;n VON D" K. GOEBEL PROFESSOR DER BOTANIK UND DIREKTOR DES BOTANISCHEN GARTENS ZU MÜNCHEN. ZWEITER TEIL, ERSTE LIEFERUNG. MIT 57 HOLZSCHNITTEN UND TAFEL X— XXV. / MARBURG N. G. ELWERT'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG. 189L / 2 (-S{ \ ) \ Vorwort. Die Übersiedelung des Verfassers an einen andern Wohnort, welche eine Unterbrechung der diesen Schilderungen zu Grunde liegenden Untersuchungen bedingt, ist die Veranlassung, dass vom zweiten Teile zunächst nur eine Abteilung erscheint. Sie enthält zuerst eine Schilderung der Paramovegetation, welche bei einem Besuche der Kordillere von Merida entworfen wurde. Von beson- derem Interesse war es mir, nach meiner Rückkehr aus Kihlmans trefflichen „Pflanzenbiologischen Studien aus Russisch -Lappland" zu sehen, dass er für dies weit entlegene Gebiet unterdessen teilweise zu ganz ähnlichen Schlüssen gekommen war. Von der Abhandlung über „Insektivoren" erscheint zunächst nur der die Morphologie dieser Gruppe behandelnde Teil, der physio- logische (nebst der Litteraturangabe) wird den Beginn der nächsten Abteilung bilden, auf welche sich auch Tafel XXIV und XXV be- ziehen, die, weil schon längst fertig gestellt, hier mit ausgegeben werden. Es ist mir eine angenehme Pflicht, auch an dieser Stelle für freund- liche Unterstützung meinen Dank auszusprechen. Herr Dr. Schwacke in Rio de Janeiro hatte die Güte, mir Alkoholmaterial von Genlisea zu senden, und zu besonders lebhaftem Danke bin ich den Herren verpflichtet, welche mir bei meinen Wanderungen in Venezuela und Guiana mit Rat und That behilflich waren, so namentlich Herrn Professor Dr. Ernst in Caracas, den Herren Konsuln Petersen in 4649J — IV Macuto und Birtner in Maracaibo, Herrn G. Jenman, Direktor des botanischen Gartens in Georgetown, und besonders auch Herrn Everard im Thurn in Morawhanna, dessen Gastfreundschaft zu Wasser und zu Lande mir sehr förderlich war. Nicht minder erwünscht ist es mir, der Mitarbeit des Herrn Dr. Giesenhagen hier zu gedenken, der nicht nur bei Anfertigung der Abbildungen, sondern auch bei den Untersuchungen selbst vielfach behilflich war. Bezüglich der ersteren sei auf die Verwendung der Photographie hingewiesen, und erwähnt, dass nach meinen Negativen Tafel X und XI als Heliogravüre, Tafel XX als Lichtdruck und verschiedene Texttiguren als Autotypie ausgeführt wurden. Marburg, im August 1891. K. CroebeL IV. DIE VEGETATION DER VENEZOLANISCHEN PARAMOS. Goebel, pflauzenbiol. Schilderinigeii. II. „Asperrimae solitudines, quae a colonis hispanicis uno nomine Pär am OS appellantur, tempestatnm vicissitudinibus mire obnoxiae, ad quas solutae et emollitae deflmint nives; ventorinn flatibus ac nimborum grandinisque jactu tiumiltiiosa regio, quae aeque per diem et noctes riget, solis nubila et tristi luce fere nunquam calefacta. Saxosa vix liabitabilis regio, ob nimiam coeli intemperiem fere arboribus vacua, gramine raro et lichenibus vestita, quamque cadentes assidue nives saepe inviara efficiunt" (Hnmholdt, de disirihtitione plantartim secunditm coeli temperiem et alUtndinem Proletjonieiia , iiova f/enera et sprc. plantavnm I, pa//. XXXVJJI.) *) Es ist eine etwas düstere Schilflcrung der Paramos, welche Humboldt in den oben angezogenen Worten entwirft, und wenn er die venezolanischen Paramos gesehen hätte, so wäre das Bild wohl ein etwas freundlicheres geworden. Immerhin aber glaube ich die folgende kurze Schilderung der biologischen Verhältnisse der Paramo- vegetation nicht besser einleiten zu können, als indem ich an die Definition erinnere, welche Humboldt in dem klassischen Werke ge- geben hat, welchem die Pflanzengeographie so viel verdankt, klassisch nicht nur seinem Inhalt, sondern auch seiner Form nach. Die venezolanischen Anden, ein östlicher Ausläufer der grossen Hauptkette, erheben sich über dem sumpfigen, dichtbewaldeten Tief- land, welches dem mit dem Meere in Verbindung stehenden See (Laguna) von Maracaibo angrenzt. Da der Abfall gegen das Tief- land ein steiler ist, so erschliessen sich dem Reisenden innerhalb weniger Tage die verschiedenen Höhenzonen der Vegetation, welche Humboldt geschildert hat. Freilich ist der Wald der Bergregion *) Im Folgenden sollen einige charakteristische biologische Eigentümlich- keiten der Paramovegetation geschildert werden. Die Paramos bedürfen noch sehr der floristischen Durchforschung. Besucht wurden Paramo de Mucuchies, einige Paramos der Sierra nevada de Merida, Paramo de la Culata, Paramo zwischen Culata und Escagui, Paramo So. Domingo, Paramo Tuuame, Paramo Cristallina. Leider verhinderte mich die Erkrankung meiner beiden Begleiter an dem Be- such der gegen die Llanos hin gelegenen Paramos. Eine Aufzählung der von mir gesammelten Compositen nach Herrn Dr. F. W. Klatts Bestimmung giebt Anmerkung 1. — 4 — vielfach zerstört, aber wenigstens Anfang und Ende des Bildes sind im wesentlichen unverändert erhalten. Noch breitet sich, von den Vorhügeln der Kord illere aus gesehen (z. B. von Betijoque), der fieber- reiche Wald um die Laguna wie ein weiter grüner See aus*), und auch die höchste der Vegetationszonen, die der Paramos ist W'ohl im wesentlichen unverändert, da hier die Kultur ganz fehlt und somit auch keine zerstörenden Einflüsse ausgeübt hat. Wir verstehen hier unter „Pararao" die zwischen der Baumgrenze und der Schneegrenze gelegene Zone, es sind also die höchsten mit Vegetation bestandenen Teile der Kordilleren, teils Berghänge und Berg- rücken, teils Hochthäler. In dem erzählenden Teile seines Reisewerkes**) bezeichnet Humboldt den Paramo als „einen gebirgigen, mit verkrüppel- ten Bäumen bewachsenen Landstrich, wo es beständig nasskalt ist". Aller- dings werden auch einzelne mit Wald bestandene Gipfel Paramos ge- nannt, so z. B. der Paramo de Canagua***) (2740 m) und der Paramo del Portachuelo, allein die allermeisten, von den Einw^ohnern Paramos genannten Striche sind baumlos, und es scheint mir deshalb ange- zeigter, auf sie diesen Begriff zu beschränken, da wenigstens für den wissenschaftlichen Sprachgebrauch kein Bedürfnis nach einem beson- deren Namen für einen Wald besteht, der infolge besonders geschütz- ter Lage in Höhen vorkommt, die sonst von Paramos eingenommen sind. So geht z. B. am Paramo Cristallina, einem der niedersten (3000 m), der Wald an vor dem Wind geschützten Stellen ganz herauf, und ebenso charakteristische Waldpflanzen, die sonst nicht in die Pa- ramoregion heraufsteigen. Es ist eben offenbar nicht die mit der Höhe eintretende Temperaturverminderung als solche, sondern vor allem die Wirkung der schneidend kaiton Winde, welche die Wald- grenze bedingt. Meist sind es die Kämme der Gebirgskette, welche, soweit sie nicht von Schnee bedeckt sind (was in der venezolanischen Kordillere nur an w^enig Stellen der Fall ist), Paramocharakter tragen, allein auch Hochthäler, wie z. B. das des Rio Mucujun, gehören hierher. Selbstverständlich ist eine scharfe Abgrenzung der Paramos gegen die Waldregion nicht möglich, da zwischen beiden Übergänge sich *) Ganz ähnlich der Waldregion von Guiana, von einem der Hügel aus gesehen, die in dem sumpfigen Tief lande zuweilen sich finden. **) Humboldt, Reise in die Äquinoktialgegendeu I. Deutsch von Hauff. Stuttgart 1859. I. S. 255. ***) Sievers, Venezuela, pag. 131. il — o — finden, und ebensowenig lässt sich eine bestimmte untere Höhengrenze der Paramos augeben. Der Wald geht nach oben hin mehr oder weniger in Busch wald über, der in seiner Gestaltung (natürlich aber nicht in seiner Zusammensetzung) mich lebhaft an die Buschwälder Korsikas erinnerte. Denn hier wie dort besteht er hauptsächlich aus Sträuchern oder kleinen Bäumen mit meist kleinen icderigen Blättern*). Einerseits nun gehen die Sträucher vielfach in die niedrigeren Regionen der Paramos hinein, und bilden so einen Bestandteil der Vegetation derselben, andererseits erstreckt sich der Buschwald namentlich in Thälern oder an anderen vor den kalten Winden geschützten Stellen oft weit hinauf, und wo Wald abgeschlagen oder abgebrannt ist, nimmt die Paramovegetation Besitz vom Boden, und man findet dieselbe dami auch unter 3000 m herabgehen, was man sonst als durchschnittliche untere Grenze bezeichnen kann. So traf ich Paramovegetation an einer Stelle im Thale des Rio Mucujun, wo Wald abgeschlagen war, schon bei 2600 m; in der Sierra nevada von Merida sind einzelne Strecken mit Paramovegetation zwischen den Wald eingesprengt — vielleicht haben auch sie früher Wald getragen. Charakteristisch für die venezolanische Paramovegetation ist nun vor allem eine Pflanze, das „Frailojon", die Arten der Gattung Espe- letia und die ihnen im Habitus ähnlichen Culcitium- Arten. Sie ver- leihen den Paramos schon von weitem gesehen ein eigentümliches Aussehen. Namentlich wenn die Sonne auf die Berghalden scheint, so erscheinen diese als grünliche (oder, wenn andere Pflanzen fehlen resp. sehr zurücktreten, als dunkle) Flächen, auf denen zahlreiche weisslich-graue Punkte sich abheben; dies sind die Frailejonpflanzen, beim Näherkommen erkennt man die weissfilzigen Blattrosetten der Espeletien. Im unteren Teile der Paramos**) treten sie gemischt auf mit zahlreichen anderen Pflanzen, von denen einzelne teilweise unten noch zu erwähnen sein werden, Melastomaceen, Myrtaceen, zahlreichen Compositen. Geht man weiter hinauf, so bilden sie, ab- *) Bei den Macquis sowohl als den kleinen Bäumen resp. Sträuchern an der Waldgrenze der Kordillere handelt es sich um Schutz des Blattes gegen starke Transpiration, beim letzeren Fall kommt namentlich der starke Wind in Betracht. **) Der Getreidebau geht in der Kordillere teilweise bis in die Paramos hinauf, und so traf ich denn gelegentlich Espeletien auch als Unkraut auf Weizenäckern. _ 6 — gesehen von niedrigen x\.lpenkiiiutern, Gräsern und Farnen, die ein- zige Vegetation. Während sonst, z. B. in den Alpen, die Pflanzen im allgemeinen um so zwergiger werden, je höher oben sie wachsen, ist dies bei den Espeletien keineswegs der Fall. Die einzelnen Arten sind von verschiedener Grösse und auch der Habitus stimmt nicht bei allen überein. Es giebt unter den Frailejon (worunter wir Espe- letia und Culcitium zusammenfassen, obwohl sie verschiedenen Unter- abteilungen der Compositen angehören) solche, deren Blattrosetten sich nicht über den Boden erheben, und die im Boden mit einer Knolle festsitzen (z. B. Espeletia Weddellii und Schultzii, Culcitium mollc u. a.), andere, deren Blattrosetten auf einem kürzeren oder längereu, von alten abgestorbenen Blättern bedeckten Stamme sitzen. Espeletia corymbosa z. B. (Tal XI) besitzt an kräftigen Exemplaren Blatt- rosetten von über 1 m Durchmesser*) und zahlreiche mannshohe Blütenstände mit gelben Blütenköpfen, deren Fülle und Farben den Paramo nicht so düster erscheinen lassen, als er sonst aussehen würde. Die grösste Espeletiaform mit dicken, von einem Mantel alter abgestorbener und schwarz gewordener Blätter eingehüllter Stämme, welche eine Höhe von 2 m und mehr erreichen, traf ich (vgl. Taf. X) in etwa 4000 m Höhe auf dem Paramo von Mucuchies; die kraft- volle Erscheinung dieser Pflanzenform lässt kaum vermuten, dass sie sich in einer Höhe findet, die der des Montblanc beinahe gleich- kommt. Eine Abbildung dieser eigenartigen Gewächse, wie sie auf den Tafeln X und XI gegeben ist, wird um so weniger überflüssig erscheinen, als auch in den neuesten Werken noch unrichtige An- gaben über dieselben sich befinden. So heisst es z. B. bei Drude (Handbuch der Pflanzengeographie 1890 pag. 521) vom Frailejon: „Sein Gewebe ist so harzreich, dass es selbst in der Nässe Feuer fängt, sein Aussehen gleicht einer Zwergpalme mit grau filzigen Blät- tern". Beides ist unrichtig. Allerdings ist das Gewebe der Espe- letien reich an einem übelriechenden Harz, aber nie ist es mir ge- lungen, eine lebende Espeletienpflanze anzuzünden; wohl aber kann man zum Feueranzünden die Harzmassen benutzen, welche wie mir Herr Bourgoin in Merida mitteilte, durch den Stich eines Insekts *) Ich traf bei dieser Art Stämme bis zu einer Höhe von 80 cm. Dieselben sind unten von den alten Blättei-n, die eine dunkle Farbe angenommen haben, bedeckt, nur bei ganz alten Pflanzen fällt diese aus abgestorbenen Blättern bestehende Hülle des Stammes ab. Den kräftigsten Eindruck machen bei dieser Art übrigens solche Pflanzen, deren Blattrosette dem Boden noch aufsitzt. i — zum Ausfliessen gcbraclit werden*). Forner ist der Habitus nicht im mindesten ein palmenähnlicher, schon die Blattform ist eine ganz andere; will man einen Vergleich haben, so könnte man dazu eher die Dasylirien heranziehen. Auf die charakteristische Behaarung der Frailejonarten kommen wir unten noch zurück, hier sei nur hervorgehoben, dass die meisten derselben ein weisses oder silberweiss glänzendes, andere ein rötliches Haarkleid besitzen. Dass die Verteilung der Espeletien keine glcichmässige ist, braucht kaum hervorgehoben zu werden, zu- weilen stehen sie so dicht, dass man kaum zwischen ihnen durch- kommen kann, auf anderen Paramos sind weite Strecken fast ganz öde, so z. B. auf dem Paramo Santo Domingo, wo ein in dichten Polstern wachsendes Gras mit stechenden Blättern, Aciachne pulvinata, vielfach den Hauptbestandteil der Vegetation ausmacht. Ganz anders stellt sich z. B. der Paramo von Mucuchies auf der dem Rio Motatan zugekehrten Seite dar, wenn man ihn, wie es mir beschieden war, in der günstigen Jahreszeit durchwandert. Hier findet sich eine Fülle und ein Glanz von Blüten, der denjenigen der Alpenmatten über- trifft. Abgesehen von den zahlreichen leuchtend gelben Blüten der Espeletien linden sich noch bei 3400 m Höhe mannshohe Büsche einer kleinblättrigen, dicht mit violetten Blüten übersäeten Melastomacee (Osbeckia microphylla?), hohe blaue Lupinen, eine feurig rote Passi- doreo (Tacsonia), kleine im Habitus an Coniferen erinnernde Hyperi- cumsträucher mit grossen gelben Blüten ganz überladen, der pracht- voll violett blühende Senecio formosus mit zahlreichen anderen Com- positen von verschiedenen Blütenfarben, rötlichgelbe Echeverien u. a. Steigt man höher hinauf, so verschwinden allerdings die meisten dieser Pflanzen und die Espeletien bilden wie oben erwähnt den bei weitem überwiegenden Bestandteil der Vegetation, ausser ihnen finden sich namentlich noch niedrige Alpenkräuter, teils dem Boden auf- liegende, teils solche mit Blattrosetten und knolligen Wurzeln, eine Wuchsform, die unten noch näher zu schildern sein wird, und die bei Pflanzen aus den verschiedensten Familien vorkommt. Zunächst seien hier noch die Lebensbedingungen, unter denen die Paramopflanzen stehen, kurz geschildert, soweit dies derzeit möglich ist. — *) Ein anderer Gebrauch, der angeblich vom Frailejon gemacht wird, soll der sein, dass die Asche zum Waschen benutzt wird. So weit meine Beobach- tungen reichen, waschen sich die Bewohner der den Paramos benachbarten Thäler überhaupt nicht, oder doch nur zu bestimmten, weit auseinanderliegen- den Jahreszeiten. Was sich dem Reisenden am unangenelimsten bemerkbar macht, sind die kalten, oft stürmischen Winde mid der rasche Temperatur- wechsel (von 18*^ im Sonnenschein in kurzer Zeit auf wenig über 0'^), was beides sich in der dünnen Luft dieser Höhen ganz besonders fühlbar macht, so dass das Paramoklima viel kälter erscheint, als es wirklich ist. Auf Sonnenschein kann plötzlich Hagelwetter folgen, und der Paramo überzieht sich mit so dichtem Nebel, dass vom Wege nichts mehr zu sehen ist. Morgens fällt viel Tau, und dieser trägt neben dem häufigen Regen und den durch alle möglichen Zwischen- formen in Regen übergehenden Nebeln dazu bei, den Boden nass und feucht zu erhalten, so dass nicht zu verwundern ist, wenn viel- fach auch Lagunen und Moore sich finden. So fand ich im allge- meinen das Bild zutreffend, welches ein neuerer Reisender von den Paramos entwirft*): „Weite Wiesenflächen**), Hochmoore***), da- zwischen kleine Lagunen, Frailejon, die Charakterpflanze der Paramos, zahlreiche Blumen und frischer Tau auf den Blättern der Pflanzen, öde, graue starret) Felsmassen zu beiden Seiton der Wiesengründe, Nebel dazwischen in unablässigem Kampf mit der Sonne; hie und da ein feiner Staubregen und in der kälteren Jahreszeit ein Schneefall, dazu wütender, stürmischer, kalter, schneidender Wind, welcher das Mark in den Knochen ertötet: Das sind die Merkmale des Paramo- charakters" — wie man sieht, in modernisierter Form eine Schilde- rung, welche mit derjenigen Humboldts sich nahe berührt, sie aber nicht übertrifft. Genauere metereologische Angaben liegen über die Paramos nicht vor, und sind wohl auch kaum so bald zu erwarten; die beiden wichtigsten Punkte, auf die es hier ankommt, Tempcratur- und Feuchtigkeitsverhältnisse, lassen sich daher nur in allgemeinen Umrissen angeben. Was zunächst die letzteren betrifft, so geht aus den obigen Angaben schon hervor, dass von einem Wassermangel in den venezolanischen Paramos nicht die Rede sein kann. Entspringen doch hier die zahlreichen Flüsse, an deren Speisung das Schmelzwasser des ewigen Schnees, der doch nur an wenigen Punkten der venezo- lanischen Kordillere sich findet, viel weniger Anteil hat, als die *) Sievers, a. a. 0. pag. 131. **)• Aber im allgemeinen keineswegs mit so dichter Grasnarbe wie unsere Wiesen. G. ***) D. b. hochgelegene Moore, wirkliche Hochmoore habe ich in der Kordillere nicht gesehen. G. t) sie! G. — 9 — Niederschläge, die auf den Paramos in Form von Regen, vorüber- gehendem Schnee etc. sich bilden. Auch wenn weiter unten Trocken- zeit herrscht, werden im Hochgebirge häufig Niederschläge eintreten, und es scheint mir nicht wahrscheinlich, dass auf den Paramos je eine scharf ausgesprochene Trockenzeit eintritt. Wenn auf den als Weiden benutzten Teilen der Paramos im Februar das trockene Gras angezündet wird, so wird man das als einen Beweis für eine durch- greifende Trockenzeit nicht ansehen dürfen. Auch bei uns vertrocknen die Blätter der Gräser im Winter, wohl nicht weil sie durch die Kälte getötet werden, sondern hauptsächlich weil trotz der im Grunde reichlich vorhandenen Nässe die Wurzeln aus dem abgekühlten Boden nicht genug Wasser aufnehmen können, um den namentlich durch die starken Winde sehr gesteigerten Transpirationsverlust zu decken; es beweist also der Umstand, dass die Grasblätter angezündet werden können (wie dies ja auch bei uns geschieht) noch nichts über den Feuchtigkeitsgehalt dos Bodens. Allerdings wäre eine Aufklärung über diesen Punkt sehr wünschenswert, möglich, dass während eines kurzen Teiles des Jahres die Niederschläge spärlicher werden und die Pa- ramowinde besonders austrocknend wirken, ähnlich wie auf den Falk- landsinseln. Jedenfalls aber stehen die im allgemeinen feuchten, viel- fach nassen venezolanischen Paramos im Gegensatz gegen die sehr trockenen „Punas" Perus. Diese haben mit den Paramos manche Ähnlichkeit. Es sind nach Tschudi*) menschenleere Hochebenen, welche die höheren Gebirgsregionen von Peru, Bolivia etc. bilden. „Das Klima dieser Region ist ebenso unfreundlich, wie das der hohen Gebirgskämmo. Kalte West- und Südwestwinde streichen fast das ganze Jahr von der beeisten Kordillere über die Fläche und bringen mit der Regelmässigkeit wie dort, währetid vier Monaten täglich hef- tige Gewitterstürme, von Schneegestöber begleitet. Der Mittelstand des Thermometers ist annäherungsweise während der kalten Jahres- zeit, dem sogenannten Sommer (weil es selten schneit) des Nachts — 5 "^ R, des Mittags -}- 9,7 R, im Winter sinkt die Quecksilbersäule des Nachts selten unter den Gefrierpunkt, .und hält sich zwischen + 1 und 0" R, steigt aber am Mittag nur auf 7*^ R. Es ist übrigens fast unmöglich, die mittlere Temperatur dieser Gegenden anzugeben, da sich oft in wenigen Stunden ein Wärmeunterschied von 18 bis 20 "^ R zeigt**), der für den Wanderer auf diesen Höhen um so em- *) Tschudi, Peru. IL pag. 79. **) Also wie auf den Paramos! G. — 10 - pfindlicher ist, da das Sinken der Temperatur gewöhnlich von scharfen, schneidenden Winden begleitet ist." — Besonders wird als auffallende Wirkung dieser Punawinde das ausserordentlich schnelle Austrocknen tierischer Organismen hervorgelioben, wodurch das Verwesen der- selben verhindert wird. Es ist klar, dass hier nur Pflanzen gedeihen können, welche gegen Transpiration geschützt sind. Die Pflanzen- welt ist hier aber viel einförmiger als auf den Paramos. „Die ganze Oberfläche ist mit magern, braungelben Gräsern bedeckt, die ihr ein herbstliches, fast winterliches Aussehen verleihen, das nie durch er- frischendes Grün belebt wird. Dürre Syngenesisten, die sich kümmer- lich auf diesen Höhen nähren und gelbliche Echinokakten vermögen nicht eine freundliche Abwechslung in die öde Landschaft zu bringen, und selbst die grossblumigen Calceolarien, die blauen Gontianen, die wohl- riechenden Verbeneu, die zwergartigen Cruciferen und noch manche andere Alpenpflanzen, sonst Zierden der hohen Bergrogionen, werden hier von den strohartigen Gräsern fast erdrückt. Nur hin und wieder begegnet man einzeln stehenden verkrüppelten Bäumen der Quena (Poly- lepis racemosa R. P.) oder grossen Strecken, die mit dem rotbraunen Strauch der Ratana (Krameria triandra R. P.) bedeckt sind." — Ge- witter, eiskalte Winde, Nebel, Sümpfe charakterisieren auch diese Hoch- steppen; das Gras, welches für sie charakteristisch ist, ist wohl haupt- sächlich die Stipa Ichu, von welcher derselbe Autor an einer anderen Stelle sagt*): „Diese Grasbüschel bilden den eigentümlichen Vegetationscharakter des peru-bolivianischen Plateaus. Sie kommen unter 11 — 12000 Fuss üb. M. nur selten vor, messen 12 — 18 Zoll im Durchmesser, sind meistens kreisrund, selten länglich, steif, dürr, bürstenförmig und fast immer in der Richtung des* herrschenden Windes versandet, so dass nur ein Segment des Kreises vegetiert, und da auch dieses den gröss- ten Teil des Jahres gelbgrau oder schwärzlich wie angebrannt aus- sieht, so vermögen sie nicht, in dem monotonen Wüstensandc eine wohlthuende Abwechselung hervorzubringen." Mit den Punas verglichen, sind also die Paramos feuchter und wärmer. Nach Humboldts bekannten Angaben, welche eine allge- meine Gültigkeit freilich nicht beanspruchen können, beträgt das Temperaturmaximum in Höhen von 3000 — 4000 m 20", das Mini- Tschudi, Piciscn diircli Südamerika. V. pag. 53. — 11 — mirni -f- 0,0, die mittlere Temperatur -f- 9 ";*) zwischen 4000 und 5000 m 18,7", — 7,5", +3,7. Es sind also hier keine so niederen Temperaturgrade, wie sie die alpine Vegetation zu überstehen hat. Auf die Feuchtigkeitsverhältnisse wurde oben schon hingewiesen, vor allem die reichliche Nobelbildung. Diese grössere Feuchtigkeit er- möglicht ohne Zweifel die grössere Üppigkeit der Vegetation auf den Paramos gegenüber den Punas. Um so auffallender ist es, dass auch die Vegetation der ersteren in der Hauptsache einen deutlich „xero- philen" Charakter trägt. Es kommt eben nicht nur auf die Menge des zu Gebote stehenden Wassers, sondern auch auf andere Be- dingungen an. Schon vor längerer Zeit hat Sachs gezeigt, dass die Wasseraufnahme aus dem Boden geknüpft ist an das Vorhandensein einer bestimmten Temperatur. Pflanzen können auch in einem wasser- reichen Boden welken, wenn die Wasseraufnahme der Wurzeln durch die Temperaturerniedrigung des Bodens geringer ist, als der Tran- spirationsverlust. Nun ist in den Paramos die Abkühlung des Bodens eine bedeutende, und der Temperaturwechsel ein rascher, die Er- wärmung durch die Sonne aber eine nur kurz dauernde und an den nassen Stellen wenig ausgiebige. Schon gegen 11 Uhr pflegen sich die Paramos mit Wolken und Nebel zu überziehen, und auch vor dieser Tageszeit ist oft genug der Sonnenschein durch Nebel abge- halten. Die Wurzeln werden sich demnach in einem fast immer stark abgekühlten Boden belinden, und die Wasseraufnahme w^ird eine ver- hältnismässig geringe sein. Andererseits wird die Transpiration ge- steigert durch die heftigen Winde und die verdünnte Luft. Diese Faktoren wirken zusammen zur Erklärung der eigentümlichen That- sache, dass wir eine „xerophile" Vegetation antreffen an Standorten, *) In der Höhe von 3400 m, in welcher die auf Taf. XI wiedergegebeue Photographie aufgenommen wurde, betrug morgens gegen 9 Uhr die Tempera- tur 8 " C, die Temperatur an der Bodenoberfläche betrug in 3600 m Höhe nach mehrstündigem Sonnenschein V2IÖ Uhr morgens 5". Sievers (Die Kordillere von Merida, pag. 177) giebt von Los Apartaderos (3270 ra) an: 11. Juli 12"! -f 12,5" 4p + 11,5" 7P +11" 12. Juli 6 a + IQO, und schätzt die Mitteltemperatur dieser Örtlichkeit zu 10—11". Unterhalb des Gipfels La Coluna an der Sierra nevada zeigte das Thermometer am 6. Juli 9 a 4-5"^ im Schneesturm unmittelbar darauf -f 0,5". Es ist wahrscheinlich, dass an der Schneegrenze noch eine Mitteltemperatur von +2" 1- 3" herrtcht. — 12 — die oft eher als nass denn als trocken zu bezeichnen sind. So fand ich die dickwolligen Espeletien und Culcitien nicht selten mitten im Sumpf*), während eine anatomische Untersuchung nach Herbarexemplaren auf einen äusserst trockenen Standort hätte schliessen lassen, allerdings aber befähigt sie ihr eigentümlicher, unten zu schildernder Blattbau, auch auf Felsen fast ohne Spur von Erde zu wachsen. Dasselbe gilt für die kleinblättrigen, unten zu erwähnenden Hypericum-Arten. Ein anderes auffallendes Beispiel bietet eine am Roraima wachsende klein- blätterige Myrte, Myrtus steuophylla. Kleinblättrigkeit wird mit Recht als eine der Einrichtungen betrachtet, welche die Transpiration ver- ringern. Diese Pflanze lebt aber keineswegs an einem trockenen Staudort, sondern benetzt von einem Wasserfall**). Das Wasser des- selben aber ist eiskalt, und somit haben wir auch hier wieder die Thatsache, dass Wasser zwar reichlich zur Verfügung steht, dass aber äussere Bedingungen eine ausgiebige Wassoraufnahme erschweren. Ganz ähnlich verhalten sich viele Salzpflanzen. Schon im ersten Teile dieser Schilderungen wurde darauf hingewiesen, dass Salz- pflanzen vielfach an feuchten Standorten, ja sogar im Wasser vor- kommen, trotzdem zeigen sie Einrichtungen, welche die Transpiration heruntersetzen. Es braucht nur an die jedem bekannte Salicornia herbacea erinnert zu werden, bei welcher die Blätter verkümmert sind, und die fleischigen Sprossachsen die Assimilation besorgen. Ich traf Salicornia herbacea in Norwegen an seichten Stellen der See mit Fucus zusammenwachsend, also im Wasser^). Hier handelt es sich offenbar darum, dass einerseits die Wasseraufnahme erschwert ist, weil das Wasser aus einer Salzlösung aufgenommen werden muss, andererseits wird durch die Transpirationsverminderuug eine allzu- starke Salzanhäufung in den Assimilationsgeweben verhindert. Dem entspricht die Reduktion der transpirierenden Oberfläche, die sich in ganz ähnlicher Weise auch bei der Polygonoe Calligonum findet, welche im Habitus Salicornia gleicht. Auch aus der südamerikanischen Salzflora mögen hier zwei Bei- spiele angeführt werden, die schon deshalb von Interesse sind, weil sie Einrichtungen zeigen, die in ganz ähnlicher Weise auch bei Paramo- pflanzen vorkommen; die gewöhnliche Erscheinung des „Fleischig"- *) Und zwar auch an Stellen, wo an ein periodisches Austrocknen nicht zu denken war. **) Vgl. Im Thurn, the botany of the Roraima expedition of 188i, Trans- actions of the Linucan society. Vol. II, part 13, pag. 267. — 13 — Werdens der Salzpflanzen lassen wir dabei ausser acht, da Sukkulenten in den Paramos sich nicht finden, abgesehen von der nicht sehr weit in die Paramos heraufgehenden Echeveria (in den Punas finden sich, wie unten zu erwähnen sein wird, auch Kakteen.) Niederleinia juniperoides ist eine schon früher (I, S. 19) erwähnte Salzpflanze, welche an Salzlagunen — also an feuchten resp. nassen Standorten Argentiniens wächst (in litoribus stagnorum salsorum „Naraco" Patagouia etc.*). Sie gehört zu den Frankeniaceen und be- sitzt, wie der Speziesnamen besagt, nadelähnliche, denen von Juni- perus gleichende Blätter. Spricht sich darin schon eine Einrichtung zur Transpirations Verminderung aus, so ist dies in noch höherem Grade in dem Bau des Blattes ausgeprägt, (vgl. den Querschnitt Taf. XII. Fig. 6). Nicht nur ist die Aussenwand der Epidermiszellen sehr dick und mit dicker (in der Figur dunkler gehaltener) Cutikula versehen, sondern das ganze Blatt ist auch so eingekrümmt, dass auf der Unterseite zwei Furchen entstehen, welche durch eine mitt- lere Erhebung von einander getrennt sind, in der oberen Hälfte des Blattes verschwindet die letztere und die Furchen vereinigen sich zu einer einzigen. Die Furchen sind mit Haaren ausgekleidet und hier sind die Epidermiszellen dünnwandiger, auch die Spaltöffnungen finden sich hier, es bedarf kaum der Hervorhebung, dass die Transpiration in diesem „luftstillen" von Haaren erfüllten Raum nur eine wenig aus- giebige sein kann. Auf der Oberseite des Blattes finden sich keine Spaltöffnungen, wohl aber Drüsen, welche eine Substanz ausscheiden, die nicht näher untersucht werden konnte, nach Hieronymus soll es wesentlich kohlensaurer Kalk sein, möglicherweise liegt aber auch eine Salzausscheidung vor, wie sie bei anderen Salzpflanzen bekannt und irrigerweise als Anpassung für Wasseraufnahme gedeutet worden ist. Noch eigentümlicher ist eine Verbenee, welche ich ebenfalls Hieronymus verdanke, die Acantholippia riojana Hier. Das Blatt liegt hier mit seiner Innen- (Ober-) seite dem Stamme dicht an (Taf. XI, Fig. 4), und der enge Zwischenraum zwischen dem Blatte und dem Stamme ist mit Haaren ausgekleidet, so dass hier weder von Lichtzutritt noch von Wasserverdunstung in erheblichem Masse die Rede sein kann. Demgemäss ist denn auch wie in anderen der- artigen Fällen die Unterseite (Aussenseite) als assimilierende Fläche entwickelt. Die Stammblätter (Taf. XII, Fig. 4 b^ , bg, h.,) sind *) Vgl. Hieronymus, a. a. 0. — 14 - der Oberfläche des Stammes entsprechend abgeflacht, die Astblätter mehr konvex gewölbt. Deutlich tritt an den Blättern die Spitze hervor, der übrige Teil gleicht, wie die Figur 1 auf Tafel XII zeigen wird, mehr der Abbildung eines Gehirns mit seinen Win- dungen, als der Flächenansicht eines Blattes, denn auch hier ver- laufen tiefe, teilweise gewundene Furchen auf der Blattober- (oder vielmehr Unter-) fläche. Wie der Querschnitt Fig. 3 auf Taf. XII zeigt, sind die Furchen mit Haaren ausgekleidet. Auch hier liegen in ihnen die Spaltöffnungen. So ist hier also ebenso wie bei Nieder- leinia die Wasserverduustung beträchtlich herabgesetzt durch die Verlegung der Spaltöffnungen in mit Haaren ausgekleidete Gruben, ausserdem ist die Epidermis mit einem ziemlich dicken Wachsüber- zuge versehen, der dem ganzen Blatte ein weisslich-graues Aussehen giebt. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass diese merk- würdige Blattform durch Oberflächenverringerung aus einer anderen hervorging, und zwar wahrscheinlich aus einem gegliederten Blatt. In der That bildet eine andere Art derselben Gattung, Acantholippia salsolo'ides, einen Übergang zu dem gewöhnlichen Verhalten. Diese Salzpflanze, welche als kleinblättriger, sparriger Strauch mit ver- dornenden Zweigen auftritt, besitzt Blätter, die nach unten konkav eingekrümmt sind (vgl. den Querschnitt Taf. XII, Fig. 5), also eben- falls den Anfang einer Oberflächenverringerung aufweisen, allein noch deutlich durch Einkerbungen am Rande zeigen, dass sie aus einem gewöhnlichen flachen fünfteiligen Blatte hervorgegangen sind. Acan- tholippia riojana aber, zeigt mit seiner gewulsteten eigentümlich ge- wundenen Blattfläche einen weiteren Fortschritt auf der Bahn der Oberflächenverringerung. Eine solche findet statt auch bei den Pa- rasiten. Wir kennen den physiologischen Grund davon nicht, wir wissen nur, dass die Blätter echter Parasiten als Assimilationsorgane funktionslos geworden, und in Beziehung damit (und zwar wahr- scheinlich eben deshalb) verkümmert sind. So finden wir sie, wenn sie überhaupt noch vorhanden sind, in Gestalt kleiner Schuppen. Dem entspricht nun auch meiner Ansicht nach ein seither rätsel- haft gebliebener Fall, der der Schuppenblätter von Lathraea. Be- kanntlich besitzen dieselben eine höchst sonderbare Gestalt. Äusser- lich betrachtet stellen sie zwar scheinbar einfache fleischige Schuppen dar, in Wirklichkeit ist der Rand der Schuppe gar nicht der Blatt- rand, und ihre Spitze gar nicht die wirkliche Blattspitze, sondern das Blatt (vgl. Fig. 1) ist nach unten zurückgeschlagen, so dass die — 15 — Fig. 1. 1 Liingsschnitt durch ein Primärblatt von Lathraea squaraaiia mit einfacher Hölile, a schein- bare, .f wirkliehe Spitze des Schiippenl)lattes. 2 Querschnitt durcli ein älteres Schuppenblatt. Drei Vertiefungen sind getroffen. Blattspitze gar nicht hervortritt, und die Aussenfläche des Blattes, welche scheinbar eine Ober- und eine Unterseite darbietet, in Wirk- lichkeit ganz von der Oberseite gebildet wird, die Unterseite tritt gar nicht hervor, sie be- grenzt eine Grube, in welche eine Anzahl von das fleischige Blatt- gewebe durchsetzenden Gruben — Vertiefun- gen auf der Blattunter- seite — einmünden. Die ersten Blätter der Keimpflanzen (vgl, Fig. 2) sind noch einfache Schuppen. Die folgenden haben schon eine grosse Höhlung, die dann bei Erstarkung der Blätter die oben kurz ge- schilderte verwickeitere Form annimmt. Es scheint mir hier wie bei Acantholippia der Fall vorzuliegen, dass eine Oberflächenverrin- gerung „angestrebt" wird — bei Lathraea natür- lich nicht in direkter Beziehung zur Wasser- verdunstung. — Dies kann geschehen ent- weder durch Reduk- tion der Blattfläche überhaupt — so bei vielen Parasiten mit Schuppenblättern — oder durch Zusammenfalten derselben; letzteres ist bei den ge- nannten Gewächsen der Fall. Über den etwaigen „Nutzen"*) dieses Fig. 2. Keimpflanze von Lathraea squamaria mehrmals vergr. Die Keimpflanze besitzt nur wenige schuppen för- mige Blatter, welche in gekreuzten Paaren stehen. Die Wurzel der Keimpflanze hat sich an zwei Stellen an die Wurzeln der Nährpflanze N (Juglans cinerea) durch Hau- storien befestigt. Die ersten Blätter sind einfache Schuppen, bei den späteren treten die im Text beschrie- benen Hohlräume auf. *) Erwähnt sei mir, dass bei den unterirdischen Rhizomen dieser Pflanzen die dickfleischigen Schuppen ditrch ihre Oberflächen Verringerung das Vordringen - 16 — Verfahrens bei Lathraea zu diskutieren ist hier nicht der Ort, es genüge, darauf hingewiesen zu haben, dass die morphologischen Vor- gänge, so verschieden sie auch scheinbar sind, dieselben sind, wie bei anderen Parasiten und den genannten Salzpflanzen. Noch ein drittes Beispiel sei hier angeführt. Viele Paramo- pflanzen sind, wie unten näher auszuführen sein wird, ausgezeichnet durch ein dichtes weisses Haarkleid. Dasselbe finden wir bei einer Composite, welche als Strandpflanze in den südlichsten Teilen des südamerikanischen Kontinents einen charakteristischen Bestandteil der Vegetation bildet, dem Senecio candicans. Senecio candicans*) ist z.B. auf den Falklandsinseln die einzige Pflanze, welche sich dem strauchigen Habitus nähert („the nearest approach to a shrub"), er kommt vor hauptsächlich am sandigen Seeufer, wo er durch seine schneeweisse Behaarung und seine grossen gelben Blüten auffällt. Auch Culcitium magellanicum, welches an der Magellansstrasse wächst und als „totum sericeo-tomentosum" beschrieben wird, erinnert sehr an die stark be- haarten Culcitium- Arten, welche einen charakteristischen Bestandteil der Paramovegetation bilden. Überhaupt hat die Flora an der Südspitze von Südamerika viele Ähnlichkeit mit der der Paramos; was nicht zu verwundern ist, da die klimatischen Verhältnisse ganz ähnliche sind. Auf den Falk- landsinseln z. B. herrscht ein wenig erfreuliches Klima. Die Tempe- ratur sinkt zwar auch im Winter selten unter den Gefrierpunkt, steigt aber im Sommer auch selten über 18,5 '^ C, Nebel und Regen sind so häufig, dass Getreide meist nicht reift, man zählt etwa 250 Tage, an denen der Regen herunterrieselt, dabei herrschen Winde, wie auf den Paramos. Namentlich sind nach Hookers Schilderung die Süd- und Westwinde heftig und kalt und oft von Schneestürmen be- gleitet, vor allem aber sind wie auf den Paramos rasche Temperatur- wechsel häufig. Trotz des vielen Regens hat die Vegetation auch hier einen ausgesprochen xerophilen Charakter, wie an einzelnen Beispielen unten noch näher ausgeführt werden soll, ein Charakter, der durch die im Sommer z. B, auf den Falklandsinseln bemerkte Trockenheit im Boden erleichtern, und dass sie andererseits als Reservestoffbehälter für Stärke etc. dienen. Die neuerdings in kritiklosester Weise aufgestellte Be- hauptung, Lathraea zähle zu den Insektivoren, bedarf keiner Berücksichtigung. *) Bezüglich ihres Vorkommens in Puntas Arenas vgl. z. B. Ball, notes of naturalist, pag. 47 („along the sandy shores the most conspicuous plant with large white cottonj' leaves is a species of Senecio, S. candicans). ~ 17 — wolil nicht allein erklärt werden kann. Hier wie auf den Paramos wird das Fehlen der Bäume hauptsächlich den kalten Winden zuzu- schreiben sein, und der xerophile Charakter der Vegetation in erster Linie nicht zu der Intensität der Wasserverdunstung während eines kloinen Teiles des Jahres, sondern zu der Schwierigkeit der Wasser- aufnahme in Beziehung stehen. Wenn wir hören, dass ein nijt gelb- lichen Seidenhaaren dicht bekleideter Ranunculus (R. soriocephalus) an feuchten Standorten wächst („on moist banks"), so wird die Übereinstimmung mit den oft im Sumpf wachsenden dichtwolligen Espeletien und Culcitien der Paramos ohne weiteres einleuchten. Wenn im Folgenden versucht wird, eine Schilderung der wich- tigsten biologischen Eigentümlichkeiten der Paramovegetation zu geben, so sollen dabei nur die auffallendsten Verhältnisse hervorgehoben und vor allem an Compositen geschildert werden, bilden doch die Angehörigen dieser Familie nicht nur den auffallendsten, sondern auch den grössten Teil der Paramovegetation. Die Einrichtungen, welche bei Compositen eine Transpirations- verminderung herbeiführen, sind namentlich folgende: 1. Dichte Bekleidung mit Wollhaaren, 2. Ausbildung „lederiger" Blätter, 3. Einrollung des Blattes, 4. Verringerung der Blattgrösse, 5. Dichtgedrängter Wuchs kurzbleibender Sprosse (Polsterbil- dung), G. Ein über den Boden tretender Stamm tritt nicht mehr auf, sondern bodenständige Blattrosetten mit unterirdischen Re- servestoffspeichern. Diese verschiedenen Einrichtungen sind nicht scharf von ein- ander getrennt, ein und dieselbe Pflanze kann vielmehr zwei oder mehr dieser Einrichtungen vereinigt zeigen, ebenso kommen dieselben auch bei Pflanzen anderer Familien vor, welche zum Vergleiche heran- gezogen werden sollen, so dass eine strenge Einteilung nach den oben angeführten Gesichtspunkten sich kaum durchführen lässt. Begonnen sei mit den durch ihr Haarkleid ausgezeichneten Formen. Am auffallendsten ist die Behaarung, wie oben schon hervorge- hoben, bei den Espeletien und den Culcitien. Die Blätter dieser Pflanzen werden — als schlechte Wärmeleiter — auch zum Zudecken gegen die erstarrende Kälte der Paramos benutzt. Wie dicht das Haarkleid der Espeletien ist, und wie sehr es an Dicke die Blatt- Goebel, pflanzenbiol. Schilderimgen, Tl. 2 — 18 fläche übertrifft, davon mag Fig. 3 eine Vorstellung geben, welche bezüglich der Dichte bei einem Schnitte natürlich keine der Wirk- lichkeit entsprechende sein kann. In dem dichten Haarkleide be- merkt man nun schon mit blossem Auge eine Art Schichtung, es treten 3 — 4 der Blattfläche parallele Zonen hervor. Diese Schich- ^ tung ist bedingt durch den eigen- tümlichen Verlauf der Haare. Diese sind einfache, unverzweigte Zell- reihen, deren Wand namentlich in der mittleren Partie des Haares stark — oft fast bis zum Ver- schwinden des Lumens — verdickt ist. Diese Haare nun verlaufen nicht gerade, sondern eigentümlich ge- bogen. Sie stehen zunächst recht- winklig zur Blattfläche, beschreiben dann aber eine sehr flache Schrau- benwindung, steigen wieder steiler an, worauf eine zweite flache Win- dung folgt etc. Dadurch, dass bei allen Haaren die flachen Schrauben- windungen annähernd in einer Ebene liegen, kommt die oben er- wähnte „Schichtung" zu stände. Es ist klar, dass an den betreffenden Stellen das Haarkleid dichter ist, als an anderen, und dass dadurch ruhende Luftschichten im Haar kleid festgehalten werden, die nur langsam den Aussenverhältnissen entsprechend, sich verändern werden. Die Bedeutung dieser Einrich- tung für die Transpirationsverminderung, den Schutz gegen raschen Temperaturwechsel, austrocknende Wirkung der Winde, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. Ausserdem ist das Haar- kleid auch schwer benetzbar, ein Blatt, das ich über eine Viertel- stunde in einen rasch fliessenden Bach gelegt hatte, hatte die Luft- schicht zwischen den Haaren festgehalten. Dieselbe war nicht von Wasser durchtränkt. Hagel und Schnee werden also, auch wenn sie auf dem Blatte liegen bleiben, mit der Blattfläche selbst nicht in direkte Berührung kommen. Das Haarkleid macht eine starke Ver- dickung der Epidermiszellwände überflüssig und so ist denn eine solche in der That auch nicht vorhanden. Fig. 3. Querschnitt durch ein Espeletiablatt, S mal vergr. Die Haare sind etwas schenia- tisch gehalten, das assimilierende Parenchyni der Blattuuterfläche ist dunkler schraffiert. — 19 - Obwohl das Blatt, wie die Fig. 3 zeigt, verhältnismässig dünn ist, so bildet das assimilierende und transpirierende Parenchym doch nicht einen so bedeutenden Teil der Blattsubstanz wie bei gewöhn- lichen Blättern einer Pflanze unserer Breite. Es findet sich ein wahr- scheinlich als Wasserspeicher dienendes Hypoderm, welches in Fig. 3 weiss gelassen ist, während das chlorophyllhaltige Gewebe durch Schraffierung angedeutet ist. Besonders aber fällt auf einem Blatt- durchschnitt auf, dass auf der Blattunterseite eine Anzahl von Leisten weit vorspringen, und sich ausserdem im Blattgewebe (z. B. nahe der Mitte des in Fig. 4 dargestellten Querschnittes) Höhlungen be- finden, welche aber mit Epidermis (mit Haaren und Spaltöffnungen) ausgekleidet sind, und sich dadurch als Einstülpungen der Blattfläche Fig. 4. Stück eines Qnevscbiiitts durch ein Espelotiablatt nahe dem Rande. Das Assirailationsparenchyiii ist schraffiert. Ks kleidet Furchen der Blattunterseite ans, die teilweise als Höhlungen im Blattgewebe erscheinen. ZU erkennen geben. Das Blatt zeigt nämlich von der Unterseite be- trachtet einen wabigen Bau, zahlreiche, von Haaren ausgekleidete Ver- tiefungen sind von einander durch Vorsprünge getrennt. Diese Ver- tiefungen verlaufen aber nicht alle rechtwinklig zur Blattfläche, sondern haben taschenförraige Ausbuchtungen, die auf Querschnitten dann als Höhlungen im Blattgewebe erscheinen. In den Erhöhungen, welche die einzelnen Vertiefungen von einander trennen, verlaufen die Gefäss- bündel, die aber im Verhältnis zur Blattgrösso wenig entwickelt sind, und nur einen kleinen Teil der vorspringenden Rippen einnehmen deren übriges, schwach collenchymatisch verdicktes Gewebe teils me- chanisch, teils ebenfalls als Wasserspeicher dienen dürfte, wie das Hypoderm. Das chlorophyllhaltige Parenchym kleidet, wie ersichtlich. — 20 — die konkaven Vertiefungen der Blattunterseite aus. Es ist klar, dass auch diese Grubenbildung, zu der noch die Umbiegung des Randes kommt, ebenso wie das Haarkleid dazu beiträgt, luftstille Räume um das Blatt zu schaffen, zumal der Ausgang der Gruben durch Haare verstopft ist, die — was in der Figur nicht angedeutet ist — eigen- tümlich verknäuelt sind, so dass sie gewissermassen wie ein Pfropf die Mündung der Gruben verschliessen. Dass die Espeletien sehr harzreich sind, wurde oben schon her- vorgehoben, es mag dieser Harzreichtum sie vor dem Gefressenwerden durch Tiere schützen*). Einen ganz ähnlichen Blattbau zeigten auch die anderen unter- suchten Espeletien -Arten. Eine kleine Modifikation findet sich bei Esp. Funckii, welche ich auf dem Paramo Cristallina sammelte. Bei dieser Art sind die Blätter auf der Oberseite grün, in der Jugend allerdings auch die Blattoberseite silberig behaart, die Haare fällen hier aber bald ab, während sie auf der Unterseite erhalten bleiben. Als Ersatz für das Haarkleid sind die Aussenwände der Epidermis- zellen der Blattoberseite sehr viel stärker verdickt, als die der Blatt- unterseite. Ganz dasselbe wiederholt sich auch bei anderen Compo- siten. Eine grosse Anzahl derselben zeigt auf den Paramos ein dichtes Haarkleid wie Espeletia, wenngleich weniger stark entwickelt. So namentlich Conyza obtusa, deren kleine Blätter dicht mit einem schnee- weissen Filz bedeckt sind, Gnaphalium evacoides, Gnaphalium roseum, Werneria- und Culcitium- Arten, von denen letztere, wie oben erwähnt, sich im Habitus den Espeletien ganz besonders nähern. Dem Ver- halten von Espeletia Funckii entspricht das von Culcitium adscendens, einem gelbblühenden Strauche der unter dem Namen „salvia del pa- ramo" als Arzneipflanze benutzt wird**). Auch hier nämlich schwindet das Haarkleid der Blattoberseite frühzeitig, und demgemäss verdickt sich die Aussenwand der Epidermiszollen und zwar hier sehr viel mehr als bei Espeletia Funckii, entsprechend der Thatsache, dass dies Culcitium (wenigstens soweit meine, auf der Kenntnis von nur *) Mein Reitmaultier frass gelegentlich freilich auch Espeletiablätter, indes schien es an gänzlicher Geschmacklosigkeit zu leiden, und wurde, wie ich erst später fand, von dem Peon nur ganz ungenügend auf dem „potrero" gefüttert, so dass diese Thatsache wohl nichts gegen die oben angenommene Wirkung des reichlich vorhandenen übelriechenden Harzes beweist, das bei jeder Verletzung austritt. **) Sie wird Kindern mit Wein gegeben, damit sie sprechen lernen sollen! — 21 — 7 Paramos beruhenden Erfahrungen reichen) auf höheren und rauheren Paramos wächst, als die genannte Espeletia-Art. Die Blätter von Culcitium adscendens sind am Rande umgerollt und unten weissfilzig, wie der Querschnitt, Fig. 14 auf Taf. XXIII zeigt, sind die Aussen- wände der Epidermiszellen auf der haarlosen Oberseite sehr viel dicker als auf der durch den Haarfilz geschützten Blattunterseite. Das Pal- lisadenparenchym ist hier, wie bei vielen anderen Paramopflanzen, stark entwickelt. Von anderen nicht den Compo- sitcu angehörigen Pflanzen, welche ebenfalls durch ihre Behaarung auf- fallen, seien hier genannt ein Plan- tago mit seideglänzenden Blättern, der im Habitus sehr nahe überein- stimmte mit einer anderen (vielleicht damit identischen Art), die ich auf den sehr trockenen Abhängen der Schotterterrassen viel tiefer als die Paramos antraf; ferner Lupinus eine Gattung, die in den höheren Teilen der Anden mit verschiedenen Arten vertreten ist. Geht man z. B. im Thale des Rio Mucujun, welches an seiner Einmündung in den Rio Cbama etwa 1600 m, einige Stunden weiter oben 4400 m über der See liegt, und eine ausgedehnte Paramovegetation zeigt, nach oben, so sieht man, dass die Rasen der blaublühendeu Lupinen niedriger werden, je weiter man nach oben kommt, und in den höheren Lagen tritt dann eine Lupine mit seideglänzenden, nach oben zusammen- gefalteten Blättern auf, während diese bei den weiter unten vorkommenden ausgebreitet und nur wenig behaart sind. Ganz ähnliches lässt sich bei den Farnen beobachten. Zu den merkwürdigsten Paramopflanzen gehören die Jamesonien. Vor allem Jamesonia nivea (Fig. 5), eine Kg. 5. Junges Blatt (unterer Teil weggelassen) von Jamesonia nivea Karst., nach einer auf dem Paramo So. Domingo aufgenommenen Photo- graphie gezeichnet. 22 — der am höchsten gehenden Formen. Die aufrecht im Grase stehenden, mit einem dichten Seidenfilz besetzten Blätter dieser Pflanze weichen weit ab von dem Bilde, das man sich sonst von einem Farnblatte zu machen pflegt, sie sind den Unbilden des Paramowetters nicht minder gut angepasst, als die Espeletien, und beginnen erst in der ächten Paramoregion aufzutreten; dagegen findet sich die nur wenig (in den jüngeren Blattteilen) behaarte Jamesonia scalaris auch in tieferen Regionen. In dem oben erwähnten Mucujunthale fand ich die letztere bei 2800 m, die J. nivea erst bei 3300 m. Ähnlich ist es auch in der Sierra nevada, und mit J. nivea zusammen wachsen noch andere, robustere Formen mit rötlichem Haarkleide (J. cinna- momoa u. a.). Karsten*) hat auch eine J. glutinosa beschrieben, bei der die Blätter oben kahl, aber dicht mit Drüsen bedeckt sind, welche ein klebriges Sekret absondern. Es ist wahrscheinlich, dass dies Sekret ähnlich wie bei anderen xerophilen Pflanzen der Anden- flora dieselbe Funktion hat, die sonst dem Wollkleide zukommt. Hier soll indes von den verschiedenen**), auf den Paramos ge- sammelten Jamesonien nur Jamesonia nivea, als die am meisten charakteristische Form, etwas näher geschildert werden. Aus dem dünnen kriechenden Rhizom erheben sich 20 — 30 cm lange aufrechte Blätter, deren oberer Teil dicht in weisse Haare ge- hüllt ist, während die älteren Teile unten kahl werden. Die Blätter sind einfach gefiedert und die einzelnen Fiederblättchen horizontal angeordnet, sie sind mit geringen Zwischenräumen übereinander ge- schichtet, wie die Münzen in einer Geldrolle. Da die Blätter nun ausserdem das dichte Haarkleid tragen, so leuchtet ohne weiteres ein, dass auch hier zahlreiche Systeme von luftstillen Räumen ge- schaffen sind. Dazu kommt weiter noch die Form der Blättchen. Taf. XHI, Fig. 5 a zeigt eine Anzahl übereinander geschichteter Fieder- blättchen nach Entfernung der Haare, Fig. 5b ein Paar von Fieder- blättchen, von denen die Haare grösstenteils entfernt sind, von unten. Jedes Fiederblättchen hat seinen Rand stark nach unten eingekrümmt, und bildet so eine weitere luftstille Kammer; dass ein so organisiertes *) Karsten. Florae Columbiae specimiua selecta. **) Hooker und Eaker erkennen in der Synopsis filicum nur eine Art an. Ich kann mich dieser Auffassung nicht anschliessen, überhaupt beweisen die „Übergänge" der Ilerbarexemplare noch nicht die Zusammengehörigkeit der betreffenden Formen. — 23 — Blatt nicht viel Wasserdampf abgeben und auch vor rascher Abküh- lung geschützt sein wird, bedarf kaum einer Erwähnung. Es mögen hier einige andere andine Farne noch kurz erwähnt werden. Zu den auffallendsten gehören einige Cheilanthes-Arten, na- mentlich Cheilanthes Matthewsii, von der ein Blattstück auf Taf. XIII, Fig. 4, vergrössert abgebildet ist. Dieser in P'elsspalten und anderen trockenen Standorten der bolivianischen und peruanischen Anden wachsende Farn besitzt steif lederige Blätter, die doppelt gefiedert sind. Die Fiederblättchen gewinnen aber einen sehr eigentümlichen Habitus dadurch, dass jedes einzelne nicht nur seine Ränder, sondern auch seine Spitze stark nach unten eingekrümmt zeigt*), so dass die Oberflächenverringeruug hier noch eine auffallendere ist, als bei Jame- sonia. Auch andere andine Cheilanthes-Arten zeigen dieselbe Erschei- nung, wenngleich nicht in so hohem Grade, so Cheilanthes andina, und andere. In die Paramos hinauf gehen auch einige Acrostichum- Arten, namentlich fällt auf durch seine eigentümliche Schuppenbe- deckung das Acrost. lepidotum Willd. Ich traf dasselbe auf den Paramos von etwa 3000 — 4200 m Höhe nicht selten**), und dieser Farn zeigt seine Zugehörigkeit zur Espeletia- Formation durch seine dichte Behaarung. Nur sind die Haare hier in Form von der Blatt- fläche dicht anliegenden Schuppen ausgebildet, die Unterseite der Blätter ist mit einer dichten Hülle rötlich-brauner, dachziegelig sich deckender Schuppen besetzt, die Oberseite der lederigen Blätter trägt einen weniger dicken, aus weisslichen Schuppen gebildeten Überzug. In den unteren Paramogegenden waren diese Blätter flach ausge- breitet, in den oberen dagegen nach oben konkav eingekrümmt, und noch auffallender war dies bei einem anderen, tiefer vorkommenden und nicht so hoch gehenden Acrostichum, dessen Oberseite keine Schuppen trug, und dementsprechend bei den weiter oben wachsen- den Exemplaren konkav eingekrümmt war. Beide Arten wachsen auf den Paramos an trockenen Standorten, an Felsen u. dgl. Es kann *) In der einzigen mir bekannten Abbildung der von Kunze (in Schkuhr, Supplementum tab. XXV) ist dies Verhältnis merkwürdigerweise nicht zur Dar- stellung gelangt, Kunze zeichnet die Fiederu flach ausgebreitet, sei es weil er die Einkrümmung vielleicht nur für eine nachträglich beim Trocknen entstan- dene hielt, oder weil — was ich nach dem eben anzuführenden nicht für un- möglich halte — in der That an feuchteren Standorten Formen mit mehr aus- gebreiteten Fiedern vorkommen, von denen eine Kunze vorgelegen haben mag. **) Er kommt auch weiter unten an trockenen Felsen vor. — 24: — keinem Zweifel unterliegen, class die Einkrümmung der Blätter in diesem Falle (andere Farne zeigten Analoges) eine Folge der direkten Einwirkung äusserer Faktoren war und auf einer Verkürzung der Oberseite infolge von Austrocknung beruht, sie ist aber von Interesse, weil sie bei anderen Pflanzen als konstanter, zu den äusseren Ver- hältnissen zwar in Beziehung stehender, aber, soweit wir wissen, von ihnen nicht direkt veranlasster Charakter auftritt. Es erinnert dies Verhalten, nebenbei bemerkt, an das einiger Lebermoose. Ein solches, eine Marchantiee, (bezüglich deren Bestimmung und sonstige Eigen- tümlichkeiten ich auf eine spätere Mitteilung verweise), fand ich an den stark ausgetrockneten lehmigen Wänden eines Hohlweges bei Bocouo. Es sah wie verbrannt aus, dunkle zusammengerollte Streifen lagen dem Boden auf, sie waren — da von einer grünen Thallus- fläche nichts mehr zu sehen war — scheinbar tot. Ein kurzer Regen veränderte das Bild vollständig, es erschien ein normal grüner, brand- förmiger Thallus. Derselbe war infolge der Austrocknung nur so zu- sammengerollt gewesen, dass von der grünen Oberseite nichts mehr zu sehen war, und die mit dunklen Schuppen besetzte Unterseite, die bei der Einrollung allein sichtbar ist, giebt dem Lebermoos dann sein eigentümliches Aussehen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass diese Eigentümlichkeit es besser befähigt, nicht allzulange dauernde Perioden der Austrocknung zu überstehen, als wenn der flachgrüne Thallus, auf der Oberseite mit Atemöffnungen versehen, dauernd seine ausgebreitete Lage beibehielte*). Dass die geschilderten Paramofarne (trotzdem man auch Jame- sonia an ganz feuchten Standorten zwischen Sphagnum wachsend an- trifft**) zu den xerophilen gehören, geht aus den obigen Mitteilungen hervor, und würde sich auch aus einer Vergleich ung mit anderen xerophilen Farnen ohne weiteres ergeben. Solche wachsen an den trockenen Thalabhängen, welche man beim Aufstieg zur Kordillere passiert, in grösserer Zahl. Genannt seien nur wenige, es sind haupt- sächlich Cheilanthes- und Notochlaena- Arten, so hat z. B. Cheilanthes microphylla zahlreiche kleine, stark nach unten eingekrümmte Fieder- *) Vgl. auch Mattirolo, Contribution ä la biologie des Hepatiques, Archives italiennes de Biologie t. XI. fasc. III. **) So sammelte z. B. Jameson nach einer Notiz im Herb. Kew eine „Jamesonia pulchra" in den Anden von Quito in 13000' Höhe „in palustribus alpinis praecipue inter Sphagnum". Es ist eine kleinblättrige Form mit nach unten eingekrümmten Blättern. — 25 — blättchen, welche durch Haare und Paleae noch weiter geschützt sind, und ebenso trägt die schöne Notochlaena ferruginea auf ihrer Blattunterseite einen dichten Haarfilz, anderer Farne, deren Blätter (namentlich auf der Unterseite, wie dies bei unserem ebenfalls zu den xerophilen Farnen gehörigen Ceterach der Fall ist) mit Spreu- schuppen versehen sind, oder Wachsausscheidungen zeigen, nicht zu gedenken. Die Oberfiächenverringerung der Blätter durch Einrollung ist nun überhaupt bei den Paramopflanzen weit verbreitet, einige wenige Beispiele mögen dafür angeführt sein, die namentlich darauf hin- weisen sollen, in wie verschiedenen Familien derselbe Vorgang ein- tritt. Ein ganz ausgesprochenes „Rollblatt" besitzt das oben er- wähnte, in grossen Hasen vorkommende Gras, die Aciachne pulvinata. Die etwa 1 cm langen borstenförmigen Blätter besitzen eine stechende Spitze (ebenso auch die Spelze, welche die Frucht einhüllt, unter- halb derselben löst sich die Frucht leicht ab und kann so durch Tiere verbreitet werden, denen sie sich anhaftet). An der Basis der kurzen Lamina sind zwei Anschwellungen, die wohl als Schwellkörper dazu dienen, die Spreite vom Stämmchen abstehen zu lassen. Das Blatt (vgl. den Querschnitt Taf. XH, Fig. 8) ist so stark eingerollt, dass nur eine schmale Spalte die spaltöffnungstragende Blattoberseito mit der Atmosphäre in Verbindung setzt; die Epidermiszcllen der Blatt- unterseite sind, ganz im Gegensatz zu denen der Oberseite, stark ver- dickt, fast bis zum Verschwinden des Lumens, und ihre Funktion wird verstärkt durch zwei bis drei Lagen, ebenfalls stark verdickter auf die Epidermis folgender Zellen, so dass das eingerollte Blatt von einem Sklerenchymmantel umgeben ist. Ähnlich verhält sich Ber- beris empetrifoha (Taf. XH, Fig. 11), eine Pflanze, die zwar nicht den Paramos Venezuelas angehört, sondern an der Südspitzc von Amerika an dem Strande vorkommt, aber auch in die höheren Teile der südlichen Anden hinaufgeht. Sie zeigt ebenso wie Empetrum und viele Erica- Arten*) den Typus des Rollblattes schön entwickelt. *) Z. B. Erica tetralix, tricolor, Aitoniana, nidularis. Der Grad der Einkrüm- mung ist nicht bei allen Blättern einer Pflanze derselbe, und auch bei verschiedenen Arten verschieden, nur schwach z. B. bei Erica melanthera (kultiviertes Exem- plar). Zu vermuten ist, dass junge Exemplare von Berb. empetrifolia gewöhnliche flache Blätter haben. Dies entspricht ganz dem Verhalten der Jugendformen mancher Coniferen (vgl. Goebel, über die Jugendformen der Pflanzen, Flora 1889, pag. 1 ff.). Übrigens giebt es zwischen der Blattform, wie sie unsere — 26 — und die Aussenseite des Blattes (hier die Oberseite) ist geschützt nicht nur durch die nach aussen dickwandigen Epidcrmiszcllen, son- dern auch durch eine Lage dickwandigen Hypoderms. Die Unter- seite trägt Haare, die namentlich an der Ausführungsspalte länger sind. Weniger stark ist die Einrollung bei Bartsia sp. (santolinae- folia?) (Taf. XII, Fig. 9) und Osbeckia luicrophylla (Taf. XII, Fig. 10). Erstere wächst besonders an feuchten Standorten; letztere hat auf der Blattunterseite ausserdem noch eine Behaarung, die dadurch zu einer Avirksamen wird, dass von auf der Blattfläche rechtwinklig stehenden borstigen Haaren eine grosse Anzahl der Blattfläche parallel gerichteter Zweige ausgehen, welche so mehrere Schichten von Haaren, im kleinen dem oben beschriebenen Verhalten von Espeletia ver- gleichbar, hervorbringen. Ausgesprochener ist die Rollblattbildung bei einer Composite, der Hinterhubera ericoides, die auf den Paramos häufig ist. (Taf. XII, Fig. 12.) Die Pflanze hat in der That erico'iden Habitus. Die kleinen nadeiförmigen Blätter zeigen aber ausserdem den Blattrand stark nach unten eingerollt, hier befinden sich teils gewöhnliche, teils besonders zahlreiche Drüsenhaare, die auf der Oberseite viel spärlicher ver- treten sind. Andere Compositen mit Rollblättorn — in mehr oder minder hohem Grade ausgebildet — Hessen sich hier anschliessen, Espeletia gehört dazu, ebenso Culcitium adscendens, Diplostephium cyparissias, Diplost. Meyenii, Diplost. rupestre, Mutisia rosca und an- dere Formen. Eine dem Ptollblatt entsprechende Blattbildung glaube ich in derjenigen sehen zu sollen, welche in merlvwürdiger Gestaltung bei andinen und antarktischen Caltha-Arten auftritt. Leider konnte ich die auf den Hochplateaus an feuchten Orten, auch an kalten Bergbächen wachsende Caltha sagittata*) auf den venezuelanischen Paramos nicht auffinden, und die Pflanze somit nicht lebend beobachten. Fig. 6, 2 Berberis vulgaris zeigt, und der von Berb. empetrifolia Übergangsformeu. Ber- beris-Arten mit steiflederigen Blättern sind in den höheren Teilen der Anden nicht selten. So z. B. Berberis tolimensis auf dem (relativ sehr niedergelegenen) Paramo von Tolima, bei B. rigidifolia (Pararao von Bogota [3000 m], sind die Einkerbungen am Blattrand schon fast ganz verschwunden, ganzrandige unge- teilte Blätter hat B. lycioides. Nehmen dieselben an Grösse ab (wie bei B. parviflora und B. buxifolia) und krümmen sie sich konkav nach unten ein, so erhalten wir die Blattform von B. empetrifolia. *) Vgl. Weddell, II, pag. 306. 27 stellt ein Blatt von Caltha sagittata dar. Ausgezeichnet ist es durch zwei Anhängsel, welche gegen die Blattlläche hin zurückgeschlagen sind. Noch auffallender ist Caltha dionaefolia, eine Pflanze , die man neuerdings mehrfach im Verdacht gehabt hat, eine Insektivore zu sein. Diese Vermutung ist indes wohl nur aus dem höchst unglück- lich gewählten Artnamen entstanden, denn in der That hat das Blatt, von den kleinen Zähnchen am Rande abgesehen, mit einem Dionacablatte fast gar keine Ähnlichkeit, und zeigt jeden- falls einen ganz anderen Bau. Die beiden Lamellen, welche hier deutlich auf der Blattflächo entspringen, bedecken hier beinahe die ganze Blattoberseite, nur schmale Spalten führen nach aussen. Die kleinen Zähne des Blattrandes geben demselben eine gewisse, aber sehr ent- fernte Ähnlichkeit mit einem Dionaeablatt. Das Blatt selbst ist lederig, und es ist klar, dass es vermöge seiner eigentüm- lichen Anhängsel sich ebenso verhält, als ob es zusammengerollt wäre, es ist auch in der Mittellinie etwas zusammen- gefaltet. Welche Funktion die Anhängsel .da haben, wo sie an Grösse gegenüber der Blattfläche sehr zurück- treten, muss dahingestellt bleiben, allein dass sie bei Caltha dionae- folia in Verbindung mit der eigentlichen Blattspreitc bewirken, dass ein System „luftstiller" Räume zustande kommt, kann keinem Zweifel unterliegen. Dass es sich hier also um denselben Vorgang handelt, wie er oben schon in verschiedener Ausbildung bei anderen Pflanzen besprochen wurde, wird auch dadurch bestätigt, dass die Aussenseite des Blattes sowohl als seiner Anhängsel frei von Spaltöffnungen ist, während diese auf der Innenseite in sehr grosser Zahl vorkommen. Zugleich sind ja die Spaltöffnungen durch ihre Lage hier wie in an- deren Fällen vor Benetzung geschützt. Aus der Liste der vermut- lichen Insektivoren wird diese Pflanze zu streichen sein, sie bietet auch nicht den geringsten Anhaltspunkt (wie etwa das Vorkommen der für die Insektivoren charakteristischen Drüsen etc., der anhaftende Insektenreste) für einen solchen Verdacht, und niemand hat an dem- selben eine Dionaea ähnliche Reizbarkeit beobachtet. Kig. 0. y Caltha dionaefolia Vi von oben, t' Blatt von Caltha sagittata (ausgebreitet). ~ 28 — Was das Vorkommen anbelangt, so sei erwähnt, dass sie in dichten harten Rasen ebenso wie Caltha appendiculata wächst, und wie es scheint z.B. auf den Hermiteinsehi sogar torfbildend auftritt*), im südlichen Teile von Feuerland bedeckt Caltha dionaefolia ebenfalls weite Strecken; dass sie auf meist feuchtem Grunde wachsen muss, zeigen z. B, die den Rasen anhaftenden Moose und Hymenophylleen. Caltha dionaefolia zeigt ausser der eigentümlichen Flügelbildung auch eine beträchtliche Verkleinerung der Blattfläche**), verglichen mit C. sagittata und an- deren ähnlichen Arten. Dies wiederholt sich auch bei anderen hier- hergehörigen Blattbildungen. Denn zum Rollblatttypus rechnen wir auch diejenigen Blattformen, welche mit Furchen versehen sind, die biologisch den Gruben der Espeletiablätter entsprechen. Als Bei- spiel dafür seien zwei Nassovien hier genannt, um so mehr, als die- selben den Übergang zum Nadelblatt zu bilden geeignet sind. Die Nassovia-Arten besitzen im allgemeinen lederige, am Rande mit Stachel- zähnen versehene Blätter, deren Spreite direkt in die Scheide über- geht. Nassovia nivea hat eine flache, silberig behaarte Blattspreite, auf deren Oberseite eine Anzahl ziemlich tiefer Furchen sich befin- den (vgl. den Querschnitt Fig. 7, 3), während diese auf den sich dachziegelig deckenden Blattscheiden fehlen. In den nach aussen durch Haare geschützten Gruben liegen das Assimilationsgewebe und die Spaltöffnungen, die aber auch auf der Blattunterseite auftreten. Bei Nassovia pumila hat das kleine (etwa 3 mm lange) Blatt schon ganz Nadelform, die Blattzähne sind eben noch angedeutet, der Blatt- bau ist ein ähnlicher, wie er oben für die Salzpflanze Niederleinia geschildert wurde, insofern als auch hier (vgl. P'ig. 7, 1 u. 2) auf der Blattuuterseito zwei tiefe mit Haaren ausgekleidete Furchen vorhan- den sind, in denen ausschliesslich die Spaltöffnungen liegen. Sehr auffallend ist auch die Verschiedenheit in der Verdickung der Aussen- wände der Epidermis ausserhalb und innerhalb der Gruben, ausser- halb sind sie sehr dick, in den Gruben verhältnismässig dünn, es ist dies auch auf dem in Fig. 7, 2 gezeichneten Querschnitt (etwas über- trieben) angedeutet. Nassovia pumila wächst in Südchile in den Fels- *) Hooker, Flora antarctica. **) Eine solche lässt sich auch bei den arktischen Formen der weitver- breiteten Caltha palustris an Herbarexemplaren feststellen, auch Äsa Gray erwähnt von Alaska: „a radicant form of Caltha pulustris with leaves hardly an inch long at flowering time" (report of the international polar expedition to Point Barrov, Alaska, pag. 191). — 29 — spalten der hohen Andenregion, Nassovia nivea geht noch höher hinauf („inter nives aeternas" Poeppig). Bei beiden fällt auf dem Querschnitt die unverhältnismässig grosse und zu der etwaigen mechanischen In- anspruchnahme in keinem Verhältnis stehende Ausbildung sklerenchy- raatischen Gewebes auf. Nassovia pumila, deren Habitus schon ein Lycopodiumähnlicher ist, mag überleiten zur Besprechung der anderen (speziell Paramo-) pflanzen mit Nadelblättern. Diese Blattform, als deren Typus unter einheimischen Pflanzen wir etwa Juniperus oder Lycopodium betrachten können, findet sich bei einer Anzahl Paramopflanzen aus den verschiedensten Familien, Fig. 7. 1 und 2 Nassovia pumila. 1 Blatt von unten gesehen, stark vergr. , es verlaufen zwei Längsfurolien auf der Blattunterseite, welche auf dem Querschnitt (3) besonders deutlich hervor- treten. Die starke Verdickung der Aussenwände der Epidermis (mit Ausnahme der in der Furche liegenden Epidermiszellen ist durch doppelte Conturierung angedeutet, das oberhalb des Blattnerven liegende Sklerenchymfaserbündel ist schraffiert. 3 Querschnitt durch ein Blatt von Nassovia nivea. Die Behaarung ist nicht mitgezeichnet, die Bastfaserbündel stark entwickelt. Die Furchen liegen hier auf der Blattoberseite. Zunächst sei hier eine Rubiacee genannt, die auf dem Paramo von Mucuchies in Form eines sparrigen Strauches, mit Blättern, die etwa den Nadeln von Juniperus gleichen, vorkommt. Es ist Hedyotis nitida H. B. K. oder doch eine mit dieser, später der Gattung Rhacicallis zugerechneten Art nahe verwandte Form. In den Diagnosen werden die Blätter dieser von Hedyotis abgetrennten Gattung als „carnosa margine revoluta" beschrieben. In der That sieht es auch, nament- lich an trockenen Blättern so aus, als ob der Rand des Blattes ähn- lich wie in den oben beschriebenen Fällen umgebogen sei. Es ist aber nur scheinbar so, „Umgebogen" ist nur das Pallisadenparenchym, nicht die Blattfläche, Ersteres bedeckt die Blattoberseite (Fig. 7 auf — 30 — Taf. XII) und geht auch über die Seitenteile des Blattes, sich nach unten allmählich auskeilend. So weit das Pallisadenparenchym reicht, besitzt auch die Epidermis stark verdickte Aussenwände und ist spalt- öffuungslos, auf der Blattunterseite finden sich in der viel dünnwan- digeren Epidermis die zahlreichen Spaltöffnungen, welche die Aus- führungsgänge der grossen Intercellularräume*) des Blattes darstellen; es kommt dies im wesentlichen auf dasselbe hinaus^, als wenn das Blatt in der That umgeschlagen wäre, der grössere Teil der Blatt- fläche wird von dem Pallisadenparenchym eingenommen, welches nur verhältnismässig wenig transpiriert, ganz ähnlich wie bei einem Roll- blatt von der Form des in Fig. 6 oder Fig. 11 derselben Tafel dar- gestellten Querschnitts, An diese Rubiacee sei eine kleine Lobeliacee angeschlossen, welche den Lycopodien- Habitus besonders schön zeigt, und somit von Formen, wie sie die in unseren Gärten gezogenen Lobelien dar- bieten, weit abweicht**). Sie gehört der Gattung Lysipomia an und soll als Lysipomia lycopodioides bezeichnet werden ^). Sie wächst an feuchten Stellen der Paramos und ist in zwei verschiedenen Exem- plaren in Taf. XIII, Fig. 2 a und 2 b dargestellt. Die nadeiförmige Gestalt der Blätter erhellt aus den Abbildungen ohne weiteres, ausser- dem aber auch das ausserordeiitlich langsame Wachstum der (in na- türlicher Grösse dargestellten) Pflänzchen. Es ist wohl anzunehmen, dass die Pflanze in jeder Vegetationsperiode nur einmal blüht und man sieht noch die Reste der Blüten früherer Jahrgänge und die zwischen ihnen liegenden Stücke des vegetativen Jahrestriebes. Ist die oben gemachte Annahme zutreffend, so ist der Jahrostrieb nur ein sehr kurzer, er erreicht in manchen Jahren nicht einmal 1 mm, bei kräftigen Exemplaren allerdings beträchtlich mehr. Der anato- mische Bau des Blattes bietet nichts besonderes, auffallend sind die grossen und zahlreichen Intercellularräume, welche darauf hindeuten, dass wir — wie dies in der That auch der Fall ist, — eine auf feuchtem Boden wachsende Pflanze vor uns haben, die aber trotzdem durch Verringerung ihrer Blattfläche die Transpiration heruntersetzt. *) Bei auf dürrem Boden wachsenden Pflanzen pflegen die Intercellular- räume reduziert zu sein; bei manchen Paramopflanzen ist dies durchaus nicht der Fall. '*'*) Wie mir der nchen anderen Beschäftigungen auch der Quacksalberei beflissene Don -Tesi'is Quintero (de la Culata) mitteilte, soll diese Pflanze in Timotes „dlctamno del paramo'" heisseu. — 31 — Einen ganz ähnlichen Lj^copodion- Habitus besitzt unter den Sympetalen die Valerianee Phyllactis aretioides*) und die Scrophu- larinee Ourisia microphylla**). Erstere wächst offenbar an ähn- lichen Standorten wie Lysiporaia lycopodioides , nämlich an „feuchten Standorten auf dem Hochplateau des Assuay und dem Berg Antisana 3700 m hoch", also in der Paramoregion. Die letztere dagegen ist eine Pflanze des südlichen Chile, die an sehr trockenen Standorten vorkommt, nämlich in den Spalten von Basaltfelsen in den Anden von Antuco. So treten die Beziehungen, welche oben auseinander- zusetzen versucht wurden, auch hier deutlich hervor, der „xerophile" Charakter von Paramopflanzon , die an feuchten Standorten wachsen! Bei Phyllactis ist noch anzuführen, dass eine habituell ganz ähnliche Art (Phyllactis sedifolia) auf den Falklandsinseln vorkommt, und dass bei ihr, wie bei Ourisia durch die dichte Deckung der Blätter ein weiterer Schutz derselben erzielt wird. Beide Pflanzen gehören üb- rigens Gattungen au, welche auch Arten mit wohl entwickelten flachen Blattspreiten besitzen, welche wohl als die ursprünglicheren gegenüber den mit Nadelblatt versehenen Arten zu betrachten sind. Dies gilt auch von anderen Verwandtschaftskreisen, von denen unter den Chori- petalen hier zunächst die Hypericaceen genannt sein mögen. Hypericum thuyoides, welches in der That ganz coniferenähn- lichen Habitus hat (Taf. XUI, Fig. 3), gehört mit zu den schönsten Zierden der Paramos, da die kleinen Büsche mit grossen gelben Blüten oft ganz überladen sind. Die kleinen, nadeiförmigen Blätter sind hier dicht angepresst, die Aussenwand ihrer Epidermiszellen sind stark verdickt***). Schon mehr der gewöhnlichen Blattform nähert sich das in Fig. 7, Taf. XHI skizzierte Hypericum, dessen Blätter zwar auch noch nadeiförmig, aber sehr viel länger als bei der vorigen Art sind, *) Weddell, Chloris andina, PI. 47. B. **) Poeppig et Endlicher, nova genera et species plantarnra etc.. I. Tab. 7. — Eine Pflanze der antarktischen Flora mit ausgesprochenem Lycopodium-Habitns ist die Stylidee Forstera clavigera Ilook. fil. Sie teilt mit Lysipomia lycopodioides und Phyllactis aretioides den Habitus ebensowohl wie den Standort, denn der letztere ist „on the mountains in turfy and boggy places" (Hooker, Flora ant- arctica I, pag. 38); was Ourisia microphylla anbelangt, so zählt Poeppig in sei- nem Reisewerke — einem der besten unserer Litteratur — dieselbe mit einigen anderen Pflanzen auch als im Sprühregen eines Wasserfalls wachsend auf, jedenfalls handelte es sich um einen kalten Gebirgsbach, also um ähnliche Verhältnisse, wie sie oben mehrfach berührt wurden. ***) Die verdickten Stellen springen auf der Blattoberseite papillenförmig vor. — 32 — wahrscheinlich ist diese Art das Hyp. hiricifolium, ich fand sie auf den Paramos namentlich an feuchten Stellen wachsend; erwähnt sei, dass die aufgerichtet stehenden Blätter eine dicke Epidermisaussen- wand, Pallisadenparenchym auf beiden Seiten und Spaltöffnungen nur auf der Oberseite, nicht auf der nach aussen gekehrten Unterseite haben (bei H. thuyoides kommen sie, wenngleich selten, auch auf der Oberseite des Blattes vor). Ausser den genannten Arten fand ich in der Paramoregion, aber nur im tiefern Teil derselben, auch ein Hypericum mit einer Blatt- form, die von der unserer einheimischen Arten nicht sehr abwich, die lederigen Blätter gleichen etwa denen von Buxus sempervirens, eine Bestimmung war mit der zu Gebote stehenden Litteratur nicht möglich. Jedenfalls sehen wir also, wie innerhalb der Gattung Hypericum die Blattbildung allmählich auf die Form von H. thuyoi'dcs herabsinkt. Um zu der Familie zurückzukehren, von welcher wir ausgingen, so sind hier zunächst noch Compositen mit Nadelblattform anzuführen. Als Beispiel dafür diene ein kleiner auf den Paramos nicht seltener Strauch, das Lepidophyllum quadrangulare A. Gray. Schon der Gat- tungsname deutet auf die Schuppengestalt der Blätter hin, die Pflanze gleicht im Habitus der antarktischen Art Lepidophyllum cupressiforme, welche einen charakteristischen Bestandteil der Vegetation der Küste an der Magellansstrasse bildet*). Die nadeiförmigen Blätter von Le- pidophyllum quadrangulare liegen mit Oberseite dem Stamm an. Da die Blätter am Rande und ebenso die Stammoberfläche mit Woll- haaren versehen sind, so sind die Zwischenräume zwischen den Blättern mit Haaren ausgefüttert. Die Unterseite ist die assimilierende, sie be- sitzt eine dicke Aussenwand der Epidermiszellen (wahrscheinlich mit „Wachs"einlagerung resp. Auflagerung), spärliche Spaltöffnungen und Pallisadenparenchym, während die Oberseite reichlich Spaltöffnungen trägt, dünnwandige Epidermiszellen und Schwammparenchym besitzt. *) Vgl. z. B. Cunningham , notes of the natural liistory of the Street of Magellan, pag. 102: „close to the beach two plants were growing plentifully. One of these was the Adesmia boronoides, belonging to the Order Leguminosae. The whole surface of the plant, with exception of the petals, was covered with large glands, from which a viscid substance, with a very aromatic balsamic odour, exsuded. The other plant, also highly viscid and aromatic, was a shrubhy composite, from one to three feet high, with the general aspect of a dwarf cypress or lignum vitae. very small scall like leaves, arranged in fours in an imbricated manner, and small yellow flowers. This was the curions Lepidophyl- lum cupressiforme." — 33 — Derartige Compositen sind nicht auf die andine Flora beschränkt, sondern kommen auch sonst vor. Es sei an der Hand der Abbildung Fig. 12 auf Taf. XXIII nur ein Beispiel hier genannt, das der Phae- nocoma prolifera, einer Composite vom Kap, Die Schuppenblätter sind hier noch kleiner, als bei Lepidophyllum und liegen dicht an. Auf ihrer Innen- (Ober-) seite sind sie behaart, auf der Aussenseite liegt dem Blatt ein scheinbar parenchymatisches Gewebe dickwandiger Zellen auf, während die sonst bei derartigen Compositen (besonders stark z. B. bei Aphelexis macrophylla) stark verdickte Epidermis-Aussen- wand hier dünn bleibt. Bei genauerer Betrachtung stellt jene pseudo- parenchymatische Hülle sich heraus als gebildet aus zahlreichen dicht aneinander liegenden Haaren, die aus der Blattfläche entspringen. Auf einer schmalen Stielzelle steht eine langgestreckte Haarzelle, an der auf dem Querschnitt deutlich drei Membranschichten zu erkennen sind; eine äussere cutikularisierte, eine mittlere, die gequollen erscheint (und in der That auch durch Wasseraufnahme stark quillt) und eine innere stark lichtbrechende. Dieses pseudoparenchymatische Gewebe versieht hier dieselbe schützende Funktion wie sonst eine dicke Epidermis- zellwand oder eine Hülle von Wollhaaren, zugleich geht aus der Ab- bildung hervor, dass auch hier die Blattunterseite (sie liegt in der Figur nach oben, in der Natur nach aussen) den Bau besitzt, der sonst der Oberseite zukommt, sie ist die dem Lichte zugekehrte. Auch die Rosaceen liefern Pflanzen mit Nadelblattform, nämlich einige Alchemilla- Arten. Den Habitus derselben wird Alchemilla nivalis (Taf. XIII, Fig. 1) zur Genüge wiedergeben. Es handelt sich um Formen, bei denen eine Anzahl nadeiförmiger Blätter scheinbar wirtelig gestellt, und unten zu einer den Stengel umschliessenden Scheide vereinigt sind, der Rand der einzelnen Blättchen ist nach unten umgebogen, und ausserdem sind dieselben auf beiden Seiten mit einem Überzug dicht anliegender Haare versehen. Vergleicht man indes diese Alchemillaform eingehender mit anderen, so ergiebt sich eine andere Auffassung der Blattbildung. Auf den Paramos namentlich in den niedriger gelegenen Teilen nicht selten ist die Alchemilla tripartita. Die Laubblätter derselben (Fig. 8, 1) haben durchaus „normale" Gestalt, d. h. eine dreiteilige Blattspreite L., einen Blattstiel und am Grunde desselben, wie dies ja bei den Rosaceen gewöhnlich der Fall ist, Nebenblätter {Sti Fig.). Diese sind hier nicht einfach, sondern geteilt und entspringen einem scheidenförmig den Stengel umfassenden Blattgrund. Ganz ebenso Goebel, pflauzenbiol. Scliilderungen. II. 3 — 34 — verhält sich z. B. Alchemilla hirsuta, die durch einen ziemlich dichten Haarüberzug ausgezeichnet ist. Zwischen dieser Blattform und der- jenigen von Alchemilla nivalis scheint nun eine weite Kluft zu sein. In der That ist dem aber nicht so. Verfolgen wir die Blattbildung bei Alchemilla tripartita an einem blühenden Sprosse nach oben, also gegen die Hochblattregion hin, so treten zunächst Blätter, wie das in Fig. 8, 2 abgebildete auf, d. h. die Spreite hat an Grösse abge- nommen, auch ihre Gliederung ist etwas einfacher, der Blattstiel ist sehr verkürzt. Noch weiter oben finden sich andere Hochblätter, Deckblätter von Blütenknäueln, bei denen der Blattstiel gar nicht mehr zur Ausbildung gelangt und die Blattspreite noch kleiner und Fig. 8. Alchemilla tripartita, Blattbildung. 1 LaubLlatt mit geteilter Spreite {L) , Blatt- stiel und Nebenblättern (Sii). 2 Höherstehendes , schon der Hochblattregion angehöriges Blatt mit verkleinerter Spreite und verkürztem Blattstiel. 5 u. 4 ein noch höher stehendes Hochblatt. weniger gliedert ist (Fig. 8, 3 und 4), letztere gleicht in ihren Ab- schnitten schon sehr den Nebenblättern, so dass man im Zweifel sein kann, ob man einen Abschnitt der Blattspreite oder den Nebenblättern zurechnen soll. Damit haben wir uns der Blattform von Alchemilla nivalis sehr genähert. Die letztere nämlich stimmt der Hauptsache nach überein mit der Hochblatt form anderer Alchemillen, d. h. es liegt nicht ein Blattwirtel vor, sondern ein einziges Blatt, welches in der Weise reduziert ist, dass die Blattspreite dem Blattgrunde direkt aufsitzt, und ihre Teilungen an Gestalt den Nebenblättern gleich geworden sind. Dass diese Auffassung richtig ist, wird bestätigt nicht nur durch das Verhalten der Entwickelungsgeschichte*) (soweit *) Dieselbe zeigt, dass die Blättchen nicht gleichzeitig auftreten, und dann etwa auf gemeinsamer Basis emporgehoben werden, wie dies bei einem Blatt- — 35 — dieselbe verfolgt wurde), sondern auch durch das Verhalten von Al- chemilla galio'ides. Diese Art, von welcher in Fig. 9 ein Blatt abgebildet ist, sieht in der That einem Galium sehr ähnlich. Sie wächst in der Sierra nevada von Merida an verschiedenen Standorten, und tritt, wenn man von Merida aus nach dem Schneegebirge hinaufsteigt, lange vor der Alchemilla nivalis auf. Sie findet sich teils in feuchten Schluchten, teils an freigelegenen Standorten und damit mag zusammenhängen, dass sie in ziemlich verschiedenen Formen vorkommt. Es finden sich solche mit spärlich behaarten flach ausgebreiteten Blättern und gestreckten Internodien und anderer- seits die „var sericea", deren Blättchen seidig be- haart und nach unten umgebogen sind, dem ent- spricht dann auch eine Verkürzung der Inter- nodien. An der Basis der Sprosse der Alchemilla ""''abtitterSalt Tg ''' galioides finden sich nun Blattformen, die den in Fig. 8 (2, 3 u. 4) abgebildeten durchaus entsprechen, auch an den weiter oben stehenden Blättern zeigen die Teile der Spreite häufig noch ihre Zusammengehörigkeit, oder Andeutungen weiterer Gliederung. So ist also auch hierdurch die Analogie mit der Hochblattform von Alchemilla tripartita u. a. bewiesen, und wie die Hochblätter dieser Art eine Umbildung der Anlagen der normalen Laubblattform dar- stellen, so werden wir auch die Blattform von Alchemilla galioides und Alchemilla nivalis als aus Umbildung gewöhnlicher Alchemilla- Arten entstanden betrachten dürfen. Demselben Vorgang werden wir übrigens bei einigen Umbelliferen begegnen. Ehe dieselben besprochen werden, mögen im Anschluss an Alchemilla kurz noch einige anderen Paramo-Rosaceen erwähnt werden, die einen charakteristischen Be- standteil der Vegetation bilden. Dahin gehören z. B. die Acaena- Arten, die durch Hackenfrüchte sich verbreiten und von denen einige, z. B. Acaena cylindrostachya, durch die dicht anliegende seidige Be- haarung ihrer Blätter ausgezeichnet sind. Polylepis ist dadurch von Interesse, dass ihr der am weitesten in die Paramos hinaufgehende Baum resp. Strauch angehört, Polylepis sericea kommt sowohl in der Sierra nevada von Merida als auf dem Paramo de la Culata noch wirtel zu erwarten wäre, sondern die Blattanlage entsteht als einseitige Er- hebung auf einer Seite des Stammvegetationspunktes und greift dann — wie dies bei Bildung stengelumfassender Blätter vielfach vorkommt — allmählich um denselben herum. 3* — 36 — bei 3500 m Höhe vor, sie besitzt ein lederiges, unten behaartes Blatt. Spiraea arg-entea (durch den Artnamen genugsam charak- terisirt) fand ich zwar auf den von mir besuchten venezolanischen Paramos nicht, sie kommt aber auf den Paramos der Kordillere vbn Bogota vor (vergl. Weddell a. a. 0. pag. 231), auch die Hesperomeles- Arten der Paramos sind ausgezeichnet durch lederige, unten behaarte Blätter. Kehren wir nach dieser Abschweifung zurück zu den Anden- pflanzen mit Schuppenblättern, so sind hier zunächst noch die Azo- rellen zu nennen. Betrachtet man das in Fig. 6. auf Taf. XIII ab- gebildete Stämmchen von Azorella caespitosa, so ergiebt sich der Lycopodium-Habitus dieser Umbellifere von selbst. Solche Formen mit einfach schuppeuförmigen, dicht gedrängten Blättern und charak- teristisch in Polstern wachsenden Stämmchen sind indes für die Paramos nicht bekannt, sie finden sich in den trockneren, südlichen Teilen der Kordillere, in den höchsten Regionen derselben nahe dem ewigen Schnee, ebenso in dem antarktischen Gebiete. Dagegen kommen Azorella-Arten mit Blättern, die eine wohlentwickelte Blatt- spreite besitzen, auch auf den Paramos vor, und da in dieser Gattung die Umbildung der Blätter und die Anpassung der Blattform an den Standort ganz besonders deutlich hervortritt, so wird eine kurze Be- sprechung derselben von Interesse sein. Es lassen sich bezüglich der Blattbildung drei Gruppen von Azorella-Arten unterscheiden: bei der ersten finden sich Blätter, die denen der meisten anderen Umbelliferen im wesentlichen gleichen, d. h. bestehen aus Blattspreite, Stiel und Scheide; bei der zweiten Gruppe ist der Stiel verschwunden, die Spreite, welche aber noch gegliedert ist, sitzt direkt der Scheide auf, und das Blatt gewinnt dadurch eine Form, welche der der Hochblätter anderer Um- belliferen entspricht; bei der dritten hat die Blattspreite, welche direkt in die Scheide übergeht, keine Gliederung mehr, das ganze Blatt ist auf eine kleine Schuppe reduziert. Dem entsprechen auch Verschiedenheiten im Wuchs der ganzen Pflanze und im Bau des Blattes. Die erste Gruppe bedarf hier keiner besondern Schilderung, da sie ja eben das gewöhnliche Verhalten von Pflanzen niedrigerer Lagen wiederholt. Es gehört hierher z. B. die auf den Anden von Merida wachsende Azorella creuata, von der hier nur bemerkens- wert ist, dass sie in zwei Formen vorkommt (was offenbar auch für — 37 — manche andere Azorella- Art gilt*), einer, welche niedrigeren, feuchteren Standorten entspricht, (demgemäss stehen die Stämmchen in lockeren Rasen und sind eine verhältnismässig grosse Blattsprcite und lange Blattstiele vorhanden), und einer var. compacta mit dichtrasigen Stämm- chen, verkürzten Internodien, viel kleineren Blättern und kürzeren Blattstielen, eine Form, die wir als Höheuform bezeichnen können und deren Eigentümlichkeiten bei den anderen Gruppen in gesteigertem Masse sich vorfinden, während sie hier offenbar direkt durch den Standort veranlasst sind. Die Gestaltung der Blattspreite im einzelnen (ob geteilt, oder nur am Rande eingekerbt etc.) hat für unsere Zwecke hier kein Interesse**). Erwähnt sei nur, dass auch in dieser Gruppe schon Formen vorkommen mit einfacher ungegliederter Blattspreite. Dahin gehört, z. B. Azorella filamentosa, welche dem Typus des Roll- blattes angehört, da bei ihr die Blattspreite nach oben eingekrümmt ist. Der Spalt ist aber nicht so eng wie z. B. bei Empetrum. Die Blattbildung der zweiten Gruppe zeigt, wie erwähnt, mit derjenigen der Alchemilla nivalis die Übereinstimmung, dass wir hier einen ganz ähnlichen Rückbildungsprozess vor uns haben, wie er bei der Umbildung der Laubblätter zu Hochblättern vielfach stattzufinden pflegt, nur dass die Endstufe der Hochblattbildung, bei der eine Spreitenanlage überhaupt nicht mehr vorhanden ist, bei den Azorella- blättern nicht erreicht wird. Als Beispiel diene zunächst Azorella trifurcata (Taf. XHI, Fig. 13). Das Blatt besteht aus einer dreiteiligen Blattspreite, die direkt dem Blattgrund aufsitzt, der scheidig ausgebildet ist. Für Hochblätter ist charakteristisch auch die Nervatur, indem die Nerven hier vom breiten Blattgrund aus direkt nach der Blatt- spitze resp. dem Blattrande hin verlaufen. Auch dies ist hier zu beobachten, allerdings mit der Modifikation, dass die Bündel sich dem Mediannerven nähern und mit ihm anastomosieren, so dass sie wie Auszweigungen desselben aussehen. Dies gilt auch für andere derartige Azorellablätter, soweit dieselben untersucht wurden, und *) So für Azorella lycopodioides. **) Eine geteilte Blattform, wie sie auch sonst bei Umbellifereu nicht selten ist, hat z. B. Az. trifoliata. Sie ist auch keine echte Andenpflanze, denn sie findet sich zwar auf beständig feuchten Wiesen iu der Kordillere von Ovalle, ist aber häutiger in tiefer gelegenen Gegenden und geht selbst bis zur See herunter (,vgl. Weddell, a. a. 0. pag. 197). Azorella Ranunculus sieht etwa aus wie eine Hydrocotyle, sie wächst gleichfalls an feuchten Standorten der ant- arktischen Flora. 38 wir dürfen die Stelle, wo die Anastomose stattfindet, wohl als die Grenze zwischen Blattspreite und Blattgrund betrachten. Würde sich bei der jugendlichen Blattanlage die Zone zwischen Blattspreite und Blattgrund strecken, so würde ein Blattstiel entstehen, statt dessen sind die Grössenverhältnisse des ganzen Blattes reduziert. Die Bildung des Blattstiels unterbleibt, und so kommt die Hochblattform (aber hier in der Laubblattregion) zu stände. Eine sehr merkwürdige hierhergehörige Form ist Azorclla madre- porica. Schon der Habitus ist ein sonderbarer. Die Stämmchen sehen in der That viel mehr den Korallen ähnlich, nach denen sie benannt sind, als einer Pflanze. Sie sind so dicht aneinander gedrängt, dass sie durch gegenseitigen Druck prismatisch werden. So überzieht die Pflanze in dichten, zuweilen gegen zwei Meter hohen Polstern die Felsen nahe dem ewigen Schnee. Die Blatt spreite ist hier, wie die Abbildung zeigt, sehr klein, namentlich auch im Verhältnis zu dem sehr entwickelten Blattgrund, der als schützende Hülle das Stämmchen um- giebt; dazu ist die Blattoberseite noch mit borstigen Haaren versehen, und so, abge- sehen von ihrer lederigen Beschaffenheit, vor Transpiration geschützt. Wie wohl alle Azorellen ist die Pflanze reich an Gummi- harz, das wohl infolge von Verletzungen auch auf der Oborflächo der Polster er- scheint, und von den Hirten unter dem Namen Yareta oder Llarete (was bezüglich der Aussprache so ziemlich auf dasselbe hinauskommt) nach Gay als Mittel gegen Kopfschmerz gesammelt wird*). Der Wuchs in dichten Polstern ist auch für andere Azorella- Arten charakteristisch, sie bilden Massen, die, wie etwa die Polster eines Leucobryum iu unseren Wäldern, nur auf ihrer Oberfläche i Fig. 10. Azorella madreporica, rechts Blatt in natürliclier Grösse, links von oben 15 mal vergr. Auf der Blattfiäche entspringt eine An- zahl borstenformiger Haare. *) „Plante tout ä fait compacte et commune tapissant les roches quoique quelquefüis d'une epaisseur de prös de deux metres. Rassemblaut plutöt ä iin madrepore oii une de ces eponges sans forme qui rompent sur les pierres. Les lergers hü donnent le nom de Yareta ou Llareta et recoltent sur le surface une resine qu'lls emploient pour le mal de tete". (Gay.) - 39 — chloropliyllhaltige, assimilierende Organe haben, während unter dieser dicht zusammengedrängton Kruste die lebenden oder abgestorbenen älteren Teile sich befinden, die, soweit sie leben, noch der Stoffauf- nahme und Stoffspeicherung dienen werden. Mutatis mutandis können wir ein solches Polster einer Kaktee vergleichen, bei der auch nur eine dünne assimilierende Schicht den an Masse weit überwiegenden übrigen Teil der Pflanze überzieht. So ist z, B. Azorella Selago „die häufigste Pflanze in Kerguelensland, wo sie den felsigen Boden am Meeresrande mit braunen, viele Fuss weit ausgedehnten Massen bedeckt, die oft so weich sind, dass der Pieisende bis zur Mitte des Körpers darin versinkt." Berühmter ist die Azorella caespitosa (= Bolax glebaria) der Falklandsinseln, von der Fig. G auf Tafel XIII ein einzelnes Stämmchen zeigt. Sie ist namentlich durch Hookers Schilderung näher bekannt geworden, (Flora antarctica). Azorella caespitosa bildet hohe, voll- kommen halbkugelige Polster von blasser und schmutzig gelbgrüner Farbe und gleichmässiger Oberfläche, die so hart ist, dass man sich die Knöchel daran brechen kann. Wenn der Tag warm ist, macht sich in der Nähe dieser Polster ein schwach aromatischer Geruch bemerkbar, und Tropfen oder Thränen eines klebrigen weissen Gummis fliessen aus verschiedenen Teilen dieser vegetabilischen Polster. Sie stehen gesondert voneinander und sind 3 — 4 Fuss hoch, obwohl sie oft halbkugelige Gestalt haben, sind sie zuweilen doch auch viel breiter als hoch und können 8 — 10 Fuss lang werden. Die ganz alten beginnen nahe dem Grunde abzusterben, wo ringsherum ein Wegbröckeln eintritt, und da sie nur eine schmale Anheftungsstelle haben, so gleichen sie ungeheuren, auf der Erde liegenden Bällen oder Kugeln. Bei genauerer Prüfung zeigt sich jede Masse als durch- aus krautig, die äussere Hülle besteht aus unzähligen kleineren Sprossen, die alle gleich hoch werden und mit sich dicht deckenden Blättern besetzt sind. Sie sind so fest zusammengepackt, dass es sogar schwierig ist, einen Teil mit dem Messer herauszuschneiden, während die Oberfläche so gleichraässig ist, dass sich zuweilen Flechten auf ihr ausbreiten und andere Pflanzen auf der Oberfläche der Polster in gelegentlich entstandenen Löchern oder abgestorbenen Stellen der- selben vegetieren. Jedes dieser grossen Polster ist aus einem Samen entstanden, und das Ergebnis eines langjährigen, vielleicht mehrere Jahrhunderte hindurch fortgesetzten Wachstums; wobei natürlich die Keimpflanze sich reichlich verzweigen muss. Schon wenn dieselbe — 40 — einen Durchmesser von einem Fuss erreicht hat, ist die Oberfläche glatt und konvex. Die Hauptwurzel wird durch, au der Basis der Stämmchen entspringende Seitenwurzeln ersetzt, welche in den durch Zerfall der unteren Teile der Pflanze entstehenden Detritus hinein- wachsen. Es entspricht diese Schilderung ganz der, welche Meyen*) schon früher von dem Polsterwuchs der Azorellen, Verbcnen und Lycopodien in der Kordillere gegeben hatte — „ganze grosse Felsenblöcke sind oftmals mit einem dichten und äusserst harten Rasen bedeckt, welcher immer nur von einem einzigen Pflänzchen entstanden ist. Dabei sind diese Rasen so dicht und hart, dass es schwer fällt, selbst mit den schärfsten Instrumenten einzudringen. Der Stamm einer solchen Pflanzcnfamilie, die sicherlich ein Denkmal vieler Jahrhunderte ist, erreicht selten die Länge von einem Fusse, gewinnt aber zuweilen eine Dicke von 5 — 6 Zoll und zeigt, gleich von seiner Basis an- gehend, eine unendlich vielfache Verästelung und Verzweigung. Durch die beständige Vergrösserung, welche der Stamm dieses Pflänzchens in der Dicke erlangt, nimmt er auch an Länge etwas zu (sie!) und somit erhebt sich der Rasen, welchen die Pflanze bildet, allmählich und nimmt zuletzt eine gewölbte Form an. Der vielen harzigen Stoffe wegen, welche diese kleinen Umbellaten' enthalten, brennen sie sehr gut und das Feuer hält bei einer solchen frischen Pflanze sehr lange an. Reist man über jene wüsten Gegenden der Kordillere, wo alle baumartige Vegetation fehlt, so sieht man häufig diese an- gebrannten Pflanzenhaufen, oft nur bis zur Hälfte verbrannt, und man muss sich selbst ihrer bedienen, um das nötige Feuer zur Erwärmung zu erhalten." Dass dieser Polsterwuchs in Verbindung mit der Reduktion der Blattgrösse und der dicht gedrängten Stellung der Blätter ein vor- treffliches Schutzmittel gegen Transpiration und raschen Temperatur- wechsel ist, bedarf keiner weiteren Begründung. Es mag nur auf zwei Gesichtspunkte aufmerksam gemacht werden, welche hierbei gleichfalls in Betracht kommen. Einmal muss ein solches Polster, wenn es gehörig durchnässt ist, das Wasser wie ein Schwamm fest- halten — was ja auch für die Polster der Moose gilt — , und dann wird bei denjenigen Polsterpflanzen, welche in Strichen mit fast stets bewölktem Himmel und seltenem Sonnenschein wachsen, vielleicht auch ■ ' / ''■) Meyen. Pflanzengeographie, 1830. pag. 102. — 41 — die stärkere Erwärmung und langsame Wärmeabgabe dieser Polster, wenn einmal die Sonne herauskommt, von Nutzen sein, nicht nur für eine energischere Wasseraufnahme der Wurzeln, sondern auch für die anderen Lcbensvorgängo. Dass es sich übrigens bei Azorella cacspitosa u. a. zunächst um eine „xerophile" Einrichtung handelt, zeigt auch die starke Verdickung der Epidermiszellen-Aussenwand; auch sind die Spaltöffnungen in tiefe Gruben versenkt. Die Gefass- bündel sind nur wenig entwickelt (wogegen der Gummiharzgang sehr gross ist), ihre Verteilung stimmt im wesentlichen mit der oben kurz geschilderten überein. Der Polsterwuchs ist nicht auf die Azorellen beschränkt. Eine Anzahl Alpenpflanzen und auch Pflanzen anderer Bergregionen zeigen ihn in ausgezeichneter Weise. Von den ersteren sei hier nur erinnert an eine Anzahl Saxifraga- Arten, Silene acaulis, Androsace helvetica u. a. Viel auffallender kehrt dieselbe wieder bei Pflanzen anderer Hoch- gebirge, so bei Thylacospermum rupifragum, einer Caryophyllee die in W^est-Tibet in einer Höhe von 15 — 16000 Fuss wächst und dicht gedrängte Polster von beträchtlicher Ausdehnung bildet, bei der Composite Abrotanclla forsterio'ides, welche auf den Gebirgen Tas- maniens in grossen dichten Polstern wächst, besonders aber bei Raoulia mammillaris, der,,Schafpflanzo" der Alpen Neuseelands. Besser als aus einer Beschreibung wird der Habitus dieser merkwürdigen Pflanze aus der Abbildung Fig. 11 hervorgehen, welche nach einer Photographie angefertigt ist, die ich von einem in Kew befindlichen Exempkir aufnahm; dasselbe besitzt einen Längendurchmosser von 81 cm, einen Breitendurchmesser von 68 cm und eine Höhe von 32 cm. Die Raoulia sieht ebenso wie die Azorella madreporica einem Korallcnstock viel ähnlicher, als einer Composite. Nicht nur sind die einzelnen Stämmchen dicht gedrängt, sie sind auch von weissen Haaren dicht bedeckt, man wird sich nicht wundern, dass diese Pflanze im stände ist, zu wachsen ,,on the bare mountain tops, so closcly resembling a sheep at a very short distance, that the most experienced sheperds are often deceived by their appearance" (Notiz von Dr. Haast). Von Blättern sieht man bei dieser Raoulia äusser- lich gar nichts mehr, es ist eine weisse Masse, die nur in der Nähe die den einzelnen Sprossen entsprechenden Hervorragungen zeigt, ähnlich verhält sich offenbar die Haastia pulvinata; übrigens giebt es auch Raoulia -Arten mit erico'idem Habitus; und dieser Habitus findet sich auch sonst noch bei Compositen, welche an trockenen Standorten - 42 — wachsen, in charakteristisclicr Weise, verbunden mit Wollhaarbe- kleidung, z. B. bei den Lyclinopbora- Arten, welche die trockenen Cami^os Brasiliens bewohnen. Von anderen Pflanzenfamilien, die im Hochgebirge ähnliche Ge- staltung annehmen, wie sie hier von Azorella und Raoulia beschrieben wurde, sei noch eine Kaktee genannt. In den Paramos habe ich keine einzige Kaktee getroffen — so häufig sie auch in den niedrigeren trockenen Teilen der Kordillere sind — wahrscheinlich ist es dort für diese Familie zu feucht, da viele Angehörige derselben nur zur Zeit des Wachstums eine grössere Bodenfeuchtigkeit ertragen, während sonst die Wurzeln leicht faulen. In Peru finden sich dagegen einige Kakteen in der alpinen Region der Kordillere (welche dort ja viel trockener ist als die Paramos), die Meyen*) geschildert hat. „Auf dem Plateau des südlichen Peru, nahe der Vegetationsgrenze, findet man mehr oder weniger grosse Haufen von 1—1 ^/g Fuss Höhe, welche mit gelb- roter Farbe geschmückt sind, und von ferne her oft ganz täuschend dem ruhenden Wilde ähneln. Doch bei näherer Untersuchung ver- hält es sich ganz anders; jene Häufchen werden durch niedere Kakteen gebildet, deren Blätter dicht aneinander gedrängt sind, und gelbrote Stacheln von 2 — 3 Zoll Länge zeigen, welche die ganze Oberfläche des Haufens bedecken und denselben jene gelbrote Farbe erteilen. Aus der Tiefe jener Stacheln ragen die Blüten hervor, gehen jedoch nicht über ihre Oberfläche hinaus. In jenen öden Gegenden, wo nur ähnliche Haufen von Azorellen, Bolax, Fragosen zwergartige Verbenen und Lycopodicn die Erde und die Felsen über- ziehen, da tragen jene sonderbaren Gewächse vieles zur Darstellung des Charakters der Gegenden bei." Die „Blätter", von denen Meyen spricht, sind wohl die blattähnlich abgeflachten Stammglieder einer Opuntia, es handelt sich wahrscheinlich um die Opuntia Ovallei Gay (oder eine verwandte Form), welche über 4000 m hinaufgeht und nur kleine (2 — 2^/2 cm lange) Stammglieder besitzt; von ihr giebt auch Weddell**) an „cette plante forme sur le sol une masse tuber- culeuse aplatie et plus on moins epaisse .... dans les points tres eleves de la Cordillere cette masse stratiforme est presque unie." Die letzte Kategorie von Paramopflanzen wird gebildet durch diejenigen, die nur wenig über den Boden sich erheben, und meist eine bodenständige Blattrosette und eine knollenförmig verdickte, als *) Meyen, Grundriss der Pflanzengeograpliic. 1830. pag. 173. **) A. a. 0. pag. 313. - 43 - — 44 — Reservestoffbehälter dienende Wurzel bilden. Diese Gestaltung ist eine so einfache, dass sie keiner näheren Erwähnung bedarf. Es ist auch klar, dass eine bodenständige Blattrosette schon durch ihre Stellung dem Einfluss der eisigen Paramowinde zum guten Teil ent- gegen ist, und dazu kommt ihr die höhere Temperatur der oberen Bodenschichten resp. der untersten Luftschicht zu gute. Solche Alpenpflanzen bilden denn auch in den hohen Teilen der Paramos mit einen Hauptbestandteil der Vegetation. In der Höhe, auf welcher die in Tafel X wiedergegebeno Photographie aufgenommen wurde, fanden sich neben den grossen Espelotien namentlich zwei solcher Pflanzen, zwei Compositen, deren Blütenköpfo unmittelbar über dem Boden entspringen, Liabum uniflorum, Werneria pumila, eine Malva- cee, Malva acaulis, und eine kleine Erdorchidee*) mit fleischig ver- dickten (aber nicht knolligen) Wurzeln. Schon hieraus erhellt, dass auch hier Angehörige aus verschiedenen Familien in demselben Ha- bitus zusammentreflen , und dies wird durch eine Durchmusterung anderer Familien noch mehr erläutert. Blattrosetten, von denen aus sich nur die kurzlebigen Blüten- sprosse über den Boden erheben, besitzen nämlich eine ganze An- zahl Compositen (ausser den schon genannten z. B. noch Werneria nubigena, Erigeron rosulatum u. a., ferner Valerianeen, z. B. Valeriana rigida, Val. tenuifolia, Malvaceen (ausser der genannten Malva-Art z. B. auch Malvastrum compactum mit Blättern, die dazu noch dicht filzig behaart sind), Violaceen u. a. In der Gattung Viola z. B. finden sich in der Sektion „Asterias"-Forraen mit höchst eigentümlichem Habitus, sie haben Blattrosetten mit einfachen Blättern, die bei Viola rhombifolia noch ziemlich breit sind, bei anderen Arten schmäler *) Alle diese Pflanzen zeigen in ihrem Blattbau keinen xerophilen Cha- rakter, ziemlich dünne Cuticula etc. Die Blätter sind eben durch die Lage am Boden vor den Paramowinden geschützt, ebenso die Blütenstände. Bei Eryngium pumilum, einer Andenpflanze, die gleichfalls hierher gehört, sind die Blütenstände so kurz gestielt, dass sie dem Boden aufsitzen. Nachträglich aber verlängert sich der anfangs sehr kurze Stiel, so dass die Fruchtstände mehrere cm über den Boden emporgehoben werden, was natürlich die Verbreitung der Früchte erleichtert. — Dass übrigens die oben genannten Paramopflanzen dem Austrocknen Widerstand leisten, zeigt sich auch beim Trocknen derselben für das Herbar. An der genannten Malvacee mit dicker fleischiger Wurzel blühte eine Blüte auf, nachdem sie mehrere Tage zwischen (öfters gewechseltem) Fliess- papier gelegen hatte. Offenbar funktioniert die fleischige Wurzel hier wie bei anderen derartigen Pflanzen auch als Reservebehälter für Wasser. — 45 — werden. Es wachsen diese Viola-Arten, wie es scheint, namentlich auf vulkanischem Gestein, einige davon haben ganz den Habitus eines Sempervivum, z. B. Viola Cotyledon und Viola Sempervivum. Von anderen eigentümlichen Paramopflanzen, die in keine der oben genannten Kategorieen sich einreihen lassen, seien hier namentlich noch die Umbelliferen mit Juncusblatt ähnlichen Blättern genannt. Es sind zwei Formen, welche hierher gehören, nämlich Ottoa oenan- tho'ides und Crantzia linearis. Erstere fand ich auf der Sierra nevada von Merida (bei ca. 4000 m), letztere kommt nach Weddell (a. a. 0. pag. 202) in Peru und Bolivien vor auf „päturages marecageux ä 4000 m et audessus", ausserdem ist sie auch ein Bestandteil der antarktischen Flora, die Pflanze wächst dort in grosser Menge neben den Wasserläufen, welche die Süsswasseransammlungen mit der See verbinden, also auch an feuchten Standorten. Die Blätter von Ottoa gleichen einem Juncusblattc (früher irrig als „culmus sterilis" be- zeichnet), abgesehen von ihrer Gliederung, sehr. Es sind diese eigen- tümlichen Blattformen morphologisch wohl als Blattstiele aufzufassen, deren Spreite verkümmert ist. Mit diesem Begriff ist allerdings viel Missbrauch getrieben worden, aber hier liegt die Annahme doch aus verschiedenen Gründen nahe. Für Crantzia giebt Weddell nämlich an, dass z.B. in den südlichen Teilen Argentiniens die Blätter nicht nur länger seien, als bei den auf den Anden wachsenden Exemplaren, sondern auch eine Blattspreite besitzen („ — se terminent par un limbe lineaire-lanceole tout a fait plan). Bei Ottoa fand ich bei der Untersuchung der Blattentwicklung, dass jedes Blatt an seinem Ende eine kleine Vertiefung resp. Abflachung zeigt, welche man wohl als die, auf sehr früher Stufe der Entwicklung stehenbleibende Spreiten- anlage betrachten darf. Dieselbe ist sehr früh schon nachweisbar, bleibt aber in ihrer Entwicklung sehr bald stehen, ehe sie irgend eine Gliederung erreicht. So spricht also auch die Entwicklungs- geschichte dafür, dass wir es mit einer abgeleiteten Blattform zu thun haben. Dass dabei die verkümmernde Spreitenanlage zuweilen, wie dies von Crantzia angeführt wurde, wirklich zur Ausbildung ge- langt, kann nicht wunder nehmen, denn das ist bei verkümmernden Organen nicht selten. Bei den Blättern von Oxalis bupleurifolia z.B. ist der Blattstiel zum Phyllodium entwickelt, die Spreite verkümmert. Bei einem Exemplar, welches warm und feucht gehalten wurde, ent- wickelte sich am Ende der Phyllodien statt der sonst verkümmern- den Spreitenanlage eine dreizählige Blattspreite, — 46 — Es fragt sich, ob diese Änderung der Blattgestalt mit den äusse- ren Lebensverhältnissen in Beziehung gebracht werden kann. Vor allem ist hervorzuheben, dass diese Umbelliferen mit Juncus (dessen radiär gebaute Blätter aber nicht Blattstielen entsprechen) denselben Standort: sumpfige resp. nasse Stellen teilen. Dies spricht sich auch aus darin, dass die Blätter aller dieser Pflanzen grosse lufthaltige Räume besitzen, wie dies ja bei Sumpf- resp. Wasserpflanzen die Regel ist. Andererseits liegt auch eine entschiedene Reduktion der Oberflächenentwicklung vor, wie sie sich bei jenen Umbelliferen schon in der Verkümmerung der Blattspreito ausspricht, während der radiäre Bau des Blattstiels resp. bei Juncus des ganzen Blattes mit dem auf- rechten Stand desselben zusammenhängt. In der That werden sich Sumpfpflanzen unserer Gegenden vielfach unter Bedingungen finden, die denen der Paramopflanzen einigermassen entsprechen, d. h. sie wurzeln in einem Substrat, das erfahrungsmässig eine durchschnitt- lich niedrigere Temperatur hat, als der Boden, auf dem Landpflanzen wachsen, in welchem also trotz des reichlich vorhandenen Wassers die Wasseraufnahme eine weniger energische sein wird. Zudem sind Sumpfpflanzen gewöhnlich einer andauernden Insolation ausgesetzt.*) So werden wir uns nicht wundern dürfen, wenn wir auch bei ihnen Einrichtungen antreffen, welche geeignet sind, die Transpiration her- unterzusetzen. Schwendener**) hat neuerdings darauf hingewiesen, dass einige sumpfbewohnende Carex-Arten geschützte Spaltöffnungen, ähnlich wie manche Steppenpflanzen, besitzen, eine Einrichtung also, welche zu denen zählt, welche die Transpiration heruntersetzen. Er meint, es könne wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die heu- tigen Standortsverhältnisse der Carices unserer Flora diese Verhält- nisse nicht „erklären". In der That aber liegt hier, wie erwähnt, wohl ein ähnliches Verhältnis wie bei den Paramopflanzen vor, und diese Carices stehen keineswegs isoliert, denn auch andere Sumpf- und Moorpflanzen zeigen dasselbe Verhältnis. Ledum palustre z. B., eine charakteristische Moorpflanze, hat Blätter, die oben verdickte Epidermiszellwände, auf der Blattunterseite aber einen dichten Haar- *) Dieselbe wird natürlich auf ein vertilfal gestelltes Blatt, wie es Juncus und die genannten Umbelliferen haben, weniger energisch wirken, als auf eine rechtwinklig zum Einfall der Lichtstrahlen orientierte Blattflächc. **) Schwendener, die Spaltöffnungen dcrGranniceen und Cypericeen. Sitzungs- berichte der Königl. preuss. Akad. der Wiss. 1889. — 47 — filz besitzen, und auch andere Moorpflanzen besitzen analoge Ein- richtungen, wie z. B. Andromeda polifolia. Alle diese Pflanzen können auch an trockenen Standorten wachsen, aber da sie wenig transpirieren, auch an solchen, wo Wasser zwar genug vorhanden ist, aber von den Wurzeln nicht in ausgiebiger Menge aufgenommen wird. So können wir uns nicht wundern, wenn dieselben Pflanzen, welche bei uns in Mooren vorkommen, wo sie vor der Konkurrenz der meisten anderen Pflanzen geschützt sind, im arktischen Norden, wo durch die Temperaturverhältnisse viele andere Pflanzen ausgeschlossen sind, auf trockenen, warmen Stellen vorkom- men. Dies wird von Ledum palustre z. B. ausdrücklich angegeben*), ebenso für Saxifragen; z. B. S. Hirculus u. a. Vaccinium uliginosum wächst in Grönland nicht wie bei uns auf feuchtem, torfigem Boden, sondern mit Empetrum nigrum auf trockenen Anhöhen, auf welchen sich auch Ledum palustre var. decumbens findet. Ebenso wurde oben ja erwähnt, dass Espeletia -Arten sowohl im Sumpf als auf Felsen wachsen können. Jedenfalls zeigen alle diese Beispiele, wie misslich es ist, aus den Strukturverhältnissen etwa auf die Bedingungen schliessen zu wollen, unter denen eine Pflanze wächst; denn eine xerophile Struktur berechtigt, wie oben dargelegt wurde, noch keines- wegs dazu, daraus einen trockenen Standort der betreffenden Pflanze abzuleiten, sondern nur einen solchen, der einen Schutz gegen Tran- spiration notwendig macht. Bei den Paramopflanzen kommen, wie oben erwähnt, namentlich die heftigen Winde in Betracht, gegen deren Wirkung sich die Vegetation durch die geschilderten Gestal- tungsmassregeln schützt. Dass diese am auffallendsten hervortreten müssen bei Pflanzen, welche bedeutendere Höhe erreichen, ist klar. Es liegt dasselbe Verhältnis vor, auf welches auch im ersten Teil bei Schilderung der Epiphytenvegetation hingewiesen wurde: kleine Epiphyten, bei denen die Ansprüche an Wasserversorgung etc. keine grossen sind, zeigen meist wenig oder keine „Anpassungen", die bei grossen Formen, wie Platycerium, so auffallend hervortreten. So finden wir auch auf den Paramos neben den Espeletien mit ihrem merkwürdigen Blattbau kleine Geraniaceen, Potentilla- und Gentiana- Arten, deren Habitus demjenigen der verwandten Formen unserer Brei- ten entspricht. Ausserdem kommt ja stets noch, wie gleichfalls früher *) Kjellmann, Aus dem Leben der Polarpflanzen in Nordenskjöld, Studien und Forschungen, pag. 464. — 48 — liervorgeliübon wurde, ein Faktor iu' Betracht, den man als das un- bekannte X oder die „innere Konstitution" bczeiclmen kann, und der bedingt, dass von zwei unter denselben Verhältnissen wachsenden Arten eine zuweilen deutliche Anpassung an den Standort zeigt, wäh- rend die andere auch- ohne äusserlich sichtbare Anpassungscharaktere auskommt. Wie viel von den Eigentümlichkeiten der Wuchsverhältuisse hochandiner Pflanzenformen auf die direkte Einwirkung der äusse- ren Faktore kommt, bedarf der Untersuchung; dass eine solche direkte Einwirkung existiert, ist zweifellos, es fragt sich nur, wie weit sie geht. Bei manchen Azorellen z. B. findet mau in den Herbarien Formen von sehr verschiedenem Habitus (z. B. A. Selago), bei der einen sind die Internodien so kurz, dass die Blätter sich decken (wie bei der in Fig. 6 auf Taf. XHI abgebildeten Art), bei anderen Exemplaren derselben Art sind die Blätter durch Streckung der Internodien auseinander gerückt, und erstere werden die Hochgebirgs- formen sein. Ob die Hemmung des Längenwachstums erfolgt durch den Einfluss des Lichtes oder anderer Faktoren, kann natürlich nur experimentell entschieden werden. Ebenso ist die Grösse, welche die Blätter erreichen, zweifellos innerhalb gewisser Grenzen von äusseren Faktoren abhängig. Anmerkuiiö;en. 1) Compositen. vom Verf. gesammelt auf den Paramos der Kordillere von Merida, bestimmt von Dr. F. W. Klatt. Tribus I: Eupatoriaceae : 1. Trichogouia arguta, Benth et Hook. Gen. Plant. II, p. 243, No. Gl. Ti'ibus II: Aster o'ideae: 2. Lepidopbyllum quadrangula, AsaGray; Proc. Amer. Acad. V, p. 122. 3. Hinterhubera ericoides, Wedd. Chloris Andina I, p. 185. 4. Diplostepbium cyparissias, Wedd. Chloris Andina I, p. 203. 5. Diplostepbium Meyenii, Wedd. 1. c. No. 5. 6. Diplostepbium rupestre, Wedd. 1. c. No. 16. 7. Erigerou limnopbila, Schultz Bip. (E. frigidum Wedd.). 8. Conyza myosotifolia, H.B.K. nov. gen. am. 4, p. 69. 9. Conyza obtusa, H.B.K. nov. gen. am. 4, p. 71. 10. Baccharis prunifolia, H.B.K. nov. gen. am. 4, p. 63. 11. Baccharis resinosa, H.B.K. nov. gen. am. 4, j}. 52. Tribus III: Iniüoiaeae: 12. Tessaria legitima, DC. Prodr. V. p. 456. No. 1. 13. Gnapbalium evacoides, Schultz Bip. (Merope Schultzii. Wedd. Chlor. Andina I, p. 160.) 14. Gnaphalium roseum, H.B.K. nov. gen. am. 4, p. 81. Tribus IV: HelicmtJioideae : 15. Espeletia corymbosa, Humb. et Bonpl. PI. aequinoct. Vol. 2, p. 11. tab. 72. 16. Espeletia Funckii, Schulz Bip. Weddell, Chloris Andina I, p. 64. No. 4. 17. Espeletia Schultzii, Wedd. 1. c. p. 63. No. 4. 18. Espeletia grandiflora. (Bestimmung zweifelhaft, vergl. Taf. X.) 19. Jaegeria hirta, Less. syn. 223, DC. Prod. V, p. 544, No. 3. 20. Gymnolomia Goebelii, n. sp. Klatt. Dense cano-pubescens, cauli- bus opposite-ramosis, ramulis nodosis remote foliosis axillär! ramu- losis 1 ad tricephalis, foliis petiolatis oppositis lanceolatis curvato- acuminatis margine involutis trinervatis reticulato-venosisque, pedun- culis gracilibus bracteatis, involucri-campanulati squamis trisei'ialis lanceolatis unicostatis, paleis receptaculi scariosis rectis complicatis corollaesubfastigiatibus et acbaenia pilosa calva amplectentibus, ligu- lis 16—20 linearibus apice bidentatis trinervatis subtus dense pilosis. Hab: Declivibus siccis apud oppidulum Muruchies*), leg. Dr. Goebel. Rami floriferi ascendentes et erecti 30 cm alti basi glabri. Folia opposita petiolata 2 cm longa 4 mm lata basi cuneata crassiuscula. Foliis axillaribus minoribus. Pedunculi 8 — 10 cm longi. Capitula 1 cm lata. Involucri squamae exterioribus 4 mm longae 1 mm latae. Ligulae 1 cm longae IV^ ™di latac. Corollae disci extus pilosae basi nodoso- annulari- incrassatae. *) Ausserhalb der Paramoregion! Goebel, pflanzeubiol. Schilderungen. 11. 4 — 50 — Tribus V: Senecionideae: 21. Liabum uniflorum, Benth et Hook. Gen. Plant. II, p. 436, No. 9. 22. Culcitiiim adscentlens, Benth. PI. Hartw. 205; Weddell. Chloris Au- dina I, p. 137. 23. Culcitium canescens, Hurab. et Boupl. PI. aequinoct. II, t. 67; Wedd. I. c. No. 2. 24. Culcitium nivale, H.B.K. Wedd. 1. c. p. 139, No. 5. 25. Culcitium rufescens, Humb. et Bonpl. PI. aequinoct. II, t. 66. Wedd. 1. c. No. 1. 26. Senecio formosus, H.B.K. nov. gen. am. 4, p. 177. 27. Senecio nevadensis, Weddell. Chloris And. Vol. I, p. 97, No. 18. 28. Werneria pumila, H.B.K. nov. gen. am. 4, p. 191. 2) Die oben angeführten kurzen Bemerkungen über die Bedeutung der Transpirationsverminderung für Salzpflanzen, beziehen sich auf Untersuchungen, die, vor längerer Zeit ausgeführt, auch in meinen Vorlesungen etc. mitgeteilt wurden. Sie erhalten ihre Bestätigung durch Schimpers*) neuerdings erschienene Veröffentlichung über die Strandgewächse der malayischen Flora. Schimper hat dort speziell auch nachgewiesen, dass konzentriertere Salzlösungen in den grünen Zellen die Assimilation verhindern, und dass also auch aus diesem Grunde Schutzmittel gegen Transpiration für Halophyten eine Lebensbedingung sind. 3) Lysipomia (so muss, wie Herr Dr. Stapf mich aufmerksam zu machen die Güte hatte, der Gattungsnamen lauten, nicht wie er gewöhnlich geschrieben wird Lysipoma) lycopodioides Goebel. Pflänzchen von aufrechtem Wuchs (grösste gefundene Exemplare etwas mehr als 4 cm hoch), im Habitus an Lycopodium Selago erinnernd, einfach oder wiederholt gabelig verzweigt. Blätter dicht ge- drängt einfach, mit breiter Basis sitzend ca. 4 mm lang , unten (im Maximum) 2 mm breit, nach oben zugespitzt, einnervig, etwas fleischig, nach dem Abfallen breitgezogene Narben hinterlassend. Die Blüten stehen im Kranze um die un- entwickelte Stammknospe herum, wobei die weisslichen Blumenkronen über die umgebenden Blätter gerade noch hervorragen. Das häutige Deckblatt der Blüte ist kürzer als diese. Kelchblätter etwas fleischig, zugespitzt. Blumen- krone ausgesprochen dorsiventral (zygogomorph). Drei kleinere und zwei viel grössere Zipfel je unter sich von annähernd gleicher Grösse, Durchmesser der Blüte von einem Ende der grösseren Zipfel zum andern 4 mm, zwischen den beiden letzteren ein Einschnitt in der Blumenkrone. Die dunkle Staubblatt- säule kehrt ihre konvexe Seite diesem Einschnitt zu. Fruchtknoten von dem für die Gattung charakteristischen Bau (einfächerig mit einseitiger Placenta) reife Früchte kamen nicht zur Beobachtung. Die Pflanzen wachsen einzeln an feuchten Stellen der Paramos der Kor- dillere .von Merida, z. B. Paramo zwischen Culata und Escagui, wo ich die Pflanze im Oktober 1890 blühend sammelte. *) A. F. W. Schimper, Über Schutzmittel des Laubes gegen Transpiration besonders in der Flora Javas, Sitzungsber. der Königl. preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1890, pag. 1045 ff. V. INSEKTIVOREN. 4* Kaum ein anderes Gebiet der Botanik hat in neuerer Zeit die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf sich gezogen, als die sogenannten „insektenfressenden Pflanzen", namentlich geschah dies durch Darwins*) umfangreiches Werk, welches Veranlassung zu zahlreichen Darstellungen gab. Indes handelt es sich hier keineswegs um eine Entdeckung der Neuzeit, wie die folgenden Angaben, (welche nicht beanspruchen, eine geschichtliche Entwicklung des Gegenstandes zu geben), zeigen werden; es braucht kaum darauf hingewiesen zu werden, dass es sich dabei nicht um beliebige insektenfangende Pflanzen handelt, sondern um solche, bei denen die Körper der gefangenen Tiere zur Ernährung der Pflanze beitragen. Wohl die älteste Schilderung einer derartigen Pflanze ist in einem Briefe enthalten, welchen John Ellis an Linne sandte**) (d. d. London, 23. Sept. 1769). Er sagt (a. 0. pag. VIII): „Die Pflanze hingegen, von welcher ich Ihnen hierbei eine genaue Abbildung, nebst einigen ge- trockneten Blättern und Blumen überreiche, giebt zu erkennen, dass die Natur vielleicht einiges Absehen auf ihre Ernährung, bei der Bil- dung ihrer Blätter, gehabt haben möge. Der obere Teil derselben stellet ein Werkzeug zum Fange einer Art Nahrungsmittel vor, auf dessen Mitte die Lockspeise für das unglückliche, zum Raube ausersehene In- sekt lieget. Viele kleine rote Drüsen, die die obere Fläche des Blattes bedecken, und einen vielleicht süssen Saft ausschwitzen, locken das Tierchen, an demselben zu kosten; in dem Augenblicke, da dessen Füsse diese zarten Teile berühren, werden die zween Lappen des Blattes durch den Reiz in Bewegung gesetzt, schlagen einwärts zu- *) Charles Darwin, insectivorous plants, London, John Murray, 1875. Deutsche Übersetzung von Carus, Stuttgart, 1876. **) Cfr. Beschreibung der Dionaea muscipula, einer neuentdeckten, merk- würdigen, empfindlichen Pflanze, in einem Schreiben an den Herrn Archiater und Ritter von Linne von Herrn Johann Ellis. Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben von D. Johann Christian Daniel Schreber. Mit einem illu- minierten Kupfer. Erlangen, 1771. — 54 ~ sammen, fassen das Tierchen, legen die Stacheln am Rande inein- ander, und drücken das Tierchen tot." Der Übersetzer, Schreber, meint freilich (a. a. 0. pag. 5): „Unglaublich aber scheint, was darin ge- mutmasst wird, dass die Pflanze von den zwischen ihren Blättern zer- drückten Insekten einige Nahrung ziehe, wie denn die ganze Absicht der Natur bei der so besonderen Bildung der Blätter annoch un- entdeckt zu sein scheinet" — ein Einwurf, dessen Berechtigung nicht in Abrode gestellt werden kann, denn von einer Aufnahme der Körpersubstanz der Insekten giebt EUis nichts an, und seine Be- hauptung, dass das gefangene Insekt von den Randstacheln des Dionaeablattes tot gedrückt werde, ist ebensowenig richtig als die, dass die drei auf jeder Blatthälfte befindlichen Borsten dem Befreiungs- bestreben des Tieres ein Ende machen. Ergänzt und berichtigt wurden seine Beobachtungen 1834 durch Rev. Dr. M. A. Curtis*), er sah, dass künstlich befreite Fliegen und Spinnen „sped away as fast as fear or joy could hasten them". Besonders wichtig aber ist seine Beobachtung, dass die gefangenen Insekten („at times"!) in eine von dem Dionaeablatte ausgeschiedene Flüssigkeit von schleimiger Konsistenz eingehüllt werden „which seems to act as a solvent, the insects being more or less consumed in it", eine Beobachtung, die später namentlich von Canby**) bestätigt und weiter ausgebaut wurde es soll unten auf dieselben zurückgekommen werden. Zunächst sei auf die Zeit nach Ellis' Brief über Dionaea zurückgegriffen. Kurze Zeit nachher wies der Bremenser Arzt Dr. A. W. Roth***) nach, dass zwei einheimische Drosera- Arten, Dr. rotundifolia und longifolia ebenfalls merkwürdige Reizbewegungen ausführen, welche zum Fange von Insekten führen. „Es ist gewiss, dass wir nicht mit Gewissheit entscheiden können, was der weise Schöpfer für Absichten gehabt habe, dass er diesen Pflanzen einen besonderen Bau und reizbare Eigenschaften gab; indessen glaube ich doch, dass man nicht mit Unrecht annehmen könnte, dass der Bau und die Eigenschaften dieser Pflanzen dahin abzielen, um dadurch ihre Nahrung zur Er- *) Journal of the Boston Society of natural history, vol. I, 1834 (cfr. Asa Gray, Darwiniaua, img. 292). **) In Meehans Gardeners monthly, August 1868. ***) Von der Reizbarkeit des sogen. Sonnentaus von Dr. Albr. Willi. Roth, Beiträge zur Botanik, I, 1782. — Da diese Schrift mir nicht zugänglich war, führe ich das Obige an nach Gramer, Über die insektenfressenden Pflanzen. Vortrag, Zürich, 1877. — 55 — haltung und Fortpflanzung ihrer Arten zu erhalten. Wir können ja nicht entscheiden, ob diese Pflanzen nicht vielleicht vor anderen es besonders nach ihrem Bau bedürfen, tierische Säfte zu ihrer Nahrung und Erhaltung zu haben." Bei Besprechung der nordamerikanischen Wiesenflora, erwähnt sodann Bartram*) auch die Sarracenien. „Die hohlen Blätter gleichen dem Hörn des Überflusses. Ein Blatt kann beinahe ein Nösel Wasser enthalten. (Folgt eine haltlose Hypothese über die Bedeutung des „Deckels" oder Anhanges.) — Die kurzen, steifen Haare, welche alle niederwärts fallen und die verdickten Dünste in die Fasern leiten, halten auch die mannigfaltigen Insekten ab, welche gefangen werden und nicht wieder zurück können, wenn sie sich anlocken lassen, die honigfliessende Feuchtigkeit aus der inneren Oberfläche der Röhre einzusaugen. Dieses verborgene Wasser trägt ohne Zweifel zum Unterhalt und zur Erquickung der Pflanze bei; vielleicht ist es gleichsam zu einem Behälter auf den Fall einer langen anhaltenden Trocknis oder für andere Zufälle bestimmt, da diese Pflanzen von Natur in niedrigen Savannen wachsen, welche Überschwemmungen von Regenwasser ausgesetzt sind. ... Ob aber die in ihren Blättern gefangenen Insekten, welche sich in dem Fluidum auflösen und damit vermischen, zur Nahrung oder zum Unterhalte dieser Pflanzenarten dienen, ist noch zweifelhaft. Alle Sarracenien sind übrigens Insekten- fänger, und so ist es auch mit dem rundblättrigen Sonnentau (Drosera rotundifolia). „Aber bewundernswürdig sind die Eigenschaften der ausserordent- lichen Dionaea muscipula, eines erstaunlichen Naturproduktes. Ihre fleischfarbigen, sich ausbreitenden Lappen sind, wie auf den Sprung, bereit, unvorsichtige, getäuschte Insekten zu fangen! Eins der Blätter schliesst jetzt die sich sträubende Fliege ein; ein anderes hat einen W^urm erhascht und hält, was es hat, fest, so dass seine Beute ihm niemals entkommen kann! Hier haben wir eine fleischfressende Pflanze**)! Können wir nun noch einen Augenblick Bedenken tragen, zu gestehen, dass Pflanzen mit einigen Sinneskräften oder Eigen- *) William Bartrams Reisen durch Nord- und Südkaroliua, Georgien, Ost- und Westflorida etc. Übers, von Zimmermann, Berlin, 1793, pag. XV ff. Das Original (Travels through North- and South-Carolina, Georgia, East- and West- Florida etc., by William Bartram. Philadelphia, 1791; reprinted London 1792) ist mir nicht zugänglich. '''*) Dies ist wohl die erste Anwendung des Wortes. — 56 — Schäften von oben der Art begabt sind, wie die, welche die anima- lische Natur zu ihrer Würde erheben? Sie sind organische, lebende, sich selbst bewegende Körper, denn wir sehen an dieser Pflanze Be- wegung und Willen." So sehen wir also schon im 18. Jahrhundert eine Anzahl von Pflanzen, wenigstens vermutungsweise, als „insektivor" bezeichnet, nämlich Drosera, Dionaea, Sarracenia. Die weiteren Veröffentlichungen über dieselben können wir hier übergehen, um so mehr, als dieselben unten teilweise zu erwähnen sein werden, um uns zu den anderen, später als insektivor erkannten resp. vermuteten Pflanzen zu wenden. Eine der merkwürdigsten hierher gehörigen Formen ist die Gattung Nepenthes. Für diese hat Korthals*) gleichfalls schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass der Insektenfang der Kannen für die Pflanze von Vorteil sei. Er schildert, wie er 1835 in den sumpfigen Wäldern von Sumatras Westküste Nepenthes ampullaria antraf, eine Kletter- pflanze von ansehnlicher Länge, welche bis in die Krone der grossen, gelbe Blüten tragende Capelliabäume und der Nibong- und Renda- palmen emporklimmt. „Sowohl an dem Fuss, als längs des blatt- losen Stammes hingen zahlreiche Gruppen eiförmiger, mit purpurnen Flecken versehener Becher. Sie verzierten den Stengel und trugen ausserdem das Ihrige dazu bei, um die Ernährung der schnellwachsen- den Pflanzen zu fördern. Die letztere Ansicht beruht auf der Er- fahrung, dass Pflanzen, deren Stengel ich abgeschnitten, und deren Becher ich mit Wasser gefüllt hatte, während einiger Tage nicht verwelkten, und dass ich das Kupfer einer in einige Becher ge- worfenen Auflösung später in dem Stiele wieder fand. Hierdurch ist die aufnehmende Thätigkoit der Innenfläche der Becher hinreichend bewiesen. Bedenkt man ferner, dass durch die Auflösung der in der Becherflüssigkeit ertrunkenen Insekten ein für das Pflanzenwachstum sehr förderlicher Düngstoff gebildet wird, dann gewinnt diese Ver- mutung sehr au Wahrscheinlichkeit." Neueren Datums sind die Angaben über den Insektenfang bei den Lentibularicen und Aldrovandia. Die Reizbarkeit der Blätter der letztgenannten Pflanze (analog derjenigen von Dionaea) wurde von Auge de Lassus ■■•"'•'), dann von B. Stein aufgefunden; 1868 be- *) Korthals, Nepenthes; in Verhandelingen over de natuurlijke Geschiedenis der Nederlandsche overzeesche Bezittingen, Leiden 1839—1842. **) Bulletin de la societe botanique de France, 1861, VIII, pag. 522 (Citat nach Drudc\ - 57 — riclitcto Ilollaiid, in den Schläuchen von Utricularia häufig Wasser- insekten gefunden zu haben, die Vermutung aussprechend, sie möchten der Pflanze als Nahrung dienen (Gramer a. a. 0. pag. 6); eine ein- gehendere Untersuchung über Aldrovandia und Utricularia veröffent- lichte Cohn*). Hookers bekannte Rede**), und Darwins Buch lenkten die allgemeine Aufmerksamkeit auf den Gegenstand. In letzterem Werke wurde Pinguicula in die Insektivoren eingereiht. In der folgenden Darstellung handelt es sich zunächst um die morphologischen Thatsachen, die an und für sich schon merkwürdig genug sind; zum Schlüsse erst soll eine vergleichende Darstellung der Funktion der geschilderten Organe gegeben und die Frage nach der Bedeutung der Einrichtungen erörtert werden. Dabei entspricht es dem Plane des vorliegenden Buches, die Schilderung nach den be- treffenden Familien zu geben, während von rein biologischem Gesichts- punkt aus auch eine andere Einteilung möglich wäre, bei welcher z. B, die Schlauchblätter von Genlisea mit denen von Sarracenia zu- sammen behandelt würden. I. Gestaltiingsverliältnisse der Insektivoren. ^^V ^^*^- /^ A. Droseraceen. .^ ^-(7 • h^ Die Familie der Droseraceen weist eine Anzahl von Formen mit auffallend verschiedener Blattbildung auf, inwieweit dieselben noch eine Gemeinsamkeit dos Blattbaues erkennen lassen, soll unten er- örtert werden. Zunächst sei nur hervorgehoben, dass es sich um perennierende Pflanzen handelt, von denen nur zwei Gattungen (Rori- dula und Drosophyllum) einen strauchigen Habitus besitzen und die meisten mit Blattrosotten ausgestattet sind. Es lassen sich deutlich zwei Gruppen unterscheiden, den Typus der einen stellt unsere ein- heimische Drosera dar, den der andern Dionaea. Zu letzterer Gruppe *) Cohn, Über die Funktion der Blasen von Aldrovanda und Utricularia (Beiträge zur Biologie, III. Heft, 1875, pag. 71). **) Hooker, carnivorous plants, address to the department of Zoology and Botany of the British associatiouj Belfast, August 21*11^ 1874. — 58 — gehört ausserdem nur noch die merkwürdige Wasserpflanze Aldro- vandia, erstere umfasst mehrere einander nahestehende Gattungen, ausser Drosera noch Roridula, Byhlis und Drosophyllum. Das unter- scheidende Merkmal liegt vor allem darin, dass die Blätter dieser Gruppe „Tentakeln" besitzen: gestielte, von einem Tracheidenstrang durchzogene Drüsen, welche auf ihrem oberen Ende eine klebrige, zähflüssige Substanz abscheiden, welche Insekten festhält, und nach den bis jetzt herrschenden Anschauungen auch verdaut. Der Bau dieser Tentakeln ist in allen untersuchten Fällen ein sehr überein- stimmender, er mag an der Hand der Abbildungen auf Taf. XXIII hier kurz erläutert werden*). Fig. 4 auf dieser Tafel stellt einen Längsschnitt durch eine gestielte Drüse von Drosophyllum lusitanicum dar. Dieselbe endigt in einer nur schwach konvex gebogenen Scheibe, welche aus zwei Zelllagen besteht und die secernierende Fläche dar- stellt, sie ist mit einem grossen Tropfen klebriger Substanz bedeckt. Unter der secernierenden Scheibe befindet sich eine Zelllage, welche als Mittelschicht bezeichnet werden soll, sie ist dadurch ausgezeichnet, dass die Längswände der Zellen stark cutikularisiert sind. Dies Ge- bilde, secernierende Fläche mit Mittelschicht, stellt die eigentliche Drüse dar, der Stiel derselben, welcher von einem oben flächenförmig sich verbreiternden Tracheidenstrang durchzogen wird, ist nichts als eine Wucherung des Blattgewebes. Dies wird besonders deutlich, wenn wir damit die sitzenden Drüsen von Drosophyllum vergleichen, wie sie auf der Blattfläche gleichfalls in grosser Zahl vorkommen. Dieselben sind, vom Fehlen des Stieles abgesehen, ganz ebenso ge- baut, wie die gestielten, vgl. Fig. 3, nur dass die secernierende Fläche eine etwas andere Gestalt hat, ausserdem sind auch diese sitzenden Drüsen durch einen, unterhalb der Drüse erweiterten Tracheidenstrang (t, t) mit einem Gcfässbündelaste des Blattes in Verbindung. Fig. 2 zeigt uns eine Mittelform zwischen beiden Drüsen, die noch deutlicher zeigt, dass in der That der Drüsenstiel nur eine Wucherung des Blattgewebes darstellt, dem die eigentliche Drüse aufsitzt. Ganz ebenso wie die gestielten Drosophyllum-Drüsen sind nun im Grunde die so oft untersuchten Tentakeln von Drosera gebaut*). *) Die Funktion der Drüse wird erst unten besprochen werden, hier handelt es sich nur um den Bau, der selbst in neueren Werken zuweilen un- richtig wiedergegeben ist, so z. B. von Drude, Schenks Handbuch, I, pag. 24 Fig. 2. . — 59 — nur ist die Drüse hier stark konvex gewölbt, die Mittelschicht in- folgedessen glockenförmig und die Trachoidenausbrcitung anders ge- formt. Die randständigen Tentakeln mancher Drosera-Arteu (vgl. z. B. die Keimpflanze von Drosera capensis) (Taf XVII, Fig. 6) zeigen in- sofern einen etwas anderen Bau, als bei ihnen die Drüsen auf der Oberseite einer löffeiförmigen Verbreiterung des Stieles sich befinden. Die Entwicklungsgeschichte dieser randständigeu Tentakeln zeigt jedoch, dass sie ebenso angelegt werden, wie die flächenständigen, und dass die Lagenveränderung der Drüsen in der That eine im Verlauf der Ent- wicklung eintretende Verschiebung ist. Die randständigen Tentakeln sind hei den ersten Blättern der Keimpflanzen schon vorhanden, während dieselben flächenständige nur wenige — bei Drosera rotundifolia zu- weilen nach Nitzschkes Angabe auch gar keine — haben. Es liegt auf der Hand, dass die Lage der randständigen Drüsen auf der Ober- seite des Stieles geeignet ist, die Wirkung der Drüse auf ein Insekt, welches sich auf der Blattoberseite niederlässt, in höherem Masse zu sichern, als dies bei der gewöhnlichen Stellung der Fall wäre. Die ungestielten Drüsen von Drosophyllum, welche, wie wir sahen, in ihrem Baue mit den Tentakeln ganz übereinstimmen, liefern uns nun zugleich den Übergang zu den Drüsen solcher Droseraceen, welche Tentakeln nicht besitzen. Es hat sich nämlich herausgestellt dass alle Droseraceen gleichgebaute Drüsen besitzen, und dass die Ten- takeln nur einen Spezialfall darstellen. Betrachten wir z. B. den Durchschnitt durch eine „Digestionsdrüse", wie sie auf der Oberseite des Blattes von Dionaea in grosser Menge vorkommen, so sehen wir ohne weiteres eine Übereinstimmung mit den Drüsen von Drosophyl- lum (vgl. die Dionaea-Drüse Taf. XXIII, Fig. 5). Es ist nur die Zahl der Zellen der Mittelschicht hier auf zwei reduziert (nur eine ist in der Figur sichthar). Die secerniorende Schicht hat ganz denselben Bau, und namentlich finden wir auch hier die starke Cutikularisie- rung sowohl der Aussenwände der Mittelschicht m, als der (hier nur in Einzahl vorhandenen) Längswände, eine Erscheinung, welche damit zusammenhängen dürfte, dass Wasser vom Blattgewebe nur nach der Sekretionsfläche hin hindurchtreten soll. Der Zuleitungsstrang von Tracheiden und die Verbindung mit dem Gefässbündelnetz des Blattes fehlt hier, entsprechend der Thatsache, dass die Dionaea-Drüsen keine fortdauernd secernierenden sind, wie die Tentakel-Drüsen von Dro- sera. Auch die auf dem Blatte voia Aldrovandia (vgl. das Habitusbild — 60 — Taf. XXIII, Fig. 7 und die uuteu folgende Schilderung) befindlichen Drüsen (Taf. XXIII, Fig. 6) haben denselben Bau. Übrigens besitzen auch die mit Tentakeln ausgestatteten Droseraceen vielfach ausserdem noch Drüsen einfacherer Gestaltung, die aber gleichfalls den für die Familie charakteristischen Bau zeigen. Eine solche zeigt z. B. Fig. 1 auf Taf. XXIII. Es ist klar, dass diese Drüse mit dem Bau der- jenigen von Dionaea übereinstimmt; zwar ist die Zahl der Zellen des Drüsenkopfes eine kleine, indes variiert dieselbe beträchtlich und manche Drüsen zeigen auch in der Zellenzahl eine Annäherung von Dionaea. Derartige Drüsen finden sich bei Drosera binata*) auf der Ober- und Unterseite des Blattes; die Tentakeln stehen wie bei den meisten Droseraceen nur auf der Oberseite; bei Drosophyllum dagegen stehen die gestielten sowohl als die ungestielten Drüsen auf der Blattunterseite. Ungestielte findet man nicht selten auch auf der Oberseite, gestielte nur ganz ausnahmsweise. Fassen wir das Gesagte zusammen, so finden wir bei allen unter- suchten Droseraceen Drüsen von charakteristischem Bau, die wir bei einer hypothetischen Stammform als auf beiden Seiten des Blattes sitzend annehmen. Von hier aus fand eine Weiterentwicklung in der Weise statt, dass die Drüsen mit dem Gefässbündelsystem des Blattes in Verbindung gebracht und einzelne auf einer Wucherung des Blatt- gewebes emporgehoben wurden, wodurch die „Tentakeln" entstanden. Meist traf dies die Drüsen der Blattober-, bei Drosophyllum diejenigen der Blattunterseite. Eine sekundäre Veränderung ist es, welche wir an den Randdrüsen mancher Arten antreffen, indem die Drüse auf die Oberseite des Tentakelstieles verschoben wird. Sonst unterscheiden sich die Randdrüsen von den mehr gegen die Mitte des Blattes hin stehenden, durch ihre grösseren Stiele und ihre (sehr auffallend z. B. bei Drosera binata) reichere Sekretion. Auf die Bedeutung derselben wird später zurückzukommen sein, speziell auf die Rollo derselben bei der „Verdauung". Hier ist nur noch hervorzuheben, dass die Drüsen der Tentakeln auch bei der Anlockung der Insekten offenbar eine Rollo spielen: die glitzernden Tropfen, mit denen das Blatt bedeckt ist, und die rote Farbe der Tentakeln müssen dasselbe für die Insekten auffallend machen. *) Auch bei anderen Drosera- Arten kommen ähnliche Drüsen vor, z. B. bei Dr. spathulata, gelegentlich erhalten diese Drüsen auch einen kleinen Stiel, wodurch schon eine Annäherung an die Tentakelbildung gegeben ist. — 61 — Bezüglich des Festhalteiis der Tiere, welclie auf einem Blatte sich niedergelassen haben, sind bei den mit Tentakeln versehenen Droseraceen zwei Fälle zu unterscheiden: solche Blätter, welche ver- möge der zahlreichen klebrigen Sekrettropfen einfach wie Leimstangen, wie sie in Bauernhäusern zum Fliegenfangen nicht selten verwendet werden, wirken, so diejenigen von Drosophyllum, und solche, bei denen ausserdem noch Reizbewegungen eintreten; bei den nicht mit Tentakeln versehenen Droseraceen, Dionaea und Aldrovandia kommen nur die Reizbewegungen in Betracht. Bei den tentakeltragenden Blättern führen entweder nur die Tentakeln Reizbewegungen aus, oder ausserdem auch die Blattfläche. So zeigt z. B. Fig. 5 a und 5 b auf Taf XVII ein Blatt von Drosera longifolia in verschiedener An- sicht, welches eine grosse Fliege gefangen hat. Dabei haben sich nicht nur die Tentakeln über die Fliege her gebogen, sondern die ganze Blattfläche hat sich über die Fliege her gekrümmt, so dass fast alle Tentakeln der ganzen Blattoberfläche mit dem lusektenkörper in Berührung kommen. Auf die Tentakelbeweguugen soll unten bei Besprechung der Verdauungserscheinungen zurückgekommen werden. Hier sei nur noch darauf aufmerksam gemacht, dass die Tentakeln vielfach so orientiert sind (z. B. bei Drosera lunulata Taf, XVII, Fig. 7 a und 7 b) , dass auch ein auf die Unterseite des Blattes an- fliegendes Insekt mit den Randtentakeln in Berührung kommen wird. Ist dies aber der Fall, so bleibt ein kleines Insekt an der Drüse kleben und wird durch die Krümmung des Tentakelstieles auf die Blattoberseite gebracht. Die Blattform der Drosera -Arten ist bei den einzelnen Arten eine ziemlich verschiedene. Die meisten haben ungeteilte Blätter, die bei Dr.filiformis, graminifolia u.a. lang linear und ohne deutlich abgegrenzten Blattstiel sind, bei anderen ist ein Blattstiel dagegen entwickelt und es tritt dies am schärfsten hervor bei denjenigen Formen, welche schildförmige Blätter haben, wie z. B. Dr. peltata, lunulata u. a. (Taf. XVII, 7a u. 7b). Ich habe früher darauf hingewiesen*), dass schildförmige Blätter überall als abgeleitete, nachträglich entstandene Blattform zu betrachten sind, und dies spricht sich auch darin aus, dass die Keimpflanzen von Dr. peltata, welche ich bei Nuwara Eliya in Ceylon sammelte, nicht schildförmige Blätter besitzen, sondern *) In der .,Vprg]. Entwicklungsgeschichte dei* Pflanzenorgane". Schenks Handbnch. III. 1. — 62 — solche von gewöhnliclier Form, ganz ähnlich denjenigen unserer Dr. rotundifoiia. Die in Fig. 2 auf Taf, XVII abgebildete Keimpflanze von Drosera peltata zeigt Primärblätter, welche alle noch die gewöhn- liche, nicht schildförmige Gestalt haben. Bei einigen Arten (Dr. binata) findet sich eine gabelige Verzweigung der Blattspreite, und solche Blätter, welche eine beträchtliche Länge erreichen, zeigen, wie schon erwähnt, ein Spitzenwachstum und demgemäss eine schneckenförmige Einrolluug der Blattspreite. Alle Drosera-Arten sind bezüglich ihres Vorkommens an „feuchte" Standorte gebunden, und demgemäss kommen unsere einheimischen Sonnentauarten meist in Sphagnum eingebettet vor. Dass es sich dabei aber viel weniger um Bodenfeuchtigkeit als um Luftfeuchtigkeit handelt, zeigt die Thatsache, dass Drosera in der Nähe der See auch im Dünensand wächst, während die verhältnismäsig kurzen Wurzeln derselben offenbar nicht im stände sind, zu den tieferen, feuchten Sandschichten zu gelangen; es ist hier dasselbe Verhältnis, auf welches ich bezüglich mancher Farne, z. B. des Polypod. vulgare schon früher (I. Teil, pag. 151) hinwies, und das auch für Drosophyllum gelten dürfte (s. u.). So auch dürfte es zu verstehen sein, dass Dros. graminifolia gefunden wurde „dans un endroit tres-sec tout ä fait ä la cime de la montagne,"*) denn es ist ja bekannt, dass in den Bergregionen der Tropen die Luftfeuchtigkeit meist ei,ne sehr beträchtliche ist. Auch Dr. peltata fand ich in der feuchten Bergregion Ceylons an Stand- orten, wo ihnen eine beträchtliche Bodenfeuchtigkeit wohl nicht zu Gebote stehen konnte. Bei den meisten Drosera-Arten sind die Stengelinternodien sehr kurz, so dass die Blätter eine Rosette bilden, während sie bei andern, z. B. Dr. peltata, auch zerstreut stehen. Es beruht dies auf einer bei den einzelnen Arten nicht übereinstimmenden Beeinflussung des Längenwachstums der Internodien durch äussere Faktoren. Man kann sich leicht davon überzeugen, dass der Rosettenwuchs auf einer Hemmung des Längenwachstums durch äussere Faktoren beruht, denn wenn Drosera rotundifoiia in dichtem Grase oder von Sphagnum überwuchert wächst, so sind die Blätter durch entwickelte Stengel- internodien auseinander gerückt, und dasselbe gilt für die Keim- pflanzen: wenn die Samen in Sphagnum eingebettet sind, so werden gestreckte Internodien gebildet, bis die Oberfläche des Sphagnum- ^) A. de St. Hilaire. voyage etc. Rio, I, pag. 224. — 63 — polsters erreicht ist. Es ist offenbar hauptsächlich das Licht, welches diese Wachstumshemmiing bewirkt, die in ganz ähnlicher Weise unten für Pinguicula anzuführen sein wird. Die Fortpflanzung von Drosera geschieht zunächst durch Samen, welcher in reicher Zahl gebildet zu werden pflegt. Die Blätter der Keimpflanzen weichen von den Folgeblättern nur dadurch ab, dass sie beinahe nur randständige Tentakeln besitzen. Indes habe ich Blätter, die nur solche besassen (wie Nitzschke sie beschreibt und abbildet) nicht angetroffen, auch bei Drosera rotundifolia waren mindestens zwei flächenständige Tentakeln auf den Primärblättern vorhanden; Nitzschkes Ansicht, dass die Tentakeln ursprünglich um- gewandelte Blattstrahlen*) seien, und als solche noch an den Keim- pflanzen erscheinen, ist nach dem oben mitgeteilten irrig. Ausser durch Samen vermehren sich unsere Drosera- Arten nament- lich auch noch durch Adventivsprosse, welche auf der Blattfläche entstehen, wenn ein abgetrenntes Blatt in feuchtes Moos eingebettet wird. Auch können die einzelnen Pflanzen jahrelang fortleben, man findet im Herbst die Endknospe (welche durch den Blütenstand zur Seite gedrängt wird) aussen umgeben von dem Büschel abgestorbener Blätter, und zusammengesetzt aus Blättern, deren Spreite nach unten gekrümmt und so geschützt ist; die Tentakeln sind in der Knospen- lage nach innen, über die Blattfläche hergebogen, wie dies auch bei dem unentfalteten Blatte der in Fig. 2, Taf. XVII abgebildeten Pflanze (oben rechts) der Fall ist. So stirbt also Drosera, wie viele andere Pflanzen, am hinteren Ende ab, während sie am vorderen weiter wächst. Einige ausländische Arten besitzen unterirdische Knollen, die als Reservestoftbehälter und Ruheknospen dienen, während die ober- irdischen Teile in der Ruheperiode verschwinden. Da über die Bil- dung dieser Knollen nichts bekannt ist, so wird es nicht ohne Inter- esse sein, wenn einige Beobachtungen über diejenigen von Dr. peltata hier mitgeteilt werden. Die im Oktober 1885 gesammelten Pflanzen zeigten nur wenige und kleine Wurzeln, dagegen an der Basis des Stämmchens eine Knolle, grösser als eine Gartenerbse. Bei genauerer *) Es würde dann ein ähnlicher Fall vorliegen, wie bei einer „Varietät" von Hex Aquifolium. Bekanntlich besitzen die Blätter dieser Pflanze rand- ständige Stacheln. Bei der als var. ferox bekannten Form treten dieselben auch auf der Blatt fläche auf. — 64 — Betrachtung sieht man noch Reste einer zweiten, mehr oder minder ausgesogenen Knolle (vergl. Fig .3 auf Taf. XVII links), so dass diese (mit Stärke vollgepfropften) Reservestoffbehälter sich ähnlich ver- halten wie die Knolle unserer einheimischen Erdorchideen, die be- kanntlich auch in der einen Vegetationsperiode gebildet und in der nächsten von dem aus ihr sich entwickelnden Spross ausgesogen werden. Die Droseraknollen sind aber keine Wurzel- sondern Spross- knollen, wie die Kartoffeln. Dies ergiebt sich aus dem Vorhanden- sein von Niederblättern an denselben, solche umhüllen die nach oben gekehrte Endknospe der neuen Knolle (Ni n Fig. 3, Taf. XXVII) und finden sich einzeln auch auf der Fläche der Knolle (Ni a der alten Knolle). Die Knolle ist eben nichts anderes, als — ebenso wie eine Kartoffel — die angeschwollene Spitze eines in den Boden eingedrungenen Ausläufers, dessen Ende scharf nach oben gekrümmt ist. Aus ihm entwickelt sich ein neuer Spross, der zunächst Nieder- blätter, dann Laubblätter hervorbringt. In der Achsel eines der untersten Niederblätter (D. Fig. 4, Taf. XVII) entsteht dann ein neuer knollenbildender Ausläufer. Dass Ausläufer (die auch hier offenbar am Ende zu einer kleinen Knolle anschwellen) frühe schon an der Keimpflanze entstehen, zeigt Fig. 2 auf Taf. XVII, hier hat sich in der Achsel des zweiten Laubblattes ein Ausläufer entwickelt, der in den Boden eingedrungen ist und einige Niederblätter ge- bildet hat. Prinzipiell ist diese Art, die Ruheperiode durchzumachen, von der für unsere einheimischen Drosera- Arten geschilderten nicht ver- schieden. In beiden Fällen stirbt am Ende der Vegetationsperiode die Pflanze ab mit Ausnahme einer Knospe, die nur bei Dr. peltata (und den analog sich verhaltenden Arten) unter die Erde zurückge- zogen wird, was mit der stärkeren Austrocknung des Standortes zusammenhängen dürfte; darauf deutet auch hin, dass die Knol- lenbildung namentlich bei australischen Drosera- Arten (Dr. gigan- tea, erythrorhiza, stolouifera, macrophylla etc. verbreitet zu sein scheint; welche Bewandtnis es mit dem merkwürdigen roten Farbstoff hat, der von den drei erstgenannten Arten angegeben wird*), werden spätere Untersuchungen festzustellen haben. *) Vgl. Ilooker, Icones i^lanterum, vol. IV, bei Dr. stolouifera. Es wird dort vermutet, dass Droserakuollen es seieu, vou denen Dr. Milligau erzählt: „they may be considered tbe bread of tbe uatives who live uear the coast". — 65 — Drosophyllum liisitanicum ist bezüglich seines Vorkommens auf einen verhältnismässig kleinen Bezirk der iberischen Halbinsel beschränkt,*) als dessen Grenzen der 35. und 40. Grad nördlicher Breite und der 9. und 16. Grad östlicher Länge von Ferro ange- geben werden. Es kommt dort auf trockenen, steinigen Hügeln, Heiden, im Dünensand etc. vor, in Gesellschaft von Ulex, Cistus, La- vandula und anderen Pflanzen. Dem entspricht, dass die Wurzeln gegen andauernde Durchnässung des Bodens sehr empfindlich sind und leicht faulen, ein Umstand, welcher bei der Kultur sehr zu be- rücksichtigen ist, geschieht dies, so gedeiht die Pflanze sehr üppig, wie dies z. B. bei den im Marburger Garten gezogenen Pflanzen der Fall ist, welche auch reichlich blühen und fruchten. Drosophyllum ist ein niedriger Halbstrauch mit langen, linealen Blättern (Fig. 1, Taf. XVH), deren Drüsen oben schon beschrieben wurden. Dass dieselben ausgiebig Insekten fangen, geht schon daraus hervor, dass — wie erzählt wird — die Bauern in der Umgegend Oportos die Pflanzen büschelweise in den Wohnungen als „Leimstangen" für die Fliegen aufhängen. Auch bei kultivierten Pflanzen findet ein ausgiebiger Fhegenfang statt. Als Beleg dafür diene die folgende Beobachtung über die Zahl der Insekten (teils frisch gefangene, teils in Resten erkennbare), welche eine kleine, ein Jahr alte Pflanze, welche in einem Glashause stand, dessen Thüren geöffnet waren, am 25. Juli gefangen hatte. 1. Blatt**) (noch unentfaltet) 1 Bremse 104 Fl iegen 2. „ 19 Fliegen 10. Blatt (noch nicht ganz 3. „ (Spitze verletzt) 23 entfaltet) 2 4. „ (alt, abgestoriien) 2 „ IL 22 5. .. 5 „ 12. (an der Spitze tot) 11 (Einer grossen Schmeissfliege 13. 14 gelang es loszukommen.) 14. 17 6. „ W 15. 11 7. „ (alt, teilweise 16. 13 abgestorben) 9 ., 17. 10 8. ., 17 „ 18. 22 9. .. 12 „ 19. - 7 104 Fliegen 233 Fliegen. wobei die ganz kleinen, mit blossem A uge nicht eicht sichtbaren Fliegen noch nicht mitgezählt sind. *) Darwin giebt (a. a. 0. pag. 300) auf die Autorität von Hooker hin an, dass Drosophyllum auch in Marokko vorkomme. Wenn ebendort gesagt wird, die Wurzeln seien sehr klein, so ist das für gesunde Pflanzen nicht richtig. Diese besitzen vielmehr ein wohlentwickeltes Wurzelsystem, von einer „Pfahlwurzel" ausgehend. **) Die Reihenfolge der Blätter entspricht nicht der Altersfolge, sondern ist eine beliebige. Goebel, pflanzenbiol. Schilderungen. Tl. 5 — 66 — Bei einer grösseren Pflanze mit zahlreicheren Blättern ist die Zahl der gefangenen Insekten — vor allem Fliegen — natürlich noch eine bedeutend grössere, und sie muss demnach im Verlaufe einer Vegetationsperiode eine sehr beträchtliche sein; wir können selbst für das verhältnismässig kleine obenerwähnte Exemplar wohl ohne Übertreibung annehmen, dass es in einer Vegetationsperiode etwa tausend Fliegen fängt und ihre zersetzte Körpersubstanz aufnimmt (darüber s. unten). Es ist klar, dass eine Ursache vorhanden sein muss, welche die Fliegen veranlasst, sich auf der klebrigen Blattfläche niederzulassen. Wie bei Drosera kommt hier zunächst in Betracht das Vorhandensein der zahlreichen, grossen, glitzernden Tropfen auf den gestielten Drüsen, die rote Farbe der Drüsenköpfe, die hier aber viel weniger auffallend als bei Drosera hervortritt, und — der merk- würdigerweise, wie es scheint, bisher nicht bemerkte — honigartige Geruch, welchen die Blätter besitzen. Ich konnte denselben bei den Pflanzen des Marburger Gartens sehr deutlich wahrnehmen, und schreibe ihm bei der Anlockung der Fliegen eine besondere "Wichtig- keit zu. Ist eine Fliege mit den klebrigen Drüsen der Blattunter- seite in Berührung gekommen, so ist sie gewöhnlich verloren. Sie verwickelt sich mit ihren Beinen und namentlich auch ihren Flügeln mit den zähen Schleimfäden, zu denen das Drüsensekret ausgezogen wird, und bei dem Versuch weiterzukommen, trifft das Tier stets nur auf neue Drüsen, deren klebrige Fäden es umstricken. Der Widerstand erlahmt auch bald, eine Bremse z. B. schien nach drei Minuten energischen Kampfes ganz betäubt, und war scheinbar tot, lebte aber noch nach einer Stunde (ob noch länger, wurde nicht untersucht, wenn ich mich recht erinnere, konnte in einem anderen Falle eine schon 24 Stunden angeklebte Fliege wieder zum Leben gebracht werden), wahrscheinlich erfolgt der Tod durch Ersticken, indem die Öffnungen der Tracheen etc. verklebt werden. Die un- gestielten Drüsen scheiden im „ungereizten" Zustand keine klebrige Flüssigkeit aus, oder doch jedenfalls nur in so unbedeutender Menge, dass sie beim Festhalten der Insekten nicht beteiligt sein können. Dionaea muscipula ist eine in Lehr- und Handbüchern so vielfach beschriebene Pflanze, dass eine kurze Schilderung derselben hier genügt. Die Pflanze ist auf einen verhältnismässig kleinen Wohnort beschränkt; sie findet sich an feuchten Stellen (pine-barrens, feuchten Savannen) in Nord- und Süd-Karolina, namentlich aber in besonderer Menge in der Umgebung der Stadt Wilmington. Auf — 67 — einem kurzen Rliizom erhebt sich eine Blattrosette. Die Blätter sind an kräftigen, gesunden Exemplaren flach ausgebreitet und mit einem „geflügelten" Blattstiel versehen. Es ist dies eine Erscheinung, die in anderer Gestalt auch bei anderen Insektivoren wiederkehrt, die That- sache nämlich, dass an dem Blatte eine Vergrösserung der assimilieren- den Fläche auftritt, welche auf verschiedene Weise zu stände kommen kann. So bei Sarracenia durch den vertikalen Flügel des Schlauch- blattes, bei Nepenthes durch die starke Entwicklung des Blattgrundes, während sie bei solchen Insektivoren, die ausserdem noch normal ge- staltete Blätter haben, wie Cephalotus, Genlisea, Utricularia sich nicht findet. Es ist, als sollte für den der normalen Blattfunktion ent- zogenen Teil des Blattes Ersatz geschaffen werden durch anderweitige Entwicklung einer Blattfläche. Schon die ersten Blätter der Dionaea-Keimpflanzen*) haben die für die späteren charakteristische Gestalt, nur sind sie natürlich viel kleiner. Auf den geflügelten Teil des Blattstiels folgt ein kurzes un- geflügeltes Stück, welchem die Lamina aufsitzt. Anschaulich, wenn- gleich nicht ganz zutreffend, hat schon Curtis die Form derselben zwei an ihren Anheftungsstellen zusammengefügten Augenlidern ver- glichen. Unrichtig ist dies Bild insofern, als nicht der ganze freie Rand jeder Blatthälfte mit den — den Augenwimpern verglichenen — steifen Bandborsten besetzt ist, jede Blatthälfte ist vielmehr oben und unten abgestutzt, und hat so etwa die Gestalt eines Trapezes, dessen freie gebogene Aussenseite mit langen Borsten besetzt ist, die man teil- weise als den Tentakeln von Drosera homolog hat betrachten wollen. Aus der oben gegebenen Darlegung geht aber hervor, dass sie das nicht sind, und dass die Tentakeln überhaupt aus zwei, scharf von einander zu unterscheidenden Teilen bestehen, deren einer wichtigster, die Drüse, den Randborsten der Dionaea ganz fehlt. Die beiden Blatthälften sind nicht flach ausgebreitet, sondern stehen unter einem spitzen Winkel von einander ab. Jede Blatthälfte zeigt schon dem blossen Auge zwei Zonen, eine schmale grüne Rand- zone, und eine mit rötlich gefärbten Punkten dicht besetzte. Letztere sind die „Digestionsdrüsen", deren Bau oben geschildert wurde. Sie *) Dieselben (aus selbstgezogenem Samen hervorgegangen) standen mir nur in geringer Zahl zu Gebot. 5* — 68 — sondern in ungereiztem Zustande kein Sekret ab, und finden sich in sehr grosser Zahl auf der Blattoberseite; auch, wenngleich nicht so häufig, in der grün bleibenden Randzone, wo sie aber bei den zahl- reichen, von mir beobachteten kultivierten Exemplaren nie eine rote Färbung annahmen. Letztere unterbleibt bei kümmerlichen*) und zu schwach beleuchteten Pflanzen auch im übrigen Teil des Blattes. Auf der Blattunterseite, dem Blattstiel etc., finden sich „Sternhaare", welche wahrscheinlich nur als schützender Überzug für die jugend- lichen Blattteile dienen (die Blattoberseite bedarf eines solchen Schutzes nicht, da die beiden Blattbälften in der Knospenlage dicht aneinander liegen), Sie sind hier deshalb zu erwähnen, weil auch sie nach dem oben erörterten Schema für die Droseraceen-Drüsenhaare gebaut sind, nur dass die oberste Zellschicht hier sternförmig aus- gewachsen ist. Ausserdem befinden sich auf jeder der zwei Blatthälften die berühmten drei Borsten (selten finden sich andere Zahlenverhält- nisse), welche so angeordnet sind, dass sie ein Dreieck bilden, dessen Basis annähernd dem Blattrande gleichgerichtet verläuft. Bekannt- lich genügt eine leichte Berührung einer der drei Borsten, um die beiden Blatthälften zusammenklappen zu lassen, wobei die Rand- borsten wie die Finger zweier gefalteten Hände ineinander greifen. Es ist aber durchaus unrichtig, wenn vielfach behauptet wird, in diesen Randborsten sei der Sitz der Reizbarkeit des Dionaeablattes lokalisiert. Es genügt eine nicht sehr starke Reibung eines festen Gegenstandes auf die Blattoberseite oder Blattunterseite, um ein mo- mentanes Zusammenklappen der Blatthälften herbeizuführen, ebenso findet ein solches statt, wenn ein Schnitt in das Blatt gemacht oder dasselbe in Alkohol gesetzt wird. Auf die Einwirkung chemischer Substanzen kommen wir unten zurück, ebenso auf die nach dem Schliessen des Blattes erfolgenden Veränderungen. In der Natur dürfte der Vorgang allerdings der sein, dass Insekten, welche teils zufällig, teils durch die lebhafte Färbung der Blattoberseite angelockt, auf dieselbe sich begeben, an eine der sechs Borsten stossen, die so orientiert sind, dass ein über das Blatt gehendes Tier sie notwendig berühren muss, und dadurch die Reizbewegung auslösen. Besonders bemerkenswert ist, dass die sechs flächenständigen Borsten nahe ihrer *) Einem solchen Kümmerling muss die von Drude wiedergegebene Ab- bildung (a. a. 0., Fig. 4 auf pag. 129) entnommen sein. 69 — Basis ein Gelenk besitzen, das ihnen gestattet, sich nach Schliessung des Blattes umzulegen, was um so notwendiger ist, als wenn z. B. ein kleines Tier gefangen ist, eine Annäherung der geschlossenen Blatthälften nach einiger Zeit erfolgt, so dass die Borsten, wenn sie das Gelenk nicht besässen, abbrechen oder einknicken würden. Der Bau dieses Gelenkes ist in den mir bekannten Abhandlungen über die Anatomie von Dionaea so durchaus ungenügend beschrieben, dass es nicht überflüssig sein wird, an der Hand der Fig. 12 schon jetzt auf denselben aufmerksam zu machen, im physiologischen Teile wird darauf zurückzukommen sein. Die Borsten bestehen aus zwei Teilen, einem oberen und einem unteren. Ersterer, der bedeutend länger ist und zuweilen zwei Spitzen zeigt, besteht der Hauptsache nach aus langgestreckten, dickwandigen Zellen; ein Gefässbündel tritt in die Borste überhaupt nicht ein. Nach unten hin verbreitert sich dieser obere Teil der Borste, so dass der untere, viel kleinere Teil als Einschnürung erscheint. Beide Teile sind voneinander getrennt durch eine bis zwei Lagen tafelförmiger Zellen mit verkorkten Wänden. Einen eigen- tümlichen Bau weist das Gelenk auf. Hier befindet sich eine starke Einschnürung, gebildet durch eine Einfaltung der Zellenwand grosser äusserer Zellen. Die Wand dieser Zellen ist auffallend stark verdickt, während sie an der Falte dünner wird. Bei einer Biegung des Haares wird auf der konvexen Seite die Falte offenbar ausgezogen, während auf der konkaven die Ränder derselben einander berühren werden. Innen finden sich einige schmale Zellen mit verkorkten Längswänden, in einem Falle sah ich dort auch zwei Tracheiden. Dass diese Struktur mit der Reizbarkeit des Blattes in Beziehung steht, ist wahrschein- lich. Es wird daher im physiologischen Teile auf dieselbe zurückzu- kommen sein, hier genügt eine kurze Hervorhebung der gröberen Strukturverhältnisse. Die einzige Wasserpflanze unter allen Droseraceen istAldrovan- dia vesiculosa; entsprechend ihrer Lebensweise zeigt die Pflanze auch charakteristische Abweichungen von den Gestaltungsverhältnissen Fig. 12. Längsdurchschuitt durch die Gelenkstelle einer Blattborste von Dionaea muscipida. — 70 — der Landpflanzon, vor allem ist sie wurzellos wie Utricularia. Der Embryo von Aldrovandia soll allerdings eine bei der Keimung nur wenig sich weiter entwickelnde Wurzelanlage besitzen, indes ist aus den Angaben von Korzchinski*) nicht zu ersehen, wie diese Wurzel gebaut ist, ob sie eine Wurzelhaubo besitzt u. s. w. Jedenfalls dürfte die „Wurzel" hauptsächlich aus dem hypokotylen Gliede bestehen und biologisch keine Rolle spielen. Aldrovandia kommt vor an einigen Stellen in Europa, z. B. in der Bodenseegegend, Tirol, Schlesien, Oberitalien, Siidfrankreich, Stellen, an die sie wahrscheinlich aus Ostindien verschleppt ist. Die in Wirtel gestellten Blätter erreichen eine Länge von 7 — 11 mm und sind denen von Dionaea muscipula sehr ähnlich gebaut. Sie bestehen aus einem unteren Teil, den wir als den Blattstiel bezeichnen wollen, der aber flach und an seinem oberen Ende mit einigen borsten- förmigen Anhängen versehen ist, und aus der Blattspreite. Letztere trifft man bei uns meist in zusammengefaltetem Zustande an, wodurch dann die blasenähnliche Gestalt entsteht, welche der Pflanze ihren Namen gegeben hat. Li der That schliesst das zusammengefaltete Blatt eine Höhlung ein, welche durch die nach aussen gewölbte Blatt- fläche gebildet wird, indes wird dazu nur ein Teil der Blattfläche, etwa die Hälfte derselben, verwendet (die in Fig. 7 auf Taf. XXIII). etwas dunkler gehaltene mittlere Partie), der übrige Teil des Blattes bildet, indem die beiden Hälften sich flach aufeinanderlegen, den Ver- schluss (vgl. den Querschnitt Fig. 8, Taf. XXIII). Dieser ist dadurch ver- stärkt, dass die Blattränder nach innen gebogen sind und am Rande einzellige, nach innen gerichtete Borstenhaare tragen, ein Tier, wel- ches sich etwa bis zum Rande der geschlossenen „Blase" durchge- arbeitet hätte, müsste also erst die eingeschlagenen Blattränder und die Haare nach aussen biegen. Die Blattfläche ist, wie zuerst Auge de Lassus**), dann Stein gefunden haben, für Berührung reizbar. Stein fand, dass bei hoher Temperatur (27 — 30*^) die Blätter nicht längs des Mittelnerven zusammengefaltet, sondern geöfi"nct, aber nicht vollständig ausgebreitet***), sind, das Zusammenklappen der Blattfläche *) Korzchinski, Über die Samen von Aldrovandia, Bot. Centralblatt XXVII. Bd., pag. 334. **) Vgl. Anm. auf S. 58. ***) Das in der Fig. 7, Taf. XXIII gezeichnete Blatt ist künstlich flach ausgebreitet. — 71 - erfolgt, wenn die Blattinnenfläclic berührt wird. Aus der Nähe des Bodensees stammende Exemplare fand ich schon im Wasser von 15 "^ C. sehr gut reizbar. Was zunächst die Morphologie des Blattes anbelangt, so erscheint es ziemlich belanglos, ob man dasselbe als ein einfaches oder ein gefiedertes bezeichnen will, da zwischen Blattfiedern (was in diesem Falle die Borsten wären) und anderen seitlichen Ausgliederungen der Laubblätter eine Grenze sich überhaupt nicht ziehen lässt; die bei der Keimung zuerst auftretenden Primärblätter scheinen einfach borstenförmig zu sein, ob zwischen ihnen und den gewöhnlichen Blättern sich Übergänge finden, ist nicht bekannt. Interessant ist, dass an dem Tragblatte der Blüte, sowie einigen benachbarten Blät- tern desselben Blattquirls, und einigen des nächst darunter stehenden Quirls auf der Seite des Stammes, auf welchem die Blüte steht, die Blattspreite verkümmert, der Blattstiel dagegen eine grössere Anzahl seitlicher Borsten (6 — 8) entwickelt. Offenbar liegt hier eine Kor- relationserscheinung vor, welche aber im einzelneu noch genauerer Untersuchung bedarf. Von der Lebensweise der Pflanze sei angeführt, dass sie horizon- tal im Wasser schwimmt, dicht unter der Wasserfläche. Am hinteren Ende stirbt die Pflanze ab, die abgestorbenen Teile lösen sich los und sinken unter. Wie andere Wasserpflanzen überwintert auch Aldrovandia dadurch, dass die Eudknospen der Sprosse im Herbst in einen Ruhezustand übergehen. Seybold*) giebt an, dass die etwa erbsengrossen Winterknospen zu Boden sinken, noch im April lagen sie auf dem Grunde, später steigen sie (offenbar infolge der Bildung lufthaltiger Litercellularräume) wieder an den Wasserspiegel. Indes scheint diese Bildung keine allgemeine zu sein, und unterbleibt an wärmeren Standorten wahrscheinlich ganz, eine Thatsache, die des- halb Beachtung verdient, weil sie uns ein Beispiel von einem direkt durch äussere Einflüsse eintretenden Ruhezustand einer höheren Pflanze darbieten würde. Der eben angeführte Beobachter giebt von einem anderen Standorte (einem Sumpfe bei Salurn) an: „Bemerkens- wert war hier der Umstand, dass nur wenige Exemplare sich im Winter auf die oben beschriebenen kleinen Knospen verkürzt zu haben scheinen, sondern die grosse Mehrzahl hatte ( — Anfang Mai — ) obwohl, mit Ausnahme des obersten grünen Endes, am unteren Ende >■■) Flora 1852, pag. 403. — 72 — vergelbt und sich zersetzend, die ganze Grösse ihrer sommerlichen Gestalt. Die kugeligen Knospen traf ich ausserhalb des, wie es scheint, vor Unbill des Winters schützenden Phragmites und auch spärlich in kleineren mit Hydrocharis, Ceratophyllum und anderen Wasserpflanzen gefüllten Gräben." Ob darnach etwa ein Einfluss des Lichtes, der Wärme oder anderer äusserer Faktoren vorliegt, muss durch weitere Untersuchungen festgestellt werden. Kultivierte Pflan- zen eignen sich dazu nicht, da dieselben vielfach nicht kräftig ge- deihen. Von den anatomischen Thatsachen kommen hier nur die mit der Blattfuuktion im Zusammenhang stehenden in Betracht. Das Blatt ist sehr einfach gebaut, Gefässe sind in dem reduzierten Leitbündel überhaupt nicht vorhanden, und die Blattfläche besteht in ihrem dickeren, die „Blase" bildenden Teile nur aus drei Zellschichten. An diesem Teile finden sich zweierlei Haare: einmal solche, welche in ihrem Baue ganz den „Digestionsdrüsen von Dionaea entsprechen (Fig. 6, Taf. XXIII) und einer weiteren Schilderung hier nicht bedürfen, und ferner lang borstenförmige. Diese stimmen mit den Borsten auf der Blattfläche von Dionaea überein, abgesehen von ihrem zarteren Bau. Vor allem besitzen auch sie ein „Gelenk", welches aber viel einfacher gebaut ist, als bei Dionaea, d. h. statt der langgestreckten Zellen findet sich an einer Stelle eine Anzahl viel kürzerer und vor allem viel dünnwandigerer Zellen vor. Ausserdem finden sich auf der dünneren Stelle der Blattober- seite noch vierarmige, sonst den Digestionsdrüsen analog . gebaute Haare vor, von denen wohl anzunehmen ist, dass sie Schleim ab- sondern, und so ähnlich wie die Schleimhaare von Utricularia kleine Tiere zum Betreten der Blattfläche veranlassen (s. unten), ebenfalls Schleimhaare scheinen mir die zweiarmigen, auf der Aussenseite der Blätter, am Stamme, und auf der Blattoberseite nahe dem Rande vorkommenden zweiarmigen Haare zu sein; auf die Bedeutung der Schleimbildung für Wasserpflanzen wird in dem diese behandelnden Kapitel zurückzukommen sein. So ist also Aldrovandia im wesent- lichen, was den Blattbau anbelangt, nichts als eine im Wasser lebende und dementsprechend vereinfachte Dionaea. 73 — B. Sarracenieen. Die Familie der Sarracenieen umfasst derzeit drei Gattungen, welche alle Amerika angehören. Davon ist die umfangreichste die Gattung Sarracenia selbst, von welcher in den systematischen Werken*) acht, im östlichen Amerika wachsende Arten beschrieben werden; sechs derselben konnte ich in lebenden Exemplaren beobachten. Darlingtonia, eine in den Bergen Kaliforniens wachsende Art, ist nur in einer Art bekannt, ebenso Heliamphora, die bis jetzt nur in dem pflanzengeographisch so interessanten Roraimagebirge von Schomburgk und Im Thurn gesammelt wurde. Da die Flora der zwischen Guiana und Brasilien liegenden Sandsteingebirge noch sehr wenig bekannt ist, so ist es wohl möglich, dass Heliamphora auch an anderen Orten noch gefunden werden wird. Alle Arten wachsen, soweit bekannt, an sumpfigen offenen Stand- orten mit reicher Bodenfeuchtigkeit und starker Besonnung. Sic be- sitzen ein kriechendes, dicht mit Blättern besetztes Rhizom, welches bei Darlingtonia und Heliamphora Ausläufer treibt; am Ende des Rhizoms stehen die Blätter rosettenartig zusammen. Die Blattbildung der sämtlichen Formen stimmt zunächst darin überein, dass, abgesehen von den Kotyledonen, sämtliche Blätter als Schlauchblätter ausgebildet sind, was hier deshalb betont sein mag, weil in der Litteratur sich Abbildungen und Angaben finden, nach denen es scheinen könnte, als ob es Sarracenien mit zweierlei Blatt- formen, etwa wie Cephalotus gebe. Allerdings nämlich besitzen manche Arten zweierlei Blätter, so Sarr. Drummondi, und in besonders auf- fallendem Masse Sarr. flava. Ausser grossen Schlauchblättern finden sich hier viel kleinere, scheinbar nur aus einer vertikal gestellten Blattfläche bestehende, also nicht mit einem Schlauche versehene. Sie traten (bei kultivierten Exemplaren) stets nach den Schläuchen auf. Erstere entstehen im ersten Frühjahr, die schlauchlosen Blätter fanden sich Anfang Juni ein. In Wirklichkeit sind die letzteren aber aus den Schlauchblättern dadurch hervorgegangen, dass der (auch hier angelegte) Schlauch verkümmerte. Man sieht nicht selten Übergangs- formen (vgl. Fig. 13), bei denen der Schlauch teilweise noch ent- wickelt ist, so dass hier also nur eine Um- resp. Hemmungsbildung der Schlauchblätter vorliegt. Diese Blätter sind aber keineswegs *) De CandoUe, Prodromus, vol. XVII, p. 4 ff. — 74 nutzlos, sie funktionieren als Assimilationsorgaue, deren Blattfläche dem sonnigen Stand- orte entsprecliend ver- tikal orientiert ist. Sie treten in regelmässi- gem Wechsel mit den normalen Schlauch- blättern auf. Bei anderen Sarraccnia- Arten ist diese Er- scheinung weniger aus- geprägt, doch findet sie sich, wenngleich weniger auffallend und regelmässig, auch bei S. psittacina und S. purpurea. Bei Sarr. flava und Drummondi ist die Schlauchanlage bei diesen Blättern oft nur mikroskopisch klein. Sie bleibt eben auf früherem oder späterem Stadium der Entwicklung stehen, während der unterhalb der Schlauchanlage vorhandene Teil des Blattes — der bei normalen, schlauch- tragenden Blättern nur wenig hervortritt — sich stark entwickelt. Es tritt *also bei diesen Blättern ein Entwick- lungsvorgang ein, eini- germassen ähnlich demjenigen, der bei der Bildung solcher Knospenschuppen stattfindet, bei denen die Blatt- Fig. 18. Sariacenia flava, stark verkleinert, rechts zwei Blätter, an denen die Kannenanlage verkümmert ist. B. G. M. phot. — 75 — sproitoiumlago verkümmert, während der Blattgrund sicli stark ent- wickelt*). Nur handelt es sich bei Sarracenia um assimilierende Laubblätter, bei denen zudem eine einigermassen scharfe Abgrenzung von Blattgrund und Blattspreite nicht stattfindet (vgl. die unten mit- zuteilende Entwicklungsgeschichte). Schon diese eigentümliche Hete- rophyllie aber hätte zeigen können, dass die seither übliche Be- zeichnung der Sarraceniakannen als ausgehöhlter Blattstiel und des „Deckels" derselben als Blattspreite eine irrige ist. Ein verkümmerter Blattstiel auf einem etwa 30 cm langen spreitenartigen, einem Iris- blatte gleichenden Gebilde wäre doch eine sonderbare Erscheinung! Dagegen ist die Bildung von verschiedenen Laubblattformen (von den Niederblättern ganz abgesehen) in verschiedenen Jahreszeiten im Pflanzenreich auch sonst nicht ohne Beispiel. Leucophyta Brownii. eine Composite vom Kap, besitzt dicht dem Stamme anliegende und hierdurch sowie durch einen weissen Haarfilz gegen Verdunstung ge- schützte Blätter. Die neuen Triebe dagegen, die im Vaterland wohl in der feuchten Jahreszeit sich entwickeln, besitzen viel grössere, ab- stehende Blätter. Ähnlich verhält sich Androsace sarmentosa, eine Alpenpflanze, die im Herbste sempervivumähnliche dichte Blattrosettcn bildet, im Frühjahr locker gestellte, viel grössere Blätter hervorbringt. Wie bei diesen Beispielen die Verschiedenheit der Blattformen in Beziehung steht zu der Verschiedenheit der äusseren Verhältnisse, denen die Pflanze im Verlaufe des Jahres ausgesetzt ist, so dürfte dies auch bei den genannten Sarracenien der Fall sein; es treten die schlauchlosen Blätter auf zu einer Zeit, die ausgezeichnet ist durch starke Besonnung und weniger Niederschläge, sie werden also aus- giebige Assimilationsorgane darstellen, während die vor ihnen ge- bildeten Schlauchblätter die Zersetzungsprodukte der gefangenen Tiere schon in hinreichender Menge aufgenommen haben. Form und Grösse der Schlauchblätter sind bei den einzelnen Arten verschieden. Die grössten Dimensionen (bis etwa 1 m) er- reichen wohl diejenigen von Darlingtonia californica. Aber nicht viel kleiner (etwa 75 cm hoch) werden die Schlauchblätter von Sarr. Drummondi, während diejenigen von Sarr. psittacina an den üppigsten, mir bekannten Exemplaren nur etwa 1 0 cm lang werden. Was die äusseren Gestaltungsverhältnisse anbelangt, so lassen sich dieselben *) Echte Niederblätter finden sich auch bei einigen Sarracenia-Arten. So bei S. flava, purpurea, Drummondi. Man erkennt leicht, dass dieselben Scheiden- teilen von Blättern entsprechen, deren' oberer Teil verkümmert ist. — 76 alle auf eine Grund- resp. Ausgangsform zurückführen, wenn man die erstentstandenen Schläuche, also diejenigen der Keimpflanzen mit einander vergleicht. Diese weichen bei einer Darlingtonia (Taf. XXII, Fig. 5) nicht wesentlich ab von denen einer Sarracenia, und sind auch bei der letzteren Gattung im wesentlichen übereinstimmend, so ver- schieden auch die Gestalt der späterhin auftretenden Schlauchblätter sein mag. Die in Fig. 14 abgebildete Keimpflanze von Sarr. psittacina hat erst ein Schlauchblatt gebildet, das in Fig. 15 halbiert und stark vergrössert dargestellt ist. Es ist aus der Abbildung ersichtlich, dass zur Schlauchbildung der grösste Teil der Blatt- anlage verwendet wird; mit Ausnahme des Blatt- grundes, der scheidig entwickelt ist. Die Entwicklungsgeschichte wurde verfolgt bei Darlingtonia californica und einigen Sarra- cenia-Arten. Sie verläuft bei allen im wesent- lichen gleich. (Vgl. Taf. XIX.) Die Anlage des Schlauches tritt an der Blattanlage frühe schon auf und macht sich dadurch zunächst bemerkbar, dass nahe der Spitze der Blattanlage eine Ver- tiefung auftritt, die dadurch entstand, dass auf der Blattoberseite eines schildförmigen Fig. 14. Sarracenia psittacina , Keimpflanze. S Samenschale , welche dein einen Kotyledon an- hängt. ebenso wie bei der Bildung Blattes — eine Wucherung auftritt, welche sich an die Blattränder ansetzt. Diese Wucherung ist auf dem Längsschnitt durch eine junge Schlauchanlage auf Taf. XIX, Fig. 2 mit Ä bezeichnet, die Spitze der Blattanlage mit D, der Blattgrund mit S. M ist die Mündung der Schlauchanlage. Indem dieselbe weiter wächst, gewinnt sie zunächst die Gestalt eines oben schräg abgestutzten Bechers (Taf. XIX, Fig. 4). Es ist jetzt schon zu bemerken, dass die Schlauchhöhlung in der Blatt- anlage von Darlingtona tiefer hinabgeht, als die Ansatzstelle der Blatt- scheide, was auch in Fig. 5 und 6 hervortritt und für die Frage nach der morphologischen Bedeutung des Schlauches von Interesse ist. Man hat vielfach die Sarracenia -Schläuche als ausgehöhlte Blattstiele be- trachtet und in dem über den Schlauch hervorragenden Teile, welcher z. B. bei Sarracenia purpurea mächtig entwickelt ist, (vgl. Taf. XX), die Blattspreite sehen wollen. Dafür liegt kein Grund vor, und die Entwicklungsgeschichte zeigt, dass diese Bezeichnung unrichtig ist. Das Blatt von Darlingtonia besitzt, wie viele andere Blätter, über- — 77 — haupt keinen Blattstiel, auch als umgebildete Blattspreite kann der Schlauch nicht bezeich- net werden, denn diese ist vom Blattgrunde hier nicht abgegliedert, und zudem tritt jene oben beschriebene Wucher- ung etwas unterhalb der Zone auf, wo der obere (sonst zur Blatt- spreite werdende) Teil der Blattanlage in den Blattgrund S übergeht. Es ist vielmehr an der Schlauchbildung hier die ganze Blattanlage, mit Ausschluss eines Teiles des Blattgrundes, beteiligt. Bei Sarrace- nia (Taf. XIX, Fig. 10) greift die Schlauchhöh- lung nicht so tief her- unter, hier ist der Schei- denteil des Blattes von der Kanne gesondert, und zwischen beiden noch eine blattstielar- tige Partie vorhanden, welche an der Schlauch- bildung keinen Anteil nimmt (vgl. Fig. 10, Taf. XIX) und am ferti- gen Schlauchblatt eben- falls leicht zu erkennen ist; sie besitzt dort T- förmigen Querschnitt, indem der Flügel auch Fig. 15. Halbiertes Blatt einei- Keimpflanze von Sanacenia issittacina, von innen gesehen. Dr Drüsenzone, G Gleitfläche , R mit Reusenhaaren besetzte Zone, circa 20 mal vergr. — 78 — auf sie sich fortsetzt. Nach unten hin ist sie dann blattstieUirtig verschmälert*). Kehren wir zu Darlingtonia zurück, so ergiebt sich aus den Ab- bildungen, dass die ganze vordere Hälfte des Schlauches von jener Wucherung der Blattoberseite gebildet sein muss. Die Schlauch- mündung kommt, da die Hinterwand stärker wächst als die Vorder- wand, bald seitlich zu liegen. Ein junges Schlauchblatt von der Form des in Fig. 5, Taf. XIX abgebildeten brauchen wir uns nur stark vergrössert zu denken, um im wesentlichen die Form zu erhalten, welche das erste Schlauchblatt von Sarracenia psittacina (Fig. 13) besitzt, bei welchem ebenso, wie dies bei den Schlauchblättern von Sarracenia variolaris zeitlebens der Fall ist, der Schlaucheiugang durch einen Deckel (die stärker gewachsene hintere, der Blattspitze entsprechende Partie der Schlauchwand) überwölbt ist. Auch bei den Keimpflanzen von Darlingtonia ist das der Fall, nur ist hier die Blattspitze zu einem langen schwanzähnlichen Gebilde ausgezogen. So sehen diese Blätter der Keimpflanzen wesentlich anders aus, als die später auftretenden (Fig. 19), stimmen aber mit denjenigen der Sarracenieen überein. Es ist nun eine interessante Thatsache, dass auch an älteren Darlingtonia Seitensprosse auftreten können, welche die Form der Keimblätter wiederholen und die wir demgemäss als Rückschlagssprosse bezeichnen köimen. Ein solcher ist in Fig. 16 abgebildet. Sie treten als Seitensprosse am Rhizom auf, und zwar, wie dies bei Rückschlagssprossen vielfach der Fall ist (vgl. Teil I S. 16), offenbar namentlich dort, wo eine Hemmung des „normalen" Wachs- tums stattgefunden hat, was sich auch in der viel geringeren Grösse dieser Kannenblätter den gewöhnlichen gegenüber ausspricht. Was die Keimpflanzen anbelangt, so ist hier noch darauf hinzuweisen, dass auf die beiden Kotyledonen zunächst ein kleines, flaches Blättchen folgt, wenigstens bei den von mir untersuchten Keimlingen. Dies ist der einzige Fall, in welchem mir ein flaches, nicht zu einem Schlauche umgebildetes Blatt bei Sarracenieen vorgekommen ist; wir dürfen es *) Die neuerdings von Macfarlane (Annais of botany, III, 260) geäusserten Ansichten über den Aufbau des Sarraceniablattes sind so wenig begründet, dass ich dieselben hier nicht näher erörtern möchte. Auf das verfehlte der- selben, namentlich was die Ignorierung der entwicklungsgeschichtlich ermittel- ten Thatsachen anbelangt, hat schon Bower hingewiesen (ibid. vol. IV, pag. 165). welcher auch einige entwicklungsgeschichtliche Daten über Sarr. flava mitteilt. - 79 wohl als den letzten Rest der ursprünglichen, „normalen" Blattform betrachten. Als Ausgangsform für die Schlauchblätter der Sarracenieen können wir also ein Kannenblatt betrachten, wie es die genannten Keim- pflanzen besitzen. Ältere Pflanzen von Sarracenia variolaris, (welche diese Form beibehalten hat), weichen wesentlich nur dadurch ab, dass sie auf der Vor- derseite einen Flügel haben, welcher einer- seits die assimilierende Blattfläche vergrössert, andererseits dem Schlau- che zur Festigung dient; auch der Schlauchein- gang ist bei älteren Schläuchen hier wie in anderen Fällen (z. B. Sarracenia purpurea Taf. XX) dadurch aus- gesteift, dass der Rand umgeschlagen ist. Von hier aus hat eine Weiterentwicklung nach zwei Richtungen hin stattgefunden. Ein- mal nämlich finden sich Arten, bei denen der Schlaucheingang nicht mehr überwölbt ist, son- dern die verlängerte Hin- terwand des Schlauches ^'^^ ^^; Darlmgtoma califormc., ^ der Blätter stimmt mit denjenigen der Keimpflanzen mehr oder weniger ver- überein (vergi. Fig. 5, Taf. xxii). tikal steht (Sarracenia purpurea, scheinbar auch flava, Drummondi), andererseits solche, bei denen die Überwölbung des Eingangs eine noch viel vollständigere und auffallendere wird (Sarracenia psittacina, Darlingtonia californica). Indes zeigen auch die Formen, bei denen der Eingang offen ist, an den Keimpflanzen die Schlauchspitze über den Eingang hergewölbt, wie dies z. B. die Abbildung einer Keimpflanze von Sarracenia Drum- — 80 — mondi (Fig. 17) noch deutlich zeigt; und für Sarracenia purpurea, bei welcher, wie die Abbildung auf Taf. XX zeigen wird, der fahnen- förmige Endteil des Schlauches besonders stark entwickelt ist, gilt dasselbe. Schon Schieiden hat die Keimung dieser Art beobachtet (Abbildung in Schnizlein, Iconographia familiarum naturalium regni vegetabilis vol. III Tab. 185* Fig. 20), die Keimpflanzen stimmen mit denen der anderen von mir beobachteten Arten überein, und es darf wohl angenommen werden, dass dies auch für Sarracenia flava und rubra gilt. Auch bei den letztgenannten Arten ist der „Deckel" übrigens nicht vollständig aufgerichtet, sondern verhindert doch, wenn- gleich weit geöffnet, das Eindringen von grösseren Mengen von Regen- wasser in den Schlauch. Bei Sarracenia flava (Fig. 13) fliesst das von oben auf den Deckel fallende Regenwasser nach hinten ab, und rinnt meist längs des vorspringenden Mittelnerven des hinteren Kanuenteiles herunter. Die Seitenränder des Deckels sind nämlich so zurück- gebogen, dass derselbe eine Art — auf einer Seite offenen — Trichter bildet, in welchem das Wasser in der eben angegebenen Weise abgeleitet wird. So wird einerseits ein Eindringen grösserer Wassermengen, andererseits ein Abwaschen der Honigtropfen (s. unten) verhindert, während der aufgerichtete lebhaft gefärbte Deckel doch zugleich eine weithin sichtbare Fahne darstellt. Ganz ungeschützt gegen Regen sind nur die Kannen von Sarracenia purpurea. Diese aber sind relativ weit und kurz, so dass sie auch mit Wasser gefüllt, doch ihren aufrechten Stand zu bewahren vermögen, während eine lange schmale Kanne in diesem Falle umknicken würde. Es mag sein, dass die auf dem „Deckel" stehenden, hier besonders grossen Haare dazu beitragen, ein rasches Abgewaschenwerden der Honigabsonderung zu verhüten. Auch sonst sind die (unten noch zu erwähnenden) Honigdrüsen (man vgl. auch das über Nepenthes Gesagte) vielfach so angebracht, dass sie eine vor Regen geschützte Lage einnehmen. Von der zweiten Reihe sei hier zunächst Sarracenia psittacina kurz geschildert. (Fig. 18.) Die Blätter dieser Art stehen mit ihrer Längsachse annähernd horizontal und kehren den, im Verhältnis zur Kanne hier sehr grossen Flügel nach oben. Die enge Eingangs- öffnung des Schlauches steht horizontal, sie besitzt einen eingestülpten Rand und besteht somit aus einer etwa l^/<, mm langen und 1 mm Durchmesser haltenden Röhre, welche nur ganz kleinen Tieren den Eingang gestattet, was der Thatsache entspricht, dass auch der Schlauch selbst hier recht enge ist und dadurch in auffallenden Gegen- 81 Fig. 17. San-acenia Drummondi; junge Pflanze, an welcher die Kotyledonen (Cot) und die Samen- schale noch sichtbar sind, in natürl. Grösse. M. G. Goebel, pflanzenbiol. Schilderungen. II. 82 satz gegen den weiten „Kopf" oder Helm des Schlauches tritt. Wenn wir die Blattbildung der Keimpflanzen verfolgen, so lässt sich leicht nachweisen, wie von dem ersten Schlauchblatte aus an den folgenden allmählich die Veränderungen sich vollziehen, welche zu der eben geschilderten Form führen. Jenes erste Schlauchblatt besitzt, wie erwähnt, eine der der Schläuche von Sarracenia variolaris oder der der Keimpflanzen von Sarracenia Drummondi etc. entsprechend gebaute ziemlich weite Eingangsöffnung. Der „Flügel" tritt zunächst kaum hervor. Später entwickelt sich der Helm dadurch, dass die der Schlauchmündung annähernd gegen- überliegende Partie der Schlauchwand ein gesteiger- tes Wachstum zeigt, wodurch die Schlauchmündung (wemi man sich den Schlauch vertikal gestellt denkt) ganz nach unten zu liegen kommt. Dieser Vorgang wird dann bei den späteren Schläuchen noch ge- steigert und die Schlauchwand am Eingang nach innen eingestülpt. Derselbe Wachstumsvorgang tritt uns entgegen, wenn wir die Entwicklungsgeschichte der Darlingtonia- Schläuche verfolgen. Die fertigen Schläuche, welche hier aufrecht gestellt sind (wobei die charakteristische Drehung des Schlauches auf- fällt*), meist ist es eine halbe Drehung um die Längsachse, welche die Schlauchmündung nach aussen, auf die dem Stammvegetationspunkt abgekehrte Seite bringt), besitzen gleichfalls eine nach unten ge- kehrte Mündung, welche hier aber recht weit ist. Die Mündung ist überragt von einem fischschwanz- ähnlichen Anhang des helmförmigen oberen Schlauch- teiles (Fig. 19). Wir haben oben die ersten Ent- wicklungsstufen der Darlingtonia-Schlauchblätter ver- folgt. Ein Vergleich der Fig. 5, 6, 7, 8 auf Taf. XIX zeigt nun ohne weiteres, wie auch hier, ganz wie bei Sarracenia psittacina die Schlauchmündung, welche erst (Fig. 1, 4, Tafel XIX) oben, dann seitlich lag, nach unten Fig. 18. Sarracenia psittacina, Blatt einer zweijährigen Pflanze. *) Dieselbe bedingt nicht, wie Kurz angiebt, dass die ursprünglich nach oben gerichtete Öffnung des Schlauches nach unten gewendet wird. Das ge- schieht, wie die oben mitgeteilte Entwicklungsgeschichte zeigt, durch einen ganz andern Vorgang. — 83 6* - 84 — gerückt wird, indem das ihr gegenüberliegende Stück der Schlauch- wand stärker wächst. Hier verlängert sich aber die Blattspitze be- sonders stark über die Eingangsöffnung hinaus, nur bleibt sie nicht einffiiCh. wie bei den Keimpflanzen und an den Blättern der Rück- schlagssprosso, -ßondern es findet eine Teilung statt, es bilden sich an der Blattspitze zwei Anhängsel (L Fig. 6 u. 7, Taf. XIX), welche, zu- nächst noch eingerollt (Fig. 8, Taf. XIX), später sich ausbreiten und die grossen in Fig. 19 abgebildeten Lappen darstellen. Dieselben als Fiederblättchen zu beorachten^liegt wohl kein Grund vor. Es ist eben eine Teilung der Blattspitze, welche dieselbe zu einem noch auffallenderen Anhängsel des Schlauches macht, als es der einfache Lappen der Primärschläuche ist. Soviel über die allgemeinen Formverhältnisse. Gehen wir auf den Bau der Schläuche etwas näher ein, so ist zunächst hervor- zuheben, dass dieselben durch eine lebhafte Färbung sich auszeichnen, welche entweder auf den ganzen Schlauch oder nur auf die der Ein- gangsöffnung nahegelegenen Teile desselben sich erstreckt, und mehr- fach auch zur Artbenennung Anlass gegeben hat (Sarracenia purpurea, flava, rubra, variolaris). Auch Heliamphora ist mit gefärbten Schlauch- blättern versehen. Bei der Beschreibung der Vegetation des „El Dorado swamp" auf dem Roraima sagt Im Thurn: „One, perhaps the most remarkable, plant of the swamp has not yet been noticed. It is the South- American pitcher-plant, Heliamphora nutans, Benth; which grows in wide-spreading, very dense tufts in the wettest places, but where the grass happens not to be long. Its red-veined pitcher leaves, its delicate white flowers raised high on red tinted stems, its sturdy habit of growth, make it a pretty little picture wherever it grows."*) Bei Sarrac. purpurea sind die älteren Schläuche in ihrer ganzen Ausdehnung intensiv purpurrot gefärbt. Die Färbung beginnt an den Nerven (bei einer Varietät ist sie auf dieselben beschränkt) und breitet sich von hier aus auf das übrige Blattgewebe aus. Zweifel- los steht die Färbung in Beziehung zum Lichte, da sie an bei zu geringer Beleuchtung erzogenen Exemplaren unterbleibt. Bei den anderen Arten ist die Färbung am stärksten in der Nähe der Ein- gangsöffnung. Sarr. rubra z. B. ist ausgezeichnet durch ein rotes *) Im Thurn, The botany of the Roraima expedition of 1883, Trans, of the Linn. soc. 2^ ser., vol. II, pag. 263. — 85 — Adernetz, das an der bezeichneten Stelle am stärksten hervortritt, zudem spielt die Eingangsöffnung in eigentümlich seideartigem Glänze, welcher durch die Haarbekleidung verursacht ist. Sarr. flava besitzt besonders in ihrem oberen Teile gelb gefärbte mit rotem Adernetz versehene Schläuche und auch bei Sarr. psittacina ist der „Helm" bei wohl entwickelten Exemplaren intensiv purpurn gefärbt. Bei Sarrac. Drummondi finden sich zwischen dem roten Adernetz des oberen Schlauchteiles weisse Stellen, in denen wie bei den weissen Flecken panachierter Blätter keine Chlorophyllbildung stattgefunden hat. Am schönsten ist die Färbung bei S. variolaris und bei Dar- lingtonia. Bei ersterer ist der helmförmige Deckel des Schlauches auf seiner Unterseite mit einem roten Adernetz versehen, auf der hinteren Schlauchwand sind eine Anzahl weisser, teilweise rotumsäum- ter Flecken, welche bei durchfallendem Lichte besonders auffallen. Darlingtonia besitzt ganz ähnliche „Fenster" und ausserdem in dem gleichfalls gefärbten Anhang des Helmes ein besonders auffallendes Aushängeschild. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die lebhafte Färbung der Kannen dieselben für die Insekten anziehend erscheinen lässt, gerade so wie dies bei den Blüten der Fall ist, und wie bei diesen, kommt dazu noch die Ausscheidung von süssem Safte, den wir auch hier als Nektar bezeichnen können. Man kann diese Nektarausscheidung auch bei kultivierten Exemplaren in reichem Masse beobachten. Nur darf man dazu nicht solche Pflanzen nehmen, welche viel gespritzt werden, weil das Wasser natürlich die Nektar- tropfen abwäscht. Die Nektarausscheidung ist, ebenso wie die Färbung, am stärksten in der Nähe dos Schlaucheinganges. Beobachtet man z. B, ein Schlauch- blatt von Sarracenia flava, so sieht man an der Innenfläche des (hier aufgerichteten und an seiner schmalen Stelle nach aussen gekrümmten) Deckels eine Menge dicker, süssschmeckender Tropfen. Genauere Beobachtung ergiebt, dass die Nektarausscheidung vom Deckel aus sich auch ein Stück weit in das Schlauchinnere fortsetzt, und kleinere Nektartropfen auch am Rande des Deckels und längs der Kante des auf der Schlauchinnenseite befindlichen Flügels sich befinden, und auch auf der äusseren Schlauchfläche scheinen kleine Tröpfchen aus- geschieden zu werden. Jedenfalls aber führt ein mit Honig besetzter Pfad von dem unteren Ende des Schlauches zu seinem Eingang, und ist dio Nektarausscheidung am stärksten an der hinteren Seite des Eingangs. So werden also auch kriechende Insekten leicht zur — 86 — Schlauchmündung gelangen. Es ist ein eigentümliches Schauspiel, zu beobachten, mit welcher Sicherheit und Geschwindigkeit z. B. Ameisen, welche den Honigdrüsen der Sarracenia flava nachgehen, in dem Schlauche verschwinden. Sind sie aber einmal abgeglitten, so kommen sie nicht wieder zum Vorschein. Auch bei Sarracenia Drummondi sondert die Unterseite des Deckels Nektar in überraschend grosser Menge ab, und bei einem genauer kontrollierten Exemplare dauerte die Ausscheidung wochenlang fort. Bei Sarracenia variolaris und Sarracenia rubra ist die Nektarausscheidung besonders stark am Schlauchrande, der wie mit Sirup beschmiert erscheint. Sie lässt sich auch hier längs der Kante nach unten verfolgen. Dass die Sarra- ceuia-Schläuche mit Erfolg Insekten fangen, geht z. B. daraus hervor, dass im Marburger Garten Sarracenia purpurea im Sommer durch ein Drahtgitter gegen die Amseln geschützt werden muss, welche die in den Schläuchen enthaltenen Tiere als bequeme Beute betrachten, und um sie zu erreichen, die Schläuche zerhacken. Dass diese Eigen- schaft der Sarracenia-Schläuche schon lange bekannt ist, geht aus Bartrams oben mitgeteilten Äusserungen hervor. Auch die Nektarab- sonderung ist ihm und andern Beobachtern schon aufgefallen, und die (Honigdrüsen der Sarracenien) sind wohl die am längsten bekannten Beispiele „extrafloraler Nektarien". Macbridc*) berichtet folgender- massen über seine 1810 und in den folgenden Jahren gemachten Be- obachtungen an Sarracenia-Schlauchblättern: „Bringt man im Mai, Juni oder Juli, den Monaten, in welchen die Blätter dieser Pflanzen ihre eigenartige Funktion in der grössten Vollendung verrichten, einige der- selben in das Haus und giebt ihnen eine aufrechte Stellung, so be- merkt man bald, dass sie Fliegen anlocken. Diese Insekten nähern sich direkt den Schlauchmündungen und scheinen, über den Rand derselben gebeugt, eifrig etwas von der Innenfläche aufzusaugen. In dieser Stellung verweilen sie, schliesslich aber, scheinbar verlockt durch den angenehmen Geschmack, betreten sie das Innere des Schlauches. Die Fliege, die so ihren Platz verändert hat, verliert den festen Halt, sie wankt einige Sekunden, gleitet aus und fällt auf den Grund des Schlauches, wo sie entweder ertrinkt oder vergeblich gegen die Haar- spitzen emporzuklettern versucht. Selten entfaltet die Fliege beim Fall ihre Flügel und entkommt. ... In einem fliegem^eichen Hause geht dieser Fang so rasch, dass der Schlauch in wenig Stunden voll *) Transactions of the Linnean society 1815. ~ 87 — ist, und es wird notwendig, Wasser hinzuzufügen, da die von Natur vorhandene Menge unzureichend ist, die gefangenen liisekten zu er- tränken." „Die Blätter von Sarr. adunca (= variolaris) und rubra könnte man als Fliegenfallen verwenden, ja man versichert mir glaubhaft, dass dies in einigen benachbarten Orten geschieht. Die Blätter von Sarr. flava (der Art, auf welche sich die vorhergehenden Beobach- tungen hauptsächlich beziehen), obwohl sie sehr geräumig sind, und oft drei Fuss und mehr hoch werden, enthalten nie so viele Insekten, als die der obengenannten Arten." „Das Anlockungsmittel für die Fliegen ist offenbar eine süsse, klebrige, honigähnliche Substanz, welche von der Innenfläche des Schlauches abgesondert oder ausgeschwitzt wird" Auch die nach abwärts gerichteten, unten zu erwähnenden Reusenhaare hat der ge- nannte Beobachter bereits gesehen und in ihrer Bedeutung erkannt. Was die Wasserausscheidung der Schläuche anbelangt, so sah ich eine solche bei den kultivierten Sarracenien nur bei S. psittacina, einer Art, bei welcher der Lage der Eingangsöffnung nach an ein Ein- dringen von Regenwasser etc. in den Schlauch ohnedies nicht zu denken ist. Von Autoren, welche Gelegenheit hatten, Sarracenien an Ort und Stelle zu beobachten, wird indes mitgeteilt, dass auch bei anderen Arten eine Wasserausscheidung stattfinde. So giebt Schimper an*), dass das Wasser in den Schläuchen von Sarracenia purpurea der Hauptmasse nach dem Regen seinen Ursprung ver- danke. „Bei jungen Blättern allein findet Wasserausscheidung statt, und zwar lange vor ihrer Eröffnung. Die sowohl auf der unteren behaarten, als der mittleren glatten Epidermis auftretenden, sauer reagierenden Tröpfchen sammeln sich am Grunde des Schlauches auf." Es ist demnach wahrscheinlich, dass bei allen Sarracenien eine, wenn- gleich nicht bedeutende Wasserausscheidung stattfindet, die angeblich bei Sarrac. variolaris stärker werden soll, wenn sich gefangene In- sekten im Schlauche befinden (Asa Gray, a. a. 0., pag. 330). Die Schilderung des inneren Baues der Schläuche, soweit sie für unsere Zwecke — welche ein Eingehen auf anatomische Einzeln- heiten als überflüssig erscheinen lassen — in Betracht kommen, wird am zweckmässigsten anknüpfen an den in Fig. 20 dargestellten *) Schimper, Notizen über insektenfressende Pflanzen, botanische Zeitung 1882, pag. 227. Fig. 20. Halbiertes Blatt einer Keimpflanze von Sarracenia psittacina, von innen gesehen. D>- Drüsenzone, G Gleitfläche, R mit Reusenhaareu besetzte Zone; circa 20 mal vergr. Längsschnitt durch das erste Schlauchblatt von Sarracenia psittacina, weil hier die Verhält- nisse sich leicht über- sehen lassen. Es treten hier vier Zonen deutlich hervor. Die oberste umfasst den inneren Teil des Deckels bis zu der mit Dr be- zeichneten Grenze. Sie trägt vereinzelte, lange, nach abwärts gerichtete Haare, und namentlich in ihrem unteren Teile honigabsondernde Drü- sen; sie heisse die Drü- senzone, obwohl Drüsen auch in anderen Teilen des Schlauches vor- kommen. Darauf folgt die „Gleitzone" (Gr), welche aus Zellen mit dachziegelig angeordne- ten, nach unten gerich- teten Vorsprüngen be- steht, welche einem In- sektenfusse keinen Halt geben. Die weiter nach unten folgende Zone ist mit langen, nach ab- wärts gerichteten Haa- ren besetzt, die als Reusenhaare bezeichnet werden sollen, auch zwischen ihnen finden sich noch Drüsen. Die vierte Zone nimmt das — 89 — untere Ende des Schlauches ein, hier verschwinden Haare und Drüsen und findet sich nur eine glattwandige Epidermis. Die ein- zelnen Zonen sind nicht scharf voneinander getrennt, die Zone R z. B. geht in die Zone G über, indem die Reusenhaare kürzer und dichter gedrängt auftreten. Au den später auftretenden Schlauch- blättern tritt die Gleitfläche bedeutend zurück im Verhältnis zu den übrigen Teilen. Sie überzieht einmal die Innenfläche der einge- stülpten Mundöffnung und von hier aus noch eine schmale Zone des Schlauchinnern, welche aber nicht ringsherum reicht, so dass auf der nach unten gekehrten Seite des Schlauches die Drüsenzone in die Reusenhaarzone direkt übergeht; es sind eben im Grunde nur zwei Elemente im Sarracenia-Schlauch vorhanden: Drüsen und nach abwärts gerichtete Haare, welche in verschiedener Ausbildung und Verteilung vorkommen. An einem kleinen, 22 cm langen Schlauch- blatte von Sarracenia flava Hessen sich die einzelnen Regionen leicht mit blossem Auge unterscheiden. Der obere Teil des Deckels war eingenommen von nach abwärts gerichteten Haaren und Drüsen, dann folgt auf demselben die mattweisslich schimmernde Gleitzone, welche sich 5^2 cm weit in den Schlauch fortsetzte und in die Reusenhaar- zone überging, welche etwa 10 cm lang war und nach unten hin all- mähhch aufhörte. In der untersten glatten Schlauchzone fanden sich tote, in Zersetzung begriffene Insekten (die aber keinen Fäulnis- geruch wahrnehmen Hessen) und zahllose Bakterien und lebende Eug- lenen. Die Nektardrüsen finden sich auch in der Gleitzone, nament- lich im obersten Teile derselben; am häufigsten sind sie in demjenigen Teile des Deckels, an welchem man auch die reichste Nektarab- ionderung bemerkt (cfr. oben pag. 87). Sie haben einen charakte- ristischen Bau. Von oben sieht man 6 Zellen, zwei mittlere und vier peripherische (Taf. XXII, Fig. 10); im Längsschnitt zeigt sich, dass die ersteren ziemlich stark verdickte Aussenwände haben (Taf. XXII, Fig. 11). Sie mögen Deckelzellen heissen. Die ganze Drüse besteht aus drei Stockwerken von Zellen, von denen die mittleren gegen die unteren durch eigentümlich netzförmig verdickte Querwände abgetrennt sind (Taf. XXII, Fig. 11); die Drüsen sind durch eine cutikularisierte Lamelle gegen das umgebende Gewebe abgegrenzt. Viel einfacher gebaut sind die Drüsen von Darlingtonia (Taf. XXII, Fig. 12), bestehend aus einer durch mehrere Periklinen gefächerten Zelle, zuweilen tritt auch Längsteilung auf. Was diese Drüsen aus- scheiden, ist nicht bekannt. Süssschmeckende Tropfen habe ich bei — 90 — Darlingtonia nie gesehen. Doch soll nach Lemmon von den winzigen Drüsen der Helminnenseite eine zuckerhaltige Flüssigkeit abgesondert werden, auch die beiden Seiten des Flügels sollen einen süssen, klebrigen Stoff hervorbringen. Jedenfalls sind wohl die Darlingtonia- Drüsen als eine rudimentäre Form der Sarracenia-Drüsen zu be- trachten. In der Abbildung von Sarracenia purpurea (Taf, XX) sind die steifen, an der Oberseite des über die Schlauchmündung hervorragenden Blatt- ende stehenden Haare deutlich sichtbar. Dann folgt die Gleitzone, welche rings um den Schlauch herumgeht, und in der man mit der Lupe leicht die zahlreichen Nektartropfen bemerkt. Darauf eine, den grössten Teil des Schlauchiunern einnehmende glatte, glänzende Zone*), die keine Haarbildungen, wohl aber Drüsen enthält, und dann erst in dem untersten, engen Teile des Schlauches die Reusenhaare, An die Besprechung des Sarraceuia-Schlauchbaues sei hier kurz die der Heliamphora-Schläuche angeschlossen (Taf. XXI, Fig. 1). *) Nach Zipperer soll eine solche „glänzende Drüsenfläche" sich auch hei SaiT. flava finden. Bei den von mir untersuchten Schläuchen war sie nicht vorhanden. Da in derselben nach Text wie nach Abbildungen gleich ungenügen- den Abhandlung auch behauptet wird, der „Deckel" von Sarracenia flava sei ungefärbt und habe dieselbe Form wie bei Sarr. purpurea, während er gelb gefärbt und mit dunkelroten Adern durchzogen, von demjenigen von Sarr. pur- purea aber auffallend durch die an der schmalen Stelle nach aussen gebogenen Ränder verschieden ist, so weiss ich nicht, was dieser Autor als ,,Sarr. flava" vor sich gehabt hat. War es wirklich flava, so kann es sich nur um Keim- pflanzen (welche mir von dieser Art nicht vorlagen) oder um höchst kümmer- liche Exemplare handeln, da er die Länge der Kannen zu 18,5cm angiebt. während solche mit .50 cm langen Kannen noch als schwach zu bezeichnen sinc^ Dass die glatte Fläche, welche wie lackiert aussieht, bei den Keimpflanzen von Sarr. purpurea fehlt, ist mir nach einer Notiz Schimpers (Bot. Zeit. 1882, pag. 229 u. 230) wahrscheinlich. Er fand in Massachusets einen Sarracenia- stock, der ausser grossen normalen Kannen auf Seitensprossen solche trug, welche nur 3—4 cm lang und (im Maximum) 3 mm breit waren, aber einen schirmartig über die Kanne gebogenen Deckel besassen, den Schimper irrig als ,,Lamina" bezeichnet. Es kann nach den oben über die Gestaltung der (schon von Schieiden beobachteten) Keimpflanzen dieser Art gemachten Mit- teilungen kaum einem Zweifel unterliegen, dass hier ganz ebenso Rückschlagsblätter vorlagen, wie sie oben für Darlingtonia geschildert wurden. Da bei ihnen die ganze Innenfläche des Bechers mit langen, nach unten gerichteten Haaren be- setzt war, so ist dies wohl auch bei den Schläuchen der Keimpflanzen der Fall. Es ist im übrigen klar, dass bei einem so weiten Schlauche, wie es der von S. purpurea ist, die glatte Gleitfläche zweckmässiger ist, als die Reusenhaare, die denn auch nur im engeren Schlauchteile sich finden. — 91 — Zunächst ist hervorzuheben, dass die Formbildung derselben den- jenigen der Sarracenia-Arten sich nahe anschliesst. Dies gilt offen- bar auch für die Keimpflanzen, für welche oben ein der ganzen Fa- milie gemeinsamer Typus nachgewiesen wurde. Zwar standen Heliam- phora-Kcimpflauzen mir nicht zur Verfügung, Indes ist anzunehmen, dass die Blattbildung derselben übereinstimmt mit derjenigen der Ausläufer, welche zunächst Schlauchblätter hervorbringen, die den- jenigen der Sarracenia variolaris gleichen (Taf. XXI, Fig. 3). Nur ist der Deckel nicht so stark gebogen, und seine Ränder nach aussen gekrümmt. Auch ist nicht ein Flügel auf der Schlauchinnenseite vorhanden, sondern es finden sich zwei, dicht nebeneinanderstehende lamellenförmige Auswüchse an der betreffenden Stelle, wie dies auf dem Querschnitt Taf. XXI, Fig. 4 besonders deutlich hervortritt. Das Rhizom der mir vorliegenden getrockneten Pflanze trägt Blätter von zweierlei Gestalt, Einmal Schlauchblätter, deren längstes 30 cm lang und mit weiter Eingangsöffnung versehen war (Taf. XXI, Fig. 1). Besonders fällt hier auf die löffeiförmig ausgehöhlte Spitze des Schlauches, die mit ihrer konkaven Seite nach unten gekehrt ist*). Sie besitzt auf ihrer Unterseite zahlreiche, in kleinen Vertiefungen stehende Drüsen, welche durch ilire grössere Zellenzahl von den übrigen sich unterscheiden. Es ist wohl anzunehmen, dass dies honig- absondernde Drüsen sind, die durch ihre Stellung in dem nach unten gekehrten „Löffel" gegen Regen ganz besonders gut geschützt sind. Der obere Teil des auf den Löffel folgenden „Deckels" ist hier haar- los, aber mit Drüsen versehen, deren Zellenanordnung eine andere als die der typischen Sarracenia-Drüsen ist. In dem untersuchten Schlauche mass diese Zone in der Mittellinie des Deckels 7 cm. Darauf folgt nach unten eine etwa ebensolange, mit nach abwärts gerichteten Haaren versehen, diese Haare werden von oben nach unten länger und zwischen ihnen befinden sich Drüsen vom gewöhnlichen Sarra- cenia-Typus, Dann folgt eine glatte, höchstens 2 cm breite Zone ohne Drüsen und Haare. Der Rest des Schlauches ist ebenfalls drüsenlos, besitzt aber nach unten gerichtete Reusenhaare, welche sich von den weiter oben stehenden durch die starke Verdickung ihrer Wand unterscheiden, auch sind sie kürzer als jene. Zahlreiche, *) In Benthams Abbildung ist dieser Teil aufrechtstehend gezeichnet. Bei einem aufgeweichten Schlauche nahm er die in Fig. 1, Taf. XXI wiedergege- bene Lage an, und ich glaube, aus dem im Texte angeführten Grunde, dass dies die natürliche ist. — 92 — höchst wahrscheinlich honigabsondernrle Drüsen tinden sich auch auf der Fläche der beiden Blattflügel. Da diese im oberen Teile des Blattes dicht aufeinander liegen, so haben die Drüsen hier eine sehr geschützte Stellung. Übrigens befinden sich auch auf der Aussen- seite des Schlauches wie bei Sarracenia zahlreiche Drüsen. Ausser den eben beschriebenen Schläuchen fanden sich zwischen ihnen am Rhizom ganz kleine, nur .wenig cm lange und viel einfacher gestaltete, deren Form wohl am besten sich aus der Fig. 2, Taf. XXI ergeben wird, welche zeigt, dass der löffeiförmige Anhang des Schlauches hier fehlt. Ein Querschnitt durch einen solchen Schlauch (Taf. XXI, Fig. 5) ergiebt nun, dass er auf andere Weise zustande kommt, als die grossen Schläuche. Es liegt hier nämlich ein Blatt vor, dessen Ränder eingeschlagen und mit einander verwachsen sind (oder doch fest aneinander haften), während die wirklichen Heliam- phora-Schläuche, wie wir wohl, obwohl deren Entwicklungsgeschichte unbekannt ist, aus der Analogie mit Sarracenia schliessen dürfen, ebenso wie diese auf den Typus der schildförmigen Blätter zurück- zuführen sind*). Ob die hier beschriebenen Gebilde dieselben sind, von denen Zipperer spricht, vermag ich nicht anzugeben. Er giebt (a. a. 0. pag. 26) an: Aus einem kriechenden Rhizom erheben sich kannenartige und gewöhnliche Blätter in varierender Zahl und „die heterophyllen Gebilde" erreichen gewöhnlich die Länge der Kannen. An dem ungefähr 30 cm langen, runden und mit Längsfurchen versehenen Blattstiel ist die etwa 6 cm breite und 8 — 9 cm lange Lamina ausgebildet, welche gegen die Spitze zu einem gekrümmten Nagel ausgezogen erscheint." Was das für Gebilde sind, ist aus der unklaren Beschreibung nicht zu entnehmen. Beobachtungen an lebenden Heliamphora-Pflanzen werden vielmehr zunächst folgende Fragen zu entscheiden haben: 1. Findet ein regelmässiges Auftreten verschiedener Blattformen statt, und welche Beziehung besteht zwischen ihnen? 2. Wo findet Honigausscheidung statt? 3. Wie entwickeln sich die Blätter? *) Wenn man den Querschnitt eines Schlauchblattes, wie in Fig. 4, Taf. XXI betrachtet, so liegt es nahe, auch diese Form sich aus Verwachsung der einge- schlagenen Blattränder zustande gekommen zu denken, wobei die beiden Flügel auf der Schlauchoberseite dann die freigebliebenen Teile der Blattränder dar- stellen würden. — 9H — C. Nepenthes. Wie Sarracenia so gehört auch Nepenthes zu denjenigen Schlauch- blattpflanzen, hei denen sämtliche Blätter zu Schläuchen, resp. Kannen umgebildet sind. Scheinbar ist dies allerdings nicht bei allen Arten der Fall, und bei der Gewächshauskultur macht man oft genug die Erfahrung, dass an den Blättern keine Kannen zur Entwicklung gelangen. Dies beruht indes nur auf einer Verkümmerung der an der Blattspitze befindlichen Kannenanlage. Eine solche Verkümmerung tritt regelmässig ein bei Nepenthes ampullaria, bei der eine ganz ähnliche Arbeitsteilung der Blätter eingetreten ist, wie sie bei Utric. intermedia zu schildern sein wird. Wie bei dieser Art die Blätter ursprünglich alle blasentragend waren, nun aber die einen die Blasen, die andern die vegetativen Blatteile verkümmern lassen, so zeigt auch Nepenthes ampullaria zweierlei Blätter, zwischen denen es nicht an Übergängen fehlt. Die einen bestehen aus einer gestielten Kanne (Taf. XVIII) und diese stehen auf kurzen Zweigen auf dem Boden, bei den andern ist die Kannenanlage frühzeitig verkümmert und erscheint nur noch als bräunliches Ende eines als Ranke dienenden blattstiel- ähnlichen Fortsatzes an der Spitze einer grossen Blattspreite. Dies ist indes ein Ausnahmefall, gewöhnlich besteht ein Nepenthesblatt aus drei Teilen: einer (meist sitzenden) Spreite die sich in einen ge- wöhnlich als Ranke dienenden cylindrischen Teil fortsetzt und mit einer, mit Deckel versehenen Kanne endigt. Auf die morphologische Bedeutung dieser Teile wird unten zurückzukommen sein. Pflanzen mit so eigentümlicher und merkwürdiger Organbildung mussten früh schon auffallen, und zwar wurde, wie es scheint, zuerst die Aufmerksamkeit gelenkt auf diejenige Art, welche an der west- lichen Grenze des Verbreitungsgebietes, in Madagaskar vorkommt*); ein späterer Autor beschrieb die nicht weit von Colombo auf Ceylon gesammelte Nepenthes destillatoria als „planta mirabilis destilla- toria"**); der Gattungsnamen rührt von Linne her. Das Centrum des Verbreitungsgebietes liegt in Malesien, speziell ist es Borneo, welches die meisten und eigentümlichsten Arten aufzu- weisen hat, von hier aus erstreckt sich das Verbreitungsgebiet west- lich bis nach Madagaskar und den Seychellen, östlich nach Neu-Guinea *) Flacourt, histoire de la grande isle de Madagascar, p. 130 (Citat nach Korthals). **) Grimm, Ephemeridium acad. nat. curios. Ann. I, 1682. — 94 — und Australien. Einige Arten sind ziemlich weit verbreitet (z.B. Nep. ampullaria in Malakka, Singapore, Sumatra, Borneo, Neu-Guinea — hier in Formen, die Beccari als besondere Varietäten unterschieden hat), andere sind bisjetzt nur von einem einzigen Standort bekannt (so die merkwürdige Nep. Rajah vom Kina-Balu in Borneo). Der neueste Bearbeiter, Beccari*), zählt 37 Arten auf, von denen aber einige nur sehr mangelhaft bekannt sind; in englischen Gärten sind in neuerer Zeit eine grössere Anzahl von Hybriden gezogen worden. Die Nepenthes-Arten besitzen ein kriechendes Rhizom, das im Boden wurzelt. Einige derselben sind auch Epiphyten (z. B. Nep. Veitchi, Lowii u. a.), was nicht wundernehmen kann, da dieselben der feuchten Bergregion angehören; entweder also können die kleinen Samen von Anfang an in dem Moosüberzug der Stämme keimen, oder der Teil des Rhizoms, welcher im Boden steckte, ist ab- gestorben, während die Spitze an dem Baumstämme weiter gewachsen ist. Bezüglich der Höhe, in der sie vorkommen, ist bei den einzelnen Arten ein ziemlich weiter Spielraum. Einzelne gehen bis in die kühle Bergregion hinauf**), (Nepenthes Rajah und villosa bis 9000 Fuss am Kina-Balu), andere kommen in der Nähe der See vor (Nepenthes Rafflesiana, ampullaria u. a.). Ebenso verschieden sind die Ansprüche an Feuchtigkeit und Licht. Nepenthes destillatoria wächst in Ceylon vor allem auf feuchten, offenen Plätzen, wo einzelne Sträucher, an denen sie emporklettern kann, in den Grasflächen verbreitet sind; Nepenthes gymnamphora trifft man in Java in ziemlich dichtem Ur- wald der Bergregion bei etwa 4500 Fuss; dagegen fand Korthals die Nepenthes gracilis an der Südostküste von Borneo an trockenen, sandigen Steingründen, indes entwickelt sich auch diese Form an feuchten Standorten üppiger. Sie besitzt an ihrem Rhizom unregel- mässig runde oder mehr langgestreckte Knollen, von denen wir wohl annehmen dürfen, dass sie als Wasserspeicher dienen. Über ihren Bau und ihre Entstehung ist nichts näher bekannt. Sehen wir von dem immerhin vereinzelten Vorkommen auf trockenem Boden ab, so sind die Nepenthes-Arten Bewohner sumpfiger Wälder oder der feuchten Bergregion. Und zwar sind die meisten derselben Kletter- pflanzen, die oft in beträchtliche Höhe (10 m und mehr) in die *) Beccari, rivista delle specie del genere Nepenthes, Malesia, III, 1 ff. **) Diese Arten sind die am schwierigsten zu kultivierenden, da es bis jetzt nicht gelungen ist, die Bedingungen, nnter denen sie wachsen (kühl und sehr feucht\ in befriedigender Weise in der Kultur herzustellen. — 95 — Bäume hinauf steigen ; der „Stiel" der Becher scheint übrigens nicht bei allen Arten als Ranke zu funktionieren. Es ^ist aber klar, dass die mit Flüssigkeit zum Teil gefüllten Becher entweder auf dem Boden ruhen, oder (durch die Ranke) an eine Stütze angebunden sein müssen, wenn sie nicht umkippen sollen, falls das Blatt und der Stiel der Kanne nicht sehr massiv gebaut sind. Jedenfalls ist es ein Irrtum, wenn mehrere der neueren Autoron angeben*), dass nur die Ranken kannenloser Blätter, wie sie in der Nähe der Inflorescenz sich finden, wirklich als Ranken funktionieren. Bei der Gewächshaus- kultur haben die Blät- ter oft keine Gelegen- heit, eine Stütze zu ergreifen, und die Ran- ken zeigen dann nicht selten eine Einrollung, wie sie auch sonst bei 1 1 1 • l^'is- 21. Stark verkleinerte Photographie einer Nepenthes ItanKen, Weicne Kenie Mastersiana, unten zwei Kannen sichtbar, deren Ranken keine Stütze ergriffen haben stütze hatten. Die Blatter, deren Ranken die Stäbe umwunden • i. -j-i. ci 1 1 i. j • hatten, bildeten nach kurzer Zeit Kannen, die sehr viel eintritt, oacns nat die kräftiger waren, als die vorher vorhandenen. *) Oudemans, de Bekerplanten , pag. 9. — Drude, a. a. 0., pag. 137. — Wunschmann (über die Gattung Nepenthes, Dissertation, Berlin, 1872, pag. 5). Bezüglich der Angaben des letztzitierten Autors sei noch bemerkt, dass die Einrollung solcher Ranken, welche keine Stütze erfasst haben — was nach ihm für alle kannentragenden Ranken gelten würde — mit der aufrechten Stellung der Kannen nichts zu thun hat. Dies geht schon daraus hervor, dass auch solche Kannen, die gerade oder gar keine Ranken haben, aufrecht stehen. Der Sitz der Aufwärtskrümmung liegt an der Basis der Kannen. — 96 — Beobachtung gemacht, dass bei einigen Arten die Kannen dann sich besser ausbilden, \^enn die Ranken Gelegenheit haben, eine Stütze zu erfassen, was nach einer brieflichen Mitteilung desselben hier näher angeführt sei. „Iph habe seit 20 Jahren verschiedene Arten von Nepenthes kultiviert, anfangs vorwiegend zu dem Zweck, das Sekret der Kannen für physiologische Untersuchungen zu gewinnen. In recht missliebiger Weise machte sich dabei die Wahrnehmung geltend, dass von den oft zahlreichen Blättern nur sehr wenige ihre Kannen ausbildeten; die letzteren blieben vielmehr in einem so rudimentären Zustande, dass sie nur als unbedeutende Verdickungen am Ende der Ranken erschienen. „Gelegentlich beobachtete ich dann, dass vorwiegend diejenigen Ranken, welche eine Stütze gefunden und diese 2 — 3 mal umwunden hatten, vollständig ausgebildete grosse Kannen trugen, welche reich- lich Sekret enthielten. Da nun die um die Stütze gewundene Strecke der Ranke, ähnlich wie bei den rankenden Blattstielen von Solanum jasmino'ides, von den Hablitzia tamnoides und gelegentlich auch an den Weinranken eine beträchtliche Verdickung erfährt*), so war nicht zu verkennen, dass durch die Berührung mit der Stütze nicht nur die gewöhnliche Rankenkrümmung, sondern ein weiterer Reiz ausge- übt wird, der sich eben in dem gesteigerten lokalen Dickenwachs- tum zu erkennen giebt. Da es nun ferner Ranken giebt, welche durch die Ausübung ihrer Kletterfunktion zu weitgehenden histologi- schen Veränderungen angeregt werden, wie bei Ampelopsis quiuque- folia, wo die nichtbefestigten Ranken bekanntlich bald absterben, die funktionierenden aber dick und holzig werden, so kam ich auf den Gedanken, auch die Ausbildung der Kanne des Nepenthesblattes könne wohl eine sekundäre Wirkung des Windens der Ranke sein, also eine Reizwirkung. „Ich Hess daher seit ungefähr acht Jahren in einem unserer Warm- häuser eine grössere Zahl von Exemplaren einer der gewöhnlichen hybriden Nepenthen mit 10 — 11 cm langen Kannen in Erde kulti- vieren, und den Raum von ungefähr 1 m Höhe, Breite und Länge, in welchem sich die Sprosse verbreiten sollten, mit sehr zahlreichen *) Bei den im Marburger Garten gezogenen, sehr üppig wachsenden Exemplaren (in vielen Gärten sind die Nepenthes halb verhungert, sie bedürfen, wie alle raschwüchsigen Pflanzen, kräftige Nahrung) war diese Verdickung be- sonders auffallend bei N. Mastersiana. — 97 — starken Bindfaden nach allen Richtungen hin kreuz und quer durch- spannen, so dass den Ranken Gelegenheit geboten war, überall Stützen zu finden. Das Ergebnis war im Laufe der Jahre, wo die Pflanzen wiederholt verjüngt und erneuert wurden, immer dasselbe: fast alle Ranken, welche einen Bindfaden umschlungen hatten, brachten ihre Kannen zur vollen Entwickelung, während von den nichtgewickelten, freischwebenden Ranken nur sehr wenige eine kräftige Kanne trugen. Es handelt sich hier um hunderte von Kannen, so dass das Resultat kein zufälliges sein kann. „Die Nepentheskannen werden infolge eines inneren, immanenten Wachstumsgesetzes der Pflanze angelegt und bis zu einem gewissen Grade entwickelt; ihr Wachstum steht aber meistens still, wenn nicht noch ein äusserer Anstoss das Wachstum weiter anregt und kräftigt, und dieser liegt in dem Winden der Ranke. Ähnliche Reizwirkungen sind im Pflanzenreich ja auch sonst bekannt." (Sachs.) Diesen interessanten Mitteilungen sei hier nur noch die Be- merkung hinzugefügt, dass einerseits die einzelnen Arten von Ne- penthes sich verschieden verhalten, indem, wie oben bemerkt, die- jenigen Blätter von Nep. ampullaria, deren Ranken als Kletterorgane dienen, ihre Kannen regelmässig, auch wenn eine Stütze umwunden wird, verkümmern lassen, und dass andererseits Keimpflanzen und Stecklingspflanzen zunächst gleichfalls, ohne zu klettern, reichlich Kannen bilden. Es tritt also die von Sachs beobachtete merkwürdige Reizwirkung erst bei älteren Pflanzen gewisser, aber nicht aller Arten auf, und sie erklärt, warum bei diesen in den Gärten die Kannen- bildung oft eine so kümmerliche ist. Dass dieselbe auch unterbleibt, wenn die Kulturbedingungen, namentlich die Luftfeuchtigkeit nicht zweckentsprechend geregelt sind, kann nicht wundernehmen*). Denn wie schon aus Sachs' Beobachtungen hervorgeht, sind die äus- seren Bedingungen für die Entwicklung der Kanne und die des spreitenförmigen Teiles des Blattes nicht dieselben; wurde doch oben auch für einige Sarracenia-Arten die Thatsache angeführt, dass bei den späteren Blättern des Jahrestriebes regelmässig die Kanne ver- kümmert, während der breite Flügel derselben sich sogar stärker als an den kannentragenden Blättern ausbildet. Ehe auf die Frage nach der morphologischen Bedeutung der *) In einem der grössten botanischen Gärten sah ich eine Nepenthes- Sammlung, deren Pflanzen keine einzige Kanne besassen. Gocbel, pflanzeubiol. Sohilderuugen. II. 7 — 98 — Kannen und der übrigen Blattteile, sowie nach dem Baue der erstereu näher eingegangen wird, wird es geraten sein, die Entwicklung, vom Samen ausgehend, zu verfolgen. Die Nepenthes- Samen sind sehr leicht und klein (vgl. Fig. 22, 1), sie besitzen zwei lang- gestreckte Anhängsel, welche, wie der Längs- schnitt (Fig. 22, 2) zeigt, der äusseren Samen- schale angehören und mit Luft erfüllt sind, ähnlich wie solche Luftsäcke sich auch bei den Samen vieler Orchideen in der Samen- schale finden. Beccari (Malesia I, pag. 207) giebt an, dass das Gewicht eines Samens von Nepen- thes phyllamphora im Mittel zu 0-000 035 Gr. ermittelt wurde, es ist also klar, dass derartige Samen durch den Wind sehr leicht werden verbreitet werden können. Die äussere Schicht der Samenschale wird von einer einzigen Zelllage gebildet, deren Zellen dadurch ausgezeichnet sind, dass sie gelbliche Verdickungsleisten auf ihrer Aussenseite besitzen (Fig. 22, 3). Der Embryo liegt in einem wenig um- fangreichen, in Fig. 22 schraffierten Endosperm. Bei der Keimung treten, wie oben erwähnt, nach den Kotyledonen sofort Schlauchblätter auf (Fig. 23), welche aber in ihrer Form von derjenigen der später auftretenden bedeutend abweichen, wobei wir von den Grössenverhält- nissen hier ganz absehen. Es findet sich nämlich bei den primären Schlau chblättern weder eine Ranke, noch der breite, einer Blattspreite gleichende Teil, sondern der Schlauch nimmt das ganze Blatt ein, mit Ausnahme eines un- bedeutenden Basalteiles, der dem Blattgrunde Fijr. 22. Fig. 22. Nepenthes sp. (melamphora) (Gunung Goentoer, Java, colleg. Dr. G. Karsten.) 1 Samen in nat. Grösse. 3 Längsschnitt eines Samens , 19 mal vergrössert. Zwischen äussei'er und innerer Samenschale ein grosser, lufthaltiger Raum. Das Endosperm ist schraffiert, der Embryo weiss gelassen. 3 Zelle der Samen- schale, 120 mal vergi-össert. — 99 entspricht. Der Schlauch zeigt auch jetzt schon einen kleinen Deckel, der aber, wie die Entwicklungsgeschichte zeigt, nicht das Endo der zum Schlauche umgebildeten Blattanlage ist. Dieses wird vielmehr dar- gestellt durch eine kleine Spitze (Sp, Taf. XXI, Fig. 6, 8) an der Aussen- seite des Deckels. Der letztere ist mit borstigen Haaren ver- sehen, die an ihrem Ende ge- wöhnlich eine Drüse tragen; dieselben Organe finden sich auch an den beiden schmalen, flügeiförmigen, unten direkt in den Blattgrund übergehen- den Flügeln*), welche vorne am Schlauche stehen, Flügel, welche an den Schläuchen älterer Pflanzen bei manchen Arten (z. B. bei Nepenthes RafHesiana Fig. 24), oft recht bedeutende Dimensionen er- reichen. Etwas ältere Keim- pflanzen haben eine grund- ständige Kannen-Blattrosotte gebildet, und gleichen so im Habitus den Sarracenien. Die Schlauchblätter aber verän- pig 23. Nepenthes sp. (Java, Keimpflanze, welche dern allmählich ihre Gestalt, •''"^^<''" "^«^ ^"'«^^ "*'^'^^° Keimblättern zwei schiauch- blätter zeigt. Die Spitze derselben ist mit Sp (bei dem und zwar ist es der zwischen jüngeren rechts mit S) bezeichnet. *) Bei den von Hooker und Dickson beschriebenen Keimpflanzen konver- gieren diese Flügel nach oben und sind hier durch eine, ebenfalls mit Haaren besetzte Querlamelle verbunden. Dies ist bei den oben beschriebenen Keim- pflanzen nicht der Fall, die Flügel sind wie bei den erwachsenen Schläuchen von einander getrennt, was ich hier anführe, weil der bei einigen Arten statt- findende Zusammenhang der Flügel von einigen Autoren besonders betont worden ist, während ich ihn als ganz nebensächlich betrachte. Bei den von Bischoff beschriebenen Keimpflanzen von Nepenthes destillatoria liegen die Verhältnisse der Abbildung nach ebenso, wie bei den oben beschriebenen Keim- pflanzen (vgl. Bischoff", Lehrbuch der Botanik, Taf. XI, Fig. 265). Schon dieser Autor hat, wie später Hooker, auf die Ähnlichkeit hingewiesen, welche zwischen den Schlauchblättern der Sarracenien und denjenigen der Nepenthes-Keim- pflanzen besteht. 7* — 100 — dem Schlauch uucl der Anheftungsstelle des Blattes gelegene Teil, der Blattgruud, welcher eine Grössenzunahme erfährt und sich zu einer grünen Blattfläche gestaltet; die Flügel des Schlauches setzen sich aber noch direkt in den Blattgrund fort. Allmählich aber setzt sich der Schlauch schärfer von dem Blattgrund ab, indem der Blattgrund nicht mehr mit gleichmässiger Breite in den Schlauch übergeht, sondern sich unterhalb des Kannenansatzes verschmälert. So ist es bei den Kannen- blättern der in Fig. 25 abgebildeten Keimpflanze. Aber die Ein- schnürung des Blattgrundes ist hier noch flach, und von einer, mehr Fig. 25. Nepenthes sp. (Goenoeng Guntiu-, J.ava.) Keimpflanze (M. G.), zweimal vergrössert. Die ersten Primärblätter sind nicht mehr vorhanden , die folgenden zeigen noch keine „Ranke". oder weniger cylindrischen Ranke ist noch nichts vorhanden. Im- merhin lassen die einzelnen Teile des späteren Blattes sich hier schon unterscheiden. Denken wir uns den Blattgrund stark ver- grössert, die schmale Stelle desselben zur Ranke verlängert, so er- halten wir die Teile, wie sie an späteren Kannenblättern sich vor- finden. Die Ranke ist zunächst noch nicht für Berührung reizbar und dient nur als Träger des Schlauches, speziell auch seiner Auf- richtung. Der verbreiterte Blattgrund aber stellt eine assimilierende Blattfläche dar. Der Entwicklungsgang der Keimpflanzen giebt nun auch, wie früher schon hervorgehoben wurde*), einen Anhaltspunkt für die Beurteilung des morphologischen Aufbaues der Kannenblätter. Dieselben schliessen sich denen von Sarracenia (abgesehen von dem Deckel) an, ursprünglich wird zu ihrer Bildung die ganze Blattan- lage, mit Ausnahme eines kleinen, basalen Teiles des Blattgrundes *) Goebel, Über die Jugendzustände der Pflanzen, Flora 1889, pag. 38. 101 Fig. 24. Kanne von Nepenthes Ratflesiana, natürl. Grösse. B. G. M. phot. — 102 — verwendet. Nachträglich erfährt dieser eine beträchtliche Verlänge- rung, und wird die Ranke eingeschoben. Andere Auffassungen scheinen mir dem Sachverhalt weniger zu entsprechen. So hat man den Deckel teilweise für die eigentliche Blattsprcite gehalten (Korthals), die Kanne und das Übrige dem Blattstiel zugerechnet. Diese Ansicht ist aber unhaltbar, wie schon aus der unten mitzuteilenden Ent- wicklungsgeschichte hervorgeht. Ebensowenig zutreffend erscheinen mir die schon von früheren Autoren*) gemachten und in neuerer Zeit wieder aufgenommenen Versuche, das Schlauchblatt von Nepenthes aus einem zusammenge- setzten Blatt abzuleiten. So soll nach Bower der Deckel der Nepenthes- Schläuche aus zwei Fiederblättchen verwachsen sein, weil derselbe teilweise (aber keineswegs überall) eine Einbuchtung in der Mitte zeigt, und ein anderer Autor nimmt sogar an, dass das Nepenthes- blatt aus 3, 4 oder 5 Paaren von Fiederblättchen zusammengesetzt sei; die dafür angeführten Gründe sind aber so wenig stichhaltig, dass sie hier übergangen werden können. Auch die Ansicht von Hooker, dass die Kanne nur ein Anhängsel am Blatte, gewissermassen eine riesig entwickelte Drüse darstelle, ist, wie schon die Gestaltung der Blätter bei den Keimpflanzen zeigt, eine unhaltbare. Vielmehr wurde von mir früher schon darauf hingewiesen**), dass die Ge- staltung der Schlauchblätter in allen untersuchten Fällen eine sehr übereinstimmende ist, und sich nahe an die der schildförmigen Blätter anschliosst. Zu ihrer Bildung wird der Teil der Blattanlage ver- wendet, welcher bei anderen Blättern zur Blattspreite wird, was bei Cephalotus besonders deutlich hervortritt; wie hier das Schlauchblatt flügeiförmige Auswüchse besitzt, so auch (nur in anderer Zahl und Verteilung) bei Nepenthes und Sarracenia; in allen Fällen sind diese Flügel nachträglich entstandene Wucherungen. *) So von Chr. Morren, bulletin de l'acad. de Bruxelles, t. V. 1838, Don, annals of nat. history 1841, p. 218 (Citat nach Faivre). Was die oben angeführte Ansicht Bowers über den Deckel der Kanne anbelangt, so ist hervorzuheben, dass nicht jede Einbuchtung an einem Blattrande als Anlage einer Gliederung des Blattes betrachtet werden kann. Es wäre dazu, da die Entwicklungsge- schichte für Nepenthes selbst zu einer solchen Auffassung keinen genügenden Anhaltspunkt bietet, die Kenntnis einer verwandten Form mit gegliederten Blättern notwendig. *=ft) Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane, Schenks Handbuch, III, 1, pag. '236 ff. — 103 — Die Entwicklungsgeschichte wurde an Schlauchblättern der Keim- pflanze verfolgt. Fig. 6 auf Taf. XXI zeigt ein junges Schlauchblatt von oben gesehen. Sj^ ist die Spitze der Blattanlage, die an der Schlauchbildung nicht teilnimmt. Unterhalb derselben ist eine Wuche- rung entstanden (D), welche zum Deckel wird. Dieser ist also ein Aus- wuchs der Blattoberseite, der erst später bei dieser Art eine seichte Einkerbung zeigt; Fiederblättchenbildung wird hier um so weniger angedeutet sein, als wir auf der Oberseite von Blattanlagen ent- stehende Fiederblättchen bis jetzt überhaupt nicht kennen. Der Schlauch ist hier, und ebenso in dem in Fig. 7, Taf. XXI abgebildeten jungen Schlauchblatte als Vertiefung der Blattoberseite angelegt, dem Deckel entspricht eine Wucherung weiter nach unten, die zu einer Schlauchwand sich gestaltet. Neu gegenüber den Schläuchen von Sarracenia ist eben nur das Auftreten des „Deckels". Bei weiterem Wachstum vertieft sich die Kanne, und es entstehen an ihr die flügeiförmigen Auswüchse, der unterhalb der Kanne gelegene Teil, der Blattgrund*), bleibt bei dem Schlauchblatt der Keimpflanze klein, während er bei den späteren Blättern mächtig heranwächst; in der Seitenansicht (Fig. 8, Taf XXI) tritt übrigens auchi schon hervor, dass die Kannenanlage etwas oberhalb des scheidigen Blattgrundes aufhört, so dass also durch interkalares Wachstum zwischen Kanne und Blattgrund leicht ein Stück eingeschaltet . werden kann. Bei vielen Nepenthes- Arten besteht eine Verschiedenheit in der Gestalt und Grösse der Schläuche im unteren und oberen Teile der Pflanze, eine Verschiedenheit, die so gross sein kann, dass auf die Schläuche einer und derselben Art sogar die Aufstellung zweier ver- schiedener Arten begründet wurde. Die ersteren pflegen kürzer und breiter zu sein als die später auftretenden, und vor allem haben sie gewöhnlich viel breitere seitliche Flügel als die letzteren, bei denen *) Es ist selbstverständlicli und früher auch ausdrücklich von mir betont worden, dass eine scharfe Abgrenzung von Blattgrund, Stiel und Spreite viel- fach nicht möglich, und bei ganz ungegliederten Blättern ohnehin ausgeschlossen ist. Bei Nepenthes zeigt die Entwicklungsgeschichte (wozu ja auch die Keimungsgeschichte gehört), deutlich den Gang der Ausbildung des Blattes. Wie oberflächlich bei derartigen Fragen geurteilt wird, zeigt z. B. die Bemer- kung von Wunschmann (a. a. 0. pag. 11): „Ausserdem aber dürfte ein Unter- schied zwischen petiolus und lamina — will man einen solchen einmal machen — nur in der relativen Lage dieser Teile zum Erdboden zu suchen sein, in- dem für den Blattstiel eine mehr vertikale (sic!\ für die ßlattspreite eine mehr horizontale Richtung die Regel ist," — 104 — diese Organe oft bis zum Verschwinden reduziert sind. Diese Ver- schiedenheit tritt bei kultivierten Pflanzen deshalb meist nicht her- vor, weil die Gärtner, sobald die Nopcnthes- Schläuche lang und dünn werden, die Pflanzen abzuschneiden und zu Stecklingen zu ver- wenden pflegen. Dies geschieht auch deshalb, weil junge Pflanzen sehr viel leichter schöne Schläuche in der Kultur hervorbringen, als ältere. Es ist also nicht zu vergessen, dass die Gewächshausexemplare meist durchaus ungeeignet sind, über die Wuchsverhältnisse der Ne- penthes Auskunft zu geben. Dass gegen die Blütenregion hin die Schlauchbildung ganz aufhört, wurde schon angeführt und auch her- vorgehoben, dass dies bei Nep. ampullaria schon viel früher der Fall ist, die auf kurzen Seitenzweigen des kriechenden Rhizoms stehenden Schläuche (Taf, XVIII) zeigen uns statt des spreitonähnlichen Teiles in der That nur einen kurzen scheidenförmigen Blattgrund, von dem aus alle Übergänge bis zu einem Schlauchblatt mit wohlentwickelter Blattfläche führen. Vergleicht man die Schläuche der verschiedenen Arten mit ein- ander, so stellt sich eine ziemliche Mannigfaltigkeit in Gestaltung und Grösse heraus. Die auf Taf. XVIII abgebildeten Schlauchblätter von Nep, ampullaria sind annähernd tonnenförmig, andere gleichen mehr einem langgestreckten Cyliuder, besonders eigentümlich sind die trichterförmigen Schläuche von Nep. Bongso und die von Nep. Lowi, welche eine sehr breite Mündung haben, unterhalb deren eine trichter- förmige Verengerung dann wieder in den breiten sackförmigen unteren Teil führt. Nicht minder verschieden ist auch die Farbe, wobei man sich auch wird hüten müssen, unsere vielfach bei ungenügendem Licht- zutritt gezogenen Gewächshauscxemplaro als Norm zu betrachten. Manche Arten haben grüne Becher, bei anderen tritt eine lebhafte Färbung ein, so sehr, dass die Javanen die Schläuche für Blüten halten. Eine dieser lebhaft gefärbten Arten ist Nepenthes Rafflesiana (Fig. 25), welche mit zahlreichen purpurroten Flecken versehene Schläuche besitzt; diese lebhafte Färbung (welche oben auch für Sarracenia und Darlingtonia erwähnt wurde) ist auch in der Photo- graphie noch erkennbar. Dass die Schläuche dadurch von weitem schon sichtbar sind und sich von den grünen Blättern abheben, ist klar, und es wird dies auch bei denjenigen eintreten, welche eine mehr gleichmässig purpurrote Färbung aufweisen, oder denjenigen einer Art in Borneo, von der Burbidge erzählt: „Beim Höhersteigen — 105 - führte unser Pfad durch einen Gürtel grosser Bambusen, und hier fanden sich zwei Arten von Nepenthes. Eine war die Art mit langen, grünen, purpurn gefleckten Schläuchen, die andere eine hochwüchsige Art mit herrlichen weissen Schläuchen von zierlicher Wasserkannen- form, durchsichtig wie Eierschalen-Porzellan, und sehr hübsch schar- lachrot gefleckt, ganz abweichend von den sonstigen Arten. Sie wuchs an beiden Seiten des Pfades und kletterte an den Bäumen 40 — 50 Fuss hoch hinauf." — An der Färbung nimmt auch der Randkragen (s. u.) nicht selten teil, besonders auffallend bei N. albo- marginata, wo „der glänzend braune Randkragen von einem breiten, weissen, samtartigen Rande umgrenzt ist." Was die Grösse anbelangt, so variiert die Länge der Schläuche etwa von 5 cm (N. ampullaria, Bongso kleine Kannen) bis zu etwa 40 cm (N. Edwardsiana, Raffle- siana, villosa). Mit den grössten Inhalt haben wohl die Schläuche von N. Rajah, einer der eigentümlichen, auf dem Kina-Balu in Borneo wach- senden Formen. Sie sind zwar nicht besonders lang (etwa 25 — 30 cm), aber sehr weit (ca. 12 cm), und sind, wie Hooker bemerkt, geräumig genug, dass auch kleine Vierfüssler oder Vögel in dem Kanneninhalt ertrinken können. Indes scheinen sie doch auch nur kleine Tiere zu fangen. Wenigstens ist in den Berichten der Reisenden, welche Ge- legenheit hatten, an Ort und Stelle diese merkwürdige — in der Kultur bis jetzt nur recht mangelhaft gedeihende — Pflanze zu sehen, nur von Insekten die Rede. So sagt Burbidge dgl. (a. a. 0. p. 279): „Diese riesigen Urnen (von N. Rajah auf dem Kina-Balu in Borneo) waren grösstenteils mit Regenwasser angefüllt, in welchem sich die Reste von Ameisen, Käfern und anderen Insekten fanden." Gehen wir zu der Gestaltung und dem Baue der Schläuche im einzelnen über, so ist zunächst bezüglich des „Deckels" zu bemerken, dass er nicht überall in demselben Verhältnis zu dem Schlauche steht. Bei den meisten Arten erscheint er wie bei N. Rafflesiana schief aufgerichtet, und wenn es auch eine Fabel ist, dass er die Mündung abwechselnd öffne und schliesse, so entspricht doch seine Grösse im allgemeinen derjenigen der Schlauchmündung, welche er ja auch im Knospenzustand bedeckte. Bei N. ampullaria aber ist er annähernd horizontal zurückgeschlagen (Taf. XVIII) und schmäler als die Mündung. Letztere ist ausgezeichnet durch einen nach abwärts geschlagenen Kragen, der mit vorspringenden Längsleisten versehen und sehr glatt ist. Er findet sich bei den einzelnen Arten in verschiedener Mächtig- — 106 — keit entwickelt, relativ gross ist er z. B. bei Nep. ampullaria (Taf. XX). Die einzelnen Längsrippen des Kragens springen bei manchen Arten über den Kragenrand nach innen vor (so z. B. bei N. Rafflesiana, Fig. 26). Besonders auffallend ist N. bicalcarata dadurch, dass die obersten dieser beiden Kragenzähne zu starken, nach abwärts gerich- teten Haken entwickelt sind (Fig. 26). Man hat vermutet, diese Hakenzähne sollten grossen, im Schlauch gefange- nen Insekten das Entrinnen unmög- lich machen. Das ist aber nach der Lage der Zähne ganz unmöglich, sie stehen viel zu weit oben. Burbidge*) erzählt, in den Wäldern Borneos lebe ein kleines, rattenähnliches, insekten- fressendes Tier (Tarsius spectrum). „Dieses besucht die Schläuche von Nepenthes Rafflesiana und leert die- selben, nicht aber die von N. bical- carata, denn die scharfen Sporen sind so angebracht, dass der „tarsius" sicher von denselben — und zwar recht scharf — gefasst und gestochen wird, wenn er seinen Kopf unter den Deckel bringt, um in das Innere des Schlauches zu sehen." Dass in der That in den Schläuchen der "Insektivoren Insekten oft in solcher Menge sich anhäufen, dass sie insektenfressende Tiere an- ziehen, wurde oben schon für Sarra- cenia hervorgehoben. Für N. bical- carata wären weitere Beobachtungen im Vaterlande der Pflanze erwünscht. Es ist diese Art auch dadurch merkwürdig, dass sie stets von Ameisen bewohnt ist. „Der Stiel der unteren taschen- oder am- pullaförmigen Schläuche ist angeschwollen und hohl," — Ameisen gelangen, indem sie ein Loch bohren, in die Höhlung und bilden so Kolonieen in den alten und trockenen Schläuchen, und besuchen Fig. 2G. Nepenthes Ijicalcarata. Kleine Kanne, phot. B. G. M. *) Gardeners Chronide 1880, pag. 201. — 107 — beständig die jüngeren, um Futter und Wasser zu suchen, da die frischen Schläuche stets eine mannigfaltige Sammlung von toten und in Zersetzung begriffenen Insekten der verschiedensten Arten ent- halten. Auch diese Art klimmt 50 — 60 Fuss hoch in die Bäume hinauf. Die schönsten Schläuche aber bilden sich von Seitensprossen des auf dem Boden liegenden Stammes, der mit Moos, toten Blät- tern etc. bedeckt ist, die Schläuche sind rot gefärbt. Möglich, dass die Ameisen ihnen zum Schutze dienen, oder ebenfalls insekten- fressende Tiere an der Beraubung des Schlauchinhalts verhindern. Auch hierüber müssen erst weitere Beobachtungen an Ort und Stelle Auskunft geben. Das Innere der Nepenthes- Schläuche zerfällt in zwei Zonen, welche man leicht schon mit blossem Auge unterscheiden kann, ja die sogar schon bei Betrachtung des Schlauches von aussen teilweise sich unterscheiden lassen; sowohl bei N. Rafflesiana (Fig. 24), als bei der in Fig. 21 abgebildeten Nep. Masters! springt der Teil, welcher die untere Zone enthält, auch nach aussen mehr vor, als der andere, obere. Übrigens giebt es auch Arten, bei welchen eine solche Dif- ferenzierung des Schlauchinnern in zwei Zonen, die Drüsenzonc und die Gleitzone, nicht vorkommt, sondern das ganze Schlauchinnere mit den charakteristischen, unten zu erwähnenden Drüsen besetzt ist. Dies ist der Fall bei Nep. ampullaria und (worüber mir keine eigenen Erfahrungen vorliegen) bei Nep. Hookeri; es scheint, dass bei den- jenigen Nepenthes-Artcn, deren Keimpflanzen bekannt sind, die ersten Schlauchblätter sich ebenso verhalten, wie die später auftretenden, wenigstens war es so bei den oben beschriebenen Keimpflanzen der javanischen Nepenthes-Art, deren erste Schlauchblätter schon eine Gleit- und eine Drüsenzonc zeigten, und ebenso bei den von Dickson beschriebenen Keimlingen einer hybriden Nepenthes. Wenn Hooker von den jungen Pflanzen einer unbestimmten Art aus Borneo an- giebt, dass die ganze Innenfläche der Schlauchblätter als Drüsenzone ausgebildet war, so ist wohl anzunehmen, dass dies auch bei den späterhin auftretenden Schläuchen dieser Art der Fall ist. Die beiden Zonen sind übrigens nicht nur daran zu erkennen, dass die zahlreichen Drüsen der Drüsenzone als dunklere Punkte hervortreten, sondern auch an der verschiedenen Färbung. Die Gleit- zone hat einen weisslichen, von einem Wachsüberzug herrührenden Schimmer, welcher der Drüsenzone fehlt. Ja in einigen ^Fällen weist die erstere sogar eine lebhafte Färbung auf, die besonders auffällt _ 108 — dann, wenn die Aussenseite der Scliläuche unscheinbar grün ist; so ist es z. B. bei N. Khasyana (resp. der im hiesigen Garten unter diesem Namen kultivierten Art). Nach dieser allgemeinen Orientierung sei der Bau der Schläuche im Folgenden kurz näher geschildert; wir übergehen dabei die mehr nebensächlichen Dinge, wie die Behaarung, welche bei manchen Arten vorkommt, und offenbar je nach dem Standorte eine mehr oder minder starke sein kann. Auch die auf der Aussenseite der Schläuche befindlichen Drüsenhaare (vgl. Fig. 8, Taf. XXI) dürften mit der Funktion derselben direkt nichts zu thun haben, sie sind braun und abgestorben, ehe der Schlauchdeckel sich von der Mün- dung abhebt. Wichtiger sind andere Drüsen. Bei Schilderung der Sarracenia- Schläuche wurde hervorgehoben, dass dieselben Honigdrüsen besitzen, und dass diese namentlich am Schlaucheingange sich finden. Dies gilt auch für Nepenthes. Zahlreiche Arten dieser Gattung besitzen auf der Unterseite des Deckels Drüsen in Form kuchenförmiger Zell- kÖrper, ähnlich denjenigen, welche in der Drüsenzone des Schlauches sich finden. Dass diese Drüsen eine süssschmeckende Substanz ab- sondern, davon kann man sich durch die Zunge leicht überzeugen (so z. B. bei N. gracilis, Raiflesiana, Khasyana, phyllamphora) ; ohne Zweifel wird das Sekret von kleinen Tieren aufgesucht werden, welche dabei sehr leicht in die Kanne hinabfallen können. Einige Arten, wie N. ampullaria, ferner die Keimpflanzen der N. melamphora (s. o.) entbehren übrigens die Honigdrüsen auf dem Deckel, dagegen treten sie bei älteren Pflanzen der letztgenannten Art auf. Bei Nep. ampul- laria ist in Betracht zu ziehen, dass hier der Deckel zurückgeschlagen ist, und dass ferner die Kannen auf dem Boden aufliegen, wo sie oft dicht gedrängt stehen, so dass kriechende Insekten ohnedies sehr leicht in die Kanne gelangen können. Auch bei dieser Art aber finden sich Honigdrüsen an dem untern Rande des charakteristischen Mundbesatzes. Dieser letztere hat dreierlei Funktionen zu erfüllen. Einmal steift er die Eingangsöffnung aus, und dies wird besonders wirksam da der Fall sein, wo der Mundbesatz sowohl nach innen, als nach aussen entwickelt ist (vgl. den Längsschnitt Fig. 7, Taf. XXII), also nicht nur einfach von dem eingestülpten Kannenrande gebildet wird. Zweitens dient der Mundbesatz als Gleitfläche, Er ist sehr glatt, und dazu kommt, dass die Honigdrüsen, durch welche der Kragen zugleich als Aulockungsfläche dient, am unteren Ende des- — 109 — selben sich befinden, resp. dort ausmünden. Ich habe mich bei ver- schiedenen Arten davon überzeugt, dass diese, bei allen untersuchten Formen angetroffenen Drüsen wirklich Honigdrüsen sind. Sie sind in das Gewebe versenkt, je eine Drüse zwischen einer der hervorragenden Rippen des Kragens (vgl. den Querschnitt Fig. 6, Taf. XXII), und münden nicht frei nach aussen, sondern in eine Grube, eine Ein- senkung des Kragenrandes. Es wird durch diese geschützte Lage der Drüsen wohl das Ausgewaschenwerden durch den Regen etc. ver- hindert, resp. erschwert. Die Kleinheit der Honigdrüsen ist übrigens, wie mir scheint, mit ein Grund dafür, dass man in den Nepenthes- Schläuchen nur kleine Insekten antrifft. Die auf den Kragen folgende Gleitfläche zeichnet sich aus durch ihre Wachsabscheidung, und besitzt häufig einen eigentümlich opali- sierenden Glanz. Drüsen sind hier keine vorhanden, wohl aber eine Anzahl kleiner, halbmondförmiger Zellen, die etwas über die anderen vorspringen (Fig. 1 auf Taf. XXII; die Figur ist durch ein Ver- sehen des Lithographen nicht in richtiger Stellung wiedergegeben, die konvexe Seite der Halbmonde sollte nach oben stehen). Es ist nicht mit Sicherheit zu sagen, was die Funktion dieser Gebilde sein mag. Mit der Wachsausscheidung, als deren Sitz man sie betrachtet hat, haben sie nichts zu thun. Möglicherweise stehen sie mit dem Gasaustausch in Beziehung, wenigstens wird Luft unter den halb- mondförmig vorspringenden Zellen festgehalten. Die Drüsenzone der Schläuche trägt zahlreiche kuchenförmige Drüsen, welche bei älteren Schläuchen in einer Vertiefung der Ober- fläche stehen, und zwar derart, dass sie vom oberen Rande der Grube überdacht werden (Taf. XXII, Fig. 9). Es wird sich dabei wohl weniger um einen Schutz der Drüsen handeln (etwa gegen Austrocknung), als um eine Einrichtung, wie wir sie bei den Reusen- haaren der Sarracenieen angetroffen haben. Es wird durch diese Überdachung der Drüse von oben her einem Insektenfusse unmöglich gemacht werden, an der Drüse einen Stützpunkt zu finden, nebenbei mögen auch, wenn der flüssige Inhalt des Bechers etwa austrocknet, zunächst kleine Wassermengen kapillar hier festgehalten werden. Die Menge dieser Drüsen ist eine sehr bedeutende. Die Grösse derselben nimmt gewöhnlich von oben nach unten zu. Sie gleichen den Digestionsdrüsen der Droseraceen insofern, als auch sie aus einer kuchenförmigen Drüse (die aus zwei oder mehr Zelllagen besteht) und einer Mittelschicht bestehen, deren Aussen- und Radialwände — 110 — cutikularisiert sind. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass diese Drüsen die Flüssigkeit ausscheiden, welche in den Nepenthes- bechern abgesondert wird. Dieselbe findet sich schon in ungeöff- neten Bechern, und erscheint auch in entleerten wieder. Eine Aus- scheidung durch die Epidermiszellen des Schlauchinnern hindurch ist um so unwahrscheinlicher, als dieselben ziemlich dicke Wände haben. Ausserdem steht jede Drüse über einem Nerven oder dessen Aus- zweigung. Das Sekret der Urnen ist, wenn es in geringerer Menge auf- tritt, von etwas schleimiger Beschaffenheit, worauf hier vorläufig hin- gewiesen sein mag, jedenfalls sind auch organische Verbindungen in ihm enthalten. Über den Einfluss äusserer Faktoren auf die Aus- scheidung ist kaum etwas Brauchbares bekannt. Rumpf hatte ge- glaubt, bei Nacht sei die Ausscheidung eine stärkere als bei Tage. Korthals führte dagegen diese Wahrnehmung auf die nächtliche Tau- bildung zurück. Er leerte abends Nepenthesbecher und schloss einige mit Papierhütchen, am folgenden Morgen war in allen Flüssigkeit, in den geschlossenen am wenigsten; er fand vielmehr, dass nachts weniger abgeschieden wird als am Tage. Inwiefern aber die höhere Tagestemperatur (durch Steigerung der Wurzelthätigkeit) oder das Licht direkt dabei beteiligt sind, wäre erst näher festzustellen. D. Cephalotus. An Nepenthes sei hier angeschlossen eine Pflanzenform, deren Schläuche mit denen von Nepenthes eine gewisse äussere Ähnlichkeit haben, Cephalotus follicularis Lab. Sie wächst nur an einer Stelle in West-Australien (Kings Georges Sound) auf sumpfigem Boden, und wurde zuerst zu den Rosaceen gestellt*), während sie jetzt in der vielumfassenden Familie der Saxifrageen untergebracht ist. Die Pflanze besitzt eine bodenständige Blattrosette, welche Blätter von zweierlei Gestalt hervorbringt: gewöhnliche, mit einfacher ellip- tischer Spreite und ziemlich langem Blattstiel versehene, und Schlauch- blätter, welch letztere ebenfalls gestielt sind; gelegentlich findet man auch Mittelformen zwischen beiden**), die offenbar dadurch ent- *) Labillardere, specimen plant, nov. holl. 2, p. 7, Robert Brown, gene- ral remarks on the botany of terra australis, botanical works I, p. 76. **) Solche hat auch Dickson beschrieben (morphology of the pitcher of Cephalotus follicularis by Alex. Dickson, Edinburgh, bot. soc, vol. XIV, pag. 172). — 111 stehen, dass eine Sclilauchblattanlage auf früherem oder späterem Stadium ihrer Entwicklung, statt sich normal weiter zu entwickeln, sich laubblattartig ausbildet. Die Entwicklungsgeschichte der Schlauchblätter erfolgt ganz ähn- lich wie die derjenigen von Nepenthes, d. h. der Schlauch stellt — roh bezeichnet — auch hier eine Einstülpung der Blattoberseite, der Deckel eine Wucherung derselben dar. Nehmen wir Fig. 7 auf Taf. XXI zum Ausgangspunkt, so würde dieselbe im wesentlichen auch ein richtiges Bild eines jungen Cephalotus-Schlauches bieten, wenn man sich die Blattspitze, welche bei Nepenthes an der Schlauchbildung nicht An- teil nimmt, während sie bei Cephalotus in dieselbe einbezogen wird, wegdenkt. Nun wird bei der Weiterentwicklung die obere der beiden Wucherungen der Blattfläche bei Nepenthes zum Deckel (D, Fig. 7, Taf. XXI), bei Cephalotus aber entsteht der Deckel vielmehr aus der der Blattbasis nahe lie- genden Wucherung, während der obere Teil zur Kannenanlage sich gestaltet; die Kanne ist also ursprünglich nach oben, der Deckel nach unten gerichtet, so dass erst durch ein Zurückbiegen die Kanne ihre normale Lage erreicht, wobei der Deckel nach oben . 111 T F'S- 27. Cephalotus follicularis steht. Wie bei Nepenthes bedeckt er die scuiaucbbiatt von vom; natüri. Kanne ursprünglich dicht, und wie bei Giü.sse. ir. g. noch ungeöffneten Nepentheskannen fand ich auch bei noch ungeöffneten Cephalotuskannen Flüssigkeit — teil- weise in reichlicher Menge — im Innern abgeschieden. Die fertigen Cephalotuskannen zeigen den Deckel etwa in einem Winkel von 45 " von der Kannenmündung abstehend. Charakterisiert sind die Kannen durch ihre Flügelleisten und ihre prachtvolle Färbung. Die Flügel- leisteu sind, wie bei Nepenthes, nachträgliche Wucherungen der Kannenaussenseite. Es sind deren drei vorhanden. Die eine verläuft von der Mittellinie des Schlauches von der Kannenöffnung bis zur Basis der Kanne. Die beiden seitlichen Leisten verlaufen schräg nach unten, sie keilen sich allmählich aus und sind mit der Mittel- leiste je durch eine Haarlinie verbunden. Die letztere breitet sich oben in zwei Flügel aus, hat also T- förmigen Querschnitt, die beiden — 112 — Flügel derselben sind nach aussen, ebenso wie die seitliclien Leisten mit laugen Haaren besetzt. Wie die Nepentheskanneu, so besitzen auch die Cephalotuskannen an der Mündung der Kannen einen Kragen, der hier mit stark vorspringenden Leisten besetzt ist, die krallen- artig in das Innere vorspringen (vgl. die in Fig. 9 auf Taf. XXIII abgebildete halbierte junge Kanne). Für Cephalotus charakteristisch ist, dass der Kragen sich gewissermassen in die Kanne hinein fort- setzt, es findet sich im Innern der Kanne ein ringförmiger, an den Kragen ansetzender Vorsprung, der, wie unten zu zeigen sein wird, die Gleitfläche enthält. Zunächst sei noch hingewiesen auf die prachtvolle Färbung der Kannen. Der äussere Teil derselben ist bei wohl entwickelten Exem- plaren tief purpurrot gefärbt, (eine Färbung, die auch von den aus- gewachsenen Laubblättern vielfach angenommen wird), besonders fällt der Deckel auf, der hier, wie bei den Sarracenien, wie eine aufge- steckte Fahne den Eingang zum Schlauche bezeichnet. x\uch der Deckel nimmt an der roten Färbung Anteil, ausserdem aber besitzt er noch (den „Fenstern" von Darlingtonia und Sarracenia variolaris entsprechende) durchscheinende weisse Flecke*), von denen die grös- seren in drei Streifen augeordnet sind, so dass ein von der Unter- seite gesehener Deckel ein sehr eigentümliches Farbenbild darbietet, während die Aussenseite desselben ziemlich unscheinbar ist." Da nun die sämtlichen Kannen im Kreise um die Laubblattrosette herumstehen, und alle die lebhaft gefärbte Unterseite der annähernd vertikal gestellten Kannendeckel nach aussen kehren, so muss eine Cephalotuspflanze ebenso auffallen, als ob sie lebhaft gefärbte Blüten trüge. Ausserdem zeigt die Deckelunterseite noch einen matt-irise- renden Glanz, An den Kragen pflegen nur die Leisten rotgefärbt zu sein. Auf der Innenseite fällt zunächst der oben erwähnte Kragen durch seine matt- weisse Farbe auf, die ganz an die erinnert, die sich am Eingang mancher Sarracenien-Schläuche, z. B. denen von Sarr. rubra findet; die übrige Innenfläche der Kanne ist grün ge- färbt, mit Ausnahme zweier Längsstreifen nahe dem Grunde der Kanne (vgl. Fig. 9 auf Taf. XXIII). Was die anatomischen Verhält- nisse betrifft — soweit sie hier in Betracht kommen — so sei fol- gendes bemerkt. *) Zuweilen fliessen dieselben auch zu Streifen zusammen, überhaupt ist die Zeichnung des Deckels eine variable. — 113 — Die Epidermis der Äussenseite des Kannendeckels besteht aus flachen Zellen mit gewellten Seitenwänden. Zwischen denselben be- finden sich Drüsen eingesenkt, welche vor allem dadurch von Inter- esse sind, dass sie ganz denselben Bau zeigen, wie die oben be- schriebenen Sarraceniaceen-Drüsen. Wie diese sind sie von dem Ge- webe, in welches sie eingebettet sind, durch eine cutikularisierte Haut abgegrenzt, und die Oberflächenansicht, wie sie Fig. 11 auf Taf. XXIII zeigt, stimmt ganz mit der in Fig. 10 auf Taf. XXII für Sarracenia abgebildeten überein, d. h. man sieht in der Oberansicht zwei innere, an den Enden etwas spitz zulaufende Zellen von vier äusseren umgeben, an diese 6 Zellen stossen nach innen noch zwei untere an; die zwei erst erwähnten mittleren Zellen sind wie bei Sarracenia durch ihre verdickten Aussenwände ausgezeichnet. Den Sarracenia-Drüsen gegenüber also fehlt nur ein Stockwerk von Zellen in den Drüsen, welches durch Auftreten von zwei der Oberfläche gleichgerichtet verlaufenden Wände zustande kommen würde. Auf der Unterseite des Deckels ist. eine Gleitfläche ausgebildet, gleichfalls ganz der von Sarracenia entsprechend. Das heisst, die Zellen erhalten nach unten gerichtete kurze, konische Auswüchse, welche die charakteristische Streifung (resp. Faltung) zeigen; zwischen diesen Zellen liegen gleichfalls kleine Drüsen, so dass das in Fig. 10, Taf. XXII für Sarr. purpurea gegebene Bild mit geringen Abände- rungen auch für Cephalotus gelten könnte. Die Innenfläche des Kragens ist nur als Gleitfläche ausgebildet, ebenso die Kragenfalte. Die Innenfläche der Kanne selbst lässt sich in drei verschiedenen Regionen unterscheiden: 1. Der unter dem Kragen liegende Teil (die Mittelregion der Kanne) ist ausgezeichnet durch zahlreiche Drüsen, (mit Ausnahme des obersten, unter dem Kragen liegenden Stückes), welche kaum über die Oberfläche der Kannenwand hervorragen und gegen das umgebende Gewebe durch eine verkorkte W^andung abgegrenzt sind, (woraus schon hervorgeht, dass es keine „Digestionsdrüsen" sein können). Diese Drüsen (Taf. XXII, Fig. 14) bestehen aus einem, aus unregelmässig polyedrischen Zellen gebildeten Bauchteil und einem engeren Halsteil, dessen Zellen rechtwinklig zur Kannenwand gestrekt sind. Diejenigen Zellen des Halsteils, welche nicht unmittelbar an die Epidermis grenzen, zeigen eine eigentümliche Verdickung ihrer Wände; auf der Oberflächenansicht sind die Wände, mit denen die Zellen aneinander grenzen, ziemlich stark verdickt, aber mit Tüpfel- Goebel, pflanzenbiol. Schilderungen. II. 8 — 114 — kanälen versehen, indes erstreckt sich diese Verdickung nur auf die äussersten Partieen der Wände. Diese Zellen sind, wie auch Übergangsstufen lehren, nichts anderes, als die Deckelzellen der ge- wöhnlichen Drüsen, und die vielzelligen Drüsen (deren inhaltsreiche Innenzellen lückenlos aneinander schliessen) nichts als eine Weiter- bildung der auf der Aussenseite der Kanne und der Deckelunterseite befindliche Drüsen. Sie gehören also ebenfalls dem Sarracenia- Typus an*). 2. Die beiden seitlichen, lebhaft gefärbten, polsterförmig vor- springenden Flecke zeigen besonders grosse Drüsen der genannten Art, ausserdem ist ihre kleinzellige Epidermis unterbrochen durch sehr zahlreiche Wasserspalten, welche die Eigentümlichkeit zeigen, dass aus der weitgeöffneten Spalte sich die darunterliegende inhalts- reiche Parenchymzelle vordrängt (vgl. Fig. 10 auf Taf. XXIII). 3. Der unterste Teil der Kanne ist ohne Drüsen. Fragen wir uns, wie diese Struktur der Kanne wohl für den Tier- fang angepasst ist, so ist zunächst hervorzuheben, dass in der Heimat der Pflanze ziemlich zahlreiche Tiere in den Kannen gefunden werden. Robert Brown sagt a. a. 0.: „The ascidia or pitchers of Cephalotus wäre observed to be in general nearly half fiUed with a watery fluid, in which great numbers of a small species of ant were frequently found drowned; this fluid, which had a slightly tweet taste may pössibly be in part a secretion of the pitcher itself, but more probably con- sists merely of rain water received and preserved in it." Dass das letztere nicht richtig ist, geht schon aus dem oben Gesagten hervor. W^as die Drüsen ausscheiden, ist für Cephalotus nicht bekannt, Honig- tropfen wie bei Sarracenia konnte ich hier nicht finden. Auch einen deutlichen süsslichen Geschmack konnte ich weder in der Flüssigkeit noch ungeöfineter, noch in der geöffneter Kannen wahrnehmen. Trotz- dem ist es ja sehr wohl möglich, dass die Drüsen eine für Insekten anziehende Substanz aussondern, wie das schon die Analogie mit Sarracenia wahrscheinlich macht. Jedenfalls werden die Kannen, wie oben hervorgehoben, schon durch ihre Färbung auffallende Gegen-' stände sein, und die Flügel das Auf kriechen von Insekten an der Kanne erleichtern. Ein von dem glatten Rand herabgefallenes In- *) Maury behauptet in seiner ungenügenden Notiz über CeiDbalotus eine Beziehung dieser Drüsen zu den Gefässbündelendigungen. Auf jedem dicken Flächenschnitte kann man sehen, dass eine solche nicht besteht. — 115 — sekt wird aber, auch wenn die Flüssigkeit nicht bis an die Gleit- fläche reicht, keine Aussicht haben, zu entkommen, da die glänzende Innenfläche des Schlauches sehr glatt ist. Wie es mit der „Ver- dauung" bestellt ist, wird später zu zeigen sein. Aus der obigen kurzen Schilderung ergiebt sich zunächst, dass Cephalotus mit Nepenthes nur ganz äusserliche Ähnlichkeit hat, und dass der Bau der Kanne viel mehr dem des Schlauchblattes von Sarracenia sich nähert. Es sei nur erinnert an den Bau der Drüsen, welche keine „Digestionsdrüsen" sind, sondern gegen das Blattgewebe durch eine verkorkte Lamelle abgegrenzte und mit dem Gefässbündel- system nicht in Verbindung stehende Organe, während bei den Dro- seraceen sowohl, als bei Nepenthes ein solcher Abschluss der Drüse nicht stattfindet. Eine fernere Übereinstimmung besteht in der Aus- bildung der Gleitfläche, welche bei Cephalotus ebenfalls in der für die Sarraceniaceen charakteristischer Weise erfolgt. Es scheint mir trotz den oben angeführten Differenzen und den im Blütenbau vor- handenen, höchst wahrscheinlich, dass Cephalotus auch systematisch den Sarracenieen sehr nahe steht. Was die erwähnten Verschieden- heiten im Blütenbau anbelangt, so kann, um nur zwei Punkte heraus- zugreifen, die Apetalie von Cephalotus nicht schwer ins Gewicht fallen, da unter den Sarracenieen auch Heliamphora apetal ist; wich- tiger sind die Unterschiede im Bau des Gynaeceums, welches bei den Sarracenieen synkarp, bei Cephalotus apokarp ist. Indes variirt ja dieser Charakter auch innerhalb einer und derselben Familie (z. B, Nymphaeaceen). Indem ich mich damit begnüge, auf diese Frage hier hinzuweisen, sei noch bemerkt, dass die verschiedenen Gruppen von Insektivoren, mit Ausnahme der vereinzelt dastehenden Lentibularieen, wenn wir Cephalotus den Sarracenieen anschliessen, alle miteinander verwandt sind, wenigstens nach der Ansicht einiger Systematiker, welche sich von den biologischen Verhältnissen natür- lich nicht haben bestimmen lassen. Grisebach und Eichler z. B. stellen die Droseraceen in die Nähe der Sarracenieen und diese in die der Nepenthaceen. Für die Frage, wie sich die „Insektivorie" etwa heraus- gebildet hat, ist es offenbar von Interesse, ob die Familien, in denen sie sich findet, vereinzelt im System verteilt sind, oder miteinander verwandtschaftliche Beziehungen zeigen. Ehe auf die oben angedeutete Frage eingegangen werden kann, wird es aber nötig sein, erst einige physiologische Thatsachen zu erörtern. 8* — IIG — E. Lentibularieen. 1. Pinguicula. Die Besprechung der Lentibularieen sei mit dieser Gattung be- gonnen, weil sie die einfachsten Verhältnisse aufweist, und in ihrer vegetativen Gestaltung der mutmasslichen Stammform der ganzen Gruppe noch am nächsten steht. Vor allem ist es die einzige Gat- tung dieser Familie, welche, soweit wir bis jetzt beurteilen können, sich die Wurzelbildung noch erhalten hat: weder Utricularia noch Genlisea sind (soweit sie genauer untersucht sind) mit Wurzeln ver- sehen. Wie ihre Verwandten, lebt auch Pinguicula an feuchten Standorten, teils auf moorigem Boden (Pinguicula vulgaris), teils auch zwischen Sphagnum*) und auf feuchten Felswänden (z. B. in Nor- wegen), ebenso wie auch Sphagnum selbst in Gegenden mit grosser Luftfeuchtigkeit und dementsprechend reichen Niederschlägen auf Felsboden wachsen kann, während es in trockneren Gegenden auf Wasseransammlungen angewiesen ist. An einer blühenden Pflanze findet man (bei den einheimischen Arten) eine dem Boden aufliegende Blattrosette. Die dichte Zu- sammendrängung der Blätter ist hier ebenso durch die äusseren Ver- hältnisse bedingt, wie bei Drosera. Wie bei Drosera rotundifolia die Internodien des Stengels sich strecken, wenn die Pflanze in dichtem Grase oder Sphagnum wächst, so bildet auch Pinguicula, wenn es in Sphagnum eingebettet ist, einen Axenteil von der Länge, welche ge- nügt, um den oberen Teil der Pflanze auf die Oberfläche des Sphag- numpolsters zu bringen**). Es ist mutatis mutandis ein ähnlicher Vorgang, wie bei einem in das Holz eindringenden „Senker" einer Mistelpflanze, der ebenfalls dem Dickenwachstum des Holzkörpers folgt. Nur ist diese Wachs- *) So wächst z. B. Pinguicula villosa in Lappland ohne jede Spur erdiger Unterlage auf der Oberfläche elastisch-schwammiger Polster von Sphagnum acutifolium. Wenn aber Wichura meint (Flora 1859, pag. 419), man könnte diese Pflanze ein Schmarotzergewächs nennen, so ist dies natürlich nach der heutigen Fassung dieses Begriffes ausgeschlossen. Die heutige Gärtnerei zieht übrigens nicht wenige Pflanzen, die in der Natur nicht auf Sphagnum wachsen (z. B. Alpenpflanzen, Cypripedien und andere Orchideen), mit Vorteil in diesem Feuchtigkeit festhaltenden und dabei doch für Durchlüftung besser als (die durch Begiessen bald nachteilig veränderte) Topferde geeigneten Material. **) Vgl, Wichura, a. a. 0. — 117 — tumsregulierung hier durch innere, bei Pinguicula in ihrem Verhält- nis zum Sphagnumpolster durch äussere (speziell wohl Beleuchtungs-) Verhältnisse bedingt. Die Blätter aller mir bekannt gewordenen Pinguicula-Arten sind ungeteilt; dass sie bei den einzelnen Arten von verschiedener Form sein können, zeigt der Vergleich unserer einheimischen Arten (mit eiförmig elliptischen Blättern) mit der spanischen Pinguicula vallis- neriaefolia*), welche, wie schon die Artbenennung zeigt, lange zungen- förmige Blätter besitzt, deren Verhalten beim Insektenfang kennen zu lernen von Interesse wäre, wozu aber bei der Seltenheit der Pflanze zunächst wenig Aussicht vorliegt. Aber auch an ein und derselben Pflanze tritt eine mehr oder minder ausgesprochene Verschiedenheit der Blattbildung auf. So be- sitzt die in dem an stattlichen Pinguicula-Arten reichen mexikanischen Hochlande wachsende Pinguicula caudata (neuerdings vielfach in Kultur) eine Rosette grosser, flacher, gewöhnlicher Laubblätter. Naht sich die Ruhezeit, so bildet sich das Ende der Pflanze zu einer Zwiebel um, bestehend aus dickfleischigen, zusammenschliessenden Laubblättern, in denen die Reservestoffe für den nächsten Trieb ab- gelagert sind. Es ist wohl anzunehmen, dass bei der (mir. nur in getrockneten Exemplaren bekannten) Pinguicula heterophylla ähnliche Verhältnisse die Verschiedenheit der Blattbildung bedingen. Diese Art besitzt nämlich aussen elliptisch- eiförmige Blätter, die dem Boden anliegen, die inneren Blätter sind lang und schmal; zwischen beiden finden sich Übergangsformen. Die äusseren sind auch hier wohl die am Ende der Vegetationsperiode gebildeten Zwiebelblätter (welche aber den Laubblattcharakter noch nicht verloren haben). Von Interesse ist dabei, dass die mittleren, den Beschreibungen nach auf- recht stehenden Blätter im Jugendzustand ihre Spitze eingerollt zeigen. Dies ist bei vielen Utriculariablättern gleichfalls so und hängt damit zusammen, dass die Lentibularieenblätter ähnlich wie die der Farne (bei denen dieselbe Knospenlage vorhanden ist) eine lange dauernde Weiterentwicklung der Blattspitze besitzen , worauf unten zurück- zukommen sein wird. Das embryonale Gewebe der Blattspitze aber wird durch die Einrollung hier ebenso wie bei den Farnen (und Droseraceen) geschützt. Auch unsere einheimischen Pinguicula-Arten besitzen übrigens *) Webb, otia hispanica, Tab. 44. — 118 eine Zwiebelbildung, nur dass dieselbe weniger auffallend hervortritt, als bei Pinguicula caudata, weil die Zwiebeln viel kleiner sind*). Am einfachsten sind die Verhältnisse bei nichtbliihenden Pflanzen, indem hier auf die im Frühjahr und Sommer gebildete Blattrosette ohne Übergang im Centrum der Pflanze dickfleischige, hellgrüne, glatte Zwiebelschuppen sich bilden, in deren Innerem schon die An- lagen zu den Laubblättern des nächsten Jahres sich finden. Diese saugen bei ihrer Entwicklung die als Reservestoffbehälter dienenden Zwiebel (Nähr-) blätter aus, welche dann absterben. Ausserdem bilden sich in der Achsel der obersten Laubblätter noch kleine, als vegetative Vermehrungsorgane dienende Brutzwiebeln, die nur eine Länge von etwa 3 mm erreichen, im nächsten Frühjahre sich be- wurzeln und zu neuen Rosetten heranwachsen können. Es ist somit die Überwinterung der Pinguicula eine ganz ähnliche, wie sie auch bei den Utricularien mit unterbrochener Vegetation unten zu schildern sein wird. Hier wie dort geht die Sprossspitze (sei es die des Haupt-, sei es die eines Seitenzweiges) in einen Ruhezustand über, während die Vegetationsorgane, welche im Laufe des Sommers thätig gewesen sind, absterben; nur werden wir sehen, dass bei Utricularia die Homologie der Vegetationsorgane eine sehr eigen- tümliche ist. Auch darin stimmt Pinguicula mit Utricu- laria überein, dass die Gestaltung des Embryo eine von dem gewöhnlichen Schema abweichende ist. Sie ist bei Pinguicula Gegenstand einiger Kontroversen gewesen, insofern man darüber stritt, ob die Embryonen zwei oder nur ein Keimblatt aufweisen. Bei Pinguicula vulgaris, der einzigen Art, welche ich daraufhin unter- suchen konnte, ist unzweifelhaft letzteres der Fall, wie mir auch die Verfolgung der Ent- wicklungsgeschichte zeigte. Der Kotyledon ist /•Adas ihm gegenüberstehende mit scincn Rändern cingcfaltet und oben viel- Primärblatt. -10 fach vergr. r ^ / • ^ i • \ , t • ^-j-x -i lach (nicht immer) etwas ausgerandet *■*■), so dass *) Die Zwiebelbilduog von Pinguicula ist ausführlich geschildert von Buchenau, Bot. Zeit. 1865, pag. 61 ff. **) Auf Längsschnitten sieht es so aus, als ob zwei Kotyledonen vorhanden seien. Dies ist indes nur eine Täuschung. Was die Wurzel betriÖ't, so habe r^t Pb Flg. 28 Keimpflanze von Piugmcula \ulgaiib. Cot der noch eingefaltete Kotyledon, - 119 - mau — wie dies in der Tliat geschehen ist — daran denken könnte, er sei eigentlich aus der Verwachsung von zwei Keimblättern ent- standen. Dagegen spricht aber vor allem die Entwicklungsgeschichte, welche eine einheitliche Anlegung des Kotyledons aufweist. Er ent- wickelt sich bei der Keimung zu einem kleinen Laubblatt, welches, abgesehen von den Grössenverhältnissen, mit den später auftretenden Laubblättern übereinstimmt. Ihm gegenüber tritt dann bald ein zweites auf, Ph in Fig. 29. Hier, wie bei einigen Utricularien erhebt sich die Frage, ob man dies zweite Blatt als Kotyledon betrachten soll oder nicht; indem ich auf die unten folgende Bespre- chung der Embryogestaltung von Utricularia verweise, möchte ich hier nur betonen, dass die Kotyledonen meiner Ansicht nach nicht Gebilde sui generis, sondern durch die Lage im Samen, die Beziehung zu anderen Or- _ Fig. 29. Pinguicula vulgaris. ganen etc. veränderte Laubblätter sind, und junge Embryonen, Coi Kotyledon, dass der Embryo der Lentibularieen inso- ^^ Embryoträger. fern noch eine ursprünglichere Gestaltung aufweist, als bei ihm eine Umbildung der ersten Blätter noch nicht aufgetreten ist, und auch die Zahl und Stellung der ersten Blätter im Samen keine so regelmässige ist, als sonst bei der grossen Ab- teilung der Dikotylen, welche von der Regelmässigkeit der Anord- nung der ersten Blätter ihren Namen erhalten hat*). Von den Pinguiculablättern ist bekannt, dass sie — der Knospenlage ent- sprechend — auch im entfalteten Zustand nach oben eingeschlagene Blattränder besitzen, was dem Gesagten zufolge auch für die Primär- blätter gilt. Von sonstigen Eigentümlichkeiten kommen hier nur die Drüsen in Betracht, die eine Besprechung erheischen, weil nach- gewiesen werden soll, dass im Baue der Drüsen ein der ganzen Familie der Lentibularieen gemeinsamer Typus erkennbar ist. Es ich deren Bau nicht untersucht. Die Spitze der Hauptwurzel starb bei meinen Keimlingen unter Bräunung bald ab, es ist dies aber wohl kein normaler Vorgang. *) Ich würde also das zweite Blatt des Pinguicula-Keimlings als dem zweiten Kotyledon entsprechend betrachten, und annehmen, dass auch bei anderen Dikotylen mit zerstreuter Blattstellung die Kotyledonen nur zusammengerückte Blätter sind. Ob Pinguic. lusitanica in der That zwei Keimblätter hat, wie A. de St Hilaire angiebt (Legons de botanique, pag. 755) muss ich dahingestellt sein lassen. — 120 — handelt sich allgemein um Drüsenhaare, also Epidermisgebilde. Die- selben sind bei Pinguicula nicht auf die Blätter beschränkt, hier aber doch am zahlreichsten, und zwar finden sich schleimabsondernde Drüsenhaare sowohl auf der Unterseite als der Oberseite der Blätter. Am einfachsten gebaut sind die Drüsen der Blattunterseite (Fig. 30, 1, 2). Sie treten nicht über das Gewebe hervor und bestehen aus drei Teilen: einem aus (gewöhnlich) vier Zellen bestehenden Drüsen- Fig. 30. Pinguicula vulgaris. 1) Epidermisstück der Blattunterseite, eine Spaltöffnung und eine Drüse, letztere aber mit vierzelligem Köpfchen sichtbar. 3) Querschnitt durch die Blattunter- seite, welcher eine Drüse getroflen hat; 1 Stielzelle, 3 ISIittelzelle, 8 Köpfchen. 3) Kleine Drüse der Blattoberseite von oben. köpf, einer Mittelzelle und einer Basalzelle. Auf der Oberseite des Blattes sind zweierlei Drüsen: die einen gleichen ganz denen der Blattunterseite, nur sind im Drüsenkopf noch einige Antiklinen mehr aufgetreten (Fig. 30, 3), die anderen sind langgestielt, indem die bei den anderen Drüsen kurzbleibende Basalzelle (in den Figuren mit 1 be- zeichnet) zu einem langen, aus 2 — 4 Zellen bestehenden Stiele aus- gewachsen ist. Der Drüsenkopf hat an Volumen und Zellenzahl gleichfalls zugenommen und breitet sich scheibenförmig aus, die Mittelzelle 2 aber hat ihre Wand stark vorgewölbt. Wie die Ab- sonderung des schleimigen Sekretes am Drüsenkopf erfolgt, vermag ich nicht anzugeben. Die Analogie mit Utricularia Hesse vermuten, dass es, wie dort, unter Sprengung der Cutikula auftritt. Indes habe ich — bei allerdings nicht sehr eingehender Untersuchung — diesen Vorgang hier nicht nachweisen können. Die Drüsenhaare von — 121 — Utricularia und Genlisea stimmeu mit denjenigen von Pinguicula der Hauptsache nacli durchaus überein. Wie bei den Droseraceen, so lässt sich also auch hier eine Gemeinsamkeit in der Struktur der Anhangsgebilde nachweisen. 3. Crenlisea. Genlisea wurde von A. de St. Hilaire*) in Brasilien entdeckt; es werden in den systematischen Werken einige Arten aus diesem Lande, eine aus Cuba und eine Genlisea africana aus Angola be- schrieben. Die Gattung ist Utricularia nahe verwandt, und in ihrer Blütenbildung hauptsächlich nur durch den fünf blättrigen Kelch unter- schieden (vgl. das Habitusbild Fig. 2 auf Taf. XV); es wird sich übri- gens fragen, ob alle zu Genlisea gestellten Arten wirklich zu derselben gehören. Geschildert werden**) die Genlisen als „herbae paludosae annuae radicibus brevibus fibrosis, foliis rosulatis petiolatis plus minus spathulatis" etc. Die Art, welche mir durch die Gefälligkeit des Herrn Dr. Schwache in Rio de Janeiro in Alkoholmaterial zur Untersuchung vorlag, ist Genlisea ornata, die einzige Art, über welche wir durch Warmings Untersuchungen etwas genauer orientiert waren, die Angaben Darwins (a. a. 0. pag. 401) sind wesentlich nur eine Wiederholung derWarming- schen. Die Resultate der eigenen Untersuchung seien im Folgenden geschildert, wobei sich zeigen wird, dass Genlisea eine der merk- würdigsten unter allen tierfangenden Pflanzen ist. Zunächst sei hervorgehoben, dass die Pflanze — ebenso wie Utricularia — gänzlich wurzellos ist, wenigstens war bei keinem der untersuchten Exemplare eine Wurzel anzutreffen, und diejenigen, von welchen in der oben angeführten Diagnose die Rede ist, werden wohl abgestorbene Blätter gewesen sein. Das Stämmchen (in Fig. 2, Taf. XV, unten bei St abgeschnitten) ist dicht mit Blättern besetzt, es besitzt, wie der Längsschnitt Taf. XVI, Fig. 10, zeigt, einen schwach ge- wölbten Vegetationspunkt, und steht offenbar aufrecht im Boden, worauf auch die radiäre Verteilung der Blätter hinweist. Das Stämm- chen schliesst mit einem Blütenstande ab, bringt aber unterhalb des- selben Seitenknospen hervor, mittels deren es möglicherweise pcren- niert, falls sie nicht etwa noch in derselben Vegetationsperiode zu Blutenständen werden; kriechende Ausläufer, wie sie für die unten *) A. de St. Hilaire, voyage au district des diamans, II, pag. 428. **) So z. B. von Benjamin in flora brasiliensis, fasc. IX, pag. 252. — 122 — zu schildernden Land-Utricularien so charakteristisch sind, besitzt diese Genlisea nicht. Die Blätter sind,, ebenso wie bei Cephalotus follicularis, von zweierlei Art, spateiförmige Laubblätter und Schlauchblätter, erstere bilden die weit überwiegende Zahl. Sie sind bedeckt mit einer Schleimschicht. Diese wird abgesondert von zahlreichen Drüsen- haaren (Taf. XVI, Fig. 14), welche wie diejenigen von Utricularia aus drei Zellen bestehen, einer secernierenden Endzelle (in welcher der Schleim zwischen Cutikula und Cellulosemembran entsteht), einer Zwischenzelle und einer in die Epidermis*) versenkten Stielzelle; Spaltöffnungen waren an den untersuchten Blättern nicht vorhanden, sie treten vielleicht auf, wenn die Pflanze auf einem trockeneren Standorte wächst. In jedes Blatt tritt ein Gefässbündel, das sich schon bald nach seinem Austritt im Blattstiel gabelt, und schon innerhalb des stielförmigen Teiles des Blattes tritt eine weitere Ver- zweigung ein, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll. Dagegen muss erwähnt werden, dass die Blätter ebenso wie diejenigen von Utricularia einen lange thätigen apikalen Vegetations- punkt besitzen, was bei den Farnen allgemein, bei den Samenpflanzen aber eine seltene Ausnahme ist. Schlauchblätter sind in der Fig. 2, Taf. XV, zwei vorhanden, ein jüngeres x und ein älteres y. Die Grössenverhältnisse der Schlauchblätter sowohl was die Länge als was die Weite betrifft, sind sebr verschiedene, wie denn auch bei Utricularia- Arten die Schläuche von recht verschiedener Grösse sein können. Die Genlisea -Schläuche 'entspringen meist am untern Teile der Stämmchen, ihre Achse ist entweder gerade oder gekrümmt. Es lassen sich, wie an dem in Fig. 1, Taf. XV, abgebildeten Schlauche zu sehen ist, drei Teile an einem Schlauchblatt unterscheiden: das Fussstück, F^ der eigentliche Schlauch, gebildet aus dem langen Halsteil II und dem Kessel K und die beiden am Ende des Schlauches befindlichen Arme. Das Fussstück wird von einem (sehr rudimen- tären) Gefässbündel durchzogen, welches sich unterhalb des Kessel- teils gabelt. Der Schlauch wird somit von zwei Bündeln durch- *) Dass es sich um eine an nassen Standorten wachsende Pflanze handelt, geht aus dem Chlorophyllgehalt der Epidermis hervor; ein solcher kommt zwar auch bei Schattenpflanzen vor, steht aber hier nicht mit dem Lichte direkt, sondern mit der verminderten Transpiration im Zusammenhang (vgl. den Ab- schnitt über Wasserpflanzen). — 123 — zogen, die nahe der Sclilauchmündung sich nochmals gabehi, so dass jeder der Arme ebenfalls von zwei Bündeln durchzogen wird. Die Entwicklungsgeschichte des Schlauchblattes zeigt zunächst, dass das Fussstück nicht einem Blattstiel entspricht. Die Stiele dikotyler Blätter entstehen durch nachträgliche Streckung einer zwischen Blatt- spreite und Blattgrund gelegenen Zone. Die Fussstücke der Genlisea- Schläuche sind aber vielmehr ihre ältesten Teile, an der Spitze des Fussstückes wird dann erst später der Schlauch angelegt, der seiner- seits an der Spitze noch beträchtlich weiter wächst. Die erste An- lage des Schlauches entspricht ganz derjenigen anderer Schlauch- blätter; die Schlauchhöhle erscheint zunächst als kleine Einsenkung auf der Oberseite des Blattes, welche mit engerer Mündung nach aussen sich öffnet (Fig. IIb und IIa auf Taf. XVI, die abgebildete Schlauchanlage befand sich auf einem l^g cm langen Blatte), der so angelegte Kessel verlängert sich dann zunächst, er hatte in dem in Fig. 16, Taf. XVI, abgebildeten Blatte eine Länge von etwa ^/g mm erreicht, und befand sich auf einem 8^/2 cm langen Fussstück. Der Schlauch bestand hier noch ganz aus embryonalem (Teilungs-) Ge- webe, später bilden sich in demselben die Gefässbündel aus, die in seinem unteren Teile schon vorhanden sind, während der obere noch sich weiter entwickelt. Der die Mündung des Schlauches enthaltende Teil erscheint später verbreitert (Taf. XVI, Fig. 12) und die Mün- dung spaltenförmig. Die Ecken der letzteren wachsen nun zu den Armen aus, welche länger werden können als der Schlauch selbst und einen höchst eigentümlichen Bau besitzen. Zunächst haben die Arme die Beschaffenheit einer Rinne, welche mit einer engen Mün- dung nach aussen sich öffnet. Die eine (obere) Seite der Arme wächst früh schon rascher als die andere, so dass eine Einkrümmung eintritt (Fig. 13, Taf. XVI). Bei weiterem Wachstum erfährt der ganze Arm eine schraubenförmige Drehung, die sich an den Gefäss- bündeln besonders leicht verfolgen lässt. Die eine äussere (obere) Kante ist dabei natürlich länger als die andere (vgl. das in Fig. 6 auf Taf. XVI abgebildete Stück eines freigelegten Schlauches). Das Innere der Arme bildet demgemäss einen engen Kanal, welcher auf den Halsteil des Schlauches zuführt, und durch diesen in den ba- salen Kessel einmündet. Darwin (a. a. 0. S. 403) fand im Innern der Schläuche „viel Abfall oder schmutzige Substanz, welche organisch zu sein schien, obgleich keine bestimmten Organismen erkannt werden konnten." — 124 — In den von mir untersuchten Schläuchen fanden sich reichlich Reste von Organismen (vgl. den Querschnitt durch den Kesselteil in Fig. 5 auf Taf. XV), nicht nur von Tieren, sondern auch von kleinen Algen, die erwähnte Abbildung zeigt z. B. auch den Rest einer Desmidiacee. In der That stellen die Schläuche Tierfallen dar, aus denen kein Entrinnen möglich ist. Es sei zunächst der Bau des Halses der Schläuche geschildert. Er ist ähnlich dem einer Fischreuse. Am meisten fallen im Schlauchinnern auf eine grosse Anzahl von Haaren (vgl. Fig. 3 und 4 auf Taf. XV), von denen je eine grössere Anzahl auf einer ringförmigen Zone entspringt. Die Spitze dieser Haare ist nach unten gerichtet und die Gesamtheit der Haare einer Querzone stellt einen Trichter dar, dessen enge Öffnung nach unten gekehrt ist. Solcher Trichter besitzt der Hals, wie auch in Fig. 1, Taf. XV, angedeutet ist, eine grössere Anzahl, jeder einzelne Trichter steckt mit seinem unteren Ende in der weiten Eingangsöffnung des nächst- unteren. Dass für ein kleines Tier der Weg nach unten leicht, der Rückweg aber unmöglich ist, leuchtet ein. Selbst wenn es den Wider- stand der Reusenhaare überwinden könnte (diese bestehen aus einer langen Basal- und einer kurzen Endzelle), würde es an den lang- gestreckten, nach innen vorspringenden Zellen der Schlauchwand, aus welchen die Haare entspringen, abgleiten. Diese Trägerzellen der Haare (vgl. die Flächenansicht eines Stücks der inneren Schlauch- wand in Fig. 9, Taf. XVI) sind langgestreckt und mit geraden Seiten- wänden versehen. Ausser ihnen besitzt die Schlauchwand noch kür- zere, vielfach mit gewundenen Wänden versehene, auf welchen Drüsen- haare stehen, deren Endzelle durch eine Längswand geteilt ist. Ausser- dem kommen in dieser Zone — aber nicht konstant, und in den Armen mehr als in dem Schlauche — auch Spaltöffnungen vor. Ob sie Luft- oder Wasserspalten sind, lässt sich an totem Material nicht entscheiden. Die Drüsenhaare bilden unter dem obern Teile jedes Trichters einen Kranz. Sie sondern Schleim ab, und dieser dürfte es sein, welcher die Tiere veranlasst, auf den unten zu beschreibenden Wegen in den Schlauch einzudringen und in demselben immer weiter zu wandern. Dass es sich nur um sehr kleine Tiere handeln kann, ergiebt sich aus der Enge des Halses. Den inneren Durchmesser desselben fand ich in einem Falle zu 0,2, in einem andern zu 0,29 mm; der Kessel mass im ersteren Falle 0,5 mm, im zweiten 0,85 mm. Im unteren Teile des Halses verschwinden die Trichter, und statt der zweizeiligen Drüsenhaare erscheinen vierzellige, zunächst mit — 12;') — jenen vermischt, bis sie dann allein auftreten. In besonderer Menge stehen die vierzelligen Haare nur an einer hufeisenförmigen Zone, unmittelbar über den Blattnerven (vgl. den Querschnitt Fig. 5, Taf. XV). Auch diese Drüsen sind nur eine Modifikation der gewöhnlichen, in- dem bei ihnen eine weitgehendere Teilung der Endzelle eintritt (bei manchen in 8 Zellen (vgl. die Flächenansicht Fig. 15 auf Taf. XVI), was eine Annäherung an die auf der Blattfläche von Pinguicula befindlichen Drüsen ist. Über ihre Funktion lässt sich nichts mit Sicherheit aussagen, man könnte geneigt sein, ihnen die Absorption der durch Zersetzung der Tierleichen entstandenen löslichen Ver- bindungen zuzuschreiben, und damit ihre Zusammenhäufung über den Leitbahnen — den Gefässbündeln — in Beziehung bringen; aber das ist zunächst nur eine Vermutung, welcher sich auch andere gegenüberstellen liessen. Es bleibt noch zu erörtern, wie die Tiere in die Spalten gelangen. (Was die Desmidieen anbelangt, so wissen wir zwar, dass manche Formen derselben eine Eigenbewegung be- sitzen, aber diese reicht doch wohl nur aus, um sie in die Öffnung zu bringen, während ihre Weiterbeförderung wohl eine passive, von den nachdrängenden Tieren ausgehende ist.) Es sind drei Wege, auf denen dies geschehen kann. Entweder an der Spitze des Schlauches (bei x Fig. 1, Taf. XV) oder durch die Spalte eines der gewundenen Arme, oder an der Spitze eines Armes. Alle diese Ein- gänge sind im wesentlichen gleich gebaut, namentlich besitzen sie eine Einrichtung, welche die früheren Beobachter nicht erwähnen, und welche bewirkt, dass nur ganz kleine Tiere in den Schlauch eindringen können, solche, deren Körperdurchmesser kleiner ist als 0,2 mm. Am auffallendsten tritt dies hervor bei den Armen. Der Kanal, welcher die letzteren durchzieht, zeigt eine ganz ähnliche Ausstattung, wie der Halsteil des Schlauches; namentlich insofern, als auch in ihm die Eeusenhaare, die für jenen so charakteristisch sind, vorkommen. Nur sind sie hier anders angeordnet, nicht in ringförmigen Zonen, sondern in Schrägzeilen, wie das ausgebreitete Armstück Fig. 6, Taf. XVI, zeigt. Da aber der Arm rinnig gefaltet und schraubig gedreht ist, so ordnen sich die einzelnen Schrägzeilen in eine Schraubenlinie an. Der Eingang in den Kanal kann nun nicht in der ganzen Länge der Spalte (zwischen den beiden Rändern des Armes) stattfinden. Er ist vielmehr in einzelne, kleine trichter- förmige Eingänge geteilt, und zwar dadurch, dass in kleinen Ab- ständen je zwei grosse, helle Zellen fest aufeinander liegen, welche — 126 — hier als Stützzellen bezeichnet werden sollen. Sie sind nichts an- deres als die Endzellen jeder Reusenhaarreihe, an denen aber das Haar selbst nur kurz und einzellig, die darunterliegende Zelle riesig angeschwollen ist. Man wird sich die etwas verwickelten Verhält- nisse am einfachsten dadurch veranschaulichen, dass man einen Papierstreifen nach der Form von Fig. 6, Taf. XVI, ausschneidet, die Richtung der Reusenhaarlinien einträgt, und ihn dann ent- sprechend rollt. Damit die beiden Stützzellen wirklich aufeinander treffen, ist es notwendig, dass der kürzere Rand des Armes etwas nach aussen umgebogen ist (dies ist in der Fig. 7 a, Taf. XVI, welche ein vergrössertes Armstück darstellt, auch zu sehen). Dort erkennt man auch zwei Stützzellen, und in dem aufgerollten Armstück ist eine grössere Anzahl derselben sichtbar. Die Stützzellen lassen sich zwar mit Anwendung einiger Gewalt voneinander reissen, allein ihr Anhaften genügt doch, um die schlitzförmige Spalte auf einer be- stimmten Weite zu erhalten und sie in eine Anzahl kleiner Teil- eingänge zu zerlegen, welche nur sehr kleinen Tieren den Eintritt gestatten. Wir werden an den Blasen einiger Utricularia-Arten ganz analoge Einrichtungen kennen lernen. Was die Weite der Spalte anbelangt, so mass ich sie in einem Falle zu 0,14 mm. Variationen werden wohl auch hier vorkommen. Jeder Teileingang stellt nun, wie der in Fig. 7 b, Taf. XVI, abgebildete Querschnitt (welcher der Natur der Sache nach nur in einem kleinen Teil links wirklich recht- winklig auf die Oberfläche geführt ist), einen kleinen, mit abwärts gerichteten Haaren besetzten Trichter dar, welcher in den Mittel- kanal führt. Aussen befinden sich an demselben Schleimhaare, welche als Lockmittel zum Eintritt dienen können. Ganz ebenso gebaut ist nun auch der Eingang in die schlitz- förmige Öffnung am Ende des Schlauches zwischen den beiden Armen (bei X Fig. 1, Taf. XV). Fig. 8 auf Taf. XVI zeigt diesen Teil in Flächenansicht eines (parallel den Armen) halbierten Schlauches. Fünf grosse Stützzellen, denen ebensoviele auf der andern Seite ent- sprechen, teilen den Eingang, obwohl er doch schon schmal und eng genug ist, in eine Anzahl von Teileingängeu. Man bemerkt dabei unterhalb des nach unten eingebogenen Randes zunächst eine Reihe stark hakenförmig gekrümmter Haare, wie sie auch am Eingang der Partialtrichter an den Armen sich finden (vgl. den Längsschnitt durch einen solchen Partialtrichter in Fig. 7 c auf Taf. XVI), Es wird wohl aus dem Obigen hervorgehen, dass die Schläuche voji — 127 - Genlisea höchst sonderbare Gebilde sind, von denen man fast sagen möchte, dass sie mit einer übertriebenen Sorgfalt und Ängstlichkeit dazu konstruiert sind, nur ganz kleine Tiere einzulassen, diese dann aber auch gründlich festzuhalten. Leider waren Samen nicht zu be- schaffen, so dass die Gestaltung der Keimpflanze vorerst unbekannt bleibt. Indes dürfen wir wohl annehmen, dass dieselben nicht sehr be- trächtlich abweichen wird von derjenigen von Utricularia reniformis u. a., wenn wir uns die, Genlisea fehlenden, Ausläufer wegdenken. Auch die Gestaltungsverhältnisse von Utricularia erfordern eine eingehende Schilderung, da sie noch eigenartiger sind, als die von Genlisea. Bezüglich zahlreicher morphologischer Einzelheiten kann dabei auf eine frühere Abhandlung des Verf. verwiesen werden. 3. Utricularia*). Wir haben im ersten Teile dieser Schilderungen in der Kei- mungsgeschichte der Mangroven ein Beispiel dafür kennen gelernt, wie falsche Ansichten, welche durch eine einfache, leicht anzustellende Beobachtung widerlegt werden könnten, trotzdem jahrzehntelang in der Litteratur weiterverbreitet werden. Utricularia bietet uns ein weiteres Beispiel. Die merkwürdigen Schläuche, welche dieser Pflanze ihren Namen gegeben haben, mussten dazu auffordern, die Auf- gaben ausfindig zu machen, welche sie zu erfüllen haben. Der Auf- fassung, welche man sich darüber gebildet hatte, hat A. P. De Can- dolle**) folgenden Ausdruck gegeben. „Einen noch verwickeiteren Mechanismus bieten die Utricularien dar. Ihre Wurzeln oder viel- mehr ihre untergetauchten Blätter sind ausserordentlich verzweigt und mit einer Menge kleiner abgerundeter Schläuche versehen, welche eine Art beweglichen Deckel haben. In der Jugend der Pflanze sind diese Schläuche voll Schleim, der schwerer ist als Wasser, und die Pflanze wird durch diesen Ballast auf dem Grunde festgehalten. W^enn die Blütezeit naht, scheidet die Wurzel Luft aus, welche in die Schläuche eindringt und den Schleim verdrängt, wobei sich der Deckel hebt. Mit einer Menge Luftblasen versehen, steigt die Pflanze *) Vgl. Morpholog. und biolog. Studien, III, Annales du jardin botanique de Buitenzorg, vol. IX, pag. 41 — 119, wo eine eingehende Darstellung der Ge- staltungsverhältnisse von Utricularia gegeben ist. Im folgenden eine Anzahl weiterer üntersuchungsergebnisse, welche die a. a. 0., auf welche bezüglich aller Einzelheiten verwiesen sei, mitgeteilten ergänzen. **) Physiologie vegetale, t. II, 1832. pag 528. — 128 — dann langsam empor und schwimmt au der Oberfläche. Die Blüten erheben sich frei in die Luft, ist die Blütezeit vorüber, so beginnt die Wurzel wieder Schleim auszuscheiden, dieser verdrängt die Luft in den Schläuchen, die Pflanze wird wieder schwerer und versinkt auf den Grund des Wassers, wo sie dann ihre Samen an derselben Stelle reift, an der sie später ausgesäet werden." Der ganzen Fabel liegt nur die eine Thatsache zu Grunde, dass im Herbst die Sprossspitzen unserer schwimmenden Wasser - Utricularien auf den Grund des Wassers sinken, während die älteren Teile, welche allein ausgebildete Blasen führen, zu Grunde gehen. Die Blasen haben mit dem Unter- sinken nicht das Mindeste zu thun; es ist dies Untersinken von Knospen am Ende der Vegetationsperiode vielmehr eine bei Wasser- pflanzen durchaus nicht seltene Erscheinung, sie wird später näher zu schildern sein. Die Ruheknospen der Utricularien sind von Schleim überzogen und mit Reservestoffen gefüllt, dass sie auf den Grund des Wassers sinken, hat dieselbe Ursache, wie bei den Ruheknospen von Myriophyllum u. a., die Intercellularräume sind klein, die Knospe spezifisch schwerer als Wasser. Erwähnenswert ist auch, dass die Blätter der Winterknospen mit breiteren, kürzeren Blattzipfeln ver- sehen sind, als die Blätter der in voller Entwicklung begriffenen Pflanze. Ausserdem sind an ihnen die Blasen verkümmert, und auch an den ersten entfalteten Blättern der austreibenden Winterknospe sind die Blasen nur klein. Ebensowenig aber haben die Blasen auch mit dem Aufsteigen zu thun. Man kann sich leicht überzeugen, dass die austreibenden Winterknospen, (welche lange vor der Blütezeit sich dem Wasserspiegel nähern), vielfach noch ehe sie Schläuche ent- wickelt haben, aufsteigen. Und wie schon Darwin bemerkt, schwimmt die Pflanze auch dann noch im Wasser, wenn man alle Schläuche abschneidet. Ausserdem sind die letzteren keineswegs regelmässig luftführende Organe. Man kann vielmehr zahlreiche Blasen finden, welche nur flüssigen Inhalt besitzen. Die Entwicklung von Luft- blasen ist eine sekundäre Erscheinung, und das Vorhandensein der- selben wesentlich wohl darin begründet, dass die am Schlauchein- gang befindliche Klappe das Entweichen von Luftblasen in das Wasser verhindert, resp. verlangsamt. Nehmen wir dazu die Thatsache, dass es zahlreiche mit tausenden von Schläuchen versehene Utricularien giebt, welche gar nicht als schwimmende W^asserpflanzen, sondern auf dem Lande leben; ferner die, dass — soweit ich ermitteln konnte — tropische schwimmende Utricularien eine ununterbrochene Vegetation — 129 — besitzen, also nicht periodisch Ruheknospen untersinken lassen, so wird es schwer verständlich sein, wenn noch ein neuerer Schrift- steller*) meint, die „früher gegebene Erklärung" (dass die angeblich lufterfüllten Utrikebi das Schwimmen erleichtern, bis endlich beim Erlöschen der Vegetationskraft das durch die Ventile eindringende Wasser das Herabsinken der Pflanze auf den Grund des Gewässers ermögliche), sei vielleicht die richtige gewesen. Dieses „Beispiel eines gesetz massigen Mechanismus" aber ist nie beobachtet w^orden, selbst wenn alle Schläuche mit Wasser gefüllt sind, schwimmt die Pflanze doch, und zwar ebenso wie alle anderen schwimmenden Wasserpflanzen vermöge der in ihrem Gewebe enthaltenen luftführenden Räume. Die Gattung Utricularia ist in zahlreichen Arten weit verbreitet, und in so reicher -und mannigfaltiger Weise gegliedert, dass die ein- zelnen Arten oft weit voneinander verschieden erscheinen. Von der Blüte abgesehen ist aber allen gemeinsam der Besitz von Blasen, Schläuchen oder Utrikeln, deren Bau ein sehr merkwürdiger ist. Keine genauer untersuchte Utricularia- Art ist ohne solche Schläuche, bei Herbar-Exemplaren wird man dieselben allerdings oft vergebens suchen, weil solche vielfach ganz unvollständig sind und oft wenig mehr als die Blütenstände enthalten. Es wurde oben erwähnt, dass die Arten der Gattung Utricularia bedeutende Verschiedenheiten in ihrer äusseren Gestaltung aufweisen. Diese Verschiedenheit hängt zusammen mit der Verschiedenheit der Lebensweise. Die einen Utricularien nämlich sind untergetaucht schwimmende Wasserpflanzen, mit annähernd horizontal flutenden Sprossen, welche fein zerteilte Blätter tragen, wie denn eine solche Zerteilung die Blätter bei vielen untergetauchten Wasserpflanzen sich findet. Sie ermöglicht, dass die Blattsubstanz mit einer möglichst grossen Oberfläche mit dem Wasser in Berührung tritt und so die in demselben absorbierten Gase besser ausnutzen kann. Dies ist die einzige bei uns vertretene Utricularien-Form. Die Land-Utricularien leben zwar auch meist an feuchten oder nassen Stellen, vielfach an solchen, die von Wasser überrieselt werden, aber sie sind nicht unter- getaucht, und haben demzufolge über den Boden tretende, meist un- geteilte Blätter; einige leben übrigens im Moos der Baumrinden als Epiphyten und diese Formen (z. B. ütr. montana, Endresi, bryophila) *) Drude, die insektenfressenden Pflanzen in Schenk, Handbuch der Bo- tanik I, pag. 135. Goebel, pflanzenbiol. SchiUleruugen. II. 9 — 130 — haben Wasserspeicher entwickelt, meist in Form von Knöllchen, welche den Pflanzen sogar gestatten, während der Trockenzeit ganz einzuziehen und erst bei Eintritt der Regenzeit wieder auszutreiben. Alle diese verschieden gestalteten Arten haben übrigens ausser dem Besitze von Schläuchen auch das gemeinsam, dass sie keine Wurzel besitzen, nicht einmal am Embryo kommt eine solche zur Ausbildung. Sehen wir uns zuerst die Wasserformen etwas näher an, so ist zunächst hervorzuheben, dass wie die vergleichenden Untersuchungen gezeigt haben, diese Formen den landbewohnenden gegenüber als Fig. 31. Utricularia vulgaris. Freipräparierter Vegetationspunkt eines Wassersprosses, stark vergrössert. Der Yegetationspimkt ist eingerollt, auf der Aussenseite befinden sich zahlreiche schleimabsondernde Haare (welche nicht alle gezeichnet sind) , auf den Flanken Blattanlagen (die älteren derselben beginnen sieh gabelig zu verzweigen) , auf der Oberseite bei R Anlage der Luftsprosse. um- und rückgebildete zu betrachten sind. Da sie indes die bekann- testen sind — weil sie allein die Gattung in Europa vertreten — so soll von ihnen ausgegangen werden Untersuchen wir eine Sprossspitze von Utricularia vulgaris, so finden wir den Vegetationspunkt stark eingerollt (Fig. 31). Auf seiner Aussenseite stehen zahlreiche schleimabsondernde Haare, welche weiterhin auch auf den anderen Teilen des Sprosses, sowie der Blätter auftreten; auf ihren Bau kommen wir unten zurück. Auf den Flanken entstehen zwei Reihen von Blattanlagen, (die — 131 — jüngste, welche als flacher Höcker sich erhebt, ist in Fig. 31 nicht mitgezeichnet), deren Verzweigung durch eine Gabelung eingeleitet wird*). (Eine spiralige Blattstellung, welche viele Floren angeben, ist bei keiner der untersuchten Wasser- ütricularien vorhanden.) Ausserdem finden sich auf der Oberseite der Sprossachse ganz ohne Beziehung zu den Blättern die Anlagen eigentümlicher Sprosse, welche man höchst unpassenderweise als „Ranken oder rankenartige Knospen" bezeichnet hat, und welche bis jetzt ganz rätselhaft waren. Wir wollen sie Luftsprosse nennen. An dem in Fig. 31 abgebildeten Vegetationspunkt sind dieselben nur als kleine Höcker (B) wahr- nehmbar. Sie entwickeln sich zu fadenförmigen, weisslichen Ge- bilden von einigen cm Länge, der längste unter den gemessenen hatte 5 cm (Fig. 32, L, die Figur ist gegenüber der natürlichen Lage um 90^ gedreht), der grösste Teil der Länge kommt auf das unterste Internodium, die andern Internodieu zwischen den Blättern strecken sich nur wenig. Die Blätter weichen von denen der fluthen- den Wassersprosse sehr ab. Sie sind sehr klein, ungeteilt, nach oben konkav und liegen mit der konkaven Oberseite der dünnen Spross- achse muschelförmig an, und sie haben auf ihrer Aussenseitc Spalt- öffnungen, welche den anderen, geteilten Blättern durchaus fehlen. Beobachtet man nun eine ruhig flutende gesunde Utricularia, so *) Mit Beziehung auf die später zu erörternde Frage nach der morpholo- gischen Natur der einzelnen Organe sei hier noch bemerkt, dass die Bildung der Blätter bei den flutenden Wasser-Utricularien nicht überall dieselbe ist. Während bei Utric. vulgaris z. B. die Blasen deshalb nicht deutlich als um- gebildete Blattzipfel erscheinen (was sie in Wirklichkeit sind), weil sie fast sitzend sind, stehen sie bei Utr. purpurea auf langen Stielen, über deren Natur als Blattstrahlen kein Zweifel sein kann (vgl. den unten für einen Keimling von Utr. vulgaris angeführten Fall). Ferner stehen die Blätter von Utr. purpurea scheinbar in Wirtein, es liegt aber, wie ich auf Grund der Entwicklungsge- schichte annehmen möchte, nur eine sehr frühzeitige Teilung zweizeilig ge- stellter Blattwülste vor. Betrachten wir die Entwicklung eines einzelnen Blatt- strahls, so giebt derselbe ein ganz ähnliches Bild, wie der in Fig. 31 abgebildete ,,Spross"vegetationspunkt von Utr. vulgaris, d. h. er besitzt einen eingebogenen Vegetationspunkt, auf dessen Flanken zweizeilig geordnete Anlagen von Seiten- blättchen auftreten, die sich zunächst gabelig verzweigen. Diese Thatsache ist deshalb von Interesse, weil, wie in meiner oben erwähnten Abhandlung in den Buitenzorger Annalen nachgewiesen ist, der ganze flutende Spross einer Wasser-Utricularia eigentlich einem Blatte homolog ist, womit übereinstimmt, dass bei Utr. purpurea die Entwicklung der „ Blatf'strahlen mit der des „Sprosses" eine so grosse Übereinstimmung zeigt. — 132 — sieht man, dass die Luftsprosse mit ihrer Spitze bis au die Wasser- oberfläche gelangen, ja die Spitze kann sich etwas über den Wasser- spiegel erheben. Vermöge der Spaltöffnungen der Blätter können diese Luftsprosse einen energischeren Gasaustausch unterhalten, als die Wasserspross.e, wenn dieser auch quantitativ bei den geringen Grössen- Fig. 32. Utricularia vulgaris. Stück eines schwimmenden Wassersprosses mit 3 blasentragenden Blättern nnd einem Luftspross L, der auf der Oberseite des schwimmenden Wassersprosses ent- springt; zweimal vergrössert (die Längsachse des beblätterten Sprosses ist horizontal zu denken). Verhältnissen kein sehr beträchtlicher sein wird. Dass die Spitze der Luftsprosse zum Wasserspiegel gelangt, beruht einerseits darauf, dass zwischen den Blättern und der Sprossachse Luftblasen enthalten sind, welche die Sprossspitze heben, andererseits kommt natürlich auch die starke Verlängerung des basalen Liternodiums in Betracht. Ein abgelöster, im Wasser schwimmender Luftspross von Utr. vulgaris hob seine Spitze mit scharfer Krümmung nach oben, so dass dieselbe — 133 — den Wasserspiegel erreichte, ja noch etwas über denselben hervor- ragte; die sonst der Sprossachse anliegenden kleinen, schuppenför- migen Blätter entfalteten sich, so dass sie unter spitzem Winkel von der Sprossachse abstanden. Aus dem angegebenen Verhalten dürfen wir wohl schliessen, dass diese Luftsprosse in der That eine Rolle beim Gasaustausch spielen, einigermassen vergleichbar derjenigen der Luftwurzeln von Sonneratia, Avicennia und einiger anderen Angehörigen der Mangrove- formatiou (L Teil, pag. 139 ff.). Zugleich aber sind sie wohl ein Über- bleibsel von den noch nicht dem Wasserleben angepassten Vorfahren, denn ihnen Entsprechendes kommt auch bei Landformen vor. Bei schmächtigen Wasser-Utricularien , wie z. B. Utr. exoleta u. a. fehlen die Luftsprosse ganz, und auch bei Utr. vulgaris sind sie kümmer- lich entwickelt, wenn wir sie mit denjenigen einiger tropischen Formen vergleichen. Zu den stattlichsten hierhergehörigen Arten zählt Utr. oligosperma. Von ihr sah ich in Britisch Guiana flutende W^asser- sprosse von ungefähr 4 m Länge, deren durch Schleimbildung schlüpfrige Beschaffenheit hier besonders auffällt. Von diesen Sprossen gehen zahlreiche, 10 — 20 cm lange weisse Fäden aus, die Luftsprosse, deren Spitzen auch hier die Wasseroberfläche er- reichen. Hier braucht man also nicht nach denselben zu suchen, sie bilden vielmehr einen recht auffälligen Teil der Pflanze. Längere Zeit vermutete ich, diese eigen- tümlichen Gebilde seien zugleich Vermeh- rungsorgane, die sich loslösen und zu neuen Pflanzen ausw9,chsen könnten. Allein bei Utr. oligosperma fand ich stets die hinteren, älteren Luftsprosse abgestorben und in Zerr Setzung übergegangen. Dass aber trotzdem diese eigenartigen Gebilde einer weiteren Ent- wicklung fähig sind, zeigte der Versuch bei Utr. vulgaris. Trennt man Luftsprosse von der Pflanze ab und kultiviert sie in geeig- ^'s- ^^- utriciüaria vulgaris. Luftspross, welcher zu einem Was- neter Weise weiter, so entwickeln sich die, sorspross ausgewaciisen ist; i, s, welche überhaupt nicht zu Grunde gehen, ^' ^ «^'"^^'^ ungeteilte Buitter des .. Wassersprosses, 5 geteilt, 7 hat die zu Wassersprossen. Der Übergang ist, wie ersteBlase,6 hat einen Axillarspross. Fig. 33 zeigt, ein allmählicher. Die Blätter (Die zweizeuige Stellung der Blätter " ° ist durch Drehung hier und da ver- bleiben zunächst nicht mehr angeschmiegt, deckt.) — 134 — sondern stehen ab und werden grösser (1 — 4 in Fig. 33). Dann tritt auch eine Teilung ein, welche bei Blatt 5 noch nicht weit fort- geschritten ist, allmählich aber reicher wird, und später treten auch Schläuche an den Blättern auf, bis schliesslich ein normaler Wasserspross zu stände gekommen ist. Die Umbildung spricht sich auch in anderer Weise aus. Die Blätter rücken auseinander durch Streckung der Internodien, und ändern mit der Gestalt auch ihren Bau. Das mit 5 bezeichnete Blatt z. B. hat 3 Zipfel. Der eine (in der Figur) nach oben gekehrte hat noch ein breites, stum- pfes Ende, wie die Blätter des Luftsprosses, die anderen zeigen schon die charakteristische Haarspitze der Wasserblätter. Ebenso finden sich Übergänge in der Verteilung der Spaltöffnungen. Die Luftblätter haben solche, wie erwähnt, die Wasserblätter nicht, Blatt 4 — eines der ungeteilten Übergaugsblätter — besitzt deren noch zwei, nahe der Blattspitze, ebenso der breite Blattzipfel von Blatt 5 noch eine, den folgenden Blättern fehlen sie. Es wurde auf diese Luftsprosse etwas näher eingegangen, weil die vorstehenden Angaben einiges Licht auf diese eigentümlichen Gebilde werfen können (welche, wie wiederholt sein mag, mit Ranken nicht das Mindeste zu thun haben) und weil sie ein auffallendes Beispiel von der Umbildung von Luft- blättern in Wasserblätter bieten, worauf später bei Schilderung der Wasserpflanzen noch zurückzukommen sein wird. Auch eine andere Arbeitsteilung der flutenden Sprosse kommt bei einigen Wasser-Utricularien vor. Einige Arten, z. B. Utr. intermedia (Fig. 34) , lassen an den Blättern die Blasen verkümmern (doch treten sie gelegentlich auch hier auf) und bilden dafür Seitenzweige aus, welche — offenbar negativ heliotropisch — in das Wasser hinunter- wachsen und an sehr reduzierten Blättern die Blasen tragen. Dass es sich hier aber in der That nur um eine verschiedene Ausbildung ursprüng- lich gleichartiger Sprosse handelt, das zeigt ausser den schon erwähnten auch die Thatsache, dass die blasentragende Sprosse mit verkümmerten Blättern an der Spitze in blättertragende übergehen können. Die Blütenstände der Utricularien erheben sich bekanntlich über den Wasserspiegel, und sind bei nicht wenigen Arten eine grosse, aber ziemlich rasch vergängliche Zierde derselben. Dies fällt bei uns kaum auf, ganz anders ist das Bild in Wasseransammlungen der Tropen, so z. B. auf dem Tapacooma-See (nahe der Küste von Britisch-. Guiana), auf dem hunderte von gelbblühenden Utricularien mit den schönen Blutenständen der Utr. purpurea zusammen vorkommen. — 135 Einige Utricularia -Arten besitzen nun besondere Einrichtungen, welche gestatten, ihren. Blütenstand aufrechtzuerhalten. Es sind nämlich an der Inflorescenzachse Schwimmkörper angebracht, d. h. Organe mit grossen lufthaltigen Intercellularräumen. Die letzteren werden nicht nur zum Schwimmen, sondern wie ganz allgemein bei Wasserpflanzen auch als Reservebehälter für Luft dienen; hier aber kommt zunächst die erstgenannte Funktion in Betracht, und es sollen Fig. 34 Utricularia intermedia. Aus einer Winterknospe (deren Reste links noch sichtbar sind) entstandene Pflanze, nach einer Photographie. Die Blätter der schwimmenden Pflanze sind meist blasenlos , die Blasen befinden sich an den verkümmerten Blättern der in das Wasser hiuabwach- senden Sprosse. (Es sei bemerkt, dass der eingerollte Vegetationspunkt der Schwimmsprosse in Wirklichkeit die konkave Seite nach oben kehrt.) die Organe mit Luftkammern als Schwimmkörper bezeichnet werden. Sie tragen keine Blasen, ihre Gestalt wird besser, als durch eine Beschreibung, durch die Figuren veranschaulicht werden. Utricularia inflata, eine nordamerikanische Art, zeigt in dem abgebildeten Falle (Fig. 35) sechs wirtelig gestellte Schwimmkörper an der Inflorescenz- achse. Die „Aufgeblasenheit" der Schwimmkörper tritt noch deut- licher hervor bei Utr. stellaris (Fig. 36). Der Querschnitt Fig. 37 zeigt, um wie umfangreiche Lufträume es sich hier handelt; immer- — 136 — Kin aber liegt in der Bildung der Schwimmkörper nur eine Steigerung des gewöhnlichen Verhaltens vor. Schon des Vergleiches mit den Land-Utricularien halber müssen wir hier auch auf die Keimungsverhältnisse eingehen, da diese zur Er- kenntnis des ganzen Aufbaues der Pflanze hier besonders wichtig sind. Fig. 35. Utricularia inflata. Stück eines schwimmenden Wassersprosses mit einem Blutenstand. Derselbe trägt in seinem oberen Drittel sechs wirtelförniig gestellte Schwimmkörper. An der Basis der Inflorescenz entspringt (in der Figur links nach oben) ein vegetativer Seitenspross. Zunächst sei Utr. oligosperma erwähnt. Schon die Art und Weise, wie die Samen in das Wasser gelangen, ist hier eigentüm- lich. Es werden die Samen hier nicht durch Aufspringen der Frucht- kapseln ausserhalb des Wassers ausgestreut, sondern die Kapseln ge- langen in das Wasser und werden hier gesprengt durch eine aus — 137 — Fig. 36. „Schwimmkörper" der Inflorescenz vou Utricularia stellaris, 16 mal vergössert. Man sieht die Zellplatten, welche die grossen, lufterfüllten Intercellularräume trennen, durch- schimmern, unten im Querschnitt. Fig. 37. Querschnitt durch ein Schwimmorgan vou Utricularia stellaris, grosse diu-ch Gewebeplatten von einander getrennte Intercellularräume aufweisend. Die Zellen der Epidermis sind nicht überall gezeichnet. — 138 — ihnen hervortretende schleimige Masse. Es ist dies die kugehge Pla- centa, welcher die Samen angeheftet sind, diese nimmt beim Liegen im Wasser in den schleimigen Inhalt ihrer Zellen Wasser auf, ver- grössert sich und bringt so die Samen ins Wasser. Die Samen sind von schildförmiger Gestalt. Am Embryo bemerkt man oben eine seichte Grube. Die hier gelegenen kleinen Zellen stellen die Scheitelregion, den Vegetatiouspuukt des Embryo dar, welcher . »Fig. 38. Keimpflanze von Utricularijf oligosperiua (20 mal vergr.) , von oben gesehen. Ausser sieben Primärblätteru ist der deutlich seitlich an der Keimachse stehende Schwimmspross Sß an- gelegt. Die Primärblätter sind erst infolge der Präparation so gekrümmt, wie'sie in der Abbildung erscheinen. deutlicher Kotyledonen durchaus entbehrt, wohl aber um die seichte Vertiefung herum einen Kranz äusserst kleiner Höcker zeigt (Taf. XIV, Fig. 4), welche erst bei der Keimung sich weiter entwickeln. An einem gekeimten Samen erscheinen zunächst eine Anzahl spiralig gestellter, einfacher zugespitzter Primärblätter (Fig. 38). Es liegt kein Grund vor, warum wir nicht zwei derselben als Keimblätter - 139 — betrachten sollten; dieselben weichen von den zunächst folgenden Blattorganen nicht ab. Dasselbe haben wir aber oben auch für Pinguicula geschildert. Wie dort schon hervorgehoben wurde, sind eben die Kotyledonen nichts anderes als die ersten, zusammengerückton Blätter, die aber auch (wie ich dies in Java gelegentlich bei Sterculiaceen- Kcimpflanzen beobachtete) von einander durch ein Internodium ge- trennt sein können; zudem sind in einigen Fällen nur zwei einander Fig. 39. Utricularia oligosperma. Samen im ersten Keimimgsstadium, von oben gesehen. An der Keimachse die Anlagen von acht Primärblättern und (oben rechts) die des schwimmenden Wassersprosses. Fig. 40. Utricularia vulgaris. Keimpflanze mit 11 Primärblättern, etwa 17 mal vergrössert. gegenüberstehende vorhanden (Utr. exoleta) und eine, mit ihr viel- leicht identische Form, die in Guiana häufig ist, ebenso bei den Keimpflanzen einer anderen, in Caracas gesammelten Form). Der Vegetationspunkt des Keimlings ist flach und entwickelt sich nicht weiter, seitlich an demselben entstehen ein oder zwei „Wasser- sprosse", aber ohne Spur eines Deckblattes, in Wirklichkeit sind sie nämlich durchaus den Primärblättern homolog, wie aus dem Folgen- den noch weiter hervorgehen wird. Dieser Wasserspross entwickelt sich nun weiter, er bringt zunächst eine Anzahl geteilter, aber blasenloser und dann blasentragende Blätter hervor. — 140 — Vergleichen wir damit die Keimung von Utricularia vulgaris, so finden sich im allgemeinen übereinstimmende Verhältnisse. Der in Fig. 40 abgebildete Keimling z. B. zeigt zunächst 11 Primär- blätter, an einer älteren Keimpflanze finden wir ausser denselben ^■.A- Fig. 41. Utricularia vulgaris, Keimpflanze, ü uial vergrössert. An derselben entspringen 12 faden- förmige Primärblätter (P) , eine Blase und ein schwimmender Wasserspross (mit eingekrümmtem Vegetationspxmlft) , an welchem einige junge Blasen und Blätter sichtbar sind. auch einen (Fig. 41) oder zwei Schläuche (JBl Fig. 41), den flutenden Wasserspross, dessen seitliche Stellung an der (sich nicht weiter ent- wickelnden*) Keimachse hier wenigQr deutlich ist, und einen Luft- spross (B). Auf die zuweilen auftretenden Abweichungen wollen wir nicht weiter eingehen, sondern nur hervorhoben, dass alle diese Or- '*) Nur bei einigen von zahlreichen untersuchten Keimpflanzen beobachtete ich eine Verlängerung derselben auf etwa die dreifache Länge der Samenschale. — 141 — gane, Primärblätter, flutende Wassersprosse, Luftsprosse und Schläuche unter sich gleichwertig, homolog sind. Bezüglich der Schläuche wird dies auch dadurch einleuchtend, dass man sie zuweilen, freilich selten, an der Spitze eines Primär blattes findet (Fig. 43). Nur der flutende Wasserspross entwickelt sich weiter, erstarkt, bringt Blüten und Früchte hervor und lässt, bei unseren einheimischen Utricularien Ficj. 43. I'if). 43. Fig. 42. Utricularia vulgaris (etwa 8 mal vergrüssert), Keimpflanze, deren Schwimm spross abge- schnitten ist, 9 Primärbliitter (eines davon abgebrochen) und zwei Blasen sind vorhanden. Fig. 43. Utricularia vulgaris, Keimpflanze. (Mittlerer Teil derselben war durch Beschildigung imdeutlich.) Ein Primärblatt hat an der Spitze eine Blase hervorgebracht; 10 mal vergr. seine Sprossspitzen im Winter untersinken, so dass er einer unbe- grenzten Entwicklung fähig ist. Daran wollen wir die Schilderung der Keimung der Landformen anknüpfen, um die Organbildung derselben mit derjenigen der Wasser- formen vergleichen zu können. Besonders lehrreich ist Utr. reniformis, weil ihre Keimung mit derjenigen der Utr. oligosperma und Utr. vulgaris grosse Ähnlichkeit hat. Die genannte Art wächst in der Bergregion Brasiliens. Sie — 142 — besitzt lange, im Moose kriechende Ausläufer, von denen sich lang- gestielte Blätter mit nierenförmiger Blattspreite erheben, welch letz- tere ganz den Bau anderer Luftblätter zeigt. Weicht so der Habitus schon recht auffallend von dem der geschilderten Wasser-Utricularien ab, so gilt dies nicht minder auch für die Beschaffenheit des Em- bryos im Samen*). Bei den genannten Wasser-Utricularien war der- selbe vor der Keimung recht dürftig ausgestattet. Hier finden wir ihn schon innerhalb der Samenschale, bei der Loslösung von //:/.., jo/iA. Fig. 44. Utricularia reniformis ; Samen frisch aus der Fruclit, 20 fach vergr. A mit Samenschale, oben sieht man die Primärblätter durchschimmern. B Samenschale abpräpariert; der wurzellose Embryo hat eine grössere Anzahl von Primärblättern, deren Spitzen nach innen gebogen sind. Die Primärblätter sind grün. der Mutterpflanze, mit einer Anzahl grüner Blattorgane versehen; es sind die Samen offenbar nicht für eine Ruheperiode, sondern für sofortige Keimung eingerichtet. Eine Verbreitung derselben durch den Wind erleichtert der Bau der dünnen Samenschale, welche, wie Fig. 44 Ä zeigt, mit lufthaltigen Ausstülpungen versehen ist, die am oberen Ende des Samens eine schirmförmige Erweiterung zeigen. Durch diese Hervorragungen wird nicht nur dem Winde eine grössere Fläche geboten, sondern sie wirken auch als Luftsäcke, wie solche in der Samenschale vieler Orchideen z. B. sich finden; ein weiteres *) Die Samen wurden durch künstliche Selbstbestäubung der Blüten ge- wonnen. — 143 — bekanntes Beispiel liefern die Pollen der Pinus-Arten. Die Samen- schale ist nur eine Zellschicht dick, und da die Aussen- und Innen- wände derselben nicht verdickt sind, (nur die gelblich gefärbten Seitenwände der Samenschalenzellen sind verdickt), so sieht man schon innerhalb der Frucht die grünen Blätter des Keimlings durch- schimmern. Alles dies zeigt, dass diese Utricularia zu denjenigen Bewohnern feuchter Staudorte zählt, bei denen zwischen Aussaat und Keimung eine Ruhepause nicht liegt, was auch durch die direkte Beobachtung bestätigt wird. ■Bi / j Fig. 45. Utricularia reniformis ; Keimpflanze, 8 mal vergr. Dieselbe zeigt 11 PrimärbliUter, zwei Blasen (5/) imd einen Ausläufer (A-^. An dem letzteren zwei Blasenaulageu {Bl) und der einge- rollte Vegotationspunkt (f')- Der Vegetationspunkt des Keimsprosses selbst (ebenfalls mit v be- zeicbnet) liegt hinter der jüngsten Blattaulage J verborgen; A.^ zweiter noch sehr junger Ausläufer. Die Keimpflanze entfaltet zunächst eine Anzahl spiralig ge- stellter Primärblätter (PJ5 Fig. 45). Diese haben eine kleine, dünne, lanzettliche Blattspreite. Das Fehlen derselben an den Primärblättern der Wasser-Utricularien kann nicht wundernehmen. Es wird bei Be- sprechung der Wasserpflanzen zu zeigen sein, dass es bei manchen Pflanzen von dem Medium direkt abhängt, ob das Blatt cylindrisch oder an seiner Spitze zur Blattspreite abgeflacht sich entwickelt. Dem entspricht also auch die Versdiiedenheit in der Blattbildung dieser Landform und denjenigen der Wasserformen. Erwähnt sei auch, dass die Primärblätter die Fähigkeit haben, Adventivsprosse zu erzeugen (was bei älteren Blättern dieser Form nicht beobachtet — 144 — wurde). Solche finden sich auf der Oberseite nahe der Spitze, und auch die Blattspitze selbst kann dabei weiter wachsen; auch sonst ist die Erscheinung der Bildung von Sprossen auf Blättern bei den Fig. 46. Utricularia rcniformis, Keimpflanze. An derselben hängt noch die Samenschale (Sa). Sie hat gebildet eine Anzalü PrimiirblUtter (P) mit wenig entwickelter Blattspreite, vier der Altersfolge nach immer grösser werdende Blätter mit Stiel nnd nierenförmiger Spreite und zwei in den Boden eingedrungene, hier freipräparierte reich verzweigte, blasentragende Ausläufer. Einer derselben (rechts) hat ein Blatt (F) getrieben, das einen Achselspross besitzt, dessen Ausläufer (A) sichtbar ist. Bei X Stellen, an denen die feinen Verzweigungen des Ausläufers abrissen. 2 mal vergr. Utricularien häufig; dieselben besitzen ein erstaunliches Reproduk- tionsvermögen. Der Keimspross selbst bleibt zunächst kurz, erst später, nachdem noch mehr Anlagen an ihm aufgetreten sind, ver- längert er sich, und zwar bilden sich an ihm zunächst, auf die Pri- — 145 — märblätter hin, einige wenige Blasen {Bl Fig. 45) und dann Aus- läufer, welche in den Boden eindringen (Ä^, A^ Fig. 45). Diese Aus- läufer bringen zunächst nur (zweizeilig gestellte) Blasen hervor, dann (ebenfalls zweizeilig angeordnete) blasentragende Seitenzweige, und entwickeln sich schliesslich zu reich verzweigten äusserlich wurzel- ähnlichen Organen, von denen zwei an der in Fig. 46 abgebildeten älteren Keimpflanze zu sehen sind. Auffallend ist, wie nach Einsenkung der Ausläufer in den Boden die Grösse der neugebildeten Blätter steigt, wie dies ein Blick auf Fig. 46 sofort zeigen wird, die kleinen Primär- blätter P sind hier noch vorhanden. Die ersten Organe werden eben offenbar auf Kosten der im Embryo abgelagerten Reservestoffe ge- bildet, die Ausläufer aber führen dem Keimpflänzchen Nahrung aus dem Boden zu, und zwar sehr wahrscheinlich auch organische Ver- bindungen (vgl. das oben über die Blasen Gesagte). Auch der Keim- spross entwickelt sich weiter und schliesst bei normaler Entwicklung mit einem Blütenstand ab. Die Ausläufer begnügen sich aber keines- wegs damit, nur Organe der Nahrungsaufnahme für den sich weiter entwickelnden Keimspross zu sein. Sie bringen vielmehr auch Blätter hervor, welche über das Substrat hervortreten, und der Ausläufer rechts hat bereits ein solches Blatt F gebildet, das sogar schon einen Achselspross A entwickelt hat. Die Blätter stehen auf der Oberseite der Ausläufer und erreichen recht beträchtliche Grösse, sie entsprechen ihrer Stellung nach den „Luftsprossen", welche wir bei wasserbewohnenden Utricularien kennen gelernt haben. Ein "Ver- gleich der Keimpflanzen von Utricularia reniformis mit denjenigen einer Wasser- Utricularia zeigt nun, dass die schwimmenden Sprosse der Wasser-Utricularien ihrer Stellung, Entstehung und Entwicklung nach ganz den „Ausläufern", den kriechenden Sprossen der Land- Utricularien entsprechen. Ehe wir indes auf die biologisch so merk- würdigen Gestaltungsverhältnisse näher eingehen, wird es von Inter- esse sein, auf die Embryobildung und Keimung noch einiger anderer Arten einen Blick zu werfen. Die Ausstattung des Embryo im Samen pflegt innerhalb grösserer Abteilungen des Pflanzenreichs eine gleichmässige zu sein. "Wir wissen zwar, dass bei saprophytisch oder parasitisch lebenden Pflanzen der Embryo meist als einfacher ungegliederter Körper ausgebildet ist, dass ferner bei einigen Dikotylen der eine Kotyledon des Embryo verküm- mert, aber eine solche Mannigfaltigkeit, wie sie bei Utricularia sich findet, ist innerhalb ein und derselben Gattung wohl ohne Beispiel. Goebel, iiflauzeiibiul. Schilderungen. II. 10 — 146 — Von den mir bekannt gewordenen Utricularia-Embryonen nähert sich derjenige von Utr. orbiculata (Fig. 47) am meisten einem normalen dikotylen Embryo, insofern als am Scheitel des Embryo zwei Anlagen sich finden, die wir als Kotyledonen betrachten dürfen. Damit ist nicht gesagt, dass dieselben bei der Keimung sich zu gewöhnlichen Blattorganen ausbilden müssen, auch die Kotyledonen können schon Umbildungen erfahren. Die Keimung von Utr. orbiculata konnte ich nicht beobachten. Bei anderen Arten erscheinen auch bei der Keimung zunächst zwei Organe, von denen aber nur eines als Blatt, das andere entweder als Schlauch / \ (Blase) oder als blasentragender Ausläufer ausgebildet I ] ist. Die letztgenanute Verschiedenheit darf uns nicht i wundernehmen, wir sahen ja, dass auch die an den Keimpflanzen von Utr. reniformis entstehenden Aus- läufer zunächst Blasen, dann in derselben Anordnung Fig. 47. Frei piä- ^^g dicsc blaseutragendc Ausläufer hervorbringen. Kul- parierter, wurzel- . . loser Embryo von tiviert man sie SO, dass sie längere Zeit nicht in das utr. orbiculata; Substrat eindringen können, so bringen sie statt der vergrössert. " " blasentrageuden Ausläufer nur Blasen hervor. Ein derartiges Beispiel bietet Utr. montana*). Der Embryo zeigt hier im Samen noch keine Blattorgane. Bei der Keimung treten an seiner Spitze zwei derselben auf, deren kräftigere sich zum Laubblatt entwickelt, während die andere zum ersten langgestielten Schlauche wird (Blj^ Fig. 48), der Vegetationspunkt des Keimlings aber entwickelt sich zu einem radiären Sprosse, an welchem (in dem abgebildeten Falle) aufgetreten sind: Zwei weitere Blasen (Bl^, Bl^), ein Ausläufer (AI) und eine weitere Blattanlage h. Die Ausläufer aber entwickeln sich auch hier zu weithin kriechenden Sprossen, aus welchen Blätter und Blütenstände hervorgehen, während der Keim- spross bei ungestörter Entwicklung mit einem Blütenstande abschliesst. Wie Genlisea, so besitzt auch Utricularia ursprünglich eine mit einem Blutenstände abschliessende Blattrosette, in welcher ausser den Blättern auch Schläuche vorkommen. Dazu kommen nun noch die Ausläufer, resp. die schwimmen- den Wassersprosse, welche, obwohl sie mit Blättern äusser- lich nichts zu thun haben, da sie unbegrenzt sich weiter entwickeln, Blätter und Blütenstände hervorbringen, doch ursprünglich Blättern homolog sind, deren Charaktere sie *) Vgl. die früher gegebene Schilderung in Flora 1889, pag. 40. 147 — aber fast ganz abgestreift haben. Es ist hier nicht der Ort, um diese früher von mir erwiesene Homologie ausführlicher zu be- gründen. Wohl aber muss darauf hingewiesen werden, dass auch jetzt noch nicht selten ein Schwanken zwischen Blatt- und Ausläufer-Bildung eintritt, ein Übergang von Ausläufern zu Blättern und umgekehrt. Für ersteren Fall das auffallendste Beispiel bietet wohl die schöne Utr. Humboldti, eine bis jetzt nur an wenigen Orten Guianas gefun- dene Art. Dieselbe teilt mit einer andern amerikanischen Art, der Utr. nelumbifolia die eigentümliche Lebens- weise. Sie kommt nämlich vor in den Wasseransammlungen einer riesigen, sehr schönen Bromeliacee, der Broc- chinia cordylinoides, welche eine der Charakterpflanzen für die Savanne ober- halb des Kaieteur-Falles ist. Von Utr. nelumbifolia sagt Gardner*) . . . „eine höchst eigenartige Utricularia-Art . . . wie die meisten (? G.) ihrer Gattungs- genossen, ist sie eine Wasserpflanze, aber was das merkwürdigste ist, man findet sie nur in den Wasseransamm- lungen in dem Grunde der Blätter einer grossen Tillandsia, welche reichlich eine trockene, felsige Partie des Gebirges p^^ ^g. Keimpflanze von utricuiaria ( — der Sierra dos OrgäOS — ) in etwa montana. BI^ , BL^ und BI^ Blasen ; Al-^ K.r\r\r\ T« a ^ •■^ i i i r\- \t Ausläufer, i jüngste Blattanlage hinter 5000 Fuss Seehohe bewohnt. Die Ver- ,,eicher der Vegetationspunkt .- der Keim- mehrung erfolgt ausser durch die ge- pflanze Uegt. An der spitze des Koty- .., ,. 1 -17 , -I ^ c-i 1 ledon hat sich ein ,, Advent! vspross" A wohnliche V ermehrung durch Samen auch gebildet ; vergrössert. durch Ausläufer, welche vom Grunde der Inflorescenz entspringen. Dieser Ausläufer wächst stets direkt auf die nächste Tillandsia zu, wächst mit seiner Spitze in das Wasser hinein und giebt einer neuen Pflanze den Ursprung, die ihrerseits einen andern Spross aussendet. Ich habe derart nicht weniger als sechs Pflanzen vereinigt gesehen." Es wäre aber verfehlt, aus dieser *) Travels iu Brazil, pag. 402. 10* — 148 — Schilderung auf eine Art Symbiose zwischen der Utricularia und der Tillandsia schliessen zu wollen. Denn Utr. nelumbifolia*) wächst auch ohne die Tillandsia in der Kultur recht gut zwischen Torfmoos etc., w^obei sie Ausläufer von der Dicke eines starken Gänsefederkieles bildet. Dementsprechend findet sich die Utr. Humboldti nicht nur in den Blattachseln der Brocchinia, sondern an anderen Standorten auch auf feuchtem Boden, als Landpflanze. So am Roraima,**) einem der pflanzengeographisch interessantesten Punkte der Erde. Die Wasseransammlungen der Bromeliaceen bieten diesen beiden Utricularia -Arten vielmehr nur die Möglichkeit, auch auf Orten zu wachsen, der, wie dies bei den genannten Savannenbildungeu *) Ob die unter diesem Namen in Kultur befindliche Pflanze wirklich Utr. nelumbifolia ist, muss ich allerdings dahingestellt sein lassen, um so mehr als das hier gezogene Exemplar noch nicht geblüht hat. **) Im Thurn (The botany of the Roraima expedition of 1884, Trans, of the Linn. soc. II. ser., vol. II, 1887 pag. 249 ff.) — „at the Kaieteur in the axils of the leaves of this Brocchinia grows a very remarkable and beautiful Utricularia (U. Humbold tii Schomb.) with flower stems 3 or 4 feet long, sup- porting its many splendidly large violet flowers." — „Mingling and vying in height with the rank grass of the the wet parts, their flowers mingling with the blossem of the grasses are plants of wonderful beauty. The everlovely violet-flowered Utricularia Humboldtii Schomb. is there, growing, not, as on the Kaieteur savannah as an epiphyte, but with independent roots in the ground." — Im Thurn macht ferner auf die Ähnlichkeit der Roraima-Vegetation mit der des Orgelgebirges aufmerksam, namentlich darauf, dass an beiden Stand- orten (und ebenso auch auf der Kaieteur-Savannah) die Atmosphäre reich an Wasserdampf ist, was die Möglichkeit der Vegetation einer so riesigen Brome- liacee, wie Brocchinia cordylinoides es ist, erklärt, die Füllung der Blattbasen mit Wasser (vgl. 1. Teil pag. 199) ist unter diesen Umständen eben gesichert. „The raore I saw of the Bromeliads of the savannah the more striking they appeared. Unlike most other succulent plants they are of a bright light yellowish- green colour, and seem at first sigth very unfitted to find nourishment on this parched piain of earth-bare rock. A second glance, howewer, shows a special adaptation to the place of growth. The base of each leaf of the rosette — shaped plant is so curved in at its edges against the leaf immediately within it that it forms a large reservoir for water. Each of these receptacles con- tains from half-pint to a pint; (V4 — V2 1) to that the whole plant is provided with a Store of several quarts (1 Quart = 1,13 1) of water. These receptacles being fully exposed to the sun, the water within them must evaporate quickly; but the heavy dew which falls here and the thick clouds of mist which con- tinually rise by night and during the early morning from the (Kaieteur-) fall and drop back on this piain in the form of rain must continually renew the Store." (Im Thurn, among the Indians of Guyana, London 1883, pag. 69.) — 149 — der Fall ist; ihnen vermöge seiner trockenen, steinigen Beschaffen- heit sonst keine Existenzmöglichkeit bieten würde. Die Wasser- ansammlungen in den Bromeliaceenblättern aber zeigen ohnedies ein reiches Tierleben, so dass die Bedingungen auch für den Tierfang der Blasen hier recht günstige sind; in der That fand ich auch in den Blasen der Utricularia Humboldti vielfach kleine Tiere gefangen. Zu einer solchen Lebensweise sind nun aber nur starke, stattliche Utricularien befähigt. Denn einerseits handelt es sich darum, die Blattflächen der Luftblätter über die Blattbasen der Bromeliaceen emporzuheben, andererseits müssen diese Utricularien die Fähigkeit besitzen, lange Ausläufer zu bilden, denn die unteren Blätter der Bromeliaceen sterben der Altersfolge nach ab, die Wassernischen gehen zu Grunde, und dies würde auch das Schicksal der Utri- cularien sein, wenn sie nicht durch ihre Ausläufer- und Samenbil- dung die Fähigkeit des Wanderns besitzen würden. Die Samen von Utr. nelumbifolia sind mir nicht bekannt, das hier kultivierte Exemplar hat noch nicht geblüht. Die von Utr. Humboldti haben einen sehr eigentümlichen, an den von Utricularia reniformis erinnernden Embryo (Taf. XIV, Fig. 3). Wie bei der letzteren Pflanze ist der Embryo schon im Samen weit entwickelt und offenbar auf sofortige Keimung eingerichtet, Dass aber diese Art an nasseren Standorten lebt als Utricularia reniformis, zeigt sich schon an den Primärblättern des Embryo, diese sind nämlich geteilt, einigermassen ähnlich den Blättern der Wasserformen; weiter innen findet sich der radiäre Vegetationspunkt mit Blatt- und Blasenanlagen. Ältere in den Wasseransammlungen der Blattblasen von Brocchinia wachsende Pflanzen hatte ich durch die Freundlichkeit des Herrn E. im Thurn in dessen Garten in Morawhanna zu untersuchen Gelegenheit. Die Pflanzen treiben lange Ausläufer, welche von einer Blattbasis zur andern wandern. Sie besitzen einerseits langgestielte Luftblätter, anderer- seits, wie die Abbildung einer jungen Pflanze Fig. 1 auf Taf. XIV zeigt, auch ausser den Ausläufern dünne, zarte, geteilte Wasser- blätter. Diese sind aber nichts anderes als abgeflachte Ausläufer, man kann zwischen Wasserblättern und Ausläufern alle Übergangs- stufen finden, die letzteren sind eben, wie schon mehrfach betont wurde. Blättern homolog, nur dass die Umbildung soweit gegangen ist, dass die Grenze zwischen Blatt und Spross hier aufhört. Auch der Fall, dass Blätter an ihrer Spitze als Ausläufer weiter wachsen, kommt, wie in meiner früheren Arbeit des Näheren ausgeführt ist, — 150 — mehrfach vor. Es wird dies, wie überhaupt die eigentüm- liche Entwicklung der Blatt- organe, dadurch ermöglicht, dass die Utricularienblätter im Gegensatz gegen die Blätter anderer dikotylen Pjflanzen an ihrer Spitze lange in embryo- nalem, bildungsfähigem Zu- stande verharren. Auch sonst ist die Triebkraft dieser Blät- ter eine überraschend grosse. Nicht nur giebt es Arten, deren Blätter normal Aus- läufer, ja statt deren auch ein neues Blatt erzeugen, son- dern die Bildung von „Ad- ventivsprossen" auf den Blät- tern ist bei Land- und bei Wasserformen eine ungemein verbreitete. Die kleinen schild- förmigen Blätter der Utricu- laria peltata, einer Land- form, fand ich zuweilen ganz bedeckt damit; es ist hier eben eine Plasticität vorhan- den, welche sonst bei höheren Pflanzen ohne Beispiel ist, und ein Gegenstück allenfalls findet bei Formen, wie sie die Siphoneen unter den niederen Pflanzen darbieten. Es wurde schon erwähnt, dass die Ausläufer der Land- formen auch Blütenstände her- vorbringen. Die letzteren ent- Fig. 49. Utricularia bitid.i. Blühende Pflauze, an der wickclu an ihrer Basis aUSSCr Basis derselben entspringen eine Anzahl blatt- und crp-wöhnlichen Ausläufcm bci blasentragende Ausläufer (die aber nicht alle gezeichnet i a i u 1 sind), sowie die blattlosen KhizoideE Rh. manchen Arten auch noch iLUh' — 151 — wurzelähnliche Organe, welche in den Boden eindringen, und denen neben der Aufgabe, die Inflorescenzen zu stützen, auch noch die der Wasserzufuhr zukommen dürfte. Wir können sie als Rhizoiden be- zeichnen (Rh. Fig. 49). Mit Wurzeln haben sie morphologisch nichts zu thun, vielmehr sind alle untersuchten Utricularien vollständig wurzellos. Die Rhizoiden sind nur umgebildete Ausläufer (also eben- falls Blättern homolog), welche unter Umständen auch an ihrer Spitze wieder in gewöhnliche Ausläufer übergehen können. Sie unterscheiden sich von den letzteren durch die Unterdrückung der Blatt- und Blasen- bildung, begrenztes Wachstum und (damit im Zusammenhange) eine besonders dichte Bedeckung mit schleimabsondernden Haaren. Diese Rhizoiden sind vielfach die an Herbarexemplaren allein noch vor- handenen Organe, weil die anderen abgerissen und im Boden stecken geblieben sind, und da an ihnen keine Blasen vorhanden sind (oder doch nur ausnahmsweise auftreten), so erklärt es sich leicht, wie Autoren, denen nur Herbarexemplare zur Verfügung standen, behaupten konnten. Blasen seien bei den Land-Utricularien seltener und könnten wenig oder nichts nützen*). In der That sind sie auch bei diesen sehr zahlreich und fangen viele kleine Tiere, wenn sie an ihren natürlichen Stand- orten wachsen. Bei kultivierten Land-Utricularien ist dies aller- dings anders. Utricularia bifida z. B. wächst und blüht in Kultur sehr üppig und setzt (offenbar durch Selbstbestäubung) zahlreiche keimfähige Samen an. Die Untersuchung einer grösseren Anzahl von Blasen dieser Art zeigte, dass dieselben entweder keinen Inhalt führten oder Diatomeen und winzige Tierchen in geringer Zahl einschlössen, namentlich aber Bodenteilchen, mit denen einige Blasen ganz vollgestopft waren. Von einer einigermassen ausgiebigen Aufnahme animalischer Substanz wird unter diesen Umständen keine Rede sein können. Kultivierte Pflanzen aber befinden sich eben überhaupt unter abnormen Bedingungen, und es wäre verfehlt, von ihnen aus auf die Nutzlosig- keit der Blasen bei wild wachsenden Pflanzen schliessen zu wollen. In der That waren die Blasen in Ceylon gesammelter Exemplare reich- lich mit gefangenen Tieren versehen. — Wie bei den übrigen mit Schlauchblättern versehenen „Insektivoren" lassen sich nämlich auch bei Utricularia Einrichtungen nachweisen, welche geeignet sind, kleine Tiere anzulocken und festzuhalten; am abweichendsten sind die letzteren. Die Schläuche oder Blasen der Utricularien sind nämlich vor allen anderen Schlauchblättern dadurch ausgezeichnet, dass sie keine *) Benjamin in Bot. Zeit. 1848, p. 2. — 152 — freie, sondern eine durch eine Klappe {Kl, Fig. 50) verschlossene Eingangsöffnung besitzen. Die Klappe versieht den Dienst, der sonst den Reusenhaaren zukommt, d. h. sie gestattet wohl den Eintritt nach innen, nicht aber den nach aussen, da ihr freies Ende auf einem hufeisenförmigen Rahmen als Widerlager ruht (vgl. den Längsschnitt Fig. 50. Utricularia flexuosa. Längsschuitl durch eine Blase, vergrössert. Das rudimentäre Gefässbündel ist nur durch Schraffierung angedeutet , die rierarmigen Haare des Innern sind teilweise abgeschnitten. Kl die Klappe, auf derselben nach aussen Schleimhaare und zwei Borstenhaare getroffen. Fig. 50). Es ist übrigens Utricularia nicht die einzige Pflanze, bei der ein solcher Klappenverschluss von Schlauchblättern vorkommt. Viel- mehr findet sich derselbe merkwürdigerweise auch bei Arten zweier Lebermoosgattungen. Eines derselben wurde früher schon geschildert (L Teil, pag. 184), es sei hier darauf verwiesen. Colura*) nähert sich im Bau seiner Blätter Utricularia noch mehr als dies bei Physiotium *) Die Morphologie und Entwicklungsgeschichte dieses merkwürdigen Lebermooses ist behandelt in des Verf. „Morphologische und biologische Studien". Ann. des jardin botanique de Buitenzorg, vol. VII und vol. IX. 15^ der Fall ist, insofern als die Schlaucliblätter des ersteren Lebermooses mit einer Klappe versehen sind, welche auf einem Rahmen ruht, der ver- hindert, dass sie von innen leicht geöffnet werden kann. Fig. 9 auf Taf, XXI mag den Habitus eines solchen Schlauchblattes (von einer neuen Art, Colura Karsteni, Goeb.) veranschaulichen. Die Klappe ist durch Punktierung angedeutet, sie führt in den sackförmigen Endteil des Blattes (vgl, den Querschnitt Fig. 10 derselben Tafel). Was ütri- cularia anbelangt, so erhält man über den Bau der Eingangsöffnung wohl die zutreffendste Vorstellung, wenn man sich einen kurzen weiten Trichter denkt, dessen eine Hälfte (die obere) viel zarter und grösser ist als die untere, und dieser mit ihrem hinteren freien Rande anliegt. Die Entwicklungsgeschichte der Blasen stimmt mit der anderer Schlauchblätter zunächst überein. Die Blasen sind nämlich auch hier zweifellos umgewandelte Blattor- gane*), dafür spricht schon die Analogie mit der naheverwandten Genlisea, aber auch alle Erscheinungen bei Utricularia selbst, wir finden die Blasen entweder an Stelle ganzer Blätter oder an Stelle ein- zelner Blattzipfel, an den Blättern der Land-Utricularien stehen sie meist auf der Blattuuterseite (Fig. 51), ausserdem finden sie sich, wie Fig. 50 zeigt, hier namentlich auch an den im Boden wurzel- ähnlich sich verbreitenden Ausläufern. Die Entwicklung der Blase (Taf. XXII, Fig. 1 — 4 beginnt, indem an der Blasenan- lage sich eine Vertiefung bildet, und zwar gehört dieselbe der Blattoberseite an, ebenso wie bei Genlisea, Sarracenia u. a. Wie dort bildet sich auch hier auf der Blattoberseite eine sich an die Blattränder anschliessende Wucherung (W Fig. 1), hinter welcher eine grubenförmige Ver- tiefung liegt. Der Längsschnitt Fig. 1, Taf. XXII zeigt die Grube nach aussen nach weit geöffnet, sie verengert sich bei weiterem Wachs- *) Pringsheims gegenteilige Ansicht ist, wie auch andere Angaben seiner Abhandlung (so die über eine angebliche Scheitelzelle des Stammvegetations- punktes, die Stellung der Blütenstände etc.) irrig. Fig. 51. Utricularia bifida. Blatt, welches sich abnormer Weise gegabelt hat, auf der Unterseite eine Blase. — 154 — tum zu einer Spalte, indem der obere Teil (die Blattspitze ist mit s bezeichnet) der Blasouaulage stärker sich einkrümmt (Taf. XXII, Fig. 2). Im einfachsten Falle geht die Weiterentwicklung in der Weise vor sich, dass die Spitze der Blattanlage (s) sich zu der für die Utriculariablasen charakteristischen Klappe, welche im Unterschied gegen die übrigen Teile der Blase nur aus zwei Zellschichten besteht, verlängert. Da gleichzeitig auch die zum Widerlager sich gestaltende Wucherung W sich verbreitert, so wird der Eingang an einer jungen Blase trichter- förmig gestaltet, wobei zu bemerken ist, dass die obere schwächere Trichterwand, nach innen konkav eingebogen, der unteren anliegt, wie dies Taf. XXII, Fig. 4 zeigt, welche eine aufgeschnittene junge Blase von innen zeigt. Bei einigen Arten aber wird der Eingangstrichter noch über die Klappe hinaus verlängert (man vergleiche z. B. die in Fig. 53 gegebene Abbildung einer Blase von Utricularia rosea, welche einen weiten trichterförmigen Eingang zeigt, von der Klappe aber ist hier noch gar nichts zu sehen), was geschieht, indem die Blasenwand an der Stelle, wo sie in die Klappe übergeht, einen Auswuchs (T in Fig. 3) bildet, der je nach der Art, um welche es sich handelt, mehr oder minder beträchtliche Grösse erreichen kann. So ist denn an den fertigen Blasen der Eingang bei den verschiedenen Arten ver- schieden gestaltet, und es lassen sich diese Gestaltungsverhältnisse in Beziehung bringen einerseits zur Anlockung kleiner Tiere, anderer- seits zur Abhaltung grösserer. Vor allem ist auffallend die Ver- mehi'ung und Vergrösserung schleimabsondernder Haare, welche viel- lach so gestellt sind, dass sie ein dem Schleim nachgehendes Tier direkt auf den Eingang zuleiten. Dass aber in der That kleine Wassertiere derartigem Schleim nachgehen, wohl um ihn zur Nahrung zu benützen, hatBüsgen neuerdings nachgewiesen. So sehen wir auf dem Blaseulängsschnitt Fig. 50 Schleimhaare in reichlicher Menge auf der Klappe, und nicht minder auch auf dem „Widerlager" derselben, wo sie so dicht gedrängt sind, dass sie als ein gleichmässiger Überzug desselben (Pflasterepithel) erscheinen. Und manche Utricularien zeigen gerade in dem mittleren Teile der Klappe eine Anhäufung oder be- sondere Ausbildung der Schleimhaare. So erscheint auf der Klappe von Utricularia stellaris zwischen vier Haaren (ähnlich den in Fig. 50 auf der Klappe entspringenden) ein besonders grosse, mit kugeliger Endzelle versehenes Schleimhaar, das durch seine Grösse und die Stellung zwischen den Haaren besonders hervortrete» muss. Ein Tier, welches sich demselben nähert, wird leicht an der Klappe an- — ■ 155 — stossen, und dann rasch in der Blase für immer verschwinden. Noch hervortretender ist dies bei ütricularia purpurea (Fig. 52). Hier sind die schleimabsondernden Haare der Klappe beschränkt auf ein Gewebepolster, welches im mittleren Teile der Klappe entspringt, sie besitzen eine sehr lange Stielzelle, und markieren ebenfalls die Stelle, an welcher der Eintritt am leichtesten erfolgen kann. In anderen Fällen führen Reihen schleimabsondernder Haare auf den Eingang zu. So besonders auffallend bei Ütricularia rosea, Fig. 53. Fig. 52. Ütricularia purpurea. Stück der Klappe einer Blase, stark vergr. Auf der Aussenseite der Klappe entspringt auf einem Zellpolster eine Gruppe langgestielter schleimabsondernder Haare. (die Artbezeichnung ist nicht sicher) und ütricularia Warburgi, Fig. 54 u. 55. Bei beiden ist der Blaseneingang trichterförmig ge- staltet und besetzt mit nach unten konvergierenden Reihen von schleimabsondernden Haaren. Ausserdem entspringt bei beiden im oberen Ende des Eingangtrichters eine bei Ütricularia rosea wenig, bei der zweiten Art aber sehr auffällig vorspringende, messerklingen- förmige Leiste (Fig. 54), welche gleichfalls Schleimhaare trägt. Diese Leiste teilt den Eingangstrichter gewissermassen in zwei Abteilungen, und wird so grössere Tiere am Eintritt verhindern. Das tritt besonders auffallend auch hervor an den Blasen von Utr. peltata, einer kleinen, landbewohnenden Art. Auch hier finden sich, wie die Seitenansicht Fig. 2 auf Taf. XIV zeigt, ähnlich wie bei 156 — Utricularia rosea, am trichterförmigen Eingang nach innen konver- gierende Haarreihen. Die Haare derselben sind aber an ihrer Basis mit einander vereinigt, so dass flügeiförmige, nach dem Ein- gange zu konvergierende und hier niedriger werdende Leisten ent- stehen, zwischen denen kleine Tiere hindurch zu gehen haben. Da die in' der Medianebene der bestehenden Leisten am weitesten vorsprin- gen, und die Haare nach unten über den Blasen- eingang .. hergebogen sind, so ist ein Ein- dringen grösserer Tiere hier kaum möglich. Er- wähnt sei noch, dass in dem trichterförmigen Blaseneingang stets Schmutz (Bodenteilchen etc.) angehäuft ist, der durch den Schleim wohl festgehalten wird. Da unter demselben sich auch organische Reste vielfach befinden, so ist wahrscheinlich, dass die Zersetzungsprodukte derselben von der Blase aufgenommen werden. Wir dürfen wohl an- nehmen, dass die beiden langen Vorsprünge, welche sich am Blasen- eingange von Utricularia reniformis (vgl. Fig. 45) Humboldti und manchen anderen, ebenso die Fortsätze am Blaseneingang von Utricularia vulgaris (Fig. 56) u. a. gleichfalls imstande sind, grössere Tiere, welche die Blase schädigen könnten, abzuhalten. Für kleinere '<7/^'' Fig. 53. Utricularia rosea. Blase mit trichterförmigem Eingang, der mit nach innen konvergierenden Reihen schleimbildender Drüsenhaare besetzt ist. Auf der einen Seite ist die Wand des Trichters länger und trägt hier einen drl'isenbesetzten Kamm. Stark vergr. — 157 — aber werden sie, namentlich wenn sie mit schleimabsondernden Drüsen besetzt sind, ebenso wie die Vorsprünge in dem Blasentrichter von Utricularia Warburgi, peltata u. a. zugleich als Leitwege zum Blasen- eingang dienen. Dass übrigens selbst verhältnismässig grosse Tiere Fig. 54. Utricularia Warburgi , Blase von oben. Auf der Unterseite des langvorgezogenen oberen Teiles des Blaseneingauges ein breiter Vorsprimg, mit langgestielten Schleimdrüsen besetzt; circa 40 mal vergrössert. J/f/Zu-^ff^n- Fig. 55. Utricularia Warburgi, Blase von der Seite, um den langen mit Driisen besetzten Rüssel- vorsprung zu zeigen ; circa 40 mal vergrössert. sich in die Blasen einzudrängen vermögen, und dass sie offenbar einen „Drang" haben, in dieselben hineinzukriechen, zeigt die That- sache, dass Insektenlarven, welche länger sind als der Längsdurch- messer des Innenraumes der Blasen, in denselben gefunden werden (Fig. 5 auf Taf. XIV). Ist doch unsere Utricularia vulgaris neuer- dings sogar als „fischfangende Pflanze" ausposaunt worden, weil ge- — 158 — legentlich ganz kleine Fischchen sich in die Blasen verirren. So lange Tiere wie die in der angeführten abgebildeten Larve, müssen natürHch allmählich in die Blase hineinkriechen. Bei kleineren Tieren ist der Vorgang ein anderer. Eine Reizbarkeit der Klappe ist dabei nicht im Spiele, wie man nach Analogie mit Dionaea und nach dem raschen Verschwinden der Tiere vielleicht annehmen könnte, vielmehr handelt es sich nur darum, dass die Klappe elastisch eingebogen Flg. 56. Utricularia vulgaris. Keimpflanze. (Mittlerer Teil derselben war durch Beschädigung undeutlich.) Ein Primärblatt hat an der Spitze eine Blase, welche mit zwei langen, antennenähu- lichen Fortsätzen versehen ist, hervorgebraclit ; 10 mal vergr. wird, wodurch eine Öffnung entsteht, in der das Tier verschwindet (wobei der auf dem Widerlager abgesonderte Schleim das Hinein- gleiten erleichtern mag), worauf die Klappe dann sofort sich wieder so biegt, dass der Eingang verschlossen ist. Im Innern der Blasen sterben die Tiere früher oder später ab. Der auch im Innern der Blasen gebildete Schleim mag vielleicht den Tod durch Erstickung beschleunigen, und es hängt damit vielleicht zusammen, dass in manchen Blasen (jungen, in denen die Schleimabsonderung noch eine ausgiebigere ist) die Tiere rascher zu Grunde gehen, als in anderen (älteren), in denen man die gefangenen Tiere noch tagelang herum- schwimmen sehen kann. Andererseits wird dieser Schleim auch Spalt- — 159 — pilzeii als Nährboden dienen können, und sie sind es offenbar, welche den Zerfall der Tierleichen bedingen, während die Ausscheidung eines verdauenden Fermentes hier durchaus nicht nachgewiesen ist. Dass aber die zersetzte Tiersubstanz von der Blase aufgenommen wird, kann nach dem unten Mitzuteilenden nicht bezweifelt werden. Nament- lich wird man dabei, wie dies schon Darwin gethan hat, au die vier- Fig. 57. Utricularia flexuosa. Längsschnitt durch eine Blase, vergrössei't. Das nulimentäre Gefässbiindel ist nur durch Schraffierung angedeutet, die vierarmigen Haare des Innern sind teilweise abgeschnitten. Kl die Klappe, auf derselben nach aussen Schleimhaare und zwei Borstenhaare getroffen. oder zweiarmigen Haare denken, welche auf der Innenfläche der Blase sitzen (Fig. 57). Alle die verschiedenen Haarbildungen lassen sich aber auf einen, allen Lentibularieen gemeinsamen Typus zurück- führen, der oben schon bei Besprechung von Pinguicula erläutert wurde. Wie dort die secernierende Kopfzelle des Haares Teilungen erfährt (vgl. namentlich auch das über Genlisea Gesagte), so ist dies auch bei Utricularia vielfach der Fall. Die Schleimhaare der vege- tativen Teile haben vielfach z. B. bei Utricularia vulgaris eine zwei- — 160 — geteilte Endzelle; geht die Teilung weiter, und wächst jede der vier Teilzellen schlauchförmig aus, so erhalten wir die vierarmigen Haare im Innern der Blase. Folgen demnach die secernierenden Haare bei allen Lentibularieen einem gemeinsamen Typus, so lässt sich ein solcher auch in dem Gesamtaufbau erkennen. Wir betrachten Formen wie Pinguicula mit schleimbedeckten, rosettenförmig gestellten Blättern und centralem Blütenstand als dem Ausgangspunkt der Reihe nahestehende. Von hier aus zweigen sich Genlisea nach der einen, Utricularia nach der andern Seite ab; dass sie die Wurzelbildung eingebüsst haben ist nicht zu verwundern, da sie ganz oder teilweise Wasserpflanzen sind. Genlisea weicht von der hypothetischen Stammform noch wenig ab, er besitzt ausser den sehr eigentümlichen Schläuchen noch die Blatt- rosette wie Pinguicula. Diese ist auch bei den Land-Utricularien noch vorhanden, aber hier sind Umbildungen der Blätter vorgekommen, die zu dem Wunderbarsten gehören, was im Pflanzenreich bekannt ist, und die Grenze zwischen Spross und Blatt verwischen. Die Wasserutricularien unterdrücken, wie wir sehen, den terminalen Blüten- stand der Keimpflanze, haben aber noch eine, wenngleich oft recht reduzierte Blattrosette, während der Schwerpunkt der Entwicklung in die (Blättern homologen) schwimmenden Wassersprosse fällt. Bietet so die Ableitung der Formen ein trotz aller äusseren Verschiedenheiten einigermassen befriedigendes Bild, so kann nicht dasselbe gesagt werden über die Entstehung der Schläuche. Wie diese aus gewöhnlichen Blättern sich herausgebildet haben mögen, bleibt durchaus unklar; indes mag weiter unten, nach Besprechung der physiologischen Vorgänge bei den insektivoren Pflanzen, versucht werden, eine Vorstellung aufzustellen, welche auch für die Gestaltungs- verhältnisse einen allgemeineren Gesichtspunkt zu bieten sucht. Ge- rade bei den Lentibularieen zeigt sich besonders deutlich, dass ein tieferes Eindringen in die biologischen Vorhältnisse nicht ohne ein- gehende morphologische Orientierung erfolgen kann, wie sie in mög- lichster Kürze oben zu geben versucht werde. Druck von Pöschel & Trepte in Leiiv.ig. 'ikrxn. W-A-Me-yj-ilJA- TafJM WAMevTi mh. 'äiAT/r WJ.M'y/i /u/< TafXV WAMajn.- Uthy. Ta/:XIT TafXVE W.A.Me.yn,Uih. Tafim/ WAJfet/n, litji.,£erliji/. TafXK W.A. Meyrv^LvthJnst., BeAh.- Taf. XX. Ta/:nJ. W.J.M:vr, äzk.,Ser Ta/:iM Tu/XXM ^..ayTi.^^c Tat'JXir WA Mevn m. . t.:H ^ 'J- mmmt%um VON l D" K. GOEBEL PROFESSOR DER BOTANIK UND DIREKTOR DES UOTANISC'HEN GARTENS ZU MÜNCHEN. >:^*^ ^ L I » ?? A R '^' ^^ ZWEITER TEIL. ERSTE LIEFERUNG. MIT 57 HOLZSCHNITTEN UND TAFEL X— XXV. MARBURG N. G. ELWERT'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG. 1891. r \ Li gleichem Verlage ist erschienen: FLORA oder Allgemeine Botaiiische Zeitung. Früher herausgegeben von der Königl. Bayerischen Botanischen Gesellschaft in Regensburg. Neue Eeihe 47.— 49. Jahrgang oder der ganzen Reihe 72.— 74. Jahrgang (1889—1891). Herausgeber : Prof. Dr. K. Goebel. Die „Flora" oder „Allgemeine Botanische Zeitung" erscheint in zwanglosen Heften, Der Jahrgang enthält mindestens 30 Bogen Text und etwa 18 Tafeln. Die „Flora" kann zum Preise von 18 Mark für den Band durch jede Buchhandlung des In- und Auslandes bezogen werden. Druck von Pöschel & Trepte in Leipzig. ii?H-;'^i'l;l'i-i'iii'>'s!i^^i| V'^'V'.)] r,!;nt^it'P