werben nad jed$: wödhiger Uebung bei dem Negimente auf Großurlaub entlafjen. Die Gauipirung wird auf Verlangen den Seminariften vom Negimentscommando gegen eine geringe Vergütung geliefert.

XIV. Sahfen-Altenburg.

Ueber das Schulweſen diefes Landes fand fih Nichts in den päbage giſchen Beitichriften.

Die äußern Angelegenheiten ber Volksſchule 2. 617

eröffnet, daß dieſelben durch die neue Gehaltsregulirung fo geftellt worden find, um des durch Crtheilung von Privatunterricht zu erzielenden Neben« verdienftes entrathen zu können, daß die meitere Ertheilung von folhem Unterricht als mit ihren Pflichten gegen die Schule, der fie ihre gefammten Kräfte zu widmen haben, unvereinbar, im Allgemeinen unzuläffig erfcbeint und daß die Geltattung zur Ertheilung von Privatunterriht nur ausnahms⸗ weile auf beſonders zu begründendes Nachſuchen, in welchem zugleich vie Anzahl der Schüler, die Zeit und der Gegenftand des zu ertheilenden Un⸗ terrihts anzugeben ift, nie aber für foldhe Stunden, welche vor der Been⸗ digung der Schulzeit fallen, von bier aus ertheilt werben wird.“

Wenn durch dieſe Verordnung nicht einem argen Mißbrauch, dem man wohl bier und da begegnet, entgegengetreten werben foll, jo finden wir jie etwas hart; denn ſchwerlich find die Fuldaer Lehrer völlig jorgen» frei geltellt.

5. Für die Lehrer-MWittwen ift endlich fo viel Geld Bemilligt worden, daß jede derjelben jährlid 25 Thlr. erhält.

6. Ganz befriedigend find die Rejultate der vor 7 Jahren gebildeten Brandverjicherungsgefellichaft.

7. Die Einführung des In duſtrie- und Turnunterrichts flößt in manchen Gemeinden auf unüberwindlihe Echwierigkeiten,

AIX. Großherzogthum Hefjen.

1. Die 18364 angeordnete Aufbejjerung der Schuiftellen fol, wo tbunlich, menigftens theilmeife in Naturalien befteben , die allenthalben „in billigen Anſatz“ gebracht werden follen. Davon nehmen mande Gemeinden Umgang und verfuhen fogar, die Naturalien nad den billigen Anſätzen, ſtatt nad ihrem wirklichen Werthe, zu firiren. Auf diefe Weije bleibt die Berbeilerung auf dem Papiere,

2. In Darmftadt ift den Lehrern die Befreiung vom Schulgeld für ihre eigenen finder, auch wenn fie dieſelben felbft unterrichten, entzos gen worden.

3. Eine Derfügung der Oberſtudiendirection, nach welcher Lehrer, bie an öffentlihen Schulen angeftellt find, an Privatihulen Unterriht nit ertbeilen dürfen, ift nach vierwoͤchentlichem Beſtehen wieder aufgehoben worden.

4 In Mainz find die Gehalte der lementarlehrer auf 600, 700, 800, 900 und 1000 fl. firirt worden. Bon 5 zu 5 Jahren ers bält jeder Lehrer jo lange 100 fi. Zulage, bis fein Gehalt die Summe von 1100 fl. erreicht, eine Einrichtung, die Beifall verdient.

Tas katholiſche Volksſchulweſen der Etadt Mainz fcheint ſich unter dem Inſpector Herrn Mebger jebt gut zu entwideln, wie wir mit Vergnüs gen aus feinem Sahresbericht erſehen.

5. Ein wohlunterrichteter heſſiſcher Lehrer will gefunden buben, daß, wenn man die von dem Budget für die verſchiedenen Echularten beftimms ten Summen auf die den betreffenden Schulen angehörigen Schüler ver: teile, jeder Gymnafialfhüler dem Staate 81 fl., jeder Realſchüler 67 fl, jeder Echüler der Volksſchule aber nur 48 Kreuzer koſte. Das wäre alless dings ein arges Mißverhältniß.

«

506 Die änkern Angelegenheiten der Volksſchule ze.

12. An pädagogifhen Zeitſchriften erfheinen in Hannorer: Hannoverſche Schuflzettung. Im Auftrage bes Provinial⸗Lehrer⸗ re ‚Gilbesheim herausgegeben non HY. C. W. Bartholomdus. DHildels eim, Lax. Gin frisches, gut redigirtes Blati. Hannoverſches Schnlblatt zur Berländigung zwiſchen Schule ımb Haus über Kragen des Unterrichts und ber Erziehung. Herausgegeben ven

S sell, Director ber Mittelfehule in Hannover, 3. Jahrg. Haunorer, ahn.

Neue Blätter für bie Volkoſchule ber Herzogthümer Bremen und Verden und des Landes Habeln. Herausgegeben unter Redaction von FR > Barten, 9. 4. Hadeler, ©. Hapn. 5. Jahrgang. Stade,

14 565.

V. Oldenburg.

1. Das Dienfteintommen der Lehrer ift noch immer unm teihend. Cine darauf gerichtete Petition ber Lehrer an den Landtag if von diefem der Regierung zur Berüdfihtigung empfohlen worden. Ob darauf fhon Etwas erfolgt tft?

2. Um dem Peftalozziverein die nöthigen Mittel zu verfchaffen, baben die Lehrer die Gründung eines Selbfiverlags zur Herausgabe ver ſchiedener Schriften, als Katechismus, Liederbuch zc. beſchloſſen. Das Be triebscapital foll durch Actien & 1 Thle. aufgebradht werden.

3. Die Lehrer-Bereine haben überall guten Fortgang, und geben Beugniß von dem eifrigen Streben der Lehrer nah Yortbildung.

4. Das GCentralcomitd des Lehrervereing hat das Oberſchulcollegium erfucht, die Aufnahme und Entlaffung im Eeminar von Michaelis in den Mai zu verlegen, mo die Schulen ihre Aufnahme haben. Cbenſo haben fie den Wunſch ausgeſprochen, daß der gefehlihe Unterricht der Schule niht möge durch den Konfirmandenunterricht verkürzt oder geftört werben.

5. Das zu Oftern 1866 ausgegebene 23. Programm der Vorſchule und böberen Bürgerfhnle zu Oldenburg enthält von dem Nector dieſer Anfialten, K. Straderjan, eine beachtensmwerthbe Abhandlung über „das Plattdeutſche als Hülfsmittel für den Unterricht.“

VI Braunſchweig.

1. Obwohl die ölonomishen Berhältnifie der Lehrer erft in den le teren Jahren etwas verbefiert worden find, fo lafien fie doch immer uch viel zu wünjcden übrig, Wie es ſcheint, follen die Wünfche der Lehrer in nächfter Zeit befriedigt werden. In den ſechsklaſſigen Gemeindefchulen der

‚Stadt Braunfchweig beträgt das Gehalt für die Unterklaſſe jeit dem 1. Januat

2865 300 Thlr. und fteigt für jede folgende um 50 Zblr., fo daß bie öberfte mit 550 Zhlen. abjchließt.

2. Die mittleren Bürgerfhulen haben Infpectoren gu Borfiehern, Die unteren fogenannte dirigirende Lehrer. Gritere find Theologes. Leztere werben aus der Zahl ber Lehrer gewählt und erhalten für ihre Müpewaltung 100 Thlr. und freie Wohnung. Nah unferem Daficiaiem

Die ‚äußern Angelegenheiten der Volkeſchule ꝛc. GUT

würden die mittleren Bürgerfchulen durchſchnittlich beſſer beratben fein, wenn :fie ihre Vorfteher (Infpectoren) aus der Zahl der tüchtigſten Balls: ſchullehrer erhielten, da dieſe durchgängig in allen Schuljachen tüchtiger find, als die Theolgen, die ja eben ihre befte Zeit pflichtfchulvigft und auch aus innere ‚Antriebe der Theologie widmen müflen. Die Schule wird ihnen nie etwas anderes als eine Uebergangzftation fein.

3. Schon vor einigen Jahren find Verhandlungen eingeleitet worden, welde die Befreiung der Lehrer von den niederen kirchlichen Dienften zum Zwed haben; der Grfolg derjelben ift aber noch wenig ſichtbar, da weder die Gemeinden dazu große Luft bezeigen, noch die Lehrer ernftlih Darauf driugen, wenn fie Verluſte dabei haben follen. Die: große Mehrzahl der Lehrer wünfcht aber nicht nur die Befreiung von niehenen kirchlichen Geihäften, fondern wünfht vie bisherige Stellung der Prediger zu ven Schulen gelöft zu ſehen, was wiederholt in den größeren Conferenzen zum Ausprud -gelommen if. Wie anderwärts m Deutihland, ſo wollen auch die Lehrer im Herzogthum Braunſchweig nicht ohne Aufſicht fein; fie nerlangen nur, von fahverftändigen Männern con⸗ teolirt zu werden, von Männern, welche bereit und befähigt find, eine zeitgemäße Einrichtung der Schulen zu fördern, Männer, welde neben dem Religionsunterriht auch die weltlichen Dinge zu ihrem Recht kommen laſſen. Wenn die Lehrer ofien bervortreten und in ihrem Streben nicht ‚laß werden, jo wäre e8 wohl möglih, daß fie Aehnliches erreichten, wie im Herzogthbum Gotha.

4. Das Herzogthum Braunfchweig bat drei gehrerbildungsan: Falten, von denen jedoch nur die in Wolfenbüttel Landesfeminer ft; denn die zu Braunfhmweig will nur Lehrer für diefe Stadt aus büden, und die zu Blanlenburg bildet Gymnafiaften bios nebenbei umd privatim zu Lehren. Das Wolfenbüttler Seminar umfaßt eine zweillaffige Realſchule und eine Präparandenanitalt, welde die Stelle ded Seminare anderer Staaten vertritt oder doch vertreten fol. Die Aufnahme in die Realſchule erfordert die Weife der Oberklaſſe einer Stadt⸗ oder gehobenen Landſchule. Der Unterricht, bejonders für Schulamtsajpiranten berechnet, erſtredt firh auf Katechismuslehre, Bibelkunde deutſche Sprache und Litera⸗ tur, Rechnen, Geographie, Geſchichte, Naturkunde, Geometrie, franzoͤſiſche Sprache, Singen, Schreiben, Zeihnen und Turnen. Der Klaſſenkurſus iſt im Durchſchnitt ein zweijähriger. Aus der erften Klaſſe erfolgt alljährlich eine Verſetzung in die Präparandenanitalt, für welche die erforberliche Reife im Stlawierfpiel ein befonderes Cramen darthun muß, und melde ein. Alter von mindeftens 17 Jahren vorausjegt. Der Kurſus in dieſer Anftalt ‚tft ein breijähriger, und dem entſprechend find die Böglinge in brei Wbshei- lungen geſchieden, von denen die dritte nur an dem Unterricht heil nimmst und den Lehrübungen beiwohnt, obne aber felber ſolche vorzunehmen, kie gmweite und erite hingegen Lebrvorträge und latechetiſche Probelektionen halten. Der Unterricht erftredt ſich auf die bereitd- auf ber Realſchube vertretenen Disciplinen, mit Ausſchluß der franzoͤſiſchen Sprache, und auf Pädagogik, Orgeljpiel, Violinfpiel, Generalbaß, Katechiſiren und Gartenban, nad zwar follen die meiften Alnterrichtögegenftände fo vertbeilt werden, daß

608 Die äußern Angelegenheiten ber Volloſchule 1.

das Wiflen und die praftiihe Lehrfähigteit der Zöglinge zugleich dadurqh gewinnen. Um legtere auszubilden, müflen bie Präparanden außerdem noch in einer beflimmten, ihnen zugewieſenen Klaſſe regelmäßig bospitiren, und werden Böglinge der zwei Abtheilungen auch interimiftiih als Aus Hifslebrer verwandt. (Allgem, deutſche Lehrerzeitung, 1865, ©. 340.)

VIL Anhalt.

Das Bernburger Gonfiftorium ift aufgehoben und mit dem von Deifau vereinigt worden. Das Schulmefen der legteren Stabt ſieht einer Reorganifation entgegen. Bon dem Gymnafium und der höheren Töchter faule wird eine Mittelihule abgezweigt, die zeither beftandene Handels ſchule aber in eine Nealfchule umgewandelt werden, bie den Anforderungen ver Zeit entfpriht. In nächfter Zeit wird der Bau einer Mittelfchule für Knaben in Angriff genommen werben.

Das diesjährige Programm der Hauptfhule zu Côthen enthält eine interefiante Abhandlung vom Conrector und Prof. Boffe: „Vorarbeiten zu einer kritiſchen Ausgabe von Klopftods Open.”

VOI. Bremen.

: Der Bremifhe Staat verwandte im Sabre 1865 im Ganzen 119,312 Thlr. Gold auf fein Schulweſen.

Die Gehalte der Landſchullehrer find abermals erhöht worden. Die ordentlichen Lehrer erhalten nämlid flatt 240 bis 400 Thlr. jept 350 biß 450 Thle. Bon der Einnahme des Küfterdienftes wurde bisher die Hälfte gam Lehrer⸗Gehalt gerechnet; jetzt bleibt die ganze Ginnahme hierbei unbe: rüdfihtigt, was die Gefammteinnahme um 100, 150 bis 200 Ah. fleigert, die Stellen aljo als gut botirte erſcheinen läßt.

Di Hamburg.

In Hamburg gebt Alles feinen alten Gang und fteht alſo noch genen fo, wie wir es im vorigen Bande kurz bezeichnet haben. Der Gntwwf eined Gefepes, betreffend das Unterrichtsweſen“, von der interimifischen Oberſchulbehoͤrde, ift noch nicht in der Bürgerfhaft zur Berathung gelow men, ift aber dafür defto mehr in ver Prefie befprochen worden. Schon 1864 batte Dr. U. Rée, Vorſteher einer ifraelitiihen Schule in Ham burg, einen ,‚Öegenentwurf“ erjcheinen lafien ( Hamburg, Hoffmann und Gampe), in dem er eine allgemeine Volksſchule mit dem Lebrziele Ver mittleren und böberen Bürgerjchule fordert. Diejelbe foll in em Brimärfchule, welche die vier unteren, und in eine Secundaͤr⸗ ober höhere Volksſchule, die drei oberen Klaſſen entbaltend, zerfallen. Bon fonfligen Höheren Schulen, wie Gymnaſium und Realſchule, fieht der Gegenentwur, wie auch ber Entwurf der Oberſchulbehoͤrde, ganz ab. Alle, welde ihre Bildung überhaupt in der Volksſchule ſuchen, follen fie in biefer „allge weinen Volksſchule“ finden, mögen fie dem rohen Proletariat, ober de

Die äußern Angelegenheiten ber Volksſchule 2. 609

gebildeteren Ständen angehören. Das forgfältig übermacte, in ver gebil beten Yamilie geiftig angeregte und bis zu dem möglichen Grade entwidelte Kind foll auf derjelben Bank ſitzen mit einem Rinde, das nicht bloß in Dürftigfeit, oft im Schmug aufgewachſen, ſondern nicht jelten auch geiltig ſehr verfommen ift, weil feine Eltern fich entweder nur ſehr wenig, oder in mehr oder weniger verfehrter Weile um dajjelbe befümmerten. Und das foll geſchehen, damit jedes Kind Gelegenheit babe, einen möglichſt bos ben Grad von Schulbildung zu erlangen. Die Abfiht ift aljo jedenfalls eine ganz vortrefjliche, eine durchaus humane. Die Oberjhulbehörde will dagegen Armenjhulen, Boltsijhulen, mittlere und höhere Bürgerfchulen, vorläufig allerdings nur die beiden erjteren; fie jondert aljo gewiſſermaßen die Schuljugend nad den Vermögensverbältnijjen ihrer Eltern. Hiergegen lehnt ſich das demokratiſche Gefühl des Herrn Dr. Ree und Genoſſen ein wenig auf, weil es fich verlegt fühlt, was wir volllommen begreifen. Im Sabre 1848 wurde bereits diejelbe Idee in Xebrerlreifen und anderwärts berathen. Seitvem ift fie aber von der Tagesordnung verihwunden. Man erlannte jehr allgemein, daß die Idee zwar ſehr anjprehend, aber nicht aus⸗ führbar fei. Eltern mit nach der einen oder andern Richtung hin verwahrs loften Kindern wird es allerdings gleichgültig fein, in welcher Geſellſchaft ihre Rinder beſchult werden, nicht aber folhen, die in ihren Kindern bie theuerjten Güter erbliden, die ihnen zur gemifjenhaften Yörderung anvers traut worden find, und die für fie gethan haben, was Menſchen thun kön⸗ nen ; ihnen iſt es vielmehr heilige Gewiſſensſache, ihre Kinder vor übler Gefells Ichaft zu bewahren, und man würde ihnen unverantmwortlidde Gewalt anthun, wenn man fie in die Nothwendigkeit verjegte, darauf eine Reihe von Jah⸗ ren verzichten zu müflen. Dazu kommt, daß jeder erfahrene und vorur⸗ theilöfteie Lehrer weiß, daß Finder, die geiftig angeregt und ſprachlich ents widelt find, ſchon im eriten Schuljahre fait doppelt jo große Fortjchritte in der Schule maden, als ſolche, bei denen dies nicht der Fall iſt. Das ber ſtehe ich auf Seiten des Entwurfs der Oberſchulbehoͤrde, wenn ich auch betennen muß, daß mir „Armenjchulen‘ principiell zuwider find. Diefen Namen vermeide man und unterfcheide nur Volksſchulen mit höherem und niederem Schulgelve, die man, wie ih es in Merjeburg getban, als erfte und zweite Bürgerjchule bezeichnen kann.

Den Borihlägen Dr. Rée's ift Theodor Hoffmann in ber Schrift „Die allgemeine Volksſchule.“ (Hamburg, Nolte. 1866) entgegen getreten, und Griterer hat darauf in der Brodhüre „Die allgemeine Volks⸗ Schule, oder Standesſchulen?“ (Hamburg, Hoffmann u. Campe. 1866) ges antwortet. Hoffmann vertritt den Gntwurf der Oberfchulbehörde, da er daran ſehr fleißig und mit vielem Geſchick mitgearbeitet hat. Der Raum geftattet uns nicht, mäher auf beide Schriften einzugehen; aber wir haben beide mit großem Intereſſe gelefen und empfehlen fie Allen, die Antheil nehmen an ber Entwidelung des deutihen Vollsſchulweſens.

X, Lübeck.

In Lübed ift man raſcher zu einem ziemlich befrievigenden Rejultat mit dem Volksſchulweſen gelommen, als in Hamburg. Mir liegt der, Wär. Jahresbeticht. XVIIL 39

610 Die äußern Angelegenheiten ber Volksſchule ꝛc.

Entwurf zu einem Gefeß für das Volksſchulweſen und ein bazu geböriger Bericht vor, beide ausgegangen von ber interimiftiihen Ober-Schulbehörbe. Db diefer Entwurf ſchon zum Gefeb erhoben worden, konnte ih jegt nicht erfahren, ſcheint aber der Fall zu fein, wenigftend las ic, daß das „Über Schulcollegium“ eingejegt fe. Dies wird gebildet aus: 2 Mitgliedern des Senats, von melden eins den Borfig führt; 6 auf den Vorichlag des Bürger: Ausfchufies vom Senat zu erwählenden bürgerlihen Deputirten; 4 von dem Bürger: Ausfhufje auf fehs Jahre zu ernennenden Mitglievern, nämlich zwei Geiftlihen des Lübedifchen Freiftaated und zwei Lehrern an Lübediihen Schulen; und 2 vom Senate, nad jeiner Anſicht für vie Bwede des Ober: Schulcollegiums vorzugsweife geeigneten, ebenfalls auf je ſechs Jahre zu ernennenden Mitgliedern. Dies Ober: Schulcollegium leitet das gefammte Schulweſen, übt auch die Inſpection aus oder ernennt die Schulinſpectoren.

In den oͤffentlichen Volksſchulen fol gelehrt werden: Religion, Leſen, Schreiben, deutſche Sprache, Rechnen, Geometrie, Erdkunde, Naturkunde, Geſchichte, Zeichn en, Geſang und Turnen. Für Maͤdchen treten bie durch die Verſchiedenheit des Geſchlechts bedingten Modificationen des Unterrichts ein, und hinzu kommt für dieſelben eine regelmäßige Unterweiſung in weib⸗ lichen Handarbeiten.

Die Zahl der öffentlihen Volksſchulen ift für jetzt auf vier Knaben: und drei Mädchenihulen feftgefegt worden. Die meilten dieſer Echulen find mindeftens dreiklaſſig. Der Staat gewährt geeignete Schulhäufer mit freier Wohnung für den Huauptlehrer, überläßt diejem aber das Schulgeld und bie nächte Sorge für die übrigen Lehrer. In dreillajligen Vollsſchu⸗ len muß neben dem Hauptlehrer wenigftend noch einer ber Hülfglehrer eine vollftändige Seminarbildung erhalten haben. Neben dem Schulgelde erhal ten die Hauptlehrer aus öffentlihen Mitteln eine jährlibe, von 5 zu 3 Jahren um 50 Mark fteigende Beihülfe, melde für den Hauptlehrer an ben Knabenſchulen mit 1000 Mark beginnt und bis 1200 Mark fteigt, für den Hauptlehrer an den Maͤdchenſchulen dagegen mit 600 Mark beginnt und bie 800 Mark fteigt.

Die Inſpection der öffentlichen Volksſchulen in der Stadt und in den Vorſtädten wird von der Inſpections-Commiſſion wahrgenommen. Dieſelbe beſteht, unter der Leitung des Vorſitzenden des Ober-Schulcolle⸗ giums, ſowie unter Beiordnung zweier von letterem aus feiner Mitte zu committirenden Mitglieder, aus zehn vom Ober-Schulcollegium auf je je? Jahre zu erwählenden Inſpectoren, melde jedoch nicht fungivende Yehrer fein dürfen. Don diefen zehn Inſpectoren find fünf in der Art zu wählen, daß für jede diefer fünf Stellen je einer ver fünf ewangelifch = Intherijhen Kirchengemeinde s Borftände der Stadt zwei feiner Mitglieder dem Über: Schulcollegium in Vorſchlag bringt; die übrigen fünf find von dieſer Be börde ohne ſolchen Vorſchlag frei aus den Bewohnern der Stadt oder der Borftädte zu wählen,

Dadurch ift die Infpection der Volksſchulen durch die Geiftliden als ſolche bejeitigt, was bereits einige Unzufriedenheit bei der orthodoren Bar tei erregt hat. .

Die äußern Angelegenheiten der Volksſchule ce. 611

. Für die Landſchulen bleibt das Geſetz vom 6. Juni 1863 im We fentlihen in Kraft.

Privatſchulen dürfen von Jedem errichtet werben, der feine fittliche, wiſſenſchaftliche und techniſche Befähigung zur Leitung derſelben vor dem Dber-Scuicollegium nachgewieſen hat.

Man bat die Abfiht gehabt, einen Shulrath anzuftellen, hat aber vorläufig, und wie es jcheint, aus Furcht vor einem Mikgriff, davon Abs fland genommen.

Das Seminar tft in feiner bisherigen mangelhaften Einrichtung belafien worden.

.Ein Mitglied des (interimiftifchen ?) Ober-Schulcollegiums, der Haupt lehrer W. Deede, ſcheint bei der Feitltellung des Schulgefeges in meh: zeren wichtigen Punkten in der Minorität geblieben zu fein, was ihn bes ftimmt bat, feine Anfichten in einer Heinen Brochüre, betitelt „Zur Schub frage (Lübed, Aſchenfeldt, 1865), darzulegen. Er fordert darin ein Bierfahes: 1) die Anftellung eines Schulrathes, deſſen Hauptaufgabe die pädagogifche Infpection der Volksſchulen fein fol; 2) die Herftellung eines vollftändigen Seminars; 3) die Herftellung von vier, hoͤchſtens ſechs größe: ren Volksſchulen an Stelle der jebt erillirenden 9 Stadt: und 3 Vorſtadt⸗ fchulen; 4) Uebernahme der Gelpverhältnifie der Voltsfhulen dur den Staat, „d. b. Befreiung des Volksſchulunterrichts aus den Händen der Epeculation.”

Wir halten Deede’s Anfichten für mwohlbegründet und find ber Mei: nung, daß man fie als Ziel im Auge behalten muß. Man mürde ihnen auch wahrſcheinlich gleich zugeltimmt haben, wenn man fid nicht gar zu ſehr von dem Grundjap hätte leiten laſſen, den beftehenden Verhaͤltniſſen möglihft Rechnung zu tragen.

XI. Sachſen.

1. Obwohl erft vor zwei Jahren ein neues Seminar für 80 Semi- nariften in Borna errichtet worden iſt, fo können die Seminare doch den Bedarf an Lehrern nicht deden; es finden fi daher eine Anzahl Schul: gemeinden im Lande, die ihre vacanten Schulftellen vergeblich ausbieten.

2. Eine in diefem Jahre erlafjene Verordnung der Regierung, nad weiber auch tüchtigen feminariftifd gebildeten Lehrern der Beſuch der Univerfität Leipzig geftattet ift, bat in weiten Kreifen freubige Zuftimmung gefunden. Gie lautet wie folgt:

„Während die Anforderungen an die Leiftungen der Vollsfhule von Jahr zu Jahr wachſen und in deſſen Folge namentlih an die Directoren und Oberlehrer an Bürgerfhulen Anſprüche auf umfafjendere Berufsbildung gemacht werden, als die Schullebrerfeminare gewähren Lönnen und ihrer eigenthümlichen Beftimmung gemäß gewähren follen, bat die Zahl an ala= demiſch gebildeten Männern, die fich bisher, wenn auch in der Regel in der Hoffnung auf jpätere Anftellung in geiftliden Aemtern, zu derartigen Stellen meldeten, fih mejentlih gemindert.

Um nun den hierdurch. mehr und mehr fühlbar gewordenen Bedürh

39

622 Die äußern Angelegenheiten der Bollöichale x.

Kenntnis über das bayerſche Schulweſen zu verkeeiten, madhielgente Meberfiht über Die Retrutenpräfungen ber legten fünf Jahre wi.

Conferibirte mit mangelhafter Edulbikung

Regierungs:

Bezirk, | I Der⸗ . 1860 | 1861 | 1862 , 1863 | 1564... |

| | | Oberbayem .. ... 15,0 10,0 9,10,2% 9,2% 78% 104°, Niederbayern . . .:29,0 = 30,0 : ‚23,6 = 19,7 = 15,5 = 236 : Bla -....... 14,0 =: 13,5 =: 12,7 = 8,2 =: 9,4 = 11,6 :

Dherrieh u. Regens- | | | | ' | burg. ...2.... 15,0 = 14,0 ='17,2 = 15,9 = 12,7 = 15,0 : Oberfranten >. > 11,0: 80 -'87 ::70 : 51 :'180 : Mittelfranten ... . | 90 :' 65 | 76 :! 48 :' MA :' 65 :

Unterfranten u. Aſchaf⸗ | | | fenburg 2 22... |9o :!so:!73 :!08 .Is2 .172: Schwaben n. Neuburg ! 7,0 «| 5,0 :1 7,4 =:| 7,4 «| 44 =! 62 -

Nah dieſem fünfjährigen Durchſchnitt ergiebt ſich, daß von fämmt lien eingereiheten Conſcribitten 11,0 %, eine mangelbajte Schulbildung erhalten hatten.

2. Die Meferzeitung fagt in einem Artilel aus Münden: „Tie gegenwärtige Landwirthſchaftskriſis in Bayern ift in Folge des mangel: baften Schulunterrichts, der die Berfiandesträfte der bäuerlichen Bevölterung nicht fo entwidelte, um fie zu rationellerem Betriebe zu be fähigen, fie ift die Folge ſchlechter focialer Geſetze.“

3. Die erniten Beftrebungen des Lehrerfiandes um Erlaß eines Schulgeſetzes, über die wir ſchon im vorigen Bande beridyteten, baben ber wirkt, daß die Angelegenheit au in der Abgeordnetenkammer zur Sprache gelommen if. Auf eine Sinterpellation des Stadtpfarrers Dr. Schmid entgegnete der Minifter v. Koh: „Die E. Staatsregierung ift mit dem Herrn Interpellanten zunädit darin einverfianden, daß der Bollsunter: siht und feine gegenwärtigen Einrihtungen den beredtig: ten Anforderungen der Zeit nicht vollftändig eutfpreden und nad verfchiedenen Richtungen einer Berbefierung bedürfen.”

Der Abgeorpnete Umbſcheiden fagte bei Berathung der pfälziichen Bittihrift: „Die Frage der Echulreform ftellt ſich als eine Frage von der höchſten Bedeutung dar, die ihre Löfung finden muß, da es unzweifelbaft richtig ift, Daß die Entwidelung der Schule nicht gleichen Schritt gehalten bat mit der Entwidelung des Lebens. Iſt die Frage von dieſer Bebeutung, dann täufhen ſich jene, welche glauben, daß bier in Folge eines Parteige⸗ triebes abermals eine Frage in den Vordergrund gebrängt worden fei, oder dab Phantaſien oder Ideologen dieſes Prodult in die Welt gejegt haben, und dab jchließlih die Frage, wenn man nur glüdlid bei ihr vorbei Shlüpfen könne, aud wieder in den Hintergrund fidh flellen könne.“

Die äußern Angelegenheiten ber Volksſchule c. 623

Diefe Stimmen aus Bayern felbft laflen veutlih genug ertennen, „daß Etwas faul if” und daß bald Abhülfe fommen muß. Die Lehrer baben durch Petitionen ihre Echulvigleit gethan, mögen nun die Kammern und die Regierung das Werk bald angreifen und glüdli vollenden.

4, Die Bewegung der Lehrer fommt den Geiftlihen wohl am unbes quemften, da fie theils die bisherige Herrfchaft über die Schule nicht auf: geben wollen, tbeild auch die Kirche in Gefahr glauben. Co wird der Allgemeinen Schulzeitung unterm 20. Juni aus der Pfalz gejchrieben: „Bon den Geiltlihen beider Confeflionen wird gegen die Petition, welche die Lehrer an die Kammer der Abgeordneten gejendet haben, fehr lebhaft agitirt; insbefondere ift das Streben der Lehrer nah einer größeren Selbftändigleit der Gegenftand einer entſchiedenen Berurtheilung Seitens gewiſſer proteftantijcher und katholifcher Geiftlihen. Im jenfeitigen Bayern fol namentlih der Biſchof von Pajjau bereit$ in einem geharniſchten Schreiben gegen daS Vorgehen der Lehrer aufgetreten fein. Auch das bijchöfliche Orbinariat in Speyer läßt die Lehrer auffordern, fchrijtlih zu erklären, welche gegründete Beſchwerden gegen die Geiftlichleit fie veranlaßt haben, ſich von der Gerichtsbarkeit derſelben loszuſagen und jo indirect eine Emancipation der Kirche von der Schule anzujtreben.‘‘

Der Erzbifhof von München-Freiſing fagt unterm 2. Febr. in feinem SHirtenbriefe an den gejammten Clerus der Erzbiöcefe: „Machet Euch befannt mit den beten und fruchtbarften Methoden und Hülfsmittelu des Clementarunterrihtd, auf daß Ihr nit nur dem Namen nad, fon: dern in der That dad ganze Getriebe der Volksſchule leiten und regeln fönnt. DBeherziget dann, welde große Wichtigleit dem Amte ver Polls: jhullehrer inne wohnt. D, wenn es Euch gelänge, Cure Lehrer Euch zu guten Freunden, zu trenen Mitarbeitern zu machen. Kommt ihnen darum mit aller nur möglichen Liebe und treuherzigen Zutraulichleit entgegen, traget die etwaigen Mängel und Schwächen berjelben, fo lange es das Interefie der Schule nur immer geftattet, mit Schonung und Geduld, jeid bejonders den jüngeren Lehrern väterlihe Freunde, die fie rechtzeitig vor den großen Gefahren, die jie bedrohen, warnen und bewahren, lafjet ihnen das tieffte Intereſſe für die Schule und den ehrwürdigen Stand der Schuls lehrer entgegenleudhten, und übet Euer Auflihtsredht über fie ſtets nur mit priefterliber Würde und priefterliher Mäßigkeit.“

Das it recht gut gemeint; aber man merkt die Abjicht doch gar zu ſehr.

Die bayeriihen Erzbiſchöfe und Biſchöfe haben eine Adreſſe an den König gerichtet, in der die auf die Sculfrage fi beziehenvde Stelle folgendermaßen lautet: „Die Bürgjchaft für die Kirche und des Staates Wohlfahrt und Gedeihen liegt vorzugsweile in ver entjprechenden Herans bildung des nachwachſenden Geſchlechtes: darin, daß die höhere mie die nievere Schule in innigem Berbande wahre kirchliche Sefinnung in den jugendlichen Seelen wede und pflege. Ye mehr in unjern Tagen das Ele ment des pofitiven Glaubens auf dem Gebiete des Unterrichts und der Er: ziehung in den Hintergrund gedrängt werden will, je ofjentunpiger nicht blos vernachlaͤſſigt, fondern geradezu angelämpft wird, defto gewiſſer

624 Die äußern Angelegenheiten ber Volksschule ꝛc.

wird dadurch der Kriftlide Staat feiner Gelbflauflöfung entgegengedrängt. Die Forderung an die Schule wird in dieſer Beziehung eine um fo größere und intenfivere, als leider das Familienleben unferer Zage mehr und mehr dasjenige zu fein aufhört, was es einft ges weſen, und mehr und mebr von der Wahrung und Pflege kirchlichen Glau⸗ bens und Lebens abzufallen droht.

Bon diefem Gelihtspuntte aus haben wir bei unferer Berfammlung dahier (in Bamberg) namentlih aud die gegenwärtig mit größtem Rad; drud angeregte Schulreformfrage unferer ſorgſamen Prüfung unterzogen und dies bezüglih unſere Anfihten und Anträge der hohen Staatsregierung Gurer Königl. Majeftät zur geneigteften Würdigung zu unterbreiten ung er: laubt. Wir find des feiten Vertrauens, daß Gure Königl. Majeftät wie in diefer wichtigen Angelegenheit der Volksſchule, jo auch in allem den: jenigen, was den Gerehtfamen und der Aufgabe der Kirche gemäß ift, bie landesväterlihe gerechte Gewähr und weiſe Fürſorge dem allerehrfurchts- vollften Episcopate Bayerns, welcher keine andere Devife bat, ald concordia inter imperium et sacerdotium, allerhuldvollſt werden angedeihen laſſen.“

Wem fällt hier nicht fofort der Hauptpaftor Melchior Göze aus Hamburg ein, der Lefling in Berlin und Wolfenbüttel ale einen flaate: gefährlichen Mann denuncirte und es wirklich dahin bradte, daß dieſer nichts mehr in Bezug auf Religion durfte druden lajien. Auf ihn beziehen fih befanntlih des Batriarhen Worte im Nathan:

Auch mach' ih ihm gar leicht begreiflich, wie Gefährlich felber für den Staat es iſt,

Nichts glauben! Alle bürgerlihen Bande

Eind aufgelöjet, find zerrifien, wenn

Der Menſch nichts glauben darf. Hinweg! binweg Mit folhem Frevel!

5. Wir machen bier noch auf eine mit Wohlwollen gefchriebene Brodüre in Angelegenheit der Schulreform aufmerljam; ihr Titel Iautet: Zur Schulreform. Mit befonderer Berüdfibtigung ber Denkſchrift des bayeriichen Volksſchullehrervereins. Von Adolf Ztahlin, proteſtan⸗ tiſchem Stadtpfarrer in Nördlingen. gr. 8. (IV u. 83 ©.) Nördlingen,

C. 9. Bed. 1865.

6. Nr. 2 des bayerifchen Negierungsblattes enthält eine Berorbnung über die Shulpfliht an Sonn» und Feiertagen, die wir ibrer Bwedmäßigkeit wegen hier im Auszuge mittheilen.

8. 1. Die Sonn: und Feiertagsfchulpflidtigleit beginnt für Knaben und Mädchen nad ihrer Entlaflung aus der Werktagsjchule und findet ihren Abſchluß durch erfolgreihe Erſtehung ver öffentlihen Schulprüfung in bem: jenigen Jahre, in weldem der Schulpflichtige das 16. Lebensjahr zurüd: legt. 8. 2. Während dieſes Beitraums ber Schulpflihtigleit ift Die Sonn⸗ und Feiertagsſchule von den Schulpflichtigen beiderlei Geſchlechts anhaltend zu beſuchen. Eine Befreiung von diefem Sculbefuhe findet nur bei den jenigen Schulpflihtigen ftatt, welche eine höhere Lehranftalt beſuchen, oder welche mit Genehmigung der Localinſpection einen die öffentlihen Sonn und Feiertagsſchule erfegenden Privatunterricht erhalten. $.3. Die Anforderungen,

Die Außern Angelegenheiten ber Volksſchule ꝛe. 625

weiße "bei der Schulprüfung an die aus der Sonn und Feiertagsfchule zu- Entlafienden geftellt werben follen, haben fi neben entjprechendem Neligionsunterticht mindeſtens auf diejenigen Elementarlenntniſſe zu er ſtreden, welche an den von ihnen beſuchten Schulen nach den geltenden Unterrichtsplaͤnen gelehrt werden. $. 4. Diejenigen Schüler und Schüle⸗ rinnen, welche die Schulprüfung nicht mit Erfolg .beitanden haben, bönnen ausnahmsweiſe buch Berfügung des Diſtrictsſchulinſpectors 2c. gu weiterm Beiuhe der Sonn⸗ und Feiertagsſchule, der jedoch den Beitraum eines Jahres nicht überfchteiten darf, angehalten. werden. $. 5. Die förmliche Entlofiung erfolgt. durch Aushändigung des Entlaſſungszeugniſſes an bie Austretenden. Un diejelben ift die Ermahnung zu einem orbentlihen und gefitteten Lebenäwandel zu richten. 8. 6—9 enthalten Nebenbeftiimmungen. $. 10. Nur diejenigen SJünglinge und Mädchen, melden das vorſchrifts⸗ mäßige Beugniß über ihre Entlafjung zugeftellt ift, können als der Sonn: und Feiertagsjchulpflichtigleit und allen gejeßlichen Solgen berjelben enthohen betrachtet werben,

7. Bayern hat gegenwärtig 10 Gehrer-Seminare, 7 tatholiſche und 3 proteſtantiſche (Altvorf, Kaiſerslautern, Schwabach), deren Etat 112,148 fl. beträgt. An jedem Seminar wirkt 1 Inſpector mit 900 big 3500 fi. jährliher Befoldung nebft Wohnung, Holz ꝛc., menigftens 1 Präfect mit 700—1200 fi. Beſoldung nebft Wohnung, wenigftens 1 Se minarlehrer mit 600—1000 fl. und mehrere techniſche Lehrer, deren Ges halt 400-600 fi. beträgt. Die außerdem noch verwendeten Hilfslebrer werden nah Maßgabe ihrer wöchentlichen Stundenzahl honorirt. Die Seminare haben:

Altdorf.... 2 Klaſſen, 74 Söglinge, s Lehret; 8

Bamberg... 2 7

Eichſtaͤdt. 2 : 50 s s Sing... 2 = 56 s 10 Kaiſerslautern 2_ s 50 8 Lauingen... 2 = 65 7 Schwabach .. 2 8 78 8 9 8 4 Speyer..... 2 s 48 s 7 Straubing.. 2_ » 63 7 Mürzburg 2 75 11 >

Die Ausfict auf beſſere Befolbung und unabhängigere Stellung hat

gute Wirkung gehabt. Der Zudrang zu den Seminaren ift nämlich bedeutend gewachſen. In Schwabach hatten ſich beim lebten Aufnahmes eramen 65 gemeldet. 51 beitanden bie Prüfung und AO wurden aufges nommen. In Altvorf waren 57 Graminanden da, 16 Lehrers, 12 Bauers⸗ und 29 Handwerkersſoͤhne. AO wurden aufgenommen. In Eichſtaͤdt flieg die Bahl der zu PBrüfenden auf 76, die aus Oberpfalz; und Mittelfranken

8. In Münden if vor drei Jahren durch den Fabrifanten Niemerfchmied und deſſen Procuriften Reifchle eine Handelsſchule für Mäpchen gegründet worden, in der täglih in 6—7 Stunden Unterricht in deutſcher und franzöfiiher Sprache, im Schönfhreiben, im Laufmännifchen

Päd. Jahteßberiät. XVII 40

626 Die äußern Angelegenheiten ber Bolksſchule sc

Nennen, in einfacher und beppelter Buchhaltung, in Wechſellehr, Kate corrent und Gorrefponveng ertheilt wird. Der Curſus ifl zweijährige Die Anſtalt findet allgemeine Unerlennung; mehrere Schülerinnen haben bereits als Berläuferinnen und Buchhalterinnen «in voribeilbaftes Unterlommen gefunden.

9. In Mittelfvanten find die Gebühren für Abhaltung von Shulinfpectionen durch die Diſtricts:Schulinſpectoten folgender maßen feitgeftellt worden: Für Vornahme einer Schulprüfung, wenn folde den größten Theil des Tages in Anſpruch nimmt, 5 fl.; fir Inſpection zweier ſelbſtaͤndiger Schulen mit je einem Lehrer an einem Tage 8 fl; für Prüfungen, weldhe nur einen halben Zag in Auſprach nehmen, 4 1. Der Inſpector bat in dem Protokoll den. Heitaufwand zu conflatiren.

10. Das fiebente Schuljahr iſt immer nod vielen Ländlichen Gemeinden, befonders in Niederbayern, ein Dorn im Auge. Immer wie der lommen Neclamationen, in denen ftetS als Haupftgegengrund ber zu finden ift: daß diefe Maßnahme der Verwendung der Kinder zur Land: wirtbihaft Eintrag thue. Das Minifterium dagegen hanphabt das Geſet mit aller Strenge.

11. Das Intereffe für pie Schule ift im Volle ſehr rege, wofür am beiten der Umftand ſpricht, daß wiederholt neue Stiftungen für diefelbe ins Leben treten. So bat im verflofienen Jahre (1864) die Ober pfalz allein 19,000 fl. Stiftungs:Stapitale erhalten.

12. In Hof haben die Lehrer eine Bibliothek für Eltern und Erzieher ins Leben gerufen, die fleißig beriugt wird. Die Büchet follen vorzugsweiſe pädagogifhen Inhalts fein; doch werden auch Werte aus andern Zweigen der Wiſſenſchaft angeſchafft. Die Verwaltung der Bibliothek ift Sache der Lehrer, denen auch die Auswahl der zu kaufenben Bücher zufteht. Die Bibliothek felbft iſt Cigenthum der Stadt.

13. Schließlich mahen wir noch auf zwei liserarifhe Unternehmungen bayerifher Lehrer aufmerkſam.

a. Jahrbuch bes vayerifäen Bollsfhullchrervereine für 1866.

Bierter Jahrgang. m :Yuftrage de& Hauptausichuffes und zum Bellen

bes bayerifchen Lehrerwaifenftifts herausgegeben von G. Mm

—— Ansbah, C. Junge. Subſcriptionepreis 30 kr., Lader

r

Das Jahrbuch bat einen reihen und gutem Inhalt. Der größert Theil vefielben ift vom SHerausgeber bearbeitet. Cr zerfällt in folgend Abſchnitte: J. Die Vollsichulfrage vor dem bayeriſchen Landtage 1825, IL, Beitgefhichtlihes. ( Enthält Schulnachrichten über die meiften deutjſchen Länder.) III. Pädagogifhe Abhandlungen, Biographien w. f. m. IV. Statiſtiſhes. V. Die vom bayeriihen Volksſchullehrerſlande begrün- deten Hilfsanftalten in fämmtlihen 8 Streifen. VI. Blätter und Bluthen.

Wir wünjhen dem Unternehmen ferner guten Grfolg.

b. Der pfälziſche Schulbote. Volkskalender auf das Jahr 1866. Her ausgegeben unter Mitwirkung anderer Lehrer von Ph. Schneider Shut

lehrer in Mußbach. Mußbach, Selbſt⸗Berlag bes Herausgebers.

Die Suchern Angelegenheiten der Bolksichule u GR

.Sehalt: Gewöhnlicher Kalender. Statiftifhe Tafel allen ‚Länber. usw Staatsoberhäupter. Belehrung über den Kaleunder. Ein Vorſchlag zun Berbefierung des Kalenders. Zeitgefchichtliches für Lehrer und Schule. Kunde aus der alten Zeit. Pfälziſche Gelebritäten. Lebensabriile von Schal⸗ möännern, (Darunter auch Dieftermeg mit Portrait.) Raturwiſſenſchaf and Zeqnijches Pſychologiſches. Anelvoten. Lieber und Geniäie.

halten Anlage und Ausführung: des Unternehmens für recht ‚gen lungen und wünfchen vemfelben guten Crfolg, vor Allem au, daß: das Volk fi Dabei betheiligen möge, deſſen jährliche Lectüre in- her Reg ı nur im Kalender zu befteben pflegt. |

..

XXVIL Oeſterreich. | | '

1. Daß das öſterreichiſche Vollsſchulweſen noch ſehr tief Rebe. ie landestundig, und mer das noch bezweifelt, der mache eine Reife. durch Deſterreich und lerne den Bildungsftand des Volles tennen. Wenn ‚ingente etwas, fo hat hierüber der jüngfte Krieg mit Preußen Licht verbreitet. Mix legen Briefe von ſehr verfchiedenen öfterreichifchen Schulmännern vor‘, bie alle darin übereinflimmen,. daß felbft das Bolt endlich den Krebsſchadeũ erkennt und beflere Schulen für feine Kinder fordert. Den Staat trifft ver ſchwere Borwurf, den Vollsihulen nicht die gehörige Aufmerkfamteit ge⸗ widmet, ihnen nicht ausreichende ‚Mittel und durchgebildete Lehrer gegeben zu baben. Bel Berathung des Militärbudgets, das in Friedenszeiten jährlih über 100 Millionen Gulden fordert, hielt der ehrenwertbe Dr. Giskra eine dreiftündige Rede, in welcher er unter Anderem die Roften, welde durch die Unterhaltung der Geftüte erfordert werben, mit benen verglih, welche durch die Schul» und Studienanftalten verurfadt werden, wobei ſich ergab, daß der Aufwand für die legteren nur um 219,000 fi. böhen fleigt, ale das, „was den Hengften und Stuten gewidmet wirb.

Ne. 27 der Allgem. deutjchen Lehrerzeitung von 1865 enthält einen längeren Aufjag über die Voltsfhulen Defterreihs, auf den wir verweifen. 72 Gin trauriges Bild von der aus Armut entfpringenden Noth der öfterreichiihen Lehrer enthält die von Vogeler herausgegebene „Dolls: ſchule“, den Nr. 18 der Allgem, deutſchen Lehrerzeitung (1865) unvertürzt wiedergibt. In Wien mußte in diefem Jahre (1865) den Lehrern eine Theurungszulage bewilligt werben.

3, Nachdem die Shulbrüder die Prüfungen für Realfhulen mit autem Grfolge beflanden haben, find bie Lehrer der Unterrealihule am Ü 8. Waifenhaufe mit Ende des laufenden Schuljahres in Disponibilität geſetzt worden. Das wird treiflih zum Concordat pafien!

4 In dem „Berein Vollsſchule“ in Wien machte der Vorfigenve die

Mittheilung, daß ihm hoben Orts auf feine Anfrage über die Stellung

der Lehrer die Auskunft ertbeilt wurde: „daß die Lehrer den drei

Factoren, Staat, Kirche und Gemeinde unterfiehen, dab fie weder Staats⸗

noch Fommunalbeamte ſind, daß. fie. abes den Schuß und, die Rechte, ung 40*

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trat, ve ——— zur ich verfläntiger BFeiit, Ratt deſſen ein „Päda⸗ segium“., » i Lebrerieminar, berzuiellen, ba ver allen tüdtige

- gebildet werden mine Geßtera Lam: ver Gatwurf des. Deganifafien

Die Fußern Angelegenheiten ber Volksſchule 2. 629

zur Verhandlung und gab wieder zu einer fehr dharalterifiiihen Debatte Anlaß. Em Schuldirector, beiläufig bemerkt, ein getaufter Jude, bezeichnete e3 als „felbjtverftändlih , daß dieſes Inſtitut einen katholiſchen Charakter baben müfje, folglih aud nur katholiſche Directoren ‚und Lehrer an dem⸗ felben wirlen könnten. Aber er blieb mit diefer Anficht nicht nur allein, fondern beſchwor einen wahren Sturm gegen ſich herauf; an den allerdings plaufibelften Gegengrund,, daß ja Proteftanten, Griechen und Juden ebens falls zu den Koſten beifteuern, reibten fih alle erdenklichen Motive und beitigen Ausfälle, die wenigſtens das eine Klar bewiefen, daß für clericale Beftrebungen in den hieſigen Bürgerkreifen gar ein Boden if. Und eben beswegen verdient das Factum Erwaͤhnung. Man befhloß, gar keine confefftonelle Beftimmungen aufzunehmen.

Aus dem Statut Ddiefes Pädagogiums, das mir der directen Mit⸗ theilung des Magiftrats der Reſidenz verdanken, theilen wir Nachftehens des mit. 81 Das „Pädagogium” ift eine vom Gemeinderath für die Volls« f&pullehrer der Commune Wien errichtete Fortbildungsanftalt. Seine Aufgabe ift, jenen Lehrern, welche die ihnen bier gebotene Gelegenheit er» greifen wollen, eine erhöhte und vermehrte Berufsbildung, wie folde bie Entmwidelung des ſtädtiſchen Volksſchulweſens erfordert, zu vermitteln. F. 2. Die Fortbildung, melde das „Pädagogium“ ertbeilt, fol eine boppelte, eine tbeoretifche und praltifche, fein, und fid in dreifacher Richtung: fahmiffenfhaftliher, pädagogifher und künſtle⸗ rifcher, erftreden. 8. 3. Zum Behuf der praktiſchen Ausbildung ift mit dem „Pädagogium” eine fogenannte Uebungsſchule, die eine in jeder Hinſicht mufterhafte, ftäptiihe Volle»: oder Bürgerſchule fein foll, jobald als mögli zu verbinden. $. 4. Als „ordentlihe Zöglinge‘ werben jene angejehben, melde an dem gejammten linterriht, einſchließlich des Unterrichts in der Uebungsfchule, theilnehmen. Die Zahl berfelben wird, da die Theilnahbme an der Uebungsſchule nur eine beſchränkte fein kann, alljährlih von der Aufſichtscommiſſion beftlimmt. $. 5. Alle anderen Böglinge erſcheinen ald „Curshörer“, umd zwar a) ald ordentliche, die mit Ausnahme des Unterrihtd in der Uebungsſchule dem ganzen übrigen, theoretifchen und prattiſchen Unterricht beimohnen ; b) ale außer» ordentliche, die mit dem Director, unter Nachweis der von ihnen ſchon erlangten Bildung, über die befondere Art ihrer Bildung übereintommen. Der Unterricht ift für die an den Schulen der Commune wirlenden Lehrer ganz frei; ja der Gemeinderath mill unter Umftänden den Beſuch ſelbſt durch Unterftüßungen erleihtern. $. 32. Der Lehrceurfus des „Paͤda⸗ gogiums‘ umfaßt drei Klaſſen oder Jahrgänge, in denen zunädjit folgende Gegenſtaͤnde gelehrt werden: Deutſche Sprache und Literatur, Mathematil Mechnen und Geometrie), Raturgefhichte (Boologie, Botanil, Mineralogie), Phyſik und: Chemie, Welt: und Heimathskunde, Geſchichte, Theologie, Ges Fichte der Pädagogit, Methodik, Zeichnen und Formenarbeiten, endlich, wenn es die Zeit geftattet, lateinifhe Sprache, Gefang und Turnen. In Bezug auf die Religion ift jeder Zögling verpflichtet, ſich alljaͤhrlich mit einen Zeugniß über den Genuß eines feinem Glaubensbekenntniß und dem

680 Die äußern Angelegenheiten ber Volksſchule x.

Del der Anſtalt entfprechenben Unterrichts auszumeifen. 6, 38. Den Bebrplan, melder den Inhalt und Umfang, fowie die Grunbfäße des Unterrichts für jeden einzelnen Gegenftand beftiimmt, jeßt der Director mit dem Lebrlörper und der Auffictscommilfion, vorbehältlih der Genehmigung bed Gemeinberatbs, feſt. Dabei gelten folgende allgemeine Grundſaͤße: 4) Der Unterriht im „Paͤdagogium“ ift theils Wiederholungss, theils Cr gaͤnzungsunterricht, der gugleich den gegebenen Stoff nah neuen Geſichts⸗ punkten verfnüpft. 2) Zur Aneignung wirb nicht Alles und Jedes, noch Vieles und Verſchiedenes, ſondern nur dad Wichtigſte und Glementare, dieſes aber vollſtaͤndig gebracht. 3) Der Zwed der Wiflensaneignung muß mit bem der Uinterrihisbefäbigung Hand in Hand geben, jo daß bie Form jedes Vortrags im „Pädagogium” zugleih die Form abipiegelt, in welcher der Gegenfland in den Schulen zu lehren fein wird. A) Sämmtlide Gegenftände müflen einheitlich, d. h. in methodifcher Uebereinftimmung und innerem Zuſammenhange gelehrt werden. 5) Alles gedächtnißmäßige Auf mwehmen des Borgetragenen einerſeits, fowie alles Dogmatifigen und Obtroyiren von Anfichten andererfeits foll fireng vermieden , vielmehr ver ganze Unterriht dahin geben, zur Selbitthätigleit anzuregen, das freie KGelbfturtheil zu ermöglihen und eine eigene Fortbildung anzubabnen. F. 36. Während ver legten vier Wochen des Schuljahres wird in allen Klaſſen und Gegenfländen eine allgemeine Wiederholung vorgenommen, Diefelbe ift jo einzurichten, daß fie einen klaren Ginblid in die gefammte Sahresleiftung des Pädagogiums” ermögliht. Die Mitglieder der Auf ſichtscommiſſion find verpflichtet, der Wiederholung in allen Gegenſtänden, nach einem unter ihnen feitgefeßten Modus, beizumohnen,

Mir wünſchen dieſem neuen Snftitute für Lehrerbildung den befien Fortgang. Die päbagogifhen Grunpfäge, melde in demſelben zur An wendung Tommen fellen, find durchaus gut.

12. Der „Wiener Lebrerverein‘ hatte Pfingſten 1865 den Lehrer Zacob Spitzer, Redacteur der Defterreihifchen Schulzeitung, ale ihren Vertreter nah Leipzig zur allgemeinen deutſchen Lehrer: verfammlung gefandt. Dem Berlangen des Vereins entſprechend, flattete Spiger nach feiner Rüdlehr Beriht ab. Aus demjelben geht ber vor, dab die Verſammlung einen ſehr ungünjtigen Ginbrud auf ihn ge wacht dat. Bier Gründe werden dafür angeführt: 1) Spiper erhielt von dem ‚Prafidenten der Verfammlung nicht das Wort, um fih gleih am erften Tage und vor Beginn ber Verhandlungen als Deputirter bes Wiener Lehrervereind präjentiren zu Iönnen. Das muß ſehr fchmerzbaft für den Kleinen Mann gewefen fein! Wie würde feine Bruſt fih gehoben haben, wenn er body oben auf dem Katheder oder gar eben dem Präfidenten geitanden und hätte jagen koͤnnen: „Sch bin ber pürbige Deputirte des Wiener Lehrervereind, der Eud feinen Gruß burd meinen haltungsvollen Mund entbieten läßt!” 2) Der Ort, mo die Ber ſammlung abgehalten wurde, madte einen ungünftigen Eindruck auf ihe. Das Gomite. hatte es nämlih für angemeflen befunden, die Reflanrationen in der Nähe des DVerfammlungslocals nambaft zu machen, wo man in ber Pauſe frübftüden lönne, und zugleich empfohlen, die übrigen im eigenen

Die Außern Angelegenheiten ber Volksſchule ꝛc. 681

Intereſſe zu meiden. Daraus nimmt nun Spitzer Veranlaſſung, die ganze Umgebung der „Neuliche‘ in einer Richtung bin zu verbächtigen, an bie fein Menſch gedacht hat. Sein ſittliches Gefühl hat fih dagegen gefträubt, Aaoͤglich ‘in fold’ verfänglies Atmosphäre wandeln zu muͤſſen.“ O über die engliiche Seele, die jo etwas fogleich entvedte, während taufend Andere davon gar feine Ahnung gehabt und die Atmoſphaͤre dort mindeſtens fo tein, wie in der Kaiſerſtadt Wien jelbft gefunden haben. 8) Aeuferft uns angenehm aber wurde Epiger von dem berührt, was ich bei Gelegenheit der Debatte über Fröhlich's Thema für die Trennung der Schule von ver Kirche, d. h. der Befreiung der Schule von der Aufficht der Geiftlien, als [older gejagt habe. Der hierauf bezüglihe Theil feines Referates ift aber

iver fo wenig wahrheitsgetreu, daß ich entweder an feiner Faſſungskraft, der an feiner Mahrbeitsliebe zmeifeln muß. So legt er, um nur Eins anzufähren, meine Worte, daß man zur Ertheilung des Religionsunterrichts in ver Vollsſchule der Theologen nicht bedütſe, dahin aus, daß ih „die Ausrottung fämmtliher Theologen’ wolle. Als ihm darauf Director Raifer in Wien fagt, daß er die Verfammlung dur feinen Bericht ver unglimpfe, da gebt er meiter und bezeichnet ven feligen Schmidt und mich als Demokraten, die in ber von mir präfidirten Berfammlung in Zabarz (1863) beſchloſſen hätten, „vie David Strauß’ihen Ideen als Grundlage des Religionsunterrihts in die Vollksſchulen einzuführen.” Meine Auslafjungen in der Leipziger VBerfammlung feien daber hierauf bes rechnete geweien. Cine große Anzahl von bejonnenen Mitgliedern foll fi nah meinen paar Worten über die Trennung der Schule von der Flicche „Sofort veifefertig” gemacht haben. Davon bat der größte Theil der Ber ſammlung mit mir Nichts bemerkt. Wohl erinnere ich mich aber, daß bald darauf eine Pauſe eintrat, während welcher Alle die Kirche verließen, um zu frübftüden. Möglicher Weiſe it Spiber, der in feinem Referate behauptet, „er fei im katholifhen Glauben geboren’, in diefem Momente fo erregt geweien, daß er den harmlojen Gang zu den Frühſtückslocalen für die Mbreife der gereizten, beleidigten Verſammlung angefehen hat. 4) Endlich hat Spitzer in Leipzig auch „das Geſellige und Freundicafts lihe vermißt”, das ihm in Gera und Mannheim fo gefallen. ch weiß nit, in melden Kreijen fih Spiker außer ber Berfammlungsgeit bes wegt bat; ich für meine Perſon habe in Leipzig auch in dieſer Beziehung Nichts vermißt. Obnehin hatte das Comité fo reichlich für geiftige Senüfle aller Art geforgt, daß den Zheilnehmerh kaum ein Stündden zu einem ge: möüthligen Schwap bei einem Seibel Bier, voran doch mohl Spiger nur dentt, übrig blieb.

& viel zur Steuer der Wahrheit. Die Wiener Lehrer bitte ich aber in ihtem eigenen Intereſſe, nie wieder einen Mann wie Spitzer zur Verſammlung zu ſchiden; denn er kann oder will nicht wahrheitsgetren berichten. "48. Bu Brandes in Böhmen ift am 5.,Sept. 1865 dem Asmos Komenius ein Denkmal gefeßt worden. Es hat feinen Platz auf einem Bügel auperdatb der Stadt erhalten.

633 Die Außern Ungelegenbeiten ber Volloͤſchule ıc.

XXVII. Die Sqhweiz. Mitgetheilt von J. J. Schlegel in St. Gallen.

I) Der ſchweizeriſche Lehrerverein zu Solothurn am 2. Detober 1865. Wir folgen in unferer Mittheilung hierüber den Referaten der Sonntagspoft und der Neuen Berner Echulzeitung.

„Brüder, reicht bie Hanb zum Bunbe.”

Dies war der Grundton, der in Geſang und Rebe das Zeit einleitete, welches zu einem der ſchoͤnſten und gehaltvollſten ſich geftalten follte, vie je unter ſchweizeriſchen Lehrern gefeiert worden, und defien Wirkung bei allen Theilnehmern eine nachhaltige fein wird. Das oft verpönte „Worte find Thaten“ gewann hier Geftalt und Leben, infojern die Verhandlungen in ihren Rejultaten den concreten Boden der Erfahrung, unterftügt von den Forſchungen der pädagogiihen Wiſſenſchaft, in allen Gebieten feſr bielten,

Der erfte Tag war für die Verhandlungen ver einzelnen Sectiouen beitimmt, deren Borflände Fragen und Thejen aufftellten, wie fie aus den Beratbungen des Gentralcomite'3 hervorgegangen waren. In feiner GE» öffnımgsrede gab Herr Seminarbirector Fiala Außerft interefiante Details über die Entwidelung des Schulmejens von Solothurn. Der kleine Canton darf fi rühmen, auf diefem wichtigen Gebiete verhältuikmäßig Großes ge feiftet zu baben. Humanität, Toleranz, Wiflenfhaft waren eben die Sterne, welchen Solothurn in alter und neuer Zeit gefolgt, und biefer Canton er frent fih nun der Segnungen folder Führerſchaft. (Eine vergleichende Zu: fammenftellung der Schulgefhichte fämmtliher Schweizercantone wäre, bei⸗ läufig gelagt, ein verbienftvolles Wert, das zur Gtlenntnik von Bielem führen müßte.) Die Section für die Primarſchule war fehr zahlreich beſucht, indem keine andere gleichzeitig Berathung pflog. So ward «8 möglich gemadt, daß Lehrer jämmtliher Grade an derſelben Theil nehmen konnten. Diefe Anorbnung ift ein gutes Zeichen für das Berftändniß der See, daß die Primarſchule als Fundament jegliher Schulftufe gekannt jein müfle, um die gefammten Bildungsbeftrebungen würbigen zu können. Die Frage erwähnter Eection war folgende: „In welchem Berhältnifje foll der Unterricht in der Mutterſprache zum Unterricht in den Nealien fteben, damit bie Zwede beider Richtungen von ber Bollsfchule erreicht werben?‘ Der Breäfident der Section, Herr Fiala ftellte neue Thefen auf, die folgende Schluſſe ergaben: Auf der Elementarfchulftufe müflen Sprach⸗ und Neal unterricht, foweit bier von einem ſolchen die Rebe fein lan, dergeftalt wer» einigt fein, daß erfterer als Bildungsmittel und Bildungszwed zugleich vorherrſchend erfcheint und letzterer demjelben als Material dient (Anſchau ungsunterricht); auf der Mittelftufe erkläre man dieſe Verbindung als zu gleihen Theilen beredtigt, und auf der dritten und oberften erhalte ber Unterricht eine felbftändige Stellung, immerhin mit fleter Berüdfichtigung der ſprachlichen Bildeng. Daraus leiten fi Schlußfolgerungen und An träge zur Einrichtung geeigneter Lefebüher ab. Auf das wertboolle Referat folgte eine belebte Discuffion. Herr Seminardirector R üegg ſtellte

Die ãußern Angelegenheiten ber Bolfsfigule sc. 638

feine Saͤtze in folgenber Weile auf: Der Realunterriht auf der unterflen Schulſtufe dient vorzugsmeife formalen Zweden und hat in Anſchauungs⸗, Denk⸗ und Sprahübungen aufzugeben; auf der zmeiten Etufe fteigert fi dio intellectuelle Kraft des Kindes jo weit, daß es fih mehr als früher den Objeeten als foldhen zuwendet; jedoch ift fein Denten noch fein abs firactes, ſondern ein concretes, ein Denken in Borftellungen, baber ift feine fireng objective Gliederung des Lehrftofies rathſam, keine Geſchichte, ſondern Geſchichten, keine Naturkunde, fondern abgerunvete Bilder aus dem Naturs leben. Der Hauptzwed des Realunterriht3 der dritten Stufe dagegen ifl das realiftiiche Willen. Um aber den Dualismus des Sprachlichen und des NRealiftifchen in einem und demſelben Buche zu vermeiden, verlangt ver Rebner neben dem eigentlihen Leſe buche ein Realbuch, damit beiden Bweden in einer Weife gedient fei, bie beide fördere. Sehr beberzigens» wertb war nach dem Referat der Berner Schulzeitung auch das Votum bed Herrn Seminarbirectors Fries, welcher empfahl, ja nicht blos nach und aus dem Buche zu unterrichten, fondern vorwaltend eine freiere birecte Borführung der linterrichtögegenftände eintreten zu lafien. Uns fcheint, Herr Fries babe hier auf einen Fehler hingeveutet, zu welchem vie Ber: fuhung um fo ftärler wird, je vollftändiger die Lehrmittel find. Man will Raun bie Lehrmittel arbeiten laſſen und es fi jelbft bequem maden.

+ Die Eection für Secundars und Bezirksſchulen hatte zu ers Artern: „Uuf welche Weiſe können für Secundar= und Bezirtsihulen nicht nur wiſſenſchaftlich, ſondern auch paͤdagogiſch bejähigte Pehrer herangebilbet werden?” Herr Rector Schlatter zeigte in lichtvoller Weile, wie bie Frage am beften durch Erweiterung und Neugeftaltung der 6. Abtbeilung des Polptechnilums zu erzielen fei. Ein Redner wollte Bildung der Ge: cundarlehrer in einer Anftalt der franzöfifhen Schweiz; ein anderer hielt ben cantonalen Standpunkt feft und verlangte, daß jämmtliche Candidaten erſt durch das Seminar gehen und ihre Bildung an der Cantonsſchule ver. vollftändigen follen. Die Berfammlung entſchied ſich für den erften Antrag „. Sn der Section für Handwerkerſchulen lautete die Frage: „Was haben die Handwerkerſchulen für die Bildung der fchweizeriihen Handwerler bis jebt geleiftet? Welches ift nach den bisherigen Erfahrungen die beite Organijation, bie folhen Schulen zu geben ift?” Die Hauptthefen waren folgende: Der Unterriht der Handwerker beſchlägt mindeftend die Drei Hawptfäher: Sprache, Rechnen und Zeichnen. Hauptziwed: Beihnungsjdulen mit befonderem Lehrplan.

+ Die Section für landwirthſchaftliche Schulen fragte ih: „Iſt für die Ausbildung der SJünglinge, welche fih den landwirthſchaftlichen Studien widmen, das Project der Errichtung einer landwirthſchaftlichen Abs tgeilung am Polytechnikum vorzuziehen dem Projelte, eine der bereits bes ftehenden landwirthſchaftlichen Echulen zu erweitern? Welche Vorzüge und Nachtheile bietet das eine und das andere Project?” Die Theſen bejahten die erfie Frage, und es fiel der Antrag, beim Bundesrath um Errichtung einer landwirthſchaftlichen Abtheilung am Polytehnilum einzulommen.

Der Section für Armenfhulen lag bie Frage vor: „Könnten umfee ſchweizeriſchen Netiungsanftalten nicht gehoben werben und 'mürbe ig

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Die Section für Inınlehrer (Kräßdent: Herr Zurninfperter Riga ler m Bern) berieth: „Wie foll der Zurmunterrit in ben Ceminarien

Hinñchtlich des erften Punties wurde eine Gingabe an bie cantemnalın Gr fiehungsbebörden zu Hebung des Turnunterrichts au deu Eeminarien be jchloſſen. Für das Mäpchentumen fprad mit großem Gifer umb gleicher Ernſicht befonders ein Bafeler.

Die Eection für die Lehrer der frauzöſiſchen Schweiz Relik die Frage: „Erfüllen die Penfionate der franzöfiiden Schweiz für Auchen und Mädchen der deutihen Cantone im Allgemeinen ihren JZwed? Würde derfelbe nicht befier erreicht durch die Aufnahme ber Zöglinge in einen Bamilientreis (3. B. durch Tauſch) mit Benußung der öffentliden Unten» sihtsanftalten?” Es ließ ſich vorausfehben, daß bei Behantlung vieler &ußerft vifficilen Frage die Geiſter auf einander plagen würden. So ge ſchah es auch, und zwar bei genau gleider Bertretung von Wellden und Deutſchen in einer Weiſe, die beiden Theilen zur Ehre gereiht. Die Haupb wegebnifie der Discuffion find folgende: Die Penfionate der franzöfiidhen Schweiz entfpreben wohl etwa dem fpeciellen Zwed, der Griernung der franzöfiihen Sprache, felten aber dem Zwecke der Grziehung, wie ſich die Deutfhe Schweiz denfelben vorjeßt. Da aber auch die Familienkreiſe jelten vhigem Doppelzwede entſprechen, fo wird der Beſuch einer Penſton vem einer Gemeindeihule (mit Familienkreis) vorzuziehen fein. ebenfalls aber Mt wunſchbat, daß die Penfionate nicht zu bevölkert feien, daß ſchweizeriſcher Samiltengeift darin berrihe und daß nicht ausſchließlich weibliche Lebe: teafte an ten Töchterinſtituten wirlen, dba zur Gntwidlung aud des weil lien Charakters männlidhe Autorität vonnöthen it. Es verbient erwähnt gu werben, daß auch weljche Spnftitutövorfteber über die Mängel und Ge brechen der Penfionate friſch von der Leber weg ſprachen.

Das Programm rief die Lehrer folgenden Tags zur Generalver⸗ jammlung. Die Zahl der Theilnehmer flieg über 500. Hauptgegen⸗ Rand der Verhandlungen war: „Die vergleihende Ueberſicht der verſchie denen ſchweizeriſchen Befeßgebungen über den Gintritt in die Schule, über ben Unstritt aus derfelben und über die Dauer der Schulzeit.” Referent war Herr Landammann Bigier. Ueber das Alter der Schulzeit entipann ſich eine fehr lebhafte, interefjante Discuffion. Herr Schulinſpector Antenen yon Dem ſprach fi mit großer Entichiedenheit für den früben Schul

Die äußern Angelegenheiten ber. Bolfsfchule se 636

eintritd aus. Alle andern Redner erflärten fi) Dagegen. Bei, einer Abs fiimmung würde ſich ohne Ymeifel die große Mehrheit der Verſammlung für einen ſpätern Schuleintritt ausgefproden haben. Für Reduction der Schulzeit Tieß ſich auch nicht eine Stimme vernehmen; gegentheils fprah fih in der Verfammlung der Wunſch nah Ausdehnung bez Schulzeit nah oben aus. Grwähnenswertb ſcheint uns der Ausiprud des

Fries: „Lieber zwei Jahre unten opfern, wenn oben ein Jahr ge« monnen werden kann.” Herr Dr. Frei. von Züri referirte über die Schulbankfrage. Es waren drei Arten Schulbänfe ausgeftellt, darunter auch die Schulbank des Herrn Dr. Guillaume von Neuenburg mit Rüd« lehne, jede Bank nur zweiſitzig, Pult und Bank getrennt. Nachdem der Nedner die Bors und Nadtheile der verſchiedenen Conſtructionsſyſteme aus: einander geſetzt hatte, bezeichnete er die Schulbank mit aufrechtſtehender verticaler Lehne als bie zwedentſprechendſte Form.

Nach erhaltener Anzeige, dab Herr Schere feine Demiffion als Redac⸗ teur der ſchweizeriſchen Lehrerzeitung eingegeben, wird befchloflen, das Blatt als wöchentlich erfcheinendes Organ des ſchweizeriſchen Lehrer vereins forterfcheinen zu lafien. Cine Minderheit des Centralausſchuſſes batte bie Ummandlung des Blattes in eine ſchweizeriſche paͤdagogiſche BVierteljahrfchrift oder Jahrbuch beantragt.

Zum künftigen Feſtorte für 1867 wurde einftimmig St. Gallen gewählt. Präfivent des neuen PVorftandes ift Herr Landammann Garer, Faſſen wir Ichlieplih die Glanzpunkte des Feſtes zufammen, jo find es wohl folgende: Die jehr befriedigende Theilnahme der Lehrer, die aus bauernde Arbeitäluft bei den Verhandlungen beider Tage, die meift ſehr gründlih und fahli gehaltenen Voten, ſowie auch die Xhätigleit des Gentralausshufies und des Feftcomite’3; die überaus gaftlihe Aufnahme des Feſtortes; das Leib und Seele erhebende Leben bei den Banletten, ber Befuh der Verena: Einfievelei und die Driflamme am „Wengiftein‘ und endlich die Außerft reichhaltige und jchön georpnete Ausftellung der Shulgegenftände und Lehrmittel verſchiedenſter Art (Bücher,

Bilderwerke, phyſikaliſche Apparate, Kartenwerle, vor Allem der prachtoolle

Duſour'ſche Atlas der Schweiz ıc.). Vom rein geifligen Gewinn läßt ſich kaum eine fpecificirte Rechnung aufftellen, und doch ift derjelbe jo intenfiv, als nur wünfchbar. . 2% Die Berfammluhg der Armenerzieber (oſtſchweize⸗ riſche Section) in Wattwyl befprach folgende Fragen: „Weldes find die Vortheile und Nactheile einer vorherrſchend induftriellen Beihäf tigung in Rettungsanftalten und Waiſenhäuſern?“ „Geſchieht in Armener⸗ ziehungsanftalten im Allgemeinen, mas moͤglich und wünſchenswerth iſt für die geiftige Ausbildung ihrer Zöglinge, und entſprechen ibre viesfallfigen Leitungen ben Anforderungen ber fortgefchrittenen Volksſchule? Sollte man nicht überall, wo fi) Gelegenheit bietet, den fähigeren Zöglingen dem Beſuch der höheren Volksſchulen ermöglichen ?“

Die diesjährige Conferenz fand in Kreuzlingen ftatl. Leber 40 Mitglieder hatten ſich aus verfchiedenen Cantonen eingefunden, namentlich beteiligte fih an derſelben eine große Anzahl früherer Zöglinge non

836 Die kufern Angelegenheiten ber Volksſchule ꝛc.

Kreuzlingen, Schüler und Verehrer von Vater Wehrli. Bon der Bevöl⸗ ferung des Feſtortes murde ber Verein mit aller Aufmerkſamkeit und Yu: vorkommenheit aufgenommen, und der Sonntag Abend geflaltete ſich zu - einem freundlihen Vollsfefte. Kräftige Lieder wechſelten mit trefflichen Toa⸗ fen. Den Schluß bildete ein Feuerwerl. Der Verein madte den drei Anftalten: Armenfhule Bernrain, landwirthſchaftlche Schule und Seminar, einen Befuh. In Bernrain erftattete Herr Anftaltsvorfteber B. einen interefianten Bericht über die Gefhihte und den Zuftand feiner Anftalt. In der Hauptverfammlung, die Hr. Wellauer leitete, kam folgendes Thema zur Behandlung: „Was können und follen Armenerziehungsanftalten für die Zöglinge in Bezug auf ihre Berufswahl und Berufsbildung thum, um einen möglihft aünftigen Erfolg zu erzielen ?" Der Referent nahm an, daß aus diefen Anftalten namentlich Dienftboten, Handwerker und Yanb- wirthe hervorgehen werden; doch mill er den begabten Zöglingen auch den Weg zu den fogenannten böhern Berufsarten öffnen. Die Frage wurde lebhaft discutirt, und es wurde manch’ wahres und gutes Wort gejprocen, indbefondere wurde auch mande pfycologifhe wichtige Mittheilung aus der unmittelbaren Qebenserfahrung gemadt. Bemerkenswerth war, daß bauptfächlih Geiflihe der Beſorgniß Ausdruck gaben, daß für die Berufe: bildung armer finder zu viel getban werden möchte, während die Lehrer {m Allgemeinen für die unveräußerlihen Menſchenrechte aud der Aermflen in die Schanze traten.

Eine weitere Frage, über bie fih die Discuflion befonvers einläßlich

verbreitete, betraf die Berufswahl und »bildung der Mädchen. Die Be ſprechung bot eine Fülle von Anregungen. Die meiften Redner ftellten nicht bloß abftracte Theorien auf, fondern ließen die Erfahrungen des pral; tiihen Lebens fpreben. Beim gemeinfamen Mahl waren die Differenzen verſchwunden. Es wurde viel gefungen und toaftirt. Noch beſuchte der Verein in Konſtanz die Weffenbergfche Armenanftalt und die Büfte des eben Menſchen⸗ freundes Weſſenberg. Die beiden Tage bildeten eine ſchöne Epiſode im Leben der Armenerzieher, die ſonſt Jahr aus Jahr ein an ihren Poſten gefeſſelt ſind.

3. Die cantonalen Lehrerconferenzen. Die vorligenden Berichte über die Cantonalconferenz leiften den Beweis, daß die meiſten Lehrervereine tüchfig an ihrer Fortbildung arbeiten und das Schulweſen in gemeinſamer Thätigkeit zu fördern ſuchen. Werfen wir einen Blick in das Gonferenzleben verſchiedener Gantone, indem mir die Wahl der zur Dies cufiion gebrachten pädagog. Fragen notiren. Diejelben greifen meift tief ins Schulleben und geben in Umrifjien ein Bild der gegenwärtigen Bejtrebuns gen im Gebiete des Unterrichts und Erziehungsmejens.

a. Thurgau. An der Cantonalconferenz 1965 betbeilgten fi 247 (von 26?) Primar« und Secundarlehrer. Diefe Theilnahme allein ſchon zeugt von der Strebſamkeit der thurg. Lehrerſchaft. Hr. Schoch referirte über das Thema: „Das Turnen in der Volksſchule.“ Als eifriger Förs: derer des Turnend empfahl er dringlihft die Aufnahme der Leibesübungen unter bie Fächer der Volksſchule Cr wurde von mehreren Rednern Träftig

Die qußern Angelegenheiten ber Vollsſchule ꝛe. 637

underfiltt.,. Andere ſprachen für facultative Einführung. Nebfamen am, etlennt den Nuben des Turnens im Allgemeinen; doch meint er, man, ſchlage denſelben allzuboh an. Das Voll ſei nad zu wenig von bey, wohtthätigen Folgen deſſelben für die Primarſchule überzeugt; darum lönnte, er die fofortige obligator. Einführung des Zurnens in die thurg. Volks. faulen nicht empfehlen. Die Verfammlung adoptirte dieſe Anſicht und wünſcht vorerſt freiwillige Zurncurje, jowie zwedmäßige Pflege des Turn: unterriht3 am Seminar. - j Das Haupttractandum der breijährigen Verſammlung bezog ſich auf die „Nevifion der Lehrplane und der Lehrmittel (v. Scherr).“ Man erſchrak jenoch vor ‚dem Untrage zur Vornahme einer Renifion, mahnte zur Vorficht und warnte vor Projecten, die das Borhandene gefährden fünnten. Um den Vollsgeſang zu pflegen und zu förbern, wurde fodann die Abhaltung eines. „Wrjangdirectorencurjus" nah dem Vorgang von Züri und Bern, augeregi- et Rach alter Sitte. wurde, jhließlih in kurzen Nekrologen der im Laufe des I. Jahres verftorbenen Lehrer gedacht. . 2. bi. Sreiburg. Pasquier, Director der Normalihule (Seminar), Bellte an die Cantomalconferenz die Frage: „Leiftet die Schule, mas man, wor ihr erwarten darf? Welches find die Mittel, um den Primarunterricht, auf einen höhern Standpunkt zu fördern?‘ Nah einläjjiger Tiscuffion eis nigte ſich Die Verſammlung zu, folgenden Anträgen an den Erziehungsratp ; 4) e3 ſei der Austritt aus der Primarſchule aufs 15te Altersjahr feftzn-. jegen, 2) es fei der Beſuch der Fortbildungsſchule für die Jünglinge bie, zum 19. Sabre obligatoriſch, 3) es mögen die Bezirksconferenzen für Leh⸗ zer und Lehrerinnen obligatoriih erklärt werben. Hr. Erziehungsdirector Charles ſprach fi in feiner Antwort auf die Zufchrlit des Vereins gegen deu lebten Bunlt aus, Nach feiner Anfiht verurjachen die großen Vers fanmlusgen zu große Roften. Die Vorleſung von weitläufigen Gutachten vehme ber freien Discuffion die Zeit. Es ſei befier, die Conferenzen finden. jo gu jagen en famille jtatt, unter jevem Inſpector (Pfarzer) feine Uns tergebenen (Lehrer), Man befinde fi dabei mohler, Die Lehrerinnen werdg er nicht zum Bejuche der Lonferenzen verpflichten. Ihre Aufgabe fei es wicht, an Öffentlihen Discujionen Theil zu nehmen, fondern das Beiſpiel der Burüdgezogenbeit, ftiller Arbeit und häusliche Tugenden zu geben. - c. Schaffhauſen. Un der freiwilligen Cantonalconferenz 1865 (das Geſuch um Einführung einer gefeßlichen Cantonalconferenz wurbe von ver Behörde abgelehnt) waren von 88 Lehrern 71 anmefend. Nach ber Berichterftattung über die Zhätigleit in ben Bezirksconferenzen, welche u. A. über „die Zorsbildungsichulen” , „vie Heimathlunde und den Werth ver Relrutenprüfungen” verhandelten, folgte das Referat über „die Einführung einer einbeitliden Orthographie.“ Der Verein ſprach feine Zufiimmung aus zu dem vom fchweizeriichen Lehrerverein zur Erzielung einer einheit⸗ lichen . Rechtschreibung herausgegebenen Schriftchen. d. Luzern. Die Iuzerner Gantonalconjerenz (250 Theilnehmer) begayı ‚üblichermeifer mit Predigt und Hochamt. Hierauf wurde über Geiſi, Stimmung uun. Leilung, ber. Kreisconferenzen Bericht erftattet. , In Solge

038° Die-iußerm Angelegenheiten ber Volksſchule x.

eines 'interefianten Vortrags über „die weientlichften Bunkte einer Weutiien des (Erziehungsgejepes” ertheilte die Conferenz ihrem Borflande den Auf trag, bei allfälliger Revifion mit allem Nachdruck dahin zu wirken, daß folgende Punkte, als für den Fortfchritt im Erziehungsweſen von befon- derer Bedeutung, berüdfichtigt werden:

a) erweiterte Bildungszeit für die Lehrer,

b) Ausdehnung der Schulzeit,

0) beflere Organifation der Auffihtsbehörben,

d) Einführung von Leibesübmgen in die Volksſchule,

e) freies Vereinsrecht für die Lehrer,

feftere Organifation der Repetirſchule und Verbindung derſelben mit den Yreifhulen und Jugendbibliothelen.

Die Kreisconferenzen find vom Erziehungsrathe angetviefen, die Bear Beiting einer Heimathkunde an die Hand zu nehmen (a. geſchichtlichen und geographiſchen Theil, in Verbindung damit die Anfertigung einer Schulwand⸗ farte jeder Gemeinde, b. Benupung und Betwertbung ver Heimathkunde beim Unterrichte).

Oraubündten. Emmtonalconferenz in Trons. Die Qumtefienz ver Gröffnungsrede lag darin, daß die Schule dann am beflen gedeihen werde, wenn Familie, Kirche und Staat derfelben ihre vereinte freie Mitwirkung zu Theil werden lafie. Es folgte nun ein Referat „über die Ertheilung des romanischen Unterrichts in der Volksſchule.“ Gin Pater bie den An laß für günftig, feine ſchulfeindlichen Ideen an Mann zu bringen Eifer behauptete er, die Volksſchule der Gegenwart bewege fi in verlehr ten und verderblichen Bahnen, und es ſei hohe Zeit, ernitlih an die NRüds kehr zu bejiern Grugdfägen zu denken. Hierauf folgte ein Referat über „Berüdfihtigung der landwirthſchaftlichen Belehrungen beim Volksſchulunm terrichte.“ Met. hält dafür, von directen landwirthſchaftlichen Belchrum gen müfle in der Volksſchule abgejehben werden. Den Schluß bilder vie Vorlefung eines Entwurfs einer Heimathfunde einer Berggemeinde kräftig aus

Uri. Der Beiud der Cantonalconfereng ift nun obligaterifch. Unter der Leitung des Hrn. Pfr. Furrer beſprach die Verſammlung folgendes Thema: „Wie kann in der Schule ein fleikigerer Schulbeſuch bezwedt werden?" ‚Der Rechnungsunterricht.“ Als Ziel deſſelben erlannte mm allgemein die Anwendung der A Species aufs praltifche Leben. Der Um ein petitiontrt um Erftellung eines zwedmäßigen Lebrmittels.

Der Verein befuchte ſodann in oorpore die Schuien in Allorf. Ob gleich in der Mäpchenihnle 175 Kinder unter 3 Lehrerinnen fo zu fagen in einem Bimmer arbeiten, berrfchte dennoch die ſchönſte Ruhe und Ihe tigfeit. Auch über die Knabenſchule ſprach die Eonferenz ein günftiges Lob.

Glarus Der Bräfident eröffnete die Verhandlungen mit einer Ar beit „über Profa und Poeſie des Schullebend.” Hierauf Beipredung des Thema: „Werth und Bedeutung einer Heimathlunde” Ref. wänfht vorerft Abfafjung einer Mufterheimathtunde, dann erſt obligatoriſche Auſer gung nach baſellandſchaftlichem Borgange.

Appenzeil ARh. (Lantonalconferenz 1866). Der Borftand pet in -fmem Gröffnungswort wor ber „Beichäffigung. des Lehrers auperhel

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Die ußern Angelegenheiten ber. Bolbaſchule se. 600

ver Säule”. Das Haupitractandum betraf die Frage: „LZäge. es nicht x Inlereſſe unfrer. Schule, diefe künftig durch einen einzigen, awerlannt: tüchr tigen! Schulmann infpiciren zu laſſen?“ Man hört nämlih auch. in Appen⸗ gell : nie. Klage. über die DViellöpfigleit des Inſpectarais und über. den ber Häudigen Wechſel der Inſpectoren; darum die. Wahl dieſes Thema’s., ‚m der Discuffion.: ließen fit hauptfählic die Gegner ber einbeitlihen In⸗ fpection vernehmen. In ber Abftimmung unterlag dann aucd das Pernjest eined Cantonal⸗ Ynfpeetorats mit 7 gegen 64 Stimmen. Noch ſprach ſich die. Conferenz gegen die Publication von einläßlichen, gedrudten ujpestor. ratsberichten über den Zuftand jedes einzelnen Schule. aus. Gin ſolcher Bericht erfchien vor. einigen Jahren, und nun fürdteten die Lehrer eine Wiederholung. -—- Zweite Frage: „Sit der Zeichnungsunterricht unter wal⸗ tenden; Zerhältniffen in unſexe Brimarjchulen einzuführen oder nit“ Die Gonfereng entihied ſich gegen die Aufnahme und begründete Kies Durch die beihräntte Zeit der Halbtagsſchulen. Das „muſilaliſche Zabellene: west von Schäublin” wies man zum Bwede einläßliher Prüfung und Begutachtung an die Bezirlöconferenzen. Eine Collecte für die Familie eines »erunglüdten Collegen warf 700 Fr. ab. - Ehre einem Lebrervereia der ſalche Collegialitaͤt und ſolchen Opferſinn an den Tag legt.

Solothurn. An. der Santonalconferenz 1866 fanden ſich co, 109 Lehrer aus allen Bezirlen zuſammen. Der Verein wurde vom Männerchor des Verſammlungsortes freundlichft empfangen. Aus der Berichterſtattung über, die Bonferenzthätigleit der einzelnen Bezirlsvereine erfuhr man, ba Beh ‚überall reges Streben. fund gibt. Als erſtes Thema kam zus Beſpres dung: „Inwiefern ſoll und darf die Geometrie ald Anfhauungsunterricht mit dem Beihuen und Rechnen verbunden werben ?‘ Nach Anſicht des Neſerxenten ſoll dieſer geometriſche Anſchauungsunterricht im 5ten Schuljahr mit ver Darſiellung und Meſſung von Linien und Winkeln beginnen und auf ver oberften Schulftufe mit der Projection, Meſſung und Berechnung von Würfel, Prisma, Cylinder, Kegel und Kugel (mit fteter Löfung von Aufgaben aus dem praltiihen Leben) abſchließen. Der zweite Gegens ſtand betraf vie „Rotbftiftung. Der Verein widmete fie der Unter: ſtadang non Lehrern, melde plöslihes Unglüd betrefien, und ſetzte bası mit nem verdienten Oberlebrer Roth ein würdiges Denkmal.

‚Au bier wurde zum Schluß ver Übhaltung eines Gefangbirertoreng cusjes angeregt. 1 Bexxn. In der berniſchen Schulſynode (aus Abgeordneten der verſchiedenen Schulbezirke beſtehend) herrſchte reges und geiſtig ſriſche⸗ Lehen. Bon den Verhandlungzsgegenſtänden erwähnen wir zwei, die auch für weitere Streife Intereſſe haben: 1) Die Frage über den Schyleinfritt, und 2) die Lebrerinnenfrage. Die Discuſſion über die erſte Frage wurde veranlaßt dur eine Vorlage des Erziehungsdirectors, weldye lautet; „Das Kiad wird fchulpflihtig mit dem zurüdgelegten 7ten Altersjahr auf bie Dane von 9 Jahren.” Wie in Eolothum, jo auch in Bern, waren deredte Sprecher für und gegen die jpätere Schulpflichtigleit, Gegen ven, jpätern Schuleintzitt wurben die fogenannten praktiſchen Nüdfichten ind: ebd geführt... Die Wertheibiger des. „gür“ fteflten fih: auf den prine

640. Die äußern Angelegenheiten ber Volkoſchule cc.

oipiellen Standpunkt der Wiſſenſchaft. In vielem Kampfe zwiſchen Theorie und Praxis ſiegte endlich die leztere mit 37 gegen 33 Stimmen. Der Hauptrefevent der „Lehrerinnenfrage“ (beir. die Beihhränfung der Zahl wer Lehrerinnen) fahte feinen Antrag in die Worte: „Der öffentliche Unterricht iſt vorzugsweiſe Sahe des Mannes.” Gr verlangte bie Bildung bes Lehrerinnen dur ein Staats⸗Seminar und wollte die Anftellung von Leh⸗ verinnen nur an dreitheiligen Unterſchulen und an Maͤdchenſchulen zulafien. Herr Zrdlich behauptete, das Weib fei für den Glementarunterricht ebenfo geeignet, als der Mann. Die Minorität fahte ihre Anfiht in die Worte: „Der öffentlihe Unterricht ift Sache des Mannes.” Dieſe Anſicht batte in Hrn. Etüegg einen warmen Vertheidiger. Cr hält dafür, das Weib ſei zu einem fireng methodifchen Unterrichte nicht befähigt. Nächitens wird ſich die Synode mit Grftellung einer Schulftatifiit des Kantons Bern und Ab⸗ fafiung einer Heimathkunde beihäftigen. Laut dem amtlichen Gonfereng berichte gliedert ſich die bernifche Lehrerſchaft, aus 1400 Mitgliedern be ſtehend, in 31 Kreisfynoden mit jährliden 2— 11 Eigungen. Sie behan⸗ delten über 300 Themate (praktiſche Kehrübungen, freie Beiprehungen, Berichte über Schulbeſuche und Auffähe),. Die Zhätigleit verdiente alle Anerlennung; die Conferenzen brachten mannigfache Anregungen. Die Lehe zer 'beweifen, daß fie ihre Aufgabe mit vollem Bewußtſein erfafien.

- 6t. Gallen. Die diesjährige Cantonalconferenz (beftehend ans Repräjentanten jämmtliher Bezirte des Cantons) ftimmte über die „Schul lefebuchirage‘ ab. Da der Entſcheid der Grziehungsbehörde zulommt, fo verſchieben wir das Referat hierüber, bis die Frage ihren Abſchluß gefunden. Bürid. Die güriher Sculiynode, der ſämmtliche Lehrer der Volksſchulen und aller hoͤhern Lehranftalten angehören, berieth über das Thema: „Die zeitgemäße Lehrerbildung.” Wir widmen diefem Gegenſtande einen bejondern Abjchnitt, und ftellen einige der ſehr divergirenden Anſich⸗ ten über diefe wichtige Frage zufammen. Wie es uns ſchien, handelte es ſich fowohl in Zürih, als in St. Gallen weniger um die Gade und wm Grundfäge, ald vielmehr um Perfonenfragen.

Der Lehrerverein der romanifhen Schweiz hielt im Auguſt bie fes Jahrs in Freiburg feine zweite Berfammlung. Die Zahl der Theil nehmer belief fih auf 450. Alle franzöfiihen Cantone waren repräfentietz fpaͤrlich dagegen die deutfhe Schweiz. Prof. Daguet empfahl in feinem Gröffnungswort insbejondere eine engere Verbindung mit der deutlichen Schweiz. Die Haupttractanden bezogen fih anf bie Lehrmittelfrage und den Anjhauungsunterriht. Am Abend zog man zum Dentmal Gi⸗ tards, wo ein Redner in begeifterten Worten die reiche Liebe des ehr⸗ wärbigen PBaterd zur Rinderwelt den Lehrern als Vorbild pries. Sowohl in Bezug auf den Ernft der Arbeit, als die gehobene Stimmung der Ber fammlung war das Seit ein fehr gelungenes. (Lehrerzeitung.)

4: In Schulbehörden und Conferenzen bildete im Berichtsjahre „wie zeitgemäße Lehrerbildung‘ den Gegenftand erniter Berathungen. Es walten bierüber die verſchiedenſten Anfichten. Es dürfte nit ohne SInterefie fein, einige der ausgelprocdhenen Ideen bier zufammenzuftellen. Während die einen bie gegenwärtige Cinrichtung ber Lehrerfeminare jelbR

Die äußern Angelegenheiten ver Volkoſchule c. GEL

ſelbſt mit vier Jahrescurſen für ungenügend oder zwediwidrig erachten und mit Dr. Wittſtock eine ‚Lehrerbild ungsanftalt in Verbindung mit der Hochſchule verlangen, empfehlen andere die Rüdtehr zu weit einfacheren Berhältnifien und Bildungsgang, da ihnen das Ziel des Unterrichts an Seminarien viel zu hoch gefledt erjcheint.

a) Die zürherifhe Schulſynode widmete diefem Thema ihre befondere Aufmerffamteit. Hr. Schäppi äußerte in feiner Gröffnungsrebe u. U. folgende Gedanken: Die große Idee der Bollsbildung erhält ihre große Triebfraft dur einen tüchtig ausgebildeten, charaktervollen Lehrer ftand. Das Schulgefeh von 1859 hat in dieſer Hinfiht einen Fortſchritt angebahnt. Der Seminarcurs ift auf vier Jahre ausgedehnt und ber Unterricht ertenfiv und intenfiv gefteigert worden. Die Lehramtscandidaten wurden einer firengern Prüfung unterworfen. Dennoch ift die Bildung der Lehrer noch unzureihend. Die Lehrerbildung bat ihre rechte Form noch nicht gefunden. Für die Lehrer ift die Convicterziehung nicht zuträg- lich. Das Jahr 1839 hat Züri) den Convict gebracht. Weder fein Urfprung, noch feine bisherige Geſchichte geben ihm ein Anreht auf Lebensdauer. Die Gonvictbildung tödtet das igenartige und Eigenthümlide. Die reiche Mannigfaltigleit des Lebens wird über eine Schablone gejchlagen. Das Individuelle wird einer allgemeinen Lebensoronung zum Opfer gebracht. Der Convict befhräntt dem Jünglinge den Kreis feiner freien Entſchließung, feinen gefellfepaftlihen Umgang und fomit den wahren Lebensgenuß. Da: mit wird die Entwidlung des Charakters gehemmt. Schwache müſſen farblos werden; Starte werden zur Heuchelei getrieben, bis fie in der gols denen Luft der Freiheit ihr eigenes Weſen wieder finden. Die Lehrer ſoll⸗ ten während ihrer Bildungszeit vom öffentlihen Leben nicht durch eine chineſiſche Mauer abgefperrt fein. Darum fort mit diefer Claufur! Aber auch unjere geiftige Ausbildung entjpriht weder den Beduͤrf⸗ nifien der Gegenwart, noch denen der Zulunft. Aus dem Schulmeifter der Vergangenheit muß der Bollslehrer der Zukunft hervorgehen. Der Lehrer bat nicht nur Kinder, ſondern auch Jünglinge zu unterrihten. Die Ent: dedungen der Wifjenihaft müflen durch die Lehrer Gemeingut des Volles werden. Darum muß er eine wifjenfchaftlihe Bildung empfangen und zwar an derjelben Stammanftalt, wie Geiltlihe und Aerzte. Bur bloß allgemeinen Ausbildung der Lehrer bedarf es feiner Specialjhule mehr. Erſt nachdem er die allgemeine Bildungsanftalt durchlaufen bat, tritt er in bie Fachſchule, ind Seminar. Diejes follte mit der Univerfität und dem Po: Igtehnicum in Verbindung gefeßt werden. Für eine einheitlihere Ausbil- dung fpriht ganz entſchieden das Bedürfniß der Secundarlehrer. Das Befte biefür bietet Zürich in feiner Hochſchule und dem Polytehnicum. An das vermehrte Willen knüpft fih beim rechten Mann auh vermehrte Begeifterung. Sol die Schule ihre hohe Miffion erfüllen, foll der Zebhrerftand feiner Aufgabe gewachſen bleiben, jo muß feine Bildung eine andere werben.

„Der Spnodalproponent ©. führte dieje allgemeinen Umriffe weiter aus und tefümirte in folgenden Thejen: Pad. Jahreabericht. AVIIL 41

642 Die äußern Angelegenbeiten der Volksſchule zc.

8) Die Seminarbildung, bieje Berquidung allgemein wiffenjchaftlicher

und ſpecifiſch beruflicher Bildung bat ſich überlebt.

b) Die mit dem Seminar verbundene Conpvicteiurihtung verträgt ſich nit mit den Erjſorderniſſen einer auf Erzielung von Selbitändtg: keit des Charakters gerichteten Erziehung.

0) Der allgemeine wiſſenſchaftliche Unterricht als Unterlage für ben Lehrerberuf ift nicht ein aus dem allgemeinen wiflenfchaftlichen Bildungsbeftrebungen losgetrennter und bedarf daher auch feiner aparten Anftalt; vielmehr rejultirt derjelbe naturgemäß aus den: felben wifjenfchaftliden Gentral: Anftalten in der Hauptitapt, aus welchen die übrigen geiftigen Berufsarten für ihre befondern Berufs: ſchulen fi rekrutiren.

d) Bei der Lehrerbildung iſt dem beruflichen Bedürfniß im engern Sinne mehr Zeit und Kraft als bisher zuzuwenden, und es find die diesfälligen theoretiihen und praltiſchen Aufgaben der Leitung bewährter Schulmänner zu unterftellen.

e) Gine zmedmäßige Combination der Cantonsſchule und des Poly: tehnicums mit einer bejondern Pralticantenfhule hat das Semi: nar zu erjeßen.

Sähließlih wird bemerlt, daß die Lehrer an den PBrimar: und Secun⸗ darſchulen keinen mwejentlih verjchiedenen Bildungsgang durchzumachen ba: ben; die legtern hätten nur ein bis zwei weitere Semelter nöthig.

Der Reflectent, Herr St., erklärte fih einverftanvden mit den Vorſchlaͤ⸗ gen, bezüglid des Umfangs und des Zield einer erweiterten und vertiejten Lehrerbildung. Die klöſterliche, mittelalterlihe Ginrihtung des Convicts jet ein Unglüd für's Seminar. Herr Hug meint, wenn dem Lehrer eine feparate Bildung zu Theil werde, verfalle er leiht dem Zopfthum.

Diefe Arbeiten riefen eine lebhafte Discufjion bervor, an der ſich na: mentlid die Herren Dr. Suter, Erziehungsdirector, Fries, Seminarbdirector, und Eberhard, Secundarlehrer, betheiligten, um ihre Gegenanfichten zu äußern. Gie fagten u. A.: Die entwidelten Ideen führen nit zu ben gezogenen Schlüffen. Die erftern Boten haben fih mehr auf dem Gebiete der Ideale bemegt. Man hüte fih, das Kind mit dem Bade auszufhüt: ten. Das Seminar ift kein mittelalterlihes, fondern ein ganz modernes Inſtitut, eine Special- und Berufsfhule, mie ſolche anderwärts auch vor: banden find. Es wäre meit über das Ziel binausgejhofien, wenn man den Bildungsgang des Lehrers in gleiher Weiſe einrichten wollte, wie bei andern mwifjenfhaftlihen Berufsarten. Der proponirte Bildungsgang würde für den Einzelnen, wie für den Staat zu große ölonomifhe Opfer fordern und gleihmwohl fehwerlih die gemünjchten Rejultate hervorbringen. Akade⸗ miſch gebildete Lehrer würden nicht die nöthige Befriedigung finden, wenn fie an untern Klaſſen arbeiten müßten. In St. Gallen und Sraubünd» ten betritt man den umgelehrten Weg, als der ift, den man uns vorjchlägt, Dort fieht man es als zwedmäßiger an, das Seminar von der Canton: ſchule zu trennen und dafielbe aus den Städten auf's Land zu verlegen. Es ift kaum gerathen, die Seminariften in großſlädtiſche Verhöltniſſe mit ihren nachtheiligen Einflüffen zu verjeßen. Für einen beſſern Bildangsgeumg

Die Außer Angelegenheiten ber Volksſchule 2 648

der. Secundazlehrer nach abfolvirtem Seminar wird gefoigt werden. Auch der Convict ift eine Frucht der modernſten Entwidlung. Man kann Ad auch einen Convict denken, welcher den Berluft eines fanriliären Lebens nicht allzufebe fühlen läßt. ebenfalls darf der ökonomiſche Vortheil eines EConvict für wenig Bemittelte nicht gering angejhlagen werben. Der Ein- tritt in den Convict am zürichischen Seminar ift nicht gefordert; dennoch findet derfelbe bei den Eltern Anklang. Gin Reoner fand einen Wider ſpruch zwiſchen dem. Sjammer über geiftige Verlümmerung der Lehrer und dem. übergroßen Lobe, das die erſten Nebner jelbft vem zürichiſchen Schul zuftänden fpendeten. Gegenüber dem Antrage, dieſe Frage behufs weiterer Berathung und Antragftellung in nächſter Synode an eine Commiflion zu weifen, wird mit 153 gegen 129 Stimmen bejdlofjen, viefelbe für einmal fallen zu laſſen. (Bird. Synodalberidt.)

b) Im Canton Luzern handelte es fih um Merlegung des Ser minard. Der Gr. Rath feste zur Begutachtung diefer Frage eine Commiſ⸗ fion nieber. Der Bericht derfelben erörtert mit Klarheit und Sadhlenntniß die ganze Seminarfrage nad ihren verjchiedenen Seiten in Betreff der in⸗ nern Organifation der Anſtalt. Namentlih wurden zwei Cardinalpunkte genau geprüft:

4) die Wünjhbarkeit der Verbindung einer Aderbaufchule . mit dem

Seminar und

2) bie ſchon fo oft ventilirte. Sonvictöfrage.

In Bezug auf den erften Punkt erflärt fi die Mehrheit der Som: million mit folgenden Anſichten einveritanden. Dem Seminar muß eine durchaus felbfländige Stellung eingeräumt werden, jo daß an der Anftalt die theoretiihe und praltiſche Lehrerbildung die Hauptſache und bie Vewir⸗ thang eines Butes Nebenſache ift; jevod jo, daß Bauernfühne, welche nicht Lehrer werden wollen, die beiden erſten Curfe. der Anftalt beſuchen können, theild um ihre theoretiiche Bildung zu erweitern, theils um zur Anſchauung der mufterhaften Bewirthung eines größern Gutes zu gelangen. Die Lehrer geben fait ohne Ausnahme aus Bauernföhnen hervor und ihre Schulen werden größtentheild von Bauernlindern befuht. Was liegt nun näher, ald bie Forderung, der Lehrer ſoll auch Bauer fein? Bor feinem Eintritt ind Seminar wird er ſich landwirthſchaftlich bethätigt haben; kann er nun diefe Beihäftigung, unterftügt vom Studium der Naturwiſſenſchaf⸗ ten, im Seminar fortjeßen, fo wird er am Schluſſe feiner Seminarzeit nicht nur ein gebilveter Lehrer, fondern auch ein gebildeter Bauer fein; er wird feiner Gemeinde auch als Landwirth ein ehrenwerthes Beispiel liefern tönnen. Debhalb würden wir das Seminar mit einem Areal von 20 Jucharten Landes ausftatten, welches von den Zöglingen zu bebauen wäre. Die Hauptarbeiten würden die Zöglinge des 1. und 2. Curfes überneh: men; während fi) die Zöglinge des 3. und eventuell des A. Curfes mehr in der Mufterfchule bethätigen würden. Bei dieſer Drganijation könnten auch ſolche junge Leute die beiden erſten Curſe beſuchen, welche nit Leh⸗ rer werben mollen. Dieje beiden Eurje würden im Berein mit dem land» wirthſchaftlichen Betrieb eine Aderjhule vertreten können. Diefe Anftalt müßte auf dem Zube eines Cmmvictö eingerichtet werden. Der Lehrer des

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644 Die äußern Angelegenheiten ber Vollsſchule zc.

Landwirihſchaft wäre zugleih Eonvicthalter. Bezügli des zweiten Punkis jagt der Bericht:

Das Convictſyſtem ermöglicht eine befiere Aufficht, fördert den Zwed der Erziehung und gewöhnt den Bögling an eine einfadhe, firenge und re gelmäßige Lebensweife. Der BZögling erhält eine lebendige und praktiſche Anfhauung einer fparfamen und wohlgeorbneten Hauswirtbichaft und ge: nießt bei mäßigeren Koften eine befiere Verpflegung. Nur der Eonvict ge: währt die Möglichkeit, die Studien der Böglinge eigentlid paͤdagogiſch zu leiten und zu beauffichtigen. Das Convictſyſtem verbindet aud bie BZög- linge unter ſich viel enger für ihren ganzen Lebensberuf unb dadurch ge: winnt das Erziehungsweien eines ganzen Landes an Organismus, Eolidi- tät und Energie. Wenn man dem Convict vorwirft, es bindere Die felbf- ftändige Entwidlung des Individuums, fo bedenle man wohl, daß aud) beim Koſthausſyſitem viefe Entwidlung nur dem Fädigen zu gut komme, und daß bie viel angerühmte Belanntihaft mit dem Leben leicht den Zög ling in den Kreis von Bepürfnifien bineinführt, die er fpäter nit be friedigen kann. Herr Alt: Seminardirector Keller bat das richtige Urtheil getroffen, wenn er fchrieb, er babe die Meinung der Gegner des Eonwicts auch getheilt, fei aber je länger je mehr durch Grfahrungen davon zurüd- gelommen. Immerwahrende Klagen über jchlechte Koft, Unzufriedenheit über Heizung und Licht, Nachläffigleit in der Gefunpheitspflege, häufiger Wechſel der Koſthäuſer, rohe Zänkereien, Schuß: und Trutzbümdniſſe zwijchen den Koſtleuten und Zöglingen, gegen die Disciplin der Anftalt, dies und nament: lich auch der Mangel jeder freundlihen Beziehung zwiſchen Kofllenten und Böglingen nad dem Austritt der lebtern aus der Anftalt babe ihn voll⸗ tommen überzeugt, daß die Wohlthätigleit des daherigen Familieneinflufſes auf die Bildung nicht hoch anzufchlagen ſei. Die meilten Koftleute feien eben nur Koſtgeber und jedenfalls Alles eher, als Erzieher der Seminariften. Wenn man ferner darauf hinweife, daß Lehrern, die aus Convicten kom» men, praktisches Geſchid abgebe, fo fei gewiß, daß dieſe Befangenheit oft ganz andere Urſachen babe. Für Beibehaltung des Convictſyſtems fällt end⸗ lich auch ſehr in die Wagſchale, daß es in Deutihland und in der Schweiz überall eingeführt if. Diefe allgemeine Einbürgerung beweift wohl am be ften vefien Zwedmäßigteit. Die Minderheit der Commiffion fpricht ſich für Aufhebung des Convictes aus und motivirt ihre Anfiht alfo: Yürxr das Syſtem von Kofthäufern wird geltend gemadt: daß es der freien Gntwid- lung der Böglinge zuträglicher fei, daß es die Selbftändigfeit fürdere und namentli jenen KRaftengeift, jenes linkifhe Benehmen, welches der Convicd ſchaffe, nicht zulafle; dadurch, daß die Zöglinge im Koſthaus leben, bleiben ſi e in fteter Verbindung mit dem Bolfe und deſſen Eitten. Gerabe das ab ſonderliche Weſen der Convictsfhüler made fie auffallend, erzeuge vie Kritit und made den Lehrer nicht felten lächerlich. Der Convict made alles homogen, bilde und erziehe über einen Leif. Das Vollksſchulweſen dürfe fih nie außer das Volk ftellen. Die Auffiht habe nur dann Werth, wenn fie den Bögling anleite, die Freiheit zu genießen, ver Convict ver ümmere den Charalter. Schwäcdere ‚Charaktere unterwerfen fi) aus Schwachheit; ftärkere ziehen aus Heuchelei die Farbe des Haufes an. Wenz

Die äußern Angelegenheiten ber Volkoſchule x. 645

man unter den Lehrern einen eigenen Corpsgeift wolle, Alles über einen Leit gejchlagen, nad einem Schema modellirt, dann foll man das Comwict beibehalten; denn jedes Convict neige fih mit feinen Formen entweder zur Rajerne oder dem Klofter. Für Sejuiten und Ruſſen fei dieſes das pafiendfte Erziehungsſyſtem, allein keineswegs für junge Republikaner, bie wieder berufen ſeien, ein republilaniihes Bolt zu bilden. England fei ein Bolt der unabhängigften Charaktere, freibeitsftolz und hochgebildet in allen Zweigen menſchlicher Fortſchritte; es babe aber keine Seminarconvicte im Sinne der in der Schweiz beſtehenden. Wenn man ſchließlich zu Gunſten des Convietſyſtems auf deflen Einführung in Deutichland und in der Schweiz binweife, fo jei es auffallend, daß man nicht allerorts für die Real= und Gymnaſialllaſſen auch Convicte einführe.. Die Urſache dieſer Erjcheinung liege wohl einzig darin, daß die Convicte bie Zöglinge im eigentlichen Sinne des Wortes abrichten, aber nicht zur männlihen Benutzung der Freiheit erziehen. Die Minderheit fpricht fi deßhalb für Aufhebung des Convictes aus. (Siehe das Project Segafiers beim Abſchnitte Luzern.) (Berner Schulzeitung.)

c) Der Redactor der ſchweiz. Lebrerzeitung äußert in Wr. 32 und 33 (1865) feine Anfichten über die Seminarfrage und das Com vict und kommt zu folgendem Schlußurtheil: Ye nah den Verhältniſſen kann ein Convict beilfam und zmwedvienlich, oder aber verderblich und zwed⸗ widrig fein, Wenn Alles fo wäre, wie man es nad billigen Anforberun- gen wünſchen darf, fo würde ich ganz entfhieden für Familie ftimmen, denn fie ift Naturordnung; Convict aber ift nur ein focialee Nothbe⸗ helf, der jene Orbnung nie und nimmer volllommen erfepen mag. Alſo nicht eine Doctrin ift hier abfolut maßgebend, fondern Berhältnifie. wir» ten beftimmend auf die Entſcheidung. |

d) Anſchließend an diefe Mittheilungen erinnern wir noch an bie einfache Einrichtung des Tanpmwirtbihaftliden Seminars in Al: teneyfim Canton Freiburg (Ecole normale et d’agriculture zu Hauterive). Wir entnehmen dem Programm einige Grundzüge diefer An- ftalt. Genannte Normalſchule hat mweentli den Zwed, eine Pflanzftätte für junge Landfhullehrer zu werden. Die Anftalt nimmt jedoch auch noch junge Zeute auf, die einen mweitern Unterricht zur Ergänzung der Primar⸗ bildung erhalten follen. Theoretiihe und praftifhe Unterweifung in der Landwirthſchaft erhalten ohne Unterſchied alle Böglinge, und diefelben wer⸗ den auch zu den Arbeiten auf dem Landgute beigezogen, ohne daß bie: durch die Schulftunden gänzlich unterbrodhen würden. jeder Bögling bat fein Stüd Gartenland während des Sommers zu beforgen. In der Nähe der Gärten ift eine Baumſchule angelegt, in der die Schüler Anleitung zum Pfropfen und Dculicen erhalten. Die Böglinge, welche fih zum Pris marſchuldienſte beftimmen, find angehalten, unter Auffiht des Lehrers im Vorbereitungscurfe Unterricht zu ertheilen, um fo in die Lehrpraris einge führt zu werben. Während der Wieverholungscurfe, die in Hauterive abs gehalten werben und gewöhnlich 6 Wochen dauern, find bie obern Klafien der Böglinge mit den eingetretenen Schullehrern vereinigt. Es entfteht fo unter den zwei Kategorien der Böglinge ein heilſamer Wettelfer. Die Abgeſchiedenheit Hauterine'3 bewahrt die jungen Leute vor Berftreuungen

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f) Sie jhmeizerijde Lehrerzeitung deriheriint m Br. 25 md 46 (1865) „die zwei weit von emumber ubichenben anal alfe auf der einen Eeite das Beſtreben. ven Bellsihulichterkms ua wißienihaftlihe Bilrung (pädagogiide, ‚jacaltätöitunien) fe zu bebem. zu5 er in die wihenidaitlih gebildeten Berufsftinde (der Freier, Ace, Advocaten ıc.) eingereibt werden könne, und amberjeits tie Abe, zu Bildung der Lehrer auf Diejenigen Senniniiie und Fertigleiten zu beiktiz len, melde ein gefteigerter Vrimarunterriht gewähren mug, um je den Lehrern ihre fociale Etellung neben ben Bauern und Kanbiwerferz amzmmei- fen. Sie ſchließt, einftweilen werde wohl dem Bollsihulleiterkimae bie: ſichtlich der Bildung eine den Leiftungen gehobener Semimarien entjpzecbenze Mittelſtellung swühen den zwei Zielpunlten, die man eiwa als Gy treme bezeichnen möchte, angewiejen werben, obgleid in einigen Caniouen der Schweiz Voll und Behörben für die Idee, die Lehrer in den Kreis ter wiſſenſchaftlichen Bernfsitände einzureihben und in diefer Richtung ihre Bil: dung gu fördern, nicht fo ganz unempjänglich fein möchte.

5) Shmeizerifhe Univerfitäten und Aludemien Ze Beitfhrift für fchweizeriihe Statiftit bringt über den Perſonalbeſtand ber ſchweizeriſchen Hochſchulen (1865) folgende Zufammenftelung:

Die Univerfität Zürich zählte 61 Profefioren und 230 Eixbenien (die theologifche Faculaͤt 39, die juriftiihe 38, die mediciniſche 107, Die pbilofophifhe AB Studenten).

Die Univerfität Bafel zählte 49 Prof. und 102 Studenten (die theolog. Facultaͤt 50, die jurift. F. 8, die mebic. F. 21, vie philoj. 23 Studenten).

Die Univerfität in Bern zählte 57 Prof. und 180 Studenten (bie thealog. FJacultaͤt 21, die juriſt. 48, bie mebic. 83, die philof. 28 Studenten),

Die äußern Angelegenheiten ber Boklöfchule x. 647

Die Alademie in Laufanne zählte 20 Prof. und 204 Gtubenten (die theolog. Sacultät 14, bie jurift. 37, die philoſ. 156 Stubenten). °

Die Akademie in Genf zählte 22 Prof. und 215 Studenten (die tbeolog. Facultät 60, die jurift. 15, die philoſ. 140 Studirende).

Alle Hochſchulen zufammen zählten 209 Profefioren und 9B1 Stu denten und zwar die tbeolog. F. 30 Prof. und 181 St., die juriſt. F. 29 Prof. und 146 St., die mebic, $. 46 Prof. und 211 St, die philof. &. 104 Prof. und 3983 Studirende.

Im Jahre 1865 zählte das eidgenöffifhe PBolytehnicum in Züri 63 Profefioren, Hülfslebrer und Privatdocenten und gegen 600 Gtubirenbe.

Außerdem beftebt in Luzern eine Anftalt mit einer theolog. Yacultät mit 5 Prof. und 15 Studenten; ebenfo in Neuenburg mit 4 Profeſſoren und 12 Studenten.

6) Eine Anficht über die Centralifationsbeftrebungen im ſchweizeriſchen Schulwefen. Ueber diefen Gegenftand enthält eine Broſchüre „zur Bunbesrevifion‘ vom Bundesratb Dubs, geweſener Grjiehungsdirector des Cantons Züri, folgende bemerlenswerthe Stelle: Vollitändige Gentralifation des Schulmejens, alſo namentlich aud ber Volksſchule, liegt zwar nur in den Wünſchen Weniger; denn die Schwie⸗ rigleiten wären allzugroß. Dagegen ſprach man wenigftens von Errichtung eidgenöffiicher Lehrerfeminarien.

Indeß bat diefer Vorihlag felbft in den Kreiſen der Schulmärmer feinen rechten Anklang gefunden; denn bie Lehrerfeminarien fteben in jo innigem Zuſammenhange mit der Vollsſchule felbft, daß man nicht gut einen Schritt dazwifchen machen Tann. So lange man nicht überall in der Schweiz gleiche Unterrichtäzeit, gleihe Schulorganifation, gleiche Lehr mittel und gleiche Lehrerbeſoldung hat, muß man ſich bezüglid der Lehrer: bildung natürlid auf dieſe Verſchiedenheiten vorſehen. Zudem hängt das Maß der vom Staate zu gewährenden Schul» und Lehrerbildung auch nicht wenig von den Bebürfnifien des Landes ab; dieje find nicht die gleichen unter ftädtiihen und ländlichen, inbuftriellen und agricolen Berhältnifien. Dazu kommt aber noch eine ſehr große Schwierigleit hervorgehend aus der Verſchiedenheit der Confeflionen. Der Bund würde durch Eentralifation auf dem Gebiete des Schulmejend einen Zuftand beftändiger confeflioneller Meibungen fchaffen, der fiher zum großen Schaden des Landes ausſchlagen müßte. So lange überhaupt der Bund fi noch nicht einmal ſtark genug fühlt, um von feinen Rechten zur Gründung einer eidgenöffishen Hochichule Gebrauh zu machen, wird fchwerlich im Ernſt von weitergehenden Centrali⸗ fationen auf dieſem Gebiete die Rede fein können. In unfern Augen wäre e3 überhaupt neben dem kirchlichen das lebte Gebiet, auf das wir die Bun, deseinmiihung weiter ausdehnen würden.

7) Ein öffentlihes Urtbeil über die Schule. Her Kopp ſpricht fih in feiner Brofhüre über die Reorganifation der GStrafanftalt auch über den Einfluß der Vollsihule auf den fittliben Zuſtand des Vol tes folgendenmaßen aus: Noh muß ich ein Urtheil beleudhten, das aus _ dem Rolle ſelbſt Lömmt und der Bollsihule einen Theil der Schulb beis

648 Die äubern Angelegenbeiten ber Bolleiäule x.

mehren will, warum die Berbredyen ſich io vermehrt haben „Deme”, Tıazt man, „warum nimmi diefe Mehrung gerade wit dem Anfang ver Berünbe zung des Bollsihulmelens ihren Anfang, wenn wicht die Urfache diefen Schulweſen liegen muß?” Tas mahnt mid an jenen fon von Hebel au geführten Trugſchluß: „Wenn die Fröſche anfangen zu qualen, fo kommt das Paub aus ven Aäumen, alſo qualen tie Fröſche Das Laub berami. Aber der Echein trügt. Unter den Sträflingen finden wir ums 10%, de einen ordentlichen Brief fhreiben ; 50 8 künmen entwerer gar nicht, oder nz hoͤchſt unleſerlich fchreiben; vie große Mehrzabl der Zträflinge Nebt unter dem Niveau der höchften BWittelmäßigteit der Schulbilvung, tie Heinen Zahl ift geihult; folglih Tann aud die Schule nicht veranwortlich gemadt werben, weil fie die weitaus meiften nie oder höchſt felten in ihrem Un⸗ terrichte hatte. Wir können überhaupt bisher nody nicht von einem Ein⸗ fluß der Vollsſchule auf den fittliben Zuſtand fpredhen, weder lobend, ned tadelnd; denn fie war bisher noch fein vollenveter Urganisums im Boll leben. Sie bat keine Macht auf dafielbe; Alles paralyfirt ihr Wirlen: das Elternhaus und die Geſellſchaft. Die Schule bat fih ins Schlepptan der Vollsſitten nehmen laften, weil der Kampf ihr noch zu ſchwer wat. Wenn wir einmal eine conjequente Schule mit einem ſeſten Principe haben, wenn diefe Schule eine Macht geworden, vor der fih Schlendrian me Egoismus beugen, wenn die Schule das ganze Land und Boll durchgbct, wie ein Sauerteig: dann wollen wir davon fpreden, ob die Schule die Gelängnifle füllen oder leeren helfe; bis jebt aber mar die Schule jelhk eime Gefangene.”

8) Fernere Stimmen der Preſſe über die Säule Te Sonntagspoft brachte in Nr. 43 46 und 51 (1865) mehrere gediegene, vom ärztlichen Standpunkte aus geſchriebene Aufſäte über die gegenwärtige Schulerziehung. Die Mittheilung folgender Zeilen mag gemügen, ben Sinn und Geiſt verfelben anzudeuten: „Es ift eine oft gehörte Klage, das die gegenwärtige Erziehung nicht ohne Schaden an unfrer Jugend vorbei gehe, fondern daß die Ueberforderung der Kinder in wiilenfchaftlicher Be ziehung auf der andern Seite Nacıtheile mit fich führe, welche den Werth des ganzen Syſtems in Frage fegen können. Der erfte und lautefle Bor: wurf gebt dahin, daß die Schule dur einjeitige und übertriebene An frengung des Geifles dem Körper eine Zeit lafle, fih gehörig zu entmt @eln, vielmehr durch die auf der Schulbank gewöhnliche ſchlechte Haltung einen entſchiedenen nachtheiligen Einfluß auf die Gefunpheit übe; mährend der zmeite fagt, daß die Kinder neben mandyem Guten auch viel Unnübe nnd. eberflüffiges lernen müſſen, daß ihr Verſtand durch übertriebene Anforderungen mehr verbilvet als entwidelt werde, und daß es ſchließlich keine Teihte Sache ſei, aus einem guten Schullinde einen braudbaren praktiſchen Menfchen zu machen. Mandem treuen Schulmann mag bier ein Grauen anlommen über die Kurzſichtigkeit und Undankbarkeit der Belt, und er kann die Wahrheit des Sefagten nicht begreifen; aber das ift eben das Unglüd, daß die meiften Lehrer ven Kreis ihrer Beobachtungen auf ben Rahmen der Schule beſchraͤnken und mit dem lebten Cramen bie ganıe Sache abgemacht anfehen. Suchten fie gelegentlich bei einem Nekrutenegamen

®

Die äußern Angelegenheiten ber Vollsſchule x. 649

zu erfahren, was von der früheren Spracdlehre, den Realien oder ben Rechnungskünſteleien noch übrig fei, fie würden erjchreden über bie unnübe Pladerei, die fie Jahr für Jahr fi und den Kindern bereiten, und würden begreifen, daß die Mehrzahl der Eltern obigen Worten Beis fall zollt. Die Urſache des ſchlimmen Rejultates liegt aber nicht allein darin, daß man ben Kindern zu viel bietet, fondern auch darin, daß man es in einer zu boben Form thut, für welche der kindliche Geiſt noch nicht reif if. Die fubtilen Schlüffe, welche man den Kindern machen lehrt, fommen nicht aus dem Kopfe, fondern fie find dieſem meilt eingetrichtert oder angellebt; deßhalb fallen fie auch fo bald ab. Gilt dies hauptſaͤchlich für die Vollsſchule, jo treffen die andern Vorwürfe, das Zuvielbieten und Auiniren der Gefunpheit, eben jo jehr die höheren Abibeilyngen, und insbe fondere die Mädchenſchulen und Grziehungsanftalten. Man. feheint bier völlig vergefien zu haben, daß ver Menſch aus Körper und Geift beftebt und daß der eine wie der andere feine Pflege forbert, wenn das Ganze orbentlich gedeihen joll.

Man nimmt für die Bildung des Geiftes zu viel Zeit weg, fo daß dem Körper gar keine Zeit mehr übrig bleibt und vie Natur des Findes gewaltjam ımterbrüdt wird. Gegenwärtig joll die obligate Einführung des Turnunterrichts das Uebel bannen; aber wie können zwei Zurnftunden ben 30 bis 87 Unterrihtäftunden die Waage halten? Nicht umfonft jammert man darüber, daß ein guter Theil unfrer Jugend verlümmere, daß Bleich⸗ ſucht und ſchwache Newen, Skropheln und Hektik immer mehr Terrain ges minnen.

Als weitere Urſachen dieſer krankhaften Erſcheinungen bezeichnet ver Berfafler den frühen Eintritt in die „Geiſterſchule“, den frühen Beginn des ſyſtematiſchen Schulunterrihts, wie er noch in mehreren Cantonen ge fordert wird; fodann die unzwedmäßig eingerichteten Schulbänte, vie keine gefunde Stellung und Haltung ermöglichen; die vielen Unterrichtsſtunden und die Maſſe häusliher Aufgaben.

9) Vergleihende Zufammenftellung der Ausgaben des fhmweizerifhen Bundes und der Gantone für das Gr» ziehungsweſen (1864).

660 Die äußern Angelegenheiten ber Volksſchule zc.

Gantone. rung. Fres.

Bajelladt ...... .! 40,600 320,458 Bf ....... 82,600) 297,340 Shafthaufen. .. .| 85,500| 120,235 Birih..... . .! 266,000} 768,865 Solstbum.... . 69,200) 148,969 Ben ....... 467,000| 955,917 Bafelland ... ... 51,500| 103,431 Nauendurg..... 87,300} 162,952 eidg ..... 105,500| 188,021 YUorgau ...... 194,200) 342,088 Bugem....... 130,500) 210,048 Waadt ...... 213,600| 308,910 Thurgau... ... 90,000| 105,958 Graubündten 00,700| 90,929 cin... .... 116,300| 116,415 Obwalden... . . 13,400 9,334 U... 2 22002. 19,600 13,569 &t. Gallen!) .. . .| 180,400) 104,623 Bali ...... 90,700} 86,196 Olarus ..... .| 33,800| 12,904 Appenzell U. Rh. 48,400) 18,518 ri......... 14,700 4,748 Appenzell J. Rh. 172,000 2,936 Schwyz ..... 45,0000 10,472 Total: 4,453,976 Bund ....... 2,510,000|484,971?)

Ausgaben des Bundes und ber Gantone zufammen . . . . 14,938,947

weien.

a5 5 & mi ma RI RI RI RI 09 90 I

> mie

88 58 39 89 15 04 87 78 76 61 45 18

70 70 58 40 39 88 32 24 23

77 19

96

Davon aus Fonds Frcs. 865,757

per Ropf | per Ropf r

Bevoͤlle⸗ Ausgaben. Erziehungs⸗ Geſammt⸗ ausgaben.

Fres. Rpp. Fres. Rpp.

Berbältnig der Schul ausgaben zu ben Ge ammtausgaben in $

td. 34 | 318,844 9,83:

34 | 13,65:

1) Rah ber St. Galliſchen Staaterechnung 1865 beträgt ber Beitrag bei Staates für's Schulmelen Fres. 151,273, alfo 15,2 I ber ſämmtlichen Staat"

außgaben.

2) Im ben Bunbesausgaben für's Unterrichtsweſen in Fres. 484,971 finb auch die Ausgaben für's eidgenöſſiſche Polytehnicum (Fres. 482,059) inbegriffen.

(Der „Zeitihrift für ſchweizeriſche Statiftil‘‘ entnommen.)

652

Die äußern Ungelegenheiten ber Vollsſchule x.

%

CE 1 A Vermögen: Ausgaben, 8.2 . Geminden _ [U _ Einnahmen. |

u = des de Uebriges Capital

ES 2 Zinstragen n. |

25 > Cantons. "Gapitalien. Liegenſchafte 571.001 „as um | 2,831,268 Fres. 575,392 Steuer: 190 ‚000), —* 3,17 Fres. * 2388 Fres. 4,986 5,57 4518. ex Kopf 3,19 Frcs. (1,06) per Kopf 55.20 St. Gallen... per Kopf 43,39 res. " ‚018,766 5” 5,075,466 Ircs. 1,054,735 (Steuer: 352,360) —* 8,83 Srch, g02,5 | rs. 3,808 r Kopf 8,97 Fres. (1,32) per Kopf 9, SE Die nei . Free. pe 5% 5,8 Hürih . m per Kopf 4 40,86 42 gäsEs 82,551 gres. 549,970 (Steuer: 173,150) &rce. 3 Frcs 233855 Fred. 8,901,18 4 Fres. 8 Ye Ropf 2,83 Bes, (0,89) per Kopf Buaı * a 0 ra. 08,084 28:5 833 jec8. 331,491] Tech. 208., 980 3res 79,107 (Steuer: 19,580) 19. 3 ö 3®8 Frcs 331,491 FIrcs. 205 obe Zu. of 7 ag 38) Iper Kopf 1,27 Ztes. Pr o . 0 ' * * 2 Fr Baſellandſchaft per Kopf 10,46 Fres. per m Frcs. 41,482 _ ! | . 16,90 . —5535 dreh. 387,004 Fres 123,526 Fres 42,590 Ye 86) per Kopf 2,12 Fee. BEE 5 per Kopf Boos ech. per Avpf Zur Bers. (0, ESEL BUB.....: opf 25,65 Steh, s=$ SER | 8,639 (Steuer: 6,030) Fres. 8,530 en@gs$ res. 41,034 Fres. 72,500 —A 0,72 Fred. (0,50) Iper Kopf 0,71 grcs. «RE 3 J Appenzell A. Rh. per Kopf 9. 46 Ted. jper . —A

25 "253

652 Die äußern Angelegenheiten ber Bollöfchule x

11) Geſetzliche Beftimmungen, betreffend die Bein: lung und Beauffidtigung der bei der Arbeit in Fabriken angeftellten Schulkinder.

Canton Glarus. Alltagsſchulpflichtige Kinder bürfen im keiner Fa⸗ beit zur Arbeit verwendet werden. Repetirſchulpflichtige Kinder bürfen an den wöchentlichen Repetirfchultagen weder vor, nody während den Linien richtsſtunden in der Fabrik beſchaͤftigt werben.

Canton St. Gallen. Allen Zabrillindern, die noch pflichtig find, bie Ergaͤnzungsſchule zu bejuchen, haben die Fabrilinhaber die biezu erfor- derlihe Gelegenheit und Beit, fei es in genehmigten Fabrilfchulen, oder in ber gewöhnlihen Schule, anzumeilen. Kinder unter 15 Jahren dürfen täglich zu nit mehr als 12 Stunden Arbeit, die Stunden des Schul⸗ unterrichtes inbegriffen, angehalten werden. Cbenfo dürfen fie unter leinen Umftänden zu Ueberftunden oder zu nädtliher Arbeit verwendet werben.

Canton Aargau. Bor zurüdgelegtem 13. Altersjahr darf Riemand zu einer regelmäßigen Beihäftigung in Fabrilen aufgenommen werben. Auswärtsmohnende, melde in aargauiſchen, und Cantonseinwohner, welche in fremden Anftalten der bezeichneten Art Beihäftigung ſuchen, unterliegen derfelben geſetzlichen Einſchraͤnkung. In den Fällen, wo bie Yabrilarbeit eine ſchaͤdliche Einwirkung auf vie körperlide Entwidelung und die Befund beit von Kindern befürdten läßt, wird für die Zuläjfigleit der Einflellung von Kindern in Yabrilen ein höheres Alter bis auf das 16. Jahr feige fest. finder, welche das 16. Altersiahr noch nicht zurüdgelegt haben, dürfen in Fabriken nit über 12 Stunden täglih befdäftigt werben. In biefer Arbeitszeit ift der Beſuch des Schul: und Eonfirmandenunterrichts inbegriffen. Die Verwendung der Kinder zu nächtlicher Arbeit iR unterfagt.

Canton Thurgau. Kinder, welche in Yabrilen beihäftigt werben, find zum Beſuche der öffentlihen Schulen verpflitet und ganz wie andere Schüler zu halten, es wäre denn, daß für biefelben eine befondere Fabrik fhule eingerichtet würde, in welchem Falle fie jedoch erft nad vollendetem 11. Jahre in die Fabrikſchule eintreten dürfen, Die Gigenthürmer von Fabrik⸗ oder Spinnmafchinen follen den Religions: und Schnulunterricht (vom 5. bis 15. Jahre) in keiner Weife hindern, Es follen die Unmün digen täglich nicht mehr als ſechs Stunden und niemals ganze oder halbe Nächte hindurch oder an Sonntagen zur Arbeit angehalten werden.

Canton Zürich. Ausnahmsweiſe dürfen Alltagsjhüler, welche das 10. Altersjahr zurüdgelegt haben, an den Grgänzungsihultagen die Er gänzungsjhüler in den Fabriten erjeßen. Der Regierungsrath ift jedoch befugt, für die Buläffigleit der Aufnahme von Kindern in Fabrifen ein böberes Alter, bis auf 16 Jahre, feftzuftellen, fofern die Arbeit die Lörper lihe Gntwidelung der Rinder gefährdet. Die tägliche Arbeitäzeit darf für Kinder, welche noch nicht confirmirt find, beziehungsweife das 16. Alters jahr noch nicht zurüdgelegt haben, höchftens 13, für Alltagsfchüler nie meht ald 5 Stunden betragen. Während der Nachtzeit, fowie an Sonn» umd Feſttagen dürfen ſolche Kinder unter leinen Umftänben verwendet werben. Jeder Fabrikbeſitzer ift verpflichtet, vie in feiner Fabrik angeftellten Schüler regelmäßig an dem kirchlichen und öffentlichen Schulunterrichte Theil nehmen

DR .. - --

Die äußern Angelegenheiten ber Volksſchule ꝛc. 658

zu lafien. Arbeitern, welche nach ihrem Austritte ans ver Vollksſchule noch eine Fortbildungsihule benugen wollen, muß zu folhem Bmwede wöchentlich die nöthige Zeit freigegeben werden.

Anmerlung Nur die vorftehenden 5 Gantone, welche indeß gerade diejenigen find, in denen der fabrilmäßige Betrieb, namentlih der Baum: molleninbuftrie, am meiften Boden gewonnen hat, haben Specialgefeße, bes treffend die Arbeit in den Fabriken. Dagegen enthalten auch die Schulge- ſetze anderer Gantone die Vorfchrift, daß feine Kinder vor Ablauf der gejeglihen Dauer der Schulpfliht in den Yabrilen verwendet werden dürfen; fo die Gefeßgebung von Graubündten, wo die Schulpflichtigleit bis zum 14. Altersjahr, von Schwyz, Bafelftadt und Bafellanp: haft, wo fie bis zum zurüdgelegten 12. Jahre dauert. (Beitfchrift für ſchweizeriſche Statiſtik.)

12) Sorge für Bildung von Secundarlehrern. Nach dem revidirten Reglement fol die jehste Abtheilung des eidgenöſſi— Then Bolytehnicums aljo eingeridhtet werben, daß diejelbe fortan eine eigentlihe Schule für Lehramtscandidaten der mathematifhen und nafurs wiſſenſchaftlichen Lebrgegenftände an den mittleren Lehranftalten mit ſemi⸗ nariftiihen Uebungen jein foll, während an einer weiteren fiebenten Abthei⸗ lung, zur Förderung der allgemeinen Bildung der Zöglinge, die Mathematif und die Naturwifienfhaften vom rein wiſſenſchaftlichen Standpunkte aus als Freifächer gelehrt werden.

An der Univerfität Bafel befteht nun ein mathematiſch⸗ wiffenfhaftlihes Seminar, das aud folden Studirenden dienen jol, welche fih für das Lehrfah an Mittelfchulen vorbereiten. Solde dürften in einem zweijährigen Curje ſicher fehr für ihren Zwed geförbert werden.

Abweichend von der Anfiht des St. Galliſchen Erziehungs» raths, der den künftigen Reallebrern einen gewiflen Bildungsgang durh Gymnaſium und Induſtrieſchule während voller ſechs Jahre vors jchreiben wollte, ftellte der Regierungsrath dieſe gänzlih frei.

Der Regierungsratb des Cantons Aargau ftellte beim Großen NRathe den Antrag, bei der Organifation der Cantonsſchule für Bildung von Bezirkölehrern Sorge zu tragen. Diejenigen Schüler nämlich, die das Gymnaſium oder die Gewerbeſchule durdlaufen, hätten dann nod einen einjährigen Curs in der Art eines Seminarcurfes durchzumachen, um nicht fowohl die Kenntniſſe zu vermehren, als das Gelernte zu wiederholen, foftematifch zu befeftigen und methodiſch zu behandeln.

13) Aus der Anzahl der in jüngfter Zeit verftorbenen Schul⸗ männer von jchweizerifcher Bedeutung nennen wir hier folgende:

a) Joſeph von Arr, Abbe, geb. 1805, + Febr. 1866. Gr war langjähriger Director der Stadtſchulen Solothurns. Sein ganzes Leben bat er dem Schuldienſt gewidmet. „Er war ein Mann ber That, dem das Arbeiten über alles Disputiren ging.” Als man den wadern Schulveteranen zu Grabe trug, begleitete die Leiche ein Bug, wie Solothurn noch wenige gejeben.

658 Die iußern Angelegenheiten ber Volbsſchule ze.

b) Charles Monnard, geb. 1790 in Bern. Gr wirkte als Pro⸗ feflor an verſchiedenen Schulanftalten und bejorgte mit Bnilliemier bie Fortſetzung der Schweizergejhichte von 3. Müller.

co) Baul Bital Trorler von Luzern. Starb in Aarau und wirfte feit 1820 an den Schulen in Luzern, Bafel und Bern. „Troxler war ein erleuchteter Geift, ein tiefer Denker, ein geiftreiher unb fruchtbarer Schriftfteller, ein hochbegeiſterter Freund bes Baterlandes, ein bemwäbrter Hüter feiner Freiheit, ein kühner Vertheidiger ver Menſchen⸗ und Bollsvechte, ein vielgeprüfter Dulder gegenüber unver dienter Verfolgung, ein mohlwollender Freund und ein anregender Lehrer der Jugend; kurz, Troxler war ein großer Mann und bat fid um bie Erziehung und das Schulmejen hohe Verdienſte erworben.

d) 3. Heinrih Breitenbad. + April 1866. Er war ein tüd: tiger Mufiler und wirkte mit Begeifterung für Bildung des Volks⸗ und Schulgeſangs. Schon feit mehr denn 30 Jahren übte er feine Kunſt in der Schweiz, zulegt ald Seminarmufillehrer in Mettingen.

e) Klemens Ruetſchi. Unter Gefang und Weihrede fand am 11. Juli 1866 in Mettingen die Einweihung des Denkmals ftatt, das die aargauifche Lehrerſchaft dem treuen und verdienten Lehrer geſetzt.

Die einzelnen Gantone.

Züri. 1) Profefior 3. äußerte bei Cröffnung der Synode für weitere gebeihlihe Entwidlung des Züriher Schulweſens folgende drei Rünfhe. Der Brimarfhule wünjht er eine einheitliche, wirklich ſach⸗ verftändige Infpection, dur welche die Thätigfeit der Bezirksſchulpflege überflüffig gemacht werden koͤnne. Die Beit dieſer Zwiſchenbehörden fei vorüber. Manche Bezirköfhulräthe befümmern fi wenig um die Vorgänge im pädagogifhen Leben umd ſeien nicht competent, die Schulen zu tariren und die Lehrmittel zu begutachten. Cr empfiehlt, die Schulen des Cantons etwa 2 bis 3 pädagogisch gebildeten und erfahrenen Inſpectoren, welde von den Lehrern als Meifter im Fache anerkannt feien, zu unterflellen. Den Mittelfhulen, namentlih den Secundarſchulen, welde ihm als Hochſchulen für den Kern unſrer republikaniſchen Bürger gelten, wünſcht er eine der Aufgabe entfprechenne Lehrerbildung. Die Anhörung von Borlefungen am Polgtechnicum und ein kurzer Aufenthalt in Welſchland gewähren feine planmäßige Vorbereitung. Der Hochſchule endlich wuͤnſcht er, daß fie das angeftrebte Biel, eine eidgenöſſiſche Anſtalt zu werben, bald erreihen möge. Bei den bannzumal vorzunehmendben Re formen könnte auch der Secunbarlehrerbildung Rechnung getragen werben.

2) Zum erfteen Mal konnte der Unterriht in ber oberften Se; minarktlaffe bis zum Schlufle des Schuljahres der Curs vollſtändig durchgeführt und die geſetzlich worgejchriebene allgemeine Wiederholung des gefammten Unterriht® aller vier Curje verſucht werden. Das Ergebniß Rellte die Zweckmaͤßigleit diefes neuen Elements in der Organijation der Anſtalt deutlich beraus. Wird an der allgemeinen Nepetition im Halbjahr feiner der Zöglinge mehr verlünzt, je werben dieſe ohne Zweifel praltiſch

Die äußern‘ Angelegenheiten ber Volkoſchule ce. 058

befähigter, jelbftändiger und ficherer in der Schule auftreten. Die:erfreu: lichen Zeugniſſe, welche die auf Schulen verwendeten Böglinge zurädgebradt haben, pürfen immerhin als Vorboten ſchoͤnerer und nadhaltigerer Erfolge betrachtet werden. (Aus dem Beriht der Erziehungsdirection.)

3) In mehreren Schulcapiteln wurde bie Frage, weldes die pädas gogiſchen Gründe gegen den Beftand kleiner Schulen jeien, lebhaft discutirt. Ueber einige Nachtheile der Kleinheit der Schulen war man zwar einverflanden, jo gab man zu, daß es für den Lehrer nicht gut fei, wenn er der mwohlthätigen Einflüfje eines größern Bemeindelebens ent: behre. Die Schule einer abgelegenen Ortſchaft gewähre ihm nicht die nötbige Anregung. Wohl fei da möglid, die Schüler individuell zu bes handeln; doch führe dies auch leicht. zum entgegengejebten Rejultat, daß nämlich der Lehrer die Schüler mit jeiner eigenen Individualität überfchütte, Die Heinen Schulen erſchweren eine ordentliche Klaſſeneintheilung. Dagegen war man allgemein der Anficht, daß der Staat in biejer ganzen Angelegen- beit nicht ſowohl von pädagogifchen, als vielmehr blos ölonomiihen Grün⸗ den ſich beftimmen laſſe. So war denn das Gejammtrefultat diejer Die: cuffion kein anderes, als daß ſich die Lehrer aufs Neue dafür ausſprachen, daß aud die kleinſten Schulen fortbeftehen jolen. Mit diefer zu weit ge triebenen Vereinigungswuth find nun auch einzelne Schulgemeinden, wie wir aus einer uns mitgetheilten wohlbegründeten Petition um Aufhebung einer Schulverſchmelzung erjehen, durchaus nicht einverflanden.

4) In mehreren Gapiteln tbeilten ji die Lehrer ihre Erfahrungen über den neueingeführten Turnunterrihtmit. Als günftige Erfahrungen wurden angeführt: Das Borurtheil der Bevölterung gegen das Zurmen fange an zu verfhwinden; die Schüler zeigen Vorliebe für das dad. Yür die Lehrer habe es eine wohlthätige Rüdwirkung aufs körper liche Wohljein; für den Schüler bringe es Gelenligleit und Beweglichkeit, ebenjo Beredlung feiner Spiele; es ſchaͤrfe die Sinne, foͤrdere die Aufmerk ſamkeit, unterflüße die Disciplin und bilde das Taltgefühl. Es fei aner: tennenswerth, was der Staat durch DOrganifation von Inftructionscurfen gup Vörberung gethan. Ausſcheidung des Stoffs und Vertheilung auf die ver: ſchiedenen Jahrescurſe, fowie Herftellung guter Zurngeräthe fei nun Ads gabe der Zukunft. Als ungünftige Erfahrungen wurden dagegen von anderer Seite angeführt: Man erhalte doch im Allgemeinen den Eindruck, baß es nicht recht vorwärts gehe mit der Sache. Die Bevölkerung betrachte das. Zurnen im Allgemeinen doch als dummes Zeug und verftehe ſich nicht willig zu den nöthigen Ausgaben. Den Gemeindebehörden jei die Sache gleihgültig.. Die Bifitation ignorire das Fach bei der Prüfung. Die Gritelung zwedmäßiger Localitäten erfordere zu viele Opfer. Biele Lehrer, felbft jüngere, zeigen Abneigung gegen das Turnen. Auch die Schüler wären lieber ganz frei. Der Turnunterricht fei anftrengenk und nehme and den Geift jehr in Anſpruch.

5) Gejangbirectorencnrs in Zürich. Weber die Beranlafung zur Abhaltung deſſelben gibt uns der ausgezeichnete Bericht des ſachkundigen Directors 3. Heine, der über Geſangunterricht und Leitung von Gefange hören manche treiflie Winke enthält, folgenden Aufſchluß. Die Commiſſion

allgemeinen Ehorgejang, als dem vorzügliditen Bollsbilvungsmittel i

giöfer, politifcher und jocialer Beziehung, eine tiefer eingreijenbe zu verſchaffen, und fie glaubt, mit ver bereits verwirkllichten Idee Gefangdirectorencurfen eine nene, zu den ſchönſten Fidel berechtigende Periode des ſchweizeriſchen Gefanglebens begennen uud as: gebahnt zu haben. Die Wieverholung und Fortſetung ähnlicher Geſang

Gelvmitte. Der Eurs dauerte 14 Tage. Der Chor beſtand aus 50 Lehrern aus den verjchiedenen Bezirten des Cantons. Director Baumgart- ner wurde für allgemeine Mufils und Sarmonielehre, Herr Director Heine für Geſang⸗ und Directionsunterricht berufen. lngefähr 50 Stunden wurden dem theoretiihen und praltiichen Geſangunterricht (Chor und Sole gelang ) gewidmet.

Auch in Mündhenbudhjee (Canton Bern) wurde vom 18. bis 24. Sept. unter der Leitung des Herrn Weber ein ſolcher Geſangdirectoren⸗ cuss abgehalten. Sämmtlide 86 Curstbheilnehmer wurden in Quartette eingetbeilt, welche jeden Zag ein unter Leitung eines bejondern Directors einftudirte Lied vorzutsagen hatten. Tagesordnung: Morgens 7 Uhr Zbeorieftunde; dann Quartettvorträge und Kritil derjelben durch ein Kampf: gericht; hierauf Klavier⸗ und Orgelipiel von Herrn Weber, Sohn; 11 Uhr Chorgefang; 1—2 Uhr Einftudiren der Duartette; 2 Uhr Quartettvortraͤge und GChorgefang; Abends 8 Uhr freie Beiprehung über die Bereinsorgans ſation. Am Schluſſe fand in der Kirche eine öffentlihe Gejangaufführmg ftatt. Nach einem Referat in der Berner Schulzeitung war diefe Sänger woche, troß der angeltrengteften Arbeit, eine wahre Feſtwoche des Genies und ber Gemüthlichleit, der geiftigen Auffriihung in muſikaliſcher Hiaſicht. die ohne Zweifel auf das Geſangweſen nicht ohne wohlthätige Ginwickung fein wird.

Die äukern Angelegenheiten der Volksſchule ac. 657

Sn Thurgau und Solothurn wurde ebenfalls bie Abhaltung ſolcher Gurfe angeregt.

6. Alle Anerlennung verdient Winterthur für feine großartigen Leiſtungen im Schulweſen. Seinen Sinn für Bildung bat ed aufs Neue durch Erhöhung ver Primarlehrerbejoldung von Fres. 1800 auf Fred. 2500, ſowie durch die Erftellung eines neuen Schulgebäubes, deſſen Koſten auf Fres. 416,000 fteigen, beurkundet. Diefe Stadt bietet, wie wenig ambere Schweizerflädte in gleihem Maße, alle Beringungen zu einem blühenden Schulweſen: prädhtige und zwednäßig eingerichtete Schulhäufer, tüchtige und gut bejolvete Lehrer und eine trefflihe Schulorganifation. Ehre ſolchem Streben!

7. Einem erbitterten Seminarlampfe zwiſchen Director unb einigen Seminarlehrern hat der Erziehungsrath durch feine Schlußnahme, in der er u. N. dem Director die Anerfennung für fein amtliches Wirken ausſpricht, ein Ziel geſetzt.

7) Statifijde Angabe aus dem legten Amtsbericht.

A, Volksſchule. Im Schuljahre 1864/65 fungirten 518 Primar lehrer (Taration der Schulen: 174 jehr gut, 360 gut, 42 mittelmäßig, 2 uns befriedigend), wovon 451 definitiv, 67 nur proviforisch angeftellt waren, Alltagsfchüler 26,606, Ergänzungsfchüler 9929, Sing: und Unterweifungss jhüler 11,374. Seminarübungsjchule: 1 Lehrer und 125 Schüler. 56 Secundarſchulen (39 ſehr gut, 35 gut, 2 mittelmäßig); 76 Secundar lehrer, 2665 Schüler. Weibliche Arbeitsjhulen: 357 Lehwerinnen, 7661 Schülerinnen. Zotalzahl der Lehrer 952, der Schüler 58,260. Außerdem beftehen im Canton 20 Privatinftitute und 40 Handwerler ſchulen.

B. Höheres Unterrichts weſen. Zöglinge des Lehrerſeminars: 103; Böglinge der Thierarzneiſchule: 33; Schüler ver Gymnafien: 188; Schüler der Induſtrieſchulen: 229; Stupirende an der Hochſchule: 257. Die Primarſchulfonds betragen Fres. 5,510,358. (Im Jahr 1855 bes trugen fie Fres. 3,996,574.) Die Secundarſchulfonds betragen Fros. 487,456. (Im Jahr 1855 betrugen fie Fres. 346,643.)

St. Gallen. 1) Die Eröffnung der Cantonsſchule fand am 30. Mai 1865 ſtatt. Ihr ging am 29. Mai in Anweſenheit von Abordnungen des Regierungsraths, der Erziehungsbehörde ıc., fomwie ber Lehrerſchaft und fämmtliher Schüler vie feierliche Uebergabe ver Anftalt durch den Landammann, als Repräjentant des Staates, an die Erziehungs» bebörde, als deren fünftige Leiterin, voran. Als freundliche Erinnerung aa den für die Geſchichte der St. Galliihen Cantonsſchule denkwürdigen ag wurde mit fämmtlihen Gantonsjhülern dem Seminar auf Mariaberg ein Beſuch abgeftattet und daſelbſt Schüler und Chrengäfte in frugaler Weiſe bewirthet. Der Abend vereinigte fodann die Repräjentanten der Behörde und die Lehrerſchaft zu einem gemeinjamen Bankette. (Amtsbericht.)

2) Im December 1865 wurde vie Lebrerfhaft duch eine neue Shulorpnung für Primar: und Realſchulen erfreut. Den erſten Anftoß zur Nevijion gab ein Geſuch der Lehrerverſammlung zur Ab: änderung mehrerer Partien der Vollziehungsorbnung von 1862, in welcher

Pär. Jahreßberiht. XVII. 42

658 Die äußern Angelegenheiten ber Volksſchule zc.

namentlich die unjelbftänbige Stellung der Conferenzen tiefe Mikftimmung erzeugt hatte. Durch das neue Geſetz bat nun die Behörde anf anerlen- menswertbe Weile den Wuͤnſchen der Lehrer Rechnung getragen.

Die Lehrerconferenzen gliedern fi nun in 1) Specialconſeren⸗ zen, 2) Bezirksconferenzen, 3) Cantonalconferenzen. Die Lehrer eines Be zirks vereinigen ſich in mehrere gefonderte Epecialconferenzen, deren Zwed in wiſſenſchaftlicher und pädagogischer Fortbildung beſteht. Die Eperial: conferenzen verjanımeln ſich jaͤhrlich 0 10 Mal, conftituizen ſich jelbit und erflatten Bericht über ihre Thätigleit an die Bezirlsconferenz. Die Bejirks⸗ eonferenzen finden jährlid 2 Mai ftatt. Zum Beſuche find fämmtlide Pri⸗ mar und Reallehrer des Bezirks verpflichtet. Jeder Lehrer erhält ein Zaggeld. Die Conferenz bat das Recht, ihren Borfland zu wählen unb fih Die Statuten felbft zu geben. Eie beipriht an der Hand eines Gut⸗ achtens pädagogiſche ragen und wählt die Abgeorbneten an die Canto⸗ nalconferenzen. Die Cantonalconferenz conftituirt fi felbt und ſtellt für ihre Thätigleit ein Reglement auf. Ordentlicher Weiſe findet alle 2 Jahre eine ſolche ſtatt. Stimmberedtigt find nur die Delegirten der Bezirlscon- ferenzen; dagegen haben jämmtliche angeftellten Primar⸗ und Reallehrer freien Zutritt mit berathender Stimme. Der Erziehungsrath läßt ſich Durch eine Abordnung vertreten Der Cantonalconferenz liegt die Berathung umb Begutachtung über alle widhtigen, das Schulmefen befhlagenden ragen ob. Die Abgeordneten erhalten aus der Staatscafle ein Zaggeld. Nach vem Amtsberiht gewinnt nun das Conferenzwefen wieder an Regjamleit m Lebensfriihe. Nur die Gantonalconferenzen machten bisher keinen gim ftigen, wobltbuenden Eindruck. Daran ift freilich die Organifation wicht Schuld.

. Bezgzuüuͤglich des Wunſches auf Standesvertretung der Lehrer in den Schulbehörden antwortet die Schulordnung ablehnend. Die diesjallfigen Beitimmungen beißen: Primarlehrer können nicht Mitglieder des Schuira- thes jein. Dagegen jollen die Schulräthe die Lehrer zu feinen Sitzungen zur Berathung beizieben, jo oft Fragen des Unterrichts und des innern Organismus der Schule zur Behandlung kommen. Die Primarlehrer find berechtigt, jährlih vier halbe Zage zu Schulbefuchen zu verwenden. Art. 1 hält uns die Mufterlarte unfrer verjchievdenen Schularten ver. Sie heißen:

e Jahrſchule,

Dreivierteljahrſchule (im Winter taͤglich mit 6, im Sommer täg: lich mit 3 Unterrichtsſtunden).

Theilweiſe Jahrſchule (für mehrere Claſſen eine Jahrſchule, für die übrigen Halbjahrſchule).

4) Halbtagjahrſchule (die eine Abtheilung erhält nur Bormittags, dir

andre nur Nahmittags Unterricht).

5) Getheilte Jahrſchule (die Oberſchule genießt den Unterricht

Minter, die Unterjchule im Sommer).

6). Halbjahrſchule.

Der Eintritt in die Schule erfolgt mit dem zurüdgelegten Alters jaßeo, der Mebertritt aus der Alltagsichule in die Grgänzungsihule (mit

N

3

Die äußern Angelegenheiten ber. Bolkeſchule £! 660

zwei vier Halbtagen) mit dem 13. Jahre und die Entlafiung. aus betr jelben mit dem erfüllten 15. Altersjahe. Die Lehrſchweſter⸗An gien legenbeit, die einen heftigen Kampf in der Tagespreſſe hervorrief, findet ihren Abſchluß in folgenden Beitimmungen: Getrennte Mäpchen- Ichulen können von Lehrerinnen verjehen werben. Angeſtellte Lehrerinwen müflen im Befiße eines Wahlfähigleitszeugnifies fein. Ordensperſonen duw fen nur dann als Lehrerinnen angeftellt werden, wenn dieſelben einem janctgalliichen ıFrauenklofter angehören. (Damit find alfo. vie Lehrſchwe⸗ fern vom Schuldienfte ausgeſchloſſen.)

8) Auf bedeutenden Widerftand auf conjervatiwer Seite ftieß . ber Art. 119, welcher unter gewiſſen Beringungen bie Zutheilung ar eine Shule der andern Eonfeffion zuläßt und der fobann auch, den Zugetheilten die gleichen Rechte (Stimm: und Wahlfähigteit) und Pflich⸗ ten einräumt, gleihwie den übrigen Schulgenofien. Die confervativen Bit: ter Hagten über Verproteftantifirung der Schule, und das kathol. Schulblatt behauptete, die fogen. Miſchſchulen, over die Schulen mit paritätifchem Charakter, beeinträchtigen die Erziehung und Bildung, gefährden das In⸗ terefie des Staates und flören den confejfionellen Frieven. In einer Bro: jhüre: „Die Schulftage vom kirdlich - politiichen Standpunkto aus betrach⸗ tet mit bejonderer Rüdfiht auf die ſanctgalliſchen Schulverhaͤltniſſe“ äupext Hr. Pfr. Ruggli u. A. folgende Gedanken: Die Erziehung muß religiös fein. Die Kirche war Mutter und Stifterin der Schule; fie it darum zur Mitwirlung an der Leitung der Schule verpflichtet; nur dadurch. wird der confejlionelle Charakter gefichert. In katholiſche Schulen gehören ta« tholiihe Lehrer, Behörden und katholiihe Schulbücher. Dem Biſchof. ge bübrt in Schulangelegenheiten dag Recht der Mitberathbung. Die ſanct⸗ galliiche Verfaſſung jagt: „Aufliht und Leitung des öffentlichen Erziehungs: weſens ift Sade des Staates” genau das, was die Kirche verdammt. Die Berfaftung fagt: „Die oberfte Leitung des Erziehungswefens fteht beim Regierungsrathe. Diefer Art. läuft dem päpftlihen Ausſpruch entgegen. Die Verfaflung fagt: „Er genehmigt Lehrmittel, Lehrpläne und Verordnun⸗ gen.“ Dies Recht gehört kraft göttliher Vollmacht der Kirche. Der inpifferente Staat trägt der Confeſſion keine Rechnung und treibt die Kirche zum Schule hinaus. Ohne die kirchliche Oberbehörde zu befragen, wurde ein Lehrplan abgefaßt, wurden Lehrmittel obligatoriih eingeführt. 10 Lehrer, zur Hälfte seformirt, jollen unter Vorſitz eines reformirten Erziehungspräfibenten ein Leſebuch verfajlen, ohne daß die Kirche eine Silbe dazu zu fagen bat. Das ift eine fchreiende Ungeredhtigleit. Herr des Erziehungsweſens ift jebt der confejfionslofe Staat, Hirt der Schulen der unkatholiſche, unkirchliche Srziehungsrath. In gleihem Sinn und Geift wird das Seminar geleitet. Das Staatsfhulmefen führt allgemein zu einem Leben ohne Bott. Das Volksſchulweſen geräth ins Heidenthbum. Was nun thun? Wir müflen die durch Verrath und Zreulofigleit entriffenen Rechte wieder erobern. Wir forbern die Unterrichtsfreiheit. Die katholifhe Erziehung ift erft dann ge- fihert, wenn die Kirche den ihr gebührenden Einfluß auf die Bildung der Lehrer, der Abfaffung und Einführung von Schulbüdern umd der Feſtſetzung des Lehrplans ꝛc. geltend macht. Alſo zum Kampfe! Wir müflen vie

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689 Die Aukern Angelegenheiten ber Volksſchule ze.

Preſſe benutzen und bie Gerwifien ver Tatholifchen Eltern erweden. Beveimt mit dem Bifſchof berlangen wir die Rechte zurid, die uns Willkur und Despoten entrifien.”

4) Der Canton St. Gallen zählt 399 ‚Sauten (170 Halb» jahr⸗, 32 Dreivierteljahr: und 120 Jahrſchulen, 29 getbeilte Jahrjchuien, 27: Halbtagsjahrfchulen und 21 theilmeife —— Dieſe wurden von 25,364 Schülern befucht. Die Arbeitsſchulen zählen 7539 Schülerinnen. Das Capitalvermögen fämmtl. Primarſchulgemeinden beträgt Frs. 4,195,6500. Die Anzahl der Realſchulen beträgt 31 (davon find 5 Knaben, 4 Madchen⸗, 22 gemiſchte Schulen für Anaben und Mädchen) Die Zahl der Reallehrer beläuft fih auf 65, diejenigen der Schüler auf 1152. Die Zahl der PBrimarlehrer wird auf 373 angegeben. Sodann befigt der Gam tom mehrere PBrivatihulen, vier Rettungsanftalten und eine Taubſtummen⸗ aufalt. Die Eramenberichte über die Leiltungen ber Realichule lauten durchweg güufig, Die Nealihulen find im Stande, die ihrer Gtelkmng zulognende päbagogifhe und fzientifiihe Aufgabe befriedigend zu Löjen.

(Amtsbericht.)

Gantensfhule: 17 Profefioren, 8 Hülfslehrer und 197 Schüler (73 Syunafim, 124 Induſtrieſchulen). Seminar: 7 Geminarlehrer umb 1 Muſterlehrer und 59 Böglinge.

Luzern. Hr. Segefler legte im Auftrage des Regierungsrathes einen Bericht vor, mie nad feinen Anfichten in allen Gebieten der Adınmikım tion eine Berminderung der Ausgaben zu ermöglichen ſei. Die Rare Keduction der Ausgaben will ee nun im Grjiehungswejfe

Hier allein follen nad feinem Vorſchlag 60,000 Ircs. erfpart

"werben. Zugleich legt er einen Plan: „Gedanken über eine Reviſion bes Schalgeſetzes“ fiber die Veränderungen im Volksſchulweſen vor. Diefer Vorſchlag eines Sparfpflems ift zu einem Stein des Anftoßed geworben. Er entwidelt dabei folgende Gedanlen: Die Schule ift ausſchließlich Sade der Gemeinde. Der Gemeinderatb wählt, befoldet und beauffichtigt bie Lehrer. Der Staat gibt einen Beitrag an die Schulloften und zwar Fred. 3 vr. Am. Cin Minimum der Beſoldung wird gejeglich nicht aufgefteikt. De Schulzwang ift abzufchaflen; nur hat der Bürger die gejepläcken Beitzäge zu. leiten und durch Prüfungen fih auszumeilen, daß feine Sin der das gelernt, was der Lehrplan fordert. Das Lehrzie I fol nach feiner Anfiht nicht über Lejen, Schreiben und Rechnen binausgeben. Geſang, Zeichnen, Turnen 2c. fallen weg, Der Religionsgunterridt hit ausſchließlich den Piarrern zu. Die Unterrihtszeit gebt vom 8. Aliexsjahre bis zu dem Zeitpunftt, in welchem das Lehrziel erreicht if. Das Lebrerfeminar wird aufgehoben. Der Lehrplan der Bezirke fehulen wird reducitt. Knaben, die fi dem Lehrerberuf widmen wollen, beſuchen norerft eine Allajlige Bezirksſchule, dann erhalten fie vom einem „wandernden Pädagogen’, ber abmwecjelnn ein halbes Jahr um des andere an einer Wittelfchule erfcheint, Anleitung über Paͤdagogik und Ne thai, Rach einem halbjährigen Curje wird der Lehramtscandidat paten- tixt. Die Lehrerconferenzen fallen meg. Am Gymnafium wird das Glaf- ſanſyſtem eingeführt. (Neues Tagblatt.) Wir wollen ſehen, ob dieſe

Die äußert Angelegenheiten ber Volkeſchule x. 661

haushälterifhen Gebanten bei Bolt und Behörden Unflang finden. Dir Sinfender des N. Zagblattartilel3 bemerkt, der Vorſchlag Ss. fei aller Beachtung werth. Betreffend das Lehrziel habe er volllommen Recht. Es jei wahrhaft ſündhaft, was die Schulmeifter mit den Kindern treiben, nur das Rechte nit. Ein Jahr Lehrerfeminar ſei nothwendig, jedoh in Be⸗ zug auf Lehrplan und Grundſätze vom gegenwärtigen ganz und völlig ver jchieden. Auf diefes folge ein Jahr praltiſchen Unterrichts in Muſterſchu⸗ fen. Unfere balbeivilifirte Welt mit ihrer encyelopaͤdiſchen Schulmeifters weisheit wolle freilich viel mehr.

Bern. 1) Auf den Vorſchlag des Gemeinderaths bat die ſtabtiſche Ginmohnergemeinde im Dechr. 1865 einſtimmig die Beſoldung der Primarlehrer um Fred. 300 erhöht. Bern, als Bundesftabt, ftand ik diefer Beziehung gegenüber andern jchweiz. Städten noch weit zurüd. Die Aufbefierung der Gehalte war eine dringende Nothwenvigleit. Der Lehrer ber I. (oberften) Claſſe bezog bisher ſammt der Staatszulage und We: nungsentihäbigung Frc3.1620, jetzt aljo Fres. 1920; ver Lehrer ber IL Claſſe früher Ircs. 1320, jetzt Fres. 1620; der Lehrer der III, Claſſe Fres. 1170, jetzt alfo Fres. 1470. Der „Schulfreund“ anerfennt biefe Opfer , tadelt aber dieſe Ungleichheit, indem ber Unterricht in den untern Claſſen ebenſo viel Fleiß, Anftrengung und Ausdauer erforbere, als derjenige in dei obern Claſſen.

2) In Bezug auf Einführung des Turnens in die Primat— fhule if ein entichiedener Schritt gejhehen.. Wenn aud zur Stunde noch das Turnen kein obligat. Schulfach ift, jo laſſen dagegen die Behörven nichts unverſucht, diefem michtigen Lehrgegenftande auf dem Wege der Frei⸗ willigleit, durch Aufmunterung und zwedmaͤßige Anleitung moͤglichſt alls gemeinen Gingang zu verſchaffen. Cs ift zu hoffen, daß dieſe Bemühen gen bei Schulräthen und Lehrern die nöthige Beachtung und Unterftügung finden werden. Zu dem Ende hatte die Erziehungsdirection die Abhals tung von I0—12 Turncurfen in den verſchiedenen Gegenden des Gantons (mit Ausfiht auf ftaatlihe Unterftügung) angeordnet und eine „Anleitung des TZurnunterridhts in ben berniſchen Volksſchulen“ austbeilen Lafien.

.3) Herr Lafche, Lehrer an der Cantonsſchule in Bern, empfahl it einem Votum „die Reduction der Brimarjhulzeit”, in ven a bemerit: „Wir find zu der Ueberzeugung gelommen, daß es für die in den Gewerbitand übergehenven Knaben befjer wäre, den obligatoriihen Primar⸗ anterriht mit dem vollendeten 1Aten Jahre zu fchließen und dann einen guteingerichteten Yortbildungsunterricht folgen zu lafien. Es gibt außer Bern nur wenige Länder, in melden der Primarfhulzwang bis in das Alter von 16 Jahren ausgedehnt if. Der fpäte Eintritt in bie berufliche Thaͤtigkeit bringt große Nachtheile.“ Neuervings erllärt fih nun die N. Berner Schulzeitung mit aller Entſchiedenheit gegen eine derartige Abaͤnde⸗ rung der gegenwärtigen Schulgefeßgebung.

4) Un der im Aug. 1865 in Bern abgehaltenen und von Pruf. Defor aus Neuenburg präfivirten Berfammlung des internationalen Gongrefjes wurde u. U. auch folgenne Frage viscutirt: „Soll der Uns

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6) Ser gegenwärize Beſt and ner berniiden Eh ullekre: cafje ı telzenzer: Zaıbl ver Tiuzlieder: 830; Chat ——— 354,164: Fenonstunme: Ircs. 15,760; Benteniberuktiyie: 268 ; Erik ame Penñen: ca. 70.

Zhburgau. 1) Nas einem Berkkt der tharz Secumdartebrer

eine

fon techt fein: aber für >, der Eihäler ih eine mbentlihe, comserhe peak tijche Redinungetunft viel widtiger; und vor Allem beivaiiam ii em richtiger deuticher Aufiag, im einer einfachen, flaren, richtigen Eyradbe.“

27 Her Reg.:Rath Enl;berger trat in ber gemeinnübigen Gejellichıit für die Iulaffung von Lehrerinnen, für vie unten Glaßen ker thutg. Schulen in die Schranlen. Die ſociale Stellung berieben fei eine andre geworden. Zur die erziehlice Aufgabe fei das Weib jo gut gemad- fen, al6 der Mann. Die Ihätigfeit einer Lehrerin mit Rindern, welche

Auch die Thurgauer Zeitung verwendet ſich wit Eiſer für die Aiufteung

Die äußern Angelegenheiten ber Volksſchule c. 668

von Lehrerinnen an. den thurg. Primarfchulen. Die geſetzliche Ausfchließung der weiblichen Lebrfräfte von der Erziehung und. Beſchulung jelbft ver weiblihen Jugend jei nicht'gerechtfertigt. „Frauen von Geilt und Charak⸗

ter erwerben ſich leicht die nöthigen Kenntniſſe. Warum follte das berufs

lih gebildete Weib nicht für den Schuldienft geſchaffen jein? Mangelt etwa die unerläßlihe Gnergie und Zähigleit? Wer daran zweifelt, gehe ans Krankenbett. Und wenn fi damit eine gewiſſe Milde paart, follte bies für's erziehende und lehrende Element nachtbeilig fein? Man hört nur von günftigen Ergebniſſen. Die Lehrer bewegen fich felten mit gleicher Geiftesfriihe in der Sphäre des Clementarunterrihts. Die Lehrerin: nen begnügen fi mit der Hälfte der Bejoldung und fchonen die Deconomie der Gemeinden und die Steuerkraft der Bürger. In Bern und Aargau find an untern Primar- und Mädchenclafien häufig Leb: rerinnen angeftellt. Nöthig ift dann freilich ein geregeltes Inſtitut zur be: ruflichen Ausbildung von Lehrerinnen, fo wie gefeßlihe Beitimmungen für ihre corporative Stellung und die damit zufammenbängende Fortbildung.“

Freiburg. 1) Die Girardfeier. Die Feier zu Ehren des bundertjährigen Geburtstages des verehrten Pädagogen, Pater Girard, die -am 17. Dechr. 1865 ftattfand, begann mit einem Gottespienft für ſämmtliche Jugend der Stabtprimarfhulen. Abends bildete fih ein im⸗ pojanter Fadelzug von 12— 1500 Perſonen, beftehend aus Mitgliedern der Behörden, aus Schülern und Verehrern Girard's. Dieſer bewegte ſich mit Mufit zum Denkmal Girard’s, das berrlih befränzt und beleuchtet war. In ergreifenden Morten ſchilderte hierauf Herr Prof. Daguet das Leben Girard’s, der troß allen Berfolgungen fo unermübli für die Bildung des Volles arbeitete. Muſik, Gefang und Feuerwerk bildeten den Schluß der

Ihönen Feier. Kine eingetroffene Depejche von ehemaligen Schülern des

Gefeierten, nunmehr erfte Staatsmänner St. Gallend, wurde vom anwe⸗ enden Publicum mit Begeifterung begrüßt, Tauſende mögen fidh bei dies fem Feſte unter freiem Sternenhimmel gelobt haben, ver großen Ausfaat Girard's ein fruhtbares Erdreich zu bereiten. Nach diejer allgemeinen Feier im Freien folgte ein Bankett, welchem viele Schüler und Berehrer bes Verewigten beimohnten und zwar von beiden politiihen Parteien. Der Name Pater Girard’3 wird zu allen Zeiten im Schweizervolle im gejegne- ten Andenken fliehen. (Aus dem N. Tagbl.)

Der 100jährige GeburtstagGirard's wurbe auch im Canton T ef Jin gefeiert. Prof. Ghiringhelli verfaßte im Auftrag des Vereins für Volfserziehung eine kurze Biographie diefes verdienftvollen Mannes, und bejchenkte damit die fämmtlihen Schulen des Cantons Teſſin. Der Verf. entwirft darin ein fehr lebendiges und anſprechendes Bild feiner Perjönlichkeit, feiner na⸗ turgemäßen Methode, feines vortrefflihen Charakters, feiner Menjchenliebe und Dulofamleit, die feiner ganzen Wirkjamtleit die rechte Weihe gaben,

2) Die Behörden Yreiburgs haben fih an der Berathung, betrefiend Einführung gemeinfamer Shulbüder (für Waadt, Freiburg, Genf, Walls, Neuenburg und Berner Jura) für die romaniihe Schweiz nicht betbeiligen wollen. Bas Unternehmen ſcheint auf große Hinderniſſe zu ſtoßen.

664 Die Außern Ungelegenbeiten ber Volksſchule ıc.

8) Die Hlerifei agitirt für Ueberlieferung der Normalſchale und der landwirtbidaftliben Schule in Hautrive an die Trappiſten. Um dem Project Gingang zu verfchaffen, wird von der Verbindung eines Cantonsſpitals mit der Trappiſten⸗Vollsſchule geiprohen. (Tagblatt.)

Schaffbaufen. Bufammenflellung der neulich verbeiierten Lehrer: befslvungsverhältnifie der Stadt Schaffhauſen.

a) Kloflerſchule (Elementarſchule). A Lehrer. Befoldung Fred. 1900, 1700, 1600, 1500. Berpflibtung zu 28 Stunden wöcentliden Unterrichts.

b) Steigſchule ( Elementarfhule mit getrennter Winter: und Sommer: ſchule). 8 Lehrer. Beſoldung: Ares. 1700, 1600, 1500.

e) Stäptifhe Maͤdchenſchule. 8 Lehrer. Beſoldung des Vorflebers: Fres. 700 (für 8 wöchentlihe Unterrichtäftunden). Uebrige Lehrer: Fres. 2400 (für 35 Et.), Feed. 2150 (für 32 St.), Fred. 1800 (für 28 6t.), Fres. 1700 (für 26 St.), Fres. 1650 (für 24 St.), Fres. 1550 (für 20 St.), Fres. 1500 (für 20 St.).

a) Städtifhe Anabenfhule. 7 Lehrer. Beſoldung: res. 2100, 1850, 1800, 1700, 1650, 1550, 1500. Mit 24—29 wöchentlichen Unterrichtftunden. Lehrer der franzöfiihen Sprache: Fres. 600 (8 ©t.). Beichenlehrer: Fres. 450 (6 St.). Turnlehrer: Free. 750 (8 St.).

e) Realfhulen. Dem Director: Fred. 2600 für 18 Stunden Unterrift. Dem Religionslebhrer: Fres. 1400 für 14 Stunden. 7 NReallebrer: & Fres. 2400 für 30 Stunden. Dem Zeichenlehrer: Fred. 1900 für 24 Stunden.

Zudem erhält jeder definitiv angeftellte Lehrer vom Staat jährlich eine Bulage:

Nah 4 Dienftjahren Fred. 40. 8 80. 21416 200.

Appenzell A. Rh. 1) Mit nächſtem Frühling geht alſo das can⸗ tonale Lehrerſeminar in Gais, das ſeit 1852 unter der Direction von Herrn Zellweger beftanden bat, in Folge der Auffündigung des Directors zu Ende. Laut einer Correfpondenz der „Sonntagspoſt“ zählte das Ce minar während der 16 Jahre feines Beftandes 112 Zöglinge. Die Standescommiffton von Appenzell A. Rh. ſchloß nun mit dem thurgauiſchen Erziehungsrath einen Vertrag ab, demzufolge eine Gefammtzahl von etwa 15 appenzeller Stipendiaten im breicurfigen Lehrerfeminar Thurgau Auf nahme finden. Der Jahresbeitrag ift auf Fres. 600 feftgeftellt.

2) Die Kirhhöre der Dorfgemeinde Heiden beſchloß, die Befoldung bed Oberlehrers von Fres. 900 auf Fres. 1200 zu erhöhen und die jähe lihe Wiederwahl dieſes Lehrers abzufhafien. Auch Trogen bejoldet nun den Oberlehrer mit Fres. 1200.

3) In den Kranz der gemeinnügigen Werke, welde als ehrende Denkmäler des opferwilligen Gemeinfinnes dieſes Ländchen ehren, hat audı die Gemeinde Trogen buch ben Bau der Cantonsſchule, den fie

v Die äußern Angelegenheiten ber Volboſchule x. 850

amf. ihre Koſten erflellte und nun dem Lande fchentiweife abtritt, eine ſchͤne Blume geflochten.

Appenzell J. Rh. Einem Schulbericht in den „appenzelliſchen Jahr⸗ büchern“ entnehmen wir folgende Angaben. Innerthoben zählt 17 Schulen. Die Gefammtzahl der Schüler betrug im Berichtsjahr 1215. Die einzel nen Schulen waren aber ſehr ungleich bevölkert. Die kleinſte Schule zaͤhlte nur 23, die größte 128 Schüler. Bier Schulen baben eine Schulzeit von 8, alle übrigen eine folde von 10 Monaten. Das Gejeb bindet den Aus: tritt aus der Schule and zurüdgelegte 12. Altersjahr. Der Schulbeſuch iſt noch mangelhaft. Was die Befolvung betrifft, jo haben alle Lehrer freie Wohnung. Das Baareintommen erreidht an 2 Schulen (Appenzell) das Marimum von Fre. 800 und 940. Dann folgen Gehalte von Fred. 600, 500, 418, 300 bis 400, 247 und Minimum Fred. 210. Die Zahl der Lehrer betrug 14, die der Lehrerinnen 5. Der Schulbericht ent: hält dann eine Beurtbeilung der Leiftungen jeder einzelnen Schule. Zum Schluß befürwortet Referent

a) die Einführung obligatorifher Repetirfchulen, die bis ing 19. Lebensjahr befucht werden jollten ;

b) die Errihtung einer MädchenArbeitsfihule in Appenzell, indent dies der einzige Hauptort in der Schweiz ohne eine Arbeitsſchule fein dürfte

c) die Grhöhung der Lehrerbeſoldungen;

d) die Beranftaltung jährliher Repetitionscurfe für die Lehrer. " Möge es den Schulfreunden Innerrhodens mehr und mehr gelingen,

das Schulmefen zeitgemäß zu fördern und zu heben!

Uri. Um die Primarjhulen zu heben, haben vie Behörben bes ſchloſſen:

a) Es ſollen obligatoriſche Repetitionscurſe für die Lehrer unter tüchtiger Zeitung fattfinden.

b) Die Sonntagsfhulen, für aus der Schule Entlafjene, den Gemeinden zur Ginführung zu empfehlen.

ce) Der Grziehungsrath wird eingeladen, einen Unterrichtäplan für die Primarjchulen anzuordnen.

d) Neu anzuftellende Lehrer follen fortan einer Prüfung fih unterziehen müflen.

e) Staat und Gemeinden zur vermehrten Unterftügung der Primarfchulen einzuladen.

Schwyz. Das auf der Stiftung von Herrn Yüp felig beruhende Lehrerfeminar in Seewen hat feine erften 10 Jahre zurüdgelegt, und erhält von der Auffihtsbehörde das Zeugniß, daß es auf der Höhe der Zeit fiebe.- Es find bis jeßt 97 Lehramtscandidaten daraus hervorgegangen.

Aargau. 1) Hier murbe eine befondere Eommilfion aufgellellt, vie den Auftrag bat, zu beratben, wie bei den vier Seminarjahren die Lehrerbildungsanftalt einzurichten fei. Nah dem Schulgeſetz ſoll das Seminar auf die Grundlage eines Convicts mit Zimmerſyſtem einge» sichtek und mit einem enifprechenden landwirthſchaftlichen Geweche verſechen

666 Die äußern Angelegenheiten ber Vollsſchule ꝛc

werben. Einzelne Stimmen reden von einer Berlegung des Seminars von Wettingen nah Muri und Verſchmelzung mit der landwirthſchaftlichen Säule.

2) Die Einführung des neuen Schulgefeßes fick in einigen Gegenden des Cantons auf hartnädigen Widerftand, In einer Verſamm⸗ fung in Seengen wurde ein Betofturm gegen daſſelbe heraufbeihworen. Man erllärte fi) gegen den Artilel über das Abſenzweſen, den Cantonal: injpector, die Alterözulagen nad 10 Dienftiahren und die unrepublilani: ichen (?) Rubegebalte oder Penfionen. Die Berjammlung war ftürmijh und man beſchloß, durch Sammlung von Unterſchriften die Abänderung oder Bejeitigung diefer Artikel zu erlangen. Das Schulgejeg wurde troß biefem Wellenſchlag in Kraft geſetzt; nur der Cantonalinfpector wird einft: weilen noch blos auf dem Papier ftehen.

Die Sammlung von den nöthigen 5000 Unterfhriften fam nur muhſam zu Stande. In folgender Großrathsſitzung wurde die Petition vorgelegt; defien ungeadhtet wurden bei ber Bubget-Berathung die Anſätze für Alters zulagen (Fre. 15000) und Ruhegehalte (Fred. 4000) genehmigt. & bat nun der Große Rath das Net, von fih aus die Abänderungen zu treffen, oder den Gegenftand dem Volle vorzulegen. Die Großraths⸗ commiflion, welche über dieſe Begehren Bericht erftatten follte, bat ver felben der Regierung eingereiht. Derjelbe lautet für die Schule und be Lehrer glei ungünftig. Nach diefem Vorſchlag follte nun das Bolt übe jeden einzelnen Punkt abftimmen, Das wird eine unerquidlice Comoͤdie werben!

3) In Yargau find nah dem Borgang von Waadt die Lehrer: ſtellen an fämmtlihen Gemeindeſchulen des Cantons ald vacant aus: geſchrie ben worden. 68 ift zu wünſchen, daß dieſer Alt bier meniger Härte und Rüdfichtslofigleit veranlaflen möchte, als dies dort der Fall war.

Waadt. 1} In einer Conferenz der Lehrer von Laufanne wurde in Betreff des Religionsunterrichts folgender zeitgemäße Beſchluß gefaßt: a) Den Neligionsunterriht auf die Erzählung der biftorifchen Zhat- ſachen der heiligen Geſchichten zu beſchränken; b) in den Primarſchulen einen kurzen Abriß der heiligen Geſchichte, ſowie eine Sammlung ausge wäblter bibliiher Sprüde, Kirchenlieder oder religiöje Poefie einzuführen; ce) in Folge deſſen dagegen den Katechismus abzuſchaffen, da derſelbe weder a Det s noh dem religiöfen Bebürfnifie der Schuljugend entfpridt. (A. J.

2) Allgemein wird in Waadt, laut einer Correſpondenz im „Educa⸗ teuer” eine Santonalconferenz, beftehend aus Delegirten der Bezirks conferenzen, gewuͤnſcht, welder dann in allen wichtigen Sculfragen das Begutachtungsrecht eingeräumt würde. Wenn bie Lehrer ifolirt vafteben, ohne gemeinfhaftlihen Verband, fo kann die Gefammtheit die Fortfchritte ber Ginzelnen nicht benugen und die Schulinspectoren erhalten ein Leber: gericht, welches ſehr leicht der freien Snitiative des einzelnen Lehrers nad: theilig werben kann. Die Gantonalconferenz bildet den natürlichen Schluß⸗ fein des Conferenzlebens, Wird fi die neue Inſtitution entwideln und ausbilden, fo kann fie dem cantonalen Schulweien große Dienfte leiſten.

Die Außern Angelegenheiten der Volkéſchule ꝛc. 66%

Die Staatsbehörden wollten von dieſer Neuerung nichts wiſſen; denn ſie befürchteten, die Cantonalconferenz werde direct zur Schulſynode führen. (N. Educateur.)

' 3) Eine Correfpondenz der „Sonntagspoft‘ bemerkt über die Waadtländiſchen Shulzuftände: Das Shulgefes tft jebt in Kraft, doch macht es ſich nicht ohne Mühe geltend. Schon bei den Ge meindebebörben ift daſſelbe auf manden Widerſtand geftoßen. Die Bauer: fame tft in Geldfragen bebig und meint, die auf öffentlihen Unterridt verwendeten Summen ſeien verloren. Die Regierung fämpft wohl gegen ſolche knauſerige Beſtrebungen, kommt aber doch nicht dazu, das Geſetz auszufihren.

4) Da auf den Zeitpunkt, da das Schulgeſetz in Kraft getreten, ſämmtliche Lehrer einer Neuwahl ſich unterwerfen mußten, ſo entlud ſich leider der Unwille über die vermehrten Geldopfer (jeder paten⸗ tirte Lehrer bezieht von der Gemeinde Fres. 800 baar, vom Staat Fres. 200 Alterszulagen nah 20 Dienſtjahren; 50 Fres. Zulage von 5 zu 5 Dienftjahren ferner 3 Fres. Schulgeld per Echüler und überdies freie Wohnung und Garten) auf die Lehrer. Es follen bei 100 Lehrer und Lehrerinnen nicht wieder gewählt worben fein.

5) Eine Stimme in der Berner Schulzeitung läßt fi über das waabtländifhe Seminar alfo vernehmen: Um das Schulgefeß zu vervoll⸗ ftändigen, muß man die Nor malſchule, aus mwelder unfere Brimarlehrer fommen, reorganifiren. Gegenwärtig ift unfre Normalfchule in zwei Sectionen getheilt, a) in die Normaljhule für Knaben und b) in bie Normalfhule für Mädchen. Die erjte bat drei, die zweite nur zwei Klaſſen. Die Einrihtung gleicht derjenigen der Secundarfhule. Man fpriht davon, fie in ein Seminar zu verwandeln und dies auf’s Land zu verlegen, fern von der Berführung der Stadt. Die Gründe fcheinen auf den erften An- blid gerechtfertigt. Angewieſen, mit ven Lanbleuten zu leben, würden bie "Zöglinge fi frühzeitig an die Landarbeiten gewöhnen; fie würden bas Landvolk kennen lernen, würden ihre Studien mit Eifer verfolgen. Ferner würden die Leute Koft und Wohnung auf Staatsloften erhalten ıc. Wir find nicht einverftanden mit diejer jogenannten Verbeſſerung und zwar aus folgenden Gründen: Die Mehrzahl der Zöglinge kommen vom Lande und find ſchon zu fehr Bauern. In Laufanne haben fie Gelegenheit, ihre Ideen zu erweitern. Sie kommen in Berührung mit Gebildeten, werben mit geläuterten Principien in ihre Dörfer zurüdlehren und mohlthätigen Einfluß ausüben können. Vom Umgang mit ver Stabtbevöllerung bes fürdten wir keine Gefahren. Die Bortbeile einer freien Erziehungsmeife jcheinen mir wenigſtens die Nachtheile weit zu überwiegen; denn das bil dende Element des öffentlihen Lebens ift immer befier als Möflerliche Er⸗ jiebung. Die Lehrer follen feine Kaſte bilden. Da aber unjere waabtlänbijche Normalihule nur auf der Secundarſchulſtufe ſteht, zu wenig theoretifche Curfe und praftifhe Uebungen gibt und nicht rechten profesjionellen Charalter maͤgt, ſo erfordern dieſe Nachtheile eine Reorganiſation der Anſtal.

609 Die äufern Angelegenheiten der Volkoſchule ıc.

6) Vivis bat die Gehalte feiner Lehrer auf rs. 1500 ww biejenigen der Lehrerinnen auf Fred. 1000 erbäht.

Solothurn. Nah einer Eorrefpondenz in der Berner Schulgeitumg Ne. 9 venlt man auch in Solothurn daran, einige Mopdificationen am Geminar eintreten zu lafien und zwar aus folgenden Gründen:

a) Vorerſt gebrihts dem Seminar an den nötbigen Räumlichkeiten.

b) Für's zweite erſcheint die Bermehrung der Lehrfächer wünjd: bar: Unterriht in der Weltgeihichte, befiere Ausbildung in ber Muftt, obligatorifcher Zurnunterriht. Die Einführung der franzöfiihen Sprache ift eine gebieterijche Forderung.

o) Daraus refultirt drittens bie Nothwendigkeit ber Vermehrung ber Lehrkräfte.

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