J«HH8 MOPKIN« UM.-.K«t>'»-i 1ALT1M0B», »"> " » * PFL ry U iP JOLO^ ZWEITER BAND H. S. J15NNING8, JSHMA HOPKINS UNIvaWtlTV, PFLANZENPHYSIOLOGIE EIN HANDBÜCFI DER LEHRE VOM STOFFWECHSEL UND KEAFTWECIISEL IN DER PFLANZE DK. W. PFEFFER (Sh! \ 0. 0. l'IWi'ESSOR AN DEK UNIVERSITÄT LEIPZIG \'2' V ^ ZWEITE VÖLLIG UMGEARBEITETE AUFLAGE ZWEITER BAND KRAFTWECHSEL MIT 91 ABBILDUNGEN IM TEXT LEIPZIG VERLAG VON AVILHELM ENGELMANN 1904 «; t. JEMNINÖ9, j4hN«I HOPKIN« UNIVKUtlTY, • ILTIMOWE. ►" Alle Rcclitc, besonders das der Ubcrscixung, bleiben vurbelmlten. Vo r w 0 r t. Die Fertigstellung dieses Bandes wurde erheblich durch eine Erkran- kung verzögert, die mich längere Zeit zum Einstellen der Arbeit zwang. Bis zu welchem Zeitpunkt in den einzelnen Abschnitten die Literatur berücksichtigt werden konnte, lässt sich annähernd daraus entnehmen, dass das Manuscript für die Kapitell — X, die 1901 als erste Hälfte erschienen, in den Jahren 1900 und 1901, das für die übrigen Kapitel in den Jahren 1901 bis Juli 1903 niedergeschrieben wurde. Auf die inzwischen veröffentlichten, wichtigeren Arbeiten ist aber, in analoger Weise wie im ersten Bande, in den Anmerkungen hingewiesen. Für die hilfreiche Unterstützung bei den Correcturen bin ich ausser den Herren Dr. Klemm und Dr. Gi essler auch Herrn Professor Dr. Correns zu Dank verpflichtet. W. Pfeffer. H. S. JPNNINGS, •lOHMt HOPKIN« UNIVBt»«ITV, ■ ALTIMaNK. MD., U. 3. * Inlialtsübersiclit. Kapitel I. Die Wachstliumslbewegung. Seite § -t. Allgemeines i § 2. Der Verlauf des Wachsthums unter constanten Aussenbedingungen .... 4 § 3. Fortsetzung 9 § 4. Dickenwachsthum und Verkürzung durch Wachsthum ^ä § 5. Wachsthumsschnelligkeit und Wachsthumsoscillationen 17 § 6. Die Messung der Wachsthumsbewegung 22 Kapitel II. Mechanili des Wachsens. § 7, Allgemeines 2r> § 8. Wachsthumsmechanik der Zellhaut ... 30 § 9. Fortsetzung 35 5^ -lu. Wachsthum der Stärkekörner .... 39 Kapitel III. Wachsthum und ZellTermehruug-. §11. Allgemeines , 42 § 12. Beziehungen zwischen Kern- und Zelltheilung 4 4 § 13. Die mechanischen Mittel bei der Gewebedifferencirung 49 § l'i. Die Anordnung der Zellwandungen 52 Kapitel IV. Elasticitäts- und CohäsionsTerhältnisse des Pflanzenkörpers. § 1.). Die Festigung der Pflanze 55 § Iß. Elasticität und Cohäsion der Zellhäute ßO §17. Elasticitäts- und Cohäsionsverhältnisse der Gewebe 63 Kapitel V. Gewebespannung. § 18. Allgemeines 67 § 19. Entwickelung und Veränderung der Gewebespannung 72 Kapitel VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit durch die Aussenbedingungen. Abschnitt I. Allgemeines. § 20. Die formalen Bedingungen 76 § 21. Allgemeines über formative Wirkungen 8o Abschnitt II. § 22. Einfluss der Temperatur 87 Abschnitt III. Einfluss des Lichtes. § 23. Allgemeines 96 § 24. Photomorphotische Wirkungen 98 § 25. Reaction der phototonischen Pflanze auf Beleuchtungswechsel 107 § 26. Die Ursachen des Lichteinflusses 113 § 27. Die Wirkung der Strahlen verschiedener Wellenlänge 117 VIII Inhaltsübersicht. Abschnitt IV. Seite § 28. Beeinflussung der Zuwachsbewegung durch Elektricität und Magnetismus. 122 Abschnitt V. § 29. Einwirkung der Schwerkraft auf das Wachsthum 123 Abschnitt VI. Beeinflussung des Wachsthums durch chemische Agentien. §3 0. Beeinflussung der Zuwachsbewegung 127 §31. Einfluss des Sauerstoffs auf die Zuwachsbeweguiig 131 § 32. Formative Erfolge durch chemische Mittel 133 Abschnitt VII. Einfluss des Wassergehaltes und des Turgescenzzu Standes. § 33. Beeinflussung der Zuwachsbewegung 137 §3 4. Formative Erfolge 139 Abschnitt VIII. Beeinflussung des Wachsens durch mechanische Eingriffe. § 35. Mechanische Wirkungen . . , U4 § 3G. Reizwirkungen durch Zug . ... 148 § 37. Anderweitige Reizwirkungen .150 § 38. Traumatische Einflüsse 155 Kapitel VII. Die laueren Ursaclieu der specittsclien Crestaltaug. § 39. Allgemeine Orientirung lös Abschnitt I. Die formative Determinirung der Zellen und der Organe. § 40. Allgemeines 163 § 41. Weiteres über die formative Induction und die Specificität der Zellen und Organe 167 § 42. Fortsetzung 174 § 4:^. Induction von Dorsiventralität . . 180 § 44. Induction der Verticibasalität 187 Abschnitt II. Correlation und Reproduction. § 4"). Allgemeines über Correlationsvorgänge 193 § 46. Fortsetzung 200 § 47. Reproduction und Regeneration 204 Abschnitt III. Symbiotische Reactionserfolge. § 48. Morphogene Erfolge durch die symbiotische Wechselwirkung 209 § 49. Transplantationen 2i4 § 50. Näheres über die symbiotische Vereinigung und Wechselwirkung 217 Abschnitt IV. Rückblick auf die determinirenden inneren Factoren. § 51. Allgemeines 220 § 52. Fortsetzung 224 § 33. Allgemeiner Ausblick auf die Reizleitungen 230 Abschnitt V. § 54. Theoretisches 232 Kapitel VIII. Variatiou und Erbliclikeit. Die inneren Bedingungen für eine erbliche Variation 235 Thatsachen über die Variation 2i0 Kapitel IX, Rhythmik der Vegetationsprocesse. Allgemeines 247 Die tägliche Periodicität der Zuwachsbewegung 252 Die jährliche Periodicität 259 § 55, § 56 § 57 § 58 § 59 Inhaltsübersicht IX Seile § GO. Die Beeinflussung der Jahresperiocle durch die Aussenbedingungrn .... :264 § 61. Das Zustandekommen der Jahresperiode 269 § 6-2. Das Abstossen der Blätter und anderer Organe a7G Kapitel X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. Abschnitt I. § 63. Allgemeines 279 § 64. Fortsetzung 282 Abschnitt II. Widerstandsfähigkeit gegen Wärme und Kälte. § CS. Einfluss der supramaximalen Temperatur -i8S § 66. Gefrieren und Erfrieren 297 § 67. Eisbildung in der Pflanze 306 § 68. Die Ursachen des Erfrierens 314 Abschnitt III. § 09. Schädliche Wirkungen des Lichtes 318 Abschnitt IV. Einfluss der Wasserent^:iehung. § 70. Austrocknen . 321 § 71. Osmotische Einflüsse 329 Abschnitt V. Chemische Einflüsse. § 72. Allgemeines über Gifte 332 § 73. Näheres über Giftwirkungen 339 § 74. Fortsetzung 343 § 75. Giftwirkung und chemische Constitution 349 Kapitel XI. Allgemeines über Bewegungen. § 70. Ausblick auf die verschiedenartigen Bewegungen 353 § 77. Die Bewegungsursachen 358 § 78. Die Mittel zur mechanischen Ausführung der Bewegungen 369 Kapitel XII. Krümumngsbewegungen. Abschnitt I. Autonome Bewegungen. § 79. Vorkommen und Verbreitung 379 § 80. Die inneren und äusseren Ursachen der autonomen Bewegungen .... 388 § 81. Beeinflussung durch den Wechsel der Aussenbedingungen 394 § 8 2. Die mechanische Ausführung der autonomen Bewegung 3 97 Abschnitt II. Rankenkletterer und Schlingpflanzen. § 83. Allgemeines 398 § 84. Das Winden der Schlingpflanzen 4 00 § 85. Weiteres über Schlingpflanzen 406 § 86. Die Rankenkletterer 412 § 87. Näheres über den Reizvorgang bei den Rankenpflanzen 420 § 88. Die Veränderung der Wachsthumsthätigkeit der Ranken durch den Con- tactreiz und die Krümmungsmechanik 427 Abschnitt III. Krümmungsbewegungen durch mechanische und chemische Reizu ngen. § 89. Allgemeines über Stoss- und Tastreizungen 4 33 § 90. Fortsetzung 441 § 91. Bewegungen durch Stossreizungen < 446 § 92. Fortsetzung 453 § 93. Bewegungen durch Tastreizung 458 § 94. Chemonastische Reizbewegungen 462 § 9.;. Fortleitung mechanischer und chemischer Reizungen 469 X Inhaltsübersicht. Absclinitt IV. Photo-, thermo- und hydronast ische Seito K r ü m m u n g s b e w e g u n g e n. § 96. Allgemeines 476 § 97. Verbreitung der photonastischen und der täglichen Bewegungen 4 82 § 98. Entstehung der photonastischen Tagesperiode 488 § 99. Thermonastische Krümmungsbewegungen 493 § 4 00. Hydronastische Krümmungsbewegungen 497 § lOI. Combinationserfolge 501 § 102. Fortsetzung SOG § 103. Mechanik der Nutationsbewegungen 513 § 104. Mechanik der Variationsbewegungen 521 § 105. Die Beeinflussung der aitionastischen Krümmungsbewegungen durch die Aussenbedingungen 529 Abschnitt V. Oeffnungs- und Schleuderbewegungen. § 106 337 Kapitel XIII. Tropistische Krümmuugslbeweguiigen. Abschnitt I. Einleitung. § 107. Allgemeines 5'i6 § 108. Fortsetzung • 552 §109. Fortsetzung 555 Abschnitt II. Uebersicht über das Vorkommen der verschiedenen Tropismen. § 110. Geotropismus 561 § 111. Geotropismus. Methodisches 366 §112. Heliotropismus 372 §113. Heliotropische Wirkung der Strahlen verschiedener Wellenlänge 577 §414. Thermotropismus 579 §115. Chemotropismus und Osmotropismus 581 §116. Hydrotropismus 586 §117. Thigmotropismus, Rheotropismus. Traumatropismus 588 § 118. Galvanotropismus 593 § 119. Eigenrichtung und Substratrichtung 594 Abschnitt III. Die tropistischen Reizbedingungen und Reizpro cesse. § 120. Beispiele für die räumliche Trennung von Perception und Action .... 599 §121. Beispiele für die autogene und aitiogene Veränderung der Reizbarkeit . 609 § 122. Fortsetzung '^'1 '« § 123. Schwellenwerlh, Inductionszeit und Reactionszeit "20 § 124. Reizintensität und Excitation 624 § 125. Die Reizbedingungen und der Reizprocess 629 § 126. Fortsetzung 634 § 127. Fortsetzung 639 Abschnitt IV. Die mechanische Ausführung der tropistischen Bewegungen. § 128. Allgemeines über den Verlauf und die Ausführung der Bewegungen. . . 650 § 129. Weiteres über die Krümmungsmechanik 660 § 130. Die inneren Bewegungsursachen 667 Abschnitt V. Specielle Fälle. § 131 673 § 132. Fortsetzung <586 Inhaltsübersicht. XI Kapitel XIV. Locomotorisclie Bewegimgeu und Plasmabewegnngeti. seiio Abschnitt I. Verlauf und Mechanik der Bewegungen. § 133. Allgemeines 696 § -134. Schwimmbewegungen mit Hilfe von Cilien 699 § 135. Gleitbewegungen 707 § 136. Amöboide Bewegungen 712 § 137. Mechanik der amöboiden Bewegungen. 714 § 138. Protoplasmaströmung 723 § 139. Pulsirende Vacuolen 730 § 140. Anderweitige Bewegungen im Protoplasma 738 Abschnitt II. Beeinflussung der locomo torischen Bewegungen und Plasmabewegungen durch äussere Factoren. § 141. Allgemeines - 748 § 142. Allgemeines über tropistische Reizungen 753 § 143. Thermische Einflüsse 763 § 144. Diffuse Lichtwirkungen 767 § 1 45. Tropistische Lichtwirkungen 771 § 146. Die photischen Orientirungen der Chloroplasten 779 § 147. Einwirkungen der Schwerkraft 788 § 148. Diffuse chemische Einwirkungen 793 § 1 49. Chemotaxis und Osmotaxis 798 § 150. Fortsetzung ' 805 §151. Fortsetzung 808 § 152. Hydrische Einflüsse 814 {5 153. Mechanische Einwirkungen 816 § 154. Galvanotaxis 820 § 155. Cytotaxis. 826 Kapitel XV. Erzeugung von Wärme, Licht und Elektricität. Abschnitt I. Wärmebildung. § 156. Allgemeines 828 § 157. Die Ervfärmung der aeroben Pflanzen 837 § 158. Wärmebildung bei anaerober Thätigkeit 844 § 159. Die Temperatur des Pflanzenkörpers unter normalen Bedingungen . . . 847 Abschnitt II. Die Production von Licht. § 160 851 Abschnitt 111. Die Production von elektrischen Spannungen in der Pflanze. § 161 861 § 162. Fortsetzung 869 Kapitel XVI. Ausblick auf die in der Pflanze angewandten energetischen Mittel. § 163. Ueberblick 875 § 164. Die energetischen Factoren 879 § 165. Fortsetzung 884 § 166. Specielle Fälle 889 Register 896 Kapitel I. Die Wachsthumsbewegung. § 1, Allgemeines, IJiv zuieichcnde Betriebsstoffwechsel ist die uneiiässliche Voraussetzung für alle Thätigkeit und somit für alle Leistungen, die durch Vermittlung und im Dienste der Pflanze vollbracht werden. Zu diesen Leistungen zählt auch das Waehsllnun, also diejenige Wachsthumsbewegung, durch deren regulato- rische Leitung und Verwendung der specifiscbe Entwickelungsgang der Pflanze erzielt wird. Diese und andere allgemeine Beziehungen sind in der Einleitung (Bd. I. Kap. I) geschildert, auf die hier verwiesen werden muss. An dieser Stelle h\ u. a. auch hervorgehoben, dass, wie es nicht anders sein kann, die erblich üJjerkommenen Eigenschaften — sagen wir kurz die specifische Organi- sation oder specifische Structur — den Verlauf der Ontogenese bestimmen, dass ferner Hand in Hand mit dem Fortschreiten der Entwickelung selbstthätig und selltstregulatorisch eine Verstellung der maassgebenden Constellationen er- zielt und dadurch die formative Thätigkeit in der für eine jede Pflanzenart specifischen Weise gelenkt wird. Leider haben wir aber nicht eine genügende Einsicht in das Lebensgetriebe, um, wie es bei einem wohlbekannten Mechanis- mus nir>glich ist, die Leistungen als nothwendige Folge aus den maassgebenden Constellationen, also aus Bau und Betrieb, ableiten zu können. Desshalb ist auch eine solche deductive Behandlung unmöglich, mil der das ideale Ziel der Physiologie und die Möglichkeil einer leichten Orientiriuig in der Mannigfaltig- keit der Leistungen erreicht sein würde. L'm aber bei einer derartigen Sachlage fin Bild unserer Erfahrungen und Auffassungen zu entwerfen, dürfte es vortheilhafl sein, unter Abstraction von morphologischen Besonderheiten zunächst das Wesen und den Verlauf der for- mativen Wachsthumsthätigkeit unter normalen und constanlen Aussenbedingungen zu kennzeichnen imd darauf (Kap. II) die mechanische Ausführung des Wachsens, also die allgemeine Wachsthumsmeclianik zu behandeln. Das Kap. \l ist dann der Bedeutung und dem Einfluss der äusseren Bedingungen (Factoren), Kap. VII den iimi'ren Factoren gewidmet. Das Kap. VII umfasst naturgemäss die schwierigsten Probleme, in die eine tiefere Einsicht nur theilweise und immer nur in lückenhafter Weise gewonnen ist. Denn es handelt sich um die Gesammtheit des verwickelten Waltens und Pfeffer, Pflaiizenphysiologie. 2. Aufl. U. , 4 H. S. JENNINGS, J»HV9 HOPKIN« UtllVC»«ITV, ■ »LTIMOW6. "O.. U. S * 2 Kap. I. Die Wachsthumsbewegung. Schaffens, durch das die Thätigkeiten und Leistungen erzielt und regiüirt werden. Zu den mitwirkenden Factoren zählen somit auch die mannigfaltigen (auslösenden und mechanischen) Wechselwirkungen zwischen den Organen, zwischen den Zellen und innerhalh des Protoplasten, durch welche die Partialfunctionen regulatorisch gelenkt und je nach den Zielen in verschiedener Weise zu einheitlichem Zu- sammenwirken combinirt werden (Bd. I, § 4 ; II, Kap. VII). In einer jeden formativen Leistung tritt uns das Resultat der Eigenthätig- keit des Organismus, also eine Automorphose, entgegen, und dieses ist auch dann der Fall, wenn durch die äusseren Bedingungen die formative Wachs- thumsthätigkeit im zeitlichen Verlaufe modificirt oder in andere Bahnen gelenkt wird. Demgemäss ist, wenn wir von Photomorphose, Chemomorphose, Bary- morphose u. s. w. reden, zunächst nur die Qualität des äusseren Anstosses gekennzeichnet, aber damit keine Einsicht in die Kette von Actionen und Factoren gewonnen, die zu der Modification der Thätigkeit und zu dem end- lichen Erfolge führte (I, § 4 ; II, Kap. VI und VII). Jedoch auch ohne eine nähere Einsicht in die Gausalverkettungen sind diese und ähnliche Erfahrungen von hoher Bedeutung, da sie in jedem Falle specifische Eigenschaften und Fähig- keiten kennzeichnen. Auch ist es möglich, auf Grund solcher Erfahrungen die Existenzbedingungen eines Organismus zu präcisiren und die Bedeutung bestimmter Aussenbedingungen für die Hemmung oder Förderung der Wachs- thumsthätigkeit oder für die Erzielung bestimmter formativer Erfolge zu beurtheilen. Nach der Erreichung und der Fixirung der äusseren Form durch morpho- genes oder formatives Wachsthum können sich natürlich im Inneren noch Wachsthumsprocesse abspielen (ausbauendes oder inneres Wachsthum i. Es genügt, hier an das gleitende Wachsthum gewisser Zellen (II, § 13), an die Verdickung von Zellwänden, an die Bildung und das Wachsthum von Stärke- kiirnern, sowie von Kry stallen (Calciumoxalat, Proteinkrystalle) zu erinnern. In dem letztgenannten Falle handelt es sich offenbar um ein einfaches Auskrystal- lisiren, das nur die Production oder die Zusammenführung der bezüglichen Stoffe voraussetzt. Dagegen kommt vielleicht schon bei der Stärke, jedenfalls aber bei der Bildung und dem Wachsthum der Zellwand, die besondere organi- satorische Thätigkeit des Protoplasten in Betracht. Jedoch dreht es sich auch bei der Zellhaut um ein an sich nicht lebendiges Product, um eine Partial- function, in die im allgemeinen eher eine Einsicht zu gewinnen sein wird, als in das verwickelte Getriebe des lebendigen Protoplasten (I, Kap. II). Wie dieses, liietet auch das damit verknüpfte Wachsen des Protoplasten und seiner Organe das fundamentale, aber auch das schwierigste Problem der organisatorischen Thätigkeit. Auf dieses vitale Getriebe in dem normalen, beziehungsweise in dem dauernd oder transitorisch modificirten Protoplasten stossen wir auch immer bei dem Studium der überaus mannigfaltigen Wechselwirkungen der Zellen. Auch hierbei ist es klar, dass die in dem Protoplasten sich abspielenden Vorgänge noch schwieriger zu präcisiren sind, als die Mittel, durch welche die wechselseitige Beeinflussung von Zellen oder Organen erzielt wird. Die mannigfachen Wachsthumsvoi'gänge lassen sich natürlich nach der for- malen Erscheinung, nach Vermittlung und Ausführung, nach Zielen und Zwecken § 1. Allgemeines. 3 in verschiedener Weise rubriciren. Jedoch isl es z. B. nicht nöthig, für Wachs- thum mit oder ohne Zelltheilung oder durch Zellverschmelzung- besondere Kunst- ausdrücke einziiführen^). Von Wachsthum durch Intussusception und Apposition wird in II, Kap. II, von gleitendem Wachsen in II, § I i die Rede sein. Es hegt übrigens in der Natur der Sache, dass es keine übergangslosen Abgrenzungen geben kann. Zudem hegt es in der Hand des Menschen, »Wachsthum« im engeren oder weiteren Sinne zu umgrenzen. Jedoch wird man im allgemeinen alle formativen Vorgänge, die zu einer bleibenden Aenderung der Gestaltung führen, als Wachsthum bezeichnen. Ein solcher Vorgang ist der Regel nach mit einer Volumzunahme verknüpft, die z. B. auch dann eintritt, wenn ein Gewebecomplex nur durch Vergrösserung der luftführenden Intercellularen, also ohne Zunahme der organisirten Masse wächst, Vergrössert sich aber ein Organ in einer Rich- tung, während es gleichzeitig in einer anderen Richtung an Durchmesser ab- nimmt (vgl. II, § 4), so kann eine bleibende Formänderung ohne Zunahme des Volumens zu Stande kommen. Nach dem hier und an anderen Stellen (I, Kap. I; II, Kap. 11 u. s. w.) Ge- sagten ist es selbstverständlich, dass das organisatorische Wachsen das Resultat einer verwickelten Thätigkeit ist, in welcher Energiewechsel, Stoffwechsel und realisirte Leistungen in wechselseitiger Verkettung und Regulation zusammen- wirken. Bei richtiger Würdigung dieser Beziehungen ergiebt sich ohne weiteres, dass und warum der Energie- und Stoffwechsel zwar unerlässliche Bedingungen sind, jedoch auch bei Fortdauer beider das Wachsthum dauernd oder zeitweise zum Stillstand kommen kann. Auch in einer Fabrik kann die Arbeit ruhen, obgleich die Dampfmaschine im Gange ist und somit die generelle Betriebskraft zur Verfügung steht. Beide, Fabrik und Organismus, können natürlich ihre Thätigkeit auf die Dauer nur dann aufrecht halten, wenn das zu verarbeitende Material und die Betriebsenergic in zureichender Weise zur Verfügung stehen und dementsprechend zugeführt werden. Damit ist also auch die Bedeutung des Nahrungsgewinnes für den Stoffwechsel und für die Leistungen des Organismus im allgemeinen gekennzeichnet. Wachsthumsthätigkeit und alles was damit erreicht wird (also auch jede Ent- wickelung) bilden einen integrirenden Theil der Physiologie, dessen causale Er- forschung nur unter Berücksichtigung des ganzen vitalen Getriebes möglich ist. In diesem Sinne ist auch die Sachlage in der Botanik schon seit langer Zeit aufgefasst und gehandhabt 2) ; ja schon zu Anfang des 19. Jahrhunderts hatte ein grosser Theil der experimentellen Untersuchungen die causale Erforschung 1) Vgl Wiesner. Elementarstructur 1892, p. 19'., 222; Roux. Ergebnisse d. Ana- tomie u. Entwickelungsgesch. von Merkel u. Bonnet 1892, Bd. 2, p. 434; Programm d. Forschungsmethoden d. Entwickelungsmechanik 1897, p. 28. — Auf die Verschieden- artigkeit des Wachsens wurde auch schon hingewiesen von Meyen, Pflanzenphysiol. 1838, Bd. 2, p. 336. 2) Vgl. u. a. die L Aufl. dieses Werkes 1881, Bd. I, Einleitung, Bd. II, Kap. 4, 5 u.s.w. ; Sachs, Lehrbuch der Botanik 1873; Vöchting, Ueber Organbildung im Pflanzenreich 1878, p. 4, 241 u. s. w. — An verschiedenen Stellen ist auch nicht nur auf das practisch erreichte Rücksicht genommen, sondern auch auf die ferneren und endlichen Ziele hin- gewiesen. Bemerkenswerth ist auch, trotz vieler Irrthümer im Einzelnen, das Streben Hofmeister's (Allgem. Morphologie 1868), die morphologische Entwickelung und Ge- staltung thunlichst auf physiologischen Boden zu stehen. Andererseits versuchte z. B. Nägeli (Die Stärkekörner 185») die Wachsthumsmechanik und die specifische Gestal- tung der Stärkekörner sogar bis auf die molecularen Vorgänge zu verfolgen und aus diesen zu erklären (vgl. dieses Buch Bd. II, § 1 0). 1* 4 Kap. I. Die Wachsthumsbewegung. einzelner beslimmt gerichteter Wachsthumsvorgänge zum Ziele. Erfreulicher- weise sind solche physiologischen Studien in jüngerer Zeit auch auf zoologischem Gebiete von verschiedenen Forschern (Roux, 0. und R, Hertwig, Herbst, Dricsch, Loeb etc.) energisch und zielbewusst in Angriff genommen, während sich bisher die Thierphysiologie fast nur mit den anderweitigen Functionen (Er- haltungsfunciionen) des Organismus beschäftigt hatte ^). Diese Beschränkung kann indess keinen zureichenden Grund abgeben, die Entwickelungsphysiologie, oder wie sie Roux^j nennt, die Entwickelungsmechanik, als eine von der Physiologie ab- zutrennende Disciplin hinzustellen. hn Princip kommen in diesen zoologischen entwickelungsrnechanischen Arbeiten dieselben Fragestellungen und Forschungsmethoden zur Anwendung, wie in den analogen pflanzenphysiologischen Studien. Auch darf wohl behauptet werden, dass die verschiedenen theoretischen Erörterungen dieser Probleme (Driesch, Roux etc.) nur mit den Factoren operiren, die dem Wesen nach in der Pflanzen- physiologie nicht nur anei'kannt, sondern auch practisch angewandt wurden und werden. § 2, Der Verlauf des Wachsthums unter constanten Aussenbedingungen. Der specifische Verlauf der Ontogenese der ganzen Pflanze und der einzelnen Organe lehrt ohne Weiteres, dass die Mannigfaltigkeit der Formenwandlung, der Neubildung und der endlichen Gestaltung erzielt wird, indem die Wachsthums- thiitigheit in selbstregulalorischer Weise örtlich und zeitlich in verschiedenem Maasse einsetzt und thätig ist-^). Dabei ist bei der Mehrzahl der Pflanzen (den Somatophyten) die Bildungsthätigkeit auf die Herstellung und den Ausbau von ausgewachsenen Körpertheilen und Organen berechnet. Jedoch lehren Bacterien, Spirogyra, Oscillaria und andere Asomatophyten, dass eine Differencirung in ausgewachsene (somatische) und wachsthumsthätige (asomatische, embryonale) Theile keine generelle und imbedingte Nothwendigkeit ist. Denn bei den Asomatophyten vermag jede einzelne Zelle den embryonalen Zustand zu bewahren und sich demgemäss in derselben Weise wie die Ahnen durch Wachsthum und Theilung fortzubilden und zu vermehren. Ein solches Verhalten ist indess nur bei kleinen und niederen Organismen möglich^ da die Ausgestaltung von Organen und Geweben besonderer morphologischer und functioneller Bedeutung eine bestimmte Differencirung fordert (vgl. Bd. I, § 6), da ferner die embryonalen Zellen ungeeignet sind, um bei grösseren Pflanzen die genügende Festigkeit und Tragfähigkeit herzustellen (II, Kap. IV). ^) Uebrigens wurde z. B. von Gl. Bernard (Lecons s. 1. phenomenes d. 1. vie 1885, Bd. I. p. 390) die causale Aufhellung der Entwickelungsprocesse nachdrücklich als eine der Aufgaben der Thierphysiologie bezeichnet. 2) W. Roux, Programm u. Forschungsmethoden d. Entwickelungsmechanik 1897, p. 171 und die hier citirte Literatur. — Uebrigens kommt es nicht auf Namen, sondern auf Thaten an. Ueber den Umfang der Physiologie in unserem Sinne vgl. Pfeffer. Physiologie II. Aufl., Bd. I. p. 8. Ferner z. B. H. Driesch, in Ergebnisse d. Anatom, u. Entwickelungsgesch. von Merkel u. Bonnet 1898, Bd. 8, p. 7lä. 3) Auf den morphologischen Aufbau, sowie auf die Entwickelungsgeschichte etc. haben wir nicht einzugehen. Man vgl. hierüber z.B. Hofmeister, Allgem. Morphologie <868; Goebel, Vergl. Entwickelungsgeschichte d. Pflanzenorgane 1883, Organographie der Pflanzen 1898. § 2. Der Verlauf des Wachsthums unter conslantenAussenbedingungen. 5 Da aber die somatischen Theile nicht forlbildungsfähig sind und nach kürzerer oder längerer Lebensdauer unvermeidlich dem Tode anheimfallen i), so ist bei den Somatophyten die Conservirung embryonaler Zellen unerläss- lich für die Erhaltung der Art. In der That sind Eizelle, Spore, Steckling und andere Vcrmehrungsmittel nur durch ihren embryonalen Zustand, bezw durch den Besitz von embryonalen Theilen zur Fortbildung und zur Reproduction- eines neuen hidividuums befähigt. Jedoch ist es bei den Somatophyten nicht nur auf die Production der sich von den Mutterpflanzen ablösenden Fortpilanzungs- mittel abgesehen, sondern zumeist auch auf die Erhaltung von embryonalen Zellen und Geweben, die im Verbände und im Anschluss an die auswachsenden Theile eine weitere Fortbildung und Ausgestaltung einzelner Organe und des hidividuums ermöglichen. Auf diese Weise pflegen die meisten Asomatophyten bis an ihr Lebensende zu wachsen und zu produciren. Das wird bekanntlich durch das Urmeristem (Vegetationspunkte und Vegetationszonen) vermittelt, das sich in seiner Thätigkeit selbst dauernd verjüngt und zugleich für die Schaffung des Zellenmaterials sorgt, durcli dessen Fortbildung und Ausgestaltung der Zuwachs der bestehenden Theile, sowie die Production von neuen Organen besorgt wird. In dieser Weise arbeitet das conservirte embryonale Gewebe sowohl bei einjährigen Pflanzen als auch bei Bäumen, bei denen alljährlich neue Triebe entstehen und die absterbenden Blätter durch neue ersetzt werden, bei denen ferner das Dickenwachsthum von Holz und Rinde durch den Cambium- ring vermittelt wird. Aber nicht nur in diesem, sondern auch in vielen anderen Fällen werden intercalare Vegetationszonen von kurzer oder langdauernder Thätigkeit zur Erreichung bestimmter Ziele und Zwecke ausgebildet 2), In diesem dauernden Wachsen und Neugestalten besitzt die Mehrzahl der Pflanzen, im Vereine mit der Fixirung an die Scholle, Eigenschaften, durch die ihrem Lebenslaufe ein wesentlich anderer Character aufgeprägt wird, als dem der Thiere, die noch lange fortleben, nachdem die äussere Gestaltung vollendet ist. Jedoch handelt es sich auch in dieser Hinsicht nicht um einen durch- greifenden Unterschied zwischen beiden Reichen, denn unter den niederen ani- malischen Organismen fehlt es nicht an solchen (Infusorien etc.), bei denen die Differencirung eines somatischen Theiles nicht zu Stande kommt. In allen Fällen aber folgt aus der empirischen Erfahrung, dass jedes Lebe- wesen von Seinesgleichen abstammt, dass die Continuität der fortbildungsfähigen, d. h. der embryonalen Substanz des Keimplasmas (I, p. 49; II, Kap. VII) für die Erhaltung des Lebendigen unerlässlich ist, oder mit anderen Worten ausgedrückt, dass die consecutiven Generationen durch die embryonale Substanz zu einem einheitlichen, sich rhythmisch wiederholenden Lebensprocess verknüpft sind. Da aber die Ontogenese einer Species immer wieder mit derselben embryonalen Substanz, derselben bestimmt organisirten Masse beginnt, so ist damit auch immer wieder dieselbe Entwickelungsbahn vorgeschrieben. Diese Wiederholung vollführen bei den Somatophyten natürlich nicht diejenigen -1) Ueber die Lebensdauer somatischer und embryonaler Zellen vgl. II, § 64. 2) Bspl. u. a. bei Goebel, Entwickelungsgescb. d. Pflanzenorgane 1883, p. 153, 179, 212 etc.; Hofmeister, Allgem. Morphol. 1S68, p. 420, 4Gö u. s. w. Einige Angaben auch in II, § 3. 6 Kap. I. Die Wachsthumsbewegung. Zellen, die zur Formirung der verschiedenen somatischen Organe und Gewebe dienen und demgemäss bis zu der endlichen Ausbildung einen specifisch gelenkten Entwickelungsgang durchlaufen. In diesem Entwickelungsgang wird dann häufig ein sehr ansehnliches Wachsthum ausgeführt, durch welches z. B. die embryo- nale Anlage eines Internodiums von Humulus, Phaseolus u. s. w. um mehr als das Hundertfache verlängert und ebenso eine winzige Blattanlage zu einem mächtigen Laubblatt ausgestaltet wird. Der Beginn solcher Ausgestaltung (Streckung) ist gewöhnlich von Zelltheilung begleitet, die mehr und mehr nachlässt, so dass gerade das schnellste und ausgiebigste Wachsthum vorwiegend oder allein durch Zellstreckung erreicht wird (Definition von Wachsthumsschnelligkeit siehe IT, § 5). Bei solchem Walten wird somit die schnellste Wachsthumsbewegung in der Streckungszone ausgeführt und es genügt demgemäss eine geringe Zuwachs- thätigkeit im Urmeristem, um einen sehr ansehnlichen Gesammtzuwachs zu erzielen (vgl.- II, § 3). Jedoch arbeiten nicht alle Pflanzen und Pflanzentheile nach diesem Schema, das ohnehin nicht für die Asomatophyten passt, unter denen z. B. die Bacterien eine vingemein schnelle Zuwachsbewegung in den embryonalen Zellen vollbringen (II, § 5). Ferner ist bei vielen sehr schnell wachsenden Pilzfäden (Botrytis i), Mucorineen^], Aspergillus u. s. w.) das Wachs- thum auf den äussersten Spitzentheil, auf eine Zone beschränkt, deren Länge theil- weise nicht einmal den geringen Durchmesser der Pilzhyphe zu erreichen scheint. Aehnliche Verhältnisse finden sich z. B. bei gewissen Algen (Vaucheria, Caulerpa^) etc.), bei Moosprotonemen, bei Rhizoiden, sowie auch bei Wurzelhaaren *), also bei Organen von Phanerogamen. Jedenfalls nimmt also Sachs ^) mit Unrecht an, dass in dem embryonalen Scheitel nie die ausgiebigste Zuwachsbewegung liege imd liegen könne. Uebrigens wird nach Westermaier^) auch bei ver- schiedenen Gefässkryptogamen das schnellste Wachsthum (Volumzunahme) in der Scheitelzelle oder nahe bei dieser ausgeführt. Thatsächlich ist es gar nicht möglich, dass alle Pflanzen und Pflanzentheile nach einer eng begrenzten Schablone arbeiten. So bieten die einzelligen Soma- tophyten Vaucheria, Mucor etc. ein Beispiel, dass zwar der ganze Protoplast den embryonalen Zustand bewahrt, das Wachsthum der Zellhaut und somit der Pflanze aber mir an der Spitze stattfindet. Dasselbe ist der Fall bei Aspergillus, Penicillium, Sphacelaria") etc., bei welchen aber in einiger Entfernung von der Spitze, in den ausgewachsenen Theilen. eine Fächerung der Zelle eintritt. Da- 1) Reinhardt. Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 23, p. 494, o54 und die dort citirte Lit-.; Eidam, Cohn's Beiträge 1887, Bd. 4, p. 209. 2) Errera, Bot. Zeitung 1884, p. 53.j, 364. 3) Askenasy, Neue Methode, d. Vertheilung d. Wachstluimsintensität zu bestim- men 1878, p. 2S (Separat a. Verhdlg. d. naturw.-med. Vereins zu Heidelberg, N. S. Bd. II, Heft 2); Berthold, Protoplasmamechanik 1886, p. 274; Reinke, Ueber Caulerpa 1899, p. 71 (Separat a. Wissenschaftl. Meeresunters., Kiel N. F. Bd. 5). 4) Haberlandt, Function u Lage des Zellkerns 1887 u. Oesterr. Bot. Zeitschrift 1889, Nr. 3; Reinhardt 1. c, p. 33-2; Sokolowa, Wachsthum d. Wurzelhaare u. Rhi- zoiden 1897. 5) Sachs, Vorlesungen über Pflanzenphysiol. 1887, II. Aufl., p. 558. 6) Westermaier, Jahrb. f. wiss. Bot. 1879—81, Bd. 12, p. 439. 7) Geyler, Jahrb. f. w. Bot. 1863—66, Bd. 4, p. 479; Pringsheim, Ueber d. Gang d. morphol. Differencirung d. Sphacelarien-Reihe 1873. p. 143. § 2. Der Verlauf des Wachsthums unter constanten Aussenbedingungen. 7 gegen schliessen sich Characeen, Pterothamnion, Gallithamnion u. s. w. ^j den Laubsprossen darin an, dass die von der Scheitelzelle abgeschnittenen Segmente durch fernere, und z. Th. durch sehr erhebliche Streckung ihre definitive Aus- gestaltung gewinnen. Auch bei vielen Hutpilzen und anderen grösseren Pilzen 2) findet ein sehr ansehnliches Streckungswachsthum statt. In dem Entwickelungsgang, wie er nun einmal für die Spross- und Wurzel- systeme der Blüthenpilanzen üblich ist, werden natürlich zunächst mit Hilfe der embryonalen Zellen die Anlagen geschaffen und damit Zahl und Stellung der Organe bestimmt, die dann durch weitere Fortbildung ihre endliche Gestaltung erreichen. Man kann desshalb mit Sachs 3) den erstgenannten Abschnitt als morphologische Periode, den folgenden Abschnitt als physiologisch -ökologische Periode bezeichnen. Nur darf man nicht vergessen, dass die Entwickelung con- tinuirlich ist und dass demgemäss keine scharfe Abgrenzung dieser Perioden möglich ist. Auch lässt sich keine scharfe Grenze zwischen somatischen und embrvonalen Zellen ziehen. Denn abgesehen davon, dass unter Umständen typische Vege- tationspuncte für immer ruhen, giebt es zahlreiche Beispiele dafür, dass Zellen normalerweise den somatischen Character annehmen und bewahren, bei Ver- letzungen und anderen Eingriffen aber zur embryonalen Thätigkeit zurückkehren- (H, § 47). Ebenso werden Somatophyten und Asomatophyten durch Uebergangs- glieder verknüpft. Zu diesen zählt u. a. die schon erwähnte Vaucheria mit ihrem embryonalen Protoplasten. Ausserdem begnüge ich mich mit dem Hinweise, dass z. B. gewisse Schimmelpilze als Somatophyten, in der Hefeform (H, § 32) aber als Asomatophyten wachsen. In diesen und anderen Erwägungen ist es begreiflich, dass der Character der Zelle nicht in allen Fällen durch das mikroskopische Bild gekennzeichnet wird. Allerdings sind die Zellen in den typischen Vegetationspuncten der höheren Pflanzen durch die reichliche Ausstattung mit Protoplasmamasse und durch einen relativ ansehnlichen Kern ausgezeichnet. Dass aber dieses nicht eine generelle Bedingung für die embryonale Eigenschaft ist, lehren z. B. die Zellen von Spirogyra, die neben der dauernden Selbstverjüngung die Gesammtheit der vitalen Functionen zu vollbringen haben. Es muss also dahingestellt bleiben, ob die besagte Gestaltung im Urmeristem hauptsächlich darauf berechnet ist, das Streckungswachsthum unter Bildung von Vacuolen, also ohne wesentliche Vermehrung der Protoplasmamasse auszuführen (I, p. 36), oder ob, was wahr- scheinlicher ist, diese Zusammendrängung des Protoplasten auf kleinen Raum noch anderweitige Bedeutung hat {II, Kap. II und III). Immer liegt es aber im Wesen der Entwickelung, dass jede Zelle und jedes Zellenstück, jedes Organ, sowie die ganze Pflanze aus inneren Ursachen einen specifischen Entwickelungsgang (Ontogenese), die »Entwickelungsperiode« oder 1} Nägeli, Pflanzenphysiol. Unters. 1853, Bd. I, p. 60; Askenasy, 1. c. p. 28. 2) de Bary, Morphol. u. Biologie d. Pilze 1884, p. 53; A. Möller, in Schimper's botan. Mitthlg. a. d. Tropen 1895, Heft 7, p. 119 etc. 3) Eine nähere Ausmalung für dieses Schema bei Sachs, Flora 1893, p. 217. Uebrigens sind diese Verhältnisse bereits von Karting (Linnaea 1847, Bd. 19, p. 474} in den Hauptzügen richtig gesehen und gedeutet. Vgl. Wiesner, Sitzungsb. d. Wiener Akad. 1883, Bd. 58, Abth. l, p. 464. g Kap. I. Die Wachsthumsbewegung. »grosse Periode« i) schnell oder langsam durchlaufen. In dieser Entwickclungs- periode, die einen Anfang und ein Ende hat, wird naturgemäss die Thätigkeit in irgend einer Phase ein Maximum erreichen, gleichviel oh die Curve secundäre Maxima aufzuweisen hat oder nicht. Es gilt dieses übrigens ebenso für die Entwickeluug der Pflanzen, wie für die Entwickelung des Menschen, dessen geistige und körperliche Fähigkeiten mit der allmälilichen Ausbildung in irgend einer Periode des Lebens zu dem Höhepunkt gelangen. Auch ist es selbst- verständlich, dass die grosse Periode der einzelnen Organe und Functionen einen zeitlich und räumlich verschiedenen Verlauf nimmt. Es genügt darauf hinzuweisen, dass z. B. die Entwickelung eines hiternodiums liäuflg einer Curve mit einem einzelnen IMaximum entspricht, während sich z. B. in der Entwickeliuigsperlode eines Baumes in Folge der Ruhezeiten alljährlich ein Minimum einstellt (II, § 59). Dabei erreicht aber die Massenproduction erst in einem gewissen höheren Lebensalter den Maximalwerth^]^ und erst nach einer Reihe von Jahren tritt Blühen und Fruchten ein 3). Ferner pflegen die Blätter und ebenso die Intei'nodien 4) an jedem Triebe von der Basis ab an Grösse zu- zunehmen. Auch nimmt gewöhnlich die Länge der Zellen von der Basis der Triebe ab gerechnet, sowie in den successiven .lahresringen bis zu einem Maximum zu, um weiterhin wieder zurückzugehen-''). Dieses und anderes ist das Resultat eines regulatorischen und correlativen Waltens (II, Kap. VII), durch das auch schon der Ort und die Grösse der em- bryonalen Anlagen bestimmt wird. Dass aber die Grösse einer Anlage zwar auch, jedoch nur in gewissen Grenzen, maassgebend ist, ergiebt sich u. a. daraus, dass eine Anlage, die normal ein Niederblatt liefert, in Folge von correlativen Reizen zu einem Laubblatt werden kann (11, § 45). Desshalb ist es aber doch möglich, dass, wie es nach Harting^) und Moll zutrifft, die geringere Länge der basalen Internodien an einem Zweige wesentlich durch die Verwendung einer geringeren Menge von embryonalen Zellen erzielt wird. Doch lehrt z. B. ein Vergleich der Nodien und Internodien von Nitella, sowie von höheren Püanzen, dass in con- secutiven Gliedern auch das Streckungswachsthum in einem ungleichen Maasse thätlg sein kann. 1) Diese Verhältnisse wurden richtig erkannt von Harting (Linnaea 1847, Bd. 19, p. 447, Ö57; Waarnemingen over d. groei van den plantenstengel 1867. Vgl. darüber Sachs, Arbeit, d. Würzburger Instituts 1874, Bd. I, p. 190 u. Wiesner, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1883, Bd. 88, Abth. 1, p. 464) und von Sachs (1874 1. c, Jahrb. f. wiss. Bot. 1860, Bd. 2, p. 344) näher studirt. Sachs (Lehrbuch 1873, III. Aufl., p. 731) wandte die Bezeichnung »grosse Periode« an. 2) Vgl. R. Hartig, Leln-buch d. Anat. u. Physiol. 1891, p. 2ö9, 267. 3) Vöchting, Organbildung im Pflanzenreich 1884, IL Th. , p. 127; Möbius, Lehre von d. Fortpflanzung d. Gewächse 1897, p. 88. 4) Die sog. Längenperiode der Internodien war schon Haies (Statik d. Gewächse 1784, p. 184) bekannt und wurde von Moll (De invloed van Celldeeling en Cellstrecking op den Groei 1876) näher verfolgt. Vgl. auch Wiesner, 1. c. p. 467; L. Monte- martini, Ricerche intorno all' accrescimento delle piante 1897, p. 6 (Sep. aus Atti d'istituto botanico di Pavia); Bus gen, Bau u. Leben d. Waldbäume 1897, p. fi. — Die Grössenperiode der Blätter ist seit Göthe bekannt. 5) Sanio, Jahrb. f. wiss. Bot. 1872, Bd. 7, p. 4 02; R. Hartig, I.e. p. 286; Büsgen, Bau u. Leben d. Waldbäume 1897, p. 110, 116. 6) Harting, Moll, Wiesner, Montemartini in den citirten Arbeiten. Vgl. auch Askenasy (Neue Methode, um die Vertheilung d. Wachsthumsintensität zu be- stimmen 1878, p. 301 für Segmentzellen von Algen. §3. Der Verlauf des Wachsthums unter constanten Aussenbedingungen. 9 § 3. Fortsetzung. Ist staltun sein, der es auch nicht unsere Aufgabe, auf die so überaus mannigfache Ge- des formativen Wachsens einzugehen, so dürfte es doch vortheilhaft Illustration o zur allgemeinen Be- handlung des Themas Fig. (II, i^ 2) einige ein- fachere Fälle kurz zu beleuchten. Zunächst wenden wir uns zu dem viel- fach studirten Längen- wach sthum der Wur- zel ^). Da dieses con- tinuirlich in derselben Weise fortschreitet, so überblickt man an einer Wurzelspitzc alle die Phasen (Wachsthums- schnelligkeit, Gewebe- differencirung), die ein von dem .apicalen Ur- meristem geschaffenes Zuwachselement (Zel- lenplatte) zu durch- laufen hat. Aus dem Auseinanderrücken dei (Fig. I /Ijaecjuidistanten Tuschmarken nach 6 Stunden (Fig. 1 B und Fig. 2, Gurve B] geht also hervor, dass in der Entwickelungsperiode eines sol- chen Zuwachselementes das Wachs- thum so lange beschleunigt wird, bis jenes durch den Nachschub und sein eigenes Wachsen 4 — 5 mm von der Wurzelspitze entfernt liegt. Von diesem Maximum nimmt dann die Wachsthumsschnelligkeit continuir- lich ab, so dass der ausgewachsene Zustand erreicht wird, wenn die frag- liche Zone 10 mm von der Spitze fortgerückt ist. xig. 1. Keimpflanze von Vicia faba, iiat. Grösse. A nach dem Auftragen der Tuschstriche in einem Abstand von je 1 mm; B nach 6 stündigem; C nach 24- stündigem Wachsen hei 23° C. Cultur in Sägespähnen hinter Glasscheibe. B hat in der angegebenen Zeit einen Gesammtzuwachs von 4,li mm; C einen solchen von 20 mm gewonnen. ZU Beginn W Zone Pig. 2. Graphische Darstellung der durch die Fig. 1 B und (J dargestellten Partialgewächse in den Zonen 0 — lo. B he- zieht sich auf die G stündige, 0 auf die 24 stündige Wachs- thumsthätigkeit. 4) Sachs, Arbeit, d. Botan. Instituts in Würzburg 1873, p. 41/., 590. — Der Haupt- sache nach wurde der Verlauf des Wachsens bereits festgestellt durch Ohlert, Linnaea -1837, Bd. 11, p. 615; Wigand, Botan. Unters. 1854, p. 159; Hofmeister, Jahrb. f. 10 Kap. I. Die Wachsthumsbewegung. Aus diesem Verhalten, sowie aus Fig. 1 C (vgl. Fig. 2, Gurve C), welche zeigt, dass sieh in 24 Stunden die apicale Zone von 1 mm nur verdoppelte, der Gesammtzuw^achs aber 20 mm betrug, ergiebt sich ohne weiteres, dass die Verlängerung der Wurzel vorwiegend durch das Streckungswachsthum der embryonalen Zuwachselemente erzielt wird. Uebrigens ist es selbstverständlich, dass mit Hilfe dieser Markirungen die Wachsthumsvertheilung und die Lage des Maximums nur in den Ilauptzügen und nur dann einigermaassen correct ermittelt wird, wenn nach massigem Zuwachs, also nach massiger Verschiebung der ursprünglichen Marken gemessen wird. (Vgl. Fig. 1 B und C, sowie die graphische Darstellung in Fig. 2.) Dieser Modus der Wachsthumsbewegung ist bei allen Wurzeln üblich, auch bei den Luftwurzeln, deren Wachsthumszone aber nicht selten eine Länge von 30 mm und sogar bis zu 100 mm erreicht^). Bei den Erd- und Wasserwurzeln ist dagegen die wachsende Zone meist nicht über 1 0 mm, bei manchen kleinen Wurzeln nur 2 — 3 mm lang. Diese und andere kleine Objecte mit noch kürzerer Wachsthumszone vermitteln den Uebergang zu den schon (II, p. 6) erwähnten Pilzen etc., bei denen nur der äusserste Spitzentheil der Endzelle, also öfters eine Zone von weniger als 0,01 mm wächst, bei denen demgemäss embryonales und Streckungswachsthum nicht mehr unterschieden werden können. Bei sehr kleinen Objecten ist man darauf angewiesen, zufällig oder nach dem Be- /^ stäuben mit Stärke, Mennige 2) etc. anhaftende Partikel als Marken zu benutzen. ' ' ^ Auch lassen sich localisirte Verdickungen (Zäpfchen in Rhizoiden, Ringe, Spiralen etc.), Tüpfel und andere natürliche Marken nutzbar machen ^j. Ebenso kann man bei grossen Pflanzen aus der Länge der Internodien in dem wachsenden Sprosstheil, oder in einem Algenfaden aus der Länge der Glieder auf die Wachsthumsvertheilung und die Länge der wachsenden Region schliessen. Denn wenn z. B. in Fig. 3, 3 = 4 (ausgewachsen), 2 = 3 geworden und inzwischen ein neues Segment 2 aufgetreten, der ganze Faden aber wieder auf den Ausganspunct zurückgekehrt ist, so lassen sich die Partialzuwachse und der Totalzuwachs in dem verflossenen Entwickelungs- und Zeitabschnitt berechnen. Allerdings gestattet diese Methode, über die „. „ Näheres bei Askenasj*) zu finden ist, keine grosse Genauigkeit, da nicht alle Segmente und Internodien dieselbe endliche Länge erreichen. wiss. Bot. -1863, Bd. 3, p. 96; Frank, Beiträge z. Pflanzenphysiol. 1868, p. 34; N. J. C. Müller, Bot. Ztg. 1869, p. 387; 1871, p. 727; Cisielski', Cohn's Beiträge z. Bio- logie 1871, Bd. I, 2, p. 3. — Vgl. auch Wettstein, Sitzungsb. d. Wiener Akad. 1884, Bd. 89, Abth. I, p. 59. — Ueber das Dickenwachsthum siehe II, § 4. 1) Sachs, Arbeit, d. Botan. Instituts zu Würzburg 1874, Bd. I, p. 393; Went, Annal. d. jard. bot. d. Buitenzorg 1895, Bd. 12, p. 20. — Bei den langsam wachsenden Luftwurzeln, die als Haftwurzeln functioniren, ist nach Went die Länge der Wachs- thumszone nicht ansehnlicher, als bei Erdwurzeln. 2) Haberlandt, Function u. Lage d. Zellkerns 1887, p. 53; Reinhardt, Jahrb. f. wiss. Bot. 1893, Bd. 23, p. 552: Pfeffer, Unt. a. d. Bot. Inst, zu Tübingen 1886. Bd. 2, p. 277 Anmerk. 3) Bspl. dafür: Nägeli, Pflanzenphysiol. Unters. 1853, Bd. 1, p. 60; Nägeli u. Schwendener, Mikroskop 1877, II. Aufl., p. 345; Noll, Unters, über das Wachsthum d. Zellmembran 1887, p. 129; A. Nathan söhn, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 671 etc. 4) Askenasy, Neue Methode, um die Vertheilung d. Wachsthumsintensität zu be- stimmen, in Verhandl. d. naturh.-med. Vereins z. Heidelberg 1878, Bd. 2, p. 1 ff. § 3. Der Verlauf des Wachsthums unter constanten Aussenbedingungen. H In dem Stengel ist eine ungleiche Verwendung der vom Vegetationspunct erzeugten Zuwachselemente nothwendig, um die DifTerencirung in Nodien und Internodien zu schaffen, von denen bekanntlich nur die letzteren bei der Ent- faltung der Knospen ein ansehnliches Streckungswachsthum ausführen. Analoges findet bei Nitella statt, bei w^elcher die von der Scheitelzelle abgeschnittenen Segmente abwechselnd zu einem Nodium und Internodium werden. Nicht selten hat aber wiederum die Wachsthumsthätigkeit einen ungleichen Verlauf in den verschiedenen Zonen eines Internodiums. Das tritt besonders auffällig hervor, wenn sich intercalare Vegetationszonen ausbilden. Diese, die z. B. an der Basis der Stengelinternodien von Gramineen, Polygoneen, Equise- taceen, Cannaceen etc. auftreten, sind zwar nur begrenzt thätig, bringen aber doch die Einschaltung von ansehnlichen Stengelstücken zu Stande, die bei Polygonum Orientale, Ganna indica bis zu 80 mm Länge erreichen, bei Molinia caerulea aber beträchtlich länger werden i). Noch mannigfaltiger gestalten sich die Verhältnisse bei Blättern, von denen manche ebenfalls längere Zeit mit basalen intercalaren Vegetationszonen arbeiten (z. B. Allium, Tulipa, Welwitschia). Ausserdem lehrt der Entwickelungsgang der so mannigfaltig gestalteten einfachen und getheilten Blätter ohne weiteres, dass das AVachsthum sehr verschieden gelenkt wird und dass oft gleichzeitig oder nacheinander verschiedene Wachs- thumsmaxima in der Lamina oder auch im Blattstiel thätig sind 2). Ebenso sind für Haare, Algen, Pilze verwickelte Wachsthumsverhältnisse mit apicalen und intercalaren Vegetalionspuncten sowie durch Streckungsthätig- keit bekannt 3). Ein ausgezeichnetes Beispiel für localisirtes Wachsen ist Oedo- goniuYn^)^ in dessen Gliedzellen durch die Dehnung eines zuvor angelegien Zell- stoffringes ein cylindrisches Wandstück eingeschaltet, also ein plötzliches Längen- wachsthum ausgeführt wird. Ferner lehren z. B. die sich absonderlich ■I) Grisebach, Archiv f. Naturgesch. v. Erichson 184 3, IX, Bd. 1, p. 275, u. 1844, X, Bd. 1, p. 134. — Weitere Lit. bei Karting, Linnaea1847, Bd. 19, p. 479; Munter, Linnaea 1841, Bd. 15, p. 209, u. Bot. Ztg. 1843, p. 69; Sachs, Arbeit, d. Würzb. Instit. 1872, Bd. I, p. 1-27, u. Flora 1873, p. 323; Strehl, Unters, über Längenwachsthum d. Wurzel u. d. hypocotyl. Gliedes 1874; Bennet, Botan. Jahresb. 1876, p. 743; Askenasy, 1878, 1. c; Rützow, Bot. Centralbl. 1882, Bd. 9, p. 82; Wiesner, Sitzungsb.d. Wien. Akad. 1883,Bd.98, Abth. I, p. 454; Schwendener und Krabbe, Jahrb. f. wiss. Bot. 1893, Bd. 25, p. 340; Rothert, Cohn's Beitr. z. Biologie 1896, Bd. 7, p. 77. — Zusammenfassungen bei Hof- meister, Allgem. Morphol. 1868, p. 417, 528. Vgl. auch Goebel, Vergl. Entwickelungs- gesch. der Pflanzenorgane 1883. 2) Hofmeister, 1. c. p. 519; Goebel, I.e. p. 212; Stehler, Jahrb. f. wiss. Bot. 1878, Bd. H, p. 47; Sonntag, ebenda 1887, Bd. 18, p. 246; Uhlitzsch, Unters, über das Wachsthum der Blattstiele 1887, u. Neue Beitr. z. Wachsthum der Blattstiele 1887; Rothert, 1. c. p. 28; Meissner, Bot. Ztg. 1897, p. 203 (Coniferennadeln); Goebel, Or- ganographie 1900, p. 503; W. Arnoldi, Flora 1900, p. 440. — Ueber Blumenblätter siehe z. B. Pfitzer, Verhandl. d. naturh.-med. Vereins zu Heidelberg 1882, N. F., Bd. 2, Heft 2; Janse, Bot. Centralbl. 1888, Bd. 34, p. 325. — Ueber Ranken u. s. w. vgl. Kap. XIT. 31 Beispiele finden sich in der § 2 citirten allgemeinen und Special-Literatur. In Bezug auf das Streckungswachsthum in den Segmenten vgl. u. a. die in § 2 citirten Ar- beiten von Nägeli, Askenasy, Berthold. — Ueber Cladophora siehe Klebs, Unters, a. d. bot. Institut z. Tübingen 188S, II, p. 536; F. Brand, Bot. Centralbl. 1899, Bd. 79, p. 145; M. Nordhausen, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 367. — Ueber Haare W. Hirsch, in Fünfstück's Beit. z. wiss. Bot. 1900, Bd. 4, p. 1. 4) Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. 102; Nägeli u. Schwendener, Mikroskop 1877. II. Aufl., p. 546; Berthold, Protoplasmamechanik 1886, p. 275. 12 Kap. I. Die Wachsthumsbewegung. gestaltenden einzelligen Organismen (Desmidiaccen etc.), dass an der einzelnen Zelle, auch dann wenn sie dauernd den embryonalen Gharacter bewahrt, eine localisirt verschiedenartige Wachsthumsthätigkeit entwickelt werden kann i). Den entwickelungsgeschichtlichen Erfahrungen ist ohne weiteres zu ent- nehmen, dass die grosse Periode in den differenten Organen derselben Pflanze einen verschiedenen Verlauf nimmt, dass sie bei den einen Organen schnell, bei den anderen langsam abläuft, dass sie in dem einen Falle durch eine steil, in dem anderen durch eine langsam steigende Curve mit oder ohne secundäre Maxima und Minima repräsentirt wird. Ich erinnere nur daran, dass z. B. da^ wo Nebenblätter als Knospenhüllen functioniren, die bezüglichen Theile des Blattes in der Entwickelung weit vorauseilen, dass in anderen Fällen in einer Zeit langsamen Wachsens eine später einsetzende schnelle Entwickelungsthätig- keit vorbereitet Avird. So erreicht z. B. der Stiel des Sporogoniums von Pellia epiphylla in einigen Monaten nur die Länge von 1 — 2 mm, um dann durch das Streckungswachsthum in 3 — 4 Tagen bis zu 80 mm verlängert zu werden 2). Ferner tritt nach der Bildung der Winterknospen eine fast völlige Ruhe ein (11, § 59), und in den nicht zur Fortbildung bestimmten Knospen kommt es 6 stunden Erster- Tag. Zweiter Tag. Dritter Tag I 'ierter Tag rig. 4. Waii-Lstlmiuscurve der grossen Periode des Sporangiumträgers von Phycomyces nitens für eine Entwicke- lung unter constanten und günstigen Verhältnissen. Die Ordinalen gel>en den stündliclien Zu-waclis in Milli- metern an. normalerweise nicht zu einem Wiedererwachen. Ein schönes Beispiel einer correlativen Hemmung bietet u. a. auch die grosse Periode des Sporangium- trägers von Phycomyces nitens, deren Verlauf nach den Studien von Errera^) in Fig. 4 graphisch dargestellt ist. Wie man sieht, wird nach dem Hervortreten aus dem Substrate das Längenwachsthum zunächst beschleunigt, nimmt dann ab und kommt nach 27 Stunden für einige Stunden, d. h. in der Zeit zum Stillstand, in welcher die Thätigkeit auf die Herstellung des Sporangiums con- centrirt ist. Nachdem dieses geschaffen ist, lieginnt ein sehr schnelles apicales \] Ueber die ungleiche Wachsthumsthätigkeit in den Zellen von Spirogyra siehe Hofmeister, Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württemberg 1874, Bd. 30, p. 21 9. 2) Askenasy, Bot. Ztg. 1874, p. 237. — Ueber die Staubfäden der Gramineen vgl. II, § 5. 3) Errera, Bot. Ztg. ISS4, p. 501 u. Tafel 8. § 8. Der Verlauf des Wachsthums unter Constanten AussenlDeclingungen. 13 AVachsthum, das den Spoiaiigiumträger durch ein Maximum der Zuwachsbe- wegung" dem Ende seiner Enlwickelungsperiode entgegenführt. Aehnlich ver- halten sich Mucor mucedo und viele andere .Alucorineen, während Pilobolus crystallinus mit der Production des Sporangiums das Wachsthum einstellt. In diesem Falle beschriuikt sich also die grosse Periode auf den ersten Abschnitt der in Fig. 4 dargestellten Curve. Da aber ohne Lichtwirkung das Sporangium von Pilobolus nicht entsteht, ohne dessen Bildung aber das Spitzenwachsthum des sterilen Sporangiumträgers lange anhält, so werden im Dunkeln sehr lange sterile Sporangimiiträger erzeugt'). Aus dem Mitgetheilten ergiebt sich zur Genüge, dass die Grösse und Gestal- tung der wachsenden Region, sowie innerhalb dieser das A'erhältniss von embryo- naler und Streckungs-Thätigkeit grosse Verschiedenheiten darbieten, auch an solchen Objecten, die ununterbrochen fortwachsen. Abgesehen von den Pflanzen, deren Kleinheit der absoluten Grösse der Wachsthumsregion enge Schranken zieht, ist schon der verschiedenen Länge di.eser Region bei Wurzeln gedacht. Ferner erkennt man unmittelbar an Sprossen, dass die wachsende Region bei der einen Pflanze etwa I oder 5 cm lang ist, bei anderen, besonders bei Sclilingpflanzen aber 10 oder 50 cm erreicht. Wiederum umschliesst diese Zone bald eine grössere, bald eine geringere Zahl von hiternodien, von denen dann zumeist einige, zuweilen aber nur 12 oder 1 Internodium aus der Knospenlage hervor- getreten und in Streckung begrilfen sind'-). Die Ausdehnung und die Gestaltung in der Wachsthumszone ist indess auch bei Erhaltung der Vegetationspuncte gewissen Schwankungen unterworfen. So geht die Streckungszone der Zweige bei Abschluss der sommerlichen Periode in Dauergewebe über und wird demgemäss bei dem Austreiben der Knospen erst allmählich wieder hei'gestellt. Uebrigens lässt sich ein ähnlicher Erfolg durch künstliche Hemmung des Waclisens erzielen. Insbesondere bei den Wurzeln wird in einem Gipsverband die wachsthumsfähige Strecke schliesslich auf den Vegetationspunkt reducirt^). Eine gewisse Verschiebung muss immer eintreten, sobald durch innere oder äussere Ursachen das Yerhältniss zwischen der Schaffenstbätigkeit der Vegetationspuncte und der Streckungszone (incl. deren Uebergang in Dauer- gewebe) in irgend einer Weise modificirt wird. So ist es zu verstehen, dass mit der Steigerung der Wacbsthumsthätigkeit die Länge der wachsenden Region nicht selten zuninmif*), dass diese bei etiolirten Stengeln länger zu sein pflegt'^), 'I) Fr. Gräntz, Ueber d. Einfluss d. Lichtes auf d. Entwickelung einiger Pilze 1 898, p. 1(1. Vgl. diesen Band § 24. 2, Näheres hei Askenasy, Neue Methode, um die Vertheilung der Wachsthums- intensität zu bestimmen -1878, p. 74 (Sep. a. d. Verhandig. d. Naturh.-med. Vereins zu Heidelberg, N. F. II. Bd. 2,. Ueber Rhizome vgl. Stahl, Bericht d. bot. Ges. 1884. p. 384. Ausserdem enthält die morpliol. Lit. Angaben. An diesen Stellen und in der in diesem Paragraph citirten Lit. sind auch Thatsachen über Algen, Pilze etc. zu finden. 3) Pfeffer, Druck u. Arbeitsleistung 1893, p. 3j2, 381. 4 Lit. Hofmeister. AUgem. Morphol. 1868, p. 421; Sachs, Flora 1873, p. 3ä2; Askenasy, 1. c. ]). 74; Wettstein, Sitzungsber. der Wiener Akad. 1884. Bd. 89, p. 92; Rotliert, Cohn's Beiträge z. Biologie 1896, Bd. 7, p. 125; Montemartini. Ricerche intorno all' accrescimento d. plante 1897, p. 9 (Sep. a. Atti d'istitut. bot. d. Pavia). — Vgl. auch Errera, Bot. Ztg. 1884, p. 536. ö Siehe z.B. Strehl, Unters, ü. d. Längenwachsthum d. Wurzeln 1874, p. i;i, 21. 14 Kap. I. Die Wachsthumsbevvegung. dnss auch Wassermangel, Temperatur und andere Aussenbedingungen eine ge- wisse Verschiebung herbeiführen können ^). Jedenfalls muss eine wachsthumsfähige und wachsthumsthätige Zone immer so beschaffen und untergebracht sein, dass sie ihre Aufgaben zu erfüllen vermag, also auch gegen Unbilden genügend geschützt ist. Da aber das zarte Urmeristcm leicht austrocknet und mechanischen Eingriffen geringeren Widerstand entge- gensetzt, so ist es wichtig, dass das embryonale Gewebe in der Knospe durch die umhüllenden Blätter, in dem Cambiumring durch die Rinde gedeckt wird. Auch wird bei der Wurzel durch die Haube erreicht, dass der Vegetationspunct, während er durch den Boden getrieben wird, einigermaassen gegen die Reibung an den Bodentheilchen geschützt ist (II, Kap. XIII). Bei ansehnlichen Vege- tationspuncten wird in der That nur selten (haubenlose Wurzeln) eine schützende Umhüllung vermisst, die den Haaren, Pilzfäden etc. fehlt. Offenbar erleichtert der geringe Durchmesser (ebenso wie bei den Asomatophyten) die Herstellung von Vege- tationspuncten, die den Unbilden gewachsen sind, welche das Leben im Boden, im Wasser oder in der Luft mit sich bringt. Die intercalaren Vegetationszonen müs- sen ausserdem genügend gefestigt sein, um die oft ansehnliche Last der Blätter, Stengel etc. tragen zu können. Diese Festigung wird vielfach durch umhüllende Scheiden hergestellt, die zugleich gegen Ein- >«" griffe der Aussenwelt schützen. sinken des von Das Um- den Scheiden befreiten jungen Stengels der Gramineen (Fig. 5), Cannaceen u. s. w. lehrt, dass die inter- calare Vegetationszone für sich nicht im Stande ist, der mechanischen Inanspruch- nahme des bezüglichen Stengels oder Blatt- theiles zu genügen (II, § 15). Befindet sich aber, wie bei den Blät- tern von Canna, Tulipa, bei dem Halme der Gräser oberhalb der intercalaren Zone eine grosse transpirirende Fläche, so muss jene Zone auch die ansehn- liche Wasserbewegung, ebenso den Aus- tausch der Assimilate und der Nährstoffe vermitteln. Offenbar ist es in dieser Hinsicht von wesentlicher Bedeutung, dass eine verhältnissmässig kurze Wegstrecke in demjenigen Gewebe zu durch- laufen ist, das in der Jugend wesentlich aus embryonalen Zellen besteht, in dem aber einzelne Ring- und Spiraltracheiden differencirt sind. Uebrigens sind diese Fig. r>. Halmstück von Secale cereale. .1. Ein Theil der Blattscheide s ist bis an den Knoten k entfernt worden (nat. Grösse). B Längsschnitt durch den Knoten k (vergr. Vi). « Die wachsende intercalare Zone an der Basis des Internodinms. 1) Vgl. z. B. Askenasy, Ber. bot. Gesellschaft 1890, p. 82; A. Popovici, Bot. Centralbl. 1900, Bd. 81, p. 33. § 4. Dickenwachsthum und Verkürzung durch Wachsthum. 15 mit Berücksichtigung noch nicht näher studirt worden ^) Verhältnisse mit Berücksichtigung der angedeuteten Fragen und Functionen § 4. Dickenwaclisthum und Verkürzung durcli Wachsthum. Da unsere allgemeinen Erörterungen für jede Wachsthumsrichtung gelten, so ist es nicht nüthig, das allseitige und zweiseitige, das begrenzte und un- begrenzte Dickenwachsthum speciell zu beleuchten. Uebrigens ergiebt sich auch für diese Wachsthumsvorgänge der Verlauf der grossen Periode aus den ent- wickelungsgeschichtlichen Erfahrungen 2), denen z. B. zu entnehmen ist, dass in der sommerlichen Thätigkeit unserer Holzpflanzen die grosse Periode des Xylems früher beginnt, aber auch früher endet, als die des Phloems«'). Dass bei dieser Thätigkeit das Cambium nach zwei Seiten arbeitet und durch das Streckungs- wachsthum der Zuwachselemente des Xylems fortgestossen wird, ist in prin- cipieller Hinsicht nichts aussergewühnliches. Denn Analoges geschieht in vielen intercalaren Vegetationszonen, so z. B. auch in dem Vegetationspunct der Wurzel, der gleichzeitig für die Fortbildung des Wurzelkörpers und der Wurzelhaube zu sorgen hat. Wie die ganze Wachsthumsthätigkeit , so wird auch das Zusammen- wirken von Längen- und Dickenwachsthum in specifischer Weise regulatorisch (correlativ) gelenkt (vgl. H, Kap. VII) und es ist bekannt, dass in vielen Fällen beide gleichzeitig thätig sind, während z. B. bei Stengeln und Wurzeln ein leb- haftes Dickenwachsthum erst nach der Vollendung des Längenwachsthums beginnt. In gewissen Fällen tritt nach dem Beginn des Längenwachsthums eine gewisse Abnahme des Querdurchmessers ein, und umgekehrt ist mit der Auf- nahme des Dickenwachsthums zuweilen eine Verkürzung des Organes verknüpft. Letzteres geschieht in sehr auffälliger Weise bei vielen Wurzeln, die in den- jenigen Partien, welche ihr Längenwachsthum vollendet haben, zum Theil eine sehr erhebliche Verkürzung ausführen, während sie an Dicke zunehmen. Die Verkürzung, welche im Laufe von 2 — 3 Wochen oder in längerer Zeit erreicht wird, beträgt z. B. an der Keimwurzel der Rübe bis zu 10, an der des Klees bis zu 25 Proc,4) An den Wurzeln von Arum maculatum, Agave americana -1) Vgl. A. Nathansohn, Jahrh. f. wiss. Bot. 1898. Bd. 32, p. 61]. 2) Vgl. z. B. de Bary, Anatomie 1877; Haberlandt, Physiol. Anatomie 1896, II. Aufl., p. 490. Ferner M. Nordhausen, Beit. z. wiss. Bot. v. Fünfstück 1898, II, p. a56; Fr. Schwarz, Physiol. Unters, ü. Dickenwachsthum v. Pinus sylvestris IH99 u. die an diesen Stellen, cit. Lit. — Ueber die grosse Periode bei Holzpflanzen siehe ferner : Th. Hartig, Lehrb. d. Anatom, u. Physiol. 1891, p. 264; Jost, Ber. d. bot. Ges. 1892. p. 387; Christison, Bot. Jahresb. 1894, I, p. 223; Reuss, Bot. Centrbl. 1893, Bd. 3.i. p. 348; Fr. Schwarz, 1. c. Ueber die grosse Periode des Dickenwachsthums bei an- deren Pflanzen siehe z. B. Montemartini, Ricerche intorno all' accrescimento delle plante 1897, p. 15 (Sep. a. Atti d'istit. bot. d. Pavia Bd. 5); C. Macmillan, Americ. Naturahst 1891, p. 465 (Kartoffel); F. Darwin, Annal. of Botan. 1S93. Bd. 28, p. 439 (Kürbis). — Ueber die Ursachen der Jahresperiode u. d. Periodicität siehe dieses Buch II, § 59—61. 3) Strasburger, Bau u. Verrichtung d. Leitbahnen 1891, p. 482, 500; C. Ililscher. Bot. Centrbl. 1883, Bd. 15, p. 303. 4) de Vries, Landwirth. Jahrb. 1880, Bd. 9, p. 37; 1879, Bd. S. p. 474; 1877. Bd. 6. p. 928. 16 Kap. I. Die Wachstimmsbewegung. wurden sogar Verkürzungen bis zu 50 Proc, an den Wurzeln von Oxalis elegans bis zu 70 Proc. beobachtet^). Eine geringe Verkürzung wurde von Rimbach^) auch an dem Hypocotyl einiger Keimpflanzen (Taraxacum, Atropa belladonna etc.), eine ansehnliche Verkürzung von Berthold-') an den Rhizoiden von Antithamnion cruciatum gefunden. An diesen apical wachsenden Zellenfaden geht nämlich weiterhin die Länge der tonnenfürmig anschwellenden Gliedzellen um 30 bis 50 Proc. zurück. In diesen Verkürzungen steht also ein Mittel zur Verfügung, durch das Pflanzen nach genügender Verankerung der jugendlichen Wurzeltheile tiefer in den Boden eingezogen werden. Thatsächlich lässt sich an den obengenannten und anderen Keimpflanzen ein solches Einziehen beobachten, durch das zuweilen sogar eine völlige Versenkung in den Boden bewirkt wird. Durch die sich jährlich wiederholenden Wurzelcontractionen wird auch erzielt, dass verticale Rhizome, Zwiebeln, Knollen, trotz ihres Aufstrebens, im Boden verbleiben. Da- mit aber eine constante Tiefenlage erreicht und erhalten wird, bedarf es bei diesen, wie bei anderen auf das gleiche Ziel berechneten Operationen (vgl. II, Kap. XIII) einer regulatorischen Lenkung der Actionsmittel. Dem wird in unserem Falle damit genügt, dass unter den in den tieferen Bodenschichten herrschenden Bedingungen die Zugwurzeln nicht mehr entstehen, oder dass sie eine horizon- tale Wachsthumsrichtung einschlagen. Uebrigens erscheinen l)ei manchen Pflanzen normalerweise neben den t^'pischen Gontractionswurzeln solche, die keine erhebliche Contraction ausführen, und gewisse Pflanzen sind nur zur Production von Wurzeln der zuletzt genannten Art befähigt-*). An den Segmenten der Rliizoiden von Antithamnion ist direet zu sehen, dass die Verkürzung durch eine active Formänderung lebensthätiger Zellen bewirkt wird. Dasselbe ist auch in den Gontractionswurzeln der Fall, in welchen die activen Zellen (das innere Rindenparenchyni und nach de Vries bei fleischigen Dicotvlenwurzeln auch das innerhalb des Holzkörpers liegende Parenchym) sich in radialer Richtung vergrössern, während sie sich in longitudinaler Richtung verkürzen. Dieses Bestreben kann in dem Gewebeverband nur soweit ausgeführt werden, als es die Gefässbündel und die Epidermis erlauben, die nunmehr in Druckspannung gerathen, während sie zuvor durch das energische Längenwachs- thum der genannten activen Gewebe in Zugspannung versetzt worden waren (II, Kap. V). Diese Veränderungen der Gewebespannungen ergeben sich nicht nur aus den Dimensionsänderungen bei dem Isoliren der Gewebesysteme, sondern geben sich öfters schon in der intacten Wurzel dadurch kund, dass an der Oberfläche wellige Faltungen entstehen und dass die Gefässbündel wellig verbogen 1) Rimbach, Beiträge z. wiss. Bot., herausg. v. Fünfstück -1897, Bd. II, p. 1. In dieser Zusammenfassung sind auch die früheren Publicationen von Rimbach citirt, die sicli in den Bericht, d. botan. Gesellsch. -1893 — 1897 finden. Vgl. ferner ibid. 1899. p. 20. Das Einziehen von Keimpflanzen in den Boden wurde schon von Tittmann (Flora 1819, Bd. 2, p. 653) beobachtet. Die übrige Lit. ist bei de Vries u. Rimbach zu finden. 2) Vgl. auch Jost. Bot. Ztg. 1890, p. 435. 3) Berthold, Jahrb. f. wlss. Bot. 1882, Bd. 13, p. 607. 4) Näheres bei Rimbach, 1. c. p. 1 5. — An den Luftwurzeln von Aroideen be- obachtete Went (^Annal. d. jardin botan. d. Buitenzorg 1893, Bd. 12, p. 19) keine Verkürzung. § 5. Wachsthumsschnelligkeit und Wachsthumsoscillationen. 17 werden. Da diese Compression sich bis zu einem gewissen Grade ausgleicht, wenn der Turgor der zartwandigen activen Zellen aufgehoben wird, so tritt bei Plasmolyse eine Verlängerung der verkürzten Wurzel ein. Aus diesen und anderen Erfahrungen folgt also, dass die Verkürzung durch eine Wachsthums- thätigkeit in den activen Geweben, also nicht etwa durch eine Turgorsenkung in diesen bewirkt wird, dass sie sich ferner unabhängig von deni secundären Dickenwachsthum einstellt oder doch einstellen kann. Wie und wodurch in den activen Zellen das Gestaltungs- und Wachsthumsstreben modificirt wird, oIj ferner damit im Zusammenhange in der wachsthumsthätigen Wandung die Dehn- barkeit zunimmt u. s. w., ist freilich noch nicht aufgeklärt. § 5, Wachsthumsschnelligkeit und Wachsthumsoscillationen. Durch die besten Ernährungs- und Culturbedingvmgen können die Wachs- thunis- und die Productionsthätigkeit immer nur bis zu einem gewissen, specifisch verschiedenen Maasse gesteigert werden, das in der Natur auf die Dauer wohl niemals vollständig, sehr oft aber nicht entfernt erreicht wird. Immerhin aber ist die verschiedene W^achsthumsbefähigung in unzweifelhafter Weise schon im Freien zu erkennen. Während z. B. im Laufe eines Sommers der Spross von Kumulus, Cucurbita etc. bis 1 2 m lang wird, erreicht der Keimstengel von Quercus, Abies vielleicht 12 cm, und manche Flechten verlängern sich selbst unter günstigen Bedingungen im Laufe eines Jahres nur um 2 — 5 mm^). Andererseits wurde beobachtet, dass Sprosse von Bambusa in 24 Stunden um Y.> — 3/4 i^ ^^ Länge zunahmen 2), und dass Bambusa gigantea in 31 Tagen die Hübe von 8,75 m erreichte 3). Ist nun auch eine solche Zuwachsbewegung für einheimische höhere Ptlanzen bis dahin nicht bekannt, so kommt doch keineswegs allen tropischen Pllanzen eine höhere Wachsthumsbefähigung zu. Indess kann allerdings in einem feuchten Tropenklima, in welchem eine winterliche Ruhezeit nicht eintritt, mit derselben Befähigung eine viel höhere Leistung erzielt werden. Uebrigens erreicht die Wachsthumsbefähigung der höheren Pflanzen nicht ent- fernt die Befähigung gewisser Schimmelpilze und Bacterien, die ebenso in kalten Zonen vorkommen. Sofern dauernd für Zufuhr von Nahrung und für Beseitigung der hemmenden Stoffwechselproducte gesorgt ist (I, § 92), wird besonders durch Bacterien eine eminente Leistung desshalb erzielt, weil eine jede Zelle embryonal bleibt. Dieserhalb nimmt also die wachsende Masse sehr schnell zu, während dieselbe bei den Somatophyten dauernd auf die Zuwachszone beschränkt wird, also nur begrenzt, unter Umständen auch gar nicht zunimmt. I Krabbe, Cladoniaceen 1891, p. 131. Vgl. ferner Vallot, Revue general. d. Botan. 1896, Bd. 8, p. 201. C. F. W. Meyer, Nebenstunden meiner Beschäftigung im Gebiete d. Pflanzenkunde 1825, p. 39; G. Bitter, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 126. Bspl. für schneller wachsende Arten von Flechten bei Fünfstück, Beiträge z. wiss. Bot. 1893, Bd. 1, p. 216. 2) G. Kraus, Annal. d. jard. bot. d. Buitenzorg 1893, Bd. 12, p. 199, beobachtete bei Dendrocalamus spec. bis 57 cm in 24 Std. Im Garten von Kew soll ein 24 stündiger Zuwachs von 91 cm beobachtet sein. Vgl. G. Kraus, 1. c. p. 198, wo auch die übrige Lit. zu finden ist. Siehe ferner Dingler, Flora 1897, Ergänzungsbd., p. 281. [K. Schi- bata, Journ. of the College of Science University Tokio 1900, Bd. 13, p. 456.] 3; Nach Wallich vgl. G. Kraus, 1. c. p. 197. Pfeffer, Pflaiizenpliysiologie. 2. Aufl. II. a 18 Kap. I. Die Wachsthumsbewegung. Ein sclinell wachsendes Bacterium vermag unter günstigen Verhältnissen in 2 0 — 3 0 Minuten (sicher auch sclion in kürzerer Zeit) eine Theikuigi), somit eine Verdoppelung der Länge, des Volumens, und bei Separation der Zellen, des hidividuums auszuführen. Aber wenn auch nur in jeder Stunde eine Theihmg zu Stande käme, so würde, falls eine selbstregulatorische Hemmung vermieden ist, die Nachkommenschaft eines ßacteriums in 2 4 Stunden auf 1 6 Y2 Millionen, in 2 Tagen auf 281 Y-2 ß'^'^ioi^^n, in 3 Tagen auf 4772 Trillionen Individuen ge- stiegen sein 2). Nehmen wir an, es liege eine kleinere cylindrische Art vor, deren Länge 0,00 2, deren Durchmesser 0,001 mm beträgt, so würden 636 Millionen Individuen \ mm-^ ausmachen. Die nach 24 Stunden entstandene Masse würde also ungefähr 0,022 mm**, die nach 2 Tagen gebildete 442 cm-^, die nach 3 Tagen gebildete 1^/2 Millionen Liter betragen, also ca l^/-} Millionen Kilo wiegen (factisch etwas mehr). In einigen weiteren Tagen würde dann die Bacterienmasse das Volumen unserer Erde übertreffen. Bei Aneinanderreihung der nach 24 Stunden entstandenen 16^2 Millionen Individuen (ä 0,002 mm) erhielte man einen Faden von 33 m Länge, der nach weiteren 24 Stunden (28iY2 Billionen Individuen) 563 000 Kilometer messen, also ungefähr 1 4 mal länger sein würde, als der Umfang der Erde am Aequator. Gegenüber diesen praclisch unerreichbaren Werthen ist die Erntemasse ge- ring, die bei uns ein Hectar im Laufe eines Jahres liefert. Denn diese beträgt (I, p. 2 80) bei Feldfrüchten bis 8000 Kilo Trockensubstanz (ca. 40000 Kilo Frisch- gewicht) und stellt sich kaum so hoch für unsere Wälder, da unsere Wald- bäume in ihrem productionstüchtigsten Alter (im 40. — 120. Jahre) pro \ Hectar 2000 — 4000 Kilo trockene Holzmasse liefern^), die in Bezug auf die Gesammt- production um die abgefallenen Blattmassen etc. vei"mehrt werden muss. Also auch dann, wenn sich diese Production in einem günstigen Tropenklima ver- doppeln oder verdreifachen sollte"*], würde diese Erntemasse immer noch gering gegenüber der in wenigen Tagen theoretisch erreichbaren Bacterienmasse sein. Um noch ein Beispiel für die relativ ansehnliche Wachsthumsthätigkeit ge- wisser Pflanzen in einem günstigen Tropenklima zu geben, erwähne ich, dass nach Koorders^) in Java die schnell wachsende Albiccia moluccana in 8 Monaten 3 m hoch wird, während bei uns in derselben Zeit Larix europaea eine Höhe von ca. 0,25 m, Pinus sylvestris von 0,12 m erlangen. Nach 9 Jahren wird in Java Albiccia 33 m hoch, während bei uns diese Höhe von den genannten Coniferen, sowie von der Buche in etwa 120 — 160 Jahren erreicht wird''). Der Gesammtzuwachs (Zuwachsgrüsse, Wachsthumsgrüsse) ist eine Function der Grösse der wachsthumsthätigen Region, der Zeitdauer und der Wachsthums- schnelligkeit ') (Wachsthumsgeschwindigkeit), d. h. der Zuwachsbewegung der 1) Buchner u. Nägeli, Sitzungsb. der Münchener Akad. 1880, p. 375; Brefeld. Unters, über Schnnmelpilze -1881, Heft 4, p. 46; A. Koch, Bot. Ztg. 1888, p. 294; Flügge, Mikroorganismen I89fi, III. Auü., Bd. I, p. 420. 2) VgL Cohn, Die Pflanze 1882, p. 438. 3) Vgl. z. B. Frank Schwarz, Forstliche Botanik 1892, p. 160, sowie andere Bücher über Forstwirthschaft. 4) Vgl. übrigens Giltay, Bot. Ctbl. 1898, Bd. 18, p. 694. 5) S. H. Koorders, Beibk z. Botan. Centralbl. 1895, Bd. 5, p. 318. C) Vgl. z. B. Ebermayer, Physiol. Chem. 1882, p. 41. Siehe auch R. Hartig, Lehrb. d. Anatom, u. Physiol. 1891, p. 257 ff. 7) Sachs, Lehrbuch 1873, III. Aufl., p. 731. Der von Sachs ebenfalls benutzte Ausdruck »VVachsthumsenergie« ist nicht zu empfehlen, da man mit dieser Bezeichnung correcterweise die im und durch das Wachsthum aufgewandte und entwickelte Energie § 5. Wachsthumsschnelligkeit und Waclisthumsoscillationen. 19 Längeneinheit in der Zeiteinheit. Diese Wachsthumsschnelligkeit ist z. ß. hei Bainbusa, Iluniulus etc. nicht gross, weil der Gesammtzuwachs, also auch die Schnelligkeit, mit der die Spitze des Sprosses, der Wurzel etc. im Räume fort- rückt, sich aus der Thätigkeit in einer längeren Wachsthumszone ergeben (II, ß 2 vmd 3j. Dagegen erreicht die Wachsthumsschnelligkeit sehr ansehnliche Werthe in manchen Pilzfäden, in welchen nur der äusserste Spitzentheil wachs- thumsthätig ist. Dieser Spitzentheil, der z. B. bei Botrytis cinerea ca. 0,018 mm lang ist, kann bei diesem Pilze (und anderen Pilzen) in 1 Minute einen Zuwachs von 0,018—0,034 mm i), also von 100—200 Proc. schaffen. Diese Thätigkeit ist also viel ansehnlicher als die eines Bacteriums, das 20 Minuten zur Verdoppelung seiner Länge gebraucht, dessen Wachsthumsschnelligkeit aber immerhin die der meisten Wurzeln, Sprosse, Blätter, Haare etc. wesentlich übertrifft. Denn in diesen Organen ist es schon eine sehr hohe Leistung, wenn in der schnellst wachsenden Zone im Laufe von 1 — 2 Stunden eine Verdoppelung der Länge erzielt wird (vgl. II, § 2 u. 3 u. Fig. 1 p. 9). Demgemäss bleibt bei diesen Pflanzen die Verlängerung in der Streckungszone weit hinter der Wachsthums- schnelligkeit zurück, die bei Bacterien imd den genannten Pilzen durch die embryonale Thätigkeit vermittelt wird (II, p. 6). Offenbar ermöglicht gerade die geringe Grösse eines Bacteriums eine so grosse Umsatzthätigkeit, wie sie zur Vollbringung einer so hohen Wachsthumsleistung nothwendig ist (I, p. \ 07, 526), während bei den Pilzfäden der Scheitelpunct den Vorzug hat, in Wechselwirkung mit den somatischen Theilen zu arbeiten. Trotz der geringen Länge der Wachsthumszone kann sich die schnell wach- sende Hyphe wen Botrytis cinerea in I Stunde um 1,0 8 — 2,0 4 mm verlängern. Diese Verlängerung beträgt bei dem Sporangiumträger von Phycomyces nitens in dem Fig. 4 (p. 12) dargestellten Falle im Maximum 3,6 mm, obgleich die Waclis- tliumsschnelligkeit der 0,2 — 0,5 mm langen Zuwachszone (Errera, 1. c. p. 535) hinter der von Botrytis zurückbleibt. Ob die Wachsthumsschnelligkeit bei Ancy- listes closterii, dessen Hyphenspitze nach Pfitzer 2j in einer Minute bis zu 0,1 mm fortrückt, einen höheren Werth erreicht, lässt sicli nicht sagen, da die Länge der Wachsthumszone unbekannt ist. Diese ist jedenfalls ansehnlicher bei Coprinus stercorarius, dessen Stiel sich nach Brefeld^) während der lebhaftesten Strecliung in 1 Stunde um 13,5 mm, also in 1 Minute um 0,225 mm verlängert. Dieser Werth wird sogar 5 mm bei der ansehnlichen Dictiophora plialloidea (l^halloidee), die sich nach A. Möller-*) in 2 Stunden von 50 auf 170 mm streckt. Auch Oedogonium muss während der Ausstreckung des Zellstoffringes eine hohe Wachs- thumsschnelligkeit entwickeln (vgl. II, p. 11). belegen muss. Vgl. Pfeffer, Energetik 1892, p. 231. — Ebenso ist »Wachsthums- schnelligkeit« dem von Askenasy (Verliandl. d. naturhist.-med. Vereins z. Heidelberg, 1878, Bd. f, p. 10) benutzten Worte »Wachsthumsintensität« vorzuziehen. Was Aske- nasy (1. c. p. !1) unter Wachsthumsschnelligkeit versteht, lasse ich hier unerörtet. 1) Reinhardt, Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 23, p. 490. Vgl. die 11, p. 6 citirte Literatur. 2) Pfitzer, Monatsb. der Berl. Akad. 1872, p. 384; Beobachtung ü. Bau u. Ent- wickelung der Orchideen 1882, p. 8 (Sep. a. Verli. d. naturh.-med. Vereins zu Heidel- berg). 8) Brefeld, Unters, ü. Schimmelpilze 1877, Heft 3, p. 61. 4) A. Möller, Schimper's Mitthlg. a. d. Tropen 1893, Heft 7, p. 119. 20 Kap. I. Die Wachsthumsbewegung. Bei den Blütlienpflanzen arbeiten die Pollenschläuclie mit apiealem Waclis- ihuiii, das in einzelnen Fällen die Schnelligkeit bei Botrytis zu erreichen scheint ^]. Das schnellste bis dahin bekannte Streckvingswachsthum wird in den Staubfäden von Triticum und Seeale ausgeführt, die sich nach Askenasy^] in der activsten Zeit in 2 Minuten von 4 auf 7 mm, also in 1 Minute um 3 7,5 Procent vei'längern. Dagegen ist in dem Fig. 2 (p. 9) dargestellten Beispiele in der schnellst wachsenden Zone der Wurzel in 6 Stunden eine Verlängerung von I mm auf 2,3 mm verzeichnet, was für 1 Minute eine Wachsthumsschuelligkeit von 0,36 Procent ergiebt. Wenn sich ein Spross von Bambusa in 2 4 Stunden um 913 mm verlängert, so ergiebt sich für \ Minute zwar ein Fortrücken der Spitze um 0,6 3."j mm, was aber nur einer mittleren Wachsthumsschnelligkeit von 1,27 Proc. (für \ Minute) entspricht, wenn wir eine Gesammtlänge der Streckungszone von 50 mm annehmen (vgl. G. Kraus, 1. c.j. Als Beispiel eines schnellen Gesammtwachsthums seien noch die Blätter von Victoria regia erwähnt, die nach Caspary^) in 24 Stunden 30 8,3 mm länger und 367 mm breiter werden. v An Bäumen und Sträuchern erreicht das Dickenwachsthum der Stamm- und Wurzelorgane keine hohen Werthe. An einer Linde wurde von Reuss-*) als höchste Tagesleistung eine Verdickung des Stammes um 0,2 1 mm beobachtet. Für die Kürbisfrucht fand Fr. Darwin ^j im Maximum in einer Minute eine Ver- dickung von 0,01 mm und eine Gewichtszunahme von 0,1 g- Die Zuwachsbewegung zeigt aber nicht nur im Laufe der grossen Periode die schon erwähnten Hebungen und Senkungen (II, § 2 u. 3), sondern scheint auch in kurzen Intervallen ganz allgemein (in Pilzfäden, sowie in höheren Pflanzen) mehr oder minder auffälligen Oscillationen unterworfen zu sein. In der That kann man bei schnell wachsenden Pflanzen zuweilen schon im Laufe einer Minute eine Aenderung der Wachsthumsschnelligkeit beobachten (über die Methode vgl. § 6). Im allgemeinen pflegt dadurch das Wachsthum in unregel- mässiger Weise (häufig in Intervallen von 2 — 30 Min.), theilweise allmählich, theilweise mehr stossweise, abwechselnd beschleunigt und verlangsamt, in manchen Fällen auch zeitweise zum Stillstand sebracht zu werden. Da zudem eine gewisse Nutation stattfindet (II, Kap. XII), so beschreibt die fortwachsende Spitze eine unregelmässige Raumcurve. Alles dieses gilt der Hauptsache nach ebenso für die langsam arbeitenden Pflanzen, an denen die Zuwachsbewegung nur in längeren Intervallen gemessen werden kann. Da diese Oscillationen bei vollster Constanz der äusseren Bedingungen 1) Lidforss, Jhb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 33, p. 301. Vgl. ausserdem Stammeroff, Flora 1897, p. 147. Ueber das langsamere Wachsen von Haaren vgl. Reinhardt, 1. c. p. 522. 2) Askenasy, Verhdlg. d. naturh.-med. Vereins in Heidelberg 1879, N. F. H, p. 246; V. Rimpau, Bot. Ctrbl. 1883, Bd. 13, p. 6. 3) Caspary, Flora 1856, p. 136; 0. Drude, Nov. Act. d. Leop. Carolin. Akad. 1881, Bd. 43, p. 247. lieber die Blätter von Musa siehe Benecke, Ber. d. bot. Ges. 1893, p. 473; W.Maxwell, Bot. Ctrbl. 1890, Bd. 67, p. 1. Ueber Blätter von Nelumbmm K. Miyake, Botanic Magazine, Tokio 1891, Nr. 141. — Einige Zusammenstellungen bei Pfitzer 1882, 1. c. 4) H. Reuss, cit. bei Büsgen, Bau u. Leben d. Waldbäume 1897. p. 65. 5) Fr. Darwin, Annais of Bot. 1893. Bd. 28, p. 483. Vgl. ferner G. Kraus, Sitzungsb. d. naturf. Ges. zu Halle 1880, p. 94. § 5. Wachsthumsschnelligkeit und Waclisthumsoscillationen. 21 auftreten, so zählen sie zu den autonomen Bewegungen (II, Kap. XII). In der That stellen sich in der selbstregulatorischen Lenkung des Getriebes in der mannigfachsten Weise rhythmische Wallungen ein, wie z. B. die Schwingungen der Cilien, die pulsirenden Vacuolen, die Umwendung der Circulationsbewegung im Protoplasma etc. lehren (vgl. II, Kap. IX). Es ist also nicht zu verwundern, dass im Zusammenhang mit diesen inneren Variationen auch die Zuwachs- thäligkeit Schwankungen erfährt. Die schon länger bekannten Waclisthumsoscillationen konnte Sachs i) mit Recht als autonome Vorgänge ansprechen, obgleich in seinen Versuchen, sowie in den Experimenten von Reinke, Drude, Hofmeister, Pfitzer, Reinhardt u. s. w. 2) die autonome Curve wohl niemals ungetrübt hervortrat. Denn es war in den längerdauernden Versuchen nicht für völlige Constanz der Aussenbe- dingungen gesorgt und nicht genügend beachtet, dass schon die Befestigung eines Fadens, sowie bei mikroskopischen Objecten die Reibung an dem Deckglas etc. Wachsthumsstörungen hervorruft (II, § 35 — 3 8). Ich kann indess hinzulTigen, dass auch bei sorgfältigster Vermeidung dieser und anderer Einflüsse, die be- sagten Oscillationen sowohl an Pilzfäden (in Wasser und in Luft), als auch an Wurzeln und an diesen wiederum in jeder einzelnen Streckungszoue hervortreten und an zwei nebeneinander befindlichen Objecten einen verschiedenen Rhythmus einhalten. Die störenden Einflüsse, die bei höheren Pflanzen aus dem Antagonismus von Geweben, aus mechanischen Hemmungen in Blattscheiden etc. entstehen, fallen bei Pilz- und Algenfäden aus. Auch kommen bei diesen, soweit ein streng apicales Wachsthum thätig ist, die Oscillationen nicht in Betracht, die aus dem wechselnden Zusammenwirken der grossen Periode in den in Streckung beluid- lichen Internodien resultiren. Diese Resultanten entspringen indess ebensogut dem selbstregulatorischem Walten, wie die ansehnlichen Wachsthumsschwankungen, die in Oedogonium durch das Einreissen der Zellwand und die Ausstreckung des Zellstoflringes bewirkt werden (II, p. 11). Als Beispiel für ein ansehnliches Auf- und Abwallen der Zuwachsbewegung theile ich einen Versuch von Hofmeister 3) mit, in welchem die beiden End- zellen eines Fadens von Spirogyra princeps mikrometrisch gemessen wurden und zwar sind die direct abgelesenen Scalentheile (ä 0,0028 mm), sowie die in diesen ausgedrückten Zuwachse für i Minute angegeben. Wie man sieht, sclu'eitet das Wachsthum längere Zeit langsam fort, um dann plötzlich so be- schleunigt zu werden, dass eine Gliedzelle in \ Minute bis 7\-2 Proc. verlängert wird. -1) Sachs, Arbeit, d. Bot. Instituts in Würzburg 1872, Bd. I, p. 103. 2) Reinke, Unters, ü. d. Wachsthumsgeschwindigkeit -1872 iSep. a. d. Vhdlg. d. Bot. Vereins f. Brandenburg Bd. 14); Bot. Ztg. 1876, p. 122; Drude, Nova Act. d. Leo- pold. Carol. Akad. 1881, Bd. 43, p. 247 (Phanerogamem ; Hofmeister, Jahresheft des Vereins für Naturkunde in Württemberg 1874, Bd. 30, p. 2ä-2 (Spirogyra); Pfitzer, Monatsb. d. Berl. Akad. 1872, p. 384 (Ancylistes) ; Errera, Bot. Ztg. 1884, p. 497; Rein- hardt, Jhb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 23, p. 479 (Pilze). 3) Hofmeister, 1. c. p. 222. Aehnlich dürften die Versuche bei ganz constanten Aussenbedingungen ausfallen. 22 Kap. 1. Die Wachsthumsbewegung. Zeit Abjjeleseiie Zuwachs Morgens Scalentheile pr. 1 Minute 9 U. 28' 85,8 - 31' 87,0 + 0,4 - 43' 90,0 + 0.23 10 U. 5' 90,2 + 0,09 - 10' 90,7 + 0,1 - 12' 92,0 + 0,05 - 18' 91,8 — 0,2 M U. t 93,7 — 0,04 - 10' 93,8 + 0,01 - 15' 94,4 + 0,12 - 25' 96,0 + 0,32 - 30' 96,1 + 0,02 mit § 6. Die Messung der Wachsthumsbewegung, An schnell wachsenden Pflanzen lässt sich schon der stündliche Zuwachs dem Maassstab ermitteln. Bei genügender Vergrüsserung kann man aber auch die Zuwachsbewegung direct wahr- nehmen und mit Hilfe der Projection im Hörsaal vorführen. Zu diesen und vielen anderen Demon- strationen dient mir ein von Zeiss ge- bauter Projectionsapparat, der die Anwen- dung von 10 — 10000 facher Vergrösserung gestattet i). Indem ich die von einer Bogen- lampe (30 — 50 Ampere) ausgehenden Licht- strahlen durcli Wasser und Eisen- sulfatlösung lenkte, erreichte ich, dass Schwärmsporen , Plasmaströmungen etc. bei sehr starker Vergrösserung projicirt werden können. Für die Demonstration des ^yachsthums hat sich als Object das 25 — 30 mm hohe erste Laubblatt der Keim- linge von Avena oder Hordeum bewährt, die in eine kleine Cüvette gebracht und kurz vor dem Versuche ganz unter Wasser ge- setzt werden. Als fixe Marke dient der Schatten eines Stabes, den man so richtet, dass die fortwachsende Spitze diese Marke in kurzer Zeit erreicht. Die Spitze rückt bei ca. 4000faclier Vergrösserung in 1 Mi- nute um 60 mm vor, wenn der reale Zu- wachs in dieser Zeit 0,015 mm beträgt. Fig. i;. Die grobe Einstellung geschieht durch Hebung der Säule s, während die feine Kinstellung. sowie auch die Messung von grösseren Strecken mit Hilfe der Mikrometerschraube m ausgeführt wird. Ausserdem wird der Zuwachs an dem Ocularglasmikrometer ab- gelesen, t Trieb zum Einstellen des Tubus, l Libelle. r Stellschraube. Der Apparat wird, wie auch die zu erwähnenden Eegistrirapparate. nach meinen Angaben vom Universitätsmechanikus Albrecht in Tübingen angefertigt (vgl. Bot. Ztg. Iss7, p. 27). Etwas andere Constructionen die.ser Art sind bei Wiesner (Zeit- schrift f. Mikroskopie IV.Ki, Bd. 10, p. 147) und in dem Preiscourant von Leitz zu finden. Ein wenig be- friedigender Apparat dieser Art wurde bei Sachs (Arbeiten des Bot. Instituts in Wurzburg 1S78, Bd. 2, p. 135) benutzt. 1) Näheres bei Pfeffer, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 3'i, p. 71 § f). Die Messung der Wachsthumsbewegung. 23 Da, wo das gewöhnliche Älikroskop nicht gut anwendbar ist, benutze ich ein Mikroskop mit liorizontal gericlitetcm Tu])us, dessen Einrir-hlung aus Fig. 6 er- sichtlich ist. Für eine exacte Bestimmung sind die sehr genauen und generell anwend- baren optischen Methoden schon desshalb vorzuziehen, weil eine Beeinflussung der Wachsthumsthätig- keit durch die Ankup- pelung der Pflanze ver- mieden wird. hidess kann in vielen Fällen auch die Hebelvergrösse- rung für die Messung und die Demonstration des Wachsthums mit Vortheil angewandt wer- geeigneter den ^]. Ein Apparat ist in Fig. 7 abgebildet. Eine Be- stimmung der Vergrösse- rung des Umfanges er- reicht man, indem man nach dem Vorgang von Haies, Duhamel, Reinkc^) einen feinen Draht um die Pflanze schlingt , dessen eines Ende unverrückbar be- festigt ist, während man die Bewegung des an- deren Endes direct oder vergrüssert an einem Ilebelwerk verfolgt. Fer- Fig. 7. Der Seidenfaden / ist einerseits an die Pflanze, andererseits an der Rolle r befestigt. Mit dieser ist der Zeiger ,? verbunden, der sich bei Ver- längerung der Pflanze senkt und dessen Ausschlag, je nach Anwendung der grösseren oder kleineren Rolle, das 40- oder SO fache des Zuwachses be- trägt. — In der Figur ist zugleich der an der Wand (bei ii) zitterfrei fixirte Tisch t dargestellt, an dessen frei endigenden Füssen das verstellbare Tischchen i in gewünschter Höhe fixirt wird. ner sind Tastzirkel ■^) (incl. Sphärometer) und FühlhebeH) in verschie- denen Constructionen zur Messung des Dickenzuwachses benutzt worden. Dieser lässt sich auch sehr exact bestimmen, indem man mit Hilfe des in Fig. G abgebildeten Mikroskopes das Fortrücken einer angeklebten Metallspitze verfolgt, während das Object mit der 1; Sachs, 1. c. u. Lehrbuch II. Aufl., 1870, p. 632. 2) Haies, Statik 1748, p. 74; Reinke, Bot. Zeitung 1870, p. U8 u. 114. 3) G. Kraus, Die Wasservertheilung i. d. Pflanze 1879, I, p. 74 (Separat a. d. Festschrift d. naturf. Gesellsch. z. Halle); F. Darwin u. A. Bateson, Annais of Botany 1893, Bd. 7, p. 468; 1890, Bd. 4, p. 118. 4) Jost, Ber. d. botan. Gesellsch. 1892, p. GOO; Macmillan, American Naturahst 1891; Frost, Minnesota Botanic. Studies 1894, IV, p. 182; Golden, Botan. Centralbl. 4894, Bd. 59, p. 169. 24 Kap. I. Die Wachsthumsbewegung. opponirlen Flanke einer unverrückbaren Widerlage anliegt. Auch lässt sich das tangentiale Wachsthum genau durch mikrometrische Messung des Abstandes zweier auf der Peripherie aufgetragener Marken ermitteln i). Mit der zuletzt genannten Methode erzielt man eine exacte Bestimmung des Partialzuwachses auch an den sich krümmenden Pflanzentheilen, sofern man Fig. S. den Al)stand der Marken derart wählt, dass der Unterschied zwischen liugcn und Sehne vernachlässigt werden kann. Ausserdem wird an gekrümmten Objecten durch Anlegen von biegsamen Maassstäben oder durch Benutzung von getheilten Kreisbogen gleicher Krümmung gemessen 2). Wie im näheren die Ver- theilung der Zuwachsbewegung mit Hilfe von künstlichen oder natürlichen Marken ermittelt wird, ist schon früher besprochen worden. Die Tuschmarken werden mit einem feinen Pinsel 3) oder mit Hilfe eines Systems von (parall"len) 1) Vgl. Pfeffer, Physiol. Unters. 1873, p. 23; Druck und Arbeitsleistungen 1893, p. 294. 2) Sachs, Arbeit, d. Bot. Instituts in Würzburg 1873, Bd. 1, p. 391. 3) Im Princip schon angewandt von Haies, 1. c. p. 186, 193; Duhamel, Natur- gesch. d. Bäume 1765, Bd. 2, p. 36; Cotta, Naturbeob. über die Bewegung d. Saftes •1806, p. 64. Vgl. Wiesner, Sitzungsb. der Wiener Akad. 1883, Bd. 88, Abth. 1, p. 453; Sachs, I. c. p. 421. § 6. Die Messung der Wachsthumsbewegung. 25 über einen Kork gespannten Rosshaaren i) oder, bei massiveren Objectcn, mittelst eines Tbeilrädchens^) aufgetragen. Um während längerer Zeit zu beobachten wird man thunlichst registrirende Apparate benutzen. In ausgedehnter Weise hat solche zuerst Sachs-') ange- wandt, der die Spitze seines Zeigers am Bogen (vgl. Fig. 7) Curven auf die berusste Papierumkleidung eines Cylinders schreiben Hess, der eine Umdrehung in der Stunde ausführte. Vollkommener sind die weiterhin von Wiesner*), BaranetzkyS) und anderen Forschern 6) benutzten Apparate, bei welchen die Vergrösserung des Zuwachses durch eine Doppelrolle erzielt wird. Ausser diesem Princip haben zur Registrirung des Dickenwachsthums auch andere Ilebelver- grösserungcn Verwendung gefunden. Fig. 8 stellt einen nach meinen Angaben angefertigten Apparat dar, der nach dem von Baranetzky angewandten Princip dadurch eine Treppencurve mit dem Schreibzeiger % zeichnet, dass der mit Papier überzogene berusste Cylinder #, je nacli der Stellung des auslösenden Uhrwerks, jede 1/4, Y25 '' > 2 Stunden etc. eine kleine Drehung macht. Die so mar- kirten Strecken geben also den realen Zuwachs im Verhältniss der Rolle iv zur Rolle r vergrössert an. Wenn sich aber der durch ein Uhrwerk betriebene Cylinder conti- nuirlich dreht und jede Stunde eine Umdrehung macht, so giebt der verti- cale Abstand der geschriebenen Spiral- linie (vgl. Fig. 9 c — c) den vergrösserten stündlichen Zuwachs an. Ausser diesem Apparat (Abbildung in I. Aufl., Bd. II, p. 86) benutze ich auch einen anderen, dessen Cylinder eine Umdrehung in 24 Stunden ausführt und bei welchem die Wachsthumscurve direct auf Co- ordinatenpapier geschrieben wird. In diesem Falle wird dann die Curve mit Schreibfeder und Glycerin-Anilin- blautinte geschrieben (Fig. 9) , eine Methode, die auch bei den anderen Apparaten an Stelle des Schreibens auf be- russtes Papier angewandt wird. Uebrigens kann ein geschickter Experimentator sich leicht einen ganz ordentlich arbeitenden Registrirapparat. aus einer Rollen- Fig. 0. s Sclireibfetler; g Spanngewicht. Ueber andere Constnictionen der Sehreibfeder vgl. z. B. L angendor ff, I.e. p. 44. p. 369, Wiesner, 1. c. 1883, 1, p. M3. Sachs 1872, Bd. \) Wiesner, 1. c. p. 474. 2) Grisebach, Archiv f. Naturgesch. -1843, IX, Bd. 1 p. 473. 3) Sachs, Arbeit, d. Bot. Instituts in Würzburg nennt den Apparat »selbstregistrirendes Auxanometer«. 4) Wiesner, Flora 1876, p. 466. 5) Baranetzky, Die tcägliche Periodicität d. Längenwachsthums 1879, p. 21. 6) Cohn. Jahresb. d. schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur 1879; Pfeffer, Pflanzen- physiol. 1881, II, p. 86; Botan. Zeitung 1887, p. 29. Zur Registrirung des Dickenwachs- 26 Kap. II. Mechanik des Wachsens. combination, sowie aus einer einfachen Federuhr aufbauen, die man einen Lanipen- cylinder mit der Schnelligkeit des Minuten- oder Stundenzeigers herumdrehen lässt. Mit Hilfe der electrischen Uebertragung kann man auch den registrirenden Apparat in beliebiger Entfei'nung von der zu prüfenden Pflanze aufstellen. Auf die Technik dieser Einrichtungen (von denen eine Frost. 1. c. benutzte) kann hier indess ebensowenig eingegangen werden, wie auf die Kritik der mannigfachen Fehlerquellen 1). Bemerken will ich nur, dass man bei erheblichen Feuchtigkeits- schwankungen der Luft entweder, abgesehen von dem über die Rolle {w Fig. 8) laufenden Stücke, Platindrath anwenden oder sich durch Vereinigung von Hanf- und Seidenfäden einen Faden herstellen muss , der in Folge der entgegengesetzten hygroskopischen Dimensionsänderung keine Längenänderung erfäfirt. Ohne Frage wird in der Zukunft die photographische Registrirung^j in diesen und anderen ph3'siologischen Vorgängen die Hauptrolle spielen. Mit Hilfe eines durchaus automatisch arbeitenden Apparates habe ich mir auch in gewünschten Intervallen photographische Aufnahmen der succesiven Phasen von Wachsthums- und Bewegungsvorgängen auf Filmsrollen (800 Bilder) hergestellt, die dazu dienen, das, was sich in Wochen oder Tagen abspielte, auf kinematographischeni Wege im Auditorium im Zeitraum von \- — I ^ /._> Minuten vorzuführen"^). Kapitel II. Mechanik des Wachsens. § 7. Allgemeines. Bei dem formativen W^achsen, auch dem in Geweben, handelt es sich stets um die regulatorisch gelenkte Vergrüsserung von Zellen, und wir können uns desshalb bei Betrachtungen über die allgemeine W^Tchsthumsmechanik (II, p. 1) an die einzelne Zelle halten. In dieser muss (sofern sie ein Dermatoplast ist) nolhwendig die Zellhaut wachsen, wenn ein äusserlich sichtbarer Gestaltungs- vorgang erzielt werden soll. Dieses Wachsen ist eine physiologische Leistung, die nur durch den lebensthätigen Protoplasten ermöglicht und vollbracht wird. Mit der Aufnahme des Wachsens werden aber, so wie es nothwendig sein muss, vermöge der allseiligen Verkettung alle diejenigen Thätigkeiten erweckt oder regulirt, die zur Realisirung des Wachsens und zur Erhaltung des nöthigen thums angewandte Apparate bei Macmillan, American Naturalist, Mai 1891; Reuss, Forstl. naturw. Zeitschrift 1893, p. 146; Bot. Centralbl. 1893, Bd. 53, p. 348; Frost, Minnesota Botanical Studies 1894, IV, p. 181,; Golden, Botan. Centralbl. 1894, Bd. 59^ p. 169; Baranetzky, Ber. bot. Ges. 1899, p. 20. Ueber die m der Thierphysiologie üblichen Methoden vgl. z. B. 0. Langendorff, Physiol. Graphik 1891; E. J. Marey, Methode graphique 1878. 1) Vgl. z. B. Sachs, Flora 1876, p. lOSff. ä,i Vgl. z.B. Langendorff, 1. c. p. 81; Marey, Die Chronophotographie 1893. 3) Pfeffer. Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 738. § 7. Allgemeines. 27 Gleichgewichts direct oder indirect nothwendig sind (II, Kap. VII. Vgl. Bd. I, Kap. I). Als einen sichtbaren Erfolg dieses correlativen Waltens sehen wir mit der Vergrüsserung der Zelle ein Wachsthum (Vermehrung) der Protoplasmamasse, sowie eine Theilung des Zellkerns und der Zelle eintreten (II, Kap. 111). Zugleich wird durch eine entsprechende Stoffproduction für die Erhaltung der Turgorhühe gesorgt, und ebenso sind die Production der Stärke bis zu einem bestimmten Grenzwerth, die Neubildung einer Zellhaut um den plasmolysirten Protoplasten u. s. w. Beispiele der nie fehlenden regulatorischen Lenkung (vgl. I, § 93). Jedenfalls darf man auch in diesem Falle nie vergessen, dass die AA'achs- lliumsthätigkeit als ein verwickelter physiologischer Vorgang nur im Zusammen- hang mit der Gesammtthätigkeit besteht und verständlich ist, dass aber die Forschung naturgemäss genüthigt ist, zuerst die Einzel functionen in das Auge /u fassen und thunlichst auf die zunächst maassgebenden Factoren zurückzu- führen (I, § 1). Selbst dann also, wenn dieses Ziel in Bezug auf die Zellhaut vollständig erreicht wäre, würde damit doch immer nur eine, allerdings wichtige und unerlässliche Partialfunction, aber keineswegs das gesammte Problem des organisatorischen AVachsens aufgehellt sein. Zu diesem gehört vor allem auch Wachsthum vmd Vermehrung des Protoplasten, die auch für diejenigen Orga- nismen (Gymnoplasten) unerlässlich sind, in denen die zellhautbildende Thätig- keit nicht ausgeübt wird. Leider haben wir aber in dieses organisatorische Schaffen des Protoplasten, dessen Thätigkeit allgemein das fundamentalste und schwierigste Problem bildet, in causaler Hinsicht eine so mangelhafte Einsicht, dass wir uns auf einige all- gemeine Erörterungen beschränken müssen. Etwas näher werden wir dann auf die A^'achsthumsmechanik der Zellhaut eingehen, die als eine extraplasmatische Partialfunction besser der Forschung zugänglich ist (I, § 9; II, § I). In Kürze soll ferner (II, § 10) der Stärkekörner gedacht werden, die durch Vermittlung si)ecieller Plasmaorgane (Ghromatophoren) entstehen und wachsen. Dagegen haben wir keinen Grund, auf die Krystalle und Krystalloide einzugehen, die offenbar ebenso wie andere Krystalle entstehen und wachsen, deren Auftreten indess insofern von der vitalen Thätigkeit abhängt, als dadurcli in regulatorischer Weise das auskrystallisirende Material geschaffen und zusammengeführt wird. Zu dem innersten Wesen des Organismus gehört die Imbibitions-und Qucllungs- fähigkeit, die es ermöglicht, dass sich unter stetigem Austausch mit der Aussen- welt, im Innern des lebensthätigen Protoplasten der Stoffumsatz abspielt, durch welchen die Betriebsenergie gewonnen und das Material für den organisatorischen Aufbau geschaffen werden (I, § 1, 77). Gleichviel ob diese Baustoffe am Ent- stehungsort oder fern von diesem eingefügt oder angegliedert werden, jedenfalls gehört das Eindrängen und Einfügen zwischen das Bestehende, gehört das Wachsthum durch Intussusception zu den unerlässlichen und fundamentalen Eigenschaften des Protoplasten und des ganzen Organismus. Denn das Wachsen eines Blattes oder Stengels wird nicht durch Anlagerung von aussen (Apposition), sondern durch Vergrösserung und Vermehrung der Zellen bewirkt. Ebenso findet Intussusception im Protoplast statt, wenn sich ein Krystall eindrängt oder wenn sich der Zellkern vergrössert, der ebenso wie die anderen plasmatischen Theile durch Intussusception wächst, wenn ein Molecülcomplex, ein Molecül, ein Atom in das Innere der organisirten Masse eingefügt wird. Nicht minder wird 28 Kap. II. Mechanik des Wachsens. bei der Vertheilung der männlichen Plasmamasse in der Eizelle Intussusception erzielt. Neben der Intussusception ist bei den quellungsfähigen Körpern auch Appo- sition (Juxtaposition) möglich, während den undurchdringlichen Körpern (Krystallen etc.) ^) nur der zuletztgenannte Wachsthumsmodus zur Verfügung steht. In der That werden bei den organisirten Massen, auch in der Zellhaut (II, § 8, 9), beide Modalitäten benutzt. Jedoch ist es bei der Zunahme durch die gleichartige Masse oft schwierig, eine bestimmte Entscheidung zu treffen, während z. B. dann kein Zweifel besteht, wenn Krystalle von Calciumoxalat oder andere Fremd- körper in die Zellhaut oder in den Protoplasten eingelagert werden. Die Intussusception wurde bereits von Laniarck'-) als eine unerlässliche Eigenschaft der Organismen angesprochen. Mit diesem Forscher ziehen wir die Begriffsbestimmung im weitesten Sinne , rechnen also jede Inneneinlagerung hierher, gleichviel wie sie in formaler und energetischer Hinsicht zu Stande kommt, ob es sich also z. B. um Ausscheidung im Inneren oder um Einführung von geformten Massentheilen handelt. Ebenso kann in unserem Sinne Apposition z. B. durch Anlagerung von Zellen, Hautlamellen, Molecülen oder Atomen erzielt werden. Jedenfalls Ihegt kein Grund vor, nur bei molecularen Vorgängen oder nur bei der Einlagerung von gleichartiger Substanz von lutussusceptionswachsthum zu reden, wie es gelegentlich von Forschern geschah, deren Aufmerksamkeit auf einen einzelnen Wachsthumsvorgang concentrirt war -^j. Natürlich wird man bei dem Rückverfolg des Wachsens auf die letzten physiologischen (I, § 8) oder chemischen Eiidieiten schhesshch auf Apposition stossen*). Denn die Atome sind untheillinr und undurchdringlich und vermuthlich wachsen öfters Micellen oder höhere Com- plexe dauernd oder zeitweise durch Apposition. Eine scharfe Abgrenzung ist aber auch schon desshalb nicht möglich, weil auf die Apposition unmittelbar oder allmählich die Intussusception folgen kann. Es ist das niclil nur bei der A'ereiuigung von Protoplasten zu sehen, sondern tritt auch z. B. ein, wenn das zunächst appo- nirte Quecksilber allmählich in die Bleiplatte eindringt. Bei der möglichen Älannig- faltigkeit dürften wohl auch durch die Eintheilung in cellulare, lamellare, moleculare Intussusception-^] Kategorien geschatfen sein, in die nicht alle realen Fälle glatt passen. Wie das organisatorische Wachsen im näheren ausgeführt werden mag, immer wird ihm durch die besondere Structur und die damit verkettete besondere Thätigkeit die bestimmte Richtung aufgedrängt, durch welche die specifische Kntwickelung der Art zu Stande kommt (I, §47; II, Kap. VII). Vermöge dieser Thätigkeit können dann, neben der Fortbildung und Vermehrung der nur durch Fheilung sich erhaltenden Organe, auch Neuformationen geschaffen werden, die, 1) Ebenso wachsen die quellungsfähigen Eiweisskrystalle (Krystalloidej durch Appo- sition. Pfeffer, Jahrb. f. wiss. Bot. 1872, Bd. 8, p. 5I(>. Vgl. über diese u. ihre künst- hche Darstellung Bd. I, p. 458, (is. 2) Lamarck, Philosoph, zoolog. Nouv. Ed. 1830, Bd. I, p. 382 (Erste Auflage i SOS'. 3) Vgl. z.B. Krabbe, Jahrb. f. wiss. Bot. 1887, Bd. 18, p. 412; Noll, Flora 1895. p. 80; Bütschli, Unters, ü. Structuren 1898, 223. — Eine allgemeine Auffassung z. B. bei Pfeffer', Studien z. Energetik ^892, p. 230; Wiesner, Elementarstructur 1892, p. 193. 4) Pfeffer, 1. c. p. 234. 3] Wiesner, 1. c. p. 223. § 7. Allgemeines. 29 wie die Zellhaut, besondere Functionen im Dienste des Organismus zu voll- bringen haben (I, § 8). Gleichviel ob solche Neuformationen aus todter Masse oder durch die Transformation lebendiger Substanz entstehen, jedenfalls ist mit deren Existenz ein Gomplex geschaffen, der mit seinen Eigenschaften wirksam eintritt. Das ist ja auch dann der Fall, w^enn durch einen Krystallsplitter der Ansatz des zum Wachsthum dienenden Materials an bestimmter Stelle veran- lasst wird 1). Sicherlich wird Analoges auch in der Gesammtheit der Wachs- thumsvorgänge vorkonmien, jedoch ist das Wachsthum des Organismus von dem eines Krystalls schon desshalb grundverschieden, weil es sich bei einem localisirten Auskrystallisiren stets nur um eine Einzelreaction, nicht aber um das verwickelte Gesammtgetriebe des Organismus handelt. Durch das regulatorische Walten im Organismus wird es, wie schon er- wähnt (I, Kap. I; n, Kap. Vli), ermöglicht, dass mit den allgemeinen Energie- mitteln die so überaus mannigfachen formativen Leistungen vollbracht werden. Allerdings fehlt uns eine befriedigende Einsicht in das maassgebende Walten im Protoplasma, das in letzter Instanz auf molecularen Processen beruht. Denn darauf basiren die chemischen Umsetzungen im Bau- und Betriebsstoffwechsel. Derartige Processe liegen also vor, wenn ein producirtes Stofftheilchen in der Nähe oder Ferne durch physikalische Richtwirkung (wie beim Krystallisiren), durch Obertlächenenergie, durch chemische Affinität zur Angliederung oder Eingliederung gebracht wird, oder wenn dieses im Entstehungsmoment oder durch irgend welche Combinationen erzielt wird. Damit sind zugleich diejenigen Energiemittel 2) gekennzeichnet, die allgemein in Frage kommen, während den turgorlosen Gymnoplasten die osmotische Energie abgeht, die auch in den turgescenten Zellen die für das Wachsthum des Zellkerns, des Cytoplasmas etc. nothwendige Arbeit nicht zu leisten vermag. Ja bei diesem Wachsen, sowie bei dem Dickenwachsthum der Zellhaut ist sogar die entgegen- wirkende Turgorenergie zu überwinden, die aber theilweise bei dem Flächen- wachsthum der Zellhaut (II, § 8), sowie bei Ueberwindung äusserer Widerstände (I[, § 35) die mechanischen Leistungen vollbringt. In dem osmotischen Druck, der zumeist 5 — ISAtm. beträgt (I, p. 121), steht zwar eine ansehnliche Energiequelle zur Verfügung, die aber nicht die- jenige Intensität erreicht, zu der die anderen genannten Energiemittel ansteigen können. Denn um z. B. die Ouellungskraft (Oberflächenenergie) der Stärke zu äquilibriren, bedarf es eines Druckes von 2500 Atm. (I, § 12). Um das Gefrieren des Wassers bei —20° C. zu verhindern, ist sogar ein Gegendruck von 13000 Atm. nothwendigS), und geringer ist auch nicht die Energie, mit der die Bildung von Krystallen oder von Ausscheidungen bei chemischen Reactionen angestrebt wird^). Durch dieses Streben können demgemäss gewaltige Aussenleistungen vollbracht 1) Ohne einen solchen Anstoss tritt keine Ausscheidung ein und es entsteht eine ühersättigte Lösung. Vgl. Ostwald, Zeitschrift f. physikal. Chem. 1897, Bd. 22, p. 289; Lehrbuch d. allgem. Chemie II. Aufl. 1891, Bd. 1, p. 1043. Siehe auch dieses Buch, Bd. I, p. 474. — Ueber die periodische Entstehung von Ausscheidungen auf solche Weise vgl. R. E. Liesegang, Zeitschrift f. physik. Chem. 1897, Bd. 23, p. 365. 2) Vgl. Pfeffer, Studien zur Energetik 1892, p. 163. Vgl. Bd. II, letztes Kap. 3) Clausius, Die mechanische Wärmetheorie 1876, Bd. I, p. 174. 4) Lehmann, Molekularphysik 1888, Bd. 1, p. 34 9. 30 Kap. II. Mechanik des Wachsens. und selbst Steine gesprengt werden. Es kann desshalb nicht Wunder nehmen, dass die Cohäsion der Zellwand die Bildung und das Wachsthum der Krystalle von Calciumoxalat niclit hindert. Der Aggregatzustand des Protoplasmas (I, § 7) setzt aber dem AVachsthum eines Körpers nur geringen mechanischen Wider- stand entgegen. § 8. Y/achsthumsmechanik der Zellhaut. Da der Protoplast durch die selbstthätige Umkleidung mit einer Zellhaut den ihm zur Verfügung stehenden Raum abgrenzt, so ist ihm eine Veränderung des Umrisses nur soweit müglich, als er ein allgemeines oder localisirtes Ausgestalten, also ein Wachsthum der Zellhaut bewirkt. Ausserdem wird be- kanntlich häufig, insbesondere nach Vollendung des Flächenwachsthums , ein Dickenwachsthum der Zellhaut ausgeführt, wie denn überhaupt der Protoplast zur Erreichung seiner Ziele und Zwecke in verschiedener Weise für den Aus- bau, sowie nüthigenfalls für die physikalische oder chemische Veränderung der Membran zu sorgen hat (I, § 83, 84).' Da diese selbst ein für sich nicht lebendiges Organ ist (I, § 7), so werden alle jene Vorgänge, wird also auch das Wachs- thum direct oder indirect vermittelt und dirigirt durch den lebensthätigen Proto- plasten, der auch das Material für das Wachsen zu schaffen hat, das wiederum nur gelingt, wenn der Protoplast der Zellhaut angeschmiegt ist. Wie so oft, wird auch in diesem Falle die Aufgabe nicht immer mit den- selben Mitteln gelöst. So ist schon die neugebildete Haut nicht immer aus demselben Stoffe aufgebaut ([, § 83), und zudem wird die Haut in gewissen Fällen dm^ch eine Secrelion, in anderen durch eine Metamorphose der peri- pherischen Plasmamasse gebildet. Ferner ist es gewiss, dass A\'achsthum sowohl durch Apposition, als auch durch hitussusception vermittelt wird, obgleich es in dem einzelnen Falle häufig nicht möglich ist. den angewandten Modus zu präcisiren. So weit unsere Erfahrungen ein Urtheil gestatten, wird Apposition sehr oft, jedoch nicht ausnahmslos, bei dem Dickenwachsthum benutzt. Dagegen dürfte Intussusception vielfach bei dem Flächenwachsthum im Spiele sein , das aber auch, und vielleicht häufig, durch ein regulatorisch gelenktes plastisches Dehnen der Membran erzielt wird. Auch in diesem Falle kann das Wachstlium con- tinuirlich und ohne Verdünnung der Membran fortschreiten, wenn gleichzeitig für ein entsprechendes appositionelles Dickenwachsthum gesorgt wird. Diese Modalitäten sind auch in energetischer Hinsicht verschieden. Denn während bei der Intussusception (actives Wachsen) die Betriebsenergie durch diejenigen Vorgänge gewonnen wird, welche das Eindrängen der Substanztheile in die Membran bewirken (Volumenergie durch chemische oder physikalische Vorgänge; H, letztes Kap.), wird bei dem plastischen Wachsen (passives Wachsen) die Zellhaut durch eine von aussen wirkende Dehnkraft, durch die Turgor- energie passiv verlängert i). Somit ist passives Wachsthum ausgeschlossen, wenn eine zureichende Dehnkraft nicht vorhanden ist. Uebrigens ist schon 1) Pfeffer, Studien z. Energetik 1892, p. 218. Hier ist auch die Quellung be- rücksichtigt. § 8. Wachsthumsmechanik der Zellhaut. 31 p. 29 darauf hingewiesen, dass durch die bei der Intussusception thätigen Energie- mittel eine viel höhere mechanische Intensität erreichbar ist, als in dem Turgor (in der osmotischen Energie) zur Verfügung steht. Ebenso ist schon hervor- gehoben, dass diese Turgorenergie überwunden werden muss, wenn durch die Verdickung der Zellwand der Wohnraum des Protoplasten mehr und mehr ver- kleinert wird. Das Wachsthum kommt aber immer nur soweit zu Stande, als es durch regulatorische Verwendung und Lenkung der potentiellen Befähigungen (Energie- mittel) in Scene gesetzt wird. Desshalb kann das Wachsthum in wachsthums- fähigen Zellen durch selbstregulatorisches Walten zum Stillstand gebracht Averden. Ein Stillstand wird u. a. auch durch die Entzielumg von Sauerstoff bewirkt, weil dann nicht mehr in zureichender Weise diejenigen vitalen Operationen aus- geführt werden, durch die entweder Intussusception bewirkt oder die Cohäsion der Zellwand so weit herabgesetzt wird, dass durch die herrschende Turgor- spannung plastische Dehnung ermöglicht ist. Denn eine solche ist zumeist ohne einen erweichenden Einfluss unmöglich, weil ausserdem die Zellwand durch die Turgorenergie nicht bis zur Elasticitätsgrenze in Anspruch genommen ist. Es wird dieses dadurch erwiesen, dass nach Entziehung des Sauerstoffs die Spannung der Wandung durch Anhängen von Gewichten um Va vermehrt werden kann, ohne dass eine bleibende Dehnung erfolgt^). Ja bei Pilzen tritt sogar vorüber- gehend ein Wachsthumsstillstand ein, wenn die Turgorspannimg durch Ueber- tragen aus concentrirterer in verdünntere Lösung plötzlich um iO — 15 Atm. ge- steigert wird (nach Beobachtungen im Leipziger Institut). Ein solches Erweichen, durch welches das Wachsthum der Zellwand beliebig- lenkbar und localisirbar ist, muss in der That möglich erscheinen, da in vielen Fällen die Eigenschaften der Zellwand durch den Einfluss des lebendigen Proto- plasten modificirt werden (I, § 84). Auch gewährt Oedogonium ein anschau- liches Beispiel dafür, dass in Folge des selbstregulatorischen Waltens die Zell- wand ohne Steigerung des Turgors einreisst und dass durch plastische Dehnung eine ansehnliche Zuwachsbewegung erzielt wird (II, p. 11). Allein wenn in diesem und anderen Beispielen plastisches Wachsen feststeht oder wahrscheinlich ist, so ist doch in anderen Fällen offenbar Intussusceptionswachsthum thätig, durch dessen regulatorische Lenkung ebenso beliebige Ausgestaltungen mög- lich sind. Unter allen Umständen ist aber zur Realisirung des Wachsens das richtige Zusammenwirken verschiedener energetischer, vorbereitender und auslösender Factoren nothwendig, und demgemäss kann schon durch die Variation eines dieser Factoren eine Aenderung und eine Hemmung der Wachsthumsthätigkeit erzielt werden. Bei richtiger Würdigung dieser Beziehungen ist es selbstver- ständlich, dass aus der Verlangsamung des Wachsens bei Abnahme des Turges- cenzzustandes nicht folgt, dass die mechanische Arbeit im Wachsthum durch die Turgorenergie geleistet wird. Denn ein solcher Erfolg muss auch dann 1) Pfeffer, Studien z. Energetik 1892, p. a'.-l; Pflanzenphysiol. I. Aufl., Bd. 11, p. 59. Für Nichtinanspruchnahme der Wand his zur Elasticitätsgrenze sprechen auch die Ver- suche von de Vries, Unters, ü. d. mechan. Ursache d. Zellstreckung 1877, p. M3; Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893, p. 404, 429; Schwendener u. Krabbe. Jahrb. f. wiss. Bot. 1893, Bd. 25, p. 327. Vgl. auch II, Kap. IV. 32 Kap. II. Mechanik des Wachsens. herauskommen, wenn der Turgor nur eine der formalen Bedingungen ist (II, § 20], wie das z. B. der Einfluss der Temperatur lehrt, die hei Ueberschreitung des Optimums eine Verlangsamung und endlich den Stillstand des Wachsthums ver- anlasst, ohgleich die Athmung und der Stoffumsatz erhehlich gesteigert werden und obgleich in gewissen Fällen die Turgorspannung etwas zuzunehmen scheint (I, § 104, 105; II, § 22). In der That ist der Turgescenzzustand nur eine formale Bedingung für die Gesammtthätigkeit , auch für das Dickenwachsthum und Flächenwachsthum dann, wenn die Betriehsenergie nicht durch die Turgor- spannung geliefert wird. Oh unter diesen Umständen dem Turgor in dem Flächenwachsthum neben der formalen Bedeutung auch eine mechanisch vor- bereitende AVirkung dadurch zukommt, dass er durch die Dehnung der Membran die Einlagerung von Substanztheilen i), also das Wachsthum durch Intussusception begünstigt, muss dahingestellt bleiben. Durch einen genügenden mechanischen Widerstand (der aber nicht nur mechanisch, sondern auch als Reiz wirkt II, § 35 — 38) kann natürlich immer eine Verlangsamung und ein Stillstand des Wachsthums erzielt werden. Uebrigens geht aus den unten mitzutheilenden Erfahrungen die- wichtige Thatsache hervor, dass unter solchen Umständen das Wachsthum der Membran fortschreitet, ob- gleich in derselben die mechanische Dehnung abnimmt und endlich schwindet. So lange die AA'achsthumsfähigkeit bewahrt bleibt, wird das A\'achsthum nach Beseitigung der mechanischen Hemmung wieder aufgenommen. Durch dieses Verhalten wird also keine bestimmte Wachsthumsmechanik gekennzeichnet. Jedoch ist wohl zu beachten, dass gleichzeitig Reizeffecte und also neue Be- dingungen geschaffen werden, wenn die Beseitigung der mechanischen Hinder- nisse mit einem Eingriff in den Gewebeverband verknüpft ist 2). Nach alledem ist es klar, dass durch eine Steigerung des Turgors aus verschiedenen Gründen der Bednn, die Beschleunigunii', unter Umständen aber auch die Verlangsamung des Wachsens verursacht werden können. Thatsäch- lich werden solche Regulationen sehr oft auf andere Weise, d. h. ohne eine Variation des Turgors herbeigeführt. Das ist z. B. der Fall bei der Wachsthums- beschleunigung, die bei Erhöhung der Temperatur (II, § 22), hei Entziehung des Lichtes (II, § 25), in der geotropischen und heliotropischen Krümmung u. s. w. (II, Kap. XIII) eintritt. Ebenso sind die Ilenmiung des Wachsens bei Entziehung des Sauerstoffs, und anscheinend auch der Eintritt und die Wiederaufhebung des winterlichen Ruhezustandes (II, Kap. IX) nicht mit einer Variation des Turgors verknüpft. Die Realisirung des Wachsthums, gleichviel auf welche Weise dieses ausgeführt wird, zieht dann immer in der schon angedeuteten Weise die Gesammtthätigkeit in Mitleidenschaft und veranlasst somit auch, dass der Turgor während der Volumzunahme der Zelle auf gleicher Höhe erhalten wird 3). Von den obwaltenden Verhältnissen hängt es dann ab, ob während <) Etwas derartiges findet bei dem Wachsthum der Niederschlagsmembranen statt; vgl. Bd. I, p. 90. 2) Vgl. II, § 38 Verletzungen. An dieser Stelle ist auch die Bildung von Callus berücksichtigt. Ueber Thyllen vgl. Schellenberg, Jahrb. f. wiss. Bot. -1896, Bd. 29, p. 261 ; Mellink, Bot. Ztg. 1886, p. 749. 3) Pfeffer, Druck und Arbeitsleistungen 1893, p. 412, 428, Studien z. Energetik 1892, p. 245; dieses Buch Bd. I, p. 121 u. 320; Noll, Flora 1895, Egsbd. p. 44; Wort- mann, Ber. d. bot. Ges. 1887, p. 461. § 8. Wachsthumsmechanik der Zellhaut. 33 des Wachsthums der Wassergehalt in der Zelle und den Geweben zu- oder abnimmt. Speciell bei dem Streckungswachsthum (11, § 2 und 3) pflegen die Pflanzentheile wasserreicher ^j zu werden, während bei der nachfolgenden Ver- dickung der Wandung eine Abnahme des procentischen Wassergehaltes eintritt, der bei dem Wachsthum der Asomatophyten unverändert bleibt oder doch bleiben kann. Historisches. Die Versuche, das Wachsthum eines einzelnen organisirten Körpers in die maassgebenden Faetoren zu zergliedern, sind von den Stärkekör- nern und der Zellhaut ausgegangen. Besonders verdanken wir die ersten klaren Erörterungen über das moleculare Intussusceptionswachsthum Nägeli 2] , der, vi^enigstens in den Hauptzügen, die Faetoren in Betracht zog, auf welche in § 7 hingewiesen ist. Diese Erörterungen, in denen versucht wurde, die Wachsthums- vorgänge bis auf die molecularen Processe zu verfolgen, behalten ihre hohe theoretische Bedeutung, obgleich sie von der unrichtigen Voraussetzung ausgingen, dass das Wachsthum und die Gestaltung der Stärkekörner durch Intussusception bewirkt wird (II, § 10; über Molecularstructur vgl. I, § 13). Im Anschluss an • diese Studien nahm Nägeli an, dass die Zellhaut gewöhnlich durch Intussusception, vereinzelt aber auch durch Apposition wachse. Nachdem dann weiterhin öfters die AUgemeingiltigkeit des Intussusceptionswachsthums angenommen worden war, führte die berechtigte Gegenreaction Andere 3] zu dem entgegengesetzten Extreme, nämlich zu der Auffassung, dass die Zellhaut nur durch Apposition wachse, dass folglich das Flächenwachsthum der Zellhaut immer durch plastische Dehnung bewirkt werde. Von anderen Forschern -i) wurden aber inzwischen weitere Ar- gumente für Intussusception beigebracht, so auch in jüngster Zeit von Stras- burger, der sich nunmehr der scHon in der I. Aufl. dieses Buches (Bd. II, § 1.5) vertretenen Ansicht anschliesst, dass das Wachsthum auf verschiedene Weise vermittelt wird. Ausgedehnter als in der I. Auflage (1. c.) habe ich^) fernerhin eine nähere Zergliederung der energetischen, vorbereitenden und aus- lösenden Faetoren, sowie des regulatorischen Zusammenwirkens vorgenommen. Indem ich hierauf verweise, bemerke ich kurz, dass zuerst Sachs 6) eine ent- 1) G. Kraus, Ueber d. Wasservertheüung i. d. Pflanze 1879, I (Sep. a. Festschrift d. naturf. Ges. z. Halle); ISSO, II (Sep. a. Abhdlg. d. naturf. Ges. z. Halle Bd. 15). 2) Nägeli, die Stärkekörner 1858, p. 213. 3) Schmitz, Sitzungsb. d. niederrhein. Gesellsch. f. Natur- u. Heilkunde 6. Dec. 1880; Strasburger, Bau u. Wachsthum d. Zellhäute 1 882 ; Klebs, Unters, a. d. botan. Institut zu Tübingen 1886, Bd. 2, p. 372; Noll, Unters, ü. d. Wachsthum der Zell- membran 1887, p. 126; Wortmann, Bot. Ztg. 1889, 230. Weitere Literatur, Zimmer- mann, Pflanzenzelle 1887, p. 1.^3; Askenasy, Ber. d. bot. Ges. 1890, p. 85; Wiesner, Die Elementarstructur 1892; Strasburger, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 31, p. 572. — Ueber Cystolithen siehe Giesenhagen, Flora 1890, p. 90. 4) Leitgeb, Bau und Entwickelung d. Sporenhäute 1884; Wille, Entwickelungs- gescbichte d. Pollenkörner d. Angiospermen 1886; Krabbe, Jahrb. f. wiss. Bot. 1887, Bd. 18, p. 346. Gramer, Unters, ü. d. verticillirten Sipboneen 1890, p. 35 (Sep. a. d. Denkschr. d. Schweiz, naturf. Gesellsch. Bd. 32); Correns, in Zimmermann's Beitr. z. Morphol. u.Physiol.1893, Bd. I, p. 256; Flora 1889, p. 289. Pfeffer, Druck- u. Arbeits- leistungen 1893, p. 429; Strasburger 1898 I. c. etc. 5) Pfeffer, Studien zur Energetik 1892, p. 240 u. Druck u. Arbeitsleistungen 1893, p. 429. 6) Sachs, Lebrb. d. Bot. 1873, III. Aufl., p. 699. — Von nur historischem Interesse ist die Annahme Mariotte's (Oeuvres d. Mariotte I717, p. 132), der Saftdruck trage, indem er die Zweige, Blätter u. s. w. ausdehne, zum Wachsthum der Pflanze bei. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 3 34 Kap. II. Mechanik des Wachsens. scheidende mechanische Bedeutung der Turgordehnung beilegte, die, nach seiner An- sicht, das Einlagern von Substanztheilen, also das Flächenwachsthum der Membran durch Intussusception ermöghchen soll. Dagegen lassen die anderen obengenannten Forscher das Flächenwachsthum durch plastische Dehnung der apponirten Schich- ten zu Stande kommen und nehmen, abgesehen von Wortmann, als vermittelndes Glied eine von dem Protoplasma auf die Zellhaut ausgeübte erweichende Wirkung an. Uebrigens ergiebt sich aus dem schon Gesagten und dem noch Mitzuthei- lenden, dass Flächenwachsthum ausser durch plastische Dehnung auch durch Intus- susception vermittelt wird. Es ist aber hier nicht geboten auf Einzelheiten ein- zugehen, so z. B. nicht auf die an sich irrige und zudem nichts erklärende An- nahme von de Vries und von Wortmann ^), dass allgemein ein Parallelismus zwischen Grösse der Dehnung und der Wachsthumsschnelligkeit der Zellhaut bestehe. Ein TVaclisthum der Zellhaut durch Apposition ist in vielen Fällen unter Be- nutzung natürlicher oder künsthcher Marken nachgewiesen. So lagern sich bei Citrus, Pandanus und anderen Objecten Krystalle von Calciumoxalat der Zellhaut an und werden dann in diese durch Apposition von Zellhautschichten eingebettet-). Eine analoge Einbettung von abgestorbenen Protoplasmatheilen wurde von Klebs, Noll u. A. (1. c.) verfolgt. Ferner constatirte NoU (I. c. p. 124) die Apposition von farblosen Wandschichten an die durch Berlinerblau gefärbte Zellwand von Caulerpa. Die Intussusception tritt am klarsten hervor, wenn Fremdkörper (Kieselsäure, Calciumcarbonat etc.) in feiner Yertheilung oder in Form von Kiwställchen (Calciumoxalat) in die Membran eingelagert werden (I, § 84), während es immer schwierig und oft unmöglich ist, eine Einlagerung gleichartiger Masse sicher zu stellen. Eine solche Einlagerung geht indess nach Correns (1. c.) in der Membran von Gloeocapsa, Apiocystis etc., nach Cr am er (1. c.) in der Membran von Neomeris Kelleri vor sich, die in diesen Fällen an Masse und Volumen zunimmt, während Apposition unter den obwaltenden Verhältnissen ausgeschlossen ist 3). Ferner findet nach Leitgeb (1. c.) bei der Ausbildung der Sporenhäute von Lebermoosen, nach Wille (1. c.) und Strasburger (1898, 1. c. p. 574 bei der Ausbildung der Pollenhäute gewisser Pflanzen Wachsthum durch Intussusception statt. Nach C. Müller^) kommt in der Wandung der Wiu'zel-Endodermis von Spiraea filipendula auch eine Einlagerung von sichtbaren, nadeiförmigen Cellulose- massen zu Stande. Ferner spricht für Flächenwachsthum durch Intussusception die Thatsache, dass bei mechanischer Hemmung der angestrebten Vergrössei'ung das Flächen- wachsthum der Membran fortschreitet, obgleich die Turgorspannung mehr und mehr reducirt und in vielen Fällen endlich ganz aufgehoben wird ^). Da- bei nimmt aber die Cohäsion der Wandung nicht ab, die demgemäss, wie es •1; De Vries, Median. Ursach. d. Zellstreckung 1877, p. -107; Wortmann, I.e. p. 234. — Vgl. darüber Pfeffer, Studien z. Energetik 1892, p. 234; Druck- u. Arbeits- leistungen 1896, p. 306. Schwenden er u. Krabbe, Jahrb. f wiss. Bot. 1893, Bd. 25, I». 323. Siehe auch II, Kap. IV. 2) Pfitzer, Flora 1872, p. ]^Q; H. C. Müller, Entstehung v. Kalkoxalat in Zell- membranen. Leipzig Dissert. 1890, p. 45. 3 Solche Argumentationen finden sich auch schon bei Nägeli, Stärkekörner <858, p. 281. — Andere Literatur bei Strasburger, 1898, 1. c; H. Fitting, Bot. Ztg. Origin. 1900, p. 151. 4) C. Müller, Ueber die Einlagerung von Cellulose 1897 iSep. a. Ber. d. deutsch. pharmac. Ges. Jahrg. VII, Heft l). 5) Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893, p. 429. Vgl. II, § 35. § 9. Wachsthumsmechanik der Zellhaut. . 35 zweckentsprechend sein uiuss, auch dann nicht bis zur Elastlcitätsgrenze in An- spruch genonunen wird, wenn nach dem Entfernen der Widerlage plötzlich die Irühei-e oder sogar eine gesteigei'te Turgorenergie spannend wirkt, Lässt mau nach der Entspannung die fortbestehende Widerlage fortschieben , so wird dauernd ein Flächenwachsthum in den nicht oder doch nur sehr wenig ge- spannten Zellwänden ausgeführt. Unter diesen Umständen kann sogar normaler Weise ein schnelles Wachsen vor sich gehen, wie das gewisse Stengel lehren, in denen die Wandungen der Markzellen während des Strcckungswachsthums nahezu spannungslos sind^). Ein solches Wachsen kann nicht überraschen, da in einem Theil der oben erwähnten Beispiele das Intussusceptionswachsthum ohne Turgorspannung oder sogar entgegen der Turgorenergie ausgeführt wird. Einige Erfahrungen lassen sogar vermuthen, dass in gewissen Fällen das Wachsthum der Zellhaut auch nach der völligen Entspannung noch nicht stille steht, und vielleicht kommen in solcher Weise bestimmte Wandfaltungen zu Stande 2). Jeden- falls darf man aber auch schon das Flächenwachsthum der nahezu entspannten Membran unter den obwaltenden Bedingungen (bei Constanz der Elasticität etc.) als einen nahezu sicheren Beweis für das Intussusceptionswachsthum ansehen. Denn um unter diesen Umständen mit einer minimalen Spannungsenergie ein \\'achsthum durch plastische Dehnung auszuführen, müsste schon ein ganz be- sonders verwickeltes Reactions- und Operationsvermögen des Organismus zu Hilfe gerufen werden. Ich kann indess an dieser Stelle nicht näher darlegen, dass die Sache nicht so einfach liegt, wie es sich NolT^] denkt, der gerne alles Wachs- thum auf Apposition zurückführen möchte. FlächeiiAvachsthum durch plastische Dehnung kommt aber, wie schon be- merkt, bei Oedogonium und vielleicht ziemlich häufig vor. Wenigstens lässt sich in gewissen Fällen auf ein solches Wachsen daraus schliessen, dass mit der Flächenvergrösserung die Dicke der Wandung oder einer bestimmten ^^'andschicht abnimmt'*). Ob aber in einem gegebenen Falle das Wachsthum und speciell das Flächen- wachsthum der Zellhaut durch Apposition unter Zuhilfenahme der plastischen Dehnung, oder durch Intussusception ausgeführt wird, ob ferner vielleicht beide Modalitäten combinirt oder vicariirend zur Verwendung kommen können, vermögen wir derzeit nicht zu entscheiden. Jedoch lässt sich mit einiger Sicherheit sagen, dass die Befähigung zu Apposition und Intussusception sowohl bei embryonalem Wachslhiun, als auch bei Streckungswachsthum voi'kommt. § 9. Fortsetzung. Wir haben hier nicht auf die (mikroskopisch) wahrnehmbare Wachsthums- gestaltung der Zellhaut einzugehen, mit deren formaler Kenntniss, so unerläss- lich diese ist, der Complex der zu (1 runde liegenden physiologischen Vorgänge l -1) R. Kolkwitz, Fünfstück's Beiträge z. wiss. Bot. 1897. I, p. 246.. 2) Strasburger 1898, 1. c. p. 586; Kny, Ber. d. bot. Ges. 1893, p. 377; Zimmer- Beitr. z. Morph, u. Physiol. 1893, p. 167, 198. ■i) Noll, Flora 1895, Egzgbd. p. 66. 4) Noll, Experimentelle Unters, ü. d. Wachsthum d. Zellhäute 1887, p. 132, Flora 1895, Egzgbd. p. 73; Strasburger, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 31, p. 586; sowie die in diesen Schriften citirten Arbeiten von Schmitz, Klebs etc. Das Absprengen von Cuticula (II, § 9) ist eine Folge des Flächenwachstliums in den inneren Wandschichten, lässt aber die Ursachen dieses Wachsens unbestimmt. 3* 36 Kap. II. Mechanik des Wachsens. nicht gekennzeichnet wird. Da aber nach den entwickehnigsgeschichtlichen Er- fahrungen der Protoplast sich eine Hautumkleidung theilweise durch eine directe Metamorphose von Plasmamasse, theilweise durch eine secretorische Thätigkeit schafft, so werden vermuthlich auch verschiedene Proceduren bei dem Wachs- thum, überhaupt bei der Veränderung der Zellhaut benutzt ^j. Bei der all- gemeinen Besprechung dieser Probleme (I, § 84) wurde auch schon betont, dass in der Zellhaut durch Vermittlung des lebendigen Protoplasten die verschiedensten A'eränderungen möglich sind, ohne dass man desshalb eine Durchsetzung der Wandung mit lebendigem Protoplasma annehmen muss^j. Desshalb ist es auch denkbar, dass z. B. bei dem Intussusceptionswachsthum die einzufügenden Cellu- losetheilchen in der Zellwand durch eine Zerspaltung von Proteinstoffen oder anderen Verbindungen oder durch Condensation von Kohlenhydraten entstehen, oder dass sie aus einer zugeführten Lösung zur Ausscheidung gebracht werden (vgl. Bd. I, p. 482). Zur Zeit ist indess in keinem Falle eine klare Einsicht gewonnen. Auch die Entstehung und Neubildung einer Gallerthülle um gewisse Conjugaten 3) etc. demonstrirt zunächst nur die Befähigung des Protoplasten, secernirte Substanz durch die Zellwand zu befördern und auf diese Weise an der Aussenfläche der vorhandenen AVandung, in einer gewissen Distanz vom Protoplasten, eine eben- falls aus einem Kohlenhydrat bestehende Wandschicht zu bilden. Sowie das Flächenwachsthum sind auch das Dickenwachsthum und alle Modificationen der AVandung der Erfolg des regulatorisch gelenkten Getiiebes, durch das ebenso die verschiedenen Zellen eines Gewebes eine differente Aus- bildung erfahren. Aus diesem correlativen Walten ergiebt sich ebenfalls, dass im allgemeinen erst nach dem Flächenwachsthum die zuweilen sehr ansehnliche A^'rdickung4) der Haut, oder die A'crholzung, oder A'crkorkung etc. ausgeführt werden (I, § 84). Es sind das Umwandlungen, die im Dienste des Organismus zur Erreichung bestimmter Ziele und Zwecke vollbracht werden, die aber nicht nöthig sind, um das AVachsthum zum Stillstand zu bringen. Denn das vermag die Pflanze auch in der wachsthumsiähigen Zelle zu bewirken (II, § 8), und zu- -1) Vgl. Bd. I, p. 482. In jüngster Zeit hat Strasburger (Jahrb. f. wiss. Bot 18'J8, Bd. 31, p. 573 weitere Belege für die verschiedene Entstehung von Wandungen geliefert. In dieser Arbeit ist auch die übrige Lit. citirt. Ueber Zelltheilung vgl. II, Kap. III. — Die Plasmolyse gelingt zumeist, jedoch nicht immer in embryonalen Zellen (vgl. Reinhardt, Festschrift für Schwendener 1899, p. 423; Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen •ISOS, p. 307). Schon desshalb, weil dieses Verhalten sich nicht in allen wachsenden, vereinzelt aber auch in ausgewachsenen Zellen findet, sind daraus keine bestimmten Schlüsse in Bezug auf das Wachsthum und auf die Entstehung von Zellhaut aus der Hautschicht zu ziehen. 2) Vgl. hierüber dieses Buch Bd. I, p. 484 u. die dort cit. Lit. Ferner Stras- burger, 1. c. p. 558. Ueber extracellulares Plasma vgl. Schutt, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899. Bd. 33, p. 594. Bot. Ztg. Ref. 1900, p, 245; 0. Müller, Ber, d. bot. Ges. 1899, p. 423; 1900, p. 492. 3! Klebs, Unters, a. d. bot. Institut z. Tübingen 1886, Bd. 12, p. 411 (vgl. dieses Buch I, p. 482). — Allgemeines über die moleculare Wachsthumsmechanik in II, § 7. 4) Vgl. Hofmeister, Pflanzenzelle 1869, p. 359; Klebs, Unters, a. d. bot. Inst, zu Tübingen 1888, Bd. 2. p. 517. AVeitere Angaben in den Arbeiten von Wortmann, Zacharias, Sokolovva. — Ueber Urmeristeme vgl. Newcombe, Botanical Gazette 1894, Bd. 19, p. 232. § 9. Wachsthumsmeclianik der Zellhaut. 37 dem sind vielfach Zellen und Gewebe nicht mehr zur Wachsthumsthäligkeit zu bringen, die keine Verdickung und keine sichtbare Aenderung der Wandung erfahren haben. In diesen Erwägungen darf man also aus dem Wachsthumsstillstand nicht schlechthin auf Wachsthumsunfähigkeit der Wandung schliessen. Ja selbst, wenn bis dahin für verholzte Membranen ein Flächenwachsthum nicht bekannt isti), so ist damit nicht ausgeschlossen, dass es Ausnahmen giebt oder dass durch eine entsprechende Metamorphose der Zellwand die Wachsthumsfähigkeit wieder gewonnen wird. Thatsächlich wird auch die Cuticula vielfach abgesprengt, weil sie nicht oder nicht genügend wachsthumsfähig ist, obgleich ihr diese Fähigkeit in anderen Fällen augenscheinlich zukommt 2). Auch sind zuweilen, wie in dem Collenchym des Grasknotens ^), sehr dicke Wandungen wachsthumsfähig, und zudem vermag die Pflanze durch Erweichung oder durch Weglüscn der Wandung oder von Wandschichten den mechanischen Widerstand einer Zellwand herab- zusetzen oder zu beseitigen. (Ueber Enzyme vgl. I, p. 508.) Die Eigenschaften der Haut sind immer nur ein Factor (vgl. 11, § 7 u. 8), der zudem durch den lebendigen Protoplasten geschaffen und durch diesen und in dessen Dienst modiflcirbar ist. Man wird desshalb niemals die allgemeinen und besonderen Wachsthumsvorgänge allein aus der Qualität und der Molecularstructur der Zellhaut ableiten können. Auch die Veränderungen der Haut werden durch den Protoplasten besorgt, der die Wachsthumsbefähigung allgemein oder locali- sirt modificiren kann. Uebrigens wird z. B. durch eine ansehnliche Einlagerung von Berlinerblau-*) oder von Kieselsäure 5) die Wachsthumsthätigkeit der Zell- wand noch nicht aufgehoben. Wenn das durch eine grössere Menge Congorothß) geschieht, so ist zunächst fraglich, ob dieser Erfolg durch die Adsorption des Farbstoffs in der Membran oder durch eine Wirkung auf den Protoplasten ver- ursacht wird. Mit Hilfe der Regulationen kann bei gleicher Wachsthumsfähigkeit der ge- sammten Membran eine beliebige Ausgestaltung der einzelnen Zelle erzielt werden. Als eine Folge der Selbstregulation überschreiten desshalb die wachsthums- thätigen Zellen von Spirogyra ebensowenig einen bestimmten Durchmesser, wie die Zellen eines Pilzfadens, einer Vaucheria etc., bei denen die Zellwandtheile ihr Wachsthum hinter der paraboloidischen Spitze einstellen '). Zugleich lehrt die 4) Schellenberg, Jahrb. f. wiss. Bot. 1896, Bd. 29, p. 255; Warburg, Ber. d. bot. Ges. 1893, p. 440; Th. Lange, Flora 1891, p. 393, 426; A. Nathansohn, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 683. 2) Nägeli, Stärkekörner 1858, p. 283; Schmitz, Bildung und Wachsthum der pflanzl. Zellhäute 1880, p. 8 (Sep. a. Sitzgsb. d. niederrhein. Gesellsch.); Strasburger, Bau u. Wachsthum d. Zellhäute 1882, p. 189; Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 31, p. 388; Neil, Exp. Unters, ü. Wachsthum d. Zellmembranen 1887, p. 133; Klebs, 1. c. p. ö62; Zacbarias, Jahrb. f. wiss. Bot. 1889, Bd. 20, p. 113; Flora 1891, p. 469 etc. — Ueber Cuticula I, § 21. 3) Pfeffer, Druck- U.Arbeitsleistungen 1893, p. 401. 4) NoU, 1. c. p. 132. 5) Kohl, Kalksalze u. Kieselsäure i. d. Pflanze 1889, p. 226. 6) Klebs. Unters, a. d. Botan. Institut z. Tübingen 1888, Bd. II, p. 513; Soko- towa, Wachsthum d. Wurzelhare u. Rhizoiden 1897, p. 67. — Die Ausseneinflüsse wirken der Regel nach durch eine Beeinflussung des Protoplasten. 7) Vgl. dieses Buch Bd. II, p. 6. — Ueber die Wanderungsbahn der Zellhauttheile im Scheitelpunkt vgl. Reinhardt, Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 23, p. 543. 38 Kap. II. Mechanik des Wachsens. Entstehung von Seitensprossungen bei Cladophora, Caulerpa etc. i), dass an be- stimmten Stellen dei- ausgewachsenen Wand wiederum Wachsthum hervorgerufen wird. Wie schon früher (I, § 9, 84) dargethan wurde, w^erden Bildung und Wachs- thum der Zellhaut zunächst durch das Cjtoplasma vollbracht, das zu dieser Function aber nur in Wechselwirkung mit dem Zellkern befähigt ist. Mag nun immerhin eine Wechselwirkung auf möglichst geringe Entfernung Vortheile gewähren, so ist doch der Zellkern durchaus nicht immer denjenigen Orten eenähert , an welchen ein besonders lebhaftes Hautwachsthum stattfindet, und thatsächlich genügt die Verbindung durch einen sehr dünnen Plasmafaden, um die nöthige Wechselwirkung mit dem Kerne herzustellen 2). Es muss desshalb dahingestellt bleiben, ob die allerdings häufige Annäherung des Kernes an die wachsthumsthätigen Stellen, wie es Haberlandt-^j annimmt, speciell auf die Be- günstigung des Hautwachsthums berechnet ist , oder eine andere Bedeutung hat. Denn es ist bis dahin nicht entschieden, ob diese Lagerung, sowie auch die Plasmaansammlung, welche sich häufig in der fortwachsenden Spitze von Haaren, Pilzfäden, Pollenschläuchen findet^}, nur die Folgen der realisirten Wachsthums- thätigkeit oder doch der dieser zu Grunde liegenden Gesammtthätigkeit sind. Die obigen Erörterungen gelten im Princip für eine jede Zelle im Gewebe- verband, in dem allerdings die wechselseitigen Beeinflussungen zu berücksichtigen sind, von welchen wir hier nur die rein mechanischen Wirkungen in Betracht ziehen (vgl. ausserdem II, §§ 35 — 38). Diese konniien selbstregulatorisch da- durch zu Stande, dass die schneller wachsenden Zellen und Gewebe durch die mit ihnen verketteten Gewebe gehemmt werden und gegen diese demgeniäss, ebenso wie gegen einen Gipsverband oder eine beliebige Widerlage, dadurch wirken, dass sie durch das fortdauernde Wachsthum der ^^'andung die Turgor- spannung der Zellhaut vermindern und die so disponibel werdende Turgorenergie gegen die AViderlage lenken (II, p. 35 u. § 35). Dadurch werden also die hemmenden Gewebe in Zugspannung (negative Spannung), die activen Geweihe in Druckspannung (positive Spannung) versetzt (II, Kap. V), und bei genügendem AV'iderstand an der Ausführung des angestrebten Wachsthums gehindert ^j. So- fern diese Thätigkeit aber ausgeführt wird, wachsen natürlich die mit einander 4) Nägeli, Zeitschr. f. wiss. Rot. von Schieiden u. Nägeli 1846, Heft 3—4, p. 82; Noll, 1. c. -tSS?, p. 121; Klebs, 1. c. p. Ü63; Zacharias, Flora 1891, p. 469, 482. — In diesen Schriften ist auch die Durchbrechung der Cuticula behandelt. 2) Townsend, Jahrb. f. wiss. Bot. 1897, Bd. 30, p. 484; Pfeffer, Sitzungsb. d. Sachs. Ges. d. Wiss. 1896, p. 509. Vgl. Bd. I, p. 44, 482, 393. 3) Haberlandt, Function u. Lage d. Zellkerns 1887, p. 99 , Sokolowa, Wachs- thum der Wurzelhaare u. Rhizoiden 1897, p. 93. — In den nur an der Spitze wachsen- den Wurzelhaaren von Trianea bogotensis liegt der Zellkern z. B. stets in dem einge- senkten Basalthejl des Haares, vgl. Bd. L P- 50 [H. Miehe, Flora 1901, p. 103]. 4) Berthold, Protoplasmamechanik 1886, p. 267; Klebs, 1. c. p. 308; Reinhardt, Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 23, p. 498. Bei Sokolowa (1. c. p. 87) ist namenthch auch die Richtung der Plasmaströmung beachtet. — Diese Ansammlungen, die bei tro- pistischen Krümmungen nur secundär auftreten (II, Kap. XIII), finden sich keineswegs bei allen schnellen Wachsthumsvorgängen. Ueber Plasmabewegungen vgl. II, Kap. Plasma- strömung. 3) Vgl. II, Kap. V und § 33. Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893, p. 380, 426. Ueber Verkürzung der Wachsthumszone im Gipsverband vgl. II, p. 13. Ueber Aufnahme d. Wachsens nach der Beseitigung der Widerlage, Pfeffer, 1. c. p. 351 u. II, Kap. V. §10. Wachsthum der Stärkekörner. 39 verketteten Gewebe gleich schnell, obgleich unter Umständen die Wandungen der positiv gespannten Gewebe fast gar nicht, die der negativ gespannten aber im hohen Maasse mechanisch gedehnt (gespannt) sind (II, p. 35). Durch die oft sehr hohe Aussenleistung (II, § 35) kann, so gut wie die Zersprengung eines Gipsverbandes, die Zerreissung von Geweben, also eine Dehnung über die Elasticitätsgrenze erzielt werden. In der That kommt solches in dem normalen Gang der Entwickelung hcäufig vor, hängt aber immer von der Wachsthumsthätigkeit der activen Gewebe ab und unterbleibt demgemäss eben- falls mit der Entziehung des Sauerstoffs (II, p. 32). Diese Zerreissung trifft bei der Zersprengung der Rinde, ebenso bei dem Hei'Yorbrechen endogen entstandener Organe nicht nur todte, sondern auch lebendige Zellen. Dasselbe ist der Fall bei dem Hohlwerden des Stengels etc. der Umbelliferen, Gramineen u. s. w., bei welchen durch das tangentiale Wachs- thum die Zerreissung des Marks bewirkt wird^), diese Zerreissung unterbleibt also, wenn die Vei'grösserung des Durchmessers durch einen Gipsverband un- möglich gemacht ist 2). Ferner sei erinnert an die nicht seltene Zerreissung der Spiraltracheiden (Primanen) während des Längenwachsthums des Stengels etc. Diese Zerreissung tritt oft erst ein, nachdem zuvor die Wandung eine gewisse Zeit selbstthätig und dann, nach dem Absterben der Zelle, durch passive Dehnung verlängert worden war 3). Ein solches Verhältniss kommt übrigens häufiger vor und wahrscheinlich wird öfters (z. B. im Collenchjiu II, Kap. IV imd V) durch die von aussen wirkende Zugspannung eine plastische Dehnung in den Wan- dungen lebender Gewebe erzielt. Alles dieses gilt ebenso für den Fall, dass in der einzelnen Zelle die Membranschichlen ungleich wachsen und dadurch in Spannung gerathen. Auch wurde schon auf die Zersprengung und das Ab- blättern der Cuticula bei dem Wachsthum (ebenso bei der Entstehung von Seiten- sprossungen) hingewiesen (11, p. 37). Diese und andere Erfahrungen sprechen aber keineswegs dagegen, dass die von den Protoplasten ausgehenden, das (plastische oder active) Wachsthum ver- mittelnden Wirkungen nicht bis in die äusseren Membranschichten oder auch bis in die anstossende Wandung einer todten Zelle reichen. Letzteres mag in der That u. a. bei der Streckung der schon abgestorbenen Spiraltracheiden vor- kommen (vgl. Nathan söhn, 1. c.) und ist sehr wohl zu verstehen, da einmal durch Enzyme auf todte Wandungen gewirkt wird und da zudem nicht ein- zusehen ist, warum der Einfluss, der sich doch bis in die äussersten Wand- schichten und bis zur Mittellamelle erstreckt, nicht auch bis in die continuirlich anschliessende Membran der Nachbarzelle reichen soll. • § 10. Wachsthum der Stärkekörner. Die Stärkekörner, diese durch Vermittlung eines Chromatophors entstehenden und wachsenden Gebilde (I, § 53, 55), vermögen bekanntlich als quellungsfähige 1) Vgb de Bary, Anatomie 1877, p. 209, 548; Harting, Linnaea 1847, Bd. 19, p. 353. 2) F. Newcombe, Annais of Bot. 1894, Bd. 8, p. 403; Bot. Gazette 1894, Bd. 19. p. 149. 3) A. Nathansohn, .Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 671. Die ältere Lit. ist hier citirt. 40 Kap. II. Mechanik des Wachsens. Körper gelüste Substanzen aufzunehmen und einzulagern. Demgemäss ist zwar Intussusception möglich, jedoch ist nach den Untersuchungen von A. Schimperi) und A. Meyer 2] anzunehmen, dass die Stärkekörner im allgemeinen durch Apposition wachsen. Ob ausserdem eine Vergrösserung durch Intussusceptions- wachsthum vorkommt , muss dahin gestellt bleiben , denn durch die von Nägeli^j angeführten Argumente wird ein solches Wachsthum nicht sicher er- wiesen. Nach A. Meyer^) wächst das Stärkekorn im wesentlichen wie ein Sphäro- krystall, und mit einem solchen darf man in der That, wie früher (I, p. 68) hervorgehoben wurde, das Stärkekorn vergleichen, gleichviel ob man die kry- stallinischen und anisotropen Bausteinchen als Micellen oder als Kryställchen (Trichiten) bezeichnen will. Während dieses appositioneilen Wachsens bilden sich der Hauptsache nach die bekannten Schichtungen und Structurverhältnisse aus, die aber fernerhin durch lösende und andere Wirkungen im hinern der Substanz in gewissen Grenzen modificirt werden können. Jedenfalls ist zuzu- geben, dass mannigfache Umwandlungen ebenso gut im Stärkekorn wie in der Zellwand möglich sind. Mit Rücksicht auf die mögliche Mannigfaltigkeit mag es auch dahin gestellt bleiben ob, wie es A. Meyer annimmt, die wasserreichen Schichten im Innern nur durch Auslaugen oder auch auf andere Weise ent- stehen und in wie weit etwa nachträglich dichtere Schichten gebildet und dif- ferencirt werden. Diese und andere allmähliche Umwandlungen sind damit vereinbar, dass die Stärke (ebenso die Reservecellulose] zum Zwecke des Mobili- sirens partiell oder total gelöst wird, dass demgemäss jederzeit ein Lösen oder Wiederbilden der Stärke veranlasst werden kann^). Bei einem solchen Lösen ist neben dem Abschmelzen auch ein Auslaugen zu erkennen, das bei der Dar- stellung der bekannten Stärkeskelette in ausgedehnter Weise stattfindet. Uebrigens ist auch bei typischen Sphärokrystallen nicht selten ein eigenthümliches Fort- schreiten des Auflösens zu beobachten ß). Ferner wird durch den Wechsel der Bedingungen w^ährend des Wachsthums eines Sphärokrystalles bewirkt, dass sich in diesem eine concentrische Schichtung ausbildet"). Das AVachsen und Gestalten des Stärkekorns hängt immer von verschiedenen Factoren ab, unter denen die besondere Thätigkeit des Ghromatophors, die Lage des Stärkekorns in diesem und alle die Umstände eine Rolle spielen, die diese ^] A. Schimper, Bot. Zeitung -1881, p. 185. 2) A. Meyer, Unters, über d. Stärkekörner 1895. 3) Nägeli, Die Stärkekörner 1858, p. 213. Vgl. 11, p. 33. In der I. Aufl. dieses Buches (Bd. 11, § u), sowie bei A. Meyer (1. c. p. 138) ist der von Nägeli verfolgte Ge- dankengang zu finden. Vgl. auch Nägeli, Bot. Zeitung 1881, p. 633. 4) Vgl. übrigens Bütschli, Unters, über Structuren 1898, p. 300. 3) Ueber Lösung und Wiederbildung, sowie über die regulatorische Lenkung dieser Processe vgl. Bd. 1, p. 294, 307, 472, 508, 513, 519. Ueber Art und Weise der Lösung u. s. w. A. Meyer, I. c. p. 228. — Salter, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 164. 6) A. Hansen, Arbeit d. Botan. Instituts in Würzburg 1884, Bd. 3, p. 110. 7) A. Meyer, 1. c. p. 100; Bot. Ztg. 1896, p. 328: 0. Lehmann, Molecularphysik 1888, Bd. I, p. 354. — Ueber die sog. künsthchen Stärkekörner vgl. Bütschli, Ueber die Herstellung von künstl. Stärkekörnern 1896, Unters, über Structuren 189S. p. 239; A. Bodevvald u. A. Kattein, Ztsch. f. physikal. Chem. 19u0, Bd. 33, p. 579. § 10. Wachsthum der Stärkekörner. 41 und andere Verhältnisse in irgend einer Weise beeinflussen (Meyer, 1. c. p. 'I72i'f.). Desshalb fallen schon die Stärkekürner in derselben Zelle nicht ganz gleichartig aus und können in ungleichwerthigen Zellen derselben Pflanze eine sehr verschiedene Form annehmen, wie ^mtmr/'\ das z. B. in den Milchzellen einer Euphorbia im Ver- gleich zu anderen Zellen derselben Pflanze der Fall ist. Allgemein wachsen aber die Stärkekürner nur soweit, ^) ^ ^ als sie in dem stärkebildenden Organe, dem Chromato- phor eingeschlossen sind. Da wo dieses einseitig an- ^%- 1*?- Aus dem stengei von r ^ o Pelnonia Daveauana. Das ent- sitzt , ptlest demsemäss ein einseitig gefördertes stehende stäikekom ist dem \ ^ ^ , ^ . . -i^,-, Chlorophyllkorn eingebettet, das Wachsen und damit eme excentrische Schichtung zu feineriiin an dem excentiisct „. , , Hill -1, TITA wachsenden Stärtekorn eine Stande zu kommen i). Aber nicht nur durch die Aus- ^ KappenscMcht bildet. dehnung und die Verschiebung der Masse des Ghro- matophors wirkt das sich vergrössernde Stärkekorn wiederum regulirend, denn so gut wie bei einem Krystall muss auch das Bestehende seinen Einfluss auf die Gestaltung des ferneren Zuwachses ausüben. Dass und warum die von Nägeli angeführten Argumente das Wachsthum dm'ch Intussusception nicht unbedingt fordern und theilweise von unzutreffenden Thatsachen ausgehen, ist bei A. Meyer (1. c. p. 138, 154) nachzusehen. Die Beobachtungen dieses und anderer Forscher schliessen indess eine gewisse Intus- susception nicht aus, die sogar bei einem typischen Sphärokrystall und auch dann möglich ist, wenn durch die Einlagerung eine erhebliche Volumvergrösserung des Ganzen nicht bewirkt wii-d. Da nach Schiniper und A. Meyer (1. c. p. 187) die com- ponirten Körner nur durch die Vereinigung, also nicht durch eine innere DifTe- rencirung und Fortbildung entstehen, wie es Nägeli annahm, so ist allen Dis- cussionen Nägeli 's, die eiire solche innere Ausbildung voraussetzen, der Boden geraubt. Nach A. Meyer (1. c. p. 147 ff.) sollen im Innern des Stärkekornes nachträglich nur substanzärmere und wasserreichere Schichten entstehen, während Schimper (1. c.) auch die Differencirung von wasserärmeren Schichten annimmt. Aus solchen und anderen Differencirungen, auch wenn sie mit Intussusception ver- knüpft sein sollten, folgt aber noch nicht, dass, wie Nägeli glaubt, die Volum- vergrösserung des Stärkekornes durch ein Intussusceptionswachsthum bewirkt wird. Das würde mit Rücksicht auf die nachträglichen Aenderungen auch dann nicht ohne weiteres erwiesen sein, wenn die äusserste Schicht des wachsenden Stärke- korns stets aus dichterer Substanz besteht. Diese Voraussetzung Nägeli 's ist indess in Wirklichkeit nicht zutreffend (Meyer, I. c. p. 155, 245). Interne Span- nungen und damit alle Vorgänge, die diese Spannungen zur Voraussetzung haben, können auch bei dem Appositionswachsthum durch nachträgliche innere Verände- rungen und Umlagerungen erzeugt werden. Aus der supponirten Molecularstructur, die selbst nur eine hypothetische Abstraction ist, kann natürlich kein Beweis für die Art des Wachsens abgeleitet werden. Dass aber die Auseinandersetzungen Nägeli 's über das vermeintliche Intussusceptionswachsthum der Stärkekörner von hoher Bedeutung sind, wurde schon II, p. 3 3 hervorgehoben. Bei der Bildung und dem \\'achsthum der Stärkekörner ist indess, wie schon in § 7 ausgesprochen wurde, die vitale Thätigkeit unmittelbarer betheiligt, als etwa bei dem Auskrystallisiren von Proteinstoffen oder von Calciumoxalat. Gelingt 1) A. Meyer, I.e. p. 167; Rothert, Berictit d. botan. Gesellschaft 1897, p. 230; S alter, 1. c. Vgl. auch dieses Buch Bd. I, p. 294, 472. 42 Kap. III. Wachsthum und Zellvermehrung. es aber z. B. aufzulclären , warum die Krystalle von Calciumoxalat u. s. w. in einer Zelle eine bestimmte Gestaltung annehmen (I, § 86), so ist damit eine Handhabe gewonnen, um umgekehrt auf die Verhältnisse und Bedingungen zu schliessen. die während des Bildungsprocesses in der Zelle bestanden. Dabei ist zu beachten, dass ohne eine Veranlassung zur Ausscheidung sich eine über- sättigte Lösung erhält (II, § 7). Sofei-n aber durch die Berührung mit einer geeigneten festen Substanz das Auskrystallisiren erfolgt, geht dieses von dem Con- tactpunkte aus und es erscheint desshalb möglich, dass ein Tröpfchen einer über- sättigten Lösung in centripetaler Richtung zu einem Sphäi-okrystall wird i), der fernerhin durch Apposition weiterwächst (A. Mever, 1. c. p. 192). Uebrigens treten häufig Tröpfchen auf, die für sich oder unter Zusammenfliessen zu Kryställ- chen werden 2). Kapitel III. Wachsthum und Zellvermehrung. § 11. Allgemeines. Die ansehnlichen einzelligen Pflanzen (Vaucheria, Caulerpa, Mucor etc. vgl. I, § '1 0) lehren, dass die Zelltheilung keine generelle Bedingung für das Fort- schreiten des Wachsens ist. Das Wachsthum ist aber unerlässlich, um den Raum für den weiteren Ausbau, somit auch für die Zelltheilung zu schaffen. Das Unterbleiben dieser letzteren würde also in Folge der wechselseitigen Ver- kettung aller Functionen (II, § 7) einen Stillstand des Wachsthums in den- jenigen Pflanzen zur Folge haben, die bei ihrem Aufbau auf Zelltheilungen an- gewiesen sind. Diesen Beziehungen entsprechend unterbleibt bei der Hemmung des Wachs- thums auch die Zelltheilung. Diese tritt aber da, wo sie üblich ist, immer wieder ein, nachdem die Zelle auf eine gewisse Grösse herangewachsen ist, also nachdem Hand in Hand mit dieser Vergrüsserung in selbstregulatorischer Weise die Bedingungen für die Einleitung und die Ausführung der Zelltheilung ge- schaffen sind. Dieses Ziel wird bei einer specifisch verschiedenen »Thei- lungsgrüsse« der Zelle erreicht. Denn die Zellen eines Bacteriums theilen sich bei einer winzigen Grösse, auf welche die Zellen der meisten übrigen Pflanzen nicht herabzugehen vermögen. Auch dann, wenn man das angestrebte Wachsthum durch mechanischen Widerstand unmöglich macht, bewahren z. B. die Zellen (ebenso Zellkern, Chromatophoren) der Vegetationspuncte und des Cambiums der Blülhenptlanzen annährend die übliche Grösse 3) ^ die sie auch ■I) Hansen, 1. c. p. -120; Meyer, 1. c. p. 151. Vgl. übrigens Bütschli. Unters, über Structuren 1898, p. 204, 300 etc. 2) Vgl. Ostwald, Lehrb. d. allgem. Chemie II. Aufl. 1891, Bd. 1, p. 1041; Bütschli, 1. c. 3) Newcombe, Botanical Gazette 1894, Bd. 19, p. 2:^2; Pfeffer, Druck- u. Arbeits- leistungen 1893, p. 358, 385; Krabbe, Wachsthum des Verdickungsringes i884, p. 359. §11. Allgemeines. 43 während des Wachsthums, in Folge der sich einstellenden Theilung, nur wenig überschreiten. Analog verhalten sich z. B. die embryonalen Zellen einer Spirogyra, die Scheitelzelle von Sphacelaria, Callithamnion, die erheblich grösser sind, als die Zellen des Urmeristems der Blüthenpflanzen. Während sich die Grösse der embryonalen Zellen im allgemeinen in ziemlich engen Grenzen bewegt, ist dieses nicht mehr der Fall, wenn die Zellen verschiedenen Zielen und Zwecken dienstbar gemacht und dieserhalb in ihren Eigenschaften modificirt werden. Als eine Folge hiervon wird zur Bildung der Sporangien und Sporen bei Mucor, Saprolegnia etc., ebenso z. B. in dem somatischen Segmente von Sphacelaria *) die Theilungsgrösse herabgedrückt. Sehr gewöhnlich werden aber bei der Gewebedifferencirung der Somatophyten die Zellen gegenüber dem Urmeristem vergrössert, indem bei der Ausgestaltung und dem Streckungswachsthum die Zelltheilungen spärlicher auftreten oder auch ganz sistirt werden (II, § 2 u. 3). In den Milchzellen von Euphorbia wird sogar die Stimmung dahin modificirt, dass, analog wie in Vaucheria, Mucor etc. keine Zelltheilung stattfindet, obgleich das Wachsthum fortschreitet und die Plasma- masse sowie die Zellkerne vermehrt werden. Dieses wird ebenso in Vaucheria, Mucor durch das entsprechende selbstregulatorische Walten erreicht. Denn dass auch diese Or^ganismen zu Zelltheilungen befähigt sind, das lehrt die schon er- wähnte Bildung von Sporangien und Sporen und ebenso die Thatsache , dass Mucor 2) unter bestimmten Bedingungen in Hefeform wächst und nun eine ge- ringe Theilungsgrösse einhält. In dem zuletzt genannten Falle ist also die Verschiebung der Theilungs- thätigkeit durch die äusseren Bedingungen veranlasst, die aber immer nur da- durch physiologische Erfolge erzielen, dass sie die Eigenthätigkeit, oder was dasselbe sagt, das selbstregulatorische Walten, in andere Bahnen lenken (II, § \ u. 20). Eine solche Wirkung liegt ebenfalls vor, wenn in Saprolegnia, Vaucheria durch die Aussenbedingungen die Bildung von Sporangien und damit die Zell- theilung veranlasst oder verhindert wird. Ueberhaupt ergiebt sich aus zahl- reichen Erfahrungen (bei Etiolement, Reizkrümmungen u. s. w.), dass die äusseren Verhältnisse nicht nur die Gestaltung der Pflanze, sondern auch die Grösse der Zellen beeinflussen. Diese Beeintlussung betrifft nicht nur die somatischen, son- dern auch die embryonalen Zellen, wie z. B. die je nach den Culturbedingungen ver- änderliche Gi-össe eines Bacteriums und der Zelle einer Spirogyra'') lehren. Auch werden wir noch erfahren, dass durcli die äusseren Bedingungen die Zelltheilung, bei Fortdauer der Kerntheilung, selbst da eliminirt werden kann, wo beide Pro- cesse normal zusammenfallen. Alle diese Beziehungen rechtfertigen die Auf- fassung, die wir an anderer Stelle (I, § 10) im Bezug auf den Zusammenhang von einkernigen und vielkernigen, resp. einzelligen und vielzelligen Pflanzen vertraten. \) Abbildungen in Jahrb. f. wiss. Bot. -1865— G6, Bd. 4, Taf. 34. 2) Klebs, Bedingungen d. Fortpflanzung bei Algen u. Pilzen 1896, p. 524. Die ältere Lit. ist hier citirt. Vgl. II, § 32. — Bei Vaucheria kann man durch Trennung der Protoplasten in Theilstücke eine Vielzellbildung verursachen. 3) W. Migula, Ueber d. Einfluss stark verdünnter Säurelösung auf Algenzellen 1888, p. 17. Vgl. auch Klebs, Arbeit d. Bot. Instituts in Tübingen 1888, Bd. 2, p. 337. 44 Kap. III. Wachsthum und Zellvermehrung. Die einzelligen Pflanzen lehren, dass Zellen (mit einem embryonalen Proto- plasten) bei einem grössten Durchmesser zwischen ca. 0,001 mm [Bacterienj und 300 mm fCaulerpa) existenzfähig sind. Somit ist es als eine specifische, aber durchaus zweckentsprechende Anpassung anzusehen, dass bei der Mehrzahl der Pflanzen die embryonalen und auch die übrigen Zellen zumeist eine geringe Grösse erreichen. Die isodiametrischen Zellen des Urmeristems haben gewöhnlich einen Durchmesser von 0,003 — 0,02 4 mm und diese Dimensionen werden in den Cambiumzellen nur in Bezug auf die Längsachse übertroffen i). In den Dauergeweben bewegt sich der Durchmesser zumeist zwischen 0,02 und 0,09 mm, während aUerdings gewisse Zellen (Bastfasern, Milchzellen) eine sehr ansehnliche Länge erreichen. Dass die geringe Grösse der Bausteine mit Rücksicht auf die höhere Organisation und Arbeitstheilung, auf die ganze Architektonik, auf die mechanischen Aufgaben etc. von hoher Bedeutung ist , wurde schon an anderer Stelle ange- deutet (I, § 6, 1 0 ; II, Kap. lY). Auch ist es ganz zweckentsprechend, dass zu dem Aufbau der grossen und kleinen Organe einer Pflanze Zellen von ähn- licher Dimension verwandt werden. Man kann sich übrigens leicht ausmalen, dass bei einer Vergrösserung aller Zellen um das 100- oder 10 00 fache ein Baum oder eine Krautpflanze nicht, oder doch nur bei weitgehender Veränderung der Organisation existenzfähig sein würde (vgl. Sachs, 1. c). Andererseits kann die Grösse eines Protoplasten nicht unter ein gewisses Maass sinken, wenn man auch dahin gestellt lassen muss, ob die theoretisch mögliche Minimalgrösse (vgl. I, § 7) normal vorkommt. Um die Zelle einer höheren Pflanze auf die winzige Grösse eines Bacteriums zu bringen, müsste natürlich auch der Zellkern eine entsprechende Reduction erlahren. Mit der immerhin ei'heblichen, aber doch geringeren Schwankung der Kerngrösse^) liängt es zusammen , dass der Kern in den kleineren embryonalen Zellen einen vcr- hältnissmässig ansehnlichen Raum beansprucht-^). § 12. Beziehungen zwischen Kern- und Zelltheilung. Solange uns nicht eine tiefere physiologische Einsicht in diese Processe zur Ver- fügung steht (vgl. I, Kap. II; II, § 39), können wir nicht ein causales Verständniss der verschiedenen Vorgänge erwarten, durch welche die Wachsthumsthätigkeit und 4) Sachs, Flora 1S93, p. 49; E. Amelung ebenda, p. 176; Strasburger. Histo- logische Beiträge 1893, Heft 5, p. 117. — Ein grosser Lindenbaum ist nach Nägeli (Theorie d. Abstammungslehre 1884; aus ca. 2000 BilUonen Zellen zusammengesetzt. Ueber das Volumen der Bacterien vgl. I, § 5. 2) lieber Grösse und Grössenänderung des Zellkernes siehe Fr. Schwarz, Cohn's Beiträge 1892, Bd. 5, p. 80; Zacharias, Flora 189Ö, Ergänzungsband, p. 217; Stras- burger 1893, 1. c, p. 117. Vgl. auch Bd. I, § 9. 3) Diese Gestaltungen sind die Folgen einer bestimmten Determination und demgemäss sind auch die damit verknüpfte Vergrösserung der Vacuolen sowie die Reduction des Plas- mas auf eine Wandschicht nicht die primären Ursachen des Unterbleibens der Theilung. •ledoch ergiebt sich aus der betonten wechselseitigen Verkettung von selbst, dass die Plasmamasse auch einen Factor abgiebt oder abgeben kann und dass somit eine ein- seitige Anhäufung der Cystoplasmamasse oder des Zellkernes resp. der Zellkerne unter Umständen die nächste Veranlassung zu einer inäqualen Theilung geben kann. Vgl. hierzu 0. Hertwig, Zelle u. Gewebe 1895, p. 180; Driesch, Ergebn. d. Anatom, u. Entwickelungsgesch. von Merkel u. Bonnet 1898, Bd. 8, p. 749, ferner Mottier, Annais of Bot. 1899, Bd. 13, p. 358, der die einseitige Anhäufung durch Centrifugalkraft erzielte. Vgl. dieses Buch II, Kap. XV. § 12. Beziehungen zwischen Kern- und Zelltheilung. 45 in Verbindung mit dieser die Zell- und Kerntheilung u. s. w. dirigirt und voll- bracht werden. Wir müssen uns desshalb mit dem Hinweis auf einige allgemeine Beziehungen und Verhältnisse begnügen, da es nicht unsere Aufgabe sein kann, den Erfolg des Schaffens und ^^'altens zu schildern, der in den sichtbaren Be- wegungen und Gestaltungen zum Ausdruck kommt i). Aus den controlirbaren Erfolgen, sowie aus dem schon in § 1 1 Mitgetheil- ten ergeben sich ohne weiteres die allgemeinen Beziehungen zwischen Zell- und Kerntheilung. Beide stehen insofern in einem ähnlichen Verhältniss wie ^^'achsthum und Theilung, als sie sich ebenfalls in inniger Verkettung, aber auch zeitlich und räumlich getrennt abwickeln können. Diese Separation, die wir z. B. bei Cladophora 2) treffen, wird in gewissen Pflanzen, in denen beide Pro- cesse normalerweise zusammenfallen, durch äussere Einflüsse oder auch in be- stimmten Zellen (so in Milchzellen II, p. 43) durch das selbstregulatorische Walten herbeigeführt. Diese Beziehungen sind vollständig verständlich, sobald man beachtet, dass, wie in Bd. I, § 9 allgemein betont wurde, die Gesammtthätigkeit des Proto- plasten, dieses Elementarorganismus, sich aus dem Zusammenwirken der Organe und der Partialfunctionen ergiebt, die zwar in letzter Instanz von einander ab- hängig sind, die sich aber in gewissen Grenzen selbstthätig und vmabhängig vollziehen können und demgemäss im Dienste des Organismus eine verschiedene Verwendung und Combination gestatten. So ist es auch zu verstehen, dass die Theilung des Kerns in gewissen Fällen selbstthätig, in anderen Fällen aber anscheinend unter mechanischer Mithilfe des Cytoplasmas ausgeführt wird 3), wodurch aber nicht ausgeschlossen ist, dass derselbe Kern befähigt ist, unter Umständen eine selbstthätige Theilung zu vollbringen. Da nun bei Cladophora etc., jedoch z. B. auch bei Spirogyra die eigentliche Theilung (Trennung) des Protoplasten in dem Cytoplasma ausgeführt wird, so wird vermuthlich zunächst dem Cytoplasma die Arbeit des Theilens auch in denjenigen Fällen zufallen, in welchen die Zelltheilung zwischen den sich theilen- den Kernen (im Phragmoplast) vor sich geht. Diese Theilung vollzieht sich bei den Gymnoplasten ohne Bildung einer Membran (oder Zellplatte ^), deren Formation also wiederum eine Partialfunction vorstellt, die bei dem Dermatoplasten, also bei der Älehrzahl der Pflanzen in Verbindung mit der Theilung des Protoplasten oder in unmittelbarem Anschluss an diese vollbracht wird. Uebrigens lässt sich durch künstliche Zertheilung des Protoplasten von Vaucheria und anderen Pflanzen bewirken, dass nunmehr sowohl an der freien Aussenfläche , als auch an der 1) Näheres bei: Zimmermann, Morphol. u. Physiol. des pflanzhchen Zell- kerns 1896; 0. Hertwig, Zellen u. Gewebe 1893; Y. Delage, La structure d. proto- plasma et l'hereditö 1895. Ferner Strasburger, Jahrb. f. wiss. Bot. 1897, Bd. 30, p. 155 u. 1898, Bd. 31, p. 511. Histologische Beiträge 1900, Heft 6 u. in der an diesen Stellen citirten Lit. — Ueber Zellhautbildung vgl. auch dieses Buch II, §11. Aus II, Kap. XV ist ebenfalls zu ersehen, dass keine der Speculationen über die Theilungs- mechanik u. die anschliessenden Fragen real begründet ist. 2, Vgl. z.B. Strasburger, Histol. Beiträge 1893, Heft 5, p. 108. 3; Vgl. R. Hertwig, Abhdlg. d. Münchner Akad. 1898, Bd. 19, p. 698. 4) In Bezug auf animalische Zellen vgl. ausser den genannten Schriften R. W. Hoffmann, Bot. Ztg. 1898, Ref. p. 214. 46 Kap. III. Wachsthum und Zellvermehrung. Contactfläche zweier Theilstücke Zellhaut forniirt wird^). Da aber die Neu- bildung der Zellhaut um einen Protoplasten nicht immer in derselben Weise ausgeführt wird (II, § 11), so ist es möglich, dass auch die bei der Zelltheilung einzuschaltende Scheidewand in verschiedener Weise formirt wird. Durch äussere Einflüsse wird es ohne Frage noch vielfach gelingen, das Zusammenfallen der oben genannten Functionen aufzuheben. So wird nach Demo er 2) durch weitgehende Entziehung des Sauerstoffs, durch niedere Tempe- ratur, durch Chloroform, Ammoniak bewirkt, dass die Zelltheilung und die Bildung der Zellplatte unterbleiben, während die Kerntbeilung ausgeführt wird. Ein ähnliclier Erfolg wurde bei niedriger Tempei'atur von de Wildem an n-^*] bei Desmidiaceen, von Gerassimoff'') bei Spirogjra, von Kleb ahn ^) in dem durch einen Pilz (Lagenidium) befallenen Faden eines Oedogoniums beobachtet, Ueberraschen kann es auch nicht, dass in den Versuchen Gerassimoff's in der abgekühlten Spirogjra wohl eine Zelltheilung, aber keine Kerntbeilung eintrat. Vermögen wir auch nicht den Complex der physiologischen Factoren zu präcisiren, durch welchen die Theilungshewegungen im Protoplasten und in seinen Organen veranlasst und ausgeführt werden, so ist doch soviel gewiss, dass diese Theiluugen nicht wie bei der Einschnürung und Zerfällung eines freien Flüssig- keitsfadens, die einfache und nothwendige Folge der physikalischen Ohertlächen- spannung sind^). Denn zur Formation und Spaltung der trennenden Hautschicht, zur Erzielung der Theilungsbewegungen im Protoplasten, Zellkern etc. bedarf es offenbar physiologischer Directionen und Operationen. Zudem gehen diese Theilungen auch in kugehgen Zellen und Zellkernen vor sich, unterbleiben aber in den dünnsten und längsten Zellen (Milchzellen, Vauchcria etc.), da unter den obwaltenden Umständen (vollständige Erfüllung des Raumes und Anpressung des Protoplasten an die Wandung durch den Turgordruck) die Bedingungen für den besagten physikalischen Zerfall gar nicht geboten sind, der aber natur- gemäss nach der Abhebvmg des Protoplasten durch Plasmolyse mehr und minder zur Geltung kommt. 1) Vgl. Bd. 1, p. 482; Townsend, Jahrb. f. wiss. Bot. 1897, Bd. 30, p. 484. 2) J. Demoor, L'etude d. 1. physiol. d. I. cellule 1894, p. 3U (Sep. a. Archiv d. Biologie Bd. 13). Die Versuche von Demoor, nach denen der Kern sich ganz selbstän- dig, auch noch nach dem Tode des Cytoplasmas und ohne Sauerstoff theilen soll, sind nicht einwandsfrei. Jedoch sind die Versuche von Samassa (Ueber d. Einwirkung von Gasen auf d. Plasmaströmung etc. 1898, p. 6) für die Entscheidung der hier obwaltenden Fragen nicht ausreichend. 3) De Wildemann, cit. bei Demoor, 1. c. p. 82. 4) Gerassimoff, Ueber kernlose Zellen der Conjugaten 1892 (Sep. a. Bullet, d. 1. soc. d. Natural, d. Moscou); Ueber ein Verfahren kernlose Zellen zu erhalten 1896 ibid. 5) Klebahn, Jahrb. f. wiss. Bot. 189-2, p. 24, p. 263. — Einige weitere Angaben bei Hertwig, 1. c, Zimmermann, 1. c. 6) Vgl. Berthold, Protoplasmamechanik 1886, p. 87. — Auch bei den lang- gestreckten Chlorophyllbändern von Spirogyra tritt keine Zerfällung ein. Vgl. Bertbold, 1. c. p. 170. — Es ist auch noch unbekannt, aus welchen Gründen in einem Plasmo- dmm von Myxomyceten, mit der Hemmung der amöboiden Bewegung durch Einbetten in Gelatine, sich Separationen vollziehen, die an die Vielzellbildung in dem Sporangium von Saprolegnia erinnern. Vgl. Pfeffer, Zur Kenntniss d. Plasmaliaut u. d. Vacuolen 1890, p. 277 Anmerk.; Demoor, 1. c. p. 244. § IS. Beziehungen zwischen Kern- und Zelltheilung. 47 Denn auch an und in dem Proloplasten herrschen die rein physikalischen Gesetze, jedoch ist zu bedenken, dass im Vergleich zu einer vollkummenen, homogenen Flüssigkeit weitgehende Abweichungen möglich sind, weil der Proto- [tlast durch die physiologische Thätigkeit PotentialdifTerenzen (der Oberflächen- spannung etc.) schaffen und erhalten und ferner die Cohäsion seiner Theile selbstthätig erhöhen kann (vgl. II, Kap. XV). Wenn nun thatsächlich die An- ordnung der Theilungsflächen (und der Wandungen) im allgemeinen den Gleich- gewichtsfiguren in den flüssigen Lamellen eines Seifenschaumes entspricht, so ist zu bedenken, dass die mechanische Richtwirkung der Oberflächenspannung erst nach der Realisirung der Theilung in Betracht kommt und dass es fraglich bleibt, ob etwa die Spannungsverhältnisse einen dirigirenden Einfluss auf die zur Wandbildung führende physiologische Thätigkeit ausüben. Denn aus dem Erfolg kann man keinen bestimmten Schluss ziehen, da in vielen Fällen der Organismus durch seine physiologische Thätigkeit Gestaltungen und Gruppirungen schafft, die auch in rein physikalischer Hinsicht naturgemäss und zweckmässig sind (I, § '2). Die Aehnlichkeit in der Anordnung der Lamellen in einem Seifenschaum und in einem Theilungsgewebe wurde zuerst von Bertholdi) hei-vorgehohen. Dem- entsprechend finden wir bei der zvmieist üblichen Zweitheilung rechtwinklige Schneidung der Wandungen, die aber nicht, wie Sachs 2) annahm, ein allge- meines Gesetz ist und z. B., den Gleichgewichtsfiguren entsprechend, bei der simul- tanen Vielzellbildung in den Sporangien von Saprolegnia etc. nicht zu Stande kommt. Wie zu erwarten ist, giebt es ausserdem in Folge der plysiologischen Lenkung mannigfache Abweichungen. So kommt es vor, dass in der Zwei- theilung die Trennungsfläche schon bei der Entstehung schiefwinklig gegen die Wandung einer cylindrischen Zelle gerichtet ist-^j. Ferner entspricht die Längs- theilung der langgestreckten Cambiumzelle nicht dem Princip der kleinsten Fläche (vgl. Berthold 1. c). Auch ist es schon als eine Folge der Verschiebung der Theilungsgrösse (II, § H) verständlich, dass nicht immer, wie es Hofmeister^) annahm, die neuauftretende Sclieidewand senkrecht auf der Bichtimg des voraus- gegangenen stärksten Wachsthums steht. Dieses Verhältniss wird allerdings bei der Zweitheilung im allgemeinen dann eingehalten, wenn die Theilungsgrösse con- stant ist, also allein die Vergrösserung regulirend wirkt (II, § H). Dem ent- spricht z. B. die Anordnung der Wandungen in dem Faden einer Spirogyra, aber ebenso in vielen Zellen, deren Wachsthum und Theilung nach 2 oder 3 Dimen- sionen gerichtet sind. In diesen Objecten wird demgemäss, wie es die Erfahrung 1) Berthold, Protoplasmamechanik 1886, p. 220;Errera, Ber. d. bot. Ges. 1886. p. 441, Bot. Centralbl. 1888, Bd. 34, p. 395; E. de Wildemann, L'attache d. cloisons cellulaires 1893. In diesen Arbeiten sind auch die physikalischen Grundlagen behandelt. — Vgl. ferner z. B. Zimmermann, Beitr. z. Morph, u. Physiol. 1893, Bd. 1, p. 1ö9. -2] Sachs, Arbeit, d. Bot. Inst. z. Würzburg 1879, Bd. 2, p. 46; Flora 1892, p. 63; 1894, p. 221. 3) Vgl. de Wilde mann, 1. c. p. 5, 19, 28, 73. Weitere Lit. ist hier citirt. Siehe auch Berthold, I. c. p. 244. 4) Hofmeister, Jahrb. f. wiss. Bot. 1862, Bd. 3, p. 272; Pflanzenzelle 1867, p. 129. Beachtenswerth ist, dass Hofmeister an eine real bestehende Beziehung zwischen Wachsthum und Zelltheilung anknüpft und nachdrückhch betont, dass die Zelltheilung die Folge, aber nicht die Ursache des Wachsens ist. Sachs hat die rechtwinklige Schneidung als Princip aufgestellt, ohne eine causale Erklärung zu versuchen. 48 Kap. III. Wachsthum und Zellvermehrung. bestätigt^), ein Verhältniss wie in dem Faden von Spirogyra hergestellt, wenn man durch mechanischen Widerstand dafür sorgt, dass das Wachsthum nur in einer Richtung ausgeführt werden kann. Diese Beziehungen sind unabhängig davon, ol) sich Kern- und Zelltheilung vereint oder getrennt abspielen. Doch ist auch die Kerntheilung von der Schaffung des verfügbaren Raumes abhängig und wird also in ihrer Richtung in analogem Sinne durch die Wachsthumsthätigkeit dirigirt, wie die Zelltheilung. Dem entsprechen, soweit man es nach der Natur der Verhältnisse erwarten kann, z. B. die Erfahrungen an Spirogvra und die Erfolge bei künstlicher Einschränkung der Wachsthumsthätigkeit auf eine Richtung. Als Kny (1. c. p. 3 8 7) die Sporen von Equisetum keimen Hess, während sie zwischen zwei Glasplatten comprimirt waren, stellte sich demgemäss die Achse der Kerntheilung parallel, die Zellwand also senkrecht gegen die Glasplatte und die Wachsthumsrichtung. Dieses geschah auch dann, als die eine Glasplatte einseitig beleuchtet wurde, weil die mechanische Hinderung die Ausführung der in Folge des Lichtreizes angestrebten Thätigkeit nicht zuliess, die dahin zielt, Wachsthumsrichtung und Achse der Kerntheilung parallel zu den Lichtstrahlen zu orientiren^). Uebrigens versteht es sich nach dem Gesagten von selbst, dass durch die Lage und die Theilungsrichtung des Kernes auch die Lage und die Richtung der Zelltheilung bestimmt werden kann. Jedenfalls kennzeichnet eine Veränderung in dem wahrnehmbaren Geschehen immer einen Wechsel in den inneren Constellationen. Ein solcher Wechsel wird demgemäss ebensowohl durch die regulatorische Lenkung der Theilungs- thätigkeit und Theilungsgrüsse angezeigt, als auch z. B. durch eine Metamor- phose der Chromatophoren oder durch eine Variation in der Gestaltung oder in der Theilungsmanier des Kernes. Solche Veränderungen im Verlaufe der Ent- wickelung (oder in bestimmten Zellen) sind mehrfach bekannt (Amitose, Re- duction der Chromosomen, Riesenkerne etc.), und bei weiteren Studien wird sich mehr und mehr herausstellen, dass ebenso wie die formative Gestaltung des Ganzen auch die Gestaltung des Kernes und der Kerntheilung durch äussere Bedingungen mehr oder minder beeinflusst wird. Ein Beispiel einer auffallenden Reactionsfähigkeit bietet die Erfahrung, dass Spirogyra je nach den Aussen- bedingungen eine mitotische oder eine amitotische Kerntheilung ausführt. Nach den von A. Nathansohn 3) im Leipziger Institut angestellten Unter- suchungen führen Spirogyra orbicularis und einige andere Arten in O,oproc. Aether- wasser nur amitotisclie Kerntheilung aus. Da aber in ätherfreiem Wasser die Karyo- kinese zurückkehrt, so handelt es sich, wie z. B. auch bei der Bildung der Hefe- form von Mucor, um eine Reaction, die unter bestimmten Bedingungen eintritt imd erhalten wird, ohne dass der Character der Art durch die anders gerichtete 1] Kny, Ber. d. Bot. Ges. 1896, p. 378. Vgl. auch Pfeffer, Druck- und Arbeits- leistungen isgs, p.358. — Ueber Experimente mit animalischen Organismen siehe 0. Hert- wig. Zellen und Gewebe 1893, p. 176; 1898, p. 99; F. Braem, Biol. Centralbl. 1894, Bd. 14, p. 340; Zimmermann, Zellkern 1896, p. 87. 2 Stahl. Ber. d. bot. Ges. 1885, p. 334. Siehe auch Buchtien, Biblioth. bot. 1887, Heft 8, p. 16. Vgl. II, § 44. 3) Pfeffer, Bericht d. Sächsischen Ges. d. Wissenschaften 1899, p. 6; A. Nathan- sohn, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 48. In dieser Arbeit ist die weitere Lit. nachzusehen. V. Hacker, Anatom. Anzeiger 1900, Bd. 17, p. 9. §13. Die mechanischen Mittel bei der Gewebedifferencirung. 49 formative Thätigkeit modificirt wird. In diesem Falle kann also die Erbmasse auch durch die amitotische Kerntheilung erhalten und übertragen werden, womit nicht ausgeschlossen ist, dass sich in anderen Pflanzen die Bedingungen für die Amitose nur in "Zellen einstellen, die nicht mehr vermehrungsfähig sind. Uebrigens ist aus der bei Nathansohn zusammengestellten Literatur zu ersehen, dass die Amitose mehrfach in theilungsthätigen Zellen (Callus, gewisse animalische Gewebe) vorkommt. Ausserdem sind in verschiedenen Fällen als Folge äusserer Einwirkungen ge- wisse Abweichungen in der Karyokinese beobachtet worden i) und es ist nicht unmöglich, dass es an geeigneten Objecten auch künstlich gelingt, z. B. die Re- duction der Chromosomen 2) herbeizuführen, oder in einer ausgewachsenen Zelle eine Kerntheilung zu veranlassen. Wenigstens ein gewisser Anlauf zu einer Theilung wurde von L. Huie^) bei der chemischen Reizung des Drüsenköpfchens an dem Tentakel von Drosera beobachtet. Auf Grund der allgemeinen Erörterungen über die Partialfunctionen und das Zusammenwirken der Organe (I, § 9) kann es auch nicht überraschen, wenn in einer kernfreien, aber ein Centrosom führenden Cytoplasmamasse eines Seeigeleies von Ziegler-t] und Boveri^) eine Theilung des Centrosoms, sowie eine gewisse Spindelbildung und Furchung beobachtet wurde. § 13, Die mechanischen Mittel bei der Gewebedifferencirung, Die zunächst geschaffene Anordnung der Zellen bleibt nur in gewissen Fällen erhalten, da schon durch das fernere Wachsthum des Gewebeverbandes und noch mehr durch die gleichzeitige Gewebedifferencirung geringere oder sehr weitgehende Verschiebungen und Veränderungen bewirkt werden. Nun kann es nicht unsere Aufgabe sein, alle diese Verschiebungen, sowie die formale Ent- wickelung und Gestaltung der Gewebedifferencirung zu schildern, jedoch dürfte es geboten sein, in allgemeinsten Zügen die mechanischen Mittel und Wege zu kennzeichnen, mit denen in der Pflanze operirt wird. Dabei gehen wir, analog wie bei der Betrachtung des formativen Wachsthums (II, Kap. 1 ), nicht auf die inneren dirigirenden Ursachen ein, die es veranlassen, dass sich die embryo- nalen Zellen und Zellgruppen des Urmeristems, der Eizelle u. s. w. in einer specifisch .verschiedenen Weise ausgestalten (vgl. II, Kap. VII]. Das den ursprünglich gleichartigen Zellen selbstregulatorisch inducirte Streben nach besonderer Gestaltung ist in jedem Falle die primäre Ursache 1) Vgl. z. B. 0. Hertwig, Zelle u. Gewebe 1893, p. -194; Zimmermann, Morphol. u. Physiol. d. pflanz. Zellkerns 1896, p. 82; Nemec, Bot. Ctbl. 1899, Bd. 77, p. 241; Flora 1899, p. 214; V. Hacker, 1. c. 2) Vgl. hierüber z. B. Strasburger, Jahrb. f. wiss. Bot. 1897, Bd. 30, p. 406; Klebs, Biolog. Centralbl. 1899, Bd. 19, p. 220. 3) L. Huie, Quart. Journ. of Microscop. Science 1896, Bd. 39, p. 423; Botan. Centralbl. 1899, Bd. 79, p. 97; 0. Rosenberg, Physiolog-cytolog. Untersuch, über Drosera rotundifol. 1899, p. 2, 96. 4) Ziegler, Archiv f. Entwickelungsmech. 1897, Bd. 6, p. 289. 5) Boveri, Zur Physiol. d. Kern- u. Zellthefl. 1897, p. 13. Nach R. Hertwig (Abhandig. d. Bayr. Akad. 1 898, Bd. 29, p. 697) besitzt Actinosphaerium Eichhorni nur in gewissen Entwickelungsstadien Centrosomen. Ueber Vorkommen d. Centrosomen im Pflanzenreich vgl. Strasburger, Jahrb. f. wiss. Bot. 1897, Bd. 30, p. 387. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. • 4 50 Kap. III. Wachsthum und Zellvermehrung. der besonders gerichteten Wachsthumsthätigkeit und damit der specifischen Gewebedifferencirung. Denn erst durch dieses verschiedene Streben und Wachsen kommen die Gewebespannungen und die mannigfachen Zug- und Druckwirkungen zu Stande, welche die Zellen auf einander ausüben. Denselben Ursachen ent- springen also in letzter Instanz auch diejenigen Reizwirkungen, welche von Zug- und Druckwirkungen ausgehen, oder welche die Existenz verschiedenwerthiger Zellen, Gewebe oder Organe zur Voraussetzung haben. Hand in Hand mit dem Gesammtwachsthum entstehen bekanntlich Zellen von ungleichen Dimensionen schon dadurch, dass sich während der Streckung die eine Zelle häufig, die andere wenig oder gar nicht theilt (H, § 2 und 3). Zugleich wird in dem Gewebe verband durch die "S'erkettung mit langsamer wachsenden oder ausgewachsenen Geweben die Ausführung des angestrebten Wachsthums theilweise oder ganz gehemmt (H, § 9, 19, 35). Sofern dann nach einer Seite Bewegungsfreiheit geboten ist, kann unter Umständen der disponible Raum zur modellirenden Form für die Zelle oder die Gewebe werden, die sich durch ihre Wachsthumsthätigkeit gleichsam wie plastisches Material eindrängen. Nicht selten schafft sich aber die Zelle oder schaffen sich die Ge- webe selbst den Raum für ihre Vergrösserung, indem sie sich zwischen andere Zellen einschieben oder Gewebe zusammendrücken, die der höheren Aussen- leistung nicht zu widerstehen vermögen. Auf diese Weise vergrüssern sich z. B. manche Embryosäcke. Ferner vermag das Phellogen trotz des unver- rückbaren Gipsverbandes sich den Raum für eine gewisse Korkbildung zu er- obern ^j, auch rücken zuweilen die sich vergrössernden Gefässbündel unter Compression des Markes gegen das Centrum des Stengels vor. Andererseits wird häufig durch die Aussenarbeit der unter Druckspannung stehenden Gewebe das Wachsthum der negativ gespannten Gewebe begünstigt oder auch deren Zerreissung herbeigeführt. Der lückenlose Verband der Zellen eines Theilungsgewebes wird fernerhin häufig ganz oder theilweise gelöst, wie die Entstehung der Intercellularen, das Abfallen von Früchten, Conidien u. s. w. lehren. Es wird dieses dadurch er- reicht, dass die Pflanze die Mittellamelle der gemeinsamen Trennungswand theilweise oder ganz in lösliche oder quellende Producte verwandelt, so dass nun eine geringe Zugkraft die Trennung herbeiführt (I, § 84; H, § 62). Dazu genügt oft schon das Eigengewicht der Organe oder das Abrundungs- streben der Zellen. Jedoch wirkt eine jede Zugkraft in gleichem Sinne und demgemäss kann die Erweiterung der Intercellularen sowohl durch die eigene Wachsthumsthätigkeit der Zellen, als auch durch den Zug der positiv ge- spannten Gewebe erzielt werden. So bilden sich z. B. die grossen Inter- cellularen in dem Blattstiel von Nymphaea, Calla etc. durch die active Wachs- thumsthätigkeit in einem Gewebe aus, das bei seiner Vergrösserung zudem den Widerstand der negativ gespannten peripherischen Gewebe zu überwinden hat, während das Hohlwerden des Grashalms etc. (I, § 9) durch die passive Deh- nung und Zerreissung des Markes bewirkt wird. •1 F. C. Newcombe. Botan. Gazette 1894, Bd. 19, p. 223. Ausserdem That- sachen bei de Bary, Vergleichende Anatomie 1877. — Ueber Plasticität, Zerreissungen etc., vgl. dieses Buch Bd. II, § 9 u. Kap. IV. § 13. Die mechanischen Mittel bei der Gewebedifferencirung. 51 In der Abrundung der isolirten Zellen bezw. der isolirten Flächenstücke der Wandung, ebenso in den Wandbrechungen kommt das Streben nach derjenigen Gleichgewichtslage zum Ausdruck, die von Flüssigkeitslamellen vollständig er- reicht wird. Diesem Streben entsprechen auch die Wandbrechungen, die sich in Theilungsgeweben, aber auch in Vereinigungsgeweben z. B. dann einstellen, wenn kugelige Zellen durch Aneinanderpressung zu einem polygonalen Gewebe werden. Die Gestaltungen der Einzelligen lehren aber, dass selbst eine zarte Zell- wand beliebige Abweichungen von der physikalischen Gleichgewichtslage einer tlüssigen Lamelle gestattet. Auch in den Geweben werden Zellen von sehr ver- schiedener Gestalt und ebenso absonderlich gestaltete Intercellularräume erzeugt ^j. Mit der SchafYung der Intercellularen ist den anstossenden Zellen die Mög- lichkeit des Auswachsens geboten, von der aber, so gut wie an der freien Aussenlläche der Epidermis, immer nur in regulatorischer Weise Gebrauch ge- macht wird. Das geschieht z. B. bei der Production der inneren Haare in den hitercellularen von Nymphaea, der Schläuche in den Fruchtfächern von Citrus, sowie bei der Bildung der Thyllen^)^ die nicht überall und erst mit einem ge- wissen Alter durch Einwachsen in den disponiblen Gefässraum entstehen. Ferner benutzen die meisten Pollenschläuche und manche Pilzfäden die hiter- cellularen als die Bahn, in der sie weithin wandern. Während dieses Vor- dringens sind die wachsenden Spitzen oft eng dem fremden Gewebe ange- schmiegt und bahnen sich ihren Weg offenbar auch durch enge Zwischen- räume, die sie durch ihr Eindrängen erweitern. Dazu genügt sicherlich oft schon die Wachsthumsenergie (II, § 35), jedoch steht Pilzen und Pollenschläuchen auch eine lösende Wirkung auf die Zellwand zur Verfügung, die ihnen erlaubt, nöthigenfalls den Verband der Zellen zu lockern oder den Weg durch die AVandung zu nehmen (I, p. 360). Es kann also nicht überraschen, wenn sich in einem Gewebe bestimmt individualisirte Zellen zwischen andere eindrängen, mit denen sie die Ge- meinsamkeit der Abstammung theilen. Das geschieht in der That in dem gleitenden Wachsen, das offenbar vielfach in geringem, zuweilen aber in sehr ausgedehntem Maasse ausgeführt wird. Ein schönes Beispiel bieten die Milch- zellen von Euphorbia etc., die unter reichlicher Verästelung fortwährend in bestimmte Gewebe der neuen Zuwachsstücke eindringen. Ferner ist ein glei- tendes Wachsen unerlässlich, um in dem secundären Zuwachs Bastfasern und an- dere Elementarorgane zu erzeugen, die länger sind als die Zellen des Cambiums^j. 1) Zimmermann, Beiträge z. Morphol. u. Physiol. 1893, )>. -198 u. die hier citirte Lit. 2) Schellenberg, Jahrb. f. wiss. Bot. 1896, Bd. 29, p. 261; Mellink, Bot. Ztg. 1886, p. 749. — Vgl. auch II, § 35, 38. 3) Nachdem von Hofmeister (Pflanzenzelle 1867, p. 162) das gleitende Wachs- thnm einer allgemeinen Betrachtung unterzogen war, wurde dasselbe von Krabbe (Das gleitende Wachsthum 1886, p. 41) speciell mit Hinsicht auf die Erweiterung von Gefässen etc. verfolgt. Ferner ist gleitendes Wachsthum von A. Nathansohn (Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 682) für die Tracheiden in den Inlercalarzonen, sowie be- dingungsweise zwischen dem Gefässbündel- u. Rindengewebe der Wurzel nachgewiesen. Vgl. ausserdem F. G. Kohl, Mechanik der Reizkrümmungen 1894, p. 33; für Rivularia, Schwendener, Sitzungsb. d. Berlin. Akad. 1894, p. 938. — Naturgemäss giebt es ver- schiedene Arten von Gleitwachsthum. 52 Kap. III. Wachsthum und Zellvermehrung. Stellt man sich vor, dass zunächst die Intercellularen entstehen und in diese die Milchzellen etc. einwachsen, so wird der Vorgang durch Zerlegung in zwei Acte anschaulicher. hi Wirklichkeit scheinen allerdings bei dem gleitenden Wachsen Auseinanderweichen und Eindringen zeitlich zusammenzufallen. Je- doch ist es auch hier fraglich, ob die vordringende Zelle sich activ den Weg bahnt oder ob die aufnehmenden Zellen durch Auseinanderweichen etc. selbst- thätig mitwirken. Jedenfalls hängt aber die hidividualisirung und die fernere Wachsthumsthätigkeit von correlativen Wirkungen ab, durch die ebenso z. B. den Milchzellen die Bahn ihres Vordringens vorgeschrieben wird, gleichviel ob dieses durch eine mechanische Führung oder durch eine chemotropische Reizung oder, w^as wahrscheinlicher ist, (wie bei den Pollenschläuchen) durch eine Com- bination verschiedener Factoren erzielt wird (II, Kap. XIII). Durch ein regu- latorisch gelenktes localisirtes Lockern und Wiedervereinigen ist auch bei aus- giebigem Gleitwachsthum erreichbar, dass der feste Verband der betheiligten Zellen keinen Augenblick verloren geht. Denn dass eine partielle Lösung des Verbandes mit einer genügenden Constructionsfestigkeit vereinbar ist, wird durch die Pflanzen mit grossen Intercellularräumen bewiesen. Während durch die Isolation die ursprünglich fest verbundenen Zellen eine gewisse Freiheit der Bewegung gewinnen, wird diese umgekehrt aufgegeben, wenn separirte Zellen zu einem Vereinigungsgewebe zusammenschliessen. So entsteht z. B. durch die Verflechtung von Pilzfäden nicht nur ein lockerer Filz, sondern auch in manchen Fällen ein solides Pseudoparenchym ^). In den Flechten kommt sogar ein enges Aneinanderschmiegen, möglicherweise sogar eine völlige Verwachsung zwischen den sich symbiotisch vereinenden Algen und Pilzen zu Stande. Die causale Aufdeclmng dieser Verhältnisse wird auch für das Verständniss der Vorgänge in Theilungsgeweben von hoher Bedeutung sein, da auch in diesem die directiven Wechselwirkungen eine grosse Rolle spielen und z. B. bei dem gleitenden Wachsen und bei dem Propfen eine Wieder- vereinigung getrennter Zellen ausgeführt wird (vgl. II, § 50). § 14. Die Anordnung der Zellwandungen. I3a in den vegetativen Organen zumeist Zweitheilung und zwar äquale Zweitheilung ausgeführt wird, so lässt sich die übliche primäre Anordnung der Zellwandungen unter Annahme der rechtwinkligen Schneidung (II, p. 47) con- struiren. Auch kann man die Curvensysteme, die in Folge des Wachsthums der fest verbundenen, aber sich ähnlich gestaltenden Zellen zu Stande kommen, voraussagen und, trotz der unvermeidlichen Wandbrechungen imd Verschie- bungen, in manchen Geweben erkennen. Umgekehrt lassen sich natürlich aus den primären und secundären Anordnungen gewisse Rückschlüsse auf die Ver- 1) Von Lindau (Festschrift für Schwendener 1899, p. -28) wird die Bezeichnung Plectenchym vorgeschlagen. Vgl. z. B. auch G. Bitter, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 34, p. 230; Askenasy, Ber. Bot. Gesellsch. 1888, p. -130 (Algen). Verschiedene Fragen, so auch die Frage nach der Herstellung oder Wiederherstellung der Plasmaverbindungen werden in II, § 50 berührt werden. § 1 4. Die Anordnung der Zellwandungen. 53 theilung der Zuwachsbewegung ziehen (vgl. II, § 3). Ferner gewährt die Kcnntniss der üblichen Anordnungen und Curvensysteme ein erwünschtes Hilfs- mittel bei dem Studium der Wandfolge und Zellgruppirung in wachsenden Or- ganen. Indess ist wohl zu beachten, dass alle geometrischen Constructionen nur insofern Werth haben, als sie zur Yeranschaulichung der in der Pflanze vorkommenden Gruppirungen dienen, dass sie also durchaus nicht die organi- satorische Thätigkeit kennzeichnen und erklären, die mit dem geometrischen Brennpunct, Parameter u. s. w. nichts zu thun hat, die aber in Organen der verschiedensten Dignität ähnliche Zellanordnungen schafft. Da somit die beste (geometrische) Kenntniss der Wandanordnungen keine Einsicht in die Processe gewährt, durch welche Wachsthum und Zelltheilung bestimmt und beherrscht werden, so dürfen wir uns mit einem kurzen Hinweis auf das Wesen der üb- lichsten Gruppirungen beschränken i). Den einfachsten Fall bietet ein Zellfaden (Alge, Haar etc.), in welchem die Zellwände senkrecht gegen die Seitenwand (Leitlinie) gerichtet sind. Bilden wir durch Aneinanderlegen solcher Zellfäden (mit quadratischem Querschnitt) eine Platte oder eine cjuadra- tische Säule, so erhalten wir ein Gewebe, in dem sich die Zellwandungen wie die Blätterdurchgänge in einem Krystall des re- gulären Systems durch- schneiden , ein Gewebe, das in solcher Gestalt auch entstehen kann, in- dem eine Zelle in ent- sprechender Weise durch successive Zweitheilung gekammert wird. Falls sich der Faden an der fortwachsenden Spitze über die Theilungs- grösse (II, §11) verbrei- tert, werden die nun auftretenden Theilungen senkrecht gegen die Querwand gerichtet sein. Sehr schün ist dieses in Fig. 1 1 , einer Aufsicht des Thallus von Melobesia, zu übersehen, der gleichsam aus fächerförmig angeordneten Zellreihen besteht, die an der Spitze fortwachsen und ausser den Quertheilungen von Zeit zu Zeit eine Längstheilung zeigen, durch welche die erzielte tangentiale Vergrüsserung der Zellen wieder reducirtwird. Ana- loge Verhältnisse findet man aber auch auf dem Querschnitt eines jugendlichen Stammes von Pinus in dem durch das Cambium fortwachsenden Holzkörper. Fig. 11. Melobesia Lejolisii von der Oberfläche gesehen nach Rosanoff und Sachs. Auf der rechten Seite ist eine Anzahl der Theihingswände ausgelassen. n Näheres bei Sachs, Arbeit d. Bot. histituts in Würzburg 1878, Bd. 2, p. 46 u. 185; Vorlesungen ü. Pflanzenphysiol. 1887, II. Aufl., p. 426; ferner Goebel, Ent- wickelungsgesch. d. Pflanzenorgane 1883, p. 136; Schwendener, Monatsb. d. Berhn. Akad. 1880, p. 412; Haberlandt, Physiol. Anatom. 1896, IL Aufl., p. 67. 54 Kap. III. Wachsthum und Zellvermehrung. Wenn man die Zellfäden krümmt und zu einem System confocaler Para- beln anordnet, so erhält man eine Gruppirung, wie sie der stärker ausgezogene Theil [K K K) der schematischen ( lonstruction Fig. 1 2 darbietet. Um zu einer völligen Uebereinstimmung zu gelangen, muss man noch annehmen, dass sich jeder Zellfaden vom Scheitelpunct ab nach beiden Seiten erweitert und sich desshalb, wie bei Melobesia (Fig. II], durch Längswände theilt. Dieser Construction (Fig. 12), die aus einer Schaar confocaler Parabeln und den diese rechtwinklig durchschneidenden orthogonalen Trajectorien gebildet wird, ent- spricht annährend die Anordnung, welche man an einem medianen Längsschnitt durch den Scheitel einer Sprossspitze oder eines Wurzelkörpers erblickt. In diesen wie in anderen Geweben werden von Sachs (1. c.) die gleichsinnig mit der Peripherie verlaufenden Wandungen [p Fig. 12) Periclinen, die dazu ge- Fig. 12. (Nach Sachs.) Fig. 13. Als Grundlage der Construction diente ein System nicht concentrischer Kreise, deren Mittelpuncte auf der Symmetrieachse NS bei 2. 3, 4, 5 liegen. Die geometri- schen Trajectorien sind mit r bezeichnet, während durch die punctirten Linien v der reale Verlauf der etwas ab- gelenkten Markstrahlen angegeben ist. hörigen orthogonalen Trajectorien {A Fig. 12) Anticlinen genannt. Auf den im Längsschnitt sichtbaren anticlinen Leitlinien stehen senkrecht die in der Schnitt- ebene liegenden Wandungen, die auf einem Querschnitt durch den Sprossscheitel als orthogonale Trajectorien der Periclinen erscheinen. Das in der jeweiligen Schnittebene liegende System von Wandungen wird von Sachs Transversalen genannt. Auch dann, wenn die Periclinen zu Kreisen, Ellipsen u. s. w. angeordnet sind, bilden die senkrecht gegen dieselben gerichteten Wandungen, geometrisch ausgedrückt, eine Schaar von orthogonalen Trajectorien. Das ist auch der Fall in der Construction Fig. 13, die der Anordnung der Jahresringe und der Mark- strahlen in einem excentrisch gewachsenen Stamme entspricht. Diese Con- struction veranschaulicht zugleich den Verlauf der Leitlinien für den Fall, dass mit der Symmetrieachse das Maximum oder Minimum der Zuwachsbewegung zusammenfällt. Im letzteren Falle (Fig. 1 3 unterhalb der Linie /— V) entspricht § 1 ö. Die Festigung der Pflanze. 55 die Anordnung derjenigen in der Sprossspitze und in dem Wurzelkörper (Fig. 1 2 stark ausgezogener Theil). Dagegen ist in der Wurzelhaube (Fig. 12), entsprechend dem stärksten Wachsthum längs der Symmetrieachse, zumeist eine Zellenanord- nung zu finden, die der Construction oberhalb/ — V (Fig. 13) entspricht. Diese Gruppirung wird von Sachs als kappenfürmige, fächerförmige oder coaxiale Anordnung, der andere durch die Fig. 12 (stark ausgezogener Theil) repräsen- tirte Typus als gewöhnliche oder confocale Schichtung bezeichnet. Es versteht sich übrigens von selbst, dass ähnliche Anordnungen auf ver- schiedene Weise entstehen können, dass ferner verschiedene Ursachen Ver- schiebungen bewirken, durch welche die primäre Construction entweder nur in geringem Grade modificirt oder auch ganz verwischt wird^). Kapitel lY. Elasticitäts- und Cohäsionsverhältnisse des Pflanzenkörpers. § 15. Die Festigung der Pflanze. Damit eine Pflanze existenzffihig ist, muss sie nothwendig neben anderen .Eigenschaften eine solche Festigkeit ausbilden, dass die ganze Pflanze und jedes einzelne Organ derselben der normalen mechanischen hianspruchnahme gewachsen ist. So hat der Stamm eines Eichenbaumes nicht nur die Last der Krone zu tragen (strebfest zu sein), sondern muss auch die genügende Biegungsfestigkeit besitzen, um nicht durch den Sturm zerbrochen zu werden. Durch den Wind wird aber selbst der jugendliche Eichenstamm nicht entfernt so weit gekrümmt, wie der schlanke Roggenhalm, der nach dem Aufhören der beugenden Kraft sofort wieder aufschnellt, wenn auch die Aehre den Boden berührte. Trotz dieser ausgezeichneten (elastischen) Biegungsfähigkeit besitzt der Roggenhalm ein sehr hohes Tragvermögen. Denn fixirt man seine Basis und bringt ihn in horizontale Lage, so vermag der Halm nicht nur die Last der reifenden Aehre zu tragen, sondern auch durch die geotropische Krümmungsthätigkeit zu heben, obgleich dabei der basale Knoten ein statisches Moment von 5 Kilo zu über- winden hat 2). Ein solcher Halm, dessen Länge den Durchmesser ungefähr 400 mal übertrifft, ist also ein viel schlankeres Bauwerk, als ein starrer Fabrikschornstein. Dieser ist auch nicht entfernt so widerstandsfähig als ein 1) Einiges über Verschiebungen bei Sachs, I.e. -1878, p. -I9ö; Schwendener, 1. c. p. 418, 430; Krabbe, Sitzungsb. d. Berlin. Akad. 1883, p. 1093. 2) Pfeffer, Druck- und Arbeitsleistungen 1893, p. 410. Vgl. II, letztes Kapitel; P. Meischke, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 33, p. 359. 56 Kap. IV. Elasticitäts- und Cohäsionsverhältnisse des Pflanzenkörpers. Baumstamm von gleicher Dicke und würde schon bei massigem Winde umge- worfen werden, wenn man die Krone eines solchen Baumes auf ihm befestigte. In der Krone hat wiederum die Basis eines massig grossen Astes nicht selten einem statischen Momente von 5000 Kilo entgegenzuwirken (Meischke 1. c). An die Wurzel werden dagegen in Bezug auf die Biegungsfestigkeit gewöhnlich geringere Anforderungen gestellt, während sie oft in hohem Grade auf Druck- und Zugfestigkeit in Anspruch genommen wird, wenn der vom Winde getroffene Stamm die Wurzel aus dem Boden zu reissen sucht. Ebenso müssen Zweige, Blätter, Früchte, überhaupt alle Glieder eines Pflanzenkürpers, bezw. die sie tragenden Theile in jedem Entwickelungsstadium die genügende Zug-, Druck-, Biegungs- und Schubfestigkeit besitzen. Diese wird in manchen Fällen, z. B. in den intercalaren Vegetationszonen (II, p. 1 4) durch die Umhüllung mit Blättern hergestellt. In anderen Fällen, z. B. bei den Blättern, wird die Inanspruchnahme dadurch gemässigt, dass sie sich beim Sturme parallel zum Winde stellen. In analoger Weise wird der Stoss des AV'assers auf die iluthenden Pflanzen vermindert, für die somit die Biegsamkeit von wesentlichem Vortheil ist. Die kleinen Pflanzen sind zwar in mancher Hinsicht im Vortheil , haben indess verhältnissmässig ebensoviel AViderstand zu leisten, als grosse Pflanzen. Diese können allerdings nicht mehr in einem schäumenden Gebirgsbach bestehen, in welchem an den Steinen noch Algenfäden haften, die auch der Brandung des Meeres trotzen. Auf ein weiteres Ausmalen dürfen wir verzichten, da bei Berücksichtigung von Gestalt und Lage des Pflanzentheiles, sowie des umgebenden Mediums leicht zu ersehen ist, auf welche Weise eine Pflanze oder ein Organ einer Pflanze hauptsäcblich in Anspruch genommen wird. Die Ranken- und Schlingpflanzen lehren zugleich, dass nicht bei einer jeden Pflanze der Stengel die genügende Tragfähigkeit besitzt, um sich ohne besondere Hilfsmittel aufrecht zu erhalten. Das ist auch bei vielen Wasserpflanzen der Fall, die in der Luft umsinken, im Wasser aber in Folge des Auftriebs aufrecht stehen. Bei diesen und andern Pflanzen haben ferner die Zellwände den zumeist sehr ansehnlichen osmotischen Druck (I, § 24), sowie diejenigen Zug- und Druckkräfte auszuhalten, welche durch die Gewebespannung (II, Kap. V) bewirkt werden. Zur Erzielung eines festeren Aufbaues dienen in der Pflanze durchgehends die Zellwandungen, aus denen die Hülle und das Kammergerüst gebildet werden, in welchem der weiche Protoplast, gleichsam wie die Eidechse in der Mauer- spalle, eine geeignete W^ohnstätte findet (I, § 7). Die Herstellung eines solchen Gerüstes aus zahlreichen kleinen Kammern ist aber nicht nur für die ganze Oeconomie der Pflanze bedeutungsvoll, sondern auch geradezu unerlässlich für die Festigung, da eine Pflanze von der Grösse eines Baumes als einzelliges Wesen kaum denkbar ist (I, § 6; II, p. 44). Aus dem grossen Wassergehalt der turgescenten Pflanze (I, § 33) ist ferner zu entnehmen, dass eine verhältniss- mässig geringe Menge fester Substanz genügt, um widerstandsfähige, grosse Pflanzen aufzubauen. Aber nur dann, wenn, wie in Holzpflanzen, die Zellwände genügend dick und solid sind, vermag sich die Pflanze nach dem Tode aufrecht zu erhalten. Anderenfalls wird die Pflanze durch den Wasserverlust welk und schlaff, § 1 3. Die Festigung der Pflanze. 57 erlangt also mir unter Mitwirkung der Turgorspannung die genügende Straffheit und Tragfähigkeit. HierJiei sind dieselben physikalischen Ursachen wirksam, die eine schlaffe Thierblase straff und widerstandsfrdiig machen, wenn in dieselbe Wasser oder Luft gepressl wird. Wie die durch den hydrostatischen Druck ei^zeugte Spannung, muss auch die auf andere Weise erzeugte Tension, also die Gewebespannung einen gewissen Einfluss auf die Biegungsfestigkeit haben (IL § 1 7). Constructionen von der Festigkeit wie sie für Bäume nüthig sind, lassen sich freilich nur unter Mithilfe von dickeren und solideren Wandungen herstellen. Auch würde es bedenklich sein, wenn die Baumstämme bei jedem Wassermangel ihre Tragfähigkeit verlieren und umsinken würden. In den höheren Pfianzen werden allgemein mit der Gewebedifferencirung und Arbeitstheilung Zellen gebildet, die schon durch die Dicke und die Qualität ihrer Wandung anzeigen, dass sie in Bezug auf die Festigung eine höhere Bedeu- tung haben, als die übrigen Zellen. Offenbar wird aber mit der zunehmenden Verdickung der AVand der Verkehr mit der Umgebung erschwert und die derb- wandigen Zellen werden somit eine schlechtere Behausung für den lebensthätigen Protoplasten, der in der That in den sclerenchymatischen Zellen der Rinde, des Holzes etc. abzusterben pflegt, nachdem er diese Elemente ausgebildet hat. Mit Rücksicht auf die Gesammtöconomie ist es sehr wohl zu verstehen, dass die Pflanze auch solche Elemente bildet, die allein oder doch vorwiegend der Festigung zu dienen haben. Andererseils sind allgemein gegenseitige Concessionen noth- wendig (I, § 6), und dem entspricht es, dass lebende Elemente in Bezug auf den Austausch und die sonstigen Functionen eine Einlnisse erleiden, um die Fähigkeit zu gewinnen, in erhöhtem Grade bei der Festigung mitzuwirken. Im Grunde genommen ist eine jede derbwandige Zelle ein Beispiel einer derartigen Goncession, gleichviel ob es sieh um ein einzelliges Wesen oder um Zellen handelt, durch welche die genügende Festigkeit eines Gewebes hergestellt wird. Das muss in den wachsenden Organen durch lebendige Zellen geschehen, zu denen u. a. das dick- wandige Collenchym gehört. Uebrigens ist nicht zu vergessen, dass todte Ele- mente auch mit anderen Functionen,^ z. B. mit dem Wassertransport, mit der Regulation des Austausches (Kork etc.) betraut sein können. Zur Herstellung einer soliden und zweckmässigen Construction ist es noth- wendig, dass die festigenden Zellen und Gewebe in geeigneter Weise ange- ordnet und zusammengefügt sind. In der That pflegen dieselben, wie es das Gefässbündelnetz des Blattes und des Stengels veranschaulicht, ein zusammen- hängendes System, also ein Skelett zu bilden, zwischen dem und um das die zartwandigen Zellen und Gew^ebe eingefügt sind. Diese stellen dann die Füllungen und Verbindungen der festigenden Gurtungen vor und sind schon dieserhalb für die Erzielung eines genügend trag- und schubfesten Baues wichtig oder un- entb(^hrlich. Zudem setzt ein dünnwandiges Parenchym einem Drucke einen sehr erheblichen Widerstand entgegen, während es durch einen longiludinalen Zug leichter eine Zerreissung erfährt, der aber durch die Vereinigung mit zug- festen Geweben vorgebeugt ist. In letzteren pflegt der zugfeste Verband der Zellen dadurch erhöht zu werden, dass langgestreckte prosenchymatische Zellen (Bastfasern, Holzfasern etc.) dominiren. Durch die Art der Zusammenfügung, sowie durch die Eigenschaften der "Wandungen wird auch dw sehr verschiedene Biegungsfähigkeit der Pflanzen und der Organe erzielt und ermöglicht. Es ist 58 Kap. IV. Elasticitäts- und Cohäsionsverhältnisse des Pflanzenkörpers. desshalb sehr bedeutungsvoll, dass es die Pflanze versteht, aus derselben Sub- stanz Wandungen aufzubauen, die in Bezug auf ihre elastischen Eigenschaften sehr verschieden sind. Bei aller Verschiedenheit im einzelnen, ist doch im allgemeinen eine zweck- mässige Anordnung nicht zu verkennen. Eine solche ist auch da, wo es sich speciell um Biegungsfestigkeit handelt, darin bemerklich, dass die Herstellung der genügenden AViderstandsfähigkeit mit einem müglichst geringen Aufwand von mechanischen Elementen angestrebt wird. Das wird durch eine peripherische Lagerung der zugfesten Elemente erreicht, die natürlich genügend schuhfest verbunden sein müssen, damit bei dem Biegen der Zusammenhalt nicht zerrissen wird. Es handelt sich hierbei um Anordnungen, die auch die öconomisch arbeitende Technik thunlichst zu realisiren sucht. Es genügt, hier daran zu er- innern, dass der I förmige Träger, ebenso das hohle Rohr eine höhere Belastung ertragen, als der cyündrische Eisenstab von gleichem Wandungsquerschnitt. Demgemäss ist die hohlcylindrische Form des (lirashalmes mechanisch vortheil- haft. Ferner sind bei langen Blättern und flachen Stengeln, bei denen nur Beugung in einer Ebene in Betracht kommt, die specifisch mechanischen Zellen thunlichst gegen die Ober- und Unterseite gerückt, so dass gleichsam (4n System von I förmigen Trägern entsteht, deren Verbindung durch anderweitige Gewebe hergestellt wird. Kommt es aber nur auf Zugfestigkeit an, so ist für den Widerstand allein die (Juerschnittstläche, nicht die Form des Balkens maass- gebend. Dementsprechend pilegen die Wurzeln (auch die Stengel mancher Wasserpflanzen) eine mehr oder weniger centrale Anordnung der Gefässbündel, überhaupt der festigenden Elemente zu besitzen. Auch in den Ilhizomen macht sich eine derartige Tendenz im Vergleich zu dem oberirdischen Stengel derselben Pflanze bemerklich. hisbesondere in den krautigen Stengeln der Monocotylen sind, wie Schwenden er nachwies, die zugfesten Gewebe thunlichst gegen die Peripherie gerückt, suchen also diejenige Lage anzunehmen, die zur Erzielung einer hohen Biegungsfestigkeit am vortheilhaftesten ist. Auch in den Blättern und Blatt- stielen ist vielfach eine vortheilhafte Anordnung der festigenden Elemente zu bemerken, die auch in den krautigen Stengeln der Dicotylen nicht zu ver- kennen ist. In diesen treten in peripherischer Lagerung häufig Collenchym- gewebe auf, die im Vereine mit den etwas nach hmen gerückten Fibrovasal- strängen das hauptsächliche Festigungsmaterial bildcm. Mit dem Fortschreiten des Dickenwachsthums übernimmt dann der Holzkürper mehr und mehr die Aufgabe der Festigung. Es ist dieses auch nothwendig, da die Rinde zerrissen wird und zudem allein der steigenden hianspruchnahme nicht mehr genügen würde. Da der Aufbau einer Pflanze allen Functionen genügen muss, sind gegen- seitige Concessionen unerlässlich (I, § 6). In diesem Sinne ist es also durchaus zweckentsprechend, wenn sich z. B. die chlorophyllführenden und die festigenden Gewebe in die Peripherie theilen, oder wenn letztere etwas zurückweichen und dadurch ermöglichen, dass die grünen Gewebe in die beste Lichtlage gelangen (I, § 62). Zur richtigen Würdigung der thatsächlichen Verhältnisse muss also die Pflanze nolhwendigerweise unter gleichzeitiger Berücksichtigung ihrer Ge- sammtaufgaben betrachtet und beurtheilt werden. § 1 5. Die Festigung der Pflanze. 59 Soweit nicht schon durch die auf Tragfähigkeit und Biogungsfestigkeit ab- zielenden Constructionen eine genügende Widerstandsfähigkeit gegen radialen Druck hergestellt ist, findet man auch für diesen Zweck besondere Anordnvuigen. So ist die Epidermis vielfach durch die Verdickung der Wandungen oder durch besondere Aussteifungen widerstandsfähiger gemacht. Ein sehr anschauliches Beispiel für eine Aussteifung bieten die nadelfürmigen Blätter von Hakea brachy- rhynchai) u. a. , in denen zwischen der Epidermis und dem inneren Gewcbe- cylinder sclerenchymatische Zellen wie Radspeichen eingesetzt sind, zwischen denen das zarte und lockere Parenchym einen geschützten Platz findet. Uebrigens setzt auch schon das zartwandlge Parenchym und jede einzelne Zelle einer Compression einen um so ansehnlicheren Widerstand entgegen, je kleiner die Zellen sind. Für die mächtige Zelle von Caulerpa^) ist es desshalb vortheilhaft, dass durch die eingesetzten Zellstoffbalken für die Aussteifung des Zellhaut- schlauches gesorgt wird. In diesem Sinne wirkt eine jede Querwand, und in einem Gewebe eine jede Gewebeplatte. In dem in so ausgezeichneter Weise auf Biegungsfestigkeit construirten hohlen Grashalm wird somit durch die Knoten die Schubfestigkeit erhöht und das Einknicken beim Biegen erschwert. Durch die Herstellung eines festigenden Gerüstes wird allgemein für die zwischen- und angelagerten zartwandigen Gewebe eine gesicherte Wohnstätte geschaffen. Im näheren sind natürlich sehr verschiedene Constructionen darauf berechnet, einem bestimmten Gewebe einen allgemeinen oder einen localen Schutz zu gewähren. Wie durch den Gefässbündelcylinder der Dicotylen für das umschlossene Mark, wird offenbar allgemein durch die Sclerenchymscheiden eine schützende Hülle für den umkleideten Raum gebildet, gleichviel ob dieser von einem Gewebe erfüllt oder ein luftführender oder harzführender Inter- cellularraum ist. Ferner ist es z. B. für den Weichbast vortheilhaft, dass er dem Xylem angelagert ist, oder ausserdem durch Bastfasern verstärkt und ge- schützt wird, die z. B. bei der Linde ein Gellecht bilden, zwischen dem die zart- wandigen Elemente des Phloems untergebracht sind. Zur näheren Orientirung sei auf die zusammenfassende Darstellung bei Haberlandt=*) verwiesen, aus der zu ersehen ist, dass nach der grundlegenden Arbeit Schw enden er's^j die auf die Festigung abzielenden Constructionen in zahlreichen Studien verfolgt wurden. Da aber eine Pflanze ohne einen zweck- entsprechenden Bau überhaupt nicht existiren könnte, so ist es nicht über- raschend, dass z. B. ein Ast, ein Blatt gegen die Basis, d. h. mit Steigerung der mechanischen Inanspruchnahme tragfähiger wird und dass diese Zunahme zu- weilen (Halme von Cyperaceen, Gramineen etc.) annähernd derjenigen in einem Träger von gleicher Oberflächenspannung entspricht. In manchen Fällen, z. B. in dem Blatte von Phormium etc., tragen auch Zusammenfaltungen oder andere 1) Abbildung z.B. MohL Vermischte Schriften 1845, Taf. VII, Fig. 2. 2) Klemm, Flora ^893, p. 463; Reinke, Ueber Caulerpa 1899 u. die an diesen Stellen citirte Lit. 3) G. Haberlandt, Physiol. Anatomie 1896, II. Aufl., p. 134. Vgl. auch E. Det- lefsen, Arbeit, d. Botan. Instituts in Würzburg 1884, Bd. 3, p. 144, 408 u. die Kritik dieser Arbeit durch Zimmermann, Botan. Centralbl. 1884, Bd. 19, p. 149. 4) Seh wenden er, Das mechan. Princip im Bau d. Monocotylen 1874. — Ueber physiol. u. morphol. Eintheilung und Nomenclatur vgl. Bd. I, p. 34. ßO Kap. IV. Elasticitäts- und Cohäsionsverhältnisse des Pflanzenkörpers. Formänderungen zur Vermehrung der Tragfähigkeit bei. In welcher Weise ge- wisse Einrichtungen darauf berechnet scheinen, dem schädigenden Einfluss von Sturm, Regen, Hagel vorzubeugen, ist bei Stahl^) und bei Wiesner^] nach- zusehen. ]Mit der besten Kenntniss einer zweckentsprechenden Einrichtung ist aber noch kein causales Verständniss des physiologischen Schaffens gewonnen (I, § 2). Wie dieses allgemein in gewissen Grenzen modificirbar ist, so ist auch die Festig- keit bis zu einem gewissen Grad von äusseren Einflüssen abhängig. Unter an- derem sind die Wandungen in etiolirten Pflanzen schwächer ausgebildet (II, § 24) und es entspricht durchaus dem üblichen Reactionsvermögen, dass die Festigkeit durch die Inanspruchnahme gesteigert wird (II, § 3 6). Das geschieht in einem specifisch verschiedenen Maasse, geht aber z. B. bei Helleborus niger so weit, dass die Tragfähigkeit des Blattstiels durch allmähliche Steigerung der Belastung von 400 g auf 3300 g erhöht wird. Bei dieser Reaction werden in den Blatt- stielen von Helleborus niger gewisse dünnwandige Zellen so verstärkt, dass sie einen ansehnlichen dickwandigen Bastbelag bilden. § 16. Elasticität und Cohäsion der Zellhäute, Die grossen Verschiedenheiten, welche die von der Pllanze gebildeten Zell- häute in Bezug auf Festigkeit und Elasticität besitzen, sind in erster Linie durch die besondere Molecularstructur bedingt. Das geht daraus hervor, dass die physikalischen Eigenschaften bei den aus derselben Substanz aufgebauten Mem- branen in weiten Grenzen schwanken und dass z. B. bei den aus Gellulose formirten Häuten alle vorkommenden Extreme und Abstufungen gefunden wer- den. Denn aus Gellulose bestehen sowohl gewisse Bastfasern, deren Tragmodul dem Schmiedeeisen (13 kg per mm^) und sogar dem Stahl (25 kg) gleich- kommt, als auch Wandungen (Urmeristem, Parenchjme etc.), die bis zur Elasti- citätsgrenze nur eine Belastung von 1 — 4 kg pro 1 mm^ vertragen 3). Ferner können die Gellulosewandungen in dem Staubfaden von Cynareen innerhalb der Elaslicitätsgrenze bis auf das Doppelte, also ähnlich wie Kautschuk verlängert werden^), während bei Bastfasern und vielen anderen Wandungen die zulässige elastische Verlängerung nur 0,5 — 1,5 Proc. beträgt. Aehnlich verhalten sich die meisten verholzten Fasern, jedoch sind bei Gocos nucifera, Garyota urens (Sonntag), sowie bei Agave americana (Schwendener) auch solche gefunden, die eine Dehnung bis zu 20 Proc. gestatten. Weiter ist bei den verkorkten Häuten gewöhnlich nur eine Verlängerung um 1 — 2 Proc, bei Prunus aber imi 10 — 12 Proc. zulässig'^). Mit deiu Kork stimmen so ziemlich die Elasticitäts- 1) Stahl, Regenfall u. Blattgestalt 4893, p. lAg, 170 etc. 2) Wiesner, Annal. d. jardin. botan. d. Buitenzorg -1897, Bd. U, p. 283 ff. 3) Näheres bei G. Haberlandt, Physiol. Anatomie 1896, II. Aufl., p. 143, 12-1. Vgl. ferner Th. v. Weinzierl, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1877, Bd. 76, Abth. 1, p. 411: P.Sonntag, Landwirth. Jahrb. 1892, Bd. 21, p. 839; S ch wen den er, Bericht d. Botan. Gesellsch. 1894, p. 243; H. Schellenberg. Jahrb. f. wiss. Bot. 1896, Bd. 29, p. 240. 4) Pfeffer, Physiol. Untersuch. 1873, p. 106. Die hohe Dehnbarkeit dieser Fila- mente kannte schon Covolo 1764. Vgl. Pfeffer, 1. c. p. 81. ö) Schwendener, Die Schutzscheiden u. ihre Verstärkungen 1882, p. 40; Haber- landt 1. c. p. 121. § 1 6. Elasticität und Cohäsion der Zellhäute. 61 Verhältnisse der Guticula überein, die in dem Staubfaden der Cynareen voraus- sichtlich eine ebenso hohe elastische Dehnbarkeit erreicht wie die Cellulosewan- dung in der Epidermis. Die sehr verschiedene Quellungsfähigkeit u. s. \v. lehrt ebenso, dass mit demselben Materiale Bauwerke und Wandungen von sehr verschiedener physi- kalischer Qualität herstellbar sind. Wenn also die verholzten Membranen nicht so weit gehende Extreme darbieten, als die Gellulosemembranen, so hängt das wohl damit zusammen, dass jene keine so mannigfaltige Verwendung finden und nur in ausgewachsenen Organen auftreten. Uebrigens ist die Bedeutung der Verholzung noch nicht aufgeklärt. Denn durch diese wird die Cohäsion und Elasticität nicht gesteigert, ja theilweise sogar ein wenig vermindert (Sonn- tag, Schellenberg); auch ist die Verholzung für die Sistirung des Wachs- thums nicht nothwendig (II, § 9). Vielleicht ist aber die Verholzung von Nutzen, um die so veränderten Membranen gegen chemische und andere Angriffe wider- standsfähiger zu machen (über Verholzung vgl. I, § 84). Die Bedeutung der Verkorkung und Guticularisirung ist früher besprochen (I, § 21). Auch ist gelegentlich schon auf die Rolle hingewiesen, welche die Einlagerung von Kiesel- säure etc. spielen dürfte (I, § 75). Durch die reichliche Imprägnirung mit Kieselsäure wird die Membran augenscheinlich härter und spröder, ohne dass die Tragfähigkeit gesteigert zu werden scheint (II, § 24) '). Die besagten Differenzen der Elasticität und Cohäsion finden sich auch bei Membranen von gleichem oder ähnlichem Wassergehalt, der aber die obigen Eigen- schaften beeinflusst. Denn es ist selbstverständlich, dass mit der weitgehenden Aus- einanderdrängung der festen Substanz die Festigkeit abnimmt, die bekanntlich in gallertartigen Membranen gering ist 2). Diese erfahren also durch den Wasserverlust eine erhebliche Steigerung der Zerreissungsfestigkeit, die aber durch Trocknen auch in geringerem Grade in den wasserärmeren und zugfesteren Membranen vergrössert wird 3). Gleichzeitig scheint allgemein die Amplitude der elastischen Dehnung ab- zunehmen und es ist bekannt, dass völlig getrocknete Membranen (abgesehen von den mit Fettsubstanzen imprägnirten) spröde und pulverisirbar sind. Da aber in den lebensthätigen und sogar in den angewelkten Pflanzen die Mem- branen völlig oder nahezu völlig gequollen sind, so werden wir nur die mit Wasser imbibirten Membranen berücksichtigen. Bemerkenswerth ist, dass, wenigstens bei den festigenden Zellen, fast so- gleich nach Ueberschreitung der Elasticitätsgrenze, Zerreissung erfolgt, dass also Tragmodul und Festigkeitsmodul nahezu zusammenfallen, während diese z. B. bei Metallen ziemlich weit auseinander liegen (Schmiedeeisen 13 und 41 kg; Stahl 25 und 82 kg pro 1 mm 2). Dieses Zusammenfallen von Tragmodul und Festigkeitsmodul ist durchaus zweckentsprechend, da zur Erzielung eines stabilen Baues eine Inanspruchnahme über die Elasticitätsgrenze nicht erlaubt ist. Dem- 1) Ueber Härte der Zellhäute siehe E. Ott, Botan. Centralbl. 1900, Bd. 84, p. -291. 2) Siehe z. B. Reinke, Untersuch, über die Quellung 1879, p. 30 (in Hanstein's Botan. Abhandlungen Bd. 4). Vgl. I, § 12. 3) Vgl. Schellenberg, Sonntag, Weinzierl 1. c. Es scheint dieses allgemein für quellungsfähige Körper, also auch für die aus dem Thierreich stammenden zu gelten. Nach Weinzierl (I.e. p. 460) ergiebt sich für die Zerreissungsfestigkeit bei einem gewissen niederen Wassergehalt ein Maximum. 62 Kap. IV. Elasticitäts- und Cohäsionsverhältnisse des Pflanzenkörpers. entsprechend pflegen auch die 3Iembranen der wachsenden Zelle nicht bis zur Elasticitätsgrenze gespannt zu sein (II, § 8, 9). Bei weiterer Dehnung scheinen indess die Membranen der wachsenden Zellen eine gewisse, theilweise sogar eine erhebliche bleibende A'erlängerung (plastische Dehnung) zu erfahren. Wenigstens wurde von Ambronni) nachgewiesen, dass die Elasticitätsgrenze des Gollenchyms schon durch den Zug von \ — 2 kg per 1 mm 2 überschritten wird, während die Zerreissung erst bei 8 — 12 kg erfolgt. Auffällig ist, dass nach diesem Forscher bei einer geringeren Belastung die Verlängerung nach einigen Stunden vollendet ist und dann nicht mehr fortschreitet. Jedenfalls verdient dieses Verhalten die vollste Beachtung, da es vielleicht eine Nach- wirkung derjenigen vitalen Action ist, durch welche die Cohäsion der wachs- thumsfähigen Membranen herabgedrückt und dadurch das Flächenwachsthum regulatorisch gelenkt wird (II, § 8). Uebrigens wird eine genaue Bestimmung der Elasticitätsgrenze durch die elastische Nachwirkung erschwert, die in ge- quollenen Körpern ziemlich ansehnlich zu sein pflegt 2). Die grosse Festigkeit von Balken, Hanfseilen etc. ist allgemein bekannt und wurde aus technischen Rücksichten A'ielfach geprüft. Jedoch wurde erst in den Untersuchvmgen Seh wendener 's und der oben genannten Forscher der wirksame Theil des Querschnitts, also der von der Wandsubstanz eingenommene Theil näher bestimmt. Freilich lieferten auch diese Bestimmungen nur An- näherungswerthe, die aber für die Ableitung der besprorhenen Beziehungen aus- reichen. Einzelheiten sind in den citirten Schriften zu finden. Als Beispiele für eine weitgeliende elastische Dehnbarkeit seien noch genannt die Sporenschläuche von Ascobolus und anderen Ascomyceten (II, Kap. XII), die Markhyphen von Usnea barbata^ , die Wandungen der Milchsaftgefässe ■*), die Zellwandungen im Schwell- parenchym der Früchte von Impatiens^] (vgl. auch § 18). Auch besitzen die wachsenden Zellwandungen vielfach eine relativ ansehnliche elastische Dehnbai'keit, die also zumeist, jedoch nicht immer mit dem Auswachsen der Membran zu- nimmt (II, § n, 8, 9). Innerhalb der einzelnen Wandung bestehen offenbar vielfach Unterschiede der Elasticitäts- imd Cohäsionsverhältnisse. Denn diese sind sicher verschieden in den ungleich wasserreichen und ebenso in den cuticularisirten und nicht cuti- cularisirten Schichten. Ferner dürften da, wo Quellung, optisches Verhalten u. s. w. Differenzen bieten (1, p. 71), auch die Elasticität und Cohäsion in der Richtung von 1] H. Ambronn, Jahrb. f. wiss. Bot. 1879—81, Bd. 12, p.521 ; J. Cohn. ebenda 1892, Bd. 24, p. 106; C. Müller, Bericht d- bot. Gesellsch. 1890, p. 165; Haberlandt, 1. c. p. 4 39. -2) Reinke, 1. c. p. 17; 0. Lehmann, Molekularphysik 1888, Bd. I, p. 530. — Zwischen Verlängerung und spannendem Gewicht besteht wohl keine genaue Pro- portionalität. Vermuthlich wird bei Zellwänden zumeist, wie beim thierischen Muskel, mit zunehmender Dehnung derselbe Spannungszuwachs eine etwas geringere Ver- längerung bewirken. Vgl. Wertheim, Annal. d. chim. et d. phys. 1847, III ser., Bd. 21, p. 396, sowie die Handbücher d. Thierphysiologie. Bezüghch der Staubfäden d. Cynareen, Pfeffer. 1. c. p. 108. Ueber Kautschuk vgl. die Handbücher d. Physik. 3) Haberlandt, 1. c. p. 174. 4) Schwendener, Sitzungsb. d. Berl. Akadem. 1885, p. 326. 5) Eichholz, Jahrb. f. wiss. Bot. 1886, Bd. 17, p. 561. — Einige weitere Beispiele bei Küster, Sitzungsb. der Berl. Akad, 1899, p. 825 (Derbesia); L. Nicotra, Süll' elasticita di tensione etc. 1897—98 (Sep. a. Rendic. dell' Accademia di Acireale Bd. 9). §17. Elasticitäts- und Cohäsionsverhältnisse der Gewebe. 63 2 oder 3 Achsen ungleich ausfallen. Nac-h directen Erfahrungen scheinen die elastischen Wandungen in den cjlindrischen Zellen des Staubfadens der Cynareen in tangentialer Richtung weniger dehnbar zu sein, als in der Längsrichtung^). \\'enigstens spricht hierfür, dass die Zellen ihre cvlindrische Form bewahren, während sie durch die steigende Turgorkraft tun 20 — 30 Proc. verlängert wer- den. Ueber die Conservirung der Cylinderforni in wachsenden Zellen siehe II, p. 37. § 17. Elasticitäts- und Cohäsionsverliältnisse der Gewebe^ Die Elasticitäts- und Cohäsionsverhältnisse von Geweben werden nicht allein durch die Eigenschaften der Wandungen, sondern auch durch den Turgor, so- wie durch die Art und Weise der Verkettung und Gruppirung der aufbauenden Elementarorgane bestimmt (II, § 15). Das ergiebt sich schon aus der Erfahrung, dass die dünnwandigen Zellen und ebenso ein aus solchen Zellen gebildetes Gewebe im turgescenten , aber nicht im welken Zustand eine ansehnliche Biegungs- und Druckfestigkeit besitzen. Bei Steigerung des Aussendruckes wird natürlich mehr und mehr Wasser aus den einzelnen Zellen gepresst, die sich somit unter Gontraction und Faltung der Wandungen verkleinern, wodurch zu- gleich die Concentration des Inhalts und die osmotische Gegenleistung zunimmt (i, § 24). Eine solche Compression tritt auch bei der Beugung eines Sprosses einer Wurzel u. s. w. auf der concav werdenden Seite ein und zuweilen, z. B. in den Bewegungsgelenken von Oxalis^), wird durch die active Krümmungs- tliätigkeit der Pflanze eine sehr weitgehende Zusammenpressung der Zellen bewirkt. Ein Wasserwechsel erfordert eine gewisse Zeit und damit hängt es theil- weise zusammen, dass sich dünnwandige Zellen und Gewebe, ähnlich wie ein Wachsstock, bei langsamem Vorgehen biegsam und plastisch, bei plötzlichem Biegen aber spröde und brüchig erweisen. Diese Sprüdigkeit ist in der That nur im turgescenten Zustand vorhanden, hängt aber doch in hohem Grade auch von der Qualität der Wandungen ab und ist desshalb z. B. nicht in den turges- centen Staubfäden der Cynareen zu thiden, die sehr dehnbare (elastische) Zell- wandungen besitzen. Mit der Verdickung und Verstärkung der Wandungen tritt dann, wie schon hervorgehoben wurde, die Bedeutung des Turgors in Be- zug auf die mechanischen Eigenschaften der Zelle und der Gewebe mehr und mehr zurück. Uebrigens ist die longitudinale Festigung von dem Turgor un- abhängig. Indcss wird ein turgescenter Spross durch einen geringeren Zug zer- rissen, als ein welker Spross, weil in jenem die Zellwandungen bereits durch die osmotische Energie erheblich gespannt sind. Aber schon bei longitudinaler Inanspruchnahme ist die Dehnbarkeit und Elasticität eines Gewebes in hohem Grade von der Vertheilung und Gruppirung der Zellen abhängig. So kann in einem Gewelje, das aus locker verbundenen ■1) Pfe ffer, Physiol. Unters. 1873, p 110. 2) Pfe ffer, Physiol. Unters. 1873, p. 70 -1893, P . 407, . Vgl . auch II, , Kap. XI. Taf. i, Fig. 5 ; Druck- u. Arbeitsleist. 64 Kap. IV. Elasticitäts- und Cohäsionsverhältnisse des Pilanzenkörpers. Zellen besieht , die Verlängerung , ähnlich wie in einer aus Kautschukringen bestehenden Kette, zum guten Theil durch eine Formänderung der Zellen und der die Intercellularen umgrenzenden Zellketten herbeigeführt werden. Ist aber ein Gewebe aus cylindrischen Zellen aufgebaut, so wird durch die Verlängerung des Organes auch die Verlängerung der Zellwand bemessen, vorausgesetzt, dass im Inneren keine Verschiebungen und Zerreissungen eintreten i). 3Iuss nun auch das Bestreben dahin gehen, die Eigenschaften aus den bedingenden Factoren zu erklären, so hat man doch die mechanische» und elastischen Eigenschaften eines Complexes zunächst durch die üblichen phj^sikalischen Bezeichnungen zu characterisiren. Bei Beachtung dieser Verhältnisse, sowie der Qualität und der Dicke der Membranen sind die Erfolge verständlich, die in wachsenden und ausgewach- senen Geweben durch die eigene Turgorkraft, sowie durch Zug, Beugung, Torsion, Erschütterung erzielt werden. Da die Elasticität der Wandungen in der Regel nach der Vollendung des Flächenwachsthums zunimmt (durch Verdickung so- wie durch Aenderung der Qualität), so ist es verständlich, dass die grösste Turgordehnung, also die ansehnlichste Verkürzung bei Aufhebung des Turgors, häufig in der wachsenden Region zu finden ist (II, § 8, 9). Auch ist schon mitgetheilt (II, § 16), dass in den ausgewachsenen Zellhäuten Tragmodul und Festigkeitsmodul nahe und gewöhnlich näher gerückt sind, als in den wachsthumsfähigen Membranen der embrj^onalen und jugendlichen Ge^ webe. In diesen lässt sich desshalb durch Dehnung über die Elasticitätsgrenze leichter eine bleibende (plastische) Verlängerung erzielen. Jedoch sind in den wachsenden Zellen die Wandungen durch die Turgorenergie normalerweise nicht bis zu der Elasticitätsgrenze in Anspruch genommen und ein Wachsen durch plastische Dehnung erfolgt nur insofern und insoweit, als durch die vitale Thätigkeit in regiüatorischer Weise für Herabsetzung der Cohäsion g — 4,5 Proc. gemessen. Aehnliche Längsspannungen (und Querspannungen) bestehen iuich in dem Grasknoten 3) sowie in den Bewegungsgelenken der Blätter von Phaseolus, Älimosa etc.-*) In der Fig 1 6 Ä, die pig. n,. Die Schnitte eine mediane Längslamelle aus dem primären Gelenk des |\°;{,g'^^ti Walse'r^gT Blattes von Mimosa pudica vorstellt, zeigt die Krümmung nach zeichnet. (Vergrössert.) dem Spalten an, dass der Holzcylinder h negativ, das um- gebende Gewebe aber positiv gespannt sind. In diesem Parenchymgewebe ist die Epidermis wiederum negativ gegen das innere Gewebe gespannt, wie sich aus 145. Vgl. auch Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, Weitere Messungen z. B. bei Sachs, Experimentalphysiol. 1865, p. 4 68 u. s. w. — Mit- theilungen über die Grösse der Krümmung bei Spaltung von Längslamellen (wie in Fig. 1 4, p. G8) bei Sachs, Lehrbuch, IV. Aufl., p. 769. 4) G. Kraus, 1. c. p. 4 0'; p. 274. 2) G. Krabbe, Sitzungsb. d. Berlm. Akadem. 4 882, p. 1102; Wachsthum des Ver- dickungsringes 1884, p. 8. 3) Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893, p. 400. 4) Millardet, Nouv. rech. s. 1. periodicite d. 1. tension 4869, p. 13; Pfeffer, Physiol. Unters. 1873, p. 4 8 u. Periodische Bewegungen 1875, p. 3. 70 Kap. V. Gewebespannung. dei' Krümmung ergiebt , die nach der Spaltung der Parenchymlamelle (Fig. \ 6 B bei e und d) eintritt. Die Ausbildung der Gewebespannung ist übrigens nicht an eine ausgeprägte Gewebedifferencirung gebunden. So findet man z. B. in dem Fruchtkörper von Basidiomyceten u. s. w. eine negative Spannung der peripherischen Gewebe- schichten ^j. Mit dem Hinzukommen der Gewebedifferencirung pflegen die Ge- fässbündel in Zugspannung zu gerathen. Das gilt auch für die Wm'zel, in welcher allerdings nur eine schwache Längsspannung ausgebildet wird 2). Wenn aber weiterhin durch die Wachsthumsthätigkeit des Rindengewebes eine Verkürzung der Wurzel bewirkt wird, dann werden, wie in 11, § 4 mitgetheilt ist, die Span- nungsverhältnisse umgekehrt, d. h. man findet nunmehr in dem Rindenparenchym eine negative , in dem Gefässbündelcylinder und in der Epidermis eine positive Längsspannung. Sowie aus den Krümmungen, kann auch aus anderen Formänderungen auf die Vertheilung der Gewebespannung geschlossen werden. So wird z. B. auf einer Querschnittfläche durch das Hervorwölben der positiv gespannten und das Einziehen der negativ gespannten Gewebe eine wellige Oberfläche gebildet. Sehr schön ist dieses an den Grasknoten, an den Blattgelenken von Phaseolus, Mimosa etc., aber z. B. auch an älteren Wurzeln zu sehen '^). Bei der Ausgleichung der Längs- spannung wird zugleich die Querspannung mehr oder minder modificirt. Denn da mit der Verlängerung des comprimirten Markes der Durchmesser abnimmt, so wird dem entsprechend der vom Mark ausgehende Radialdruck vermindert. Ebenso muss der Rindendruck abnehmen, wenn durch die Ausgleichung der negativen Längsspannung der Durchmesser des Rindencylinders zunimmt. Diese und andere Verhältnisse sind natürlich bei der Ermittelung der Spannungs- verhältnisse in den intacten Organen zu berücksichtigen. Wir haben indess nicht nöthig, auf solche physikalische Probleme einzugehen, die demjenigen be- kannt sein müssen, welcher Forschungen auf diesem Gebiete anstellen wilH). Intensität der Spauunng. Diese erreicht in einzelnen Fällen so hohe Werthe, dass sogar sehr widerstandsfähige Zellwandungen und Gewebe zei-rissen oder zersprengt werden (vgl. 11, § 9). Aber auch da, wo die Elasticitätsgrenze nicht überschritten wird, entspricht die vorhandene Spannung häufig einem Zug oder Druck von 5 — \ 5 Atmosphären und erreicht sogar noch höhere Werthe, So stellt sich z. B. die Tangentialspannung in der Rinde der Bäume häufig auf 1 0 Atmosphären, denn in den Versuchen von Krabbe^) war nicht selten für \ mm'-^ Querschnitt ein Gewicht von i 0 0 g nöthig , um die isolirte Rinde wiederum auf die ursprüngliche Länge zu dehnen. Eine solche Zugkraft ist auch nicht selten nothwendig, um isolirte Längsstreifen von negativ gespannten Geweben auf die 1) Ueber Algen vgl. E. Küster, Sitzungsb. d. Berl. Akad. -1899, p. 819. 2) Sachs, Arbeit, d. Bot. Instituts in Würzburg 1873, Bd. I, p. 43ö. — Ueber die Spannungen in den unterirdischen Ausläufern von Yucca und Dracaena vgl. Sachs, Lehrbuch, IV. Aufl., p. 770. 3) Vgl. z.B. Pfeffer, Druck- und Arbeitsleistungen 1893, p. 404; deVries, Land- wirth. Jahrb. 1880, Bd. 9, p. 41 ; Detlefsen, Arbeit, d. Botan. Instituts in Würzburg 1878, Bd. H, p. 38. 4) Verschiedene Probleme sind in klarer Weise auseinander gesetzt bei Nägeli u. Schwendener, Mikroskop 1877, IL Aufl., p. 406, 414. 5) G. Krabbe, Sitzungsb. d. Berlin. Akad. 1882. Vgl. z. B. p. 1116 Vers. 30, wo für 2 mm'^ 200 g nöthig waren. § 18. Allgemeines. 71 Länge des intacten Sprosses zu bringen i). Ferner musste N. J. C. Müller-) einen Druck von 13^/2 Atmosphären anwenden, um das isolirte Mark von Helianthus auf der ursprünglichen Länge zu halten. Ebenso sind z. B. in den Bewegungs- gelenken 3), in Grasknoten ■*) u. s. w. sehr hohe Spannungsintensitäten aus- gebildet. Diese hohen Spannungen können nicht überraschen, da die wachsenden Organe mit gleicher Energie gegen eine äussere Widerlage wirken (II, § 35). Diese Widerlage bilden in der Pflanze die negativ gespannten Gewebe, auf die also ein Theil oder die gesammte Turgorenergie der positiv gespannten Gewebe übertragen wird^). Eine solche totale Uebertragung kommt z. B. in dem Parenchym der Grasknoten 6) und in dem Marke von HeUanthus tuberosus zu Stande"), während in anderen Fällen die Wandungen der positiv gespannten Gewebe nur theilweise entspannt werden s), so dass nur ein Theil der vorhandenen Turgorenergie gegen die negativ gespannten Gewebe wirksam wird. Die ' historische Entwickeluug- unseres Gegenstandes ist wesentlich mit dem Studium gewisser Bewegungsvorgänge verkettet. So wurden von DuhameP) und von Lindsay^^) die Bedeutung der Gewebespannung für bestimmte Krüm- mungen erkannt, die natürlich sehr schnell verlaufen können, wenn die zuvor geschaffene Spannung plötzlich in Action tritt. Allgemeine Betrachtungen über Spannungszustände linden sich bei D utrochet ii), der die Turgorspannung und die aus dem Antagonismus von Geweben entspringenden Spannungen unterschied und ferner erkannte, dass Spannungsänderungen und Bewegungen sowohl durch Wachsthum, als auch durch Turgor und durch Imbibitionsänderung in der Wandung zu Stande kommen. Die Auffassungen Dutrochet's sind correcter, als die Ansicht von Hofmeister , welcher die Spannungsursachen wesentlich in den Zellwandungen und in deren Imbibitionszuständen suchte, die Bedeutung des Tur- gors aber unterschätzte imd vielfach verkannte. Dagegen verdanken wir Hof- m eist er 12] werthvolle Aufschlüsse über das Vorkommen der Gewebespannung (auch der Schichtenspannung) imd deren Ausbildung mit der Entwickeluug der lj Einige Versuche wurden bereits von Hofmeister angestellt (Pflanzenzelle -1867, p. 276; Flora 1862, p. 150). — Bei den Versuchen von G. Kraus (Bot. Ztg. 1867, Tab. p. 9) ist die Querschnittsfläche nicht bestimmt. — Zudem hat G. Kraus irrigerweise die Dimensionsänderungen der Gewebe als Maass der Spannungsintensität ange- sprochen. 2) N. J. C. Müller, Botan. Untersuch. 1872, Bd. L p. 33. 3) Pfeffer, Die periodisch. Bewegungen d. Blattorgane 1875, p. 105, IM. Vgl. 11, Kap. XH. 4) Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893, p. 401. 5; Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893, p. 426, 400. 380. Vgl. H. § 9. 35. 6) Pfeffer, 1. c. p. 400. 7) R. Kolkwitz, Fünfstück's Beiträge z. wiss. Bot. 1897, Bd. I, p. 246. Vgl. II, § 9. 8) Pfeffer, I.e. p. 426, p. 380; Schwendener u. Krabbe, Jahrb. f. wiss. Bot. 1893, Bd. 25, p. 327; Kolkwitz 1. c. 9) Duhamel, De Fexploitation des bois 1764, Bd. II, p. 479. 10) Lindsay, vgl. die Lit. in Pfeffer, Physiol. Unters. 1873, p. 3. 11) Dutrochet, Memoires, Brüssel 1837, p. 225— 235, u. d. folgend. Kap. Theil- weise sind die hier mitgetheilten Auffassungen schon seit 1824 in verschiedenen Aufsätzen entwickelt. — Wenig bedeutungsvoll ist eine Arbeit Johnson 's (Annal. d. scienc. naturell. 1835, II ser., Bd. 4, p. 321). Zwar wurde von diesem Forscher manches fac- tische Spannungsverhältniss beobachtet, indess der Mechanismus nicht richtig erkannt. 12) Hofmeister, Jahrb. f. wiss. Botan. 1859, Bd. 2, p. 237; 18(53, Bd. 3, p. 81. Flora 1862, p. 497. Pflanzenzelle 1867. p. 267 ff. 72 Kap. V. Gewebespannung. Organe. Diese Kenntnisse, wurden dann durch Sachs i) und namentlich durch G. Kraus 2) erweitert. Zur Klärung der Sachlage und zur richtigen Auffassung der Spannungen haben besonders die allgemeinen Erörterungen von Nägeli und Seh wendener 3] beigetragen. § 19. Entwickelung und Veränderung der Gewebespannung. Bei der Behandlung des Wachsthums ist bereits erörtert, wie und warum sich durch die ungleichen Wachsthumsbestrebungen der Zellen und Zellcomplexe Gewebespannungen einstellen und ausbilden (11, § 9). Diese Spannungen können natürlich eine höhere hitensität erst dann erreichen, wenn (mit oder ohne Ge- webedifferencirung) Zellen oder Gewebe formirt sind, die einem Zug oder Druck, also der Aussenleistung der schneller wachsenden und positiv gespannten Elemente, einen genügenden Widerstand entgegensetzen. Desshalb kommt in dem Ur- meristem, in dem Spitzentheil der Wurzel, überhaupt in den plastischen Geweben (II, § 17) keine erhebliche Gewebespannung zu Stande. Diese nimmt aber mit der Gewebedifferencirung in dem Maasse zu, als in den Gefässbündeln u. s. w. Complexe geschaffen werden, die schliesslich ihr Wachsthum einstellen und be- fähigt sind, die hohen Aussenleistungen der positiv gespannten Gewebe zu tragen, denen durch einen genügenden Widerstand das fernere Wachsthum unmöglich ge- macht wird (II, § 9). Die so erzielten Spannungen erfahren gewöhnlich schon durch die eigene Thätigkeit der Pflanze weitere Veränderungen, die durch Modilication des Tur- gors, durch Absterben von Geweben, durch Verdickung und Elasticitätsänderungen der Zellwand, durch interne Wachsthumsvorgänge u. s. w. bewirkt werden. So verliert z. B. das absterbende Mark seine positive Spannung, und die Zerreissungen bei dem Hohlwerden von Stengeln u. s. w. lehren, dass das Mark oder andere zuvor positiv gespannte Gewebe nunmehr unter Zugspannung stehen (II, § 9). Ferner wird mit dem Beginn des Dickenwachsthums die Querspannung verstärkt, und speciell in der Wurzel tritt mit dem Dickenwachsthum in Rinde und IIolz- körper eine Umkehrung der bisherigen Längsspannung ein (II, § 4). In anderen Organen wird die während des Wachsthums erworbene Spannung während der ganzen Lebensdauer bewahi^t, wie z. B. in den Staubfäden der Cynareen und in den Gelenken von Mimosa, Phaseolus etc. In den meisten Fällen werden aber nach dem Auswachsen die Dimensionsänderungen reducirt, welche die Gewebeschichten bei dem Isoliren ausführen. Hieraus wurde mit Unrecht von G. Kraus (1. c.) gefolgert, dass die Intensität der Längsspannung während des Wachsens ein Älaximum erreiche. Denn dasselbe Resultat wird ohne Verminderung der Spannungsintensität auch dann erzielt, wenn die Elasticität und die Dicke der Wandungen zunehmen. Jedoch dürfte, neben diesen Vorgängen in den ausgewachsenen Organen, vielfach eine gewisse Ausgleichung der Span- nungen eintreten. Uebrigens ist anzunehmen, dass nicht selten durch eine Be- 1) Sachs, Experimentalphysiol. iSGö, p. 465. 2) G. Kraus, Bot. Ztg. 1867, p. 105, u. 1871, p. 367; Jahrb. f. wiss. Bot. 1869—70. Bd. 7. p. 209. 3} Nägeli u. Schwendener, Mikroskop 1867, I. Aufl., 402. § 19. Entwickelung und Veränderung der Gewebespannung. 73 schleunigung des Wachsens transitorisch eine gewisse Steigerung der Spannung verursacht wird i). Natürlich werden ebenso innerhalb der Wandung Spannungen erzeugt, wenn die Schichten ungleich wachsen oder in verschiedener Weise ditferencirt werden. Dass beides häufig vorkommt, wurde schon früher erwähnt (II, § 9). Bei dieser Gelegenheit ist auch mitgetheilt, dass nicht selten die Cuticula, überhaupt die äussere Wandschicht im Wachsen zurückbleibt, also negativ gespannt und endlich abgesprengt wird. Dass die Cuticula negativ gespannt ist, erkennt man an der nach aussen gerichteten Krümmung einer Epidermislamelle aus dem Blatte von Hvacinthns, Agave etc. Denn diese Krümmung tritt nach dem Einlegen in Wasser auch an denjenigen Stellen ein, an denen allein die Aussenwand der Epidermiszelle vor- handen ist. Ebenso ergiebt sich eine negative Spannung der Cuticula aus den Krümmungen, die eintreten, wenn ein Querschnittring aus dem Internodium von Nitella, aus einem Pollenkorn etc. einseitig ausgeschnitten wii'd^]. Ferner wird die imgleiche BeschafTenheit und Quellungsfähigkeit durch die Krümmungen, Drehungen u. s. w. angezeigt, die beim Trocknen und Wiederbefeuchten der isolirten Aussenwand der Epidermis , der Moosperistome , der Elateren, der Equi- setumsporen etc. eintreten. Einiges über diese Vorgänge, sowie über die Be- wegungen, welche durch die Verkettung von ungleich quellenden Zellen und Ge- weben erzeugt werden, wird in II, Kap. XII mitgetheilt. — Ueber die Spannungen in Stärkekörnern vgl. Nägeli, Die Stärkekörner 1858, p. 39; Nägeli und Schwendener, Mikroskop 1877, II. Aufl., p. 430. IVachstliiim der isolirteu Gewebe. Da sich die Gewebe nach der Isolation gewöhnlich nicht in höchster Turgescenz befinden, so pflegen sie sich nach dem Einlegen in Wasser zunächst noch weiter zu verlängern bezw. zu verkürzen. Nunmehr beginnt in denjenigen positiv gespannten Geweben, die in dem intacten Spross an der Ausführung des angestrebten Wachsthums gehindert waren, eine weitere Wachsthumsthätigkeit, durch die z. B. manche Markcylinder um 40 Proc. verlängert werden-^). Wird aber das Wachsen durch Entziehen des Sauerstoffs (Pfeffer II, § 8) oder durch Einlegen in Wasser von 0° (Schwendener und Krabbe)^) sistirt, so tritt nur eine geringere Verlängerung ein, die mit der Herstellung der maximalen Tnrgescenz ihr Ende erreicbt. Unter diesen Um- ständen führt auch der gespaltene Blüthenschaft von Leontodon taraxacum eine massige Krümmung aus, während ohne die Hemmung der Wachsthumsthätigkeit allmählich eine spiralige Einrollung zu Stande kommt. Es kann nicht überraschen, dass sich, wie Sachs-'') fand, gewisse Theile des isolirten Älarkcjlinders im dampfgesättigten Räume erheblich verlängern. Denn 1) Ueber die Spannungszustände während der Winterruhe vgl. G. Kraus, Bot. Zeitung 1867, p. 118. 2) Hofmeister, Jahrb. f. wiss. Bot. 1863, Bd. 3, p. 82; Pflanzenzelle 1867, p. 267. 3) G. Kraus, Bot. Ztg. 1867, p. 123; N. J. C. Müller, Bot. Unters. 1872, Bd. I, p. 51. — Bei dieser Verlängerung erfahren die Markcylinder von manchen Pflanzen eine geringe Abnahme des Durchmessers (A. Bateson, Annais of Botany 1890—91, Bd. 4, p. M7). 4) Schwendener u. Krabbe, Jahrb. f. wiss. Bot. 1893, Bd. 25, p. 327; Krabbe, ebenda 1896, Bd. 29, p. 450. Vgl. 11, ,§ 10. 5) Sachs, Lehrbuch 1874, IV. Aufl., p. 775; Vorlesung, über Pflanzenphysiol. 1887, n. Aufl., p, 58'i. 74 Kap. V. Gewebespannung. einen analogen Vorgang beobachtet man auch an einem in der Luft hängenden Spross, dessen jüngere Theile fortwachsen, indem sie die älteren Theile durch Wasserentziehung zum Welken bringen (I, p. 9 4). Ausseneinflüsse. So gut wie Wachsthum , Turgor etc. werden auch die Spannungen in wachsenden und ausgewachsenen Organen transitorisch oder per- manent modificirt. Es ist indess nicht nüthig, hier auf diese Verhältnisse ein- zugehen, da wir die zu Grunde liegenden physiologischen Reactionen weiterhin in den Wachsthums- und Bewegungsvorgängen zu besprechen haben. Auch ge- nügt ein kurzer Hinweis auf die Erfolge, die bei Variation der Temperatur, des Wassergehaltes etc. in rein physikalischer Weise zu Stande kommen , da sich die Grundzüge zur Beurtheilung dieser Verhältnisse aus dem Mitgetheilten er- geben. Ebenso ist es selbstverständlich, dass sogar bei sehr ansehnlicher Variation der Spannungsintensität ein messbarer Effect dann ausbleiben kann, wenn den Wandungen eine sehr hohe Elasticität zukommt (vgl. II, Kap. XI). Wassergehalt. Da die Wandungen in ungleichem Maasse gedehnt sind, da zudem die Straffheit dünnwandiger Zellen von dem Turgor abhängt (II, § 16 — 18), so treten mit der Abnahme des Wassergehaltes Verschiebungen und nicht selten sogar Umkehrungen der Spannungsverhältnisse ein. Gleichzeitig ändert sich das Volumen der Pflanzentheile und es kommt, wie G. Kraus^) nachwies, eine tägliche Schwellungsperiode in Baumstämmen, Früchten etc. zu Stande, in der unter den üblichen Transpirationsverhältnissen das Minimum des Wassergehaltes und des Volumens in den Tagesstunden eintritt (vgl. I, § 37, 40). Uebrigens beträgt bei Baumstämmen die Variation des Durchmessers meist weniger als 1 Proc. Erst bei weitergehendem Wasserverlust wird den Wandungen Imbibitionswasser entzogen und dadurch eine Volumverminderung ])ewirkt, die in dem Bolze, selbst bei völligem Austrocknen, nur eine Verkürzung um 0,1 — 2 Proc. hervorruft 2), in stark gequollenen Wandungen (I, §12) aber viel ansehnlicher ausfallen kann-^). Auf diese Weise werden diu-ch die sehr hohe Quellungsenergie (I, § 12) Spannungs- intensitäten erzielt, die sogar zum Zerreissen des Bolzes führen können. Temperatur. Während die Ausdehnung der festen und flüssigen Körper, so- wie die Veränderung des osmotischen Druckes durch die Tempei'atur (I, p. 120) nicht sehr in das Gewicht fallen-*), kann durch die Eisbildung in der Pflanze eine weitgehende Erschlaffung ei'zielt werden (II, § 67). Durch ein solches Welken 1) G. Kraus, Die tägliche Schwellungsperiode d. Pflanze 1881 (Separat, a. Ab- handig. d. Naturf. Gesellsch. zu Halle, Bd. 15) und Annal. d. Jardin Botan. d. Buiten- zorg 1895, Bd. 12, p. 210. Vgl. ferner P. Kaiser, Die tägliche Periodicität d. Baum- stämme, Halle 1879; Beuss, Bot. Centralbl. 1893, Bd. 55, p. 348; J. Friedrich, Bot. Ztg. 1897, p. 369; Fr. Darwin, Annais of Botany 1893, Bd. 7, p. 485 (Früchte). —Dass die Stämme bei Wasserzufuhr an Umfang zunehmen, wurde schon festgestellt von Haies, Statik d. Gewächse 1748, p. 74; Duhamel, De Fexploitation des bois 17C)4, Bd. I, p. 331. — Ueber Jahresringe u. Bindendruck siehe II, § 35. 2) B. Hildebrand, Annal. d. Physik u. Chemie 1888, N. F. Bd. 34, p. 395. Nach Villari (ebenda 18G8, Bd. 133, p. 412,417) ist die Verlängerung in radialer Bichtung viel ansehnlicher als in longitudinaler Bichtung. Nach diesem Forscher gilt dasselbe für die Ausdehnung des Holzes durch Wärme. Weitere Lit. bei Nor dlinger. Die tech- nischen Eigenschaften d. Holzes 1860; Hartig, Holz d. Nadelbäume 188H, p. 101; Kitao, Bullet, of imp. univers. College of Agricultiire of Tokio 1898, Bd. III, p. 299 u.s.w. 3) Ueber hygroskopische Bewegungen vgl. B, Kap. XII. 4) Vgl. True, Annais of Botany 1895, Bd. 9, p. 399. § 1 9. Entwickelung und Veränderung der Gewebespannung. 75 werden demgemäss bei genügender Kälte Stellungsändeningcn bewirkt, die sogar bei Holzpflanzen zu einer ansehnlichen Senkung der Aestc führen können^). Andererseits kommen aber auch durch physiologische Reactionen, als Folge der Verschiebung des Turgors oder der Wachsthumsthätigkeit, ansehnliche Krüm- mungen und Stellungsänderungen zu Stande (II, Kap. XII). Auf diese Weise wird vermuthlich bei verschiedenen Pflanzen bei Erniedrigung der Temperatur ebensowohl eine Abnahme als eine Zunahme der Turgorspaiuiung vorkommen und es ist möglich, dass die Senkungen und Erschlaflungen, die zum Theil ohne Eisbildung und sogar schon bei -j- 1 — 2" C. beobachtet wurden, als Folge einer physiologischen De- pression des Turgors entstanden. Jedoch fehlen in dieser Hinsicht kritische Unter- suchungen, und jedenfalls tx-itt eine solche physiologische Depression nicht allgemein bei einer Erniedrigung der Temperatur bis zu dem Gefrierpunkt ein^j. Die hohen Spannungen, die bei starkem Froste zur Bildung von Frostrissen führen, werden nicht allein durch die Contraction in Folge der Temperaturerniedrigung, sondern auch durch die Herabsetzimg des Quellungszustandes erzielt, die in Folge der Wasserentziehung durch die Eisbildung zu Stande kommt 3]. Die anderweitigen physiologischen Reactionen, z. B. die Spannungsänderungen beim Etioliren (II, § 2 4) oder in den durch den Lichtwechsel u. s. w. erzielten Be- wegungen (II, Kap. XII) finden bei Behandlung dieser Vorgänge Berücksichtigung, 1) H. R. Göppert, Wärmeentwickelung1830,p.1 12; Gefrieren u. Erfrieren 1883, p. -10; Hofmeister, Zelle 1867, p. 279; Moll, Influence d. 1. gelee s. 1. plantes toujours vertes 1880, p. 9. (Separatabz. aus Archiv. Neerlandaises , Bd. 9.) Vgl. ferner Wille, Bot. Centralbl. 1884, Bd. 18, p. 220; Johow, Bot. Jahrb. 1888, p. 523; Vöchting, Berichte d. Botan. Gesellsch. 1898, p. 51; Geleznow. Rech. s. 1. quant. et 1. repartit. d. l'eau d. 1. tige d. plant, hgneuses. Melang. biolog. t. d. Bullet, d. l'Acad. d. St. Petersbourg 1 872, Bd. 9, p. 667. Aeltere Literatur ist hier citirt. Vgl. auch Bot. Ztg. 1867, p. 383. 2) Vgl. Bd. L p. 120. Da sich bei Abkühlung auf 0° die sehr dehnbaren Staub- fäden der Cynareen (II, § 1 6 u. Kap. XII) nicht messbar verkürzen und in den Gelenken von Mimosa die Biegungsfähigkeit (II, Kap. XIIj nicht sinkt, so findet in diesen Ob- jecten eine ansehnhche Depression des Turgors nicht statt. — Die in der erwähnten Lite- ratur mitgetheilten Beobachtungen sind schon desshalb unzureichend, weil zumeist nicht constatirt ist, ob die Stellungsänderung die Folge einer Erschlaffung war oder ob die Erfolge nicht durch unzureichende Wasserzufuhr erzielt wurden (Physiol. I, p. 213). Auch die Versuche von G. Kraus (Bot. Ztg. 1867, p. 124), nach denen (nach den Di- mensionsänderungen beim Isoliren beurtheilt) bei Erniedrigung der Temperatur von 38 auf 14° nur eine geringe, beim Erniedrigen unter -f- 7° aber eine erhebhche Abnahme der Gewebespannung eintreten soll, bedürfen einer näheren Aufklärung. — Durch die Ver- suche von Kr ab b e (Jahrb. f. wiss. Bot. 1896, Bd. 29, p. 4 47) ist in Wirklichkeit nicht erwiesen. dass bei 0 \- 6° die Wasseraufnahme in die Zelle durch eine physiologische Reaction herabgesetzt wird (Vgl. Bd. I, p. 120, Anmkg. sowie p. 212). Die Ansicht dieses Autors, nach der bei 0 h5°'Jie Plasmahaut eine völlige Ausgleichung des Filtrationsdruckes verhindere, ist nach den in meinem Institut von Herrn Fr. v. Rysselberghe vor- genommenen Untersuchungen unrichtig. Es wird dieses schon dadurch erwiesen, dass die plasmolytische Wirkung einer Lösung bei 0 wie bei 1ö°C. denselben Effect (Beginn d. Plasmolyse) hervorruft. 3) Vgl. II, § 68. Thatsachen z.B. bei Göppert, Erfrieren d. Pflanzen 1883, p. 14; H. Müller-Thurgau, Landwirth. Jahrb. 1886, Bd. 15, p. 483; Th. Hartig, Forstlich- naturwiss. Zeitschrift 1894, p. 255; Frank, Krankheiten d. Pflanzen, II. Aufl. 1893, Bd. I, p. 210. — Duhamel (De Texploitation d. bois 1764, Bd. I, p. 324) bestimmte schon die geringe Abnahme des Umfangs beim Gefrieren. 76 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. Kapitel YI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit durch die Aussenbedingungen. Abschnitt I. Allgemeines. § 20. Die formalen Bedingungen. Wie schon in der Einleitung (I, Kap. I) in allgemeinen Zügen dargelegt wurde, bedarf es zur Entfaltung der Leben sthätigkeit immer des Zusammen- wirkens verschiedener äusserer Factoren, durch deren Ausmaass demgemäss die Wachsthnmsthätigkeit und die Entwickelung der Ptlanze zeitlich geregelt sowie in formaler Hinsicht mehr oder minder modificirt wird. Zu den unter allen Umständen unerlässlichen Bedingungen gehört die Gewinnung der- jenigen Nährstoffe, die für den in Bd. I besprochenen Bau- und Betriebsstoff- wechsel nothwendig sind, der aber, sowie das Wachsthum, nur vor sich geht, sofern Wasser und Wärme in zureichendem Maasse geboten sind. Dagegen ist das Licht zwar für die grünen Pflanzen, jedoch nicht für alle Organe dieser und ferner nicht für diejenigen chlorophyllfreien Pflanzen nothwendig, die in vollkommener Dunkelheit dauernd gedeihen. Ferner haben wir bereits als Bei- spiele von specifisch verschiedenen Eigenschaften und Bedürfnissen kennen ge- lernt, dass der freie Sauerstoff, sowie das Calcium nicht für alle Organismen nothwendig sind (I, § 94, 73], dass gewisse Kohlenstoffverbindungen nur für gewisse Pflanzen eine zureichende Nahrung abgeben (I, § 67). Zudem stellen die verschiedenen Pflanzen in quantitativer Hinsicht an Temperatur, Nahrung, Licht, überhaupt in Bezug auf die allgemein und nicht allgemein nothwendigen Factoren verschiedene Ansprüche. Die Lebens- nnd Wachsthumsthätigkeit wird ferner durch Eingriffe beein- flusst, die zum Gedeihen nicht nothwendig sind, imd zwar auch durch solche, die unter den natürlichen Verhältnissen nicht vorkommen. So gehört zu den formalen Lebensbedingungen auch das Fehlen von Giften nnd anderen Agentien^ durch die das Leben vernichtet wird. Bei genügender Abschwäcliung der Ein- wirkung eines solchen Agens wird ein langsames und kümmerliches Gedeihen ermöglicht. Da aber durch den benachtheiligenden Eingriff in dem Organismus Gegenreactionen hervorgerufen werden, so ist bei riclitiger Verminderung des schädigenden Eingriffes im allgemeinen eine Beschleunigung der Stoffwechsel- Ihäligkeit (I, § 104) und vielfach auch der Wachsthums- und Bewegungsthätig- keit zu bemerken (Bspl. u. a. in H, § 30, ^6). Das maclit sich in Verbindung § 20. Die formalen Bedingungen. 77 mit, einer besonderen formativen Thätigkeit auch in den durch Verlclzung ver- anlassten Reactionen bemerklich (II, § 38). Diese, sowie die heUotropischen, geotropischen, nyctitropischen etc. Reactionen sind zwar für den Organismus, da, wo es darauf ankommt, von wesentlicher Redeutung, jedoch ist die Inan- spruchnahme dieser und mancher anderer Fähigkeiten, sind also die bezüglichen äusseren Eingriffe nicht unbedingt nothwendig, da die Pflanze auch gedeiht, wenn Verletzungen vermieden sind oder wenn sie nicht genöthigt ist, durch ihre Reizbewegungen die richtige Lage oder den Schutz ihrer Organe herzu- stellen. Thatsächlich vermag wohl ein jedes äusseres Agens bei genügender Intensität irgend einen Einfluss auf die Thätigkeit des Organismus auszuüben und irgend ein Effect dürfte auch noch durch magnetische Wirkung (sicher wenigstens indirect) zu erreichen sein (vgl. II, § 28). In jedem Falle ist aber, wie wir bereits in Rezug auf die unentbehrlichen Elementarstoffe hörten (I, § 73), das Zusammenwirken der verschiedenen Fac- toren nothwendig und entscheidend. Desshalb tritt schon Hemmung und Still- stand des Wachsens ein, wenn nur die Temperatur oder nur der Wassergehalt abnimmt. Ebenso kann man im Frühjahr sehen, dass eine kräftige Entwicke- lung der Vegetation erst mit der Zunahme der Temperatur beginnt, obgleich zuvor alle übrigen Redingungen geboten wurden. Der Erfolg hängt eben immer von der jeweiligen Receptions- und Actions- fähigkeit, oder wie man auch sagen kann, von der herrschenden Stimmung ab (I, § 3). Weil sich diese mit dem Wassergehalt, mit der Nahrungsmenge, über- haupt durch die verschiedensten Ausseneinflüsse ändert, so hat z. R. die Variation der Temperatur mindestens in quantitativer Hinsicht nicht denselben physiolo- gischen Effect auf die welke und auf die turgescente, auf die gut ernährte und auf die hungernde Pflanze. Uebrigens bieten viele Reizbewegungen sehr anschau- liche Beispiele dafür, dass durch die Modification der Stimmung der Reactions- erfolg weitgehend verändert und sogar umgekehrt wird (I, § 3; II, Kap. XI— XIII). Desshalb hat die empirische Bestimmung des Verhältnisses zwischen der Variation eines Factors und der physiologischen Reaction zunächst nur für eine bestimmte Combination der übrigen Factoren Giltigkeit, und aus der Kenntniss eines solchen Verhältnisses für zwei verschiedene Factoren lässt sich nicht immer der Erfolg voraussagen, der bei gleichzeitiger Veränderung dieser beiden Aussenbedingungen eintritt. Eine Veränderun"- und ein Stillstand des Wachsens muss schon dann zu Stande kommen, wenn durch die Aussenbedingungen nur eine der verschiedenen Partialfunctionen genügend alterirt wird, aus deren Zusammengreifen die Wachs- thumsthätigkeit resultirt (H, § 7). In derThat bewirkt eine Erhöhung der Temperatur über das Optimum die Verlangsamung und endlich den Stillstand des Wachs- thums, obgleich die Athmungsthätigkeit erheblich gesteigert wird (I, § 104), und in den Aeroben ist noch ein lebhafter Stoffumsatz thätig, nachdem durch die Ent- ziehung des Sauerstoffs das Wachsthum sistirt ist (I, § 99). Dieses wird auch nicht durch eine massige Chloroformwirkung aufgehoben, durch welche ver- schiedene Rewegungsvorgänge in Organen und im Protoplasten ausgeschaltet werden. Ein völliges Erlöschen aller physiologischer Thätigkeit wird in der Pflanze vielleicht nur durch eine sehr tiefe Temperatur und ausserdem durch das Austrocknen bewirkt (II, § 64). 78 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. Zur Kennzeichnung des bewirkenden äusseren Agens pflegt man von Wärme- stai're, Kältestarre, Trockenstarre zu reden, während man mit Sachs i) durch Thermotonus, Phototonus etc. ein Agens namhaft macht, das zur Herstellung und Erhaltung des actionsfähigen Zustandes nothwendig ist. Obgleich das Wachsthum immer von dem Zusammengreifen verschiedener Factoren abhängt, verfährt man doch methodisch correct, wenn man zunächst bei Constanz aller übrigen Factoren den Einfluss untersucht, den die Variation eines der äusseren Factoren zur Folge hat. Sofern dieser Factor unentbehrlich ist, andererseits aber bei einer zu intensiven Einwirkung die Pflanze schädigt (was bei Temperatur, Sauerstoff, Concentration der Nährlösung etc. zutrifft), ist Wachsthum nur zwischen den beiden specifisch verschiedenen Grenz- werthen, dem Minimum und dem Maximum möglich. Mit dem Ueberschreiten des Älinimums der Temperatur, des Nährstoffes etc. steigt aber bekanntlich die Wachsthumsthätigkeit, um nach Erreichung eines verschieden gelegenen Maximal- werthes, dem Optimum, bis zu dem oberen Grenzwerthe, dem Maximum, ab- zunehmen. Ein derartiger Verlauf der Curve ergiebt sich übrigens auch für einen nicht nothwendigen Eingriff, der zunächst in der schon erwähnten Weise eine Be- schleunigungsreaction hervorruft, die erst bei einer gewissen Intensität der Einwirkung (nach Ueberschreitung der Schwelle) merklich, mit steigender In- tensität aber endlich wieder verlangsamt wird. Ueberhaupt wird die graphi- sche Darstellung der meisten physiologischen Reactionen in der Hauptsache eine analoge Curve liefern, in der indess die Cardinalpuncte für die verschiedenen Partialfunctionen, sowie für die verschiedenen Agentien theilweise sogar eine recht verschiedene Lage einnehmen. Indess muss sich nicht gerade in allen Fällen und in allen Partialfunctionen ein ausgesprochenes Optimum einstellen. Dieses fehlt z. B. in der Athmungscurve, die mit der Temperatur bis zum Eintritt der Schädigung ansteigt, während die Curve der Kohlensäureassimilation unter denselben Umständen ein Optimum zeigt (I, Fig. 50, p. 321)2). Aus dem Gesagten ergiebt sich ohne weiteres, dass die Wachsthumscurve keineswegs mit der Curve der Partialfunctionen zusammenfallen muss, von denen z. B. mit steigender Temperatur die Athmungsthätigkeit erst den Ilöhepunct erreicht, nachdem, in Bezug auf das Wachsthum, das Optimum längst über- schritten und vielleicht gänzlicher Wachsthumsstillstand eingetreten ist. Für das beste Gesammtgedeihen der Pflanze wird aber auch nicht immer am günstigsten diejenige Constellation der Factoren sein, bei welcher die grösste Wachsthumsschnelligkeit entwickelt wird. In der That ist bekannt, dass eine üppige vegetative Entwickelung das Blühen verhindert und dass bei gewissen Algen und Pilzen der ganze Entwickelungscyclus, also die Entfaltung der ge- sammten formativen Fähigkeiten, nur bei einem entsprechenden Wechsel der Aussenbedingungen zu Stande kommt (vgl. 11, Kap. IX). Im allgemeinen giebt I) Sachs, Flora 1863, p. 449. Vgl. auch Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 195. 2; Vgl. L. Errera, Essais d. philosoph. bot. L'optimum 4891 (Sep. a. Rev. d. rUnivers. d. Bruxelles Bd. I). Weiteres über das Verhältniss am Reizzuwachs u. Action, sowie über das sog. Weber'sche Gesetz vgl. II, Kap. XI-XIII. § 20. Die formalen Bedingungen. 79 CS also für das vortheilhafteste Gedeihen ein »ökologisches Optimum« i), das aber mit der Entwickelung und in Bezug auf die zu erreichenden Ziele und Zwecke Verschiebungen erfährt. Je nachdem der Mensch z. B. als die Hauptaufgabe eines Mucor die Bildung der sporangientragenden Schimmelform oder der gäh- rungsthätigen Hefeform ansieht, werden verschiedene Constellationen als optimal erscheinen. Diese allgemeinen Erörterungen gelten ebenso, wenn alle Factoren bis auf einen constant oder alle variabel sind. Denn auch im ersteren Falle wird je nach dem Ausmaass dieses einen Factors die optimale Leistung in Bezug auf Wachsthumsschnelligkeit, Samenproduction etc. zu Stande kommen oder nicht erreicht werden 2). Da die Cardinalpuncte in gewissen Grenzen variiren, so sind sie immer nur bedingungsweise und annähernd bestimmbar. Es folgt das schon daraus, dass das Wachsthum zunächst noch unter Bedingungen fortschreitet, in denen mit der Zeit der Organismus zu Grunde geht. Je nachdem das auf die Dauer zulässige Maximum nur minimal oder erheblicher überschritten wird, tritt z. B. bei Erhöhung der Temperatur in giftigen Lösungen u. s. w. erst nach langer Zeit oder sehr bald der Wachsthumsstillstand ein (H, § 63, 64). Ferner wird je nach der Natur der Nährlösung und der Eigenschaften eines temporär anaeroben Organismus das Wachsthum nach Entziehung des Sauerstoffs nur kurze oder lange Zeit fortgesetzt (I, § 1 05). Auch treten in den lichtbedürftigen Organen zuweilen erst nach einer mehrtägigen Verdunkelung pathologische Stö- rungen der Wachsthumsthätigkeit ein. Diese Fähigkeit des Organismus, extreme Eintlüsse während einer gewissen Zeit ohne Schaden zu ertragen, ist für das Gedeihen und für die Erhaltung unter den in der Natur gebotenen Bedingungen von hoher Bedeutung. Ja es würde z. B. speciell eine lichtbedürftige Pflanze bei dem täglichen Beleuchtungswechsel gar nicht existiren können, wenn die Entziehung des Lichtes in kurzer Zeit das Absterben zur Folge hätte. 'o Von Bedeutung für die Pflanze und für die Lage des Maximums oder Minimums ist ferner die Fähigkeit des Organismus, sich bis zu einem gewissen Grad zu accommodiren. So kann man durch allmähliche Steigerung der Dosis einen Organismus an Giftmengen gewöhnen, die zuvor tödtlich wirkten (H, § 72). Auch vermögen sich Organismen an concentrirtere Lösungen (H, § 33), an zu- nächst unzulängliche Mengen von Sauerstoff (I, p. 547) und bis zu einem gewissen (irad auch an höhere oder niedere Temperaturen zu accommodiren (II, § 22). Eine Modification der Eigenschaften kann aber auch durch den Complex der übrigen Factoren bewirkt werden. Durch die Veränderung dieser Constellation erfährt desshalb die für ein einzelnes Agens giltige Lage der Cardinalpuncte entweder nur eine minimale oder eine merkliche Verschiebung, die besonders aufföllig sich darin kund giebt, dass durch das Austrocknen die Resistenz gegen Temperatur und andere Einflüsse im hohen Grade gesteigert wird (H, § 70). Aus dem Obigen ergiebt sich schon, dass bei der Variation eines Agens der Uebergang in die neue Gleichgewichtslage je nach Umständen schnell oder langsam vollzogen wird und dass demgemäss die Nachwirkung der bisherigen Verhältnisse längere oder kürzere Zeit dauert. Ich erwähne desshalb nur, dass 1) Schimper, Pflanzengeographie 1898, p. 50. 2; Vgl. Wollny, Forschung a. d. Gebiete der Agriculturphysik 1897, Bd. 20, p. 53. 80 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. die der veränderten Temperatur entsprechende ^yachsthumsschnelligkeit meist schnell, das dem Lichtwechsel entsprechende Tempo aber oft langsam ange- nommen werden. Jedoch wird, wie auch in anderen Fällen, durch einen plötz- lichen Wechsel der Temperatur, der Concentration u. s. w. eine gewisse Störung erzielt, die häufig durch eine transitorische Verlangsamung oder Beschleunigung des Wachsens oder durch eine Succession beider Reactionen bemerklich wird. Uebrigens ist es nicht nöthig, in unseren allgemeinen Betrachtungen auf diese und andere Beziehiuigen, wie z. B. auf die intermittirende AVirkung eines Agens etc. einzugehen, da diese Verhältnisse in principieller Hinsicht schon an anderer Stelle (I, § 3) besprochen und zum Theil auch schon in Obigem gestreift wurden. Die äusseren Eingriffe kommen aber nicht nur als Bedingungen für die Ermöglichung und Regulirung der angestrebten Wachsthumsthätigkeit, sondern unter Umständen auch als Reize in Betracht, durch welche die schlummernde Wachsthumsbefähigung erst erweckt wird. Das geschieht z. B. in den durch Verletzung hervorgerufenen Reactionen (II, § 38), oder bei der frühzeitigen Auf- hebung der Winterruhe durch Chloroformiren (II, § 60). Auch bedarf es be- stimmter chemischer Reize, um in gewissen Samen und Sporen das Keimen zu veranlassen, und es ist desshalb nicht wunderbar, dass auf die Sporen mancher Schimmelpilze, die in der Nährlösung vereinten Stoffe als anregender Reiz wirken (II, § 30). In allen diesen Fällen handelt es sich um die Beseitigung einer Wachsthumshemmung , die, ausser durch das selbstregulatorische AValten, auch durch Ausseneinflüsse, bei den Nitrobacterien sogar durch kleine Ouanti- täten eines zumeist ausgezeichneten Nährstoffes, des Zuckers, verursacht wird (II, § 30). § 21. Allgemeines über formative Wirkungen, Durch die Veränderung der äusseren Einflüsse wird nicht nur die Wachs- thumsschnelligkeit modificirt, sondern auch die formative Thätigkeit, und zwar in manchen Fällen in sehr auffälliger AVeise, beeinflusst. So fallen die AVasser- und Landformen '), ferner die auf den verschiedenen AA'irthen ent- stehenden Generationsabschnitte eines heteröcischen Pilzes theilweise so ver- schieden aus, dass man ohne Kenntniss des Zusammenhangs verschiedene Arten vor sich zu haben glaubt (vgl. auch I, § 4). Uebrigens wurde schon in § 20 hervorgehoben, dass bei gewissen Pflanzen bestimmte Entwickelungsabschnitte, somit auch die Neubildung und Fortbildung von Organen durch die äusseren Bedingungen ausgeschaltet oder umgekehrt veranlasst werden. Ferner werden bei der Bildung von Gallen, bei der Reaction auf A'erwundungen aussergewöhn- liche Productionsthätigkeiten entfaltet, die zugleich zeigen, dass ausser diffusen (allseitigen), auch localisirte und einseitige AAlrkungen auffallende Erfolge haben können. Das ist auch der Fall, wenn durch die einseitige AVirkung von Licht, Schwerkraft, Feuchtigkeit und anderen Agentien eine asymmetrische AVachsthums- thätigkeit hervorgerufen wird, sei es dass diese zu einer dorsiventralen A^er- dickung, oder Productionsthätigkeit oder zu Krümmungen führen, die vielfach ^) Dahin gehört auch die Sporangien- und Hefeform von Mucor etc. §21. Allgemeines über formative Wirkungen. 81 von hoher Bedeutung für die richtige Orientirung der Pflanze und ihrer Or- gane sind. Der innere Bau wird natürlich hei der äusseren Ausgestaltung in Mitleiden- schaft gezogen, kann aber unter Umständen auch noch nachher gewisse forma- tive Reactionen ausführen i). Das geschieht z. B., wenn in den äusserlich aus- gewachsenen Organen durch eine interne Verletzung Wundreactionen hervor- gerufen werden, oder wenn durch einen Zug eine Verstärkung der mechanisch wirksamen Wandungen (II, § 3G], oder durch Steigerung der Transpiration eine weitere Ausbildung der Cuticula (II, § 34) veranlasst werden. Da aber der Organismus im allgemeinen mit zweckentsprechenden Reactionen antwortet, so ist es Ökologisch verständlich, dass nicht selten durch verschiedenartige Aussen- einflüsse ein ähnlicher Erfolg bewirkt wird. Das trifft z. B. zu, wenn durch den Mangel an Nahrung oder Wasser, überhaupt durch ungünstige Vegetations- hedingungen die Neigung zur Formation von Dauerzuständen oder Fortpflanzungs- mitteln (Sporen , Blüthen etc.) , also zu Reactionen erweckt wird , die auf Er- haltung und Fortpflanzung der Art berechnet sind. Auch werden die durch verschiedene Reize erzielten tropistischen Bewegungen in gleicher Weise, d. h. durch die Krümmung eines Organes ausgeführt. In den besprochenen Erfolgen handelt es sich um Reactionen, die in Bezug auf die Aussenbedingungen einen Vortheil gewähren, und im allgemeinen wird man auf eine sichtbare und auffällige formative Aenderung durch ein äusseres Agens gerade dann rechnen dürfen, wenn auf diese Weise ein Vortheil zu ge- winnen ist. Dementsprechend werden auch z. B. durch das Licht, dessen Aus- nutzung im hohen Maasse von der Lage und der Form der Organe abhängt, sehr auffällige formative Wirkungen hervorgebracht, während die Wärme in dieser Hinsicht wenig wirkungsvoll zu sein pflegt, da, abgesehen von der Erwärmung durch Insolation, keine Form der Organe vermeiden kann, dass die Pflanze endlich die Temperatur der Umgebung annimmt (II, § 22)2). Alle diese sichtbaren und unsichtbaren Reactionen und Accommodationen gehen aber nur soweit, als es die erblich überkommenen Fähigkeiten gestatten, die bei nicht wenigen Pflanzen allgemein, oder gegenüber einem bestimmten Agens, einen eng begrenzten Spielraum aufzuweisen haben. Diese Pflanzen, die ebenfalls stets berücksichtigt werden müssen, sind also insofern unpractisch ausgestattet, als sie in Verhältnissen, unter denen andere Pflanzen gut gedeihen, kümmerlich fortkommen oder zu Grunde gehen. Da aber solche Pflanzen und ihre Nachkommen seit Jahrtausenden immer wieder unter ungünstige Bedingungen geriethen, so kann man daraus, wie aus anderen Erfahrungen entnehmen, dass nicht eine jede Organisation in gleicher Weise befähigt ist, unter dem Ein- 1] Ueber innere Wachsthumsthätigkeit in äusserlich ausgewachsenen Organen vgl. Bd. II, § 1. — Angaben über die Variation des anatomischen Baues bei mehr oder minder kräftiger oder bei abnormer Entwickelung, also auch bei Beeinflussung der Ent- wickelung durch Äussenverhältnisse, finden sich mehrfach in anatomischen Schriften. Vgl. P. Schumann, Bot. Centralbl. ISGI, Bd. 45, p. 357. Siehe ferner die folgenden Paragraphen dieses Kapitels und die dort citirte Literatur. 2) Bei Bildung von Sporen etc. wirken die Temperaturextreme z. B. durch die Schaffung ungünstiger Bedingungen. Ueber die durch Wärme veranlasste Bewegung, die Schutzbedeutung haben, vgl. II. Kap. XII. Pfeffer, Pflanzenpbysiologie. 2. Aufl. II. 6 82 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. fluss der immer von neuem wiederholten Inanspruchnahme allmählich bestimmte Eigenschaften (Anpassungen) weitgehend auszubilden und in erblicher Weise zu fixiren (vgl. II, Kap. VIII). In jedem Falle sind aber Wachsthum, Gestaltung, Bewegungen physiologische Leistungen, die durch die Eigenthätigkeit des Organismus erzielt werden und die natürlich ebensogut wie die Leistungen in und durch Mechanismen von den äusse- ren Bedingungen abhängen. Denn in beiden Fällen wird die Betriebsenergie aus der Aussenw'elt bezogen, durch die ausserdem in mannigfacher Weise durch einen oder durch einige Eingriffe (Auslösungen, Verstellungen, Umschaltungen etc.) bewirkt werden kann, dass die Betriebsenergie in der ganzen Pflanze oder localisirt in hüherem oder geringerem Grade entwickelt oder nutzbar gemacht wird, dass also auch dann, wenn die Betriebsenergie voll zur Verfügung steht, die Gesammtthätigkeit oder einzelne der Leistungen des Mechanismus und des Organismus verlangsamt oder zum Stillstand gebracht oder in andere Bahnen gelenkt werden, dass folglich auch bis dahin ruhende potentielle Fähigkeiten in Action treten oder ausgeschaltet werden. Bei richtiger Würdigung dieser Be- ziehungen ist es selbstverständlich, dass ohne eine genügende Einsicht in die maassgebenden inneren Constellationen (Bau, Verkettungen etc., vgl. I, Kap. I; II, Kap. VII) ein volles causales Verständniss der Thätigkeit und der Leistungen, somit auch der physiologischen Reactionen unmöglich ist. Somit ist dann, wenn wir von Photomorphose, Chemomorphose etc. i) reden, zunächst nur dasjenige äussere Agens gekennzeichnet, dessen Variation zu einer Veränderung der formativen Thätigkeit führt, jedoch (ebenso wie bei dem Helio- tropismus) in keiner Weise eine Kenntniss der ersten Wirkung des Agens im Organismus und der sich anschliessenden, zum Ziele führenden physiologischen Vorgänge vorausgesetzt oder gewonnen. Diese physiologische Thätigkeit ist und bleibt das Schaffende imd Gestaltende, und folglich sind alle Gestaltungen das Produet einer Automorphose, die aber durch den Einfluss von Licht, Schwer- kraft etc. (die ja selbst nur veranlassend, aber nicht mechanisch formend wirken) nach Maassgabe der Eigenschaften des Organismus mehr oder minder in andere Bahnen gelenkt wird. Mit diesem kurzen Hinweis dürfen wir es hier bewenden lassen, da die maassgebenden Fundamente allgemein in Bd. I, Kap. I behandelt wurden (vgl. auch II, § 39). Aus dieser allgemeinen Darlegimg ist zugleich zu ersehen, dass sehr mannigfache und verwickelte Verhältnisse obwalten, die u. a. dadurch sehr complicirt werden, dass dasselbe Agens auf verschiedene Thätig- keiten und Partialfunctionen influiren kann, dass die Reactionsfähigkeit (Stimmung) des Organismus und seiner Organe selbstthätig und durch die äusseren Be- dingungen modificirt wird, und dass der Einfluss nicht auf die direct betroffene Stelle beschränkt bleibt (II, Kap. VII). Ferner ist dargethan, dass zu den for- malen Bedingungen ebensowohl die Nahrung, d. h. die Zuführung von Bau- 1) Vgl. Bd. I, p. 20. Da die dort vorgeschlagene Bezeichnung Heteromorphose von Loeb (Unters, z. physiol. Morphol. d. Thiere. I. Heteromorphose 1891, vgl. 0. Hertwig. Die Zelle u. d. Gewebe 1898. p. 182) speciell für Ersatzneubildungen an ungewöhnlichen Orten oder in ungewöhnhcher Form verwandt ist, so dürfte es sich empfehlen, als gene- relle Bezeichnung der formativen Aussenwirkung »Xenomorphose« oder wohl besser Aitiomorphose (ä'Tio;, Anstifter) zu benutzen. Im analogen Sinne sind dann Aitionom, aitiogen, Aitiotropismus, Aitionastie etc. zu gebrauchen.. §21. Allgemeines über formative Wirkungen. 83 material und Betriebsenergie zählt, als auch Factoren, die nur bedingend und dirigirend wirken. Zu diesen gehört z. B. die Temperatur, die beim Erwärmen einer kältestarren Pflanze die Entfaltung der Thätigkeit ermöglicht, also nur aus- lösend wirkt, aber nicht die Energie für die Arbeitsleistungen des Organismus liefert (vgl. II, letztes Kap.). Wie die verschiedenen Pflanzen besitzen auch die verschiedenen Organe einer Pflanze ein ungleiches Reactionsvermögen, sind also, um mit Sachs i) zu reden, anisotrop. Eine Anisotropie wird u. a. durch die ungleiche geotropische Reaction von Stengel und Wurzel, aber ebenso durch das physiologisch ver- schiedene Verhalten der Ober- und Unterseite dorsiventraler Organe angezeigt. Ueberhaupt ist häufig mit einer wahrnehmbaren morphologischen oder anatomi- schen Differenz eine physiologische Differenz, also Anisotropie verknüpft, die aber nicht immer durch die sichtbare Structur angezeigt wird. Sofern Anisotropie vorhanden ist, kann schon durch eine allseitig gleiche Einwirkung (einen diffusen Reiz) , an den Polen oder Flanken oder an liegend einer Stelle eines Organes (ebenso einer Zelle), eine ungleiche Reaction ver- ursacht werden, die z. B. bei dorsiventralen Organen durch eine Krümmung, eine einseitige Verdickung oder Productionsthätigkeit bemerklich wird. Um solche und andere Reactionen und Gegensätze an isotropen (physiologisch radiären) Organen hervorzurufen, ist aber eine ungleichmässige Einwirkung (eine localisirte oder einseitige Reizwirkung) nothwendig, durch die dann allerdings in vielen Fällen eine bestimmt gerichtete Krümmung oder eine ein seits wendige Wachs- thums- und Productionsthätigkeit veranlasst wird. (Vgl. II, Kap. VII, XIII, wo auch die transitorisclie und permanente Induction von Polarität und Anisotropie behandelt sind.) Zur näheren Characterisirung der formativen Erfolge sind die in der Morpho- logie üblichen Bezeichnungen zu benutzen 2). Physiologisch werden die durch einseitige Reize (Orientirungsreize) veranlassten Krümmungen Tropismen (Geotro- pismus etc.) genannt (II, Kap. XIII). Die durch diffuse Reize, also vermöge der physiologischen Dorsiventralität erzeugten Krümmungen sollen als Naslien und zur Kennzeichnung der veranlassenden Ursachen, bezw. der im Wachsthum geförderten Flanke als Photonastie, Geonastie, Autonastie etc., bezw. als Epinastie, Hyponastie, Paranastie u. s. w. (dgl. Photoepinastie etc.) bezeichnet werden. Bei einseitiger Ver- dickung durch innere oder äussere Ursachen werden wir von Trophien reden, und wenn man will, kann man Auxesis (Photoauxesis etc.) benutzen, sofern es sich um ein einseitig überwiegendes Auswachsen oder Produciren von Blättern, Wurzeln, Haaren etc. handelt 3). 1) Sachs, Arbeit, d. Würzburg. Instituts 1S79, Bd. 2, p. 226. Vgl. Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 302. 2) Vgl. H. Goebel, Organographie 1898, p. 53; Sachs, Vorlesungen ü. Pflanzen- physiol. 1887, II. Aufl., p. 482. 3) Zuerst wurde von C. Sc bim per (Bericht d. Naturforschervers, in Göttingen 18.") 4, p. 87, cit. nach Hofmeister, Allg. Morphol. 1868, p. 604) mit Epinastie, Hyponastie das excentriscbe Dickenwachsthum an Aesten bezeichnet, jedoch werden diese Bezeich- nungen seit dem Vorgeben von de Vries (Arbeit, d. Würzb. Inslit. 1872, Bd. I, p. 2.ö2) zu- meist für das ungleichseitige Längenwachsthum gebraucht. In diesem Sinne wurden auch von mir Photonastie etc. (Pflanzenpbysiol. I. Aufl., Bd. II, p. 287), von Noll Paranastie (Arbeit, d. Würzb. Instituts 1885, Bd. 3, p. 229) benutzt. Wir werden desshalb für eine 84 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc . Die mannigfache Reactionsfähigkeit der wachsenden Pflanze bietet für die ex- perimentefle Forschung ein gi'osses und mit Vorhebe cultivirtes Gebiet. Auch wer- den mit der einfachen Kenntniss der durch den Wechsel der äusseren Bedingungen erfolgenden Reactionen specifische (complexe) Eigenschaften markirt, auf Grund derer man imter Umständen in einer zunächst befriedigenden Weise (I, § 1 ] über die Existenzbedingungen urtheilen und die formativen Vorgänge (Gestaltungen, Neubildungen, Generationswechsel etc.) verstehen kann, die von dem Organismus unter dem in der Natur gebotenen Wechsel der Bedingungen ausgeführt werden. Jedoch ist wohl zu beachten, dass mit der Gonstatirung solcher Beziehungen keine causale Einsicht in die complexen phvsiologisclien Leistungen und Eigenschaften ge- Avonnen ist. Wenn also das Factum des Geschehens zuweilen als eine zm'eichende physiologische Einsicht behandelt wird, so ist dieses nicht besser, als wenn ein Mensch bei der äusserhchen Controle der Leistungen und der Producte einer Maschine oder einer chemischen Fabrik eine Einsicht in die complicirtesten che- mischen und physikalischen Vorgänge und Pi'obleme zu haben glaubt. Wie in diesem Fafle wird aber auch in physiologischen Processen das wahre Maass unserer Einsicht nicht durch die practisch gebotene Einführung eines Kunstausdruckes (Terminus) gesteigert, mit dem dann in der Folgezeit leider häufig wie mit einer realen Erklärung operirt wird. Die unzureichende Einsicht in die hmenvorgänge gestattet leider nicht, im An- schluss an diese (zunächst an die Partialfunctionen), eine übersichthche Darstellung der Erfahrungen über den Einfluss der äusseren Bedingungen auf die ^^'achs- thumsprocesse zu geben. Zu diesem Zwecke dürfte es zur Zeit am zweckmässigsten sein, für die einzelnen wesentlichen Factoren (oder Factorengruppen) die Bedeutung und die Wirkungsweise zu characterisiren. Jedoch werden bestimmte Wirkungen der äusseren Einflüsse erst fernei'hin, z. B. in Verbindung mit den inneren Factoren (II, Kap. VII), und bei Besprechung der Krümmungs- und Orientirungsbewegungen behandelt. Natürlich kann es sich stets nur um die Hervorhebung und die Illu- strirung der Fundamente handeln, denn ein Eingehen auf alle Einzelfälle und Combinationcn ist und bleibt Aufgabe der Disciplinen (specielle Entwickelungsphysio- logie, Geographie etc.), die mit Hilfe des physiologischen Rüstzeugs speciefle Auf- gaben zu lösen haben. Wie schon an anderer Stehe (I, p. 19) hervorgehoben wurde, lassen sich die mannigfachen Beeinflussungen aus verschiedenen Gesichtspuncten betrachten und demgemäss, je nachdem man den Schwerpunct auf die Eigenschaften des Or- ganismus, die Art der Einwirkung, die Gestaltung der Reaction , auf die Ziele und Zwecke etc. legt, verschieden rubriciren. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass eine übergangslreie Gruppirung selbst dann ausgeschlossen sein würde, wenn ein vollständiges Causalverständniss zur Verfügung stände, dass es sich also auch derzeit nur um die Aufstellung von Typen handeln kann. Zur richtigen Würdigung eines jeden Einzelfalles ist in erster Linie eine klare Vorstellung über das Wiesen des verwickelten Osanmitgetriebes, über die mannigfachen und ver- änderlichen Verkettungen und Combinationcn der an sich variablen Partialfunctionen excentrische Verdickung mit Wiesner (Ber. d. bot. Gesellsch. 1895, p. 485; Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1895, Bd. 104, I, p. 83) »Trophie« anwenden. Man thut wohl gut, diese Bezeichnung nicht mit Wiesner auf die dorsiventrale Productionsthätigkeit (Aniso- phyllie etc.) auszudehnen, für welche A. Weisse (Ber. d. bot. Ges. 1895, p. 385. Vgl. auch Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 289) »Auxesis« vorschlug. Wir be- schränken uns übrigens in diesem Buche aus guten Gründen auf das unentbehrhche Maass von Kunstausdrücken, gehen also auch nicht auf verschiedene Schlagworte ein, die Czapek (1. c. p. 308) vorschlug. — Ueber anderweitige Bezeichnungen vgl. II, Kap. XIII. §21. Allgemeines Über formative Wir.kungen. 85 nothwcndig. Denn ohne das kann ein System mit seinen Kunstausdrückcn sogar gefährlich werden, da, wie die Erfahrung lehrt, minder einsichtsvolle Forscher nicht selten die Hauptaufgabe nicht in der Ei'fassung des Wesens der Sache, son- dern vielmehr in der Einreihung in eine Rubrik des aufgestellten Systems suchen. In physiologischer Hinsicht kann man, wie sich aus den bisherigen Darlegungen (I, Kap.I ; II, § 20, 2 1 . Vgl, II, Kap. XIII) ergiebt, in Bezug auf die Allgemeinbedculung und die Art und Weise der Wirkung der Aussenbedingungen etwa folgende Haupl- typen aufstellen: I. Mit Riiclisicht auf die Allgemeiubedeutung': A. nothwendige Bedin- gungen (Hauptbedingungen); B. nicht nothwendige Bedingungen (accesso- rische Bedingungen, Nebenbedingungen). — Zu den ersteren zahlen die formalen Bedingungen, die wieder zerfallen in: a) energetische Factor en, die Betriebs- energie und Baumaterial liefern, und b) veranlassende Factoren (Reize), die nur auslösend wirken (II, p. 82). Diese auslösende Bedeutung kommt in den meisten Fällen den entbehrlichen Factoren zu, die indess energelisch wirken können, wenn sie in den Stoffwechsel gerissen werden oder mechanisch modellirend eingreifen. II. In Bezug- auf die nothwendigen und entbehrlichen Reizwirkungen und die sichtbaren Erfolge lassen sich dann folgende Typen unterscheiden: A. Beschleunigungs- und Hemnuingsreize (zeitliche Reizwirkungen), sofern nur die Schnelligkeit des Wachsthums modificirt wird. Hierher gehören auch die Krümmungen, die durch eine ungleiche Beeinflussung des Wachsthums in den an- tagonistischen Flanken bewirkt werden. B. Formative oder morphogene Reize, sofern die Gestaltungsthätigkeit in andere Bahnen gelenkt wird, also allgemein oder localisirt eine veränderte Ge- staltung herauskommt. Für die formativen Reize lassen sich dann im näheren folgende Fälle auf- stellen: a) Anregungs reize. Es wird einfach die Wachsthumsthätigkeit des Ganzen oder einzelner bis dahin ruhender Anlagen veranlasst oder gehemmt. — b) Umgestaltende oder metamorphosirende Reize, sofern allgemein oder an einzelnen Theilen ein umgestaltender Erfolg hervortritt, der bis zur Umwandlung in ein anderes Organ gehen kann, — c) Neubildungs reize. Die Productions- thätigkeit (Neubildungen etc.) wird an bestimmten Stellen (oder überhaupt erst) veranlasst oder unterdrückt. Dabei haben wir Productionen im Auge, die normaler- weise entstehen oder entstehen können. Handelt es sich aber um Produete, die im normalen Entwickelungsgang nicht gebildet werden, so reden wir von d) Fremd- bildungsreizen. III. Nach der Art und Weise des Auslösungsprocesses und nach ander- weitigen Einwirkungen lassen sich für alle genannten Fälle unterscheiden: A. Directe oder unmittelbare Reize, sofern das Agens direct auslösend wirkt. • — B. Stimmungs- oder Umstimmnngsrcize. Das Agens verschiebt die inneren Dispositionen und erzielt dadurch den Erfolg. — C. Gorrelative Reize (Reizwirkungen). Der Erfolg kommt dadurch zu Stande, dass gleichzeitig oder allein eine direct nicht betroffene Function oder einige Functionen modificirt, ausgeschaltet, eingeschaltet oder umgeschaltet werden. In Folge der wechsel- seiligen Verkettungen im Organismus werden übrigens bei einem jeden Eingriff correlative Actionen erweckt (11, Kap. VII), die aber nicht in allen Fällen zu einer auffälligen Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit führen. Bei aUen angeführten Typen kann es sich weiter handeln um: a) allseitige, ho- mogene oder diffuse Reize und b) einseitige, richtende oder orienti- rende Reize. Ferner um a) transitorische Reize und b) um stationäre oder permanente Reize (I, p, 15). Es ist einleuchtend, dass transitorische Reize, 86 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. wie sie z. B. vorübergehend durch den plötzlichen Wechsel der Aussenbedingungen erzieltwerden, zumeist keinen bleibenden formativen Effect erzielen. (Die Verwundungen gehören z. B. vei'möge der Nachwirkung theilweise zu den permanenten Reizen.) Diese Eintheilungen lassen sich direct auf die Innenreize (II, Kap. VII) übei'- tragen, indem man die veranlassenden Innenvorgänge an Stelle der leichter prä- cisirbaren äusseren Anstösse setzt. Uebrigens ist in Obigem ebenso nur eine pro- visorische Uebersicht gegeben wie bei Herbst^), der unter alleiniger Berücksichti- gung der formativen Erfolge, eine Eintheilung der Reizungen von einem ähnlichen Standpuncte aus versuchte. Die Schwierigkeit der Eintheilung wird aber auch bei besserer Einsicht u. a. schon desshalb nicht schwinden, weil vielfach dasselbe Agens verschiedenartige Einwirkungen ausübt, die voraussichtlich nicht selten in einer untrennbaren or- ganischen Verkettung stehen. Auch ist zu beachten, dass der Reactionsverlauf und das Resultat je nach den Bedingungen vei'schieden ausfallen. So sind z. B. das Licht für gewisse facultativ heterotrophe Algen (I, § 64), der Sauerstoff für ge- wisse facultative Anaerobe (I, § 97) bei Darbietung bestimmter Nährlösungen keine nothwendigen Agentien; ferner müssen sich u. a. die Aussenbedingungen ändern, wenn Vaucheria an Stelle der Schwärnisporen Sexualorgane erzeugen soll und um- gekehrt. Ausserdem lässt sich keine allgemeingiltige Grenze zwischen normalen und abnormen Bedingungen und Gestaltungen ziehen. Wird doch u. a, ein Mensch, der bisher nur Gelegenheit hatte, von einer amphibischen Pflanze die Wasserform, von einem Mucor die Hefeform zu sehen, geneigt sein, die Landform, resp. die sporangienbildende Form, als das Product einer durch abnorme Verhältnisse be- dingten anormalen Gestaltungsthätigkeit anzusprechen. Thatsächlich ergiebt sich für eine bestimmte Constellation immer ein bestimmter Wachsthums- und Gestaltungs- verlauf (I, Kap. I). Wenn die normale Physiologie nicht speciell auf die eigentlichen pathologischen Erscheinungen einzugehen hat, so wird sie doch stets die Reactionen imter ungewöhnlichen Bedingungen berücksichtigen müssen, um die normalen Vor- gänge, überhaupt die Fähigkeiten und Eigenschaften des Organismus zu erforschen. Historisches. Versuche über die Abhängigkeit der Pflanzen von der Aussen- welt, sowie über den Einfluss dieser auf verschiedene Bewegungs- und Gestaltungs- vorgänge wurden seit Beginn der experimentellen Forschung angestellt. Jedoch findet sich zuerst bei Dutrochet^j eine in den allgemeinsten Zügen richtige Auseinanderhaltung der für die Herstellung der Thätigkeit nothwendigen Aussen- bedingungen (formale Bedingungen) und der Reactionen, die in dem actionsfähigen Organismus durch äussere Agentien oder auch autonom hervorgerufen werden. Später wurden diese Beziehungen besonders von Sachs-') klargelegt, der in- dess nicht weiter auf das innere Wesen der formalen Wirkungen und der er- zielbaren Beactionen einging. Die tiefere Einsicht in die Causalität dieser Vorgänge fällt mit der Erkenntniss des allgemeinen Wesens der Reizvorgänge zusannnen (I, § 3). Sowie das Wesen dieser wurde auch die Einwirkung der äusseren Fac- toren auf die Gesammtheit der Wachsthumsprocesse in einer dem heuligen Stand- punct entsprechenden Weise in der I.Auflage dieses Buches aufgefasst und behandelt. 1) Herbst, Biol. Centralbl. 1890, Bd. l'i, p. 822. 2) Dutrochet, Rech. anat. et physiol. s. 1. structure interne d. aminaux et vege- taux 1824, p. 8—162. Vgl. Pfeffer, Die Reizbarkeit d. Pflanzen 1893, p. 12, 18 etc. (Sep. a. Verhdlg. d. Gesellsch. deutsch. Naturf. u. Aerzte 1893;. An dieser Stelle ist die historische Entwickelung unserer Einsicht in das Wesen der Reizvorgänge gegeben und angedeutet, warum die Sachlage lange und vielfach verkannt wurde. 3) Sachs, Flora 1863, p. 449. Sachs nannte die Reizbewegungen paratonische Bewegungen, lieber Phototonus etc. vgl. dieses Buch II, p. 78. § 22. Einfluss der Temperatur. 87 Abschnitt II. § 22. Einfluss der Temperatur. Die Abhängigkeit des Wachsthums von der Temperatur ist allgemein be- kannt, denn in jedem Frühjahr sieht man, dass die Entwickehmg bei niedriger Temperatur ganz oder fast ganz stille steht, mit genügender Erhöhung der Temperatur aber ansehnlich gesteigert wird. Auch lassen schon die Beobach- tungen in der Natur das speciflsch ungleiche Temperaturbedürfniss erkennen, das sich im näheren aus Tab. I ergiebt, in welcher sowohl die zumeist übliche, als auch die am meisten abweichende Lage von Minimum, Optimum und Maximum, durch eine Anzahl von Beispielen illustrirt wird. Die bedeutende Veränderung der Zuwachsbewegung mit der Temperatur ist aus Tab. II zu ersehen, in der nach Küppen die Länge angegeben ist, welche die ursprünglich gleich lange Achse (incl. Wurzel) der Keimpflanzen in 48 Stunden bei verschiedener Temperatur erreichte. Tabelle I. Minimum Optimum Maximum Triticum vulgare . Sinapis alba . . . Acer platanoides . Pinus sylvestris . . Phaseolus mnltifloru Zea Mays Cucurbita pepo . . Cucumis sativus . Vaucheria repens . Hydrurus foetidus . Ulothrix zonata . . Saccharomyces-Arten Penicillium glaucum Macor racemosus . Earotium repens . Aspergillus niger . » fumigatus Fäulnissbacterien zumeist Bacillus subtilis . . . Bacillus cyaneo-fuscus Essigbacterien ... Bacillus anthracis . . . » tuberculosis . Thermophile Bacterien 0(U1.)— 5(Sa. 0 flu.) 7—8 7—8 9 9 14 t ö — 1 8 0—3 0(?) 0 0 (?]— 6 1,5 4 7 7 — 1 0 13 0—10 unter ö 0 unter 8 1 2—1 4 30 33—50 29 (Sa.) 27 (Vr.) 24 27 34 34 34 31—37 1 0 o.tiefer unter 15 28—34 23—27 20—23 23—30 33—37 38—40 24—36 24 10 18—33 37 38 60—70 42 (Sa.) üb.37(Vr. 26 34 46 46 46 44 — 30 30 unter 1 6 unter 24 34 — 40 31—36 33 38 40—43 60 33—45 30 22 (?) 30 — 36 42—4 3 41 73 Uloth u. Sachs Kirchner u. de Vries Tietz Tietz Sachs Sachs Sachs Haberlandt Klebs Pedersen, Hansen Thiele Klebs Klebs Thiele Cohn Cohn, Brefeld, Schreiber Beyerinck, Bt.Ztg. 1 891 ,p. 70 9 Henneberg, Ctrbl. f.BacterioI. 1898, IV, p. 19 Vgl. Flügge, 1. c. Lit. p. 96 88 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. Tabelle II. Temperatur Lupinus albus Pisum satiTum Vicia faba Zea Mays Triticum vulgare °C. mm mm mm mm mm 10,4 5,3 4,6 U,4 9,1 5,0 4,5 17,0 11,0 5,3 6,9 21,4 23,0 23,3 9,3 3,0 41,8 24,5 31,0 30,0 10.1 10,8 39,1 25,1 40.0 27,8 11,2 18,3 39,2 26,6 54,1 53,9 21,5 29,6 86,0 28,3 30,1 40,4 13,3 26,3 73.4 30,2 43,8 38,3 5,6 Gl,6 104,9 31,1 43,3 38,9 8,0 49,4 91.4 33,6 12,9 8,0 50,2 10.:^ 36,3 12,6 8,7 20,7 5,4 39,6 6,1 11,2 Bei gewissen Pflanzen übertreffen die Maxima und Minima die in der Tabelle verzeichneten Extreme 0 und + 75 C. Denn in heissen Quellen Amerikas sollen bis zu einer Wassertemperatur von -f- 85 C, ja sogar von + 93 C. gewisse niedere Algen gedeihen. An der Nordküste von Spitzbergen i) aber, und in anderen arctischen Meeren durchläuft eine immerhin noch ansehnliche Algenvegetation ihre ganze Entwickelung in einem Wasser, dessen Temperatur bis — i,8 G. sinkt und vielleicht nie 0° überschreitet. In den Carlsbader Thermen treten nach Cohn^) die ersten Oscillai'ieen hei 33,7 C. auf, denen sich dann bei weiterer Abkühlung des Wassers allmählich an- dere Arten von Oscillarieen, sowie Diatomeen und andere Algen beigesellen. In dem Thermalwasser von Bex geht nach Serres^) eine Alge bis 57 C. In den heissen Quellen des Yellowstone-Gebietes finden sich aber nach W. H. Weed*) Algen bis 85 C. (zwischen 70 — 85 C. allerdings nur in fliessendem Wasser), und am Pluton Creek in Californien nach Brcwer-'') sogar bis 90 — 93 C. Dagegen vermochte 1) Kjellman, Bot. Ztg. 1873, p. 771. — Ueber die Temperatur in Meeren un(l Meerestiefen vgl. u. a. Walther, Einleitung i. d. Geologie als historische Wissenschaft 1893/94, Bd. I, p. 47. 2) Cohn, Flora 1862, p. 328. Vgl. auch Hoppe-Seyler, Pflüger's Archiv f. Physiol. 1873, Bd. 11, p. 118. Die ältere Lit. findet sich bei de Candolle, Pflanzen- physiol., übers, von Köper 1833, Bd. 2, p. 662; Ehrenberg, Monatsb. d. Berlin. Akad. 1838, p, 493; Länder Lindsay, Bot. Ztg. 1861, p. 338; Hoppe-Seyler, 1. c. p. 113. 3) Serres, Botan. Centralbl. 1880, p. 237. 4) M. H. Weed, Botan. Centralbl. 1890, Bd. 44, p. 400. 31 Brewer, cit. bei Weed 1. c. — Diese und einige andere Angaben für Pflanzen :Sowie für Thiere sind zusammengestellt bei C. W. Davenport, Archiv f Entwickelungs- mechanik 1893, Bd. II, p. 233. § 22. Einfluss der Temperatur. 89 Tsiklinskyi) auf Ischia nur bis zu einer Wassertemperatur von 70 C. die Existenz lebender Bacterienkeime nachzuweisen. Aus den mir vorliegenden Referaten vermag ich nicht zu ersehen, ob die Algen indenvonWeed und Creek angegebenen Temperaturen erwuchsen oder nach- träglich in dieselben geriethen. Im letzteren Falle könnte sehr wohl in der supra- maximalen Temperatur die Lebensfähigkeit längere Zeit erhalten bleiben, sowie dieses z. B. bei den Sporen gewisser Bacterien der Fall ist, die sogar Siedehitze ertragen (II, § 65). Aus diesen und anderen Gründen sind die Mittheilungen über das Wachsthum von Organismen in heissen Quellen und noch mehr in einem sich transitorisch erwärmenden Boden (II, § 6 5) mit Vorsieht aufzunehmen. Wie durch unkritische Temperaturmessungon ein Irrthum entstehen kann, lehrt z. B. die Be- obachtvmg Hoppe-Seyler's, der in den Euganeen die Oberfläche eines Bächleins 44,3 — 45 C. warm fand, während die tieferen Schichten durch den Zufluss von külilerem ^^'asser auf 25,1 €. gehalten wurden und Fischchen beherljergten, die wärmestarr wurden, w^enn sie in die warme Oberflächenschicht geriethen. Keines der bis dahin untersuchten Objecte vermag sich aber sowohl bis zu den höchsten, als auch bis zu den niedersten Extremen zu accommodiren. Denn in der Tabelle liegen für denselben Organismus Maximum und Minimum im höchsten Falle nicht einmal um 50 G. auseinander, während dieser Spielraum oft viel geringer ist und z. B. bei niedriger Lage des Maxinuims gering sein muss. Das Maximum liegt bei llydrurus unter 16 0., also um 60 G. tiefer, als bei thermophilen Bacterien. Bei diesen Organismen hat auch das Optimum eine hohe Lage, jedoch ist aus der Tabelle zu ersehen, dass das letztere nicht noth wendig eine Verschiebung zu erfahren braucht, wenn das Minimum nur massig erhöht wird. In Folge der ungleichen Lage der Cardinalpuncte (vgl. Tab. I) gedeihen gewisse Pflanzen am besten in einer Temperatur, in welcher andere nicht wachsen. Einzelne Arten der thermophilen Bacterien nehmen das Wachsthum überhaupt erst in einer Temperatur auf, in welcher die meisten Pflanzen ge- tödtet werden, und wachsen am schnellsten in einer Nährlösung, die so warm ist (60 — 70 G.), dass man sich die Finger darin gründhch verbrennt. Diesen Organismen, deren Keime in Erde, Schlamm etc. sehr verbreitet sind, wird in der Natur immer nur ausnahmsweise die für die Wachsthumsthätigkeit nöthige Temperatur gewährt. Sie sind aber, wie z. B. auch der auf hohe Temperatur gestimmte Aspergillus fumigatus (siehe Tab. I), dadurch bedeutungsvoll, dass sie die Zerstörung der organischen Massen fortführen, wenn in Mist etc. die Temperatur durch die Gährthätigkeit anderer Organismen soweit gesteigert wird, dass diese lahm gelegt wird (II, Kap. XVI). Die extremste Ausbildung der Fähigkeiten finden wir bei Pilzen (incl. Bacterien) und niederen Algen. Indess ist die Mehrzahl von diesen auf ähnliche Temperaturgrenzen angewiesen, wie die höheren Pflanzen. Bei diesen liegen ge- wöhnlich das Optimum zwischen 24—34 G., das Maximum zwischen 26 — 46 G., das Minimum zwischen 0 — 16 G. Letzteres ist nicht selten bei den tropischen Pflanzen etwas höher gerückt, als bei den Pflanzen eines gemässigten Klimas 2), i) P. Tsiklinsky, Annal. d. l'Institut Pasteur 1S99, Bd. 13, p. 78S. 2) Hierauf machte schon aufmerksam de Candolle, Pflanzenphysiol., übers, v. Röper 1833, Bd. 2, p. 277. Siehe ferner Sachs, Jahrb. f. wiss. Bot. iseo, Bd. 2, p. 3(55; F. Haberlandt, Wiss.-pract. Unters, a. d. Gebiete d. Pflanzenbaues 1875, I, p. 117. 90 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. in dem es indess, wie die Thermobacterien etc. lehren, ebenfalls Organismen mit einem sehr hohen Temperaturminimum giebt. Andererseits fehlt es nicht an Pflanzen, die eine niedrige Temperatur bedürfen. Dahin gehören Hydrurus, Ulothrix zonata u. s. w. , für die es bei uns in den meisten Bächen nur im Frühjahr kühl genug ist, die also während des Sommers durch die ruhenden Sporen erhalten werden i). Wachsen die genannten Algen, sowie ferner z. B. die Alge des rothen Schnees (Sphaerella nivalis) bei niedriger Temperatur, so ist doch noch nicht constatirt, ob sie sich, wie die Algen der arctischen Meere, auch dann noch kräftig entwickeln, wenn die Kürpertemperatur dauernd auf oder unter 0" gehalten wird. Ausserdem gedeihen viele Frühlings- und Alpenpflanzen in niedriger Temperatur, wie das Wachsen mid Blühen von Helleborus niger, Crocus, Tussilago farfara, Soldanella u. s. w\ im Winter und Frühling lehrt. Bei einigen dieser Pflanzen (Hydrurus etc.) scheint in der That die niedere Tem- peratur für die normale Entwickelung oder doch für gewisse Phasen der Ent- wickelung nothwendig zu sein, so auch für Ficaria ranunculoides, deren ober- irdische Theile nach der Entwickelungsthätigkeit im Frühjahre absterben. In der Natur sind die zur Entwickelung nothwendigen Temperaturverhältnisse nicht ununterbrochen geboten, und eine Pflanze kann sich desshalb auf die Dauer nur dann behaupten, w^enn sie die vorkommenden Extreme aushält oder wenn gewisse Organe oder Fortpflanzungsmittel die Erhaltung während der un- günstigen Zeit besorgen (II, § 63, 64). Auf solche Weise überdauern z. B. Pflanzen, die im Winter theilweise oder sogar bis auf die Samen, Sporen etc. erfrieren, und erhalten sich ferner die Thermobacterien, die oft auf lange Zeit in den Starrezustand (Kältestarre) verfallen. Ebenso werden Hydrurus, Ulothrix etc., deren vegetative Theile schon bei 20 — i'i C. zu Grunde gehen, während des Sommers durch Sporen conservirt. Da aber die bei extremer Temperatur wachsenden Organismen in der Natur kaum Concurrenten finden (I, p. 433, 315), so dürften sich in Quellen von mehr als 50 G. mit der Zeit alle diejenigen Organismen eingefunden haben, die unter diesen Bedingungen gedeihen. Aus dem Umstände, dass in dem stets heissen Wasser jeder Organismus nur bis zu einem speciflsch verschiedenen Temperatur- grad vordringt, geht in sehr anschaulicher Weise hervor, dass trotz der conli- nuirlichen Inanspruchnahme eine höhere Adaption nicht erreichbar war (11, p. 81). Dasselbe lehren auch die Thermobacterien, die in der Natur immer wieder unter das Minimum abgekühlt, also in derselben AVeise in Anspruch genommen werden. Uebrigens lässt sich nicht behaupten, dass eine Entwickelung von Organismen bei 100 C. unmöglich ist (vgl. II, § 63). Andererseits dürfte mit dem Gefrieren des umgebenden Mediums die Entwickelung ausgeschlossen sein, obgleich, besonders in sehr kleinen Organismen, erst bei tieferer Temperatur Eisbildung eintritt (II, § 67). Die Lage der Cardinalpuncte ist aus den schon allgemein angeführten Gründen immer nur annährend und bedingungsweise zu fixiren (II, p. 79). Die I) Vgl. die in der Tabelle u. p. 95. 96 citirte Lit. Ferner G. Lagerheim, Ber. d. bot. Ges. 1888, p. 7.3. Uebrigens sind zwar viele, jedoch nicht alle Algen und Wasserpflanzen auf niedrige Temperatur gestimmt. Vgl. u. A. Ol tm anns, Jahrb. f. wiss. Bot. ■1891,Bd. 2.3, p. .358; Noll, Flora 1892, p. 288; Goebel, Pflanzenbiol. Schilderungen 1893, II. p. 246; Kerner, Bot. Ztg. 1873, p. 437. § 22. Einfluss der Temperatur. 91 iiiiisichere Beslirnmnng von Maximum und Minimum ist schon dadurch hedingt, dass das Wachsthum zunächst noch in einer Temperatur fortschreitet, in welcher nach kürzerer oder längerer Zeit Stillstand oder sogar das Ahsterben eintritt (II, § 65), in der also die Wachsthumsthätigkeit nicht erweckt werden kann. Diese wird aber, wie auch in anderen Fällen, nur allmählich wieder mit voller Energie aufgenommen, wenn der schon etwas benachtheiligte Organismus in eine günstige Temperatur zurückversetzt wird^). Ohnehin sind immer die jeweiligen Fähigkeiten und Stimmungen entscheidend. Desshalb wird auch der Effect einer Temperaturveränderung mehr oder minder verschieden ausfallen, je nachdem sich die Pflanze, oder ein Organ derselben, in diesem oder jenem Stadium der Entwickelung befinden, oder je nachdem die Stimmung der Pflanze durch die äusseren Bedingungen und die Wirkungszeit dieser modificirt wird. Als Beispiel für den Einfluss der übrig-en iussenbeding-ungen seien er- wähnt, dass nach Brefeld'^) der Hut von Coprinus stercorarius im Licht bei 12 C, im Dunklen aber erst über 15 C. gebildet wird, dass ferner nach Heald^j die Sporen von Farnen im Dunklen zwar nicht bei gewöhnlicher Temperatur, wohl aber bei 32 C. keimen. Ferner kann die Qualität und Quantität der Nahrung Ein- fluss haben. So fand Thiele'*) für Penicillium glaucum bei Ernährung mit Zucker die obere Wachsthumsgrenze = 31 C, bei Ernährung nuit Ameisensäure oder Glyce- rin = 3 5 — 3 6 C, während bei Aspergillus sich gerade umgekehrt die höchste Lage des Maximums bei der günstigsten Ernährung (mit Zucker) ergab. Hin- wiederum rückt nach Rabinowitsch^) bei den facultativ anaeroben thermophilen Bacterien das Mininuun bei Fehlen von Sauerstoff auf 34 — 44 C, während es sich bei Zutritt von Sauerstoff auf 50 C. stellt. Durch allmähliche Accommodation kann ebenfalls ein gewisses Hinausrücken des Maximums oder Minimums erzielt werden. Nach Dieudonne^) lässt sich das Minimum von Bacillus anthracis allmählich von 1 2 — 1 4 C. auf 10 C. bringen. Derselbe Autor konnte durch allmähliche Steigerung der Temperatur und wieder- holtes Umimpfen das Maximum des Bacillus fluorescens von 35 auf 41,5 C., das des Bacillus der rothen Milch von 37 auf 41,5 C. erhöhen, und nach Tsiklinsky') gelingt es, das Maximum des Bacillus subtilis im Laufe von 30 Generationen von 50 auf 58 C. zu steigern. Uebrigens scheinen die vorausgegangenen Cuitur- 1) Kirchner, Cohn's Beitr. z. Biolog. 1883, Bd. 3, p. 362; Askenasy, Ber. bot. Gesellsch. 1890, p. 73; Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistung 1893, p. 354; R. H. True, Annais of Bot. 1895, Bd. 9, p. 387; H. Hilbrig, Ueber d. Einfluss supramaximaler Tem- peratur auf das Wachsthum. Leipziger Dissertation 1900. 2) Brefeld, Botan. Unters, ü. Schimmelpilze 1877, III, p. 93; Fr. Gräntz, Einfluss d. Lichtes a. d. Entwickelung einiger Pilze. Leipziger Dissertation 1898, p. 29. 3) F. de Forest Heald, Gametophytic Regeneration. Leipziger Dissertation 1897. p. 62. 4) R. Thiele, Temperaturgrenzen d. Schimmelpilze. Leipziger Dissertation 1896, p. 36. Vgl. auch dieses Buch Bd. I, p. 373. Offenbar giebt es aber Formen des Peni- cillium glaucum, die ein höheres Maximum besitzen. — Ueber Bacterien vgl. Nägeli, Theorie d. Gährung 1879, p. 91. 5) L. Rabinowitsch, Zeitschr. f. Hygiene u. Infectionskrankheiten1895, Bd. 20, p.139. 6) Dieudonne, Ctrbl. f. Bacteriol. 1894, Bd. 16, p. 965; Biolog. Centralbl. 1895, Bd. 15, p. 109. Einige andere Erfahrungen über Bacterien sind citirt bei Flügge, Mikroorganismen 1896, III. Aufl., Bd. I, p. 483. — Ueber Entstehung von resistenten Formen vgl. dieses Buch Kap. VIII. 7j P. Tsiklinsky, Annal. d. l'Institut Pasteur 1899, Bd. 13, p. 793. 92 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. bedingungen auch auf das Temperattu'bedürfniss der höheren Pflanzen einen gewissen Einfluss ausüben zu können. Wenigstens deuten darauf liin die Erfaluningen, dass das Keimungsminimum der unter A-erschiedenen Bedingungen erwachsenen Samen etwas verschieden ausfällt^), und dass die Entwiclcekmgszeit merklich abgekürzt ist, wenn der im Norden gereifte Getreidesame bei uns zur Aussaat verwandt wird 2). ungleiche Beeinflussung' einzelner Wachsthumsvorgänge. Maximum und Minimum scheinen bei niederen Pflanzen für das vegetative Wachsen (V) vielfach weiter hinausgeschoben zu sein, als für die Bildung der Fortpflanzungsorgane. Für beide Processe werden z. B. als Grenztemperaturen angegeben: Vaucheria repens^) V. 0 und 30 C, Zoosporen 3 und 26 C; Anixiopsisstcrcorarius^) V. 3 und 37, PerithecienS und34(;., Saccharomycescerevisiae^) V. 0 und 40 C., Sporen 1 \ und 37 C. Aehnliche Verhältnisse wurden für Bacillus anthracis, subtilis, iumescens ^) gefun- den. Eine analoge Beziehung scheint auch mehrfach bei den höheren Pflanzen zu bestehen, die zum Theil nicht zum Blühen kommen, wenn durch Erhöhung der Temperatur das Wachsthum der vegetativen Organe sehr gesteigert oder durch Erniedrigung der Temperatur die Entwickelung sehr gehemmt wird"). Uebrigeus handelt es sich auch hierbei nur lun einen speciellen Fall der ungleichen Beein- flussung der Partialfunctionen, ein Thema, das im Verband mit dem ökologischen — ; 7 — Optimum früher (p. 78) allgemein besprochen wurde. Aus diesen ^'erhällnissen ist auch ohne weiteres zu verstehen, warum die zum Keimen ausreichende Grenz- temperatur nicht immer für die weitere Entwickelung genügt^). Andererseits ist möglich, dass die Reizwirkung einer höheren (oder niederen) Temperatur nur nöthig ist, um die Wachsthumsthätigkeit in einer Pflanze zu erwecken, die zu ihrer Entwickelung eine geringere Temperatur liedarf. Vielleicht ist das bei Pilo- bolus roridus der Fall, dessen Sporen erst bei 30 — 35 C. keimen "). Forniative Erfolge. Diese fallen ansehnlich aus, wenn es sich, wie im Obigen, um Bildung oder Unterdrückung von Erhaltungs- oder Fortpflanzvmgsmitteln handelt. Ausserdem macht sich der formalive Einfluss der Temperatur zwar ebenfalls. 1) Tietz, Ueberdie Keimung einiger Coniferen u. Laubhölzer 1874, p. 29: G.Haber- landt, Schutzeinricht. d. Keimpflanze IS??, p. 38; N. J. C. Müller, Bot. Unters. 1879, Bd. II, p. 1. 2) F. C. Schiebeier, Bot. Centralbl. 1886, Bd. 28. p. 205. Vgl. Bd. II, § 60. 3) Klebs, Bedingungen d. Fortpflanzung 1896, p. 40. Hier sind auch Mittheilungen über einige andere Algen zu finden. Ueber Saprolegnia siehe Klebs. Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 33, p. 552. Ueber Pilze im allgemeinen Klebs, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. i.n. 4) E. Gh. Hansen, Bot. Ztg. 1897, Orig. p. 129. Ueber andere Pilze vgl. Klebs 1. c. 1896, p. 488,1. c. 1900; Bachmann, Bot. Ztg. 1895. p. 130; F. Gräntz, Einfluss d. Lichtes auf die Entwickelung einiger Pilze. Leipzig 1898, p. 53. 5] E. Ch. Hansen, Meddelelser fra Carlsberg Laboratoriet 1888, Bd. 2, Franz. Resume p. 32. Eine Zusammenstellung für diese und andere Saccharomyces-Arten bei Jörgensen, Mikroorganismen d. Gährungsindustrie 1898, IV. Aufl., p. 180, 208. Ueber Bedingungen d. Sporenbildung vgl. auch Beyerinck, Ctrbl. f. Bact. u. Parasitk. II. Abth., 1898, Bd. 4, p. 662. 6) 0. Schreiber, Centralbl. f. Bact. 1896. Bd. 20, p. 431. Hier u. bei Flügge, Mikroorganismen 1896, III. Aufl., Bd. I, p. 432 weitere Literatur. 7) Möbius, Beitr. z. Lehre v. d. Fortpflanzung d. Gewächse 1897, p. 108 u. die hier citirte Lit.; Schimper, Pflanzengeographie 1898, p. 51. Ueber correlative Wirkungen vgl. II, § 45, 46. 8) Siehe z. B. Sachs. Jahrb. f. wiss. Bot. 1860, Bd. 2, p. 336 (Samen); Wiesner, Sitzungsb. d. Wiener Akad. 1873, Bd. 67, Abth. 1, p. 9 Penicifliumi. Ausserdem Beispiele in den oben citirten Schriften. 9; Brefeld, Bot. Unters, ü. Schimmelpilze 1881, Heft 4, p. 71, 20. § 22. Einfluss der Temperatur. 98 jedoch gewöhnlich nicht allzu auflällig hemerklich. So pflegen die bei niedrigei* Temperatur erwachsenen grünen Pflanzen gedrungener zu sein^). Jedoch werden auch anderweitige formative Erfolge, u. a. auch in Bezug auf die AWichsform von Pilzen und Bactcrien^] beobachtet. Bei einem Temperaturwechsel stellen sich die Pflanzen im allgemeinen ziemlich schnell auf die dem neuen Wärmegrad entsprechende Wachsthums- schnelligkeit ein-^). Offenbar fällt also die transitorische Reizwirkung, die bei einem plötzlichen Uebergang wohl nie ganz fehlen wird, zumeist so gering aus, dass sie der Beobachtung entgeht. Dieses ist nicht mehr der Fall bei den thermonastischen Bewegungen von Blüthen, Blättern etc., in welchen durch den Temperaturwechsel eine vorübergehende Wachsthumsbeschleunigung veranlasst wird^). Auch scheint bei Vaucheria, Oedogonium etc. der Uebergang von einer zu niedrigen in eine zureichende Temperatur als ein Reiz zu wirken, der die Bil- dung der Schwärmsporen beschleunigt^). Vielleicht ist auch die Wiederholung eines solchen Wechsels von Bedeutung für die Abkürzung der Winterruhe oder anderer Ruhephasen in der Pflanze (If, § 60). Indess kommt es in den zuletzt genannten und in verschiedenen anderen Fällen weniger oder nicht auf den Uebergangsreiz, sondern auf die Dauerwirkung verschiedener Temperaturgrade an, die für die Er- zielung der verschiedenen Generationsabschnitte oder doch für die optimale Leistung nothwendig oder wichtig sein kann. Wirkt aber der Temperaturwechsel den inducirten oder aufgenommenen Bestrebungen entgegen, so kann eine Störung der Wachsthumsthätigkeit nicht überraschen. Hierdurch oder auch durch den Uebergangsreiz kam vermuthlich die Störung zu Stande, die Schreiber*') beobach- tete, als er den eben ausgekeimten Bacillus anthracis von 38 C. auf 18 G. ab- kühlte. Da die Pflanze in der Natur immer und oft in sehr erheblichem Grade plötzliche und langsame Temperaturschwankungen durchzumachen hat, so ist • 1) Siehe z. B. Kerner, Pflanzenleben 1887, Bd. I, p. 408; Bd. II, p. 497; Schimper, Pflanzengeographie 1898, p. 40. Ueber Keimpflanzen siehe Sachs, Jahresb. d. Agri- culturchem. 1839 — 60, p. 98; ßialoblocki, Versuchsstat. 1870, Bd. 13, p. U1. Ueber Algenpflanzen etc. vgl. auch dieses Buch II, § 26. Ueber Länge der Streckungszone an Wurzeln, Popovici, Bot. Ctrbl. 1900, Bd. 81, p. 91 u. dieses Buch II, p. 13. Ueber die Abhängigkeit der Saisonformeu der Schmetterlinge u. s. w. von der Temperatur vgl. 0. H er twig, Zellen u. üewebe 1898, p. 120 ; Standfuss, Biol. Centralbl. 1 899, Bd. 19, p. 75. 2) Ueber Essigbacterien siehe E. Ch. Hansen, Meddelelsen fra Carlsberg Labo- ratoriet 1894, Bd. III, Ref. p. 198; Lafar, Techn. Mykologie 1897, Bd. I, p. 347. 3) Pedersen, Arbeit, d. Bot. Instituts z. Würzburg 1874, Bd. I, p. 563; Askenasy, Ber. bot. Gesellsch. 1890, p. 73; E. Godlewski, Anzeig. d. Akad. d. Wissensch. in Krakau 1890, p. 171 ; True, Annais of Bot. 1893, Bd. 9, p. 390. Die von Koppen (Wärme und Pflanzenwachsthum 1870; Botan. Jaliresber. 1873, p. 778) angenommene transito- rische Wachsthumshemmung tritt also nicht ein. Von den schädigenden Temperatur- extremen und deren Folgen wird hier abgesehen. Vgl. II, § 65—68. 4) Vgl. 11, Kap. XII. An dieser Stelle ist auch darzuthun, dass der Reiz bei Zu- nahme der Temperatur anders ausfallen kann, als bei Abnahme der Temperatur. Ueber Einfluss des Temperaturwechsels auf Plasmaströmungen etc. vgl. II, Kap. XV. — [Nach W. Kinzel (Versuchsstat. 1900, Bd. 54, p. 134) wird das Keimen verschiedener Samen- arten durch den Temperaturwechsel begünstigt.] 5) Klebs, Bedingungen d. Fortpflanzung 1896, p. 49, 269. Bei Hydrurus (p. 443) wurde ein solcher Effect nicht beobachtet, 6) 0. Schreiber, Centralbl. f. Bacter. 1890, Bd. 20, p. 372. 94 Kap. YI. Die Beeinflussun'g der Wachsthumsthätigkeit etc. die schnelle Accommodationsfühigkeit von wesentlicher Bedeutung, womit nicht ausgeschlossen i.st, dass für bestimmte Ziele und Zwecke eine besondere Reactions- fähigkeit auf den Temperaturwechsel ausgebildet ist. Ebenso ist es bedeutungs- voll, dass jedes einzelne Organ nach Maassgabe seiner Kürpertemperatur wachs- thumsthätig ist, dass also die ungleich und unbestimmt wechselnde Temperirung der einzelnen Organe zunächst die Gesammtthätigkeit nicht stört ^). Wenn aller- dings einzelne Organe dauernd in ungünstigen Temperaturverhältnissen gehalten werden, dann müssen schliesslich in Folge der wechselseitigen Abhängigkeit auch die übrigen Organe benachtheiligt werden (II, Kap. YII), Wie früher (II, p. 78) allgemein erörtert wurde, wissen wir bei der Un- bekanntschaft mit der Bedeutung und der Beeinflussung der Partialfunctionen z. B. nicht, warum die Wachsthumsthätigkeit mit der Ueberschreitung des Optimums verlangsamt wird, obgleich die Athmung (I, p. 572) und ebenso die Molecularbewegung im Inneren noch weiter beschleunigt werden. Es kann also nicht auffallen, dass die graphische Darstellung der Aenderung der Wachsthums- schnelligkeit mit der Temperatur nicht immer genau dieselbe und vielleicht auch einmal eine Curve mit 2 Maxima ergiebt. Nach den bisherigen Erfahrungen scheint die Curve nach Ueberschreitung des Minimums zunächst langsamer, dann schneller und mit der Annäherung an das Optimum wiederum langsamer zu steigen. Je nach dem Abstand des Optimums von dem Maximum tritt dann ein schnellerer oder langsamerer Abfall der Curve ein. Historisches und Metliodisclies. Nachdem Lefeburc^) für die Keimung von Raphanus Minimum vmd Maximum Ijcsümmt hatte, wurde für verschiedene Keimpflanzen ausser diesen Extremen auch das Optimum von A. P. de Candolle-^), sowie von Edwards nnd Colin -i) ermittelt. In der Folge Avurde dann dieser Gegenstand eingehend von Sachs^j studirt, und weiterhin stellten zahlreiche For- scher A'ersuche mit Keimpflanzen etc., sowie auch mit niederen Organismen an. Aus den schon angeführten Gründen und wegen der individuellen Differenzen lassen sich für die Cardinalpuncte immer luu' annähernde Wei'the ermitteln. Die zum Theil erheblichen xVbweichungen in den Angaben verschiedener Forscher sind ausserdem auch durch die Methodik bedingt. Denn es wurde zuweilen nur eine gewisse Einengung versucht, oder es war nicht für genügende Constanz der Tem- peratur gesorgt, oder es wurde von dem einen Forscher der Beginn des Keimens (Sachs), von dem anderen Forscher der Stillstand des Wachsens (de Vries, Kirchner u. s. av.) controlirt. Besonders dann, wenn es sich um den Verfolg aller Phasen handelt, sind begreiflicherweise gute Resultate am leichtesten mit denjenigen Organismen zu erhalten, die ihre Entwickelungsperiode schnell durch- laufen. So weit die für die Cultur von Bacterien üblichen Thermostaten 6) benutzbar 1) Vgl. die II, § 59 anzuführenden Beispiele. Ferner Godlewski, Anzeig. d. Akad. d. Wissensch. z. Krakau 1890, p. -172. Ferner dieses Buch I, p. 213. 2) Lefebure, Exper. s. 1. germination 1801, p. 124. 3) A. F. de Candolle, Pflanzenphysiol. übers, von Köper 1835, Bd. 2, p. 27fi. 4) Edwards et Colin, Annal. d. scienc. nat. 1834, Il.ser., Bd. I, p. 270; I83f), Il.ser., Bd. 5, p. 7. 5) Sachs, Jahrb. f. wiss. Bot. 1860, Bd. 2, p. 338. G) Abbildungen in den Preiscouranten der bezüglichen Firmen. Vgl. auch Pfeffer, Zeitsctir. f wiss. Mikrosk. 1890, Bd. 7, p. 4 43. — Ein Zunmer mit constant reguhrter Temperatur habe ich beschrieben in Ber. d. botan. Gesellsch. 1 895, p. 49. § 2-2. Einfluss der Temperatur. 95 sind, ist es leicht, eine genügend constante Temperatur zu erhalten. Bei lichtbedürfti- gen Pflanzen ei'zielt man die beste Temperaturconstanz, indem man in das constant regulirte Wasser eines grossen Aquariums eine abgeschlossene Glocke versenkt, in der sich die Pflanze befindet und durch die ein Strom (trockener) auf gleiche Temperatur gebrachter Luft geleitet wird i). Eine einlache Einrichtung, die (im diffusen Licht) eine Constanz bis zu ca. 1 C. gestattet, ist in Fig. 1 7 dargestellt. Für niedrige Temperaturen benutzt man Eis- schränke, kühle Räume, durch Eis gekühltes Wasser u. s. w. 2), jedoch sind die bisher an- gewandten automatischen Regulationen nicht be- sonders leistungsfähig 3). Für die mikroskopische Beobachtung sind ver- schiedenartige Heiztische und Heizkästen con- struirt-*), die aber zumeist keine sehr exacte Fixirung der Temperatur garantiren. Sehr ge- naue Resultate erhält man aber z. B. mit dem von mh'^) angegebenen Objecttisch, bei welchem sich die das Object enthaltende Kammer in con- stant regulirtem Wasser befindet. Literatur. Zur Orientirung sei hier noch auf folgende Schriften hingewiesen, die sich auf Bestimmung der Cardinalpuncte beziehen. Höhere Pflanzen. Sachs 1860, 1. c ; Koppen, Wärme u. Pflanzenwachsthum 1870; de Vries, Materiaux p. 1. connaissance de l'iu- fluence d. 1. temperature 1870 (Sep. a. Archiv. Neerlandaises 1870, Bd. 5); Haberlandt, Yer- suchsstat. 1874, Bd. 1 7, p. 1 1 3 u. Wissensch. pract. Untersuch, a. d. Gebiete des Pflanzenbaues 1875, I, p. 10 9; Tietz, Keimung einiger Coniferen u. Laubhölzer 1874; Just, Cohn's Beitr. z. Biolog. 1877, Bd. 2, p. 324 <;. Müller, Bot. Unters. 1 879, Bd. II, p. 1; Kirchner, Cohn's Beitr. z 1883, III, p. 339; Askenasy, Ber. d. bot. Gesellsch. .1 890, p. 61 . — tische Zusammenstellung von Thatsachen beiNobbe, Samenkundc 1876, Detmer, Vergl. Physiol. d. Keimungsprocesses 1880, p. 425. Algen. Oltmanns, Jahrb. f. wiss. Bot. 1891, Bd. 23, p. 358; Klebs, Bedin- gungen d. Fortpflanzung 1896 u. d. dort. cit. Lit. — Ferner die p. 88 cit. Lit. über die Flora von Thermen, Fig. 17. Das Zinkgefäss t ist zwischen '1er doppelten Wandung mit Wasser ge- füllt. Durch den Therraoregulator r wird die Flamme und somit die Temperatur des Glockenraumes regulirt. t und s Thermo- meter. : N. J. Biolog. Tabella- p. 231; 1 ) Ueber eine andere Einrichtung für bestimmte Zwecke vgl. Jo s t , Bot. Ztg. 1 897, p. 25. 2) Uloth (Flora 1871, p. 183; 1875, p. 26ö) beobachtete, dass Keimwurzeln gewisser Pflanzen auch im Eis wachsen und in diesem vordringen. Letzteres ist mit Rücksicht auf die physikalischen Eigenschaften des Eises und die von wachsenden Pflanzen leist- bare Aussenarbeit (II, § 35) wohl zu verstehen. 3) Siehe z. B. Oltmanns, Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 23. p. 362. 4) Siehe z. B. Zimmermann, Das Mikroskop 1893, p. 224; Behrens, Zeitschr. f. wiss. Mikroskop. 1893, Bd. 12, p. 2; R. Kraus, Centralbl. f. Bacteriol. 1898, I. Abth., Bd. 23, p. 16, sowie die Preiscouranten der Lieferanten. 5) Pfeffer, Zeitschr. f. wiss. Mikroskop. 1890, Bd. 7, p. 433. 96 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. Pilze. Literatui-angaben bei de Bary, Pilze 1884, p. 375, 379; Zopf, Pilze 1890, p. 201. Ausserdem: Cohn, Bericht d. schles. Gesellsch. f. vateil. Cultur 1888, p. löO; Schostakowitsch, Flora Egsbd. 1 89 o, p. 369; Thiele, Tempe- raturgrenzend. Schimmelpilzes 1896; Klebs, Bedingungen d. Fortpflanzung 1896, p. 446 ff.; Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 33, p, 549; 1900, Bd. 35, p, 80. Saccharomyces. Pedersen, Rech. s. quelques facteures qui ont influence s. 1. propagation d. 1. levure 1878 (Sep.) ; E. Ch, Hansen, Meddelelser f. Carlsberg Laborat. 1 888, Bd. II, französ. Resum.p. 114. Zusammenstellungen beiA. Jörgensen, Mikroorganismen d. Gährungsindustrie 1898; Ad. Majer, Gährungschemie 1895, IV. AutL, p. 150. Bacterien. Lit. bei Flügge, Mikroorganismen 1896, III. Aufl. I, p. 132; Migula, System d. Bacter. 1897, I,p. 358; Lafar, Techn. Mykologie 1897, I, p. 70. — Speciell thermophile Bacterien L. Rabinowitsch, Zeitsch. f. Hygiene u. Infectionskrankheiten 18 95, Bd. 2 0, p. 154; Kedzior, Centralbl. f. Bacteriol. 1897, II. Abth., Bd. III, p. 154; M. Miyoshi, Journal of the College of Science Tokyo 1897, Bd. 10, p. 143; 0. Laxa, Centrbl. f. Bacteriol. 1898, II. Abth., Bd. 4, p. 362; P. Tsiklinsky, Annal. d. l'lnstitut Pasteur 1899, Bd. 13, p. 500, 788; Sames, Centralbl. f. Bacteriol. I. Abth. 1900, Bd. 28, p. 444; Michaelis, Centralbl. f. Bacteriol. II. Abth. 1900, Bd. VI, p. 231. Abschnitt III. Einfluss des üchtes. § 23. Allgemeines, Diejenigen Bacterien und Pilze, die dauernd in voller Finsterniss leben und gedeihen, lehren, dass das Licht nicht zu den allgemein nothwendigen Aussen- hedingungen gehurt. Zu diesen zählt aber das Licht bei allen Organismen, die auf die photosynthetische Gewinnung der organischen Nahrung angewiesen sind und die desshalb im tiefen Schatten des Waldes, in einer gewissen Wassertiefe u. s. w. nur kümmerlich oder endlich gar nicht mehr fortkommen. Dass aber, abgesehen von dieser energetischen Bedeutung des Lichtes, die Wachsthums- und Gestaltungslhätigkeit gewisser Pflanzen oder bestimmter Organe einer Pflanze in erheblichem Älaasse durch die Beleuchtung beeinflusst werden, beweist die abnorme Gestaltung, welche die Sprosse von Keimpflanzen u. s. w. im Dunklen annehmen. Diese Beeinflussung ist indess nicht auf die grünen Pflanzen beschränkt, die im Dunklen zudem durch das Unterbleiben der Chlorophyllbildung ein abnormes Aussehen gewinnen (I, p. 317), sondern findet sich auch bei manchen Pilzen, die bei Lichtmangcl gewisse Organe nicht formiren oder sich anderweitig in abnormer AVeise gestalten. Eben weil das Licht nicht, wie ein gewisses Ausmaass der Wärme, eine generelle Lebensbedingung ist, kann auch bei der lichtbedürftigen Pflanze ein Theil der Organe dem Lichte entzogen sein. Thatsächlich entwickeln sich die § 23. Allgemeines. 97 Erdwurzeln zumeist im Dunklen und bei dicken oberirdischen Organen gelangt nur wenig Licht zu den inneren Geweben (I, p. 329). In zweckentsprechender Weise ist denn auch eine formative Beeinflussung durch das Licht besonders an solchen Organen zu finden, die zur Ausnutzung der Lichtstrahlen bestimmt sind oder die durch die Lichtreaction da entstehen oder dahin geführt werden, wo sie ihre Functionen (Ausstreuen von Sporen, Fixirung an das Substrat etc.) zu vollbringen haben. Mit Rücksicht auf diese und andere Verhrdtnisse ist es, wie schon (p. 81) erwähnt wurde, begreiflich, dass im allgemeinen durch das Licht auffälligere formative Reactionen veranlasst werden, als durch die Wärme. Aus dem normalen Gedeihen in dem täglichen Beleuchtungswechsel ist ferner zu entnehmen, dass durch Verdunkelung nicht, wie durch eine weitgehende Herabsetzung der Wärme, eine Hemmung oder ein Stillstand des Wachsens bewirkt wird. Vielmehr vermag die in Lichtstimmung (Phototonus) versetzte Pflanze nach Entziehung der Beleuchtung normal weiter zu arbeiten, bis end- lich bei dauerndem Aufenthalt im Dunkeln Starre eintritt oder die Wachs- thumsthätigkeit in abnorme Bahnen gelenkt wird. Diesen Verhältnissen, die sich, soweit es sich um Lichtstimmung handelt, auch bei der besten Versorgung mit Nahrung einstellen, kann sich bei den autotrophen Pflanzen, in Folge der Unterbrechung der photosynthetischen Thätigkeit, der Nahrungsmangel mit allen seinen Consequenzen beigesellen. So lange indess die Pflanze (oder ein Organ) sich im wachsthumsthätigen Zustand befindet, scheint der Regel nach durch Verdunkelung eine gewisse Beschleunigung, durch Erhellen eine gewisse Verlang- samung der Zuwachsbewegung verursacht zu werden. Natürlich muss man die verschiedenen Lichtwirkungen auseinanderhalten, die häufig gleichzeitig eintreten und ineinandergreifen. Zu diesen gehören ebenso die photosynthetische Leistung mit allen sich anschliessenden Folgen , sowie die nur veranlassenden und dirigirenden Einwirkungen, die wiederum (vgl. H, p. 85) verschiedenartig und mannigfach combinirt sein können. Auch ist zu bedenken, dass die im Tageslicht vereinten, verschiedenartigen Strahlen physio- logisch ungleichwerthig sind (H, .§27) und dass durch die zunächst localisirte energetische oder auslösende Lichtwirkung mit der Zeit nähere oder fernere Theile in Mitleidenschaft gezogen werden können. hn Folgenden werden wür unser Augenmerk speciell auf die auslösenden Wirkungen des Lichtes und nur soweit als nöthig auf die Folgen der Realisi- rung oder Nichtrealisirung des photosynthetischen Nahrungsgewinnes richten, während Effecte, die auf die Erwäi-mung oder auf die Transpirationssteigerung (I, § 39) durch die Insolation fallen, nicht berücksichtigt w^erden. Auch kommen hier die heliotropischen Krümmungen (Kap. XIII) gar nicht und die formative AMrkung einer einseitigen Lichtwirkung nur nebenbei (vgl. II, § 24) zur Behandlung^). 1) Vgl. Bd. I, § (32. Ueber die pflanzengeograpliische Bedeutung der Beleuchtung siehe Schimper, Pflanzengeographie 1898, p. 61. Speciell für Algen vgl. Berthold, Mitth. d. zool. Station zu Neapel 1882, Bd. 3, p. 393; Oltmanns, Jahrb. f. wiss. Bot. ■1891, Bd. 23, p. 416. Siehe auch dieses Buch Bd. I. p. 337. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 98 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. § 24, Photomorphotisclie Wirkungen. Die Erfahrungen über die Beeinflussung der formativen Thätigkeit durch die Beleuchtung j-ii 6- lehren wiederum in sehr anschaulicher Weise, dass durch dasselbe Agens, je nach den Eigen- und der sehr verschieden- veranlasst werden. B A Fig. 18. Aus der Kartoft>Iknolle erwachsene Pflanzen, A im Licht, B im Dunkeln. Die Internodien sind in gleicher Weise von unten ab numnierii-t. Schäften des Organismus einzelnen Organe, artige Erfolg Denn während die Gestaltung gewis- ser Pflanzen im Dunkeln und am Licht übereinstimmend oder ähnlich ausfällt, wird in anderen Fällen das Wachsthum des einen Organes ge- fördert, des anderen Organes aber verlangsamt oder sistirt. Ebenso ist wohl in gewissen, aber nicht in allen Fällen Beleuchtung nothwendig, um die Neubildung eines Organes zu veranlassen. Sachgemäss muss sich aber eine allgemeine Physiologie darauf beschränken, die Mannigfal- tigkeit der formativen Beeinflussung durch eine Reihe von Beispielen zu erläutern. Bei der als Etiolemeiit oder Yergeilung bezeichneten abnormen Gestaltung von Keimpflanzen, Zwei- gen u. s. w. im Dunkeln, werden (abgesehen von dem Unterbleiben des Ergrünens I, § 58) vielfach die Inter- nodien länger, während die Blätter kleiner, z. Th. sehr klein ausfallen (Fig. 18)1). Dass indess nicht alle Pflanzen gleich reagiren, beweisen u. a. die langgestreckten Blätter von Liliaceen etc., die im Dunkeln länger, \) Lit. Sachs, Bot. Zeitung 1863, Beilage; G. Kraus. Jahrb. f. wiss. Bot. 1869—70, Bd. 7, p. 209; Wiesner, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1893, Bd. 102,1, p. 319; Bericht, d. bot. Gesellsch. 1891, p. 46; Bauwenhoff, Annal. d. scienc. naturell. 1878, Vl.ser., Bd. 5, p. 311; C. Kraus, Ueber einige Beziehungen des Lichtes zur Stoff- und Form- bildung, 1878 (Sep. a. Forsch, a. d. Gebiete d. Agriculturphysik Bd. 2); Godlewsky. Biol. Centralbl. 1889, Bd. 9, p. 481; H. Bicome, Compt. rend. 1900, Bd. 31, p. 1251, sowie die weiterhin cit. Arbeiten von Wies ner, Bounier, Teodoresco u. s. w. Vgl. auch Bd. I, § 62, 27. — Ueber die im Dunkeln ergrünenden und nicht ergrünenden Nadel- blätter d. Coniferen siehe Wies ner, 1. c. 1893, p. .^U; Jost. Jahrb. f. wiss. Bot. 1897. Bd. 27, p. 442. § 24. Photomorphotische Wirkungen. 99 aber schmrder werden i). Ferner ist Beta vulgaris ein Beispiel dafür, dass ein etiolirendes breites Blatt eine ziemliche Grösse erreicht. Die Ueberverlänge- rung gewisser Blätter ist übrigens durchaus zweckentsprechend, um z. B. die Hervortreibung aus verdunkelnden Blattscheiden oder aus dem Boden dann zu beschleunigen und zu sichern, wenn die Zwiebel, der Same etc. von einer höhe- ren Bodenschicht bedeckt sind. Für diesen Zweck ist auch die U eher Verlänge- rung der Internodien dann wichtig, wenn durch die Streckung dieser die Blätter an Luft und Licht zu bringen sind (vgl. I, p. 139 und ibid. Fig. 14). Ferner ist es vortheilhaft, wenn im Dunkeln eine weitgehende Ausbildung der Blätter unterbleibt, die nur im Licht ihre functionelle Aufgabe erfüllen können. Sofern aber z. B. die Cotyledonen nicht über den Boden hervortreten sollen (Pisum, Aesculus, Tropaeolum etc.), erfährt das hypocotyle Glied im Dunkeln keine oder doch keine auffällige Ueberverlängerung. Dieses ist auch der Fall bei dem Hopfenstengel , den Frühjahrstrieben von Dioscorea Batatas, den untersten Internodien des Sprosses von Bryonia dioica (Sachs, Wiesner 1. c). An den chlorophyllführenden Flachstengeln treten aber bei Lichtmangel wiederum auffallende formative Veränderungen auf, die bei Phyllocactus, Opuntia u. s. w. so weit gehen, dass der Stengel im Dunkeln einen mehr oder minder radiären Bau annimmt 2]. Dieser kommt im Dunkeln auch den zur assimila- torischen Thätigkeit bestimmten Luftwurzeln gewisser Orchideen zu, die am Licht flach werden 3). Ferner wächst die grüne Luftwurzel von Taeniophyllum Zollingeri nur am Licht-'). Dagegen gewinnen die gewöhnlichen Erd- und Wasserwurzeln mit und ohne Beleuchtung eine ähnliche Gestaltung^). Auf die Gestaltung der etiolirenden Pflanze hat schon eine schwache con- tinuirliche oder intermittirende Beleuchtung einen merklichen Einfluss. AVie im Experimente, so kann man auch beim Vergleich sonniger und schattiger Stand- orte in der Natur (wo allerdings ausser Licht auch andere Factoren mitspielen) sehen, dass mit steigender Beleuchtung die Internodien kürzer, der Wuchs also gedrungener wird, während die Blätter bei einer gewissen mittleren Beleuchtung die maximale Flächengrösse erreichen *'•). Es ergiebt sich das als Folge davon, •1) Ausnahmen siehe bei Walz, Bot. Jahresber. 1873. p. 787; Wiesner 1893, 1. c. p. 319. 2) Vöchting, Jahrb. f. wiss. Bot. -1894, Bd. 25, p. 463; G oebel, Flora 1893, p. 96; Organographie 1898, I, p. 213. Der etiolirte Spross wird im Dunkeln zumeist länger, obgleich die einzehien hiternodien zum Theil kürzer ausfallen. 3) Janczewski, Annal. d. scienc. naturell. 1883, Vll.ser., Bd. 2, p. 33; Goebel, Organographie p. 212. 4) Wiesner, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1897, Bd. 106, I, p. 97. 3) Nobbe, Versuchsstat. 1867, Bd. 9, p. 80; Famnitzin, Bot. Zeitung 1873, p. 366; Streb], Unters, ü. d. Längenwachsthum 1874, p. 24; Walz, Bot. Jahresber. 1875, p. 787; Godlewski, Bot. Ztg. 1879, p. 91; Teodoresco, Annal. d. scienc. naturell. 1899, Vm. ser., Bd. 10, p. 211. Vgb Bd. I, § 26. 6) Sachs, Experimentalphysiol. 1863, p. 33; Bot. Ztg. 1871, p. 681 ; Stahl, Ueber d. Einfluss des sonnigen u. schattigen Standorts etc. 1883, p. 29; Dufour, Annal. d. scienc. naturell. 1887, VIII. ser., Bd. 3, p. 407; Wiesner, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1893, Bd. 102, I, p. 321; Teodoresco, Bevue gen^ral. d. Bot. 1899, Bd. 11, p. 433 u. die Bd. I, p. 343 citirte Lit. Da. wo Epheu an einschüssigen Felsen wächst, kann man gut die Abstufuno; der Blattgrösse übersehen. "^ _.•• MB U. •■ *• 100 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. dass in dem im Dunkeln klein bleibenden Blatte durch das Licht das Wachs- thum angeregt, mit steigender Intensität der Beleuchtung aber (wie in den In- ternodien) verlangsamt wird fll, 25). Jedoch ist mit der grüssten Oberfläche zumeist nicht die ansehnlichste Dicke, Gewebedifferencirung, Gewichtsgrüsse und somit auch nicht die höchste assimilatorische Leistungsfähigkeit erreicht i). Fig. 19. A Querschnitt durtli ein Sonnenblatt von Fagus sylvatica; B desgl. durch ein Blatt von einem sehr schattigen Standort. (Nach Stahl.) Es wurde schon früher darauf hingewiesen, dass den Blättern eine zweck- entsprechende Reactionsfähigkeit zukommt, und dass insbesondere mit zunehmen- der Beleuchtung die Differencirung des Pallisadenparenchyms gesteigert wird, das vielfach im (Fig. 19)2). tiefen Schatten Ferner wird wenig nur in Blättern oder sar nicht zur Ausbildung kommt und etiolirenden Stengeln und damit die Festigkeit der Wandungen mehr oder weniger die reducirt ^ Verdickung Dess- ■1) Vgl. Bd. I, § 62. Geneau de Lamarliere, Revue general. d. Botan. 1892, Bd. 4, p. 481. 2) Bd. I, p. 345 und die dort citirt. Lit., sowie Haberlandt, Physiol. Anatom. 1896, II. Aufl., p. 253, 260. Ferner E. Teodoresco, Annal. d. scienc. naturell. 1899, VIII. ser., Bd. 10, 433 u. Revue general. 1. c. — Bei zu intensivem Licht wird die Gewebedifferencirung wieder reducirt. Bonnier, Rev. general. d. Botan. 1895, Bd. 7, p. 412. — Ueber Marchantia vgl. Kammerling, Flora 1897, Ergsbd. p. 53. [J. Thomas, Rev. general. d. Botan. 1900, Bd. 12, p. 394 subterrane Blätter.; 3) G. Kraus. Jahrb. f. wiss. Bot. 1869—70, Bd. 7, p. 209; Batalin, Bullet, d. l'Academ. de St. Petersbourg 1871, Bd. 15, p. 21; Rauwenhoff, Annal. d. scienc. naturefl. 1878, VI. ser., Bd. 5, p. 267. Näheres in diesen und in den in der vorigen Anmerkung citirten Arbeiten. Es ist gut zu verstehen, dass bei der Lieberverlängerung der Stengel die Zellen gewöhnlich etwas länger werden als in normalen Internodien, während sie in den kleinbleibenden Dunkelblättern kleiner bleiben. Vgl. II, § 1 1 u. 1 2. Ferner G. Kraus, 1. c. p. 234, 259; Rauwenhoff, 1. c. p. 285, 310; Batalin, Bot. Ztg. 1871, p. 676; Prantl, Arbeit, d. Würzburger Instituts 1873. Bd. I, p. 384. — Auf die grössere Weichheit der etiolirten Pflanzen machte schon Haies (Statik 1748, p. 188) aufmerksam. Knight Philosoph, transact. 1801, II, p. 348) zeigte, dass die von Erde , p. 675. 28, Vgl. auch Wiesner, Bot. Ztg. 1884, entblössten Wurzeln festeres Holz bilden. — Ueber Verhalten d. Haare beim Etioliren Schober, Bot. Centralbl. 1886, Bd p. 39; der Cystolithen, Kohl, Kalksalze u. Kieselsäure i. d. Pflanze 1889, p. 139. § 24. Photomorphotische Wirkungen. 101 halb sind die etiolirten Stengel minder tragfähig und durch die geringere Festigung in dem Basaltheil des Halmes, der bei dichtem Stande stark be- schattet ist, wird zumeist das Lagern des Getreides verursacht (I, p. 431). In Folge der geringeren Festigkeit der Wandungen bildet sich in den etiolirten Stengeln auch eine schwächere Gewebespannung aus^ die zudem durch das relativ geförderte Wachsthum der Rinde zuweilen derart verändert wird, dass die negative Spannung dieser (II, § 18) in eine positive Spannung übergeht i). Das Etiolement wurde als ein vom Llchtniangel aljhängiiier Vorgang bereits von Ray 2] und Bonn et 3] erkannt. Nachdem dann Senebier-*) und dcCandoUe^) das specifisch ungleiche Verhalten verschiedener Pflan- zen und Pflanzentheile betont hatten, wurden unsere Kenntnisse über diesen Gegenstand durch Sachs, G. Kraus, sowie durch die anderen schon genannten und noch zu nennenden Forseber erweitert. Führt man einen Spross in einen dunklen Raum (Fig. 20), so etiolirt (wie schon Senebier wusste) nur der dem Licht entzogene Theil und demgemäss nehmen die fortwachsenden Sprosstheile wiederum die normale Gestalt an, wenn sie aus dem Dunkel- raum an das Licht geleitet werden. Da unter diesen Umständen ein allgemeiner Hungerzustand vermieden ist, so fallen an den locabsirt verdunkelten Partien die Blätter häufig etwas, zuweilen auch erheblich grösser aus, als an einer total verdunkelten Pflanze 6). Andererseits kann aber die begünstigte Entwickelung der am Licht befindlichen Tbeile in correlativer Weise hemmend auf die verdunkelten Organe wirken, bi der That erhielt J o s t ^) an den verdunkelten Spross- theilen von Mimosa pudica und Phaseoliis multiflorus farblose Blätter von normaler Grösse und Gestaltung, als er die Zuwacbstbätigkeit an den beleuchteten Tbeilen durch die Entfernung aller Knospen verhin- derte. Weiter unterbleibt nach J o s t S) an einem ver- dunkelten Bucbenzweig das Austreiben der Knospen, das an dem von der Mutterpflanze getrennten Zweige auch im Dunkeln stattfindet. Fei'uer wurde an den Keimpflanzen von Raphanus sativus von Godle wski 9) nachgewiesen, dass die gesteigerte Wacbsthumsthätigkeit des hypocotylen Gliedes das Wachsthum der Gotyledonen vermindert und umgekehrt. Da die Correlationen immer Fig. 20. Der Gipfel des Blüthen- sprosses h ist ia die Oeffnung (fc) der Thonscliale t mit Hilfe von Kork und Watte lielitdicht eingeführt. Der Duiikelcylinder z wird in den in der Thonschale befindlichen dunk- len Sand eingedrückt. Verschiedene Einrichtungen für localisirtes Ver- dunkeln sind in den Arbeiten von Sachs, Vöchting Jost, Teo- d 0 r e s c 0 u. s. w. beschrieben. \] Sachs, Bot. Ztg. 1863, Beilage p. 13; G. Kraus, 1. c. p. 240. 250. Vgl. auch Rauwenhoff, 1. c. p. 295. 2) Ray, Historia plantarum 1686, Bd. 1, p. 15. 3) Bonnet, Unters, über d. Nutzen d. Blätter, übers, von Arnold, 1 762, 122— 189. 4) Senebier, Phys.-chem. Abhandl. 1785, II. Tbl., p. 52, 10.3, 110 u. a. 5) A. P. de Candolle, Physiolog. vegetale 1832, Bd. 3, p. 1078. De Candolle nahm irrig an, dass nur grüne Pflanzentheile etioliren. 6) Sachs, Vorlesungen 1887, II. Aufl., p. 541; Amelung, Flora 1894. p. 204; Teodoresco, Rev. general. d. Bot. 1889, Bd. 11, p. 369. 7) Jost, Jahrb. f. wiss. Bot. 1897, Bd. 27, p. 478; 1898, Bd. 31. p. 377. 8) Jost, Ber. d. bot. Gesellsch. 1894, p. 194. 9) Godlewski, Bot. Ztg. 1879, p. 105. 102 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. eine Rolle spielen (II, Kap. VIII), so ist z. B. im näheren zu entscheiden, ob die Vermelu'ung der Ausläufer luid Klettersprosse von Glechonia hederacea und Ampe- lopsis hederacea in schwacher Beleuchtung ^) auf einer directen Förderung dieser Organe beruht oder indirect durch die Retardirung des Wachsthums der Haupt- sprosse veranlasst wird. (Ueber Blühen siehe II, p. 104.) Auf correlativen Wirkungen beruht es z. B. auch, dass die zu Knospenschuppen bestimmten Blattanlagen sich zu Laubblättern entwickeln, wenn durch das Entfernen der Laubblätter die inneren Dispositionen verschoben werden (II, § 45). Andere Nieder- blätter, Avie die an den Rhizomen von Adoxa, Paris u. s. w. sind dagegen nicht befähigt, am Licht zu Laubblättern zu werden. Diese Befähigung kommt aber den Blattanlagen an den Ausläufern von Hieracium^), Circaea^) etc. zu, die sich dem- geniäss in der Erde zu Niederblättern, am Licht zu Laubblättern entwickeln. Niedere Pflanzen. Wie bei den höheren, so wird auch bei den niederen Pflanzen die formative Thätigkeit in verschiedener Weise durch das Licht be- einflusst. Das gleiche Verhalten der Pilze ist aber desshalb besonders wichtig, weil bei diesen nicht, wie bei den autotrophen Pflanzen, durch die Verminderung der Beleuchtung die Nahrungszufuhr reducirt oder aufgehoben wird. Diese Beschränkung der Nahrungszufuhr übt zwar immer einen Einfluss aus, indess werden bei den autotrophen Pflanzen ebensogut wie bei den heterotrophen Pflanzen das Etiolement, sowie die übrigen Photomorphosen in erster Linie durch besondere Reiz Wirkungen des Lichtes veranlasst. Durch diese und die sich anschliessenden Correlationen wird es also auch bewirkt, dass gewisse Pilze, Algen, Moose im Dunkeln oder bei schwacher Beleuchtung zwar noch wachsen, jedoch dabei nicht über ein bestimmtes vegetatives Jugendstadium hinauskommen und es demgemäss nicht bis zur Bildung von Fortpflanzungsorganen bringen. Pilze. W^älu-end Coprinus nvcthemerus im Dunkeln nur Mycel entwickelt, bilden Cop. stercoraiüus, plicatilis, ephemerus Fruchtkörper ohne oder mit unvoll- ständigen Hutanlagen. Jedoch vermag Coprinus stercorarius über 1 5 C. (II, p. 9 i ), sowie bei Entstehung aus Sclerotien (Crantz p. 69) vollkommene Hüte auszubilden 4). Bei diesen und einigen anderen Coprinus-Arten tritt mit oder ohne Hut im Dunkeln eine sehr ansehnliche, bei Coprinus ephemerus aber eine minimale Verlängerung des Hutstieles ein. Ferner unterbleibt im Dunkeln bei Pilobolus microsporus, nicht aber bei an- deren Arten dieses Genus und bei vielen anderen Mucorineen die Bildung des Spo- rangiums^). Jedoch kann das Licht begünstigend wirken, da nach A. Lendner^) Mucor flavidus bei bestimmter Ernährung nur bei Beleuchtung Sporangien producirt. Diese entstehen bei Mucor racemosus im Dunkeln, bilden aber unter bestimmten Er- nährungsbedingungen die Sporen nur im Licht. Auch bei Vorhandensein des Köpfchens fülu'en die Sporangienträger verschiedener (nicht aller) Mucorineen im Dunkeln eine zum Theil bedeutende Ueberverlängerung aus. Diese ist bei Pilobolus microsporus gering, wenn durch vorausgegangene Beleuchtung die Sporangiunibildung inducirt und -1) Maige, Compt. rend. 1898, Bd. -127, p. 420. 2) Nägeli, Sitzungsb. d. Münch. Akad. 1866, II. p. 209. 3) Goebel, Bot. Ztg. -1880, p. 794; Organographie 1898, I. p. 220. 4) Brefeld, Unters, a. d. Gesammtgeb. d. Mykolog. -1889, Heft 8. p. 275; 1877, Heft 3, p. 87, 114; Bot. Ztg. 1877, p. 402; Fr. Gräntz, Einiluss d. Lichtes a. d. Ent- wickelung einiger Pilze. Leipziger Dissert. 1898, p. 20. 5) Brefeld, Unters, a. d. Gesammtgeb. d. Mykolog. 18S1, Heft 4, p. 76 u. 1889, Heft 8, p. 275; Gräntz, 1. c. p. 6. 6) A. Lendner, Annal. d. scienc. naturell. 1897, VIIL ser., Bd. 3, p. 60. § 24. Photomorphotische Wirkungen. 103 damit das Spitzenwachsthum (II, § 2) abgesclilossen wurde. Durch die Fortdauer dieses apicalen Wachsthums erreichen aber die köpfchenlosen Träger bei Pilobolus im Dunliehi mit der Zeit eine sehr ansehnliche Länge. Uebrigens genügt eine verhältnissmässig lau-ze Beleuchtung (Y4 — 5 Std. bezw. 3 — 20 Std.], um bei Pilo- bolus microsporus die Anlage und Fortbildung des Sporangiums, bei Coprinus die Weiterentwickelung des Hutes zu induciren (Gräntz, 1. c. p. 38, 49). Wie sich aus den vorliegenden Beobachtungen ergiebt, finden sich solche Ver- schiedenheiten und Eigenthümlichkeiten auch bei anderen Pilzen ^j. So ist bei vielen Hjmenomyceten das Licht zur Anlage oder Ausbildung des Hutes nothwendig, während sich bekanntlich Agaricus campestris im Dunkeln normal entwickelt. Ferner bleibt z. B. Sphaerobolus stellatus im Dunkeln steril (Brefeld). Dagegen bedürfen die gewöhnlichen Schimmelpilze (Penicillium glaucum, Aspergillus niger, Mucor stolonifer etc.) des Lichtes nicht, das nach Elfving (I.e. p. 50) schon bei mittlerer Intensität die durch das Trockengewicht bemessene Production etwas herabsetzt. Die von Klein^j beobachtete Hemmung der Conidienbildung am Licht deutet vielleicht auf eine tiefe Lage des Lichtoptimums hin (II, § 25). — lieber Heliotropismus vgl. II, Kap. XIII. Auch bei Algen und Moosen kommen gewisse Etiolementserscheinungen vor^j. Ausserdem bringt es z. B. Batrachospermum bei schwachem Licht und ganz üppigem Wachsthum nicht über die als Chantransia beschriebene Form des Vorkeims •^j. Ferner genügt bei den Laubmoosen für die Keimung der Sporen und die Entwickelung von Protonema eine schwache Beleuchtung, in der die Bildung von Knospen untei'- bleibt^). Analog bi'ingen es die in schwachem Licht keimenden Lebermoose zum Theil nicht einmal bis zur Bildung der Keimscheibe ^j. Unter diesen Umständen kommt es also nicht zur Erzeugung von Fortpflanzungsorganen, deren Formation auch in manchen anderen Fällen vom Licht abhängt. So entstehen bei Vaucheria repens, clavata die Zoosporen schon bei schwacher, die Sexualorgane aber erst bei etwas stärkerer Beleuchtung'^]. Aehnlich verhält sich Oedogonium diplandrum, und auch bei Spirogjra wird die Copulation durch Licht begünstigt^) (vgl. II, § 57). 1) Von weiterer Lit. sei noch genannt: Schulzer v. Müggenburg, Flora -1878, p. 122; Schröter, Jahresb. d. Schlesisch. Ges. f. vaterl. Cultur i884, p. 290; R. Hartig, d. ächte Hausschwamm 1885, p. 18; Fr. Elfving, Einwirkung d. leichtes auf Pilze 1890; Bachmann. Bot. Ztg. 1895, p. 1 30 ; Klebs, Bedingungen d. Fortpflanzung 1896, p. 475 ; C. Holtermann, Mykol. Unters, a. d. Tropen 1898, p. 92, 1U. Vgl. auch Zopf, Pilze 1890, p. 199; Goebel, Organographie 1898, I, p. 221. Aeltere Lit. findet sich an diesen Stellen citirt. Klebs, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 110; Gh. Ternetz, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 309. 2) L. Klein, Bot. Ztg. 1883, p. 6. 3) Vgl z. B. Berthold, Jahrb. f. wiss. Bot. 1882. Bd. 13. p. 672; Klemm. Flora 1893, p. 469; Goebel, Organographie 1S98, I, p. 221 und die weiterhin citirten Schriften. — Ueber das Etiolement einer Flechte (Baeomyces) siehe Krabbe, Bot. Ztg. 1882, p. 93. 4) Sirodot, Les Batrachospermes 1884; Go ebel, Flora 1889, p. 6; Klebs, Biolog. Centralbl. 1893, p. 646. — Ueber ähnliche Verhältnisse bei anderen Algen vgl. Berthold, 1. C. p. 673. 5) Goebel, Klebs, 1. c; Schostakowitsch, Flora 1894, p. 358. 6) Leitgeb, Die Keimung d. Lebermoossporen in ihrer Beziehung zum Licht 1876, p. 3 (Sep. a. Sitzungsb. d. Wien. Akad.;; Goebel, Klebs, Schostakowitsch 1. c. ; Goebel, Organographie 1898, I, p. 205. 7) Klebs, Bedingungen d. Fortpflanzung 1896, p. 19. Uebrigens wird, wie in anderen Fällen, das Lichtbedürfniss durch die übrigen Bedingungen verschoben. 8) Klebs, 1. c. p. 246, 276. In diesem Werke finden sich auch noch weitere Bei- spiele. — Ueber Prothallien der Farne siehe Prantl. Bot. Ztg. 1879, p. 701; Klebs, Biol. Centralbl. 1893, Bd. 13, p. 652; C. Heim, Flora 1896, p. 329. 104 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. Blütlieii. Auch bei manchen Blüthenpflanzen werden in einer schwachen Beleuchtung- nicht alle Entwickelungsstufen erreicht. So bildet Campanula rotun- difolia bei schwachem Licht nur Rundblätter, und zu dieser Bildungsthätigkeit kehren auch 'die mit Langblättern versehenen Sprosse zurück, wenn die bis- herige Beleuchtung dauernd herabgesetzt wird'). Ferner werden, wie schon lange bekannt ist, in schwacher Beleuchtung von manchen Pflanzen Blüthen spärlich, unvollkommen oder auch gar nicht ausgebildet, während andere be- fähigt sind, ohne die directe Wirkung des Lichtes die Blüthen anzulegen und zu entfalten 2). Bei Crocus, Tulipa u. s. w. werden die Blüthen normalerweise im Boden, also im Dunkeln angelegt und gelangen auch, wie schon S eneb ier 3] hei'vorhob, bei völligem Lichtabschluss zur normalen Entwickelung. Ausserdem erhielt Sachs-*) normal gestaltete, und abgesehen von den grünen Theilen, normal gefärbte (I, § 88) Blüthen, als er nur einzelne Sprosse von Cucurbita, Ipomoea, Phaseolus, Petunia etc. dem Lichte entzog (Fig. 20, p. 101), und zwar wurden nicht nur die zur Zeit des Verdunkeins schon vorhandenen, sondern zum Theil (Cucurbita, Tropaeolum) die in dem Dunkelraum erst entstandenen Blüthenanlagen entfaltet. Jedoch werden nicht bei allen Pflanzen an den localisirt verdunkelten Sprossen normale Blüthen entwickelt^). Ausser der photosjnthetischen Nahrungsbereitung ist also bei manchen Pflanzen zur normalen Entwickelung der Blüthen eine gewisse Beizwirkung des Lichtes nöthig. Das lehren auch die Pflanzen, die bei matter Beleuchtung Blüthen nur unvollkommen oder gar nicht bilden, so dass Vöchting (1. c. 1898, p. 47) Mimulus luteus bei schwacher Beleuchtung wäbrend 7 Jahren blütbenlos cultiviren konnte. Uebrigens ist hierbei die correlative Wirkimg der sich entwickelnden vege- tativen Organe in Betracht zu ziehen (II, p. 102 u. § 45, 46). (Ueber farbiges Licht und die Bedeutung der ultravioletten Strahlen siehe II, § 27.) Allgemeines. Aus den angeführten Beispielen ist zu ersehen, dass sich die formative Wirkung des Lichtes theilweise auf die embryonale Bildungs- thätigkeit, theilweise auf die postembryonale Ausgestaltung oder auf beide Phasen erstreckt. Die Anlage der Organe scheint allerdings in den meisten Fällen auch ohne die Reizwirkung des Lichtes zu Stande zu kommen, die aber z. B. bei gewissen Cryptogamen und Phanerogamen für die Production der Fortpflanzungsorgane unerlässlich ist. Die an Rhizomen entstehenden und die sich zu oberirdischen 1) Goebel, Flora 1896. p. 1; Organographie 1898. I. p. 208. — Nach J. Familler (Flora 1900, p. 95) kann diese Pflanze auch durch andere Störungen zur Bildung von Senkblättern veranlasst werden. 2 Vöchting, Jahrb. f. wiss. Bot. 189:?, Bd. 2."j, p. 155; Ber. d. bot. Ges. 1898, p. 47; Möbius, Biolog. Centralbl. 1892, Bd. 12, p. 109; Beitr. z. Lehre v. d. Fortpflan- zung 1897, p. 93; Curtel, Annal. d. scienc. naturell. 1898, VIII. ser., Bd. 6, p. 269; Wiesner, Compt. rend. 1898, 2. Mai u. d. an diesen Stellen citirt. Literatur. 3) Senebier, Fh-j-sik. ehem. Abhandig. 1785, II. Th., p. 52. Vgl. auch de Can- dolle, Physiol. veget. 1832, Bd. 3, p. 1081. — Bei Crocus tritt im Dunkeln in der Peri- gonröhre, die zum Hervorheben aus dem Boden bestimmt ist, eine Ueberverlängerung ein. 4) Sachs, Bot. Ztg. 1863, Beflage p. 15; ebd. 1865, p. 117; Arbeit, d. Würzb. Instituts 1887, Bd. 3, p. 387. Die ältere ist hier citirt. Amelung, Flora 1894. p. 207. 5) Vöchting. 1. c. 1893, p. 177; Askenasy, Bot. Ztg. 1876, p. 1; Walz, Bot. Jahresb. 1875, p. 786. Vgl. auch Bd. I, § 88. § 2 4. Photomorphotische Wirkungen. 105 Sprossen entwickelnden Knospen lehren z. B., dass das Licht zwar für die Neuentstehung entbehrlich, für die normale Ausgestaltung aber nothwendig sein kann, während umgekehrt auch diejenigen Pilzsporen im Dunkeln keimen, die ohne die ; Reizwirkung des Lichtes nicht formirt werden. Uebrigens wird die Fortentwickelung der mit oder ohne Lichtreiz gebildeten Knospen im Dunkeln zumeist selbst dann aufgenommen, wenn die Beleuchtung zur normalen und vollständigen Ausgestaltung unerlässlich ist. Das ist u. a. der Fall bei Laubknospen, sowie bei Samen, die in der Natur zum guten Theil im Boden, also bei weitgehender Lichtentziehung zum Keimen gelangen. Dagegen keimen die Sporen gewisser chlorophyllführender Cryptogamen nur im Licht. Ebenso ist der Lichtreiz nothwendig, um in den beim Etiolernent klein bleibenden Blattanlagen die Wachsthumsthätigkeit anzuregen, die dann immer eine gewisse Zeit, also nach genügender Reizwirkung unter Umständen bis zur völligen Aus- bildung des Organes im Dunkeln fortdauert. Zur Einleitung der Keimung ist normalerweise Beleuchtung nöthig für die Sporen der Farne'), der Laub- 2] und Lebermoose ^j, sowie für die Brutknospen der Marchantiaceen^) und gewisser Laubmoose ^j, während die Sporen von Equi- setum^j, Marsilia, Pilularia auch im Dunkeln keimen. Uebrigens wird in den Sporen der Farne durch Erhöhung der Temperatur auf 32 G. '^), in den Sporen der Laub- moose durch Zuckerlösung ^) die Keimung angeregt. Unter den Samen ist für diejenigen von Viscum album das Licht als nothwendig für das Keimen befunden worden, während die Samen der tropischen Viscumarten, sowie die von Loranthus europaeus im Dunkeln keimen 9). Jedoch übt das Licht augenscheinlich auf die Keimung verschiedener Samenarten einen begünstigenden Einfluss aus. Die zum Theil nicht übereinstimmenden Befunde verschiedener Forscher dürften wenigstens theilweise durch die Ungleichheit des Beifestadiums, der übrigen Aussenbedingungen und der angewandten Lichtintensität bedingt sein ^^j. Auch pflegen bei Holzpflanzen 1) Borodin, Bullet, d. TAcad. d. St. Petersbourg 1868, Bd. 13, p. 432; F. de Forest Heald, Gametophytic Begeneration. Leipziger Dissertat. -1897, p. 44. Die übrige Lit. und die vermuthliche Ursache für abweichende Besultate ist hier nachzusehen. Ueber Etiolernent der Farnprothallien siehe Prantl, Bot. Ztg. 1879, p. 701. Ueber den Einfluss des farbigen Lichtes vgl. l\, § 27. 2) Borodin, 1. c. p. 438; Heald, 1. c. 3) Leitgeb, Die Keimung d. Lebermoossporen in ihrer Beziehung zum Licht 1876, p. 3. Sep. a. Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1876, Bd. 74, Abth. 1. 4) Borodin, 1. c; Pfeffer, Arbeit, d. Würzburg. Instituts 1871, Bd. 1, p. 80. 5) Correns, Unters, über Vermehrung der Laubmoose 1899, p. 424. 6) Sadebeck, Bot. Ztg. 1877, p. 44; Stahl, Ber. d. bot. Gesellsch. 1885, p. 334; Heald, 1. c. p. 63. Die Pilzsporen keimen zumeist gleich gut im Dunkeln und im diffusen Licht. Vgl. H. Hoffmann, Jahrb. f. wiss. Bot. 1860, Bd. 2, p. 321 u. die Arbeiten von de Bary, Brefeld; ferner Zopf, Pilze 1890, p. 199. Nach de Bary (Annal d. scienc. naturell 1863, IV. ser., Bd. 20, p. 37) begünstigt Dunkelheit das Keimen der Sporen von Peronospora macrospora. 7) Heald, 1. c. p. 69. Vgl. II, § 22. 8) Goebel, Flora 1896, p. 75; Heald, 1. c. p. 54. 9) Wiesner, Ber. d. bot. Gesellsch. 1897, p. 512; Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1894. Bd. 103, Abth. 1, p. 401; 1893, Bd. 102, Abth. I, p. 323. [Nach M. Raciborski (Ex- trait d.' Bullet, d. ITnst. d. Botan. d. Buitenzorg 1900, N. 6) ist das Licht nothwendig, um in den Samen von Nicotiana die Keimung anzuregen.] 10) E. Heinricher, Ber. d. bot. Gesellsch. 1899, p. 308; Wiesner, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1894, Bd. 103, Abth. 1, p. 427; Jonsson, Bot. Jahresb. 1893, Bd. I, p. 39; 106 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. bei guter Beleuchtung zahlreichere Laubknospen auszutreiben, als im Dunkeln. Im Dunkeln und bei schwacher Beleuchtung wird in Folge dieser Hemmung, ferner durch das Absterben einer Anzahl der zur Entwickelung gekommenen Triebe u. s. w. in zweckentsprechender Weise eine minder dichte Verästelung und Belaubung her- gestellt, als bei guter Beleuchtung ^j. Andererseits kann durch eine genügende Steigerung der Lichtintensität (II, § 25) eine Hemmung, also durch Verfinsterung eine Begünstigung des W^achsens bewirkt werden, die bei manchen Objecten schon hei dem Vergleich von diffusem Licht lind Dunkelheit gefunden wird. So ist eine Begünstigung der Wurzel- bildung durch Verdunkelung an Lichtsprossen der Cacteen, an etiolirten Pflanzen u. s. w. von verschiedenen Forschern beobachtet 2). Jedoch wird durch eine normale Beleuchtung die Bildung und das Auswachsen der Wurzeln nicht auf- gehoben, wie besonders an den von Wasser umspülten Partien der intacten oder abgeschnittenen Sprosse zu sehen ist. Auch haben die Erfahrungen bei Wasser- culturen ergeben, dass durch das Licht die Neubildung und Fortbildung von Seitenwui^zeln nur etwas verzögert wird (vgl. die p. 98 citirte Literatur). Da- gegen wird schon durch eine massige Beleuchtung der Ausläufer die Bildung der KartofTelknollen gehemmt, die indess trotz der Beleuchtung dann entstehen, wenn die Gesammtheit der zur Knollenbildung befähigten Sprosse beleuchtet wird 3). Ferner wird das Auswachsen der Kartoffelaugen durch Beleuchtung verzögert (Vöchting 1. c). Vermuthlich wird man bei dem Studium der normalerweise im Dunkeln lebenden Organe (und Pilze) noch weitere Fälle finden, in denen die Anlage und Fortbildung eines Organes am besten im Dunkeln von statten geht. Ein Beispiel für die hemmende Lichtwirkung ist auch der Spross von Phyllocactus, dessen Scheitelwachsthum , nachdem es bei Beleuchtung eingestellt ist, durch Verdunkelung wiederum erweckt wird"*). Ferner wird in den am Licht aus- gewachsenen jugendlicheren Internodien von Myriophyllum, Elodea, Ceratophyllum etc. durch Verdunkelung ein gewisses Streckungswachsthum angeregt^). Dagegen stellen die Ausläufer von Adoxa im Dunkeln ihr Wachsthum ein und zwar wohl desshalb, weil nunmehr in ihnen die Production von Zwiebelknöllchen veran- lasst wird 6). Cieslar, Forsch, a. d. Gebiete d. Agriculturphysik 1893, Bd. 6; Nobbe. Samenkunde 1876, p. 239 u. die an diesen Stellen cit. Literatur. 1] Vöchting, Organbildung 1884, II, p. 66; N. J. C. Müller, Botan. Untersuch. Bd. I, 1877, p. 300; Hartig, Lehrb. d. Anat. u. Physiol. 1891, p. 256; Jost, Ber. d. Bot. Ges. 1894, p. 194; Wiesner, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1895, Bd. 104, I, p. 669; Büs- gen, Waldbäume 1897, p. 22. Ueber Lichtgenuss vgl. auch Bd. I, p. 343. 2, De Candolle, Annal. d. scienc. naturell. 1826, Bd. 7, p. 12; Pflanzenphysiol. 1835, Bd. 2, p. 341; Sachs, Bot. Ztg. 1863, Beilage p. 1, Arbeiten d. Würzburg. Insti- tuts 1880. Bd. 2, p. 486; Vöchting, Organbildung im Pflanzenreich 1878, p. 148, 132. — Ueber Begünstigung der Rhizoidbildung bei Ohara siehe Richter, Flora 1894, p. 407. 3) Vöchting, Bibliothec. botan. 1887, Heft 4; Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 34, p. 1. Hier auch einige Beobachtungen über andere Knollen. Vgl. II, § 45. 4) Vöchting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1894, Bd. 26, p. 450, 463. 5) Möbius, Biol. Centralbl. 1894, Bd. 13, p. 33. 6) Stahl, Ber. d. bot. Ges. 1894, p. 389. § 2ö. Reaction der phototonischen Pflanze auf Beleuchtungswechsel. 107 Einseitige Beleuchtung. Setzten wir bis dahin eine allseitige Beleuchtung voraus, so sind doch auch stets die Erfolge einer einseitigen Beleuchtung zu beachten, die vielfach in einer verschiedenen Bildungs- und Productionsthätig- keit auf der Licht- und der Schattenseite zum Ausdruck kommen. Wir werden indess diese dorsiventralen Orientirungen und Inductionen, die theilweise direct durch die ungleiche Lichtwirkung auf Licht- und Schattenseite, sowie durch die sich anschliessenden correlativen Einflüsse bewirkt werden, theilweise die Erfolge der auf Unterschiedsempfindung beruhenden Reizung sind, erst in 11, Kap. VII behandeln und beschränken uns hier auf die Erwähnung einiger einfachen Fälle (Heliotropismus vgl. II, Kap. XIII). Nicht selten, so an den Sprossen von Lepismium radicans ^) und von Hedera helix^jj treten die Wurzeln allein oder reichlicher an der Schattenseite auf. Auf dieser wachsen auch aus einer Brutknospe von Marchantia^) vorwiegend die Rhizoiden hervor, die bei dem Prothallium der Farne nur auf der Schattenseite gebildet werden. Ferner kommen an den Zweigen von Salix, Populus u. s. w. vorwiegend die auf der Lichtseite stehenden Knospen zur Entwickelung^]. Weiter wird nach Kny^) das Wachsthum von Coleochaete an der Lichtseite gefördert. Auch werden wesentlich auf der Lichtseite bei Caulerpa ^j und manchen anderen Algen diejenigen Sprossungen ausgebildet, die in erster Linie zur Unterbringung der Chlorophyllkörper bestimmt sind. Ferner scheint sich bei Polyporus und einigen verwandten Arten'] das sporentragende Hymenium auf der Schatten- seite auszubilden. § 25. Reaction der phototonisclien Pflanze auf Beleuchtungsweclisel, Wir sehen nunmehr ab von den besonderen formativen Reizwirkungen, so- wie von der photosynthetischsn Action des Lichtes, setzen also eine genügende Versorgung mit Nahrung voraus, um die allgemeine (formale) Bedeutung des Lichtes zu characterisiren. Die Beleuchtung ist nicht allgemein nothwendig (II, p. 96), darf aber ein gewisses Maass nicht überschreiten, da eine jede Pflanze bei einer specifisch verschiedenen Lichtintensität zu Grunde geht. Diese obere Grenze wird zwar in der Natur nicht für die normal im vollen Sonnenlicht gedeihenden Pflanzen, wohl aber für viele der typischen Schattenpflanzen erreicht, die bei voUqr Be- sonnung in kürzerer oder längerer Zeit absterben. Aehnlich verhalten sich 1) Vöchting, Organbildung -1878, I, p. US. 2) Sachs, Vorlesungen ■18S7, II. Aufl., p. 529. Analog verhält sich nach Czapek (Flora -1898, p. 425) das hypocotyle Glied. 3) Zimmermann, Arbeit, d. Botan. Instituts zu Würzburg -1882, Bd. 2, p. 6GG; Pfeffer, Unters, a. d. Bot. Institut zu Tübingen 1885, Bd. I, p. 330. 4) Wiesner, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1893, Bd. 104, I, p. 683. 3) Kny, Ber. d. bot. Ges. 1884, p. 93. 6) Noll, Arbeit, d. Bot. Inst, in Würzburg 1888, Bd. III, p. 472; Klemm, Flora 1893, p. 472. Vgl. ferner Stahl, Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 23, p. 339; Berthold, Jahrb. f. wiss. Bot. 1882, Bd. 13, p. 673. 7) Schulzer v. Müggenburg, Flora 1878, p. 122; Sachs, Arbeit, d. Bot. Inst, in Würzburg 1879. Bd. 2, p. 232; Holtermann, Mykol. Unters, a. d. Tropen 1898, p. 113. 108 Kap, VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. die Bacterien, unter denen es Arten giebt, die schon in einem massigen diffusen Tageslicht nicht mehr wachsen. Unmöglich ist es also nicht, dass Or- ganismen existiren, die schon durch eine sehr schwache Beleuchtung derart benachtheiligt werden, dass sie eigentlich nur im Dunkeln wachsen können. Obiges ergiebt sich aus den allgemeinen Erfahrungen und den Untersuchungen, die als Hauptzweck die Erforschung der tödtlicben Wirkung des Lichtes im Auge hatten 1). Nähere Studien über das Wacbsthum bei Erreichung oder Uebersclii-eitung der zulässigen Lichtintensität liegen nicht vor, dürften aber zu ähnlichen Resultaten führen, wie sie in Bezug auf das Temperaturmaximum u. s. w. gefunden wurden. Der Wachsthumsstillstand, den Wiesner 2) an verschiedenen Keimpflanzen schon bei einer Helligkeit = 1300 — 5000 Wallratbkerzen beobachtete, muss wohl auf anderweitige Wirkungen (Erwärmung, Transj)iration) der nabestehenden Gasflamme geschoben werden, denn dieser Stillstand tritt nicht (in feuchter Luft und unter Wasser) in dem sehr viel intensiveren Sonnenlicht ein , und trat in den von Oltmanns (1. c.) benutzten Keimlingen nicht bei Beleuchtung mit electrischem Bogen- licbt ein, dessen Hefligkeit 500 00 0 Wallratbkerzen (Hefnerlicht) entsprach. Innerhalb der zulässigen Lichtgrenzen wird, soweit bekannt, in der photo- tonischen Pflanze durch Verminderung der Beleuchtung eine gewisse Beschleuni- g\mg, durch Zunahme der Helligkeit eine gewisse Verlangsamung der Zuwachs- hewegung bewirkt. Ein solcher Erfolg wurde, soweit überhaupt Reaction eintrat, an niederen und höheren, an grünen und nichtgrünen, an positiv und negativ heliotropischen Objecten und ebenso an Organen beobachtet, in denen zur Er- weckung der Wachsthumsthätigkeit, also zur Herstellung des phototonischen Zustandes, der Lichtreiz nothwendig ist (H, p. 105)3). Unter diesen Umständen wird natürlich durch die Beleuchtung, in Folge der Aufhebung der partiellen oder totalen Dunkelstarre, zunächst eine Beschleunigung des Wachsens verursacht. Es ist auch schon hervorgehoben (H, p. 99), dass als Resultate aus dieser photo- tpnischen Wirkung einerseits und der mit der Lichtintensität steigenden Wachs- thumshemmung andererseits, die Zuwachshewegung und somit die Blattgrösse bei einer gewissen Beleuchtung am ansehnlichsten ausfallen muss. Ist dagegen keine phototonische Wirkung nöthig, so wird man im allgemeinen die grösste W^achsthumsschnelligkeit im Dunkeln erwarten dürfen. Dieserhalb nehmen die etiolirenden Stengel etc. vieler Pflanzen im Dunkeln schneller an Länge zu und erreichen, zum Theil unterstützt durch eine längere Dauer des Wachsens, eine ansehnlichere Länge als am Licht. Da aber das W^achsthum immer aus dem Zusammengreifen verschiedener Factoren resultirt, die nach dem Wechsel der Beleuchtung sogleich oder mit der 4) Ueber Schattenpflanzen vgl. Bd. I, p. 344. Ueber Algen, Berthold, Jahrb. f. wiss. Bot. 1882, Bd. U, p. 569; Ewart, Annais of Bot. -1898, Bd. •la, p. 364; West, ibid. p. 33. Die Literatur über Bacterien ist bei Flügge, Mikroorganismen 1890, HI. Aufl., Bd. I, p.441; Migula, Syst. d. Bacter. 1897, Bd. I, p. 361 zusammengestellt. Ueber Hefe vgl. Lohmann, Einfluss intensiven Lichtes auf die Zelltheilung von Saccharomyces. Rostock 1896, p. 71. — Ueber Pilze vgb die Notizen H, p. 103. — Siehe ferner H, § 69. 2) Wiesner, Ueber die heüotropiscb. Erscheinungen im Pflanzenreich 1878, L p. 37; 1880, H, p. 13. Vgl. die Kritik bei Oltmanns, Flora 1897, p. 20. 3) Ueber Blätter vgl. Prantl, Arbeit, d. Bot. Instituts in Würzburg 1873, Bd. I, p. 371; G. Kraus, Jahrb. f. wiss. Bot. 1869 — 70, Bd. 7, p. 228. § 25. Reaction der phototonischen Pflanze auf Beleuchtungswechsel. 109 Zeit in einem ungleichen Verhältniss beeinflusst werden, so muss die Curve, durch welche die Abhängigkeit der Zuwachsbewegung von der Beleuchtung dar- gestellt wird, nicht in allen Fällen übereinstimmend ausfallen. Es ist also wohl möglich, dass die Curve selbst dann secundäre Maxima und Minimai) aufzu- weisen hat, wenn eine phototonische Anregung oder eine nahrungsbereitende Wirkung des Lichtes nicht in Betracht kommen. Ausserdem ist immer zu be- denken, dass die optimale Gesammtleistung der Pflanze nicht nur von einer möglichst intensiven Wachsthumsthätigkeit, sondern von dem harmonischen Zu- sammenwirken der gesammten Partialfunctionen abhängt. Dieserhalb giebt es auch für eine jede lichtbedürftige Pflanze in Bezug auf das Licht ein ökologi- sches Optimum, das im allgemeinen nicht im intensiven Sonnenlicht, sondern zumeist in einem hellen, diffusen, oder bei den Schattenpflanzen sogar in einem massigen diffusen Licht zu suchen ist 2). Ueber die Standortsverhältnisse und die Einrichtungen, durch welche in der Natur der Lichtgenuss der Pflanze und ihrer Organe regulirt wird, hat Wiesner (1. c.) nähere Studien angestellt, aus denen auch zu ersehen ist, dass immer nur ein Bruchtheil des zugestrahlten Lichtes wirklich ausgenutzt wird. Die Wachsthumsschnelligkeit wird in der phototonischen Pflanze (wir sehen also von der secundär eintretenden Dunkelstarre ab) durch den Be- leuchtungswechsel viel weniger beeinflusst, als durch den Temperaturwechsel. Denn selbst bei dem Uebergang von einer hellen Beleuchtung zu voller Finsterniss oder umgekehrt, wird die Wachsthumsschnelligkeit gewöhnlich nur um 5 — 30 Proc, selten um 50 Proc. oder mehr beschleunigt, resp. verlangsamt, und bei schwächerem Beleuchtungswechsel lässt sich eine Reaction nicht immer nach- weisen. Ferner bewirkt eine Erhöhung oder Erniedrigung der Temperatur fast augenblicklich eine Veränderung der Wachsthumsschnelligkeit, während bei einem ansehnlichen Lichtwechsel eine solche Veränderung, sogar an den reactions- fähigsten Objecten, gewöhnlich erst nach 10 — 30 Min. nachweisbar ist. Auch werden wir noch bei der Besprechung der Tagesperiode der Zuwachsbewegung (II, § 58) hören, dass nach einem Lichtwechsel der dem neuen Beleuchtungs- verhältniss entsprechende Gleichgewichtszustand nicht selten erst nach 4 — 12 Stunden erreicht wird. Neben dieser allmählichen Verschiebung der Wachsthums- schnelligkeit scheint durch einen plötzlichen Beleuchtungswechsel der Regel nach keine auffällige transitorische Reaction veranlasst zu werden. Eine solche spielt aber bei den photonastischen Bewegungen mit, in denen die Reaction auf einen Beleuchtungswechsel zum Theil schnell eintritt (II, Kap. XII, vgl. ferner II, Kap. XIV Schreckbewegungen; II, Kap. XV Protoplasmaströmungen. Ueber transitorische Reaction bei Temperaturwechsel siehe II, p. 80). 1) Ein solches glaubt Wiesner (1. c. 1880, II, p. -15) in den schon erwähnten Ver- suchen beobachtet zu haben, in welchen es aber fraglich ist, ob der Effect nur auf die Wirkung der Lichtstrahlen zu schieben ist. 2,1 Vgl. Bd. I, p. 342; II, p. 78. Wiesner, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1893, Bd. 102, p. 291; 1895, Bd. 104, I, p. GOö; 1900, Bd. 109, I, p. 436; Ber. d. bot. Gesellsch. Gene- ralvslg'. 1894, p. (78); Denkschrift, d. Wien. Akad. I89f,, Bd. 6'., p. 73; 1898, Bd. 67. p. 1 ; Schimper, Pflanzengeographie 189R, p. 61. Zur Abschätzung der herrschenden Licht- intensität wird von Wiesner der Grad der Schwärzung eines photographischen Papiers benutzt. 110 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätiglveit etc. Der Einfluss der Beleuchtung auf die Zuwachsbewegung wui*de von Sachs i), Baranetzky2) (Sprosse), PrantP), Stehler^) (Blätter), Stre hl 5) (Wurzeln) in Verbindung mit der täglichen Wachsthumsperiodicität studirt. (Ueber diese siehe II, § 38.) Auch wurde theilweise schon von diesen Forschern, ferner von Reinke^), Vines''), Godlewski^), Stammeroff^j verfolgt, in wieweit eine Vei'dunkelung oder Erhellung nach kürzerer Zeit eine Beschleunigung oder Verlangsamung der Zuwachsbewegung veranlasst. In den meisten Fällen wurde ein der ausgesprochenen Regel entsprechendes Resultat erhalten. Ein solches wird sich bei genügender Veränderung der Beleuchtung voraussichtlich auch für diejenigen Objecte ergeben, die in den bisherigen Versuchen auf einen Beleuchtungswechsel nicht sicher rea- girten. Von H. Mülle r**^) und Wiesner^i) wurde für negativ heliotropische Luft- wurzeln, von Fr. Darwin ^^j fü^. die Wurzeln von Sinapis alba, von Stamme- roff (1. c. p. 149) für die Rhizoiden von Marchantia ei'mittelt, dass die negativ helioti'opischen Organe (II, Kap. XIII) ebenso wie die positiv heliotropischen reagiren. In einem Versuche Darwin 's (1. c. p. 526) mit der Wurzel von Sinapis alba, in welchem der Zuwachs mikroskopisch ge- messen wurde (vgl. II, p. 22), stellte sich der mittlere stündliche Zuwachs bei Be- leuchtung zwischen 8 U. 3 8 Min. und 1 2 U. 8 Min. Morgens auf 0,51 4 mm, im Dunk- len zwischen 1 2 U. 8 Min. imd 5 U. 25 Min. Nachm. auf 0,9 92 mm. Nun wurde wie- der beleuchtet und es wurde dann zwischen 6 U. 40 Min. und 8 U. 25 Min. Abends ein mittlerer Zuwachs von 0,583 mm gefunden. In Figur 21 ist das Resultat eines Versuchs von Vines (1. c. p. 138) mit Phycomyces nitens dargestellt, der auf mit Zuckerlösung getränktem Brot cultivirt Fig. 21. Figur geben und dessen Zuwachs mikrometrisch bestimmt win^de. In der Zahlen 0, 5, 10 u. s. w. die Zuwachse in Theilstrichen des Ocularmikrometers die die rechts stehenden Zahlen die Temperatur an, deren Gang durch die schwach aus- d. Längenwaclisthum d. Wurzel u. des hypocoty! (Sep. a. Gliedes 1) Sachs, Arbeit, d. Botan. Instituts in Würzburg 1872. Bd. I, p. 99. 2) Baranetzky, Die tägliche Periodicität im Längenwachsthum 1S79. Mem. d. l'Acad. d. St. Petersbourg, Bd. 27.) .3) Prantl, Arbeit d. Bot. Instit. in Würzburg 1873, Bd. 1, p. 371. 4) Stehler, Jahrb. f. wiss. Bot. 1878, Bd. 11, p. 47. 3) Strehl, Unters, ü. 1874, p. -19. 6) Reinke, Bot. Ztg. 1876, p. 139. 7) Vines, Arbeit, d. Bot. Inst, zu Würzburg 1878, Bd. 2, p. 137. 8) Godlewski, Anzeig. d. Akad. d. Wissensch. zu Krakau 1890. p. 169. 9) K. Stammeroff, Flora 1897. p. 149 (Pilze, Pollenschläuche, Rhizoiden). Ueber Pollenschläuche siehe auch M angin. Bot. Centralbl. 1887, Bd. 32, p. 68; Kny, Sitzungsb. d. bot. Vereins d. Mark Brandenburg, 12. Juni 1881; Strasburger, Befruchtung u. Zelltheilung 1877, p. 23. Ueber Pilze Einiges in der p. 102 citirten Literatur. 10) II. Müller, Flora 1876, p. 95. 11) Wiesner, Die heliotrop. Erscheinungen 1880, II, p. 17. 12) Fr. Darwin, Arbeit, d. Bot. Inst, in Würzburg 1880. Bd. 1, p. 521. § 25. Reaction der phototonischen Pflanze auf Beleuchtungswechsel. 111 gezogene Curve repräsenth-t wird. Wie man sieht, wird durch die halhstündige Beleuchtungszeit {\ 0 — 1 0 1/2 und 1 \ '/o — 12 Uhr] jedesmal eine Verlangsamung der (durch die Treppencurve dargestellten) Zuwachshewegung erzielt, (üeber die grosse Periode siehe Fig. 4, p. 12.) Dass auch die Wurzeln in dauernder Finsterniss schneller wachsen als bei Be- leuchtung (Tageswechsel), lehren u. a. die Versuche v. Wolkoff 's ^), der für je 12 Keimwurzeln von Pisum sativum folgende Zuwachse fand: Im Finstern Im diffusen Licht am 1. Tag 195 mm ■1G1 mm » 2. » 239 » 153 » » 3. » 250 » 210 > » 4. » 126 » 113 » » 5. » -113 » 78 » in 5 Tagen 923 mm 715 mm Den Einfluss der verminderten Beleuchtung veranschaulichen die Experimente Morgen 's 2), in denen die Keimpflanzen von Lepidium sativum zwischen dem 7. Februar und 8. IMärz in verschiedener Distanz vom Fenster erzogen wurden. Wie man sieht, nimmt die Länge des hypocotjlen Gliedes mit der Abnahme der Helligkeit zu, obgleich die Nahrungsproduction und das Trockengewicht abnehmen (Col. II). Offenbar ist durch das geförderte ^^'achsthum des Hvpocotyls in Verbin- dung mit dem Nahrungsmangel die Verringerung des Wurzelwachsthums bei Ab- nahme der Beleuchtung verursacht. TrockengewicM von Durchselinittliclie Länge Standort der Pflanzen 100 Pflanzen des hypocotylen Gliedes der Wurzel gl- cra cra Am Fenster . . . 0,228 1,36 6,70 1 m vom Fenster , 0,150 3,05 5,40 2 m vom Fenster. 0,120 3,20 3,20 3 m vom Fenster . 0,108 3,15 3,95 Halbdunkel. . . . 0,096 3,00 3,40 Durch den täglichen Beleuchtungswechsel wird eine tägliche Periodicität der Zuwachsthätigkeit (II, § 58; Schlafhewegungen II, Kap. XII), sowie aller der- jenigen Vorgänge verursacht, die vom Lichte abhängen oder durch dieses be- einflusst werden. So bringt es die kurze Entwickelungsperiode von Pilobolus microsporus mit sich, dass die durch das Tageslicht inducirte Sporangienbildung 1) V. Wolkoff, mitgetheilt in Sachs, Lehrbuch, IV. Aufl., p. 808. 2) Morgen, Bot. Ztg. 1877, p. 588, Tab. Hla, Vers. IH. 112 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. während der Nacht zur Ausbildung kommt i), und aus analogen Gründen fül!t bei Coprinus stercorarius die Fortbildung des Hutes und die Streckvmg des Hutstieles normalerweise in die Abend- und Nachtstunden 2). Diese Vorgänge spielen sich aber, ebenso wie die ganze Entwickelungsperiode, auch bei continuirlicher Beleuch- tung ab (Gräntz 1. c). Diese hindert auch nicht die Zelltheilung von Spirogyra^), die, wie bei manchen anderen Algen, gewöhnlich in den Nachtstunden eintritt. Ob diese Periodicität in autotrophen Pflanzen durch eine directe Reizwirkung des Lichtes, resp. der Lichtentziehung, oder correlativ, d. h. dadurch bewirkt wird, dass während der Inanspruchnahme durch die photosynthetische Assi- milationsthätigkeit die formative Thätigkeit im Protoplaslen etwas retardirt wird, ist noch nicht entschieden. Jedenfalls ist aber in diesen und anderen Fällen das Licht kein Hinderniss für die Ausführung der Zelltheilung. Auch besteht keine allgemeine Tendenz, das Wachsthum wesentlich auf die Nachtstunden zu ver- legen oder die embryonalen Zellen dem Lichte zu entziehen ■*). Denn thatsächlich ist in der Natur die Zuwachsbewegung in den Tagesstunden oft ansehnlicher als in der Nacht (H, § 58), und die Umhüllung der Vegetationspuncte durch die Knospenblätter, des Cambiums durch die Rinde u. s. w. ist offenbar in erster Linie als ein Schutzmittel gegen das Austrocknen und gegen mechanische Ver- letzungen anzusehen. Uebrigens wird die Athmungsthätigkeit und voraussichtlich der ganze Betriebsstoffwechsel durch die gewöhnlichen Beleuchtungsverhältnisse zumeist nicht erheblich beeinflusst^). Thatsächlich können Pflanzen bei continuirlicher Beleuchtung fortkommen, wie die sommerliche Vegetation jenseits des Polarkreises, sowie die Versuche in künstlicher constanter Beleuchtung beweisen ^). Ob aber alle Pflanzen in einer richtig regulirten, constanten Beleuchtung normal gedeihen, muss die Zukunft entscheiden. Jedenfalls wird aus verschiedenen Gründen die- selbe tägliche Lichtmenge nicht dieselbe physiologische Wirkung haben, wenn sie der Pflanze in 24 Stunden (in continuirlicher Beleuchtung) oder (bei unter- brochener Beleuchtung) in 12 Stunden oder in noch kürzerer Zeit dargeboten wird. Abgesehen von anderen Verwickelungen kann man sich z. B. vorstellen, dass bei der Vertheilung einer bestimmten Liclitmenge auf 24 Stunden nie die zum Anregen des Wachsthums nüthige Schwelle erreicht wird, oder dass bei stäi^kerer Beleuchtung eine Dunkelperiode nothwendig ist, um die Anlage eines Organes zu ermöglichen, das vielleicht befähigt ist, sich im Lichte fortzubilden. (lieber Reizschwelle, intermittirende Beleuchtung u. s. w. vgl. II, Kap. XIII.) 1) Klein, Jahrb. f. wiss. Bot. 1872, Bd. 8, p. 357; Fr. Gräntz, Einfluss d. Lichtes a. d. Entwickelung einiger Pilze 1898, p. 6. 2) Brefeld, Unters, ü. Schimmelpilze 1877, Heft 3, p. 32; Gräntz, 1. c. p. 23. 3) Versuchein künstlicher Beleuchtung wurden angestellt von B\'i m n i t z i n , Jahrb. f. wiss. Bot. 1807— (58, Bd. 6, p. 4 0. Strasburger (Zellbildung u. Zelltheilung 1880, III. Aufl., p. 171) konnte die Zelltheilungen auf den Tag verlegen, indem er Spirogyra Nachts unter + Ji" C. abkühlte. Ueber continuirliche Beleuchtung anderer Algen .siehe z. B. Klebs, Bedingungen d. Fortpflanzung 189(5, p. 27. 4) Vgl. Sachs, Bot. Ztg. 1863, Beilage p. 1; Experimentalphysiol. 1865, p. 30. 3) Vgl. Bd. I, p. 573; Kolkwitz, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 33, p. 128. 6) G. Bonnier, Rev. general. d. Botan. 1895, Bd. 7, p. 242, 412 (Blüthenpflanzen). — Ueber Algen u. Pilze siehe die oben citirte Literatur. § 26. Die Ursachen des Lichteinflusses. 113 § 26. Die Ursachen des Lichteinflusses. Die in § 24 und 25 mitgethcilten Erfahrungen lehren, dass das Licht, wie auch schon in § 23 hervorgehoben wurde, in verschiedenartiger Weise auf die Pflanze einwirkt. Demgemäss wird immer in erster Linie zu entscheiden sein, ob es sich um die photosynthetische (nahrungsbereitende) oder um irgend eine auslösende Lichtwirkung handelt, die dann des näheren zu präcisiren ist (vgl. II, p. 85). Von den verschiedenen ausgelüsten Reactionen scheint die Wachsthums- beschleunigung bei Abnahme der Beleuchtung bei allen oder doch bei der Mehr- zahl der Pflanzen einzutreten, während die phototonische Wirkung (Stinuuungs- reiz) ebenso wenig allgemein vorhanden und nothwendig ist, wie die durch die einseitige Beleuchtung erzielten Reizungen. Naturgemäss können aber an demselben Organe diese und andere Lichtwirkungen gleichzeitig oder nach ein- ander eintreten und in Verbindung mit den correlativen Beeinflussungen, dem Stimmungswechsel etc. zu verwickelten Combinationen und sehr verschiedenen Resultaten führen. Bei den chlorophyllfreien Organismen (Pilzen etc.) kommt die photosynthe- tische Lichtvvirkung überhaupt nicht in Betracht. Von dieser sind aber auch bei den autotrophen Pflanzen alle diejenigen Reactionen unabhängig, welche in der genügend mit Nahrung versehenen Pflanze eintreten. Das gilt im allge- meinen für die auffälligen formativen Erfolge, somit auch für die üblichen Etiolementserscheinungen. In der That bleiben im Dunkeln die auf den photo- tonischen Lichtreiz angewiesenen Blätter auch dann klein, wenn sie reichlich mit Nahrung versorgt sind'), während sich in den Internodien die Ueberver- längerung trotz spärlicher Nahrung einstellt (II, p. 111). Demgemäss nehmen die beleuchteten Blätter und Stengel in kohlensäurefreier Luft 2), soweit es der Nahrungsvorrath erlaubt, die normale Gestalt an, obgleich die photosynthetische Production sistirt ist. Dieses Resultat erhält man ebensowohl mit einzelnen Sprossen, die nach der Einführung in kohlensäurefreie Luft von den die Kohlen- säure assimilirenden Theilen aus ernährt werden 3)^ als auch mit Keimpflanzen, die nach Aufzehrung der Reservestoffe den Hungertod sterben •i). Wie immer, so wird auch in diesen Fällen durch die vorhandene oder erweckte Wachs- thumsthätigkeit die Verwendung und die Zufuhr der Nahrung regulatorisch ge- lenkt, während die beste Nahrung nichts nützt, wenn in einem Organe kein Wachsthumsbestreben vorhanden ist, wenn also aus irgend einem Grunde ein 1) Sachs, Bot. Ztg., Beilage p. 28; G. Kraus, Jahrb. f. wiss. Bot. -1869—70, Bd. 7, p. 212; Batalin, Bot. Ztg. 1871, p. 672. 2j Hierzu kann der Bd. I, p. 300 abgebildete Apparat dienen. Lidern man diesen Apparat mit der in Fig. 20, Bd. II, p. 10 abgebildeten Zusammenstellung combinirt, kann man auch einzelne Sprosse in kohlensäurefreie Luft führen. Vgl. übrigens Vöchting, Jost 1. c. 3) H. de Vries, Arbeit, d. Bot. Instituts in Würzburg 1878, Bd. 2, p. 120; Vöchting, Bot. Ztg. 1891, p. 113, Jahrb. f. wiss. Bot. 1893, Bd. 25, p. 178; Jost, Ber. d. bot. Ges. 1894, p. 191. 4) Godlewski, Bot. Ztg. 1879, p. 89. — Gleiches folgt auch aus dem Verhalten im blauen und rothen Licht, vgl. II, § 27. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. • g ^1^ Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. Ruhe- oder Starrezustand besteht (I, p. 601, §93; II, Kap. IX). Dieser wird eben durch den Lichtreiz in den auf Phototonus angewiesenen Blättern und ebenso in den Sporen der Moose und Farne (II, p. 105) aufgehoben, die dess- halb bei Beleuchtung auch in kohlensäurefreier Luft keimen^). In der That lehrt das Keimen der Farnsporen im Dunkeln bei 32 C. (II, p. 105), dass für die erste Entwickelung eine geeignete und zureichende Menge von Reservestoffen vorhanden ist. Das ist offenbar auch in den Sporen der Laubmoose der Fall, auf die der als Nahrung verwendbare Zucker zunächst als ein Reiz wirkt, der im Dunkeln das Wachsthum auslöst (II, p. 105; II, § 30). Da aber durch die inneren Wechselbeziehungen die Wachsthumsthätigkeit in der mannigfachsten Weise regulirt wird (II, § 45), so ist von vornherein zu er- warten, dass die correlativen Beeinflussungen auch bei dem Etiolement eine Rolle mitspielen. Hierauf wurde auch bereits allgemein (II, p. 101) hingewiesen. In der That muss z. B. bei Phaseolus und Mimosa die Wachsthumsthätigkeit der beleuchteten Sprosse in den im Dunkeln befindlichen Blattanlagen eine Wachs- thumshemmung verursachen, da in diesen Blattanlagen die Wachsthumsthätigkeit erweckt wird, wenn die am Licht befindlichen wachsenden Theile entfernt wer- den. Eine mechanische Hemmung des Wachsthums wird voraussichtlich ebenso wirken (II, § 45). In richtiger Erwägung der Sachlage kann es nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei dem Etiolement in erster Linie um eine Reizwirkung des Lichtes, aber nicht um einen durch Nahrungsmangel verursachten Erfolg handelt. Diese irrige Interpretation finden wir, in Bezug auf die im Dunkeln klein bleibenden Blätter, bei Sachs 2)^ sowie schon bei G. Kraus 3] ^ der annimmt, dass die Blätter im Dunkeln klein bleiben, weil sie nur auf Kosten der durch die eigene Thätigkeit er- zeugten Producte der Kohlensäureassimilation wachsen können. Ebenso befinden sich diejenigen Autoren^) im Irrthura, die in dem Kleinbleiben der Blätter nur den Erfolg einer correlativen Wirkung sehen. Eine im allgemeinen richtige Auf- fassung des Etiolements treffen wir bei Godlewski^), und bereits in der ersten Auflage dieses Buches (Bd. 11, § 32) ist der Gesammtheit der maassgebenden und mitwirkenden Factoren in gebührender Weise Rechnung getragen. Selbstverständlich kann auch durch Nahrungsmangel die Wachsthumsthätigkeit eingeengt und somit z.B. durch Entziehung der Kohlensäure, trotz der Beleuchtung, die Bildung von Blüthen bei Phanerogamen^) oder von Sexualorganen bei Vaucheria^) ganz oder theilweise unterdrückt werden. Auch ist es nicht auffallend, dass (wie in so vielen Fällen) ein Blatt nach einiger Zeit zu Gi'unde gebt, wenn es im ausgewachsenen Zustand 1] F. de Forest Heald, Gametophytic Regeneration. Leipz. Dissert. 1897, p. 47. 2) Sachs, Vorlesungen ü. Pflanzenphysiol. 1887, II. Aufl., p. 541. Vgl. dieses Buch Bd. II, p. 101. 3) G. Kraus, Jahrb. f. wiss. Bot. 1869—70, Bd. 7, p. 212.— Die Annahme Bata- lin's (Bot. Ztg. 1871, p. 674), das Unterbleiben der Zelltheilung im Dunkeln sei die Ursache des Kleinbleibens der Blätter, bedarf keiner Discussion. Vgl. Bd. II, Kap. III. 4) C. Kraus, Flora 1878, p. 143; Mer. Bullet, d. 1. soc. bot. d. France 1873, Bd. 22. p. 190; Rzentowsky, Botan. Jahresb. 1876, p. 743. 5) Godlewski, Bot. Ztg. 1879, p. 113. 6) Vöchting, Jabrb. f. wiss. Bot. 1893, Bd. 23, p. 178. 7) Klebs. Bedingungen d. Fortpflanzung 1896, p. 19, 103. § 26. Die Ursachen des Lichteinflusses. 115 dauernd verdunkelt wird, oder wenn iliin durch Ahschneiden der Kohlensäure- zuluhr unmöglich gemacht wird, am Licht seine normale Tliätigkeit auszuüben'). Die mitgetlieilten Tliatsachen bringen auch Beispiele dafür, dass die Re- actionsfähigkeit der Pflanze gegenüber dem Lichte durch die äusseren 2) und inneren Bedingungen mehr oder weniger modificirt wird. Hier sei nur noch erwähnt, dass auch die Wasserversorgung und die Temperaturverhältnisse einen gewissen und theilweise einen erheblichen Einfluss auf die Etiolementserscheinun- gen ausüben. Uebrigens können gewisse Algen, die normalerweise auf die photo- synthetische Lichtwirkung angewiesen sind, bei Darbietung einer geeigneten Nahrung im Dunkeln gedeihen (I, § 64). Wahrend bei gleicher Beleuchtung die Länge der hiternodien von Taraxacum bei reichlicher oder spärlicher Wasserversorgung nur massig differirt, fällt dieselbe u. a. bei Sempervivum, Taraxacum officinale u. s. w. in feuchter Luft erheblich grösser aus*^]. Uebrigens ist noch zu entscheiden, ob dieses geförderte Wachs- thum allein von dem Turgescenzzustand, oder auch von einer Reizwirkung abhängt, die durch die Transpiration und die hiermit verknüpfte Inanspruchnahme erzielt wird (II, § 3 4). Jedenfalls ist aber Palladin^j im Unrecht, wenn er das Licht wesentlich nur durch die Transpiration wirken lässt, die doch nur einen mitwii'ken- den Factor ausmacht, bei dessen Constanz die formativen Lichtwirkungen fortdauern. Wie schon bemerkt (II, p. 93) pflegt durch niedrige Temperatur die Streckung der hiternodien vermindert zu werden. Da zudem in dem alpinen Klima die Tem- peratur jeden Abend (ebenso an trüben Tagen) erheblich und oft bis zum Gefrier- punct sinkt, das Wachsthum also nur oder doch wesentlich am Tage, also bei starker Beleuchtung stattfindet, so ist es verständlich, dass die Pflanze unter diesen Umständen einen gedrungeneren Habitus annimmt, dessen Ausbildung auch durch die lebhafte Transpiration während der Wachsthumszeit begünstigt wird. In den nördlichen Gegenden aber wird ein ähnlicher Effect durch die lange Dauer des Tages erzielt. Thatsächlich nehmen die alpinen Pflanzen in der Ebene einen ähn- lichen Habitus an wie in den Alpen, wenn sie während der Nacht stark abgekijhlt oder in continuirlicher Beleuchtung cultivirt werden^). Es genügt schon, die Pflanze jeden Abend in den Eisschrank und des Morgens wieder in gute Beleuchtung zu bringen, um z. B. Edelweiss in ähnlicher Wuchsform wie an den alpinen Stand- orten zu erhalten. ' 1) Vöchting, Bot. Ztg. 1891, p. UO ; Jost, Jahrb. f. wiss. Bot. 1897, Bd. 27, p. 450, 478; Mac Dougal, Bot. Ztg. 1897, p. 162; Teodoresco, Rev. general. d. Botan. 1899, Bd. 11, p. 4 63. Ueber Inactivirung der Chlorophyllkörner vgl. Bd. I, § ö8. 2) Einige weitere Beispiele bei Klebs, Bedingungen d. Fortpflanzung 1896, p. 103, 1 31 u. s. w. 3) Wiesner, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1893, Bd. 102, I, p. 327; Bericht d. bot. Gesellsch. 1891, p. 46; Godlewski, Anzeig. d. Akad. d. Wiss. zu Krakau 1890, p. 170; W. Brenner, Flora 1900, p. 387. 4) Palladin, Rev. general. d. Bot. 1893, Bd. 2, p. 170. 5) Bonnier, Rev. general. 1890, Bd. 2, p. 513; 1895, Bd. 7, p. 412; Annal. d. scienc. naturell. 1894, VIL ser., Bd. 20, p. 217; Compt. rend. 1898, Bd. 122, p. 307; Pfeffer. Physiol. I. Aufl. Bd. 2, p. 106; Kerner, Ptlanzenleben 1891, Bd. 2, p. 494; Schimper, Pflanzengeographie 1898, p. 739, 753; Gürtel, Rev. general. 1890, Bd. 2, p. 16; Stenström, Flora 1895, p. 145 (p. 155 ist auch das Ausmaass der Sonnen- strahlung behandelt). Ueber die anatomischen Verhältni'.se der alpinen Pflanzen vgl. Bonnier 1. c. und die bei Haberlandt, Physiol. Anatom. 1896, II. Aufl., p. 260, cit. Literatur. llß Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. So wenig wie in anderen Reizvorgängen vermögen wir auch die nächsten (auslösenden) Lichtwirkungen und die Reactionsketten zu präcisiren, die zu einer allgemeinen oder locaHsirten Beschleunigung oder Retardirung des Wachsthums führen. Soviel ist indess gewiss, dass im Dunkeln der Turgor nicht höher ist, als am Licht, dass also die Ueberverlängerung der etiolirenden Organe nicht durch eine Turgorsteigerung verursacht wird^). In den etiolirenden Organen sind ferner die Zellwände nicht his zur Elasticitätsgrenze in Anspruch genommen, wie die Sistirung des Wachsthums bei Entziehung des Sauerstoffs beweist (II, § 8). Dasselbe lehren auch die dunkelstarren etiolirten Blätter, in denen durch einen Lichtreiz die Wachsthumsthätigkeit erweckt wird, ohne dass der Turgor gesteigert oder die elastischen Eigenschaften der Zellwand modificirt werden 2]. Uebrigens wurde früher (II, Kap. II) allgemein dargethan, dass zur Sistirung und Regulirung des Flächenwachsthums weder eine Verdickung, noch eine Verholzung oder eine sonstige Metamorphose der Zellwand nothwendig ist, dass diese und andere Veränderungen vielmehr in erster Linie dazu dienen, die Wandungen der ausgewachsenen Zellen ihren Zielen und Aufgaben gemäss aus- zugestalten. Jedenfalls werden diese Verändei-ungon immer durch die vitale Thätigkeit vollbracht, und bei einer Lichtwirkung handelt es sich stets nur um die Folgen einer Reizwirkung, also nicht um eine directe mechanische Beein- flussung der Zellwand durch die Beleuchtung. So lange die Wachsthumsmechanik unzureichend aufgehellt ist, darf man nicht hoffen, eine tiefere Einsicht in die Mechanik der photomorphotischen Vor- gänge zu gewinnen. Ebenso ist es zur Zeit unmöglich, die nächsten Reiz- wirkungen des Lichtes zu präcisiren oder auch nur festzustellen, ob es sich dabei etwa um eine Constellationsverschiebung, um eine chemische Action oder um irgend einen anderen Vorgang im Protoplasten handelt 3). Es ist in der That eine Selbsttäuschung, wenn man glaubt, es sei irgend eine Erklärung oder Einsicht mit der Annahme gewonnen, das Licht vermindere die Beweglichkeit der Micellen des Protoplasmas und verursache dadurch die Verlangsamung des Wachsthums ■*). 1) Eine solche wurde als Ursache des Etiolements angesehen von de Vries, Bot. Ztg. 1879, p. 852. Dass aber in Wirklichkeit eine Turgorsteigerung nicht eintritt, wurde von Weng (Pfeffer, Pflanzenphysiol. 1881, I. Aufl., Bd. II, p. 145) erkannt und bestätigt von de Vries, Jahrb. f. wiss. Bot. 1884, Bd. 14, p. 561; VVortmann, Bot. Ztg. 1889, p. 296; Stange, Bot. Ztg. 1892, p. 412. Vgl. auch E. B. Copeland, Ein- fluss von Licht und Temperatur auf den Turgor. Haller Dissert. 1896, p. 53. Ueber die Bedeutung des Turgors etc. für Wachsen vgl. Bd. II, Kap. IL — Die photonastischen Bewegungen in den Gelenken lehren übrigens, dass durch Beleuchtung in gewissen Fällen eine erhebliche Turgorsenkung veranlasst werden kann II. Kap. XII . Welclie Ursachen das Schlaffwerden des Hutes von Coprinus im Dunkeln und die Wieder- gewinnung des Turgors im Licht bedingen, ist näher zu untersuchen. Vgl. Brefeld, Botan. Unters, ü. Schimmelpilze 1877, Heft 3, p. 114; Gräntz, Einfluss d. Lichtes a. d. Entwickelung einiger Pilze 1898, p. 34. 2) Godlewski (Anzeig. d. Akad. d. Wiss. zu Krakau 1890, p. 287) fand in den etiolirenden und nicht etiolirenden Organen dieselbe Turgordehnung der Zellhaut. 3) Auch aus dem Einfluss des Lichtes auf Plasmodien u. s. w. II, Kap. XIV) ist kein bestimmter Schluss zu ziehen. Vgl. auch über heliotropische Reizung, II, Kap. XIII. — Dass der BetriebsstofCwechsel durch Licht zumeist nicht erheblich modificirt wird, ist schon II, p. 112 erwähnt. Die durch den Mangel und den Ueberfluss an Nahrung be- dingten Erfolge bleiben hier unberücksichtigt. 4) Vines, Arbeit, d. Bot. Instit. zu Würzburg 1878, Bd. I, p. 144. § 27. Die Wirkung der Strahlen verschiedener Wellenlänge. 117 § 27. Die Wirkung der Strahlen verschiedener Wellenlänge. Während die Wirkung des gemischten Lichtes in der Kohlensäurcassimilation vorwiegend den schwächer brech])aren Strahlen zufällt (I, § 60), ist die Beein- flussung der Wachsthums- und Bewegungsvorgänge (Phototonus, Photomor- phosen, Phototropismus, Phototaxis, Plasmabewegungen etc.) in den meisten Fällen hauptsächlich durch die stärker brechbaren Strahlen (blau -ultraviolett) bedingt, hi diesen, also z. B. hinter einer Lösung von Kupferoxydammoniak (vgl. I, p. 336), fallen (genügende Nahrung vorausgesetzt) Wachsthum und Ge- staltung ähnlich aus, wie in dem etwas geschwächten gemischten Licht, während ]>ei Ausschluss der blauen-ultravioletten Strahlen, in dem durch eine Lösung von Kaliumbichromat passirenden rothgelben Licht, die Pflanzen zwar ergrünen, in ihrer Gestaltung aber den im Dunkeln oder bei sehr geringem Liclitzutritt er- wachsenen Pflanzen gleichen'). Dasselbe ist bei den meisten etiolirenden Pilzen der Fall, unter denen sich z. B. Pilobolus microsporus und Coprinus in Bezug auf die Anlage und Ausbildung des Sporangiums, bezw. des Hutes hinter Kalium- bichromat (im gelbrothen Licht) wie im Dunkeln, hinter Kupferoxydammoniak (im blauen Licht) wie am Tageslicht verhalten'^). In diesem Falle handelt es sich um Bildungsprocesse, die auf Beleuchtung angewiesen sind, während natür- lich diejenigen Processe, die durch Lichtentziehung begünstigt werden, im blauen Licht gehemmt, im gelbrothen Licht gefördert werden. Darauf beruht es u. a., dass nach J. Kl ein 3) die Sporenbildung von Botrytis cinerea, nach Kl eh s 4) die Zoosporenbildung von Vaucheria durch Verdunkelung und ebenso durch Aus- schluss der blauen Strahlen (im gelbrothen Licht) veranlasst werden. Auch beruht auf dem Gehalt an blauen-ultravioletten Strahlen die hemmende und tödtliche AVirkung, die das gemischte Licht auf Bacterien und, bei genügender Licht- concentration, auf alle Pflanzen ausübt (II, § 69). -1) Sachs, Bot. Ztg. 1864, p. 371; G. Kraus, ebd. 187G, p. 505; Vines, Arbeit, d. Bot. Inst, in Würzburg 1878, Bd. I, p. 120, 139; Wiesner, Sitzgsb. d. Wien. Akad. 1893, Bd. 102, I, p. 322; M. E. Teodoresco, Annal. d. scienc. naturell. 1899, VIII. ser., Bd. 10, p. 140. Die übrige Lit. ist an diesen Stellen angegeben. Arbeiten, in denen die Trockensubstanz bestimmt wurde, sind in Bd. I, p. 338 citirt. Das im Text Ge- sagte bezieht sich auch auf die anatomischen Verhältnisse, die insbesondere von Teo- doresco studirt wurden, z.Th. auch schon von Rauwenhof f , Annal. d. scienc. naturell. 1878, VI. ser., Bd. 5, p. 282. — Die ersten und der Hauptsache nach richtigen Beobach- tungen sind die von Senebier, Phys.-chem. Abhdlg. 1785, Bd. 2, p. 29; Physiol. vegetal. 1800, Bd. 4, p. 273. — Ueber die Methodik vgl. Bd. I, p. 336. 2) Brefeld, Bot. Unters, über Schimmelpilze 1877, Heft 3, p. 96; 1889, VIII, p. 290; F. Gräntz, Ueber d. Einwirkung d. Lichts auf Pilze 1898, p. 18, 29; Lendner, Annal. d. scienc. naturell. 1897, VIII. ser., Bd. 3, p. 63. — Elfving, Einwirkung d. Lichtes auf Pilze 1890, p. 43. Vgl. Bd. II, § 24. — Ueber die wachsthumshemmende Wirkung der blauen Spectralhälfte siehe Vines, Arbeit, d. Bot, Inst, in Würzburg 1878, Bd. 2, p. 139. 3) J. Klein, Bot. Ztg. 1885, p. 6. 4) Klebs, Bedingungen d. Fortpflanzung 1896, p. 23, 35. 118 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthäügkeit etc. Von dieser Regel giebt es indess Ausnahmen. So fallen nach G. Kraus ^) die Perithecienträger von Claviceps microcephala im gelbrothen und blauen Licht gleich lang, aber kürzer als im Dunkeln aus. Ferner keimen die Sporen der Farne 2] und der Moose ^j in den schwächer brechbaren, aber nicht in den stärker brechbaren Strahlen. Dass aber die gelbrothen Strahlen nicht durch Psahrungsproduction, sondern als ein anregender Reiz wirken, folgt daraus, dass die Keimung auch bei Ausschluss von Kohlensäure stattfindet und dass die Sporen für die erste Entwickelung eine zureichende Menge von Nährstoffen ent- halten (II, § 24). Im allgemeinen scheint übrigens die formative Wirkung der rothen und überhaupt der minder brechbaren Strahlen etwas ansehnlicher zu sein, als die heliotropische Wirkung (II, Kap. XIII). Denn diese wird in dem gelbrothen Licht öfters vermisst, während, wenigstens an den grünen Pflanzen, ein gewisser formativer Effect immer vorhanden zu sein scheint, wenn man die im Dunkeln und im gelbrothen Licht cultivirten Pflanzen vergleicht. Jedoch verhalten sich Pilobolus und Coprinus in den minder brechbaren Strahlen wie in völliger Finsterniss (II, § 24). Mit der heliotropischen Wirkungslosigkeit oder geringen Wirkung der grünen oder gelben Strahlen stimmt die Erfahrung, dass nach Teodoresco (1. c. p. 208, 240 etc.) Wachsthum und Gestaltung im monochromatischen grünen Licht ähn- lich wie im Dunkeln auszufallen pflegen. Allerdings soll durch die grünen Strahlen nach Bert^) und nach G. Kraus^) der Eintritt der Dunkelstarre und das Absterben von Mimosa pudica beschleunigt und nach Kraus ferner bewirkt werden, dass die Perithecienträger von Claviceps microcephala viel kürzer bleiben als im gelbrothen, im blauen Licht und im Dunkeln. Zwar ist es aus verschiedenen Gründen sehr wohl möglich, dass bei isolirter Wirkung der grünen Strahlen eine Schädigung eintritt. Indess bedürfen obige Angaben einer näheren kritischen Prüfung, in der auch festzustellen sein wird, ob die Schädigung sich erst mit der Zeit einstellt und ob eine Uebertragung in grünes Licht zunächst ebenso wirkt wie eine Verdunkelung. Ueberhaupt müssen fernerhin, besser als es bisher geschah, die primäre Wirkung der verschiedenartigen Lichtstrahlen und die Folgen des verlängerten Aufenthaltes im farbigen licht auseinander- gehalten werden. Möglich, dass sich dann bei dem Vergleich der primären Wirkung auf die Zuwachsbewegung und des heliotropischen Effects eine grössere Uebereinstimmung der diesbezüglichen Gurven ergiebt, die indess keineswegs 1) G. Kraus, Bot. Ztg. 1876, p. 505. Nach Sorokin (Bot. Jahresb. 1874, p. 216) sollen sich einige Pilze im blauen Licht schlechter als im Dunkeln entwickelt haben. Ueber Verschiedenheiten der Curven für Kohlensäureassimilation siehe Bd. I, § 60, der heliotropischen Wirkung Bd. II, Kap. XIII. 2) Borodin, Bullet, d. I'Academ. d. St. Petersbourg 1868, Bd. 13, p. 436. 3) F. de Forest Heald, Gametophyt. Regeneration 1897, p. 47, 61. 4) P. Bert, Mem. d. l'Acad. d. sc. phys. et naturell, d. Bordeaux 1870, Bd. 7, p. 28, Compt. rend. 1878, Bd. 87, p. 693. Vgl. auch die Bd. I, p. 338 und bei Teodoresco citirte Literatur. ;;] G. Kraus, Bot. Ztg. 1876, p. 508. Kraus benutzte alkoholische Lösung von Kupferchlorid, während Bert und Teodoresco (1. c. p. 169) larbige Scheiben an- wandten. — Hinter einer Chlorophylllösung entwickeln sich nach Gerland (Annal. d. Phys. u. Chem. 1878, Bd. 148, p. 108) die Pflanzen wie in einem gedämpften Tageslicht. § -21. Die Wirkung der Strahlen verschiedener Wellenlänge. 119 coincidiren müssen, da die heliotropische Reizung eine Unterschiedsempfmdung, also eine besondere Sensibilität voraussetzt luid demgemäss auch nicht in allen Organen zu finden ist. Da, soweit bekannt, auch den ultravioletten Strahlen zumeist eine hohe formative Wirksamkeit zukonnnt, so nuiss diese durch die Beseitigung der ultra- violetten Strahlen im Tageslicht etwas vermindert werden. Jedoch werden auch in dem von den ultravioletten Strahlen befreiten Tageslicht das Sporangium von Pilobolus, der Hut von Coprinus') sowie die Sexualorgane von Vaucheria^) dess- halb ausgebildet, weil schon durch die violetten-blauen Strahlen eine genügende Reizung ausgeübt wird. Dieserhalb macht sich auch bei Blüthenpflanzen der Mangel der ultravioletten Strahlen zunächst nicht bemerklich, hat aber auf die Gesammtentwickelung offenbar einen gewissen Einfluss, da nach einigen Be- obachtungen bei gewissen Pflanzen durch den Mangel der ultravioletten Strahlen eine verminderte Production von Blüthen veranlasst wird. Als Sachs 3] Tropaeolum majus in Kästen hinter Cüvetten cultivirte, von denen die eine mit Wasser, die andere zur Wegnahme der ultravioletten Strahlen mit einer Lösung von Chininsulfat gefüllt war, erhielt er im letzteren Falle nur wenige, im ersteren Falle zahlreiche Blüthen. Mit dieser Pflanze erhielt ein ähnliches Re- sultat C. de Gandolle*), der einen minder grossen Unterschied beobachtete, als er Lobelia Erinus hinter Chininsullat oder hinter Aesculinlösung erzog. Man ist aber nicht berechtigt, aus diesen Resultaten, wie es Sachs thut, auf eine directe Begünstigung der Blüthenbildung durch die ultravioletten Strahlen zu schliessen^), weil einmal die Reaction nicht allgemein eintritt, und weil ferner nachweislich schon die Modification der vegetativen Thätigkeit die Reduction oder das Ausbleiben der Blüthenbildung zur Folge haben kann (II, p. 104). In der That sollen durch den Ausschluss der ultravioletten Strahlen das Gedeihen und nach de Candolle (I. c.) auch die Production von Trockensubstanz merklich beein- trächtigt werden. Es ist auch denkbar, dass ein ähnliehes Resultat durch den partiellen oder gänzlichen Ausschluss der violetten-blauen Slrahleu oder durch eine gleichmässige Verminderung aller stärker brechbaren Strahlen im Tageslicht er- zielt wird. Wie sich schon aus Obigem ergiebt, ist es oft schwierig, die directe und indirecte Bedeutung der verschiedenartigen Strahlen in den vom Licht abhän- gigen Functionen festzustellen. Bei derselben Pflanze scheint indess der Regel nach denjenigen Strahlen, welche die Zuwachsbewegung in der phototonischen Pflanze am stärksten beeinflussen (also den stärker brechbaren Strahlen), auch die ansehnlichste phototonische und formative Wirkung zuzukonuu(Mi. Eine Aus- 1) F. Gräntz, I.e. p. -19, 29. Siehe auch Lendner, 1. c. p. 61. NachElfving, (1. c. p. 40) soll bei Pilzen die Erntemasse bei Ausschluss der ultravioletten Strahlen zunehmen. 2) Klebs, Bedingungen d. Fortpflanzung 189ß. p. MO. Vgl. auch M. E. Pennigton, Contribut. of the Botan. Laboratory of the Univers, of Pennsylvania 1897, Bd. I, p. 250. 3) Sachs, Arbeit, d. Bot. Instituts in Würzburg 1S87, Bd. III, p. 372. Ueber Sachs, Ansicht über die blüthenljildende Substanz vgl. II, § Ö4. 4) C. de Candolle, Archiv d. scienc. phys. et naturell, d. Geneve 1892, Bd. 28, p. 2G3. 5) Vgl. auch Klebs, Probleme d. Fortpflanzung 1895, p. 18; Vöchting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1893, Bd. 25, p. 201. 120 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. nähme findet sich aber ])ei den Farnen und Äloosen insofern, als in den Sporen das Wachsthum durch die schwächer brechbaren Strahlen des Sonnenspectrums angeregt wird (II, p. \ 1 8), während die wachsthumsthätige Pflanze augenschein- lich in üblicher Weise vorwiegend auf die stärker brechbaren Strahlen reagirt. Da aber die relative Wirksamkeit der einzelnen Spectralbezirke nicht näher ermittelt ist, so lässt sich nicht entscheiden, ob thatsächlich die Curven für die retardirende, formative und phototonische Wirkung völlig übereinstimmen. Auch kann man nur im allgemeinen sagen, dass eine Aehnlichkeit zwischen den soeben genannten und den heliotropischen Wirkungen (II, Kap. XIII) insofern besteht, als die diesbezüglichen Curven von dem Hauptmaximum in den stärker brechl3aren Strahlen gegen die Abscissenachse fallen und diese in dem grünen oder gelben Spectralbezirk beinahe oder ganz erreichen. Vielfach, aber nicht immer, erhebt sich dann die Curve zu einem zweiten, geringeren Maximum. In dieser Hinsicht scheinen aber bei derselben Pflanze Unterschiede in Bezug auf die Partialfunctionen be- stehen zu können, denn bei Pilobolus crystallinus vermögen z. B. die gelbrothen Strahlen die heliotropische Krümmung, aber nicht die Bildung des Sporangiums zu veranlassen i). Soweit die vorliegenden Untersuchungen ein Urtheil gestatten, scheinen für dieselbe Pflanze durch ähnliche Curven die Wirkungen der Spectralbezirke auf die heliotropischen und phototactischen Bewegungen (II, Kap. XIII, XIV), auf die Bewegungen im Protoplasma (incl. Bewegung der Chlorophyllkörper, II, Kap. XV), sowie auf die durch Wachsthum oder Variation (Turgorwechsel) ausgeführten photonastischen Bewegungen (II, Kap. XII) dargestellt zu werden. Dagegen haben gerade die minder brechbaren Strahlen die ansehnlichste photosynthetische Wirkung (I, § 60). In diesen Spectralbezirken scheint auch die Chlorophyll- bildung, die übrigens durch alle sichtbaren Strahlen bewirkt wird, begünstigt zu werden (I, § 58). Vielleicht wird auch die Entsäuerung der Crassulaceen etc. (I, § 56) vorwiegend durch die rothgelben Strahlen bewirkt, denen indess nicht in allen Fällen die Hauptrolle bei der Beeinflussung von Stoffwechselprocessen durch das Licht zufällt. Denn in den Wachsthumsreactionen handelt es sich offenbar zum Theil um chemische Beactionen, die primär oder secundär durch die stärker brechbaren Lichtstrahlen veranlasst werden. Ob diesen auch die Hauptwirksamkeit zufällt, wenn die Eiweisssynthese durch Beleuchtung gefördert wird, lässt sich nach den an sich unzureichenden Beobachtungen um so weniger entscheiden, als die nur indirecten Beziehungen zum Licht nicht genügend be- rücksichtigt sind 2). Uebrigens ist längst bekannt, dass durch die schwächer brechbaren Strahlen vielfach auch in todten Massen chemische Beactionen be- wirkt werden, dass also in der für Chlorsilber giltigen Curve nur ein Special- fall vorliegt, der wiederum nur für licstimmte Bedingungen gilt, da diese Curve 1) Brefeld, Unters, über Schimmelpilze 1SS1, IV, p. 77; Gräntz, Einfluss d. Lichtes auf Pilze i 898, p. ■! 9. Es ist indess Ucäher zu untersuchen, ob es sich vielleicht nur um eine ungleiche Höhe der Reizschwelle handelt. 2i Vgl. Bd. I, p. 401, 460 und die bei Teodoresco (Annal. d. scienc. naturell. 1899. VIII. ser., Bd. 10. p. 259) cit. Literatur. Die Einwirkung des Lichts auf die Athmung ist nicht ansehnlich. Siehe Bd. I, § 104; Kolkwitz. Jahrb. f. wiss. Bot.1899, Bd. 33, p. 128. — Den indirecten Einfluss der durch die Beleuchtung gesteigerten Transpiration (Bd. I, p. 230) haben wir nicht zu berücksichtigen. § 27. Die Wirkung der Strahlen verschiedener Wellenlänge. 121 durch die Gegenwart von Sensibilatoren weitgehend modificirt wird (vgl. l, p. 330). Naturgemäss wird der Ausfall von Strahlen, durch die eine Function beein- flusst wird, sogleich oder nach einiger Zeit eine gewisse Störung zur Folge haben und, sofern zur Realisirung aller Functionen verschiedenartige Strahlen nothwendig sind, wird die Pflanze am besten bei einem bestimmten Mischungs- verhältniss dieser Strahlen gedeihen (II, p. 78). Desshalb tritt bei den grünen Pflanzen unter dem alleinigen Einfluss der schwächer brechbaren Strahlen eine abnorme Gestaltung ein, obgleich sie auf photosynthetischem Wege reichlich Nahrung produciren, während diese Production bei Beleuchtung mit den schwächer brechbaren Strahlen zu gering ist, um ein normales Gedeihen zu ermöglichen (I, p. 337). Durch Störung der harmonischen Mischung kann auch z. B., wie schon erwähnt wurde, der Ausfall der ultravioletten Strahlen modificirend und be- nachtheiligend wirken. Ferner ist es wohl möglich, dass bei alleiniger Beleuchtung mit einer an sich nothwendigen oder nützlichen Strahlengruppe die Pflanze leidet. Denn so gut wie bei Unzulänglichkeit der übrigen Bedingungen, z. B. bei unzu- reichender Zufuhr von Nahrung, der Eintritt des Hungerzustandes durch die Er- höhung der Temperatur beschleunigt wird, kann auch die einseitige Förderung einer Function durch bestimmte Strahlen den Eintritt einer physiologischen Dis- harmonie und eines krankhaften Zustandes befördern. Auf derartigen Beziehungen beruht möglicherweise die allerdings noch problematische schädigende Wirkung des monochromatischen grünen Lichtes, das, wenn es auch nicht gerade direct auf die Wachsthumsthätigkeit influirt, doch (abgesehen von der Kohlensäure- zersetzung (I, § 60)) sehr wohl irgend welche Processe in der Pflanze beein- flussen kann. Da es stets von den specifischen Eigenschaften des Objectes abhängt, ob durch das Licht und ferner durch welche Strahlen ein photochemischer oder ein physiologischer Einfluss ausgeübt wird, so ist es nicht auffallend, dass sich zwei Pflanzen in Bezug auf dieselbe physiologische Leistung verschieden verhalten. So gut wie die photochemischen, werden auch die physiologischen Processe entweder nur durch einen eng begrenzten Spectralbezirk oder durch die ver- schieden brechbaren Strahlen in einem ungleichen Maasse angeregt. Die Reactions- fähigkeit darf aber natürlich nicht nach dem Umfang und der Qualität unserer subjectiven Lichtempfmdung beurtheilt werden. Thatsächlich haben ja auch die unsichtbaren ultrarothen und ultravioletten Strahlen zum Theil sehr ansehnliche physiologische Wirkungen. Ob solche ausgeübt werden, diese Frage ist über- haupt in Bezug auf alle Arten von strahlender Energie zu stellen, die in der Natur geboten .oder künstlich erzeugbar sind. Einstweilen wissen wir, dass electrische Strahlungen, also Strahlen von sehr grosser Wellenlänge, gewisse phy- siologische Wirkungen hervorrufen können (II, §28; Kap. XIII). Ob dieses auch für die Röntgenstrahlen^) zutrifft, müssen kritische Untersuchungen entscheiden, ■1) In Bezug auf Bacterien siehe J. Wittlin, Centralbl. f. Bacteriol. II. Abh. 1896, Bd. II, p. 676; Beck u. Schultz, Zeitschr. f. Hygiene 1897, Bd. 23, p. 490; H. Rieder, Beiheft z. botan. Centralbl. 1898,99, Bd. 8, p. 250. In Bezug auf anderweitige (incl. tropistische) Wirkungen vgl. Schober, Ber. bot. Ges. 1896, p. 1 OS ; Lopriore, Bot. Cen- tralbl. 1898, Bd. 73, p. 431 ; M aldiney et Thou ve nin, Bev. general. d. Bot. 1898, Bd. X, 122 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. da nicht zu ersehen ist, ob die positiven Resultate, die nur einzelne Autoren erhielten, durch die höhere Intensität der Strahlungen oder durch Nebenum- stände verursacht wurden. Auch ist noch nicht ermittelt, ob die Becquerel- Strahlen'j und andere dunkle Strahlungen physiologisch wirksam sind (vgl. II, Kap. XIII). Abschnitt IV. Beeinflussung der Zuwachsbewegung durch Electricität und Magnetismus. §28. In der Pflanze kreisen dauernd schwache electrische Ströme, die einmal durch die wechselnde SpannungsdifTerenz zwischen Erdboden und Atmosphäre und ferner durch die Production von electrischen Spannungen in der lebens- thätigen Pflanze verursacht werden (II, Kap. XYI). Möglicherweise spielen diese continuirlich wirkenden Ströme eine gewisse Rolle in den StofTwechselprocessen (vgl. II, Kap. XVI). Ausserdem werden wir noch tropistische Reizwirkungen durch den electrischen Strom kennen lernen. Eine anderweitige Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit durch den schwachen electrischen Strom ist aber bis da- hin nicht sichergestellt. Wenigstens ergaben die mit Umsicht angestellten Ver- suche, in denen ein Strom durch das Substrat geleitet wurde, kein bestimmtes Resultat 2). Die positiven und negativen Erfolge in minder kritischen Versuchen dürften somit durch Nebenumstände, oder durch die Wirkung der Electricität auf die Bodenbestandtheile herbeigeführt worden sein (vgl. I, p. 382). Auch bei der Leitung eines schwachen Stromes durch eine Keimpflanze fand Müller- Heltlingen^) keine Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit. Die Hemmung aber, welche Elfving^) beobachtete, dürfte schon die Folge einer Verstärkung des Stromes sein, durch die immer eine Benachtheiligung und endlich eine Tödtung der Pflanze bewirkt werden kann. Ein solcher Erfolg wird einmal durch die p. 81; Atkinson, Beiheft z. botan. Centralbl. 1898/99, Bd. 8, p. -288; — F. Schau- dinn, Pflüger's Archiv f. Physiol. 1899, Bd. 77, p. 29 (Protozoen). 1) Siehe z. B. E. de Haen, Annal. d. Phys. u. Chem. 1899, Bd. 68, p. 902; Curie, Compt. rend. 1899, Bd. 129, p. 823; LeBon, ibid. 1899, Bd. 128, p. 174. F. Giesel, Ber. d. chem. Gesellsch. 1900, p. 3569. — Eine tJebersicht der im Jahre 1899 erschienenen Literatur im Beibl. zu Annal. d. Phys. u. Chem. 1899, Bd. 23, p. LIX. 2) Siehe Wollny, Forschung, a. d. Gebiete der Agriculturphysiol. 1888, Bd. 11, p. 88; 4 893, Bd. 16, p. 243 u. die hier citirte Literatur. Einige weitere Arbeiten von Chodat, Leod etc. sind in Bot. Jahresb. 1893, p. 36; 1894, p. 232 referirt. Ahlfven- gren, Bot. Centralbl. 1SD9, Bd. 79, p. 53 (IL Euler, Biolog. Centralbl. 1901, Bd. 21, p. 1). — Vgl. auch E. Solvay, Du röle d. l'electricite d. 1. phenom. d. 1. vie 1894. 3) Pflüger's Archiv f. Physiolog. 1883, Bd. 31, p. 212. 4) Elfving, Bot. Ztg. 1882, p. 257. § 29. Einwirkung der Scliwerkraft auf das Wachsthum. 123 Wirkung des Stromes innerhalb der Pflanze, dann aber auch dadurch erzielt, dass durch die electrolytische Zerlegung um die Electroden eine schädigende und tödtende Zusammensetzung der Culturflüssigkeit hergestellt wird^). Electrische Entladungen und demgemäss hiductionsschläge wirken zunächst wie mechanische Stusse und Erschütterungen, lösen also, wie diese, bei massiger Intensität gewisse Reizbewegungen aus (II, Kap. XII), und haben bei genü- gend gesteigerter Intensität schädliche und tödtliche Wirkungen ^j. Bei einer thunlichst hohen, aber noch nicht schädigenden Einwirkung wird vermuthlich, sowie durch andere Eingriffe, eine gewisse Beschleunigung des Wachsthums, der Athmung und anderer vitaler Thätigkeiten veranlasst werden. Im magnetischen Felde scheint die AVachsthumsthätigkeit selbst bei An- wendung sehr starker Magnete nicht wesentlich beeinflusst zu werden. Zu diesem Resultate führten wenigstens die Versuche von Gisielski^) und Reinke^), während G. Tolomei^) in den offenbar wenig kritischen Experimenten eine ge- wisse Beschleunigung der Samenkeimung gefunden haben will. Ferner wurde im magnetischen Felde von Errera") keine Beeinflussung der Zell- und Kern- theilung, von Reinke'j keine Beeinflussung der Protoplasmastrümung beobachtet. Abschnitt V. Einwirkung der Schwerkraft auf das Wachsthum. §29. Da alle Theile des Organismus der allgemeinen Massenanziehung unter- wT)rfen sind, so muss eine genügende Steigerung der Gravitation zur Folge haben, dass die Pflanze das eigene Gewicht nicht mehr tragen kann. Das ist bei Keimlingen von Lupinus luteus erreicht, wenn die Centrifugalkraft das 30fache der Erdschwere beträgt *), und bei einer Steigerung dieser auf das lOOOfache ■I) Cohn u. Mendelssohn, Cohn's Beiträge z. Biolog. -1879, III, p. U1. Andere Lit. über Bacterien Flügge, Mikroorganismen III. Aufl., 1896, Bd. I, p. 44o; J.Möller, Centralbl. f. Bacteriol. II. Abth., 1897, Bd. 3, p. HO. 2) Versuche dieser Art wurden schon angestellt von A. v. H u m b o 1 d t , siehe Ingen- housz, Ernährung d. Pflanzen 1798, p. 42. — Die ältere Lit. (auch in Bezug auf con- stante Ströme) findet sich bei Treviranus, Physiolog., Bd. 2, p. 709; de Candolle, Physiol. veg^tale Bd. 3, p. 1088; Nobbe, Samenkunde 187G, p. 252. — Ueber Defor- mationen des Protoplasmas siehe II, Kap. XV. 3) Cisielski, Cohn's Beitr. z. Biolog. 1872, Bd. I, 2, p. 6. 4) Beinke, Bot. Ztg. 1876, p. 133. — Auch f. animalische Objecte wurden von Hermann (Pflügers Archiv, f. Physiol. 1888, Bd. 43, p. 228) nur negative Besultate erhalten. 5) Tolomei, Bot. Jahresb. 1893, p. 37. 6) Errera, Bull. d. 1. Soc. botan. cl. Belgique 1890, Bd. 29, p. 17. 7) Beinke, Pflüger 's Archiv f. Physiol. 1882, Bd. 28, p. 140. 8) Fr. Schwarz, Unters, a. d. Botan. Institut in Tübingen 1881, Bd. I, p. 80. — Ueber die Methodik siehe II, Kap. XIII. 124 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthcätigkeit etc. dürfte auch der leistungsfähigste Stengel nicht mehr aufrecht wachsen können. Bei einer solchen Wirkung werden viele Pflanzen (abgesehen von den sehr klein- zelligen) auch desshalb auf die Dauer nicht leben können, weil abnorme Ver- lagerungen im Protoplasma eintreten (II, Kap. XY). Dieserhalb stirbt z. B. Chara schon ab, wenn sie kürzere Zeit einer Centrifugal Wirkung = 2000 g ausgesetzt ist^). Bei einer genügend hohen Centrifugalwirkung muss schliesslich einer je- den Pflanze das Gedeihen unmöglich werden. Die verhältnissmässig geringen Gravitationsunterschiede auf der Oberfläche unserer Planeten haben freilich keine nennenswerthe physiologische Bedeutung. In dem continuirlichen und constanten Wirken der Schwerkraft besteht aber ein wesentlicher Unterschied gegenüber Wärme, Licht und anderen Agentien, deren Ausmaass in den normalen Vegetationsbedingungen in erheblichen Grenzen variirt. Zudem können diese Agentien sowohl allseitig (diffus), als auch ein- seitig angreifen , während die Schwerkraft immer nur in der Lothrichtung wirksam ist. Mit dem Wachsthum wird allerdings das Gewicht und das sta- tische Moment der Organe, also die davon abhängige mechanische Inanspruch- nahme modificirt, durch welche wiederum, analog wie durch den auf andere Weise erzeugten Zug, Druck etc., Reizreactionen hervorgerufen werden (vgl. II, § 35—37). Ausserdem ist die Schwerkraft öfters in zweckentsprechender Weise zu Orien- tirungsreizen nutzbar gemacht, deren Auslösung wohl in letzter Instanz auf der durch die Massenanziehung verursachten Verlagerung und Druckwirkung in Zellen und Geweben beruht (II, Kap. XIII). Zu diesen Reizerfolgen gehören die geotropi- schen Bewegungen, die wir in Kap. XIII besprechen werden. Ferner werden durch die Schwerkraft vielfach barymorphotische Reiz Wirkungen, also einseitige und polare Ausgestaltungen und Productionen hervorgerufen. Freilich wirkt in dieser Hinsicht die Schwerkraft nicht so mannigfach wie das Licht und nicht so allgemein, wie es Hofmeister 2) vermuthete. Vielleicht hat aber (in phylo- genetischer Hinsicht) die stetige und gleichsinnige Wiederholung des Schwerkraft- reizes einen wesentlichen Antheil an der Ausbildung der jetzt inhärenten polaren Eigenschaften gehabt. Jedenfalls werden diese gewöhnlich durch die Schwer- kraft bis zu einem gewissen Grade beeinflusst (II, Kap. VII). In wie weit die polaren und dorsiventralen Gegensätze von inneren und äusse- ren Ursachen abhängen, ist aus II, Kap. VII zu ersehen. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass die inhärente Tendenz, durch welche das Austreiben von Knospen vornehmlich an dem akroskopen, das Austreiben und die Bildung von Wurzeln haupt- sächlich an dem hasiskopen Ende angestrebt wird, durch äussere Eingriffe, auch durch Umkehi'ung, also durch die Schwerkraft mehr oder minder abgeschwächt, in einigen Fällen auch ganz überwunden wird. Durch eine solche Begünstigung wird z. B. verursacht, dass an den vertical abwärts wachsenden Bhizomen von Yucca, Cordjline etc. nach dem Umkehren die Endknospe auswächst, die sich (ceteris pari- bus) in der normalen Lage nicht entwickelt ^j. Ferner ist bei manchen Pflanzen 1) M. Mottier, Annais of Botan. -1899, Bd. 13, p. 346. 2) Hofmeister, Allgem. Morphol. 1868, p. 579. 3) Sachs, Arbeit, d. Bot. bist, in Würzburg 1880, Bd. 2, p. 475; Vorlesung, üb. Pflanzenphysiol. 1887, II. Aufl., p. 336; Vöchting, Bot. Ztg. 1880, p. 601. — Ein ähn- licher Erfolg wird aber z. B. auch durch Abschneiden der Bhizome erzielt. § 29. Einwirkung der Schwerkraft auf das Wachsthum. 125 an horizontal gelegten Zweigen, also durch die Schwerkraft, eine Förderung der Knospenentwickelung auf der Oberseite (insbesondere am akroskopen Ende), eine Begünstigung der Bildung oder des Austreibens der Wurzeln auf der Unterseite (am basiskopen Ende] deutlich bemerkbar^). So entwickeln die horizontalen oder geneigten Sprosse von Opuntia ficus indica^), sowie die Wurzelknollen von Tla- diantha dubia 3) die Knospen wesentlich auf der aufwärts gewandten Seite. Eine geförderte Neubildung von Wurzeln auf der Unterseite ist z. B. an den horizontal gehaltenen Zweigen von Heterocentron diversifolium zu bemerken ■^j. An den Brut- knospen der Marchantiaceen wird durch die Schwerkraft das Auswachsen der Rhizoidanlagen auf der Unterseite 5), an dem Prothallium der iMakrospore von Mai-- silia*^) die Bildung von Rhizoiden auf der erdwärts gewandten Seite gefördert. In n, Kap. VII ist auch mitgetheilt, dass in einigen Fällen durch die Schwer- kraft die Anisophyllie von Laubsprossen, Blüthen etc. verursacht oder verstärkt wird. In gleichem Sinne wird ferner in schiefstehenden (plagiotropen) Organen eine ungleichseitige (anisotrophe) Verdickung durch äussere Einflüsse, zuweilen auch durch die Schwerkraft veranlasst"). Wenigstens beobachtete Nördlinger*), dass an Stelle des concentrischen (isotrophenj Dickenwachsthums ein excentrisches (anisotrophes) Dickenwachsthum trat, als die bis dahin verticalen Stämme ge- zwungen wurden, in einer stark geneigten Lage weiter zu wachsen. Dabei bil- dete sich, ebenso wie an den Seitenästen, bei den Nadelhölzern Hypotrophie, bei der Eiche Epitrophie aus, die z. B. auch an den Seitenästen von Fagus, Tilia ge- funden wird, Uebrigens erhält man auch in dem Grasknoten ein einseitig ge- fördertes Dickenwachsthum, wenn durch mechanische Hemmung die geotropische Ki-ümmurig und damit das angestrebte Längenwachsthum in der geotropisch con- vex werdenden Hälfte unmöglich gemacht Avird^). Nach den mitgetheilten und nach einigen v^^eiteren Erfahrungen scheint durch die Umkehrung vertical stehender Organe, also durch die Ueberführung 1) Vöchting, Organbildung im Pflanzenreich 1878, I, p. 164; 1884, II, p. 40, 95; Sachs, Arbeit, d. Bot. Inst, in Würzburg 1880, Bd. 2, p. 474. — Einige Beobachtungen schon bei Duhamel, Physique d. arbres 1758, Bd. 2, p. 122. 2) Sachs, 1. c. 1882, p. 760. 3) Sachs, 1. c. p. 704. 4) Vöchting, Organbildung 1878, I, p. 189. 5) Pfeffer, Arbeit, a. d. Botan. Inst, in Würzburg 1871, Bd. I, p. 77; Unters, a. d. Bot. Inst, zu Tübingen 1885, Bd. I. p. 529 'Marchantia). — Leitgeb, Bot. Ztg. 1872, p. 766; Kny, Entwickelung d. Parkeriaceen 1875, p. 12 (Sep. a. Nov. Act. d. Leopold. Bd. 37i Lunularia % 6) Leitgeb, Z. Embryologie d. Farne 1878, p. 7 (Sep. a. Sitzgsb. d. Wien. Akad. Bd. 77, Abth. I). ^ , . 7) Lit. Wiesner, Ber. d. bot. Gesellsch. 1896, p. 181; 1895, p. 481; Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1892, Bd. 101, I, p, 677; Bot. Ztg. 1882, p. 697 ; Bus gen, Waldbäume 1897, p 99- Haberlandt, Physiol. Anat. IL Aufl., p. 513, Detlefsen, Arbeit, d. Bot. Inst, in Wiirzburg 1882, Bd. 2, p. 686; Kny, Bot. Ztg. 1877, p. 417; Hofmeister, Allgem. Morphol. 1868, p. 604; Mohl, Bot, Ztg. 1862, p. 274; C. Schimper, Ber. d. Natur- forscherversammlung in Göttingen 1854, p. 87; de Candolle, Pflanzenphysiol. 1833, Bd. I, p. 71. — Bezüglich der Nomenclatur vgl. II, p. 83. 8) N ö r d 1 i n g e r , Der Holzring als Grundlage d. Baumkörpers 1 871 , p. 24 ; W i e s n e r , Ber. d. bot. Gesellsch. 1896, p. 180. Diese Experimente sind übrigens nicht streng bewei- send, da andere Factoren, so die durch die Belastung erzielte Zug- und Druckspannung auf Ober- und Unterseite, nicht genügend berücksichtigt sind. 9) Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893, p. 396 u. die hier citirte Literatur. X26 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. in die inverse Stellung, die Zuwachsbewegung vielfach etwas gehemmt, bei der Rückführung in die normale Lage aber etwas beschleunigt zu werden. Damit steht im Einklang, dass nach Vöchting ^) an einem Trauerbaume die hängenden Aeste langsamer wachsen, als die aufrechten Aeste. Ebenso erfahren nach Raciborski^) die Sprossspitzen gewisser tropischer Schlingpflanzen, wenn sie keine Stütze fassen und herabhängen, eine Wachsthumshemmung, auf die in einzelnen Fällen sogar ein Absterben der Spitze des herabhängenden Sprosses folgt. Eine Wachsthumsverzögerung beobachteten ausserdem J. Rieht er 3) an der umgekehrten Hauptachse von Chara und Elfving^) an dem umgekehrten Spo- rangiumträger von Phvcomyces nitens. In diesem Versuche wurde der Zuwachs des Sporangiumträgers in kürzeren Intervallen (mikrometrisch), abwechselnd in vertical aufwärts und vertical abwärts gerichteter Stellung, gemessen und in der zu- letzt genannten Lage jedesmal eine merkliche Reduction der Wachsthumsschnellig- keit beobachtet. Auch für Sterigmatocjstis alba wird von J. Ray 5) eine gewisse wachsthumshemmende Wirkung der Schwerkraft angegeben. Bei Bewahrung der Normalstellung scheint dagegen die Wachsthums- thätigkeit von Stengel und Wurzel durch eine massige Steigerung der Schwer- kraftwirkung nicht merklich beeinflusst zu werden. Wenigstens beobachteten Elfving (1. c.) sowie Fr. Schwarz^) dieselben Zuwachsgrössen an Keimpflanzen, die sich unter normalen Bedingungen befanden, und an solchen, die einer Cen- trifugal Wirkung = dem 30 fachen und 50 fachen der Gravitation ausgesetzt waren. Bei Verwendung einer höheren Centrifugalkraft wird sich voraussichtlich, schon mit Rücksicht auf die Reizwirkung von Zug und Druck ein Unterschied ergeben, Uebrigens wurde von M. Mottier^) in der Maiswurzel, die einer Centrifugalwirkung = 1800 g ausgesetzt gewesen war, nach 2i Stunden die normale Wachsthumsschnelligkeit beobachtet. Ferner ergab sich in den Versuchen von Elfving (1. c.) und von Fr. Schwarz 1. c.) keine Veränderung der W'achsthumsschnelligkeit, als Keimpflanzen sowie Sporangienträger von Phvcomyces in horizontaler Lage am Klinostaten (IL Kap. XIII) gedreht wurden, und somit die Schwerkraft senkrecht gegen die Haupt- (achse der Pflanze gerichtet, die geotropische Krümmung aber vermieden war. Unter diesen Bedingungen wird in dem normalerweise ausgewachsenen Gras- knoten*) die Wachsthumsthätigkeit erweckt, die also vermuthlich durch die 1) Vöchting, Bot. Ztg. 1880, p. 599; Organbildung 1884, p. 78; Sorauer, For- schung, a. d. Gebiete d. Agriculturphysik -1880, Bd. 8, p. 233. — Nach Vöchting (Be- wegung d. Blüthen 1882, p. 122) bleiben die in inverser Stellung gehaltenen Blüthen- stiele einiger Pflanzen kürzer, werden aber dicker. 2) Raciborski, Flora 1900, p. 35. — In allen diesen Fällen sind die correlativen Einflüsse zu beachten. 3) J. Richter, Flora 189'., p. U2. 4) Elfving, Beitrag z. Kenntniss d. Einwirkung der Schwerkraft auf Pflanzen 1880 (Sep. a. Act. Societ. Scient. Fennic Bd. 12;. Die Experimente sind nicht ganz einwandsfrei. 3) J. Ray, Rev. general. d. Bot. 1897, Bd. 9, p. 253. 6) Fr. Schwarz, Unters, a. d. Bot. Inst, in Tübingen 1881, Bd. I, p. 53. 7) M. Mottier, Annais of Bot. 1899, Bd. 13, p. 355. 8) Elfving, Verhalten d. Grasknotens am Klinostaten 1884 (Sep. a. Ofversigt of finska wetensk. soc. förhandlingar 1884); R. Barth, Geotrop. Wachsthumskrümmung d. Knoten. Leipziger Dissert. 1894, p. 32. Vgl. Bd. II, Kap. XIII. § 30. Beeinflussung der Zuwachsbewegung durch chemische Agentien. 127 Schwerkraft sistirt wird, wenn diese parallel zur Längsachse des Knotens ge- richtet ist. Soweit wir iirtheilen können, werden durch die Schwerkraft vorwiegend Orientirungsreize ausgelöst, die nicht allgemein und nicht unter allen Umständen nothwendig sind. Damit steht im Einklang, dass Pflanzen auch dann gedeihen, wenn die einseitige Wirkung der Schwerkraft eliminirt ist. Es ist dieses z. B. bei den freischwimmenden Algen der Fall, bei welchen durch die activen oder passiven Lagenänderungen und Drehungen die Stellung der Symmetrieachsen gegen die Lothlinie dauernd verändert wird. Auch ist die von einem Aste aus- strahlende Mistel nicht selten nach allen Richtungen des Raumes orientirt und die Ausläufer, die je nach der Helligkeit aufrecht wachsen oder auf den Boden gestreckt sind (II, Kap. XIII), lehren z. B., dass zu ihrem Fortkommen eine ganz bestimmte Orientirung gegen die Lothlinie nicht nothwendig ist. Vermuthlich werden auch viele höhere Pflanzen bei Eliminirung der einseitigen Schwerkraft- wirkung (am Klinostaten) selbst dann ihre ganze Entwickelung durchlaufen kön- nen, wenn sie, wie der am Klinostaten gedeihende Phycomyces etc., im hohen Maasse geotropisch oder auch barymorphotisch reagiren. Abschnitt VI. Beeinflussung des Wachsthums durch chemische Agentien. § 30. Beeinflussung der Zuwachsbewegung. Der zureichende Stoffwechsel ist, wie wiederholt betont wurde, die uner- lässliche Bedingung für die lebendige Thätigkeit (Bd. I, § 1 u. s. w., Bd. 11, § I). Ohne Nahrung ist demgemäss ein Gedeihen unmöglich, und bekanntlich findet nur langsames und kümmerliches Wachsthum statt, wenn die zur Verfügung stehende Nahrung, oder auch nur ein Nährstoff, in cpialitativer oder quantita- tiver Hinsicht ungenügend ist^). Da andererseits nach Ueberschreitung einer gewissen Goncentration das Wachsthum durch die giftige oder die osmotische (II, § 33, 71) Wirkung der Stoffe benachtheiligt oder unmöglich gemacht wird, so giebt es für jeden einzelnen Nährstoff und für jede Nährlösung eine optimale Goncentration (I, § 73). Aber auch die unnöthigen Stoffe üben durch ihren os- motischen oder giftigen Einfluss eine hemmende Wirkung aus. Die Giftwir- kungen, die ebenfalls wichtige physiologische Reactionen sind, werden in II, § 72—75 behandelt, und bei dieser Gelegenheit sollen auch die auffälligen Accom- modationen an bestimmte Gifte besprochen werden. Uebrigens findet auch in Bezug auf die Nährstoffe eine Accommodation insofern statt, als durch all- 1) Ueber die Folgen des Hungerzustandes vgl. z. B. Bd. I, p. 381, 410; Frank, Krankheiten d. Pflanzen, II. Aufl. 1895, Bd. I, p. 278. 128 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. mähliche Steigerung der Concentration die zunächst zulässige Grenze erweitert (II, § 33), bei Verminderung der Nahrungszufuhr aber die Thätigkeit verlangsamt und theilweise ökonomischer gestaltet wird'). Ausserdem werden sowohl darch Nährstoffe, als auch durch bestimmte andere Stoffe verschiedenartige Reizwirkungen ausgeübt. So verursachen, wie schon (I, p. 373, 408, 575) mitgetheilt ist, submaximale Dosen von schädlichen Körpern oft eine transitorische oder dauernde Reaction, die durch eine Steigerung der Stoffwechselthätigkeit und vielfach auch durch eine Beschleunigung des Wachs- thums bemerklich wird 2). Da der Erfolg immer aus den verschiedenen hem- menden und beschleunigenden Beeinflussungen resultirt, so muss eine Steigerung der Stoffwechselthätigkeit oder auch der Protoplasmastrümung (II, Kap. XV) nicht von einer Beschleunigung der Zuwachsbewegung begleitet sein. In gewissen Fällen gelingt es sogar, durch eine vorübergehende starke oder durch eine dauernde schwache Einwirkung in einem schlummernden Organ die Wachsthumsthätigkeit zu erwecken. So werden gewisse Pflanzen während der Winterruhe durch ein intensives, transitorisches Chloroformiren zum Austreiben veranlasst (II, § 60). Ferner bedarf es einer chemischen Reizung durch die Nährstoffe oder durch einen anderen Körper, um die Sporen gewisser Pilze, so- wie die Samen einiger Phanerogamen zum Keimen zu bringen. Uebrigens sind die chemotropischen Bewegungen (II, Kap. XIII, XIV) und die Reizbewegungen von Drosera, Dionaea u. s. w. (II, Kap. XII) schöne Beispiele für die specifische Reizwirkung bestimmter chemischer Verbindungen. Ausser den anregenden giebt es auch hemmende chemische Einflüsse. In dieser Hinsicht sind besonders interessant die Beobachtungen von S. Wino- gradsky und \. Omeliansky^) ^ nach denen die Entwickelung der Nitrat- und Nitritbacterien (I, § 63) schon durch sehr geringe Mengen von solchen Körpern (Glycose, Pepton, Asparagin etc.) verlangsamt und gänzlich sistirt wird, die gerade als die besten Nährstoffe für andere Bacterien und für viele Pilze bekannt sind. Durch diese Eigenschaft wird also die Nitrification so lange verhindert, bis im Boden durch die Aufzehrung der organischen Nährstoffe das Wachsthum derjenigen Mikroorganismen lahm gelegt ist, die bei Gegenwart von Nitrat oder Nitrit durch ihre denitrificirende Thätigkeit einen Stickstoffverlust herbeiführen würden (I, p. 559). Beachtenswerth ist ferner, dass die auf die Oxydation von Ammoniak angewiesenen Nitritbacterien ein ansehn- liches Quantum von Ammoniaksalzen vertragen, während diese schon in sehr geringer Concentration das Wachsthum der das Nitrit oxydirenden Bacterien sistiren. Derartige Wirkungen, die specifische Reizcrfolge vorstellen, dürften noch vielfach aufgefunden werden. Hierzu gehört auch die bekannte That- 1) Vgl. z. B. Bd. I, § 73, p. 374, 548 etc. — Ueber den Einfluss eines plötzlichen Wechsels vgl. Bd. I, p. -139 u. die dort citirten Schriften, sowie Reinhardt, Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 23, p. 495; C. Sokolowa, Das Wachsthum d. Wurzelhaare u. Rhizoiden 1897. 2) [N. Ono, Die Wachsthumsbeschleunigung einiger Algen u. Pilze durch chemische Reize 1900. Sep. a. Journ. Coli. Soc. Imp. Univ. Tokyo.] 3) S. Winogradsky u. V. Omeliansky, Centralbl. f. Bacteriol. 1899, II, Bd. 5, p. 436. Nach Duggar's Untersuchungen im Leipziger Institut hemmt 1 o/o Pepton die Keimung von Ustilago avenarum. § 30. Beeinflussung der Zuwachsbewegung durch cliemische Agentien. 129 Sache, dass das AVachsthum vieler Bacterien durch ganz schwache Ansäuerung, also auch durch die Selbstproduction von Säure, aufgehoben wird, während andere Arten und manche Pilze einen hohen Säuregehalt vertragen i). Denn, dass thatsächlich diese Bacterien, ebenso wie die Nitrat- und Nitritbacterien, durch den hemmenden Stoff zunächst nicht getüdtet werden, ergiebt sich daraus, dass das Wachsthum selbst nach längerer Zeit wieder aufgenommen wird, wenn die Säure neutralisirt oder der Zucker etc. entfernt wird. In diesen Fällen wirkt dann die Beseitigung der Hemmung als veranlassender Reiz. hl Folgendem sind nach Winogradsky und Omeliansky für einige Stoffe die Dosen in Proc. angeführt, welche die Entwickelung der Nitrat- und Nitritbacterien verlangsamen (Columne I), sowie diejenigen, welche die Entwickelung ganz verhin- dern (Col. Ilj. Die Angaben in der letzten Horizontalreihe beziehen sich auf den Amnioniakgehalt im angewandten Ammonsulfat. Nitritbacter ien Nitratbacterien I II I 11 Glycose 0,025—0,05 ■ 0,2 0,05 0,2—0,3 Pepton 0,025 0,2 0,8 1,25 Asparagin 0,0S 0,3 0,05 0,5—1,0 Ammoniak — 0,0005 0,015 Diese Thatsachen sind besonders desshalb wichtig, weil sie zeigen, dass im selbstregulatorischen Walten sehr wohl durch die eigene Stoffwechselthätig- keit der Ptlanze allgemein oder localisirt eine Hemmung, oder umgekehrt ein Wiedererwecken der Wachsthumsthätigkeit , auch dann erzielbar ist, wenn im übrigen die besten Ernährungs- und Wachsthumsbedingungen geboten sind. Anderweitige Erfahrungen (11, Kap. VII) machen es sehr wahrscheinlich, dass solche Regulationen, ausser durch die Quantität der Nahrung, z. B. auch durch Quantitätsdifferenzen (Unterschiedsempfmdungen) bewirkt werden. Bei Berück- sichtigung dieser verwickelten Beziehungen ist es zu verstehen, dass, ausser durch andere Reize, auch durch eine Nährlösung die Keimung von Samen und Sporen veranlasst wird, die ohne eine solche Reizung die Wachsthumsthätigkeit nicht aufnehmen, obgleich in ihnen die nothwendigen Nährstoffe aufgespeichert sind. Die Bedeutung eines Nährstoffes oder der Nährstoffe darf überhaupt nicht allein nach dem Energieinhalt und nach der Verwendung als Baumaterial be- urtheilt werden (I, p. 580). Denn die in den Stoffwechsel gerissenen oxydablen und nicht oxydablen Körper rufen wiederum, wie schon früher (I, p. 15) be- tont wurde, direct und indirect auslösende Wirkungen hervor. Eine dauernde Beschleunigung der Wachsthums- und Productionsthätigkeit durch eine kleine Dosis eines schädlichen Stoffes ergiebt sich aus den, Bd. I, p. 408 angeführten Versuchen. Ein Beispiel für eine transitorische Beschleunigung, die auf eine Wachsthumshemmung folgt, welche durch eine vorübergehende intensivere "^^'irklmg 1) Vgl. Bd. I, §83, 92; sowie Flügge, Mikroorganismen 1896, III. Aufl.. Bd. I, p. 436; H. Zumstein, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 34, p. 174 (Euglena). — Ueber höhere Pflanzen, die auf alkalischem Boden gedeihen, siehe z. B. J. B. Davy, Investjuat. of the native Vegetation of Alkah Lands -1898 (Report of the University of Cahfornia). Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. 11. q 130 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. von Aether erzielt wurde, liel'orn für Keimpflanzen die Versuche von Townsend^). Da der Erfolg von der Versuchsanstellung abhängt, so ist es begreiflich, dass die von verschiedenen Forschern erhaltenen Resultate nicht immer übereinstimmen^). Während es sich in den eben besprochenen Fällen um eine Regulirung des Ihätigen Wachsthums, bei der Erweckung aus der Winterruhe aber und in ana- logen Fällen um eine Abkürzung der Ruhezeit, also um eine physiologische Be- schleunigungsreaction handelt, kommen z. B. die Sporen gewisser Pilze ohne einen äusseren Reiz nie zum Keimen. Nach den Versuchen, die Dr. Duggar'^) in meinem Institut anstellte, keimen u. a. in reinem Wasser die Sporen von Botrv- tis vulgaris, nicht aber die von Aspergillus flavus, niger, Penicillium glaucum, Phycomyces nitens. Da aber in demselben Wasser nach dem Stehen über Paraffin sämmtliche Sporen von Aspergillus flavus und die Mehrzahl der Sporen von Asp. niger einen langen Keimschlauch entwickeln, da ferner von den übrigen genann- ten Pilzen wenigstens ein gewisser Procentsatz bei verschiedenen anderen Ein- wirkungen keimt, so ist damit erwiesen, dass es zum Keimen nur einer geeig- neten Reizwirkung bedarf. Dabei kann natürlich die anregende Wirkung einer Nährlösung mit dem Gonsum der Nährstoffe zusammenhängen. Analoge Verhält- nisse ])ieten die Sporen von Moosen, die im Dunkeln durch Zucker und weniger gut durch Pepton zum Keimen angeregt werden, die am Licht, aber auch in reinem Wasser keimen**). Nach den vorliegenden Erfahrungen-'') lässt sich mit Sicherheit voraussagen, dass die nähere Erforschung der Keimungsbedingungen der Pilzsporen mannig- fache Eigenthümlichkeiten aufdecken wird. Mit der Thatsache, dass die Sporen von Merulius lacrymans *') nur in einem allialischen Medium, die Sporen von Ony- gena equina'^) erst nach der Einwirkung des Magensaltes keimen, ist noch keine tiefere Einsicht gewonnen. Ebenso ist aus dem Umstände, dass die Samen von Orobanche und Lathraea^j nur auf der A\'urzol der Nährpflanze, gewisse PoUen- körner^) nur in der Narbenflüssigkeit keimen, mit Wahrscheinlichkeit zu schliessen, dass es sich imi anregende chemische Reize handelt. Die zahlreichen Vei'suche über den Einfluss chemischer Agentien auf die Keimung anderer Samen '^] haben bis dahin keine wissenschaftlich brauchbaren Resultate zu Tage gefördert. 1) C. 0. Townsend, Annais of Bot. 1897, Bd. H, p. ö22. 2) Siehe u. a. Detmer, Landwirth. Jahrb. -1882, Bd. 11, p. 227; Elfving, Ein- wirkung von Aether u. Chloroform auf Pflanzen 1886, p. 12 (Sep. a. Ofversigt af Finska Vetensk. Soc. Förh. Bd. 28); Tassi, Bot. Jahresb. 1887, p. 27; He ekel ibid. 1889, p. 12; P. Sandsten, Minnesota Botanic. Studies 1898, II. ser., Bd. 1, p. 53. — Ueber den Einfluss von CO.^ siehe z. B. Lopriore, Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, Bd. 28, p. 623. 0. Jensen, Centralbl. f. Bacteriol. 1900, Bd. 6, p. 762 (Hefe). — Ueber den fördernden Einfluss von Eisenweinstein auf Zygnema, Klebs, Unt. a. d. Bot. Institut in Tübingen 1886, Bd. 2, p. 545. — Ueber Beeinflussung der Athmung siehe Bd. I, p. 574. 3) Benecke (Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, Bd. 28, p. 501] erkannte, dass ])ei Mangel von Kalium die Sporen gewisser Pilze nicht keimen. 4) Goebel, Flora 1896, p. 7ö; F. de Forest Heald, Gametophytic Regeneration. Leipz. Dissertat. 1897, p. 54. Vgl. Bd. 11, p. 105, 114. 5) Siehe de Bary, Morphol. u. Biolog. d. Pilze 1884, p. 376. — Ueber Ruhezeiten vgl., auch Bd. II, § 59. 6j R. H artig, D. echte Hausschwamm 1885, p. 25. 7) M. Ward, Philosoph, transact. 1899, Bd. 191, p. 278. Vgl. de Bary, 1. c. p. 376. 8) Siehe die, Bd. 1, p. 351, cit. Lit. u. Heinricher, Jahrb. f. wiss. Bot. 1897, Bd. 31, p. 77. 9) Molisch, Sitzgsb. d. Wien. Akad. 1893, Bd. 102, I, p. 428. Siehe auch Lid- forss, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 33, p. 240. 10) Nobbe, Samenkunde 1876, p. 269; W. Sigmund, Versuchsstat. 1896, Bd. 47, p. 1. § 31. Einfluss des Sauerstoffs auf die Zuwachsbewegung. 131 § 31. Einfluss des Sauerstoffs auf die Zuwachsbewegung. Die in § 30 entwickelten Piincipien gelten auch für den Sauerstoff, dessen allgemeine Bedeutung, unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Wachsens und Gedeihens, in Bd. I, Kap. IX hehandelt ist. Es genügt desshalh, daran zu er- innern, dass das Wachsthum eines jeden aerohen Organismus nur zwischen einer specifisch verschiedenen unteren und oberen Sauerstoffconcentration (Sauerstofl- pressung) möglich ist. Das ziemlich tief liegende Minimum dürfte zumeist bei einem Sauerstoffgehalt der Luft von 0,1 — 3 Proc. zu suchen sein. Die Sauer- stofYdichte bei gewöhnlichem Luftdruck gestattet aber nicht mehr das Wachs- thum der Schwefelbacterien , überhaupt gewisser aerober Organismen, die nur in einem sauerstoffarmen M(^dium ihre Existenzbedingung finden, während bei den im vollen Luftgenuss leidenden Pflanzen das Maximum bei einer Sauerstoif- dichte liegt, die 2- bis 30mal grösser ist, als die der gewöhnlichen Luft (I, §100). DemgemtLSs ergiebt die graphische Darstellung eine specifisch verschie- dene Curve und eine verschiedene Lage des Sauerstoffoptimums sowohl für die Zuwachsschnelligkeit und andere Partialfunctionen, als auch für das Gesammt- gedeihen i). Beachtenswerth ist, dass die Wachsthumsschnelligkeit vieler Pflanzen durch eine Verdünnung der Luft beschleunigt wird. Jedoch scheint mehrfach mit der Bereicherung der Luft an Sauerstoff ein zweites secundäres Optimum aufzutreten. Es ist auch schon früher (I, §100) mitgetheilt, dass die Lage der auf den Sauerstoffeinfluss bezüglichen Cardinalpuncte mit der Entwickelung und nach den übrigen Aussenbedingungen gewisse Verschiebungen erfährt. Ebenso ist dar- gethan, dass und warum eine scharfe Grenze zwischen Aeroben und Anaeroben nicht besteht. Es sei nur wiederum daran erinnert, dass gewisse Anaeroben unter bestimmten Bedingungen bei vollem Luftzutritt gedeihen. Auch fand Chudiakow^), dass Bactridium butyricum, das normalerweise nicht mehr bei einem Luftdruck von \ 5 nmi Quecksilber wächst, sich bei alhuählicher Steigerung des Luftdrucks soweit acconlmodirt, dass es schliesslich bei einem Luftdruck von 50 mm Hg gut gedeiht. Zur Ergänzung der historischen Bemerkungen in Bd. I, p. 582, 551 sei hier mitgetheilt, dass die Beziehungen zwischen Sauerstoffpressung und Zuwachshewe- gung im näheren von P. Bert-^), Wieler^), Jentjs^), Jaccard*^), Fr. Schaible ') 1) Vgl. I, § 105. In Bd. I, p. 583 ist auch schon darauf hingewiesen, dass es zum Keimen der Samen einer höheren Partiärpressung bedarf als zum Wachsen der Keim- pflanze. Vgl. hierüber auch Fr. Schaible, Beitr. z. wiss. Bot. von Fünfstück 1900, Bd. 4, p. 93. — Ueber den Einfluss des Sauerstoffs auf Bewegungen siehe Bd. II, Kap. XII— XV. -2) Chudiakow, Centralbl. f. Bact. 1898, Bd. 4, p. 392. Ueber Accommodation der Aerobien vgl. I, p. 548. 3) F. Bert, La pression barometrique 1878. 4) A. Wieler, Unters, a. d. Bot. Inst, in Tübingen 1883, Bd. I, p. 189. Die Me- thodik ist in dieser und den folgenden Arbeiten nachzusehen. Vgl. auch Bd. I, p. 551. 5) H. Jentys, Unters, a. d. Bot. Inst, in Tübingen 1888, Bd. II, p. 419. 6) P. Jaccard, Rev. g^neral. d. Botan. 1893, Bd. 5, p. 289. 7) Fr. Schaible, Beit. z; wiss. Bot. v. Fünfstück 1900, Bd. 4, p. 93. 9* J32 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. vei'folgt wurden, lieber das Wachsthum der aeroben und anaeroben Bacterien handelt die in Bd. I, Kap. IX angeführte Literatur, sowie die oben citirte Arbeit von Chudiakow. Gesteigerte Sauerstoflfpressnng. Früher (I, p. 3 48) ist bereits dargelegt, dass der Sauerstoff in einer specifisch verschiedenen Concentration giftig und dem- gemäss bei der Annäherung an diese Concentration retartirend auf das Waciis- thuni wirkt. Um aber allein die Beeinflussung des Wachsthums durch die Ver- änderung der Sauerstoffdichte zu verfolgen, muss diese bei Constanz des auf der Pflanze lastenden Gasdruckes verändert werden. Denn durch eine genügende Steigerung des Gasdruckes wird nothwendigerweise, so gut wie durch einen äusse- ren Widerstand (II, § 3 5) eine Verlangsamung und endlich ein Stillstand des Wachsthums bewirkt. Wenn aber Jentys bei Compression von reinem Sauerstolf auf ' ;j — 1/4 des Volumens (was einer Sauerstoffdichte in einer auf 14,2 — 19,2 Atmo- sphären comprimirten Lufl entspricht) vielfach eine Wachsthumshemmung, bei der Compi'ession auf ^/g "^^^ Volumens zmneist eine Schädigung der luftliebenden Pflanzen fand , so ist das wesentlich auf die Wirkung der Sauerstoft'dichte zu schieben. Denn in der gewöhnlichen Luft, die auf ^/ß — '/ß comprimirt ist, pflegt das Wachsthum noch nicht gehemmt, ja sogar zum Theil etwas beschleunigt zu sein (Jaceard), wie das auch der Fall ist, wenn dieselbe Partiärpressung des Sauerstoffes durch die Verwendung von reinem Sauerstoff (unter gewöhnlichem Luftdruck) hergestellt wird (Wie 1er). Ein solches secundäres Maximum ist aber, wie auch Jentys fand, nicht bei allen Pflanzen nachzuweisen. Bei Verininderang' des Lnftdi'nckes tritt in den luftliebenden Pflanzen der Regel nach eine deutliche Wachsthumsbeschleunigung ein, die gewöhnlich den Maximalwerth zu erreichen scheint, wenn die Luft auf Y4 — ^/y verdünnt ist. Unter diesen Umständen wurde die Zuwachsbewegung bei verschiedenen Pflanzen 2- bis 3 mal (Wieler), bei der Kartoffel (Jaceard) sogar 9 mal schneller gefunden, als bei gewöhnlichem Luftdruck. Dieser Erfolg resultirt aus den Wirkungen, die gleichzeitig durch die Herabsetzung des Luftdruckes und die Verminderung der Partiärpressung des Sauerstoffs hervorgerufen werden. Dass schon die Verminderung der Sauerstoffdichte beschleunigend wirkt, lelu-en die Versuche, in denen die Luft mit indifferenten Gasen gemischt, also nur die Partiärpressung des Sauerstotfs vermindert wurde (Wieler, Jaceard). Die nur theihveise übereinstimmenden Angaben über die Bedeutung der beiden Aussenbedingungen lassen vermuthen, dass die Natur der Pflanze, die Ver- suchsdauer u. s. w. von wesentlichem Einfluss sind. Vielleicht fand Wieler bei Verminderung des Luftdruckes desshalb keinen wesentlichen Einfluss, weil er seine Versuche im allgemeinen über eine kürzere Zeit ausdehnte, als Jaceard und Schaible^). Dass dieses entscheidend sein kann, lehrt z. B. die Erfahrung, dass eine Zugwirkung zunächst eine Verlangsamung, weiterhin aber eine Beschleunigung des Wachsthums veranlasst (II, § 36). Möglicherweise berulit sogar der Erfolg der Luftdruckverminderung auf derselben Reizwirkung, da durch die Luftverdünnung die zur Aequilibrirung des Luftdruckes benutzte Turgorenergie disponibel und dem- gemäss die Spannung in der Pflanze entsprechend vermelu't wird. Jedenfalls wirkt aber die Luftdruckverminderung als Reiz. Denn durch die entsprechende Vermehrung der Hautspannung wird nicht rein mechanisch eine Wachsthums- beschleunigung bewirkt (II, Kap. II;. Diese mechanistische Annahme Sc halb le 's (1. c. p. 1 46) beruht aul' einer irrigen Anschauung über die Bedeutung der I) Die Annahme Schaible's (1. c). dass nur die Verminderung des Luftdruckes v?irke, ist jedenfalls irrig, da es nach dem Gesagten für die Sauerstoffconcentration jeden- falls ein Maximum, Minimum und Optimum geben muss. § S2. Formative Erfolge durch chemische Mittel. 133 Turgorspannung bei dem Wachstlmm. Nach dem Gesagten ist kaum zu be- zweifeln, dass sowohl durch die Veränderung des Luftdruckes, als auch durch die Veränderung der Partiärpressung des Sauerstoffes eine Uebergangsreizung bewirkt wird, die bei einer kurzen (transitorischen) Evacuation (Wieler), also bei zu kurzer hiductionszeit nicht bemerklich zu werden braucht. § 32, Formative Erfolge durch chemisclie Mittel, Insofern als durch den chemischen Umsatz im Stoffwechsel sowohl das Baumaterial, als auch die Betriebsenergie geschaffen werden, kann man die ganze Entwickelung und Gestaltung des Organismus als eine Chemomorphose bezeich- nen, die durch die inneren und äusseren, also auch durch die chemischen Be- dingungen in mehr oder minder auffälliger Weise in andere Bahnen gelenkt wird. Das geschieht schon durch die Quantität der Nahrung, denn bekanntlich fällt der Habitus einer Pflanze bei Mangel oder Ueberfluss von Nahrung oft recht verschieden aus^). In beiden Fällen kann u. a. das Blühen unterbleiben. indem das eine Mal die Bildung von Blüthen durch die üppige Entwickelung der vegetativen Theile unterdrückt wird, andererseits im Hungerzustand die Pflanze nicht genügend erstarkt, um Blüthen oder andere Fortpflanzungsorgane bilden zu können (vgl. H, § 24, 57). Die Entwickelung der Fortptlanzungsorgane wird aber nicht selten dann beschleunigt, wenn eine zuvor gut ernährte Pflanze m Nahrungsnoth geräth. Wird das kümmerliche Gedeihen durch andere Ursachen, z. B. durch Gifte u. s. w. bewirkt, so kann, aber muss nicht ein ähnliches Verhalten eintreten wie bei Nahrungsmangel. Ohnehin ist es nicht auffallend, dass dasselbe chemische Agens unter Umständen ganz verschiedenartige Reactionen hervorruft, da der Erfolg immer von den Eigenheiten des Organismus und der jeweiligen Stim- mung dieses abhängt. Desshalb lassen sich kaum allgemeingiltige Regeln für die formative AVirkung eines bestimmten Stoffes aufstellen. Nur soviel ist ge- wiss, dass formative Erfolge sowohl durch Nahrungsmangel und Nahrungsüber- fluss, als auch durch Veränderung der Nährstoffmischung, ferner durch Säuren und Alkalien, durch Gifte, durch Enzyme und specifische Reizstoffe etc. verur- sacht werden 2). Alle diese Mittel und ihre Combinationen werden offenbar auch, wie schon p. '129 betont wurde, indem regulatorischen Innengetriebe ver- wandt, um durch localisirtes Hemmen und Fördern des Wachsthums Neufor- mationen und die besondere Ausgestaltung der Anlagen zu erzielen (vgl. II, Kap. VII). Da aber durch die verschiedene Combination der chemischen Agentien und der anderen Factoren sehr mannigfache formative Erfolge veranlasst wer- den können, so ist man auch nicht gezwungen, besondere, nur einem Einzel- zweck dienende ReizstotTe, für die Bildung von Blüthen, Sporangien etc. anzu- nehmen (II, Kap. VII). 1) Siehe z. B. Frank, Krankheit, d. Pflanzen 1895, II. Aufl., Bd. I, p. 278. 2) Ueber osmotische und andere Einflü.sse vgl. § 33, 34. — Ueber die zum Theil sehr auffällige Beeinflussung animalischer Organismen vgl. 0. Hertwig, Zelle u. Gewebe 1898, p. 124. j^34 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. Pilze. Die auffälligst en Reactionen vollführen begreiflicherweise diejenigen Organismen, die zu weilgehenden Anpassungen befähigt sind und die, wie viele Algen und Pilze, auch in der Natur ihren Formenkreis luu- bei einem entsprechen- den Wechsel der Aussenbedingungen durchlaufen (II, § 57). Ein solcher Wechsel ist nothwendig, um Pilze und Algen zur Production von Fortpflanzungsorganen zu veranlassen, jedoch geht die bezügliche Reizwirkung bei den verschiedenartigen Organismen in zweckentsprechender Weise von verschiedenen Factoren (chemische Einflüsse, Turgescenzzustand, Licht, Wärme, Uebergang in ein anderes Medium) und deren differenten Combinationen aus (vgl. auch II, § 57). Vielfach haben aber chemische Einflüsse eine hervorragende und entscheidende Bedeutung. Ins- besondere werden von den Pilzen öfters durch den Consum von Nahrung, sowie durch die Ansammlung von Stoffwechselproducten die chemisclien Aussenbedin- gungen modiflcirt und dadurch selbstregulatorisch chemische Reizwirkungen ge- schaffen (I, p. 515; II, § 57). Es ist in der That sehr zweckmässig, dass in vielen Fällen schon durch die Abnahme und den Mangel der Nahrung die Bildung von Erhaltungs- vmd Fort- pflanzungsmitteln veranlasst wird. So unterbleibt bei Bacterien, so lange sie reichlich mit Nahrung versorgt sind, die Sporenbildung, die jederzeit durch Nah- rungsmangel hervorgerufen werden kann i). Erst durch Reduction der Nahrung werden auch die Plasmodien der Mjxomyceten ziu' Bildung der Fruchtkörper ver- anlasst 2)^ und ebenso ist der Nahrungsmangel einer der Factoren, die in Saccha- romyces die Sporenbildimg anregen oder befördern'*]. Die Abnahme der Nahrung veranlasst ferner die Bildung der Zygoten bei Basidiobolus ranarum^j und wahr- scheinlich bei verschiedenen Mucorineen, sowie das Auftreten der Zoosporen und Oosporen bei Saprolcgnia^j. An dem Mycelium von Nectria cinnabarina und As- coidea rubescens beginnt die Abschnürung von Conidien erst bei Verminderung der Nahrung (Klebs, 1. c.) , vmd durch diesen Reiz wird Ascophanus carneus zur Production der Ascusfrucht''), Coprinus ephemerus zur Bildung des Hutes veranlasst (Klebs, 1. c). Dei'artige Reactionen treten am besten ein, wenn die dargebotene Nahrung zuvor ein tüchtiges vegetatives \\'aclisen gestattete. Bei allzu spärlicher Nahrung, zum Theil auch dann, wenn die Gegenwart von Säuren, Alkalien, Giften u. s. w. von Anfang an nur ein kümmerliches Wachsen ermöglicht, tritt die Production von Fortpflanzungsmitteln ganz oder theilweise zui'ück. Ein kümmerliches vege- tatives Wachsen ist also vielfach noch unter Bedingungen möglich, in welchen die Pflanze nicht die Fähigkeit gewinnt, weitere Productionen vorzunehmen (Klebs, 1. c. p. 115). Auch in Bezug auf Temperatur, Licht u. s. w. (II, § 22, 24) haben wir bereits gehört, dass Maximum und ^linimum für die vegetative Thätigkeit weiter hinausgeschoben zu sein pflegen, als für die reproductive Thätigkeit. Ana- V, Buchner, Centralbl. f. Bacteriol. 1896, Bd. 20, p. SOG; 0. Schreiber, ebenda p. 431; Ph. Stephanidis, Bot. Centralbl. 1900, Bd. 82, p. 325; Klebs, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 96. 2) Klebs, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 3."), p. 98. 3) Klebs, 1. c. p. 94. Ausserdem begünstigen verschiedene Factoren die Sporen- büdung in der nicht gährthätigen Hefe. Vgl. E. Ch. Hansen, Centralbl. f. Bacteriol. II. Abth., 1898, Bd. 5, p. 1 ; A. Jörgensen, Mikroorganismen d. Gährungsindustrie 1898, IV. Aufl., p. 195; M. W. Beyerinck, Centralbl. f. Bact. II. Abth., 1898, Bd. 4, p. G6-2. — lieber d. Züchtung von asporogenen Rassen vgl. II, Kap. VIIL 4) Raciborski, Flora 1896, p. 129. 5) Klebs, 1. c. p. 91, 102. 6) Ch. Ternetz, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 298. § 32. Formative Erfolge durch chemische Mittel. 135 es gilt für den Sauerstoff, von dem, ebenso wie von der Nahrunp, häufig ein geringeres Quantum ausreicht, um die Bildung der einfacheren Fortpflanzungs- mittel anzuregen , während die morphologisch höher stehenden erst l)ei etwas günstigeren Verhältnissen aufzutreten pflegen (Klebs, 1. c. p. 132). Nach Klehs^) bildet z. B. Spoi'odinia grandis die Sporangien schon in einer Luft, die auf i 5 mm Ouecksilberdruck verdiumt ist, während die Production der Zygotenträger bei 2 0 nmi Druck beginnt, die geschlechtliche Vereinigung dieser aber erst stattfindet, wenn der Luftdruck 60 mm übersteigt, hi diesen und ähnlichen Fällen wird die Bildung der Zygoten also nicht durch den Mangel an Sauerstoff verursacht 2), der aber den Uebergang des Plasmodiums der M^xomyceten in gewisse Dauerzustände veranlasst oder begünstigt. In den anaei'ol)en Bacterien wird vermuthlirh gerade der Zutritt von Sauerstoff die Formirung von Sporen oder anderen Dauerzuständen veranlassen. Es wird also nicht nur durch die absolute Menge (Concentration) der Nah- rung, sondern auch durch den Wechsel der Nahrungsmenge ein ansehnlicher Ein- fluss auf die formative Thätigkcit ausgeübt. Ein solcher Erfolg tritt im allge- meinen bei aUseitiger (gleichmässiger) Verminderung der Nahi'ung ein , jedoch scheint in manchen Fällen gerade die localisirte Abnahme, also eine inhomogene Vertheilung der Nahrung besonders anregend zu wirken (Klebs 1900, 1. c. p. 92; Bd. I, p. 137). Ausser der Quantität ist auch die Qualität der Nahrung von wesentlicher Be- deutung. So wächst z. B. nach Klebs (1890, 1. c. p. 111) Saprolegnia ausge- zeichnet in Fleischextract, Pepton, Gelatine, bildet aber keine Fortpflanzungsorgane. Dagegen wird in diesem Pilz durch Leucin, Glutamin und reichliche Versorgung mit Phosphaten die Bildung der Oogonien befördert. Ausserdem ist aus den obigen Bemerkungen über Säuren, Alkalien und Gifte, sowie aus zahlreichen Be- obachtungen von Klebs und anderen Forschern zu ersehen, dass die formative Thätigkeit nicht nur durch ernährende, sondern auch durch andere Stoffe in ver- schiedener Weise beeinflusst wird. Alle diese und andere Beeinflussungen erstrecken sich aber nicht nur auf die reproductive, sondern auch auf die vegetative Thätigkeit 3). Es ist in der That leicht zu sehen, dass die Pilze sich auf verschiedenen Nährmedien etwas und zum Theil erheblich verschieden gestalten. Besonders auffallend geschieht dieses bei Mucor racemosus und einigen anderen Mucorarten, die im Innern einer Zucker- lösung (während sie Gälu-ung verursachen) in der Form liefeartiger Sprossungen wachsen, an der Oberfläche der Nährlösung aber, sowie auf Brot und anderen festen Nährböden sogleich wieder zu der sporangienbildenden Form zurückkehren. Diese Hefeform tritt aber nicht nur (bei vermindertem Sauerstoffzutritt) im Inneren einer gährenden Flüssigkeit auf, sondern wird ferner mehr oder w^eniger deutlich bei der Einwirkung von Citronensäure , sowie unter verschiedenen anderen Be- dingungen gebildet"*). Ausser Mucor werden verschiedene (aber nicht alle) Pilze 1) Klebs, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. S-2, p. 6G. 2) Wie das von van Tieghem u. einigen Forschern angenommen wurde. Vgl. Klebs 1900, 1. c. p. 133. 3) Ausser den schon citirten Arbeiten finden sich diesbezüghche Untersuchungen z. B. bei Matruchot, Rech. s. 1. developpement d. Mucedin. 1892; Bachmann, Bot. Ztg. 1893, p. 107; Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 34, p. 3-22; L. Planchon, Annal. d. scienc. naturell. 1900, VIH. ser., Bd. 1 1, p. 1 ; C. Werner, Die Bedingungen d. Conidienbildung bei einigen Pilzen, Dissert. 1898. Ueber Myxomycet. N. Ensch, Notes s. 1. Myxomycetes 1899. 4) Siehe Klebs, Bedingungen d. Fortpflanzung 1896, p. 309 u. die hier citirte Literatur. Vgl. auch Bd. I, p. 561. ]^36 Kap. VI. Die Beeinflussung der VVachstliumsthätigkeit etc. theilweise durch dieselben, theilweise durch andere Einwirkungen zur Forniirung hefeähnUchcr Sprossungen veranlasst i). Andererseits ändert sich auch die Gestal- tung der Saccharomyces-Arten^j bei verschiedenen Ernährungsverhältnissen und Culturbedingungen, dui'ch die ferner die Form mancher Bacterien^j in sehr auf- fälliger Weise modificirt wird. Für Alg'en hat Klebs verschiedene morphogene Beeinflussungen festgestellt. So wird z. B. in Conferva die Bildung der Zoosporen (im Dunlceln) durch die \ proc. Lösungen von Inulin, Amygdalin, Aesculin, nicht aber von Traubenzucker, Rohrzucker angeregt ^j. Ferner unterlässt Hydrodictjon (1. c. p. 144) schon in 0, '2 proc. Knop'scher Nährlösung (I, p. 413) die Formation von Zoospoi'en, die dann bei der Uebertragung in Wasser schnell entstehen^). Aehnliche Beziehungen finden sich bei Vaucheria (1. c. p. 116), Chlamidomonas (1. c. p. 432) etc. Auch ist bei den Algen, ähnlich wie bei den Pilzen, zur Bildung der Fortpflanzungsmittel liäufig eine höhere Sauerstoffpressung nöthig. So wächst Vaucheria repens (1. c. p. 1 1 7) noch bei einem Barometerstand von 3 mm, bildet aber erst bei 1 8 mm normale Sexualorgane. Phauerogameu. Ueber die morphogenen und anatomischen Erfolge des all- gemeinen oder partiellen Hungerzustandes, sowie der Einwirkung einzelner Salze vgl. Frank, Krankheiten der Pflanzen 1895, II. Aufl., Bd. I, p. 278. Ferner Dassonville, Rev. general. d. Botan. 1896, Bd. 8, p. 284; G. Bonnier, Compt. rend. 1897, Bd. 125, p. 794; G. H. Pethvbridge, Beitr. z. Kenntniss d. Ein- wirkung d. anorgan. Salze, Göttingen 1899; Teodoresco, Rev. general. d. Botan. 1899, Bd. 1 1 , p. 445 (Kohlensäuremangel); P. Gottschery, Annal. d. scienc. naturell. 18 99, VIII. ser., Bd. 9, p. 61. Ueber die Beeinflussung der Cystolithen durch den Mangel an Ca und Si vgl. Bd. I, p. 427, 430. — Ueber Salzpflanzen siehe Bd. II, § 33. 1) Klebs, 1. c, ferner Zopf, Pilze 1890, p. 17; Scho stakowitsch, Flora 1893, Ergänzungsband p. 362; Raciborski, Flora 1896, p. 126. 2) E. Gh. Hansen, Compt. rend. d. Laboratoire d. Carlsberg 1900, Bd. ä, p. -l ; Jörgensen, Mikroorganismen d. Gährungsindustrie IV. Aufl., '1898, p. 195 u. die an diesen Stellen citirte Lit. 3) Flügge, Mikroorganismen 1896, III. Aufl., Bd. I, p. 32, 430, 478 etc.; Migula, System d. Bact. 1897, Bd. I, p. 173, 212 u. die hier citirte Lit. — Für Essigbacterien Hansen, Centralbl. f. Bacteriol. II. Abth. 1895, Bd. I, p. 36; Compt. rend. d. Labor, d. Carlsberg 1900, Bd. 3, p. 39; W. Henneberg, Centralbl. f. Bact., II. Abth., 1898, Bd. 4, p. 16. 4) Klebs, Bedingungen d. Fortpflanzung 1896, p. 351. — Vgl. auch G. Senn, Bot. Ztg. 1899, p. 97, Einfluss von Sauerstoff auf die Coloniebildung. — Ueber die Bedeutung chemischer Reize für die Bildung der Copulationsschläuche siehe Bd. II. Kap. XII. — An dem ungenügend ernährten Prothallium der Farne unterbleibt ebenfafls die Bildung der Sexualorgane. Prantl, Bot. Ztg. 1881, p. 734. 5) Nach B. E. Livingstone (Botan. Gazette 1900, Bd. 30, p. 289) wirkt in solchem Sinne bei Stigeoclonium nur der Wechsel der osmotischen Leistung der Lösung. § 33. Beeinflussung der Zuwachsbewegung durch den Turgescenzzustand. 137 Abschnitt VII. Einfluss des Wassergehaltes und des Turgescenzzustandes. § 33. Beeinflussung der Zuwachsbewegung. Das Wachsthum ist in hohem Grade von der AVasserversorgung und dem Wassergehalt abhängig. Denn schon eine geringe Senkung des Turgors verur- sacht eine erhebliche Verlangsamung der Zuwachsbewegung (des Flächen wach s- thums der Zellhaut), die mit Aufhebung der Turgorspannung der Zellmembran zum Stillstand kommt und vielfach schon vor dem gänzlichen Schwinden der Turgorspannung aufzuhören scheint, so dass gewelkte Pflanzen nur noch langsam oder gar nicht wachsen '). Ebenso bewirken die Verminderung und die Aufhebung der Turgorspannung durch die osmotische Wirkung einer (indifferenten) Salzlösung eine Verlangsamung und eine Aufhebung des Flächenwachsthums der Zellhaut 2). Dieses Wachsthum wird also durch die Aufhebung der Turgorspannung, sowie durch gewisse an- dere Eingriffe in den immerhin noch wasserreichen Zellen ausgeschaltet, in welchen Athmung und andere Stoffwechselprocesse fortschreiten (I, p. 576), in denen u. a. auch um den plasmolysirten Protoplasten eine neue Zellhaut gebildet wird (T, § 84). Die Pflanzen sind aber in sehr ungleichem Maasse befähigt, auf osmotisch wirksamen Losungen zu gedeihen. Während viele Pflanzen schon nicht mehr auf Lösungen fortkommen, die 1 — 2 Proc. NaCl enthalten oder die mit einer solchen Lösung isosmotisch sind, wachsen manche Pilze und Algen noch in Lösungen, die 17 — 20 Proc. NaCl enthalten 3). Desshalb werden auch gewisse Organismen in der Natur noch in Salzseen gefunden, deren Wasser nahezu mit NaCl gesättigt ist (Lit. bei Stange, 1. c), und gewisse kleine Algen sieht man in gesättigten Lösungen von Kaliumnitrat auftreten. Eine solche Anpassungsfähigkeit wird, wie schon mitgetheilt ist (I, p. 415), durch eine entsprechende Stoffaufnahme oder durch die selbstthätige Turgor- regulation ermöglicht. Vermöge dieser wird in den Pflanzen, wenn sie in 1) Ueber die Bedeutung des Turgors für das Wachsthum vgl. II, Kap. II. — Aus Bd. I, p. 143 ist zu ersehen, dass Sporen etc. in feuchter Luft nur durch Thaubildung die_zum Keimen nothwendige Wassermenge gewinnen können. 2) Siehe z. B. de Vries, Mechan. Ursache d. Zellstreckung 1877, p. 57; Klebs, Unters, a. d. Bot. Inst, zu Tübingen 1886, Bd. 2. p. 489; Wieler, Ber. d. bot. Gesellsch. 1887, p. 375; Stange, Bot. Ztg. 1892, p. 253; True, Annais of Bot. 1895, Bd. 9, p. 3G5; Beinhardt, Bot. Festschrift f. Schwendener 1899, p. 431. — Die Salzlösung gelangt vom Wurzelsystem allmählich auch in die in Luft ragenden Theile. 3) Näheres Bd. I, p. 414 u. in den dort citirten Arbeiten von Eschenhagen, Stange, Oltmanns, Richter, Bruhns, Fischer, Klebs. Von neuer Literatur nenne ich noch L. Errera, Bullet, d. l'Academ. royale d. Belgique 1899, p. 93; A. Ya- suda, Jour. Coli. Sc. Imp. Univ. Tokyo 1900, Bd. 13, p. 101 (Flagellaten, Infusorien); A. Pettersson, Archiv f. Hygiene 1900, Bd. 37 (Bacterien). 138 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. eine concentrirtere Lösung kommen, die osmotische Energie des Zellinhaltes ge- steigert und die frühere Tnrgorspannung der Zellhaut ganz oder theilweise wieder hergestellt. Diese Ausgleichung wird zwar von manchen Pflanzen ziem- lich schnell ausgeführt, jedoch veranlasst selbst bei diesen ein plötzlicher Wechsel der Concentration eine gewisse Störung und eine transitorische Verlangsamung oder Sistirung des AVachsthums'). Dieser Erfolg wird ebenso bei plötzlicher Zunahme, als bei plötzlicher Abnahme der Concentration erzielt. Im ersteren Falle kann dann vorübergehend Plasmolyse auftreten, während eine Zersprengung gewisser Organismen eintritt, wenn durch starke Verdünnung der umgebenden Lösung die Turgorspannung der Zellhaut zu weitgehend gesteigert wird 2). Eine solche Zersprengung erfahren Bryopsis, Derbesia schon beim Versetzen in Qwell- wasser, während andere in Flussmündungen wachsende Meeresalgen darauf an- gewiesen sind, bei dem Wechsel von Ebbe und Fluth den Uebergang aus salzigem in süsses Wasser und umgekehrt täglich durchzumachen. Es fehlt aber auch nicht an Pflanzen, die zwar zu einer allmählichen Accommodation befähigt sind, bei plötzlichem Wechsel indess so geschädigt werden, dass sie absterben ■^). Ausserdem wird nach Errera^) Aspergillus niger durch fortgesetzte Cultur auf hochconcentrirter Lösung derart adaptirt, dass die Sporen befähigt sind, sogleich auf hochconcentrirten Lösungen zu keimen, und dass diese Befähigung bei der Rückführung auf eine verdünnte Lösung erst allmählich ausklingt. Je nach der Transpiration und der Wasserversorgung (I, Kap. VI) sind ferner ^) Stange. Bot. Ztg. 1892, p. 235; Richter, Flora 1892, p. ,^ö; Oltmanns , Jahrb. f. wiss. Bot. 1891. Bd. 23, p. 370; Flora 1895, p. 47: True, Annais of Bot. 1895. Bd. 9, p. 366. — Vgl. auch Bd. II. § 8. 2) Vgl. Bd. I, p. 415 und Eschenhagen, Einfluss von Lösungen verschieden. Concentration auf Schimmelpilze 1889, p. 35 (Pilze); Noll. Arbeit, d. Bot. Inst, in Würz- burg 1888, Bd. 3, p. 522 (Algen ; B. Lidforss, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 33, p. 247 Pollenkörner); A. Fischer, Zeitschr. f. Hygiene u. Infectionskrankheit. 1900, Bd. 33, p. 1. — Em Zerplatzen tritt z. B., ohne dass die Concentration der umgebenden Lösung ge- ändert wird, in mancheni Pollenschläuchen ein. nachdem diese eine gewisse Grösse erreicht haben. Ferner tritt nach A. Fischer (1. c.) nach dem Uebertragen von Bac- terien in eine concentrirtere Lösung vielfach eine Zersprengung (Plasmoptyse nachFischer I. c. p. ö] ein, die von A. Fischer (Jahrb. f. wiss. Bot. 1895. Bd. 27, p. 73 unter solchen Bedingungen auch an Infusorien beobachtet wurde. Die Annahme von Fischer (1. c), die Zersprengung sei die Folge des osmotischen Ueberdrucks, der durch das schnelle Eindringen der Salzlösung ei'zeugt werde, ist nicht zulässig, da auch durch die schnellste Diosmose doch nur die Ausgleichung derPotentialdiflerenz und somit die Wiederherstellung des früheren Turgescenzznstandes erzielt werden kann. Sofern die Zersprengung wirk- lich nur durch einen gesteigerten osmotischen Druck verursacht wird, könnte dieser aber z. B. dadurch zu Stande kommen, dass das Wachsthum retardirt wird, die Production osmotisch wirksamer Substanz aber noch fortdauert, also nicht entsprechend regulirt oder vielleicht sogar beschleunigt wird. In derselben Weise dürfte das oben erwähnte Zersprengen von Pollenschläuchen zu deuten sein. (Vgl. II, § 71.) 3) Vgl. A Richter. Flora 1892, p. 54 (Algen); Stahl, Bot. Ztg. 1884, p. ler, (Plasmodien); Karsten, Diatom. d. Kieler Bucht 1899, p. 152; M. Massart, Archiv, d. Biologie 1889, Bd. 9, p. 547 (Bacterien); A. Fischer, 1900, 1. c. (Bacterien). Vgl. II, S 71. — Beispiele, dass gewisse Zellen sich nicht plasmolysiren lassen und durch Salz- lösungen getödtet werden, bei Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleist. 1893, p. 307; Reinhardt, Botan. Festschrift für Schwendener 1899, p. 438. 4) L. Errera, Bullet, d. l'Academ. royal. d. Belgique 1899, p. 95. Ueber Nach- wirkungen vgl. 11, § 5(5, 61, 65 u. s. w. § 34. Formative Erfolge durch den Turgescenzzustand. 139 der Turgescenzzustand und damit die Zuwachsbewegung der Landpllanzen er- heblichen Schwankungen unterworfen, die beim Welken bis zu dem Einstellen des Wachsthums gehen. Das Gedeihen unter solchen Umständen lehrt, dass solche Schwankungen ertragen werden. Indess dürfte bei schnellem Wechsel ebenfalls eine transitorische Wachsthumsstürung eintreten, die Godlewski i) be- obachtete, als er eine plötzliche Steigerung der Transpiration veranlasste. Naturgemäss wird bei einer bestimmten Wasserversorgung die ausgiebigste Wachsthumsthätigkeit, Productionsthätigkeit etc. erzielt 2). Denn eine zu reich- liche Wasserzufuhr kann z. B. durch Injection der Intercellularen u. s. w. hemmend wirken, und zudem ist nicht nur der Turgescenzzustand, sondern sind auch die Transpiration und die hiermit verknüpfte Wasserbewegung von physiologischer Bedeutung. Weiter ist schon früher (I, p. 415) hervorgehoben, dass für das Ge- deihen eine bestimmte Goncentration der Nährlösung am günstigsten ist und dass z. B. die obligaten 31eeresalgen nicht mehr fortkommen, wenn die osmo- tische Wirkung des Salzwassers unter einen gewissen Werth sinkt. § 34, Formative Erfolge. Wir haben hier nicht auf die bekannte und geographisch wichtige That- sache einzugehen, dass in der Natur die Entwickelung und der Character der Vegetationsdecke in hervorragendem Grade durch die gebotenen Wasser- und Feuchtigkeitsverhältnisse beherrscht werden ^). Uebrigens ist früher (I, Kap. VI) der Eigenschaften und Einrichtungen gedacht, durch welche die Pflanzen be- fähigt sind, mit dem aufgenommenen Wasser mehr oder weniger öconomisch zu walten, und bei dieser Gelegenheit ist auch darauf hingewiesen, dass die maassgebenden Eigenschaften, je nach den Aussenbedingungen, bis zu einem gewissen Grade zweckentsprechend ausgebildet werden. So hörten wir, dass an trockeneren Standorten die Cuticula stärker und damit die Transpiration verringert (I, p. 221), ferner die Ausbildung der Leitbahnen durch die ge- steigerte hianspruchnahme gefördert wird (I, p. 198). Auch die Hemmung des Wachsthums-*) durch unvollkommene Turgescenz (ungenügende Wasserver- sorgung) hat eine selbstregulatorische Bedeutung, da mit dem Kleinbleiben der Pilanze die Oberfläche reducirt und damit der Wasserverlust durch Transpiration vermindert wird. Hierdurch nehmen diese Pflanzen bis zu einem gewissen Grade den Character von Xerophyten an, bei denen andererseits die typischen Charac- tere mehr oder minder abgeschwächt werden , wenn sie bei reichlicher Wasser- zufuhr üppiger wachsen. 1) Godlewski, Anzeig. d. Acad. d. Wissensch. zu Krakau 1890, p. 170. 2) Wollny, Forsch, a. d. Gebiete d. Agriculturphysik 1897, Bd. 20, p. ,")6; Ad. Mayer, Journal f. Landwirthsch. 1898, p. 167. — Vgl. auch Bd. I, p. 190, 217. 3) Vgl. u. a. Schimper, Pflanzengeographie 1898, p. 3. — Siehe auch dieses Buch II, § 70. 4) Vgl. Sorauer, Bot. Ztg. 1873, p. I4ö; 1878, p. 1; de Vries, Landwirth. Jahrb. 1877, Bd. 6, p. 896; Frank, Krankheit, d. Pflanzen IV. Aufl., 189.;, Bd. I, p. 22; Wollny, Forschung, a. d. Gebiete d. Agriculturphysik 1897, Bd. 20, p. 56 u. die an diesen Stellen cit. Lit. — Siehe auch dieses Buch Bd. II, p. 1 15. ]^40 Kap. VI. Die Beeinflussung der VVachsthumsthätigkeit etc. Anpassungen sind immer nur in gewissen Grenzen müglich und besonders dann, wenn diese weit gezogen sind, darf man auf auffällige formative Re- actionen rechnen. Bei manchen amphibischen Pflanzen (Ranunculus fluitans, Sagittaria, gewissen Algen etc.) ist z. B. die Landform so verschieden von der Wasserform, dass man zwei distincte Arten vor sich zu haben glaubt. Ferner ändert sich bei manchen Wasserpflanzen die formative Thätigkeit in auf- fallender Weise an den aus dem Wasser hervortretenden Theilen. So sind die Schwimmblätter von Ranunculus aquatilis, Nuphar luteum, Potamogeton natans, die Luftblätter von Sagittaria ganz anders gestaltet als die Wasserblätter, die allein gebildet werden, so lange die Pflanze von Wasser bedeckt ist^j. Unter diesen Umstjinden, also in zu tiefem Wasser, pflegen Blüthen, die normalerweise über AVasser treten, selbst dann nicht zur Entfaltung zu kommen, wenn ihre Anlage unter Wasser gebildet wird 2). Ebenso unterbleibt bei verschiedenen niederen Pflanzen unter AVasser die Bildung derjenigen Fortpflanzungsorgane, die normal ausserhalb des Wassers (Substrates) entstehen. Das gilt z. B. für die Conidien von Aspergillus niger, für die Sporangien von Mucor, Pilobolus etc., die auch innerhalb eines festen Sub- strates sich nicht bilden, während z. B, bei Saprolegnia alle Fortpflanzungs- organe unter Wasser formirt werden-^). Aehnliche Eigenthümlichkeiten und Ver- schiedenheiten kann man u. a. auch bei Moosen 4) beobachten. Weiter wird ohne einen Wechsel des umgebenden Mediums, nur durch die Abnahme des Wassergehaltes, bei Plasmodien von Myxomyceten, bei Vaucheria, Botrydium etc. die Bildung von besonderen Dauerzuständen veranlasst, die be- fähigt sind das Austrocknen ausziüialten^). Bis zu einem gewissen Grade ge- hört hierher auch die Erfahrung, dass Phanerogamen , die an feuchten Stand- orten nicht blühen, bei Verminderung der Wasserzufuhr, wohl in Folge der reducirten Entwickelung der vegetativen Theile, zur Bildung von Blüthen schreiten ß). 1) Lit. bei Askenasy, Bot. Ztg. -1870, p. 193; H. Schenck, Biolog. d. Wasser- gewächse 1886; Goebel, Pflanzenbiol. Schilderung. 1893, II, p. 283; Organographie 1898, I, p. 224; Wächter, Flora 1897, p. 367. Nach F. Brand (Botan. Centralbl. 1894, Bd. 07, p. 168) bildet Nuphar luteum unter 12 C. keine Schwimmblätter. 2) Vgl. z. B. Schenck, L c. p. 112; Goebel 1893, L c. p. 369. 3) Lit. Klebs, Bedingungen d. Fortpflanzung 1^96, p. 453, 472; Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 32; 1900, Bd. 3;j, p. 113; J. Ray, Rev. general. d. Bot. 1897. Bd. 9, p. 257; Fr. Gräntz, Einfluss d. Lichts auf einige Pilze 1898, p. 61; C. Werner. Die Bedingungen der Conidienbildung bei einigen Pilzen, Dissert. 1898; H. Bach mann, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 34, p. 322; Ch. Ternetz, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 298; (L. Celakovsky, Bot. Centralbl. 1900, Bd. 83, p. 292.) 4} Ueber formative Beeinflussungen bei Laub- u. Lebermoosen vgl. H. Schenck, I. c. p. 49; Lorch, Flora 189'., p. 424; Goebel, Organographie 1898, p. 225. 5) Vgl. über diese und anderweitige formative Reactionen, deBary, Morphol. u. Biol. d. Pilze 1884, p. 460 (M-^^xomyceten). — Ueber andere Pilze siehe die in der Anmerk. 3 citirten Abhandlungen. Für Algen etc. vgl. Cienkowski, Melang. biolog. de Bullet, d. l'Academ. d. St. Petersbourg 1876, Bd. 9, p. 537; Rostafinski u. Woronin, Bot. Ztg. 1877, p. 660; Stahl, Bot. Ztg. 1879, p. 129; Klebs, Bedingungen d. Fortpflanzung 189(5, p. 223. 331 etc.; [L. Matruchot u. L. Molliard, Compt. rend. 1900, Bd. 131, p. 1248 (Stichococcus); B. E. Livingstone, Botanic. Gazette 1900, Bd. 30, p. 289.) 6) Vgl. auch II, p. 104. — Ueber Nothreife des Getreides etc. siehe Frank, Krank- heiten d. Pflanz. 1895, Bd. I, p. 267. I § 34. Formative Erfolge durch den Turgescenzzustand. 141 In vielen Fällen liegt ohne Frage die nächste fasshare Ursache der Per- ception in einer Modification des Turgors, der indess bei dem Wachsthum nicht nur als mechanische Dehnkraft in Betracht kommt (11, Kap. II). Ausserdem wird z. B. die Verstärkung der Leitbahnen wahrscheinlich durch die Wasserbewegung sowie die weitere Ausbildung der Cuticula vermuthlich durch die Transpira- tion und die mit ihr verketteten Bewegungen veranlasst. Nach dem Unter- tauchen in Wasser kann ausserdem die Einschränkung der Sauerstoffzufuhr etc. ein entscheidender Factor werden. Beachtet man aber, dass den Ranken eine Unterschiedsempfmdung für den festen und flüssigen Aggregatzustand zukommt (II, Kap. XII), so muss man die Möglichkeit zugeben, dass ein anderes Object eine Unterschiedsempfindung für den flüssigen und gasförmigen Aggregatzustand oder auch für verschiedene Flüssigkeiten besitzt. Ausserdem mag in manchen Fällen aus der ungleichen Beeinflussung (Turgorsenkung u. s. w.^) verschiedener Theile (durch eine Unterschiedsempflndung) eine Reizwirkung hervorgehen, und zweifellos entspringt der Erfolg öfters aus der Combination einiger der obigen und noch anderer Factoren. Demgemäss ist es oft schon schwierig, die zur Reaction führenden Ausseneinflüsse zu präcisiren. Es ergiebt sich dieses auch aus den folgenden Betrachtungen, in welchen wir naturgemäss nicht eine Auf- zählung der verschiedenen formativen Reactionen liefern, die, wie immer, auf uns unbekannten inneren Qualitäten beruhen. Durch eine Turgorverminderung wird jedenfalls eine Wachsthumsverzögerimg bewh'kt. Dagegen muss ein anderer Factor verursachen, dass die völlig turges- cente Wurzel von Landpflanzen in Luft und ebenso in Wasser etwas langsamer wächst, als im Erdboden, während in diesem umgekehrt das Wachsthum der WasserwurzeJn von Lemna, Hvdrocharis, Azolla verzögert wird 2). Aus den Ver- suchen von Wakker geht wenigstens soviel hervor, dass diese Erfolge nicht durch eine ungenügende Sauerstoffzufuhr veranlasst werden. Durch diese wird aber unter Umständen eine Wachsthumshemmung in den untergetauchten Stengeln von Landpflanzen verursacht 3), da diese nicht so gut eine genügende Menge von Sauer- stoff aus dem Wasser zu gewinnen vermögen. Eine auffällige Wachsthumshemmung durch das Hervortreten aus dem Wasser findet sich bei Hydrocharis morsus ranae, Ranunculus sceleratus, Marsilia quadri- iblia etc., bei welchen der Blattstiel eines Schwimmblattes das Wachsthum einstellt, nachdem die Lamina auf die Oberfläche des Wassers gelangt ist. Erhöht man das Wasserniveau, so dass die Lamina sich wiederum unter Wasser befindet, so wird der Blattstiel von neuem zu einem entsprechenden Wachsthum veranlasst'*). Da diese durchaus zweckentsprechende Reaction auch in dampfgesättigter Luft ein- tritt, so kann sie nicht wohl auf Transpiralion und Turgorsenkung beruhen. Es ist aber auch noch zweifelhaft, ob diese Reaction, wie Karsten nachzuweisen 1) Ueber wechselseitige Wasserentziehung vgl. Bd. I, p. 194. 2) Sachs, Arbeit, d. Bot. bist, in Würzburg 1874, Bd. I, p. 409, ä89; Wakker, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 77. 3) Siehe z. B. Frank, Cohn's Beitr. z. Biol. 1872, Bd. I, p. 76; Vöchting, Organ- bildung 1878, p. 131 ; Wakker, 1. c. Nach A. P. Maze, Annal. d. l'Institut Pasteur 1900, Bd. 14, p. 250 keimen nicht alle Samen unter Wasser. — Vgl. Bd. I, Kap. V. 4) Frank, Cohn's Beitr. z. Biol. 1872, I, p. 31 ; Karsten, Bot. Ztg. 1888, p. .166; Goebel, Pflanzenbiol. Schilderungen 1893, p. 311. — An diesen Stellen finden sich auch Mittheilungen über die Verlangsamung des Wachsens an den in Luft ragenden Theilen anderer Wasserpflanzen. 142 Kap. VI. Die Beeinflussung der Waclisthumsthätigkeit etc. sucht, durch die Veränderung der Sauerstoffzulühr i) oder durch andere Momente veranlasst wird, die sich aus dem Uebergang von Wasser in Luft ergeben. Da schon die Bedeckung der Blattfläche mit einer dünnen Wasserschicht das Wachs- thum des Blattstieles anregt, so können der Wasserdruck (vgl. II, § 35) und der durch den Auftrieb bewirkte mechanische Zug (vgl. II, § 36) nicht wohl als Reiz- ursachen in Betracht kommen. Ebensowenig sind die Reizursachen präcisirt , durch welche die Bildung von Schwimm- und Luftblättern oder andere formative Vorgänge veranlasst werden. Erwähnt mag hier sein, dass in AVasserpflanzen bei normaler Lebensweise das Durchlüftungssystem, Schwinnnblasen etc. gewöhnlich besser ausgebildet werden, als bei Aufenthalt in Luft 2). Ferner wird im allgemeinen diu'ch Wasser, auch schon durch feuchte Luft, die ausgedehnte oder localisirte Bildung der verschie- denen Arten von Aerenchym begünstigt ^). Dagegen fällt in Luftblättern die ana- tomische Differencirung (Pallisadengewebe etc.) unvollkommener aus, wenn sie durch Aufenthalt in feuchter Luft oder unter Wasser den normalen Verhältnissen (Transpiration etc.) entzogen werden-^). Auffällige und je nach den Anpassungen specifisch verschiedene Reactionen finden sich auch bei den Pilzen. Bei Sporodinia grandis, sowie bei Penicillium, Aspergillus u. s. w. unterbleibt nach Klebs^) die Bildung von Sporangien unter Wasser und ebenso in dampfgesättigter Luft, weil die Transpiration als Bildungs- i'eiz wirkt. Diese ist aber nicht für die Production der Zygoten nöthig, deren Bildung in dampfgesättigter Luft gefördert wird, so dass Sporodinia je nach den Feuchtigkeitsverhältnissen zur Bildung von Sporangien oder Zj^goten veranlasst werden kann. Dagegen wird nach Klebs (1. c. p. 62) die Bildung der Conidien von Eurotium (vgl. Bd. I, p. 4 15) hauptsächlich durch eine Beschränkung der Wasserzufuhr veranlasst. Da aber bei gewissen Pilzen die Conidien, Sporangien etc. normal unter Wasser auftreten, ist es nicht auffallend, dass nach H. Bach- mann ß) Mortierella vanTieghemi die Luftsporangien ohne Transpiration, d. h. in völlig 4) Ueber den Einfluss der Sauerstoffpressung auf das Wachsthum vgl. II, § 31. 2) Schenck, Jahrb. f. wiss. Bot. 1889, Bd. 20, p. 326; Goebel, Organographie 1898, I, p. 224. 3) Schenck, 1. c. p. 526; Goebel, Pflanzenbiol. Schilderung. 1893, p. 236; Wieler, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 31, p. 519; v. Tubeuf, Forstl. naturw. Zeitschr. 1898, p. 319; H. Devaux, Annal. d. scienc. naturell. 1900, VIII. ser., Bd. 12, p. 221. 4) Eberdt, Ber. d. Bot. Ges. 1881, p. 371; Kohl, Transpiration d. Pflz. 1886, p. 94, 114; P. Lesage, Compt. rend. 1894, Bd. 118, p. 233; Bonnier, Annal. d. scienc. naturell. 1894, VII. s6r., Bd. 20, p. 350; Junger, Bibhothec. botan. 1895, Heft 32, p. 1. — Anderweitige anatom. Angaben z. B. ferner bei de Bary, Vergl. Anat. 1877, p. 639; Kohl, I.e. p. 91; R. Keller, Biol. Centralbl. 1898, Bd. 18, p. 241 ; Wollenweber, Bot. Centralbl. 1898, Bd. 74, p. 184; E. Jahn, Fünfstück's Beitr. z. wiss. Bot. 1897, I, p. 281; Lazniewski, Flora 1896, p. 260; Schimper, Pflanzengeographie 1898, p. 20 u. s. w. — In den cit. Schriften (z.B. Goebel, Organographie 1898, p. 226) sind auch Thatsachen über die Beeinflussung d. Bildung von Stacheln, Haaren etc. durch Feuch- tigkeit mitgetheilt. Ueber Haare vgl. auch Bd. I, p. 138. 3) Klebs, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 61; 1900, Bd. 33, p. 115; Ch. Ter- netz, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 298. — Ueber die Bedeutung d. Transpiration für Wachsthum vgl. Bd. I, p. 217; B. Schmid, Bot. Centralbl. 1898, Bd. 76. p. 302. Da sich nach Celakovsky (Bot. Centralbl. 1900, Bd. 83, p. 292) die Sporangien, Conidien etc. auch beim Einwachsen in Oel, also bei Ausschluss von Transpiration büden, so muss der Uebergang in das fremde Medium (wie auch bei Hydrocharis etc.) noch in anderer Weise als Reiz wirken. 6) H. Bachmann, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 34, p. 323. — Vgl. Klebs 1900, 1. c. p. 122. § 34. Formative Erfolge durch den Turgescenzzustand. 143 dampfgesättigter Luft erzeugt. Diese Reactionen hängen wie immer von den anderweitigen Bedingungen ab, durch welche die jeweilige Stimmung modificirt und durch deren Variation unter Umständen ähnliche Reactionen wie durch den Einfluss der Feuchtigkeitsverhältnisse erzeugt werden (vgl. II, §20, 21). Bei- spiele hierfür liefern denn auch die citirten Arbeiten, aus denen u. a. zu ent- nehmen ist, dass durch die Sauerstoffpressung die Bildung der Sporangien bei Sporodinia in geringez-em (K 1 e b s) , bei Mortierella in erheblicherem Grade (Ba c h- aiann) beeinflusst wird. Die Beobachtungen in der Natur lehren schon, dass das Leben in ^\'asser oder auf feuchtem Substrat die formative Thätigkeit der Algen beeinflusst. Be- lege hierfür finden sich in den p. 140 citirten Studien, in welchen auch die zum Theil sehr auffälligen formativen Aendei'ungen behandelt sind, die Algen durch die osmotische Wirkung von Lösungen erfalu'en. Erwähnt mag hier werden, dass z. B. Vaucheria durch die Ueberfülu'ung von feuchtem Boden in Wasser zur Pro- duction von Zoosporen angeregt wird, dass in fliessendem Wasser aber die Bildung der Sexualorgane zu unterbleiben pflegt i). In diesen, wie in anderen Fällen bleibt dann zu entscheiden, ob das fliessende Wasser durch den mechanischen Zug (II, §3 6) oder in anderer Weise durch die Bewegung und die hiermit verknüpften Verhältnisse als formativer Reiz wirkt (vgl. II, § 57)2). Die Feuchtigkeitsverhältnisse können natürlich die Neubildung und die Forl- bildung eines Organes in verschiedenem Maasse beeinflussen. So werden bei ge- wissen Wasserpflanzen die Blüthen in Wasser angelegt, aber nicht entfaltet, wäh- rend in anderen Fällen durch Untertauchen in Wasser die Fortbildung der in Luft entstandenen Anlagen beeinträchtigt wird 3). Weiter wird z. B. durch Wasser- mangel die Bildung der Wurzelanlagen nicht in solchem Grade gehemmt, wie das Auswachsen dieser Anlagen^). Da bei der Einwirkung von Salzlösungen die Gesammtheit der Aussenbedin- gungen sich anders gestaltet, als bei der Herabsetzung des Turgors durch Tran- spiralion, so fallen in beiden Fällen die formativen Effecte nicht selten auch dann mehr oder weniger vei'schieden aus, wenn die gelösten Salze nur osmotisch, also nicht durch ihre chemische Qualität wii'ken. Ich muss mich hier darauf be- schränken, auf die Notizen in Bd. I, p. 415 und im übrigen auf die zahlreichen Einzelangaben in der Literatur zu verweisen^). I) Klebs, Bedingungen d. Fortpflanzung 189«, p. 223. ä) Vgl. u. a. Klebs, I.e. p. 441 (Hydrurus); Goebel, Pflanzenbiol. Schilderung. 1893, II. Theil, p. 441. 3) Vgl. z. B. F. Gräntz, Einfluss d. Lichts auf einige Pilze 1898, p. 61. — Dagegen wird das Auswachsen von Wurzelanlagen im Wasser gefördert. 4) Vöchting, Organbildung i. Pflanzenreich 1878, p. 125 u. 142; Pfeffer, Arbeit, a. d. Bot. Inst, in Würzburg 1871, Bd. I, p. 97. 5) Ausser der I, p. 415 citirten Lit. nenne ich von inzwischen erschienenen Arbeiten Schimper, Pflanzengeographie 1898. p. 98; Diels, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 308; Dassonville, Rev. general. d. Botan. 1898, Bd. X, p. 15; R. Otto, Ber. bot. Gesellsch. 1899, p. 139; M. Eberhardt, Compt. rend. 1900, Bd. 131, p. 193, 513; J. Beau- verie, Compt. rend. 1901, Bd. 132, p. 226. Ausserdem vielfache Angaben, aucli über niedere Pflanzen, in den in diesem Abschnitt, ferner in den § 32 citirten Arbeiten über chemische Emflüsse, die ja oft mit den osmotischen Eingriffen zusammengreifen. Von älterer Lit. über Algen sei noch hingewiesen auf Famintzin, Melang. biologiqu. Petersbourg 1871, Bd. 8, p. 226. 144 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. Abschnitt VIII. Beeinflussung des Wachsens durch mechanische Eingriffe. § 35. Mechanische Wirkungen. Abgesehen davon, dass durch einen genügenden mechanischen Widerstand die Ausführung des angestrebten Wachsens unmöglich gemacht wird, werden durch Zug, Druck, Erschütterungen u. s. w. je nach den Eigenheiten der Pflanze verschiedenartige Reizwirkungen ausgelöst. Die wachsthumsthätige Pflanze vermag übrigens gegen eine hemmende VViderlage eine hohe Druckwirkung zu entwickeln, wie schon die Erfahrung lehrt, dass ein eingeklemmter Stamm, eine eingeklemmte Wurzel u. s. w. schwere Steine fortzuschieben und sogar Felsstücke abzusprengen vermögen. Diese mecha- nische Aussenleistung wird erzielt (vgl. II, p. 34), indem dann, wenn die Wider- lage die Vergrösserung der Zelle unmöglich macht, das Flächenwachsthum der Zellwand noch fortschreitet und hierdurch, unter allmählicher Entspannung der Zellhaut, die Turgorenergie gegen die Widerlage gelenkt wird. Ist durch die totale Entspannung der Zellhaut die ganze Turgorenergie übertragen, so ist der höchste Aussendruck erreicht, den zartwandige Zellen und Gewebe zu bewirken vermögen, während dickwandige Zellen durch ein actives Wachsen der Zell- w'and eine fernere Steigerung der Aussenleistung zu Stande bringen können i). Für die bis daliin gemessenen Di-uckwirkungen reicht die Turgorenergie aus, die in wachsenden Zellen zumeist der osmotischen Leistung einer 1,5 — 4proc. Lösung von Kaliumnitrat entspricht, also 4,3 — 15 Atmosphären (ca. 4 — 15 Kilo pro 1 cm 2] beträgt (I, p. 129). Diese Turgorenergie erfährt bei der mechani- schen Hemmung des AVachsthums vielfach keine Veränderungen (z. B. in der Wurzel von Zea mais, in Spirogyra, Chara), während sie u. a. in der Wurzel von Faba vulgaris um ca. ^j-^ zunimmt, so dass auf diese Weise die Befähigung zu einer höheren Aussenleistung gewonnen wird. Wenn diese z. B. nur auf 6 Atmosphären steigt, so würde doch schon ein 10 cm dickes und 100 cm langes Wurzel- und Stengelstück nach aussen einen Gesammtdruck von 6000 Kilo aus- üben und man versteht desshalb, dass die oben erwähnte Verschiebung und Sprengung von Steinen erzielt werden können. Da die Aussenleistung mit der Grösse der drückenden Fläche steigt, so wird der Aussendruck mehr und mehr zunehmen, wenn sich z. B. die in einen Spalt eingedrungene Wurzel durch das ihr mögliche Wachsthum verbreitert und die Druckfläche ausserdem durch das Auswachsen von Seitenwurzeln vermehrt wird. Bei geringer Grösse der wirksamen Fläche ist allerdings die absolute Druckleistung nicht ansehnlich. Jedoch reicht z. B. ein Druck von 300 Gr., wie er durch die Querschnittsfläche 4) Näheres über dieses wie das Folgende bei Pfeffer, Druck- und Arbeitsleistung durch wachsende Pflanzen 1893. § 33. Mechanische Wirkungen. 145 einer Keimwurzel von Faba entwickelt wird, aus, um, wenn ein seitliches Aus- biegen unmüglich ist, zu bewirken, dass die Spitze der Wurzel in eine wider- standsfähige Masse (z. B. in eine Kartoffelknolle] eindringt und in dieser fort- wächst'). Die Entwickelung des Druckes gegen eine unverrückbare Widerlage geht ver- schieden schnell, im allgemeinen aber mit einer allmählich nachlassenden Schnellig- keit von statten. In der Wurzel von Faba und in 'anderen schnell wachsenden Organen pflegt die Aussenleistung nach 2 — 4 Tagen nicht mehr weit von dem Maximum entfernt zu sein. Dass aber der Aussendruck allmählich noch weiter ansteigt, beweist schon der Umstand, dass der umhüllende Gipsverband zuweilen erst nach 2 — 3 Wochen gesprengt wird. Dieser Gang der Reaction beruht darauf, dass das die Aussenleistung regulirende Flächenwachsthum der Zellhaut mit zunehmender Entspannung mehr und mehr verlangsamt, übrigens öfters schon vor der totalen Entspannung sistirt wird (vgl. II, p. 32). Ist die Reaction von einer Turgorschwellung begleitet, so pflegt diese schneller von statten zu gehen und nach wenigen Tagen auf dem Hühepvmct angekommen zu sein. In principieller Hinsicht wird nichts geändert, wenn die Widerlage nicht aus einer todten Masse, sondern aus lebendigem Gewebe besteht, wie das bei der Ausbildung der Gewebespannung, also dann der Fall ist, wenn die Aussen- leistung der positiv gespannten Gewebe gegen die negativ gespannten Gewebe gerichtet ist. Nach dem Einschliessen in einen Gipsverband wird, ebenso wie in einem spannungslosen Gewebe, der Druck gegen die todte Widerlage durch das Entspannen der Zellwände erzielt. Gleichzeitig nimmt die Spannungsdifferenz zwischen den Geweben mehr und mehr ab und schwindet ganz, sofern das Maximum der theoretisch müglichen Aussenleistung erreicht wird (vgl. II, p. 38 u. 72; Pfeffer, 1. c. p. 426). Bei Entfernen der Widerlage ward die frühere Gewebespannung sowie in der einzelnen Zelle die frühere Turgorspannung hergestellt. Dieses geschieht plötzlich, wenn z. B. die AVurzel die Widerlage sprengt, und es ist desshalb w'ichtig^ dass die Zellwand w^ährend der Ent- spannung die Fähigkeit bewahrt, der vollen Turgorspannung zu widerstehen (II, p. 31). Nachdem der Aussendruck bis zur Aequilibrirung des Widerstandes ange- schw^ollen ist, vermag das wachsende Organ die Widerlage unter einer entsprechen- den Arbeitsleistung vor sich her zu schieben. Jedoch wird bei grösserer Inan- spruchnahme die Zuwachsschnelligkeit ebenso gut verlangsamt, wie der Gang eines Menschen, der eine grössere Last auf einen Berg zu tragen hat. Eine solche Verlangsamung ist indess nicht nöthig, wenn die zu hebende Last nicht zu gross ist. In analoger Weise vermag eine Pflanze, unter regulatorischer Stei- gerung des Energieaufwandes, in der bisherigen Sclmelligkeit fortzuwachsen, oli- gleich sie für dieselbe Wegstrecke eine grössere Arbeit zu leisten hat. In der That wird die Wachsthumsschnelligkeit der Wurzel selbst durch den Widerstand eines zäheren Bodens nicht nennenswerth beeinflusst. Denn die Keimwurzel von Faba, die einen maximalen Aussendruck von 300 — 400 gr entwickelt, wächst in einem Lehmboden, der einen Widerstand von 100—120 gr entgegensetzt, fast 1) Vgl. II, Kap. XIII, XVII, Pfeffer, 1. c. p. 362; Peirce, Bot. Ztg. 1894, p. 169. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. H. 10 146 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. ebenso schnell wie in Wasser i). Ferner wird nach Krabbe 2] das Dickenwachs- thum unserer Bäume wohl durch einen Gegendruck von i 0 — 1 5 Atmosphären, nicht aber durch einen solchen von 2 — 4 Atm. verlangsamt. Durch die mechanische Hemmung des Wachsens lassen sich natürlich be- sondere Gestaltungen erzielen. So wird ein Stengel, eine Wurzel in einem engen Spalte abgeflacht, weil die angestrebte Wachtsthumsthätigkeit nur soweit zur Ausführung kommt, als es die Widerlage erlaubt. Einer Kürbisfrucht lässt sich demgemäss, wie es die Chinesen seit alter Zeit ausführen, eine beliebige Gestalt aufdrängen, wenn man sie im jugendlichen Zustand in eine Form leitet, die sie mit dem Fortwachsen, analog wie eine sich einpressende plastische Masse, aus- füllt 3). Mit der Unterdrückung des formativen Wachsens wird naturgemäss auch die Zelltheilung und die innere Ausgestaltung unmüglich gemacht. Im Gips- verband verharren desshalb das Urmeristem, das Cambium u. s. w. in einem unthätigen Zustand und die schon in Differencirung begriffenen Zellen fallen etwas verschieden, zum Theil etwas kleiner aus"^). Auch ist schon (II, § 12) darauf hingewiesen, dass der Zell- und Kerntheilung eine bestimmte Orien- tirung vorgeschrieben wird, wenn durch den mechanischen Widerstand das Wachs- thum nur in einer bestimmten Richtung ausführbar ist. Methodisches. Die Thatsache , dass Fig. 22. Pflanzen eine hohe Aussenleistung zu Stande bringen, ist schon lange bekannt, eine cau- sale Einsicht in diesen physiologischen Pro- cess wurde indess erst durch meine Unter- suchungen gewonnen^). In diesen Studien wurde die Hemmung des Wachsthums zu- meist durch die Anlegung eines Gipsver- bandes erzielt, eine Methode, die fernerhin vielfache Verwendung gefunden hat. Mit Hinweis auf die Beschreibung der Tech- nik in meiner Arbeit, besclu'änke ich mich darauf anzudeuten, wie die Druckleistun- gen ei'mittelt wurden. In Fig. 22 ist die Wurzel w der Keimpflanze, die sich in dem Topfe a in Sägespähnen h befindet, in 1) Pfeffer, 1. c. p. 328, 422 u. das letzte Kap. dieses Buches. — Siehe auch Wakker, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 90. — Die irrige Annahme, die Wachsthumsschnel- ligkeit der Wurzelspitze werde bei mechanischer Hemmung des Wachsens in der Streck- ungszone beschleunigt, habe ich in Jalirb. f. wiss. Bot. -1895, Bd. 27, p. 481 corrigirt. 2 Krabbe, Wachsthum d. Verdickungsringes u. d. Holzzellen 1884, p.äö, 60; Fried- rich, Bot. Ztg. 1897, p. 371. — Ueber die Spannungsintensität d. Rinde vgl. II, § 18. 3) Vgl. Pfeffer 1893, 1. c. p. 267. 4) Pfeffer 1893, 1. c. p. 336; Newcombe, Effect of mechanic. resistance on the growth. Leipzig. Dissert. 1893; Annais of Botan. 1894, Bd. 8, p. 403; Botanic. Ga- zette 1894, Bd. 19, p. 149; Krabbe, Wachsthum d. Verdickungsringes u. d. Holzzellen 1884. p. 50, 60. Vgl. auch Bd. II, § 9, 12. — Dass die Bildung der Jahresringe nicht eine Folge einer veränderlichen Druckwirkung ist. ergiebt sich aus II, § 61. 5) Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893; Studien zur Energetik d. Pflanze 1892. §35. Mechanische Wirkungen. 147 den Gipsguss c, die Wurzelspitze aber in den separirten Gipsguss d eingeschlossen. Dieser, den die wachsende Wurzel fortzustossen strebt, wirlvt gegen die Feder l und, wenn diese genügend stai'k gewählt wird, ist schon nach einer geringen Com- pression der Feder ein Gegendruck entstanden, de'' das fernere Wachsthum hemmt. Die Grösse dieser Compression und damit die Höhe des Längsdi-uckes ergiebt sich aus der Annäherung der Nadelspitzen /", die mikrometrisch mit dem Ablesemikroskop (Fig. 6, p. 22) controlirt wird. Zur Messung des Querdruckes (Fig. 2 3) lässt man den beweglichen Theil des Gipsgusses [d] gegen die Feder l wirken. Die verschiedenen Schrau- ben (^r) in Fig. 22 und 23 dienen zur Befestigung von Apparattheilen , zur Herstellung des gewünsch- ten Druckes zu Beginn des Versuches u. s. w. In meiner Arbeit (p. 2 61) ist auch angegeben, in wel- cher Weise während des Wachsthums ein constan- ter Widerstand unterhal- ten werden kann. Die Turgorverhältnisse wurden durch die übliche plasmolytische Methode er- mittelt (I, § 24). Die Entspannung der Zellwand ergiebt sich u. a. schon daraus, dass sich eine soeben eingegipste Wurzel bei der plasmolytischen Aufhebung der Turgordehnung in der Gipsform erheblich vei'kürzt, dass aber keine Verkürzung eintritt, nachdem die Wurzel 2- 1. c. p. 311). Wasserdruck. Fig. 23. -3 Tage in dem Gipsguss verweilt hat (Pfeffer, verlan, I, p. 135. 4) E. Ch. Hansen, Meddelelser fra Carlsberg Laboratoriet 1882, Bd. I, Französ. Referat p. 94. — Ueber Beeinflussung d. Gährung durch Schütteln siehe H. Buchner u. R. Rapp, Zeitschr. f. Biolog. 1899, N. F. Bd. 19, p. 108 u. dieses Buch Bd. I, p. 566. 5) J. Ray, Rev. general. d. Botan. 1897, IX, p. 254. — Unter den mitwirkenden Factoren ist in allen solchen Experimenten auch die Eliminirung der einseitigen Schwer- kraftwirkung zu beachten. Vgl. Bd. II, § 29. 6, Reinke, Pflüger's Archiv f. Physiol. 1880, Bd. 23, p. 434. — Uebrigens werden von manchen Forschern auch gewisse chemische Reactionen, so die Wirkung von Enzymen durch Uebertragung der Schwingungen, also durch Mittönen erklärt. Vgl. Bd. I, p. 500. 154 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthumsthätigkeit etc. Verwundung wird, wie in manchen anderen Fällen, durch Stimmungswechsel, correlative Einflüsse etc. eine verwickelte Reaction erzielt. Beachtenswert!! ist, dass schon die mechanische Hemmung der angestrebten Wachsthumsthätigkeit ähnliche correlative Wirkungen hervorruft wie das Abschneiden eines Organes (II, § 45). Dass unter Umständen aber, in Verbindung mit correlativen Be- ziehungen, schon ein sehr geringer Druck die Bildungsthätigkeit hemmen kann, dafür liefert die Callusbildung ein schönes Beispiel. Nach Tittmann i) wird nämlich an beiden Schnittflächen eines Sprossstückes von Populus gleich leicht Callus gebildet, dieser erscheint aber nur an der in die Luft ragenden Schnitt- fläche, wenn sich das andere Ende in lockerem Sand befindet. Dass dieser aber nicht durch den mechanischen AViderstand, sondern durch eine Reizwirkung die Bildungsthätigkeit hemmt, geht daraus hervor, dass der Callus in dem Sande gebildet wird, wenn man das Hervorwachsen an der anderen Schnittfläche durch einen Gipsverband unmöglich maclit. In diesem Falle wirkt also der Druckunterschied als ein Reiz, der verursacht, dass die Wachsthumsthätigkeit nur nach der Seite des geringeren AViderstandes aufgenommen wird. Solche und andere Unterschiedsempfindungen spielen offenbar bei der Regulation des Getriebes und der Neubildungsthätigkeit vielfach eine hervorragende Rolle (vgl. II, Kap. VII). Durch die wirklich angestrebte Wachsthumsthätigkeit wird aber immer eine grosse Druckenergie entwickelt (II, § 35), und dieserhalb vermag z. B. der best anschliessende Gipsverband nicht die Anlage, wohl aber das Aus- wachsen der Seitenwurzeln zu verhindern 2). Offenbar wird auch durch eine verwickelte Reaction verursacht, dass, wie NolP) fand, an einem gekrümmten Wurzelstück die Seitenwurzeln nur auf der Convexseite entstehen, während die schon vor der Krümmung vorhandenen Wurzelanlagen auch auf der Concavseite auswachsen. In dieser Weise reagiren nach Noll auch die Rhizoiden von Mucor und anderen Pilzen, während an ge- krümmten Stengeln höherer Pflanzen eine allseitige Production von Wurzeln ein- tritt. Jedoch macht sich nach Vöchting^) an gekrümmten Stengeln vielfach ein gefördertes Auswachsen der auf der Convexseite stehenden Knospen be- merklich. Wenn nun auch thatsächlich auf der Convexseite eines gekrümmten Sprosses in Folge der vermehrten Zugspannung eine Verstärkung der Zellwan- dungen eintritt (II, § 36), so können doch die soeben erwähnten Reactionen nicht einfach durch die Spannungsverhältnisse veranlasst werden, wie schon das gleichsinnige Verhalten des einzelligen 3Iucor und einige Versuche Noll 's mit Wurzeln lehren. Da alle diese verschiedenen Reactionen durch mechanische Eingriffe verursacht werden, so kann man generell von Mechanoniorphosen^), Mechanotropismus etc. und in Bezug auf den Auslösungsvorgang von mechanischen Beizen reden. Mit Rück- sicht auf das besondere Empfindungsvermögen (auf die Reizbedingungen) wurden 1) Tittmann, Jahrb. f. wiss. Bot. ISQÖ, Bd. 27, p. 169. 2) Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen ^893, p. 356. 3) Noll, Landwirth. Jahrb. 1900, Bd. 29, p. 422. 4) Vöchting, Organbildung 1878, I, p. 194; 1884. II, p. 45. 5) Herbst hat diese Bezeichnung freilich auf die durch Zug und Druck erzielten Erfolge beschränkt; vgl. Bd. I, p. 20 Anmerk. § 38. Traumatische Einflüsse. 155 Zugreize, Tastreize, Erschütterungsreize unterschieden (II, p. 150). Aus dem Mit- getheilten ist aber zu ersehen, dass noch anders geartete Sensibilitäten ausgebildet sind, jedoch scheint es derzeit nicht geboten, besondere Kunstausdrücke einzu- führen. Die speciell durch die Berührung mit einem festen Körper, also durch Contactreizung ei'zielten Ileactionen kann man mit Verworn^j als Thigmotropis- mus und Thigmomorphosen, mit Errera^j als Haptotropismus oder Haptomorphosen bezeichnen. § 38. Traumatisclie Einflüsse. Bei einer Verwundung sind die äusseren Eingriffe nur das Mittel, um die Verletzung und damit die Bedingungen für die traumatische Reizung und Re- action herzustellen. Der Anstoss für diese liegt also in der Störung des bis- herigen localen oder allgemeinen Gleichgewichtszustandes, und vermöge der Be- fähigung zu einem selbstregulatorischen, zweckentsprechenden Walten wird durch die hervorgerufenen Reactionen im allgemeinen eine thunlichste Beseitigung der herbeigeführten Störungen angestrebt (I, Kap. I; II, Kap. VII). Da schon die schwächste Verletzung eine gewisse Störung verursacht, so wird sie ebenfalls eine, wenn vielleicht auch unmerkliche Reaction veranlassen. Nach einer stär- keren Verwundung treten aber häufig sehr auffällige Reactionen ein, die sich oft von der Wundstelle aus ausbreiten und unter Umständen fernere Organe in Mitleidenschaft ziehen. Die sich an der Wundstelle einstellenden Reactionen sind, wie zu erwarten, auf Schutz und Heilung des verletzten Organes und in Verbindung hiermit zum Theil auf Ersatz und Regeneration berechnet (II, Kap. VII). Diesen Aufgaben entsprechend wird an einem durchschnittenen Plasmodium einfach das fehlende Stück der Hautschicht (I, § 17), an einem durchschnittenen Faden einer Vau- cheria das fehlende Stück der Zellwand ergänzt (I, § 84 ; II, Kap. II), während sich nach dem Zerschneiden ,einer Spirogyra, eines Haares u. s. w. die Quer- wand, die nun zur Aussenwand wird, dem entsprechend ausbildet. (Vgl. z. B. I, § 21, 38.) In Geweben sterben die verletzten Zellen gewöhnlich ab, die physiologische Reaction tritt also in den an die Wunde grenzenden lebendigen Zellen ein, dehnt sich aber häufig auf benachbarte oder auf ferner gelegene Zellen aus. In man- chen Fällen beschränkt sich die Reaction auf die Veränderung (Cuticularisirung etc.) der durch den Schnitt freigelegten Zellwände, sehr gewöhnlich wird aber ein Abschluss durch die Erzeugung einer Korkschicht erzielt, die entweder ohne eine auffällige Wachsthumsthätigkeit oder in dem zunächst producirten Callus entsteht. In dieser Gallusbildung begegnen wir einer durch die Verwundung angeregten Wachsthumsthätigkeit, die oft sehr weitgehend, z. B. bis zur Aus- füllung von Wunden, bis zur Regeneration der entfernten Theile fortschreitet und die nicht selten ein Gewebe liefert, aus dem Wurzeln, Knospen etc. erzeugt \) Verworn, Psycho-Physiolog. Protistenstudien 1889, p. 90. 2) Errera, Bot. Ztg. 1884, p. 584 Anmerk. — Sachs (Flora 1893, p. 9 Anmerk. hat Piesotropismus vorgeschlagen. Loeb (Heliotropismus d. Thiere 1889, p. 28) nennt speciell die bestimmte Richtung gegen das Substrat Stereotropismus. 156 Kap. VI. Die Beeinflussung der Wachsthunasthätigkeit etc. werden^). Alle diese Wachsthums- und Bilduiigsproces.se sind zugleich ein Zeug- niss für die Modification der Stoffwechselthätigkeit. die sich auch durch die erheb- liche Steigerung der Athmung (I, § 104) und der AVärmeproduction (II, Kap. XVI] kundgiebt. Diese und andere Reactionen treten aber auch in Zellen und Geweben ein, in denen vermöge ihrer Eigenschaften oder in Folge der mechanischen Hemmung kein Wachsthum stattfindet. Ferner kann man unter diesen Um- ständen u. a. die Beschleunigung oder die Veränderung der Bewegungen im Pro- toplasten (II, Kap. XV; über Amitose vgl. II, p. 48), die Bildung von Wundgummi (I, § 84) etc. constatiren. Auch die Veränderung der Stoffwechselthätigkeit bleibt nicht auf die Wund- stelle beschränkt. Vielmehr breiten sich die Steigerung der Athmung und der Protoplasmaströmung nicht selten erheblich aus, obgleich eine Wachsthums- reaction gar nicht oder nur an der Wundstelle eintritt. Werden aber durch Entfernen von Organen, durch Unterbrechung der Leitbahnen u. s. w. Störungen der Functionen und der wechselseitigen Beziehungen herbeigeführt, dann pflegen Wachsthumsreactionen auch fern von der Wunde einzutreten. So muss das Abschneiden der nahrungbereitenden Blätter unvermeidlich das Wachsthum der Wurzeln beeinträchtigen, und es ist bekannt, dass durch die Beseitigung von Organen in der Nähe und in der Ferne Reactionen veranlasst werden, die auf den Ersatz des Fehlenden abzielen (II, Kap. VII). Naturgemäss muss man be- strebt sein, die durch den Mangel eines Organes hervorgerufenen, überhaupt die secundären Erfolge von der eigentlichen Wundreaction zu trennen, wenn es auch in der Natur der Sache liegt, dass eine sichere Abgrenzung nicht immer möglich ist. In allen Fällen handelt es sich um physiologische und regulatorisch wirk- same Reactionen, die auch unter den natürlichen Vegetationsbedingungen viel- fach durch Verletzungen, bis zu einem gewissen Grade auch durch das natür- liche Ausschalten und Absterben von Zellen und Organen erweckt werden. Wie immer sind aber auch die Reactionen auf künstliche Eingriffe ein wichtiges Mittel, um Einblicke in die potentielle Befähigung und in die regulatorische Ver- kettung und Wechselwirkung der Organe (und Zellen) in der intacten Pflanze zu gewinnen. In diesem Sinne werden die traumatischen Reactionen in Kap. VII eine ausgedehnte Verwendung finden. Indess ist es nicht unsere Aufgabe, die mannigfachen traumatischen Erfolge ihrer selbst halber zu behandeln, vielmehr nuiss in dieser Hinsicht auf die Lehrbücher der Pflanzenkrankheiten und auf die schon citirte Literatur verwiesen werden. Da die traumatischen Reactionen durch die Störungen in dem Com- plex der bisher wirksamen Factoren veranlasst werden (vgl. II, Kap. VII), so lassen sich nur bei Berücksichtigung dieses Complexes diejenigen Factoren prä- cisiren, deren Verschiebung die Modification der Thätigkeit verursachte. Zu diesen Factoren gehören auch alle die Verhältnisse (Stoffaustausch, Transpi- ration etc.), die durch die peripherische Lage bedingt sind. Wie hierdurch 1) Vgl. Frank, Krankheiten d. Pflanze II. Aufl., 1892, Bd. I, p. 31; Sorauer, Pflanzenkrankheiten 1886, II. Aufl., Bd. I, p. 533; Rechinger, Verh. d. zool. Bot. Ges. 1893, p. 310; Mäule, Bibhoth. botan. 1895, Heft 33; Peters, Zur Kenntniss d. Wund- holzbildung 1897; J. Massart, La cicatrisation chez les vegetaux 1898; E. Küster, Flora 1899, p. 142. — Weitere Lit. ist an diesen Stellen citirt. § 38. Traumatische Einflüsse. 157 normalerweise die besondere Gestaltung der Oberhaut etc. veranlasst wird, so darf man z. B. auch die Ausbildung der Guticula an den durch die Verwundung freigelegten Zellen auf diese Factoren schieben. Ferner werden durch die Modification der Gewebespannung bei dem Zer- schneiden Reizwirkungen ausgeübt (II, §§ 36, 37) und mechanische Hemmungen auf- gehoben. Sofern letztere die Ausführung des angestrebten Wachsthums un- möglich machten, wird nach der Beseitigung des Widerstandes von neuem die Wachsthumsthätigkeit aufgenommen, wie dasu. a.nach dem Isoliren des Markes aus ausgewachsenen, jugendlichen Stengeln der Fall ist (II, p. 73). Es ist auch ver- ständlich, dass das Cambium, das nach Vollendung des Längenwachsthuins eines Stengels nur Dickenwachsthum vermitteln konnte, an der Querschnittsfläche des Stengels Freiheit gewinnt und zur Bildung des Gallus hervorwächst '). Jedoch kommen hierbei auch besondere Reizwirkungen in Betracht. Denn thatsächlich werden vielfach durch die Verwundung einzelne Zellen oder Gewebe zum Wachs- thum angeregt, die in der intacten Pflanze ruhten, obgleich ihnen kein mecha- nisches Hinderniss entgegenstand (II, Kap. VII. Vgl. auch die II, p. 154 bespro- chene Unterschiedsempfindung). Das gilt auch in Bezug auf die Thyllen, die erst erscheinen, nachdem das Holz ein gewisses Alter erreicht hat, oder wenn durch Verletzung ein Bildungsreiz ausgeübt ist 2), obgleich das Lumen der Trachee längst als freier Raum zur Verfügung stand. So wie wir nicht die näheren Ursachen anzugeben vermögen, die es be- dingen, dass ein Organ normalerweise sich bestimmt gestaltet und dass eine specifi- sche Gewebedifferencirung hergestellt wird, ebenso wissen wir auch nicht, warum im näheren eine Verletzung die formative Thätigkeit in andere Bahnen lenkt und z. B. im Callus, im Wundholz eine bestimmte Differencirung verursacht. Nur soviel ist gewiss, dass es immer, unter normalen und abnormalen Verhält- nissen, auf das bestimmt geregelte Zusammengreifen verschiedener Factoren an- kommt und dass desshalb bei der Verwundung durch die Unterbrechung des bisherigen Zusammenhanges u. s. w. eine Verschiebung der Bedingungen und der Reactionen eintreten muss. In diesem Sinne tritt uns auch eine ver- wickelte Reaction in der Korkbildung entgegen, die zum Theil durch eine Verletzung angeregt wird. Denn dass nicht schlechthin die Herstellung einer freien Oberfläche die Korkbildung veranlasst, lehren schon die korkfreien Blätter, die an Intercellularräume stossenden reactionsfähigen Gewebe u. s. w. Auch ist es bekannt, dass z. B. ein Korkabschluss gegen einen eingestochenen Holzstab, aber nicht gegen die Saugwurzeln eines eindringenden Parasiten entsteht (Massart, 1. c. p. 29), dass ferner die Pflanze vielfach auch in Binnengeweben Korkschichten erzeugt. Damit ist natürlich völlig vereinbar, dass die normale oder trauma- 1) lieber Callusbildung vgl. die in der Anmerk. 1 citirte Literatur. 2) Vgl. Frank, 1. c. p. 35; Mäule, I. c; Massart, 1. c. p. 43; Warburg, Ber. d. Bot. Ges. ■ISGS, p. 427; Bd. II, p. 51. — Es sei hier auch erinnert an das Hinein- wachsen von Zellen in andere Zellen, wie es bei manchen Algen, bei dem Durch- wachsen des Zoosporangiums von Saprolegnia, bei der Bildung von Ersatzrhizoiden aus inneren Gewebezellen derj Marchantiaceen zu Stande kommt. Vgl. Kny, Die Ver- wachsungen an d. Wurzelhaaren d. Marchantiaceen, Sep. a. Sitzungsb. d. Botan. Ver- ehis d. Prov. Brandenburg 1879, Bd. 31, H. Dixon, Notes from the Botanic. School of Trinity College Dublin 1901, p. 141 u. die an dieser Stelle cit. Lit. Nordhausen, Jahrb) f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 372. ]^58 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. tische Korkbildiing unter Umständen durch die Transpiration ') oder durch ein anderes Agens veranlasst oder begünstigt wird. Aus dem Gesagten und aus den noch mitzutheilenden Thatsachen (II, Kap. VII) ergiebt sich, dass in den verschiedenartigen traumatischen Reactionen, abgesehen von den besonderen formativen Erfolgen, ebensowohl Verzögerung als Beschleu- nigung der Wachsthumsthätigkeit beobachtet wird 2]. Als ein Beispiel sei erwähnt, dass das Streckungswachsthum der decapitirten Keimwm'zeln 3j nur massig ver- langsamt wnrd, während in dem Cotyledon von Avena sativa nach dem Abschnei- den der Spitze eine erhebliche, aber nur transitorische Retardirung des Wachs- thvmis eintritt-*). Nach Townsend^) bewirkt eine Verletzung der Keimwurzel nach einiger Zeit eine Wachsthumshemmung in dem Spross der Keimpflanze, auf die weiterhin eine transitorische Beschleunigung zu folgen pflegt. Hierdurch wird er- reicht, dass an der weiter entwickelten Pflanze kein wesentlicher Grössenunterschied zwischen den intacten und den einst massig verletzten Pflanzen zu finden ist 6). Begreiflicherweise wird bei dem einzelligen Pbycomyces nitens durch das Durch- schneiden von Mjcelfäden in dem Sporangiumträger eine erhebliche Retardirung des Wachsthums verursacht, die aber ebenfalls bald überwunden wird (Tow^nsend, 1. c. p. 52 7). Kapitel YII. Die inneren Ursaclien der specifischen Gestaltung. § 39. Allgemeine Orientirung. Eine jede physiologische Leistung ist ein Erfolg, der durch die Eigenthätig- keit im Organismus erzielt wird. Somit ist das causale Verständniss der forma- tiven V^^achsthumsleistungen an die Aufhellung des Innengetriebes gekettet, denn mit der besten Kenntniss der Aussenbedingungen werden nur die äusseren Fac- toren gekennzeichnet, durch welche die ausführende Innenthätigkeit ermöglicht, und bis zu einem gewissen Grade modificirt wird. Es kann aber nicht zweifelhaft sein, dass sich der besondere Verlauf der Ontogenese des Ganzen und der 1) Kny, Bericht, d. Bot. Gesellsch. 1889, p. 134. 2) Ueber Traumatropismus vgl. II, Kap. XIII. — Bei der Gallenbildung handelt es sich nicht um einen einfachen traumatischen Reiz (II, § 48). 3) Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1893, Bd. 27, p. 24ß. 4) Rothert, Cohn's Beitr. z. Biolog. 1896, Bd. 7, p. 202. Nach M. Scholtz (ibid. 1893, Bd. 6, p. 331) wird das Wachsthum der Blüthenstiele von Cobaea scandens durch das Abschneiden der Blütbenknospe sistirt. 5) C. 0. Townsend. Annais of Botan. 1897, Bd. 11, p. 309. 6) Kny, Annais of Botan. 1894, Bd. 8, p. 263. § 39. Allgemeine Orientirung. ]59 einzelnen Organe als nothwendige Folge aus der specifischen Organisation, d. h. aus der specifischen Structur und der damit in wechselseitiger Verkettung stehenden Thätigkeit (Function) ergiebt. Nur fehlt uns eine genügende Einsicht in diese Verhältnisse, um, wie es bei einer wohlbekannten Maschinerie möglich ist, die Leistungen aus dem Bau und dem regulatorisch gelenkten Wechsel der Constellationen voraussagen zu können. Wie unzureichend in dieser Hinsicht unsere Kenntnisse sind, das erhellt sofort daraus, dass uns der Verlauf der Ontogenese nur durch die Erfahrung bekannt ist, dass wir aber einer Keimzelle unbekannter Abstammung nicht ansehen können, in welcher Weise sie sich ent- wickeln wird und wie im näheren die aus ihr hervorgehende Pflanze aus- fallen muss. Bei einer solchen Sachlage kann, wie überall, wo es sich um das vitale Getriebe handelt, unser Streben nur darauf gerichtet sein, so weit als thunlich eine Einsicht in die maassgebenden und mitwirkenden Factoren (Con- stellationen) und ihre wechselseitigen Beziehungen und Verkettungen zu gewinnen. Weil wir aber unvermeidlich auf speculatives Gebiet gerathen, wenn wir, dem naturgemässen Drange folgend, nach einem tieferen Verständniss des unbekannten Waltens streben, ist es für die exacte Wissenschaft um so mehr geboten, sich stets der realen Fundamente sowie der Grenzen und des Rahmens bewusst zu sein, in denen sich das verschleierte Bild jedenfalls bewegen muss^). In solchem Sinne wurde früher (I, Kap. I, besonders § 4) ein orientirender Ausblick gegeben, und ich muss hier die Bekanntschaft mit diesen allgemeinen Betrachtungen voraussetzen (vgl. II, § 1, 20, 21), durch die auch die in diesem Kapitel näher zu behandelnden Probleme gekennzeichnet werden. Immerhin dürfte es geboten sein, an dieser Stelle nochmals einige der maassgebenden Ge- sichtspuncte und Beziehungen hervorzuheben, wenn auch dabei gewisse Wieder- holungen nicht zu vermeiden sind. Durch die Thatsache, dass aus der Keimzelle einer Bohne sich immer wieder eine Bohne, aus der Keimzelle eines Pilzes sich immer wieder dieselbe Pilzart entwickelt, wird unzweideutig erwiesen, dass der bestimmte Entwickelungs- gang durch die erblich überkommene Organisation bedingt ist und regulirt wird. Der specifische Verlauf der Ontogenese lehrt zugleich, dass durch die Reali- sirung und die Fortdauer der Thätigkeit in selbstregulatorischer Weise für die Verschiebung der inneren Constellationen und damit für die Schaffung von Be- dingungen gesorgt wird, durch welche das Wachsthum und die formative Thätig- keit in andere Bahnen gelenkt werden. Das wird z. B. dadurch illustrirt, dass sich eine Zelle nach Erreichung einer gewissen Grösse theilt (II, §11), dass sich dann bei einem Asomatophyten die Tochterzellen gleich verhalten und denselben Rhythmus wiederholen, dass aber zur Erzielung eines Somatophyten (II, § 2) die ursprünglich äquipotentiellen Zellen in verschiedener Weise determinirt und l) Sehr zu empfehlen ist die Leetüre der allgemeinen Betrachtungen über Gausa- lität der Entwickelung und Gestaltung bei Lotze, Artikel Lebenskraft in Wagner's Handwörterbuch der Physiologie 1842, Bd. -1 und H. Spencer, Principien d. Biologie, deutsch von Vetter 1 876. — In diesen Schriften sind in ausgezeichneter Weise die all- gemeinen Fundamente entwickelt, auf denen auch alle späteren rationell -n Erörterungen über diese Probleme fussen. Denn am Wesen der Sache wird nichts durch die Ein- kleidung in ein modernes Gewand geändert, das sogar sehr oft nur die gerade herr- schenden und mit der Zeit veränderhchen Theorien widerspiegelt. 160 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. fortgebildet werden. Mit der Einleitung einer solchen Differencirung werden zu- gleich die bisherigen Wechselwirkungen modificirt und somit veränderte Ver- hältnisse geschaffen, die im Verband mit der Gesammtheit der äusseren und inneren Bedingungen wiederum den Ausgangspunct für bestimmt gerichtete und local verschiedene Verschiebungen und Regulationen abgeben. Durch die Gon- tinuität dieses Waltens wird es ermöglicht, dass die Differencirung und die func- tionelle Arbeitstheilung in geregelter Weise fortschreiten, dass z. B. die Gliede- rung in Spross und Wurzel erreicht wird, dass dann an der letzteren Seiten- wurzeln, an dem Sprosse Blätter und Achselsprosse angelegt und fortgebildet werden. Da aber das Urmeristem in dem Vegetationspunct des Sprosses und der Wurzel nachweislich gleich befähigt ist (II, § 40), so lehrt die verschiedene Aus- bildung und Productionsthätigkeit der beiden Organe, dass die äquipotentiellen em- bryonalen Zellen unter dem dirigirenden Einfluss des Bestehenden auf das Wer- dende, also je nach den obwaltenden inneren Bedingungen, so wie es ja sein muss, zu verschiedenen Zielen und Zwecken ausgebildet und nutzbar gemacht werden. Ueberhaupt darf in dem Organismus nicht jedes Glied (Organ, Zelle) mit unbe- schränkter Autonomie schalten und walten. Vielmehr muss, wie es auch zu- trifft, zur Erzielung des harmonischen Zusammenwirkens dafür gesorgt sein, dass durch die Thätigkeit und Wechselwirkungen die Inanspruchnahme und die Ausbildung oder die Lahmlegung und Unterdrückung bestimmter potentieller Befähigungen veranlasst wird. Zu diesen allgemeinen Schlussfolgerungen sind wir berechtigt, ohne dass uns eine nähere Einsicht in die sicher oft sehr verwickelten Wechselwirkungen zur Verfügung steht. Uebrigens veranlasst auch schon die Variation der Aussen- bedingungen vielfach auffällige formative Reactionen (II, Kap. VI). In dem Or- ganismus Hegen aber die Verhältnisse complicirt, weil es sich um lebendige und reactionsfähige Theile handelt, in denen mit der Fortbildung, in Folge von Gegen- reactionen u. s. w. die beiderseitigen Eigenschaften und Thätigkeiten je nach den obwaltenden Bedingungen in verschiedener Weise modificirt werden. Analoge Beziehungen gelten auch für das symbiotische Zusammenwirken, durch das be- kanntlich auffallende formative Erfolge (Flechten, Gallen etc.) zu Stande kommen (II, § 48 — 50). Solche Wirkungen üben ferner Organismen auf einander aus, die locker (disjunct) neben einander und mit einander leben, und es wurde bereits früher (I, p. 515) darauf hingewiesen, dass auch unter diesen Umständen ver- wickelte Reactionen und Gegenreactionen in Betracht kommen, dass es also immer von einer Summe von Factoren abhängt, ob als Resultat eine gegen- seitige Förderung oder eine Benachtheiligung eines der Concurrenten heraus- kommt. Aufbau und Thätigkeit sind natürlich bei einem Organismus, ebenso wie bei einem Mechanismus, von der Aussenwelt abhängig und in beiden Fällen muss die Thätigkeit in etwas oder auch weitgehend modificirt werden, wenn durch die Veränderung einer oder einiger Aussenbedingungen einer oder einige der inneren Factoren in irgend einer Weise (direct oder indirect) eine Verschiebung erfahren. Bei Constanz der neuen Aussenbedingungen ist aber die modificirte und wie immer selbstregulatorisch gelenkte Thätigkeit wiederum das nothwendige Resultat aus den nun bestehenden inneren Constellationen. Somit werden der Verlauf § 39. Allgemeine Orientirung. 161 und der Ausfall der Thätigkeit immer durch die Eigenschaften des Organismus und Mechanismus bestimmt, oder wie man in Bezug auf die Lebewesen und die Organe dieser auch sagen kann, durch die erblich überkommenen, die inhärenten Eigenschaften, oder was dasselbe sagt, durch die specifische Organisation, durch den specifischen Aufbau und die hiermit wechselseitig verknüpfte funclionelle Thätigkeit. Sofern also die Aussenbedingungen constant bleiben, ist der be- stimmte Verlauf der Ontogenese (und jeder anderen Thätigkeit) durch das selbst- regulatorische innere Walten und Verstellen bedingt, und zur Kennzeichnung, dass dem so ist, dass also eine Veränderung in den Aussenbedingungen nicht modi- ficirend eingreift, kann man unbedenklich, wie es üblich ist, von autonomen Schaffen und Walten und, in Bezug auf die Leistungen, von Eigengestaltung, Automorphose, Selbstdifferencirung, unabhängiger DüTerencirung, Autoplasie, ferner von Autotropismus, Autonastie u. s. w. (II, § 21) reden, obgleich es eine von der Aussenwelt (von äusseren Factoren) unabhängige Thätigkeit niemals giebt. Mit Aitiomorphose, Heteromorphose (II, p. 82), abhängiger Differencirung (dgl. Aitiotropismus, Aitionastie etc.) soll also nur gesagt sein, dass durch eine Ver- änderung in den Aussenbedingungen eine Reaction, eine veränderte Thätigkeit des Ganzen oder eines Organes verursacht wurde. Durch Photomorphose, Ghemomorphose, Photonastie, Heliotropismus etc. wird zugleich der äussere Factor bezeichnet, welcher die Reaction veranlasste (II, §21). Sofern man die Aussen- bedingungen constant zu erhalten vermag, ist es auch möglich festzustellen, ob im obigen Sinne ein autonomer oder ein aitionomer Vorgang vorliegt. Jedoch ist zur richtigen Beurtheilung der Sachlage wohl zu beachten, dass durch das selbstregulatorische (autonome) Walten des Organismus die Eigen- schaften des Ganzen oder einzelner Organe des Organismus und damit die Wechselwirkungen mit den constant bleibenden äusseren Factoren in mannig- facher AVeise modificirt werden. Ich erinnere daran, dass z. B. das Licht erst für die normale Ausbildung der im Dunkeln angelegten Laubblätter und ebenso für deren assimilatorische Function nöthig ist, die wiederum auf das ganze In- nengetriebe zurückwirkt ; dass mit dem Auftreten oder dem Wechsel von geo- tropischen etc. Sensibilitäten bestimmte Richtungsbewegungen zu Stande kommen (II, Kap. XIII), dass mit der Ausbildung dorsiventraler , oder irgendwie local verschiedener Eigenschaften (Sensibilitäten) die Bedingungen für aitionome Re- actionen (auch bei diffuser Aussenwirkung) geschaffen werden (II, §21). Ueber- haupt hängt die physiologische Bedeutung der äusseren Factoren stets von dem jeweiligen Zustand des Organismus ab, der u. a. durch seine Thätigkeit den GeAvinn von Nahrung u. s. w. regulirt und durch die Veränderung seines Re- actionsvermügens erreicht, dass äussere Factoren, ohne Veränderung der Aussen- bedingungen, zu solchen Reizwirkungen nutzbar gemacht werden, die bei Con- stanz des Organismus nur durch die Variation der Aussenbedingungen erzielt werden können. Mag es sich nun um innere oder imi äussere Factoren handeln, stets wird der Reactionserfolg zunächst bedingt durch die Eigenschaften der Zelle (oder des Organs etc.) und die Beeinflussung dieser. Während aber ein äusserer Factor beliebig modificirt und desshalb sein Effect leichter controlirt werden kann, ist die Präcision der inneren Factoren gewöhnlich mit Schwierigkeiten verknüpft und oft unmöglich. Denn selbst dann, wenn es sich imi greifbare Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. \] 162 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. Factoren handelt, kann man der Reaction nicht ansehen, ob sie durch die Vari- ation eines oder einiger Factoren bedingt ist und in wie weit eine Veränderung der Eigenschaften in der reagirenden Zelle eine Rolle spielt. Gelingt es aber, als innere Reizursache einen mechanischen Zug, ein bestimmtes Product des StofTwechsels etc. zu erkennen, so ist damit die physiologische Einsicht auf demselben Puncte angelangt, wie bei der Feststellung eines äusseren Anstosses. Denn so gut wie es für die Zelle einerlei ist, ob der ihr zugeführte Zucker aus einer chlorophyllführenden Zelle derselben Pflanze oder aus der Aussenwelt stammt (I, § 50), wird durch jeden Reizanstoss, mag er von aussen oder von innen kommen, durch die Perception und die sich anschliessenden Vorgänge eine Innenthätigkeit des Organismus veranlasst, die je nach der Gesammtver- kettung und den obwaltenden Verhältnissen localisirt bleibt oder fernliegende Organe in merklicher Weise in Mitleidenschaft zieht. Somit sind für diese internen Vorgänge dieselben Gesichtspuncte maass- gebend wie für die äusseren Factoren, wie das in Bezug auf die Reizvorgänge bereits II, p. 86 hervorgehoben wurde. Nur ist zu beachten, dass sich im Inneren des lebendigen Organismus die wechselseitigen Beeinflussungen viel mannigfaltiger und complicirter gestalten und gestalten können. Insbesondere ist zu bedenken, dass sich mit der Entwickelung u. s. w. die Eigenschaften je- der einzelnen Zelle und somit die wechselseitigen Beeinflussungen in specifisch verschiedener Weise ändern, dass ferner die einzelne Zelle in verschiedenen Richtungen und an einzelnen Puncten differenten Wirkungen ausgesetzt ist und dass demgemäss nicht abzusehen ist, in wie weit aus diesen Differenzen, analog wie bei einseitigen Reizwirkungen, besondere directive Erfolge erzielt werden. Wenn uns auch das in allgemeinen Umrissen geschilderte Wesen des Problems klar ist, so ist es doch der empirischsn Forschung bis dahin nur gelungen, ge- wisse Wechselbeziehungen und einzelne der mitbetheiligten Factoren näher zu präcisiren und das fernere Streben kann sachgemäss nur darauf gerichtet sein, die obwaltenden Verhältnisse mehr und mehr in die maassgebenden Factoren zu zergliedern (I, § \). Zuächst wird in jedem einzelnen Falle (für eine isolirte embryonale Zelle, für ein Organ u. s. w.) zu entscheiden sein, ob in dem besagten Sinne eine autonome oder aitionome Ontogenese vorliegt, und in wie weit und in welcher Weise äussere oder innere Factoren determinirend und dirigirend wirksam sind. Es ist natürlich schon ein Fortschritt, wenn es gelingt, einen formativen Erfolg auf eine functionelle Wechselwirkung (functionelle Reizung), also auf einen complexen und desshalb weiter zu zergliedernden Factor zurückzuführen. Auch wenn wir unser Augenmerk nur auf die dirigirenden Factoren richten, also die noch nicht aufgeklärte Wachsthumsmechanik (II, Kap. 11), sowie die specifischen Eigenschaften des Protoplasten als gegeben hinnehmen, operiren wir mit einer sehr verwickelten und veränderlichen Grösse, nämlich mit einem ganzen Organis- mus, dessen Eigenschaften und Leistungen hinwiederum durch den Aufbau und das regulatorisch gelenkte Zusammenwirken seiner Organe und Bausteine bestimmt wird (I, § 7). Um nun unsere realen Kenntnisse durch Beispiele zu erläutern, soll in Ab- schnitt I zunächst auf die speeifische Determination von Zellen und Organen ein- gegangen werden. Die hierbei in Betracht kommenden Wechselwirkungen und äusseren Einflüsse werden dann in Abschnitt II weiter durch die Erfahrungen über den Einfluss von Verletzungen u-. s. w. auf die correlativen Wirkungen illustrh-t, I § 40. Allgemeines. 163 durch die auch die regenerative und reproductive Thätigkeit gelenkt wird. Für das Verständniss dieser Vorgänge sind ferner die formativen Erfolge durch die sjmbiotischen Wechselwirkungen von Bedeutung, die in A])schnitt III kurz behandelt werden. In Abschnitt IV soll dann noch ein allgemeiner Ausblick auf die diri- girenden Factoren und ein kurzer Hinweis auf theoretische Vorstellungen gegeben werden. Für uns ist es aber nicht geboten, näher auf diese Theorien, auf die damit verknüpfte Nomenclaturmid auf die verschiedenen Gontroversen(0. Ilcrtwig, Roux, Driesch u. s. w.) einzugehen, die wenigstens zum guten Theil darauf beruhen, dass die Autoren von bestimmten theoretischen V^oraussetzungen ausgehen. Abschnitt I. Die formative Determinirung der Zellen und der Organe. § 40. Allgemeines. Durch die allgemeinen Kenntnisse und Grundzüge (II, § 39) ist der Weg vorgezeichnet, den die Forschung consequenterweise immer, und also auch dann zu beachten und zu verfolgen hat, wenn sie bestrebt ist, die formative Thätig- keit auf die näheren Factoren zurückzuführen. Als nächste Factoren, durch deren Zusammenwirken die Ontogenese ermöglicht und regulirtwird, kommen aber stets in Betracht 1) die jeweiligen specifischen Eigenschaften der Zelle, und 2) die formalen und dirigirenden Einflüsse (Bedingungen, Factoren), die von der Umgebung ausgeübt werden. Je nachdem diese Beeinflussungen von anderen Zellen (oder Or- ganen) desselben Organismus oder von der Aussenwelt ausgehen, unterscheiden wir innere (interne, correlative, mutualistische) und äussere (externe) Einflüsse (Bedingungen, Reize) ^). Bei dem einzelligen Organismus (oder Entwickelungs- stadium) liegen die Verhältnisse nur insofern einfacher, als wir es nicht mit cor- relativen Einflüssen zu thun haben, so lange wir nur bis auf die Zelle zurück- gehen, diese also nicht weiter in die maassgebenden Factoren zei^gliedern. Thatsächlich wird aber auch in diesem Falle der Entwickelungsgang durch die in der Umgebung gebotenen Bedingungen und durch die selbstregulatorische Veränderung der Eigenschaften der Zelle dirigirt und das auch dann, wenn alle Descendenten den embryonalen Zustand bewahren und denselben Rhythmus wiederholen (Asomatophyten). Dagegen liegt das Wesen der Asomatophyten ge- rade darin , dass die Zellen gleicher Abstammung zur Erreichung verschiedener 1) Wir bezeichnen (I, p. 22 Anmerk.) als Correlationen alle internen Wechselwir- kungen, die man ebensogut mutualistische Beeinflussungen nennen kann, wenn auch derzeit unter Mutualismus gewöhnlich die wechselseitigen Beeinflussungen verschieden- artiger Organismen verstanden wird. Im näheren wird es sich natürlich immer darum handeln, ob man eine Wechselwirkung zwischen Organen Organreize), zwischen Zellen (Zellenreize, celluläre Beeinflussung) oder zwischen den Theilen des Protoplasten (intra- cellulare Reize etc.) im Auge hat. Vgl. über verschiedene Rubricirungen II, p. 84. 164 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. Ziele und Zwecke in verschiedener Weise determinirt, fortgebildet und ausge- bildet werden (II, § 2). Mit dem Fortschreiten der Arbeitstheilung gesellen sich zu den Einflüssen, die zwei Zellen auf einander ausüben, auch diejenigen Ein- flüsse, die von Zellcomplexen und Organen (Systemen) ausgehen, deren Onto- genese und Thätigkeit aber immer aus dem Zusammenwirken der einzelnen Zellen resultiren, so dass auch bei den höchst gegliederten Pflanzen das Problem im- mer auf die Ontogenese der einzelnen Zellen führt , die stets durch die (ver- änderlichen) Eigenschaften der Zelle und die dirigirenden Bedingungen fest be- stimmt ist. Je umfassender wir aber durch die Modification einer einzelnen oder der Gesammtheit der Bedingungen das Reactionsvermügen, d. h. die Eigenschaften und Fähigkeiten der einzelnen Zellen (und der Organe) kennen lernen, um so besser und vollkommener vermögen wir zu beurtheilen, in wie weit und durch w^elche Umstände eine bestimmt gerichtete Entwickelimg durch die Einschrän- kung und die einseitige Ausnutzung der potentiellen Fähigkeiten erzielt wird und in welcher Weise hierbei die Eigenschaftsänderung der Zellen und die Vari- ation der dirigirenden Einflüsse betheiligt sind. Das genaue und richtig geleitete Studium der Reactionen auf äussere Einflüsse ist also ein ungemein wichtiges und unentbehrliches Hilfsmittel für die Erforschung der inneren Factoren (Eigen- schaften und Wechselwirkungen der Zellen). Wir bauen auch schon auf dieses Reactionsvermögen , wenn wir auf Grund des ungleichen Verhaltens unter den- selben Aussenbedingungen auf eine Verschiedenheit, auf Grund des gleichartigen Verhaltens unter denselben Aussenbedingungen auf Identität der maassgebenden inneren Factoren schliessen. Die Erfahrung hat gelehrt, dass in Bezug auf die Eigenschaften, Fähigkeiten und Bedürfnisse, also auch in Bezug auf die Art und den Umfang des Reactions- vermögens sehr weitgehende Verschiedenheiten bestehen (vgl. II, Kap. VI). So ist u. a. bekannt, dass in einzelnen Pflanzen die Wachsthumsthätigkeit erst durch besondere Reizwirkungen angeregt wird, dass die Gestaltungen unter ungleichen Aussenbedingungen sehr verschiedenartig ausfallen, dass in manchen Fällen die Gesammtheit der in der Natur auftretenden Entwickelungsstadien nur bei einem geeigneten Wechsel der Aussenbedingungen zu Stande kommt, dass es zum Theil bestimmter Aussenreize bedarf, um die Formation von Sporangien, Blüthen etc. anzuregen, dass durch localisirte und einseitige Reize die Bildung von Organen an Orten hervorgerufen wird, an denen dieselben normalerweise nicht auftreten. Es musste auch empirisch ermittelt werden, dass eine Keimzelle (eine Organ- anlage u.s.W'.) unter constanten und homogenen (allseitig gleichen, diffusen) Aussen- bedingungen den normalen Entwickelungsgang einschlägt, dass also zur Erzielung dieses eine einseitige (orientirende) Reizwirkung nicht nothwendig ist. In diesem Sinne ist die specifische Ontogenese eines Bacteriums, der Zelle einer Spirogyra, der isolirten kernhaltigen Protoplasmamasse einer Vaucheria (II, § 47), der Ei- zelle einer höheren Pflanze eine Automorphose (II, § 39), und demgemäss wird es durch den inneren Bau des Protoplasten und der Zelle fest bestimmt, dass sich Vaucheria, Spirogyra zu einem Faden, die Eizelle eines Farrenkrautes, einer Blüthenpflanze aber zu einem Gewebecomplex entwickeln, in dem ferner eine speci- fische Determination und Ausbildung der Zellen eintritt. Wenn man nun auch ein solches Verhalten als Regel betrachten kann, so sind doch einige Fälle bekannt, § 4 0. Allgemeines über die specifische Determination. 165 in denen in der physiologisch radiären (isotropen, 11, p. 83) Keimzelle die Richtung der Hauptachse durch einen orientirenden Aussenreiz inducirt wird und es ist wahrscheinlich, dass es sogar Organismen gieht, die sich ohne einen solchen Orientirungsreiz nicht oder doch nicht normal entwickeln (vgl. II, § 43, 44). Treten fernerhin Seitensprossungen auf, so sind natürlich die Hauptachse, sowie Spitze und Basis mit Bezug auf den Tragspross orientirt und bestimmt. Vielfach wird durch die inneren Bedingungen auch eine (anatomische und mor- phologische) dor-siventrale Ausbildung veranlasst, die indess in anderen Fällen durch äussere Ursachen (zum Theil in sehr weitgehender Weise) determinirt wird (Näheres II, § 43, 44). Hat sich Differencirung und Arbeitstheilung eingestellt, so muss auch ent- schieden werden, ob die nunmehr räumlich getrennten embryonalen Zellen (Ur- meristem, Cambium), die durch ihre fortdauernde Thätigkeit in so auffälliger Weise das Fortwachsen und Fortbilden von Spross, Wurzel etc. vermitteln, ein- seitig oder allseitig befähigt, specifisch verschieden oder äquipotentiell sind. Da diese embryonalen Zellen in der Regel thatsächlich gleichwerthig, also nicht in bestimmter Weise prädestinirt sind, so ist klar, dass ihre verschiedene Ausge- staltung und Verwendung durch die determinirenden Eintliisse bewirkt wird. Demgemäss wird zwar unter normalen Verhältnissen die äusserste Zellschicht des Urmeristems unvermeidlich zur Epidermis, zu deren Bildung indess auch die inneren Zellen befähigt sind, wenn sie durch das Entfernen der äusseren Zellen in die peripherische Lage gebracht werden (II, § 47). Andererseits kann man durch operative Eingriffe, also durch Veränderung der determinirenden Be- dingungen, veranlassen, dass die inneren Zellen, die in der intacten Pflanze sich vermöge ihrer Lage zu Leitbündel-, Mark- oder Rindenzellen umgestaltet haben würden, nunmehr Wundgewebe und in diesem Korkzellen oder andere Elementar- organe liefern (H, §38). Durch die Lage der Meristemzelle, durch den Ein- fluss des schon Differencirten und in Differencirung Begriffenen, überhaupt durch die Gesammtheit der determinirenden Bedingungen wird also bewirkt, dass die an sich äquipotentiellen Urmeristemzellen verschiedene Ausbildung erfahren, dass sie z. B. an der Sprossspitze so ausgestaltet werden, wie es zur Fortbildung (Gewebebildung) dieser, zur Production von Blättern etc. nothwendig ist, während sie an der Wurzelspitze zur specifischen Fortbildung und Ausgestaltung der Wurzel dienen. Ist es auch bis dahin nicht gelungen, aus einer künstlich isolirten Urmeristem- zelle eine höhere Pflanze zu erziehen (vgl. II, § 47), so ist die besagte Aequi- potenz doch durch eine Reihe von Erfahrungen sichergestellt. Die gleiche Befähigung der Urmeristemzellen in Bezug auf die Gewebebildung ergiebt sich aus dem schon Gesagten. Da ferner bei vielen Pflanzen Wurzel, Spross und Blatt befähigt sind, aus einer Gruppe von Zellen oder auch aus einer einzelnen Zelle eine Knospe, also die ganze Pflanze mit allen ihren Characteren zu bilden, so wird damit erwiesen, dass diese producirenden Zellen gleichwerthig und gleichbefähigt sind. Diese Produc- tionsthcätigkeit wird durch die Unterbrechung und Störung der bisherigen deter- minirenden (correlativen) Bedingungen befördert und, wie aus II, § 44 zu ersehen ist, kann man durch bestimmte Eingriffe, z. B. durch eine entsprechende Ab- trennung und durch die Lage der Schnittfläche veranlassen, dass sich eine Gruppe 166 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. bildungsfähiger Zellen entweder zu einem Spross oder zu einer Wurzel entwickelt^). Wird diese Neubildung, wie es vorkommt, von Zellen ausgeführt, die unter den normalen Verhältnissen ihre W'achsthumsthätigkeit eingestellt hatten, so sind doch auch diese Versuche voll beweisend, da die Descendenten solche generelle Fähig- keiten nicht besitzen könnten, w^enn diese nicht den Mutterzellen innegewohnt hätten. So lange die bestimmt determinirenden Einflüsse fortbestehen, wird auch die bisherige ontogenetische Umgestaltung in derselben Weise vor sich gehen. Wenn also die Sprossspitze und die Wurzelspitze trotz verschiedenartiger Ein- wirkungen ihre formative Thätigkeit dem Wesen nach einhalten, so folgt daraus, dass die determinirenden Constellationen nicht wesentlich verschoben wurden. In gewissen Fällen aber geht diese Verschiebung so weit, dass die AVurzelspitze in eine Sprossspitze übergeht oder dass der Scheitelpunct eines Sprosses in eine Wurzelspitze umgewandelt wird. Hierdurch wird also ein weiterer Beweis für die Gleichwerthigkeit des Urmeristems in beiden Organen geliefert. Eine derartige Umwandlung kommt normalerweise an der Wurzel von Neottia nidus avis ~) vor, deren Spitze nach der Bildung von Blattanlagen die Wurzelhaube abstösst und dann als Spross weiter wächst. Gelegentlich wurde auch eine solche Umbildung der Wurzelspitze von Anthurium longifolium^j und der Wurzelträger von Selaginella 4) beobachtet. Bei Selaginella tritt die Umbildung an Sprossstücken, die man als Stecklinge behandelt, häufig ein und zwar pflegen dann die unteren, im Boden befindlichen Anlagen der W^u'zelträger zu Wm'zeln, die oberen am Licht befindlichen Anlagen zu Sprossen zu werden. Ferner hat Beyer inck^) an verschiedenen Pflanzen, besonders an Rumex acetosella, die Umwandlung der Anlage einer Wurzel in einen Spross und die Umwandlung der Anlage einer Ad- ventivknospe, die ein bis einige Blattanlagen besass, in eine Wurzel beobachtet. Diese Umwandlung trat besonders dann ein, wenn durch das entsprechende Zer- schneiden des Sprosses dafür gesorgt war, dass sich die Anlage des Sprosses (resp. der Wurzel) an einer Stelle befand, an welcher vermöge der correlativen und reproductiven Thätigkeit die Bildung von Wurzeln (resp. von Sprossen) an- gestrebt wurde (II, § 44). Sehr anschauliche Beispiele für die mehr oder minder energisch inducirende Wirkung des Bestehenden werden wir bei der Besprechung der dorsiventralen Determination kennen lernen (II, § 43). So wirkt z. B. der Thallus von Mar- chantia so entscheidend inducirend auf das Urmeristem, dass sich die Dorsi- ventralität an den Zuwachsstücken bis dahin nicht umkehren liess, während eine solche Umkehrung an dem Prothallium der Farne leicht gelingt. 1) Vöchting, Organbildung im Pflanzenreich 1878, I, p. 240; 1884, II, p. 36. 2) Irmisch, Biolog. d. Orchideen 1853, p. 26; Prillieux, Annal. d. scienc. naturefl. 1856, IV. ser.. Bd. 5, p. 279; Beyerinck. Beobacht. und Betracht, ü. Wurzel- knospen u. Nebenwurzeln 1886, p. 17. — Aehnliches kommt nach Beer (cit. bei Irmisch) bei der Orchidee Catasetum tridentatum vor. 3) Goebel, Bot. Ztg. 1878, p. 643. — Blumenentwickelung aus einer Wurzelspitze beobachtete H. Karsten, Flora 1861, p. 232. 4) Pfeffer, in Han stein 's Botan. Abhandig. 1871, I, Heft 4. p. 67; Beyerinck, 1. c. p. 3, 16; J. Behrens, Flora 1897, Ergsbd. p. 138. Behrens beobachtete dasselbe an Selaginella denticulata, die echte Wurzeln besitzt. 5) Beyerinck, 1. c. p. 13, 42. [R. A. Philippi, Ber. d. bot. Ges. 1901, p. 95.] § 41. Weiteres über die formative Induction etc. 167 Der Erfolg ergiebt sich aber immer als Resultirende aus der Gesammtheit der Factoren, und so ist es begreiflich, dass je nach den äusseren Eingriffen und den inneren Bedingungen die interne (avitonome) Determination fortbesteht, überwunden oder abgeschwächt wird. Da sich aber die inneren Bedingungen mit dem Entwickelungsgang ändern, so können nicht alle Theile einer Pflanze in derselben Weise reagiren. Desshalb ist es nicht überraschend, dass z. B. die formative Thätigkeit in der Knospe nicht durch einen bestimmten äusseren Eingriff alterirt wird, der in etwas älteren Stengeltheilen veranlasst, dass em- bryonale Zellen zur Wurzelbildung schreiten. Für eine jede Determination, mag sie durch innere oder äussere Factoren bewirkt sein, lässt sich wiederum nur empirisch entscheiden, ob sich die In- duction nur auf die unmittelbar betroffenen Theile erstreckt und demgemäss durch äussere Einflüsse überwunden oder umgekehrt wird (labile, locale, ver- änderliche Induction oder Determination), oder ob dieses nicht der Fall ist, ob also eine innere Gonstellation (Eigenschaft) inducirt ist, die nun determinirend fortwirkt (stabile, inhärente, fortwirkende Induction) i). Dieses ist z. B. der Fall, wenn durch innere oder äussere Ursachen die Anlage einer Wurzel, eines Sprosses geschaffen ist, die fernerhin selbstthätig das Urmeristem so determinirt, wie es zur specifischen Fortbildung nothwendig ist. Dasselbe gilt für den fortwachsen- den Thallus von Marchantia, dessen Dorsiventralität durch einseitige Beleuchtung inducirt und orientirt wird, wenn das noch isolaterale Urmeristem dem deter- minirenden Einfluss des dorsiventralen Thallus entzogen ist (II, § 43). Dagegen liegt z. B. eine labile Induction in allen den zahlreichen Fällen vor, in denen durch einen orientirenden Aussenreiz eine (anatomische oder morphologische) Dorsiventralität veranlasst wird, die in dem Neuzuwachs schwindet oder anders orientirt wird, wenn man den Orientirungsreiz unterbricht oder in anderer Rich- tung wirken lässt. Eine scharfe Abgrenzung ist natürlich schon desshalb nicht möglich, weil eine Induction, die wir bis dahin als eine stabile ansahen, unter anderen Bedingungen vielleicht aufgehoben wird. Ein Beispiel liefern u. a. die Wurzeln, deren normales Fortwachsen auf einer stabilen Determinirung beruht, die aber bei der oben erwähnten Umwandlung in Sprosse überwunden wird. Auch wird mit der selbstregulatorischen Veränderung der formativen Thätigkeit, also z. B. mit der Einleitung der Blüthenbildung, eine Verschiebung der bis- herigen determinirenden Thätigkeit angezeigt. Uebrigens besteht auch in dem magnetisirten Stahlstab eine Induction, die uns stabil erscheint, so lange wir den Stahlstab nicht solchen Einflüssen aussetzen, die den Magnetismus aufheben oder umkehren. § 41. Weiteres über die formative Induction und die Specificität der Zellen und Organe. In der Ontogenese sind nicht nur Zuwachselemente und Organanlagen zu schaffen , sondern es sind dieselben auch in bestimmter Weise fortzubilden und 1) Pfeffer, Pflanzenphysiol. I. Aufl., Bd. 2, p. 163. 168 Kap. Yll. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. auszugestalten (11, § 2). Auch dieser fernere Entwickelungsgang wird wieder bestimmt und regulirt einmal durch die jeweiligen Eigenschaften und Fähig- keiten der Zelle und des Organs, die sich mit der Fortbildung fortwährend ändern, und ferner durch die determinirenden Einflüsse, von denen die inneren Factoren wiederum mit der Ausgestaltung und der Veränderung der Thätigkeit modificirt werden (II, § 39, 40). In dem Maasse aber wie dem Organe und der einzelnen Zelle, in Anpassung an ihre Aufgaben, ein bestimmter einseitiger Cha- racter fester und fester aufgeprägt wird, werden die allseitige Befähigung und die Plasticität der embryonalen Zellen und Gewebe mehr und mehr eingeschränkt, bis endlich mit dem Auswachsen und dem Verlust der Wachsthumsfähigkeit die (äussere) formative Thätigkeit und Reactionsfähigkeit abgeschlossen ist. Da diese naturgemässen Verhältnisse sowohl durch die normale Ontogenese, als auch durch die zahlreichen aitionomen Reactionen illustrirt werden, die schon mitgetheilt wurden (Kap. VI) oder noch zu behandeln sind, genügt hier der Hinweis auf einige auffällige Beispiele. So kann man veranlassen, dass Knospen zu Lang- oder Kurztrieben werden (II, § 45), dass sich die Blattan- lage einer V^asserpflanze zu einem Wasserblatt oder zu einem Luftblatt ent- wickelt (II, § 34), oder dass sich die Blattanlage von Prunus Padus und an- deren Holzpflanzen, die unter normalen Verhältnissen zu einer Knospenschuppe wird, als Laubblatt ausgestaltet. Dieses geschieht, wenn man durch Entblättern bewirkt, dass die in Entstehung begriffenen Knospen sofort austreiben, also sich nicht als V^interknospen entwickeln, sondern zur Wiederherstellung der Belaubung benutzt werden \). In diesem Falle ist gut zu übersehen, dass je nachdem die Knospenanlage zur Zeit des Eingriffes noch ganz jugendlich oder etwas fort- geschritten war, die ältesten Blattanlagen den Character der Knospenschuppen ganz oder theilweise annehmen und dass demgemäss die folgenden Blätter alle Zwischenstufen bis zu normalen Laubblättern bieten. Ein solcher allmählicher Uebergang, oder wie man auch sagen kann, eine solche Nachwirkung, muss aber natürlich in allen analogen Fällen und z. B. auch dann eintreten, wenn man eine aitionome Dorsiventralität durch die Veränderung der Angriffsrichtung des Orientirungsreizes umkehrt. In principieller Hinsicht ist es auch einerlei, ob wir ein Organ mit begrenztem Wachsthum, also z. B. eine Blattanlage in das Auge fassen, die nur das schon Vorhandene ausgestaltet, oder einen fortwachsen- den Spross (Thallus etc.), an dem durch die Thätigkeit des Urmeristems die Zellen und die Organe entstehen, die schon während oder erst nach der An- lage den veränderten determinirenden Bedingungen ausgesetzt sind oder aus- gesetzt werden. Da für die sich ausgestaltenden Zellen eine Einengung und Veränderung der im Urmeristem vorhandenen Fähigkeiten in Frage kommt, so muss in jedem einzelnen Falle entschieden werden, ob und in wie weit eine solche Verschiebung mit im Spiele ist. So wie bei dem Urmeristem kann aber aus den Reactionen nicht ohne weiteres ein bestimmter Schluss gezogen werden, da es zunächst unbekannt ist, in wie weit die freie Entfaltung der gesammten Fähigkeiten der Zellen und der Organe durch den Einfluss der übrigen Theile der Pflanze ein- geengtwird. Indess lehren die Gesammterfahrungen, dass nicht eine jede sichtbare Vgl. Goebel, Bot. Ztg. 1880. p. 807 und dieses Buch II, § 4 5. § 41. Weiteres über die formative Induction etc. 169 Organanlage schon in sich eine generelle, feste Characterbeslinnnung trägt. Denn wäre das der Fall, so könnte nicht die Umwandlung einer AVurzelanlage in eine Sprossanlage bewirkt werden und umgekehrt (II, § 40), eine Umwand- lung, die zeigt, dass diese Anlagen in sich noch vielseitig befähigt sind, und demgemäss durch die bestimmt gerichteten determinirenden Einflüsse in eine bestimmt gerichtete Entwickelungsbahn gelenkt w^erden. Gleiches wird vermuth- lich für die jugendlichen Blattanlagen gelten. Denn wenn auch bis dahin eine Entwickelung zu einem Spross- oder Wurzelorgan nicht sicher beobachtet ist, so lassen doch anderweitige Erfahrungen, z. B. die Beactionen bei Verwundungen, vermuthen, dass die Zellen der ganz jugendlichen Blattanlagen noch den vollen embryonalen Gharacter besitzen. Uebrigens ist eine erhebliche formative Aenderung ohne Einbusse der em- bryonalen Eigenschaften möglich. Dieses beweisen schon die besonderen Ge- staltungen, die Asomatophyten (Bacterien, Hefe) unter verschiedenen Cultur- bedingungen annehmen (II, Kap. VI u. Kap. VIII); Gestaltungen, zu denen auch die Dauer- und Buhezustände (Sporen etc.) zählen, die bei dem Wiedererwachen und bei dem Uebergang in den thätigen Zustand besondere formative Vor- gänge zu durchlaufen haben. Wie in diesem Falle müssen wir aber die volle embryonale Befähigung auch denjenigen Zellen höherer Pflanzen zugestehen, die befähigt sind eine Knospe, also eine ganze Pflanze aus sich zu bilden, gleich- viel ob dieses durch directes Auswachsen oder durch Vermittelung des produ- cirten Callus etc. ausgeführt wird (II, § 47). Diese Totalbefähigung schliesst also nicht aus, dass die Zelle bis zu einem gewissen Grade bereits einseitig aus- gebildet war und vielleicht eine reparable Verschiebung des eigentlichen Keim- plasmas erfuhr, die erst durch eine erneute Wachsthumsthätigkeit, also mit Ueberwindung einer Nachwirkung beseitigt wird (vgl. auch § 42). Denn auch bei einem Asomatophyten (Bacterien etc.) wird zuweilen der künstlich (durch Determination) aufgedrängte Zustand nur allmählich, im Verlaufe von einigen, oder auch von vielen Generationen, wieder abgestreift und so der ursprüngliche embryonale Zustand Avieder hergestellt (II, Kap. VIII). Thatsächlich besteht aber auch bei einer höheren Pflanze schon zwischen den typisch embryonalen Zellen des Gambiums und der Vegetationspuncte eine formale Difl"erenz, die noch ansehnlicher bei denjenigen Zellen ist, die in ihrem äusseren und inneren Ansehen den Gharacter von somatischen Zellen annahmen (II, § 2, 47), unter bestimmten Bedingungen aber durch die Bildung einer Knospe eine ganze Pflanze produciren, in denen also die Totalbefiibigung schkunmerte, oder wie man auch sagen kann, das Keimplasma complet vorhanden war. Mit diesen Erörterungen ist zugleich ganz allgemein der Bahmen gekenn- zeichnet, innerhalb dessen morphologische und anatomische Operationen und Beactionen, also Metamorphosen und Umdifferencirungen, unter normalen und bei veränderten Bedingungen möglich sind. So wie es ja auch sein muss, wer- den solche formativen Vorgänge und Beactionen ebensowohl von typisch em- bryonalen, als auch von den in sich einseitig determinirten Zellen und Organ- anlagen ausgeführt. In beiden Fällen kommt aber nicht schlechthin die Gesammtheit der potentiellen Fähigkeiten zur Geltung, denn die reale Beaction hängt schon bei der isolirt lebenden Zelle von den übrigen Aussenbedingungen (d. h. von der jeweiligen Stimmung, II, § 20) ab, in den Gewebecomplexen ;[70 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specilischen Gestaltung. zudem von den correlativen Einflüssen der übrigen Zellen und Organe. Uebri- gens können sich auch ohne Veränderung der äusseren Umrisse im Inneren eines Organes gewisse Gewebedifferencirungen vollziehen (II, § 13), und in der einzelnen Zelle ist mit der lebendigen Thätigkeit stets eine gewisse dauernde Aenderung der inneren Constellationen verknüpft, die sogar unter normalen und veränderten Bedingungen, z. B. durch Vacuolisirung, durch Kerntheilung, durch Ausbildung und Lagenänderungen der Chloroplasten u. s. w. sehr auffällige Formen annehmen kann (vgl. II, § 42 u. Kap. XV]. In den Gewebepflanzen sind ausserdem durch die verschiedene Composition gleichartiger und ver- schiedenartiger Zellen die Mittel geboten, um eine überaus mannigfache Gestal- tung in normalen und aussergewöhnlichen Verhältnissen zu entwickeln. Aus der Gesammtheit dieser Thatsachen und Erwägungen ergeben sich mit Nothwendigkeit eine Reihe von Schlussfolgerungen, die insbesondere bei der morphologischen Behandlung von Problemen oft nicht genügend berücksichtigt wurden und werden. So ist es klar, dass eine embryonale Zelle (oder ein embryonaler Zellcomplex), die sich unter bestimmten Bedingungen mit Sicher- heit zu einem Gefässbündelelement oder einer Wurzel) entwickelt, unter ver- änderten Bedingungen aber eine Epidermiszelle (oder einen Spross etc.) liefert, nur bedingungsweise und potentiell, aber nicht bedingungslos und real, also nicht durch innere Selbstbestimmung, die Anlage einer Leitbündelzelle (oder einer Wurzel u. s. w.) vorstellt '). Wie aber aus der thatsächlichen Ueberführung einer AVurzel in eine Sprossanlage (II, § 40) noch nicht folgt, dass eine jede definitive Sprossanlage diesen Gang und Wechsel der Determination zu durchlaufen hat, so ist es zwar möglich, aber doch nicht nöthig, dass eine Anlage, die sich zu einem Blumenblatt entwickelt, in ihren jugendlichsten Stadien die auf ein Laubblatt abzielenden Inductionen durchzumachen hatte. Vielmehr können die auf ein Blumenblatt abzielenden Determinationen schon bei dem Erscheinen der Anlage bestanden haben und es ist ebenso möglich, dass dann die potentielle Blumen- blattanlage durch nachträgliche Aenderung' der determinirenden Bedinmmgen in die Entwickelungsbahn eines Laubblattes gelenkt wird. In der That dürfte solches dann geschehen, wenn durch den Wechsel der Bedingungen erzielt ward, dass die zuerst angestrebte Blüthenbildung nicht realisirt wird, dass also an- statt der Blüthen ein Laubspross ausgebildet wird. Eine jede Anlage (Zelle oder Organ), die noch allseitig befähigt, also em- bryonal ist, mag als embryonale, allseitig befähigte, potentielle, indifferente -), i) Ebenso werden durch die ersten Theilungen in der befruchteten Eizelle die Bezirke definirt, aus denen sich Spross und Wurzel entwickeln. Die Zellen sind aber normal allseitig befähigt und es gelang sogar, aus emem Stücke des Embryoträgers von Orobanche eine ganze Pflanze zu erziehen (II. § 47). In gleichem Sinne ist die Mar- kirung von bestimmten Bezirken durch die Zelltheilung z. B. in den von der keüför- migen Scheitelzelle abgeschnittenen Segmenten in dem Stämmchen der Moose etc. zu beurtheilen. 2; Durchaus im obigen Sinne hat Vöchting fürganbüdung I, p. 240; II, p. 36; Bot. Ztg. iSQö, p. 90j »indifferente Anlagen« benutzt und es ist nicht recht abzusehen, warum Goebel (Flora -ISO:;, Ergänzgsb., p. 21 2) gegen diesen Ausdruck polemisirt. Wenn freilich Goebel fOrganographie -1898, I, p. 4(, wie es scheint, annimmt, dass eine Anlage, wenn sie sichtbar hervorgetreten ist, immer auch in sich bestimmt characterisirt ist, so gilt dieses nachweislich nicht für alle Fälle. Uebrigens sind bei Goebel die § 41. Weiteres über die formative Induclion etc. 171 neutrale Anlage bezeichnet werden. AVenn aber der Anlage (dgl. der Zelle) ein bestimmter Character aufgedrängt, also im Vergleich zu dem embryonalen Zustand die potentielle Befähigung eingeengt ist, werden wir von characterisirten, specifi- cirten, bestimmt determinirten, postembryonalen Anlagen (Zellen) reden, die im näheren als characterisirte Spross-, Blatt-, "NVurzelanlagen bezeichnet werden können. Es ist ohne weiteres klar, dass die einer bestimmten Kategorie zuge- hörigen Anlagen unter sich gleichwerthig (äciuipotentiell) sein können, dass sie ferner die Fähigkeit besitzen, sich innerhalb der Kategorie, also ohne Aufgabe des Characters eines Blattorganes u. s. w., je nach den dirigirenden Bedingungen in verschiedener Weise auszugestalten. Es liegt überhaupt im Wesen der Ent- wickelung, dass die Anlagen unter Formen- und Functionswechsel allmählich ihre besondere Gestaltung und functionellen Befähigungen gewinnen (II, § 2). Wenn wir in Anerkennung dieser Thatsache von einer realen Metamorphose reden, so ist damit natürlich der Complex der bewirkenden Factoren völlig un- bestimmt gelassen. Ohnehin darf man nie vergessen, dass man an dem realen Geschehen die causalen Bedingungen nicht unmittelbar ablesen kann und dass formal gleiche Vorgänge auf verschiedene Weise erreicht werden können (I, Kap. I). Unter allen Umständen ergiebt sich alles physiologische Geschehen, ergiebt sich somit auch der specifische Entwickelungsgang als die festbestimmte und nothwendige Folge aus den gegebenen Bedingungen (Dispositionen). Diese For- derung ist in jedem Falle aufrecht zu halten, denn mystische Lebenskräfte oder sich verkörpernde Ideen (idealistische Metamorphose) kennt die exacte Wissen- schaft nicht, wenn auch im Augenblick eine völlige causale Aufhellung des maassgebenden Complexes unmöglich ist (I, Kap. I). Demgemäss ist jede Ver- änderung, jede Abweichung in der normalen Ontogenese, sind alle Missbildungen und abnormen Reactionen und Gestaltungen ein untrügliches Zeugniss für eine entsprechende Veränderung in den maassgebenden Constellationen, gleichviel ob wir einen fassbaren äusseren oder inneren Anstoss angeben können, oder vor- läufig genöthigt sind, eine Entgleisung aus unbekannten inneren Ursachen an- zunehmen. Wie aber ein Klavier vermöge seines Baues dazu befähigt ist auch solche Harmonien und Disharmonien ertönen zu lassen, an die man bei seiner Con- struetion nicht dachte, die auch bis dahin nie erklangen, vermag auch der Organismus vermöge seines Baues und seiner Eigenschaften, und der hierdurch becUngten Fähigkeiten, Reactionen auszuführen, die normal nicht eintreten, die sich vielleicht niemals in seinen Ahnen abspielten. Das würde ja der Fall sein, wenn auf einer Pflanze bestimmte Gallen durch ein eingeführtes Insect veranlasst werden, das bis dahin in dem Verbreitungsbezirk dieser Pflanze nicht existirte. Auch sind verschiedene Organismen in ausgezeichneter Weise befähigt, auf bestimmte chemische Präparate zu reagiren (II, § 30—32, 72 — 75, Kap. XIII, XIV), die in der Natur nicht vorkommen, die also den Ahnen niemals begegnen konnten. In richtiger Würdigung aller dieser Thatsachen ist ohne weiteres klar, dass potentielle Befähigung und die Einschränkungen dieser, also die reale Leistung in Folge von Determination nicht genügend auseinandergehalten. 172 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. z. B. eine Missbildung zwar einen sprechenden Beleg für die Reactions- und Compositionsfähigkeiten des Organismus abgiebt, dass man aber nicht ohne weiteres berechtigt ist, auf Grund der Missbildungen phylogenetische Schluss- folgerungen zu ziehen 1). Ebenso ergiebt sich aus dem Gesagten, dass die Ent- wickelungsbestrebungen bei der derzeitigen Entstehung eines Blumenblattes in keinem Augenblick auf die Bildung eines Laubblattes hinzielen müssen, wenn man auch vom phylogenetischen Standpunct Grund hat, das Blumenblatt als ein metamorphosirtes Laubblatt anzusprechen. Fällt es doch Niemanden ein zu fordern, dass heute bei dem Aufbau einer Uhr die Gesammtheit der Operationen und Compositionen wiederholt werden, die in historischen Zeiten bei der all- mählichen Gestaltung und Vervollkommnung der Uhr in Anwendung kamen. Ueberhaupt wird in phylogenetischen Betrachtungen häufig nicht beachtet, dass der Organismus, ebenso wie ein Mechanismus vermöge des realisirten Aufbaues unvermeidlich auch mit Eigenschaften und Fähigkeiten ausgestattet sein kann und ist, auf die es bei dem auf bestimmte Ziele und Zwecke gerichteten Aufbau gar nicht abgesehen war, die also während der phylogenetischen Aus- gestaltung real nicht in Betracht kamen und in Anspruch genommen wurden. Es ist indess nicht meine Aufgabe, im näheren darzuthun, wie bei der Behand- lung der hochwichtigen Probleme der Phylogenese die gesicherten physiologi- schen Grundzüge oft nicht gebührend berücksichtigt werden. Wenn uns auch das allgemeine Wesen des Problems klar ist, so vermögen wir doch, wie schon betont wurde, nicht zu sagen, warum die Ontogenese der Pflanze, eines jeden Organes in der ganz bestimmten Weise verläuft und warum als Folge dieses selbstregulatorischen Waltens die Organe an bestimmten Orten, in gesetzmässiger Stellung erscheinen. Denn durch die Thatsache, dass z. B. in einer Wurzel die Nebenwurzeln erst nach Beginn der Gewebedifferencirung und in Abhängigkeit von der Lage der Leitbündel angelegt werden, ward zunächst nui" eine bestimmte Wechselbeziehung und zugleich die nächste Ursache für die gesetz- mässige Stellung der Nebenwurzel angezeigt 2). Es liegt aber im Wesen der selbst- regulatorischen Ontogenese, dass durch die derzeitige Thäligkeit der Platz und die Bedingungen für das Folgende geschaften werden. Demgemäss werden auch am Sprosse die Blattanlagen in einiger Entfernung (Elodea etc.) oder nahe unter dem Vegetationspunct gebildet, der am Spross und an der Wurzel nicht selbst pro- ducirt, vielmehr da, wo es auf ununterbrochenes Wachsen abgesehen ist, sich selbst dann im embryonalen Zustand erhält, wenn man das angestrebte Wachsen durch einen Gipsverband mechanisch unmöglich macht ^j. Die Schaffung des Schauplatzes der Thätigkeit ist natürlich eine Voraussetzung flu- die Production von Sprossungen, die aber doch nur auftreten, insofern die 1) Es ist dieses auch von kritischen Forschern wiederholt hervorgehoben. Vgl. z. B. Goebel, Vergl. Entwickelungsgesch. d. Pflanzenorgane 1883, p. 124; Organographie 1 898, I, p. 1 70 ; Sachs, Flora 1 893, p. 233. — Mit obigem ist auch schon ausgesprochen, dass sehr wohl bei bestimmten Bedingungen Formationen (auch solche die man als Neubildungen bezeichnet) auftreten können, die dem Beobachter bis dahin nicht bekannt waren. Sowie auf dieses ist früher (II, p. 86) auch schon darauf hingewiesen, dass man keine scharfe Grenze zwischen normalen und pathologischen Vorgängen ziehen kann. 2) Ueber den Einfluss von Krümmungen vgl. II, § 37. 3) Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893, p. 355. Im Gipsverband rückt die Gewebedifferencirung und damit die Production der Nebenwurzeln gegen die Spitze vor. § 41. Weiteres über die formative Induction etc. 173 geeigneten Constellationen ihre Bildung veranlassen. Diese Determination stellt sich im Spross inid in der Wurzel Hiuid in Hand mit der Thätigkeit des Vege- tationspunctes und der Fortbildung der Zuwachselemente (II, § 2), also in selbst- regulatorischer Weise ein, kann aber auch an diesen Organen ausfallen, wie das Fehlen der Nebenwurzelu an gewissen Wurzeln, das Unterbleiben der Blatt- bildung bei der Umwandlung einer Sprossanlage in eine Ranke oder in eine Wurzel beweist. Da aber die periodische Wiederholung dieser maassgebenden specifischen Determinationen von dem selbslregulatorischen Walten abhängt, so wird durch dieses auch bestimmt, ob die nächste Anlage in einiger Entfernung von der letzten Anlage (wie bei Seitenwurzeln) oder nahe bei dieser aufti-itt (wie bei den Blättei'n). Uebrigens lehrt das Auftreten der Cotyledonen, dass (so gut wie z. B. die Seitenwurzeln) auch die Blätter ohne Präexistenz von Blattanlagen durch innere Ursachen, an bestimmten Orten und in gesetzmässiger Stellung ihren Ursprung nehmen. Es kann sich folglich nur darum handeln, ob und in wie weit da, wo die Blattanlagen dicht gedrängt zu stehen kommen, hierdurch die aus den übrigen Ursachen angestrebten Positionsverhältnisse 1) schon bei dem Auftreten oder 2) bei der Fortbildung der Blattanlagen modificirt werden. Damit ist also eine Specialfrage aufgeworfen, auf die wir nicht eingehen können, da wir einmal die speciellen Blattstellungsverhältnisse nicht zu behandeln haben und da zudem in den verschiedenen Arbeiten^ die im Anschluss an S chwendener's Blatt- stellungstheorie entstanden, schon Widersprüche darüber bestehen, ob die Blatt- anlagen sogleich bei ihrer Entstehung in Contact treten oder nicht'). Auch ist keine Einsicht in die Factoren gewonnen, durch welche Qualität und Ort der Neubildungen bestimmt werden, wenn man, wie es Schwendener von seinem Standpunct aus mit Recht thut, von den realisirten Anlagen ausgeht und die mechanischen Consequenzen darlegt, die sich aus der dichten Stellung, sowie aus dem ferneren Wachsthum der Anlagen und des Tragsprosses ergeben. Thatsächlich sind die jugendlichen Anlagen durch einen Druck leicht plastisch derformirbar (II, § 3 5). Ausserdem wird aber auch in das Auge zu fassen sein, dass durch den Contact, die Contactunterschiede u. s. w. regulirende Reizwirkungen zu Stande kommen können. Dass solches möglich ist, ergiebt sich aus II, § 35 — 38, wo u. a. mitgetheilt ist, dass schon bei einem geringen Druckunterschied durch correlatives Walten che Production des Callus local unterdrückt und befördert wird. Ausserdem ist bereits berichtet (II, § 3 5), dass eine Anlage, deren Ent- stehung angestrebt wird, auch unter Ueberwindung eines ansehnlichen Wider- standes in das Leben tritt. Ich kann aus eigener Erfahrung hinzufügen, dass dieses auch für die Blattanlagen gilt. Uebrigens hat schon Hofmeister^) die Vermuthung ausgesprochen, dass die producirende Thätigkeit der Sprossspitze nicht wesentlich durch diejenigen Druckzustände beeinflusst werden dürfte, die normalerweise in der Knospe herrschen. Jedenfalls sind die mechanischen Druckverhältnisse nicht die Ursache, dass an einer Stengelranke die Blattbildung unterbleibt, oder dass an anderen Sprossen Blattanlagen entstehen und je nach Umständen als Laub-, Blumen-, Staublatt etc.. ■t) S. Schwendener, Mechan. Theorie d. Blaltstellungen 1S78; Sitzungsb. d. Berlin. Akad. 1894, p. 979; 1893, p. 463; 1899, p. 50; 1900, p. 1042; Vöchting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 31, p. 434; A. Weise, Jahrb. f. wiss. Bot. 1897, Bd. 31, p. 436 u. in Goebel's Organographie 1898, I, p. 61; K.Schumann, Morphol. Studien 1899, p. 311 ; L. Jost, Bot. Ztg. 1899, p. 193; W. Arnoldi, Flora 1900, p. 440. [Winkler, Jahrb. f. wiss. Bot. 1901, Bd. 36, p. 1.] 2) Hofmeister, Ahgem. Morphol. 186», p. 639. 174 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. also in specifischer Form ausgebildet werden. Ebenso müssen innere regulato- rische Vorgänge es bewirken, dass mit der Zeit Blüthensprosse mit besonderer Blattstellung ihren Ursprung nehmen. Wenn aber bei einem Cacteenspross, dann, wenn er dreikantig wird, die Blattstellung aus der 1/2" "^ die i/3-Stellung über- geht i), so ist das bis zu einem gewissen Grade ein analoges Verhalten wie bei einer Wurzel, bei der die Zahl der Nebenwurzelreihen durch die Zahl der Leit- bündel in der Mutterwurzel bedingt ist. Diese und andere Beispiele lehren zu- gleich, dass eine regelmässige und gesetzmässige Anordnung der Seitenspros- sungen auch dann möglich ist, wenn die Organe nie in Contact treten. Aus der zweckentsprechenden Anordnung ergeben sich aber allgemein nicht die Ur- sachen des Geschehens (I^ § 2). Wenn also Blattanlagcn da aullretcn, wo am meisten Platz ist oder der äussere Widerstand am geringsten ist, so folgt daraus nicht, dass ein rein mechanischer Effect vorliegt, da derselbe Erfolg auch durch eine regulatorische Lenkung erzielbar ist, in der möglicherweise durch die Druckver- hältnisse etc. regulirende Reize ausgelöst werden. § 42. Fortsetzung. Aus der Thatsache, dass die formative Leistung durch die besondere Art der Wechselwirkungen (der Determination) in verschiedene Bahnen gelenkt wird, folgt, dass schon in den allseitig befähigten embryonalen Zellen je nach Ort und Lage ebenso gut ein bestimmter labiler hiductionszustand (eine ver- schiedene Stimmung) besteht, wie in den einzelnen Zellen eines Asomatopliyten, wenn sich diese in verschiedenen Culturbedingungen befinden. Auch wurde be- reits hervorgehoben (II, § 41), dass die embryonalen Zellen eines Gewebes, so- wie eines einzelligen Organismus besondere äussere oder innere Gestaltungen annehmen können, ohne dadurch ihre Gesammtbefähigung , also den Kern der erblichen Eigenschaften einzubüssen. Diese erhalten sich also auch dann, wenn Wachsthum und Vermehrung in etwas verschiedener Weise verlaufen, und wir hörten u. a. bereits, dass die Eigenschaften einer Spirogyra durch fortgesetzte amitotische Theilung nicht modificirt werden (II, § 12). Auch kann die Total- befähigung ebensowohl in einer äqualen, als auch (z. B. bei der Abschnürung gewisser Conidien) in einer inäqualen Theilung erhalten werden. (Vgl. auch II, Kap. III.) Die Metamorphose, durch welche die in erbgleicher Theilung entstandenen (also allseitig befähigten) Zellen, theilweise unter Verlust der Gesammtbefähigung, theilweise sogar unter Einbusse des Lebens ihren Aufgaben im Dienste des Ganzen zugeführt und angepasst werden (I, § 6), kann langsam, aber auch so schnell verlaufen, dass der typisch embryonale Zustand sogleich nach der Theilung verloren geht. Tritt aber die Theilung erst ein, nachdem, wie es ja factisch vorkommt (I, § 1 0), im Protoplasten eine Differencirung und Arbeitstheilung her- gestellt ist, so kann auf diese Weise eine erbungleiche Theilung vorbereitet und vollbracht werden. Eine solche wird in der That ausgeführt, wenn ein kern- 1) Vöchting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1894, Bd. 26, p. 48'.. — Andere Angaben über Aenderung der Blattstellung ausser in den in Anmerkung 1 (p. iva) citirten Schriften z. B. bei Kny, Ber. d. Bot. Gesellsch. 1898, p. 60; A. Weise, ebenda 1899, p. 343; Correns, Festschrift für Schwendener 1899, p. 395. § 42. Weiteres über die formative Induction etc. 175 freies Stück abgetrennt wird, wie das bei Spirogyra und anderen Pflanzen in Folge von bestimmten Eingriffen geschieht ^), in gewissen Fällen aber auch unter normalen Verhältnissen vorkommen dürfte. Während in diesem Falle der Ver- lust der Totalbefähigung durch den Mangel des Kernes in unzweifelhafter Weise angezeigt wird (I, § 9), vermag man bei dem Vorhandensein des Kernes ge- wöhnlich nicht nach dem mikroskopischen Bilde zu beurtheilen, ob dem Proto- plasten die volle potentielle embryonale Befähigung innewohnt oder abgeht. Eine empirische Entscheidung stüsst aber, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird, oft auf Schwierigkeiten. Da zudem die Einschränkung (Specification) wie auch eine Desorganisation des Kernes sogleich nach dem Abtrennen eingetreten sein kann, so vermögen wir unter Umständen nicht zu sagen, ob die Speci- fication schon durch die erbungleiche Theilung oder erst nach der erbgleichen Theilung hergestellt wurde. AVie aber auch die Reducirung der Totalbefähigung erreicht sein mag, jedenfalls vermögen die wachsthumsfähigen specificirten Zellen, innerhalb des Umfanges ihrer Befähigungen, ebenso gut formative Operationen und Re- actionen auszuführen, wie die allseitig befähigten Zellen, deren Actions- und Reactionskreis ebenfalls durch die vorliegenden determinirenden Bedingungen beschränkt wird. Das Pollenkorn, das einen langen Pollenschlauch treibt, ist ein schönes Beispiel dafür, dass eine isolirte specificirte Zelle ein ausgiebiges Wachsthum ausführt 2), Innerhalb der Gewebe würde aber, lebendige Conti- nuität mit einer kernhaltigen Zelle vorausgesetzt, sogar ein kernfreier Protoplast wachsen können 3). Ein weiteres Beispiel für ein dauerndes Spitzenwachsthum einer bestimmt characterisirten Zelle liegt in den Milchzellen der Euphorbiaceen vor (II, § \ 3j, denen nach den bisherigen Erfahrungen ein specificirter Character zukommt 4). Einen solchen besitzen möglicherweise auch einzelne Meristeme, denen eine eng begrenzte Aufgabe zufällt. Indess lassen die bisherigen Er- fahrungen eher vermuthen, dass z. B. die Zellen des phellogenen Meristems, wenigstens in bestimmten Fällen, die potentielle Gesammtbefähigung in sich tragen. Da es bei der Pflanze gerade darauf abgesehen ist, dem Spross, der W\irzel u. s. w. die Fähigkeit zu erhalten, fehlende Organe und das Ganze zu reproduciren (II, § 47), so ist es nothwendig, dass die führenden Meristeme der verschiedenen Organe die Gesammtbefähigung besitzen. In Folge des Ver- lustes dieser reproductiven Fähigkeit mit der höheren Differencirung ist es bei \) J. Gerassimoff, Ueber die kernlosen Zellen bei einigen Conjugaten 1896; Ueber ein Verfahren, kernlose Zellen zu erhalten 1896 (Sep. a. Bullet, d. 1. Soc. Imp. d. Naturalist, d. Moscou); Gh. 0. Townsend, Jahrb. f. wiss. Bot. 1897, Bd. 30, p. 484. 2) Durch künstliche Ernährung konnte ich zwar ein ziemhch ausgiebiges, doch immer nur ein begrenztes Wachsthum gewisser Pollenschhäuche erzielen. Jedoch kann desshalb noch nicht die Möghchkeit abgewiesen werden, dass entweder die specificirte Zelle eines Pollenschlauches in dieser besonderen Entwickelungsform sich erhalten lässt oder dass ein Pollenkorn typisch embryonal ist und unter Umständen zur Reproduction einer ganzen Pflanze gebracht werden kann. 3) Vgh Townsend, 1. c. u. dieses Buch I, § 9; II, Kap. III. 4) Die Milchzellen verhalten sich im normalen Entwickelungsgang (analog wie das Blutgefässsystem in der Ontogenese der Tliiere) wie ein System, das sich selbständig und selbstthätig fortbildet. Jedoch schlummert factisch in jeder Meristemzelle, die den Gesammtorganismus zu reproduciren vermag, auch die Fähigkeit, nöthigenfalls in der Ontogenese eine Milchzelle zu liefern. 176 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. den höheren Thieren nicht mehr möglich, direct zu prüfen, ob die Meristeme, die unter normalen Verhältnissen einseitig arbeiten, potentiell die Gesammtbefähigung in sich tragen, also bedingungsweise den ganzen Organismus reproduciren können. Ohne einen solchen (directen oder indirecten) Nachweis werden immer Zw^eifel bestehen bleiben, da man einer Zelle ihre Eigenschaften und Befähigungen nicht direct ansehen kann. Denn das Pollenkorn, sowie die ohne Befruchtung nicht fortbildungsfähige Eizelle lassen dem Beschauer nicht erkennen, dass ihre Fähig- keiten beschränkt sind. Andererseits ist schon in II, § 41 hervorgehoben, dass allseitig befähigte (typisch embryonale) Zellen ohne den Verlust dieser Fähig- keit weitgehende Aenderungen der äusseren Gestalt und des inneren Baues zu- lassen imd durchaus das Ansehen und bedingungsweise das Verhalten von somatischen Zellen annehmen können. So lange aber die Zelle aus sich, sei es direct oder erst nach Vorarbeiten und Ueberwindung von Hemmnissen und Schwierigkeiten den Gesammtorganismus zu erzeugen vermag, ist potentiell auch die Gesammtbefähigung, also das gesammte unerlässliche Idioplasma (Keimplasma, Erbmasse) in ihr vorhanden. Jedoch ist es möglich, dass dieses Keimplasma (d. h. der allseitig befähigte Protoplast) durch einseitige Ausbildung einzelner Fähigkeiten (der Organe und der Organelemente), durch Plasmaproducte sowie durch andere Beigaben und Verschiebungen in den zulässigen (reparablen) Grenzen verstellt oder so lange inactivirt ist, bis durch die Veränderung der Bedingungen eine auf das Erwachen und die Wiederherstellung hinarbeitende Thätigkeit er- weckt wird. Zur Entfaltung der Thätigkeiten und der Fähigkeiten bedarf es immer be- stimmter Bedingungen. Wir haben auch bereits gehört, dass nicht selten neben den formalen Bedingungen besondere äussere Ileizwirkungen nothwendig sind, um den Ruhezustand aufzuheben, gleichviel ob dieser selbstregulatorisch oder durch eine Aussenbedingung hergestellt war, durch deren Beseitigung dann der auslösende Reiz erzielt wird (II, Kap. VI). Ein solches selbstregulatorisches Walten tritt uns z. B. darin entgegen, dass Sporen, Samen und andere Fort- pflanzungsmittel erst nach einer gewissen Ruhezeit keimen, dass alljährlich in vielen Pflanzen selbstthätig eine Winterruhe hergestellt und wieder aufgehoben wird (II, § 59). Während in diesen Fällen die gesammte Wachsthumsthätigkeit sistirt (oder stark reducirt) ist, wird durch das correlative Wirken in dem wachs- thumsthätigen Organismus einzelnen Zellen und Organen zeitweilig oder auf die Dauer ein Wachsthumsstillstand aufgedrängt, der naturgemäss durch die Be- seitigung dieser correlativen Hemmung aufgehoben wird (II, § 45, 46). Ein solches Erwecken der Thätigkeit wird z. B. durch Chloroformiren in der winter- lichen Ruhezeit (II, § 60) und ferner durch bestimmte Reize in gewissen Sporen, Samen u. s. w. erzielt, die ohne solche Reize dauernd inactiv bleiben. Das ist z. B. der Fall bei den Sporen der Farne, die ohne die Reizwirkung des Lichtes oder einer Temperaturerhöhung (II, p. 1 05), bei den Sporen vieler Pilze und bei einigen Samen, die ohne besondere chemische Reize nicht keimen (II, p. 129). Da diese Anregung (auch in der einzelnen Zelle) zu Stande kommt, ohne dass lebendige Substanz und ohne dass ein Nährstoff hinzutritt, so ist da- mit erwiesen, dass in der Zelle 1) das gesammte Keimplasma und 2) eine für den Beginn der Entwickelung ausreichende Menge von Nahrung vorhanden sind, dass also in der einzelnen Zelle allein durch die besonderen inneren Bedingungen § 42. Weiteres über die formative Induction etc. 177 (Anordnungen und Verschiebungen) der Ruhezustand hergestellt und wieder auf- gehoben wird. Es ist dieses, wie schon II, § 30 betont wurde, auch dann der Fall, wenn die Reizwirkung in zweckentsprechender Weise von einem Nährstoff oder von einigen Nährstoffen ausgeht, die in Folge der erweckten Thätigkeit in den Stoffwechsel gerissen werden. Jedoch ist es auch müglich, dass in einem anderen Falle die Wachsthumshemmung durch den Nahrungsmangel verursacht wird. Weil die potentielle Befähigung immer nur bedingungsweise zur Geltung kommt, so folgt auch aus der Befruchtungsbedürftigkeit der Eizelle noch nicht, dass in ihr nicht das complete Idioplasma vereint ist. Denn das Ziel, die Selbstentwickelung zu verhindern, kann schon durch eine entsprechende In- activirung, allerdings aber auch durch das Fehlen eines der nothwendigen Pro- toplasmaorgane (I, § 9) bedingt sein, dessen Zufuhr durch die Befruchtungs- masse dann nothwendig ist, um das Keimplasma zu completiren und die Totalbefähigung herzustellen. Letztere ist aber in denjenigen Sexualzellen vor- handen, die sich von selbst oder in Folge eines äusseren (nicht vitalen] Reizes entwickeln. Dürfen wir solche Erfahrungen auch nicht generalisiren, so besteht doch einige Wahrscheinlichkeit, dass viele Eizellen die potentielle Gesammt- befähigung in sich tragen und dass es desshalb noch in vielen Fällen gelingen wird, durch die geeigneten Einwirkungen eine parthenogenetische Entwickelung zu veranlassen. Man wird somit bei der Befruchtung die die Fortbildung anregende Wir- kung und die Vereinigung der beiden Protoplasten unterscheiden müssen, Vor- gänge, die (ebenso wie derselbe Körper zugleich Reiz- und Nährstoff sein kann] auf demselben Anstoss basiren, aber auch separirte Reactionen vorstellen können, die von verschiedenen Theilen des Gemisches abhängen, das mit der befruchten- den Plasmamasse eingeführt wird. Es ist desshalb möglich, dass sich die beiden Operationen separiren lassen, dass z. B. die Anregung der Fortbildung (wie in manchen anderen Fällen) von einem bestimmten Stoffe ausgeht, der sich von der lebendigen Befruchtungsmasse trennen lässt. In dieser Hinsicht sind freilich noch nicht die Versuche von H. Winkler^) entscheidend, der durch den wässe- rigen Auszug des Spermas des Seeigels eine gewisse Fortentwickelung des Eies verursachen konnte, eine Reizwirkung, die J. Loeb^) erzielte, indem er die Seeigeleier eine gewisse Zeit mit einer Lösung von Chlormagnesium behandelte. Es ist nicht unsere Absicht luid Aufgabe, auf die Sexualität einzugehen (I, § 2), bei der es sich im Grunde genommen um eine Verwendung der physiologischen Befähigungen und Vorgänge (über Plasmaverschmelzungen vgl. II, Kap. XV) für bestimmte Ziele und Zwecke handelt. Ohne ein näheres Eingehen auf die 1) H. Winkler, Ueber die Furchung unbefruchteter Eier etc. Sep. aus Nachr. d. Ges. d. Wissensch. z. Göttingen 1900, Heft 2. An dieser Stelle sind auch anderweitige Erfahrungen über die Anregung einer gewissen Fortbildung in der unbefruchteten Eizelle citirt. 2) J. Loeb, Americ. Journal of Physiol. 1899, Bd. 3, p. 137, 434. 'Nach Loeb (Americ. Journal of Physiol. 1900, Bd. 4, p. 178 u. 4 30) wird Parthenogenesis in be- stimmten Echinodermeneiern schon durch die zeitweise gesteigerte osmotische Leistung der umgebenden Flüssigkeit veranlasst.] Pfeffer, Pflanzenpliysiologie. 2. Aufl. II. ^2 ]^78 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. Parthenogenesis sei desshalb auch nur kurz auf die Versuche Nathansohn's^) mit Marsilia hingewiesen. Nach diesem Forscher geht aus der Eizelle von Marsilia vestita bei ca. 18 C. nur nach der Befruchtung ein Embryo hervor, während bei 3 5 C. eine gewisse Zahl der Eizellen zu parthenogenetischer Entwickelung angeregt wird. Letztere wird bei \ 8 C. von der Mehrzahl der Eizellen der Marsilia Drummondii ausgeführt, die jedoch insofern eine Annäherung an Marsilia vestita zeigt, als sich mit der Erniedrigung der Temperatur, bei 9 C, eine gei'ingere Anzahl parthenoge- netisch entwickelt. Die individuellen Differenzen deuten darauf hin, dass die par- thenogenetische Befähigung durch die vorausgegangenen Culturbedingungen der Pflanze, den Reifegrad der Samen u. s. w. beeinflusst wird. Aus der Gesammtheit der Erfahrungen geht hervor, dass die Anregung oder die Hemmung der Wachsthumsthätigkeit in sexuellen und asexuellen Zellen nicht nur durch chemische Reize verursacht wird, und dass es sich bei chemischen Reizen zwar immer um stoffliche Qualitäten, aber, wie schon die enzjmatischen (kata- lytischen) Wirkungen lehren, durchaus nicht immer um die Wirkung von dissociirten Körpern (Ionen) handelt (vgl. II, § 75). Ebenso ist klar, dass die Befruchtung von einer einfachen chemischen Reizwirkung, mit der sie J. Loeb (1. c.) inden- tificiren möchte, schon darin verschieden ist, dass sich durch die Vereinigung von zwei Protoplasten ein einheitlicher Organismus bildet, der auf diese Weise, wie es die Bastardirung lehrt, neue und bleibende Eigenschaften gewinnen kann. Da die volle embryonale Befähigung sich mit Sicherheit nur aus der Re- . productionsthätigkeit ergiebt, deren Zustandekommen durch die verschiedensten Ursachen verhindert werden kann, so vermögen wir auch nicht mit Sicherheit in einem Gewebe diejenigen Zellen zu bezeichnen , in denen real die Totalbe- fähigung schlummert. Diese wird nach den empirischen Erfahrungen bei manchen Moosen in allen Zellen und vielfach bei höheren Pflanzen in einzelnen Zellen conservirt, die den Character von Dauerzellen annahmen (II, § 47). Es ist aber wohl möglich, dass der Protoplast in vielen anderen Zellen die poten- tielle Totalbefähigung bewahrt mid dass vielleicht öfters durch die Umkleidung mit einer nicht mehr wachsthumsfähigen Zellhaut (vgl. II, p. 36) die Ausübung der reproductiven Befähigung des Protoplasten unmöglich gemacht wird. In den Geweben kommen immer die W^echselwirkungen mit den übrigen Zellen in Betracht, und möglicherweise wird hierbei in einzelnen Fällen durch den Austausch lebendiger Elemente zwischen den Protoplasten die volle embryonale Befähigung auf- gehoben oder wieder hergestellt (vgl. II, § 53). Leider ist es bei Gewebepflanzen bis dahin nicht gelungen, eine isolirte embryonale Zelle (oder Organanlage) zur Weiter- entwickelung zu bringen und auf diese Weise verschiedene wichtige Fragen zu entscheiden. (Ueber die nur vegetative Erhaltung gewisser Varietäten siehe II, Kap. VIIJ; über die Polarität der Urmeristemzellen vgl. II, § 44.) Aus diesem negativen Resul- tate ist aber kein bestimmter Schluss zu ziehen, da es z. B. ebenso noch nicht gelungen ist, verschiedene in mutualistischer oder antagonistischer Sj'mbiose lebende Organismen oder die aus dem Embryosack befreite, befruchtete Eizelle, also Zellen, im isolirtcn Zustand zu cultiviren, die ohne Frage das complete Keimplasma in sich tragen und nach Entwickelung streben (vgl. I, § G4). -1) A. Nathansohn, Ber. d. Bot. Ges. 1900, p. 99. In dieser Arbeit ist die Lit. über Parthenogenesis im Pflanzenreich zu finden. Vgl. ferner Klebs, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 189. § 4 2. Weiteres über die formative Induction etc. 179 Hervorgehoben wurde schon, dass man aus dem Aussehen des Protoplasten, sowie aus den normalen und abnormen formativen Vorgängen bei dem Wachs- thum und bei der Zelltheilung nicht auf die reproductive Fähigkeit oder Unfähig- keit schliessen kann. So wird die ungerechtfertigte Annahme verschiedener Au- toren, dass durch die amitotische Kerntheilung die Unfähigkeit zur Jleproduction angezeigt werde, einfach durch die Thatsache widerlegt, dass unter bestimmten Bedingungen die directe Kerntheilimg die normale Theilungsweise typisch embryo- naler Zellen wird (vgl. II, p. 48 und die hier citirte Llt.). So gut wie aber nicht alle Zellen, die unter karyokinetischer Theilung entstanden, den embryonalen Zu- stand besitzen, kann natürlich auch Amitose und reproductive Unfähigkeit zusammen- fallen. Das ist nach unseren derzeitigen Erfahrungen bei Chara der Fall, bei der die karyokinetisch sich theilenden Zellen des Nodiums, aber nicht die des amitotisch sich theilenden Internodiums die Pflanze reproduciren können ^). Uebrigens ist nicht zu vergessen, dass bei den höheren Pflanzen öfters die Nodien ein bevorzugtes Reproductionsvermögen besitzen und dass dieses bei manchen Pflanzen trotz des Vorhandenseins typisch embryonaler Zellen sehr besclu'änkt ist. Bei den Pflanzen tritt überaus deutlich hervor, dass den Ausgangspunct immer allseitig befähigte Zellen bilden, die sich je nach den obwaltenden Bedingungen spe- cifisch gestalten, in denen ferner der Protoplast und in diesem das Idioplasma (Erb- masse, Keimplasma) je nach Umständen früher oder später, ferner reparabel (labil) oder irreparabel (stabil) modificirt werden. In der Botanik hat desshalb auch nicht die dualistische Ansicht von Weismann Beifall gefunden, die zwei besondere Plasmamassen annimmt, von denen die eine speciell die Erbmasse zu erhalten, die andere das Wachsthum und die übrigen vegetativen Leistungen zu vollbringen hat 2). Die Erfahrungen auf botanischem Gebiete ermöglichten bereits in der I. Aufl. dieses Buches (Bd. II, p. 160 ff.), ganz genereU (für Meristeme und für Keim- zellen) die fundamentalen Principien zu entwickeln, die diesmal weiter ausgemalt und illustrirt sind (vgl. auch diesen Bd. II, p. 3). Inzwischen w\ar auf zoologischem Gebiete besonders die Entwickelungsphysiologie der Eizelle Gegenstand zahlreicher Studien, welche zugleich zu lebhaften Controversen führten, die allerdings zum guten Theil daraus entsprungen sind, dass bei der Interpretation von bestimmten Theorien ausgegangen wurde und dass öfters eine Einzelerfahrung zu weitgehend generalisirt wurde 3). Fasst man nur die Thatsachen und das Wesen der Sache in das Auge, lässt man also alle Theorien und die mit diesen verketteten zahl- reichen Kunstausdrücke und Definitionen bei Seite, so stimmen auch die zoolo- gischen Forscher darin überein, dass die embryonalen Zellen eines Organismus je nach der Lage imd den Gesammtbedingungen in specifischer Weise determinirt (inducirt) und ausgebildet werden. Die Differenzpuncte liegen also in der Inter- pretation der Thatsachen und beziehen sich zum Theil auf die Frage, ob die Zelle (oder der Zellcomplex), die im intacten Organismus und bei bestimmten Bedin- gungen stets in ganz bestimmter Weise ausgebildet wird, schon irülizeitig oder erst 1) B. Debski, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 6Ö6; Hegler, Bot. Centralbl. 1895, Bd. 64, p. 203; Strasburger , Histologische Beiträge 1893, Heft 5, p. 99; J. Richter, Flora 1894, p. 417. 2) Vgl. Bd. I, p. 49 sowie 0. Hertwig, Die Zelle u. d. Gewebe 1898, II, p. 58 u. die hier citirte Lit. 3) Vgl. 0. Hertwig, 1. c. 1898, p. 58, 212; Zeit- und Streitfragen d. Biologie 1 897. Heft 2- W. Roux, Programm u. Forschungsmethoden d. Entwickelungsmechanik 1897 ; H. Driesch, Analyt. Theorie d. organ. Entvvickelung 1894, Resultate u. Probleme d. Entwickelungsphysiol. d. Thiere 1898 (Sep. a. Ergeb. d. Anatom, u. Entwickelungsgesch.. herausgegeb. von Merkel u. Bonnet, Bd. 8 u. die an diesen Stellen cit. Lit. 12* IQQ Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. späterhin einseitig determinirt (specificirt, characterisirt) wird, oder längere Zeit die Totalfähigkeit bewahrt. Da aber in dieser Hinsicht sich sogar die aneinander- stossenden Zehen sehr verschieden verhalten können, so handelt es sich hierbei nicht um eine principielle Differenz, sondern um eine zeitlich (quantitativ) verschiedene Ausführung der bezüglichen Operationen. Eine Entscheidung ist aber im allgemeinen leichter bei Pflanzen zu treffen, da die meisten thierischen Zellen nicht in solchem Maasse befähigt sind, aus sich einen ganzen Organismus zu reproduciren (II, 17 5). In den Discussionen sind zudem nicht immer in genügendem Maasse die Conse- quenzen beachtet, die sich als nothwendige Folgen einer labilen Induction ergeben, die je nach Umständen ganz oder auch gar nicht, leicht und direct oder auch nur mit Hilfe einer Uebergangsreaction eliminirbar ist (II, §41). Bei der Interpretation der Regeneration (II, § 47) ist ferner zu beachten, dass stets der Erfolg eines correlativen Wirkens vorliegt, das nicht schlechthin die gesammte Befähigung der isolirten Zolle anzeigt, Demgemäss ist, wie die ausgezeichnete reproductive Thätig- keit der Pflanze lehrt (II, § 47), mit der allseitigen Befähigung der Zehen eines Gewebes noch nicht eine Regenerationsthätigkeit verknüpft. Obgleich nun factisch in den einzelnen Fällen eine quantitativ und auch qualitativ verschiedene Combi- nation von Factoren maassgebend und thätig ist, so steht doch nichts im Wege, zur Kennzeichnung der Thatsache, dass eine Zelle (Zellcomplex, Anlage) unter den bestimmten Bedingungen eine ganz bestimmte morphologische und functionelle Ausgestaltung und Ausbildung ausführt und erreicht, von organbildenden Keim- bezirken (His) oder von Mosaikarbeit (Roux) zu reden. § 43. Induction von Dorsiventralität. Hat die allgemeine Physiologie auch nur die Fundamente darzulegen, so dürfte es doch zweckmässig sein, zur Erläuterung des Gesagten einige weitere Beispiele vorzuführen. Namentlich lehren die Erfahrungen üher die Entstehung der morphologischen und anatomischen Dorsiventralität sehr schön, dass der- artige Erfolge theilweise durch äussere, theilweise durch innere Bedingungen, und zwar sowohl durch stabile, als auch durch labile Induction erzielt werden (II, p. 167)1). Eine aitionome Dorsiventralität, die natürlich mit dem Auswachsen fixirt ist, liegt in allen den zahlreichen Fällen vor, in welchen durch eine be- stimmt gerichtete (orientirende) Aussenwirkung die Production, oder die Aus- bildung von Wurzeln, Sprossen, Haaren etc., oder der anatomische Bau auf den gegenüberliegenden Flanken in irgend einer Weise verschieden ausfallen. Wir haben bereits gehört, dass derartige Effecte besonders oft durch die orientirende Reizwirkung von Licht (II, p. 107) und Schwerkraft (11, p. 124), aber auch durch Contactreize, traumalische Reize u. s. w., sowie durch rein mechanische Hem- mungen verursacht werden (II, § 35 — 39), also z. B. auch dann zu Stande kommen, wenn ein reactionsfähiges Organ durch autonome oder durch aitionome Rich- tungsbewegungen (II, Kap. XIII) in eine Lage gebracht wird, in welcher die orientirenden Reizwirkungen von Licht, Schwerkraft etc. zur Geltung kommen. Uebrigens wird den radiären Sprossen z. B. auch dann ein dorsiventraler Typus aufgedrängt, wenn an den plagiotropen Organen durch Orientirungsreize eine zwei- zeilige Blattstellung herbeigeführt wird. Natürlich kann umgekehrt aus einem 1) Morphologische Thatsachen bei Goebel, Organographie 1898, I, p. 53. § 43. Induction von Dorsiventralität. 181 dorsiventralen ein radiäres Organ hervorgehen. Das geschieht z. B., wenn der Spross einer dorsiventralen Selaginella in den Sporangiumstand übergeht oder wenn- sich bei dem sympodialen Aufbau einer Ulme etc. aus der dorsiventral angelegten Seitenknospe ein radiärer Hauptspross entwickelt 'j. Ferner können durch diffuse (allseitige) Reize, so gut wie neue formative Thätigkeiten, dorsiven- trale Ausbildungen veranlasst oder auch, wie es der Vergleich von etiolirten Blättern und Flachsprossen u. s. w. (II, § 24) lehrt, dorsiventrale Anlagen fort- gebildet und deutlicher werden. Ohnehin ist nicht zu vergessen, dass die phy- siologische Dorsiventralität nicht von einer sichtbaren morphologischen oder anatomischen Differenz begleitet sein muss (II, p. 83). B A Fig. 24. A Brutknospe von Marcliantia polymorpba mit den beiden Vegetationspuncten in den Buchten bei ?■. B Aus den Vegetationspuncten (o in ^1) der Brutknospe b haben sicli auf Wasser die Sprosse s mit den fort- arbeitenden Vegetationspuncten p entwickelt, u die Zellen, die auf der Unterseite zu Bhizoideu ii ausgewachsen sind; lu die Abbruchsstelle des Stieles der Brutknospe. Vergrössert. Ein schönes Beispiel für eine aitionome und fortwirkende Induction ist Marchantia polymorpba 2). Die sehr ausgebildete Dorsiventralität (Fig. 24 .ß) lässt sich an dem Thallus dieser Pflanze nicht umkehren, weil das an sich isolaterale Urmeristem des Vegetationspunctes (Fig. 24i? bei li) in bestimmter Weise durch den dorsiventralen Thallus determinirt und dirigirt wird. Diese \) Vgl. z. B. Goebel, 1. c. p. 58. 2) Näheres Pfeffer, Arbeit, d. Bot. Inst, in Würzburg 1871, Bd. 1, p. 77. Die Verhältnisse wurden theilweise von Mirbel (Mem. d. l'Academ. d. Scienc. d. Tinstitut de France 1835, Bd. 13, p. 337) erkannt, der aber z. B. übersah, dass den Brutknospen selbst keine Dorsiventralität inducirt wird und der auch die maassgebenden inneren Factoren nicht präcisirte. Vgl. auch Pfeffer, Unters, a. d. Botan. Inst, zu Tübingen 1885, Bd. I, p. 528. — Ueber die Bedeutung des Lichts für das Auswachsen der Brut- knospen u. für die Keimung der Sporen sowie über Etiolement siehe II, § 24. — Dass sich Lunularia ebenso verhält wie Marchantia, constatirten Leitgeb, Bot. Ztg. 1872, p. 766; Kny, Die Entwickelung d. Packeriaceeu' 1875, p. 12, Sep. a. Nova acta d. Leo- poldin. Academ. Bd. 37; Vöchting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1885, Bd. 16, p. 378. 182 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. Induction muss von dem iinmiitelbar anstossenden dorsiventralen Gewebe aus- gehen, da sie an dem kleinsten abgetrennten Stück fortdauert und auch dann zur Geltung kommt, wenn an einem sehr kleinen Thallusstück ^) eine oder einige Zellen zu einem Spross auswachsen. Dieser inneren Induction sind aber die Vegetationspuncte entzogen, die sich in den beiden Buchten der an sich iso- lateralen Brutknospe linden (Fig. 24 A r). In der That sind diese Vegetations- puncte isolateral, wie sich daraus ergiebt, dass immer diejenige Seite zur morphologischen Oberseite wird, die während des Auswachsens relativ am stärksten beleuchtet ist. Durch diese orientirende Wirkung ist schon 2 — 3 Tage nach der Aussaat und noch ehe in dem kleinen Spross eine anatomische Diffe- rencirung deutlich hervorgetreten ist, die nunmehr fortwirkende (inhärente) Dorsi- ventralität unverrückbar bestimmt. In analoger Weise wird nach Leitgeb^j durch die einseitige Beleuchtung die Dorsiventralität in die aus den Sporen hervorwachsenden Sprosse von Marchantia und ebenso in die von Duvalia, Grimaldia und anderen Marchantiaceen inducirt. Aehnliche Beziehungen bestehen vielleicht auch bei den streng dorsiventral be- blätterten Lebermoosen, bei denen in den bisherigen Versuchen durch eine stärkere Beleuchtung der Unterseite eine gewisse Abschwächung, aber keine Umkehrung der Dorsiventralität gelangt). Im näheren ist dann immer noch zu entscheiden, ob die Dorsiventralität sich auch bei allseitig gleicher Beleuchtung ausbildet, ob also die einseitige Beleuchtung nur räumlich orientirend wirkt, oder ob sie eine unerlässliche Bedingung für die Entstehung der Dorsiventralität ist. Letzteres scheint nach Versuchen von Czapek^) bei Marchantia der Fall zu sein, da sich aus der Brutknospe bei allseitig gleicher Beleuchtung (auf dem Klinostaten) im Laufe von 2 — 3 Monaten Ideine schwächliche Pflänzchen von radiärem Bau ent- wickelten. Aus diesen Erfahrungen würde zugleich folgen, dass in diesem Ealle, wie es zu erwarten ist, das Zustandekommen der Dorsiventralität eine Bedin- gung für eine kräftige Entwickelung ist. Dagegen ist die ausgezeichnete Dorsiventralität des Prothalliums der Farn- kräuter die Folge einer localen Induction durch einseitige Beleuchtung. Denn die Thatsache, dass die Rhizoiden und die Sexualorgane an den Zuwachsstücken auf der anderen Seite erscheinen, dass die Dorsiventralität also umgekehrt wird, wenn man die auf Wasser schwimmenden Prothallien von unten beleuchtet, beweist, dass das schon differencirte Gewebe keinen entscheidenden determini- renden Einfluss auf den Neuzuwachs ausübt^). Damit ist nicht ein gewisser 1) Vöchting. Jahrb. f. wiss. Bot. 1885, Bd. ■16, p. 378. Vgl. auch II, § 47. 2) Leitgeb, Die Keimung der Lebermoossporen in ihrer Beziehung zum Licht 1876, Sep. aus Sitzungsb. d. Wien. Akad. Bd. 74, Abth. I. — Vgl. auch Goebel, Organo- graphie 1898, I, p. 203. 3i Pfeffer, Arbeit, d. Bot. Inst, in Würzburg 1871, Bd. I, p. 94. 4) Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 261. 5) Leitgeb, Flora 1877, p. 174; 1879, [p. 317; Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1879, Bd. 80, I, p. 201; Prantl, Bot. Ztg. 1879, p. 697. — Durch diese Studien wird die An- nahme Bauke's {Bot. Ztg. 1878, p. 771; Flora 1879, p. 44; Sitzungsb. d. Brandenburg. Bot. Vereins 1879, p. 1-21) widerlegt, die Dorsiventralität werde allein durch die Schwer- kraft inducirt. Nach Leitgeb (Ber, d. Bot. Ges. 1883, p. 169) entstehen an apogamen Prothalhen auch die vegetativen Sprosse auf der Schattenseite. — Ueber den Einfluss des Lichtes auf die Keimung der Farnsporen vgl. II, § 24. § 43. Induction von Dorsiventralität. 183 dirigirender Einfluss ausgeschlossen, der vielleicht ausreicht, um bei völlig gleichmässiger Beleuchtung dem Neuzuwachs dieselbe dorsiventrale Orientirung aufzudrängen. Jedenfalls wird aber ein solches Streben, wenn es überhaupt besteht, schon durch die determinirende Wirkung eines geringen Helligkeits- unterschiedes überwunden. Da aber unter Umständen an demselben Zuwachs- stücke auf beiden Seiten Rhizoiden und Sexualorgane auftreten, so ist nicht unwahrscheinlich, dass ein Prothallium unter völlig homogenen Aussenbedingun- gen als ein bilaterales (also nicht dorsiventrales) Gebilde gedeihen kann. Das ist thatsächlich bei Thuja der Fall, deren von Haus aus bilateralen Spross- systeme ebenso gut fortkommen, wenn in ihnen nicht diejenige Dorsiventralität inducirt wird, die sie bei einseitiger Beleuchtung ausbilden. Bei Thuja occidentalis (und ähnlichen Cupressineen) sind die in einer Ebene verzweigten, flach gedrückten Zweige mit schuppenförmigen angepressten Blättern bekleidet (vgl. Fig. 25 p. 184 bei b). Diese bilden 4 Zeilen, von denen je eine nach oben und nach unten schaut (Facialblätter), während jede Kante von einer Beihe reitender Blätter (Marginalblätter) besetzt ist. Der Querschnitt durch ein solches Zweiglein bietet in der Natur der Begel nach ähnliche anatomische Diffe- renzen wie ein dorsiventrales Blatt, indem die nach unten (der Schattenseite) ge- wandte morphologische Bückenfläche (an den Marginalblättern also je nur die eine Blatthälfte) Spaltöffnungen besitzt, während in der dem Licht zugewandten Seite Pallisadenparenchym etc. ausgebüdet ist. Diese Differencirung wird indess, wie Franko) zeigte, durch die ungleiche Beleuchtung beider Flanken inducirt und demgemäss lässt sich durch die Umkehrung der Beleuchtung (schon durch Ueberdecken mit einem Tuche) eine Umkehrung der anatomischen Dorsiventralität erzielen. Diese Umkehrung kommt an dem Neuzuwachs voll zur Geltung, und selbst an den Blät- tern, deren Ausbildung zur Zeit der Umkehrung schon etwas vorgerückt war, macht sich der Reizeinfluss durch eine Abschwächung der Dorsiventralität bemerk- lich. Ein solcher Einfluss tritt begreiflicherweise am stärksten am Blattgrund her- vor, da dieser in Folge des basipetalen Wachsens zur Zeit der Umkehrung weniger in der Entwickelung fortgeschritten war, als die Spitze des Blattes. Dass ohne eine Beleuchtungsdifferenz keine anatomische Dorsiventralität zu Stande kommt, lehren schon die in einer verticalen Ebene ausgebreiteten Zweige von Biota orien- talis, die gewöhnhch nicht dorsiventral sind, bei einseitiger Beleuchtung aber eben- falls die besagte anatomische Dorsiventralität ausbilden 2), Die Erfahrungen an Thuja, Prothallien etc. beweisen zugleich, dass auch durch äussere Eingrifle eine sehr weitgehende labile anatomische oder physiologische Dorsiventralität veran- lasst werden kann und dass man aus der Grösse des Gegensatzes keinenfalls auf eine inhärente Ursache schliessen darf. Soweit eine labile (locale) Dorsiven- tralität inducirt ist, haben die Pflanzentheile gegenüber Orientirungsreizen ein ähnliches Reactionsvermögen aufzuweisen, wie inhärent dorsiventrale Organe (II, Kap. XIII). Die Sprosse von Thuja, Biota, Chamaecyparis sind auch insofern lehr- reich, als sie zeigen, dass in ihnen und ebenso in den aus ihnen hergestellten 1) Frank, Jahrb. f. wiss. Bot. 1873—74, Bd. 9, p. 147; Pick, Bot. Centralbl. 1882, Bd. M, p. 440; Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 268. — Anatomisches auch bei Klemm, Jahrb. f. wiss. Bot. 1886, Bd. 17, p. 499. 2) Pick, b c. 184 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. Stecklingen!), durch die determinirende Wirkung des schon Differencirten die bilate- rale Ausbildung continuirlich fortgebildet wird, nachdem diese Sprossform mit der progressiven Entwickelung allmählich an dem Sämling aufgetreten war, der zu- nächst radiär und mit allseitig abstehenden Nadeln besetzt ist. Andererseits wirken aber auch die radiären Seitensprosse der Keimlinge so energisch determinirend auf den Zuwachs, dass Stecklinge, die man aus diesen Seitensprossen herstellt, in dieser Form fortwachsen und die als Retinispora bekannten allseitig beblätterten Sträucher liefern 2) (Fig. 25 a). Diese bewahren dann sogar ihre radiäre Gestaltung, wenn sie, was freilich selten der Fall ist, einzelne Blüthen und Samen produciren (Beyerinck, 1. c. p. 524). hidess ist es nicht überraschend, dass zuweilen (wie es scheint häufiger bei älteren Retinispora-Pflanzen) einzelne oder auch zahlreichere bilaterale Thujasprosse auftreten (Fig. 25 bei h). Denn damit wird nur eine entsprechende Verschiebung in den maassgebenden determinirenden Constellationen angezeigt, also ein Vor- gang, der oft zur Erzielung einer modifi- B. auch dann sich abspielt, wenn einmal Fig. 25. Retinispora juniperioides Carr. = Biota oi'ientalis Endl. Bei h Sprosse, die bilateral aus- fielen. Vergr. -/i. cirten eine AVurzel Wachsthumsthätigkeit und z. in einen Spross übergeht (11, § 40). Die Erfahrungen lehren, dass, wie man es mit Rücksicht auf das correlative Walten etc. erwarten muss, die aus einem Steckling erwachsende Pflanze durch- aus nicht immer den speciellen Character des besonderen Sprosssystems einer Pflanze conservirt. Jedoch werden z. B. in der gärtnerischen Praxis die Epheu- bäumchen gewonnen, indem man radiäre Sprosse des Epheus als Stecklinge ver- wendet 3). Ohne Frage werden aber durch kritische Studien auf diesem Ge- biete noch viele interessante Thatsachen aufgedeckt werden. Wie bei Thuja wird auch bei Taxus baccata, Abies pectinata, canadensis u. s. w. durch die plagiotrope Stellung der Seitensprosse zugleich die Reiz- 1) Mohl, Vermischte Schriften 1845, p. 22. — Vgl. dazu Frank, 1. c. p. 183 Anmerk. 2) Beissner, Gartenflora 1879, p. 109; Handbuch d. Nadelholzkunde 1891, p. 35; Beyerinck, Bot. Ztg. 1890, p. 517; Goebel, Organographie 1898, I. p. 132. 3] Beyerinck, 1. c. p. 535; Goebel, Organographie, p. 139. — Anderweitige Beispiele bei H. Hoffmann, Bot. Ztg. 1884, p. 214; Büsgen, Waldbäume 1897, p. 224; [de Vries, Die Mutationstheorie 1901, p. .S2i. — Da naturgemäss auch der jeweilige Zustand für das fernere Verhalten entscheidend ist, so ist es z. B. verständlich, dass die aus den Blättern erzogenen Pflanzen von Begonia frühzeitiger zum Blühen kommen, wenn die Blätter blühreifen Pflanzen entnommen werden (cit. Goebel, Organographie 1898, I, p. 39). Auch fand Vöchting (Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 34, p. 102) eine verschiedene Reactionsfähigkeit an den zu verschiedenen Jahreszeiten angefertigten Steck- lingen. § 43, Incluction von Dorsiventralität. 185 bedingung für die Ausbildung der aitionomen Dorsiventralität hergestellt. Denn die Laubknospen von Taxus etc. sind ihrer Anlage nach radiär und entwickeln sich zu einem radiären Spross, wenn sie, wie z. B. bei dem Ersatz des decapi- tirten Hauptsprosses, in eine verticale Lage kommen (II, Kap. XIII). In der plagiotropen Stellung wird dagegen einmal durch die Orientirungsbewegungen der Nadeln eine zweizeilige Anordnung der Blätter, ferner durch vermindertes Wachsthum (geringere Grösse) der zenithwärts stehenden Nadeln eine Aniso- phyllie^) und endlich eine gewisse Hypotrophie^) des Stengels hergestellt. In allen diesen Gestaltungen liegt indess nur eine locale Induction vor. Denn wenn man die Sprosse in umgekehrter Lage üxirt, so wird an den Neuzu- v^^achsen auch die Dorsiventralität umgekehrt 3). Dieser Erfolg tritt nach Frank schon im Dunkeln ein, jedoch wird vermuthlich unter den normalen Bedingungen die Wiilcung der Schwerkraft durch die gleichsinnige Inductionswirkung des Lichtes ^) unterstützt. Die Dorsiventralität der einzelnen Nadelblätter von Taxus u. s. w. wird, wie bei den meisten Blättern, durch innere Ursachen determinirt, jedoch liegt in Thuja ein Beispiel für eine aitionome locale (labile) Induction vor. Bei dem Mangel von Spitzenwachsthum lässt sich aber nicht sagen, ob die autonome Determi- nation (an den Neuzuwachsen) eine fortwirkende Induction bewirken würde, wie es bei dem fortwachsenden Blatte von Lygodium etc. der Fall ist. Ein sol- ches Fortwirken kommt auch nicht bei den nur begrenzt wachsenden Blüthen in Betracht, deren Symmetrieverhältnisse in den meisten Fällen durch die in- neren Ursachen determinirt werden. Indess werden nach Vöchting^) die radiär angelegten Blüthen von Epilobium angustifolium , Hemerocallis fulva, Clarkia pulchella u. s. w. erst durch die orientirende Reizwirkung der Schwerkraft dorsi- ventral ausgebildet, während bei Amaryllis formosissima u. a. die autonome Dorsiventralität je nach der Richtung des Schwerkraftreizes gesteigert oder ver- mindert wird. Sobald die Anlage Spitzenwachsthum ausführt, ist, wie schon betont wurde, das Urmeristem der determinirenden Wirkung des neugeschaffenen characteri- sirten Complexes unterworfen. Falls diese fortwirkende Induction nicht auf grössere Distanz wirksam ist, wird ihr Einfluss durch die Einschaltung eines nicht dorsiventralen Stückes eliminirt werden. Das geschieht in der That bei der Formation der Brutknospen von Marchantia und wird vermuthlich bei 1) Frank, Bot. Ztg. 1868, p. 880 und Die natürl. wagerechte Richtung v. Pflanzen- theilen 187U, p. 22; Kny, Bot. Ztg. 1873, p. 434; Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1893, Bd. 32, p. 267. — Ueber die Anisophyllie vgl. auch Meissner, Bot. Ztg. 1897, p. 203, 1901, p. 23. 2) Vgl. II, § 29 u. Czapek, 1. c. p. 268. 3) Als Folge der Nachwirkung der inducirenden Bedingungen, unter welchen sich die Winterknospen ausbildeten, tritt nacli Kny (1. c.) nicht sogleich die völlige Umkehrung der Anisophylhe ein, wenn die Winterknospen im Frühjalu- in die umgekehrte Lage gebracht werden. 4) Vgl. Goebel, Organographie 1898, I, p. 213. 5) Vöchting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1886, Bd. 17, p. 297; F. Hildebrand, Ber. d. Bot. Ges. 1886, p. 329 (Cleome); Goebel, L c. p. 111. — Vernuühhch wird es auch Fälle geben, in denen die Beleuchtungsdifferenz determinirend wirkt. Ueber den Einfluss der diffusen Beleuchtung vgl. II, § 24. j[gß Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. Selaginella durch die Bildung des Sporangiumstandes erreicht. Wenn dann an einem Steckling i) der Sporangiumstand wiederum in einen Laubspross über- gehen will, wird sich in diesem Augenblicke die fernerhin inhärente Dorsiven- tralität wahrscheinlich durch einen Aussenreiz (vermuthlich durch einseitige Be- leuchtung) induciren lassen. Nach der Realisirung der stabilen Induction wirkt diese natürlich als eine innere Ursache fort und alle Seitensprossungen von Marchantia oder Selaginella erscheinen uns demgemäss inhärent dorsiventral. Also auch dann, wenn die Dorsiventralität (oder Verticibasalität etc.) zu den nor- malen Eigenschaften zählt, ohne die der Organismus vielleicht nicht existenz- fähig ist, kann die primäre Induction der Dorsiventralität dennoch von einem Aussenreize abhängen, hii näheren wird dann in jedem Einzelfalle zu ent- scheiden sein, ob der Organismus die Dorsiventralität (allgemein die fragliche Eigenschaft) nicht ohne den determinirenden Aussenreiz erwirbt, oder ob diese Dorsiventralität unter allen Umständen ausgebildet wird und der Aussenreiz nur räumlich orientirend wirkt. Wie üblich wird auch in Bezug auf die Sjmmetrieverhältnisse das gleiche Ziel durch eine verschiedene Combination von Factoren erreicht. Es ergiebt sich das aus dem Mitgetheilten und aus der speciellen Behandlung der Sjmmetriever- hältnisse bei GoebeP), auf die hier verwiesen werden muss. Erwähnt mag hier noch werden, dass z. B. die anisophyllen Sprosse von Goldfussia anisophvlla (Wiesner 1868, 1. c.) und Centradenia floribunda (Rosenvinge 1. c.) inhärent, aber die von Goldfussia isophvlla und Centradenia rosea local (aitionom) dorsiventral sind 3). Letzteres ist auch bei Selaginella sanguinolenta (Goebel 1898, p. 90) der Fall, während sich bei Selaginella Krausiana u. a. die Dorsiventralität und die Anisophyllie durch einseitige Beleuchtung nur etwas abschwächen lassen (Pfeffer 1. c). Dagegen wird die Dorsiventralität vieler Lycopodiumarten wiederum durch Aussenreize (Licht) herbeigeführt (Goebel 189 8, p. 90, 217). Licht und Schwerkraft veranlassen auch die nur locale Dorsiventralität der Sprosse von Hedera helix-^). Jedoch ist nicht zu verkennen, dass häufig die sehr ausgesprochene Anisophyllie und die anderweitige Dorsiventralität der Seitensprosse, ebenso die Asymmetrie der Blätter inneren Ur- sachen entspringen. Dieses trifft auch für gewisse Blüthenstände zu, während andere Blüthenstände dui'ch die Reizwirkung von Licht, Schwerkraft u. s.w. dorsiventral wer- den^). Ferner ist das im Schlamme vergrabene Rhizom von Nuphar luteum radiär, wird aber bei Zutritt des Lichtes dorsiventral 6). Andere Beispiele für die Entstehung von i) J. Behrens, Flora 1897, Ergsbd. p. 163. 2) Goebel, Organographie 1898, p. 71 ff. — Von Specialarbeiten nenne ich hier Wiesner, Sitzungsb. d. Wiener Akad. 1868, Bd. 58, I, p. 382; ibid. 1892, Bd. 101, I, p. 694; Ber. d. Bot. Gesellsch. 1895, p. 191 ; 1896, p. 180; Frank, Bot. Ztg. 18G8, p. 873 ; Jahrb. f. wiss. Bot. 1873 — 74, Bd. 9, p. 185; Die natürl. wagerechte Riclitung von Pflan- zentheilen 1878, p. 34; Pfeffer, Arbeit, d. Bot. Inst, in Würzburg 1871, Bd. I, p. 77; Goebel, Bot. Ztg. 1 880, p. 8:^9; K. Rosenvinge, Rev. general. d. Botan. 1889, 1, p. 53; Weisse, Ber. d. Bot. Gesellsch. 1895, p. 376; 1896, p. 96; Figdor, ebenda 1897, Generalvers. p. (70); Cz;apek, Flora 1898, p. 427. 3) Nach den Erfahrungen von W^iesner, Frank, Weisse fallen bei Horizontal- stellung der Triebe die auf der Oberseite befindlichen Blätter vielfach etwas kleiner aus. 4) Sachs, Arbeit, d. Botan. Inst, in Würzburg 1879, Bd. 2, p. 237; Czapek, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1893, Bd. 104, I, p. 41. 5) Goebel, Organographie 1898, I, p. 116; H. Ricome, Annal. d. scienc. natu- rell. 1899, VIIL Sör., Bd. 7, p. 293. 6) Raciborzki, Flora 1894, p. 32; Goebel, Organographie 1898, I, p. 198. § U. Induction der Verticibasalität. 187 Dorsiventralität durch den Einfluss von Licht, Schwerkraft, Druck etc. sind schon früher (11, § 24, 29, 37) mitgetheilt. Auch ist einleuchtend, dass durch äussere Eingriffe einem jeden wachsenden Organ eine gewisse Abweichung von den nor- malen Symmetrieverhältnissen aul'gedrängt werden kann. In Bezug auf die Lebermoose sind in diesem Paragraphen ausgezeichnete Bei- spiele für die Induction einer fortwirkenden Dorsiventralität mitgetheilt. Bei den Sprossen der verschiedenen Laubmoose finden sich augenscheinlich alle Abstul\ingen von einer localen bis zu einer stabilen Induction der Dorsiventralität. Auch bei dem Zustandekommen der Dorsiventralität der Sporogoniums scheinen Aussenreize (wohl zumeist das Licht) mehr oder weniger bedeutungsvoll mitzuwirken i). Beobachtungen über den Einfluss des Lichtes und anderer Factoren auf die Symmetrieverhältnisse der Algen finden sich bei Berthold, Jahrb. f. wiss. Bot. 1 882, Bd. n, p. 569; Noll, Arbeit, des Würzburger Instit. 1888, Bd. II, p. 472; Beinke, Ueber Caulerpa 1899, p. 37; Goebel, Organographie, p. 20 i; vgl. auch dieses Buch II, § 24. Einige Notizen über Pilze sind in II, § 2 4, 37 mitgetheilt. Die Beobachtungen Stahl 's 2) an Endocarpon ergaben einen bemerkenswerthen Ein- fluss der einseitigen Beleuchtung auf die Gestaltung dieser Flechte, und es wäre von Interesse, die inneren und äusseren Determinationen an diesen Symbionten näher zu verfolgen. § 44. Induction der Verticibasalität. Während bei dem allseitig radiären (kugeligen, apolaren) Pleurococcus eine bestimmte Hauptachse fehlt, tritt eine solche in dem noch äquipolar gebauten Faden von Spirogyra, Bacillus, Spirillum etc. auf. Mit der Differencirung von Spross- und Wurzelsystem, überhaupt in den meisten Pflanzen wird aber be- kanntlich ein inäquipolarer Aufbau (Verticibasalität, Bipolarität) hergestellt, der auch den Seitensprossungen zukommt, an denen Spitze und Basis in Bezug auf den Ursprungsort orientirt sind 3). Jedenfalls muss aber, so gut wie hinsicht- lich der Dorsiventralität (transversalen Polarität) in jedem einzelnen Falle er- mittelt werden, ob die inäquale oder die äquale Polarität durch innere oder äussere Ursachen inducirt wird und ob eine labile oder stabile Polarität vorliegt. Die Ausgestaltung und Polarität in den Zuwachsstücken von Spross, Wurzel etc. wird aber, wie wir gehurt haben (II, § 40—42), durch die determinirende AVirkung des schon Differencirten auf das an sich äquipotentielle Urmeristem erzielt, gleichviel ob diesem eine radiäre, eine labile oder eine stabile Dorsi- ventralität inducirt wird. In dem Urmeristem kann auch nicht eine inhärente Polarität bestehen. Denn würden die Zellen etwa wie die Schwärmzellen von Ghlamidomonas stabil verticibasal und dementsprechend an dem Spross und an der Wurzelspitze orientirt sein, so würde der Vegetationspunct der Wurzelspitze nicht direct in den Vegetationspunct eines Sprosses übergehen können (II, p. 166). 1) Wichura, Jahrb. f. wiss. Bot. ISGO, Bd. 2, p. 197; Goebel, Flora i895, p. 459; 189% p. 480; Organographie 1898. I, p. 202; Correns, Botanische Festschrift für Schwendener 1899, p. 395. 2) Stahl, Beitr. z. Entwickelungsgesch. d. Flechten 1877, II, p. 18. 3) Y"-l. Bd. I, § 6; II, § 2, 40. Näheres über Symmetrieverhältnisse bei Goebel, Organographie 1898, I, p. 53 und mit Bezug auf animalische Organismen z. B. bei R-llertwig, Lehrb. d. Zoologie 1897, IV. Aufl., p. 107. 188 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. Dass ferner keine inhärente dorsiventrale (transversale) Polarität vorhanden ist, folgt z. B. aus der Thatsache, dass dieselbe Gruppe von Cambiumzellen, je nach den determinirenden Bedingungen, eine Spross- oder eine Wurzelanlage producirt. Mit der Ausbildung: und für Differencirung functionelle Aufgaben bestimmte werden allmählich bestimmte Eigen- schaften, unter diesen auch eine gewisse polare Differenz fixirt, die, wenn sie nicht direct sicht- bar ist, an Spross, Wurzel etc. gewöhnlich durch die Lenkung der productiven Thätigkeit be- merklich wird. Es tritt dieses besonders nach der Zerlegung durch Querschnitte hervor, in- dem an jedem einzelnen Stück die zweckentsprechend gelenkte Ersatzthätigkeit dahin zielt, das Fehlende zu ergänzen (II, § S 45 bis 47). Dementsprechend wird sowohl in dem Spross, als auch in dem Wurzelstück an dem normalerweise zenithwärts ge- wandten Ende (also bei dem Spross an dem acroskopen, bei der Wurzel an dem basiskopen Ende) vorwiegend die Produc- tion oder das Auswachsen von Sprossen, an dem erdwärts ge- wandten Ende die Production von Wurzeln angestrebt (vgl. II, p, ] 92) (Fig. 26). Zur Kenn- zeichnung dieser Thatsache kann man mit Vüchting, dem wir die Kenntniss dieser Verhält- nisse verdanken, an jedem Theil- stück einen Spross- und einen Wurzelpol unterscheiden , und zur Veranschaulichung der Be- ziehungen darf man immerhin an einen Magneten denken, der nach dem Zer- brechen an jedem Stück einen Nord- und einen Südpol aufzuweisen hat. Uebrigens ist ein Spross (für die Wurzel gilt dasselbe) derart beschaffen, dass er in umgekehrter Richtung nicht oder doch nicht gleich gut den Verkehr und die correlativen Wechselwirkungen zu unterhalten vermag, wie sich aus den Versuchen ergiebt, in welchen dafür gesorgt war, dass der Sprosspol das Wurzel- system, der Wurzelpol das beblätterte Sprosssystem entwickelte (II, p. 192). Fig. 2G. Salix spec. Von den 'beiden Zweigstücken wurden A in normaler, B in inverser Stellung an dem Faden/' aufgehängt und im Dunkeln zum Austreiben gebracht. Aucli in der inversen Stel- lung (B) sind die Sprosse an dem Sprosspol s, die Wurzeln an dem Wurzelpol w entwickelt. § 44. Induction der Verticibasalität. 189 insbesondere unter den Pflanzen ohne oder zahlreiche Beispiele geben, in denen ein aus- umgekehrter Richtung als ein zureichendes Vermuthlich wird es jedoch, mit geringer Gewebedifferencirung, gewachsenes Sprossstück auch in Bindeglied zwischen Spross- und Wurzelsystem zu functioniren vermag. Dieses trifft nach N 0 1 1 1) bei der einzelligen Bryopsis muscosa zu (Fig. 27), deren Sprossgipfel und oberste Fiederstrahlen nach dem um- gekehrten Einpflanzen und Fixiren in Sand sich in ein Wurzelsystem verwandeln, wäh- rend aus den älteren Fie- derstrahlen, aus dem basalen Theil des Sprosses oder auch aus dem in^sprünglichen Wurzel- system der gefiederte Spross Ferner ist ohne keine inhärente Vertici- basalität in Spirogyra und in solchen Algen vorhanden, die, so lange sie frei herumschwim- men, äquipolar sind, unter be- stimmten Bedingungen aber als Haftmittel Rhizoiden produciren (II, p. 151). Uebrigens ist nicht zu vergessen, dass die Um- Avandlung des Vegetationspunctes einer Wurzel in einen Spross (und umgekehrt) gelegentlich auch bei Blüthenpflanzen vorkommt und bei diesen nur desshalb zumeist vermieden ist, weil das schon Differencirte sehr energisch determinirend wirkt. Nach dem soeben Mitgetheilten kommt also den Organen der Blüthenpflanzen eine (relativ) stabile, den Organen von Bryopsis eine labile Verticibasalität zu. Da diese sicherlich auch an den Keimpflänzchen von Bryopsis umkelirbar sein wird, so muss dahingestellt bleiben, ob die Verticibasalität in den bipolaren Schwärmern gebildet wird. Frage Fig. 27. A Aufreclit gewachsene Pflanze von Bryopsis muscosa. — B Spitze einer umgetehrten Pflanze, die sicli in Kliizoiden umge- wandelt hat. Die uichtseliraffirten Theile kennzeichnen das nach dem Umkehren Hinzugewachsene, die sehraffirten Partien das zur Zeit der Umkehrung S^orhandene; «■ Rhizoiden; /; Sandkörnchen; h Blattfiedern; s Stammspitze. (Nach Noll.) dieser Alge 2) noch nicht unter- u. s. w. Oedogonium vollkommen stabil ist. Auch ist sucht, ob z. B. bei den vegetativen Schw^ärmsporen von die sich normalerweise mit dem Keimfleck festsetzen und aus diesem also Haftorgane entwickeln, mit dieser sichtbaren inäqualen Polarität auch eine stabile physiologische Verticibasalität verknüpft ist. Dieses ist offenbar bei die i) Noll, Arbeit, d. Bot. Inst. z. Würzburg 1888, Bd. 3, p. 4fi8. Aehnliche Erfolge wurden auch mit Caulerioa prolifera erzielt Noll, 1. c. p. 'i7ü; J. M. Janse, Jahrb. f. wiss. Bot. 1890, Bd. 2-1, p. 237; P. Klemm, Flora 1893, p. 460. [H. Winkler, Jalu-b. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 3.5, p. 449; Noll, Bericht, d. Botan. Gesellsch. 1900, p. 445. Die Induction wird wesenthch durch Licht verursacht.] 2) Pringsheim (1871), Gesammelte Abhandig. 1895, I, p. 115. 190 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. Euglena, Chlamidomonas u. s. w. der Fall, deren Bipolarität augenscheinlich autonom, d. h. Hand in Hand mit der Vermehrung (Zelltheilung) determinirt wird. Dagegen wird die (stabile?) Verticibasalität des Prothalliums von Equisetum (limosum, variegatum) nach Stahl^) durch die Lichtrichtung und zwar in der Weise inducirt, dass sich bei dem Keimen der Spore die erste Scheidewand senkrecht auf die Richtung der Lichtstrahlen stellt und damit auf der Schattenseite die Zelle für das erste Rhi- zoid {r Fig. 28), auf der Lichtseite aber die sich zum Prothallium ij)) entwickelnde Zelle determinirt wird. Die Realisirung dieser Determination ist eine Bedingung für eine gedeihliche Fortentwickelung (vgl. demgemäss gestört wird , n, p. 182) die Fig. 2^. Gekeimte Eriuisetum- spore schematisch. Die Lieht- richtung ist durch den Pfeil angegehen. (Nach Stahl.) wenn das Keimen bei all- seitig gleicher Beleuchtung stattfindet. Unter den Sporen dürften sich wohl vielfach solche finden, deren Protoplast apolar oder doch nur labil polar ist. Dieses würde auch dann noch der Fall sein, wenn durch die Beschaffenheit der Aussenhaut normaler- weise ein Hervorbrechen des Keimschlauches an einer bestimmten Stelle und damit die Induction einer be- stimmt gerichteten Polarität verursacht wird. Ein solches Verhältniss besteht offenbar auch bei den Pollenkürnern, da diejenigen, deren Exinium allseitig mit Durchlassstellen versehen ist, die also nach verschiedenen Richtungen Pollen- schläuche senden können, beweisen, dass der Protoplast des reifen Pollenkornes keine fest bestimmte Polarität besitzt. In den Eizellen von Fucaceen, die erst nach dem Ausstossen aus der Mutter- zelle befruchtet werden, scheint allgemein zur Determinirung von Spross und Rhizoid, die auch hier durch die erste Theilungswand markirt werden, die Mit- hilfe eines Orientirungsreizes nicht nothwendig zu sein. Jedoch besteht in den Eiern von Pelvetia caniculata und Ascophyllum nodosum keine stabile Polarität, da nach Rosen vinge^) bei einseitiger Beleuchtung der Sprosspol immer auf der Lichtseite ausgebildet wird. Die Eier von Fucus serratus müssen aber nach den bisherigen Erfahrungen als inhärent polar bezeichnet werden, da Rosen- vinge eine Abhängigkeit der Difl"erencirungsrichtung von äusseren Einflüssen nicht nachzuweisen vermochte. ■1, Stahl, Ber. d. bot. Gesellsch. 1880, p. 34; Buchtien, Bibhoth. botanic. -1887, Heft 8; Kny, Ber. d. bot. Gesellsch. i89ß, p. 378. Vgl. II, p. 48, wo die Verlegung der Theilungswand durch Druckwirkung mitgetheilt ist. 2j K. Rosenvinge, Rev. general. d. Bot. -1889, Bd. I, p. -126. — B. Farmer u. J. L. Williams (Philosoph, transact. 1898, Bd. 190, p. 641) halten es für fraghch, ob das Licht einen solchen orientirenden Einfluss hat. — Uebrigens ist noch nicht ent- schieden, ob nicht bei gewissen Arten die Sauerstoffvertheilung oder andere Factoren als determinirender Reiz wirken. Auch wäre es möglich, dass durch Ort und Richtung des Eintritts des Samenfadens in das morphologisch radiäre Ei (vgl. Behrens, Ber. bot. Ges. 18tv6, p. 92; Strasburger, Botan. Practic. II. Aufl., p. 401) eine polare Induction bewirkt wird. Vgl. hierüber Roux, Archiv f. mikroskop. Anatom. 1887, Bd. 29, p. 157. [H. Winkler, Ber. d. bot. Gesellsch. 1900, p. 297. Bei Cystoseira barbata inducirt die einseitige Beleuchtung die fernerhin inhärente Polarität. § 44. Induction der Verticibasalität. 191 Auch bei den Filicineeni) ist es nicht gelungen, die feste Oricntirung des Embryos in Bezug auf das umschliessende Archegonium durch Aussenreize zu modificiren, während Leitgeb^) bei der Rhicocarpee Marsilia durch Schwer- kraft wenigstens eine gewisse Verschiebung erzielte. Die erste Theilungswand in der Eizelle von Marsilia ist allerdings insofern fest bestimmt, als sie immer mit der Längsachse des Archegoniums zusammenfällt, wird aber so verschoben (gedreht), dass sie immer senkrecht gegen das Loth gerichtet ist, wenn man das Archegonium in irgend eine horizontale Lage bringt. Da nun stets aus der zenithwärts liegenden Theilhälfte der Spross, aus der erdwärts gewandten die Wurzel (unter bestimmter Richtung gegen die Längsachse des Arche- goniums) hervorgeht, so besteht also in der Eizelle (in den bezeichneten Grenzen) keine inhärente Polarität. Ob eine feste autonome Polarität der Ei- zelle der Filicineen zukommt, muss aber desshalb unentschieden bleiben, weil man nicht wissen kann, ob und in wie weit von dem Archegonium und Pro- thallium eine bestimmt determinirende Wirkung ausgeht. Ebenso ist noch un- bekannt, ob die im Embryosack angeheftete Eizelle der Blüthenpflanzen schon in sich polarisirt oder, wie eine Urmeristemzelle, allseitig radiär ist und so wie ein Seitenspross (also auch wie die vegetativen Embryonen von Funkia etc.) durch die Wechselwirkung mit der Anheftungsstelle und in Bezug auf diese determinirt und orientirt wird. Jedenfalls ist es bis dahin nicht geliwgen, die normale Orientirung des Embryos durch die Schwerkraft oder durch andere Ein- griffe zu verändern 3). Die p. 18G erwäliiite Polarität macht sich bei den höheren Pflanzen, aber auch bei Marchantia und manchen niederen Pflanzen mehr oder minder deutlich dann bemerklich, wenn man die Sprosse, Wurzeln etc. unter allseitig gleichen Aussenbedingungen, z. B., wie es Vöchting that, in einem dampfgesättigten Raum hält-^). Unter diesen Umständen wird an den umgekehrt aufgehängten Sprossen (Fig. 2 6 5, p. 18 8) bei manchen Pflanzen der polare Gegensatz kaum alterirt, bei anderen aber etwas abgeschwächt. Eine gewisse Reizwirkung der Schwer- kraft tritt ausserdem darin hervor, dass an den horizontal gehaltenen Sprossen am acroskopen Ende das Auswachsen der Knospen auf der zenithwärts gewandten Flanke, am basiskopen Ende die Production der Wurzeln auf der erdwärts schauenden Seite gefördert wird (11, p. 124; über einseitige Lichtwirkung vgl. II, p. 107)^). ^) Leitgeb, Sitzungsb. d. Wiener Akad. 1879, Bd. 80, I, p. 201; Heinricher, Mittheil. a. d. botan. Institut zu Graz 1888, Heft 2, p. 239. 2) Leitgeb, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 187S, Bd. 77, I, p. 222. Abbildg. z.B. bei Goebel, Grimdz. d. System, u. Morphol. 1882, p. 259. — Ueber den Einfluss d. Schwer- kraft auf das Froschei vgl. 0. Hertwig, Zelle u. Gewebe 1898, II, p. yö. — Die isohrten Zellen mit excentrischer Lage des Schwerpimctes nehmen natürhch im Wasser eine dementsprechende Lage ein. 3) Vöchting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1883, Bd. 16, p. 393; B. Schmid, Botan. Cen- tralbl. 1894, Bd. 58, p. 1. 4) Literatur: Vöchting, Organbildung im Pflanzenreich 1878, 1. Theil; 1884, II.Theil; Bot. Ztg. 1880, p. 593; Jahrb. f. wiss. Bot. 1885, Bd. 16, p. 370 (Marchantia) u. 1899, Bd. 34, p. 36; Transplantation am Pflanzenkörper 1892; Fr. Darwin, Linnean Soc. Journ. 1880, Bd. 18, p. 407 (Rubus); J. H. Wakker, Bot. Centralbk 1887, Bd. 32, p. 238; N. J. C. Müller, Ber. d. bot. Gesellsch. 1885, p. 139; Kny, Ber. d. bot. Ges. 1889, p. -201; Rechinger, Verh. d. zool. bot. Ges. in Wien 1893, p. 310; Prunet, Rev. general. d. Bot. 1893, Rd. 5, p. 49 (Kartoffel). 5) Nach Vöchting (k c. 1878, I, p. 26), Kny (1. c. p. 201), Rechinger l c. p. 327) 1Q2 K.ap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. Natux'gemäss kann z. B. auch durch localisirte Einschränkung der Wasser- oder Sauerstoffzufuhr die Productionsstätte der Wurzeln von dem Wurzelpol gegen den Sprosspol hin verschoben werden. Ausserdem können auch innere Factoren die durch die inhärente Polai'ität angestrebte Productionsthätigkeit modificiren. So hat die begünstigte Productionsfähigkeit der Knoten oft zur Folge, dass zunächst an diesen Wurzeln oder Knospen entstehen (Vöchting, 1. c. I, p. 15; II, p. 59, I 30). Ausserdem treibt nicht selten die kräftigere (entwickelimgsfähigere) Knospe auch dann zuerst aus, wenn sie ferner vom Sprosspol steht (Vöchting, 1. c. I, p. 242). Durch die besonderen inneren Bedingungen wird es auch verursacht, dass an Stücken von Blättern und ebenso von Sprossen mit begrenztem Wachsthum an dem basiskopen Ende nicht nur die Wurzeln, sondern auch die Sprosse entstehen ^). Es ist das eine durchaus zweckentsprechende Reactionsthätigkeit, weil ein Blatt- stück wohl nicht geeignet sein dürfte, in zureichender Weise den Verkehr und die W>chselwii'kungen zwischen den Sprossen und Wm'zeln zu unterhalten. Durch die Unterbrechung der normalen Wechselwirkungen werden aber thatsächlich an abgeschnittenen Pflanzentheilen die besprochenen Reizreactionen veranlasst. Denn die Erfahrung lehrt, dass schon die Wegnahme eines Rindenringes, sofern damit eine völlige Unterbrechung der Siebtheile herbeigeführt wird, denselben Erfolg hat wie die völlige Durchschneidung des Organes ^]. Umkehrungsversuche. Offenbar vermag auch der Stengel (ebenso die Wurzel) den Verkehr und die Beziehungen zwischen Wurzelsystem und Sprosssystem nicht gleich -gut in umgekehrter Richtung zu unterhalten, obgleich Wasser- und Nähr- stoffp noi'malerweise aufwärts und abwärts geleitet werden (I, Kap. VI und X). Denn wenn man an einen umgkehrt eingepflanzten Zweigstücke erzielt hat, dass der ursprüngliche Sprosspol das Wurzelsystem, der Wurzelpol aber das Spross- system trägt, so pflegen diese Stecklinge nicht gut zu gedeihen und gehen häufig mit der Zeit zu Grunde 3). Wie sich aus der kritischen Behandlung der Literatur bei Vöchting (1. c.) ergiebt, ist es auch fraglich, ob sich jemals ein umgekehrt eingepflanzter Baum (dessen Wm'zelsystem also das Sprosssystem erzeugt hatte) auf die Dauer am Leben erhielt. Vermöge der inneren Polarität sind aber die umgekehrt eingepflanzten Stengel bestrebt, aus dem im Boden steckenden Spross- pol neue Triebe zu entwickeln. Als, unter Entfernung dieser Triebe, Knj-^) wäh- rend 4 Jahren die umgekehrt eingepflanzten Sprosse von Ampelopsis hederacea und Hedera helix cultivirte, ergab das Reactionsvermögen, dass die ursprüngliche Polarität sich erhalten hatte, dass also auch keine Umkehrung in dem Holze inid der Rinde eingetreten war, die in der umgekehrten Lage durch das Dickenwachs- thum gebildet worden waren. Polarität der Zelle. Die besprochenen polaren Reactionen und Productionen sind durch die Verschiedenheit der determinirenden Wirkungen bedingt, die an dem Sprosspol und Wurzelpol auf die productionsfähigen embryonalen Zellen ausgeübt werden. Es folgt dieses schon daraus, dass das Urmeristem (das embryonale wird die Callusbildung zumeist am basiskopen Ende aus inneren Ursachen gefördert. Dagegen fand Tittmann (Jahrb. f. wiss. Bot. iS'Jö, Bd. 27, p. 193) an Zweigstücken von Populus pyramidalis keine derartige polare Differenz, constatirte aber, dass schon eine geringe Druckdifferenz als Hemmungsreiz wirkt fll, p. 154). 1) Vöchting, l c. 1878, p. 92; Bot, Ztg. -1880, p. 603; Transplantat, p. 30; Jahrb. f. wiss. Bot. 1885, Bd. 16, p. 387 (Hutstiel von Marchantia). 2) Vöchting, 1. c. 1878. I, p. 40 etc.; 1^84, p. 119. Vgl. ferner Bd. L p. 590 u. ibid. Fig. 67. — Anderweitige Versuche über Ringelungen bei Czapek, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1897, Bd. lOfi, I, p. 161. — Ueber den Einfluss von Beugungen vgl. II, p. 149, 154. 3) Versuche und Lit. bei Vöchting, Organbildung 1878, I, p. 198. 4) Kny, Ber. d. bot. Gesellsch. 1889, p. 201. § 44. Induction der Verticibasalität. 193 Gewebe) an sich äquipotentiell ist (II, p. 187) und wird im speciellen dadurch erwiesen, dass man durch das Zerschneiden jede beliebige Stelle des Stengels (oder der Wurzel) zum Sprosspol oder Wurzelpol machen und damit veranlassen kann, dass bestimmte Meristemzellen entweder Sprosse oder Wurzeln produciren. Wenn somit nach allen diesen Erfalu-ungen in der äquipotentiellen Urmcristemzelle keine unabänderlich fixirte Polarität (Verticibasalität oder Dorsiventralität) besteht, so bleibt damit zunächst unentschieden, ob die embryonale Zelle an sich allseitig radiär (apolar) ist oder ob ihr durch Selbstbestimmung eine labile, durch dirigi- rende Einflüsse orientirbare Polarität zukommt (vgl. II, § 40). In beiden Fällen wird aber schon in den Meristemen durch die Wechselwirkung mit dem schon Differen- cirten ein bestimmter, local verschiedener Inductionszustand (II, § 42) und somit eine bestimmt gerichtete Polarität bestehen. Es ist sogar möglich, dass diese schon von den Urmeristemzellen mit einer geringeren oder grösseren Energie fest- gehalten wird, wie das z. B. auch bei der asomatophjtischen Spirogyra der Fall ist, in welcher einer jeden neu entstehenden Zelle aus inneren Ursachen eine be- stimmt gerichtete Hauptachse aufgedrängt wird. Trotzdem ist bei Spirogyra nur eine labile Polarität vorhanden, denn wenn durch einen Gipsverband das Längen- wachsthum des Fadens mechanisch unmöglich gemacht wird, sieht man zuweilen an Stellen, an welchen freier Raum zur Verfügung steht, die Seitenwandung aus- wachsen und einen Faden bilden, dessen Hauptachse also um 90° gegen die Mutterzelle verschoben ist ^). Ebensogut wie durch eine stabile kann also die embryonale Zelle durch eine labile Determination mit besonderen Eigenschaften und Reactionsfähigkeiten aus- gestattet sein, die, so lange der Inductionszustand dauert, fortbestehen. Man kann desshalb im speciellen nicht aus Reactionen, die auf eine polare Eigen- schaft der Zelle hinweisen, auf eine invariabel orientirte, inhärente Verticibasa- lität der embryonalen Zelle schliessen, wie es Vöchting^) auf Grund der inter- essanten Erfahrung thut, dass bei der Transplantation eine erfolgreiche Vereinigung nur dann eintritt, wenn die Zellen in normaler Richtung auf einander treffen, wenn also z. B. zwei Stengelstücke so an einander gesetzt werden, dass der Sprosspol des einen auf den Wurzelpol des anderen trifft. Wenn wir auf Grund der Gesammterfahrungen der Meristemzelle, die wir bis dahin als eine Einheit behandelten, eine labile Polarität zuschreiben müssen, so ist damit ganz unbestimmt gelassen , durch welche Eigenschaften und Verände- rungen im Protoplasten die Polarität bestimmt und modificirt wird. Es ist also möglich, aber nicht nothwendig, dass der Protoplast selbst unveränderlich polar ist 1) Nach unveröffentlichten eigenen Beobachtungen. Ueber das Eingipsen von Spirogyra etc. vgl. Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 4893. p. 240, 385. 2) Vöchting, Transplantation 4892, p. -149. Ueber die Pfropfversuche u. das Be- streben der Zellen, durch entsprechendes Wachsthum ein Zusammentreffen der ungleich- namigen Pole zu erzielen, vgl. II, § 49. Uebrigens tritt z. B. bei Copulation der verti- cibasalen Schwärmzejlen die Vereinigung an den gleichnamigen Polen ein. • — Vöchting hat nur mit Meristemzellen gearbeitet, die unter dem inducirenden Einfluss der mit ilinen verbundenen differencirten Gewebe standen. Die bestimmte Determination hat z. B. auch zur Folge, dass ein Rindenlappen auf seiner Innenseite Xylem neubildet, während die Cambialzellen factisch nicht nur nach aussen, sondern auch nach innen hin Pliloem produciren können. Vgl. Vöchting, 1. c. p. 146; Beyerinck, Wurzelknospen u. Neben- wurzeln 1886, p. 11 ; Frank, Krankheit, d. Pflanzen 1894, II. Aufl., Bd. 1, p. 70. [Nach Miehe, Flora 1900, p. 113 lässt sich durch verschiedene Mittel ;Centrifugal\virkung, Wundreiz) erzielen, dass in Blättern von Monocotylen die Spaltöffnungsmutterzelle nicht, wie normal, an dem acroskopen, sondern an dem basiskopen Ende der Zellen ab- geschnitten werden.] Pfeffer, Pflanzenpliysiologie. 2. Aufl. II. ^3 194 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. und in Folge von Orientirungsreizen (analog wie eine freilebende Euglena) inner- halb der starren Zellhaut die Lage seiner fixen Symmetrieachse selbstthätig ver- schiebt. Eine Verschiebung der Polarität könnte aber auch ohne Wendung des Gesammtkörpers, durch die Modification der inneren Constellation erzielt werden. Letzteres ist augenscheinlich der Fall, wenn der Schwärmer eines Myxomyceten dm'ch die Ausgestaltung von Cilien die Existenz einer variabeln Polarität anzeigt, und es ist nicht unwalu*scheinlich, dass z. B. die Verschiebungen (Inductionen) der Polarität in Spü'ogyra und in embryonalen Zellen der höheren Pflanzen in erster Linie durch die Modification der inneren Constellationen erzielt werden. Ursprung' der Polarität. So gut wie die direct sichtbaren, kennzeichnen auch die erst durch eine Reaction nachweisbaren Polaritäten bestimmte Eigen- schaften, die in verschiedener Weise zu Stande kommen und theilweise autonomen, theilweise aitionomen Ursprungs sind. Da aber in sehr vielen Fällen die Deter- mination durch innere Ursachen unzweifelhaft in die Augen springt, so ist schwer zu verstehen, wie Sachs i) zu der Ansicht kommen konnte, die besprochene ph}'- siologische Verticibasalität werde allein durch die verticale Stellung der Pflanzen- organe, durch den Einfluss der Schwerkraft (und theilweise des Lichtes) verur- sacht. ThatsächUch lehren schon die Zweige der Hängebäume 2), sowie Sprosse, die zwangsweise in umgekehrter Lage^) gehalten werden, dass sich trotz der in- versen Wirkung der Schwerkraft die Verticibasalität in demselben Sinne gestaltet, wie an anderen Sprossen. Da aber allgemein Organe von gleicher morphologischer Dignität in verschiedener Weise ausgebildet und für verschiedene Ziele und Zwecke nutzbar gemacht werden, so ist es nicht auffallend, dass zwar nicht die positiv geotropischen Zweige der Trauerbäume, wohl aber die positiv geoti'opischen Rlii- zome von Yucca und Cordvline"*) mit der den normalen Wurzeln zukommenden Verticibasalität ausgestattet sind, die sich bei Yucca mit dem Uebergang in negativ geotropische Sprosse ebenso ändert, wie bei Wurzeln, die sich in Sprosse ver- wandeln. Uebrigens hängt die geotropische, sowie auch die heliotropische u. s. w. Reactionsfähigkeit von Qualitäten ab, die sich unabhängig von einander und ebenso unabhängig von der Polarität und der bestimmten Richtung der Polarität ausbilden und verändern können (II, p. i 67). Wie in jedem Falle haben wir auch hin- sichtlich der Polaritäten und der Symmetrieverhältnisse zunächst mit den derzeit vorhandenen Pflanzen und mit den diesen zukommenden Eigenschaften zu rechnen, die dm'ch ihre Existenz nicht verrathen, wie sie im phylogenetischen Sinne ent- standen sind. Man kann desshalb nicht ohne weiteres wissen, in welchen Fällen und in wie weit die Schwerkraftwirkungen bei der phylogenetischen Ausbildung der polaren Quahtäten mitwirkten^). i) Sachs, Arbeit, d. Botan. Inst, in Würzburg 1880, Bd. II, p. 469, 484 u. s. w. — Vgl. die Entgegnungen von Vüchting, Bot. Ztg. 1880, p. 593; Organbildung 1884, Heft 2, p. 95, 188. — Die Ansicht von Sachs hängt theüweise zusammen mit der unhaltbaren Theorie der organbildenden Stoffe vgl. II, § 54. 2) Vöchting, Bot. Ztg. 1880, p. 598, 605; Organbildung 1884, II, p. 95, 188. Ana- loges für horizontal wachsende Rhizome, Kartoffelknollen u. s. w. Vgl. Vöchting, 1. c. und Bibliotheca botanica 1887, Heft 4, p. 40. 3) Vöchting 1884, 1. c. p. 132; Transplantation 1892, p. 34. 4) Sachs, 1. c. 1880, p. 473; Vorlesungen über Pflanzenphysiol. IL Aufl., 1887, p. 536; Vöchting, Bot. Ztg. 1880, p. 601; Organbildung 1884, II, p. 188. 5) Vgl. auch Vöchting, Transplantation I892, p. 158. § 43. Allgemeines über Correlationsvorgänge. 195 Abschnitt II. Correlation und Reproduction. § 45. Allgemeines über Correlationsvorgänge. Mit der Arbeitstheilung wird es, wie schon Band I, § 4 hervorgehoben wurde, nothwendig, dass durch die innere Verkettung und wechselseitige Beein- flussung in selbstregulatorischer Weise für das harmonische und zweckent- sprechende Zusammenwirken der Organe der Pflanze und der Zellen eines Organes gesorgt ist. Es muss desshalb auch die Entwickelung der Organe und Zellen durch die correlativen Beziehungen so dirigirt werden, wie es für die Herstellung und die Aufrechterhaltung des harmonischen Zusammenwirkens der Theile im Dienste des Ganzen unerlässlich ist^). Um das zu erreichen, muss aber der Organismus (ebenso wie ein Mechanismus) so beschaffen sein, dass durch eine Störung die Reactionen hervorgerufen werden, die auf thunliohste Ausgleichung der Störung, also auf Wiederherstellung des Gleichgewichtes hin- arbeiten (II, § 4). Damit ist zugleich gesagt, dass das selbstregulatorische (corre- lative) Walten nicht erst durch die störenden Eingriffe erweckt wird, sondern im normalen Lebensgang dauernd thätig ist. Die Reactionen auf besondere Ein- griffe sind aber, wie immer, ein wichtiges Hilfsmittel, um eijiiige Einsicht in die Wechselwirkungen unter den normalen Bedingungen zu gewinnen. Der Ver- gleich mit selbstregulatorisch arbeitenden Maschinen macht es auch im all- gemeinen verständlich, dass in Folge der specifischen Eigenschaften oft nur an einer bestimmten Stelle (an einem einzelnen Gliede) eine merkliche Reaction ein- tritt; obgleich die Gesammtverkettung es mit sich bringt, dass bei einem locali- sii-ten Eingriff alle Theile des Ganzen mehr oder minder in Mitleidenschaft gezogen werden. Uebrigens geht aus der selbstregulatorischen Lenkung des Stoffwechsels genugsam hervor, dass die correlativen Erfolge nicht nur in Wachsthums-, sondern auch in Stoffwechselprocessen bestehen, die sich auch in die nicht mehr wachsenden Organe ausbreiten (!,§'!, 93 u. s. w.). AVir berücksichtigen also nicht das gesammte correlative Walten, wenn wir nur die für das Auge wahrnehmbaren formativen Vorgänge in das Auge -1) Wie schon Bd. I, p. 22 Anmerk. gesagt ist, fasse ich unter » Correlationen « die Gesammtheit der physiologischen Wechselbeziehungen zusammen, gleichviel ob es sich um Stoffwechselprocesse oder Wachsthumsvorgänge handelt. Einzelne be- sonders auffcälhge Wachsthumscorrelationen lenkten schon frühzeitig die Aufmerk- samkeit der Forscher auf sich. Vgl. z. B. de Candolle, Theorie elementaire 1819, II. edit., p. 90; Pllanzenphysiol. übers, von Röper 1835, Bd. 2, p. 333; Th. A. Knight, Philosoph, transact. 1806, Th. 2, p. 293, übers, in Ostwald's Klassikern Nr. 66, p. 38. Siehe ferner Vöchting, Bot. Ztg. 1893, p. 79. Goebel, Flora, Ergzbd. 189S, p. 194; Organographie 1898, I, p. 176; Herbst, Biol. Centralbl. 1895, 15, p. 721 u. die an diesen Stellen sowie die fernerhin cit. Literatur. — In Bezug auf Stoffwechsel siehe auch Bd. I, p. 515—521 etc. 13* 196 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. fassen und zur Erläuterung der Wechselwirkungen zwischen den Organen einer Pflanze ini folgenden einige correlative Reactionen kurz behandeln. Eine solche Correlation tritt uns allgemein an Stengelstücken, Wurzelstücken u. s. w^, in dem Bestreben entgegen, das zu bilden, was zur Wiederherstellung der Totalität noth- w^endig ist, eine Fähigkeit, welche die Vermehrung der Pflanze durch Stecklinge etc. ermöglicht (11, § 47). In Folge der Störung der bisherigen correlativen Wirkungen werden also an dem Steckling Knospen oder Zellgruppen zum Aus- w^achsen oder zur Productionsthätigkeit angeregt, denen durch die Wechsel- wirkungen in der intacten Pflanze Ruhe aufgedrängt war (II, § 42). Dieser verfällt normalerweise ein gutes Theil der angelegten Knospen, die dann activirt w^erden, w^enn die austreibenden Knospen entfernt werden oder wenn die an- gestrebte Fortbildung dieser Knospen mechanisch (durch Gipsverband) i) unmög- lich gemacht wird. Auf diese Weise ist also für eine regulatorische Ersatz- thätigkeit gesorgt und z. B. erreicht, dass sich ein Baum von neuem belaubt, wenn im Frühjahr die jugendlichen Blätter durch Frost, Maikäferfrass u. s. w, vernichtet werden 2). Der Ersatz wird dann entweder durch das Austreiben von Ruheknospen oder durch das Weiterwachsen der in Bildung begriffenen Knospen geliefert, in denen unter diesen Umständen die Ausbildung der Knospen- schuppen unterbleibt oder modificirt wird (II, p. 168). An dem Wurzelsteckling wird aber die Production von Knospen veranlasst, die ohne die Modification der correlativen Reizwirkungen nicht entstanden sein würden. In analoger Weise wird an bestimmten Stellen des Stecldings (II, § 43) die Neubildung von Wurzeln oder das Austreiben von Wurzelanlagen angeregt. Wird die Ausführung dieser Bestrebungen durch eine mechanische Hemmung oder auf andere Weise unmöglich gemacht, so setzt die Productionsthätigkeit an einem anderen passenden Orte ein und es lässt sich demgemäss das Austreiben oder die Neubildung von Sprossen oder Wurzeln an eine andere Stelle verlegen (II, § 43). Auf diese Weise gelingt es sogar, die über dem Boden befindlichen Sprosse der Kartoffel und anderer Pflanzen zur Knollenbildung zu veranlassen 3). Sorgt man aber dafür, dass nur eine beschränkte Anzahl von Sprossen oder von Wurzeln zur Entwickelung kommt, so pflegen sich diese kräftiger zu gestalten. Das geschieht auch nach dem Decapitiren der wachsthumsthätigen Wurzelspitze oder Sprossspitze. In diesem Falle tritt neben der Wachsthums- förderung häufig eine Aenderung der geotropischen Sensibilität ein, die zur Folge hat, dass sich die Seitenwurzeln steiler abwärts, die Seitensprosse steiler auf- wärts stellen und dass unter Umständen auf diese Weise ein Ersatz der Haupt- achse zu Stande kommt (II, Kap. XIII). Derartige correlative Reactionen treten auch an anderen Organen ein. So fallen die Laubblätter häufig merklich grösser aus , wenn man nur eine 4) Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistung 1893, p. 357, 382; J. Richter, Flora 1894, p. 416 (Chara); Fr. Hering, Jahrb. f. wiss. Bot. 1896, Bd. 29, p. -137. 2) Lit. z. B. A. P. de Candolle, Pflanzenphysiol. 1833, Bd. I, p. 437; Treviranus, Physiol. 1833, p. 299; Nördlinger, Forstbotanik 1874, Bd. I, p. löG; Askenasy. Bot. Ztg. 1877, p. 828; Potonie, Sitzungsb. d. Brandenburg, botan. Vereins 1880, Bd. 22, p. 79; Goebel, Bot. Ztg. 1880, p. 804. 3) Knight, Philosoph, transact. 1806, p. 298; Vöchting, Bibhothec. botanica 1887, Heft 4, p. 23; Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 34, p. 1. %il Allgemeines über Correlationsvorgänge. 197 beschränkte Zahl zur Entwickelung kommen lässt^), und nach Hering 2) hat die Entfernmig oder das Eingipsen des grösseren Samenlappens von Streptocarpus zur Folge, dass sich der kleinere, normalerweise verkümmernde Samenlappen zu dem mächtigen Laubblatt dieser Pflanze entwickelt. Auch ist schon (II, p. 101) mitgetheilt, dass die Laub- blätter gewisser Pflanzen im Dunkeln dann er- hebliche Grösse erreichen, wenn die am Licht befindlichen Laubblätter abgeschnitten werden. Ferner erfahren bei Faba etc. die Nebenblätter eine ansehnliche Vergrösserung, wenn die übrigen Laminartheile des Blattes möglichst früh entfernt werden 3). Auch der Ersatz der beseitigten Langtriebe durch die entsprechende Entwickelung von Kurztrieben ^), der Ersatz von Sprossen durch die Umbildung einer Dornanlage, die Vergrösse- rung der assimilirenden Blattfläche durch die Metamorphose einer Rankenanlage &) gehören in das Gebiet dieser correlativen Wirkungen. Fer- ner haben wir schon von der Metamorphose der Knospenschuppen in Laubblätter gehört, die sich vollzieht, wenn die Winterknospen während ihrer Bildungszeit zur sofortigen Weiterentwicke- lung gebracht werden 6). Da es sich bei der Selbstregulation um eine wechselseitige Beeinflussung handelt, so hat z. B. eine Entwickelungshemmung im Sprosssystem eine Verlangsamung der Wachsthumsthätigkeit im Wurzelsystem zur Folge und umgekehrt. Ein solcher correlativer Erfolg tritt ebenso ein, wenn das Sprosssystem (resp. das Wurzelsystem) ganz oder theilweise entfernt, oder wenn dessen an- gestrebte AVachsthumsthätigkeit durch Eingipsen unmöglich gemacht wird (vgl. II, § 38). Aber auch dann, wenn die correlativen Beziehungen zwischen den Theilen eines einzelnen Organes gestört werden, ist ein analoger Fig. 29. Cucurbita pyriformis. Von den beiden gleiohgrossen Keimlingen wurde B so in Gips (G) eingebettet, dass das 5mm lange obere Ende (/■') des Hypocotyls frei blieb. Naeb 7 tägigem Aufenthalt im Dun- keln hatte sieb dann der freie Keimling Ä und der eingegipste B in der durch die Figur gekennzeichneten Weise entwickelt. Man siebt, dass die 5 mm lange Zone (C) bei A erheblich, bei B nur wenig gewachsen ist. (Nach Hering.) 1) Goebel, Organographie 189S, I, p. -180. 2) Hering, 1. c. p. 142. 3) Goebel, Bot. Ztg. -1880, p. 838; Organographie p. 180; Kronfeld, Bot. Cen- tralbl. -1887, Bd. 32, p. 363; A. Boirivant, Annal. d. scienc. naturell. 1898, VIII. ser., Bd. 6, p. 393 erhielt analoge Erfolge, als er Theile der Lamina entfernte. 4) A. Henry, Verhandig. d. Leopold. Akadem. Bd. XI, I, p. 95; Vöchting, Organ- bildung 1884, n, p. 5; Busse, Flora 1893, p. 164; Baciborski, Flora 1900, p. 29. 5) Vöchting, 1. c. p. 35; Mann, Metamorphose 1894, p. 28, 33. 6) Vgl. II, p. 168. Ueber eine analoge Verwandlung von Zwiebelschuppen, F. Hilde- brand, Bot. Ztg. 1892, p. 32. Ueber die Umwandlung von Bhizomen in Laub- sprosse'und der Schuppenblätter in Laubblätter vgl. II, p. 102 u. II, Kap. XIII. — Ueber die correlative Callusbildung siehe Tittmann, dieses Buch II, p. 154. 198 Kap- VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. Effect zu erwarten. Dem entsprechend wird durch die Entfernung der be- fruchteten Samenknospen die Fortbildung des Fruchtknotens sistirt, und wenn man durch Eingipsen der Streckungszone eines Keimstengels das angestrebte Längenwachsthum unmöglich macht, so wird das Wachsthum des freigebliebenen Gipfeltheiles erheblich verlangsamt \) (Fig. 29). Natürlich werden sich auch diese correlativen Reizerfolge nur allmählich einstellen und, wie in anderen Fällen, ist es möglich, dass auf eine transitorische Hemmung w^eiterhin eine relative Be- schleunigung folgt. Auch ist es verständlich, dass z. B. eine merkliche Alteration der Wachsthumsthätigkeit des Sprosssystems durch eine ansehnliche, aber nicht durch eine verhältnissmässig geringe Reduction des Wurzelsystems bewirkt wird und dass eine transitorische Hemmung durch eine compensirende Thätigkeit aus- geglichen werden kann 2] . Zur Erzielung eines selbstregulatorischen Waltens ist es allgemein nöthig, dass die betheiligten Functionen nicht bis zu dem möglichen Maximum in An- spruch genommen sind und dass zur Wiederherstellung der gestörten Harmonie, je nach Bedürfniss, eine oder einige Functionen beschleunigt oder verlangsamt werden. Man wird demgemäss, wie es sich auch aus den obigen Beispielen ergiebt, im allgemeinen dann eine Beschleunigung der Wachsthumsthätigkeit zu erwarten haben, W'Cnn es sich um die Ausgleichung eines Defectes handelt, während eine ^^'achsthumshemmung gewöhnlich auch eine Verzögerung des Wachsthums in den correlativ abhängigen Theilen veranlassen wird. Den ver- schiedenen Aufgaben und Bedingungen entsprechend, fallen aber die Reactionen sehr verschieden aus. Schon aus den angeführten Beispielen ist zu entnehmen, dass dasselbe Ziel sowohl durch Anregen, Beschleunigung, Modification der Wachsthumsthätigkeit in einem präformirten Organe, als auch durch eine Neu- bildungsthätigkeit erreicht werden kann. Zudem zählen u. a. die Heilungsprocesse an Wunden (H, § 38), die Neuformation der Zellhaut um den Gymnoplasten (I, § 84), der Stoffumsatz und die Stoffwanderung (I, Kap. YHI, X) zu den Pro- cessen, die regulatorisch und correlativ gelenkt werden. In letzter Instanz laufen natürlich alle Reactionen auf eine Beschleunigung oder Verlangsamung, sowie auf eine quantitative oder qualitative Verschiebung der Thätigkeit hinaus. Dementsprechend kann man quantitative und qualitative Correlationen 3) unterscheiden, nur darf man nicht vergessen, dass eine scharfe Abgrenzung nicht möglich ist und dass mit dieser Unterscheidung keine tiefere Einsicht in die Mannigfaltigkeit gewonnen ist. Zu den Besonderheiten gehört es auch, dass unter Umständen ein Organ vicariirend eintritt, wie das z. B. dann der Fall ist, wenn sich in Folge der Beseitigung der AVurzelknollen ein Spross- ■1) F. Hering, Jahrb. f. wiss. Bot. -1896, Bd. 29, p. IST. 2) Vgl. II, 13.158 u. die dort citirte Lit. 3) Goebel, Organographie 1898, I, p. 177. Goebel bezeichnet die quantitativen Correlationen als Compensationen. Diese Unterscheidung basirt nur auf dem sicht- baren Erfolge, berücksichtigt also zweckentsprechend nicht die causalen Verhältnisse. Da es sich aber um innere Reizvvirkungen handelt, so sind für eine Eintheilung auch die II, p. 85 angedeuteten Principien anwendbar. Aus den weiteren Erörterungen über die Correlationen in Folgendem ist ferner zu ersehen, dass die von Herbst 'Biol. Cen- tralbl. 1895, Bd. 15, p. 7-24) versuchte Eintheilung in Compensationen, Alterationen, echte Correlationen weder allen Modalitäten Rechnung trägt, noch eine sichere Abgrenzung vorstellt. Vgl. auch dieses Buch IL § 4G. § 43. Allgemeines über Correlationsvorgänge. 199 theil zu einem anschwellenden Reservestoffbehälter ausbildet^). Diese und an- dere Vertretungen können um so weniger überraschen, als ohnehin im normalen Entwickelungsgange morphologisch gleichartige Organe (Anlagen) verschieden ausgebildet und nutzbar gemacht werden. Zudem haben wir gehurt, dass die determinirenden AVirkungen, von denen der Verlauf der Ontogenese abhängt, durch die Verschiebung der correlativen Verkettungen und zwar zum Theil im hohen Grade modificirt werden. In obigen Auseinandersetzungen ist zugleich ausgesprochen, in welchem Sinne das correlative Walten dauernd bei dem normalen Entwickelungsgange im Spiele ist. Einmal wird auch in diesem Falle, wie in jeder Selbstregulation, durch die erweckten Gegenreactionen (compensirenden Reactionen) in den ausgewachsenen und wachsenden Pflanzentheilen ein gewisser Gleichgewichtszustand erhalten. Wird aber selbstregulatorisch auch nur eine einzelne Thätigkeit modificirt oder neu geschaffen, so werden damit zugleich correlative Rückwirkungen auf andere Organe erweckt. Sehr auffällig tritt uns dieses z. B. darin entgegen, dass durch die Entwickelung des (sexuellen oder apogamen) Embryos die Weiterbildung des ganzen Fruchtknotens, sowie die Kräftigung des Fruchtstieles und die Zuleitung von Nährstoffen veranlasst und regulatorisch gelenkt werden 2j. Durch die auf das Blühen und Fruchten gerichtete Thätigkeit erfährt das Wachsthum der vegetativen Theile eine gewisse Retardirung und wird demge- mäss durch das Exstirpiren der Blüthen beschleunigt-^]. Umgekehrt wird nicht selten die Bildung der Fortpflanzungsorgane bei höheren und niederen Pflanzen vermindert und ganz verhindert, wenn aus irgend einem Grunde ein üppiges Wachs- thum der vegetativen Theile stattfindet^). Desshalb geht bei der Kartoffel mit der Unterdrückung der Knollenbildung die Begünstigung der Blüthenbildung Hand in Hand 5). Jedoch ist es als eine Folge der auf Ersatz hinarbeitenden Reactionsfähigkeit sehr wohl zu verstehen, dass bei Onoclea struthiopteris das Entfernen der Laub- blätter zur Folge hat, dass sich an Stelle der fertilen Sporophylle sterile Laub- blätter entwickeln 6). Uebrigens wird vielfach in der normalen Ontogenese in entwickelungsfähigen Zellen und Organanlagen das Wachsthum für immer oder zeitweise zum Stillstand gebracht, und es ist als eine correlative Folge der energisch auf ein bestimmtes Ziel gerichteten Thätigkeit anzusehen, dass Phycomyces während der Bildung des Sporangiums das Längenwachsthum des Sporangienträgers fast ganz einstellt ^). Die correlativen Hemmungen 1) Vöchting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 34, p. 77. 2) Vgl. z. B. Hofmeister, Allgem. Morpholog. 1868, p. 634; Reinke, Nachr. d. Gesellsch. d. Wissensch. zu Göttingen 1878, p. 473. 3) 0. Mattirolo, Sulla Influenza che la estirpazione dei fiori esercita sui bule- rioli radicah 1900, p. 38. 4) Möbius, Beitr. z. Lehre v. d. Fortpflanzung 1897, p. 132; Goebel, Organo- graphie 1898, I, p. 182; H. Müller- Thurg au, Landvv. Jahrbuch. 1898, Bd. 12, p. 57.— Aehnhche Erscheinungen sind mehrfach an Algen, Pilzen etc. gemacht. Vgl. Kap. VI u. IX. Klebs, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 150. 5) Knight, Philosoph, transact. 1806, Th. 2, p. 298; C. Kraus, Forsch, a. d. Ge- biete d. Agriculturphysik 1881, Bd. 4, p. 58; Vöchting, Biblioth. botan. 1887, Heft 4, p. 20. 6) Goebel, Ber. d. botan. Gesellsch. 1887, p. LXIX. 7) II, p. 12. Bei Pilobolus (II, p. 102) wird das Wachsthum mit der Sporangien- bildung sistirt, und dauert fort, wenn diese im Dunkeln unterbleibt. — Natürlich können H. S. JCNN(HÜS, 4eHH« HOPKINS UMIVE^ITV, 200 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. führen aber in vielen Fällen zur Unterdrückung und zum Absterben von An- lagen und von Zellen, wie dieses u. a. auch bei der Bildung von Tracheen der Fall ist. § 46. Fortsetzung, Bei aller Mannigfaltigkeit im einzelnen handelt es sich bei den correlativen Erfolgen, wie überhaupt in der Ontogenese, stets um Leistungen embryonaler oder characterisirter Zellen (oder Organe), deren Thätigkeit durch die obwalten- den Bedingungen, also insbesondere durch die Wechselwirkungen von Seite der übrigen Gewebe und Organe specifisch und local verschieden beeinflusst und so dirigirt wird, dass je nach Umständen die Wachsthumsthätigkeit gefördert oder gehemmt oder auch zur Formation einer Neubildung veranlasst wird. Der Er- folg resultirt natürlich immer aus der Gesammtheit der (correlativen) Einflüsse, die theilweise direct von dem unmittelbar anstossenden Gewebe, theilweise von den ferneren imd fernsten Zellen und Organen ausstrahlen. Da aber auch in diesem Falle die benachbarten Zellen die Reizwirkung übermitteln, da also zu- nächst immer die anstossenden Gewebe dirigirend und determinirend wirken, so gelten unsere allgemeinen Betrachtungen (II, § 39 — 45), in welchen die Herkunft der correlativen Einflüsse nicht näher berücksichtigt w^urde, auch für den Fall, dass Reize von fernen Organen ausgehen. Ohnehin kann man dem Erfolge nicht ansehen, wie er zu Stande kam, und wenn z. B, eine Wachsthumshemmung in der Wurzel nachw^eislich eine Reaction in einem Sprosstheil hervorruft, so bleibt dabei unbestimmt, in wie weit eine directe oder indirecte, bezw. eine combinirte Beeinflussung des reagirenden Or- ganes vorliegt. Denn Avenn im wesentlichen auch nur die Thätigkeit (Stimmung) in den Zellen verändert wird, die an das reagirende Organ anstossen, so kann dadurch eine sehr auffällige formative Reaction erzielt werden. Da aber bei der wechselseitigen Verkettung aller Theile in Folge eines Eingriffes eine jede Zelle in Mitleidenschaft gezogen wird (II, § 45), so kann nur von Fall zu Fall entschieden werden, ob der überwiegende Einfluss auf das reagirende Organ durch eine directe oder indirecte, bezw. durch eine combinirte Beeinflussung verursacht wird. Bei richtiger Würdigung dieser Erwägungen ergiebt sich, dass bei der mangelnden Einsicht in die Innenvorgänge häufig ein sicheres Urtheil nicht zu gewinnen ist und dass ohnehin eine scharfe Abgrenzung zwischen directen und indirecten Einflüssen kaum müglich ist. Jedoch wird man in vielen Fällen, z. B. vielfach dann, wenn eine allgemeine Depression der Thätigkeit ein anderes Organ in Mitleidenschaft zieht, mit Wahrscheinlichkeit auf eine indirecte Beeinflussung schliessen können. Fassen wir indess die formativen Nah- und Fernwirkungen, ohne Rücksicht auf die Art der Vermittelung, in das Auge, so würd man in Hinsiecht auf den Zweck im allgemeinen erwarten dürfen, dass durch die Fernwirkungen vor- wiegend die zureichende Ausbildung der auf harmonisches Zusammenwirken durch die neuen Bedingungen gleichzeitig die vegetative und reproductive Thätigkeit in einem umgekehrten Sinne beeinflusst werden. § 4 6. Allgemeines über Correlationsvorgänge. 201 angewiesenen Organe dirigirt wird, während die Nahewirkungen (neben der quan- titativen Direction der Wachsthumsthätigkeit) formativ determinirend zu wirken haben. In der That ist aus den früher besprochenen Erfahrungen zu ersehen, dass in dem fortwachsenden Spross (oder Wurzel) einer Blüthenpflanze, in dem Thallus einer Marchantia u. s. w. die besondere Determinirung der embryonalen Zellen durch die benachbarten Gewebe und zwar so überwiegend durch diese besorgt wird, dass die specifische Induction im Vegetationspunct dem Wesen nach an abgetrennten Spross- und Thallusstücken fortdauert. Indess sind auch Reactionen mitgetheilt, in denen die morphogene Thätigkeit sehr wesentlich durch eine correlative Fernwirkung modificirt wirdi). Jedenfalls ist durch die correlative Verkettung und das selbstregulatorische Walten bedingt, dass die Veränderung der Thätigkeit in einem Organe nahe und ferne Organe (Zellen) in Mitleidenschaft zieht und dass von diesen hinwiederum Actionen und Reizwirkungen auf andere Zellen und Organe ausstrahlen und zu- rückstrahlen. Ohne eine solche allseitige und reflectorisch wirksame Reizver- kettung wäre überhaupt die regulatorische und zweckentsprechende Lenkung in dem wachsenden und thätigen Organismus unmöglich 2). Alle die besprochenen correlativen Beziehungen sind in der That zugleich Beispiele für ein solches Walten. So ist z. B. die Befruchtung der Anstoss, welcher die Entwickelung des Embryos veranlasst, der hinwiederum die Fortbildung des Fruchtknotens hervorruft. Durch diese Wachsthumsthätigkeit werden dann weiter die Stoff- wanderung und die mit dieser verketteten Processe regulatorisch gelenkt, die bis in ferne Organe Stoffwechselprocesse hervorrufen, die wiederum Wachs- thumsprocesse auslösen können. Analog liegen die Verhältnisse, wenn ein Trieb entfernt wird, der durch seine Thätigkeit eine inactivirende Reizwirkung auf andere Knospen ausübte (II, § 45). Denn so gut wie von der activirten Eizelle strahlen von der activirten Knospe die auslösenden und mechanischen Wirkungen aus, die zur Aufrechthaltung der Harmonie im selbstregulatorischen Getriebe un- erlässlich sind. In diesen Beispielen waren der Eintritt des Samenfadens, bezw. die Entfernung (oder mechanische Hemmung) des primären Triebes die Aussen- wirkungen, welche die inneren Actionen (d. h. die Verschiebungen in diesen) ver- anlassten. Uebrigens folgt aus dem Gesagten, dass überhaupt keine Reiz Wirkung localisirt bleiben kann, wenn auch möglicherweise die direct sichtbaren Reactionen nur an der unmittelbar betroffenen Stelle auftreten. Reizleitungen und reflec torische Reizverkettungen gehören überhaupt zu dem innersten Wesen des Organismus, auch des einzelnen Protoplasten, der ja ein gegliederter Organismus ist, dessen Leistungen durch das selbstregulatorisch ge- lenkte Zusammengreifen der Organe und der Bausteine zu Stande kommen (I, § 7 — 9). Die Erfahrungen an Pflanzen, sowie an niederen Thieren, lehren zugleich, dass Reizbarkeit und Reizleitung, dass ebenso das correlative Walten nicht an die Existenz von differencirten Sinnesorganen, Centralorganen und Nerven gekettet •)) Dahin gehört u. a. auch, dass nach L. Gcneau de Lamarliere (Compt. rend. 1899, Bd. iSS, p. iöO) das Abschneiden der primären und secundcären Achsen häufig die Entwickelung von Fasciationen bei Barkhausia taraxacifoUa veranlasst. — Ueber Fas- ciationen vgl. ferner z. B. de Vries, Bot. Centrbl. 1899, Bd. 77, p. 289 u. die hier cit. Lit. 2) Vgl. Bd. I, § 3 u. Pfeffer, d. Reizbarkeit d. Pflanze 1893, p. 93 (Sep. a. Ver- handig. d. Gesellsch. deutsch. Naturf. u. Aerzte 1S93). 202 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. sind. Jedoch ist schon aus den angeführten Beispielen zu ersehen, dass uns unter Umständen ein Organ (z. B. die befruchtete Eizelle) als der Erreger und Lenker der correlativen Actionen erscheint. In principieller Hinsicht bestehen übrigens analoge Beziehungen in einem selbstregulatorisch gelenkten Mechanis- mus, der z. B. unter Zuhilfenahme von electrischen Verkettungen so hergestellt werden kann, dass von einer Uhr oder einem Thermoregulator in die Nähe und in die Ferne verschiedene Auslösungen ausgehen, durch die für Erzielung und Aufrechthaltung des normalen Ganges in einem oder in einigen Mechanis- men gesorgt wird. Ohne eine nähere Einsicht in das Innengetriebe lassen sich doch die obigen allgemeinen Schlüsse und ferner die Folgerung ableiten, dass durch die Thätig- keit, oder wie man auch sagen kann, durch Mangel und Ueberfluss (I, § 4) zu- gleich die Anstösse und Reactionen erweckt werden müssen, die zur Aufrecht- haltung des harmonischen Waltens, zur Befriedigung des Bedürfnisses nothwendig sind. Dass in der That die Regulation nicht schlechthin von der Existenz, son- dern vielmehr von der Thätigkeit eines Organes (von den functionellen Reizen II, p. 203] abhängt, lehren ebenso die gesammten Erfahrungen. Sehr anschau- lich wird dieses z. B. durch die Thatsache demonstrirt, dass durch die mecha- nische Hemmung des Wachsthums einer Knospe ein ähnlicher correlativer Erfolg veranlasst wird, wie durch das Wegschneiden der Knospe, durch welches ausserdem die Wundreaction mit den sich anschliessenden Folgen hervor- gerufen wird. Wie sich aus II, § 51 — 53 ergiebt, werden nicht nur zur mechanischen Ausführung, sondern auch zur Veranlassung der correlativen Reactionen ver- schiedene Mittel angewandt, unter denen in zweckentsprechender Weise auch diejenigen Reizwirkungen eine hervorragende Rolle spielen, die durch den Con- sum der Nahrung und durch die Störung des Gleichgewichtes in der Vertheilung der Nährstoffe ausgelöst werden (I, §93; II, §52). Ich erwähne dieses bereits an dieser Stelle, um zugleich einer irrigen Annahme zu begegnen, nach welcher direct durch die Entziehung der Nahrung, also durch die Herbeiführung eines Nahrungsmangels, die correlative Inactivirung von Knospen u. s. w. bewirkt wer- den soin). Dass dem nicht so ist, beweisen u. a. die Erfahrungen, dass die ruhenden Knospen oft reichlich Reservestoffe enthalten und nach dem Isoliren austreiben, dass ferner unter Umständen die mechanische Wachsthumshemmung (durch einen Gipsverband) eine Wachsthumshemmung in den correlativ verket- teten Organen zur Folge hat (II, § 45), obgleich diesen nach der Aufhebung der bisherigen Wachsthumsconcurrenz eine grössere Nahrungsmenge zur Ver- fügung gestellt ist. Natürlich kann auch durch Nahrungsmangel ein Stillstand des Wachsthums verursacht werden, indess geschieht dieses in den nach Wachs- thum strebenden Organen erst bei einem so weitgehenden Hungerzustand, wie er unter normalen Ernährungsbedingungen wahrscheinlich in keinem Organe eintritt. 1) Einem analogen Irrthum in Bezug auf die Causalverkettung von Wachsthum und Ernährung werden wir noch bei der Besprechung der periodischen Ruhezustände begegnen (II, Kap. IXj. Auch ist schon II, § 30—32 dargethan, dass die Wachs- thumsfähigkeit, trotz der besten Nahrungsversorgung, transitorisch oder dauernd lahm gelegt sein kann. § 4 6. Allgemeines über Correlationsvorgänge. 203 Auch wird es nicht durch Nahrungsmangel, sondern durch die dirigirenden, €orrelativen Reiz^Yirkungen veranlasst, dass in einem Gewebe bestimmte Zellen zu Tracheen werden und in Folge dieses Entwickelungsganges frühzeitig ab- sterben und desshalb ausgesaugt werden. Ebenso wird durch die correlative Reizwirkung vielfach im normalen Entwickelungsgang die Lahmlegung von An- lagen erzielt, die dann in manchen Fällen (Samenknospen etc.) mit der Zeit ab- sterben. Uebrigens gehen in Folge des Unterbleibens der normalen functionellen Inanspruchnahme z. B. manche Blattstiele nach dem Entfernen der Lamina, die Stummel von Internodien u. s. w. allmählich zu Grunde^). Aber auch bei der Concurrenz zwischen Mikroorganismen wird, so lange eine genügende Menge von Nahrung vorhanden ist, das Lahmlegen und die Unterdrückung der einen Art nicht durch den Nahrungsmangel und die Entreissung von Nahrung, sondern durch den hemmenden und tödtlichen Einfluss von Stoffwechselproducten u. s, w. herbeigeführt (I, p. 515). Fimctionelle Reize. Da alles \'itale Geschehen (die Erhaltung des Lebens, die progressive Ontogenese u. s. w.) eine funcüonelle Leistung ist, so sind alle correlativen Vei'kettungen zugleich functionelle Wechselwirkungen (bezw. functionelle Reize). Aus den Besprechungen des correlativen Waltens ergiebt sich also ohne weiteres, dass durch die functionellen Wechselwirkungen im einzelnen Protoplasten oder zwischen verschiedenen Zellen (Organen) nicht nur die Fortbildung und die Um- bildung, sondern auch die Neubildung von Organen veranlasst werden. Auf diese Weise ist also, wie z. B. die Chloroplasten lehren, auch die Formation von Organen möglich, die eine bis dahin nicht vorhandene Function ausüben. Während in diesem Falle die eigene Specialfunction als ein Bildungsreiz nicht in Betracht kommt, kann eine (generelle) Function, die wie z. B. die Stoffwanderung, schon in jedem undifferencirten Gewebe thätig ist, sehr wohl in verschiedenem Sinne als Reiz wirken und demgemäss unter Umständen die Differencirung von Gefässbündeln etc. veranlassen, die nunmehr als specielle Leitbahnen functioniren^j. Dass dann fernerhin 1) Lit.: Vöchting, Organbildung 1878, I, p. 232; 4884, II, p. MS; Th. Hartig, Bot. Ztg. -1862, p. 82; R. Hartig, Lehrbuch 1891, p. 235; J. Massart, La cicatrisation cliez les vegötaux 1898, p. 61. Sicherhch wird auch das Vorkommen von Endknospen bei Fagus, Ulmus etc. nicht, wie es Wiesner (Bot. Ztg. 1889, p. 1 ; Goebel, Organo- graphie1898, I, p. 179) annimmt, direct durch Wasserentziehung bewirkt, wenn es auch mögüch ist, dass durch den relativen Wasserentzug ein Reiz ausgelöst wird. — Ueber Er- folge durch Wasserentzug vgl. I, p. 194. Ueber die Folgen des Nahrungsmangels I, p. 598. 2) Nach Jost (Bot. Ztg. 1891, p. 530; 1893, p. 131) und nach Busch (Ber. d. bot. Ges. 1889, Generalvers. p. 29) unterbleibt im Blattstiel von Phaseolus die Ausbildung der Blattspur, wenn durch entsprechende Einschnitte frühzeitig die Continuität der Bahnen unterbrochen wird. Vermuthlich wird auch beim Pfropfen der zwischen dem Reis und der Unterlage angestrebte Austausch die Differencirung in dem Verbindungswege (Callus) derart beeinflussen, dass durch diese Differencirung die Continuität der Leit- bahnen hergestellt wird. — Indem Embryo kommt indess die übhche Gewebedifferencirung ohne einen durch die Richtung der Stoffleitung bedingten Reiz, aus inneren Ursachen zu Stande. Die bessere Ausbildung der Leitbahnen bezw. der Cuticula durch Steige- rung der Wasserleitung bezw. der Transpiration (II, § 34; vgl. auch II, § 46), die Zu- nahme der Tragfähigkeit durch Steigerung der mechanischen Inanspruchnahme (II, § 36) etc. sind u. a. Beispiele für die Reizwirkung einer Einzelfunction. — Ueber phylogene- tische Fragen sowie über die Herkunft functionsloser Organe haben wir hier nicht zu discutiren; ebenso nicht über die Herkunft der Fähigkeit des Organismus, eine den An- forderungen entsprechende (functionelle) Structur herstellen zu können. 204 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. die Realisirung der Eigenthätigkeit vielfach, wie erörtert, als Fortbildungsreiz wirkt, ist überhaupt nur ein Specialfall der generellen Thatsache, dass schon ein jeder Protoplast durch seine Thätigkeit zugleich die Bedingamgen für die Er- haltung der vitalen Functionen und für die ontogenetische Ausbildung des Ganzen und der Theile zu schaffen hat (I, p. 2). Fasst man sachgemcäss die Gesammtheit aller functionellen (d. h. also correlativen) Wechselwirkungen in das Auge, so ist es ganz selbstverständlich, dass durch die Thätigkeit nicht nur Reize auf das functionirende Organ selbst, sondern auch auf nahe und ferne Organe (Zellen) aus- geübt werden, dass ferner diese Reize und die Reizerfolge sehr verschiedenartig sind^). Die Erkenntniss einer functionellen (correlativen) Beziehung, die immer schon einen Fortschritt bedeutet, entbindet natürlich nicht von der Aufgabe, die massgebenden Factoren näher zu präcisiren (II, p. 162). § 47. Reproduction und Eegeneration, Die Ontogenese ist insofern eine Reproductionsthätigkeit , als die Bildungs- thätigkeit der Ahnen wiederholt wird. Jedoch muss auch im normalen Ent- wickelungsgang vielfach Ersatz für absterbende Organe (Blätter, Rinde, Holz, Wurzelhaare, Guticula etc.) geschaffen werden, und zudem ist die interne Lebens- thätigkeit des Protoplasten augenscheinlich mit einer dauernden Zerspaltung und Neubildung verknüpft (I, p. 466, 522). Alle diese Vorgänge hängen mit dem selbstregulatorischen und correlativen Walten zusammen, durch das, wie schon besprochen wurde (II, § 45, 46), bei Wegnahme von Organen die Reactionen hervorgerufen werden, die auf den Ersatz des Fehlenden hinarbeiten. Sofern dieser Ersatz durch Neubildungen, Auswachsen von Anlagen u. s. w. zu Stande kommt, pflegt man von Reproduction zu reden, während eine Regeneration dann vorliegt, wenn an einem Organe der hinweggenommene Theil selbstthätig wieder- hergestellt wird 2). Es ist nicht unsere Aufgabe , näher die ausgezeichnete Reproductions- fdhigkeit der Pflanzen zu behandeln, welche unter normalen und unter ab- normen Verhältnissen in ausgedehnter und verschiedener Weise zu vegetativer Vermehrung führen kann^j. Wie aber die gesammte reproductive Thätigkeit 1) Die Differenzen, die sich bei 0. Hertwig, Zelle u. Gewebe 4898, II, p. 100, M72'; W. Roux, Gesammelt. Abhandig. 1895, I, p. 33-1; H. Driesch, Analyt. Theorie d. or- .ganisch. Entwickelung 1894, p. 62 finden, beruhen wenigstens z. Th. darauf, dass Einzel- fälle in das Auge gefasst und dass die Fragen mit Betrachtungen über den Ursprung der zweckentsprechenden Structur verwebt wurden. 2) Vgl. z.B. Frank, Krankheiten d. Pflanzen IL Aufl., 1895, Bd. I, p.90; 0. Hertwig, Zelle u. Gewebe 1898, II, p. 179; Y. Delage, L'heredite 1895, p. 92. Von anderen Autoren, z. B. von Goebel (Organographie 1898, I, p. 86), wird Regeneration generell für alle Ersatzthätigkeit angewandt. Mit Delage kann man im näheren regelmässige (normale, physiologische) und accidentelle (abnorme, pathologische) Regeneration u. Reproduction unterscheiden. 3) Ueber die normale Vermehrung vgl. die Lehrbücher. — Ueber die Reproductions- thätigkeit an Theüstücken vgl z. B. Frank, Krankheit, d. Pflanzen IL Aufl., 1895, Bd. 1 ; Vöchtlng, Organbildung 1878, I; 1884, II; Transplantation 1892, p. 145; Wiesner, Elementarstructur 1892, p. 99; C. Rechinger, Verh. d. zool. bot. Ges. in Wien 1893, p. 310; Tittmann, Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, Bd. 27, p. 104; J. Massart, La cicatri- sation chez 1. vegetaux 1898; Goebel, Organographie 1898, L p. 36 sowie die noch § 47. Reproduction und Regeneration. 205 durch das selbstregulatorische Walten beherrscht wird und wie die repro- ducirenden Reactionen anschauliche Belege für die correlative Verkettung liefern, wurde bereits (II, § 45, 46) dargelegt. Bei dieser Gelegenheit ist auch darauf hingewiesen, dass die Ergänzung theilweise durch das Auswachsen schon vor- handener Anlagen, theilweise durch Neubildungen geschaffen wird. Dabei wer- den im Pflanzenreich, wie es zur Herstellung des Fehlenden unerlässlich ist, Frcmdbildungen (Heteromorphosen Loeb'sji) in ausgedehntem Maasse angewandt, d. h. es treten als Ersatz für das Hinweggenommene Organe auf (z. B. Laub- knospen an Wurzeln, Blättern und sogar an Früchten, Protonema an der ab- geschnittenen Moosseta), die unter normalen Bedingungen an den intacten Organen nicht entstanden sein würden. Die Reproductionsfähigkeit wird (sowie die fortdauernde Zuwachsthätigkeit II, § 2) durch die Conservirung embryonaler Zellen ermöglicht, die je nach den determinirenden Einflüssen Verschiedenes liefern (II, § 40 ff.). Da aber die Re- alisirung der Fähigkeiten immer nur bedingungsweise eintritt, da also unter Um- ständen die allseitig befähigten Zellen nicht einmal die Wachsthumsthätigkeit aufnehmen, so kann man aus den negativen Resultaten nicht ohne weiteres auf den Mangel des embryonalen Characters schliessen. Der embryonale Character kann auch nicht mit Sicherheit nach dem mikroskopischen Bilde beurtheilt werden und kommt nachweislich manchen Zellen zu, die das Aussehen von somatischen Zellen angenommen haben. (Vgl. besonders II, § 42 und 45.) Bei manchen Schimmelpilzen vermag eine jede ausgewachsene Zelle des 3Iy- celiums nach dem Abtrennen das Ganze zu reproduciren^). Diese Befähigung, wenn auch nicht in gleichem Grade, scheint ebenso einer jeden Zelle des Thallus von Lunularia und Marchantia innezuwohnen^). Unter den Laubmoosen giebt es solche, bei denen alle oder nur bestimmte Zellen des Bialtes reproductionsfühig befunden wurden-*). Auch in diesen Fällen ist schön zu übersehen, dass die repro- ductive Thätigkeit zumeist erst durch das Abtrennen des Blattes ausgelöst wird. Es ist übrigens nicht unwahrscheinlich, dass bei den Moosen der embryonale Cha- • racter auch dem Protoplast vielen der nicht producirenden Zellen zukommt, dass also deren Auswachsen durch die besonderen Umstände, theilweise vielleicht durch die Umkleidung mit einer nicht mehr wachsthumsfähigen Zellhaut verhindert wird. Unter den höheren Pflanzen giebt es manche, die leicht (aus Stengeln, Blättern, Wurzeln) reproduciren und die auch in den ausgewachsenen Organen erweckungs- fähige Ruhezellen reserviren, von denen in gewissen Fällen eine einzelne Zelle den Ausgangspunct für eine Knospe und eine ganze Pflanze bildet (Hansen, 1. c. fernerhin zu citirende Lit. Ueber Adventivbildungen siehe ferner Hansen, Vergl. Unters, über Adventivbildungen -1881; M. W. Beyerinck, Ueber Wurzelknospen u. Neben- wurzeln 1886; J. H. Wakker, Bot. Centralbl. 1887, Bd. 32, p. 238; Noil, Landwirth. Jahrb. lOOO, Bd. 29, p. 395; Heinricher, Ber. d. bot. Gesellsch. 1900, p. 112; J. Palisa, ebenda -1900, p. 398. — Ueber Wundreize u. Gallusbüdung dieses Buch II, § 47. -1) Die Bezeichnung »Heteromorphose« rührt von Loeb her. Vgl. II, p. 82. 2) Klebs, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. ISO. 3) Vöchting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1885, Bd. 16, p. 367; Schostakowitsch, Flora 1894, Ergänzungsbd., p. 350. 4) F. de Forest Heald, Gametophytic Regeneration. Diss. Leipzig, 1897; Correns, Ber. bot. Ges. 1898, p. 22; Unters, über Vermehrung d. Laubmoose 1899, p. 339. 206 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. p, 45; Wakker, 1. c). Dagegen kommt anderen Pflanzen nur eine geringe Re- productionsbefähigung zu, und es gelingt desshalb nur schwer oder gar nicht, z. B. Pinus sylvestris oder Fagus sylvatica durch Stecklinge zu vermehren (Wiesner 1892, 1. c. p, 88; Rechinger, 1. c. p. 317). Es ist übrigens begreiflich, dass die Theilstücke, um erfolgreich zu reprodu- ciren, nicht unter eine gewisse Grösse sinken dürfen. Immerhin erzielte Rechinger i) noch Reproductionsthätigkeit an den nm* 1,5 mm dicken Querscheiben der Wurzel von Cochlearia armoracia, und Koch 2] sah sogar aus einem kleinen Stück des Keimfadens des Embryos von Orobanche eine ganze Pflanze entstehen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass es fernerhin gelingt, aus einer isolirten embryo- nalen Vegetativzelle eines Mooses oder einer höheren Pflanze die complete Pflanze zu erziehen, wie dies thatsächlich bei verschiedenen Pilzen und Algen möglich ist. Bei Vaucheria und anderen Siphoneen, bei Mucorineen u. s. w. entwickeln sich sogar kleine isolirte Protoplasmamassen, sofern sie einen Zellkern enthalten, wiederum zum Ganzen 3]. Diese Fähigkeit kommt auch den kernhaltigen Theilstücken der Schwärmsporen von Oedogonium, Vaucheria und anderen Algen zu'*), und ohne Frage wird auch die Eizelle einer höheren Pflanze (analog wie gewisse animale Eizellen) durch die Abtrennung einer gewissen Cytoplasmamasse die Fortbildungs- fähigkeit nicht verlieren. Die kleinen Eizellen, die winzigen Bacterien lehren zu- gleich, dass schon in einem sehr kleinen Räume alles das vereint sein kann, was zur Constitution eines fortbiidungsfähigen Organismus nothwendig ist. Die ausgedehnte Ersatzthätigkeit bei den Pflanzen steht im engen Zu- sammenhang mit ihrer Befähigung, sich in ihrer Ausgestaltung zu accommodiren. So kommt eine Pflanze, die normalerweise eine Pfahlwurzel ausbildet, auch fort, wenn sie durch die Entfernung der Hauptwurzel, durch den steinigen Untergrund oder durch andere Verhältnisse gezwungen wird, ihr Wurzelsystem in buschiger oder in anderer Gestaltung zu entwickeln, und ebenso lassen sich dem ober- irdischen Sprosssystem verschiedene Gestaltungen aufdrängen ^j. Dagegen tritt bei dem Thiere, das auf die Einhaltung einer bestimmten Kürperform angewiesen ist, die Reproduction zurück. Zu der regeneratorischen Thätigkeit aber, die auf die Wiederherstellung eines Organes in der früheren Form berechnet ist, sind die Pflanzen (neben der Reproduction) ebenso gut befähigt wie die ani- malischen Organismen. 1) Rechinger 1893, 1. c. p. 321 ; vgl. auch Vöchting, 1. c. 1878, p. 37 u. 73. 2) L. Koch, Entwickelungsgesch. d. Orobanchen 1887, p. 9, 28, 193. Ueber die Bedeutung der chemischen Reizung für die Entwickelung vgl. II, § 30. — Ueber Re- production aus Theilstücken des Embryos vgl. ferner Vöchting, Organbildung 1884, II, p. 22 u. die bei Frank, 1. c. p. 121 angeführte Lit., sowie G. Haberlandt, Schutz- einrichtung d. Keimpflanze 1877, p. 79. 3) Pfeffer, Osmot. Unters. 1877, p. 129; Schmitz, Beobacht. über Siphono- cladiaceae 1879, p. 33 (Sep. a. Festschrift d. naturf. Gesellsch. z. Halle); H an stein, Botan. Abhandig. 1880, Bd. 4, Heft 2, p. 40; Klemm, Flora 1894, p. 19 u. die hier cit. Lit. — Für Mucorineae siehe van Tieghem, Annal. d. scienc. naturell. 1875, VI. ser., Bd. 1, p. 19. — Ueber die Bedeutung des Kerns vgl. Bd. I, § 9. 4) Vgl. z. B. Hofmeister, Zelle 1867, p. 74; Nägeli, Pflanzenphysiol. Unters. 1835, I, p. 174; A. Braun, Ueber d. Erscheinung d. Verjüngung i. d. Natur 1849 — 50, p. 174. 5} Vöchting, OrganbUdung 1884, II, p. 68. § 47. Reproduction und Regeneration. 207 Sehr schön und vollkommen wh-d in einigen Tagen die Wurzelspitze von Zea mays, Faba u. s. w. regenerirt, wenn nur der äusserste, urmeristematische Spitzen- theil weggeschnitten ist^). Wird aber ein I — 3 mm langer Spitzentheil abgetragen, so ti-itt schHessHch an der W^undfläche eine Callusbildung (II, § 38) ein. Wenn dann in diesem Callus eine Seitenwurzel neugebildet wird, so kann durch diese Reproduction ebenfalls eine vollkommene Regeneration der Hauptwurzel erzielt werden. Aber auch dann, wenn eine plagiotrop angelegte Seitenachse (Wurzel oder Spross) durch Veränderung der geotropischen Eigenschaften in die Richtung der Hauptachse rückt, kann der Ersatz mit der Zeit so vollkommen werden, dass man der Scheinachse den sympodialen Aufbau nicht mehr ansieht (II, Kap. XIII). Auch bei einer medianen Längsspaltung der Keimwurzel kommt in dem äussersten Spitzentheil eine vollkommene, in den älteren Theilen keine Regeneration zu Stande, so dass diese an demselben Object in allen Abstufungen zu übei'sehen ist 2). Aehn- liche Resultate wui'den von Lopriore^) beim Spalten von Sprossspitzen beobachtet. Diese werden also wahrscheinlich auch den Scheitelpunct regeneriren können, wenn derselbe durch einen Querschnitt entfernt wird. Thatsächlich hat Reye- rinck-^) bei Salix amygdalina die Regeneration einer weggeschnittenen Knospe beobachtet. Yermuthlich wird sich ein Blatt auch dann noch normal ausbilden können, wenn ein Stück der embryonalen Blattanlage weggeschnitten wird. Denn eine weit- gehende Regeneration der weggeschnittenen Blatthälfte wurde selbst dann be- obachtet, als die Operation die schon vergrösserten Blattanlagen betroffen hatte ^). Auch wurde von Raciborski^) am Rlatte gewisser Asclepiadeen eine Wieder- bildung der gewaltsam entfernten Vorläuferspitze nachgewiesen. Analog wie bei dem Blatte wird nach dem Längsspalten eines Farnprothalliums an dem aus- gewachsenen Theil die weggeschiaittene Symmetriehälfte nicht regenerirt, während in dem Neuzuwachs, der nach der Operation durch das Scheitelwachsthum ent- steht, die normale Gestaltung des Prothalliums wieder hergestellt wird ^). Ebenso verhält sich ein median halbirter Thallus von Lunularia und Marchantia, obgleich die Zellen an der Wundfläche des ausgewachsenen Thallustheiles die Befähigung zur Reproduction des Ganzen besitzen^). ■1) Entdeckt von Cisielski, Beitrag z. Biolog. von Cohn 187-2, I, Heft 2, p. 21; näher untersucht von Prantl, Arbeit, d. Bot. Inst, in Würzburg -1874, Bd. I, p. 546. •2] G. Lopriore, Nova Acta d. Leopoldin. Academ. 1896, Bd. 66, p. 2M; Ber. d. bot. Ges. 1892, p. 76. 3) G. Lopriore, Ber. bot. Gesellsch. 1895, p. 410; K. Schilberszky, Ber. d. bot. Ges. 1892, p. 424; Kny, Bot. Ztg. -1877, p. 519; Beyerinck, Bot. Ctrlbl. 1883, Bd. 16, p. 231. 4) M. W. Beyerinck, Wurzelknospen u. Nebenwurzeln 1886. p. 121. 5) G. Lopriore, Ber. d. bot. Ges. 1895, p. 411; Beyerinck, Bot. Centralbl. 1883, Bd. IG, p. 232. — Andere Blätter, so auch die Blätter von Laubmoosen haben, nach J. Massart (La cicatrisation 1898, p. 23) wenig Neigung zur Regeneration. Die An- gabe von K. Müller, über eine beobachtete Regeneration am Blatte von Bryum Billardierii ist mit Vorsicht aufzunehmen. — Nach der Spaltung der ßlattanlage wird also je nach Umständen eine volle Regeneration ausgeführt oder ein Halbblatt aus- gebildet. Dagegen dürften Halbembryonen, wie sie an animalischen Objecten beobachtet wurden, durch Spaltung eines wenigzelligen pflanzlichen Embryos nicht so leicht ge- bildet werden, weil die einzelne Zelle im hohen Maasse befähigt ist, durch Reproduction eine ganze Pflanze zu bilden. 6) Raciborski, Flora 1900, p. 10. 7) C. Heim, Flora 1896, p. 349. 8) Vgl. Vöchting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1885, Bd. 16, p. 3G7. 208 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. Bei einem Theil der erwähnten Regenerationen kommt auch eine Wieder- bildung der Epidermis zustande, die ausserdem Mass art (1. c. p. 55) in einigen anderen Fällen beobachtete und die normalerweise nach dem Einreissen der Palmen- blätter stattfindet (Massart, 1. c. p. 29). Vielfach und insbesondere in ausge- wachsenen Organen pflegt eine Regeneration der entfernten Epidermis nicht ein- zutreten i), die bekanntlich auch normalerweise oft durch Kork- und Borkebildung ersetzt wird. So lange die Zellen der Epideniiis, die Zellen von Algen etc. wachsen, wird aber vielfach die abgesprengte Cuticula regenerirt (II, § 9). Ferner wird bei Coprinus stercorarius der weggeschnittene Hut von dem noch wachsenden Fruchtträger regenerirt 2), imd bei verschiedenen anderen Hvmeno- myceten besitzt der noch wachsende Hut die Fähigkeit, kleine Defecte auszuheilen. Ebenso liegt eine Regeneration vor, wenn an der Wundstelie des Fadens einer Vaucheria der fortwachsende Scheitel wieder hergestellt wird, oder wenn nach dem Entfernen der Scheitelzelle von Cladophora, Sphacelaria^) u. s. w. die terminale Segmentzelle die Function der Scheitelzelle übernimmt. Auch die Neubildung einer Zellhaut (I, § 84; II, § 8) um den seiner Wand (durch Plasmolyse oder auf andere Weise) beraubten Protoplasten ist eine Regenerationsthätigkeit, zu der auch die schon (II, p. 20 4) erwähnte Zertrümmerung und Wiederbildung im thätigen Protoplasten zählt. Während wir die Wiederbildung eines entfernten Rindenstückes, sowie die Neu- bildung von Xylem auf der Innenseite eines abgezogenen Rindenstreifens ^) als eine regeneratorische Cambiumthätigkeit ansprechen müssen, wird durch diese cambiale Thätigkeit in dem normalen Dickenwachsthum Ersatz (Reproduction) für die allmählich absterbenden Holz- und Rindenschichten geschaffen. Ueberhaupt ist nicht zu vergessen, dass sich keine scharfe Grenze zwischen Reproduction und Regeneration ziehen lässt, und dass unter Umständen eine bestimmte Thätigkeit, je nach der Anschauungsweise, als Reproduction oder als Regeneration ange- sprochen werden kann. Reproduction und Regeneration sind besonders gelenkte Ersatzreactionen, die durch eine Störung in den bisherigen correlativen Beziehungen ausgelöst werden, die wir aber derzeit ebensowenig wie die normale Ontogenese, als eine nothwendige Folge aus den obwaltenden Bedingungen ableiten können. Da aber die Wachsthumsthäligkeit und die Art der formativen Leistung einer embryonalen Zelle stets von den determinirenden Einflüssen abhängen, so ist es nicht über- raschend, dass speciell eine Regeneration nicht in allen Fällen ausgeführt wird, in welchen die Bedingungen dafür vorhanden zu sein scheinen. Dieses Resultat dürfte (wie einige vorläufige Versuche bestätigten) in gewissen Fällen schon da- durch verursacht werden, dass eine correlative Hemmung von der reproductiven Ersatzthätigkeit ausgeht, die in der Pflanze augenscheinlich vielfach zunächst auf- genommen und bevorzugt wird und thatsächlich oft ökologisch vortheilhafter ist. 1) Siehe auch Tittmann, Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, Bd. 27, p. 150. [Eine Rege- neration der Epidermis an Blättern von Tradescantia beobachtete Miehe, Flora 1901, p. 131.] 2) Brefeld, Unters, übg? Schimmelpilze 1877, Heft 3, p. G9; F. Gräntz, Einfluss des Lichtes auf d. Entwickelung einiger Pilze. Diss. 1898, p. 23; Massart, La cicatri- sation 1898, p. 18. 3) Vgl. Magnus, Morphol. d. Sphacelarien 1873, p. 13 u. 18. 4) Frank, Krankheiten d. Pflanze, IL Aufl., 1894, I, p. 70 u. die II. p. 193 Anmerk. citirte Lit. § 48. Morphogene Erfolge durch die symbiotische Wechselwirkung. 209 Der zeitliche und formale Verlauf einer jeden Reaction, und somit auch einer Regeneration, ist immer von den ohwaltenden Bedingungen und Verhält- nissen abhängig, und fällt dcmgemäss local verschieden aus. Das ist, wie schon erwähnt (II, p. 207), schön an einer längsgespaltenen Keimwurzel zu übersehen, bei der die Regeneration am Scheitel schnell und glatt verläuft, während sie in einiger Entfernung vom Scheitel nur allmählich und unter Zuhilfenahme von Callusbildung ausgeführt wird. In den etwas älteren Partien kommt dann eine Regeneration nicht mehr zu Stande, obgleich von den allseitig befähigten Me- ristemzellen Callus imd Wundschluss geschaffen wird. Auch lässt sich durch Hinwegnahme kleinerer oder grösserer Rindenstücke und eine entsprechende Behandlung erzielen, dass der Defect ziemlich glatt oder unter Bildung von einem ungewöhnlich gebauten Wundgewebe ausgeglichen wird. Es steht natürlich nichts im Wege, mit Roux^j von Postregeneration zu reden, wenn die Reaction, gleichviel ob an Gewebemassen oder an einem wenig- zelligen Körper, erst einige Zeit nach der Operation einsetzt und vielleicht un- regelmässig verläuft. Jedoch spricht ein solches Verhalten durchaus nicht gegen die embryonale Totalbefähigung der reagirenden Zellen, die thatsächlich z. B. in den oben erwähnten Fällen vorhanden ist. Denn einmal führen, wie schon erwähnt, die typisch embryonalen Zellen nicht in allen Fällen und Lagen eine Regeneration aus, und zudem hängt der Verlauf stets von den obwaltenden Be- dingungen ab, unter denen unter Umständen eine Rolle der jeweilige labile In- ductionszustand der embryonalen Zellen spielt, dessen Abstreifung möglicherweise eine gewisse Arbeitsthätigkeit fordert (vgl. II, p. 168 etc.). Abschnitt III. Symbiotische Reactionserfolge. § 48. Morphogene Erfolge durch die symbiotische Wechselwirkung; Wichtig für die Beurtheilung des correlativen Waltens sind die Wechsel- wirkungen zwischen verschiedenartigen Organismen. Denn diese symbiotischen Gorrelationen lehren, dass die mannigfachsten Beeinflussungen, auch morpho- gene Reactionen, durch die conjunctc und die disjuncte Symbiose, durch mutua- listisches (friedliches) und antagonistisches (feindliches) Zusammenwirken erzielt werden 2), In Bezug auf die disjuncte Symbiose wurde schon früher (I, p. 515) erörtert, dass durch die Stoffwechselthätigkeit des einen Organismus der ■I) W. Roux, Biol. Centralbl. 1893, Bd. 13, p. 65ß, Gesammelt. Abhandig. 1895, II, p. 894; H. Driesch, Analyt. Theorie d. organ. Entwickelung 1894, p. \ ff. 2) Ueber Symbiose vgl. Bd. I, p. 349, 356. — Ueber die verschiedenen Arten der Symbiose siehe auch M. Ward, Annais of Botany 1899, Bd. 13, p. 549. Pfeffer, Pfl.aiizenphysiologie. 2. Aufl. IL ,] 4 210 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. concurrirende Organismus lahm gelegt und unterdrückt werden kann, und wie und warum je nach den obwaltenden Verhältnissen ein anderes imd unter Umständen ein umgekehrtes Resultat herauskommen kann. Bei diesen Wechselwirkungen handelt es sich aber nicht allein um Wachsen und Nichtwachsen, sondern auch um formative Erfolge, die ohnehin bei Pilzen, Bacterien u. s. w. in mannig- facher Weise durch eine Veränderung in dem umgebenden Medium hervorge- rufen werden. Ein schönes Beispiel für einen ausgezeichneten morphogenen Erfolg durch conjuncte Symbiose sind die Flechten i). In diesen ist bekanntlich durch die Vereinigung von Algen und Pilzen ein einheitlicher Organismus entstanden, in dem durch die Wechselwirkung (Determination) zwischen den beiden Contra- henten die specifische Gestaltung in dem Neuzuwachs dauernd erhalten wird. Ferner wird durch das parasitische Aecidium euphorbiae eine besondere Gestaltung der befallenen Sprosse von Euphorbia cyparissias etc. verursacht. Diese Form erhält sich in den fortwachsenden und neugebildeten Sprossen so lange, als durch die eindringenden und nachdringenden Pilzfäden die be- stimmt gerichtete Determination ausgeübt wird. Demgemäss findet man zu- weilen einen einzelnen Spross, in den der Pilz nicht eindrang, in normaler Form ausgebildet. Ausserdem sind u. a. die Hexenbesen der Weisstanne (Aecidium elatinum), die Taschen der Pflaume (Taphrina pruni) Beispiele von auffälligen formativen Reactionen, die durch den eindringenden und eingedrungenen Pilz veranlasst werden 2]. Ganz spurlos geht ein solches Eindringen wohl nie an einer Pflanze vorüber, wenn auch zuweilen die Reaction auf eine geringfügige äusserliche oder innerliche Aenderung beschränkt bleibt 3). Durch eine localisirte Reizwirkung, die von animalischen oder vegetabili- schen Organismen ausgeht, wird ferner die Entstehung der verschiedenartigen Gallen (Zoocecidien und Mycocecidien) veranlasst. Diese liefern sehr anschau- liche Belege dafür, dass durch eine ganz bestimmte Reizwirkung eine ganz bestimmte formative Thätigkeit ausgelöst wird, die zum Theil Producte liefert, die ohne diesen determinirenden Einfluss, also in der normalen Ontogenese, nicht zu Tage treten. Der normale Entwickelungsgang kann überhaupt durch die verschiedenartigsten Einflüsse modificirt w-erden, und es ist desshalb nicht Nvunderbar, dass durch die Einwirkung von Insecten oder Pilzen auf jugend- liche Blüthenanlagen die Entwickelung von vergrünten, gefüllten oder sonst 1) Für unsere Betrachtungen ist es ohne Belang, ob man in den Flechten eine mutualistische oder wie G. J. Peirce Proceedings of the Californ. Acad. of Sciences 1899, I, p. SSCj; American Naturalist 190 0, Bd. 34, p. 244) eine antagonistische Symbiose annimmt. — Gleiches gilt in Bezug auf die Mykorrhiza (I, p. 3ö7), über welche die neue Arbeit von Stahl (.Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 34, p. 618) zu vergleichen ist. — Ueber Formänderungen bei der Mykorrhizabildung vgl. auch Macdougal, Annais of Bot. 1899, Bd. 13, p. 41. 2) Näheres über diese und andere Bildungen bei Frank, Krankheit, d. Pflanzen, II. Aufl., 1894 u. in den anderen Lehrbüchern über Pflanzenkrankheiten. 3) Siehe die Lehrbücher über Pflanzenkrankheiten sowie Wakker, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 10, p. 87; Molliard, Bev. general. d. Bot. 1898, Bd. 10, p. 87; E. Stras- burger, Biolog. Ceniralbl. 1900, Bd. 20, p. fi57. — Ueber Einwirkungen von Pilzen auf einander vgl. z. B. die Bd. I, p. 513 citirte Lit. § 48. Morphogene Erfolge durch die symbiotische Wechselwirkung. 211 missgobildeten BlütlKMi veranlasst wird^). Uebrigens ist bekannt, dass solche und andere Missbildungen gelegentlich auch in Folge einer inneren Entgleisung entstehen, die unter Umständen indirect durch die Aussenbedingungen hervor- gerufen wird. In der conjuncten Symbiose kommt es aber nicht nur zu einem innigen Aneinanderschmiegen von Zellen, sondern unter Umständen auch zu einer Auf- nahme eines fremden Organismus in das Innere des Protoplasten. Unter an- deren wird in Vaucheria durch ein in der Zelle lebendes Räderthierchen eine Galle erzeugt 2). Ferner werden die Wurzelknöllchen der Leguminosen durch ein Bacterium verursacht, das in den lebenden Protoplasten einwandert und sich in diesem vermehrt (I, p. 387). Weiter leben die Pilzfäden der endo- phytischen Mykorrhiza im Inneren der Zelle (I, p. 358), und bei der Symbiose zwischen hifusorien und Algen sind letztere in analoger Weise in dem Proto- plasten untergebracht, wie bei anderen Pflanzen die Chlorophyllkörper (I, p. 357). Falls aber eine solche Association auf die Nachkommen übergeht, wird, wie schon I, p. 27 erwähnt ist, die durch die Vereinigung und Wechselwirkung er- zielte besondere Gestaltung dauernd erhalten. Wie in einem selbständigen Organismus handelt es sich auch in dem sym- biotischen Walten um die selbstregulatorisch gelenkten Wechselwirkungen mor- phologisch und physiologisch verschiedenartiger Elemente (Organismen). Der Umstand, dass die symbiotisch verketteten Elemente selbständige, zum Theil (isolirt) cultivirbare Arten sind, gewährt den Vortheil, dass man die Eigenschaften der separirten Contrahenten und desshalb den aus dem Zusammenwirken sich ergebenden Erfolg näher studiren kann. Das Zusammenwirken ist aber für die symbiotische Vereinigung im allgemeinen nach denselben Gesichtspuncten zu beurtheilen, wie das selbstregulatorische und correlative Walten in einem selb- ständigen Organismus (II, § 45, 46). Wie in diesem sind also auch in dem Symbionten neben der Aufrechthaltung der Allgemeinbeziehungen die auf kurze Distanz und zum Theil nur localisirt wirkenden Determinationen (Reizwirkungen) im Spiele. Zu den localisirten Reizwirkungen zählt u. a. die Gallenbildung die indess, so gut wie eine jede localisirte Reizwirkung, unvermeidlich eine gewisse Rückwirkung auf das Ganze zur Folge hat (II, § 45). Aber auch die Fortbildung des Eies und der Larve der Gallwespe ist von der Reactions- und Productionsthätigkeit der Pflanze abhängig. Eine bestimmte Wechselseitig- keit besteht in jedem Falle und tritt uns ebenso in der disjuncten Symbiose und in der Abhängigkeit der Ernährung und der Entwickelung eines eindringen- den Pilzes von der Nährpflanze entgegen (vgl. I, § 64, 65, 92; IT, § 57). Eine formative Reaction ist aber immer nur möglich, wenn wachsthumsthätige oder zur Wachsthumsthätigkeit erweckbare Zellen vorhanden sind. Die Symbionten, bei denen die lebendige Continuilät des Protoplasmas 1) Vgl. u. a. Goebel, Organographie 1898, I, p. i68; Vöchting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 31, p. 470, wo die Beobachtungen von Peyritsch (Sitzungsb. d. Wien. Acad. 1898, Bd. 97. I, p. 597) über den formativen Einfluss von Insecten (Phytoptus, Aphiden etc.) referirt sind. Einige Beobachtungen über die Entstehung von Blüthen- missbildungen durch Pilze sind ebenfalls bei Goebel (1. c. p. -166) mitgetheilt. 2) Frank, Krankheit, d. Pflanzen, II. Aufl., 1895, Bd. 3, p. 12; W. Rothert, Jahrb. f. wiss. Bot. 1896, Bd. 29, p. 525. 14* 212 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. ausfällt, mit der man bei einem selbständigen Organismus rechnen muss, lehren aber, dass auch schon ohne lebendiae Continuität eine selbstresulatorische Lenkung und weitgehende formative Reactionen erreichbar sind. Uebrigens geht aus den Erfahrungen über die disjuncte Symbiose hervor, dass durch die Stoff- wechselthätigkeit, in Verbindung mit dem Einfluss der allgemeinen und speci- fischen Stoffwechselproducte vieles erreichbar ist, imd wir werden noch sehen, dass diese Mittel eine grosse Rolle in der Selbstregulation spielen. Die Gallen liefern ein schönes Beispiel dafür, dass durch die regulatorische Lenkung der Production und der AngritTsweise bestimmter Stoffwechselproducte eine specifische formative Reaction veranlasst wird. Wir haben nicht eine Schilderung der mannigfachen symbiotischen Erfolge und somit auch nicht der verschiedenartigen Gallenbildungen zu liefern, die theil- weise durch eine einfache locale Wachsthunishemmung, theilweise durch Production von Haarbildungen, ferner durch partielle oder totale Umwallung, oder auch durch eine complicirtere formative Thätigkeit zu Stande kommen. Jedoch ist es ge- boten, kurz auf das Wenige hinzuweisen, was in Bezug auf die Reizwirkung, ins- besondere für die durch Gallwespen (Cvnipiden) erzeugten Gallen bekannt ist ^]. In diesem Falle wird die Gallenbildung durcli das Insect verursacht, welches das Ei in bestimmter Weise an die Oberfläche eines Organes oder in das Innere eines Gewebes ablegt. Speciell bei Nematus capreae wird die Gallenbil- dung (die besonders auf Salix amygdalina vorkommt) schon durch die schleimige Flüssigkeit angeregt, die das Insect zusammen mit dem Ei in die Stichwunde ein- führt (Beyerinck, 1. c. 1888). Demgemäss entsteht eine freilich kleinere Galle auch dann, wenn das Insect nur die Flüssigkeit abgiebt oder wenn das abgelegte Ei sogleich entfernt wird. Wird aber das Ei anderer Gallwespen entfernt oder sogleich abgetödtet, so wird zumeist nicht einmal der Beginn der Gallenbildung bemerklich, weil der Bildungsreiz von dem sich fortbildenden Ei ausgeht und zum Theil sogar erst mit der Entstehung der Larve beginnt. Da aber die Gallenbil- dung weder durch den Einstich, noch durch die Gegenwai't des todten Eies ver- anlasst wird, so muss der Reiz durch ein Stoffwechselproduct erzielt werden, das von dem Ei bezw. von der Larve zeitweise oder continuirlich secernirt wird. Der Unterschied gegenüber Nematus capreae besteht also darin, dass dieses Insect bei der Eiablage den Reizstoff ausscheidet. Vermuthlich wird aber in diesem Falle ausserdem von dem Ei Reizstoff secernirt, da die Galle nicht die volle Grösse erreicht, wenn das Ei frühzeitig entfernt wird. Handelt es sich bei diesen Gallen der Hauptsache nach um einen chemischen Reiz, so ist damit nicht ausgeschlossen, dass auch durch die A'ergrösserung, die Bewegungs- und Fressthätigkeit u. s. w. der Larve bestimmte Reizwirkungen erzielt werden. Es ist also möglich, dass diese oder andere Reize bei ge- wissen Gallen, sowie in manchen anderen formativen Reactionen in den Vorder- grund treten. Sichei'lich ist aber nicht für eine jede morphogene Leistung ein specifischer Reizstoff nöthig. Wir wei'den vielmehr fernerhin darzuthun haben, Ij Vgl. die Zusammenfassungen bei Frank, Krankheit, d. Pflanzen, II. Aufl., 1894, Bd. 3; K.Eckstein. Pflanzengallen u. Gallenthiere 1891. Ferner: M. W. Beyerinck. Beobacht. über Cynipidengallen 1882; Bot. Zeitung 1885, p. 304; 1888, p. l; Ueber Gallenbildung u. Generationswechsel bei Cynips calicis 1896 (Sep. a. Verh. d. Koninklyke Akadem. d. Wetenschappen te Amsterdam ; Küstenmacher, Jahrb. f. wiss. Bot. 1894, Bd. 26, p. 8ö; 0. Appel, Ueber Phyto- und Zoomorphnsen. Diss. Königsberg, 1899; E. Küster, Flora 1900, p. ii?; Biol. Centralbl. 1900, Bd. 20, p. 331. § 48. Morphogene Erfolge durch die symbiotische Wechselwirkung. 213 dass mit denselben Mitteln je nach der Combination und Angriffsweise sehr Ver- schiedenes zu erreichen ist. Auch in Bezug auf die Gallen ist noch nicht lest- gestellt, ob die Reizstoffe der verschiedenen gaUenbildenden Insecten qualitativ different sind. Immerhin kann man in unserem Falle von Reizstoffen oder Reiz- enzymen reden, obgleich über die Natur der wirksamen Stoffe oder Stoffgemische nichts näheres bekannt ist. Da die GaUe ein Product der formativen Thätigkeit der Pflanze ist, so hängt der Erfolg immer von den Eigenschaften der Pflanze ab. Desshalb zeigen ge- wisse Unterschiede diejenigen Gallen, die durch dasselbe Insect an verschiedenen Organen derselben Pflanze oder an verwandten Pflanzen hervorgerufen werden'^), und man würde ohne Frage weit grössere Differenzen finden, wenn durch ein Insect Gallen an sehr verschiedenartigen Pflanzen erzeugt würden. Ebenso ist immer die Natur des Reizes, also die Eigenschaft des gallenerzeugendcn Insectes ein entscheidender Factor, wie sich unmittelbar in der ungleichen Gestaltung der Gallen ausspricht, die an derselben Pflanze durch verschiedene Insecten erzeugt werden. (Ueber die Verschiedenheit der beiden Generationen von Cynips calicis vgl. Bejerinck, 1. c. 1896.) Aus der ähnlichen Gestaltung derselben Gaflenart folgt nur^ dass während der Bildung übereinstimmende Bedingungen herrschten. Dieses wird zunächst dadurch herbeigeführt, dass das Insect die Eier in derselben Weise und an bestimmten Stellen ablegt. Diese Ablage geschieht gewöhnlich in die jugendlichen, jedoch auch in die schon differencirten Gewebe, so dass z. B. die durch Cynips Reaumuriana erzeugte Galle auf dem fast ausgewachsenen Eichenblatt ausgebildet wird. Es kann das nicht überraschen, da, ruhende Zellen und Gewebe auch in anderer Weise zu erneuter Thätigkeit und sogar zur Production der ganzen Pflanze angeregt werden können (II, § 4ö, 47). Ein Erwecken der Wachsthumsthätigkeit durch symbiotische Wechselwirkung ist ferner nöthig, um die Samen von Orobanche, die Sporen gewisser parasitischer Pilze zum Keimen zu bringen 2). So wie durch das Eindringen von Pilzfäden wird in gewissen Fällen durch den eindringenden Pollenschlauch, ohne dass dieser befruchtend wirkt, ein Wachsthumsreiz ausgeübt. Durch einen solchen Reiz wird ]»ei manchen Pflanzen ein gewisses Schwellen des Fruchtknotens veranlasst, und nach H. Müller-Thurgau^] ist das Eindringen des Pollenschlauches nothwendig, um gewisse kernlose Früchte (Birne, Apfel, Weintraube) zur guten Ausbildung zu bringen. Ohne einen solchen Reiz wird ferner die Anlage der Samenknospen der Orchideen nicht weiter gebildet. Zur Anregung genügt aber das Eindringen eines nicht befruchtungsfähigen Pollenschlauches, und, wie Treub-*] fand, kann derselbe Erfolg auch durch eine in den Fruchtknoten eingedrungene Larve ver- ursacht wei'den. 1] In Bezug auf Milben etc. vgl. Frank, 1. c. p. 53. — Ueber das Durchkreuzen der Bildungsbezirke zweier verschiedener Gallen Beyerinck, 1. c. 1882, p. 1 73 ; Küsten- macher, 1. c. p. 93. 2) II, § 30. — Nach N. Bernard (Rev.. general. d. Botan. 1900, Bd. 12, p. 108) sollen bei verschiedenen Orchideen, Lycopodiaceen etc. die endophytisch lebenden Pilze das Keimen der Samen anregen. 3) H. Müller-Thurgau, Landw. Jahrbücher 1898, p. 2.^, 61. 4) Treub, Annal. d. jardin. botan. d. Buitenzorg 1882, Bd. 3, p. 122. 214 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. § 49. Transplantationen. Zwischen verwandten Pflanzen lässt sich Aäelfach durch Transplantation eine syml^iotische Vereinigung herstellen, die sich naturgemäss nur erhalten kann , wenn zwischen den S3'mbionten die unerlässliche Wechselwirkung möglich ist und ausgeführt wird (II, § 45) ^). Diese Wechselbeziehungen müssen aber nothwendig in den Hauptzügen den correlativen Verhältnissen zwischen dem Wurzel- und Sprosssystem der normalen Pflanze dann ent- sprechen, wenn das Sprosssystem dieser durch die belaubten Zweige ersetzt ist, die sich aus dem aufgepfropften Reise (oder dem oculirten Auge) entwickelten. Demgemäss wird z. B. eine ungenügende Ausbildung der Leitbahnen in der Pfropfstelle einen ähnlichen Einfluss ausüben, wie eine partielle locale Unter- brechung der Leitbahnen in der normalen Pflanze (II, § 44). Ist aber im Ver- gleich zu dieser das Sprosssystem der aufgepfropften Pflanze zu geringerer Grössenentwickelung und Productionsthätigkeit befähigt, so wird das Wurzel- system der Unterlage (des Wildlings) eine correlative Einschränkung der Aus- bildung erfahren und umgekehrt. Die von Haus aus geringere Grössenentwicke- lung des Wurzelsystems der Quitte hat desshalb, wie es in der gärtnerischen Praxis bekannt ist, zur Folge, dass die aufgepfropfte Birne einen minder mäch- tigen Stamm entwickelt (Vöchting, 1. c. p. 108). In Folge der correlativen Verkettung werden die Symbionten stets einen gewissen Einfluss auf einander ausüben, der sich indess in den meisten Fällen auf Erfolge beschränkt, wie sie durch die Wechselwirkung zwischen den ana- logen Organen einer normalen Pflanze unter verschiedenen Bedingungen zu Stande kommen. Es ist auch allgemein bekannt, dass die specifischen Eigen- schaften der Culturrassen von Apfel, Stachelbeere, Rose u. s. w. in dem, einem Wildling aufgepfropften Sprosssystem conservirt werden und das auch dann, wenn verschiedene Rassen auf dieselbe Unterlage transplantirt sind. Ebenso entwickeln sich die Kartoffelknollen in der üblichen Weise, wenn das beblätterte, oberirdische Sprosssystem vollständig durch den aufgepfropften Stechapfel er- setzt ist (Lit. p. 217). Zuweilen treten jedoch in einem oder auch in beiden Symbionten be- merkenswerthe Abweichungen in Bezug auf Färbung, Geschmack, Gestaltung einzelner Organe u. s. w. auf. Am meisten untersucht ist die Uebertragung der Panachirung (des Albinismus), die öfters z. B. dann eintritt, wenn auf den albi- canten Abutilon Thompsonii eine ungescheckte Form derselben Art gepfropft wird. Aber auch dann, als an Stelle dieser letzteren Althaea officinalis auf den panachirten Abutilon Thompsonii gepfropft wurde, traten an dem sich fortent- wickelnden Spross von Althaea panachirte Blätter auf. Ferner wurden die Zweige 1) Die Lit. nebst eigenen Versuchen findet sich bei H. Vöchting, Ueber Trans- plantation am Pflanzenkörper 1892; Sitzungsb. d. Berlin. Akadem. -1894. p. 705. Ausser- dem sind ausgedehnte Versuche in jüngerer Zeit angestellt von L. Daniel, Revue genöral. d. Botan. 1894, Bd. 6, p. 5; 1897, Bd. 9, p. 213; 1900, Bd. 12, p. 355; Compt. rend. 1897, Bd. 124, p. 2-29 und Bd. 125, p. G6i ; Annal. d. scienc. naturell. 1898, VIII. ser., Bd. 8. p. 1. Vgl. auch Frank. Krankheit, d. Pflanzen. II. Aufl.. 1894, I. p. 117. § 49. Transplantationen. 215 der als Unterlage benutzten grünen Kartoffel violett, als ein derart gefärbter Kartoffelspross aufgepfropft worden war'). Wenn im allgemeinen geringere Reactionserfolge beobachtet werden, als in den in § 48 besprochenen Fällen von Symbiose, so dürfte dieses wohl darin begründet sein, dass eine Vereinigung durch Transplantation nur bei näher- stehenden Pflanzen möglich ist, und dass es bei Pfropfungen etc. sich nicht um Nahewirkungen, sondern um Fernwirkungen handelt, durch die nicht so leicht der determinirende Einfluss überwunden wird, der auf das Bildungsgewebe von den unmittelbar anstossenden Zellen (Organen) ausgeübt wird (II, § 40 — 42). Damit ist nicht ausgeschlossen, dass wir mit der Zeit noch auffallend(^"e corre- lative Fernwirkungen kennen lernen, die z. B. sehr wohl (direct oder indirect) durch besondere, als Reiz wirksame Stoffwechselproducte veranlasst w^erden können. Denn dass specifische Stoffwechselproducte ihren Weg in den ange- heilten Symbionten finden, das ergiebt sich schon aus den Erfahrungen über Stoffwanderung (I, Kap. XI, und wird u. a. dadurch demonstrirt, dass sich in einer Kartoffelknolle etwas Atropin ansammelt, wenn das oberirdische Spross- system der Kartoffel durch Datura Stramonium ersetzt ist^j. Thatsächlich soll durch ein Stoffwechselproduct (oder durch ein Stoffgemisch) die Fleckenkrankheit der Tabaksblätter veranlasst werden, die sich ohne Frage auch von einem aufgepfropften Reise aus in die ganze Pflanze ausbreiten kann. Denn Beyerinck^) hat gefunden, dass diese Krankheit, die an die Panachirung erinnert, durch die Einspritzung des Saftes einer kranken Pflanze verursacht wird. Da dieser Erfolg durch den bacterienfreien (durch Thonzelle filtrirten) Saft erzielt wird, so muss die Infection von einem enzymartig wirkenden Körper abhängen, der nach Beyerinck durch Aufkochen, aber nicht durch Aus- trocknen oder durch Alkohol seine Wirksamkeit verliert. Dagegen konnte Beyerinck (1. c. p. 19) bei anderen Pflanzen eine Uebertragung der Panachi- rung durch die Einspritzung des Saftes der albicanten Varietät nicht erreichen. Desshalb kann aber natürlich doch die von dem Symbionten ausgehende Ueber- tragung durch ein oder einige Stoffwechselproducte vermittelt werden, wobei dann vielleicht (wie bei der Gallenbildung u. s. w.) die Art und Weise des Aus- tausches und des Angriffes eine Rolle mitspielt. Möglicherweise handelt es sich in allen bis dahin beobachteten symbio- tischen Erfolgen um Reizi^eactionen des beeinflussten Symbionten, die demge- mäss auch ohne die Mithilfe eines anderen Organismus eintreten können, sofern die geeigneten inneren und äusseren Bedingungen anderweitig herstellbar sind. In der That vermag auch die normale (die nicht symbiotisch beeinflusste) Pflanze gelegentlich panachirte oder roth gefärbte Varietäten zu bilden. Da das Auf- h-eten dieser und anderer A'ariationen im allgemeinen durch aussergewöhnliche 1) H. Lindemuth. Landw. Jahrb. -1878, Bd. 7, p. 887; Gartenflora <897. p. ■! : Yöchting, 1. c. p. 92. 2) Strasburger. Ber. d. bot. Gesellsch. 1885, p. XXXIX. 3) M. W. Beyerinck, Ueber ein Contagium vivum fluidum als Ursache der Fleckenkrankheit der Tabaksblätter 1 898 (Sep. a. Verb. d. Kon. Akad. d. Wetenschappen in Amsterdam). Durch die Versuche von Beyerinck ist indess nicht ganz sicherge- stellt, dass es sich nicht um eine Infectionskrankheit durch einen Mikroorganismus handelt. Vd. Iwanowski. Centralbl. f. Bacteriol. 4901, II. Abth.. Bd. 7, p. US. 216 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. Bedingungen begünstigt wird (II, Kap. VIII), so mag in solchem Sinne, wie es Daniel (1898, 1. c. p. 216) vermuthet, unter Umständen auch die symbiotische Beeinflussung begünstigend wirken. Da Variationen, die sich auf ungeschlechtlichem oder auf geschlechtlichem Wege erhalten lassen, auch ohne Symbiose entstehen (II, Kap. VIII], so kann aus dem Auftreten einer Variation in Folge einer Transplantation nicht auf eine Verschmelzung der Protoplasten der beiden Symbionten geschlossen werden. Ein solcher Schluss ist auch dann nicht erlaubt, wenn in die erzielte Variation Eigenschaften des beeinflussenden Symbionten aufgenommen sind, welche die Pflanze vermöge ihrer Fähigkeiten unter bestiiumten Bedingungen auch selbstthätig hervorzubringen vermag. Es ergiebt sich das ohne weiteres aus den Erfahrungen über die Entstehung und Uebertragung der Panachirung. Aber auch die bis dahin beobachteten, auch die von Daniel (1898, I.e.) angeführten formativen Annähe- rungen an den anderen Symbionten sind derart, dass sie sehr wohl das Product einer morphogenen Reizreaction sein können. Sofern man also »Hybridation«, wie es zumeist geschieht i), für die innige Durchdringung heterogener Proto- plaste reservirt, wie sie bei der Bastardirung ausgeführt wird, ist die (mögliche) Existenz von Pfropfhybriden nicht erwiesen, Avährend es solche giebt, wenn man den Wortbegriff ausdehnt und auch die auf andere Weise erzielten Ueber- tragungen (wie die der Panachirung) als Hybridation bezeichnet. Die Meinungsverschiedenheiten über Existenz oder Nichtexistenz von Pfropf- iiybriden^) beruhen wesentlich auf einer ungleichen Begriffsbestimmung und einer verschiedenen Interpretation der Thatsachen. Hierbei ist vielfach die Reactions- befähigung nicht genügend berücksichtigt, die einerseits unter besonderen Be^ dingungen aussergewöhnliches zu leisten gestattet, andererseits aber in gewissen Richtungen eng begrenzt ist. Diese Begrenzung erlaubt es u. a. nicht, dass bei der Vereinigung von Helianthiis tuberosus und annuus das Wurzelsystem der letzt- genannten Pflanze Knollen bildet und Inulin speichert, wenn es als Unterlage für Helianthus tuberosus dient ^^). Ferner vermag das Wurzelsvstem einer einjährigen Pflanze nicht ausdauernd zu werden, wenn ihm eine mehrjährige Pflanze aufge- pfropft ist*). Indess ist z. B. Hand in Hand mit dem Verschieben der Blüthezeit eine gewisse Verlängerung oder Verkürzung der Lebensdauer möglich, je nachdem das noch nicht zum Blüthenspross definitiv determinirte Reis der J{übe einer jungen oder einer alten Runkelrübe aufgepfropft wird (Vöchting 1892, 1. c. p. 87). Die schlummernde potentielle Befähigung erlaubt es aber, dass, wie Knight^) fand, der Blattstiel von Vitis vinifera nach dem Aufpfropfen eines Sprosses von Vitis in Folge der functioneflen Inanspruchnahme (Reizung; 11, p. 203) erheblich in die Dicke wächst. Analoges und eine Verlängerung der Lcljensdauer wurde auch von Carriere^) beobachtet, als er auf den Blattstiel der Orange einen Spross dieser •I) Vgl. Vöchting, Sitziingsb. d. Berlin. Akadem. 1894, p. 71t;. 2 Vgl. Vöchting und Daniel, 1. c. [Ueber Cytisus Adami C. Fuchs, Sitzungsb. d. Wiener Akad. 1899, Bd. 107, I, p. 1273; W. Beyerinck, Koninklyke Akad. d. Weten- schappen te Amsterdam 1900, p. 365.] 3) Vöchting 1894, 1. c; Daniel 1898, 1. c. p. U7. 4) Vöchting, Transplantation 1892, p. 85. — Ueber Vereinigung von laubab- werfenden und immergrünen Pflanzen vgl. auch L. Daniel, Compt. rend. 1897, Bd. 125, p. 661. 5; T. A. Knight, Philosoph, transact. 1804, I, p. 189. Vgl. Vöchting 1892, c. p. 78. 6) Citirt nach de Vries, Jahrb. f. wiss. Bot. 1891, Bd. 22, p. 49. § 50. Näheres über die symbiotische Vereinigung und Wechselwirkung. 217 Pflanze transplantirt hatte. Denselben Erfolg wird voraussichtlich das Bepfropfen eines Blülhenstieles haben, der, wie es hei Pelargonium zutriflt, in Folge der Ver- wandlung der Blüthe in einen Laubspross in die Dicke wächst und ausdauernd wird ^). Bereits durch Knight, Tschoudy, Thouin, Gärtner wurde, wie aus der historischen Behandhmg des Themas bei Vöchting (1S92, 1. c. p. 4 fl'.) zu er- sehen ist, festgestellt, dass im allgemeinen nur näher verwandte Pflanzen eine Vereinigung eingehen. Während aber in manchen Fällen die Sprosse derselben Pflanze nur schwer zusammenheilen, gestattet z. B. die Kartoffel das Aufpfropfen versiphiedener Solaneen und sogar der Scrophularinee Schizanlhus Grahami^). An den geeigneten Pflanzen lassen sich Organe verschiedener morphologischer Dig- nität vereinen, und so lässt sich erreichen, dass ein Wurzelstück die Leitfunctionen des Stengelstückes zu übernehmen hat, an dessen Stelle es eingesetzt wurde. Wie Vöchting (1892,1. c. p. 132 ff.) ausserdem dargethan hat, gehngt che Ver- einigung nur unvollständig oder gar nicht, wenn das Organstück in umgekehrter Stellung ti'ansplantirt wird. Es hängt dieses mit der 11, § 44 besi»rochenen Polarität und der Eigenschaft der Sprosse, Wurzeln etc. zusammen, in umgekehrter Bich- tung nicht so gut den Austausch vermitteln zu können. Jedoch gelingt es z. B. ])ei dem Oculiren, durch entsprechende (krummläufige) DitTerencirung der an- schliessenden Leitbahnen in dem Wundgewebe (Vereinigungsgewebe) das einge- setzte Rindenstück so einzuschalten, dass es in normaler Richtung der Stoff- wanderung dienstbar gemacht ist. § 50. Näheres über die symbiotische Vereinigung und Wechselwirkung. Ein Ueberblick über die Gesammtheit unserer Erfahrungen lehrt, dass eine symbiotische Vereinigung auf nahestehende Pflanzen beschränkt sein kann, aber auch zwischen ganz fremdartigen Organismen möglich ist. Letzteres trifft z. B. zu für die Flechten, für die Wurzelknüllchen der Leguminosen, für die Asso- ciation zwischen Infusorien und Algen u. s. w. (vgl. I, § 6o; 11, § 48), W'ährend bei den Blüthenpflanzen chirch Transplantation nur eine erfolgreiche Vereinigung nahe verwandter Pflanzen gelingt (II, § 49). Jedoch sind Viscum, Orobanche u. s. w. Beispiele dafür, dass unter Umständen eine symbiotische Verkettung fernstehender Phanerogamen müghch ist (über den x\nschluss der Leitbahnen vgl. I, p. 355). Jedenfalls besteht kein Parallelismus zwischen sexueller und symbiotischer Affinität, wie das auch schon von Gärtner-^) in Bezug auf die Transplantationsfähigkeit der höheren Pflanzen ausgesprochen wurde. Es lässt sich also nur empirisch entscheiden, ob zwei Pflanzen zu einer symbiotischen Vereinigung befähigt sind, und in jedem einzelnen Falle muss das Bestreben dahin gehen, die Ursachen aufzuhellen, durch welche das Zusammen- leben ermöghcht oder verhindert wird. Diese Fragen sind ebenso für die Zellen und die Gewebe der einzelnen Pflanzenart aufzuwerfen. So bilden die 1) de Vries, 1. c. p. 30. 2) Tschoudy 1819 u. a. vgl. Vöchting 1892, 1. c. p. 18 u. 23; Strasburger. Der. d. bot. Gesellsch. 188Ü, p. XXXIV; Lindemuth, Gartenflora 1897, p. ö; H. Molisch. Bot. Jahresb. 1897, p. \oö. 3) C. F. V. Gärtner, Vers. u. Beobacht. ü. die Bastarderzeugung im Pflanzenreich 1849, p. 629; Vöchting, Transplantation 1892. p. 23. 218 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. Mycelfäden bestimmter Pilzarten ein Yereinigungsgewebe , während die Fäden anderer Pilze und der meisten Algen sich auch dann nicht vereinen, wenn sie in Berührung gebracht werden. Diese Verschiedenheiten sind für die ganze Gestaltung der Pflanze ebenso bedeutungsvoll, wie die Separirung von Zellen und Organen, die durch die Eigenthätigkeit des Organismus zur Erreichung be- stimmter Ziele und Zwecke vollbracht wird (II, § 13). Bei den Transplantationen wird die Annäherung der Symbionten, die stets eine Voraussetzung für die Vereinigung ist, durch Menschenhand ausgeführt. Durch den aus der Wundfläche hervorwachsenden Callus wird dann der innige Contact hergestellt, der das Verwachsen der Zellwände ermöglicht. Dieses wird aber, sowie die Differencirung und der Anschluss der Leitbahnen, nicht oder nur unvollständig bei denjenigen Pflanzen ausgeführt, die nicht zu einer har- monischen symbiotischen Vereinigung befähigt sind ^). In der Natur werden die Symbionten theilweise zufällig, theilweise durch Richtungsreize, insbesondere durch chemische Reize (Chemotropismus, Chemotaxis) zusammengeführt (II, Kap. XIV). Derartige chemische Reize spielen u.a. eine Rolle bei der Lenkung des parasitischen Pilzes in die imd innerhalb der Nährpflanze (I, p. 360) und vermuthlich auch bei der Zusammenführung der Pilzfäden, die zu einem Vereinigungsgewebe zusammenschliessen (11, § 13). Vielleicht wirkt der Chemotropismus auch mit bei der bestimmten Gruppirung der Zoosporen in den Netzen von Hydrodictyon utriculatum 2) und in den Cünobien von Pediastrum^). Ferner werden z. B. durch chemische Reize die Pollenschläuche und die Samen- fäden gewisser Pflanzen zu der Eizelle geführt (II, Kap. XIII, XIV). Aber auch dann, wenn eine Anlockung besteht, ist durch das Zusammen- treffen noch nicht eine Vereinigmig gesichert. Es ergiebt sich dieses schon aus der Thatsache, dass in das Archegonium eines Farrenkrautes die Samenfäden aller Farnspecies gelockt werden, während nur der Samenfaden derselben Art mit der Eizelle verschmilzt. Zudem geht aus dem Mitgetheilten zur Genüge hervor, dass zur Erzielung und zur Erhaltung der symbiotischen Vereinigung bestimmte Eigenschaften und Bedingungen (allgemein gesagt Affinitäten) noth- wendig sind. Da wir die Factoren nicht genauer zu präcisiren vermügen (wir sehen von nicht wachs thums fähigen Zellen ab), so muss dahin gestellt bleiben, in wie weit die Bedingungen schon durch die stationären Eigenschaften der Zelle gegeben sind, oder durch die functionellen Wechselwirkungen, oder durch besondere Reize geschaften werden. Da alle diese Factoren variabel sind, so ist es z. B. begreiflich, dass zwar nicht der vegetative Faden, wohl aber die Copulationsschläuche von Spirogyra mit einander verschmelzen, und dass im Laufe der Entwickelung auch eine Trennung und Abstossung von Zellen aus- i;eführt wird. Natürlich ist eine Vereinigung ausgeschlossen, wenn der eine Ij Ueber Callus siehe II, § 38; über die Ursachen der Gewebedifferencirung II, § 41. — Näheres über den Vorgang der Vereinigung, über Wundholz etc. ist in den II, p. 214 citirten Schriften zu finden. — Ueber normale Verwachsungen siehe z. B. Hofmeister, Allgem. Morpholog. 1868, p. 548; Goebel, Organographie 1898, I. p. 4 3. 2) Vgl. Klebs, Bot. Ztg. 1891. p. 821. 3] Askenasy, Ber. d. bot. Ges. 1888. p. 127. § 50. Näheres über die symbiotische Vereinigung und Wechselwirkung. 219 Symbiont durch die Stolfwechselproducte des anderen Symbionten zum Fliehen veranlasst oder geschädigt wird. Bei der conjuncten Symbiose kann es sich im näheren um die einfache Aneinanderlagerung oder Verwachsung der Zellen, um die Aufnahme eines Sym- bionten in den Protoplasten oder um die sexuelle oder asexuelle Verschmelzung zweier Protoplaste handeln (II, § 48; über Plasmaverschmelzungen vgl. 11, Kap. XV]. Eine innige Verwachsung der Zellhaut tritt augenscheinlich nicht nur zwischen nahestehenden, sondern auch zwischen fremdartigen Symbionten ein, z. B. zwischen den Algen und Pilzen in vielen Flechten. Da ferner Pilz- fäden, Amöben etc. ihren Weg in das Innere einer fremden Zelle finden, so wird sich auch ein zarter Plasmafortsatz den Weg durch die trennende Zell- wand bahnen können. Dadurch wird dann, sofern, wie zumeist, der fremde Protoplast nicht verschmilzt (U, Kap. XA'), ein inniger Gontact, aber keine lebendige Continuität der beiden Protoplasten hergestellt \) , die aber entstehen kann, wenn verschmelzungsfähige Protoplasten auf einander treffen. Ob diese lebendige Continuität (die Plasmaverl)indungen), wie es Vüchting-) vermuthet, bei dem erfolgreichen Pfropfen allgemein zu Stande kommt, ist noch nicht sichergestellt. Auf Grund des harmonischen Zusammenwirkens kann die Exi- stenz der Plasmaverbindungen nicht schlechthin gefolgert werden, weil diese Harmonie z. B. auch in Flechten besteht, deren Symbionten aller Voraussicht nach keine Plasmaverschmelzung eingehen 3). Uebrigens sollen nach Kuhla^j zwischen den Zellen von Viscum album und der Wirthspflanze keine Plasma- verbindungen vorhanden sein. Nach dem Gesagten ist eine nachträgliche Herstellung der sehr dünnen Plasma- verbindungen ebensogut möglich, wie die gröbere Verschmelzung der Protoplasten, die bei Zellfusionen durch Weglösen eines entsprechenden Wandstückes ermög- licht wird (vgl. auch II, § 13)'^). Dürfte nun die lebendige Continuität zu- nächst schon bei der Zelltheilung xmd der Einsetzung der Zellwand erhalten bleiben (I, p. 50), so werden doch vermuthlich Plasmaverbindungen, da, wo es nöthig ist, neugebildet. Das würde also der Fall sein, wenn die Plasmaverbindung 1) Dem entsprechend beobachtete N oll (Sitzungsber. d. Niederrhein. Gesellsch. zu Bonn. K.Juh 1897) beim Pfropfen verschiedenartiger Siphoneen nur eine Verwachsung der Zellhaut. 2 Vöchting. Transplantation 1892. p. H7. — Es wäre aber auch möglich, dass eine dauernde harmonische Vereinigung nur dann zu Stande kommt, wenn die lebendige Continuität durch Plasmaverbindungen hergestellt wird. — Die Bastardirung lehrt, dass auch die Protoplasten verschiedener Individuen und z. Th. verschiedener Arten ver- schmelzen können. 3) Nach G. J. Peirce (Proceed. of the California Acad. of Sciences 1899, III. ser.. Bd. I, p. 236) senden die Pilze Haustorien in die Algenzellen. — lieber die feinen Fortsätze, die Piptocephalis Freseniana in Mucor mucedo sendet, sielie Brefeld, Botan. Unters, über Schimmelpilze 1872, 1, p. 45. 4; F. Kuhla, Bot. Ztg. 1900, p. 51. — Eine Plasmaverbindung fehlt auch zwischen Embryo und Endosperm und ist in diesem Falle auch nicht nothwendig. (Vgl. I. p. 612. 5] Ueber das Vorkommen der Plasmaverbindungen u. ihre Entstehung vgl. das Referat von Zimmermann, Beiheft z. botan. Centralblatt 1893, Bd. 3, p. 328. Ferner A. Meyer, Bot. Ztg. 1896. p. 187; Ber. d. bot. Gesellsch. 1897, p. 166; Kohl. Bot. Centraibl. 1897. Bd. 72, p. 260; Kuhla. 1. c. [Kohl, Bericht, d. bot. Gesellsch. 1900, p. 364; W. Gardiner, Proceed. of the Royal Soc. 1900, Bd. 77, p. 437.] 220 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. zwischen der Unterlage und dem transplanlirten Stück oder etwa zwischen den Milchzellen und denjenigen Zellen hergestellt ward, zwischen die jene sich ein- drängen (II, § I 3). Vorläufig ist aber nicht bekannt, ob zwischen den Milchzellen (ebenso zwischen den sich durch gleitendes Wachsthum eindrängenden Bastzellen) nnd den anstossenden Zellen Plasmaverbindungen bestehen. Theoretisch kann man diese Continuität nicht fordern, da die Aufrechterhaltung der nothwendigen Correlation mit dem selbständig fortwachsenden Älilchzellsystem auch ohne die Existenz von Plasmaverbindungen möghch erscheint. Nicht genügend verfolgt ist ferner die Bedeutung und die Conse(|uenz der Zerreissung der Plasmaverbindungen, die bei der Trennung von Zellen, viel- fach auch schon bei der Bildung der Intercellularräume eintritt, die auch an Stellen entstehen, an welchen in der Zellwand Tüpfel und Plasmaverbindungen vorhanden sind. In einer gewissen Verbindung mit diesen Verhältnissen steht die Frage nach dem Vorhandensein eines cxtramembranösen Protoplasmaüberzuges, der wenigstens für die Intercellularräume noch nicht nachgewiesen ist'). Uebri- gens sind die Cilien, die Plasmamasse auf der Aussenseite der Schale der Diato- meen (II, Kap. XIV) u. s. w'. Beispiele für extramembranöses Plasma, das sich in schönster Weise z. B. bei Gromia ovil'ormis (Rliizopode) 2) findet. Abschnitt IV. / Rückblick auf die determinirenden inneren Factoren. § 51. Allgemeines, Es ist schon wiederholt betont worden, dass eine völlige, causale Aufhellung der morphogenen Leistungen und Reactionen des Organismus unmöglich ist, Aveil wir keine genügende Einsicht in die maassgebenden Bauverhältnisse und Eigen- schaften des Protoplasten besitzen. Thatsächlich sind nicht einmal im allge- meinen die Mittel und Vorgänge aufgehellt, durch die einmal das Wachsthum, überhaupt die mechanischen Leistungen erzielt (II, Kap. II u. Kap. XVII) und durch die ferner das nothwendige Zusammenwirken der Organe und Theile des Protoplasten regulatorisch gelenkt wird-^). Unter solchen Umständen sind wir auch nicht in der Lage, exact die Factoren (Ursachen) anzugeben, durch welche in der Ontogenese die specifische Differencirung, also die specifische Ausbildung der Zellen und Organe herbeigeführt wird. Denn wenn wir auch darthun können, dass diese Erfolge einerseits durch den jeweiligen Zustand (Eigenschaften, 1) Ueber extramembranöses Plasma vgl. Schutt, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 33, p; 594; Bot. Ztg., Referat 1900, p. 24ö; 0. Müller, Ber. d. bot. Gesellsch. 1899, p. 423, 1900, p. 48-1; Kny, Ber. d. botan. Gesellsch. 1900, p. 43 u. die an diesen Stellen citirte Lit. — Siehe auch diesen Bd. § 9. 2} 0. Hertwig. Die Zelle u. die Gewebe 1893, I. p. 2G. 3 Es wird hier und in Folgendem die genaue Bekanntschaft mit dem Inhalt von Kap. VII und insbesondere mit der allgemeinen Orientirang (§ 39, vorausgesetzt. §31. Allgemeines. 221 Stimmung) der Zellen (der Gewebe, der Organe), andererseits durch die be- sonderen Combinationen und Angriffsweise der inneren und äusseren Einflüsse (Wechselwirkungen) bedingt sind, so vermögen wir doch schon die inneren (func- tionellen) Wechselwirkungen (Reize) nicht genügend zu präcisiren. Was wir in dieser Hinsicht in Wirklichkeit wissen, ist in diesem Kapitel im Anschluss an bestimmte Betrachtungen mitgetheilt oder angedeutet worden. Jedoch dürfte es geboten sein, nunmelir im Zusammenhang kurz und ganz allgemein einen Aus- blick auf die dirigirenden inneren Factoren (autogenen Reize) anzustellen, mit deren Hilfe und Anwendung im Dienste des Organismus so Mannigfaltiges erzielt wird. Wir sehen also ab von allen besonderen Eigenheiten und Gestaltungen, müssen aber zunächst nochmals darauf aufmerksam maclien, dass auch in einem völlig homogenen Medium orientirende Einflüsse (Reize) zu Stande kommen können. Denn einmal wird auch bei einem radiär gebauten Protoplasten in einem völlig homogenen Medium (Wasser oder Luft) durch die Veränderungen und Reactionen an der Gontactfläche eine bleibende Differenz zwischen der Ober- fläche und dem hmeren geschaffen. Zudem werden im Inneren des Proto- plasten durch die Aufnalime von Sauerstoff und die Ausgabe von Kolilensäure (oder durch andere Stoffwechselprocesse) bestimmt gerichtete Stoffbewegungen und Goncentrationsgefälle hergestellt, durch die möglicherweise orientirende Reizwirkungen im Protoplasten in analoger Weise ausgeübt werden, wie durch die Concentrationsunterschiede (Diffusion) in den chemotropischen Reactionen (II, Kap. XIII, XIV). Vermuthlich wird durch das physikalische Spannungshäutchen in Verbin- dung mit anderen Factoren der Reiz ausgelöst, durch den die Formation der Plasmahaut, dieses lebendigen und reizbaren Organes des Protoplasten, veran- lasst wird (I, § 18). Ferner wird nur an der Aussenfläche des Protoplasten die Zellhaut gebildet und nach der Entfernung wieder erneuert (I, p. 482, 520). Da dieser Process auch dann vor sich geht, wenn sich der Protoplast in dem ausgepressten Saft derselben Pflanze befindet, so muss niclit durch die Oualität der anstossenden Flüssigkeit, sondern durch andere Factoren bewirkt werden, dass der Protoplast gegen die Vacuolen eine Zellliaut nicht zu formiren pflegt. Weiter ist bekannt, dass die Transpiration bezw. die hiermit verknüpften Vorgänge die bessere Ausbildung der Cuticula veranlassen (I, § 21 ; II, § 34). Audi wird durch die Transpiration oder vielleicht in anderer Weise durcli den Contact mit Luft der Reiz ausgelöst, der bei gewissen Pilzen die Production von Sporangien oder Conidien hervorruft (II, § 34). Die Vorgänge bei diesen Reizungen und Reactionen vermögen wir ebensowenig im näheren anzugeben, wie den Complex von Factoren, durch welchen bewirkt wird, dass sich die peripherisch gelegenen Meristemzellen zu der besonders gestalteten Epidermis ausbilden, und dass sich die Organe gewisser Pflanzen wesentlich verschieden gestalten, je nachdem sie sich in Luft oder in Wasser befinden. Sofern übrigens der einzellige oder vielzellige Organismus selbstthätig durch die ausgeschiedenen Stoffwechselproducte^ durch das Einwachsen in ein anderes Medium u. s. w. die Aussenbedingungen allgemein oder localisirt modificirt, liegt in dem so erzielten Erfolg (ebenso wie bei einem auf andere Weise herbeige- führten Weclisel der Aussenverhältnisse) eine aitiogene Reaction vor. Dagegen handelt es sich um einen autogenen Vorgang in allen Fällen, in welchen die 222 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. Aussenwelt (bei Gonstanz der Aussenbedingungen) durch eine selbstthätige A'er- schiebung der Eigenschaften und des Reactionsvermögens in irgend einer Weise im Dienste des Organismus nutzbar gemacht wird (vgl. II, p. '161). Das ge- schieht z. B., wenn durch eine Veränderung der Sensibilität bei Gonstanz der Aussenbedingungen eine geotropische oder anders geartete Reaction erzielt wird, aber ebenso auch, wenn z. B. die Oberflächenspannung durch eine localisirte Veränderung der Plasmahaut bezw. durch eine localisirte Secretion derart modi- ficirt wird, dass hierdurch eine Formänderung oder eine Bewegung des nackten Protoplasten zu Stande kommt (II, Kap. XV). Thatsächlich wird die Thätig- keit, also auch die specifische Ontogenese nur dadurch ermöglicht, dass es der Organismus versteht, die aus der Aussenwelt stammenden Bau- und Betriebs- mittel in specifischer Weise in seine Dienste zu ziehen und nutzbar zu machen. Selbstverständlich kann auch schon an der einzelnen Zelle eine primär vor- handene Polarität (vgl. II, p. 1 87] oder eine localisirte Veränderung der Eigen- schaften und Thätigkeiten die Veranlassung werden, dass durch die constanten Aussenbedingungen eine localisirte Reaction hervorgerufen und modificirt wird. Ob und in wie weit die Aussenwelt in der besagten Weise speciell zu Orientirungsreizen nutzbar gemacht wird, kann nur von Fall zu Fall entschieden werden i). Voraussichtlich geschieht dieses in der Ontogenese vielfach aber nicht immer in leicht erkennbarer Weise, und es ist wohl möglich, dass zuweilen durch die localen Verschiedenheiten besondere Reizwirkungen erzielt werden , die durch eine Unterschiedsempfmdung ausgelöst werden (11, Kap. XIII). Jedoch ist eine solche Ausnutzung der Aussenwelt zu directiven Zwecken nicht allge- mein nothwendig. Denn thatsächlich werden durch die selbstthätigen Ver- änderungen und Verschiebunüen im Inneren fortwährend neue Gonstellationen in gesetzmässiger Folge geschaffen, und vermuthlich wird in den meisten Fällen die Ontogenese ganz oder doch der Hauptsache nach durch die so gewonnenen Directionsmittel (Reize) in bestimmter Weise gelenkt. Jedenfalls ist aber bei Gonstanz der Aussenbedingungen eine jede Xer- änderung im Geschehen, ist also die specifische Ontogenese des einzelligen und des vielzelligen Organismus durch eine selbstregulatorische Lenkung und Ver- schiebung der inneren Ursachen bedingt. In dieser Weise wird also die Wieder- kehr der Zelltheilung veranlasst, wenn wir auch zur Zeit nicht näher angeben können, wie es kommt, dass die Zelltheilung (auch die Kerntheilung) jedesmal nach einer gewissen Vergrösserung der Zelle und des Protoplasten eintritt (II, § 12). Die Thatsache, dass die cylindrische Zelle in dem Faden einer Spirogyra etc. sich ebenso verhält, obgleich sich w^ihrend des Wachsens der Querdurchmesser nicht ändert, lehrt nur, dass in diesem Falle zur Auslösung der Theilung eine Veränderung des Verhältnisses zwischen aufnehmender Ober- fläche und Körpervolumeu nicht nothwendig ist. Wahrscheinlich werden aber vielfach auch aus der Veränderung dieses Verhältnisses Verschiebungen des Gleichgewichtes im Organismus und dirigirende Reize entspringen 2). Thatsächlich 1) Ueber die Ursachen des Generationswechsels von Pilzen, Algen u. s. w. vgl. 11, § 37. 2) Bergmann sowie Leuckart haben mit Recht betont, dass durch eine dau- ernde dichte Auflagerung von Zellen schliesslich den Binnenzellen die Lebensbedin- gungen geraubt werden müssen. Vgl. 0. Hertwig. Die Zelle u. die Gewebe isgs. II, p. 134. §51. Allgemeines. 223 wird im Organismus, wie es nothwendig sein muss, Ijci grösserer Älassen- zunahme durch die besondere Gestaltung, durch die Schaffung von Leitbahnen u. s. w. dafür gesorgt, dass auch zu den innersten Zellen in genügendem Maasse Sauerstoff und andere Körper gelangen. Dass aber die Zelltheilung ein physiologischer Vorgang, also nicht etwa die rein physikalische Folge der Vergrösserung und der Oberfirichenspannung ist, wairde schon früher (II, p. 46) hervorgehoben und erwiesen. Bei dieser Gelegenheit ist dargethan, dass der an die Zellwand gepresste Protoplast der turgescenten Zelle gar nicht der durch die Oberflächenspannung bewirkten Zer- schnürung unterworfen ist, die sich allerdings an einem freien Flüssigkeitsfaden einstellt. Diesen physikalischen Bestrebungen widerstehen schon die dünnen Stränge eines Plasmodiums, und voraussichtlich ist auch die Theilung (Furchung) einer kugeligen oder ellipsoiden zellhaut freien Eizelle nie ein rein physikali- scher Vorgang. Wird aber etwa die Oberilächenenergie in der oben ange- deuteten Weise durch die Thätigkeit des Organismus zur Zertheilung eines Proto- plasten nutzbar gemacht, dann liegt ebenfalls eine physiologische Operation vor. Die obigen Betrachtungen und Erwägungen gelten nicht nur für die isolirte Zelle, sondern auch für che ganze Pflanze, für ein jedes Organ und für eine jede Zelle in diesem. Jedoch ist zu beachten, dass sich schon mit der Verket- tung von zwei oder einigen Zellen (also mit der Zelltheilung) und in steigendem Maasse mit der Gewebedifferencirung und Arbeitstheilung in der besprochenen Weise (II, § 45, 46) die mannigfachsten Wechselwirkungen einstellen. Eine jede Zelle ist nunmehr jederzeit verschiedenen, local differenten Einflüssen ausgesetzt, die sowohl durch die Eigenthätigkeit der Zelle, als auch durch die Veränderung der äusseren und inneren Factoren (direct und indirect) modificirt werden. So lange die Plasmaverbindungen nicht mitwirken, handelt es sich bei aller Mannig- faltigkeit doch nur um Eingriffe, wie sie auch durch eine entsprechend gelenkte Angriffsweise der äusseren Factoren erzielbar sein wuirden, während bei dem Vorhandensein der lebendigen Continuität, ebenso wie im Inneren eines leben- digen Protoplasten, besondere Constellationen und Reizwirkungen in Betracht zu ziehen sind. Wenn wir zunächst von der lebendigen Continuität (den plasmatischen Reizen) absehen, so kann man auf Grund der Erfahrungen über die äusseren Bedingungen (Kap. VI), sowie über die correlativen Beeinflussungen diejenigen Fac- toren bezeichnen, welche bei den inneren (den mutualistischen) Wechselwirkungen hauptsächlich in Betracht kommen werden. Es sind dieses insbesondere che- mische, mechanische und durch die Wasserversorgung (Aufnahme, Leitung, Transpiration) bedingte Einflüsse. Vielleicht spielen auch electrische Ströme (II, § 28, Kap. XVI) eine gewisse Rolle, während für die direct durch die Eigen- thätigkeit der Pflanze erzielten Reize Schwerkraft und Licht gar nicht, und Wärme kaum in Betracht kommen. Chemische Einflüsse. Ganz allgemein und in sehr verschiedener Weise sind chemische Wechselwirkungen für die regulatorische Lenkung nutzbar ge- macht. Es wurde auch bereits hervorgehoben (I, § 93; II, § 46), dass schon durch die Stofl"wechselthätigkeit und die hierdurch erzielte Stofl"vertheilung (durch Mangel und Ueberfluss) Reizwirkungen hervorgerufen werden, durch die nicht nur die Stoffwechselthätigkeit, sondern auch die Wachsthumsthätigkeit regulirt 224 Kap. VII. Die ianeren Ursachen der specifischen Gestaltung. wird. Ob freilich nur in dieser Weise z. B. die allgemeine Correlation zwischen Spross- und Wurzelsystem u. s. w. aufrecht erhalten wird, ist noch nicht ent- schieden, aber nicht wahrscheinlich. Denn es können ausserdem specifische Stoffwechselproducle mitwirken, und vielleicht spielen die durch die Plasma- verbindungen übermittelten Reize eine hervorragende Rolle (über Symbionten vgl. II, § 48, 50). Auch in der Technik kann man u. a. bei Zuhilfenahme von electrischen Uebertragungen und Auslösungen leichter und vollständiger bis auf grosse Entfernungen ein harmonisches Zusammenwirken erzielen, als bei alleiniger Anwendung von mechanischen Rückwirkungen und den hierdurch bewirkten Auslösungen. Dass die Wachsthumsthätigkeit auch durch specifische Stoffe in verschie- dener Weise regulirt und modificirt werden kann, ergiebt sich zur Genüge aus den Erfahrungen über die Ausseneinflüsse (II, § 30—32) und über die mutua- listischen Wechselwirkungen (Gallen etc. II, § 48—50). Vermuthlich werden gerade einseitige (tropistische) und localisirte chemische Reizwirkungen vielfach zur Erzielung bestimmter Erfolge in der inneren und äusseren Ausgestaltung verwandt (II, § 50, Kap. XIII, XIV). Die Gesammterfahrungen lehren aber mit aller Sicherheit, dass nicht, wie es einige Autoren annahmen (II, § 54), jedes- mal ein besonderer Reizstoff nothwendig ist, um die Bildung eines Blattes, eines Sprosses u. s. w. anzuregen (vgl. auch I, p. 521). Mechanische Einflüsse. Dass diese nicht nur rein mechanisch, sondern auch als Reiz in Frage kommen, ist aus II, § 35 — 38 zu ersehen. So gut wie durch eine äussere wird aber auch durch eine innere Inanspruchnahme die Festigung regulirt werden. Ferner ist es möglich, dass bei der Selbstregulation eigenthümliche Sensibilitäten für besondere Zug-, Druck- und Bewegungsverhält- nisse nutzbar gemacht sind (über Contactreize vgl. auch II, Kap. XII). Von der Wasserversorgung hängt die Turgorhöhe ab, die wiederum (direct oder indirect) mechanische oder auslösende Wirkungen ausüben kann. Ausserdem ist schon in diesem Paragraph und an anderer Stelle (II, § 33, 34) darauf hingewiesen, dass auch durch die Wasserbewegung, durch die Tran- spiration und durch die mit dieser verketteten Factoren, ferner durch den Wasser- oder Luftcontact u. s. w. besondere Reize ausgelöst werden können. § 52. Fortsetzung, Zwar lehren die symbiotischen Vereinigungen, dass unter Umständen zu- reichende Wechselwirkungen vmd auffallende formative Erfolge ohne die Existenz von Plasmaverbindungen möglich sind (II, § 48 — 50), Da aber bei einer Ein- heitspflanze eine lebendige Verbindung zwischen allen oder doch den meisten Protoplasten hergestellt ist^), so kommt dieser lebendigen Continuität jedenfalls eine sehr hohe Bedeutung zu, und zwar dürfte diese weniger in dem Transport von Nährstoffen, als in der Uebermittelung von correlativ regulirenden Wechsel- wirkungen bestehen (I, p. 50, 602). In der That lässt sich zeigen, dass ein kernfreies Cytoplasma zur Zellhautbildung angeregt wird, wenn es durch einen Vgl. I, p. 50 u. II. p. 219, wo auch die Lit. citirt ist. § 52. Allgemeines. 225 sehr dünnen Plasmafaden mit einem kernhaltigen Protoplasten organisch ver- bunden ist, während der innigste Contact einen solchen Erfolg nicht hervorruft (I, p. 45; II, p. 36). Ausserdem ist aber nicht sicher ermittelt, in wie weit die lebendige Verbindung zwischen den kernhaltigen Protoplasten für die Her- stellung und die Erhaltung der Correlationsharmonie in der sich entwickeln- den und in der ausgewachsenen Pflanze nothwendig oder doch von wesentlicher Bedeutung ist. Jedenfalls können in einem Plasmafaden, der ja selbst lebendiges Cytoplasma ist, neben den schon besprochenen Reizen (§ 51), auch diejenigen Wechselwirkungen übertragen werden, die nur innerhalb des Protoplasten mög- lich sind. Fehlt uns auch eine genügende Einsicht in diese und andere Vor- gänge, so dürfte die Reizleitung durch die Plasmafäden dem Wesen nach er- zielt werden : 1 ) durch die Uebermittlung eines bestimmten Reizstoffes, 2) durch die Uebermittlung von lebendigen Plasmatheilen, oder 3) durch die Fortpflanzung irgend eines physikalischen oder chemischen Processes. Ein Uebertritt lebendiger Plasmamasse, der auch schon ohne die Präexistenz von Plasmaverbindungen möglich ist, kommt vielleicht häufig vor ^), und es ist wohl möglich, dass auf diese Weise (durch Zuführung bis dahin fehlender Or- gane oder Organelemente etc.) besondere Erfolge erzielt werden. Ob und in wie weit dieses freilich in dem vegetativen Leben zutrifft, ist nach den bis- herigen Erfahrungen nicht zu entscheiden, denn die Zuführung von lebendigen Elementen kann man dann nicht fordern, wenn Reactionen erweckt werden, zu denen der Protoplast schon für sich potentiell befähigt ist^j. Ferner können in einem Plasmafaden mit Hilfe von Massenströmung oder durch Diffusion Stoffe (bestimmte Reizstoffe oder Nährstoife) übergeführt werden, die ohne die lebendige Continuität nicht aus dem einen in den anderen Proto- plasten gelangen 3). Ausserdem ist es möglich, dass (wie übrigens auch ohne Plasmaverbindungen) durch die Stoffbewegung und die hierdurch hergestellte Potentialdifferenz, also durch die Fortpflanzung bestimmter physikalischer oder chemischer Actionen imd Reactionen specifische Reizimpulse übermittelt werden. Da es sich aber in letzter Instanz bei allem Geschehen um Bewegungen handelt, so kann man schliesslich ganz generell und ohne irgend eine bestimmte Voraus- setzung von Reizübertragungen durch bestimmte Bewegungs- und ScliAvingungs- zustände-*) reden. Das Zucken einei' Gilie nach einer localisirten Reizung zeigt, dass eine physio- logische Reaction in einem dünnen Ilyaloplasmafaden schnell fortgepflanzt wird (II, Kap. XIV). Ueberhaupt kann durch Bewegung oder die Vorgänge, durch welche die Reaction veranlasst oder ausgeführt wird, ein bestimmter Reiz auf einen anderen, in lebendiger Verbindung stehenden Protoplasten übertragen werden. Dieses ist aber auch ohne eine sichtbare Bewegung z.B. durch irgend eine chemische Reaction möglich. 1) Vgl. II, p. 219, wo zugleich auf die Verschmelzungen bei Sexualvorgängen sowie auf die symbiotische Aufnahme von fremden Organismen hingewiesen ist. Eine Ueber- wanderung von Zellkernen in vegetativen Zellen hat W. Arnoldi (Flora 1900, p. 194) beschrieben. [Miehe, Flora 1901, p. 115.] 2) Desshalb sind auch die bisherigen Erscheinungen über die sog. Pfropfhybriden nicht entscheidend. Vgl. II, p. 21 G. 3) Vgl. I, p. 602 u. Pfeffer, Energetik 1892, p. 272. 4) Vgl. z. B. Nägeli, Theorie d. Abstammungslehre 18S4, p. 58. Pfeffer, Pflaiizenphysiologie. 2. Aufl. II. 45 226 K^P- VII- Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. die sich, wie es in vielen Fällen zutrifft, von dem Erregungspuncte aus schnell oder langsam ausbreitet. Sehr schnell, nämlich mit 1300 m in i See, pflanzt sich z. B. nach Berthelot die Explosion in Nitroglycerin fort, während man bequem mit dem Auge der immerhin noch schnell fortschreitenden Umwandlung (Farbenänderung) folgen kann, die sich vollzieht, wenn man das gelbe Queck- silberjodid an einem Puncte mit rothem Quecksilberjodid berührt. Ferner tritt ein Fortschreiten des Auskrystallisirens ein, wenn man in eine übersättigte Lösung eine Spur des festen Körpers bringt ^). Da dieser Process auch in der dünnsten Capillare von statten geht, so lässt sich diese Reaction durch einen sehr dünnen Lösungsfaden auf eine grosse Distanz übertragen. Die Fortpflanzung einer Reaction, die mit einer Stoffbewegung verknüpft ist, tritt z. B. dann ein, wenn an dem einen Ende eines Plasmafadens (oder irgend eines Flüs- sigkeitsfadens) das eine Ion eines dissociirten Körpers verarbeitet wird 2). Jedoch wird auch durch die einseitige Verarbeitung eines nicht dissociirten Körpers eine Poten- tialdifferenz und dadurch eine sich langsamer ausbreitende Diffusionsbewegung be- wirkt. In beiden Fällen kann aber (mit oder ohne Plasmafaden) eine Störung und somit eine bestimmte Reizung auf eine andere Zelle ausgeübt werden. Uebri- gens wurde schon betont, dass vielfach durch die Stoffwechselthätigkeit die regu- latorisch wirksamen Reize ausgelöst werden (I, § 93; II, § 46). Wie das im näheren geschieht, ist freilich dem erzielten Erfolge nicht anzusehen, und es wurde schon darauf hingewiesen, dass vielleicht in vielen Fällen die Reizüber- mittlung durch Plasmafäden eine Rolle spielt (II, p. 22 4). Jedenfalls kommen bei der Herstellung und Erhaltung der mannigfachen Wechselwirkungen und correlativen Regulationen verschiedene Mittel und Combi- nationen und demgemäss auch differente Reizwirkungen und Reizübertragungen in Anwendung. Aus dem Gesagten ergiebt sich zudem ohne weiteres, dass sich, so gilt wie innerhalb eines Protoplasten, auch in einem verbindenden Plasmafaden gleichzeitig verschiedenartige Processe und Reizleitungen abspielen können und sicher abspielen werden. Da aber die Eigenschaften (Reactions- fähigkeiten u. s. w.) des Protoplasten erfahrungsgemäss je nach den obwaltenden Bedingungen modificirt werden, so wird sicherlich auch die Leit- und Functions- fähigkeit der Plasmaverbindungen, überhaupt der Leitbahnen, je nach der In- anspruchnahme und der anderweitigen Beeinflussung (labile Induction etc.) Ver- schiebungen erfahren, die wiederum ungleich für die von derselben Zelle ausstrahlenden Plasmaverbindungen ausfallen können. Ferner bringt es die Wechselwirkung mit ungleichwerthigen Zellen und Organen mit sich, dass gegen die einzelne Zelle verschiedenartige Reize gerichtet sind, die local angreifen und sich mannigfach durchkreuzen und beeinflussen. Zur richtigen Würdigung dieses verwickelten Verhältnisses ist wohl zu beachten, das der Erfolg nicht nur von dem Reize, sondern in erster Linie von den Eigenschaften der reagirenden Zelle i'oder des Organes) abhängt, dass aber schon in dem einzelnen Proto- plasten durch die verschiedenartige Combination der zur Verfügung stehenden Mittel die mannigfachsten Resultate erzielbar sind (I, § 7 — 91. Mit Rücksicht auf die Reizübermittlungen darf man immerhin, um ein Bild zu gebrauchen, an 1) Vgl. Ostwald. Grundriss d. allgem. Chemie 3. Aufl., 1899, p. 328. 2; Demgemäss wird auch durch einen electrischen Strom eine Separirung der Ionen und damit eine Reizursache hergestellt werden können. § 52. Allgemeines. 227 das Telephon erinnern, das gestaltet, mit Hilfe der verschiedenartigen Schwin- gungen auf demselben oder auf verschiedenen Wegen in die Nähe und in die Ferne die mannigfachsten Befehle zu übermitteln, deren Erfolg aber wiederum von den jeweiligen Eigenschaften des Empfängers und des Empfangsortes ab- hängt (I, p. 2G). Durch die Gegenreaction, die eine jede Störung des Gleichgewichtszustandes hervorruft, wird in dem höchsten wie in dem niedersten Organismus stets die Wiederherstellung der früheren Reiz- und Reactionsfähigkeit (auch in den Leit- bahnen) angestrebt. Es ist dieses auch dann der Fall, wenn eine (permanente) Reizung unterbrochen wird , die darauf berechnet ist (z. B. bei Tropismen, labilen Inductionen) , bei continuirlichem Wirken den neugeschaffenen Gleich- gewichtszustand zu erhalten (I, § 3). Die Erfahrungen an Pflanzen lehren, dass eine allseitige und innige Reizver- kettung möglich ist, ohne dass zu diesem Zwecke, wie bei den Thieren, als Product der höheren Differencirung und Arbeitstheilung distincte Nerven in Anwendung kommen, durch die naturgemäss, weil sie als eine specificirte Verbindungsbahn zwi- schenbestimmten Sinnesorganen und Centren functioniren, jedesmal nur bestimmte Reizerfolge ausgelöst werden. Obgleich es nun im allgemeinen leichter ist, eine in den Vordergrund tretende Hauptfunction zu erforschen, so ist doch bis dahin auch nicht bekannt, durch welche Vorgänge der Reiz im Nerven fortgepflanzt wird i). Sollte aber die Aufklärung gelingen, so würde damitr doch nur eine Special- function, nicht aber die Gesammtheit der Reizverkettungen im Organismus, auch nicht die Gesammtheit der mannigfachen Reizleitungen in dem Protoplasma oder speciell in den Plasmafäden erkannt sein, die man als den ersten Schritt zur Differenciruns- von Nervenbahnen ansehen kann. 'n Aus den vorliegenden anatomischen Erfahrungen lassen sich keine sicheren Schlüsse in Bezug auf die Function der Plasmaverbindungen ableiten. Die auf meine Veranlassung von low n send 2) ausgeführten Untersuchungen zeigen aber, dass sich durch zielbewusste Untersuchungen sehr wohl gewisse Aufschlüsse ge- winnen lassen. Denn wie sich darthun lässt, dass durch die Plasmaverbindungen in der Zellwand und ebenso durch die dünnen Plasmafäden, die den plasmolytisch zerfallenen Protoplast verbinden, gewisse vom Zellkern abhängige Wechselwirkungen übertragen werden, wird ohne Frage auch der Verfolg noch anderweitigen Reiz- leitungen gelingen. Es ist auch sicher zu erwarten, dass eingehendere Studien in dieser Richtung nicht nur interessante Aufschlüsse über die Fortpflanzungs- schnelligkeit, die Ausbreitungsdistanz u. s. w., sondern auch einen gewissen Ein- blick in den Leitungsprocess zu Tage fördern werden. Da die Plasmaverbindungen in der Zellhaut, ebenso die plasmolytischen Ver- bindungsfäden aus Hyaloplasma bestehen, so folgt daraus, dass dieses für die Fort- pflanzung der bezüglichen Reizleitungen genügt. Doch geht schon aus der Aufrechter- haltung der lünctionellen Harmonie in den einzelnen Protoplasten hervor, dass die von den verschiedenen Plasmaorganen ausgehenden Wechselwirkungen (Reize) auch durch das übrige Protoplasma übermittelt werden. Damit ist nicht gesagt, dass ein jeder Reiz 1) Vgl. die Lehrbücher der Thierphysiologie. — Die electrische Spannungsänderung, die mit der Inanspruchnahme des Nerven sich einstellt, kann ebensogut nur secundär, doch als eine Folge des (vermuthhch chemischen) Nervenprocesses auftreten. 2) Townsend, Jahrb. f. wiss. Bot. 1897, Bd. 30, p. 484. Vgl. I, p. 45; H, p. 225. -15^ 228 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. gleich gut in allen Theilen des Protoplasmas fortgepflanzt wird. Vielmehr ist bei der physiologischen Ungleichwerthigkeit (bei der chemischen und physikalischen Verschiedenheit) eher ein Unterschied zu erwarten, und es ist sogar nicht aus- geschlossen, dass einzelne Reize nur in bestimmten Theilen des Protoplasten fort- gepflanzt werden. Zudem wird ohne Frage die Leitfähigkeit mit der jeweiligen Gruppirung der Theile und der Inanspruchnahme (Stimmung) modificirt. Man muss desshalb die Möglichkeit zugeben, dass z. B. die von einer Zelle ausgehen- den Plasmaverbindungen unter den obwaltenden Bedingungen eine verschiedene Leitbefiihigung besitzen, wenn sie auch von Haus aus gleichwerthig und potentiell gleich befähigt sind. Für die Schnelligkeit der Reizleitung können ferner sehr wohl die Gesammt- gestaltung des Protoplasten, sowie die Gruppü'ungen im Inneren des Protoplasmas von Bedeutung sein. Zum Beispiel werden schon damij wenn sich der Kern an einem Ende der Zelle befindet, die von ihm ausstrahlenden AVechselwirkungen nicht gleich schnell zu allen Theilen des Cytoplasmas gelangen, gleichviel ob die Transmission im ruhenden Protoplasma oder durch das strömende Protoplasma vermittelt wird. Auch mag die Schnelligkeit und Intensität, mit welcher ein Reiz z. B. in der Längsrichtung einer Zelle transmittirt wird, schon durch eine geeig- nete Anordnung der Plasmastränge selbst dann gefördert werden, wenn der Wand- belag ebenfalls den Reiz leitet. Weiter kann durch die Spärlichkeit oder das gänz- liche Fehlen der Plasmaverbindungen in den Seitenwänden der Zelle erreicht werden, dass in einem Gewebe ein Reiz energischer oder allein in der Längsrichtung der Zellen fortschreitet. Uebrigens wird auch in anderer Weise eine mehr oder weniger weitgehende Einengung der StolTwanderung und somit der durch diese vermittelten Reizverkettungen (Reizleitungen) auf bestimmte Gewebebahnen erzielt (I, Kap. X). Näheres ist freilich nicht bekannt, und so konnte ich in Bezug auf diese ver- wickelten Probleme nur auf einige Möglichkeiten hinweisen. Da nachweislich im Protoplasma gewisse Gruppirungen, auch faserige Structuren , in Verbindung mit anderen Aufgaben und Functionen auftreten, so kann nur durch kritische Unter- suchungen entschieden werden, ob Systeme von Fibrillen, die Nemec^) in ge- wissen Fällen fand, speciell auf die Leitung von Reizen berechnet sind. Sicher- lich handelt es sich aber bei diesen Fibrillen nur um transitorische und reversible Gruppirungen im Protoplasma, durch welche die Reizleitung in der Zelle nicht erst geschalTen, aber möglicherweise gefördert wird. Wie dem aber auch sei, so lehrt doch schon der noch- unaufgeklärte Leitprocess in den differencirten Nerven- fasern, dass mit der besten formalen Kenntniss der Leitbalmen keine Einsicht in die Processe gewonnen ist, durch welche die Leitung vermittelt wird. Wenigstens eine gewisse Einsicht in die Reizfortpflanzung liegt dann vor, wenn die Reizung durch die Störungen verursacht wird, welche die Stoffwechselthätig- keit und die von dieser regulatorisch gelenkte Stoffzufuhr in benachbarten oder fernen Zellen und Organen hervorrufen 2). Denn dann sind, so weit wir diese Processe kennen, die Mittel gekennzeichnet, durch welche diese Potentialdifl"erenzen geschaffen und demgemäss die Reize bis in die reagirenden Zellen und Organe in denselben Bahnen fortgepflanzt werden, die den Stofftransport vermitteln. In anderen Fällen mag die reizauslösende Störung umgekehrt durch die Zufuhr von Stoffen bewii'kt werden. Ausserdem dürften öfters bestimmte Stoffwechselproducte 1) Nemec, Biol. Centralbl. 1900, Bd. 20, p. 369. — Vgl. auch Hörmann, Studien über Protoplasmaströmung bei d. Characeen 1898. p. 76. [Nemec, Die Reizleitung und die reizleitenden Structuren -1901.] 2) Bd. I, § 93 u. Kap. X. — Wir sehen ab von der mechanischen Reizfortpflanzung bei Mimosa. Vgl. II, § 33. § 52. Allgemeines. 229 (Reizstoffe) zur Uebertragung von Reizwirkungen benutzt werden. So ist es wahr- scheinlich, dass derartige Vorgänge bei der Auslösung der formativen Reactionen in den symbiotischen Vereinigungen eine Rolle spielen (II, § 48 — 50), und zudem ist bekannt, dass von der Zelle vielfach bestimmte Secretionen benutzt werden, um bestimmte Wirkungen auf die Umgebung auszuüben (I, § 65, 91]. Ob in anderen Fällen zur Reizübermittlung die Fortpflanzung einer chemi- schen oder physikalischen Reaction in einem (labilen) System benutzt wird, ist zwar nicht erwiesen, jedoch wahrscheinlich. Dass eine derartige Fortpflanzung auf ver- schiedene Weise möglich ist, ist schon aus den p. 226 erwähnten Beispielen (Ex- plosion, Zustandsänderung im Quecksilberjodid, Auskrystallisiren einer übersättigten Lösung) zu ersehen. Da eine jede dieser Reactionen nur durch einen bestimmten Anstoss ausgelöst wird (das Auskrystallisiren aus der übersättigten Lösung z. B. durch die Berührung mit einem Krystallsplitter derselben Substanz), so leuchtet ein, dass in derselben Bahn je nach dem Anstoss eine besondere Reaction aus- gelöst und demgemäss verschiedene Reizwirkungen übermittelt werden können. Nach den angedeuteten Prineipien können Reize mit und ohne lebendige Con- tinuität befördert werden, jedoch ist die Leitung auf die Plasmabahnen beschränkt, wenn die bezüglichen Stoffe und Systeme nur in dem Protoplasma vorhanden sind. In diesem, also auch in den Plasraaverbindungen, ist aber eine Reizfortpflanzung ausserdem auf verschiedene Weise, so auch durch bestimmte physiologische Reactionen denkbar. Eine solche physiologische Fortpflanzung würde z. B. vorhegen, wenn (analog wie etwa in einer Kette von Lebewesen) bei einer localisirten Reizung die unter ein- ander verketteten Organe und Bauelemente des Protoplasmas ebenfalls in einen Er- regungszustand versetzt werden. Ausserdem ist es nicht unmöglich, dass ein loca- lisirter Orientirungsreiz bestimmte Verschiebungen und Orientirungen nicht nur in den direct betroffenen Theilen, sondern durch Vermittlung dieser auch in den sich anreihenden Bausteinen des Protoplasmas veranlasst. Ferner ist schon darauf hingewiesen, dass besondere Erfolge durch die Einwanderung von lebendigen Theilen erzielbar sind. Begreiflicherweise kann die Fortpflanzung einer physio- logischen Reaction mit chemischen Processen und electrischen Schwankungen ver- knüpft sein, die vielfach durch chemische Vorgänge verursacht werden (II, Kap. XVI). Auch in den Nerven der Thiere dürften die electrischen Schw^ankungen nur die Begleiterscheinungen und Folgen des noch nicht aufgeklärten Leitungsprocesses sein. Da die Reizleitungen nur ein Bindeglied in den Reizungsvorgängen sind, so lassen sich aus den allgemeinen Erwägungen über diese auch die allgemeinen Gesichtspuncte über jene ableiten (vgl. I, § 3). Wird also z. B. in der Reiz- reaction ein neuer Gleichgewichtszustand herbeigeführt, so muss der die Reiz- leitung vermittelnde Process so lange in gleichem Sinne thätig sein, als die Re- action anhält. Wenn dann das Organ nach der Beseitigung des (inneren oder äusseren) Reizanstosses in die frühere Gleichgewichtslage zurückkehrt, so ist da- mit zugleich gesagt, dass die auslösenden Impulse aufhörten, die durch die Leit- bahn übermittelt und ausgeübt wurden. Durch die Erweckung der ausgleichenden Gegenreactionen, sowie durch die Gesammtheit der Widerstände und der Verhält- nisse, welche die Ausbreitung des Reizes beeinflussen, wird es auch bewirkt, dass sich ein Reiz mit nachlassender Intensität und nur auf eine gewisse Distanz fort- pflanzt. Durch die ausgleichende Thätigkeit wird ferner erzielt, dass die Leit- fähigkeit erhalten und auch dann wieder hergestellt wird, wenn etwa die für den Leitungsprocess zur Verfügung stehende Spannkraft plötzlich activirt und aufge- braucht wird. Als Resultante aus der angestrebten Reaction und der mit der Entfernung die Oberhand gewinnenden Gegenreaction würde sich übrigens ein Leitungsprocess auch dann nur auf eine gewisse Entfernung erstrecken, wenn er 230 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. durch Vorgänge vermittelt wird, M-ie sie in der Fortpflanzung einer Explosion oder des Auskrystallisirens aus einer übersättigten Lösung vorliegen. Sofern ein von aussen wirkender oder ein zugeleiteter Reiz nicht einfach den Anstoss zu einer ein für allemal festbestimmten Reaction giebt, sondern in be- stimmter Weise orientirend wirkt, muss dieses durch die Art und Weise des An- griffes, in Verbindung mit der Gesammtheit der obwaltenden Verhältnisse bedingt sein. Wir wissen aber heute nicht zu sagen, durch welche speciellen Einrich- tungen und Mittel es z. B. erreicht wird, dass durch die von der geotropisch oder ti'aumatisch gereizten Wurzelspitze ausstrahlenden Reize in der Actionszone der Wurzel eine ganz bestimmt gerichtete Ki-ümmung veranlasst (Kap. XIII), oder dass, je nach der Natur der correlativen Reizwirkung, an derselben Stelle eine formativ verschieden wirkende Thätigkeit erweckt wird. § 53. Allgemeiner Ausblick auf die Eeizleitungen. Die Betrachtung des correlativen Waltens hat uns gezeigt, dass mit der regulatorischen Lenkung des. vitalen Getriehes in jeder Pflanze (auch schon in dem einzelnen Protoplasten) mannigfache und auch reflectorische Reizverket- tungen und Reizleitungen verknüpft sind (II, § 45, 46). Hieraus folgt zugleich, dass ein jeder äusserer Eingriff, ein jeder Reiz, der zunächst nur eine locale Reaction hervorruft, ehenso wie eine jede locale Störung, die correlativ ver- ketteten Organe in Mitleidenschaft ziehen und somit auch eine gewässe Reiz- ausbreitung veranlassen muss (vgl. II, § 45, 46 etc.). AVenn diese ganz all- gemeine Verbreitung und Nothwendigkeit der Reizverkettung und Reizleitung bisher zumeist übersehen wurde, so hat dieses seinen Grund wesentlich darin, dass die Causalität des correlativen W^altens nicht gebührend berücksichtigt wurde, und dass bei der Beurtheilung dieser Fragen das Augenmerk zumeist nur auf die durch einen äusseren Anstoss veranlassten Bewegungsvorgänge ge- richtet wari). Diese, die allerdings bei der Pflanze in den meisten Fällen an- nähernd localisirt bleiben, bilden aber nicht den ganzen Inhalt der Reizreactionen, welche immer mit Stoffwechselprocessen und mit den durch diese regulatorisch gelenkten Stoffwanderungsvorgängen verknüpft sind, die nahe und ferne Organe in Mitleidenschaft ziehen. In manchen Fällen wird aber der Bewegungsreiz von der reagirenden oder der percipirenden Stelle in so augenscheinlicher Weise weiter verbreitet, dass die Reizleitung ohne weiteres in die Augen springt. Am längsten bekannt ist die Reizleitung in Mimosa pudica, die dadurch erzielt wird, dass sich von einem Einschnitt in den Stengel oder von dem ge- reizten Gelenk aus die Veränderungen des AV^asserdruckes und der Wassei"- bewegung ausbreiten, und dass durch diese Störung (also rein mechanisch) zu- erst das nächstgelegene, allmählich aber auch die ferneren Gelenke gereizt werden (II, Kap. XII). Auf eine rein mechanische W^eise, nämUch durch die Zerrungen, welche die sich contrahirende Zelle ausübt, wird auch der Reiz in dem Staubfaden der Cynareen, Berberideen etc. fortgepflanzt, in welchem die durch die Reizcontraction bewirkte Wasserbewegung nicht ausreicht, um in dem benachbarten Staubfaden eine Bewegung auszulösen (II, Kap. XII). 1) Vgl. übrigens Pfeffer, Die Reizbarkeit der Pflanzen 1893 (Sep. a. Verh. d. Ge- sellsch. deutsch. Naturf. u. Aerzte'. § 33. Allgemeiner Ausblick auf die Reizleitungen. 231 Wichtiger als diese rein mechanischen Reizübermittlungen und von all- gemeinster Bedeutung sind die übrigen (physiologischen) Reizleitungen, die allein für die regulatorischen Wechselwirkungen in Betracht kommen. Zu diesen physiologischen Transmissionen zählen auch die Reizleitungen, die von der geo- tropiscli, hydrotropisch oder traumatropisch empfindlichen W^u^zelspitze oder von der heliotropisch sensiblen Spitze des Scheidenblattes gewisser Gramineen- keimlinge ausgehen und in der Actionszone der betreffenden Organe eine be- stimmt gerichtete Krümmungsbewegung veranlassen (II, Kap. XIII; vgl. auch II, p. 228). Ferner gehören hierher die von dem sensiblen Köpfchen der Blatt- tentakeln von Drosera ausgehenden Impulse, welche in dem Tentakelstiele so- wohl eine Reflexbewegung, als auch eine mit der Secretionsthätigkeit zusammen- hängende chemische Reaction auslösen (II, Kap. XII). Dem Wesen der Sache nach liegt auch in diesen und ähnlichen Fällen eine Bewegungsreaction vor, die in einer correlativen Beziehung zu dem in einen bestimmten Reizzustand versetzten sensiblen Organ steht und die demgemäss mit dem Reizzustand in der sensiblen Zone modificirt wird. Da gewöhnlich eine merkliche und oft eine längere Zeit verstreicht, bevor die Pflanze auf die Reizung mit einem sichtbaren Erfolge antwortet (vgl. II, Kap. XII, XIII), so stüsst eine exacte Ermittlung der Schnelligkeit der Reiz- leitung oft auf Schwierigkeiten. Jedoch ist soviel gewiss, dass in der Pflanze der Regel nach die physiologischen Reize nur langsam fortgeleitet werden. So rückt z. B. die von der Wurzelspitze ausgehende geotropische , sowie die von der Spitze des Scheidenblattes des Keimlings von Avena ausgehende heliotro- pische Reizung, sogar unter günstigen Bedingungen, in 5 Min. nur um 'I — 2 mm vor (II, Kap. XIII), und ohne Frage werden correlative Reize oft noch lang- samer fortgepflanzt i). Dagegen erreicht die mechanische Reizleitung in Mimosa pudica eine Schnelligkeit bis zu 1 5 mm in 'I See. (II, Kap. XII) , und in dem Blatte von Dionaea muscipula pflanzt sich die electrische Schwankung in 1 See. bis zu 200 mm fort (II, Kap. XVI). Das ist freilich immer noch eine geringe Schnelligkeit gegenüber der Reizleitung in den Nerven, die über 30 m in 1 See. beträgt, jedocli in gewissen Nerven viel langsamer verläuft (vgl. die Lehrbücher der Thierphysiologie). Offenbar ist die Leitschnelligkeit, den verschiedenen Auf- gaben entsprechend, in einem sehr ungleichen Maasse ausgebildet. Es ist auch einleuchtend, dass die Nerven der höheren Thiere, um ihren Zweck er- füllen zu können, mit einer schnellen Leitfähigkeit ausgestattet sein müssen. Dagegen reicht eine langsame Reizleitung vollständig aus, um in der Pflanze das harmonische Zusammenwirken zu erzielen, und es ist bekannt, dass auch in den Thieren, da wo es angeht, vielfach träge Reizleitungen benutzt werden. Andererseits ist zu erwarten, dass z. B. in einer Colonie von Volvox durch eine verhältnissmässig schnelle Reizleitung das harmonische Zusammenarbeiten der Cilien der einzelnen Zellen erzielt wird (11, Kap. XIV). Dieser kurze Ausblick auf Reizlcitungen, unter Berücksichtigung von Reactionen, die erst weiterhin behandelt werden, schien geboten, um im Anschluss an die 1) Es ist das aus der Zeit zu entnehmen, die verstreicht, bis auf locale Eingriffe eine Reaction erfolgt. — Einige Messungen bei Townsend, Annais of Bot. ISO?, Bd. 1 1. p. Ü09. Vgl. auch II, p. iäS. 232 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. internen Wechselwirkungen auf die Allgemeinheit, sowie auf die verschiedene Be- deutung und Ausführung der Reiztransmissionen aufmerksam zu machen. Eine nähere Einsicht in den physiologischen Leitungsprocess ist auch in den oben er- wähnten Reactionen nicht gewonnen (vgl. II, § 52; über die Reizperceptionen siehe I, § 3 ; II, Kap. XII — XV). Die Erfahrung, dass die heliotropische Reizleitung in dem Cotyledon von Avena (Kap. XIII), die Stossreizleitung in der Narbe von Mi- mulus luteus (II, Kap, XII) nach Durchschneidung der Gefässbündel nicht unter- brochen ist 1), vermag die Leitbahnen, aber nicht den Leitungsprocess zu präci- siren (II, § 52). Die geringe Schnelligkeit der Reizfortpflanzung bestätigt nur, dass die Transmission nicht durch electrische Ströme vermittelt wird. (lieber langsame und schnelle Fortpflanzung chemischer Reactionen vgl, II, p. 226.) Abschnitt V. § 54. Theoretisches, Gelingt es einen dirigirenden und determinirenden Factor zu präcisiren, auf welchen der Organismus (die Zelle oder ein Organ) in bestimmter Weise reagirt, so ist damit, wie bei jedem Reizvorgang, nur der äussere Anstoss festgestellt. Die Reactionsfähigkeit, sowie die specifische Thätigkeit und Gestaltung sind aber durch die Gesammtheit der inneren Eigenschaften (durch Bau und Structur) bedingt, die bei der besten Kenntniss des veranlassenden Reizes unbekannt bleiben, gleichviel ob es sich um einen äusseren oder inneren (functionellen) Reiz handelt. Wenn nun auch die nähere Feststellung einer veranlassenden Ursache (eines Reizes) einen wesentlichen Fortschritt bedeutet, so ist es doch jedenfalls irrig, wenn, wie es öfters geschieht, die Erkenntniss eines einzelnen Factors als eine allseitig zureichende Causalerklärung des complexen vitalen Phänomens angesehen wird. Der specifische Character der Art und somit die specifische Ontogenese ist, wie schon an anderer Stelle hervorgehoben wurde, in den uns unbekannten Eigenschaften des Protoplasten begründet 2). Dieser ist aber ein gegliederter Organismus, dessen Leistungen wiederum durch das selbstregulatorisch gelenkte Zusammengreifen der aufbauenden Theile erzielt und bestimmt werden. Von diesen Bauelementen treten uns z. B. Zellkern und Chromatophoren als diffe- rencirte Organe entgegen, die (wie alles Lebendige) von ihresgleichen abstammen, die sich also durch Theilung vermehren. Durch die vitale Thätigkeit des Keim- plasmas werden dann sachgemäss Producte und auch Organe (Zellhaut, Va- cuolen) neu gebildet, die im Dienste des Organismus wichtige und zum Theil unentbehrliche Functionen zu vollbringen haben. Andererseits lehren z. B. die 4) Aehnliches fand J. Massart (La cicatrisation -1898, p. 38) für die Leitung des Wundreizes. — Ueber die Ausbreitung der Wärmeproduction vgl. II, Kap. XVI. 2) Vgl. für dieses und das Folgende Bd. I, § 7—10. sowie § 1— ö. § 34. Theoretisches. 233 Chromatophoren, dass Organe, die sich nur durch Descendenz erhalten, ver- schieden ausgebildet, also zu verschiedenen Zielen und Zwecken nutzbar gemacht werden. Uebrigens erfährt auch der ganze Protoplast, und mit ihm das Keim- plasma bestimmter Zellen, verschiedenartige reparable und irreparable Ver- schiebungen (II, § 40 — 42). Alle direct und indirect wahrnehmbaren Modificationen des bisherigen Baues und der bisherigen Thätigkeit der Pflanze sind zugleich Belege für Veränderungen in den inneren Bedingungen und Wechselwirkungen, die wir zur Zeit nicht befriedi- gend in die maassgebenden Factoren zu zergliedern vermögen, auch dann nicht, wenn wir z. B. summarisch die Wechselwirkungen zwischen Zellkern und Cyto- plasma in das Auge fassen. Man begiebt sich also immer auf hypothetisches Gebiet, wenn man versucht, im näheren die Eigenschaften und Leistungen des Protoplasten aus Bau und Structur zu erklären. Für uns ist es aber nicht geboten, den diesbezüglichen verschiedenen, speculativen Betrachtungen zu folgen, und ich beschränke mich desshalb darauf, die Grundideen der hauptsächlichen Theorien anzudeuten i). Wie schon erwähnt (I, p. 41] stimmen die verschiedenen Hypothesen, gleichviel ob sie wesentlich im Anschluss an Fragen über den Aufbau oder über die Onto- genese und die Erblichkeit aufgestellt wurden, insofern überein, als allgemein eine Zu- sammensetzung des Protoplasmas aus kleinsten organisirten Theilchen 2] angenommen wird, die sich durch selbstthätiges Wachsen und Theilen erhalten und vermehren, und die sich direct oder nach Gruppirung zu höheren Einheiten zu einem einheitlichen Ganzen, dem Protoplasma, vereinen. Sehen wir von den besonderen Ausmalungen im Lichte einer bestimmten Theorie ab, so differiren die Auffassungen .dem Wesen nach hauptsächlich darin, dass von Darwin, de Vries, Weismann u. a. eben- soviel specificirte Pangene (Biophoren, physiologische Einheiten, Keimchen, Deter- minanten) angenommen werden, als es besondere Oi'gane und Eigenschaften des Organismus giebt, während Nägeli, 0. Hertwig u. a. mit einer begrenzteren Zahl von Pangenen auskommen, durch deren verschiedenartige Vereinigung (direct oder nach Formirung von Systemen höherer Ordnung) die mannigfachen Con- stellationen und Leistungen erzielt werden. Auf diese Weise kann in der That ebenso gut eine ungeheure Mannigfaltigkeit zu Tage gefördert werden, wie durch die Composition der 24 Buchstaben des Alphabetes zu Worten und Sätzen oder durch die verschiedene Vereinigung von 3 oder 4 Elementen zu organischen Ver- bindungen. Jedenfalls sind mit einer solchen Auffassung alle Erfahrungen über die specifische Ontogenese, über Erblichkeit und Variation ebenso gut vereinbar, wie mit den Ansichten von Darwin und Weis mann, nach denen sich nur solche Organe und Eigenschaften entwickeln können, für welche sich ein beson- deres Pangen (Determinante) findet, das nach seiner Activirung den specifischen formativen Erfolg veranlasst und dirigirt. Uebrigens wird die Kluft zwischen den beiden Theorien theilweise oder auch gänzhch überbrückt, wenn man die speci- ficirten Determinanten als ein nicht unbedingt stabiles und vielleicht nur be- dingungsweise entstehendes Compositum aus Pangenen ansieht. ■I) Näheres über die verschiedenen Theorien sowie über die einschlägige Lit. ist u. a. zu finden belDelage, La structure du protoplasme et l'heredite 1895; Wiesner, Elementarstructur 1892; 0. Hertwig, Zelle u. Gewebe 1893, I, p. 267; 1898, II, p. 280. 2) Ich schlug vor (I, p. 41) diese lebenden Theilchen ohne jede anderweitige theo- retische Voraussetzung im Anschluss an Gh. Darwin Pangene zu nennen. Ueber andere Bezeichnungen vgl. I, p. 41. 234 Kap. VII. Die inneren Ursachen der specifischen Gestaltung. Da die specificirten Pangene nur den Anstoss geben, in einer jeden Rei- zung aber der Verlauf der Reaction von den reagirenden Theilen abhängt, so muss eine bestimmte Determinante, wenn sie auf verschieden gestimmte (labil inducirte oder anderweitig veränderte) Protoplasten anregend wirkt, nothwendig einen verschiedenen Erfolg hervorrufen, oder wenn das vermieden werden soll, muss dafür gesorgt sein, dass die Determinante nur dann wirksam wird, wenn sich der Protoplast in einer ganz bestimmten Stimmung befindet. Damit ist zu- gleich angedeutet, dass man, wie immer, mit den nöthigen Hilfshypothesen den Wei'th der soeben erwähnten physiologischen Forderung problematisch machen kann. Jedenfalls muss aber bei der Annahme von nur auslösenden Determinanten der Reactionserfolg immer von den Eigenschaften und Fähigkeiten der reagirenden Theile und der Gesammtheit der Wechselwirkungen in diesen abhängen. Während in den Hypothesen von Darwin und Weismann die Reizwirkung von lebendigen Theilchen (den specificirten Pangenen) ausgeht, die unter beson- deren Bedingungen in der Zelle aus ihrer Ruhe erweckt werden oder die von einem anderen Protoplasten aus zuwandern, nimmt Sachs^) für Wurzel, Blatt, überhaupt für eine jede besondere formative Production einen specifischen Reiz- stoff, d. h. ein Stoffwechselproduct an, das nicht, wie die specificirten Pangene, in der Eizelle präfoi'mirt sein muss. Obgleich eine jede vitale Thätigkeit auf che- mischen Processen basirt, und obgleich chemische Reize eine besonders hervor- ragende Rolle spielen (II, § 30 — 32, 51), liegt in dieser Forderung specifischer Reizstoffe ein Verkennen des selbstregulatorischen Getriebes, in dem sich der Er- folg stets als Resultante aus dem Zusammenwirken verschiedener Factoren ergiebt vind in dem somit durch verschiedene Combination derselben Factoren ein anderer Erfolg erzielt wird 2). Es ist aber gewiss kein Fortschritt, wenn man, wie es Sachs thut, um für einen jeden unbekannten Complex einen anschaulichen Aus- druck zu finden, unter ungerechtfertigter Generahsirung einiger Fälle von auf- fallender chemischer Reizung, einen besonderen Reizstoff annimmt, ohne wirkliche Wahrscheinlichkeitsgründe für die Existenz dieser specifischen Reizstoffe beizu- bringen. Denn, wie auch schon von anderer Seite ^) dargethan wurde , verlangt keines der von Sachs herbeigezogenen Beispiele die ihm von diesem Forscher beigelegte Deutung. Ich gehe desshalb nicht auf Einzelheiten, auch nicht auf die mechanistische, ebenfalls nicht zutreffende Ansicht ein, dass durch die Schwerkraft eine Trennung gewisser Reizstoffe und dadurch die differente Productionsthätig- keit an Spitze und Basis eines Sprosses u. s. w, verursacht werde (II, p. 194). Die obigen Auseinandersetzungen sind (wie die Keimchentheorie von Ch. Dar- win und ebenso die Idioplasmatheorie von Nägeli) so allgemein gehalten, dass sie sich ohne weiteres dem sichtjjaren und dem hypothetischen Bau des Proto- plasten accommodiren lassen. Eine solche Accommodation an eine bestimmte 1) Da Sachs späterhin (Flora 1893, p. 236) nur specifische Reizstoffe angenommen hat, so gehe ich, nicht auf dessen frühere Ansicht ein (Arbeit, d. Botan. Instituts in Würzburg -1880, Bd. 2, p. 452; 1882, Bd. 2, p. 689;, in der, allerdings nicht immer in bestimmter Weise, die specifische formative Wirkung der Qualität der Nährstoffe zu- geschrieben wurde. Es bedarf aber keiner besonderen Betonung, dass zuerst die Qua- lität des Organismus, nicht aber die der verarbeiteten Nahrung entscheidend ist. 2) Vgl. II, § 45 ff. und Bd. I, p. 520, wo auch ausgesprochen ist, dass für die Selbststeuerung nicht besondere Ermüdungsstoffe nothwendig sind. 3) Siehe z. B. Vöchting, Organbildung 188'., II, p. 194; Jahrb. f. wiss. Bot. 1880, Bd. 16, p. 390; 1900, Bd. 34, p. 83, 107; Reinke, Jahrb. f. wiss. Bot. 1897, Bd. 31, p. 262. — Ueber die ultravioletten Strahlen als Producenten blüthenbildender Stoffe vgl. II, p. 121, § 53. Die inneren Bedingungen für eine erbliche Variation. 235 Theorie ist z. B. sowohl von Weismann, als auch von 0. Hertwig durchge- führt, die beide den Zellkern in den Vordergrund stellen und als alleinigen Träger der Erbmasse ansehen. Es ist aber schon früher (I, § 9) betont, dass der Proto- plast nur in der Vereinigung und dem Zusammenwirken des Zellkerns und des Cytoplasmas (resp. der Organelemente in diesem) besteht, und dass unter allen Umständen das Cytoplasma einen gewissen, in manchen Fällen aber voraussichtlich den überwiegenden Antheil an einer bestimmten vitalen Thätigkeit haben wird. Uebrigens sind in der letzten Zeit mehr und mehr Stimmen ^j gegen die suppo- nirte Alleinherrschaft des Zellkerns laut geworden. Auch dann, wenn wir von einer besonderen Theorie absehen, also die Ge- sammtheit der formativen Processe (oder auch der StofTwechselprocesse) unter Zugrundelegung der realen Erfahrungen überblicken, so ist klar, dass die mannig- fachen Leistungen durch das selbstregulatorisch gelenkte Zusammenwirken der verschiedenen Theile des Protoplasten zu Stande kommen, die theilweise immer nur von ihresgleichen abstammen (sich durch Descendenz erhalten) , theilweise durch den lebensthätigen Protoplasten als Neuibrmationen gebildet werden. Somit kann man wohl sagen, dass Präformation (Evolution) und Epigenesis zusammen- greifen, dass also die Ontogenese, um mit Driesch^) zu reden, eine epigene- tische Evolution vorstellt. Wenn man sich freilich nicht von den engherzigen Definitionen frei machen kann, die vielfach beiden Ausdrücken beigelegt wurden und werden, so ist es besser, den Gebrauch dieser W^orte zu vermeiden und daran zu denken, dass der Organismus und die Natur sich nicht um die vom Menschengeist zurechtgelegte Schablone kümmern. Kapitel YIII. Variation und Erblichkeit^). § 55. Die inneren Eedingungen für eine erbliclie Variation. Die derzeit lebenden Arten sind derart stabilisirt, dass ihr wesentlicher Character selbst durch aussergewühnliche Culturbedingungen und Reactionen nicht modificirt wird, dass sie also nach Wiederherstellung der früheren Be- dingungen die Ontogenese in derselben Weise durchlaufen wie ihre Ahnen. Von dieser Regel giebt es jedoch Ausnahmen. Denn es ist lange bekannt, dass unter Umständen bei dieser oder jener Art eine Abänderung eintritt, die sich 1) Y. Delage, L'heredite 1893, p. 743; Driesch, Archiv f. Entwickelungsmecha- nik 1897, p. 282; 1898, VII, p. 96; Verworn, Physiologie 1897, II. Aufl., p. 310. 2) H. Driesch, Analyt. Theorie d. Eulwickelung 189'i, p. 29. 3) Nach Abschluss dieses Kapitels erschien die I. Lieferung von H. de Vries, Die Mutationstheorie 1901, in der das Thema mit specieller Berücksichtigung der Arten- 236 K:ap. VIII. "Variation und Erblichkeit. in den folgenden Generationen erhält. Damit ist dann die Gewinnung einer erblichen Eigenschaft gekennzeichnet, gleichviel ob eine morphogene Abweichung oder eine Differenz in Bezug auf Stoffwechselproducte (Farbstoffe, Gifte etc.), physiologisches Reactionsvermogen u. s. w. vorliegt. Allerdings werden durch die Variationen, die sich unter unseren Augen abspielen, nur Ideinere Modiil- cationen, also keine so weitgehenden Abweichungen erzielt, dass eine durchaus fremdartige Pflanze in das Leben tritt. Dessenungeachtet hat das empirisch zugängliche Studium dieser actuellen Variationen den Schlüssel für das physio- logische Verständniss der Variationen zu liefern, durch die im Laufe der Ent- wickelungsgeschichte unserer Erde das Heer der Arten geschaffen wurde, die theilweise wieder untergingen, theilweise noch heute unsere Erde bevölkern. Da wir, unserem Plane gemäss, auf die Frage nach der Entstehung der Arten nicht eingehen, andererseits aber die Bedeutung und die Tragweite der Variation nur in Verbindung mit Betrachtungen über den Ursprung der Arten darlegbar sind, so müssen wir uns auf eine gedrängte physiologische Beleuchtung der empirischen Variation beschränken. In dieser Betrachtung soll im Anschluss an die bereits behandelten Principien und Probleme nur im allgemeinen dar- gelegt werden, unter welchen Umständen und Bedingungen das Auftreten und die Erhaltung einer erblichen Variation möglich ist. Zu diesem Zweck ist es nicht nöthig, die zahlreichen Einzelerfahrungen über die Variation mitzutheilen oder auf Erfahrungen und Probleme einzugehen, die zur Zeit eine nähere physiologische Einsicht und Aufhellung nicht gestatten. Im wesentlichen wird also das Folgende nur eine etwas präcisere Ausmalung der allgemeinen Grund- züge bringen, die in der Einleitung dieses Buches (I, § 5] entwickelt wurden, und es sind unter diesen Umständen Wiederholungen nicht zu vermeiden. Auch an dieser Stelle gehen wir nicht auf die theoretischen Vorstellungen und Specu- lationen ein, die im wesentlichen darauf hinauslaufen, die Erfahrvmgen über Variation und Erblichkeit mit bestimmten Vorstellungen über den Bau des Proto- plasten und über die Bedeutung der Organe dieses Elementarorganismus zu verknüpfen (vgl. II, § 54). Wie immer eine Variation veranlasst und zu Stande gekommen sein mag, jeden- falls müssen wir voraussetzen, dass in der maassgebenden Constellation im Proto- plasten irgend eine Verschiebung eintrat, die sich durch Vermittlung der Keimzellen in den successiven Generationen erhält i). Denn ohne eine stabilisirte Veränderung in der Keimzelle würde unter denselben Aussenbedingungen die Ontogenese ebenso bildung, also von einem anderen Standpunct aus, behandelt wird. Demgemäss ist eine weitergehende Gliederung der verschiedenwerthigen Variationen und ihre Bedeutung für die Bildung von Arten, Formen etc. vorgenommen, als es für unseren allgemeinen phy- siologischen Zweck nöthig war. In dieser I. Lieferung sind die Erfahrungen an Mikro- organismen nicht berücksichtigt und so kann ich nicht wissen, ob vielleicht de Vries »Erblichkeit« und »erworbene Eigenschaften« so definirt, dass die in § 56 besprochene bleibende Fixirung von Eigenschaften bei Bacterien und Hefearten nicht als eine erb- liche Erhaltung erworbener i'reactioneller) Eigenschaften erscheint. Es ist übrigens zu beachten, dass de Vries »Variabilität« nicht in dem von mir benutzten, ganz generellen Sinne anwendet, und dass er die sprungweise Variation als »Mutation« (Mutabilität) bezeichnet. V\ Aus obigem sind auch leicht die Forderungen für den Fall abzuleiten, dass die Constellation in der Keimzelle selbst sich nicht änderte. Vgl. II, p. 224. § 55. Die inneren Bedingungen für eine erbliche Variation. 237 wie bei den Ahnen verlaufen, würde also eine erbliche Abänderung nicht vor- liegen. Da aber die Leistungen des Protoplasten aus dem wechselseitigen Zu- sammenwirken und Zusammengreifen der aufbauenden Theile resultiren (I, § 9), so genügt eine erbliche Verschiebung in einem der zahlreichen Bauelemente, um eine immer wiederkehrende Abweichung in der Ontogenese zu bewirken. Aus dem Erfolge ist desshalb nicht zu ersehen, welcher Art die innere Verschiebung ist, und ob diese etwa im Zellkern oder in irgend einem Theile des Cytoplasmas stattfand. Auch ist es selbstverständlich, dass es sich in der Keimzelle nicht um eine makroskopisch nachweisbare Veränderung handeln rauss (vgl. II, § 40). In der That ist es bis dahin in keinem Falle gelungen, auch nur annähernd den Ort und die Art der Modification in der Keimzelle zu präcisiren, abgesehen von den Fällen, in welchen die neue Constellation durch den Eintritt und die Aufnahme lebendiger Substanz erzielt wird (symbiogene Variation). Die Bastardirung lehrt ja, dass durch die innige Vereinigung mit lebendiger Substanz anderer Abstammung eine neue Form entstehen kann, und nach der Ansicht verschiedener Forscher spielt und spielte die Bastardirung sogar eine hervorragende Rolle bei der Entstehung neuer Arten i). Es bedarf aber nicht gerade einer so innigen Vereinigung der Protoplasten, um eine Pflanze mit neuen Eigenschaften zu erzielen. Denn eine Form, die sich bei ungeschlechtlicher Ver- mehrung durch alle Generationen erhält, wird in den Flechten durch die symbio- tische Aneinanderlagerung von Algen und Pilzen gebildet (II, § 48; I, p. 357). Es ist also wohl möglich, dass auch durch intracellulare Symbiose ansehnlichere formative oder anderw^eitige Abweichungen zu Stande kommen, als es z, B. bei der Aufnahme von gewissen Algen in bestimmte animalische Organismen (In- fusorien etc.) der Fall zu sein pflegt. Thatsächlich gehen aber bei der Ver- mehrung dieser Organismen die sich gleichzeitig vermehrenden Algen, analog wie die Chloroplasten, auf die Nachkommen über und es sind demgemäss die Bedingungen für die Erhaltung einer symbiotischen Form vorhanden. Es ist also durchaus nicht unmöglich, dass irgend eine Form, die wir als Art an- sehen, entstand, indem ein Bacterium, eine Amöbe etc. eine bleibende symbio- tische Vereinigung mit dem Protoplast einging. Falls dann der Symbiont mit der Zeit die Fähigkeit zu einer anderen Lebensweise verlor, so dass er nicht mehr isolirt cultivirbar ist, so würde er uns (analog wie z. B. die Chloroplasten) als ein sich selbstthätig erhaltendes Organ des Protoplasten erscheinen (I, § 8)2). Uebrigens ist schon früher (I, § 9) darauf hingewiesen, dass man die Entstehung einer neuen Art erwarten darf, wenn es gelingen sollte, in einer Keimzelle den 1) Nach den empirischen Erfahrungen können sich wohl gewisse, aber nicht alle Bastarde als constante Formen erhalten. Eine constante Erhaltung geht auch den in Jüngster Zeit viel besprochenen Bastarden ab, die in den successiven Generationen die von Mendel entdeckte Spaltung erfahren (vgl. z. B. die Sammelreferate in Bot. Ztg. 1900, Ref. p. asi u. 304; ferner Correns, Bot. Centralbl. 1900, Bd. 84, p. 97; deVries, Bot. Ztg. 1900, p. 435). An dieser Stelle habe ich indess nicht auf diese Probleme em- zugehen und somit auch nicht zu discutiren, was in Bezug auf die Verschmelzung der Protoplasten empirisch beobachtet ist und was aus anderweitigen Erfahrungen theore- tisch gefolgert werden kann. 2) Augenscheinlich werden gewisse Krankheiten durch Uehergang der Bacterien in die neugebildeten Keimzellen übertragen. 238 Kap. VIII. Variation und Erblichkeit. Nucleus durch den Zellkern einer anderen Pflanzenart zu ersetzen und auf diese Weise ein erhaltungsfähiges, einheitliches Ganze herzustellen. Alle Variationen aber, die nicht auf symbiogene Weise zu Stande kommen, müssen durch eine selbstthätige Verstellung im Organismus geschaffen werden. Denn alles vitale Geschehen ist und bleibt eine Leistung des Organismus, auch dann, wenn die äusseren Bedingungen veranlassend und modificirend wirken (I, Kap. I; II, § 1, 21, 39). In dem früher (11, § 21, 39) gekennzeichneten Sinne kann man also von autogener oder, um die Betheiligung besonderer Aussenbedingungen zu markiren, von aitiogener Variation reden. In diesem Falle lässt sich, wie schon bemerkt, aus dem äusseren Erfolge nicht der Ort und die Art der inneren Verschiebung erkennen, und man kann nicht einmal unbedingt fordern, dass in der Substanz des eigentlichen Keimplasmas i) eine V^eränderung eingetreten sein muss. Denn es ist denkbar, dass schon durch das Hinzukommen eines Plasmaproductes, vielleicht sogar eines bestimmten Stoffwechselproductes , die Bedingungen für eine Variation und für Erhaltung dieser Variation in den Nachkommen geschaffen werden. Denn das würde u. a. der Fall sein, wenn der Pr-otoplast durch das fragliche Product zu regulatori- scher Nachbildung dieses Stoffes in der Art veranlasst würde, dass dauernd in eine jede Keimzelle eine gewisse Menge dieses Stoffes übergeht, der durch seine Reizwirkung eine bestimmte formative oder anderweitige Abweichung von den Ahnen bedingt und in den consecutiven Generationen aufrecht erhält. Uebrigens lehren auch die symbiogenen Formbildungen, dass eine erhalt- bare Variation ohne eine bleibende Verschiebung im eigentlichen Keimplasma zu Stande kommen kann 2). Denn nach der Trennung der Symbionten wird von dem isolirten Organismus sogleich wieder die Ontogenese seiner Ahnen aufgenommen. Allerdings erscheint es ebenso möglieb, dass auch bei einer Verschiebung im Keimplasma ein Rückschlag eintritt. Denn es kann nicht Wunder nehmen, wenn der Organismus eine selbstgeschaffene Veränderung- unter bestimmten Umständen Avieder rückgängig macht, gleichviel ob es sich um die Schaffung resp. Wegschalfung eines Stoffwechselproductes, einer Plasmaaggregation oder auch z. B. um die Wiederaufhebung einer chemischen Substitution handelt, durch welche z. B. ein bestimmter Eiweisskürper und da- mit die Eigenschaften derjenigen Piasmatheile modificirt wurden, an deren Auf- bau dieser Proteinstoff betheiligt ist. Thatsächlich sind manche Formen zu Rückschlägen geneigt, während sich andere Variationen constant erhalten. In diesem Falle ist es jedoch nicht aus- geschlossen, dass, so gut wie bei typischen Arten, unter besonderen Bedingungen eine weitere Variation oder ein Rückschlag eintritt. Ueberhaupt müssen in jedem Einzelfalle die besonderen A'erhältnisse berücksichtigt werden, unter denen die erbliche Erhaltung stattfindet und möglich ist. Zu diesen Besonderheiten zählt die bekannte Erfahrung, dass sich gewisse Gulturrassen (Apfel, Birne etc.) durch ungeschlechtliche Vermehrung erhalten lassen, während bei geschlecht- licher Vermehrung ein mehr oder weniger weitgehender Rückschlag zur Stamm- 1) Es ist selbstverständlich, dass eine jede Keimzelle das Keimplasma enthalten muss, daneben aber noch anderweitige Beigaben enthalten kann. Vgl. u. a. Bd. I, p. 49. 2) Vgl. u. a. A. E. Ortmaun. Biol. Centralbl. 1898, Bd. 18, p. U2. S 55. Die inneren Bedingungen für eine erbliche Variation. 239 ^ö form einzutreten pflegt. Zur näheren Aufhellung dieses Verhaltens würde zu- nächst zu entscheiden sein, ob schon die Zellen des Urmeristems (also die embryonalen Zellen) durch die Fortbildung und Neubildung vermittelt werden (II, § 2), den Gharacter der Rasse in sich tragen, oder ob dieser Character erst den Descendenten des Urmeristems während ihrer Fortbildung durch die schon characterisirten Zellen inducirt wird. Denn auch auf diese Weise kann, wie schon früher (II, § 40 — 44) erörtert wurde, dem Zuwachs fort und fort ein bestimmter Character aufgedrängt werden (stabile Induction). Eine endgiltige Entscheidung ist nicht so leicht, da es bis dahin nicht ge- lungen ist, aus einer isolirten, also dem inducirenden Einfluss entzogenen Ur- meristemzelle eine ganze Pflanze zu erziehen (II, § 42). Jedoch sprechen ge- wisse Erfahrungen, die ich hier nicht erörtern will, dafür, dass das Urmeristem, wenigstens in gewissen Fällen, den Gharacter der Rasse (bezw. Varietät etc.) in sich trägt. Sofern dieses zutrifft, muss also bei der Bildung der Eizelle die innere Constellation, durch welche die Entwickelung der Rasseneigenthümlich- keit bedingt wird, modificirt werden, während dann, wenn der Rassencharacter erst dem Descendenten der embryonalen Zellen durch Induction aufgeprägt wird, die Eizelle während ihrer Bildung und Fortbildung dem inducirenden Einfluss der characterisirten Zellen und Gewebe in genügendem Maasse entzogen sein muss. Vermuthlich werden durch fernere Studien auch Fälle bekannt werden, in denen je nach den besonderen Bedingungen und also auch je nach der Art der Fortpflanzung Differenzen in Bezug auf die Erblichkeit be- stehen ^). Denn mit diesem Worte wird zunächst nur die Thatsache gekenn- zeichnet, dass derselbe Character in den successiven Generationen sich wieder- holt, aber ganz unbestimmt gelassen, wie diese Wiederholung erreicht und ob sie unter allen Umständen ausgeführt wird. Jedenfalls ist es nicht prac- tisch und im allgemeinen auch nicht üblich, »Erblichkeit« für die Erhaltung auf sexuellem Wege zu reserviren, wie es vereinzelt versucht wurde. Denn dann könnte man bei den Organismen, die nur zu ungeschlechtlicher Vermeh- rung befähigt sind, gar nicht von Erblichkeit reden. Thut man das aber, so liegt consequenterweise ein Fall von Erblichkeit auch dann vor, wenn sich nur auf ungeschlechtlichem Wege die Form (Rasse, Varietät) einer Pflanze erhalten lässt, die ausserdem zu sexueller Vermehrung befähigt ist. Es ist übrigens nicht meine Absicht, dieses Thema näher zu discutiren, und ebenso ist es nicht geboten, auf den Begriff Species, Varietät, Rasse etc. 2) einzugehen, eine Frage, die eng mit dem Erblichkeitsproblem verknüpft ist. Uebrigens ist anerkannt, dass es sich in Bezug auf Species u. s. w. nicht um absolute Schranken handeln kann. Auch sei nur kurz darauf hingewiesen, dass durch die Aufklärung der Entstehung einer Form das Artenrecht nicht aufgehoben wird. Man wird dess- halb keinen Anstand nehmen, einen sich constant erhaltenden Bastard eine gute '1) Möglicherweise giebt es auch Pflanzen, bei denen der Rassencharacter nicht durch eine jede Art von ungeschlechtliclier Vermehrung erhalten wird. 2) Vgl. z. B. Nägeli, Theorie der Abstammungslelire ■1884, p. 235; Y. Belage, L'heredite 1893, p. 627. Ueber sog. ökologische (biologische) Species siehe z. B. Kle- bahn, Bot. Ztg. -1898, p. 148; Migula, System d. Bacterien -1897, I, p. 222. Eine jede Art besitzt einen gewissen Abänderungsspielraum und ist nur eine Abstraction für einen bestimmten Formenkreis. 240 Kap. VIII. Variation und Erblichkeit. Art zu nennen. Dagegen scheint es nicht zweckmässig und geboten, auch einer Flechte, die nur durch lockere Symbiose zu Stande kommt, dasselbe Artenrecht beizulegen, wie einer einheitlichen Pflanze, die sich durch eine einzelne Keim- zelle vermehren und erhalten lässt. § 56. Thatsachen über die "Variation. Mit Rücksicht auf die Entstehungsbedingungen und die Art des Zustande- kommens einer aitiogenen oder autogenen Variation kann man, unbekümmert um die maassgebende innere Verschiebung, \ ) eine unbestimmt gerichtete, sprung- weise, spontan auftretende (single Variation) und 2. eine bestimmter gerichtete, allmähliche , individuelle , adaptive Variation unterscheiden. Während es sich im zweiten Falle auch um eine allmähliche erbliche Fixirung einer bestimmten Reaction des Organismus handeln kann, besteht bei der Sprung- variation keine derartige Beziehung zu dem normalen Reactionsvermügen. In der unbestimmten Variation tritt vielmehr plötzlich und unvermittelt eine Eigen- schaft auf, die sich nur an einem oder an einzelnen hidividuen einstellt. Natür- lich ergiebt sich auch diese Variation als eine nothwendige Folge (Reaction) aus den obwaltenden Bedingungen, und es ist begreiflich, dass, wie es die Erfah- rung lehrt, durch ungewöhnliche Bedingungen das Auftreten einer Sprungvaria- tion, also der entsprechenden inneren Veränderungen begünstigt zu werden scheint. Denn schliesslich werden durch eine Inanspruchnahme über die er- lavibte Grenze auch in einem Mechanismus bleibende Verbiegungen und Ver- stellungen erzielt, durch die der Gang dauernd modificirt und durch die z. B. an einer Spieldose bewirkt wird, dass nunmehr dauernd eine veränderte Melodie ertönt. So wie aber je nach dem Zustand eines Mechanismus derselbe Eingriff einen verschiedenen Erfolg haben kann, ist es auch verständlich, dass von den nebeneinander w-achsenden Individuen derselben Art viele gar nicht und einzelne vielleicht in einer verschiedenen Weise variiren. Jedoch kann es auch nicht auffallen, wenn in einem anderen Falle die Neigung zu einer gleichsinnigen Variation besteht. Es ist nicht geboten, einzelne Beispiele der unbestimmten Variation anzu- führen, die seit langer Zeit als Ausgangspunct für die Züchtung von Cultur- rassen benutzt wird ^). Auch erinnere ich nur daran, dass auf diese Weise sowohl zum Rückschlag geneigte, als auch stabilisirte Variationen entstehen, die sich entweder durch ungeschlechtliche oder auch durch geschlechtliche Ver- mehrung erhalten lassen. Während kein Zweifel darüber besteht, dass unbestimmte Abänderungen erblich sein können, wird von verschiedenen Autoren die Erblichkeit einer 4) Thatsachen finden sich z. B. in den Schriften von Darwin, ferner hei Hof- meister, Allgem. Morpholog. 1867, p. 557 u. s. w. Bezügliche Mittheilungen aus jüngster Zeit z. B. bei de Vries, Bot. Centralbl. 1899, Bd. 77, p. 327; Biolog. Centralbl. 1900, Bd. 20, p. 193; Compt. rend. 1900, Bd. 131, p. 124; Solms-L aubach, Bot. Ztg. 1900, p. 175. [R. V. Wettstein, Ber. d. bot. Gesellsch. 1901, Generalvers. p. 1184; für Bac- terien vgl. u. a. auch M. W. Beyerinck, On different forms of hereditary Variation of microbes 1900, Sep. a. Koninklyke Akad. v. Wetenschappen te Amsterdam.] § 36. Thatsachen über die Variation. 241 adaptiven Aariation angezweifelt. In diesen Discussionen sind aber vielfach nur die höheren (somatischen) Organismen in das Auge gefasst, bei welchen die Sachlage dadurch verwickelter wird, dass eine erbliche Erhaltung der somati- schen Variation durch die Keimzelle nur dann möglich ist, wenn auf diese die (erworbenen) Eigenschaften des Somas übertragen werden. Diese Complication fällt bei den Asomatophyten fort, an die wir uns zunächst halten, hi den Aso- matophyten kann in der That durch die fortgesetzte Züchtung unter Umständen die erbliche Fixirung einer Reaction erzielt werden, die bei Herstellung be- stimmter Aussenbedingungen gesetzmässig eintritt und die, wie üblich, zunächst nach der Aufhebung der veranlassenden Aussenbedingungen wieder schwindet. So ist es gelungen, durch eine fortgesetzte Gultur unter bestimmten Be- dingungen eine asporogene Rasse (Form) einzelner Arten von Saccharomyces und von Bacterien zu gewinnen. In analoger Weise wurde bei bestimmten Bacterien die Production von Farbstoffen oder Giften dauernd eliminirt. In diesen Fällen ist also eine erbliche Verschiebung in der Stoffw^echselthätigkeit erzielt, während durch den Verlust der Sporen eine morphogene Fähigkeit und Thätigkeit aufgehoben ist, die vielfach als ein wichtiges Merkmal der Bacterien- arten angesehen wird. Uebrigens lassen sich nach den unten mitzutheilenden Erfahrungen offenbar noch andere formative Eigenschaften in erblicher Weise i;icil vil^iiiJttL iiwvii. tiin-iv^i v^ i'^j. ±ii*-Li/i V ^ -^^-'Ö tixiren. Aus den Versuchen geht zugleich hervor, dass es sich bei der Züchtung der Rassen um die allmähliche Fixirung einer zunächst labilen inneren Ver- stellung (Reaction) handelt. Denn wenn die Organismen nach kürzerer Ver- suchsdauer in die früheren Bedingungen zurückversetzt werden, so kehrt die Fähigkeit zur Bildung der Sporen, der Gifte, der Farbstoffe entweder sogleich oder erst im Verlaufe von einigen oder vielen Generationen zuriick. Am besten ist natürlich die Wiederkehr der Farbstoff bildung geeignet, um den Verlauf der Regeneration in anschaulicher und übersichtlicher Weise zu demonstriren. Uebrigens ist es, auch ohne nähere Kenntniss der inneren Verstellungen und Vorgänge, verständlich, dass die Wiederherstellung des früheren Zustandes, je nach dem Grade der Induction, längere oder kürzere Zeit erfordert, oder dass, wie man auch sagen kann, eine transitorische Nachwirkung stattfindet, die zu einer permanenten Nachwirkung wird, sofern die labile Reaction stabil l'ixirt ist. Zur Erreichung dieses Zieles ist bei derselben Pflanze, je nach der Art und der Intensität des Eingriffes, sowie nach der Gesammtheit der Be- dingungen eine verschiedene Zeitdauer nothwendig. Da die farblosen und giftfreien Rassen der Bacterien, sowie die asporo- genen Heferassen unter normalen Bedingungen bei jahrelang fortgesetzter Cultur die angezüchteten Eigenschaften bewahrten, so sind sie auf Grund dieser Er- fahrung als stabilisirte Formen anzusprechen. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass vielleicht in sehr langer Zeit oder unter aussergewöhnlichen Cultur- hedingungen ein Rückschlag zur Stammform oder eine anderweitige Variation eintritt. Denn Analoges ist für die durch unbestimmte Variation entstandenen Formen bekannt, und schliesslich kann man nicht behaupten, dass es irgend eine Species giebt, die mibedingt stabilisirt ist, die sich also in allen Bedingungen und in beliebig langen Zeiträumen constant erhält. Uebrigens erstreckt sich bei den genannten Asomatophyten die Controle Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. Mj 242 Kap. VIII. Variation und Erblichkeit. über eine grössere Anzahl von Generationen, als bei höheren Pflanzen. Denn eine Bacteriumzelle, die sich in jeder Stunde einmal theilt, wiederholt die Fort- pflanzung in 10 Tagen ebenso oft, als eine einjährige Pflanze im Laufe von 240 Jahren. Desshalb besitzen diese schnelUebigen Organismen den imschätz- baren Vortheil, dass man den Versuch über Neubildung imd Constanz von Formen in kurzer Zeit über eine grössere Zahl von Generationen ausdehnen kann, als es z. B. bei einer einjährigen Pflanze im Verlaufe eines Menschen- alters möglich ist. Von E. Ch. Hansen 1) wurde gezeigt, dass verschiedene Arten von Saccharo- niyces (cerevisiae, elipsoideus, Pastorianus etc.) allmählich die Fähigkeit zur Bil- dung von Sporen verlieren, wenn sie genügend lange in einer höheren Temperatur gezüchtet werden, in welcher noch Wachsthum stattfindet, die Sporenbildung aber so- gleich unterbleibt (II, p. 92). Diese permanente Fixirung ist bei einigen Arten leichter, bei anderen Arten schwieriger zu erzielen, und z. B. bei Saccharomyces Pasto- rianus gelang es nicht, eine erblich asporogene Rasse zu gewinnen. Bei an- deren Arten hat sich dagegen die fixirte asporogene Rasse bei fortgesetzter Züch- tung während 8 Jahren constant erwiesen. Beachtenswerth ist, dass durch das dauernde Unterbleiben der Sporenbildung in gähi'thätiger Hefe die Fähigkeit zur Sporenbildung nicht eliminirt wird. Uebrigens lassen sich nach Hansen unter bestimmten Bedingungen auch fixirte Hefeformen züchten, die in Bezug auf Gestaltung, Gährvermögen u. s. w. von der Stammform abweichen. Da Hansen eine Reincultur benutzte, die von einer isolirten Zelle abstammte, so ist da- mit erwiesen, dass das Resultat nicht dadurch zu Stande kam, dass das an- gewandte Material ein Gemenge von verschiedenen Heferassen war, von denen in der Cultur die asporogene Form die Oberhand gewann und schliesslich allein übrig blieb 2). Analoges gilt auch für das aus einer Zelle erzogene Bacterien- material. Eine asporogene Rasse von Bacillus anthracis wurde von E. Roux^) durch Zusatz von etwas Carbolsäure, von Phisalix^) bei 42 C, also durch fortgesetzte Züchtung unter verschiedenartigen Bedingungen erzielt, in denen die Sporenbildung unterbleibt. Phisalix beobachtete ferner, dass die Sporenbildung sogleich oder nach einer Anzahl von Generationen wiederkehrt, wenn dieser Bacillus in nor- male Bedingungen zurückversetzt wird, nachdem er nur kurze Zeit bei 42 C. oder längere Zeit bei 30 C. cultivirt worden ist. Die fixirte asporogene Rasse dagegen gewann die Fähigkeit zur Sporenbildimg auch dann nicht zurück, als durch ge- eignete Bedingungen (Passage durch den Thierkörper) die Virulenz restaurirt wurde, die in den genannten Experimenten zugleich mit der Fähigkeit zm- Sporenbildung 1) E. Ch. Hansen, Meddelelser fra Carlsberg Laboratoriet <896, IV, Heft 2, Resume p. 67; Centralbl. f. Bacteriolog. II. Abth., 1895, I, p. 858; 1898, IV, p. 89; 1899, V, p. ö. — Vgl. auch A. Klöcker und H. Schiönning, ebenda 1898, IV, p. 460 und Klöcker, ebenda 1900, VI, p. 241. [E. Ch. Hansen Compt. rend. d. Laboratoire d. Carlsberg 1900, Bd. 5, p. 1) hat asporogene Rassen nunmehr während 12 Jahren constant gefunden.] 2) Vgl. M. W. Beyerinck, Centralbl. f. Bact. II. Abth., 1898, IV, p. 657; 1897, III, p. 449. 3) E. Roux, Annal. d. Tlnstitut Pasteur 1890, Bd. 4, p. 25. Siehe auch Behring, Zeitschr. f. Hygiene 1 889, Bd. 6. 4) M. C. Phisalix, Compt. rend. 1892, Bd. 114. p. 684; Bd. llö, p. 253. Vgl. ferner H. Surmont u. E. Arnould, Annal. d. llnstit. Pasteur 1894, Bd. 8, p. 817, sowie die bei Migula, System d. Bacter. 1897, I, p. 179 citirte Lit. § 56. Thatsachen über die Variation. 243 unterdrückt worden war. Von Migula'j wurde durch fortgesetzte Cultur unter Zugabe von Carbolsäure auch eine asporogene Rasse von Bacterium raniosum er- halten, während es diesem Forscher bei einigen anderen Arten nicht gelang, eine asporogene Rasse zu gewinnen. Schon früher (Bd. I, p. 498. 500] ist mitgetheilt, dass in gewissen Bacterien durch geeignete Züchtung die Production von Farbstoffen oder Giften in erblicher Weise unterdrückt werden kann. Für einige Arten ist auch nachgewiesen, dass diese angezüchtete Eigenschaft bei der Fortpflanzung durch Sporen erhalten bleibt. Es ist also wohl möglich, dass in bestimmten Fällen die Befähigung zur Produc- tion eines Enzjms eliminirbar ist^j. Nach Hansen ist die Züchtung von gähr- tüchtigeren Heferassen möglich ^j. Ferner wurde schon mitgetheilt, dass Hansen die erbliche Fixirung gewisser Wuchsformen von Saccharomyces beobachtete und Analoges wird für einige Bac- terienarten (Cholerabacterien, Pneumoniecoccen) angegeben •*]. Nach Villinger^) lässt sich aus dem schwärmenden Bact. coli eine constant unbewegliche Form züchten, während Was s er zug*^) aus dem unbeweglichen Bacillus prodigiosus eine sich erblich erhaltende schwärmende Rasse erhielt. Ob sich eine gesteigerte Resistenz gegen Gifte, Concentration, Temperatur, Sauerstoff etc. in einer dauernd erblichen Weise anzüchten lässt, ist noch nicht entschieden, da in den vorliegenden Untersuchungen über Accommodation nur eine allmählich ausklingende Nachwirkung beobachtet wurde (vgl. II, § 72). Derartige Erfahrungen liegen auch für höhere Pflanzen und ebenso für solche Schimmelpilze vor, in denen bereits die Differencirung eines somatischen Theiles eingetreten ist. So beobachtete M. J. Ray"), dass bei der Fortpflanzung des Sterigmatocystis alba in der ersten oder auch in den nächstfolgenden Generationen Einiges von den Reactionseigenthümlichkeiten zu erkennen war, die durch die (Jultur in einem besonderen Medium veranlasst worden waren. Die Angabe Elf- ving's*), dass sich aus Eurotium herbariorum leicht eine constante Rasse züchten lässt, die sich durch Hefesprossung vermehrt, bedarf wohl der Nachprüfung. Bei einem Somatophyten gestalten sich die Verhältnisse verwickelter, da die embryonalen Zellen nicht nur durch die Aussenbedingungen, sondern auch durch die W^echselwirkung mit den determinirten Zellen und Organen der Pflanze in eine bestimmte Stimmung versetzt werden. Während nun wohl allgemein zugegeben wird, dass unter Umständen durch die aus diesen Beeinflussungen resultirende Stimmung ein sprungweises Variiren begünstigt wird, bestehen Zweifel darüber, ob auf diese Weise auch eine bestimmt gerichtete Abänderung zu Stande kommt und ob insbesondere die auf irgend eine Weise im Soma 1) Migula, 1. c. p. 179. 2) Vgl. die widersprechenden Angaben von Dubourg, Compt. rend. 1899, Bd. 128, p. 440 u. A. Klöcker, Centralbl. f. Bacteriol. II. Abth., 1900, VI, p. 241. — Ueber regu- latorische Enzymbildung siehe Bd. I, § 91. 3! Eine Accommodation und Nachwirkung in Bezug auf die Gährfähigkeit be- obachtete F. Dienert, Annal. d. l'Institut Pasteur 1900, Bd. 14, p. 139. 4) Lit. bei Flügge, Mikroorganismen III. Aufl.. 1896, p. 47-9. 3) Siehe Flügge, 1. c. p. 489. c; Wasserzug, Annal. d. Tlnstitut Pasteur 1888, II, p. 82. 7) M. J. Ray, Rev. general d. Botan. 1897, Bd. 9, p. 283. — Nach L. Errera Bullet, d. l'Academ. royale d. Belgique 1899, p. 99) tritt eine solche Nachwirkung bei Aspergillus niger nach der Cultur auf concentrirten Lösungen ein. 8j F. Elfving, Einwirkung d. Lichtes auf Pilze 1890, p. 134. 16* 244 Kap. VIII. Variation und Erblichkeit. o-ewonnenen (erworbenen) Eigenschaften durch die Keimzellen erblich erhalten werden'). Sprechen auch verschiedene Beobachtungen auf botanischem Gebiete für das Vorkommen einer solchen Erblichkeit, so ist doch zuzugeben, dass die derzeitigen Erfahrungen nicht absolut entscheidend sind. Um dieses darzuthun, wäre indess eine weitläufige kritische Beleuchtung der Beobachtungen nüthig, die an dieser Stelle nicht geboten ist. Jedoch will ich kurz andeuten, dass eine solche Erblichkeit auf Grund anderweitiger Erfahrungen möglich erscheint. Denn wie früher (11, § 40 IT.) dargethan ist, wird an den fortwachsenden Organen die Ontogenese der embryonalen Zellen in dem Vegetationspunct fort und fort durch den Einfluss der schon determinirten Zellen imd Organe in specifischer Weise gelenkt. Somit befinden sich schon diese embryonalen Zellen dauernd in einer bestimmten Stimmung 'vgl. u. a. II, p. 193), und es sind desshalb die Bedingungen für eine allmähliche erbliche Fixirung eines be- stimmten Reactionszustandes ebensogut gegeben, wie bei einem Asomatophyten, dessen embryonale Zellen durch die Constanz der Aussenbedingungen continuir- lich in einer bestimmten Weise gerichtet und in Anspruch genommen sind. Ausserdem ist daran zu denken, dass die Uebertragung somatischer Eigen- schaften auch ohne eine allmähliche Fixirung möglich ist, w'enn sie durch den Uebertritt lebendiger Elemente in die Keimzelle, also auf symbiogene Weise ver- mittelt wird (vgl. II, § 52, 49). Alle diese Erwägungen gelten auch für die Eizelle, die von den embryonalen Zellen der Vegetationspuncte abstammt. Da- mit ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass die aufgedrängte (inducirte) Con- stellation unter Umständen in der Eizelle abgestreift wird oder, dass diese in einem anderen Falle allein eine Variation erfährt (vgl. 11, p. 239). Diese Erwägungen fordern keine näheren Voraussetzungen über das Zu- standekommen der Abänderung und über die Art der inneren Verschiebungen. Uebrigens ist einleuchtend, dass die Grenze zwischen bestimmter und unbe- stimmter Variation verwischt sein kann. Denn wird z. B. durch eine transito- rische, hohe Erwärmung die Farbstoffproduction in einem Bacterium sogleich unterdrückt, so ist plötzlich eine Variation herbeigeführt, die bei etwas geringerer Temperatur erst durch eine längere Reihe von Generationen erzielt wird. Ausser- dem sei nur darauf hingewiesen, dass eine Abänderung auch wohl durch eine Combination von unbestimmter und bestimmter Variation zu Stande kommen kann, die beide eine innere Verstellung durch die Eigenthätigkeit des Proto- plasten erfordern (II, § 55). Natürlich sind die Pflanzenarten nicht in gleichem Älaasse zu einer Variation befähigt. Es geht dieses nicht nur aus den Erfahrungen über unbestimmte Variation, sondern auch aus den Versuchen über bestimmte Variation hervor. Ferner wird auch bei den Asomatophyten nicht eine jede Reactionsform durch fortgesetzte Cultur zu einer erblichen Eigenschaft, und da wo dieses möglich ist, tritt die Fixirung nur unter bestimmten Bedingungen ein. So geht in den gährthätigen Saccharomyces die Fähigkeit zur Bildung der Sporen nicht ver- loren, obgleich Sporen während ungezählter Generationen nicht gebildet werden. V Vgl. z. B. 0. Ilertwig, Die Zelle u. d. Gewebe 1898, II, p. -237: Y. Belage, L'liöredite 1895, p. 796; W. Waldeyer, Verhandl. d. Gesellsch. deutsch. Naturf. und Aerzte Braunschweig 1897, p. 8-1 und die in diesen Arbeiten cit. Lit. § j6. Thatsachen über die Variation. 245 Dagegen wird in der nicht gührthätigen Hefe durch die Unterdrückung der Sporenbildung in hoher Temperatur eine asporogene Form erzielt. Wiederum verhindert die lange Zeit fortgesetzte Cultur eines Mucor in Ilefeform (II, § 32) nicht, dass dieser Pilz nach Herstellung der geeigneten Bedingungen sogleich in die sporangienhildende Form zurückkehrt i). Aus der Erfahrung, dass eine erblich anzüchthare Eigenschaft allmählich erlischt, so lange sie nicht genügend fixirt ist, folgt natürlich nicht, dass inmier da, wo Nachwirkung eintritt, durch fortgesetzte Züchtung eine erbliche Fixirung zu erreichen ist. So verschwindet, soweit aus den vorliegenden Studien zu ersehen ist, die Accommodation an Gifte, concentrirte Lösungen, hohe Tem- peratur in den nachfolgenden Generationen (vgl. auch II, Kap. X). Es gilt dieses ebenso für die Asomatophyten, wäe für die somatischen Schimmelpilze, bei denen auch in Bezug auf die formativen Reactionen nur eine gewisse Nach- wirkung beobachtet ist (II, p. 243). Ferner hören die täglichen Bewegungen der Blätter etc. nach Sistirung des Beleuchtungswechsels allmählich auf, obgleich sie in der Natur seit unabsehbarer Zeit in einem ähnlichen Rhythmus ausge- führt wurden (II, § 58). Dagegen ist vielleicht in manchen Fällen die jährliche Periodicität durch eine erbliche Fixirung zu Stande gekommen (II, § 61). Diese .lahresperiodicität wird aber durch die geschlechtliche Fortpflanzung erhalten, durch welche aber auch auf die nächsten Generationen die transitorische Nach- wirkung übergeht, die sich z. B. in der verkürzten Reifezeit des aus dem Norden stammenden Getreides kund giebt (II, § 60). Dagegen zeigen die aus Samen erzogenen Ptlanzen keine Nachwirkung der täglichen Bewegungen, die in den somatischen Blattorganen ausgeführt wurden. Die Nachwirkungen lehren, dass sich die Pflanze unter Umständen nur all- mählich und unter Ueberwindung gewisser Widerstände auf die den neuen Be- dingungen entsprechende Gleichgewichtslage einstellt, eine Einstellung, die in anderen Fällen von den Bildungszellen schnell erreicht wird. Eine derartige Plasticität ist aber auch nothwendig, wenn, wie es die Regel ist, der Character der Art in allen den mannigfachen Reactionen erhalten werden soll. In der That wird dieser Character auch in den Zellen gewahrt, die in der Ontogenese, in Anpassung an bestimmte Ziele und Zwecke eine weitgehende Modification erfahren (II, Kap. YII). Wenigstens wird in den Fällen, in denen die moditi- cirte Zelle noch reproductionsfähig ist, eine Pflanze mit unveränderten Eigen- schaften erhalten. Ob dieses auch dann immer der Fall sein würde, wenn sich eine jede somatische Zelle zur Fortbildung bringen liesse, lässt sich nicht sagen. Sollte es aber z. B. möglich sein, den aus dem Pollenkorn her- vorwachsenden Pollenschlauch in dieser Gestaltung in dauerndem Wachsen imd Fortbilden zu erhalten, so würde damit allerdings ein lebendiges Wiesen vorliegen, das durch eine irreparable Verschiebung im Keimplasma (in der inneren Constellation) zu Stande kam 2). I) Eine solche continuirliche Ciiltur in Hefeform erreichte ich, indem ich die Gähr- flüssigkeit mit einer dünnen Oelschicht bedeckte und hierdurch im Verband mit wei- teren geeigneten Maassregeln das Hervorwachsen des Mucor aus der Flüssigkeit ver- hinderte. Nach einiger Zeit wurde dann immer wieder in eine gleiche Gährflüssigkeit umgeimpft. 2; In einigen Versuchen konnte icli durch Cultur auf einem geeigneten sterilisirten 246 Kap, VIII. Variation und Erblichkeit. Während die sprungweise Variation über den Rahmen der gesetzmässig eintretenden Reactionen hinausgehen kann und hinausgeiit, ist dieses nicht in der bestimmten A'ariation der Fall, in der allerdings die Möglichkeit vorliegt, dass auch eine Reaction fixirt wird, die nur unter ungewöhnlichen Bedingungen veranlasst wird. In diesem Sinne kann also auch eine Eigenschaft erblich fest- gehalten werden, die uns bis dahin nicht entgegentrat, wie das der Fall ist, wenn einer Rasse^ die wir bisher nur sporenlos oder farblos kannten, die Sporen- oder Farbstoffbildung als eine erbliche Eigenschaft angezüchtet wird. Dadurch würde dann der Kreis der erblichen Eigenschaften erweitert, also nicht redu- cirt, wie das u. a. bei der Unterdrückung der Sporen- oder Farbstoffbildung der Fall ist. Beachtet man ferner, dass, analog wie in der Ontogenese, mit einem Entwickelungsschritt zugleich der Boden für eine weitere Thätigkeit und Progression gewonnen ist, so erscheint es möglich, dass mit der Zeit auf diese Weise das Reactions- und Yariationsvermögen eines Organismus erweitert wird. Eine solche Erweiterung ist freilich bis dahin auf experimentellem Wege noch nicht mit Sicherheit festgestellt. Auch die allmähliche Steigerung der Wider- standsfähigkeit gegen Gifte, Concentrationsgrade, Temperaturgrade, mechanische Inanspruchnahme u. s. w. hält sich nur in den Grenzen des actuellen Reactions- vermögens, und es wurde bereits darauf hingewiesen, dass z. B. die Fähigkeit zum Ertragen von Temperaturgraden über ein gewisses, specifisch sehr ver- schiedenes Maass auch bei solchen Organismen nicht gestiegen ist, die in der Natur immer und immer wieder bis an oder über die Grenzwerthe in Anspruch genommen wurden (II, § 22). Ebenso wie durch eine bestimmte Inanspruchnahme nur eine gewisse Seite des actuellen Reactionsvermögens erweckt wird, tritt im allgemeinen eine ein- seitig gerichtete Variation ein. Belege hierfür bieten auch die mitgetheilten Variationen der Asomatophyten, imd es sei noch speciell darauf hingewiesen, dass der erbliche Verlust der Sporenbildung bei Saccharomyces i) nicht von einer Verminderung der Wachsthums- und der Gährthätigkeit, bei Bacillus anthracis (II, p. 242) nicht von einer Verminderung der Virulenz begleitet zu sein braucht. Jedoch ist es aus verschiedenen Gründen sehr wohl verständlich, dass in gewissen Fällen z. B. mit dem Verlust der Farbstoff- oder Giftproduction zugleich eine Verminderung der Wachsthumsfähigkeit angezüchtet wird. Ohne- hin kann die Variation zu Formen führen, die in der Natur benachtheiligt oder gar nicht existenzfähig sind. Auch lehrt z. B. der erbliche Verlust der Sporen- bildung bei Asomatophyten, dass durch die Variation eine Eigenschaft verloren sehen kann, die für den Organismus von entschiedenem Nutzen ist. Wie schon bemerkt gehen wir auf phylogenetische Betrachtungen nicht ein, und so kann nicht näher dargethan werden, dass mit der besten Kennt- niss der unter unseren Augen sich vollziehenden Variationen nicht die Ge- sammtheit aller der Factoren aufgedeckt wird, durch deren mannigfaches und wechselvolles Zusammengreifen im Laufe einer langen Geschichte die noch lebenden und die wieder untergegangenen Arten ihren Ursprung nahmen, einer Geschichte, die so alt ist wie das Leben auf unserer Erde. Nährboden ein ziemlich ansehnhches, jedoch nur begrenztes Wachsthum des endhch absterbenden Pollenschlauches erzielen. 1) E. Ch. Hansen, Centralbl. f. Bacteriol. II. Abth.. 1895. Bd. I. p. 859. § 57. Allgemeines über Rhythmik. 247 Kapitel IX. Rhythmik der Vegetationsprocesse. § 57. Allgemeines. Der ganze Lebenslauf eines Organismus ist eine rhythmische Wiederholung der Thätigkeit und der Ontogenese der Ahnen, in der durch das selbstregula- torische Walten ebensowohl die Theikmg einer wachsenden Bacteriumzelle, als auch die specifische Ausgestaltung einer höheren Pflanze veranlasst und voll- bracht wird (I, Kap. I; II, § 39). Im Verlauf dieser grossen Periode (II, § 2)') spielen sich zugleich in den wachsenden und ausgewachsenen Organen ver- schiedenartige periodische Bewegungen ab. Ich erinnere nur an die Wachs- thumsoscillationen (II, § 5) und an die mannigfachen autonomen Krümmungs- bewegungen (II, Kap. XII), an die Schwingungen der Cilien, an die amöboiden und strömenden Protoplasmabewegungen, an die pulsirenden A'acuolen (II, Kap. XA'). Auch die dauernde Zerstörung und AViederbildung in der Stoffwechselthätigkeit (I, Kap. YIII u. IX) ist ein rhythmischer Process. Ausser diesem autogenen Rhythmus, dessen Verlauf natürlich von dem Ausmaass der (constant gehaltenen) Aussenbedingungen abhängt, wird ein aitio- gener Rhythmus (II, p. 82) durch die periodische Variation eines oder einiger derjenigen äusseren Factoren bewirkt, die in irgend einer AA^eise die Thätigkeit des Organismus beeinflussen. Aus dem Zusammengreifen dieser autogenen und aitiogenen A^orgänge resultirt das reale Geschehen in der Natur, dessen Auf- klärung somit eine Zergliederung in die maassgebenden Factoren erfordert (I, § 1). Zu den äusseren Bedingungen gehören nicht nur die klimatischen A'erhält- nisse, sondern auch alle diejenigen äusseren Beeinflussungen, die durch die Eigenthätigkeit des 2) Organismus und durch die Wechselwirkungen im stetigen Kreislauf geschaffen werden (I, § 51 , 76). Eine solche Beziehung tritt uns z. B. sehr auffällig darin entgegen, dass ein Schimmelpilz, ein Bacterium u. s. w. durch die Aufzehrung der Nahrung, sowie durch die Erzeugung von Stoft- wechselproducten zugleich seine Thätigkeit und seine Ontogenese in verschie- dener AVeise beeinflusst. Diese Modification der Aussenbedingungen durch die Eigenthätigkeit bringt es auch mit sich, dass sich in der Natur bei der '1 ) Ueber die Verlängerung der Lebensdauer durch die Aussenbedingungen vgl. Kerner, Pflanzenleben L Aufl., Bd. II, p. 448; Fr. Hildebrand, Botan. Jahrb. f. Systemat. etc. 1882. Bd. II, p. 63, 91, 116. 2) Dahin gehört z. B. auch der Fall, dass Hyphen, Sprosse etc. durch die Wachs- thumsthätigkeit aus dem Substrat in Luft u. s. w., also allgemein in ein anderes Medium und in andere Aussenbedingungen gebracht werden. 248 Kap. IX. Rhythmik der Vegetationsprocesse. Zersetzung einer oi^ganischen 3Iasse verschiedene Organismen verdrängen und ab- lösen (I, § 92). Während in diesen und ähnlichen Fällen der Erfolg dvu'ch die Veränderung der Aussenbedingungen veranlasst wird, liegt eine autogene Re- action vor, wenn durch eine selbstthätige Verschiebung der Eigenschaften des Organismus ein Factor der (constanten) Aussenbedingungen zur Hervorrufung irgend einer Reaction im Dienste des Organismus nutzbar gemacht wird (II, p."l61, 221). Aus den Erfahrungen über die Bedeutung der Aussenbedingungen (II, Kap. VI, VII u. s. Av.) ergiebt sich ohne weiteres, dass durch den periodischen Wechsel irgend eines der wirksamen Factoren in rhythmischer Weise nicht nur eine Beschleunigung und Verlangsamung einer Thätigkeit, sondern auch eine formative Reaction veranlasst werden kann. Es ist ferner klar, dass durch die intermittirende Reizung der Mimosa pudica eine periodische Bewegung erzielt wird, die bei anderen Pflanzen zu Stande kommt, wenn durch eine zeitweise Lichtwirkung eine heliotropische Krümmung verursacht wird, die bis zur nächsten heliotro- pischen Reizung immer wieder durch die geotropische und autotropische Gegen- Avirkung ausgeglichen wird (II, Kap. XIII). Weiter ist es selbstverständlich, dass jede Pflanze in specifischer Weise reagirt und dass durch dasselbe Agens ver- schiedene Functionen in einem ungleichen Maasse beeinflusst Averden. So wird z. B. durch eine Verdunkelung jedesmal die Zuwachsbewegung beschleunigt, die Kohlensäureassimilation ganz sistirt und die Protoplasmastrümung, je nach den anderweitigen Bedingungen, nicht alterirt oder zum Stillstand gebracht. Die in Kap. VI u. VII mitgetheilten Thatsachen lehren ferner, dass durch den Wechsel der Aussenbedingungen auch sehr auffällige formative Erfolge her- A'orgerufen Averden. Ich erinnere nur daran, dass amphibische Pflanzen, je nachdem sie im Wasser oder auf dem Lande leben, ein ganz fremdartiges Aus- sehen gewinnen (II, § 34), dass bestimmte Pflanzen bei mangelnder Beleuchtung oder unter gewissen anderen Bedingungen nicht zum Blühen kommen (II, § 24, 34). Ferner kommt bei vielen Pilzen und Algen der in der Natur übliche Rhythmus nur zu Stande, Avenn der Organismus durch den Wechsel der Aussenbedingungen zu Acränderter Thätigkeit, also zur Production der ver- schiedenen Fortpflanzungsorgane u. s. av. veranlasst Avird^). Pilze. Aus den in Kap. VI mitgetheilten Erfahrungen geht hervor, dass Pilze und Algen durch verschiedene Bedingungen zur Production von Fortpflanzungs- organen veranlasst Averden. Oefters Avirkt bei Pilzen die Abnahme der Nahnmg als Bildungsreiz (II, § 30, 32). Es gilt dieses z. B. für die Entstehung der Sporen ])ei Bactericn und bei Saccharomvces, für die Bildung der Fruchtkörper aus dem Plasmodium der Myxomyceten. Ferner bedarf es eines derartigen Reizes, damit die Zoosporen und Oogonien von Saprolegnia, die Zygoten von Basidiobolus ra- narum, die Fruchtkörper von Coprinus stercorarius formirt werden. Offenbar ist es durchaus vortheilhalt, dass dvu'ch den Mangel an Nahrung zugleich der An- stoss zur Bildung der erhaltenden Fortpflanzungsorgane gegeben wird. Sollen aber bestimmte Fortpflanzungsorgane bei Ueberfluss von Nahrung entstehen, so müssen andere Anstösse wirksam sein. Diese werden bei den Pilzen (IMucor, 1) Vgl. Klebs. Bio]. Centralbl. 1899, Bd. 19, p. 209; Jahrb. f. wiss. Bot. -1900, Bd. 3ö, p. 80; Ber. d. bot. Gesellsch. Generalvers. 1900, p. 201. § 57. Allgemeines. 249 Penicilliuni u. s. w.), die ihre Sporangien, Coaidien ii. s. w. in der Luft prodii- ciren, in zwcckentsprecliender Weise durch den Uebergang der Hyplien aus dem Substrat in die Luft, d. h. durch die hiermit verknüpften Bedingungen und Reiz- virkungen herbeigelüln-t (II, § 34). Durch geeignete Culturbedingungen kann ferner bewirkt werden, dass sich 3Iucor dauernd in Gestalt von Hefesprossungen vermehrt (II, § 32). Vermuthlich bestehen ähnliche Beziehungen bei den parasitischen Pilzen. Es ist also wahrscheinlich, dass es bei Herstellung der richtigen Bedingungen mög- lich sein wird, den parasitischen Pilz in einem rein vegetativen Zustande zu er- halten oder in einer veränderten Reihenfolge zur Production der verschieden- artigen Fort pflanzungsorgane zu bringen 1). Gleiches ist sogar für diejenigen Pilze wahrscheinlich, die unter den in der Natur gebotenen Bedingungen ihren Formen- kreis auf zwei verschiedenen Nährpflanzen zu durchlaufen pflegen 2]. Alg:eu. Für verschiedene Algen (Vaucheria, Spirog.vra, Hvdrodictvon, Proto- siphon U.S.W.) hat Klebs^) nachgewiesen, dass es, wie bei den Pilzen, einen von den äusseren Einflüssen imabhängigen Generationswechsel nicht giebt. Vielmehr lässt sich chu'ch die Herstellung der entsprechenden Aussenbedingungen bewirken, dass die genannten Algen rein vegetativ weiter wachsen oder zur Bildung von asexuellen oder sexuellen Fortpflanzungsorganen schreiten. Auch die Algen reagiren speci- fisch verschieden, und da sehr häufig besondere Combinationen in Frage kommen, der einzelne Factor also nur bedingungsweise einen bestimmten Erfolg erzielt, so konnten die Erfahrungen über Algen bei der Betrachtimg der Wirkung einzelner Agentien nur in begrenztem Maasse mitgetheilt werden (II, Kap. VI, z. B. p. 103, 143). Vielfach (Vaucheria, Spirogjra) ist zur Bildung der Sexualorgane eine stärkere Beleuchtung nöthig, als zur Production der Zoosporen (Vaucheria) oder zum vegetativen Leben. Jedoch wird in Protosiphon gerade durch die Verdunke- lung die Formirung von Geschlechtsorganen angeregt. Ueberhaupt scheint bei den Algen öfters der Wechsel der Bedingungen als ein Reiz (Uebergangsreiz) zu wirken. So wird z. B. in Vaucheria die Bildung von Zoosporen angeregt, wenn die Alge von feuchter Erde in Wasser übergeführt wird (II, p. 1 43). Wie sehr es auf die jeweiligen Combinationen (Stimmungen) ankommt, geht u. a. daraus hervor, dass in einer 0,2 proc. Lösung organischer Nährsalze, trotz der im übrigen günstigen Bedingungen, liei Spirogyra, Oedogonium u. s. w. die Entstehung der Geschlechtszellen so lange unterbleibt, bis durch die Ueberführung in Wasser der Complex der Bildungsbedingungen hergestellt wird. Befindet sich aber das Wasser in lebhafter Strömvmg, so wird wiederum die Formation der Sexualzellen unter- drückt. Wenn in diesem Falle die Unterdrückung mit einem lebhaften vegeta- tiven Wachsen zusannnenfällt, so lehren doch anderweitige Erfahrungen, dass durchaus nicht eine jede beliebige Wachsthumshemmung die Bildung der Sexual- zellen anregt. Höhere Pflanzen. Es ist auch schon mitgetheilt, dass bei gewissen Pflanzen die Bildung der Bliithen durch Lichtmangel, hohe Temperatur und andere Be- dingungen verhindert werden kann. Auch liegen derartige Erfalu-ungen in Bezug auf die Fortpflanzungsorgane von Farnen und Moosen vor (vgl. II, p. 140). Her- vorgehoben ist ferner schon (II, § 22. 32 etc.), dass im allgemeinen das vege- tative Wachsthuni noch bei Temperaturgraden , in Concentrationen in sehr 1) Vgl. Klebs, Biol. Centralbl. 1899, Bd. 19, p. 214. 2) Siehe auch Klebahn. Bot. Ztg. 1898. Ref. p. 156 und die hier citirte Literatur. 3) Klebs, Biol. Centralbl. 1899, Bd. 19, p. 209; Bedingung, d. Fortpflanzung 1896; Ueber einige Probleme d. Fhysiol. d. Fortpflanzung 1893. 250 Kap. IX. Rhythmik der Vegetationsprocesse verdünnten Nährlösiuigen, in giftigen Lösungen etc. stattfindet, in welchen die Bildung der Fortpflanzungsorgane unterbleibt, dass also zumeist Maximum und Minimum für das vegetative Wachsen weiter hinausgeschoben sind , als für die Production von Fortpflanzungsorganen. Alle die besprochenen und angedeuteten Beziehungen sind natürlich bei der Beurtheilung des Verlaufes der Vegetationsprocesse in der Natur in Betracht zu ziehen, in welcher insbesondere (abgesehen von der Concurrenz etc.) Temperatur- verhältnisse, Wasserversorgung und Transpiration, Nahrungsaufnahme und Be- leuchtung je nach dem Ausmaass und dem Wechsel in verschiedener W^eise und in mannigfachen Gombinationen bestimmend und regulirend wirken. Eine nähere Betrachtung der natürlichen Rhythmik ist indess Sache der Pflanzen- geographie und der speciellen physiologischen Morphologie. Wir gehen desshalb in § 58 und 59 — 6-1 auf die tägliche und jährliche Periodicität nur soweit ein, als es für das allgemeine causale Verständniss dieser etwas verwickelten Vor- gänge nothwendig ist. Den Generationswechsel aber und die hiermit zusammen- hängenden Fragen können wir an dieser Stelle nicht näher discutiren. Da bei Pilzen und Algen eine Veränderung in den Aussenbedingungen noth- wendig ist, um die Entstehung von Fortpflanzungsorganen anzuregen, so werden auch in der Natur die Fortpflanzungsorgane dieser Organismen nur dann pro- ducirt, wenn die Bedingungen für die Bildung durch die Verschiebung der Aussenverhältnisse hergestellt werden. Wie wir hörten (p, 248) geschieht dieses bei den Pilzen vielfach durch die eigene Thätigkeit, indem z. B. durch den Consum der Nahrung oder durch das Eindringen der Hyphen in die Luft die nöthigen Reizbedingungen geschaffen werden. Bei den autotrophen Algen (p. 249) scheint dagegen die Bildung der Fortpflanzungsorgane vorwiegend durch die Licht-, Temperatur- und W^asserverhältnisse veranlasst zu werden, und es ist einleuchtend, dass uns in der Natur immer wieder eine ähnliche Rhythmik (Generationswechsel) entgegentreten wird, wenn sich die maassgeben- den Gombinationen der klimatischen und anderer Factoren in jedem Jahre in einer ähnlichen Reihenfolge wiederholen i). Die Erfahrungen an Blüthenpflanzen, Farnen, Moosen lassen indess keinen Zweifel, dass auch bei voller Constanz der äusseren Verhältnisse eine specifische Ontogenese durchlaufen wird, die endlich zur Formirung von asexuellen oder sexuellen oder von beiderlei Fortpflanzungsmitteln führt. In diesem Falle werden also die veränderten Bedingungen, durch welche die Ontogenese der äquipotentiellen Zellen in eine neue Bahn gelenkt wird (II, § 40), in selbst- regulatorischer Weise durch die inneren Wechselwirkungen erzielt, während bei den besagten Algen und Pilzen zur Erreichung des analogen Zieles eine Modifi- cation der Aussenbedingungen nothwendig ist. Jedenfalls giebt es also Orga- nismen, in denen eine bestimmte Rhythmik (Generationswechsel), die jedesmal mit der Bildung von irgend einem Fortpflanzungsorgan abschliesst, ohne Ver- änderung in den Aussenverhältnissen zu Stande kommt, und vermuthlich wird Derartiges bis zu einem gewissen Grade auch bei ])estimmten Algen und Pilzen, 1) Ueber Saisondimorphismus bei Thieren vgl. 0. Hartwig. Zelle und Gewebe 1898, Bd. II, p. 120: M. Standfuss, Biol. Centralbl. 1899. Bd. 19. p. 75.— Ueber Blüthen- pflanzen vgl. Wettstein, Her. d. bot. Gesellsch. 1895, p. 303; Abhandig. d. Wien. Akad. 1900, Bd. 70, p. 305. § ö7. Allgemeines. 251 insbesondere bei büher organisirten, vorkommen. Ja es ist nicht ausgeschlossen, dass in einer bestimmten (constanten) Gonstellation der Aussenbedingungen eine Yaucheria (oder ein anderer einfacher Organismus) in selbstregulatorischer Weise einen bestimmten Cyklus wiederholt, also z. B. nach einer gewissen Entwicke- lung Zoosporen oder Sexualorgane bildet. Gegen eine solche Möglichkeit spricht keineswegs die Erfahrung, dass unter Umständen nur vegetatives Wachsen von statten geht. Denn ein solches Verhalten wird unter bestimmten Aussen- ])odingungen auch an Blüthenpflanzen beobachtet, in denen dann erst nach der 3Iodification der äusseren Factoren die auf die Production von Blüthen ab- zielende Thätigkeit beginnt (vgl. II, p. 249). Zwar wird in keiner Pflanze ohne eine A'erschiebung der Aussenbedingungen die Gesammtheit der potentiellen Befähigungen in Anspruch genommen. Jedoch wird bei Constanz der äusseren Factoren die Ontogenese nicht immer, wie bei Bacterien, Pilzen, Algen auf das rein vegetative Wachsen und Vermehren ein- geschränkt. Aber auch dann, wenn die Bildung der Fortpilanzungsorgane voll- ständig ausgeschaltet ist, vermögen diese Organismen auf das beste zu gedeihen. Es lehren dieses das Verhalten der Hefearten, die sich während der Gährthätigkeit auf das lebhafteste vermehren, aber niemals Sporen bilden, und ebenso die Versuche mit Bacterien und Schimmelpilzen, von denen z. B. Saprolegnia von Klebst) während 2^/2 Jahren in rein vegetativer Vermehrung erhalten wurde. Auch ist eine Anzahl von Moosen und Blüthenpflanzen bekannt, die sich in der Natur und in der Cultur seit langer Zeit nur auf vegetativem Wege vermehren 2). Nach allen diesen Erfahrungen hat also eine continuirliche vegetative A'er- mehrung in keiner Weise eine Abschwächung der Pflanze zur Folge. Unter geeigneten Bedingungen würden also die genannten und vielleicht alle Pflanzen- arten unbegrenzt ohne die Production von besonderen Fortpflanzungsorganen gedeihen können 3j, die desshalb nicht minder bedeutungsvoll sind, um die Pflanze unter den in der Natur gebotenen Verhältnissen zu verbreiten und zu erhalten. Es ist indess nicht unsere Aufgabe, diese Verhältnisse und die specielle Bedeutung der sexuellen Fortpflanzung zu discutiren^j. Natürlich wird bei -1, Klebs. Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 151, 138. — Aus diesen und anderen Erfahrungen ist auch zu ersehen, dass ein Organismus bei voller Constanz der äusseren Factoren dauernd gedeihen kann. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass der Wechsel der äusseren Bedingungen von Vortheil ist. Es ist u. a. schon früher (z. B. II, p. 78, 90) hervorgehoben, dass unter Umständen das ökologische Optimum nur erreicht wird, wenn mit der fortschreitenden Ontogenese einer oder einige der Aussenfactoren in ent- sprechendem Maasse modificirt werden. ä) Vgl. M. Möbius, Beiträge zur Lehre v. d. Fortpflanzung -1897, p. 23. 3) Vgl. z. ß. Klebs, 1. c. p. ITg. — Aus der Kritik bei Klebs '1. c. p. 160) ist auch zu ersehen, dass die Experimente von Maupas nicht die Nothwendigkeit der geschlecht- lichen Fortpflanzung für Infusorien erweisen. 4) Siehe Klebs , 1. c. p. 179; M. Möbius, Beiträge z. Lehre v. d. Fortpflanzung 1897 und die in diesen Arbeiten citirte Lit. — Es sei auch nur beiläufig darauf hin- gewiesen, dass, wenn eine Pflanze unter bestimmten Bedingungen entweder nur männ- hche oder nur weibhche Fortpflanzungsorgane ausbildet, dieses Resultat durch Unter- drückung bezw. Activirung potentieller Fähigkeiten erreicht wird. Dagegen lässt sich bei einer typisch diöcischen. Blüthenpflanze das Geschlecht nicht modiüciren; es ist bereits in den Samen fest bestimmt. Ob die Pflanze durch bestimmte Bedingungen veranlasst werden kann, vorwiegend Samen männlichen oder weiblichen Geschlechts 252 Kap. IX. Rhythmik der Vegetationsprocesse. Ausfall aller besonderen Fortpflanzungsoi^gane die rein vegetative Vermehrung durch stetige Wiederholung der Theilung und Verjüngung der embryonalen Zellen vermittelt. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass die embryonale Zelle (ana- log wie eine ausgewachsene somatische Zelle) endlich absterben würde, wenn die Verjüngung durch mechanische Hemmung des angestrebten Wachsthums unmöglich gemacht ist ''II, § 64). Wie schon Irüher (II, p. 8 4) hetont wurde, ist ein zunächst hel'riedigendes Causalverständniss der rhythmischen Vorgänge in der Natur schon dann ge- wonnen, wenn man dieselben aus den empirisch gefundenen reactionellen Eigen- schaften des Organismus erklären kann. Jedoch ist nicht zu vergessen, dass, wie ebenfalls (II, p. 84) nachdrücklich hervorgehoben wurde, mit der besten Kenntniss derartiger Beziehungen noch keine tiefere Einsicht in das maassgebende Innengetriebe zur Verfügung steht. Nach dem früher Gesagten ist es indess selbstverständlich, dass auch in den hier behandelten Fällen verschiedene und ver- wickelte Verhältnisse in Betracht kommen. Wenn man also dahin strebt, des näheren zu bestiunnen, ob etwa eine directe Reizung oder eine Urnstimmung oder eine correlative Wirkung vorliegt, so ist damit nur eine gewisse Präcision erzielt, und die Mannigfaltigkeit der Reactionsmodalitäten und der Combinationen nicht erschöpft (vgl. II, p. 83). Bei richtiger Würdigung der allgemeinen Erörterungen über die Beziehungen zwischen der physiologischen Thätigkeit und den Aussen- bedingungen ist es übrigens ohne weiteres klar, dass z. B. die Ausbildung der Vegetationsorgane ebensowohl durch zu mangelhafte, als durch zu üppige Ernäh- rung vei'ursacht sein kann , dass ferner die Unterdrückung der Fortpflanzungs- organe correlativ durch das üppige vegetative Wachstbiuu veranlasst sein kann (11, p. \ 99), aber nicht veranlasst sein muss, imd dass schon dessbalb nicht eine jede Hemmung des vegetativen Wachsthums die Erzeugung von Fortpflanzungs- organen begünstigen muss. § 58. Die tägliche Periodicität der Zuwachsbewegimg. Durch den täglichen Beleuchtungswechsel wird eine tägliche periodische Aenderung in allen den Functionen veranlasst, die in irgend einer Weise, direct oder indirect, vom Licht beeinflusst werden. So wird die Zuwachsbewegung durch die /Vbnahme der Beleuchtung beschleunigt, also durch die Erhellung ver- langsamt (II, § 25). Sofern die antagonistischen Flanken in einem ungleichen Grade reagiren, werden somit durch den Beleuchtungswechsel die täglichen (photonasti- schen) Nutationsbewegungen verursacht, während die täglichen Bewegungen in den ausgewachsenen Bewegungsgelenken dadurch zu Stande kommen, dass die Licht- abnahme in den antagonistischen Gelenkhälften eine ungleiche Steigerung des Ex- pansionsbestrebens hervorruft (II, Kap. XII). Demgemäss wird in den Bewegungs- gelenken der Blätter von Phaseolus, Mimosa etc. die Spannungsintensität (und die Biegungsfestigkeit) während der Nacht gesteigert (II, § 18, Kap. XII). Aber auch in zu produciren, ist noch nicht sicher entschieden. Siehe z. B. Hey er, Berichte a. d. physiol. Laborat. u. der Versuchsanstalt des landw. Inst, zu Halle 1884. Bd. I, p. 43; C. Fisch, Ber. d. bot. Gesellsch. 1887. p. 136; Molliard. Rev. general. d. Botan. 1898, Bd. 10, p. 324. [Strasburger, Biolog. Centralbl. 1900, Bd. -20. p. 722.] § 5S. Die tcägliche Periodicität der Zuwachsbewegung. 253 den wachsenden Organen nimmt nach G. Kraust) die (nach den Dimensionsände- rungen bemessene) Längs- und Querspannvmg im Dunkehi zu (vgl. II, § \ 8), so dass in Folge des täglichen Beleuchtungswechsels die Gewebespannung gegen Sonnenaufgang ein Maximum, gegen Abend ein Minimum zu erreichen pflegt. Ferner ist u. a. schon auf die tägliche Periodicität des Blutens (I, p. 248), der Transpiration (I, § 40), des Oeffnens und Schliessens der Spaltül'fnungen^) hin- gewiesen, und weiterhin werden wir z. B. noch von den täülichen Bewe2,unoen der Blätter (II, Kap. XII) und der ('hlorophyllkörper (II, Kap. XV) u. s. w. zu reden haben. Die Abhängigkeit der Kohlensäureassimilation vom Licht bringt es mit sich, dass die grünen Pflanzen nur am Tage organische Nahrung produciren (ein- führen). Auch während dieser Productionsthätigkeit steht keinen Augenblick der Bau- und Betriebsstoffwechsel still, der, nach der Athmung (I, p. 573) und der Wachsthumsbeschleunigung zu urtheilen, während der Nacht vielleicht der Regel nach eine geringe Beschleunigung erfährt. Jedoch besteht in der Pflanze im allgemeinen keine ausgesprochene Tendenz, die Wachsthums- und Neubildungs- processe vorwiegend in der Nachtzeit zu vollführen (vgl. II, p. HI). Indess ist aus den früher (II, p. 112) dargelegten Gründen zu verstehen, dass unter nor- malen Verhältnissen z. B. bei Spirogyra die Zelltheilung, bei Pilobolus die Bil- dung der Sporangien, bei Coprinus die Streckung des Hutstieles in die Nacht- stunden zu fallen pflegt. In der Natur wird die in Folge des Beleuchtungswechsels angestrebte Periodicität durch die gleichzeitige und verschiedenartige Variation anderer Factoren, insbesondere der Temperatur und des Turgescenzzustandes, mehr oder weniger modificirt. Zumeist wird die abendliche Senkung der Temperatur die Wachsthumsthätigkeit beeinträchtigen, während andererseits am Tage die verstärkte Transpiration häufig eine Verminderung des Turgors und dadurch eine Verlangsamung oder sogar zeitweise einen Stillstand des Wachsthums be- wirkt (II, § 33). Je nach der Combination dieser Factoren mit der Licht- wirkung wird also der ansehnlichste Gesammtzuwachs entweder in den Tages- oder in den Nachtstunden ausgeführt. Letzteres scheint an schönen Sommertagen in unserem Klima sehr gewöhnlich der Fall zu sein, indem die Beschleunigung des Wachsthums durch die abendliche Zunahme des Turgors und durch die Lichtabnahme (die Lichtperiode) den retardirenden Einfluss der Temperatur- senkung überwiegt. Findet aber am Abend eine zu starke Abkühlung statt, dann wird der Gesammtzuwachs in den Nachtstunden geringer ausfallen. Thatsächlich wurde von Duchartre-^) an verschiedenen Sprossen (Längen- wachsthum), von .T. Friedrich^) an Bäumen (Dickenwachsthum), von G. Kraus^) 1) G. Kraus, Bot. Ztg. 1867, p. 122; ISTI. p. 371. — Ueber Gewebespannung in etiohrten Pflanzen vgl. II, p. 101. 2) Vgl. Bd. I, p. -173; Fr. Darwin, Philosoph, transact. 1898, Bd. 190, p. 387, 619. .3) Duchartre, Compt. rend. ISßf). 6. Aprü, p. 815. — Gleiches beobachtete G. Kraus (Annal. d. jardin bot. d. Buitenzorg 1893, Bd. 12, p. 203; für Dendrocalamu.s auf Java. — Vgl. auch Kirchner, Bot. Ztg. 1878, p. 28 u. die II, § 23 citirte Literatur. 4j J. Friedrich, Bot. Ztg. 1897, p. 369. 3) G. Kraus, Sitzungsb. d. Naturf. Gesellsch. z. Halle 1880, p. 94. — Einige Be- obachtungen an grösseren Pilzen auch bei J. Schmitz, Linnaea 1843, Bd. 17, p. 464. 254 Kap. IX. Rhythmik der Vegetationsprocesse. an Früchten und Hutpilzen während der Tageszeit zumeist eine geringere Zuwaehs- bewegung beobachtet, als in einer gleichen Anzahl von Nachtstunden, in welchen der Zuwachs in den Versuchen von Duchartre zuweilen sogar 2 — 3 mal an- sehnMcher ausfiel, als am Tage. Dagegen fiel in den Messungen Rauwenhoff 's i), die zwischen Juni und October ausgeführt wurden, die mittlere Zuwachsbewegung in den 1 2 Tagesstunden um ca. ^1^ höher aus , als in den \ 2 Nachtstunden (6 Uhr Abends bis 6 ühr Morgens). Auch ist schon früher (II, p. \ \ 5) erwähnt, —~ 1 ; mmmk^^^ .■■ ■ - ,"^ ^^ 1 1 * ■ ■ / / / -. t ■ ■ . / \ \ iO ■ ; ■ ■ : /' \ i i_ t 1 / / \ \ i-i 1 / i \ \ h i 1 f / > 1 1 l ■ .' . \ \ / / 50 1 f / \ k ^H "~T /: [ — >^ \ \ / /■ \ \ ■ r' , \ \ \ / . .. ;■ \ \ '•. \ / / ^^1 \ ■' \ • \ ■ \ \ \ 1 20 . 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Die Temperatur 12" K. fällt mit der Abscissenaehse zusammen und die Ordinate für i/io" E. misst 2 mm, so dass die Curve i'> mit 13,9» K. beginnt. Die Zeit zwischen 6 L'hr Abends und (i Uhr Morgens ist dunkel gehalten. dass in den Hochalpen durch die zumeist ansehnliche nächtliche Abkühlung das Wachsthum während der Dunkelzeit stark reducirt und dadurch der gedrungenere Habitus der Alpenpflanzen veranlasst wird. Hinwiederum dürfte bei submersen Pflanzen häufig das Wachsthum während der Nachtstunden überwiegen, da am Tage der volle Turgescenzzustand fortbesteht und da fei*ner (sowie auch für die im Boden steckenden Pflanzentheile) die nächtliche Abkühlung im allgemeinen geringer ausfällt. Aus dem Gesagten folgt ohne weiteres, dass schon die 1) Vgl. J. Sachs, Arbeit, d. Bot. Inst, zu Würzburg -1878, Bd. I, p. 190. § 58. Die tägliche Periodicität der Zuwachsbewegung. 255 verschiedenen Organe derselben Pflanze ein ungleiches Resultat ergeben können. Ausserdem ist aus der graphischen Darstellung in Fig. 30 (p. 254) zu ersehen, dass eine geringere abendliche Temperatursenkung nicht die Wachsthumsbeschleunigung aulzuheben vermag, welche in der turgescenten Pflanze durch die Abnahme des Lichtes und durch die abendliche Nachwirkungsbewegung hervorgerufen wird. Der nähere Verlauf der Periodicität wird natürlich nicht allein durch die äusseren Factoren, sondern auch durch das specifische Reactionsvermögen der Pflanze, durch clie Nachwirkung der vorausgegangenen Inductionen, sowie durch die autonomen Oscillationen bestimmt und modificirt. Diese Factoren sind also ebenfalls zu berücksichtigen, wenn man, wie es in Folgendem geschieht, den täglichen periodischen Gang der Zuwachsbewegung (der Gesammtverlängerung) einer Pflanze in das Auge fasst, die dem täglichen Beleuchtungswechsel aus- gesetzt ist, während die übrigen Aussenbedingungen (Temperatur, Feuchtigkeit etc.) thunlichst constant gehalten sind. Unter diesen Umständen ergaben die Studien von Sachs *), Baranetzky'^) u. A. für das Längen wachsthum zwar übereinstimmend ein allmähliches Steigen und Fallen der Zuwachsbewegung, jedoch specifische Eigenheiten in dem näheren Verlauf der Curve. Denn wäh- rend bei vielen Pflanzen, z. B. bei Dahlia variabilis (Fig. 30, Curven Sx, u. 1%)^ das Maximum in die frühen Morgenstunden, das Minimum in die Abendstunden fällt, wurde bei anderen Pflanzen eine Verschiebung dieser Wendepuncte be- obachtet, die in einzelnen Fällen so weit ging, dass das Maximum erst am Nachmittag, das Minimum erst nach Mitternacht eintrat. Die secundären Maxima und 3Iinima (vgl. Fig. 30) sind bei voller Gonstanz der Aussenbedingungen durch die autonomen Oscillationen bedingt, die niemals fehlen, bei einigen Pflanzen aber gering, bei anderen dagegen sehr ansehnlich sind (II, § 5). Dementsprechend beobachtete Baranetzky (1. c.) bei einigen Pflanzen geringere, bei anderen Pflanzen aber ansehnlichere secundäre Oscilla- tionen als bei Dahlia variabilis (Fig. 30, Gurveii)3). Die Oscillationen in dieser Curve (Fig. 30) dürften allerdings zum Theil durch die Aussenbedingungen ver- ursacht sein, die in den Versuchen von Sachs nicht so constant erhalten wurden, wie in den Experimenten Baranetzky's. Uebrigens ist einleuchtend, dass diese secundären Oscillationen in der Curve 3:x, zurücktreten, die nach den dreistündigen Mittelwerthen construirt ist. Diese Tagesperiode der Zuwachsbewegung kommt offenbar in analoger Weise zu Stande wie die nyctitropischen Bewegungen, die wir desshalb schon hier berücksichtigen müssen (vgl. II, Kap. XII). Für diese nyctitropischen Bewegungen, die theilweise durch eine entsprechende Verlangsamung oder Be- schleunigung des Wachsthums, theilweise durch eine Turgorvariation vermittelt werden, habe ich nachgewiesen, dass es sich nicht etwa um die Regulation einer erblich überkommenen periodischen Bewegungsthätigkeit handelt. Denn in continuirlicher Beleuchtung hören die täglichen Bewegungen allmählicli auf, 1) Sachs, Arbeit, d. Bot. histit. in VVürzburg 1872, I, p. 99. 2) Baranetzky, Die tägl. Periodicität im Längenwachsthum 1879 (Sep. aus Mem. d. l'Acad. d. St. Petersbourg, VIL ser., Bd. 27). 3) Vgl. auch G. Kraus, Annal. d. jardin. botan. d. Buitenzorg 1895, Bd. 12, p. 203. 256 Kap. IX. Rhythmik der Vegetationsprocesse. während die autonomen Bewegungen fortdauern, die bei manchen Pflanzen sehr gering, bei anderen ansehnlich sind, und die einen Rhythmus zum Theil in weniger als einer Stunde, zum Theil erst in einigen Stunden ausführen. Wird die Pflanze, die in continuirlicher Beleuchtung die Tagesbewegungen eingestellt hat, verdunkelt, so ruft der Beleuchtungswechsel eine Bewegung hervor, auf die in constanter Finsterniss (oder Beleuchtung) in einem ähnlichen Zeitmaass, aber mit nachlassender Amplitude, eine oder einige Schwingungen folgen. Durch das gleichsinnige Zusammengreifen dieser Nachwirkungsbewegungen und der stetig- wiederholten Reizwirkung des täglichen Beleuchtungswechsels kommt allmählich die volle Amplitude der Tagesbewegungen zu Stande, sowie ja auch die Schwingungsamplitude eines Pendels durch die fortdauernde Sunmiation der Xachschwingung und eines neuen Impulses allmählich vergrüssert wird. Sowie aber das Pendel nach Sistirung der Anstösse noch einige Zeit nachschwingt, so klingt in constanter Finsterniss (oder in continuirlicher Beleuchtung) die accu- nuilirte Tagesbewegung allmählich aus, die bei einigen Pflanzen nur wenige Tage, bei anderen Pflanzen bis zu 1 4 Tagen verfolgbar ist. Nach den vorliegenden Untersuchungen ist es im hohen Grade wahrschein- lich, dass in Bezug auf die Tagesperiode der Zuwachsliewegung ähnliche Ver- hältnisse obwalten. Denn Sachs i) und besonders Baranetzky (1. c. p. 5] beobachteten an den in das Dunkle gebrachten Pflanzen eine Nachwirkung der täglichen Periodicität der Zuwachsbewegung, die nach Baranetzky z. B. in den Sprossen von Gesneria tvibiflora schon in einigen Tagen verwischt, in den Sprossen von Helianthus tuberosus aber nach 1 4 Tagen noch nicht ganz aus- geklungen war. Ferner konnten Baranetzky (1. c. p. 17) an den Trieben, die im Dunkeln aus den Knollen von Helianthus tuberosus und Gesneria tubiflora entstanden waren, Godlewski^) an den im Dunkeln erwachsenen Keimpflanzen eine der täglichen Rhythmik entsprechende Wachsthumsschwankung nicht be- obachten. Im Dunkeln werden aber (ebenso bei Blättern) die autonomen Bewegungen fortgesetzt, die bei kurzer Zeitdauer des Rhythmus leicht, bei ge- nügend langer Dauer des Rhythmus schwierig oder gar nicht von den Nachwirkungen der Tagesperiode zu unterscheiden sind. In diesem Falle wird zudem das Auseinanderhalten durch die Verschiebungen des Zeitmaasses eines Rhythmus erschwert, eine Verschiebung, welche sowohl die Nachwirkungen der täglichen Zuwachsperiode, als auch der nyctitropischen Bewegungen erfahren. Wenn also Baranetzky (1. c. p. 17) an einigen, aber nicht an allen Trieben, die im Dunkeln aus der Rübe (Brassica rapa) producirt wurden, eine annähernd mit dem täglichen Rhythmus übereinstimmende Periodicität des Wachsthums beobachtete , so dürfte es sich um eine autonome Periodicität, aber nicht um eine Nachwirkung der Tagesperiode gehandelt haben, die von der Rübe auf die Triebe überging. Somit entspringt die tägliche Periode der Zuwachsbewegung und der nycti- tropischen Bewegungen nicht aus einem erblich überkommenen Rhythmus, der 1) Sachs (I.e. p. 167; war geneigt, diese Nachwirkungen einer unzureichenden Abhaltung des Lichtes zuzuschreiben. Bar anetzky (1. c.) zeigte dann, dass die Nach- wirkung auch dann fortschreitet, wenn eine gewisse Zunahme der Helligkeit der Be- schleunigung der Zuwachsbewegung entgegenwirkt. 2) E. Godlewski, Anzeiger d. Akad. d. Wissensch. zu Krakau 6. Juni 1889. 58. Die täffliche Periodicität der Zuwachsbewegung. 257 *& durch den Tageswechsel nur zeitUch verschoben würd, sondern ist das Product der sich täglich wiederholenden Beeinflussung der reactionsfähigen Pflanze durch die äusseren Factoren. Die mehr oder minder ausgiebigen Nachwirkungen werden sich vermuthlich bis zu einem gewissen Grade auf alle diejenigen Vor- gänge erstrecken, die mit dem Wachsthum und den hierbei betheiligten Fac- toren zusammenhängen, also z. B. auf die Gewebespannung und vielleicht auf das Oeffnen und Schliessen der Spaltöffnungen. Uebrigens wurde bereits an anderer Stelle (II, p. 245) hervorgehoben, dass in dem Organismus auf sehr verschiedenartige Reactionen eine gewisse und zum Theil eine sehr ansehnliche Nachwirkung folgt. Im näheren sind indess in Bezug auf das Zustandekommen der Tages - periode verschiedene, der experimentellen Behandlung zugängliche Fragen noch nicht erledigt. So ist noch unentschieden, ob nicht nur die durch den Be- leuchtungswechsel, sondern auch die durch die rhythmische Veränderung der Temperatur (bei constanter Beleuchtung) und des Turgors verursachte Reaction eine Nachwirkung zur Folge hat und ob der Gang der Nachwirkung nur durch die reale, als Resultante erzielte Bewegimg bestimmt wird. Sollte Letz- teres zutreffen, so würde z. B. in der Nachwirkungscurve (vgl. Fig. 30 p. 254) das Minimum nicht auf die Tages-, sondern auf die Nachtzeit fallen, wenn die Pflanze zuvor, in Folge der besonderen Combination der Factoren, während der Nachtzeit die geringste Wachsthumsthätigkeit entfaltete (II, p. 255). Der ver- schiedenartige Verlauf der Zuwachscurve unter den in der Natur gebotenen Bedingungen ist vielleicht eine der Ursachen, dass in den Studien über die Nachwirkung (an im Freien erwachsenen Pflanzen) ein verschiedenartiger Ver- lauf der Curve sogar für verschiedene Individuen derselben Art gefunden wurde und dass das Minimum der Curve zuweilen in die Nachtzeit fällt. Eine bestimmte Entscheidung ist nur auf empirischem Wege möglich, da man theoretisch nicht voraussagen kann, ob die Nachwirkung wesentlich durch die resultirende Bewegung oder vorwiegend durch die besonderen Reactionen verursacht wird, die speciell durch den Beleuchtungswechsel hervorgerufen werden. Eine bindende Schlussfolgerung kann auch nicht auf Grund der Er- fahrung gezogen werden, dass die Nachwirkung der nyctitropischen Bewegung in gewissen Fällen durch die zuvor ausgeführte resultirende Bewegung bestimmt wird (II, Kap. XII). Historisches. Der tägliche Gang der Zuwachsbewegung, wie er sich bei Constanz der übrigen Factoren und auch im Dunkeln abspielt, wurde zuerst von Sachs ^) genauer verfolgt. Bei Sachs sind auch die früheren Versuche von Meyer, Mulder, Harting, Caspary, Rauwenhoff u. A. kritisch behandelt, in denen für Constanz von Temperatur, Feuchtigkeit u. s. w. gar nicht oder doch nicht genügend gesorgt war. Weiterhin hat dann besonders Baranetzky^j^ der, wie auch Sachs mit einem selbstregistrh'enden Apparat (II, § 6) arbeitete, unsere 1) J. Sachs, Arbeit, d. Botan. Instituts in Würzburg 1872, Bd. I, p. 99. — Ueber das Verhalten im Freien vgl. II, p. 253. Ueber die Reaction auf Lichtwechsel II, p. 108. 2) Baranetzky, Die tägl. Periodicitcät im Längenwachsthum 1879, Sep. a. Mem. d. l'Acad. d. St. Petersbourg, Bd. 27. - Vorlauf. Mitlheil. Bot. Ztg. 1877, p. 639. — Be- obachtungen an Monotropa wurden angestellt von Drude, Die Biologie von Mono- tropa 1873, p. 58. Pfeffer, Pfianzenphysiologie. 2. Aufl. II. -| 7 258 Kap. IX. Rhythmik der Vegetationsprocesse. Kenntnisse über die tägliche Periodicität erweitert. Sachs und Baranetzky verfolgten das Längenwachsthum von Stengeln, hidess ist von vornherein, sowie nach den Versuchen von Reinke^j und von J. Friedrich^], nicht daran zu zweifeln, dass sich das Dickenwachsthum analog verhält. Für die Blätter ver- schiedener Pflanzen haben die Untersuchungen von PrantPj und von Stehler^) einen ähnlichen Verlauf der Wachsthumsperiodicität wie für die Stengel ergeben. Nach StrehP) kommt auch den Wurzeln von Lupinus albus, nach C. Macmil- lan^] und C. Golden') den Knollen der Kartoffel u. s. w. eine tägliche Wachs- thumsperiodicität zu, die da, wo sich diese Organe im Dunkeln und in einer con- stant temperirten und angefeuchteten Erde befanden, durch die W^echselwirkung mit den oberirdischen Organen veranlasst sein muss. Dass die Pilze wie die höheren Pflanzen reagiren, ist aus 11, p. H 0 und II, p. 254 zu ersehen, jedoch ist bei den Pilzen die Nachwirkung der Tagesperiode noch nicht empirisch verfolgt worden. Der nähere Verlauf der täg-lichen Wachsthumscurve fällt natürlich je nach den specißschen Eigenschaften des Organismus auch dann verschieden aus, wenn nur die Beleuchtung variirt. Denn wir haben gehört (II, p. 108), dass durch Ver- dunkelung das Wachsthum mancher Pflanzen nur wenig, das anderer Pflanzen aber erheblich beschleunigt wird. Ferner wird bei einem Beleuchtungswechsel die Reaction entweder ziemlich bald oder erst nach einem längeren Latenzstadium bemerklich , und es dauert dann oft lange , bevor der neue Gleichgewichtszu- stand hergestellt ist. Da somit bei einer langsam reagirenden Pflanze die durch die nächtliche Verdunkelung inducirte Wachsthumsbeschleunigung zur Zeit des Sonnenaufgangs öfters noch nicht den maximalen Werth erreicht hat, und da ebenso durch die Tagesbeleuchtung erst allmählich eine Retardirung des Wachs- thums bewirkt wird , so ist es verständlich , dass unter Umständen das Maxi- mum der Zuwachscurve erst am Nachmittag, das Minimum erst nach Mitternacht eintritt. Aehnlich wie diese primäre Reactionscurve fällt wiederum die Nach- wirkungscurve aus, und so ist im allgemeinen für ein Zusammenwirken selbst dann gesorgt, wenn der Rhythmus der Nachwirkungsbewegung bei continuirlicher Beleuchtung oder Verfinsterung allmählich etwas modificirt wird. Es ist auch einleuchtend, dass zu der Zeit, in welcher die Nachwirkungsbewegung im Zu- nehmen begriffen ist, die Verdunkelung einen ansehnlicheren Effect hervorruft, als wenn sie des Morgens vorgenommen wird, weil dann Nachwirkungsbewegung und Reactionsbewegung entgegengesetzt gerichtet sind. Ein solcher Antagonismus kommt auch dann zu Stande, wenn die bisherige Beleuchtungs- und Verdunke- lungszeit um 1 2 Stunden verschoben werden. Dass unter solchen Umständen der Erfolg den Erwartungen entspricht, werden wir noch bei der Besprechung der nyctitropischen Bewegungen erfahren. Auf die Verwickelungen, die durch die gleichzeitige Variation anderer Factoren entstehen, ist schon (II, p. 253) 1) Reinke, Bot. Ztg. 1876, p. 1/18. 2) J. Friedrich, Bot. Ztg. 1897, p. 369. 3) Prantl, Arbeit, d. Botan. Instituts in Würzburg 1873, Bd. I, p. 371. 4) Stehler, Jahrb. f. wiss. Bot. '1878, Bd. U, p. 47. Vgl. die Kritik dieser Arbeit durch Vines in Arbeit, d. Bot. Instituts in Würzburg 1878, Bd. I, p. 128. Ueber Beobach- tungen an dem Blatte von Victoria regia siehe Caspary (Sachs, I.e. p. 187 und 0. Drude, Nova Acta d. Leopoldin. Academ. 1881, Bd. 43, p. 247. 5) Strahl, Unters, ü. d. Längenwachsthum d. Wurzel u. d. hypocotylen Gliedes 1874, p. 19. — Vgl. auch Bd, H, p. 110. 6) C. Macmillan, American Naturalist 1891, p. 462. 7) C. Golden, Botan. Centralbl. 1894, Bd. 59, p. 169. § 59. Die jährliche Periodicität. 259 hingewiesen und es sei nur noch daran erinnert, dass die Pflanze schnell die- jenige Wachsthumsschnelligkeit annimmt, die der veränderten Temperatur ent- spricht (II, § 22). Nachdem schon früher (II, § 26) gezeigt ist, dass der wachsthvmishemmende Einfluss auf einer zur Zeit nicht näher aufgeklärten Reizwirkung des Lichtes be- ruht, ist es fast selbstverständlich, dass uns auch die inneren Vorgänge unbe- kannt sind, durch welche die Nachwirkung zu Stande kommt. § 59. Die jährliclie Periodicität. In dem Wechsel von sommerlicher Thätigkeit und winterlicher Ruhe wird uns in der gemässigten Zone in sehr auffälliger Weise eine von dem Klima ab- hängige jährliche Periodicität des Pflanzenlebens vorgeführt. Diese Periodicität wird einmal schon dadurch verursacht, dass das Wachsthum durch die Er- niedrigung der Temperatur während der Winterzeit verlangsamt oder auch ganz sistirt wird. Ausserdem wird aber in vielen Pflanzen in selbstregulatorischer Weise dafür gesorgt, dass auf die Thätigkeit eine Ruhezeit folgt. Damit ist also in zweckentsprechender Weise erreicht, dass die Pflanze nicht zu frühzeitig austreibt, wenn an warmen Wintertagen zureichende Aussenbedingungen geboten sind. Nun ist es zwar die Aufgabe der Pflanzengeographie, im näheren die Beziehungen zwischen dem jährlichen Rhythmus der klimatischen Factoren und der Vegetationsthätigkeit zu studiren, jedoch erfordert das Thema mit Rücksicht auf die erwähnte selbstregulatorische Periodicität eine freilich nur allgemeine physiologische Behandlung. Wir werden uns hierbei an die Jahresperiode in der gemässigten Zone halten, also z. B. nicht näher auf die Periodicität ein- gehen, die in warmen Ländern durch den Wechsel einer feuchten und trockenen .Jahreszeit hervorgerufen wird. Wie wir früher erfuhren (II, § 2, 3), tritt bei vielen Pflanzen in einer ge- wissen Phase der grossen Periode eine partielle oder totale Hemmung der Wachsthumsthätigkeit ein. Das ist nun auch bei denjenigen Pflanzen der Fall, in welchen während der sommerlichen Thätigkeit selbstregulatorisch die Be- dingungen für eine längere Ruhezeit vorbereitet und geschaffen werden, bei denen also (unter constanten Aussenbedingungen) die graphische Darstellung der grossen Periode des Wachsens eine Gurve liefert, die längere Zeit (d. h. bis zu dem selbstregulatorischen Wiedererwachen) der Abscissenachse parallel oder doch nahezu parallel läuft. Ein derartiges Verhalten kommt den Bäumen, Sträuchern, Stauden, überhaupt denjenigen Pflanzen zu, die eine typische Winterruhe ein- halten, ist aber keine Eigenthümlichkeit aller Pflanzen, auch nicht aller Pflanzen unserer Heimath. Denn eine inhärente jährliche Periodicität kommt für Bac- terien, Schimmelpilze und alle die Pflanzen nicht in Frage, die ihre Ontogenese in kurzer Zeit durchlaufen. Wie in diesen Organismen, so fällt bei geeigneten Aussenbedingungen eine Ruhezeit auch bei zahlreichen tropischen Pflanzen aus, die zum Theil sogar in unseren Gewächshäusern während der Winterzeit wachs- thumsthätig sind. Aber auch gewisse einheimische Pflanzen, wie Stellaria media, Senecio vulgaris u. a., deren Samen sogleich nach der Reife keimen, findet man in einem besonders milden Winter im Freien in allen Phasen der Entwickelung. 260 Kap. IX. Rhythmik der Vegetationsprocesse. Allen diesen und den sich ähnlich verhaltenden Pflanzen wird also eine Winter- ruhe nur durch die klimatischen Verhältnisse, also in erster Linie durch die Erniedrigung der Temperatur aufgedrängt. (Ueber Ruhezeit in Folge zu hoher Temperatur vgl. II, § 22.) Dass aber anderen Pflanzen eine autogene Ruheperiode zukommt, lehrt schon die Erfahrung, dass die sich entlaubenden und immergrünen llolzgewächse unserer Heimath nach dem Abschluss der sommerlichen Vegetationsperiode auch dann in die Winterruhe übergehen, wenn sie bei guter Beleuchtung in einem warmen Hause gehalten werden. Ebenso verhalten sich diese Pflanzen in wär- meren Ländern, z. B. in Madeira, wo Eiche, Buche, Obstbäume u. s. w. ihre Blätter abwerfen und in eine Ruhepause eintreten, obgleich die Mitteltemperatur des kältesten Monats (Januar) 15,4 C. beträgt und obgleich in dem feuchten Klima viele einheimische und tropische Pflanzen während des ganzen Jahres wachsthumsthätig sind^). Auch die im Boden perennirenden Theile unserer Stauden haben eine autonome Winterruhe. Demgemäss lassen sich die meisten Rhizome, Zwiebeln, Knollen im Herbst nicht treiben, und es ist allgemein be- kannt, dass die Kartoffelknolle während des Winters in einem Keller Ruhe hält, in dem sie im Frühjahr selbst dann Triebe entwickelt, wenn inzwischen die Temperatur des Raumes etwas gesunken ist 2). Ohne die zureichenden Aussenbedingungen ist natürlich eine Entwickelung unmöglich, die aber immer nur dann eintritt, wenn die Pflanze zur Wachs- thumsthätigkeit befähigt ist. Diese Befähigung stellt sich je nach den specifi- schen Eigenheiten der Art früher oder später ein, und demgemäss kann man durch die Erhöhung der Temperatur (d. h. durch günstige Aussenbedingungen) in gewissen Pflanzen schon vor Ende des Jahres, in anderen erst im Frühjahr eine ausgiebige Entwickelung anregen. So A-ermochte Askenasy^) Forsythia viridissima und Cornus mas schon im December, Prunus avium im Januar zum Blühen zu bringen. Aehnliches beobachtet man auch z. B. an Salix, Corylus, Syringa und anderen Pflanzen, die in einem milden Winter frühzeitig blühen, während sich Fagus sylvatica, Quercus pedunculata, Tilia, Castanea vesca etc. erst im Älärz oder April erfolgreich treiben lassen. Bei den zuletzt genannten Pflanzen umfasst eben die Ruhephase in der grossen Periode einen längeren Zeitabschnitt. Da dieses ebenso der Fall ist, wenn sich die Pflanze unter günstigen Aussenbedingungen befindet, so bemerkt man auch in einem warmen Gewächshause zunächst keine Veränderung an den Knospen, die sich gegen das Frühjahr allmählich merklich vergrössern, während unter denselben Bedingungen bei Prunus avium, Cornus mas u. s. w. schon im December oder Januar eine Vergrösserung der Knospen eintritt^). Damit soll natürlich nur gesagt 1) Heer, Bot. Ztg. -ISÖS, p. 209; Schacht, Madeira u. Teneriffa 1859. Vgl. auch Askenasy, Bot. Ztg. 1877, p. 832. — Vgl. übrigens § 61. 2) Andere Bspl. bei Askenasy, Bot. Ztg. 1877, p. 819; Grisebach, Die Vege- tation d. Erde 4872, Bd. 2, p. 399; Ernst, Bot. Ztg. 1876, p. 38; Krasan, Beiträge z. Kenntniss d. Wachsthums d. Pflanzen 1873 (Sep. a. Sitzungsb. d. Wiener Akad. Bd. 77, Abth. I). 3) Askenasy, Bot. Ztg. 1877, p. 793. Vgl. ferner Du chartre (Askenasy, I.e. p. 826); Krasan, 1. c. (Salix nigricans, Evonymus europaeus, Prunus padus). 4) Als Askenasy (1. c. p. 824) in Wasser stehende Zweige von Prunus avium bei L^i — 20°C. in einem Treibhause hielt, fand er durch Wägung und Messung, dass sich § ö9. Die jährliche Periodicitcät. 261 sein, dass die Wachsthumsthätigkeit allmählich lebhafter wurde, die unter günstigen Aussenbedingungen vielleicht nie zum völligen Stillstand kam. In der Natur wie im Experiment hängt der Erfolg stets von dem Zu- sammenwirken der mit der Zeit zunehmenden Wachsthumsbefähigung und der veränderlichen Aussenbedingungen ab. Wenn somit durch niedere Temperatur die volle Entfaltung der Fähigkeit längere Zeit zurückgehalten ist, so wird nach der Herstellung günstiger Aussenbedingungen die Entwickelung viel schneller von statten gehen, als es einige Wochen zuvor der Fall gewesen sein würde. Daraus erklärt sich die schnelle Entwickelung, die dann eintritt, wenn nach einem kalten Frühjahr endlich gegen Ende April oder im Mai warme Tage kommen. Ebenso ist es klar, dass das Blühen und Belauben in einem warmen Winter und Früh- jahr frühzeitiger stattfindet. Da aber der Verfrühung durch die selbstthätige Aus- bildung der Wachsthumsfähigkeit Grenzen gezogen sind, so kommen in einem warmen Januar wohl Cornus mas und Salix, aber nicht Eiche und Buche zur Entwickelung, die auch in Süditalien und auf Madeira erst im März oder April austreiben 1). Immerhin beträgt die Winterruhe der Buche auf Madeira nur 149 Tage, d. h. etwa 45 Tage weniger als in der Schweiz 2], und gegenüber Lesina am adriatischen Meere ist die Vegetation in Paris im Mittel um 43 Tage, in Pultowa um ungefähr 100 Tage verspätet 3]. Wird aber eine Pflanze aus der südlichen Hemisphäre zu uns versetzt, so strebt sie vermöge ihrer inneren Periodicität im Winter nach Thätigkeit und entwickelt in der That, wenn es die Aussenverhältnisse erlauben, zu ungewöhnlicher Zeit Blüthen und Blätter. Indem aber die Entfaltung der Thätigkeit durch die kühle Jahreszeit zurück- gehalten, die Ruhezeit also verlängert wird, ist die Pflanze im Verlaufe von einem oder von einigen Jahren an den unserem Klima entsprechenden Verlauf der Jahresperiode accommodirt-*). Die allgemeinen Erfahrungen lehren schon, dass die grosse Periode und ebenso die Ruhepause in dieser specifische EigenthümUchkeiten und Verschiedenheiten bieten (vgl. II, § 2, 3). Nach den weiterhin (II, § GO) mitzutheilenden Erfah- rungen über die Beeinflussung der autonomen Ruhezeit kann es ferner nicht Wunder nehmen, dass sich individuelle Differenzen finden, und dass in manchen die Knospen zwischen dem 4. und 20. December nur sehr wenig, zwischen dem 23. De- cember und 10. Januar merklich vergrösserten und dann fernerhin durch ein beschleu- nigtes Wachsen zum Blühen kamen. Ueber derartige Versuche vgl. ferner Gelez- noff, Bullet, d. 1. soc. imp. d. Natur, d. Moscou 1851, Bd. 24, p. 134; Busse, Flora 1893, p. 171; Küster, Beiträge z. wiss. Botanik von F ü n f s t ü c k 1 898, Bd. II, p. 4 0 4 bis 413. Ueber Stoffumwandlungen in den Knospen siehe A.Fischer, Jahrb. f. wiss. Bot. 1891, Bd. 22, p. 160 u. Pfeffer, Physiol. lI.Aufl., Bd. I, p. 314. — Ueber Bildungszeit, Bau d. Knospen u. s.w. siehe Mohl, Bot. Ztg. 1844, p. 90; A. Faist, Bot. Centralbl. 1888, Bd. 36, p. 43; Groom, Bot. Centralbl. 1894, Bd. 09, p. 138; P. Albert, Beiträge z. Ent- wickelungsgesch. d. Knospen. Rostock, Dissertation 1894; E. Jahn, Bot. Centralbl. 1894, Bd. 59, p. 263. 1) Vgl. Grisebach, Die Vegetation der Erde 1872, Bd. I, p. 274. 2) Heer, Bot. Ztg. 1853, p. 210. 3) Vgl. Kerner, Pflanzenleben I. Aufl., 1887, Bd. I, p. 528; Drude, Pflanzen- geographie 1890, p. 36; Fr. Ludwig, Lehrb. d. Biologie 1895, p. 146. 4) A. de C and olle, Mem. presentes p. divers, savants 1806, Bd. I, p. 349. 262 Kap. IX. Rhythmik der Vegetationsprocesse. Cullurrassen die Ruhezeit erheblich verkürzt oder verlängert ist^). Den beson- deren Zielen und Zwecken entsprechend tritt die Ruhephase in verschiedenen Entwickelungsstadien und nicht in allen Organen einer Pflanze in derselben ^^'eise und zu derselben Zeit ein. Ich erinnere nur daran, dass die Ruhezeit sich zu- meist nach der Samem^eife einstellt, bei Colchicum autumnale aber zwischen Be- fruchtung und Ausbildung der Frucht eingeschaltet ist 2). Ferner kommt eine Ruhe- zeit den Samen (oder anderen Fortpflanzungsorganenj verschiedener Pflanzen zu, deren vegetativen Theile keine autonome Ruhephase besitzen, und umgekeln't. Ferner bringt es der differente Verlauf der grossen Periode mit sich, dass in den verschiedenen Organen derselben Pflanze die Ruheperiode zu verschiedener Zeit beginnt und beendet wird. So pflegt bei Holzpflanzen in dem Xylem das Dicken- wachsthum früher anzufangen, aber auch früher aufzuhören, als in dem Phloem (II, § 4). Weiter kommt vermöge der Selbstregulation in der Pflanze nur ein Theil der angelegten Knospen zur Weiterentwickelung (II, § 45). Wurzel u. s. w. In dem natürlichen Verlauf der Jahresperiode kommt freilich auch in Betracht, dass die Organe einer Pflanze verschiedenen Aussenbedingungen ausgesetzt sind. Die Thatsache, dass im Frühjalu' der in ein Warmhaus eingeführte Zweig einer Pflanze austreibt, wälu'end die im Freien (in niederer Temperatur) befmd- lichen Aeste in Ruhe verharren 3), lehrt, dass dm'ch Localisirung der Ausseneinflüsse an den Organen derselben Pflanze eine sehr weitgehende EntwickelungsdilTerenz ver- anlasst werden kann (vgl. auch II, §22). Nun sind die oberirdischen Organe der Pflanze anderen Temperaturverhältnissen, überhaupt anderen Bedingungen ausgesetzt, als die im Boden befindüchen Organe, und es ist u. a. noch nicht endgültig erledigt, in wie weit z. B. die Unterschiede in dem Verlauf der Jahresperiode des Sprosses und der Wurzel durch die Verschiedenheit der Aussenbedingungen oder durch die autonome Periodicität verursacht werden. In Hinsicht auf das zweckentspre- chende Zusammenwh'ken ist es verständlich, dass bei der Keimung von Samen, Zwiebeln, Knollen etc. die Wurzeln in der Entwickelung voi-auseilen. In den er- starkten und ausdauernden Pflanzen ist dieses nicht gerade nothwendig. Speciell bei den Holzpflanzen pflegt das Dickenwachsthum in der Wurzel viel länger als im Stamme und öfters bis tief in den Winter, ja bis zum Frühjahre thätig zu sein 4). Jedenfalls ist also in der Natur die Ruhezeit der Wurzel sein- abgeküi'zt, da in ihr das Dickenwachsthum zu derselben Zeit oder doch nur wenig später beginnt wie im Stamme. Vermuthlich ist dieses Verhalten, wenigstens theilweise, durch die geringere Senkung der Temperatur im Boden bedingt, und viefleicht ist es besonders günstigen Aussenbedingungen zu verdanken, dass in einzelnen Fällen in der Wurzel ein vöUiger StiUstand des Wachsthums nicht festgestellt werden konnte. Eine ähnliche Rhythmik gilt auch für das Längenwachsthum und die Produclion der Seitenwurzeln; Thätigkeiten, die gewöhnlich am lebhaftesten 1) Nach Volkens (Gartenflora 1896, p. 2) scheinen die Knoflen gewisser Kartoffel- sorten der Ruhe nicht zu bedürfen. Ueber die ungleiche Ruhezeit der Kartoffel vgl. auch de Vries, Landwirth. Jahrbücher 1878, Bd. 7, p. 244. [B. Schmid, Ber. d. bot. Ges. 1901, p. 67.] 2j Vgl. Krasan, Beiträge z. Kenntniss d. Wachsthums d. Pflanzen 1873 (Sep. a. Sitzungsb. d. Wien. Akad. Bd. 77, Abth. I . 3) Duhamel, Naturgesch. der Bäume 1765, Bd. 2, p. 209; Mustel, Traitö d. 1. Vegetation 1781, Bd. 2, p. 326; Göppert, Wärmeentwickelung 1830, p. 220. 4) H. v. Mehl, Bot. Ztg. 1846, p. 314; 1862, p. 313 u. die II, § 4 citirte Literatur Ferner Resa, Ueber die Periode d. Wurzelbildung. 1877, p. 36; Wieler, Cohn's Bei- träge z. Biologie 1893, Bd. 6. p. 101 ; 0. G. Peter sen . Botan. Centralbl. 1898, Bd. 7ö, p. 272. [J. Hämmerle, Fünfstück's Beitr. z. wiss. Bot. 1901. Bd. 4. p. 149.] § 59. Die jährliche Periodicität. 263 im Frühjahr aufgenommen werden, aber öfters ein secundäres Maximum im Herbst aufzuweisen haben. Da dieses seeundäre Maximum von Resa (1. c.) und Petersen (1. c.) beobaclitet, von Wieler (1. c. p. 102) aber vermisst wurde, so tritt es vielleicht, ebenso wie der Augusttrieb, nicht in jedem Jahre ein. Weil aber die bisherigen Studien sich nur auf den natürlichen Verlauf der Wurzel- periodicität beziehen, bei der nicht nur die directe Beeinflussung der Wurzel durch die Aussenbedingungen, sondern auch die variable Wechselwirkung mit den oberirdischen Organen eine Rolle spielt, so ist das Zustandekommen eines abweichenden Resultates sehr wohl verständlich. Zudem ist zu bedenken, dass die verschiedenartigen Wurzeln einer Zwiebel, eines Rhizoms etc. wenigstens zum Theil einen anderen Rhythmus befolgen i). Samen, Sporen ii. s. w. Auch die Fortpflanzungsorgane der höheren und niedei'en Pflanzen bieten in Bezug auf die Ruhezeit weitgehende Verschiedenheiten. Während die Samen vieler Pflanzen sogleich keimfähig sind, tritt diese Keim- befähigung in dem Samen anderer Pflanzen erst nach einer Ruhezeit von einigen '\^'ochen oder IMonaten oder von mehr als einem Jahre ein. Das ist auch dann der Fall, wenn die Samen nicht trocken aufbewahrt werden, sondern sich dauernd in günstigen Keimbedingungen befinden. So beginnt in dem Samen der Trapa natans und wohl der meisten Wasserpflanzen, die nach der Reife auf den Grund der Gewässer sinken, die Weiterentwickelung im nächsten Frühjahr. Ferner keimen nach Wiesner^] die Samen von Viscum, nach Kienitz^] die Samen der Weisstanne, Buche, Hainbuche, Esche, Zirbe erst im nächsten Jahre, und nur ver- einzelt sah dieser Forscher einen Samen der Zirbe schon im ersten Jahre keimen. Ueberhaupt machen sich öfters individuelle DifTcrenzen geltend. So gelangen z. B. in einer Aussaat der Samen von Cuscuta, Euphorbia cyparissias und exigua eine Anzahl von Samen sehr bald, andere erst in den folgenden Jahren zur Keimung (bei Euphorbia exigua im Laufe von 9 Jahren) ^j. Nur zum Theil fällt eine solche Keimverzögerung auf die erschwerte Permeabi- lität der Samenschale^), denn bei denjenigen Samen, die trotz der völligen Auf- quellung nicht sogleich keimen, ist die Ursache der Verzögerung in der inhärenten Ruhezeit zu suchen. Während dieser Ruhephase in der Entwickelungsperiode kann, ebenso wie bei vegetativen Organen, das Wachsthum still stehen oder lang- sam fortschreiten, wie das bei Eranthis hiemalis, Ranunculus ficai'ia und anderen Samen der Fall ist, die zur Zeit der Samenreife einen kleinen Embryo besitzen, der sich auf Kosten des Endosperms allmählich vergrössert''). Augenscheinlich kann aber die autonome Ruhezeit in Folge der vorausgegangenen Culturbedingungen verschie- den ausfallen. Uebrisens ist auch noch nicht genügend aufgeklärt, unter welchen V' Vgl. B. Rimbach, Bericht d. Bot. Gesellsch. i899, p. 30; Goebel, Organo- graphie 1900, H, p. 490. 2) Wiesner, Bericht d. Bot. Gesellsch. 1897, p. 514. 3) Kienitz, Bot. Centralbl. 1880, p. 52. 4) Winkler, Ber. d. bot. Gesellsch. 1883, p. 452; Botan. Centralbl. 1889, Bd. 38, p. 830; Wiesner, Biologie der Pflanzen 1890, p. 41. Ferner Angaben bei Nobbe, Samenkunde 1876, p. 352; Detmer, Physiol. d. Keimungsprocesses 1880, p. 325; de Candolle, Pflanzenphysiologie 18.^3, Bd. 2, p. 302, 306. — Ueber das Keimen unreifer Samen siehe Nobbe, 1. c. p. 339; Wiesner, 1. c. p. 40; J. C. Arthur, Americ. Natu- ralist 1895, p. 804; Kinzel, Versuchsstat. 1900, Bd. 5), p. 425 u. die an diesen Stellen citirte Literatur. 5) Vgl. Wiesner, 1. c. p. 41 u. s. w. 6j Vgl. G. Haberlandt, Die Schutzvorrichtungen der Keimpflanze 1877, p. 50; Goebel, I. c. p. 454. 264 Kap. IX. Rhythmik der Vegetalionsprocesse. Umständen die tief in der Erde liegenden Samen gewisser Pflanzen lange Zeit (bis zu 30 Jahren) ruhen und ihre Lebensfähigkeit bewahren, so dass sie beim Aufgraben des Bodens keimen ^). Bei Pilzen 2) und Mgen^) sind die zur schnellen Vermehrung bestimmten Fortpflanzungsorgane (Conidien, Sporangiumsporen, Schwärmsporen u. s. w.) sehr gewöhnlich zu sofortiger Weiterentwickelung befähigt, jedoch werden von dem- selben Organismus öfters andere Fortpflanzungsmittel (Zygoten , Dauersporen, Sclerotien etc.) gebildet, die erst nach einer gewissen Ruhezeit keimen. Da aber diese Ruhezeit, vielleicht in noch höherem Grade als bei Blüthenpflanzen, ein- mal nach den Entwickelungsbedingungen verschieden ausfällt und ferner durch besondere Einflüsse verkürzt werden kann (vgl. II, § 60), so ist es begreiflich, dass die verschiedenen Forscher öfters zu einem verschiedenen Resultate kamen. So giebt z. B. de Bary (1. c.) für die i*eifen Oosporen von Saprolegnia eine Ruhezeit von 45 — I 45 Tagen an, während Klebs (1. c.) bei günstiger Temperatur schon nach 8 — 10 Tagen die Keimung beobachtete. Ferner fand z. B. E. Gh. Hansen (1. c), dass che Sclerotien von Coprinus stercorarius und niveus zum Theil sogleich, zum Theil erst nach einer 2 — 3jährigen Ruhe entwickelungsfähig waren. Trockenperiode und Lichtperiode. Ausser durch die Temperatur wird ins- besondere durch die Wiederkehr einer trockenen Jahreszeit eine jährliche Pe- riodicität veranlasst. In dieser tritt auch in einem tropischen Klima in gewissen Pflanzen eine Entlaubung und eine Ruheperiode ein, die vermuthlich ebenfalls theil- weise nur durch die hemmende Wirkung des Wassermangels, theihveise durch die gleichzeitige Regulation einer autogenen Periodicität zu Stande kommt-*). — Ausserdem ist auch die mit der Tageslänge veränderliche Zeit des Lichtgenusses von Bedeutung. Durch diese Variable wird vermuthlich im Mittelmeer und wohl auch in der Nordsee der jährliche Vegetationsrhythmus der in Wasser lebenden Algen regulirt. In diesen scheint indess eine völlige Ruhezeit nicht einzutreten, jedoch pflegen viele Algen im Sommer mehr vegetativ, im Winter mehr repro- ducliv thätig zu sein^). § 60. Die Beeinflussung der Jahresperiode durch die Aussenbedingungen. Wie früher (II, § 2, 3) erörtert wurde, vermag die Pflanze bei vollster Thätig- keit in selbstregulatorischer Weise das Wachsthum des Ganzen oder einzelner Organe zeitweilig herabzusetzen. Ausser der Wachsthumsthätigkeit scheinen aber in der autogenen Winterruhe, wie es zweckmässig ist, auch die übrigen Functionen eingeengt zu werden. Denn nach den allerdings unzureichenden 1) Peter, Nachricht, d. Göttinger Gesellschaft d. Wissenschaft 1894, p. 373 und die hier citirte Lit. — Fr. Müller, Biol. Centralbl. 1886, Bd. 6, p. 313 (Rhizome). 2) Literatur De Bary, Vergl. Morphol. u. Biolog. der Pilze etc. 1884, p. 356, 370; E. Gh. Hansen, Bot. Ztg. 1897, p. 121 ; J. Eriksson, Gentralbl. f. Bacteriolog. IL Abth., 1898, Bd. 4, p. 431 ; Klebs, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 33, p. 371. 3) Gohn, Annal. d. scienc. naturell. 1836, IV. ser., Bd. 5, p. 191; Falkenberg in Schenk's Handbuch 1882, Bd. 2, p. 237; Götz, Flora 1897, p. 99. 4) Vgl. Schimper, Pflanzengeographie 1898, p. 286, 370, Vgl. auch J. Hu her, Bot. Centralbl. 1898, Bd. 76, p. 239. 3) Lit. G. Berthold, Mittheil. a. d. Zool. Station zu Neapel 1882, Bd. III, p. 129; Oltmanns, Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 23, p 413; Kuckuck, Ber. d. Bot. Gesellsch. 1897, p. 446; Schimper, 1. c. p. 446. § 60. Die Beeinflussung der Jahresperiode durch die Aussenbedingungen. 265 Untersuchungen werden sogar (unter gleichen Aussenbedingungen) die Ath- mungs-^) und Stoffwechselthätigkeit verlangsamt, die aber nie völlig zum Still- stand kommen, so lange sich die Pflanze unter Bedingungen befindet, die eine Entfaltung der Lebensthätigkeit gestatten (I, p. 575). Da aber die lebensthätige Pflanze reactionsfähig ist, so werden auch während der autogenen Ruheperiode durch Verletzung eine Steigerung der Athmung, sowie Callus- und Korkbildung, also diejenigen Reactionen hervorgerufen, die auf Ueberwindung und Heilung einer Wunde berechnet sind (II, §38)2). Jedoch scheinen diese Schutz- reactionen während der autogenen Ruhezeit langsamer von statten zu gehen, als bei der in voller Thätigkeit befindlichen Pflanze. Auch werden an einem während der Ruheperiode angefertigten Steckling zumeist schwieriger und lang- samer Wurzeln gebildet, und die Knospen kommen öfters gar nicht zur Ent- wickelung. Uebrigens sind die vorhin erwähnten Wundreactionen transito- rische Reactionen, durch welche die Winterruhe der Regel nach nicht aufge- hoben wird. Die Realisirung imd die Intensität der angestrebten Thätigkeiten sind in jeder Phase der grossen Periode, also auch in den autogenen Ruhezuständen von den Aussenbedingungen abhängig und dementsprechend werden z. B. in der Winterruhe durch die Herabsetzung der Temperatur und des Turgescenzzustandes die Athmung verlangsamt, die zeitliche Dauer der Ruhephase aber vergrössert. Ferner ist bekannt, dass durch besondere Bedingungen und Eingriffe der nor- male Verlauf der Ontogenese in mannigfacher Weise modificirt ward, dass z. B. der Ausfall bestimmter Entwickelungsabschnitte veranlasst wird, dass schlum- mernde Organe oder Fähigkeiten erweckt oder umgekehrt die Wachsthums- thätigkeit eines Organes zeitweise oder dauernd gehemmt werden (II, § 2, 3, 45, 46). Dass Analoges auch in der autogenen Ruhezeit vorkommt, ist also von vornherein zu erwarten und wird durch die Erfahrungen bestätigt. So haben wir gehört (II, p. 168, 196), dass das Entblättern im Frühjahr bei vielen Holzpflanzen eine zweite Belaubung durch die sofortige Fortentwickelung der- jenigen Anlagen veranlasst, die sich normalerweise zu Winterknospen entwickelt hätten. In diesem Falle werden also die langsame sommerliche Bildungsthätig- keit und die winterliche Ruhezeit übersprungen. Letztere fällt auch dann aus, wenn, wie es zuweilen zutrifft, ein Baum in Folge der besonderen (un- bekannten) Constellation der derzeitigen und vorausgegangenen Aussenbedin- gungen im Herbst zum zweiten Male blüht 3) , also wenn sich die zur Winterruhe bestimmten Knospen sogleich weiter entwickeln. Ferner wird bei verschiedenen Pflanzen durch Aetherisiren oder Ghloroformiren, durch den Temperaturwechsel oder durch das Austrocknen die Ruhezeit verkürzt. Vor- aussichtlich wird auch durch verschiedene andere Mittel eine solche Verkürzung i) H. Müller-Thurgau, Landwirth. Jahrbuch. 1885, Bd. U, p. 861; N. J. C. Müller, Beiträge z. wis.enschaftl. Botan. von Fünfstück 1898, II, p. 247. Vgl. ferner Bd. I, p. 529. 2) C. Rechinger, Verhandl. d. zool.-bot. Ges. in Wien 1893, p. 317; Jost, Bot. Ztg. 1893. p. 100; J. H. Wakker, Bot. Centralbl. 1887, Bd. 32, p. 239. 3) Literatur bei Möbius, Beitrcäge zur Lehre von der Fortpflanzung 1897, p. 105. Zuweilen wird an Steckhngen oder an den Stücken einer K^artoffelknolle ein frühzeitiges Austreiben durch Verletzen veranlasst. Vgl. z. B. Jost, Bot. Ztg. 1893, p. 101. 266 Kap. IX. Rhythmik der Vegetationsprocesse. herbeiführbar sein, die unter Umständen bis zur Ueberspringimg der Ruhe- phase geht, ohne dass desshalb die erblichen Eigenschaften der Pflanze (auch in Bezug auf die autogene Ruheperiode) verändert werden müssen. Nach W. Johannseni) lässt sich durch Aetherisiren oder Chloroformireu bei manchen Pflanzen (Syringa mlgaris, Prunus triloba) eine Verfrühung des Aus- treibens um 3 — 6 Wochen erzielen, während durch die gleiche Behandlung die Ruheperiode anderer Pflanzen weniger oder auch nicht merklich verkürzt wird. Durch ein transitorisches (12 — 4 8 stündiges) Aetherisiren wird also in der Pflanze gleichsam eine Revolution hervorgerufen, die sich auch in der Steigerung der Athmungs- und Stoffwechselthätigkeit kundgiebt (I, p. 575). Da eine solche Be- schleunigung der Athmung, sowie der Wachsthumsthätigkeit allgemeiner durch submaximale Dosen von Giften u. s.w. veranlasst wird (I, p. 575, II, p. 128), so wird vermuthlich auch eine gewisse Modification der Ruheperiode durch die Einwirkung verschiedener anderer Stoffe erreichbar sein. Der Reactionserfolg ist immer von dem jeweiligen Zustand der Pflanze ab- hängig. Es ist desshalb verständlich, dass das Aetherisiren kaum Erfolg hat, wenn es im Sommer oder zu Beginn des Herbstes, d. h. in denjenigen Phasen der grossen Periode vorgenommen wh'd, in welcher die Wachsthums- und Bil- dungsthätigkeit der Knospen verlangsamt ist, bezw. den minimalen Werth er- reicht (Johannsen, 1900, 1. c. p. 10) 2). Der positive Erfolg, der durch das Entblättern während der Bildungszeit der Knospen im Frühjahr erzielt wird, lehrt zugleich, dass, wie zu erwarten ist, die Curven der Reifung (der grossen Periode) und der Reactionsfähigkeit der Knospe nicht parallel laufen. Temperatur. Augenscheinlich wird bei verschiedenen Pflanzen durch den Aufenthalt in niedriger Temperatur eine gewisse Abkürzung der Ruheperiode vei'- anlasst. Schon Knight^) beobachtete, dass ein "Weinstock, der einige Zeit in der Kälte verweilt hatte, nach dem Einbringen in ein Gewächshaus früher im Winter aus- trieb, als Exemplare, die dauernd in dem Gewächshaus gestanden hatten. Ein gleiches Resultat wurde von mir mit Ampelopsis, Lycium, Syringa, von H. Müller- Tb urg au •*) mit KartoITelknollen erhalten. Durch ein solches Verhalten wird offen- bar in der Natur die Ruheperiode in einem verschiedenen Grade verkürzt. Bis dahin ist aber noch nicht ermittelt, ob der längere Aufenthalt in einer niedrigen Temperatur oder der öftere Temperaturwechsel einen besseren Erfolg hat und ob die stärkere Reizwirkung mit oder ohne Gefrieren zu Stande kommt. Thatsäch- lich tritt in der Kartoffel und in anderen Pflanzen auch schon über 0° eine ver- änderte Stoffwechselthätigkeit ein (I, p. 514). ■ — Möglicherweise wird aber bei anderen Pflanzen die Ruhepause gerade durch einen vorübergehenden Aufenthalt in höherer Temperatur abgekürzt 5), ■I) W. Johannsen, Bot. Centralbl. 1898, Bd. 68, p. 337; Das Aetherverfahren beim Frühtreiben 1900. 2; Vgl. auch Jost, Bot. Ztg. 1891, p. 605; Lutz, Beitr. z. wiss. Botanik von Fünf- stück, 1895, Bd. I, p. 78. 3) Th. A. Knight 1801. Uebers. in Treviranus, Beiträge zur Pflanzenphysiol. 1811, p. 112. 4) H. Müller-Thurgau, Landwirth. Jahrb. 1882, Bd. 11, p. 816; 18S5, Bd. 14, p. 903. — Nach J. Eriksson (Centralbl. f. Bacteriol. II. Abth., 1895, Bd. I, p. 537) wird durch die Kälte auch die Keimfähigkeit der Sporen gewisser Aecidiomyceten gefördert. 5) Vgl. Wiesner, Biolog. d. Pflanzen 1889. p. 4 7. § CO. Die Beeinflussung der Jahresperiode durch die Aussenbedingungen. 267 Wasserverlust. Durch das Austrocknen wird nach A, Braun i) die Fortent- wickelung der Ruhezustände von Chlaniidomonas, nach Kl eh s 2] die der Zygoten von Chlorogonium sehr befördert, und dasselbe ist nach Fr. Müller"^) bei den Samen von Eichhornia und Heteranthera der Fall. Ferner scheint ein transi- torisches Anwelken das Austreiben der Zwiebeln von Hyacinthus, Tulipa, der Knollen von Crocus u. s. w. zu beschleunigen. Im näheren ist aber noch nicht genügend ermittelt, in wie weit es zur Erzielung der maximalen Wirkung auf den Grad und auf die Dauer des Austrocknens ankommt*) und ob in bestimmten Fällen das Austrocknen für die Anregung der Wachsthumsthätigkeit unerlässlich ist, wie es A. Braun für Chlamidomonas, Fr. Müller für die genannten Samen angehen. Wie schon aus dem Vorstehenden zu ersehen ist, wird die Präcisirung der maassgebenden Factoren dadurch sehr erschwert, dass der physiologische Er- folg nicht nur von den augenblicklichen Aussenbedingungen, sondern auch von den vorausgegangenen Einflüssen, d. h. von dem durch diese geschaffenen Zustand (Stimmung) des Organismus abhängt. Die Induction kann zudem eine gewisse Zeit anhalten und unter Umständen sogar eine allmählich aus- klingende Nachwirkung in den folgenden Generationen hervorrufen. Etwas Derartiges ist für die Gerealien und für einige andere Pflanzen bekannt, die, wenn sie aus demselben Samenmaterial erzogen werden, die Entwickelung von der Keimung bis zur Fruchtreife unter dem Einfluss eines nordischen Kli- mas in einer geringeren Zahl von Tagen durchlaufen, als in einem südlichen Klima. Wird dann der Samen der im Norden accommodirten Pflanze in einer südlicheren (wärmeren) Gegend ausgesät, so wird die Entwickelung im ersten Jahre schneller vollendet, bei fortgesetzter Gultur nimmt aber die Pflanze im Verlauf von 2 — 4 Jahren die der neuen Heimath entsprechende verlängerte Entwickelungszeit an. Ebenso bedarf es einiger Zeit, bis sich die aus dem Süden nach dem Norden übertragene Pflanze dem verkürzten Rhythmus accommodirt^). Ist auch anzunehmen, dass analoge Verhältnisse vielfach obwalten, so muss doch die nähere Aufklärung der gesammten Frage weiteren kritischen Studien überlassen werden. Vielleicht liegt ein Fall von Nachwirkung in den Beobach- tungen Cieslar's^) vor, nach denen bei einem vergleichenden Versuch zunächst diejenigen Keimpflanzen der Fichte und Lärche langsamer wuchsen, welche aus Samen hervorgingen, die an einem kühleren Standort (im Norden oder im 1) A. Braun, Betracht, über die Erscheinung d. Verjüngung in der Natur 1850, p 2: Klebs, Unters, a. d. Botan. Institut zu Tübingen 1883. Bd. I, p. 340. Vgl. G. Schröder, ebenda 1886, Bd. II, p. 24. 3) Fr. Müller, Biolog. Centralbl. 1886, Bd. 6, p. 299. Vgl. auch Batalin, Bot. Centralbl. 1889, Bd. 28, p. 706. 4) Einige diesbezügUche Beobachtungen bei Schröder, 1. c. 3) Von Lit. nenne ich u. a. Linsser, Unters, ü. die period. Erscheinungen der Pflanzen, Mem. d. l'Acad. d. St. Petersbourg 1867, VII. s6r., Bd. 11 und 1869, VII. ser.. Bd.13; Schübler, Die Pflanzenwelt Norwegens 1873—73; Botan. Centralbl. 1886, Bd. 28, p. 203; Nobbe, Samenkunde 187G, p. 238; Wittmack, Landwirth. Jahrb. 1876, Bd. 5, p. 613; 1877, Bd. 6, p. 999; Schimper, Pflanzengeographie 1898, p. 33. 6) Cieslar, Botan. Jahresb. 1893, p. 32. 268 Kap. IX. Rhythmik der Vegetationsprocesse. Kienit: Hochgebirge) gereift waren. Andererseits sollen nach Kienitz^) unter gleichen Aussenbedingimgen die Samen der an einem kühleren Standort stehenden Indi- viduen einer Baumart schneller keimen. Uebrigens handelt es sich in allen diesen und ähnlichen Vorgängen um einen Specialfall der Accommodation und der Nachwirkung, die vielfach und unter verschiedenen Umständen zu Stande kommen. Es ist auch bereits der Accommodation an Temperatur und an andere klima- tische Factoren gedacht, durch die u. a. ein weiteres Hinausschieben des Temperaturminimums und Temperaturmaximums erreichbar ist (H, § 22, 56). Ebenso ist schon hervorgehoben, dass eine Nachwirkung des inducirten Zu- standes nach sehr verschiedenartigen Reactionen zu Stande kommt, aber nicht in jedem Falle eintreten muss (H, p. 245). Da die Pflanze je nach dem Entwickelungsstadium und der anderweitig in- ducirten Stimmung verschieden reagirt , da ferner bei difterenten Arten ein ähnlicher Erfolg durch verschiedene Bedingungen verursacht werden kann, so lassen sich aus den Beobachtungen im Freien die maassgebenden Bedingungen öfters selbst dann nicht befriedigend ableiten, wenn der Gang und der Wechsel der klimatischen Factoren in den Hauptzügen bekannt ist. So ist auch noch nicht entschieden, ob etwa die Abkürzung der Vegetationsperiode des Getreides im Norden durch die verlängerte Tagesbeleuchtung , durch andere Factoren oder durch einen bestimmten Verlauf und Wechsel der Bedingungen veranlasst wird. Eine Entscheidung liegt auch nicht für diejenigen Pflanzen vor, die, wie Gentiana campestris , Parnassia palustris , Calluna vulgaris u. a. in den Hochalpen ihren sommerlichen Entwickelungscyclus schneller durchlaufen und zeitiger blühen, als in den benachbarten tiefgelegenen Standorten 2). Wenn man auch in diesem Falle sagen kann, dass die hauptsächliche Ursache des diflferenten Verhaltens nicht in den wenig verschiedenen Beleuchtungsverhältnissen liegen kann, so ist doch nicht einmal aufgeklärt, ob die Bedingungen für die Abkürzung der Sommerperiode schon während der verlängerten Winterruhe vor- bereitet werden oder erst während der Entwickelung durch die Constellation der äusseren Factoren zu Stande kommen. Jedenfalls müssen diese Factoren immer ermittelt werden, wenn auch, wie es wenigstens zum Theil der Fall zu sein scheint, correlative Wirkungen eine Rolle spielen, indem z. B. die aitiogene Entwickelungshemmung der vegetativen Organe die Bildung der Fortpflanzungs- organe beschleunigt (II, p. 249). Innerhalb der aitiogenen oder der zeitlich regulirten autogenen Periodicität hängt die Ausgiebigkeit der Entwickelung wiederum von den Aussenbedingungen ab, und nicht selten werden erst durch einen bestimmt gerichteten Wechsel dei Aussenverhältnisse die Bedingungen für das optimale Gedeihen (das ökologische Optimum) hergestellt (II, p. 79, 92). So ist, um ein Beispiel anzuführen, aus 1) Kienitz, Botan. Unters, von N. J. C. Müller 1879, Bd. 2, p. 11. 2) Vgl. z.B. Sendtner, Flora 1831, p. 236. — Vermuthlich wird auch an solchen Pflanzen bei dem Versetzen in Tieflagen eine Nachwirkung eintreten. — Eine Ver- frühung (oder Verspätung) des Blühens kann aber auch ohne eine Abkürzung der Ent- wickelungszeit erzielt werden, wenn durch die entsprechende Verschiebung der klima- tischen Factoren die grosse Periode zeitlich verlegt wird (H, p. 261). Auf einer solchen Verschiebung dürfte es wenigstens in gewissen Fällen beruhen, dass Pflanzen mit auto- gener Winterruhe, die in diesem Jahre frühzeitig zum Blühen gebracht werden, im nächsten Jahre das Bestreben haben, sich frühzeitiger zu entwickeln (vgl. z. B. Bouche, Bot. Ztg. 1873, p. 613). §61. Das Zustandekommen der Jahresperiode. 269 den Erfahrungen über Frühtreiberei bekannt, dass die günstigsten Resultate er- zielt werden, wenn mit der fortschreitenden Entwickelung (so wie es auch in der Natur im Frühjahr der Fall ist) die Temperatur allmählich gesteigert wird^). Uebrigens müssen diejenigen Pflanzen, denen ein tief liegendes Temperaturmaxi- mum zukommt, im Sommer in einen Ruhezustand verfallen (II, p. 90). Ob dieser z. B. bei Ficaria (wie es wahrscheinlich ist) durch die Regulation einer autogenen Periodicität, bei Ulothrix zonata und Hydrurus aber nur durch die hemmende Wirkung der höheren Temperatur zu Stande kommt, ist noch nicht festgestellt. Temperatursummen. Bei richtiger und allseitiger Würdigung der Beziehungen zwischen der physiologischen Thätigkeit und den Aussenbedingungen ist es selbst- verständUch, dass sogar dann, wenn alle übrigen Factoren constant bleiben, das Verhältniss zwischen der Temperatur und der Entwickelungsthätigkeit des Or- ganismus nicht durch eine einfache Formel ausgedrückt werden kann. Das ist natürlich erst recht nicht möglich, wenn, wie es in der Natur immer der Fall ist, durch den gleichzeitigen Wechsel anderer Factoren die Thätigkeit und die Reactionsfähigkeit (Stimmung) des Organismus in mannigfacher und sehr ver- wickelter Weise modificirt werden. Desshalb kann auch zwischen der in irgend einer Weise aus den Thermometerangaben abgeleiteten Temperatursumme und der Entwickelungszeit einer Pflanze kein constantes Verhältniss bestehen. Ein solches wird natürlich annähernd dann herauskommen, wenn der Verlauf der klimatischen Factoren sich alljährlich in einem ähnlichen Rhythmus abspielt. Wird aber z. B. die Vegetationsthätigkeit ausnahmsweise durch eine lange Trocken- periode lahm gelegt, so muss auch die Temperatursumme anders ausfallen. Wie nicht anders zu erwarten, ergiebt sich denn auch bei Vergleich von Gegenden mit verschiedenartigem Klima für dieselbe Pflanze eine ungleiche Temperatur- summe. Auch folgt schon aus der Thatsache, dass bei uns die verschiedenen Pflanzenarten in den aufeinanderfolgenden Jahren nicht immer in derselben Reihen- folge aufblühen, dass die Temperatursumme eine variable Grösse ist. Da derzeit über diese Sachlage in wissenschaftlichen Kreisen kein Zweifel besteht, so kann ich hier einfach auf die einschlägige Literatur verweisen, in welcher auch der Werth und die wahre Bedeutung der phänologischen Beobachtungen gewürdigt ist 2]. § 61. Das Zustandekommen der Jahresperiode. Bei der Aufklärung der jährlichen Periodicität ist zunächst mit der auto- genen Ruhephase als mit einer gegebenen Eigenschaft zu rechnen. Damit ist aber die Frage offen gelassen, ob es sich um eine invariable, erbliche Oualität handelt, oder ob die (relative) Ruhezeit in der Curve der Entwickelungsperiode, z. B. durch continuirliche Cultur unter constanten Aussenbedingungen oder durch gewisse transitorische Einwirkungen gekürzt oder aufgehoben werden kann. Dass die hier in Frage kommende autogene Ruheperiode zu den Eigen- schaften zählt, welche eine gewisse Verschiebung zulassen, geht schon aus den 1) Vgl. Schimper, Pflanzengeographie 1898, p. 469; Kerner, Pflanzenleben -1887, I. Aufl., Bd. I, p. 525; M ü ller-Thurgau, Landwirth. Jahrb. -1885, Bd. 14, p. 903. 2) Siehe z.B. Drude, Handb. der Pflanzengeographie 1890, p. 39; Grisebach. Vegetation d. Erde 1872, Bd. I, p. 227 ; Koppen, Wärme u. Pflanzenwachsthum 1870. p. 54; Sachs, Jahrb. f. wiss. Bot. 1860, Bd. 2, p. 370. 270 Kap. IX. Rhythmik der Vegetationsprocesse. in II, § 59 u. 60 mitgetheilten Thatsachen hervor. Denn wir haben nicht nur gehurt, dass die Ruhezeit durcli die vorausgegangenen Einwirkungen gekürzt werden kann, sondern dass es auch Culturrassen giebt, in welchen die Ruhe (unter gleichen Aussenbedingungen) nicht so lange anhält, als bei den Stamm- eltern (II, p. 261). Nach Volkens (II, p. 262 Anm. 1) soll sogar in der Knolle der am Kilimandscharo gebauten Kartoffel die inhärente Ruhezeit geschwunden sein, und es ist wohl möglich, dass insbesondere bei dem näheren Studium der niederen Organismen analoge Verhältnisse aufgedeckt und erzielt werden. Nach den vorliegenden Erfahrungen kommt aber auch in unseren Holz- pflanzen bei fortgesetzter Cultur in einem möglichst gleichmässigen Klima mit der Zeit eine gewisse Verschiebung und eine partielle Aufhebung der autogenen Ruhephase zu Stande. Denn in dem stets feuchten und kühlen Klima des Hochgebirges in Westjava, in dem botanischen Garten zu Tjibodas, sind Quer- cus pedunculata, Pyrus malus und communis, Liriodendron tulipifera, Amygdalus communis und verschiedene andere laubabwerfende Räume der temperirten Zone dadurch immergrün geworden, dass die Knospen nicht gleichzeitig, sondern zu verschiedenen Zeiten austreiben, so dass dasselbe Individuum zu gleicher Zeit frühjährliche, sommerliche, herbstliche und winterliche Sprosse trägt i). Wenn nun auch die grosse Periode der einzelnen Knospe die übliche Rhythmik ein- hält, so ist doch die generelle und simultane Ruhezeit der Wachsthumsthätig- keit aufgegeben, die diese Bäume in ihrer Heimath einhielten und die sie in Tjibodas erst im Laufe der Jahre verloren. Da aber das Wurzelsystem bei continuirlicher Wachsthums- und Functionsthätigkeit in dem Sprosssystem wäh- rend des ganzen Jahres in ähnlicher Weise in Anspruch genommen ist, so wird vermuthlich in dem Wurzelsystem (das auch bei uns nur kurze Zeit das Wachs- thum einstellt II, p. 262) eine bestimmte jährliche Wachsthumsperiodicität nicht mehr eingehalten werden. Eine endgiltige Entscheidung müssen empirische Unter- suchungen bringen, die leider auch noch nicht in Bezug auf die Periodicität des Dickenwachsthums im Stamme angestellt sind. Weil dieses aber in imserem Klima in inniger Gorrelation und Abhängigkeit zur Bildung und zur Entwicke- lung des Sprosssystems steht (II, § 45), so ist mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass in den immergrün gewordenen und in jeder Jahreszeit spros- senden Holzgewächsen, wenigstens in dem Hauptstamm, eine bestimmte jähr- liche Periodicität des Dickenwachsthums aufgehört hat. In analoger Weise dürfte wohl auch erzielt sein, dass die Rebe bei Cu- mana (Venezuela) 2) und bei Chartum (Centralafrika) '^) das ganze Jahr Blüthen und Früchte trägt, dass die Kirsche auf Ceylon ■*) zu einem immergrünen Baume 1) W. Schimi^er, Pflanzengeographie 1898, p. 266. 2) Nach A. V. Humboldt citirt bei de Candolle, Geograph, botanique 1855, Bd. I, p. 392. 3) Nach Harnier vgl. Linsser, Ueber d. period. Lebenserscheinungen 2. Abtb., p. 81 ; Askenasy, Bot. Ztg. 1877, p. 841. 4) De Candolle, 1. c. p. 391. Dass auf Java Pfirsich und Erdbeere das ganze Jahr blühend und fruchtend gefunden werden, berichtet schon Junghuhn (cit. bei Linsser, 1. c). — Ueber das Verhalten der Erdbeere und einiger anderer Pflanzen in Brasilien vgl. Fr. Müller, Botan. Jahrb. f. Systemat. u. Pflanzengeographie 1882, Bd. 2, p. 394. Dass in Ceylon der immergrün gewordene Kirschbaum, in Britisch Guiana die §61. Das Zustandekommen der Jahresperiode. 271 wurde. Uebrigens ist noch in keinem Falle untersucht, ob bei der Aufhebung eines generellen und simultanen Wachsthumsstillstandes die Ruhezeit in der Entwickelungsperiode der einzelnen Knospe dieselbe bleibt oder verkürzt wird. Unmöglich ist es wenigstens nicht, dass bei bestimmten Pflanzen nicht nur die Ruhezeit ausfällt, sondern sogar die Bildung der Knospenschuppen unterbleibt, also eine Abkürzung der Rhythmik eingetreten ist, die durch bestimmte Ein- griffe (correlative Wirkung des Entblätterns) künstlich verursacht werden kann (II, p. 168, 196). Während die Erfahrungen auf Java u. s. w. zeigen, dass in einem genügend gleichförmigen Klima die generelle und simultane Ruhezeit aufhören kann, lehrt das Fortbestehen dieser in Madeira, dass ein jährlicher Rhythmus der Tempe- raturcurve selbst dann zur Erzielung der nüthigen Regulation ausreicht, wenn die Temperatur im kühlsten Monat kein Hinderniss für die Realisirung des angestrebten Wachsthums ist {II, p. 260). Dasselbe geht aus den Beobachtungen K. Reiche's 1) im subtropischen Klima Chiles hervor, ausweichen, ebenso wie aus den Erfahrungen auf Madeira, ersichtlich ist, dass die Regulation bei manchen Pflanzenarten leichter gelingt, als bei anderen. Denn nur so ist es zu ver- stehen, dass in diesen Ländern der Pfirsich 2) fast zu einem immergrünen Baume geworden ist, während Eiche, Buche, Apfel u. s. w., wie schon früher (II, p. 261) erwähnt, eine lange Ruheperiode durchmachen. Ist in diesem Falle die Regu- lation wesentlich durch die jährliche Rhythmik der Wärmeverhältnisse verur- sacht, so wird vermuthlich eine analoge Regulation durch die Rhythmik an- derer Factoren, in einem genügend constant temperirten Klima, also z. B. durcJi die Trockenperiode, veranlasst werden können 3),- Trotz der noch lückenhaften Kenntnisse lässt sich aus den Gesammterfah- rungen entnehmen, dass die autogene Jahresperiodicität der in einem tempe- rirten Klima cultivirten Pflanze aus dem Zusammengreifen der erblichen Rhythmik und der Nachwirkungen resultirt, die durch die periodische Wieder- holung der aitiogenen Reactionen veranlasst werden*). Auf diesen Reactionen und ihren Nachwirkungen beruhen, wenigstens in concreten Fällen, das Zu- standekommen der simultanen Ruhe und wahrscheinlich auch die jährliche Rhythmik des Dickenwachsthums und des Wurzelwachsthums. Dagegen kommt den Knospen eine inhärente (erbliche) Rhythmik zu, die aber vielleicht durch meisten der dort cultivirten europäischen Obstbäume keine Früchte tragen (R. Schom- burgk, Reisen in Britisch Guiana 1847, Bd. I, p. 4ö), ist wohl hauptsächlich eine Folge der zu hohen Temperatur (vgl. II, p. 92, 249). Natürlich kann auch eine Pflanze durch verlängerte Lebensdauer der Blätter immergrün werden, ohne dass die jährliche Ruhe- zeit aufgehoben ist. Vgl. u. a. G. Kraus, Bot. Centralbl. 1882, Bd. 9, p. 7,n. 1) K. Reiche, Jahrb. f. wiss. Bot. 1896, Bd. 30, p. 98. 2) Nach Härtung (vgl. Askenasy, Bot. Ztg. 1877, p. 834) blühen in Madeira die Pfirsichbäume zum Theil schon im November. 3) Vgl. Schimper, 1. c. p. 267. 4) Somit hat weder Grisebach (Die Vegetation d. Erde 1872, Bd. I, p. 273, 279) recht, der in der Jahresperiodicität einen rein erblichen Vorgang sieht, noch Aske- nasy (Bot. Ztg. 1877, p. 840), der die Jahresperiode nur durch die Aussenverhältnisse zu Stande kommen lässt. Vgl. Pfeffer, Periodische Bewegungen 1875, p. 42 An- merkung. 272 Kap. IX. Rhythmik der Vegetationsprocesse. Combination mit der Nachwirkung der aitiogenen Regulation zeitlich verlängert (oder verkürzt) wird. Die Existenz der Nachwirkungen folgt daraus, dass ein Baum nach dem Versetzen aus der temperirten Zone in das gleichmässige Klima Javas erst im Verlauf der Jahre immergrün wird, also nur allmählich die zuvor inducirte und nachwirkende (simultane) Rhythmik aufgiebt^). Wird dann der Baum in die temperirte Zone zurückversetzt, so wird voraussichtlich die alte Rhythmik nur allmählich in ihrem vollen Umfange (also incl. der Nachwirkung) wüeder her- gestellt. Uebrigens kommt die Nachwirkung auch darin zum Ausdruck, dass ein Baum nach der Verpflanzung aus der südlichen in die nördliche Hemisphäre den bisherigen Verlauf der Jahresperiodicität beizubehalten sucht, sich also mit einem gewissen Widerstreben an die Verschiebung von Winter und Sommer accommodirt (II, p. 261). Wenn somit die durch den Wechsel der Aussenbedingungen erzielten Reactionen und die von diesen abhängigen Nachwirkungen einen mehr oder minder hervorragenden Antheil an dem Zustandekommen der jährlichen Perio- dicität haben, so ist andererseits der Ursprung derjenigen Rhythmik, die sich unter constanten Aussenbedingungen dauernd erhält, ebenso unbekannt, wie der Ursprung eines anderen Abschnittes der specifischen (erblichen) Entwickelungs- periode. Mag man zunächst geneigt sein, die Entstehung dieser Ruhezeit auf eine erbliche Fixirung der Wachsthumshemmung zurückzuführen, die seit un- denklichen Zeiten in jedem Winter durch die Aussenverhältnisse bewirkt wurde, so sprechen doch andere Erwägungen gegen eine solche Auffassung. Denn ein- mal sind, trotz der stetigen Wiederholung der Reaction, selbst diejenigen rhyth- mischen Vorgänge nicht erblich fixirt, die mit einer Nachwirkung ausklingen 2), und weiter ist vielen Pflanzen der gemässigten Zone keine autogene Winterruhe beigebracht worden. Ferner führen viele Pflanzen eines gleichmässigen Klimas eine ähnliche Jahresrhythmik aus, wie es Eiche, Birne und andere Pflanzen thun, nachdem sie in Java immergrün geworden sind. Neben diesen immer- grünen, also zu jeder Zeit treibenden Gewächsen giebt es aber in Java u. s. w. auch solche, die zeitweise die Gesammtheit ihrer Blätter abwerfen und sich nach einiger Zeit von neuem belauben 3). Da dieser Blattwechsel von den neben einander stehenden Individuen zu verschiedener Zeit ausgeführt wird, so ist damit erwiesen, dass diese Rhythmik nicht durch den Wechsel der Aussen- bedingungen, sondern durch das selbstregulatorische Walten veranlasst wird, durch das in diesem Falle (im Gegensatz zu einer Holzpflanze, deren Zweige sich ungleichzeitig belauben) ein einheitliches Verhalten aller Zweige und Knospen eines Baumes erzielt wird. Innere Ursachen. — In allen Fällen, in welchen im Verlauf der Ent- wickelungsperiode zeitweise eine Hemmung oder Förderung der Wachsthums- thätigkeit eintritt, ist natürlich nach den Mitteln und Wegen zu fragen, mit deren Hilfe und Ausnutzung die selbstregulatorisch arbeitende Pflanze ihr Ziel erreicht. Leider ist eine klare Einsicht weder in Bezug auf die jährliche Periodicität, noch in Bezug auf anderweitige relative Ruhephasen gewonnen, 1) W. Schimper, Pflanzengeographie 1898, p. 266. 2) lieber das analoge Verhalten der Jahresperiode vgl. II, § 58. 3) W. Schimper, 1. c. p. 264. § 61. Das Zustandekommen der Jahresperiode. 273 die sich im Verlaufe der Ontogenese einstellen. Aus den allgemeinen Erörte- rungen über dieses Thema (II, § 46, 52, 53), auf die hier zu verweisen ist, geht indess hervor, dass die Pflanze auch in diesem Falle mit verschiedenen Mitteln und Combinationen arbeitet. Wie früher (1. c. p. 223) hervorgehoben ist, spielen aber offenbar chemische Einflüsse eine grosse Rolle. Es ist also anzunehmen, dass auch in der autogenen Jahresperiodicität die Bildung und die Beseitigung von Stoffwechselproducten zur Regulation der Wachsthumsbefähigung nutzbar gemacht wird, und dass überhaupt durch die Stoffwechselthätigkeit in verschie- dener Weise, direct oder indirect, die Hemmung des Wachsthums, sowie die Aufhebung der Hemmung, d. h. die Förderung des Wachsthums veranlasst wird. Thatsächlich ist ohne Stoffwechselthätigkeit keine vitale Thätigkeit, also auch keine Selbstregulation und keine Veränderung der Constellationen möglich. Wie früher (II, Kap. VI und VII) gezeigt ist, kann die Wachsthumsfähigkeit der Zelle und der Organe sowohl durch äussere, als durch innere Reize modi- fieirt und somit auch derartig herabgesetzt werden, dass das Wachsthum zeit- weise oder dauernd verlangsamt ist oder still steht, obgleich die besten Er- nährungsbedingungen vorhanden sind. Durch eine derartige interne (selbstregu- latorische) Modification der Wachsthumsfähigkeit, nicht aber durch den Mangel an geeigneter Nahrung, wird auch der Verlauf der autogenen jährlichen Wachs- thumsperiodicität und der Eintritt der Ruhephase in dieser regulirt. Denn dass den ruhenden Zellen eine genügende Menge von Nahrung zur Verfügung steht, ergeben nicht nur der Augenschein, sondern auch die Wundreactionen , die zeigen, dass eine von der Zelle angestrebte intensive Athmungs- und Wachsthums- thätigkeit (Callusbildung etc.) ausführbar sind (II, p. 265). Ferner lehren die- jenigen Reactionen, die in vielen Pflanzen bei Erwäi*mung und Abkühlung eintreten, dass während der ganzen Ruhezeit in Knospen, Zweigen, Rhizomen u. s. w. die Fähigkeit vorhanden ist, aus Stärke Zucker zu bilden und aus diesem die Stärke zu regeneriren (I, p. .514, 619). Es ist also eine Verkennung der Sachlage, wenn H. Müller-Thurgau') und Sachs^) annehmen, die Winterruhe werde nicht durch die Modification der Wachsthumsbefähigung, sondern direct durch den Mangel an ver- wendbarer Nahrung (also durch einen Hungerzustand, nicht durch eine Reizwirkung der Nahrung) bewirkt (vgl. II, p. 202). Denn auf das kommt es hinaus, wenn Sachs die Aufhebung der Winterruhe durch die allmähliche Production von Enzymen und die durch diese bewirkte Schaffung von verwendbarer Nahrung zu Stande kommen lässt und wenn nach Müller-Thurgau das Erwachen der ruhenden Kartoffelknolle durch die Entstehung von Zucker verursacht sein soll. Bei der un- trennbaren Verkettung von Wachsthum und Stoffwechsel (I, §1; II, § i) ist naturgemäss mit der Wiederaufnahme der Wachsthumsthätigkeit, gleichviel wie diese veranlasst wird, eine Steigerung der Stoffwechselthätigkeit zu erwarten. Durch die Steigerung der Stoffwechselthätigkeit wnrd aber, wie die erwähnten Wundreactionen lehren, nicht nothwendig die Aufhebung der Wachsthumsruhe bewirkt. In wie weit etwa in der Regulation der Jahresperiode die Reizwirkung durch Nährstoffe oder besondere Stoffe eine Rolle spielt, ist zur Zeit nicht zu sagen. Jahresringe. Ebensowenig wie die Ursachen, durch welche selbstregu- latorisch Hemmung und Beschleunigung erzielt werden, sind uns die Mittel 1) H. Müller-Thurgau, Landwirthsch. Jahrbuch. 1885, Bd. 14. p. 881. 2) J. Sachs, Vorlesung, über Pflanzenphysiolog. 1887, II. Aufl., p. 347. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 18 274 Kap. IX. Rhythmik der Vegetationsprocesse. bekannt, durch welche die formative Thätigkeit und der Wechsel dieser im Verlauf der Ontogenese regulirt werden (II, Kap. YII). Zu diesen formativen Vorgängen zählt auch die anatomische Differencirung und somit als ein Specialfall die Verände- rung der anatomischen Ausgestaltung, die sich alljährlich während des Verlaufes des Dickenwachsthums in dem Jahresringe des Stammes u. s. w. vollzieht und durch welche die bekannte anatomische Verschiedenheit von Früh-, Folge- und Spätholz geschaffen wird^). Diese Veränderung der Bildungsthätigkeit innerhalb des Jahreszuwachses steht, wie auch die Periodicität des Dickenwachsthums (II, p. 270], in innigster Beziehung und Abhängigkeit zu der Gesammtthätigkeit, also zu der Modification der Wachslhums- und Bildungsthätigkeit und der übrigen Functionen im Verlaufe der Entwickelungsperiode. Das folgt schon aus der wiederholt berührten cor- relativen Verkettung, und wird ferner anschaulich dadurch demonstrirt, dass die Bildung des Frühholzes nochmals beginnt, dass also mehr oder weniger deutlich ein zweiter Jahresring entsteht, wenn durch das Entblättern eines Baumes im Frühjahr neue Bedingungen geschaffen werden und eine nochmalige Belaubung veranlasst wird (vgl. II, p. 196)2). Somit wird die sich jährlich wieder- holende Aenderung im Bau des Jahresringes wesentlich durch die correlativen (funclionellen) Wechselwirkungen, also durch einen Complex von Factoren regu- lirt, den wir zur Zeit nicht exact zu zergliedern vermögen. Ohnehin ist eine befriedigende Lüsung des Problems erst dann zu erhoffen, wenn die Ursachen aufgeklärt sind, durch welche in der Pflanze die specifische Gewebedifferencirung, und also auch veranlasst wird, dass von den äquipotentiellen Meristemzellen, je nach der Lage und der Inanspruchnahme, die eine sich z. B. zu einer Holzfaser entwickelt, die andere zur Bildung einer Trachee verwandt wird (II, Kap. Vlir. Auf Grund dieser Erwägungen lässt sich also voraussagen, dass keine der zahlreichen Theorien richtig sein kann, in welchen ein Erfolg, der sich als das Resultat verwickelter und veränderlicher Verhältnisse ergiebt, auf einen einzelnen Factor geschoben wird. Ich beschränke mich desshalb auf eine kurze Andeutung des Wesens dieser unzureichenden Theorien 3). Auch sei nur beiläufig erwähnt, dass bei der Interpretation der Experimente öfters vergessen wurde, dass ein formal ähnlicher Ei'folg auf verschiedene Weise zu Stande kommen kann, dass 1) Anatomisches bei deBary, Anatom. 1877, p. 490, 510; Haberlandt, Physiol. Anatom. II. Aufl., 1896, p. 513. 2) de Bary, 1. c. p. 529; Kny, Verhandig. d. bot. Vereins der Provinz Branden- burg 1879; Jost, Bot. Ztg. 1893, p. 115; M. Büsgen, Waldbäume 1897, p. 93. — Ge- wisse anatomische Differenzen in den Zuwachsschichten treten vielfach auch in tropi- schen Bäumen auf, wenn sich in der Entwickelungsperiode eine Ruhezeit oder eine Ver- änderung der Gesammtthätigkeit emstellt. — Eine Art von Jahresringbildung ist u. a. auch bei einigen in die Dicke wachsenden Rhodophyceen zu finden. Jönsson, Beiträge z. Kenntniss d. Dickenwachsthums der Rhodophyceen 1891, p. 31 (Sep. aus Lunds Univ. Arsskr. Bd. 27) u. die hier cit. Lit. 3) Die Literatur findet sich zusammengestellt bei Fr. Schwarz, Physiol. Unters, über Dickenwachsthum und Holzqualität von Pinus sylvestris 1899, p. 235; L. M ente- rn artini, Accrescimento delle plante 1897, p. 17 (Sep. aus Atti d'istituto botanico d. Pavia). — Auf Einzelheiten, wie z. B. auf die Excentricität der Jahresringe und die ver- schiedenen Ursachen, durch welche diese entsteht, gehe ich nicht ein. Vgl. z. B. Fr. Schwarz, 1. c. p. 161; R. Hartig, Centralbl. f. d. gesammte Forstwesen 1899, Heft 7. § 61. Das Zustandekommen der Jahresperiode. 275 also aus der Verkleinerung der Zellen bei Wassermangel, Nahrungsmangel, me- chanischem ^^'iderstand u. s. w. nicht zu entnehmen ist, durch wckhe Kombination von Factoren die Abnahme des Durchmessers der Spätzellen (Hcrbstholzzellen) im Baume verursacht wird. Die Ansicht von Sachs i) und de Vries^], nach der die Abnahme des ra- dialen Durchmessers der Herbstholzzellen rein mechanisch durch die allmähliche Steigerung des Rindendruckes bewirkt werden soll, wird dadurch hinfällig, dass, wie Krabbe 3) zeigte, die vorausgesetzte Steigerung des Rindendruckes nicht exi- stirt. Zudem müsste der reale Rindendruck sehr ansehnlich erhöht werden, wenn er eine nennenswerthe Hemmung des Dickenwachsthums erzielen soll (II, § 35, 18). Ferner ist die neuerdings von Fr. Schwarz*) vertretene Annahme nicht erwiesen, dass der Uebergang von der Frühholz- zu der Spätholzbildung vornehmlich durch Reizwirkungen veranlasst wird , die von dem Rindendruck und überhaupt von der mechanischen Inanspruchnahme ausgelöst werden. Da aber diese Factoren constant sind oder sich doch nicht in einem bestimmten Rhythmus ändern, so sieht sich ohnehin Fr. Schwarz veranlasst, andere Factoren mit in Betracht zu ziehen und die Hilfshypothese aufzustellen, dass sich in der Pflanze das Reac- tionsvermögen im Verlaufe der sommerlichen Vegetationszeit ändere. R. Hartig^), sowie A. Wieler^) sehen in dem Uebei'gang von Früh- zu Spätholz den Erfolg der veränderten Ernährungsverhältnisse. Nach Hartig kommt aber das Spätholz, nach Wieler gerade das Frühholz durch die bessere Er- nährung zu Stande. Beide Autoren zogen bereits auch den wechselnden Wasser- gehalt des Stammes (I, § 40) in Betracht, der nach Lutz^) die entscheidende Ursache für den Wechsel von Früh- und Spätholz sein soll. Ferner sucht Rus- sow^) die ansehnlichere Vergrösserung des Durchmessers der Frühholzzellen durch die Annahme einer höheren Turgorspannung zu erklären, die aber nach Wieler 9) im Frühjahr thatsächlich nicht höher ist als im Herbst. Auch für die Ansichten von G. Haberlandfi")^ Strasburger H), R. Hartig^^), die differente Ausgestaltung von Früh- und Spätholz werde durch die W^asserbe- wegung (den Transpirationsstrom) veranlasst und regulirt, sind keine beweisenden Argumente beigebracht. Offenbar kommt aber diesem Factor nur eine acces- sorische Bedeutung zu, da die Anlage und Differencirung der Gefässbündel durch die Wasserbewegung nicht verursacht, wohl aber durch die Inanspruchnahme ge- fordert wird (II, § 34). 1) J. Sachs, Lehrb. d. Botanik I. Aufl., 1868, p. 409. 2) H. de Vries, Flora 187-2, p. 241 ; 1875, p. 97; 1876, p. 2 ; De l'influence d. 1. pression s. 1. structure d. couches hgneuses 1876. 3) G. Krabbe, Sitzungsb. d. Berlin. Akadem. 1882, p. 1125; Wachsthum d. Ver- dickungsringes u. der jungen Holzzeflen 1884, p. 57, 69 (Sep. a. Abhandig. der Berliner Akadem.). 4) Fr. Schwarz, 1. c. p. 365. 5) R. Hartig, Unters, a. d. forstbotan. Institut zu München 1880, I, p. 148; Holz d. Nadelbäume 1885, p. 34, 103. 6) A. Wieler, Jahrb. f. wiss. Bot. 1887, Bd. 18, p. 129; Tharander Forstl. Jahrb. 1892, Bd. 42, p. 216; 1897, Bd. 47, p. 172. 7) K. G. Lutz, Beitr. z. wiss. Bot. von Fünfstück 1895, Bd. I, p. 80. Auf das Unzureichende dieser Erklärung wurde hingewiesen von Jost, Bot. Ztg. 1893, p. 118. 8) Russow, Sitzungsb. d. Dorpater naturforsch. Gesellschaft 1881, p. 41. 9) Wieler, Jahrb. f. wiss. Bot. 1887, Bd. 18, p. 80. 10) G. Haberlandt, Physiolog. Anatom. I. Aufl., 1884, p. 371 ; Ber. d. Bot. Ges. 1895, p. 337. 11) E. Strasburger, Bau u. Verrichtung d. Leitungsbahnen 1S91, p. 949. 12) R. Hartig. Forstl. naturw. Zeitschrift 1894, HI, p. 174. 18* 276 Kap. IX. Rhythmik der Vegetationsprocesse. § 62, Das Abstossen der Blätter und anderer Organe, Es gehurt zu den Aufgaben der Pflanze, im Verlaufe ihres Entwickelungs- ganges einzelne Theile im lebenden Zustand oder erst nach dem Absterben ab- zustossen. Im lebenden Zustand werden u. a. Samen, Sporen, überhaupt alle diejenigen Organe abgetrennt, die als Vermehrungsmittel oder zu Functionen dienen, die an das Leben gekettet sind ^). Das ist z. B. bei dem Blüthenstaub, den Samenfäden u. s. w. der Fall, und bei Vallisneria wird sogar zur Ermüg- lichung der Befruchtung die männliche Blüthe losgelöst und hierdurch das Auf- steigen nach der Oberfläche des Wassers verursacht. Aber auch Organe, die ihre Rolle im Dienste des Lebens ausgespielt haben, werden vielfach noch lebend oder vor dem völligen Absterben abgestossen. So ist es bei den Laubblättern vieler Holzpflanzen, gleichviel ob jene schon im ersten Jahre oder nach mehr- jähriger Dauer abfallen. Auch die Blumenblätter, die Staubfäden, die nicht befruchteten Blüthen sind nicht selten noch turgescent, wenn sie sich von der Mutterpflanze ablösen 2). Damit ein Organ, das anfangs fest mit der Mutterpflanze verbunden ist, sich späterhin an einer bestimmten Stelle trennt und durch das eigene Gewicht oder durch einen geringen äusseren Anstoss abfällt, muss nothwendigerweise die Pflanze selbstthätig die Bedingungen für die Separirung schaffen und vor- bereiten. So kommt es, dass ein junges Blatt, ein unreifer Apfel u. s. w. eine sehr ansehnliche Last tragen und dass der zum Abreissen hinreichende Zug in dem reifenden Apfel und in dem alternden Blatte allmählich abnimmt. Durch die Lockerung des Gewebeverbandes wird auch erreicht, dass sich Gewebespannungen endlich ausgleichen , dass also z. B. die Kapseln von hupatiens u. s. w. mit einer Schnellbewegung aufspringen (II, Kap. XII). Das geschieht indess nicht bei Tödtung der unreifen Frucht von Impatiens, und ebensowenig fallen die jugendlichen Blätter ab, wenn sie z. B. durch das schnelle V^elken und Austrocknen eines abgeschnittenen Zweiges getödtet werden. Aller- dings werden auch die Blätter u. s. w., die vor der physiologischen Vorbereitung des Abfallens absterben, allmählich durch Wind und andere mechanische Ein- griffe abgerissen. Auf diese Weise werden bekanntlich avich dürre Zweige entfernt , jedoch wird in bestimmten Fällen durch actives Abstossen von 1) Hierher gehört auch die Trennung der Zellen bei Bacterien und anderen Aso- matophyten. 2) Literatur: Mohl, Bot. Ztg. 1860, p. 1, 273; Hofmeister, AUgem. Morphol. 1868, p. 551 ; Wiesner, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 187?, Bd. 64, Abth. I, p. 465; Biologie 1889, p. 67; R. V. Höhnel, Ueber d. Ablösungsvorgang d. Zweige einiger Holzgewächse 1878 (Sep. a. Mitth. d. forsthch. Versuchswesen in Oesterreich) ; Bretfeld, Jahrb. f. wiss. Bot. 1880, Bd. 12, p. 133; C. Reiche, Jahrb. f. wiss. Bot. 1885, Bd. 16, p. 684 (Blüthen); H. Molisch, Sitzungsb. d. Wiener Akad. 1886, Bd. 96, I, p. 148; M. Dahmen, Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 23, p. 476 (Samen); M. Büsgen, Bau und Leben unserer Wald- bäume 1897, p. 19, 148; E. Fouilloy, Rev. general. d. Botan. 1899, Bd. 11, p. 304 (Blätter). — Ueber Laubwechsel bei Meeresalgen vgl. z.B. Schimper, Pflanzengeo- graphie 1898, p. 835 u. die dort citirte Lit. — Ueber Stoffwanderung in abfallenden Blättern vgl. Bd. I, p. 615. § 6ä. Das Abstossen der Blätter und anderer Organe. 277 Zweigen (oder Knospen) für Lichtung des Zweigsystems (für Reinigung des Baumes) gesorgt^). Die dürren Aeste, die nicht abfallenden Blätter vieler krautigen Pflanzen sind zugleich Beispiele dafür, dass nicht in allen Fällen ein Abstossen activ vorbereitet wird. Das geschieht z. B. auch nicht an dem fortwachsenden Rhi- zome, dessen ältere Theile absterben und durch Fäulniss und Verwesung zu Grunde gehen. Eine solche Zerstörung erfährt, wie an hohlen Bäumen zu ersehen ist, zu- weilen auch das Kernholz, das normalerweise zur Festigung des Baumes con- servirt wird. In diesen und anderen Fällen, in welchen abgestorbene Theile (z. B. die Tracheen) mechanische oder andere Functionen in Verbindung mit dem Lebendigen und im Dienste dieses zu vollbringen haben, ist natürlich eine active Abstossungsthätigkeit nicht zu erwarten (I, § \ ). Die partielle oder totale Trennung von Zellen wird, wie früher (II, § 13) kurz besprochen ist , im allgemeinen dadurch vorbereitet und ermöglicht, dass die Mittellamelle der Zellwand in lösliche oder quellende Producte ver- wandelt wird. Dieses Mittel wendet die Pflanze ebenfalls an, um das Abstossen von Blättern, Früchten, Conidien etc. zu erzielen. Das Wesen der Sache wird nicht davon berührt, dass die Vorbereitung und der Verlauf der Trennung zuweilen mit besonderen Operationen verknüpft sind. So tritt, wie seit Mo hl (1. c.) bekannt ist, bei Blättern und bei manchen Früchten in den ruhenden Zellen der prädestinirten Ablösungszone eine nochmalige Wachsthums- und Ver- mehrungsthätigkeit ein, durch welche die Zellen geschaffen werden, in denen sich die Trennung vollzieht. Nachdem diese in den lebendigen Zellen vollbracht war, fand Mohl (1. c. p. 5) die Gefässbündel des Blattstiels von Catalpa noch unzerrissen vor. Nach V^iesner (1. c. p. 505) scheint jedoch in gewissen Fällen durch die Wachsthumsenergie eine Zerreissung des Gefässbündels in der Tren- nungszone bewirkt zu werden 2). Dass eine derartige Zerreissung nicht allge- mein eintritt, beweisen schon die Blätter, die, wie diejenigen mancher Individuen der Buche, Eiche etc., nach dem Absterben und Austrocknen zunächst am Baume bleiben und erst allmählich durch den V^ind und andere mechanische Eingriffe abgerissen werden. Zu den mechanischen Effecten gehört auch das Ge- frieren (II, § 66 — 68), durch das bei Robinia, Aesculus, Fraxinus und anderen Pflanzen das Abstossen derart beschleunigt wird, dass nach der ersten Frost- nacht zuweilen die Gesammtheit der noch nicht abgestorbenen Blätter vom Baume f;Ult. Die Einleitung der zur Abtrennung führenden vitalen Operationen ist, wie schon Mohl richtig erkannte, nicht an die Bildung einer Korkschicht ge- kettet, die sich zuweilen schon vor, zumeist aber erst nach der Vollendung der Trennung einstellt-^). Dieses Verhalten bei der activen Trennung (dgl. bei Bacterien etc.) schliesst nicht aus, dass in anderen Fällen die Verkehrshemmung durch die Korkschicht benutzt wird, um bestimmte Gewebe und Organe zum Absterben zu bringen und dadurch das mechanische Abreissen und Absprengen vorzubereiten. -t) Büsgen, 1. c. p. ^9. 2) Ueber Zerreissungen durch Wachsthumsenergie vgl. II, p. 39. 3) Vgl. Mohl, Bretfeld, 1. c, L. Staby, Flora 1886, p. 113. — Ueber trauma- tische Reactionen siehe II, § 38. 278 Kap. IX. Rhythmik der Vegetationsprocesse. Das active Abstossen ist natürlich immer von den Aussenbedingungen abhängig und wird, wie schon Mo hl erkannte, vielfach durch ungewöhnliche Verhält- nisse und hianspruchnahme beschleunigt i). Eine solche Beschleunigung des Blattfalls wird z. B. durch unzureichende Beleuchtung 2], aber auch durch un- genügende Wasserversorgung und durch zu hohe Temperatur herbeigeführt. Nicht selten wird aber besonders durch den plötzlichen Wechsel der Aussen- bedingungen ein frühzeitiges Abwerfen der Blätter hervorgerufen, das aus nahe- liegenden Gründen zuerst die älteren Blätter trifft. So wird offenbar in erster Linie durch den Wechsel der Transpiration (d. h. durch veränderte Inanspruch- nahme) bewirkt, dass Coleus, Impatiens sultani, Goldfussia anisophj^lla und manche andere Pflanzen einen Theil der Blätter abwerfen, wenn sie aus einem feuchten Gewächshaus in die trockenere Luft eines Zimmers oder aus diesem in ein Gewächshaus gebracht werden ^j. Jedoch kann ein ähnlicher Erfolg auch durch den plötzlichen Wechsel der Temperatur, der Beleuchtung u. s. w. ver- ursacht werden. Ferner lehren die Erfahrungen an der Wurzel von Azolla, d^ss das Aljstossen durch sehr verschiedenartige Factoren hervorgerufen wird^). Dass es sich in diesen Fällen um eine Beizwirkung handelt, die durch den schnellen Uebergang ausgelöst wird, geht daraus hervor, dass das Abfallen unterbleibt, wenn durch einen allmählichen Uebergang den Pflanzen ermöglicht ist, sich den veränderten Verhältnissen zu accommodiren. Aus alledem ist zu ersehen, dass das Abstossen sowohl durch eine dauernde, als auch durch eine transitorische, ungewöhnliche Inanspruchnahme (functionelle Störung) veranlasst werden kann. Desshalb ist es verständlich, dass das Abfallen (und Absterben) von Blättern auch bei Entziehung der Kohlen- säure (II, p. il5), überhaupt bei Verhinderung der normalen functionellen Thätigkeit zu Stande kommt. Hierdurch wird in Verbindung mit den correla- tiven Beziehungen u. a. auch das Abfallen der unbefruchteten Blüthen, sowie der ihrer Lamina beraubten Blattstiele und, bei manchen Pflanzen, des Inter- nodiumstummels veranlasst (II, p. 203). Die Trennung kann also, wie auch aus der Berücksichtigung der Algen, Pilze, Bacterien hervorgeht, durch verschiedene äussere und innere Factoren und Constellationen veranlasst werden. Zur mechanischen Ausführung bedarf es aber keiner anderen Mittel als derjenigen, die in der Pflanze sehr häulig zur partiellen oder totalen Spaltung von Zellwänden benutzt werden (II, § 13; I, § 84). Freilich vermögen wir zur Zeit nicht zu sagen, ob und in wie weit das Ziel etwa durch die Wirkung von Enzymen, in Verbindung mit ander- weitigen Processen erreicht wird. Bei diesen Vorgängen mögen gelegentlich auch organische Säuren eine Rolle spielen, jedoch ist sicherlich die Vermuthung Wiesner's (I.e.) unzutreffend, nach welcher der herbstliche Blattfall einfach durch die Zunahme der organischen Säuren gegen Ende des Sommers bewirkt wird. 1) Vgl. Mohl, Wiesner, Molisch, 1. c. 2) Vöchting, Organbildung im Pflanzenreich 1878, p. 232; Molisch, 1. c. p. 161. — Vgl. Bd. I, p. 343. 3) AehnUch wirkt nach Schimper (Indomalayische Strandflora 1891, p. 22 auch das Begiessen mit Salzwasser. 4) Pfeffer, Unters, a. d. Botan. Institut z. Tübingen 1886, Bd. II, p. 213. § 63. Allgemeines über die Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. 279 Kapitel X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. Abschnitt I. § 63. Allgemeines. Das individuelle Leben ist zeitlich begrenzt imd demgemäss stirbt eine Sequoia gigantea, die über 4000 Jahre alt wird, endlich ebensogut ab, wie die somatischen Theilc einer einjährigen Blüthenpflanze oder eines Schimmel- pilzes, die ihren Entwickelungscyclus in einigen Monaten oder in einigen Tagen durchlaufen. Die Lebensdauer ist aber stets von den äusseren Bedingungen abhängig, durch die, bei extremer Einwirkung in dör Natur und im Experi- ment, ein jäher Tod herbeigeführt oder ein allmähliches Absterben veranlasst wird. Andererseits wird eine Verlängerung der Lebensdauer durch die äusseren Verhältnisse erzielt (II, p. 247], wenn sich die Pflanze in niedriger Temperatur entwickelt oder wenn man den Samen für kürzere oder längere Zeit in Trocken- starre versetzt und durch diese Inactivirung die Zeitdauer prolongirt, die von der Befruchtung der Eizelle bis zum Entwickelungsabschluss des Individuums verstreicht. Sind aber nicht alle Functionen zum Stillstand gebracht (wie das der Fall ist, wenn einzelne Thätigkeiten durch Sauerstoffmangel, Chloroformiren, höhere Temperatur u. s. w. sistirt oder modificirt werden, I, p. 580; II, p. 77), so hat eine jede ernstliche functionelle Störung, mag sie durch äussere oder innere Factoren verursacht sein, mit der Zeit eine Benachtheiligung und Schädigung der Pflanze zur Folge, die endlich abstirbt, wenn diese Störung intensiv genug ist und genügend lange anhält. Eine derartige Schädigung bezw. Tödtung tritt also immer ein, sobald eine oder einige der formalen Bedingungen in einem supraminimalen oder supra- maximalen Maasse geboten sind, oder sobald durch die Einwirkung irgend eines anderen Agens eine genügende Benachtheiligung verursacht wird (vgl. If, § 39). So stirbt z. B. die Pflanze ab, wenn sie dauernd in einem imgenügenden Tur- gescenzzustand oder bei voller Turgescenz in einer Temperatur gehalten wird, die höher als das Maximum oder niederer als das Minimum der Wachsthums- temperatur liegt. Ausserdem wird durch die unzm-eichende Versorgung mit Sauerstoff (II, § iOO) oder mit Nahrung (oder auch mit einem einzelnen Nähr- stoff) (I, p. 519, 598) endlich der Tod herbeigeführt, der demgemäss auch ein- tritt, wenn der auf die Kohlensäurcassimilation angewiesenen Pflanze dauernd das Licht entzogen ist. Ferner wird bei zu hoher Goncentration durch Nährstoffe oder durch andere Körper das Wachsthum und die Existenz der 280 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. Pflanze unmöglich gemacht (II, § 33). Zudem wird schon bei geringerer Concen- tration durch gewisse Nährstoffe und durch viele unnöthige Stoffe eine schädigende Wirkung ausgeübt. Ich erinnere nur daran, dass Sauerstoff, sowie Kohlensäure bei Ueberschreitung einer gewissen Partiärpressung den Tod herbeiführen (II, § 100, 104), dass freie Säuren und Alkalien, sowie Eisensalze und viele andere Stoffe schon in geringerer Dosis giftig Avirken (II, § 72 — 74j. Natürlich ist immer eine gewisse Intensität der Einwirkung nothwen- dig, um ein Absterben herbeizuführen, das z. B. nicht eintritt, wenn eine schlecht ernährte oder bei niedriger Temperatur gehaltene Pflanze kümmerlich vegetirt. Hält man aber eine Pflanze in einer Temperatur, die nur wenig das auf die Dauer zulässige Maximum überschreitet, so beobachtet man, dass das Wachsthum erst nach einiger Zeit zum völligen Stillstand kommt, dass also allmählich die functionelle Thätigkeit nachlässt, und dass endlich an dem ein- zelnen Organe oder an der ganzen Pflanze die Symptome der Schädigung und des Absterbens auftreten. So lange diese Schädigung nicht zu weit fort- geschritten ist, wird nach der Rückkehr in normale Aussenbedingungen all- mählich der krankhafte Zustand überwunden, und mit der fortschreitenden Er- holung wird dann auch die Wachsthumsthätigkeit wieder aufgenommen. Ein analoger Erfolg wird ebenso durch Mangel von Nahrung, durch Gifte oder durch beliebige andere benachtheiligende Einwirkungen erzielt. Da man es aber in der Hand hat, z. B. durch eine geringe oder ansehnliche Ueber- schreitung des Temperaturmaximums eine langsame, schnellere oder plötzliche Vernichtung des Lelaens herbeizuführen, so lässt sich nicht in allen Fällen eine scharfe Grenze zwischen dem allmählichen Absterben und der unvermittelten Tödtung ziehen. Wie die gesammte Reactionsfähigkeit , ist auch die Widerstandsfähig- keit der Pflanzenarten specifisch verschieden. Es ergiebt sich dieses schon aus den früheren Mittheilungen, dass gewisse Pflanzen bei einer Temperatur wachsen, in der andere Arten sofort getödtet werden (II, § 22), dass die anae- roben Organismen schon bei sehr geringer, viele aerobe Pflanzen aber erst bei einer hohen Partiärpressung des Sauerstoffes absterben (I, § 101; II, § 31), dass bestimmte Pflanzen in concentrirten Nährlösungen leben, die andere Orga- nismen nicht vertragen (I, p. 415; II, §33). Ferner giebt es Pflanzen, dieleicht erfrieren oder durch einen ansehnlichen Wasserverlust zu Grunde gehen, wäh- rend andere die stärkste Temperaturerniedrigung oder das völlige Austrocknen aushalten. Während aber bei Moosen und Flechten die ganze Pflanze das Aus- trocknen verträgt, kommt diese Eigenschaft bei den Phaherogamen nur den Samen und bei vielen Pilzen nur den Sporen zu. Eine Aenderung der Resistenz mit der Entwickelung tritt uns u. a. auch bei unseren Holzpflanzen entgegen, deren Knospen die Winterkälte aushalten, während die in Entfaltung begriffenen und entfalteten Blätter zum Theil leicht erfrieren. Uebrigens ergeben sich diese und andere allgemeine Gesichtspuncte schon aus den früheren Betrachtungen über die Bedeutung der äusseren Factoren für das Pflanzenleben (vgl. II, § 20). Es sei desshalb nur noch kurz darauf hin- gewiesen, dass die Widerstandsfähigkeit auch von den vorausgegangenen Cultur- bedingungen, sowie von den übrigen Aussenfactoren, also von der Stimmung des Organismus, ferner nicht nur von der Dauer der Einwirkung, sondern auch § 63. Allgemeines. 281 von der Schnelligkeit des Wechsels und von der Wiederholung der Inanspruch- nahme abhängt. Besonders auffallend ist dieses darin ausgesprochen, dass die Resistenz von Samen, Sporen, Moosen etc. gegen Kälte, Alkohol, Gifte u. s. w. im ausgetrockneten Zustand sehr erhöht ist (II, § 70). Ausserdem kann die giftige Wirkung eines Körpers durch den gleichzeitigen Einfluss eines anderen Stoffes (Gegengiftes) abgeschwächt werden. Ferner sind die Pflanzen je nach dem Standort, also nach den vorausgegangenen Culturbedingungen in verschie- denem Grade resistent gegen Kälte (II, § 66). Eine Schädigung durch den plötzlichen Wechsel wird in auffälliger Weise dadurch demonstrirt, dass Pilze u. s. w. bei schneller Verdünnung der concen- trirten Nährlösung zerplatzen, bei allmählicher Verdünnung aber nicht geschädigt werden (II, § 71). Auch findet bei einer allmählichen Steigerung der Inanspruch- nahme eine derartige Accommodation statt, dass die Pflanze einen mechanischen Zug (II, § 36), Concentrationen der Nährlösung, Quantitäten eines Giftes, Tem- peraturgrade u. s. Av. aushält, denen sie zuvor nicht gewachsen war. Eine Wiederholung des Wechsels kann allerdings unter Umständen schädlich wirken, da, wie die Erfahrung lehrt, gewisse Pflanzen wohl ein einmaliges, aber nicht ein wiederholtes Gefrieren und Aufthauen vertragen. Offenbar wird durch die wiederholte Inanspruchnahme eine Schwächung des Organismus erzielt und es ist auch zu erwarten, dass der in irgend einer Weise geschwächte Organismul minder resistent ist. Da der tödtliche Einfluss eines Agens nicht nur von der Dauer der Ein- wirkung, sondern auch von verschiedenen Umständen abhängt, so ist die Lage des Ultramaximums ^), ebenso wie die des Maximums und Minimums nicht genau fixirt und immer nur bedingungsweise bestimmbar (vgl. II, p. 79). Dasselbe gilt für das Ultraminimum, von dem z. B. nicht die Rede sein kann, wenn eine Pflanze durch Temperaturerniedrigung oder durch Wasserverlust überhaupt nicht geschädigt wird, und wenn es sich um ein nicht nothwendiges Agens handelt. Ein völliges Erlöschen aller vitalen Thätigkeit tritt übrigens in der wasser- durchtränkten Pflanze erst mit dem Tode ein. Denn wenn auch die Wachsthums- und Bewegungsthätigkeit und andere Partialfunctionen sistirt sind, so kommt doch in der dem Absterben entgegengehenden Pflanze die Athmungsthätigkeit (also die Stoffwechselthätigkeit) erst zum Stillstand, nachdem das Leben erloschen ist. So weit bis jetzt bekannt, ist aber das Leben einer Pflanze durch das Zurückbringen in normale A'erhältnisse zumeist schon dann nicht mehr zu retten, wenn unter dem benachtheiligenden Einfluss (supramaximale Temperatur, Aether- wirkung u. s. w.) die Athmung auf ein Älinimum reducirt oder auch nur erheb- lich zurückgegangen ist 2). AVie schon erwähnt, besitzen wir zur Zeit kein Mittel, um in der tur- gescenten Pflanze die Athmungsthätigkeit (d. h. die Stoffwechselthätigkeit) ohne Vernichtung des Lebens völlig zu sisliren (vgl. auch II, § 60). Denn aiu'h 1; Diese Bezeichnung wurde eingeführt von Engelmann, im Handbuch d. Physio- logie von Hermann, 1879, Bd. I, p. 358. 2i Im Hungerzustand kann z. B. bei Pilzen die Athmungsthcätigkeit auf einen sehr geringen VVerth zurückgehen, während z. B. in einer supramaximalen Temperatur schon bei einer massigen Senkung der anfänglichen Athmungsthätigkeit eine bleibende Schä- digung einzutreten pflegt. 282 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. bei Erniedrigung der Temperatur unter den Gefrierpunct wird die Athmung zunächst nur sehr stark reducirt (I, p. 572], und verinuthlich tritt ein yölliger Stillstand erst dann ein, wenn die Säfte zum grüssten Theil gefroren sind, wenn also der Turgor aufgehoben und dem Protoplasten durch die Eisbildung der grösste Theil des Wassers entzogen ist. Nach dem Austrocknen ist aber in der That in Samen, Moosen, Flechten eine Athmungsthätigkeit, d. h. ein Consum von Sauerstoff oder eine Production von Kohlensäure nicht mehr nachzuweisen ^). Durch die völlige Wasserentziehung verfallen also diejenigen Pflanzen, die das Austrocknen vertragen, in einen inactiven, einen leblosen Zustand (Anabiose nach Preyer). Da aber in diesem Zustand kein Symptom des Lebens zu bemerken ist, so kann man den trockenen Samen, Sporen u. s. w. nicht ansehen, ob in ihnen latentes (potentielles) Leben vorhanden ist, ob sie scheintodt oder wirklich todt sind, ob sie also nach der Wasserzufuhr unter normalen Vegetationsbedingungen zu lebendiger Thätigkeit erwachen oder als todte Massen der Fäulniss und der Verwesung anheimfallen. AVenn nun auch in den trockenen Samen u. s. w. die lebendige Thätigkeit schlummert, so gehen doch in ihnen mit der Zeit ge- wisse Veränderungen vor. Denn das folgt daraus, dass nach kürzerem oder längerem Lagern die Keimfähigkeit verloren geht, also die Lebensfähigkeit er- lischt (II, § 70). § 64. Fortsetzung. Das Verhalten eines Organismus gegenüber nachtheiligen und tüdtlichen Eingriffen wird, wie alle Lebensthätigkeit, durch die specifischen Eigenschaften des Protoplasten bestimmt und regulirt. Da aber die Eigenschaften und die Thätigkeit dieses Elementarorganismus aus dem specifischen Bau und dem regulatorisch gelenkten Zusammengreifen der aufbauenden Theile resultiren (vgl. I, § 9), so ist es selbstverständlich, dass eine plötzliche Zerstörung der Structur durch Erhitzen, mechanische Zertrümmerung u. s. w. augenblicklich den Tod herbeiführt. Ausserdem ist, wie schon I, § 9 betont wurde, eine dau- ernde Erhaltung der Lebensthätigkeit und des Lebens nur möglich, wenn die nüthigen Partialfunctionen in einem solchen 3Iaasse ausgeführt werden, dass das uneiiässliche harmonische Zusammenwirken hergestellt und aufrecht er- halten wird. Wenn aber diese Harmonie durch den Ausfall, die Reduction oder die Steigerung einer oder einiger Partialfunctionen oder in irgend einer anderen Weise zu weitgehend gestört wird, so muss ein Erlahmen der Thätigkeit imd endlich der Tod eintreten. In diesem Sinne ist demgemäss das allmähliche Zustandekommen des Ab- sterbens zu beurtheilen, das entweder durch die Aussenverhältnisse veranlasst wird oder das sich im Verlaufe der Ontogenese selbstregulatorisch, also aus inneren Ursachen einstellt. Denn wenn auf der einen Seite der Protoplast durch die i) Vgl. die Bd. I, p. 57G cit. Lit. Ferner: Kochs, Biolog. Centralbl. -1890. Bd. 10, p. 682; C. de Candolle, Archiv, d. scienc. phys. et naturell, d. Geneve 1893. Bd. 33, p. 506. Vgl. auch vanTieghem u. Bonnier, Bullet, d. 1. soc. botan. d. France 1882, Bd. 29. § 64. Allgemeines. 283 eigene Thätigkeit für die continuirliche Erhaltung des Lebens zu sorgen hat (I, p. 2), so gehört es andererseits zu den Aufgaben des Organismus, in be- stimmten Zellen und Organen die Bedingungen für das Absterben zu schaffen. Das geschieht stets, wenn ein somatisches Organ differencirt wird, das nach einem kurzen oder langen Leben dem Tode anheimfällt. Ferner wird z. B. durch die Ausbildung der Tracheen u. s. w. demonstrirt, dass im Verlaufe der Ontogenese bestimmte Zellen durch die inneren Determinationen (vgl. II, Kap. VII) in eine Entwickelungsbahn gelenkt werden, die zu einem frühzeitigen Tode führt. Mag mm das allmähliche Erlahmen und Absterben durch äussere oder innere Bedingungen veranlasst werden, stets ist es eine Folge der bestimmt gerichteten Eigenthätigkeit, die sich auch da, wo sie zum Tode führt, als noth- wendige Folge aus den Eigenschaften des Protoplasten und der Gesammtheit der Bedingungen und Constellationen ergiebt. Somit sind auch alle Erlah- mungen und Erkrankungen (auch die durch Infection bewirkten) Symptome und Folgen der vitalen Actionen und Reactionen, die unter Umständen derart ver- laufen, dass das Leben erlischt oder, wie wir auch sagen können, dass sich der Organismus (die Zelle) zu Tode arbeitet. Bei der Erforschung und causalen Beurtheilung dieser und ähnUcher Vor- gänge sind somit dieselbe Methodik und Interpretation zu befolgen, wie bei dem Studium der normalen vitalen Vorgänge. Man hat demgemäss innere und äussere Factoren und Todesursachen zu unterscheiden und zu beachten, dass mit der Constatirung der äusseren oder der inneren Factoren weder die nächste Action (Wechselwirkung) in dem Protoplasten, noch die Kette der Reactionen erkannt ist, durch welche das endliche Resultat herbeigeführt wird (II, § 20, 39). Dieser Zusammenhang bleibt auch dann unaufgeklärt, wenn z. B. die Entfernung des Zellkerns die Ursache des allmählichen Absterbens wird (I, § 9). So klar wie in diesem Falle, ist der Regel nach der Eingriff (die nächste Wechselwirkung) nicht festzustellen. Eine exacte Präcisirung und LocaUsirung wird zumeist auch dadurch erschwert, dass die Wechselwirkung nicht auf ein einzelnes distinctes Organ des Protoplasten beschränkt bleibt, sondern dass durch dasselbe Agens verschiedene Verschiebungen und Verstellungen verursacht werden. So vermögen wir z. B. nicht zu sagen, ob nach einer geringen Ueber- schreitung der zulässigen maximalen Temperatur die zum Absterben führende Disharmonie allein durch die Steigerung der Athmung oder, wie es wahrschein- lich ist, durch verschiedenartige Reactionen veranlasst wird (vgl. I, § 105; II, § 22). Ohnehin ist die Causalität des Athmungsprocesses nicht völlig auf- geklärt, und somit fehlt eine genügende Einsicht in die reactionellen Verände- rungen, die durch die Entziehung des Sauerstoffes hervorgerufen werden. Auch ist im näheren unbekannt, warum die aeroben Organismen trotz der intramolo- cularen Athmungsthätigkeit allmählich absterben müssen, während die anaeroben Organismen ohne das Eingreifen des freien Sauerstoffes zu leben vermögen (I, Kap. IX). Ferner ist es wohl begreiflich, dass der Organismus bei Mangel von Nahrung oder auch nur bei dem Fehlen eines einzelnen nothwendigen Nährstoffes zu Grunde geht (I, p. 601); jedoch kennen wir nicht näher die Veränderungen und Reactionen, durch welche z. B. bei Ausschluss von Kalium im Protoplasten die mit der Fortdauer des Lebens unverträgliche 284 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. Disharmonie verursacht wird. Wiederum ist es als eine Folge der beschleu- nigten Umsatzthätigkeit verständlich, dass sich die Pflanze in einer erhöhten {supramaximalen) Temperatur schneller zu Tode arbeitet, als bei Aufenthalt in einer niederen Temperatur. Erst dann, wenn eine genügende Einsicht in die Causalität des vitalen Getriebes zur Verfügung steht, wenn wir also das reale Geschehen als eine nothwendige Folge aus den gegebenen Bedingungen ableiten können, wird es möglich sein zu verstehen, warum bestimmte Verschiebungen und Verände- rungen im Protoplasten einen bestimmten formativen Erfolg haben, oder mit der dauernden Erhaltung des Lebens unverträglich sind. Uebrigens ist schon bei anderer Gelegenheit betont (II, § 21), dass ebenso wie die normalen, auch die abnormen und somit auch diejenigen Reactionen, die endlich zum Ab- sterben führen, wichtige Hilfsmittel für die causale Erforschung der Fähigkeiten und Thätigkeiten des Organismus sind. Vermuthlich wird insbesondere das Studium der "N^'irkung verschiedener Gifte wichtige Aufschlüsse liefern. Da in keinem Falle durch die sichtbare Gestaltung der Reaction unmittelbar die veranlassenden und bestimmenden Ursachen angezeigt werden (I, § 4; II, § 1], so sei auch nur darauf hingcAviesen, dass zwar durch gewisse, aber durchaus nicht durch alle benachtheiligenden Einflüsse auffällige formative Aenderungen in dem plastischen Protoplasmakörper hervorgerufen werden, die sich z.B. in einer Vacuo- lisirung oder in irgend einer Deformation kundgeben (II, Kap. XV). Eine der- artige Deformation unterbleibt aber z. B. in dem noch lebensthätigen Cytoplasma nach der Entfernung des Zellkernes, obgleich durch die Beseitigung dieses un- entbehrlichen Organes eine tiefgreifende Störung hervorgerufen ist (I, § 9). Dass eine solche Störung nicht unbedingt ein schnelles Absterben zur Folge haben muss, beweist die Erfahrung, dass das kernfreie Cytoplasma erst nach längerer Zeit zu Grunde geht. Damit ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass sich der intacte Protoplast unter anderen Bedingungen schnell zu Tode arbeitet, wie das u. a. bei manchen Pflanzen der Fall ist, wenn sie in eine supramaximale Tem- peratur gebracht werden oder wenn ihnen der Sauerstoff entzogen wird. Ist der zum Absterben führende Reactionsvorgang noch nicht zu weit fort- geschritten, so vermag der Protoplast, nachdem er in normale Lebensbedingungen zurückversetzt ist, durch seine Eigenthätigkeit den früheren Zustand wieder herzustellen. Unter diesen Umständen werden also auch die Vacuolisirung oder andere Deformationen im Protoplasma wiederum ausgeglichen. Eine solche Rehabilitirung tritt aber auch bei Constanz der Aussenbedingungen dann ein, wenn die Störung durch den Uebergang in die neuen Verhältnisse bewirkt wurde, an die sich der Organismus allmählich accommodirt (II, p. 281). Natürlich ist der Protoplast nach der Entfernung des Zellkerns rettungslos verloren, während begreiflicherweise das Abschneiden oder das Abtödten eines gewissen Theiles des' Cytoplasmas ertragen wird. Hielten wir uns in diesen allgemeinen Betrachtungen sachgemäss an den einzelnen Protoplasten, so wurde doch darauf hingewiesen, dass durch die be- stimmte Determinirung und Differencirung Zellen und Zellcomplexe in eine Ent- wickelungsbahn gelenkt werden, die sehr bald oder nach längerer Zeit zum Absterben führt. Nach unseren empirischen Erfahrungen ist in der That eine jede somatische Zelle und somit ein jedes ausgewachsenes Organ nur zu einer § 64. Allgemeines. 285 begrenzten Lebensdauer befähigt. So sehen wir, dass unter den günstigsten Aussenbedingungen das ausgewachsene Blatt nach einer einjährigen oder mehr- jährigen Dauer sein Leben abschliesst, dass die älteren Theile des an der Spitze fortwachsenden Rhizoms oder Torfmooses immer wieder absterben. Auch die lange Lebensdauer eines Baumstammes wird nur dadurch erreicht, dass durch die cambiale Zuwachsthätigkeit immer wieder neue Holz- imd Rindenmassen geschaffen werden, die nach einigen Jahren oder bei manchen Arten erst nach 100 Jahren ihr Leben verlieren. Offenbar würde dieses Absterben auch ohne die correlativen Einflüsse eintreten, denn auch in der einjährigen Pflanze wird die Lebensdauer der somatischen Theile nur bis zu einem gewissen Grade ver- längert, wenn man Blühen und Fruchten verhindert. Ohne Frage wird aber das selbstregulatorische Absterben auf verschiedene Weise verursacht. So dürfen wir vermuthen, dass es ausser denjenigen Zellen, in denen schon durch die Ontogenese das Ende des Lebens herbeigeführt wird, auch solche giebt, die im ausgewachsenen Zustande zu unbegrenztem Leben befähigt sein würden, wenn nicht durch die Thätigkeit eine Abnutzung und Veränderung und hierdurch eine Lebensgrenze geschaflen würde. In einer solchen Zeile würde sich also keine innere Todesursache einstellen, wenn ihr die Fähigkeit zukäme, durch ihre Eigenthätigkeit eine jede Abnutzung und Ver- änderung im Protoplasten, in der Zellhaut u. s. w. wiederum auszugleichen. Diese theoretische Möglichkeit scheint indess in der Natur nicht erfüllt zu sein, da, soweit wir wissen, die somatischen Zellen, auch bei dem einfachsten Or- ganismus, nach einer begrenzten Lebensdauer absterben i). Sofern aber somatische Zellen nicht gebildet werden (vgl. II, § 2), sofern sich also, wie es bei den Asomatophyten der Fall ist, eine jede Zelle immer wieder durch Wachsthum und Theilung vermehrt und verjüngt, so wird offenbar in jeder der gleichwerthigen Zellen eine innere Todesursache vermieden. Dem entsprechen auch die Erfahrungen an Hefezellen, Bacterien u. s. w., bei denen, so lange die zureichenden Aussenbedingungen geboten sind, Wachsthum und Vermehrung ununterbrochen fortgesetzt werden, ohne dass eine Schwächung oder ein Ab- sterben eines Individuums eintritt (vgl. II, p. 251). Practisch ist freilich ein solches unbegrenztes Vermehren unmöglich, und in der Natur sorgen diese Or- ganismen schon durch die Aufzehrung der Nahrung und durch die Stoffwechsel- producte in selbstregulatorischer Weise für die Schaffung von Aussenbedingungen, die zunächst eine Hemmung des Wachsthums und mit der Zeit ein Absterben der Organismen bewirken (I, p. 515). Voraussichtlich wird aber die embryonale Zelle eines Asomatophyten mit der Zeit auch dann absterben, wenn zwar die günstigsten Aussenbedingungen geboten sind, aber die Ausführung des angestrebten Wachsthums, also A'ermehrung und Verjüngung mechanisch unmöglich gemacht sind. In der That sprechen alle Erfahrungen und Erwägungen dafür, dass sich unter solchen Umständen die embryonale Zelle, analog wie die ausgewachsene (somatische) Zelle, zu Tode arbeitet, jedoch sind in dieser Hinsicht völlig entscheidende Beweise bis dahin nicht erbracht. Wenn in den Versuchen, in denen in den Zellen von Spirogyra oder I) Frank (Krankheiten d. Pflanzen 1895, II. Aufl., Bd. I, p. 6) nimmt irrigerweise an, dass es einen Tod aus inneren Ursachen eigentlich nicht gebe. 286 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. von Saccharomyces (Asomatophyten), ferner in den embryonalen Zellen der Vege- tationspuncte und des Cambiums von Somatophyten das Wachslhum durch einen Gipsverband ') oder durch einen anderen mechanischen Widerstand un- möglich gemacht war, ein Absterben in vielen Fällen nicht beobachtet wurde, so will das nichts sagen. Denn diese Versuche erstrecken sich nur über Wochen, Monate oder wenige Jahre, also über eine zu kurze Zeit, da sogar die somati- schen Zellen in manchen Pflanzen (z. B. in gewissen Splintbäumen) erst nach 100 Jahren absterben. Dafür, dass auch die embryonale Zelle ohne Vermehrung und Verjüngung nur begrenzt lebensfähig ist, spricht ferner die Thatsache, dass die aus inneren Ursachen ruhenden Knospen und Cambien^j von Holzpflanzen u. s. w. endlich, jedoch oft erst nach langer Zeit absterben, dass ferner in den Sporen und Samen gewisser Pflanzen die Keimfähigkeit nur einige Wochen oder Monate conservirt wird, und dass die Keimfähigkeit sogar in den ausgetrockneten Sporen und Samen endlich verloren geht (II, § 70). Wenn ferner Hefezellen und Bac- terien3) mit der Zeit in solchen Nährlösungen absterben, die zwar eine gewisse Stoffwechselthäligkeit aber kein Wachsthum gestatten, so kann man nicht wissen, in wie weit dieses Resultat schon durch die unzureichenden Aussen- bedingungen veranlasst wurde. Denn wenn durch letztere eine zu weitgehende Störung der functionellen Harmonie bewirkt wird, dann gehen aus den früher besprochenen Gründen die embryonalen Zellen ebenso gut zu Grunde, wie die somatischen Zellen. Bei allen Organismen ist also die Erhaltung nur durch AVachsthum und Verjüngung der embryonalen Zellen (des Keimplasmas) möglich. Gleichzeitig ist aber dafür gesorgt, dass dauernd somatische und asomatische Individuen zu Grunde gehen, wie es für die Erhaltung des Kreislaufes und des Gleichgewichts im Naturhaushalt unerlässlich ist (vgl. I, § 51). Bei der Lösung dieser Auf- gabe sind immer verschiedene Factoren betheiligt (I, § 92, 76), unter denen auch die Eigenthätigkeit in Betracht kommt, da schon durch den Consum der Nährstoffe u. s. w. (I, p. 515) die Existenzbedingungen eingeschränkt und auf- gehoben werden. Während nun bei den Asomatophyten das Absterben nur durch die selbstthätig oder auf andere Weise geschaffenen unzulänglichen Aussen- bedingungen verursacht wird, kommt bei den Somatophyten hinzu, dass immer ein Theil der embryonalen Zellen in eine Entwickelungsbahn gelenkt wird, die unvermeidlich zum Tode führt. Es steht dieses im Zusammenhang damit, dass 1) Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893, p. 240, 3äö; Newcombe, Botanical Gazette 4 894, Bd. 19, p. 232. 2) Nach R. Hartig (Lehrb. d. Anatom, u. Physiol. 1891, p. 27-2) bleibt bei manchen Bäumen das Cambium einige Jahrzehnte auch dann am Leben, wenn es nicht wachs- thumsthätig ist. 3) Nach E. Ch. Hansen iMeddelelser fra Carlsberg Laboratoriet 1899. Bd. 4, Res. p. 109) sterben die Saccharomycesarten in Saccharoselösung endlich ab, doch können sich bestimmte Arten, die in der Lösung langsam wachsen, über 17 Jahre am Leben erhalten. In Bier conserviren nach Hansen (1. c. 1894, Bd. 3, Res. p. 210; die Essigbacterien ihr Leben 1—6 Jahre. Ueber das allmähliche Absterben der Bacterien vgl. u. a. auch H. L. Bolley, Centralbl. f. Bacteriol. H. Abth., 1900, Bd. 6, p. 33. — Ueber die Conservirung der Lebensfähigkeit in den im Boden hegenden Samen vgl. II, p. 2G4. § 64. Allgemeines. 287 ausgewachsenen Zellen und Organen, deren Bildung zum Aufbau eines Aso- matophyten nothwendig ist (II, § 2), immer nur eine begrenzte Lebensfähigkeit zukommt. In der Natur geht aber auch die Mehrzahl der Individuen eines Asomatophyten zu Grunde, so dass bei diesem ebensogut wie bei einem Somato- phyten die continuirliche Erhaltung der Art stets nur durch eine beschränkte Zahl der embryonalen Zellen besorgt wird^j. Die "NMderstandsfähigkcit haben wir im Folgenden nur soweit zu behandeln, als es zur Characterisirung der specifisch verschiedenen Eigenschaften und damit zur allgemeinen Beurtheilung der Existenzbedingungen erforderlich ist. Denn zu diesen gehört einmal, dass die in Kap. VI besprochenen Wachsthumsbedingungen geboten sind , vuid ferner , dass die Pflanze niemals , auch nicht vorübergehend, klimatischen oder anderen Einwirkungen ausgesetzt wird, die den Tod herbei- lühren. So können Palmen und andere tropische Pflanzen, die im Winter er- frieren, bei uns nicht im Freien aushalten, während die unserem Klima ange- passten Holzpflanzen in der Zeit der Winterruhe nicht durch eine Kälte geschädigt werden, durch die das Leben der entfalteten Blätter und Blüthen desselben Ge- wächses vernichtet wird. Bei vielen derjenigen Pflanzen, die mit Hilfe eines Bhizoms den Winter überdauern, ist sogar das ganze oberirdische Sprosssystem ziemlich frostempfindlich. Ferner erfrieren in jedem Winter viele einjährige Pflanzen, die durch die winterharten Samen erhalten werden. Durch Samen, Sporen, Bhizome u. s. w. wird weiter während einer trockenen Jahreszeit die Erbaltung von Pflanzenarten vermittelt, deren vegetativer Körper durch den Wasser- verlust gänzlich oder doch in seinen oberirdischen Theilen getödtet wird. Soll eine solche Tödtung vermieden werden, dann muss die Pflanze, wie es bei Crassu- laceen, Cacteen und anderen Xerophyten der Fall ist, entweder durch geeignete Einrichtungen gegen das zu weitgehende Austrocknen geschützt sein, oder sie muss, wie Moose, Flechten u. s. w. das Austrocknen ohne Schädigung vertragen (I, § 2 6, 27; II, §70]. Während der schädigende Einfluss von Temperatur, Licht und Wasserverlust hauptsächlii-h desshalb berücksichtigt wird, weil diese Factoren in der Natur von hervorragender Bedeutung sind, ist ein kurzer Ausblick auf Giftwirkungen desshalb angeschlossen, weil, wie schon erwähnt wurde, das nähei-e Studium der Giftwirkungen mehr luid mehr Bedeutung für die physiologische Forschung gewinnen wird. Diese hat überhaupt zur Erreichung ihrer Ziele ebensogut wie die normalen auch die extremen und ungewöhnlichen Einwirkungen und Reactionen auszunutzen, und auf solche ist und wird desshalb in den verschiedensten Kapiteln dieses Buches Rücksicht genommen. Ich erinnere nur an die Aufnahme und Speicherung von Stoffen, denen die Pflanze in der Natur nie begegnet, an die cbemotropischen und an anderweitige Reizwirkungen durch verschiedene Körper, an die Benutzung von Aether, Chloroform, hoher oder niedriger Temperatur zur Modificirung, Sisti- rung vmd Separirung der Gesammtthätigkeit oder einzelner Functionen. Da in diesem Buche die Pathologie nicht behandelt wird, so haben wir nicht 1) Die Continuität der embryonalen Substanz ist die unerlässliche Voraussetzung für die Erhaltung der Art (vgl. II, § 2). Ob man nun mit Rücksicht auf diese Conti- nuität eine jede Art unsterblich nennen will, oder ob man >Unsterbhchkeit« so definirt, dass nur die Asomatophyten unsterblich erscheinen (Weis mann, Leben und Tod 188 4;, ist von untergeordneter Bedeutung. Uebrigens kann sich in der Natur eine jede Art nur bedingungsweise erhalten und ist desshalb auch nur bedingungsweise unsterb- lich. Vgl. u. a. Verworn, Allgem. Physiol. II. Aufl., 1897, p. 345. 288 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. auf die Pflanzenkrankheiten und die mit diesen verknüpften Reactionen und De- generationen einzugehen^). Bekanntlich sind aber nicht afle Krankheiten von äusserlich sichtbaren formativen Aenderungen begleitet, die natürlich nicht zu Stande kommen können, wenn der Tod plötzlich eintritt. In diesem, wie in jedem anderen Falle, sind dann Erschlaffung (sofern der Turgor für die Herstellung der Tragfähigkeit nothwendig ist, II, § \ 5], Verfärbung, Austrocknen u. s. w. Folgen und Symptome der Tödtung^j. Ferner wird das Aussehen des Pi'otoplasmas in bekannter Weise verändert, und nöthigeufalls kann durch die Nichtplasmolvsir- barkeit, durch die Fäi'bbarkeit des Protoplasmas durch Anilinblau, durch den Aus- tritt der im Zellsaft gelösten Farbstoffen, s.w. entschieden werden, ob der Protoplast lebendig oder todt ist 3). Begreiflicherweise fäUt aber das Aussehen des todten Protoplasten je nach der Art der Tödtung verschieden aus. Denn einmal geht bei gewissen Einwirkungen dem Absterben eine Vacuolisirung oder eine ander- weitige Deformation voraus, und ausserdem geht die zuvor vorhandene Structur mehi" oder weniger verloren , wenn nicht zugleich mit der Tödtung durch ge- eignete Agentien eine Fixirung bewirkt wird '*). Diese postmortalen Veränderungen haben indess keine physiologische Bedeutung, ebenso nicht die Veränderungen der Zellhaut, die durch die energische Einwirkung gewisser Agentien erzielt wer- den können (vgl. I, § 83, 84). Abschnitt II. Widerstandsfähigkeit gegen Wärme und Kälte. § 65. Einfluss der supramaximaleii Temperatur. Durch eine genügende Erhöhung der Temperatur lässt sich natürlich das Leben eines jeden Organismus vernichten. Der Temperaturgrad, dessen üeber- schreitung tüdtlich wirkt, das Ultramaximum, hat aber je nach der Pflanzen- art, ferner auch nach dem Entwickelungsstadium und den übrigen Bedingungen eine verschiedene Lage. So gewinnen austrocknungsfähige Pflanzen durch den völligen Wasserverlust eine hohe Widerstandsfähigkeit, so dass nunmehr längere Zeit eine Temperatur von i 00 C. auch von denjenigen Pflanzen ertragen wird, die im turgescenten Zustande keine hervorragende Resistenz besitzen. Jedoch sind auch die wasserdurchtränkten Sporen gewisser Bacterien so widerstandsfähig, 1) Näheres bei A. B. Frank, Krankheiten d. Pflanzen II. Aufl., 1895; R. Hartig, Lehrb. d. Baumkrankheiten II. Aufl., 1899; P. Sorauer, Handb. d. Pflanzenkrankheiten IL Aufl., 1886. 2) Vgl. z. B. Sachs, Flora 1864, p. 37; Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. 10; de Vries, Sur 1. mort. d. cellul. vegötales 1871 (Sep. a. Archiv. Neerlandaises Bd. 6) u. s. w. 3) Vgl. I, § 9, 1 6 etc. Durch gewisse vorsichtige Einwirkungen kann der Proto- plast derartig getödtet werden, dass zunächst die diosmotischen Eigenschaften der Plasmahaut zum Theil erhalten bleiben. 4) A. Fischer, Fixirung, Färbung u. Bau d. Protoplasmas 1899. § 65. Einfluss der supramaximalen Temperatur. 289 dass sie einen halb- bis mehrstündigen Aufenthalt in siedendem Wasser ver- tragen, während die meisten Pflanzen bei 100 C. fast augenblicklich getödtet werden. Schon bei 70 C. tritt der Regel nach der Tod sehr schnell ein, ge- wisse Bacterien wachsen indess sehr gut in dieser Temperatur, und einzelne Organismen gedeihen möglicherweise noch bei 85 G. (11, § 22). Aus den Angaben über das Temperaturmaximum für das Wachsthum (11, § 22) ergiebt sich übrigens, dass auch die Lage des Ultramaximums weitgehende Verschiedenheiten aufzuweisen hat. Denn mit der Zeit gehen alle turgescenten Pflanzen in einer Temperatur zu Grunde, die nur um '1—2 G. das Temperatur- maximum übertrifft, und in der zunächst das Wachsthum einige Zeit fortgesetzt wird (vgl. II, § 22). So beobachtete H. Hilbrigi) bei dem Uebertragen der Keimwurzel von Vicia faba in Wasser von 35 G., dass in 1 — 1 1/2 Stunde die Zuwachsbewegung zum Stillstand kam. Nachdem diese Wachsthumsstarre 13/4 Stunde angehalten hatte, erwies sich die Wurzel als todt, während die Wachsthumsthätigkeit nach 5 — 6 Stunden wieder begann , wenn die Pflanze nach einer 1/9 stündigen Starre, und nach ca. 24 Stunden, wenn sie nach einer einstündigen Starre in eine gute Wachsthumstemperatur zurückversetzt wurde. Langsamer arbeiten sich in der durch Temperaturerhöhung erzeugten Wachs- thumsstarre die von Hilbrig nntersuchten Schimmelpilze (Penicillium giaucum, Mucor stolonifer, Gladosporium herbarum) zu Tode. Als das benutzte Peni- cillium, dessen Temperaturmaximum bei 34 G. lag, bei 35 G. in einer Nährlösung gehalten wurde, war das Leben des Myceliums nach 31 Tagen, das der unge- keimten Sporen nach 54 Tagen erloschen. Wird vor dem Absterben eine günstige Wachsthumstemperatur hergestellt, so ist auch bei den Schimmelpilzen in Folge der allmählich zunehmenden Schädigung die Rückkehr der Wachsthumsthätig- keit umsomehr verzögert, je länger die supramaximale Temperatur anhielt. So trat z. B. in den Versuchen Hilbrig' s (1. c. p. 7) nach einem 51 tägigen Aufent- halt in 35 G. die Keimung der Sporen von Penicillium giaucum (bei 22 G.j nach 11 Tagen ein, während sie nach einem 2 tägigen Aufenthalt in 35 G. schon am 2. Tage begann. Wahrscheinlich werden gewisse Mikroorganismen eine noch längere Wärme- starre vertragen , während andere schneller zu Grunde gehen. Vermuthlich werden gerade die Thermobacterien (II, § 22) bei geringer Ueberschreitung des Temperaturmaximums ziemlich schnell getödtet, jedoch muss nicht immer mit einer niedrigen Lage des Temperaturmaximums eine lange Lebensdauer im Starrezustand verknüpft sein. In der That fand Hilbrig (1. c. p. 10), dass ein Wasserbacterium, dessen Temperaturmaximum zwischen 34 — 35 G. liegt, schon nach einem 5 tägigen Aufenthalt in 35 G. abgestorben war. Durch eine ansehnlichere Erhöhung der Temperatur über das Maximum wird natürlich das Absterben beschleunigt. So war bei einer Ueberschreitung des Maximums um 6 G. der Tod des Myceliums von Penicillium schon nach 2 Tagen eingetreten (Hilbrig, 1. c. p. 7). Bei einer Ueberschreitung um 10 G. gehen aber viele, und wie es scheint alle höheren Pflanzen ziemlich schnell zu 1) H. Hilbrig, Ueber ä. Einfluss supramaximaler Temperatur a. d. Waclisthum d. Pflanzen. Leipziger Dissertat. 1900, p. 15. — Analoge Resultate wurden mit den in Luft befindlichen Theilen verschiedener Keimpflanzen erhalten. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. 11. ,) g 290 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. Grunde. Nach den Versuchen von Sachs^) und de Vries^) werden bei dem Eintauchen in Wasser von 51 — 52 C. innerhalb 10 — 30 Minuten viele der Blüthenpflanzen getödtet, deren Maximum (in Luft) ungefähr zwischen 40 — 45 C. liegt (vgl. II, § 22], und schon bei 45 — 46 G. wird das Leben vieler Phanero- gamen mit der Zeit vernichtet. Indess müssen nicht sogleich die Symptome des Todes sichtbar werden. In der That kommt es nicht selten vor, dass die Pflanze bei kurzer Einwirkung der supramaximalen Temperatur zwar zunächst noch frisch und turgescent erscheint, aber dennoch derartig geschädigt ist, dass sie in den besten Aussenbedingungen allmählich abstirbt 3), Bei der Abhängig- keit der Tüdtung von der Zeit der Einwirkung und den obwaltenden Verhält- nissen ist es selbstverständlich, dass die Lage des Ultramaximums immer nur annähernd und bedingungsweise angegeben werden kann (vgl. II, p. 281). Das schönste Beispiel für eine sehr ansehnliche Verschiedenheit der Re- sistenz in den Entwickelungsphasen bieten die Bacterien. Bei verschiedenen Arten werden nämlich die Sporen erst durch halb- bis mehrstündiges Kochen in Wasser getOdtet, ohne dass desshalb der wachsthumsthätige Zustand des Organismus besonders widerstandsfähig sein muss. Denn wenn auch viele der thermophilen Arten (II, § 22) kochfeste Sporen bilden, so thun das doch gleich- falls andere Species, die durch Wärme ungefähr ebenso leicht getödtet werden, wie manche höhere Pflanzen. Ich erwähne hier nur, dass z. B. die Sporen des Bacillus subtilis halbstündiges Kochen vertragen, obgleich das Temperatur- maximum für das Wachsthum bei 50 C. liegt und obgleich der wachsthums- thätige Bacillus bei 55 C. ziemlich schnell zu Grunde geht-*). Ebenso wie dem thätigen Zustand kommt auch den Sporen eine specifisch verschiedene Resistenz zu, die wiederum bei derselben Art offenbar desshalb erheblichen Schwankungen unterworfen ist, weil der Reifezustand, die Cultur- bedingungen etc. von Einfluss auf die Ausbildung der Widerstandsfähigkeit sind. In der That giebt es alle Abstufungen von Sporen, die ein mehrstündiges Kochen aushalten, bis zu den Sporen des Bacillus anthracis, die in siedendem Wasser in 2 Minuten zu Grunde gehen, und bis zu Arten, deren Sporen das Aufkochen überhaupt nicht vertragen^). Im allgemeinen sind jedoch die Dauersporen in zweckentsprechender Weise widerstandsfähiger, als die vegetativen Zustände (vgl. auch II, § 70, 72 in Bezug auf Austrocknen und Giftwirkungen). Ein analoges Verhältniss finden wir z. B. bei den Schimmelpilzen (II, p. 289) und den Hefearten 6], deren Sporen indess nur in einem massigen Grade resistenter sind, als die wachsthumsthätige Pflanze, imd wie diese schnell durch eine Temperatur getödtet werden, die noch tief unter dem Siedepunct liegt. Die -1) J. Sachs, Flora 1864, p. 33. 2) H. deVries, Materiaux p. 1. connaissance d. Tinfluence d. 1. temperature s. 1. plantes •1870, p. 2 (Sep. a. Archiv. Neerlandaises Bd. ö). Andere derartige Beobach- tungen finden sich in der II, p. 95 citirten Literatur. 3) Vgl. z. B. Sachs, 1. c. p. 24. 4; Cohn, Beiträge z. Biolog. d. Pflanzen 1877, Bd. 2, p. 271. Ueber Bacillus caro- tarum siehe A. Koch, Bot. Ztg. 1888, p. 297. 5) Vgl. Flügge, Die Mikroorganismen III. Aufl., 1896, Bd. I, p. 438 und die hier citirte Literatur. 6) Vgl. A. Jörgensen. Mikroorganismen der Gährungsindustrie IV. Aufl., 1898, p. 180; E. Kayser, Annal. d. l'Institut Pasteur 1889, Bd. 3, p. 513. § 65. Einfluss der supramaximalen Temperatur. 291 Samen 1), die kaum resistenter sind als die Keimpflanze, beweisen übrigens, dass ein Gewinn von Widerstandsfähigkeit nicht nothwendig mit der Anhäufung von Reservestoffen oder mit der Austrocknungsfähigkeit verknüpft ist. Letztere kommt auch den Moosen zu, welche in Bezug auf das Ultramaximum nicht bevorzugt sind. Dass ferner die Temperaturresistenz nicht mit dem Eintritt einer Ruhephase zunehmen muss, das wird ausser durch die Samen u. a. durch die ruhenden Knospen, Cambien etc. demonstrirt. Jedenfalls ist keine Spore und kein Organismus bekannt, welcher der Siede- temperatur auf die Dauer zu widerstehen vermag. Natürlich wird aber durch Erhöhung der Wassertemperatur auf MO — 130 C. die Tödtung sehr beschleu- nigt, so dass selbst die widerstandsfähigsten Sporen in kurzer Zeit zu Grunde gehen, wenn sie im geschlossenen Rohr (Autoclaven) auf 110 — 130 G. erhitzt werden. Dagegen sterben nach Cohn^j in Wasser von 70 — 80 G. erst im Laufe von 3 — 4 Tagen die Mehrzahl der Sporen des Bacillus subtilis ab, die in siedendem Wasser in V2^'' Stunde getödtet werden. Jedoch wird der Tod aller Sporen endlich, wenn auch vielleicht erst nach sehr langer Zeit, in einer jeden supramaximalen Temperatur eintreten. Denn ohne Wachsthum und Ver- jüngung kann sich auf die Dauer kein Organismus lebendig erhalten. Sofern aber die Spore den Versuch macht zu keimen, verliert sie ihre Resistenz und wird, ebenso wie der wachsthumsthätige Organismus, durch eine jede Ueber- schreitung des Temperaturmaximums mit der Zeit getödtet. Diese Abnahme der Widerstandsfähigkeit mit dem Auskeimen ermöglicht es, eine Sporen enthal- tende Flüssigkeit dadurch (fractionirt) zu sterilisiren, dass man im Verlaufe einiger Tage wiederholt eine kurze Zeit auf 100 C. erwärmt. Nachdem Pasteur^] erkannt hatte, dass manclie Bacterien erst durch längex'es Kochen getödtet werden, wurde besonders von Gohn'^) und Brefeld^) festgestellt, dass diese hohe Resistenz den überhaupt zu hoher Widerstandsfähigkeit bestimmten Dauersporen zukommt. Jedoch zeigen die Thermobacterien, dass es auch mög- lich ist, einen wachsthumsthätigen (Jrganismus mit verhältnissmässig hoher Wider- standsfähigkeit gegen Hitze auszustatten. Die Desinfectionsfrage gab Veranlas- sung zu zahlreichen Untersuchungen über die Widerstandsfähigkeit verschiedener Bacterien und ihrer Sporen, Studien, aus denen u. a. hervorgeht, dass die Ab- tödtung im strömenden Dampf langsamer erfolgt, als in siedendem Wasser. Mit Hinweis auf die zusammenfassende Literatur 6) erwähne ich nur, dass in sieden- dem Wasser das Absterben u. a. erst nach einer halben oder nach einigen i) L. Just, Cohn's Beitr. z. Biolog. 1877, Bd. 2, p. 346. 2) Cohn, Beiträge z. Biolog. 1877, Bd. 2, p. 271. Vgl. auch Gruber, Centralbl. f. Bacteriol. 1888, Bd. 3, p. 576. 3) Pasteur, Annal. d. Chim. et d. Physique 1862, III. sör., Bd. 64, p. 58; Etüde s. 1. biere 1876, p. 34; Pasteur et Joubert, Compt. rend. 1877, Bd. 84, p. 20G. Bei Pasteur (1862) ist auch die ältere, zum Theü mit der Frage der Urzeugung zu- sammenhängende Literatur angeführt. 4) Cohn, 1. c. p. 250. Hier ist auch die ältere Literatur citirt. 5) 0. Brefeld, Unters, ü. d. Spaltpilze 1878, p. 10 (Sep. a. Sitzungsb. d. naturf. Freunde in Berlin); Botan. Unters, ü. Schimmelpilze 1881, Heft 4, p. 51. 6) Flügge, Die Mikroorganismen III. Aufl., 1896, Bd. I, p. 438; de Bary, Vergl. Morphol. u. Biolog. d. Pilze 1884, p. 515. 19* 292 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. Stunden eintritt bei verschiedenen zur Gruppe der Heu- und Kartoffelbacterien ge- hörigen Arten, ferner bei Bacillus mesentericus vulgatus ^j, Bacillus butylicus^), bei verschiedenen Thermobacterien 3]. Uebrigens tritt in vielen Fällen mit der Entwickelung eine gewisse Ver- schiebung der Widerstandsfähigkeit ein. So werden nach Sachs ^j und de Vries^) in der Regel die noch in Ausbildung begriffenen Blätter, Stengel, Wurzeln etwas leichter getödtet, als die ausgewachsenen Organe. Jedoch sind unter Umständen, wie das Verhalten der Sporen lehrt, die Jugendstadien besonders resistent. Vermuthlich werden z. B. auch die Blatt- und Sprossanlagen in den ruhenden Knospen nicht so leicht durch Wärme getödtet, als die in der Entfaltung begriffenen Organe. Ferner sind die verschiedenen Zellen in demselben Pflanzen- organ nicht immer in derselben Weise widerstandsfähig, wie sich schon daraus ergiebt, dass nach einer massigen Ueberschreitung des Ultramaximums öfters nicht alle Zellen abgetödtet sind^j. Da sich gewisse Pflanzen allmählich, wenn auch in einem beschränkten Maasse an eine höhere Temperatur gewöhnen (II, § 22), so wird vermuthlich der Organismus unter Umständen bei plötzlicher Ueberführung in einer Tem- peratur geschädigt oder getödtet, an die er sich bei langsamem Uebergang accommodirt. Ausserdem wird man im allgemeinen darauf rechnen dürfen, dass die Resistenz gegen Wärme abnimmt , wenn die Pflanze geschwächt ist oder sich in ungünstigen Lebensbedingungen befindet. Jedenftills wird in höherer Temperatur in Folge der gesteigerten Stoffwechselthätigkeit die Lebens- dauer abgekürzt, wenn der Pflanze ein begrenztes Quantum von Nahrung zur Verfügung steht. Es wurde auch schon früher (I, p. 544) mitgetheilt, dass nach Ausschluss von Sauerstoff die Keimlinge von Zea mays bei 40 C. nach 12 Stunden, bei 18 C. nach 24 Stunden, bei niedriger Temperatur aber erst in einigen Tagen abgestorben waren. Daraus erklärt sich, dass, wie Jusf) fand, bei Erhöhung der Temperatur die unter Wasser befindlichen Samen leichter bei Mangel als bei reichlicher Zufuhr von Sauerstoff geschädigt werden. Ein solches Resultat muss durch Erhöhung der Temperatur schon dann zu Stande kommen, wenn den unter Wasser liegenden Keimlingen nicht mehr ge- nügend Sauerstoff zugeführt wird, um die angestrebte erhöhte Athmungsthätig- keit zu befriedigen^). Auf anderen Ursachen muss es aber beruhen, dass in 1) E. Strub, Centralbl. f. Bacteriol. -1890, Bd. 7, p. 728. 2) Vgl. de Bary, I.e. Ferner Schattenfroh u. Grassberger, Centralbl. f. Bacteriol. II. Abth., 1900, Bd. 6. p. 4H. .3) L. Rabinowitsch, Zeitschr. f. Hygiene 1895, Bd. 20, p. 154. 4) J. Sachs, Flora i8(i4, p. 4. ö) H. de Vries, Materiaux pour 1. connaissance d. llnfluence d. 1. temperature s. 1. plantes 1870, p. 4; Sur la mort d. cellules vegetales fS?-!, p. 25 (Sep. a. Archives Nöerlandaises Bd. 6\ 6) De Vries, 1. c. Ueber die höhere Resistenz der Schhesszellen der Spalt- öffnungen siehe H. Leitgeb, Mittheil. a. d. Botan. Institut zu Graz 1886, I, p. 133. 7) Just, Cohn's Beiträge z. Biologie 1877, Bd. 2, p. 346. 8) Nach P. Maze, Compt. rend. 1899, Bd. 128, p. 1608, bildet sich in den unter Wasser befindhchen Keimpflanzen, in Folge des ungenügenden Zutrittes von Sauerstoff. Alkohol. Vgl. Bd. I. § 99. § 65. Einfluss der supramaximalen Temperatur. 293 den Versuchen von Sachs (1. c.) die in dampfgesättigter Luft befindlichen Blüthenpflanzen einige Grade mehr vertrugen, als die in Wasser untergetauchten hidividuen. Jedoch kommt hierbei in Betracht, dass die Pflanzen im Wasser viel schneller die Temperatur des umgebenden Mediums annehmen, also bei gleicher Versuchsdauer länger auf der maximalen Temperatur gehalten werden, als die in Luft befindlichen Exemplare, die sich zudem durch Transpiration (I, p. 227) vielleicht ein wenig abkühlen. Aus der Verschiebung des Temperaturmaximums durch die Ernährungs- bedingungen (II, § 22] folgt, dass durch solche Einflüsse auch das Ultramaximum modificirbar ist. Näher untersucht ist aber noch nicht, in welchem Maasse die giftige Wirkung von Stoffen durch die Erhöhung der Temperatur gesteigert wird. Auf die allgemeine Angabe Nägeli's^), je nach der Zusammensetzung der Culturflüssigkeit werde ein Bacterium, bei gleichlanger Erwärmung, ent- weder schon bei 30 C. oder erst bei ilO C. getödtet, ist schon desshalb nicht viel Werth zu legen, weil Nägel i augenscheinlich mit Bacteriengemischen, also mit einem inconstanten Material arbeitete. Ganz besonders wird die Widerstandsfähigkeit, sofern das Austrocknen un- schädlich ist (II, § 70), durch die völlige Entziehung des Wassers erhöht. Denn hierdurch werden viele Samen, Moose, Flechten, Pilzsporen, Bacterien befähigt, das ein- oder mehrstündige Erwärmen auf 100 oder sogar auf 110 und 120 C. auszuhalten. Diese Resistenz wird schon durch einen geringen Wassergehalt erheblich vermindert, so dass lufttrockene Samen nicht 100 C. vertragen und zum Theil schon zwischen 60 — 80 C. getödtet werden, wenn sie zuvor längere Zeit in einer sehr feuchten Luft verweilten. Da nun viele Experimente keine Garantie bieten, dass mit völlig ausgetrocknetem Material gearbeitet wurde, so muss da- hingestellt bleiben, ob und in wie weit sich die Angaben über Tödtung bei einer Temperatur zwischen 60 — 100 G. auf vollständig ausgetrocknete Objecte be- ziehen 2). Jedoch ist zu erwarten, dass es auch Pflanzen giebt, die nach thun- lichster Wasserentziehung eine kurze Erwärmung auf 100 C. nicht ertragen. Schliesslich werden alle ausgetrockneten Objecte ebenso wie bei gewöhnlicher, auch bei erhöhter Temperatur die Lebensfähigkeit einbüssen. Diese geht vor- aussichtlich bei 100 C. sogar schneller verloren, und vielleicht sterben bei er- höhter Temperatur gerade diejenigen Samen, Sporen etc. schneller ab, die ohnehin ihre Keimfähigkeit nur kürzere Zeit bewahren. Uebrigens kommt die hohe Resistenz im ausgetrockneten Zustand auch solchen Pflanzen zu, die im turgescenten Zustand schon bei 40 — 50 C. getödtet werden. Die grosse Widerstandsfähigkeit trockener Pflanzen wurde bereits von Spal- lanzani'^) constatirt und fernerhin von zahlreichen Forschern an Samen ■*], Moosen, -1) Nägeli, Die niederen Pilze 1877, p. 30, 200. — Nach Pasteur 1. c.) sind Bac- terien resistenter in alkalischer, als in saurer Milch. Cohn (1. c. p. 259) und Bre- feld (I.e. p. 11), die mit anderen Nährlösungen experimentirten, beobachteten da- gegen in alkalischer Lösung keine Vermehrung der Resistenz. Vgl. übrigens Cohn. Beiträge z. Biologie 1877, Bd. 2, p. 255. 2) Beispiele für andere Organismen z. B. bei A. Artari. Abhandig. der naturf. Gesellsch. in Halle, Bd. 31, p. 120. 3) Opuscules d. physique animale et vegetale traduit par Senebier 1777, Bd. 1, p. 58, 62. 4) Siehe Nobbe, Samenkunde 1876, p. 227; F. v. Höhnel, Wiss.-pract. Unters. 294 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. Flechten, Pilzsporen i), Hefearten 2\ Bacterien^) u. s.w. verfolgt. Von Krasan, Just, Höhnet wurde auch mit völlig getrockneten Samen operirt und gefunden, dass manche (sowohl stärke- als ölhaltige Samen) längere Zeit HO G. und vorüber- gehend sogar 120 C. aushalten. Wie zu erwarten, ist nach längerer und hoher Erwärmung als Zeichen des Beginns der Benachtheiligung die Keimung von Samen und Sporen verzögert. Da die Dauersporen verschiedener Bacterien ein mehr- stündiges Erwärmen auf 130 C. vertragen und sogar bei 140 C. erst nach einiger Zeit getödtet werden, so ist zu einem schnellen und sicheren Sterilisiren im trockenen Zustande eine verhältnissmässig hohe Temperatur (150 — 170 C.) nöthig. Die verschiedene Widerstandsfähigkeit der turgescenten Organismen steht im Zusammenhang mit der specifischen Lage des Temperaturmaximums (II, § 22) und kann, ebenso wie diese Eigenschaft, zur Zeit nicht aus der Structur des Organismus und des Protoplasten erklärt werden. Schon die Thatsache, dass gewisse Pflanzen bei 20 — 40 C. absterben, bew^eist, dass in diesem Falle die Tüdtung nicht von der Goagulation des Eiweisses durch Wärme abhängt. Denn wenn auch durch eine solche Goagulation, wie durch eine jede plötzliche Zer- störung der Structur, das Leben ohne Frage sogleich vernichtet wird, so beweisen doch die bei 75 C. gedeihenden Pflanzen, dass die Existenz von Organismen auch in einer Temperatur möglich ist, in welcher das Hühnereiweiss gerinnt. Uebrigens coaguliren nicht alle Eiweisskörper, und da zudem verschiedene Stofi"e^) die Gerinnung des Albumins verhindern, so würde sogar die Existenz dieses Proteinstoffes Organismen zulassen, die bei 100 G. wachsen. Dieserhalb ist es auch nicht überraschend, dass die Sporen gewisser Bacterien erst nach längerer Zeit in siedendem Wasser absterben. Da diese Resistenz auch den soeben gebildeten und nicht aus der Gulturflüssigkeit entfernten Sporen zu- kommt, die ohne Frage von Wasser durchtränkt sind, so ist die Widerstands- fälligkeit in diesem Falle nicht durch das Austrocknen bedingt, wie es Gohn^) und einige andere Forscher ß) annehmen. Jedoch ist es begreiflich, dass die a. d. Gebiete d. Pflanzenlaubes 1877, II, p. 77; L. Just. Cohn'sBeitr. z. ßiolog. ■1877. Bd. 2, p. 311 und die an diesen Orten citirte Literatur. — Nach P. Rittinghaus (Ver- handl. d. naturh. Vereins d. Rheinlande Jahrg. XLIII, 5. Folge, Bd. 3) werden die Pollen- körner bei 100 C. zum Theil schon in 15 Minuten getödtet. Siehe ferner F. Konno, Bot. Jahresb. 1898, I. Abth., p. 609. 1) Lit. bei de ßary, Morphol. u. Biologie d. Pilze 1884, p. 372. 2) Manassein, Wiesner's Mikroskop. Untersuchung 1872, p. 122; A. Artari, 1. c; E. Kays er, Annal. d. l'Institut Pasteur 1889, Bd. 3, p. 520. 3) Pasteur, Annal. d. chim. et d. physique 1862, III. ser., Bd. 64. p. 90; Nägeli, Die niederen Pilze 1877, p. 202, sowie die bei Flügge, Mikroorganismen III. Aufl., 1896, Bd. I, p. 437 citirte Lit. 4) Schadee van der Does, Zeitschr. f. physiol. Chem. 1897, Bd. 24, p. 351 (durch Ag); G. Clautriau, La digestion d. 1. urnes de Nepenthes 190 0, p. 25 (Sep. a. Memoir. couronnes etc. publies p. l'Academie royal. d. Belgique 1900) (durch Fe); K. Spiro. Zeitschr. f. physiol. Chem. 1900, Bd. 30, p. 182 (durch verschiedene organi- sche Stoffe). Vgl. auch 0. Cohnheim, Chemie d. Eiweisskörper 1900, p. 9. 5) Cohn, Beiträge z. Biologie 1877, Bd. 2, p. 266. 6j Gramer, Centralbl. f. Bacteriol. 1892, Bd. XI, p. 453. — Natürlich kann auch durch Nichtaufnahme von Wasser die Widerstandsfähigkeit bedingt sein. So beruht es offenbar auf der schwierigen Quellbarkeit, die manchen Samen zukommt, dass Pouchet § 65. Einfluss der supramaximalen Temperatur. 295 Resistenz mit dem Austrocknen erhöht wird, da hierdurch einmal die Reactions- fähigkeit todter Massen vermindert wird i) und ferner mit dem völligen Wasser- verlust die Lebensthätigkeit eingestellt wird. Da aber im trockenen Samen u. s. w. die Widerstandsfähigkeit schon durch die Aufnahme von einigen Procenten Wasser sehr stark vermindert wird, so kann also auch nicht wohl in einer turgescenten Zelle durch Anhäufung von Reservestoffen etc. der Wassergehalt so weit herabgesetzt werden, dass dadurch eine sehr hohe Widerstandsfähigkeit gewonnen wird. Schon früher (II, p. 89) wurde hervorgehoben, dass die Angaben über das Gedeihen und über das Aushalten von Organismen in heissen Quellen, in warmen Bodenschichten u. s. w. nur mit Vorsicht aufzunehmen sind. Denn einmal ist es oft fraglich, ob die gemessene Temperatur auch an derjenigen Stelle im Boden, im Wasser u. s. w. herrschte, an welcher sich die Pflanze befand. Ferner ist zu beachten, dass die Transpiration und die hierdurch veranlasste Zuführung von küh- lerem Wasser etc. abkühlend wirken, und dass zuweilen durch schützende Hüllen die zu hohe Erwärmung der lebendigen Zellen vermieden werden kann (II, Kap. XVI). Jedenfalls ist noch nicht genügend untersucht, ob in denjenigen Bodenschichten, die in manchen tropischen Ländern zeitweise eine Temperatur von 60 — 75 C. an- nehmen 2), ein reichliches Wurzelsjstem entwickelt wird, ob ferner dem Wurzel- system der in Betracht kommenden Pflanzen eine hohe Widerstandsfähigkeit zu- kommt, oder ob dessen Abtödtung durch anderweitige Verhältnisse vermieden wird. Aus der Erfahrung 3), dass die Wurzeln unserer Getreidcarten in dem 50 C. warmen Boden in einigen Tagen absterben, folgt natürlich nicht, dass sich andere Pflanzen ebenso verhalten. Immerhin ist es nicht sehr wahr- scheinlich, dass, wie es A. v. Humboldt-^) angiebt, an den warmen Quellen der Trinchera (Caracas) verschiedene Pflanzen ihre Wurzeln in Lachen treiben, die bis zu 83 C. warm sind. Denn es würde schon eine hohe Widerstandsfähig- keit erfordern, damit eine solche Temperatur auch nur vorübergehend ausgehalten wird. Transitorisch werden übrigens auch bei uns die insolirten Theile der Fett- pflanzen auf 52 C, also auf eine Temperatur erwärmt, die bei längerer Dauer tödtlich wirkt (II, Kap. XVI). Das Gedeihen im Sonnenlicht beweist ohnehin, dass die zeitweise durch die Insolation erzielte Temperatur ertragen wird. Nur dann,. wenn das Sonnenlicht durch einen Wassertropfen concentrirt wird, kann, analog wie durch ein Brennglas, eine locale Tödtung des Pflanzengewebes bewirkt werden 5). Eine austrocknungsfähige Pflanze wird aber durch den Wasserverlust derart resistent, dass sie, wie es bei Moosen und Flechten der Fall ist, sogar an dunklen Felsen aus- halten, die sich durch längere Insolation selii' stark erwärmen (Kerner, 1. c. p. 518). Ein Eingehen auf die Methoden, die zur Ermittlung der Tödtungstemperatur benutzt wurden, ist nicht geboten (vgl. II, p. 9 4). Ich beschränke mich auch (Compt. rend. 1866, Bd. 63, p. 939) die Samen einer Medicago-Art noch keimfähig fand, nachdem sich dieselben 4 Stunden lang in siedendem Wasser befunden hatten. Vgl. auch Nobbe, Samenkunde 1876, p. 228. 1) Ueber den Einfluss des Wassergehaltes auf die Coagulation des Eiweisses vgl. Lewith, Centralbl. f. Physiol. 1890, Bd. 4, p. 382. 2) Lit. bei Nobbe, Sameukunde 1876, p. 229; Kerner, Pflanzenleben I. Aufl., 1887, p. 518. 3) Bialoblocki, Einfluss der Bodenwärme auf die Entwickelung einiger Cultur- pflanzen 1872. 4) Vgl. Bot. Ztg. 1876, p. 783. 5) A. B. Frank, Krankheit, d. Pflanzen II. Aufl., 1895, Bd. I, p. 173. 296 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. darauf, einige der von de Vries^) gewonnenen Werthe mitzutheilen. In den zu Grunde liegenden Versuchen wurden die Pflanzen 15 — 30 Minuten in der hohen Temperatur gehalten. Dabei befanden sich die Wurzeln im Wasser bezw. im Boden. Die Sprosse wurden in Wasser oder in Luft gehalten, und zwar dienten zu den Versuchen in Luft Topfpflanzen, zu den Versuchen in Wasser abgeschnit- tene Theile. Die Moose und Algen wurden nur in Wasser untersucht. Die Columnen A geben die höchste Versuchstemperatur an, in welcher die Pflanzen nicht geschädigt wurden, die Columnen B diejenige Versuchstemperatur, in welcher Tödtung erfolgte. 1 u. 2 im Boden, die folgenden in Luft A I B Zea mays. Wurzel . Phaseolus vulgaris, Wurzel l Spitze des Blattes . . . Iris florentina i ^ . , ( Basis desselben l Junges Blatt Vinca minor { . _, ( Altes Blatt Funaria hygrometrica Marcliantia polymorpha Oedogonium spec Oscillaria Fröhlichii, anguina u. chlorina 45,5° C. 45,5 » 49,0 » 49.7 » 46,2 * 47.8 » 40,2 » 4 4,9 » 42.2 » 43,4 » 47,0° C. 47.0 » 49.7 » 51 ,ö » 47.8 » 50.1 ^ 43,4 » 46,4 » 44.2 » 45,1 » 50,1^0. 50,0 » 53,2 » 55,0 » 53,0 » 52,2° C. 51,5 » 55,0 » 57,3(?)» 53,3 » 55,0 » Ausser in den schon citirten Arbeiten finden sich weitere Angaben u. a. bei Meyen (Physiologie 1838, Bd. 2 , p. 313); Edwards und Colin (Annal. d. scienc. naturell. 1834, II. ser., Bd. I, p. 263); Heinrich (Versuchsstat. 1870, Bd. 13, p. 1 48 für Hottonia) ; Veiten (Flora 1876, p. 212 für Vallisneria) ; S^heltinga (Bot. Jahresb. 1876, p. 719 für Wasserpflanzen); M. Schnitze (Protoplasma d. Rhizopoden und Pflanzenzellen 18 63, p. 48, Beobachtungen am Protoplasma von Haaren u. s. w.); Strasburger (Wirkung des Lichtes u. der Wärme auf Schwärmsporen 1878, p. 61 für Schwärmzellen). Nach Kühne (Untersuch, über d. Protoplasma 186 4, p. 87) gehen die Plasmodien von Aetha- lium septicum schon nach 2 Minuten langem Erwärmen auf 40 C, von Didy- mium serpula nach kurzem Erwärmen auf 35 C zu Grunde. Ueber das Tem- peraturmaximum bei locomotorischen Bewegungen und Plasmabewegungen vgl. auch II, Kap. XIV u. XV. — Die Literatur über Pilze und Bacterien ist in den schon citirten Werken von de Bary und Flügge zusammengestellt. 1) H. deVries, Materiaux p. 1. connaissance d. l'influence d. 1. temperatm-e s. 1. plantes 1870, p. 3 (Sep. a. Archiv. Neerlandaises Bd. 3 . § 66. Gefrieren und Erfrieren. 297 § 66. Gefrieren und Erfrieren. Während durch eine genügende Steigerung der Temperatur der Tod schnell und sicher herbeigeführt wird, ist es nicht möglich, durch eine Erniedrigung der Temperatur das Leben aller Organismen zu vernichten. Denn Samen, Sporen u. s. w. haben sich im getrockneten Zustand, gewisse Mikroorganismen auch im turgescenten Zustand trotz der Abkühhmg auf — • 200 C. als resistent erwiesen. Die meisten Pflanzen können freilich durch die zureichende Senkung der Temperatur getödtet werden, sind aber, wie schon aus den Beobachtungen in der Natur zu entnehmen ist, mit einer specifisch verschiedenen Widerstands- fähigkeit ausgestattet. So ptlegen z. B. die oberirdischen Theile von Cucumis sativus, Cucurbita pepo, Ricinus, hnpatiens balsamina, Phaseolus nanus, Sola- num tuberosum in einer Nacht ganz oder theilweise zu erfrieren, wenn die Luft- temperatur auf — 2 bis — 4 C. fällt, während u. a. Stellaria media, Senecio vulgaris, Lamium amplexicaule, Urtica urens, Bellis perennis erst durch eine längere Abkühlung auf — 6 bis — 9 C. getödtet werden, und z. B. Ilelleborus foetidus — 17 G. verträgt'). Eine derartige und zeitweise sogar eine noch tiefere Temperatur müssen ferner unsere Holzpflanzen in ihrem Winterzustand aushalten. Larix sibirica und einige andere Phanerogamen, sowie gewisse Moose und Flechten kommen sogar in einem arctischen Klima fort, in welchem die Wintertemperatur zwischen — 30 bis — 50 C. schwankt und in dem sie zu- weilen während 6 Monaten steif gefroren sind 2). Da die Pflanzen poikilotherme Organismen sind, in denen zudem mit der Abkühlung die Wärme erzeugende Stoffwechselthätigkeit auf ein Minimum redu- cirt wird (I, p. 572), so stellen sie sich annähernd auf die Temperatur der Um- gebung ein (II, Kap. XVI). Die in die Luft ragenden Holzpflanzen, die Moose und die Flechten, die an Stämmen oder an Felsen wachsen, an welchen der Schnee nicht haftet, nehmen also ungefähr die Temperatur der Luft an. Demgemäss erfolgt mit genügender Abkühlung Eisbildung in der Pflanze, die sich zumeist erst nach einer gewissen Ueberkältung und dann plötzlich einstellt (II, § 67). Diese Eisbildung macht sich schon dadurch bemerklich, dass die stark gefrorenen Krautpflanzen (Stellaria media, Ranunculus glacialis etc.) steif und brüchig werden, und dass der gefrorene Baumstamm dem Eindringen der Axt einen grösseren Widerstand entgegensetzt. Durch eine solche Eisbildung wird also bei den genannten und anderen resistenten Pflanzen keine Tödtung herbeigeführt 3), während im allgemeinen die Pflanzen, welche bei geringer Kälte erfrieren (zu diesen gehören u. a. auch die Kartoffelknolle, die Zuckerrübe, die 1) Lit.: H. R. Göppert, Wärmeentwickelung i. d. Pflanzen 1830, p. 94; Bot. Ztg. 4875, p. 613; Ueber d. Gefrieren u. Erfrieren d. Pflanzen 1883; Frank, Krankheit, d. Pflanzen II. Aufl., 1894, Bd. I, p. 197; Büsgen, Waldbäume 1897, p. 43 u. s. w. 2) Siehe Göppert, I.e. p. ö9; 0. Drude, Handb. der Pflanzengeographie 1890, p. 24; A. F. W. Schimper, Pflanzengeographie 1898, p. 45. 3; Dass steif gefrorene Pflanzen nach dem Aufthauen noch lebendig sein können, ist schon lange bekannt. Vgl. z. B. Duhamel, Naturgesch. der Bäume 1765, Bd. 2, p. 298; Göppert 1830, 1. C. p. 11, 228. 298 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. Apfelfrucht), sich als todt erweisen, wenn in ihnen Eisbildung stattgefunden hat. Dass in der That die Tüdtung in vielen Fällen von der Eisbildung ab- hängt, ergiebt sich daraus, dass ohne letztere die gleiche Temperaturerniedrigung ertragen wird. So wird die geschälte Kartoffel, in der sich bei — 1 C. Eis bildet, schon bei dieser Temperatur getüdtet, während die ungeschälte Kartoffel, in der erst nach einer Abkühlung (Ueberkältung) auf — 3 bis — 4 C. Eis ent- steht, während einiger Tage ohne Schaden bei — 2 C. gehalten werden kann^). Analog verhalten sich viele Pflanzen, und wenn z. B. in einem frostempfind- lichen Blatte die Eisbildung nur an einzelnen Stellen stattfindet, so werden auch nur diese getüdtet 2). Da sich ein Organismus offenbar auch in einer inframinimalen Wachsthums- temperatur nicht imbegrenzt am Leben erhalten kann (II, p. 279), so ist von vornherein zu erwarten, dass Pflanzen, und insbesondere solche, denen ein hohes Temperaturminimum zukommt (II, § 22), mit der Zeit in einer Tempe- ratur absterben, die über dem Gefrierpunct liegt. In der That tritt, nach Molisch»), in einer zwischen -1-1,4 und -[-3,7 C. schwankenden Temperatur in 18—24 Stunden der Beginn der Schädigung und in 5 Tagen das Absterben der Blätter von Episcia bicolor und Sciadocalyx AVarsewitzii ein, während unter denselben Bedingungen bei Tradescantia discolor und Tournefortia hirsutissima der Beginn der Schädigung der Blätter nach 8 Tagen, das Absterben nach 27 Tagen zu bemerken war. Auch hebt bereits Göppert^) hervor, dass verschiedene Pflanzen, die vorübergehend — 2 bis — 3 G. vertragen, zu Grunde gehen, wenn sie während 24 — 48 Stunden bei — 1 C., also in einer Temperatur gehalten werden, in der voraussichtlich die Eisbildung in der Pflanze unterblieb (II, § 67). Ferner habe ich gelegentlich beobachtet, dass die Keimwurzel von Cucurbita pepo und Phaseolus vulgaris zum Theil abgestorben war, nachdem sie 4 Wochen lang in einer Temperatur zwischen 0 bis -f- 1 C. verweilt hatte. Schon der Umstand, dass mit der Temperaturerniedrigung die Stoffwechselthätigkeit sehr reducirt wird (I, p. 572), macht es begreiflich, dass sich die Pflanze in einer inframinimalen Temperatur viel länger am Leben erhält, als in einer supra- maximalen Temperatur (II, § 65). Ohnehin müssen die Pflanzen, deren AVachs- thumsthätigkeit in der Heimath zuweilen durch niedrige Temperatur auf längere Zeit sistirt wird, auch befähigt sein, diese Kältestarre längere Zeit zu ertragen. (Ueber Thermobacterien vgl. II, p. 90.) Indem wir, wie es zumeist geschieht (Molisch, 1. c. p. 49), eine jede Tüdtung durch eine inframinimale Temperatur als Erfrieren bezeichnen, haben wir ein Erfrieren mit und ohne Eisbildung zu unterscheiden und zu beachten. \) H. Müller-Thurgau, Landwirthschaftl. Jahrb. 1SS6, Bd. lö, p. 488, 503. — Vieles ist auch schon in Müller 's Arbeit, Landwirthschaftl. Jahrb. 1880, Bd. 9, p. 133, enthalten. — Vgl. II, § 67. ^ 2] H. Müller-Thurgau, 1. c. p. 003. 3) H. Molisch, Unters, ü. d. Erfrieren d. Pflanzen 1897, p. Gl. — Offenbar wurde auch bereits von Göppert, Hardy und Ivunisch (Lit. bei Molisch, 1. c. p. 56) ein Absterben über Null beobachtet, jedoch wurde niclit genügend controlirt, ob sich die Pflanzen nicht durch Strahlung etc. unter die vom Thermometer angezeigte Temperatur abkühlten [vgl. II, p. 304). 4) H. R. Göppert, 1. c. 1830, p. 63; 1883, p. 30. § 66. Gefrieren und Erfrieren. 299 dass letztere, d. h. das Gefrieren, den Tod verursachen kann, aber nicht ver- ursachen muss. Dieser Sprachgebrauch erscheint mir in der That zweck- mässiger, als der Vorschlag H. Müller-Thurgau's (1886, I.e. p. 496), unter »Erfrieren« nur die durch Gefrieren erzielten Tüdtungen zu verstehen. Denn auch in diesem Falle kommt die Tüdtung nicht immer in derselben Weise zu Stande, und eine nähere causale Aufhellung ist doch stets nothwendig. Die Pflanzen, die eine Eisbildung vertragen, sind im gefrorenen Ztistand keineswegs unveränderlich und unempfindlich. Denn einmal sterben auch die steif gefrorenen Pflanzen mit der Zeit ab, und ferner kann durch eine weitere Senkung der Temperatur der Tod herbeigeführt werden. Letzteres folgt schon aus der erwähnten Existenz eines specifischen Ultraminimums. Auch ist all- gemein bekannt, dass in einem ungewöhnlich kalten Winter Obstbäume und andere Holzgewächse erfrieren, welche die übliche Winterkälte jedes Jahr ohne Schaden ertragen hatten i). Das Absterben solcher Pflanzen, die das Austrocknen nicht ertragen, wird schon durch die mit der Kälte zunehmende Eisbildung und Wasserentziehung verursacht werden, die z. B. bei — 30 C. sehr ansehnlich sein muss (II, § 67). Jedoch kommt nach den Beobachtungen in der Natur ein analoges Verhalten auch aus trocknungsfähigen Moosen zu, und nach Pictet^) werden die bei — 60 C. gefrorenen (austrocknungsfähigen) Räderthiere durch eine weitere Er- niedrigung der Temperatur getüdtet. Denn während diese Organismen durch eine Temperatur von — 60 G. während 24 Stunden nicht geschädigt wurden, gingen bei gleich langer Abkühlung auf — 80 bis — 90 C. zahlreiche, auf — 150 bis — 160 C. sämmtliche Individuen zu Grunde. Nach den später (II, p. 305) mitzutheilenden Erfahrungen über Mikroorganismen ist zu vermuthen, dass es auch Organismen giebt, die z. B. durch eine Erniedrigung der Tempe- ratur von — 100 auf — 200 C. getüdtet werden. Mag nun eine solche Tüdtung durch die mit der weiteren Abkühlung gesteigerte Entziehung des Imbibitionswassers (II, § 67, 68) oder auf andere Weise bewirkt werden, so ist doch soviel gewiss, dass auch nach dem Ge- frieren des flüssigen Zellinhaltes noch eine zum Tode führende Veränderung müglich ist 3). Beachtet man ferner, dass die vüllig trockenen Samen und Sporen mit der Zeit ihre Keimkraft verlieren, so wird es wahrscheinlich, dass die Lebensfähigkeit auch in der tiefsten Temperatur nicht unbegrenzt conservirt wird, dass also sowohl die im wasserdurchtränkten, als auch die im trockenen Zustand abgekühlten Pflanzen endlich absterben (II, p. 287). Denn mehr als eine erhebliche Verlängerung der Lebensdauer ist doch nicht zu erwarten, und das erwähnte Verhalten der Räderthiere (und sicherlich vieler Organismen) 1) Bsp. in den citirten Schriften von Göppert etc. — Ueber Erfahrungen an Thieren vgl. z. B. A. Welter, Die tiefen Temperaturen 1893, p. 75; P. Bachmetjew, Zeitschr. f. wiss. Zoolog. 1899, Bd. G6, p. 3-2I. — Einige weitere Angaben über das Er- frieren animaUscher Organismen bei A. Labbe, La Cytologie 1898, p. 37. 2) R. Pictet, Archiv, d. scienc. phys. et naturell, d. Geneve 1893, III. ser., Bd. 30, p. 3H. 3) Nägeli (Sitzungsb. d. Münchener Akadem. iSGi, I, p. 2711 nahm irrigerweise an, dass für die steif gefrorene Pflanze eine weitere Erniedrigung der Temperatur be- deutungslos sei. *&•■ 300 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. beweist, dass in der tieferen Temperatur das Absterben schneller von statten gehen kann. Nach den Versuchen (II, p. 303) von de Candolle scheint ausser- dem die Keimfähigkeit des trockenen Samens von Lobelia Erinus in tiefer Tem- peratur früher zu erlöschen, als unter normalen Verhältnissen. Aus dem Umstände, dass bei sehr tiefer Temperatur sehr viele chemische Reactionen sistirt sind^), lässt sich in unseren Fragen ebensowenig ein für alle Fälle giltiger Schluss ziehen, wie aus den physiologischen Experimenten, in denen die Abkühlung immer nur eine verhältnissmässig kurze Zeit dauerte. Thatsächlich wird die Lebensfähigkeit in verschiedenartigen Starrezuständen lange erhalten, und dass dieses auch im gefrorenen Zustand geschieht, beweisen schon die arctischen Pflanzen, die während eines halben Jahres steif gefroren sind 2). Alle diese Erfolge treten ebensogut bei langsamer, wie bei schneller Ab- kühlung ein, und zwar wird die Pflanze durch die ultraminimale Erniedrigung der Temperatur, also nicht durch das Aufthauen getödtet. Demgemäss kann eine Pflanze, die schon durch die Eisbildung zu Grunde geht, auch durch das langsamste Aufthauen nicht gerettet werden, während die Pflanze, die das Er- frieren erträgt, bei schnellem Aufthauen am Leben bleibt. Dieses wird also nicht geschädigt, wenn man eine bei — 6 C. steif gefrorene Stellaria media u. s. w. (II, p. 297) in ein warmes Zimmer bringt oder durch Eintauchen in Wasser von + 25 C. plötzlich aufthaut. Ebenso beobachtete Frisch-^), dass die auf — 59 C. abgekühlten Bacterien ihre Bewegungsthätigkeit sogleich wieder aufnahmen, als die Eismasse in weniger als einer Minute aufthaute. Die Befähigung, den schnellen Wechsel so gut zu ertragen, ist ökologisch bedeutungsvoll (vgl. II, p. 93). Denn in der Natur wird durch die Sonnen- strahlen nicht selten ein sehr schnelles Aufthauen bewirkt, das z. B, in wenigen Minuten vollendet ist, wenn in den Hochalpen eine bis dahin im Schatten stehende gefrorene Pflanze von den Sonnenstrahlen getroflen wird. In der That ver- mochten Müller-Thurgau^), sowie Älolisch^) in der Regel irgend einen be- nachtheiligenden Einfluss des schnellen Aufthauens nicht zu entdecken. Eine Ausnahme wurde nur für die Frucht des Apfels und der Birne 6) und für das Blatt von Agave americana (Molisch, 1. c. p. 47) gefunden, die nach massigem Gefrieren bei sehr langsamem Aufthauen am Leben bleiben, bei schnellem Auf- thauen aber absterben. Ebenso vertragen die Pflanzen eine plötzliche Abkühlung. Denn so weit ■1) R. Pictet, Zeitschr. f. physikal. Chem. 1895, Bd. 16, p. 4-17. 2) Wenn nach v. Charpentier (Bot. Ztg. 1843, p. 13) Trifolium alpinum, caespi- tosum, Geum montanum, Cerastium latifolium weiter wuchsen, nachdem sie 4 Jahre lang von dem Gletscher bedeckt gewesen waren, so ist damit nicht gesagt, dass diese Pflanzen ein so langes Gefrieren aushalten. Denn da die Temperatur unter dem Eise im Sommer sicher auf Null und auch darüher steigt, so waren die Pflanzen eine ge- wisse Zeit im Jahre nicht gefroren. 3) Frisch, Sitzungsb. d. Wiener Akadem. 1877, Bd. 75, Abth. 3, p. 257. 4) H. Müller-Thurgau, Landwirthschaftl. Jahrbuch. ISSß, Bd. 15, p. 506. 5) H. Molisch, Das Erfrieren d. Pflanzen 1897, p. 34. — Falls bei dem Aufthauen sich die Intercellularen mit Wasser füllen, so wird diese Injection ziemlich bald wieder aufgehoben. Vgl. Bd. I, p. 258, 264. 6; Müller-Thurgau, Schweizerische Zeitschrift für Obst- u. Weinbau 1894. § 66. Gefrieren und Erfrieren. 301 bekannt, macht es für diejenigen Pflanzen, welche das Gefrieren aushalten, der Regel nach nichts aus, ob die Kürpertemperatur schnell oder langsam erniedrigt wird, und es ist auch noch fraglich, ob der schnelle Temperaturabfall für die- jenigen Pflanzen nachtheilig ist, welche durch die Eisbildung getödtet werden. Dass wenigstens die Schädigung nicht in erster Linie durch die plötzliche Eisbildung in dem überkälteten Organismus (II, § 67) verursacht wird, dafür spricht die Erfahrung, dass die (geschälte) Kartoffel auch dann erfriert, wenn die Ueber- kältung vermieden ist und sich das Eis allmählich bei — 1 C. bildet (II, p. 298). Ganz spurlos geht indess keine Inanspruchnahme vorbei, und so ist es verständlich, dass wiederholtes Gefrieren und Aufthauen schädlich wirkt. So wurden nach Göpperfi) Lamium purpureum, Stellaria media, Helleborus niger u. s. w. getödtet, als sie mehr als sechsmal hinter einander bei — 4 bis — 5 C. gefroren und in einem Zimmer aufthauten, während diese Pflanzen im Freien, d. h. ohne diesen Wechsel, — 11 bis — 12 C. aushielten. Während Göppert^) das Erfrieren durch das Gefi'ieren zu Stande kommen lässt, suchte Sachs 3) darzuthun, dass die Tödtung erst -während des Aufthauens eintritt und durch eine Verlangsamung des Aufthauens vermieden werden kann. Durch die schon besprochenen Untersuchungen von Müller-Thurgau wurde in- dess der wahre Sachverhalt sichergestellt. Gewöhnlich lässt sich erst nach dem Aufthauen erkennen, ob die Pflanze noch lebendig ist. In einigen Fällen treten jedoch Reactionen ein, durch die der Eintritt des Todes in der gefrorenen Pflanze angezeigt wird. In diesem Sinne benutzte und interpretirte schon Göppert^) die Blaufärbung, welche in den Perigon- blättern von Phajus, Calanthe und einigen anderen Orchideen durch die Abspal- tung des Indigos eintritt, wenn die Pflanze durch genügende Abkühlung oder in irgend einer anderen Weise getödtet wird. Fernerhin haben dann Detmer^) die Farbenänderung im Blatte von Begonia manicata, Moli seh 6) die Fai"benänderung in Nitophyllum peltatum (Floridee) und die Entwickelung des Cumaringeruches als Indicien für die Tödtung durch das Gefriei-en benutzt. Im vorstehenden ist bereits die specifisch verschiedene Widerstandsfähig- keit der einzelnen Arten, sowie der Organe und der Entwickelungsstadien 1) Göppert, Wärmeentwickelung i. der Pflanze 1830, p. 62; Gefrieren, Erfrieren u. s. w. 1883, p. 4 9. 2) Göppert 1830, 1. c. p. 232; Bot. Ztg. 1871, p. 73. Vgl. auch Kunisch, Ueber die tödtliche Einwirkung niederer Temperaturen. Dissertat. 1880, p. 42. 3) J. Sachs, Sitzungsb. der Sachs. Gesellschaft der Wissensch. zu Leipzig 1860, Bd. 12, p. 27 ; Versuchsstationen 1860, Bd. 2, p. 173. — Eine ähnliche Vermuthung wurde schon von Duhamel (Naturgeschichte der Bäume 1765, Bd. 2, p. 277) ausgesprochen. Vgl. die Lit. bei Müller-Thurgau 1886, 1. c. p. ö06. — Müller-Thurgau hat auch erörtert, durch welche Umstände die Experimente von Sachs zu Resultaten führten, welche die Theorie dieses Forschers zu stützen schienen. 4) Göppert, Bot. Ztg. 1871, p. 399; Müller-Thurgau, Landw. Jahrb. 1880, Bd. 9, p. 1G2, 166; 1886, p. 51 5 ; Molis ch, 1. c p. 35. — Vgl. über Indigobüdung Bd. I. p. 495. — Dass die Blaufärbung der genannten Blüthen durch Indigo bedingt ist, er- kannte bereits Marquart 1830. Nach Kunisch (1. c. p. 37, 50) tritt diese auf Spal- tung beruhende Blaufärbung (Indigobildung) auch im sauerstoftfreien Räume ein. 5) Detmer, Bot. Ztg. 1886, p. 521. — Ueber Farbenänderungen ohne Tödtung vgl. Bd. I, p. 319, 497. 6) Molisch, 1. c. p. 38, 41. 302 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. derselben Art durch Beispiele illustrirt. Auch ist schon früher (II, p. 287) darauf hingewiesen, dass die Pflanzen der arctischen und der gemässigten Zone in geeigneter Weise eingerichtet und ausgestattet sein müssen, um den Winter überdauern zu können ^j. Wie sich zur Erreichung dieses Zieles unter Umständen die Resistenz mit der Entwickelung ändert, dafür sind ein schönes Beispiel die Winterknospen der Holzpflanzen, die durch die Winterkälte auch dann nicht geschädigt werden, wenn die sich entfaltenden und entfalteten Blätter und Blüthen leicht erfrieren. Die gequollenen Samen scheinen zumeist ein wenig widerstandsfähiger zu sein, als die Keimpflanze 2), Jedoch ist auch diese geringe Erhöhung der Resistenz schon bedeutungsvoll, weil die wasserdurch- tränkten Samen zum guten Theil durch die Bedeckung mit Boden u. s. w. bis zu einem gewissen Grade geschützt sind, während die freiliegenden Samen, so- fern sie austrocknen, eine jede Temperaturerniedrigung ertragen. Mit den Anpassungen an die normalen Lebensbedingungen steht es auch im Zusammenhang, dass die tropischen Pflanzen im allgemeinen leichter er- frieren ^j. Jedoch sind die tropischen Pflanzen zum Theil ebenso oder sogar im höheren Grade resistent, als bei gewissen Pflanzen der gemässigten Zone die- jenigen Organe und Entwickelungsphasen, die nur auf die Sommerzeit berechnet sind. Zudem muss mit einem tief liegenden Temperaturminimum nicht immer eine grosse Widerstandsfähigkeit gegen Kälte verknüpft sein. So gehen die Schwärmsporen von Ulothrix zonata zu Grunde, wenn sie bei — i C. ein- frieren^), obgleich sie sich noch in Wasser von 0° bewegen und obgleich das W^achsthumsminimum dieser Pflanze bei Null liegt (I, p. 87). Es ist auch noch nicht untersucht, ob diejenigen Meeresalgen leicht erfrieren, die zwar noch bei — 1 ,8 C. wachsen (II, p. 88), aber in der Natur normalerw^eise nicht wesentlich tiefer abgekühlt werden. Wie nicht anders zu erwarten, lehren die Erfahrungen, dass die Wider- standsfähigkeit einer Art gegen Kälte bis zu einem gewissen Grade von den übrigen Aussenbedingungen und von den vorausgegangenen Culturbedingungen abhängt. So erfroren nach G. Haberlandt^) die bei -j- 18 bis +20 C. er- wachsenen Keimpflanzen leichter, als die bei +8 0. cultivirten Keimlinge. Ferner gingen nach Göppert^) Senecio vulgaris, Poa annua, Fumaria officinalis, die im November und December bis — 110. ausgehalten hatten, schon bei — 9 C. zu Grunde, nachdem sie 1 5 Tage in einem Warmhaus zugebracht hatten. Auch scheint den etiolirten Pflanzen eine geringere Widerstandsfähigkeit zuzu- kommen. Durch die besondere Combination von Licht und AVärme wird zu- gleich mit dem abweichenden Habitus (II, § 26) offenbar auch veranlasst, dass 1) Die Wurzeln pflegen minder resistent zu sein, als die Stämme. Mohl, Bot. Ztg. 4848, p. 6; 18G2, p. 324; Göppert, Gefrieren, Erfrieren u. s. w. ^SS^i, p. 56. 2) Göppert, Die Wärmeentwickelung i. d. Pflanzen -1830, p. 43; G. Haberlandt, Die Schutzeinrichtungen d. Iveimpflanze 1877, p. 48. 3) Vgl. Karsten, Bot. Ztg. -1861, p. 289; Göppert, Botan. Jahresb. 1873. p. 263; Naudin, Annal. d. scienc. naturell. 1877, VI. ser., Bd. 5, p. 323 u. s. w. — Siehe auch II, p. 298 Erfrieren über Null. 4) Strasburger, Wirkung d. Lichtes u. d. Wärme auf Schwärmsporen 4 878, p. 62. 5) G. Haberlandt. Die Schutzeinrichtungen d. Keimpflanze 1877, p. 48; Botan. Jahresb. 1879, p. 239. 6; Göppert, 1. c. 1830, p. 63. § 66. Gefrieren und Erfrieren. 303 die in den Hochalpen erwachsenen Pflanzen zumeist nicht so leicht erfrieren, als die in der Ebene erwachsenen Individuen derselben Art^). hii allgemeinen scheint die Widerstandsfähigkeit durch alle ungünstigen Aussenbedingungen etwas reducirt zu werden, so dass eine Abnahme der Re- sistenz z. B. ebenso durch eine übermässige, als durch eine ungenügende Ver- sorgung mit Wasser oder einem Nährstoff veranlasst werden kann 2). Bedenkt man, dass ferner der Beginn der Ruhezeit und des Wiedererwachens der Thätig- keit, sowie verschiedene andere Momente von Bedeutung sind, so ist klar, dass in der Natur eine Steigerung der Frostempfindlichkeit durch verschiedene Fac- toren und Combinationen erzielbar ist. Es ist desshalb auch verständlich, dass zwar häufig die an dem Nordabhang stehenden Individuen einer Nadelholzart frosthärter sind, zuweilen aber leichter erfrieren, als die an dem Südabhang erwachsenen Individuen. Folgen der Wasserentziehung. — Wie schon ei'wähnt, wird durch eine weit- gehende Wasserentziehung die Widerstandsfähigkeit derart gesteigert, dass nach dem Befunde verschiedener Forscher 3) schon die lufttrockenen Samen, Pilzsporen, Bacterien und vermuthlich alle austrocknungsfähigen Objecte durch die erzielbare tiefste Temperatur (— 200 bis — 250 C.) nicht geschädigt werden. Allerdings erstrecken sich diese Versuche nur auf kürzere Zeit, und nur von Brown und Escombe (1. c.) w^urde HO Stunden auf — 183 bis — 192 C. abgekühlt. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass bei längerer Dauer des Experimentes ein Ab- sterben beobachtet wird (II, p. 299). In der That fand C. de Candolle-^), dass nach 1 1 8 Tagen, während die Temperatur zwischen — 37 bis — 57 C. geschwankt hatte, und zuweilen etwas über — 37 G. gestiegen war, die Samen von Lobelia Erinus die Keimfähigkeit verloren hatten, die in den übrigen Samen (Avena, Triticum u. s. w.) unverändert geblieben war. Durch Zufuhr von wenig oder viel Wasser müssen sich natürlich alle Abstufungen bis zu der Widerstandsfähigkeit der turgescenten Objecte herstellen lassen. Da sich ferner durch die Verminderung der Tur- gescenz der Gefrierpunct erniedrigt, so wird dadurch auch der Erfrierpunct der- jenigen Pflanzen hinausgeschoben, die durch die Eisbildung getödtet werden (II, p. 298). Die tödtliche Wasserentziehung kann aber einmal durch die übermässige Eis- bildung in der Pflanze (II, p. 299] und ferner dadurch verursacht werden, dass die Pflanze austrocknet, weil sie dem gefrorenen Boden nicht die Wassermenge ' 1) Es ist noch zu entscheiden, ob bei Versetzung von Pflanzen aus einem nordi- schen in ein wärmeres Klima die höhere Resistenz in einem ähnlichen Sinne nach- wirkt, wie die Abkürzung der Vegetationszeit (II, § 60). 2) Vgl. H. Müller-Thurgau, Landwirth. Jahrb. 1886, Bd. 15, p. 343. An dieser Stehe sind auch andere Beobachtungen über die Abhängigkeit der Frostempfmdbchkeit von den Aussenbedingungen zu finden. Einige Beobachtungen schon bei Duhamel, Naturgesch. d. Bäume 1763, Bd. 2, p. 270. 3) R. Pictet (Archiv, d. scienc. phys. et naturefl. d. Geneve 1893, III. periode. Bd. 30, p. 311) erzielte —200 C. mit flüssiger Luft; dgl. H. Brown und F. Escombe (Proceed. of the Royal Society 1897, Bd. G2, p. 160). W. Th. Thiselton-Dyer (Proceed. of the Royal Society 1899, Bd. 65, p. 362) erreichte —250 C. mit Hilfe von flüssigem Wasserstoff. In den früheren Versuchen von Pictet, de Candolle, Edwards u. Collin, Göppert wurde mit minder tiefer Temperatur gearbeitet. 4) C. de Candolle, Archiv, d. scienc. physiqu. et naturefl. de Geneve 1895, III. per., Bd. 33, p. 304. 304 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. entreissen kann, die zur Deckung des Transpirationsverlustes nothwendig ist. Durch das so erzielte Austrocknen der oberirdischen Theile gehen auch bei uns in trockenen Wintern einzelne Holzpflanzen zu Grunde ^j. Da aber in arctischen Gegenden der Boden sehr lange gefroren ist, so ist es wesenthch, dass die hier wachsenden Holzpflanzen in ähnlicher Weise gegen zu starke Transpiration ge- schützt sind, wie die xerophilen Arten in einem warmen Klima 2]. Schutz gegen Gefrieren. Nehmen auch die Pflanzen mit der Zeit die Tem- peratur der Umgebung an, so kann doch durch alle Einrichtungen, welche die Abkühlung des Pflanzenkörpers verzögern (vgl. II, Kap. XVI), ein gewisser Schutz gegen eine vorübergehende tiefe Temperatursenkung gewonnen werden. In viel höherem Maasse als durch die ßauverhältnisse, werden freilich die Pflanzen durch die Bedeckung mit Erde, mit Schnee etc. vor einer zu weitgehenden Abkühlung und damit vor dem Erfrieren bewahrt ^j. Durch eine solche Bedeckung wird auch die Temperaturerniedrigung durch Ausstrahlung verhindert, durch welche in hellen Nächten die Körpertemperatur der Pflanze bis 8 C. unter die Luft- temperatur sinken kann. (Näheres II, Kap. XVI.) Unter diesen Umständen findet man thatsächlich Pflanzen steif gefroren, obgleich das Thermometer nur bis auf -\- \ bis -j- 2 C. zurückging. Weil aber diese Verhältnisse nicht immer genügend bei'ücksichtigt wurden, sind die älteren Angaben über das Erfrieren über Null nur mit Vorsicht aufzunehmen (II, p. 298). Wie durch Nebel wird die Abkühlung durch Strahlung durch eine jede Trü- bung der Luft, also auch durch rauchende Feuer vermindert, deren Anwendung als ein Schutzmittel gegen das Erfrieren in einer klaren Frostnacht schon Plinius und ebenso die Peruaner vor der Entdeckung Amerikas kannten-^). Da der Rauch durch Verminderung der Abkühlung des Pflanzenkörpers, aber nicht durch die Abhaltung der Sonnenstrahlen, d. h. durch die Verlangsamung des Auf- thauens, wirkt, so müssen die Feuer schon in der Nacht angezündet werden. Ueberhaupt ist der Regel nach das Leben der Pflanze durch Verlangsamung des Aufthauens nicht zu retten (II, p. 300)^). Wenn also, was noch fraglich ist, das Begiessen der gefrorenen Pflanze mit Wasser nützlich ist, so muss das nicht durch die Verlangsamung des Aufthauens, sondern durch andere Ursachen bedingt sein. Die speciflsch Terschiedene Widerstandsfähigkeit ist bereits, insbesondere mit Rücksicht auf höhere Pflanzen, durch Beispiele illustrirt^). Zur Ergänzung 1) Vgl. Bd. I, p. 213 u. die dort cit. Arbeiten von Kihlmann, sowie von Sten- ström. Ferner Göppert,l. c. 1830, p. 58; Molisch, 1. c. p. 50; Schimper, Pflanzen- geographie 1898, p. 45, 1)1. — Ueber die Transpiration gefrorener Pflanzen und bei niedriger Temperatur siehe Bd. I, p. 228 und Prillieux, Compt. rend. 1872, Bd. 74, p. 1344. 2) Kihlmann, Stenström. 1. c. Die Knospenschuppen u. s. w. sind überhaupt nicht auf Verhinderung der Abkühlung, sondern auf Schutz gegen Transpiration und gegen andere Unbilden berechnet. Vgl. auch Grüss, Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 23, p. 669. 3) Näheres über Schutzmittel gegen Gefrieren und Erfrieren bei H. Müller- Thurgau, Landwirthschaftl. Jahrb. 1886, Bd. 13, p. 538; H. R. Göppert, Ueber das Gefrieren, Erfrieren d. Pflanze etc. 1883, p. 67; A. B. Frank, Krankheiten der Pflanze IL Aufl., 1895, Bd. I, p. 214. 4) Vgl. Göppert 1830, 1. c. p. 230; B oussingaul t, Agronom., Chim. agricole et Physiol. 1862, Bd. 2, p. 384. 5) Näheres bei Müller-Thurgau, 1. c. p. 555. 6) Ebenso ist die näher orientirende Literatur citirt. Ueber frostharte Rassen vgl. Noll, Landwirth. Jahrbuch. 1885, p. 708. Ueber Pollenkörner P. Rittin gh aus, Ver- handig. d. naturw. Vereins d. Rheinlande Jahrg. 43, 5. Folge, Bd. 3, p. 164. § 66. Gefrieren und Erfrieren. 305 sollen hier noch einige Belege für die Resistenz der turgescenten Algen und Pilze mitgetheilt werden. Algen. — Schon die Flechten führen uns Algen und Pilze vor, welche in der Natur die höchste Kälte aushalten. Das thut ebenso die Alge des rothen Schnees, Sphaerella nivahs, die in einem Versuche von Göppert^) durch — 36 C. nicht geschädigt wurde. Ferner blieben Diatomeen lebencüg, als sie von Schuh- mann2] auf — 20 C., von Pictet^) auf — 200 C. abgekühlt wurden. Es dürfte also durch die ungleiche Resistenz der verschiedenen Arten bedingt sein, dass Ewart^) eine Tödtung von Diatomeen bei — 8 bis — IOC. beobachtete. Sicherlich vertragen unsere gewöhnlichen Arten von Spirogyra, Cladophora, Vau- cheria u. s. w. in ihrem vegetativen Zustand keine sehr niedrigen Temperaturen. Jedoch halten manche ein Einfrieren in Eis aus, während andere möglicherweise durch das Gefrieren stets getödtet werden^]. Es wurde schon (II, p. 302] dar- auf hingewiesen, dass gewisse Algen trotz ihres niedrigen Minimums leicht erfrieren, und vielleicht leben in warmen Meeren Pflanzen, die schon über Null leicht zu Grunde gehen. Pilze. — Abgesehen von den Pilzen in den Flechten, widerstehen auch die ausdauernden Polyporus- Arten der grössten Winterkälte, während verschiedene Hutpilze ziemlich leicht erfrieren ^j. Augenscheinlich sind aber die Sporen der Hutpilze sowie der Schimmelpilze sehr widerstandsfähig, und nach Chodat^) werden die Sporen von Mucor mucedo durch — 1 1 0 C. nicht getödtet. Falls, wie es Chodat angiebt, auch das Mycelium dieses Pilzes diese niedrige Tempe- ratur aushält, kommt ihm eine höhere Resistenz zu, als den Hyphen von Penicillium, Botrytis, die nach H. Hoffmann^) ziemlich leicht erfrieren. Ferner verträgt das Plasmodium von Aethalium und anderen Myxomyceten keine grosse Källe^) und kleine Amöben scheinen nach Molischio) durch Eisbildung in dem Protoplasma stets getödtet zu werden. Dagegen sind alle bis dahin untersuchten Bacterien so resistent, dass sie auch im wachsthumsthätigen Zustand in der Natur durch die Kälte nicht getödtet werden. Nur bei sehr langer Dauer der Kältewirkung wurde bei einigen Arten ein Absterben gefunden i^]. Auch ist in den Versuchen, in welchen zum Theil einige Stunden lang bis — 200 C. abgekühlt wurde, weder eine Tödtung der Sporen, noch der vegetativen Zellen beobachtet woi'den'^j. Jedoch fanden R. Pictet 1) Göppert, Bot. Ztg. -1870, p. 615. 2) Citirt nach Göppert, Bot. Ztg. 1875, p. 615. 3) R. Pictet, Archiv, d. scienc. physiqu. et naturell, d. Geneve 1893, III. ser., Bd. 30, p. 311. 4) A. Ewart, Annais of Botany 1898, Bd. 12, p. 36G. 5) Lit.: A. Ewart, 1. c; W. Went u. G. S. Went, Annais of Bot. 1898, Bd. 12, p. 33; Molisch, Das Erfrieren d. Pflanzen 1897, p. 21. 6) Vgl. J. Schmitz, Linnaea 1843, Bd. 17, p. 445; Fries, Annal. d. scienc. na- turell. 1859, IV. ser., Bd. 12, p. 304; Göppert, Bot. Ztg. 1875, p. 614; Gefrieren, Er- frieren d. Pflanzen etc. 1883, p. 57. 7) M. R. Chodat, Bullet, d. l'Herbier Boissier 189G, Bd. 4, p. 894. 8] H. Hoffmann, Jahrb. f. wiss. Bot. 1860, Bd. 2, p. 321. Vgl. auch Molisch. Das Erfrierea d. Pflanzen 1897, p. 18. 9) Kühne, Unters, ü. d. Protoplasma 1864, p. SS. 10) Molisch, 1. c. p. 17. 11) Vgl. die Literatur bei Flügge, Mikroorganismen III. Aufl., 1896, Bd. I, p. 440. 12) E. Schuhmacher, Sitzungsb. der Wiener Akad. 1874, Bd. 70, Abth. I, p. 177 ( — 113 C. mit Aether u. fester Kohlensäure) ; A. Frisch, ebenda 1880, Bd. 80, III, p. 77; Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 20 306 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. und E. Yungi) Micrococcus luteus und die vegetativen Zellen von Bacillus anthracis abgestorben, nachdem die Nährflüssigkeit 108 Stunden auf — 70 und dann weitere 2 0 Stunden auf — 1 .30 C. abgekühlt gewesen war, während unter diesen Umständen die Sporen von Bacillus anthracis, subtilis, ulna nicht gelitten hatten. Für Hefezellen wurde von Schumacher (1. c. p. 173) eine theilweise Tödtung bei — 113,7 C. beobachtet. Ferner fand Melsens^j, dass durch längeren Auf- enthalt in — 91 C. die Gährwirkung verlangsamt wurde, die nach Pictet und Yung3] ganz erloschen war, als die Hefezellen 108 Stunden bei — 70 C. und weitere 20 Stunden bei — 130 verweilt hatten. Nach Pictet (1. c. 1893, p. 312) sollen aber durch die tiefsten Temperaturen nicht nur das wirksame Enzjm der Hefe, sondern auch die wirksamen Stoffe in den giftigen Bacterien zersetzt werden. § 67. Eisbildung in der Pflanze. Bei genügender Abkühlung wird, wie schon (II, p. 297) bemerkt, in der Pflanze Eis**) gebildet, das häufig in direct sichtbaren Massen auftritt, dessen Entstehung und Existenz aber auch durch die Sprüdigkeit der steif gefrorenen Pflanze, sowie durch den Gang der Temperatur bei dem Gefrieren und dem Aufthauen der Pflanze angezeigt wird. Da aber die Pflanzensäfte wässerige Lösungen sind, so liegt der Gefrierpunct imter Null, und zudem ist eine mehr oder minder ansehnliche Unterkühlung nöthig, um in der Pflanze die Eisbildung einzuleiten. Bei dem Gefrieren wird das Eis zumeist nicht im Innern, sondern ausser- halb der Zellen gebildet. Demgemäss findet man in gefrorenen Geweben das Eis zwischen den Zellen, also in den präexistirenden Intercellularen oder in Räumen, die von den wachsenden Eismassen durch Auseinanderd rängung oder Zerreissung von Zellen erweitert oder geschaffen wurden. Mit zunehmender Eisbildung wird dann bei manchen Pflanzen eine Zersprengung der peripheri- schen Gewebe erzielt und damit ein Riss hergestellt, aus welchem Eismassen hervortreten 5). Analog wie in den Intercellularen bilden sich Eiskrystalle und R. Pictet, Archiv, d. scienc. phys. et naturell, d. Geneve 1893, HI. ser., Bd. 30, p. 311 (bis — 200C.); Dewar and Mc Kendrick, Royal Inst. Proc. 1892, Bd. 13, p. 699 (— 182 C); J. Meyer, CentralbL f. Bacteriol. I. Abth.. 190 0, Bd. 28, p. 59 i und die an diesen Stellen citirte Lit. 1) R. Pictet und E. Yung, Compt. rend. 1884, Bd. 98, p. 747. 2) Melsens, Compt. rend. 1870, Bd. 70, p. 631. 3) R. Pictet und E. Yung, I. c. p. 748; Pictet, \. c. 1893, p. 312. 4) Gegenüber Hunter u. Anderen, welche die Entstehung von Eis in der Pflanze leugneten, wurde dessen Bildung im Pflanzenkörper festgestellt von Schub 1er und seinen Schülern (1823, 1826). Vgl. Göppert, Wärmeentwickelung i. d. Pflanzen 1830, p. 138, 160. 3) Vgl. Prillieux, AnnaL d. scienc. naturell. 1869, V. ser., Bd. 12, p. 129. Ausser- dem können sich auch Eismassen in anderweitig entstandenen Rissen bilden und sammeln. Es sei nur beiläufig erwähnt, dass in manchen Fällen bis 1 cm hohe, kammartig hervorragende Massen von Eis beobachtet wurden. Lit. beiCaspary, Bot. Ztg. 1834, p. 663; Sachs, Bericht, d. Sachs. Gesellsch. d. Wissensch. z. Leipzig 1860, Bd. 12, p. 10; Gh. Bay. Botanic. Gazette 1894, Bd. 19, p. 321. § G7. Eisbildung in der Pflanze. 307 Eismassen auch auf der Schnittfläche saftiger Pflanzentheile, also z. B. dann, wenn Stücke einer Rühe, eines Kürbisses u. s. w. im feuchten Raum zum Ge- frieren gebracht werden. Die Eisbildung wurde vornehmlich von Sachs (I.e.), Prillieux (I.e.), H. Müller- Thurgaui) undMolisch^) verfolgt. Die beiden zuletzt genannten Forscher studirten den Vorgang auch unter dem Mikroskope, indem sie dasselbe in einem doppel- wandigen Metallkasten hielten, dessen Wandungsraum mit einer Kältemischung beschickt wurde 3). hu allgemeinen scheint in einem saftigen Gewebe das Eis zunächst in den Intercellularen zu entstehen, während es im Holze, in welchem die Intercel- lularen zurücktreten, in den todten trachealen Elementen aufzutreten pflegt *). Es ist übrigens einleuchtend, dass z. B. die in einem Intercellularraum gebildete Eismasse durch ihre Vergrösserung ähnlich wie ein Keil wirkt, also Zellen und Gewebe mit grosser Energie auseinandertreibt. Diese Eisbildung und Gewebe- trennung wird in Folge der bestimmton anatomischen Anordnung in jedem Falle in einer specifischen Weise vor sich gehen 5). Offenbar ist es also in den gefrie- renden, aber nicht erfrierenden Pflanzentheilen durch den Bau erreicht, dass durch die Eisbildung keine allzu nachtheiligen Zerreissungen eintreten. Von den mannigfacben Eigenheiten sei hier nur kurz erwähnt, dass sich nach Prillieux in dem Stengel der Labiaten vielfach unter der Epi- dermis 4 Eismassen bilden, die durch das festere coUenchymatische Gewebe der Stengelkanten von einander getrennt sind. Im Stengel von Senecio crassifolius treten unter der Epidermis gewöhnlich 5 einzelne Eismassen auf; im Stengel verschiedener Scrophularineen bildet sich häufig ein Ringmantel aus Eis unter der Oberhaut. Im Blattstiel von Cy- nara scolymus (Fig. 31) entstehen gleichfalls Eis- massen unter der Epidermis. Ausserdem zerreisst das Innengewebe, so dass jeder Fibrovasalstrang von einer Parenchymmasse umschlossen ist, aus pig. 31. Querschnitt eines langsam welcher Eisnadeln in die Inftlührenden Räume her- ^'^J^^^'lS^t^, vorrasen. Da die Treimung in der Regel in der e Epidermis; g Parenchym, innerhalb ^. . , . , ,TT- 1 i 1 PI • j dessen die Fibrovasalstränge liegen, Richtung des germgsten Widerstandes eriolgen wird, ^ie von Eisnadeln umgeben sind. Auf so ist es begreiflich, dass sich reihenförmig ange- ^^^ ^ l"<^Sii'et -11 'i^ li^ ordnete Zellen häufig in Richtung dieser Reihen schwarz gehaltenen Hohlräume ragen von einander trennen. Auch ist es leicht zu ver- stehen, warum bei vielen Pflanzen der herbstliche Blattfall durch ein Gefrieren ■7 sehr beschleunigt wird (II, § 62) Es genügt hier der Hinweis, dass die durch die Eisbildung erweiterten oder er- zeugten Hotilräume bei dem Aufthauen wieder theihveise oder auch gänzlich *D^ 1) H. Müller-Thurgau, Landwirth. Jahrb. 1880, Bd. 9, p. 134 und 188(5, Bd. 1ö, p. 453. 2) H. Moli seh, Unters, ü. d. Erfrieren d. Pflanzen 1897. 3) Am zweckmässigsten ist der von Molisch angewandte Apparat. Vgl. über solche Beobachtungen auch Klemm, Jahrb. f. wiss. Bot. 1893, Bd. 28, p. 642. 4) H. Müller-Thurgau 1886, 1. c. p. 481. ö) Näheres bei Prillieux u. in den übrigen citirten Arbeiten. Vgl. ferner Frank, Krankheit, der Pflanzen H. Aufl., 1894, Bd. I, p. 178; M. Dalmer, Flora 1895, p. 437; Ludwig, Botan. Centralbl. 1899, Bd. 80. p. 405. 20* 308 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. ausgeglichen werden, Avährend sie erhalten hleiben, wenn man das gefrorene Stück in kalten Alkohol bringt und in diesem aufthauen lässt. — Ebenso sei nur bei- läufig erwähnt, dass das Eis der Regel nach aus Nadeln oder Säulen besteht, die senkrecht gegen die Ansatzstelle gerichtet sind und die sich zu grösseren Massen vereinen können. (Näheres bei Müller, Sachs u. s. w. I.e.) Die erwähnten Thatsachen sind völlig verständlich , wenn , wie es der Fall ist, die Eisbildung leichter ausserhalb, als innerhalb der Zelle stattfindet. Ausserhalb der Zelle muss, w-ie es zuerst Sachs (1. c. p. 12) betonte, die dünne Wasserschicht gefrieren, welche die Zelhvand gegen den dampfgesättigten Inter- cellularraum überzieht. Eine solche Eisl^ildung wirkt wie eine Wasserent- ziehung, und demgemäss wird zur Wiederherstellung des Gleichgewichtes aus dem Zellinnern Wasser nachstrümen, das wiederum erstarrt. Bis zu einem ge- wissen Grade liegt also ein analoger Process vor, wie bei der Entstehung und dem Wachsthum von Eisnadeln oder Eismassen auf einem feuchten Boden oder auf einem w^asserdurchtränkten Gipspfropf^). Ebenso wie der Boden wird mit der fortschreitenden Eisbildung auch die Zelle (das Gewebe) wasserärmer, wäh- rend gleichzeitig der Zellsaft in entsprechendem Maasse an Concentration zu- nimmt. Denn die gelüsten Stoffe werden in dem (lebendigen) Protoplasten zurückgehalten (I, § 16), und demgemäss ist das gebildete Eis fast reinas Wasser 2). Das Gesagte gilt ebenso für den Fall, dass die gefrierenden Zellen in Wasser liegen. Das erhebliche Schrumpfen, das unter diesen Umständen z. B. an dem Faden einer Spirogyra^) beobachtet wird, tritt ebenso (wie auch bei dem Welken) an den in der Luft gefrierenden Zellen ein, sofern es nicht durch die Starrheit der Zellwand unmöglich gemacht ist (II, Kap. 4). Da aber die Form- imd Dimensionsänderungen in dem Gewebe von verschiedenen Umständen abhängen (11^ § 17), so ist es begreiflich, dass bei dem Gefrieren zum Theil eine Abnahme, zum Theil eine Zunahme des Volumens bezw. der Länge oder der Dicke eines Organes beobachtet wird 4). Es ist auch bereits darauf hin- gewiesen, dass die Eisbildung Bewegungsvorgänge verursachen kann, indem sie eine Erschlaffung oder eine ungleiche Dimensionsänderung in den antagonisti- schen Geweben hervorruft (II, § 19). Ebenso wie bei dem Gefrieren einer Salzlösung ist auch bei dem Gefrieren der Pflanze (bei intracellularer und extracellularer Eisbildung) der Gleichgewichts- zustand hergestellt, nachdem eine bestimmte Menge Eis gebildet ist. Diese 1) Vgl. hierüber 0. Lehmann, Molecularphysik -1888, Bd. I, p. 347. Mit diesem Vorgang haben auch bereits Le Conte, Mo hl und Sachs (1. c. p. 6) die Eisbildung in der Pflanze verglichen. 2) Nach Sachs (Lehrb. IV. Aufl., p. 703) enthielt das an der Schnittfläche der Blattstiele der Artischoke, nach H.Müller (-1880, 1. c. p. 143) das an der Schnittfläche der Runkelrübe gesammelte Eis ungefähr I pro Mille an festen Bestandtheilen. Dieser geringe Gehalt an festen Stoffen kann aber nur durch eingeschlossene Mutterlauge etc. bedingt sein, da das in einer Salzlösung gebildete Eis reines Wasser ist. Vgl. Ost- wald, Lehrb. d. allgem. Chem. 1891, Bd. I, p. 742. 3) Molisch, Das Erfrieren d. Pflanzen 1897, p. 22. 4) Einige Thatsachen bei Sachs, Bericht, ü. d. Verhandl. d. Sachs. Gesellsch. d. Wissensch. 1860, Bd. 12, p. 21 ; H. Müll er-Thurgau, Landw. Jahrb. 1880, Bd. 9, p. 188. § 67. Eisbildung in der Pflanze. 309 Eismenge wird dann durch die Erniedrigung der Temperatur vermehrt, durch die Erhöhung der Temperatur vermindert, wie das auch H. Müller (1880, 1. c. p. 180) beobachtete, als er gefrorene Pflanzen aus — 10 C. in — 2 C. brachte. Da aber der Salzgehalt nur eine massige Erniedrigung des Gefrier- punctes bewirkt 1), so wird in den Pflanzen gewöhnlich schon bei — 3 bis — SC. mehr als die Hälfte des Wassers in Eis verwandelt. So enthielten nach H. Müller^) 100 gr eines bei — 4,5 C. gefrorenen Apfels 53 gr Eis, d. h. es waren von dem im turgescenten Zustand vorhandenen Wasser bei — 4,5 C. 63,8 Proc, bei — 15,2 C. aber 79,3 Proc. gefroren. Bei sehr niedriger Tem- peratur, z. B. bei — 60 bis — 100 C. dürfte somit in der Zelle ein flüssiger Inhalt nicht mehr zu bemerken sein. Jedoch ist auch bei einer so tiefen Tem- peratur sicherlich nicht derjenige Theil des Imbibitionswassers gefroren, der mit grosser Energie festgehalten (adsorbiii) ist (vgl. I, § 1 2). Diese allgemeinen Betrachtungen gelten auch für den Fall, dass Eis in dem hmern der Zelle entsteht. Eine solche intracellulare Eisbildung ist in der That durch Göppert^j, H. Müll er -^j und Molisch^) nachgewiesen. Nach Molisch (1. c. p. 18) tritt z. B. in dem in die Luft ragenden Fruchtträger von Phyco- myces nitens bei — 1 7 C. (ohne eine extracellulare Eisbildung) das Gefrieren ein, während in den Epidermiszellen der Blätter von Tradescantia discolor (1. c. p. 27) bei — 4 C. Eis entsteht, wenn die in Wasser liegenden Schnitte gefrieren. Bei genügender Erniedrigung der Temperatur muss ja schliess- lich in jeder Zelle Eis gebildet werden , sofern nicht durch die extracellu- lare Eisbildung, bezw. durch die auf diese Weise erzielte Wasserentziehung, der Zellinhalt durch die zunehmende Concentration und endlich durch das Aus- trocknen vor dem Gefrieren bewahrt wird. Da nun aber die extracellulare Eisbildung, die Ueberkältung u. s. w. Factoren sind, die je nach der Pflanze und den obwaltenden Verhältnissen einen anderen Werth haben, so ist es be- greiflich, dass die intracellulare Eisbildung nicht in jedem Falle und nicht unter allen Umständen beobachtet wird. Möglicherweise begünstigt schon eine plötz- liche Abkühlung die intracellulare Eisbildung. Jedoch ist nicht zu vergessen, dass ein schneller Wasseraustritt aus der Zelle möglich ist und dann stattfindet, wenn nach einer Ueberkältung in kurzer Zeit (II, p. 312) eine ansehnliche Eis- menge ausserhalb der Zelle entsteht. Ist reichlich Zellsaft vorhanden, so wird vermuthlich in diesem das Eis 1) Vgl. II, p. 312. Für die 1, 01 proc. KNOa-Lösung, sowie für die hiermit isosmo- tischen Lösungen beträgt die Gefrierpunctserniedrigung — 0,308 C, für die 10,1 proc. Lösung — 3,08 G. u. s. w. 2] H. Müller-Thurgau, Landw. Jahrb. 1886, Bd. 15, p. 472. In der Rartoffel wurden bei — 5 C. sogar 77,2 Proc. des Wassergehaltes in Eis verwandelt. — In methodischer Hinsicht sei nur bemerkt, dass '1. c. p. 469) auf die Eismenge aus der Wärmetönung geschlossen wurde, die sich ergiebt, wenn das eine Mal eine ungefro- rene, das andere Mal eine gefrorene Kartoffel in Wasser von bekannter Temperatur gebracht wird. Ausserdem (1. c. p. 473) lässt sich die Eismenge auch annähernd aus dem Temperaturgang beim Gefrieren ermitteln. 3) Göppert, Wärmeentwickelung i. d. Pflanzen 1830, p. 26; Regel's Gartenflora 1879, p. 260. 4) H. Müller-Thurgau, Landw. Jahrb. 1880, Bd. 9, p. 184. 3) H. Molisch, Das Erfrieren d. Pflanzen 1897, p. 16. 310 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. auftreten. Indess zeigen die Plasmodien ^j und die Amöben"^), dass das Proto- plasma ebenso gut gefrieren kann, wie eine todte colloidale 3Iasse. Wenn in diesen Pflanzen mit der Eisbildung die Tüdtung verknüpft ist, so ist damit nicht gesagt, dass dieses stets der Fall sein muss, wenn das Protoplasma ge- friert. Uebrigens ist noch nicht untersucht, ob die Pflanzen, welche das Ge- frieren ertragen, auch eine intracellulare Eisbildung aushalten. Aus der Resi- stenz gegen eine sehr niedrige Temperatur kann man nicht ohne weiteres einen Schluss ziehen, da man zunächst nicht weiss, ob nicht die intracellulare Eis- bildung durch die schon erwähnte Wasserentziehung vermieden wird. Es ist desshalb auch noch fraglich, ob sich in Bacterien Eis bildet, wenn diese im turgescenten Zustand einer sehr niedrigen Temperatur ausgesetzt werden. Für die Pflanze ist es von wesentlicher Bedeutung, dass Eis erst nach einer gewissen Ueberschreitung des Gefderpunetes, also nach einer gewissen Unterkühlung (Ueberkältung) entsteht. Denn auf diese Weise vermögen eine gewisse Abkühlung unter den Gefrierpunct auch solche Pflanzen zu ertragen, die durch die Eisbildung getüdtet werden (II, p. 298). Dass in der That der Ueberkältungspunct zum Theil erheblich tiefer liegt, als der Gefrierpunct, er- giebt sich aus folgenden Beispielen, in welchen nach H. Müller ^j jedesmal zu- nächst der Gefrierpunct und darauf eingeklammert der Ueberkältungspunct an- gegeben sind: Kartoffelknolle — 1,0 bis — 1,6 G. { — 2,8 bis — 5,6 G.); Apfel und Birne — 1,4 bis — 1,9 G. (— 2,1 bis — 5,2 C.); AVeintraube — 3,1 G. (— 6,8 bis — 7,8 G.); Labellum der Blüthe von Phajus grandifolius — 0,58 G. ( — 6,0 G.); Laubblätter von Phaseolus vulgaris — 0,8 bis — 1,1 G. { — 5,3 bis — 6,3 G.); Sempervivum tabulaeforme — 0,55 G. ( — 6,48 G.). Wie man aus diesen Zahlenwerthen ersieht, bestehen keine einfachen Be- ziehungen zwischen Gefrierpunct und Ueberkältungspunct. Es war dieses auch zu erwarten, da die Ueberkältung nicht von der Goncentration des Zellsaftes, sondern zunächst von anderen Umständen abhängt, die auch nach der Tüdtung fortbestehen, da durch diese nach H. Müller (1. c. p. 494) die Ueberkältung nur wenig oder auch gar nicht herabgesetzt wird. Der Gefrierpunct der Pflanze wird zwar in erster Linie durch den Gefrier- punct (den osmotischen Werth) der Säfte bestimmt, jedoch ein wenig auch durch die in der lebenden Pflanze bestehenden Bedingungen beeinflusst, wie sich daraus ergiebt, dass dem ausgepressten Saft und ebenso den getödteten Pflanzen ein etwas geringerer Gefrierpunct zukommt, als den lebenden Objecten^j. In der lebenden Pflanze ist also der Gefrierpunct ebenso gut wie die osmotische Leistung (I, p. 121) veränderlich, und es ist einleuchtend, dass ebenso wie durch die Eisbildung auch durch das Welken der Pflanze eine Goncentration der Säfte 1) Kühne, Unters, ü. d. Protoplasma 1864, p. 88. 2) H. Molisch, 1. c. p. 17. 3) H. Müller-Thurgau, Landwirthschaftl. Jahrb. 1886, Bd. 1ü, p. 490. Nach Molisch (I.e. p. 18) tritt in dem P'ruchtträger von Phycomyces nitens bei — 17C., aber nicht bei — 12 C. Gefrieren ein. — Li den Tracheiden von Taxus beobachteten H. Dixon und H. Joly (Annais of Botan. 1895, Bd. 9, p. 403) bei — 10 bis — 11 C. Eisbildung. 4) H. Müller, 1. c. p. 478. Eine lebende Kartoffel ergab z. B. einen Gefrierpunct von — 0,98 C, nach der Tödtung aber von — o.öö C. § 67. Eisbildung in der Pflanze. 311 und damit eine Erniedrigung des Gefrierpunctes verursacht wird (H. Müller, 1. c. p. 493). In den von H. Müller (1. c.) untersuchten turgescenten Pflanzen lag der Gefrierpunct zwischen — 0,15 und — 8,0 C; bei den meisten saftigen Pflanzen bewegt sich aber der Gefrierpunct zwischen — 1 und — 2 C. Beginnt nach der Unterkühlung die Eisbildung, so wird durch diese Wärme producirt, und der Pflanzentheil stellt sich demgemäss nach bekannten physi- kalischen Gesetzen (sofern die erzeugte Wärme ausreicht] auf den Gefrierpunct ein. Da nun factisch die Temperatur des Pflanzenkürpers nach Beginn der Eis- bildung schnell steigt, so folgt schon daraus, dass die Bildung des Eises (ana- log wie in einer unterkühlten Lösung) schnell von statten geht. Desshalb be- greift man auch, dass zwei Thermometer, die in eine Kartoffel an zwei verschiedenen Stellen eingesenkt waren, annähernd dieselbe Temperaturbewegung anzeigten, obgleich die Eisbildung offenbar von einem oder von einigen Puncten aus begonnen hatte (Müller, 1. c). Demgemäss muss durch eine locale Eisbildung (analog wie durch die Gegen- wart eines Eisstückchens im Wasser) die Unterkühlung verhindert werden können. Offenbar wird es auf solche Weise, d. h. dadurch, dass sich in dem ausge- tretenen Saft leicht Eis bildet, bewirkt, dass die geschälte Kartoffel schon bei — 1 G., also ohne Unterkühlung gefriert (vgl. II, p. 298). Ferner kann man durch eine schnelle Abkühlung eines dickeren Pflanzentheiles erreichen, dass sich in der Peripherie Eis bildet, wenn die Temperatur des Innern noch nicht auf den Gefrierpunct gesunken ist. So ist es zu verstehen, dass in den Versuchen H. Müller' s das in das Innere einer dicken Runkelrübe eingesetzte Thermometer eine Eisbildung ohne Unterkühlung anzeigte, die aber dann ein- trat, wenn die Rübe sehr langsam abgekühlt wurde i). Zur Ermittluug' des Temperaturgauges in gefrier euden Pflauzeuth eilen umwickelte H. Müll er 2) das Quecksilbcrgeläss eines empfindlichen Thermometers mit Blättern u. s. w., oder senkte das Quecksilbergefäss in Bohrlöcher von Kar- toffeln, Rüben u. s. w. ein. Die so hergerichteten Objecte wurden dann derart in einen nach dem Princip der Eisschränke construirten Kälteschrank gebracht, dass die abzulesende Scala des Thermometers hervorsah. In einem mit der Kartoffel angestellten Versuch (1880, 1. c. p. 169) hatte die Luft im Kälteraum eine Temperatur von — 4,0 bis — 4,5 C. In diesem Raum sank nach den Angaben des in die Knolle eingesenkten Thermometers die Temperatur der Knolle zwischen 3 und 4 Uhr von + I 5 C. auf — 0,1 C. Nachdem um 4 Uhr 50 Min. mit — 3,2 C. das Unterküldungsmaximum erreicht war, begann die Eisbildung und das Thermometer stieg iniolgedessen bis 5 Uhr 15 Min. auf — 0,8 C, blieb auf diesem Gefrierpunct bis 6 Uhr 1 5 Min. stehen, um dann langsam zu lallen. Durch das längere Verhaia-en auf — 0,8 C. wh-d also die Lage des Gefrierpunctes markirt. Ebenso verharrt die Temperatur der geschälten Kai'toffel, in der sich 1) H. Müller-Thurgau, Landwirth. Jahrb. 1880, Bd. 9, p. 176; 1886, Bd. 15, p. 188. 2) H. Müller-Thurgau 1880, I. c. p. -löG, 168; 1S86, 1. c. p. 470. — Die in der Botanik längst klar gestellten Verhältnisse des üeberkältens, Gefrierens und Erfrierens scheint P. Bachmetjew (Zeitschr. f. wiss. Zool. 1899, Bd. 66, p. 521) nicht zu kennen, der in seinen Untersuchungen über das Gefrieren und Erfrieren der Insekten in prin- cipieller Hinsicht nichts Neues bringt. 312 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. ohne Unterkühlung Eis bildet (II, p. 29 8], längere Zeit auf dem Gefriei'punct, um sich fernerhin weiter abzukühlen. Nach dem oben Gesagten ist es auch vei'ständlich, dass nach H. Müller in dem Epheublatt die Wärmeentwickelung durch die Eisbildung nicht ausreichte, um das Blatt und die Thermometerkugel von dem Unterkühlungspunct ( — 3,45 C.) auf den Gefrierpunct zu erwärmen, der nach anderweitigen Ermittlungen um — IjS C. liegt. Warum sich der Gefrierpunct der Pflanzen nicht gut durch die Aufthaumethode bestimmen lässt, ist von H. Müller (1880, 1. c. p. Ml) erörtert. Bei H. Müller (188 6, 1. c. p. 473) ist auch dargethan, wie sich aus dem Temperaturgang beim Gefrieren annähernd der Verlauf der Eisbildung ei'mitteln lässt. Wie zu erwarten, wii'd diese Eisbildung nach der Ueberschreitung des Unterkühlungsmaximums zunächst beschleunigt, um dann bis zur Einstellung auf den Gefrierpunct verlangsamt zu werden. Auch wälii"end die Pflanze auf dem Gefrierpunct verharrt, und während sie ferner allmählich tiefer abgekühlt wird, geht die Eisbildung langsamer von statten. In einem Versuche mit einem Kohl- rabiblatt fand z. B. H. Müller (1. c. p. 476), dass der kritische Unterkühlungs- punct bei — 4,4 C. lag. Nunmehr stellte sich das Blatt in 4Y2 Minuten auf den Gefrierpunct ( — 1,2 C.) ein und in dieser Zeit wurden in 100 gr Blatt- substanz 6,69 g Eis gebildet. In den folgenden 3 Minuten, in welchen das Blatt auf dem Gefrierpunct verharrte, wurden weitere 2,23 gr W^asser in Eis überge- führt. Von da ab kühlte sich das Blatt im Verlaufe von 56 Minuten allmählich auf — 4,3 C. ab, und während dieser Zeit entstanden weitere 32,4 gr Eis, so dass bei Beendigung des Versuches 100 gr Blattmasse 41,3 gr Eis enthielten. Aus diesen und anderen Erfahrungen ist zu ersehen, dass sich in der unter- kühlten Pflanze die Eisbildung nicht so stürmisch vollzieht, wie in einer unter- kühlten Lösung. Auch demonstriren Blätter, in denen sich die Eisbildung von einzel- nen, zunächst gefrierenden Puncten ausbreitet, dass diese Ausbreitung nicht immer sehr schnell von statten geht. Es soll hier nicht näher dargelegt werden, dass ein derartiges Verhalten sehr wohl zu verstehen ist, auch dann, wenn es sich um eine extracellulare Eisbildung handelt. Ob das ausserhalb der Zelle befindliche Eis das Gefrieren des unterkühlten Zellsaftes veranlasst, ist zwar wahrscheinlich, aber ebensowenig entschieden, wie die analoge Frage, ob ein Krvställchen dm'ch eine semipermeable Membran hindurch das Auskrystallisiren der übersättigten Lösung desselben Stoffes bewirkt (vgl. I, p. 465, 47 4). Erniedrigung des Grefrierpanctes. Da für diese Erniedrigung die gleiche Rela- tion gilt, wie für die osmotische Leistung (I, p. 126), so lässt sich aus der Tabelle in Bd. I, p. 129 auch für verschiedene Salzlösungen die Depression des Gefrier- punctes ableiten, wenn man beachtet, dass eine 1,0 t proc. Kaliumnitratlösung (0,1 Moleculargewicht in 1 Liter) bei — 0,308 C. gefriert ^j und dass mit der Concentration die osmotische Leistung und die Erniedrigung des Gefrierpunctes in demselben Verhältniss zunehmen. Durch concentrirte Lösungen colloidaler Körper wird also der Gefrierpunct nur wenig erniedrigt, und thatsächlich wird z. B. in einer 1 Opi'oc. Gelatinemasse Eis schon bei einer geringen Senkung der Tempe- ratur unter Null gebildet 2). 1) Vgl. z.B. Ostwald, Lehrb. d. allgem. Chem. IL Aufl., 1891, Bd. ^, p. 752. — Da eine 1,01 proc. Lösung von Kaliumnitrat einen osmotischen Druck von 3,5 Atmo- sphären entwickelt, so entspricht also einem osmotischen Druck von i Atmosphäre eine Gefrierpunctserniedrigung um — 0,088 C. 2) Siehe z. B. Guthrie. Philosoph. Magazine 187(5, V. ser., Bd. 2, p. 211 ; A. Sa- banejew u. N. Alexandrow. Zeitschr. f. physikal. Chem. 1892. Bd. 9, p. 88. § G7. Eisbildung in der Pflanze. 313 Ist also die Turgorenergie einer Zelle isosmotisch mit einer \ proc, bezw. einer 3 proc. Kaliumnitratlösung, so kommt dieserhalb dem Zellsaft ein Gefrierpunct von ca. — 0,3 bezw. — 0,9 C. zu. Dass aber der Gefrierpunct der lebenden Zelle factisch etwas tiefer liegt (II, p. 310), ist w-enigstens im nilgemeinen als eine Folge der Oberflächenenei'gie (Gapillarität, Imbibition], des osmotischen Druckes etc. verständlich. Da bei der Compression des Wassers durch den Druck von einer Atmosphäre der Gefi'ierpvmct nur um 0,0075 G. sinkt-), so wird die Compression durch einen osmotischen Druck von 3,5, bezw. von 10,5 Atmo- sphären 2] den Gefrierpunct nur um — 0,025 bezw. — 0,075 C. erniedrigen. Ferner wird der Gefrierpunct durch die Oberflächenenergie ebenso gut depri- mirt wie die Dampfspannung (vgl. I, p. 144 Anmerk.). Nach Mousson'') wird in einer CapiUare von 0,4 mm Durchmesser der Gefrierpunct des Wassers um 0,1 bis 0,2 G. erniedingt, und ferner wurde von H. MüUer-Thurgau (l 880, 1. c.p. 1 46) für nasses Filtrirpapier ein Gefrierpunct von — 0,1 C. gefunden. Also selbst dann, wenn die Zellhaut mit reinem Wasser imbibirt sein sollte, würde die extracehu- lare Eisbildung (bei Ausschluss von Ueberkältung) erst unter Null beginnen. Mit der Tödtung treten aber in Folge der Mischung der Säfte, der Injection der Inter- cellularen etc. Veränderungen ein, die es begreiflich machen, dass der Gefrier- punct modificirt wird, und zwar scheint der Gefrierpunct der todten Pflanzen annähernd mit dem Gefrierpunct des ausgepressten Saftes übereinzustimmen. Eine Unterkühlung tritt in Wasser und in Salzlösungen stets ein, wenn die Berührung mit Eis oder eine locale Eisbildung vermieden sind, und ist besonders in Gapillaren leicht zu beobachten. So fand Mousson (1. c), dass Wasser in einer CapiUare von 0,4 mm Durchmesser bei — 7 bis — 10 C. noch nicht ge- fror, und Dufour^) constatirte, dass Wassertropfen von einigen MiUimeter Durch- messer, die in einem Gemisch (von gleichem specifischen Gewicht) aus Mandelöl und Chloroform frei schwebten, noch bei — 8 bis — 1 2 C. flüssig blieben, bei Berührung mit Eis aber sogleich erstarrten. Diese Unterkühlungen sind also an- sehnlicher als in den meisten Pflanzen, deren Verhalten u. a. auch durch einen Versuch H. Müller's (1880, 1. c. p. 146) versinnlicht wird. Als dieser nämlich das Queck- silbergefäss des Thermometers anstatt mit einem lebenden Blatte, mit nassem Fliesspapier umwickelte und in den Kältekasten brachte, beobachtete er eben- falls, dass die Temperatur zunächst auf — 3 bis — 4 C. fiel, um dann, in Folge der Eisbildung, plötzlich auf den Gefrierpunct ( — 0,1 C.) zu steigen. Da zudem in todten Pflanzen eine ähnliche Unterkühlung eintritt, wie in den lebenden Objecten (II, p. 310), so handelt es sich bei der Ueberkältung um ein physikalisches Phä- nomen, das durch die im vitalen Zustand bestehenden Bedingungen nicht wesentlich beeinflusst wird. Eine physikalische Behandlung des Pi'oblems der Unterkühlung 5) ist aber nicht unsere Aufgabe, und es genügt der Hinweis, dass, abgesehen von der 1) Clausius, Mechanische Wärmetheorie 1876, p. 174; Lehmann, Molecular- physik 1888, Bd. I, p. 820. "2) Ein solcher Druck wird durch die Lösungen bewirkt, welche mit 1,01 bezw. 3,03 Proc. Kaliumnitrat isosmotisch sind. In den meisten Pflanzen ist der Turgordruck äquivalent mit der Leistung einer 1,3- bis 3 proc. Kaliumnitratlösung. Vgl. I, p. läl. 3) Mousson, Die Physik auf Grundlage d. Erfahrung I. Aufl., 2. Abth., p. 73 und Annal. d. Phys. u. Chem. 1858, Bd. 103. p. 161. 4) Dufour, Annal. d. Physik u. Chemie 1861, Bd. 114, p. 330. 5) Vgl. u. a. Ostwald, \. c. p. 993 ; Wüllner, Physik IV. Aufl., 1883, Bd. 3, p. 607; G. Tammann, Zeitschr. f. physikal. Chem. 1898, Bd. 23, p. 441 ; P. Bachmetjew, Zeitschr. f. wiss. Zoologie 1900, Bd. 67, p. 5-29. — Dass u. a. die schnelle Abkühlung durch locale Eisbildung Einfluss haben kann, ist schon p. 311 erwähnt. 314 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. Natur der Flüssigkeit, verschiedene Umstände Einfluss haben können. Uebrigens ist noch nicht ermittelt, ob etwa der Unterkühlungspunct durch die geringe Grösse eines Bacteriums erheblich hinausgeschoben wird , und ferner , ob die Ueber- kältung schon durch das ausserhalb der Zelle befindliche Eis vermieden wird (vgl. II, p. 312). § 68. Die Ursachen des Erfrierens. Der irrigen Annahme von Duhamel, Senebier n. AA), die Eisbildung bewirke die Zersprengung und hierdurch die Tüdtung der Zelle, traten Güp- pert2), Sachs-'), Nägeli^) mit gewichtigen Gründen entgegen. Schon durch die Thatsache, dass viele Pflanzen durch das Gefrieren nicht getödtet werden, dass ferner in der Zelle in der Regel kein Eis entsteht, wird die Unhaltbarkeit jener Ansicht erwiesen. Aber selbst ein Gefrieren des Zellinhaltes würde keine Zersprengung der Zellhaut herbeiführen, da diese vermöge ihrer Dehnbarkeit einer grösseren Inanspruchnahme gewachsen ist, als durch das Gefrieren zu Stande kommt s). Werden aber durch die intercellulare Eisbildung u. s. w. einzelne Zellen und Gewebe zerrissen (II, p. 307), so hat das, ebenso wie eine locale Verwundung, keine Tödtung oder naclilialtige Schädigung der Pflanze zur Folge. Die Schädigung oder Tödtung bei dem Erfrieren beruhen also auf irgend welchen Störungen und Veränderungen im Protoplasten, die sich als directe oder indirecte Folgen der Abkühlung einstellen. Die specifische Eigenschaft der Pflanzen bringt es aber mit sich, dass die Schädigung und Tödtung nicht in allen Fällen durch dieselben Vorgänge und Combinationen herbeigeführt werden. Es ergiebt sich das schon daraus, dass, wie in § 66 und 67 dargelegt ist, i) gewisse Pflanzen schon über Null, also ohne Gefrieren zu Grunde gehen; 2) bestimmte Pflanzen durch die Eisbildung bei einer Temperatur getödtet wer- den, die sie ohne das Gefrieren ertragen; 3) andere Pflanzen nur eine gewisse oder auch eine jede beliebige Eisbfldung und Temperaturerniedrigung aushalten. Wie früher (II, § 63, 64) hervorgehoben wurde, geht in einer inframini- malen Temperatur schliesslich eine jede Pflanze zu Grunde, und die zu der Gruppe I gehörenden Pflanzen beweisen, dass die Tödtung auch ohne Eisbildung möglich ist. Mit dieser werden aber weitere Factoren wirksam, zu denen die durch die Eisbildung bewirkte Wasserentziehung gehört. Da diese mit der Eis- bildung steigt, so müssen bei genügender Erniedrigung der Temperatur alle Pflanzen absterben, die das Austrocknen nicht ertragen (II, § 70). Nun wird ^) Literatur bei Göppert, Die Wärmeentwickelung in den Pflanzen -1830, p. 8; Molisch, Das Erfrieren d. Pflanzen 1897, p. 66. 2) Gö pp ert, 1. c. p. 25. 3) Sachs, Versuchsstationen -1860, Bd. 2, p. 179; Flora 1862, p. 20. . 4) Nägeli, Sitzungsb. d. Bayrisch. Akadem. 1861. I, p. 267. 5) Vgl. 11, § 16. Ferner Nägeli, 1. c. p. 267; Nägeli u. Schwendener, Mikro- skop. II. Aufl., 1877, p. 455. — So lange Flüssigkeit in der Zelle vorhanden ist, wird übrigens eine Drucksteigerung in der Zelle ausgeglichen, da Wasser so lange nach aussen getrieben wird, bis der Gleichgewichtszustand hergestellt ist. § 68. Die Ursachen des Erfrierens. 315 aber bei den meisten Pflanzen schon bei — 3 bis — 8 G. mehr als die Hälfte des Wassers in Eis verwandelt (II, p. 309), und es ist desshalb näher aufzu- klären, wie es kommt, dass gewisse nicht austrocknungsfähige Pflanzen — 20 und sogar — 30 bis — 50 G. aushalten (II, p. 297). Falls unter diesen Um- ständen der flüssige Inhalt gefriert, so wird zunächst in das Auge zu fassen sein, ob das Gefrieren anders wirkt, als das Austrocknen, oder ob die Pflanze in der durch die niedrige Temperatur hergestellten Stimmung befähigt ist, einen grösseren Wasserverlust zu ertragen i). Ohne Frage sterben auch diejenigen Pflanzen, welche die Eisbildung er- tragen, mit der Zeit ab, wenn sie dauernd im gefrorenen Zustand, also bei inframinimaler Temperatur gehalten werden. Somit wird nicht in allen Fällen die Tüdtung beim Gefrieren durch die Wasserentziehung bewirkt, wie es H. Müller'^) und H. Moli seh 3) annehmen, die in ungerechtfertigtem Generali- siren alle Erfolge auf einen einzelnen Factor schieben, der in vielen Fällen und unter bestimmten Umständen nachweislich den Tod herbeiführt. Thatsächlich beweisen schon die austrocknungsfähigen Samen, die im gequollenen Zustand leicht erfrieren (II, p. 302), dass mit der Austrocknungsfähigkeit nicht nothwendig eine hohe Resistenz gegen Kälte verknüpft sein muss^). Da es sich bei der Ausbildung dieser Eigenschaften um ökologische Anpassungen handelt, so wird vermuthlich das nähere Studium von Pflanzen, die in ihrer tropischen Heimath dem Austrocknen, aber nicht der Kälte ausgesetzt sind, noch weitere Beispiele dafür liefern, dass eine austrocknungsfähige Pflanze schon bei massiger Kälte erfriert. Nun suchen allerdings H. Müller und H. Moli seh das Verhalten der aus- trocknungsfähigen Samen durch die Annahme zu erklären, die Tüdtung werde durch die plötzliche Eisbildung in der überkälteten Pflanze und die hierdurch verursachte schnelle Wasserentziehung herbeigeführt. So lange diese Hypothese nicht empirisch geprüft ist, lässt sich nicht bestimmt sagen, ob sie zulässig oder unzulässig ist, da unter Umständen der schnelle Wechsel nachtheilig wirkt. Allerdings wird nach den vorliegenden Erfahrun2;en durch das schnelle Auf- thauen und Gefrieren ein schädlicher Einfluss nicht oder doch nur in einem geringen Grade ausgeübt (II, p. 300). Auch ist für die Samen wenigstens das bekannt, dass sie möglichst schnelles Aufquellen und Austrocknen ohne Nach- theil ertragen. Jedenfalls hat aber Müller für die Kartoffel und für die Runkel- rübe erwiesen, dass die Tüdtung auch dann erfolgt, wenn die Unterkühlung vermieden ist und demgemäss das Gefrieren und die Eisbildung langsam von statten gehen (II, p, 31 I). Ob unter den letztgenannten Bedingungen bei der Kartoffel und den sich 1 ) Es ist auch noch zu untersuchen, oh die nicht austrocknungsfähigen Bacterien eine sehr grosse Kälte aushalten. 2) H. Müller-Thurgau, Landwirth. Jahrb. 'isse, Bd. 15, p. 534. 3) H. Molisch, Das Erfrieren der Pflanzen ISO?, p. 534. — Dieser Schluss ist ebenso einseitig wie die Annahme, die Tödtung durch Hitze werde stets durch Ge- rinnung des Eiweisses bewirkt. Vgl. II, p. 294. 4) Da mit dem Wasserverlust die Resistenz gegen alle Agentien gesteigert wird, so ist natürlich aus der hohen Widerstandsfähigkeit trockener Objecte gegen Kälte in unseren Fragen kein bestimmter Schluss zu ziehen. 316 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. ähnlich Aerhaltenden Pflanzen die Tüdtung bei jeder, also auch bei einer geringen Eisbildung erfolgt, ist leider aus den vorliegenden Untersuchungen nicht zu ersehen. Nach diesen scheint aber schon die Eisbildung bei dem Ge- frierpunct tüdtlich zu wirken, obgleich das unter diesen Umständen gebildete Eisquantum (II, p. 312) nicht ausreicht, um eine Tüdtung durch Wasserent- ziehung (II, § 70) herbeizuführen. Falls dieses zutrifft, muss natürlich durch nähere Studien entschieden werden, wie es kommt, dass Kartoffel, Rübe u. s. w., sofern sie nicht gefrieren, ohne Nachtheil die Abkühlung auf eine Temperatur ertragen, in der sie zu Grunde gehen, sobald Eisbildung eintritt. Auch in diesem Falle ist zu beachten, dass der Erfolg möglicherweise durch Combi- nationen bedingt ist, und dass vielleicht die Pflanze durch die Abkühlung in einen Zustand versetzt wird, in dem sie gegen die Eisbildung und die hiermit verknüpften Vorgänge empfindlicher ist. Uebrigens befinden sich unter den Pflanzen, die ein Gefrieren und eine ziemlich weitgehende Eisbildung ertragen, auch solche, die durch das Austrocknen leicht getodtet werden. Die obigen Betrachtungen gelten ebensowohl für die extracellulare, wäe für die intracellulare Eisbildung, w^omit nicht ausgeschlossen ist, dass durch die Eis- bildung im Protoplasma ausserdem besondere Wirkungen ausgeübt werden. Aus den Erfahrungen, dass Plasmodien und Amöben durch das Gefrieren ge- todtet werden, folgt aber natürlich noch nicht, dass es überhaupt keine Orga- nismen giebt, welche die durch die intraplasmatische Eisbildung erzielte Defor- mation ertragen (II, p. 309). Auch die Thatsache, dass Stärkekleister durch das Gefrieren zu einer grobporigen Masse wird, aus der sich das Wasser wie aus einem Badeschwamme ausdrücken lässt^), folgt nur, dass in diesem Falle die Molecularstructur zerstört wird. Da der Stärkekleister auch nach dem Austrocknen nicht wieder die frühere Wassermasse bindet, während doch gewisse Protoplasten das Austrocknen vertragen, so wird damit direct erwiesen, dass die Erfahrungen am Stärkekleister nicht ohne weiteres auf alle Protoplaste über- tragen werden dürfen. Die gesammten Erfahrungen und Erwägungen führen alle zu dem Schlüsse, dass der Kältetod zwar in vielen, jedoch nicht in allen Fällen durch die Wasser- entziehung herbeigeführt wird. Wenn diese als nächste Ursache des Absterbens erkannt wird, so ist damit natürlich kein Einblick in diejenigen Structurverhält- nisse und Eigenheiten des Protoplasmas gewonnen, die es bedingen, dass die Wasserentziehung tüdtlich wirkt oder ertragen wird. Ebensowenig vermögen wir dann, wenn der Tod nicht durch die Wasserentziehung veranlasst wird, die functionellen Störungen u. s.w. anzugeben, die das Absterben verursachen. Nach den früheren allgemeinen Erörterungen (II, § 63, 64) ist es aber klar, dass die für die Brhaltung des Lebens unerlässliche functiunelle Harmonie auf verschiedene Weise gestürt werden kann, dass also durch verschiedene Factoi^en und Combinationen das Absterben in einer inframinimalen Temperatur bewirkt wird. 1) Vogel, Gilbert's Annalen 1820, Bd. Gi, p. 167. Analoge Veränderungen wur- den beim Gefrieren von geronnenem Hühnereiweiss und von Gelatine beobachtet. Vgl. Sachs, Versuchsstationen 1860, Bd. 2, p. 192; H. Müller, Landwirth. Jahrb. 1880, Bd. 9, p. 140; Molisch, 1. c. p. 7. § 68. Die Ursachen des Erfrierens. 317 An anderer Stelle (II, p. 284) ist bereits betont, dass die sichtbaren Ver- änderungen und Deformationen im Protoplasma nur die Folgen der uns unbekannten inneren Verschiebungen und Veränderungen sind. Es genügt dess- halb der Hinweis, dass auch in dem Protoplasma durch niedrige Temperatur, ohne Tödtung, weitgehende Deformationen hervorgerufen werden können. Da diese nach Klemmt) hauptsächlich durch den Temperaturwechsel veranlasst werden, so pflegen die Deformationen nicht bei dem allmählichen Abkühlen, sondern bei dem schnellen Wiedererwärmen aufzutreten. Diese Reactionsfähig- keit ist aber beachtenswerth, da die meisten Pflanzen durch den schnellen Tem- peraturwechsel nicht beeinträchtigt Averden. Wenn in niedriger Temperatur, in Folge der Reduction der Gesammtthätigkeit, die Störung der functionellen Harmonie im allgemeinen ein langsames Absterben veranlassen wird, so ergiebt sich doch aus den allgemeinen Erörterungen (§63,64), dass unter diesen Umständen vermöge der specifischen Eigenschaften einer Pflanze auch eine schnelle Tödtung möglich ist, dass ferner durch eine weitere Senkung der Temperatur unter das Minimum (abgesehen von dem Gefrieren) eine Be- schleunigung des Absterbens eintraten kann, aber nicht nothwendig eintreten muss. Da nun durch die plötzliche Eisbildung in der unterkühlten Pflanze eine schnelle und weitgehende Verschiebung der bisherigen Bedingungen und Ver- hältnisse verursacht wird, so ist dieserhalb eine Beschleunigung des Absterbens auch dann möglich, wenn der Tod nicht durch die Wasserentziehung, sondern durch andere Umstände veranlasst wird. Aus alledem ist auch zu entnehmen, dass sich die Todesursache aus der Schnelligkeit des Absterbens nicht mit Sicher- heit erkennen lässt (Vgl. 11, § 63, 64). So lange wir nicht wissen, durch welche Besondei-heiten der Structur u. s. w. die mehr oder minder grosse Widerstandsfähigkeit des Protoplasmas bedingt ist, vermögen wir auch nicht die Veränderungen zu präcisiren, durch welche das Protoplasma in gewissen Organen und Entwickelungsphasen (z. B. in den Winterknospen der Holzpflanzen) eine höhere Resistenz gegen Kälte gewinnt. Bis zu einem gewissen Grade kann freilich die Widerstandsfähigkeit schon durch die Erhöhung des Gefrierpunctes des Zellsaftes und der Imbibitionsflüssigkeit der Zellhaut gesteigert werden. Dieserhalb ist es in der That von ökologischer Bedeutung, dass verschiedene Pflanzen durch die Abkühlung zu der selbstregula- torischen Vermehrung des Zuckergehaltes (I, p. 514, 618), also zu einer Erhöhung des Turgors und damit zu einer massigen Erniedrigung des Gefrierpunctes veranlasst Averden. Ob aber, wie A. Eise her 2) vermuthet, die Fettbäume durch die winterliche Oelbildung resistenter gegen Kälte werden, ist nicht entschieden und lässt sich auch nicht theoretisch voraussagen. Auf die verschiedenen indirecten Schädigungen durch Kälte utid Gefrieren haben wir nicht einzugehen. Auf die mechanische Zerreissung von Zellen und Geweben in Folge der Eisbildung wurde schon II, p. 307 hingewiesen. Ferner ist bereits II, p. 75 auf die Gewebespannungen aufmerksam gemacht, die dru^ch Abkühlung sowie besonders durch das Schrumpfen in Folge der Wasserentziehung durch die Eisbildung entstehen und die zuweilen, ein plötzliches Einreissen, so z. B. 1) P. Klemm, Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, Bd. 28, p. ß^. Vgl. ferner II, Kap. XV. 2) A. Fischer, Jahrb. f. wiss. Bot. 1891, Bd. 22, p. 153. 318 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. * die Bildung von Frostrissen in Bäumen verursachen (Lit. II, p. 73). Auch wurde (I, p. 213) besprochen, dass das GeMeren des Bodens eine ungenügende Wasser- versorgung und dadurch das Absterben der Pflanze veranlassen kann. Endlich sei auf das Auswintern der Saaten und darauf hingewiesen, dass die gefrorenen und brüchigen Zweige u. s. w. leichter durch Sturm und mechanische Eingriffe beschädigt werden^). Abschnitt III. Schädliche Wirkungen des Lichtes. § 69. Dass und warum viele Pflanzen das Licht bedürfen, also durch die Entziehung des Lichtes geschädigt werden, wurde schon früher (II, § 25, I, p. 344) be- sprochen. Bei dieser Gelegenheit ist auch hervorgehoben, dass andererseits eine jede Pflanze durch eine zu hohe Lichtintensität benachtheiligt wird, dass es also für eine jede Pflanze ein Maximum und ültramaximum der Beleuchtung giebt. Das zulässige Maximum liegt verhältnissmässig hoch bei denjenigen Pflanzen, die an sonnigen Standorten gedeihen, an welchen die typischen Schaltenpflanzen langsam oder schnell absterben. Derartige Pflanzen giebt es unter den chlorophyllführenden Phanerogamen und Kryptogamen, von denen z. B. viele Algen das intensive Sonnenlicht nicht vertragen 2). Ebenso finden sich unter den Pilzen alle Abstufungen von Arten, die im Sonnenlicht wachsen, bis zu solchen, die schon im diff'usen Licht zu Grunde gehen. So werden nach Elfving^) Aspergillus glaucus, nach Laurent'i) die Sporen von Ustilago carbo durch längere Besonnung getüdtet, während die Plasmodien verschiedener Myxo- myceten^) ziemlich schnell im Sonnenlicht absterben. Ferner gehen manche Bacterien im Sonnenlicht schnell, andere langsamer zu Grunde, und gewisse Arten vermögen schon im diffusen Licht nicht zu gedeihen. Unter Verweisung auf die Zusammenstellung der Erfahrungen und der Literatur in bacteriolo- gischen Werken ß) sei hier nur erwähnt, dass die sonst so widerstandsfähigen Sporen gegenüber dem Sonnenlicht vielfach nicht resistenter zu sein scheinen, als die vegetativen Zellen. Arloing fand sogar, dass die Sporen von Bacillus 1) Vgk'Frank, Krankheiten d. Pflanzen II. Aufl., 1894, p. 177. 2) Vgl. die II, p. 4 07 citirte Literatur. 3) F. Elfving, Einwirkung, d. Lichtes auf d. Pilze -1890, p. iOö. 4) E. Laurent, Bullet, d. I. Soc. Botan. d. Belgique 1889, Bd. 28, Abth. ä, p. U2. 5) W. Pfeffer, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 723. Vgl. auch II, Kap. XV. 6] Flügge. Die Mikroorganismen III. Aufl.. 1896, Bd. 1, p. 441; Migula. System d. Bacter. 1897, Bd. I, p. 361 ; Lafar, Technische Mykologie 1897, Bd. I, p. 72; Dieu- donne. Biolog. Centralbl. 1895, Bd. 13, p. 103; T. Tammes, Landwirth. Jahrb. 1900. Bd. 29, p. 468. An diesen Stellen sind auch die Versuche mit künstlichen Lichtquellen angeführt. § G9. Schädliche Wirkungen des Lichtes. 319 anthracis nach zweistündiger, die vegetativen Stäbchen aber erst nach 26 — 30 stün- diger hisolation abgetüdtet werden. Somit ist im Naturhaushalt die hemmende und tüdtliche Wirkung des Sonnenlichtes von wesentlicher Bedeutung und es scheint, dass sämmtliche pathogenen Bacterien durch eine genügende Insolation getüdtet werden. Uebrigens ist bis dahin kein vegetabilischer Organismus be- kannt, der in einem solchen Maasse lichtempfindlich ist, dass er nur bei völligem Lichtabschluss zu gedeihen vermag. Bei Ptlanzen, die das Sonnenlicht vertragen, lässt sich aber die Tödtung durch Steigerung der Lichtintensität erzielen. Derartige Untersuchungen wurden zuerst von Pringsheim') ausgeführt, der in seinen Studien mikroskopisch die Wirkung verfolgte, welche das durch eine Linse concentrirte Sonnenlicht ausübt. Durch dieses wird in der That eine jede Pflanze schneller oder langsamer ge- tüdtet. Die Lichtwirkung tritt dabei nur local, d. h. nur an der beleuchteten Stelle auf, und an dieser werden zunächst häufig Störungen und Veränderungen bemerklich, die reparabel oder doch nicht tödtlich sind. So werden die Plasma- strömung gehemmt und wohl auch anderweitige Deformationen im Protoplasma bewirkt 2). Ferner wird eine transitorische Inactivirung oder eine Entfärbung der Cbloroplasten beobachtet, die im allgemeinen empfindlicher zu sein scheinen, als das übrige Protoplasma (I, p. 320, 344). W^eiter werden nach Pringsheim der im Zellsaft gelöste Farbstoff der Staubfadenhaare von Tradescantia virginica, sowie der an Chromatophoren gebundene gelbe Farbstoff der Zungenblüthen von Calendula officinalis leicht zertört. Die Farbstoffe mancher anderer Pflanzen erwiesen sich dagegen resistenter, und auf Gerbstoffbläschen, Fetttropfen, Stärke- körner übt das concentrirte Sonnenlicht keinen directen Einfluss aus. Die Zerstörung der Farbstoffe, sowie die tödtliche Wirkung des Sonnen- lichtes treten, wie Pringsheim nachwies, nur (oder doch zunächst) bei Gegen- wart von Sauerstoff ein, unterbleiben also, wenn sich die Objecte in indifferenten Gasen befinden 3). Daraus ergiebt sich zugleich, dass auch die Erfolge im concentrirten Sonnenlicht nicht etwa durch die Wärmewirkung ^) im Sonnen- bildchen, sondern durch den besondern Einfluss der sichtbaren Strahlen erzielt werden. Das Gleiche geht auch daraus hervor, dass gerade die stärker brech- baren Strahlen am intensivsten wirken. Desshalb wird nach Pringsheim die Wirkung des Sonnenlichtes nur wenig geschwächt, wenn man die Strahlen eine Lösung von Kupferoxydammoniak passiren lässt. Dagegen wird die Wirkung durch die Einschaltung einer Lösung von Kaliumbichromat sehr vermindert, und durch Einschaltung einer Lösung von Jod in Schwefelkohlenstoff aufgehoben, obgleich den Strahlen, die dieses Medium durchlässt, die grösste Wärmewirkung ■1) Pringsheim, Jahrh. f. wiss. Botan. 1879, Bd. i2, p. 288. Pringsheim be- nutzte Sonnenlicht, das durch einen Heliostaten auf einen besonders grossen Mikro- skopspiegel geworfen und durch eine unterhalb des Objecttisches befindliche Sammel- linse zu einem Lichtpunct von ca. 0,35 mm Durchmesser concentrirt wurde. — In vielen Fällen kommt man schon zum Ziele, indem man das durch den Abbe 'sehen Beleuch- tungsapparat concentrirte Sonnenlicht benutzt. — Vgl. auch P. Klemm, Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, Bd. 28, p. 644; Ewart, Annais of Botany 1898, Bd. 12, p. 384; Pfeffer, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 711. 2) P. Klemm, 1. c. Vgl. auch Bd. II, Kap. XV. 3) Pringsheim, 1. c. p. 351, 358. — Ueber Bacterien vgl. Flügge, 1. c. p. 443. 4) Ueber Tödtung durch die Hitze im Brennpunct von Wassertropfen vgl. II, p. 295. 320 Kaj>. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. zukommt. Analog verhalten sich die Bacterien, auch diejenigen, die schon durch diffuses Licht geschädigt werden i). hii allgemeinen scheint also die stärkste Wirkung denselben Strahlen zu- zukommen, durch die auch Wachslhums- und Bewegungsvorgänge am stärksten beeinflusst werden (II, § 27, Kap. XII— XV). Jedoch ist noch nicht näher unter- sucht, ob beide Curven genau übereinstimmen und ob z. B. in denjenigen Fällen, in welchen die Wachsthumsvorgänge am intensivsten durch die schwächer brechbaren Strahlen beeinflusst werden, durch diese Strahlen auch die stärkste benachtheiligende Wirkung ausgeübt wird. Ebenso ist noch unsicher, ob die isolirten grünen Strahlen auf gewisse Pflanzen einen schädlichen Einfluss aus- üben, und ob ein solcher in bestimmten Fällen dadurch zu Stande kommt, dass der Ausfall einzelner Strahlengruppen eine functionelle Disharmonie und hierdurch eine Schädigung veranlasst (vgl. II, p. 621). Vermuthlich kommt die schädliche Wirkung des Lichtes nicht immer in derselben Weise zu Stande. Auch lässt schon die Tüdtung der anaeroben Bacterien vermuthen, dass bei genügender Lichtintensität auch die aeroben Organismen ohne Mitwirkung des freien Sauerstoffs geschädigt werden. Die Beschleunigung der Tödtung bei Gegenwart von Sauerstoff hängt offenbar mit irgendwelchen Oxydationsvorgängen zusammen. Jedoch ist unbekannt, ob die Bedingungen für die Schädigung etwa durch eine übermässige Beschleunigung der Athmung, durch die Production von schädlichen Stoffen oder in irgend einer anderen Weise geschaffen werden. Der Umstand, dass die Athmung durch eine inframaximale Beleuchtung nicht wesentlich beeinflusst wird (I, p. 573), er- laubt keinen Scliluss auf das Verhalten bei einer ultramaximalen Wirkung. Durch eine solche wird ja auch in den Staubfadenhaaren von Tradescantia die Zerstörung des Farbstoffes bewirkt, der unter den gewöhnlichen Beleuchtungs- verhältnissen nicht oder doch nur in sehr geringem Maasse oxydirt wird 2). Da diese Oxydation (ohne Tödtung) auch durch Wasserstoffsuperoxyd verursacht wird, so liegt die Vermulhung nahe, dass die Entfärbung im intensiven Licht ebenfalls durch die Production von activirtem Sauerstoff erzielt wird. Somit ist es auch möglich, dass in bestimmten Fällen der Lichttod durch Wasserstoff- superoxyd oder durch eine noch giftigere Form des activirten Sauerstoffs be- wirkt wird^). Durch das Licht werden aber bekanntlich nicht nur Oxydationen, sondern auch Spaltungen, überhaupt mannigfache Umsetzungen und Verände- rungen veranlasst, so dass die schädigende Wirkung des Lichtes ebensogut in einer anderen Weise, also auch durch eine directe Veränderung im Protoplasma zu Stande kommen kann. Befindet sich der Organismus in Luft oder in Wasser, so handelt es sich um eine Lichtwirkung im Inneren der Zelle. Befindet sich aber der Organis- mus in einer Flüssigkeit, in welcher durch die Lichtwirkung Umsetzungen ■1) Vgl. die Lit. bei den in der Anmerkung 6 p. 318 citirten Arbeiten. Ausserdem Beck und Schultz, Zeitschr. f. Hygiene u. hifectionskrankheiten -1897, Bd. 23, p. 490. 2) Es folgt dieses daraus, dass der einmal zerstörte Farbstoff nicht wieder regene- rirt wird. Vgl. Pfeffer, Oxydationsvorgänge in lebenden Zellen 1889, p. 383. Vgl. Bd. I, p. 504. 3) lieber Giftwirkung von Wasserstoffsuperoxyd und Ozon vgl. die in Bd. I, p. 554 citirte Literatur. § 70. Austrocknen. 321 erzielt und schädliche Stoffe producirt werden, so kann natürlich auch durch eine Veränderung in der Umgebung die Tüdtung bewirkt werden i). Jedenfalls ist es sehr beachtenswerth, dass auch die ausgetrockneten Bacterien (Sporen und vege- tative Zustände) durch Licht getödtet werden 2). Dasselbe gilt anscheinend auch für die oben erwähnten Sporen von Ustilago carbo und vielleicht für manche an- dere lichtempfindliche Organismen. Dagagen ist es bekannt, dass z. B. die an Felsen lebenden Moose und Flechten im ausgetrockneten Zustand durch den inten- sivsten Sonnenbrand nicht geschädigt werden und, wie zu erwarten war, wird auch die Keimfähigkeit trockener Samen durch Beleuchtung nicht alterirt^). Abschnitt IV. Einfluss der Wasserentziehung. § 70. Austrocknen. In Anpassung an die besonderen Lebensweisen und Aufgaben sind die ver- schiedenen Pflanzen und Pflanzenorgane in einem sehr ungleichen Grade be- fähigt, die Abnahme und den Verlust des Wassergehaltes zu ertragen 4). So werden die vegetativen Organe der BKithenpflanzen durch das Austrocknen getödtet, durch das die meisten Samen nicht geschädigt, sondern nur in einen Starrezustand versetzt werden. Schon unter den Gefässkryptogamen giebt es aber einige Arten, deren vegetative Theile das Austrocknen aushalten, und diese Fähigkeit kommt den meisten Moosen und Flechten zu, die an stark besonnten Felsen, überhaupt an ihrem natürlichen Standort häufig staubtrocken werden, hie Flechten sind zugleich Beispiele für austrocknungsfähige Algen und Pilze. Jedoch geht die Mehrzahl der in Wasser lebenden Algen (wenigstens der vegetative Theil) bei dem Austrocknen zu Grunde. Ebenso verhält sich der vegetative Zustand vieler höherer und niederer Pilze, deren Fortpflanzungs- organe und Dauerzustände zumeist den völligen Wasserverlust ertragen. Das- selbe gilt für die Bacterien, unter denen es (ebenso wie unter den übrigen Pilzen) auch solche giebt, die in ihrem vegetativen Zustand durch den Wasserverlust nicht geschädigt werden. Wie schon das Welken beweist, vermögen alle turgescenten Pflanzen einen gewissen Wasserverlust zu ertragen, und thatsächlich 2;iebt es alle Abstufungen 1) Vgl. A. Richardson, Bot. Ztg. 1894, p. 304; Dieudonne, Arbeit, a. d. Kaiserl. Gesundheitsamte 1894, Bd. 9, p. 537; Flügge, 1. c. p. 443. 2) Vgl. Flügge, 1. c. p. 444. 3) T. Tammes, Landwirth. Jahrb. 1900, Bd. 29, p. 467 u. die liier citirte Literatur. 4) Ueber den Einfluss des Wassergehaltes auf das Wachsen, sowie über die Ein- richtung für Gewinnung des Wassers und Erhaltung des Turgescenzzustandes vgl. I, § 27, 37; II, § 33, 34, sowie p. 287. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. H. 21 322 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. von den Pflanzen, die bei massigem oder erst bei ansehnlichem Wasserverlust zu Grunde gehen, bis zu denjenigen, die das Austrocknen aushalten. Nach den bisherigen Erfahrungen ist selbst bei den empfindlichen Pflanzen eine Reduc- tion des Wassergehaltes des turgescenten Objectes um 40 — 50 Proc. zulässig, jedoch giebt es auch Blüthenptlanzen, deren vegetative Organe eine Reduction um 80—90 Proc. aushalten ^j. Im allgemeinen scheint diese höhere Befähigung bei denjenigen Pflanzen vorhanden zu sein, die unter den natürlichen Yegeta- tionsbedingungen zeitweise weitgehend welken, gleichviel ob es sich um Pflanzen handelt, die im turgescenten Zustand wasserarm oder wasserreich sind. Nach G. Schröder^) verträgt z. B. das turgescente Sedum elegans (mit 16,4 Proc. Trockensubstanz) eine Verminderung des Wassergehaltes um 90, aber nicht um 95 Proc, während die empfindlicheren Blätter der Parietaria arborea bei einer Reduction des Wassergehaltes um 50 Proc. theil weise, bei einer Reduction um 70^ — 76 Proc. gänzlich absterben. Uebrigens sind immer nur annähernde An- gaben möglich, da das zunächst zulässige W^elken auf die Dauer nicht ver- tragen wird, da ferner die Zellen ungleich resistent sind und in den gewelkten Pflanzen diejenigen Organe und Zellen, welche das Wasser mit grösserer Energie an sich reissen, die übrigen Organe und Zellen aussaugen und zum Absterben bringen (I, p. 1 94). Ausserdem bieten insbesondere die Kryptogamen zahlreiche Beispiele dafür, dass Lufttrockenheit, aber nicht eine weitergehende Wasserentziehung im Exsiccator (über Schwefelsäure oder Phosphorsäure) ertragen wird 3). Unter den Laubmoosen stirbt z. B. die in Wasser lebende Fontinalis antipyretica schon bei Lufttrockenheit ab, während das an massig feuchten Stellen lebende Mnium hornum eine mehrwöchentliche Lufttrockenheit aushält. Dieses Moos und ebenso die etwas resistentere Funaria hygrometrica gehen indess mit der Zeit im Exsic- cator zu Grunde, in dem Barbula muralis, Bryum cespiticium imd andere an trockenen Stellen wachsende Arten in 20 Wochen nicht getödtet werden (Schröder, 1. c. p. 15). Aehnliche Abstufungen w^erden z. B. auch bei den ver- schiedenen Arten von Oscillaria (Schröder, 1. c. p. 32) und von Bacterien ge- funden. Eine vollständige Austrocknung erfahren gelegentlich auch in der Natur die an trockenen Felsen lebenden Moose und Flechten. Dagegen dürfte in den im Boden eingewurzelten Pflanzen (auch bei Moosen und Flechten) sogar bei starker hisolation keine völlige Trockenkeit eintreten. Zudem hält dieser Trocken- zustand nie sehr lange an, da in jeder Nacht der Feuchtigkeitsgehalt erhöht und von Zeit zu Zeit sogar der volle Turgor hergestellt wird. 1) Enthält die turgescente Pflanze 80 Proc. Wasser (vgl. I, p. 191). so würde sich ihr Gewicht bei einer Reduction des Wassergehalts um 4 0—50 Proc. um 32 — 40 Proc. bei einer Reduction um 80 — 90 Proc. um 73 Proc. vermindern. 2) G. Schröder, Unters, a. d. Bot. Institut in Tübingen 1886, Bd. II, p. 3. Die ältere Literatur über Blüthenpflanzen beschränkt sich auf einige Versuche von Du- trochet, Memoir. p. servir ä Thistoire d. vögetaux et d'animaux Brüssel 1837, p. 204 und von A. P. de Candolle, Pflanzenphysiol. übers, von Röper 4833, Bd. 2, p. 872. Weitere Versuche bei E. Fleischer, Bot. Centralbl. -1885, Bd. 22, p. 356. — Uebrigens ist bei Schröder die gesammte ältere Literatur citirt. 3) Lit.: G. Schröder, 1. c; A. Ewart, Transact. Liverpool Biol. Soc. '1897, Bd. 11, p. 131; W. Kochs, Biolog. Centralbl. 1892, Bd. 12, p. 336. — Vgl. auch die weiterhin zu besprechenden Versuche von Saussure mit angekeimten Samen. § 70. Austrocknen. 323 Bei einem mittleren Feuchtigkeitsgehalt der Luft enthalten die lufttrockenen Pflanzentheile gewöhnlich noch 8 — 1 4 Proc. Wasser '), das sich auch im Ex- siccator nicht völlig entfernen lässt. Denn wenn üher Schwefelsäure der Gleich- gewichtszustand hergestellt ist, werden z. B. in den Samen noch 1 — 3 Proc. (Schröder, Ewart) in Sticta pulmonacea (Schröder, 1. c. p. 48) sogar 4,8 Proc. Wasser gefunden, die erst allmählich weggehen, wenn die Objecte in trockener Luft auf 100 — HOC. erwärmt werden. Gleichviel ob hierbei nur adsorbirtes oder auch chemisch gebundenes Wasser ausgetrieben wird, jeden- falls ist es nicht überraschend, dass auch durch diese gesteigerte W^asserent- ziehung wiederum gewisse Organismen absterben, die Schwefelsäuretrockenheit vertragen 2). Vermuthlich wird in der That das Absterben verschiedener Samen, Sporen, Moose u. s. w. bei 100 C. wenn auch nicht allein, so doch zum Theil durch die weitere Entziehung (oder Abspaltung) von Wasser verursacht. Indess geht aus der Erfahrung, dass andere Objecte ein mehrstündiges Erhitzen auf 100 — 110 C. aushalten (II, p. 293), hervor, dass auch die so erzielte Wasser- entziehung nicht in allen Fällen tödtlich wirkt. Denn wenn auch vielleicht bei der Erwärmung der über Schwefelsäure getrockneten (dickeren) Samen in der ^'ersuchszeit nicht alles abgebbare Wasser entzogen war, so dürfte doch bei Verwendung von Sporen, Moosen, Bacterien und anderen kleinen Objecten in 1 — 2 Stunden der Gleichgewichtszustand hergestellt sein. Zudem werden viele Sporen, Bacterien u. s. w. nicht durch einen langen Aufenthalt in absolutem Alkohol getödtet (II, p. 324), durch den sicherlich das imbibirte AVasser sehr weitgehend entfernt \vird. Wie schon früher erwähnt wurde, sterben auch die ausgetrockneten Pflanzen mit der Zeit ab, obgleich in ihnen die Athmungsthätigkeit sistirt ist (II, p. 282). Während aber in manchen trockenen Samen, Sporen, Moosen u. s. w. die Lebensfähigkeit in kurzer Zeit erlischt, wird dieselbe in anderen Objecten viele Jahre und vielleicht mehr als 1 00 Jahre conservirt (einige Beispiele II, p. 327). W^ie weit hierbei die äusseren Bedingungen influiren, ist noch nicht eingehend untersucht (Ueber Einfluss von Wärme und Kälte vgl. II, p. 292, 299j. Aus dem Mitgetheilten ist aber zu ersehen, dass jedenfalls der Grad des Austrocknens eine Rolle spielt. Denn einmal wird die Lebensdauer der lufttrockenen Pflanze durch die Zunahme des Wassergehaltes verkürzt, und ferner beweisen diejenigen Pflanzen, welche im Exsiccator schneller absterben als in der Luft (z. B. Mnium hornum, Funaria), dass die Steigerung der Wasserentziehung in gewissen Fällen das Absterben beschleunigt. Voraussichtlich giebt es aber auch Pflanzen, die bei völliger Austrocknung am längsten lebendig bleiben. Nach unzu- reichenden Versuchen scheinen z. B. die Sporen von Phycomyces nitens ihre Keimfähigkeit gleich lang im Exsiccator und an der Luft (Schröder, 1. c. p. 34), sowie auch im sauerstofffreien Räume zu bewahren. Ausserdem ergiebt sich aus Versuchen von M. Ficker^j, dass gewisse Bacterien (B. cholerae, typhi) im 1) Schröder, 1. c; Ewart, 1. c. 2) Ebenso dürfte das Tödten der gefrorenen Pflanzen durch eine weitere Erniedri- gung der Temperatur ganz oder zum Theil auf einer gesteigerten Wasserentziehung beruhen. Vgl. II, p. 299. 3) M. Ficker, Ueber Lebensdauer u. Absterben von pathogenen Keimen. Habili- tationsschrift 1898, p. 25. 2 I* 324 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. Exsiccator länger am Leben bleiben, als wenn sie abwechselnd in feuchte Luft und in den Exsiccator gebracht werden. Da durch die Wasserentziehung die physiologische Thätigkeit und Re- actionsfähigkeit aufgehoben wird, so ist die Resistenz der trockenstarren Organismen im hohen Grade gesteigert, wie wir dieses schon in Bezug auf Wärme und Kälte gehört haben (II, p. 293, 303). Ferner wird das Leben der trockenen Sporen von Pilzen (Aspergillus niger, Phycomyces nitens), der Hefe- zellen, der Bacterien (Micrococcus prodigiosus etc.) durch einen längeren Aufenthalt in absolutem Alkohol, Aether, Benzol oder Schwefelkohlenstoff nicht oder doch nur allmählich vernichtet und vielleicht sterben manche Organismen unter diesen Bedingungen nicht schneller ab, als in der Luft. Auch Samen bewahren in den genannten Medien lange Zeit ihre Keimfähigkeit i). Jedoch werden diese sowie alle Organismen getüdtet, wenn sie in einem turgescenten oder auch nur in einem stark wasserhaltigen Zustand in Alkohol oder Aether u. s. w. gebracht werden, oder wenn sie getrocknet in verdünnten Alkohol kommen, der eine gewisse Quellung gestattet. Andererseits werden diese Objecte nicht oder langsam getüdtet, wenn in dem wasserfreien Alkohol, Aether u. s. w. gewisse giftige Stoffe gelöst 2) sind oder wenn sie im trockenen Zustand giftigen Gasen oder Dämpfen ausgesetzt werden 3). Sicherlich dringen Alkohol, Aether, Benzol u. s. w^ in die trockenen Zellen ein und die in diesen Medien löslichen Stoffe dürften aus den winzigen Bacterien, Sporen u. s. w., wenn auch langsam, jedoch in begrenzter Zeit ausgezogen werden. Demgemäss wird die Keimfähigkeit dieser Organismen durch die Ent- fernung von Fett u. s. w. nicht unbedingt aufgehoben. Das dürfte indess nicht in allen Fällen zutreffen, und thatsächlich scheinen die ölhaltigen Samen abgestorben zu sein, bevor die Gesammtmenge des Fettes extrahirt ist. Allerdings geht dieses Ausziehen und Abtödten bei Gegenwart der Samenschale sehr langsam von statten, und selbst nach Entfernung der Samenschale schreitet das Hinweg- lösen des Fettes nur langsam in centripetaler Richtung fort. Jedenfalls ist es von ökologischer Bedeutung, dass die austrocknungsfähigen Pflanzen eine schnelle Entziehung und Wiederzufuhr von Wasser ohne Nachtheil ertragen. Es liegen also ähnliche Verhältnisse vor wie bei dem Gefrieren und Aufthauen (II, p. 300), und es ist zwar noch nicht erwiesen, aber zu vermuthen. 4 ) Näheres über dieses, auch für die Desinfection wichtige Thema wird eine Arbeit bringen, mit der Herr Kurz welly in meinem Institut beschäftigt ist. — In historischer Hinsicht sei folgendes bemerkt. Nach Pasteur (Compt. rend. -1877, Bd. 85, p. 99) waren die Sporen von Bacillus anthracis noch lebendig, nachdem sie 2-1 Tage in Alkohol gelegen hatten. Gleiches fand Cl. Bernard (Legons s. 1. phenomenes d. 1. vie 1878, p. 54) für Hefezellen nach 3 — 4 tägigem Aufenthalt in Alkohol. Ferner ist auch mehrfach be- obachtet, dass Samen in Alkohol ihre Keimfähigkeit bewahren. (Lit. bei Nobbe, Samenkunde ■1876, p. 283.) Ein näheres und kritisches Studium fehlte bis dahin. Die beiläufigen Bemerkungen von H. Hoffmann (Jahrb. f. wiss. Bot. ISfiO. Bd. 2, p. 33-1) haben keine Bedeutung. Vgl. auch Flügge, Mikroorganismen III. Aufl., -1896, Bd. I, p. 450. 2) Vgl. B. Krönig u. Th. Paul. Zeitschr. f. Hygiene u. Infectionskrankheiten 1897, Bd. 25, p. 91. — Unter gewissen Umständen tritt eine Vernichtung des Lebens ein. 3) Diesbezügliche Versuche von G. J. Romanes sind citirt bei H. Brown und F. Escombe, Proceed. of the Royal Soc. 1897, Bd. 62, p. 160. § 70. Austrocknen. • 325 dass in gewissen Fällen die langsame Wasserzufuhr vortheilhaft ist^). Anderer- seits werden gewisse Organismen durch die Abnahme des Wassergehaltes zur Bildung von austrocknungsfähigen Dauerzuständen oder Fortpflanzungsmitteln angeregt (II, § 34). In einem solchen Falle ist es wichtig, dass das Aus- trocknen langsam genug fortschreitet, um die Production der resistenten Organe zu ermöglichen. Schon eingangs ist auf die ökologisch bedeutungsvolle Thatsache hingewiesen, dass sich die Resistenz in vielen Fällen mit der Entwickelung ändert. Zur Er- gänzung sei hier noch erwähnt, dass die Austrocknungsfähigkeit bereits den un- reifen Samen und zwar zum Theil schon dann zukommt, wenn diese noch nicht die Hälfte des endlichen Trockengewichts erreicht haben ^j. Ausserdem wird aber die entwickelte Keimpflanze durch die Wasserentziehung getödtet und desshalb geht mit der Keimung die Austrocknungsfähigkeit allmählich verloren. Wie bereits Th. de Saussure 3) in einer treulichen Arbeit darthat, halten nur die eben erscheinenden Keimwürzelchen noch das Austrocknen und zwar zum Theil schon nicht mehr das Austrocknen über Schwefelsäure aus. Nachdem aber die Wurzel, oder die AVürzelchen lang oder länger als der Samen geworden sind, sterben sie beim Austrocknen ab, doch kann dann der Keimling das Wurzelsystem durch Production von adventiven Wurzeln ergänzen. Immerhin ist einleuchtend, dass z. B. eine Aussaat von Grassamen unmittelbar nach Beginn des Keimens im höheren Grade durch trockenes Wetter geschädigt wird, als fernerhin, wenn die Wurzeln tiefer in den Boden eingedrungen sind. Analog wie bei den Samen wird bei dem Keimen der austrocknungsfähigen Sporen von Penicillium, Phycomyces, Mucor^), Uredo^) ein Keimschlauch gebildet, der durch die Wasserentziehung getödtet wird. Wie in Bezug auf die Resistenz gegen hohe (II, p. 294) und niedrige (II, p. 317) Temperatur, ist es auch unbekannt, durch welche Mittel die Pflanze die Befähigung zum partiellen oder totalen Austrocknen gewinnt oder verliert. Das Zusammenfallen dieser Eigenschaft mit der Anhäufung von Nährstoffen in Samen, Sporen etc. ist als eine ökologische Anpassung aufzufassen, aber es ist keine Noth- wendigkeit. Denn einmal vertragen nicht alle mit Reservestoffen angefüllten Zellen 1) G. Schröder, 1. c. p. 45 — 47. In Bezug auf Samen vgl. auch Just, Cohn's Beitr. z. Biolog. -1877, Bd. 2, p. 338. — Nach Saussure (Annal. d. scienc. naturell. 1827, Bd. 10, p. 92; soll freihch das Leben der ausgetrockneten jugendlichen Keim- würzelchen nur bei langsamer Wasserzufuhr erhalten werden. Jedoch bedürfen diese Befunde einer kritischen Prüfung. Vgl. Schröder, 1. c. — Ueber das Austrocknen als Wachsthumsreiz vgl. II, p. 267. 2) Schröder, 1. c. p. 10. — Ueber Keimen unreifer Samen vgl. Cohn, Symbola ad seminis physiologiam 1847, p. 39; Nobbe, Samenkunde 1876, p. 339 [W. Kinzel, Landw. Versuchsstat. 1901, Bd. 35, p. 255]. — Da die Zellen der unreifen Samen beim Trocknen stärker schrumpfen, so ist auch bei diesen die Zelle mit Reservestoffen völlig angefüllt. Pfeffer, Jahrb. f. wiss. Bot. 1872, Bd. 8, p. 510. 3) Th. de Saussure, Annal. d. scienc. naturell. 1827, Bd. 10, p. 68; Schröder, 1. c. p. 12 u. die hier citirte Literatur; H. Will, Versuchsstationen 1883, Bd. 28, p. ö2; G. Bonnier, Rev. genöral. d. Botan. 1892, Bd. 4, p. 193; Frank, Krankheiten der Pflanzen II. Aufl., 1895, p. 263. 4) Schröder, I.e. p. 34; M. Nordhausen, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 33, p. 29; Duggar, Botanic. Gazette 1901, Bd. 31, p. 65. 5) H. Hoffmann, Jahrb. f. wiss. Bot. 1860, Bd. 2, p. 329. 326 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. das Austrocknen, und ferner kommt diese Fähigkeit z. B. den Moosblättern zu, die keine Reservestoffe anhäufen und welche die völlige Wasserentziehung auch dann aushalten, wenn sie zuvor in einen Hungerzustand versetzt sind (Schröder, 1. c. p. 45). Die Keimfähigkeit der unreifen Samen beweist zudem, dass die völlige Anfül- lung mit Reservestoffen nicht nothwendig ist, und es ist in der That noch nicht ent- schieden, ob speciell die Austrocknungsfahigkeit von Samen, Sporen u. s. w. von einer gewissen Ansammlung der Nährstoffe abhängt. Eine solche Ansammlung ge- währt insofern einen Vortheil, als bei dem Austrocknen das Zusammenschrumpfen der Zellen vermindert wird, das aber bei den Moosen in vollem Maasse statt- findet (Schröder, 1. c. p. 43). In diesem Falle ergiebt sich zugleich aus der starken Volumverminderung, dass das Protoplasma sehr wasserreich ist. dass also dessen Austrocknungsfähigkeit mit einem grossen Wassergehalt verträg- lich ist. Ebenso ist z. B. nach den Erfahrungen an Moosen nicht eine Durchtränkung des Protoplasmas mit fettem Oel nothwendig, um die Resistenz gegen die völlige Wasserentziehung zu ermöglichen '). Da ferner in Moosen und anderen Pflanzen der volle Turgor sogleich mit der Wasserzufuhr wieder- kehrt, so ist anzunehmen, dass die eintrocknenden Turgorstoffe in den schrumpfenden Vacuolenräumen verbleiben. Damit ist zugleich gesagt, dass das austrocknungsfähige Protoplasma durch die hohe Concentrirung des Zell- saftes nicht geschädigt wird. Sollte in anderen Pflanzen durch diese Concen- trirung (analog wie durch eine ungiftige oder giftige Salzlösung) der Tod her- beigeführt werden, so würde für einen concreten Fall die nächste Ursache der Tödtung aufgeklärt sein. Auf derartigen Verhältnissen kann es aber nicht be- ruhen, dass gewisse Pflanzen schon durch eine massige oder eine weitgehende Reduction des Imbibitionswassers, andere vielleicht erst durch die Abspaltung von chemisch gebundenem Wasser (vgl. Bd. I, p. 63) getödtet werden. Wie schon bemerkt, kann man es als eine Folge der Verminderung der Reac- tionsfähigkeit wohl im allgemeinen verstehen, dass die ausgetrockneten Pflanzen gegen Wärme, Kälte, Alkohol, Schwefelkohlenstoff u. s.w\ im hohen Maasse resistent sind. Jedoch ist wiederum nicht aufgeklärt, durch welche Veränderungen bewirkt wird, dass die ausgetrockneten (auch die völlig ausgetrockneten) Pflanzen nach kürzerer oder längerer Zeit ihre Lebensfähigkeit verlieren. Jedenfalls wird dieses nicht schlechthin durch den Oelgehalt, bezw. durch das Ranzigwerden des Fettes bedingt. Denn, wenn viele ölhaltige Samen ihre Keimkraft verhält- nissmässig schnell zu verlieren scheinen, so sterben doch auch gewisse stärke- haltige Samen bald ab , während verschiedene ölhaltige Samen, Sporen u. s. w. lange lebendig bleiben. Uebrigens werden trockene Moose durch das Einlegen in ranziges Fett oder in Oelsäure nicht geschädigt. Augenscheinlich wird aber die Lebensfähigkeit des ausgetrockneten Objectes nicht nur durch den Ent- wickelungszustand und den Reifegrad, sondern auch durch die jeweiligen Cultur- bedingungen und verschiedenen Umstände beeinflusst. Denn nur so ist es ver- ständlich, dass Samen, Sporen u. s. w. derselben Art unter den gleichen Auf- bewahrungsbedingungen ungleichzeitig absterben, dass z. B. die Sporen von 1) Ueber den Fettgehalt d. Moose vgl. B. Jönsson u. E. Olin, Lunds Universi- tets Arsskrift 1898, Bd. 34, Afd. 2, Nr. 1. § 70. Austrocknen. 327 Phycomyces nitens ihre Keimfähigkeit zum Theil schon nach einigen Wochen, zum Theil erst nach 2 oder 3 Jahren verlieren (Schröder, 1. c. p. 34). Von den Samen vertragen viele, jedoch nicht alle das Austrocknen. So einwiesen sich die ausgetrockneten Samen von Oxalis rubella und lancifolia i), von Coffea arabica, Dictamnus fraxinella, Angelica aix'hangelica, von vielen Myrtaceen und Lauraeeen nicht mehr keimfähig 2). Da die Weidensamen vielfach schon nach einigen Tagen die Entwickelungsfähigkeit verlieren, so ist es begreiflich, dass Wichura^) und Winkler*) keine Austi'ocknungsfähigkeit constatirten, die aller- dings vorhanden ist, wie Wiesner^) und Woloszczak^) an solchen Weiden- samen coustatii'ten, die länger als 3 Monate keimfähig blieben. In den lufttrockenen Samen der Weide geht die Keimfähigkeit in wenigen Monaten, in verschiedenen anderen Samen im Lauf eines Jahres verloren. Bei lufttrockener Aufbewahrung ist nach 1 0 Jahren '^) die Keimfähigkeit bereits in vielen Samen, nach 25 Jahren*) aber in sehr zahlreichen Samenarten erloschen, jedoch wurden die Samen von Nelumbium nach 100 Jahren keimfäliig befunden 9). Wenn es nun auch möghch ist, dass gewisse Samenarten noch länger lebendig bleiben, so beruhen doch die Angaben über die Keimfähigkeit der in Mvmiien gefundenen Samen auf einem hTthum lO). Beiläufig sei noch erwälmt, dass in den Versuchen Burgerstein's (1. c.) bei sorgfälliger Aufbewahrung die Samen von Gerste, Hafer, Weizen nach \ 0 Jahren noch zum grössten Theil keimfähig waren, während die Samen des Roggens in dieser Zeit die Keimfähigheit verloren hatten. Ueber die Dauer der Keimfähigkeit des Blüthenstaubes vgl. L. Mangln, Bullet, d. 1. Soc. botan. d. France, 23. Juli 1886; Rittinghaus, Verhandl. d. naturw. Vereins d. Rheinlande 1886, Bd. 43, p. 139. Gefässkryptog'amen. Unter diesen vertragen Isoetes hystrix^^), Polypodium vulgare, Ceterach u. s. w. ^^j (j^s Austrocknen und nach Wittrock war Selaginella lepidophj'lla noch lebendig, nachdem sie 1 1 Jahre im Herbar gelegen hatte. Die Sporen der Gefässkryptogamen sind der Regel nach austrocknungsfähig. Die meisten bewahren im ausgetrockneten Zustand die Keimfähigkeit lange, doch sterben z. B. die Sporen mancher Osmundaceen, Hymenophyllaceeni^) und die von Equisetum^^) nach kürzerer Zeit ab. 1) F. Hildebrand, Bot. Ztg. ■1884, p. 110. 2) de Candolle, Pflanzenphysiol. übers, von Röper 1 835, Bd. 2, p. 260; Schrö- der, 1. c. p. 8; U. Dammer, Botan. Jahresb. 1897, p. 154. 3) Wichura, Jahresb. d. schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur 185G, p. 56. 4) Winkler, Bot. Jahresb. 1877, p. 352. 3) Wiesner, Biolog. d. P/lanzen 1889, p. 43. 6) E. Woloszczak, Bot. Centralbl. 1889, Bd. 39, p. 150. 7) Vgl. Nobbe, Samenkunde 1876, p. 37, 370. 8) de Candolle, Annal. d. scienc. naturell. 184G, HI. ser., Bd. 6. p. 373. Ueber die Gewinnung der Keimfähigkeit nach einer gewissen Ruhezeit oder nach dem Aus- trocknen siehe H, § 60. 9) Vgl. de Candolle, Geographie botanique 1835, p. 342. 10) A. Burgerstein, Beobachtung, ü. d. Keimkraftdauer u. s.w. Sep. a. Verh. d. zool.-bot. Gesellsch. in Wien 1893. 11) A. Braun, Verjüngungen 1831, p. 213 Anmerk. 12) E. Bureau, Compt. rend. 1890, Bd. 110, p. 318; V. B. Wittrock, Botan. Cen- tralbl. 1892, Bd. 49, p. 132; A. F. W. Schimper, Botan. Mittheil. a. d. Tropen 1888, Heft 2, p. 36; Heinricher, Ber. d. bot. Ges. 1896, p. 2:U fAdventivknospen von Cysto- pteris bulbifera;. 13) Sadebeck, Schenk's Handbuch d. Bot. 1879, Bd. I, p. 156. 14) 0. Buchtien, Bibliothec. botanic. 1887, Heft 8, p. 15. 328 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. Moose. Nach den Beobachtungen von Schröder sterben auch die austrock- nungsfähigsten Laubmoose i) in einigen Jahren ab, und vermuthlich hat die Eigen- schaft der todten Moose, bei dem Befeuchten wieder ein straffes Aussehen zu gewinnen, einige Autoren zu der Angabe veranlasst, dass Moose nach einem hundertjährigen Aufenthalt im Herbar wieder aufgelebt seien. Resistenter pflegen die Danerzustände des Protonemas und in noch höherem Grade die Sporen zu sein, die z. Th. keimten, nachdem sie 50 Jahre lang trocken gelegen hatten ^j. — Die meisten Lebermoose ^j sind, ihrer Lebensweise entsprechend, nicht so wider- standsfähig wie die Laubmoose. Jedoch verträgt der vegetative Körper der an trockenen Stationen lebenden Lebermoose entweder nur für sehr kurze oder auch für längere Zeit die Wasserentziehung, so dass z. B. Corsinia marchantioides noch lebendig war, nachdem sie Y4 Jahre im Herbar gelegen hatte. Algen ^]. Auch bei den in Wasser lebenden Süsswasseralgen sind die Zygoten, oder anderweitige Dauersporen zumeist austrocknungsfähig. Diese Eigenschaft besitzen bei den erdbewohnenden Algen, z.B. bei Cystococcus humicola, Pleu- rococcus, Scenedesmus auch die vegetativen Zellen. Ferner werden bei Nostoc und Oscillaria sowohl Arten gefunden, die nur ein kurzes, als auch solche, die ein langes Austrocknen ertragen. Die Diatomeen scheinen aber der Regel nach wohl einen sehr weitgehenden Wasserverlust, aber nicht die völlige Lufttrockenheit auszuhalten. — Ueber die Flechten vgl. das im Text Gesagte und Schröder, L c. p. 38. Pilze ^). Der vegetative Körper wird bei den meisten Pilzen, auch bei den gewöhnlichen Schimmelpilzen (II, p. 32 S), durch Austrocknen getödtet. Dagegen sind die verschiedenartigen Sporen, Sclerotien und anderweitige Dauerzustände der meisten Pilzarten austrocknungsfähig und bieten alle Abstufungen von 01)jecten, die das Austrocknen einige Taee bis zu einigen Jahren vertragen. Indess ist eine Lebensdauer von 1 0 Jahren bisher nur für die Conidien von Aspergillus fumigatus beobachtet, denn die Sporen der gemeinsten Schimmelpilze keimen gewöhnlich nach 1 — 3 Jahren, die Sporen der resistentesten Ustilagineen nach 8 — 9 Jahren nicht mehr. Auch bei den Mvxomvceten") widerstehen nut die Sclerotien und die Sporen dem Austrocknen, doch scheinen die letzteren bei den meisten Arten in Y2 bis 1 Jahre abzusterben. — Dagegen vertragen auch die vegetativen Zellen der Saccharomyces -Arten ") das Austrocknen, auch das Aus- trocknen über Schwefelsäure. Will fand nach lufttrockenem Aufbewahren viele Zellen noch nach 1 3 Jahren lebendig. Bacterien^). Die vegetativen Formen der verschiedenen Arten bieten Bei- spiele dafür, dass das Austrocknen nicht, kurze oder sehr lange Zeit ausgehalten 1) Vgl. G. Schröder, Unters, a. d. Botan. Institut z. Tübingen 1886, Bd. 2, p. lö u. die dort, citirte Lit. 2) W. Schimper, Rech, anatom. et morphol. s. 1. mousses 1848, p. 2-2. 3) Vgl. Schröder, I.e. p. 14. Siehe auch Goebel, Pflanzenbiol. Schilderungen 1889, I, p. 174. 4} Vgl. Schröder, 1. c. p. 21. 5) Siehe Schröder, 1. c. p. 34; de Bary, Morphol. u. Biol. d. Pilze 1884, p. 368; Zopf, Pilze 1890, p. 317; Wehmer, Centralbl. f. Bacteriol. II. Abth. 1895, Bd. I, p. 217; J. Eriksson, Centralbl. f. Bacteriol. IL Abth., 1894, Bd. 4, p. 431. 6) Schröder, 1. c. p. 36; de Bary, 1. c. p. 483. 7) Schröder, 1. c. p. 37; H. Will, Centralbl. f. Bacteriol. IL Abth., 1900, Bd. 6, p. 226. 8) de Bary, Pilze 1884, p. 315; Flügge, Mikroorganismen IIL Aufl., 1896, Bd. I, p. 415; M. Ficker, Lebensdauer u. Absterben von pathogenen Keimen 1898 u. die an diesen Stellen citirte Lit. — Ueber Einfluss des totalen Austrocknens siehe II, p. 323. § 71. Osmotische Einflüsse. -^ 329 wird. Soweit bekannt, vertragen die typischen Sporen zum Theil ein sehr langes Austrocknen, jedoch ist nicht ermittelt, ob in den resistentesten Sporen das Leben länger als in den widerstandsfähigsten Samen bewahrt wird. Da aber die Eigenschaften der Bactei'ien offenbar durch die Culturbedingungen, ferner durch den Uebei'gang in Dauerformen, hivolutionsi'ormen u. s. w. modiflcirt werden, so ist begreiflich, dass die Angaben der verschiedenen Autoren über die Lebensdauer im ausgetrockneten Zustand öfters erheblich differiren. Sofort getödtet werden durch das Austrocknen z. B. Spirillum undula, sowie einige andere Spirillen, ferner Bacillus carotarum ^j, der austrocknungsfähige Sporen bildet. Nach Kurth^) hält die Stäbchenform von Bacterium Zopfii das Austrocknen 2 — 5 Tage, die Coccenform 17 — 26 Tage aus. Das ausgetrocknete Spirillum cholerae asiaticae stirbt in l 5 IMinuten oder in einigen Stunden ab, während die Tvphus-, Diphtherie- und Tuberkelbacillen wochen- bis monatelanges Austrocknen vertragen. Das Verhalten bei Wasserverlust ist ökologisch von hoher Bedeutung, da durch die Luft nur diejenigen Bactei-ien übertragen und verbreitet werden können, die austrocknungsfähig sind. § 71. Osmotisclie Einflüsse. Eine jede Pflanze wird mit der Zeit auch dann absterben, wenn ihr durch Verminderung des Wassergehaltes (durch Transpiration) oder durch den Auf- enthalt in Salzlösungen das Wachsthum, überhaupt die zureichende functionelle Thätigkeit unmüglich gemacht ist (II, p. 137, 279)3]. Dass aber auch in Bezug auf die Widerstandsfähigkeit gegen Salzlösungen grosse Differenzen bestehen, geht schon daraus hervor, dass zahlreiche Pflanzen nicht mehr in Lösungen gedeihen, die mit I — 2 Proc. Chlornatrium isosmotisch sind, während die Wachsthumsgrenze anderer erst in einer Lösung erreicht wird, deren osmo- tischer Werth 17—20 Proc. Chlornatrium entspricht (I, p. 414; II, p. 137). Die Wirkung der Salzlösungen kann aber selbst dann, wenn die Salze un- schädlich sind, nicht nach dem Erfolg bemessen werden, den die Herabsetzung des Turgors durch Transpiration hervorruft. Denn hierbei tritt einmal keine Plasmolyse ein, die durch die Abhebung des Protoplasten eigenartige Bedin- gungen schafft, und ferner werden durch den Wechsel der Concentration und der osmotischen Druckzustände besondere Verhältnisse und Reactionen verur- sacht, die namentlich bei einem plötzlichen Uebergang schädlich und tödtlich auch auf solche Organismen wirken können, die das vollständige Austrocknen vertragen. Schon früher (II, p. 138) wurde mitgetheilt, dass verschiedene Algen, Pilze u. s. w. sehr wohl eine allmähliche Verdünnung der Lösung vertragen, während sie bei schneller Herabsetzung der Concentration durch die ansehnliche Turgor- steigerung zersprengt werden. Eine solche Tödtung wird aber auch bei plötz- licher Erhöhung der Concentration in Bacterien, Infusorien und vermuthhch in verschiedenen anderen Organismen und zwar wohl dadurch verursacht, dass aus noch aufzuklärenden Gründen eine übermässige Turgorsteigerung eintritt 1) A. Koch, Bot. Ztg. 1888, p. 298. 2) Kurth, Bot. Ztg. '1883, p. 409. 3) Ueber den Einfluss der UeberfüUung mit Wasser vgl. II. p. 139; I, p. 163. 330 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. (II, p. 138 Anm.). So gehen nach A. Fischer') z. B. Bacillus anthracis, coli, cholerae in 10 — 60 Minuten zu Grunde, wenn sie aus einer 0,75 proc. in eine 2 proc. Chlornatriumlüsung übertragen werden, obgleich sie noch in Lösungen wachsen, die 5 — 7 Proc. Chlornatrium enthalten. Damit dieser Erfolg eintritt, ist es nicht nüthig, dass die Bacterien zunächst plasmolysirt werden. Aber auch ohne Zersprengung und ohne Plasmolyse werden manche Orga- nismen durch den schnellen Wechsel und zum Theil schon durch eine massige Variation der Concentration geschädigt oder getödtet. Ein solches Resultat wurde z. B. von Richter ^j mit verschiedenen Süsswasseralgen erhalten. Ferner beobachtete Stahl 3], dass das Plasmodium von Aethalium septicum theilweise oder ganz abstarb, wenn es plötzlich in eine 2 proc. Lösung von Traubenzucker oder umgekehrt aus dieser in verdünnte Nährlösung gebracht wurde. Dagegen gedeihen verschiedene Algen u. s. w. an Flussmündungen, obgleich sie täglich den Wechsel von Meereswasser und Süsswasser auszuhalten haben (II, p. 138). Auch tritt in Schimmelpilzen nur eine transitorische Wachsthumsstörung ein, wenn z. B. die Concentration der Nährlösung plötzlich um den osmotischen Werth einer 4 proc. Chlornatriumlösung gesteigert oder vermindert wird (II, p. 31, 138). Thatsächlich vertragen die Zellen gewisser Algen, Pilze, Bacterien und mancher höheren Pflanzen die Plamolyse und nehmen nach Ausgleichung dieser das Wachsthum wiederum auf. Bleibt aber die Plasmolyse bestehen, so wird vielfach eine neue Zellhaut gebildet (I, § 83) und besonders die so rea- girenden Protoplasten bleiben in Zuckerlösung u. s. w. zuweilen ein bis einige Wochen am Leben. Andere Pflanzen, z. B. manche Arten von Spirogyra, sterben im plasmolysirten Zustand in einigen Stunden ab. Ferner werden auch durch die vorsichtigste Anwendung von Zuckerlösung diejenigen Zellen sogleich oder schnell getödtet, bei denen die Plasmolyse nur unvollständig (Blattstrahlen und Internodien von Chara und Nitella)^) oder, wie in einigen Urmeristemen, Pilzfäden u. s. w. gar nicht gelingt^). Alle diese Erfolge werden auch bei langsamer Steigerung der Concentration imd bei Anwendung des indifferenten Zuckers, also allein durch die physikalische (osmotische) Wirkung des gelösten Stoffes erzielt. Natürlich werden die Schä- digung und das Absterben beschleunigt, wenn der Körper zugleich einen giftigen Einfluss ausübt. Eine schwache Giftwirkung geht in der That auch schon von Kaliumnitrat, Chlornatrium und anderen Neutralsalzen der Alkalien aus und dess- halb sterben in diesen Lösungen in einigen Tagen die plasmolysirten Zellen von Moosen, Algen, Blüthenpflanzen ab, die in einer isosmotischen Zuckerlösung 1) A. Fischer, Zeitschr. f. Hygiene u. Infectionskrankheiten 1900, Bd. 35, p. 10. Vgl. II, p. 138. Ebenso werden nach J. Massart (Archiv d. Biolog. 1889, Bd. 9. p. 547) Bacterien getödtet, wenn sie in Folge chemotactischer Lockung plötzlich in eine Lösung geführt werden, in der sie bei allmähhcher Accommodation leben können. 2) A. Richter, Flora 1892, p. 54. Nach G. Karsten (Die Diatomeen der Kieler Bucht 1899, p. 152) sind auch manche Diatomeen ziemlich empfindlich. 3) Stahl, Bot. Ztg. 1884, p. 166. 4) Pfeffer, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 724. 5) Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893, p. 307; Reinhardt, Festschrift für Schwendener 1899, p. 425. §7'1. Osmotische Einflüsse. 331 einige Wochen lebendig bleiben i). Allerdings scheint bei Pilzen und Bacterien die Wachsthumsgrenze annähernd bei einer isosmotischen Concentration von Kaliumnitrat, Chlornatrium, Zucker, Glycerin u. s. w. zu liegen 2]. Damit ist freilich nicht ausgeschlossen, dass auch auf diese Organismen die genannten Neutralsalze bei noch höherer Concentration vermöge ihrer chemischen Qualität schädlich wirken, eine Frage, die noch nicht endgiltig entschieden ist. Da die Bacterien die Plasmolyse ausgleichen, also auch in concentrirten Lö- sungen nicht plasmolysirt sind, so kann die Schädigung dieser Organismen in der supramaximalen Concentration einer ungiftigen Lösung nur auf der osmotischen Wirkung des Stoffes beruhen. Jedoch befinden sich unter diesen Umständen ausserhalb und innerhalb des turgescenten Protoplasten Lösungen von hoher osmotischer Leistung, und schon desshalb bestehen andere Bedingungen als in einer Zelle, deren Turgor durch Transpiration deprimirt oder aufgehoben ist. Empirisch ist freilich noch nicht untersucht, ob unter beiderlei Bedingungen die verschiedenen Arten in Bezug auf ihre Widerstandsfähigkeit eine ähnliche An- ordnung bieten, humerhin reichen die vorliegenden Untersuchungen aus, um darzuthun, dass kein Parallelismus zwischen Austrocknungsfähigkeit und Resistenz in concentrirten Lösungen besteht, deren schädliche Wirkung im all- gemeinen mit der Concentration gesteigert wird. Wie üblich erweisen sich wiederum die Sporen am resistentesten, doch bewahren auch die vegetativen Zellen von gewissen Mikroorganismen in hoch concentrirten Salzlösungen (ohne Wachsthumsthätigkeit) einige Wochen oder Monate ihr Leben, während andere in einigen Stunden absterben. Nach Freytag3) trat in einer concentrirten (wohl nicht völlig gesättigten) Kochsalzlösung das Absterben ein; bei dem Milzbrand- bacillus nach 2 Stunden (Wachsthumsgrenze bei 7 — lOproc. NaCl), bei dessen Sporen noch nicht nach 6 Monaten; bei Cholerabacillen nach 6 — 8 Stunden (Wachsthumsgrenze 7 — 9proc. NaCl), bei Typhusbacillen nach 5 Monaten. Wenn die Plasmolyse ertragen wird und bestehen bleibt, tritt, wie sich aus dem Gesagten ergiebt, nach kurzer oder längerer Zeit das Absterben ein. Dieses wird durch die Erhöhung der Concentration sowohl bei den austrock- nungsfähigen, als den nicht austrocknungsfähigen Zellen beschleunigt, die bei Steigerung der Plasmolyse schon durch die supramaximale Wasserentziehung iietödtet werden. Wie den übrigen Organen kommt eine specifisch verschiedene I) Klebs, Unters, a. d. Botan. Institut zu Tübingen 188G, Bd. 2, p. 504, 548; de Vries, Mechanische Ursachen d. Zellstreckung 1877, p. 67; Pfeffer, Osmot. Unters. 1877, p. 134; R. H. True, Botanic. Gazette 1898, Bd. 26, p. 413; H. Coupin, Rev. general. d. Botan. 1898, Bd. 10, p. 187. 2* Vgl. z.B. Eschenhagen, Einfluss von Lösungen verschiedener Concentration auf Schimmelpilze 1889, p.öö; Klebs, Bedingungen d. Fortpflanzung 1896, p.460, zum Ver- gleich sind die Angaben auf isosmotische Werthe umzurechnen. Ferner J. Massar t, 1. c. p. 547. — Nach A. Fischer (Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, Bd. 27. p. 64, 153) übt Chlor- ammonium im Vergleich zu Chlornatrium und Kaliumnitrat eine schädliche Wirkung auf Bacterien aus. 3) C. J. de Freytag, Archiv f. Hygiene 1890. Bd. 11, p. 81. Vgl. ausserdem z.B. A. Pettersen, Archiv für Hygiene 1900, Bd. 37, p. 3; C. VVehmer, Centralbl. für Bacteriol. H. Abth., 1897. Bd. 3 , p. 209; Lafar, Technische Mykologie 1897, p. 193. [S. Schmidt-Nielsen, Biolog. Centralbl. 1901, Bd. 21, p. 68.] 332 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. Widerstandsfähigkeit auch den Samen zu, von denen manche z. B. im See- wasser ^) ziemlich schnell absterben, während die Samen anderer Landpflanzen durch das Meer verbreitet werden können 2), weil sie entweder durch das Ein- dringen dieser Salzlösung nicht sobald geschädigt werden, oder weil sie durch ihren Bau gegen das Eindringen des Meerwassers geschützt sind. Abschnitt V. Chemische Einflüsse. § 72. Allgemeines über Gifte. Eine giftige Wirkung schreiben wir einem jeden Körper zu, der vermöge seiner chemischen Qualität schon in geringer oder erst in grösserer Dosis (in verdünnter oder concentrirter Lösung) im Organismus (im Protoplasten) eine functionelle Störung hervorruft, die mit der Zeit oder bei Einführung einer grösseren Menge des Stoffes sehr bald eine Schädigung bezw. den Tod des Organismus zur Folge hat 3). Demgemäss wird, wie schon früher erwähnt ist (I, p. 409; II, p. 76), auch von vielen anorganischen und orga- nischen Nährstoffen eine Giftwirkung ausgeübt, die z. B. bei den neutralen Salzen des Kaliums und Natriums erst bei hoher Concentration (II, p. 330), bei den Salzen des Eisens, sowie bei freien Säuren und Alkalien schon in grosser Verdünnung hervortritt. Ausserdem kommt eine schwache oder starke Gift- wirkung vielen anderen Stoffen, auch solchen zu, die der Pflanze in der Natur normalerweise nicht begegnen. Wie immer die Wechselwirkung im Protoplasten sein mag, durch welche die Schädigung in einem concreten Falle veranlasst wird, soviel ist jedenfalls bekannt und aus den allgemeinen Erörterungen (II, § 63, 64) zu entnehmen, dass eine benachtheiligende Störung erst bei einem specifisch verschiedenen Schwellenwerth eintritt ; dass ferner eine schwache oder Iransitorische Störung überwunden werden kann, dass aber ein etwas stärkerer Eingriff mit der Zeit oder eine intensive Einwirkung sogleich tödtlich wirken. Wie schon betont (II, p. 287], haben wir auch die Giftwirkungen nur vom physiologischen Standpunct zu behandeln und demgemäss nicht eine üebersicht der verschiedenen Gifte und Intoxicalionen zu liefern. Wohl aber entspricht es unserer Aufgabe, an Beispielen darzuthun, dass die Pflanzen, ebenso wie die Thiere, eine specifisch verschiedene Giftempündlichkeit besitzen, und dass ge- wisse Differenzen in Anpassung an die besondere Lebensweise ausgebildet sind. 1) Vgl. Thuret, Archiv, d. scienc. physiqu. et naturell, d. Geneve 1873, Bd. 47, p. 177,. 2) Schimper, Pflanzengeographie 1898, p. 32. 3) Ueher den Begriff »Gift« vgl. z. B. R. Kohert, Lehrbuch d. Intoxicationen ^893, p. 9; A. J. Kunkel, Handb. d. Toxicologie 1899, p. 1. — Die Schädigungen durch die osmotische (physikalische; Wirkung ill, § 71) werden üblicherweise nicht als Giftwirkungen bezeichnet. § 72. Allgemeines über Gifte. 333 Ein schönes Beispiel sind die obligaten Anaeroben, die zum Theil schon durch eine sehr geringe Partiärpressung des Sauerstoffes getüdtet werden, wäh- rend die meisten Aeroben noch in einem Gasgemisch wachsen, in dem der Sauerstoff viel dichter ist, als in unserer Luft (I, p. 548; II, p. 131). Weiter sind viele Bacterien gegen freie Säure sehr empfindlich, die in grosser Menge von einzelnen Bacterien und gewissen Pilzen ertragen wird^j. Bei dem Zu- sammenleben solcher Organismen werden also die empfindlichen durch die von den unempfindlicheren producirte und secernirte Säure lahm gelegt und getüdtet (I, p. 515). Gleiches findet statt, wenn sich in derselben Flüssigkeit Hefe- zellen, die bis 1 4 Proc. Alkohol erzeugen, und andere Organismen befinden, die bei einem Alkoholgehalt von 2 — 1 0 Proc. zu Grunde gehen^). Ferner vertragen die Schwefelbacterien (I, p. 531) viel Schwefelwasserstoff ^j. Die Hefezellen, so- wie gewisse Bacterien leben in einer mit Kohlensäure übersättigten Flüssigkeit, in der manche anderen Bacterien nicht fortkommen. Die meisten Landpflanzen sterben mit der Zeit in einer Luft ab, die 4 — ^20 Proc. Kohlensäure enthält^). Die Nitrat- und die Nitritbacterien werden zweckentsprechend sogar durch geringe Mengen von Zucker, Pepton und einigen anderen Verbindungen ge- hemmt, die als die besten Nährstofl"e für andere Pilze bekannt sind (II, p. \ 29). Jedoch ist in diesem Falle sachgemäss dafür gesorgt, dass ein Absterben als Folge der functionellen Hemmung erst nach sehr langer Zeit eintritt. Das Vorstehende liefert zugleich Beispiele dafür, dass eine Pflanze gegen die eigenen Producte minder empfindlich ist (vgl. auch I, p, 515), und ein solches Verhältniss dürfte im Pflanzenreich sowie im Thierreich^) die Regel sein. Ob diese Regel auch für Alkaloide und für andere vegetabilische Gifte zutrifft ß), muss freilich erst durch kritische Untersuchungen entschieden werden, in denen auch die Aufnahmefähigkeit in den Protoplasten und die Thatsache berück- sichtigt werden müssen, dass ein giftiger Körper ohne Nachtheil für die Pflanze in grosser Menge gespeichert sein kann (I, p. 82; II, § 73), und dass z. B. die Blausäure erst nach der Tüdtung der Zelle abgespalten wird (I, p. 494). Nach den vorliegenden Erfahrungen sind aber thatsächlich die verschiedenen Pflanzen in einem ungleichen Grade gegen ein bestimmtes vegetabilisches Gift empfindlich. Uebrigens scheinen verschiedene Alkaloide"), wie z. B. Morphium, 1) Bd. I, p. 485, 513. Ferner J. F. Clark. Botanical Gazette 1899, Bd. 28, p. 318. 2) I, p. 367. Ueber die Giftigkeit des Alkohols für verschiedene Pflanzen vgl. ferner Bokorny, Pflüg er 's Archiv 1896, Bd. 64, p. 284 ; Clark, 1. c. p. 384; F. L. Stevens, ibid. 189^, Bd. 26, p. 385. 3) Nach W. Kühne (Zeitschr. f. Biolog. 1898, N. F. Bd. 18, p. 67; ist Schwefel- wasserstoff für Chara nur in geringem Grade giftig. 4) I, p. 316. Weitere Angaben bei Frank. Krankheit, d. Pflanzen IT. Aufl., 1894, Bd. I, p. 307; Lopriore, Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, Bd. 28, p. 531; Fränkel, Zeitschr. f. Hygiene 1 889, Bd. 3, p. 322 ; F r e u d e n r e i ch , Beiheft z. Botan. Centralbl. 1894, Bd. 4, p. 457. 5) Für Thiere vgl. L. Lewin, Lehrb. d. Toxicologie II. Aufl., 1897, p. 423. 6) Vgl. Schübler, Flora 1827, p. 7.57; Ch. Cornevin. Compt. rend. 1891, Bd. 113, p. 274; H. de Varigny, Bev. general. d. Botan. 1892, Bd. 4, p. 407. 7) Ueber Giftigkeit der Alkaloide vgl. Th. Bokorny, Pflüger's Archiv 1896, Bd. 64, p. 299; G. Schwarz, Wirkungen von Alkaloiden auf Pflanzen. Erlanger Dis- sertation 1897; E. Overton, Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellsch. in Zürich 1896, Bd. 41, p. 4 01 ; 1899, Bd. 44, p. 108; J. F. Clark, Botanical Gazette 1899, Bd. 28, p. 394; Flügge, Mikroorganismen II. Aufl., 1896, Bd. I, p. 472; W. Sigmund, Versuchsstat. 334 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. für die meisten Pflanzen nicht übermässig giftig zu sein, wahrend u. a. dem Strychnin vielfach eine stärkere Giftwirkung zuzukommen pflegt. Auffallend verschieden ist die Empfindlichkeit gegen Kupfersalze. Denn während Spirogyra und manche andere Algen schon absterben, wenn sich \ Theil Kupfer in 1000 Millionen Theilen Wasser befindet ^j, vermag Penicillium glaucum noch merklich in einer Lösung zu wachsen, die 21 Proc. CUSO4 (1 Molecularge wicht in 0,75 Liter) enthält 2). Zwar hemmt diese Kupferlösung das Wachsthum mehr, als sie vermöge ihrer osmotischen Leistung thun würde, jedoch sind die Kupfersalze nicht als ein ernstliches Gift für dieses Penicillium zu betrachten, da dessen Conidien sogar in einer gesättigten Lösung von Kupfer- sulfat (die bei 20 C. 25,5 Proc. CUSO4 enthält) lange Zeit lebendig bleiben. Eine solche Widerstandsfähigkeit gegen Kupfersalze kommt aber keineswegs allen Schimmelpilzen zu. Denn nach Pulst wachsen Aspergillus niger, Botrytis cinerea, Mucor mucedo eben noch oder gar nicht mehr in einer Lösung, die 0,016 Proc. CUSO4 (1 Mol. in 1000 Liter] enthält. Noch empfindlicher sind z. B. die Sporen von Ustilagineen^), die bekanntlich durch Beizen des Getreides mit Kupfervitriol getödtet werden, und augenscheinlich giebt es auch Pilze, die zwar noch nicht so empfindlich wie eine Spirogyra, aber doch nicht wider- standsfähiger sind als Blüthenpflanzen. Ebenso werden viele Bacterien durch ■1896, Bd. 47. p. 1 u. die an diesen Orten citirte Lit. Einige weitere Angaben auch in der I. Aufl. dieses Buches Bd. II, p. 454. Ij Nägeli, vgl. Bd. I. p. 104. Das aus einer Kupferblase destillirte Wasser wirkt desshalb der Regel nach giftig auf Spirogyra und ähnliche Algen. Vgl. auch E. B. Cope- land und L. Kahlenberg, Transact. of the Wisconsin Academy of Sciences 1899. Bd. 12, p. 454. Reines destillirtes Wasser ist nicht giftig für diese Algen und andere Pflanzen. Siehe auch Loew und E. Schulze, Landwirth. Jahrb. 1891, Bd. 20, p. 235. [P. Deherain und Demoussy, Compt. rend. 1901, Bd. 132, p. 532.] Ueber die Dar- stellung von reinem destillirtem Wasser vgl. auch die Bd. I, p. 409 citirten Arbeiten von Molisch und Benecke. — Für Organismen, die nur bei einer gewissen osmoti- schen Leistung der Lösung leben können (I, p. 415), ist natürlich reines Wasser schäd- lich. Nach Ficker (Lebensdauer und Absterben von pathogenen Keimen 1898, p. 71 scheint das auch bei bestimmten Bacterien der Fall zu sein. 2) Dass auf Penicillium glaucum Kupfer nicht besonders giftig wirkt, ist schon lange bekannt. (Jäger, Flora 1843, p. 486; Chatin, ebenda 1845, p. 214; Preuss, Bot. Ztg. 18i8, p. 409; J. de Seynes, Bullet, d. 1. soc. botan. d. France 1895, p. 451, 482.) Neuerdings wurde die Frage in meinem Institut von Herrn Pulst untersucht, dessen noch nicht veröffenthchten Studien die obigen Angaben entnommen sind. Augenscheinlich ist aber nicht ein jeder Pilz, der seiner Form nach als Penicillium glaucum anzusprechen ist, in gleichem Maasse resistent, da öfters der Grenzwerth für das Wachsen bei 1 — 3 Proc. Kupfersulfat gefunden wurde. (Vgl. J. F. Clark, Botanic. Gazette 1899, Bd. 28, p. 39>!.) Es muss also dahin gestellt bleiben, ob es sich um ver- schiedene Arten oder um besonders resistente Varietäten handelt. (Ueber Accommo- dation siehe II, p. 337.) Zu beachten ist also, dass in den Untersuchungen von Pulst nur der in so hohem Grade widerstandsfähige Pilz verwandt wurde. — Kupfernitrat wirkt wie Kupfersulfat; vgl. II, § 74. 3) E. Wüthrich, Zeitschr. f. Pflanzenkrankheit. 1892, Bd. 2, p. 93. Weitere Lit. über Pilze und Blüthenpflanzen bei A. Tschirch, Das Kupfer 1893, p. 44. Ferner Clark, 1. c; F. L. Stevens, Botan. Gazette 1898, Bd. 2ß. p. 385 (Pilze); L. Kahlen- berg u. R. True, Botanic. Gazette 1896, Bd. 22, p. 96; F. D. Heald, ebenda 1896, Bd. 22. p. 139 (Phanerogamen); H. J. Coupin, Compt. rend. 1900. Bd. 127, p. 400; Frank. Arbeit, a. d. Biolog. Abth. f. Land- u. Forstwirthschaft 1900, I. Heft 2, p. 127; H. De- vans, Compt. rend. 1901, Bd. 132, p, 717. § 72. Allgemeines über Gifte. 335 eine geringe Kupfermenge getödtet, während z. B. die Sporen von Bacillus anthracis^) gegen Kupfer sehr resistent sind. Die hohe Resistenz des Penieillium glaucum gegen Kupfer bedingt aber keineswegs eine besonders grosse Widerstandsfähigkeit gegen alle Gifte oder auch nur gegen andere Metallgifte. Allerdings ist Zinksulfat nach Pulst nicht schädlicher als Kupfersulfat, und ebenso verträgt Penieillium glaucum viel arsenige Säure. Da- gegen ist dieser Pilz gegen die Salze von Cobalt, Quecksilber, Thallium nur wenig und vielleicht zum Theil gar nicht widerstandsfähiger als Aspergillus und die anderen oben genannten Schimmelpilze. Voraussichtlich werden aber bestimmte andere Gifte energischer auf Penieillium glaucum wirken, als auf die anderen Schimmelpilze und auf andere Pflanzen 2). Im allgemeinen sind übrigens die Salze der Schwermetalle sehr giftig, und die Salze von Quecksilber und Silber gehören zu den stärksten Giften 3). Am wenigsten giftig scheinen der Regel nach die Mangansalze zu sein, wenn sich gegen diese auch nicht alle Pflanzen so indifferent verhalten wie Penieillium glaucum, dessen Wachsthumsgrenze nach Pulst erst erreicht ist, wenn die Lösung 37,7 Proc. MnS04 enthält (1 Mol. in 0,4 Liter), während die Wachs- thumsgrenze dieses Pilzes z. B. bei 8 Proc. Fe2(S04)3 (1 Mol. in 5 Liter) Hegt. Einen sehr geringen Einfluss hat, wie schon bemerkt, das Zinksulfat, das auch für verschiedene andere Schimmelpilze ein massig starkes, für die Phanerogamen u. s. w. aber ein sehr starkes Gift ist (I, p. 431). Ebenso wie die Anordnung nach dem Nährwerth (I, § 66) ergiebt auch die Anordnung nach der relativen Giftigkeit bei verschiedenen Organismen eine differente Reihenfolge. Zumeist ist jedoch aus einer Giftwirkung auf Thiere auch auf eine Giftwirkung auf Pflanzen zu schliessen. Jedoch ist es nach dem Gesagten nicht auffallend, wenn z. B. die für die höheren Thiere so überaus giftigen Stofte Ricin und Abrin (vielleicht noch andere Toxalbumine) wenigstens für gewisse Algen schwache Gifte sind**). Da aber speciell die giftige Wirkung des Kohlenoxyds auf der Verdrängung des im Blute gebundenen Sauerstoffs beruht, so ist es begreiflich, dass dieses Gas auf Pflanzen nicht oder kaum schädlich wirkt ^j. Es scheint dieses auch für diejenigen Bacterien zu gelten, in denen Sauerstoff in ähnlicher Weise gebunden wird wie durch Hämoglobin (I, p. 554). Immerhin ist es möglich, dass es Ausnahmen giebt, da ja sogar der indifferente Wasser- stofl" auf Peloinyxa palustris eine schädliche Wirkung ausübt 6). Mit der Entwickelung wird die Widerstandsfähigkeit einmal schon durch 1) B. Krönig u. Th. Paul, Zeitschr. f. Hygiene u. Infectionskrankh. 1897, Bd. 25, p. 63. Weitere Lit. Tschirch, 1. c. p. 46. 2; Das von Clark (1. c. p. 399) benutzte Penieillium glaucum war z. B. gegen freie Säuren nicht so resistent, wie zwei andere Arten von Schimmelpilzen. 3j Eine Tabelle über die von Clark gefundene relative Giftwirkung bei Clark, 1. c. p. 396. 4) Bokorny, Pflüger's Archiv f. Physiolog. 1896, Bd. 64, p. 303. 5) Bd. I, p. 309. — Nach A. J. Kunkel (Centralbl. f. Physiol. 1900, Bd. 13, p. 563) ist jedoch das Kohlenoxyd schon für die kaltblütigen Thiere kein Gift. [A. Mosso, Compt. rend. 1900, Bd. 131, p. 483.] 6) L. Celakovsky, Bullet, international d. l'Academ. d. scienc. d. Boheme 1898, p. 23. Nach P. Samassa (Einwirkung von Gasen auf d. Protoplasmaströmung u. s. w. 1898, p. 12) wirkt Wasserstoff auch schädlich auf Froscheier. 336 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. die Ausbildung der Cuticula, überhaupt durch die Erschwerung der Giftauf- nahme (vgl. II, § 73), ausserdem aber ohne Frage auch vielfach durch die Ver- schiebung der Eigenschaften des Protoplasten modificirt. Durch eine solche Veränderung wird offenbar erzielt, dass die Sporen der Bacterieni) giftfester, die Conidien gewisser Schimmelpilze 2] aber etwas empfindlicher sind , als die vegetativen Theile. Weiter wird die Empfindlichkeit gegen Gifte durch die Aussenbedingungen verschoben. In dieser Hinsicht haben wir bereits gehört, dass die ausgetrockneten Organismen fast unempfindlich gegen giftige Gase sowie gegen Alkohol, Schwefel- kohlenstoff u. s. w. und die in diesen Medien gelösten Gifte sind (II, p. 324). Anderer- seits dürfte in vielen Fällen die Giftwirkung auf die turgescente Pflanze durch die Erhöhung der Temperatur gesteigert werden 3). Die Wirkung eines Giftes kann ferner bei Gegenwart von anderen Stoffen durch die Ausfällung aufgehoben oder durch die Entstehung von wirksameren oder unwirksameren Verbindungen modificirt werden (vgl. II, § 72, 73). Ausser- dem wird durch die alleinige Anwesenheit von Chlornatrium, Chlorcalcium u. s. w. in Pollenkörnern und wohl in verschiedenen Organen von Pflanzen eine Schädigung hervorgerufen, die in einer completen anorganischen Nährlösung, sowie in destillirtem Wasser unterbleibt^). Vielleicht ist dieses in gewissen Fällen die Folge einer Massenwirkung, indem z. B. durch die Verdrängung des Kaliums oder Calciums die Constitution des Protoplasten verändert und dadurch das Absterben veranlasst wird 5). Jedoch tritt eine derartige Reaction nicht in allen Pflanzen ein, da Pilze und Bacterien sogar concentrirte Lösungen von Chlornatrium u. s. w. ver- tragen (II, § 71), obgleich eine grosse Menge von Kochsalz nachweislich in den Protoplasten der Bacterien eindringt (I, p. 121). Uebrigens ist auch noch nicht erwiesen, dass die erwähnten Schädigungen in so einfacher Weise durch die Verdrängung eines Körpers zu Stande kommen, da sie z. B. auch eine Folge davon sein könnten, dass, wie in so vielen Fällen, durch eine einseitige In- anspruchnahme eine functionelle Disharmonie geschaffen wird (II, p. 279). — Wie weit ferner in gegebenen Fällen durch die physiologische Wirkung eines Stoffes die Eigenschaften (Stimmung) einer Pflanze derart verändert werden, dass die Empfindlichkeit gegen ein bestimmtes Gift gesteigert oder vermindert wird 6), ist noch nicht näher untersucht. 1) Brefeld, Unters, ü. d. Spaltpilze 1878. p. Il (Sep. a. d. Sitzungsb. der naturf. Freunde zu Berlin). Weitere Lit. bei Tschirch, Das Kupfer etc. 1893, p. 45; Flügge, Mikroorganismen III. Aufl.. -1896, p. 451; Krönig und Paul, Zeitschr. f. Hygiene 1897, Bd. 25, p. 1. 2) J. F. Clark, Botanic. Gazette 1899, Bd. 28, p. 400. 3) Vgl. z. B. Flügge, I. c. p. 450; 0. Loew, Natürl. System d. Giftwirkungen 1893, p. 8; A. Heider, Centralbl. f. Bacteriol. 1891, Bd. 9, p. 321 ; N. Chudiakow, Centralbl. f. Bacteriol. IL Abth. 1898, Bd. 4, p. 391. — Die Angabe von G. Schwartz (Wirkung von Alkaloiden auf Pflanzen 1897, p. 4 8), das Licht wirke schädlicher bei Gegenwart von Alkaloiden, bedarf einer kritischen Prüfung. 4) B. Lidforss, Jahrb. f. wiss. Bot. 1896, Bd. 29, p. 36; 1899, Bd. 33, p. 232. — Nach Correns (Bot. Ztg. Orig. 1896, p. 26) wirken Kalksalze schädlich auf Drosera. 5) Vgl. J. Loeb, Americ. Journal of Physiol. 1900, Bd. 3, p. 327. 6) lieber antagonistische Gifte vgl. Kunkel, Toxicologie 1899, p. 36. — Ferner gehört hierher die Frage der Immunisirung. vgl. z. B. Flügge, 1. c. p. 341. § 72. Allgemeines über Gifte. 337 Ebenso wie Menschen und Thiere i) besitzen auch die Pflanzen die Fähigkeit, sich bei allmählicher Steigerung der Inanspruchnahme (der Dosis) an ein be- stimmtes Gift derart zu gewöhnen, dass nunmehr eine Quantität des Giftes er- tragen wird, die vor der Accommodation tödtlich gewirkt haben würde. Eine derartige Adaptation anaerober Bacterien an eine höhere Sauerstoffpressung wurde schon früher besprochen (II, p. 131). Ferner wird nach SoreP) das Wachsthum der Bierhefe schon durch 170 mgr Fluorwasserstoff im Liter sistirt, während die accommodirte Hefe noch in einer Flüssigkeit wächst, die 1000 mgr Fluor- wasserstoff im Liter enthält. Auch geht aus den Studien verschiedener Forscher 3) hervor, dass sich Bacterien an höhere Dosen von Metallgiften gewöhnen. So fand z. B. Trambusti, dass Fri edländer's Pneumoniebacillus nach der Accom- modation in einer Flüssigkeit wuchs, die in 2000 Theilen 1 Theil Quecksilber- chlorid enthielt, obgleich dieses Gift zuvor schon bei einer Verdünnung von i : 15 000 tödtlich wirkte. Weiter vermögen die in einer sauren Flüssigkeit erwachsenen Bacterien eine grössere Menge freier Säure auszuhalten, als diejenigen Bacterien, welche in einer alkalischen Nährlösung erwuchsen 4). Ausserdem gelang es Pulst (vgl. II, p. 334), Penicillium glaucum durch eine allmähliche Steige- rung an eine höhere Concentration von Nickel-, Cobalt-, Gadmium- und Queck- silbersalzen zu gewöhnen. Bei diesem Pilze gelingt eine Verschiebung der Grenzconcentration des Kupfersulfates offenbar desshalb nicht, weil dieses Salz die kupferfrei erwachsenen Gonidien nicht tödtet und so ermöglicht, dass die Gonidien bezw. die aus ihnen hervortretenden Hyphen sich einer jeden Kupfer- lösung anpassen, die noch Wachsthum zulässt. Die Accommodation wird aber in diesem Falle dadurch bemerklich, dass die Keimung und die Entwickelung langsamer von statten gehen, wenn die zur Aussaat verwandten Gonidien einer kupferfreien Gultur entnommen wurden, als wenn dieselben von einem auf Kupferlösung erwachsenen Individuum stammen. In allen diesen und ähnlichen Fällen handelt es sich (in analoger Weise wie z. B. bei der Steigerung der Festigkeit durch Zugreize u. s. w.) um physio- logische Reactionen, durch welche in Folge der Erhöhung der Inanspruchnahme eine grössere Widerstandsfähigkeit hergestellt wird. Auch die so erhöhte Gift- festigkeit geht nach Beseitigung der Inanspruchnahme allmählich in einigen Generationen (also mit einiger Nachwirkung) verloren. Jedoch ist nicht ausge- schlossen, dass es fernerhin gelingt, eine Rasse zu erziehen, in welcher die ge- steigerte Giftfestigkeit erblich fixirt ist 5). Aus dem Umstand, dass eine hohe Immunität gegen einen Stoff keine generelle Giftfestigkeit bedingt, ist auch zu entnehmen, dass sich die 1) Vgl. z. B. Robert, Lehrb. der Intoxicationen 1893, p. 131; 0. Loew, Gift- wirkungen 1893, p. 80; C. B. Davenport, Experimental Morphology 1897, Bd. I, p. 30 (Infusorien etc.). 2) M. E. Sorel, Compt. rend. 1894, Bd. 118, p. 253. 3) M. G. Kossiakoff, Annal. d. l'Institut Pasteur 1887, Bd. I, p. 465 (Borsäure, Quecksilberchlorid); A. Trambusti, Centralbl. f. Bacteriol. 1893, Bd. 13, p. 673. Vgl. .auch Dieudonne, Biolog. Centralbl. 1895, Bd. 15, p. 109. 4) Flügge, 1. c. p. 457. — lieber Accommodation von Flagellaten an Strychnin vgl. Klebs, Unters, a. d. Botan. Institut zu Tübingen 1883, Bd. I, p. 289. 5) Vgl. Bd. II, p. 241. — Möglicherweise giebt es unter den erblich fixirten Hefe- rassen solche, die auch eine inhärente erhöhte Alkoholfestigkeit gewonnen haben. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. 11. 22 338 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. Steigerung der Giftfestigkeit zunächst nur auf die veranlassende Verbindung erstreckt. Ob damit unter Umständen zugleich eine erhöhte Immunität gegen eine Gruppe von Körpern gewonnen wird, die in gleicher oder ähn- licher AVeise auf den Organismus wirken, ist noch nicht entschieden. Nach einigen Versuchen, die Pulst mit Schimmelpilzen anstellte, scheint allerdings durch die Accommodation an ein Metallgift die Giftigkeit eines anderen Metall- giftes nicht vermindert zu werden. Ebenso ist z. B. aus Thierversuchen be- kannt, dass durch die Anzüchtung der Ricinfestigkeit die Resistenz gegen Abrin nicht verändert wird und umgekehrt^). Bei Beachtung aller dieser Verhältnisse und der allgemeinen Erörterungen in § 63 und 64 ist es selbstverständlich, dass auch in Bezug auf die Gift- wirkung eine genaue Fixirung des Maximums und Ultramaximums nicht mög- lich ist. Zudem wird die Scala für die relative Wirkung verschiedener Gifte erheblich verschieden ausfallen können, wenn man das einemal das Nichtwachsen, das anderemal die Tödtung als Markstein wählt. In der Natur spielen Giftwirkungen bei der Concurrenz und der wechsel- seitigen Beeinflussung der Mikroorganismen (I, p. 515), ausserdem bei der Schädigung höherer Pflanzen durch die Secrete von Parasiten eine mehr oder minder hervorragende Rolle. Ausserdem treten im natürlichen Kreislauf (I, § 51), insbesondere in Bezug auf die chlorophyllführenden Pflanzen die Giftwirkungen zurück, die in den meisten Fällen durch die dauernde Fortführung der Kohlensäure und die ausgezeichnete absorbirende und entgiftende Wirkung des Bodens vermieden werden 2). Immerhin werden gelegentlich durch Vulkane, durch ilüchtige oder lösliche Fabrik- und Hültenproducte , durch Leuchtgas, durch Seewasser u. s. w. ei^hebliche Schädigungen verursacht ^j. Soweit der Einfluss von Stoffen, auch von giftigen Stoffen, zur Characterisi- rung physiologischer Eigenschaften und zum Studium bestimmter vitaler Func- tionen nutzbar gemacht werden kann, ist und wird derselbe in den entsprechenden Kapiteln dieses Buches behandelt. Ich erinnere an die Sistirung und Separirung gewisser Sensibilitäten und Bewegungsvorgänge, an die Veranlassung und Beein- flussung von Bewegungsvorgängen und Stoffwechselprocessen in der ganzen Pflanze imd im einzelnen Protoplasten. Die Partiärpressung des Sauerstoffes und der Kohlensäure ist ebenfalls an geeigneter Stelle behandelt, und in Bd. I, § 73 — 75 sind Angaben über die Bedeutung und das Vorkommen verschiedener Gifte zu finden (vgl. auch II, § 30 — 32). Ebenso werden in den beiden folgenden Pai*a- graphen einige Giftwirkungen mit Rücksicht auf physiologische Probleme besprochen. Vom toxicologischen Standpunct haben wir indess die Gifte und die Intoxi- cationen nicht zu besprechen. Die ältere Literatur ist bei de Candolle-*), 1) Robert, 1. c. p. 151 ; Loew, L c. p. 80. 2) Bd. I, §28; Tschirch, Das Kupfer -1893, p. 13; R. Otto, Landwirth. Jahrb. 4 896, Bd. 25, p. 1007. 3) Frank, Krankheit, d. Pflanzen II. Aufl., 1895, Bd. I, p. 313; Sorauer, Botan. Centralbl. 1899, Bd. 80, p. 50 u. s. w. — Ueber die Widerstandsfähigkeit von Samen, Sporen etc. im Magen der Thiere siehe F. Ludwig, Biolog. d. Pflanzen 1895, p. 365; F. Huth, Botan. Jahresb. 1888, Bd. I, p. 5G6. 4) A. P. de Candolle, Physiologie vögetale 1832, Bd. 3, p. 1324. § 73. Näheres über Giftwirkungen. 339 Treviranusi) ^^j^^i Göppert^], die neuere zum Theil bei Frank^) zusammen- gestellt. Weitere Literatur über höhere und theilweise auch über niedere Pflanzen findet sich in den citirten Arbeiten von Sigmund, Bokornj, Tschirch, Schwartz, Overton, Kahlenberg und True, Heald, Copeland u. s. w. Eine Zusammenstellung über einige Erfahrungen an Pilzen bringt Zopf (Pilze 1890, p. 219). Weiteres ist aus den citirten Arbeiten von Wüthrich, Stevens, Clark etc. zu ersehen. Der Einfluss von Giften auf Bacterien ist vielfach stu- dirt. Die hauptsächlichste Literatur ist bei Flügge (Mikroorganismen II. Aufl., Bd. I, p. 446) zusammengestellt (vgl. u. a. auch die früher citirten Arbeiten von Krönig und Paul u. s. w.). Bei der Desinfection ist natürlich immer zu be- achten, dass die Entwickelungshemmung leichter erzielt wird, als die Abtödtung. So wird z. B. nach Koch (Flügge^ 1. c. p. 466) das Wachsthum des vegetativen Milzbrandbacillus durch Carbolsäure bei einer Verdünnung von 1 : 1250 erheb- hch, bei 1 : 850 vollständig gehemmt, während eine Abtödtung in kürzerer Zeit erst bei 0,2 5 — 0,5 Proc. Carbolsäure erfolgt. Die Sporen dieses Bacillus ver- mögen aber sogar in 5 proc. Carbolsäure einige Tage auszuhalten. § 73. Näheres über G-iftwirkungen. Die Wirkung eines Giftes beruht wie die Wirkung eines Nähr- oder Reizstoffes auf der specifischen Wechselwirkung zwischen dem hinzutretenden chemischen Agens und dem Protoplasten. Auch werden durch eine genügend geringe Gift- menge nur ungefährliche oder vielleicht sogar nutzbringende physiologische Reactionen hervorgerufen, die natürlich ebenso zu berücksichtigen sind, wie die stärkeren Intoxicationen, welche durch eine grössere Störung schädigend oder tödtlich wirken. Die durch ein Gift verursachten physiologischen Vorgänge sind also ebensogut die Folgen einer chemischen Reizwirkung, wie alle Reactionen, die durch einen Nährstoff oder irgend einen anderen Stoff ausgelöst werden (I, § 3 ; II, § 20). Uebrigens werden verscliiedene Nährstoffe bei Ueberschrei- tung einer gewissen Concentration zu entschiedenen Giften (II, p 332), und ver- muthlich wird die Mehrzahl der anderweitigen specifischen Reizstoffe (II, § 30 bis 32) bei genügender Menge giftig wirken. Die Gifte, überhaupt die chemischen Einflüsse, verursachen aber, wie das auch für die Thiere bekannt ist, nicht nur eine Hemmung, sondern auch eine tran- sitorische oder dauernde Beschleunigung der Gesammtthätigkeit oder einzelner Functionen. So wird durch eine geringe Dosis der verschiedensten Gifte die Wachsthums- und Athmungsthätigkeit (Stoffwechselthätigkeit) gesteigert und dem- gemäss auch eine erhöhte W^ärmeproduction veranlasst 4). Zu diesen Reiz- erfolgen zählen ferner die Erweckung oder die Beschleunigung der Wachsthums- thätigkeit in ruhenden Organen durch Chloroform sowie andere chemische Reize (II, § 30, 60), die unter Umständen eine Beschleunigung der Bewegungen 1) Treviranus, Pflanzenphysiol. 1838, Bd. 2, p. 721. 2) Göppert, De acidi hydrocyanici vi in plantas commentatio 1827. 3) Frank, Krankheiten d. Pflanzen IL Auil., 1894, Bd. I, p. 310. 4) I, p. 409, 575; II, p. 127 u. Kap. XVL — Ueber die Beschleunigung der Athmung siehe auch die neueren Arbeiten von B. Jacobi, Flora 1899, p. 289; M. N. Morko- wine, Rev. general. d. Botan. 1899, Bd. 11, p. 289. 22* 340 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. bestimmter Organe oder des Protoplasmas veranlassen. Durch eine erhöhte Giftwirkung wird freilich mit oder ohne ein Excitationsstadium eine Hemmung der Partialfunctionen oder der Gesammtthätigkeit verursacht und schon dieserhalb ist es möglich, dass bei einer empfindlichen Pflanze oder bei Anwendung eines speci- fisch wirkenden Giftes eine Beschleunigung nicht erzielbar ist. Uebrigens wird die Wachsthumshemmung der Nitrit- oder Nitratbacterien durch sehr geringe Mengen von Zucker, also durch einen Körper bewirkt, der gegenüber anderen Organismen ungiftig und zudem für die meisten Pflanzen einer der besten or- ganischen Nährstoffe ist (II, p. 129). Da die Partialfunctionen im allgemeinen in einem ungleichen Grade beein- flusst werden, so ist es begreiflich, dass auch durch bestimmte Giftwirkungen (chemische Einflüsse) die Wachsthums- und Bewegungsthätigkeit, aber nicht die Stoffwechsel- und Athmungsthätigkeit sistirt werden. Ob die letztgenannten Functionen unter solchen Umständen sogar beschleunigt werden, ist noch nicht erwiesen, aber wohl möglich. Jedenfalls tritt bei Erhöhung der Temperatur endlich Wachsthums- und Bewegungsstarre ein, obleich die Athmung dauernd gesteigert wird (I, § '1 05). Alle derartigen Separationen sind aber wichtige Hilfsmittel der physiologischen Forschung, und vielfach ist bereits die Wirkung von Aether, Chloroform oder anderen Stoffen benutzt, um Sensibilitäten oder mechanische Actionen des Organismus auszuschalten oder herabzusetzen (vgl. II, p. 338). Aus den Erfahrungen über chemische Reize ergiebt sich bereits, dass, wie nicht anders zu erwarten, auch die formative Thätigkeit durch giftige Stoffe in verschiedener Weise beeinflusst wird. Alle diese Reactionen sind zugleich Be- lege für die modificirte Thätigkeit im Protoplasten, die z. B. in der ätheri- sirten Spirogyra dadurch sichtbar wird, dass sich der Kern nicht mehr durch mitotische, sondern durch amitotische Kerntheilung vermehrt (II, § 1 2). Ausser- dem lassen sich im Protoplasma durch verschiedene chemische Einwirkungen weitgehende reversible Deformationen hervorrufen (II, Kap. XV). Durch eine Intoxication werden also in der Pflanze ebenso wie in dem Thiere bestimmte, aber je nach der chemischen Qualität und auch nach der Menge des Giftes verschiedene Reactionen hervorgerufen. In Bezug auf diese kann natürlich ebensowenig, wie in Bezug auf die normalen Functionen ein principieller Unterschied zwischen Pflanzen und niederen Thieren bestehen (I, p. 275, 447). Bei den höheren Thieren gesellen sich aber in Folge der höheren Differencirung und Arbeitstheilung Reactionserscheinungen hinzu, die wie die Veränderung der Herzthätigkeit, der Athmungsbewegungen u. s. w. bei niederen Organismen nicht in Frage kommen. Die sichtbaren Vorgänge in der ganzen Pflanze und im Protoplasma sind aber, wie ich nochmals betone (vgl. I, Kap. I; II, § 1, 39), nur die Folgen von Re- actionen , die durch die primäre Wechselwirkung im Protoplasma veranlasst werden. In diese entscheidenden primären Wechselwirkungen haben wir auch in Bezug auf die chemischen Agentien (also auch in Bezug auf die Gifte) ent- weder gar keine oder doch nur eine ungenügende Einsicht (I, §66, 77). Jedoch ist offenbar gerade das Verhalten des Protoplasten gegen Stoffe ver- schiedener chemischer Qualität in hervorragendem Maasse dazu berufen, Mittel für eine gewisse Aufklärung über die unbekannten Bauverhältnisse und § 73. Näheres über Giftwirkungen. 341 Eigenschaften des Protoplasmas zu liefern (II, p. ä87). Da der Protoplast auch für die Giftwirkungen allein entscheidend ist, so dürfen wir uns bei unseren prin- cipiellen Betrachtungen an die einzelne Zelle halten. Es ist dieses umsomehr erlaubt, als sich aus dem complexen Bau einer höher differencirten Pflanze nur dieselben Verwickelungen und Besonderheiten ergeben, die schon mit Rücksicht auf die Aufnahme und den Transport der nöthigen und unnöthigen Stoffe, so- wie in Bezug auf die correlative Verkettung der Organe und Zellen behandelt wurden (I, § 26, 27, Kap. X; II, Kap. VII). Es ist auch selbstverständlich, dass eine Gewebezelle gar nicht oder nur wenig von dem (jifte afficirt wird, wenn dieses zu der Zelle nicht oder nur in geringer Menge gelangt, weil es in den zu durchwandernden Zellen und Geweben gebunden und zurückgehalten, wird. Aber auch in einer isolirten Zelle wird das Gift nur in dem Älaasse zu den Protoplasten gelangen, als es die umhüllende Zellhaut passirt. Desshalb kann durch eine schwer durchlässige cuticularisirte Zellhaut erzielt werden, dass der Protoplast in einer hochgiftigen Lösung nicht geschädigt wird, weil an ihn in der Zeiteinheit nicht mehr Molecüle des giftigen Körpers anprallen, als bei leichter Durchlässigkeit der Zellhaut in einer bis zur Unschädlichkeit ver- dünnten Lösung. Ein solches Resultat liefern in der That die mit einer schwer durchlässigen Guticula umkleideten Piaare u. s. w., und an diesen ist auch leicht zu beobachten, dass z. B. giftige Anilinfarben, Ammoniak u. s. w. nur sehr lang- sam in den Protoplasten gelangen ^). Zu einer giftigen (oder ernährenden) AVirkung eines Stoffes genügt aber nicht der Contact mit dem Protoplasten, sondern es ist eine Wechselwirkung mit diesem, also im allgemeinen das Eindringen in das Protoplasma nothwendig. Sehr anschaulich wird dieses durch verschiedene Anilinfarben, z. B. durch Methylenblau demonstrirt, das bei Anwendung einer in das Protoplasma ein- dringenden Verbindung schon in sehr grosser Verdünnung (zum Theil bei 1 : 1 Million) giftig wirkt, in Form einer nicht diosmirenden Verbindung aber ohne Nachtheil bis zu mehr als 1 Proc. im Zellsaft gespeichert wird 2). Ebenso übt das nicht diosmirende gerbsaure Methylenblau keine giftige Wirkung auf den Protoplasten aus. Natürlich kann ein Gift auch unschädlich gemacht wer- den, indem es in dem Protoplasma in eine ungiftige Verbindung übergeführt wird, oder indem es z. B. in der Zell wand in eine nicht diosmirende Verbindung übergeht. Es ist desshalb sehr wohl verständlich, dass sich z. B. in manchen Blüthenpflanzen eine grosse Menge von Zink anhäuft, obgleich die diosmirenden Salze dieses Metalles sehr giftig sind (I, p. 431). Durch das Vorkommen einer ansehnlichen Menge eines Giftes in der Pflanze wird also nicht schlechthin eine grosse Unempfmdlichkeit des Protoplasmas gegen dieses Gift angezeigt (vgl. II, p. 333). Uebrigens wird auch schon, analog wie durch die Guticula, durch i] Bd. I, § 15, 16, 21; Pfeffer, Unters, aus d. Botan. Institut zu Tübingen 1886, Bd. II, p. 201 etc. 2) Bd. I, p. 82, 103; Pfeffer, Unters, a. d. Botan. Institut zu Tübingen 1886, Bd. II, p. 184 u. s. w. Analog verhält sich Methylviolett, dessen diosmirende Salze viel giftiger sind, als die des Methylenblau. — Nach 0 verton (Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. zu Zürich 1896, Bd. 41, p. 403; 1899, Bd. 44, p. 108) dringen die Salze der Alkaloide langsamer ein, als die freien Basen, und wirken dementsprechend minder giftig. 342 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. eine schwierige Permeabilität der Hautschicht das Eindringen verlangsamt und dadurch die giftige Wirkung einer gegebenen Lösung herabgesetzt werden können. Die specifisch verschiedene Empfindlichkeit gegen eine bestimmte Verbindung wird aber nicht immer durch eine differente Aufnahmefähigkeit des Protoplasten, sondern vielleicht sogar in den meisten Fällen durch die besonderen Eigen- schaften und Reactionsfähigkeiten des Protoplasmas der einzelnen Arten erzielt. So besitzen z. B. verschiedene Arten eine sehr ungleiche Resistenz gegen freie Säuren (II, p. 333), obgleich diese nachweislich sehr leicht in das Protoplasma eindringen (I, p. 83). Gleiches gilt für Alkohol, Aether, Chloroform und noch andere Stoffe i), die ebenfalls auf verschiedene Pflanzen in einem ungleichen Grade giftig wirken. Dagegen ist die Unempfindlichkeit von Penicillium glaucum gegen die zu- meist überaus giftigen Kupfersalze (II, p. 334) mit dem Nichteindringen der Kupfersalze in das Protoplasma verknüpft. Denn Pulst fand in der auf einer sehr kupferreichen Lösung erwachsenen Pilzdecke so wenig Kupfer, dass dieser geringe Gehalt vielleicht nur durch das nicht vollkommene Ab- waschen, sowie durch eine gewisse Fixirung von Kupfer in den Zellwänden und in den Inhaltsmassen der abgestorbenen Zellen der Pilzdecke bedingt war. Jedenfalls bleibt dieser Kupfergehalt weit hinter der Menge zurück, welche die Pilzdecke enthalten müsste, wenn das Kupfersalz diosmirte. Denn dann würde (abgesehen von einer Speicherung) sich im Zellsaft u. s. w. eine gleich concen- trirte Kupferlösung wie in der Aussenflüssigkeit finden, und dieser Gleich- gewichtszustand würde während der längeren Culturzeit sicherlich selbst dann hergestellt werden, wenn das Kupfersalz nur langsam eindringt. Die Plasmahaut niuss also bei Penicillium derart beschaffen sein, dass bei Berülii'ung mit concentrirter Kupferlösung ihi'e lebendigen Eigenschaften nicht zer- stört -werden. Denn wenn eine solche Veränderung vor sich ginge, würden die Tödtung des Protoplasten und das Eindringen der Kupferlösung in das Innere die unvermeidlichen Folgen sein. Ein solcher Erfolg wird in der That allgemein durch giftige Metallsalze (I, p. 93), also z. B. durch Quecksilberchlorid auch bei Penicillium glaucum erzielt, dessen Plasmahaut sich nur gegenüber Kupfersalzen un- gewöhnlich verhält. Ob nun diese absonderliche Eigenschaft z. B. dadui'ch her- gestellt ist, dass speciell bei Penicillium die Baustoffe der Plasmahaut nicht mit Kupfersalzen reagiren, oder dadurch, dass an der Grenzfläche des Protoplasten in Contact mit der Kupferlösung eine Niederschlagsmembran (I, p. 90) entsteht, die das Eindringen des Kupfers verhindert, müssen fernere Untersuchungen entscheiden 2). -1) Vgl. Bd. I, § 16. Neuerdings hat 0 verton (1. c.) für verschiedene Körper das zum Theil sehr schnefle Eindringen nachgewiesen. — Auch Kohlenoxyd dringt schnell in den Protoplasten. 2) Das eigenthümhche Verhalten von PeniciUium Hefert ein weiteres Beispiel für die specifische Verschiedenheit der Plasmahäute, von der schon in Bd. I, § 1 7 und i 8 (vgl. auch § 22) die Rede war. Bei dieser Gelegenheit und ebenso in meinen früheren Schriften ist nachdrückUch hervorgehoben, dass die Grenzschicht des Protoplasmas nicht schlechthin wie ein Molecularsieb wirkt, sondern dass insbesondere auch Stoffe passiren, die vermöge der wechselseitigen Affinitäten (Anziehung;, sei es mit oder ohne chemische Bmdung, in die Grenzschicht des Protoplasmas eindringen. Overton § 74. Näheres über Giftwirkungen. 343 Jedenfalls kann die Widei'standsfähigkeit von Penicillium gegen sehr concentrirte Lösungen nicht darauf beruhen, dass zwar das Kupfer dauernd eindringt, die er- zielte Schädigung aber fortwährend durch die Gegenreaction des Protoplasten eli- minirt wird. Denn ein derartiger Erfolg ist doch nur gegenüber geringen Gift- mengen möglich, die vielleicht auch in das Protoplasma von Penicillium ihren Weg finden. Falls das zutrifft, bleibt doch unentschieden, ob das Protoplasma von Penicillium durch ein eingedrungenes Kupfersalz ebenso leicht vergiftet wird, wie das Protoplasma anderer Pflanzen. — Beachtenswerth ist übrigens, dass bei Thieren verschiedene giftige Schwermetalle nicht durch das intacte Darm- epithel resorbii't werden i). § 74. Fortsetzung. Bei einer jeden Gift Wirkung muss die Wissenschaft bestrebt sein, einmal den Ort des Angriffes und ferner die maassgebende Wechselwirkung nach Mög- lichkeit aufzudecken. Thatsächlich ist auch der einzelne Protoplast ein geglie- derter Organismus (I, §7), dessen einzelne lebendigen Organe sicherlich in einem ungleichen Grade empfindlich sind. Dafür spricht auch das vorhin be- handelte Verhalten des Protoplasten von Penicillium gegen Kupfer. Ferner ist bei der Einwirkung gewisser Gifte zu constatiren, dass der Kern 2] zuerst ab- stirbt. Auch ist zu vermuthen, dass die Anilinfarben in demjenigen Organ (also z. Tb. im Kern, z. Tb. im Gytoplasma) am intensivsten giftig wirken, in welchem (Vierteljahrsschrift d. uaturf. Gesellsch. in Zürich 1899, Bd. 44, p. 106; Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 34, p. 670) greift also von den verschiedenen generell angedeuteten Modalitäten nur einen speciellen Fall heraus, wenn er annimmt, dass das Eindringen allgemein davon abhängig sei, dass der Körper vermöge seiner Löslichkeit in Oel und ölartigen Stoffen (Cholesterin, Lecithin) in die Plasmahaut aufgenommen werde. That- sächlich ist auch von mir auf die Möglichkeit hingewiesen, dass die Permeabilität der Grenzschicht vielleicht durch Imprägniren mit fettartigen Stoffen regulirt werde. Selbst wenn dieses Mittel eine ausgedehnte Rolle spielen sollte, so kann doch die Aufnahme schon desshalb nicht allein von der Löslichkeit in ölartigen Stoffen abhängen, weil nachweislich Proteinstoffe oder doch andere Stoffe hervorragend an dem Aufbau der Grenzschicht betheiligt sind (I, p. 93) und demgemäss ebenso die Wechselwirkung mit diesen Stoffen eine Rolle spielen muss. Solche Wechselwirkungen werden in der That durch das Erstarren der Plasmahaut bei Einwirkung verdünnter Lösungen von Säuren, von Quecksilberchlorid etc. demonstrirt, und augenscheinhch finden die Schwermetalle gerade durch diese Verbindung (oder Anlagerung) ihren Weg in das Innere. Ein nähe- res Studium wird sicherlich zeigen, dass viele Stoffe leicht passiren, die in den fett- artigen Stoffen nicht oder nur in geringem Grade lösUch sind, und dass mit der Lös- lichkeit in diesen Stoffen nicht immer ein leichtes Eindringen in den Protoplasten verknüpft ist. In dieser Hinsicht liegt vielleicht ein Specialfafi in dem eigenthümlichen Verhalten des Penicillium gegen Kupfer vor, da wenigstens gewisse Verbindungen dieses Metalls in Fetten löslich sind, unser Pilz aber das Kupfer weder aus dem Nitrat, Sul- fat u. s. w., noch aus der alkalischen Lösung aufnimmt, die mit Hufe von Rohrzucker oder Weinsäure hergestellt ist. Jedenfalls zeigen diese und andere Erfahrungen, dass die Aufnahme nicht immer mit genau denselben Mitteln erzielt und regulirt wird. 1) Kunkel, Toxicologie 1899, p. 119. 2) Pfeffer, Unters, a. d. Botan. Institut zu Tübingen 1S86, Bd. II. p. 206, 276; Klemm, Jahrb. f. wiss. Botan. 1890, Bd. 28, p. 687. 344 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. sie während des lebendigen Zustandes am stärksten gespeichert werden ^j. Vielleicht bringt es aber der Aufbau aus gleichen oder verwandten Stoffen mit sich, dass die genannten Organe des Protoplasmas nur in einem graduell verschiedenen Maasse afficirt werden. Wenigstens wird bei genügend inten- siver Wirkung der bisher näher untersuchten Gifte endlich ebensowohl der Kern, wie das Cytoplasma abgetüdtet. Auch folgt z. B. aus dem Stillstand der Protoplasmaströmung bei der Einwirkung von Chloroform, Aether und anderen Stoffen, dass diese Körper direct auf das Cytoplasma, also nicht etwa allein auf den Zellkern u. s. w. wirken, da durch die genannten Stoffe die Plasmaströmung auch nach der vollständigen Entfernung des Zellkerns sistirt wird (I, p. 44). Ohne Frage sind auch die verschiedenen Zellen und Organe derselben Pflanze in einem ungleichen Grade empfindlich. Jedoch wird dann, wenn ein Blatt von einer Intoxication allein betroffen wird, die Pflanze im allgemeinen nicht mehr geschädigt werden, wie durch eine vollständige Entfernung des Blattes, während ein Thier durch ein Gift getödtet würd, das z. B. nur in dem Herzen weit- gehende Störungen hervorruft. Die primären Wechselwirkungen werden naturgemäss je nach der chemischen Qualität des eintretenden und einwirkenden Körpers verschiedenartig ausfallen, jedoch wird eine völlige Einsicht erst dann möglich sein, wenn die Eigenschaften des in Reaction tretenden Protoplasmas genügend bekannt sind. Im allgemeinen ist aber verständlich, dass z. B. freie Säuren und Alkalien vermöge ihrer che- mischen Affinitäten im Protoplasma schädliche oder tödtliche Umsetzungen her- vorrufen, und dass in solcher Weise auch alle diejenigen fremdartigen Körper wirken, welche mit den eiweissartigen oder den anderweitigen Baustoffen des Protoplasmas eine benachtheiligende Verbindung eingehen oder mit denselben in irgend einer Weise in eine energische Reaction treten. Jedoch ist es wohl möglich, dass schon durch eine lockere chemische Bindung oder durch eine physi- kalische Fixirung (Adsorption 2) oder ferner durch eine katalytische Wirkung eine tiefgreifende und tödtliche Störung bewirkt wird. Auf einer lockeren Bindung scheinen z. B. die z. Tb. sehr energischen Giftwirkungen von Anilinfarben, Chloroform, Aether, Alkaloiden zu beruhen. Dagegen vermuthet Nencki^), dass die toxischen Eiweissstoffe wie Enzyme, also katalytisch wirken. Jedenfalls ist es klar, dass z. B. ein Protoplast absterben wird, wenn die aufbauenden Ei- weissstoffe durch eine hinzutretende proteolytische Enzymart energisch ge- spalten werden. Ausserdem ist sehr wohl möglich, dass durch die katalytische Beschleunigung oder Verlangsamung einer oder einiger Partialfunctionen eine schädliche oder tödtliche functionelle Störung hervorgerufen wird. Aus den katalytischen Wirkungen ist zugleich zu entnehmen, dass ein Körper, um giftig zu wirken , durchaus nicht mit einem Bestandtheil des Protoplasmas in Verbindung treten oder in den Stoffwechsel gerissen werden muss. Uebrigens werden auch die giftigen Anilinfarben nicht verarbeitet, und dasselbe dürfte zu- meist für die giftigen Alkaloide, für Chloroform und noch andere giftige Stoffe gelten. 1) Pfeffer, I. c. p. 273; D. H. Campbell, Unters, a. d. Botan. Institut zu Tü- bingen 1888, Bd. 2, p. 569. Einige weitere Literatur ist Bd. I, p. 82 citirt. 2) In Bd. I, p. 63 ist darauf hingewiesen, dass keine scharfen Grenzen zwischen physikalischer und chemischer Bindung bestehen. 3) Vgl. 0. Loew, System d. Giftwirkungen 1893, p. 68. § 74. Näheres über Giftwirkungen. 345 Die Wirkung der Säuren, soweit dieselbe von der Acidität abhängt (vgl. II, § 74), beruht vermuthlich auf einer Salzbildung, d. h. auf der Beschlagnahme von Stoffen, die mit den Proteinstoffen in irgend einer Weise verkettet sind^). Jedenfalls wird durch eine starke Säure schon bei grosser Verdünnung im Proto- plasma eine körnige Ausscheidung von Proteinstoffen und eine Aufhebung der lebendigen Plasticität bewirkt 2). Die bekannten Eigenschaften der todten Protein- stoffe lassen es auch begreiflich erscheinen, dass im Protoplasma durch Alkahen eine Verquellung und anscheinend Lösungsvorgänge verursacht werden (Klemm, 1. c. p. 664). Auch die Wirkung der giftigen Schwermetalle dürfte auf einer Bindung von aufbauenden Proteinstoffen beruhen 3). Ebenso sind Formaldehyd und andere Körper, die in irgend einer Weise energisch mit verschiedenartigen Eiweissstoffen reagiren (sofern sie eindi-ingen), starke Plasmagifte. Dagegen gehen Anilinfarben, Chloroform, Aether, Alkaloide u. s. w. keine fixe Verbindung ein, da diese Stoffe nach dem Uebertragen der Zelle in Wasser ziemhch schnell entfernt werden (vgl. II, p. 346). Diese Vorgänge lassen sich sehr schön bei der Darbietung einer stark verdünnten Lösung des sehr gif- tigen Methylvioletts oder Cyanins durch Färbung und Entfärbung des lebendigen Protoplasmas verfolgen 4). Durch diese Beobachtungen, sowie durch die That- sache, dass der Farbstoff besonders energisch in gewissen differencirten Theilchen des Cytoplasmas gespeichert wird, ist indess die Ursache der Gittwirkung noch nicht aufgeklärt. Es bleibt sogar unentschieden, ob es sich um eine chemische oder physikalische Bindung handelt, da nachweislich mit Hilfe von Dissociation und der Massenwirkung auch die chemisch gebundenen Farbstoffe und andere Stoffe aus der lebenden Zelle ausgelaugt wei'den können^). Möglicherweise wü'ken manche dieser Körper insofern analog wie das Kohlenoxyd auf die Blutkörperchen (II, p. 335), als durch die lockere Bindung des sich anhäufenden Giftes ein unter den normalen Verhältnissen vorhandener Körper verdrängt und dadurch die schäd- liche Beeinflussung herbeigeführt wird 6). Sind dann die Bedingungen für eine derartige Reaction in dem Protoplasma einer bestimmten Art nicht vorhanden, so übt der bezügliche Stoff auf diese Pflanze keine giftige Wirkung aus. Ferner beweisen z. B. die Enzyme, welche sogar die optischen Antipoden einer Verbindung intact lassen (I, p. 371, 503), dass schon eine geringe Structurverschiedenheit in den plasma- tischen Baustoffen ausreichen kann, um ein verändertes Verhalten gegenüber einem bestimmten Körper (Gifte) zu verursachen. In den specifischen Eigenthümlichkeiten von Penicillium und anderen Orga- nismen liegt zugleich eine Mahnung, dass man mit der Verallgemeinerung selbst dann vorsichtig sein muss, wenn es sich um einen Körper handelt, der nach den vorliegenden Erfahrungen ein ganz generelles Gift zu sein scheint. Ebenso ist 1) In Bd. I, p. 490 ist dargethan, dass das Protoplasma nicht in allen Fällen al- kalisch sein muss. 2) Vgl. Bd. I, p. 93; P. Klemm, Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, Bd. 28, p. 638. Die zerstörende Wirkung von concentrirten Säuren und Alkalien ist hier nicht in Betracht gezogen. 3) Kunkel, Handbuch d. Toxicologie 1890, p. ■118. 4) Pfeffer, Unters, a. d. Botan. Institut zu Tübingen 1886, Bd. 2, p. 252; dieses Buch Bd. I, p. 80. 5) Bd. I, p. 107. — Die in der animalischen Toxicologie aufgestellte Theorie, das Chloroform lagere sich den lecithin artigen Bestandtheilen des Protoplasmas an, basirt auf der Löslichkeit des Chloroforms in diesen und ölartigen Stoffen. Vgl. Kunkel, 1. c. p. 389. [E. Overton, Studien über Narkose 1901.] 6) Dass vielleicht in gewissen Fällen das Kalium durch Natrium u. s. w. verdrängt wird, ist II, p. 336 erwähnt. 346 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. es nicht erlaubt, aus bekannten Reactionen gegenüber todten Proteinstoffen u. s. w. schleclrthin auf die Wirkungsweise eines Stoffes in dem Protoplasma zu schliessen, das als ein complexer Organismus verschiedenartige Angriffspuncte bietet. So ist u. a. auch die zunächst naheliegende Annahme nicht zutreffend, dass die Ver- dichtung des Sauerstoffes durch Vermehrung der Athmungsthätigkeit tödtlich wirke, da die physiologische Verbrennung thatsächlich mit der Steigerung der Partiärpressung des Sauerstoffes vermindert wird (I, p. 549). Wir haben hier aber nicht weiter auf bestimmte Gifte und die Theorien über die Art ihres primären Wirkens einzugehen, da durch die derzeit vorliegenden Erfahrungen unsere Einsicht in den Aufbau und das Getriebe des lebendigen Protoplasten nicht erweitert wird^). Die Fähigkeit des Organismus, eine .gewisse Giftwirkung zu ertragen und zu überwinden, entspricht durchaus dem allgemein erörterten Verhalten gegen- über der Aussenwelt (II, § 63, 64). Denn ebenso wie in einer ungünstigen in- framaximalen Temperatur vermag die Pflanze in einer constanten inframaximalen Concentration eines Giftes zu leben und zu wachsen, wenn sich auch unter diesen Bedingungen bereits gewisse Hemmungen und Störungen geltend machen. Ferner treten sowohl in einer supramaximalen Temperatur als auch in einer supramaximalen Concentration eines Giftes Störungen ein, die nur dann nicht zum Tode führen, vielmehr überwunden werden, wenn die Pflanze rechtzeitig in normale Aussenbedingungen zurückversetzt wird. Unter diesen Umständen ergiebt sich die auf Ausgleichung berechnete Thätigkeit, abgesehen von allen Gegenreactionen des Organismus, schon als eine nothwendige Folge des Strebens, den, den neuen Bedingungen entsprechenden Gleichgewichtszustand herzustellen. Dieser kann aber bei einer Giftwirkung natürlich nur dann erreicht werden, wenn die aufgenommene giftige Substanz in irgend einer Weise entfernt oder unschädlich gemacht wird. Bei Stoffen, die wie Anilinfarben, Aether, Chloroform, Alkaloide u. s. w. im Protoplasma in einer dissociirenden Form gebunden werden, genügt, wie schon erwähnt ist (II, p. 345), die Uebertragung des Organismus in eine grössere Menge eines giftfreien Wassers, um eine allmähliche Entfernung des Giftes her- beizuführen, eine Ausscheidung, die bei Aether und anderen flüchtigen oder gasförmigen Körpern auch bei dem Aufenthalt in reiner Luft eintritt. Sofern eine solche Dissociation besteht, bedarf es zu der Ausscheidung des Giftes keiner besonderen Action des Protoplasmas. Diese ist aber dann nöthig, wenn erst durch diese Thätigkeit eine partielle Zersetzung und Abspaltung und damit die Bedingungen für den diosmotischen Austritt, also für eine vollständige Aus- scheidung des Giftes aus der Zelle geschaffen werden 2). Auf diese W^eise wird z. B. durch die Production von etwas freier Säure die vollständige Zersetzung des gerbsauren Methylenblaus und die Beseitigung dieses Farbstoffes aus der Zelle bewirkt (I, p. 1 07). Auch ist nach einer transitorischen intensiven Ein- wirkung von Methylviolett oder Cyanin gut zu verfolgen, wie allmählich die 1) Es gilt dieses auch für die vielen theoretischen Speculationen in Loew's System d. Giftwirkungen 1893, 2) Die hohe Bedeutung der Massenwirkung in dem physiologischen Getriebe wurde von mir vielfach hervorgehoben. Vgl. Bd. I, p. 107. 519. § 74. Näheres über Giftwirkungen. 347 Färbung und die Deformationen im Cytoplasma wieder schwinden. Das ge- schieht auch dann, wenn der Farbstoff dem Cytoplasma durch eine Speiche- rung in dem Zellsaft entzogen wird^). Dieser Fall liefert also zugleich ein an- schauliches Beispiel dafür, dass ein Gift zwar in der Zelle verbleibt, aber durch die Ueberführung in eine nicht diosmirende Verbindung und durch die Unter- bringung an geeigneter Stätte unschädlich gemacht wird. Eine Unschädlichmachung des Giftes wird sicherlich auf verschiedene Art und z. B. in den Wurzelhaaren von Trianea bogotensis dadurch erzielt, dass das eingedrungene Bismarckbraun an absterbende Cytoplasmapartien gebunden und mit diesen in den Zellsaft ausgestossen wird 2). In diesem und in den anderen angeführten Beispielen wird der giftige Körper durch einen präformirten Stoff gebunden, und sofern dieser (wie z. B. die Gerbsäure) nicht regulatorisch nachgebildet 3) wird, kann nur eine begrenzte Menge von Gift festgelegt werden, hl Hinsicht auf das gesammte selbsregulatorische Walten im Organismus (vgl. Bd. I, § 93) ist aber nicht zu bezweifeln, dass in bestimmten Fällen auch Re- actionen erweckt werden, die auf die Festlegung oder Beseitigung des Giftes abzielen. Eine solche reactionelle Thätigkeit ist schon darin ausgesprochen, dass das Protoplasma Abweichungen von seinem Normalzustand selbstregula- torisch ausgleicht, also z. B. nach einer leichten Ansäuerung die alkalische Re- action wieder herstellt (Bd. I, p. 490). Sollte, was ja möglich ist, dauernd für Neutralisation der sehr allmählich zutretenden Säure gesorgt werden, so würde damit die Giftwirkung dieser verdünnten Säure vermieden und zugleich ein Salz ge- schaffen werden, das durch Exosmose beseitigbar ist. Vielleicht werden öfters Phenole und andere Gifte in exosmirende unschädlichere Verbindungen überge- führt^). Auch die Verbrennung des Alkohols ist ein Beispiel für die Beseiti- gung eines Körpers durch den Stoffwechsel unter Bildung von Producten, die nach bekannten Gesetzen durch Diosmose aus der Zelle entfernt werden. Jedenfalls wird also die Eliminirung des Giftes und der Giftwirkung nicht immer mit denselben Mitteln bewirkt. Wenn somit der Protoplast durch die regulatorische Bildung einer Säure (I, § 86) die schädliche Wirkung eines Alkali vermeidet, so folgt daraus nicht, dass sich der Organismus stets oder auch nur mit Vorliebe durch Production eines Gegengiftes gegen einen giftigen Körper zu schützen sucht. Ebenso wird die Steigerung der Widerstandsfähigkeit eines Organismus (durch Accommodation II, p. 337) sicherlich nicht in allen Fällen durch die vermehrte Production und durch die directe oder physiologische Wirkung eines Gegengiftes (Antitoxins etc.) erzielt^). Denn bei der Accommodation an höhere Temperatur oder an die concentrirte Lösung eines indifferenten Stoffes muss die Erhöhung der Resistenz jedenfalls auf andere Weise zu Stande kommen. Die Mittel, durch welche diese und ähnliche Veränderungen erzielt werden, sind zur Zeit ebenso unbekannt, wie die Verschiebungen, durch welche z. B. 1) Pfeffer, Unters, a. d. Botan. Institut z. Tübingen 1886, Bd. 2, p. 248, 259, 274. 2) Pfeffer, 1. c. p. 262. 3) Vgl. Bd. I, p. 493. 4) Ueber derartige Vorgänge im Thierkörper vgl. Kunkel, Toxicologie -1899, p. 10, 391. 5) Ueber Toxine und Schutzstoffe siehe z. B. das Referat von Oppenheim in Biolog. Centralbl. 1899, Bd. 19, p. 799. 348 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. die Eigenschaften und auch die Widerstandsfähigkeit desselben Protoplasten in verschiedenen Entwickelungsstufen modificirt werden. Wie sich bei Wirkungen von Organismen auf einander die Verhältnisse in Folge von Reactionen und Gegen- reactionen verwickelter gestalten, ist in Bd. I, p. 515 angedeutet und kann hier nicht näher behandelt werden. Unter den Mitteln, die schon in der einzelnen Zelle als Schutz- und Ab- wehreinrichtungen gegen Gifte in Frage kommen, sind möglicherweise auch active Secretionen in Betracht zu ziehen (vgl. Bd. I, § 23). Ferner haben wir gehurt, dass die Aufnahme von Kupfersalzen in Penicillium glaucum viel- leicht durch eine besondere Wechselwirkung mit dem ProtoplasLen dieses Pilzes verhindert wird. Der Regel nach finden freilich die Gifte in einer geeigneten Verbindung den Weg in den Protoplasten, und auch bei den Thieren werden die meisten Gifte nach der Einführung in den Magen resorbirt. Ein Vermeiden der Gifte kommt nur bei den freibeweglichen vegetabilischen Organismen in Frage, unter denen aber nur gewisse mit einer Sensibilität und einem Reactions- vermögen ausgestattet sind, das sie veranlasst, einzelne scliädliche Stoffe (z. B. Säuren und Alkalien) zu fliehen i). Nach der Einführung einer begrenzten Giftmenge (durch hijection, durch transitorische Berührung mit der Lösung u. s. w.) wird sich der Verlauf einer nicht tödtlichen Intoxication im allgemeinen aus dem allmählichen An- schwellen und aus dem sich anschliessenden allmählichen Schwinden der Stö- rung zusammensetzen. Dagegen stellt sich in einer Zelle, die in einer giftigen Lösung von constanter, aber inframaximaler Concentration verweilt (ebenso wie in constanter inframaximaler Temperatur), ein Gleichgewichtszustand ein , der so lange anhält, als die äusseren und inneren Bedingungen unverändert bleiben. Unter diesen Umständen befindet sich also im Protoplasma dauernd eine be- stimmte Menge des giftigen Körpers, gleichviel ob dieser vermöge der relativen Affinitäten im Inneren der Zelle angehäuft ist oder nicht 2). Dieser Gleichge- wichtszustand ist stets die Resultante aus den verschiedenen Affinitäten und anderweitigen Factoren, und er wird sich thatsächlich nur in einem stetigen Wechsel erhalten, wenn der Protoplast fortwähi-end das eindringende Gift in irgend einer Weise umsetzt oder beseitigt, und durch diese Thätigkeit die Be- dingungen für das continuirliche Nachdringen des Giftes herstellt. Ist diese auf die Beseitigung der Störung abzielende Thätigkeit gering, wird ferner durch die fortschreitende Bindung des giftigen Körpers dessen Anhäufung verursacht und damit zugleich seine Wirkung gesteigert, so wird mit der Zeit eine sehr verdünnte Lösung tödtlich wirken. So ist es zu verstehen, dass z. B. Spiro- gyra in einer äusserst verdünnten Kupferlösung abstirbt (I, p. 104). Durch die Ermittelung der Concentration, die bei constantem und continuir- lichem Wirken noch ertragen wird, bezw. tödtlich ist, werden (analog wie für die Temperatur u. s. w.) für einen giftigen Körper Maximum und Ultramaximum be- stimmt. Auf diese AVeise lassen sich also die relative Giftigkeit von zwei Körpern, i) Pfeffer, Unters, a. d. Botan. Institut zu Tübingen 1888, Bd. 2, p. G27. Vgl. dieses Buch Bd. II, Kap. XIV. 2) Nach dem Verdünnen einer Methylviolettlösung lässt sich demgemäss eine Ab- nahme der Färbung des Protoplasmas wahrnehmen. § 73. Giftwirkung und chemische Constitution. 349 sowie die Sensibilität von zwei verschiedenen Zellen (Organismen) gegenüber demselben Gifte vergleichen. In der That ist dieser Maassstab in rein wissen- schaftlicher Hinsicht wichtiger, als die Kenntniss der Gewichtsmenge eines Giftes, die pro Gewichtseinheit des Versuchsthieres gegeben werden muss, um einen bestimmten Grad von Intoxication hervorzurufen. Denn wenn man aus practischen Rücksichten auf dieses Maass angewiesen ist, um die richtige Dosis für einen Menschen oder ein höheres Thier zu kennzeichnen, so bleibt doch da- bei unbestimmt, in welcher Goncentration das Gift an den sensiblen Elementen angreifen muss, um den beobachteten Effect zu erzielen^). Nach den allgemeinen Erörterungen in II, § 63, 64, in denen ohnehin die Giftwirkungen berücksichtigt wurden, ist es selbstverständlich, dass ein Organis- mus in einer hypermaximalen Goncentration, und zwar je nach der Ueberschrei- tung des Maximums und nach der Natur des Giftes, schnell oder auch erst nach sehr langer Zeit geschädigt wird und abstirbt. Dieses Verhalten, das Overton^) als progressives Wirken bezeichnet, ist also keineswegs eine ausschliessliche Eigen- thümlichkeit der Giftwirkungen. Ebenso können in dem Organismus sowohl durch die Wärme, als durch ein Gift in Folge einer transitorischen supramaximalen Einwirkung derartige Störungen verursacht sein, dass trotz der Rückkehr in nor- male Verhältnisse mit der Zeit der Tod erfolgt. Ein solcher Erfolg ist also auch möglich, wenn kein Gift in der Zelle verbleibt, jedoch kann natürlich auch durch einen solchen Verbleib eine Nachwirkung verursacht werden. § 75. Giftwirkung und chemische Constitution. Wie schon erwähnt wurde (II, p. 344), ist es verständlich, dass freie Säuren und Alkalien, sowie gewisse andere Stoffe generelle Gifte sind, jedoch bringt es die ungenügende Bekanntschaft mit dem chemischen und physikalischen Aufbau des Protoplasmas mit sich, dass wir in den meisten Fällen nicht vor- aussagen können, ob ein Körper von bekannter chemischer Structur mit dem Protoplasma in eine Wechselwirkung treten muss, die eine Schädigung zur Folge hat. Im allgemeinen lässt sich also nur empirisch ermitteln, ob ein be- stimmter Körper als Gift oder als Nährstoff zu betrachten oder indifferent ist^). In beiderlei Hinsicht geht zudem aus den specifischen Differenzen hervor, dass die verschiedenartigen Protoplaste in Bezug auf ihre Reactionsfähigkeit (che- mische Qualität) nicht identisch sind und in einzelnen Fällen erheblich von ein- ander abweichen. Die Erfahrungen lehren ausserdem, dass der Nährwerth und ebenso die Giftwirkung zweier Körper von ähnlicher chemischer Structur sehr verschieden und dass Nährwerth und Giftwirkung zweier Körper von verschie- dener chemischer Structur ähnlich sein können -i). i) Vgl. z.B. Overton, Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellsch. in Zürich -1899, Bd. 44, p. -128; Kunkel, Toxicologie i899, p. 4. 2) Overton, 1. c. p. 'las. 3) Vgl. insbesondere Bd. I, p. 370. 4) Näheres z. B. bei 0. Loew, System d. Giftwirkungen 1893, p. 44, 92, 129 u. s.w.; A. J. Kunkel, Toxicologie 1899, p. 391, 402 etc.; E. Overton, Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellsch. in Zürich 1899, Bd. 44, p. 124; W. R. H. True und C. G. Hunkel, Botan. Centralbl. 1898, Bd. 76, p. 398 (Phenole); C. Wehmer, Chemiker-Zeitung 1897, Nr. 10 (Benzoesäuren). 350 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. Demgemäss kann der physiologische Werth eines Körpers schon durch eine geringe chemische Structuränderung erheblich modificirt werden, und ferner hat eine gleichsinnige Aenderung (Gondensation, Substitution etc.) in zwei ver- schiedenen Verbindungen durchaus nicht immer eine gleichsinnige Verschiebung der physiologischen Wirkungsweise zur Folge. Dem entsprechen auch die Er- fahrungen, nach denen z. B. zwar oft, aber doch nicht ausnahmslos, die Giftig- keit der KohlenstoftVerbindungen durch die Einführung von Chloratomen oder von Nitrogruppen gesteigert wird, nach denen ferner die Substitution von Wasserstoff durch Hydroxyl, Methyl, Aethyl etc., die Einführung von Amido- gruppen u. s. w. zum Theil eine Verminderung, zum Theil eine Erhöhung der giftigen Eigenschaften verursacht. Auch pflegen die giftigen Eigenschaften bei den Alkoholen, aber nicht bei allen Verbindungen mit der Vergrösserung des Moleculargewichtes zuzunehmen. Eine solche Zunahme tritt (soweit es die Wirkung der freien Säure betrifft) natürlich auch dann ein, wenn durch die Einführung von Carboxylgruppen der Säurecharacter gewonnen oder gesteigert wird. Alle diese und andere Erfahrungen sind aber, wie schon früher betont wurde (I, p. 371 ; 11, p. 340), desshalb von hohem Werthe, weil aus den Re- actionen mit bekannten Körpern bis zu einem gewissen Grade Schlüsse auf die Constitution des Protoplasmas, bezw. gewisser Theile des Protoplasten gezogen werden können. Die verschiedenartigen Kohlenstoffverbindungen beweisen ohne weiteres, dass die physiologische Wirkung eines einheitlichen Körpers durch die besondere Verkettung der Atome und der aus diesen formirten Gruppen bedingt ist, also keineswegs schon den isolirten Gruppen und den Atomen innewohnt. Bei der Spaltung einer Verbindung setzt sich die physiologische Wirkung natürlich, ebenso wie in einem Gemisch, aus den Partialwirkungen der distincten Ver- bindungen zusammen 1). Dasselbe gilt auch in Bezug auf die Dissociation der Electrolyte in Ionen, durch die es bedingt ist, dass z. B. ein Metall (soweit es auf dieses ankommt) in den verschiedenen dissociirenden Salzen in derselben Weise chemisch reagirt^) und physiologisch wirkt. Bei einer partiellen Disso- ciation kann aber natürlich auch dem undissociirten Theil eine besondere physio- logische Wirkung zukommen. Aus der Unschädlichkeit einer dissociirenden Verbindung ergiebt sich zu- gleich die Unschädlichkeit der Ionen. Nach den Erfahrungen mit den Chlo- riden, Sulfaten, Nitraten etc. von Kalium, Natrium, Calcium sind sowohl diese Kationen (Metallionen), als auch diese Anionen (Säureionen) nicht oder doch nur in einem äusserst geringen Grade giftig (vgl. II, p. 336). Folglich wird z. B. die Giftigkeit des Cyankaliums durch das Anion Cyan, die Giftigkeit der Chloride, Sulfate, Nitrate von Quecksilber, Kupfer u. s. w. durch das Kation des Salzes bestimmt. Denn thatsächlich sind diese Metallsalze in grosser Ver- dünnung gänzlich oder doch sehr weitgehend dissociirt. 1) Selbstverständlich können durch das Zusammengreifen besondere physiologische Effecte erzielt werden. Vgl. z. B. Bd. II, p. 77. 2) Siehe z. B. Ostwald, Wissenschaft!. Grundlagen der analytischen Chemie •1897, p. 44. § 75. Giftwirkung und chemische Constitution. 351 Nach diesen Grundzügen sind auch die freien Säuren und Basen zu be- urtheilen, in welchen der Wasserstoff in der Säure die Rolle des Metalls (Kations), die Hydroxylgruppe in dem Alkali die Rolle des Säurerestes (Anions) spielt (vgl. z. B. Ostwald, 1. c. p. 52). Da wir nun nach dem Verhalten der vorhin genannten Neutralsalze der Alkalien und alkalischen Erden die bezüglichen Anionen und Kationen als ungiftig anzusprechen haben, so muss die schädliche Wirkung dieser freien Säuren auf dem Kation Wasserstoff, die schädliche Wir- kung der Alkalien auf dem Anion Hydroxyl beruhen. Gerade bei den Säuren mit einem an sich unschädlichen Anion tritt der Zusammenhang zwischen Dissociation und schädlicher Wirkung besonders deut- lich hervor. Denn nach den Studien verschiedener Forscher (vgl. die Citate II, p. 339) liefert die Anordnung der Säuren nach Giftwirkung und Dissociations- grad ungefähr dieselbe Reihenfolge. Der Salzsäure, Salpetersäure, Schwefel- säure, die in einer verdünnten Lösung vollständig dissociiren, kommt also eine sehr hohe, der wenig dissociirenden Essigsäure und Propionsäure eine viel ge- ringere Giftwirkung zu, die, wie die Dissociation, annähernd mit der relativen Stärke (Avidität) der Säuren zusammenfällt. Die hohe Giftigkeit des Anions Cyan bedingt aber z. B., dass die Cyanwasserstoffsäure viel giftiger ist, als sie es vermöge ihres schwachen Säurecharacters (vermöge des Metallions H) sein würde. Analoge Beziehungen zwischen Dissociation und Giftigkeit finden sich auch bei den Alkalien, von denen KOH und NaOH in starker Verdünnung weitgehend dissociiren. Während nach Clark (1. c. p. 400) das Hydroxylion für Schimmel- pilze giftiger ist, als das Wasserstoffion , wurde umgekehrt für dieses eine grössere Giftigkeit von Krönig und Paul (1. c. p. 71) für Bacterien, sowie von Kahlenberg und True (1. c. p. 95) für Phanerogamen gefunden. Es muss dahin gestellt bleiben, ob diese verschiedenen Resultate wirklich specifische physiologische Differenzen anzeigen oder vielleicht darauf beruhen, dass die sehr verdünnten Lösungen der Alkalien in den physiologischen Versuchen leicht in Carbonate verwandelt werden. Aus den vergleichenden Studien geht aber her- vor, dass z. B. die Hg-, Ag-, Cy-Ionen w^eit giftiger sind, als die H- und HO- Ionen. (Siehe z. B. die tabellarische Zusammenstellung bei Clark, 1. c. p. 396. Kahlenberg und True, Zeitschr. f. physikal. Chem. 1897, Bd. 22, p. 474.) Nachdem E. Wüthrichi) die Wirkung äquivalenter Mengen vergUchen hatte, wurde fernerhin von verschiedenen Forschem 2) mit äquimolecularen Lösungen gearbeitet. Durch 1:16 oder Yie ^^^^ ^^^^ gesagt sein, dass sich in 1 6 Liter der Lösung 1 Moleculargewicht (Mol.) der Substanz befindet. Eine solche Lösung würde z. B. von HgCl.2 (Moleculargewicht = 271 ) 271 gr enthalten, also einer 271 • 1 00 = 1,69 proc. Sublimatlösung entsprechen. Erst bei Verwendung 16000 ' 1) E. Wüthrich, Zeitschr. f. Pfianzenkrankheit. 1892, Bd. 2, p..16. 2) L. Kahlenberg u. R. H. True, Botan. Gazett. 1896, Bd. 22, p. 81 u. Zeitschr. f. physikal. Chemie 1897, Bd. 22, p. 474; T. D. Heald, ebenda lS9(i, Bd. 22, p. 123; B. Krönig u. Th. Paul, Zeitschr. f. Hygiene und Infectionskrankh. 1897, Bd. 23, p. 1 ; R. H. True u. C. G. Hunkel, Botan. Centralbl. 1898, Bd. 76, p. 289; F. L. Stevens, Botan. Gazett. 1898, Bd. 26, p. 377; J. F. Clark, ebenda 1899, Bd. 28, p. 289 u. s. w. 352 Kap. X. Widerstandsfähigkeit gegen extreme Einflüsse. molecularer Lösungen tritt z. B. für ein Metall der Einfluss der Verbindungsform und ebenso der Einfluss der Dissociation hervor-, der in den citirten Arbeiten speciell studirt "wurde. Dass diese Studien über die Bedeutung der Dissociation zwar im allgemeinen das mitgetheilte Resultat, im einzelnen aber gewisse Differenzen ergaben, ist aus verschiedenen Gründen verständlich. Ich will nur an die specifisch verschiedenen Eigenschaften der dilTerenten Organismen und daran erinnern, dass es nicht einerlei ist, ob als Maassstab des physiologischen Effectes, wie von Krönig und Paul, der tödtliche Einfluss bei kürzerer Einwirkung oder, wie bei den anderen citirten Forschern, die Entwickelungshemmung benutzt wird. Denn in letzterem Falle, also bei der Bestimmung von Maximum und Minimum in Bezug auf das Wachsen, fallen z. B. die Schnelligkeit des Eindi'ingens, sowie die Grösse der Dissociation in einem geringeren Grade in das Gewicht, da sich im Laufe der Zeit doch der Gleichgewichtszustand (II, p. 3 48) herstellt. In diesem kann aber von einem minimal dissociirenden Stoff eine grosse Menge selbst dann in der Zelle angehäuft sein, wenn nur die Ionen (oder ein Ion) diosmiren (I, p. 88), falls nämlich das Ion in der Zelle fest gebunden wird und demgemäss Aufnahme und Dissociation continuirlich fortschreiten (I, § 22). Unter Umständen ist aber schon die Aufnahmeschnelligkeit von wesentlicher Bedeutung, und da jene in den ge- nannten Studien nicht controlirt wurde, so ist es möglich, dass in manchen Fällen die Vei'minderung der Giftwirkung durch die Verlangsamung der Aufnahme verursacht wurde. Vielleicht tritt bei Säuren und Alkahen die Beziehung zwischen Dissociation und Giftwirkung auch desshalb am besten hervor, weil diese Körper nachweislich leicht in den Protoplasten eindringen. Mag nun die Aufnahmeschnelligkeit eine Rolle spielen oder nicht, so ist doch der Dissociationsgrad dafür entscheidend, dass nach Kahlenberg und True (vgl. Zeitschr. für physikal. Chem. 1897, Bd. 22, p. 475) das dissociirende Eisen- chlorid bei 1 : 22 400 ebenso stark giftig wirkt, wie das colloidale Eisen bei 1 : 1174, dass ferner Kupfersulfat nach der Versetzung mit Rohrzucker und Kali- lauge erst bei 1 : 400 dieselbe Giftwirkung ausübt, wie ohne diesen Zusatz bei 1 1 : 51 200. Ferner bewirkt nach Kahlenberg und True AgNOi bei Mol. 20 4 800 im Liter dieselbe Entwickelungshemmung, wie AgNOo -4- 3KCN bei Mol. im 8 ö, e d I 25600 Liter. In diesem Falle wird also durch die Bildung des wenig dissociirenden Anion AgCy2 die Giftwirkung herabgesetzt, obgleich Cyankalium hinzugefügt wurde, das ein starkes, aber doch nicht ein so starkes Gift ist wie Silbernitrat. Da- gegen muss es auf einer Beschleunigung der Aufnahmeschnelligkeit oder auf irgend einer anderen Beeinflussung des Organismus beruhen, dass durch einen massigen Zusatz von Alkohol die Giftwirkung von Quecksilberchlorid und von Silbernitrat (nicht von Phenol) verstärkt wird (Krönig und Paul, 1. c. p. 9l). Andererseits wird durch sehr starken Alkohol aus den schon früher besprochenen Gründen die Giftwirkung fast ganz aufgehoben (II, p. 324). Aus allen diesen Erfahrungen geht zugleich hervor, dass die Desinfectionski-aft eines Körpers von verschiedenen Umständen abhängt und z. B. nicht schlechthin durch die Metallmenge bemessen wird^). Denn auch dann, wenn keine Ausfällung ein- tritt, kann di^-^Giftwirkung durch die übrigen Stoffe, z. B. durch Verminderung der Dissociation oder durch die Bildung von complexen Ionen u. s. w. , wesent- lich modificirt werden. 1) Wie das ^äelfach angenommen wurde. Vgl. Flügge, Mikroorganismen HL Aufl., 1896, Bd. I, p. 453. § 76. Ausblick auf die verschiedenartigen Bewegungen. 353 Toxische Eigenschaften besitzen aber bekanntlich nicht nur die Electroljte, bei denen, wie schon (II, p. 350) betont wurde, die Giftigkeit durch die Disso- ciationszerspaltung ebensogut verändert wird, wie bei der Zerspaltung eines Nichtelecti'olyten. Auch bei den Electrolyten ist die Qualität des in der Lösung Bestehenden entscheidend, und demgemäss kommt z. B. dem cornplexen Ion Ferrocvan ein anderer Grad von toxischer Wirkung zu, als dem darin enthal- tenen Eisen. Da nun der Regel nach die cornplexen Ionen der Metalle minder toxisch zu sein scheinen, als die einfachen Ionen, so wird die Giftigkeit der Metallsalze durch die Dissociation gesteigert. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass bei irgend einem Electrolyten das Gegentheil zutrifft, sowie ja auch durch die Zer- spaltung eines Nichtelectrolyten in manchen Fällen wirksamere, in anderen Fällen minder wirksame Producte entstehen. Es ist ferner klar, dass eine an sich un- giftige Verbindung eines toxischen Metalls auch dann giftig wirken muss, wenn von ihr zwar nicht bei der Auflösung in Wasser, aber bei der Wechselwirkung mit dem Protoplasten die giftigen Metallionen abgespalten werden. Kapitel XI. Allgemeines über Bewegungen. § 76. Ausblick auf die verschiedenartigen Bewegungen. Bewegungsthätigkeit geht keiner Pflanze ab. Denn auch bei den festge- wurzelten Pflanzen rücken die wachsenden Theile im Räume fort, und es ist bekannt, dass die Zuwachsbewegung bis an das Lebensende anzuhalten pflegt (II, p. 5), und dass z. B. die Ausläufer und Rhizome durch ihre Wachsthums- thätigkeit auf eine ansehnliche Entfernung wandern. Die Spitze des wachsen- den Organes schreitet aber im allgemeinen nicht geradlinig fort, sondern beschreibt eine verwickelte Raumcurve (11, p. 20). In vielen Fällen wird sogar durch innere oder äussere Ursachen in den antagonistischen Flanken eine derartige Vertheilung der Zuwachsbewxgung veranlasst, dass eine weitgehende- Einkrüm- mung eintritt, oder dass pendelartige Schwingungen oder kreisende (circumnu- tirende) Bewegungen oder Torsionen ausgeführt werden. Die Wachsthums- bewegungen (Nutationsbewegungen) ^j hören natürlich mit dem Wachsthum auf, i) Diese von Duhamel (Naturg. d. Bäume 1765, Bd. 2, p. 116) und de Candolle (Pflanzenphysiol. 1835, Bd. 2, p. 606) angewandte Bezeichnung ist weiterhin auf die durch Wachsthum vermittelten Bewegungen eingeschränkt (Sachs, Lehrbuch 1873, III. Aufl., p. 757), übrigens von de Candolle, Sachs u. A. für autonome und aitionome Be- wegungen verwandt. Indem ich diesem Sprachgebrauch folge, halte ich mich nicht an Frank (Beiträge zur Pflanzenphysiol. 1868, p. 31), der unter Nutation nur Receptions- bewegungen versteht und mit Inclination die autonomen Bewegungen bezeichnet. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 23 354 Kap. XI. Allgemeines über Bewegungen. mit dem indess nicht in allen Fällen die active äussere Bewegmigsthätigkeit erlischt. Denn in gewissen Fällen, so in den Blattgelenken vieler Legmiiinosen und verschiedener anderer Pflanzen, sind Organe ausgebildet, die durch elastische Verlängerung und Verkürzung zu ausgezeichneten Bewegungen (Variations- bewegungen) 1] befähigt sind. Die Erfahrung aber , dass in den biegsamen Sprossen u. s. w. nach dem Erlöschen des Wachsthums keine Bewegungen aus- geführt werden, lehrt nur, dass in diesen Theilen active Bewegungen durch die Thätigkeit der Pflanze nicht oder doch nur mit einer Energie angestrebt werden, die einen merklichen Effect nicht zu erzielen vermag. Wird aber, wie z. B. durch die geotropische Reizung in den Knoten der Gramineen, die ^achs- thumsthätigkeit von neuem erweckt^ dann tritt uns in den Krümmungen u. s. w. wiederum der Erfolg einer Nutationsbewegung entgegen. hl den äusserlich starren, ausgewachsenen, aber lebensthätigen Pflanzen- theilen fehlt indess nie die innere Bewegungsthätigkeit. Denn eine solche ist in jeder Zelle mit dem Stoffwechsel und Stoffaustausch unlüsbar verknüpft, und zudem sind in dem Protoplasten immer gewisse iind zum Theil sehr ansehn- liche Formänderungen und Massenbewegungen im Gange (II, Kap. XIV). Sind aber dem Protoplasten durch die selbstgebaute, starre Zellwand keine Schran- ken gezogen, so ist auch eine amöboide Formänderung und Ortsbewegung möglich, wie sie in ausgezeichneter Weise bei den Myxomyceten gefunden wird. Ausserdem wird bei den Schwärmzellen, die sich im Wasser herumtummeln, durch die Ausbildung von Cilien, also von besonderen Bewegungsorganen, die active locomotorische Bewegungsthätigkeit ermöglicht. Durch diese ward, wie heute nicht mehr besonders betont zu werden braucht, kein principieller Unter- schied zwischen den Thieren und zwischen den Pflanzen markirt^], die aller- dings in der Mehrzahl, in Anpassung an ihre Aufgaben und Lebensweise, zur Befestigung in einem Substrate bestimmt sind. Ohne ein solches Eindringen in den Boden wäre die normale Ernährung der Landpflanzen unmöglich. Auch würde ein hochaufgeschossener Baiun nicht als frei herumwanderndes Lebewesen existiren können. Im Pflanzenreich ist übrigens nur bei kleinen Organismen (bezw. bei gewissen Entwickelungsstadien) die active Locomotion ausgebildet, die bei vielen Algen und bei anderen Wasserpflanzen dem vegetativen Körper abgeht. Da die formale Gestaltung einer Reaction stets von den Bew^egungsfähig- keiten abhängt, so wird z. B. durch eine einseitige Beleuchtung (oder durch einen anderen tropistischen Reiz) ein freibeweglicher Organismus veranlasst nach dem Lichte, also nach einem bestimmten Ziele, zu w^andern^ während sich die festgewurzelte Pflanze nur durch ihre Wachsthums- und Krümmungsthätig- keit, also im allgemeinen in hegrenzterem Maasse der Reizquelle zu nähern vermag. Trotz dieser Verschiedenheit in der Ausführung der Action kann in beiden Fällen die Perception, überhaupt der eigentliche Reizprocess, ebensogut identisch sein, wie bei zwei Menschen, die in gleicher Weise den Lichtreiz empfinden, von denen aber nur der eine in der Lage ist seine Bewegungs- fähigkeit zu benutzen, um nach der Lichtquelle zu wandern, während der i) Pfeffer, Period. Bewegung, d. Blattorgane 1S7o, p. 2. 2) In Bezug auf den Stoffwechsel vgl. I, p. 273. § 76. Ausblick auf die verschiedenartigen Bewegungen. 355 andere Mensch, dessen Beine gelähmt sind, oder der an die Scholle gewaltsam gefesselt ist, sich nur soweit der Lichtquelle zu nähern vermag, als es durch die Beugung des Körpers möglich ist. Bei der Beurtheilung eines Reizprocesses müssen desshalb in gleicher Weise die Organismen berücksichtigt werden, die auf die Reizung mit einer Loco- motion oder mit einer Krümmungsbewegung antworten. Wenn in uns die Reactionsform der freibeweglichen Pflanzen im höheren Grade den Eindruck eines zielbewussten Handelns macht, so ist das durch die formale Aehnliclikeit mit den animalischen Bewegungsreactionen bedingt. Denn factisch ist in den festgewurzelten Pflanzen die Reizbefähigung und Reizbarkeit in gleichem Maasse ausgebildet, wie bei den freibeweglichen Pflanzen. Letztere gewähren aller- dings für Studien den Vortheil, dass sie im allgemeinen schneller reagiren, als es insbesondere bei denjenigen Pflanzen möglich ist, bei denen die Reaction durch eine entsprechende Lenkung und Modification der Wachsthumsthätigkeit ausge- führt wird. Da zu dieser Kategorie die Mehrzahl der Pflanzen gehört, da ferner die Krümmungsbewegungen zumeist mit Hilfe der bis dahin behandelten Wachs- thumsthätigkeit erzielt werden, so sollen in folgendem zunächst die Bewegungs- vorgänge der nicht freibeweglichen Pflanzen behandelt werden. Das schliesst nicht aus, dass bei allgemeinen Fragen auch die später (H, Kap. XIV) zu be- sprechenden locomotorischen Pflanzen berücksichtigt werden. Die nicht unmittelbar in die Augen springende Wachsthums- und Be- wegungsthätigkeit der grösseren Pflanzen hat es veranlasst, dass die Pflanzen im allgemeinen als starre und unempfindliche Wesen betrachtet werden. In diesem Glauben sind und werden die schnellen Reizbewegungen der Mimosa pudica als etwas der Pflanzenwelt fremdes angestaunt. Somit würde sich auch eine ganz andere Vorstellung über das Bewegungs- und Empfindungsvermögen der Pflanzenwelt ausgebildet haben, wenn die Mehrzahl der Pflanzen bei einer Berührung wie die Mimosa pudica zusammenzuckte, oder wie die Seitenblättchen von Hedysarum gyrans (II, § 79) sichtbare autonome Bewegungen ausführte i). In gleichem Sinne würde es schon wirken, wenn es dem Menschen von Jugend auf vergönnt wäre, wenigstens zeitweise die Natur bei 1 00000 facher Vergrösse- rung zu betrachten oder die in Wochen oder Monaten vollbrachte Thätigkeit der Pflanze auf den Zeitraum einer Minute zusammengedrängt zu sehen, wie es auf kinematographischem Wege durch schnell aufeinanderfolgendes Vorführen der Photographien möglich ist, die in gewissen Intervallen aufgenommen w^urden-). Die verschiedenen Zielen und Zwecken dienenden Bewegungen hat man, wie andere physiologische Vorgänge, sowohl in Bezug auf die veranlassenden Ursachen und die mechanische Vermittlung und Ausführung, als auch in Be- zug auf die Bedeutung für den Organismus zu betrachten. Da aber der Auf- gabe dieses Buches entsprechend die ökologische Behandlung nicht in den Vordergrund treten kann (I, p. 8), so werden in Folgendem als hauptsächliches Eintheilungsprincip die veranlassenden Ursachen in analoger Weise benutzt 1) Pfeffer, Die Reizbarkeit d. Pflanzen 1893, p. 9 (Sep. a. Verhdlg. d. Gesellsch. deutscher Naturforscher u. Aerzte 1893). 2) Pfeffer, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 33, p. 738. 23* 356 Kap. XI. Allgemeines über Bewegungen. werden, wie bei der Betrachtung der bereits besprochenen Wachsthumsvorgänge (II, § 21j. Diese Eintheihmg eignet sich wohl auch am besten, um, wenigstens für unsere Zwecke, eine Uebersicht der derzeitigen Kenntnisse über die ver- schiedenen Bewegungsvorgänge zu geben. Jedenfalls wird aber durch eine jede Reizung eine specifische Sensibilität gekennzeichnet, die naturgemäss auch bei Gleichheit der Vorgänge bei der Reizperception, je nach den übrigen Eigen- schaften des Organismus, in formaler und energetischer Hinsicht verschieden- artig ausfallen und vermittelt sein kann. Nach diesem schon früher (II, § 21) zu Grunde gelegten Princip unter- scheiden wir also, je nachdem der veranlassende Anstoss von inneren oder äusseren Ursachen (Factoren) ausgeht, einerseits autonome, autogene oder spon- tane, und andererseits aitiogene, inducirte, paratonische oder provocirte Reizungen, bezw. Bewegungen 1). Die aitiogenen Bewegungsreactionen werden auch Re- ceptions- oder Reactionsbewegungen genannt 2). Ferner fassen wir die durch einen diffusen (homogenen) Reiz veranlassten Reactionen als Krümmungsbewegungen (aitionastische Bewegungen , II, Kap. XII), die durch einen einseitigen (tropistischen) Reiz veranlassten Reactionen als Richtungs-, Orientirungs- oder tropistische Bewegungen (II, Kap. XIII) zusammen. Letztere, zu denen Geotropismus, Heliotropismus und die übrigen tropistischen Bewegungen gehören, beruhen auf einer ünterschiedsempfindung und haben das gemeinsam, dass das reagirende Organ eine bestimmte Orientirung gegenüber der Angriffsrichtung des Reizes annimmt-'). In dieser Weise reagiren sowohl radiäre, wie anisotrope (dorsiventrale) Organe, während durch den diffusen Reiz eine Krümmungsbewegung nur dann veranlasst wird, wenn sich das Organ physiologisch anisotrop (dorsiventral) verhält und wenn dadurch verursacht wird, dass sich die antagonistischen Hälften in einem ungleichen Grade ver- längern. Demgemäss finden z. B. die durch Stoss ausgelüsten Krümmungsbe- wegungen von Mimosa pudica (II, § 89) (aber auch die Zuckungsbewegungen der Staubfäden der Cynareen), sowie die thermonastischen, photonastischen u. s. w. Bewegungen in einer bestimmten Ebene statt, die durch den Bau (die Organi- sation) des Objects vorgeschrieben ist. An früherer Stelle (II, p. 83) ist auch bereits gesagt, dass wir die durch einen diffusen Reiz ausgelüsten Krümmungen Xastien (im näheren Photonastie, Aitionastie, Autonastie etc.) nennen und durch Epinastie (Dorsinastie) , Hyponastie (Gastronastie) , Paranastie die Flanke kenn- zeichnen, deren Verlängerung relativ gefürdert wird. Mit diesen Unterscheidungen sollen indess wiederum nur Typen-*) aufge- stellt sein, die schon desshalb durch Bindeglieder verknüpft sind, weil zuweilen -1) Ein ähnliches Eintheilungsprincip findet sich bei A. P. de Candolle, Pflanzen- physiol. übers, von Röper -1833, Bd. 2, p. 552; Dutrochet, Memoir. d. vegetaux et d'animaux Brüssel 1837, p. 223. — Es ist natürlich keine physiologische Einsicht ge- wonnen, wenn A. Hansgirg (Physiolog. Unters. 1893, p. 9, 66) je nach den Organen und den Zwecken der Bewegungen eine Reihe von Namen schafft, wie gamotropische, carpotropische Bewegungen u. s. w. 2) Pfeffer, Period. Bewegungen d. Blattorgane 1873, p. 2. 3) Es steht natürlich nichts im Wege, mit Oltmanns (Flora 1892, p. 206) die Fähigkeit der Pflanze, Lichtunterschiede als Reiz zu empfinden, ohne Rücksichtnahme auf die Form der ausgelösten Reaction, als »Photometrie« zu bezeichnen. 4; Ueber das besondere Wesen der Phobotaxis vgl. 11, § 142. § 76. Ausblick auf die verschiedenartigen Bewegungen. 357 die beiden Processe zusammengreifen, imd weil man unter Umständen denselben Vorgang, je nach der Anschauungsweise, als eine nastische oder als eine tro- pistische Reaction ansprechen kann. So kann z. B. eine Krümmungsbewegung, die man nach miserer Definition als eine Nastie bezeichnen muss, im Psäheren auf einer tropistischen Auslösung beruhen, die, trotz der diffusen Aussenbe- dingungen, z. B. dadurch zu Stande kommt, dass durch die structurellen Eigen- schaften im Inneren des Organes die Bedingungen für eine einseitige (tropistische) Reizwirkung geschaffen werden. Das würde vmter anderen der Fall sein, wenn in Folge der einseitigen Ausbildung eines Farbstoffs oder einer undurchsichtigeren Cuticula (also analog wie nach dem Ueberstreichen einer Flanke mit Tusche) von einer Seite mehr Licht eindringt (II, § -109). Ebenso ist es denkbar, dass durch die locale Herabsetzung der Permeabilität der Cuticula eine relativ stärkere Transpirationsthätigkeit einer Flanke und hierdurch eine hydrotropische Auslösung veranlasst wird (II, § 116). Auch würde unter andern in einer allseitig empfind- lichen Ranke durch eine homogene Contactwirkung eine Krümmungsbewegung ausgelöst werden, wenn durch eine einseitige Schutzschicht dafür gesorgt wäre, dass der Gontact an der einen Flanke eine geringere Reizwirkung hervorriefe. Ausserdem kann man die autogenen Krümmungsbewegungen mit Rücksicht darauf, dass sie sich bei homogenen (und constanten) Aussenbedingungen ab- spielen, als Autonastieen , mit Rücksicht darauf aber, dass die einmalige oder periodische Krümmungsthätigkeit durch interne , anomogene Reize und Ver- änderungen veranlasst wird, als Autotropismen ansehen i). In unzweifelhafter Weise ist aber eine tropistische Reizung im Spiele, wenn z. B. eine autonome Bewegung durch den autogenen Wechsel der geotropischen Stimmung erzielt wird (II, § 80). Wenn ferner durch eine einseitige Beleuchtung eine labile Dorsiventralität (II, p. 167) inducirt wird, und damit die Bedingungen für eine photonastische Reaction geschaffen werden, liegt eine Combination vor, die sich unter Umständen nicht leicht in die maassgebenden Factoren zergliedern lässt (II, § 109). Zudem würde man schliesslich eine geotropische, phototro- pische etc. Krümmung als den Ausdruck und die Folge einer epinastischen oder hyponastischen Eigenschaft ansehen können, die durch die einseitige Angriffs- weise der Schwerkraft, des Lichts u. s. w. (labil) inducirt wird. Aus Zweckmässigkeitsgründen werden wir uns in den folgenden Betrach- tungen, die sich übrigens nur auf eine Anzahl auffälliger oder ökologisch be- deutungsvoller Bewegungen erstrecken können, nicht ängstlich an die aufgestellte Schablone halten. So werden z. B. die tropistischen Reizbewegungen der Ranken im Vereine mit den anderweitigen Klettereinrichtungen in dem Kapitel XII (Krümmungsbewegungen) behandelt, während verschiedene nastische Reactionen erst in Verbindung mit den tropistischen Orientirungsbewegungen (Kap. XIII) besprochen werden. Endlich enthält § 106 (OefTnungs- und Schleuderbewegungen) einen kurzen Ausblick auf Vorgänge, die zwar ökologisch bedeutungsvoll, aber zumeist von anderer Natur sind, als die typischen Krümmungsbewegungen, und zum Theil keine vitalen Operationen vorstellen. 1) Ueber Autotropismus etc. vgl. II, § 107, H9. 358 Kap. XI. Allgemeines über Bewegungen. § 77, Die Bewegungsursachen. Bei allen diesen Bewegungen handelt es sich um Reizreactionen, die ent- weder durch einen äusseren oder durch einen inneren Anstoss veranlasst und dirigirt werden. Demgemäss sind bei der causalen Beurtheilung dieser Vor- gänge die allgemeinen Erörterungen über Reizvorgänge (I, § 3) zu Grunde zu legen, bei denen ohnehin vielfach an auffälligen Bewegungsvorgängen exemplificirt wurde. Immerhin dürfte es geboten sein, im Anschluss an I, § 3 und in An- passung an die zu besprechenden Bewegungsvorgänge einige allgemeine Betrach- tungen vorauszuschicken, die freilich nichts enthalten können, was nicht bereits im Prinzip in I, § 3 angedeutet ist, oder sich aus dem dort Gesagten ab- leiten lässt. Von der Reizbarkeit erhalten wir immer nur Kenntniss durch eine wahr- nehmbare Reaction, in unserem Falle also durch eine Bewegungsreaction, durch die aber zugleich die Sensibilität (Perception) erwiesen ist, ebenso wie die Realisirung der Reactionskette, durch welche Perception und Action verknüpft sind. Somit tritt die Bewegungsreaction nicht ein, wenn auch nur ein Glied der sensorischen, ductorischen oder motorischen Vorgänge ausgeschaltet wird oder den Dienst versagt. In der That lässt sich bei den Pflanzen, bei welchen die sensorischen und motorischen Theile (Organe) räumlich getrennt sind, ebensogut wie bei einem höheren Thiere zeigen, dass keine Reizreaction erfolgt, wenn nur das per- cipirende Organ zerstört ist, oder wenn allein die den Reiz transmittirende Bahn unterbrochen ist. (Ueber Reizleitung vgl. II, § 53, 95.) Bei der besten Auslösung der sensorischen und ductorischen Processe bleibt wiederum, im Thiere wie in der Pflanze, eine Bewegungsreaction aus, wenn die Bewegungsmittel lahmgelegt sind, die Bewegungsfähigkeit also aufgehoben ist. Somit können in den ausgewachsenen Pflanzentheilen keine Reizbewegungen zu Stande kommen, die, wie in sehr vielen Fällen, die schon bestehende Wachs- thumsthätigkeit zur Voraussetzung haben, also z. B. auf einer Verlangsamung, bezw. Beschleunigung des Wachsthums in den antagonistischen Flanken beruhen. Wenn also die ausgewachsene Pflanze nicht mehr reactionsfähig erscheint, so folgt daraus nicht, dass sie die Sensibilität verlor. Vielmehr ist nicht daran zu zweifeln, dass in vielen Fällen durch den Reiz die sensorischen und ductorischen Processe in gleicher Weise wie zuvor ausgelöst werden. Für ein solches Fort- bestehen dieser Sensibilität spricht u. a. die Thatsache, dass die Reactionsthätig- keit (die Schnelligkeit und Ausgiebigkeit der Reaction) mit dem Erlahmen der Wachsthumsthätigkeit nachlässt, im allgemeinen aber erst mit dem W^achsen aufhört, und wiederum bemerklich wird, wenn es gelingt die Wachsthumsthätig- keit von neuem zu erwecken. In den ausgewachsenen Organen werden naturgemäss Bewegungsreactionen nur soweit merklich, als es die Eigenschaften der Wandungen, der Aufbau der Organe u. s. w. zulassen (II, §16,17). Demgemäss wird eine Turgorsenkung, die in dem Staubfaden von Centaurea oder in dem Blattgelenk von Mimosa eine an- sehnliche Verkürzung bezw. Krümmung bewirkt (II, § 91), in dem Faden einer Spirogyra oder in dem Zweige einer Holzpflanze keine auffällige Dimensions- änderung oder Krümmunsr veranlassen. Denn derartiere Erfolge bleiben sogar § 77. Die Bewegungsursachen. 359 aus, wenn der Turgor gänzlich oder Jjei einem verholzten Zweige einseitig auf- gehoben wird. In solchen Organen wird uns also nicht durch einen Bewegungs- vorgang angezeigt, wenn sich im hinern Reizvorgänge abspielen, die in dehnbaren Gewehten u. s. w. eine auffällige Verkürzung oder Krümmung er- zielen würden. Die causale Forschung muss naturgemäss dahin streben, die sensorischen, ductorischen und motorischen Functionen thunlichst zu präcisiren und im näheren in die maassgebenden Factoren zu zergliedern. Freilich ist zur Zeit nur eine gewisse Einsicht in einige motorische Processe gewonnen. Denn mit der besten Ermittlung der Reiz- und Reactionsbedingungen, sowie der Lage, der Ge- stalt, des anatomischen Baues etc. des percipirenden Organes und der Leitbahnen, sind noch nicht die Processe aufgehellt, die den sensorischen und ductorischen Vorgängen zu Grunde liegen i). Da sich zudem die sensorischen und ductori- schen Processe nicht, oder doch nicht bestimmt, auseinanderhalten lassen, wenn sie, wie in den meisten Fällen, räumlich zusammenfallen, so sollen in Folgen- dem zunächst als sensorischer Vorgang der primäre Reizvorgang (primäre hii- pression, Perception des Reizes), sowie die Gesammtheit der sich anschliessen- den Processe zusammengefasst werden, durch welche endlich die Auslösung der mechanischen Action (der motorischen Vorgänge) verursacht wird 2). Jedenfalls ist z. B. die Perception des tropistischen Reizes die Ursache, dass die Schwärmzelle mit Hilfe ihrer Bewegungsthätigkeit nach dem Lichte hinsteuert oder das zu intensive Licht flieht. Auch ist es einleuchtend, dass der Uebergang der positiven in die negative heliotropische Krümmung allein in den sensorischen Processen begründet sein muss, wenn das schwächere bezw. das intensivere Licht nur die sensible Spitze, aber nicht den motorischen i) Bezüglich der ductorischen Vorgänge siehe II, § 53, 120. 2) Versteht man unter »Perception« nur die ersten physiologischen Wechselwir- kungen, mit welchen der Reizprocess in dem lebendigen Organe, also in dem Proto- plasten, anhebt, so wird man doch kernen Anstand nehmen, diesen Ausdruck zur Kenn- zeichnung des ganzen sensorischen Processes insbesondere da anzuwenden, wo dieser sich zur Zeit nicht in die einzelnen Factoren und Abschnitte zergHedern lässt. Zu diesen Factoren können aber auch vorbereitende Vorgänge gehören, durch welche der Beginn des physiologischen Reizprocesses vermittelt oder ermöglicht wird. Das ist z. B. der Fall, wenn durch Anschneiden des Stengels von Mimosa eine mechanische Wasser- bewegung veranlasst wird, die eine physiologische Auslösung in den Blattgelenken (II, § 95) hervorruft, oder wenn etwa die mechanische Senkung der specifisch schwereren Körper die Ursache der geotropischen Reizung wird (11, § 127), oder falls durch Licht oder durch einen hinzutretenden Stoff im Zellsaft (oder auch im Plasma) eine chemische Umsetzung bewirkt wird, die durch die producirten Stoffe zur Auslösung des Reizes führt etc. In diesen vorbereitenden Vorgängen handelt es sich, ebenso wie bei den duc- torischen Processen, um verschiedenartige Processe- und Combinationen, die von Fall zu Fall aufzuhellen sind. Wie man aber summarisch von ductorischen Processen oder von der Reizkette spricht, so kann man auch generell von vorbereitenden Processen oder von indirecter Reizung reden. Denn bei dem heutigen Stand unserer Kenntnisse ist eine weitere Einführung von Kunstausdrücken nicht geboten. Uebrigens ist ein- leuchtend, dass auch in den ductorischen Vorgängen als Verbindungsglieder rein chemische oder physikalische Processe im Protoplasma oder auch ausserhalb des Pro- toplasmas eine Rolle spielen können (vgl. z. B. II, § 53). — Nomenclaturvorschläge z. B. bei F. Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 214, 302; Centralbl. für Physiol. 1900, Bd. 13, p. 209. Weitere Literatur ist an diesen Stellen citirt. 360 ^^P- ^^- Allgemeines über Bewegungen. Basaltheil des Blattes am Keimling von'Avena u. s. w. (II, § 120) trifft. Wirkt aber das Licht oder ein anderes Agens auf die bewegmigsthätige Zone, so ist es auch möglich, dass eine Veränderung der Reaction durch eine Verschiebung in den motorischen Vorgängen bezw. in den zu Grunde liegenden Factoren verursacht wird. Da auch die sensorischen Vorgänge aus zahlreichen Einzel- processen bestehen oder doch bestehen können, so kann eine Modification der sensorischen Processe, und damit der ausgelösten Action, auf verschiedene Weise bewirkt werden. Denn der Modification der Endreaction lässt sich selbst dann, wenn die motorischen Vorgänge unverändert bleiben, nicht ansehen, ob etwa die Stimmung (Constellation) im Protoplasten durch einen autogenen oder aitio- genen Einfluss derart verändert wurde, dass schon der primäre Act der Per- ception oder dass ein oder einige Glieder in der Reizkette anders ausfallen. Aus dem Wesen der Reizreaction und dem Gesagten folgt ohne weiteres, dass eine Identität der sensorischen und motorischen Processe vorliegen kann, aber nicht vorhegen muss, wenn bei zwei verschiedenen Organismen durch den- selben Reizanstoss eine formal ähnliche Reizreaction hervorgerufen wird. Aller- dings vermögen wir auf Grund unserer Kenntnisse nicht zu sagen, ob bei ver- schiedenen Pflanzen z. B. bei den heliotropischen (oder bei anderen tropistischen) Bewegungen die sensorischen Processe übereinstimmen oder Verschiedenheiten bieten. (Ueber die Reizleitung vgl. II, § 53.) Auf eine Differenz kann z. B. nicht aus der Gestaltung der Reaction geschlossen w^erden, die naturgemäss, wie schon hervorgehoben wurde, bei den locomotorischen Organismen anders ausfällt, als bei den festgewurzelten Pflanzen, bei denen die Krümmung wiederum durch Wachsthum oder durch Variation vollbracht wird. Uebrigens muss weder die Variations- noch die Wachsthumskrümmung (vgl. II, Kap. II und § 78) in allen Fällen in genau derselben Weise ausgeführt werden. Zu dem Charakter der Reizvorgänge gehört ferner, dass durch denselben Reiz, je nach den Eigenschaften des Organismus, verschiedenartige Processe aus- gelöst werden, dass aber auch durch verschiedenartige Reize (Perceptionen) dieselbe motorische Action veranlasst werden kann. Thatsächlich benutzt die Schwärmzelle, ebenso wie der Mensch, immer dieselben Bewegungsmittel, wenn der Organismus durch irgend einen äusseren Reiz veranlasst würd, sich nach einer bestimmten Richtung zu bewegen. Die festgewurzelte Pflanze aber ant- wortet auf einen jeden wirksamen tropistischen Reiz mit einer Wachsthums- krümmung, die vermuthlich in vielen Fällen mit denselben Mitteln ausgeführt wird, gleichviel ob eine phototropische, geotropische, chemotropische oder eine andere tropistische Reaction vorliegt. Da aber die verschiedenen tropistischen (ebenso andere) Fähigkeiten sich nicht gegenseitig bedingen, da also z. B. die phototropische, chemotropische, geo- tropische und andere Reactionsfähigkeiten in einem Organe ebensogut vereint als getrennt vorkommen, so ist damit angezeigt, dass es specifisch differenter Sen- sibilitäten bedarf, um einen photischen, einen chemischen oder einen anderen tropistischen Reiz zu percipiren. Es liegen also analoge Verhältnisse vor, wie bei dem Menschen, bei dem die Unterdrückung des Gesichtssinnes keine Alte- ration des Gehörsinnes zur Folge haben muss und umgekehrt. Dieser Vergleich ist gestattet, wenn wir auch bei der Pflanze im allgemeinen keine distincten und specialisirten Sinnesorgane kennen und nichtanzugeben vermögen, in welcher § 77. Die Bewegungsursachen. 361 Weise es erreicht ist, dass der eine Protoplast dauernd oder zeitweilig mit anderen sensorischen Fähigkeiten ausgestattet ist, als der andere, und dass sich unter Umständen die eine Fähigkeit suspendiren lässt, während die andere fort- dauert(vgl. II, § 105, 121, 122)1). Uebrigens ist es ebensogut wie für entspre- chende Auslösungen in Mechanismen verständlich, dass z. B. bei 7/limosa derselbe sensorische Process durch verschiedenartige Anstösse ausgelöst wird (II, § 89). Die Reizerfolge sind stets von dem jeweiligen Zustand (der jeweiligen Stim- mung, dem jeweiligen Tonus) 2) des Organismus (der Organe) abhängig, der mit der Entwickelung und den Aussenbedingungen (der Inanspruchnahme) veränder- lich ist. Es wurde dieses bereits I, § 1 6 betont und zum Theil durch Beispiele erläutert, die den Erfahrungen über Bewegungsvorgänge entnommen sind. Wenn zugleich hervorgehoben wurde, dass bei dem Zusammengreifen von zwei (oder einigen) Reizungen der Erfolg nicht einfach der Summe der Einzelwirkungen entspricht und entsprechen kann, so ist doch an dieser Stelle eine etwas nähere Beleuchtung dieses Problems geboten. In diesem Falle müssen wir wiederum beachten, dass durch den Reiz nur die sensorischen oder nur die motorischen Fähigkeiten und Functionen oder beide Processe zugleich betroffen und modificirt werden können. Gesetzt die moto- rischen Fähigkeiten bleiben unverändert, so wird es sich zunächst darum han- deln, ob die von den beiden Reizen ausgelösten sensorischen Processe unab- hängig von einander verlaufen, ob also gleichzeitig zwei verschiedene Impulse auf den motorischen Apparat ausgeübt werden, oder ob in den sensorischen Vorgängen (in der Perception oder in der Reizkette) eine gegenseitige Beein- flussung und vielleicht ein derartiges Zusammengreifen und Verschmelzen (bezw. eine gegenseitige Compensation etc.) der ausgelösten Processe eintritt, dass auf den motorischen Apparat nur ein einzelner, einheitlicher (resultirender) Impuls ausgeübt wird. Ob die sensorischen Processe in der einen oder in der andern Weise ver- liefen, kann man dem Reactionserfolge nicht ansehen. Auch wird eine Bewe- gungsreaction ebenso unterbleiben, wenn sich zwei entgegengesetzt gerichtete Rei- zungen schon in den sensorischen Vorgängen aufheben (neutralisiren), oder wenn durch zw^ei getrennte sensorische Processe zwei motorische Auslösungen 1) Ueber specifische Energieen siehe I, p. 14. 2) Als physiologischen Ausdruck für »Stimmung« kann man allgemein »Tonus« an- wenden und demgemäss in Bezug auf die Reize (Bedingungen), welche einen bestimm- ten Stimmungszustand (Reizzustand) herstellen, von tonischen Reizen reden. Vgl. diesen Bd. II, p. 78, sowie J. Massart, Biolog. Centralbl. 1902, Bd. 32, p. 41 ; H. Miehe, Jahrb. f. wiss. Bot. 1902, Bd. 37, p. 571. — Mit Miehe kann man, je nachdem eine Steigerung, Schwächung oder Umkehrung des Reactionsvorganges bewirkt wird, anatonische, kata- tonische und metatonische Reize unterscheiden. — Zu den tonischen Reizeffekten gehört also auch Enge Im ann's »Photokinese«, ein Ausdruck, mit dem dieser Autor kennzeichnen will, dass durch Beleuchtung die Bewegungsthätigkeit eines locomotorischen Organis- mus erweckt wird (Engelmann, Pflüger's Archiv f. Physiologie 18S-2, Bd. 30, p.l69;. Ueber Chemokinese vgl. Rothert, Flora 1901, p.374; vgl. auch Nagel, Bot. Zeitung 1901, Ref., p. 298. Von W. E. Garrey (The Effects of Ions upon the aggregation of flagellated Infusoria 1900, p. 291 d. Separatab.) ist »Photokinese« in anderem Sinne, nämlich allge- mein zur Bezeichnung der durch den plötzlichen Lichtwechsel veranlassten Verände- rungen der Bewegungsthätigkeit benutzt worden. 362 KaP- ^'- Allgemeines über Bewegungen. angestrebt werden, die mit gleicher Energie zwei entgegengesetzt gerichtete Be- wegungen in Gang zu setzen suchen. Demgeniäss müssen auch in dem zuletzt genannten Falle die zur Krümmung (Bewegung) nothwendigen Thätigkeiten nicht realisirt werden i). Tritt aber infolge des Ueberwiegens eines der beiden Reize eine Bewegungsreaction ein, so kann zur Ausführung derselbe Energieaufwand genügen wie dann, wenn die gleiche Krümmung durch einen einzelnen Reiz ausgelöst wird. Ebenso hat der Mensch bei der Fortbewegung auf eine bestimmte Entfernung dieselbe Arbeit zu leisten, gleichviel ob er zu cheser Fortbewegung durch einen einzelnen Reiz oder durch die Resultirende aus einer Summe von Reizen ver- anlasst wurde. Wenn wir mit vollem Rechte bei dem Zusammengreifen von Reizen von einer resultirenden Reaction reden, so ist doch wohl zu beachten, dass es sich um ein verwickeltes Resultat, also nicht um die physikalische Resultante aus den Actionen handelt, die durch die betheiligten isolirten Einzelreize hervorge- rufen werden. Das ist auch dann der Fall, wenn die Reize gleichsinnig zusam- menwirken, also eine gleichgerichtete Bewegung verursachen. Denn selbst bei dem einfachsten Zusammenwirken ist eine glatte Summirung schon desshalb aus- geschlossen, weil die Ausgiebigkeit und Schnelligkeit einer physiologischen Be- wegung, in Folge der beschränkten Reactions- und Actionsfähigkeiten des Orga- nismus, nur bis zu einem gewissen Grade steigerbar sind. Desshalb nimmt auch bei Anwendung eines einzelnen Agens die Reaction nicht in demselben Verhältniss zu wie die Intensität des Reizes. Eine zufriedenstellende causale Aufhellung dieser und der sich anschlies- senden Probleme setzt eine bessere Einsicht in die normalen Reizprocesse voraus, als sie uns derzeit zur Verfügung steht, hnmerhin lässt sich aus den vorliegenden Erfahrungen ersehen, dass, wie nicht anders zu erwarten, ver- schiedenartige Modalitäten und Combinationen vorkommen. Auch ist klar, dass eine Umstimmung auf einer Veränderung in dem sensorischen Theile des Reiz- processes beruhen muss, wenn die Gesammtheit der motorischen Befähigungen unverändert bleibt (vgl. II, p. 360). Dass dem so ist, lässt sich freilich selbst dann nicht mit voller Sicherheit behaupten, wenn der umstimmende Reiz nur auf den räumlich getrennten percipirenden Theil des Organes wirkt. Denn dann ist immer noch möglich, dass die ausstrahlenden ductorischen Processe eine Verschiebung in denjenigen Constellationen verursachen, durch welche die Action besorgt und modificirt wird. Ohne Frage ist aber der reactionelle Stimmungswechsel in sehr vielen Fällen ganz oder der Hauptsache nach durch eine Veränderung in den senso- rischen Processen (in den diesen zu Grunde liegenden Constellationen) bedingt. Auf diese Weise dürften z. B. der Regel nach die mannigfachen Moditicationen der Reizstimmung zu Stande kommen, die zur Folge haben, dass ein Organ durch einen bestimmten tropistischen Reiz zu einer veränderten Reaction ver- anlasst wird. Dagegen ist es zum Beispiel nicht ohne weiteres klar, ob bei dem Aetherisiren von Mimosa pudica die Empfindlichkeit gegen Erschütte- 1) Das gilt nicht für alle Fälle. Denn factisch kann die Krümmung etc. auch unterbleiben, obgleich thatsächlich entgegengesetzte Reactionen, also eine Steigerung der Gesammtthätigkeit, ausgelöst wurde. § 77. Die Bewegungsursachen. 363 rang aufgehoben wird, weil die perceptorischen, die ductorischen, die motori- schen oder einige dieser Processe sistirt werden. Ebenso ist es in einem concreten Falle schwer oder gar nicht entscheidbar, ob zwei Reizwirkungen schon im sensorischen Gebiete zu einem einheitlichen Impulse verschmelzen, oder ob sie getrennt verlaufen und demgemäss zwei ver- schiedene Auslösungen in dem motorischen Gebiete hervorzurufen suchen. Wenn ersteres z. B. häufig bei dem Zusammengreifen von zwei differenten tropistischen Reizen vorkommen dürfte, so scheint eine solche Verschmelzung öfters nicht einzutreten bei dem Zusammengreifen von tropistischen mit photonastischen Stoss- und Contact-Reizungen. Auch dürften neben diesen aitiogenen Reizer- folgen die autogenen Bewegungen real angestrebt werden. Uebrigens ist immer nur eine relative Unabhängigkeit der sensorischen und motorischen Processe möglich, da bei der correlativen Verkettung des Gesammtgetriebes durch die Modification eines Processes auch die übrigen Vorgänge und Bedingungen be- einflusst w^erden (II, § 45). Mag nun die Reizung und der Reizprocess in einfacher oder verwickelter Weise zu Stande kommen, jedenfalls tritt eine merkliche Reaction erst ein, wenn der Anstoss eine specifisch verschiedene Intensität, den Schwellenwerth des Reizes, überschreitet. Ebenso ist schon früher (I, p. 12) allgemein hervor- gehoben, dass die Reizreaction erst nach einem kürzeren oder längeren Latenz- stadium beginnt und dann schneller oder langsamer bis zu einem gewissen Grade fortschreitet. Uebrigens wird die Reactionsbewegung im allgemeinen vom Beginn ab bis zu einem Maximum beschleunigt werden, um dann allmählich nachzulassen und auszuklingen. Bei den langsameren Bewegungen, wie sie im Pflanzenreich zumeist üblich sind, pflegt die Dauer des Latenzstadiums zwischen einigen Secunden und einigen Stunden zu liegen. Nach der Induction des Reizzustandes schreitet die Re- action, trotz der Aufhebung der Reizwirkung, eine gewisse Zeit und zwar im allgemeinen um so länger fort, je schwieriger und langsamer die Reizreaction hervorgerufen (inducirt) wurde. Die Action wird somit erst nach der Sistirung der Reizwirkung bemerklich, wenn diese rechtzeitig aufgehoben wird. Analoge Beziehungen bestehen übrigens auch bei den schnellen Reizbewegungen der Blätter von Mimosa pudica, der Staubfäden von Centaurea etc., bei welchen der Reactionsverlauf auf sehr kurze Zeit zusammengedrängt ist. Die besagten Verhältnisse treten also bei diesen Pflanzen auffälliger hervor, wenn die Reac- tionsdauer durch Erniedrigung der Temperatur u. s. w. verlängert wird. Die Empfindlichkeit der Pflanze, sowie die Dauer und die Ausgiebigkeit der Reaction sind überhaupt, wie eine jede Thätigkeit, von den formalen Aussenbedingungen abhängig, lassen sich aber durch die günstigsten Aussenbedingungen natürlich nur bis zu einem gewissen, specifisch verschiedenen Maasse steigern. Spielt sich eine Reaction schnell ab, so ist auch damit angezeigt, dass alle Phasen des Reizprocesses schnell durchlaufen werden. Ausserdem muss von Fall zu Fall entschieden werden, ob die Verzögerung des Eintritts und des Ver- laufs der Reizreaction durch die sensorischen oder motorischen Vorgänge oder durch beide verursacht wird. Offenbar ist es oft durch die Abnahme der moto- rischen Fähigkeiten bedingt, dass die Nutationskrümmung bei demselben Reiz- anstoss in den etwas älteren und minder wachsthumsthätigen Partien der Wurzel. 364 Kap. XL Allgemeines über Bewegungen. des Stengels u. s. w. später eintritt und nicht so ausgiebig ausfällt, als in den jüngeren Theilen. Ausserdem geht aus den weiterhin mitzutheilenden Erfah- rungen über tropistische und andere Reizreactionen hervor, dass vielfach der Reiz nur allmählich percipirt wird, und dass eine gewisse und zum Theil eine erhebliche Zeit verstreicht, bevor die sensorischen Processe so weit durchlaufen sind, dass die auslösende Wirkung auf den motorischen Apparat beginnt. Be- sonders klar tritt dieses dann hervor, wenn der percipirte Reiz durch Ver- mittlung einer Leitbahn der motorischen Zone übermittelt wird (II, § 53, 120). Uebrigens dürfte die Ausdehnung der Latenzzeit in einem sehr actionsfähigen (Jrgane zumeist durch die langsame Abwickelung der sensorischen Processe ver- ursacht sein. Abgesehen von den locomotorischen Organismen ist die autogene und aitio- gene Bewegungsthätigkeit der Pflanzen zumeist darauf berechnet, die Organe während der Entwicklung oder fernerhin allmählich in eine bestimmte Lage zu bringen, und nur vereinzelt (Blätter von Mimosa pudica, gewisse Staubfäden, Nar- ben U.S. w.) ist zur Erreichung gewisser Ziele und Zwecke die Befähigung zu einer schnellen Reizbewegung ausgebildet. Bei diesen schnellen Bewegungen handelt es sich zmueist um eine transitorische Reaction, die durch den plötzlichen Wechsel, also durch einen Uebergangsreiz, ausgelöst wird (bei Mimosa z. B. durch Stoss, d. h. durch den Druckwechsel, durch Transpirationsveränderung u. s. w.). Man kann desshalb diese Reactionen als transitorische, rückregulirende oder Ueber- gangsreizungen, die Gleichgewichtsbewegungen als permanente oder stationäre Reizungen bezeichnen (I, p. 15). In diesen wird also die Bewegung nicht durch den plötzlichen Wechsel (Uebergangsreiz), sondern dadurch veranlasst, dass das Organ in die den neuen Bedingungen entsprechende Gleichgewichtslage übergeht, in der es so lange verharrt, als die Reizbedingungen und die Eigenschaften der Pflanze unverändert bleiben. In eine solche constante Gleichgewichtslage werden aber be- kanntlich die Pflanzenorgane nicht nur bei Gonstanz der geotropischen, heliotro- pischen und anderer Orientirungsreize, sondern auch bei Gonstanz der dif- fusen Reize, z. B. in den photonastischen und thermonastischen Bewegungen, übergeführt (vgl. I, p. 1 5). Mit der Aufstellung dieser Typen sollen aber nicht scharfe Grenzen gezogen sein. Denn thatsächlich wirken beide Reizungen öfters zusammen, und durch das Zusammengreifen wird u. a. der besondere Verlauf der thermonastischen und photo- nastischen Bewegungen verursacht (II, § 96 — 104). Ferner kehren nicht alle Or- gane, wie es die Blätter von Mimosa pudica thun, trotz der Wiederholung der Stösse (der Uebergangsreize) in die Ausgangslage zurück. Vielmehr nehmen z. B. die Ranken, die Blättchen von Oxalis bei Wiederholung der Uebergangsreizung eine neue Gleichgewichtslage an, sowie auch der Muskel bei einer genügend schnellen Aufeinanderfolge der Reizungen in einem Contractionszustand (Tetanus) verharrt. Auch gehört es nicht zu dem Wesen der transitorischen Reizungen, dass durch einen wirksamen Reiz, wie bei Mimosa pudica, die volle Bewegungsam- plitude ausgelöst wird. Vielmehr wird in vielen Fällen, so z. B. bei den Blättchen von Oxalis, durch den einzelnen Stoss nur eine submaximale Reizung und erst durch wiederholte Erschütterungen die völlige Senkung der Blättchen verursacht (II, § 90). Uebrigens ist bereits hervorgehoben (I, p. 19), dass ein labiler Zu- stand keine unerlässliche Vorraussetzuns: für die Realisirung einer Reizbewegung § 77. Die Bewegungsursachen. 365 ist. Denn ein labiler Zustand besteht nicht in den Organen, die sich in einer fixen Gleichgewichtslage befinden, und die Reizbewegung, die zu einer neuen Gleichgewichtslage führt, wird z. B. in vielen Fällen ohne eine Steigerung der Wachsthumsthätigkeit, also durch eine entsprechende Lenkung dieses Bewegungs- mittels^ ausgeführt. Natürlich ist aber die Aufhäufung von schnell activirbarer Spannkraft (potentieller Energie) nothwendig, um die plötzliche Reizbewegung von ■Mimosa u. s. w. zu ermüglichen. Sofern nicht durch eine jede erfolgreiche Reizung die maximale Bewegungsam- plitude ausgelöst wird, nimmt die Excitation mit der Steigerung des Reizanstosses zu. Es wird dieses dadurch angezeigt, dass nach einer solchen Steigerung die Bewegungsreaction früher bemerklich wird und in derselben Zeit ansehnlicher ausfällt. Ein derartiger Erfolg tritt ebenso bei einer vorübergehenden, als auch bei einer intermittirenden oder continuirlichen Einwirkung des Reizes ein. Im letztgenannten Falle wird zudem z. B. bei einer continuirlichen schwächeren he- liotropischen, geotropischen, photonastischen u. s. w. Reizung der Gleichgewichts- zustand schon bei einer geringeren Krümmung (Reactionsgrösse) erreicht sein, als bei einer stärkeren Reizung. Jedoch besteht, wie schon (II, p. 362) angedeutet wurde, kein einfaches Verhältniss zwischen der Grösse des Reizanstosses und der Grösse der Reaction. bezw. der sensorischen Excitation. Diese physiologischen Vorgänge nehmen aber gewöhnlich langsamer zu als der Reiz, so dass im allgemeinen ein ansehn- licherer absoluter Reizzuwachs nothwendig ist, um in dem stärker gereizten Or- ganismus eine gleiche Excitation oder Excitationssteigerung hervorzurufen, wie in der schwächer gereizten Pflanze. Bei der Pflanze wird also, in analoger Weise wie bei dem Menschen, die Sensibilität mit der Steigerung der Inanspruchnahme durch die Reizung abgestumpft (vgl. II, § 124). Auch darin besteht eine Analogie, dass die Pflanze, ebenso wie der Mensch, durch eine genügende Erhöhung der Intensität des Lichtes (oder eines anderen Reizes) veranlasst werden kann, sich von der Lichtquelle zu entfernen. Demgemäss sammeln sich die phototropisch reizbaren, locomotorischen Organismen in einiger Entfernung von der Lichtquelle, d. h. an der Stelle, wo sich, wie wir sagen können, die positiv und negativ pho- totactische Wirkung das Gleichgewicht halten (II, §'145). Die festgewurzelten Pflanzen aber, die sich in grösserer Entfernung von der Lichtquelle positiv he- liotropisch krümmen, nehmen in einem gewissen Abstand von der Lichtquelle eine transversale (diaheliotropische) Stellung ein und bewegen sich bei weiterer Annäherung an die Lichtquelle negativ heliotropisch (II, § 1 1 2). Diese Erfolge beruhen wiederum auf einem Stimmungswechsel, der in vielen Fällen wohl dadurch erzielt wird, dass die verschiedenen Vorgänge (Constellationen), aus welchen der sensorische Process resultirt, bei der Steigerung der Reizung in einem ungleichem Grade beeinflusst werden. Anschaulich tritt dieses z. B. dann hervor, wenn bei der Erhöhung der Concentration die osmotische Reizwirkung (der negative Osmotropismus) derart das Uebergewicht erlangt, dass der positive Chemotropismus äquilibrirt oder überwunden wird (II, § i15, 149). Durch eine Störung und somit auch durch eine Reizkrümmung werden, wie es das selbstregulatorische Getriebe erfordert, zugleich Gegenreactionen her- vorgerufen, die auf die AViederherstellung des bisherigen Gleichgewichts hinar- beiten. Demgemäss wird nach der Sistirung einer tropistischen oder anderen 366 ^I- Kap. Allgemeines über Bewegungen. Reizung die Reactionskrümmung ausgeglichen und die Lage (Richtung) wieder- hergestellt, die das Organ vermöge der inneren dirigirenden Ursachsen (des Auto- tropismus) anzunehmen streht (II, § 119). Natürlich ist eine Ausgleichung nicht mehr möglich, wenn die Bewegungsfähigkeit verloren ging. Somit bleiben in den ausgewachsenen Organen die Reizkrümmungen erhalten, zu deren Ausgleichung die Gelenke befähigt sind, solange in ihnen die Bewegungsfähigkeit bewahrt bleibt. Uebrigens hängt es von den obwaltenden Verhältnissen ab, ob die selbstregu- latorische Rückwärtsbewegung schneller, oder, wie es zumeist der Fall ist, lang- samer verläuft, als die aitiogene Reizbewegiing, die sich z. B. in den Blattgelen- ken von Mimosa pudica u. s. w. viel schneller abspielt, als die allmähliche Wie- derherstellung des labilen, reactionsfähigen Zustandes. Da aber die autogenen dirigirenden Factoren immer thätig sind, so greifen auch dann, wenn nur ein einzelner Aussenreiz influirt, verschiedene Factoren (Reize) zusammen, und der Erfolg resultirt somit auch in diesem Falle, in ana- loger Weise wie bei der gleichzeitigen Einwirkung von zwei Aussenreizen (II, p. 362), aus dem Zusammenwirken von verschiedenartigen Reizungen. Als eine P'olge des Zusammengreifens der autogenen und aitiogenen Factoren, sowie der AMrkungen, die durch die realisirte Bewegung ausgelöst werden, ergiebt sich, dass die Krümmungsreaction in der Regel über die Gleichgewichtslage hinaus- geht, die also erst nach einer oder einigen Oscillationen erreicht wird. Das- selbe ist ja auch der Fall bei einem angestossenen Pendel, das erst allmählich zur Ruhe kommt. Ebenso werden z. B. die Temperatur eines Raumes und die Quecksilbersäule des Regulators zunächst sogar erheblich um die Gleichgewichts- lage schwanken, wenn sich bei einem schnellen Anheizen des Thermostaten die Luft ^^el schneller erwärmt, als das Quecksilber im Regulator. Thatsächlich ist auch bei den tropistischen und nastischen Bewegungen, bei dem Rückgang der gereizten Blätter von Mimosa, überhaupt bei den verschiedensten physiologi- schen Reactionen, eine mehr oder minder auffällige Oscillation um die endliche Gleichgewichtslage zu bemerken. Um solche Oscillationen, die längere Zeit an- halten, handelt es sich auch bei den Nachwirkungen der täglichen Bewegungen (II, § 98). Jedoch können Oscillationen auch aus inneren Ursachen entstehen und unterhalten werden (II, § 79). Ueberhaupt ist zu beachten, dass die phy- siologischen Reactionen complicirter Natur sind, und dass z. B. durch die all- mähliche Accommodation oder durch anderweitige Verschiebungen der Eigenschaften des Organismus (bei Constanz der Aussenbedingungen) eine allmähliche Verände- rung der Gleichgewichtslage verursacht werden kann. Die allgemeinen Erörterungen gelten für höhere und einzellige Pflanzen, so- wie für jeden einzelnen Protoplasten. Denn in diesem Elementarorganismus sind die functionell ungleichwerthigen Organe und Theile ohne Frage auch in den Rcizprocessen in verschiedener Weise beiheiligt (vgl. I, § 7 — 9; 11^ § 126, HO). Nur vermögen wir nicht die Organe und die Vorgänge zu präcisiren, durch welche die Perception und die sich anschliessenden Processe vermittelt werden, Processe, die sich, wie alle Vorgänge im Protoplasten, in correlativer Verkettung auf kleinem Räume abspielen. Ebenso ist uns unbekannt, durch welche Veränderungen und Umstellungen im Protoplasten die Eigenschaften, also auch die Sensibilität dieses Elementarorganismus, modiflcirt werden. So wie aber auch andere Ei2;enschaften und Fählirkeiten erst zu gewisser Zeit oder unter § 77. Die Bewegungsursachen. 367 bestimmten Bedingungen auftreten oder verschwinden, so ist es auch möglich, dass schon die Perceptionslahigkcit nicht immer voi'handen ist. Zudem ist es nicht unwahrscheiuUch, dass in manchen Fällen die Perception eines Reizes durch die gleichzeitige Auslösung verschiedener Vorgänge zu Stande kommt, so wie t^s ja auch Maschinen giebt, deren Thätigkeit erst dm*ch das Zusammenwirken verschiedener Auslösungen erweckt und regulirt wird. Da aber die Organe und Bausteine des Protoplasten zu verschiedenen Lei- stungen befähigt sind und befähigt sein müssen, so haben wir im Protoplasma für kein Organ eine nur einseitige Reizbefähigung und somit auch nicht die Aus- bildung von Sinnesorganen zu erwarten, die ausschliesslich für die Perception eines einzelnen Reizes befähigt sind. Desshalb ist es aber doch möglich, dass z. B. in einem concreten Falle der Zellkern den Reiz percipirt oder als Reflexcentrum functionirt, während sich vielleicht ein anderer Reizprocess ohne eine directe Betheiligung des Zellkerns abspielt. Das trifft z. B. zu, wenn in der kernfreien Cytoplasmamasse vitale Functionen (z. B. Plasmaströmung, Wimperbewegungen) vollbracht und durch Reize beeinllusst werden, wie das u. a. durch die galvano- taktische Reaction zellkernfreier Stücke von Infusorien angezeigt wird (vgl. I, § 9 und II, § 126, 142). Falls aber zur Ausführung der Reizbewegung die AVechselwirkung mit dem Kerne unerlässlich ist, kann dieses Organ dennoch bei der Perception des Reizes unbetheiligt sein. Dieses ist z. B. der Fall, wenn in einem einzelligen Rhizoid von Marchantia oder eines Farnprothalliums durch die Beleuchtung der Spitze eine heliotropische Krümmung ausgelöst wird, obgleich der Kern sich in der Basis des Haares befindet und von dem Lichtreiz direct nicht betroffen wird. Ohne Frage sind die cvtoplasmatischen Theile in einem ungleichen und ver- änderlichen Grade befähigt. Falls aber z. B. ein bestimmter Reiz nachweisUch von den Cilien eines locomotorischen Organismus percipirt wird, so ist damit nicht ausgeschlossen, dass die Hautschicht oder die übrigen Theile ebenfalls sensibel sind. A'oraussichtlich wird die mit besonderen Functionen betraute Hautschicht auch bei der Perception gewisser Reize in den Voi'dergrund treten. In wie weit wir Grund zu der Annahme haben, dass speciell die Richtungs- reize durch die relativ ruhende Hautschicht percipirt werden, soll später (II, § 126) beleuchtet werden. Ebenso haben wir fernerhin in Erwägung zu ziehen, ob die Lichtbewegung der Chloroplasten durch den in diesen Organen percipirten Reiz veranlasst wird (II, § 146), und ob der sog. Augenfleck der Schwärmzellen zur Perception des Lichtreizes bestimmt ist (II, § 145). Die sensorischen Processe werden natürlich nicht schlechthin durch die sicht- baren Bewegungen und Veränderungen im Protoplasten aufgeklärt, die sich als Folgen oder Begleiterscheinungen des Auslösungsprocesses einstellen. So wie man z. B. mit der Thatsache, dass eine Schwärmzelle nach dem Lichte wandert, noch nicht die veranlassenden perceptorischen und ductorischen Vorgänge kennt, so bleiben diese auch unbekannt, wenn etwa in einer Zelle durch einen tropisti- schen Reiz eine einseitige Anhäufung des Protoplasmas oder der Chloroplasten veranlasst wird. Uebrigens stellen sich in vielen Fällen locale Plasmaanhäufungen rein mechanisch, als eine Folge der realisirten Krümmung ein (vgl. 11^ § 126). Dass unter Umständen die eigentliche physiologische Perception im Protoplasma durch vorbereitende Processe vermittelt wird, ist bereits p. 359 Anmerk. 2 her- vorgehoben worden. Historisches. Schon seit Ende des 18. und seit Beginn des 19. Jahrhunderts waren nicht nur die schnellen Reizbewegungen von ]Mimosa etc., sondern auch die heliotropischen und andere Krümmungsbewegungen der Gegenstand von 36g XI. Kap. Allgemeines über Bewegungen. Studien, die dahin strebten, die causale Verkettung zwischen dem äusseren Anstoss und der Reaction festzustellen oder die mechanische Ausführung der Krümmungs- action aufzuhellen (vgl. II, p. 3, 8 6), während die kleinen und noch wenig be- kannten locomotorischen Pflanzen begreiflicherweise erst späterhin in den Kreis der Untersuchungen gezogen wurden. In diesen Studien ging das Streben zu- nächst dahin, die Bewegungen als die unmittelbaren Folgen der (mechanischen) äusseren Einwix'kungen zu deuten. So -wurden z. B. das partielle Etiolement auf der Schattenseite oder die directe Veränderung der elastischen Eigenschaften der Zellhaut durch das Licht als die Ursache des Hehotropismus (II, § 127), die plastische Senkung der Wurzel (II, § 128) oder die mechanische Senkung der specifisch schwereren Nährstoffe und die hierdurch einseitig geförderte Ernährung (und Wachsthunisthätigkeit) als die Ursache des negativen Geotropismus (II, § 127) angesprochen. Indem man so die directen (mechanischen) Wii'kungen des äusseren Agens und die sich daraus als nothwendige Folge ergebenden Bewegungen als den ganzen Inhalt der Reaction ansah, wurde verkannt^ dass alle diese Vorgänge in Wirklichkeit verwickelte physiologische Auslösungsprocesse (Reizvorgänge) sind. Allerdings hatte schon 1824 Dutrochet^) ausgesprochen, dass bei den helio- tropischen, geotropischen etc. Bewegungen das Licht, die Schwerkraft etc. nur die veranlassende Ursache seien , jedoch muss dieser Forscher von dem Wesen der Sache nicht recht durchdrungen gewesen sein, da er späterhin 2) oft in dh'ecten Widerspnich mit den früher ausgesprochenen Principien geräth. Jeden- falls ist aber z. B. in der ausgezeichneten Experimentalphysiologie von Sachs^) die causale Auffassung der langsameren Reizbewegungen noch von der angedeu- teten mechanistischen Auffassung beherrscht. Nachdem ich dann 1877^) betont hatte, dass es sich in diesen und anderen Vorgängen um physiologische Aus- lösungsprocesse handelt, wurde der Gegenstand, auch in Bezug auf die Reizbe- wegungen, in der I. Auflage dieses Buches^) in einer Weise aufgefasst und behan- delt, die durchaus mit dem heutigen Standpunkt übereinstimmt. An der be- sagten Stelle ist auch die hohe Bedeutung der Untersuchungen von Gh. Darwin") hervorgehoben, dm-ch welche nachgewiesen -wurde, dass sich in manchen Fällen die perceptorischen , ductorischen und motorischen Processe räumlich getrennt abspielen (über autonome Bewegungen vgl. II, § 79). Unserer Aufgabe gemäss haben wir auch in diesem Falle mit den gegebenen Eigenschaften zu rechnen und nicht die Frage zu discutiren, in welcher Weise die Bewegungsfähigkeit und die specifischen Reactionsfähigkeiten erworben wurden. Jedenfalls ist aber die Bewegungsfähigkeit die nothwendige Voraussetzung sowohl 1) Dutrochet. Rech. s. 1. structure antime d. animaux et d. vegetaux 1824, p. 107, 117, 130 u. s. w. 2) Dutrochet, Memoir. anatom. et physiol. d. vegetaux etc. 1837. 3) J. Sachs, Experimentalph-ysiol. 1863. 4) Pfeffer, Osmot. Untersuch. 1877, p. 202. 5) Pfeffer, Pflanzenphysiol. 1881, Bd. L p. 3; Bd. IL p. 117. 178, 286, 327 u. s. w. Bald darauf hat Sachs (Vorlesung über Pflanzenphysiologie 1883, p. 717) die All- gemeinheit der Reizvorgänge hervorgehoben, in denen er aber etwas von den Aus- lösungsprocessen Verschiedenes sieht. Zudem befindet sich Sachs in dem Irrthum, dass eine jede Reizreaction einen labilen Zustand voraussetze. — Näheres über die historische Entwickelung bei Pfeffer, Die Reizbarkeit d. Pflanzen 1893, p. 10 (Sep. a. Verh. d. Gesell, deutsch. Naturf. und Aerzte zu Nürnberg). Siehe auch dieses Buch Bd. I. § 3. 6) Ch. Darwin, Insektenfressende Pflanzen 1876; Bewegungsvermögen der Pflanzen 1881. § 78. Die Mittel zur mechanischen Ausführung der Bewegungen. 369 für eine autogene, als auch für eine aitiogene Bewegung, die sich nur darin unterscheiden, dass die Bewegung in dem einen Falle durch einen inneren, in dem anderen Falle durch einen äusseren Anstoss (Beiz) veranlasst und dirigirt wird (vgl, Bd. II, p. 161). Ueber diese Beziehungen war Ch. Darwin^) offenbar nicht im Klaren^ als er die Ansicht aussprach, dass alle Krümmungsbewegungen nur modificirte Circumnutationen seien. Denn in dieser Auffassung ist der Existenz und dem Ursprung der verschiedenen Sensibilitäten (ebenso der inneren Beize) keine Bechnung getragen, durch die (eben so wie bei dem Menschen durch die perceptorischen Sinnesorgane) veranlasst und ermöglicht wii"d, dass die Bewegungsfähigkeit zu verschiedenen Zielen und Zwecken ausgenutzt wird. Bei der wachsenden Pflanze, sowie bei der herumschwimmenden Schwärmzelle wird natürlich bei einem autogenen oder aitiogenen Anstoss durch eine Modi- llcation der bisherigen Bewegungsthätigkeit erreicht, dass eine Krümmung eintritt, oder dass der Schwärmer nach einer bestimmten Bichtung wandert. Jedoch wird z. B. bei der geotropischen Beizung des Grasknotens und in allen Fällen, in welchen das Wachsthum (die Bewegung) stille stand, die Bewegungsthätigkeit erst durch den äusseren Beiz erweckt. Autogene und aitiogene Ki'ümmungen (Bewegungen) , die dann, wenn beide angestrebt werden, zusammengreifen, sind also nicht nothwendig miteinander verknüpft. Vielmehr sind beide von speci- fischen Sensibilitäten (bezw. von inneren Beizen) abhängig, die sich, ebenso wie die Sinnesox'gane des Menschen, nicht gegenseitig bedingen. Desshalb ist es auch verständlich, dass eine Pflanze, die lebhafte Circumnutationsbewegungen ausführt, auf äussere Beize nur im geringen Grade mit einer Krümmungsbewegung ant- wortet und umgekehrt. Ausserdem ergibt sich aus diesem und dem folgenden Paragraphen von selbst, dass es auch Pflanzen giebt und geben kann, in welchen die aitiogene Bewegung in anderer Weise (mit anderen Mitteln) ausgeführt wird, als die autogene Bewegung. § 78. Die Mittel zur mechanischeii Ausführung der Bewegungen. Aus § 76 und 77 ergiebt sich bereits, dass die Bewegungen nicht nur in Be- zug auf die formale Erscheinung und die veranlassende Ursache, sondern auch in Bezug auf die Bewegungsmechanik Verschiedenheiten bieten. So werden die Schwärmbewegungen und die amöboiden Bewegungen (Kap. XIV) mit anderen Mitteln ausgeführt, als die activen Krümmungen (Kap. XII und XIII), die wir an dieser Stelle allein im Auge haben. Wie wir schon hörten (II, § 76), werden diese Krümmungen zumeist durch ^Vachsthum (Nutationsbewegungen), in ge- wissen Fällen (bei den Variationsbewegungen) aber durch elastische Dimensions- änderungen, also durch verschiedene Vorgänge erzielt, die hinwiederum durch differente Processe zu Stande kommen können. Jedenfalls ist die active Krümmung, ebenso die Verminderung oder die Wie- derausgleichung der Krümmung, die Folge einer relativ ungleichen Dimensions- änderung in den antagonistischen Partien der Zelle oder des vielzelligen Organes. Es bedarf keiner näheren Erörterungen, wie durch die entsprechende Lenkung dieser 4) Ch. Darwin, Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 489. — Uebrigens be- zweifelt Darwin selbst, dass man die Reizbewegungen der Blätter von Mimosa pudica. der Blatttentakeln von Drosera u. s. w. als eine modificirte Circumnutation ansehen könne. — Vgl. auch Wiesner, Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 202. Pfeffer , Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 24 370 Kap. XI. Allgemeines über Bewegungen. (physiologischen) Dimensionsänderungen eine geringe oder eine ansehnliche Krüm- mung erzeugt werden kann, die dauernd bleibt oder nach kurzer oder längerer Zeit wieder ausgeglichen wird. Bei Wiederholung dieser Thätigkeit werden re- gelmässige oder unregelmässige Schwingungen in einer oder in verschiedenen Ebenen ausgeführt. Wenn aber die Krümmungs- und Ausgleichsthätigkeit ein Organ so umwandert, dass dieses successive nach allen Richtungen der Windrose ausgebogen und also im Kreise herumgeführt wird, so ist damit die circum- nutirende Bewegung (Gircumnutation) hergestellt, die in auffälliger Weise von dem überhängenden Sprossgipfel der Windepflanzen vollbracht wird (II, § 84). Es ist nicht geboten, im näheren die mechanischen Bedingungen zu discutiren, unter welchen die angedeuteten Bewegungen oder, in anderen Fällen, eine Tor- sion zu Stande kommen, bezw. zu Stande kommen können. Unter Verweisung auf die bezüglichen Erörterungen bei Nägeli und Schwendener ^), sei hier nur darauf hingewiesen, dass sich Torsion und Winden nicht immer streng aus- einanderhalten lassen, dass man aber im allgemeinen Drehungen, um eine an- nähernd centrale (in den Stengel etc. fallende) Achse als Tordiren, Drehungen um eine excentrische Achse, also auch das Umschlingen einer Stütze, als Win- den bezeichnet. Da die meisten Pflanzen nur Nutationsbewegungen ausführen, so pflegt mit dem Wachsen die auffällige active Krümmungsthätigkeit zu erlöschen, die na- türlich wieder beginnen kann, wenn die W^achsthumsthätigkeit, wie z. B. in den geotropisch gereizten Grasknoten, von neuem aufgenommen wird. Jedoch folgt aus dem Unterbleiben einer activen Krümmung nur, dass eine solche nicht mit genügender Energie durch die Thätigkeit der Pflanze angestrebt wird. Denn be- kanntlich lassen sich krautige und verholzte Sprosse merklich und zum Theil sogar sehr ansehnlich beugen, ohne dass die Elasticitätsgrenze überschritten wird. Auch geht aus den Krümmungen, die nach der Längsspaltung eines krautigen Sprosses eintreten (II, § 18), hervor, dass die Energie der Gewebespannung ausreichen würde, um durch eine einseitige Veränderung der Expansionskraft in den anta- gonistischen Geweben, also durch eine Verschiebung des bisherigen Gleichgewichts- zustandes, eine active Beugung zu bewirken, die allerdings nicht ansehnlich aus- fallen kann, wenn das Organ eine geringe Biegungsfähigkeit besitzt. Thatsächlich ist denn auch in denjenigen Organen, die zur Ausführung von Variationsbewegungen bestimmt sind, durch den Aufbau eine grössere Bewe- gungsfähigkeit hergestellt. Im allgemeinen ist in den Blattgelenken der Legumi- nosen und anderer Pflanzen die bleibende ansehnliche Krümmungsfähigkeit da- durch erzielt, dass die verholzten, nur wenig dehnbaren Gefässbündel in die Mitte gerückt sind und von einem activen Gewebe umgeben werden, das durch die Elasticität der Wandungen und die Formänderung der Zellen eine ansehnliche Verlängerung und Verkürzung gestattet (II, § 16, 17)2). in dem 1) Nägeli und Schwendener, Mikroskop, IL Aufl. -ISTT, p. 416; Schwendener und Krabbe, Abhandig. d. Berlin. Akad. 1892, p. 56; R. Kolkwitz, Ber. d. bot. Ges. ■1895, p. 495 und die an diesen Stellen cit. Literatur. 2) Pfeffer, Die period. Bewegungen d. Blattorgane 1875, p. 3, 157. Ausser in der an dieser Stelle citirten Literatur finden sich Mittheilungen über den anatomischen Bau von Bewegungsgelenken z. B. bei A. Rodrigue, Bull. d. 1. soc. bot. d. France 1894, Bd. 41, p. 128; Schwendener, Sitzungsb. d. Berlin. Akad. 1896, p. 535; 1897, § 78. Die Mittel zur mechanischen Ausführung der Bewegungen. 371 Gefässbündelcylinder, der in Fig. 32 ungefähr die Mitte des Gelenkes einnimmt, liegt also die sich nicht verlängernde neutrale Achse (Fläche), wenn in irgend einer Weise, also z. B. dadurch eine Krümmung herbeigeführt wird, dass die Expansionsenergie (die positive Spannung) des activen Schwellgewebes in der einen Gelenkhälfte steigt oder in der Fig. 32. Längssclmitt (a) und Quersclinitt (b) aus dem Blattgelenk vou Phaseolus vulgaris (vergrössert). anderen Gelenkhälfte sinkt. In einer solchen Variationsbewegung wird demgemäss die eine (convexe) Flanke erheblich verlängert, während die andere (concave) Flanke in ent- sprechendem Maasse verkürzt wird. Diese Verkürzung tritt auch rein passiv ein, d. h. auch dann, wenn die concave Flanke durch die stei- gende Energie in der antagonistischen Gelenkhälfte unter Formänderung der Zellen i) comprimirt wird. Uebrigens werden derartige Gompressionen auch erzielt, wenn ein Gelenk oder ein anderes Pflanzenorgan innerhalb der Elasti- citätsgrenze gewaltsam gekrümmt wird. Bei einer Nutationsbewegung verlängert sich dagegen die Mittelachse (die der neutralen Achse entsprechende Fläche), und von der Grösse des mittleren Zuwachses, von dem Grad der Einkrümmung, der Dicke des Organs u. s. w. hängt es ab, ob die concav werdende Flanke eine Verkürzung oder eine Verlängerung erfährt oder ihre Länge unverändert bewahrt 2). Der Erfolg ist begreiflicher- weise nicht nur von den Wachsthumsveränderungen und den Wachsthumsbe- strebungen in den antagonistischen Geweben abhängig, sondern u. a. auch von der gegenseitigen Verkettung dieser Gewebe und von dem Widerstand, den die Gefässbündel oder andere inactive Elemente ausüben. Dass auch dieser Wider- stand eine Rolle spielt leuchtet ein, wenn man den Bewegungsmechanismus der Gelenke beachtet und bedenkt, dass z. B. bei einer Krümmungsbewegung in einem jungen, noch wachsthumsthätigen Gelenke der Gefässbündelcylinder (die neutrale Achse) eine gewisse bleibende Verlängerung erfährt. bezw. Durch die mit der Krümmung verbundene Verkürzung, Verlänge- rung der antagonistischen Gewebe wird zwar eine ungleiche Relation der Ex- pansions- bezw. der Wachsthumsthätigkeit markirt, aber nicht angezeigt, ob nur eine oder ob beide antagonistischen Hälften activ und ob in diesem Falle die antagonistischen Gewebe gleichsinnig oder ungleichsinnig thätig sind. Thatsäch- lich werden, wie zu erwarten, verschiedene Combinationen gefunden. Halten wir uns zunächst an die Variationsbewegungen, so bietet Mimosa pudica den p.228; 1898, p.l76; M.Möbius, Festschrift für Schwenden er 1899, p.37. — E.Pan- tanelli, Studii d'anatomia e fisiologia sui pulvini motori di Robinia et Porliera 1901. Vgl. ferner dieses Buch II, § 104, 128 und Haberlandt, Physiol. Anatom. II. Aufl., 1896, p. 475. 1) Pfeffer, Physiol. Unters. 1873, p. 73. Weitere Angaben auch in den in Anm. 2 p. 370 citirten Schriften. 2) Pfeffer, Die periodisch. Bewegungen d. Blattorgane 1875, p. 17. Vgl. ferner dieses Buch II, § 88, 103, 128 etc. 24* 372 Kap. XI. Allgemeines über Bewegungen. Fall, dass in Folge einer Reizung nur die eine Gelcnklitilfte erschlafft, während die andere Hälfte zwar nicht gereizt wird, jedoch durch die ihr inne- wohnende positive Spannung bei der Krümmung wirksam ist (II, § 91). Da- gegen nimmt bei den photonastischen Reactionen die Expansionsenergie in beiden Gelenkhälften gleichsinnig, jedoch ungleich schnell zu oder ab, so dass die zuerst erzielte Krümmung mit der Zeit theilweise oder ganz aus- geglichen wird (II, §104). Die Nachwirkungsbewegungen der Tagesperiode (II, § 104), sowie die autonomen Variationsbewegungen (II, § 82) werden da- gegen erzielt, indem gleichzeitig das Expansionsstreben in der einen Gelenk- hälfte zunimmt, in der anderen aber abninfimt. Dasselbe geschieht, wenn in dem Gelenke eine heliotropische oder geotropische Krümnmng ausgelöst wird (II, §129). Voraussichtlich kommen auch bei den verschiedenen Nutationsbewegungen alle müglichen Combinationen vor. In den meisten heliotropischen und geo- tropischen Krümmungen wird das Wachsthum auf der convexen Seite be- schleunigt, auf der concaven Seite verlangsamt, während die mittlere Wachs- thumsschnelligkeit (das Wachsthum der Mittellinie) etwas verändert wird oder unverändert bleibt (II, § 129). Dagegen werden die durch einen Contact aus- gelösten Krümmungen der Ranken (II, § 88], sowie z. Tb. die aitionastischen Nutationsbewegungen (II, § 1 03) erzielt, indem die mittlere Wachsthumsschnellig- keit transitorisch beschleunigt wird , und indem die antagonistischen Hälften gleichsinnig, aber ungleich schnell reagiren. Es ist aber wohl möglich (jedoch noch nicht sicher gestellt), dass in gewissen Fällen die Krümmung zu Stande kommt, indem das Wachsthum nur in einer Hälfte beschleunigt, bezw. ver- langsamt wird, oder indem eine Wachsthumsverkürzung eintritt. Eine Wachs- thumsverkürzung durch Formänderung der Zellen ist ja für die Wurzeln be- kannt (II, p. 15), und falls dieser Vorgang sich einseitig an einem Organe abspielt, wird natürlich eine Krümmung erzeugt werden i). Andererseits tritt nach dem Spalten eines ausgewachsenen Sprosses, in Folge der Gewebespannung, eine Krümmung ein, die im wesentlichen durch die Verlängerung der positiv gespannten Gewebe bewirkt und zuweilen durch die Wiederaufnahme des Wachsthums in diesen Geweben noch weiter vergrössert wird (II, § 18). Jedenfalls ergiebt sich die Krümmung eines Organes stets als die Resul- tante aus den mechanischen Bestrebungen und Leistungen der mit einander verketteten Zellen und Gewebe. Durch dieses Zusammenwirken werden be- kanntlich auch inactive Theile gekrümmt, und es kann sich ereignen, dass die concav werdende Flanke verkürzt wird, dass also die Zellen in dieser comprimirt werden, obgleich in ihnen (wie in der convexen Flanke) eine Beschleunigung des Wachsthums (b6zw. eine Steigerung der Expansion) angestrebt wird. Ferner ist es selbstverständlich, dass die einzelnen Zellen und Gewebe in sich kein actives Krümmungsstreben besitzen müssen, um durch die Vereinigung mit antagonistischen Zellen eine Beugung zu verursachen. Thatsächlich kommen viele (autogene und aitiogene) Bewegungen ohne ein eigenes Krümmungsstreben, also dadurch zu Stande, dass sich die mit einander verbundenen Zellen und ^] Ueber die irrige Annahme Kohl's, nach der die tropistischen Nutationskrüm- mungen durcli Contraction der Concavseite erzeugt werden, vgl. II, § -129, -130. § 78. Die Mittel -Zur mechanischen Ausführung der Bewegungen. 373 Gewebe ungleich schnell (bezw. mit ungleicher Energie) verlängern. Auch wird z. B. durch die Krümmung, welche bei dem Spalten eines ausgewachsenen Sprosses eintritt, demonstrirt, dass ein Gewebe, das, wie das Mark, im isolirten Zustand geradlinig fortwächst, in Verbindung mit einem Streifen des Holz- und Rindengewebes eine Krümmung erfährt und bewirkt (II, § 18]. Andererseits lehren die Erfahrungen an Algen, Pilzfäden, Haaren u. s. w., dass sich auch die einzelne Zelle activ krümmen kann, indem in den gegen- überliegenden Flanken der Zellhaut ein ungleich schnelles Wachstum ausgeführt wird. (Ueber Krümmungen durch elastische Verlängerung vgl. II, p. 376.) Für ein Gewebe wird also von Fall zu Fall zu entscheiden sein, ob die Krümmuns: durch die Verkettung der sich ungleich verlängernden Theile oder durch die active Krümmungsthätigkeit der einzelnen Zellen oder Gewebe zu Stande kommt. Hiernach kann man in mechanischer Hinsicht, gleichviel wie die Bewegungen veranlasst und im näheren ausgeführt werden, Gewebekrümmung und Zellkrüm- mung (und demgemäss z. B. Photonastie oder Heliotropismus der Gewebe oder der Zellen) unterscheiden^). Eine scharfe Trennung wird freilich in vielen Fällen nicht möglich sein. Denn einmal können beide Vorgänge zusammenwirken, und ferner werden offenbar durch die Krümmung und die hiermit erzielten mechanischen Wirkungen vielfach Reize ausgelöst (II, § 36), durch welche das Wachsthum in den verschiedenen Zonen des sich krümmenden Organes so dirigirt wird, wie es der ungleiche Abstand vom Krümmungsmittelpunkt erfordert. Eine derartige Regulation ist in jedem Falle nöthig, also auch dann, wenn durch das active Krümmungsstreben der einzelnen Zellen eine ausgiebige Krümmung erzielt werden soll. Denn wenn nicht zu- gleich die Zellen der antagonistischen Flanken ungleich schnell wachsen, wird in einem etwas dickeren Organe selbst dann keine merkliche Krümmung ein- treten, wenn sich jede einzelne Zelle in der gleichen Richtung zu krümmen sucht. Augenscheinlich wird z. B. in den heliotropischen und geotropischen Krümmungen schon durch den tropistischen Reiz veranlasst, dass sich nicht nur in der einzelnen Zelle, sondern auch in einem Gewebe eine active relative Steige- rung der Wachsthumsschnelligkeit von der concaven zu der convexen Flanke einstellt, dass sich also in einer jeden Längslamelle des Sprosses u. s. w. eine active Krümmungsthätigkeit entwickelt (II, § 129). Dagegen dürften viele auto- nastischen und aitionastischen Bewegungen durch den Antagonismus der Gewebe, also durch eine Gewebekrümmung, bewirkt werden. Die methodische Forschung hat zunächst die Vertheilung der activen und passiven Gewebe , sowie die relative Wachsthumsenergie (bezw. Expansions- energie] in den wirksamen Elementen zu ermitteln und aus dem Zusammenwirken dieser Factoren das Zustandekommen der Krümmungsbewegung zu erklären. Mit der Zurückführung auf diese nächsten Bedingungen sind aber natürlich nicht die Processe erklärt, durch welche die der Krümmungsbewegung zu Grunde liegende Modification der Wachsthumsthätigkeit (bezw. der Expansion) veran- lasst und bewirkt wird. Da es aber z. B. bei einer Nutationsbewegung nur auf die Realisirung der auf die Krümmung hinarbeitenden Wachsthumsthätigkeit ankommt, so kann ein Erfolg durch einen jeden Wachsthumsvorgang, also Pfeffer, Druck- und Arbeitsleistungen 1893, p. 414. 374 Kap. XI. Allgemeines über Bewegungen. sowohl durch plastisches AVachsthum, als auch durch Intussusceptionswachsthum (I[, § 8) und unter Umständen durch eine Formänderung von Zellen herbeige- führt werden. Yermuthlich werden aber die verschiedenartigen A^^achsthums- processe (II, § 8, 9J auch zur Erzielung von Krümmungsbewegungen Verwendung finden. Auch in diesem Falle ist wiederum zu beachten, dass bei formaler Gleichheit des Enderfolges sehr wohl Verschiedenheiten in Bezug auf die näheren oder ferneren motorischen Vorgänge und ebenso in Bezug auf die veranlassenden sensorischen Processe bestehen können. Bei Behandlung der Wachsthumsmechanik ist bereits erwähnt, dass die in- termittirende Zuwachsthätigkeit und somit die mit dieser verknüpften Nutations- bewegungen des Fadens von Oedogonium durch plastisches AVachsen vermittelt werden (II, p. 35), das vielleicht auch bei der Ausführung von Nutationsbewegungen vielfach thätig ist. Auch ist früher (II, p. 31) erörtert, dass die AVachsthums- schnelligkeit gewöhnlich nicht durch eine A^eränderung der Turgorspannung, sondern auf andere AVeise regulirt wird, und dass sogar während einer geotro- pischen oder heliotropischen Krümmung die Turgorenergie in der convex wer- denden Hälfte, also gerade in denjenigen Zellen etwas sinkt, deren AVachsthum erhebUch beschleunigt wurde (II, § 8, 130). Bis dahin ist überhaupt noch in keinem Falle sichergestellt, dass (was ja mögUch wäre) die zur Krümmung füh- rende AA'achsthumsveränderung durch eine entsprechende A^ariation der Turgor- spannung verursacht wird. Denn die diesbezüglichen positiven Annahmen ver- schiedener Forscher basiren nicht auf sicher gestellten Thatsachen vmd sind zum guten Theil aus unrichtigen Anschauungen über das Zustandekommen des Flä- chenwachsthums der Zellhaut entsprungen (II, § 8, 9) i). Uebrigens ist einleuch- tend, dass durch die Veränderung des osmotischen (hydrostatischen) Druckes nicht die Reizkrümmung eines einzelligen (radiären) Organes bewirkt werden kann, die auf einem ungleich schnellen AA'achsthum der Zellhaut in zwei oppo- nirten Flanken beruht. Sicherlich wird aber die Turgorenergie bei Krümmungs- bewegungen, ebenso gut wie bei der Erzielung der Gewebespannungen, durch die entsprechende Lenkung des AA'achsthums der Zellhaut zu äusseren und inneren Arbeitsleistungen nutzbar gemacht (II, § 35, Kap. XAl). Die Expansionsänderungen, auf welchen die A'ariationsbewegungen beruhen, dürften der Regel nach durch eine active A'eränderung der Turgorkraft verursacht werden, die zur Folge hat, dass die elastische Spannung der Zellwand mit der Steige- rung der Turgorenergie zunimmt, mit der A'erminderung der Turgorenergie ab- nimmt (vgl. II, §16,1 7). Je nachdem die Zellwand nur wenig oder ansehnlich gedehnt ist, wird bei einer Senkung des Turgors der Gleichgewichtszustand zwischen der Turgorenergie und der Hautspannung schon nach einer geringen oder erst nach einer erheblichen Contraction der Zellhaut und der Zelle wieder hergestellt sein. In den meisten Fällen ist die elastische Dehnung der AVandung so gering, dass an der einzelnen Zelle, sogar bei völliger Aufhebung des Tur- gors, nur eine geringe und zum Theil eine kaum messbare A'erkürzung eintritt. 1) Beüäufig sei erwähnt, dass H. de Vries (Sur les mouvements auxotoniques d. Organs vegetaux 1880, Sep. a. Archives Neerlandaises Bd. 4 5), nach dessen Annahme auch die Nutationsbewegungen hauptsächlich durch Turgorveränderungen bewirkt wer- den sollen, vorschlug, die durch Turgorsteigerung erzielten Bewegungen auxotonische, die durch Turgorsenkungen erzielten allassotonische zu nennen. § 78. Die Mittel zur mechanischen Ausführung der Bewegungen. 375 Bei den Zellen der Staubfäden der Gynareen ist aber die elastische Zellwand derart gedehnt, dass schon eine partielle Senkung des Turgors eine ansehnliche Contractionsbewegung der Zelle verursacht (II, § 16, 9I)i), Aber auch dann, wenn sich die isolirte Zelle nicht merklich contrahirt, kann in einem Gewebecomplex durch die Senkung des Turgors eine auffällige Krümmungsbewegung bewirkt werden. Denn wenn, wie es z. B. in den Be- wegungsgelenken der Mimosa pudica zutrifft, durch die Reizung die Turgorkraft, und somit die Steifheit und die Widerstandsfähigkeit, nur in den Zellen der einen Gelenkhälfte vermindert wird, so werden diese Zellen durch die Expansions- energie der anderen (nicht reizbaren) Gelenkhälfte so lange comprimirt, bis wie- derum das Gleichgewicht zwischen den beiden antagonistischen Geweben her- gestellt ist (II, § 17, 91). In gewissen anderen Fällen, so in den heliotropischen und geotropischen Variationsbewegungen, wird die Einkrttmmung des Gelenkes dadurch erzielt, dass die Turgorkraft in der einen Gelenkhälfte abnimmt, während sie gleichzeitig in der antagonistischen Hälfte zunimmt. Einen analogen Erfolg wie die active Variation des Turgors durch eine physiologische Reaction hat auch die Veränderung des Turgors durch eine plas- molytische Wirkung oder durch eine überwiegende Transpiration. Es ist ja auch allgemein bekannt, dass das Welken und die hiermit verknüpften Bewe- gungen krautiger Pflanzentheile durch die Senkung der Turgorenergie und die hierdurch bewirkte Verminderung der Steifheit (Tragfähigkeit) der dünnwandi- gen Zellen verursacht werden (II, § 1 6, 1 7). Sind aber die Zellen und Gewebe derart gebaut, dass die künstliche Aufhebung des Turgors keine bemerkliche Bewegung hervorruft, so kann eine solche natürlich auch nicht durch eine phy- siologische Turgorsenkung bewirkt werden. In diesem Falle kann also eine an- sehnliche Turgorschwankung stattfinden, ohne dass sie uns durch eine Bewe- gungsreaction angezeigt wird. Bleibt die Turgorkraft constant, so kann eine active Variationsbewegung nur durch die Modification der Eigenschaften der Zellhaut bewirkt werden. So wird eine Verminderung der Elasticität der Wandung eine Steigerung der Tur- gordehnung, eine Erhöhung der Elasticität eine Verminderung der Turgordeh- nung zur Folge haben. Ausserdem könnte eine Veränderung der Quellungsfähig- keit eine active Dimensionsänderung der Zellhaut verursachen. Zwar muss man die Möglichkeit zugeben, dass die Zellhaut unter dem Einfluss des lebendigen Pro- toplasten derartige Veränderungen dauernd oder vorübergehend erfährt, jedoch ist bis dahin nicht erwiesen, dass auf diese Weise eine auffällige und reversible Variationsbewegung erzielt wird. Der von dem Protoplasten gegen die Zellwand ausgeübte Druck kann, wie früher (I, p. 1 1 8) dargethan ist, bei dem normalen Aggregatzustand des Proto- plasmas im wesentlichen nur auf osmotischer Energie beruhen. Wenn indess das Protoplasma höhere Cohäsion gewinnt, vermag es auch auf andere Weise, sagen wir kurz durch seine Eigeygestaltung, ansehnliche mechanische Leistungen gegen eine Widerlage zu vollbringen (vgl. II, 137, 140). Das ist z. B. aus der Bewegungs- und Arbeitsthätigkeit der Cilien zu ersehen, und es ist nicht unmöglich, 1) Vgl. über dieses und das folgende: Pfeffer, Zur Kenntniss d. Plasmahaut u. d. Vacuolen 1890, p. 325; Studien zur Energetik -1892, p. 216. 221 etc. 370 Kap. XI. Allgemeines über Bewegungen. dass durch die Eigengestaltung des Protoplasmas, insbesondere bei kleinen Or- ganismen, ein ansehnlicher Druck gegen die umkleidende Zellwand ausgeübt wird. Falls dieser asymmetrisch vertheilt ist, so kann auf diese Weise auch eine Krümmung der einzelnen, isolirten Zelle bewirkt werden, die sich bei Stei- gerung oder Verminderung des hydrostatischen (osmotischen) Druckes natürlich nur krümmt, sofern die Zellhaut in den antagonistischen Flanken der Zelle un- gleich dehnbar ist. Da aber die elastischen und anderweitigen Eigenschaften durch physiologische Einflüsse modificirbar sind, so ist auch an der isolirten Zelle eine Variationskrümmung auf verschiedene Weise möglich. AVenn z. B. erwiesen ist, dass die Variationsbewegung durch die Verände- rung der Turgorenergie, also durch den Antagonismus zwischen dieser Variablen und der (constant) elastisch dehnbaren Zellhaut, zu Stande kommt, so ist die Zell- mechanik auf die nächsten Factoren zurückgeführt. Eine weitere Frage ist dann, wie die Turgorschwankung bewirkt und veranlasst wird, denn thatsächlich kann eine Veränderung des osmotischen Druckes auf verschiedene Weise verursacht werden (I, p- 124). So wird eine Turgorsenkung bei einer jeden Verminderung der osmotisch wirksamen Substanzen eintreten, mag diese Verminderung durch eine Ausfällung, durch eine physiologische Verbrennung, durch die Bildung von minder wirksamen löslichen Stoffen (grösseren Molekülen) oder in anderer Art erzielt werden. Ferner tritt eine Senkung des Turgors ein, wenn durch die Thätigkeit der Zelle dafür gesorgt wird, dass die osmotisch wirksamen Stoffe aus dem Protoplasten exosmiren (I, § 4 7, 22). Verbleiben diese Stoffe in der Imbibitionsflüssigkeit der Zellhaut, so wird dadurch der osmotische Druck gegen die Zellwand ebenso vermindert, wie durch gelöste Stoffe, die man künstlich zu- fügt, oder die durch die Thätigkeit des Organismus in der die Zelle umgebenden Flüssigkeit geschaffen werden. Im einen wie in dem andern Falle kann durch die Wiederaufnahme des Secretes, durch die Neubildung osmotisch wirksamer Stoffe u. s. w. die Turgorsenkung ausgeglichen und der frühere Spannungszustand wieder hergestellt werden i). In dem regulatorischen Getriebe des Organismus werden aber allgemein, und speciell auch in Bezug auf den Turgor, durch eine Störung die Reactionen erweckt, die auf die Ausgleichung der Störung berech- net sind (I, p. 518, II, p. 32). Infolge der Turgorsenkung muss sich das Volumen der Zelle so lange unter Hervorpressung von Wasser vermindern, bis der Gleichgewichtszustand zwischen der mit der Contraction abnehmenden Spannung der Zellhaut und der mit der Volumabnahme (Concentration) des Zellsaftes zunehmenden osmotischen Leistung des Zellinhaltes hergestellt ist. Sofern die Turgorsenkung plötzlich eintritt, und sofern die Beschaffenheit der Zelle ein schnelles Hervorpressen des Wassers ge- stattet, ist es auch möglich, dass die Bewegung so schnell verläuft, wie in den Reizbewegungen der Staubfäden der Cynareen und der Blattgelenke von Mimosa pudica, Reactionen, bei welchen das hervortretende Wasser in die Intercellular- räume gepresst wird. Dass aber diese und ebenso andere Zellen mit leicht permeabler Wandung eine genügend schnelle Druckfiltration des Wassers zu- lassen, ist aus der Schnelligkeit ersichtlich, mit der bei plötzlichem Zutritt einer 4) Vgl. Pfeffer 1890, 1. c. p. 331. § 78. Die Mittel zur mechanischen Ausführung der Bewegungen. 377 Salzlösung die Contraction der Zelle, bezw. die Plasmolyse eintritt. (Pfeffer 1890, 1. c, p. 327.) Da es sieh bei diesen Reactionen um eine Druckfiltration, also um ein Her- vorpresssen des Wassers durch den von der gespannten Zellhaut ausgeübten Druck handelt, so ist es für den Erfolg einerlei, auf welche Weise der wirksame Druck hergestellt wird. Auch lässt sich aus dem schnellen Verlaufe der Bewe- gung kein bestimmter Schluss auf die Ursache der Turgorsenkung ziehen, da eine jede der angedeuteten Modalitäten plötzlich eintreten und somit die Be- dingungen für einen schnellen Verlauf der Reaction herstellen kann. Aus der hohen Energie, mit welcher diese Bewegungen angestrebt und ausgeführt werden, ergiebt sich aber, dass die Betriebskraft nicht durch die Eigengestaltung (active Contraction) des Protoplasmas gewonnen werden kann, während die zur Ver- fügung stehende osmotische Energie vollkommen ausreicht, um so hohe mecha- nische Leistungen zu vollbringen. (Vgl. Pfeffer, 1890, 1. c, p. 329.) In den einzelnen Abschnitten wird im näheren mitgetheilt werden, was in concreten Fällen über die Veranlassung und die Ausführung der Krümmungsbe- wegungen, überhaupt über bestimmte Bewegungsvorgänge bekannt ist. In Bezug auf die Mechanik wird zunächst immer zu entscheiden sein, ob eine Variatious- oder eine Nutationsbewegung vorliegt. Trifft letzteres zu, so muss man darnach streben, durch geeignete Messungen zu ermitteln, ob die Krümmung ohne oder mit Veränderung der mittleren Wachsthumsschnelligkeit zu Stande kommt, und ob bei Zunahme dieser auch in der concav werdenden Flanke eine Beschleunigung des Wachsthums angestrebt wird. Durch geeignete mikrometrische Messungen lässt sich auch an kleinen Objecten eine ausreichende Genaxngkeit erzielen i). Bei der mikroskopischen Controle einer kurzen Strecke wird zudem durch die Messung der Sehne die Länge des zugehörigen Bogenstückes mit genügender Genauigkeit bestimmt. Wie früher (I, p. 127) dargethan wurde, kann eine Veränderung der osmo- tischen Energie nur dann durch die plasmolytische Methode ermittelt werden, wenn die Variation bestehen bleibt, also nicht, wie z. B. in den activen Zellen des Blattgelenkes von Mimosa pudica, nur transitorisch auftritt und sogleich wieder ausgeglichen wird. Uebrigens ist zur richtigen Beurtheilung der Turgorspannung in den gekrümmten Organen zu beachten, dass die osmotische Energie mit der Compression und der Volumabnahme der Zelle steigt. Natürlich folgt aus der Thatsache, dass durch die osmotische Wirkung von Salzlösungen der Turgor und die durch diesen bewirkte elastische Dehnung der Zellhaut aufgehoben werden, noch nicht, dass die Bewegung durch den Wechsel der osmotischen Energie verursacht wird. Speciell bei Variationsbewegungen vermag die Controle der Biegungsfestigkeit (vgl. II, p. 63) einigen Aufschluss über die Expansionsänderungen in den anta- gonistischen Geweben zu geben. Denn die Biegungsfestigkeit wird zunehmen, wenn die Expansionskraft nur in einer oder in beiden Gelenkhälften steigt, und abnehmen, wenn die Expansionsenergie in einer oder in beiden Gelenkhälften fällt, während die Constanz der Biegungsfesti^keit anzeigt , dass die Beweeuns durch die entgegengesetzte Expansionsänderung in den antagonistischen Geweben 1) Pfeffer, Druck- und Arbeitsleistungen iSQS, p. 293; Periodische Bewegungen iSlb, p. 15; Physiolog. Untersuch. 1873, p. 27. Vgl. dieses Buch Bd. 11, p. 24. 378 Kap. XL Allgemeines über Bewegungen. bewirkt Avurde. Die Biegungsfestigkeit Avii'd nach Brücke^) ermittelt, indem man die Ausbieguug feststellt, die sich ergiebt, wenn das Organ in normaler und darauf in umgekehrter Lage horizontal gehalten wird. Diese Winkeldifferenz wird an einem Gradbogen abgelesen, der so befestigt ist, dass er mit seinem Mittelpunkt auf das Gelenk eingestellt ist. Ausserdem wird z. B. eine Zunahme der Biesunasfestisfkeit dadurch ansrezeiet, dass die Ausbiesun«? abnimmt, die ein bestimmter Gewichtszug an dem jedesmal in gleicher Lage befindlichen Oi'gane hervorruft 2). Aus der Hebung einer ansehnlichen Last bei den geotropischen Bewegun- gen ist zu ersehen, dass durch eine Krümmungsbewegung eine ansehnliche Aussenarbeit geleistet werden kann (II, § 128, 166). Ferner giebt der Gegen- druck^ der nöthig ist, die Bewegung aufzuhalten, ein Maass für die Energie, mit der die Krümmung angestrebt wird^). Natürlich kann durch ein Organ, das, wie eine plastische Wurzel, leicht ausbiegt, keine ansehnliche Druckwirkung erzielt werden (II, § 35, 12 8). Da die Nutationsbewegungen durch die Wachsthumsthätigkeit bewirkt werden, so ist es begreiflich, dass durch dieselben, ebensogut wie durch die Wachs- thumsthätigkeit, eine hohe Aussenleistung vollbracht werden kann (vgl. II, § 35. 128, 166). In den Nutationsbewegungen wird also der Regel nach die Aussen- leistung erzielt, indem die Turgorenergie durch die Entspannung der Zellhaut gegen die Widerlage gelenkt wird. Aber auch bei den Yariationsbewegungen wird, wie wir hörten, die Betriebskraft im allgemeinen durch die osmotische Energie geschaffen, indem entweder der Turgor steigt, oder indem die zuvor durch die osmotische Energie erzeugte elastische Spannung der Haut durch die Senkung des Turgors nutzbar gemacht wird (II, Kap. XVI). Sind die antagonistischen Bestrebungen symmetrisch vertheilt, so unterbleibt natürlich eine Krümmung, die sich demgemäss nicht in einem radiären Spross, wohl aber mit grosser Energie einstellt, wenn dieser Spross durch einen me- dianen Längsschnitt in zwei Hälften gespalten wird (II, § \ 8). Die Krümmungs- energie hängt ferner von der Yertheilung der activen Elemente ab, weil der Hebelarm, an welchem diese angreifen, mit der Entfernung von der neutralen Achse (dem Drehpunkt) vergrössert wird. Zur Veranschaulichung der obwalten- den Verhältnisse wollen wir annehmen, es seien an dem einen Ende eines län- geren, dünnen Stahlbandes, senkrecht gegen dieses und nahe bei einander zwei ^letallplättchen aufgelöthet. Wird dann zwischen diese Platten ein wachsthums- thätiges Stengelstück (oder auch ein comprimirtes Kautschukstück) gebracht, so entwickelt dieses einen Druck gegen die aufgelöthete Platte, die den kurzen Arm eines Winkelhebels bildet. Man muss folglich an dem von dem übrigen Theil des Stahlbandes gebildeten längeren Arm zur Aequilibrirung des Krümmungs- strebens ein um so ansehnlicheres statisches Moment wirken lassen, je ferner von dem Stahlband, also von der neutralen Achse und dem Drehpunkt das active 1) Brücke, Müllers Archiv f. PhysioL iS48, p. 452. Vgl. Pfeffer. Period. Be- wegung. 1875, p. 89. 2) Schwendener (ISS?,, Gesammelte Abhandig., Bd. II. p. 237. 3) Zur Messung wendet man am besten Apparate an, die schon nach einer geringen Ausbiegung den genügenden Gegendruck liefern. Ueber solche Apparate, die nach dem Princip der Briefwaage hergestellt sind, oder in denen durch die Spannung einer Feder der Gegendruck erzielt wird, vgl. Pfeffer, Periodische Bewegung. 1875, p. 9, 97; Druck- und Arbeitsleistung 1893, p. 389; P. Meischke, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 33, p. 343. Auch der in diesem Buche p. 146, Fig. 22 abgebüdete Federapparat lässt sich ver- wenden. § 79. Vorkommen und Verbreitung. 379 Gewebe (oder das Kautschukstück) angebracht ist und angreift. Je mehr also in einem Organe die activen Zellen und Gewebe gegen die Peripherie rücken, um so günstiger gestaltet sich das Krümmungsmoment, d. h. die Lage des Schwerpunktes in diesem System von parallelen Kräften, die gegen eine durch das Bewegungsorgan gelegte Querschnittsfläche gerichtet sind. Folglich sind die Vertheilung der activen Zellen, die von diesen entwickelten Aussenleistungen und die Lage des resultirenden Schwerpunktes noch nicht exact bestimmt, weim das zur Aequilibrirung nothwendige statische Moment ermittelt ist^). Dem Wesen nach gelten diese Erörterungen ebensowohl für eine Variations-, als auch für eine Nutationsbewegung, sowie ferner für eine kurze und eine lange Bewegungszone. Diese lässt sich übrigens beliebig verkürzen, indem man den übrigen Theilen die Ausführung der angestrebten Bewegung durch eine geeignete Bandage un- möghch macht 2), Es ist nicht nöthig, besonders auf verschiedene Verhältnisse einzugehen, die nach dem Gesagten ohne weiteres verständlich sind. So ist Idar, dass ein dünnes Organ in Bezug auf die Ausgiebigkeit und die Schnelligkeit der Bewegung im Vortheil ist, weü zur Erzielung derselben Einkrümmung die peripheren Gewebe eines dickeren Organes eine ansehnlichere Verlängerung ausführen müssen 3j. Uebrigens tritt die Krümmung, oder die ansehnlichste Krümmung, nicht immer in der schnellst wachsenden Region ein, da sich die Krümmungsbedingungen zu- weilen erst späterhin einstellen (II, § 128, 129). Ferner werden die Krümmungs- bewegungen durch die Aussenbedingungen in analoger Weise beeinflusst, wie das Wachsthum und die übrige Thätigkeit der Pflanze. Es ist deshalb begreiflich, dass in gewissen Fällen (z. B. bei Ranken) die Bewegung durch die reichliche Zu- fuhr von Wasser beschleunigt, in anderen Fällen (z. B. Mimosa) aber die Reactions- fähigkeit durch die Injection der Intercellularräume mit Wasser beeinträchtigt oder aufgehoben wird. Kapitel XII. Krümmungsbewegungen. Abschnitt I. Autonome Bewegungen. § 79. Vorkommen und Verbreitung. Autonome (autogene, spontane) Bewegungen nennen wir alle Bewegungs- vorgänge, die bei völliger Gonstanz der Aussenbedingungen durch die Eigen- thätigkeit des Organismus vollbracht werden (II, p. 161). Somit ist die ganze 1) Vgl. Pfeffer 1875, 1. c. p. 99; 1893, 1. c. p. 392. 2) P. Meischke 1. c. p. 348. 3) Vgl. Rothert. Cohn's Beiträge z. Biologie 1896. Bd. 7. p. 173; dieses Buch II, § 129. 380 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. automorphotische Entwicklung eine autogene Bewegung (vgl. II, p. 247). Jedoch betrachten wir an dieser Stelle nur die spontanen Krümmungsbewegungen, be- rücksichtigen also nicht die locomotorischen Bewegungen, die Schwingungen der Cilien, die Protoplasmaströmung u. s. w., die ebenfalls autogene Vorgänge sind (II, Kap. XIV). Je nachdem sich die Bewegung wiederholt, also in Schwingungen um eine Gleichgewichtslage besteht, oder (wie z. B. bei der Entfaltung der Knospen) nur einmal eintritt, also dazu dient, das Organ in eine neue Gleichgewichtslage zu bringen, pflegt man periodische (oscillirende) und einmalige (ephemere) Bewe- gungen i) zu unterscheiden, zwei Typen, die natürUch durch Uebergänge und Gom- binationen verknüpft sind. Uebrigens fehlen periodische Bewegungen keinem wachsenden Organe. Denn wie wir bereits hörten (II, p. 20), oscilUrt die Zu- wachsbewegung derart, dass die Spitze eines Organes abwechselnd langsamer und schneller fortrückt und in Folge der periodischen Krümmungen eine compli- cirte Raumcurve beschreibt. Fallen diese autonomen Ausbiegungen vielfach sehr gering aus, so können sie doch bei genügender Vergrösserung überall erkannt werden, und zwar ebensowohl bei höheren Pflanzen, als auch bei Organismen oder Organen, die aus einer Zelle (Phycomyces, Mucor^) oder aus einer Zellenkette (Spirogyra, PenicilUum etc.) aufgebaut sind. Die Allgemeinheit dieser Oscillatio- nen geht schon aus den Versuchen von Ch. Darwin 3) hervor, obgleich in die- sen die Aussenbeding-ungen einen gewissen Einfluss ausübten, und wird z. B. durch die Experimente bestätigt, die Fritzsche (1. c.) bei voller Constanz der Aussenbedingungen ausführte. Bei ansehnlicher Bewegungsthätigkeit ist aber leicht zu erweisen, dass die Oscillationen nicht durch eine Veränderung in den Aussenbedingungen, sondern durch innere Ursachen veranlasst werden. Solche auffällige periodische Krüm- mungsnutationen sind z. B. die kreisenden Bewegungen des Sprosses der Schling- pflanzen, sowie die hin- und hergehenden Schwingungen der Blüthenschäfte von Tulipa, Allium u. s. w'., die zum Theil soweit gehen, dass der Spross während der Entwickelung bogig abwärts gekrümmt wird'*). Dass aber nicht nur ein Ge- 1) A. P. de Candolle (Memoires d. savants etrangers d. l'Institut de France •tS06, Bd. I, p. 338) nannte die sich einmal öffnenden Blüthen ephemere Blumen, die sich wiederholt öffnenden Aequinoctialblumen. Fernerhin ist dann »ephemer« in dem bezeichneten, weiteren Sinne benutzt worden. 2) Fr. Darwin, Bot. Ztg. -1881, p. 474; C. Fritzsche, Ueber die Beeinflussung d. Circumnutation durch verschiedene Factoren. Leipzig. Dissertation 1899, p. 9 (Phyco- myces); J. Wortmann, Bot. Ztg. ■I88'l, p. 384 (Mucor stolonifer). 3) Ch. Darwin, Das Bewegungsvermögen d. Pflanzen, übers, v. Carus 1881. Dass schon eine geringe Modification der Aussenbedingungen einen gewissen Erfolg haben kann, ist bekannt und z. B. auch aus den Versuchen von Ch. Darwin und Fritzsche (1. c.) zu ersehen. Für Pilze vgl. z. B. auch M. 0. Reinhardt, Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 23, p. 479; C. Sokolowa, Das Wachsthum d. Wurzelhaare und Rhizoiden 1897. Weitere Literatur in § 79 — 82. In den meisten Experimenten Ch. Darwin's wurde schon durch die Befestigung eines Zeigers an dem wachsenden Organ eine ge- wisse Störung bewirkt. Ueber Methodik siehe II, p. 387. 4) Thatsachen bei Ch. Darwin, 1. c. und in den andern schon citirten Schriften. Ferner bei: Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. 323; Lecoq, Bullet, d.i. soc. bot. d. France 1867, p. l.j.s (Blatt von Colocasia); F. Müller, Jenaische Zeitschr. f. Medio, u. Naturwiss. 1870, Bd. 5, p. 134 (Blüthenstiele von Alismai; Sachs, Lehrbuch, III. Aufl. § 79. Vorkommen und Verbreitung. 381 webekomplex, sondern auch die einzelne Zelle (Zellkette) ansehnliche autonome Krümmungsbewegungen auszuführen vermag, wird unter anderem durch die Sto- lonen von Mucor stolonifer (Wortmann I.e.) sowie durch die Fäden von Spirogyra und anderen Zygnemaceen demonstrirt. Bei diesen Algen kann man leicht verfolgen, dass der Faden durch die Nutation in verschiedener Weise und nicht selten bis zur Bildung von Ringen und Schlingen eingebogen wird, um sich dann nach einiger Zeit wieder gerade zu strecken. Ebenso wie bei dem Längenwachsthum (II, p. 21) pflegen Perioden relativer Ruhe und erhöhter Thätigkeit abzuwech- seln, in welchen dann schon in wenigen Minuten eine ansehnliche, in 10 — 30 Minuten eine ringförmige Krümmung erzielt werden kann i). In Verbindung mit dem stossweisen Wachsthum führt auch der Faden von Oedogonium zeitweise eine ansehnliche Seitenbewegung aus, die ja entstehen muss, wenn der vorbe- reitete Zellstoffring einseitig einreisst und somit eine einseitige Förderung des plastischen Hautwachsthums eintritt (II, p. il, 21). Da die Pflanzen ungleich befähigt sind, da sich ferner die Ausgiebigkeit der Bewegungsthätigkeit mit dem Entwicklungsstadium und mit den (constanten) äusseren Bedingungen ändert, so giebt es alle Abstufungen zwischen gering- fügigen und ansehnlichen Nutationen. Durch diese werden gleichmässige und regelmässige Curven selbst dann nicht beschrieben, wenn eine ausgesprochene Tendenz besteht, entweder kreisende oder pendelartige Bewegungen auszuführen. Im letzteren Falle pflegen die an sich gekrümmten Bewegungsbahnen in un- regelmässiger Weise sich zu durchkreuzen. Aber sogar bei den elegantesten Circumnutationen ändert sich häufig die Neigung des Organes, das sich gelegent- lich auch einmal gerade streckt und eine hin- und hergehende Schwingung vollführt^). Andererseits kann bei den geringfügigen Bewegungen vorüber- gehend einmal eine kreisende oder eine pendelartige Bewegung bemerklich werden, obgleich die Projection der sich fortbewegenden Spitze des Organs eine ganz unregelmässige Curve zu liefern pflegt (Fig. 33 u. 34). Bei flächen- förmigen, bezw. dorsiventralen Organen wird jedoch im allgemeinen aus rein •1873, p. 827; Rodler, Compt. rend. -1877, Bd. 84, p. gel (Ceratophyllum) ; Wiesner, Bewegungsvermögen 1881; H. Vöchting, Bewegungen d. Blüthen u. Früchte 1882. p. 186 u. s. w.; A. Hansgirg, Phytodynamische Untersuch. 1889; Beihefte z. Botan. Centralbl. 1902, Bd. 12, p. 248; Phycolog. und Phytophysiol. Unters. 1893; Askenasy, Ber. d. bot. Ges. 1890, p. 77 (Maiswurzel); [A. Schulz, Ber. d. bot. Gesellsch. 1902, p. 526, 580; Neubert, Jahrb. f. wiss. Bot. 1902, Bd. 38, p. 149 (Allium) ; 0. Richter, Ber. d. bot. Gesellsch. 1903, p. 175 (Keimlinge)]. 1) Diese Bewegungen der Zygnemaceen waren schon Link (Grundlehren d. Anatom, und Physiol. 1807, p. 263), sowie Meyen (Pflanzenphysiol. 1839, Bd. 3, p. 567) bekannt und wurden von Hofmeister (Jahreshefte d. Vereins f. vaterländ. Naturkunde in Württemberg 1874, Bd. 30, p. 211) und von Oltmanns (Flora 1892, p. 199) naher studirt. Dass sie auch bei vollster Constanz der Aussenbedingungen vor sich gehen, wurde in meinem histitut durch E. Winkler (Krümmungsbewegungen von Spirogyra I902i sichergestellt. Dieser constatirte auch, dass die Krümmungen bei plötzlicher Tödtung des Fadens erhalten bleiben, dass sie also Wachsthumsbewegungen sind. Zur Demon- stration dieser Bewegungen benutzt man am besten isolirte Fäden, die sich auf einem weissen Porzellanteller in Wasser befinden. 2) Vgl. z. B. Gh. Darwin, Kletternde Pflanzen 1876, p. 89; Dutrochet, Annal. d. scienc. naturell. 1843, R. ser., Bd. 20, p. 314; Fritzsche, 1. c. etc. 382 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. ift? mechanischen, bezw. aus physiologischen Gründen die Ausbiegung in einer be- stimmten Bewegungsebene bevorzugt sein. Das gilt ebenso für die Variations- bewegungen (II, p. 383), die durchschnittlich regelmässiger verlaufen, als die Nutationsbewegungen. Natürhch werden pendel- artige Schwingungen vom Beginn des Rückganges ab bis zu einem Maximum beschleunigt. In dieser Curve fehlen aber wohl nie secundäre Oscillationen, die zuweilen auch bei Circumnutationen sehr ansehn- lich ausfallen. Sind die Circumnutationsbewegungen (die revo- lutive oder die rotirende Nutation) i) in so hohem Maasse ausgebildet, wie bei dem überhängenden Spross der Windepflanzen und bei vielen Ranken, so pflegen sie der Regel nach in derselben Rich- tung fortzuschreiten. Jedoch wird bei gewissen Ranken, ferner an dem Spross bestimmter Blalt- kletterer und sogar bei einigen Windepflanzen auch to'M'p.m. i'3e' tj)''3o'p.m.^ JJf^ a.m\ I • S'J er.m. Fig. 33. Nutation des Sclieidenlilattes der Keimpflanze von Zea Mais. Die Bewegung der Spitze ist ca. 25 mal vergrössert in der Bd. II, p. 387 angegebenen Weise vom 4. Febr. 8V2 Ubi' Vormittags bis 6. Februar 8 Uhr Nachm. auf einer Glasplatte aufgezeichnet vcorden. (Nach Ch. Darwin.) Fig. 34. Circumnutation eines 40 mm langen Cotyledon von Lagenaria vulgaris. Vergrössert. (Nach Darwin.) Die Bewe- gung ist in derselben Weise wie in Fig. 33, von 11. Juli 7 Uhr 35 Min. Vorm. bis 14. Juli 9 Uhr 5 Min. Vorm. aufgezeichnet. eine sich wiederholende Umkehrung der Bahn beobachtet 2). In jedem Falle ist aber die Circumnutation die Folge davon, dass die einseitige (epinastische) Förderung des Wachsthums in entsprechender Weise den Spross umwandert. Demgemäss wechselt an dem circumnutirenden Organe fortwährend die convexe und die vorausgehende Flanke in analoger Weise, wie bei dem an einem Ende f ixirten Kautschukschlauch , dessen freies Ende man überbiegt und im Kreise herum- \] Ch. Darwin (Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 1) führte die Bezeich- nung Circumnutation, Dutrochet (Annal. d. scienc. naturell. 1844, III. ser., Bd. 2, p. -157) die Bezeichnung revolutive Nutation ein. 2) Lit.: Darwin, Bewegungen und Lebensweise d. kletternden Pflanzen 1876, p. 27, 37, 33, 47, 63 etc.; 0. Müller, Cohn's Beitrag, z. Biologie ^887, Bd. 4, p. 108; Wortmann, Bot. Ztg. 1887, p. 65; J. Baranetzki, Die kreisförmige Nutation u. das Winden d. Stengel -ISSS, p. H. §79. Vorkommen und Verbreitung. 383 führt. Unter diesen Umständen kommt also keine Torsion des circnmnutiren- den Objectes zu Stande, die aber eintritt, sobald man den Schlauch so herum- führt, dass dauernd dieselbe Flanke vorausgeht. Natürlich kann auch durch Torsion (II, p. 386) eine kreisende Bewegung des überhängenden Sprosses er- zielt werden. Wir halten uns hier an die frei nutirenden Organe, welche bei den Schling- pflanzen zur Verfügung stehen, wenn man den über die Stütze hinausgewachsenen Spross oder die (noch tragfähigen) jungen Pflanzen verwendet, an denen die Circumnutation begonnen hat (über das Winden siehe II, § 84). Es pflegt dann bei den Schlingpflanzen der ganze wachsthumsthätige Sprossgipfel nutationsthätig ist folglich auch der geneigte zu sein. Wie die Wachsthumszone (11, p. 13 und cii'cumnutirende Sprosstheil ziemhch lang. Bei dem Hopfen erreicht dieser Sprosstheil z. P>. eine Länge von 20 — 30 cm, bei Iloya carnosa von 80 cm*). Bei den dauernd fortwachsenden Sprossen wird auch die Circumnutation con- tinuirlich fortgesetzt, während dieselbe z. B. bei den Ranken mit dem Wachs- thum erlischt. Uebrigens beginnt die revolutive Nutation der Ranken erst, nach- dem diese sich völlig entfeltet haben, also eine ansehnliche Länge besitzen 2). Auch bei den Windepflanzen wird eine ansehnliche Circumnutation erst aufge- nommen, nachdem die Keimpflanze eine gewisse Höhe erreicht, also ein oder einige nicht circumnutirende Internodien entwickelt hat 3). Unter günstigen Bedingungen wird z. B. von Scyphanthus elegans, Akebia quinata , Convolvulus sepium, Phaseolus vulgaris ein Umlauf in \ — 2 Stunden, von Lonicera brachypoda in 5 — 6 , von Adhatoda cydoniaefolia aber erst in 2 4 — 48 Stunden ausgeführt '*). Die nicht windenden Stengel von Passiflora gracilis (Darwin, 1. c. p. 118), die Ranken von Cobaea scandens u. s. w. circumnutiren übrigens ebenso schnell wie die besten Windepflanzen (Darwin, 1. c. p. 82). In allen Fällen ist aber die Bewegungsschnelligkeit unter Constanten Aussenbedingungen ansehnlichen Schwankungen unterworfen. (Ueber das Zustandekommen der Circum- nutation siehe II, § 80.) Yariationsbewegungen. Autogene Varia- tionsbewegungen scheinen keinem bewegungs- fähigen Gelenke zu fehlen. Während aber diese Bewegungen bei den Blättchen von Acacia lophantha ganz geringfügig sind, werden sie schon merklicher bei den Blättchen von Mimosa pudica und Phaseolus vulgaris und sehr an- sehnlich bei den Blättchen von Oxalis acetosella und Trifolium pratense, von denen die ersteren eine pendelartige Schwingung von 20 — 70 Grad in 3/4 — 2 Stunden, die letzteren eine Schwingung Fig. 35. Kin Blatt von Desmodium gyrans. Natiirl. Grösse. Wortmann, 1. c. p. 51; [Fitting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1) Darwin, 1. c. p. 2) Darwin, 1. c. p. 1903, Bd. 38, p. 347]. 3) H. Mohl, Ranken- und Schlingpflanzen 1827, p. 104; Ch. Darwin, 1. c. p. 4, 26, 33 etc.; H. Schenck, Beiträge z. Biologie u. Anatomie d. Lianen 1892, I, p. 128. 4) Ch. Darwin, 1. c. p. 23; E. Simons, Contributions from the Botanical La- boratory of Pennsylvania 1898, Bd. 2, p. 66. 384 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. von 40 — 150 Grad in 1 Y2 — ^ Stunden ausführen i). Die schnellsten Bewegungen finden sich aber bei den Seitenblättchen von Desmodium gyrans (Fig. 35 bei s], die elliptische Bahnen beschreiben und bei 35° G. einen Umlauf in 85 — 90 Se- cunden vollenden"-). Die Bewegungen von Desmodium sind aber in einem solchen Grade von einer hohen Temperatur abhängig, dass nach Kabsch (1. c.) die Umlaufszeit auf 4 Minuten verlängert wird, wenn die Temperatur auf 28 — 30*^ C. sinkt, und dass bei 22° C. die Bewegungen auf ein Minimum reducirt sind. Anscheinend ändert sich bei dieser circumnutirenden Variationsbewegung die Excentricität der elliptischen Bahn mit der Bewegungsschnelligkeit (Hofmeister, 1. c). Wenn ferner die auf- steigende Bahn langsamer als die absteigende Bahn durchlaufen wird, so wird dieses wohl durch die vermehrte Arbeitsleistung bei der Hebung des Blattes verursacht sein^). Eine sehr ansehnliche, pendelartige Bewegung, die nach Gad^) durch Varia- tion vermittelt wird, führt das Gynostemium in der Blüthe von Stylidium ad- natum aus. Da hierbei das Gynostemium dem Labellum angepresst und durch eine Klemmvorrichtung an diesem festgehalten wird, so kommt nach der Ein- leitung der rückgängigen Bewegung eine ansehnliche Spannung zu Stande, die zur Folge hat, dass das Gynostemium eine plötzliche Schnellbewegung ausführt, wenn es durch die zunehmende Spannung losgerissen wird. Diese Schnellbewe- gung, die begreiflicherweise durch eine Berührung frühzeitiger ausgelöst wird, wurde von Kabsch (1. c.) irrigerweise, analog wie die Beaction der Blätter von Mimosa pudica, als eine physiologische Beizbewegung angesehen. Die Bichtigkeit der Gad 'sehen Deutung ergiebt sich aber daraus, dass die Schnellbewegung unterbleibt, wenn das Labellum beseitigt oder auf dieses ein Stückchen Papier gelegt ist. Indem hierdurch das Functioniren der Klemmvorrichtung unmöglich gemacht wird, bleibt das Gynostemium so lange angepresst, bis endlich die all- mähliche Abhebung beginnt, nachdem das innere Streben nach der rückgängigen Bewegung genügend vorgeschritten ist. Eine analoge, physikalische Schnellbe- wegung kommt natürlich auch zu Stande, wenn die sich bewegenden Blättchen von Desmodium, Trifolium etc. durch ein andei'es Blatt, durch einen Papier- streif etc. so lange aufgehalten werden, bis in den Bewegungsgelenken die ge- nügende Spannung entstanden ist. Uebrigens werden auch durch die Wachs- -1) Pfeffer, Periodische Bewegungen 1875, p. 133; Gh. Darwin, Bewegungsver- mögen d. Pflanzen 4 881, p. 270. Anderweitige Literatur ist an diesen Stellen citirt. 2) Kabsch, Bot. Ztg. 1861, p. 355. An dieser Stelle, ferner bei Hofmeister, Pflanzenzelle -1867, p. 332; Meyen, Pflanzenphysiol. 1839, Bd. 3, p. 553; Treviranus, Physiologie 1838, Bd. 2, p. 766 ist die anderweitige Literatur über diese schon lange bekannten Bewegungen citirt. Vgl. ausserdem Stahl, Bot. Ztg. 1897, p. 98. 3) Gels, Sylvestre und Halle, Annal. d. Botanik von Usteri 1796, Stück 19, p. 63; Kabsch, 1. c. p. 355. 4) Gad, Bot. Ztg. 1880, p. 216; A. J. Schilling, Der Einfluss der Bewegungs- hemmung auf d. Arbeitsleist. d. Blattgelenke v. Mimosa pudica, Habilitationsschrift 1395. p. 18. Nach G. P. Burns, Flora 1900, p. 344, soll eine Wachsthumsbewegung vorliegen. [Haberlandt, Sinnesorgane im Pflanzenreich 1901, p. 73.] — Ob die von Lindley (cit. nach Morren, Annal. d. scienc. naturell 1843, II. ser., Bd. 19, p. 91) und Morren (1. c.) beobachteten Bewegungen am Labellum von Megaclinum falcatum und von Pterostylis Wachsthums- oder Nutationsbewegungen sind, ist noch nicht festgestellt. Zudem wird durch erneute Untersuchungen zu entscheiden sein, ob es sich wirklich um autonome Bewegungen handelt. Vgl. auch die Literatur bei A. Hansgirg, Phy- colog. u. Phytophysiologische Unters. 1893, p. 149. § 79. Vorkommen und Verbreitung. 385 thumsenergie z. B. in der Blüthe von Genista und verschiedenen anderen l'apilio- naceen Spannungen erzeugt, die endlich eine Schnellbewegung zur Folge habend). Ephemere Bewegungen. Wenn sich eine Pflanze unter constanten Aussenbedingungen entwickelt, wenn also aitiogene Reactionen infolge des Wechsels der Aussenbedingungen ausgeschlossen sind, so stellt der ganze Entwickelungs- gang, durch den die Organe geschafi'en, ausgestaltet und in eine bestimmte Lage gebracht werden, eine Kette von ephemeren Bewegungen vor. Zu diesen gehören also auch alle die Krümmungsbewegungen, die bei der Entfaltung der Laub- und Blüthenknospen, bei der Ausbildung und Wiederausgleichung der Ein- krümmung an der Sprossspitze der Keimpflanze von Faba u. s. w. (Fig. i , Bd. II, p. 9), der Zweige von Ampelopsis, der Blüthenstiele von Papaver, der Fruchtstiele von Gampanula u. s. w. , überhaupt dadurch ausgeführt werden, dass die relative Wachsthumsthätigkeit in den antagonistischen Flanken (die Epinastie, Hyponastie, Isonastie, II, p. 83) durch das selbstregulatorische AValten in entsprechender Weise gelenkt und modificirt wird. Da aber durch diese autogene Thätigkeit (durch den Autotropismus, II, § 119) die Organe häufig erst nach einem einmaligen oder mehrmaligen Hin- und Hergang in eine bleibende Gleichgewichtslage übergeführt werden, so giebt es, wie schon bemerkt wurde, keine bestimmten Grenzen zwischen ephemeren und periodischen Bewegungen. Wenn sich also z. B. bei Ruta graveolens (Fig. 36) ein jedes Staubgefäss bei der Entfaltung der Blüthe zunächst von dem Frucht- knoten entfernt, dann sich diesem von neuen anlegt und sich endlich nach den Blumenblättern zurück- krümmt, so kann man diesen Vorgang mit vollem Recht als eine periodische Bewegung ansprechen. Das ist auch erlaubt, wenn sich eine Blüthe mehr als einmal öffnet und schliesst, also keine typisch pnhpmprp Rliifhp is;t 2\ F'?- ^^- ^^^^ graveolens. Die epnemeie ölUine ISl j. vorderen Blumenblätter und T^ 1 . . 1 i A7 ii •! 1 ITT 1 Staubgefässe sind entfernt. Das Durch eme entsprechende Vertheilung der Wachs- staubiefäss a liegt dem Frueht- thumsthätigkeit (vgl. II, p. 11) kann auch bewirkt aniten^cf del^^^^^^^^ werden, dass sich die älteren und jüngeren Zonen des- ^'1"^* FrucMknote^n at"ipresst '* selben Organes in einer verschiedenen Krümmungsphase befinden. So erhält z. B. der sich entwickelnde Farrenwedel eine S-förmige Gestalt, indem der spiralig eingerollte, jugendliche Spitzentheil durch das epina- slische Wachsthum aufgerollt und dann über die Gleichgewichtslage hinausgeführt wird, welche die älteren Theile annehmen. Ferner treten besonders an dem Stengel der im Dunklen erwachsenden Keimpflanzen von Pisum sativum, Vicia sativa u. a. wellenförmige Biegungen ein, die sich über einige Internodien er- strecken, und die je nach der Pflanzenart in derselben oder in verschiedenen 1) Vgl. z. B. F. Ludwig, Biologie der Pflanzen 189",, p. 47i. 2) lieber ephemere Blüthen siehe A. P. de Candolle, Memoir. d. savants etrangers d. rinstitut d. France 1806, Bd.1, p.338; Dutrochet, Memoires etc., Brüssel 1837, p.238; Royer, Annal. d. scienc. naturell. 1868, V. ser., Bd. 9, p. 350; A. Hansgirg, Physiolog. u. phycophytolog. Unters. 1893, p. 163, Beiheft z. Botan. Centralbl. 1902, Bd. 12, p. 268; ültmanns, Bot. Ztg. 1895, p. 31. [A. Schulz, 1. c. 1902.] Vgl. auch Bd. II. § 95—100. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 25 386 Kap. XII. Krümmungsbevvegungen. Ebenen liegen i). Auch die seitliche Ablenkung der Internodien (Wiesner's unterbrochene Nutation), die häufig mit der Stellung und Entwickelung der Achsel- knospe verknüpft ist, und die durch die geeignete Fortentwickelung zur Formirung einer Scheinachse führen kann, gehört zu den besonderen ephemeren Bewe- gungen. Zu den autonomen Bewegungen zählen auch die aus inneren Ursachen erzeugten Torsionen und Windungen. Dahin gehören unter andern die in II, § 85 zu besprechenden Torsionen im Stengel der Schlingpflanzen. Als weitere Beispiele mögen hier die contorte Knospenlage der Blüthe von Gonvolvulus, die Drehungen des Kronenzipfels von Cyclamen, der Blüthenlippe von Himanto- glossum, des Internodiums von Ghara, des Peristoms von Barbula genannt sein 2). Ferner wird ein autogenes Winden z. B. in dem Stiele der weiblichen Blüthen von Vallisneria, bei den Hülsen von Medicago und von denjenigen Ranken (II, § 88) ausgeführt, die keine Stütze erfassten. Im Obigen sollte nur an einigen Beispielen auf die allgemeine Verbreitung und die grosse Mannigfaltigkeit der autogenen Krümmungsbewegungen hinge- wiesen werden, die wir noch vielfach bei der Behandlung der aitiogenen Be- wegungen (Kap. XII, XIII) als mitwirkende Factoren zu berücksichtigen haben. Uebrigens lassen sich zahlreiche Beispiele von autogenen Krümmungsbewegungen aus dem Verlauf des üblichen Entwickelungsganges entnehmen. Denn wenn in diesem viele Bewegungen durch die äusseren Factoren veranlasst werden, so lässt sich doch oft ohne nähere Studien mit Sicherheit oder Wahrscheinlichkeil sagen , welche Vorgänge auch ohne den Wechsel der Aussenbedingungen zu Stande kommen würden. Zu diesen autonomen Bewegungen gehören unter andern wohl die meisten Bewegungen der Sexualorgane, die vielfach für die richtige Uebertragung des Blüthenstaubes wichtig sind. Solche Bewegungen der Staub- gefässe werden z. B., ausser bei Ruta, bei Dictamnus, Parnassia, Saxifraga u. s. w., Bewegungen der Griffel bei Saxifraga, Nigella, Bewegungen der Narben bei Mi- mulus, Martvnia, Epilobium gefunden 3). Historisches. Schon im vorigen Jahrhundert zogen die auffälligen Be- w'egungen der Seitenblältchen von Desmodium gyrans die Aufmerksamkeit auf sich, und Haies erwähnt bereits einzelne ephemere Nutationskriunmungen*). Weiterhin wurde die Circumnutation der Schlingpflanzen durch Palm 5) und ^) Wiesner spricht in diesem Falle von undulirender Nutation. Wiesner, Die undulirende Nutation d. Internodien i876 (Sep. a. Sitzungsb. d. Wiener Akad., Bd. 77, Abth. I); Bewegungsvermügen i881, p. 22; Sitzungsb. d. Wiener Akad. 1883, Bd. 88, Abth. 1, p. 454. Ueber derartige Erscheinungen an Algen siehe z. B. Nägeli, Pflanzen- physiol. Unters. 1835, Heft 1, Taf. V; Berthold, Jahrb. f. wiss. Bot. 1882, Bd. 13, p. 638. — Weitere Thatsachen bei Göbel, Organographie 1898 u. s. w. 2) Einige Beispiele bei Wichura, Flora 1852, p. 89; Jahrb. f. wiss. Bot. 1860, Bd. 2, p. 201. Ausserdem sind Thatsachen in den Lehrbüchern zu finden. — Ueber Zwangsdrehungen vgl. H. de Vries, Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 23, p. 13; Dingler, Flora 1897, Ergzbd. p. 289. — Ueber aiüogene Torsionen bei Orientirungsbewegungen der Blätter und Blüthen siehe II, § 131, 132. 3) H.Beyer, Die spontane Bewegung d. Staubgefässe u. Stempel 1888; A. Hansgirg 1893, 1. c. und die an diesen Stellen cit. Lit. — Die ältere Lit. z. B. bei A. P. de Can- dolle, Pflanzenphysiol. 1833, Bd. 2, p. 71. [A.Schulz, 1. c. 1 902.] — Vgl. auch II, p. 391. 4) Lit. bei Meyen, Pflanzenphysiolog. 1839. Bd. 3, p. 333. 5) L. Palm. Ueber das Winden d. Pflanzen 1827, p. 16. § 79. Vorkommen und Verbreitung. 387 MoliP), die der Hanken durch Dutrochel^) studirt. Nachdem in der Folge eine grosse Zahl von auffälligen periodischen imd ephemeren Bewegungen be- kannt geworden war, zeigte Ch. Darwin ^j^ dass alle wachsenden Organe autogene, periodische Nutationsbewegungen ausführen, die in vielen Fällen freilich erst bei Anwendung einer Vergrösscrung sichtbar werden. Diese geringfügigen periodischen Bewegungen kennzeichnen eine Fähigkeit, die offenbar erst bei weiterer Ausbildung und Anpassung eine wesentliche ökologische Bedeutung ge- winnt. Das gilt in Bezug auf die ansehnUche Circumnutation der Schlingpflanzen und Ranken, deren Eigenheiten in dem nächsten Abschnitt besprochen werden. Ferner dürften die sehr ansehnlichen Krümmungsnutationen der Ausläufer (Darwin, 1. c. p. 188) es diesen erleichtern, ihren Weg zwischen den in die Erde gesteckten Stäben, überhaupt zwischen Hindernissen zu finden. Da dieser Erfolg aber auch schon durch das mechanische Ausbiegen der fortwachsenden Organe'*), durch aitiogene Reizungen etc. erreicht werden kann, so ist es be- greif heb, dass sich die Wurzeln auf das beste zwischen den ihnen im Boden entgegentretenden Hindernissen hindurcharbeiten, obgleich ihnen der Regel nach nur eine geringe autonome Oscillation zukommt. Dagegen dienen die sehr aus- gebildeten periodischen Krümmungen den Zygnemaceen offenbar zur Fortbewegung, zum Hervoi'arbeiten aus dem Schlamm u. s. w. Welche Bedeutung die perio- dischen Variationsbewegungen haben, ist ziicht bekannt, denn dass die Haupt- aufgabe dieser Bewegungen, wie Stahl 5) annimmt, darin besteht, die Transpira- tion zu befördern, ist selbst für die schnellen Variationsbewegungen unwahr- scheinlich. Die ansehnlichen Bewegungen der Blättchen von Desmodium gyrans, der Schling- pflanzen u. s. w. dürften wohl immer als autonome Bewegungen angesehen worden sein, obgleich früher die autonomen und aitionomen Bewegungen nicht bestimmt auseinandergehalten wurden. Das geschah aber durch Dutrochet^), der die Bedeutung der äusseren Factoren für Wachsthums- und Bewegungsvorgänge in principieller Hinsicht richtig auffasste. In jedem Einzelfall muss natürlich empirisch entschieden werden, ob eine autogene oder aitiogene Bewegung vor- liegt. Bei der näheren Interpretation ist aber zumeist übersehen, dass wir eine Bewegung mit vollem Rechte auch dann zu den autonomen Processen rechnen dürfen, wenn durch die autogene Thätigkeit ein äusseres Agens zu directiven Zwecken nutzbar gemacht wird (vgl. II, § 80). Methodisches. Eine Projection der von der Spitze beschriebenen Curve er- hält man, indem man über dem Objecte eine halbkugelige Glasschale oder auch eine ebene Glasplatte aufstellt und auf diesen die Lage der Spitze von Zeit zu Zeit mit Tuschpunkten markii't^). Auch lassen sich die Daten für den näheren Verlauf der Bewegung durch photographische Aufnahmen in ein oder zwei Ebenen gewinnen^). Geringfügige Bewegungen werden am besten mit Hilfe des 1) H. Mo hl, Ueber den Bau u. d. Winden d. Ranken- u. Schlingpflanzen 1827, p. 105, 113. 2) M. H. Dutrochet, Annal. d. scienc. naturell. 1844, III. s6r., Bd. 12, p. 156. 3) Ch. Darwin, Das Bewegungsvermögen d. Pflanzen, übers, von Carus 1881. Vgl. II, p. 380. Dass man aber nicht berechtigt ist, alle Reizbewegungen als modificirte Circumnutationen anzusehen, ist II, p. 369 hervorgehoben. 4) Pfeffer, Druck- und Arbeitsleistungen 1893, p. 362. ö) Stahl, Bot. Ztg. 1897, p. 98. 6) Siehe Bd. II, p. 86. Vgl. auch Sachs, Flora 1863, p. 449. 7) Ch. Darwin, Kletternde Pflanzen 1876, p. 86. 8) M. Dewevre et E. Bordage, Revue generale d. Botan. 1892, Bd. 4, p. 65. 25* 388 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Mikroskopes verfolgt, das z. B. über dem Objecte so aufgestellt wird, dass man eine jede Ausbiegung an dem Netzmikrometer ablesen kann^j. Da durch das Ankleben eines Glasfadens etc. sehr leicht Wachsthumsstörungen hervorgerufen werden (II, p. 21), so ist diese von Ch. Darwin angewandte Methode nicht einwurfsfrei. Wie Darwin im näheren verfuhr, um mit Hilfe von Visirlinien die Bewegung der Spitze in vergrösserter Form aufzuzeichnen, mag in den Arbeiten dieses Forschers nachgesehen wei'den^]. § 80. Die inneren und äusseren Ursachen der autonomen Bewegungen. Mit der Bezeichnung autonom (autogen, spontan) soll, wie früher (11, p. 161) betont wurde, nur gesagt sein, dass der Verlauf der physiologischen Pro- cesse nicht durch eine Veränderung in den äusseren Bedingungen, sondern durch eine selbstthätige Modification der inneren Factoren verursacht wird. Infolge der autogenen Verschiebung der physiologischen Bestrebungen und Eigenschaften wird indess zugleich die unerlässliche Wechselwirkung mit der Aussenwelt modificirt, die ja stets durch die jeweiligen Eigenschaften des Or- ganismus (des Organes, der Zelle) regulirt und bestimmt wird (II, Kap. VII). Derartige Wechselbeziehungen werden aber z. B. nicht nur dadurch angezeigt, dass die autogene Erhöhung der Wachsthumsthätigkeit eine Steigerung des Be- zugs von Nährstoffen u. s. w. aus der (constanten) Umgebung zur Folge hat, sondern auch dadurch, dass der Organismus durch die selbstthätige Veränderung seines Reactionsvermügens äussere Factoren zur Auslösung und zur Ausführung von formativen oder von Bewegungs-Reactionen nutzbar macht (II, p. 161). Das geschieht u. a., wenn die selbstthätige Ueberführung des positiv geotropischen Reactionsvermügens in ein negativ geotropisches eine Krümmungsbewegung veran- lasst, durch welche das Organ in die den veränderten inneren Bedingungen ent- sprechende geotropische Gleichgewichtslage gebracht wird. In einem analogen Sinne werden aber nicht nur einseitige, sondern auch diffuse Reize im Dienste des selbstregulatorisch arbeitenden Organismus verwandt, wenn auch die Beziehungen nicht immer so einfach und durchsichtig sind, wie in dem obigen Beispiel. Thatsächlich kann z. B. durch die autogene Schaffung einer anisonastischen Eigenschaft (II, p. 83) eine Krümmungsbewegung unter Mitbetheiligung der äusseren Factoren veranlasst werden. Diese Krümmungsbewegung ergiebt sich unter an- derem als die Folge eines Temperaturreizes, wenn das Temperaturbedürfniss (die Temperaturcurve) zweier antagonistischer Gewebe selbstthätig so verschoben wird, dass diese Gewebe bei derselben (constanten) Temperatur nicht mehr, wie bisher, gleich schnell, sondern ungleich schnell wachsen. In jedem Falle hat die Forschung zunächst festzustellen, ob eine Bewegung bei voller Constanz einer bestimmten Gombination von Aussenbedingungen zu Stande kommt, also in unserem Sinne autogen ist, oder ob ein aitiogener A'or- gang vorliegt (II, p. 161). Bei der weiteren causalen Aufhellung einer autogenen 1) C. Fritzsche, Ueber die Beeinflussung d. Circumnutation durch verschiedene Factoren 1899, p. 6. 2) Ch. Darwin, Bewegungsvermögen •! 881, p. 5; Wiesner, Bewegungsvermögen 1SS1, p. 158. § 80. Die inneren und äusseren Ursachen der autonomen Bewegungen. 389 Bewegung wird dann zu entscheiden sein, ob ein äusserer Factor in der besagten Weise zu directiven Zwecken nutzbar gemacht wird, oder ob der Reizanstoss nur durch innere Factoren vermittelt wird. Auch in dem zuerst genannten Falle sind wir voll berechtigt, von einer autonomen Bewegung zu reden, da die primäre Ursache in einer selbstthätigen (autogenen), inneren physiologischen Veränderung liegt, die immer nur dann zu einer sichtbaren Be- wegung führt, wenn die nothwendigen Aussenbedingungen vorhanden sind, zu denen unter Umständen auch ein einseitig wirkendes (constantes) Agens gehört i). Andererseits ist es erlaubt, in erster Linie den äusseren Factor und den Reactions- erfolg in das Auge zu fassen und demgemäss die autogene Herstellung einer geotropischen etc. Reizung in Verbindung mit den tropistischen Bewegungen zu behandeln, die ja sämmtlich bestimmte physiologische Eigenschaften voraussetzten und durch diese bestimmt werden. In der That ist es für unsere Zwecke vor- t heilhafter, fernerhin (Kap. XIII) gemeinsam die Bedeutung der autogenen und aitiogenen Stimmungsänderung für die tropistischen Vorgänge zu besprechen. Jedoch muss hier die autogene Benutzung von Aussenfactoren zu directiven Zwecken schon desshalb berücksichtigt werden, weil es sich darum handelt, zu zeigen, dass auf diese Weise zwar gewisse, aber nicht alle spontanen Be- wegungen erzielt werden. Das Gesagte gilt ebensowohl für eine einmalige, wie für eine periodische Bewegung, die in jedem Falle eine selbstregulatorische Wiederholung der maass- gebenden Constellationen voraussetzt 2). Auch ohne eine nähere causale Einsicht in diese Processe ist es doch im allgemeinen begreiflich, dass durch das selbst- regulatorische Walten (im speciellen durch die physiologischen Reactionen und Gegenreactionen u. s. w.) in der Pflanze ebensogut autonome periodische Beweg- ungen erzeugt werden können wie im Thiere (z. B. die Athembewegungen, die iterzbewegungen u. s. w.). Thatsächlich ist ja bei allen organischen Wesen schon die individuelle Entwickelungsbewegung eine rhythmische Wiederholung der Processe, welche die Ahnen durchliefen (II, p. 247). Uebrigens sind z. B. der rhythmische Gang der Uhr, die Schwingungen des Hammers im Inductionsap- parat Beispiele für autogene periodische Bewegungen, die (Betriebsenergie vor- ausgesetzt) unter constanten Aussenbedingungen selbstthätig in Mechanismen er- zeugt und unterhalten werden. In dem letztgenannten Falle ist zugleich eine bestimmt gerichtete Aussenwirkung betheiligt, wenn bei der selbstthätigen Un- terbrechung des elektrischen Stromes der magnetisch angezogene Hammer durch das eigene Gewicht (durch die Schwerkraftwirkung) zurückfällt, während das Zurückspringen des Hammers allein durch die inneren Eigenschaften des Ap- parates bedingt ist, w^enn es durch die Spannung einer Feder bewirkt wird. Aus den allgemeinen Erfahrungen über den A^erlauf der Bewegungen lässt sich übrigens entnehmen, dass die zu Grunde liegenden regulatorischen Processe, in 1) Werden aber durch die Stoffvvechselthätigkeit des Organismus (Secrete etc.), durch das Hineinwachsen eines Organs in ein anderes Medium u. s. w. die Aussenbe- dingungen verändert, so sind die auf solche Weise veranlassten Bewegungen natürlich aitiogene Reactionen. (Vgl. Bd. II, p. 248). 2; Ueber die Erzeugung rhythmischer Bewegungen durch periodische Veränderun- gen in den Aussenbedingungen vgl. Bd. II, p. 248 und Fr. Darwin u. D. Pertz, Annals. of Botany 1892, Bd. 6, p. 245. 390 Kap. Xn. Krümmungsbewegungen. einem analogen Sinne wie bei der Ontogonese, selbstthätig in den einzelnen Organen, also nur in einer mittelbaren Abhängigkeit von dem Ganzen, geschaffen und gelenkt werden. Denn das folgt daraus, dass die gleichnamigen und un- gleichnamigen Organe derselben Pflanze gleichzeitig in verschiedenen Bewegungs- phasen gefunden werden, dass sich z. B. sogar die Blättchen eines Blattes von Oxalis, Trifolium u. s. w. in entgegengesetzter Richtung bewegen können. Diese Thatsachen liefern einen weitern Beweis, dass diese Bewegungen nicht durch den Wechsel der Aussenbedingungen hervorgerufen werden, da diese im allge- meinen eine gleichgerichtete Reaction verursachen würden. Jedoch ist zu be- achten, dass die Nachwirkungen einer aitiogenen Reaction eine gewisse Zeit fortdauern können, und dass es w^enigstens in gewissen Fällen schwer ist, zu entscheiden, ob eine aitiogene oder eine autogene Bew^egung vorliegt (vgl. z. B. II, p. 255, 271). Greifen beide zusammen, wie es unter den normalen Vegetations- bedingungen die Regel ist, so wird natürlich eine resultirende Bewegung erzielt (II, § 77), in der je nach Umständen die autogene oder die aitiogene Thätigkeit in den Vordergrund tritt i). Nach den obigen Auseinandersetzungen können äussere Factoren durch die autogene Thätigkeit in verschiedener Weise zu directiven Zwecken nutzbar ge- macht werden, jedoch ist bis dahin nur die Ausnutzung tropistischer (einseitiger) Reizwirkungen näher beachtet und verfolgt worden. Thatsächlich wird viel- fach durch eine selbstthätige Aenderung des geotropischen , heliotropischen u. s. w. Reactionsvermügens eine Bewegung ausgelöst, durch die ein Organ in eine neue Gleichgewichtslage geführt wird. Alle die weiterhin (II, § 121, 122) mitzutheilenden Erfahrungen über die autogene Veränderung der bezüglichen Reizstimmungen sind also zugleich Beispiele für spontane Bewegungen, die bei Constanz der Aussenbedingungen eintreten. Da speciell die Schwerkraft constant in derselben Richtung und mit derselben Intensität wirksam ist, so lässt sich nur durch eine Lagenänderung der Pflanze, und insbesondere nach Eliminirung der einseitigen Schwerkraftwirkung durch dauernde Drehung am Klinostaten (II, § M 1 ), entscheiden, ob die Reizwirkung der Schwerkraft eine Rolle spielt. In dieser Weise ist aber nur ein Theil derjenigen Bewegungsvorgänge geprüft, die in der feststehenden Pflanze bei Constanz aller übrigen Aussenbedingungen fortdauern, also in unserem Sinne autonom sind. Jedoch geht aus den bereits sichergestellten Thatsachen genugsam hervor, dass ein Schwerkraftreiz zwar bei dem Zustande- kommen vieler, aber nicht aller autogenen (ephemeren und periodischen) Be- wegungen betheiligt ist. Ist ein Factor, wie z. B. das Licht, dauernd nach Richtung und Intensität veränderlich, so lassen häufig schon die Beobachtungen in der Natur er- kennen, ob eine bestimmte Bewegung von einem solchen Factor abhängig ist. Indess wird erst bei Anwendung einer continuirlichen, constanten und dauernd gleichgerichteten Beleuchtung klar hervortreten, ob etwa die tropistische Reiz- wirkung des Lichtes zur Ilervorrufung einer autogenen Bewegung benutzt wird. ThatsächUch treten auch unter diesen Bedingungen alle diejenigen Bewegungen ein, die durch einen autogenen phototropischen Stimmungswechsel bedingt sind 1) Pfeffer, Periodische Bewegungen 1875, p. 153, 35. Vgl. diesen Bd. II, § 1 0l, 102, § 80. Die inneren und äusseren Ursachen der autonomen Bewegungen. 391 (II, § 1 1 2), Dass auch auf diese Weise eine periodische Bewegung verursacht werden kann, wird besonders anschaulich durch Schwärmzellen demonstrirt, die bei einer constanten, einseitigen Beleuchtung fortwährend hin- und herwandern, weil sie in Folge des autogenen Stimmungswechsels abwechselnd eine positiv und eine negativ phototactische Bew-egung ausführen (II, § 145). Eine analoge Erscheinung wird übrigens in manchen Fällen bei der chemotactischen Bewegung schwärmen- der Organismen beobachtet (II, § 149—151). Im Folgenden wird aber nur in Bezug auf die Schwerkraft die verschie- dene Ausnutzung zu autogenen Krümmungsbewegungen durch einige Beispiele erläutert. So werden z. B. die Bewegungen der Blüthenstiele und Fruchtstiele von Papaver, Tussilago und verschiedenen anderen Pflanzen durch den geotro- pischen Stimmungswechsel verursacht, während unter anderem die autogenen Bewegungen der Blüthenstiele von Asphodelus luteus, der Blüthenschäfte von Allium controversum augenscheinlich ohne Benutzung einer (äusseren) tropistischen Reizung zu Stande kommen i). Dasselbe gilt offenbar auch für viele Sexualorgane. Jedoch werden die autogenen Bewegungen der Staubgefässe, bezw. der Pistille von Dictamnus, Aesculus, Epilobium angustifolium u. s. w. durch den geotro- pischen Stimmungswechsel verursacht 2). Ferner treten die Krümmungen des hypocotylen Gliedes der Keimpflanze von Helianthus u. s. w., des epicotylen Gliedes der Keimpflanze von Faba, Pisum etc. auch am Klinostaten ein 3). Da- gegen soll die Einkrümmung der Sprossspitze von Ampelopsis und verschiedener anderer Pflanzen auf einer geotropischen Reaction *) , die Ausgleichung der Krümmung in den etwas älteren Theilen also auf einem geotropischen Stim- mungswechsel in Verbindung mit dem autogenen Orthotropismus (II, § 119) beruhen. Wenn nicht in allen Fällen klare und unzweideutige Resultate erhalten werden, so ist das nicht überraschend, da die Krümmungsbewegungen sicher- lich vielfach durch die gleichzeitige Benutzung von inneren und äusseren Reiz- anstüssen hervorgerufen und demgemäss bei Eliminirung der einseitigen Schwer- 1) Vöchting, Bewegungen d. Blüthen u. Früchte 1882, p.iga; M. Sclioltz, Cohn's Beiträge z. Biolog. 1893, Bd. 6, p. 306; A. Hansgirg, Photodynamisch. Untersuchung. 4 889, p. 250 (Sep. a. Sitzungsb. d. böhm. Gesellsch. d. Wissensch.); Physiolog. u. Phycophytolog. Untersuchung 1893, Neue Untersuchung, über d. Gamo- u. Karpotropis- mus 1896. (Sep. a. Sitzungsb. d. böhm. Gesellsch. d. Wissenschaft.) — Nach Vöchting (1. c. p. 1 37) beruht das Nicken der Blüthenstiele von Viola auf Geotropismus, während dieser nach Schwendener u. Krabbe (Gesammelt. Abhandl. von Schwenden er 1892, Bd. 2, p. 336) hierbei keine Rolle spielt. 2) J. Dufour, Archiv d. scienc. physiqu. et naturell. 1885, III. Period., Bd. 14, p. 418; Vöchting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1886, Bd. 17, p. 340; J. af Klercker, Die Bewegungs- erschein, b. ährenständigen Veronica-Blüthen 1892 (Sep. a. Bihang tili. Svenska Vet.- Akad. Handlingar Bd. 18). 3) Vöchting, Bewegungen d. Blüthen u. Früchte 1882, p. 186; Gh. Darwin, Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 72, 229, 475; Sachs, Arbeit, d. botan. Instit. in Würzburg 1873, Bd. I, p. 403; Lehrbuch III. Aufl. p. 75. Dass diese und andere Krümmungen nicht, wie Wiesner (Bewegungsvermögen 1881, p. 149) für verschiedene Fälle annimmt, durch die eigene Last verursacht werden, ist von Vöchting, 1. c. und Scholtz, Cohn's Beitr. z. Biologie 1892, Bd. 5, p. 400 gezeigt worden. Vgl. auch Rothert, Cohn's Beiträge z. Biologie 1896, Bd. 7, p. 141 und diesen Bd. II, § 128. 4) Scholtz, 1. c. 1892, p. 401. 392 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. kraftwirkung nur partiell ausgeglichen werden. Bei Aufenthalt am Klinostaten wird übrigens schon durch den Verlauf der Entwickelung demonstrirt, dass die mannigfachsten ephemeren Bewegungen ohne einen dirigirenden Schwerkraft- reiz ausgeführt werden. Ohne einen solchen Reiz entstehen offenbar auch die Torsionen im Internodium von Chara, im Peristom von Barbula u. s. w. (II, p. 386). Ob es sich ebenso mit dem Winden und dem Geradestrecken des Blüthenstieles von Yallisneria etc. verhält, muss empirisch entschieden werden. Die Variationsbewegungen sind zwar in Bezug auf die hier behandelte Frage nicht näher untersucht, doch scheinen die ansehnlichen Bewegungen der Seiten- blättchen von Desmodium gyrans, der Blättchen von Trifolium, des Gynoste- miums von Stylidium (II, p. 384) ohne die directive Wirkung der Schwerkraft zu Stande zu kommen. Gleiches gilt für die Schwingungen der Cilien, die ja ausgeführt werden, obgleich mit der locomotorischen Bewegung des Schwärmers eine Drehung um die eigene Längsachse und somit die Eliminirung der einsei- tigen Wirkung der Schwerkraft verknüpft ist. Bei einer solchen Eliminirung mit Hilfe des Klinostaten werden ferner, ebenso wie die Wachsthumsstösse (II, p. 20), auch die geringfügigen Krümmungsnutationen fortgesetzt, die sich bei allen wachsenden Organen finden i). Dagegen werden unter diesen Bedingungen die typischen Circumnutationen der Sprosse der Schlingpflanzen 2), der Ranken 3), der Stolonen von Mucor stolonifer*) bald oder nach einiger Zeit eingestellt, so dass diese Organe bei fortdauernder Drehung des Klinostaten, ebenso wie an- dere Pflanzen, nur geringe und unregelmässige Krümmungsnutationen ausführen. Wenn man eine Schlingpflanze in horizontaler Lage um die eigene Achse dreht, so wird, wie Baranetzki (1. c.) nachwies, allmählich die Krümmung des Avachsthumsthätigen Sprossgipfels ausgeglichen und Hand in Hand damit die Cir- cumnutation eingestellt. Die Einkrümmung, sowie die rotirende Nutation werden also durch die Ausbildung und die Ausnutzung einer geotropischen Reactions- fähigkeit erzielt, und zwar muss sich diese durch die Thätigkeit der Pflanzen fortwährend derart ändern (den Spross umwandern), dass der Spross successive (und periodisch) nach allen Richtungen der Windrose ausgebogen, also in cir- cumnutirende Bewegung gesetzt wird (II, p. 3 82). Jedenfalls ist also diese Be- wegung durcli. eine besondere autogene Veränderung der Eigenschaften (des Reac- tionsvermögens) bedingt, die nur bestimmten Pflanzen zukommt. Denn wenn die Sprosse einer anderen Pflanze durch eine geotropische Reaction oder gewaltsam durch Beugung und Belastung s) in eine klinotrope Lage gebracht werden, so i) C. Fritzsche, Ueber d. Beeinflussung d. Circumnutation durch verschiedene Factoren 1899, p. 16. 2) J. Baranetzki, Die kreisförmige Nutation u. d. Winden d. Stengel 18S3. p. 24; H. Ambronn, Mechanik d. Windens 1884, Th. 1, p. 6; Wortmann, Bot. Ztg. 1886, p. 314. Vgl. II, § 84. 3) Wortmann, Bot. Ztg. 1887, p. 86, 97. — Schon Ch. Darwin Kletternde Pflanzen 1876, p. 101) beobachtete an Echinocystis lobata, dass die rotirende Nutation an einer vertikal abwärts gerichteten Ranke beinahe aufhörte, aber wieder begann, sobald die Ranke in eine horizontale Lage zurückgekehrt war. 4) C. Fritzsche, 1. c. p. 21. 5) Fritzsche, 1. c. p. 20. — Jedoch beginnen nach Baranetzki ;1. c. p. 14) die zuvor vertikalen Stengel von Schlingpflanzen zu circumnutiren, wenn sie gewaltsam in eine klinotrope Lage gebracht werden. § 80. Die inneren und äusseren Ursachen der autonomen Bewegungen. 393 werden sie dadurch nicht zu auffäUigen Nutationen veranlasst, die hinwiederum nicht in einer rotirenden , sondern in einer pendelartigen Bewegung bestehen, wenn sich die autogene Stimmungsänderung nur in zwei opponirten Flanken vollzieht. Ohne einen solchen Stimmungswechsel lässt sich aber natürlich auch eine circumnutirende Bewegung hervorrufen, wenn man eine Pflanze in horizon- taler Lage genügend langsam am Klinostaten dreht. Denn als Resultante aus der geotropischen Reizung, die den Stengel oder die Wurzel veranlasst sich suc- cessive nach allen Seiten zu krümmen, und dem Autoorthotropismus , durch den (wie bei einer jeden Sistirung des tropistischen Reizes) die Wiederausgleichung der jeweiligen Krümmung angestrebt wird, ergiebt sich, dass das so reagirende Organ gekrümmt bleibt und eine rotirende Bewegung ausführt. Da es hierbei nur auf den entsprechend geregelten Wechsel der tropistischen Reizung ankommt, so wird ein analoger Effect auch ei'zielt, wenn man eine Lichtquelle langsam um den feststehenden Spross herumführt und hierdurch diesen veranlasst, sich successive nach allen Himmelsrichtungen heliotropisch zu krümmen. Im näheren ist aber nicht einmal entschieden, ob dieser autogene Stimmungs- wechsel sich auch dann abspielt, wenn die Pflanze am Klinostaten gedreht wird und demgemäss die geotropische Reizung (Reaction) vermieden ist, oder ob erst durch die Realisirung der geotropischen Krümmung (durch die klinotrope Lage) die Bedingungen für den specifischen Verlauf des Stimmungswechsels und somit für die Circumnutation ganz oder theihveise geschafl'en werden. Beispiele dafür, dass die Reizstimmung durch die einseitige Wirkung der Schwerkraft beeinflusst wird, werden wir späterhin kennen lernen (II, § ] 02). An dieser Stelle sei nur die interessante Thatsache erwähnt, dass der Spross von Cuscuta am Klinostaten nicht nur die circumnutirende Bewegung einstellt, sondern auch die Reizbarkeit durch Contact verliert i). Eine bestimmte Schlussfolgerung in Bezug auf die an- gedeuteten Fragen ist aber z. B. nicht aus der Erfahrung zu ziehen, dass in manchen Fällen selbstthätig eine Umkehrung der Nutationsrichtung eintritt ([1, p. 382), und dass manche Pflanzen nur unter bestimmten Bedingungen cir- cumnutiren. Denn wenn z. B. eine lebhafte rotirende Nutation nur bei den etiolirien Pflanzen von Tropaeolum majus, Polygonum Fagopyrum etc. 2) zu finden ist, so bleibt schon fraglich, ob der Erfolg durch die Erhöhung der Actions- fähigkeit der minder dickwandigen etiolirten Gewebe oder durch eine Modification ilerjenigen autogenen Processe erzielt wird, durch welche die Circumnutation veranlasst und dirigirt wird. Wir müssen uns hier darauf beschränken, das Wesen der Sache anzudeuten. Bemerkt sei mu-, dass (;in kürzerer, freier Sprosstheil der Windepflanzen kräftig genug ist, um sich selbst zu tragen, dass also die klinotrope Stellung durch eine active geotropische Reaction herbeigeführt wird ^j^ zu der bei grösserer Länge des freien Sprosstheiles das Herabziehen durch die eigene Last hinzukommt (II, § 128)*"). Die Gei*adestreckung des Sprosses am Klinostaten beweist aber, dass die reale Krüm- mung aus dem Zusammenwirken von Klinogeotropismus und Autoorthotropismus ^) G. J. Peirce, Annais of Botany 1894, Bd. 8, p. 86, U6. Vgl. II. § 121. 12-2. — Die typischen Ranken sind indess nach längerer Drehung am Khnostaten durch Con- tact reizbar. 2) Noll, Bot. Ztg. 1885, p. 664. — Vgl. auch M. Scholtz, Cohn's Beitr. zur Bio- logie 1892, Bd. 5, p. 393. 3) Baranetzki, I. c. p. 19, 48, und andere Autoren. 4) Da das statische Moment gegen die Spitze abnimmt, so wird sich der mecha- nisch herabgezogene Spross an der Spitze geotropisch erheben und somit mehr oder minder eine S-förmige Gestalt annehmen (vgl. II, § 128). 394 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. resultirt (II, § I I 9). Für den näheren Verlauf der rotirenden Bewegung kommen indess noch verschiedene andere Factoren in Betracht, und es ist desshalb be- greiflich, dass von dem Sprosse im allgemeinen eine unregelmässige Curve be- schrieben wird (vgl. II, p. 3 8 1 ). Auf einige Eigenheiten werden wir fernerhin bei der Behandlung des Windens zu sprechen kommen (II, § 84, 85). § 81. Beeinflussung durch den Wechsel der Aussenbedingungen. In einem analogen Sinne wie die Gesammtthätigkeit und die Enlwickelungs- bewegungen werden auch die hier behandelten autonomen Bewegungen durch die Aussenbedingungen beeinflusst. Je nach dem Ausmaass der Temperatur, des Wassergehalts etc. gehen also die autonomen Bewegungen schneller oder lang- samer von statten. Auch ist bereits (11, § 80) dargethan, dass es für die Be- wegungsthätigkeit von wesentlicher Bedeutung sein kann, ob bei voller Constanz der Aussenbedingungen eine einseitige oder diffuse Einwirkung von Schwerkraft, Licht u. s. w. geboten ist. Bei einem Wechsel der Aussenbedingungen combiniren sich natürlich die aitiogenen Reactionen mit den autonomen Bewegungen, und oft dauert es längere Zeit, bis die Störung überwunden, und der den neuen (constanten) Bedingungen entsprechende Gleichgewichtszustand hergestellt ist. Beachtet man ferner, dass durch allgemeine oder lokale Eingriffe und die von diesen ausgehenden corre- lativen Wirkungen (11, § 45) bestimmte Thätigkeiten erst erweckt oder modificirt werden, so leuchtet ein, dass sich in vielen Fällen eine scharfe Grenze zwischen autogenen und aitiogenen Bewegungen nicht ziehen lässt. Bei der Mannigfaltig- keit der Beziehungen lassen sich auch keine allgemein giltigen Regeln aufstellen. Die Erfahrung lehrt denn auch, dass in manchen Fällen, z. B. mit der Erhöhung der Wachsthumsthätigkeit, überhaupt mit der Steigerung der Inanspruchnahme, die autogenen Krümmungsbewegungen vermindert'), in anderen Fällen 'aber ge- steigert werden. Vielfach scheint allerdings bei ernstlichen inneren Störungen die autonome Bewegungsthätigkeit, ebenso wie die Gesammtthätigkeit, unregel- mässiger zu werden, und nicht selten wird unter diesen Umständen die auto- nome Krümmungsthätigkeit erhöht, wenn sie zuvor geringfügig war. Es ist indess nicht geboten auf Einzelheiten einzugehen, und wir beschrän- ken uns in Folgendem mit dem Hinweis auf einige allgemeine Beziehungen zwi- schen den Aussenbedingungen und der autogenen Bewegungsthätigkeit. Ein gewisses Ausmaass der Temperatur ist, wie für alle Wachsthums- und Bewegungsvorgänge, auch für die autogene Bewegungsthätigkeit erforder- lich. Im allgemeinen werden also bei einer bestimmten (optimalen) Temperatur die Bewegungen am schnellsten vor sich gehen , wie bereits in Bezug auf die Seitenblättchen von Desmodium gyrans erwähnt (II, p. 384) und ausserdem für verschiedene andere Fälle constatirt wurde. So wurde in Versuchen Dutrochet's^) -1) Nach Askenasy (ßer. d. bot. Gesellsch. 1890. p. 77) nehmen an der Wurzel die Krümmungsnutationen mit der Beschleunigung des Wachsens ab. Indess wurden z.B. von Fritzsche (1. c.) auch entgegengesetzte Resultate erhalten. 2j Dutrochet, Annal. d. scienc. naturell. 1843, III. ser., Bd. 20, p. 312. — E. Si- mons und R. E. B. Mac Kenney, Bot. Jahrb. 4898, I, p. 594. § 81. Beeinflussung durch den Wechsel der Aussenbedingungen. 395 von der Ranke der Erbse ein Umlauf bei 5 — 6 C. in 9 — 11 Stunden, bei 24 C. in 1 St. 20 Min. ausgeführt. Ferner stellen nach Darwin i) die Internodien und Ranken von Eceremocarpus scaber die auffällige Circumnutation in einem Kalthaus ein, in welchem sie noch in die Länge wachsen. Analoges beobachtete Fritzsche^^ an Keimstengeln etc., bei denen mit der Erhöhung der infraoptimalen Temperatur die Schnelligkeit und die Amplitude der an sich geringen Krümmungsbewegungen gesteigert wird. Es ist indess wohl möglich, dass in anderen Fällen mit der Erhöhung der Temperatur die Schnelligkeit der Bewegung zunimmt, die Amplitude aber abnimmt. Ein solcher Erfolg wurde in der That von Ch. Darwin 3) mit den Blättchen von Averrhoa bilimbi etc. in Versuchen erhalten, die allerding.'^ nicht als beweiskräftig angesehen werden können. Beleuchtung und Yerdunkelung üben auf die autonomen Bewegungen, ebenso wie auf die Zuwachsbewegung (II, § 20 ff.), einen verschiedenen Einfluss aus, je nachdem der Erfolg einer kurzen oder längeren Verdunkelung in das Auge gefasst wird. Zumeist scheinen aber die autonomen Variations-*) und Nu- tationsbewegimgen ^) nach der Lichtentziehung bei der phototonischen Pflanze in ähnlicher Weise wie zuvor fortgesetzt zu werden. Bei dauernder Lichtentziehung werden die Variationsbewegungen allmählich verlangsamt, bis endlich mit der Dunkelstarre ein Stillstand eintritt ^j. So lange aber ein Organ wächst, führt es auch im Dunkeln Nutationsbewegungen aus, die bei gewissen Pflanzen ver- grössert, bei anderen vermindert werden. So stellt sich, wie wir schon hörten (II, p, 393), bei den etiolirten Pflanzen von Tropaeolum, Polygonum etc. eine an- sehnliche Circumnutation ein, während diese nach Duchartre'^) in den etiolirten Sprossen von Dioscorea Batatas und Mandevillea suaveolens so stark vermindert ist, dass diese Pflanzen nicht mehr winden können. Dagegen wird z. B. bei den etiolirten Sprossen von Phaseolus und Ipomoea purpurea eine lebhafte Cir- 1) Ch. Darwin, Kletternde Pflanzen 1876, p. 79. Ebenda p. 56 für Solanum jas- minoides. 2) C. Fritzsche, Die Beeinflussung d. Circumnutation durch verschiedene Fac- toren 1899, p. 23. 3) Ch. Darwin, Das Bewegungsvermögen etc. 1881, p. 283. — Eine schnelle üscillationsbewegung wird nach Asa Gray und Loomis cit. bei Darwin 1876, 1. c. p. 32; 1881, 1. c. p. 90) hei den Blättchen des Wedels von Asplenium trichomanes her- vorgerufen. Es ist dieses indess, wie Fritzsche [1. c. p. 15; zeigte, eine Folge der Erwärmung und der hierdurch gesteigerten Transpiration, die mit der Lageänderung des Blättchens sich fortwährend ändert. 4) Pfeffer, Periodische Bewegungen 1875, p. 155. 5) Ch. Darwin, Kletternde Pflanzen 1876, p. 32; Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 90 (Schlingpflanzen); C. Fritzsche, 1. c. p. 14 (Keimpflanzen u. s. w.). M. De- wevre et E. Bordage, Revue generale d. Botan. 1892, Bd. 4, p. 73 (farbiges Licht. — Nach Rothert (Cohn's Beiträge z. Biologie 1894, Bd. 26) nutiren die Cotyledonen von Avena, Phalaris u._^s. w. im Dunkeln etwas stärker. 6) Pfeffer, 1. c. *p. 155. Vgl. dieses Buch II, § 105 — ^Nach A. Maige (Annal. d. scienc. naturell. 190 0, VIII ser., Bd. 11, p. 331) werden durch intensives Licht die Be- wegungen vermindert.] 7) Duchartre, Compt. rend. 1865, Bd. 61, p. 1142. Bei diesen Pflanzen unterbleibt im Dunklen auch die Torsion. — Die am Licht erzogenen Stengel von Dioscorea winden auch im Dunkeln, nach de Vries, Arbeit d. Botan. Instituts in Würzburg 187 3. Bd. 1, p. .S28. 396 K^^P- X^I- Krümmungsbewegungen. cumnutation und die volle Befähigung zum Winden gefunden i). Voraussichtlich werden mit der Zeit weitere Beispiele für eine specifische Beeinflussung der autonomen Bewegungen durch eine vorübergehende oder dauernde Verdunkelung bekannt werden. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass in gewissen Fällen mit der Veränderung der photonastischen Gleichgewichtslage (II, § 96 — 104) eine Modifi- cation der autonomen Bewegungsthätigkeit verknüpft ist 2). An dieser Stelle wollen wir indess nicht auf die Bedeutung der photonastischen und heliotropischen Be- wegungen und ebenso nicht auf die schon (II, p. 390) erwähnte Ausnutzung der einseitigen Beleuchtung zur Erzielung autonomer Bewegungen eingehen. Ebenso haben wir nicht die Beeinflussung der autogenen Krümmungsbe- wegungen durch den Turgescenzzustand, durch den Nahrungsmangel, durch che- mische Reize u. s. w. 3) zu besprechen, durch die ja die Thätigkeit der Pflanze in verschiedener Weise modificirt wird (vgl. II, Kap. VI). Als Erfolg einer chemischen Reizung ist es auch anzusehen, dass nach Ch. Darwin^) durch die Aufnahme von etwas Ammoncarbonat in den Blattlappen von Dionaea musci- ])ula und in den Blatttentakeln von Drosera eine lebhafte, oscillirende Bewegung angeregt wird. Der Einfluss von Erschütterungen auf Gewebespannung und Wachsthum (II, p. 152) lässt es begreiflich erscheinen, dass bei manchen Schling- pflanzen das Schütteln eine partielle Aufrichtung des circumnutirenden Sprosses veranlasst 5). Mit den Erfahrungen über den Einfluss von Verletzungen auf das Wachsthum (II, p. 1 58) steht es im Einklang, dass bei einer massigen Verletz- ung durch Einstechen oder Einschneiden in Sprosse und Wurzeln die Krüm- mungsthätigkeit des Organes nicht erheblich alterirt wird^). Dasselbe ist sogar der Fall, wenn die Wurzelspitze so decapitirt wird, dass keine traumalische Krümmung ausgelöst wird'). Da auch eine ansehnliche Verletzung des Wurzel- systems die Krümmungsnutationen der Sprosse nicht erheblich beeinflusst (II, V] H. Mohl, Ranken u. Schlingpflanzen 1827, p. 122. 150; Sachs, Botan. Ztg. 1865, p. 119; Fritzsche, 1. c. 2) Nach He ekel (Du mouvement vegetal 1875. p. 551) sind die Bewegungen der Staubgefässe von Ruta und Saxifraga im Dunkehi langsamer. Nach Carlet (Compt. rend. 1873, Bd. 77, p. 538) sollen sich die Staubgefässe von Ruta im Dunkeln gar nicht bewegen. — So lange die Organe in der neuen Gleichgewichtslage oder in der aitio- genen Reaction aneinander oder gegen eine Widerlage gepresst sind, können die an- gestrebten autonomen und aitiogenen Bewegungen natürlich nicht bemerklich werden vgl. Pfeffer, 1. c. p. 48). Dieses Verhalten wurde nicht gebührend von Stahl (Bot. Ztg. 1898, p. 103) beachtet, der eine Abnahntie der autonomen Bewegungen im Dunkeln vermuthet, da durch diese die Nachtstellung gestört werde. Diese teleologischen Dis- cussionen haben natürlich gegenüber den empirischen Erfahrungen keine Bedeutung. 3) Einige Beobachtungen bei C. Fritzsche, Die Beeinflussung d. Circumnutation durch verschiedene Factoren 1899. Die Angabe, die Bewegung der Blättchen von Desmodium gyrans werde durch einen schwachen elektrischen Strom beschleunigt, bedarf der Nachprüfung und der causalen Aufhellung. Lit. Kabsch. Bot. Ztg. 1861. p. 358; Meyen, Pflanzenphysiol. 1839, Bd. 3, p. 557. — Ueber den Einfluss von Chlo- roform etc. vgl. Bd. II, § 105. 4) Ch. Darwin, Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1S81, p. 202, 204. 5) J. Baranetzki, Die kreisförmige Nutation und das Winden der Stengel 1883. p. 20. 6) Fritzsche, 1. c. p. 31. 7) Ch. Darwin, 1. c. p. 453; Prantl. Arbeit, d. Botan. Instituts in Würzburg 1874, Bd. 1, p. 548, 554; Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, Bd. 27, p. 292. § 82. Die mechanische Ausführung der autonomen Bewegungen. 397 p. 158), so dürfte die Verminderung der Circumnulationsthäligkeit an abge- schnittenen Sprossen der Windepflanzen wohl durch die Erschütterungen beim Abschneiden und durch das Zurückgehen des Turgescenzzustandes verursacht werden ij. § 82. Die mechanische Ausführung der autonomen Bewegungen. Unter Verweisung auf II, § 78 bemerke ich, dass in Bezug auf die mecha- nische Vermittlung der autonomen Nutalionsbewegungen nicht einmal bekannt ist, ob und in welchen Fällen die mittlere Wachstimmsschnelligkeit constant bleibt oder verändert wird. Jedoch sind die Nutationskrümmungen von Oedo- gonimn (II, p. 374), vermuthlich auch die der Zygnemaceen (II, p, 381), mit einer Wachsthumsbeschleunigung verknüpft, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass die geringfügigen Krümmungsnutationen vielfach mit der stossweisen Aenderung der Zuwachsbewegung (11, p. 20) zusammenhängen. Dagegen ist es fraglich, ob z. B. die Circumnutation des Sprosses der Schlingpflanzen u. s. w. von einer Steigerung der mittleren Zuwachsbewegung begleitet ist. Jedenfalls kann auf eine solche Beschleunigung nicht daraus geschlossen werden, dass die Krümmung zumeist mit dem Wachsthumsmaximum zusammenfällt, und demgemäss bei der undulirenden Nutation in der Regel in einem jeden Krümmungsbogen ein Wachs- thumsmaximum gefunden wird 2). Voraussichtlich kommt auch bei den autonomen Krümmungen nicht immer dieselbe Wachsthumsmechanik in Anwendung. Jedenfalls ist bei Oedogonium plastisches Wachsthum im Spiele (II, p. 374), indess ist noch in keinem Fall erwiesen, dass die Wachsthumsbeschleunigung durch eine Turgorsteigerung be- wirkt wird. Die Versuche, aus welchen de Vries einen solchen Zusammenhang folgerte, sind nicht beweisend, wie fernerhin (II, § 88, 103, 129) dargethan werden soll. Hier sei nur kurz bemerkt, dass die autonomen Krümmungen der Sprosse, des Fadens von Spirogyra u. s. w. erhalten bleiben, wenn die Pflanze durch Eintauchen in heisses Wasser plötzlich getüdtet wird, dass also das vermit- telnde Wachsthum ohne eine vorbereitende elastische Dehnung ausgeführt wird 3). Nach den Versuchen mit den Blättchen von Trifolium pratense und Oxalis acetosella kommen die ansehnlichen autonomen Variationsbewegungen zu Stande, indem immer die Expansionskraft in der einen Hälfte des Gelenkes zunimmt, während sie in der antagonistischen Hälfte abnimmt (vgl. H, p. 371, § 104)'t). Es ergiebt sich dieses daraus, dass die Biegungsfestigkeit (II, p. 378) der Ge- lenke constant bleibt, während die Blättchen die sehr ansehnlichen Bewegungen (II, p. 383) ausführen. Denn da diese Bewegungen mit grosser Energie ange- 1) Vgl. Baranetzki, 1. c. p. 61, und dieses Buch II, § 84. 2) Vgl. Wiesner, Die undulirende Nutation d. Internodien 1878, p. 26 (Sep. a. Sitzungsb. d. Wien. Akad. Bd. 77, Abth. 1). 3) Dass die Nutationen von Blüthenstielen u. s. w. durch Wachsthum vermittelt werden, wurde von Frank festgestellt (Beiträge zur Pflanzenphysiol. 1868, p. 62). Uebrigens nimmt auch Hofmeister (Pflanzenzelle 1867, p. 3 «4) an, dass nicht allein em Dehnbarwerden passiver Schichten, sondern wenigstens theilweise Wachsthum bei den Nutationen mitspiele. [E. Winkler, Krümmungsbewegungen bei Spirogyra 1902.] />) Pfeffer, Periodische Bewegungen 1875, p. 88, 156. 398 K^^P- ^I^- Krümmungsbewegungen. strebt werden, so müsste die Biegungsfestigkeit erheblich steigen, wenn die Krüm- mung dadurch erzielt würde, dass die Expansionskraft entweder gleichsinnig aber ungleich stark in beiden Gelenkhälften oder immer nur in einer der beiden Gelenkhälften zunimmt oder abnimmt. Auch im letzteren Falle müsste nach meinen Beobachtungen die Expansionsenergie in der allein activen Gelenkhälfte von Trifolium um 0,6 — 2 Atmosphären zunehmen. Abschnitt II. Rankenkietterer und Schlingpflanzen. § 83. Allgemeines. Als Kletterpflanzen oder nach Schenck als Lianen bezeichnet man diejenigen Pflanzen, welche Stämme, Buschwerk, Mauern, Felsen u. s. w. als Stütze be- nutzen, um sich über den Boden zu erheben. Diese Aufgabe wird in verschie- dener Weise gelöst, und je nach den besonderen Einrichtungen und Mitteln, die zur Erreichung des Zieles dienen, lassen sich 1 . Winde- oder SchUngpflanzen, 2. Rankenpflanzen oder Rankenkletterer, 3. Wurzelkletterer, 4. Spreizkhmmer unterscheiden. Während bei den Windepflanzen (Bohne, Hopfen etc.) Umschlingen eines aufrechten oder wenig geneigten Stabes durch die Circumnutation und die mit dieser verknüpften Bewegungsvorgänge erzielt wird, werden die verschiedenar- tigen Greiforgane der Rankenpflanzen durch einen Contactreiz veranlasst, die Stütze zu erfassen. Zu den Wurzelkletterern gehören diejenigen Pflanzen, die sich, wie Hedera helix, Ficus stipulata, Tecoma etc. an Mauern u. s. w. er- heben und mit Hilfe von Haftwurzeln befestigen. Die Spreizkhmmer (z. B. die Kletterrosen, Kletterbrombeeren, Galium aparine) stützen sich einfach auf die Pflanzen, zwischen denen sie emporwachsen. Bei den vollkommeneren Spreiz- klimmern ist zugleich in verschiedener Weise für die Behauptung der gewon- nenen Lage gesorgt. Theilweise geschieht dieses durch Blätter oder Sprosse, die sich erst entfalten und entwickeln, nachdem die Knospe durch das als Stütze dienende Gebüsch geschoben ist, theilweise sind Stacheln (bei der Rose etc.), Dornen oder Haare vorhanden, die wie Widerhaken wirken, also das Zurück- ziehen des Sprosses erschweren oder unmöglich machen. Da es aber nicht die Aufgabe dieses Buches ist, eine Uebersicht der Klet- terpflanzen zu geben oder die mannigfachen morphologischen und ökologischen Eigenthümlichkeiten derselben zu schildern i), so beschränken wir uns darauf, 1) Näheres bei Ch. Darwin, Bewegungen und Lebensweise der kletternden Pflanzen 1876; A. Kerner, Pflanzenleben 4 887, Bd. I, p. 629; H. Schenck, Beitr. z. Biolog. u. Anatom, d. Lianen 4 892; F. Ludwig, Lehrb. d. Biolog. d. Pflanzen 1895, p. 124. hl diesen Werken, ferner z. B. bei Göbel, Organographie 1900, p. 606, 636 ist auch erörtert, dass, wie allgemein bekannt ist, Organe von verschiedener morpho- § 83. Allgemeines. 399 das Wesen der besonderen Bewegungs- und Reactionsvorgänge zu behandeln, mit deren Hilfe die Ranken- und Schlingpflanzen ihr Ziel erreichen. Thatsäch- lich sind die übrigen Kletterpflanzen so aufgebaut und ausgestattet, dass sie mit den allgemein üblichen oder doch mit den an anderer Stelle behandelten oder zu behandelnden Bewegungen und Reactionen ihre Kletterarbeit vollbringen. Die wachsenden Sprosse der Spreizklimmer finden durch ihr Aufwärtsstre- ben, also durch dieselben directiven Reize wie andere Pflanzen, ihren Weg durch das Gebüsch etc., auf das sie weiterhin, infolge der Zunahme des Eigen- gewichts, herabsinken. Bei den Wurzelkletterern aber kommt das negativ he- liotropische Reactionsvermügen hinzu (II, § 1 1 2), durch das der Spross ver- anlasst wird, sich an die Mauer u. s. w. anzuschmiegen. Hierdurch werden zugleich die Bedingungen, nämlich Beschattung, Feuchtigkeit und in manchen Fällen vielleicht eine Gontactreizung, geschaffen, die verursachen, dass Haftwurzeln allein oder hauptsächlich gegen die Mauer hin entwickelt werden (I, p. 137; II, p. 107, 151). Uebrigens sind durch die obige Eintheilung nur gewisse Typen gekennzeichnet, die durch Uebergänge verknüpft werden. So ist Guscuta eine Schlingpflanze, bei welcher der windende Stengel zugleich (intermittirend) die Gontactreizbarkeit eines Rankenkletterers besitzt. Der schlingende Stengel von Guscuta und von Hoya producirt ausserdem Wurzeln, die bei der letztgenannten Pflanze nur zum besseren Befestigen, bei der parasitischen Guscuta aber auch zur Gewinnung von Nahrung dienen. Ferner giebt es Pflanzen, die mit Haken ausgestattet sind, welche zunächst wie die Haken der bewehrten Spreizklimmer und fernerhin vermöge ihrer Gontactreizbarkeit als sensible Greiforgane functioniren. Auch fehlt es nicht an Pflanzen, bei denen differente Organe gleichzeitig oder nach- einander in verschiedener Weise kletterthätig sind. So besitzen gewisse Bignonia- ceen neben schlingenden Stengeln Ranken (Fadenranken oder reizbare Blatt- stiele), und bei einzelnen Arten werden schliesshch noch Sprosse getrieben, die sich nach der Art der Wurzelkletterer befestigen*). Zudem sind gewisse Pflanzen befähigt, sich je nach den Aussenbedingungen als kletternde oder als nicht klet- ternde Pflanzen zu entwickeln (II, p. 393). Da sich die Kletterpflanzen unter Benutzung einer fremden Stütze zu Licht und Luft emporarbeiten und dieserhalb nicht für die Ausbildung eines trag- fähigen Stengels zu sorgen haben, so vermögen sie bei gleichem Materialaufwand schneller in die Länge zu wachsen als andere Pflanzen, und es ist bekannt, dass z. B. der Stengel des Hopfens in einigen Sommermonaten bis zu 12 m lang wird (n, p. 17). In dem verhältnissmässig dünnen Stengel müssen aber natürlich die Leit- bahnen besonders leistungsfähig ausgebildet sein, damit der ansehnlichen Blatt- menge die grosse Wassermenge zugeleitet werden kann, die zur Deckung des Transpirationsverlustes nothwendig ist (I, 197). Je nach der Natur der Stützen ist die eine oder die andere der genannten Klettereinrichtungen die am besten functionirende. So sind die Windepflanzen logischer Dignität zu gleichen Zwecken ausgebildet sind. Einige diesbezügliche Be- merkungen, sowie Notizen über das Vorkommen von Klettervorrichtungen bei niederen Pflanzen finden sich in den folgenden §§. 1) Schenck, 1. c. p, 7, 134, 156; Darwin, 1. c. k*B-, U- S *• 400 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. darauf berechnet, sich an einem dünneren Stamme, überhaupt an einer isolirten, aufrechten Stütze emporzuarbeiten, während die Rankengewächse am besten zwischen Gebüsch, an Spalieren etc. klettern, also da, wo sich zahlreiche Fasspunkte bieten. Derartigen Verhältnissen sind auch die Spreizklimmer angepasst. Dagegen vermögen die Wurzelkletterer als Stütze eine Mauerfläche etc. zu benutzen, die einem Rankenkletterer nur zugänglich ist, wenn die reizbaren Greiforgane mit Saugplatten (wie bei Ampelopsis) oder mit geeigneten Krallen ausgestattet sind. Natürlich giebt es in jedem der genannten Typen gute und schlechtere Kletterer, und man kann nur ganz im allgemeinen sagen, dass uns die Rankenkletterer als diejenigen Kletterpflanzen erscheinen, die ihrem Zwecke am besten und voll- kommensten angepasst sind. Der aus dem Boden tretende Spross ist gewöhnlich erst zum Klettern be- fähigt, nachdem er eine gewisse Länge erreicht hat. Findet er dann keine Stütze, so senkt er sich durch das eigene Gewicht und wächst nun analog wie ein Ausläufer auf dem Boden fort. Unter diesen Umständen befindet sich die Pflanze solange unter günstigen Beleuchtungsbedingungen, bis die Sprossspitze ein beschattendes Buschwerk etc. erreicht, das dann, wae eine jede geeignete Stütze, zur Ausübung der Kletterthätigkeit benutzt wird. Ob indess die Pflanze durch dieses Fortwachsen auf dem Boden eine Stütze findet, ist dem Zufall an- heim gegeben. Denn diese Pflanzen sind nicht mit Sensibilitäten ausgestattet, durch welche die Sprosse veranlasst werden, sich nach der Stütze hinzuwenden, und selbst der negative Heliotropismus, durch den der Stengel des Epheu u. s. w. gegen die Mauer hin getrieben wird, kommt erst in Betracht, wenn der Spross sich schon in der Nähe der Mauer befindet. Innerhalb des von der Pflanze be- herrschten Bereiches wird natürlich die Erreichung der Stütze durch alle Be- wegungen begünstigt. In diesem Sinne wirken also ebensowohl die passiven Bewegungen durch den Wind wie die activen Circumnutationen, die nicht nur von den Schlingpflanzen, sondern auch von den Sprossen vieler Rankenkletterer ausgeführt werden (II, § 80). Bei letzteren pflegen zudem die Ranken lebhaft zu circumnutiren, und in einigen Fällen wird die Bewegung der Ranke aus- serdem noch durch die Tagesbewegungen des die Ranke tragenden Blattes unterstützt i). § 84. Das Winden der Schlingpflanzen. Trifft der frei nutirende Sprosstheil (II, p. 382] einer typischen Windepflanze (Bohne, Hopfen, Winde u. s. w.) auf eine feststehende, aufrechte Stütze, so um- schlingt er diese in aufsteigenden Schraubenlinien und klettert nun weiter, in- dem die neuen Zuwachsstücke ebenfalls in einer Schraubenlinie um den Stab gewunden werden. Diese Windungen kommen aber nicht etwa zu Stande, in- dem der forlwachsende Sprossgipfel sich eng angeschmiegt um die Stütze be- wegt, sondern sind vielmehr das Endresultat einer verwickelten Thätigkeit, die zur Folge hat, dass der nach Circumnulationsbewegungen strebende wachsende Sprossgipfel abwechselnd der Stütze angepresst wird, um sich dann immer wie- 1) So nach Darwin (1. c. p. 90) bei Mutisia clematis. § 84. Das Winden der Schlingpflanzen. 401 der von dieser mehr oder weniger abzuheben (Fig. 37, 38)i). Zwar sind die zu (irunde liegenden Vorgänge noch nicht völlig aufgeklärt, jedoch ist soviel ge- wiss, dass das Umschlingen bei den typischen Windepflanzen nicht, wie bei den Ranken, durch einen von der Stütze ausgehenden Contactreiz veranlasst wird, sondern dass die Stütze nur mechanisch wirkt, d. h. die AViderlage bil- det, um welche die Windungen unter den obwaltenden Bedingungen durch die active Bewegungsthätigkeit des circumnutirenden Sprosses erzeugt werden. ^, Fig. 37. Convolvulus arvensis (verkleinert). Fig. 'iSalc. Windende Sprossspitze von Humulus lupulus iu verscMedeuen Phasen der Bewegung (verkleinert). Die Nothwendigkeit der Circumnutationsbewegungen für das Winden ergiebt sich aus der Erfahrung, dass ohne eine ansehnüche rotirende Nutation kein Winden stattfindet. Folglich geht die Windefähigkeit dem Keimstengel der Bohne, den aus dem Rhizom hervortretenden Sprossen des Hopfens, überhaupt, auch bei den besten Schlingpflanzen, denjenigen Sprossen ab, die noch nicht ■1) Näheres bei Ch. Darwin, Kletternde Pflanzen 187G; H. de Vries, Arbeit, d. Botan. histituts in Würzburg 4873, Bd. I, p. 326; S. Schwendener (1881), Gesammelte Botan. Mittheilg. Bd. I, p. 405; Baranetzki, Die kreisförmige Nutation u. das Winden der Stengel 1883, p. 54; H. Schenck, Beiträge z. Biolog. u. Anatom, d. Lianen 1892, p. 115. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. IL 26 402 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. genügend circumnutiren i). Demgemäss wird durch den etiolirten Stengel von Tropaeolum majus, Polygonum fagopyrum u. s. w. mit der Circumnutation auch die Befähigung zum Winden gewonnen (II, p. 393), Ferner hört mit der Circumnutation auch das Winden auf, wenn die ein- seitige Wirkung der Schwerkraft auf die Pflanze durch Drehung am Klinostaten eliminirt wird (II, p. 392). Unter diesen Umständen hat sogar die selbstthätige Geradestreckung (der autonome Orthotropismus) zur Folge, dass die jugendlichen, noch wachsthumsthätigen Windungen sich wiederum abwickeln und zu einem geraden Sprossstücke werden 2). Da aber durch die Versuchsanstellung eine jede einseitige Schwerkraftwirkung aufgehoben wird , so geht aus dem erwähnten Erfolge nicht hervor, ob die Schwerkraft nur durch die Erzeugung der Circum- nutation oder noch in anderer Weise bei dem Winden wirksam ist. Das Verhalten am Klinostaten beweist zugleich, dass durch den Contact mit der Stütze keine Reizwirkung ausgeübt wird, welche das Abwickeln und das Entfernen des Sprosses von der Stütze zu verhindern vermag. Da indess bei Cuscuta am Klinostaten nicht nur die Circumnutation, sondern auch die Contactreizbarkeit aufgehoben wird (II, p. 393, 404), so kann aus dem besagten Resultat nicht mit Sicherheit gefolgert werden, dass dem Stengel der anderen Schlingpflanzen unter normalen Verhältnissen die Contactreizbarkeit abgeht. Thatsächlich ist dieses aber der Fall. Denn durch Reibung mit einem festen Körper lässt sich wohl an dem Stengel von Cuscuta und Lophospermum scandens (II, § 86), aber nicht an dem Stengel von Phaseolus und den anderen hier be- handelten Schlingpflanzen eine Krümmungsbewegimg auslösen. Dieses negative Resultat erhält man ebenso, wenn eine Flanke des Sprosses wiederholt gerieben wird, oder wenn man, wie es Darwin that, einen dauernden Contact durch das Aufsetzen einer Holzgabel, oder nach de Vries dadurch herstellt, dass der cir- cumnutirende Spross einen Stab vor sich herzuschieben hat, der in geeigneter Weise an einer Drehwage befestigi ist 3). Zur Erzielung und zur Fortsetzung des Windens genügt aber nicht die nor- male (symmetrische) Circumnutation -i). Denn durch diese wird das horizontale oder geneigie freie Ende eines Sprosses, der durch das Umwinden einer Stütze 1) Vgl. H. Mohl, Ranken u. Schlingpflanzen 1827, p. 104; Ch. Darwin, 1. c. p. 4, 26, 33 etc.; Schenck, 1. c. p. 128. 2) Vgl. Bd. II, p. 392 und die dort citirte Literatur. [Ebenso verhält sich Bowiea volubilis, die nach W. Voss (Bot. Ztg. ■1902, Originale p. 231) bei horizontaler Aufstellung am Klinostaten dann windet, wenn sie in der Richtung von der Spitze nach der Basis einseitig beleuchtet wird, weil bei dieser Pflanze auch die einseitige Beleuchtung (aus analogen Gründen wie die Schwerkraft) Circumnutation veranlasst. Thatsächlich reagirt diese Pflanze stärker heliotropisch als andere Windepflanzen.l 3) Während H. Mohl (1. c. p. 112) irrigerweise eine Contactreizung annahm, lässt Palm (Ueber d. Winden d. Pflanzen 1827, p. 20, 97) das Winden durch die rotirende Nutation zu Stande kommen. Das Fehlen der Contactreizbarkeit wurde dann exact von Ch. Darwin (I. c. p. 12) und H. de Vries (I. c. p. 321) erwiesen. Späterhin trat nochmals F. G. Kohl (Jahrb. f. wiss. Bot. 1884, Bd. 15, p. 327) für die Contactreizbar- keit ein. Dass diese Annahme aber nicht durch die Versuche Kohl's gerechtfertigt wird, ist z. B. von H. Ambronn (Zur Mechanik des Windens 1884, I, p. 32, Sep. a. Bericht, d. sächs. Ges. d. Wissenschaft) dargethan worden. 4) Baranetzki, 1. c. p. 11, 16 unterscheidet symmetrische und asymmetrische Nutation. § 84. Das Winden der Schlingpflanzen. 403 oder durch gewaltsames Festhalten fixirt ist, um eine horizontale oder schiefstehende (ideelle) Achse circumnutiren (asymmetrische Circumnutation Baranetzki^s). 3Iit Hilfe eines schiefstehenden Kautschukschlauches, dessen freies Ende man Kreise, Ellipsen u. s. w. beschreiben lässt, kann man sich leicht überzeugen, dass auf diese Weise kein Winden um eine verticale Stütze zu Stande kommt. Es muss also in irgend einer Weise durch die Regulirung der Bewegungsthätigkeit bewirkt werden, dass der wachsende und circumnutiren de Sprosstheil die Stütze sicher und gleichmässig umwindet. Dieser Erfolg soll nach Seh wendener i) durch die Greifbewegungen, d. h. dadurch erreicht werden, dass der circumnutirende Gipfeltheil des Sprosses je- desmal dann, wenn er sich gegen die Stütze presst, einen mechanischen Zug auf die anschliessenden Stengeltheile ausübt, durch den diese herbei- und um die Stütze gezogen werden. Faktisch wird eine solche Zugwirkung durch die sich periodisch wiederholende Anpressung der nutirenden freien Sprossspitze und auch, wie des näheren bei Seh wenden er (I. c.) zu ersehen ist, durch den Druckwechsel entwickelt, der sich in dem der Stütze angepressten, aber noch nicht ausgewachsenen Stengelstücken in Folge der Circumnutationsbewegungen rhythmisch w-iederholt. Mit dieser Thatsache und durch die Untersuchungen Schwendener's ist aber noch nicht entschieden, ob das Winden allein durch diese Greifbewegungen erzielt wird, oder ob diese nur unterstützend mitwirken. In der That wird den Greifbewegungen nur eine unterstützende Bedeutung zu- fallen, wenn auch ohne diese, wie es Baranetzki (1. c. p. 65) für Dioscorea ba- tatas fand, die Stütze umwunden wird. Es ist aber auch sehr wohl möglich, dass aus der Gesammtheit des Bewegungs- und Reactionsvermügens unter den obwaltenden Bedingungen eine solche Vertheilung der Wachsthumsthätigkeit re- sultirt und erhalten wird, dass fortwährend das Wachsthum in der von der Stütze abgewandten Flanke des Stengels gefördert ist. und dass durch diese Epi- nastie das bestimmt gerichtete Einkrümmen des Stengels und damit das Um- schlingen der Stütze bewirkt wird 2). Eine analoge Regulation ist ohnehin noth- wendig, um zu erzielen, dass der freie Spitzentheil des Sprosses dauernd ho- modrom, d. h. in der Windungsrichtung gekrümmt bleibt 3), obgleich in Folge der Circumnutation die vorausgehende und somit auch diejenige Flanke wechselt, welche die Goncavität der homodrom gekrümmten Sprossspitze einnimmt. Uebri- gens ist auch nach der Theorie Schwendener's das Winden eine physiologische Leistung der Pflanze, die durch eine bestimmt geregelte Bewegungsthätigkeit er- zielt wird, welche als gegeben vorausgesetzt wird. Bei der Beiu'theilung der Causalität des Windens ist wohl zu beachten, dass die Pflanze ein lebendiger Organismus ist, dessen Eigenschaften und Reactions- fähigkeiten aller Voraussicht nach auch in diesem Falle durcli die hianspruch- 1) S. Seh wen den er, Gesammelte Botanische Mittheilung. Bd. I (1881), p. 40;;; (1886), p. 441. 2) Baranetzki, I. c. p. 38; F. Noll, Sitzungsb. d. Niederrhein. Gesellsch. f. Natur- u. Heilkunde 4. Febr. 1895 und Strasburger's Lehrb. d. Botanik 1898, III. Aufl., p. 225. 3) H. de Vries, 1. c. p. 336, 341; Gh. Darwin, 1. c. p. 10; Baranetzki, 1. c. p. 16, 65; endSchwener, Gesammelt. Botan. Mittheilg. (1882), p. 436 ; R. Kolkwitz, Ber. d. Botan. Gesellsch. 1895, p. 513. 26* 404 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. nähme und durch die jeweihgen Bedingungen in zweckdienlicher Weise modiücirl und regulirt werden. Man kann desshalb z. B. nicht von vornherein behaupten, dass der Verlauf der Stimmung und der Stimmungswechsel, durch welche die Circumnutation erzielt wird (II, p. 39 2), nach Beginn und während des Windens in keiner Weise modificirt werden. Jedenfalls ist die specifische Reactions- fähigkeit keine unveränderliche Grösse, wie sich schon daraus ergiebt, dass die Pflanze nicht in allen Entwickelungsphasen die rotirende Bewegung ausführl 'U, 83). Auch ist schon (II, p. 393) darauf hingewiesen , dass noch unent- schieden ist, ob der Stimmungswechsel, der zur Circumnutation führt, auch am Klinostaten fortdauert , an dem factisch die Contactreizbarkeit des Stengels von Cuscuta erlischt. Das normale Winden dieser Pflanze ist zugleich ein Beispiel dafür, dass die Sensibilität (in diesem Falle die Contactreizbarkeit) durch die In- anspruchnahme rhythmisch schwindet und wiederkehrt. Für eine gewisse Beeinflussung der Gesammtthätig- keit durch das Winden, also durch die Inanspruch- nahme , spricht schon die Erfahrung von Sachs^i, dass die Foiientwickelung der Triebe nicht selten merk- lich gehemmt wird, wenn dieselben über die Stange hinauswachsen oder von Anfang an keine Stütze finden. Noch auffallender ist dieses nach Raciborski^) bei verschiedenen tropischen Schhngpllanzen der Fall. Unter diesen giebt es auch solche, bei denen das JXichtfasseu einer Stütze die Hemmung der Blattentwickelung oder das Abwerfen der bereits gebildeten Blätter und endlich das Absterben des Sprossvegetationspunktes zur Folge hat. Ferner scheint nach den Beobachtungen Bara- netzki's in den windenden Sprosstheilen das Erlöschen des Längenwachsthums beschleunigt und die Circum- nutationsbewegung vermindert zu werden 3). Damit steht es wohl im Zusammenhang, dass im allgemeinen durch ungünstige Wachsthumsbedingungen, sowie durch Ab- schneiden oder Festklemmen des Sprosses die Bildung freier Windungen (Fig. 39) begünstigt wird. Solche Win- dungen, die also ohne Mithilfe einer Stütze entstehen, trifft man bei manchen Pflanzen (Akebia quinata, Menispermum canadense u. s.w.) nicht selten im Freien an solchen Spros- sen, die keine Stütze erfassten oder über die Stütze hinaus- w^uchsen. Durch das Festhalten oder Festklemmen des Sprosses in einiger Entfernung von der Spitze lässt sich aber bei vielen Pflanzen die Bildung freier Win- hervorrufen, die freilich oft nur unvollkommen ausfallen-*). Jedenfalls kennzeichnen diese freien Windungen eine physiologische Reaction, die unter Fig. 39. Freie Windungen von Humulus lupulus. düngen 1) J. Sachs, Vorlesungen über Pflanzenphysiol. 1887, II. Aufl., p. 7M. 2) M. Raciborski, Flora 1900, p. 2. Eine Contactreizbarkeit geht diesen Sprossen ab. 3; Baranetzki, 1. c. p. 61 ff. 4) H. de Vries, I. c. p. 324, 339; Baranetzki, 1. c. p. 42; Sachs, 1. c. p. 707. — Gelegentlich beobachtete ich an einer Cultur von Phycomyces nitens, dass die Mehrzahl der einzelligen Fruchtträger spiralig gewunden war. Auch giebt es Varietäten, deren Sprosse, wie bei Juncus effusus var. spiralis, stets schöne Spiralwindungen bilden. — Ueber autonome Windungen vgl. II. p. 3S6; II, § 88. § Si. Das Winden der Schlingpflanzen. 405 bestimmten Bedinguncen gesetzniässig eintritt. Es ist also wohl möglich, jedoch bis dahin nicht erwiesen, dass auch durch das Erfassen einer Stütze, direct oder indirect, das Bestreben nach Bildung freier Windungen erweckt wird, und dass diese active Krümmungsthcätigkeit bei dem Zustandekommen der Windungen mitwirkt. Hiergegen spricht nicht, dass die freien Windungen oll ziemlich bald wieder ausgeghchen werden^ denn ebenso verhalten sich die um eine Stütze gebildeten Windungen, wenn nach der Entstehung derselben der Stab so- fort herausgezogen wird. Ob diese Bedingungen und Vorgänge auch mithelfen, dass der asymmetrisch nutirende jüngste Sprosstheil dauernd eine homodrome Krümmung bewahrt (II, p. 403), ist noch unbekannt. Doch ist nicht ausgeschlossen, dass das epi- nastische Wachsthum an einer (zur Windungsrichtung) bestimmt orientirten Flanke mit dem Aelterwerden des Internodiums energischer ausfällt und ein weit- gehendes actives Einkrümmen des windenden Stengels verursacht. Jedenfalls wird aber durch die schon erwähnte homodrome Krümmung der circumnutiren- den Sprossspitze erwiesen, dass durch die Gesammtheit der obwaltenden inneren und äusseren Bedingungen eine bestimmt gerichtete Krümmung verursacht und erhalten wird, obgleich der Spross physiologisch radiär ist, und obgleich somit eine jede Kante die Concavität oder Convexität der Krümmung einnehmen und ebenso bei dem Winden die der Stütze angepresste Flanke werden kann^). Wie diese homodrome Krümmung der Spitze zu Stande kommt, ist noch nicht näher aufgeldärt. Vermuthlich resultirt sie aus dem Zusammengreifen ver- schiedener innerer und äusserer Factoren, unter denen wohl auch die autonome und aitionome Aenderung der Stimmung, sowie die hiermit verknüpfte, reactionelle Ausnutzung der Aussenwelt (II, p. 3 88) eine Rolle spielen dürften. Eine tiefere Einsicht ist natürlich nicht gewonnen, wenn man diese Paranastie (II, p, 83) durch die Annahme eines Lateralgeotropismus erklärt, dessen Existenz (als eine reactionelle Einheit) durch die Untersuchungen Baranetzki 's 2) vmd Noll's^) nicht erwiesen ist. Allerdings glaubt Ambronn"*) diese homodrome Krümmung als die nothwendige Folge aus dem Zusammenwirken von Circumnutation und negativem Geotropismus ableiten zu können. Indess bezweifelt Schwendener 5) die Berechtigung von Ambronn's Deductionen. In diesen werden zudem mit Unrecht die Circumnutation und der negative Geotropismus als constante Grössen angesehen, und es wird nicht genügend berücksichtigt, dass auch die Circum- nutation und die hiermit zusammenhängende klinotrope Lage des Sprosses die Folgen von regulatorisch gelenkten geotropischen Reactionen sind. Dass ferner die Theorie von de Vries^) unhaltbar ist, nach der die bestimmte Richtung der homodromen Krümmung durch das Gewicht der Sprossspitze, d. h. durch 1) de Vries, 1. c. p. 329. — Uebrigens ist die Circumnutation die Folge der wechselnden, also labilen Induction (II, p. 167) einer physiologischen Dorsiventralität. 2) Baranetzki, 1. c. p. 38. 3) F. Noll, Sitzungsb. d. Niederrhein. Gesellsch. f. Natur- u. Heilkunde 4. Febr. 1895 u. Strasburger's Lehrb. d. Botanik 1898, III. Aufl., p. 22ö. [Noll, Sitzungsb. d. Niederrhein. Gesellsch. S.Juli 1901. Dass analoge Wirkungen, wie durch die Schwer- kraft, durch die Centrifugalkraft erzielt werden können , ist selbstverständlich, vgl. Bd. II, § Ml.] 4) H. Ambronn, Zur Mechanik d. Windens 1885, IL Th., p. 19, 4 7 (Sep. a. Sitzungsb. d. Säch. Gesellsch. d. Wissensch.); Ber. d. bot. Gesellsch. 1887, p. 105. ö) S. Schwendener (1886;, Gesammelt. Botan. Mitthlg.. Bd. I, p. 452. 6) H. de Vries, 1. c. p. 337. 406 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. das hierdurch erzielte Torsionsiiionient erhalten wird, ist von verschiedenen For- schern 1) dargethan. Thatsächlich vermögen wir derzeit nicht einmal genügend die näheren Fac- toren zu präcisiren, durch deren Zusammengreifen das Winden zu Stande kommt. Beachtet man aber, dass trotz der mannigfachen und veränderlichen Bewegungen der Sprossspitze endlich ganz i-egelmässige Windungen mit einem bestimmten Neigungswinkel gebildet werden, so kann man nicht bezweifeln, dass aus der Lage u. s. w. bestimmte dirigirende Reizwirkungen entspringen, bezw. durch die inneren Veränderungen nutzbar gemacht Averden. Dabei ist aber sehr wohl möglich, dass in dem einen Falle die Greifbewegungen, in dem anderen die aclive Krümmung des Internodiums die Hauptrolle spielten. Denn das ^^'inden ist immer der Erfolg einer bestimmt dirigirten Wachsthumsthätigkeit, und zu den dirigirenden Factoren gehört bei Cuscuta sowie bei Lophospermum (II, § 86) auch die Contactreizbarkeit, die bei den Ranken der Ilauptfactor ist, durch welchen das' Umschlingen einer Stütze veranlasst wird. Wenn eine solche Con- tactreizbarkeit zumeist bei den typischen Windepflanzen fehlt, so ist damit nicht ausgesclilossen, dass indirect durch die Berülu'ung mit der Stütze (durch das An- pressen, die Erhaltung der Krümmung etc.) Reizwirkungen ausgelöst werden, die eine gewisse Rolle bei dem Winden spielen. Bei dem Zustandekommen der Windimgen und der Circumnutation sind aber immer (trotz des Mangels einer Contactreizbarkeit) verschiedene Reizwirkungen betheiligt. § 85. Weiteres über Schlingpflanzen. Nachdem im vorigen § im allgemeinen die Ursachen des AVindens bespro- chen sind, soll hier noch einiges zur Ergänzung und Erläuterung der Eigen- heiten der Schlingpflanzen und des Windens (ohne Contactreizbarkeit) mitgetheilt werden. Es wurde schon auf den Zusammenhang zwischen Circumnutation und Win- den und ebenso darauf hingewiesen, dass nur gewisse Pflanzen und Pfianzen- organe zu diesen Bewegungen befähigt sind. Diese Fähigkeit pflegt zweckent- sprechenderweise den ersten Internodien der Keimpflanze und der aus Rhi- zomen etc. entwickelten Sprosse, also Stengeln abzugehen, die noch genü- gend tragfähig sind, um sich aufrecht zu erhalten (II, p. 383, 401). Ausserdem sind nicht alle Sprosse einer Pflanze zum Winden bestimmt. Denn wenn auch bei vielen SchUngpflanzen alle über den Boden tretenden Laubsprosse schlin- gen, so sind doch bei anderen Pflanzen nur bestimmte Langtriebe befähigt zu winden 2). Da aber manche Pflanzen nur unter bestimmten Culturbedingungen winden (II, p. 402), so ist es begreiflich, dass auch in der Natur gewisse Pflanzen nicht an jedem Standort als Windepflanzen gefunden werden. Eine solche Verschie- denheit trifft man besonders bei den minder tüchtigen Windepflanzen, die be- 1 Baranetzki, 1. c. p. G9; Schwendener, 1881, I.e. p. 403, 416; Ambrorin. 1. c, 1885. p. 2ö. 2) Thatsachen bei H. Schenck. Beitr. z. Biol. u. Anatom, der Lianen -1892, p. H'j; Goebel, Organographie 1900. p. 636; Gh. Darwin, Bewegungen u. Lebensweise d. kletternden Pflanzen 1876, p. 32. [W. Voss. Bot. Zeitg. 1902, p. 249, Celastrineen.] § 85. Weiteres über Schlingpflanzen. 407 sonders an schattigen und feuchten Orten winden, also da, wo lange und schwäch- liche Stengel entwickelt werden. Unter solchen Bedingungen winden z. B. ge- legentlich Solanum dulcamara und Cynanchum vincetoxicum^). Dagegen ist es noch zweifelhaft, ob nur die äusseren Verhältnisse bewirken, dass die Sprosse von Polygonum convolvulus nicht in jeder Jahreszeit winden ^j. Auf den Aus- senbedingungen beruht es aber offenbar, dass nach Darwin (1. c. p. 33) Ipomoea argyroides und zwei Arten von Ceropegia in England Schlingpflanzen sind, wäh- rend sie in ihrer Heimat, im trockenen Südafrika, nicht winden. Andererseits haben einzelne Varietäten, so z. B. gewisse Culturrassen von Phaseolus mul- tiflorus, mit der Veränderung der Wuchsverhältnisse die Fähigkeit zum Winden verloren'^). Die Windefähigkeit ist besonders bei höheren Pflanzen und bei diesen zu- meist an oberirdischen Stengeltheilen ausgebildet; jedoch sind z. B. Lygodium scandens und Blechnum volubile Beispiele für windende Blätter^). Schlingende Wurzeln und llhizome sind nicht sicher bekannt, denn es ist fraglich, ob die Windungen, die gelegentlich an Luft-, Erd- und Wasserwurzeln^) beobachtet wur- den, mit Hilfe der Circumnutation oder durch eine Gontactreizung entstanden. Diese Fragen sind unter anderem auch nicht entschieden in Bezug auf die Fäden von Algen, die sich gelegentlich um Stützen schlingen 6), und in Bezug auf die Rhizoiden von Catharinea undulata, die sich gegenseitig umwinden ^j. Bis dahin ist stets Uebereinstimmung zwischen Circumnutations- und Win- derichtung beobachtet, und zwar sind die meisten Pflanzen links (d. h. entgegen dem Lauf des Uhrzeigers und der Sonne) gewunden, wie z. B. Convolvulus (Fig. 37, p. 401), Phaseolus, Ipomoea purpurea, Menispermum canadense, Aristolochia sipho, Periploca graeca. Dagegen sind Humulus lupulus (Fig. 38, p. 401), Polygonum convolvulus, Lonicera caprifolium, Testudinaria elephantipes Beispiele für rechtswindendo Pflanzen. In der Regel wird die Windungsrichtung constant eingehalten, jedoch kommt unter anderem bei Polygonum complexum, Testudinaria sylvatica, Solanum dulcamara vor, dass einzelne Individuen oder dass einzelne Sprosse desselben Individuums in entgegengesetzter Richtung schlingen. Bei Loasa aurantiaca, Scyphantus elegans, Blumenbachia lateritia, Tropaeolum tricolorum, Ipomoea jucunda, Hibbertia dentata wird sogar an demselben Spross gelegentlich oder öfters eine Umwendung der AVindungsrich- tung gefunden 8). Ein solches Umwenden ist nur möglich, wenn in den schon ausgebildeten 1] Ch. Darwin, 1. c. p. 32; Schenck, 1. c, p. 128. 2) Palm, Ueber d. Winden d. Pflanzen 1827, p. 43. 94. 3) Ch. Darwin, 1. c. p. 33. 4j Vgl. Schenck, 1. c. p. HS. 5) G. Hochreutiner, Rev. general. d. Botan. 1896, Bd. S. p. 92. Vgl II, § 86. 6) Palm, 1. c. p. 44. 7) Schimper, Rech. s. I. mousses 1848, Taf. IV, Fig. 15, 16. — Ein gewisses Um- winden findet man zuweilen auch an den Fadenbüscheln von Spirogyra, die in feuchte Luft ragen. Hofmeister, Jahreshefte d. Vereins f. vaterländ. Naturk. in Württemberg 1847, Jahrg. 30, p. 226. [E. Winkler, Krümmungsbewegungen von Spirogyra 1902.] — Ueber Contactreizbarkeit bei Fäden etc. niederer Organismen siehe II, § 86. 8 Weitere Thatsachen bei Ch. Darwin, 1. c. ; Schenck. 1. c. p. 123 und in den an diesen Stellen citirten Schriften. 408 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Windungen die Wachsthunisbefähigung rechtzeitig so weit vermindert wird, dass bei der Umkehrung der Gircumnutationsrichtung kein Abwickehi der sümmtlichen Windungen erfolgt. Denn würde ein solches Abwickeln eintreten, so könnten ebensowenig bleibende Windungen entstehen, wie bei einer Pflanze, die durch rechtzeitige Eliminirung der einseitigen Schwerkraftwirkung (auf dem Klinostaten) immer wieder veranlasst wird, die soeben gebildeten und in Bildung begriffenen Windungen abzuwickeln. Sofern aber unter künstlichen oder normalen Bedin- gungen immer nur ein Theil der gebildeten Windungen beseitigt wird, kann das Schlingen, wenn auch verlangsamt, fortschreiten. Ja es kann sogar trotz der Umwendung der rotirenden Niitation ein homodromes Winden herauskommen, wenn die Umwendung der Circumnutation nur solange anhält, dass ihre Wir- kung immer wieder eliminirt wird^). Uebrigens wird auch bei dem normalen Winden die Sprossspitze bei jedem Circumnutationsumlauf mehr oder weniger von der Stütze abgehoben, nnd zuweilen wird hier sogar eine in Bildung be- griffene Windung von dem Stabe abgewickelt (II, p. 400). Das Zustandekommen des Schlingens bringt es mit sich, dass kein bestimm- tes constantes Verhältniss zwischen der Anzahl der Windungen und der Circum- nutationsumläufe besteht. Im allgemeinen entsteht erst für einige oder sogar für zahlreiche Circumnutationsumläufe eine Windung. Die Ausbildung einer Windung fordert also der Regel nach auch mehr Zeit, als die Vollendung eines Umlaufes durch den frei nutirenden (über die Stütze hinausgewachsenen) Spross- gipfel. So beobachtete Ch. Darwin (1. c. p. 13), dass ein freier Sprossgipfel von Ceropegia, der einen Umlauf in sechs Stunden ausgeführt hatte, nach Dar- bietung einer Stütze in 9Y4 Stunden eine Windung ausbildete. Dieselbe Zeit gebrauchte zur Formirung einer Windung der Spross von Aristolochia gigas, der zuvor einen Nutationsumlauf in fünf Stunden vollbracht hatte ^j. Unter Berück- sichtignng des hier Gesagten und der Bedingungen für das Winden ist es ohne weiteres verständlich, dass die Befähigung zum Schlingen nicht durch eine jede ansehnliche, sondern nur durch eine bestimmt geregelte Nutation gewonnen wird. Natürlich kann man auch einen nicht selbstthätig circumnutirenden Spross dadurch zum Winden bringen, dass man ihn in der früher (II, p. 393) angegebenen Weise durch entsprechende Lenkung einer tropistischen Reiz- wirkung in circumnutirende Bewegung setzt und um eine Stütze herumführt. Bei genügender Dicke der Stütze legen sich dieser die Windungen sogleich fest an. Ist aber ein dünner Draht oder Bindfaden als Stütze geboten, so bil- den sich in vielen Fällen lockere Windungen. Diese werden dann vielfach auch der dünnsten Stütze angepresst, indem sie durch entsprechendes Wachsthum steiler werden und sich damit zugleich in analoger Weise verengern, wie die Win- dungen einer Spiralfeder, die gewaltsam in die Länge gezogen wird 3). Es ist dieses wohl theilweise die Folge der autotropen, besonders aber der geotropischen Eigenschaften, die sich in einiger Entfernung von der Sprossspitze, also auch in den jugendlichen Windungen, derart ändern, dass der Stengel eine orthotrope 1) Solches beobachtete z. B. Ch. Darwin '1. c. p. 47) bei Hibhertia dentata. 2) Ueber die Schnelligkeit der Circumnutationsbewegung vgl. II, p. 383. 3) Literatur: de Vries, 1. c. p. 326; Baranetzki, 1. c. p. 58; Schwendener. c. 1881, p. A19 ; Ambronn , 1. c. I, p. .5; II, p. 33. § 83. Weiteres über Schlingpflanzen. 409 Lage anzunehmen strebt ^j. Durch dieses Bestreben werden ja auch nach der Entfernung einer dickeren Stütze die soeben gebildeten Windungen wieder aus- geglichen, während die etwas älteren unverändert bleiben, weil die Wachsthums- befähigung ziemlich bald nach dem Umschlingen zu erlöschen pflegt. In Folge dieser Bestrebungen schmiegen sich die Windungen der Stütze fester an und üben auf diese einen ansehnlichen Druck aus, durch den z. B. ein hohler Papier- cylinder zusammengepresst wird 2). Die Ausgleichung der bestehenden Span- nung bewirkt aber, dass sich bei Entfernung der Stütze auch die älteren Win- dungen sofort etwas verengern. Durch diese Anpressung wird zugleich die Fixirung der Pflanze an die Stütze gesichert, eine Fixirung, die durch Uneben- heiten der Stütze und des Sprosses, in vielen Fällen ausserdem durch Klimm- haare (Kumulus, Phaseolus) noch weitpr gesteigert wird 3). Die mittlere Idinotrope Stellung der Sprossspitze, sowie die bestimmt ge- regelte Bewegungsthätigkeit in Verbindung mit der gesetzmässigen Aenderung des Reactionsvermügens mit dem Alter des Sprosses machen es begreiflich, dass ein guter Kletterer um einen cylindrischen Stab sehr regelmässige, auf- steigende Windungen bildet. Bei vielen Pflanzen wird der Neigungswinkel der Windungen sogar durch eine massige Aenderung des Durchmessers der Stütze nicht erheblich verändert. Im allgemeinen nimmt freilich der Neigungswinkel der Windungen mit der Abnahme der Dicke der Stütze bis zu einem gewissen Grenzwerth zu, den annähernd auch diejenigen Windungen einhalten, welche fernerhin steiler werden, weil sie sich bei ihrer Bildung nicht sogleich der zu dünnen Stütze anlegten *). Eine Folge der Aufwärtsrichtung des circumnutirenden Sprosses ist es ferner, dass horizontale oder zu stark geneigte Stützen nicht umwunden wer- den, und dass sich unter Umständen sogar die jüngsten Windungen wieder ab- wickeln, wenn die Stütze aus der verticalen in eine horizontale Lage gebracht wird. In den Versuchen Mohl's (1. c. p. 132) wurde z. B. ein Bindfaden, der 20°, bezw. 40° gegen die Horizontale geneigt war, nicht mehr von dem Stengel von Ipomoea purpurea, bezw. von Phaseolus umschlungen ^). Weiter ist es begreiflich, dass auch die dünnste Stütze, aber nicht eine solche umwunden wird, die einen gewissen, specifisch verschiedenen Durchmesser über- schreitet. Denn so wie der Mensch zwischen Daumen und Zeigefinger eine zu dicke cylindrische Stange nicht mehr festhalten kann, gelingt es auch den Schlingpflanzen nicht, um eine Stange zu winden, welche die eingekrümmte, nutirende Sprossspitze während der Anpressung nicht genügend zu umfassen vermag. Eben weil bei einigen tropischen Lianen der nutirende Sprossgipfel -1) Baranetzki, 1. c. 2) Mohl (Ranken- u. Schlingpflanzen 1827, p. M8) folgerte diesen Druck aus den Krümmungen, die ein als Stütze benutzter Bindfaden erfährt. De Vries (1. c. p. 327 fand, dass sich die Windungen sogleich verengen, wenn die Stütze entfernt wird. 3) Vgl. Schenck, 1. c. p. i3i. 4) Vgl. die in p. 408 Anm. 3 citirte Literatur. 3) [Nach Voss (vgl. Bd. II, p. 4 02 Anm. 2) umschlingt Bowiea volubilis auch stärker geneigte Stützen, wenn die stark positiv heliotropischen Sprosse dieser Pflanze seit- lich beleuchtet werden. Denn dann wird als Resultante eine Circumnutation um eine (ideelle) geneigte Achse erzielt.^ 410 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. sehr lang ist, vermögen sie Stämme bis zu 40 cm Durchmesser zu umschlingen. Auch Bohne und Hopfen winden immerhin noch um Stangen von 8 — 15 cm Durchmesser, während z. B. Convolvulus arvensis und Polygonum convolvulus gewöhnlich nicht mehr Stäbe umschlingen, deren Diameter 3 — 4 cm über- schreitet i). Da bei derselben Art die Länge der nutirenden Sprossspitze in- dividuell und nach den obwaltenden Bedingungen veränderhch ist, so kann es nicht überraschen, dass z. B. de Vries Wistaria chinensis Stützen von 16 cm Durchmesser umschlingen sah, während Gh. Darwin ein im Topf befindliches Exemplar dieser Pflanze nicht zum Umwinden von Stangen bringen konnte, die einen etwas geringeren Durchmesser besassen. Von den angedeuteten und einigen anderen Verhältnissen hängt es auch ab, wie sich eine Schlingpflanze in Buschwerk und ebenso gegenüber Stäben benimmt, die in einiger Entfernung von einander stehen; ob sie also nur einen Stab umwindet oder einige Stäbe als eine einheitliche Stütze benutzt. Es bedarf auch keiner be- sonderen Erörterungen, warum sich die fortwachsende Sprossspitze an dem durch seine Schwere herabhängenden älteren Sprosslheil wiederum in die Höhe winden kann, und warum sich auch einige aufstrebende Sprosse derselben Pflanze wechsel- seitig umschlingen können. Auf das Verhalten gegenüber flachgedrückten und überhaupt gegen nicht runde Stützen braucht hier nicht eingegangen zu werden, da sich der Erfolg aus dem Gesagten ableiten lässt. Die Form der Stütze hat also jedenfalls einige Bedeutung. Die Qualität des als Stütze dienenden Materiales ist indess ohne Beang, während, wie schon bemerkt, eine gewisse Unebenheit oder Rauhheit der Stütze einigen Vortheil für das Festhalten und somit auch für das Winden bieten kann. Aeltere Anschauungen , die der Stütze wohl auch eine besondere Anziehungskraft beilegten, sind durch Mohl (1. c. p. 72) längst widerlegt. Torsionen. Die Circumnutationsbewegung ist, wie schon früher (II, p. 383) dargethan wurde, nicht mit einer Stengeltorsion verknüpft, die sich aber bei den meisten Schlingpflanzen, wenn sie nicht winden, und zwar zumeist erst in den nicht mehr circumnutirenden Sprosstheilen, so ansehnlich ausbildet, dass sie sofort an dem spiraligen Verlauf von Stengelkanten u. s. w. erkenn- bar ist. Diese Torsion, die gleichsinnig wie die Circumnutations- und Winde- bew^egung gerichtet ist, entsteht aus inneren Ursachen. Demgemäss ist ihre Ent- stehung unabhängig vom Winden und ebenso von der Circumnutation, wie sich daraus ergiebt, dass die homodrome Torsion auch am Klinostaten^) (trotz Auf- hebung der Circumnutation, II, p. 392) zur Ausbildung kommt. Bei einer Pflanze, die fest um eine Stütze gewunden ist, findet man aber in der Regel nur eine antidrome Torsion des Stengels, die in Folge des Windens gebildet wird und ungetrübt erhalten bleibt, Avenn die Windungen derart an- gepresst und fixirt werden, dass die Ausführung der homodromen Torsion ■i; Angaben bei Mohl, 1. c. p. 134; Ch. Darwin, 1. c. p. 29; ßaranetzki, 1. c. p. 56; S. Schwendener. 1. c. p. 418; Schenck, 1. c. p. 121. — Ueber die Länge der circumnutirenden Sprosstheile vgl. dieses Buch. Bd. II. p. 383. — Wenn hol- zige Windepflanzen Bäume mit secundärem Dickenwachsthum umschlingen, so üben sie denselben Einfluss auf das Dickenwachsthum aus, wie ein um den Baum gespann- tes Stahlband. Vgl. z. B. Schenck, 1. c. p. 122. 2; Baranetzki. 1. c. p. 31. § 85. Weiteres über Schlingpflanzen. 411 mechanisch unmügiich gemacht ist. Denn dass diese Torsion in den formirten Windungen angestrebt wird, ergiebt sich daraus, dass sie in diesen Stengelstücken nach Entfernung der Stütze entsteht, und dass sie, analog wie bei freien Win- dungen, ganz oder theilweise ausgebildet wird, wenn die Windungen der Stütze nicht oder nur locker anliegen. Es ist also erklärlich, dass je nach der Fixirung der AVindungen (die von der Stütze, der Natur der Pflanze etc. abhängig ist) der gewundene Spross antidrom, homodrom oder auch gar nicht tordirt er- scheint, und dass die Angaben verschiedener Forscher über die Torsionsrichtung für dieselbe Pflanze nicht immer übereinstimmen i). Der Irrthum Mohl's (1. c), die Gircumnutation und das Winden werde durcli die Slengeltorsion verursacht, wurde bereits durch Palm (1. c.) und besonders durch Gh. Darwin (1. c.) und de Vries (1. c] widerlegt. Von den beiden zuletzt genannten Forschern wurde auch im allgemeinen der verschiedene Ursprung der homodromen und antidromen Torsion und das Zusammenwirken dieser an- tagonistischen Torsionen erkannt. Aber erst von Schwende ner (1. c), dem sich Baranetzki, Ambronn, Kolkwitz anschhessen, wurde näher dargethan, dass und warum speciell die antidrome Torsion als eine mechanische Folge des Windens entsteht. Wir untei'lassen ein näheres Eingehen auf die Bildungs- mechanik dieser Torsionen, deren Entstehung man sich übrigens z. Th. versinn- lichen kann, indem man einen Kautschukschlauch um eine Stütze windet. Führ- man den Schlauch so um die Stütze, dass die Drehung um die eigene Längst achse nicht gehemmt ist, so wird eine zuvor aufgetragene Längslinie von der convexen auf die concave Flanke wandern u. s. w. und im allgemeinen dem vor der Stütze stehenden Beschauer zugewandt sein. Man muss also die angestrebten Drehungen des Schlauches um die Längsachse verhindern, um den Schlauch so um die Stütze zu legen, dass die aufgetragene Längslinie überall die convexe Flanke einnimmt. Sobald man dann dem Schlauche die genügende Freiheit giebt, wird durch Drehung um seine Längsachse eine Ausgleichung der eingeführten Torsionsspannung stattfinden. Diese Ausgleichung wird aber nicht oder nur theil- weise eintreten, wenn in derselben Weise ein wachsthumsfähiger Spross um die Stütze gewunden wird, da in diesem, auch bei den Windepflanzen, gewaltsame Krümmungen und Torsionen theilweise und mit der Zeit vollständig durch Wachsthum fixirt werden 2). Werden die Windebewegungen auch nicht genau nach dem obigen Schema ausgeführt, so stimmen sie doch darin überein, dass auch durch sie im windenden Sprosse gewaltsam antidrome Drehungen entstehen, die durch Wachsthum fixirt werden. Näheres über das Zustandekommen dieser Tor- sionen ist bei Schwendener (1. c.) und bei Kolkwitz (1. c.) zu finden. Bei Kolkwitz (1. c. p. 512) ist auch erörtert, dass durch die Torsionen der Druck gegen die Stütze gesteigert wird, dass also auch die in den etwas älteren Stengel- theilen angestrebten, homodi-omen Torsionen dahin wirken, den locker gewundenen Spross fest an die Stütze zu pressen. 1, Näheres bei R. Kolkwitz, Ber. d. bot. Gesellsch. 1893, p. 497; S. Schwen- dener (1881, Gesammelte Botan. Mittheil. p. 420 ; H. Ambronn. Zur Mechanik d. Windens -1884, I; 1885, II (Sep. a. Sitzungsb. d. Sachs. Gesellsch. d. Wissensch.' ; J. Baranetzki, Die kreisförmige Nutation und das Winden d. Stengel ■1883. p. 66; H. de Vries. Arbeit, d. Botau. Instituts in Würzburg 1873, Bd. I, p. 330; Gh. Darwin, Bewegungen u. Lebensweise d. kletternden Pflanzen 1876, p. 6. 2} Vgl. diesen Bd. II, p. 64; Kolkwitz, 1. c. p. 505. 412 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Aenssere Einflüsse. Unter Verweis auf die allgemeinen Bemerkungen in § 81 dieses Bandes, sowie auf das, was in § 84 u. 85 gesagt ist, soll hier nur kurz auf die heliotropischen Eigenschaften der schlingenden Sprosse hinge- wiesen werden. Nach den Beobachtungen von Mohl (1. c. p. 119), Dutrochet, Darwin 1), Baranetzki^) sind die circumnutirenden Sprosstheile der Schling- pflanzen in der Regel positiv heliotropisch. Diese hehotropische ^yirkung ist indess in zweckentsprechender Weise so schwach, dass dadurch die Circum- nutation nicht aufgehalten wird, sondern nur eine gewisse Beschleunigung erfährt, wenn diese autonome Bewegung und die heliotropische Wirkung sich addiren, während eine Verlangsamung eintritt, wenn sich beide entgegenarbeiten. So wurden in den Versuchen Baranetzki's bei freier (symmetrischer) Nutation des Sprosses von Ipomoea purpurea der nach dem Licht hingehende Halbkreis in .55 Minuten, der vom Licht hinwegführende Halbkreis in 45 Minuten durchlaufen, und ähnliche Differenzen wurden bei Ipomoea sibirica und Poljgonum convol- vulus gefunden. Da aber unter diesen Umständen die heliotropische Wirkung durch den mit der freien Circumnutation verknüpften Wechsel der vorausgehen- den Sprosskante (II, p. 382) abgeschwächt wii'd, so fällt, wie zu erwarten, die heliotropische Wirkung ansehnlicher bei der asymmetrischen Circumnutation aus, weil wenigstens unter gewissen Bedingungen die besagte Abschwächung gering ist. In der That beobachtete Baranetzki an der asymmetrisch nutirenden Sprossspitze von Ipomoea sibirica, dass der nach der Lichtquelle (und abwärts) gerichtete Halbumgang in 35 Minuten, der von der Lichtquelle (aufwärts) hin- wegfühi"ende Halbumgang in \ Std. 25 Min. und 1 Std. 1 5 Min, zurückgelegt wurde. Während der positive Heliotropismus das Winden eher nachtheilig als günstig beeinflusst, ist es für das Umwinden vortheilhaft , dass sich in den etwas älteren, also in den schon gewundenen Sprosstheilen negativer Heliotropismus einstellt. Denn dadurch werden diese Stengelstücke veranlasst , sich thun- lichst nach der Schattenseite, also nach der Stütze hin zu krümmen. Dieser negative Heliotropismus ist nach Baranetzki (1. c. p. 23) in den Sprossen von Ipomoea purpurea, Poljgonum convolvulus, Dioscorea sinuata ansehnlich, während er in dem Stengel von Dioscorea batatas schwächer, in dem Stengel von Boussingaultia baselloides und Menispermum dahuricum gar nicht ausgebildet ist 3). § 86. Die Eankenkletterer. Die Rankenpflanzen, die das gemeinsam haben, dass die Contactreizbar- keit zu Kletterzwecken nutzbar gemacht wird, bieten eine weit grössere 3Iannig- faltigkeit von Klettereinrichtungen, als die Schlingpflanzen, die nur eine aufrechte Stütze in der besagten Weise (11, § 84, 85) zu umschlingen vermögen. Es 1) Ch. Darwin, Bewegungsvermögen d. Pflanzen 188), p. 384. 21 Baranetzki, 1. c. p. 21. Vgl. über den Heliotropismus d. Schlingpflanzen auch Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen 18S0, II, p. 38. [Nach Voss (Bot. Zeitg. 1902, Org. p. 238) ist der Spross von Bowiea volubilis stark positiv heliotropisch.] 3) Es ist noch nicht aufgehellt ob es etwa durch negativen Heliotropismus be- dingt ist, dass nach Mohl (I. c. p. -120) gewisse Schlingpflanzen eine Stütze um- schlingen sollen, wenn sie bei einer vom Licht hinweggehenden Bewegung auf dieselbe treffen, während dieses Umschlingen nicht gelingen soll, wenn sie sich nach dem Lichte hin bewegen. § 86. Die Rankenkletterer. 413 lassen sich deshalb verschiedene Typen von Rankenkletterern unter- scheiden i). Speciell als Fadenranker fassen wir alle diejenigen Pflanzen zu- fffU^ a Fig. 10. Bryonia dioica (etwas verkleinert), a junge, spiralig eingerollte, & entfaltete und reizbare Eauke; c Kaute, welche die Stlitze d umfasste; d ältere Ranlje, die sicli einrollte, oline eine Stütze erfasst zu haben. r Näheres über morphologische und ökologische Verhältnisse der Rankenkletterer beiCh. Darwin, Bewegungen u. Lebensweise d. kletternden Pflanzen 1876; H.Schenck. Beitrag, z. Biolog. u. Anatom, d. Lianen 1892, I, p. 133; F. Ludwig, Lehrb. d. Biolog. d. Pflanzen ■1893, p. ISB; K. Goebel, .Organographie 1898, p. 139, 608. — Wir haben hier nicht zu berücksichtigen, dass functionell übereinstimmende Organe verschiedenen morphologischen Werth haben. Ich fasse desshalb auch als Fadenranken alle faden- förmigen Greiforgane zusammen , gleichviel ob es sich um Blatt- oder Stengelorgane handelt, und behalte diese Bezeichnung für das functionirende Organ auch dann bei, 414 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. sammen, bei denen, wie z. B. bei Bryonia und anderen Cucurbitaceen, bei Passi- flora, Pisum, Lathyrus, Cobaea scandens, Bignonia, Eccremocarpus, Vitis, Car- diospermum halicacabum fadenförmige Organe, also typische Ranken, als Greif- organe functioniren. Diese Fadenranken werden bekanntlich durch den Gontactreiz veranlasst, die Stütze zu umschlingen und fest zu erfassen (Fig. 40). Auf diese Weise werden die neugebildeten Sprosstheile immer wieder durch die von ihnen producirten Ranken befestigt, die also Greiforgane sind, welche nach verschiedenen Richtungen ausstrahlen und fassen. Durch das korkzieherartige Aufrollen des zwischen Pflanze und Stütze befindlichen Theiles der Ranke (Fig. iOc) wird dann ein Zug auf die Pflanze ausgeübt, welcher den Spross näher an die Stütze zu ziehen sucht, und der durch das antagonistische Zusammen- Fig. 41. Cobaea scandens. Die Zweigstücke a tragen je ein Blatt h, dessen Ende die verzweigte Ranke tildet, 7on der einige StraMen die Stütze c erfassten. In d sind die krallenartigen Endigungen etwas vergrössert abgebildet. wirken verschiedener Ranken eine tragfähigere Aufhängung der Pflanze her- stellt. Zudem hat die Federwirkung der Spirale zur Folge, dass die Pflanze durch einen plötzlichen Windstoss nicht so leicht abgerissen wird. Es ändert nichts am Wesen der Sache, wenn die verzweigte Ranke von Pisum, Vicia, Cobaea u. s. w. mehrere Strahlen bildet, welche als Greiforgane functioniren, die z.B. bei der reich verzweigten Ranke von Cobaea scandens (Fig. 41) mit zahlreichen Krallen die Stütze umfassen. Die zuletzt genannten Pflanzen sind zugleich Beispiele dafür, dass nur ein Theil des Blattes zu einer typischen Fadenranke ausgebildet ist. Wenn aber wenn z. B. nur ein Theil des Blattes in eine Ranke umgebildet ist. In dieser Hinsicht folge ich also nicht den von Schenck ^1. c.) angewandten Eintheilungsprincipien. § 86. Die Rankenkletterer. 415 als Greiforgane Blatttheile functioniren, die noch nicht die Form einer typischen Fadenranke annahmen oder sogar den üblichen Blattcharakter bewahrten, so pflegt man von Blattkletterern zu reden. Zu diesen gehört unter andern Fu- Fig. 42. Gloriosa superba. Zwei Blattspitzen haben einen Grashalm Fig. .43. ■umschlungen. Darwin) Solanum jasminoides (nach Der Blattstiel b hat die Stütze s Timschlungen. maria officinalis var. Wirtgeni, bei der die Laubblattes die sensiblen Greiforgane sind. Auch kletterern die Blattspitzenkletterer Cory- dalis claviculata, Gloriosa superba (Fig. 42), blattartigen kann Fiederstrahlen des man zu den Blatt- Klagellaria indica, Littonia zählen, Pflanzen, bei welchen die greifende Blattspitze ranken- ähnlich ausgebildet ist, die also Bindeglieder zwischen den typischen Fadenrankern und den Blattkletterern vorstellen. Zu den letz- teren gehören z. B. Solanum jasminoides [Fig. 43), Clematis vitalba. Atragene, Tro- Fig 44. Treuh). paeolum, Lophospermum scandens, die man im näheren Blattstielkletterer nennt, weil sie die Stütze mit dem reizbaren Blattstiel umschlingen, der zugleich der Träger der normal gestalteten Blattlamina ist. In den Tropen giebt es auch eine Anzahl Pflanzen, bei denen normal be- blätterte oder etwas besonders Seitenzweige als reizbare sind in Europa nur durch einige Antirrhinum-Arten tüchtige Kletterpflanzen sind deren Stengel gleichzeitig mit Windefähigkeit und ist. Die tropischen Länder besitzen ferner in Uncaria gestaltete Kletterorgane einige Uncaria ovalifolia. Natürl. Grösse (nach Der Haken a , der eine Stütze erfasste, hat sich ansehnlich verdickt. functioniren. Diese vertreten, die aber Zweigklimmer wenig Den Zweigklimmern schliesst sich auch Cuscuta an, Contactreizbarkeit ausgestattet [Fig. 44), Olax, Artabotrys, 416 l^^P- ^^^- Krümmungsbewegungen. Slrychnos u. s. w. Holzpflanzen (Hakenkletterer) , welche mit hakenfürmigen Organen (Dornen oder umgewandelten Intlorescenzstielenj versehen sind, die sich in Folge einer Berührung weiter einkrümmen und oft ansehnlich verdicken i). Diesen Hakenkletterern und zugleich den Fadenrankern schliessen sich die Uhr- federranker an, welche uhrfederartig eingerollte Ranken besitzen, die durch eine hineingerathene Stütze zu festem Umfassen dieser und zu weiterer Verdickung angeregt werden. Eine schwache Contactreizbarkeit ist ausserdem bei verschiedenen Objecten vor- handen (H, § 93). Unter den Wurzeln sind z. B. die Luftwurzeln von Vanilla und einigen anderen Pflanzen so weit reizbar, dass sie als Wurzelranken functioniren können, die nach Ewart^j, allerdings erst im Laufe von \ — 3 Wochen, eine volle Umschlingung fertig bringen. Gelegentlich wau^den auch einige Erd- und Wasser- wurzeln beobachtet, die eine Stütze umschlungen hatten, jedoch ist es, wie schon (H, p. 407) erwähnt wurde, für diese Fälle und ebenso für die Rhizoiden von Catharinea, sowie für gewisse Algenfäden fraglich, ob das Umschlingen mit oder ohne Contactreizung zu Stande kam. Jedoch sind offenbar bei Cysto- clonium purpurascens 3), Hypnea musciformis, Nitophyllum uncinatum und einigen anderen Meeresalgen'*) bestimmte Auszweigungen befähigt, wie Ranken zu fassen. Diese Befähigung besitzen nach Zopf 5) ferner die ösenartig gekrümmten Hyphen von Arthobotrys oligospora und nach Boudier'') und Ludwig') bestimmte Hyphen einiger anderen Pilze. Auch beobachtete Wortmann**), dass bei Phy- comyces nitens ein schwächUcher Sporangiumträger einen kräftigen Sporangium- träger umschlungen hatte. Durch den Contactreiz und die mit dem Umschlingen verknüpfte Inan- spruchnahme werden ausser der Krümmungsbewegung zumeist noch andere Veränderungen verursacht. So wird, wie wir noch (H, § 88) hören werden, das schraubige Einrollen des freien Rankentheils beschleunigt, und ausserdem veranlasst, dass die Tragfähigkeit der Ranke zunimmt. Diese Zunahme ist in einigen Fällen, so nach Ewart (1. c. p. 218, 222) bei Amphilobium Mutisii und Bauhinia tomentosa, mit einer merklichen Verdickung der Ranke verknüpft. Viel ansehnlicher verdicken sich aber in Folge des Fassens die schon erwähnten Reiz- haken (Fig. 44, p. 415), sowie die Blattstiele der Blattstielkletterer, die an der Contactstelle zuweilen den doppelten Durchmesser gewinnen (vgl. Fig. 43, p. 415). i) In Bezug auf die Hakenkletterer und Zweigklimmer vgl. ausser der p. 413 Anm. citirten Literatur: M. Treub, Annales d. Jardin. botan. d. Buitenzorg 1882, Bd. 3, p. f; A. J. Ewart, ebenda 1898, Bd. 15, p. 187. 2) A. Ewart, Annales d. Jardin. botan. d. Buitenzorg 1898, Bd. 15, p. 233. Diese Wurzelranken kannten schon H. Mohl, Ranken- und Schlingpflanzen 1827, p. 24; Ch. Darwin, 1. c. p. 144. — Diese und andere Luftwurzeln dienen aber auch zur Befestigung, indem sie durch den negativen Heliotropismus etc. veranlasst werden, sich dem Baumstamm etc. anzuschmiegen, an dem sie durch Wurzelhaare etc. fixirt werden vgl. II, p. 399). Ueber die in dampfgesättigter Luft entwickelten Wurzeln der Kartoffel siehe J. Sachs, Flora 1893, p. 8. — Ueber andere Wurzeln vgl. II, § 93. 3; N. Wille, Botan. Jahrbuch, f. Systemat. u. Pflanzengeographie 1886, Bd. 7, p.2l. 4) M. Nordhausen, Jahrb. f. wiss. Botan. 1899, Bd. 34, p. 236. 5) W. Zopf, Nova Acta d. Leopoldin. Carolin. Akad. 1888, Bd. 52, p. 325. 6) F. Boudier, Bullet, d. 1. Soc. botan. d. France 1894, p. 371. 7) F. Ludwig, Bot. Centralbl. 1899, Bd. 37, p. 359. ■ 8) Wortmann, Bot. Ztg. 1887, p. 806. § 86. Die Rankenkletterer. 417 Vermöi^e Durch den Reiz wird also in diesen Fällen ein ansehnliches Dickenwachsthum veranlasst, das in verschiedener Weise, z. Th. durch ein secundäres Dicken- wachsthum des Holzkörpers, erzielt wird, der unter anderm in dem Blattstiel von Solanuni jasminoides erst in Folge des Reizes zu einem ringförmigen Holz- körper ergänzt wird^). Ferner wird durch den Contactreiz die Ausbildung der Haftscheiben ver- anlasst, mit deren Hilfe die Ranken verschiedener Arten von Ampelopsis (Fig. 45), von Bignonia capreolata, littoralis; Hanburya mexicana, Cissus paul- liniaefolia u. s. w. an Steine, Holzflächen etc. befestigt werden dieser Einrichtung können solche Ranken als Kletterorgane an Mauern, Baumstäm- men, also an Stützen dienen, an welchen diejenigen Ranken nicht zu fassen ver- mögen, die auf die Umschlingung einer Stütze angewiesen sind (vgl. H, p. 399). Uebrigens besitzen die Ranken von Am- pelopsis quinquefolia nebenbei auch die Fähigkeit eine Stütze zu umfassen. Diese Haftballen entstehen durch eine Wucherung der Epidermiszellen sowie des angrenzenden Parenchyms und bewirken durch das Eindringen in die Unebenheiten der Stütze und durch ein klebriges Secret eine so solide Befestigung, dass in vielen Fällen auf Zug eher das Zerreissen als das Abreissen der Ranke erfolgt Fig. 4.5. Ampelopsis quinquefolia. Die Eanke a ist durch Haftballen an einer Steinfläclie befestigt und bat sieb korkzieherartig eingerollt. Während aber bei Ampelopsis Veitchii, Cissus paul- liniaefolia u. a. an der Spitze der Rankenäste eine Anschwellung vorhanden ist, die durch den Contactreiz zur Fortbildung angeregt wird, fehlt eine solche Anlage bei Ampelopsis quinquefolia und einigen anderen Arten. Bei diesen Pflanzen können die Haftballen an verschiedenen Stellen entstehen, werden aber bei Ampelopsis quinquefolia gewöhnlich an der convexen Seite der Rankenspitze gebildet, die sich der Mauer anzulegen pflegt. Unter günstigen Bedingungen ist dann nach zwei Tagen der in Bildung begriffene Haftballen zu erkennen. Uebrigens tritt auch bei den meisten Cucurbitaceen an der Contactstelle der Ranke eine gewisse Wucherung der Epidermis- und der Rindenzellen ein, der sich bei Sicyos angulatus und einigen andern Cucurbitaceen die Befestigung durch ein klebriges Secret beigesellt 3). 4) Näheres über die Blattstielkletterer bei M. v. Derschau, Einfluss von Contact u. Zug auf rankende Blattstiele, Leipziger Dissertat. 1893. Ueber die Reizhaken u. s. w. vgl. die p. 416 Anm. \ citirten Arbeiten. 2) Lit. H. Mohl, Ranken- u. Schlingpflanzen 1827, p. 70; Ch. Darwin, Kletternde Pflanzen 1876, p. 112; Pfeffer, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1871, Bd. I, p. 9ö; A. V. Lengerken, Bot. Zeitg. 1885, p. 408; H. Schenck, Beitr. z. Biolog. u. Anatom, d. Lianen 1892, I, p. 240. — Ueber die Erzeugung anderweitiger Haftorgane durch Contactreiz vgl. diesen Band, p. 150. 3) 0. Müller, Cohn's Beitrag, z. Biolog. 1887, Bd. 4, p. 107, 123 etc.; Schenck, 1. c. p. 200. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 27 418 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Interessante Verhältnisse finden sich hei Cuscuta europaea, epilinum u. s. w., sowie hei Cassytha, deren physiologisch radiärer Stengel wie eine typische Windepflanze (II, § 84, 85) schlingt und ausserdem durch die Berührung mit einem festen Körper zum Einkrümmen wie eine Ranke, sowie fernerhin auf der Contactseite zur Production von Haustorien veranlasst wird i). Nachdem durch das Zusammenwirken dieser Factoren einige eng angeschmiegte Win- dungen mit Haustorien entstanden sind, erlischt in dem acropetal anschliessenden für einige Zeit die Contactreizbar- und es werden nun allein durch die Stengel keit, Fig. 46. Cuscuta epilinum auf Irnpatiens pai-vi- flora. Bei a sind flache Windungen mit Hausto- rien, bei b steile Windungen oline Haustorien gebildet. Erfahrungen scheinen die slaten reizbar zu bleiben. Circumnutationsthätigkeit emige ausfallen , und Wird anliegen Windungen öfters der keine Hau- aber dafür der Stengel von Cuscuta keine erzeugt, die steiler Stütze nur locker storien bilden (Fig. 46) gesorgt, da SS Stütze findet, so bleibt der Neuzuwachs dauernd für Berührung empfindlich, woraus also folgt, dass die Inanspruchnahme durch den Contactreiz die periodische Sistirung der Sensibilität veranlasst. Ausserdem ist die einseitige Einwirkung der Schwerkraft nöthig, um Cuscuta in den reizempfänglichen Zustand zu versetzen. Denn am Klinostaten verschwindet nach einiger Zeit nicht nur die Circumnulation, sondern auch die Contactreizbarkeit, die sich z. B. bei Cuscuta europaea erst nach 24 Stunden wieder einstellte, als die Pflanze nach einem dreitägigen Aufenthalt am Kli- nostaten unter normale Verhältnisse zurück- versetzt wurde (Peirce, 1. c. p. 86, 116; vgl. dieses Buch II, p. 393) auch bei gewissen anderen Pflanzen einseitige Schwerkraftwir- geschaffen Ob erst durch die kung der Zustand sie auf Contactreize reagirea, ist noch nicht näher untersucht. Nach den beiläufigen typischen Ranken 2) ^ sowie Phycomyces am Klino- Ob dieses auch für den schwach reizbaren Stengel wird, in dem 1) Die Thatsache wurde zuerst erkannt von Mo hl iRanken- u. Schlingpflanzen tsi7, p. 131). Nach weiteren Studien von L.Koch (Hanstein's Botan. Abhandig. 1874. Bd. 2, p. 121; Die Kleeseide 18S0) wurde dann von G. Peirce (Annais of Botany 1894, Bd. 8, p. 53 die Sachlage in dem im Text behandelten Sinne sichergestellt. 2; Näher zu prüfen ist noch die Angabe von Gh. Darwin (1. c. p. 100), dass die Ranke von Echinocystis lobata unter Umständen, nämlich dann, wenn Gefahr ist, dass sie an den eigenen Spross anschlägt, steif und unempfindlich wird. § 86. Die Rankenkletterer. 419 von Lophospermum scandens i) zutrifft, ist unbekannt. Uebrigens werden wir fernerhin andere Beispiele dafür kennen lernen, dass die Sensibilität und Reac- tionsfähigkeit der Ptlanze durch den geotropistischen Inductionszustand modificirt wird (n,"§ 102). Die Sensibilität und die Reactionsfähigkeit sind stets von den jeweiligen Bedingungen abhängig inid werden demgemäss vielfach in auffälliger Weise durch die Inanspruchnahme des Organismus modificirt. Ein sehr anschauliches Beispiel hierfür und zugleich für eine selbstthätige periodische Aenderung der Sensibilität bietet das intermittirende Verschwinden und Wiederkehren der (Jontactreizbarkeit bei Cuscuta. Dieses Verhalten düri'te unserer Pflanze dadurch einigen Nutzen gewähren, dass der nutirende Spross sich während des Fehlens der Contactreiz- barkeit weiter von der Stütze entfernt, somit gelegentlich den benachbarten Stengel einer Nährptlanze erfasst und auf diesen übergeht. Entfernt sich aber der fortwachsende Spross der Cuscuta von der Stütze, so wird durch den dauern- den Verbleib der Reizbarkeit das Ergreifen einer sich darbietenden Stütze erheb- lich begünstigt. Da Cuscuta in der Regel durch die Circumnutation an die Stütze geführt wird, so ist schon desshalb begreiflich, dass der Spross dieser Pflanze in der Circumnutationsrichtung windet 2). Zudem ist die Contactreizbarkeit des Stengels zwar leicht nachzuweisen und ausreichend, um sich bei der Ausbildung der ^Y'm- dungen sehr bemerklich zu machen, jedoch ist noch nicht erwiesen, dass die Con- tactreizbarkeit des Stengels von Cuscuta genügt, um ein sicheres Umschlingen der Stütze zu bewirken. Dagegen beweist das normale Schlingen der Cuscuta, sowie das Umwinden eines Gelatinestabes, der nicht als Contactreiz wirkt (II, § 87), dass schon allein durch die rotirende Bewegung des Sprossgipfels ein ziemüch gutes Umschlingen der Stütze vollbracht wird. Die Abhebung und Aufrich- tung der Sprossspitze während der unempfindlichen Phase macht es begreiflich, dass Cuscuta, analog wie eine typische Schlingpflanze (II, p. 409), zumeist nicht weiter windet, wenn die Stütze in eine horizontale Lage gebracht wird 3). Erwähnt sei noch, dass ein jeder fester Körper am Stengel von Cuscuta ebensowohl die Reizkrümmung, als auch die Anlage der Haustorien veranlasst, die aber zur vollständigen Ausbildung nur kommen, wenn sie in eine Nähr- pflanze eindringen. Die Abhängigkeit von der Contactreizung bringt es mit sich, dass die Haustorien, obgleich der Stengel allseitig reizbar ist, nur da entstehen, wo der Spross von Cuscuta mit der Stütze in Berührung kommt. Heliotropismus u. s. w. In dem Vorstehenden sind zugleich verschiedene Klettercombinationen erwähnt, auf die bereits (II, p. 398) allgemein hingewiesen wurde. Ebenso wurden schon früher (II, p. 399), unter gleichzeitiger Berück- sichtigung der Ranken, die Mittel erörtert, die zur Erreichung der Stütze ange- wandt werden 4). Hierzu gehört auch der negative Heliotropismus, der bei den Ranken einzelner Pflanzen eine Bewegung nach der Stütze hin veranlasst (vgl. II, § H2). Ein solches Reactionsvermögen findet sich bei den Ranken von 11 Ueber die Reizbarkeit des Stengels dieses Blattkletterers, der übrigens in der Regel nicht windet, vgl. Gh. Darwin, Kletternde Pflanzen 1876, p. 55. 2) Peirce (1. c.) fand keine gegenläufigen Windungen, die aber nach L. Koch (1. c. 1874, p. 124) vereinzelt vorkommen. 3) Peirce, 1. c. p. 115. Nach L. Koch (1. c. p. 124) soU Cuscuta auch um eine horizontale Stütze winden können. 4) Vgl. Schenck, 1. c. p. 150 ff., und die hier citirte Literatur. 420 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Vitis vinifera, Ampelopsis quinquefolia^), Bignonia capreolata und Eccremocarpus scaber^), sowie bei den Wurzelranken von Vanilla planifolia 3). Bei Smilax aspera-*) wird ein schwacher, negativer Heliotropismus dadurch bemerklich, dass sich die circumnutirende Ranke nach dem Lichte hin etwas schneller bewegt. Dagegen wird durch die geringe Beschleunigung der nach dem Lichte hin gewandten Circum- nutationsbewegung ein schwacher positiver Heliotropismus der Ranken von Passiflora^) angezeigt, während Ch. Darwin 6) an den Ranken von Pisum sativum eine helio- tropische Empfindlichkeit nicht zu erkennen vermochte. Die Ranken sind also, ebenso wie die circümnutirenden Sprosse der Schlingpflanzen (II, p. i\%), zumeist nur in einem geringen Grade heliotropisch empfindlich. Das gilt auch für Cuscutu, bei welcher der Sprossgipfel der windenden Pflanze kaum heliotropisch reagirt, während er sich bei einer Pflanze, die einige Zeit auf dem Klinostaten verweilte, merklich positiv heUotropisch erweist '^j. Die Beeinflussung der Ranken durch die Aussenbedingungen ergiebt sich ausserdem im allgemeinen aus dem, was über die Bedeutung der äusseren Fac- toren für Wachsthum und Bewegungen bereits gesagt ist oder noch zu sagen ist (II, Kap. VI; § 8l; § 105, 121, 122). Hier sei nur noch erwähnt, dass z. B. bei Bi^onia^) die im Dunkeln entwickelten Ranken reizbar sind, und dass die Lichtentziehung auf die Ausbildung der Haustorien von Cuscuta^) keinen wesent- lichen Einfluss hat. § 87. Näheres über den Eeizvorgang bei den Eankenpflanzen. Trifft eine sensible Ranke auf einen Stab, so wird durch den Gontactreiz eine relative Beschleunigung des Wachsthums der nicht berührten Flanke und dadurch das Umschlingen der Stütze veranlasst (II, § 88). Da aber einerseits die Sensibilität sich erst in einem gewissen Entwickelungsstadium einstellt, andererseits die Actionsfähigkeit mit dem Erlöschen der AVachsthumsthätigkeit endlich schwindet, so wird durch eine bestimmte Intensität des Reizes in einer bestimmten Lebensphase der Ranke (bezw. eines jeden sensiblen Stückes der Ranke) der maximale Reactionserfolg hervorgerufen. In den Fadenranken tritt die Contactsensibilität in der Regel erst nach der vollen Entfaltung (vgl. 1, Knight, Philosoph. Transact. 1812, p. 314; H. Mehl, Ranken- und Schling- pflanzen i827, p. 76; Ch. Darwin, Kletternde Pflanzen 1876, p. 106; J. Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen 1880, Th. 2, p. 38. 2) Ch. Darwin, 1. c. p. 75, 81, 134. — Die Beobachtung von 0. Beccari (Bot. Jahrb. 1884, I, p. 27), dass sich die Ranken von Cissus nicht an ein Glimmerplättchen anlegen, beruht viefleicht auf der negativ heUotropischen Wirkung des reflektirten Lichtes. 3, A. Ewart, Annales du jardin. botan. d. Buitenzorg 1898, Bd. 15, p. 237. 4) Ch. Darwin, 1. c. p. 92, 134. 5) Ch. Darwin, 1. c. p. 134. 6 Ch. Darwin, 1. c. p. 88. Nach Wiesner (1. c. p. 38) sind die Ranken von Pisum bei schwachem Licht positiv, bei starkem negativ heliotropisch. — Ziemlich stark positiv heliotropisch sind nach M. v. D erschau (Einfluss von Contact und Zug auf rankende Blattstiele 1893, p. 12) die Blattstiele von Lophospermum scandens. 7) Peirce, 1. c. p. 87, 116. 8) Sachs, Bot. Ztg. 1863, Beilage p. 12. 9) Peirce, 1. c. p. 88. § 87. Näheres über den Reizvorgang bei den Rankenpflanzen. 42t p. 413, Fig. 40 a, b), theilweise mit, theilweise nach dem Beginn der Gircum- nutation ein und scheint dann oft bis zu dem Erlöschen des Wachsthums, also länger anzuhalten als die circumnutirende Bewegung i). Es sind aber nicht alle Theile einer Ranke in gleichem Maasse zur Aus- bildung der Reizbarkeit befähigt. So ist bei vielen Fadenranken der basale Theil, der nicht zum Fassen bestimmt ist, wenig oder gar nicht empfindlich. Ferner ist bei den meisten Fadenranken nur eine Flanke reizbar, doch be- sitzen z. B. die Ranken von Cobaea scandens, Cissus discolor, Smilax aspera, Actinostemma paniculatum allseitige Reizbarkeit'-). Diese können also mit einer jeden Flanke eine Stütze umschlingen, während eine physiologisch dorsiventrale Ranke nicht gereizt wird und sich von dem Stabe hinweg bewegt, wenn dieser an die unempfindliche Flanke angelegt wird. In der reizbaren Hälfte dieser dorsiven- tralen Ranken scheint die Empfindlichkeit zumeist von der Mitte gegen die Seitenflanken abzunehmen, die aber genügend sensibel sind, um in Folge der Berührung das Umschlingen der Stütze einzuleiten, bei welchem in der Regel die reizbare Flanke gegen den Stab gerichtet wird. Uebrigens dürften auch viele der allseitig empfindlichen Ranken nicht vollkommen physiologisch radiär sein, und zudem giebt es Uebergänge zwischen den anisotropen und isotropen Ranken. Denn Mohl (1. c. p. 65) fand bei Pisum sativum ausnahmsweise Ranken, die nicht, wie üblich, einseitig, sondern allseitig empfindlich waren, ferner sind bei Bignonia venusta^j die Rankenäste allseitig, der Rankenträger aber allseitig empfindlich. Analoge Verschiedenheiten finden sich auch bei den übrigen Kletterpflanzen. Bei Flagellaria indica ist z. B. die Oberseite, bei den übrigen (p. 415) genannten Blattspitzenklimmern aber die Unterseite sensibel 4). Die Blattstiele der Blatt- stielkletterer sind nach Darwin (1. c.) in der Regel allseitig, jedoch nach von Der schau (1. c. p. 13) auf den verschiedenen Flanken in einem ungleichen Grade i) Thatsachen bei Gh. Darwin, Kletternde Pflanzen 1876, p. 83, 134; J. Wort- mann, Bot. Ztg. 1887, p. 53; H. Schenck, Beit. z. Biolog. u. Anatom, d. Lianen 1892, I. p. 141, 134; H. Fitting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1903, Bd.' 38, 354. Analoge Verhältnisse bieten die Blattranken, Reizhaken u. s. w. Vgl. Schenck, I.e., ferner M. v. D erschau, Einfluss von Contact und Zug auf rankende Blattstiele 1893, p. 12; A. Ewart, Annal, d. jardin bot. d. Buitenzog 1898, Bd. 15, p. 188. Ueber die Wachsthumsvertheilung in den sich entwickelnden Ranken vgl. auch D. T. Macdougal, Annais of Bot. 1896, Bd. 10, p. 379; H. Fitting, 1. c. p. 547. — H. Mohl (Ranken- u. Schlingpflanzen 1827, p. 63) nahm irrigerweise an, die Reizbarkeit trete erst nach Vollendung des Längenwachs- thums ein. In manchen Ranken ist noch eine Reizbewegung (also ein Wiedererwecken der Wachsthumsthätigkeit) möglich , nachdem an der freien Ranke das Längenwachs- thum aufgehört hat. Vgl. Fitting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1. c. p. 354. 2) Vgl. Gh. Darwin, 1. c. p. 132; Schenck, 1. c. p. 141; v. Derschau, 1. c. p. 13; Fitting, 1. c. p. 531. — Wir urtheilen hier sachgemäss nur nach dem Reactions- erfolg, der bei Berührung je einer Flanke beobachtet wird. Factisch ist aber auch diejenige Flanke dorsiventraler Ranken, bei deren Berührung keine Krümmungsreaction ausgelöst wird, in besonderer Weise sensibel. Denn durch die Berührung dieser Flanke wird, wie aus § 88 zu ersehen ist, bewirkt, dass die Auslösung einer Reizreaction bei Berührung der opponirten Flanke unterbleibt. 3) Schenck, 1. c. p. 189. Vgl. auch Fitting. 1. c. 4) Schenck, 1. c. p. 179. — Allseitig reizbar sind die rankenden Blätter von Adlumia cirrhosa. Vgl. Pfeffer, Unters, d. botan. Instituts zu Tübingen 1885, Bd. I, p. 48,0. 422 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. reizbar. Bei den Reizhaken ist gewühnlich nur die Unterseite ^) , bei Ampe- iopsis Veitchii ist nur eine bestimmte Stelle an der Spitze der Rankenäste reiz- bar (11, p. 41'?), während der Stengel von Cuscuta physiologisch radiär ist (II, p. 418). In den meisten Fällen sind die anisotropen Ranken u. s. \v. auch morphologisch und anatomisch dorsiventral. Indess müssen anatomische und physiologische Dorsiventralität nicht nothwendig Hand in Hand gehen, und that- sächlich sind z. B. verschiedene der anatomisch dorsiventralen Blattstiele all- seitig reizbar. Der anatomische Bau 2), auf den wir hier nicht eingehen, lässt ja ohnehin nicht erkennen, ob ein bestimmtes Gewebe durch Berührung gereizt oder nicht gereizt wird. Bei allen diesen Rankenkletterern werden die Greiforgane durch die Be- rührung und Reibung mit jedem beliebigen festen Körper gereizt. Dagegen werden die Berührung mit einer Flüssigkeit oder mit Luft, auch der Stoss eines Wasser- oder Quecksilberstrahles, sowie die kräftigsten Zerrungen durch den Wind nicht als Reiz empfunden, während bei Mimosa, überhaupt bei den mit Stoss- oder Erschütterungsreizbarkeit ausgestatteten Pflanzen, eine jede be- liebige Erschütterung bei genügender Intensität auslösend wirkt. Diese Unter- schiede beruhen auf einem verschiedenen und besonderen Empfindungsvermügen, auf das wir erst weiterhin (II, § 89, 93) näher zu sprechen kommen 3). Hier sei nur erwähnt, dass die Reizung der Ranken (denen wir Contact- oder Kitzel- reizbarkeit = Thigmotropismus oder Haptotropismus [vgl. II, p. 155] zuschrei- ben), analog wie die Erweckung des Kitzelgefühls bei dem Menschen nur er- folgt, wenn durch den äusseren Angriff mit genügender Schnelligkeit an unmittelbar benachbarten Stellen Druckdifferenzen und Druckschwankungen erzeugt werden. Desshalb übt die sich anschmiegende Leimgallerte keinen Reiz aus, und ein Glasstab, der mit einer Schicht von 1 0 % Gelatine überzogen ist, wirkt (so lange die Gelatine nass ist und nicht adhärirt) bei kräftigem Reiben weder kitzelnd auf unsere Haut, noch reizauslüsend auf die sensibelste Ranke. Mit solchen Gelatinestäben lassen sich demgemäss die Ranken beliebig fassen und biegen, ohne dass eine Reizung erfolgt, und diese ist ebenso vermieden, wenn man die Ranken in Glasschalen legt, die mit einer Gelatineschicht über- zogen sind. Das specifische Empfindungsvermügen der Ranke macht es auch begreiflich, dass die Ranke zwar durch die Berührung mit einem jeden festen Körper, durch die Reibung mit einem etwas rauhen Gegenstand aber stärker ■1) Ewart, I. C. p. 2'12, 242. 2) Ueber anatom. Verhältnisse vgl. G. Worgitzky, Flora 1887, p. 2; M. Leclerc du Sablon, Anna), d. scienc. naturell. 1887, VII. ser., Bd. 5, p. ö; 0. Müller, Cohn's Beitr. z. Biolog. 1887, Bd. 4, p. 97; M. v. Derschau, Einfluss von Contact u. Zug auf rankende Blattstiele 1893; A. Borzi, Rendiconti Academia dei Lincei 1901, V. ser., Bd. 10, p. 395; A. Ewart, Annal. d. jardin botan. d. Buitenzorg 1898, Bd. 13, p. 187; H. Schenck, Beitr. z. Biolog. u. Anatom, d. Lianen 1892, I, p. 146. D. T. Macdougal, Annais of Botany 1896, Bd. 10, p. 394, u. die an diesen Stellen citirte Lit. — Dass die anatomischen Verhältnisse keineswegs die Reizbarkeit und die Vertheilung der Reiz- barkeit erkennen lassen, ist besonders von Fitting i\. c. p. GOO) gezeigt worden. 3) Näheres bei Pfeffer, Unters, a. d. botan. Institut zu Tübingen 1885. Bd. I, p. 483. An diesen Stellen sind auch die Objecte genannt, für die Contactreizbarkeit festgestellt wurde. Weiterhin wurde diese Art des Empfindungsvermögens nachgewiesen von Peirce (1. c. p. 66) für Cuscuta und von Ewart (1. c. p. 196, 203, für Reizhaken. § 87. Näheres über den Reizvorgang bei den Rankenpflanzen. 423 als durch einen sehr glatten Körper gereizt wird. Desshalb üben zwei Ranken, die eine sehr glatte Oberfläche besitzen, nur einen massigen Contactreiz aufeinander aus, und da zudem die zusammenstossenden Ranken durch die Eigenbewegung ziemlich bald Avieder auseinandergezogen werden, so findet man bei den meisten Pflanzenarten nur dann und wann zwei Ranken, die sich fest umschlungen haben i). Für die Pflanze ist aber dieses eigenthümliche Empfin- dungsvermögen sehr wichtig, weil durch dasselbe vermieden ist, dass Regen und Wind eine unnütze Reizbewegung auslösen. Den verschiedenen Objecten kommt natürlich eine sehr ungleiche Sensi- bilität zu, die z. R. bei den Fadenranken von Sicyos angulatus, Cyclanthera pedata, Passiflora gracihs besonders hoch ausgebildet ist. So w'ird die Ranke von Sicyos angulatus noch merklich durch die sanfte Reibung gereizt, die ein Baumwollenfädchen von 0,00025 mgr Gewicht ausübt, das als Reiter der Ranke aufgesetzt ist^j. Das Empfindungsvermögen dieser Ranke übertrifft also das unserer Haut, die an empfindlichen Stellen die sanften Bewegungen eines solchen Fädchens nicht mehr als Reiz empfindet 3). Eine Garnschleife von 1 — 10 mgr Gewicht ruft aber auch bei den weniger empfindlichen Ranken, sowie bei vielen reizbaren Blattstielen eine merkliche Reizung hervor, die bei den Ranken von Vitis indess erst durch einen stärkeren Reiz und bei den von Ewart (1. c. p. 193) untersuchten Reizhaken erst bei einer Belastung mit 100 mgr merklich wird. Bei den unempfindlicheren Objecten wird die Krümmung, sogar bei kräftiger Reizung, zuweilen erst nach einer oder nach einigen Stunden bemerk- lich, während an den sensibelsten Ranken schon nach 5 — 20 See. der Beginn der Reaction zu erkennen ist-*). Im allgemeinen ist zur Erzielung einer merklichen Reaction eine gewisse zeitliche Dauer des Contactes (der Reibung) nothwendig, die bei sehr sensiblen Ranken soweit verkürzt sein kann, dass schon eine einmalige kräftige Berührung eine schwache Krümmung auslöst. Diese, sowie auch eine etwas stärkere Ein- krümmung, wird aber durch die Gegenwirkung des Orthotropismus wiederum ausgeglichen, wenn der Contactreiz nicht fortwirkt^). Dabei bleibt die Ranke fortwährend gegen einen neuen Reiz empfindlich, und Ch. Darwin konnte eine Ranke von Passiflora graciUs im Laufe von 54 Stunden 21 Mal bis zur haken- förmigen Einkrümmung reizen und sich jedesmal wieder gerade strecken lassen. Bei Anwendung einer schwachen, continuirlichen Reizung ist gut zu ver- folgen, dass (analog wie bei vielen Reizvorgängen, II, p. 366) die Einkrümmung 1) Pfeffer ■ISSS, 1. c. p. 495. 2) Näheres bei Pfeffer, 1. c. p. 306; Darwin, 1. c. p. liO, Ul, 405 u. s. w. 3; Die Sensibilitäten sind ans verschiedenen Gründen und schon desshalb nicht exact vergleichbar, weil die Erregung von der Grösse der Druckfläche, der Schnelligkeit des Aufschlages u. s. w. abhängt. Vgl, z. B. M. v. Frey u. F. Kiesow, Zeitschr. f. Psy- chologie u. Physiologie der Sinnesorgane 1899, Bd. 20, p. 153. — Nach Kemmler Hermann's Handbuch d. Pliysiologie 1888, Bd. III, Kap. 2, p. 323) wird an empfindhchen Hautstellen erst durch den sanften Aufschlag von 0,002 mg eine Tastempfindung her- vorgerufen. 4) Ch. Darwin, 1. c. p. 131 u. s. w.; Pfeffer, 1. c. p. 486; 0. Müller, 1. c. p. 109. 5) Ch. Darwin, 1. c. p. 119, 431; H. de Vries, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1873, Bd. I, p. 306; Fitting (1. c. p. 6M). Diese Ausgleichung wurde schon be- obachtet von Gray, Edinburgh New Philosoph. Journ. '1839, Bd. 10, p. 307. 424 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. der Ranke über die Gleichgewichtslage hinausgeht, die fernerhin als Resultante aus der continuirlichen Reizwirkung und dem Orthotropismus eingenommen wird ^). Kann man auf Grund dieser Thatsache von einer Accommodation der Ranke an den Reiz reden, so ist doch damit unentschieden gelassen, ob der Erfolg durch das allmähliche Erwachen der Gegenreactionen oder durch die Abstumpfung der Sensibilität oder, was am wahrscheinlichsten ist, durch die Combination einiger Factoren erzielt wird. Eine bestimmte Entscheidung ist auch nicht aus der Erfahrung zu entnehmen, dass speciell bei (^uscuta die Inanspruchnahme durch den Gontactreiz ein periodisches Erlöschen der Reiz- barkeit zur Folge hat (II, p. 418). Es bedarf also einer gewissen Ueberschreitung der Reizschwelle, um zu bewirken, dass eine Ranke die Stütze völlig umschlingt und so lange umfasst hält, bis die AMndungen ausgewachsen und somit fixirt sind. Zur Herbeiführung dieses Erfolges genügt in der Regel der von der Stütze ausgehende Reiz, und zwar bilden die sensiblen und nicht zu dicken Ranken auch um einen dünnen Faden eng anliegende Windungen. Dagegen pflegt z. B. die minder sensible und dickere Ranke von Yitis^) nur eine lockere Schleife um eine Stütze zu bilden, deren Durchmesser unter 2 — 3 mm bleibt, und manche Reizhaken ver- mögen sich nach Ewart (1. c. p. 214) nicht mehr fest einer Stütze anzu- schmiegen, deren Durchmesser weniger als 7 mm beträgt. Mit diesen Eigen- schaften steht im Zusammenhang, dass sich eine minder reizbare und weniger einkrümmungsfähige Ranke der Seitenfläche einer flach gedrückten Stütze nicht anlegt, während sich gut reizbare, dünne Ranken selbst einem Blechstreifen allseitig anschmiegen 3). Sobald eine Ranke ihre Windungen noch weiter zu verengern strebt, übt sie auf die Stütze einen Druck aus, der das Zusammenpressen eines umschlungenen Blattes bewirkt -t), und den man auch durch die Verengerung nachweisen kann, den ein einseitig aufgeschnittener Papiercylinder durch die umfassende Ranke erfährt^). Dieses Streben nach Verengerung hat ferner zur Folge, dass sich nach der Herausnahme der Stütze der Durchmesser der Windungen verringert. So fand z. B. de Vries (1. c. p. 308), dass eine Kürbisranke, die einen 6 mm dicken Stab in 51/2 Windungen umschlungen hatte, nach dem Entfernen des Stabes 8 engere Windungen bildete. Berührt man eine Ranke an einem Punkte, so tritt zwar an diesem die stärkste Einkrümmung ein, jedoch wird der Krümmungsreiz nach beiden Seiten merklich fortgeptlanzt und zwar bei den sensibelsten Ranken auf eine Ent- fernung von 5 — 10 mm 6). Indem durch diese Krümmungsbewegungen fortw^ährend •1; Pfeffer, 1. c. p. 307; Ch. Darwin I. c. p. ISä. 2; Sachs, Lehrb. d. Bot. IV. Aufl., p. 872; de Vries, 1. c. p. 307. 3) H. Mo hl, Ranken- u. Schlingpflanzen 1827, p. 82. 4) H. Mehl, 1. c. p. 63. — Ueber Schlingpflanzen vgl. II, p. 409. ö) H. de Vries, 1. c. p. 307. — Vgl. auch Macdougal, Ber. d. bot. Gesellsch. ■1896, p. 453. 6) H. de Vries. Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1873, Bd. I, p. 304 ; Pfeffer, Unters, a. d. botan. Institut zu Tübingen 1885. Bd. I. p. 509; Fitting, 1. c. — Ueber Blattstielkietterer vgl. M. v. Derschau, Einfluss von Contact u. Zug auf rankende Blattstiele 1893. p. 1 3. § 87. Näheres über den Reizvorgang bei den Rankenpflanzen. 425 die acropetal anschliessenden Rankentheile mit der Stütze in Berührung gebracht werden, wird erzielt, dass sich der ganze Spitzentheil der Ranke um die Stütze windet. Dasselbe Bestreben macht sich aber auch basipetal geltend, jedoch wird das Aufwinden in dieser Richtung durch den mechanischen Zug verhindert, dem der zwischen der Stütze und der Pflanze ausgespannte Rankentheil aus- gesetzt ist. In der That bilden sich einige Windungen in basipetaler Richtung, wenn man, wie es de Vries (1. c. p. 304) that, die Ranke um eine leichte, fest- gehaltene Papierhülse schUngen lässt, die dann, nachdem sie freigemacht ist, durch die basipetal entstehenden Windungen näher an den Pilanzenspross heran- gezogen wird. Weil das Umschlingen durch die Contactreizung verursacht wird, ver- mögen die Ranken ebensowohl eine horizontale, als auch eine verticale Stütze zu umfassen. Ebenso sind die Ranken im Stande aufwärts und abwärts, so- wie rechts und links zu winden, und demgemäss können zwei Ranken der- selben Pflanze eine verschiedene Windungsrichtung einhalten i). Gewöhnlich besitzen die Windungen eine geringe Neigung, doch kommen sie der Regel nach dicht nebeneinander, aber nicht übereinander zu liegen. Es ist übrigens ein- leuchtend, dass eine Ranke um eine zu dicke Stütze nicht windet 2). Denn wenn der gereizte Rankentheil die Stange nicht genügend zu umfassen ver- mag, so wird die nach weiterer Einkrümmung strebende Ranke von der Stütze abgleiten und sich vor dieser zu einer Spirale einrollen. Durch den Gontact, bezw. durch das Erfassen der Stütze werden zum Theil auch anderweitige Reizungen ausgelöst, die sich durch die Beschleunigung der Einrollung (II, p. 426), durch eine Verstärkung der Organe (II, p. 416) oder durch eine besondere Productionsthätigkeit (II, p. 417) bemerklich machen. In diesen und anderen Fällen wird immer im näheren zu entscheiden sein, ob der Erfolg (direct oder indirect) durch die Contactreizung oder durch die mechanische Inanspruchnahme der an der Stütze fixirten Ranke verursacht wird. Factisch ist dieses nicht so leicht zu entscheiden, da durch die mechanische Inanspruch- nahme der Druck an der Contactstelle und somit die von der Contactreizung abhängigen Vorgänge gesteigert werden, und da ferner der Erfolg aus der Com- bination von Gontactreiz und Zugreiz 3) resultiren kann. \] Vgl. auch de Vries, 1. c. p. 307. 2) H. Mohl, 1. c. p. SO. U2. 3) Die Behauptung Hegler's, dass, wie in diesem Bd. II, p. 148 mitge- theilt wurde, durch den Zugreiz eine sehr ansehnliche Erhöhung der Trag- fähigkeit veranlasst werde, ist nicht zutreffend. Denn Ball (Jahrb. f. wiss. Bot. 1903, Bd. 39, p. 305) vermochte in Experimenten, die unter denselben Be- dingungen und z. Th. mit denselben Pflanzen angestellt wurden, wie die Ver- suche Hegler's, in keinem Falle eine ansehnliche Steigerung der Zugfestig- keit zu erzielen. In einer Anmerkung zur Arbeit Ball 's habe ich bereits meinem Bedauern Ausdruck gegeben, dass ich leider durch die mir vorgelegten und vordemonstrirten Angaben Hegler's getäuscht und in einer vorläufigen Älittheilung zur Publikation einer falschen Behauptung veranlasst wurde. ~ Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass bestimmte Pflanzen positiv reagiren, 426 Kap. Xll. Krümmungsbewegungen. Die II, p. 414 besprochene Einrollimg der Ranken tritt thatsächlich auch bei den freibleibenden Ranken ein, wird indess durch das Erfassen einer Stütze in einem specifisch verschiedenen Grade beschleunigt. Diese Beschleunigung geht z. B. nach Darwin (1. c. p. 124) bei den Ranken von Passiflora qua- drangularis so weit, dass eine fassende Ranke sich in 2 Tagen ungefähr so weit einrollt, als eine freie Ranke in 1 2 Tagen. Uebrigens tritt bei den Ranken von Vitis vinifera, Ampelopsis quinquefolia (Fig. 45, p. 417) und von verschiedenen Cissus-Arten die Einrollung nur dann ein, wenn eine Stütze gefasst wird i). Da das Einrollen der freien Ranken sich erst einstellt, wenn das Längen- wachsthum auf ein Minimum zurückgegangen ist 2), so dürfte die Beschleunigung der Einrollung durch den dauernden Contactreiz wohl damit zusammenhängen, dass dieser schliesslich eine sehr starke Hemmung des Wachsthums hervorruft 3), also frühzeitig die Entwickelungsperiode herbeiführt, in der da Einrollen eintritt. Vermuthlich wird dieser Erfolg in erster Linie durch die Contactreizung, d.h. durch die von dieser ausgehenden correlativen Reizwirkungen veranlasst, also nicht durch die directe Reizwirkung des mechanischen Zuges, der zudem, wenigstens in der Regel, das Längenwachsthum wohl transitorisch hemmt, aber im ganzen be- fördert (11, p. 149). Als eine nothwendige Folge der bestehenden physikalischen Bedingungen ergiebt sich aber, dass die freie Ranke eine homodrome Spirale, das zwischen Stütze und Pflanze ausgespannte Rankenstück dagegen antidrome Windungen mit einem oder einigen Wendepunkten bildet (Fig. 40 b u. c, p. 413)-*). Denn dieses Resultat wird ebenso ei'zielt, wenn man einen Längsstreifen aus dem Blüthenschaft von Taraxacum^), der sich spiralig einzurollen strebt, an beiden Enden festhält, oder w^enn man an einem an der Wand befestigten Tau durch die entsprechende Drehung des freien Endes AVindungen erzeugt. Ohne Frage werden durch den Contactreiz die Production der Haftballen und Haustorien (Ampelopsis, Cuscuta etc., II, p. 417), sowie die Verdickung der Reiz- haken (II, p. 415) und der Fasspunkte der Blattstielkletterer (II, p. 415) veranlasst. Dass bei den letzteren auch eine Verstärkung des zwischen Fasspunkt und Stütze liegenden Theiles des Blattstiels durch den Contactreiz ausgelöst wird, geht aus den Versuchen von Derschau's**) hervor. Denn dieser beobachtete die fragliche Verstärkung auch dann, als dem Blattstiel als Stütze ein kleines Stück Schilfrohr geboten war, das nach dem Erfassen sofort losgelassen w^urde, und das nunmehr in Folge seines geringen Gewichts nur einen so unbedeutenden Zug ausübte, dass dieser practisch nicht in Betracht kam. Allerdings fiel unter diesen Umständen die Verstärkung etwas geringer aus, als bei Blattstielen jedoch wird erst durch nähere Untersuchungen zu entscheiden sein, ob etwa bei den Ranken die Erhöhung der Zugfestigkeit durch den Zugreiz oder durch andere Anstösse veranlasst wird. 1)011. Darwin, I.e. p. 123; v. Lengerken, Botan. Zeitung 18S5, p. 360; Sehen ck, 1. c. p. 145. 2) H. Fitting, Jahrb. f. wiss. Bot. -IQOS, Bd. 38, p. 550. — Diese Einrollung ist mit einer nochmaligen, massigen Beschleunigung des Wachsthums verknüpft. 3, H. Fitting, 1. e. p. 608. 4) Schon richtig gedeutet von Mohl, 1. c. p. 79 und Ch. Darwin, 1. c. p. 127. 5) Noll, Flora 1899, p. 388. 6) M. v. Dersehau, 1. c. p. 30. § 88. Die Veränd. der Wachsthumsthätig. d. Ranken durch d. Contactreiz u. s. w. 427 die eine feststehende Stütze erfasst hatten und somit durch mechanische Zug- wirkung in erhöhtem Maasse in Anspruch genommen waren. Ob indess die Verstärkung durch die directe Reizwirkung dieses Zuges oder dadurch hervor- gerufen wurde, dass durch die gesteigerte mechanische Inanspruchnahme i) die Gontactreizung und die von dieser abhängigen Processe gesteigert wurden, ist noch nicht aufgeklärt. Diese Fragen sind auch noch nicht in Bezug auf die II, p. 416 erwähnte Verdickung der Ranken von Amphilobium und Bauhinia, sowie in Bezug auf die Ranken von Cucurbita, Passiflora etc. entschieden, die dann, wenn sie als Kletterorgane functioniren, nach Worgitzky^) eine 2 — 12 mal höhere Trag- fähigkeit erlangen, als diejenigen Ranken, die nicht fassten. Ferner ist auch noch nicht sicher gestellt, ob der Contactreiz oder die mechanische Inanspruch- nahme durch Zug (bezw. beide) die Ursachen sind, dass bei manchen Pflanzen die Ranken (oder Rankenäste) verkümmern und absterben, ^venn sie keine Stütze erfassten. Ein solches Verhalten wurde von Gh. Darwin 3) an der Ranke von Ampelopsis quinquefolia und Bignonia Tweedyana, von 0. Müller^) an der Ranke von Gyclanthera pedata, von Ewart^) an Dalbergia, von Leclerc du Sablon^) an der nicht fassenden Blattspitze von Flagellaria indica beobachtet. Uebrigens bringen es die Wechselwirkungen in dem selbstregulatorischen Getriebe vielfach mit sich, dass die Ausbildung und Fortbildung von Organen durch die Inanspruchnahme gefördert, durch den Mangel der normalen Inanspruchnahme aber benachtheiligt wird (II, p. 199, 203 etc.). § 88. Die Veränderung der Wachsthumsthätigkeit der Banken durch den Contactreiz und die Krümmungsmechanik. Da die hier behandelten Reizerfolge durch die entsprechende Lenkung der Wachsthumsthätigkeit erzielt werden, so sind nur Organe und Organtheile reactions- fähig, die noch wachsthumfähig sind, oder deren Wachsthumsthätigkeit durch den Contactreiz von neuem angeregt wird. Es gilt dieses nicht nur für Krümmungsbewegungen der Ranken (II, p. 413), sondern auch für die Entstehung der Haftscheiben und Haustorien (II, p. 417), die ebenso wie die gereizten Partien der Blattstielkletterer (II, p. 415) Beispiele dafür sind, dass durch den Contactreiz •1) Diese kann durch Steigerung des Reizes fördernd oder bei höherer Druck- wirkung mechanisch hemmend wirken. Vgl. Bd. II, p. U4, sowie M. v. Derschau. 1. c. p. 33; Ewart, 1. c. p. 189, UO. 2) G. Worgitzky, Flora 1887, p. 40. — Ueber die Verstärkung bei Hakenklette- rern siehe A. Ewart, Annais of Botany 1898, Bd. 15, p. 194, 208. — Ueber die Zug- wirkungen, denen Ranken ausgesetzt sind, vgl. auch Macdougal, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1896, p. 153. 3) Ch. Darwin, 1. c. p. 69, 113, 355; v. Lengerken, 1. c. p. 360. 4) 0. Müller, Cohn's Beitr. z. Biologie 1887, Bd. 4, p. 108. 51 Ewart, 1. c. p. 228. 6) Leclerc du Sablon, Annal. d. scienc. naturell. 1887, VII. ser., Bd. 5, p. 28. — Bei Nepenthes soll durch das Fassen des rankenden Blatttheils die Ausbildung der Kanne begünstigt werden. Vgl. Goebel, Pflanzenbiolog. Schilderungen 1891, II, p. 98. — Ueber den Einfluss des Fassens auf typische Windepflanzen siehe Bd. II, p. 404. 428 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Förderung des Wachsthums angeregt eine Productionsthätigkeit und eine werden (vgl. II, § 37). Auch bei der Reizkrümmung der Fadenranken wird nach Fitting^) das Wachsthum zwar nur vorübergehend (d. h. während der Reaction), aber sehr erheblich beschleunigt. Diese Steigerung ist besonders ansehnhch bei einer schnell verlaufenden Einkrümmung, bei der die Mittellinie nicht selten 20 bis 100 mal, die convex werdende Flanke also 40 — 200 mal schneller wächst, als während der vorausgegangenen und nachfolgenden, actionsfreien Zeit. Nach einer vorübergehenden Berührung beginnt dann etwas später in der concaven Unter- seite, die sich während der Einkrümmung nicht oder sehr wenig verkürzte, eine zwar nicht so auffällige, aber doch immerhin sehr ansehnliche Wachs- thumsbeschleunigung, durch welche die Ranke, deren Oberseite sich jetzt nicht verlängert, allmählich wiederum in die Ausgangslage zurückgeführt wird. Ein derartiges Resultat wurde von Fitting in allen Fällen, also sowohl mit allseitig und einseitig reizbaren, als auch mit schnell und langsam wachsenden und reagierenden Ranken erhalten 2]. Zur besseren Yeranschaulichung der mit der Krümmungsbewegung verknüpften Zuwachsverhältnisse der Oberseite und der Unterseite, aus denen sich das ^^■achs- 7 fi t Oh ers .eil e —A .M £ g / -\ n oTA e _,-J ■' y / 4 / bV2 . , ^--' / > 3 / ^J .\^ r- r-"l 'C3 2 /./ 4; s>:j c/2 1 •J4 ( • ^ \ 1 i f~ / 10' 20" 30' W 50' 60' 70' 80 Fig. 47. Pilogyne suavis nach Fitting. Der Abstand der Marken betrug etwas mehr als 100 Theilstriche, doch wurden die auf 100 TheilstricSe berechneten Zuwachswerthe zur Construction der Curve benutzt. thum der Mittelzone und jeder anderen Zone ableiten lässt, sind in Fig. 47 die Resultate dargestellt, welche bei einer \ 0 0 mm langen Ranke von Pilogyne suavis \) Auf den in meinem Institute ausgeführten Untersuchungen H. Fitting 's, die inzwischen in den Bericht, d. Botan. Gesellsch. -1902, p. 373 und ausführlich in den .lahrb. f. wiss. Bot. lOOS, Bd. 38, p. 545 pubhcirt wurden, basirt in der Hauptsache die obige Darstellung. In der ausführlichen Arbeit Fitting's (1. c. p.^545) ist auch mit- getheilt, dass schon zuvor Herr W. Ockel Studien über die Krümmungsmechanik der Ranken begonnen hatte, die leider durch einen frühzeitigen Tod OckeTs ihr Ende fanden. 2) J. Trzebinski (Bullet, d. TAcadem. d. Cracovie 1902, p. -123) beobachtete bei Berührung des jungen Sporangiums, sowie der Spitze des Sporangiumträgers von Phy- comyces nitens sowohl Beschleunigung wie Hemmung des Wachsthums. Aus den Mittheilungen dieses Forschers ist aber nicht zu ersehen, ob etwa allseitige und ein- seitige Berührung verschieden wirken. § 88. Die Veränd. der Wachsthumsthätig. d. Ranken durch d. Contactreiz u. s. w. 429 durch die mikrometrische IMessung an Marken ^] gewonnen wurden, die sich in der zu reizenden Zone, 2 0 mm von der Spitze entfernt, auf der Ober- und Unterseite befanden. An diesen Marken war vor der Reizung während 20 Min. (nur 1 0 Min. sind in der Figur aufgenommen) eine Vergrösserung des Abstands nicht zu bemerken. Infolge der Reizung, die in dem durch * bezeichneten Zeit- punlit durch eine vorübergehende Reibung der Versuchsstelle ausgeführt wurde, führte die Ranke im Laufe von 5 Min. eine Krümmung bis zu 5 mm Radius aus und erfuhr in dieser Zeit die aus der Fig. 47 ersichtliche, gewaltige Wachs- thumsbeschleunigung der Oberseite. Die halbe Summe der jeweiligen beider- seitigen Zuwachse ergiebt das in Fig. 47 eingetragene Wachsthum der Mittel- zone. Uebrigens wurde ein analoger Verlauf dieser Curve auch bei directen Messungen gefunden, die an Marken ausgeführt wurden, welche an der Seiten- flanke angebracht waren. Mögen nun diese Reactionen (wie nicht anders zu erwarten) durch eine verwickelte Kette von directen und indirecten Auslösungen und Actionen zu Stande kommen, so sind sie doch in jedem Falle als Erfolge anzusprechen, die durch den Contactreiz und vermöge der Contactreizbarkeit ausgelöst werden. Diese Causalbetrachtung bleibt auch zu vollem Rechte bestehen, wenn der Wiederausgleich der Krümmung (die rückläutige Bewegung) nicht direct durch den Contactreiz, sondern durch die Actionen und Bedingungen veranlasst w-erden sollte, die indirect durch den Contactreiz ausgelöst und geschaffen werden 2). Eine bestimmte Entscheidung ist u. a. nicht daraus zu entnehmen, dass nach Fitting (1. c. p. 588) die Wachsthumsbeschleunigungen und die diesen ent- sprechenden Krümmungsbestrebungen in derselben Weise und Reihenfolge (vgl. Fig. 47) auch dann ausgelöst und activirt werden, wenn der festgehaltenen Ranke die Einkrümmung mechanisch unmöglich gemacht ist. Denn wenn hieraus folgt, dass zum Zustandekommen der auf die rückläufigen Bewegungen hin- arbeitenden Wachsthumsthätigkeit die Realisirung der Einkrümmung nicht noth- wendig ist, so ist doch damit nicht ausgeschlossen, dass der Anstoss für die Ausgleichthätigkeit durch die Modification der Spannungsverhältnisse geschaffen wird. Denn in Folge der Wachsthumsbeschleunigung der Oberseite werden die Gewebe der Unterseite (die bei der Realisirung der Reizkrümmung nicht oder etwas comprimirt werden) in Zugspannung versetzt, wie sich daraus ergiebt, dass sich die soeben gereizte Ranke beim Loslassen sofort concav nach der Unterseite einkrümmt. Ohne Frage wird aber auch bei der Ranke durch die Störung des Gleich- gewichts eine auf die Ausgleichung der Störung hinarbeitende Thätigkeit er- weckt (II, p. 365; § i'l9). Dieses giebt sich thatsächlich darin kund, dass eine plastische Krümmung, die man der Ranke ohne eine thigmotropische Reizung aufdrängt, und zwar unter Zuhilfenahme einer transitorischen AVachsthums- beschleunigung, ausgeglichen wird (Fitting, 1. c. p. 557, 582). Desshalb ist aber immer noch möghch, dass bei einer Contactreizung auch durch irgend eine 1) Vgl. diesen Bd. II, p. 377. Näheres über die Methodik ist bei Fitting nach- zusehen. 2) Dasselbe gilt für die photonastischen und thermonastischen Bewegungen, bei welchen z. Th. in analoger Weise durch den Wechsel des Lichtes oder der Temperatur eine transitorische Wachsthumsbeschleunigung ausgelöst wird (vgl. II, § 103, 104). 430 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. andersartige Reiz Verkettung, also unabhängig von Spannungsverhältnissen etc., bewirkt wird, dass in der Unterseite der Ranke nach einer gewissen Zeit eine beschleunigte Wachsthumsthäligkeit aufgenommen Avird. Ohnehin handelt es sich bei den Ranken um sehr verwickelte Reizver- hältnisse. Denn es ist schon eine besondere Reizverkettunü' und dirisirende Reizleitung i) nüthig, um zu erzielen , dass sowohl bei den radiären, wie bei den physiologisch dorsiventralen Ranken die beschleunigte Wachsthumsthätigkeit nicht in der berührten, sondern gerade in der gegenüberliegenden Flanke aus- gelöst wird (vgl. n, § 127, 129). Zudem tritt, wie Fitting (1. c. p. 582) fand, keine Reaction ein , wenn die Ranke an zwei opponirten Punkten (oder ringsum) an- nähernd gleichstark gerieben wird. Unter diesen Umständen unterbleibt nämlich auch bei dorsiventalen Ranken die Krümmung. Dass aber auch bei den radiären Ranken keine Action ausgelöst wird, ergiebt sich daraus, dass selbst bei starker zweiseitiger oder allseitiger Reibung keine Wachsthumsbeschleunigung erweckt wird, die sich auch bei diesen Ranken einstellt, wenn nur einseitig gereizt, die Ausführung der angestrebten Krümmungsbewegung aber mechanisch un- möglich gemacht wird. Da sich aber aus verschiedenen, hier nicht näher zu erörternden Erfah- rungen ableiten lässt, dass die thigmotropische Perception fortbesteht, so müssen also die durch die antagonistischen Reize erweckten Processe derartig zu- sammenwirken, dass es nicht zur Auslösung einer Action kommt (vgl. 11, § 120, 124; Fitting, 1. c. p. 609). Eine Reizbarkeit, durch welche diese Gom- pensation erzielt wird, besitzt somit auch die Oberseite der physiologisch dorsi- ventralen Ranken, die nicht im Stande ist bei alleiniger Reizung eine Krümmungs- reaction auszulösen. Dabei stimmt das Empflndungsvermögen der Oberseite insofern mit dem der Unterseite überein, als die besagte Compensation bei der Reibung der Oberseite mit einem festen Körper, aber nicht bei der Reibung mit feuchter Gelatine eintritt (vgl. II, p. 422: Fitting, 1. c. p. 564). Die besprochenen Vorgänge gehören zu den mannigfachen, wechselseitigen Beeinflussungen von Reizen, die wir später behandeln werden (II, § 121, 122). Vermuthlich wird in diesem Falle die Compensation schon im sensorischen Theil eintreten, so dass die Auslösung der motorischen Thätigkeit gar nicht an- gestrebt wird. Allerdings ist zur Zeit nicht sichergestellt, ob dem so ist, oder ob etwa die Reaction desshalb unterbleibt, weil zwar die sensorischen Processe sich nebeneinander abspielen, die Activirung der motorischen Thätigkeit aber durch die Ausschaltung eines Bindegliedes, oder (was in diesem Falle unwahr- scheinlich ist) durch die Lahmlegung der motorischen Befähigung unmöglich gemacht wird. Die von Fitting (1. c. p. 562) constatirte Thatsache, dass durch die Reibung der Oberseite einer dorsiventralen Ranke auch die durch eine Temperaturschwankung (II, § 99) imd die durch die Decapitation der Rankenspitze ausgelösten Krümmungsbewegungen sistirt werden , dürfte im Verein mit weiteren Studien eine gewisse Aufklärung der angedeuteten Probleme ermöglichen. Da diese sistirende AVirkung, ebenso wie die bewegungsauslösende, nur wenig über das Contactgebiet hinausgreift (Fitting, 1. c. p. 551), so lässt sich durch die localisirte Reibung der Oberseite erreichen, dass nur dieses i] Ueber Reizleitung vgl. II, § 120. § 8S. Die Veränd. der Wachsthumsthätig. d. Ranken durch d. Contactreiz u. s. \v. 43 1 Stück der Ranke gerade bleibt, während der übrige Theil die thigmotropische, thermonastische oder traumatropische Krümmung ausführt. Nachdem wir den Erfolg einer transitorischen Berührung behandelt haben, müssen wir uns noch dem anhaltenden Contact zuwenden, durch den bekannt- lich bewirkt wird, dass die Stütze umschlungen bleibt, dass also die Einkrüm- mvmg nicht wieder ausgeglichen wird. Darin besteht demgemäss ein Unter- schied, während die Umschlingung der Stütze durch dieselben Reactionsvorgänge erzielt wird, die zunächst durch eine transitorische Reizung ausgelöst werden (Fitting, 1. c. p. 609). Da aber nach Fitting bei continuirlichem Contact das Wachsthum des fassenden Theils der Ranke sehr bald gänzlich eingestellt ward, da also unter diesen Umständen die Wachsthumsbeschleunigung der Unterseite ausfällt, die mit der Ausgleichung der Reizkrümmung verknüpft ist, so müssen durch den dauernden Contactreiz die Actionen bezw. die Reize sistirt werden, die auf die Ausgleichung der Krümmung hinarbeiten. Es ist aber ersichtlich, dass dieses Resultat wiederum nur durch eine complicirte wechselseitige Reiz- verkettung erreicht werden kann, dass also auch die Rückregulation durchaus kein einfaches Problem ist. Das soeben Gesagte gilt aber nur für den Fall , dass die Ranke dauernd einer energischen Contactreizung ausgesetzt ist, dass also dieserhalb auch keine Abhebung von der Stütze eintritt. Factisch stellt sich aber in Folge der Gegen- reaction, Accommodation etc. (II, p. 424) selbst bei sensiblen Ranken häufig eine gewisse, partielle Abhebung von der Stütze ein. Indem dann die freien Partieen gelegentlich immer wieder mit der Stütze in Berührung kommen und hierdurch von neuem gereizt und zu einer Einkrümmung und Wachsthumsbeschleunigung veranlasst werden, wird factisch das Wachsthum noch einige Zeit fortgesetzt. Auf diese Weise, und in Verbindung mit dem Krümmungsbestreben der der Stütze benachbarten, freien Partie der Ranke (II, p. 425), gelingt es der Ranke durch Umkriechen der Stütze die Anzahl der Windungen zu vermehren, wie das bereits von Ch. Darwin (1. c. p. 102) beobachtet wurde. (Vgl. Fitting, 1. c. p. 606. j Die Wachsthumsoperationen, durch welche die Reizbewegungen der Ranken vermittelt werden, wurden, wie schon bemerkt (II, p. 428), erst durch die Unter- suchungen Fitting's aufgeklärt. Aus den mitgetheilten Versuchsresultaten er- giebt sich aber ohne weiteres, dass die Einkrümmung nicht, wie es irrigerweise einige Forscher i) aimahmen, durch eine active Contraction der concav werden- den Flanke herbeigeführt wird. Gegen eine solche AulTasssung sprachen übrigens im allgemeinen schon die Messungen von de Vries^), die indess bei der ange- wandten Methode keine grosse Genauigkeit erreichten, und die ausserdem die Wachsthumsbeschleunigung während der Krümmung desshalb nicht anzeigen konnten, weil die Messung erst einige Zeit nach der Vollendung der Krümmung vorgenommen wurde. Irrig ist indess die Ansicht von de Vries^), nach der, wie in vielen anderen 1) Ch. Darwin. Die Bewegungen und Lebensweise d. kletternden Pflanzen I87C. p. 138; D. T. Macdougal, Bericht, d. botan. Gesellsch. -1896, p. 131, Annais of Botany ■1896, Bd. 10, p. 399, Torrey Botanical Club 1898, Bd. 25, p. 69. Vgl. Fitting, 1. c. p. 563. 2) H. de Vries, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1873, Bd. 1, p. 309. 3) H. de Vries, Bot. Ztg. 1879, p. 833; Landwirthschaftl. Jahrb. 1880, p. 509. Eine ähnUche Auffassung z. B. bei Leclerc du Sablon, Annal. d. scienc. naturell. 1887, '& 432 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Fällen, die Contactreizung eine Turgorsteigerung in der eonvexwerdenden Hälfte veranlassen soll, durch die eine zunächst elastische, erst weiterhin durch Wachs- thum fixirte Verlängerung der Zellhäute erfolge. Denn schon die directen Be- obachtungen können keinen Zweifel lassen, dass die Reizkrümmung der Ranken durch wirkliches Wachsen vollbracht wird. Demgemäss wird die realisirte Krümmung bei plötzlichem Tödten durch Eintauchen in heisses Wasser nicht mehr verändert, als es auch bei der Tödtung anderer gekrümmter Organe in Folge der Ausgleichung von Spannungen etc. geschielit ^j. Der partielle Rück- gang der Reizkrümmung nach dem Einlegen in Salzlösungen wird aber von de Vries (1880, 1. c. p. 511) mit Unrecht als ein schlagendes Argument für seine Auffassung angesehen. Denn factisch dringen die Salze so langsam ein, dass die Plasmolyse erst nach einigen Stunden eintritt, so dass die Ranken nach dem Einlegen in die Salzlösung zunächst noch wachsen und durch ihre Wachs- thumsthätigkeit die Reizkrümmung ganz oder theilweise ausgleichen können 2). Wie das Wachsthum der Ranken vor und während der Krümmungsthätigkeit im näheren ausgeführt wird, ist in diesem, wie in den meisten Fällen unbekannt (vgl. II, § 8, 9, p. 37 4). Aus der Thatsache, dass die Zellwand der Ranken verhältnissmässig leicht über die Elasticitätsgrenze gedehnt wird 3) , folgt natür- lich noch nicht, dass sie plastisch wachsen muss (vgl. II, p. 3 0). In jedem Falle müsste aber auch bei den Ranken die plastische Verlängerung der Zellwand durch eine erweichende und vorbereitende physiologische Thätigkeit ermöglicht werden, da die Wachsthumskrümmung durch die Entziehung des Sauerstoffs zum Stillstand gebracht wird (II, p. 31 und § 105). Diese Regidation ist also auch dann nöthig, wenn durch die Reizung eine Turgorsteigerung veran- lasst werden sollte. Eine solche Steigerung ist aber nicht nothwendig und auch nicht erwiesen. Denn die positive Annahme von de Vries ist auf irrige Vor- aussetzungen und Interpretationen in Bezug auf die Vorgänge an Ranken und in Bezug auf die Wachsthumsmechanik gegründet (A'gl. II, § 8, 9, p. 374). Uebri- gens wird eine Wachsthumsschnelligkeit, wie sie bei der Einkrümmung der Ranken in Anwendung kommt, auch in verschiedenen anderen Fällen gefunden (I, § 5). In historischer Hinsicht sei bemerkt, dass eine eingehendere Kenntniss der Ranken thätigkeit erst mit den 1827 erschienenen Arbeiten Palm's und namentlich Mo hl 's beginnt. Letzterer entdeckte z. B. die Contactreizbarkeit und erkannte die Beschleunigung der schraubigen Einrollen an dem nicht fassenden Theil, sah aber irrigerweise auch das Winden als einen Erfolg der Contactreizimg an (vgl. II, p. 402 Anm.). Nachdem Dutrochet^) einige Beiti'äge geliefert hatte, wurde die Kenntniss der Rankengewächse besonders durch Ch. Darwin (1. c. 1876) ei-vN-eitert. Weitere Förderungen verdanken wir de Vries und den anderen citii'ten Forschern. Von mir wurde fernerhin (1. c. 1885) das Wesen der Sensibilität auf- geklärt, die der thigmotropischen Reizbarkeit zu Grunde hegt. In jüngster Zeit hat dann Fitting (1. c.) die Mechanik der Wachsthumskrümmung und eine An- zahl der mit dieser zusammenhängenden Fragen näher verfolgt und aufgehellt. VII. ser., Bd. 25, p. 38. — In analoger Weise suchte de Vries, ohne zureichenden Grund, auch die Modification der Zuwachsbewegung bei anderen Bewegungsvorgängen zu er- klären. Vgl. II, § 8; § 129. Siehe auch p. 372. ^) Fitting, 1. c. p. 598. 2) Fitting, 1. c. p. 595. An dieser Stelle ist auch die anderweitige Literatur citirt. 3) Pfeffer, Unters, a. d. botan. Institut zu Tübingen 1885, Bd. 1, p. 489. Vgl. Bd. II, p. 64. 4) Dutrochet, Annal. d. scienc* naturell. 1844, IIL ser., Bd. 2, p. 156. § S9. Allgemeines über Stoss- und Tastreizungen. 433 Abschnitt III. Krümmungsbewegungen durch mechanische und chemische Reizungen. § 89. Allgemeines über Stoss- und Tastreizungen. Durch Druck, Stoss, Erschütterung, überhaupt durch mechanische Anstüsse werden vielfach Krümmungsbewegungen und z. B. auch die auffälligen Varialions- bewegungen ausgelöst, die bei Mimoseen, Papilionaceen, Oxalideen in den Be- Fig. -IS. Mimosa pudica. Das Blatt A befindet sieli in reizempfänglicher, das Blatt B in gereizter Stellung. p das primäre Gelenke, s die secundären Gelenke an der Basis der Fiederstrahlen. wegungsgelenken der Blätter und Blättchen ausgeführt werden (vgl. Fig. 32, p. 371 und Fig. 48, 49). Besonders schnell verläuft bekanntlich diese Reiz- reaction bei den Blättern von Mimosa pudica, Spegazzinii, Desmanthus plenus Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 28 434 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. 11. s. w., welche bei einer allgemeinen Erschütterung durch die Senkung des primären Blattstieles, durch das Zusammenschlagen der Blättchen und durch die gegenseitige Annäherung der secundären Blattstiele plötzlich aus der reiz- empfänglichen Stellung {Ä in Fig. 48) in die gereizte Stellung [B in Fig. 48 übergehen. Wird aber nur ein einzelnes Gelenk durch directe Berührung ge- reizt, so tritt zunächst nur in diesem die Bewegung ein, die sich, z. B. nach dem Einschneiden eines Blättchens, allmählich auf die übrigen Blatt chen des Fiederstrahles und endlich auf das primäre Gelenk u. s. w. fortpflanzt (vgl. II, § 95). Sehr schnell reagiren u. a. auch die Blättchen von Biophylum sensitivum, während es wiederholter, kräftiger Erschüüerungen bedarf, um die vüUige Sen- kung der Blättchen von Oxalis acetosella herbeizuführen (Fig. 49). Eine noch geringere Reizbarkeit besitzen die Blättchen des Fiederblattes von Robinia B Fig. 49. Gedreites Blatt von Oxalis acetosella. A ungereizt; B nach wiederholter kräftiger Eeizung. Die Gelenlte befinden sich hei g. r-y Fig. 50. Durch Entfernen der Corolle von Cen- taurea jacea sind die Staubfäden frei gelegt, die in A im reizempfänglichen, in B im contrahirten Zustand vergrössert dargestellt sind. cCorollen- röhre ; s Staubfäden; a Autherenröhre; g Griifel. pseudacacia, und die Blättchen von Acacia lophantha werden durch die kräftigste Reizung nur zu einer geringen Bewegung veranlasst (vgl. II, § 90). In einem sehr verschiedenen Grade ist auch die Reactionsfähigkeit in den Staubfäden der Cynareen ausgebildet, unter denen z. B. die Staubfäden von Centaurea jacea und Cynara scolymus bei Berührung plötzlich zusammenzucken und sich hierbei um 10 — 30 Procent verkürzen. Bei der gleichsinnigen Reiz- bewegung der 5 Staubfäden (s. Fig. 50) wird demgemäss, durch das Herabziehen der durch die Verwachsung der Staubbeutel gebildeten Röhre («), ein weiteres Hervortreten des Griffels [g) bewirkt. Besteht in diesem Falle die ausgelöste Reaction, wie bei dem gereizten Muskel, in einer plötzlichen A'erkürzung, so kann doch durch die entsprechende Verkettung der activen Gewebe mit anderen Elementen ein System hergestellt werden, das bei der Reizung eine Krümmung ausführt, wie das bei den Bewegungsgelenken der Mimosa u. s. w. der Fall ist (II, p. 371). Natürlich muss die active Zone nicht gerade eine besondere (gelenkartige) Form besitzen, die z. B. bei den reizbaren Staubfäden der Berberideen (Fig. 51), § 89. Allgemeines über Stoss- und Tastreizungen. 435 Cistineen, Sparmannia, sowie bei den Narben von Mimulus (Fig. 52), Martynia, Bignonia, also bei Objecten nicht ausgebildet ist, in denen durch eine Berührung eine schnelle Krümmungsbewegung ausgelöst wird. Ferner wird das Zusammen- Fig. 51. Eine Blüthe von Berberis vulgaris nach Entfer- nung der vorderen Blumenblätter und Staubgefässe (ver- grössert). — Das Staubgefäss a befindet sich im unge- reizten Zustand und wird durcb eine Berührung veranlasst in die Lage des Staubgefässes b zu schnellen, also an den Griffel g anzuschlagen. Fig. 52. Aufgeschnittene Blüthen von Mimulus luteus. In A befindet sich die Narbe n. im unge- reizten, in B im gereizten Zustand. schlagen des durch Berührung gereizten Blattes von Dionaea muscipula (Fig. 53) und Aldrovandia in der Mittelrippe, unter activer Mitwirkung der Lamina ausgeführt. Während bei den genannten Pflanzen die bewegungsthätigen Organe zu- Fig. 53. Blatt von Dionaea muscipula, A im ungereizten Zustand. Auf joder Blatthälfte sind die drei reiz- empfänglichen Haare sichtbar. B in dem zusammengeschlagenen Blatte ist ein Ohrwurm gefangen. gleich befähigt sind, den Berührungsreiz zu percipiren, ist dieses nicht der Fall bei Masdevallia muscosa. Denn nach Oliver^) lässt sich die Reizbewegung des Labellums der Blüthe nicht durch die Berührung des Bewegungsgelenkes, 1) F. W. Oliver, Annais of Botany 1888, Bd. I, p. 244. 28* 436 Kap. XII. Krümmungsbewegungen, sondern nur durch die Reizung einer benachbarten Partie der Blüthenlippe auslösen. Die obengenannten sowie die in II, § 90— 9'2 zu nennenden Pflanzen sind Beispiele für die Erschütterungsreizbarkeit (= Stossreizbarkeit, seismonastische Reizbarkeit), d. h. sie reagiren auf eine jede beliebige, genügend intensive Erschütterung oder Zerrung, die durch den Stoss eines festen Körpers, oder durch den Wind, oder durch einen Wasser- oder Quecksilberstrahl her- vorgebracht werden (vgl. II, p. loO). Eine anders geartete Sensibilität, die wir als Tastreizbarkeit (= Kitzelreizbarkeit, Gontactreizbarkeit, thigmotropische, hapto- tropische, bezw. thigmonastische Reizbarkeit) bezeichnen, besitzen dagegen die Ranken, die schon (II, p. 416) genannten Pilze, Algen, sowie die Blatttentakeln von Drosera u. s. w. (vgl. II, § 93). Bei allen diesen Objecten wird die Reiz- bewegung nur durch die Berührung mit einem festen Körper ausgelöst, wäh- rend die kräftigsten Beugungen und Zerrungen, durch den Wind oder durch einen Wasserstrahl, der Aufschlag eines Wasser- oder Quecksilberstrahls, sowie die Stösse eines nassen Gelatinestabes (eines Glasstabes, der mit 10 — lo proc. Ge- latine überzogen ist) nicht als Reiz wirken (vgl. II, p. 422). Dabei sind die sensibeln Ranken u. s. w. gegen ungemein sanfte Berührungen mit einem festen Körper empfindlich, die bei Mimosa pudica u. s. w. auch unter den günstigsten Bedingungen keine Reaction hervorrufen. Fast ebenso empfindlich wie die Ranken sind ferner die Tentakeln von Drosera rotundifolia, welche in dem Drüsenköpfchen den Tastreiz percipiren, der in dem Tentakelsliel eine Krümmungs- bewegung veranlasst (II, § 93) i). Durch das Verhalten gegen einen feuchten Gelatinestab oder gegen einen Wasserstrahl, bezw. gegen einen Holzstab u. s. w. lässt sich also entscheiden, ob ein Organ für Stossreize oder für Tastreize empfindlich ist, ob seine Sensi- bilität, wie man auch sagen kann , dem Mimosa- oder dem Rankentypus ent- spricht. Durch diese Unterscheidung, die auf dem verschiedenen Verhalten gegenüber dem äusseren Reizanstoss basirt, wird, ebenso gut wie durch die heliotropischen, geotropischen etc. Reizungen, eine specifische Sensibilität des reagirenden Organes gekennzeichnet (vgl. I, p. 14; II, p. 360). In diesem Sinne ist die Unterscheidung von Stoss- und Gontactreizbarkeit, ebenso wie die Unter- scheidung von Heliotropismus und Geotropismus, auch dann berechtigt, wenn die causale Aufhellung einen näheren genetischen Zusammenhang aufdecken oder zeigen sollte, dass es sich um Gollectivbegriffe für physiologische Vorgänge handelt, die in den motorischen oder sensorischen Processen gewisse Differenzen bieten. Da aber die Trennung von Stoss- und Tastreizung auf die specifische Eigenthümlichkeit der Sensibilität begründet ist, so ist es ohne Belang, ob die specifische Perceptionsfähigkeit durch eine Krümmungsbewegung, durch die Production von Haustorien, oder durch irgend eine andere, schnelle oder lang- same Reaction angezeigt wird. Obgleich der sensorische Process noch nicht näher aufgeklärt wurde, so ist .doch nicht zu verkennen , dass die Auslösung der Tastreizung in der Epi- 1) Näheres bei Pfeffer, Unters, a. d. botan. Institut zu Tübingen 1885, Bd. I, p. 483. § 89. Allgemeines über Stoss- und Tastreizungen. 437 dermis des Menschen und bei der Pflanze unter denselben Bedingungen zu Stande kommt ^). In beiden Fällen wird nämlich eine Reizung nur dann bewirkt, wenn durch den Druck an einzelnen Punkten eine localisirte Deformation, also ein steiles Druckgefälle hergestellt wird. Daher kommt es, dass der von Flüssig- keiten oder von der sich anschmiegenden Leimgallerte ausgehende Druck, der gleichmässig auf ein grösseres Flächenstück wirkt, oder doch in diesem ein sehr flaches Druckgefälle erzeugt, nicht als Reiz empfunden wird. Da ferner nicht die bewegungslose Anprossung, sondern die Reibung mit einem festen Körper reizend wirkt, so ergiebt sich, dass die Reizbedingungen nicht durch eine statische (localisirte) Deformation, sondern durch einen Deformationswechsel, also durch dieselben Bedingungen geschaffen werden, die in uns das Kitzelgefühl erwecken (Pfeffer, 1. c. p. 493). Das geschieht auch dann, wie man sich leicht überzeugen kann, wenn die nicht angefeuchtete Gelatine der Haut ad- härirt und beim Abreissen localisirte Zerrungen verursacht, durch welche das Kitzelgefühl erweckt und auch die Ranke u. s. w. gereizt wird. Ebenso werden das Kitzelgefühl bei dem Menschen und die Reizung der Ranke u. s. w. durch schwache Inductionsschläge verursacht (Pfeffer, 1. c. p. 505), und ferner durch die Reibung mit einem rauhen Körper energischer hervorgerufen, als durch die Reibung mit einem glatten Körper (II, p. 422). Im allgemeinen ist also die sensorische Erregung von der Grösse der Druckfläche, von der Tiefe, der Ge- schwindigkeit und dem Wechsel der Deformation abhängig. Durch die Ermitt- lung von numerischen Beziehungen zwischen diesen Factoren und der Grösse der Erregung wird aber natürlich das eigentliche Wesen der Tastreizung nicht präcisirt 2). Jedenfalls werden durch die Deformationen in der zunächst betroffenen Zellwand (bezw. der Haut des Menschen) nur die Bedingungen für die Aus- lösung der physiologischen Reizung in dem sensibeln Protoplasma (bezw. in den Tastkörperchen) hergestellt, das mit dem drückenden Körper in keine directe Berührung kommt. Dabei kann der Bau der Zelle und der Zellhaut u. s. w. 1; Vgl. Pfeffer, 1. c. p. 499. — Ueber die Auslösung der Tastreizung bei den Menschen siehe z.B. R. Tigerstedt, Physiologie d. Menschen 1898, Bd. II, p. 71 ; M. V. Frey u. F. Kiesow, Zeitschr. f. Psychologie und Physiol. d. Sinnesorgane 1899, Bd. 20, p. 126. — Bei den Pflanzen ist eine directe Berührung der Zellwand mit dem festen Körper nothwendig. Die Reizung unterbleibt also , wenn der directe Contact durch eine Gelatineschicht oder durch eine Schleimhülle verhindert wird. Vgl. P feffer, 1. c. p. 513. 2) [Dem Wesen der Sache nach bringen die anatomischen Studien und die ander- weitigen Erörterungen Haberlandt's (Sinnesorgane im Pflanzenreich 1901. p. 1(7) nichts Neues. Die spezielle Deutung (1. c. p. -122), dass nur eine tangentiale Dehnung des Protoplasten (der Hautschicht) als Reiz empfunden werde, ist aber ziemlich will- kürlich und wird durch die realen Erfahrungen nicht gerechtfertigt. Denn factisch wirken doch sehr ansehnliche Krümmungen und Zerrungen, die mit Hilfe eines Gelatinestabs etc. sehr schnell ausgeführt werden, nicht als Reiz auf empfindliche Ranken, die schon durch die überaus sanften Stösse gereizt werden, welche ein leicht bewegtes Fädchen von 0,00025 mgr Gewicht ausübt, obgleich doch durch dieses sicherlich nur minimale Aenderungen der Tangentialspannung hervorgerufen werden. Dass aber das locale Eindrücken der wie üblich hervorgewölbten Aussenwandung der Epi- dermis eine Reizung bewirkt, ist nach den von mir erwähnten Reizbedingungen selbst- verständlich und auch in meiner Arbeit hervorgehoben worden.] 438 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. in hohem Grade diese physiologische Auslösung begünstigen, die aber, ebenso wie bei anderen Reizvorgängen, nur möglich ist, wenn das Protoplasma mit der ent- sprechenden Sensibilität ausgestattet ist. In diesem Sinne werden voraussichtlich die Tasttüpfel begünstigend wirken, die sich bei den Ranken von Cucurbitaceen und einigen anderen Pflanzen in der Aussenwand der Epidermis finden (Fig. 54). Da diese Tastlüpfel aber auch in der unempfindlichen Hälfte der Ranke von Bryonia vorhanden sind, so ergiebt sich, dass durch ihre Existenz noch nicht die Bedingungen für eine Tastreizung in einem beliebigen Protoplasma herge- stellt werden. Dass diese Reizung aber auch ohne derartige Tüpfel möglich ist, beweist das Fehlen der Tasttüpfel in den sehr sensibeln Ranken von Passiflora, Gobaea u. s. w. i) Auch ist die Contactreizbarkeit nur bei bestimmten Wimpern gewisser locomotorischer Organismen ausgebildet, bei denen der Reiz durch die unmittelbare Berührung des sensiblen Protoplasmaorganes ausgelöst wird (II, § 153). Wir müssen also dahin gestellt lassen, ob etwa in dem sensibeln Proto- plasma, analog wie bei den tropistischen Auslösungen (II, § 125 — 127), eine Druck- Fig. 54. Epidei-miszellen ans dem Längsschnitt der Ranke von Cucumis sativns, welclie in der Aussenwand Tasttüpfel besitzen. differenz als Reiz empfunden v/ird, ob ferner das ganze Protoplasma, oder nur die Hautschicht, oder vielleicht nur bestimmte Parlieen dieser befähigt sind, einen Tastreiz zu percipiren^ . Allerdings ist eine so weit gehende Arbeitstheilung, wie sie uns bei den höheren Thieren in der Differenzirung der Tastkörperchen entgegentritt, auch in diesem Falle nicht zu erwarten. Uebrigens ist mit der Kenntniss des sensibeln Organes und des Ortes der Perception noch nicht der eigentliche Reizprocess aufgehefit. Das Wesen der Erschütterungsreizung besteht gerade darin, dass die so- eben besprochenen Reizbedingungen nicht nöthig sind, dass vielmehr die Reizung bei jedem beliebigen Druckwechsel erfolgt, gleichviel ob dieser durch Stoss, Erschütterung, Zerrung u. s. w. erzeugt wird. Es ist desshalb begreiflich, dass gewisse sensiblere Pflanzen auch durch eine plötzliche Veränderung des Luftdruckes, der Temperatur, der Transpiration, der Wasserbewegung u. s. w. ^l ■I) Pfeffer, 1. c. p. ö24. Haberlandt, Physiolog. Anatom. II. Aufl. ISOß, p. 478. [Haberlandt, Sinnesorgane im Pflanzenreich 1901, p. 126; Strasburger, Jahrsb. f. wiss. Bot. 1901, Bd. 36, p. 515.] 2) Dass keine Reaction eintritt, dass uns also sowohl die radiäre, als auch die dorsiventrale Ranke nicht reizbar zu sein scheint, wenn dieselbe an zwei opponirten Flanken oder allseitig (diffus) berührt wird, ist Bd. II, p. 430 erörtert. 3) Für Mimosa pudica ist dieses lange bekannt. Munk Die elektrischen und Bewegungserscheinungen am Blatte von Dionaea 1876, p. -105) beobachtete bei plötz- licher Steigerung der Transpiration eine Reizung auch am Blatte von Dionaea muscipula. § 89. Allgemeines über Stoss- und Tastreizungen. 439 gereizt werden. Die Perception des Erschiitterungsreizes kann also auch in Binnenzellen vor sich gehen, und vielleicht giebt es auch Pflanzen, in denen die Epidermis nicht sensibel ist^). Jedenfalls wird die Sensibilität der Oberhaut nicht schlechthin durch die Wirksamkeit eines Stosses erwiesen, da dieser durch die Deformation der Epidermiszellen auslösend auf Binnenzellen wirken kann. In jedem Falle ist aber eine genügend schnelle, wenn auch nur transi- torische Veränderung des Druckes (d. h. irgend ein Wechsel) zur Reizung nothwendig, denn durch statischen Druck, sowie durch eine genügend langsame Steigerung des Druckes, der Spannung u. s. w. wird keine Auslösung hervor- gerufen (Pfeffer, 1. c). In dieser Hinsicht stimmen also die Erschütterungs- reizungen mit den Kitzelreizungen überein, die nur bei ganz bestimmten Druck- verhältnissen zu Stande kommen. Desshalb ist es begreiflich, dass Ranken u. s. w. durch die kräftigsten Beugungen und Zerrungen nicht gereizt werden, da hier- durch nicht an einzelnen Punkten die zur Auslösung nothwendige Steilheit des Druckgefälles hergestellt wird. Nach den empirischen Erfahrungen setzen zwar Erschütterungsreizbarkeit und Tastreizbarkeit besondere Qualitäten voraus, die indess ebensogut wie Helio- tropismus, Geotropismus u. s. w. in demselben Organ ausgebildet sein könnten. Möglicherweise ist dieses bei dem Blatte von Dionaea muscipula der Fall (II, § 92). Wenn wir aber die transitorische Wachsthumsstörung und Er- schlaffung durch mechanische Eingriffe '^] als die Folgen einer Erschütterungs- reizung ansehen, so ist diese Sensibilität in geringem Grade in allen wachsenden Pflanzen, auch in Ranken u. s. w. vorhanden. Ob andererseits einer Mimosa u. s. w. eine schwache Contactreizbarkeit zukommt, ist desshalb schwer zu ent- scheiden, weil durch einen jeden mechanischen Eingriff die bisher entwickelte Stossreizbarkeit ausgelöst wird. Durch die verschiedenen mechanischen EingritTe wird wohl in einer jeden Pflanze eine gewisse Reaction hervorgerufen, und es wurde bereits darauf hin- gewiesen, dass ausser der soeben besprochenen Reizbarkeit auch noch andere Sensibilitäten gegen mechanische Einflüsse ausgebildet sind-^). Schliesslich kann man zu den mechanischen Reizungen auch diejenigen Auslösungen rechnen, die durch die Wasserbewegung (II, p. 139) oder durch andere Bewegungsvorgänge in der Pflanze verursacht werden. Vielleicht schliesst sich auch der eigentliche physiologische Auslösungsprocess in der geotropischen Reizung mehr oder weniger den Tastreizungen an (II, § 127). Auch ist noch nicht entschieden, in welcher Weise durch die Wasserbewegung die rheotropische Reizung vollbracht wird (II, § 117). Wir halten uns indess in diesem Kapitel allein an diejenigen Bewegungsreactionen, die durch Stoss- oder Tastreizung veranlasst werden, be- rücksichtigen aber dabei aus den schon II, p. 356 angeführten Gründen auch die tropistischen Auslösungen bei den Ranken u. s. w. 1) Ob bei einer Ranke etc. ausser der Epidermis auch Binnenzellen Tastreizbar- keit besitzen, ist unbekannt. 2) Vgl. Bd. II, p. 152. — Ueber Reactionen im Protoplasten siehe II, § 153. 3) Die traumatischen Reize werden hier nicht berücksichtigt. Vgl. II, p. 1 35. Ueber Traumatropismus siehe II, § M7. 440 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Es sei liier nochmals betont, dass man dem Protoplast und ebenso der ein- zelnen, hautumkleideten Zelle, sowie einem Zellgewebe nicht die physiologischen Eigenschaften und somit auch nicht die Reizbefähigungen anzusehen vermag (Bd. I, § 1 ; 11, § 39, 40 etc.). Somit kann durch die wahrnehmbaren Gestaltungs- verhältnisse der Zelle und der Zellhaut, sowie durch die Art der Anordnung und Verkettung gleichartiger oder differenter Zellen (Elemente) nicht die Sensibilität geschaffen i), sondern im günstigsten Falle nur erzielt werden, dass ein bestimmter äusserer Anstoss leichter oder schwieriger oder an einer bestimmten Stelle in bevorzugter Weise eine Auslösung bewirkt 2j, So wird z. B. die Undurchlässig- keit der Zellhaut oder eines umhüllenden Gewebes die chemische Reizwirkung eines Stoffes schwierig oder unmöglich machen, bezw. allein oder vorwiegend auf eine Stelle beschränken, an welcher der fragliche Stoff leicht oder leichter seinen Weg in das Innere findet. Analog muss die verschiedene Durchlässigkeit für Licht wirken, und so kommt es , dass sich z. B. ein Keimstengel, dessen eine Flanke mit Tusche überstrichen ist, im diffusen Licht heliotropisch krümmt. Ferner wird die künstliche und ebenso die von der Pflanze hergestellte, allseitige oder locale Umkleidung mit einer resistenten Wandung oder Gewebemasse verursachen, dass die so geschützte, sensible Zelle oder Gewebemasse weniger leicht oder auch gar nicht durch Stoss oder Druck gereizt wird. Andererseits ist eine derartige Anordnung und Verkettung möglich, dass Druck und Zug etc. aus rein mecha- nischen Gründen nicht die gleiche Reizwirkung ausüben, oder dass die Berührung einer bestimmten Stelle allein oder besonders leicht eine Auslösung hervorruft, weil die Druckwirkung unter diesen Umständen in bevorzugter Weise auf die me- chanisch reizbaren Elemente übertragen wird 3) (siehe z. B. Dionaea II, § 92). Selbstverständlich hat die Forschung stets allen mitwirkenden Factoren Rech- nung zu tragen. Jedoch darf nicht vergessen werden, dass die specifische Reiz- barkeit und das Wesen des Reizprocesses durch die beste Kenntniss der ana- tomischen Verhältnisse nicht erkannt und aufgeldärt werden können. Auch ist allgemein bekannt, dass die Sensibilität bei ähnlicher (auffälliger) Structur ganz verschieden und bei differenter Structur gleichartig sein kann, dass ferner speci- fische und differente Reizbarkeiten auch solchen Zellen und Geweben zukommen, deren anatomische Bauverhältnisse nichts absonderhches und keine Abweichungen von anderen unempfindlichen Zellen und Geweben bieten 4). Es ist übrigens ein- leuchtend, dass durch die sichtbare (grobe) anatomische Anordnung eher eine Be- günstigung der mechanischen Reizung, als eine Begünstigung der thermischen, photischen mid verschiedener anderer Reizungen erreichbar sein muss. Dem entsprechen auch die empirischen Erfahrungen. Jedoch ist nicht zu vergessen, dass bei einer Aufzählung der real gefundenen, zweckentsprechenden, anatomischen 11 Ich sehe hier davon ab, dass durch die physiologischen Wechselwirkungen die Eigenschaften modificirt und besondere Erfolge erzielt werden. 2) Wir haben hier nur die sensorischen Vorgänge im Auge. Dass aber die Reali- sirung und die Ausgiebigkeit der Reaction in vielfacher Hinsicht von den wahrnehm- baren Structurverhältnissen abhängt, ist bekannt und allgemein Bd. II, § 78 erörtert. 3; Dass die ersten Wechselwirkungen rein physikalisch oder chemisch und nur das Vorspiel für die dadurch vermittelte, physiologische Perception sein können, wurde allgemein Bd. II, p. 359 erörtert. Bei einer solchen rein mechanischen Uebertragung durch Haare etc. bezeichnet Haberlandt (1. c. 1901, p. 9) die vermittelnden anato- mischen Elemente als Stimulatoren. 4) Man kann übrigens die percipirenden Zellen und Organe auch dann als Sinnes- organe ansprechen, wenn sie nur durch ihre physiologische Befähigung, aber nicht durch einen besonderen anatomischen Bau ausgezeichnet sind (vgl. Bd. II. §120). § 90. Allgemeines über Stoss- und Tastreizungen. 441 vStrucluren diese in den Vordergrund treten, während sich bei Beriicksichtigung der Gesammtheit aller Reizvorgänge ergiebt, dass in den meisten Fällen keine auffällige Structur vorhanden ist, die augenfällig auf die Begünstigung der Reizauslösung berechnet ist. Da aber die allgemeine Physiologie in erster Linie die Existenz und das "Wesen der speeifischen Sensibilitäten, sowie die Ausführung der Reac- tionsvorgänge zu beleuchten hat, liann sowohl bei den mechanischen als bei anderen Reizungen nur nebenbei auf die speciellen, anatomischen Verhältnisse hingewiesen werden, durch welche in dem einzelnen Falle die Reizauslösung be- günstigt wird. [Haberlandt's Sinnesorgane im Pflanzenreich 1901 erschienen erst nach dem Abschluss dieses Kapitels und konnten d esshalb nur anmerkungsweise be- rücksichtigt werden.] § 90. Fortsetzung. Da die Unterscheidung von Erschütter ungs- und Tastreizung allein auf der speeifischen Eigenthümlichkeit der Sensibilität beruht, so ist ganz offen gelassen, welcher Art die ausgelüsten Reactionen sind, und ob in Wirldichkeit durch die beiden Reizungen gleichartige oder verschiedenartige Erfolge veranlasst werden (II, p. 360, 436). Halten wir uns aber an die auffälligen Krümmungsbewegimgen, so werden nach den bisherigen Erfahrungen im allgemeinen durch die Stoss- reize Variationsbewegungen, durch die Tastreize Wachsthumsbewegungen aus- gelöst (vgl. II, § 93). Indess scheint z. ß. in dem Blatte von Dionaea (II, § 92) die durch den Stossreiz hervorgerufene Krümmung theilweise durch Wachsthum vermittelt zu werden i). Ausserdem sind die Wachsthumsstürungen, welche allgemein durch die Erschütterung wachsender Sprosse verursacht werden, als Stossreizungen anzusehen (II, p. 439). Wenn andererseits als Erfolg von Tast- reizungen derzeit nur Nutationskrümmungen bekannt sind, so folgt daraus nicht, dass die potentiellen (im Keim schlummernden) Fähigkeiten der Pflanze nur in dieser Richtung ausgebildet sein müssen. Uebrigens beruhen die Bewegungs- reactionen, die in den Wimpern gewisser Organismen durch Tastreizung aus- gelöst werden, nicht auf Wachsthumsvorgängen (II, § 153), und ferner werden die Bewegungen, zu welchen der Mensch durch Tastreizungen veranlasst wird, durch Muskelcontractionen vermittelt. Auch besteht im Bezug auf Empfindlichkeit (Reizschwelle, Latenzzeit u. s. w.) und Reactionsschnelligkeit kein bestimmter Unterschied zwischen Stoss- und Tastreizungen 2). Unter den letzteren ist freilich keine so schnelle Reaction be- kannt, wie für Mimosa pudica, bei welcher unter günstigen Umständen die Latenzzeit weniger als \ Secunde beträgt, und die Senkung des primären Blattstieles, sowie das Zusammenschlagen eines Blättchenpaares in 2 — 5 See. ausgeführt wird 3). Indess wird bei sensiblen Ranken schon in 5 — 20 See. Ij In wie weit bei der Reizkrümmung der noch wachsthumsthätigen Gelenke von Mimosa pudica etc. Wachsthum mitbetheiligt ist, wurde noch nicht ermittelt. Ueber diese Betheihgung bei der Ausführung von Schlafbewegungen vgl. II, §103, 104, 2) Es w^ird hier die Kenntniss und Berücksichtigung der allgemeinen Erörterungen in diesem Bande II, § 77 vorausgesetzt. 3) Ungefähr gleich schnell vermögen die Staubfäden von Centaurea jacea und das 442 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. (II, p. 423) der Beginn der durch Tastreizung ausgelüsten Reaction bemerklich, die sehr viel schneller verläuft als die Bewegungen, die durch einen Stossreiz bei den minder empfindlichen Objecten (Robinia, Acacia lophantha etc.) veranlasst vv^erden. Da aber die Empfindlichkeit und Reactionsthätigkeit mit dem Ent- wickelungsstadium, den Aussenbedingungen u. s. w. sehr veränderlich sind, so hat die genaue Ermittelung von Schwellenwerth , Latenzzeit u. s.w. immer nur einen bedingten Werth und ein beschränktes Interesse. Wichtig aber ist, dass unter bestimmten Bedingungen die überaus sensible Mimosa pudica gar nicht oder nur so langsam und so schwach reagirt, wie eine Pflanze, die unter keinen Umständen zu einer schnellen und ausgiebigen Reaction befähigt ist. Früher (II, p. 364, 434) wurde auch bereits hervorgehoben, dass nur bei gewissen Pflanzen, wie z.B. bei den Blättern von Mimosa pudica, den Staubfäden von Cynareen, Berberis etc., durch eine jede erfolgreiche Reizung explosions- artig die volle Bewegungsamplitude ausgelöst wird. Jedoch wird in vielen Fällen, z. B. bei den Blättchen von Oxalis , Robinia, selbst durch eine sehr intensive Stossreizung nur eine partielle Bewegung, also eine submaximale Reizung be- wirkt'), die auch bei den Blättern von Mimosa pudica erzielbar ist, wenn die Sensibilität durch niedere Temperatur etc. genügend herabgesetzt wurde. Eine Steigerung der Reaction mit der Intensität und der Fortdauer (der Summirung, der Superposition) der Reizung ist ohnehin allgemein zweckent- sprechend oder geboten, um eine den verändertem Reizbedingungen entsprechende, neue Gleichgewichtslage zu schaffen und zu erhalten, wie das bei den Organen der Fall ist, die zur Erreichung bestimmter Ziele und Zwecke mit Tastreizbar- keit ausgestattet sind. Für diese Zwecke genügt es, wenn erst einige Berüh- rungen eine merkliche Reaction auslösen, und man begreift, dass das Kitzelgefühl in uns, so wie die Kitzelreizung in Pflanzen, gewöhnlich erst durch die Wieder- holung des localisirten Druckwechsels erweckt werden. Indess reicht bei sehr sensiblen Ranken eine einmalige kräftige Berührum;- die allerdings eine Summe von localisirten Deformationen bewirkt, aus, um eine merkliche Reaction her- vorzurufen 2), die auch an sehr empfindlichen Tentakeln von Drosera bei einer Blatt von Dionaea muscipula zu reagiren. Für letzteres fand J. Burdon-Sanderson (Philosoph. Transact. 1882, Th. I, p. 48 d. Separatab.; Biolog. Centralbl. 1882, Bd. 2, p. 497), dass bei 20° C, also in einem massig reactionsfähigen Zustand, nach einer mechanischen Reizung die Latenzzeit ca. 1 See. betrug, und dass das Zusammenschlagen der Blattlappen 5 — 6 See. in Anspruch nahm. i) Pfeffer, Physiol. Untersuch. 1873, p. 69; Unters, a. d. bot. Instit. zu Tübingen 1885, Bd. I, p. 520; M. Macfarlane, Biological lectures 1894, p. -190. Nach G. Haber- landt (Annal. d. jardin Botan. d. Buitenzorg 1898, Suppl. II, p. 33) wird auch bei Bio- phytum sensitivum durch sanfte Berührung eine submaximale Reizbewegung ausgelöst. — Unter solchen Umständen wird, analog wie bei Ranken etc., eine Bewegung durch Wiederholung von Reizen ausgelöst, von denen der einzelne keine merkliche Wirkung hat. Uebrigens kann durch Summation der Reizwirkung von sanften Stössen, nach Burdon-Sanderson (Proceedings of the Royal Society -l 877, Bd. 23, p,4il) auch die Auslösung der explosionsartigen maximalen) Reizbewegung des Blattes von Dionaea muscipula veranlasst werden. Vgl. auch Ch. Darwin, Insektenfressende Pflanzen ■1876, p. 261. — Die Angabe von Macfarlane, 1. c. p. 187, nach der bei Dionaea min- destens 2 Stösse nöthig sind, um eine Reizung zu verursachen, gilt offenbar nur für bestimmte Verhältnisse. 2) Dieses Buch, Bd. II, p. 423. § 90. Allgemeines über Stoss- und Tastreizungen. 443 drei- bis viermaligen Berührung eintritt i). iVllerdings ist nicht zu verkennen, dass durch die Ausnutzung einer vorbereiteten (labilen), elastischen Spannung weit besser eine explosionsartige und maximale Reaction erzielbar ist, als durch die Veränderung der Wachsthumsthätigkeit (vgl. TI, p. 364). Obgleich sich also auf Grund der soeben angedeuteten Reactionsverhältnisse ein durchgreifender Unterschied zwischen Erschütterungs- und Tastreizungen nicht aufstellen lässt, Hess doch das Gesammtverhalten der real ausgebildeten Reizbewegungen eine Gruppenverschiedenheit herausfühlen, die mir bereits in der ersten Auflage dieses Buches (Bd. II, p. 225) Veranlassung gab, Stoss- und Contactreize zu unterscheiden. Diese Trennung hat dann weiterhin durch die Feststellung der specifisch verschiedenen Sensibilität einen sicheren Boden ge- wonnen 2). Ebenso wie andere Reizungen werden auch die transitorischen mechanischen Reizungen selbstthätig wieder ausgeglichen, während bei Fortdauer der Reizung eine neue Gleichgewichtslage angenommen wird, die in erster Linie aus den erweckten Gegenreactionen, der Abstumpfung der Sensibilität (also der Accommo- dation an die Reizung u. s. w.) resultirt (II, p. 365, 423). So lange die Pflanze eine Reizstellung beibehält imd auf eine Steigerung desselben Reizes reagirt, kann es sich nur um eine gewisse Abstumpfung der Empfindlichkeit handeln, die allgemein einzutreten scheint (II, p. 365, § 124). Diese Abschwächung der Sensibilität geht aber bei genügend intensiver Reizung in manchen Fällen, z. B. bei Mimosa pudica, so weit, dass das gereizte Organ, trotz fortgesetzter Er- schütterung durch Stusse oder schwache Inductionsschläge, in die Ausgangs- stellung zurückkehrt und durch einen mechanischen Reiz nicht zu einer erneuten Bewegungsreaction zu bringen ist 3). Wenn sich dagegen das Blatt von Mimosa bei schwächerer, continuirlicher Erschütterung wieder erhebt, so ist die Sensi- bilität nur abgeschwächt, wie sich daraus ergiebt, dass durch eine Verstärkung des Reizes eine massige Krümmungsbewegung ausgelöst wird. Somit ist es verständlich, dass einige Autoren die dauernd erschütterte Mimosa unempfind- lich, andere aber durch Stoss reizbar fanden^). In den Gelenken der Mimosa pudica hat zudem die Inanspruchnahme durch eine einzelne Auslösung eine transitorische Sistirung der Reizbarkeit zur Folge. Diese ist während der rückgängigen Bewegungen nicht vorhanden und kehrt nach der Vollendung des Rückganges nur allmählich wieder, so dass durch einen Stoss zunächst nur eine geringe und erst weiterhin eine ansehnliche Reiz- bewegung hervorgerufen wird (Pfeffer, 1. c. 1873, p. 60). Dieses Verhalten macht es begreiflich, dass bei Mimosa nach einer Reihe von Stössen, also in periodischer Wiederholung, eine massige Reizbewegung eintritt, wenn man die Stusse in Intervallen von 3 — 5 Minuten gegen das primäre Gelenk wirken lässt, so dass nach der Rückkehr in die Ausgangslage eine genügende Ruhezeit bleibt, um die Reizbarkeit partiell zu regeneriren (Pfeffer, 1. c. p. 60). Beachtet man, 4) Ch, Darwin, Insektenfressende Pflanzen 1876, p. 239. 2) Pfeffer, Unters, a. d. botan. Institut zu Tübingen ISSij, Bd. I, p. 517. 3) Pfeffer, Physiol. Untersuch. 1873, p.56; Unters, a. d. botan. Institut zu Tübingen 1885, Bd. I, p. 521. 4) Die Literatur ist bei Pfeffer, Physiol. Untersuch. 1873, p.56, zusammen- gestellt. 444 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. dass die Mimosa, während sie durch die mechanische Inanspruchnahme für Stossreize unempfindlich ist, auf photonastische, heliotropische, überhaupt auf andere Reize reagirt (II, § 105), so hat man Grund zu der Annahme, dass die Veränderungen, durch welche die mechanische Reizbarkeit sistirt wird, in den sensorischen Einrichtungen und Processen zu suchen sind. Welcher Art diese Vorgänge sind , welche die Aufhebung und Wiederherstellung der Sensibilität verursachen, ist freilich noch nicht ermittelt (vgl. Pfeffer, 1. c. 1873, p. 63). Ein übereinstimmendes A^erhalten aller Pflanzen kann man schon desshalb nicht erwarten, weil die Sensibilität in einem specifisch ungleichen Grade ab- gestumpft wird. Bei einer stürmischen (explosionsartigen) Reizreaction scheint indess öfters eine transitorische Sistirung der Sensibilität vorzukommen. Das ist z. B. bei den Staubfäden der Cynareen der Fall, bei welchen die Rückkehr der Reizbarkeit früher und zum Theil schon beginnt, bevor die Reizcontraction ausgeglichen ist ^). Jedenfalls tritt diese völlige Sistirung der Sensibilität nicht bei allen durch Stossreiz ausgelösten Variationsbewegungen ein, denn die Blätt- chen von Oxalis sind z. B. auch während der Rückgangsbewegung reizbar (vgl. Pfeffer, 1. c. 1885, p. 521). Auch lässt sich der thierische Muskel durch schnell aufeinanderfolgende Reizung in einem Contractionszustand erhalten. Andererseits ist Cuscuta ein Beispiel dafür, dass durch die Inanspruch- nahme eine periodische Sistirung der Tastreizbarkeit verursacht wird (II, p. 418). Eine solche Aufhebung tritt indess z. B. nicht in den Tentakeln von Drosera ein , die dauernd reizbar bleiben , obgleich bei einer schwachen Reizung des Drüsenköpfchens die Sensibilität so weit abgeschwächt wird, dass die zunächst ausgelöste Reizkrümmung, trotz der Fortdauer der Reizung, ausgeglichen wird 2). Bei den verschiedenen Pflanzen sind somit eine Reihe von Eigenthümlich- keiten ausgebildet, die insofern unter einen einheitlichen Gesichtspunkt fallen, als sie ganz oder theilweise durch die ungleiche Abstumpfung der Reizbarkeit in Folge der Inanspruchnahme bedingt sind. Ohne Frage werden aber durch ein näheres vergleichendes Studium aller dieser Erscheinungen vmd Eigenthüm- lichkeiten noch viele Besonderheiten zu Tage gefördert und ausserdem wichtige Anhaltspunkte für das tiefere Verständniss der Reizvorgänge gewonnen werden. Aus den allgemeinen Erörterungen in 11, § 77 und aus dem Vorstehenden ergiebt sich auch in den Hauptzügen der Verlauf der Bewegung während der Reizcontraction und bei der Wiederausgleichung dieser. In beiden Fällen wird naturgemäss die Bewegung von dem Beginn ab bis zu einem Maximum be- schleunigt und dann allmählich verlangsamt. Uebrigens pflegt die Contractions- bewegung nicht nur bei Mimosa, sondern auch bei den langsameren Reizbe- wegungen schneller zu verlaufen als die Ausgleichsbewegung. Dass und warum bei dieser, überhaupt bei dem Uebergang in eine neue Lage, häufig Oscilla- tionen um die endliche Gleichgewichtslage stattfinden, wurde bereits (II, p. 36 61 im allgemeinen erörtert. Auch ist es selbstverständlich , dass eine jede Reiz- contraction nur einen endlichen Werth erreichen kann. Denn dieser ist bei der maximalen Auslösung in Mimosa u. s. w. durch die Abnahme der Bewegungs- energie und die gleichzeitige Zunahme der mechanischen Widerstände bedingt. 1) Gohn, Abhdlg. d. schlesisch. Gesellsch. f. vaterländisch. Cultur 18G1. Heft I, p. 16. 2) Vgl. Pfeffer, Unters, a. d. botan. Institut zu Tübingen ISSÖ, Bd. I, p. 514. § 90. Allgemeines über Stoss- und Tastreizungen. 445 Bei einer Ranke u. s. w. schreitet aber die Krümmung, trotz der weiteren Bewegungsflihigkeit, nur so lange fort, bis sich die Erfolge der submaximalen Reizung und der Gegenreactionen das Gleichgewicht halten. Dem Wesen nach sind die angedeuteten Verhältnisse und Beziehungen leicht zu erkennen. Detaillirte Angaben über die Bewegungscurven würden wir auch dann nicht zu bringen haben, wenn, was nicht der Fall ist, nähere Studien vor- lägen. Bei der Registrirung der Reizhewegung einer massig empfindlichen Mimosa pudica fand z.B. Bert^j, dass sich das obere Ende des primären Blattstieles nach der Reizung in 7 Secunden um 2 2 mm senkte. Nach Beginn der Wieder- erhebung stieg dann der Blattstiel in der 1. Min. ungefähr 4 mm, in der 2. Min. 4,5 mm, in der 3., 4. und 3. Min. je 3 mm, in der 6. Min. 2 mm, in der 8. Min. 1 mm, in der 9. Min. 0,ö mm. Nutzen. Die Bewegungen, welche in verschiedenartigen Organen durch Stoss- und Tastreize ausgelöst werden, sind begreiflicherweise verschiedenen Zielen und Zwecken dienstbar. Evident ist die Bedeutung bei den Ranken u. s. w., die durch die Tastreizbarkeit zu dem Erfassen einer Stütze veranlasst werden. Da- gegen dürften die durch Stossreiz ausgelösten Bewegungen der Staubgefässe und Narben auf die Uebertragung des Blüthenstaubes berechnet sein , während die Stoss-, Tast- und chemischen Reizungen der Carnivoreu mit dem Fangen und dem Verdauen von Insecten zusammenhängen (11, § 9 4). Die so leicht auslösbaren Be- wegungen von Mimosa pudica u. s. w. nützen vielleicht der Pflanze, indem sie grössere oder kleinere Thiere abschrecken, und man kann oft sehen, wie eine Fliege schleunigst davoneilt, wenn sie durch das Niederlassen auf das Blatt von Mimosa eine Reizbewegung verursacht 2]. Ferner dürften die gereizten Blätter von Mimosa pudica nicht so leicht durch Hagel oder Regen geschädigt werden. Jedoch ist nicht zu vergessen, dass die Blätter bei fortgesetzter Reizung wieder strafi' werden und in die ausgebreitete Stellung zurückgehen. Ob den langsamen Reizbewegungen von Oxalis u. s. w. eine ökologische Bedeutung zukommt oder nicht, muss dahingestellt bleiben. Jedenfalls werden diese Blätter so wenig wie andere Organe durch die mechanische Reizung geschädigt-^], während die In- anspruchnahme der Ranken sogar die Ausbildung von Itaftorganen etc. fördern kann (II, p. 417). Bei Besprechung der Ranken ist schon darauf hingewiesen, dass durch die Ausbildung der Tastsensibilität die unnütze Reizung durch Regen und Wind vermieden ist. Ij P. Bert, Memoir. d. l'Academ. d. Bordeaux 1870, Bd. 7, p. 41. — Einen ana- logen Verlauf constatirten Cohn (Abhandig. d. schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur 1861, Heft 1, p. 13) bei den Staubfäden der Cynareen , J. Burdon-Sanderson (Proceedings of the Royal Society 1877, Bd. 25, p. 416; Philosoph. Transactions 1882, p. 48 des Separatabd.) bei dem Blatte von Dionaea muscipula. — Ueber den Einfluss von Wider- ständen vgl. II, Kap. XVI. -2) Literatur: Johow, Kosmos 1884, Bd. II, p. 124; G. Haberlandt, Tropenreise -1893, p. 36; A. Burgerstein, Wiener illustrirte Gartenzeitung, März 1898. 3) Ueber chemische Reize vgl. II, § 94. 446 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. § 91. Bewegungen durch Stossreizungen. Im Anschluss an die allgemeine Orientirung und die spezielle Charakterisirung der Stoss- und Tastreizung soll nun zunächst die mechanische Ausführung der Bewegungen behandelt werden, die durch einen Stossreiz ausgelöst werden. Da aber der der Bewegung zu Grunde liegende Zellmechanismus näher nur an den Staubfäden der Cynareen und an den Blattgelenken von Mimosa pudica unter- sucht wurde, so beziehen sich unsere Erörterungen zunächst auf diese Objecte. So weit unsere Erfahrungen ein Urtheil gestatten, scheint allerdings die Beiz- bewegung der anderen, schon genannten und der noch zu nennenden Pflanzen auf dem gleichen Zellmechanismus zu beruhen. Eine endgiltige Entscheidung ist indess nur empirisch möglich, denn es ist nicht zu vergessen, dass ähnliche Beactionen mit verschiedenen Mitteln erreicht werden können ^j. Wenn andererseits im Blatte von Dionaea die Beizbewegung von Wachsthum begleitet ist (II, § 92), so ist damit nicht ausgeschlossen, dass dieser Bewegung ein analoger Zellmecha- nismus zu Grunde liegt, wie den Beizbewegungen der Cynareenstaubfäden und der Gelenke von Mimosa pudica. Denn möglicherweise ist auch bei den Beiz- krümmungen der jugendlichen Gelenke Wachsthum mit betheiligt, während die Bewegungen fernerhin, wie es bei den auffälligen Stossreizungen üblich ist, durch Variation ausgeführt werden. Bei Mimosa und Cynareen kommen die Beizbewegungen, wie ich nachwies'-), nach dem in diesem Band p. 374 erörterten Princip zu Stande, also dadurch, dass die Beizung eine plötzliche Senkung der Turgorenergie und dadurch eine schnelle Ausgleichung elastischer Spannungen veranlasst, die durch die allmähliche llegeneration des früheren Turgors immer wieder von neuem hergestellt werden. Da diese Vorgänge am besten bei den Staubfäden der Cynareen zu verfolgen sind, so werden wir uns zunächst diesen zuwenden. Die Staubfäden der Cynareen werden, wie schon früher (II, p. 434, vgl. ebenda Fig. 50) erwähnt wurde, durch die Berührung zu einer Zuckung ver- anlasst, bei welcher sich z. B. die sehr reactionsfähigen Filamente von Centaurea jacea um 10 — 30 Proc, die Staubfäden von Cynara scolymus um 8 — 20 Proc verkürzen. An dieser Contraction ist das ganze Filament ziemlich gleichmässig betheiligt, abgesehen von den beiden Enden, die sich weniger verkürzen. Zu einer derartigen Beizcontraction ist aber auch der abgeschnittene Staubfaden befähigt, von dem während der Beaction seitliche Beugungen und schlängelnde Bewegungen ausgeführt werden (Pfeffer, 1. c. p. 80). Der Aufbau des Staubfiidens aus Längsketten von cylindrischen Zellen, die das centrale Gefässbündel umgeben (Fig. 55), bringt es mit sich, dass sich bei 4) Vgl. II, p. 44'1. An dieser Stelle ist auch auf andere Fälle, so auch auf die Reizbewegungen des Muskels und der Cilien hingewiesen, die auf einer anderen Me- chanik beruhen, als die Contraction der Staubfäden der Cynareen u. s. w. 'ä) Näheres über die Reizbewegungen dieser Staubfäden, sowie des Gelenkes von Mimosa bei Pfeifer, Physiologische Untersuchungen 1873; vgl. auch Pfeffer, Zur Kenntniss d. Plasmahaut u. d. Vacuolen ISOO, p. 325. § 91. Bewegungen durch Stossreizungen. 447 der Coniraction die einzelnen Zellen in geichem Maasse verkürzen, wie der Staub- faden (II, p. 64). In der That kann man durch direcle Messungen an dem Staubfaden von Centaurea jacea die Verkürzung der Epidermiszellen und der anschliessenden Parenchymzellen bestimmen und zugleich feststellen, dass diese Zellen bei einer Reizcontraction (bei der ja zugleich die in tangentialer Richtung wirksame Dehnkraft sinkt) annähernd ihren Durchmesser bewahren, also (abge- sehen von der Verkürzung) ihre Form nicht wesentlich ändern und auch keine seitliche Ausbiegung erfahren'). Somit nimmt bei einer Verkür- zung des Staubfadens um 20 Proc. die einzelne Zelle um ca. 20 Proc. an Volumen ab. Diese Volumen- abnahme ist aber nur durch die das Abgabe von Wasser möglich, sich naturgemäss in die luftfüh- renden Intercellularräurae ergiesst, in denen keine nennenswerthe Compression der Luft zu Stande kommt, weil diese in dem com- municirenden System nach an- deren Orten strümt. AVird aber der Staubfaden mit Wasser in- jicirt, so erscheint an der Schnitt- fläche des Filamentes bei der Reiz- contraction, obgleich diesenunmehr erheblich verringert ist, einWasser- trüpfchen, das augenscheinlich aus dem Parenchym, also offenbar aus den Intercellularräumen in diesem, hervorquillt (Pfeffer, I. c. p. 98). Unter solchen Verhältnissen ist es begreiflich, dass sich an dem contrahirenden Staubfaden von Centaurea jacea und Cynara scolymus Breite und Dicke nicht wesentlich ändern 2). Damit ist aber natürlich nicht ausgeschlossen, dass an dem Staubfaden einer anderen Art eine Zu- nahme oder Abnahme des Durchmessers eintritt. Fig. 55. Stück eines median gespaltenen Staubfadens von Centaurea montana (vergr.). (] Gefässbündel , p Parenchym e Epidermis, * Intercellularräurae, h Haare. Aus diesen Erfahrungen, in Verbindung mit der Thatsache, dass die Reiz- bewegung nicht durch eine active Contraction des Protoplasmas und ebenso nicht durch eine transilorische Steigerung der elastischen Spannkraft der Zellhaut zu ^) Pfeffer, 1. c. p. 96. — Es erklärt sich dieses daraus, dass mit der Turgorsen- kung auch die in tangentialer Richtung wirksame Dehnkraft abnimmt, und hierdurch die angestrebte Zunahme des Durchmessers compensirt wird. Vgl. Bd. II, p. 66. — In Bezug auf die Einrichtungen, durch welche in den turgescenten Zellen das Hervorwölben der Seitenwand vermieden ist. vgl. auch Bd. II, p. 63. i) Pfeffer, Physiol. Untersuch. i873, p. 89. Die Messungsmethoden, sowie die Resultate anderer Forscher und die Kritik dieser Messungen sind an dieser Stelle nach- zusehen. — Die Sachlage ist auch nicht durch die offenbar nicht sehr umsichtigen Ver- suche von G. Schenkemeyer (Ueber die Contraction der Filamente von Ceataurea. Breslauer Dissertation 1877] verändert. 448 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Stande kommt, ergiebt sich, dass die Conlraction des Staubfadens durch die plötzliche Senkung der Turgorenergie , die Wiederverlängerung aber durch die allmähliche Wiederherstellung der früheren Turgorenergie verursacht wird. Da die Contractionsenergie (die durch das Gewicht bemessen wird, das zur Aequilibrirung der angestrebten Reizbevvegung nüthig ist) mindestens 1 — 3 Atmosphären beträgt, so kann die bewegende Kraft unmüglich durch die active Contraction des zähflüssigen Protoplasmas gewonnen werden i). Aus dem Nach- w^eis aber, dass sich die Elasticität der Zellhaut während der Reizbewegung nicht verändert, folgt, dass die Reizbewegung und die hiermit verknüpfte Aus- pressung von Wasser aus den Zellen nicht durch eine Veränderung der elastischen Eigenschaften der Haut, also durch die Steigerung des Druckes erzielt wird, der von der Zellhaut gegen den turgescenten Protoplasten ausgeübt wird 2). Die durch die Reizung verursachte Turgorsenkung hat eine so ansehnliche Contraction zur Folge, weil die Zellwände, und mit diesen die Filamente, in ähn- licher Weise dehnbar sind wie Kautschuk, also im spannungslosen Zustande, ohne Ueberschreitung der Elasticitätsgrenze, eine Verlängerung um 100 Proc. zulassen (II, p. 60). Bis zu dem zulässigen Grenz werth wird indess der Staub- faden auch im höchsten Turgescenzzustand nicht in Anspruch genommen, und demgemäss lässt das chloroformirte Filament noch eine erhebliche elastische Verlängerung zu. Andererseits verkürzt sich der durch Reizung contrahirte Staubfaden bei dem Tödten durch Eintauchen in siedendes Wasser um 1 0 bis 40 Proc, weil durch die Reizung der Turgor nur vermindert, aber nicht auf- gehoben wird 3). Eine analoge Verkürzung wie durch eine Stossreizung wird aber auch durch die Einwirkung einer 0,5 — I proc. Lösung von Kaliumnitrat hervor- gerufen, durch welche die osmotische Leistung des Zellinhaltes ebenfalls um i,7 — 3,5 Atmosphären vermindert wird (I, p. 129). In principieller Hinsicht wird an unseren Betrachtungen dadurch nichts ge- ändert, dass die Reizcontraction aus dem Zusammenwirken ungleichwerthiger Zellen resullirt. Denn die Verkettung mit passiven Geweben hat (ebenso wie die A^erdickung der Zellwand) nur zur Folge, dass mit der zur Verfügung stehenden Energie eine geringere Verlängerung erzielt, aber ebenso die positive Spannung geschaffen wird, durch welche bei einer Turgorsenkung die Contrac- tion bewirkt wird Vgl. II, p. 38, 71). Vermuthlich sind in dem Staubfaden nicht Ij Pfeffer, Zur Kenntniss der Plasmahaut u. d. Vacuolen 1890, p. 329 u. 326, Anmerkung; Pflanzenphysiolog. II. Aufl. Bd. I, p. M8. 2) Es folgt dieses daraus, dass 1. der soeben contrahirte und der expandirte (durch Chloroform unempfindlich gemachte) Staubfaden dieselben elastischen Eigenschaften besitzen, und dass 2. dasselbe Gewicht, das zur Wiederausdehnung des soeben gereiz- ten Staubfadens auf die Ausgangslänge nöthig ist. auch ausreicht, um die angestrebte Contraction des gereizten Staubfadens aufzuhalten, was nicht der Fall sein könnte, wenn in der Zellhaut transitorisch ein actives Contractionsbestreben auftreten würde. Näheres mag in meinen Physiologischen Unters. 1873, p. MO, 117 nachgesehen Averden. — Durch die vergleichende plasmolytische Methode kann die vorübergehende Senkung des osmotischen Druckes in den activen Zellen nicht nachgewiesen werden. Vgl. dieses Buch, Bd. I. p. 127; II, p. 377; Pfeffer, 1. c. 1890, p. 327. 3) Es bezieht sich dieses auf einen in vollem Maasse reactionsfähigen Staubfaden, in dem also das Zurückgehen des Turgors und das endliche Absterben noch nicht be- gonnen haben. § 91. Bewegungen durch Stossreizungen. 449 nur die Parenchymzellen, sondern auch die Epidermiszellen und vielleicht auch die lebenden Zellen des Gefässbündels activ '). Denn wenn nur eine beschränkte Zahl von Zellen activ v^-äre, würde bei der Reizung (für die Querschnittseinheit) kaum eine so ansehnliche Contractionsenergie entwickelt werden, wie es der Fall ist. Aus der Thatsache, dass die Epidermis und das Gefässbündel in dem expandirten und in dem durch Reizung contrahirten Staubfaden negativ ge- spannt sind, lässt sich in unseren Fragen aus naheliegenden Gründen kein be- stimmter Schluss ziehen, ebenso nicht daraus, dass bei weiterer Senkimg, sowie bei der gänzlichen Aufhebung des Turgors das Gefässbündel eine positive Spannung annimmt, und dass die Wandungen der Parenchymzellen wellig werden (Pfeffer", 1. c. p. 1U). Nach alledem wird in den Staubfäden der Cynareen durch die Reizung eine Senkung des Turgordruckes, aber keine Veränderung der elastischen Eigenschaften der Haut veranlasst. Diese Turgorverminderung hat zur Folge, dass sich die Zelle unter Ausstossung von Wasser so lange verkürzt, bis wiederum das Gleich- gewicht zwischen der mit der Contraction abnehmenden Spannung der Haut und der mit der Wasserauspressung zunehmenden Goncentration (osmotischen Leistung) des Zellinhaltes hergestellt ist. Darauf wird durch die selbstregulatorische Wiederherstellung des Turgors die Zelle wieder vergrüssert und damit zugleich die Hautspannung geschaffen, die bei einer Reizung in Bewegungsenergie um- gesetzt wird. Es liegt also ein ähnlicher Antagonismus vor, wie bei einem Kautschukschlauch, der durch das Einpressen von Wasser gedehnt und durch die plötzliche Herabsetzung des Wasserdruckes zu einer Contraction veranlasst wird, hii einen, wie im anderen Falle wird das Wasser durch die zuvor ge- schaffene elastische Spannung der Wandung herausgetrieben, und thatsächlich genügt die Filtrationsfähigkeit der Zellhaut, um das Wasser so schnell hervor- treten zu lassen, wie es zur raschen Ausführung der Reizbewegung eines Staub- fadens nothwendig- ist (Pfeffer, 1. c. p. 124). In der That tritt eine ebenso schnelle Verkürzung der Zellen an einem Längsschnitt aus dem Staubfaden von Centaurea jacea ein, wenn man dafür sorgt, dass die Zellen plötzlich und voll- ständig mit einer I proc. Lösung von Kaliumnitrat in Berührung kommen, durch welche der Turgor ungefähr in demselben Grade erniedrigt wird, wie durch eine Stossreizung. Da eine Turgorsenkung eine merkliche Verkleinerung der Zelle nur dann verursacht, wenn die Zell wand genügend gedehnt ist (H, 374), so ist es möglich, dass unter Umständen keine sichtbare Reaction eintritt, obgleich der Protoplast ebenso reagirt, wie in den Staubfäden der Cynareen. Ohne Frage ist aber diese Reizbarkeit nicht allgemein ausgebildet, so z, B. auch nicht bei den Staubfäden von Helianthus annuus, die auf Stossreize nicht auffällig reagiren, obgleich im turgescenten Zustand die Zellwandungen in einem erheblichen Grade elastisch verlängert sind (Pfeffer, I.e. p. 107). So lange aber der Turgor- druck (der osmotische Druck) nicht aufgehoben ist, bleibt der Protoplast der 1) Pfeffer, 1. c. p. -102, 112. — Die Auslösung erfolgt, wie von verschiedenen Autoren constatirt wurde, sowohl bei Berührung der Haare (vgl. Fig. 55;, als auch bei Berührung von haarfreien Zellen der Epidermis. [Vgl. Haberlandt, Sinnesorgane im Pflanzenreich 1901, p. 35.] Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 29 450 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Zellwand angepresst, von der er sich auch dann nicht abheht, wenn bei einer Reizung des Staubfadens von Centaurea die angestrebte Verkürzung mechanisch verhindert wird. Wenn also in gewissen Fällen (z. B. zuweilen bei der Zell- verjüngung) der Protoplast von der Zellhaut zurückweicht, so setzt das voraus, dass der von dem Protoplasma ausgehende Centraldruck die osmotische Energie des Zellsaftes überwiegt (I, p. 118). Das muss also auch der Fall sein, wenn, wie es Schutt^) und Benecke^) fanden, bei Diatomeen durch mechanische und andere Eingriffe eine Gontraction des Protoplasten (die Reizplasmolyse) ver- ursacht wird. Bei Mimosa pudica veranlasst die Reizung ebenfalls eine Turgorsenkung, die aber nur in der einen Hälfte des dorsiventralen Gelenkes eintritt und desshalb in diesem eine Einkrümmung verursacht, durch welche die Blattstiele und die Blättchen in der schon angedeuteten Weise bewegt werden (11, p. 433 und Fig. 48). Da bei dem primären Gelenk (j) in Fig. 48) — an das wir uns hier halten — nur die untere Hälfte reagirt, so wird durch dessen Reizung die Senkung des primären Blattstieles (a und b in Fig. 48) herbeigeführt. Die ansehnliche Winkel- bewegung des Blattstieles erfordert auch eine ansehnliche Einkrümmung des Gelenkes, die (abgesehen vom Gewicht des Blattes) daraus resultirt, dass sich einmal die gereizten Zellen und Gewebe activ contrahiren, und dass ferner die, durch die Turgorsenkung erschlaffenden Zellen durch die Expansionskraft (die positive Spannung) der oberen Gelenkhälfte so lange comprimirt werden, bis der Gleichgewichtszustand erreicht ist. Durch die allmähliche Wiederherstellung des Turgors in den gereizten Zellen wird dann die Reizkrümmung ausgeglichen, und damit zugleich die an sich passive, obere Gelenkhälfte durch die Arbeits- leistung der unteren Gelenkhälfte in den erhöhten Spannungszustand versetzt, durch den sie bei der Reizkrümmung mitwirkt-*). Demgemäss wird, nach der sorgfältigen Entfernung der oberen Gelenkhälfte, durch Erschütterung keine, nach der Entfernung der unteren Gelenkhälfte aber eine abgeschwächte Reizkrümmung hervorgerufen^). Da aber die Reizbarkeit durch die operativen Eingriffe sicherlich beeinträchtigt wird, so lässt sich aus 1) F. Schutt, Die Peridineen der Planktonexpedition 1895, p. HO. 2) W. Benecke, Jahrb. f. wiss. Bot. 1904, Bd. 35, p. 554. — Nach Nägeli (Pflanzenphysiol. Unters. 1855, Heftl, p. 1 3) wird bei Spirogyra, nach Hofmeister (Pflanzenzelle 1867, p. 303) wird bei Nitella durch mechanischen Druck das Zurückweichen des Protoplasten von der Zellwand verursacht. Ob in diesen Fällen Reizwirkungen oder mechanische Verletzungen vorlagen , muss durch fernere Untersuchungen ent- schieden werden. Ebenso bedürfen die Beobachtungen Schutt' s und Ben ecke's einer kritischen Nachprüfung. 3) Allgemeines über Bau der Gelenke vind die Mechanik der Gelenkbewegungen siehe dieses Buch Bd. II. p. 370, 375 und die dort citirte Literatur. Näheres über den Bau und die Mechanik der Gelenke von Mimosa bei Pfeffer, Physiologische Untersuch. 1873, p. 9; G. Haberlandt, Das reizleitende Gewebesystem der Sinnpflanze 1890, p. 23; Physiolog. Anatomie H. Aufl. 1896, p. 475 Sinnesorgane im Pflanzenreich 1901, p. 38]; S. Schwendener 1897, Gesammelte Abhandhmgen Bd. II. p. 211. — Ueber den anatomischen Bau und die specielle Bewegung der Blättchengelenke vgl- Schwendener, 1. c. p. 236. Ueber die Gewebespannung in den Gelenken siehe diesen Bd. II, p. 69 u. ebenda Fig. 1 6. 4) Ausführlich sind eigene und fremde Beobachtungen mitgetheüt in meinen Physiolog. Unters. 1873. § 91. Bewegungen durch Stossreizungen. 451 dem Verhallen der operirten Gelenke nicht ersehen, in welchem Maasse bei einer Reizkrümmung des intacten Gelenkes die active Contraction der unteren Gelenkhälfte betheiligt ist. Auch ist noch nicht sicher ermittelt, in welchem Grade die verschiedenen Zellen und Gewebe der unteren Gelenkhälfte reizbar sind. Vermuthlich wird die Reizreaction besonders in den das Gefässbündel um- gebenden Parenchymzellen ausgeführt. Indess dürfte auch die Epidermis activ thätig sein, deren negative Spannung bei ansehnlicher Reizkrümmung aber in eine positive Spannung übergeht. Aus den Erfahrungen über die Reizleitung (11, § 95), sowie aus der Thatsache, dass die Gelenke auch nach der Entfernung der Epidermis merklich reagiren, folgt, dass die Binnenzellen ohne Vermittlung der Oberhaut gereizt werden können, hidess vermag auch die Epidermis den Reiz zu per- cipireni). Ferner wird eine Reizreaction durch die alleinige Berührung der am Gelenk befindlichen Haare (vgl. Fig. 48 bei j:>) ausgelöst, die möglicherweise nur durch begünstigte Druckübertragung (als Stimulatoren im Sinne Haberlandt's] wirken. Uebrigens spricht der Umstand, dass schon eine sanfte Berührung der unteren Gelenkhälfte auslösend wirkt, für die directe Reizempfänglichkeit der Oberhautzellen. Denn gegen die unempfindliche obere Gelenkhälfte muss schon ein erheblicher Druck oder Stoss ausgeübt werden, um die Reizung der unteren Gelenkhälfte zu erzielen. hl dem Gelenke von Mimosa lässt sich zwar die Contraction und die Volum- abnahme der Zellen nicht direct messen, jedoch ergiebt sich aus anderen Be- obachtungen, dass, analog wie bei den Gynareenstaubfäden, aus den reagirenden Zellen Wasser hervorschiesst, das die hitercellularräume partiell injicirt und in diesen zum Theil in die angrenzenden Gewebe des Blattstieles und des Stengels geleitet wird"-), möglicherweise auch in geringer Menge in das Gefässbündel übertritt. In wie weit für den Uebertritt von Wasser in das Gefässbündel die Reizleitungen sprechen, werden wir fernerhin hören (II, § 95). Der Austritt von Wasser aus dem Gelenkparenchym kann aber direct wahrgenommen werden, nachdem der Blattstiel durch einen scharfen Schnitt abgetrennt ist. Wird dann, nach dem Aufenthalt in dampfgesättigter Luft, gereizt, so schiesst bei kräftiger Reizkrümmung Wasser aus der Schnittfläche hervor, und bei sorgfältiger Be- obachtung sieht man, dass dasselbe zunächst aus den inneren, jedoch nicht aus den innersten Parenchymschichten der unteren Gelenkhälfte kommt. Ein wenig später dringt zuweilen auch etwas Wasser aus den entsprechenden Zellen der oberen Gelenkhälfte hervor (Pfeffer, 1. c. p. 32). Dieses Austreiben von Luft und Wasser macht es verständlich, dass bei einer Reizkrümmung (nach mikrometrischen Messungen) die untere Gelenkhälfte erheblich an Volumen abnimmt, während die sich verlängernde, obere Gelenk- ■1) Die Untersuchungen von A. Borzi (L'apparato di moto delle Sensitive 1899, p. 1 7 des Separat, a. Rivista di Scienze Biologiche Bd. IV) sind nicht derart ausgeführt, dass sie die Sensibilitätsvertheilung im Gewebe aufklären könnten. Vgl. Haber lan dt, ]. c. 1901, p. 79. Dieser Forscher (p. 88) vermuthet, dass bei Biophytum sensitivum die Haare an den Gelenken direct perceptionsthätig sind.] 2) Damit steht im Einklang, dass G. Bonnier (Revue general d. Botan. 1892, Bd. 4, p. 312) an einem Manometer, das neben der Insertionsstelle des Gelenkes in den Stengel von Mimosa pudica eingesetzt war, eine geringe Luftdruckschwankung be- obachtete, wenn an dem Gelenk eine Reizbewegung ausgelöst wurde. 29* 452 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. hälfte ein klein wenig an Volumen zunimmt (Pfeffer 1. c. p. 23). Dafür, dass bei diesem Vorgang ein Theil der Luft durch Wasser verdrängt wird, spricht ferner das plötzliche Auftreten einer dunkleren Färbung, eine Veränderung, die man bei partieller Injection mit Wasser und ebenso in der unteren Gelenkhälfte, als Folge der Reizung, auch dann beobachtet, wenn man durch Festhalten des Blattstieles die Ausführung der angestrebten Krümmung verhindert i). Das Vorhandensein des communicirenden hitercellularsystemes in den inneren Parenchymschichten (im Schwellgewebe) begünstigt offenbar den schnellen Austritt und die Fortleitung von Wasser, indess ist damit nicht ausgeschlossen, dass auch die äusseren Parenchymschichten mit genügender Schnelligkeit Wasser abgeben können, ob- gleich zwischen diesen Zellen ein communicirendes Intercellularsystem nicht ent- wickelt ist 2). Aus diesen anatomischen Verhältnissen kann man also nicht schliessen, dass die äusseren Gewebeschichten des Gelenkes nicht oder in unter- geordneter Weise reactionsthätig sind. Einen weiteren und wichtigen Beweis dafür, dass die Reizkrümmung durch die Senkung der Turgorenergie verursacht wird, liefert die mit der Reizung verknüpfte Erschlaffung des reagirenden Organes, die ja nur auf der Vermin- derung der Turgorspannung in den Zellen beruhen kann (11, p. 57, 65). Diese Turgorsenkung ist aber so ansehnlich, dass nach Brücke^] der nach der Methode dieses Autors gemessene Ausschlagwinkel in dem gereizten Gelenke von Mimosa pudica 2 — 3 mal grösser ist, als in dem ungereizten Gelenke. Aehnliche Verhältnisse wurden von Hofmeister-^) für die Staubfäden der Cynareen constalirt. Hierdurch wird zugleich bewiesen, dass auch bei Mimosa (über Cynareen vgl. H, p. 448) das Hervorpressen des Wassers nicht durch eine active Aenderung der elastischen Eigenschaften der Zellhaut verursacht wird, da die Steigerung des von der Zellhaut ausgehenden Druckes eine Erhöhung der Biegungsfestigkeit der Zelle und der Gewebe bewirken würde. Da aus der zur Aec[uilibrirung der Reizbewegung nöthigen Gegenwirkung sich ferner ergiebt^ dass die Energie, mit der die Reizbewegung in dem Gelenk von Mimosa pudica angestrebt wird, einer Turgorsenkung von 2 — 5 Atmosphären entspricht s), so 1) Pfeffer, 1. c. p. 35. Dass diese von Lindsay 1827) beobachtete Farben- änderung nicht bei allen Individuen deuthch eintritt, beruht vielleicht darauf, dass die Luft aus den Intercellularräumen zwar stets nur partiell, unter Umständen aber vielleicht kaum verdrängt wird. Es ist also wohl möglich, dass Schwendener (1. c. p. 212) mit Pflanzen arbeitete, die keine Farbenänderung erkennen Hessen. Neuerdings wurde diese Farbenänderung von Macf arlane Biological lectures isOi, p. aoö an verschie- denen Arten von Mimosa, besonders schön bei Mimosa sensitiva, beobachtet. 2) Pfeffer, 1. c. p. 11 ; Schwendener, 1. c. p. 212. 3) E. Brücke, Müller's Archiv f. Physiologie 1848, p. 40. Ueber die Messungs- methode vgl. diesen Band, p. 378. — Warum heim Chloroformiren sowie bei dem Sisti- ren der Reizbarkeit durch cbntinuirliche Erschütterung im Gelenk eine Zunahme der Biegungsfähigkeit eintritt, ist causal noch nicht aufgehellt. Pfeffer. Phvsiol. Unters. 1873, p. 65. 4; W. Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. 3M ; Pfeffer, 1. c. p. 143. ö; Pfeffer, Periodische Bewegungen 1873. p. 111. — In Bezug auf die Staubfäden der Cynareen vgl. II, p. 4 '«8. § 92. Bewegungen durch Stossreizungen. 453 kann auch bei dieser Pflanze die Reizbewegung nicht auf einer activen Con- traction des Protoplasten beruhen. Der Umstand, dass bei der Reizbewegung des Gelenkes von Oxalis aceto- sella ^) die Biegungsfestigkeit sinkt, dass ferner an dem durchschnitttenen Staub- faden von Berberis vulgaris 2) bei der Reizkrümmung, unter günstigen Verhält- nissen, Wasser aus der Schnitttläche hervortritt, macht es wahrscheinlich, dass der Reizbewegung dieser Objecte, wie voraussichtlich vielen Stossreizungen (vgl. II, p. 446), dieselbe Zellmechanik zu Grunde liegt, wie bei den Gelenken von Mimosa und den Staubfäden der Cynareen. § 92. Fortsetzung. Mit dem Nachweis, dass die Reizung eine Turgorsenkung verursacht, und dass die Reizbewegung aus dem Zusammenwirken der variabeln Turgorenergie und der constanten Elasticität der "Wandungen (bezw. der passiven Gewebe) resultirt, sind die zunächst maassgebenden, mechanischen Factoren präcisirt. Nun- mehr ist es Aufgabe, die Ursachen der Turgorsenkung aufzuklären. Da die hier- durch entwickelte Energie nicht durch die active Contraction und Expansion des Protoplasten geliefert werden kann (II, p. 448, 452), so muss es sich in der Hauptsache um eine Variation der osmotischen Energie handeln, die sich unter den obwaltenden Verhältnissen allein oder wesentlich im Zellsaft abspielt 3). Auf welche Weise diese Senkung des osmotischen Druckes erzielt wird, ist noch unbekannt und kann nur von Fall zu Fall empirisch ermittelt werden. Aus dem schnellen Verlauf der Reaction lässt sich, wie schon früher betont wurde, kein bestimmter Schluss ziehen, da durch eine jede der (II, p. 375) genannten Modalitäten eine plötzliche Senkung der osmotischen Energie herbeiführbar ist, da ferner in jedem Falle die Wasserauspressung eine Druckfiltration ist, deren Verlauf allein von der durch die Turgorsenkung hergestellten Spannung und von der Filtrationsfähigkeit der betreffenden Zellen und Gewebe abhängt -i). 1) Pfeffer, Physiolog. Untersuchung. 1873, p. 74. 2) Pfeffer, 1. c. p. V6S. — hi den Staubfäden von Berberis sind übrigens der Regel nach Intercelkilarräume vorhanden. Vgl. Pfeffer, Zur Kenntniss d. Plasmahaut u. d. Vacuolen 1890, p. 326 Anm. 2. 3) Näheres bei Pfeffer, Zur Kenntniss d. Plasmahaut undd. Vacuolen 1890, p. 333. 4) Vgl. diesen Band p. 377, und Pfeffer, Zur Kenntniss d. Plasmahaut u. d. Vacuolen 1890, p. 329. An dieser Stelle ist auch hervorgehoben, dass Vines (Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg -1878, Bd. II, p. i 4C' und Gardiner (Annais of Botany 1887/88, Bd. I, p. 3 66) eine active Contraction des Protoplasmas als Ursache der Reizcontraction annahmen, ohne maassgebende Argumente beizubringen und ohne zu erklären, wie auf diese Weise die ausgelöste hohe Energie entwickelt werden kann. In meiner oben citirten Arbeit (1890) ist ferner daraufhingewiesen, dass die Turgorsenkung voraus- sichtlich nicht durch eine active Pumpwirkung verursacht wird, welche das Wasser nach Aussen schafft (vgl. Bd. I, p. 253, oder dadurch, dass, analog wie l^ei gewissen Vacuolen (II, §139), der Zellsaft durch ein locales Einreissen des Protoplasmas hervor- schiesst. Ebenso sei (vgl. Bd. I, p. 121) nochmals betont, dass, so lange die Diosmose von gelösten Stoffen nicht eintritt, durch eine Erhöhung der Filtrationsfähigkeit des Plasmas oder der Zellhaut keine Turgorsenkung zu Stande kommt (I. p. 121). 454 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Bis dahin ist es nicht gelungen, durch sichtbare Veränderungen in der Zelle^ Anhaltspunkte für die Aufklärung der durch die Reizung ausgelüsten Processe zu gewinnen. Bei den Staubfäden der Cynareen wird durch die Reizung nicht ein- mal die Plasmastrümung gestört, gleichviel, ob die Gontraction der gereizten Zelle stattfindet oder mechanisch verhindert ist ^]. Falls aber sichtbare Reactionen eintreten, so muss natürlich immer entschieden werden, ob diese Vorgänge direct oder indirect durch die Stossreizung, oder ob sie durch andere, gleichzeitige Aus- lösungen veranlasst werden. So hängen augenscheinlich die weiterhin (II, § 94) zu besprechenden Veränderungen in den gereizten Zellen von Drosera und Dio- naea ganz oder theilweise mit der secretorischen Thätigkeit zusammen. Auch ist es selbstverständlich, dass durch sichtbare Veränderungen in der Gestaltung des Protoplasten, in der Lage der Chloroplasten u. s. w. (die durch ver- schiedene Eingriffe, auch ohne eine Modification des Turgors, verursacht werden), noch nicht die Ursache der Turgorsenkung und der Reizcontraction angezeigt wird^^ Das ist auch dann nicht der Fall, wenn bei gewissen Pflanzen durch die Reizung eine Abhebung des Protoplasten von der Zellwand veranlasst werden sollte (II, p. 450)3). Eine bessere Kenntniss der motorischen Vorgänge wird wohl auch einige Einsicht in die sensorischen Processe gewähren, oder wenigstens .in die Ver- kettung dieser mit den motorischen Vorgängen. Derzeit ist über die sensorischen Processe nichts Bestimmtes bekannt, wenn man auch, wie bei anderen Aus- lösungen, berechtigt ist, anzunehmen, dass die Perception im lebendigen Pro- toplasma vor sich geht. Im allgemeinen kann man aber auf Grund der empi- rischen Erfahrungen sagen, dass der mechanische Reiz in der sensibeln Pflanze den explosionsartigen Zerfall einer labilen Constellation veranlasst, durch den plötzlich die Spannungsenergie ausgelöst wird, deren Herstellung und Wiederherstellung unabhängig von den sensorischen und auslösenden Processen ist. Denn letzteres ergiebt sich daraus, dass sich die Organe auch dann in die Ausgangslage zurück- 1) Pfeffer, Physiol. Untersuch. 1873, p. 13S; Bot. Zeitung 1875, p. 290, Anmerkung. 2) Die angedeuteten Principien sind z. B. auch nicht in zureichendem Maasse bei den Untersuchungen A. Borzi's (L'apparato dl moto delle Sensitive, Rivista di Scienze Biologiche -1899) beachtet. Ebenso z. B. nicht in den Studien von G. Chauveaud (Compt. rend. 1894, Bd. 119, p. 103) und He ekel (vgl. die Kritik dieser Arbeit in Bot. Ztg. 1875, p. 289 u. 1876, p. 9) an den Staubfäden von Berberis. Uebrigens hatHeckel zum Theil die durch Plasmolyse oder Tödtung erzielten Artefakte als Reizerfolge an- gesprochen. 3: Bis jetzt ist auch die Veränderung der elektrischen Ströme, sowie die Wärme- tönung in der Pflanze noch nicht ausgenutzt, um Aufschluss über die Reizvorgänge zu erhalten. Was über elektrische Ströme bekannt ist, wird in II, § 161 — 162 mitgetheilt. Auch sei hier nur die Thatsache erwähnt, dass nach P. Bert (Mömoir. d. l'Academ. d. Bordeaux 1870, Bd. 8, p. 43; Compt. rend. 1889, Bd. 69, p. 895) das primäre Gelenk bei Mimosa pudica etwas kühler als der Blattstiel und der Stengel ist und dieses auch bei einer Reizbewegung bleibt, obgleich dabei eine kleine Temperaturerhöhung des Gelenkes eintritt. Die bezüglichen Temperaturbestimmungen wurden mittelst thermo- elektrischer Nadel und Multiphcator ausgeführt vgl. § I06). — Nach G. Kraus (Wasservertheilung i. d. Pflanze 1880, II, p. 68) nimmt beim Schütteln von wachsenden Sprossen der Zuckergehalt in denselben zu, während der Säuregehalt häufig abnimmt. Bei Nachuntersuchungen, die ich durch Herrn Niklewski ausführen liess, wurde aber keine Zunahme des Zuckers gefunden. § 92. Bewegungen durch Stossreizungen. 455 begeben, wenn die Wiedergewinnung der Sensibilität durcb Chloroformiren, dauernde Erschütterungen u. s. w. (II, p. 443) sistirt ist. Der allmähliche Wiedergewinn der Sensibilität nach der Herstellung normaler Bedingungen beweist zugleich, dass etwas Neues hinzukommt, ohne dass wir sagen können, ob es sich um die Schaffung eines auf Stoss explosionsartig zerfallenden Stoffes oder Baues, oder um andere Vorgänge handelt^). Uebrigens ist in vielen Reizvorgängen eine Unterdrückung der Sensibilität, bei Fortbestehen der Aclionsfähigkeit, mög- lich (II, § 121, 122), und es scheint, dass in der Regel die Empfindlichkeit für Stossreize leichter aufgehoben wird, als die Empfindlichkeit gegen andere Reize (II, § 105)2). Historisches. Die obige Darlegung des Zellmechanismus bei den Reizbe- wegungen des Gelenkes von Mimosa und der Staubfäden der Gjnareen basirt auf meinen Physiologischen Untersuchungen (1873) und einigen Ergänzungen, die durch meine Osmotischen Untersuchungen (1877, p. 18 8) ermöglicht wurden 3). Denn wenn auch Brücke"*) in seinen bahnbrechenden Untersuchungen die Reiz- krümmungen von Mimosa pudica als eine Folge der mit Wasseraustritt verbun- denen Erschlaffung der reizbaren Gelenkhälfte erkannt hatte, so ging doch dieser Forscher auf die Zellmechanik nicht näher ein, und es blieb somit unentschieden, ob die durch die Reizung verursachte Veränderung in dem Zellinhalt oder in der Zellhaut zu suchen sei. Weiterhin finden wir dann bei Colin 5] und bei Unger^) die irrige Annahme, die Reizbewegung der Staubfäden der Cynareen komme durch eine Formänderung der Zellen, ohne Wasseraustritt, zu Stande. Dabei neigt Colin zu der Ansicht, dass die Bewegung auf einer activen Con- traction des Protoplasmas beruhe, eine Ansicht, die später auch von Vines und Gardiner vertreten wurde (vgl. II, p. 453 Anm.). Dagegen sieht Hofmeister'^), gestützt auf unrichtige und unklare Argumentationen, die Zellhaut als den reiz- baren Theil an. Die allmähliche Entwickelung der Erkenntniss, dass und wie die Krümmung in dem Gelenk von Mimosa pudica durch den Antagonismus der Gelenkhälften zu Stande kommt, ist in meinen Physiologischen Untersuchungen (p. 3) geschil- dert. Erwähnt sei nur, dass Lindsay (1790) die Senkung des Hauptblattstieles auf die Expansion der oberen Gelenkhälfte schob, während Burnett und 1) Vgl. Pfeffer, Physiol. Untersuch. 1873, p. 143; Osmotische Untersuchung. 1877, p. 192. An der letztgenannten Stelle ist auch mitgetheüt, dass ein Versuch, die Staub- fäden der Cynareen durch Tonschwingungen zu reizen, keinen Erfolg hatte. 2) An Schnitten aus den Staubfäden der Cynareen oder aus dem Gelenk von Mimosa pudica stellt sich die Reizbarkeit nicht wieder ein. 3) Aeltere Anschauungen, dass die Spiralgefässe die contractilen Theile seien u. s. w., sind in meinen Physiol. Unters, p. i angeführt. Den Versuch, die Reizbewegungen von Mimosa pudica mechanisch zu erklären, machte schon Ray, in Historia plantarum 1686, p. 1. Einige Experimente mit dieser Pflanze führte auch Hooke aus (Micrographia 1767, p. 119). Vgl. auch Sachs, Geschichte d. Botanik 1875, p. 579. 4) E. Brücke, Archiv f. Physiologie 1848, p. 443. Abgedruckt in Ostwald's, Klassikern Nr. 95. 5) Cohn, Abhandig. d. schlesisch. Gesellsch. f. vaterl. Cultur 1861, Hefti, p. 28. Fernerhin verglich Cohn die contractilen Zellen einfach mit dem Muskel (Zeitschr. f. wiss, Zoologie von Siebold u. Kölliker 1863, Bd. 12, p. 366). 6) Ungar, Bot. Ztg. 1862, p. 112; 1863, p. 350. 7) Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. 300. Vgl. ferner Flora 1862, p. 502 u. Pfeffer, Physiol. Untersuch. 1873, p. 6, 128. 456 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Mayoi) zwar erkannten, dass nur die untere Gelenkhälfte reizbar ist, indess den Mechanismus nicht allseitig correct auffassten. Nachdem dann allmählich durch Dutrochet, Treviranus, Mohl bestimmtere Vorstellungen über die Spannung des Schwellparenchyms gegen das Gefässbündel angebahnt waren, stellte Brücke (1. c.) fest, dass die Einkrümmung durch die Erschlaffung des Parenchvms der i'eizbaren Gelenkhälfte verursacht wird -). Auf die rerschiedene Ausbildnng und Abstufung der Reizbarkeit an den Blättern von Mimoseen, Papilionaceen, Oxalideen u. s. av. wurde schon II, p. 43 4 hingewiesen 3). Es sei desshalb nur kurz erwähnt, dass eine schwache Erschütte- rungsreizbarkeit der Blättchen bereits von Meyen^j bei Gleditschia triacantha, von Mohl-'') bei llobinia pseudacacia, viscosa, hispida beobachtet wurde. Bei ver- schiedenen Pflanzen sind auch schon die Cotyledonen reizbar, wie A. P. de Can- dolle^) für Mimosa pudica, Gh. Darwin'^) für Oxalis sensitiva, Smithia sensitiva und einige Arten des Genus Cassia constatirte. Dionaea und Aldrovandia. Bei der Reizung des Blattes von Dionaea musci- pula erfolgt ein plötzliches Zusammenschlagen der beiden Blatthälften, die zu- gleich etwas hohl werden, so dass die Randstacheln wie Schneidezähne ineinander greifen (vgl. Fig. .53, II, p. 435)^). Abgesehen von der Marginalzone scheint das ganze Blatt bei der Krümmungsbewegung activ betheiligt zu sein. .Nach Bata- lin's Messungen soll die ansehnlichste Kriunmung in einer dem Mittelnerv parallelen Zone vor sich gehen und die Mittelrippe wenig oder gar nicht bei der Bewegung betheiligt sein, während nach Gh. Darwin (I. c. p. 2 86) in der Mittelrippe eine ansehnliche Bewegung stattfindet. Die Bewegung wird nach Batalin (1. c. p. \\0) wesentlich durch Wachsthum vermittelt; jedoch ist noch nicht entschieden, ob sich in dieser Hinsicht junge und alte Blätter gleich ver- halten. Ferner ist durch die Beobachtvmgen und Discussionen von Gh. Darwin und Munk noch nicht erledigt, ob den Bewegungen von Dionaea ganz oder theilweise ein ähnlicher Zellmechanismus zu Grunde liegt, wie den Bewegungen in den Blattgelenken von Mimosa pudica. Analog wie bei Mimosa ist die ganze Innenseite des Blattes reizbar, indess kommt den Borstenhaaren (Fühlhaaren , Fühlborsten) , die sich in Dreizahl auf 1) Burnett u. Mayo, Quarterly Journal of Science, Literat, and Arts -1897, Bd. 24, p. 79; -1828, Bd. 25, p. 434. 2) Erwähnt sei nur, dass ohne Bedeutung eine ausgedehnte Arbeit von D. D. Cun- ningham (Annais of Royal Botanic. Garden Calcutta 1893, Bd. C, P. I) ist, in welcher sogar angezweifelt wird, dass es sich bei Mimosa pudica um Reizbewegungen handelt. 3) Aufzählungen von reizbaren Pflanzen bei A. Hansgirg, Physiologische und Phycophytolog. Unters. -1893, p. -HS; Neue Unters, üb. d. Gamo- und Karpotropismus 1896, p. 102 (Sep. a. Sitzungsb. d. böhm. Gesellsch. d. Wissensch. . Eine Liste von zahlreichen reizbaren Pflanzen findet sich auch schon bei Dassen, in Wiegmann's Archiv f. Naturgeschichte 1838, Bd. I, p. 347; Meyen, Physiologie 1839, Bd. 3, p. 339. 4) Meyen , 1. c. p. .■)40. 5) H. Mohl, Vermischte Schriften 1843, p. 372. 6) A. P. de Candolle, Physiologie, übers, v. Röper 1833, Bd. 2, p. 647. 7) Gh. Darwin, Bewegungsvermögen der Pflanzen 1881. p. 105, 107. 8) Näheres bei: Gh. Darwin, Insectenfressende Pflanzen 1876, p. 238; Munk, Die elektrischen- und Bewegungserscheinungen am Blatte von Dionaea muscipula 1 876, p, 97; Batalin, Flora, 1877, p. 103; Burdon-Sanderson, Proceedings of the Royal Society 1877, Bd. 23, p. 411; Philosophie. Transact. 1882, p. 48 d. Separat.; Goe- bel, Pflanzenbiolog. Schilderung 1891, II, p. 68; 1893, II, p. 201 ; M. Macfarlane, Gon- tributions from the Biological Laboratory of Pennsylvania 1892, Bd. I, p. 7; Biological Lectures 1894, p. 187. [Siehe besonders Haberlandt. Sinnesorgane 1901, p. 108.] § 92. Bewegungen durch Stossreizungen. 457 jeder Blatthälfte finden (vgl. Fig. 53), eine sehr bevorzugte Sensibilität zu. Nach Munk (1. c. p. 103) soll dieses allein dadurch bedingt sein, dass vermöge des Aufbaues ein auf das Haar ausgeübter Druck besonders stark auf das an- grenzende reizbare Blattparenchym wirkt. Indess sind offenbar auch die Zellen in der Basis des Haai'es sensibel und reactionsfähig, da sie bei einer Reizung zu erschlaffen scheinen i). Eine solche Erschlaffung kann auch nur vortheilhaft sein, um in dem gelenkartigen BasalLheil das Ausbiegen des Haares zu begünstigen, das nöthig ist, um das ungehinderte Zusammenschlagen des Blattes zu ge- statten. Das Blatt ist zwar nicht so empfindlich, dass durch den Aufschlag eines Wassertropfens immer eine Reizung erfolgte (Ch. Darwin, 1. c. p. 273), die indess nach Munk durch einen kräftigen Wasserstrahl und ferner nach meinen 2) Erfahrungen durch die Berührung mit einem feuchten Gelatinestab ausgelöst wird (vgl. 11, p. 435). Das Blatt reagirt also auf Stossreize, jedoch ist noch nicht untersucht, ob demselben zugleich eine Tastreizbarkeit zukommt. — lieber die Auslösung durch Summation von Berühi'ungen vgl. H, p. 412. Ueber die elektrischen Vorgänge bei der Reizung siehe H, § 162. Bei Aldrovandia vesiculosa ist der Bewegungsmechanismus augenscheinlich ähnlich wie bei Dionaea, und auch bei dieser Pflanze scheint die Reizbewegung besonders leicht durch die Berührung der auf der hmenseite des Blattes befind- Tichen Haare ausgelöst zu werden. Die Blätter dieser Pflanze öffnen sich nur bei höherer Temperatur, sind dann aber schon durch eine leichte Berührung zu einer Reizreaction zu bringen. Näheres ist zu ersehen bei Stein, Bot. Zeitung 1874, p. 389; Cohn, Beiträge z. Biolog. 1875, I, Heft 3, p. 71; Darwin, Insectenfressende Pflanzen 1876, p. 290; Goebel, Pflanzenbiolog. Schilderungen 1893, 11, p. 70; Haberlandt, Physiolog. Pflanzenanatomie H. Aufl., 1896, p. 4 80; Biolog. Gentralbl. 1901, Bd. 21, p. 375. [Siehe besonders Haberlandt, Sinnesorgane etc. 1901, p. 103.] Staubfäden. Alle Cynareen scheinen mehr oder weniger reizbare Filamente zu besitzen, die aber auch bei einzelnen Arten aus anderen Abtheilungen der Compositen vorkommen, z. B. bei Cichorium intybus und Telekia speciosa. Je- doch sind, wie schon (II, p. 449) bemerkt wurde, nicht alle diejenigen Staubfäden zu einer merklichen l\eizbewegung befähigt, die mit sehr dehnbaren Wandungen ausgestattet sind 3). Von anderen Staubfäden schliessen sich, wie schon (II, p. 453) erwähnt, die von Berberis 4) und Mahonia dem Bewegungsmechanismus von Mimosa pudica 1) Die Zellen in der Spitze des Haares sind nicht empfindlich, da man dieselben nach Munk (I.e. p. 103) wegschneiden kann, ohne dass eine Reizung erfolgt. Ueber den Bau dieser Haare vgl. Haberlandt, Physiolog. Anatom. IL Aufl. 1896, p. 481 [u. Sinnesorgane 1. c.]. 2) Pfeffer, Unters, a. d. botan. Institut zu Tübingen 1885, Bd. I, p. 318. 3) Vgl. Pfeffer, Physiol. Untersuch. 1878, p. 151, 107. — Eine ausführliche Aufzäh- lung bei A. Hansgirg, Physiol. u. Phycophytol. Untersuch. 1893, p. 141; Neue Unter- such, üb. d. Gamo- u. Karpotropismus 1896, p. 106 (Sep. a. Sitzungsb. d. böhm. Ge- sellsch. d. Wissenschaften;. 4) Pfeffer, Physiol. Untersuch. 1873, p. 127, 158. Weiterhin (Zur Kenntniss d. Plasmahaut u. d. Vacuolen 1890, p. 326 Anm.) habe ich dann hervorgehoben, dass sich in dem actionsthätigen Gewebe normalerweise Intercellularräume finden. In diesem Buche Bd. H, p. 434, Anm. ist ferner auf die sichtbaren Veränderungen im Zellinhalt hingewiesen, die nach Heckel und Chauveaud bei einer Reizung eintreten sollen. — Eine Literaturzusammenstellung bei A. Usteri, Bot. Gentralbl. 1900, Bd. 84, p. 228. 458 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. an. Auch bei den Staubfäden i) anderer Pflanzen, die sicli nach einer Berührung entweder dem Griffel nähern oder sich von demselben entfernen, handelt es sich augenscheinlich um Stossreizbarkeit''^). Offenbar wird es durch den anatomischen Bau und die Vertheilung der reizbaren Gewebe bewirkt, dass sich die Staubfäden von Helianthemvmi und anderen Cistineen, sowie die von Mesembryanthemum bei jeder Reizung in einer bestimmten Ebene bewegen, während bei den Filamenten von Opuntia und (lereus, sowie in geringerem Grade bei den Staubfäden von Sparmannia und anderen Tiliaceen und Portulaceen, eine Berührung der Seiten- fläche, neben der Einwärts- oder Auswärtskrümmung, eine gewisse Beugung nach der gereizten Flanke veranlasst. Reizbare ^'arben, die bei einer Berührung zusammenschlagen, besitzen z. B. Mimulus, Martynia, Bignonia, Goldfussia ^j. Ein Griffel, in dem durch eine Be- rührung eine Krümmungsreizung ausgelöst wird, ist für Glossostigma elatinoides 4] und für Arctotis ^) bekannt. Für alle diese reizbaren Staubgefässe (abgesehen von Berberis), Narben, Griffel, sowie für die reizbaren Lippen der Blüthe einiger Orchideen 6), ist nicht einmal ermittelt, ob die Bewegung durch Wachsthum oder elastische Contraction ausgeführt wird. Es lässt sich also nicht bestimmt sagen, ob und in wie weit die Zellmechanik mit den Voi'gängen in den Staubfäden der Cynareen und der Gelenke von Mimosa übereinstimmt, (lieber Reizleitungen vgl. II, § 95.) Auf die Schnellbewegungen bei Stylidium und einigen anderen Objecten, ■welche einfach durch die Beseitigung der mechanischen Hemmung veranlasst werden, ist bereits II, p. 384 hingewiesen. Eine Anzahl hierhergehöriger Bei- spiele ist auch bei Hansgirg, 1. c. 1893, p. 149 zusammengestellt. § 93. Bewegungen durch Tastreizung. Nachdem das Wesen, die Bedeutung nnd Verbreitung der Tastreizbarkeit allgemein behandelt ist, sind im Folgenden nur einige Ergänzungen und Er- weiterungen nachzutragen"). Dabei haben wir aber nicht auf die Ranken- kletterer, diese ausgezeichneten Beispiele für Tastreizbarkeit, einzugehen, die schon ausführlich besprochen wurden (II, § 8G — 88). Bei dieser Gelegenheit ist bereits auf die specifisch verschiedene Ausbildung der Tastreizbarkeit hingewiesen, die Nach Haberlandt (I.e. 1901, p.24) ist bei den Staubfäden von Berberis und Mahonia besonders die papillöse Partie der Innenseite sensibel. Vj Thatsachen und Literatur sind mitgetheilt bei A. Hansgirg, 1. c. 1893 und 1896: Beihefte zum Botan. Centralbl. 1902, Bd. 12, p. 273. [Haberlandt, 1. c. 1901, p. 17, 21, 32, 46, 51.] 2) Vgl. auch Pfeffer, Unters, a. d. botan. Institut zu Tübingen 1885, Bd. I, p. 518. 3) Weitere Beispiele sind bei Hansgirg, 1. c. 1893 u. 1S96 namhaft gemacht. Vgl. ferner W. Oliver, Ber. d. bot. Gesellsch. 1S87, p. 112; M. Miyoshi, Journal of the College of Science Japan 1891, Bd. 4, p. 205. [Haberlandt, 1. c. löOI, p. 55, 58.] Nach W. Burk (Bot. Centralb. 1902, Bd. 89, p. 645} sollen sich ' die Narben von Mimulus und Torenia bei Bestäuben mit Pollen nur dann schliessen, wenn durch den schwellenden Pollen zugleich Wasser entzogen wird. 4) Citirt bei Hansgirg, 1. c. 1893, p. 149. ö) R. V. Minden, Flora 1901, p. 238. [Haberlandt, I. c. 1901, p. 60.1 6) Vgl. II, p. 435. Weitere Lit. bei Oliver und bei Hansgirg, 1. c. 1893, p. 150. 7) Ueber Tastreizungen, die nicht eine Krümmung, sondern anders geartete Reac- tionen veranlassen, vgl. Bd. II, p. \ 50. § 93. Bewegungen durch Tastreizung. 459 zumeist so zurücktritt, dass sie bei den wachsenden Stengel- und Blattorganen in der Regel nicht nachweisbar ist (vgl. II, p. 439). Ebenso geht nach New- combe^) den Keimwurzeln die Ihigmotropische • Empfindlichkeit ab, da die schwachen Krümmungen, welche Sachs 2) beobachtete, als er auf die wachs- thumsthätige Region eine kräftige Berührung oder Reibung wirken Hess, trau- matischer Natur sind. Da aber die zum Klettern bestimmten Wurzelranken von Vanilla und einigen anderen Pflanzen ausgesprochen thigmotropisch sind (II, p. 416), so ist wohl zu erwarten, dass eine schwache (üontactreizbarkeit auch noch bei einzelnen anderen Wurzeln gefunden wird. Eine ausgesprochene Contactreizbarkeit besitzt ferner der Sporangiumträger von Phycomyces nitens , an dem sich bei einseitiger Berührung der wachsenden Spitze zuweilen schon nach einigen Minuten der Beginn einer Reizkrümmung einstellt, die nur in der wachsthumsthätigen Region ausgeführt wird 3). Da nun bei diesem einzelligen Gebilde eine Reaction nicht durch eine Berührung ausgelöst wird, die unmittel- bar unterhalb der wachsenden Region an- greift, so muss entweder die Perception auf die wachsende Spitze beschränkt oder die Be- fähigung zu einer nennenswerthen Fortpflan- zung der ausgelösten Reizung nicht vorhanden sein. Uebrigens ist in den Rhizoiden dieses Pilzes die Contactreizbarkeit nicht ausgebildet. Aehnlich wie Phycomyces verhalten sich Mucor mucedo, stolonifer u. s. w. Dagegen wird bei dem Gonidienträger von Aspergillus, Penicil- lium u. s. w., sowie bei Pollenschläuchen ^), wie es scheint auch bei Wurzelhaaren &), durch Berührung keine merkliche Krümmungsbewegung hervorgerufen. Fig. .M). Blatt von Drosera rotundifolia, an dem die Tentakeln der einen Seite eine Reiz- krümmung ausfuhren (vergrössert). 1) F. C. Newcombe, nach brieflichen Mittheilungen und der inzwischen erschie- nenen Publikation in Beiheft, zum Botan. Centralblatt 1902, Bd. 12, p. 242. 2) J. Sachs, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1873, Bd. I, p. 437; Ch. Darwin, Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 132. — Irrthümhcherweise wurde von Ch. Darwin (1. c. p. 109—171 der Wurzelspitze eine speciüsche Contactreiz- barkeit zugeschrieben, durch die ein Hinwegkrümmen von dem berührenden Körper veranlasst werden sollte. Dass diese Krümmung aber durch Verletzung der Wurzel- spitze, also durch einen traumatischen Reiz, ausgelöst wird, ist aus II, § M7 zu ersehen. 3) Errera, Bot. Ztg. 1S84, p. 653; Wortmann, Bot. Ztg. 1887, p. 803; Steyer, Reizkrümmungen bei Phycomyces nitens 1901, p. 19. Dass nur feste Körper reizend wirken, wurde von Wortmann constatirt. — lieber die Waclisthumsvertheilung und die Entwickelungsperiode von Phycomyces nitens vgl. Bd. II, p. 12. Die grösste Reac- tionsfähigkeit besteht in der Streckungsperiode. Jedoch auch vor der Bildung des Sporangiums ist eine schwächere Reactionsfähigkeit vorhanden, die während der For- mirung des Sporangiums zugleich mit dem Wachsthum sistirt wird. [Vgl. auch Trzebinski, dieses Buch Bd. II, p. 428 Anm.] 4) Kny, Sitzungsber. d. Bot. Vereins v. Brandenburg 12. Juni 1881; Dietz. Unters, a. d. Botan. Institut z. Tübingen 1SS8, Bd. II, p. 482; Miyoshi, Flora 1894, p. 86. 5) Ueber die Verwachsung mit Bodentheilen vgl. Bd. I, p. 147. Ueber die Bildung von Haftorganen bei Pilzen etc. in Folge eines Contactreizes siehe Bd. II, p. Iö1. 460 l\Si^- XII. Krümmungsbewegungen. Während bei den genannten Pflanzen die Reaction an der direct berührten Stelle eintritt, sind die Tentakeln des Blattes von Drosera rotundifolia (Fig. 56), longifolia, intermedia und einigen anderen Arten ein ausgezeichnetes Beispiel für die räumliche Trennung Jvon Perception und Action (I, p. 13; II, § I20)i). Denn der Tastreiz und ebenso der chemische Reiz (II, § 94) werden nur in dem Drüsenküpfchen percipirt, die ausgelöste Krümmungsbewegung aber wird in dem basalen und mittleren Theil des Stieles ausgeführt. Beide Reizungen wirken häufig zusammen, z. B. dann, wenn ein Insect auf das Blatt geräth (I, p. 364). In Hinsicht auf den gleichen Reactionserfolg soll an dieser Stelle auch schon einige Rücksicht auf die chemischen Reizwirkungen genommen werden. Da die chemischen Reize im allgemeinen energischer und nachhaltiger wirken , als die mechanischen Reize , so erfolgt bei Fortdauer einer massigen Tastreizung leichter ein partieller Rückgang der Krümmung 2)^ als bei Fortdauer der chemischen Reizung. So erklärt es sich, dass die völlige Einkrümmung der Tentakeln bei Reizung durch ein Glasstückchen nur einige bis 24 Stunden, bei Reizung durch ein Insect unter Umständen aber I bis einige Wochen, d. h. so lange anhält, bis mit dem Verdauen des Insectes die Aufnahme der Ver- dauungsproducte und damit die chemische Reizung aufhört ^j. Die Beschränkung der Perceptionsfähigkeit auf das Köpfchen und die zu- nächst angrenzende Zone ergiebt sich, wie Ch. Darwin (1. c. p. 208, 249) nachwies, daraus, dass eine Krümmungsreaction ausgelöst wird, wenn der mechanische oder chemische Angriff gegen das Köpfchen, nicht aber, wenn er gegen den Tentakelstiel oder gegen die Blattlamina gerichtet ist. Demgemäss kann ein Tentakel nach Wegschneiden seines Köpfchens nicht mehr direct, wohl aber indirect gereizt werden. Denn von dem mechanisch oder chemisch ge- reizten Köpfchen strahlt ein Impuls aus, der nicht nur in dem tragenden Ten- takel eine Reaction hervorruft, sondern auch durch Vermittlung der Blattlamina auf andere Tentakeln fortgepflanzt wird und in diesen eine Reizkrümmung aus- löst. Diese tritt auch in dem decapitirten Tentakel ein, der somit die Per- ceptionsfähigkeit, aber nicht die Actionsfähigkeit einbüsste (Darwin, 1. c. p. 208, 249). Die Perceptionsfähigkeit kommt auch den auf der Blattmitte befindlichen kleinen Tentakeln zu , die keine Krümmungsreaction ausführen , aber durch Fortleitung des Reizes bewirken, dass sich alle, auch die randständigen, grössten Tentakeln, nach der Mitte des Blattes hin krümmen. Diese bestimmte Krüm- mungsrichtung, die ebenso nach der Reizung des eigenen Köpfchens eintritt, ist durch die physiologische Dorsiventralität des Stieles bedingt, die indess nicht verhindert, dass sich ein Tentakel zugleich etwas seitlich krümmt, wenn auf 1) Näheres bei Ch. Darwin, Insectenfressende Pflanzen 1S73; Pfeffer, Unters. a. d. Botan. Institut zu Tübingen iSSö, Bd. I, p. 5M. Anatomisches bei Haberlandt, Physiolog. Anatom. II. Aufl., 1896, p. 397; 0. Rosenberg, Physiologisch-Cytologische Unters, über Drosera rotundifolia 1899, p. 42. [Haberlandt, Sinnesorgane im Pflanzen- reich 1901, p. 94.] 2) Vgl. II, p. 365; Pfeffer, Unters, a. d. Botan. Institut zu Tübingen 1885, Bd. I, p. 514. 3) Ch. Darwin, 1. c. p. 8, 22, 117; Goebel, Pflanzenbiolog. Schüderungen 1893, II, p. 203. § 93. Bewegungen durch Tastreizung. 461 ihn von einem danebenstehenden Tentakel ein auslösender und zugleich diri- girender (orienlirender) Impuls ausgeübt wird. Durch die Abstufung der In- tensität und der Dauer des mechanischen oder chemischen Reizes kann man natürlich erreichen, dass die Reaction auf den direct gereizten Tentakel be- schränkt bleibt, oder sich auf die benachbarten Tentakeln (vgl. Fig. 56) oder auf alle ausdehnt. Bei stärkerer, besonders bei chemischer Reizung wird ferner in der Blattlamina eine Bewegung ausgelöst, die zur Folge hat, dass das Blatt von Drosera rotundifolia mehr oder weniger concav wird, und dass das längliche Blatt von Drosera longifolia und indermedia sich nach der Oberseite hin ein- krümmt, und zwar unter Umständen so weit, dass es ein gefangenes Insect hakenförmig umfasst. Die Reizbewegungen der Tentakeln und der Lamina von Drosera rotundifolia wurden von Roth^) entdeckt. Nachdem dann Nitschke^) eine der Hauptsache nach richtige Darstellung der Bewegungserscheinungen und ihrer Ausbreitung auf die nicht direct gereizten Theile gegeben hatte, wurden unsere Kenntnisse dui'ch die ausgedehnten und ausgezeichneten Untersuchungen von Ch. Darwin (1. c.) im hohen Grade vertieft und erweitert. Durch diesen Forscher wurden unter an- derm auch die Localisirung der Perception auf das Köpfchen, sowie viele andere wichtige Thatsachen ermittelt, von denen einige in II, § 94 zur Sprache Icommen (vgl. auch I, p. 36 4). Aus meinen Untersuchungen (1. c.) ergab sich ferner, dass dem Tentakelköpfchen Tastreizbarkeit zukommt. Uebrigens hatte schon Darwin gesehen, dass der Aufschlag eines Wassertropfens nicht, und dass ein fester Körper nur dann als Reiz wirkt, wenn er durch den Di'üsenschleim bis zur directen Berührung des Köpfchens vordringt. Die Empfindlichkeit für Tastreize ist nach dem Entwickelungsstadium u. s. w. sehr verschieden, erreicht aber im günstigsten Fall beinahe die der sensibelsten Ranken (II, p. 423), da Darwin (1. c. p. 24) bei Drosera rotundifolia einen merklichen Erfolg durch ein 0,000822 mgr schweres Haarslückchen erzielte. Während eine einzelne Berülu'ung kaum Erfolg hat, kann durch wiederholte, kräftige Berüh- rungen bewirkt werden, dass die Krümmung nach 10 — 20 See. deuHich ist, und dass das Drüsenköpfchen der Randtenlakeln nach 10 — 20 Min. der Blattmitte angepresst ist (Darwin, 1. c. p. 10). Erwähnt sei noch, dass bei Pinguicula vulgaris, alpina u. s. w. ^j durch mechanische und chemische Reize eine Einkrümmung der Lamina veranlasst wird, die sich von der direct gereizten Stelle aus auf eine gewisse Distanz ausbreitet. Indess ist das Blatt von Pinguicula nur massig sensibel, und es ist auch noch nicht entschieden, ob der Reiz von der Lamina oder von den Köpfchen der zahl- reichen, kleinen Drüsenhaare percipirt wird. Mechanische Ausführuns:. Dass die Reizkrümmung der Ranken eine Wachs- thumsbewegung ist und mit einer transitorischen Wachsthumsbeschleunigung verknüpft ist, wurde früher mitgetheilt (II, p. 42 8). Ebenso wird die Reiz- krümmung der Mucorineen durch Wachsthum vermittelt. Nach den aller- dings nicht völlig beweisenden Messungen Batalin's^) gilt Gleiches für Drosera, 1) Roth, Beiträge z. Botanik 1782, Th. I, p. 60. 2) Nitschke, Bot. Ztg. 1860, p. 229. 3 Gh. Darwin, I.e. p. 332; Pfef fer, 1. c. p. 516. Vgl. auch Klein, Cohn's Beitr. z. Biologie 1883, Bd. 3, p. 163; Goebel, I. c. p. 186. 4; Batalin, Flora 1877, p. 39. Nach diesen Messungen scheint eine Wachsthums- beschleunigung einzutreten. 462 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. und dafür spricht auch die Beobachtung von Corrensi), dass die Reizkrümmung der Tentakeln bei plötzlicher Tödtung durch heisses Wasser nicht ausgeglichen wird. Ob auch bei diesen Objecten dm'ch die Reizung eine transitorische "S^'achs- thumsbeschleunigung veranlasst wird, können nur directe Messungen entscheiden. ^^'ie bei den Ranken ist auch bei den anderen Objecten über die vermittelnde Wachs! humsmechanik nichts Bestimmtes bekannt. Die Annahme von de Vries^)^ die Krümmung werde durch eine zunächst elastische Turgordehnung verursacht, ist für die Tentakeln von Drosera ebensowenig zutreffend wie für die Ranken und wird durch das erwähnte Verhalten bei plötzlicher Tödtung durch Hitze direct widerlegt. Ohnehin kann die Krüramungsbcwegung des einzelligen Phycomyces nicht auf einer Turgorsteigerung beruhen. § 94. Chemonastische Keizbewegungen. Es wurde schon hervorgehoben, dass die Gesammtlhäligkeit, sowie im speciellen die Wachsthumsthätigkeit der Pflanze, in der mannigfachsten Weise von chemischen Agentien abhängig ist und beeinflusst wird, und dass vermuthlich gerade chemische Reize eine hervorragende Rolle bei der selbstregulatorischen Lenkung des Innengetriebes, somit auch der autonomen Bewegungen, spielen (II, § 30, 51.) Ausserdem werden wir fernerhin (II, § HS, 149) in den chemo- tropischen Bewegungen ausgezeichnete Beispiele für orientirende chemische Reiz- wirkungen kennen lernen. An dieser Stelle halten wir uns aber allein an solche Krümmungsbewegungen, die durch eine diffuse, chemische Reizwirkung ver- anlasst werden. Da durch diese eine gewisse Krümmung stets verursacht wird, sobald bei einer Veränderung der chemischen Aussenbedingungen eines dorsi- ventralen Organs das Wachsthum der antagonistischen Hälften in ungleichem Grade beeinflusst wird , so werden sicherlich in vielen Fällen schwache chemonastische Bewegungen eintreten (vgl. II, p. 83). Diese sind allerdings, ebenso wie z. B. die thermonastischen Reactionen (II, § 99), zumeist so gering, dass sie nicht auffallen. Jedoch wird z. B. durch Chloroform eine merkliche Krümmungsbewegung in den Blattgelenken von Mimosa pudica 3) und ebenso in den Ranken 4) veranlasst, die auch bei Behandlung mit verdünnter Jodlüsung reagiren. Ferner ruft eine genügende Verdünnung der Luft bei den Blältchen von Mimosa pudica und bei der Narbe von Mimulus eine gewisse Verschiebung der Gleichgewichtslage hervor-^). In ausgezeichneter Weise ist aber die chemonastische Reactionsfähigkeit bei -1) Correns, Flora 1892, p. -126. 2) H. de Vri~fes, Bot. Ztg. 1886, p. 5. 3) Pfeffer, Physiol. Unters. -1873, p. 64. Gleichzeitig nimmt im Gelenke die Biegungsfähigkeit zu, vgl. Bd. II, p. 452 Anm. 4) Correns, Bot. Ztg. 1896, p. 16. Nach diesem Forscher rufen auch Ammo- niakdämpfe eine gewisse Einkrümmung der Ranken hervor. 5) Correns, Flora 1892, p. 97, 146, 148. Ueber Mimosa vgl. auch G. Bonnier, Revue gen^ral d. Botanique 1892, Bd. 4, p. 523. § 94. Chemonastische Reizbewegungen. 463 gewissen insectenfressenden Pflanzen ausgebildet, und zwar wird, soweit be- kannt, in den mechanisch reizbaren Organen auch durch bestimmte Stoffe (Eiweissstoffe, Ammoniaksalze, Phosphate u. s. w.) eine Krümmungsbewegung aus- gelöst. Diese chemonastische Bewegung verläuft bei den Blatttentakeln von Drosera und bei dem Blatte von Pinguicula ähnlich wie eine Tastreizung (II, p. 460). Dagegen wird bei Dionaea durch einen Stossreiz ein plötzliches Zusammen- schlagen der Blattlappen veranlasst (II, p. 456), während bei einer chemischen Reizung dieselbe Bewegungsamplitude nur alhuählich, bei schwacher Reizung vielleicht erst in 24 Stunden, durchlaufen wird^). Auch macht sich in dem Erfolg ein Unterschied darin bemerklich, dass die durch einen mechanischen Reiz geschlossenen Blätter einen Hohlraum miischliessen, während sich bei einer starken, chemischen Reizung die Blattflächen aneinander und somit auch gegen ein eingefangenes Insect pressen 2). Als Reizmittel wirken Eiweissstoffe, Ammoniaksalze, Phosphate und verschie- dene Stoffe, so dass durch ein gefangenes Insect und die Verdauungsproduete (I, p. 365) mit Sicherheit eine chemische Reizung hervorgerufen wird. Am wirk- samsten wurde von Ch. Darwin (1. c. p. 2 45) Ammoniumphosphat gefunden, das eine merkliche Bewegung auslöst, wenn auf das Köpfchen eines Tentakels von Di'osera rotundifolia ein Wassertröpfchen gebracht wird, das 0,000 423 mgr Ammoniumphosphat enthält. Ein gleicher Effect wird übrigens auch durch 0,0025 mgr Ammoniumnitrat und 0,0675 mgr Ammoniumcarbonat erzielt. Ferner "wurden von Üarwin (1. c.) z. B. Phospatc und im geringeren Grade Campher, einige ätherische Oele, überhaupt verschiedene Stoffe wirksam befunden, während z. B. gewisse Alkaloide keinen Reiz ausübten, der also nicht durch alle stickstoff- haltigen Körper ausgelöst wird. Da aber, wie schon Ch. Darwin beobachtete und Correns^) näher untersuchte, die Reizbai'keit der Tentakeln von Drosera durch geringe Mengen von Kalksalzen sistirt wird, und da ferner reines Wasser eine schwache Reizkrümmung hervorruft (Correns, 1. c), so muss dahin gestellt bleiben, ob die bisherigen Untersuchungen in allen Fällen den wahren Reizwerth kennzeichnen, oder ob zuweilen die schwachen Reizwirkungen oder das Unter- bleiben der Reizung durch Nebenumstände bedingt waren. Ferner ist noch nicht untersucht, ob die Reizwirkung des destillirten Wassers vielleicht darauf beruht, dass durch die Weglösung (bezw. Verdünnung) der im Drüsensecret befindlichen Stoffe gegenüber dem Zellinhalt eine auslösend wirkende Potentialdifferenz ge- schaffen wird. Uebrigens ist auch nicht geniigend verfolgt, ob gewisse Verbin- dungen nur desshalb nicht als Reiz wirken, weil sie nicht aufgenommen werden. Mit Rücksicht darauf, dass im allgemeinen die Aufnahme die Vorbedingung für die Reizwirkung ist, kann man mit Munk^) von Resorptionsreizvmgen (Resorp- tionsbewegungen) reden, womit indess nicht gesagt sein soll, dass nur ernährende Stoffe auslösend wirken. Die gleichzeitige Ausbildung und Auslösung der mechanischen und chemischen Reizbarkeit ist zwar bei den Carnivoren, für das Fangen und für die Ausnutzung der -l) Ch. Darwin, Insectenfressende Pflanzen 1876, p. 269. Der Verlauf der Reiz- bewegung wurde näher verfolgt von Ch. Darwin, Das Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 204. 2) Ch. Darwin 1876, 1. c. p. 278; Batalin, Flora 1877, p. 134. 3) C. Correns, Bot. Ztg. 1896, p. 23. 4) Munk, Die elektrischen- u. Bevvegungserscheinungen an Dionaea 1876, p. 98. 464 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. gefangenen Insecten, vortheilhaft, aber nicht allgemein nothwendig, dasich die beiden, besonderen Sensibilitäten nicht gegenseitig bedingen '). Thatsächlich sind z. B. die Staubfäden der Cynareen, sowie die Ranken, im hohen Grade für mechanische, aber nicht, oder kaum, für chemische Reize empfindlich. Die letzteren scheinen da- gegen bei den fleischfressenden Pflanzen in der Regel intensiver und nachhaltiger zu wirken (II, p. 460), und bei Drosera binata (= D. dichotoma) tritt die mechanische Reizbarkeit so zurück, dass sie von Morren'-^) übersehen wurde. Mit der stärkeren chemischen Reizwirkung hängt, wie schon früher (II, p. 460) bemerkt wurde, auch zusammen, dass nach der Resorption der Yerdauungs- producte, also nach dem Aufhören der chemischen Reizung, die Reizkrümmung des Blattes von Drosera, Dionaea u. s. w. ausgeglichen wird, obgleich die mecha- nische Reizung fortdauert, die von den unverdaulichen Theilen des Insectes ausgeht. Da indess das Resultat immer von der specilischen Empfindlichkeit und von der Intensität der Reizung abhängt, so ist es nicht überraschend, dass in Versuchen Gh. Darwin's (1. c. p. 340) bei dem Blatte von Pingui cula vulgaris die chemische Reizkrümmung nicht viel länger anhielt, als die mechanische Reizkrümmung. Bei dem Zusammengreifen beider Reizungen wird in üblicher Weise eine resultirende Bewegung ausgelöst. Nach den früher (II, § 77) all- gemein erörterten Principien ist es auch verständlich, dass die Inanspruch- nahme durch chemische Reizung in dem Blatte von Dionaea eine Abschw^ächung der mechanischen Reizbarkeit zur Folge hat^). Analog wie in anderen Fällen kann man durch eine entsprechende Ein- wirkung erreichen, dass nur eine Sensibilität in Anspruch genommen, dass also entweder die mechanische oder die chemische Reizung ausgelöst wird. Während aber bei Drosera beide Reize von dem Drüsenköpfchen percipirt werden (II, p. 460), dürften bei Dionaea die für den Stoss besonders empfindlichen Haare (II, p. 457) an der Perception des chemischen Reizes in untergeordneter Weise betheiligt sein. Dagegen wird bei Dionaea der chemische Reiz vermuthlich in bevorzugter Weise percipirt oder doch vermittelt durch die gut resorbirenden kleinen Drüsen- haare, die auf mechanische Reizung nicht besonders reagiren-*). Bei einer Differenz in dem sensorischen Vorgange können aber sehr wohl die motorischen Processe übereinstimmen, und das ist selbst dann möglich, wenn, wie es bei Dionaea zutrifft, die durch den mechanischen bezw. den chemischen Reiz aus- gelösten Reactionen ungleich schnell verlaufen. Sachgeraäss sprechen war eine jede physiologische Auslösung, die durch 1) Ch. Darwin [1876, 1. c.) unterschied zuerst die chemische und die mecha- nische Reizung. Das längere Geschlossenbleiben über Insecten war freilich schon früher beobachtet, jedoch nicht erklärt oder auf die Fortdauer des mechanischen Reizes geschoben worden. Diese Deutung findet man z.B. bei Oudemans Bot. Ztg. 1860, p. 163) in Bezug auf Dionaea. 2) Morren, Note sur le Drosera binata 1875, p.io Separat, a. Bullet, d. TAcadem. royal d. Belgique. II. ser., Bd. 40). Die Reizbarkeit wurde constatirt von Darwin, 1. c. p. 256 u. von Goebel, Pflanzenbiolog. Schilderung. -1893, II, p. 199. — Nach dem Gesagten ist es auch verständhch, dass nach Darwin (I.e. p. 270) das Blatt von Dionaea durch Eiweissstoffe noch ansehnlich gereizt wird, wenn es sich in einem Zu- stand beiludet, in dem es auf einen mechanischen Beiz nur wenig reagirt. 3) Darwin 1876, 1. c; Munk, 1. c. p. 99. 4) Vgl. Ch. Darwin, 1. c. p. 263, 267. § 94. Chemonastische Reizbewegungen. 465 die chemische Qualität eines Stoffes, gleichviel auf welche Weise, erzielt wird, zu- nächst als eine chemische Reizwirkung an. Zu diesen Reizungen zählen also alle chemonastischen Bewegungen, gleichviel ob dieselben durch das Hinzukommen eines Stoffes oder durch eine quantitative Aenderung in der Zusammensetzung des Nähr- mediums bedingt sind. Eine chemische Reizung liegt also auch dann vor, wenn es sich nicht um eine bleibende Verschiebung der Gleichgewichtslage, sondern um eine transitorische Reaction handelt, wie sie z. B. durch die plützliche Einwirkung von Ammoniakdämpfen bei den Staubgefässen von Berberis und den Narben von Mimulus, sowie durch die genügend schnelle Herabsetzung der Partiär- pressung des Sauerstoffs bei den Staubgefässen von Berberis und Ilehanthemum verursacht wirdi). Da aber bei diesen Pflanzen, ebenso wie bei Mimosa u. s. w., die Reizbewegung durch verschiedenartige innere Störungen ausgelöst wird, so bleibt zunächst unbestimmt, ob die Reizwirkung des chemischen Agens auf der Hervorrufung irgend einer Störung oder auf dem Vorhandensein einer specifischen, chemischen Sensibilität beruht. Da in vielen Fällen durch denselben äusseren Anstoss gleichzeitig ver- schiedenartige Reactionen ausgelöst werden, so ist es nicht überraschend, dass in zweckentsprechender Weise bei den fleischfressenden Pflanzen durch eine Reizung, ausser der Auslösung der Bewegungsreaction, auch die auf das Ver- dauen berechnete, secretorische Thätigkeit beschleunigt, modificirt oder erst hervor-gerufen wird. Letzteres geschieht bei dem Blatte von Dionaea, während bei dem stets secernirenden Drüsenköpfchen am Tentakel von Drosera rotundi- folia etc. durch den chemischen, aber auch durch den mechanischen Reiz, die Ausscheidung von Wasser und Schleim vermehrt und die Ausscheidung von Säure erweckt wird 2). Andererseits sind z. B. die Drüsenhaare in der Kanne von Nepenthes und am Blatte von Drosophyllum lusitanicum Beispiele dafür, dass zwar die Bewegungsfähigkeit fehlt, die Secretion von Wasser, Schleim, Enzymen u. s. w. aber normalerweise durch den chemischen Reiz bis zu einem gewissen Grade erweckt oder gesteigert wird. Die Secretion und die Bewegung entspringen eben Thätigkeiten und Reactionen, die zusammen- fallen können, aber nicht zusammenfallen müssen. So zeigt z. B. Dionaea, dass durch den chemischen Reiz zugleich Bewegung und Secretion, durch den mechanischen Reiz 3) aber allein die Bewegungsreaction ausgelöst werden. Ohne Frage wird es fernerhin durch Herstellung der geeigneten Bedingungen gelingen, beide Vorgänge auch da zu trennen, wo sie normal zusammenfallen^). Indess ]] Correns, Flora 1892, p. 151. Beachtenswerth ist, dass auf diese Weise nicht alle Pflanzenarten gereizt werden, die auf Erschütterung leicht reagiren. Wie Correns nachwies, ist die Sauerstoffreizung nicht durch die mechanischen Zerrungen bedingt, die eine Veränderung des Partiärdruckes durch Evacuation mit sich bringt. Uebrigens ist zu erwarten, dass bei Mimosa etc. verschiedene Körper als Reiz wirken, sofern sie schnell eindringen und also eine plötzUche Aenderung (Reaction) im Innern verursachen. 2) Ch. Darwin, Insectenfressende Pflanzen 1876, p. 48, 77. In diesem Buche sind auch die auf andere Pflanzen bezüglichen Thatsachen zu finden. 3) Nach J. M. Macfarlane (Contribut. fr. the Botanical Laboratory of Penn- sylvania 1892, Bd. I, p. 37) wird an dem Blatte von Dionaea eine gewisse Secretion auch durch eine stärkere mechanische oder elektrische Reizung hervorgerufen. 4) Nach Ch. Darwin 1. c. p. 340) wird am Blatte von Pinguicula durch einen Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 30 466 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. kann man nicht behaupten, dass dieses in jedem Falle ausführbar sein muss, da es möglich ist, dass die Reizbewegung unlösbar mit Processen verknüpft ist, durch welche unvermeidlich die secretorische Thätigkeit ausgelöst wird und um- gekehrt. Mit der secretorischen Thätigkeit stehen nachweislich sichtbare Verände- rungen im Zellinhalt in Verbindung, die aber z. B. auch in den Drüsenhaaren von Nepenthes und Drosophyllum u. s. w. auftreten, also auch an Objecten, die nicht zu einer Reizbewegung befähigt sind. Man wird folglich zunächst mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen dürfen, dass derartige Veränderungen im Zell- inhalt auch dann mit der secretorischen Function zusammenhängen, wenn das Organ gleichzeitig eine Reizbewegung ausführt, obgleich es auch möglich ist, dass in einem anderen Falle die Inhaltsänderung in Verbindung mit dem Be- wegungsprocess steht i). Wir müssen uns hier mit einem kurzen Hinweis auf die sichtbaren intracellularen Vorgänge beschränken, da mit der einfachen Kenntniss der (inneren oder äusseren) formativen Vorgänge weder der Causal- zusammenhang aufgeklärt, noch eine Einsicht in die massgebenden Ursachen gewonnen ist. Die intracellularen Veränderungen sind besonders an Drosera rotundifolia (von Gardin er an Drosera dichotoma) verfolgt worden 2), bei welcher sich der im Köpfchen beginnende und in dem Tentakelstiel fortschreitende Process schon äusser- lich durch eine Farbenänderung bemerklich macht. Dieser intracellulare Vorgang, die Aggregation, läuft nach den l'ntersuchungen von de Vries, Gardiner, Schimper in den Zellen des Tentakelstieles in der Hauptsache darauf hinaus, dass das Protoplasma an Volumen zunimmt, während das Volumen der Vacuolen abnimmt 3). In Verbindung hiermit beginnt eine lebhafte Protoplasmaströmung und eine Vermehrung und Formänderung der Vacuolen, die Gh. Darwin (1. c.) ii'rigerweise als sich acliv gestaltende Plasmamassen ansah. Weiterhin stellt sich in dem Zellsaft eine Ausfällung, die Granulation -^j ein, die bei einem mecha- nischen und bei einem schwachen chemischen Reiz gewöhnlich unterbleibt, bei starker chemischer Reizung aber zumeist zu Stande kommt. Diese Aus- fällung beruht auf der Ausscheidung des im Zellsaft gelösten Gerbstoffes etc., mechanischen Reiz Bewegung ohne Secretion, durch Ammoncarbonat Secretion ohne Bewegungsreaction verursacht. 4) Vgl. auch II, p. 454. 2) Diese Veränderungen wurden entdeckt von Gh. Darwin (1. c. p. 33, 220, 234, 250j, der aber Aggregation und Ausfällung (Granulation) nicht auseinanderhielt. Das geschah von Schimper :Bot. Zeitung 1882, p. 231); H. de Vries (ebenda 1886. p. 1); W. Gardin er (Proceedings of the Royal Soc. 1886, Bd. 39, p. 229). Fernerhin haben sich dann besonders mit den Gestaltungen im Drüsenköpfchen beschäftigt L. Huie, Quarterly Journal of Microscopical Science 1896, Bd. 39, p. 387: 1899, Bd. 42, p. 203; 0. Rosenberg, Physiolog.-Cytolog. Unters, über Drosera rotundifolia 1899. [Haber- landt, Sinnesorgane 1901, p. 94.] 3) lieber die Volumänderungen im osmotischen System der Zelle vgl. Pfeffer, Physiologie II. Aufl., Bd. I, p. 116; Plasmahaut u. Vacuolen 1890, p. 290. — Nach de Vries (1. c. p. 30) ändert sich bei der Aggregation der plasmolytische Werth (der Tur- gordruck nicht, während Gardiner (I.e. p. 232) ohne einen zureichenden Grund an- nimmt, dass mit der Aggregation eine Turgorsenkung eintrete. 4) So genannt von Goebel, Pflanzenbiolog. Schilderung. 1893, II, p. 198. — Nach Ch. Darwin (1. c. p. 263) scheint bei Dionaea die chemische Reizung, aber nicht die mechanische Reizung. Aggregation zu bewirken. § 94. Chemonastische Reizbewegungen. 467 der schliesslich kugUge Massen bildet, welche durch die Speicherung des Zell- saftfarbsloffes roth gefärbt sind ^). Da diese Ausfällung ebenso in den gerb- stoffhaltigen Zellen vieler anderer Pflanzen 2) (auch an Schnitten aus dem Tentakel, Blattstiel u. s. w. von Drosera) durch Ammoncarbonat, Coffein und verschiedene andere Stoffe erzeugt wii'd, so ist wahrscheinlich, dass die Granulation auch bei einer Reizung durch die Zufuhr oder die Bildung von ausfällenden Stoffen bewirkt wird. Dem entspi'icht es, dass bei Drosera in Folge der Darbietung von etwas Am- moncarbonat, besonders von dem aufnehmenden Drüsenköpfchen aus, die Aus- fällung fortschreitet, die offenbar in analoger Weise durch die Aufnahme und das Vordringen der Verdauungsproducte des Fleisches u. s. w. verursacht wird. Ausserdem weist die Reaclion bei mechanischer Reizung darauf hin , dass in Verkettung mit dem Secretionsprocess, also z. B. durch Abspaltung von Säure ^) oder anderen Stoffen, Körper entstehen, welche zunächst die Aggregation und bei genügender Menge endlich die Ausfällung hervorrufen. Bei den lebenden Zellen des Drüsenköpfchens von Drosera sind die intra- cellularen Vorgänge noch nicht näher verfolgt. Nach den Untersuchungen, die Huie (1. c.) und Rosenberg (1. c.) an fixirtem Material ausführten, soll in diesen Zellen nach einer Reizung, gerade umgekehrt wie bei den Stielzellen, das Volumen des Protoplasmas abnehmen, das des Zellsaftes zunehmen. Es muss aber dahin- gestellt bleiben, ob diese Unterschiede real existiren oder dadurch bedingt sind, dass bei dem Köpfchen an fixirten, bei dem Stiel an lebenden Zellen beobachtet wurde. IMöglich ist es ja, dass in den Köpfchenzellen durch die stai'ke secretorische Thätigkeit, durch die Ausscheidung von Schleim und anderen Stoffen, ein ab- weichendes Resultat herbeigeführt wird^). Nach den eben genannten Forschern wird aber in den Köpfchen- und in den Stielzellen, insbesondere durch eine starke chemische Reizung, eine Volumabnahme des Zellkerns und zugleich in diesem eine gewisse Differenzirung und Gruppirung von Chromatinfäden verursacht, die mein- oder weniger an die Differenzirungen erinnert , mit welchen eine Kerntheilung eingeleitet wird. Nach der Reizung wird die Ausfällung und die Aggregation in dem intacten Tentakel, aber auch an einem Schnitte aus dem Tentakel, allmählich wieder aus- geghchen. An solchen Schnitten aus dem Tentakelstiel lässt sich zugleich schön verfolgen, wie insbesondere die Wiederauflösung des ausgefäUten Stoffes (ebenso wie die der analogen Ausfällungen bei anderen Pflanzen) durch kräftiges Auswaschen, also wohl durch die diosmotische Entfernung des ausfällenden Stoffes, beschleu- nigt wii'd. Nach Obigem kann man wohl nur die Aggregation im Protoplasma , ein- schliessUch der Formänderung und Differenzirung im Zellkern, als eine specifisch physiologische Reaction ansehen, während die Ausfällung in dem Zellsaft eine ein- fache chemische Reaction ist, die durch das Hinzutreten eines Stoffes verursacht wird^). Dass aber die Aggregation mit den secretorischen Processen zusammen- ^, Pfeffer, Unters, a. d. Botan. Institut zu Tübingen 1886, Bd. 2, p. 244; Flora 1889, p. 52. — Uebrigens ist es wohl mögUch, dass die ausgeschiedenen Substanzen nicht in allen Fällen Gerbstoff sind, vgl. Bd. I, p. 82. 2j Vgl. Pfeffer, Physiologie II. Aufl., Bd. I, p. 82, 58. 3) Vgl. dieses Buch II. Aufl., Bd. I, p. 490. 4) Es ist auch noch fraglich, was es für eine Bewandtniss mit dem von Gardiner (1. c. p. 230) Rhabdoid genannten, geformten Körper hat. der nach diesem Autor bei Drosera und Dionaea in Folge einer Reizung an Masse abnimmt, während Macfar- lane (1. c. p. 36) bei Dionaea keine solche Abnahme finden konnte. o; Die ausfällbaren Stoffe sind nicht in allen Zellen, auch nicht in allen secerniren- 30 * 46g Kap. XII. Krümmungsbewegungen. : hängt, dafür spricht, dass sie durch stickstofflialtige Körper u. s. w., in ähn- hcher Weise, wie in den Zellen des Tentakelstieles von Drosera, auch in den be- wegungsunfähigen Drüsenhaaren von Sarracenia, Nepenthes, Drosophyllum etc. ^) hervorgerufen wird und voraussichtlich, wenn nicht in allen, so doch in vielen Zellen eintritt, die mit einer analogen Secretionsthätigkeit betraut sind. Ausserdem ist bereits für einige pflanzUche und besonders für verschiedene animaUsche Zellen bekannt, dass die Zellkerne und auch das Cytoplasma in secernirenden Organen eine besondere Gestaltung annehmen 2), Das steht in Einklang mit der Erfahrung, dass auch in anderen Zellen durch bestimmte Stoffe, also durch chemische Ein- griffe, in dem Protoplasma auffällige, formative Vorgänge verursacht werden (II, Reizfortpflauziing'. Die Sichtbarkeit der Aggregation (ebenso der Ausfällung] erlaubt zu verfolgen, wie dieser Process sich allmählich von Zelle zu Zelle aus- breitet. Leider ist aber noch nicht versucht, durch vergleichende Untersuchungen zu entscheiden, ob die Fortleituug der Aggregations- und der motorischen Reaction durch einen einheitlichen oder durch zwei selbständige Processe vermittelt wird. Für letzteres sprechen die allerdings nicht ganz entscheidenden Versuche Darwin 's 3], nach denen von einem nur massig stark gereizten Drüsenköpfchen des Blattes von Drosera ein Leitprocess ausgeht, der in den benachbarten decapitirten Ten- takeln die Krümmungsreaction , aber nicht die Aggregation auslöst. Da diese aber bei einer solchen indirecten Reizung in dem intacten Tentakel eintritt und sich von dem Köpfchen aus reflectorisch in dem Stiele ausbreitet, so muss man schliessen , dass sich in dem Tentakel ein Leitprocess fortpflanzt, der im Köpfchen die secretorische Thätigkeit und durch diese die von der Spitze des Tentakels aus fortschreitende Aggregation auslöst. Da die Ausbreitungsgrenze der Aggregation stets von der Intensität der Heizung (des secretorischen Processes, der Aufnahme eines reizenden Stoffes etc.) abhängt, so ist es verständlich, dass bei sehr starker Reizung eines benachbarten Tentakels die ^Vggregation auch in einem decapitirten Tentakel angeregt wird. Falls es sich um zwei selbständige Leitprocesse handelt, so dürften bei Drosera beide in denselben Bahnen , nämlich in dem Parenchym und den lebendigen Elementen der Leitbündel, vor sich gehen. Die Fortpflanzung der Aggregation (die auch in der Epidermis stattfindet) ist unmittelbar zu verfolgen, während sich die Leitfähigkeit des Parenchyms des Tentakels und des Blattgewebes daraus ergiebt, dass in den Versuchen Darwin's (1. c. p. 213, 224) der Reiz fortgeleitet wurde, obgleich die Continuität des Gefässbündels durch Ein- schneiden unterbrochen war. Wenn aber nach Batalin'*) der Reiz schneller in dem Leitbündel fortgepflanzt wird, so ist das viefleicht schon durch die er- heblichere Länge der Zellen bedingt, die nach Darwin (1. c.) auch verursacht, dass sich der Reiz im Parenchym schneller in der Längsrichtung der Zellen ausbreitet (vgl. I, p. 60 4, in Bezug auf Stoffwanderung). Hiermit und mit der bevorzugten Leitfähigkeit der Leitbündel hängt es offenbar zusammen, dass sich den Organen der fleischfressenden Pflanzen vorhanden. So tritt nach Goebel (1. c. p. -199 Anm.) die Granulation nicht in den secernirenden Haaren von Utricularia und Pinguicula ein. 1) Vgl. Schimp er, 1. c. p. 231 : Goebel, 1. c. p. 199. 2) Literatur bei Rosenberg, 1. c. p. 112. 3) Gh. Darwin, 1. c. p. 220, 235. 4) A. Batalin, Flora 1877, p. G6. — Vgl. auch M. Ziegler, Compt. rend. 1S74, Bd. 78, p. 1417. § 93. Fortleitung mechanischer und chemischer Reizungen. 469 der Reiz von den randständigen oder miltelständigen Tentakeln aus hauptsächlich in centripetaler, bezw. centrifugaler Richtung und nur in geringem Grade senk- recht zu dieser Richtung ausbreitet. Die Leitungsprocesse sind zwar noch nicht aufgeklärt, indess ist es nach den vorliegenden Thatsachen wahrscheinlich, dass bei Drosera wenigstens die Aus- breitung der Aggregation (ebenso der Ausfällung) stofflich vermittelt wird. Das kann z. B. geschehen, indem ein resorbirter Stoff nach den Gesetzen der Stoff- wanderung (I, § 10 8) vordringt, oder indem durch die auf die Secretion berech- neten Abspaltungen und Umsetzungen, welche (analog wie andere Processe) nahe und fernere Gewebe in Mitleidenschaft ziehen, Stoffe gebildet werden, die am Ent- stehungsort oder in benachbarten Zellen auslösend und ausfällend wh'ken. In diesem Falle würde es sich also um eine Art der Fortleitung handeln, die in der mannig- fachsten Weise bei der Stoffwanderung und in den hiermit verknüpften Stoff- wechselprocessen in Anwendung kommt, und die bei der regulatorischen Lenkung des vitalen Getriebes eine hervorragende Rolle spielt (II, p. 226; I, § 93, 108). Unter solchen Umständen ist es, wie schon früher (II, § 51, 52) hervorgehoben wurde, möglich, aber nicht nöthig, dass der Stoff, also der Reiz, der Nachbar- zelle durch die Plasmaverbindungen übermittelt wird. Thatsächlich kann aber die Aggregation und die Granulation in den Zellen des Tentakels von Drosera durch directe Zufuhr von Ammoncarbonat etc. hervorgerufen werden. Vermuthlich wird insbesondere die Ausdehnung der vergleichenden Studien auf andere Pflanzen Anhaltspunkte für die Beurtheilung der angedeuteten und der sich anschliessenden Fragen liefern. Bis dahin ist nur bekannt, dass in dem Blatte von Dionaea i) die mechanische Reizung ebenfalls in dem Parenchym und, in bevorzugter Weise, in den Gefässbündeln fortgeleitet wird. Bei dieser Pflanze tritt aber keine Aggregation ein, die augenscheinlich, sowie auch der chemo- nastische Reiz, in den gleichen Bahnen, jedoch viel langsamer fortgepflanzt wird. Die schnelle Fortleitung des mechanischen Reizes in dem Blatte von Aldrovandia muss aber in dem Blattparenchym vor sich gehen, da in den beiden Blattflügeln eigentliche Gefässbündel nicht ausgebildet sind 2). § 95. Fortleitimg mechanischer und chemischer Heizungen, Während wir in Folgendem einen Blick auf die Fortleitung der in II, § 89- — 94 besprochenen mechanischen und chemischen Reizungen werfen, setzen wir die Bekanntschaft mit den allgemeinen Betrachtungen über die Reizleitung in Band II, § 52, 53 voraus, Betrachtungen, in welchen auch einzelne mechanische Reizungen zur Erläuterung benutzt wurden. Wir können uns desshalb kurz fassen, da es sich im wesentlichen darum handelt, im Anschluss an das Gesagte specielle Verhältnisse zu erörtern. Auch bei den mechanischen und chemischen Reizungen ist die Reizausbreitung in einem sehr ungleichen Grade ausgebildet. In vielen Fällen bleibt die Reaction im wesentlichen auf die direct gereizte Partie beschränkt (vgl. II, § 120, für tropistische Reize) oder ergreift doch nur das reizbare Gelenk u. s. w., in dem, wenigstens bei Erschütterungsreizbarkeit, die Auslösung schon durch die mit der Reaction verknüpften, mechanischen Zerrungen u. s. w. gesichert ist. 1) Gh. Darwin, 1. c. p. 284; Batalin, 1. c. p. 147. 2). Die Literatur über Aldrovandia ist II, p. 4ö7 citirt. 470 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Dagegen sind Mimosa pudica, Spegazzinii u. s. w. bekannte und ausgezeichnete Beispiele für eine ausgedehnte Reizfortpflanzung, durch die aUmählich in allen Gelenken eines Blattes und, unter günstigen Bedingungen, in allen Blättern einer Pflanze die Reizbewegung ausgelöst wird, wenn ein Endblättchen eines Fieder- strahles durch Anschneiden oder Anbrennen gereizt wird (II, p. 433 und Fig. 48). Aehnlich wie in einer minder empfindlichen Mimosa pudica wird auch der Reiz in dem Fiederblatte von Biophytum sensitivum') fort geleitet, während in dem gedreiten Blatte von Oxalis acetosella^) die Reaction auf das direct gereizte Blättchen beschränkt bleibt. Ebenso breitet sich bei den sehr reizbaren Staubfäden von Berberis und Cen- taurea der Reiz nicht auf die unmittelbar benachbarten Staubgefässe aus. Bei diesen Objecten tritt auch keine Reizung ein, wenn man die Blüthenstiele bezw. die Röhre der Blumenkrone direct unter der Insertion der Filamente durch- schneidet-^). Bei den Narben von Martynia lutea, proboscidea und Mimulus cardinalis, jedoch nicht bei den Narben von Mimulus luteus, wird aber durch die Reizung des einen Narbenlappens auch der andere in Action versetzt -i). Be- sonders schnell pflanzt sich bei Dionaea die Reizung von dem einen auf den anderen Blattflügel fort (Fig. 53, p. 435, 456). Ferner wird bei den ziemlich sensiblen Staubgefässen von Sparmannia africana^) eine massige Aus- breitung des Reizes auf die benachbarten Filamente beobachtet. Bei Phycomyces findet keine merkliche Reizleitung statt (II, p. 459). Dagegen pflanzt sich bei den Ranken die Contactreizung ziemlich schnell von der berührten zu der opponirten (nicht berührten) Flanke und auf eine gewisse Strecke auch in der Längsrichtung fort (II, p. 430, § 120). Eine ausgezeichnete Fortleitung mechanischer und chemischer Reizungen findet bei Drosera statt, bei welcher, wie wir hörten, infolge der Perception des Reizes in dem Drüsenköpfchen die motorische Action nicht nur in dem eigenen Stiel, sondern unter Umständen in allen Tentakeln des Blattes ausgelöst wird (II, § 93, 94). Die Separation der perceptorischen und motorischen Region besteht nach Oliver auch bei dem Labellum von Mas- devallia muscosa (II, p. 435), obgleich, wie es scheint, dieser Pflanze Stoss- reizbarkeit zukommt. Wo diese vorliegt, ist in allen anderen untersuchten Fällen die bewegungsthätige Zone perceptionsfähig. Auch wird man bei Mimosa nicht wohl von einer physiologischen Reizperception der Blattlamina, des Stengels u. s. w. reden können, wenn durch Einschneiden oder Quetschen dieser Organe eine Wasserbewegung und dadurch eine Reizung der Blattgelenke be- wirkt wird 6). 1) G. Haberlandt, Annal. d. Jardin. Botaniqu. d. Buitenzorg 1898, Suppl. II, p. 33. — Ueber Oxalis dendroides vgl. M. Macfarlane. Biological lectures 1894, p. 194. [Haberlandt, Sinnesorgane im Pflanzenreich igoi. p. SS.j 2) Cohn, Verhdig. d. schlesisch. Gesellsch. f. vaterl. Cultur 1839, p. ö6; Pfeffer, Physiol. Untersuch. 1873, p. 74. 3 W. Pfeffer, Jahrb. f. wiss. Bot. 1873—74, Bd. 9, p. 317. 4, F. W. Oliver, Bericht, d. Botan. Gesellsch. 1887, p. 167; Hansgirg, Physiol. u. Phycophytol, Untersuch. 1893, p. 47. Vgl. dieses Buch Bd. II, Fig. 52, p. 433. 5 Gh. Morren, Rech. s. 1. mouvement d'etamines du Sparmannia 1841, p. 23 (Sep. a. M^m. d. FAcadem. de Bruxelles Bd. 14;. 6) Auf dieselbe Weise dürfte wohl auch die Auslösung in dem Blattgelenke ver- ursacht werden, die Gh. Darwin ^Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 1 05) § 93. Fortleitung mechanischer und chemischer Reizungen. 47 1 Aus den angeführten Beispielen ist zu ersehen, dass weder bei den Stoss- noch bei den Tastreizungen mit einer hohen Sensibilität eine ansehnliche Reiz- leitung verknüpft sein muss. Ferner folgt schon aus den derzeitigen Erfahrungen, dass die Heizleitung in verschiedener Weise und zwar in gewissen Fällen mechanisch, in anderen Fällen durch physiologische Processe vermittelt wird. Eine rein mechanische Fortpflanzung des lleizes ergibt sich bei den für Stoss und Erschütterung empfindlichen Organen schon dadurch, dass durch die mecha- nische Action der zunächst betroffenen Zellen die Nachbarzellen und so schliess- lich die gesammten Zellen des sensibeln Organes gereizt werden. Aber auch die noch näher zu besprechende Ueiztransmission bei Mimosa pudica, welche in dem Gefässbündel , und zwar sogar durch abgetödtete Stengel- und Blattstiel- stücke, vermittelt wird, beruht darauf, dass in den Gelenken durch die mecha- nische Wirkung der Wasserbewegung die Auslösung erzielt wird. Da solcher Erfolg nur bei geeigneter Ausbildung der Leitbahnen und bei zweckentsprechen- dem Zusammenhang dieser mit den sensiblen Zellen möglich ist, so begreift man, dass z. B. die Staubfäden der Berberideen und Cynareen auf diese Weise nicht gereizt werden. Ohne Frage wird aber die vorhin erwähnte Reizleitung bei den auf Stoss- reiz empfindlichen Narben von Martynia, Mimulus, bei den Staubfäden von Sparmannia und vermuthlich auch bei dem Labellum von Masdevallia auf andere Weise ausgeführt. Die besprochene mechanische Reizübertragung ist ohnehin bei den auf Tastreiz reagirenden Pflanzen unmöglich, da mechanische Beugungen, sowie die hierdurch erzielte Wasserbewegung, nicht auslösend wirken (II, § 89). Wichtiger und von allgemeinerer Bedeutung als die mechanischen Reiz- transmissionen sind die physiologischen Reizverkettungen, die auch in Bezug auf die uns hier beschäftigenden Bewegungsvorgänge nicht aufgehellt sind (vgl. II, § 52, 53, 120). Da aber nach den allgemeinen Erörterungen in II, § 52 die physiologische Reizleitung mit und ohne Plasmaverbindungen und in beiden Fällen in verschiedener Weise ausführbar erscheint, so muss auch die Fort- leitung der mechanischen und chemischen Bewegungsreize nicht immer in der- selben Weise geschehen, und es ist nicht ausgeschlossen, dass gleichzeitig ver- schiedene Leitprocesse erweckt werden und zusammengreifen. Letzteres ist z. B. thatsächlich der Fall, wenn, wie bei Mimosa, bei den Narben von Martynia u. s. w. die aus der Reaction entspringende, mechanische Zerrung für die Ausbreitung der Reizung innerhalb des reizbaren Organes, aber nicht für die Uebertragung der Reizung auf Organe ausreicht, die durch inactive (nicht bewegungsthätige) Gewebe getrennt sind. Durch die mechanische Zerrung kann ferner in dem Blatte von Dionaea die durch einen Stoss ausgelüste, schnelle Bewegung, aber nicht die langsame Bewegung und Reizfortpflanzung bei einer chemischen Reizung übermittelt werden. Es lässt sich demgemäss nur empirisch entscheiden, ob bei Drosera beobachtete , als die Lamina der Cotyledonen von Oxahs sensitiva und einigen Cassia- Arten gerieben wurde. — Auch Goebel Pflanzenbiolog. Schilderungen 1893, II, p. 20t Anm.) beobachtete gelegentlich, dass bei einer wenig reizbaren Dionaeaeine Reaction in der einen Blatthälfte nicht direct, wohl aber durch die Berührung der anderen Blatthälfte ausgelöst wurde. 472 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. die Fortleitung des Bewegungsreizes nach mechanischer und chemischer Reizung in derselben Weise geschieht. Die Fortleitung dieser Bewegungsreize wird aber bei Drosera nach den früheren Erörterungen augenscheinlich mit anderen Mitteln erreicht, als die Fortleitung des wahrscheinlich mit der Secretion zu- sammenhängenden Aggregationsprocesses (II, § 94). Mit Berücksichtigung des Gesagten schliesst also der Nachweis, dass bei Mimosa die Reizübertragung auf andere Gelenke durch Druck- und Bewegungszustände des Wassers verursacht wird, noch nicht die Möglichkeit aus, dass die Fernleitung ausserdem noch durch einen anderen, langsamer fortschreitenden Process besorgt wird. Mög- licherweise beruhen einige unten zu erwähnende Eigenthümlichkeiten bei der Reizfortpflanzung in Biophytum sensitivum auf der gleichzeitigen Auslösung von zwei verschiedenen Leitprocessen. Mit der Ermittelung der Leitungsbahnen ist, wie ich nochmals betone (vgl. II, § 52), noch nicht der Leitungsprocess aufgeklärt. Aus den bisherigen Untersuchungen ergiebt sich übrigens, dass theilweise die Gefässbündel, theil- weise das Grundgewebe oder auch beide zugleich als Leitbahnen functioniren. Dass bei Mimosa die Fernleitung in dem Gefässbündel stattfindet, hängt mit der Art und Weise der Reizfortpflanzung in dieser Pllanze zusammen. Jedoch ist nach Oliver^) auch im Labellum von Masdevallia die Reizleitung auf das Ge- fässbündel beschränkt, obgleich dieselbe offenbar nicht durch Wasserbewegung vermittelt wird. Dagegen geht die mechanische (durch Zerrung vermittelte) Reizfortpflanzung in dem Bewegungsgelenke von Mimosa pudica, im Staubfaden von Centaurea u. s. w. im activen Parenchym vor sich. Ferner wird nach Oliver-) in den auf Stossreiz reagirenden Narben von Mimulus und Martynia die Fernleitung allein oder doch vorwiegend durch das Parenchym besorgt. Dieses Gewebe ist ferner bei Drosera zur Fortleitung der Tastreizung und chemischen Reizung befähigt, jedoch scheint diese Fortleitung in den Gefässbündeln etwas schneller von statten zu gehen (II, § 94). In allgemeinen Zügen wurde bereits II, § 53 hervorgehoben, dass die Pflanze in der Regel mit langsamen Reizfortpflanzungen arbeitet und auskommt. Bei dieser Gelegenheit ist auch schon ausgesprochen, dass bei der besonders schnellen Reizfortpflanzung in Mimosa pudica unter günstigen Umständen eine Strecke von 15 mm in 1 See. durchlaufen wird 3). Möglicherweise geht in dem Gelenke von Mimosa pudica und in dem Staubfaden von Centaurea die durch die mechanische Zerrung verursachte Reizfortpflanzung noch etwas schneller von statten. Dagegen rückt z. B. bei Drosera der von dem mechanisch oder chemisch gereizten Drüsenköpfchen ausstrahlende Impuls günstigen Falles in 1) F. W. Oliver, Annais of Botany 1888, Bd. I, p. 249. 2) F. W. Oliver, Bericht, d. Botan. Gesellsch. 4 887, p. ^6S. Der Reiz wird auch nach dem Durchschneiden der Gefässbündel transmittirt. 3j Dutrochet, Recherch. anatomiqu. et physiologiqu. 1824, p. 80; P. Bert, Mem. d. l'Academ. d. Bordeaux 4870, Bd. 8, p. 47; Pfeffer, Jahrb. f. wiss. Bot. 1873 — 7 4, Bd. 9, p. 325; G. Haberlandt. Das reizleitende Gewebesystem der Sinnpflanze 1 893, p. 69. Ueber die geringere Fortpflanzungsschnelligkeit bei Biophytum sensitivum vgl. Haberlandt, Annales du Jardin Botan. d. Buitenzorg 1898, Suppl. p. 35. § 93. Fortleitung mechanischer und chemischer Reizungen. 473 1 Minute bis zu 1 0 mm i) vor, und bei den meisten Pflanzen wird der Reiz noch langsamer fortgeleitet (vgl. II, p. 231 und § 120). Aus den schon früher (II, p. 231) erörterten Gründen stösst die genaue Ermittelung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Reizes auf gewisse Schwierig- keiten. Natürlich ist aber die nach der ausgelösten Reaction bemessene Aus- breitungsschnelligkeit des Reizes nicht nur von den Eigenschaften der Pflanze abhängig, sondern auch von den Aussenbedingungen. Es ist ja allgemein bekannt, dass die Reizfortpflanzung in Mimosa pudica, und ebenso in anderen Pflanzen, z. B. durch die Erniedrigung der Temperatur oder des Turgescenzzustandes^ durch Chloroform u. s. w. beliebig verlangsamt und endlich ^anz aufgehoben werden kann 2). Ein derartiger Erfolg kann einmal durch die Herabsetzung der Intensität des Erregungsprocesses und ferner durch die Verminderung der Leitfähigkeit oder der Sensibilität oder der Actionsfähigkeit, bezw. durch die Combination dieser Factoren erzielt werden. Ein näheres Studium der Abhängig- keit dieser Factoren von den Aussenbedingungen hat aber auch desshalb Be- deutung, weil sich daraus unter Umständen Anhaltepunkte für die Beurtheilung des Leitungsprocesses ergeben. So folgt z. B. aus der Erfahrung, dass der Reiz bei Mimosa auch durch älherisirte und sogar durch todte Gewebe trans- mittirt wird, dass es sich in diesem Falle nicht um einen vitalen Leitungs- process handelt. Dass die Reizleilung bei Mimosa pudica (II, p. 470, 433) in dem Gefässbündel vor sich geht, wurde bereits durch Dutrochet^) nachgewiesen. Auch die An- nahme dieses Forschers, die Reiztransmission werde dui'ch eine plötzliche Ver- änderung der Wasserbewegung vermittelt, hat sich als richtig erwiesen. Denn diese allgemeine Schlussiblgerung ist sichergestellt, nachdem von mir"^) (Reiz- leitung über chloroformirte Partien etc.) und von Haberlandt^) (Leitung über abgetödtete Strecken) dargethan ist, dass die Reizleilung auch ohne Mithilfe physiologischer Reactionen und sogar in todten Stengel- und Rlattstücken mög- lich ist. Wir sind nämlich berechtigt, einen Zusammenhang der Reizfortpflanzung mit den Rewegungs- und Druckveränderungen des Wassers in dem Gefässbündel anzunehmen, weü unter anderm bei dem Einschneiden in den Stengel (oder in den Blattstiel) eine Reizung erst eintritt , wenn das Messer in das Gefässbündel eindringt und verursacht, dass aus diesem ein Wassertropfen hervorschiesst. Gleich darauf erfolgt dann die Reizung des benachbarten Blattes, und mit der allmählichen Ausbreitung der besagten Störung werden successive alle Blätter und i) Da nach II, p. 4 61 bei kräftiger Reizung des Köpfchens in 10—20 See. eine Krümmung an einer Stelle des Tentakels eintritt, die 2 — 3 mm von dem Köpfchen ent- fernt ist, so muss der Leitprocess mindestens mit einer Schnelligkeit von 1 0 mm in 1 Minute fortschreiten. 2 Vgl. Pfeffer, 1. c. p. 326. 3! M. H. Dutrochet, Recherch. anatom. et physiologiqu. 1824, p. 69; Memoir. p. servir ä l'histoire d. vegetaux, Brüssel 1837, p. 272. 4) W. Pfeffer, Jahrb. f. wiss. Bot. 1873—74, Bd. 9, p. 308. 3) G. Haberlandt (Das reizleitende Gevvebesystem d. Sinnpflanze 1890, p. 35) beobachtete die Reizfortpflanzung über eine 1 o mm lange, D. T. Macdougal iBotanical Gazette 1896, Bd. 22, p. 296) über eine 30 mm lange, abgetödtete Strecke. 474 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. ßlättchen einer sensibeln Mimosa gereizt. Diese Reizung und Heizleitung unter- bleiben aber, wenn der Versuch an einer minder turgescenten Pflanze angestellt wird, die bei dem Anschneiden des Gefässbündels keinen Wassertropfen hervor- schiessen lässt. Ebenso wird nach der Reizung eines oder einiger Blättchen durch Berührung nur in der genügend turgescenten Pflanze eine Reizleitung beobachtet, von der wir annehmen dürfen, dass sie in analoger Weise zu Stande kommt, nämlich dadurch, dass durch das Hervorschiessen von Wasser aus den activen Zellen (II, p. 451) und vielleicht auch durch die gewaltsame Krümmung in dem Gefässbündel, eine sich fortpflanzende Störung der Bewegungs- und Druck- zustände des Wassers hervorgerufen wird. Da in diesem Falle die Störung ge- ringer ausfällt, so ist begreif Hch, dass nach dem Anschneiden oder Anbrennen eines Blättchens eine weitergehende Fortpflanzung des Reizes stattfindet, als bei einer Reizung durch Berührung. Dass indess dieser Transmissionsprocess im näheren nicht aufgekläi't ist, er- giebt sich schon aus den verschiedenartigen Schlussfolgerungen, zu denen Haber- ■ landt (1. c. p. 52) und Macdougal il. c. p. 299) kommen. Während nämlich nach Haberlandt die Reizleitung der Hauptsache nach darauf beruht, dass in den Gerbstoffschläuchen (Saftschläuchen) i) des Phloems (durch locale Zufuhr oder Entziehung von Wasser, bezw. durch Druck) eine positive oder negative Druck- welle entsteht, die sich bis in das Gelenk fortsetzt und in diesem rein mecha- nisch die Reizung der sensibeln Zellen bewirkt, glaubt Macdougal aus ver- schiedenen Experimenten schhessen zu müssen, dass die Reiztransmission nicht durch diese oder ähnliche Druckschwankungen besorgt wird. Haberlandt stützt sich besonders auf die Thatsache, dass der Flüssigkeitstropfen, welcher bei dem Anschneiden des Gefässbündels hervorschiesst, wesentlich aus den be- sagten Gerbstoffschläuchen stammt. Dass aber die Reizleitung auch ohne diese Gerbstoffschläuche möglich ist, ergiebt sich schon aus den Versuchen Dutro- chet's^), in denen eine Reiztransmission erfolgte, obgleich mit einem Rindenring diese Schläuche entfernt waren, und demgemäss 'nach gleichzeitiger Unterbrechung des Markes) nur das Xjleni als wirksame Leitbahn zur Verfügung stand. Uebrigens hat Haberlandt bei seinen Interpretationen übersehen, dass in einem abgetödteten Zwischenstück die Bedingungen für die Fortpflanzung einer Druckwelle in den Saftschläuchen gar nicht mehr vorhanden sind''^. Ausserdem findet nach Borzi (1. c. p. 4) bei Aeschynomene indica und Neptunia oleracea die Reizfortleitung in Geweben statt, die ein zusammenhängendes System von Gerbstoffschläuchen nicht besitzen. Ferner fand Macdougal (1. c), dass an keinem Blatte eine Reizauslösung erfolgt, wenn die thunlichst grosse Schnittfläche eines Sprosses von Mimosa pudica in Salpeterlösung getaucht und dadurch plötzlich eine locale Senkung des i) Näheres über diese Schläuche und ihren Inhalt bei Haberlandt 1890, 1. c. , Physiol. Anatomie II. Aufl. 1896, p. 482; F. Baccarini, Botan. Centralbl. 1893, Bd. 54, p. 171; A. Borzi. L"apparato di moto delle Sensitive 1899. (Ein Referat im Botan. Centralbl. 1899, Bd. SO, p. 351.) Da diese Schläuche auch anderweitig vorkommen, so sind sie, ebenso wie ihre besonderen Inhaltsstoffe, in erster Linie auf andere Ziele und Zwecke berechnet, und nur nebenbei bei gewissen Pflanzen auch für die Reiztrans- mission nutzbar gemacht. 2) Dutrochet 1824, I.e. p. 69. — Bestätigungen z. B. bei Haberlandt. 1890, I. c. ; Macdougal, 1. c. 3) Der lebende Theil des Schlauches schliesst sich gegen den verletzten Theil ab, wie das auch von Haberlandt angegeben wird. Ohne diesen Abschluss würde aber im lebenden Theil eine Restauration der Turgorspannung nicht möglich sein. § 95. Fortleitung mechanischer und chemischer Reizungen. 475 Turgors (auch in den Gerbstoffschläuchen) bewirkt wird. Dieser Forscher (1. c.) erhielt auch ein negatives Resultat, als er den Druck, unter dem das Wasser in die Schnittfläche eines Stengels von Miniosa pudica getrieben wurde, plötzlich um 3 — 8 Atmosphären steigerte. Da sich nach Macdougal unter diesen Umstän- den die Drucksteigerung im Xjlem, aber auch in den Saftschläuchen schnell bis in die fernsten Sprosse und Blätter fortpflanzt, so muss man allerdings folgern, dass die Reizleitung nicht durch eine beliebige Drucksteigerung, Wasserbewegung oder Wasserzufuhr vermittelt wird. Es muss also ferneren Forschungen vorbehalten bleiben, zu ermitteln, unter welchen Bedingungen eine Störung der Wasserbewegung oder des Wasserdruckes die Reizfortpflanzung zu bewii-ken vermag. Denn so weit wir die Sachlage übersehen, hängt die Reizleitung über ein abgetödtetes Sprossstück mit einer Wasserbewegung zusammen. Andererseits muss man zugeben, dass bis dahin nicht mit aller Strenge erwiesen ist, ob die durch das Anschneiden bewirkte Reizung und Reizfortpflan- zung nur von dem Hervorschiessen des Flüssigkeitstropfens (bezw. von den hier- durch veranlassten Störungen der Wasserbewegung und der hydrostatischen Druckverhältnisse) abhängen oder durch anderweitige Vorgänge bedingt sind, die gleichzeitig inscenirt werden i). Auch ist noch nicht entschieden, ob, wie es sogar wahrscheinlich ist, in Mimosa eine Fernleitung auf verschiedene Weise zu Stande kommen kann. Es bedarf aber keiner besonderen Erörterungen, dass man aus dem anatomischen Bau des Gelenkes nicht ohne weiteres ablesen kann, durch welche Mittel die Reizung der sensibeln Zellen erzielt wird. Ebenso ist aus der Existenz von Plasmaverbindungen 2) nicht zu ersehen, ob diese in einem gegebenen Falle eine entscheidende Bedeutung haben. Die Art und Weise der Ausbreitung des Reizes ist aber aus der Anordnung und Verkettung der Gefäss- bündel zu verstehen, gleichviel, ob die Reizfortpflanzung im Xylem oder im Phloem stattfindet '^). Bei Biophytum sensitivum wird nach Macdougal (1. c. p. 296) der Reiz ebenfalls über ein abgebrühtes Stück der Blattspindel fortgeleitet, während dieses nach Haberia n dt-*) nicht zutrifft. Eine Eigenheit dieser Pflanze besteht nach Haberlandt (1. c. p. 35) darin, dass nach dem Anschneiden eines Fiederblättchens in den Gelenken der Blättchen zunächst eine submaximale Reizung ausgelöst wird, und dass dann (ohne einen weiteren äusseren Anstoss) diese partielle Reizbewegung sich noch ein oder einige Mal an den Blättchen wiederholt, während dieselben in der rückgängigen (ausgleichenden) Bewegung begriffen sind. Da diese Periodicität 1) Falls die Versuchsresultate Macdougal's nicht durch die besonderen Versuchs- bedingungen veranlasst, sondern allgemein giltig sind, so würde man freilich danach suchen müssen, ob etwa die Reiztransmission durch die todte Strecke, und also auch in den lebenden Strecken, durch die Zuleitung eines reizauslösenden Stoffes bedingt ist. Denn nach diesen Versuchen wird durch keinen Wasserwechsel, also auch nicht durch eine Imbibitionsänderung, eine Reizauslösung hervorgerufen. Jedenfalls ist also eine kritische Bearbeitung dieser Fragen nothwendig. 2) Haberlandt's Angabe (1890, I.e. p. 25), nach der zwischen den Gerbstoff- schläuchen und den Collenchymzellen keine Plasmaverbindungen bestehen, ist nach F. Kienitz-Gerloff (Bot. Ztg. 1891, p. 25) unzutreffend. 3) Vgl. z. B. Pfeffer, 1. c. p. 318; Haberlandt, 1. c. 4) G. Haberlandt, Annales d. Jardin Botan. d. Buitenzorg 1898, Suppl. H, p. 38. Ueber Oxalis dendroides vgl. M. Macfarlane, Biological Lectures 1894, p. 194. 476 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. auf verschiedene Weise verursacht sein kann, so muss eine Aufklärung dieses Falles speciellen Untersuchungen überlassen werden ^). Ueber Abhängigkeit der Reizbarkeit von äusseren Verhältnissen vgl. II, § 105. Abschnitt IV. Photo-, thermo- und hydronastisohe Krümmungsbewegungen. § 96. Allgemeines. Da das Wachsthum der verschiedenen Zellen und Gewebe eines Organes in einem ungleichen Grade von Temperatur, Beleuchtung, Wassergehalt u. s. w. abhängt (II, Kap. VI), so wird in physiologisch dorsiventralen Organen durch die Variation eines der genannten Factoren häufig eine thermonastische, photo- nastische oder hydronastische Bewegung verursacht (II, p. 83, 356). Diese fällt allerdings, ebenso wie die durch chemische (II, § 94), mechanische (II, § 89) oder andere diffuse Eingriffe veranlassten Reactionen, oft nur gering, in manchen Fällen aber ansehnlich aus. Letzteres ist z. B. bei den vom Licht- oder Temperaturwechsel abhängigen Tagesbewegungen (den Schlafbewegungen oder nyctinastischen^) Bewegungen) der Fall, bei welchen u. a. Blüthen geschlossen oder geöffnet und Laubblätter (durch Wachsthum oder Variation) aus der aus- gebreiteten Tagstelhmg in die Nachtstellung übergeführt werden und umgekehrt. Mit diesen Erörterungen ist zugleich gesagt, dass diese, sowie andere aitionastische Bewegungen (Aitionastien) dazu dienen, ein Organ in diejenige Gleichgewichtslage überzuführen, welche den veränderten, diffusen Aussen- bedingungen entspricht, dass ferner für eine jede constante (diffuse) Constellation der Aussenbedingungen eine bestimmte Gleichgewichtsstellung angenommen wird, die bei reactionsfähigen Organen je nach dem Ausmaass der Temperatur, des Lichtes, des Wassergehaltes verschieden ausfallen kann. So sind u. a. bei niedriger Temperatur oder bei mangelhafter Beleuchtung die sonst aufrechten Blüthenstiele gewisser Pflanzen nach abwärts gekrümmt, während unter diesen Aussenbedingungen bei anderen Pflanzen die Laub- oder Blumenblätter aneinander- gepresst sind, so dass z. B. eine derartige Blüthe, die sich normalerweise öffnet, dauernd geschlossen bleibt, also cleistogam erscheint. 1) Warum bei Mimosa pudica bei einer bestimmten Art der Reizung eine intermit- tirende Auslösung eintritt, ist II, p. 443 besprochen. Natürlich muss das Verhalten des Bio- phytum nicht ebenso aus der allmählichen Wiederkehr bezw. Zunahme der Sensibilität und der Wiederholung (Fortdauer) des Reizanstosses resultiren. Sofern aber eine längere Fortdauer des primären Leitungsprocesses im :Spiele ist, kann dieser nicht auf rein transitorischen Störungen in den Bewegungs- und Druckzuständen des Wassers be- ruhen. 2) Da wir »Tropismus« für die durch einen einseitigen Reiz verursachten Be- wegungen reserviren (II, p. 83, 356), so müssen wir consequenterweise anstatt der von Ch. Darwin (Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 238) eingeführten Bezeichnung »nyc- titropisch« die Bezeichnung »nyctinastisch« verwenden. § 96. Allgemeines. 477 Auch bei diesen aitionastischen Bewegungen geht die Krümmungsbewegung häufig und zum Theil ansehnlich über die Gleichgewichtslage hinaus, die zu- weilen erst nach einer Anzahl von Oscillationen angenommen wird^). So werden z. B. die geschlossenen BliUhen von Crocus und Tulipa durch die plötzliche Erhöhung der Temperatur sehr weit geöffnet und kehren dann allmählich auf die geringere Offnungsweite zurück, die sie bei Constanz der her- gestellten Temperatur beibehalten. Ein derartiger Beactionsverlauf tritt auch bei Erniedrigung der Temperatur ein, wenn durch die Entfernung von 5 Blumen- blättern dafür gesorgt ist, dass das übriggebliebene Perigonblatt bei der Schliessungsbewegung nicht an die übrigen Blumenblätter gepresst wird, also die angestrebte Bewegung real ausführen kann. Ein analoges Resultat wird ausserdem beim Verdunkeln und Erhellen mit den photonastisch reagirenden Blüthen, Laubblättern etc. erhalten. Unter diesen Umständen kommt es, be- sonders bei nyctinastischen Laubblättern, vor, dass die Verdunklung zwar eine ansehnliche Krümmungsbewegung verursacht, die endliche Gleichgewichtslage aber trotzdem nicht verschoben wird, weil das Blatt allmählich annähernd in diejenige Stellung zurückkehrt, die es zuvor bei Beleuchtung einnahm. Die endliche Gleichgewichtslage ist natürlich unabhängig von den transi- torischen Oscillationen, die daraus resultiren, dass die antagonistischen Gewebe in verschiedener Weise, also mindestens ungleich schnell, den neuen, bleibenden Gleichgewichtszustand erreichen. Demgemäss treten diese transitorischen Oscillationen zurück oder unterbleiben gänzlich, wenn man dafür sorgt, dass sich die Temperatur, die Beleuchtung, der Turgescenzzustand allmählich (also genügend langsam) ändern. Unter diesen Umständen fallen somit diejenigen Krümmungsreactionen aus, die nur bei schnellerem Wechsel der Beleuch- tung, der Temperatur u. s. w. eintreten, durch die aber die definitive Gleichgewichtslage nicht verschoben wird. Diesen Voraussetzungen entsprechen in der That die empirischen Erfahrungen an den thermonastisch reagirenden Blüthen von Crocus, Tulipa u. s. w., an den photonastisch reagirenden Blättern von Impatiens, Robinia etc. Ferner ist es begreiflicb, dass langsam reagirende oder wenig empfindliche Objecte auch bei schneller und ansehnlicher Veränderung der Temperatur, der Beleuchtung u. s. w. direct, d. h. allmählich und ohne transitorische Oscillationen, in die den neuen Bedingungen entsprechende Gleich- gewichtslage übergehen. Uebrigens kann man sich diese Verhältnisse auch an Mechanismen versinnlichen. Denn wenn man z. B. zwei der Länge nach zusammen- gelüthete Metallstäbe, von welchen der eine mit einem schlechten Wärmeleiter um- geben ist, plötzlich erwärmt, so wird ebenfalls eine transitorische Krümmungs- bewegung eintreten, gleichviel ob die beiden Stäbe denselben oder einen ver- schiedenen Ausdehnungscoefficienten besitzen, ob sie also endlich die Ausgangslage wieder gewinnen oder (wie bei einem Metallthermometer) eine bleibende Krümmung erfahren. Diese tritt aber bei langsamer Erwärmung allmählich und ohne Oscil- lationen ein, während unter diesen Umständen keine merkliche Krümmungs- bewegung stattfindet, wenn den beiden verketteten Metallstäben derselbe Aus- dehnungscoefficient zukommt. In dem Organismus liegen aber die Verhältnisse nicht so einfach wie in 1) Vgl. Bd. II, p. 366. Ferner II, p. 423 für Ranken; II, p. 460 für Drosera etc. 478 Kap. XII. Kriimmungsbewegungen. einem Mechanismus. Denn wenn auch die physiologische Krümmungsbewegung zunächst durch die relativ ungleiche Veränderung der Wachsthumsthätigkeit (bezw. der elastischen Expansionsenergie) in den antagonistischen Hälften ver- ursacht wird, so ist doch schon die Veränderung der Wachsthumsthätigkeit (bezw. des Turgors) das Resultat von verwickelten physiologischen Processen. Zudem werden durch die Krümmung, überhaupt durch die eingeleiteten Reactionen und durch die Inanspruchnahme, regulatorisch wirkende Reize aus- gelöst und Gegenreactionen erweckt. Aus dem Zusammenwirken aller dieser Reactionen mit den ausgelüsten und angestrebten aitionastischen Vorgängen resultiren dann ebensowohl der Verlauf der Rewegungsreaction, als auch die Gleichgewichtslage, auf welche sich endlich das Organ einstellt. Es handelt sich also in jedem Falle um verwickelte Processe, wie schon früher (II, p. 365, vgl. auch II, p. 199, 201) im allgemeinen und ferner bei der Resprechung der Reizbewegungen der Ranken (II, p. 424), der Tentakeln von Drosera u. s. w. (II, p. 460) dargethan wurde. Rei diesen Gelegenheiten ist ferner darauf hin- gewiesen, dass unter Umständen durch die Accommodalionen, durch die Modification der Reizbarkeit und Reizstimmung, der Actionsfähigkeit u. s. w. Redingungen geschaffen werden, die wiederum regulirend eingreifen und das auch dann, wenn das Organ während der Action dauernd seine Reizbarkeit bewahrt. Zu den Factoren, die bei gewissen Pflanzen den Verlauf der aitionastischen Krümmungsbewegungen beeinflussen, gehören ferner die transitorischen Störungen, die durch den schnellen Wechsel der Temperatur, des Lichtes u. s. w., also durch den Uebergangsreiz verursacht werden i). So wird durch den Temperatur- wechsel in den Perigonblättern von Crocus, Tulipa etc., durch den Lichtwechsel in den stark photonastisch reagirenden Laub- und Rlumenblättern eine transi- torische Wachsthumsbeschleunigung ausgelöst (vgl. II, § 103), die insofern von Redeutung ist, als durch dieselbe die Actionsfähigkeit erhöht wird. Desshalb, und weil zugleich die antagonistischen Flanken in ungleichem Grade reagiren, erfolgt z. R. bei einem Temperaturabfall eine schnelle Schliessung der Rlüthe von Crocus etc. selbst dann, wenn die Temperatur soweit erniedrigt wird, dass das Wachsthum fernerhin nahezu zum Stillstand kommt. Eine derartige transitorische Wachsthumssteigerung wird ausserdem u. a. durch die Tastreizung in den Ranken ausgelöst (II, p. 428), und es ist nicht zu bezweifeln, dass auch in diesem Falle die Wachsthumsbeschleunigung, also der Erfolg der Uebergangs- reizung, ausfällt, wenn die Tastreizung sehr allmählich hergestellt und ge- steigert wird. Ganz spurlos dürfte übrigens die plötzliche Veränderung der Aussen- bedingungen an keinem Organismus vorübergehen, wenn auch vielfach eine Wachsthumsstörung oder eine andere auffällige Reaction nicht bemerklich wird. Thatsächlich wird z. R. bei den meisten Pflanzen durch die sprungweise Variation der Temperatur (II, p. 93) und der Releuchtung (II, p. 109) eine geringe, transitorische Wachsthumsstörung verursacht. In den ansehnlichen, tran- sitorischen, aitionastischen Reactionen liegt also eine besondere Anpassung vor. 1) Vgl. Bd. I, p. lö; Bd. II, p. 93, -109, 152, 364. Ferner für Plasmabewegungen II, § 141 etc. § 96. Allgemeines. 479 die es auch bedingt, dass speciell in den pholonaslischen Pflanzen eine vorüber- gehende Wachsthumsbeschleunigung noch durch eine verhältnissmässig langsame Abnahme der Helligkeit hervorgerufen wird. Uebrigens reagiren nicht alle Pflanzen im gleichen Grade, und es fehlt nicht an Organen, die anscheinend keine merkliche Uebergangsreizung erfahren, obgleich ihre Gleichgewichtslage durch die Veränderung der Temperatur, des Lichtes u. s. w. erheblich verschoben wird. Da es sich in jedem Falle um die Ausbildung specifischer Eigenheiten handelt, so ist es wohl möglich, dass es auch aitionastische Organe giebt, in welchen der plötzliche Wechsel der Temperatur, des Lichts u. s. w. eine transi- lorische Verzögerung (Depression] des Wachsthums hervorruft, so wie ja auch in dem Blattgelenke von Mimosa pudica durch den Uebergangsreiz (den Stossreiz) vorübergehend eine Turgorsenkung ausgelöst wird (II, § 91). Da sich die photonastischen Reactionen mit dem täglichen Beleuchtungs- wechsel rhythmisch wiederholen, so kommt schon dieserhalb in der Natur eine tägliche, periodische Bewegung zu Stande (II, p. 248). Bei den tj-pischen Schlaf- bewegungen wird indess die Rhythmik dadurch verstärkt und gesichert, dass auf die photonastischeReaction in einem ähnlichen Rhythmus Nach Wirkungsbewegungen folgen, die in constanter Beleuchtung oder Dunkelheit allmählich ausklingen. Durch das Zusammenwirken dieser Nachwirkungsbewegungen und der sich an jedem Morgen und Abend wiederholenden, photonastischen Reactionen werden also, in der schon früher (II, p. 25ö) angedeuteten Weise, die Tagesbewegungen erzielt, die somit durch die Aussenverhältnisse bedingt sind, also nicht auf einer erblichen Periodicität beruhen (vgl. II, § 98). Aber nicht alle aitionastischen Reactionen haben ansehnliche Nachwirkungs- bewegungen zur Folge. Diese werden u. a. bei den thigmonastischen Be- wegungen von Ranken, Drosera etc. vermisst und scheinen der Regel nach auch bei den thermonastischen und hydronastischen Bewegungen zurückzutreten. Demgemäss wird z. B. das Oeffnen und Schliessen der Blüthen von Crocus, Tulipa etc. der Hauptsache nach nur durch die directe thermonastische Reizung verursacht und geregelt. Da zudem der tägliche Gang der Temperatur viel un- regelmässiger verläuft, als der tägliche Rhythmus der Beleuchtung, so ist es begreiflich, dass das tägliche Oeffnen und Schliessen der thermonastischen Blüthen grössere Unregelmässigkeiten bietet, als die periodische Bewegung der photo- nastischen Organe. Nach dieser allgemeinen Orientirung sollen in Folgendem die photonastischen, thermonastischen und liydronastischen Bewegungen (bezw. Gleichgewichtslagen) etwas näher behandelt werden, wobei indess, ebenso wie bei der Besprechung der chemonastischen, tliigmonastischen und seismonastisclien Bewegungen, nur die auffälligen und besonders bemerkenswertlien Reactionen berüclvsichtigt werden können. Sachgemäss halten wir uns zunächst an die Erfolge, welche durch die Variation eines Agens bewirkt werden, um weiterhin (II, § 101, 102) einen Blick auf das Zusammengreifen verschiedener Factoren zu werfen. Dabei ziehen wir aber die einseitigen (tropistisclien Reizwirkungen) nicht in Betracht, die viel- fach und zum Theil in- verwickelter Weise mit den aitionastischen Reactionen zusammenwirken. Bei richtiger Würdigung und Combination der Gi'undzüge, die in Obigem, sowie in den Erörterungen über Bewegungsvorgänge (II, Kap. XI), über Reizbarkeit 480 Kap. XII. Krümmungsbewegungen, (I, § 3), über die Beeinflussung des Wachsthums durch die Aussenbedingungen (II, Kap. VI) u. s. w. ausgesprochen sind, lassen sich, wenigstens im allgemeinen, die verschiedenartigen Reactionserfolge voraussagen und verstehen, die je nach den Eigenschaften der Organe und den obwaltenden Bedingungen erhalten werden. So ist es z. B. klar, dass an Stelle der OelYnungsbewegung eine Schliessungs- bewegung eintreten kann, wenn sich bei weiterer Steigerung der Temperatur, der Lichtintensität u. s. w. das Wachsthumsverhältniss entsprechend verschiebt, wenn also z. B. in der bis dahin epinastischen Flanke das Wachsthum dadurch ver- zögert wird, dass das Wachsthumsoptimum (II, p. 78) in diesem Gewebe früher erreicht und überschritten wird, als in dem antagonistischen Gewebe. Ferner ist zu beachten, dass bei dauernder Constanz der Aussenbedingungen nur die autogenen Bewegungen fortgesetzt werden (II, § 79 — 82). Unter diesen Umständen fallen also die aitionastischen, überhaupt alle aitiogenen Be- wegungen aus, während die Entfaltung der Laub- und Blumenblätter durch die selbstregulatorisch (autogen) gelenkte, specifische Wachsthumsthätigkeit in den antagonistischen Geweben bewirkt wird. Somit verhalten sich nunmehr die Blüthen, welche normalerweise Tagesbewegungen ausführen, wie die ephemeren (sich einmal öffnenden) Blüthen, die sich, wie schon früher (II, p. 3 85) bemerkt wurde, nicht scharf von den periodischen Blüthen unterscheiden lassen. Auch sind sowohl ephemere, wie periodische Blüthen mit kurzer oder längerer Lebens- dauer bekannt 1). Da diese durch die Aussenbedingungen modificirbar ist, so lässt sich unter Umständen, z. B. durch eine genügende Erniedrigung der Tem- peratur, die Lebensdauer einer kurzlebigen Blüthe so verlängern, dass eine Tages- bewegung möglich ist. "Wenn sich aber die Blüthen gewisser Pflanzen (z. B. Crocus) bei niedriger Temperatur oder bei schwacher Beleuchtung (Stellaria media) gar nicht öffnen, so ist dieses eine Folge davon, dass unter diesen (constanten) Bedingungen die Wachsthumsthätigkeit auf der Innenseite des Blumenblattes in keiner Entwickelungs- phase in genügendem Maasse (relativ) gefördert wird, um das Auseinanderweichen der aneinander gepressten Blumenblätter zu bewirken. Dass diese aber während der Entwickelungsperiode (II, § 2) eine Bewegungsthätigkeit im Sinne der OefTnungs- bewegung anstreben, ergiebt sich aus den autogenen Lagenänderungen, welche ein Blumenblatt von Crocus, Tulipa u. s. w. durchmacht, nachdem ihm durch Entfernung der übrigen fünf Blumenblätter die Bewegungsfreiheit verschafft ist. Unter diesen Umständen krümmt sich das junge Blumenblatt soweit nach innen, dass es zuweilen mit der Längsachse der Blüthe einen rechten Winkel bildet. Mit der Zeit wird aber diese Krümmung schwächer und bei einem bestimmten (constanten) Temperaturgrad endlich soweit ausgeglichen, dass sich das Perigon- blatt annähernd in der Lage befindet, die es in der geschlossenen, intacten Blüthe annimmt. Bei einer etwas höheren Temperatur wird also endlich eine Oeffnung der Blüthen erfolgen, che aber später einti'itt und geringer ausfällt, als bei einer (constanten) günstigeren Temperatur. Da aber eine plötzliche Temperatursteigerung transitorisch eine über die Gleichgewichtslage hinausgehende Oeffnungsbewegung hervorruft (II, p. 477), so kann durch die Temperaturerhöhung vorübergehend eine Oefl'nung der Blüthe von Crocus, Tulipa etc. auch dann bewirkt werden, wenn die Blüthe in demjenigen Gleichgewichtszustand geschlossen bleibt, welcher der er- höhten (constanten) Temperatur entspricht. Auch diese Betrachtungen gelten für die photo- und hjdronastischen Reactionen. l) Vgl. über die Lebensdauer der Blüthen etc. Oltmanns, Bot. Ztg. -1893, p. 32, 32; Hansgirg, Physiologisch, u. Phycophytolog. Untersuch. 1893, p. 15; Kerner, Pflanzenleben I. Aufl., 1891, p. 269. § 96. Allgemeines. 481 Gegenüber den Bliilhen, die unter normalen Verhältnissen cleistogam sind, kann man die Blüthen, welche sich nur unter ungewöhnlichen Aussenbedingungen nicht öffnen, facultativ cleistogam und zur Kennzeichnung des Factors, der haupt- sächlich das Geschlossenbleiben verursacht, thermo-, photo- oder hydrocleistogam nennen (Hansgirg, I.e. p. 10). Uebrigens ist einleuchtend, dass sich eine facultativ cleistogame Blüthe unter Umständen (je nach Standort, Jahreszeit, Klima) auch unter den in der Natur gebotenen Bedingungen nicht öffnet, und dass ferner das Geschlossenbleiben durch das Zusammenwirken verschiedener Factoren bedinijt sein kann. CT Nutzen der Beweg'ungeu, Die geringfügigen photo-. thermo- und hydro- nastischen Bewegungen sind wohl accessorische Reactionen, denen keine öko- logische Bedeutung zukommt. Dagegen dürften die ansehnlichen Schliessungs- bewegungen der Blüthen darauf berechnet sein, zur Nachtzeit (bezw. bei Nacht- blühern zur Tageszeit) den Besuch von hisecten zu verhindern, oder die Sexualorgane gegen Beschädigung durch Thau, oder auch, bis zu einem gewissen Grade, gegen eine benachtheiligende Abkühlung zu schützen^). In solchem Sinne mag auch die Senkung der Blüthen- und Ijlüthenstandstiele wirken, durch welche die Blüthen gewisser Pflanzen während der Nacht in eine abwäi'ts gerichtete Lage gebracht werden. Bei Laubblättern muss die Bedeutung der Schlafbewegungen darin gesucht werden, dass durch die gegenseitige Annäherung oder Aneinanderpressung der Blätter und Blättchen (II, § 97) irgend ein Vortheil gewonnen wird. In der That wird durch diese Reduction der freien Oberfläche in heiteren Nächten die Strahlung und Abkühlung vermindert (II, p. 30 4, § 159), was wiederum zur Folge hat, dass sich, wie Ch. Darwin 2) fand, an die in Nachtstellung befindlichen Blätter weniger Thau absetzt, als an gleichartige Blätter, die durch eine entsprechende Bandagirung während der Nacht zwangsweise in Tagstellung erhalten werden. Du diese in Tagstellung erhaltenen Blätter in kühlen Nächten mehr litten, als die normal schlafenden Blätter, so nimmt Ch. Darwin (1. c.) an, dass die nyctinastischen Bewegungen darauf berechnet seien, die Schädigung durch eine vorübergehende nächtliche Abkühlung thunlichst zu verringern, während nach Stahl 3) der Nutzen der Schlaf bewegungen darin bestehen soll, dass durch die Verringerung der Thaubildung die Verstopfung der Spaltöffnungen und damit die Sistirung der Transpiration verhütet wird (vgl. 11, § 38). In wie weit von diesen Ansichten eine oder beide berechtigt sind, und ob noch andere ökologische Vor- theile in Betracht kommen, müssen weitere Untersuchungen entscheiden. Jedenfalls ist schon aus dem Gesagten zu ersehen, dass diese aitionastischen Bewegungen eine verschiedenartige ökologische Bedeutung haben können, und wir werden noch bei Behandlung der Richtungsbewegungen erfahren (II, § 131, 13 2), dass in manchen Fällen Organe durch photonastische Reactionen in Verbindung mit tropistischen Bewegungen in eine bestimmte Lage gebracht werden, die auf die Aus- nutzung des Lichtes oder auf die Vermeidung einer zu intensiven Lichtwirkung u. s. w. abzielt. Da aber eine allseitige Betrachtung der aitionastischen Bewegungen auch 1) Hansgirg, 1. c. p. 175; Kerner, 1. c. Bd. II, p. M2. Die Schutzmittel des Pollens -1873. C. K. Sprengel (Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau u. in d. Befruchtung d. Blumen -1793, p. 4 3) sieht in den Blüthenbewegungen eine Schutzein- richtung für den Nektar. 2) Ch. Darwin, Das Bevvegungsvermögen d. Pflanzen -1881, p. S40, 250, 340; Botan. Centralbl. 1881, Bd.^S, p. 77. 3) Stahl, Bot. Ztg.''l897, p. 81. — In dieser Schrift ist Näheres über die öko- logische Bedeutung dieser Bewegungen zu finden. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 31 4S2 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. die schvrächeren Reactionen zu berücksichtigen hat, so kann man nicht, wie es Ch. Darwin (1. c. p. 253, 270) thut, aus teleologischen Rücksichten nur die ansehnlichen Schlafbewegungen als nyctinastische Bewegungen bezeichnen. 97. Verbreitung der photonastischeii und der täglichen Bewegungen. Auffällige Tagesbewegungen werden besonders von Laub- und Blüthen- Dlättern verschiedener Pflanzen ausgeführt, und zwar werden diese nyctinastischen Bewegungen bei gewissen Pflanzen wesentlich durch den täglichen Wechsel der Beleuchtung, bei anderen dagegen durch den Gang der Temperatur verursacht und regulirt. Nicht selten ist aber neben der photonastischen eine geringe oder ansehnliche thermonastische Reactionsfähigkeit ausgebildet. Da in diesem Falle (Fig. 57. Spross von Desmodium gyrans. ,1 in Tagstelluiig. B in Nachtstellung (naeh Darwin) die Abnahme, bezw. die Zunahme von Licht und Temperatur in der Regel eine gleichsinnige Krümmungsreaction hervorrufen, so pflegen diese beiden Factoren in der Natur Morgens und Abends in demselben Sinne zu wirken, also sich zu unterstützen. An dieser Stelle wollen wir uns indess zunächst an Objecte halten, die aüein oder vorwiegend photonastisch reagieren, bei denen also der tägliche Beleuchtungswechsel genügt, um, bei Constanz der Temperatur und der anderen Aussenbedingungen, die periodischen Schlafbewegungen hervorzurufen. Derartige photonastische Schlafbewegungen bestehen im allgemeinen in Krümmungsreactionen, die durch Wachsthum oder durch Variation ausgeführt werden (II, § 78). Es ist auch bereits (II, p. 481) auf die ökologische Be- deutung hingewiesen, welche diese Bewegungen dann gewinnen, wenn sie aus- giebig genug sind, um Abends den Schluss von Blüthen oder das Aneinander- pressen von Laubblättern herbeizuführen. § 97. Verbreitung der photonastischen und der täglichen Bewegungen. 483 Sind typische Bewegungsgelenke vorhanden, so werden in diesen vielfach mehr oder minder auffällige, tägliche Variationsbewegungen ausgeführt. Diese nyctinastischen Bewegungen findet man also bei den Blättern der meisten Legu- minosen und Oxalideen, ferner bei den Blättern von Marsilia, Porliera, Portulaca, Phyllanthus Niruri u. s. w. Aus der Fig. 57 ist z. B. zu ersehen, dass Des- modium gyrans durch die Hebung der Blattstiele und die gleichzeitige Senkung der Blattlamina aus der Tagstellung {Ä) in die Nachtstellung (B) übergeht und damit ein ganz verändertes Aussehen gewinnt. Eine derartige Veränderung wird bei Oxalis acetosellai) durch die abendliche Senkung und das Zusammenschlagen, bei Trifolium durch die Hebung der 3 Blättchen herbeigeführt. Bei dem Fiederblatte von Amorpha (Fig. 58), Robinia u. s. w. bewegen sich die am TageausgebreitetenBlättchen xVbends abwärts und legen sich in der Nachtstellung mit der Unterseite aneinan- der, während sich z. B. die Blättchen von Acacia lo- phantha, Mimosa pudica Abends erheben und mit der Oberseite aneinanderpres- sen^j. Da sich bei Mimosa pudica am Abend zugleich der Hauptblattstiel senkt, so wird durch die abendhche nyctinastische Bewegung eine formal ähnliche Lagenände- rung erzielt, wie durch die mechanischeReizung(Fig. 48, p. 433). Aus den mitge- theilten Beispielen ergiebt sich aber bereits, dass nur in einzelnen Fällen, neben der photonastischen auch die seismonastische Reizbarkeit ausgebildet ist und dass die Bedeutung der Gelenke zumeist in der Ausführung nyctinastischer Bewegungen zu suchen ist. Fig. 58. Blatt von Amorpha fruticosa. A in Tagstellung. Ji in Nachtstellung. 1) Die Blättchen nehmen also eine ähnliche Stellung ein, wie nach mechanischer Reizung. Vgl. Fig. 49, p. 434. 2) Eine Zusammenstellung der Pflanzen mit Schlafbewegungen bei A. Hansgirg, Physiolog. u. Phycophytolog. Unters, isn; Neue Unters, über den Gamo- u. Karpo- tropismus, sowie über Reiz- u. Schlafbewegungen 1896 (Sitzungsb. d. Böhmisch. Ges. d. Wiss.); iBeihefte z. botan. Centralbl. 1902, Bd. 12, p. 267, 272.] Vgl. ferner Pfeffer, Periodische Bewegungen d. Blattorgane 1875, p. 139 u. die dort citirte Lit. Zahlreiche Thatsachen u. Abbildungen bei Gh. Darwin, Das Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1881; ferner bei A. Kerner, Pflanzenleben 1887, Bd. I, p. 497. Weitere Thatsachen z. B.'bei L. Popow, Botan. Jahresb. 1880, p. 278 (Gleditschia, ; Brückner, Botan. Centralbl. 1882, Bd. 12. p. 171 ; Vöchting, Bot. Ztg. 1888, p. 519 (Malvaceae) ; F. W. Oliver, Bot. Centralbl. 1891, Bd. 45. p. 5-2 (Abrus); G. Paoletti, Nuov. giornal. botan. Italian. 1892, Bd. 2'i, p. 65 Porliera); Möbius, Bot. Centralbl. 1894, Bd. 15, p. 8; Jost, 31* 484 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Während die nyclinastischen Variationsbewegungen, allerdings zum Theil mit allmählich nachlassender Amplitude, häufig bis gegen das Lebensende des Blattes andauern, werden die nyctinastischen Nutationsbewegungen nur durch die jeweils wachsthumsthätigen Partien des Blattstieles und der Blattlamina ver- mittelt. Demgemäss werden diese Bewegungen, je nach der Entwickelungsdauer mgeren allmählich eingestellt täglichen Zeit aus- That- der Dai^ecen sind Bewegungen des Blattes, nur während einiger Tage oder während einer geführt und mit dem Fortschreiten der Ausbildung sächlich fallen aber bei den meisten Pflanzen die noch w^achsthumsthätigen, dorsiventralen Blattorgane gering aus hiipatiens noli längere und parviflora, Sigesbeckia orientalis (P f e f f e r) , Myriophyllum proserpinacoides (Stahl), Stellaria media (Batalin) Pflanzen, deren Laubblätter sich Abends ansehnlich erheben, während sich u. a. die Blätter von Nico- tiana rustica, Chenopodium album, Amaranthus am Abend stark nach abwärts krümmen i;. Blüthen , die photonastische Schlafbewe- gungen ausführen, finden sich z B. bei ver- schiedenen Oxalideen, Mesembryanthemeen, Nymphaeaceen, Compositen^). Bei den letzteren wird die abendliche Schliessung des Köpfchens durch die Einkrümmunc; der Zun2,enblüthen, also bei Leontodon, Hieracium etc. (Fig. 59) durch die Action aller Einzelblüthen, bei Bellis u. s. w. durch die Bewegung der Rand- blüthen erzielt. Letztere vollführen übrigens bei Chrysanthemum u. s. w. am Abend die ent- gehen also aus der in eine abwärts und e über. Auch gibt sind, und die sich in zweckentsprechender Weise gerade am Abend üffnen und am Morgen wiederum schliessen^). Eine photonastische Krümmungsthätigkeit kommt ferner den am Tage horizontalen oder abwärts gekrümmten Laubsprossen von Älimulus Tilingii zu. die sich Abends bis zur Verticalstellung erheben •*). Vielleicht ist der Beleuchtungs- wechsel auch bei Fig. .5'.J. Hieracium pilosella. .4 in Tagstel- lung. B in Nat-htstellung. gegengesetzte Bewegung , ausgebreiteten Tagstellung rückwärts gekrümmte Lai es Blüthen, die auf Bestäubung durch Nachtschmetterlinge angewiesen der Erzielung der abendlichen Senkung der Blüthenstände von Bot. Ztg. 1897, p. 17; Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 31, p. 345; A. Ewart, Annais of Botan. 1897, Bd. 11, p. 439; Stahl, Bot. Ztg. 1897, p. 85 u. in den noch fernerhin zu citirenden Schriften. L. Linsbauer. Ber. d. bot. Gesellsch 1903, p. 27.' 1) Weitere Thatsachen in den in dervorigen Anm. citirten Schriften von Hansgirg, Darwin, Pfeffer, Stahl, Jost u. s. w., sowie bei Batalin, Flora 1873, p. 437. 2] Weitere Beispiele bei Hansgirg, Pfeffer, Jost, 1. c. Ferner Pfeffer, Physiol. Unters. 1873, p. 195, 210: Royer, Annal. d. scienc. naturell. I8r>8. V. s6r.. Bd. 9, p. 355; Kerner, Pflanzenleben Bd. 2, p. 208; A. Burgerstein. Ueber die nyctitrop. Bewegung, d. Perianthien 1887 u. Oesterreich. Bot. Zeitschrift 1901, Nr. G. Ollmanns, Bot. Ztg. 1895, p. 31; :R. Scott, Annais of Botan. 11.03, Bd. 17, p. 761, [Sparmannia]) 3) Vgl. Hansgirg, 1. c. 1893, p. 12; Oltmanns, 1. c. 1895, p. 50. 4) Vöchting. Ber. d. bot. Gesellsch. 1898, p. 39. § 97. Verbreitung der photonastischen und der täglichen Bewegungen. 485 Daucus, Falcaria, Scabiosa iind der Blüthen von Viola betheiligt, die der Hauptsache nach durch die Erniedrigung der Temperatur veranlasst zu werden scheint ^j. Näheres über die Verbreitung und Gestaltung der Schlafbewegungen findet man in den citirten Schriften. Erwähnt sei noch, dass nach Morren^) auch die Staubgefässe von Sparmannia airicana Schlaf bewegungen ausführen, die durch fernere Studien vermulhlich auch bei niederen Organismen aufgefunden werden. Das Zustandekommen und die Mechanik der nyctinastischen Bewegungen wird später (II, § 103, 104) behandelt werden, und es genügt, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die Variationsbewegungen auf ein kurzes Gelenk beschränkt sind, während bei den Nutationsbewegungen eine wachsende Partie von ansehnlicher Ausdehnung betheiligt sein kann. Unter Umständen ist sogar der grössere Theil des Blattes krümm imgsthätig, und so kann es kommen, dass, wie bei den schlafenden Blumenblättern von Silene nutans u. s. w., ein Einrollen des Blattes eintritt 3). Das ungleichzeitige Erlöschen des Wachsthums in den verschie- denen Partieen eines Organes bringt es aber mit sich, dass die wachsthums- und bewegungsthätige Zone mehr und mehr eingeengt wird (vgl. II, p. I 1 ). So werden z. B. bei Malva die nyctinastischen Bewegungen zunächst in dem Blattstiel, schliesslich aber nur noch in dem Blattgelenk ausgeführt '*]. Die Bewegungen vollziehen sich zumeist in einer vei'tical oder anders ge- richteten Ebene. In manchen Fällen wird indess eine complicirte Raumcurve beschrieben, und zuweilen wird eine Drehung ausgeführt, die z. B. bei Phyl- lanthus Niruri, Cassia u. s. w. ^) so weit geht, dass sich die am Abend (vgl. Amorpha, Fig. 58, p. 48 3] abwärts schlagenden Blatt eben in der Nacht- stellung mit ihren morphologischen Oberseiten berühren. Diese, sowie die schwächei'en Drehungen der Blätlchen von Mimosa pudica, sind natürlich, wie alle aitionastischen Bewegungen, durch den Bau des Bewegungsorganes fest be- stimmt, und zwar wird die Blättchendrehung von Mimosa, vielleicht auch von Phyllanthus niruri, in dem Bewegungsgelenke nicht durch eine echte Torsion, sondern durch Bewegungen in zwei verschiedenen Ebenen erzielt*']. Wie bei anderen Bewegungsvorgängen (II, § 77] rückt das sich nyctinastisch bewegende Organ entweder ziemlich gleichmässig oder auch stossweise fort. Jedoch ist zu untersuchen, ob das auffällige stossweise Fortrücken, das Darwin'^) an dem Blatte von Averrhoa bilimbi beobachtete, nicht etwa durch die Bethätigung auto- nomer Bewegungen bedingt ist. 1) Lit. bei Hansgirg, 1. c. 1893, p. 88; Vöchting, 1. c. 1898, p. 42 u. Jahrb. f. wiss. Bot. 1890, Bd. 21, p. 285; Pfeffer, Period. Beweg. 1875, p. 162; VVittrock, Bot. Centralbl. 1883, Bd. -16, p. 220; Kern er, Pflanzenleben Bd. I, p. 494; Bd. II, p. 12o. — Nach E. Knoch (Bibliothec. botanica 1899, Heft 47, p. 17) werden die Blüthenknospen von Victoria regia und Nymphaea blanda durch die Krümmung des Blüthenstiels am Abend unter" die Wasserfläche geführt. Ob diese periodische Bewegung wesentlich durch Licht, Temperatur oder andere Factoren verursacht wird, ist nicht untersucht. 2) Vgl. Pfeffer, 1. c. p. 162. 3) Vgl. Hansgirg. 1. c. 1893, p. 13. 4) Vöchting. Bot. Ztg. 1888, p. 519. 5) Pfeffer, Periodische Bewegungen 1873, p. 159; Darwin, Bewegungsvermögen 1881, p. 335. 6) Schwendener, Gesammelt, botan. Mittheil. 1897, Bd. ü, p. 214, 242. 7) Gh. Darwin, 1. c. p. 282. Vgl. auch M. M. Devvevre u. E. Bordage, Revue generale d. Botan. 1892, Bd. 4, p. 77. 4S6 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Wird die weitere Bewegung eines Blattes durch das Anpressen an den Stengel, an ein anderes Blatt u. s. w. unmöglich gemacht, so dauern doch die Krümmungs- bestrebungen in der activen Zone fort, so dass der gegen die Widerlage aus- geübte Druck bis zu einem Maximum zunimmt, und dann so lange abnimmt, bis endlich die rückgängige Bewegung beginnt. Demgemäss geht z. B. die Krümmungs- bewegung eines Blättchens von Acacia lophantha oder Mimosa viel weiter, wenn die mechanische Hemmung durch die Entfernung des gegenüberliegenden Blättchens beseitigt ist. In diesem Falle beginnt, wie bei anderen freien Blättern, die rück- gängige Bewegung bald nach der Erreichung der extremen Nachtstellung. Die Sistirung der Bewegung und die längere Dauer der Aneinanderpressung in dem intacten Blatte findet also in dem Gesagten seine einfache Erklärung i). Die Berücksichtigung der Blüthen- und Laubblätter u. s. w. lässt ohne weiteres erkennen, dass die Blattorgane einer Pflanze zu verschiedenartigen oder ver- schieden gerichteten Bewegungen befähigt sein können. In dieser Hinsicht können sogar die Theile desselben Blattes Differenzen bieten. Ich erinnere daran, dass sich bei Desmodium gyrans (Fig. 57, p. 482) und bei Phaseolus vulgaris am Abend der Blattstiel hebt, während sich die Blattlamina senkt. Auch bei Mimosa pudica bewegen sich der primäre Blattstiel und die Blättchen nicht in derselben Richtung (vgl. Fig. 48. p. 433). Ferner führen an dem Fingerblatt bestimmter Lupinus-Arten einige Blättchen bei dem Uebergang in die Nachtstellung eine Ilebungs-, andere eine Senkunssbeweeune: aus. Weiter nennt Darwin einige Pflanzen, bei denen sich die Cotvledonen anders bewegen als die Laubblätter; und bei den jungen Cotvledonen von Trifolium strictum wird ausser der Gelenk- bewegung eine Drehung des Blattstiels ausgeführt (Darwin, 1. c. p. 267). Er- wähnt sei noch, dass bei Bauhinia am Abend eine Lagenänderung des Blattes und ausserdem ein Zusammenfalten der Lamina eintritt (Darwin, 1. c. p. 318). Es ist auch leicht zu verstehen, dass die Blätter durch die abendliche Bewegung zwar vielfach, aber nicht in allen Fällen, in eine Lage gebracht werden, die derjenigen ähnelt, welche sie in der Knospenlage einnalimen^j. Da die hier behandelten Tagesbewegungen durch photonastische Reactionen, in Verbindung mit Nachwirkungsbewegungen, zu Stande kommen, so wird jeder- zeit durch A'erdunklung, bezw. durch Erhellung, eine mehr oder weniger an- sehnliche Krümmungsbewegung hervorgerufen, die gleichsinnig mit derjenigen nyctinastischen Bewegung gerichtet ist, die am Abend, bezw. am Morgen, ein- tritt (vgl. II, § 98). In beiden Fällen pflegt die Bewegung, und zwar zum Theil erheblich, über diejenige Gleichgewichtslage hinauszugehen, die bei constanter Beleuchtung oder Dunkelheit angenommen wird (vgl. II, p. 477). Daher kommt es, dass z. B. eine schlafende Blüthe in den Morgenstunden die an- sehnlichste OefTnungsweite erreicht (vgl. II, § 101). Mit dem Wechsel der (constanten) Beleuchtung wird die Gleichgewichts- lage wohl in allen Fällen, jedoch in verschiedenem Grade, verschoben. Yer- hältnissmässig gering fällt diese Verschiebung z. B. bei Phaseolus und Acacia lophantha aus, deren Blätter und Blättchen bei einer durch A'erdunklung hervor- gerufenen Bewegung ungefähr in die frühere Lage zurückkehren, die, wenigstens von einem Theil der Blätter, annähernd bewahrt wird, auch dann, wenn die Pflanze dauernd im Dunkeln verbleibt. Dagegen nehmen u. a. die Blätter von ■I) Pfeffer, 1. c. p. 48, ^60 Vgl. dieses Buch Bd. II, p. 4S0. 2) Vgl. Pfeffer, 1. c. p. 160: R. Diez. Flora 1887. p. Ö77. § 97. Verbreitung der photonastischen und der täglichen Bewegungen. 487 Impatiens noli längere und Chenopodium album im Dunkeln eine Gleichgewichts- lage an, die zwischen Tag- und Nachtslellung liegt, und sich, je nach der Pflanzen- art, dieser oder jener Lage nähert. Aehnlich verhalten sich die Blüthen, welche nyctinastische Bewegungen ausführen '). Derartige photonastische Verschiebungen der Gleichgewichtslage treten aher auch bei Organen ein, die in Folge des täglichen Beleuchtungswechsels keine auffälligen Schlafbewegungen ausführen, weil sie auf diesen Lichtwechsel nicht schnell genug oder doch nicht derart reagiren, dass eine Krümmungsbewegung entsteht (11, § 96). Diese photonastischen Reactionen spielen in der That in vielen Fällen eine gewisse und zum Theil eine hervorragende Rolle hei der Her- stellung der Gleichgewichtslage, die dorsiventrale Organe annehmen. Da sich diese Gleichgewichtslage aber im allgemeinen als Resultante aus dem Zusammen- greifen von heteronastischen, tropistischen und anderweitigen Reactionen und Factoren ergiebt, so kann erst später (II, § 101, 102, 131, 132) auf die Mit- betheiligung der photonastischen, thermonastischen u. s. w. Vorgänge eingegangen werden. Indess sei schon hier darauf hingewiesen, dass z. B. die Blätter von Taraxacum officinale, Plantago media, Primula elatior, zum Theil in Folge von photonastischen Wirkungen, an tiefschattigen Standorten eine aufstrebende, bei starker (diffuser) Beleuchtung aber eine mehr oder minder horizontale Lage an- nehmen, so dass zuweilen die Blattrosette dem Boden angepresst ist. Dem- gemäss wird bei den Blättern dieser und vieler anderer Pflanzen durch Beleuchtung die epinastische, durch Verdunklung die hyponastische Wachsthumsthätigkeit ge- fördert (vgl. II, p. 83), und man kann sich leicht überzeugen, dass nach der Lichtentziehung die noch wachsthumsthätigen Blätter allmählich in eine steilere Lage übergeführt werden. Umgekehrt wird bei den Blättern von Impatiens, Helianthus annuus, Ceratophyllum, Myriophyllum etc. durch Verdunklung eine Förderung der epinastischen Wachsthumsthätigkeit und dadurch eine mehr oder minder ansehnUche Rückwärtskrümmung der Blätter verursacht 2). Wie schon erwähnt, finden sich analoge Verhältnisse bei den schlafenden Blüthen und auch bei gewissen Blüthen, die keine auffälhgen Schlafbewegungen ausführen. Zu letzteren gehören z. B. die Blüthen von Stellaria media, Holosteum umbellatum, Veronica hederifolia, Drosera rotundifolia, die bei schwacher Be- leuchtung verblühen, ohne sich jemals zu öffnen, die also photocleistogam sind 3). Besonders bei Stellaria media tritt erst bei ansehnUcher Helligkeit die Oeffnung der Blüthen ein, die z. B. hinter einem Nordfenster auszubleiben pflegt. Alle unsere Betrachtungen, die sich nur auf massige Lichtintensitäten 1) Vgl. z. B. Pfeffer, I.e. p. 19, 38, 49. Die Gleichgewichtslage ändert sich natürlich bei Constanz der Ausseneinflüsse aus inneren Ursachen. Vgl. II, § 79, p. 480, sowie Pfeffer, 1. c. p. 49 etc.; Jost, Jahrb. f. wiss. Bot. -1898, Bd. 31, p. 382. 2j Lit. A. B. Frank, Die natürl. wagerechte Richtung von Pflanzentheilen 1870, p. 46; W. Detmer, Bot. Ztg. 1882, p. 787; Wiesner, Bot. Ztg. 1884, p. 677; S. H. Vines, Annais of Botany 1889, Bd. III, p. 421; F. Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 272; Möbius, Biolog. Centralblatt 1894, Bd. 15, p. >s 14. 3) Lit. Vöchting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1893, Bd. 25, p, 180 ; A. Hansgirg, Physiol. u. Phycophytol. Untersuch. 1893, p. 27, 45, 53; [Beihefte z. Botan. Centralbl. 1902, Bd. 12, p. 271]; Oltmanns, Bot. Ztg. 1895, p. 31 ; Leclerc du Sablon, Rev. general. d. Botan. 1900, Bd. 12, p. 305. Vgl. dieses Buch II, p. 4S0. 488 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. beziehen, lassen die Frage offen, ob und in wie AA-eit durch eine weitere und ge- nügende Steigerung der diffusen Beleuchtung eine Umkehrung der photonastischen Reaction (Bewegungsrichtung) eintritt (vgl. II, p. 480). In dieser Richtung fehlen ausgedehnte und kritische Studien, denn die Experimente, in welchen durch eine einseitige Sonnenwirkung Blattbewegungen ^) hervorgerufen wurden, geben auf unsere Frage keine Antwort. Thatsächlich wird aber durch eine starke, diffuse Beleuchtung eine Senkung der Blättchen von Oxalis^) bewirkt, und nach Ewart (1. c.) scheint bei verschiedenen Blättern, die Yariationsbewegungen aus- führen, durch eine genügende (supraoptimale) Steigerung der (diffusen) Licht- intensität eine Umkehrung verursacht zu werden. Anscheinend beruht es auch auf einer derartigen Umkehrung der heteronastischen Wachsthumsverhältnisse, dass sich, wie Oltmanns^) fand, die Blüthen von Tragopogon brevirostris so- wohl bei genügender Abnahme, als auch bei genügender Erhöhung der Be- leuchtung schliessen. § 98. Entstehung der photonastischen Tagesperiode. Es wurde schon (II, p. 479) hervorgehoben, dass durch den täglichen Be- leuchtungswechsel in den photonastisch reagirenden Organen rhythmische Tages- bewegungen verursacht werden, die Nachwirkungsbewegungen zur Folge haben, und dass durch das Zusammenwirken dieser Nachwirkungsbewegungen und der sich an jedem Morgen und Abend wiederholenden photonastischen Wirkungen die nyctinastischen Bewegungen verstärkt und regulirt werden. Die Realität dieser Nachwirkungen ergiebt sich daraus, dass die Tages- bewegungen eine specifisch verschiedene Zeit hindurch in einem ähnlichen Tempo, aber mit allmählich nachlassender Amplitude, fortgesetzt werden, wenn die photo- 1) Es ist lange bekannt, dass, durch einseitige Besonnung, in den Bewegungs- gelenken von Acacia, Mimosa, Robinia etc. eine nach dem Lichte hin gerichtete Krüm- mung und damit, unter entsprechender Bewegung der Blattlamina, eine partielle oder vollständige Profilstellung des Blattes erzielt wird. Es handelt sich hierbei, analog Avie bei der einseitigen Wirkung von diffusem Licht auf Gelenke, \\m eine heliotro- pische Krümmung, die durch die relativ höhere Turgorsenkung in derstärker beleuchteten Seite erzielt wird ^vgl. II, § 1 29). Diese zuweilen als Tagesschlaf bezeichnete Reaction, durch die zweckentsprechend die Transpiration vermindert und das Chlorophyll geschützt wird (Wiesner, Die natürl. Einrichtungen zum Schutze d. Chlorophylls 1875, p. 62; Stahl, Bot. Ztg. -1897, p. 94), hat Ch. Darwin Paraheliotropismus genannt. Vgl. Pfeffer, Period. Bewegungen 1875, p. 62 u. die hier citirte Lit. Ferner Ch. Darwin, Bewegungsvermögen 188 1, p. 379; Hansgir g, 1893, 1. c. p. 134; Oltmanns, Flora 1892, p. 238; W. P. Wilson, Contributions from the Botanic. Laboratory of the University of Pennsylvania 1892, Bd. I, p. 66; Ewart, Annais of Botany 1897, Bd. 41, p. 447; Jost, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 31, p. 383. Dass dieser Erfolg nicht durch einseitige Erwärmung erzielt wird, ergiebt sich daraus, dass die Reaction auch an sub- mersen Objecten eintritt und, wie andere Lichtreactionen (II, §113), hauptsächlich durch die blauen und stärker brechbaren Strahlen verursacht wird (Ewart, 1. c. p. 451, 480; J. M. Macfarlane, Bot. Centralbl. 1893, Bd. 61, p. 136;. Ueber den Ein- fluss höherer Temperatur vgl. II, § 99. 2) Pfeffer, 1. c. p. 60. 3} Oltmanns, Bot. Ztg. 1893. p. 31. § 98. Entstehung der photonastischen Tagesperiode. 489 nastischen Wirkungen aufhören, wenn also die bisher dem täglichen Beleuchtungs- wechsel ausgesetzte Pflanze in constante Beleuchtung oder Dunkelheit gebracht wird. In beiden Fällen dauert es, z. B. bei den Blättern von Acacia lophantha, Mimosa pudica, Impatiens noli tangere, Sigesbeckia orientalis, 4 bis 8 Tage, bevor die zunächst ansehnlichen Nachwirkungsbewegungen unmerklich werden, während diese im Dunkeln bei den Blüthen von Oxalis rosea in 3 — 4 Tagen, bei den Blüthen von Bellis perennis in 1 — 2 Tagen ausklingen ^). Nach einer solchen Aufhebung der Tagesperiode nehmen die Blätter die den Beleuchtungs- und den übrigen Verhältnissen entsprechende Gleichgewichts- lage an (II, p. 487) und stellen, bei Constanz der Aussenbedingungen, die Krüm- mungsbewegungen ein, sofern sie nicht mit einer autonomen Bewegungsthätigkeit ausgestattet sind, die naturgemäss fortdauert (II, § 79). Ueberhaupt sind diese Blätter, sofern die übrigen Aussenbedingungen günstig sind (über Dunkelstarre vgl. II, § 1 05), in vollem Maasse actions- und reactionsfähig. Demgemäss ist eine Pflanze, bei der die Tagesperiode durch dauernde Beleuchtung eliminirt wurde, auch photonastisch empfindlich, und wird durch die Lichtentziehung zu einer Krümmungsreaction veranlasst, die gleichsinnig mit der abendlichen Schlaf- bewegung gerichtet ist. Während aber in meinen Versuchen die Blättchen von Acacia lophantha und Trifolium pratense, sowie das Endblatt von Desmodium gyrans (Fig. 57, p. 482) bei einer plötzlichen Verdunklung im Laufe von 3/4 — 2 Stunden in die volle Nachtstellung übergingen, wurde diese nicht ganz erreicht von den Blättern der Impatiens noli tangere, die sich immerhin sehr erheblich senkten. Die Blätter von Sigesbeckia orientalis bewegten sich aber nur um 10 — 30 Grad, obgleich bei der normalen Tagesbewegung die abendliche Senkung gegen 100 Grad beträgt 2j. Uebrigens gewähren auch die dem täglichen Beleuchtungswechsel aus- gesetzten Pflanzen einen Maassstab für die photonastische Reizbarkeit und ]{eactionsgrösse. Denn durch eine Verdunklung während der Tageszeit wird bei Sigesbeckia nur eine geringe, bei Acacia und den anderen oben ge- nannten Pflanzen aber eine ansehnliche photonastische Krümmung verursacht. Jm allgemeinen pflegt diese photonastische Reaction bei den Variationsbewegungen ansehnlicher auszufallen als bei den Nutationsbewegungen. Indess reagiren die Gelenke von Portulaca sativa nur schwach, die nutirenden Blätter von Impatiens noli tangere und parviflora aber stark photonastisch 3). Nach der Eliminirung der Tagesperiode durch künstliche Beleuchtung be- schränkt sich die photonastische Reaction nicht auf einen einmaligen Hin- und Hergang, sondern dieselbe hat, analog wie die Tagesperiode, Nachwirkungen zur Folge, die natürlich nicht ansehnlich sein können, wenn die photonastische Krümmungsbewegung nur gering ausfällt. In diesem Falle, der bei Sigesbeckia vorliegt, lässt sich dann schön das Zustandekommen der vollen Bewegungs- amplitude durch das Zusammenwirken der Nachschwingungen und der sich rhythmisch wiederholenden, neuen photonastischen Wirkungen verfolgen. Zu -1] Pfeffer, Period. Bewegungen d. Blattorgane ISTö, p. 34 ff. 2; Pfeffer, 1. c. p. 39. Die von mir als Sigesbeckia flexuosa bezeichnete Pflanze erwies sich bei näherer Bestimmung als eine Form von Sigesbeckia orientalis L. 3) Pfeffer, 1. c. p. 15, 39. 490 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. einem derartigen Versuche diente mir (1. c. p. 40) u. a. eine Sigesbeckia orientalis, die jedesmal zwischen 8 Vormittags und 4 Nachmittags verdunkelt wurde, nach- dem zuvor durch eine ötägige, constante Beleuchtung die Tagesperiode auf- gehoben war. Unter diesen Umständen rief die erste Verdunklung eine Krünmiungsbewegung von 10 — 30 Grad hervor, die infolge der Verdunklung am 2. Tage auf 10 — 45 Grad, am 4. Tage auf 40—80 Grad stieg und am 5. Tage 70 — -100 Grad, d. h. ungefähr diejenige Bewegungsgrüsse erreichte, die bei den normalen Schlafbewegungen ausgeführt wird. Diese Induction und Summation ist natürlich nicht so deutlich oder auch gar nicht zu verfolgen, wenn nach der Eliminirung der Tagesperiode schon die erste Verdunklung die volle nyctinastische Bewegung oder doch eine sehr an- sehnliche photonastische Krümmungsreaction verursacht. Jedoch wird bei Acacia lophantha, deren Blättchen durch die erste Verdunklung zum Aneinanderlegen gebracht werden, die Accumulalion dadurch bemerklich, dass (nach zuvoriger Elimi- nirung der Tagesperiode) im Dunkeln als Nachwirkung nur ein 2 maliger Ilin- und Hergang, nach völliger Induction der Tagesperiode aber ein 4 — 5 maliger Hin- und Hergang stattfindet. Aus den mitgetheilten Thatsachen geht mit aller Sicherheit hervor, dass die nyctinastische Periodicität, und ebenso ihre Nachschwingungen, durch die photonastischen Reactionen veranlasst und inducirt werden, die sich mit dem Tageswechsel rhythmisch wiederholen. Ebenso ist, wie früher (H^ p. 255) dar- gethan wurde, nicht daran zu zweifeln, dass in analoger Weise die tägliche Periodicität der Zuwachsbewegung und die sich anschliessenden Nachwirkungen zu Stande kommen. Eine derartige photonastische Periodicität muss ja stets erzielt werden, wenn die Zuwachsbewegimg oder die Expansionsenergie (bezw. die von dieser abhängige Krümmungsthätigkeit) durch den Beleuchtungswechsel modificirt werden i). Zur Erzeugung der Tagesperiode sind also die photonasti- schen Reactionen unentbehrlich, nicht aber die Nachwirkungen. Diese sind indess von Bedeutung^ damit trotz einer geringen, primären photonastischen Reaction eine ansehnliche tägliche Bewegungsamplitude erzielt wird, durch welche der Verlauf der Tagesbewegungen sich auch dann regelmässiger gestaltet , wenn schon der einzelne Lichtwechsel einen ansehnlichen Reactionserfolg hat. Zur Versinnliehuns; des Zusammenwirkens dieser Nachschwinscun^en und der neuen Anstüsse kann man immerhin an ein Pendel denken, dessen Schwin- gungsamplitude ebenfalls durch die fortdauernde Summation der Nachschwingung und des rechtzeitigen neuen Anstosses allmählich erheblich und bis zu einem gewissen Grenzwerth vergrössert werden kann, und das nach dem Sistiren der äusseren Anstüsse eine gewisse Zeit mit nachlassender Amplitude in demselben Rhythmus weiterschwingt 2). Natürlich handelt es sich nur um eine äussere Aehn- lichkeit, denn factisch kommen die Nachwirkungen und ebenso die primären \] Vgl. diesen Bd. II, p. 248, 252, wo auch das Zustandekommen rhythmischer Vor- gänge allgemein behandelt ist. [Ueber die schwache Nachwirkung rhythmisch wieder- holter, geotropischer oder heliotropischer Reizungen vgl. Fr. Darwin und D. Pertz, Annais of Botany ■1903, Bd. 17, p. ü3.] 2 Pfeffer, 1. c. Ich verstehe nicht, Avie Schwenden er (1897, Gesammelt. Botan. Mittheil. Bd. II. p. 241) darüber in Zweifel sein kann, dass ich den Vergleich mit dem Pendel nur als ein Bild zur äusserlichen Veranschaulichung benutzte. § 98. Entstehung der photonastischen Tagesperiode. 491 Reactionen im Organismus durch eine verwickelte physiologische Reaction zu Stande (vgl. If, p. 479). Aber auch ohne dass diese Processe causal aufgeklärt sind, können wir sachgemäss mit den Nachwirkungen als mit empirisch er- mittelten Thatsachen rechnen, üa wir ferner erfahrungsgemäss wissen, dass nur gewisse Rewegungs- und anderweitige Reactionen Nachwirkungen zur Folge haben (vgl. II, p. 245, 257), dass diese ferner bei verschiedenartigen Processen und bei diilerenten Organismen für dieselbe Reaction verschieden ausfallen, so sind auch in Bezug auf die nyctinastischen Nachwirkungen specifische Ver- schiedenheiten zu erwarten. Thatsächlich wissen wir, dass diese Nachwirkungen bei gewissen Pflanzen längere Zeit anhalten, bei anderen aber nur einen Tag, und zwar auch dann, wenn diese Pflanzen zuvor, unter dem Einfluss des täg- lichen Beleuchtungswechsels, die ansehnlichsten Schlafbewegungen ausgeführt hatten (II, p. 482). Letztere scheinen in der That bei den Blüthen gewisser Pflanzen keine merklichen Nachwirkungen zu veranlassen, die unter anderm auch bei den ansehnlichen thermonastischen Bewegungen der Blüthen von Grocus und Tulipa fehlen oder sehr gering ausfallen i). Da die Nachwirkungen annähernd das Tempo der vorausgegangenen nycti- nastischen Bewegungen einhalten, so ist in der Natur, unter normalen Verhält- nissen, im allgemeinen ein förderliches Zusammenwirken der photonastischen und der Nachwirkungs-Bewegungen gesichert (vgl. II, § 101). Zu berücksichtigen ist aber unter anderm, dass die successiven Nachschwingungen nicht so genau isochron ausfallen wie bei einem Pendel, und dass in demselben Organ durch ent- sprechende Regelung des Beleuchtungswechsels eine photonastische Periodicität und damit eine Nachschwingung inducirt werden kann, deren Rhythmus weniger oder mehr als 24 Stunden beträgt 2). Beachtenswerth ist, dass die nyctinastischen Nachwirkungen verhältniss- mässig schnell ausldingen, dass sie also nicht erblich geworden sind, obgleich sie unter dem Einfluss des Tageswechsels in einer gewaltigen Zahl aufeinanderfolgender Generationen in demselben Rhythmus Aviederholt wurden. Es ist übrigens schon früher (II, p. 245) auf dieses interessante Factum hingewiesen, sowie darauf, dass sich ein analoges Verhalten bei den meisten Nachwirkungen zeigt, und dass empirisch nur in vereinzelten Fällen allmählich eine erbliche Fixirung einer ge- setzmässigen aitiogenen Reaction gelungen ist. Aus den empirischen Erfahrungen ergiebt sich zugleich, dass die hier behandelte tägliche Periodicität nur durch die Ausnutzung der photonastischen Reactions- fähigkeit, also nicht durch die zeitliche Regulation einer inhärenten (erblich über- kommenen) Bewegungsthätigkeit zu Stande kommt. Denn das geht daraus her- vor, dass bei continuirlicher, constanter Beleuchtung (sofern autonome Bewegungen fehlen) die Krümmungsthätigkeit gänzlich eingestellt wird, während sich die photonastische Reactionsfähigkeit im vollsten Maasse erhält. Dass diese und andere Reactionsfähigkeiten bestehen bleiben, ist, wie die Fortdauer der Ent- wickelung und der autonomen Krümmungsbewegungen (II, §79), zugleich ein Beweis i) Pfeffer, 1. c. p. Vi3; Jost, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 31, p. 349. 2) Vgl. Pfeffer, I. c. p. 39, 43, 53. — Die Reactionszeit lässt natürlich nur eine Verkürzung des Rhythmus bis zu einem specifisch verschiedenen Grad zu. — Ueber die verhältnissmässig langsame Reaction der Zuwachsbewegung bei Schwankungen der Lichtstärke vgl. diesen Bd. II, p. 109. 492 lia.^. XII. Krümmungsbewegungeu. dafür, dass sich die Pflanze unter den genannten Bedingungen in einem völlig actions- und reactionsfähigen Zustand befindet. Sofern aber die dauernd thätigen autonomen Bewegungen, wie z. B. bei den Blättchen von Oxalis, Trifolium vmd bei dem Endblatt von Desmodium gyrans, in einem '^/^ — 4 stündigen Rhythmus vor sich gehen (II, Fig. 35, p. 383), so ist ohne weiteres klar, dass die Tages- bewegungen nicht durch die Regulirung der spontanen Bewegungen erzielt werden, die w^ährend der Schlafbewegungen und nach der Eliminirung dieser annähernd in dem früheren Tempo fortdauern ^j. Damit ist natürlich nicht ausge- schlossen, dass in einem anderen Falle ein bestimmter Rhythmus auf der Regu- lation einer inhärenten Periodicität beruht, wie dieses wenigstens zum Theil bei dem Zustandekommen der Jahresperiode (II, p. 272) und gewisser anderer Vorgänge zutrifft. Die Ausstattung mit der photonastischen Reactionsfähigkeit fordert natür- lich nicht die gleichzeitige Ausbildung von andersgearteten Sensibilitäten (I, p. 14). So ist in vielen Fällen die photonastische Fähigkeit nicht mit einer auffälligen thermonastischen verknüpft (II, § 96). Weiter reagiren die meisten nyctinastischen Organe nicht auf mechanische Anstüsse, die aber z. B. bei den Blättern von Mimosa und Oxalis eine Reizbewegung auslösen 2). Ferner finden sich erhebliche autonome Krümmungsbewegungen wohl bei gewissen Blättern, fehlen aber den meisten schlaf- thätigen Organen (z. B. den Blättern von Acacia lophantha, Impatiens, Sigesbeckia), während andererseits die lebhaft autonom bewegten Seitenblättchen von Des- modium gyrans (Fig. 57, p. 383) keine merklichen Schlafbewegungen ausführen 3). Historisches. Schlaf bewegungen einzelner Pflanzen werden schon von Plinius, Albertus Magnus u. s. w. erwähnt, doch wurde erst dm'ch Linne die grössere Verbreitung njetinastischer Bewegungen bei Blättern und ]51üÜien bekannt^). Bei den ferneren Studien, die sich theilweise mit der Mechanik (vgl. II, § 103, 104), Iheilweise mit den Ursachen dieser Bewegungen beschäftigten, blieb unentschieden, ob die Tagespei'iode durch den täglichen Beleuchtungswechsel (oder Teniperatur- wechsel) erst geschaffen wird oder durch die Regulation einer erblich über- kommenen Periodicität zu Stande kommt. A. P. de Candolle, welcher zunächst die zuerst genannte Annahme für wahrscheinlicher hielt, scheint fernerhin eine erbliche Peiüodicität angenommen zu haben ^). Dieser Ansicht schliessen sich auch mehr oder weniger Dutrochet^), Sachs'), Hofmeister^) an, die, so weit mir bekannt, dem ßeleuchtungswechsel nur einen regulirenden Einfluss zu- schreiben und die Fortdauer der Bewegungen im Dunkeln entweder auf diese erbliche Periodicität oder auf unvollkommenen Lichtabschluss schieben. Durch 1) Pfeffer, 1. c. p. 35, 52. Vgl. auch diesen Bd. II, § 79, 81. 2; Umgekelirt führen von den mechanisch reizbaren Organen z. B. die Staubfäden der Cynareen, verschiedene Narben, ferner die Ranken, die Blätter von Dionaea i'Munk, Die elektrischen u. Bewegungserscheinungen von Dionaea 1876, p. fOl), von Drosera rotundifoha Kabsch, Bot. Ztg. 1860, p. 247) keine Schlafbewegungen aus. 3) Ch. Darwin, Bewegungsvermögen 1881, p. 308. 4) Näheres über die historische Entwickelung bei Pfeffer, Periodische Bewegungen 1875, p. 30, 163. 5) A. P. de Candolle, PflanzenphysioL, übers, v. Köper 1835, Bd. 2, p. 640. 6) Dutrochet, Mömoires p. serv. ä l'histoire etc. Brüssel 1837, p. 287. 7) Sachs, Flora 1863, p. 469. 8) Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. 331. § 99. Thermonastische Krümmungsbewegungen. 493 ineine Untersuchungen (1876, 1. c.) wurde dann diese Fortdauer als Nachwirkung der inducirten Tagesperiode erkannt, überhaupt die Ursache und die Mechanik der Tagesbewegungen näher festgestellt. So wurde auch constatirt, dass die Tages- bewegungen nicht nur durch den Beleuchtungswechsel, sondern auch in be- stimmten Fällen durch den Temperaturwechsel (bezw. durch Combinationen) ver- ursacht werden, den Royeri] mit Unrecht als die alleinige Ursache der Schlafbewegungen der Blüthen angesprochen hatte. Aus dem schon Mitgetheilten ergiebt sich auch, dass die Tagesbewegungen nicht, wie Ch. Darwin will, durch die Modification der Circumnutationsbewegungen zu Stande kommen (vgl. II, p. 369], und dass man nicht berechtigt ist , mit diesem Forscher die Nachwii'kungs- bewegungen als ein Erblichkeitsphänomen anzusprechen (vgl. II, p. 245). Methodisches. Zur künsthchen Beleuchtung dienten in meinen Versuchen 2 Argandbrenner, deren Strahlen, um die Erwärmung der Pflanze zu vermeiden, eine Wasserschicht zu passiren hatten 2). Natürlich wird man heute dem Auer- licht oder dem elektrischen Licht den Vorzug geben. Zur Wiederinduction der Periodicität ist aber elektrisches Glühlicht minder geeignet, da dieses Licht verhältniss- mässig wenig stark brechbare Strahlen enthält, denen, analog wie bei anderen Wachslhums- und Bewegungsvorgängen, die höchste photonastische Wirkung zu- kommt 3). Uebrigens wurde auch während der Mitternachtsonne in Alten (Nor- wegen) an einigen Pflanzen die Einstellung der Schlaf bewegungen beobachtet *). Mit Hilfe der künstlichen Beleuchtung kann man auch die Beleuchtungszeit und damit die Tagstellung der Organe auf die Nachtzeit verlegen und das Zeit- maass der Rhythmik modificiren (vgl. Pfeffer, 1. c. p. 40, 5 5). Die Versuche im Dunkeln sind nur entscheidend, wenn durch die Licht- entziehung die Actionsfähigkeit nicht ernstlich beeinträchtigt wird (vgl. II, p. 105). Ueber Messung der Bewegungen vgl. II, p. 387. Ueber Registriren der Be- wegungen siehe P>aranetzky, Ber. d. bot. Gesellschaft 1899, p. 190; dieses Buch il, p. 2 4. § 99. Thermonastisclie Krümmungsbewegungen. Wir sehen hier von der formalen Bedeutung der Wärme, also davon ab, dass die Bewegungsthätigkeit durch die Veränderung der Temperatur be- schleunigt und verlangsamt wird (II, § 22, 1 05), und fassen nur diejenigen Krüm- mungsbewegungen in das Auge, die bei einer Temperaturveränderung durch eine thermonastische Reaclion verursacht werden (II, p, 83). Eine solche (durch Wachsthum vermittelte) thermonastische Reactionsfähig- keit ist in einem hohen Grade bei verschiedenen Blüthen ausgebildet, die durch Erniedrigung der (infraoptimalen) Temperatur zu einer Schliessungsbewegung, durch Erhöhung der Temperatur zu einer Oeffnungsbewegung veranlasst werden. Besonders empfindlich sind die Blüthen von Crocus vernus, luteus etc. und 1) Royer, Annal. d. scienc. naturell. 1868, V. s6r. , Bd. 9, p. 355. Vgl. Pfeffer. 1. c. p. 170. 2) Pfeffer, 1. c. p. 31. An dieser Stelle sind auch die Versuche anderer Forscher erwähnt. 3) Vgl. Pfeffer, 1. c. p. 67 u. dieses Buch II, p. 120, § lüö. 4) Vgl. Schub 1er, Die Pflanzenwelt Norwegens 1873, p. 88; Botan. Jahresb. 1880, p. 262. 494 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. /I Tulipa Gesneriana, die schon auf eine Würmeänderung von 0,5 C. merklich reagiren, und die z. B. durch die Erhöhung der Temperatur von 1 2 auf 22 C. in einigen Minuten aus dem geschlossenen in den geöffneten Zustand übergeführt werden (Fig. 60). Langsamer und sch\Yächer reagiren die Blüthen von Adonis vernalis, Ornithogalum umj^ellatum, Colchicum autumnale, und noch weniger empfindlich sind die Blüthen von Ranunculus ficaria, Anemone nemorosa, Malope triflda, die aber immerhin auf eine Temperaturveränderung von 5 — 1 0 C. mit einer deutlichen Bewegung antworten. Dagegen wird durch eine solche Temperatur- änderung bei den Blüthen vonOxalis rosea, Nymphaea alba, Leontodon, Taraxacum u. s. w. nur eine geringe thermonastische Bewegung hervorgerufen i). Die Laubblälter re- agiren zumeist nur schwach auf Tempera- turschwankungen , die aber z. B. in den Ge- lenken der Blättchen von Oxalis acetosella, Des- modium gyrans, Aver- rhoa bilimbi , Mimosa pudica u. s. w. eine merkliche thermona- stische Krümmungsbe- wegung verursachen 2). Auch ist schon (II, p. 457) erwähnt, dass sich das Blatt von Al- drovandia erst bei ge- nügender Erhöhung der Temperatur öffnet. Ferner wird bei den dorsiventralen Ranken durch Stei- gerung und durch starke Herabsetzung der Temperatur eine thermonastische Bewegung verursacht, die gleichsinnig mit der thigmonastischen Krümmung (II, § 87) gerichtet ist 3). Fig. CO. Elüthe von C'rocus luteus. A geschlossen. B durch Erhöhung der Temperatur geöffnet. 1) Pfeffer, Physiolog. Untersuchung. 1873, p. 194; Periodische Bewegungen 1873, p. 122. Crocus und Tulipa reagiren so schnell, dass man die Bewegung im Projections- bild direct vorführen kann. Pfeffer, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 33, p. 731. — Die einfache Beobachtung, dass Erwärmung das Oeffnen der Blüthe einer Anemone be- schleunigt, machte schon Cornutus cit. bei Ray. Historia plantarum 1686, Bd. 1, p. 2 . Hofmeister Flora 1862, p. 3l6i erzielte dann durch Temperaturschwankungen Be- wegungen an der Blüthe der Gartentulpe, und Roy er (vgl. II, p. 493) sah Wärme- und Feuchtigkeitsveränderung als die Ursache aller BIüthenl)ewegungen an. Die wahren Verhältnisse wurden dann durch meine Arbeiten aufgeklärt. Weitere Beispiele von ther- monastischen Blüthen z. B. bei Hansgirg, Physiolog. u. Phycophytolog. Untersuch. 1893, p. 27. 64. — Nach Mikosch (Botan. Jahrb. 1878, p. 219) sollen Temperaturschwan- kungen das Oeffnen und Schliessen der Antheren von Bulbocodium vernum und Alche- milla- Arten verursachen; jedoch muss dahin gestellt bleiben, ob es sich dabei um eine thermonastische Reaction handelt. 2) Pfeffer, Physiol. Untersuch. IS73, p. 63, 78; Periodische Bewegungen 1873, p. 133; Ch. Darwin, Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 283; Jost, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 31, p. 376; Bot. Ztg. 1897, p. 33. 3) C. Correns, Bot. Ztg. 1896, p. 2 ; D. T. Macdougal, Botan. Centralbl. 1896, § 99. Thermonastische Krümmungsbewegungen. 495 Weiter Avird nach Vüchting durch eine genügende Abkühlung eine Senkung gewisser Sprosse von Mimulus Tilingiii], sowie der Blüthenstiele von Anemone stellata2), nach Lidforss^) eine Senkung der Sprosse von Lamium purpureum, Veronica chamaedrys, Chrysanthemum leucanthemum etc. verur- sacht. Auch wurde schon (II, p. 485) darauf hingewiesen, dass die abendliche Senkung gewisser Blüthen- und Blüthenstandstiele zum Theil auf einer ther- monastischen Reaction beruhen dürfte. Auf solche Weise kommt offenbar noch bei vielen anderen Pflanzen die Senkung der Sprosse, Blätter etc. zu Stande, die im Freien bei Erniedrigung der Temperatur bis in die Nähe des Gefrierpunktes beobachtet wird 4). Jedoch können nur nähere Untersuchungen entscheiden, ob diese Erfolge durch eine thermonastische Reaction, durch Erschlaffung, oder durch andere aitiogene oder autogene Vorgänge erzielt werden. Dasselbe gilt in Bezug auf die Abwärtskrümmung und die plagiotrope Lage, die bei den Sprossen etc. verschiedener Pflanzen im Herbst und im Winter zu beobachten ist 5). Dabei ist zu beachten, dass sich diese Orientirung zum Theil so lang- sam einstellt, dass durch den täglichen Wechsel der Temperatur etc. keine auf- fällige Bewegung hervorgerufen wird (vgl. II, p. 487 in Bezug auf Licht- wechsel). Aus dem Gesagten geht bereits hervor, dass auch bei thermonastischen V^orgängen zum Theil eine Verschiebung der Gleichgewichtslage eintritt, die z. B. bei den Blüthen von Crocus etc. sehr ansehnlich ausfällt. Auch pflegen die schnell reagirenden Organe bei einem plötzlichen Temperaturwechsel durch die Krümmungsbewegung vorübergehend erheblich über die Gleichgewichtslagen hinausgeführt zu werden. So ist z. B. an den Blüthen von Crocus luteus sehr schön zu verfolgen, dass sich die Perigonzipfel bei einer plötzlichen Temperatur- erhöhung transitorisch zurückschlagen (Fig. 60 i?, p. 494), während sie sich bei der gleichen, aber allmählichen Temperatursteigerung weniger oder kaum über die Gleichgewichtslage bewegen, in der sie bei der gegebenen (constanten) Temperatur verharren. Nach Entfernung der übrigen Perigonzipfel kann man an dem stehenge- bliebenen Blüthenhüllzipfel den analogen Reactionsverlauf bei der Schliessungs- bewegung verfolgen (vgl. II, p. 480). Die Verschiebung der Gleichgewichtslage mit der Herabsetzung der Temperatur hat zugleich zur Folge, dass in der intacten Bd. 66, p. 145. [H. Fitting, Jahrb. f. wiss. Bot. 190 3, Bd. 38, p. 562. Vgl. dieses Buch Bd. II. § 88.] 1) H. Vöchting, Ber. d. bot. Gesellsch. I89S, p. 42. — Ueber die photonastische Reaction dieser Sprosse vgl. II, p. 484. 2) H. Vöchting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1890, Bd. 21, p. 285. 3) B. Lidforss, Botan. Centralbl. 1901, Bd. 86, p. 169. [Jahrb. f. wiss. Bot. 1902, Bd. 38, p. 343.] Nach Vöchting (Bot. Ztg. 1902, p. 90,107) verursacht die Erniedrigung der Temperatur auch eine Senkung der jugendlichen Kartoffeltriebe. — Es ist hier nur der Erfolg des Temperaturwechsels bei Constanz der anderen Bedingungen in das Auge gefasst, also offen gelassen, in wie weit eine geotropische Induction u. s. w. mitbetheihgt ist, vgl. II, § 102, 121. 4) Vgl. dieses Buch Bd. II, p. 75 und die daselbst in Anm. 1 citirte Lit. 5) Vgl. Vöchting, Ber. d. botan. Gesellsch. 1898, p. 50; Warming, Oekologische Pflanzengeographie, übers, von Knoblauch 1896, p. 26; F. Krasan, Engler's botan. Jahrbuch. 1882, p. 185; Lidforss, 1. c. Vgl. dieses Buch Bd. II, § 131, 132. 496 Kap. XII. Krümmungsbewegiuigen. Blüthe die Perigonzipfel dauernd aneinander gepresst bleiben, dass also die Blüthe von Crocus bei einer Temperatur unter 8 C, oder auch schon unter 1 2 C, ihren ganzen Entwickelungscyclus durchläuft, ohne sich jemals zu Offnen i). hi Folge der thermonastischen Verschiebung der Gleichgewichtslage pflegen unter andern die Blüthen von Leontodon hastilis, Hieracium vulgatum, Oxalis rosea bei \ — -3 C. auch im diffusen Licht geschlossen zu bleiben, während sie sich bei 8 — 10 C. entfalten, jedoch in einem weit geringeren Maasse, als bei gün- stigeren Temperaturverhältnissen 2). Zu den Blülhen, die bei niedriger Temperatur dauernd geschlossen bleiben, gehören unter andern auch diejenigen von Hordeum distichvmi und einigen anderen Gräsern, sowie die von Spergula salina, und vermuthlich giebt es noch zahlreiche Pflanzen, deren Blüthen zwar keine auf- fälligen Schlafbewegungen ausführen, aber thermocleistogam sind 3). Natürlich kann sich die Fähigkeit zu thermonastischen und photonastischen Bewegungen isolirt oder auch vereint finden (II, p. 482). Letzteres trifft in der That in vielen Fällen zu. Doch ist nicht zu verkennen, dass gewöhnlich diejenigen Organe, welche sehr energisch auf eine Temperaturveränderung rea- giren, in einem geringeren Grade photonastisch empfindlich sind und umge- kehrt^). Demgemäss werden z. B. bei den nur schwach photonastischen Blüthen von Crocus und Tulipa die täglichen Bewegungen wesentlich durch den Gang der Temperatur bestimmt. Wenn also die directe Insolation, wie es oft im Freien geschieht, eine schnelle und weitgehende Ocffnung dieser Blüthen herbei- führt, so wird dieses hauptsächlich durch die erwärmende Kraft der Sonnen- strahlen verursucht, und schon bei einem massigen Rückgang der Temperatur erfolgt bei den genannten Blüthen eine SchUessungsbewegung selbst dann, wenn gleichzeitig, durch die Zunahme der diffusen Beleuchtung, die entgegengesetzt gerichtete, schwache photonastische Ileaction ausgelöst wird. Da sich aber der tägliche Gang der Temperatur, und somit auch der ther- monastischen Bewegungen, viel unregelmässiger gestaltet, als die von dem Be- leuchtungswechsel abhängige Periodicität (II, § 96), so hat das Fehlen oder das Zurücktreten von Nachschwingungen bei den Blüthen von Crocus, Tulipa und bei anderen thermonastischen Organen den Vortheil, dass die Bewegungs- thätigkeit jederzeit vollständig durch die Temperaturverschiebungen beherrscht wird, und dass demgemäss z. B. Frühlingsblüthen, zu denen die Mehrzahl der stark photonastischen Blüthen gehört, an kalten Tagen dauernd geschlossen bleiben (über die ökologische Bedeutung vgl. II, p. 481). Ist ein Organ gleichzeitig mit thermonastischer und photonastischer Be- fähigung ausgerüstet, so wird in den meisten Fällen durch die Abnahme, bezw. 1) Pfeffer, Physiol. Untersuch. -1873, p. 189; Period. Beweg. -1875, p. 131; Jost, Jahrb. f. wiss. Bot. -1898, Bd. 31, p. 332. — Warum durch eine plötzhche Temperatur- erhöhung unter Umständen ein gewis,ses transitorisches Oeffnen erzielt wird, ergiebt sich aus dem Gesagten und ist auch bereits 11, p. 480 angedeutet. 2) Pfeffer 1873, 1. c. p. 189. ^ 3) Lit. u. Thatsachen, die aber meist der kritischen Prüfung bedürfen, bei Hans- girg, Physiolog. u. Phycophytologische Untersuch. 1893, p. 30, 46, 64; Fritsch, Bot. Ztg. 1802, p. 897. — Vgl. auch dieses Buch II, p. 480, und über Photocleistogamie II, p. 487. 4) Pfeffer, Periodische Bewegungen 1873, p. 122. § lOO. Hydronastische Bewegungen. 497 durch die Zunahme der Temperatur und der Beleuchtung eine gleichsinnig ge- richtete Krümmungsbewegung verursacht. Somit werden sich bei der Regu- lation der Schlafbewegungen gewöhnlich der Einfluss des Temperatur- und des Beleuchtungswechsels unterstützen. Eine Krümmungsreaction kann übrigens in den dorsiventralen Organen aus verschiedenen Gründen zu Stande kommen, auch dann, wenn die Zuwachsbewegung in den einzelnen Geweben, in gewöhnlicher Weise, durch die Erhöhung der (infraoptimalen) Temperatur beschleunigt, durch die Steigerung der Beleuchtung aber in einem geringeren Grade verlangsamt wird^). Auch ist es nicht überraschend, dass in gewissen Fällen die be- sagte Gleichsinnigkeit der thermonastischen und photonastischen Reaction nicht gefunden wird. So bewirkt nach Vöchting^) bei bestimmten Sprossen von Mimuhis Tilingii die Abnahme des Lichtes eine Aufwärtskrümmung, die Abnahme der Temperatur aber eine Abwärtskrümmung, und nach Jost^] werden bei den Blättchen von Mimosa pudica durch die Verminderung der Temperatur und der Beleuchtung entgegengesetzt gerichtete Bewegungen verursacht. Die soeben besprochenen Differenzen sind möglich, wenn sich die Temperatur- veränderungen unterhalb des Temperaturoptimums bewegen, hi wie weit aber bei Erhöhung der Temperatur über das Optimum bei bestimmten Objecten eine Umwendung der thermonastischen Krümmungsbewegungen eintritt, ist, ebenso wie in Bezug auf das Licht (II, p. 488), noch nicht näher untersucht. Jedoch scheint eine solche Umwendung bei den Blüthen von Crocus"*) und vielleicht auch bei den Blättern von Oxalis vorzukommen. § 100. Hydronastische Bewegungen. Durch die Veränderung des Wassergehaltes in der Pflanze werden be- kanntlich rein mechanisch (physikalisch) Verschiebungen der Gleichgewichtslage, also Bewegungen verursacht. Denn einmal hat die Verminderung der Biegungs- festigkeit, welche durch die Abnahme des Wassergehaltes und des Turgescenz- zustandes bewirkt wird (II, § 17), zur Folge, dass sich die Organe vermöge ihres Eigengewichtes senken, und ferner tritt eine mehr oder minder weitgehende Verschiebung der Gleichgewichtslage ein, wenn sich bei der Verminderung (bezw. bei der Erhöhung) des Turgors die antagonistischen Gewebe eines dorsi- ventralen Organes in verschiedenem Grade zu verkürzen ibezw. zu verlängern) streben (vgl. II, § 17). Ausserdem sind der Wassergehalt und die Wasserversorgung (allgemein gesagt, die Wasserverhältnisse oder hydrischen Verhältnisse) physiologische A\\- gemeinbedingungen, durch deren Veränderung, in analoger Weise wie durch die Veränderung der Temperatur, die Wachsthumsthätigkeit und Reaclionsfähigkeit modificirt und, bei geeignetem Bau des Organes, Krümmungsbewegungen 1) Vgl. Bd. II, § 25. Ueber die transitorische Wachsthumsbeschleunigung durch dieUebergangsreizung bei plötzlicher Veränderung der Temperatur oder der Beleuchtung siehe II, § 96. 2) Vöchting, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1898, p. 39, 45. 3) Jost, Botan. Ztg. -1897, p. 35. 4) Vgl. Pfeffer, Physiol. Untersuchungen 1873, p. 190; Jost, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 31, p. 35), 338. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 32 498 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. veranlasst werden, die wir als hydronastische Bewegungen zusammenfassen. Diese sind, ebenso wie die thermo- und photonastischen u. s. w. Bewegungen, physio- logische Reactionen, also Reizbewegungen, die durch die Veränderung einer Aussenbedingung veranlasst und durch die physiologische Thätigkeit des Organismus ausgeführt Averden. Somit sind diese hydronastischen Vorgänge streng zu vmterscheiden von den erwähnten, rein physikalischen Bewegungen, auf die wir nicht einzugehen haben. Es bedarf auch keiner besonderen Aus- einandersetzung, dass z. B. durch eine Wasserentziehung zunächst eine rein physikalische Krümmung verursacht und weiter, durch die erzielte Depression des Tvn^gors, eine Veränderung der physiologischen Thätigkeit veranlasst werden kann, die eine hydronastische Bewegung zur Folge hat. Diese behält natürlich ihren physiologischen Charakter, gleichviel ob sie durch Wachsthum vermittelt wird oder als Variationsbewegung auf einer Turgorveränderung beruht, ob sich also der Organismus der selbstthätigen Veränderung des AVachsthums oder des Turgors als Mittel zur Erzielung der Bewegung bedient. Indem wir sachgemäss unter »Hydronastie« die Gesammtheit der aitio- nastischen Vorgänge zusammenfassen, welche durch die hydrischen Verhältnisse verursacht werden, so ist (analog wie mit »Thermonastie« u. s. w.) noch nichts Näheres über die Reizbedingungen, die Reizperception u. s. w. vorausgesetzt und ausgesagt. Da wir aber bei der Behandlung der Beeinflussung der Wachs- thumsthätigkeit durch die Wasserverhältnisse erfahren haben, dass es sich um verschiedenartige Reizbedingungen handeln kann (II, § 33, 34), so ist mit Sicherheit zu vermuthen, dass analo2:e Difl'erenzen auch bei den hvdronastischen Vorgängen in Frage kommen. Weil sich die vorliegenden Untersuchungen aber im wesentlichen auf die Constatirung einer hydronastischen Reaction beschränken, und zum Theil nicht einmal in genügender Weise die physiologischen und physikalischen Bewegungen auseinanderhalten, so können wir auch nur im all- gemeinen über das Vorkommen hydronastischer Krümmungsbewegungen be- richten. Ohnehin ist es, wie wir früher sahen, oft recht schwierig zu con- statiren, ob in einem gegebenen Falle die Reizbedingungen in der Senkung des Turgors, in den Wasserbewegungen mit oder ohne Transpiration, in der Unter- scheidung des flüssigen und festen Aggregatzustandes oder in anderen Verhält- nissen und Complicationen zu suchen sind^). Dass thatsächlich die Gleichgewichtslage in vielen Fällen durch eine hydro- nastische Bewegung verschoben wird, ist von vornherein nicht zu bezweifeln. Denn in einem dorsiventralen Organe wird das Wachsthum der antagonistischen Gewebe sicherlich oft in ungleichem Maasse durch die Veränderung des Turgescenz- 1; Da diese Bewegungen nicht allein durch Turgorveränderungen ausgelöst werden, so dürfte sich als Collectivbegriff »Hydronastie« ;ebenso Hydrotropismus II, § M51 mehr empfehlen als »Turgonastie«, eine Bezeichnung, die z. B. Hansgirg (Physiol. u. Phyco- phytologische Unters. 1893, p. -ll) benutzt. Ob es geboten ist, bei weiterer causaler Aufklärung dieser hydronastischen Vorgänge, Spezialbezeichnungen zu schaffen, und ob man dann einen der Specialfälle vortheilhaft als Turgonastie bezeichnen wird, muss die Zukunft entscheiden. Jedenfalls scheint es zweckmässig, die Bezeichnung »Nastie« und »Tropismus« für physiologische Vorgänge zu reserviren [vgl. Bd. II, p. 83). Man kommt ja auch vollkommen aus, wenn man die nicht physiologischen Bewegungen als »physikalische« bezeichnet, die weiter durch Turgor, Hygroskopicität etc. vermittelt sein können II, § 106;. § 100. Hydronastische Bewegungen. 499 zustandes beeinflusst, durch den ja die Zuwachsbewegung- in einem erheblichen und specifisch verschiedenen Grade modificirt wird (II, p. Hb, § 33, 34). Ofl'enbar wird also zum guten Theil durch Hydronastie bewirkt, dass sich die Lage (die Krümmung) vieler Laub- und Blumenblätter merklich und zuweilen erheb- lich ändert, wenn die Pflanze reichlich begossen oder aus trockener in dampf- gesättigte Luft gebracht wird. Denn die Thatsache, dass die veränderte Lage an den fortwachsenden Blättern bewahrt und ausgebildet wird, beweist, dass es sich um einen physiologischen Gleichgewichtszustand und nicht um eine rein physikalische Turgorbewegung handelt. OhneFrage wurden auch die Lageänderungen, welche G. Kraus ^j, Wiesner^)^ Hansgirg3) u. A. nach der Veränderung des Turgescenzzustandes (der hydrischen Aussenbedingungen) an Laub- und Blumenblättern beobachteten, zum guten Theil durch eine hydronastische Bewegung bewirkt. Da aber in diesen Versuchen die übrigen Aussenbedingungen öfters nicht constant erhalten, und da ferner die physikalischen Turgorbewegungen, sowie die Veränderung der physiologischen Reaclionsfähigkeit mit dem Turgescenzzustand nicht genügend berücksichtigt wurden, so sind die Experimente nicht einwandsfrei und vermögen die Wirkungs- grösse der Hydronastie nicht exact zu kennzeichnen. Immerhin ist aus den Versuchen von C. Kraus zu entnehmen, dass bei den Laubblättern verschiedener Pflanzen die hydronastische Gleichgewichtslage durch eine ansehnliche Steigerung oder Verminderung des Turgescenzzustandes erheblich modificirt wird. Ein analoges Verhalten der Blüthen ist besonders ^aus den Experimenten von "Wiesner und Hansgirg zu ersehen, nach denen z. B. die Blüthen von Anagallis coerulea, Gentiana amarella (Wies n er) in dampfgesättigter Luft, die Blüthen von Stellaria media, Holosteum umbellatum unter Wasser (Hansgirg) sich selbst dann schliessen und geschlossen bleiben, wenn die besten Beleuchtungs- verhältnisse geboten sind 4). Da uns in der Natur immer die Resultante aus dem Zusammenwirken ver- schiedener variabler Factoren entgegentritt, so ist nicht ohne weiteres zu sagen, in wie weit hydronastische Wirkungen bei der Ausbildung der verschiedenen fixen Blattlagen betheiligt sind, welche sich an trocknen und feuchten Stand- orten ausbilden s). Jedenfalls spielen aber hydronastische Bewegungen der Regel nach keine hervorragende und entscheidende Rolle bei der Erzeugung der bisher besprochenen, täglichen Bewegungen der Laubblätter und Blüthen, die in erster Linie durch Licht- oder durch Temperaturschwankungen verursacht werden. Es gilt dieses auch für die Mehrzahl der sogenannten meteorischen Blüthen, die unter dem Einfluss des täglichen Beleuchtungs- oder Temperaturwechsels selbst dann ihre periodischen Bewegungen fortsetzen, wenn sie sich in dampf- 1) C. Kraus, Flora 1879, p. U. 2) J. Wiesner, Sitzungsb. d. Wiener Akad. 1882. Bd. 86, Abth. I, p. 212. 3) A. Hansgirg, Physiol. u. Phycophytol. Untersuch. 4 893, p. 32, 42, 48. 4) Nach den genannten Autoren (vgl. auch L. Planchen, Bullet, d. 1. sociale botan. d. France 1896, Bd. 43) giebt es auch Blüthen, die sich bei Abnahme der Turgescenz schliessen, und es scheint, dass gewisse Blüthen, die bei normaler Turgescenz geöffnet sind, sowohl bei Zunahme, als bei Abnahme des Wassergehaltes eine hydronastische Schliessungsbewegung ausführen. 5) Vgl. z. B. K. 0. E. Stenström, Flora 1895, p. 132. 32* H. S. JENNIWGS, JDHNA HOPKINS UNIVCNBITY, ««^.tlMaKC, MO., 0. •, A. 500 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. gesättigter Luft oder unter Wasser, also dauernd im höchsten Turgescenzzustand, befinden. Dass solche Blüthen und Blätter öfters bei zunehmender Bev.ölkung, also auch bei dem Herannahen von Regen, frühzeitig eine Schliessungsbewegung ausführen, erklärt sich daraus, dass unter solchen Umständen einmal eine photonastische (oder thermonastische) Reizung eintritt, und dass ferner mit der Verminderung der Transpiration der Turgescenzzustand der Pflanze gesteigert und damit die Ausführung der angestrebten (aus neuer Reizung und Nachwirkung resultirenden) Reaction beschleunigt wird (vgl. II, § 101)^). Ob es auch, was sehr wohl möglich ist, Pflanzen giebt, die so schnell und ausgiebig reagiren, dass durch den normalen täglichen Wechsel des Turgescenzzustandes in der Pflanze eine ansehnliche, hydronastische, tägliche Krümmungsbewegung hervorgerufen wird, ist noch nicht untersucht. Aus den Arbeiten von C. Kraus, Wiesner, Jlansgirg (1. c.) ist auch zu ersehen, dass in manchen Fällen schon durch eine massige Veränderung des Turgescenzzustandes eine ansehnliche physikalische Ki'ümmungsbewegung ver- ursacht wird, die sich in dem Schliessen oder Oeffnen von Blüthen, oder in der Hebung oder Senkung von Laubblättern u. s. w. kundgiebt. Wir haben indess auf diese Bewegungen, die schon ohne Erschlaffen (Welken) eintreten, ebenso- wenig einzugehen, wie auf die Folgen einer weitergehenden Wasserentziehung, durch welche in gewissen Fällen u. a. eine ökologisch bedeutungsvolle Reduetion der Oberfläche durch Faltung oder Einrollung der Blätter bewirkt wird-). Natür- lich kann durch den täglichen Gang der Transpiration auch eine tägliche Perio- dicität der Turgescenz und der von dieser abhängigen, physikalischen Bewegungen erzielt werden (vgl. I, p. 232; II, p. 74). Auch ist es klar, dass, mit oder ohne Verschiebung der endlichen Gleichgewichtslage, transitorische Oscillationen ent- stehen, w^enn bei plötzlicher Wasserzufuhr (bezw. nach dem Einlegen in eine Salzlösung) die Zunahme (bezw. die Abnahme) des Turgors in den beiden antago- nistischen Geweben nicht gleichzeitig beginnt oder einen zeitlich verschiedenen Verlauf nimmt 3). Die physikalischen Bewegungen sind aus gleichen Gründen wie in wachsen- den Organen auch in ausgewachsenen Bewegungsgelenken möglich, in denen allerdings bei vielen Pflanzen die Gleichgewichtslage, wenigstens durch einen geringen Wasserverlust, nicht ansehnhch modificirt wird. Grösser fällt diese Verschiebung u. a. bei einer gewissen Form von Porliera hygrometrica"*) aus, bei welcher Wassermangel ein mehr oder weniger weitgehendes Zusammenlegen der Blättchen bewirkt. 1) Vgl. Pfeffer, Physiol. Untersuch. 1873, p. 188; Periodische Beweg. 1875, p. 1.37 u. die an diesen Stellen cit. Lit.; C. Kraus, 1. c. p. 35; F. W. Oliver, Bot. Centralbl. 4891, Bd. 45, p. 32; Hansgirg, 1. c. p. 40, 122. 2) Siehe z. B. F. Ludwig, Biologie d. Pflanzen 1895, p. 194; Tschirch, Jahrb. f. wiss. Bot. 1882, Bd. 13, p. ö44. 3) Vgl. Pfeffer, Periodische Bewegungen 1873, p. 137. 4) Gh. Darwin, Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 283. 332. Die wider- sprechenden Angaben über den Einfluss von Feuchtigkeit auf die Blättchenbewegung bei Porliera finden ihre Erklärung darin, dass eine ungleich starke Wasserentzie- hung angewandt wurde, und dass gewisse Formen dieser Pflanze stärker reagiren. In jüngerer Zeit haben G. Paoletti Nuovo giornale botanico italiano 1892, Bd. 24, p. 63) und E. Pantanelli (Studi d'anatom. et fisiolog. sui pulvini motori 1901, p. 238) bestätigt, dass die täglichen Schlafbewegungen in gewöhnlicher Weise durch den Lichtwechsel hervorgerufen werden. § 101. Combinationserfolge. 501 Durch die Fortdauer der Tagesbewegungen unter Wasser wird auch dann erwiesen, dass jene nicht hydronastischen Ursprungs sind, wenn die sub- merse Pflanze mit der Zeit ihre Bewegungs- und Reactionsfühiglveit verliert i). Jedoch ist schon früher (II, § 33, 3 4) hervorgehoben, dass sicli die submerse Pflanze, gegenüber einer in dampfgesättigler Luft gehaltenen Pflanze, in be- sonderen Aussenbedingungen befindet, durch die in manchen Fähen die Wachs- thums- und Bildungsthätigkeit sogar in sehr hohem Älaasse modificirt wird. Es ist also wohl möglich, dass sich, wie es scheint, gewisse Blüthen, die unter Wasser geschlossen bleiben, in dampfgesättigler Luft öfhien (vgl. Hansgirg 1. c), obgleich sie in dieser den maximalen Turgescenzzustand bewahren, und dass die Blätter von Callitriche u. s. w. unter beiden Bedingungen eine verschiedene Gleich- gewichtslage annehmen'-). § 101. Combinationserfolge. Aus dem Vorstehenden (II, § 96 — 100) ergiebt sich, dass nyctinaslische Be- wegungen durch den täglichen Wechsel der Beleuchtung, der Temperatur und auch der Feuchtigkeit (des Turgescenzzustandes) entstehen können und ver- ursacht werden. Aber selbst dann, wenn z. B. die Tagesbewegung der Haupt- sache nach durch den täglichen Beleuchtungswechsel bestimmt und regulirt wird, üben doch die täglichen Veränderungen der übrigen Aussenbedingungen, vor- nehmlich also der Wechsel der Temperatur und der Hydrometeore (der Turgor- verhältnisse), stets einen gewissen und unter Umständen einen ansehnlichen Ein- fluss auf den näheren Verlauf der physiologischen Tagesperiode aus. Denn einmal werden durch diese Factoren die Reactions- und Actionsfähigkeit der Pflanze modificirt (II, § 20), und ausserdem können thermonastische und hydro- nastische Reactionen ausgelöst werden, welche sich mit der photonastischen Tagesperiode combiniren. Ferner kommen die inducirten Nachschwingungen als Bewegungen in Betracht, die in einem bestimmten Rhythmus und mit einer gewissen Energie angestrebt werden 3). Wir müssen uns aber mit dem Hinweis auf einige Combinationen be- schränken, die unter den in der Natur gebotenen Verhältnissen vorkommen. Um indess an einfache Verhältnisse anzuknüpfen, setzen wir zunächst voraus, dass nur die Beleuchtung in der normalen (täglichen) Periodicität variirt, die übrigen Aussenbedingungen aber constant bleiben. Unter diesen Umständen werden, wie dargethan ist (II, § 98), die Tages- bewegungen durch das Zusammengreifen der täglichen photonastischen Wirkungen und der Nachscliwingungen bestimmt und regulirt, die sich, wenigstens in der 1) Die Benachtheiligung wird, wenigstens theilweise, durch ungenügende Sauer- stoffzufuhr, durch Sistirung der Transpiration etc. verursacht (vgl. Bd. II, p. 141). Schon deshalb ist es zu verstehen, dass durch Injection der Intercellularräume mit Wasser die Bewegungsthätigkeit erheblich beeinträchtigt oder ganz gehemmt wird. Pfeffer, Physiol. Untersuch. 1873, p. 75, 98, 188. 2) Frank, Gohn's Beiträge z. Biologie 1872, Bd. I, Heft 2, p. 80. 3) So lange die Nachschwingungen vorhanden sind, wirken sie im Princip wie autonome Bewegungen fll, p. 491), auf die wir bei Betrachtung dieser Combinationen nicht weiter eingehen. 502 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Hauptsache, gegenseitig unterstützen, weil sich täglich der Gang der Beleuchtung in einem ähnlichen Rhythmus wiederholt und weil die Nachschwingungen an- nähernd den Rhythmus der vorausgegangenen Tagesbewegungen einhalten. Durch die tägliche Wiederholung der photonastischen Wirkungen wird somit die Morgen- und Abendbewegung (die wir auch Oeffnungs- und Schliessungsbewegung nennen wollen) umsomehr über das schon von den Nachschwingungen angestrebte Maass getrieben, je geringer diese ausfallen, und je ansehnlicher die Pflanze auf den Lichtwechsel reagirt^). Da die Nachschwingungen in Oscillationen um die Gleichgewichtslage bestehen, so ist durch diese, sowie durch den Gang der photonastischen Reaction (11, p. 476, 486), zugleich für eine rückgängige Be- wegung gesorgt. Von dem zeitlichen Verlauf der Nachschwingung vmd der photonastischen Reaction hängt es auch ab, wie schon (II, p. 258) in Bezug auf die Tagesperiode der Zuwachsbevvegung erörtert wurde, ob das Maximum (der Wendepunkt) der Morgen- und Abendbewegung bald nach Sonnenaufgang und Sonnenuntergang oder in späteren Tag- und Nachtstunden eintritt, und ob z. B. das Oeffnen und Schliessen der Blüthen früher oder später begonnen und vollendet wird. Da ferner an trüben Tagen die photonastische Wirkung am Morgen und am Abend schwächer ausfällt, so wird unter solchen Umständen die Amplitude der Tagesbewegung besonders dann stark reducirt, wenn bei der Erzeugung dieser die photonastischen Wirkungen mehr leisten, als die Nachschwingungen. Auch ergiebt sich aus dem Gesagten und dem Folgenden ohne weiteres, dass eine Pflanze, die am Morgen ins Dunkle kam, am Abend eine minder ausgiebige Schliessungsbewegung ausführt (bezw. sich später schliesst), als eine Pflanze, die Tags beleuchtet war und Abends eine kräftige photonastische Wirkung erfährt 2). Da aber die Pflanze jederzeit reactionsfähig ist (vgl. II, p. 489), so werden, besonders bei stark photonaslisch reagirenden Objecten, durch die Licht- schwankungen am Tage zahlreiche und zuweilen ansehnliche, secundäre Oscil- lationen hervorgerufen. Eine Verdunklung hat indess am Nachmittag einen stärkeren Erfolg, als am Morgen, weil im ersteren Falle die photonastische Wirkung und die begonnene oder doch in Vorbereitung begriffene Nach- schwingung gleichsinnig zusammengreifen. AVird aber die Verdunklung früh am Morgen ausgeführt, so kann es sich bei den ansehnliche Schlafbewegungen ausführenden, aber schwächer photonastisch reagirenden Objecten ereignen, dass die noch im Gange befindliche Oeifnungsbewegung nur vorübergehend verlangsamt oder wiederum aiifgenommen wird, nachdem durch die photonastische Wirkung für einige Zeit eine umgekehrt gerichtete Bewegung hervorgerufen worden war ^). Analog 1) Die angestrebten Bewegungen können natürlich nicht ausgeführt werden, wenn durch Anpressen (Schliessen) eine mechanische Hemmung geschaffen wird. Vgl. II, p. 486. 2) Diesen und ähnlichen Consequenzen, die sich aus den Darlegungen in meinen »Periodischen Bewegungen -1875« ohne weiteres ergeben, und die z. Th. auch direct ausgesprochen wurden, ist in den Interpretationen 01t manns (Bot. Zeitung 1895, p. 44, 40}, in Bezug auf das Schliessen und Oeffnen der Blüthen, nicht immer in gebührender Weise Rechnung getragen. 3) Pfeffer, 1. c. p. 71. — Desshalb werden z. B. durch ein aufsteigendes Ge- witter die Blätter und Blüthen verschiedener Pflanzen am Nachmittag zum Schliessen gebracht, bei denen am Morgen eine gleichstarke Verdunklung nur eine massige § lOi. Combinationserfolge. 503 wirkt während der abendlichen Schliessungsbewegung die Erhellung, durch die es bei den stark photouastisch reagirenden Pflanzen fMimosa, Acacia u. s. w. II, p. 489] besonders dann gelingt, die Blätter nochmals in die Tagstellung zurückzuführen, wenn die Pflanze, in Folge des trüben A\'etters, am Abend eine massige photonastische Reizung erfuhr i). Wird aber die bisher dem gewöhn- lichen Tageswechsel ausgesetzte Pflanze in der Folgezeit während der Nacht beleuchtet und am Tage verdunkelt, so wird schneller oder langsamer, und nach einigen Unregelmässigkeiten, der dem neuen Beleuchtungswechsel entsprechende Rhythmus geschaffen und inducirt (Pfeffer, 1. c. p. 72), der, wie früher (II, p. 490) bemerkt, auch länger oder kürzer als 24 Stunden dauern kann. Da der Uebergang in den, den neuen Bedingungen entsprechenden Gleichgewichts- zustand, nicht augenblicklich stattfindet, so kann selbstverständlich die bei Licht- abschluss gehaltene Pflanze auf eine Verdunklung erst ansehnlich reagiren, nach- dem sie eine gewisse Zeit am Licht verweilt hat, nachdem also, wie man auch sagen darf, durch die Beleuchtung die Befähigung zu der photonastischen Reaction wiederhergestellt ist. Bei Acacia lophanta und Impatiens noli tangere kommt übrigens schon nach 5 — 10 Minuten Beleuchtung eine schwache, nach 1/2 bis I stündiger Beleuchtung anscheinend die maximale photonastische Reaction der Blätter zu Stande 2), die, soweit die Beobachtungen ein Urtheil gestatten, durch den Aufenthalt in conlinuirlicher Beleuchtung nicht gesteigert wird (11, p. 489). Jedoch ist noch nicht entschieden, ob sich etwa die photonastische Reactions- fähigkeit in Folge der Induction der Nachwirkungsbewegungen verändert. Eine der- artige Variation ist nicht ausgeschlossen, da die Reactionsfähigkeit vielfach durch eine anderweitige Inanspruchnahme modificirt wird. Doch scheint das Zusammen- wirken der Nachwirkungsbewegungen und der erneuerten photonastischen Reactionen auszureichen, um die gesteigerte Wirkung einer Verdunklung am Nachmittage (11, p. 502) zu erklären. Uebrigens handelt es sich bei diesem und anderen physiologischen Zusammenwirken nicht um eine einfache, mechanische Summirung der einzelnen Reactionen (II, p. 36 2). Auf Schwellenwerth, Latenzzeit, Verlauf der Reactionscurve etc. brauchen wir nicht speciell einzugehen, da sich das Wesentliche aus den allgemeinen Schliessungsbewegung hervorruft. Vgl. Pfeffer, Physiol. Untersuch. 1873, p. 201. — Ueber sog. meteorische Blüthen siehe diesen Band p. 499. 1) Dieses Entgegenarbeiten der photonastischen und Nachwirkungsbewegungen benutzte ich (Pfeffer 1875, 1. c. p. 35, 71), um schneller eine Ehminirung der Tages- bewegungen bei continuirlicher Beleuchtung zu erzielen. 2) Pfeffer, Period. Bewegungen 1S75. p. 57. Analoges gilt natürlich auch, wenn eine thermonastische Reaction hervorgerufen wird, uidem die Pflanze transitorisch erwärmt (oder abgekühlt) und dann wieder auf die frühere Temperatur zurück- gebracht wird. Da es sich in allen diesen Fällen um Reizreactionen handelt, so kommen für die Ausgiebigkeit der Reaction auch stets die sensorischen Processe in Betracht. Doch ist es klar, dass bei einem Gelenke die maximale Bewegung erst dann eintreten kann, wenn durch die allmähliche Senkung des Turgors im Licht die mecha- nische Befähigung zu der maximalen Reaction hergestellt ist (vgl. II, § 104). Wenn nun auch bei den Reactionsbewegungen die Wachsthumsthätigkeit als mechanisches Mittel zur Ausführung der Bewegungen dauernd zur Verfügung steht, so ist doch wohl möglich, dass, wie in vielen Fällen, nach einer energischen Inanspruchnahme eine gewisse Er- müdung eintritt, wie das in der That der Fall zu sein scheint, wenn man z. B. die Blüthen von Crocus wiederholt thermonastische Bewegungen ausführen lässt (Pfeffer, Physiol. Untersuch. -1873, p. 182). 504 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Erörterungen in diesem Bande p. 363 und aus den in diesem Abschnitt mit- eetbeilten Thatsachen ableiten lässt. Ebenso ist schon ohne specielle Unter- suchungen zu erkennen, dass die photonastische und thermonastische Reactions- grösse mit der Steigerung des Reizanstosses zunimmt, dass aber, bei erhöhter Inanspruchnahme des Organismus durch Licht oder Temperatur, zur Erzielung desselben physiologischen Effectes ein grösserer, absoluter Reizzuwachs nothwendig ist^). Auch ist bereits (II, p. 476, 486) besprochen, welche Rolle bei den uns hier beschäftigenden Reactionen die Uebergangsreizung spielt, und dass die von dieser abhängigen transitorischen Oscillationen noch bei ziemlich langsamer Veränderung der Beleuchtung und der Temperatur zu Stande kommen. Noch nicht genügend untersucht ist, ob durch die Zunahme von Licht, Temperatur u. s. w. immer derselbe (der umgekehrte) physiologische Effect er- zielt wird, wie durch die gleichstarke und gleichschnelle Abnahme dieser Factoren. Allerdings hat z. B. die Erhellung nur eine geringe Hebung des Blattes von Impatiens noli tangere zur Folge, während die nach einiger Zeit vorgenommene Verdunklung eine sehr ansehnliche Senkung verursacht 2] . Indess sind diese und ähnliche Erfahrungen schon desshalb nicht völlig entscheidend, weil das Blatt sich bei gleichstarker Auslösung nach einer Seite schwächer krümmen wird, wenn es in dieser Richtung zu Beginn des Versuches bereits durch Krümmung in Anspruch genommen, also über die Gleichgewichtslage hinaus gekrümmt war. Jedenfalls ist es aber sehr wohl möglich, dass Zunahme und Abnahme der Temperatur oder des Lichtes, besonders bei transitorischer Reizung (II, § 103), einen quantitativ oder auch qualitativ verschiedenen Effect ausüben. Thatsäch- hch ist auch die Empfindung, welche in uns der Uebergang aus dem Dunkeln in intensives Licht verursacht, verschieden von derjenigen Empfindung, welche der umgekehrte Wechsel hervorruft. Auch werden wir noch erfahren (II, § 1 42), dass gewisse Mikroorganismen auf die Zunahme und Abnahme von Licht etc. ver- schieden reagiren. Weiter wird z. B. bei Mimosa pudica durch den Beginn, aber nicht durch die Sistirung von intermittirenden Stosswirkungen eine Reizbewegung ausgelöst (II, p. 443), und manche Organismen vermögen sich an eine plötzhche Steigerung der Concentration der umgebenden Flüssigkeit zu accommodiren, während die analoge Verminderung der Concentration ein Zerplatzen verursacht (II, p. 138, 329)3). Uebrigens sind viele chemische Processe, die durch Erhöhung der Temperatur oder der Beleuchtung eingeleitet werden, nicht reversibel. Auch würde es nicht schwer sein, einen Apparat so zu construiren, dass zwei ungleich schnell reagirende Metallthermometer bei Erhöhung der Temperatur transitorisch einen Contact herstellen und hierdurch eine elektrische Auslösung besorgen, w-ährend Contact und Aus- lösung unterbleiben, wenn die Thermometer nach der Erniedi'igung der Temperatur in die entsprechende Gleichgewichtslage zurückkehren. Ferner wird z. B. bei einer Standuhr durch die normale, aber nicht durch die inverse Drehung des Zeigers das Schlagwerk ausgelöst. 4) Vgl. Bd. II, p. 365; Periodische Bewegung. 1875, p. 130. 2] In Bezug auf die ungleiche Wachsthumsbeschleunigung bei Abnahme und Zu- nahme von Licht und Temperatur vgl. II, § 96. 3) Aus dem hier und früher Gesagten geht hervor, dass der schnelle Wechsel anders wirken kann, als der langsame Uebergang. — Erwähnt sei noch, dass nach Correns (Bot. Zeitung 1896, p. 13) bei Ranken die Temperaturzunahme eine stärkere thermonastische Krümmung veranlasst, als die gleichstarke Temperaturabnahme. § •lO'i. Combinationserfolge. 505 Da bei den Pflanzen, welche Schlaf bewegungen ausführen, die Abnahme bezw. die Zunahme der Beleuchtung und Temperatur gleichsinnig gerichtete Bewegungen zu veranlassen pflegen (II, p. 496), so werden sich bei dem normalen täglichen Ver- laufe der Beleuchtungs- und Temperaturkurve die photonastischen und thermo- nastischen Ileactionen in der Regel unterstützen. Jedoch werden die Tagesbeweg- ungen, je nach dem specifischen Reactionsvermögen der Organe, theilweise von dem Lichtwechsel, theilweise von dem Temperaturwechsel oder auch gleichzeitig von beiden beherrscht (II, p. 496;. Demgemäss genügt bei den vorwiegend thermo- nastischen Blüthen von Crocus und Tulipa schon eine geringe Temperatur- steigerung, um das durch eine Verdunklung inducirte, entgegengesetzte Be- wegungsstreben zu überwinden, während die im Gang befindliche, tägliche Oeffnungsbewegung der vorwiegend photonastischen Blüthen von Nymphaea alba, Oxalis rosea, Leontodon hastilis, Taraxacum officinale selbst durch eine ansehn- liche Temperaturerniedrigung nicht umgewendet wird^). Ferner ist die Reactions- und Actionsfähigkeit in allen Fällen von dem Ausmaass der Temperatur abhängig (II, § 20), die zudem vielfach eine ansehn- liche Verschiebung der Gleichgewichtslage verursacht. Dieserhalb bleiben in niedriger Temperatur viele thermonastische Blüthen geschlossen (II, p. 480, 496). Aber auch verschiedene photonastische Blüthen öffnen sich in tiefer Temperatur (i — 3 G.) nicht oder nur wenig und werden durch Erhellung nur zu einer geringen, bleibenden oder transitorischen Oeffnungsbewegung veranlasst (II, p. 480, 496), In welcher Weise bei diesen Vorgiuigen die transitorischen Oscillationen be- theiligt sind, wurde bereits (II, p. 480) erürtert. Auch ist es einleuchtend, dass manche Blüthen bei bestimmten Combinationen der Aussenbedingungen sich am Tage nur auf kurze Zeit öffnen, während sie unter normalen Verhältnissen früh- zeitig aufblühen und sich erst gegen Abend schliessen^). Ferner ist es nach dem Gesagten verständlich, warum z. B. die Blüthen von Leontodon hastilis, Taraxacum officinale u. s. w. sich am Tage nicht oder nur wenig öffnen, wenn sie während der Nacht, sowie am folgenden Tage bei 3 — 4 G. gehalten, und erst am Abend, ohne Mithilfe der Beleuchtung, durch Erhöhung der Temperatur auf 22 G., zur Oeffnung gebracht werden 3). Uebrigens kommt unter solchen Umständen auch in Betracht, dass durch die Erhöhung der Temperatur die inducirten (an- gestrebten) Bewegungen activirt werden, deren Realisirung durch die tiefe Temperatur zurückgehalten wurde. Schon diese Verhältnisse, sowie die Beeinflussung der Reactions- und Actionsfähigkeit durch den Turgescenzzustand (II, § 100) bringen es mit sich, dass der Rhythmus der Schlafbewegungen stets eine gewisse und zuweilen eine erhebliche Modification erfährt, und dass sich die Oeffnungs- und Schliessungs- zeit der Blüthen mit der Länge der Tage verschiebt und ausserdem durch die Gombination der anderen Aussenfactoren zuweilen ansehnlich verändert wird^). 1) Pfeffer, Physiol. Untersuchung. 1873, p. 195, 20G; Periodische Bewegung. 1873, p. 133. 2) Vgl. Oltmanns, Bot. Ztg. 1895, p. 31, 50, bei dem indess das Zustandekommen des Frühschliessens einseitig interpretirt ist. Vgl. II, p. 302 Anmerkung. 3) Pfeffer, Physiol. Untersuch. 1878, p. 197. 4) üeber Oeffnungs- und Schliessungszeiten (Blumenuhr vgl. z. B. Kern er, Pflanzenleben 1891, Bd. 2, p. 211; A. Burgerstein, Ueber die nyctitropischen Bewe- gungen der Perianthien 1887, p. 39; Oesterreich. Botan. Zeitung 1901, Nr. 1. 506 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. § 102, Combinationserfolge. Fortsetzung. Die Veränderungen der Beleuchtung, der Temperatur u. s. w. sind immer nur der äussere Anstoss für die Krümmungsbewegung, deren Einleitung und Verlauf in jedem Falle von der Reactions- und Actionsfähigkeit des Organismus ab- hängt (I, § 3, II, § 20, 21). Somit ist, wie früher (II, 478) betont wurde, schon die einfachste photonastische oder thermonastische Bewegung eine Combinations- bewegung, d. h. die Resultante aus verwickelten Processen, zu denen die Gesammtheit der Reactionen und Gegenreactionen zählt, welche durch die aus- gelüste Action und die Inanspruchnahme erweckt und regulirt werden. Zu den durch die Thätigkeit geschaffenen und mitwirkenden Factoren gehören also u. a. auch der mechanische Widerstand und die Reizwirkungen, welche aus derRealisirung der Einkrümmung resultiren und die mit dem Fortschreiten dieser Krümmung veränderlich sind, sowie ferner die Modification der geotropischen Reizwirkung durch die Lagenänderung des sich bewegenden Organes. Mit der Lagenänderung wird zugleich die mechanische Inanspruchnahme in der Krümmungszone modi- ficirt, da das statische Moment des Blattes abnimmt, wenn dieses z. B. aus der horizontalen in eine aufwärts oder alowärts gerichtete Stellung gebracht wird. Einen gewissen Einfluss muss auch diese mechanische Wirkung auf den Verlauf der Bewegung haben, für die es ferner nicht ganz gleichgiltig sein kann, dass während der Hebung des Blattes eine grössere Arbeit zu leisten ist, als während der Senkung. In der Regel ist aber die Bewegungsenergie so ansehnlich, dass die aus dem Gewicht des Blattes entspringende, mechanische Inanspruchnahme nicht oder doch nicht wesentlich in Betracht kommt ^). Bei Mimosa pudica hängt es jedoch mit der abendlichen Stellungsänderung der secundären Blattstiele (die sich am Abend nach vorn bewegen) 2) und der hierdurch erzielten Erhöhung des statischen Momentes zusammen, dass sich der prim;ire Blattstiel am Abend ansehnlich senkt und sich erst im Verlaufe der Nacht über die Tag- stellung erhebt, obgleich während des Tages eine Verdunklung sogleich eine aufsteigende photonastische Bewegung verursacht ^j. Denn dass diese abend- hche Senkung aus dem Zusammenwirken der photonastischen Wirkungen am Abend und der besagten Bewegung der secundären Blattstiele resultirt, ergiebt sich daraus, dass die abendliche Senkung des primären Blattstieles allmählich aufhört, wenn man die Stellungsänderung der secundären Blattstiele durch ge- eignetes Festbinden verhindert. Nunmehr ist dann die Abendbewegung des 1) Vgl. diesen Bd. II, § 128, und Pfeffer, Period. Bewegungen 187.1, p. 144. 2) Eine habituell ähnliche Lagenänderung tritt auch bei der mechanischen Reiz- bewegung von Mimosa ein, so dass in Fig. 48 (p. 433) das gereizte Blatt B sowohl die abendhche Senkung des Hauptblattstiels, als auch die Vorwärtsbewegung der secun- dären Blattstiele veranschaulichen kann. 3) Pfeffer, Periodische Bewegungen 1875. p. 73. Der normale Gang der Tages- bewegungen ist ausführlich verfolgt von Millardet, Nouvell. Recherch. s. 1. perio- dicitö d. 1. tension 1869 (Sep. a. Memoir. d. 1. soc. d. scienc. naturell, d. Strasbourg Bd. 6). § 102. Combinationserfolge. Fortsetzung. 507 primären Blattstieles, wie es bei anderen Pflanzen die Regel ist, von Anfang an gleichsinnig mit der durch eine Verdunklung ausgelüsten Bewegung gerichtet. Werden aber die fixirten secundären Blattstiele wiederum in Freiheit gesetzt, so tritt mit der Schlaf bewegung derselben schon am ersten Abend eine gewisse Senkung ein, die in den folgenden Tagen successive zunimmt und nach 5 — 1 0 Tagen die frühere (normale) Amplitude erreicht. Die Senkung am Abend wird also durch das Zusammengreifen der abendlichen photonastischen Reaction und der aus der Bewegung der secundären Blattstiele entspringenden Wirkungen, sowie aus der Combination mit den sich anschliessenden Nachschwingungen erzielt. In Folge der inducirten Nachschwingungen hört die abendliche Senkung des Haupt- blattstieles nach Befestigung der secundären Blattstiele aber nur allmählich auf und war z. B. in meinen Versuchen erst nach 8 oder auch erst nach 1 4 Tagen nicht mehr zu erkennen \). Ist somit empirisch der Zusammenhang zwischen der Bewegung der secundären Blattstiele und der abendlichen Senkung des Hauptblattstieles festgestellt, so fragt es sich, in welcher Weise dieses Verhalten damit zusammenhängt, dass durch die Stellungsänderung der secundären Blattstiele das statische Moment erheblich, zu- weilen um mein." als die Hälfte, vermehrt wird. Thatsäehlich hat die (plötzliche) Mehrbelastung eine merkliche Senkung des Hauptblattstieles zur Folge, doch er- giebt sich schon aus der allmählichen Induction und den Nachwirkungen, dass der besprochene Erfolg durch eine complexe, physiologische Reaction zu Stande kommt. Zunächst wird man aber geneigt sein, die allmähliche Steigerung der Belastung als die veranlassende Ursache anzusprechen. Jedoch wird diese Inter- pretation erst dann völlig sichergestellt sein, wenn erwiesen ist, dass die nyctinastische Bewegungsthätigkeit der secundären Blattstiele nicht in irgend einer anderen Weise (correlativ) veranlassend oder bedingend Avirkt oder mitwirkt. Jedenfalls setzt die Erzielung des besagten Erfolges eine bestimmte Reactions- fähigkeit voraus, die in geeigneter Weise nicht bei allen Pflanzen und bei Mimosa vielleicht nicht zu allen Zeiten vorhanden ist. Denn es ist durchaus nicht aus- geschlossen, dass die Reactionsfähigkeit im Zusammenhang mit den njctinastischen Krümmungen und Reactionen oder speciell im Zusammenhang mit den abend- lichen Bewegungen der secundären Blattstiele modificirt wird 2). Desshalb lassen sich auch in unserer Frage nicht ohne weiteres Schlüsse aus den unter be- stimmten Bedingungen (am Tage und bei plötzlicher Belastung) angestellten Experimenten Schilling's 3) ziehen, aus denen übrigens hervorgeht, dass auch in dem Hauptgelenk von Mimosa durch eine aufgedrängte Krümmung (Inanspruch- nahme) eine auf die Ausgleichung hinarbeitende Gegenreaction (II, p. 365) er- weckt wird. 1) Näheres bei Pfeffer, 1. c. 2) Es ist also nicht ausgeschlossen, dass die abendliche Senkung unter bestimmten Aussenbedingungen nicht zu Stande kommt, wie das nach D. D. Cunningham (Annais of Royal Botanic. Garden Calcutta ISOS, Bd. 6, p. 133) in Ostindien der Fall sein soll, oder dass die abendliche Senkung unter bestimmten Umständen auch ohne die Bewegung der secundären Blattstiele ausgebüdet wird. Anscheinend hat schon die Höhe der (constanten) Temperatur einen Einfluss. — Schwendener's mechanistische Bedenken ändern an den Thatsachen nichts (Schwendener 1897, Gesammelte Botan. Mittheil. Bd. 2, p. 288). 3) A. J. Schilling, Der Einfluss der Bewegungshemmungen auf die Arbeits- eistungen d. Blattgelenke von Mimosa pudica. 1895. — Vgl. diesen Bd. II, § 166. 50S Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Analog wie bei Mimosa wird vermuthlich auch in anderen Fällen die Nach- schwingung dem realisirten Bewegungsgang (bezw. Bewegungsbestreben) ent- sprechen, also auch dem, der aus dem Zusammengreifen von photonastischen und thermonastischen Wirkungen resultirt^). Da jedoch in dei'selben Pflanze nicht jede Reaction Nachwirkungen hervorruft (vgl. II, p. 245), so ist es auch möglich, dass letztere einmal durch eine bestimmte Einzelreaction, aber nicht durch die real ausgeführte resultirende Bewegung bestimmt werden (vgl. II, p. 257). Uebrigens kann z. B. die photonastische Wirkung (Reaction) dann Nachschwingungen im Gefolge haben, wenn die Ausführung der angestrebten aitionastischen Be- wegung durch eine Widerlage mechanisch unmöglich gemacht ist, während von Nachwirkungen natürlich keine Rede sein kann, wenn bei der mechanischen Hemmung der Bewegungen die Bedingungen für die maassgebenden, primären Reactionsbestrebungen ausfallen. Natürlich ist eine photonastische, thermonastische u. s. w. Krümmungs- bewegung ebensogut möglich, wenn die nothwendige physiologische Dorsiventra- lität (II, p. 83) darch innere Ursachen ausgebildet oder aber durch äussere Factoren stabil oder labil inducirt ist (II, p. 167). In dem zuletzt genannten Falle hält selbstverständKch die Befähigung zu einer aitionastischen Krümmungs- reaction nur so lange an wie die Induction, und die Reaction wird demgemäss mit dem Wechsel der Inductionsbedingungen schnell modificirt, wenn sich mit diesen der Inductionszustand (die Stimmung) schnell verändert. Ein schönes Beispiel für die Veränderung der photonastischen Krümmungs- reaction durch eine labile, geotropische Induction sind die Bewegungsgelenke ge- wisser Pflanzen 2). Diese Bewegungsgelenke sind negativ geotropisch, so dass eine mehr oder minder ansehnliche Verschiebung der Gleichgewichtslage eintritt, Avenn die Pflanze umgekehrt oder wenn am Klinostaten die einseitige W^irkung der Schwerkraft eliminirt wird (II, § Hl). Bei Phaseolus multiflorus und vul- garis erfolgt diese geotropische Reaction so schnell und geht so weit, dass nach der Umkehrung der Pflanze das in Tagstellung befindliche Blatt (Fig. 61, bei h] in einigen Stunden in eine der Nachtstellung ähnliche Lage (Fig. 61, a) über- geführt wird. Nach dieser Verschiebung der Gleichgewichtslage sind die Ge- lenke in vollem Maasse photonastisch empfindlich, jedoch ist die Bewegungs- richtung der photonastischen Reaction und der Tagesbewegungen gegen früher gerade umgekehrt, so dass das Blatt am Abend sich in die in der Fig. 61 (bei 6) gekennzeichnete Lage begiebt und am Morgen in die Lage a zurückkehrt. Analog verhält sich Desmodium gyrans, bei dem allerdings nach der Umkehrung das Endblatt nicht völlig die Winkelstellung erreicht, die es bei voller Tagstellung annimmt (vgl. Fig. 57, p. 482). Bei den meisten Gelenken überwiegt aber die inhärente Dorsiventralität derart, dass nach der Umkehrung die Schlafbewegungen in der bisherigen Weise fortgesetzt werden. 1) Wenn schlafende Blätter während des Tages durch einseitige, seitliche Be- leuchtung iheliotropische Wirkung) in einer resultirenden, schiefen Lage gehalten werden, so wird nach F. M. Pertz u. Fr. Darwin (Proceedings of Philosophical Society Cambridge 1900, Bd. 10, p. 259) am nächsten Morgen eine ähnliche Lage bei den im Dunkeln gehaltenen Blättern gefunden. Ob es sich aber hierbei um einö reale Nachwirkung handelt, muss dahingestellt bleiben. [Vgl. auch F. M. Pertz und Fr. Darwin, Annais of Botany 1903, Bd. 17, p. 93.] 2) Pfeffer, Periodische Bewegungen 1875, p. 138. § ioa. Combinationserfolge. Fortsetzung. 509 Dementsprechend verhalten sich auch die Pflanzen, wie A. Fischer i) weiterhin zeigte, wenn mit Hilfe des Klinostaten die einseitige Reizwirkung der Schwerkraft aufgehoben wird. Da unter diesen Bedingungen bei Phaseolus vulgaris und multitlorus, sowie bei Lupinus albus die Schlafbewegungen, trotz des täglichen Beleuchtungswechels, ganz oder in der Hauptsache aufhören, so folgt, dass die Bewegungsgelenke dieser Pflanzen (in Bezug auf die photonastische physiologisch radiär sind. Dagegen wird bei Acacia lophantha, Wirkung tes^sf¥?ri-fe^ Fig. 61. Phaseolus miütiflorus in inverser Aufstellung. Die Stiele der beiden ersten Laubblätter sind dureli den Drath. d unverrückbar fixirt, so dass nur das unterhalb der Blattlamina befindliche Gelenk Bewegungen ausführen kann. Das Blatt a ist in der Tagstelhing, das Blatt b in der Nachtstellung gezeichnet. Die Blättchen des drei- zähligen Blattes c sind durch die Drehung in dem Hauptgelenk in die Lage zurückgeführt, welche sie gegenüber dem Lichte normalerweise einnehmen, und führen desshalb auch die normal gerichteten Schlaf bewegungen aus. TrifoHum pratense, Amicia, Biophytum sensitivum, überhaupt in den meisten Fällen, die photonastische Reactionsfähigkeit ganz oder vorwiegend durch die inhärente physiologische Dorsiventralität bestimmt, da am Klinostaten die Schlafbewegungen in der bisherigen Richtung und mit ansehnlicher Amplitude fortgesetzt werden. Bei Cassia marylandica wird aber am Klinostaten die Amplitude der Tagesbe- wegungen abgeschwächt und bei Desmodium gyrans muss die geotropische In- duction die inhärente physiologische Dorsiventralität überwiegen, da nach Fischer bei dieser Pflanze die Schlaf bewegungen am Klinostaten in normaler Weise fortdauern, während sie nach meinen Beobachtungen an der invers auf- gestellten Pflanze der Richtung nach umgekehrt werden. Es war ja auch von \) A. Fischer, Bot. Zeitung 1890, p. 672. 510 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. ^•; vornherein zu erwarten, dass es Bindeglieder zwischen den Pflanzen giebt, die man je nach der Herkunft der maassgebenden physiologischen Dorsiventralität mit A. F i s c h e r 1) als autonyctinastische und geonyctinastische unterscheiden kann. Die Nachschwingungen verursachen, dass die Tagesbewegungen auf dem Klinostaten, analog wie bei der Uebertragung in continuirliche Beleuchtung, nicht sofort erlöschen, sondern einige Tage mit allmählich nachlassender Amplitude fortgesetzt werden und nach dem Entlernen der Pflanze vom Klinostaten wiederum allmählich ihren vollen Werth erreichen (Fischer, 1. c). Nach der inversen Auf- stellung von Phaseolus hat aber offenbar der dominirende Einfluss der geotropischen Induction zur Folge, dass die Schlafbewegimgen schon am ersten Tage in um- gekehrter Richtung stattfinden (Pfeffer, 1. c). Da durch die Einkrümmung die Lage der Gelenke gegen das Loth und somit die geotropische Wirkung, sowie eventueh die photonastische Stimmung etwas modificirt werden, so hat die Realisirung der Krümmungsbewegung selbst bei den autonyctinastischen Organen einen gewissen Einfluss auf den näheren Verlauf der Tagesbewegungen 2j. In dieser Hinsicht können aus verschiedenen Gründen kleine Differenzen bei den Blättern der vertical und der geneigt stehenden Zweige derselben Pflanze zu Stande kommen'^]. Haben sich die bisherigen Untersuchungen nur mit den Gelenken (den Variationsbewegungen) beschäftigt, so ist doch nicht zu bezweifeln, dass analoge Verhältnisse auch bei den durch Nutation vermittelten Tagesbewegungen vor- kommen*). Jedenfalls sind auch die dorsiventralen Blätter im allgemeinen plagiogeotropisch , so dass ihre Gleichgewichtslage nach der inversen Aufstellung und am Klinostaten und zwar oft sehr erheblich verschoben wird (II, § 13 1, 132). Uebrigens dürften bei diesen Objecten die Schlafbewegungen in den meisten Fällen durch die ii:ihärente physiologische Dorsiventralität bestimmt werden. Da mit der Dorsiventralität häufig eine gewisse, wenn auch oft geringe aitionastische Reactionsfähigkeit verknüpft ist (II, p. 476), so sind ohne Frage viele der Fälle, in welchen eine stabile oder labile Dorsiventralität inducirt wird (II, § 43), Beispiele dafür, dass durch eine einseitige (orientirende) Reizwirkung zu- gleich eine photonastische, thermonastischeu. s. w. Reactionsfähigkeit geschaffen oder modificirt wird. Ein solcher Erfolg kann auch schon durch eine nur physiologische (also anatomisch und morphologisch nicht erkennbare) Dorsiventralität bedingt sein, und bei der allgemeinen correlativen Abhängigkeit (II, § 45, 46) bleibt vor- aussichtlich die aitionastische Reactionsfähigkeit bei keiner der Inductionen und Inanspruchnahmen völlig unberührt, die durch eine tropistische Reaction (II, Kap. ■\) A. Fischer, 1. c. p. 7M. — Aus dem früher II. p. 476 Anmerk.) angegebenen Grunde wende ich statt »autonyctitropisch« etc. »aiUonyctinastisch« an. — Nach Fischer (1. c. p. 709) ist auchMimosa pudica autonyctinastisch. doch ist nicht zu ersehen, ob auch die abendliche Senkung des Hauptblattstiels auf dem Klinostaten fortgesetzt wird. 2) Wir haben hier nur die nyctinastischen Bewegungen im Auge und sehen dem- gemäss von den geotropischen, heliotropischen etc. Orientirungsbewegungen bei den schlafenden oder bei anderen Organen ab, durch welche die Lage der Organe und somit auch die Nachtstellung etc. verändert wird (II, § 131, 132). Stahl (Bot. Zeitung 1897, p. 86), der nach Ziel und Zweck urthedt, hat diese Richtungsbewegungen und die aitionastischen Bewegungen nicht correct auseinandergehalten. 3) Vgl. Gh. Darwin, Bewegungsvermögen der Pflanzen 1881, p. 336. 4) Vgl. Pfeffer, 1. c. p. 143. § 102. Combinationserfolge. Fortsetzung. 511 XIII) angezeigt werden. Thatsächlich zeigt das oben besprochene Verhalten von Phaseolus, dass die Befähigung zu einer photonastischen Krümmungsbewegung durch das geotropische Wirken erst geschalien, bezw. umgekehrt wird. Wenn in diesem Falle die Induction mit einer geotropischen Bewegung verknüpft ist, so wird doch bekanntlich in anderen Fällen sogar eine ansehnliche structurelle (sichtbare) Induction ohne eine Krümmungsreaction erzielt. Ohnehin ist die Befähigung zu einer aitionastischen, tropistischen oder anderweitigen Reizbewegung nicht aus den sichtbaren Bauverhältnissen zu erkennen, und so ist es auch ver- ständlich, dass in den Blattgelenken von Phaseolus die photonaslische Reiz- barkeit inducirt, bezw. die Bewegungsrichtung umgekehrt wird, ohne dass der ausgesprochene dorsiventrale Bau der Gelenke eine Veränderung erfährt. Es müssen aber nicht alle aitionastischen Reactionen, die von einer physio- logischen Induction abhängen, ansehnlich ausfallen oder so schnell verlaufen, dass durch den täglichen Wechsel der Beleuchtung, der Temperatur u. s. w. auf- fällige photonaslische, thermonastische etc. Bewegungen hervorgerufen werden (II, p. 487). In der That werden wir bei der Behandlung der tropistischen Reizbewegungen von einer Induction abhängige, aitionastische, besonders photo- nastische Bewegungen kennen lernen, die zwar langsam verlaufen, aber an- sehnlich ausfallen können und die dazu dienen, Organe in eine bestimmte resul- tirende Gleichgewichtslage zu bringen (II, § 121, 122). So reagiren die Rhizome von Adoxa moschatellina, Circaea und einigen anderen Pflanzen am Klinostaten nicht photonastisch, wohl aber nachdem sie geotropisch inducirt sind. Denn wenn das Rhizom im Dunkeln die transversal- geotropische Gleichgewichtslage angenommen hat, so wird durch diffuse Beleuch- tung eine nach abwärts gerichtete Krümmung verursacht, welche mit der Be- leuchtung bis zu einem gewissen Grenzwerth steigt, während Verdunklung die Wiederherstellung der horizontalen Gleichgewichtslage veranlasst (II, § 122, 131). Analog verhalten sich die oberirdischen Ausläufer gewisser Pflanzen, die sich im Dunkeln vertical aufwärts stellen und sich bei einer genügenden, diffusen Beleuchtung durch eine Krümmungsbewegung in die horizontale Gleichgewichts- lage begeben (II, § 131). Voraussichtlich sind geotropische Inductionen auch bei einigen der früher (II, p. 487) besprochenen, photonastischen Bewegungen betheiligt, durch welche Organe (die zum Theil energisch geotropisch reagiren) in Folge des Beleuchtungswechsels in eine neue Gleichgewichtslage gebracht werden ^). Auch die soeben behandelten Reactionen von Rhizomen u. s. w. gehören dess- halb zu den photonastischen (bezw. thermonastischen) Vorgängen, weil wir zu diesen alle Krümmungsreactionen zu zählen haben, die, bei Gonstanz der übrigen Aussenbedingungen, durch die alleinige Veränderung der difliisen Beleuchtung (oder der Temperatur etc.) ausgelöst werden (II, p. 83, 356). Mit dieser Bezeich- nung, die analog wie Phototropismus, etc. nur auf die Qualität und die Moda- lität des äusseren Anstosses und auf die Gestaltung der Endreaction basirt ist, wird t) Nach Lidforss (Bot. Ctbl. 1901, Bd. 88, p. 169) beruht die thermonastische Reaction der Sprosse von Holosteum umbellatum, Lamium purpureum, Veronicachamae- drys. Mimulus TiUngn (vgl. II, p. 495) auf geotropischer Induction, während eine solche bei den Blüthenstielen von Anemone nemorosa keine Rolle spielt [vgl. Lidforss Jahrb. f. wiss. Bot. 1902, Bd. 38, p. 343). Vgl. diesen Bd. II, § 131. 512 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. nichts Bestimmtes über die sensorischen und motorischen, überhaupt über die inneren Processe ausgesagt und vorausgesetzt, die also beliebig verwickelt und bei ähnlichem Erfolge verschiedenartig sein können (II, p. 356). Demgemäss sind die oben besprochenen Bewegungen zu den photonastischen Reactionen zu zählen, und das auch dann, wenn sich in einem concreten Fall ergeben sollte, dass der Beleucbtungswechsel (bezw. Temperaturwechsel etc.) nur dadurch wirkt, dass er die geotropische Sensibiütät modificirt, und in Folge dieser Umstimmung durch eine geotropische Bewegung den Uebergang in eine neue Gleichgewichts- lage veranlasst. Aber auch ohne die Aufklärung und Berücksichtigung der maassgebenden Innenprocesse, dürfen wir alle diese und analoge Vorgänge, indem wir die Schw^erkraft in den Vordergrund stellen, mit vollem Rechte als Belege dafür ansprechen, dass die geotropische Reactionsfähigkeit durch das Ausmaass der Beleuchtung (der Temperatur etc.) verändert wird ^). Denn es ist und bleibt Thatsache, dass dieselbe (tropistische) Schw-erkraftwirkung eine verschieden starke Krümmungsbewegung veranlasst, je nachdem die Pflanze stärker oder schwächer beleuchtet, also in eine verschiedene Lichtstimmung versetzt ist. Durch die Thatsache, dass eine Reaction z. B. von dem Zusammenwirken A'on Schwerkraft und Licht (bezw. Temperatur etc.) abhängt und dass bei Constanz der Schwerkraftwirkung der Wechsel der diffusen Beleuchtung' eine Krümmungs- bewegung veranlasst, ist jedenfalls die specielle Bedeutung und die Art des Zu- sammenwirkens dieser Factoren noch nicht aufgehellt. Denn dasselbe End- resultat kann ebenso herauskommen, wenn sich mit der Intensität der diffusen Beleuchtung die geotropische Sensibilität ändert, oder wenn letztere unverändert bleibt und sich die Reaction aus dem Zusammenwirken der constanten geotro- pischen Auslösung (inducirten Dorsiventralität) mit der variabeln photonastischen Reizwirkung (oder aus der Combination dieser und anderer Factoren) ergiebt. Es ist auch klar, dass unter allen diesen Umständen der geotropische Reiz ebensogut dirigirend wirkt, wie in den zahlreichen Fällen, in welchen die photonastische Reizbarkeit auf einer inhärenten Dorsiventralität beruht und die Gleichgewichtslage aus dem Zusammenwirken der photonastischen und geotro- pischen Reactionen resultirt. Ebenso ist es klar, dass ein physiologisch radiäres Organ am Klinostaten nicht mehr auf Lichtwechsel reagiren wird, gleichviel ob die tropistische Wirkung der Schwerkraft durch die Induction einer labilen physiologischen Dorsiventralität die photonastische Reactionsfähigkeit schafft, oder ob die geotropische Sensibilität durch die Beleuchtung entsprechend modificirt wird. Auch lässt sich ein sicherer Schluss nicht aus Analogien ziehen, da nicht selten derselbe Erfolg und derselbe Zweck mit verschiedenen Mitteln erreicht wird. Wenn also in bestimmten Fällen die labile Induction nicht sogleich mit der Aufhebung der inducirenden Aussenwirkung schwindet und sich desshalb nachweisen lässt, dass die photonastische etc. Reactionsfähigkeit durch die In- duction einer labilen physiologischen Dorsiventralität bedingt ist, so folgt daraus nicht, dass bei dem besagten Zusammenwirken eines tropistischen und diffusen 1) Ebenso kann man die autonomen Bewegungen, welche von dem Einfluss der Constanten Schwerkraft abhängig sind, als autonome und als geotropische Vorgänge ansprechen. Vgl. Bd. II, § 80. § 103. Mechanik der Nutationsbewegungen. 513 Reizes stets eine labile Induction durch die einseitige Wirkung von Licht, Schwer- kraft u. s. w. stattfinden und entscheidend sein muss. Ohnehin ist andererseits bekannt, dass die verschiedenartigen, also ebenso die phototropischen, geotro- pischen Sensibilitäten durch die Eigentbätigkeit, sowie durch die Inanspruch- nahme und die anderweitige Beeinflussung des Organismus modificirt werden können (II, § 121, 122). Die Herstellung der photonastischen Reactionsfähigkeit in den Blattgelenken von Phaseolus (II, p. 508) wird übrigens wahrscheinlich durch eine geotropische Induction vermittelt. Denn in diesem Falle lässt sich constatiren, dass die photonastische Reactionsfähigkeit Hand in Hand mit der Auslösung einer an- sehnlichen, geotropischen Krümmungsbewegung gewonnen, bezw. modificirt wird, eine Reaction, die sich unabhängig vom Beleuchtungswechsel und also auch im Dunkeln abspielt. NoH's') Ansicht, dass es sich bei dieser Pflanze nur um eine Modification der geotropischen Sensibilität durch die Beleuchtung handeln könne, ist aus einer einseitigen und unzvilänglichen Auffassung dieser Probleme entsprungen. Falls die obige Annahme zutrifft, so ist z. B. weiter zu entscheiden, ob die Modification der Reaction in einer Veränderung der photonastischen Sensibihtät oder der Actionsfähigkeit in den antagonistischen Gelenkhälften begründet ist. Denn auch letzteres ist möglich, da thatsächlich durch die geotropische Krümmung die Expansionsenergie (die Turgorspannung) in den antagonistischen Hälften er- heblich verschoben, nämlich in der nach der Umkehrung erdwärts gewandten Hälfte gesteigert, in der zenithwärts gewandten Gelenkhälfte aber vermindert wird. Nun hat im allgemeinen die schon bestehende mechanische Inanspruchnahme einen Ein- fluss auf den Verlauf, unter Umständen auch auf die Ausgiebigkeit der Reaction, und so wäre es denkbar, dass bei einer Verdunklung der Expansionszuwachs, durch welchen die photonastische Bewegung erzielt wird, jedesmal in der minder expan- dirten Hälfte zeitlich schneller verliefe, als in der stärker in Anspruch genommenen Gelenkhälfte (vgl. II, § 10 4). § 103. Mechanik der Nutationsbewegungen, Im Anschluss an II, § 96 (vgl. auch II, § 78), wo bereits auf die in der Hauptsache in Betracht kommenden Modalitäten und Reactionen hingewiesen wurde, soll nunmehr mitgetheilt werden, was über die Mechanik der in II, § 96 — I 02 besprochenen Nutationsbewegungen bekannt 2) ist. Zunächst sei nochmals daran erinnert, dass eine Krümmungsbewegung eintreten muss, wenn das Wachsthum in den miteinander verketteten antagonistischen Geweben bei einer Erhöhung oder Erniedrigung der Temperatur oder der Beleuchtung in ungleichem Grade gesteigert oder vermindert wird. Denn dann wird die Krümmung so lange fortschreiten, bis eine bestimmte Gleichgewichtslage erreicht ist, die aus dem verschiedenen W^achsthumsstreben der verketteten Gewebe (Elemente), sowie aus den durch die Krümmung geschafTenen und veranlassten mechanischen Gegen- wirkungen und physiologischen Reactionen resullirt. ^) F. Noll. Die heterogene Induction 1892, p. 12. 2) Es werden hier nur die photo- und thermonastischen Bewegungen berücksich- tigt, da über die Mechanik der hydronastischen Bewegungen keine Untersuchungen vorliegen. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 33 514 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Von den Eigenheiten des Objectes und von der Schnelligkeit des Temperatur- wechsels etc. hängt es aber ab, ob die neue Gleichgewichtslage direct er- reicht wird oder erst, nachdem eine Anzahl Oscillationen ausgeführt sind, die z. B. dadurch entstehen können, dass die antagonistischen Gewebe mit ungleicher Schnelligkeit die den veränderten Bedingungen entsprechende Wachsthumsschnelligkeit annehmen, oder dadurch, dass durch eine Uebergangs- reizung eine transitorische und inäquale Beschleunigung oder Hemmung des VVaclisthums veranlasst wird. Wie dem aber auch sei, jedenfalls muss sich durch eine genügend langsame Veränderung der Temperatur etc. die Reduction und die Eliminirung dieser transitorischen Oscillationen erzielen lassen. Die Realisirung dieser Oscillationen hat aber keinen Einfluss auf die endliche Gleichgewichtslage, die, nachdem sie erreicht ist, so lange unverändert bleibt, bis die Modification eines äusseren oder inneren Factors eine Verschiebung herbeiführt. Uebrigens kann ein Organ auch derart reagiren, dass die Veränderung der Temperatur etc. zwar weitgehende Oscillationen, aber zum Schluss keine bleibende Ver- schiebung der bisherigen Gleichgewichtslage hervorruft (vgl. II, § 96). Aus dem Verlauf der Bewegungen ist also nicht ohne weiteres zu ersehen, ob eine besondere Uebergangsreizung im Spiele ist. Da aber die den veränderten (constanten) Temperatur- und Lichtverhältnissen entsprechende Wachsthums- schnelligkeit in der Regel ohne eine merkliche transitorische Störung angenom- men wird (II, p. 80, 93, 109, 364), so ist zu erwarten, dass viele, insbesondere die langsameren photonastischen und thermonastischen Krümmungsbewe- gungen, möglicherweise auch gewisse typische Schlafbewegungen, ohne eine durch den Licht- oder Temperaturwechsel ausgelöste, transitorische Wachsthums- beschleunigung (oder Wachsthumshemmung) verlaufen. Die Befähigung zu einer Uebergangsreaction wurde indess von mir^) für verschiedene, gut reagirende Pflanzen nachgewiesen, bei denen durch die Steigerung oder die Verminderung des Lichts oder der Temperatur (analog wie bei den Ranken durch den Con- tactreiz II, § 88) eine vorübergehende Beschleunigung des Wachsthums veran- lasst wird. Durch diese wird aber, ebenso wie bei den Ranken, olTenbar eine schnellere Ausführung der Krümmungsbewegung ermöglicht, und so wird z. B. die Blüthe von Crocus in den Stand gesetzt, sich auch dann schnell zu schliessen, wenn sie plötzlich in eine niedrige Temperatur versetzt wird, die in der Folgezeit kaum noch Wachsthum gestattet. Bei den besonders schnell und ausgiebig photo- oder thermonastisch reagiren- den Pflanzen fällt die transitorische Beschleunigung der Wachsthumsschnellig- keit ebenso ansehnlich aus, wie bei den Ranken (II, § 88). So wird bei Im- patiens noli tangere die Wachsthumsschnelligkeit in der Mittellamelle des Blatt- stiels vorübergehend bis zu dem 20 fachen des bisherigen NVerthes erhöht, wenn durch Verdunklung eine energische photonastische Krümmungsbewegung her- vorgerufen wird 2). Ferner ergiebt sich aus den in der Tab. 1, p. 520 •1) Pfeffer, Periodische Bewegungen -ISVö, p. 13, 122, IM. Auf diese Unter- suchungen, sowie auf die Studien von Jost (Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 3 1, p. 345) stützt sich im wesentlichen das hier Gesagte. 2) Pfeffer, 1. c. p. 2-1. In einem Versuche rückten die Messungsmarken in 4 Stunden von 182 auf 183,5 Striche des Mikrometers auseinander, woraus sich pro § 103. Mechanik der Nutationsbewegungen. 515 mitgetheilten Messungen, dass bei Grocus das mittlere Wachsthum in der Actions- zone desPerigons transitorisch auf das 7 — 1 0 fache steigt, obgleich die Uebertragung aus 1 7 G. in 7 C. eine starke Verminderung der stationären Zmvachsbewegung zur Folge hat. Auch die Beobachtungen an Tulipa (Tab. 3, p. 521) zeigen, dass die mittlere Zuwachsbewegung vorübergehend ungefähr den 18 fachen Werth annahm, als die Temperatur plötzlich von 1 1 G. auf 1 8 G. erhöht wurde und die Beschleunigung des Wachsthums würde immer noch ca. eine 8 fache sein^ wenn wir den Mittelwerth der letzten Messung (0,48 Proc.) als diejenige Wachs- thum sthätigkeit ansehen, die fernerhin bei 18 G. eingehalten wurde. Ueberhaupt bietet die Mechanik dieser Reizkrümmungen ähnliche Verhält- nisse, wie die Reizkrümmung der Ranken (IT, § 88). Wie bei diesen, so bewahrt auch bei den genannten photo- und thermonastischen Reactionen die concav werdende Flanke während der Einkrümmung dieselbe Länge oder erfährt eine ganz geringfügige Verkürzung. Bei der w^eiterhin eintretenden, rückgängigen Bewegung (durch die das Blatt von Impatiens nicht vollständig in die Tag- stellung zurückgeführt wird) wächst dann die zuvor beschleunigte Flanke nicht oder nur ganz wenig. Die neueren Untersuchungen Wiedersheim's i) lassen aber keinen Zweifel, dass auch die rückgängige Bewegung, analog wie bei den Ranken (Fig. 47, p. 428), mit einer zweiten, geringeren Beschleunigung des Wachsthums der Mittellinie verknüpft ist. Diese zweite Beschleunigung dürfte sich auch bei den Blüthen von Tulipa (Tab. 3, p. 521) und Grocus einstellen, wird aber bei diesen Objecten desshalb geringer ausfallen, weil die Perigon- blätter durch den Temperaturwechsel in eine neue Gleichgewichtslage gebracht werden, und weil demgemäss die- rückläufige Bewegung nur so weit eintritt, als es die Ausgleichung der Ueberkrümmung erfordert. Ebenso wie die Ranken werden aber die photo- und thermonastischen Organe in die Ausgangslage dann zurückgeführt, wenn man die äussere Ein- wirkung nur transitorisch wirken lässt, wenn man also die früheren Bedingungen wieder herstellt, nachdem durch die Zunahme oder durch die Abnahme der Beleuchtung oder der Temperatur die Krümnumgsreaction hervorgerufen ist. Mit der auf diese Weise veranlassten Verstärkung und Beschleunigung der Ausgleichbewegung tritt dann auch die hiermit verkettete, zweite Wachsthums- beschleunigung deutlicher hervor. Uebrigens wird auch bei den Ranken durch die Gontinuität des tropistischen Gontactreizes eine bleibende Verschiebung der Gleichgewichtslage herbeigeführt. Obgleich die Rankenbewegung durch einen tropistischen, die photo- und thermonastischen Bewegungen durch eine diffuse Reizung veranlasst sind, so 1 Stunde ein Zuwachs von 0,21 Proc. ergab. Nach der Verdunklung krümmte sich dann das Blatt in i o Stunde stark abwärts, und aus der in dieser Zeit beobachteten Veränderung des Markenabstandes (184 auf 192 Strich; berechnet sich für die Oberseite pro 1 Stunde ein Zuwachs von 8,68 Proc. Da die gleichzeitige Messung der Unterseite eine Verkürzung um 0,53 Proc. ergab, so berechnet sich das Wachsthum der Mittel- lamelle zu ~ — = 4,07 Proc. Ueber die photonastische Reaction dieser Pflanze vgl. Bd. II, p. 489. 1) Dieselben wurden im Leipziger Institut ausgeführt. 33* 516 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. werden doch alle diese Reactionen durch ähnliche Wachsthumsoperationen ver- mittelt. Denn in allen diesen Fällen Avird eine transitorische Wachsthums- beschleunigung ausgelöst, und ausserdem wird oft eine bleibende Verschiebung der Gleichgewichtslage herbeigeführt, die je nach den Eigenschaften des Objects mid den Reizbedingiingen verschieden ausfällt. Demgemäss hat eine photo- nastische und thermonastische Reizung, ebenso wie eine thigmotropische Reizung der Ranken zur Folge, dass die ganze active Zone (also beide Flanken) eine Wachsthumsbeschleunigung erfährt, die in der zunächst concav werdenden Flanke zeitlich später beginnt, aber, sofern die Krümmung wieder völlig aus- geglichen wird, trotz des langsameren Verlaufs schliesslich denselben Gesamt- zuwachs zu Tage fördert (vgl. II, p. 429] i). Diese generellen Causalbeziehmigen sind und bleiben Thatsachen, welcher Art auch die Factoren sein mögen, durch deren Verwendung und Combination die stets verwickelte Reizreaction veranlasst und durchgeführt wird. Zu diesen Factoren gehören auch die Uebergangsreactionen, sowie die Bew^egungen, welche bei der Herstellung anderer Beleuchtungs- und Temperaturverhältnisse durch die ungleiche Beeinflussung der stationärenWachsthumsthätigkeit in den antagonistischen Geweben verursacht werden, und die eine permanente Verschiebung der Gleich- gewichtslage bewirken. Ausserdem wird, wie in allen Fällen, auch bei den hier behandelten aitionastischen Reactionen zu entscheiden sein, ob die rück- läufige Bewegung (die bei Verschiebung der Gleichgewichtslage vermindert oder auch ganz eliminirt sein kann) nur durch die reahsirte Action oder auch durch eine anderweitige, directe oder indirecte Reizverkettung ausgelöst wird 2). Dass aber wenigstens die Ausführung der Einkrümmung nicht nothwendig ist, um diejenigen Wachsthumsthätigkeiten zu erwecken, durch welche die rück- läufige Bewegung erzielt wnrd, lässt sich in derselben Weise wie bei Ranken (II, § 88) zeigen. Denn nach den schon erwähnten Untersuchungen Wieders- heim's hat die Verdunklung zur Folge, dass auch an dem festgehaltenen Blatte von Impatiens parviflora, ähnlich wie nach der thigmotropischen Reizung der festgehaltenen Ranke (II, p. 429), eine doppelte Wachsthumsbeschleunigung ein- tritt. Dass aber die zweite Beschleunigung von dem Eintritt einer schnelleren Wachsthumsthätigkeit in der zunächst concav gewordenen Unterseite der Actions- zone abhängt, ergiebt sich (ausser durch directe Messungen), ebenso wie bei den Ranken, schon aus der allmählichen Verminderung des Einkrümmungs- strebens, das activirt wird, wenn man dem Blatte seine Bewegungsfreiheit wieder- giebt. Es ist übrigens einleuchtend, dass diese zweite Wachsthumsbeschleunigung bei einem festgehaltenen Blatt von Tulipa oder Crocus geringer ausfällt, weil mit der bleibenden Veränderung der Temperatur die Gleichgewichtslage erheblich verschoben, die rückläufige Bewegung also reducirt wird. Durch diese Erfahrungen ist indess, wie schon bei der Besprechung der Ranken (II, § 88) erörtert wurde, noch nicht ausgeschlossen, dass in dem an 1) Es ist also, wie ich in den Periodischen Bewegungen aussprach, in den antagonistischen Flanken eine gleichsinnige, aber ungleich schnell eintretende Be- schleunigung des Wachsthums thätig. 2) Vgl. Bd. II, p. 429, wo diese Frage, auch mit Rücksicht auf die Ansicht Jost's, behandelt ist. § 103. Mechanik der Nutationsbewegungen. 517 der Krümmung verhinderten Organe der Anstoss zu der rückläufigen Bewegimg von den freilich andersartigen Spannungsverhältnissen ausgeht. Dass dem aber nicht immer so ist, das lässt sich wenigstens bei den noch (II, § 1 04) zu be- sprechenden Variationsbewegungen zeigen, bei denen sich zugleich nachweisen lässt, dass das Reactionsvermügen der antagonistischen Gewebe auch von der correlativen Verkettung und Beeinflussung abhängt. Eine directe oder indirecte Regulation ist immer nöthig, um zu erzielen, dass bei einer Nutationskrümmung die mit einander verketteten Gewebe in einem ihrer Lage entsprechenden Maasse wachsthumsthätig sind ivgl. II, § 129). Wenn aber, wie es bei der Einkrümmung der Ranken und der photonastisch oder thermonastisch reagirenden Organe der Fall ist, die concav werdende Flanke annähernd ihre Länge bewahrt, wenn also die Wachsthumsschnelligkeit von der convexen bis zu der concaven Flanke allmählich abnimmt, so folgt daraus nur, dass auch die langsamer wachsende Hälfte des sich krümmenden Organes eine transitorische Wachsthumsbeschleunigung erfährt. Denn in der Mittellinie dieser Hälfte wird das Wachsthum immer noch auf das \ 0 fache er- höht sein, wenn es in der Mittellinie des ganzen Organes auf das 20 fache ge- steigert wurde (II, 514). Die geringfügige Verkürzung, die zuweilen an der concaven Flanke eintritt, dürfte ohnehin nur die Folge einer Compression sein i), die bei der schnellen Einkrümmung aus rein mechanischen Gründen noch er- heblicher ausfiele, wenn nicht gleichzeitig durch die Reizung eine so ansehnliche Wachsthumsbeschleunigung ausgelöst würde. Somit steht die Annahme von Jost^), nach der die beiden Hälften eines Organes gerade entgegengesetzt reagiren, nach der also (direct) durch die photo- nastische oder thermonastische Reizung das Wachsthum der convex werdenden Hälfte beschleunigt, das der concav werdenden aber verlangsamt werden soll, mit den empirisch ermittelten Wachsthumsverhältnissen nicht im Einklang. Möglich ist es indess sehr wohl, dass in concreten Fällen eine derartige ent- gegengesetzte Wirkung ausgeübt wird, oder dass etwa in einem anderen Falle durch die Uebergangsreizung in der einzelnen Zelle eine transitorische Hemmung mit einer darauf folgenden Beschleunigung ausgelöst wird. Durch die formale (stationäre) Wirkung, d. h. durch den Uebergang zu der den ver- änderten (constanten) Temperatur- und Beleuchtungsverhältnissen entsprechenden Thätigkeit, wird aber (so lange es sich um infraoptimale Werthe handelt) immer eine gleichsinnige, aber unter Umständen ungleich ausgiebige Modification der Zuwachsbewegung hervorgerufen. Bei solchen formalen (stationären) Beeinflussungen hat also die Zunahme der Temperatur oder der Beleuchtung die entgegengesetzte Wirkung wie die Abnahme dieser Factoren. Ein derartiges Verhältniss braucht aber nicht bei den Uebergangsreizungen zu bestehen, und es besteht auch factisch nicht, wenn ebensowohl durch die Abnahme, als auch durch die Steigerung der Temperatur oder des Lichtes eine transitorische Wachsthumsbeschleunigung (oder eine 1) Pfeffer, 1. c. p. -17; dieses Buch Bd. II. p. 371. 2; Jost, 1. c. p. 368. Bei Jost sind übrigens nicht genügend die transitorischen und stationären Reactionen und Reactionserfolge auseinandergehalten, die bereits in meinen Periodischen Bewegungen in correcter Weise aufgefasst und behandelt wurden. 518 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Iransitorische Wachsthnmshemmung) veranlasst wird oder wenn, was überhaupt bei Auslösungen sehr wohl möglich ist (vgl. II, p. 504), der Abfall aber nicht die Zunahme der Temperatur oder der Beleuchtung eine AVachsthums- beschleunigung oder eine Wachsthumshemmung hervorrufen i). Bedenkt man ferner, dass die physiologischen Erfolge von den specifischen, aber mit der jeweiligen autogenen und aitiogenen Stimmung veränderlichen Eigenschaften des Organismus, ferner von der Schnelligkeit des Wechsels und verschiedenen anderen Factoren abhängen, so kann es nicht überraschen, dass in gewissen Fällen ab- weichende Resultate erhalten wurden. So wurde bei meinen 2) Versuchen mit den Blüthen von Crocus durch die Temperaturerniedrigung (vgl. Tab. I, p. 520) eine sehr ansehnliche, durch die plötzliche Temperatursteigerung aber keine auffällige Wachsthumsbeschleunigung der Mittellinie ausgelöst. Bei der Tulpenblüthe wurde dagegen von Jost^) auch bei der Erhöhung der Temperatur eine starke Iransitorische Wachsthums- beschleunigung der Mittellinie beobachtet (Tab. 3, p. 521). In wie weit bei den photonastischen Pflanzen Beleuchtung und Verdunklung in verschiedenem Grade eine Uebergangsreizung hervorrufen, ist noch nicht sicher verfolgt. Eine exacte Ermittlung ist schon desshalb nicht leicht, weil die directe photonastische Reaction bei den meisten Pflanzen nur gering ausfällt, die ansehnlichen Tagesbewegungen aber durch das Zusammengreifen der Nach- wirkungsbewegungen und der directen Reizungen zu Stande kommen (II, § 98). Bei den so erzeugten Tagesbewegungen tritt allerdings bei den Blüthen von Leon- todon hastilis'*)undTaraxacum officinale^) eine Acceleration des Mittelwachsthums ein. Da nun die mitbetheiligten Nachwirkungen durch den Lichtwechsel inducirt werden 6), so ist anzunehmen, dass auch eine jede photonastische Reizreaction mit einer transitorischen AA'achsthumsbeschleunigung verknüpft ist. Uebrigens scheint auch bei dem Aufenthalt in constanter Finsterniss eine gewisse, Iransitorische Wachs- thumsbeschleunigung in der Mittellinie jedesmal dann einzusetzen, wenn in den Nachwirkungsbewegungen die Schliess- und OefTnungsbewegung ein schnelleres Tempo einschlagen. Eine sehr ansehnliche Beschleunigung des Mittelwachsthums wird aber, wie wir früher (II, p. 514) hörten, durch Verdunklung in den Blättern von Impatiens noli tangere und parviflora veranlasst, in denen zu jeder Zeit durch die Licht- entziehung eine ansehnliche photonastische Bewegung ausgelöst wird (II, p. 489). -1) R. H. True (Annals of Botany 1895, Bd. 9, p. 365) beobachtete sowohl bei plötz- licher Steigerung, als auch bei plötzlicher Senkung der Temperatur eine vorübergehende Wachsthumshemmung der Keimwurzel. Vgl. auch Bd. II, p. 93. — Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass bei den thermonastischen Blüthen der Wachsthumsbeschleu- nigung eine ganz verübergehende Wachsthumshemmung vorausgeht, die in dem Messungsresultat nicht bemerkt wird. 2) Pfeffer, 1. c. p. 122. ^) Jost, 1. C. p. 346. 4) Vgl. Tabelle 4, p. 521 und Pfeffer, 1. c. p. 26. 5) Jost, 1. c. p. 354. 6) Die Nachwirkungsbewegungen der täglichen Periodicität des Längenwachsthums (Bd. II, p. 25;)) sind ebenfalls Beispiele für eine periodische Zunahme und Abnahrie der Zuwachsbeweffung. *&• § 103. Mechanik der Nutationsbewegungen. 519 Ob, wie es scheint, durch Beleuchtung eine geringere Acceleration des Mittelwachs- thums verursacht wird, als durch Verdunklung, ist noch nicht entschieden. Ein bestimmter Schluss ist auch, wie schon (II, p. 504) angedeutet wurde, nicht aus der Erfahrung zu ziehen, dass bei der Beleuchtung der zuvor dunkel ge- haltenen Blätter eine verhältnissmässig geringe Bewegungsreaction eintritt. Da aber zum Zustandekommen einer Krümmungsbewegung die transitorische Wachsthumsbeschleunigung nicht noth wendig ist, so wird eine solche transitorische Reaction sicherlich auch bei vielen photo- und thermonastischen Bewegungen fehlen oder doch sehr zurücktreten. Eine geringe und langsam verlaufende Beschleunigung tritt zudem in den Messungsresultaten oft nicht deutlich hervor, schon dessbalb nicht, weil die Wachsthumsschnelligkeit stets Schwankungen unter- worfen ist (II, § 5), und weil die Zuwachsbewegung durch die Ueberführung der Pflanze in andere Temperatur- und Beleuchtungsverhältnisse auf ein anderes stationäres Maass gebracht wird (II, § 22, 25). In diesen und anderen Er- wägungen habe ich in meinen Periodischen Bewegungen (1875) vielleicht etwas ängstlich eine bestimmte Entscheidung auch da vermieden, wo die Messungs- resultate im allgemeinen auf eine Wachsthumsbeschleunigung hindeuteten. Sach- gemäss ist aber in den Periodischen Bewegungen die transitorische Beschleunigung als eine vorübergehende und nicht nothwendige Reaction angesprochen, durch welche die Ueberführung in eine bleibende Gleichgewichtslage wohl beschleunigt, aber nicht verursacht wird. Belege. Die in Folgendem mitgetheilten Resultate sind aus mikrometrischen Messungen an Blüthen berechnet, die nach der angedeuteten Methode (II, p. 37 7) gleichzeitig an der Aussen- und Innenseite der Blüthe, also mittelst Marken vor- genommen wurden, die sich an zwei genau gegenüberliegenden Punkten der activen Zone befanden. Aus den gemessenen Werthen ist dann der in den Tabellen verzeichnete procentische Zuwachs abgeleitet, der in einer jeden der beiden antagonistischen Flanken in 1 Stunde ausgeführt wurde. Die halbe Summe dieser beiden Wei^the ergiebt die procentische Wachsthumsschnelligkeit der (reellen oder ideellen) Mittellamelle, die in den Tab. 3 und 4 in jeder Verticalreihe hinter den procentischen Werthen der Zuwachsbewegung in den beiden antagonistischenFlanken angegeben ist. In Tab. I und 2 ist nur dieses Mittelwachsthum (so sei kurz gesagt) angeführt. Da aber in diesen Versuchen mit den Blüthen von Crocus der Abstand der Marken auf der concav werdenden Flanke während der Krümmungsbewegung keine oder nur eine ganz unbedeutende Kürzung erfuhr, so wird durch den doppelten Werth des Mittelwachsthums annähernd der procentische Zuwachs auf der convex werdenden Flanke gekennzeichnet. Aus den procentischen Werthen ist zugleich zu ersehen, dass bei den Messungen ansehnliche Zuwachsgrössen abgelesen wurden. Denn wenn die beiden Marken um 150 Theil- striche des Mikrometers voneinander abstehen, so werden die Marken bei einem • Zuwachs von 8 Proc. um 1 2 Theilstriche auseinanderrücken. Die Zahlen in Tab. 1 und 2 geben den procentischen Mittelwerth an, der aus den Messungen an 6 Blüthen für eine Blüthe berechnet ist (vgl. Pfeffer, I. c. p. 125, Tab. XI b und p. 127, Tab. Xlllb). Ebenso ist in Tab. 3 der Mittel- werth verzeichnet, der aus den Messungen an 3 Blüthen abgeleitet ist (Jost, 1. c. p. 354), während in Tab. 4 (nach Pfeffer, 1. c. p. 27, Tab. VUb und VIIc) die procentischen Zuwachswerthe für 3 Einzelblüthen angeführt sind. Aus den Ueberschriften der Verticalreihen in Tab. 1 — 3 ist zu ersehen, wie das Wachs- thum bei constanter Temperatur verlief, und wie es sich in den folgenden 520 Kap. XTI. Krümmungsbewegungen. Zeitabschnitten gestaltete, nachdem das Versuchsobject plötzhch in eine constante höhere oder niedrigere Temperatur gebracht worden war. Aus den Ueberschriften der Tab. 1 und 2 ergiebt sich ferner, dass die Zuwachsmessungen an den Einzel- blüthen, besonders in den der Tab. 2 zu Gi'unde liegenden Versuchen, nicht in genau denselben Zeitintervallen vorgenommen wurden. Die Versuche in Tab. 1, 2, 4 wurden von mir'), diejenigen in Tab. 3 von Jost^j ausgeführt. Die Messungen wurden bei Crocus und Tulipa an dem allein stehen gebliebenen Perigonzipfel, bei Leontodon an der Röhre der einzigen Zungenblüthe vorgenommen, die an dem Blüthenköpfchen belassen war. Aus der Tab. \ ergiebt sich, dass in der Actionszone des Perigons von Crocus spec. 3) nach der Uebertragung aus 17 — 18 C. in 7 — 7Y2 C. in den nächsten 15 — 20 Minuten eine sehr ansehnliche Wachsthumsbeschleunigung eintrat (vgl. II, p. 515), die in den folgenden 25 — 30 Minuten schon wesentUch geringer ausfiel und jetzt so ziemlich beendet war. Die Zahlenwerthe in Tab. 2 sprechen dafür, dass, wie schon II, p. 519 erwähnt wurde, bei der Blüthe von Crocus durch die plötzliche Temperaturerhöhung eine gewisse transitorische V^^achsthumsbeschleunigung bewirkt wird, sie können indess bei der Geringfügigkeit der Differenz (1,51 und 1,03 Proc.) nicht als beweisend angesehen werden. Da- gegen hat nach Tab. 3 bei Tulipa Gesneriana die Temperaturerhöhung eine er- hebliche Steigerimg des Mittelwachsthums zur Folge, die in der ersten Stunde am ansehnlichsten ausfällt und in den beiden folgenden Stunden mehr und mehr abnimmt. Bei diesen Versuchen beginnt bald eine rückläufige Bewegung, und Hand in Hand damit hat sich schon in der zweiten Stunde nach der Temperatur- erhöhung (1 U. 40' — 2 U. 40') auf der Aussenseite des Perigons eine Be- schleunigung, auf der Innenseite aber eine Verlangsamung des Wachsthums ein- gestellt. Tabelle 'I. Crocus spec. Wachsthum der Mittellamelle. Temperatur 17 — ls° C. Beolachtungszeit I6V2— IfiVi Std. Zuwachs in 1 Std. Beobachtungszeit 3 Std. Dann in 7 — 7V-j' C. und gemessen , . o „■ , -^ iiach weiteren nach lo — 20 Min. nach weiteren •25—30 Min. Zuwachs in 1 Std. S std. bis 3 Std. 20 Min. Zuwachs in 1 Std. Temperatur S— 9 " C. Beobachtungszeit 3— G Std. Zuwachs in 1 St. Dann in 20 — 21 ° C und gemessen nach 20 — 15 Min. Zuwachs in 1 Std. 0,24 1,51 X nach weiteren 40 Min. bis 2 Std. 20 Min. Zuwachs in 1 Std. 1,26 X nach weiteren 4.5 Min. bis 2 Std. Zuwachs in 1 St. 1,03^ 1) Pfeffer, I. c. p. 27, 127. 2) Jost, 1. C. p. 354. 3) Benutzt wurde eine weissblühende Gartenform mit sehr kräftigen Blüthen. § -104. Mechanik der Variationsbewegungen. 521 Tabelle 3. Tulipa Gesneriana (Duc van Toll). Temperatur 11° C. 51/2—9 U. Mgs. Zuwachs in 1 Std. il— 12 U. Mgs. Zuwachs in 1 Std Dann in 18° C. 12 U. 40' Mgs.— 1 TJ. 40' Naclim. Zuwachs in 1 Std. 1 U. 40 — 2 U. 40' Nachm. Zuwachs in 1 Std. 2U, 40'— 3 U. 40' Nachm. Zuwachs in 1 Std. 3 U. 40'— 5 U. 40' Nachm. Zuwachs in 1 Std. Aussenseite Mittellamelle Innenseite 0,16^ 0,29 • 0,22X 0,20^ 0,13 }0,1 1,'! %\ 6,43- '3,76X 5,79X' 0,18 - >2,98^ 1,46X1 2,05 - .1,75^ 0,78X^ 0,19 - ■0,48^ ^Tabelle 4. Leontodon hastilis. Stündlicher Zuwachs in Procenten. Tageslicht in/-.' Uhr Morgs. his 1111/2 U. Ähds. Dunkel IÜI/2 Uhr Abds. his () Uhr Morgs. Tageslicht 6 Uhr Morgs. his 1 &3/^ Uhr Morgs. 8V4 Uhr Morgs. his 4 Uhr Nachm. Versuch 1 Versuch 2 Versuch 3 / Aussenseite I Mittellamelle \ Innenseite Aussenseite Mittellamelle Innenseite Aussenseite Mittellamelle , Innenseite 1.47 0,43 0,47 \ 0,1 3 ) 0,45 0.3 0,17 1,47 0 1,33 0 1,63 0,82 0,66 0,82 0,46' 3,60 0,15 4,32 0 2,03 2,23 ■ 1,92 5,84) 2.37 .) 0,9 2,17 0,77 1,54 0,13 1,67 1,47 0.83 Aus der Tabelle 4 ersieht man, dass am ersten Tage, während die Blüthen zwischen H V2 Morgens und 10^/2 Abends dem täglichen Beleuchtungswechsel ausgesetzt waren, und Abends die Nachtstellung annahmen, vorwiegend die Aussen- seite der Corollenröhre wuchs. Während dann die Blüthen im Dunkeln bis 6 Uhr Morgens in eine halbe Tagstellung übergingen, war das Wachsthum der Innenseite gefördert, und diese Förderung wurde beschleunigt, als die Blüthen um 6 Morgens an das Tageslicht kamen und dadurch zwischen 6 und 8^4 Morgens die volle Tagstellung herbeigeführt wurde. Bis 4 Nachm. ist dann wiederum eine gewisse Schliessungsbewegung ausgeführt worden, und demgemäss ist in- zwischen die Aussenseite der Röhre am stärksten gewachsen. Zwischen 6 und 8^4 Morgens (nach der Belichtung) hat nach der Tabelle eine gesteigerte ^'er- längerung der Mittellamelle stattgefunden. § 104. Mechanik der Variationsbewegungen. Da von den aitionastischen Variationsbewegungen hauptsächlich diejenigen mitersucht sind, welche durch den Beleuchtungswechsel verursacht werden, so halten wir uns in Folgendem an die photonastischen Reactionen, und setzen die 522 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Bekanntschaft mit den allgemeinen Erörterungen über die Mechanik und die verschiedenartige Vermittlung der Variationsbewegungen voraus (II, § 78, vgl. auch Fig. 32, p. 371). Nach den bisherigen Erfahrungen besteht zwischen dem Reactionsverlauf der Nutations- und Variationsbewegungen insofern eine Uebereinstimmung, als bei diesen sich eine Zunahme (bezw. Abnahme) der Expansionsenergie in dem Schwellgewebe des Gelenkes da einstellt, wo bei den Nutationskrümmungen eine Beschleunigung (bezw. eine Verringerung) der Zuwachsbewegung eintritt. Durch die Verminderung der Beleuchtung wird also, analog wie bei den Nutations- krümmungen (II, § 103), in den beiden antagonistischen Geweben eine Steigerung der Expansionsenergie hervorgerufen, die sich aber schneller (energischer) in der einen Gelenkhälfte entwickelt und dadurch, unter Compression der antagonistischen Gelenkhälfte, eine Krümmungsbewegung verursacht. Während nun in dieser comprimirten Hälfte fernerhin die Zunahme der Expansionsenergie weiter fort- schreitet, geht dieselbe in der schneller reagirenden Hälfte bis zu einem ge- wissen Grad zurück, da der Lichtabfall zugleich als transitorischer Reiz wirkt, durch welchen die Expansionsenergie, analog, wie die Zuwachsbewegung, vorüber- gehend über dasjenige Maass getrieben wird, das fernerhin bei constanter Dunkelheit (oder Beleuchtung) eingehalten wird. In diesem Gleichgewichtszustand sind aber im Dunkeln (oder in der verminderten Beleuchtung) das stationäre Wachsthum und ebenso die stationäre Expansionsenergie in beiden antagonistischen Geweben gesteigert, und diese Steigerung ist in beiden Gelenkhälften annähernd gleich ausgefallen, wenn das Blatt die frühere Gleichgewichtslage wiedergewinnt und bewahrt. Bei Wiederherstellung der ursprünglichen, stärkeren Beleuchtung geht dann die Expansionsenergie (und ebenso das Wachsthum) wiederum auf den früheren stationären Zustand zurück. Vermuthlich wird aber durch eine genügend schnelle Lichtsteigerung ebenfalls eine transitorische Reizwirkung aus- gelöst, jedoch ist es, ebenso wie in Bezug auf die Nutationsbewegung (II, p. 514), noch fraglich, ob diese Uebergangsreizung bei der Erhöhung der Beleuchtung allgemein bemerklich wird, bezw. ebenso stark ausfällt, wie bei der entsprechen- den Verminderung der Beleuchtung. In constanter Finsterniss (oder Beleuchtung), also ohne die directe Mit- wirkung einer photonastischen Reizung, werden aber die Nachschwingungen durch eine entgegengesetzte Expansionsänderung in den beiden anta- gonistischen Hälften, also ohne eine Zunahme der Gesammtspannung in dem Gelenke ausgeführt, so wie es ja auch nicht nöthig ist, dass bei den Nach- schwingungen der Nutationsbewegungen eine transitorische Wachsthums- beschleunigung mitwirkt. Durch die gleiche Mechanik, also dadurch, dass die Expansionsenergie in der einen Gelenkhälfte abnimmt, während sie in der anderen Gelenkhälfte zunimmt, kommen auch die autonomen Variationskrümmungen zu Stande (II, § 82). Wie diese werden auch die Nachschwingungen, so lange sie thätig sind, durch die in diesem Falle transitorisch inducirten, inneren Vor- gänge dirigirt (II, § 98). Die obigen Schlussfolgerungen ergeben sich zunächst aus der Controle der Biegungsfestigkeit bei den intacten Gelenken. Denn wenn auch keine einfache Beziehung zwischen der Tragfähigkeit und den Spannungsverhältnissen besteht (11, p. 65), so wird doch durch die Verminderung der Biegungsfestigkeit § 104. Mechanik der Variationsbewegungen. 523 eine Abnahme, durch die Erhöhung der Biegungsfestigkeit eine Zunahme der Expansionsenergie in den activen Geweben angezeigt. Aus der Thatsaehe, dass nach der Yerdunkhmg die (nach der Brücke'schen Methode JI, p. 378 gemessene) Ausbiegung, welche eine bestimmte Belastung erzielt, allmählich auf 2/3 his 2/5 des bisherigen Werthes zurückgeht (am Lichte also 1 1/2 l^is 2Y2 mal grösser ist), folgt somit, dass die Lichtentziehung eine ansehnliche Steigerung der Expansionsenergie veranlasst, eine Erhöhung, die im Dunkeln bestehen bleibt i). Da aber in den Gelenken von Phaseolus, Trifolium, Desmodium das Maxi- mum der Biegungsfestigkeit schon erreicht ist, wenn die durch die Verdunklung veranlasste Einkrümmung noch nicht vollständig oder soeben vollendet ist, da also die Biegungsfestigkeit bei der rückläufigen Bewegung unverändert bleibt, so muss bei letzterer eine Abnahme der Expansionsenergie in der schneller reagirenden Gelenkhälfte eintreten. Denn wenn das nicht der Fall wäre, wenn z. B. die Wiederausgleichung der ersten Einkrümmung durch die Zunahme der Expansionsenergie in der comprimirten Gelenkhälfte bewirkt würde, so müsste bei der rückläufigen Bewegung ebensogut eine Steigerung der Biegungsfestigkeit eintreten, wie bei der Einkrümmung. Käme aber die rückläufige Bewegung nur durch den Rückgang der gesteigerten Expansionsenergie in der schneller reagirenden Hälfte zu Stande, so würde die Wiederausgleichung der Krümmung mit einer messbaren Abnahme der Biegungsfestigkeit verknüpft sein. Somit kann kein Zweifel bestehen, dass die Expansionsenergie der schneller reagirenden Gelenkhälfte transitorisch über das stationäre Maass getrieben wird^j. Ferner beweist die stationäre Erhöhung der Biegungsfestigkeit nach der Wiederaus- gleichung der Einkrümmung, dass durch die Verdunklung, auch in der zunächst comprimirten Hälfte, eine bleibende Steigerung der Expansionsenergie ver- ursacht wird 3). Dass bei den Nachschwingungen der Tagesperiode, sowie bei den autonomen Bewegungen die eine Gelenkhälfte soviel an Expansionsenergie gewinnt, als die andere verliert, ergiebt sich daraus, dass die Biegungsfestigkeit während der Be- wegungen constant bleibt (Pfeffer, 1. c. p. 87). Denn, wie schon (H, p. 397) in Bezug auf die autonomen Variationsbewegungen mitgetheilt wurde, ist die Energie, mit der diese Bewegungen angestrebt werden, so ansehnlich, dass sicherlich eine nachweisbare Veränderung der Biegungsfestigkeit eintreten müsste, wenn die Bewegung auf andere Weise, z. B. dadurch erzielt würde, dass nur die Expansionsenergie einer Gelenkhälfte abwechselnd zu- und abnimmt. 1) Näheres bei Pfeffer, Periodische Bewegungen 1875, p. ssff. 2) Für die langsamer reagirende Gelenkhälfte gilt aller Wahrscheinlichkeit nach Gleiches. 3) Aus den mitgetheilten Thatsachen ist freilich nicht zu ersehen, ob nicht etwa durch die Verdunklung in der zunächst comprimirten Hälfte transitorisch eine gewisse Ab- nahme der Expansionsenergie veranlasst wird. Denn die beobachtete Veränderung der Biegungsfestigkeit (durch die nur ansehnlichere Aenderungen sicher erkennbar sind) könnte auch dadurch zu Stande kommen, dass die Expansionsenergie in der schneller reagirenden Gelenkhälfte zu gleicher Zeit in einem entsprechenden Maasse erhöht wurde. Für eine solche transitorische Senkung lässt sich aber kein bestimmtes Argument beibringen , während das Verhalten der einseitig operirten Gelenke , sowie die Analogie mit den durch Nutation ermittelten Reactionen dagegen sprechen. Vgl. II, p. .517. 524 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Noch ansehnlicher fällt freilich die wirksame Expansionsenergie bei den photonastischen Reactionen (und den Tagesbewegiingen) aus. Aus verschiedenen Versuchen mit den Primordialblättern von Phaseolus vulgaris berechnet sich z. B. aus dem Gegendruck, der zur Aequilibrirung der angestrebten Bewegung nüthig ist, dass in Folge einer Verdunklung die obere Gelenkhälfte sich mit einem Druck von 1,9 bis 5,2 Atmosphären zu verlängern strebt und dadurch die Ein- krümmung des Gelenkes bewirkt. Damit ist aber nur der Ueberschuss der Spannkraft der oberen über die positiv gespannte untere Gelenkhälfte gekenn- zeichnet. Mit Berücksichtigung dieser Gegenspannung ergiebt sich für die obere Gelenkhälfte eine Druckspannung, die mindestens 4,9 bis 7 Atmosphären ent- spricht 1). Aus der Druckwirkung gegen das Dynamometer ist zugleich zu ersehen, dass sich der hauptsächliche Verlauf einer photonastischen Reaction auch dann in ähnlicher Weise abspielt, wenn die Ausführung der angestrebten Krümmungs- bewegung unmöglich gemacht ist. Unter diesen Umständen gewinnt somit nach der Verdunklung die langsamer reagirende Gelenkhälfte endlich denselben stationären Expansionszuwachs wie in dem sich frei bewegenden Gelenke. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass durch die Realisirung der Einkrümmung Reiz- wirkungen geschaffen w^erden, die es verursachen, dass in der comprimirten Gelenkhälfte das Expansionsstreben erst später beginnt (II, p. 516). Durch den Bau der Gelenke (II, p. 371) ist zugleich dafür gesorgt, dass bei der Ver- hinderung der angestrebten Krümmung die Steigerung der Expansionsenergie keinen mechanischen Zug auf die antagonistische Hälfte ausübt. Das geschieht aber bei den wachsenden Organen^ und da bei diesen durch die Zugspannung das Wachsthum regulirt und somit die Ausbildung einer ansehnlichen Spannung vermieden wird, so kommt bei den Nutationskrümmungen weder eine erheb- liche Steigerung der Biegungsfestigkeit, noch eine hohe Druckwirkung gegen die AViderlage zu Stande, welche die Ausführung der Krümmungsbewegung unmöglich macht 2). Im Einklang mit obigen Folgerungen steht das Verhalten eines Gelenkes, an dem eine der beiden antagonistischen Gelenkhälften vollständig entfernt ist (vgl. II, p. 526)3). Unter diesen Umständen wird nämlich in der noch vor- handenen Gelenkhälfte, gleichviel ob dieses die obere oder untere ist, durch die Abnahme der Beleuchtung eine Zunahme, durch die Steigerung der Be- leuchtung eine Abnahme der Expansion, also in beiden Fällen eine Krümmung hervorgerufen. Die Nachschwingungen aber machen sich, wie es bereits aus 1) Näheres über diese Versuche und die angewandte Methode bei Pfeffer, 1. c. p. 97ff. Vgl. auch diesen Bd. II, p. 378. Ich benutzte ein nach dem Princip der Briefwage construirtes Dynamometer. Ebenso kann man aber auch das in diesem Band p. 1A6 abgebildete oder das von Meischke (Jahrb. f. wiss. Bot. -1899, Bd. 33, p. 347) verwandte, einfache Federdynamometer anwenden. — Ueber die Intensität der Gewebespannungen siehe Bd. II, §18. — Bd. II, p. 452 ist mitgetheilt, dass bei der mechanischen Reizung von Mimosa pudica eine sehr ansehnliche Krümmungsenergie gewonnen und zugleich eine sehr starke Verminderung der Biegungsfestigkeit verur- sacht wird. 2; Pfeffer, Period. Bewegungen 1875, p. 92, 411. Ueber die Aussenleistungen vgl. diesen Bd. II, § 3ö, p. 166. 3 Vgl. Pfeffer, 1. c. p. 7, 84. § 104. Mechanik der Variationsbewegungen. 525 der Constanz der Biegungsfestigkeit erschlossen wurde (II, p. 523), nach der Operation durch eine entgegengesetzt gerichtete Veränderung der Expansions- energie bemerklich. Demgemäss tritt an der in constanter Finsterniss gehaltenen Bohne in den Abendstunden ebenso eine Senkung ein, wenn nur die obere oder nur die untere Gelenkhälfte vorhanden ist. Sofern also die untere Gelenkhälfte stehen blieb, wird in den Abendstunden durch Verdunklung eine Reaction hervor- gerufen, welche der Nachschwingung entgegengesetzt gerichtet ist, während im intacten Gelenk die Nachschwingung und die photonastische Reaction gleich- sinnig gerichtet sind. Die Uebereinstimmung mit den anderweitigen Erfahrungen lässt zwar ver- muthen, dass die antagonistischen Gelenkhälften nach der Befreiung von ihrem Gegenpart, wenigstens in einigen Hauptzügen, ähnlich reagiren und arbeiten wie in dem unversehrten Gelenke. Die Vorgänge in diesen werden aber nicht um- gekehrt mit Sicherheit durch das Verhalten der operirten Gelenke gekennzeichnet, da nachweislich in vielen Fällen das Reactions- und Actionsvermügen durch tiefere, oder auch schon durch leichtere Eingriffe erheblich modificirt wird (vgl. I, p. 1 7 ; II, § 121, 122). Wenn also z. B. nach der Operation die Verdunklung ziemlich schnell eine Expansionszunahme in der stehen gebliebenen, unteren Hälfte des Blattgelenkes von Phaseolus veranlasst, so folgt daraus nicht, dass diese Gelenk- hälfte ebenso schnell in dem intacten Gelenke reagirt. Nach dem Verhalten der entsprechend operirten Gelenke ruft die Ver- dunklung in den Seitenflanken des Gelenkes eine analoge Reaction hervor wie in den Schwellgeweben der Ober- und Unterseite. Jedoch entspringt aus dem Antagonismus der Seitenflanken keine Krümmung, weil in beiden die Expansions- änderung denselben Verlauf nimmt i). Ein solches Verhältniss besteht aber bei der am Klinostaten befindlichen Bohne auch in Bezug auf die Ober- und Unter- seite des Gelenkes. Da nun diese primäre Gleichheit bei Phaseolus durch den Einfluss der Schwerkraft aufgehoben und, je nach der Angriffsrichtung dieser, die obere oder die untere Gelenkhälfte bei einer Verdunklung comprimirt wird (II, p. 508), so spricht dieses dafür, dass es sich bei den photonastischen Krümmungen dieser Pflanze nur um ein quantitativ, aber nicht qualitativ ver- schiedenes Reactionsvermügen der antagonistischen Gelenkhälflen handelt. Historisches. Im Anschluss an II, p. 492 sei noch bemerkt, dass Dassen^j Bewegungen mit und ohne Gelenke unterschied, aber nicht erkannte, dass es sich in dem einen Falle um eine Variations-, in dem anderen um eine Wachs- thumsbewegung handelt. Nachdem ich 3) dann festgestellt hatte , dass die Krümmungsbewegungen der Blüthen durch V^-'achsthum vermittelt werden, wurde dasselbe an einigen Laubblättern von Batalin"*) beobachtet, der indess irriger- weise auch bei den Gelenkbewegungen Wachsthum mitwirken lässt. Der wahre 1) Pfeffer, 1. c. p. U. 2) Dassen, Wiegmann's Archiv f. Naturgeschichte 1838, IV. Jahrg., Bd. i, p. 214 u. IV, 2, p. 159. Nähere Literaturangaben bei Pfeffer, Period. Bewegungen 1875, p. 163. 3) Pfeffer, Physiol. Untersuch. 1873, p. 161. 4) Batalin, Flora 1873, p. 450. 526 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Sachverbalt -wurde dann dui'ch meine i) Untersuchungen festgestellt, auf welchen in der Hauptsache die obige Darstellung basirt. Von besonderer Bedeutung für das Studium der Gelenkbewegungen war der von Brücke 2) geheferte Nachweis, dass in dem Blattgelenk von Mimosa pudica am Abend die Biegungsfestigkeit zunimmt, dass also die Schlafbewegungen nicht, wie die durch einen mechanischen Reiz ausgelöste Bewegung, durch die Er- schlaffung der einen Gelenkhälftc zu Stande kommt. Schon früher hatte Dutrochet^), besonders auf Grund der Erfahrungen an einseitig operirten Gelenken angenommen, dass die Schlafbewegungen durch die entgegengesetzte Aenderung der Expansionsenergie in den beiden antagonistischen Gelenkhälften bewirkt werden. Dieser Ansicht schlössen sich mehr oder weniger Dassen (1. c). Brücke (1. c), Sachs-*) an, während Millardet^) (allerdings auf Gi'und unrichtig interpretirter Experimente), sowie Bert^) annahmen, dass in den beiden antagonistischen Schwellgeweben eine gleichsinnige aber ungleich verlaufende Aende- rung der Expansionsenergie thätig sei. Auf Grund meiner Untersuchungen (1. c.) kam ich dann zu den schon mitgetheilten Schlüssen. Der Umstand, dass vor meinen Untersuchungen die directen photonastischen Reactionen und die Nachschwingungen bezw. die resultirenden Tagesbewegungen nicht richtig auseinander gehalten wurden, dass ferner die Ausdehnung des operativen Eingriffes von Bedeutung ist, macht es begreiflich, dass die Studien an einseitig operirten Gelenken zu widersprechenden Resultaten führten. Wird nämlich an der Oberseite des Blattgelenkes von Phaseolus das Schwellgewebe nur bis an das Gefässbündel entfernt, so tritt (wie im intacten Gelenk) bei Ver- dunklung eine Senkung des Blattes ein, die aber offenbar dadurch erzielt wird, dass die Expansionsenergie des noch vorhandenen Restes des oberen Schwellgewebes die Energie der unteren Gelenkhälfte überti'ifft. Denn wenn so weit wegpräparirt wird, dass mindestens das gesammte Schwellgewebe (aber nicht das Gefässbündel) be- seitigt ist, das sich oberhalb der durch die Mitte des Gefässbündelstranges gelegten Ebene befindet (vgl. Fig. 32, p. 371), so ergiebt sich bei der Verdunklung eine Hebung des Blattes, es wird also eine Zunahme der Expansionsenergie in der unteren Gelenkhälfte angezeigt'^). Offenbar hat eine ungenügende Beseitigung des oberen Schwellgewebes ■I) Pfeffer, Periodische Bewegungen -1875. — Die Annahme von A. Burger- stein (Oesterreich. Botan. Zeitschrift 190 1, Nr. 6) , das Oeffnen der Blüthen werde nicht durch Wachsthum, sondern durch Turgordehnung bewirkt, muss entweder auf einem Irrthum oder auf einer unklaren Auffassung beruhen. Denn factisch ist echtes Wachsthum als Mittel der Bewegung empirisch sichergestellt. [Ebenso ist es mir unverständ- lich, wie Burgerstein (Ueber die Bewegungserscheinungen der Perigonblätter von Tulipa und Crocus IQoa) aus seinen Argumentationen folgern kann, dass die Bewe- gungen der Blumenblätter von Crocus und Tulipa nicht durch Wachsen ausgeführt werden, das doch stets vorliegt, wenn eine bleibende Verlängerung eintritt. Wie das Wachsen zu Stande kommt, ist immer eine besondere Frage.] 2) E. v. Brücke, Müller's Archiv f. Anatomie u. Ph-\'siologie 1848, p. 440. 3) Dutrochet, Rech, anatom. et ph-^-siolog. s. 1. structure intime d. animaux et d. vegetaux 1824, p. 134. Nähere Literaturangaben bei Pfeffer, Period. Bewegungen 1875, p. 6, 163; Physiol. Untersuch. 1873, p. 3. Vgl. auch Schwendener 1896), Gesammelte Botanische Mittheilung. Bd. 2, p. 219. 4) Sachs, Botan. Zeitung 18.Ö7, No. 46 u. 47. 5) Millardet. Nouvell. recherch. s. 1. periodicite d. 1. tension 1869, p. 31, 48. 6 P. Bert, Memoir. d. 1. soc d. scienc. ph-ysiqu. et naturell, d. Bordeaux 1870, p. 51 des Separat. Vgl. Pfeffer, 1. c. 1875, p. 7. 7) Wenn also an dem ungenügend operirten Gelenke die Verdunklung eine Ver- kürzung des unteren Blattgelenkes verursacht, so kann man durch Vervollständigung § 104. Mechanik der Variationsbewegungen. 527 verursacht, dass Schwendeneri) und Jost^) bei Phaseohis nach der Verdunklung eine Senkung des Blattes fanden. In gleicher Weise dürfte es wohl auch zu erklären sein, dass Schwendener (1. c.) an einigen anderen operirten Pflanzen in Folge der Verdunklung eine Verkürzung derjenigen Gelenkhälfte beobachtete, die im intacten Gelenk zunächst comprimirt wird 3]. Für diese Gelenkhälfte ist also noch in keinem Falle sichergestellt, dass sie, nach vöUiger Beseitigung der Wirkung des Gegenparts, durch die directe Reizwirkung der Lichtentziehung zu einer Verkürzung veranlasst wird. Auch an den operirten Gelenken von Robinia pseudacacia und Porhera hygrometrica fand neuerdings Pantanelli'*), dass beide Gelenkhälften auf Verdunklung gleichsinnig reagiren. Da aber, insbesondere durch einen Uebergangsreiz, sehr wohl specifisch ver- schiedene Reactioneh veranlasst werden können (II, p. 517), so ist nicht aus- geschlossen, dass es Pflanzen giebt, bei welchen durch die Verdunklung in den beiden antagonistischen Geweben (dasselbe gilt für die Nutationsbewegungen) eine entgegengesetzte Reaction ausgelöst wird. Auch ist es wohl möghch, dass die durch die Verdunklung hervorgerufene Uebergangsreizung eine vorübergehende Expansionssteigerung und Krümmungsbewegung verursacht, ohne dass eine Er- höhung der stationären Expansionsenergie und damit der Biegungsfestigkeit ein- tritt. Thatsächlich scheint sich bei manchen Pflanzen im Dunkeln nur eine geringe Erhöhung der (stationären) Biegungsfestigkeit einzustellen ^). Ebenso ist es auch nicht nöthig, dass das Wachsthum in constanter Finstei'niss dauernd ansehnhch gesteigert ist, wenn das Organ in Folge der Verdunklung eine transitorische Wachsthumsbeschleunigung erfährt und eine ansehnliche Nutationskrümmung aus- führt (vgl. II, § 103). der Operation erzielen, dass dasselbe Gelenk auf denselben Reiz mit einer Ver- längerung antwortet, wie Dr. Giessler und dann Dr. Wiedersheim in zahlreichen noch nicht veröffentlichten) Experimenten an dem Blattgelenk des Primordialblattes von Phaseolus multiflorus fanden. Dieses Resultat tritt an der in dampfgesättigter Luft befindlichen Pflanze ebenso ein. wenn die Wundfläche frei oder mit nassem, plastischen Thon bedeckt ist, gleichviel, ob das Blatt sich bewegen kann, oder ob durch ein Dynamometer die Ausführung der angestrebten Bewegung unmöglich gemacht ist. Diese Resultate bestätigten vollständig meine früheren (-1875) Untersuchungen, in welchen stets mit Vorbedacht sehr weitgehend operirt wurde. Die verschiedenen Pflanzen, mit denen ich experimentirte , sind in meinen Periodischen Bewegungen p. 8 namhaft gemacht. ^) S. Schwendener (1898), Gesammelte Botan. Mittheilung. Bd. 2, p. 246. 2) L. Jost, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 31, p. 370. 3) Bei Mimosa pudica stimmen übrigens die von Schwendener (1897, 1. c. p. 229) an den einseitig operirten Gelenken beobachteten Bewegungen mit dem Gange überein, der im Tageswechsel eintritt, wenn die Nachwirkungsbewegungen nicht durch zu starke photonastische Wirkungen gestört werden. Thatsächlich habe auch ich eine sehr vollständige abendhche Senkung dann constatirt, wenn, wie es bei Schwen- dener stets der Fall war, den secundären Blattstielen Bewegungsfreiheit geboten war (vgl. II, p. 50 6). 4) E. Pantanelli, Studü d'anatomia e fisiologia sui pulvini motori 1901, p. 225, 230. 5) Die Versuche, welche Schwendener (1. c. p. 236) an der chloroformirten Mimosa anstellte, sind nicht einwandsfrei, da Chloroformirung sehr wohl verschiedene Einflüsse ausüben kann und thatsächlich die Biegungsfestigkeit etwas steigert (vgl. Pfeffer, Physiol. Untersuch. 1873, p. 65). Uebrigens ist es nicht schwer, bei Mimosa die Bie- gungsfestigkeit zu bestimmen, wenn man vorsichtig bei einer Temperatur arbeitet, bei der die Schlafbewegungen vollständig ausgeführt werden, die Pflanze aber für Stoss- reize nicht allzu empfindlich ist. 528 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Innere Ursachen. So lange unbekannt ist, warum und wie durch Licht, Temperatur u. s. w. die Zuwachsbewegung verlangsamt oder beschleunigt wird (vgl. II, p. 1 16), so lange kann man auch nicht eine völlige Aufklärung derProcesse erhoffen, die den transitorischen oder stationären Veränderungen desjenigen Wachs- thums zu Grunde liegen, durch das die photonastischen, thermonastischen etc. Krümmungen bewirkt werden. Uebrigens sind die maassgebenden Factoren auch bei anderen Krümmungsbewegungen noch nicht aufgehellt. Indessen ist es auch in Bezug auf die uns hier beschäftigenden, aitionastischen Bewegungen gewiss, dass die Veränderung der Wachsthumsthätigkeit nicht einfach durch die Steigerung oder Verminderung desTurgors bewirkt wird (II, p. 374,435, 462, § 1 30). Ferner lässt sich nicht ohne weiteres behaupten, dass die Variations- bewegungen durch eine entsprechendeVeränderungdes osmotischen Drucks vermittelt werden, da eine Veränderung der Expansionsenergie, und somit der hierdurch er- zielten Erfolge, auch in anderer Weise, nämlich durch die Modification der elastischen Eigenschaften der Zellhaut, möglich ist (vgl. II, p. 375). Aus dem Umstand, dass Hilburgi) auf plasmolytischem Wege in den activen Schwellgeweben der Gelenke keine Veränderung des Turgors nachzuweisen vermochte, lässt sich indess aus den früher (II, p. 377) angegebenen Gründen nicht folgern, dass die photonastischen, thermonastischen u. s. w. Variationskrümmungen nicht durch Steigerung oder Verminderung der Turgorenergie bewirkt werden. Die von Hilburg (1. c.) ermittelte Thatsache, dass bei der geotropischen und heliotropischen Reaction der Gelenke eine Verschiebung der Turgorenergie (um ca. 1 Proc. Kaliumnitrat) eintritt, sagt also nur, dass die ausgelösten Processe in diesen und den photonastischen etc. Reactionen in irgend einer Weise verschiedenartig sein müssen. So gut wie Geotropismus und Photonastie können natürlich auch bei einer aitionastischen Reaction in demselben Gelenk Variation und Nutation zusammenwirken, selbst dann, wenn beiden eine verschiedenartige mechanische Vermittlung zu Grunde liegt. Derzeit bedarf es keiner besonderen Erörterung, dass die Schlafbewegungen nicht etwa, wie Bert^) annahm, einfach die Folge von Turgorschwankungen sind, welche dadurch bewirkt werden, dass, in Folge der Kohlensäurezersetzung, in den Gelenken am Tage Glycose angehäuft wird, die während der Nacht all- mählich schwindet. Dass diese Ansicht irrig ist, geht zur Genüge daraus hervor, dass die Tagesbewegungen auch in kohlensäurefreier Luft und dass die Nach- wirkungsbewegungen im Dunkeln, also beide bei Ausschluss der Kohlensäure- assimilation fortgesetzt werden. -1) C. Hilburg, Untersuch, a. d. Botan. Institut zu Tübingen I88l , Bd. 1, p. 23. — Aus dem Umstände, dass nach Hilburg der Turgor in den Zellen des Schwell- gewebes beim Aufenthalt in Wasser, aber nicht beim Liegen in einer Lösung von Kaliumnitrat und einigen andern Salzen zurückgeht, lässt sich in unserer Frage kein bestimmter Schluss ziehen. Vgl. Bd. I. § 1 7. 2) P. Bert, Compt. rendus 1878, Bd. 87, p. 421; z. Th. schon in Memoires d. 1. soc. d. sienc. physic. et naturell, d. Bordeaux 1870, Bd. 8, p. 53. Vgl. auch das Referat in Bot. Ztg. 1879, p. 187. — Die Speculationen von C. Kraus (Flora 1877, p. 73) sind ohne Bedeutung. § iOö. Beeinflussung durch die Aussenbedingungen. 529 Abschnitt V. Die Beeinflussung der aitionastischen Krümmungsbewegungen durch die Aussenbedingungen. § 105. In demselben Sinne wie alle vitale Thätigkeit sind auch die autogenen und aitiogenen Bevvegungsvorgänge von der Aussenwelt abhängig. Die allgemeinen Erörterungen in § 50 und 21 dieses Bandes (vgl. auch II, § 63) gelten also nicht nur für die Nutations- sondern auch für die Variationsbewegungen und ebenso für die stationären, wie für die transitorischen Reactionen. Da aber die Modification der Wachsthumsthätigkeit und der Spannungs- verhältnisse auffälliger ist, wenn sie durch eine Krümmung angezeigt wird, so sind besonders die schnell verlaufenden Krümmungsreactionen sehr geeignet, die Abhängigkeit der Thätigkeit von den Aussenbedingungen zu demonstriren. So ist z. B. bei den Reizbewegungen der Blätter von Mimosa pudica, der Staub- fäden der Cynareen u. s. w. leicht zu verfolgen, dass die Pflanze bei einer be- stimmten (optimalen) Temperatur am schnellsten und ausgiebigsten reagirt, dass sie aber bei genügender Erniedrigung oder Erhöhung der Temperatur in einen Starrezustand (Kälte- oder Wärmestarre, II, p. 78) verfällt, der durch die Wieder- herstellung einer günstigen Temperatur sogleich oder nach einiger Zeit wieder aufgehoben wird, sofern der verlängerte Aufenthalt in den ungünstigen Be- dingungen nicht schädigend gewirkt hat (vgl. II, § 63). Analoge Erfolge lassen sich bei partieller oder totaler Entziehung des Sauerstoffs, bei Herabsetzung des Turgescenzzustandes, bei der Einwirkung von Aether oder Chloroform etc. be- obachten. In jedem Falle ist wohl zu beachten, dass nicht nur durch die unerläss- lichen formalen Bedingungen, sondern auch durch anderweitige Factoren die Reactions- und Actionsfähigkeit (also die Stimmung) modificirt wird, und Reizungen veranlasst werden können. So ist es z. B. für das Gedeihen der Mimosa pudica nicht nothwendig, dass die so auffälligen seismonastischen Reizbewegungen der Blattgelenke ausgelöst werden, und die Stimmung dieser und anderer Pflanzen wird nicht nur durch die Temperatur etc., sondern auch durch Chloroform, Aether u. s. w. beeinflusst, also durch Stoffe, die der Pflanze unter normalen Verhältnissen nie begegnen. Uebrigens ist bereits (I, § 3; II, § 77) allgemein erörtert, dass und warum der Tonus durch verschiedenartige Einflüsse und Combinationen in mannigfacher Weise verändert wird. Zu den besonderen Fällen gehört u. a. auch, dass die Contactreizbarkeit von Cuscuta am Klinostaten sistirt wird (II, p. 418), und dass in den Blattgelenken von Phaseolus die Bedingungen für eine photonastische Krümmungsreaction erst durch die einseitige Wirkung der Schwerkraft geschaffen werden i). '!) Vgl. II, p. 308. An dieser Stelle ist auch darauf hingewiesen, dass verschiedene Factoren durch die Induction einer labilen oder stabilen Dorsiventralität die Be- dingungen für eine aitionastische Krümmungsreaction herstellen können.. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. 11. 34 530 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Weitere Beispiele für besondere Eigenthümlichkeiten werden wir noch bei Besprechung der tropistischen Bewegungen (II, § 121, 122) kennenlernen. All- gemein wird aber die Stimmung durch die formalen Bedingungen modificirt, deren Vei'änderung, sofern die geeignete physiologische Dorsiventralität vor- handen ist, eine photonastische, thermonastische u. s. w. Krümmungsbewegung veranlasst. Dass es sich auch bei diesen Bewegungen, die durch den Ueber- gang in eine neue Gleichgewichtslage zu Stande kommen, um eine Reizbewegung handelt, ist schon früher (I, p. 15) erörtert. Ferner ist schon hervorgehoben, dass ausserdem durch den plötzlichen Uebergang eine transitorische Beizung eintreten kann, vmd dass dasselbe Agens, ausser durch den diffusen, auch durch den einseitigen (tropistischen) Angriff besondere Reizwirkungen (also auch Stimmungsänderungen) verursachen kann. Sofern die verschiedenen Fähigkeiten und Actionen in ungleichem Grade beeinflusst werden, ist es unter Umständen möglich, eine Partialfunction zu hemmen und einen gewissen Aufschluss über die Beziehungen der sensorischen und motorischen Processe zu gewinnen. Es sei hier nur daran erinnert, dass bei dem Blatt von Mimosa pudica durch dauernde Erschütterung nur die mechanische Reizbarkeit ausgeschaltet wird (II, §90), und dass diese bereits durch eine Temperaturerniedrigung und eine Chloroformwirkung sistirt wird, durch welche die autonomen Bewegungen und die Tagesbewegungen nicht zum Stillstand gebracht werden. Diese letzteren hören aber bei Verdünnung der Luft früher auf, als die Befähigung zur Auslösung der mechanischen Reizung (II, p. 533). Wird aber durch die Aussenverhältnisse die Auslösung der Reaction ver- hindert, während die Wachsthurnsthätigkeit, überhaupt die mechanischen Mittel, zur Ausführung der Action zur Verfügung stehen, so muss dieses Resultat durch irgend eine Verschiebung oder Hemmnng in den sensorischen (den perceptori- schen oder ductorischen) Processen bedingt sein (II, § 77). Durch eine derartige Beeinflussung wird es also erzielt, dass bei einer allmählichen Verdünnung der Luft zunächst die heliotropische, weiterhin die geotropische Reizreaction und erst bei noch grösserer Sauerstoffarmuth die AVachsthumsthätigkeit erlöschen (II, p. 533). Ferner beweist die Thatsache, dass das Blatt von Mimosa pudica auch dann in die Ausgangslage zurückkehrt, wenn die Wiederkehr der Stossreizbar- keit durch Chloroform, niedere Temperatur, Erschütterung verhindert ist (II, § 90), dass die rückregulatorische Thätigkeit nicht an die Existenz der Stossreizbarkeit gekettet ist. Die Sistirung der Reactionsfähigkeit durch Chloroform etc. muss aber auf der Modification oder Ausschaltung irgend eines Gliedes der sensori- schen Processe beruhen, da in den Gelenken durch die Rückregulation die Spannkraft, also die potentielle Energie wiedergewonnen wird, durch deren Acti- virung die seismonastische Reizbewegung ausgeführt wird. Ohne Frage wird es fernerhin mehrfach gelingen, aus den Erfahrungen über die Beeinflussung der Reactionen durch bestimmte Eingriffe eine gewisse Einsicht in den Reizprocess zu gewinnen. Was wir bis dahin wissen, ist be- reits mid wird bei der näheren Besprechung der Reizprocesse mitgetheilt (vgl. z. B. II, Kap. XIII). Im Folgenden sollen aber nur einige Thatsachen, § 105. Beeinflussung durch die Aussenbedingungen. 531 insbesondere in Bezug auf die specifisch verschiedene Abhängigkeit der Reactions- fähigkeit von gewissen Factoren, besprochen werden ^j. Temperatur. AVie und warum bei gewissen Pflanzen in Folge des Temperaturwechsels eine thermonastische Bewegung durch die stationäre Ver- schiebung der Gleichgewichtslage oder auch durch eine transitorische Reaction verursacht wird, ist im vorigen Abschnitt dargelegt (vgl. namentlich 11, § 99). Dabei ist bereits hervorgehoben, dass die Reactions- und Actionsfähigkeit in allen Fällen, also sowohl bei den durch die Temperaturveränderung, als auch bei den durch ein anderes Agens ausgelösten Reizungen, in der üblichen Weise (II, § 22) von der herrschenden Temperatur abhängen. Demgemäss haben Optimum, Maximum und IMinimum auch in Bezug auf die aitionastischen Reactionen eine specifisch verschiedene Lage. So lässt sich z. B. bei 0 — i C. bei den Blüthen von Crocus eine thermonastische, bei den Blättern und Blüthen verschiedener anderer einheimischer Pflanzen eine photonastische Reizbewegung auslösen. Auch rea- giren z. B. die Staubfäden von Berberis schon bei ziemHch niedriger Temperatur auf eine kräftige Berührung. Durch letztere werden aber die Blätter von Mimosa pudica^) nicht mehr gereizt, wenn die Temperatur unter 15 C. ge- sunken ist, w^ihrend unter diesen Umständen die Schlafbewegungen und auto- nomen Bewegungen dieser Pflanze noch in merklicher Weise fortgesetzt werden. Vorübergehende Wärmestarre trat in den Versuchen von Sachs (1. c. p. 453) bei 40 G. in I Stunde, bei 45 C. in Y-, Stunde, bei 49 — 50 C. in sehr kurzer Zeit ein. Wenn Pflanzen, die bei 40 G. noch reizbar waren, nach dem Zurück- bringen in eine normale Temperatur vorübergehend starr wurden, so ist dieses vermuthlich eine Folge davon, dass der plötzliche Wechsel transitorisch eine interne Störung hervorrief. Licht. Sofern sich die Organe im Dunkeln normal oder doch in zu- reichender Weise entwickeln (vgl. II, § 24, 26), so scheinen auch in ihnen die aitionastischen und tropistischen Reactionsfähigkeiten ohne die Mithilfe des Lichtes ausgebildet zu werden. So reagiren z. B. die im Dunkeln erzogenen Blüthen von Crocus und Tulipa (II, p. 104) energisch auf Temperaturschwankungen. Ferner sind die im Dunkeln entwickelten Ranken (II, p. 420), sowie die Staub- fäden der im Dunkeln entfalteten Blüthen von Gynara scolymus^) empfindlich gegen mechanische Reize. Ja sogar in den Blättern von Mimosa pudica wird die seismonastische und die photonastische Reizbarkeit dann ausgel)ildet, wenn sie im Dunkeln unter bestimmten Bedingungen zu einer ansehnlichen Entwicke- lung gebracht werden (vgl. diesen Bd., p. 101). Das Licht ist aber natürlich für die Ausbildung und die Erhaltung der 1) Auf die Bedeutung des Turgescenzzustandes, der sich aus II. § loo u. 33 er- giebt, wird im Folgenden nicht eingegangen. 2) Sachs, Flora 1863, p. 451. An dieser Stelle sind die älteren Untersuchungen vonDutrochet citirt. — Einige weitere Angaben über die Abhängigkeit verschiedener aitionastischer Bewegungen von den Aussenbedingungen finden sich in den in § 86 bis 104 citirten Schriften von Kabsch, Morren u. s. w. Vgl. auch Hansgirg, Physiolog. u. Phycophytolog. Untersuchung. 1893, p. 62. — Ueber autonome Krümmungs- bewegungen vgl. Bd. II, § sl; über Schwärmbewegungen II, § 14 1. 3) Pfeffer. Periodische Bewegungen 1875, p. 64. 532 K^P' X^I- Krümmungsbewegungen. Reactionsfähigkeit dann iinerlässlich, wenn es zur Anregung oder zur Unter- haltung des actionsfähigen Zustandes nothwendig ist (vgl. II, § 23 — 26). Das ist z. B. bei den zu Variationsbewegungen befähigten (ausgewachsenen) Blättern der Fall, deren Gelenke demgeniäss bei continuirlicher Lichtentziehung allmählich in einen Starrezustand (II, p. 78) verfallen i). Dieser pflegt im Dunkeln bei Mimosa pudica in 3 — 6 Tagen einzutreten. Analog verhalten sich andere Bewegungsgelenke, jedoch machen sich die specifischen Eigenthümlichkeiton unter anderm darin bemerklich, dass Mimosa pudica mit der Zeit auch schon in einer sehr gedämpften Beleuchtung starr wird, die bei der minder licht- bedürftigen Oxalis acetosella zur dauernden Unterhaltung des phototonischen Zustandes ausreicht. Der Starrezustand der Bewegungsgelenke wird in den auf die Ausnutzung des Lichtes angewiesenen Blättern offenbar dadurch herbeigeführt, dass sich im Dunkeln allmählich ein pathologischer Zustand einstellt, der endlich das Ab- sterben verursacht 2). Da nun die Blätter trotz der Beleuchtung auch dann be- nachtheiligt und geschädigt werden, wenn ihnen durch den Aufenthalt in kohlen- säurefreier Luft die Kohlensäureassimilation unmöglich gemacht ist, so dürfte der pathologische Zustand im Dunkeln wohl zum guten Theil dadurch verur- sacht werden, dass die Blätter dauernd verhindert sind, ihre normale physio- logische Function auszuüben 3). Jedenfalls wird der Starrezustand in den Ge- lenken, ebenso wie in den wachsthumsfähigen Organen nicht einfach durch den Mangel an organischer Nahrung herbeigeführt (vgl. II, § 26). Denn thatsächlich tritt die Dunkelstarre ohne eine Senkung des Turgors (Pfeffer, 1. c. p. 68) und in manchen Fällen auch schon dann ein, wenn die Blätter noch reichlich mit Nahrung versehen sind (Pfeffer, 1. c. p. 64). Es ist aber verständlich, dass das ausgewachsene Blatt sich nicht mehr den im Dunkeln gebotenen Bedingungen accommodirt, obgleich sich, aber auch nur unter ganz bestimmten Umständen, ein ansehnliches und reactionsfähiges Blatt entwickeln kann. Mit dem Obigen steht auch in Einklang, ^vas bis dahin über die Beein- flussung der Variationsbewegungen durch farbiges Licht bekannt ist. Denn wenn auch die vorliegenden Untersuchungen-*) nicht genügend kritisch durch- geführt sind, um ein abschließendes Urtheil zu gestatten, so geht doch aus ihnen hervor, dass der phototonische Zustand sowohl durch die stärker brech- bare, als auch durch die schwächer brechbare Hälfte des Spectrums erhalten wird. Wenn nun auch die blauen und violetten Strahlen (analog wie bei nutirenden 1] Sachs, Flora 1863, p. 499, und die dort citirte Literatur ; Jost, Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, Bd. 27, p. 457. — Nach Jost (I. c. p. 469) erlischt zwar vielfach, aber nicht immer zuerst die Contactreizbarkeit, vielmehr schwindet zuweilen zuerst die photo- nastische Reizbarkeit. Auch tritt (Jost, 1. c. p. 465) die Dunkelstarre in der höheren Temperatur nicht immer schneller ein. 2) Pfeffer, 1. c. p. 64; Jost, 1. c. p. 437. 3) Vgl. diesen Bd. II, p. -lU u. 279. 4) Lit. Daubeny, Philosoph. Transactions 1836, I, p. 519; P. Bert, Memoir. d. TAcadem. d. Bordeaux 1871, p. 28 d. Sep. ; W. P. Wilson, Contribut. frcm the Botanical Laboratory of Pennsylvania 1892, Bd. 1, p. 71; J. M. Macfarlane, Botan. Centralbl. 1895, Bd. 61, p. 136. — Vgl. diesen Bd. II, § 27, wo, neben den allgemeinen Erfahrungen über die Bedeutung der Spectralbezirke für das Wachsthum, auch (p. 1 1 8) die Angaben über die eigenthümliche Wirkung der grünen Strahlen mitgetheilt sind. § 105. Beeinflussung clurcli die Aussenbedingungen. 533 Organen) stärker photonastisch wirken, so reicht doch die photonastische Wirk- samkeit der rothen und gelben Strahlen aus, um die Schlafbewegungen der Blätter hervorzurufen. Ebenso wie bei dem Vergleich von schwacher und starker Beleuchtung macht sich auch bei dem Vergleich von blauem und rothem Licht ein gewisser Unterschied in dem zeitlichen Beginn, in dem Verlauf der Schlafbewegungen und in Bezug auf die mittlere Gleichgewichtslage der Blätter bemerklich. Analoge Differenzen werden auch bei den Nutationsbe- wegungen der grünen und nicht grünen Organe gefunden. So pflegen sich die Blüthen im rothen Licht (analog wie bei matter Beleuchtung) minder weit zu öffnen, als im blauen Licht i). Sauerstoff. Bei den aeroben Organismen, mit denen wir es hier allein zu thun haben, pflegt die Befähigung zu aitionastischen und tropistischen Reac- tionen, sowie zu autonomen Krümmungsbewegungen, sogleich nach der vülligen Entziehung des freien Sauerstoffs sistirt zu sein^j. Jedoch tritt dieser Starre- zustand erst nach einiger Zeit bei den Tentakeln von Drosera ein, in denen nach Correns zunächst (analog wie bei dem Muskel), trotz des Fehlens von Sauerstoff, durch mechanische und chemische Reize eine Krümmungsbewegung auslüsbar ist (vgl. I, p. 581). Aber auch bei den Blättern von Mimosa pudica lässt sich unmittelbar nach der Evacuation eine allerdings schwache, seismo- nastische Reizreaction bei so starker Luftverdünnung hervorrufen, dass diese Auslösung möglicherweise ohne die Mitwirkmig des freien Sauerstoffs zu Stande kommt (Gorrens, 1. c. p. 96, 144). Jedenfalls erlischt bei Mimosa pudica die mechanische Reizbarkeit bei viel geringerer Sauerstoffspannung, als die photonastische Reizbarkeit, die bei Mimosa, sowüe bei den anderen von Gorrens untersuchten Pflanzen aufhört, wenn die Luft bis zu einem Quecksilberdruck von 15 — 35 mm verdünnt ist-^). Bei einem Luftdruck von 15 — 30 mm Quecksilber reagirten auch die von Gorrens (1. c. p. ISO) untersuchten Ranken nicht mehr auf Berührung. Bei den Ranken scheint aber das Wachsthum erst bei einer höheren Luftverdünnung zu er- löschen, da eine inducirte Reizbewegung noch ein wenig in einer stärker ver- dünnten Luft fortgesetzt wird, in welcher die Perception des Reizes nicht er- folgt. Eine solche Nacliwirkung konnte dagegen Gorrens (1. c. p. 136 nicht beobachten, als er Keimstengel nach geotropischer oder heliotropischer Induction in eine verdünnte Luft brachte, in welcher diese Reize nicht percipirt werden. Beachtenswerth ist aber, dass bei dem Keimstengel von Helianthus annuus, der vielleicht ein wenig ohne Sauerstoff wächst^), eine geotropische Reizbewegung 1) A. Hansgirg, Physiolog. u. Phycophytolog. Untersuch. 1893, p. GO. 2) Lit. C. Correns, Flora 1892, p. 87; Sachs, Flora -1803, p. 501; Kabsch, Bot. Zeitung 1862, p. 341; Dutrochet, Memoires d. vegetaux et d. animaux. Bruxelles 1837, p. 186, 259. Vgl. dieses Buch Bd. I, p. 380; Bd. II, p. 131 u. § 121, 148. 3) Correns, 1. c. p. 117. Das Gesagte gilt für Variations- und Nutationsbewe- gungen. Es ist aber nicht näher untersuclit, ob die aitionastischen Krümmungsbewe- gungen früher aufhören, als die Zmvachsbewegung, und ob ferner etwa die transi- torischen Auslösungen schon bei höherer Sauerstoffdichte erlöschen, als die stationären Krümmungsreactionen. 4) Vgl. Bd. I, p. 581. [Nach A. J. Nabokich (Beiheft z. Botan. Centralbl. 1902,. Bd. 13, p. 272) wächst Helianthus recht ansehnlich ohne freien Sauerstoff.] 534 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. noch bei einer sehr weitgehenden Evacuation ausgelöst wird, während die helio- trojDische Reizbewegung nicht mehr zu Stande kommt, wenn der Luftdruck unter 7,5 mm Quecksilber sinkt. Ebenso ist der Keimstengel von Sinapis alba bis zu einem Luftdruck von 30 — 37,5 mm, zu einer geotropischen, aber nur bis zu einem Luftdruck von 45 mm Quecksilber zu einer heliotropischen Reac- tion befähigt. Durch eine entsprechende Luftverdünnung lässt sich also er- zielen, dass eine Pflanze zwar geotropisch, aber nicht heliotropisch reagirt. Wird aber die Pflanze in einer verdünnten Luft, in welcher keine Reaction er- folgt, dem geotropischen oder heliotropischen Reiz ausgesetzt, so ist nach der Rückkehr in den normalen Luftdruck keine Nachwirkungsbewegung zu beobachten. Es unterbleibt also insbesondere die heliolropische Induction bei einer Luftver- dünnung, bei welcher durch das Wachsthum und die Auslösung der geotro- pischen Krümmung angezeigt wird, dass die Pflanze actionsfähig ist. Da nun in einer solchen Luft auch eine in Gang gesetzte heliotropische Krümmungs- bewegung zum Stillstand kommt, so muss man annehmen, dass unter diesen umständen sowohl die Perception des heliotropischen Reizes, als auch die Aus- lösung der Action durch die ductorischen Processe unmöglich ist. In Bezug auf die Aenderung der Gleichgewichtslage durch die Luftverdünnung siehe II, p. .i.62. lieber die transitorische Reizung durch die Verminderung des Luftdruckes bezw. der Partiärpressung des Sauerstoffes vgl. II, p. 465. Nach dem, was früher (I, p. 547; 11, p. 131) über die Bedeutung der Partiärpressung des Sauerstoffes für Wachsthum und Atbmung gesagt wurde, ist es begreiflich, dass auch die hier besprochenen Reizvorgiinge durch die Uebertragimg der Pflanze in reinen Sauerstoff (bei gewöhnlichem Luftdruck) nicht wesentlich beeinflusst werden 1). Die schädüche Einwirkung von Sauerstoff, die Kabsch (1. c.) in einigen Fällen beobachtete, ist offenbar durch die Verwendung von unreinem Sauerstoff- gas herbeigeführt worden. Ferner soll nach Kabsch (1. c.) in Stickoxydul die .Reizbarkeit erhalten bleiben, w^as nach Correns (1. c. p. 108, I50) bei Berberis nicht zutrifft. Da aber nach A. Borzl (Rivista d. Scienze ßiologiche 1899, Fase. IV; Botan. Centralbl. 1 899, Bd. 80, p. 351) Mimosa in Stickoxydiü zunächst starr, nach einiger Zeit aber wieder beweglich wird, so w^erden erneute Studien Aufklärung schaffen müssen. — Ueber den schädlichen Einfluss der Kohlensäure vgl. Correns, 1, c. p. 109, 121 , 130, sowie dieses Buch Bd. I, p. 316; Bd. 11, p. 333. Aether, Chloroform. Nachdem früher (II, § 94) die Auslösung von stationären und transitorischen Krümmungsreactionen durch verschiedenartige O" chemische Reize behandelt wurde, haben wir nur kurz auf die Reeinflussung der übrigen aitionastischen Bewegungen durch chemische Agentien hinzuweisen. Wir lassen dabei ausser Acht, dass sicherlich auch diese Bewegungen durch alle diejenigen Stoffe beeinträchtigt werden, welche bei genügend intensiver Einwirkung eine gewisse oder eine totale Hemmung von Partialfunctionen und schhesslich das Absterben bewirken (II, p. 338 it.), und gehen nur auf diejenigen Erfahrungen über Anaesthetica ein, welche in dem früher (II, p. 530) gekenn- zeichneten Sinn einige Bedeutung für die Separation von Reactionen und für die Beurtheilung des Reizprocesscs haben 2). 1) Correns, 1. c. p. 109, 120, -löO. 2) Lit. über den Einfluss verschiedener Körper bei Göppert. De acidL hydro- cyanici vi in plantas commentatio 1827; Marc et. Biblioth. universelle d. Geneve § 105. Beeinflussung durch die Aussenbedingungen. 535 Schon lange ist bekannt, dass die Reizbarkeit der Mimosa pudica, sowie der Staubgefässe von Berberis, durch die Dämpfe von Aether und Chloroform sistirt wird (vgl. z. B. Bert, 1. c). Ein ähnliches Verhalten wurde unter anderm für die Blätter von Dionaeai), die Narben von Bignonia undCatalpa^j, sowie für die Staubgefässe der Cynareen festgestellt. Auch ist bereits (II, p. 530) hervorge- hoben, dass ein massiges Chloroformiren zwar die mechanische Reizbarkeit, aber nicht die Tagesbewegungen und die autonomen Bewegungen der Blätter und Blättchen von Mimosa pudica zum Stillstand bringt. Ob diese Bewegungen bei allen Pflanzen durch Aetherisiren und Chloroformiren vollständig ausge- schaltet werden können, ohne dass eine Schädigung des Organismus eintritt, ist noch nicht näher untersucht. In der That scheint vielfach eine völlige Sistirung der Reizbarkeit der Ranken, der photonastischen und thermonastischen Nutationsbewegungen, sowie überhaupt der Zuwachsbewegung 3) erst bei einer Aether- oder Chloroformwirkung einzutreten, die bei etwas längerer Einwirkung eine Schädigung des Organismus herbeiführt. Durch die bisherigen Untersuchungen ist noch nicht entschieden, ob durch Chloroform oder Aether bei den Ranken, bei den Tentakeln von Drosera *) u. s. w. zuerst die Sensibilität (die Perceptionsfähigkeit etc.) oder die Wachsthums- thätigkeit unterdrückt wird. Dagegen wird nach Czapek^) durch Chloroform- wirkung die geotropische Motilität (Reactionsthätigkeit und Reactionsfähigkeit) an- sehnlicher und früher unterdrückt, als die geotropische Sensibilität. Desshalb ist es möglich, bei Anwendung der richtigen Chloroformconcentration den Keimwurzeln von Vicia faba und Lupinus albus eine geotropische Reizung zu induciren, die zur Folge hat, dass nach Beseitigung des Chloroforms eine geotropische Nach- wirkung eintritt. Ein ähnlicher Erfolg wurde auch mit Kohlensäure, Coffein und einigen anderen Stoffen, sowie bei Anwendung niedriger Temperatur (II, § 121) erhalten. Andererseits ist bereits (II, p. 443, 530) hervorgehoben, dass und warum bei Mimosa (und vermuthlich bei den sich ähnlich verhaltenden Objecten) die Archiv ■1848, Bd. 60, p. 204; P. Bert, Memoir. d. l'Academie d. Bordeaux 1866, p. 30; Gl. Bernard, Lerons s. 1. phenomenes d. 1. vie -ISSS II. Aufl., Bd. I, p. 258; Tassi, Nuovo giornale botanico itahano 1887, Bd. 9, p. 30; P. Krutickij, Botan. Centralbl. 1889, Bd. 39, p. 379; A. Borzi, L'apparato di moto delle Sensitive 1899; G. Paoletti, Nuov. giornal. botanic. italiano 1892, Bd. 24, p. 65. In diesen Arbeiten ist die übrige Literatur citirt. Vgl. ferner dieses Buch II, 121, 148. i) Ch. Darwin, Insectenfressende Pflanzen 1876, p. 275. 2) Heckel, Compt. rend. 1874, Bd. 79. p. 702. 3) Ueber die Beeinflussung der Zuwachsbewegung vgl. z. B. W. Detmer, Land- wirthschaftl. Jahrb. 1882, Bd. M, p. 227; C. 0. Townsend, Annais of Botany 1897, Bd. 11, p. 522, sowie dieses Buch Bd. II, § 30. Ob, analog wie bei der Zuwachsbewe- gung (Bd. II, p. 130), durch eine schwache Aetherwirkung eine transitorische Beschleu- nigung der Krümmungsthätigkeit erzielt werden kann , ist noch nicht untersucht. 4) Wenn Ch. Darwin (Kletternde Pflanzen 1876, p. 138) eine Aufhebung der Reizbarkeit der Ranken durch Aether nicht beobachtete, so ist damit nicht ausge- schlossen, dass bei stärkerer Aetherwirkung ein Erfolg erzielt wird. In den Versuchen mit den Tentakeln von Drosera wurde von Darwin (Insectenfressende Pflanzen 1876, p. 197; vgl. auch Heckel, Compt. rend. 1876, Bd. 8-2, p. 525) nicht in allen Fällen eine Sistirung der Reizbarkeit durch Aether und Chloroform gefunden. 3, F. Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 199. Ein ähnliches Resultat erhielt K. Steyer (Reizkrümmungen bei Phycomyces 1901, p. 7, 25) mit Phycomyces. — Vgl. auch Correns, Flora 1892, p. 134. 536 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. 0 Sistirung der Reizbarkeit durch Chloroform, Aether etc. auf einer Ausschaltung oder Veränderung in den sensorischen Processen beruhen muss. Elektricität. Nach den allerdings lückenhaften Erfahrungen über die Beeinflussung der Zuwachsbewegung (II, § 28) ist zu vermuthen, dass die ver- schiedenartigen KrümmungsbeW'egungen durch einen schw^achen (constanten) elektrischen Strom nicht wesentlich modiflcirt werden, während bei genügender Steigerung der Stromintensität Hemmung der Thätigkeit und endlich Tödtung zu erwarten ist. Ob sich bei einer gewissen Stromintensitäl unter Umständen ein Excitationsstadium einstellt, ist nicht bekannt. Elektrische Entladungen, und demgemäss auch Inductionsschläge, wirken aber wie mechanische Stösse und Erschütterungen. Folglich wird die volle Bewegungsamplitude bei den Blättern von Mimosa pudica, den Staubfäden von Centaurea, Berberis etc. schon durch einen Oeffnungs- oder Schliessungs- schlag, bei den Blättern von (3xalis acetosella aber erst durch wiederholte In- ductionsschläge ausgelöst (vgl. II, § 89, 90)1). Ferner wirkt die Wiederholung von mechanischen Stössen und von Inductionsschlägen in derselben Weise auf die Blätter von Mimosa pudica, die also in beiden Fällen bei continuirlicher Reizung, trotz der dauernden Inanspruchnahme, in die Ausgangslage zurück- kehren, aber unter diesen Umständen die Sensibilität nicht wiedergewinnen 2). Ausserdem ist bereits mitgetheilt, dass und warum auch die mit Tastreizbarkeit ausgestatteten Ranken durch schwache Inductionsschläge gereizt werden 3). Ob und in wie weit die Reactionsfähigkeit (die Stimmung) bei der dauern- den Inanspruchnahme durch Inductionsschläge modiflcirt ward, ist noch nicht untersucht. Sollten die Angaben von Kabsch^) richtig sein, dass die Seiten- blättchen von Desmodium gyrans (Fig. 35, p. 383), wenn sie bei 22 C. be- wegungslos sind, durch schwache Inductionsschläge in Bewegung gesetzt werden, so ist eine nähere Aufklärung dieses Verhaltens nothwendig. ■1: A eitere Lit. in den Bd. II, p. 123 citirten Schriften von Treviranus. de Candolle etc. Ferner W. Kabsch, Botan. Zeitung 1861, p. 358; Cohn, Abhandig. d. schlesischen Gesellsch. für Vaterland. Cultur 1861, Heft 1, p. 21 (Staubfäden d. Cy- nareen); Blonde au, Compt. rend. 1867, Bd. 65, p. 304; Pfeffer, Unters, a. d. Botan. Institut zu Tübingen 1885, Bd. l, p. 305, 521. Vgl. auch Bd. II, § 153. 2) Vgl. Pfeffer, 1. c. p. 321 u. diesen Bd. II, p. 443. 3) Siehe Pfeffer, 1. c. p. 503 und diesen Bd. II, p. 437. — W. Hofmeister Pflanzenzelle 1867, p. 313) beobachtete eine Reizung der Ranken erst bei stärkeren Inductionsschlägen. Vermuthlich werden bei richtiger Versuchsanstellung durch Induc- tionsschläge auch die Drüsenhaare von Drosera gereizt, an welchen Nitschke Bot. Zeit. 1860, p. 229) keinen Erfolg beobachten konnte. — Bemerkt sei noch, dass nach Mo hl (Ranken- und Schlingpflanzen 1827, p. 70) der constante elektrische Strom keinen Einfluss auf Ranken ausübt. 4) W. Kabsch, 1. c. p. 361. Vgl. auch diesen Bd. II, p. 396 Anmerk. — Natür- lich werden durch Inductionsschläge, ebenso wie durch einen mechanischen Stoss, auch die Schnellbewegung des Gynostemiums von Stylidium, sowie die elastische Spannung in den Früchten von Impatiens (II, § 106) ausgelöst. Ueber Stylidium vgl. diesen Bd. II, p. 384, und Kabsch, 1. c. p. 338. § i06. Oeffnungs- und Schleuderbewegungen. 537 Abschnitt VI. Oeffnungs- und Schleuderbewegungen. § 106. Für die Gesammtükonomie der Pflanze sind auch diejenigen Vorgänge und Bewegungen bedeutungsvoll, durch welche das Oeffnen von Früchten, Antheren, Sporangien, Sporenschläuchen u. s. w., sowie das Ausstreuen und Fortschleudern von Samen, Sporen und anderen Fortpflanzungsorganen erzielt wird. Da es sich indess bei diesen Vorgängen nicht um eigentliche physiologische Reactionen handelt, und da es unsere Aufgabe nicht ist, die mannigfachen Einrichtungen und Eigenheiten zu schildern, die zur Erreichung der angedeuteten Ziele und Zwecke dienen, so müssen wir uns darauf beschränken, in allgemeinen Zügen die in Betracht kommenden mechanischen Mittel anzudeuten und zur Erläuterung einige Beispiele anzuführen ^j. Diejenigen Vorgänge, die wie die Bewegungen der Trockenfrüchte, der Grannen der Fruchtklappen von Erodium, gewisser Haare u. s. w. durch Ouellungsänderungen in den abgestorbenen Objecten zu Stande kommen, zählen überhaupt nicht zu den eigentlichen physiologischen Processen. Dagegen ist die vitale Thätigkeit bei anderen Vorgängen insofern betheiligt, als die Be- wegung auf der Ausgleichung von Spannungen beruht, die in den lebensthätigen Zellen und Organen geschaffen wurden. Eine derartige Ausgleichung tritt allgemein ein, Avenn mit dem Absterben die osmotische Druckleistung des Zell- inhaltes verloren geht, und demgemäss die Zellwand, je nach dem Grade der Turgordehnung, eine sehr geringe oder eine ansehnliche Contraction ausführt (II, § 16, 17). Diese Aufhebung der Turgordehnung in den einzelnen Zellen hat aber, wie sich aus früherem (II, § -1 6 — ^'1 9, 78) ergiebt, eine entsprechende Contraction der Gewebe und eine Veränderung der Gewebespannung, unter Um- ständen also auch eine Krümmungsbewegung zur Folge. Ausserdem können aber auch ohne ein Absterben Bewegungen dadurch entstehen, dass Spannungen ausgeglichen werden, die durch die Hemmung der angestrebten physiologischen Wachsthums- und Bewegungsthätigkeit geschaffen wurden. Auf diese Weise kommen u. a. die noch zu besprechenden Schnell- bewegungen der Staubgefässe von Parietaria, sowie der Fruchtklappen A'on Impatiens zu Stande. Während in diesem Falle die activen Gewebe lebendig bleiben, ist das plötzliche Hervorspritzen des Inhaltes aus dem einreissenden Sporenschlauch gewisser Ascomyceten mit einem Absterben des activen Schlauches verknüpft. In beiden Fällen ist aber eine Wiederholung der Schnell- und Spritzbewegungen ausgeschlossen, weil sogar die lebendig bleibenden Gewebe nicht in der Lage sind, die nothwendige Spannung von neuem herzustellen. Eine solche Wiederherstellung wird dagegen in der früher (II, p. 384] be- schriebenen Weise durch die autonome Bewegungsthätigkeit des Gynostemiums ■1] Vgl. die Zusammenfassungen bei F. Ludwig, Biologie d. Pflanzen 1895, p. 296, 326; A. Kerner, Pflanzenleben 1891, Bd. 1 u. 2. 538 K'iP- -^^^- Krümmungsbewegungen. von Stylidium adnatum erzielt, das demgemäss zu einer wiederholten Ausführung von Schnellbewegungen befähigt ist. In diesen und ähnlichen Vorgängen werden nicht nur die Spannungen, sondern auch die Bedingungen für die Auslüsungsfähigkeit durch die Thätigkeit des Organismus geschaffen und vorbereitet. Denn entweder wird durch die physiologische Steigerung der Spannung oder durch die Lockerung des Gewebe- verbandes (bezw. durch die Verminderung der Widerstandsfähigkeit der Zell- haut) dafür gesorgt, dass endlich durch die bestehende Spannung, oder durch einen leichten, mechanischen Eingriff, die verminderte Hemmung überwunden und damit die Schnell- oder Spritzbewegung in Scene gesetzt wird. In derselben Weise wird ja auch durch die vorbereitende Thätigkeit der Pflanze erzielt, dass Blätter, Blüthen, Früchte u. s. w. zu einer gewissen Zeit abfallen (II, § 62). Bei der Behandlung dieser Vorgänge ist übrigens darauf hingewiesen, dass die Pflanze zur Erreichung verschiedener Ziele und Zwecke Organe und Zellen ab- stösst oder zum Absterben bringt, imd dass die Vorbereitungen, zum Abtrennen lebendiger Elemente mit denselben Mitteln erreicht werden, die allgemein zur partiellen und totalen Separirung von Zellen dienen. Da nach der Herstellung des labilen Zustandes die Schnell- oder Spritz- bewegung offenbar ebensogut durch einen äusseren wie durch einen inneren mechanischen Anstoss veranlasst werden kann, so ist es begreiflich, dass z. B. auch Schwankungen der Turgor- und der Gewebespannung auslösend Avirken, gleichviel ob diese Veränderungen durch Transpiration oder durch eine Reizreaction hervor- gerufen werden. Auf einer solchen indirecten Wirkung dürften gewisse Auslösungen beruhen, welche bei bestimmten Objecten durch Licht, chemische Agentien, über- haupt durch physiologische Reize hervorgerufen werden. Sofern aber die physiologische Reizreaction sich ausbreitet, kann ein localisirter Reiz auch in die Ferne wirken. Durch einen derartigen Zusammenhang mag es be- dingt sein, dass nach Darwin^) in der Blüthe von Catasetum (Orchidee) die Be- rührung einer Antenne (einer der eigenthümlichen Fortsätze des Rostellums) das Fortschleudern der Pollinarien veranlasst, welches durch die Activirung einer be- stehenden Spannung bewirkt wird. Da aber die directe Berührung der Polli- narien nicht auslösend wirkt, so muss man annehmen, dass in diesem Falle durch die Reizperception in der Antenne eine physiologische Reaction hervor- gerufen wird, die in besonders wirksamer Weise die Hemmung beseitigt, welche bis dahin die Schnellbewegung verhinderte. Die bis dahin behandelten Vorgänge imd Bewegungen treten auch bei Pflanzen ein, die vollkommen mit Wasser versorgt sind. Ausserdem werden Dimensionsänderungen und Bewegungen erzielt, wenn der Turgor durch übermässige Transpiration oder durch Plasmolyse theilweise oder gänzlich auf- gehoben wird. Auch in diesem Falle handelt es sich um physikalische Vor- gänge, auf die schon früher (II, p. 500) mit dem Bemerken hingewiesen wurde, dass wir nicht näher auf sie einzugehen haben, obgleich sie unter Umständen von ökologischer Bedeutung sind. I) Ch. Darwin, Die verschiedenen Einrichtungen, durch welche Orchideen be- fruchtet werden, II. Aufl. 1877, p. 152. [Haberlandt, Sinnesorgane im Pflanzenreich 1901, p. G-2.] § 106. Oeffnungs- und Schleuderbewegungen. 539 Für den mechanischen Erfolg ist es natürlich einerlei, ob die Turgor- spannung durch Absterben der Zellen oder durch Wasserentziehung (durch Transpiration oder Plasmolyse) aufgehoben wird. Bei grösserem Wasserverlust stellen sich dann in zarteren Geweben Schrumpfungen eiia. Erst wenn das flüssige Wasser geschwunden ist, wird bei weiterer Austrocknung Ouellungs- wasser entzogen und dadurch bewirkt, dass in der Membran Dimensions- änderungen und (wie jedes Hygrometer zeigt) unter Umständen Krümmungs- bewegungen eintreten. Diese Vorgänge, ebenso bei Wasserzufuhr die Wieder- herstellung des maximalen Quellungszustandes der Membran, sowie die partielle oder totale Ausgleichung der Schrumpfung, gehen auch in todten Geweben vor sich. Natürlich wird bei erneuter Wasserzufuhr nur in denjenigen Zellen die Turgorspannung wiederhergestellt, die durch das Austrocknen nicht getödtet wurden. Es ist übrigens selbstverständlich, dass alle diese Vorgänge periodisch werden, wenn sich die Entziehung des Wassers und die Wiederversorgung mit Wasser rhythmisch wiederholen (II, p. 247). Beispiele für Bewegungen, welche durch die Turgorenergie, bezw. durch die davon ahhiiugige Giewehespannuug Termittelt werden. Ein Beispiel dafür, dass ohne eine Gewebezerreissung die Hemmung beseitigt vmd die Schnellbewegung ausgelöst wird, sind die Staubgefässe von Parietaria, Urtica, Pilea, Spinacia, Atriplex und einigen anderen Pflanzen. Die Staubgefässe der Urticeen sind bogenförmig nach innen gekrümmt imd zwischen Perigon und Fruchtknoten (wo dieser fehlt, bilden die anderen Antheren die Widerlage) ein- geklemmt. Dadurch wird zunächst die Ausgleichung der Spannung verhindert, die sich während der Entwickelung allmälich ausbildet und besonders auf einer Compression der Vorderseite (der Innenseite) des Staubfadens beruht. Wenn dann diese mechanische Hemmung mit dem Fortschreiten der Entwickelung und der Spannungszunahme überwunden wird, erfolgt plötzlich, wie bei dem Los- lassen einer eingekrümmten Feder, ein Hervorschnellen, wodurch die Gerade- streckung des Filamentes und zugleich das Hervorschleudern des Blüthenstaubes aus der sich öffnenden Anthere erzielt wird. Dieses Hervorschnellen, das end- lich freiwillig erfolgt, wird durch mechanische Eingriffe (Druck gegen das Perigon, die Staubfäden etc.) beschleunigt, die zuweilen das gleichzeitige Her vorschnellen von einigen Staubgefässen veranlassen. Der Umstand, dass der Staubfaden in eine Furche der Anthere eingepresst ist und in dieser mit einer gewissen Energie haftet, bringt es mit sich, dass besonders bei den noch nicht völlig reifen Staubgefässen die Schnellbewegung zuweilen nicht sogleich mit der Entfernung der äusseren Hemmung eintritt^). Durch die Ueberwindung oder Beseitigung der Hemmung werden ferner z. B. das Hervorschnellen der Geschlechtsorgane in der Blüthe von Sarothamnus, Genista tinctoria u. s. w. 2), sowie das plötzliche Oeffnen der Blüthe von 1) Dieses Anhaften wurde zuerst von Askenasy nachgewiesen, hn Uebrigen war der Mechanismus schon früher richtig gedeutet. Näheres und Literatur bei Askenasy, Verhandl. d. naturhist.-med. Vereins zu Heidelberg ■1S79, N. F. Bd. 2, p. 274. 2) Vgl. Ludwig, 1. c. p. 472. 540 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Stanhopea oculata i) veranlasst, das mit einem merklichen Geräusch vor sich geht. Auf das Zustandekommen und die Ursachen der wiederholten Schnellbewegung des G^mostemiums von Stylidium adnatum wurde bereits hingewiesen (II, p. 500). In anderen Fällen wird durch die vorbereitende physiologische Thätigkeit bewirkt, dass endlich an bestimmten Stellen eine Zerreissung der Gewebe und damit eine plötzliche Ausgleichung der Spannungen eintritt, welche durch die Wachsthumsthätigkeit hergestellt war. Auf diese Weise erfolgt z. B. endlich selbstthätig oder in Folge eines leichten Druckes das Aufspringen der Früchte von Impatiens noli längere und balsamina, von Cardamine hirsuta, Cyclan- thera u. s. w., wobei sich die Fruchtklappen mit grosser Energie zusammen- rollen und die Samen mehr oder weniger weit weggeschleudert werden'-). Zu diesen Vorgängen gehört auch das Auseinanderschnellen der Faden- zellen von Zygnema und Mougeotia, das durch die Spaltung der gemeinsamen Querwand vorbereitet wird, und bei dem Einreissen der Cuticula desshalb ein- tritt, weil durch die plötzliche Hervorwölbung der aneinanderliegenden Quer- wandstücke eine genügende Energie für das Fortschleudern gewonnen wird. Alle äusseren Einwirkungen, die das Einreissen der Cuticula begünstigen, ver- anlassen also auch das Auseinanderschleudern der Zellen, das z. B. durch Inductionsschläge, Chloroform, Jod in auü'älliger Weise hervorgerufen wird^j. Bei Momordica elaterium löst sich dagegen zur Zeit der Fruchtreife der Fruchtstiel wie ein Stöpsel von dem basalen Theil der Frucht, und aus der so entstehenden Oeffnung werden die Samen mit einer schleimigen Flüssigkeit hervorgespritzt. Die Energie für dieses plötzliche Hervorspritzen wird, wie schon Dutrochet-*) erkannte, durch die ansehnliche elastische Dehnung der Fruchtwandung geliefert, die sich demgemäss bei der Entleerung erheblich contrahirt, während wiederum die Ablösung des Deckels durch die entsprechende Lockerung des Gewebeverbandes vorbereitet und ermöglicht wird. Zu den Spritzmechanismen gehört ferner das Hervorschleudern der Sporen bei den ejaculirenden Discomyceten, Pyrenomyceten und Flechten, die im Verein mit einer gewissen Menge des Zellinhaltes hervorgestossen Averden und zuweilen mehrere Centimeter weit fliegen^). Die Bewegungsenergie wird in diesem Falle durch die Turgordehnung der elastischen Wand des Ascus gewonnen, der sich bei der Entleerung (ebenso bei Plasmolyse) auf ^4 l^is -j^ der bisherigen Länge ^) Pfitzer, Beobachtungen über Bau und Entwickelung cl. Orchideen 1877, p. 12 d. Sep. a. Verhandl. d. natur.-med. Vereins zu Heidelberg Bd. 2. 2) Näheres bei Dutrochet, Memoires, Bruxell. 1837, p. 229; F. Hildebrand, Jahrb. f. wiss. Bot. 1873-74, Bd. 9, p. 238; Eichholz, ebenda 1886, Bd. 17. p. 543; Ludwig, 1. c. p. 332. An diesen Stellen sind auch andere Objecte, sowie auch die Einrichtungen behandelt, durch welche die Samen von Oxahs fortgeschleudert werden. Ueber die ansehnlichen Schnellbewegungen bei Sphaerobolus stell atus vgl. Zopf, 1. c. p. 84, 374. 3) Näheres bei Benecke, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 453. [Tobler, Bericht d. botan. Gesellsch. -1902, p. 361 ; Zerfall des Thallus von Rhodomela.] 4) Dutrochet, 1. c. p. 229; F. Hildebrand, 1. c. p. 238; E. Roze, Journal d. Botan. 1894, Bd. 8, p. 308. 5) Näheres bei de Bary, Morphologie u. Biologie d. Pilze 1884, p. 90; W. Zopf, Die Pilze 1890, p. 87; F. Ludwig, Biologie d. Pflanzen 1893, p. 328. — Ueber die Elasticität der Zellhäute vgl. diesen Bd. II, p. 62. § 106. Oeffnungs- und Schleuclerbeweffunsren. 541 zusammenzieht, also wie ein Gummiballon wirkt, aus dem bei dem Einstechen das gewaltsam eingepresste Wasser hervorspritzt. An dem Wesen der Sache wird dadurch nichts geändert, dass bei gewissen Pyrenomyceten der Ascus vor der Ejaculation bis an oder über die Mündung des Peritheciums gelangt, und zwar vielfach dadurch, dass die cuticularisirte Aussenschicht reisst und die inneren Hautschichten bis auf das Doppelte der bisherigen Länge gedehnt werden '^) (Fig. 62). Es gehört ferner zu den speciellen Eigenthümlichkeiten, dass die Sporen entweder simultan oder seltener succedan eja- culirt werden. In dem erstgenannten Falle pflegen sich die Sporen an der Spitze des Schlauches als eine zusammenhängende Masse anzusammeln. Bei der succedanen Entleerung (vgl. Fig. 62) drängt sich in die Rissstelle des Schlauches eine andere Spore, die dann weg- wenn der Turgor in Folge wiederum genügend es auch nicht er- zweifel- geschleudert wird, dieses Verschlusses erhöht ist. Kann haft sein, dass das Einreissen an einer be- stimmten Stelle durch die localisirte Herab- setzung der Cohäsion der Haut vorbereitet wird, so ist doch noch nicht näher ermittelt, ob die Ejaculation allein durch diese Ver- änderung oder unter Umständen auch durch die gleichzeitige Stei2;erun2; der Tur2;orenero:ie herbeigeführt wird 2] Uebrigens ist es ver- ständlich, dass verschiedene äussere Verhält- nisse die Entleerung beschleunigen und dass Fig. G2. Sphaeria Scirpi (Pleospora scirpi- cola) (nach Pringslieim, Jahrb. f. "(viss. Botan. 1858, Bd. I, p. II.IO). .1 der noch im- geöifnete Schlauch nach Zerreissnng der cuticularisirteu, äusseren Zellhautschicht. B Die Spoi'en sind bis auf eine, im Augen- blick die Kissstelle verstopfende, ejaculirt. C Nach Entleerung aller Sporen. z. B. durch Erschütterungen oder durch den Wechsel der Luftfeuchtigkeit zuweilen eine ansehnliche Ejaculation (ein Stäuben] veranlasst wird. Durch einen Spritzmechanismus wird ferner das reife Sporangium von 1 1 Ein Zerreissen oder Absprengen der Cuticula wird vielfach angewandt, z. B. auch um das weitere Flächenwachsthum der inneren Membranschichten (vgl. Bd. II, p. 37) oder um eine secretorische Thätigkeit (I, p. 266, öOl) zu ermöglichen. — Aus Bissen der Cuticula dürften auch die Fäden hervortreten , welche sich an Drüsenhaaren der Blätter von Dipsacus in Wasser ausbilden. Es scheinen dieselben übrigens Producte einer Zellhautmetamorphose zu sein, durch die ja an Drüsenhaaren Harze, Schleim- stoffe u. a. Stoffe gebildet werden. Die eigenthümlichen Bewegungen kommen viel- leicht in analoger Weise zu Stande, wie die Bewegungen der sogen. Myelinformen. Vgl. Cohn, Botan. Ztg. 1878, p. 122; Fr. Darwin, Journal of microscop. science i877, Bd. 17, p. 245, u. 1878, Bd. 18, p. 73. 2) Eine gewisse Rolle spielt bei manchen Entleerungen das ansehnliche Aufquellen der Schlauchwandung, durch welches das Lumen des Schlauches verengt wird. Dieses Aufquellen wurde vor der Entleerung vielleicht durch den Druck verhindert, welcher vom Inhalt gegen die Wandung ausgeübt wird. 542 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. Pilobolus crystallinus mit solcher Energie fortgeschleudert, dass es nach Coemans bis zu einer Höhe von 1 05 cm fliegt. In diesem Falle wird durch das allmähliche Verc|uellen der Membran die Verbindung z\Yischen dem Sporangium und dem Sporangiumträger gelockert, und gleichzeitig erreicht, dass der Träger am Scheitel einreisst und dass durch den hervorspritzenden hihalt das Sporangium fortgeschleudert wird^). Durch ähnliche Einrichtungen werden u. a. auch die Sporen von Empusa muscae und verschiedenen Basidiomyceten abgeschleudert. Wir gehen hier nicht weiter auf die besonderen Eigenthünilichkeiten von Einzelvorgängen ein, die das gemeinsam haben, dass die Oeifnung oder die Abstossung durch die vitale Thätigkeit vorbereitet wird, ohne dass in allen Fällen ein ansehnliches Fortschleudern eintreten muss. Es ist ausserdem bekannt, dass z. B. die Samenfäden und andere Schwärmzellen durch ihre Eigenbewegung den Weg aus dem geöffneten Antheridium oder Zoosporangium finden, wenn sie nicht schon bei dem Vorgang des Oeffnens hervorgestossen werden 2). Die Bewegungen, welche bei todteu Organen durch den Wechsel der Feuchtigkeit zu Stande kommen, sind zwar, wie schon betont, keine physiolo- gischen Processe, können aber desshalb doch für den Organismus eine ökologische Bedeutung haben 3). So wird dadurch, dass sich viele Trockenfrüchte und Antheren bei weitgehendem Wasserverlust öffnen, bei dem Anfeuchten aber wiederum schliessen, erzielt, dass die Samen und Pollenkörner bei nassem Wetter nicht entleert werden. Dasselbe wird für die Sporen vieler Laubmoose da- durch erreicht, dass das Peristom bei nassem Wetter den Kapselmund ver- schliesst, bei trockenem Wetter sich aber zurückschlägt. Ferner krümmen sich die todten Involucralblätter von Carlina, Helichrysum^) u. s. w. bei feuchtem Wetter nach Innen und verhindern das Ausstreuen der Früchte, das möglich ist, sobald sich bei trockenem Wetter die Involucralblätter nach Aussen ge- schlagen haben. Auch wird bei Compositen durch Trockenheit die Ausbreitung der Pappushaare und hierdurch die günstige Gestaltung dieses Flugapparates herbeigeführt. Die bekannte Rose von Jericho (Anastatica hierochuntica) ^', 4) Vgl. de Bcary, 1. c. p. 77, 90; Zopf, 1. c. p. 8i. 2) Angaben über die Entleerung von Schwärmzellen finden sich z. B. bei de Bary, 1. c. p. 87; Falkenberg, in Schenk's Handbuch der Botanik -188-2, Bd. 2, p. 195; Strasburger, Wirkung des Lichtes und der Wärme auf Schwärmsporen 1878, p. U; Walz, Bot. Ztg. 1874, p. 689; Rother t in Cohn's Beitrag, z. Biologie 1892, Bd. 5, p. 344; Klebs, Bot. Ztg. 1891, p. 859; Goebel, Annal. d. jardin. hotan. d. Buiten- zorg 1898, Suppl. II, p. 6Ö. 3) Thatsachen und Lit. bei Ludwig, Biologie d. Pflanzen 1895, p. 327. 344; Kerner, Pflanzenleben 1891, Bd. 2, p. 421; Haberlandt, Physiolog. Pflanzenanatomie 1896, II. Aufl., p. 469, 488; Hildebrand, Jahrb. f. wiss. Bot. 1873-74, Bd. 9, p. 245; C. Stein brinck, Untersuch, üb. d. anatom. Ursachen des Aufspringens d. Früchte 1873, Bot. Ztg. 1878, p. 561 ; U. Geovanozzi, Nuovo giornal. botan. itahano 1901, Bd. 8, p. 207. In diesen und anderen Arbeiten ist auch das Aufspringen der Früchte etc. behandelt. 4j Dutrochet, Memoires etc., Bruxelles 1837, p. 23G; Detmer, Journal f. Land- wirthschaft 1879, Bd. 27, p. 111. 5) Ascherson, Ber. d. bot. Gesellsch. 1892, p. 94. § 'loe. Oeffnungs- und Schleuderbewegungen. 543 sowie gewisse Früchte sind ferner Beispiele dafür, dass durch das Anfeuchten die Ausbreitung und durch das Austrocknen das Zusammenschliessen hervorgerufen wird. Durch die Veränderung der Feuchtigkeit werden aber postmortal nicht nur Krümmungen in einer Ebene, sondern auch Drehungen bewirkt. Derartige Drehungen vollführen u. a. die Seta von Funaria und anderen Laubmoosen i), sowie die Conidienträger von Peronospora und einigen anderen Pilzen 2). Ferner führen die als Hygrometer benutzten Carpellfortsätze von Erodium gruinum aus- gezeichnete hygroskopische Drehungen aus, die, wie auch die Drehbewegungen der Grannen von Stipa, Avena etc. das Einbohren der Frucht in den Boden vermitteln ^j. Es wurde bereits erwähnt, dass das Schrumpfen, sowie alle Deformationen, welche bei einem partiellen Wasserverlust in den wassererfüllten Zellen und Geweben eintreten, nicht auf der Veränderung des Quellungszustandes der Zellhaut beruhen können. Denn da sich diese in maximaler Quellung befindet, so lange noch flüssiges Wasser vorhanden ist, kann erst nach dem Ver- schwinden dieses eine Bewegung durch die Veränderung der Membranquellung eintreten (vgl. Bd. I, § 12). Das Schrumpfen der todten Gewebe bei dem nur partiellen Verlust des flüssigen Wassers kommt nach Kamerling'^j, Stein- brinck^j und Schrodt^) dadurch zu Stande, dass das Wasser, welches die Zelle erfüllt, in Folge seiner Volumabnahme und vermöge seiner Cohäsion (vgl. Bd. I, p. '206) und seiner Adhäsion an die Wandung, diese nach innen zieht und in Falten legt. Da dieser Vorgang nach Steinbrinck auch im luftleeren Raum vor sich geht, so ist die Mithilfe des Luftdruckes nicht notwendig. Zu- dem wird fernerhin, wenn die Wassermasse in der Zelle zerreisst, der ein- seitige Ueberdruck der Luft bald beseitigt, weil nach Steinbrinck") die Luft schnell eindringt. Da aber bei der Ueberlragung von völlig trockenen Organen in feuchte Luft, sofern Thaubildung vermieden ist (vgl. Bd. I, p. I 43), im Lumen der Zelle zunächst kein fliissiges Wasser vorhanden ist, so müssen die Bewegungen, welche unter diesen Umständen eintreten, auf Quellungsvorgängen in den Membranen beruhen. Auf diese Weise kommen also z. B. die hygroskopischen Bewegungen der Grannen von Erodium und Gramineen, sowie vieler Trockenfrüchte zu Stande. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass bei dem Austrocknen der wassergefüllten Zellen zunächst der angedeutete Cohäsionsmechanismus wirksam ist. Möglicherweise verursachen bei bestimmten Objecten beide eine gleichsinnige Bewegung, und so ist es denkbar, dass z. B. in Bezug auf die Antheren bis zu einem gewissen Grade 1) Wichura, Jahrb. f. wiss. Bot. 1860, Bd. 2, p. 198; Goebel, Flora 1895, p. 483. 2) Vgl. Zopf, Pilze 1890, p. 86. 3) Hanstein, Bot. Ztg. 1869, 526; Fr. Darwin, Transact. of the Linnean Society 1873, II. ser., Bd. I, p. 149; C. Steinbrinck, Bot. Ztg. 1878, p. 580. 4) Kamerling, Bot. Centralbl. 1897, Bd. 72, p. 53, ebenda 1898, Bd. 73, p. 472; Flora 1898, p. 152. Vgl. auch das Sammelreferat in Bot. Ztg. 1898, p. 330. 5) Steinbrinck, Festschrift für Schwendener 1899, p. 165; Ber. d. bot. Gesellsch. 1899, p. 99, 325; ebenda 1900, p. 48, 217, 275, 286. — Steinbrinck (1. c. 1900, p. 219) schlägt vor, die durch den Cohäsionsmechanismus erzielte Deformation »Schrumpfein« zu nennen. 6) Schrodt, Ber. d. bot. Gesellsch. 1897, p. 100. 7) Steinbrinck, 1. c. 1900, p. 275, 286. Vgl. auch dieses Buch Bd. I, § 30, sowie P. Clanssen, Flora 1901, p. 422. 544 Kap. XII. Krümmungsbewegungen. sowohl Seh wendener \) als Stein brinck (1. c.) Recht haben, obgleich der erstere die Oeffnungs- und Schliessungsbewegimgen durch die Membranquellung, der letztere durch den besagten Cohäsionsmechanismus zu Stande kommen lässt. Der Erfolg ist natürlich in jedem Falle von den Eigenschaften des Objectes, also von der Quellungsfähigkeit der Wandungen, sowie von der Anordnung und Verkettung der Zellen und der Gewebe abhängig. Es ist indess nicht unsere Aufgabe, auf diese Verhältnisse einzugehen 2). Uebrigens ist schon früher (Bd. I, § 1 2 ; II, § 1 9) mitgetheilt, dass die Zellmembranen, und in diesen wiederum die Schichten, in verschiedenem Grade quellungsfähig sind, und dass die Quellung nach verschiedenen Richtungen ungleich ausfallen kann. Da ferner bei der Quellung eine gewaltige Energie entwickelt wird (I, p. 63), so kann durch die Membranquellung im allgemeinen eine höhere mechanische Leistung vollbracht werden, als durch den besagten Cohäsionsmechanismus, der in dick- wandigen Zellen keine auffällige Deformation hervorrufen wird. Wir unter- lassen es auszumalen, wie sowohl durch das Schrumpfein, als auch durch die Abnahme der Membranquellung das Zerreissen von Geweben (also z. B. das erste Oeffnen eintrocknender Früchte), sowie Spannungen und Schnellbewegungen verursacht werden können. Eine solche Schnellbewegung kommt z. B. bei dem Sporangium der Polypodiaceen dadurch zu Stande, dass die Zellen des Annulus bei der Abnahme des flüssigen Inhaltes contrahirt (deformirt) werden, und dass dann weiterhin die so erzielte elastische Spannung plötzlich ausgeglichen wird, wenn die Continuität des Wassers in der Annuluszelle zerreisst. Historisches. Die Bewegungen, welche durch das Absterben oder durch den Wechsel des Wassergehaltes in todten Organen verursacht werden, wurden theilweise schon von A. P. de Candolle^], namentlich aber von Dutrochet^) von denjenigen Bewegungen unterschieden, die von der Lebensthätigkeit abhängen. Dutrochet gab auch eine in den Hauptzügen richtige Erklärung des Mechanismus einiger Oeffnungs- und Schleuderbewegungen, deren nähere Kenntniss fernerhin durch die citirten Studien verschiedener Forscher gewonnen wurde. Aüsseueinflüsse. Aus dem Mitgetheilten ergiebt sich ohne weiteres die ver- schiedene Bedeutung der äusseren Verhältnisse, die bei den todten Objecten natürlich nur rein physikalisch wirken, gleichviel ob es sich um die Schallüng der Bewegungsenergie durch die Veränderung des Wassergehaltes oder um einen auslösenden Anstoss handelt. Bei den lebenden Pflanzen kommen aber die äusseren Einflüsse ausserdem für die Ausbildung der Organe , sowie für die physiologische Herstellung und Vorbereitung der physikalischen Aetions- und Reactionsfähigkeit in Betracht, und zudem kann, wie schon hervorgehoben wurde, indirect durch einen physiologischen Vorgang der Anstoss zu der Auslösung der physikalischen Reaction gegeben werden. Es ist auch verständlich, dass sowohl V) Schwendener, Sitzungsber. d. Berliner Academ. 1899, p. 101. [Steinbrinck, Ber. d. bot. Gesellsch. 1901, p. 55-2; 1902, p. 117; 1903, p. 217; Schrodt, Bericht, der botan. Gesellsch. 1901, p. 483; Schwendener, Sitzungsber. d. Berlin. Acad. 1902, p. 10Ö6; A. Ursprung, Jahrb. f. wiss. Botan. 1903, Bd. 38, p. 635.] 2) Vgl. Haberlandt, Physiolog. Pflanzenanatom. H. Aufl. 1896, p. 465 und die an dieser Stelle p. 488 citirte Lit. 3) A. P. de Candolle, Pflanzenphysiol., übers, v. Röper 1833, Bd. I, p. 13. 4) M. H. Dutrochet, Memoires pour servir ä rhistoire d. vegetaux et d. animaux, Bruxefles 1837, p. 225, 235. § -lOG. Oeffnungs- und Scbleuderbewegungen. 545 in physiologischer, als auch in physikalischer Hinsicht der plötzliche ^^'echsel anders wirken kann, als die allmähliche Veränderung der mechanischen Inanspruch- nahme, der Temperatur, der Transpiration u. s. \v. Da im Obigen für alle diese Verhältnisse und Beziehungen Beispiele enthalten sind, so darf ich mich hier auf einige allgemeine Bemerkungen beschränken. Ich erinnere nur daran, dass der Wechsel des Wassergehaltes bei lebenden Objecten sowohl im physikalischen, als auch im physiologischen Sinne wirksam sein kann (vgl. II, § 33, 3i, lOO). Auch ist es einleuchtend, dass die unzu- reichende Versorgung mit Sauerstoff die Ausbildung des reactionsfähigen Zustandes erschwert oder ganz unmöglich macht (I, § 103; II, § 31), und dass desshalb das Abschleudern von unreifen Sporangien etc., sowie die Entleerung von unreifen Schwärmsporen 1) durch die Entziehung von Sauerstoff ganz oder theilweise ver- hindert wird. Die Temperatur wirkt natürlich auch auf die Quellungsvorgänge u. s. w. in rein physikalischem Sinne ein. Ausserdem sind alle formativen und vor- bereitenden physiologischen Vorgänge in der üblichen Weise von den Temperatur- verhältnissen abhängig (II, § 22). Bei denjenigen Pflanzen, die in tiefer Temperatur gedeihen, kann sich demgemäss auch das Abstossen von Organen, sowie die Ent- leerung von Schwärmsporen u. s. w. bei niedriger Temperatur abspielen ^i . Ferner deuten einige Beobachtungen von T hur et darauf hin, dass ' die Entleerung von Zoosporen durch eine supraoptimale Temperatur verlangsamt wird. Gelegentlich wird auch wohl der Temperalurwechsel von Bedeutung sein, und so ist es zu verstehen, dass Dodel ^1. c.) Frühgeburten der Schwärmer von Ulothrix be- obachtete, als die eingefrorenen Fäden dieser Alge schnell auflhauten. Der directe Einfluss der Beleuchtung auf die hier behandelten Bewegungen dürfte wohl der Regel nach gering sein. Denn wenn die Beleuchtung durch Steigerung der Transpiration oder dadurch wirkt, dass sie die Ausbildung von Organen oder die des reactionsfähigen Zustandes einleitet, so handelt es sich ebenso um eine indirecte Wh'kung, als wenn die Beleuchtung durch die Modi- fication der Wachsthumsthätigkeit oder des Turgors eine physikalische Auslösung veranlasst. Thatsächlich gehen die Oeffnungs- und Schleuderbewegungen auch bei denjenigen Objecten im Dunkeln von statten, die sich bei dauei-nder Licht- entziehung nicht oder nicht normal ausbilden. Jedoch scheinen diese Vorgänge in gewissen Fällen durch die Beleuchtung oder durch den Beleuchtungswechsel begünstigt zu werden. So Avird durch die Beleuchtung der zuvor verdunkelten Pflanzen das Abschleudern des Sporangiums von Pilobolus crystalhnus ^j , sowie die Ejarulation der Sporen von Ascobolus furfuraceus ■^j befördert. Nach den Beobachtungen einiger Forscher wird ferner bei verschiedenen Algen die Ent- leerung der Schwärmsporen durch die Beleuchtung begünstigt und zum Theil am Licht vollständiger ausgeführt, als im Dunkeln^). 'l] Vgl. Rothert, Cohn's Beiträge z. Biologie 1892, Bd. 5, p. 344 und die in dieser, Arbeit citirte Lit. 2) Beisp. u ä. bei Kjellmann, Botan. Ztg. -1875, p. 774; G. Kraus, ebenda 1875, p. 774; Dodel, ebenda 187G, p. '178; Strasburger, Wirkung des Lichts u. d. Wärme auf Schwärmsporen 1878, p. 44; Klebs, Die Bedingungen d. Fortpflanzung einiger Algen u. Pilze 1 896. 3) Nach Coemans und nach Hofmeister, Pfianzenzelle 1867, p. 290. — Dabei sind nach G. Kraus (Bot. Ztg. 1876, p. 507) die blauen und violetten Strahlen am wirksamsten. 4) Nach Coemans, citirt bei de Bary, Morpholog. u. Biologie der Pilze 1884. p. 99. 5) Lit. A. Braun, Verjüngung 183), p. 237; Thuret, Annal. d. scienc. naturell. Pfe ff er, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 3JJ 546 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Kapitel XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Abschnitt I. Einleitung. § 107. Allgemeines. Die Pflanze und die von ihr produciiten Organe können die natihiiche und zweckentsprechende Lage nur unter Mitwirkung von bestimmt orientiren- den Reizwirkungen gewinnen. Denn die Keimwurzel und der Hauptspross würden z. B. in jeder beliebigen Richtung weiter wachsen, wenn sie nicht durch die tropistische Reizwirkung (II, p. 356) der Schwerkraft veranlasst würden, sich solange abwärts, bezw. aufwärts zu krümmen, bis sie die lothrechte Gleichgewichts- lage erreicht haben. Infolge dieser Orientirung der Hauptachsen ist den aus diesen hervortretenden Sprossungen eine bestimmte Orientirung auch dann gesichert, wenn sie diejenige Lage bewahren, die sie aus inneren Ursachen (vermöge der autogenen Symmetrieverhältnisse) anstreben. Das ist z. B. vielfach bei Haaren, bei den Seitenwurzeln höherer Ordnung u. s. w. der Fall, während die Seiten- wurzeln erster Ordnung, die Ausläufer, die Laubblätter u. s. w*. gewöhnlich mit Sensibilitäten ausgestattet sind, die zur Folge haben, dass diese Organe durch die tropistische Reizwirkung der Schwerkraft, des Lichtes u. s. w. in eine be- stimmte Lage gebracht werden. Da nun die Pflanze und deren Organe schon während der Entwickelung die den obwaltenden Bedingungen entsprechende Orien- tirung annehmen, so treten die auf die Herstellung der Gleichgewichtslage be- rechneten Orientirunasbewemmgen selbstverständlich nur ein, wenn der Gleich- gewichtszustand gestört wird, wenn also z. B. der vertical orientirte Spross in eine geneigte Lage gebracht, oder wenn z. B. die Angriffsrichtung des Lichts modificirl wird. In der tropistischen Gleichgewichtslage können natürlich ander- weitige Krümmungsbewegungen durch diffuse Aussenreize (II, p. 83, 356) oder durch die autogene Thätigkeit herbeigeführt werden. Bei der Besprechung der autonomen Bewegungen (II, § 80 — 82) ist unter anderm auch gezeigt worden, dass und wie durch die autogene Modification der Sensibilität tropistische Reiz- bewegungen veranlasst und nutzbar gemacht werden, um eine einmalige Ver- schiebung der Ruhelage oder um periodische Bewegungen zu erzielen (11, p. 390). Wir sehen indess zunächst von diesen und anderen Verwicklungen ab, halten ims also sachgemäss in erster Linie an die Betrachtung derjenigen Orientirungs- bewegungen, die durch eine einzelne tropistische Reizursache '^bei Constanz der 183(1, III. ser., Bd. U, p. 247; Strasburger. 1. c. p. 15; Walz, Bot. Ztg. 1868, p. 497; Dodel-Port. ebenda 1876, p. 177; Rostafinski u. Woronin, ebenda 1877, p. 667; Klebs 1. c. § 107. Allgemeines. 547 übrigen Aussenbedingungen) ausgelöst werden. Dabei fassen wir als Orien- tirungsbewegungen, Richtungsbewegungen oder tropistische Bewegungen alle diejenigen Reactionen zusammen, bei denen die Richtung der ausgelüsten Be- wegungen, und somit die endliche Orientierung des Organs, in bestimmter Be- ziehung zur Angriffsrichtung des auslösenden Agens steht. Es ist auch ein- leuchtend und bereits hervorgehoben, dass bei der Pflanze, ebenso wie bei dem Menschen, eine bestimmte Orientierung (die auf einer Unterschiedsempfindung beruht) nicht durch eine allseitig gleichmässige (diffuse, äquale), sondern nur durch eine einseitig überwiegende (inäquale, tropistische) Einwirkung veranlasst werden kann (vgl. II, p. 83, § 125). Mit der Bezeichnung Geotropismus, Heliotropismus (Phototropismus), Ther- motropismus, Chemotropismus, Osmotropismus, Hydrotropismus, Rheotropismus, Thigmotropismus (Haptotropismus), Galvanotropismus usw. (ebenso Autotropis- mus II, § 119) ist somit das auslösende Agens, sowie die tropistische Reac- lionsfähigkeit (also auch eine specifische tropistische Sensibilität I, p. 14, II, p. 360) gekennzeichnet, ohne dass etwas Bestimmtes über die maassgebenden phy- siologischen Processe ausgesagt oder vorausgesetzt wird i). Thatsächlich werden schon die Krümmungsbewegungen nicht immer mit denselben Mitteln (theilweise durch Wachsthum, theilweise durch Variation II, § 128) ausgeführt und ebenso werden die Locomotionen, also die Richtungsbewegungen der frei- beweglichen Organismen nicht immer in derselben Weise erzielt (II, Kap. XIV). Um aber mit dem Worte zugleich anzuzeigen, dass es sich um die Orientirungs- reaction eines freibeweglichen Organismus handelt, kann man von tactischen Reizbewegungen und demgemäss von Phototaxis, Chemotaxis u. s. w. reden 2). Die Unterscheidung von Taxis und Tropismus ist also ausschliessUch auf einen Unterschied in der Art und Weise der Bewegung basirt, der durch die moto- rischen Befähigungen der freibeweglichen und der festgewurzelten Organismen bedingt und geboten ist (II, p. 354). Dieserhalb müssen aber die sichtbaren Bewegungsvorgänge auch dann verschieden ausfallen, wenn in beiden Fällen die sensorischen Processe völlig übereinstimmen. Jedoch können wir auf Grund unserer Erfahrungen weder in Bezug auf die tropistischen, noch in Bezug auf die tactischen Orientirungsbewegungen behaupten und fordern, dass in allen Fällen die sensorischen Processe übereinstimmen, welche durch die einseitige Reizwirkung des Lichts oder eines anderen Agens ausgelöst werden (II, § 77, 1 25). Es wurde auch bereits hervorgehoben (II, p. 355), dass bei der allgemeinen Beurtheilung dieser Reizprocesse in gleicher Weise die Reactionen zu berück- 1) In diesem Sinne wurde Heliotropismus etc. von A. P. de C and olle und An- deren angewandt. Es ist also weder historisch gerechtfertigt noch zweckmässig, mit Wiesner Die heliotropischen Erscheinungen 1880, II, p. 22] diese Bezeichnung speciell für diejenigen Krümmungsbewegungen zu reserviren, die durch Wachsthum vermittelt werden. 2) Naturgemäss giebt es keine scharfe Grenze zwischen Tropismus und Taxis, und es wurde beispielsweise schon ill, § 76) darauf hingewiesen, dass der Mensch, je nach- dem er nach der Lichtquelle hinwandert oder, ohne den Platz zu verlassen, sich nach dem Lichte hinbeugt, eine phototropische oder eine phototactische Bewegung ausführt. Für das Wesen dieser Reizvorgänge ist es natürlich gleichgiltig, ob man die Unter- scheidung von Tropismus und Taxis acceptirt oder verwirft. Uebrigens wird Tropismus, tropistisch u. s. w. im Folgenden auch generell angewandt. Vgl. Pfeffer, Druck- und Arbeitsleistungen 1893, p. 4U Anmerk. 35* 548 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. sichtigen sind, die durch Krümmung oder durch freie Ortshewegamg ausgeführt werden, um indess in beiden Fällen eine Uebersicht über die überaus grosse Mannigfaltigkeit zu gewinnen, erscheint es vortheilhafter, zunächst die tropisti- schen Krümmungsbewegungen und darauf (Kap. XIV) die tactischen Reizvor- gänge, in Verbindung mit der allgemeinen Betrachtung der Locomotionen, zu besprechen. Dem Nachtheil, der aus dieser Trennung entspringt, soll thunlichst dadurch begegnet werden, dass die Erfahrungen über die tactischen Reizprocesse, so weit nüthig, bereits bei der allgemeinen Behandlung der tropistischen Reiz- vorgänge (in diesem Kapitel) berücksichtigt werden. In jedem Falle ist der äussere Anstoss (die Reizwirkung) nur die Veran- lassung, dass der Organismus, oder ein Organ desselben, mit den zur A''erfügung stehenden Mitteln eine bestimmt gerichtete Krümmungsbewegung (bezw. Torsions- bewegung) oder, bei einem freibeweglichen Organismus, mit Hilfe der Cilien etc. eine Kürperwendung ausführt. Je nachdem dann in der Gleichgewichtslage die Hauptachse des Organismus, oder des reagirenden Organes, parallel oder senkrecht resp. schief zur Angriffsrichtung des reizenden Agens zu stehen kommt, w^erden wir Parallelotropismus flongitudinaler Tropismus (Frank), Orthotropismus] und Plagiotropismus (Sachs) unterscheiden, hi dem zuletzt genannten Falle werden wir im näheren von transversalem Tropismus (Frank) [Diatropismus (Darwin), Homalotropismus (Noll)] reden, wenn in der Gleichgewichtslage die Hauptachse annähernd senkrecht steht und von Klinotropismus, wenn die Hauptachse schiefwinklig gegen die Reizrichtung gerichtet ist^ . Wird also ein tropistisch reactionsfähiges Organ senkrecht zur Reizrichtung gestellt, so führt es, abgesehen von den diatropen Organen, eine Orientirungs- bewegung aus. Sofern diese nach dem Lichte, nach dem Attractionscentrum der Erde, nach der concentrirteren Lösung, überhaupt nach dem Ausgangspunkte des Tro- pisticums gerichtet ist, liegt eine positiv tropistische [protropistische (Rothert\ anatropistische (Massart)], bei der entgegengesetzten Krümmungsrichtung eine negativ tropistische [apotropistische (Darwin), katatropistische (Massart)] Be- wegung vor. Zumeist versteht man unter positivem Tropismus (Anatropismus etc.), sowie unter negativem Tropismus (Apotropismus etc.) die Reactionen, welche auf eine parallelotrope Gleichgewichtslage (also positiven Parallelogeotropismus u. s. w.) hinarbeiten, jedoch werden wir zur näheren Kennzeichnung der plagio- tropen Ruhelage auch die Ausdrücke positiver oder negativer Klinotropismus, Anaklinotropismus, Kataklinotropismus etc. benutzen. Ausserdem empfiehlt sich zur Charakterisirung der tropistischen Ruhelage (und damit der Bewegungs- richtung bei Ablenkung aus der Gleichgewichtslage) die Anwendung von folgenden Zeichen : | positiver Parallelotropismus, \ negativer Parallelotropismus, —> Dia- tropismus, k^ positiver, \/^ negativer Klinotropismus. 1) Heliotropismus wurde von A. P. de Candolle (Pflanzenphysiol., übers, von Röper 1835, Bd. 2, p. 609), Geotropismus von Frank (Die natürliche wagerechte Rich- tung 1870) eingeführt. Die Bezeichnung negativer und positiver Heliotropismus wurde von Hofmeister (Jahrb. f. wiss. Bot. 1863, Bd. 3, p. Sii), die Bezeichnung Transversal- geotropismus von Frank (1. c.) benutzt. Welche Ausdrücke fernerhin von Ch. Darwin (Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 4), W. Rothert (Cohn's Beiträge z. Biologie 1896, Bd. 7, p. oj und Massart (Biolog. Centralbl. 1902, Bd. 22 , p. 70) angewandt wurden, ist aus dem Text zu ersehen. — Ueber Lateralgeotropismus siehe Bd. II, p. 403. § 107. Allgemeines. 549 Naturgemäss wird bei einem parallelotropen Organ eine jede Ablenkung aus der Gleichgewichtslage entweder nur eine positive oder eine negative Krümmungsbewegung veranlassen, während bei einem plagiotropen Organe, je nach der Richtung der Ausbiegung, zur Wiederherstellung der Ruhelage eine positiv oder eine negativ gerichtete Krümmungsbewegung ausgeführt wird. Im näheren kann es sich bei flächenfürmigen Organen um eine Protilstellung (um Paraheliotropismus-) oder Flächenstellimg handeln. Sofern aber zur Herstellung der Gleichgewichtslage, wie es besonders bei dorsiventralen Organen häufiger der Fall ist, eine Torsion angewandt wird, so kann man die Ausdrücke Strophis- mus (Czapek) oder Tortismus (Schwendener), also auch Geostrophismus, Photo- strophismus etc. anwenden 2). Durch diese Kunstausdrücke soll die Orientirung gegenüber einer beliebigen Reizrichtung, also nicht nur gegenüber der Richtung der Schwerkraft charak- terisirt werden. Da wir aber in der Natur die Lage der Pflanze und ihrer Organe zunächst nach der Lothlinie abschätzen, so pflegt man in Bezug auf diese, unbekümmert um die orientirenden Ursachen, von orthotropen (besser parallelo- tropen) und plagiotropen Organen zu reden-'). In der That steht diesem Ge- brauche nichts im Wege, da sich ja, wo es darauf ankommt, die orientirenden Ursachen durch geoparallelotrop, photoplagiotrop, aitiotrop, autotrop etc. näher kennzeichnen lassen. Thatsächlich wird die natürliche Lage der Organe nicht allein durch die tropistischen Reizwirkungen bestimmt. Denn einmal kommt nicht allen Organen eine tropistische Reactionsfähigkeit zu (II, p. 546, Kap. XIII, Abschn. 2), und zudem wird häufig durch das Zusammenwirken mit anderen Factoren eine Gleichge- wichtslage herbeigeführt, die von der angestrebten tropistischen Orientirung etwas oder auch sehr erheblich abweicht. Indess werden die angedeuteten Orientirungen in vielen Fällen schon allein durch die tropistischen Reizreactionen erzielt, die in Anpassung an die bestimmten Aufgaben der Organe in verschiedener Weise ausgebildet sind. Dem entspricht es z. B., dass die Hauptwurzel zumeist posi- tiv, der Ilauptspross zumeist negativ parallelogeotropisch, die Seitenwurzeln, Rhizome, Ausläufer vielfach plagiogeotropisch reagiren. Ferner pflegen geo- tropische, heliotropische, chemotropische oder andere tropistische Sensibilitäten nur da ausgebildet zu sein, wo sie nutzbringend sind oder sein können. Da aber die verschiedenen tropistischen Reizbarkeiten sowohl vereint, als getrennt vorkommen, so ist damit erwiesen, dass es sich, analog wie bei den menschlichen 1) Ch. Darwin, 1. c. p. 357. -2) Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 273; Schwendener und Krabbe 1892, Gesammelte Mittheil. Bd. II, p. .S02. Auch in diesem Falle handelt es sich um eine entsprechende Vervvendmig der Wachsthumsthätigkeit, die durch eine tropistische Reizung veranlasst wird. 3) Bei der Unterscheidung von orthotropen und plagiotropen Organen hatte Sachs (Arbeit d. Botan. Instituts in Würzburg i8l9, Bd. 2, p. 227) wesentlich die Orientirung in Bezug auf die Lothlinie im Auge. Jedoch dürfte es nicht bedenklich sein, »Plagiotropismus« in dem angegebenen, allgemeinen Sinne anzuwenden. Da man aber orthotrop, im Gegensatz zu campylotrop oder skoliotrop (Czapek, Jalub. für wiss. Bot. -1895, Bd. 27, p. 312) benutzt, um anzuzeigen, dass ein Organ nicht gekrümmt, sondern gerade ist, so ist die Anwendung von »orthotrop« nicht gerade zweckmässig, um die »parallelotrope« Gleichgewichtslage zu kennzeichnen. 550 Kap. XIII. Tropistische Krüramungsbewegungen. Sinnesorganen, um differente, specifische Sensibilitäten handelt (II, p. 360). Es ist desshalb verständlich, dass z. B. in dem einen Falle ein positiv geotro- pisches Organ auch positiv heliotropisch, in einem anderen Falle aber negativ oder plagio-heliotropisch reagirt, und dass in einem Organe die eine Sensibilität fehlen oder moditicirt werden kann, ohne dass die andere oder die anderen Sensibilitäten eine Aenderung erfahren i). Im allgemeinen werden, Hand in Hand mit der Differencirung und Ausgestaltung der functionell verschiedenwerthigen Organe, in zweckentsprechen- der Weise auch eine oder einige tropistische Sensibilitäten geschaffen (vgl. II, Kap. VII). Das geschieht nicht nur bei höheren, sondern sogar bei einzelligen Pflanzen, deren Sprosssystem oft anders reagirt, wie das Rhizoidsj^stem, dem unter anderm bei Phycomyces die heliotropische Empfindlichkeit abgeht, w^elche bei dem Sporangiumträger in ausgezeichneter Weise ausgebildet ist (II, § 112). Aber auch in den bereits differencirten (actionsfähigen) Organen tritt unter Um- ständen eine gewisse, oder auch eine erhebliche Modification der tropistischen Reaction ein. So haben wir (II, p. 390) gehört, dass nicht selten ein autogener Stimmungswechsel benutzt wird, um eine Veränderung der tropistischen Sensi- bilität und auf diesem Wege eine Modification der Orientirung eines Organes zu erzielen. Ferner kommt es vor, dass durch (diffuses) Licht, Temperatur oder andere Aussenbedingungen eine Umstimmung verursacht wird, die zur Folge hat, dass (z. B. bei gewissen Ausläufern und Rhizomen) ein bis dahin transversal geotropisches Organ in eine klinotrope oder parallelotrope Stellung übergeht und umgekehrt (I, p. i6; II, § 121, 131, 132). Dass aber auch schon durch Steigerung des Reizanstosses eine Verschiebung der Orientirung eintreten kann, beweisen z. B. der Faden von Vaucheria, der Sporangiumträger von Phycomyces, die Keimsprosse höherer Pflanzen, die bei genügender Erhöhung des Lichtreizes aus der positiv parallelotropischen in eine plagioheliotropische Lage übergehen, während sich die diatropen Blättchen von Robinia etc. bei Steigerung der einseitigen Beleuchtung aus der diatropen in die plagioheliotrope oder sogar in die parallelophototrope Gleichgewichtslage begeben (II, § 131). Rea- giren nun auch nicht alle Pflanzen in so auffälliger Weise, so zeigen doch die angedeuteten und die bereits bekannten Beispiele, dass die Gleichgewichtslage, die ein Organ gegenüber einem bestimmten Tropisticum annimmt, mit den je- weiligen Umständen und Bedingungen variiren kann. Aus dem Obigen ist zugleich zu ersehen, dass auch radiäre Organe plagio- tropistisch reagiren können. Denn factisch sind Vaucheria, Phycomyces, die Seiten- wurzeln erster Ordnung, gewisse Rhizome (Heleocharis, Sparganium, Scirpus etc. II, § 1 1 0) und Ausläufer (Lysimachia nummularia, Glechoma, Vinca etc. II, § 1 1 0, 131 nicht nur morphologisch, sondern auch physiologisch radiär, wie sich für die ge- nannten Rhizome und Ausläufer daraus ergiebt, dass das tropistische Gleich- gewicht nicht gestört wird, wenn durch Drehvmg um die eigene Längsachse eine andere Flanke erdwärts gewandt wird. Denn die physiologische Dorsi- ventralität eines tropistisch reactionsfähigen Organes ist eben dadurch charakterisirt, -t) Verschiedene Beispiele sind in den folgenden §§ zu finden. Einige Zusammen- stellungen in Bezug auf Geotropismus und Heliotropismus bei Frank, Beiträge zur Pfianzeaphysiolog. 1868. p. 89. § 107. Allgemeines. 551 dass die stabile tropistische Ruhelage nur besteht, wenn eine bestimmte Flanke in bestimmter Weise gegen die Reizricbtung orientirt ist, dass also bei einem plagiotropen Organe auch eine gewisse Drehvmg um die eigene Längsachse Krümmungs- oder Torsionsreactionen veranlasst, die auf die \yiederherstellung der Gleichgewichtslage berechnet sind (vgl. II, p. 83). Diese wird natürlich nicht gestört, wenn man ein parallelogeotropes Organ um die Verticalachse so dreht, dass die Orientirung gegen die Lothlinie unverändert bleibt (über labile Gleichgewichtslagen vgl. II, § '125). Da nun bei sehr vielen dorsiventralen Organen die plagiotrope Orientirung aus functionellen Rücksichten geboten oder vortheilhaft ist, so begreift man, dass sich dieselben (sofern sie reactionsfähig sind) zumeist plagiotropistisch verhalten, obgleich es der Pflanze müglich ist, auch dorsiventrale Organe mit parallelotro- pistischer Reactionsfähigkeit auszustatten. So ist der ausgezeichnet dorsiventrale Thallus von Marchantia zwar photoplagiotrop, aber (im Dunkeln) positiv geo- parallelotrop (II, § 131) und, wie schon erwähnt wurde, nehmen gewisse Blätter im intensiven Sonnenlicht eine photoparallelotrope Lage ein^). Ferner werden z. B. Bodo saltans, sowie die Schwärmsporen gewisser Phaeophyceen etc. durch chemische, bezw. durch photische Reize parallelotactisch gerichtet, obgleich sie dorsiventral gebaut sind. Jedenfalls ist also zur Erzielung der plagiotropistischen Reactionsfähigkeit weder eine Composition aus differenten Zellen, noch eine morphologische oder physiologische Dorsiventralität nothwendig^), die allerdings aus verschiedenen, noch mitzutheilenden Gründen die plagiotrope Orientirung begünstigen oder verursachen kann. Sofern aber neben der tropistischen noch anderweitige Bewegungsbestre- bungen thätig sind, kommt natürlich stets eine resultirende Gleichgewichtslage zu Stande. So wird schon durch die mechanische Wirkung des Eigengewichts zuweilen eine überwiegende Lastkrümmung erzielt, während diese in anderen Fällen unwesentlich oder unmerklich ausfällt (II, § 129). Ferner wird durch die Realisirung der tropistischen Krümmung eine physiologische (und mecha- nische) Gegenreaction hervorgerufen (II, p. 365, § 119). Ausserdem muss die tropistische Reaction durch eine jede beliebige autogene oder aitiogene Krüm- mungsthäligkeit beeinflusst werden und so ist es möglich, dass sich z. B. aus dem antagonistischen Zusammenwirken von epinastischer und negativ geotro- pischer Krümmungsthätigkeit eine kataklinotrope oder sogar eine anaklinotrope Lage ergiebt. Wenn dann ein Organ zugleich photonastisch, thermonastisch oder hydronastisch etc. (II, § 96 — lOi) reagirt, so wird Aviederum durch die Ver- änderung der (diffusen) Beleuchtung, Wärme, Feuchtigkeit etc. die aitiogene, epinaslische oder hyponastische Krümmungsthätigkeit und damit die resultirende Gleichgewichtslage modificirt. Eine solche photonastische, thermonastische etc. Reaction wird sich aber auch bei der Steigerung der einseitigen Beleuchtung u. s. w. geltend machen, da hierbei in der Regel zugleich das Ausmaass der diffusen Einwirkung des Lichts etc. verändert wird. 1) Einige weitere Beispiele z.B. bei Noll, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 34, p. 478; Goebel, Organographie 1898, p. .")9. 2) Sachs (Arbeit, d. Botan. Instituts in Würzburg 1879, Bd. 2. p. 227) nahm an, dass sich alle dorsiventralen Organe plagiotrop stellen. 002 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Aus dem Obigen ergiebt sich ohne weiteres, dass von demselben Agens, neben der tropistischen Reizwirkung, gleichzeitig eine oder einige andersartige Beeinflussungen ausgehen können. Denn abgesehen von der formalen Bedeutung von Temperatur, Licht u. s. w. (II, Kap. VI) i), können diese Agentien unter anderm die tropistische Orientirungsbewegung und Gleichgewichtslage durch Auslösung thermonastischer, photonastischer etc. Reactionen, sowie durch die thermische, pho- tische u. s. w. (directe und indirecte) Modification der tropistischen Reizstimmung (des tropistischen Tonus) modificiren. Auch werden durch die Schwerkraft gleichzeitig die geotropische Reaction und die mechanische Lastkrümmung ver- ursacht, die wiederum bei Steigerung der Centrifugalkraft in einem ungleichen Verhältniss zunehmen (II, § III). § 108. Fortsetzung. Im allgemeinen wird man zunächst immer zu ermitteln haben, in wie weit die Herstellung einer Gleichgewichtslage durch die tropistische Wirkung eines Agens oder durch andere Factoren (bezw. durch eine Mitwirkung dieser) ver- ursacht wird. Diese Zergliederung ist möglich, ohne dass uns eine tiefere Ein- sicht in die Reizprocesse, also auch in diejenigen Rcizprocesse zur Verfügung steht, welche durch die einseitige Wirkung eines Agens veranlasst werden. Die nähere causale Aufhellung dieser tropistischen Reactionen ist somit eine Auf- gabe für sich. Bei dem Studium dieser ist aber nicht zu vergessen, dass auch der einfachste tropistische Vorgang aus einer complicirten Processkette resultirt, und dass wir dem Verlauf und dem Resultat der Reaction nicht ansehen können, ob durch das Tropisticum ein oder einige Perceptionsprocesse ausge- löst oder auch Verschiebungen und Veränderungen in den sensorischen und motorischen Vorgängen veranlasst wurden (I, § 3; II, § 77). Es gilt dieses für den einzelligen Organismus ebenso, wie für einen Gewebecomplex, in dem ausserdem die dilferenten Zellen und Gewebe mit verschiedenen Eigenschaften und Reactionsfähigkeiten ausgestattet sein können. Wahrscheinlich ist eine phototropische (oder geotropische u. s. w.) Reaction öfters die Resultante aus verschiedenen Reizen, die durch den einseitigen An- griff von Licht (oder Schwerkraft u. s. w.) ausgelöst werden. Jedenfalls lässt sich in gewissen Fällen nachweisen, dass durch ein Agens gleichzeitig zwei tro- pistische Reactionen veranlasst werden. Das ist sehr klar zu übersehen, wenn durch den tropistischen Einfluss einer Lösung gleichzeitig eine negativ osmo- tropische, sowie eine positiv chemotropische Reizung verursacht werden und durch den Antagonismus heider eine bestimmte Gleichgewichtslage erzielt wird. Denn da die osmotropische Reizung von jedem gelösten Körper nach Jlaassgabe seiner osmotischen Leistung ausgeübt wird, während die von der chemischen Qualität abhängige chemotropische Reizwirkung nur gewissen Stoffen zukommt, so ist es möglich, beide Reizwirkungen (die somit auf zwei nicht nothwendig verketteten Sensibilitäten beruhen) zu separiren und gesondert zu studiren (vgl. II, § I i 5, I 49). 1) Hierher gehören auch die Modificationen der Wachslhums- und Bewegungsthätig- keit, die durch den Wechsel der Bedingungen veranlasst werden. (Vgl- Bd. II, p. SO.) § 108. Allgemeines. Fortsetzung. 553 Uebrigens werden auch bei einem Organe, das zugleich phototropisch und ther- motropisch empfindlich ist, die von einer Lichtf}uelle ausgehenden Strahlen zwei verschiedene Auslösungen bewirken. Zudem ist es nicht ausgeschlossen, dass z. B. die rothen und blauen Strahlen zwei besondere tropistische Processe aus- lösen, aus deren Zusammenwirken sich der tropistische Effect des gemischten Lichtes ergiebt (II, § i \ 3). Ferner liegen zwei besondere Reizwirkungen vor, wenn bei einem tropi- stisch reagirenden Objecte durch den einseitigen Angriff des Lichtes (oder der Schwerkraft u. s. w.) zugleich eine Dorsivcntralität inducirt wird (II, § 43), was dann des weiteren zur Folge haben kann, dass sich das Organ in bestimmter (dorsi- ventraler) Weise plagiotrop gegen das Tropisticum orientirt. Eine solche Doppel- wirkung tritt uns bei dem Thallus von Marchantia entgegen, bei dem durch die einseilige Beleuchtung eine stabile üorsiventralität inducirt wird, und der in Folge dessen (dorsiventral) plagioheliotropisch reagirt (II, § 131). Jedoch auch bei dem Prothallium der Farne lassen sich die photogene Induction der labilen Dorsiventralität und die tropistische Orientirungswirkung des Lichtes sehr gut als zwei besondere Reizwirkungen erkennen (II, § 131). Ist aber mit der Dor- siventralität Epinastie oder Hyponastie verknüpft, so ist zugleich ein Bewegungs- streben geschaffen, das bei der stabilen Induction dauernd bleibt, bei der labilen Induction init dieser veränderlich ist. Auch ist zu beachten, dass durch die Existenz einer (stabilen oder labilen) Dorsiventralität tropistische, photonastische etc. oder andersartige Reactionsfähigkeiten geschaffen oder modificirt werden können. Aber auch ohne die Induction einer anatomischen oder morphologischen Dorsiventralität mögen durch ein Agens häufiger zwei verschiedene tropistische Reactionen ausgelöst werden. Das geschieht in den plagiotropen (radiären) Zweigen von Ilolzpflanzen, in welchen durch die einseitige Reizwirkung der Schwerkraft in der zenithwärts gewandten Hälfte ein epitropistisches, in der Unterseite ein hypotropistisches Krümmungsbestreben erweckt zu werden scheint i). Da dieses letztere schneller inducirt Vv'ird, aber auch schneller ausklingt, als die Reaction der Oberseite, so ist es möglich, die Existenz dieser antagonistischen Krümmungsbestrebungen nachzuweisen, was nicht angehen würde, wenn die Induction und die Nachwirkung bei beiden völlig gleich verliefen. Sofern die beiden antagonistischen Auslösungen sich compensiren, wird natürlich keine Krümmung eintreten, die somit auch unterbleibt, wenn die beiden Krümmungsbestrebungen bei einer Veränderung der Angriffsrichtung des 1) Näheres 11, § 131. Da beide Reactionen durch den Schwerkraftreiz veranlasst werden, so sind sie nach unserer Begriffsbestimmung jedenfalls als geotropische Krüm- mungsreactionen anzusprechen, gleichviel wie sie zu Stande kommen, und ob sie direct oder indirect ausgelöst werden. Die obige Auffassung würde also auch dann gerecht- fertigt sein, wenn die epitropische Krümmung erst durch die Induction der hypotropi- schen Krümmungsbestrebung, oder als Gegenreaction gegen diese ausgelöst würde. Aus der specifischen Differenz von hiductions- und Reactionszeit, die sich auch bei allen tropistischen Reizen findet, ist wohl ein Argument für die Existenz zweier be- sonderer Reizwirkungen, aber keines gegen die geotropistische Qualität beider zu ent, nehmen. An früherer Stelle (II, § 76) ist schon dargethan, dass wir bei jeder tropisti- schen Reaction auch von Epinastie und Hyponastie reden können, wenn wir diese Aus- drücke nicht speciell für diejenigen Krümmungsreactionen reserviren wollen, welche durch diffuse Einflüsse verursacht werden. 554 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Tropisticums in demselben Verhällniss zunehmen oder abnehmen. Das muss aber bei denjenigen Zweigen -von Holzpflanzen der Fall sein, die trotz der Existenz von zwei antagonistischen geotropischen Auslösungen keine Kriimmungs- reaction ausführen, wenn ihre Lage gegen die Lothlinie verändert wird, die vielmehr in der ihnen aufgedrängten Richtung geradlinig fortwachsen (II, § 131). Denn eine relative Verschiebung der beiden antagonistischen Auslösungen müsste nothwendigerweise eine Krümmungsthätigkeit verursachen, die so lange dauerte, bis wiederum diejenige Lage gegen das Loth gewonnen wäre, in der sich die beiden antagonistischen (geotropischen) Actionen das Gleichgewicht hielten, unter solchen Bedingungen wird also ein Organ immer in eine bestimmte Gleich- gewichtslage geführt, gleichviel ob es sich um den Antagonismus von Bewegungs- bestrebungen handelt, die durch ein oder zwei tropistische Agentien oder auf andere Weise hervorgerufen werden i). Auch bei dem schon (If, p. 552) erwähnten Zusammenwirken von osmotropischer und chemotropischer Reizung wird die Gleichgewichtslage in einer bestimmten Region der Diffusionszone erreicht, weil mit Steigerung der Goncentration die negativ osmotropische Reizwirkung schneller zunimmt, als die positiv chemotropische. Ein analoges Yerhältniss mag oft die Ursache sein, dass, wie es häufig zutrifft, die tropistische Gleichgewichtslage durch die Steigerung der Reizintensität verschoben wird (II, § 126). Wir haben indess keinen Grund anzunehmen, dass die tropistische oder auch nur die plagiotropistische Gleichgewichtslage (ebenso die Veränderungen der Orientirung) stets aus dem Antagonismus von zwei (oder einigen) tropistischen Bewegungsbestrebungen resultiren, die durch das wirksame Tropisticum real ausgelöst werden. Denn offenbar kann doch bei dem Organismus, ebensogut wie bei einem Mechanismus, auch durch eine einzelne (directe) Auslösung eine bestimmte Gleichgewichtslage erzielt und modificirt werden. Das geschieht z. B. ebenfalls, wenn an einer entsprechend construirten Maschine durch weitere Drehung des auslösenden Hebels, also durch die Steigerung der auslösenden Wirkung, erzielt wird, dass an Stelle der bisherigen Vorwärtsbewegung eine Rückwärtsbewegung tritt. Auch zwingt die Thatsache, dass der Mensch durch Steigerung der Licht- intensität zu einer Wendung veranlasst wird, nicht zu der Annahme, dass durch die einseitige Beleuchtung in dem Menschen stets zwei antagonistische (reale) Bewegungsbestrebungen hervorgerufen werden. Gleichviel ob zwei antagonistische Auslösungen im Spiele sind oder nicht, so ist doch immer eine (autogene oder aitiogene) Veränderung der Reizbarkeit nothwendig, wenn bei Constanz des Reizanstosses eine Veränderung der tro- pistischen Gleichgewichtslage eintreten soll. Uebrigens ergiebt sich aus der Er- fahrung, dass in den Zellen gleicher Abstammung (je nach der besonderen Anpassung) bald diese, bald jene Reizbarkeit ausgebildet wird, dass auch die tropistischen Sensibilitäten nur potentiell vorhanden sind, dass also der Protoplast die Fähigkeit besitzt, durch bestimmte innere Constellationen eine jede einzelne Sensibilität zu schaffen und auch wieder zu beseitigen (II, Kap. VII, § 77, 125). Wie das möglich ist und erreicht wird, vermögen wir bei unserer mangelhaften Einsicht in den Bau und das Getriebe des Protoplasten nicht zu sagen. Auch ist an i; Wir sehen hier und in Folgendem von den Wirkungen ah, die auf autogener Krümmungsthätigkeit und auf der Gegenreaction gegen die Krümmung etc. beruhen. § ^09. Allgemeines. Fortsetzuug. 555 anderer Stelle (11, p. 361) schon auseinandergesetzt, dass und warum Ijei dem Zusammengreifen von zwei Reizungen — mügen diese durch einen oder zwei Reizanstüsse ausgelöst werden — die Resultante nicht nach den Erfolgen be- messen werden kann, welche die Einzelreizungen hervorrufen. Insbesondere wurde auch hervorgehoben, dass zwei getrennte Perceptionen schon im Ver- laufe der sensorischen Processe derart verschmelzen künnen, dass auf den motorischen Apparat nur ein einheitlicher Impuls ausgeübt wird. Auf diese Weise ist aber der unnütze Energieaufwand vermeidbar, der unvermeidlich wäre, wenn durch zwei Reize in vollem Maasse zwei antagonistische Beweguhgs- bestrebungen in Action gesetzt würden. Wenn sich also empirisch nachweisen lässt, dass durch einen tropislischen Reizanstoss nur ein Krümmungsstreben veranlasst wird, so ist desshalb doch möglich, dass zwei oder einige antago- nistische Reizungen percipirt werden, die vor der Auslösung der motorischen Thätigkeit zu einem einheitlichen sensorischen Processe verschmelzen. Aber es ist auch möglich, dass, wie wir das bei physiologisch dorsiventralen Ranken kennen lernten (II, § 88), ein einseitiger Angriff zwar keine wahrnehmbare Be- wegungsreaction erzielt, aber dennoch die tropistische Wirkung eines anderen oder auch eines qualitativ gleichen Reizes aufhebt. Da sogar den habituell übereinstimmenden heliotropischen (ebenso den geotropischen etc.) Bewegungen ganz verschiedenartige Reizprocesse zu Grunde liegen können, so ist es umsomehr geboten, und auch durchaus zweck- entsprechend, »Heliotropismus« etc. in dem schon II, p. 547 angegebenen Sinne als Gruppenbezeichnung für alle Bewegungsreactionen anzuwenden, die, gleichviel in welcher Weise, durch die einseitige (tropistische) Reizwirkung eines bestimmten Agens hervorgerufen werden. Dabei ist es also einerlei, ob im näheren durch die bestimmte Qualität des Reizanstosses in demselben Organe gleichzeitig ein oder einige Auslösungen bewirkt werden. '' Dagegen haben wir sachgemäss, ebenso wie bei dem Zusammenwirken von zwei Agentien, zwei besondere tropistische Reizungen dann zu unterscheiden, wenn dasselbe Agens durch zwei besondere Qualitäten gleichzeitig zwei verschiedene Auslösungen (z. B. eine chemotropische und eine osmotropische) verursacht. Andererseits gehört eine Orientirungsreaction zur Kennzeichnung des Tropismus, vmd ein nicht reagirendes Organ ist desshalb in jedem Falle als nicht heliotropisch, geotropisch etc. zu bezeichnen. Naturgemäss muss aber im näheren ermittelt werden, ob dieser tropistische Indifferentismus durch den Mangel einer Perception, durch eine Unterbrechung in der sensorischen Kette, durch die Auslösung von zwei sich in irgend einer Weise compensirenden antagonistischen Reizen, durch den Mangel der Actionsfähigkeit oder durch irgend eine andere Modalität bedingt ist. § 109. FortsetzuEg. Auch wenn über die maassgebenden Principien Klarheit herrscht, ist es in einem concreten Falle oft schwierig zu entscheiden, ob z. B. zur Herstellung der gegebenen plagiotropen Lage eine tropistische Reizwirkung ausreicht, oder ob die Mitwirkung anderer Factoren nothwendig ist. Da man aber öfters incorrecten Interpretationen begegnet, dürfte es zweckmässig sein (im Anschluss 556 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. an II, p. 55 1), an einigen einfacheren Beispielen kurz das Zusammenwirken einer tropistischen und einer anderweitigen Krümmungslhätigkeit zu erläutern. Da man den Paralleloheliotropismus und Parallelogeotropismus eines Organes einzeln ermitteln kann, so ist es leicht festzustellen, dass die plagiotrope Lage eines Sprosses, welche sich ergiebt, wenn das Licht senkrecht gegen die Loth- linie gerichtet ist, aus dem Zusammenwirken von negativem Parallelogeotropismus und positivem Parallelophototropismus resultirt. Kommt aber z. B. die Plagio- tropie eines Sprosses durch das Zusammenwirken von negativem Geotropismus und autogener Epinastie (II, §79 — 82; § 119] zu Stande, so ist in dieser autogenen Campylotropie eine Krümmungsthätigkeit gegeben, die sich nicht ausschalten lässt, und der Spross wird also, bei alleiniger Einwirkung des Schwerkraftreizes, nicht die angestrebte parallelogeotrope Richtung gewinnen. Bei Ehminirung des Schwer- kraftreizes am Klinostaten (II, § HI) schreitet aber die epinastische Krümmungs- thätigkeit so lange fort, bis die autogene campylotrope Ruhelage erreicht ist^). Lässt man nun wiederum den Schwerkraftreiz in der üblichen Richtung einwirken, so wird die campylotrope Krümmung durch die negativ geotropische Reaction vermindert. Durch diese wird aber bei inverser Aufstellung des Sprosses die bestehende (autogene) Krümmung unterstützt, und endlich wird der sich geotropisch aufkrümmende Spross durch die verticale Lage wiederum in die resultirende plagiotrope Stellung geführt. Die plagiotrope Lage kann sich aber ebensogut aus dem Zusammenwirken von autogener Epinastie und Plagiogeotropismus ergeben, wie es thatsächlich bei vielen Laubblättern der Fall ist, die durch das oft ansehnhche Zurück- krümmen am Klinostaten anzeigen, dass sie autogen campylotrop sind, und dass bei der Herstellung der normalen Orientirung die Reizwirkung der Schwerkraft betheiligt ist. Nach der Wiederherstellung des Schwerkraftreizes w-ird das Blatt durch eine Hebung wiederum in die normale plagiotrope Lage gebracht. Da diese aber auch dann erreicht wird, wenn man das Blatt vertical aufwärts, d. h. so richtet, dass es sich zur Herstellung der plagiotropen Lage senken, also im Sinne der epinastischen Krümmung über die autogene campylotrope Gleich- gewichtslage hinaus bewegen muss, so resultirt die normale Gleichgewichtslage nicht aus negativem Parallelogeotropismus und Epinastie, sondern aus dieser und dem Klinogeotropismus. Dass die Plagiotropie auch ohne den Antagonismus der epinastischen Be- wegung zu Stande kommt, ergiebt sich aber daraus, dass das Blatt die plagiotrope Stellung auch dann gcAvinnt, Avenn es durch die Lage des Stengels gezwungen ist, sich weit über die epinastische Gleichgewichtslage hinaus einzukrümmen. Dem- gemäss ist in diesem Falle die Epinastie für die Herstellung der Plagiotropie 1) Ein analoges Resultat erhält man, wenn man einen wachsthumsthätigen Stengel durch einen medianen Längsschnitt partiell spaltet (vgl. II, p. 6s). Denn in den sich auswärts krümmenden Theilhälften sind ebenfalls Gebilde gegeben, denen nun eine autogene Epinastie zukommt. Stellt man ein Organ in Flankenstellnng, d. h. so auf, dass die epinastische Krümmungsebene horizontal gerichtet ist, so wird in Folge der Eliminirung der geotropischen Gegenwirkung ebenfalls eine epinastische Krümmungs- thätigkeit beginnen. Da aber zugleich die geotropische Reizung eine senkrecht zu dieser epinastischen Krümmungsebene gerichtete Bewegung hervorruft, so wird im allgemeinen eine schief ansteigende Bewegung zu Stande kommen. § 109. Allgemeines. Fortsetzung. 557 nicht nolhwendig, sondern nur ein mitwirkender Factor, der zuweilen derart zurück- tritt, dass er die angestrebte plagiogeotrope Lage nur wenig alterirt. Ebenso können Photonastie oder andere Bewegungsbestrebungen, sofern solche durch die Aussenbedingungen ausgelöst werden, bei der Orientirung keine entscheidende Rolle spielen, wenn sich das Blatt stets in bestimmter Weise gegen die Richtung der Schwerkraft einstellt, gleichviel, ob es zu diesem Zwecke die supponirte Photonastie u. s. w. zu überwinden hat oder nicht. Aus der Erfahrung, dass das Blatt in der Gleichgewichtslage einen bestimmten Winkel mit der Reiz- richtung, aber einen beliebigen Winkel mit dem tragenden Stengel bildet, ist ferner zu ersehen, dass von diesem keine entscheidende orientirende Wirkung ausgeht^). Die Ansicht von de Vries (II, p. 560-, dass die tropistische Reizung immer eine parallelotrope Reaction hervorrufe und dass demgemäss die plagiotrope Lage stets aus der Combination mit andersartigen Bewegungsbestrebungen resultire, ist in keiner Weise gerechtfertigt, und steht mit den schon mit- getheilten und angedeuteten empirischen Erfahrungen im Widerspruch. Es ist auch schlechterdings nicht einzusehen, warum die motorische Thätigkeit durch -die tropistische Reizwirkung eines Agens nicht so dirigirt werden soll, dass eine plagiotrope Gleichgewichtslage zu Stande kommt 2). Dass eine solche auch bei radiären, sowie bei vielzelligen und einzelligen Organen vorkommt, wurde bereits (II, p. 550) erwähnt. Jedoch ist einleuchtend, dass die Art und Weise, wie gleichartige oder ungleichartige Zellen oder Gewebe zusammengefügt sind, in verschiedener Weise Bedeutung haben kann. So wird z. B. durch die symmetrische Gruppirung der Gewebe die autogene (epinastische) Krümmung vermieden, die nach der Längs- spaltung eines Sprosses eintritt, und eine plagiotrope Orientirung der parallelo- geotropen Längshälften verursacht (II, p. 556 Anm.). Wie in diesem Falle wird aber auch durch die Vereinigung von zwei Blättern (die man mit den Oberseiten aneinander legt) ein symmetrisches Gebilde erhalten, das (unter Umständen) geoparallelotropisch reagirt, weil sich nur in dieser Lage die entgegengesetzt gerichteten plagiogeotropen Krümmungsbestrebungen der beiden Blätter im Gleichgewicht befinden. Bei dorsiventralen Organen stellen sich schon desshalb Verwickelungen ein, weil die physiologische Dorsiventralität häufig photonastische, thermonastische u. s. w. Vi Näheres siehe II, § i32, wo auch gezeigt wird, dass viele Blätter ebenfalls plagio- phototrop reagiren. dass ferner das Eigengewicht zumeist keine entscheidende Rolle bei der Orientirung spielt. — Aus dem Mitgetheilten ist auch zu entnehmen, wie man unter Umständen empirisch entscheiden kann, ob ein Organ schon allein durch einen tropistischen Reiz in eine plagiotrope Lage gebracht wird. Auch ist einleuch- tend, dass man, wenn es nöthig ist, durch eine entsprechende Aufstellung erzielen kann, dass die tropistische Gleichgewichtslage durch eine sehr geringe Einkrümmung erreicht wird, dass also die Gegenreactionen und die mechanischen Hemmungen, welche sich aus der Einkrümmung ergeben, eliminirt werden können. — Ueber Eigenrichtungen siehe II, §119. 2) Falls durch intensive Beleuchtung der allein empfindlichen Spitze des Cotv- ledons von Paniceenkeimlingen eine plagiophototrope Lage erzielt wird, so kann es sich nur um eine directive Wirkung handeln, die von dem percipirenden Organ auf •das reagirende Hypocotyl ausgeübt wird (vgl. II, § 120). 558 K^P- ^11^- Tropistische Kiümmungsbewegungen. Reactionen mit sich bringt, die bei raditiren Organen seltner in Frage kommen i). Es muss aber z. B. schon Einfluss auf den Ausfall der tropistischen Keaction haben, wenn etwa der Oberseite bezw. der Unterseite eines Organes eine geringere Aclionsfähigkeit oder eine geringere oder andersartige Sensibilität zukommt. So hat die physiologische Dorsiventralität bei gewissen Ranken zur Folge, dass eine Krümmung nur erfolgt, wenn der Contactreiz gegen die sensible Flanke ge- richtet ist (II, § 88). Ferner wird sich z. B. ein Stengel nicht parallel zur Lichtrichtung stellen, wenn eine Flanke eine schwächere heliotropische Sensibilität besitzt und dadurch (ebenso wie bei inäqualer Beleuchtungj in geringerem Grade gereizt wird, wie die antagonistische Hälfte des Sprosses. Da nun eine solche inäquale heUotropische Reizwirkung auch durch das Ueberstreichen einer Flanke mit Tusche erzielt werden kann, so ist (ceteris paribus) eine plagiotrope Orientirung auch dann zu erwarten, wenn durch die Bauverhältnisse eine einseitige Dämpfung des Lichteintrittes verursacht wird. Unter diesen Umständen wird also auch im diffusen Licht eine Reizkriimmung erfolgen, die man demgemäss als eine photonastische Reaction ansprechen muss, obgleich sie im näheren durch die inäquale phototropistische Reizung hervorgerufen wird (II, p. 357). Bei der Beurtheilung dieser und ähnlicher Verhältnisse ist allerdings Vorsicht geboten, wie z. ß. die dorsiventralen Ranken zeigen, deren Rückenseite zwar nicht befähigt ist, eine Reizkrümmung auszulösen, aber dennoch eine thigmotropische Sensibilität besitzt, welche bewirkt, dass bei der gleichzeitigen Berührung der Bauchseite keine Reizkrümmung ausgelöst wird (II, § 88). Eine inäcpiale Vertheilung der Sensibilität ergiebt sich auch daraus, dass sich ein doi^siventrales Organ nur bei einer bestimmten Orientirung in der plagiotropen Gleichgewichtslage befindet (II, p. 550;. Aus der Thatsache, dass demgemäss bei einer jeden anderen Angriffsweise des Tropisticums eine Orientirungsbewegung ausgelöst wird, ist aber nicht des näheren zu ersehen, in wie weit etwa die Sensibilität der Spitze, der Basis und der Flanke einer phototropischen Schwärmzelle oder der Bauch- und Rückenseite eines dorsi- ventralen plagioheliotropischen Blattes etc. quantitative oder vielleicht auch qualitative Differenzen bieten 2). Da die Orientirungsreactionen allgemein die Folge irgend einer Störung des Gleichgewichtszustandes sind, so kann man etwas Bestimmtes über die Vertheilung der Sensibilität auch daraus nicht entnehmen, dass ein plagiophototropes Blatt durch eine bestimmte Veränderung der Angriffs- richtung des Lichtes veranlasst werden kann, sich entweder durch eine positiv oder negativ gerichtete Krümmungsbewegung in die Gleichgewichtslage zurück- zubegeben (II, p. 549), während bei der Beleuchtung der Unterseite immer eine nach der Lichtquelle hinzielende, also eine positiv gerichtete Bewegung ausgelöst wird. Wenn man desshalb unter diesen Umständen, in dem früher (II, p. 548) gekennzeichneten Sinne, von einer positiven Bewegungsrichtung reden will, so darf man nicht vergessen, dass die Bewegungsreaction auf die Herstellung der i) Durch eine Krümmungsreaction bei Aenderung der diffusen Beleuchtung etc. Avird eine physiologische Dorsiventralität angezeigt, die natürlich nicht anatomisch oder morphologisch bemerkbar sein muss. Andererseits ist mit einer morphologischen Dorsiventralität nicht nothwendig ein photonastisches etc. Reactionsvermögen ver- knüpft. Vergl. 11, p. 83, 356, 476, 550. 2) lieber labile Gleichgewichtslagen siehe II, § 123. § 109. Allgemeines. Fortsetzung. 559 normalen plagiophototropen Lage berechnet ist, und desshalb so lange andauert, bis diese Orientirung erreicht ist. Aller Voraussicht nach wird wohl die Vertheilung der Sensibilität und der Actionsfähiükeit etc. in verschiedener Weise und Goniiiination zur Erzieluns: ähnlicher und dillerenter Enderfolge benutzt werden. Ein tiefere Einsicht in diese Verhältnisse ist indess erst mit einer besseren Kenntniss der Reiz- bedingungen und Reizprocesse zu erwarten. Dass sich ferner die Verhältnisse durch die Modification der tropistischen Reizbarkeit, sowie durch das Eingreifen anderer Bewegungsbestrebungen sehr complicirt und schwer controhrbar gestalten können, ist aus den voraus- gegangenen Erörterungen zur Genüge zu ersehen. An anderer Stelle (11, p. 512, vgl. auch II, § 122) ist auch darauf hingewiesen, dass man die Veränderung der Gleichgewichtslage, die bei Constanz des Schw^erkraftreizes durch den Wechsel der diffusen Beleuchtung (oder der Temperatur etc.) veranlasst wird (je nachdem man die Schwerkraft oder das Licht in den Vordergrund stellt), als eine Folge der photogenen Modification der geotropischen Reizstimmung oder, mit gleichem Rechte, als eine photonastische Reaction ansehen kann, die durch die geogene Induction einer labilen Dorsiventralität ermöglicht wird. Unserer Aufgabe gemäss haben wir aber zunächst an einfachere und durch- sichtigere Fälle anzuknüpfen, um einmal an Beispielen darzulegen, welche Arten von Tropismen vorkommen und im Dienste des Organismus nutzbar gemacht werden, und um ferner darzuthun, w'as über das Wesen und die Ausführung der tropistischen Reizprocesse und Reactionen bekannt ist. Zum Schlüsse lAbschn. V) soll dann an einigen Beispielen gezeigt werden, wie in der Natur gewisse Tropismen und Combinationen zur Erreichung bestimmter Ziele und Zwecke nutzbar gemacht werden. Wir setzen dabei naturgemäss die mit be- stimmter Reactionsfähigkeit ausgestatteten Organe als gegeben voraus, gehen also nicht auf die inneren und äusseren Bedingungen ein, durch welche die Entstehung und Ausbildung der bestimmt reagirenden Organe veranlasst und modificirt wird (vgl. Bd. II, Kap. VI u. VII u. II, p. 368). Historisches. Nachdem von Bonnet^) zahlreiche Thatsachen über Orien- tirungsbewegungen mitgetheilt und durch K night, de C and olle u. s. w. die geotropischen und heliotropisclien Reizbedingungen etwas näher präcisirt worden waren, wurde durch Dutrochet^j allgemein betont, dass Licht und Schwerkraft nur die veranlassende Ursache sind, also auslösend wirken. Dieser Forscher hat auch klar hervorgehoben, dass die Orientirung, in welcher die Organe in der Natur gefunden werden, durch das verschiedenartige Zusammenwirken von Geo- tropismus, Heliotropismus, Eigengewicht, Eigenrichtung u. s. w. zu Stande kommen. Wie fernerhin die Kenntniss der einzelnen Orientirungsreactionen, sowie das Zusammenwirken dieser unter sich und mit anderen Factoren u. s. w., durch Hofmeister, Frank, Sachs, de Vries, Gh. und Fr. Darwin, Pfeffer, Wiesner, Krabbe, Vöchting u. A. gefördert und erweitert wurde, ist aus der näheren Behandlung des Gegenstandes in Folgendem zu ersehen. Aus •I) C. Bonnet, Untersuch, üb. d. Nutzen d. Blätter 1762. 2) Dutrochet, Recherch. anatomiq. et physiolog. 1824, p. 92. — Vgl. diesen Bd. II, p. 368, wo auch mitgetheilt ist, dass Dutrochet in späterer Zeit z. Th. zu irrigen Auffassungen hinneigte. 560 ^^'^P- ^^^^- Tropistische Krümmungsbewegungen. Kapitel XIII und XIV ergiebt sich auch, dass unsere Einsicht in diese Reiz- vorgänge durch das Studium der tropistischen Reizreactionen der freibeweglichen Organismen sehr gefördert Avurde. Nach Dutrochet wui'de eine umfassende Untersuchung über die Ursachen, durch welche die verschiedenartige Orientierung der Pflanze und ihrer Organe bedingt ist, von Frank ^j angestellt. Wenn wir sachgemäss von einzelnen Irr- thümern und den (übrigens sepai'irt gehaltenen) unbefriedigenden, theoretischen Betrachtungen (Annahme einer Polarität der Zellhaut) absehen, so steht diese Ai'beit in den allgemeinen Grundzügen auf demselben Boden, von dem wir auch heute ausgehen. Das gilt auch in Bezug auf die Annahme des transversalen (plagiotropen) Heliotropismus und Geotropismus, deren Berechtigung derzeit nicht mehr zweifelhaft sein kann 2). Es war also ein Irrthum, als deVries^), unter der unerwiesenen Voraussetzung, dass die einseitige Einwirkung von Licht und Schwerkraft nur eine parallelotrope Orientirung bewii'ke, zu erweisen suchte, dass die plagiotropc Lage stets durch das Zusammenwirken von Parallelotropis- mus mit einer anders gerichteten Bewegungsbestrebung herbeigeführt werde. Von dieser Ansicht ging auch Sachs-*) in einer Studie aus, in der wichtige Er- örterungen über die plagiotrope Orientirung, besonders der dorsiventralen Organe, enthalten sind. Insbesondere wurde in dieser Arbeit auch hervorgehoben, dass 1) A. B. Frank, Die natürl. wagerechte Richtung von Pflanzentheilen 1870; Botan. Zeit. 1873. p. 17. 2) Für die Existenz von Transversalheliotropismus haben sich fernerhin zunächst Ch. Darwin (Bewegungsvermögen d. Pflanzen 'I88'l, p. 374] und Fr. Darwin (Linnean Society Journal 1881, Bd. 18, p. 420) ausgesprochen, und auch von mir (Pfeffer, Pflanzenphysiol. I. Aufl. 1881, Bd, -2, p. 291; wurde betont, dass die empirischen Erfah- rungen die Annahme von Transversalheliotropismus und Transversalgeotropismus for- dern. Die Arbeiten von Vöchting (Bot. Ztg. 188S, p. 200); Krabbe (Jahrb. f. wiss. Bot. 1889, Bd. 20, p. 211); Schw^endener und Krabbe (1892, Gesammelte Abhandig. Bd. II, p. 253 U.S.W.) (vgl. auch Czapek, Jahrb. f. wnss. Botan. 1S98. Bd. 32, p. 271) haben dann weitere Beweise dafür et'bracht, dass schon allein durch die tropistische Reizwirkung von Licht oder Schwerkraft eine plagiotrope Orien- tirung verursacht werden kann. — In der ersten Auflage der Physiologie Bd. 2. p. 287 , 290, 300 U.S.W, ist auch »Photonastie« etc. in dem gleichen Sinne wie in dieser Auflage (vgl. II, p. 356) aufgefasst und von den tropistischen Reactionen unter- schieden. Späterhin sind freilich diese differenten Krümmungsreactionen von verschie- denen Forschern nicht genügend auseinander gehalten worden. 3) H. de Vries, Arbeit d. Botan. Instituts in Würzburg 1872, Bd. 1, p. 223. — Hierher gehört auch die Ansicht von Wies n er (Die heliotropischen Erscheinungen 1880, II. p. 50), nach der die fixe Lichtlage der Blätter aus dem Antagonismus von negativem Geotropismus und negativem Heliotropismus der Oberseite zu Stande kommen soll. Vgl. diesen Bd. II, § 1^1, 132. 4) J. Sachs, Arbeit, d. Botan. Instituts zu Würzburg 1S79, Bd. 2, p. 226. — Es ist natürlich nichts damit gewonnen, wenn man den Parallelotropismus dadurch zu retten sucht, dass man sich z. B. den Thallus von Marchantia durch senkrecht zur Fläche geführte Schnitte in cylindrische Elemente zerlegt denkt, die parallel zur Licht- richtung stehen (Sachs, 1. c. p. 234). Eine nähere Discussion dieser Vorstellung macht schon die Thatsache unnöthig, dass sich auch einzellige Organe verschieden orien- tiren, und dass in gewissen Fällen (vgl. IL §112, 124) durch die Intensität eines Reizes eine parallelotrope Reaction in eine plagiotrope übergefüln-t wird. Es ist aber selbstverständlich möglich, durch das Zusammenfügen von parallelohelio- tropen Zellen ein flächenförmiges Gebilde aufzubauen, dessen Fläche senkrecht gegen die Lichtreizung zu stehen kommt. — Ueber die irrige Annahme, dass der Plagio- geotropismus der Seitenw'urzeln durch eine unzureichende parallelogeotropische Reiz- wirkung bedingt sei, vgl. II, § 122. § HO. Geotropismus. 561 durch dasselbe Agens gleichzeitig verschiedenartige Krümmungsbestrebungen verursacht werden können. Uebrigens ist es nicht richtig, dass sich, wie Sachs (1. c.) annimmt, ein tropistisch reagirendes, dorsiventrales Organ stets plagiotrop orientirt (vgl. II, p. SSl). Ebenso ist es nicht zutreffend, dass durch die Vereinigung von plagiotropen Ob- jecten zu einem i*adiären oder bilateralen Gebilde eine parallelotropistische Re- actionsfähiglceit gewonnen werden muss. Denn die klinotrope Orientirung wird u. a. nicht modificirt, wenn man plagiotrope einzelUge oder vielzellige Organe symmetrisch zu einem einheitlichen Ganzen verkettet. Auch erhält man z. B. bei der mecUanen Längsspaltung eines diatropen Rhizomes (II, p. ö50) zwei dorsiventrale, klinotrope Gebilde, deren Vereinigung also ein plagiotropes Organ liefert. Natürlich wird die Realisierung einer Krümmung immer aufgehoben, wenn zwei Gebilde mit gleichem Krümmungsbestreben (gleichviel wie dieses ver- ursacht wird) in antagonistischer Weise verkettet werden. Es ist auch schon (II, p. 557) darauf hingewiesen, dass durch die Vereinigung von zwei plagio- geotropen Blättern unter gewissen Voraussetzungen ein parallelogeotropes Organ entstehen kann. Ein solches Resultat ist ebenso zu erwarten, wenn z. B. der plagiotrope Thallus von Marchantia, Peltigera u. s. w. durch Zusammenwickeln zu einem cylindrischen, radiären Gebilde geformt wird. In wie weit von der Pflanze eine derartige Foi'mirung von radiären Gebilden angewandt wird, um ohne Veränderung der plagiotropistischen Reactionsfähigkeit eine parallelotrope Orien- tirung zu erzielen, muss dahin gestellt bleiben. Denn dasselbe Resultat kann, und zwar auch bei dorsiventralen Organen, durch die (autogene oder aitiogene) Modification der tropistischen Reactionsfähigkeit erreicht werden. Eine solche Umstimmung dürfte nach Noll^) iii der That mitwirken, um die parallelotropische Reaction des Apotheciumträgers von Peltigera u. s. w. herzustellen, da die Er- hebung des den Apotheciumträger bildenden Thalluslappens beginnt, bevor sich derselbe zu einem Cylinder zusammengewickelt hat. Auch reagiren nach Noll nicht alle Blätter parallelotrop, während sie in der Knospenlage zu einem Cylinder zusammengewickelt sind, führen aber mit dem Fortschreiten der Entwickelung eine plagiotropistische Orientirungsbewegung auch dann aus, wenn die Blätter durch Umwickeln mit einem Faden gezwungen sind, zusammengerollt in der Knospenlage zu verharren. Abschnitt II. Uebersicht über das Vorkommen der verschiedenen Tropismen. § 110. Greotropismus. Bekanntlich ist die Ausbildung der geotropischen und phototropischen Sen- sibilität in ausgedehnter Weise nutzbar gemacht, um die Pflanze and ihre Organe in die zweckentsprechende Lage zu bringen. In der That ist die eontinuirlich in der Lothrichtung wirksame Schwerkraft vortreiHich geeignet, um, insbesondere bei den festgewurzelten Landpflanzen, die allgemeinste i) Noll, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 34, p. 478. Pfeffer, Pflanzenplij'siologie. 2. Aufl. II. 36 562 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Orientirung herbeizuführen, also zu veranlassen, dass die verschiedenwerthigen Organe vermöge ihrer specifischen Sensibilität in den Boden oder in die Luft, d. h. in das ihren functionellen Aufgaben entsprechende Medium gelangen. Je nach der Receptionsfähigkeit der Ptlanze und den obwaltenden Verhältnissen wirken bei der näheren Orientirung andere tropistische Reize mit, unter denen bei den aus dem Boden hervortretenden Organen die heliotropischen Auslösungen eine besonders hervorragende Rolle spielen. Es ist auch durchaus zweckentsprechend, dass bei letzteren die heliotropische Reizwirkung häufig derart überwiegt, dass diejenigen Organe, welche auf die Ausnutzung des Lichtes ange- wiesen sind, im allgemeinen die günstige (phototropische) Lichtlage auch dann gewinnen, wenn zu diesem Zwecke die geotropischen Bestrebungen überwunden werden müssen ^). Es ist aber begreiflich, dass in anderen Fällen die phototropische Reaction zur Herbeiführung von Bewegungen dient, die nicht gerade auf die Ausnutzimg des reizenden Agens, des Lichts, berechnet sind. Das ist z. B. der Fall bei Luftwurzeln, Ranken u. s. w., die durch ihren negativen Heliotropismus gegen die Stütze gelenkt werden, sowie bei den Sporangienträgern verschiedener Pilze, die ausgezeichnet positiv phototropisch reagiren. Dass es aber Organe giebt, die nicht oder doch nicht erheblich geotropisch oder heliotropisch reagiren, beweisen unter anderm Seitenwurzeln höherer Ord- nung, Dornen, Haare, ferner das Stämmchen der Mistel, die nach allen Raum- richtungen orientirt sind, die also durch die bestimmt gerichtete Reizwirkung der Schwerkraft und des Lichtes nicht aus derjenigen Lage abgelenkt werden, welche sie aus anderen Ursachen einnehmen. Auch würde z. B. die geotropische Reaction für ein Pilzmycelium, welches das auszubeutende Substrat nach allen Richtungen durchwandern soll, unter Umständen sogar nachtheilig werden können. Nach diesen Vorbemerkungen sollen nun einige Beispiele für die geotro- pische imd fernerhin für die heliotropische Sensibilität mitgetheilt werden, ohne dass an dieser Stelle das häufige Zusammenwirken dieser Reactionen näher berücksichtigt wird (vgl. H, p. 536; § 131, 132). Da die lothrechte Stellung der Hauptachsen im allgemeinen durch die geo- tropische Sensibilität bedingt ist, so wird nach dem Umlegen oder Umkehren der Pflanze auch im Dunkeln (in den actionsfähigen Theilen H, § 128) in der AVurzel eine positiv, in dem Spross eine negativ geotropische Krümmungsbe- wegung ausgelöst, durch welche diese Organe wieder in die parallelotrope Gleichgewichtslage zurückgeführt werden (Fig. 63). Ferner ist z. B. die anaplagiotrope Gleichgewichtslage der Seitenwurzeln I . Ordnung durch den specifischen Geotropismus bedingt, da diese Organe immer zu demselben Grenzwinkel (derselben Lage gegen das Loth) zurückkehren, gleichviel in welche Lage sie durch die horizontale, geneigte oder umgekehrte Aufstellung der tragenden Hauptwurzel gebracht werden 2). Aus diesem 1) Ueber die verschiedenartige Bedeutung der Reizwirkung von Licht und Schwer- kraft für formative Prozesse vgl. Bd. II, § 23 ff. und § 29. 2) Von Dutrochet (Recherch. s. 1. structure d. animaux et d. v^getaux 1824, p. 102) wurde die Richtung der Seitenwurzehi als Resultante aus Eigenwinkel und § 110. Geotropismus. 563 Verhalten ergiebt sich zugleich, dass diese Seitenwurzeln physiologisch radiär sind, und dass bei der Herstellung der normalen Gleichgewichtslage die von der Ilauptwurzel ausgehenden, directiven Wirkungen (nämlich der Eigenwinkel) keine entscheidende Rolle spielen (vgl. II, § i 1 9). Natürlich müssen bei derartigen Versuchen alle Aussenbedingungen constant erhalten werden, da z. B. bei den Seitenwurzeln der geotropische Erfolg durch die Aussenverhältnisse (II, § 121, 122) und ebenso durch die Reizintensität (II, §'I24) modificirt wird. Auch ist zu beachten, dass die Seitenwurzeln am Hypocotyl und der Basis der Wurzel ver- möge ihrer specifischen geotropischen Eigenschaften häufig eine mehr oder min- der horizontale (diatrope) Gleichgewichts- lage annehmen, während die ferner von der Basis entspringenden Seitenwurzeln mit dem Lothe einen Grenzwinkel von 60 — 80 oder zuweilen bis zu 45 Grad bilden. Um aber eine allseitige Aus- beutung des Erdreichs zu sichern, muss bei den Seitenwurzeln 2. und 3. Ordnung die geotropische Sensibilität zurücktreten, (1. c. p. 631) den Seitenwurzeln 2. Ordnung von Zea mais nur eine denen von Cucurbita pepo keine merkliche geotropische Reactionsfähigkeit zu Aus dieser speciellen Anpassungserscheinung folgt natürlich nicht, dass in allen Fällen die Seitensprossungen in einem geringeren Grade geotropisch oder helio- tropisch sind als die Tragachse. Den besonderen Aufgaben entsprechend sind unter anderm die Ilaftwurzeln von Epheu, Orchideen, Aroideen etc. gewöhnlich nicht oder nur in geringem Grade geotropisch, dagegen vielfach heliotropisch empfindlich. Bei den xVthemwurzeln (Pneumatophoren) wird dagegen, so weit bekannt, das Hervor- treten aus dem Schlamm und dem W^asser durch die Ausliildung eines negativen Geotropismus erzielt i). Da aber bei verschiedenen Pflanzen (Zuckerrohr, Palmen etc.), wenn sie in nasser Erde cultivirt werden, gewisse Wurzeln aus dem Boden Fig. G3. Keimpflanze von Brassica nigra, bei der nach. der horizontalen Aufstellung Wurzel und Spross durch. die geotropische Krümmung wieder in die Vertical- stellung gebracht sind. und thatsächlich kommt nach Sachs geringe, hervortreten 2), so ist näher zu ermitteln, ob dieses Verhalten stets auf negativem Geotropismus oder auf anderen Ursachen beruht (über Aerotropismus vgl. II, Geotropismus angesehen. Näher aufgehellt wurde dieses Thema von Sachs (Arbeit, d. Botan. Instituts in Würzburg 1874, Bd. 1, p. 602). Vgl. ferner F. Czapek, Sitzungsb. d. Wiener Akad. IS95, Bd. 104, Abth. 'I,p. 1197; Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, Bd. 27, p. 328, 1898, Bd. 3-2, p. 247; A. Schober, Bot. Ztg. 1898, p. 1 ; J. M. Guillon, Compt. rend. 1901, Bd. 132, p. 389. — Ueber die Sensibilität der Wurzelspitze vg. Bd. II, § 120. 1) Lit.: Karsten, Bibliothec. botanic. 1891, Heft 22, p. 49, 55; Schimper, Botan. Mitthlg. a. d. Tropen 1891, Hefts, p. 37; Went, Annal. d. Jard. botan. d. ßuitenzorg 1S94, Bd.12, p. 26; Goebel, Organographie 1900. II. Tb., p. 47ii. — Ueber die Keimwurzel von Trapa vgl. Kern er, Pflanzenleben 1887, Bd. I, p. 83. — Ueber negativ geotropische Luftwurzeln vgl. auch Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen 1880, Bd. II, p. 77. 2) Vgl. auch J. Sachs, Flora 18'J3, p. 4. Nach J. Eriksson, Botan. Centralbl. 1895, Bd. 61, p. 273 finden sich \auch bei Carex arenaria und einigen Sandpflanzen nach aufwärts wachsende Wurzeln. 3 6* 564 Kap. XIII. Tropistischö Krümmungsbewegungen. § 115), oder ob vielleicht die negativ tropislische Stimmung nur unter diesen Aussenbedingungen zur Ausbildung kommt. Naturgemäss ist auch bei den Stengelorganen das geotropische Reaclions- vermügen zweckentsprechend ausgebildet. So wird den meisten horizontal wachsenden Rhizomen ihre Lage durch die diageotropische Reaction gesichert. In diese Gleichgewichtslage kehren somit nach dem Ablenken sowohl die krüm- mungsfähigen Partien der dorsiventralen, als auch der physiologisch radiären Rhizome zurück, zu welchen unter andern die Wurzelstöcke von Heleocharis palustris, Sparganium ramosum und Scirpus maritimus gehören i). Ebenso sind physiologisch radiär die unterirdischen iVusläufer von Adoxa moschatellina, Trientalis europaea, Circaea lutetiana, welche im Dunkeln, also im Boden, eine mehr oder minder horizontale Lage annehmen, durch diffuse Beleuchtung aber eine geotrope Stimmungsänderung erfahren, die zur Folge hat, dass diese Organe in eine anaklinotrope und unter Umständen in eine nahezu anaparallelotrope Stellung übergehen 2). Ein positiver Geotropismus scheint den abwärts wachsenden Rhizomen von Yucca, Cordjiine etc. zuzukommen'^). Ferner bewirkt positiver Geotropismus die Abwärtskrümmung des Blüthenstiels von Papaver, der sich später durch die Ausbildung von negativem Geotropismus erhebt und die aufblühende Blüthen- knospe in die aufgerichtete Lage bringt *). Ein derartiger Stimmungswechsel wird, wie schon früher mitgetheilt ist, zuweilen, aber nicht in allen Fällen, be- nutzt, um die in einen Laubspross übergehende Spitze sympodialer Rhizome aus dem Boden und in die verticale Lage zu führen, oder um eine Lageänderung von Blüthenknospen, Blüthen, Früchten oder auch von einzelnen Blüthentheilen herbeizuführen. Uebrigens sind die Blüthenhülle und die Sexualorgane nur bei einzelnen Pflanzen in erheblichem Grade geotropisch s). 1) F. Elfving, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg -1880, Bd. 2, p. 489; F.Czapek, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1895, Bd. -104, Abth. 1, p. 4 218. Ueber den geotropischen Stimmungswechsel, welcher in sympodialen Rhizomen mit dem Aus- wachsen der Endknospen zu positiv geotropischen Laubsprossen verknüpft ist, vgl. II, §121, 122. — Nach R. Barth, Die geotrop. Wachsthumskrümmung d. Knoten 1894, p. 35 reagiren die unterirdischen Ausläufer von Triticum repens nicht merklich geotropisch. 2) E. Stahl, Berichte d. botan. Gesellschaft 1884, p. 385; K. Goebel, Botan. Zeitung 1880. p. 790; Czapek, 1. c. p. 1230; A. Rimbach, Fünfstück's Beitr. z. wiss. Bot. 1899, Bd. 3, p. 201. Vgl. Bd. II, § 121, 131. 3) Vgl. Bd. II, p. 194 u. die dort citirte Literatur. 4) Bd. II, p. 390; § 121 u. die an diesen Stellen citirte Lit. In diesen Studien ist auch nachgewiesen, dass es sich um eine wahre positiv geotropische Krümmung, also nicht um eine durch mechanischen Zug bewirkte Senkung handelt. [Wiesner {Sitzungsb. d. Wien. Akadem. 1902, Bd. 111, Abth. 1, p. 747! sieht neuerdings die Ab- wärtskrümmung des Blüthenstiels von Papaver nicht als positiv geotropische Krüm- mung an.] 5) Einige Lit. ist II, p. 391 und II, § 131, 132 angeführt. [Wiesner, Sitzungsb. d. Wiener Akademie 1902, Bd. 111, Abth. 1, p. 760.] Durch einen entsprechenden Wechsel der geotropischen Eigenschaften (vielleicht z. Th. in Verbindung mit einem Wechsel der heliotropischen Eigenschaften) wird auch erzielt, dass sich der Stiel des Blüthenstands, bezw. d. Blüthe von Trifolium subterraneum, Arachis hypogaea etc. nach dem Abblühen abwärts krümmt und die reifende Frucht in die Erde führt. Darwin. § MO. Geotropismus. 565 I Dass der Geotropismus bei der Orientirung der plagiotropen Haupt- und Seitensprosse zum Theil in hervorragender, zum Theil in untergeordneter Weise oder gar nicht betheiligt ist, wird weiterhin (II, § 131, 132) mitgetheilt werden. Bei dieser Gelegenheit soll auch auf die Sprosse von Lysimachia nummularia, Atriplex latifolia, Polygonum aviculare u. s. w. eingegangen werden, die bei guter Beleuchtung (bezw. je nach dem Ausmaass der Temperatur] geoplagiotrop, bei Lichtmangel aber nahezu oder völlig positiv geoparallelotrop reagiren (vgl. auch II, § 131). Ueber den Einfluss der Temperatur auf die geotropische Stimmung und Gleichgewichtslage siehe II, p. 511 und II, § 121, 122. Bei der Behandlung der Blattorientirung (II, § 132) wird sich zeigen, dass die Laubblätter vielfach geoplagiotrop sind. Dass aber in gewissen Blättern für bestimmte Zwecke eine posiliv geotropische Reactionsfähigkeit ausgebildet wird, beweisen die Keimpflanzen von Phünix, iVllium, Yucca, bei welchen durch den positiven Geotropismus einer Partie des Samenlappens die Wurzel und die Sprossachse in den Boden geführt werden ^). In dieser Weise functionirt nach Copeland2) bei den jugendlichen Keimpflanzen von Lupinus albus, Robinia pseudacacia, Helianthus annuus, Cucurbita pepo u. s. w. das hypocotyle Glied, dessen anfänglich positiver Geotropismus mit der Weiterentwickelung bald durch negativen Geotropismus abgelöst wird. Unter den einzelligen Organismen sind die Sporangienträger von Phycomyces nitens, Mucor mucedo u. s. w. stark negativ geotropisch^), während das Myce- lium dieser Pilze ^', sowie die Ausläufer von Mucor stolonifer^) nicht merklich geotropisch reagiren. Bei Bryopsis muscosa und Caulerpa prolifera'') sind da- gegen die Rhizoiden positiv, der Spross negativ geotropisch. Aehnlich verhalten sich Nitella und Chara"), deren Spross mit einem ansehnlichen negativen Reac- tionsvermügen ausgestattet ist. Negativ geotropisch sind ferner die Perithecien- träger von Xylaria carpophila, Claviceps purpurea, sowie die Stiele verschie- dener grosser Hutpilze ^). Bei diesen letzteren kommt aber den Lamellen, Rühren und Stacheln des Hymeniums ein positiver Geotropismus zu 9). Uebrigens ward bei den Pilzen und den Algen ^O) die geotropische Sensibilität im allgemeinen in Bewegungsvermögen 1881, p. 439; H. Ross, Malpighia 1892, Fase. VII — IX; G. Huth, Ueber pericarpe, amphicarpe und heterocarpe Pflanzen 1890. 1) J. Sachs, Bot. Ztg. 1863, p. ;)9; 1862, p. 241 ; E. B. Copeland, Botanical Gazette 1901, Bd. 31, p. 410. [Neubert, Jahrb. f. wiss. Bot. 1902, Bd. 38, p. 119. Allium.] 2) J. B. Copeland, 1. c. Der maassgebende Reiz scheint in diesem Falle durch die Wurzelspitze percipirt zu werden. Vgl. II, §120. 3) Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. 286; Sachs, Arbeit, d. Würzburger In- stituts 1879, Bd. 2, p. 222; Wortmann, Bot. Ztg. 1881, p. 368; S. Dietz, Unters, a. d. Botan. Institut zu Tübingen 1888, Bd. 2, p. 482; K. Steyer, Reizkrümmungen bei Phycomyces nitens. Leipzig. Dissertation 1901, p. 6. 4) Kny, Sitzungsb. d. Botan. Vereins f. Brandenburg 12. Juni 1881; Steyer, 1. c. p. 28. — Von K ny (1. c.) und St ammeroff, Flora 1897, p. 148, wurde unter anderm auch bei Pollenschläuchen eine geotropische Reaction vermisst. 5) Wortmann, I. c. p. 384. 6) Noll, Arbeit, d. Würzburger Instituts 1888, Bd. 3, p. 467; Klemm, Flora 1893, p.472, und die in diesem Bande II, p.189 citirteLit. Vgl. ebenda die Abbildung von Bryopsis. 7) Hofmeister, 1. c. p. 286; Richter, Flora 1894, p. 408. 8) J. Schmitz, Linnaea 1843, Bd. 17, p. 474; Zopf, Die Pilze 18£0, p. 208. 9) Sachs, Experimentalphysiologie 1865, p. 93; Jahrb. f. wiss. Bot. 1863, Bd. 3, p.93. 10) Einige Angaben z. B. bei Berthoid, Jahrb. f. wiss. Botan. 1882, Bd. 12, p. 572. 566 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. £:erin2:erem Grade zu Orientirun^sbeweijunijen benutzt, als bei den höher differen- cirten, insbesondere bei den landbewohnenden Pflanzen. lieber den Geotropismus von Marchantia i) vgl. II, § 131. Einige Angaben über Jungermannien bei Hofmeister,^ Pflanzenzelle IS6T, p. 294; Frank, die natürliche wagerechte Richtung von Pflanzenth. 1870, p. 66. Ueber Laub- moose vgl. E. Bastit, Revue generale d. Botan. 1891, Bd. 3, p. 380; B. Jünsson, Bot. Ztg. 1899, Referate p. 132. — Ueber Geotaxis vgl. diesen Bd. II, §147. § 111. Geotropismus. Methodisclies. Aus der Erfahrung, dass die Organe einer Pflanze überall auf unserem Planeten eine bestimmte Orientirung zur Lothlinie annehmen, und in diese nach der Ablenkung durch die Eigenthätigkeit zurückkehren, lässt sich derzeit folgern, dass die Schwerkraft die Ursache derjenigen Orientirungsbewegungen sein muss, durch welche die besagte Gleichgewichtslage hergestellt wird. Diese Schluss- folgerung war indess in früheren Zeiten keineswegs naheliegend. So ist es be- greiflich, dass die fraglichen Beziehungen erst von Knight^j durch den Nachweis sichergestellt wurden, dass die Centrifugalkraft auf die Pflanze ebenso wirkt, wie die Schwerkraft. Wie nämlich dieser Forscher zeigte, krümmen sich bei einer Pflanze, die auf einer genügend schnell rotirenden Scheibe befestigt ist, die Keimwurzel in centrifugaler, der Spross in centripetaler Richtung so lange, bis sie in Bezug auf die Centrifugalrichtung wiederum parallelotrop gestellt sind. Diese Gleichgewichtslage wird ungestört erreicht, wenn die Centrifugalkraft in einer verticalen Ebene wirksam ist, weil unter diesen Umständen die einseitige Wirkung der Schwerkraft eliminirt ist. Befindet sich aber die Pflanze auf einer horizontal stehenden Rotationsscheibe, so sind Centrifugalkraft und Schwerkraft senkrecht aufeinander gerichtet, und es muss sich demgemäss eine resultirende Lage ergeben. In der That nehmen jetzt die Hauptwurzel und der Ilaupt- spross eine ähnliche Gleichgewichtslage ein, wie ein daneben befestigtes, frei- bewegliches Pendelchen, sie bilden also bei gleicher Energie von Centrifugalkraft und Schwerkraft mit der Lothlinie einen Winkel von ca. 45 Grad und nähern sich mit zunehmender Centrifugalwirkung mehr und mehr der Horizontalen ^j. Da die tropistische Reizung von der einseitigen (asymmetrischen) Wirkung des Agens abhängt, so imterbleibt eine geotropistische Krümmung, wenn durch eine gleichmässige Drehung der Keimpflanze etc. erzielt wii'd, dass -1) Die einzelligen Rhizoiden dieser Pflanze sind negativ geotropisch. Mirbel, Memoir. d. I'Academ. royale d. Paris 'iüBö, Bd. -13, p. 354; Pfeffer, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg ■1871, Bd. ^, p. 89. 2) T. A. Knight, Philosoph. Transactions 1806, I, p. 99. Eine Uebersetzung in Ostwald's Klassikern Nr. 62. Knight benutzte ein Wasserrad und stellte Rotations- versuche in horizontaler und verticaler Ebene an. — Die ältere und neuere Literatur ist ausführlich zusammengestellt bei Cisielski, Unters, über d. Abwärtskrümmung d. Wurzel, Dissertation 1870. Diese Arbeit ist, jedoch ohne die ausführliche Literatur- übersicht, auch enthalten in Cohn's Beiträgen z. Biologie 1871, Bd. 1, Hft. 2. — Ygh auch Sachs, Arbeit, d. Botan. Instituts in Würzburg 1879, Bd. 2, p. 209. 3) Vgl. Wigand, Botan. Untersuch. 1S54, p. 149; Hofmeister, Jahrb. f. wiss. Botan. 1863, Bd. 3, p. 141. § IM. Geotropismus. Methodisches. 567 eine jede Flanke gleich lang und gleich stark der auslösenden Wirkung der Schwerkraft ausgesetzt ist. Dieser Erfolg wird aber, wie leicht einzusehen ist, ebenso erreicht, wenn man die Keimpflanze etc. parallel oder senkrecht zur horizontal stehenden Achse des Klinostaten ^] befestigt, die bei gleichmässiger Geschwindigkeit etwa in 3 — 40 Minuten eine Umdrehung ausführt 2). Denn diese Umdrehungsschnelligkeit, durch die noch keine nennenswerthe Gentrifugal- wirkung bewirkt wird, genügt, um bei der üblichen Reactionszeit (II, § 123) zu verhindern, dass sich der Spross, die Wurzel u. s. w. in der jeweiligen Reizebene krümmen und, wie es bei einer genügend langsamen Drehung der Fall sein muss, eine aitiogene Circumnutation ausführen 3). Ebenso unterbleibt eine heliotropische Krümmung, w^enn die vertical stehende Pflanze um die eigene Achse gedreht und hierdurch die tropistische Wirkung der einseitigen Beleuchtung eliminirt wird. Es lässt sich aber auch gleichzeitig die heliotropische und geotropische Wirkung aufheben, indem die Drehachse des Klinostaten horizontal und senkrecht gegen die Beleuchtungsrichtung aufgestellt wird. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass unter Umständen eine geringe pho- totropische Reaction dadurch ausgelöst wird, dass dieselbe Flanke des Übjectes bei einer jeden Umdrehung eine gewisse Zeit in den Schatten der Klinostaten- achse oder (wie z. B. bei der Cultur von Pilzen auf einem Brotwürfel) in den Schatten des Substrates geräth. Andererseits wird nur die geotropische, aber nicht die phototropische Reaction sistirt, wenn die Klinostatenachse parallel zu den Lichtstrahlen gerichtet ist, und die Pflanzen senkrecht zu dieser Achse, also so orientirt sind, dass während der Umdrehung immer dieselbe Seite des Stengels, der Wurzel etc. der Lichtquelle zugewandt bleibt-^). Wollen wir diese Betrachtungen, bei denen wir zunächst radiäre Organe im Auge hatten, auf phj^siologisch dorsiventrale Gebilde ausdehnen, so ist zu beachten, dass letztere vielfach aitionastische Bewegungen ausführen, d. h. durch die Veränderung der homogenen (diffusen) Aussenbedingungen zu einer Krümmungs- bewegung veranlasst werden (II, § 96). Eine solche photonastische Bewegung tritt z. B. auch dann ein, wenn man durch Drehung auf dem Klinostaten be- wirkt, dass die von einer Seite kommende Beleuchtung in genügend schneller zeitlicher Aufeinanderfolge alle Flanken des reizbaren Organs trifft, dass also dieses in denselben Reiz- und Reactionszustand versetzt wird, wie eine fest- stehende Pflanze, die von allen Seiten gleich stark beleuchtet wird. Dasselbe r Diese Bezeichnung wurde von Sachs (Arbeit, d. Botan. histituts in Würzburg 4 879, Bd. 2, p. 217) eingeführt, welcher zuerst die langsamen Drehungen in ausgedehnter Weise zur Eliminirung der geotropischen Reaction nutzbar machte. Denn diese Methode war bei Hunter Transact. Soc. hup. med. 1800, H; citirt nach A. P. de Candolle, Pflanzenphysiol. 183Ö, Bd. 2, p.ö36; Fr. Darwin, Linnean. Soc. Journal 1881, Bd. 18, p. 425 ; Dutrochet; Wigand (vgl. Sachs, 1. c.) nur beiläufig in Anwendung gekommen. 2) In den meisten Fällen ist eine Umdrehungsschnelligkeit zwischen 10 — 30 Mi- nuten zu empfehlen. 3) Vgl. Bd. II, p. 248, 392; Fr. Darwin und D. Pertz, Annais of Botany 1892. Bd. 7, p. 245; 1903, Bd. 17, p. 93. 4) Auf diese Weise vermochte z. B. Wiesner (Die heliotropischen Erscheinungen 1878, I, p. 55; 18S0, II, p. 76; vgl. auch H. Müller, Flora 1876, p. 76) an gewissen, wenig empfindlichen Pflanzen eine heliotropische Reaction zu erzielen, an denen eine solche ohne Elimination der geotropischen Induction nicht eintrat. 568 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. gilt für andere Agentien, also auch für die Schwerkraft, die wir freilich practisch nicht derart auf eine feststehende Pflanze einwirken lassen können, dass in keinem Augenblick ein tropistischer Einfluss vorhanden ist. Soweit die tropistische Wirkung bestimmte Stimmungszustünde, Reizungen und Reactionsbestrebungen verursacht, fallen diese im allgemeinen am Klino- staten ebensogut aus, wie bei allseitiger (homogener) Einwirkung eines Agens auf die feststehende Pflanze. Alle diese Verhältnisse, sowie die sich daraus ergeben- den Consequenzen sind aber bei der Beurtheilung der Klinostatenversuche wohl zu beachten. Dass nachweislich in gewissen Fällen bestimmte Sensibilitäten, Reactionsbefähigungen und Reactionsbestrebungen erst durch die tropistische Wirkung und Inanspruchnahme ermöglicht und veranlasst werden, haben wir bereits gehört^). Ferner dürften öfters zwei Reizungen schon im sensorischen Theil verschmelzen (II, p. 361, 555, § 126), so dass die Auslösung der mecha- nischen Krümmungsaction unterbleibt, wenn derselbe Reizanstoss gleichzeitig oder in schneller Aufeinanderfolge auf zwei oder alle opponirte Flanken wirkt. Unter solchen Umständen fällt z. B. bei den dorsiventralen Ranken die thigmotropische Reaction aus (II, § 88), und dieser Erfolg wird natür- lich auch erzielt werden, wenn man die schnell aufeinander folgenden Contactreizungen nicht mit der Hand ausführt, sondern in geeigneter Weise (bei feststehendem Contactkörper) durch die Drehung der Pflanze auf dem Klinostaten zu Stande kommen lässt. Bei diesen und bei den sich ähnlich verhaltenden dorsiventralen Organen wird bei genügender Ausdehnung des Zeit- intervalls zwischen den alternirenden Reizungen (also auch bei entsprechend langsamer Drehung des Klinostaten) eine tropistische Krümmungsreaction ein- treten, \yeil dann eine Action ausgelöst wird, die durch die Reizwirkung auf die antagonistische (different reagirende) Flanke nicht zum Rückgang ge- bracht wird. Bleibt dagegen bei langsam oder schnell aufeinander folgender Reizung zweier oder aller antagonistischen Flanken das Verhältniss der Reiz- erfolge in den antagonistischen Geweben unverändert, so ist zu erwarten, dass dieselbe Gleichgewichtslage eingenommen wird, wie bei einer gleich starken, allseitigen Reizung. Das wird aber nicht mehr der Fall sein, wenn das besagte Verhältniss Verschiebungen erfährt. Diese und andere Erwägungen zeigen, dass bei dorsiventralen Organen die tropistische Reaction am Klinostaten nicht in allen Fällen vollständig aufgehoben wird, dass aber in der Regel, bei genügend schneller Khnostatendrehung, der Erfolg ähnlich ausfallen wird, wie bei einer Pflanze, gegen die man dasselbe Agens allseitig wirken lässt. Jedoch ist bei solchen Vergleichen zu beachten, dass es unter Umständen auch auf die Angriffsrichtung ankommt, wie ja die Erfahrung lehrt, dass der Grasknoten, der bei verticaler Stellung ausgewachsen ist, zur Wachsthumsthätigkeit angeregt wird, wenn er sich in horizontaler Lage am Klinostaten befindet, so dass die Schwerkraft senkrecht und allseitig auf ihn einwirkt (H, p. 126, § 128). Auch ist es schon desshalb nicht einerlei, ob die Lichtstrahlen bei homogener AngrilTsweise parallel oder senkrecht zu einem I) Vgl. II, § 121, laä; p. 418, 509. § 1H. Geotropismus. Methodisches. 569 Organ gerichtet sind, weil in dem letzteren Fall mehr Licht in das Innere eines cylindrischen Organs eindringt. Die Schwärmzellen, die trotz der schnellen Eigendrehung um die Längsachse phototactisch reagiren, sihd ferner ein Beispiel dafür, dass die tropistische Reizwirkung bei einer bestimmt gearteten Sensibilitäts- vertheilung durch die Klinostatendrehung nicht eliminirt wird (II, § 142). Diesen mannigfachen und verwickelten Verhältnissen ist bei Czapek^) und NolP) nicht in vollem Umfang Rechnung getragen. So nimmt der erstere, aber nicht der letztere an, dass die tropistische Reizwirkung der Schwer- kraft in jedem Falle durch eine genügend schnelle Klinostatendrehung aufgehoben werden könne. Uebrigens vermisst man in den Discussionen dieser Forscher wiederholt eine zureichende Auseinanderhaltung der tropistischen und nastischen Reizungen und Reactionen und der physiologischen Veränderungen (Reizstimmung etc.), die mit dem Uebergang von der anomogenen zu der homogenen Reiz- wirkung verknüpft sein können ^j. Es bedarf keiner besonderen Erörterungen, wie man zu verfahren hat, um durch Umlegen oder Umkehren von Pflanzen eine geotropische Krümmungs- bewegung hervorzurufen. Will man bei Keimpflanzen gleichzeitig Stengel und Wurzel beobachten, so kann man die Objecte in dampfgesättigter Luft aufstellen. Dabei empfiehlt es sich, den nicht mehr krümmungsfähigen Theil der Wurzel mit nassem Fliesspapier zu umgeben, und dieses dadurch dauernd feucht zu halten, dass das freie Ende des Papiers in Wasser herabhängt. Um Wurzeln, Rhizome etc. in Erde oder Sägespänen beobachten und nöthigenfalls auch beleuchten zu können, verwendet man durchlöcherte Zink- oder Holzkästen, deren Breitseiten von Glasscheiben gebildet w^erden, hinter denen die W^urzel etc. unter- gebracht ist^). Abgeschnittene Zweige etc. steckt man vortheilhaft in nassen Sand, der an der einen Seite eines mit Deckel versehenen, grossen Zinkkastens aufgehäuft ist. Als Klinostat ist natürlich ein jeder Apparat verwendbar, der eine gleich- massige Umdrehung gestattet. Sehr exact und practisch ist der in Fig. 6 4 ab- gebildete Klinostat, welcher nach meinen Angaben von dem Mechaniker Albrecht in Tübingen angefertigt wird^). Als Triebkraft dient ein sehr starkes Federuhr- 1) Czapek, Jahrb. f. wiss. Botan. -1898, Bd. 32, p. 189, 270; Bericht, d. botan. Gesellsch. -IGOI, Generalvers. p. (129). 2) Noll, Flora '1893, p. 857; Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 34, p. 459. [Bericht, d. Botan. Gesellsch. 1902, p. 4 09.j 3) Thatsächlich kann es sich nur darum handeln , ob am Klinostaten derselbe Effect erzielt wird, wie bei allseitig gleicher Angriffsweise des Agens. Es ist also bei diesen Fragen ohne Belang, dass sich tropistische und nastische Reactionen nicht streng auseinanderhalten lassen (vgl. II, p. 357;. Aus den Erörterungen auf p. 357 (Bd. II) ergiebt sich ferner ohne weiteres, dass man auch annehmen kann, bei einem diffus beleuchteten Stengel wirke jeder eindringende Lichtstrahl, ebenso wie bei einseitiger Beleuchtung, phototropisch reizend, und eine Krümmung unterbleibe nur desshalb, weil die Reizungen antagonistisch gleich ausfallen. Da ferner ein jeder Lichtblitz, und voraussichtlich auch die kürzeste einseitige Schwerkraftwirkung, als Reiz empfunden werden (vgl. Bd. II, § 123), so wird auch bei schnellerer Klinostatendreh- ung die phototropische, geotropische Reizung nicht wirklich aufgehoben, sofern ein Organ unter den obwaltenden Bedingungen seine Sensibilität bewabrt. 4) Sachs, Arbeit d. Botan. Instituts in Würzburg 1873, Bd. 1, p. 387. — Ueber eine geotropische Kammer siehe Sachs, Flora 1895, p. 293. 5) Vgl. Botan. Zeitg. 1887, p 27. 570 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. werk, mit Flügelregulation, das unter der Schutzhülle a an dem Deckel h des schweren Kastens li befestigt ist. An einem der (zwei oder drei) Zapfen, welche an der entgegengesetzten Seite des Deckels hervorstehen, ist in Fig. 64J. mittelst des Universalgelenks / die Achse c befestigt, welche auf den beweglichen Rollen des Stativs c? ruht. Dieselbeträgt in der Figur eine Einrichtung ^r zum Befestigen eines Blumentopfes, an deren Stelle aber z. B. auch ein Halter gesetzt werden kann, der gestattet, die Topfpflanze senkrecht zur Achse c zu fixiren. Bringt man an Stelle der Achse c die längere Achse m (Fig. 6 4 5), so lassen sich an diese mit Hilfe von Korken / Keimpflanzen etc. befestigen. Zur Demonstration empfiehlt es sich, über die Achse m den Glascylinder i zu schieben. Enthält dieser Cvlinder etwas Wasser, so Mdrd in Folge der Umdrehung die Glaswand benetzt und, durch Verhindern des Beschlagens, durchsichtig erhalten. Ausserdem können Fig. 64. die Keimpflanzen durch Papierstreifen, welche der Glaswand anliegen, in der auf der vorigen Seite angegebenen Weise dauernd mit Wasser versoi'üt werden. Schliesst man den Kasten h durch Zurückschlagen des Deckels i, und steckt man auf einen der Triebzapfen ein Tischchen, so lassen sich nunmehr Blumen- töpfe u. s. w. in verticaler Stellung um die eigene Achse drehen. Ferner kann man der Achse c u. s. w. eine beliebige Neigung geben, indem man den Deckel b in schiefer Lage durch die Klemmschraube n fixirt und das Lager o ent- sprechend einstellt. Auch lässt sich an Stelle der Achse c eine Riemscheibe aufstecken, und mit Hilfe einer Seiltransmission z. B. eine unter Wasser befind- liche Glaswelle in Bewegung setzen i). Der Appai'at besitzt eine solche Betriebs- energie, dass man mit demselben gleichzeitig einige Blumentöpfe in Drehung 1) Vgl. J.Richter, Flora 1894, p. 409; P. Klemm, Flora 1893, p. 476. Am besten verwendet man als Transmissionsriemen eine ringförmig zusammengefügte, stark- wandige Kautschukröhre. § Hl. Geotropismus. Methodisches. 571 setzen kann, die in geeigneter Weise an der horizontalen Achse c befestigt sind^). Besonders bei einer so ansehnlichen Inanspruchnahme muss für Aequili- brirung, d. h. dafür gesorgt sein, dass der Apparat in jeder Phase der Um- drehung ungefähr dieselbe Arbeit zu leisten hat. Man erzielt dieses, indem man durch Lösung der Klemmschraube hinter /" die Achse c in Freiheit setzt, darauf den Stab e vertical aufwärts stellt und das an demselben befindliche Laufgewicht so verschiebt, dass bei der Umdrehung der Aehse c in jeder Lage Gleichgewicht besteht, dass also die einseitige Ueberlastung äquilibrirt ist. Durch die Verstellung der Regulirflügel und durch eine Verschiebung im Laufwerk lässt sich eine jede Umlaufzeit zwischen 2 und 70 Minuten, bei dem Apparat mit 3 Triebzapfen sogar zwischen 2 Minuten und 8 Stunden herstellen. Zu diesem Apparat hat Fitting in jüngster Zeit ein Ansatzstück bauen lassen, das erlaubt, die Pflanze nach einer gewünschten Zeit um 180 Grad oder um einen anderen Betrag zu drehen. Auf diese Weise lässt sich also z. B. erreichen, dass die Flanke der Pflanze, die bisher der Lichtquelle oder dem Erdmittelpunkt zugewandt war, nach einer gewissen Zeit in die abgewandte Lage und nach einem bestimmten Intervall wieder in die frühere Lage u. s. w. gebracht wird 2). Es ist hier nicht geboten, die verschiedenen, von anderen Forschern 3) construirten Klinostaten zu beschreiben, die übrigens nur zum Theil den an ein Präcisions- instrument zu stellenden Anforderungen entsprechen, und von denen, soweit ich beurtheilen kann, keiner an Exactheit und allseitiger Verwendbarkeit den soeben beschriebenen Klinostaten erreicht oder übertrifft. Ein sehr einfacher Klinostat, der für manche Zwecke, z.B. für Demonstrationen, brauchbar ist, lässt sich übrigens für einige Mark aus einer sog. amerikanischen Weckeruhr herstellen, an der man durch die Einschaltung einer entsprechenden Zahnradübersetzung z. B. eine Trieb- achse mit halbstündiger Umdrehungszeit gewinnen kann. Indem an diese ein Glasstab durch Ueberschieben eines kräftigen Gummischlauchstückes befestigt wird, erhält man eine horizontale W^elle, an der Keimpflanzen etc. fixirt werden können. Befestigt man ausserdem das Uhrwerk in verstellbarer Weise in einen Metallbügel, so lässt sich der Drehachse eine verticale, geneigte oder horizontale Lage geben. Zur Prüfung der Wirkung einer erhöhten Centrifugalkraft kann selbstverständ- lich eine jede schnell rotirende Scheibe benutzt werden. Ein Apparat, der mit einem Wassermotor betrieben wird und alle möglichen Abstufungen der Flieh- \) Siehe A. Fischer, Botan. Ztg. 1890, p. 705. 2; Einen intermittirenden Klinostat einfacherer Art, der aber nicht so mannig- fache Modificationen erlaubt, hat Fr. Darwin (Annais of Botany 1892, Bd. 6, p. 245) benutzt. — Eine intermittirende Drehung würde sich auch leicht unter Zuhilfe- nahme elektromagnetischer Auslösung erzielen lassen. Wie man an meinen Klinostaten eine einfache Vorrichtung anpassen kann, die es gestattet, electrische Auslösungen in kurzen oder langen, sowie in äqualen oder inäqualen Intervallen zu erzielen, ist aus meinen Andeutungen in den Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 738 zu ersehen. 3; Vgl. z. B. Fr. Darwin, I^innean Soc. 1881 , p. 449; W.'ortmann, Ber. d. Bot. Gesellsch. 1886, p. 245; Klemm, Flora ^893, p. 472; Hansen, Flora 1897, Ergzbd. p. 352; W. Oels, Pflanzenphysiol. Unters. 1893, p. 50. — Auch aus den im Handel be- findlichen kräftigen Triebwerken (Preis ca. 60 Mark;, die zum Drehen eines Tisches etc. in Schaufenstern bestimmt sind, lässt sich ein Klinostat construiren, indem man die Umdrehungsschnelligkeit durch die Veränderung der Flügelregulation oder durch die Einschaltung einer Ankerregulation entsprechend verlangsamt. — Sofern ein constant temperirtes Zimmer nicht zur Verfügung steht, lassen sich die Versuchsobjecte durch eine von Czapek (Ber. d. Botan. Gesellsch. 1900, p. 131) beschriebene Vorrichtung bei constanter Temperatur halten. 572 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. kraft bis zu 40 g gestattet, ist in den Untersuch, a. d. botan. Institut zu Tübingen 1881, Bd. 1, p. 57 beschrieben. Im Leipziger Institut befindet sicli ein mit einem I pferdigen Gasmotor betriebener Apparat, bei dem die verschiedenen Umdrelumgs- schnelliglveiten mit Hilfe von Stufenscheiben und zwei conischen Wellen herirestellt werden 1). Ausserdem habe ich mir nach dem Princip der Milchcentrifuge einen Apparat bauen lassen, der Centrifugalwirlumgen bis zu 4000 g liefert 2). Anderer- seits lassen sich sehr geringe Centrifugalwirkungen mittelst des oben beschriebenen Klinostaten gewinnen 3]. Mit Hilfe dieser Abstufungen lässt sich für die Centrifugalwirkung, also auch für die Schwerkraft, die Reizschwelle und das Verhältniss zwischen Reiz- größe und Reactionsgröße ermitteln (II, § 124). Jedoch ist zu beachten, dass mit zunehmender Centrifugalwirkung die Massenbeschleunigung (das Gewicht) derart steigt, dass schliesslich die activen Krümmungsbestrebungen überwunden, die Pflanze und ihre Organe also mechanisch gebeugt werden (II, § 29, § 12 8). § 112. Hello tropismiis. Fassen wir als Heliotropismus alle diejenigen Orientirungsbewegungen zu- sammen, welche, gleichviel wie sie im näheren zu Stande kommen, das gemein- sam haben, dass sie durch die einseitige Beleuchtung (LichtdilTerenz) ausgelöst werden, so ist damit eine handliche Begriffsbestimmung gewonnen (II, p. 547). Da aber durch den diffusen Beleuchtungswechsel auch anderweitige Reactionen (durch Photonastie, durch Stimmungswechsel etc.) hervorgerufen werden können, so ist es, insbesondere bei dorsiventralen Organen, nicht immer leicht zu ent- scheiden, ob die Krümmungsreaction durch eine heliotropische oder eine ander- weitige Auslösung, bezw. durch eine Gombination verschiedener Vorgänge, ver- ursacht wird 4). Ferner ist zu beachten, dass auch die heliotropische Gleich- gewichtslage mit der Lichtintensität verschoben werden kann und in manchen Fällen sogar so weit modificirt wird, dass die Richtung der Krümmungsbewegung umgekehrt wird. Eine solche Umkehrung ist besonders auffällig bei denjenigen Schwärm- zellen, die bei schwacher einseitiger Beleuchtung positiv phototactisch reagiren, 1) Vgl. Jahrb. f. wiss. Bot. isgö, Bd. 27, p. 304. Die Centrifugalwirkung berechnet sich nach der bekannten Formel \—, bei der — (= 4,024] eine Constante ist. 72 = gt- 9 Radius in Metern, ;! = Umdrehungszeit in Secunden. Aus der Formel ist zu ersehen, dass die Anwendung eines grossen Radius zur Erzielung einer bestimmten Schwung- kraft den Vortheil gewährt, dass die Fliehkraft für die gleiche Zunahme des Ab- standes vom Rotationscentrum langsamer zunimmt. — Ueber einfachere, aber z. B. zur Demonstration geeignete Centrifugalapparate vgl. u. a. W. Oels, 1. c. p. 51; Detmer, Pflanzenphysiol. Practicum 1895, II. Aufl., p. 384; Hansen, Flora 1893, Ergzbd. p. 352. — Mit Hilfe von genügend constant gehenden, kleinen Wassermotoren, Gasmotoren, Heissluftmotoren, Electromotoren und geeigneten Reductionstransmissionen kann man natürlich auch langsame KHnostatendrehungen erzielen. 2) M. Mottier, Annais of Botany 1899, Bd. 13, p. 32G, arbeitete seiner Zeit mit einer minder leistungsfähigen Milchcentrifuge. 3) Vgl. Czapek, 1. c. p. 305. 4) Vgl. Bd. II, § 107—109 etc. Ueber formative Erfolge vgl. Bd. II, § 23-27. § 112. Heliotropismus. 573 bei genügender Steigerung der Lichtintensität aber sich plötzlich umwenden, also sich negativ phototactisch verhalten (II, § 145). Eine analoge Veränderung der Gleichgewichtslage ist indess auch, in Bezug auf die Krünimungsbewegungen, bei radiären Organen verschiedener Pflanzen (Vaucheria, Phycomyces, Keim- stengel von Lepidium u. s. w.) constatirt, die bis zu einer gewissen Lichtintensität positiv phototropisch reagiren, nach Ueberschreitung dieser Grenze aber, je nach der Steigerung der Lichtintensität, eine anaplagiotrope, diatrope, kataplagiotrope, oder endlich sogar eine negativ parallelotrope Gleichgewichtslage annehmen i). Derartige Verschiebungen treten (analog wie bei den Schwärmzellen) bei ge- wissen Pflanzen schon bei massiger, bei anderen Pflanzen erst bei sehr hoher Lichtintensität ein, und können natürlich dann nicht beobachtet werden, wenn die Reaction noch nicht durch diejenige Lichtintensität hervorgerufen wird, die ohne Schaden ertragen wird (II, § 69). In dieser Weise scheinen sich manche Pflanzen zu verhalten, während bei anderen, nach den unten mitgetheilten Ver- suchen, die Ablenkung aus der positiv heliotropischen Gleichgewichtslage erst bei sehr hoher Lichtintensität eintritt und desshalb unter normalen Vegetations- bedingungen nicht vorkommt. Dagegen reagiren die Ranken von Vitis und Ampelopsis nach V^iesner^j nur bei sehr schwacher einseitiger Beleuchtung positiv und schon bei massiger einseitiger Beleuchtung negativ heliotropisch. Daraus folgt aber nicht, dass bei jedem negativ heliotropischen Organ durch genügende Abschwächung der einseitigen Beleuchtung ein positiver Heliotropismus nachweisbar sein muss. Uebrigens ist es begreiflich, dass die Angaben über die phototropische Reaction und den Wechsel der phototropischen Gleichgewichts- lage nicht immer übereinstimmen, weil die maassgebende tropistische Stimmung etc. mit dem Entwickelungsstadium, den Aussenbedingungen u. s. w. veränderlich ist^). Nachdem N. J. C. Müller^) bei den Keimlingen von Lepidium, Stalil^) bei den Fäden von Vaucheria, Berthold*') bei einigen Meeresalgen constatirt hatten, dass die positiv heliotrope Lage bei stärkerer Lichtwirkung in eine plagiotrop bis negativ phototrope Lage übergeht, wurden ausgedehntere Untersuchungen von Oltmanns angestellt, der zunächst '') ebenfalls mit Sonnenlicht, später 8) mit 1) Hier sind positive und negative Bewegung in dem Bd. H, p. 548 angegebenen Sinne zu nehmen. Es ist aber nicht zulässig, die transversale Stellung mit Olt- manns (1. c.) als eine indifferente Lage anzusehen, da sie, ebensogut wie jede andere Lage, einer durch den Reiz herbeigeführten Gleichgewichtslage entspricht. 2) Wiesner, Die hehotropischen Erscheinungen -1880, 11, p. 38. Vgl. Bd. II, p. 419. Ueber phototactische Umkehrungen vgl. Bd. II, §145. 3) Vgl. Bd. II, § 107, 119. Nach Oltmanns, Flora 1897, p. 7, reagiren z. B. die jüngeren Fruchtträger von Phycomyces positiv heliotropisch bei einer Lichtintensität, welche bei den älteren Fruchtträgern eine transversale oder negativ heliotropische Gleichgewichtslage hervorruft. 4) N. J. C. Müller, Botanische Unters. 1872, Bd. 1. p. 57. 5) Stahl, Botan. Zeit. 1880, p. 412; Botan. Centralbl. 1882, Bd. 12, p. 142. VgL Oltmanns, Flora 1892, p. 214. 6) Berthold, Jahrb. f. wiss. Botan. 1882, Bd. 13, p. 574 ff. 7) Oltmanns, Flora 1892, p. 214. Ueber die Abstufung des Lichts durch An- wendung von Tuschprismen siehe Oltmanns, 1. c. p. 183 und Jahrb. f. wiss. Botan. 1892, Bd. 23, p. 416. 8) Oltmanns, Flora 1897, p. 1. Näheres über die Methode vgl. Oltmanns 574 Kap. XIII. Tropistische Kriimmungsbewegungen. einer starken elektrischen Bogenlampe operirte. Bei diesen Experimenten ergab sich, dass die transversale (diaheliotropische) Gleichgewichtslage von dem Sporan- giumträger des Phycomyces nitens da angenommen wurde, wo die Helligkeit im Strahlenkegel 25 000 Hefnerlampen betrug, während derselbe Erfolg bei den Keim- lingen von Lepidium sativum und Hoi'deum erst bei 500 00 0 — 600 000 Hefnerlicht eintrat^). Uebrigens lassen die Beobachtungen in der Natur vermuthen, dass radiäre Organe verschiedener Pflanzen bei schwächerer emseitiger Beleuchtung Fig. 65. Keimpflanze Ton Sinapis alba, bei der das Hypocotyl sieb positiv, die im Wasser be- findlicbe Wurzel sieb negativ beliotropiscb ge- krümmt bat. I»ie Beleucbtungsrichtung ist durcb die Pfeile angedeutet. eine positiv parallelotrope, bei directer Beson- nung eine mehr oder weniger plagiophototrope Gleichgewichtslage annehmen-). Auch ändert sich bei vielen dorsiventralen Organen die mit der Intensität der Ist nun in vielen Fällen der Complex von Factoren und Reac- tionen nicht aufgeklärt , durch welchen ein solcher Erfolg erzielt ward, Gleichgewichtslage einseitigen Beleuchtung. viel der der gewiss , Lichtlage so ist doch so dass bei dem Zustandekommen von Blättern, der Prothallien Farne, des Thallus von Marchantia, der plagiotropen Sprosse des Epheus u. s. w% he- liotropische Reactionen eine hervorragende Rolle spielen (Näheres II, § 131, 132). Ferner- hin (II, § 146) werden wir auch erfahren, dass bei Mesocarpus die Chlorophvllplatte jederzeit durch die tropistische Lichtwirkung aus der Flächenstellung in die Profilstellung übergeführt werden kann und umgekehrt. gens darin ausgesprochen, andere oberirdische Eine zweckentsprechende Ausbildung der heliotropischen Eigenschaften ist übri- viele dass die meisten Keimstengel und Stengelorgane bei gewöhnlichen (Fig. 65) Beleuchtunüsverhältnissen 1. c. Ueber die Wegnahme der Wärmestrahlen siehe auch Pfeffer, Jahrb. f. wiss. Botan. 1900, Bd. 35, p. 711. — Ueber Verwendung von Flammen vgl. ferner Wiesner, 1. c. 1878, I, p. 35. — Ueber die Localisirung der einseitigen Beleuchtung vgl. Bd. II, § 120. Ausserdem ist es ja leicht, durch Ueberdecken der Pflanzen mit einem schwarzen Kasten, der nur von einer Seite oder durch einen Spalt Licht zutreten lässt, eine starke heliotropische Wirkung zu erzielen. Ueber eine heliotropische Kammer vgl. z. B. Sachs, Flora 1895, p. 293. — Ueber die Eliminirung des Geotropismus am Klinostaten bei Fortdauer der heliotropischen Wirkung vgl. Bd. II, p. 567. 1) Die Helligkeit einer Hefnerlampe entspricht 1,1 G2 deutscher Vereinskerze. Die Wallrathkerze, die Wiesner (1. c.) als Lichteinheit amvandte, ist gleichwerthig mit der Hefnerlampe. Oltmanns 1897, 1. c. p. 2, 20. — Der Stillstand des Wachsthums und der heliotropischen Krümmung, den Wiesner schon bei viel geringerer Helligkeit beobachtete, ist, wie schon früher (Bd. H. p. 108) mügetheilt wurde, offenbar durch eine anderweitige Nebenwirkung der angewandten Gasflamme verursacht. Uebrigens ist zu beachten, dass für die heliotropische Wirkung hauptsächlich die stärker brech- baren Strahlen in Betracht kommen ;Bd. II, § 1 l 3), und dass demgemäss die Wirkung von Lichtquellen nicht nach der Helligkeit abgeschätzt und verghchen werden kann. ,Vgl. auch Wiesner, Bot. Centralbl. 1897, Bd. 69, p. 305.) 2) Vgl. Oltmanns, Flora 1892, p. 225. § 112. Heliotropismus. 575 positiv phototropisch reagiren '). Denn durch eine solche Krümmung des Stengels werden zugleich die Blätter in helleres Licht geführt, in welchem sich ausser- dem die photometrischen Blätter durch ihr eigenes Reactionsvermögen zumeist so Orientiren, dass die Blattiläche annähernd senkrecht zum stärksten, dit'iusen Licht zu stehen kommt (II, § 132). Einen positiven Heliotropismus pflegen z. B. auch die Keimstengel der Schlingpflanzen zu besitzen, bei welchen der windende Stengel zweckentsprechend zumeist nicht oder nur schwach positiv oder negativ phototropisch reagirt (II, p. 412). Analog verhalten sich die meisten Ranken, unter denen es einige giebt, bei welchen der negative Heliotropismus die An- näherung und Anpressung an die Stütze begünstigt (H, p. 419). Ebenso ist es vortheilhaft, dass im allgemeinen diejenigen Luftwurzeln von Aroideen, Orchideen, Hartwegia u. s. w. mit negativem (oder transversalem) Helio- tropismus ausgestattet sind, deren Aufgabe es ist, sich an eine Stütze an- zuschmiegen, während bei den direct in den Boden herabsteigenden Luftwurzeln die heliotropische Reactionsfähigkeit zurückzutreten pflegt'^). Ferner wird z. B. durch negativen Heliotropismus die A\'endung der Keimwurzel (des hypocotylen Gliedes) von Yiscum gegen die Nährpflanze befördert 3), Avährend der Stengel von Viscum zweckentsprechend weder heliotropisch noch geotropisch reagirt (vgl. II, p. 562). Uebrigens sind auch die Seitenäste verschiedener Bäume und Sträucher in untergeordneter Weise heliotropisch (II, § 131). Dasselbe ist der Fall bei verschiedenen, oberirdischen Ausläufern, deren Orientirung vielfach durch eine mit der Lichtsteigerung veränderliche geotropische Reaction erzielt wird (II, §131). Die Wurzeln, welche normalerweise in der Erde wachsen, sind in der Regel nicht oder nur schwach negativ (Sinapis alba, Lepidium sativum, Helianthus annuus etc.) oder positiv (Allium sativum, Hyacinthus orientalis etc.) heho- tropisch^). Zahlreiche Beispiele für den Heliotropismus chlorophyllfreier Organe liefern die Pilze. So sind z. B. die Hutstiele von Coprinus stercorarius^) und niveus^), die Stiele von Peziza Fuckeliana "), die Perithecien von Sordaria fimiseda^j, die 1) Einzelne Thatsachen über Stengel und andere Organe, sowie Literaturangaben bei J. VViesner, Die heliotropischen Erscheinungen im Pflanzenreich I, ls78; II, 1880 (Separat, a. Denkschrift d. Wien. Acad. Bd. 39\ Weitere Thatsachen in der in diesem Paragraphen und in der § 131, 132 citirten Literatur. Ueber den Heliotropismus der Is^eimlinge von Gramineen vgl. Bd. II, § 120. 2) Dutrochet, Annal. d. scienc. natur. 1833, Bd. 29, p. 413; Wiesner, 1. c. 1880, n, p.76; H. Müller, Flora 187G, p. 93; A. F. W. Schimper, Bot. Centralbl. 1884, Bd. 17, p. 274; Die epiphytische Vegetation Amerikas 1 888 , p. 53; Went, Annal. d. Jardin. Botan. d. Buitenzorg 1894, Bd. 12, p. 24. J. Massart, Sur rirritabilite d. plantes superieures 1902, p. 6ü. Ficus.^ 3) Dutrochet, Rech. s. 1. structure intime etc. 1824, p. 115; Wiesner, Sitzgsb. d. Wiener Akad. 1894, Bd. 103, Abth. 1, p. 436. — Keeble, Transact. of the Linnean See. 1896, p. 112 (Loranthus). 4) Literatur und zahlreiche Beobachtungen bei Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen 1880, II, p. 79. — Ferner F. G. Kohl, Mechanik der Reizkrüm- mungen 1894, p. 26. 5) Brefeld, Unters, über Schimmelpilze 1877, Heft 3, p. 96. 6) Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. 289; Wiesner, 1. c. 1880, II, p. 89. 7) G. Winter. Botan. Zeit. 1874, p. 1. S) De Bary und Woronin, Beiträge z. Morphol. u. Physiol. d. Pilze 1870, III. Reihe, p. 10. 576 Ka-p. XIII. Tropistisclie Krümmungsbewegungen. Perithecienträger von Claviceps microcephala i) positiv heliotropisch. Ebenso verhalten sich die Sporangiumträger von Phycomyces nitens, Mucor mucedo, Pilobohis crystallinus und verschiedener einzelliger Mucorineen^]. Bei diesen, wie überhaupt bei vielen Pilzen, scheint das auf und in dem Substrat befind- liche Mycelium nicht oder nur wenig hehotropisch empfindlich zu sein. Wohl aber sind die Rhizoiden von Marchantia^), der Prothallien von Farnen "i) und Equisetum^) Beispiele für einzellige Objecte, welche schon bei massiger Be- leuchtung eine negativ heliotropische Reaction ausführen, die bei dem Sporangium- träger von Phycomyces und bei Vaucheria erst bei hoher Lichtintensität ein- tritt (II, p. 573). Wie Vaucheria verhalten sich z. B. auch die einzelligen Schläuche von Caulerpa und Bryopsis^), sowie die hiternodien von Nitella und Chara'^), bei gewöhnlicher Beleuchtung positiv heliotropisch. Ueberhaupt ist öfters bei Algen, die zum Theil nicht auf hohe Lichtintensität gestimmt sind, die Befähigung zu heliotropischen Orientirungsbewegungen vorhanden s). Ohne Frage wird auch der heliotropische Reactionserfolg (die heliotropische Stimmung) mit derEntwickelung und durch die Aussenbedingungen vielfach in mehr oder weniger hohem Grade modificirt (II, § 121, 122, 131, 132; über Schwärm- zellen vgl. II, § 142). Weitgehend geschieht das bei den Blüthenstielen von Linaria cymbalaria, die zur Blüthezeit positiv hehotropisch sind, weiterhin aber durch die Gewinnung von negativem Ileliotropismus die heranreifende Kapsel gegen die Mauer und in die Mauerspalten führen 9). Ferner verhalten sich die 1) G. Kraus, Bot. Ztg. 1876, p. 50.5; Duchartre. Compt. rend. 1S70. Bd. 70. p. 779. 2) Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. 289; Vines, Arbeit, d. Botan. Instituts in Würzburg 1878, Bd. II, p. 133; Wiesner, 1. c. II, p. 83;K. S tey er , Reizkrümmungen bei Phycomyces nitens 1901. — Wenn Pilobolus während derEntwickelung durch einsei- tige Beleuchtung heliotropisch gerichtet wird, so werden die geradlinig abgeschleuderten Sporangien (Bd. II, p. 54 2) nach der Lichtquelle hin fliegen und demgemäss in ent- sprechender Weise an einer vorgestellten Glasplatte sich ansammeln. Noll, Flora 1893, p. 32. — Weitere Angaben in der citirten Lit. . sowie ferner z. B. bei Sorokin, Botan. Jahresber. 1874. p. 214; Fischer v. Waldheim, ebenda 1875, p. 779; Bre- feld, Botan. Unters, über Schimmelpilze Hft. III, VI, VII; Zopf, Püze 1890, p. 204; EIfving. Einwirkung d. Lichtes auf Pilze 1890, p. 19; Eidam, Cohn's Beiträge zur Biologie 18s6, Bd. 4, p. 212; Klebs, Jahrb. f. wiss. Botan. 1898. Bd. 32, p. Ö5 (Sporo- dinia); F. W. Neger, Flora 1902, p. 228 (Erysiphe). 3) Pfeffer, Arbeit, d. Botan. Instit. in Würzburg 1871, Bd. l, p. 88. 4) Leitgeb, Studien über d. Entwickelung d. Farne 1879, p. 7 (Sep. a. Sitzungsb. d. Wien. Acad. Bd. 80, Abth. 1); Prantl, Flora 1879, p. 679. 5) Stahl, Ber. d. botan. Gesellsch. 1885, p. 338; 0. Buchtien, Bibliotheca bota- nica 1887, Hft. 8, p. 28. 6) Klemm, Flora 1893. p. 472; Noll, Arb. d. botan. Instit. in Würzburg 1888, p. 467 (vgl. auch dieses Buch Bd. II, p. 189). 7) Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. 289; J. Richter. Flora 1894, p. 400. 8) Vgl. z.B. Oltmanns, 1. c, und Berthold, Jahrb. f. wiss. Botan. 1882, Bd. 12, p. 573, 581; E. Winkler, Krümmungsbewegungen von Spirogyra 1902, p. 20. 9) Hofmeister. 1. c. p. 292. Nach Wies ner (Die heliotropischen Erscheinungen n, p. 72; verhalten sich ähnlich die Blüthen-, bezw. Fruchtstiele von Helianthemum vulgare. — Ferner sind z. B. nach Oltmanns (Flora 1897, p. 7) die älteren Sporan- gienträger von Phycomyces nitens auf geringere Lichtintensität gestimmt und reagiren demgemäss schon negativ heliotropisch bei einer Beleuchtung, bei welcher junge Sporangienträger sich mehr oder weniger positiv heliotropisch verhalten. § 113. Heliotropische Wirkung der Strahlen verschiedener Wellenlänge. 577 jugendlichen Internodien von Tropaeolum majus ^) und von verschiedenen Pflanzen positiv heliotropisch (oder indifferent) gegenüber einer einseitigen Beleuchtung, Tjei welcher die älteren Internodien eine positiv oder negativ klinotrope Gleich- gewichtslage annehmen. Gemäss unserer Definition (II, p. 547) sprechen wir einen solchen Vorgang als eine heliotropische Reaction auch dann an, wenn die Verschiebung der heliotropischen Gleichgewichtslage durch das Hinzukommen einer dor.=iventralen Induction oder durch andere, von der einseitigen Beleuchtung abhängige Processe und Combinationen bedingt ist. Demgemäss wird auch bei dem Epheu etc. durch den Uebergang der älter werdenden Internodien in die klinotrope Lichtlage eine Modification der heliotropischen Ueactionsfähigkeit an- gezeigt (vgl. II, § 131). Da aber ein solcher Wechsel der Gleichgewichtslage ebenfalls durch die Modification anderer Eigenschaften herbeigeführt werden kann, so lässt sich immer nur empirisch entscheiden, ob und in wie weit ein be- stimmter Erfolg durch die Veränderung der heliotropischen Eigenschaften ver- ursacht wird, in dieser Hinsicht sind aber kritische Untersuchungen nur bei einzelnen Objecten ausgeführt (Näheres vgl. II, § 131, 132). § 113. Heliotropische Wirkung der Strahlen verschiedener Wellenlänge. Es wurde schon früher (II, § 27) hervorgehoben, dass bei den heliotropischen, sowie bei anderen photischen Wachsthums-, Bildungs- und Bewegungsprocessen die stärker brechbaren Strahlen am wirksamsten zu sein pflegen. Demgemäss tritt hinter einer Lösung von Kupferoxydammoniak, welche die blauen und violetten Strahlen passiren lässt (vgl. II, p. 336), die heliotropische Krümmung gewöhnlich fast ebenso schnell ein, wie im gemischten Lichte, während hinter einer Lösung von Kahumbichromat, welche nur die minder brechbaren Strahlen durchlässt, gewöhnlich ein geringerer oder auch kein heliotropischer Effect zu bemerken ist (über die phototactische Wirkung vgl. II, § 145). In dieser Weise verhalten sich positiv und negativ'-) heliotropische, grüne und chlorophyllfreie, vielzellige und einzellige Objecte. Jedoch fällt die Curve der relativen Wirksamkeit nicht bei allen Pflanzen identisch aus. Nach G. Kraus 3) reagiren sogar die positiv phototropischen Perithecienträger von Claviceps microcephala hinter Kaliumbichromatlösung fast ebenso schnell, wie hinter 1) Sachs, Experimentalphysiol. 1865, p. 41; Arbeit, d. botan. histit. zu Würzburg 1879, Bd. 2, p. 271. 2) Ueber negativ heliotropische Organe vgl. Wolkoff, mitgetheilt bei Hof- meister. Pflanzenzelle 1867, p. 299 (Luftwurzeln); Sachs, Lehrbuch IV. Aufl.. p. 810 ,'Epheu); G. Kraus, Botan. Ztg. 1876, p. 505 (Luftwurzeln); Prantl, Bot. Ztg. 1879 p. 699 fBhizoiden von Farnprothallien); Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen im Pflanzenreich 1878, I, p. 53. — Die Angaben Sorokin's (Botan. Jahresber. 1874, p. 214), nach denen Mucor mucedo und einige andere Pilze im blauen Lichte (Kupfer- oxydammoniak) positiv, im gelben Lichte (Kaliumbichromat negativ heliotropisch reagiren sollen, ist nach den Versuchen anderer Forscher nicht zutreffend. ^Vgl. z. B. Wiesner, 1. c. II, p. 88.) 3) G. Kraus, Bot. Ztg. 1876, p. öOo. Pfeffer, Pilanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 37 578 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Kupferoxydammoniak. Aehnlich scheint sich nach Bre fei d*) Pilobokis micros- porus zu verhalten. Auch auf den Sporangiumträser von F*ilobolus crystallinus 2) übt das selbrothe Lichtgemisch eine ansehnliche ^^'irkung aus, wenn auch eine minder starke, als die stärker brechbare Spectralhälfte. Derartige specifische Verschiedenheiten sind auch für andere Wachsthums- und Bewegungsvorgänge bekannt, und es wurde bereits (II, § 27) betont, dass die Spectralcurve für diese Functionen nicht in allen Fällen mit der Curve der heliotropischen Reaction übereinstimmen muss. Eine solche Differenz wird z. B. dadurch angezeigt, dass sich Pilobolus und Goprinus stercorarius im gelbrothen Licht in Bezug auf Etiolement und formative Thätigkeit wie im Dunkeln verhalten (II, p. 120), während sie auch in diesen Strahlen stark heUotropisch reagiren. Dagegen haben bei den Peritheciumträgern von Glaviceps microcephala die gelbrothen Strahlen nicht nur in Bezug auf den Heliotropismus, sondern auch in Bezug auf das Etiolement (II, p. 1 1 8) annähernd dieselbe Wirkung, wie die stärker brechbare Spectralhälfte. In den meisten Fällen fällt nach Wiesner^) die Curve für die photo- tropische Wirksamkeit der Spectralbezirke im näheren so aus, dass das Haupt- maximum der heliotropischen Wirkung zwischen ultraviolett und Violett zu liegen kommt. Von hier ab sinkt die (nach der Krümmungsschnelligkeit bemessene) heliotropische Wirkung allmählich bis zum Grün, wird im Gelb Null^), beginnt dann wieder im Orange und steigt bis zu dem zweiten, kleineren Maximum im Ultraroth ^i. So ist es begreiflich, dass bei Abschwächung der Lichtquelle, oder bei Verwendung von wenig sensibeln Pflanzen, eine merkliche Reaction nur in den stärker brechbaren Strahlen eintritt. Jedoch ist es auch möglich, dass es Organe giebt, bei welchen nur die stärker brechbaren Strahlen eine hehotropische Reaction auszulösen vermögen. Es kann hier nicht näher auf die Untersuchungen eingegangen werden, die von verschiedenen Forsehern ^) in Bezug auf die heliotropische Wirkung der verschiedenai'tigen Lichtstrahlen ausgeführt wurden. Bemerkt sei nur, dass 1) Brefeld. Unters, über Schimmelpilze 1881, Heft 4. p. 77; Fr. Gräntz. Ueber d. Einfluss d. Lichtes auf d. Entwickelung einiger Pilze 1898. p. 18. 2) Wiesner. 1. c. II, p. 88. 3) Wiesner, 1. c. I. p. 50. 4 Es ist beachtenswerth, dass die gelben Strahlen einen gewissen Einfluss auf die Zuwachsbewegung ausüben. Vgl. Wiesner, 1. c. II, p. 11; ferner dieses Buch II, § 27, wo auch die besondere Beeinflussung durch grüne Strahlen discutirt ist. 5) Nach Wiesner :l. c. I. p. 46; wirken auch die ultrarothen Strahlen, welche eine Lösung von Jod in Schwefelkohlenstoff durchlässt. Ueber Thermotropismus vgl. dieses Buch Bd. II. § 114. R] Poggioli (1817): Zantedeschi. Bot. Ztg.iS43, p. 620: Payer, Annal. d. scienc. naturell. 1844, III. ser., Bd. 2, p. 99; Dutrochet, ebenda 18i3. II. ser., Bd. 20, p. 329; Gardner, London Edinburgh and Dublin Philosophical Magazine 1844, Bd. 24. p. 7 ; Guillemin. Annal. d. scienc. naturell. 18-i7, IV. ser., Bd. 7, p. 154; Sachs. Bot. Ztg. 1864. p. 361; N. J. C. Müller, Botan. Untersuch. 1872, Bd. I, p. 57; G. Kraus 1876, 1. c; Wies n er. Die heliotropischen Erscheinungen 1878, I, p. 44; 1880, II, p. 1 0, 87, 89, sowie die citirten neueren Arbeiten. Die Literatur ist ausführlich behandelt bei Wiesner 1. c. . — Ueber Methodik vgl. Wiesner. sowie dieses Buch Bd. I, p. 335. § H4. Thermo tropismus. 579 bereits Guillemin (1. c.) mit viel Umsicht operirte mid auch darauf hinwies, dass sich in Folge der verschiedenen Absorption und Dispersion der Stralilen die Lage der hehotropischen Maxima verschiebt, je naclidem Prismen aus Quarz, Steinsalz oder Flintglas verwandt werden. Aus diesen und anderen Gründen ist es begreiflich, dass die von Guillemin, Wiesner und anderen Forschern gefun- denen Curven nicht immer völlig übereinstimmen. Dass Sachs (1. c.) hinter Kaliumbichromatlösung keine heliotropische Wirkung beobachtete, dürfte durch die Eigenschaften der angewandten Objecte oder durch eine zu geringe Intensität der Beleuchtung verursacht worden sein. Uebrigens wird nach Wiesner (1. c. p. 50) die heliotropische Wirkung der rothen und orangen Strahlen durch die Beimischung der gelben Strahlen geschwächt. Ferner ist es leicht zu verstehen, dass sich die Pflanzen, wie Gardner, Guillemin und Wiesner (1. c. I, p. 51) be- obachteten, nicht genau in der Ebene der Strahlen, sondern etwas seithch, nach den wirksameren Spectralbezirken hin krümmen. Polarisirtes Licht wirkt nach Guillemin^) und Askenasy^) ebenso wie gewöhnliches Licht. Wie schon II, p. 12 1 betont wurde, ist aber nicht nur die physiologische Wirkung der für unser Auge sichtbaren, sondern die aller übrigen Arten von Strahlen zu beachten. Thatsächlich kommt den unsichtbaren ultravioletten Strahlen eine ansehnliche und den ultrarothen Strahlen eine schwächere phototropistische Wirkung zu. Fiü' die llöntgeustrahlen sind gewisse physiologische Einflüsse, besonders schädliche bekannt 3). Eine tropistische Wirkung vermochte aber Schober an Keimlingen nicht zu erzielen, während Paramaecium und Daphnien nach H. Joseph und S. Prowazek (1. c. p. 152) negativ tactisch reagiren. — Für die Becquerel- und Radiumstrahlen, die ebenfalls einen gewissen, speciell einen schädigenden Einfluss auszuüben vermögen 4), sind bis dahin keine tro- pistischen Wirkungen nachgewiesen. § IM. Thermotropismus. Ausser durch die ultrarothen Strahlen, die im Spectrum sich an die sicht- baren rothen Strahlen anschliessen (vgl. II, p. 578), wird bei einigen Objecten auch durch die Wärmestrahlen grösserer Wellenlänge, überhaupt durch Temperaturdifferenzen, eine tropistische Reizung (ein Thermotropismus) aus- gelöst. Soweit die vorliegenden Untersuchungen ein Urtheil gestatten, ist aber ein ausgesprochener Thermotropismus nicht sehr verbreitet, und es ist auch ökologisch verständlich, dass bei den festgewurzelten und selbst bei den frei- beweglichen Pflanzen (vgl. II, § 143) eine thermotropische Reaction im all- gemeinen in untergeordneter Weise zu Orientirungszwecken ausgebildet und nutzbar gemacht ist. 1) Guillemin, 1. c. p. 172. 2) Askenasy, Bot. Ztg. 1874, p. 237. 3) Vgl. die iii diesem Band, p. 121 cit. Literatur. Ferner H. Seckt, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1902, p. 87; H. Joseph u. S. Prowazek, Zeitschrift f. allgem. Phy- siolog. 1902, Bd. I, p. 143. 4) Eine Zusammenfassung, was über diese Strahlen bekannt ist, bei K. Hoff- mann, Die radioaktiven Stoffe 1903. Auf p. 21 ist auch erwähnt, was man über die physiologische Wirkung dieser Strahlen weiss. G. Bohn, Compt. rendus 1903, Bd. 136, p. 101-2. ^ 37* 580 ^^^P- -^m- Tropistische Krümmungsbewegungen. Eine Ihermotropische Wirkung der von einer heissen Eisenplatte ausgehenden Strahlen wurde von Wortmann i) für die Keimlinge von Lepidium sativum und Zea mays nachgewiesen und ebenso für den Sporangiumträger von Phvcomjces angenommen. Steyer^) hat aber gezeigt, dass dieser Sporangiumträger factisch nicht thermotropisch reagirt, und dass die von Wortmann beobachteten Krüm- mungen auf anderen Ursachen, vielleicht auf einem heliotropischen Einfluss be- ruhen. Durch Nebenumstände wurde vielleicht auch bewirkt, dass Wort- mann (1. c.) an dem oberirdischen Theile des Maiskeimlings positiven, an dem heliotropisch sensibleren Keimstengel von Lepidium sativum negativen Thermo- tropismus beobachtete, während Steyer (1. c.) bei beiden Objecten nur positiven Thermotropismus fand. Späterhin arbeitete Wortmann 3) mit Keimwurzeln, die sich in einem Zink- kasten in Sägespänen befanden, in welchen ein Temperaturabfall dadurch her- gestellt war, dass die eine Seitenwand des Kastens auf höherer, die opponirte Seitenwand auf niederer Temperatur gehalten wurde. Hierbei ergab sich, dass die Wurzeln von Ervum lens bei 27 C, die Wurzeln von Pisum sativum bei 3 2 — 33 C. nicht aus ihrer verticalen Lage abgelenkt wurden, sich also diatropisch verhielten. Wurden aber die Wurzeln durch Annäherung an die heisse Seiten- wand in eine wärmere Zone gebracht, so erfolgte eine von der Wärmequelle abgewandte, also eine negative, bei der Versetzung in eine kühlere Region der Sägespäne dagegen eine positive thermotropische Krümmung. Nach den Unter- suchungen von Klercker-^) scheint es aber auch Wurzeln zu geben, die nur negativ thermotropisch reagiren. Ferner beobachtete Vö cht in g^) einen positiven Thermotropismus an den stark thermonastisch (II, p. 495) reagirenden Blüthen- stielen von Anemone stellata. Aus der geringfügigen Temperaturdifferenz der opponirten Flanken, sowie aus der sowohl positiven als negativen Richtung der Bewegung u. s. w. ergiebt sich ohne weiteres, dass die hier besprochenen Krümmungen nicht dadurch zu Stande kommen , dass die eine Flanke des reagirenden Organes schneller wächst, weil sie höher temperirt ist. Da nach Wortmann (1. c. p. 232) auch die decapi- tirten Wurzeln thermotropisch reagiren, während der h^'drotropische Reiz nur von der Wurzelspitze percipirt wird (II, § 120', so kann es sich bei den Wurzeln nicht um eine hydi'otropische Reaction handeln. Ohnehin ist nicht anzunehmen, dass die ein wenig wärmere Flanke einer Wurzel bei dem Aufenthalt in feuchten Sägespänen in nennenswerther Weise stärker transpirirt, während bei den in Luft befindlichen und einseitig bestrahlten Objecten die Transpirationsdifferenz sehr wohl die nähere Ursache einer tropistischen Reizung sein könnte (II, § 116). Ohnehin ist noch nicht entschieden, ob, abgesehen von der Transpiration, die durch Wärmeleitung oder Wäi-mestrahlung hergestellte Differenz in gleicher oder verschiedener Weise als Reiz empfunden wird. Jedenfalls wird man gut thun, alle durch eine Temperaturdifferenz veranlassten Krümmungsreactionen als Thermo- tropismus zusammenzufassen. Nöthigenfalls würde man dann eine speciell durch zugeleitete Wärme erzielte Reaction mit Klercker (1. c. p. 767) als Caloritropis- mus bezeichnen können. 1) Wortmann, Bot. Zeitung 1883, p. 457. 2) K. Steyer, Reizkrümmungen bei Phycomyces nitens 1901, p. 10, 20. 3) Wortmann, Bot. Ztg. 1885, p. 193. 4) J. af Klercker, Die caloritropischen Erscheinungen bei einigen Keimwnrzeln 1891. 'Sep. a. Öfversigt af K. Vetenskaps-Akademiens Förhandlingar Nr. 10.) 5) Vöchting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1890, Bd. 21, p. 269. §110. Chemotropismus und Osmotropismus. 581 § 115. Cliemotropismus und Osmotropismus. Chemische Reize, die, wie schon hervorgehoben wurde (II, p. 223), in dem vitalen Getriebe eine sehr hervorragende Holle spielen, sind auch nicht selten zur Erzielung tropistischer Orientirungsbewegungen nutzbar gemacht. Da diese Reactionsfähigkeit aber besonders bei den freibeweglichen Organismen ausgebildet und studirt ist, so werden wir uns an dieser Stelle, unter Bezug- nahme auf II, § 149 — 151, darauf beschränken, die allgemeinen Erfahrungen über das Vorkommen von chemotropischen Krümmungsbewegungen mitzutheilen. Naturgemäss fassen wir unter Chemotropismus alle Orientirungsbewegungen zusammen, die von einem Stoffe vermöge seiner chemischen Qualität und der Concentrationsdifferenz ausgelöst werden. Analog wie bei dem vom Licht ab- hängigen Phototropismus wird dann in Bezug auf den Ausgangspunkt der Diffusion (in Bezug auf das Concentrationsgefällej und die Diffusionsrichtung positiver, negativer, transversaler Chemotropismus unterschieden ^j. Auch wird, ebenso wie bei dem Lichte (11, § \ ! 0), zuweilen schon durch die geringste wirksame Concentration negativer Chemotropismus ausgelöst, während in manchen anderen Fällen die positive Reaction durch die Steigerung der Concentration in eine negative (bezw. plagiotrope) chemotropische Bewegungs- und Gleichgewichtslage übergeführt wird. Mit Zunahme der Concentration wird aber zugleich die osmotische Wirkung- gesteigert, und sofern durch diese eine tropistische Reizung bewirkt wird, liegt eine osmotropische (tonotropische)^) Reaction vor. Eine solche Reactionsfähig- keit ist in der That vielfach ausgebildet, und zwar ist bis dahin nur negativer Osmotropismus nachgewiesen, der zumeist erst bei etwas höherer Concentration bemerklich wird. Indess ist es sehr . wohl möglich, dass es auch positiven Osmotropismus giebt^). Da die osmotropische Reizung nicht von der chemischen Qualität, sondern von der osmotischen Wirkung abhängt, so muss ein jeder Körper nach Maass- gabe seiner osmotischen Leistung wirken (Bd. I, p. 128), sofern nicht die Reiz- perception oder Reizreaction durch besondere Verhältnisse aufgehoben oder sistirt werden *). Dagegen wird die chemotropische Reizung durch die chemische Qualität des Stoffes bestimmt, und von isosmotischen Lösungen wirken also nur diejenigen, welche einen Stoff enthalten, der von dem Organismus als tropistischer Reiz empfunden wird. Ebenso wie der Geruchs- und Geschmackssinn bei den Thieren, so ist auch bei den Pflanzen die chemotropische Sensibilität in einer 1) Ueber die durch Schreckbewegungen erzielten Ansammlungen (Phobochemotaxis) vgl. II, § U2, U9. 2) MitRothert (Flora 1901, p. 408 Anm.) gebe ich den Bezeichnungen Osmotropismus und Osmotaxis gegenüber der von Massart (1889) benutzten »Tonotaxis« den Vorzug. — Da es sich nicht allein um Lockung durch Nahrung handelt, und durchaus nicht alle Nährstoffe chemotropisch wirksam sind, so erscheint der von Stahl (Bot. Ztg. 1884, p. 1 65) benutzte Ausdruck Trophotropismus nicht geeignet. 3) Vgl. übrigens Rothert, 1. c. p. 403, Anm., u. dieses Buch, Bd. II, § 149—151. 4) Vgl. auch Rothert, Flora 1901, p. 413, u. diesen Bd. II, § 149—131. 582 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. specifisch verschiedenen Weise ausgebildet. So ist es zu verstehen, dass ein be- stimmter Körper für den einen Organismus ein ausgezeichnetes Chemotropicum, für den anderen keines ist, dass ferner z. B. mit der Reizbarkeit durch Sauerstoff die Reizbarkeit durch Pepton oder andere Stoffe verknüpft sein kann, aber nicht verknüpft sein muss, dass ein Organismus (oder ein Organ) nur durch einen oder wenige, ein anderer Organismus, wenn auch in einem verschiedenen Grade, durch zahlreiche Stoffe chemotropisch gereizt wird (Beispiele vgl. II, §149). Dabei kann der Reizwerth ähnlich constituirter Stoffe verschieden und der chemisch differenter Stoffe ähnlich sein (vgl. II, § iöO). Sofern aber z. B. die physio- logische Reizung von dem Säure- oder AlkaUcharacter abhängt, ist in gleichem Sinne, wie in Bezug auf die Giftwirkung (II, p. 351), zu erwarten, dass der relative Reizwerth äquimolecularer Lösungen zunächst durch den Dissociations- grad bestimmt wird^). In den chemotropischen und osmotropischen Reactionen kommt der Erfolg specifischer Sensibilitäten zum Ausdruck, die ebenso wie die geotropische und heliotropische Sensibilität getrennt und vereint ausgebildet sein können. Im letzteren Falle ergiebt sich der Erfolg aus dem Zusammenwirken von Chemotropismus und Osmotropismus, wenn die Reizwirkung durch die Steigerung der Concentration des Chemotropicums, oder, bei Constanz desselben, durch den Zusatz eines osmo- tropisch, aber nicht chemotropisch wirksamen Körpers hergestellt wird. Da aber die Reizwirkung in keinem einfachen Verhältniss zur Concentration (Reiz- anstoss) steht (II, § 124), da ferner bei dem Zusammengreifen von zwei ver- schiedenen Reizungen durch Stimmungswechsel u. s. w. verwickelte Verhältnisse geschaffen werden (II, p. 121, 122), so lässt sich z. B. nicht ohne weiteres sagen, in welchem Grade chemotropische und osmotropische Wirkungen betheiligt sind, wenn durch die Steigerung der Concentration des Chemotropicums die Ueber- führung der positiv tropistischen in eine negativ tropistische Gleichgewichtslage bewirkt wird. Wenn allerdings der Organismus nicht osmotropisch reagirt, oder wenn die fragliche Wendung schon bei einer Concentration des Chemotropicums eintritt, bei welcher in dem zugleich osmotropisch empfindlichen Organe durch isosmotische Lösungen anderer (nicht chemotropisch wirkender) Stoffe keine tropistische Reaction ausgelöst wird, so ist es klar, dass die Verschiebung der Gleichgewichtslage durch die chemotropische Reaction bedingt ist. Erfolgt aber die chemotropische Reizung erst bei höherer Concentration, so kommt sie bei einem zugleich osmotropisch empfindlichen Objecte immer nur im Vereine mit dem Osmotropismus zur Geltung. Durch eine solche Combination kann, wie auch durch verschiedene andere Umstände, bewirkt werden, dass die isosmotischen Lösungen differenter Körper eine mehr oder weniger verschiedene Reiz Wirkung ausüben. Wie schon bemerkt, ist die chemotropische und osmotropische Befähigung i) Es ist natürlich nichts dagegen einzuwenden, wenn man den durch Alkahen oder Säuren bewirkten Chemotropismus im näheren als Aleaho- oder Oxytropismus (Massart, Biolog. Centralbl. 1902, Bd. 22, p. 22!, die durch Sauerstoff verursachte Reizung als Oxygenotropismus ^Herbst, Biolog. Centralbl. 1894, p. 694' oder Aerotro- pismus (Molisch, Sitzungsb. d. Wiener Akad. 1884, Bd. 90, I. p. MI; bezeichnen will. Indess ist es sicher nicht zweckmässig, in analoger Weise für jeden besondern Reiz- stoff eine besondere Bezeichnung zu bilden. § Mä. Chemotropismus und Osmotropismus. 583 besonders bei freibeweglichen Organismen ausgebildet, die öfters durch solche Reizunüen zur Nahruns,' oder zur Stätte ihres Wirkens geführt oder vor dem Eindringen in ungünstige oder schädigende Medien bewahrt werden (II, § 149j. In gleichem Sinne sind auch die chemotropischen und osmotropischen Krümmungs- reactionen vortheilhaft, welche von deniMycelium verschiedener Schimmelpilze und wohl auch von dem verschiedener anderer Pilze ausgeführt werden. Ferner spielen chemotropische Reize bei der Leitung des Pollenschlauches zu den und in die Samenknospen eine Rolle. Auch dürften chemische Reize bei der Lenkung der Antheridienschläuche zu den Oogonien von Saprolegnia^), bei der Lenkung der Befruchtungsschläuche von Dudresnaya^), sowie bei der Production und Lenkung der ßefruchtungsschläuche der Conjugaten^) betheiligt sein. Ferner ist schon (11, p. 218) bemerkt worden, dass vermuthlich chemotropische Reize bei der Zu- sammenführung von Pilzfäden und bei der Herstellung und Erhaltung gewisser symbiotischen Vereinigungen wirksam sind. Da chemotropische und osmotropische Reize nicht wohl geeignet sind, um unter den normalen Vegetationsbedingungen oberirdische Sprosse und Blätter in eine zweckentsprechende Lage zu führen, so ist es nicht auffallend, dass diesen Organen eine chemotropische Reizbarkeit gewöhnlich zu fehlen scheint. Diese Sensibilität ist indess, soweit sich beurtheilen lässt, auch bei den Wurzeln nur in untergeordneter Weise ausgebildet. Für diese Organe ist bis dahin nur ein gewisser Aerotropismus und ein Wegkrümmen von schädlichen Gasen bekannt, während sie durch Nährlösungen oder concentrirte Salzlösungen anscheinend nicht chemotropisch gereizt werden. Nachdem Engelmann-^j die chemotactische Reizung von Bacterien durch Sauerstoff entdeckt hatte, wurde von mir^) die specifisch differente chemotac- tische, sowie die von der Concentration abhängige (physikalische) Reizbarkeit verschiedener loconiotorischer Organismen näher verfolgt und aufgeklärt. Bald nach meiner ersten Publication erschien eine Arbeit von Stahl ß), in der die chemotropische Reizbarkeit der Plasmodien von Myxomyceten erwiesen wurde. Weiterhin zeigte Massart'') im näheren, dass die von der chemischen Qualität unabhängige, repulsive Wirkung von Lösungen im allgemeinen von der osmo- tischen Leistung abhängt. Im Anschluss an diese Studien wurden dann ziemlich zahlreiche Untersuchungen über die Chemotaxis freibeweglicher vegetabilischer Vj de Bary, Beiträge z. Morphol. u. Physiol. d. Pilze 1881, IV. Reihe, p. 85, 90. Vgl. Pfeffer, Unters, a. d. Botan. Institut z. Tübingen 1884, Bd. 1. p. 469, u. M. Miyoshi, Bot. Ztg. 1894, p. 1. 2 G. Berthold, Protoplasmamechanik 1886, p. 282. 3 Overton, Bericht, d. deutsch, botan. Gesellsch. 1888, p. GS ; Haberlandt, Sitzungsb. d. Wiener Akadem. 1S90, Bd. 49, Abth. 1, p. 390. i>] Engelmann, Botan. Zeitung 1881, p. 440; Pflüger's Archiv f. Physiologie 1881, Bd. 25, p. 285; 1881, Bd. 26, p. 541. 5) Pfeffer, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1883, p. 524; Untersuch, a. d. botan. Institut z. Tübingen 1884, Bd. 1, p. 363; 1888, Bd. 2, p. 582. An dieser Stelle (1884, Bd. 1, p. 865, 469). ist auch auf Thatsachen hingewiesen, welche die Existenz von chemotropischen Krümmungsreactionen vermuthen Hessen. G, Stahl, Bot. Ztg. 1884, p. 155. 7) J. Massart, Archiv d. Biologie 1889, Bd. 9, p. 515. — Näheres über die re- pulsiven Wirkungen bei locomotorischen Organismen siehe Bd. II, § 149 — 151. 584 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegnngen. und animalischer Organismen angestellt vgl II. § 44— 51 Auch wurden fernerhin die chemotropischen Krümmungsbewegungen der Pilzladen und Pollen- schläuche in meinem Laboratorium von Miyoshi^) untersucht, nachdem zuvor Mo lisch 2) das Hinkrümmen der Pollenschläuche zu den Narben als eine chemo- tropische Reizung angesprochen hatte. Von diesem Forscher 3) wurden schon früher die aerotropischen Krümmungen der ^^'urzeln verfolgt. Zum Nachweis des Chemotropismus von Pilzhyphen und Pollenschläuchen säte Miyoshi (1. c.) auf die Unterseite der Blätter von Tradescantia discolor etc. Pilzsporen oder Pollenkörner aus, nachdem er die Blätter zu- vor mit Wasser oder mit Lösun- gen des zu prüfenden Stoffes injicirt hatte. Sofern mit einem Reizstoff injicirt worden wai", wurden die Keimschläuche durch den positiven Chemotropismus in die Spaltöffnungen gelenkt (Fig. 6 6 "i, während sie ausserdem ohne Ablenkung über die Spaltöff- nungen hinwegwuchsen. Das- selbe Resultat erhält man, wenn man in die abgezogene und aus- gewaschene Epidermis der Zwie- belschalen oder in Glimmerblätt- chen mittelst einer Nadelspitze Löcher bohrt und diese Objecte auf eine Gelatinemasse legt, die mit dem zu prüfenden Stoffe ver- setzt ist. Bringt man eine solche Gelatine in eine Glascapillare und schiebt diese in die Nähe eines schnell wachsen- den Schlauches, so erhält man bei Verwendung eines Reizstoffes ebenfalls eine chemotropische Ablenkung. (Ueber die Behandlung freibewegUcher Organismen vgl. II, § 149.) Fig. Autonastie« (bez. Autoepinastie etc.) zu reden. — Mit dem von Noll (Sitzungsb. d. Niederrhein. Gesellsch. f. Natur- u. Heilkunde 13. Jan. 1900) benutzten Ausdruck »Morphästhesie« ist auch nur gesagt, dass durch die automorphotische Thätigkeit eine bestimmt gerichtete Productionsthätigkeit und somit bestimmte Symmetrieverhältnisse erzielt werden. 1) Ueber derartige Versuche vgl. Vöchting, 1. c. 18S2, p. 31. 182, 192; F. Darwin u. T. M. Pertz, Annais of Botany 1892, Bd. 6, p. 247; Czapek, 1. c. 1895, p. 308; Kohl. Ber. d. bot. Gesellsch. 1898, p. 169; J. Baranetzky, Flora 1901. Ergsbd. p. 143. — Entsprechende Betrachtungen finden sich auch schon bei Bonnet. Nutzen d. Blätter 1762. p. 170; Dutrochet, Memoires etc., Bruxelles 1837, p. 320, Annal. d. scienc. naturell. 1844, III. ser., Bd. 2, p. 98; H. Müller, Flora 1876, p. 91 ; Darwin, Be- weguagsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 396. § 119. Eigenrichtung und Substratrichtung. 597 weil sie ausgewachsen sind oder gewaltsam an der Ausführung der angestrebten autogenen Krümmung verhindert werden. Daraus ergiebt sich, dass die durch die Einkrümmung veranlasste autotropische Reaction im wesentlichen localisirt erweckt wird und localisirt bleibt. Dem entspricht es ebenfalls, dass die autotrope Rückkrümmung auch in der decapitirten Wurzel eintritt ^] , ob- gleich nur die Wurzelspitze den geotropischen u. s. w. Reiz percipirt (II, § 120). Bei der correlativen Verkettung des Innengetriebes wird vermuthlich auch die autotropistische Reizung auf eine geringe, in einzelnen Fällen aber wohl auf eine etwas ansehnlichere Distanz fortgeleitet und wirksam werden (vgl. II, § 46)2). Auf einer solchen dirigirenden Fernwirkung dürfte es wohl z. Th. beruhen, dass z. B. die soeben hervortretenden Seitenäste und Seitenwurzeln zunächst annähernd die Eigenrichtung einhalten, mit der zunehmenden Verlängerung aber durch den geotropischen Reiz mehr und mehr abgelenkt und in die geotropische Gleich- gewichtslage übergeführt werden. Etwas ähnliches, nämlich eine allmähliche Abnahme der von dem todten Substrat ausgehenden Richtwirkung, haben wir bereits für die Sporangienträger von Mucorineen kennen gelernt. Dass in der That in einiger Entfernung von dem lebenden oder todten Substrat die von diesem ausgehende Richtwirkung unmerklich werden kann, ergiebt sich daraus, dass die verlängerten Sporangienträger immer die parallelogeotrope, die Seiten- wurzeln immer dieselbe plagiogeotrope Gleichgewichtslage, d. h. denselben geotro- pischen Grenzwinkel, erreichen, gleichviel ob sie dabei rechtwinkelig, schiefwinkelig oder parallel zur Mutterachse orientirt sind-^). In den geradlinig fortwachsenden Partien hört natürlich die durch die Krümmung erweckte autotropische Gegenreac- tion auf, die es mit sich bringt, dass auch die durch einen einzelnen, aitiogenen Reiz ausgelöste Reaction aus zwei antagonistischen Krümmungsbestrebungen resultirt (II, p. 366). Eine Seitensprossung wird also nur dann in dem ursprünglichen Eigen- winkel fortwachsen, wenn sie autoorthotrop ist, und wenn sie die autoortho- tropen Richtungsbestrebungen ungestört ausführen kann. Das ist, sofern keine mechanischen Hindernisse in den Weg treten, häufig bei Haaren, so- wie bei Seitenwurzeln zweiter und höherer Ordnung der Fall, die nicht geo- tropisch reagiren, und vermöge ihres Autotropismus rechtwinkelig oder schief- winkelig gegen das erzeugende Organ orientirt sind (II, p. 563). Wird aber die geotropische Reizkrümmung durch Drehung am Klinostaten eliminirt, so halten nunmehr auch die Seitenwurzeln erster Ordnung den Eigenwinkel ein und sind demgemäss zum Theil sogar rechtwinkelig gegen die Mutterachse gerichtet, während sie bei geotropischer Reizung mit dem Lothe, folglich 1) Czapek, 1. c. p. 322. 2) Natürlich kann z. B. in Folge des Wegschneidens eines Organes durch innere Correlationen die Eigenrichtung eines entfernt stehenden Organes ebensogut modificirt werden, wie die geotropische etc. Reactionsfähigkeit. 3) Vgl. Bd. II, p. 56-2. Hier ist bereits erwähnt, dass Dutrochet irriger Weise die plagiotrope Richtung der Seitenwurzeln als Resultante der von der Hauptwurzel ausgehenden Richtkraft und des positiven Geotropismus ansah. — Es ist übrigens auch möglich, dass die soeben hervortretenden Seitenwurzeln etc. in einem geringeren Grade geotropisch sensibel sind. 598 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. auch mit der verticalstehenden Hauptwurzel, zumeist einen nach unten ge- öffneten, spitzen Winkel bilden i). Dass vom lebenden und todten Substrate Richtwirkungen ausgehen, wurde zuerst von Dutrochet^) erkannt, und später von Sachs 3) näher festgestellt. Nachdem ich dann beide Richtwii'kungen in der 1. Auflage dieses Buches (1881, Bd. II, p. 28 6) conform der obigen Darstellung aufgefasst und insbesondere die Eigenrichtung als den Erfolg des allgemeinen selbstregulatorischen Waltens an- gesprochen hatte, wurden von verschiedenen Forschern (vgl. II, p. 59 6) weitere Belege für die Ausgleichung von Krümmungen durch die autotropistische "Wirkung beigebracht. Aus dem Mitgetheilten ist ohne weiteres zu ersehen, dass schon die Substratrichtung eine complexe Resultante sein kann, dass wir aber den Complex von Factoren, durch welche die Eigenrichtung (der Autotropismus) bedingt und reguHrt ist, ebensowenig zu präcisiren vermögen, wie das gesammte formative und directive Walten und Gestalten (II, Kap. VII). Wir können dess- halb nicht näher die Ursachen angeben, durch welche nach einer Einkrüm- mung die rückreguiatorische Thätigkeit veranlasst wird. Denn die maassgebenden Factoren sind keineswegs dadurch bestimmt, dass erfahrungsgemäss Spannungs- verhältnisse vmd Spannungsdifferenzen, die factisch durch die Einkrümmung ge- schaffen werden, die Wachsthumsthätigkeit beeinflussen -i). Jedenfalls ist aber die Rückregulation der Erfolg einer Reizung, die in irgend einer Weise durch die Krümmung ausgelöst wird. Es ist also nicht dai'an zu denken, dass, wie Klercker will ^), die Ausgleichung der Krümmung rein mechanisch, d. h. einfach dadurch zu Stande kommt, dass die beiden antagonistischen Flanken fortfahren, mit gleicher Schnelligkeit zu wachsen. 1) Vgl. II, p. 563; Sachs, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1S74. Bd. 1, p. .096, 615. 2) Dutrochet, Recherch. anatom. et physiolog. 1824, p. -toi. — Dutrochet nahm irriger Weise an, der Eigenwinkel sei stets ein rechter, und glaubte, wie auch späterhin van Tieghem (Bullet, d. 1. soc. botan. de France 1876, Bd. 23, p. 56), die Substratrichtung durch die von dem Substrate ausgehende Massenattraction erklären zu können. Vgl. hierüber Sachs, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1879. Bd. 2, p. 224. 3) Sachs, Arbeit d. botan. Instituts in Würzburg 1 874, Bd. \. p.598; 1879, Bd. 2, p. 217. 4) Wie an anderer Stelle (vgl. Bd. II, Kap. VII] betont wurde, beruht alles (au- togene) selbstregulatorische Wachsen und Lenken darauf, dass durch eine (selbstthätig oder auf andere Weise) geschaffene Veränderung und Störung des bisherigen Gleich- gewichtszustandes Gegenreactionen erweckt und neue Constellationen geschaffen wer- den, durch welche die formative und directive, überhaupt die gesammte autogene V/achsthums- und Bewegungsthätigkeit in bestimmter und gesetzrnässiger Weise ge- lenkt wird. Dass es sich hierbei um sehr verwickelte Verhältnisse handelt, ist wieder- holt und auch in Bd. II, § 51 betont, in dem ganz allgemein auf einige der mit- wirkenden Factoren und Combinationen hingewiesen wurde. I^Unter diesen Factoren sind auch die Spannungsverhältnisse und Spannungsänderungen der Gewebe, der Plasmahaut etc. berücksichtigt, die neuerdings Noll (Biologisches Centralbl. 1903, Bd. 23, p. 403) in einseitiger Weise und gewiss mit Unrecht als die Factoren anspricht, durch welche so ziemlich allein die automorphotische Ausgestaltung (No ll's Morphäs- thesie) dirigirt werde.] ö) Eine Widerlegung dieser Ansicht bei Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. '1895, Bd. 27, p. 320. 120. Beispiele für die räumliche Trennung von Perception und Acfion. 599 Abschnitt IIT. Die tropistischen Reizbedingungen und Reizprocesse. § 120. Beispiele für die räumliche Trennimg von Perception und Action. Bei den folgenden Betrachtungen wird nicht nur die genaue Bekanntschaft mit den beiden ersten Abschnitten dieses Kapitels, sondern auch die mit den allge- meinen Erörterungen über Reizbarkeit und Reizprocesse (Bd. II, Kap. XI u. Bd. I, § 3) vorausgesetzt, in welchen ohnehin vielfach tropistische Reactionen zur Erläuterung benutzt wurden. In diesen Erörterungen wurde auch die hohe Be- deutung hervorgehoben, welche für das Verstand niss und die nähere Zerglie- derung der Reizprocesse diejenigen B'älle haben, in welchen Perceptions- und Actionszone räumlich getrennt liegen. Eine solche Separation ist freiUch bei den tropistischen Vorgängen nicht die Regel, vielmehr tritt, abgesehen von ge- wissen Ausnahmen, die Reaction an dem gereizten Punkte ein und bleibt zumeist annähernd auf diesen beschränkt, weil in den meisten Fällen die tropistische Reizung nur auf eine geringe Distanz fortgeleitet wird ^). Diese Erfahrungen, mit denen auch zusammenhängt, dass in der Regel abgeschnittene Organe, sowie Theilstiicke von Stengeln, Blätter etc. tropistisch reagiren, machen es begreiflich, dass die typischen tropistischen Reizleitungen (Fernreizungen) lange übersehen und erst durch Darwin 2) bekannt wurden. In allen diesen tropistischen Fernwirkungen handelt es sich um einen verbindenden, ductorischen Process, durch welchen eine Krümmungsbewegung so ausgelöst und dirigirt wird, dass ihre Riclitung in bestimmter Beziehung zur Angriffsrichtung des Reizes steht. Das ist ebenso der Fall, wenn die Actions- zone gar nicht perceptionsfähig (direct reizbar) ist, also nur durch Fernwirkung (indirecte Reizung) eine Auslösung erfährt, wie auch dann, w'enn sich die Krümmungsreaction von einer localisirten Reizung aus mehr oder weniger weit auf die anstossenden Partien fortpflanzt, die ebenfalls actionsfähig und \) Vgl. z. B. Fr. Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, Bd. 27, p. 263; 1898, Bd. 32, p. 248; Kohl, Mechanik der Reizkrümmungen 1894; sowie die übrige, auf Tropismen bezüghche Literatur. 2) Ch. Darwin, Bewegungsvermögen d. Pflanzen -1881. — Nachdem ich (Pflanzen- physiol. 1881, Bd. 2, p. 327) die hohe physiologische Bedeutung dieser Verhältnisse hervorgehoben hatte, wurde insbesondere die Localisirung und Separirung der geotro- pischen Perception in der Wurzelspitze lebhaft bestritten (vgl. die Lit. bei Rothert, Flora, Ergzbd. 1894, p. 179; Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, Bd. 27, p. 244). Wenn auch die diesbezügUchen Experimente Darwin's nicht ganz einwandfrei waren, so wurde doch weiterhin durch Cz apek die Richtigkeit von Darwin's Auffassung erwiesen. Unsere Kenntnisse über die Locahsirung der phototropischen SensibiUtät wurde von Rothert (Cohn's Beiträge zur Biologie 189G, Bd. 7, p. 3) wesentUch präcisirt und er- weitert. Ueber den Hydrotropismus vgl. Bd. II, p. 586; über den Traumatropismus II, p. 588. — Ueber Reizverkettungen im Allgemeinen vgl. auch diesen Bd. II, § 45 und 46. 600 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Büsst eine Zone eines derart iDefähigten Organes, z. B. perceptionsfähig sind, mit dem Stillstand des Wachsthums, die Actionsfdhigkeit ein, so ist dieser Theil natürlich nicht mehr zu einer Krümmungsreaction zu hringen, auch wenn er die tropistische Heizung zu percipiren und auf die anstossenden, krümmungsfähigen Partien zu transmittiren vermag. Schwindet aber in der krümmunssthätigen Partie die Perceptionsfähigkeit, so ist ebenfalls eine räumliche Trennung von Perception und Action erzielt. Das ist z. B. der Fall bei der Wurzel, deren Spitze den geotropischen Reiz percipirt, durch den die selbst nicht perceptions- fähige Streckungszone veranlasst wird, die geotropische Krümmung auszuführen. In diesem Falle geht also die Perceptionsfähigkeit der Urmeristemzellen mit der Gewebedifferencirung verloren. Jedoch werden wir auch noch Beispiele dafür kennen lernen, dass eine bestimmte Sensibilität erst mit der Gewebedifferencirung gewonnen wird. also dem Urmeristem abgeht. Ti Es bedarf keiner besonderen Erörterungen, dass diese und andere Arbeits- theilungen auch unvollständig sein können, dass z. B. in einem überall sensibeln Organe die eine Zone in Bezug auf die Perceptions-, die andere in Bezug auf die .\ctionsfähigkeit bevorzugt sein kann, dass ferner je nach Umständen die directe und die indirecte tropistische Reizung in verschiedener Weise zusammen greifen und zusammenwirken kann. Auch sei hier kurz bemerkt, dass wir nur die nachweisbaren tropistischen Reizungen und Reiztransmissionen im Auge haben, zu denen natürlich nicht Veränderungen der Reactionsfähigkeit gehören, die in irgend einer Weise direct oder indirect A ^ c veranlasst werden und zu Stande kommen (vgl. II, § 121, 122). Sehr lehrreich ist die heliotropische Reac- tion der Gramineenkeimlinge ^). Unter diesen ist bei Setaria viridis, Panicum miliaceum und einigen anderen Paniceen nur der Cotyledon perceptionsfähig, während die ansehnliche he- liotropische Krümmung in dem nicht direct reiz- baren Hypocotyl ausgeführt wird (Fig. 69), dem bei Sorghum vulgare eine geringe phototropische Perceptionsfähigkeit zukommt 2). Eine derartige schwache Sensibilität besitzt ferner der subapicale Theil des Gotyledons von Avena sativa, der bei dieser Pflanze die heliotropische Krümmung aus- führt, die der Hauptsache nach durch die hohe phototropische Sensibilität veranlasst wird, welche die Spitze des Gotyledons auch nach dem Auswachsen bewahrt. Bei Keimlingen ist übrigens öfters der apicale Theil des Hypocotyls (bei vielen Cruciferen) oder Epi- cotyls (bei Vicia sativa) in etwas bevorzugter Weise empfindlich. Jedoch findet h Fig. 69. Keimpflanzen von Panicum milia- ceum. A ist noch ungereizt , B zeigt die nach kürzerer, C die nach etwas längerer Zeit eingetretene heliotropische Krümmung. c Cotyledon, h hypocotyles Glied. 1) Das hier Gesagte stützt sich auf die citirten Studien Rothert's. 2) Ich benutze mit Rothert die Bezeichnungen Cotyledon, ohne damit eine be- stimmte Ansicht über die noch umstrittene morphologische Deutung dieser Organe aus- sprechen zu wollen. Vgl. hierüber Goebel, Organographie ■ISQS, p. 602, wo zu er- sehen ist, dass man für Cotyledon auch die Bezeichnung Coleoptile oder Cotyledonar- scheide, für Hypocotyl aber Mesocotyl anwenden kann. § -120. Beispiele für die räumliche Trennung von Perception und Action. 601 ■ sich bei anderen Keimlingen (Tropaeolnm, Solanum, Goriandrum etc.), wie auch bei sehr vielen anderen Pdanzenorganen, eine annähernd gleiche Yertheilung der heliotropischen Sensibilität. Die eben erwähnten Fälle von localisirter Perceptionsfähigkeit sind zugleich schöne Beispiele für die Fortleitung des heliotropischen Reizes. Eine ausge- zeichnete Reizleitung findet aber auch, ohne dass Perceptions- und Actionszone getrennt sind, in dem Blüthenstiel von Brodiaea congesta (LiJiacee) statt, in welchem sich der phototropische Reiz von einer (localisirt) beleuchteten Stelle aus in 3 Stunden bis auf eine Entfernung von 6I/9 cm ausbreitet. Etwas ereringer, aber immer noch ansehnlich, fällt die heliotropische Reizleitung, die bei den meisten Pfianzenorganen zurückzutreten scheint, im Stengel von Linum usita^tis- simum und Coleus aus. Ansehnlich ist ausserdem die Reizleitung in dem Stengel von Galium purpureum, der zugleich ein Beispiel dafür ist, dass die Fähigkeit zur Perception und Fortleitung des heliotropischen Reizes bei dem Erlöschen der Actionsfähigkeit erhalten bleiben kann. Denn das ergiebt sich daraus, dass der basale Theil der hiternodien, der länger Avachsthumsthätig und actions- fähig bleibt, durch die einseitige Beleuchtung des apicalen Theiles zu einer heliotropischen Krümmung auch dann veranlasst wird, wenn die apicale Region nicht mehr wachsthums- und krümmungsfähig ist^). Ferner ist bekannt, dass die Perception des geotropischen Reizes auf die Wurzelspitze beschränkt ist, von der aus also die geotropische Reaction in der direct nicht reizbaren Streckungszone angeregt wird^j. In gleichem Sinne func- tionirt die Wurzelspitze bei der hydrotropischen (II, p. 605), vielleicht auch bei der negativ galvanotropischen (II, p. 594) und der heliotropischen 3) Reizung als percipirendes Organ. Ebenso wird die traumatropische Krümmungsbewegung von der Wurzelspitze aus dirigirt (II, p. 590). Es ist aber selbstverständlich, dass die tropistische Sensibilität nicht in allen Fällen auf die Wurzelspitze be- schränkt sein muss. Thatsächlich scheint der thermotropische (II, p. 580), aerotropische (II, p. 586), rheotropische {II, p. 589) und thigmotropische (II, p. 558] Reiz auch oder sogar allein in der krümmungsthätigen Region percipirt zu werden. Uebrigens konnte man nicht voraussagen, dass, wie es das Experiment erwiesen hat, bei den Gramineen dem Cotyledon, bezw. der Spitze dieses, nicht nur eine bevorzugte Sensibilität für den heliotropischen, sondern auch für den geotropischen (II, p. 605] Reiz zukommt. Diese Perceptionsfähigkeit ist in dem wachsenden und ausgewachsenen Cotyledon vorhanden, während in der Wurzel, wie schon (II, p. 600) bemerkt wurde, die geotropische Sensi- bilität mit dem Uebergang des Urmeristems in Streckungsgewebe verloren geht. 1 Rother t. 1. c. p. 139. — Ueber die rheotropische Sensibilität der eben causge- wachsenen Wurzelpartie siehe Bd. IT, p. 589. 2) Vgl. Bd. II, p. 604. — Uebrigens vermag auch die Wurzelspitze eine gewisse geotropische Krümmung auszuführen. Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. -igoo, Bd. 25, p. 361. 3) Rothert (1. c. p. 140; Flora •1894, Ergzbd. p. 207) kam zu keinem sicheren Resultate. Auch durch die Versuche Darwin's (1. c. p. 413; und Kohl's (Die Mechanik d. Reizkrümmungen 1894, p. 26) ist die heliotropische Sensibihtät der Wurzelspitze nicht sichergestellt. 602 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Beachtet man, dass die tropistischen Reactionen darauf berechnet sind, die einzelnen Organe einer Pflanze in die den besonderen Functionen entsprechende, also in eine verschiedene Lage zu bringen, so ist es klar, dass nicht nur die Sensibilität der einzelnen Organe specifisch sein, sondern dass auch die Aus- breitung der tropistischen Reizung eingeschränkt sein muss, damit nicht etwa die heliotropische oder eine andere tropistische Reizung des Stengels eine un- zweckmässige Krümmungsbewegung der Wurzel u. s. w. veranlasst. Desshalb, und weil im allgemeinen der Zweck der tropistischen Bewegungen erreichbar ist, wenn Perceptions- und Actionszone räumlich zusammenfallen, ist es zu ver- stehen, dass ein solches Zusammenfallen die Regel ist, und dass die Befähigung zur Transmission der tropistischen Reizungen gewöhnlich zurücktritt oder nur innerhalb enger Grenzen ausgebildet ist^). Uebrigens mag die bevorzugte heliotro- pische Sensibilität der apicalen Teile verschiedener Keimpflanzen einen gewissen Vortheil gewähren, weil hierdurch sogleich mit dem Hervortreten aus dem Boden die Wendung nach dem Lichte beginnt, und zu diesem Zwecke, vermöge der ductorischen Verkettung, auch die noch im Boden steckenden und dem directen Lichtreiz entzogenen Theile nutzbar gemacht werden. Auch erscheint es zweckentsprechend, dass von der im Boden vordringenden Wurzelspitze die Directiven ausgehen, durch welche dieselbe und mit ihr der Neuzuwachs in die geotropische u. s.w. Gleichgewichtslage gebracht werden (vgl. II, § 131). Da aber z. B. die Keimstengel mit gleichmässiger Vertheilung der heliotropischen etc. Sensibilität zeigen, dass auch unter diesen Umständen die zweckentsprechende Orientirung zu erreichen ist, so darf man in den besagten Fällen die Bedeutung der Separation und Localisation bestimmter tropistischer Sensibilitäten nicht überschätzen. Ohnehin ist es nicht zulässig, in diesen Fragen bestimmte Schlüsse allein auf Grund teleologischer Erwägungen zu ziehen, nach denen es z. B. zu- nächst besonders zweckentsprechend erscheinen mag, wenn der Blattstiel durch die directive Wirkung der Lamina veranlasst wird, diese in die phototropische Lichtlage zu führen. Dessenungeachtet scheint die heliotropische Sensibilität in keinem Falle auf die Lamina beschränkt zu sein, deren Orientirung wahrschein- lich immer durch das Zusammengreifen verschiedener Processe und Reactionen bewirkt wird (II, § 132). Fassen wir aber nicht, wie bisher, makroskopische, sondern kleinere Di- stanzen in das Auge, so sind auch tropistische Reizübermittelungen in jedem Organe zu erwarten. Denn voraussichtlich sind nicht alle Zellen in gleicher Weise perceptionsfähig, und ferner muss durch correlative (irritatorische und mechanische) Wechselwirkungen dafür gesorgt werden, dass in den einzelnen Gewebeschichten die der Einkrümmung entsprechende Wachsthumsthätigkeit zu Stande kommt (H, § 129). In Bezug auf die Ranken ist es ohne weiteres klar, dass von der zunächst durch die Berührung gereizten Epidermis eine Reizfortpflanzung ausgeht, welche eine ansehnliche Wachsthumssteigerung in der gegenüberliegenden Flanke auslöst, die bei den dorsiventralen Ranken nicht direct reizbar ist (II, § 89). Dass aber auch bei anderen tropistischen Reizungen •I; Aus II. § 45 und 46 ist zu ersehen, dass auch anderweitige Reizverkettungen, je nach Zielen und Zwecken, localisirt bleiben oder sich bis in die fernsten Organe ausbreiten. § 120. Beispiele für die räumliche Trennung von Perception und Action. 603 bestimmte Zellen oder Gewebe in bevorzugter Weise perceptionsfäbig sind, werden wir weiterhin sehen (II, § 129). Ferner zeigen z. B. Mucor, Caulerpa etc., dass mit der functionellen Arbeits- theilung die Glieder einer Zelle mit verschiedener tropistischer Reizbarkeit aus- gestattet sind und sein müssen (vgl. z.B. II, p. 565, 576). Die Versuche Steyer's^) beweisen zudem, dass bei Phycomyces die heliotropische Sensibilität auf die wachsthumsthätige Spitze des Sporangiumträgers beschränkt ist. Demgemäss löst eine localisirte einseitige Beleuchtung unterhalb der Wachsthumszone keine helio- tropische Reaction aus, weil der Protoplast in dieser Zone entweder nicht be- fähigt ist, den heliotropischen Reiz zu percipiren, oder durch den percipirten Reiz einen directiven Einfluss auf die actionsfähigc Spitze auszuüben. Uebrigens ist ein jeder Protoplast ein gegliederter Organismus, dessen Organe sicherlich in verschiedener Weise reizbar und perceptionsfäbig sind (vgl. II, p. 366; § 140). Am einfachsten und sichersten lässt sich die Vertheilimg' der heliotro- pischen Sensibilität, also auch die Fortleitung des heliotropischen Reizes, er- mitteln, weil man die einseitige Beleuchtung durch entsprechende Abhaltung oder Zuführung des Lichtes beliebig localisiren kann. So wird, wie Darwin (1. c.) und Rothert (1. c.) zeigten, in dem Keimling von Panicum etc. (II, p. 600) durch die einseitige Beleuchtung keine Krümmungsreaction ausgelöst, wenn der Cotyledon mit Stanniol umhüllt ist, während die heliotropische Ki'ümmung des Hypocotyls in vollem Maasse eintritt, wenn dieses verdunkelt oder allseitig gleich stark beleuchtet, der Cotyledon aber einseitig beleuchtet ist. Alle diese Ex- perimente lassen sich ausführen, ohne dass die Pflanze verletzt oder in abnorme Bedingungen gebracht wird. Zudem hat Rothert constatirt, dass durch die Umhüllung mit Stanniol etc. die normale Reactionsfähigkeit der Pflanzen nicht alterirt wird. — Ueber die bei Phycomyces angewandte Methode vgl. Steyer, 1. c. p. 6. Bei den Blättern bestehen augenscheinlich specifische Differenzen. Speciell bei dem Blatte von Malva verticillata wird nach Vöchting^) bei alleiniger Beleuchtung der Lamina ein directiver Reiz zu dem verdunkelten Blattstiel transmittirt , durch welchen der obere, gelenkartige Theil desselben veranlasst wird, so zu arbeiten, dass die Lamina in die diaphototrope Stellung geführt wird. Da aber auch der Blattstiel heliotropisch reagirt, so wird in ihm unter normalen Verhältnissen die directe und die indirecte heliotropische Reizung zusammenwirken. Ferner wird nach Czapek 3) durch die Verdunklung der Blattlamina von Cornus sanguinea, Linaria cymbalaria, Viola odorata etc. die Befähigung zu einer photo- tropischen Orientirungsbewegung aufgehoben. Dagegen vermochten Rothert^) bei Tropaeolum minus, Krabbe ^) beiFuchsiaundPhaseolus eine phototropische Direction des Blattstieles (bezw. des Blattgelenkes von Phaseolus) durch die Lamina nicht nachzuweisen. Uebrigens . sind die Factoren, die unter normalen und abnormen Bedingungen bei den tropistischen Orientirungsbewegungen der Blätter betheüigt sind, noch nicht genügend aufgehellt (vgl. II, § 132). So ist es auch noch frag- lich ob, wie es nach Czapek (l. c. p. 274) scheint, in gewissen Fällen eine ■1) K. Steyer, Reizkrümmungen bei Phycomyces 1901. p. 6. 2i Vöchting, Bot. Zeit. 1888, p. 519. 3) Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 274. Der Gegenstand bedarf näherer Untersuchung. 4; Rothert, Cohn's Beiträge z. Biologie 1896, Bd. 7, p. 121. 5) Krabbe, Jahrb. f. wiss. Bot. 1889, Bd. 20. p. 256. 604 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. geotropische Reizung in der Lamina percipirt und von dieser aus zu dem Blatt- stiel transmittirt wird. Ueber Blüthen vgl. Bd. II, § 32. Argumente geotropischer auch nicht stren Induction (II, § 123) Die Bescbränknng der Perception des geotropischeu Reizes auf die Wm-zelspitze wurde von Darwin i) auf Grund der Thatsachen angenommen, dass die decapitirte Wurzel nicht reagirt, während eine Kriimmungsbewegung er- folgt, wenn die Decapitation nach vorgenommen wird. Sind diese die geotropische Sensibilität durch die Venvundung wird (II, §121), so wurde doch die Ansicht Unrecht angefochten (vgl. II, p. 599, Anm. 2j. Richtige getroffen, wie von Czapek 2) erwiesen spitze in ein gebogenes Glaskäppchen wachsen auf diese Weise, dass der apicale Spitzentheil dauernd rechtwinkelig gegen die subapicale Region gerichtet blieb, während durch die Wachsthumsthätigkeit (vgl. II, p. 9) einmal das Glaskäppchen im Räume fortrückte, und zugleich ein jedes der von dem Ui*meristem geschaffenen Zuwachselemente nach einer gewissen Fort- bildung aus dem Glaskäppchen herausgeschoben wurde. Wird nun das bis dahin an die horizontale Achse des Klinostaten befestigte Object so aufgestellt, dass die Wurzelspitze vertical abwärts, die übrige ^^'urzel aber horizontal gerichtet ist, so erfolgt keine Krümmung. Bei jeder anderen Aufstellung wird aber in der Streckungs- beweisend, weil für einige Zeit aufgehoben Darwin 's zum guten Theil mit Thatsächlich hatte Darwin das wurde. Dieser Hess die Wurzel- vgl. Fii?. 70 bei Je) und erreichte J9 Fig. 70. Lupinus albus. (Verkleinert.! An dem Keimling, der vom Klinostaten in die Stellung A kam, hatte sioli, bei Aufenthalt im dampfgesättigten Baume, nach 24 Stun- den die in der i'ig. B wiedergegebene geo- tropische Keaction vollüogen. Durch den Pfeil ist die Lothlinie angezeigt. Fig. 71. Setaria italica. Nachdem die Wurzeln bis auf Rudimente (w) abgeschnitten waren, wurde der C'otyledon in das Glasröhrcheu a geschoben, und der Keimling iu horizontale Lage gebracht. Bei ,4 ist also im Hj'pocotyl eine Krümmung von ca. Ibi) Grad ausge- führt, die bei B nocli weiter fortgeschritten ist, so dass eine Schlinge entstand. Vergr. 2/1. zone (II, p. 9 u. § 128) eine Krümmungsbewegung ausgelöst, die so lange anhält, bis die W^urzelspitze in die verticale Gleichgewichtsstellung gebracht ist. Diese Krüm- mung fällt also wie in B Fig. 70 aus, wenn die ^^'urzel vom Klinostaten in die durch Ä gekennzeichnete Stellung gebracht wird. Aus der Thatsache, dass keine Krümmung ei'folgt, wenn die Wurzelspitze vertical, 'die Streckungszone horizontal gerichtet ist, ergiebt sich zugleich, dass die Streckungszone (Actionszone) nicht befähigt ist, den geolropischen Reiz zu percipiren. Damit die Versuche gelingen , muss dafür gesorgt sein , dass die Wurzel leicht in der angewandten Glaskappe gleitet, dass also nicht durch Einklemmen etc. Wachsthumsstörungen u. s. w. eintreten, die offenbar die Ursache waren, -1) Gh. Darwin, Bewegungsvermögen d. Pflanzen -1881, p. 448. 2) Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, Bd. 27, p. 243. In gleicher Weise verhalten sich die Nebenwurzeln, 1. c. p. 26.5. § -120. Beispiele für die räumliche Trennung von Perception und Action. 605 dass Wachtel^) zu keinem Resultate gelangte. Die richtig durchgeführten, ge- lungenen Versuche sind aber völlig beweisend, da an den intacten und gut wachsenden Wurzeln die Krümmungsreactionen nachweislich nur bei der besagten Angriffsrichtung der Schwerkraft ausgelöst werden. Uebrigens hat Czapek (1. c. p. 336) später dargethan, dass sich ebenso diejenigen Wurzeln verhalten, welche nach der Entfernung des Glaskäppchens zunächst noch die ihnen aufgedrängte, gekrümmte Form beibehalten. Ausserdem ergiebt sich die bevorzugte geotropische Sensibilität der Wui'zel- spitze daraus, dass sich die Actionszone nicht nur bis zur Verticalstellung, son- dern über diese hinaus krümmt, wenn die Spitze durch Einführung in ein Röhr- chen in horizontaler Lage erhalten wird und desshalb dauernd der geotropischen Reizung ausgesetzt ist^j. Diese Methode hat Fr. Darwin 3j zuerst benutzt, um nachzuweisen, dass bei den Keimlingen der Paniceen der Cotyledon nicht nur den heliotropischen sondern auch den geotropischen Reiz percipirt (Fig. 71). Auf diese Weise ist natürlich nicht ermittelbar, ob die krümmunesthätige Resion gar nicht perceptionsfähig ist. Auch ist zu beachten, dass vielleicht abnorme Reactionsverhältnisse daraus entspringen, dass es der Pflanze nicht gelingt, die sensible Region in die normale Gleichgewichtslage zu bringen •*). Auch für den Hydrotropisiniis wurde durch Darwin's'^) Versuche nicht streng erwiesen, dass der hvdrolropische Reiz in der Wurzelspitze percipirt wird. Dieses ergiebt sich aber daraus, dass nach Molisch 6) die hydrotropische Rei- zung auch dann erfolgt, wenn die Wurzel bis auf die Spitze mit nassem Seiden- papier umhüllt ist. Da ausserdem nach meinen Erfahrungen ^) die Reizreaction ausbleibt, wenn nur die Wurzelspitze mit nassem Seidenpapier umkleidet, die übrige Wurzel aber frei ist, so folgt, dass die hj'drotropische Perception sfähigkeit allein in der Wurzelspitze ausgebildet ist. Wie in dem Cotyledon der Gramineen die heliotropische und geotropische Sen- sibilität nicht gleichmässig vertheilt sind, so wird vermuthlich in der Wurzelspitze die geotropische Sensibilität mit der fortschreitenden GewebedilTerenzirung all- mählich abnehmen (vgl. II, p. 600). Mit dieser Annahme stehen im Einklang die Versuche von Czapek^), nach denen bei den Wurzeln von Lupinus, Faba etc. die Länge des geotropisch sensibeln Spitzentheils ca. 1,5 mm beträgt. Denn wenn mit Hilfe eines Glaskäppchens eine kürzere Zone senkrecht abgelenkt und dann in eine verticale Lage gebracht wird (vgl. Fig. 7 0), so erfolgt noch eine geo- tropische Krümmung, weil noch eine Partie des sensibeln Spitzentheils in hori- -1) Vgl. Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. -1900, Bd. 3ä. p. .312. u. das Referat von Wachtel 's Arbeit in Bot. Ztg. -1899, p. 227. iE. Richter, Zur Frage nach der Function der Wurzelspitze -1902, kam mit der Käppchenmethode zu keinem Resultate.^ 2) Fr. Darwin. Proceedings of the Cambridge Philosoph. Society 1901, Bd. 11, p. 133. Xinnean Soc. Journal 19U2. Bd. 35. p. 266.] 3) Fr. Darwin, Annais of Botany 1899, Bd. 13, p. 568. — Die bevorzugte geotro- pische Sensibilität der Spitze des Cotyledons war bereits wahrscheinlich gemacht durch Beobachtungen Rothert's (Cohn's Beiträge z. Biologie 1896, Bd. 7, p. 189) und Czapek's (Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 254). [J. Massart, Sur Tirritabilite d. plantes superieures 1902, hat mit dieser Methode Wurzeln und Sprosse geprüft.] 4) Vgl. Miehe, Jahrb. f. wiss. Bot. 1902, Bd. 37, p. 590, u. dieses Buch II, S 121. 5) Ch. Darwin, Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 134. Vgl. Rothert, Flora 1894, Ergzbd. p. 208. 6) H. Molisch, Sitzungsber. d. Wien. Acad. 1883, Bd. 88, Abth. l, p. 897. 7) Vgl. Rothert, 1. c. p. 212; Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 316. 8) Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1893, Bd. 27, p. 262; Bericht, d. botan. Gesellsch. 1901, Generalvers. p. (117). ßQg Kap. XIII. Tropistische Krüminungsbewegungen. zontale Lage kommt. Somit kann die geotropische Pei-ceptionsfähigkeit nicht auf die äusserste Spitze des Vegetationspmiktes oder auf die Calyptrogenschicht u. s. w. beschränkt sein^). Ob gerade diese oder andere Zellen in bevorzugtem Grade sensibel sind, ist aus dem Verhalten nach operativen Eingriffen nicht leicht zu entscheiden, da durch die Verwundung und den hergestellten Defect verwickelte Reactionen und Verhältnisse geschaffen werden^ durch welche auch die tropistischen Reizvorgänge direct oder indirect, sowie transitorisch oder permanent modificirt werden können (vgl. II, § 38, 121). So hat Rothert^) gezeigt, dass bei den Gramineen (Paniceen, Avena etc.) durch das Abschneiden der Spitze des sensibeln Cotjledons die heliotropische und geo- tropische Reizbarkeit für einige Stunden gänzlich aufgehoben wird. Gleichzeitig wird eine Verlangsamung der Zuwachsbewegung hervorgerufen (vgl. II, p. 158), die in- dess nicht hindert, dass eine schon activirte Krümmungsbewegung fortgeführt und eine bereits inducirte Reizung activirt wird. Analog verhalten sich die Wurzeln, bei denen auch schon longitudinale, sowie transversale Einschnitte oder Einstiche (obgleich das percipirende Organ nicht entfernt wird) eine mehrstündige bis zweitägige Sistirung der geotropischen Sensibilität veranlassen 3). Da aber durch die Verwundung zugleich eine energische Regenerationsthätigkeit erweckt wird, so ist es schon desshalb schwer oder unmöglich, mit Hilfe von operativen Eingriffen die Retheiligung eines bestimmten Zellcomplexes an der Reizperception zu ermitteln. Die specifischen Eigenheiten der Organismen und der Umstand, dass die Verletzung bei den Cotyledonen der Gramineen ein ausgewachsenes oder doch ein differenzirtes Gewebe, bei den Wurzeln aber das L'rmeristem trifft, machen es begreiflich, dass die Erfolge in beiden Fällen nicht ganz identisch ausfallen. Somit ist es auch nicht auffallend, dass die besprochene Sistirung der Sensibilität bei der Wurzel durch einen jeden Einschnitt, bei dem Cotyledon der Gramineen aber nach Rothert nur durch eine völlige Abtrennung eines Spitzentheils, also durch eine völlige Aufhebung der Gontinuität und der corre- lativen Reziehungen, verursacht wird. In der traumatischen Sistirung der heliotropischen und geotropischen Sensibilität einerseits, und in der Verlangsamung der Zuwachsbewegung andererseits, treten uns zwei besondere Reactionen entgegen, die durch denselben äussern Eingriff hervor- gei-ufen werden. Natürlich ist aber nur dann, wenn die Actionszone direct reiz- bar ist (bei Avena, vgl. Rothert 1. c), nachweisbar, dass die Processe, durch ^) Nach Czapek (Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd 32, p. 230; 1. c. -1901, p.jlig) dürfte das ganze Meristem und das anschliessende jugendliche Gewebe perceptions- fähig sein. Die Annahmen von Firtsch und von Nemec über Localisation der Per- ception in der Wurzelhaube, oder in gewissem Theile dieser, basiren auf Experimenten, die nicht beweisend sind, sowie auf noch nicht sichergestellten Vorstellungen über den Vorgang der Reizauslösung (vgl. II. § 127;. Vgl. die Lit. bei Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 230, und Ber. d. bot. Gesellsch. igo-l. Generalvers. p. (IlT). Nach Wachtel (vgl Czapek, 1. c. -1901, p. Ms) kehrt übrigens an geköpften Wurzeln die geotropische Reizbarkeit zurück, bevor das Meristem der Wurzelspitze regenerirt ist. Vgk auch -B. Nemec. Jahrb. f. wass. Bot. 1901. Bd. 36. p. 98, u. Fünfstück's Beiträge z. wissenschaftl. Botanik 1901, Bd. 4. p. 193. — Am Cotyledon der Gramineen verhindert nach Czapek 1. c. 1898, p. 255) das Abziehen der Epidermis die Perception des geotropischen Reizes nicht. — lieber Traumatropismus vgl. II. p. 590. — Ueber die percipirenden Gewebe in Stengeln vgl. II. § 1 29. 2; Rothert, Cohn's Beiträge z. Biolog. 189G, Bd. 7, p. 191, 2ll. 3) Czapek, L c. 1898, p. 202; I. c. 1901, p. (118); Nemec. Jahrb. f. wiss. Botan. 1. c. p. 97. — Es ist übrigens begreiflich, dass nach solchen Einschnitten die Perceptions- fähigkeit schneller wiederkehrt, als nach der völligen Entfernung der Wurzelspitze. § 120. Beispiele für die räumliche Trennung von Perception und Action. 607 welche die Sistirung der Sensibilität bewirkt wird, ebensogut fortgeleitet werden, wie die Processe, welche die Retardirung des Wachsthums verursachen. Näheres über diese Processe ist, wie auch bei anderen analogen Vorgängen, nicht be- kannt (vgl. II, § 77, H9;. Jedoch muss bei Avena das Wegschneiden der Spitze des Cotjledons entweder zur Folge haben, dass die heliotropische Perceptions- fähigkeit ganz ausgeschaltet wird, oder dass die erweckten sensorischen Vorgänge nicht bis zur Auslösung der ductorischen Processe fortschreiten. Denn nach Rotherl^) wird durch die Verwundung die Fortleitung des einmal ausgelösten ductorischen Processes nicht aufgehoben, wie sich daraus ergiebt, dass die helio- tropische Nachwirkungskrümmung auch dann beginnt und fortschreitet, wenn die Decapitirung nach kurzer einseitiger Beleuchtung der Spitze des Cotyledons vor- genommen wird, also bevor die ductorischen Processe in vollem Maasse bis zur Actionszone fortgeleitet sind. Einen solchen Schluss gestatten die bisherigen Untersuchungen über die geotropische Nachwirkung in der Wurzel nicht, da diese erst nach einer längeren luduction verfolgt wurde ^j. Immer ist aber zu be- achten, dass bei der correlativen Verkettung aller physiologischen Vorgänge (II, §45) die verschiedenen traumatischen Reactionen einen mehr oder weniger weit- gehenden Einfluss auf die schon inscenirten ductorischen Processe ausüben wer- den. So ist es vielleicht zu erklären, dass Czapek 3) bei der Wurzel von Lupinus keine geotropische Nachwirkung fand. Auch ist es begreiflich, dass dann, wenn das Decapitiren nach kurzer Induction ausgeführt wird, die Intensität der bis dahin ausgelösten Leitprocesse nicht ausreicht, um im Zusammenwirken und im Conilict mit den anderweitigen, bestehenden und erweckten Bestrebungen eine geotropische etc. Nachwirkung zu erzielen'^). Uebrigens ist die deca- pitirte Wurzel in der traumatischen Stimmung actions- und reactionsfähig und vermag augenscheinlich auch gewisse directe tropistische Reizungen (Rheotropis- mus etc., vgl. II, p. 589) zu percipiren. Reizleitung". Unter Bezugnahme auf frühere Betrachtungen (II, § 53, 95) genügt es hier, noch einige Erfahrungen über die Fortleitung der tropislischen Reize mitzutheilen. Durch diese Fortleitung, die sich in allen bekannten Fällen auf eine massige Distanz erstreckt (II, p. 599), wird bei den Paniceen die Reizung von dem Cotyledon auf das Hypocotyl, also auf ein andei^es Organ, übermittelt. Dasselbe würde der Fall sein, wenn, wie es Copeland^) wahrscheinlich zu machen sucht, die positiv geotropische Krümmung gewisser Hypocotyle und Samenlappen durch ductorische Processe veranlasst wird, welche von der perci- pirenden Wurzelspitze ausgehen. 4) Rothert, 1. c. p. 200. 2) Ch. Darwin, 1. c. p. 466, decapitirte. nachdem die Wurzeln 1 — li^o Stunden hori- zontal gehalten worden w^aren. — Warum durch diese Nachwirkungen nicht die Locali- sirung der Reizperception auf die Wurzelspitze erwiesen wird, ist z. B. bei Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1895. Bd. 27. p. 232 erörtert. — Ueber die Nachwirkung bei kürzerer hiductionszeit vgl. Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 219. 3) Czapek, 1. c. 1895, p. 252. V; Aus derartigen Verhältnissen erklären sich auch die Resultate, welche B. Nemec (Fünfstück's Beiträge z. wi^. Bot. 1901, Bd. 4. p. KS6) bei traumatischer Beeinflussung der zuvor geotropisch inducirten Wurzeln erhielt. Thatsächlich ist durch diese Unter- suchungen von Nemec in keiner Weise präcisirt, ob in der traumatischen Stimmung der Wurzel die geotropische Reizbarkeit ganz ausgeschaltet ist. oder ob die sensorischen Processe bis zu einem gewissen Grade ausgelöst werden. 5) E. B. Copeland, Botanical Gazette 1901, Bd. 31, p. 410. Vgl. diesen Bd. II, p. 563. 608 K^s-P- ^I^^- Tropistische Krümmungsbewegungen. Die tropistisclien Reizungen werden, wie die meisten Reize in der Pflanze, nur langsam foi'tgeleitet. So rückt unter günstigen Bedingungen der helio- tropische Reiz bei Avena, Brodiaea in 5 Min. etwa I — 2 mmi), der von der Wurzelspitze ausgehende geotropische Reiz in 5 Min. etwa 1 mm fort"-). Bei sensibeln Ranken muss sich der Reiz aber in 5 Min. mindestens um -1 8 mm fort- pflanzen, wie sich aus der zeitlichen Differenz zwischen der Application des Contactreizes und dem Beginn der Wachsthumsbeschleunigung in der anta- gonistischen Flanke (bezw. der hierdurch bewirkten Krümmungsreaction) entnehmen lässt^). Vermuthlich wird sich die tropistische Reizung, da wo es angeht, nicht nur einseitig ausbreiten. Doch scheint nach Rothert (1. c. p. 62) in dem Coty- ledon von Avena der heliotropische Reiz wesentlich nur in basipetaler Richtung fortgeleitet zu werden. Da der Cotyledon von Avena nur zwei nicht communicirende Leitstränge enthält, so ist es leicht, durch zwei geeignete Einschnitte die Continuität der Gefässbündel zu unterbrechen und darzuthun, dass der heliotropische Reiz ohne Mithilfe der Gefässbündel, also im Grundgewebe, geleitet wird*). Ferner ist in der Wurzel das Rindengewebe zur Uebermittlung der geotropischen^), so- wie der traumatropischen 6) Reizung befähigt, da diese Krümmungen in der Actions- zone auch dann eintreten, wenn zwischen dieser und der W\u'zelspitze ein Einschnitt so angebracht ist, dass die lebendige Continuität nur noch durch einen Rinden- streif unterhalten wird. Natürlich müssen nicht überall gleiche Verhältnisse be- stehen (vgl. 11, § 95). So erhscht z. B. bei Tradescantia fluminensis die geotro- pische Reactionsfähigkeit des Stengelknotens, wenn zwischen diesem und dem nächst jüngeren Knoten die Continuität der Gefässbündel aufgehoben wird'^). Ohnehin dürften diejenigen Reizverkettungen, welche durch den Stolfverkehr regulirt werden (II, § 45), ebenso wie dieser, in erster Linie mit Hilfe der Leitbahnen hergestellt und erhalten werden. Beachtenswerth ist, dass der geotropische S) , sowie der traumatropische 9) Reiz in der Actionszone auch dann eine normal gerichtete Krümmungsbewegung aus- lösen, wenn unterhalb der percipirenden Wurzelspitze an zwei gegenüberliegenden Flanken, in etwas verschiedener Höhe, je ein transversaler, bis über die Mitte gehender Einschnitt angebracht ist. Hieraus ergiebt sich nämlich, dass zur Er- zielung der bestimmten directiven Wirkung der Reiz von der Wurzelspitze aus nicht geradlinig verlaufen muss. Wie die Direclion erzielt wird, ist freilich in diesem Falle ebenso unbekannt, wie z. B. in Bezug auf die formative Thätigkeit, -1) Rothert, 1. c. p. 137, 209. Vgl. diesen Bd. II, p. 601. 2) Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 219. 3) H. Fitting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1903, Bd. 38, p. 610. Vgl. II, § 87, 88. 4) Rothert, 1. c. p. 63, 209. Bei dieser Pflanze gilt nach Czapek (Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 255) Gleiches für den geotropischen Reiz. Damit ist nicht gesagt, dass in diesem und den folgenden Fällen dem Leitbündel die Fähigkeit zur Reizleitung abgehe. 5) Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 220. 6) J. B. Pollock. Botanic. Gazette 1900. Bd. 29, p. 24. 7) IL Mi ehe, Jahrb. f. wiss. Bot. 1902, Bd. 37, p. 527. Vgl. II, § 121. 8) Czapek. 1. c. 1898, p. 220. Vgl. auch Nemec (Jahrb. f. wiss. Bot. 1901, Bd. 36, p. 96). Nemec giebt an anderer Stelle (Fünfstück's Beiträge z.wissenschaftl. Bot. 1901, Bd. 4, p. 207) an, dass nach dem Durchstechen der Actionszone der Wurzel die Reizreaction nur bis zu der verletzten Stelle fortschreite. Vgl. auch Nemec, Die .Reizleitung u. die reizleitenden Structuren 1901, p. 134. 9) Pollock, 1. c. p. 24. § 121. Beispiele für die autogene und aitiogene Veränderung d. Eeizbarkeit. 609 die ebenfalls in normalen und abnormen Verhältnissen durch correlative Nah- und Fernwirkungen in bestimmter Weise gelenkt wird. Da nichts Näheres über die tropistischen Leitprocesse bekannt ist, so müssen wir einfach auf die allgemeinen Erörterungen in Bd. II, p. 226 ver- weisen. Mit Sicherheit darf man aber wohl annehmen, dass die directive Reiz- leitung auf die lebendige Continuität, also auf die Plasmaverbindungen, angewiesen ist. Damit stehen die Erfahrungen Czapek' s^) im Einklang, nach denen die Schnelligkeit und Ausgiebigkeit der Reizleitung durch die Aussenbedingungen in ähnlicher Weise beeinflusst werden, wie die Perception und überhaupt die sen- sorischen Processe. Nach den oben erwähnten Erfahrungen über die Reizleitung bei Anbringung transversaler Einschnitte ist zu erwarten, dass die überall vor- handenen Plasmaverbindungen 2) nicht derart vertheilt sind, dass durch ihre An- ordnung ein für allemal eine ganz bestimmte (z. B. eine gex'adlinige) Leitbahn gesichert ist. Die Piasmafibrillen, die Nemec^) auch als die Leitbahnen für die Transmission tropistischer Reize ansprach, können höchstens in dem früher (11, p. 22 8) angedeuteten Sinne die Reizfortpflanzung in einer bestimmten Richtung beschleunigen. Die entscheidenden Leitbahnen können aber diese Plasmafibrillen schon desshalb nicht sein, weil sie in jeder einzelnen Zelle separirt sind, also kein zusammenhängendes lebendiges Leitsystem bilden. Zu- dem sind diese ansehnlichen Fibrillen offenbar nur temporäre Differenzirungen, die, soweit sich beurtheilen lässt, nicht überall da vorhanden sind oder sein müssen, wo Reizleitung stattfindet '^j. In der Zunahme reducirender Stoffe etc., welche nach Czapek^) in der geotropisch gereizten Wurzelspilze eintritt und von dieser aus fortschreitet, liegt wahrscheinlich nur eine Reaction vor, die erst durch die ausgelösten primären sensorischen und ductorischen Processe ver- anlasst wird. § 121. Beispiele für die autogene und aitiogene Veränderung der Reizbarkeit. Ebenso wie andere Eigenschaften werden auch die tropistischen Befähigungen mit der fortschreitenden Entwickelmig ausgebildet oder modificirt. Die speci- fischen tropistischen Reactionen der Sprosse, Wurzeln etc. kommen überhaupt erst mit der Anlage dieser Organe in Frage und stellen sich öfters erst in 1) Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 221. Vgl. II, § 53. — Aus der Thatsache, dass Stengel, Wurzeln etc. im plasmolysirten Zustande nicht geotropisch reagiren. ist kein bestimmter Schluss zu ziehen. Strasburger, Jahrb. f. wiss. Bot. igoi, Bd. 36, p. 578. 2) Vgl. die Bd. II, p. 21 9 citirte Literatur, sowie die inzwischen erschienenen Arbeiten von Strasburger, Jahrb. f. wiss. Bot. 1901, Bd. 36, p. 493, und Kienitz-Gerloff, Ber. d. bot. Gesellsch. 1902, p. 93. 3) B. Nemec, Die Reizleitung und die reizleitenden Structuren 1901, p. 135; Biologisches Centralblatt 1901, Bd. 31, p. 529. 4) Näheres bei Haberlandt, Sinnesorgane im Pflanzenreich 1901 , p. 150; Biol. Centralbl. 1901, Bd. 31, p. 369; Ber. d. bot. Gesellsch. 1901, p. 569. — Ueber die Reiz- leitung in Nerven vgl. Verworn, Das Neuron in Anatomie und Physiologie 1900, sowie das Sammelreferat von Boruttau, Ztschr. f. allgem. Physiolog. von Verworn 1901, Bd. 1, p. 129. 5) Czapek, 1. c. p. 208 u. Ber. d. bot. Gesellsch. 1901, Generalvers. p. (122). Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II 39 610 Kap. Xlll. Tropistische Krümmungsbewegungen. einem gewissen Entwickelungsstadium ein. So reagiren z. B. die noch in der Knospenlage befindlichen oder eben aus dieser hervortretenden Stengel und Blätter zumeist noch nicht geotropisch und heliotropisch. Auch pflegen die Stengelknoten erst mit einer gewissen Entwickelung die geotropische Reaclions- fähigkeit zu gewinnen, die sich in dem Stengelknoten von Dianthus bannaticus sogar erst einstellt, nachdem er seine volle Grösse erreicht hat^). Bei Spiro- gyra, Bacterien und anderen Asomalophyten (II, § 2) stehen natüilich nur em- bryonale Zellen zur Verfügung, und bei den Scbimmelpilzen vollziehen sich die tropistischen Perceptionen und Actionen in der embryonalen Spitze des Fadens (vgl. II, p. 603). Ferner haben wir schon erfahren, dass die geotropische Sensibilität, welche auf die Wurzelspitze beschränkt ist, mit dem Uebergang des jugendlichen Gewebes in Streckungsgewebe verloren geht, während in anderen Fällen die tropistische Sensibilität mit dem Erlöschen der Aclionsfähig- keit nicht aufhört (vgl. II, § 120). Auch ist bereits dargelegt, dass und wie eine autogene Verschiebung der geotropischen, heliotropischen etc. Sensibilität nicht selten benutzt wird, um ein Organ, bei Constanz der Aussenbedingungen, in eine andere Gleichgewichtslage überzuführen, oder um durch wiederholten Stimmungswechsel eine periodische Bewegung zu erzielen (Circumnutation der Schlingpflanzen etc. — Vgl. II, p. 388, 5ü4, 576, 596). Ausserdem kann bekanntlich durch die Veränderungen der Aussenbedingungen ein Stimmungswechsel veranlasst werden, der, ebenso w-ie in anderen Fällen, ent- weder (ohne Verschiebung der Gleichgewichtslage) nur den zeitlichen Verlauf oder den Charakter der tropistischen Reaction modiücirt. Während wir auf diese Erfolge, soweit sie durch eine mehr oder weniger weitgehende Verschiebung der Gleichgewichtslage markirt w^erden, etwas näher einzugehen haben, ist es nicht geboten, Einzelheiten über die rein formale Bedeutung von Temperatur, Licht und anderen Factoren zu bringen, da das Wesen dieser Beziehungen an anderer Stelle zur Genüge behandelt ist (II, § 20, SljIOö). Jedoch ist es am Platze, auf die physiologisch bedeutungsvollen Fälle hinzuweisen, in welchen es gelang, durch die ungleiche Beeintlussung der Partialfunctionen einzelne Glieder des Reizprocesses auszuschalten (vgl. II, § 1 05). Es wurde bereits (II, p. 533) im Zusammenhang mit anderen Reizbe- wegungen mitgetheilt, dass die heliotropische Reaction von Keimstengeln schon bei einer Partiärpressung des Sauerstoffs erlischt, bei welcher noch die geotro- pische Krümmungsbewegung ausgelöst ward, dass ferner in einer verdünnten Luft, in w'elcher keine Reaction eintritt, auch keine Perception und keine Nach- wirkung dieser ti'opistischen Reizungen nachweisbar ist. Dagegen vermag nach Czapek^) die Wurzel von Lupinus den geotropischen Reiz sogar im sauerstoff- freien Raum zu percipiren. Denn wenn in einem solchen die Wurzel bei 0 bis 4-2 C. während 24 Stunden in horizontaler Lage gehalten war, so wurde, nach dem Zurückbringen in Luft und in höhere Temperatur, als Folge der geotropischen Induction, auf dem Klinostaten eine Krümmungsbewegung ausgeführt. -1) R. Barth, Die geotropische Wachstlmmskrümmung der Knoten 1894, p. S. 28. — Vgl. II. §128. Analoges gilt für die Entwickelung der Sensibilität bei Ranken, im Gelenkpolster von Mimosa etc. 2) Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. -1895, Bd. 27, p. 277. §121. Beispiele für die autogene und aitiogene Veränderung d. Reizbarkeit. 611 Uebrigens wird auch bei Luftzutritt in Folge der Erniedrigung der Temperatur die geotropische Action früher gehemmt, als die Perception des geotropischen Reizes 1). Infolgedessen sind Lupinenwurzeln, die während 18 Stunden bei 0 bis +2 G. horizontal aufgestellt waren, geotropisch inducirt und führen desshalb nach der Uebertragung in eine günstige Temperatur eine Nachwirkungs- bewegung aus, die freilich schon desshalb nicht ansehnlich ausfällt, weil durch die niedrige Temperatur die sensorischen Processe beeinträchtigt werden, und weil unter Umständen die Actionsfähigkeit der Wurzel für einige Zeit herab- gestimmt wird {II, § 63). Ein ähnliches Resultat wie bei niedriger Temperatur wurde von Czapek (II, p. 535) mit Keimwurzeln auch bei genügend intensiver Einwirkung von Chloroform, Kohlensäure, Coffein erhalten. Bemerkt sei noch, dass nach Czapek 2) die Reizaufnahmefähigkeit des geo- tropisch sensibeln Organes, analog wie die Athmung (I, p. 572), mit der Er- höhung der Temperatur dauernd steigt, während die Curve der Zuwachsbe- wegung von einem gewissen Temperaturgrade, vom Optimum ab, fällt (II, p. 78). Ferner sei noch darauf hingewiesen, dass durch die Verletzung des Cotyledons von Avena etc., sowie der Wurzelspitze verschiedener Pflanzen transitorisch die Perceptionsfähigkeit, aber nicht immer die Fortleitung der inducirten tropi- stischen Reaction sistirt wird (II, p. 606), dass weiter durch die mechanische Hemmung des Wachsens (durch Eingipsen) die tropistische Perceptionsfähigkeit nicht aufgehoben wird. Die Sistirung der Perceptions- oder der Reactionsbefähigung sind zugleich Beispiele für die aitiogene Moditlcation der tropistischen Eigenschaften. Ausser- dem kann durch äussere Eingriffe und Veränderungen ein Stimmungswechsel hervorgerufen werden, der in manchen Fällen eine auffällige Verschiebung der tropistischen Gleichgewichtslage, also eine tropistische Bewegung bei Constanz des tropistischen Reizes, zur Folge hat. Ein solcher Effect kann sowohl durch diffuse, als auch durch einseitige Reize, überhaupt durch eine modificirte Inan- spruchnahme, ferner direct und indirect verursacht werden 3j. Auch ist es einleuchtend, dass ein Organ entweder sogleich die den veränderten Aussen- bedingungen entsprechende Stimmung annimmt und dem entsprechend, soweit es reactionsfähig ist, reagirt, oder dass ein bestimmter tonischer Zustand allmählich durch die während der Entwickelung herrschenden Constellationen angezüchtet wird '*). 1) Czapek. 1. c. p. 272; Jahrb. f. vviss. Bot. 1898. Bd. 32. p. 190. 2) Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, Bd. 32, p. 198, 303. 3) Im Folgenden wird die Bekanntschaft mit II. § 107 — 109 vorausgesetzt. 4) Vgl. I, p. IG; II, p. 77, 361. Wir halten uns hier sachgemäss an die schon vor- handenen Organe, sehen also von solchen Fällen ab, in welchen durch die Aussen- einflüsse die Bildung des mit einer specifischen Reactionsfähigkeit ausgestatteten Organes veranlasst wird (vgl. II, Kap. VI, VII und II. p. 5-59). Es ist einleuchtend, dass sich schon desshalb keine scharfe Grenze ziehen lässt, weil die modificirte Stimmung unter Umständen erst in denjenigen Theilen eines fortwachsenden Organes (bei Bacte- rien erst in denjenigen Individuen) bemerklich wird, die unter den neuen Bedingungen gebildet wurden. Es ist übrigens bekannt, dass die unter verschiedenen Bedingungen cultivirten Pflanzen, bezw. Organe, gewisse reactionelle Differenzen bieten können. So beobachtete z. B. Vöchting (Jahrb. f. wiss. Bot. 1893, Bd. 25, p. 179, 189), dass die bei schwachem Licht ausgebildeten Blüthen von Impatiens parviflora, sowie die 39* 6J2 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Zu den äusseren Eingriffen zählen auch Verletzungen, die sowohl durch traumatische Reize, als auch durch Störung und Aufhebung der bisherigen corrclativen Beziehungen wirksam werden können (II, § 38). So haben wir bereits gehört, dass bei dem Cotyledon von Gramineen und bei der Wurzel eine Verletzung der Spitze eine transitorische Herabsetzung oder Aufhebung der heliotropischen bezw. geotropischen Reizbarkeit veranlasst (II, p. 606). Wenn nun auch in den meisten Fällen die abgeschnittenen Stücke von Sprossen etc. tropistisch reagiren (II, p. 599), so dürfte doch die Verwundung oder die Sepa- ration häufig eine gewisse Modification der Reactionsschnelligkeit oder der Gleichgewichtslage veranlassen. In gewissen Fällen findet aber eine ansehnliche Beeinflussung statt, die im allgemeinen (analog wie bei anderen Wechselbezieh- ungen, II, p. 1 98) darauf hinausläuft, dass entAveder durch die Entfernung (oder durch die Wachsthumshemmung) eines Organes eine auf Ersatz berechnete Ver- schiebung der tropistischen Gleichgewichtslage eintritt, oder dass mit der Auf- hebung der correlativen Verkettung die tropistische Reactionsfähigkeit eines Organes theil weise oder aanz sistirt wird. '■o'- Eine auf Ersatz abzielende Veränderung der geotropischen Eigenschaft kommt bei Picea excelsa und verschiedenen Coniferen darin zum Ausdruck, dass sich nach dem Entgipfeln ^) ein oder einige Seitensprosse steiler aufrichten und hier- durch einen mehr oder minder Yollkomntienen Ersatz für den Hauptspross liefern. Aehnlich reagirt auch Chara2). Bei verschiedenen anderen Pflanzen hat die Entfernung des Gipfeltriebes wenigstens eine gewisse Verkleinerung des geotro- pischen Grenzwinkels zur Folge •^). Voraussichtlich wird aber in vielen Fällen, in welchen normalerweise, unter Verkümmerung der Endknospe, eine sjmpodiale Achse gebildet wird*), die nöthige directive Wirkung nicht oder doch nicht allein durch die Verschiebung der geotropischen etc. Reactionsfähigkeit, sondern durch die gesammte autotropische Selbstregulation erzielt. Dagegen scheint bei den sjmpodialen Rhizomen ^) die Aufwärtskrümmung des bisher horizontal wachsenden Sprossgliedes in der Regel auf einer Verwandlung des bisherigen Diageotropismus in negativen Geotropismus zu beruhen, die sich Hand in Hand mit dem Ueber- gang des Rhizomsprosses in einen Laub- und Blüthenspross einstellt. Der Ein- tritt einer solchen geotropischen Stimmungsänderung wird aber nicht nur bei den sympodialen, sondern auch bei gewissen anderen Rhizomen durch das kleistogamen Blüthen von Linaria spuria kein geotropisches Orientirungsvermögen be- sassen. Ferner haben offenbar die Culturbedingungen einen nicht unerheblichen Ein- fluss auf die reactionelle Befähigung von Bacterien und anderen Mikroorganismen (vgl. Rothert, Flora 1901. p. 4-16, sowie II, § U2). Möglicherweise lassen sich also auch Rassen mit einem bestimmten tropistischen Charakter züchten (vgl. Bd. II, p. 242). -1) Kunze, Flora ■ISä'l, p. US; Sachs. Arbeit, d. Botan. Instituts in Würzburg 1879, Bd. 2, p. 280; Busse, Flora 1893, p. 144. Nach Strasburger (Jahrb. f. wiss. Bot. 1901, Bd. 36, p. 588) veranlasst die Entgipflung von Picea excelsa auch die geo- tropische Aufrichtung der dieser Pflanze aufgepfropften Seitenzvveige von Picea pungens. — Derartige Richtungsänderungen können auch z. B. durch die Infection mit para- sitischen Pilzen verursacht werden. Vgl. Gh. Darwin, Bewegungsvermögen 1881. p. 161 und die an dieser Stelle citirte Literatur. 2) Richter, Flora 1894, p. 416. 3) Vöchting, Organbildung 1884, Bd. 2, p. 32. 4) Vgl. z. B. Goebel, Vergl. Entwickelungsgesch. d. Pflanzenorgane 1883, p. 192. 5) Vgl. Goebel, 1. c. p. 193; Organographie 1898, p. 645. §-121. Beispiele für die autogene und aitiogene Veränderung d. Reizbarkeit. 613 Abschneiden oder auch schon durch das Einknicken der bereits über den Boden getretenen Laubsprosse veranlasst oder beschleunigt i). Indess tritt ein solcher Erfolg nicht in allen Fällen ein und konnte z. B. von GoebeP] bei dem Rhizom von Adoxa moschatellina durch das Abtrennen der blühenden Sprosse nicht hervor- gerufen werden. Auch durch das Decapitiren der Hauptwui'zel wird veranlasst, dass sich die Seitenwurzeln in Folge der gcotropischen Stimmungsänderung steiler abwärts richten, ohne indess eine vcrticale GleichgCAvichtsIage zu erreichen ^j. Erwähnt sei noch, dass nach Vöchting'*) bei der Rübe der Spitzenlheil der Hauptwurzel, wenn er an die Stelle einer Seitenwurzel eingepfropft ist, in plagiotroper Lage weiter wächst, während die Seitenwurzel, welche an Stelle des abgeschnittenen Spitzentheils der HauptvMirzel aufgepfropft wii'd, eine positiv parallelotrope Stellung einhält. Ein schönes Beispiel für das Schwinden der tropisLischen Reactionsfähigkeit bietet Tradescantia, bei welcher die ausgezeichnete geotropische Reaction des Stengelknotcns nur etwas vermindert (Tr. virginica) oder fast gänzlich aufgehoben ist (Tr. fluminensis, zebrina), wenn das Internodium unterhalb des nächst jüngeren Knotens durchschnitten wird. Dieser Erfolg beruht aber nicht etwa darauf, dass (wie bei der Wurzel und den Grascotyledonen) die Perceptions- und Reactions- zone räumlich getrennt sind^j, dass also der geotropische Reiz für den nächst älteren Knoten in dem nächst jüngeren Knoten percipirt wird. Denn nach Mi ehe tritt in der intacten Pflanze die geotropische Krümmung in dem Knoten 3 z. B. auch dann ein, wenn dieser Knoten in horizontale, der nächst jüngere Knoten 2 aber, durch Biegen des Intei*nodiums, in vei'ticale Lage gebracht ist. Ferner wird im Knoten 3 keine Krümmungsbewegung hervorgerufen, wenn er vertical steht, in dem horizontal gehaltenen Knoten 2 aber eine geotropische Reaction ausgelöst wird. Analog wie bei anderen Cori'elationen (vgl. 11, p. 197) wird die geotropische Reizbarkeit von Knoten 3 auch schon dann beeinträchtigt, wenn der Knoten 2 vorhanden, aber, z. B. durch Einbringen in Kohlensäure oder durch Eingipsen, an der Ausübung des Wachsthums, überhaupt an der Ausübung der normalen Thätigkeiten und Wechselwirkungen behindert ist. Jedoch ist es ver- ständhch, dass die geotropische Stimmung in Knoten 3 nicht durch die Beseitigung des Blattes oder die partielle Resection von Knoten 2 , soiadern nur dann aufgehoben wird, wenn das embryonale Gewebe und somit auch die Knospe des Knotens 2 beseitigt sind. Uebrigens hat eine solche Beseitigung und Aufhebung der normalen Correlation auch zur Folge, dass der Rest des Internodiums mit der Zeit abstirbt und abgestossen wird (II, p. 20 3, 278). Da die geotropische Reizbarkeit von -1) Vgl. z. B. Goebel, Bot. Ztg. ■1880, p. 818; Organographie 1898, p. 184, 64ä (Sparganium, Sagittaria, Circaea, Scirpus maritimus etc.); Sachs, Arbeit. d. Bot. Instituts in Würzburg 1880, Bd. 2, p. 484 (Cordyline, Yucca); F. Elfving, ebenda 1880, Bd. 2, p. 489; C. Kraus, Flora 1880, p. 54; Vöchting, Bot. Zeit. 1895, p. 95 (Kartoffel). 2) Goebel, Bot. Ztg. 1880, p. 791. 3) Sachs, Arbeit, d. Bot. Instit. in Würzburg 1874, Bd. 1, p. 622; Darwin, Be- wegungsvermögen 1881, p. 139; Vöchting, Organbildung 1884, Bd. 2, p. 35; A. Boiri- vant. Annal. d. scienc. naturell. 1898, VII. ser., Bd. 6, p. 313. — [Ueber Lagenände- rungen an Fiederblättchen bei Entfernung des Endblättchens etc. vgl. B. Nemec, Ueber die Folgen d. Symmetriestörung bei zusammengesetzten Blättern 1902 (Sep. a. Bullet, internation. d. l'Academie d. Boheme).] 4) Vöchting, Transplantationen am Pflanzenkörper 1892, p. 34. 3) Dass diese von F. Kohl (Bot. Ztg. 1900, p. 1) vertretene Ansicht irrig ist, wurde von Miehe (Jahrb. f. wiss. Bot. 1902, Bd. 37, p. 327) dargethan, auf dessen Unter- suchungen sich das im Text Gesagte stützt. 614 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Knoten 3 auch schwindet, wenn durch entsprechende Einschnitte in das acroscope Internodium die Continuität der Gefässbündel unterbrochen ist, so muss die Wechselwirkung durch diese Bahnen aufrecht erhalten werden (vgl. II, p. 6 08). Es ist also wahrscheinlich, dass, wie vermuthlich in sehr vielen Fällen (II, p. 2 02), die Correlationsharmonie durch Reizwirkungen erzielt wird, die durch den Stoff- austausch und die Stoffvertheilung vermittelt werden. Vermuthlich beruht es ebenfalls auf einem Stimmungswechsel, dass, wie Vöchting') fand, bei Papavcr und Tussilago farfara durch das Abschneiden der Blüthen das Schwinden der temporären, positiv geotropischen Reactionsfähig- keit des Blüthen- bezw. Blüthenstandstieles aufgehoben wird, während die negativ geotropische Reactionsfähigkeit, sowie die autotropische Thätigkeit erhalten bleiben. Wenn ferner nach Vöchting bei Papaver derselbe Erfolg schon durch die alleinige Entfernung des Fruchtknotens erzielt wird, so folgt daraus, dass das Zustande- kommen des fraglichen correlativen Einflusses von der Existenz und der Fort- bildung des Fruchtknotens abhängt. Damit steht im Einklang, dass nach Wiesner 2) bei Digitalis u. s. w. die Aufrichtung der horizontal gelegten Inflorescenzachse unterbleibt, wenn die Blüthen befruchtet waren. Während aber bei Papaver der decapitirte Blüthenstiel noch wachsthumsthätig bleibt , wird nach Schultz (I. c. p. 387) bei Clematis cylindrica, Dahha variabilis etc. durch das Abschneiden der Blüthen das Wachsthum und dadurch die geotropische Reactions- fähigkeit des Blüthenstiels bezw. des Inflorescenzstiels sistirt. § 122. Fortsetzung. Die tropistiscbe Gleichgewichtslage erfährt auch häufig eine gewisse und zuweilen eine ansehnliche Verschieljung mit dem Wechsel der Beleuchtung, Temperatur u. s. w., überhaupt mit dem Ausmaass der formalen Bedingungen oder durch den diffusen Einfluss anderweitiger Agentien. Eine Anzahl von auf- fälligen Reactionen haben wir bereits bei der Besprechung der photonastischen, thprmonastischen etc. Reactionen kennen gelernt und bei dieser Gelegenheit ist schon hervorgehoben, dass der Erfolg entweder auf einem geotropischen Stimmungswechsel oder darauf beruht, dass durch den einseitigen Einfluss der Schwerkraft eine dorsiventrale hiduction geschaffen wird, welche zur Folge hat, dass mit dem Wechsel der Beleuchtung, Temperatur u. s. w. eine photonastische, thermonastische etc. Bewegung eintritt 3). Dass letzteres zutrifft, ist erwiesen, sobald sich die aitionastische Reaction zunächst am Klinostaten einstellt, während dann, wenn dieses nicht der Fall ist, immer noch unentschieden bleibt, ob eine 1) Vöchting, Bewegung d. Blüthen u. Früchte 4882, p. lO?, 126; M. Scholtz, Cohn's Beiträge z. Biologie 1892, Bd. 5, p. 371. — Vermuthlich wird es auch durch einen geotropischen Stimmungswechsel veranlasst, dass beiPhiladelphus, Deutzia etc. die Drehung des Internodiums unterbleibt, wenn das an der Spitze des Internodiums be- findliche Blattpaar entfernt wird (de Vries, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1872. Bd. 2, p. 273; Schwendener u. Krabbe 1892, Gesammelte botan. Mittheilungen Bd. II, p. 309), und dass nachNoll (Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1887, Bd. 3, p. 368) bei dem Decapitiren der Blüthenstandsachse der Orchideen die Torsion in dem der Schnittfläche benachbarten Fruchtknoten nicht ausgebildet wird. Vgl. Bd. II, § 1 31 , 1 32. 2) Wiesner, Biolog. Centralbl. 1901, Bd. 21, p. 803. 3) Für dieses und das Folgende sind II, p. 511 und § 108 nachzulesen. § 122. Beispiele für die autogene und aitiogene Veränderung d. Reizbarkeit. 615 sogleich schwindende, labile Tndiiction oder eine Modification des geotropischen etc. Stimmungswechsels vorliegt '). Da nun nachweislich sowohl die dorsiven- trale Induction als auch der aitiogene Stimmungswechsel in der mannigfachsten Weise und bei verschiedenen Reactionen zur Erreichung derselben oder ver- schiedener Zwecke nutzbar gemacht werden, so ist anzunehmen, dass auch in unseren speciellen Fällen beide Modalitäten separirt oder combinirt zur Anwen- dung kommen. Wie dem aber auch sei, jedenfalls ist man berechtigt, die fraglichen Reactionsänderungen als Belege dafür anzusprechen, dass die diffuse Einwirkung von Licht, Temperatur u. s. w. einen Stimmungswechsel veranlasst, der zur Folge hat, dass ein Organ bei derselben (constanten) tropistischen Reizwirkung der Schwerkraft eine verschiedene Gleichgewichtslage annimmt. Das Gesagte gilt natürlich für alle möglichen Combinationen, also auch für den Fall, dass durch den diffusen Einfluss eines Agens der tropistische Ein- fluss desselben Agens modificirt wird (vgl. II, § 107 — 109). Das geschieht aber thatsächlich, wenn mit der Zunahme der diffusen Beleuchtung, der Concentration eines Stoffes etc. die tropistische Sensibilität gegenüber demselben Agens und Reizangriff geschwächt oder auch so verschoben wird, dass sich die Richtung der Orientirungsbewegung verändert (II, § 124). Uebrigens ist nicht zu vergessen, dass auch schon ein einzelnes Agens, sowohl durch die diffuse, als auch durch die tropistische Wirkung (sowie durch das Zusammengreifen beider), gleichzeitig verschiedenartige Einflüsse ausüben und somit eine Reaction ver- anlassen kann, die sich als Resultante aus verschiedenen Factoren ergiebt (vgl. II, § 108). Beispiele für die Veränderung der geotropischen Sensibilität durch die Be- leuchtung sind die unterirdischen Ausläufer von Adoxa moschatellina, Trientalis europaea, Circaea lutetiana etc., welche im Dunkeln sich diageotrop verhalten, bei Beleuchtung aber sich abwärts krümmen, auch vi^enn sie sich im Boden befinden (vgl. II, p. 56 4 und die dort citirte Literatur). Diese Action wird bei Adoxa dadurch beschleunigt, dass durch die Beleuchtung zugleich die Wachs- thumsthätigkeit der bis dahin verdunkelten Ausläufer wiedererweckt oder geför- dert wird 2). Ferner verursacht der geotropische Stimmungswechsel, dass sich die Ausläufer (oder andersartige Sprosse) verschiedener Pflanzen im Dunkeln annähei'nd vertical, mit Zunahme der diffusen Beleuchtung aber plagiotrop bis horizontal stellen 3). Weiter veranlasst die Beleuchtung eine gewisse geotropische Abwärtskrümmung der Seitenwurzeln, durch welche der Grenzwinkel (II, p. 565) z. Th. um 20 — 30 Grad verkleinert wird"*). Da dieser Erfolg nach Czapek bei 4) Bis dahin ist noch nicht versucht, eine nähere Zergliederung vorzunehmen, was in bestimmten Fällen wohl gelingen dürfte. Es ist aber einleuchtend, dass z. B. die Zunahme der Reaction mit der Intensität der einseitigen Reizwirkung nicht schlechthin zu bestimmten Schlüssen berechtigt. Denn ein solcher Erfolg könnte z. B. auch schon dadurch zu Stande kommen, dass die dorsiventrale Induction (die physio- logische Dorsiventralität) und damit (bei Constanz der diffusen Aupsenbedingungen) die aitionastische Krümmungsbewegung gesteigert wird. 2) Stahl, Ber. d. Botan. Gesellsch. 1884, p. 391. 3) Lit. bei Czapek, Sitzungsb. d. Wien. Acad. 1893, Bd. 104, Abth. 1 , p. 1234; 01t- manns, Flora 1897, p. 24; Goebel, Organographie 1898, p. 642; A. Maige, "Annal. d. scient. naturell. 1900, VIII. ser.. Bd. 11, p. 248. Näheres vgl. II, §131. 4) Czapek, Sitzungsb. d. Wien. Acad. 1893, Bd. 104, Abth. 1, p. 1243; Stahl. Ber. d. Bot. Gesellsch. 1884, p. 393. QIQ Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Umhüllung der Wurzelspitze mit Stanniol ausbleibt, so folgt, dass der photische Stimmungsreiz durch die Wurzelspitze percipirt wird. Ebenso wie durch Licht wird der geotropische Grenzwinkel der Seitenwurzeln auch durch die Erhöhung der Temperatur etwas verkleinert i). Ferner ist bereits (II, § 99) auf Sprosse, Blätter etc. hingewiesen, bei denen die Veränderung der Temperatur eine gewisse Verschiebung der geotropischen Gleichgewichtslage her- vorruft. Wir haben uns hier an radiäre Objecto gehalten, weil sich bei dorsiventralen Objecten die Verhältnisse dadurch compliciren , dass schon die inhärente Dorsi- ventralität die Ursache einer aitionastischen Krümmungsbewegung sein kann. Auch können wir nicht näher auf die Veränderung des heliotropischen Stimmungs- wechsels durch die (diffusen) Aussenbedingungen eingehen, da in dieser Hinsicht keine kritischen Studien vorliegen. Die allgemeinen Erfahrungen lassen aber keinen Zweifel, dass durch die Aussenbedingungen nicht nur die phototropischen, sondern auch die andersartigen tropistischen Gleichgewichtslagen beeinflusst werden, und dass eine solche Beeinflussung (auch des Geotropismus) nicht nur durch Temperatur und Beleuchtung, sondern auch durch Feuchtigkeit, chemische Ein- flüsse nöthiger und unnöthiger Stoife, sowie durch andere Agentien vorkommt 2]. Durch verschiedenartige, öfters wohl durch combinirte Einflüsse wird es offenbar bewirkt, dass je nach den Culturbedingungen z. B. die geotropische Gleichgewichtslage der Nebenwurzeln, unter Umständen auch die der Hauptwurzel, eine Verschiebung erfährt. So scheint schon ungenügende Wasserzufuhr veran- lassen zu können, dass sich gewisse Keimwurzeln nicht bis zm* Verticalstellung krümmen, sondern eine plagiogeotrope Gleichgewichtslage annehmen 3). Eine solche soll nach Neljubow^) bei dem Keimstengel von Pisum sativum ein- treten, wenn die umgebende Luft ein gewisses Quantum Leuchtgas enthält, das durch den Acetylen- und Aethylengehalt wirksam ist. Auch das Zusammengreifen von zwei oder einigen tropistischen Reizungen ist nach den früher (II, p. 362) entwickelten Principien zu beurtheilen. Aus diesen ist unter anderm zu entnehmen, dass die resultirende Reaction selbst dann nicht der einfachen Summirung der (isolirten) Einzelerfolge entsprechen wird, wenn wir voraussetzen, dass die Actionsfähigkeit des Organismus imverändert bleibt, und dass die sensorischen Processe, welche durch die einzelnen tropisti- schen Reize erweckt werden, selbständig (getrennt) bis zur Auslösung der motorischen Vorgänge verlaufen. Denn einmal besteht kein proportionales Ver- hältniss zwischen Reizgrüsse und Reactionsgrösse (II, § 124), und zudem hängt die endliche Gleichgewichtslage auch von der Krümmung und den hierdurch erweckten Gegenreactionen ab (II, p. 365). Ausserdem ist bei der allgemeinen wechselseitigen Verkettung im Organis- mus mit Sicherheit zu erwarten, dass die Inanspruchnahme durch eine tropisti- -1) Czapek, 1. c. p. 1251; Sachs, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1874, Bd. 1, p. 624. 2) [Einige weitere Beispiele bei Massart, Sur l'irritabilite d. plantes superieures -1902, p. 13; Klebs, Willkürhche Entwickelungsänderungen bei Pflanzen -1903, p. 93.] 3; Sachs, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1873, Bd. 1, p. 44,t; Elfving, Beitr. z. Kenntniss der Einwirkung der Schwerkraft aufpflanzen 1880, p. 32; Czapek, 1. c. p. 1252; Nemec, Jahrb. f. wiss. Bot. 189G, Bd. 36, p. 91. 4) D. Neljubow, Beihefte z. Botan. Centralbl. -1901, Bd. 10, p. 128. [M.Singer, Bericht, d. Botan. Geseflsch. -1903, p. 175.] § 122. Beispiele für die autogene und aitiogene Veränderung d. Reizbarkeit. 617 sehe Reizung die Stimmung (den Tonus) nicht nur in Bezug auf diffuse, sondern auch in Bezug auf tropistische Reize beeinflusst. Hiergegen spricht natürlich nicht, dass z. B. die geotropisch gereizte Pflanze noch heliotropisch reizbar ist und umgekehrt. Denn wenn sich in bestimmten Fällen kein Stimmungswechsel nachweisen lässt, so ist damit nicht ausgeschlossen, dass in einem anderen Falle durch eine tropistische Inanspruchnahme die Sensibilität (oder die Auslösung der motorischen Thätigkeit) gegenüber einem andersartigen Richtungsreiz sogar ganz unterdrückt wird, oder dass die Bedingungen für eine bestimmte Reizbarkeit erst durch eine tropistische Reizung geschaffen werden. Dieses Verhältniss, das wir in Bezug auf aitionastische Reactionen bereits kennen lernten, besteht in der That bei Cuscuta, bei welcher die thigmotropische Reizbarkeit des Stengels am Klinostaten erlischt, weil zur Herstellung der thigmotropischen Reizstimmung die einseitige Einwirkung der Schwerkraft nothwendig ist (H, p. 393, 418). Eine völlige oder eine sehr weitgehende Sistirung einer tropistischen Reiz- barkeit durch eine andersgeartete tropistische Inanspruchnahme ist bis dahin nicht sichergestellt. Indess sind die Abstumpfung der Sensibilität und die Veränderung der Gleichgewichtslage bei Zunahme eines einseitigen Reizangriffes immerhin Beispiele für eine Modification der Reizstimmung, die unter anderm auch durch die combinirte tropistische Wirkung zweier verschiedener Reizstoffe herbeigeführt werden kann (II, § 124). Ferner zeigen die Ranken, dass durch die gleichzeitige Berührung der antagonistischen Flanken die Auslösung der Reizkrümmung auch bei dorsiventralen Ranken ausgeschaltet wird, bei denen durch die alleinige Be- rührung der bei der Reaction convex werdenden Flanke keine motorische Thätig- keit veranlasst wird (II, § 88). In diesem Falle sind wir also berechtigt, von einem Stimmungswechsel zu reden, den die thigmotropische Inanspruchnahme der antagonistischen Flanke hervorruft. Nach den allgemeinen Erörterungen in Band II, § 77 dürfte die Ursache der fraglichen Umstimmungen in der Modification der sensorischen Processe oder, was dasselbe sagt, in der Veränderung der maassgebenden Gonstellationen (der reizbaren Structur) zu suchen sein. So wie wir aber den sensorischen Vorgang nicht näher zergliedern können, vermögen wir zumeist auch nicht sicher zu entscheiden, ob die Umstimmung (oder die Ausschaltung) auf einer Ver- änderung in dem primären Perceptionsacte, oder in irgend einem Gliede der sensorischen Kette, oder in den Bindegliedern zwischen dieser und den auszulösen- den motorischen Processen beruht (vgl. II, p. 360). Auch das erwähnte Verhalten von Guscuta macht es nur wahrscheinlich, dass ohne die geotropische Induction schon die (primäre) Perceptionsfähigkeit des thigmotropischen Reizes unterdrückt ist. Vermuthlich werden aber verschiedene Modalitäten und Gombinationen vorkommen. Jedenfalls wird durch die Argumentationen NoU's^) bezw. Gza- pek's^) nicht sicher erwiesen, dass die Umstimmung in einer Veränderung der perceptorischen Einrichtungen (Gonstellationen), bezw. in einer Alteration der Bindeglieder zwischen den sensorischen und motorischen Processen zu suchen ist. i) Noll, Jahrb. f. vviss. Botan. 1900, Bd. 34, p. 495; Ueber heterogene Induction 1892, p. 36. 2) Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 246; Sitzungsb. d. Wien. Acad. 1895, Bd. 104, Abth. I, p. 337. 618 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Auch lässt die Erfahrung, dass durch die geotropische Reizung die helio- tropische Sensibihtät nicht aufgehoben wird und umgekehrt, unentschieden, ob die angeregten sensorischen Processe selbständig (getrennt) verlaufen oder vor der Anregung der motorischen Action zu einem einheitlichen Impulse verschmel- zen (II, p. 361). Aus teleologischen Rücksichten wird man aber mit einiger Wahrscheinlichkeit wenigstens ein derartiges Zusammengreifen erwarten dürfen, dass eine einheitliche, also nicht zwei getrennte motorische Auslösungen statt- finden, da die Activirung zweier antagonistischer (sich compensirender) Be- wegungsbestrebungen eine unnöthige Thätigkeit sein würde. Vermuthlich wird also in Bezug auf locomotorische Bewegungen und Krümmungsbewegungen eine ge- wisse Analogie mit dem Verhalten eines Menschen bestehen, der durch zwei gleichstarke, entgegengesetzt gerichtete Orientirungsreize zu keinen Bewegungs- bemühungen veranlasst wird, und der zur Zurücklegung einer bestimmten Strecke denselben Energieaufwand benüthigt, gleichviel ob die Bewegung durch einen einzelnen Richtungsreiz veranlasst ist oder der Resultante aus verschieden gerichteten Reizen entspricht. Eine bestimmte Entscheidung gestatten die bis dahin vorliegenden Erfahrungen nicht, auch nicht die Versuche N. J. C. Müller's^j (vgl. II, § 130), nach denen mit der Ausführung der geotropischen Reaction eine Abnahme der Athmungs- thätigkeit verknüpft sein soll. Uebrigens ist zu beachten, dass die geotropische und die heliotropische Krümmung wachsthumsthätiger Organe ohne Beschleunigung der mittleren Wachsthumsschnelligkeit stattzufinden pflegt 2). Wird aber, wie im Grasknoten, die Wachsthumsthäigkeit erst durch die tropistische Reizwirkung der Schwerkraft erweckt, so ist durch diese Induction zugleich die Möglichkeit für eine heliotropische Reaction geschaffen. Dass beim Zusammenwirken von geotropischer und heliotropischer Reizung eine resultirende Lage angenommen wird, wurde bereits von Dutrochet^) und MoliH) erkannt und weiterhin von H. Müller-Thurgau ^) und Wiesner^) näher untersucht. Mit der allgemeinen Betonung, dass bei dem Zusammenwirken der tropistischen und anderer Reize der Erfolg durch den Stimmungswechsel ei'heblich modificirt werden kann 7), war der Standpunkt gewonnen, auf dem wir 1) N. J. C. Müller, Fünfstück's Beitr. z. wissensch. Bot. 1898, Bd. 2, p. 267. Die Versuche sind nicht einwandsfrei. [M. Arct, Fünfstücks Beitr. z. wissensch. Bot. -1903, Bd. 5, p. i45.] 2) Vgl. Bd. II, § 1 29, wo auch die Wachsthumsbeschleunigung bei Reizung der Ranken berücksichtigt ist. 3) H. Dutrochet, Recherch. anatom. et physiolog. 1824, p. 92. 4) H. Mohl, Vegetabilische Zelle ISöl, p. 140. 5) H. Müller-Thurgau, Flora 1870, p. 94. 6) J. Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen im Pflanzenreich 1878, I, p. 53. 63. 7) Pfeffer. Pflanzenphysiol. I. Aufl. 1881, Bd. 2, p. 338. Vgl. auchdiesesBuch, Bd. I, p. 18 u. II. p. 498, § 107. — Man würde natürlich, je nachdem die Stimmung (der je- weilige Tonus) durch gewöhnliche oder ungewöhnliche Bedingungen und Eingriffe, durch tropistische oder diffuse Reize, durch directe oder indirecte (correlative) Beeinflussung u. s. w. geschaffen und modificirt wird, ferner je nachdem es sich um eine formative oder eine Krümmungsreaction, um den zeitlichen Verlauf der Beaction oder um eine Neu- formation oder um die Verschiebung der tropistischen oder einer anderen Gleichgewichts- lage handelt u. s. w., verschiedene Rubriken bilden und verschiedene Namen schaffen § 122. Beispiele für die autogene und aitiogene Veränderung d. Reizbarkeit. 619 auch heute noch stehen, nachdem inzwischen zahh-eiche weitere Beispiele für die Bedeutung des Stimmungswechsels bekannt geworden sind. Eine genaue Präcision der obwaltenden Verhältnisse ist aber oft mit Schwierig- keiten verknüpft. So ist es zu verstehen, dass Czapek^) und Noll^] in ihren Versuchen mit Keimlingen zu entgegengesetzten Resultaten kamen. Denn während nach ersterem durch die geotropische Reizung die hehotropische Sensibilität und ebenso durch die heliotropische hiduction die geotropische Reizbarkeit nicht alterirt werden, sollen nach Noll durch die heliotropische Inanspruchnahme die geotro- pische Reizbarkeit und Induction aufgehoben werden. Aus der Erfahrung, dass bei vielen Organen schon eine massige einseitige Beleuchtung eine vöUige oder nahezu vollkommene heliotropische Gleichgewichtslage herbeifühi't, dass also das geotro- pische Richtungsstreben überwunden wird, lässt sich kein bestimmter Schluss ziehen, da der besagte Ei"folg auch dann zu Stande kommt , wenn die heliotro- pische Reaction mit weit grösserer Energie angestrebt wird, als die geotropische. Es ist indess wahrscheinlich, dass z. B. eine Abstumpfung der geotropischen Sensibilität durch die heliotropische Reizung gerade bei solchen Organen in An- wendung kommt, die von der leichten und sicheren Ueberführung in die günstige Lichtlage einen wesentlichen Gewinn habend). Jedenfalls muss aber die andersartige tropistische Reizwirkung (mit oder ohne Stimmungswechsel) die geotropische Richtwirkung überwiegen , wenn diese keinen wesentlichen Einfluss auf die Gleichgewichtslage ausüben soll, wie das z. B. auch bei der hydrotro- pischen, rheotropischen etc. Reizung der Wurzeln und anderer Organe vor- zukommen scheint 4). können, ohne dass damit unsere Einsicht in das Wesen der Sache gefördert würde (vgl. Bd. II, p. 84). Das ist auch nicht mit der Schaffung des Namens >heterogene In- duction« durch Noll (Heterogene Induction 1892, vgl. übrigens Noll, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 34, p. 496) geschehen, der zudem die anderweit schon richtig aufgefasste Allgemeinbedeutung der Stimmung und des Stimmungswechsels durch innere und äussere Factoren verkannte (vgl. Pfeffer, Die Reizbarkeit der Pflanzen 1893, p. 22, u. dieses Buch Bd. I, p. ■18). Fasst man die Gesammtheit der Erfahrungen zusammen, so ist es auch klar, dass zwischen den oben angedeuteten Rubriken keine scharfen Grenzen möglich sind. Man würde u. a. die geothermonastischen und die geophoto- nastischen Reactionen mit Bezug auf den Stimmungswechsel durch den tropistischen Reiz, aber nicht mit Bezug auf den Stimmungswechsel durch die diffuse Licht- oder Temperaturänderung (vgl. II, p. 511, 614), (also auch den Einfluss von formalen Factoren) als eine heterogene Induction zu bezeichnen haben. Die Discussionen von Herbst (Biolog. Centralbl. 1894, Bd. 14, p. 733) und Driesch (Die organischen Regulationen 1901 . p. 19 Anmerk.) drehen sich im Grunde nur um die Frage, ob es zweckmässig er- scheint, für die Stimmungswechsel, die nicht durch formale Bedingungen geschaffen sind, oder die durch die Art des Reactionserfolges auffällig werden, einen beson- deren Terminus zu benutzen. 1) Czapek, Sitzungsber. d. Wien. Acad. 1895, Bd. 104, Abth. 1, p. 372; vgl. auch Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 271. 2) Noll, Heterogene Induction 1892, p. 36; Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 34, p. 494. 3) Vgl. die schon besprochenen und die noch in II, § 131, 132 zu besprechenden Beispiele von Stimmungswechsel. 4) Ein Beispiel dafür, dass der Heliotropismus leicht durch den Hydrotropismus überwunden wird, bietet nach Klebs (Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 56) Sporo- dinia grandis. 520 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. § 123. Seil wellen werth, Inductionszeit und Eeactionszeit. Im Anschluss an Kap. XI dieses Bandes haben wir in Kürze darauf hin- zuweisen, w^as für die tropistischen Reize in Bezug auf die in der Ueberschrift angedeuteten Verhältnisse bekannt ist. Aus der ungleichen Sensibilität ver- schiedener Organe gegenüber denselben und verschiedenen tropistischen Reizen ergiebt sich ohne weiteres, dass eine eben merkliche Reaction, d. h. die Reiz- schwelle, zum Theil schon bei sehr geringer, zum Theil erst bei hoher Reiz- intensität erreicht wird. Ferner sind die Schwärmzellen Beispiele dafür, dass die tropistische Reaction fast augenblicklich eintritt (II, § \ 42), während bei den tropistischen Krümmungsbewegungen die Latenzzeit selten weniger als einige Minuten, oft aber eine halbe oder einige Stunden beträgt. Hat die Krümmungsbewegung begonnen, so schreitet sie auch nach der Sistirung des tropistischen Reizanstosses noch kürzere oder längere Zeit fort^). Aber auch dann tritt eine mehr oder minder ansehnliche Nachwirkungsbewegung ein, W'Cnn der tropistische Reiz nur so lange wirksam ist, bis eine genügende Reizung inducirt ist, die Krümmungsreaction aber noch nicht angefangen hat. Hieraus folgt also, dass nach der Realisirung der Perception eine gewisse Zeit verstreicht, bevor die Krümmungsbewegung ausgelöst wird. Damit ist aber offen gelassen, in wie weit dieses Verhalten durch die Entwickelung und den Verlauf der sensorischen oder der motorischen Processe (bezw. durch die Ver- kettung beider) bedingt ist, die beide nach der Natur der Pflanzen, nach Ent- wickelungsstadium und Aussenbedingungen veränderlich sind. Uebrigens bringt es die ziemlich langsame Fortpflanzung des tropistischen Reizes (II, § 120) mit sich, dass bei räumlicher Trennung der Perceptions- und Aclionszone die Aus- lösung der motorischen Processe erst nach einer gewissen Zeit beginnt, und ferner ist es klar, dass das Nachlassen der i\ctionsfähigkeit (bei Gleichheit der sen- sorischen Processe) eine Verzögerung und Verminderung der Krümmungsreaction zur Folge hat. Ohne eine genügende Perception und Reizung kommt natürlich, trotz bester Actionsfähigkeit, keine Bewegungsreaction zu Stande, die demgemäss unterbleibt, w^enn ein Organ zu kurze Zeit einer einseitigen Beleuchtung oder einem andern tropistischen Reize ausgesetzt wird. Da aber die Reaction durch Summation solcher Reize, d. h. dann ausgelöst wird, wenn die kurze Beleuchtung (oder eine andersartige tropistische Einwirkung) in bestimmten Intervallen wiederholt wird, so ergiebt sich, dass auch der kurze Reizanstoss eine gewisse sensorische Er- regung (Induction) bewirkt, die bei dem Eintreffen einer bald darauf folgenden Reizung noch nicht ausgeklungen ist (vgl. II, p. 442). So fand z. B. Wiesner 2)^ dass sich die Keimstengel von Lepidium sativum, als sie jedesmal \ Secunde durch eine Gasflamme einseitig beleuchtet und dann während 2 Secunden verdunkelt wurden, nach 25 Min. ebenso stark heliotro- ■1) Ueber Verlauf der Krümmungsbewegung vgl. II, § 128. 2) Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen ISSO, II, p. 25, S7. §123. Schwellenwerth, Inductionszeit und -Reactionszeit. 621 pisch gekrümmt hatten, wie die Controlpflanzen, die während 25 Min. dauernd einseitig beleuchtet gewesen waren i). Diese Uebereinstimmung erklärt sich daraus, dass die tropistische Reizung und Reaction überhaupt nur bis zu einem gewissen Grade beschleunigt und gesteigert werden können. Ausserdem ist klar, dass mit genügender Verlängerung der reizfreien hitervalle die tropistische Reizreaction abnimmt und endlich ganz ausbleibt. Uebrigens scheint bei guter einseitiger Beleuchtung eine heliotropische Krümmung z. B. noch einzutreten, wenn intermittirend eine Secunde beleuchtet und '15 — 30 See. verdunkelt wird. Da andererseits eine heliotropische Reaction auch dann erfolgt, wenn einseitige Beleuchtung und Verdunkelung in sehr kurzen Intervallen abwechseln 2), so er- giebt sich, dass (bei genügender Intensität) auch der kürzeste Lichtbhtz perci- pirt wird und eine gewisse sensorische Erregung veranlasst. Das zuletzt Gesagte gilt vermuthlich auch für andere tropistische Reize. Jedenfalls konnte in allen untersuchten Fällen durch die Summation von Reiz- anstössen eine Reaction ausgelöst werden. Es ist dieses für die Contactreizung der Ranken bekannt (II, p. 442), und NolP) fand unter anderm, dass eine ein- malige, 5 Minuten dauernde, geotropische Reizung des Keimstengels von Sinapis alba keine Reaction hervorrief, die aber in 3 Stunden eintrat, als der Keimling abwechselnd 5 Min. horizontal und 25 Min. vertical gestellt worden war. Nach dem Vorstehenden ist nicht zu bezweifeln, dass eine gewisse sen- sorische Erregung auch durch einen continuirlichen tropistischen Reiz ausgelöst wird, der unter dem Schwell enwerth liegt und desshalb keine Bewegungsreaction verursacht. Ohne Frage nimmt diese Erregung mit der Reizintensität mehr und mehr ab, jedoch haben Avir kein Mittel, um zu verfolgen, ob sie bei einer gewissen Reizintensität gänzlich oder annähernd aufhört. Thatsächlich dürfen wir letzteres erwarten, da die auf die Wiederherstellung und Erhaltung des Normalzustandes hinarbeitende, selbstregulatorische Thätigkeit des Organismus zur Folge haben muss, dass ein zu schwacher Reiz eine merkliche Veränderung nicht mehr erzielt (vgl. z. B. Bd. II, p. 229). Schwellenwertlie. — Untersuchungen über die tropistische Reizschwelle bei continuii'licher einseitiger Beleuchtung' wurden von Darwin-^), besonders aber von Wiesner 5) und Figdor^) angestellt, welche die gewünschten Lichtintensi- Ij Bei Anwendung einer superoptimalen Lichtintensität muss auch erreichbar sein, dass die intermittirend beleuchteten Objecte schneller reagiren, als die dauernd beleuchteten Pflanzen. 2) Die Intervalle kann man beliebig variiren, wenn man zwischen Lichtquelle und Versuchsobject in geeigneter Weise eine mit einem oder mit einigen Ausschnitten ver- sehene, undurchsichtige Scheibe aufstellt und diese in langsame oder schnelle Drehung versetzt. 3) Noll, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 34, p. 463. Vgl. ferner Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. -1898, Bd. 32, p. 206; Sitzungsb. d. Wien. Acad. 189.5, Bd. 104, Abth. -1, p. 12/17; Fr. Darwin u. D. Pertz, Annais of Botany 1892, Bd. 6, p. 245; 1903, Bd. 17, p. 93; Jost. Biol. Centralbl. 1902, Bd. 22, p. 173. 4) Ch. Darwin, Bewegungsvermögen der Pflanzen 1881, p. 391. 5) Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen -1878, I, p. 40. 6) W. Figdor, Sitzungsb. der Wien. Acad. 1893, Bd. 102, 1, p. 45. (Ueber Licht- einheiten etc. vgl. dieses Buch Bd. II, p. 574 Anmerk.) — Es ist nicht aus- geschlossen, dass gewisse Pflanzen schon durch Mondlicht heliotropisch gereizt werden. Ch. Musset, Compt. rend. 1890, Bd. 110, p. 201. Vgl. dazu Ch. Bay, Bot. Ztg. 1891, 622 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. täten erhielten, indem sie die Pflanzen in einem dunkehi Zimmer in vei'schiedener Entfernung von einer Gasflamme aufstellten. Unter diesen Umständen und bei günstigen Aussenbedingungen fand Figdor, dass sehr empfindliche Keimstengel (Lepidium sativum, Lunaria biennis u. s. w.) noch bei einer Lichtintensität von 0,0003 Normalkerzen heliotropisch reagirten. Für die Keimstengel von Helianthus annuus und Mirabihs jalapa wurde die Reizschwelle bei 0,016, für die etiolirten Triebe von Salix bei 10,16 Noi'malkerzen gefunden. Bei den weniger sensibeln Pflanzen (vgl. II, § 110, 112) ist eine weit stärkere einseitige Beleuchtung noth- wendig, um eine eben mei'khche Krümmungsreaction hervorzurufen. Die empfindlichsten Pflanzen reagiren also noch auf Beleuchtungsdifferenzen, die das menschliche Auge eben noch zu unterscheiden vermag. Da aber die heliotropische Wirkung hauptsächlich den blauen, violetten und auch den ultra- violetten Strahlen zukommt (II, § 113), die wir nicht direct wahrnehmen, so ist klar, dass in Bezug auf die heliotropisch wirksamsten Strahlen die pflanzliche Sensibilität dem menschlichen Wahrnehmunesvermögen überlesen ist. Uebrigens wird bei den empfindlichsten Pflanzen eine heliotropische Reaction noch bei einer Beleuchtung erzielt, welche im Laufe von 16 — 24 Stunden keine merkliche Schwär- zung eines empfindlichen Chlorsilberpapiers hervorruft i). Durch die Verwendung der Centrifugalkraft (II, p. 572) lässt sich nachweisen, dass auch der Schwellenwerth für die geotropisclie Reizung' specifisch verschieden ist. Auf diese Weise fand z. B. Czapek 2), dass bei empfindlichen Keimwurzeln und Keimstengeln durch eine Centrifugalwirkung = 0,001 g eine eben merkliche Krümmungsreaction ausgelöst wird. Die hohe thigmotropische Empfindlichkeit gewisser Ranken wurde früher (II, p. 423) besprochen. Auch hörten wir (II, p. 588), dass eine" verhältnissmässig langsame Wasserströmung eine rlieotropische Krümmung auszulosen vermag. Dass eine ungemein geringe Menge gewisser Stoffe als tropistischer Reiz wirken kann, wird bei Behandlung der chemotactischen Reize (II, § 149) gezeigt werden. Reactionszeit uud Präsentationszeit. — In Bezug auf die tropistischen Krümmungsbewegungen kommt, so weit wir wissen, die kürzeste Reactionszeit den Ranken zu, bei welchen eine thigmotropische Reaction schon nach 5 — 20 See. bemerklich werden kann (II, p. 423, 428). Ausserdem dürfte bei den Blattgelenken von Lourea vespertilionis"') und einigen andern Pflanzen der Beginn einer helio- tropischen Reaction in weniger als einer Minute erzielbar sein, und unter günstigen Verhältnissen scheinen die Fruchtträger von Plncomyces in etwa 1 — 3 Min. heliotropisch zu reagiren 4j. Gewöhnlieh beträgt aber die heliotropische Reactions- zeit, selbst bei sehr empfindlichen Objecten (Keimlinge von Phalaris, Avena, Sinapis etc.), mindestens 7 — 15 Min., zuweilen aber, wie bei dem stark helio- tropisch reagirenden Keimstengel von Vicia sativa, sogar mehr als 1 Stunde^). p. 178. — Dass die Sensibilität nach Culturbedingungen veränderlich ist, wurde schon von Wiesner bemerkt. Vgl. auch Figdor, 1. c. p, 58, und Oltmanns, Flora -1892, p. 231. — Ueber die Eliminirung der geotropischen Reizung siehe Wiesner, 1. c. p. 54 u. dieses Buch II, § IM. 1) Wiesner, Sitzungsb. d. Wien. Acad. 1893, Bd. 102, I, p. 347; Botan. Centralbl. 1897, Bd. 69, p. 305. 2) Czapek. Jahrb. f. wiss. Bot. 1895. Bd. 27, p. 307; 1898, Bd. 32, p. 190. 3) Vgl. Pfeffer, Periodische Bewegungen 1875, p. 63. 4) Vgl. Oltmanns, Flora 1897, p. H. 5) Lit. Gh. Darwin, Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 394; Wiesner, § ^ 23. Schwellenwerth. Inductionszeit und Reactionszeit. 023 Die heliotropische Reactionszeit scheint aber im allgemeinen kürzer zu sein, als die geotropische Reactionszeit, die z. R. bei empfindlichen Wurzeln nicht unter 20 — 30 Min. herabzugehen pflegt ^j, Kürzer als die Reactionszeit (der Reactionsbeginn bei continuirlicher Reizung) stellt sich natürlich die Inductionszeit oder Präsentationszeit 2], d. h. die Zeit, welche nöthig ist, um eine Erregung zu induciren, die nach der Sistirung des Reizes eine eben merkliche Nachwirkungsbewegung zur Folge hat. So wurde von Czapek (1. c. p. 184) für verschiedene Keimwurzeln bei 25 C. die geotropische Präsentationszeit zu 20 Min., die Reactionszeit zu 3 0 Min. bestimmt 3). Eine geotropische Präsentationszeit von weniger als 15 Min. wurde von Czapek (1. c.) nicht beobachtet. Als heliotropische Präsentationszeit wurde bei empfindlichen Keimlingen 7 — 20 Min., bei dem Epicotyl von Phaseolus 50 Min. gefunden. Uebrigens dürfte das Verhältniss zwischen Präsentations- und Reactionszeit, sogar bei derselben Pflanze, nach den obwallenden Bedineuno^en veränderlich sein. Aus der Gesammtheit der in diesem Paragraph mitgetheilten Erfahrungen er- giebt sich, dass die sensorische Erregung zwar sofort mit dem Reizanstoss beginnt, aber bei Forldauer des letzteren erst in kürzerer oder längerer Zeit zur vollen Höhe anschwillt, dass ferner die Krümmungsreaction früher bemerklich wei'den würde, wenn nicht die Inscenirung der motorischen Thätigkeit eine gewisse und öfters wohl eine erhebliche Zeit erfordern würde. Es ist desshalb verständlich, dass die tropistische Reactionszeit zumeist viel kürzer bei den freibeweglichen Orga- nismen ausfällt, bei denen es sich nur um die directive Lenkung der schon vor- handenen Beweiiungsthätiffkeit handelt. '&" Nachwirkungsbeweguiigeu. — Wird die tropistische Induction über die Präsentationszeit ausgedehnt, so wird naturgemäss die Nachwirkung gesteigert. So fand z. B. Sachs 4) Nachwirkungen, die i — 3 Stunden anhielten, und die eine erhebliche Krümmung herbeiführten, als er negativ geotropische Stengelorgane vertical stellte, nachdem sie so lange horizontal gelegen hatten, bis der Reginn der Krümmungsthätigkeit bemerklich wurde. Zu analogen Resultaten führten Versuche von H. Müller^) und Wiesner^), in denen durch einseitige Beleuchtung bis zum Beginn der heliotropischen Krümmungsbewegung gereizt wurde. Aller- dings tritt nicht in allen Fällen eine auffällige Nachwirkung ein, die indess nie gänzlich fehlen dürfte und die sogar bei den schnell reagirenden Schwärmzellen darin zum Ausdruck kommt, dass sich der Organismus, bei Sistirimg des photo- tropischen Reizes, noch einen Augenblick in der Reizrichtung fortbewegt. Wenn Die heliotropischen Erscheinungen 1S78. 1, p. 37; Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898. Bd. 3ä. p. 18 1. Weitere Angaben finden sich in der II, § 112 und der fernerhin citirten Literatur. 1) Vgl. Czapek, 1. c. p. 184; Darwin, 1. c. p. 422; Sachs, Flora 1873, p. 321. Verschiedene Beobachtungen sind in der II, §110 citirten Literatur mitgetheilt. — Ebenso finden sich Angaben über andere Tropismen in den II, § 1 1 4 — 1 1 7 angeführten Arbeiten. 2) Vgl. Czapek, 1. c. p. 183. 3) In Bezug auf die Knoten von Tradescantia vgl. Kohl, Bot. Ztg. 1900, p. 19. 4) J. Sachs, Flora 1873, p. 325. 5) H. Müller, Flora 1876, p. 89. 6) J. Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen 1878, I, p. 61, und 1880, II, p. 87. (324 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. in einigen Fällen Nachwirkungen vermisst wurden M, so ist der Grund hierfür sicherlich in den Versuchsbedingungen zu suchen. Da aber die Realisirung und die Ausgiebigkeit der ■Nachwirkung von A-erschiedenen Factoren abhängen, so ist auf eine einfache und allgemein giltige Beziehung zwischen Induction und Nach- wirkungserfolg nicht zu rechnen. Im allgemeinen scheint aber (bei gut reagiren- den Objecten) die Nachwirkung mit der Reactionszeit zuzunehmen ^j. § 124, Eeizintensität und Excitation, Mit der Steigerung der Reizintensität (des Reizanstosses) nimmt (wie auch bei andersartigen Reizen, vgl. II, p. 365, 462) im allgemeinen die Excitation zu, wie sich daraus ergiebt, dass die Reactions- und die Präsentationszeit verkürzt werden, und dass durch dieselbe Reizdauer eine ansehnlichere Bewegung aus- gelöst wird. Da aber die Excitation, sowie die Reaction, aus verwickelten Processen resultiren, so können die Beziehungen zwischen den besagten Reiz- erfolgen und der Grösse des Reizanstosses (der Reizintensität) sicherlich nicht durch eine einfache und allgemein giltige Formel ausgedrückt werden. Eine ein- fache Beziehung ist ohnehin schon dadurch ausgeschlossen, dass mit der Er- höhung der Beleuchtung, der Temperatur, der chemischen Wirkung u. s. \\^ eine Abstumpfung oder Sistirung der sensorischen und motorischen Fähigkeiten und endlich der Tod herbeigeführt werden (vgl. II, § 63), Innerhalb der zulässigen Grenzen werden durch die Steigerung des Reizes (Reizanstosses) nicht nur die Sensibilität und Reactionsfähigkeit, also der zeit- •liche Verlauf der Reaction, sondern vielfach auch die Gleichgewichtslage mehr oder weniger modificirt, und also dem entsprechende Bew^egungen veranlasst. So haben wir bereits gehört, dass z. B. bei genügender Steigerung der ein- seitigen Beleuchtung die bis dahin positiv phototactischen Schwärmzellen ver- anlasst werden, das Licht zu fliehen, und dass bei festgewurzelten Pflanzen bei specifisch verschiedener Lichtintensität (auch bei radiären Organen) die positiv heliotropische Reaction in eine plagiotrop oder auch in eine negativ phototropische Gleichgewichtslage übergehen kann (II, § 112, 145). Auch ist schon mitgetheilt, dass derartige Reactionsänderungen ebenso in Bezug auf ther- motropische, chemotropische, hydrotropische, galvanotropische Wirkungen bekannt sind (II, § 114 — 118; 143—154). Ferner wird z. B. bei Steigerung der Centri- 1) So erhielt z. B. Sachs, Arbeit, d. Würzburger Instituts 1873, Bd. I. p. 472, bei Wurzeln nie Nachwirkungen, die aber von Czapek u. A. in schönster Weise beob- achtet wurden. — Ueber den Verlauf der Krümmungsreaction vgl. II, § 128. 2) Weitere Beobachtungen über Nachwirkungen finden sich in den in diesem Paragraphen, sowie in II, § 110 — 119 citirten Schriften. In Bezug auf die geotropische, bezw. hehotropische Nachwirkung nach dem Abschneiden der Spitze der Wurzel und des Cotyledons von Graskeimlingen vgl. Bd. II, p. 604. — Uebrigens sind auch ander- weitige Vorgänge mit Nachwirkungen verknüpft, die allgemein darin zum Ausdruck kommen., dass sich ein Organismus schneller oder langsamer auf den den neuge- schaffenen Verhältnissen entsprechenden Gleichgewichtszustand einstellt (11, p. 79; über die Entstehung der Tagesperiode vgl. II, § 58, 98). Auch die formativen Induc- tionen sind Beispiele von Nachwirkungen, die sich z. B. bei der Induction einer per- manenten Dorsiventralität oder bei der Züchtung farbloser Bacterienrassen dauernd erhalten (vgl. II, p. 167, 181, 241 etc.. § -124. Reizintensität und Excitation. 625 fugalkraft der geotropische Grenzwinkel der Seitenwurzeln verkleinert^) und bei den diageotropen Rhizomen^) eine abwärts (erdwärts) gerichtete Krümmung veranlasst. Ferner wird im allgemeinen die Sensibilität mit der Inanspruchnahme durch den Reiz abgestumpft. Ist also ein Organismus (Organ) durch Licht, chemische Agentien etc. bereits in einen Reizzustand versetzt, so ist ein absolut grösserer Reizzuwachs nothwendig, um wiederum denselben EiTect, also z. B. eine eben merkliche Reaction (d. h. die Ueberschreitung der Unterschiedsschwelle), zu verursachen •'). Eine derartige Abstumpfung ist übrigens, ausser für die tropi- stischen, auch für verschiedene andere Reizungen und zwar nicht nur für die Pflanzen, sondern auch für den Menschen bekannt. Obgleich das Verhältniss zwischen Reizgrüsse und Excitation nicht durch eine allgemein giltige, ein- fache Formel ausgedrückt werden kann (vgl. 11, p. 624), so hat sich doch er- geben, . dass bei den Pflanzen innerhalb gewisser Grenzwerthe ähnliche Be- ziehungen zwischen Reiz, Reizzuwachs und Excitation, bezw. Empfindung vorkommen, wie bei dem Menschen, d. h. dass auch bei den Pflanzen zwischen dem schon wirksamen Reiz und dem Reizzuwachs dasselbe Verhältniss be- stehen muss, um denselben Effect, also eine Excitation auszulösen, die durch eine eben merkliche Reaction, bezw. Empfindung kenntlich wird (Weber's Gesetz). So muss unter anderm zur Erzielung der Unterschiedsschwelle bei dem Menschen die Lichtintensität um Yjoq, bei Phycomyces um 1/5 ge- steigert werden. Befindet sich also dieser Pilz das einemal in einer äqualen (diffusen) Beleuchtung, die 5 Lichteinheiten, das anderemal in einer Beleuchtung, die 100 Einheiten entspricht, so wird im ersten Falle eine eben merkUche helio- tropische Reaction durch die tropistische Wirkung von einer Einheit, im zweiten Falle aber erst durch die Wirkung von 20 Lichteinheiten, also durch einen absolut höheren Lichtzuwachs, hervorgerufen. Dass mit dem Aussenreiz die Excitation (Reaction) steigt, jedoch im allge- meinen langsamer zunimmt als die Reizintensität, war bereits in Bezug auf die geotropische Reizung aus den Arbeiten von Sachs, Elfving, Fr. Schwarz (1. c), in Bezug auf die heliotropische Reizung aus den Untersuchungen Wies- ner's"*) zu einsehen. Eine nähere Einsicht wurde aber erst durch meine ^) Unter- suchungen über die chemotactischen Reizvorgänge gewonnen, in welchen auch gezeigt wurde, dass der Hauptsache nach zwischen Reizgrüsse und Excitation (bezw. Empfindung) bei den Pflanzen ähnliche Beziehungen bestehen, wie bei dem ■I) Vgl. Sachs, Arbeit, d. bot. Instituts in Würzburg 1874, Bd. 1, p. 607. — Vgl. auch Pfeffer, Pflanzenphysiologie 1881, Bd. 2, p. 334; Elfving, Beitrag zur Kenntniss d. Einwirkung der Schwerkraft auf die Pflanzen 1880, p. 33 (Separat, aus Acta Soc. Scient. Fennic. Bd. 12); Fr. Schwarz, Unters, a. d. botan. Institut z. Tübingen 1881, Bd. 1, p. 80. — Bei genügender Steigerung der Centrifugalkraft wird natürlich eine mechanische Abwärtsbeugung erzielt. Siehe II, § 29. 2) Czapek, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1895, Bd. 104, p. 1233. 3) Näheres Pfeffer, Untersuch, a. d. botan. Institut zu Tübingen 1884, Bd. 1, p. 395, wo auch »Unterschiedsschwelle«, »Reizhöhe« und »Reizumfang«, definirt sind. 4) Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen im Pflanzenreiche 1878, I, und 1880, II. 5) Pfeffer, Bericht d. Botan. Gesellschaft 1SS3, p. 324; Untersuch, a. d. botan. Institut zu Tübingen 1884, Bd. 1, p. 395; 1888, Bd. 2, p. 633. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 40 620 Ka^P- XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Menschen. Dieses wurde dann von Miyoshi i) für den Chemotropismus der Pilze und der Pollenschläuche, von Massart^j für den Phototropismus, von Czapek 3) für den Geotropismus bestätigt. Bei meinen Untersuchungen (1. c.) kamen die freibeweglichen Organismen z. Th. in Wasser, z. Th. in eine homogene Lösung des Reizstoffes, und dann wurde ermittelt, um wieviel concentrirter die Reizslofflösung in der zugescho- benen Glascapillare sein musste, damit eine eben merkliche Anlockung eintrat (vgl. II, § 149). Zu diesem Zwecke musste bei den Samenfäden der Farne"*) die Capillarflüssigkeit ungefähr 30 mal mehr Aepfelsäure, bei Bacterium termo ^) ca. 4 mal mehr Fleischextract enthallen. Bei 0,001 Proc. Fleischextract in der Aussenflüssigkeit ruft also ein Mehr von 0,003 Proc. in der Capillare, bei Aufenthalt in ] Proc. Fleischextract aber erst ein Zuwachs von 3 Proc. Fleisch- extract dieselbe, eben merkliche tropistische Reaction hervor. In analoger Weise (vgl. II, p. 5 8 4) fand Mivoshi, dass bei Pollenschläuchen ungefähr die Stäche, bei Mycelfäden von Saprolegnia ungefähr die 1 0 fache Goncentration nöthig ist, um die chemotropische Schwellenreaction zu bewirken. Massart^) brachte in seinen Versuchen die Sporangiumträger von Phyco- myces zwischen zwei gleichstarke Lichtquellen und ermittelte an welcher Stelle, d. h. bei welchem relativen Abstand von den beiden Lichtquellen, die phototro- pische Schwellenreaction eintrat. Hiermit ist also, da die Lichtintensität in be- kannter Weise mit der Entfernung abnimmt, festgestellt, um wieviel die eine Flanke des Sporangiumträgers stärker beleuchtet sein muss als die andere, da- mit eine eben merkliche phototropische Reaction eintritt. Es ergab sich aus den bei verschiedener Helligkeit ausgeführten Versuchen, dass die Pflanze bei einer Helhgkeitsdifferenz von ca. ^/g phototropisch reagirte. Die Pflanze ist folglich weniger empfindlich als der Mensch, der ungefähr einen Helligkeitsunterschied von Yioo wahrzunehmen vermag, Avährend wir z. B. mit unserem Tastgefühl nur eine Vermehrung (oder Verminderung) der Belastung um Y3 zu unterschei- den vermögen (ein ähnliches Verhältniss besteht in Bezug auf den Geruchsinn und das Wärmegefühl). Uebrigens ist wohl zu beachten, dass unsere eigenen Empfindungen und die Reaction der Pflanze, also auch die Schwelle der Empfin- dung und der Reaction, von verschiedenem Werthe und nur insofern vergleich- bar sind, als beide als Indicien für die Reizung benutzt werden (Näheres bei Pfeffer, 1. c. 1884, p. 395). Mit Hilfe der oben angewandten Methode der Unterschiedsschwelle wurde auch bei dem Menschen das Verhältniss zwischen Reiz und Empfindung ermittelt. Aus den mitgetheilten Versuchen ist zugleich zu ersehen, dass auch bei der Pflanze durch die allseitig gleiche (diffuse) Einwirkung des Lichtes oder des Chemotropicums die tropistische Stimmung modificirt, d. h. die heliotropische, 1) Miyoshi, Botan. Zeitung 1894. p. 21 ; Flora IS94, p. 81, vgl. Bd. II, p. 584. 2) Massart, La loi de Weber etc. Bullet, d. l'Academ. royale de Belgique 1888, 3 ser., Bd. 16, Nr. 12. 3) Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 191; 1895, Bd. 27, p. 303. 4) Pfeffer. 1. c. 1884, p. 397. Ebenda p. 432 ist mitgetheilt, dass ein analoges Resultat mit Samenfäden der Laubmoose gewonnen wurde, die durch Rohrzucker chemotactisch gereizt werden. ö) Pfeffer, 1. c. 1888, 1. c. p. 634. Es thut nichts zur Sache, dass die Reizung der Bacterien auf Phobochemotaxis beruht. Vgl. II, § 142. 6) L. c. Um zwei gleiche Lichtquellen zu erhalten, Hess Massart das Licht einer Lampe von zwei, in geeigneter Weise aufgestellten Spiegeln reflectiren und stellte durch Entfernung dieser Spiegel von der Lampe die gewünschten Lichtintensitäten her. § 124. Reizintensität und Excitation. 627 bezw. die chemotropisclte Sensibilität abgeschwächt wird (vgl. II, § 12 1, 122). Eine solche Abschwächung findet ebenso bei der Inanspruchnahme durch den tropistischen Reiz statt ']. Es ist dieses unter anderm darin ausgesprochen, dass mit der Zunahme des tropistischen Reizes die Reactionszeit zunächst schnell, dann langsam verküi'zt Avird. So ging in Versuchen Czapek's^j mit der Wurzel von Lupinus, bei Steigerung der Centrifugalkraft von 0,00 1 auf \ g, die Reactionszeit von 6 Std. auf \^/^ Std. , bei weiterer Steigerung der FHehkraft auf 40 g aber nur auf 45 Min. zurück. In den Hauptzügen bestehen ähnliche Verhältnisse zwischen Reizgrösse und Excitation (Reaction) auch bei den nicht tropistischen Reizungen. Es wurde bereits an verschiedenen Stellen auf die Abstumpfung der Sensibilität durch den- selben Reiz hingewiesen, und ferner darauf, dass unter Umständen besondere Eigenthümlichkeiten ausgebildet sind 3j. In dieses Gebiet gehört somit auch die bekannte Erfahrung, dass die Wachsthumsthätigkeit und andere Functionen mit der Zunahme der Temperatur, eines Nährstoffes u. s. w. vom Minimum ab zunächst schneller, dann, mit der Annäherung an das Optimum, allmähhch langsamer gesteigert werden, dass ferner durch eine, solche Curve auch die- jenigen Excitationen ausgedrückt werden, die durch die Einwirkung imnöthiger Stoffe, sowäe durch andersartige Eingriffe veranlasst werden^). Eine Abnahme der Thätigkeit (und der Excitation) wird, bei genügender Steigei'ung der Intensität, schliesslich durch jedes Agens bewirkt (II, p. 279). Zudem liefert die graphische Darstellung derjenigen tropistischen Reactionen, in welchen sich die Bewegungs- richtung mit der Zunahme der Reizintensilät ändert, eine Curve mit einem Wendepunkt^). In allen diesen und anderen Fällen resultirt die physiologische Reaction und deren Aenderung aus dem Zusammengreifen verschiedener Factoren und Partial- functionen. Natürlich sind nur die nächsten, fassbaren Factoren erkannt, wenn sich z. B. zeigen lässt, dass die Verschiebung der Gleichgewichtslage mit der Reizintensität die Folge davon ist, dass dasselbe Agens zwei verschiedenartige ■1) Es ist allerdings aus verschiedenen Gründen anzunehmen, dass die diffuse und die tropistischelnanspruchnahme nicht ganz übereinstimmend wirken. In dieser Hinsicht fehlen indess nähere Untersuchungen. Uebrigens sind die tropistische und die diffuse Wirkung unter Umständen schwer auseinanderzuhalten. So wird mit der Erhöhung der Concentration des Chemotropicums in der Capillare, und damit in der Diffusions- zone, der ganze Organismus (Samenfaden, Pilzfaden etc.) in eine concentrirtere Lösung versetzt. Ferner wird eine Steigerung der einseitigen Beleuchtung zumeist auch eine vermehrte Lichtzufuhr zur Schattenseite zur Folge haben. 2 Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898. Bd. 3:2, p. 191; 1895, Bd. 27, p. 30."). — Aus verschiedenen Gründen würde die Ermittlung der Präsentationszeit das Verhältniss zwischen Reizgrösse und Excitation genauer angeben. 3) Siehe diesen Bd. II, p. 442, 463, § 121, 122, sowie z. B. Pfeffer, Unters, a. d. botan. Institut zu Tübingen 1884, Bd. I, p. 406, 506, 521; Correns, Flora 1892, p. 107, 150. 4) Vgl. Bd. II, p. 78, 94, wo auch auf die dauernde Steigerung der Athmung bei Erhöhung der Temperatur hingewiesen ist. 5) Die Bezeichnung dieses Maximums als Optimum (II, p. 78) ist nicht gerade glücklich gewählt. Denn einmal ist es z. B. möglich, dass ein Organismus zu Grunde geht, während die optimalen Bedingungen für eine Partialfunction bestehen (vgl. II, p. 78). Ferner kann man ebensowohl die positiv, wie die negativ tropistische Gleich- gewichtslage als Optimum bezeichnen, und thatsächlich ist es für den Organismus vor- theilhaft, dass er sich bei der Steigerung der Intensität des Lichtes von diesem weg- wendet. — Ueber Phobophototaxis etc. vgl. II, § 142, und Rothert, Flora 1901, p. 401. 40* 628 lia-]). XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. tropistische Auslösungen bewirkt i). Lässt sich indess, wie zumeist, eine solche Combinalion nicht nachweisen, so vermögen wir auch in diesem Falle nicht zu sagen, durch welche Vorgänge im Protoplasten es bewirkt wird, dass sich die Reizstimmung mit der Zunahme der Reizintensität ändert (vgl. II, p. 3 02, 6 16, § 123). Nach dem Gesagten kann es nicht überraschen, dass das reale Verhällniss zwischen Reiz und Reizung (Excitation) zum Theil sehr erheblich von der Curve abweicht 2), die nach dem Web er 'sehen Gesetz construirt ist. Nach diesem wird eine gleiche Excitation erzielt, wenn der schon bestehende Reiz und der Reizzuwachs in demselben Yerhältniss stehen, oder, in anderer Formulirung: es wächst die Excitation in arithmetischer Prosression, wenn der Reiz in 2:eo- metrischer Progression zunimmt. Da dasselbe A^erhällniss zwischen den Grund- zahlen und den zugehörigen Logarithmen besteht, so kann man auch sagen : die Excitation ist proportional dem Logarithmus des Reizes ■^). In den oben (11, p. 6 2 6) erörterten Fällen stimmt übrigens der empirische Refund (innerhalb gewisser Grenzen) mit den theoretischen Forderungen des Weber'schen Gesetzes bei den Pflanzen ebensogut überein , wie bei dem Menschen. Es wächst dann also, der logarithmischen Curve entsprechend, nach Ueberschreitung der Schwelle die Excitation zunächst schneller, dann langsamer als die Reizintensität. Mit Rücksicht auf die Pflanzen kann es aber nicht zweifelhaft sein, dass das Zu- standekommen der fraglichen Relationen in den physiologischen Vorgängen zu suchen ist, also nicht, wie es Fechner bei alleiniger Berücksichtigung der Empfindungen des Menschen annahm, in den psychischen Processen. Es ist desshalb auch geboten, die von Fechner angewandte Bezeichnung »psycho- physisches Gesetz« zu vermeiden'*). Ebenso wie die Stimmunssänderung durch einen andersartigen Reiz, so muss auch die Stimmungsänderung bei Steigerung der Reizintensilät in erster Linie durch eine Modification in dem sensorischen Apparat oder den sensorischen Pro- cessen verursacht werden (vgl. II, §12 1, 122). Naturgemäss kann aber die Stimmungsänderung benutzt werden, um einen gewissen Aufschluss über verschiedene Fragen zu gewinnen. Wird z. B. bei der Inanspi'uchnahme durch einen bestimmten Reiz die Sensibilität des Organes gegenüber einem anderen Reiz nicht modificirt, so muss die Perception beider Reize auf vei'schiedenartigen Processen beruhen ^). Dieses gilt also auch für die chemotropische Sensibilität, und es ist demgemäss aus den Versuchen Rothert's^) zu folgern, dass die anlockende Reizwirkung, welche Fleisch- extract und Aether auf Amylobacter spec. ausüben, auf zwei von einander un- abhängigen Perceptionsprocessen beruhen. Denn die Reizwirkung von 1 Proc. '11 Vgl. diesen Bd. II, p. 552, sowie über das Zusammenwirken von Chemotropismus und Osmotropismus II. p. 581. § löO. — An diesen und anderen Stellen (vgl. z. B. II, § -109, 182) ist auch gezeigt, warum sich die Verhältnisse bei dorsiventralen Organen complicirter gestalten. 2) Nach Mendelssohn (Centralbl. f. Physiol. 1903. Bd. -17. p. il) steigt die thermotropische Reizung proportional zur Temperatur. 3) Ueber dieses und das Folgende vgl. Pfeffer, Unters, a. d. botan. Institut zu Tübingen I8S4, Bd. I, p. 401 ff, und -1888, Bd. H, p. 638. 4) Unser eigenes Empfinden ist immerhin geeignet, die fragliche Unterschieds- empfindung der Organismen verständlich erscheinen zu lassen. So ruft z. B. der Ge- winn eines Markstückes bei dem Bettler, aber nicht bei dem Millionär, einen grossen Eindruck hervor. 5) Vgl hierüber Pfeffer, Unters, a. d. botan. Institut zu Tübingen 1888, Bd. 2, p. 648. 6) Rothert, Flora 1901, p, 387. — Vgl. auch II, § 151. § 125. Die Reizbedingungen und der Reizprocess. 629 Fleischextract bleibt unverändert, wenn sowolil die Lösung in der Capillare, als auch die ausserhalb derselben befindliche Flüssigkeit mit 1,6 Proc. Aether versetzt werden, der bei einseitiger Wirkung ebenfalls diesen Amylobacter anlockt. Der Eintritt eines Stimmungswechsels darf allerdings nicht ohne weiteres zu einer bindenden Schlussfolgerung benutzt werden, da ein Stimmungswechsel auch durch einen andersartigen Reiz erzielt werden kann, dessen Perception auf der Ausbildung einer besonderen Sensibilität beruht (II, § 121, 122). Die Er- fahrung, dass die chemotropische Wirkung der Aepfelsäure auf die Samenfäden der Farne sowohl durch diese Säure, als auch durch Maleinsäure abgestumpft wird, macht es immerhin wahrscheinlich, dass beide Stoffe denselben Auslüsungsvorgang hervorrufen i). Zu demselben Schluss führt auch die Thatsache, dass die an- lockende Wirkung des Dextrins auf Bacterien durch die Uebertragung des Organismus in eine Dextrinlösung in derselben Weise herabgesetzt wird, wie durch die Uebertragung in eine Lösung von Fleischextract 2). Ferner spricht der Umstand, dass z. B. für verschiedene BacterienKaliumsalze, Fleischextract und andere Stoffe in gleicher Weise Reizmittel sind, während nur gewisse Arten durch Sauer- stoff angelockt werden, dafür, dass diesem Verhalten speciflsche Sensibilitäten zu Grunde liegen (vgl II, § 126, 150, 1 5 1 ). Auf solche haben wir ja zunächst immer zu schliessen, wenn in dem einen Falle verschiedenartige Reizanstösse einen ähnlichen Erfolg haben, während in anderen Organen (Organismen) nur die Sensibilität für einen oder einzelne dieser Reizanstösse ausgebildet ist (vgl. I, p. 14; II, p. 360). Uebrigens ist zu erwarten, dass eingehende Untersuchungen über die wechselseitige Abstumpfung von Reizen wichtige Resultate zu Tage fördern werden. In der angedeuteten Weise wird sich unter anderm auch ent- scheiden lassen, ob und in wie weit etwa die Inanspruchnahme durch rothe Lichtstrahlen die tropistische AVirkung der blauen Strahlen abstumpft und um- gekehrt. § 125. Die Eeizbedingungen und der Eeizprocess. Wie früher (II, § 1 07) betont wurde, nehmen viele Organe (Organismen) bei einseitiger oder einseüig überwiegender Einwirkung von Licht, chemischen Agentien, Schwerkraft u. s. w. vermöge ihrer specifischen tropistischen Sensi- bilität eine bestimmte Orientirung an, weil bei der Ablenkung aus dieser Gleichgewichtslage Bewegungsreactionen ausgelöst werden, die auf die Wieder- herstellung der tropistischen Gleichgewichtslage berechnet sind. Die Bedingungen für eine tropistische Reizung und Reaclion sind demgemäss bei sensibeln, parallelotropen Organen gegeben, sobald diese nicht parallel zur Angriffs- richlung von Licht, Schw^erkraft etc. orientirt sind, während sich ein plagio- tropes Organ gerade dann in der Gleichgewichtslage befindet, wenn der Reiz- angriff rechtwinkebg, bezw. schiefwinkelig gegen dasselbe gerichtet ist. Mit der Ablenkung aus der Gleichgewichtslage werden somit die Bedingungen für die tropistische Reizung hergestellt, die also z. B. bei einem parallelotropen Organ, auch bei inverser parallelotroper Aufstellung, fehlen, so lange die opponirten Flanken dem gleichen Einfluss von Licht, chemischen Agentien, Schwerkraft 1) Pfeffer, 1. c. 1884, p. 399. 2) Pfeffer, 1. c. 1888, p. 635. 630 Ka.p. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. u. s. w. ausgesetzt sind. Da aber diese völlig gleiche Inanspruchnahme schon durch eine geringe (autogene oder aitiogene) Krümmung (II, § 79), d. h. durch eine geringe Veränderung der AngrilTsrichtung, aufgehoben wird, so ist dafür gesorgt, dass sich die besagte labile Gleichgewichtslage nicht erhält, dass also bei inverser Aufstellung bald eine tropistische Reizung beginnt, durch welche die stabile Lage gewonnen wird. In jedem Falle ist also (wie besonders klar bei parallelotropen Organen hervortritt) ein inäqualer Angriff die äussere Bedingung für eine tropistische Reizung, die demgemäss im diffusen Licht ausbleibt, sowie auch dann, wenn der Organismus in der Mitte zwischen zwei, gleichen Lichtquellen stellt^). Analoges gilt für die chemotropische, thigmotropische etc. und auch für die geotropische Reizung, die ebenso wäe am Klinostaten (II, § 109) auch dann nicht zu Stande kommen würde, wenn sich die Pflanze derart zwischen zwei Planeten befände, dass sie von zwei Seiten der gleichen Massenanziehung aus- gesetzt wäre. Die tropistische Reizung beruht somit auf der Bemessung einer Differenz, d. h. auf einer Unterschiedsempfindung'^). Mit diesem allgemeinen Schlüsse ist natürlich nichts näheres über die Reizbedingungen und die Reizprocesse voraus- gesetzt und ausgesagt, die thatsächlich bei den phototropischen, geotropischen, thigmotropischen, chemotropischen u. s. w., überhaupt bei allen denjenigen Reizungen nicht völlig identisch sein können, die auf specifischen Sensibilitäten beruhen. Zudem ist es nicht notlnvendig, dass ein Agens stets in derselben Weise wirken muss, und es ist unter anderm schon hervorgehoben, dass durch einseitige Beleuchtung in verschiedener Weise eine bestimmte Orientirung erzielt werden kann 3). FolgUch ist es auch nicht zulässig, nach einigen Einzelerfah- rungen zu generalisiren, vmd es ist z. B. ganz wohl möglich, dass ein sensibler Organismus die abgestufte Helligkeit, ein anderer Organismus aber speciell den bestimmten Strahlengang des Lichtes (die Lichtrichtung) als tropistischen Reiz empfindet (vgl. II, § 127). Am einfachsten und klarsten treten uns diese und andere Verhältnisse bei den physiologisch radiären Organen entgegen, an die wir uns bei diesen und den folgenden Betrachtungen in erster Linie halten, da bei dorsiventralen Organen vielfach besondere Gomplicationen hinzukommen^). In der That ergeben sich 1) Vgl. II, p. 626. Es kann übrigens in verschiedener Weise durch die Eigen- schaften eines radiären Organs bewirkt werden, dass eine allseitig gleiche Aussen- wirkung eine tropistische Reizung hervorruft. Das könnte z. B. eintreten, wenn die eine Flanke eines Organs, in Folge ihrer Färbung oder anderer Eigenschaften, weniger Licht in das Innere treten lässt, als die andere, oder wenn durch die ungleiche Per- meabilität zwei opponirter Flanken ein ungleich schneller Eintritt eines Reizstoffes ver- ursacht wird. Vgl. Bd. II, p. 221, 357. 2) Vgl. Pfeffer, Pflanzenphysiol. I. Aufl.. Bd. 2, p. 329, u. Untersuch, a. d. botan. Institut zu Tübingen ■1884, Bd. ■! , p. 477. — Da es sich in diesen, wie in manchen anderen Fällen, um Bemessung einer Differenz handelt, so ist es nicht gerade prac- tisch, wie es Nagel (Botan. Zeitung, Ref. 1901, p. 297) thut, »Unterschiedsempfindlich- keit« für die später (II, § ^ 42) zu besprechende Phobotaxis zu reserviren. 3) Vgl. Bd. II, § 107 — i09, wo auch darauf hingewiesen ist, dass ein Agens ver- schiedene Einflüsse und auch verschiedene Orientirungswirkungen ausüben kann. 4] Vgl. Bd. II, §109, 131, 132. — Aus dem Gesagten geht hervor, dass nicht, wie es J. Loeb (Pflüger's Archiv f. Physiolog. IS97, Bd. 66, p. 441; Vergleichende § 125. Die Reizbedingungen und der Reizprocess. 631 die obigen Schlüsse schon aus den Erfahrungen über radiäre Organe, die zu- gleich zeigen, dass auch bei einzelligen Organen die tropistische Reactionsfähig- keit und Gleichgewichtslage durch äussere und innere Ursachen in weitgehender Weise modificirt werden kann (II, § 121, 122). Naturgeniäss werden die auf die Wiederherstellung und Erhaltung der tro- pistischen Gleichgewichtslage abzielenden Bewegungsreactionen (analog wie bei allem selbstregulatorischen Walten, II, § 45) nur bei Störung des Gleichgewichts- zustandes ausgelöst. Da aber schliesslich keine Aenderung der Aussenbedingungen spurlos an dem Organismus vorübergeht, so befindet sich dieser schon desshalb in der tropistischen Gleichgewichtslage in einem modificirten Reizzustand i). Dass dem so ist, das wird unter anderm durch die Abstumpfung der tropistischen Sensibilität bestätigt, die sowohl bei allseitiger, wie auch bei äqual zweiseitiger Einwirkung des Tropisticums eintritt, sowie z. B. auch dann, wenn die von einer Lichtquelle ausgehenden Strablen parallel zur Längsachse eines paralleloheliotro- pischen Organes gerichtet sind (vgl. II, § '122, 124). Zudem sind die ansehnlichen und geringfügigen formativen Reactionen und Regulationen, die durch die einseitige Einwirkung von Licht, Schwerkraft etc. veranlasst werden, Belege für Reizwirkungen und Reizstimmungen, die nicht durch eine Krümmungsbewegung angezeigt werden (vgl. II, Kap. VI u. VII). Da- hin zählt z. B. die Verlangsamung des Wachsthums bei inverser Aufstellung (II, § 29), und wenn, woran nicht zu zweifeln ist, die Wachsthumsthätigkeit des Grasknotens auch bei völlig äqualer (diffuser) Einwirkung der Schwerkraft er- weckt wird, so folgt daraus, dass in diesem Organe die Wachsthumsthätigkeit durch den parallelotropen Einfluss der Schwerkraft sistirt wird^j. Ferner ist zu beachten, dass die tropistische Reaction wahrscheinhch öfters aus verschie- denen (nicht separirbaren) Excitationen resultirt, die dasselbe Agens hervorruft, dass also in der tropistischen Gleichgewichtslage in demselben Sinne verschie- dene Reizungen thätig sind, wie bei dem Zusammenwirken von zwei oder einigen differenten Reizanstössen (II, § 120). Das ist unter anderm der Fall bei den plagiotropen Prothallien der Farne, bei welchen das Fortbestehen der labilen dorsiventralen Induction zugleich ein Beispiel für die Existenz eines be- stimmten Reizzustandes in der Gleichgewichtslage ist (vgl. II, p. 182). Nach den an dieser und anderer Stelle gegebenen Erörterungen ist es selbstverständlich, dass der tropistische Effect nicht ohne weiteres nach den Er- folgen bemessbar ist, die ein Agens bei allseitig gleicher (diffuser) Einwirkung Gehirnphysiologie -1899, p. 4) annimmt, in der tropistischen Gleichgewichtslage die sym- metrischen Punkte immer so orientirt sein müssen, dass sie von einem gleich inten- siven Aussenreiz getroffen werden. — Dass auch dorsiventrale Organe und Organismen parallelotrop reagiren können, ist II, p. 551 mitgetheilt. 1, Die Einwände Noll's (Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 34, p. 487) sind aus einer einseitigen Betrachtung der obwaltenden Verhältnisse entsprungen. — Vgl. ferner Pfeffer, Die Reizbarkeit d. Pflanzen 1893, p. 19; Pflanzenphysiologie II. Aufl., Bd. I. p. 15; Unters, a. d. Botan. Institut zu Tübingen 1888, Bd. I, p. 47ü; Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 195. [G. Haberlandt, Jahrb. f. wiss. Bot. 1903, Bd. 38, p. 468; Noll, Bericht d. Bot. Gesellsch. 1902, p. 416.] 2) Bd. 11, § 29. Untersuchungen, die von Hering im hiesigen Institute ausge- führt wurden, ergaben, dass bei inverser Aufstellung allgemein eine gewisse Hemmung des Längenwachsthums eintrat. (j32 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. hervorruft, dass vielmehr die einseitige Angriffsweise besondere tropistische und anderweitige Auslösungen und Reactionen veranlassen kann. Vermuthlich wird die Zukunft noch mehr Beispiele dafür bringen, dass die Wachsthums- thätigkeit (oder eine andersartige motorische Thätigkeit) durch die einseitige Reizung erst erweckt oder doch erheblich modificirt wird. Letzteres ist unter anderm bei den allseitig empfindlichen Ranken der Fall, bei denen durch eine einseitige, aber nicht durch eine allseitige Gontactreizung eine transitorische Wachsthumsbeschleunigung veranlasst wird ^). In zweckentsprechender Weise werden schon durch eine geringe, aber specifisch verschiedene Lagenänderung die tropistischen Reactionen ausgelöst, durch welche die tropistische Ruhelage hergestellt und erhalten wird. Mit der Ablenkung nimmt dann im allgemeinen die Excitation schnell zu, um in einer bestimmten Lage, d. h. bei einer bestimmten Angriifsrichtung des Lichtes, der Schwerkraft etc., den Maximalwerth zu erreichen. Im näheren müssen schon desshalb Differenzen bestehen, weil bei einem parallelotropen Organ die Ab- lenkung bis 180 Grad, bei einem diatropen aber nur bis 90 Grad gesteigert werden kann, da mit der Ueberschreitung dieser labilen Lage wiederum die tropistische Auslösung beginnt. Beachtenswerth ist, dass bei parallelotropen (radiären) Organen die stärkste Excitation nicht, oder doch in gewissen Fällen nicht, bei rechtwinkligem Angriff der Schwerkraft, sondern erst bei grösserer Ablenkung aus der geotropen Gleichgewichtslage eintritt. Es ist indess sehr wohl möglich, dass in dieser Hinsicht, sowohl in Bezug auf die Pflanzen, als auch in Bezug auf die tropistischen Reizmittel, specifische Differenzen bestehen. Nähere Studien liegen nur für den Geotropismus vor. Bei den von Czapek 2) untersuchten, parallelotropen Wurzeln und Sprossen (auch bei Phycomjces) tritt die stärkste Erregung bei einer Ablenkung von 140 — 160°, also dann ein, wenn die Wurzeln 50 — -70° aufwärts, dieStengel ebenso stark abwärts gegen diellorizontale geneigt sind. Die schnelle Zunahme der Reizung mit der Ablenkung ei'giebtsich daraus, dass Wurzeln schon bei einer Ablenkung von 2°, aber langsamer als bei einer Ablenkung von 20° reagiren. Bei fernerer Zunahme der Ablenkung konnte Czapek keine weitere Beschleunigung des Reactionsbeginnes bemerken. Jedoch wurde eine weitere Steigerung der geotropischen Excitation dadurch erwiesen, dass nach gleichlanger geotropischer Induction die ansehnlichste Nachwirkungs- krümmung bei denjenigen Wurzeln eintrat, die um 140 — 160° abgelenkt worden 1) II, §88. — Natürlich giebt es auch transitorische Beschleunigungen durch diffuse Reizwirkungen. Vgl. z. B. II, p. 478. 2) Czapek, Jahrb. f. wiss. Botan. 1895, Bd. 27, p. 283, 297; 18S8, Bd. 32, p. -193. — Sachs (Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1879, Bd. 2, p. 240; Flora 1873, p. 323), sowie A. Bateson u. Fr. Darwin (Annais of Botany 1888, Bd. 2, p. 63) nehmen an, dass die stärkste geotropische Reizung bei horizontaler Lage der parallelotropen Organe stattfinde, während nach Elfving (Beitrag z. Kenntniss der Wirkung d. Schwerkraft auf Pflanzen 1880, p. 32) die geotropische Reizung den Maximalwerth bei umgekehrter Stellung der Hauptwurzel erreichen soll. — Aus dem im Text Gesagten ergiebt sich zugleich, dass die Grösse der geotropischen Reizwirkung nicht schlechthin dem Sinus des Ablenkungswinkels, d. h. der auf dem Organe rechtwinklig stehenden Componente der Schwerkraft proportional ist. [Nach Massart (Sur Tirritabilite d. plantes superieures 1902, p. 28) tritt bei parallelotropen Organen die maximale geotro- pische Reizung in der Horizontallage ein.] § 125. Die Reizbedingungen und der Reizprocess. 633 waren i). Mit weiterei' Ablenkung nimmt die Excitation wieder ab, und bei genau inverser Stellung wird eine labile Gleichgewichtslage erreicht 2]. Werden also parallelotrope Wurzeln oder Stengel, bei Verhinderung einer Abweichung von der Verticalen, längere Zeit in der inversen Stellung gehalten, so tritt am Klinostaten keine geotropische Nachwirkung ein. Eine geringe Abweichung von der Verticalen, die unter normalen Verhältnissen stets durch die autonomen Bewegungen herbeigeführt wird, genügt aber, um eine positiv oder negativ geotropische Reizung und damit die Rückführung in die stabile Ruhelage zu veranlassen (Czapek, 1. c. p. 2 90). Bei diesen Betrachtungen wurde vorausgesetzt, dass die Basis des Spross- stückes festgehalten, der Spitze also Bewegungsfreiheit geboten ist. Fixirt man dagegen an einem horizontal^ liegenden Sprosse die Spitze, so wird durch die negativ geotropische Krümmung in der Actionszone der basale Sprosstheil ge- hoben und in eine inverse Ruhelage geführt. Demgemäss tritt keine geotropische Reaction ein, wenn ein Sprossstück in umgekehrter Lage so aufgestellt wird, dass die Spitze festgehalten ist. Wird aber die Spitze in normaler Verticallage festgelegt, so wird durch die Nutationen des freien Theiles die geotropische Reiz- bedingung hergestellt und hierdurch, analog wie bei horizontaler Lage, eine inverse Aufrichtung des freien Sprosstheils verursacht. Aus dem Gesagten ergiebt sich ohne weiteres, dass sich sowohl der basale, wie der apicale Theil des horizontal auf- gestellten Sprossstückes negativ geotropisch aufrichtet, wenn die Mitte der sen- sibeln und krümmungslhätigen Partie fixirt und damit zum Drehpunkt gemacht wird 3). Wird aber bei einer Wurzel in normaler Verticallage die Spitze fixirt, so unterbleibt eine Krümmung in dem freien basalen Theil, weil sich die allein perceptionsfähige Wurzelspitze dauernd in stabiler Ruhelage befindet. Durch das Festhalten der Wurzelspitze in Horizontallage wird dagegen eine conlinuirliche geotropische Reizung und dadurch eine Krümmungsthätigkeit in der Actionszone bewirkt, durch die der basale Theil über die Verticallage hinausgeführt wird (II, p. 60 5, wo auch das analoge Verhalten des Cotyledons der Paniceen er- wähnt ist). In principieller Hinsicht verhalten sich analog die diageotropen Rhizome'*), die sich sowohl bei aufwärts wie abwärts gerichteter Verticalstellung in einer labilen Gleichgewichtslage befinden und demgemäss bei einer weitergehenden Ablenkung nicht auf demselben Wege in die stabile Ruhelage zurückkehren. Ausserdem kommt eine Eigenthümlichkeit darin zum Ausdruck, dass bei einer Ablenkung nach oben die geotropische Reaction früher beginnt, dass also unter diesen Umständen die geotropische Excitation ansehnlicher ausfällt, als bei gleich- starker Ablenkung nach unten (Czapek, 1. c). Ein analoges Verhalten findet sich bei den ebenfalls radiären Seitenwurzeln 1) Dem entspricht es, dass die Knoten der Grashalme eine negativ geotropische Reizung erfahren , wenn sie, unter demselben Winkel gegen die Horizontale, abwech- selnd und jedesmal gleich lange in eine aufwärts und eine abwärts geneigte Lage ge- bracht werden. Es wurde dieses unter Verwendung der von Czapek für Wurzeln an- gewandten Methode von F. M. Pertz (Annais of Botany 1899, Bd. 1 3, p. 620) nach- gewiesen. 2) Czapek ,Jahrb. f. wiss.Bot. 1 S9ö, Bd. 27, p. 291 . [M. H. Ri c ö m e , Compt. rend. 1903, Bd. 137, 204.] 3) Ueber derartige Versuche vgl. z. B. Frank, Beiträge z. Pflanzenphysiologie 1868, p. 80; Neil, Heterogene Induction 1892, p. 22; B. P. G. Hochreutiner, Actes d. Congres Botanique d. Paris 1900, p. 39. [Massart, 1. c. 1902. p. 31.] 4) Czapek, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1895, Bd. 104, I, p. 1231. 634 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. 1 . Ordnung i), deren klinotroper Grenzwinkel durch die Reizwirkung der Schwer- kraft bestimmt wird (II, p. 563, 597). Da die Ablenkung nach oben als stär- kerer Reiz wii'kt, so tritt eine entsprechende Krümmungsreaction auch dann ein, wenn die Seitenwurzel abwechselnd abgelenkt wird und zwar gleich lange und gleich stark nach oben und nach unten. Nach beiden Richtungen steigt mit der Lagen- änderung die Excitation, die ihren Maximalwerth erreicht, wenn die aufwärts ge- richtete Ablenkung annähernd 9 0° beträgt, wenn also der Winkel, welchen die Seitenwurzel mit dem Lothe bildet, ca. 150 — 160°, d. h. ungefähr derselbe ist, wie derjenige, bei welchem die miaximale geotropische Excitation der parallelogeotropen Hauptwurzel eintritt. Da sich die Seitenwurzeln bei der Yerticalstellung ähnlich verhalten, wie die diageotropen Rhizome , so muss bei einer Ablenkung nach unten die maximale geotropische Excitation schon bei einer Lagenänderung statt- finden, die gei'inger ist als der Gi'enzwinkel, der zumeist 60 — 80° beträgt. Denn die klinotropen Seitenwurzeln befinden sich nach Czapek (1898, 1. c. p. 243) sowohl in der aufwärts, wie in der abwärts gerichteten Yerticalstellung in der labilen Ruhelage, stimmen also in dieser Hinsicht mit den diageotropen Organen überein und unterscheiden sich von den parallelotropen llauptwurzeln darin, dass es bei diesen nur eine labile Lage giebt. Da die besprochenen Erfolge auf verschiedene Weise erzielbar sind, so lassen sich aus diesen wichtigen Reactionseigenschaften nicht ohne weiteres Schlüsse in Bezug auf das Zustandekommen der verschiedenartigen Ruhelagen oder auf die Reizprocesse ziehen, und man kann nicht behaupten, dass sich alle plagiotropen Organe gleich verhalten müssen. Dasselbe gilt für die dorsiventralen Organe, die darin übereinstimmen , dass sie sich nur in einer Lage im stabilen Gleich- gewicht befinden (11, p. 551). Voraussichtlich steigt auch bei diesen die tro- pistische Excitation nicht in demselben Maasse, wenn gleichstark nach oben oder nach unten abgelenkt wird 2). Es kann aber nur empirisch entschieden werden, in welcher Lage ein labiler Zustand besteht, und ob dieser bei aUen dorsiventralen, plagiotropen Organen bei derselben Orientirung zum Loth eintritt. § 126. Fortsetzung. AVie früher (II, § 77, vgl. auch II, p. 440) allgemein und auch in Bezug auf die Richtungsbewegungen (II, § 107 — 109) hervorgehoben wurde, vermögen wir aus den erkennbaren Bau- und Structurverhällnissen des Protoplasten nicht ab- zuleiten, warum einem Organe (Organismus) eine specifische Reizbarkeit zukommt oder abgeht. Ebenso ist auch bei den tropistischen Reizreactionen zur Zeit noch keine tiefere Einsicht in die perceptorischen und in die sich anschliessenden sensorischen Processe gewonnen. W^enn wir nun im Folgenden, im Anschluss an II, § 77 und 107 — 109, den derzeitigen Stand unserer Kenntnisse über die tropistischen Reizprocesse darzulegen versuchen, so sei zunächst nochmals daran erinnert, dass mit der besten Kenntniss der Reizbedingungen, des Perceptions- ortes, der Leitbahnen und des Verlaufs der Bewegungsreaction der eigentliche physiologische Reizprocess noch nicht aufgeklärt ist. 1) Czapek. 1895, L c. p. 1213; Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 244. Vgl. auch Schober, Bot. Ztg. 1897, p. 7. 2) Vgl. Czapek 18^8, 1. c. p. 195, sowie die in §120 zu besprechenden Ver- hältnisse. § 126. Die Reizbedingungen und der Reizprocess. Fortsetzung. 635 Falls also z. ß. die geotropische Reizung auf der Senkung specifisch schwererer Körper, bezw. auf der hierdurch bewirkten Auslösung beruht (vgl. II, § 127), so ist nur ein vorbereitender Schritt (II, p. 359), also der interne Reizanstoss, näher präcisirt, eine tiefere Einsicht in den physiologischen Percep- tionsvorgang aber ebensowenig gewonnen, wie durch die Ermittelung der Be- dingungen für die thigmotropische Reizung {II, § 87, 89). Analog liegt die Sache, W'enn der Galvanotropismus etwa darauf beruht, dass durch den galvanischen Strom im Organismus die Bedingungen für eine chemotropische Reizung her- gestellt werden (II, § 154). Ferner würde immer nur eine Bedingung für die physiologische Perception ermittelt sein, wenn sich nachweisen Hesse, dass der nächste Erfolg der einseitigen Beleuchtung oder einer anderen tropistischen Reizung in einer Veränderung der Oberflächenspannung bestände (vgl. II, § 137, 51). Natürlich bedeutet eine jede derartige Zergliederung und Präcisirung einen wichtigen Fortschritt (I, p. 3), der somit auch gewonnen ist, wenn sich als näherer Erfolg der tropistischen Reizung (also als Glied der Reizungskette) eine Verlagerung im Protoplasma oder irgend eine fassbare Veränderung nach- weisen lässt, durch welche des ferneren die Bevvegungsreaction vermittelt oder veranlasst wird. Wie letzteres geschieht, ist dann immer noch eine offene Frage. Thatsächlich wird ebensowenig, wie durch die Constatirung der positiv oder negativ heliotropischen, chemotropischenetc. Reaction von Plasmodien, Schwärmzellen u. s.w. (II, § 145 ff.), durch die Feststellung einer Lagenänderung etc. im Protoplasma der vorausgegangene und veranlassende physiologische Perceptionsprocess auf- geklärt. Es ist übrigens wahrscheinlich, jedoch nicht sicher gestellt, dass in gewissen Fällen eine Verlagerung im Protoplasma in dem besagten Sinne die nähere Ursache einer Krümmungsbewegung wird. Jedoch ist nicht zu ver- gessen, dass eine Verlagerung (z. B. eine locahsirte Plasmaansammlung) auch als Begleiterscheinung der tropistischen Reaction oder als Folge der reaHsirten Krümmung auftreten kann i). Bei unserer Unkenntniss der sensorischen Vorgänge lässt sich nicht V, Dass eine Plasmaansammhing auf der Concavseite bei geotropischen, lielio- tropischen, thigmotropischen etc. Krümmungen vorkommt, wurde von Kohl (Botanische Hefte von A. Wigand iSSS, I. p. 161) und von Wortmann (Botan. Zeitung 1887, p. 803, 1888. p. 469, 1889, p. 491) festgestellt. Da eine solche Ansammlung nach EIfving (Zur Kenntniss d. Krümmungserscheinungen 1888, Sep. a. Oefversigt af Finska Vet. Soc. Förhandlingar Bd. 30); G. ßullot (Annales d. 1. Soc. belg. d. Microscopie 1897. Bd. 31, p. 71); E. Mitschka (Ber. der Bot. Gesellsch. 1897, p. 164) erst nach dem Krümmen und ebenso nach einer gewaltsamen Beugung eintritt, so dürfte dieselbe nur die Folge der mechanischen Hemmungen sein, welche sich an der gekrümmten Stelle dem bewegungsthätigen Plasma entgegenstellen. (Vgl. auch Noll, Flora 1895, Ergzbd. p. 38; Haberlandt, Oestreich. Bot. Ztschr. 1889, p. 5.) Wortmann (1. c; vgl. auch Godlewski, Botan. Centralbl. 1888, Bd. 34, p. 83) nimmt auch in den sich tropistisch krümmenden vielzeUigen Organen eine durch Zuwanderung zu Stande kommende Anhäu- fung von Plasma in den Zeltender Concavseite an, die aber durch die Untersuchungen dieses Forschers nicht erwiesen ist und thatsächlich nicht stattzufinden scheint. Vgl. Noll, 1. c. und Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1888, Bd. 1, p. 531; Kohl, Die Mechanik der Reizkrümmungen 1894, p. 27, 33. — Ueber sichtbare Vorgänge im Plasma bei geotropischer Reizung vgl. II, § 127. — ■ Ein schönes Beispiel für Verlage- rungen im Protoplasma hietet die durch Licht veranlasste Lagenänderung der Chloro- plasten. It. § 146. 636 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. sagen, in wie weit die phototropischen, chemotropischen, geotropischen etc. (physiologischen) Perceptionsprocesse Besonderheiten bieten. Zudem ist un- bekannt, ob bei den heliotropischen, chemotropischen, geotropischen etc. Reizungen der Perceptionsprocess immer in derselben Weise verläuft. Es wurde übrigens bereits auf diese Verhältnisse und ebenso auch darauf hingewiesen, dass zwar in dem Protoplasten keine specifischen, nur einem Zwecke dienende Sinnes- organe differenzirt sind, dass aber aller Voraussicht nach die differenten Organe und Bausteine des Protoplamas auch bei einer tropistischen Reizung in ver- schiedener Weise betheiligt sein dürften (II, p. 366). So geht, wenigstens in gewissen Fällen, die Reizung ohne die directe Be- theiligung des Zellkerns von statten (II, p. 367, § 154), und vermuthlich spielt die Hautschicht bei der Perception der tropistischen Reize eine hervor- ragende Rolle 1). Freilich wird letzteres nicht durch die Thatsache erwiesen, dass tropistische Reizungen auch in Zellen vor sich gehen, in welchen nur die Hautschicht ruhend, das übrige Protoplasma aber in Strömung begriffen ist und desshalb fortwährend den Ort w-echselt. Denn thatsächlich kann auch unter diesen Umständen durch eine einseitige (localisirtej Einwirkung (wie z. B. die unter gewissen Bedingungen eintretende localisirte Plasmaanhäufung zeigt) eine Constellationsänderung geschalten werden, die sich bei Continuität der Ein- wirkung in allem Wechsel erhält, und direct oder indirect die tropistische Reizung ermöglicht oder verursacht. Auch die Erfahrungen, dass z. B. die Berührung zunächst die Hautschicht trifft, dass Zellen tropistisch reagiren, in denen das Protoplasma auf eine dünne Hautschicht reducirt ist, dass ferner die nur aus Hyaloplasma bestehenden Cilien Reize percipiren (II, § 154), gestatten keine sicheren Schlüsse. Denn es unterliegt ja keinem Zweifel, dass ebensowohl die Hautschicht, wie das übrige lebendige Cytoplasma reizbar und reactions- fähig sind. Ohnehin dürfte die Durchführung des ganzen Reizprocesses sehr gewöhnlich das Zusammenwirken der Hautschicht und des übrigen Cytoplas- mas (oder auch des Zellkernes) erfordern, und möglicherweise ist in gewissen Fällen ein solches Zusammenwirken schon bei dem primären Perceptionsvor- gang nothwendig. Uebrigens kommt auch der Hautschicht nur eine relative Rübe und Stabilität zu. Zudem ergiebt sich aus der autogenen oder aitiogenen Veränderung der Sensibilität, dass auch die Reizfähigkeit (reizbare Structur) der Hautschicht veränderlich sein muss. Es wurde schon wiederholt betont, dass auch der einfachste tropistische Reizerfolg eine comphcirte Resultante ist (vgl. II, § 77, 117, 122), und vielleicht w^erden, häufiger als wir nachweisen können, durch die Einwirkung eines ein- zelnen Agens gleichzeitig verschiedene (tropistische, stimmungsändernde etc.) Reizungen vollbracht (vgl. II, § 108, 122 etc.). Factisch lässt sich aus dem Reac- tionsverlauf und Reactionserfolg nicht ersehen, ob sich einige oder zahlreiche perceptorische und sensorische Processe nebeneinander und nacheinander ab- spielen. Jedoch ist soviel gewiss, dass sich die Stimmung (die Eigenschaft) einer Zelle oder eines Organes (autogen oder aitiogen) derart ändern kann, dass der- 1) Noil, Naturwissenschaft]. Rundschau 1888, p. 43; Heterogene Induction 1892, p. 53; Czapek, Jahrb. f. wiss. Botan. 1898, Bd. 32, p. 281. [Noll, ßiolog. Centralbl. 1903. Bd. 23, p. 418.] § 1^6. Die Reizbedingungen und der Reizprocess. Fortsetzung. 637 selbe Reizanstoss entweder gar keine, oder eine positiv oder negativ parallelo- trope, oder eine plagiotrope Orientirungsbewegung verursacht. Eine Ver- änderung der Gleichgewichtslage bei Steigerung der Reizintensität (II, § 124) kann somit ebensowohl durch die Modification der Reizslimmung (die ja vielfach eintritt), als auch dadurch bewirkt werden, dass gleichzeitig zwei anta- gonistische tropistische Reizungen staltfinden, die in ungleichem Grade zunehmen (II, § 108, 113, 122). Wenn letzteres in gewissen Fällen nachweislich zutrifft, so folgt daraus natürlich nicht, dass der Uebergang einer positiven in eine negativ tropistische Reaction etc. immer in dieser Weise erzielt werden muss i). Hiergegen spricht ohnehin die Erfahrung, dass in äquipotentiellen Zellen und Geweben (in dem autogenen Entwicklungsgang und in Folge äusserer Einflüsse) eine oder einige oder auch gar keine tropistischen Fähigkeiten ausgebildet und unter Umständen wiederum modificirt oder ausgeschaltet werden (II, p. 369, § 1 07). Uebrigens kann auch eine Maschine derart gebaut sein, dass derselbe Anstoss, je nach der internen Verstellung (Constellation), eine Vorwärts- oder eine Rückwärtsbewegung veranlasst, und es wäre möglich, den auslösenden Mechanis- mus so zu construiren, dass z. B. bei weiter gehender Drehung des Hebels, also bei Steigerung der Aussenwirkung, an Stelle der Vorwärtsbewegung eine Rück- wärtsbewegung träte. Durch den Erfolg allein wird aber ebensowenig bei einer Maschine wie bei einer Pflanze angezeigt, ob die Umkehrung der Bewegung durch eine Umstellung in dem Empfangsapparate (in dem auslösenden Hebel- werk etc.) oder in den sich anschliessenden Vorgängen (Verkettungen) verursacht wird (vgl. II, § 122), welche letzteren bei dem Mechanismus durch Einschaltung von mechanischen oder elektrischen Uebertragungen und Auslösvmgen beliebig aus- gedehnt und complicirt werden können. Die obigen Erörterungen gelten nicht nur für die einzelligen, sondern auch für die vielzelligen Organe, bei welchen Gomplicationen z. B. dadurch entstehen, dass nicht alle Zellen activ sind oder sein müssen, und dass in den zu einem einheitlichen Ganzen verketteten Elementen die Reizstimmung und Reaction der einzelnen Zellen durch die wechselseitigen Beeinflussungen modificirt und regu- lirt werden (II, § 4-5, 40). Nur auf diese Weise ist es möglich, dass der Ge- webecomplex wie ein einheitliches Organ reagirt, und dass z. B. in demselben, ebenso wie in einem einzelligen Organe, das Wachsthum auf der einen Seite beschleunigt, auf der antagonistischen Flanke aber verlangsamt wird (II, p. 373, § 129). Dass solches zunächst durch die von den sensorischen Processen aus- gehende, directive Wirkung verursacht wird, tritt uns am anschaulichsten dann entgegen, wenn die Perceptions- und Actionszone räumlich getrennt liegen (II, § 128). AVarum durch den dorsiventralen Bau weitere Gomplicationen ge- schaffen und warum unter diesen Umständen Krümmungsbewegungen häutig auch durch diffuse Reize verursacht werden, ist bereits an anderer Stelle all- gemein besprochen worden (II, § 1 08 etc.). 1) Es ist natürlich auch möglich, dass sich gleichzeitig zwei tropistische Percep- tionen abspielen, ohne dass dieses nachweisbar ist. Ferner haben wir 11. § 88 gesehen, dass bei dorsiventralen Ranken auch der Oberseite eine ähnliche Sensibilität zukommt, wie der Unterseite, obgleich nur durch die Rerührung der letzteren eine Ivrümmungs- bewegung ausgelöst werden kann. Durch diese und andere Gomplicationen wird indess in principieller Hinsicht an dem Gesagten nichts geändert. 638 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Wie schon früher (II, p. 557) bemerkt wurde, ist es nicht gerechtfertigt, mit de Vries und Sachs zu fordern, dass (auch bei radiären Organen) die durch einen einzelnen Reizanstoss veranlasste plagiotrope Orientirungsbewegung stets aus dem Antagonismus verschiedenartiger Bewegungsbestrebungen resultirt. Denn es ist nicht einzusehen, warum durch den directiven Einfluss einer einzelnen tropistischen Perception nicht ebensogut eine plagiotrope wie eine parallelotrope Gleichgewichtslage erzielbar sein soll (vgl. II, § 107, 109!. Auch nöthigt der (autogene oder aitiogene) Uebergang von einer positiv in eine negativ gerichtete OrientirungsreacLion nicht zu der Annahme, dass sich in der Zelle (bezw. in dem Gewebe) positiv und negativ reagirende Elemente (bezw. Zellen) vereint finden'). Sofei'n aber die Gleichgewichtslage aus zwei differenten Reizungen resultirt, so können diese sensorischen Erregungen sehr wohl derart zu einem einheitlichen motorischen Impulse zusammengefasst werden, dass nicht zwei besondere Be- wegungsreactionen, sondern nur ein einheitliches Bewegungsstreben ausgelöst wird (II, p. 361, 555). Jedoch ist es auch dann erlaubt, in dem früher (II, p. 362) gekennzeichneten Sinne die Gleichgewichtslage als Resultante aus dem Zusammen- greifen der entgegengesetzt oder gleichsinnig gerichteten Reizreactionen anzu- sprechen. In dem Obigen ist auch schon ausgesprochen , dass die Aenderung der tropistischen Gleichgewichtslage mit der Reizintensität durch das Zusammen- wirken von zwei besonderen tropistischen Reizungen zu Stande kommen kann, aber nicht zu Stande kommen muss. Das gilt unter anderm auch für die plagiogeotropen Seitenwurzeln und die diageotropen Rhizome, deren geotropische Gleichgewichtslage Czapek^) jetzt als denErfolg einer einzelnen tropistischen Reizung ansieht, während er dieselbe früher 3) aus dem Zusammenwirken von positivem und transversalem Geotropismus zu erklären suchte. Die Rücksichtnahme auf unser Auge oder auf andere hoch differenzirte Sinnes- organe zeigt am besten, dass mit der wichtigen und unerlässlichen Präcisirung und Localisirung des Perceptionsortes (II, § 118) noch keine Aufklärung der perceptorischen und sensorischen Processe gewonnen ist. Ebenso ist es klar, dass die realen Kenntnisse nicht erweitert werden, wenn man unser Auge, oder bei den Pflanzen die den Lichtreiz percipirenden Theile, als photisches Reizfeld, die die Schwerkraft percipirenden Partieen als geotropisches Reizfeld etc. bezeichnet. Denn wenn man von einem terminalen oder von einem einseitigen (dorsiventralen) etc. Reizfeld spricht, das für den Zustand der stabilen oder labilen Gleichgewichtslage senkrecht, parallel u. s. w. zu der Angriffsrichtung des Tropisticums orientirt ist, so werden damit die empirischen Erfahrungen nur in ein etwas anderes Gewand gekleidet. Unsere theoretischen Vorstellungen werden aber damit nicht besser begründet, dass man unter bestimmten Voraussetzungen in der einzelnen Zelle oder in 1) Eine solche Annahme findet sich bei Wiesner, Die heliotropischen Erschei- nungen 1880, II, p. 21. Vgl. hierzu auch Pfeffer, Osmotische Untersuchungen 4 877. p. 211. 2) Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 248. 3) Czapek. Sitzungsber. d. Wien. Akad. 1895, Bd. 104, I, p. 1257. Vgl. Noll, Sinnesleben d. Pflanzen 1896, p. 86 (Separat, a. Bericht, d. Senkenberg. Naturforschend. Gesellsch. in Frankfurt). — Czapek stützt sich besonders auf das 11, p. 632 be- sprochene, ungleiche Verhalten bei aufwärts und abwärts gerichteter Ablenkung aus der Gleichgewichtslage, ferner auf die Steigerung der positiv geotropischen Bewegung bei Zunahme der Centrifugalwirkung (11, p. 625). Dieses Verhalten kann natürlich nicht mit Sachs als die Folge eines schwächeren Geotropismus gedeutet werden, da die Seitenwurzeln nach einer abwärts gerichteten Ableitung selbstthätig in die plagio- geotrope Gleichgewichtslage zurückkehren (II, p. 563, 597, 634). § ^27. Die Reizbedingungen und der Reizprocess. Fortsetzung. 639 einem Gewebe eine Situation des Reizfeldes oder der Reizfelder construirt, die mit den realen Reactionen verträglich erscheint. Bei einem solchen Verfahren geht Nolli) von der unzulässigen Voraussetzung aus, dass die tropistische Gleichgewichts- lage (bezw. die tropistische Reaction) schlechthin durch die Orientirung des supponirten Reizfeldes gegenüber der Angrifl'srichtung der Schwerkraft, des Lichtes u. s. w. bestimmt sei. Thatsächlich belehrt uns aber doch ein Mensch, der durch die steigende Lichtintensität veranlasst wird, seinen Körper so zu drehen, dass das Auge von der Lichtquelle weggewendet wird, dass ohne eine Veränderung der Qualität und der morphologischen Lage des Auges (also des Reizfeldes) ver- schiedene Orientirungsbewegungen (Gleichgewichtslagen) ausgelöst werden können. Ebenso wie bei dem Menschen handelt es sich auch bei den tropistischen Reactionen der Pflanze (ohne psj-chische Mitte) um eine complexe Resultante. Nach den mitgetheilten Erfahrungen und Erörterungen kann es aber nicht zweifel- haft sein, dass eine Modification der Reaction und der Gleichgewichtslage sowohl ohne, als auch mit einer Veränderung der Constellation im perceptorischen Apparat (im Reizfeld) erzielbar ist, dass also die Orientirung nicht nur durch eine bestimmte und unveränderliche Orientirung des Reizfeldes gegenüber der Angriffsrichtung des tropistischen Reizes bemessen wird (vgl. 11^ § 127). Man könnte übrigens in verschiedener Weise Apparate construiren, die gegenüber dem einseitigen Angriff von Licht, Schwerkraft, Contact etc. eine be- stimmte Gleichgewichtslage einnehmen, und in denen, nach der Ablenkung aus dieser, vermöge ihres selbstregulatorischen Waltens Bewegungen ausgelöst werden, durch welche die bestimmte Orientirung gegen das äussere Agens wieder hergestellt wird. So wichtig die Rücksichtnahme auf Mechanismen ist, um vitale Vorgänge begreiflich erscheinen zu lassen und unserm Verständniss näher zu rücken, so können doch die Vorgänge im Organismus immer nur durch besondere Studien ermittelt und nicht nach den speciellen Einrichtungen und Fähigkeiten eines be- stimmten Mechanismus beui'theilt werden 2). § 127. Fortsetzung, Zur Ergänzung der allgemeinen Betrachtungen soll im Folgenden noch mitgetheilt werden, was bei den verschiedenen Orientirungsreizungen in Bezug auf die specifischen Reizbedingungen und Perceptionsprocesse bekannt ist. Thiginotropismus. Die specifische Sensibilität, auf welcher die Gontact- oder Kitzelreizbarkeit beruht, wurde früher (II, p. 422, 436, 588) charakterisirt. Bei dieser Gelegenheit ist auch hervorgehoben, dass die Reizperception un- mittelbar an der berührten Stelle stattfinden muss, da empfindhche Ranken -f) Noll, Heterogene Induction 1892, p. 18. — [Vgl. auch Fitting, Jahrb. f. wiss. Bot. 1903, Bd. 38, p. 619.] 2) Es ist dieses zwar an anderen Stellen (Bd. I, p. 6, M etc.) wiederholt ausge- sprochen, doch sei gegenüber dem Verfahren Noll's (I.e.) nochmals daran erinnert. Vgl. auch Pfeffer, Die Reizbarkeit d. Pflanzen 1893, p. 22. — Uebrigens würde man Apparate auch so construiren können, dass bei Zunahme der Reizintensität oder in- folge des (diffusen) Einflusses anderer Agentien eine Aenderung der (tropistischen etc.) Gleichgewichtslage einträte. Vgl. auch II, p. 637. 640 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. schon auf sehr sanfte Berührungen reagiren, welche nicht einmal an der direct betroffenen Stelle eine merkliche Deformation der Epidermisaussenwand hervor- rufen. Somit liegt hier ein sehr lehrreiches Beispiel für eine localisirte Perception vor, vi^elche durch die Reizfortpflanzung und Reizverkettung ver- ursacht, dass die gegenüberliegende Flanke eine relative Wachsthumsförderung erfährt, dass also eine positiv thigmotropische Krümmung eintritt. Ferner ist sehr beachtensv^'erth, dass bei allseilig gleicher (diffuser) Berührung die ansehn- liche transitorische Wachsthumsbeschleunigung unterbleibt, die also nur durch eine Reizung ausgelöst wird, welche zugleich eine Krümmungsbewegung hervor- ruft (II, p. 430). Dieser Erfolg tritt aber nicht nur bei den physiologisch radiären, sondern auch bei den physiologisch dorsiventralen Ranken ein. Wenn also bei diesen eine Krümmungsreaction durch die Berührung der einen, aber nicht der gegenüberliegenden Flanke ausgelöst wird, so ist die letztere doch in anderer Weise geüen Contactreiz, und zwar wiederum nur gegen die Berührung mit einem festen Körper, empfindlich. Ob nun durch diese besondere Reizbarkeit die Acti- virung der motorischen Thätigkeit, oder die Perception des Krümmungsreizes in der antagonistischen Flanke, oder die sich anschliessenden sensorischen Prozesse ausgeschaltet werden, müssen fernere Untersuchungen aufklären. Dass es sich bei Bheotropismus, Traum atropisnms, Hydrotropismus um specifische Sensibilitäten handelt, wurde früher (II, p. 592) besprochen. Bei dieser Gelegenheit ist auch dargelegt, wie sich diese tropistischen Reizungen unterscheiden, und was in Bezug auf die specifischen Reizbedingungen und Per- ceptionsvorgänge bekannt ist. Geotropismus. Offenbar wirken Schwerkraft und Centrifugalkraft (II, § H 1 ) nur indirect auslösend, d. h. dadurch, dass durch die (einseitige) Massenbe- schleunigung Druck- und Verlagerungsverhältnisse geschaffen werden, welche die physiologische Reizung verursachen (II, p. 635). Dass hierzu niQht der wechselseitige Druck von Zellen und Geweben nothwendig ist, beweisen die geotropisch reagirenden einzelligen Organe und Organismen (II, § 111, 147). Ob aber in der sensibeln Zelle die durch die Verlagerung von Inbaltsmassen be- wirkte Störung, oder die einseitige Druckwirkung von festen oder flüssigen Inhaltsstoffen als tropistischer Reiz empfunden wird, ist noch nicht endgiltig entschieden. Da es aber sehr wohl möglich ist, dass nicht in allen Fällen die- selben Verhältnisse obwalten i), so kann man nicht behaupten, dass sich die Pflanzen in derselben Weise verhalten müssen, wie gewisse niedere Thiere, bei welchen die Wahrnehmung und Richtwirkung der Schwerkraft in bestimmten Sinnesorganen durch die Druckwirkung eines festen Körpers (Statolith, Otolith) 1) Vgl. z. B. Bd. II, p. 841. — Da durch »Geotropismus« nur der tropistische Reizanstoss bezeichnet werden soll (II, p. 547), so bleibt diese Benennung zu Recht bestehen, gleichviel ob die physiologische Auslösung im näheren auf eine Contact- reizung oder eine andersartige Reizung hinausläuft. (Vgl. hierzu Verworn, All- gemeine Physiologie 1901. III. Aufl., p. 467.) Wir würden demgemäss z. B. auch von »Magnetotropismus« reden, wenn in Folge der Anziehungswirkung eines Magneten eine tropistische Reizung dadurch ausgelöst würde, dass im Inneren eines Organismus Eisen- theilchen oder andere magnetische Körper umgelagert würden. § 127. Die Reizbedingungen und der Reizprocess. Fortsetzung. 641 vermittelt wird. Uebrigens wird auch bei einem Menschen, den man auf den Kopf stellt, eine Störung und hierdurch eine Reaction veranlasst, die auf die Wiedergewinnung einer besseren Lage hinzielt. Ebenso wie dem Menschen geht, soweit wir beurtheilen können, auch den Pflanzen ein directes Wahrnehmungs- vermögen für die Schwerkraft ab. Dem Grundgedanken, dass die geotropische Bewegung durch die Vertheilung von Stoffen nach Maassgabe ihres specifischen Gewichts verursacht werde, be- gegnen wir bereits bei Knight^) und Hofmeister 2). Der erstere stellte die Hypothese auf, der negative Geotropismus komme dadurch zu Stande, dass die Senkung des schwereren Nahrungssaftes an dem horizontal gelegten Sprosse eine bessere Ernährung der Unterseite und dadurch ein schnelleres Wachsthum dieser bewirke. Auf diese Weise lässt auch Hofmeister den negativen Geotropismus zu Stande kommen, während die positiv geotropische Bewegung dadurch ent- stehen soll, dass die specifisch leichteren Nährstoffe aufsteigen und durch die einseitige Anhäufung eine Wachsthumsbeschleunigung der Oberseite bewirken. Kleiden wir diese mechanistischen Auffassungen in ein modernes Gewand'^), lassen wir also die Stoffe nicht direct ernährend, sondern nur auslösend wirken, so gelangen wir zu den neuerdings von Berthold^j^ Noll^), Nemec^) und Haber- landt^) aufgestellten Hypothesen, die darin übereinstimmen, dass sie den 1) Knight, Philosophie. Transactions 1806, Pt. I, p. 104. — Nach einem Citate bei Treviranus (Physiologie 1838, Bd. 2, p. 399) wurde eine ähnliche Ansicht schon früher von Astruc ausgesprochen. — Dass es sich auch bei dem positiven Geotropismus um eine active Krümmungsthätigkeit, also nicht um eine plastische Senkung der Wurzel durch ihr Eigengewicht, handelt, wie Knight und einige Andere annahmen, ist aus II, § 128 zu ersehen. 2) Hofmeister, Allgemeine Morpholog. 1 868, p. 629. — Diesen Erklärungsversuchen schliessen sich auch die im wesentlichen auf die Beobachtungen an Niederschlags- membranen basirten Theorien von Traube (Bot. Ztg. 1873, p. 67, vgl. Pfeffer, Osmot. Untersuch. 1877, p. 213) und Cisielski (Cohn's Beiträge z. Biologie 1872, Bd. 2, Heft 2, p. 23) an , nach welchen hauptsächlich der durch das specihsche Gewicht bewirkte Zug und die durch die begünstigte Ernährung bewirkte Verdickung der Membranen die Factoren sein sollen, aus welchen sich sowohl negativer als positiver Geotropismus erklären lassen. Ferner suchte Dutrochet (Annal. d. scienc. naturell. 1833, I. s6r., Bd. 29, p. 413; Memoires etc., Bruxelles 1837, p. 292) den positiven Geotropismus aus dem Zu- sammenwirken von endosmotischen Wirkungen, Spannungserscheinungen, Vertheilung der Nährstoffe nach dem. specifischen Gewicht und den anatomischen Bauverhältnissen zu erklären. Dass sich aus letzteren die geotropische Fähigkeit nicht erkennen lässt, wurde von Mohl und von Hofmeister (Jahrb. f. wiss. Bot. 1863, Bd. 3, p. 178) dar- gethan. Uebrigens erkannte Dutrochet, dass Schwerkraft und Licht nur auslösend wirken. Vgl. diesen Bd. II, p. 368. 3) Vgl. Bd. II, p. 368. Ferner Pfeffer, Periodische Bewegungen 1875, p. 147. 4) Berthold, Protoplasmamechanik 1886, p. 73. 3) Noll, Heterogene Induction 1892. In jüngerer Zeit sprach Noll (Jahrb. f. wiss. Bot. I'JOO, Bd. 34, p. 502) aus, dass die Empfangsvorrichtung möglicher Weise in einer Centrosphäre mit einem Centrosom zu suchen sei. [Noll, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1902, p. 403.] 6) B. Nemec, Ber. d. botan. Gesellsch. 1900, p. 241; 1901, p. 310; Jahrb. l wiss. Bot. 1901, Bd. 36, p. 80. [Bericht, d. botan. Gesellsch. 1902, p. 339.] 7) Haberlandt, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1900. p. 261 ; 1902, p. 189. [Jahrb. f. wiss. Botan. 1903, Bd. 38, p. 447.] — Eine zusammenfassende Darstellung bei Jost, Biolog. Centralbl. 1902, Bd. 22, p. -161. — Falls die Reizung in dieser Weise stattfindet, taucht die Frage auf, ob die Reizauslösung durch die sich senkenden Körper auf einer Pfeffer, Pflanzenpliysiologie. 2. Aufl. II. 4/| 642 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. tropistischen Reizanstoss durch die physikahsche Senkung der specifisch schwereren Körper, bezw. durch den hierdurch erzielten Druck, zu Stande kommen lassen. Abgesehen davon, dass bei der Pflanze die einzelne Zelle das percipirende Sinnesoi'gan ist, stimmt diese Ansicht im Princip mit den Erfahrungen über die Gleichgewichlsregulirung bei gewissen Thieren überein ^j. Denn diese läuft im wesentlichen darauf hinaus, dass in einem differenzirten Sinnesorgan (Stato- cyste, Otocyste) ein freibeweglicher Körper (Statolith, Otolith), dem Zuge der Schwere folgend, einen Druck auf die sensibeln Theile ausübt, die derart ab- gestimmt sind, dass nur bei einer bestimmten Lage des Statolithen stabiles Gleichgewicht besteht, dass also eine jede Ablenkung des Statolithen eine Be- wegungsthätigkeit A'eranlasst, die auf die Wiederherstellung der Gleichgewichtslage des Statolithen und somit des Organismus hinarbeitet. Während Noll sich nicht bestimmt über die Natur der sich senkenden Körper äussert, soll nach Nemec und Haberlandt die Auslösung gewöhnlich durch Stärkekörner bewirkt werden, welche natürlich nicht bei Pilzfäden und denjenigen Organen in Betracht kommen können, die trotz Fehlens der Stärke geotropisch reagiren. Bis dahin ist aber weder in Bezug auf die Stärke, noch in Bezug auf andere Körper völlig sichergestellt, dass wirklich die geotropische Reizung in der besagten Weise zu Stande kommt. Ein sicherer Beweis ergiebt sich natüi'lich nicht aus der Thatsache, dass sich nach Umkehrung der Zelle Stärke und andere Inhaltskörper mit genügender Schnelligkeit senken (II, § i 47). Die übrigen Argumente, die Nemec (1. c.) dafür beibringt, dass die geotropische Auslösung in der Wurzelspitze durch die Senkung der Stärkekörner verursacht wird, sind nicht eindeutig 2). Da aber ein ca. 1,5 mm langer Spitzentheil dex* Wurzel reizbar ist (II, p. 6 04), so kann die Fähigkeit zur Perception des geotropischen Reizes in der Wurzel nicht, wie Nemec will, auf die stärke- führende Columella der Wurzelhaube beschränkt sein. Auch die Beobachtung Haber landt's'^){, dass die Sprosse gewisser Pflan- zen, nachdem sie bei längerem Verweilen in niedriger Temperatur stärkefrei geworden sind (I, p. 514, 618), nicht mehr geotropisch reagiren, ihr früheres geotropisches Reactionsvermögen (zugleich mit der Regeneration der Stärke) in günstiger Temperatur aber wiedergewinnen, spricht zwar für die Statolithen- function der Stärke, ist indess nicht ohne weiteres beweisend"*). Denn der analogen Sensibilität beruht', wie sie bei den thigmotropischen Ranken etc. ausge- bildet ist. Sowie man aber nicht wissen kann, ob in den sensibeln Zellen der Ranken die Senkung eines festen Körpers eine tropistische Auslösung erzielen würde, ebenso kann man auch nicht fordern, dass eine Zelle, die in der besagten Weise geotropisch gereizt wird, auch auf einen äusseren Contact reagiren muss. -1) Vgl. Noll. Das Sinnesleben d. Pflanzen -isge, p. 71; A. ßethe. Biolog. Cen- tralbl. 1894, Bd. 14, p. 95; J.Steiner, Centralbl. f. PhysioL 1898, Bd. 12, p. 773; J.Laudenbach, Centralbl. f. Physiol. 1900. Bd. 13, p. 586; P. Ilyin, Centralbl. f. Physiol. 1901, Bd. 14. p. 361; LHaberlandt, 1. c. 190 2, p. 4 4 8Uind die an diesen Stellen citirte Literatur. ■ — Besonders anschaulich und beweisend sind die Versuche A. Kreidl's (Sitzungsber. d. Wiener Akad. 1892. Bd. 101 ; 1893, Bd. 102;, welche zeigen, dass sich ge- AvisseThiere gegenüber einem Magneten orientiren, wenn an Stelle der gewöhnlichen Oto- lithe winzige Stückchen von metallischem Eisen in die Ohrblase gebracht worden sind. 2) Jost, 1. c. 3; Haberlandt, Ber. d. bot. Gesellsch. 1902. p. 193. Jahrb. f. wiss. Bot. 1903, Bd. 38, p. 447.1 4) Inwieweit die Gesammtheit der Bd. II, § 99 besprochenen Veränderungen der geotropischen Gleichgewichtslage bei Erniedrigung der Temperatur mit einem Schwinden § 127. Die Reizbedingungen und der Reizprocess. Fortsetzung. 643 Erfolg könnte auch durch andere Processe Ijedingt sein, die sich gleichzeitig mit der auf andere Ziele und Zwecke berechneten Rückbildung und Wiederbildung der Stärke abspielten. Die Reizstimmung, und zwar nicht nur die geotropische, wird aber offenbar vielfach durch niedrige Temperatur beeinflusst (vgl. 11, § 99), und es ist sehr wohl möglich, dass in gewissen Fällen die tropistischen (oder auch andere) Sensibilitäten durch die längere Einwirkung der niedrigen Tempe- ratur derart alterirt werden, dass sie nach der Wiederherstellung günstiger Aussenbedingungen nur allmählich und später als die Wachsthumsthätigkeit (vgl. II, p. 280) Aviederkehren. Die Versuche Haberl andt's '), die zeigen, dass die geotropische Reactions- fähigkeit der Stengelknoten von Tradescantia virginica erst aufgehoben wird, wenn die Rinde, mit Einschluss der Stärkescheide (die Haberlandt als das geotropische Perceptionsorgaa ansieht), entfernt ist, sind desshalb nicht eindeutig, weil der Erfolg auch auf einem durch die Resection verursachten Stimmungs- wechsel beruhen kann 2j. Andererseits wird die fragliche Reizwirkung der Stärke- körner nicht dadurch widerlegt, dass die geotropische Reaction schon durch eine schwache Centrifugalwirkung (II, p. 6 2 2) ausgelöst wird, die keine merkliche Ver- lagerung der Stärkekörner verursacht, da ein gewisser Druckunterschied auch ohne eine auffällige Verlagerung der Stärke hergestellt wird 3). Eine einseitige Anhäufung des Protoplasmas, in der man etwa den näheren Anstoss der geotropischen Reizung vermuthen könnte (vgl. II, p. 635), scheint durch die gewöhnliche Intensität der Schwerkraft nicht, oder doch nicht in allen Pflanzen, verursacht zu werden (vgl. II, § 153). Denn die Plasmaansammlung, die Nemec-*) nach der Ablenkung der Wurzel aus ihrer Gleichgewichtslage, an von Stärke verknüpft ist, wurde noch nicht untersucht. Andererseits ist noch nicht geprüft, ob es auch stärkefreie Objecte giebt, deren geotropische Sensibilität durch die Erniedrigung der Temperatur modiiicirt wird. Auch ist noch zu entscheiden, ob durch den Aufenthalt in niedriger Temperatur auch die phototropische etc. Sensibilität beeinflusst wird. Uebrigens sind auch Modificationen der geotropischen Sensibilität durch Beleuchtung und andere Eingriffe bekannt (II, § 121, 122). — [Einige Ein- wände gegen Haberlandt's Versuche bei Noil, Bericht, d. bot. Gesellschaft 1902, p. 423; ferner bei Fr. Darwin fProceedings of the Royal Society 1903. Bd. 71, p. 362 , welcher fand, dass durch die niedrige Temperatur auch die heliotropische Reaction, jedoch in einem schwächeren Maasse als die geotropische, abgeschwächt wurde. 1) Haberlandt, Ber. d. botan. Gesellsch. 1900, p. 269. 2) Vgl. Bd. II, p. 606, 613, sowie § 129, wo das Zusammenwirken der verschiedenen Gewebeschichten behandelt ist. Siehe auch Jost, 1. c. p. 174. 3) Vgl. Jost, Biolog. Centralbl. 1902, Bd. 22, p. 176, sowie Haberlan dt. Bericht, d. botan. Gesellsch. 190-2, p. 191. An diesen Stellen ist auch dargethan, dass sich aus der kurzen Präsentationszeit bei intermittirender Reizung kein Argument gegen die Nemec-Haberlandt'sche Hypothese ergiebt. — Natürhch würde bei Ausbildung einer geeigneten Fähigkeit auch der Aufstieg von Luftbläschen, überhaupt der Auftrieb specifisch leichterer Körper, in gleichem Sinne auslösend wirken können, wie die Senkung schwerer Körper. [Ueber den Einfluss von Stössen und Erschütterungen auf die Verlagerung der Stärke und auf die geotropische Auslösung vgl. Haberlandt, 1. C. 1903, p. 489; Darwin, 1. c. 1903, p. 366.] 4) Nemec, Jahrb. f. wiss. Bot. 1901, Bd. 36, p. 147; vgl. Jost, 1. c. p. 177. — Ueber das Auftreten gewisser Körperchen an der Spitze der Rhizoiden von Chara vgl. Giesenhagen, Bericht, d. bot. Gesellsch. 1901. p. 227; Jost, 1. c. p. 1 73. [Nemec, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1902, p. 351.] 41* 644 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Stelle der von ihrem normalen Platze verschobenen Stärkekörner, auftreten sah, scheint mit dieser Stärkeverlagerung zusammenzuhängen. Ferner ist zwar nicht unmöglich, aber nicht erwiesen, dass die geotropische Reizung durch den Unterschied des hydrostatischen Druckes ausgelöst wird, der z. B. an der Unterseite eines horizontal gelegten, einzelligen oder vielzelligen Örganes (abgesehen von dem osmotischen Druck) um den Druck einer Wasser- säule von der Höhe des Querschnittes des Organes vermehrt ist^). Auch ist noch fraglich, ob, wie P. Jensen^j annimmt, die geotactische Reizung frei schwimmen- der niederer Organismen darauf beruht, dass diese durch den mit der Höhe der Wassersäule abnehmenden Druck, also durch den Druckunterschied, veranlasst werden, eine bestimmte Orientirung zur Lothlinie anzunehmen. Da in dem zu einer organischen Einheit verknüpften Gewebecomplex die ein- zelnen Zellen dem Ganzen untergeordnet sind und sein müssen (vgl. Bd. II, Kap. YII), so können auch in der geotropischen (ebenso in der heliotropischen etc.) Reac- tion nicht schlechthin die potentiellen (sensorischen und motorischen) Fähigkeiten der einzelnen Zellen zum Ausdruck kommen. Wenn somit in einem complexen, radiären Organe die Zuwachsbewegung in der convex werdenden Flanke be- schleunigt, in der concav werdenden verlangsamt wird, in einer Mittel- lamelle aber unverändert bleibt (II, § 129), so folgt daraus durchaus nicht, wie es NolP) will, dass den percipirenden Zellen eine derartige Vertheilung der Sensibilität (eine derartige Orientirung des Reizfeldes) zukommt, dass z. B. in den Zellen der Mittellamelle keine geotropische Reizung stattfindet. Thatsäch- lich wird doch auch in einem physiologisch radiären, einzelligen Organe durch die geotropische Reizung eine ähnliche Veränderung der Zuwachsbewegung ver- anlasst, und ohne Frage würde sich ebenso ein Gewebecomplex verhalten, der durch die Vereinigung solcher radiärer Zellen zu einer organischen Einheit ge- bildet wäre *). Uebrigens demonstrirt die tropistische Krümmung, die eine radiäre 1) Vgl. Pfeffer, Period. Bewegmigen 1873, p. 149. — An diesem Orte ist auch (p. 146) dargethan, dass durch diesen geringen Druckunterschied das Wachsthum nicht rein mechanisch gefördert werden kann, wie es Sachs vermuthungsweise aussprach. — Aus diesen Stellen, sowie aus den Bemerkungen in der I. Aufl. der Physiologie. Bd. II, p. 331 ist zu ersehen, dass ich die geotropische Auslösung durch Druckwirkungen in der Zelle stets für möglich gehalten habe. Ich habe auch nicht (Die Reizbarkeit d. Pflanzen 1893, p. 24 die NolTsche Druckhypothese abgewiesen, wie Jost (I. c. p. 326, 330) angiebt, sondern nur allgemein die Unzulänglichkeit von Noll's Interpretationen betont. [Die Existenz eines hohen osmotischen Druckes in den Zellen ist nicht, wie Noll (Bericht, d. botan. Gesellsch. 1902, p. 425) meint, ein Hinderniss, dass eine Druckdifferenz als Reiz wirkt.] 2 P. Jensen, Botan. Centralbl. 1893, Bd. 36, p. 21. Vgl. II, § 147. 3) Noll, Heterogene Induction 1892, p. 31. Vgl. auch Jost, 1. c. p.'l69. — Ein gleichsinniges Krümmungsstreben der einzelnen Zellen kann ohne eine gleichzeitige, entsprechende Wachsthumsdifferenz auf der concaven und convexen Seite keine Krüm- mung erzielen. Bd. II, p. 373. [Haberlandt, 1. c. 1903, p. '.70; Nemec, 1. c. 1902. p. 339.1 4) Es ist also nicht zulässig, wie es, ausser von Noll, auch von Nemec und Haberlandt geschah, aus der realisirten Reaction eines Complexes auf die reale Vertheilung der Sensibilität in den einzelnen Zellen (bezw. an den Längswänden, Radialwänden etc.) zu schhessen. — Ebenso hat man keinen Grund anzunehmen, dass z. B. die einzelnen Zellen von Pandorina eine differente Anordnung der Sensi- bilität ;des Reizfeldes) besitzen, weil sie bei der phototactischen Einstellung der Colonie verschieden gegen die Lichtrichtung orientirt sind (vgl. II, § 143). — Bei plagio- troper Lage sammeln sich natürlich die sich nach physikalischen Gesetzen senkenden Stärkekörner in den Ecken der Zellen an. Aus diesem Verhalten kann man aber § 127. Die Reizbedingungen und der Reizprocess. Fortsetzung. 645 Ranke bei einer localen Contactreizung austuhrt, dass die entsprechende Wachs- thumsregulation durch die Reizverkettung, also ohne die directe tropistische Reizung der übrigen betheiligten Zellen erzielbar ist (II, § 8 8, p. 640). Das regulatorische Walten im Organismus ist aber ein sehr verwickeltes Problem (II, Kap. VII), und desshalb ist nicht anzunehmen, dass die tropistische Regulation allein durch die Druck- und Zugwirkungen erzielt wird, welche die Zellen vermöge ihres Gewichtes, ihrer Verkettung etc aufeinander ausüben i). Wie ein jedes vitale Geschehen, so sind ohne Frage nicht nur die moto- rischen (II, § 129), sondern auch die sensorischen Vorgänge in irgend einer Weise mit chemischen Umsetzungen verknüpft, deren Berücksichtigung und Aufklärung unerlässlich ist, um eine nähere Einsicht in die geotropischen und andere tropislischen Reactionen zu gewinnen. Ein erster Schritt in diesen Bestrebungen ist von Czapek 2) gethan, der erkannte, dass die tropistische Rei- zung (quantitative) chemische Veränderungen hervorruft, die sich schon vor dem Beginn der Reaction einstellen und aller Wahrscheinlichkeit nach in einer directen oder doch mindestens in einer indirecten Beziehung zu den ausgelüsten sensorischen Processen stehen. Zunächst constatirte Czapek, dass sich bei der geotropischen Krümmung der W^urzel schon vor dem Beginn der Krümmung ein chemischer Process voll- zieht, der durch die Zunahme der Reductionswirkung auf alkalische Silberlüsung, sowie durch die Verminderung der Oxydationswirkung auf leicht oxydable Reagen- tien (Guajac etc.) bemerklich wird. Diese Veränderung, die sich von der den geotropischen Reiz percipirenden AVurzelspitze (II, p. 604) bis in die Streckungs- zone ausbreitet, erreicht etwa bei Beginn der Krümmungslhätigkeit den Maximal- werth und nimmt dann allmählich ab, so dass ungefähr bei Vollendung der Krümmungsbewegung der Ausgangszustand wiederum hergestellt ist. Aus seinen späteren Studien glaubt dann Czapek folgern zu können, dass die Silberreduction durch Homogentisinsäure bedingt sei, die im wesentlichen durch die Oxydation von Tyrosin zu entstehen scheine. Die Hemmung der Weiteroxydation der Homogentisinsäure durch die Formation einer Antioxydase^) wird aber als Grund dafür angesehen, dass die geotropische Reizung eine Zu- nahme der silberreducirenden Substanz hervorruft. sachgemäss nicht schlechthin, wie es Nemec (Bericht, der botan. Gesellsch. 1901, p. 310) thut, die plagiotrope Lage erklären. 1) Die diesbezüglichen Erörterungen von Czapek (Jahrb. f. wiss. Botan. 1898, Bd. 32, p. 236; Bericht, der botan. Gesellsch. 1901, p. [123]) sind von dem Bestreben geleitet, die Ursachen der nöthigen Regulation bei der geotropischen Krümmung eines Gewebecomplexes verständlich zu machen. Es ist das bei der Abweisung dieser Auf- fassungen zumeist nicht in genügender Weise berücksichtigt worden. Vgl. Noll, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 34, p. 465; Jost, Biolog. Centralbl. 1902, Bd. 32, p. 165. 2) Das im Text Mitgetheilte stützt sich auf Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. ao8; Bericht, d. botan. Gesellsch. 1901, p. (122), sowie auf weitere Erfah- rungen, die mir von Czapek brieflich und mündlich mitgetheiU, und die inzwischen in den Berichten d. botan. Gesellsch. 1902, p. 454, 464; 1903, p. 229, 243 publicirt wur- den. — Vgl. auch Noll, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 34, p. 485. — Ueber die Frage, ob die Athmungsthätigkeit bei der geotropischen Reizung gesteigert wird, siehe Bd. IL p. 618 und § 130. 3) [Ueber Antifermente vgl. Czapek, Bericht, d. bot. Gesellsch. 1903, p. 229.] 646 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Das angegebene Resultat Avurde nicht nur bei der geotropisehen Reizung der ^■N'urzel und einiger anderer Objecte, sondern auch bei der hydrotropischen Rei- zung der Wurzel, sowie bei der heliotropischen Reizung der Keimstengel einiger Pflanzen erhalten. Der Umstand , dass die Zunahme der Silberreduction nicht durch diff'use Relcuchtung, sowie nicht durch die tropistische Wirkung der Schwerkraft auf die ihrer Spitze (l ^j^ mm) beraubte Wurzel hervorgerufen wird, zeigt, dass die fraglichen Pi'ocesse irgendwie durch die ti'opistische Auslösung veranlasst werden. Dass dieser Erfolg bei allen Pflanzen imd bei allen Reizungen identisch ausfällt, ist natürlich nicht nötliig. Falls aber derartige Veränderungen nachweislich von der tropistischen Reizung abhängig sind, so können sie als ein Judicium für diese auch dann dienen, wenn eine Rewegungsreaction desshalb nicht eintritt, weil das Organ nicht mehr bewegungsfähig ist, oder weil der Auslösungs- process nicht bis zur Erregung der motorischen Thätigkeit fortschreitet '). Wenn aber, wie es Czapek in Bezug auf die geotropische Reizung der Wurzel fand, die Silber- reduction in gleicher Weise in derconvex und in der concav werdenden Hälfte zunimmt, so ist das zwar kein Beweis gegen den Zusammenhang mit der tropistischen Reizung, es lässt dieses aber vermuthen, dass die inäquale Wachsthumsbethätigung der antagonistischen Gewebe zunächst von anderen Vorgängen abhängt. Wie dem aber sei, jedenfalls wird die Erfahrung, dass die fragliche chemische Veränderung aus einer Anzahl einzelner Factoren resultirt, es ermöglichen, diese Factoren und damit gewisse Glieder des tropistischen Auslösungsprocesses näher zu bestimmen. Phototroplsinus. Die auf einer Unterschiedsempfindung beruhende pho- totropische (und phototactische) Reizung erfordert zwar zunächst eine Licht- differenz (II, p. 630), indess hängt die Reizwirkung schon desshalb auch von der Lichtrichtung (dem Lichteinfall) ab, weil offenbar nur das in die Zelle oder in den Gewebecomplex eindringende Licht auslösend wirkt. Folglich muss, eben- so wie bei unserem Auge, der Reizeffect desselben Strahlenbündels (derselben Lichtintensität) verringert werden, wenn durch die ^'erkleinerung des Einfall- winkels mehr und mehr der Zutritt des Lichtes zu den sensibeln Theilen ver- mindert wird. Aus derartigen Beziehungen ist aber nicht ohne weiteres zu ersehen, ob die tropistische Reizung schlechthin durch die Lichtdifferenz (den Lichtabfall) oder durch die Lichtrichtung bewirkt wird, d. h. dadurch, dass die Lichtstrahlen das percipirende Organ unter einem bestimmten W^inkel treffen und durchdringen. Eine sichere Entscheidung ist durch die bisherigen Untersuchungen nicht herbeigeführt. Wenn man bei dem Thermotropismus (II, § 114) nicht daran zweifeln wird, dass die Temperaturdifferenz (der Tempera- turabfall) als Reiz wirkt, so kann man desshalb nicht fordern, dass die photo- tropische (und phototactische! Reizung in allen Fällen durch die Lichtdifferenz (den Lichtabfall) ausgeübt wird. Uebrigens spielt bei der Gontactreizung (II, p. 436, 639) die Angriffsrichtung nur insofern eine Rolle, als sich die auslösende Deformation mit dem Angriffswinkel ändert. Ferner wird bei den chemotropischen (und chemotactischen) und osmotropischen (osmotactischen) Reizen offenbar nicht die Diffusionsrichtung, sondern die durch die Diffusions- bewegung erzielte und unterhaltene ungleiche Vertheilung des Stoffes als Reiz -1) Ein schönes Beispiel dafür, dass der tropistische Reiz percipirt wird, aber nicht zur Auslösung der motorischen Thätigkeit führt, bietet das Bd. 11, § 8S besprochene Verhalten der Oberseite dorsiventraler Ranken gegenüber Contactreizeu. § 127. Die Reizbedingungen und der Reiaprocess. Fortsetzung. 647 empfunden (II, § loi). In dieser Weise, d. h. durch die Herstellung einer be- stimmten Vertheilung der chemischen Stoffe, dürfte auch die Orientirung gewisser Organismen zur Richtung des galvanischen Stromes zu Stande kommen. Auch wirkt die Richtung der Schwerkraft offenbar nur indirect, und zwar vielleicht dadurch orientirend, dass der Druck der sich senkenden Körper die Auslösung hervorruft (II, p. 640). Bei Sachs 1) und bei H. Müller"-), welche die Lichtstrahlen vermöge der Richtung wirken lassen, werden eigentliche Beweise für diese Ansicht und ebenso eine genügende Zei-gUederung und Präcisirung des Problems vermisst^). Anderer- seits wird durch die Argumente Darwin's^), Wiesner's^), Oltmanns^) u. A. nicht erwiesen, dass nur die Helligkeitsdifferenz als Reiz empfunden wird, his- besondere entsprechen die Erfolge, welche bei Anwendung eines mit Huminsäure- lösung'^) oder mit Tusche und Glyceringelatine 8) gefüllten, spitzwinkligen Prismas erhalten werden, durchaus dem, was man unter allen Umständen erwarten muss. Denn wenn man nach der parallelophototropen Einstellung zwischen Lichtquelle und Pflanze ein solches Prisma einschaltet und dadurch bewirkt, dass nunmehr in dem Strahlenbüschel die Helligkeit (die Lichtintensität) senkrecht zur Fort- pflanzungsrichtung des Lichtes abnimmt, so genügt, wie leicht einzusehen ist, eine geringe Krümmungsbewegung, um wiederum die Gleichgewichtslage herzu- stellen, um also zu erzielen, dass die Flanken (bezw. die symmetrischen Punkte der sensibeln Spitze) die gleiche Reizwirkung des Lichtes erfahren 9). Lässt man aber ein solches Strahlenbüschel in einem schiefen Winkel gegen die Ptlanze wirken, so erfolgt natürlich eine phototropische Bewegung auch dann, wenn das Prisma so aufgestellt ist, dass sich die Pflanze nach den minder hellen Regionen des Strahlenbüschels bewegen muss. Das geschieht unter diesen Versuchsbedingungen auch bei locomotorischen Organismen, deren Bewegungsrichtung ja durch die phototropische Einstellung der Körperachse bedingt ist ^o) Uebrigens tritt eine resultirende Bewegung nach dem schwächeren Lichte auch dann ein, wenn die Strahlen einer viel schwächeren Lichtquelle so gegen die Pflanze gerichtet werden, -1) J. Sachs, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1880, Bd. 2, p. 487. 2 H. Müller, Flora 1876, p. 92. 3) Vgl. Pfeffer, Osmotische Untersuchung. 1877, p. 213, ferner die L Aufl. dieses Werkes, Bd. II, p. 331, und Unters, a. d. bot. Instit. zu Tübingen 1884, Bd. I, p. 478. 4) Ch. Darwin, ßewegungsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 398. 5) Wiesner, Botan. Zeitung I88ü, p. 456. 6) F. Oltmanns, Flora 1892, p. 183. 7, Vgl. Strasburger, Wirkung d. Lichtes und der Wärme auf Schwärmsporen 1878, p. 35. 8) F. Oltmanns, Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 23, p. 416; Flora 1892, p. 183. 9) VgL Pfeffer, Pflanzenphysiol. L Aufl. 1881 , Bd. 2 , p. 373: F. Elfving, Die photometr. Bewegungen d. Pflanzen 1901 (Sep. Öfvertryck af Finska Vet. Soc. För- handliügar Bd. 43;. 10) Strasburger (1. c.) experimentirte in solcher Weise mit Schwärmzellen, Olt- manns (1. c.) mit freibeweglichen und mit festgewurzelten Pflanzen. Ein entsprechendes Resultat erhält man auch mit den auf einer Unterlage fortkriechenden Organismen, welche durch ein schiefwinklig auftreffendes Strahlenbündel phototactisch gereizt werden. — Die oben aufgeworfene Frage wird auch nicht durch die Experimente mit niederen animalischen Organismen entschieden, welche ebenfalls zeigen , dass die phototactische Schwimm- oder Kriechbewegung unter Umständen in ein minder intensives Licht führt. Vgl. über diese Versuche W. A. Nagel, Botan. Ztg. 1901, H. Abth., p. 2S9, und die an dieser Stelle citirte Literatur. 648 Kap. XIII. Tröpistische Krümmungsbewegungen. dass sie diese und die bisher allein wirksamen Strahlen senkrecht treffen. Ferner ist einleuchtend, dass nach dem Ueberstreichen einer Flanke mit Tusche (Darwin, 1. c. p. 398) in einem (allseitig gleichen) diffusen Licht eine photo- tropische Bewegung eintritt, weil nunmehr an der überstrichenen Partie weniger Licht in das Innere gelangt (vgl. II, p. 3 57). Eine Einsicht in den Perceptionsprocess, die eine Entscheidung der obigen Fragen gestatten könnte, steht uns nicht zu Gebote. Wir müssen es also dahin gestellt lassen, ob, wie es wohl mögUch ist, das Licht zunächst eine chemische Reaction (vgl. II, p. 646), eine Veränderung der Oberflächenspannung i) oder irgend einen anderen Process veranlasst. Als nähere Ursache der phototropischen und phototactischen Reactionen ist auch bis dahin nicht eine Ansammlung oder Verlagerung im Protoplasma sichergestellt (II, p. 635). Die Vermuthungen, die heliotropische Ki'ümmung sei die Folge davon, dass das Licht (direct) die Beweglichkeit des Protoplasmas herabsetze (Vines)^), oder die Dehnbarkeit der Zellhaut auf der beleuchteten Seite erhöhe (Wiesner) ■^), sind ohne Bedeu- tung. In historischer Hinsicht sei noch bemerkt, dass de Candolle^) die positiv heliotropische Krümmung durch das partielle Etiolement der Schattenseite zu Stande kommen lässt. Diese Ansicht wird schon dadurch widerlegt, dass auch nicht etiolirende Organe heliotropisch reagiren, dass ferner auch das Längen- wachsthum negativ heliotropischer Organe im Dunkeln beschleunigt wird (II, p. I I O) , und dass, bei räumlicher Trennung der Perceptionszone, die phototropische Reaction ohne Beleuchtung der Actionszone eintritt (II, § 120). Beiläufig erwähnt sei noch die irrige Ansicht Wolkoff's^), nach welcher der negative Heho- tropismus dadurch entsteht, dass durch die entsprechende Lichtbrechung und Lichtconcentration in dem Objecte die intensivste Beleuchtung auf die Schatten- seite des Organes verlegt wird. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass Phototropismus und Phototaxis Collectivbezeichnungen für die durch eine einseitigeBeleuchtung erzielten Orientirungs- bewegungen sind, die demgemäss in Bezug auf die mechanische Ausführung, die Reizvorgänge und die Reizbedingungen Verschiedenheiten bieten können und bieten 6). Ausserdem ist auch schon betont, dass wir hier tonische, formative und andersartige Wirkungen der einseitigen oder allseitigen Beleuchtung nicht zu behandeln haben. 1) Natürlich könnte die Variation der Oberflächenspannung nur als auslösender Factor, nicht aber als directes mechanisches Betriebsmoment in Betracht kommen, wie das J. Loeb für die phototactischen etc. Bewegungen bei animalischen Organismen an- nimmt (Loeb, Einleitung in d. vergleichende Gehirnphysiologie 1899, p. -128; vgl. Nagel, Botan. Ztg. 490-1, p. 294). — Es ist übrigens möglich, dass das Licht die Rich- tung physikalischer Gestaltungen beeinflusst, und neuerdings beobachtete G. Quincke (Annal. d. Physik 1902. IV. Folge, Bd. 7, p. 74:2) Wendungen gegen das Licht an den Fällungen, die kohlensaure Alkalien in Lösungen von Kalksalzen erzeugen. 2) Vines, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1878, Bd. 2, p. U5. 3) Wiesner, Heliotropische Erscheinungen im Pflanzenreiche 4 880, II, p. 21 ; vgl. auch Godlewski, Bot. Ztg. 1879, p. 113, und dieses Buch, Bd. II, p. 113. 4] A. P. de Candolle, Physiologie vegetale 1832, Bd. 3, p. 1083. 5) Wolkoff bei Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. 293. Siehe auch Sachs, Lehrbuch d. Botanik 1874, IV. Aufl., p. 810. 6) Vgl. Bd. II, p. 356, 547. Ich muss dahingestellt lassen, ob es fernerhin practisch sein wird, etwa die durch Lichtdifferenz und die durch Lichtrichtung erzielten photo- tropischen Reactionen mit besonderen Namen zu belegen. Für die durch Hellig- keitsunterschiede verursachten Orientirungsbewegungen hat Yerkes (vgl. Nagel, § 127. Die Reizbedingungen und der Reizprocess. Fortsetzung. 649 Chemotropismus ^). Besteht auch kein Zweifel, dass die chemotropische (ebenso die osmotropische) Reizung nur insofern von der Diffusionsbewegung und Diffusionsrichtung abhängen, als durch diese die Concentrationsdifferenz (das Concentrationsgefälle] geschaffen wird (II, p. 646), so ist doch schon fraglich, ob eine chemotropische Auslösung nur durch das Eindringen des specifischen Reizstoffes erzielt werden kann 2). [Denn wenn uns dieses wahrscheinlich dünkt, so ist doch nicht unmöglich, dass schon bei dem Contact des Chemotropicums mit der Ilautschicht eine (inäquale) Modification der Oberflächenspannung, eine chemische Action etc. und damit der erste Act der Perception erzielt wird. Die Realität einer solchen Auslösung wird aber nicht damit erwiesen, dass es auch gute Reizstoffe giebt, die anscheinend nicht (oder doch nur schwer) in den Protoplasten eindringen, da die empirische hnpermeabilität das Eindringen geringer Stoffmengen nicht ausschliesst (vgl. Bd. I, § 1 6), die zur internen Rei- zung ausreichen können. Andererseits folgt aus der nachweislichen Aufnahme des Reizstoffes nicht, dass das Eindringen in jedem Falle nothwendig ist. Wenn dieses aber zu- trifft, so ist damit noch nicht entschieden, ob sich die Perception während oder nach der Aufnahme des Reizstoffes vollzieht, und welcher Art die aus- lösenden Wechselwirkungen sind. Yermuthlich werden hierbei ebensogut ver- schiedene Modalitäten obwalten, wie bei der autogenen Regulation, bei welcher z. B. die mannigfachen und somit auch die (formativen und motorischen) diri- girenden Reizwirkungen theilweise durch den Consum der Nährstoffe und die hierdurch erzieltr Vertheilungsdiiferenz, theilweise durch die localisirte Produc- tion und die Zufuhr besonderer Stoffe u. s. av. gewonnen werden dürften (II, § öl,' 52 etc.). Uebrigens ist der Traumatropismus ein Beispiel einer aitiogenen Orien- tirungsbewegung, bei welcher durch den äusseren Eingriff, d. h. durch den her- gestellten Defect, die Bedingungen für die interne directive Regulation geschaffen werden (II, p. 590). Osniotropismus-^). Da die maximale osmotische Leistung zu Stande kommt, wenn der gelüste Körper nicht eindringt (I, § 24), so ist unter solchen Umständen die höchste osmotische Reizwirkung zu erwarten. Ob aber im näheren die inäquale Vertheilung der Wasserentziehung, oder des osmotischen Druckes, oder der Oberflächenspannung, oder des Eintritts und Austritts von Wasser (also der VVasserbewegung durch die Zelle, Bd. I, p. 252) u. s. w. als tropistischer Reiz empfunden Avird, ist noch nicht aufgeklärt. Ausserdem ist nicht ausge- Bot. Ztg. igoi, Abth. 2, p. 29i, 298) die Bezeichnung »Photopathie« vorgeschlagen. — Ueber "phobophototaxis siehe Bd. II, § 142; über Photokinese und Photometrie vgl. Bd. II, p. 78, 336, 361; über Unterschiedsempfindung II, p. 630. i) Vgl. II, § 117, und in Bezug auf Chemotaxis §149, i31. In den zuletzt ge- nannten Paragraphen ist auch erörtert, dass die von verschiedenen Stoffen veran- lassten Reizprocesse nicht in allen Fällen übereinstimmen müssen, und dass unter Umständen ein Stoff zwei differente chemotactische Reizwirkungen ausüben kann. 2) Näheres bei Pfeffer, Untersuch, a. d. botan. Institut zu Tübingen 1888, Bd. 2, p. 650; 1884, Bd. 1, p. 473. 3) Unsere Erfahrungen über diese Reaction sind hauptsächlich an freibeweg- lichen Organismen gewonnen, deren Osmotaxis in diesem Bande II, § 149—131 behan- delt wird. 650 Kap. XlII. Tropistische Krümmungsbewegungen. schlössen, dass eine tropistische Reizung durch die inäquale Vertheilung eines leicht eindringenden Stoffes im Inneren hervorgerufen wird, eine Vertheilung, die ja so lange anhält, als in dem Aussenmedium das Concentrationsgefälle er- halten bleibt. Allerdings spricht eine Reihe von Erfahrungen an locomotorischen Organis- men dafür, dass die leicht eindringenden Stoffe eine geringere oder auch keine negativ osmotropische Reizwirkung ausüben. Jedoch ist noch nicht entschieden, ob diese Annahme richtig ist. Zudem ist es nicht nöthig, dass die Osmotaxis in allen Fällen durch dieselben Auslösungsbedingungen und Auslüsungsprocesse hervorgerufen wird. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass es auch Organis- men giebt, die gerade durch die leicht eindringenden Körper osmotropisch ge- reizt werden. Dass Osmotropismus und Hydrotropismus auf denselben näheren Reizbe- dingungen beruhen könnten, dass aber nach den bisherigen Erfahrungen den beiden Tropismen specifische Sensibilitäten zu Grunde zu liegen scheinen, wurde schon früher (II, p. 592) besprochen. Dass die galvanotropische Reizung vermuthlich durcb die chemische Wirkung des elektrischen Stromes vermittelt Avird, soll erst bei Behandlung der galvanotactischen Bewegungen (II, § 154) gezeigt werden. Abschnitt IV. Die mechanische Ausführung der tropistischen Bewegungen. § 128. Allgemeines über den Verlauf und die Ausführung der Bewegungen. Da die Krümmungsbewegungen zumeist durch die entsprechende Lenkung des Wachsthums ausgeführt werden, so pflegt mit der Wachsthumsthätigkeit die Befähigung zur Realisirung einer tropistischen Krümmung zu erlöschen'). Mit der Ausbildung von Gelenken, die zu Variationsbewegungen befähigt sind, werden aber tropistische Variationskrümmungen ermöglicht, und thatsächlich scheinen die Gelenke, welche Schlafbewegungen (II, § 97) vollbringen, auch geotropisch und heliotropisch zu reagiren'^). ?satur2:emäss wird die Befähiounsr zu Nutationskrümmungen wiederherge- ■1) Es Avird hier die Kenntniss von Bd. II, § 78 vorausgesetzt. 2; Pfeffer, Periodische Bewegungen 1875, p. 63. Ueber Marantaceengelenke vgl. Schwendener 1S96, Gesammelte Abhandlungen Bd. II, p. 203. 210; Debski, Anzeiger d. Akad. d. Wissensch. in Krakau, Juli 1895. — Für einzellige Organe sind heliotropische Variationskrümmungen nicht bekannt. — Ob in den Gelenken auch andere tropistische Sensibilitäten ausgebildet sind, ist nicht untersucht. § 128. Allgemeines über den Verlauf und die Ausführung der Bewegungen. 651 stellt, wenn das aus irgend einem Grund sistirte Wachsthum durch die auto- gene Regulation, durch besondere Aussenreize u. s. w. von neuem erweckt wird. So ist es zu verstehen, dass die Stengelknoten der Gramineen und einiger anderer Pflanzen, nachdem sie in der normalen Vertiealstellung das Wachsthum eingestellt haben, durch Ucberführung in die Horizontallagc zu einer negativ geotropischen Krümmung veranlasst werden ij. (Fig. 72.) Denn dass es sich hier- bei einmal um die Erweckung des AVachsthums und ferner um die Auslösung der geotropischen Krümmung handelt, ergiebt sicli daraus, dass letztere unter- bleibt, wenn die einseitige Wirkung der Schwerkraft am Klinostaten (II, §1'l'l] eliminirt wird. Unter diesen Umständen wird aber die Wachsthumsthätigkeit ausgelöst 2] und damit zugleich ermöglicht, dass der Grasknoten am Klinostaten Fig. 72. Das gerade Halmstüclc von Tritieum vulgare wurde mit dem unteren Ende, in hori- zontaler Lage, in feuchten Saud gesteckt. lu 24 Stunden war dann die in der Figur dargestellte Krümmung im Knoten ausgeführt. Vgl. auch Bd. II, p. 14, Fig. 5. bei einseitiger Beleuchtung eine positiv heliotropische Krümmung ausführt (Nacli^ Versuchen im Leipziger Institut). Aehnlicli wie die Grasknoten verhalten sicli nach Bartli (1. c. p. 2 7) die Stengelknoten von Dianlhus bannaticus, und nach Rliehe'') reagiren aucli die ausgewachsenen Stengelknoten von Tradescantia flumineusis etc. noch geotropisch. Bei den meisten Stengelknoten scheint indess die geotropische und heliotropische Reactionsfähigkeit mit dem (normalen) Stillstand des W^aclisens verloren zu gelien. Ehe dieses geschehen ist, düi-fte aber durch die tropistische Reizung häufig eine mehr oder minder ansehnliche Wachsthumsbeschleunigung liervorgerufen werden, die sich, und zwar • in erheblicliem Grade, auch bei der thigmotropischen Reizung solcher Rankeupartien einstellt, deren W^achsthum auf ein Minimum reducirt ist (II, § 8 8). Aehnliche Verhältnisse dürften öftei-s gefunden werden, z. B. bei manchen Blättern, die besonders da, wo gelenkartige Anschwellungen vorhanden sind , noch geotropiscli und heliotropisch reagiren, wenn das Blatt seit 1) Lit. Sachs, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1872, Bd. 1, p. 204; de Vries, Landwirthschaftl. Jahrbücher 1880, Bd. 9, p. 473; Pfeffer, Druck- und Ar- beitsleistungen 1893, p. 390; R. Barth, Die geotropische Wachsthumskrümmung d. Knoten 1894, p. 30. Vgl. diesen Bd. II, p. 631. 2) F. Elfving, Ueber das Verhalten d. Grasknoten am Klinostat 1884 (Sep. a. Öfversigt af finska vetenschaps societetens förhandhgar) ; Barth, 1. c. p. 33. 3) H. Miehe, Jahrb. f. wiss. Bot. 1902. Bd. 37, p. 532. ß52 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Wochen oder seit Monaten ausgewachsen zu sein scheint^). Mit der Zeit erlischt diese Reactionsfähigkeit in allen Organen, auch bei den Grasknoten, bei denen die durch Reize activirbare Wachsthumsfähigkeit nur verhältnissmässig lange erhalten bleibt. Uebrigens kann sich jedes Organ nur bis zu einem gewissen Grad ver- längern, und so vermag sich z. B. auch der Grasknoten nur einmal oder zweimal geotropisch zu krümmen. Indess scheint bei Wiederholung des geotropischen Hin- und Herkrümmens eine ansehnlichere Zuwachsbewegung erzielt zu werden , als bei Eliminirung der einseitigen Wirkung der Schwerkraft am Klinostaten. In der Regel bleibt aber die tropistische Krümmungsthätigkeit auf die nor- malerweise wachsthumsthätige Region beschränkt 2), und wird demgemäss, je nach der Ausdehnung dieser (II, § 3 u. 4), in einer längeren oder kürzeren Zone des vielzelhgen oder einzelligen Organes ausgeführt. Jedoch ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Krümmungsthätigkeit auch auf die angrenzende Region erstreckt, die in der stabilen Gleichgewichtslage ihr Wachsthum eingestellt hatte, wenn auch die Annahme Kohl's ^j, dass solches sehr gewöhnlich geschieht, durch die Versuche dieses Forschers nicht erwiesen wird. Uebrigens vermögen sogar ein- und mehrjährige Zweige von Aesculus, Tilia u. s. w., die völlig verholzt sind und ihr Längenwachsthum längst abgeschlossen haben, bei Ablenkung aus der Gleich- gewichtslage mit der Zeit eine geotropische Krümmungsbewegung auszuführen-^). Es wird dieses offenbar dadurch erzielt, dass die geotropische Reizung in dem Cambium und den jugendlichen Geweben ein entsprechendes Wachsthumsstreben erweckt, durch dessen Energie allmählich die Beugung der inactiven und ver- holzten Theile bewirkt wird. Der tropistische Ileaclionserfolg ist natürlich immer von der perceptorischen, sensorischen und motorischen Excitation, sowie von der Actionsfähigkeit 1) M. Möbius, Festschrift f. Schwendener 1899, p. 40; P. Preuss, Die Be- ziehungen zwischen dem anatom. Bau und d. physiolog. Function d. Blattstiele und Gelenkpolster -1883. Vgl. auch A. B. Frank, Die natürl. wagerechte Richtung von Pflanzentheilen 1870, p. 30, u. II, §132. Nach Preuss erwies sich ein 8 Monate altes Blatt von Codiaeum Wendlandi noch reactionsfähig. 2, Lit. Sachs, Flora 1873, p. 324; H. Müller, Flora 1876, p. 65; Wiesner, Be- wegungsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 45; Rothert, Cohn's Beiträge z. Biologie 1S96, Bd. 7, p. 152. Für Pilze u. Rhizoiden vgl. Haberlandt, Oesterr. bot. Zeitschr. 1889, p. 3 d. Sep.; Zacharias, Ber. d. bot. Gesellsch. 1890, Generalvers. p. (37); Flora 1891, p. 489; Oltmanns, Flora 1897, p. 9; Steyer, Reizkrümmungen bei Phycomyces 1901, p. 6, 23. 3) Kohl, Mechanik d. Reizkrümmungen 1894, p. 13. Vgl. die Kritik von Rothert, Biolog. Centralbl. 1895, Bd. 15, p. 596. Es ist zu beachten, dass zur Erzielung einer Nutationskrümmung schon eine geringe Wachsthumsthätigkeit ausreicht. 4) Vöchting, Organbildung im Pflanzenreiche 1884, II, p. 83; Frank, Lehrbuch d. Botanik 1892, Bd. 1, p. 470; p" Meischke, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 33, p. 363 Anmerk.; Jost, Bot. Ztg. 1901, p. 20; Baranetzky, Flora 1901, Ergzbd., p. 202, 213. iWiesner, Sitzungsber. d. Wien. Akad. 1902, Bd. 111, Abth. 1, p. 796.] — Ueber Geo- epitrophie und Geohypotrophie vgl. Bd. II, p. 123. — Die Angabe von Hofmeister ^Pflanzenzelle 1867, p. 283, Botan. Zeit. 1869, p. 93), dass ausgewachsene Blattstiele von Hedera helix geotropisch reagiren, wird von Frank (Bot. Ztg. 1868, p. 614: be- stritten. Ebenso dürfte zu prüfen sein, ob, wie Hofmeister (Pflanzenzelle 1867, p. 289; angiebt, die ausgewachsenen Blattstiele von Hedera und die ausgewachsenen Wurzeltheile von Ranunculus aquatilis zu heliotropischen Krümmungsbewegungen befähigt sind. — Ueber den Verlauf der Krümmung bei Fixirung der Spitze oder der Mitte eines Organes vgl. II, p. 603, 633. § 128. Allgemeines über den Verlauf und die Ausführung der Bewegungen. 653 abhängig (II, § 76, 78, 125 etc.) i). Demgemäss wird bei gleicher Excitation eine Nutationskrümmung im allgemeinen in den schnellst wachsenden Zonen früher beginnen, als in den älteren Partien, in welchen die Actionsfähigkeit mit der Verminderung und dem Erlöschen der Wachsthumsthätigkcit abnimmt und schwindet. Für den ferneren Verlauf und die endliche Gestaltung der tropisti- schen Nutationskrümmung kommen aber ausserdem verschiedene Factoren in Betracht. So die durch die Einkrümmung hervorgerufenen mechanischen Wieder- stände und Gegenrcactionen (II, § 77, 78), die Lagenänderung und die hierdurch bewirkte Veränderung der Angriffsrichtung des Reizanstosses (II, § 125), sowie die Verschiebung der V^achsthums- und Actionsfähigkeit mit dem Verlauf der Entwickelungsperiode (II, § 2 u. 3). Ferner begünstigt die geringe Dicke eines Fig. 73. Impatiens glaiiduligera hat bei seiner geotropischen Aufkrümmung.j die verseliiedeneii Phasen a — t durchlaufen. Nach photographischen Aufnahmen. Organes die Schnelligkeit der Krümmung (II, p. 379), die weiter durch das Eigengewicht der Organe je nacl;i Umständen gefördert oder verlangsamt wird. Wir haben aber nicht auf Besonderheiten und Einzelheiten einzugehen und be- schränken uns darauf, in den Hauptzügen den Verlauf einer negativ geotropischen Krümmungsbewegung zu kennzeichnen, durch welche ein horizontal gelegter' radiärer Spross in die verticale Gleichgewiclitslage geführt (Fig. 73) wird 2). Die Vertheilung der Actionsiähigkeit bringt es mit sich, -dass die Krümmung in der am schnellsten wachsenden Region beginnt, und dass der Krümmungsbogen nicht \] In Folge der grösseren Actionsfähigkeit pflegen etiolirte Stengel etc. schneller geotropisch U.S.W, zu reagiren. Vgl. Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen ISSO, II, p. 7; H. Müller, Flora 1876, p. 91; Darwin, Bewegungsvermögen 1881, p. 417. 2) Vgl. z. B. Sachs, Flora 1873, p. 324; Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 187.?, Bd. 1, p. 453; Bd. III, Tafeln; H. Müller, Flora 1876, p. 88; Kohl, Mechanik d. Reizkrümmungen 1894, p. 11; Rothert, Cohn's Beiträge z. Biologie 1896, Bd. 7, p. 161, 210; P. Meischke, Jahrb. f. wiss. Bot. 18'J9, Bd. 33, p. 338. — Ueber die kinematographische Darstellung dieser Bewegungen vgl. Pfeffer, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 741. 554 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. genau kreisförmig ausfällt. Mit dem Fortschreiten der Krümmung wird aber der sich erhebende Spitzcntheil der Verticalen genähert und demgemäss mehr und meht der Reizwirkung der Schwerkraft entzogen. Jedoch krümmt er sich über die Verticale hinaus, weil einmal die geotropische hiduction in ihm nachwirkt (II, § 123), und weil ferner die unteren Zonen, welche noch gegen die Verticale geneigt sind, fortfahren sich geotropisch aufzurichten. Der über die Verticale gekrümmte Spitzentheil erfährt dann eine entgegengesetzt gerichtete geotropische Reizung, und so wird erreicht, dass eine rückgängige Bewegung eintritt, die den Spitzentheil direct oder nach einigen Oscillationen ^) gerade richtet. Auf diese Weise wird somit erzielt, dass schliesslich nur der basale Theil gekrümmt ist, in dem die Reaction verhältnissmässig spät begann und vielleicht nur langsam fortschritt. Ebenso werden auch die in anderer Weise, z. B. die durch eine Torsion bewirkten Verschiebungen der Gleichgewichtslage wieder ausgeglichen. Wenn also, wie es oft zutrifft, nach der Umkehrung eines jugendlichen Blattes von Fraxinus, Robinia etc. die regulirende Orientirungstorsion zunächst im Spitzen- theil des Blattes beginnt und allmählich nach der Basis fortschreitet, so wird der apicale Theil über die Ruhelage hinausgedreht und hierdurch eine aus- gleichende Retorsion veranlasst 2). Indem so die Torsion und die Retorsion basipetal die Blattspindel durchwandern, wird schliesslich nur im Basaltheil dieser eine Orientirungstorsion bestehen bleiben, wie z. B. leicht an den Blättern der Hänge- esche zu sehen ist, die sich je um 180 Grad drehen müssen, um die normale Orientirung von Ober- und Unterseite zu gewinnen. Aus dem Gesagten ergiebt sich ohne weiteres, dass aus der vollendeten Krümmung nicht zu ersehen ist, in welchem Grade die einzelnen Regionen bei der Krümmungsbewegung betheiligt waren. Beobachtet man indess den Beginn der tropistischen Krümmung, so zeigt sich, dass diese zumeist in der schnellst wachsen- den Region ihren Anfang nimmt. Da aber, bei Zuleitung der Reizung von der geo- tropisch und heliotropisch sensibeln Spitze des Cotyledons von Avena etc. aus (II, § 120), die Excitation früher in den Geweben beginnt, welche an den percep- torisch thätigen Spilzentheil angrenzen, so ist es begreiflich, dass die Krümmung zunächst in diesen Geweben und erst ein wenig später in den etwas ferner liegenden, schnellst wachsenden Partieen bemerklich wird 3). Ebenso beginnt bei einer geotropischen Reizung der Wurzel die Krümmung unterhalb des percipiren- den Spitzentheils (11, p. 60 4)*). Jedoch hat die grössere Actionsfähigkeit der subapicalen Partieen zur Folge, dass sehr bald die stärkste Krümmung annähernd in der schnellst wachsenden Region zu finden ist. Es ist dieses auch aus Fig. 74 5 zu ersehen, während Fig. 74 C zeigt, dass nach 8 Stunden die Haupt- krümmung bereits basalwärts gewandert, in der am ansehnlichsten verlängerten Zone 2 — 3 aber die geotropische Krümmung theilweise wieder ausgeglichen ist-^). 1) Vgl. diesen Bd. II, p. 366; ferner Baranetzky, Flora i901, Ergzbd., p. -l'iö, 159. Es ist übrigens begreiflich, dass eine solche Ueberkrümmung und Oscdlation nicht in allen Fällen bemerklich wird. 2) Schwendener und Krabbe 1892 (Schwendener's gesammelte Abhandlungen Bd. II, p. 288). Aehnliches findet an Blüthenstielen statt. Vgl. II, § 131, 132. 3) Gh. Darwin, Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 400, 437; Rothert, ]. c. p. 163, 211. 4) Vgl. Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 361. 5] Näheres bei Sachs, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1874, Bd. 1, p. 440, § 128. Allgemeines über den Verlauf und die Ausführung der Bewegungen. 655 Nach den Beobachtungen von Sachs (1. c), H. iAIüller (1. c.}, Rothert (1. c.) werden ähnliche Verhältnisse bei den heliotropischen Krümmungen gefunden, bei welchen ebenfalls die ganze wachsthumsthätige Zone reactionsfähig zu sein i) pflegt. Insbesondere hat Rothert 2) gezeigt, dass die Annahme Wiesner'sS) nicht zu- trifft, nach welcher der noch wachsende Basaltheil von Keimstengeln nicht helio- tropisch reagiren, sondern nur eine mechanische Beugung durch die Last des sich krümmenden Theiles erfahren soll. Offen- bar gilt das Gesagte in der Hauptsache auch für andere tropistische Krümmungen^), somit auch für den Thigmotropismus der Ranken (II, i? 87) § 10 s e (t 2 r^ Dass aber nicht in allen Fällen die ansehnlichste tropistische Reactionsfähig- keit mit der stärksten Zuwachsbewegung zusammenfällt, beweisen schon die Varia- tionsbewegungen, sowie diejenigen Knoten u. s. w., die erst durch den ti'opistischen Reiz zur Wachsthumsthätigkeit angeregt werden (II, p. 651). Ausserdem hängt der Eintritt und die Ausgiebigkeit der Reaction stets auch von der tropistischen Sensibilität ab, die zuweilen zur Zeit des stärksten Streckungswachsthums nicht vor- handen ist oder doch in dieser Phase nicht den Maximalwerth erreicht (vgl. II, p. 60 9) ^). Dieser dürfte z. B. bei den Knoten vielfach erst nach der Ueber- schreitung des Hauptmaximums der grossen Periode (H, § 2)^) oder auch, wie bei den Knoten von Dianthus bannaticus (II, p. 651), erst nach Vollendung des normalen Wachsthums eintreten"). Ferner bringt es der Wechsel der Sensibilität mit sich, dass z. B. bei dem Stengel von Tropaeolum majus die positiv heliotropische Krümmung annähernd mit der Zone Fig. 74. Lupinus albus. Nachdem auf die Keim- wurzel, in einem Abstand von 1 mm, äquidistante iilarkeu aufgetragen waren, wurde dieselbe hori- zontal aufgestellt {A). Nach 3 Stunden waren die in Fig. ß, nai-h s Stunden die in Fig. C darge- stellten Veräudei'ungeu eingetreten. (Vgl. auch Bd. II, p. 9.) 454, 612; Cisielski, Cohn's Beiträge z. Biologie 1872, Bd. 1, p. 4 ; N. J. C. Müller, Bot. Ztg. 1869, p. 390. Die obwaltenden Verhältnisse wurden zuerst richtig erkannt von Frank (Beiträge z. Pflanzenphysiologie 1868, p. 10), während Hofmeister (Jahrb. f. wiss. Bot. 1863, Bd. 3, p. 96) irriger Weise annahm, dass die Krümmung nicht in der sich am schnellsten verlängernden Zone stattfinde. Vgl. auch Bd. II, § 129. 1) Ueber das Zusammenwirken von Heliotropismus und Geotropismus vgl. Bd. II, p. 618. 2) Rothert, Cohn's Beiträge z. Biologie 1896, Bd. 7, p. 141, 152. 3) Wiesner, Das Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1881, p. 45. 4) Ueber Traumatropismus vgl. J. B. Pollock, Botanic. Gazette 1900, Bd. 29, p. 17, 50; über Rheotropismus Juel, .Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 34, p. 530. 5) Wir haben hier nur Fälle im Auge, in welchen Perception und Reaction zu- sammenfallen. Wie bei räumlicher Trennung beider die Reizleitung für den Beginn der Krümmung in Betracht kommt, wurde schon oben berichtet. 6) Nach R. Barth (Die geotropischen Wachsthumskrümmungen d. Knoten 1894, p. 19) und Kohl (Mechanik d. Reizkrümmungen 1894, p. 21) ist solches bei den Knoten von Tradescantia der Fall. 7) Aehnlich wie die Knoten von Dianthus bannaticus dürften sich diejenigen einiger Gramineen verhalten. 55 6 Kap. Xlll. Tropistische Krümmungsbewegungen. des schnellsten Streckungswachsthums zusammenfällt, die negativ heliotropische Krümmung aber in älteren (noch wachsenden) Partien des Stengels ausgeführt wird^). Wie sich aber bei manchen Organen die tropistische Sensibilität erst in einer gewissen Entwickelungsphase einstellt (II, p. 609), so wird jene, und damit die tropistische Reaction, voraussichtlich in gewissen Fällen vor Abschluss des Längen- wachsthums schwinden. Dagegen spricht natürlich nicht, dass Sachs, H. Müller u. A. bei den von ihnen untersuchten Objecten die ganze wachsthumsthätige Region reactionsthätig fanden. Andererseits ist bereits (II, p. 652) erwähnt, dass sich unter Umständen ausgewachsene Partieen an der tropistischen Krümmung betheiligen mögen. Finden sich an einem Stengel etc. verschiedene Zonen, die vorwiegend oder allein reactionsfähig sind, so tritt natürlich die tropistische Krümmung vorwiegend oder allein in diesen räumlich getrennten Zonen ein (vgl. II, § 3). Letzteres ist z. B, bei dem Halme der Gräser der Fall, bei dem zwei oder einige Knoten zusammenwirken müssen, um den horizontal gelegten Halm geotropisch aufzu- richten, da hierzu die Krümmungsfähigkeit eines einzelnen Knotens in der Regel nicht ausreicht (vgl. Fig. 72, p. 651 ). Ebenso pflegt bei anderen Pflanzen, welche Bewegungsknoten besitzen, die geotropische Aufrichtung durch die alleinige oder vorwiegende Bethätigung der actionsfähigen Knoten erzielt zu werden 2). Eeactionsschnellig'keit. — Wie in Bezug auf den Reactionsbeginn (II, p 622), so bestehen auch in Bezug auf den zeitlichen Verlauf und die Amplitude der Krümmungsbewegungen grosse Verschiedenheiten. Am schnellsten arbeiten , wie bereits früher (II, p. 622) erwähnt wurde, die Ranken, die schon in wenigen Minuten eine weitgehende thigmotropische Krümmung auszuführen vei'mögen. Dagegen bringt z. B. ein sehr reactions- und actionsfähiger dünnerer Stengel, im günstigen Falle, im Laufe von einer bis einigen Stunden die geotropische Aufrichtung zu Stande, während dieses Ziel bei minder reactionsfähigen und dickeren Stengeln zuweilen erst nach einigen Tagen erreicht wird-*). Natürlich wird auch die tropistische Bewegung vom Beginn bis zu einem Maximum beschleunigt, um dann allmählich wieder abzunehmen. Dabei rückt die Spitze entweder gleich- 1) Vgl. Bd. n, p. 577. Da in anderen Fällen die negativ heliotropische Krümmung zunächst in der schnellst wachsenden Region anhält, so möchte H. Müller (Flora 1876, p. 70, 93) zwei Arten von negativem Heliotropismus unterscheiden, wozu nach dem II, p. 547 Gesagten kein Grund vorliegt. 2) Die bevorzugte geotropische Krümmungsfähigkeit der Stengelknoten von Mercu- rialis bemerkte schon Bonnet, Nutzen d. Blätter 1762. p. 68. Ueber das Verhalten der Knoten verschiedener Pflanzen vgl. de Vries, Landwirthschaftl. Jahrbücher -1880, Bd. 9, p. 473; S. Rützow, Botan. Centralbl. 1882, Bd. 9. p. 8t; Briquet, Monographie du Genre Galeopsis 1893, p, 60; R.Barth, Die geotropischen Wachsthumskrümmungen d. Knoten 1894; Kohl, Bot. Zeit. 1900, p. 1 (Tradescantia); M. Westermaier, Ueber gelenkartige Einrichtungen an Stammorganen 1901; H. Miehe, Jahrb. f. wiss. Botan. 1902, Bd. 37, p. 527 (Tradescantia). Ueber die heliotropische Empündlichkeit einiger Knoten vgl. auch Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen 1880, II, p. 32. — Ueber die Knoten d. Gramineen siehe diesen Bd. II, p. 651. 3) Vgl. Sachs. Flora 1873. p. 327; Darwin, Bewegungsvermögen 1881, p. 436. Weitere Angaben finden sich in der in Bd. II, § 110 etc. citirten Lit. — Ueber hehotro- pische Krümmungen siehe z. B. H. Müller, Flora 1876, p. 88. und Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen 1878, I, p. 68 u. s.w. Auf die schnelle Reactionsfähig- keit von Variationsgelenkeu ist Bd. II, p. 622 hingewiesen. Verschiedene Mittheilungen über dieReactionsschnelligkeit bei anderen Tropismen sind in der Bd.K. §110 — IISu.s.w. citirten Literatur zu finden. ö § 128. Allgemeines über den Verlauf und die Ausführung der Bewegungen. 657 massig oder ruckweise fort und beschreibt je nach Umständen entweder eine einfache oder eine verwickelte Raumcurve ^). Durch ein ausgelöstes Krümmungsstreben wird natürlich nur dann eine Ivrümmungsbewegung erzielt, wenn es die inneren und äusseren Widerstände erlauben. Die Steigerung der inneren Widerstände durch Verholzung u. s. w. hat demgemäss zur Folge, dass die actionsfähigen Gewebe nur eine geringe oder keine Krümmung ausführen. Ferner lässt sich durch die genügende Erhöhung des äusseren Widerstandes die Bewegung hemmen. Indem man mit ge- eigneten Apparaten den Gegendruck bestimmt, der zur Erzielung der Hemmung gerade ausreicht, gewinnt man ein Maass für die Energie, mit der die Krümmungs- bewegung angestrebt wird 2). Da die Xutationskrümmungen durch die ent- sprechende Vertheilung der Wachsthumsthätigkeit bewirkt werden (II, § 129), so ist es begreiflich, dass durch die Krümmungsthätigkeit, ebenso wie durch die (geradlinige) Wachsthumsthätigkeit (gleiches gilt für die Variationsbew^egimgen) , eine sehr hohe Aussenleistung vollbracht werden kann. Das ist schon daraus zu ersehen, dass ein horizontal gelegter Spross bei der negativ geotropischen Erhebung das verhältnissmässig ansehnliche Eigengewicht zu heben, also ein hohes statisches Moment zu überwinden hat. Zumeist muss das aus dem Eigengewicht entspringende statische Moment um das 4 — 30 fache gesteigert werden, um die angestrebte Krümmung aufzu- halten 3). Es Avird also unter normalen Verhältnissen in zweckentsprechen- der Weise nur ein Theil der maximalen Leistungsfähigkeit in Anspruch genommen, und es ist desshalb verständlich, dass die Krümmungsschnelligkeit häufig nicht merklich vermindert wird, wenn das normale statische Moment um 1/4 erhöht oder auf das Doppelte gebracht wird (Meischke, 1. c. p. 364). Diese Verhältnisse sind übrigens bereits Bd. II, p. 1 45 in Bezug auf die Ueber- windung von Widerständen durch die AVachsthumsthätigkeit erörtert wor- den. Bei dieser Gelegenheit ist auch darauf hingewiesen, dass es sich in prinzipieller Hinsicht um ein ähnliches regulätorisches Walten handelt, wie bei einem Menschen, der durch eine geringe Last nicht verhindert wird, in der bisherigen Schnelligkeit bergauf zu gehen, während ihn eine grössere Last nöthigt, langsamer zu steigen, um die höhere Arbeitsleistung zu vollbringen. Eine geotropische Hebung ist natürlich unmöglich, wenn der Spross etc. durch sein eigenes Gewicht herabgebogen wird'*). Da aber mit der Länge des Organes das statische Moment zunimmt, so kann sich, wie es z, B. an dem überhängenden Spross der Windepflanzen zutrifft, eine mechanische Beugung an der Basis einstellen, während der apicale Theil sich geotropisch aufrichtet (II, § 84, 85). Unter solchen Umständen nimmt also der Spross 1) Ch. Darwin, 1. c. p. 358, 434. 2) Vgl. II, p. 144, 378. — Ueber Dynamometer siehe Pfeffer, Period. Be- wegungen 1875, p. 9; Druck- und Arbeitsleistungen 1893, p. 251 ; dieses Buch, Bd. II, p. 146; P. Meischke, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 33, p. 345. 3) Meischke, 1. c. p. 362. 4) Vgl. Bd. II, § 15, 16. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 42 658 Kap. XIII. Tropistische Krümmnngsbewegungen. eine ^ Form an, die bei genügender Steigerung der Centrifugalkraft auch bei Organen eintritt, die sich unter normalen Verhältnissen vollständig geo- tropisch aufrichten 1). Schon früher (II, p. 55) wurde auf das relativ hohe statische Moment hin- gewiesen, das horizontal liegende Organe zu tragen und bei der geotropischen Krümmung zu überwinden haben. Dieses statische Moment kann z. B. für die basale Wachsthumszone des Blüthenschaftes der Hyacinthe 6 Kilo, für den untersten Knoten eines abgeblühten Gerstenhalmes 5 Kilo , eines Maisstengels 130 Kilo betragen 2). Weitere Zahlenwerthe finden sich bei Meischke (I.e.), bei dem, ausser der normalen Inanspruchnahme, auch die maximale Leistungs- fähigkeit (bemessen durch den gegen eine unverrückbare Widerlage entwickelten Druck) angegeben ist. In den meisten Fällen ist nach Meischke die normale Inanspruchnahme derart, dass auch der basalen Bewegungszone die geotropische Aufkrümmung möglich ist. Das ist aber z. B. nicht der Fall bei dem untersten Halmknoten von Avena, der erst in Action zu treten vermag, wenn durch die Krümmungsthätigkeit der oberen Knoten eine gewisse Aufrichtung des Halmes und damit eine Verminderung des gegen den unteren Knoten wirkenden stati- schen Momentes erzielt ist (Meischke, 1. c. p. 360). Uebrigens ist zu beachten, dass im allgemeinen mit der Einkrümmung die inneren Widerstände zunehmen, also die äussere Leistungsfähigkeit abnimmt, und dass bei den meisten Gras- halmen die völlige Aufrichtung nur durch das Zusammenwirken einiger Knoten möglich ist. Es ist begreiflich, dass z. B. die verhältnissmässig dünnen Frucht- bezw. Blüthen- stiele durch das Gewicht des Apfels, der Blüthe von Galanthus, von Fuchsia etc.^) mechanisch herabgebogen werden, während bei Papaver (und in den meisten Fällen) der Blüthenstiel die ziemUch schwere Knospe zu tragen und desshalb sowohl eine positiv, wie eine negativ geotropische Bewegung auszuführen vermag (II, p. 564). Durch eine positiv geotropische Reizung wird auch die (active) Abwärtskrümmung der Wurzel ei'zielt (II, p. 563, 640), in welcher Knight'*), Hofmeister^) und neuerdings Saposhnikow ö) und Letellier'^) nur den Erfolg einer (passiven) plastischen Beugung sehen wollen, die durch das Eigengewicht des Spitzentheils 1) Frank Schwarz, Untersuch, a. d. botan. Institut zu Tübingen -1881 , Bd. ^, p. 80. Vgl. auch dieses Buch, Bd. II, p. 123. — Ueber die '~ Form vgl. auch Baranetzky, Flora 1901, Ergzsbd. p. 186. 2) Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893, p. 395; Meischke, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 33, p. 337. — Ueber die geotropischen Leistungen in Variationsgelenken siehe Pfeffer, Periodische Bewegungen 1873, p. 143. 3) Vgl. z. B. Vöchting, Die Bewegungen d. Blüthen u. Früchte 1882, p. 192. [Wiesner, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1902, Bd. 111. Abth. 1, p. 744.] 4) Knight, Philosophical Transactions 1806. I, p. 104. Auch Bazin scheint, nach den Angaben Duhamel's (Naturgesch. d. Bäume 1763, II, p. 109), eine ähnhche Er- klärung wie Knight versucht zu haben. 5) Hofmeister, Jahrb. f. wiss. Bot. 1863, Bd. 3, p. 102. Auch die ferneren Ver- suche Hofmeister's (Bot. Ztg. 1868, p. 273, u. 1869, p. 37) sind nicht geeignet, seine Theorie gegenüber den widerlegenden Thatsachen zu stützen. Wigand's Ansicht (Botan. Unters. 1834, p. 3), dass die Abwärtskrümmung der Wurzel durch die sack- artige Erweiterung der nach unten gewandten Zellen zu Stande komme, ist, wie schon Hofmeister (Jahrb. f. wiss. Bot. III, p. 80) bemerkte, unhaltbar. 6) W. Saposhnikow, Botan. Jahrb. 1887, I, p. 225. 7) A. Letellier, Essai de statique vögetale 1893. § 128. Allgemeines über den Verlauf und die Ausführung der Bewegungen. 659 bewirkt wird. Die Unhaltbarkeit dieser Auffassung ergiebt sich ohne weiteres daraus, dass die sich geotropisch la'ünimende ^^'urzel nach den Versuchen ver- schiedener Forscher ^) gegen eine Widerlage einen Druck ausübt, der das Gewicht des Spitzentheils weit übertrifft. Ebenso wird die active Ki-ümmungsthätigkeit dadurch erwiesen, dass die sich geotropisch krümmende Wm*zel, unter Ueber- windung des Auftriebes, in das specifisch schwerere Quecksilber eindringt 2). Eine sehr hohe Druckwirkung kann freilich nicht erzielt werden, weil die wachsthumsthätige Partie der Wurzel vermöge ihrer plastischen Eigenschaften leicht ausbiegt 3). Immerhin vermag die freie Keimwurzel von Vicia faba bei senkrechtem Auftreffen einen Druck von 13 g, bei schiefem Auftreffen einen Druck von 1,5 — 2,2 g zu entwickeln (Pfeffer, 1. c). Dass aber bei Ver- hinderung des Ausbiegens eine hohe Aussenleistung zu Stande kommt, ist schon früher (II, p. 145) mitgetheilt. Mittelst des in Fig. 22 (Bd. II, p. 146) abgebildeten Apparates (aber auch mittelst der von Johnson, Frank etc. an- gewandten Methoden) lässt sich der von der freien Wurzelspitze ausgeübte Druck ermitteln. In welcher Weise die Bewegungsenergie und die hohe Aussenleistung ge- wonnen werden, ist früher erörtert"*). Ebenso ist dargelegt, unter welchen Be- dingungen Krümmungen zu Stande kommen, und dass durch die Ermittlung des Druckes, der zur Aequilibrirung der Krümmungsenergie nöthig ist, noch nicht diejenige Aussenleistung bestimmt ist, die in den activen Elementen entwickelt wird ^). Denn einmal muss die Leistung dieser mit der Abnahme des activen Querschnitts , also mit der Zunahme passiver Elemente, zunehmen 6) , und ferner ist zur Aequilibrirung der Krümmungsenergie ein um so höheres statisches Moment nöthig, je mehr die activen Elemente der bewegungsthätigen Zone in die Peripherie gerückt sind, je länger also der Hebelarm ist, an dem sie an- greifen (vgl. II, p. 378). Da sich eine tropistische Reaction allmählich entwickelt, so kommt auch die maximale Druckleistung gegen eine unverrückbare Widerlage erst mit der Zeit zu Stande^). Wird dann die Widerlage beseitigt, so tritt durch den Ausgleich der elastischen Spannungen sogleich eine gewisse Krümmungsbewegung (Schnell- bewegung) ein, die bei Variationsbewegungen ansehnlicher zu sein pflegt, als bei Nutationsbewegungen^). Denn bei diesen wird entweder durch die Plasti- cität der Gewebe (der Wandungen) (II, p. 72), oder durch die Hemmung und Regulirung der Wachsthumsthätigkeit das Zustandekommen einer hohen elastischen 1) Johnson. Linnaea -1830, Literaturberichte p. -1 48; Frank, Beiträge z. Pflanzen- physiologie 1868, p. 21, 35; N. J. C. Müller, Botan. Ztg. 1871, p. 719; Sachs, Arbeit, d. botan. Instit. in Würzburg 1873, Bd. 1, p. 450; Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893, p. 271; M. Wachtel, Botan. Centralbl. 1895, Bd. 63, p. 309; P. Meischke. Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 33, p. 366. 2) Sachs, 1. c. p. 431, 451, u. die an dieser Stelle citirte Lit. 3) Vgl. Pfeffer, 1. c. p. 270; dieses Buch Bd. II, p. 64, 378. 4) Bd. II, § 33. Näheres bei Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893; Studien zur Energetik d. Pflanzen 1892. 5) Vgl. Bd. IL § 78. u. die an dieser Stelle citirte Literatur. Vgl. auch Bd. II, § 78, 91, 104. 6) Ueber active und passive Elemente vgl. Bd. II, § 129. 7) Vgl. auch Bd. II, § 35. Ueber die Arbeitsleistung beim Bewegen vgl. Bd. II, Kap. XVI. 8) Die tropistischen Krümmungen einzelliger Organe zeigen, dass bei diesen Reac- tionen eine Gewebespannung nicht nöthig ist, die natürlich in Geweben immer eine Rolle spielt (vgl. z. B. Pfeffer 1893. 1. c. p. 426). Hofmeister's Annahme, dass zu dem 42* 660 Kap. XIII. Tropistische Krümmnngsbewegungen. Spannung in den antagonistischen Geweben mehr odei* weniger verhindert. Demgemäss pflegt die angestrebte tropistische Krümmung nach der Beseitigung der Widerlage nur allmähhch ausgeführt zu werden i). § 129. Weiteres über die Krümmungsmechanik. Bei der allgemeinen Besprechung der Krümmungsmechanik (II, § 78) ist nebenbei auch auf die mechanische Ausführung der tropistischen Krümmungen hingewiesen, die wir im Anschluss an II, § 78 nunmehr etwas näher zu be- trachten haben. In Bezug auf die Variationsbewegungen folgt aus der Erfahrung, dass die Biegungsfestigkeit (II, p. 378] des Gelenkes constant bleibt, wenn das Blatt der Bohne, nach dem Umkehren der Pflanze (II, Fig. 61, p. 569), eine ansehnliche, negativ geotropische Krümmung ausführt, dass sich die Expansionsenergie in den beiden antagonistischen Gelenkhälften in entgegengesetzter Weise ändert, dass also die Expansion in der (comprimirten) zenithwärts gewandten Hälfte abnimmt, in der erdwärts gewandten Hälfte aber zunimmt 2). Denn in jedem anderen Falle (vgl. II, p. 372) hätte eine merkliche Veränderung der Biegungs- festigkeit eintreten müssen, da die Kraft, mit welcher die geotropische Krümmung angestrebt wird, einer Energieentwickelung von I — 2 Atmosphären entspricht (vgl. II, p. 397, 522). Zudem ergaben die plasmolytischen Untersuchungen Hil- burg's^), dass nach dem Umkehren der Bohne der Turgor in der nunmehr aufwärtsgewandten Gelenkhälfte sinkt, in der erdwärts gewandten Hälfte aber zunimmt. Die gefundene Differenz von ca. 1 Procent Kaliumnitrat (I, p. 129) ist aber mehr als ausreichend, um die angegebene geotropische Bewegungs- energie zu Stande zu bringen. In analoger Weise wird nach Hilburg auch die heliotropische Krümmung der Bohnengelenke bewirkt. AVie bei einer Nutationskrümmung, die immer eine Verschiebung der relativen Zuwachsbewegung in den antagonistischen Geweben anzeigt, können auch bei den tropistischen Krümmungsbewegungen schon darin Verschiedenheiten be- stehen, dass gegenüber der bisherigen AVachsthumsschnelligkeit das Wachsthum der Mittellamelle (das Mittelwachsthum) constant bleibt oder gesteigert oder verlangsamt wird. Thatsächlich tritt bei der thigmotropischen Beaction der Ranken eine ansehnliche transitorische Beschleunigung des Mittelwachsthuras em (II, § 88), während bei der geotropischen und heliotropischen Krümmung, nach den bisherigen Untersuchungen (Sachs, H. Müller), in vielen Fällen das Mittelwachsthum etwas verlangsamt zu w'erden scheint. Bei den Grasknoten, Zustandekommen von negativem Heliotropismus eine hohe, zum Zustandekommen von positivem eine geringe Gewebespannung nöthig sei, ist aus unklaren Vorstellungen über die Bedeutung der Gewebespannung entsprungen und stimmt mit den empirischen Erfahrungen nicht überein. ■1) Literatur: Sachs, Flora 1873, p. 207; de Vries, Sur 1. causes d. mouvements auxotoniques 1880, p. 14 (Separat, a. Archives Neerlandaises Bd. 15); Pfeffer, Druck- und Arbeitsleistungen 1893. p. 402 u. s. w. 2) Pfeffer, Periodische Bewegungen 1875, p. 140, 145. 3) C. Hilburg, Untersuch, a. d. botan. Institut zu Tübingen 1881, Bd. I, p. 31. § -129. Weiteres über die Krümmungsmechanik. 661 und offenbar auch bei den Stengelknoten verschiedener anderer Pflanzen, ist indess die geolropische Krümmungsbewegung mit einer ansehnlichen Beschleunigung des Mittelwachsthums verknüpft (11, p. 654). Jedoch ist noch nicht untersucht, ob eine solche Beschleunigung auch im Vergleich zu denjenigen Grasknoten be- steht, bei denen am Klinostaten die (krümmungslose) Wachsthumsthätigkeit er- weckt ist (11, p. 126, 654). Die analoge Frage ist auch noch nicht für diejenigen Knoten entschieden, die zwar schon in normaler Verticalstellung wachsthums- thätig sind, bei denen aber die Zuwachsbewegung nicht nur bei der geotropischen Krümmung beschleunigt wird, sondern augenscheinlich auch dann, wenn die Objecte in horizontaler Lage am Klinostaten gedreht werden. Uebrigens ist es nicht nöthig, dass z. B. bei allen geotropischen Bewegungen dieselben Wachs- thumsverhältnisse obwalten (vgl. 11, p. 372). Wie schon früher (11, p. 372) erwähnt wurde, hängt es von verschiedenen Umständen ab, ob die concav werdende Flanke während des Einkrümmens eine Verkürzung oder eine Verlängerung erfährt. Eine Verkürzung, die sich in jedem Falle bei der Variationskrümmung eines Gelenkes einstellt (11, p. 371), tritt aus naheliegenden Gründen häufig an langsamer wachsenden und dickeren Organen ein, während bei der geotropischen etc. Krümmung der schneller wachsenden Wurzeln und Sprosse zuweilen auch die concave Flanke verlängert wird. Es wird dieses dadurch erzielt, dass durch die Zuwachsbewegung, während des ziemlich langsamen Verlaufes der Reaction, eine genügende Verlängerung der krüm- mungsthätigen Zone eintritt (vgl. Fig. 74, p. 655). Demgemäss ist bei schneller Einkrümmung eine Verkürzung der concaven Flanke zu erwarten, die sich bei der schnellen Reizbewegung der Ranken nur desshalb nicht oder kaum ein- stellt, weil durch die thigmotropische Reizung zugleich eine sehr erhebliche Wachsthumsbeschleunigung ausgelöst wird (11, § 88). Andererseits pflegt bei den geotropischen und heliotropischen Reactionen das Wachsthum der convex werdenden Flanke, trotz der Retardirung des Mittelwachsthums, beschleunigt zu sein. Indess ist es möglich, dass es auch Organe giebt, bei welchen die mittlere Zuwachsbewegung während der Reizkrümmung so verlangsamt wird, dass auch die convex werdende Flanke eine Wachsthumsverzögerung erfährt. Wenn man nach Hofmeister^) ein gerades Stengelstück etc. mit beiden Enden unverrückbar auf der Unterseite einer horizontal liegenden Glasplatte befestigt, so beweisen die Krümmung und die Abhebung von der Glasplatte, dass bei der geotropischen Reaction auch die concav werdende Flanke eine Ver- längerung ausführte. Ein gleiches Resultat wird auch bei heliotropischen Krümmungen erhalten. Ferner wird durch die Bildung von Rissen in einem Tusche-Ueberzug demonstrirt, dass sich z. B. bei der geotropischen Krümmung eines wachs- thumsthätigen Stengels unter Umständen beide Flanken, bei der geotropischen Krümmung des Grasknotens aber nur die convex werdende Flanke verlängern 2). Um die Zuwachsbewegung bei der geotropischen Krümmung der Wm'zeln näher zu studiren, wurden diese von Sachs-*) mit Tuschmarken (ä 2 mm) ^) Hofmeister, Jahrb. f. wiss. Bot. 1863, Bd. 3, p. 86. 2) Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen -1893, p. 4 08. 3) Sachs, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1873, Bd. 1 , p. 463; Neil, ebenda 1888, Bd. 3, p. 507. — Ueber das ähnliche Verhalten bei der Rückkrümmung vgl. D. T. Macdougal, Botanic. Gazette 1897, Bd. 23, p. 361. 662 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. versehen (vgl. Fig. 74, p. 655] und in lockerer Erde (hinter eine Glasscheibe) theil- weise horizontal, theilweise vertical aufgestellt. Nach der geotropischen Krümmung wurden mit Hilfe eines Glimmerplättchens mit eingeritzter Kreistheilung der Krüm- mungsradius, sowie die Länge der markirten Bogenstücke auf der Ober- und Unterseite bestimmt. In einem Versuche mit Vicia faba hatte z. B. die vertical stehende Wurzel in 1 4 Stunden in den 4 vorderen Zonen (= 8 mm) einen Zu- wachs von 10,0 mm aufzuweisen. In dieser Zeit hatte sich die horizontal ge- stellte Wm'zel zu einem Bogen von 135 Grad gekrümmt, und die 4 vorderen Zonen waren auf der convexen Seite um 10,8 mm, auf der concaven Seite um ^ 0,8 + 6,1 6,1 mm verlängert, woraus sich für die Mittellamelle ein Zuwachs von '? 8.4 mm berechnet. Im Vergleich zu der verticalstehenden Wurzel betrug also die Zuwachsbeschleunigung der convexen Flanke 0,3 mm, die Verlangsamung der concaven Flanke 4,4 mm, die Verlangsamung der Mittellinie 2,1 mm. Bei den sich geotropisch krümmenden Stengeltheilen bestimmte Sachs i) die Zuwachsbewegung der beiden antagonistischen Flanken durch Anlegen eines auf Papier gedruckten Maassstabes. Hierbei wurde in manchen Fällen nur eine geringe Verzögerung des Wachsthums der Mittellinie und zumeist, besonders bei langsamer wachsenden und dickeren Blüthenschäften, Stengeln etc., eine mehr oder minder ansehnliche Verkürzung der concaven Flanke beobachtet. .Vehnliche Resultate wurden von Barth 2) mit solchen Stengelknoten erhalten, die schon vor der geotropischen Reizung wachsthumsthätig waren. Bei den Grasknoten, in Avelcben die Wachsthumsthätigkeit erst durch den geotropischen Reiz erweckt wird, findet aber eine Verküi'zung und Compression der concav wei'denden Oberseite statt (vgl. Fig. 7i', p. 654). Diese ging nach Sachs^) bei der geotropischen Krümmung der dicken Knoten von Cinquantino-Mais von 4,3 auf 2.5 mm zurück, während sich die Unterseite von 4,1 auf 9,0 mm verlängerte. Bei den minder dicken Knoten anderer Gräser und bei massiger Einkrümmung ist die Verkürzung der concav werdenden Flanke aber nur gering, so dass die neutrale Achse (die Lamelle, welche bei der Einkrümmung keine Verlängerung und keine Verkürzung erfährt) nahe unter die concave Flanke zu liegen kommt (Pfeffer, I.e.). Da in dem Grasknoten bei dem Wiedererwachen des Wachsthums keine Zelltheilung stattfindet, so tritt bei der geotropischen Krümmung in der convexen Hälfte eine ansehnliche Zellstreckung ein ^j. Eine solche kommt aus gleichem Grunde bei der geotropischen Krümmung der Wurzel^), aber auch, in entsprechen- dem Maasse, in solchen Organen zu Stande, bei welchen das geförderte Wachsthum der Convexseite von Zelltheilungen begleitet ist. Findet, wie in Variationsgelenken und in Grasknoten, eine Compression der Concavseite statt 1) Sachs, Flora 1873, p. 324; Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg -1872, Bd. 2, p. 193. — Messungen bei der geotropischen Krümmung einzelliger Organe liegen noch nicht vor. 2) R. Barth, Die geotropischen Wachsthumskrümmungen d. Knoten 1894. p. II. Es wurde mikrometrisch an Tuschmarken gemessen, vgl. diesen Bd. II, p. 24, 377. 3) Sachs, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1872, Bd. i. p. 206; Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893, p. 393; R. Barth. 1. c. p. 31. Von Pfeffer u. von Barth wurde mikrometrisch gemessen. 4) Sachs, 1. c. p. 207. 5) Sachs, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1873, Bd. 1. p. 466; D. T. Mac- dougal, Botanical Gazette 1897, Bd. 23, p. 364. — Einige Beobachtungen auch bei Cisielski, Cohn's Beiträge z. Biologie 1872, Bd. l, Hft. 2, p. 18; Frank (Beiträge z. Pflanzenphysiol. 1868, p. 40) constatirte die ungleiche Länge der Zellen auf der con- caven und convexen Seite. § -129. Weiteres über die Krümmungsmechanik. 663 (vgl. II, p. 371), so wird in dieser im allgemeinen der Querdurchmesser (die Höhe) der Zellen zunehmen. Das scheint indess der Regel nach nicht oder in sehr geringem Grade einzutreten, wenn auf der Concavseite zwar eine Hemmung des Wachsthums, aber keine Compression eintritt. Möglicherweise giebt es aber specifische Verschiedenheiten, da bei der geotropischen Krümmung von Stengeln etc. nach KohP) die Zellen der Concavseite, nach NolP) dagegen die Zellen der Convexseite einen relativ grösseren Querdurchmesser gewinnen. In Folge der modificirten Wachsthumsthätigkeit ist ferner ein der concaven Hälfte entnom- mener Rindenstreif kürzer, ein der convexen Hälfte entnommener Streifen länger, als ein Rindenstreif, welcher einem gleichartigen Stengel entnommen wird, der geradlinig fortwuchs 3). Bei der positiv heliotropischen Krümmung von Stengeln, sowie bei der negativ heUotropischen Krümmung von Luftwurzeln tritt nach H. Müller •*] eine analoge Verschiebung der Zuwachsbewegung ein, wie bei der geotropischen Krümmimg wachsthumsthätiger Organe. Vermuthlich werden also in der Hauptsache ähnliche Verhältnisse bei den rheotropischen, hydrotropischen, traumatropischen etc. Krüm- mungen obwalten. Sehen wir von specifischen Eigenheiten ab, so stimmen die tropistischen Nutationskrümmungen darin überein, dass in einem Gewebe durch den Orien- tirungsreiz die Wachsthumsthätigkeit derart modificirt und regulirt wird, dass eine jede Lamelle, in Folge der tropistischen Reizung, eine um so schnellere bezw. eine um so geringere Wachsthumsthätigkeit anstrebt, je näher sie der convex bezw. der concav werdenden Flanke liegt ^). Für die einzelligen Organe ist dieses selbstverständlich, und es wurde bereits (11, p. 637, 644) betont, dass in einem Gewebecomplex die Reactionsfähigkeit (Sensibilität und Action) noth- wendigerweise durch die Lage, d. h. durch die correlativen Beziehungen zu den übrigen Elementen und zum Ganzen regulirt werden muss. Damit steht im Einklang, dass die durch Längsspaltung von Stengelinternodien, Grasknoten, Stielen von Hutpilzen (bezw. von Wurzeln) gewonnenen Hälften nach der Hori- zontallegung sich negativ (bezw. positiv) geotropisch krümmen, gleichviel ob die Schnittfläche erdwärts oder aufwärts gewandt ist, ob also die relative, tropistische Wachsthumsbeschleunigung an der Schnittfläche oder an der gegenüberliegenden, intacten Flanke auszuführen ist 6). Ferner ist z. B. in dem Grasknoten eine i) Kohl, Mechanik der Reizkrümmung 1894, p. 5ü. Vgl. auch Sachs, 1. c. p. 462, 469; Cisielski, 1. c. p. 18. 2) Noll, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1888, Bd. 3, p. 526. — Ueber die ungleiche Dicke der Wandungen in beiden Hälften vgl. Bd. II, p. 668. 3) Sachs, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1872, Bd. 1, p. 193; Experi- mentalphysiolog. 1865, p. 507. Vgl. auch Frank, 1. c. p. 67. 4) H. Müller-Thurgau, Flora 1876, p. 69, 92. 5) Vgl. Bd. II, p. 372, 644, 517. 6; Besonders leicht lässt sich dieses an gespaltenen Grasknoten nachweisen, bei welchen nach dem Spalten keine störenden Spannungskrümmungen eintreten (de Vries, Landwirthschaftl. Jahrb. 1880, Bd. 9, p. 483; Pfeffer, Druck- und Arbeits- leistungen 1893, p. 394, 408,\ Jedoch konnte Sachs (Arbeit, d. bot. Instit. in Würzburg 1873, Bd. 1, p. 470) bei einer median längsgespaltenen Wurzel an beiden Theilhälften (die aufeinander liegen blieben) eine positiv geotropische Krümmung beobachten, bei welcher sich (wie in der intacten Wurzel) die obere Hälfte stärker verlängerte als die untere. Auch vermochte Sachs (Flora 1873, p. 330) bei längsgespaltenen Stengeln, bei denen sich die Theilhälften in Folge der Gewebespannung nach Aussen krümmten 664 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. der Lage entsprechende Regulation der Zuwachsbewegung in den Collenchym- strängen nothwendig, da diese durch die in Betracht kommenden mechanischen Zugwirkungen nicht verlängert werden i). Im Wesen der Sache wird dadurch nichts geändert, dass in einem Gewebe die Zellen in ungleichem Grade sensibel und activ sind, und dass auch inactive Elemente vorhanden sind. Denn es handelt sich schliesslich nur um Verschiebungen und besondere Verwicklungen, wenn z. B. die Ausführung der angestrebten Krüm- mungsthätigkeit durch inactive Gewebe theilweise oder ganz gehemmt wird, oder wenn inactive (nicht sensible) Gewebe durch die Krümmungsthätigkeit der activen Gewebe elastisch oder plastisch gebogen, bezw. in ihrer Wachsthumsthätigkeit regulirt werden, oder wenn reizbare, active Gewebe durch den Antagonismus anderer Elemente in ihrer Thätigkeit gehemmt oder sogar comprimirt werden 2). Thatsächlich werden durch die Realisirung der Krümmung stets mechanische und auch auslösende (II, p. 365) Wirkungen erzielt, die (analog wie bei der Gewebespannung, II, p. 38, 145) regulirend eingreifen, aber nicht die Ursache der Krümmungsreaction sind. Uebrigens ist bereits (II, p. 637, 644) hervorgehoben, dass alle die Fälle, in welchen die Perceptions- und die Actionszone getrennt liegen (also auch die thigmotropischeReaction der Ranken), in anschaulicher Weise zeigen, dass durch die tropistische Reizverkettung die Wachsthumsthätigkeit so regulirt wird, wie es zur Erzielung der Krümmung nothwendig ist. Auch ist klar, dass in einem dickeren Organe die Krümmung unterbleibt, wenn in jeder Zelle, ohne Modification der Wachsthumsschnelligkeit, ein gleichsinniges, actives Krümmungsbestreben entwickelt wird (II, p. 373). Aus den mitgetheilten Thatsachen und Erörterungen ergiebt sich zugleich mit aller Sicherheit, dass die Krümmungsbewegung durch die gekennzeichnete Bethätigung der antagonistischen Gewebe bewirkt wird, dass also die Ansicht von Kohl 3) irrig ist, nach welcher die geotropische Krümmung durch die active Contraction der concav werdenden Gewebepartie verursacht werden soll. Uebrigens ist die Unhaltbarkeit dieser Auffassung, die für einzellige Organe überhaupt nicht in Frage kommt, zur Genüge von Rothert-*) und Noll^) dar- gethan worden. Erwähnt sei noch, dass die Activität der convex werdenden Hälfte (II, § ■IS), nachzuweisen, dass in den beiden erwähnten Lagen eine negativ geotropische Reaction eintrat, und dass in beiden Fällen die erdwärts gewandte Partie relativ am schnellsten wuchs. Neuerdings hat dann E. B. Copeland (Botanicah Gazette 1900, Bd. 29, p. 189) an gespaltenen Keimstengeln gefunden, dass, im Vergleich zu der ver- tical stehenden Spalthälfte, das Wachsthum (analog wie in dem intacten Halme; bei der horizontal gehaltenen und sich negativ geotropisch krümmenden Hälfte verlang- samt wird, wenn die Schnittfläche erdwärts schaut, und beschleunigt wird, wenn die Schnittfläche aufwärts gerichtet ist. — lieber Experimente mit Stielen von Hutpilzen vgl. Hofmeister, Jahrb. f. wiss. Botan. 1863, Bd. 3, p. 93. 1) Pfeffer, 1. c. p. 401, 4-26. 2) Vgl. Bd. II, p. 371 ff. 3) Kohl, Mechanik der Reizkrümmungen 1894, p. 4, 40, 87. Beiläufig sei er- wähnt, dass Kohl die Verkürzung der Zellen durch Turgorsteigerung zu Stande kommen lässt. — Dass Nutationskrümmungen durch active Verkürzungen entstehen könnten, ist Bd. II, p. 372 erwähnt. — Ueber Formänderungen der Zellen bei tropistischen Krümmungen vgl. Bd. II, p. 662. 4) Rothert, Biolog. Centralbl. 1895, Bd. 13, p. 593. 5) Noll, Flora 1895, Ergzbd. p. 44. § 129. Weiteres über die Krümmungsmechanik. 665 bei dem Grashalm in sehr auffälliger Weise dadurch bemerklich wird, dass sich bei mechanischer Verhinderung der angestrebten geotropischen Krümmung die erdwärts gewandte Partie des Knotens ansehnlich verdickt und hervorwülbt^). Dass die Theile eines Organes in verschiedenen Graden tropistisch reizbar und actionsfähig sein können, ist am schönsten bei den Stengelknoten zu sehen 2). Während z. B. bei den Halmknoten von Triticum, Seeale und vielen anderen Gramineen (Fig. 5, p. 14; Fig. 72, p. 651) nur der Blatttheil geotropisch reagirt, der umschlossene Stengeltheil aber nur passiv gebogen wird, sind bei Zea mays, Saccharum officinarum etc. sowohl der Blatttheil, als auch der Stengel- theil des Knotens perceptionsfähig und krümmungsthätig. Dagegen tritt bei den Polygoneen und Commehneen die geotropische Perceptions- und Reactionslahig- keit der Blattscheide theilweise oder so vollständig zurück, dass dieselbe nur passiv gekrümmt wird. Besonders aus den Erfahrungen über geotropische Reactionen geht soviel hervor, dass die einzelnen Gewebe in einem Internodium, Knoten u. s. w. bei einer tropistischen Krümmungsbewegung in verschiedener Weise betheiligt sind. Indess ist eine genaue Präcisirung der obwaltenden Verhältnisse desshalb schwierig, weil bei dem Unterbleiben der tropistischen Reaction in dem isolirten Gewebecomplex zunächst zweifelhaft bleibt, ob das negative Resultat durch die Sistirung der Perceptionsfähigkeit, überhaupt durch die Stimmungsänderung, oder dadurch bedingt ist, dass der Zusammenhang mit den reizpercipirenden Geweben aufgehoben wurde (II, § 120). Jedoch scheint in der Regel die Abtrennung der Epidermis oder auch der angrenzenden Zellen, sowie die Entfernung des Markes (oder auch die gleich- zeitige Entfernung des Gefässbündelringes) die geotropische Reactionsfähigkeit nicht aufzuheben, während der isolirte Markcylinder in vielen Fällen nicht geo- tropisch reagirt 3). Da ferner nach Sachs '^) das Mark, welches aus einem so- eben geotropisch gekrümmten Stengel isolirt wird, sich gerade streckt, so wird die bleibende Krümmung, die ein solches Mark in den intacten Organen mit der Zeit annimmt, vielleicht nur durch die passive Beugung erzielt. Jedenfalls ist durch die bisherigen Versuche noch in keinem Falle sichergestellt, dass das Mark zwar nicht perceptionsfähig ist, aber durch die Vermittlung perceptionsfähiger Ge- webe zu einer activen geotropischen Krümmungsthätigkeit veranlasst wird^). In vielen Fällen scheint also in Stengelorganen (auch in Knoten) besondei's das Rindengewebe (oder Theile dieses) geotropisch perceptions- und actionsfähig zu 1) Vgl. Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893, p. 396; Noil, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1888, Bd. 3, p. 309; de Vries, Landwirthschaftl. Jahrb. 1880, Bd. 9, p. 4S2. — Ferner kann durch das geförderte active Wachsen der Unterseite sogar ein Zerreissen der Oberseite zu Stande kommen, wenn man z. B. horizontal gelegten Sprossen, durch Einführung in eine Glasröhre, die Ausführung der geotropischen Krüm- mung unmöglich macht. Pfeffer, Bericht, d. Sachs. Gesellschaft d. Wissenschaft. 1891 , p. 642. 2) Lit. Barth, Die geotropischen Wachsthumskrümmungen der Knoten 1 894 ; P f e f f e r . 1. c. p. 390, 409. r- Ueber Knoten siehe auch Bd. II, p. 651. 3) Lit. Sachs, Flora 1873, p. 330; Barth, 1. c. p. 36; Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 248; Haberlandt, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1901, p. 269. [Nemec, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1902, p. 339.] 4; Sachs, Experimentalphysiol. 1865, p. 567. Vgl. auch Frank, Beiträge zur Pflanzenphysiol. 1868, p. 73. 5) Vgl. Haberlandt. 1. c. p. 269, u. die weiterhin zu erwähnenden Versuche Czapek's mit horizontal liegenden Mittellamellen des Stengels. 666 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. sein. Auch düi'fte durch den von der Wurzelspitze ausgehenden Reiz (11, § 120) die intensivste geotropische Reaction in dem Rindenparenchym der "Wurzel aus- gelöst werden 1). Die Activität des Rindengewebes ist aber desshalb vortheilhaft, weil durch die periphere Lage die mechanische Leistungsfähigkeit bei der Krüm- mung begünstigt wird (II, p. 378). Nach dem Mitgetheilten ist es verständlich, dass, wie Sachs 2) zeigte, die durch zwei parallele Längsschnitte isolirte Mittellamelle eines Stengels eine negativ geotropische Krümmung ausführt, wenn sie so aufgestellt wird, dass die Schnitt- flächen lothrecht stehen. Da aber theilweise negative, theilweise positive Resultate erhalten wurden, wenn die Schnittflächen der horizontal gelegten Mittellamelle zenithwärts und erdwärts gerichtet waren, so muss zunächst entschieden werden, ob diese Differenzen dm"ch specifische Eigenheiten oder durch andere Ursachen bedingt waren. Jedenfalls ist zu bedenken, dass die Krümmung vielleicht nur desshalb unterbleibt, weil die activen Gewebe an einem Hebelarm von der geringen Höhe der Mittellamelle angreifen und desshalb eine ungenügende Krümmungskraft erzielen (vgl. 11, p. 3 7 8). Hierauf kann freilich nicht die Jnactivität der horizontal liegenden Mittellamelle aus dem Hjpocotyl von Helianthus annuus beruhen, die sich nach Czapek (1. c. p. 252) dann negativ geotropisch krümmt, wenn sie aus einem Stengel geschnitten wird, der zuvor während einer Stunde geotropisch inducirt wurde. Indess muss erst durch nähere Untersuchungen ermittelt werden, ob dieser Erfolg etwa darin begründet ist, dass die horizontal gelegte Lamelle zwai' eine inducirte Reizung activiren, aber den geotropischenReiznichtpercipiren kann. Rei Beurtheilung der Bedeutung von Geweben für die Krümmungsbewegungen ist auch zu beachten, dass die Sensibilität und die Actionsfähigkeit mit der Entwickelung veränderlich sind (II, § 121, 128). So können z. B. Gefässbündel oder andere Gewebe, nachdem sie ihr Wachsthum eingestellt haben, nur noch eine passive Reugung erfahren (vgl. II, § 1 9). Ferner werden in Folge der Krümmung nicht selten active Gewebe durch die überwiegende Energie der antagonistischen Gewebe comprimirt (siehe oben) oder mit dem Fortschreiten der Krümmung in Zugspannung versetzt. Letzteres tritt z. B. bei den Grasknoten ein, bei welchen schliesslich das zuvor active Parenchjm auf der Convexseite bis auf die Gollenchjmstränge einreisst, weil letztere durch ihr fortdauerndes Wachsthum die nöthige Energie schaffen 3). Auf diese Weise wird also die ursprünglich positive Spanmmg des Parenchjms in eine negative, die negative Spannung der Collenchymstränge dagegen in eine positive umgewandelt. Uebrigens ist früher erörtert, dass und warum durch die Arbeit gegen Wider- stände (ohne und mit Krümmungsthätigkeit) die Gewebespannungen modificirt werden können *). Bei richtiger Würdigung dessen, was an dieser und an anderen Stellen (II, § 19, 9, 35) über das Zustandekommen und die Bedeutung der Gewebespannungen gesagt wurde, ist es selbstverständlich, dass aus dem Sinn der Gewebespannung nicht schlechthin zu erkennen ist, ob ein Gewebe activ oder passiv bei der 1) D. T. Mac Dougal, Annais of Botany 1897, Bd. 23, p. 346, 364. 2) Sachs, Flora 1873. p. 330; Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1873. Bd. 4, p. 470; Czapek, Jahrb. f. wiss. Botan. 1898, Bd. 32, p. 250; Noll, Jahrb. f. wiss. Botan. 1900, Bd. 34, p. 467; Haberlandt, Ber. d. botan. Gesellsch. 1901, p. 270 ; [Haberlandt, Jahrb. f. wiss. Botan. 1903, Bd. 38, p. 470; Nemec, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1902, p. 353 . 3) Vgl. Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893, p. 407. 4; Vgl. Bd. II, p. 145. — Näheres über die Grasknoten bei Pfeffer 1893, 1. c. p. 401, 426. § -130. Die inneren Bewegvingsursachen. 667 Krümmungsbewegung betheiligt ist. Denn thatsächlich werden nicht selten, wie schon erwähnt wurde, active Gewebe compi'imirt, und die negative Spannung schliesst nicht aus, dass ein Gewebe activ wachsthumsthätig ist (vgl. auch II, § 19, 35). Ueberhaupt ist wohl zu beachten, dass die Nutationskrümmungen, somit auch die mit diesen verknüpften Spannungsänderungen, durch die Wachsthumsthätigkeit erzielt werden, aber naturgemäss wiederum regulatorisch auf die Wachsthums- thätigkeit zurückwirken. Auf diese Weise werden auch bei dem Arbeiten gegen eine Widerlage die potentiellen Spannungen geschaffen, die dann, z. B. nach Entfernung der Widerlage, eine Krümmungsbewegung bewirken können ^). § 130. Die inneren Bewegungsursachen. Mit der Feststellung, dass die bis dahin untersuchten tropistischen Varialions- krümmungen durch den Turgorwechsel bewirkt werden, ist natürlich offen ge- lassen, in welcher Weise die Bd. II, p. 660 gekennzeichnete Variation des Turgors erzielt wird (vgl. II, p. 375). Ebenso sind noch nicht die vielleicht verschieden- artigen Mittel präcisirt, durch welche diejenigen Modificationen der Wachsthums- thätigkeit verursacht werden, auf welchen das Zustandekommen der tropistischen Nutationskrümmungen beruht (vgl. II, p. 373). Jedoch ist sicher, dass in gewissen Fällen die Beschleunigung (bezw. die Verlangsamung) der Zuwachsbewegungen in den antagonistischen Flanken nicht, wie de Vries^) annahm, durch eine ent- sprechende Erhöhung (bezw. Senkung) der Turgorenergie bewirkt wird. Denn abgesehen davon, dass auf diese W^eise die Krümmungsbewegung der einzelligen Organe nicht zu Stande kommen kann (II, p. 374), so haben die plasmolytischen Untersuchungen 3) verschiedener Objecte gezeigt, dass bei der geotropischen 1) Nach diesen Bemerkungen bedarf es keiner weiteren Erörterungen, in welchem Sinne die Gewebespannungen die nähere Ursache der Krümmungsbewegungen sind und sein können (vgl. auch Bd. II, §78), und dass, wie schon die einzelhgen Organe zeigen, zur Erzielung einer tropistischen Krümmungsbewegung die Existenz von Ge- webespannung nicht nöthig ist. Ferner ist einleuchtend, dass z. B. das Mark, auch wenn es sich nicht activ krümmt, durch seine positive Spannung die durch andere Ge- webe angestrebte oder ermöglichte Krümmungsthätigkeit begünstigen kann. Wie sich die Gewebespannung in Folge der Krümmung verändert, lässt sich in der Hauptsache aus den mitgetheilten Thatsachen ableiten. Angaben über die Spannungen in geotropisch und heliotropisch gekrümmten Organen sind in den citirten Schriften von Sachs, Frank, Hofmeister (auchinHofmeister,Pflanzenzelle,p. 293) zu finden; ferner bei G. Kr aus. Bot. Ztg. 1867, p. 129; Ratschinsky, Annal. d. scienc. naturell. 1858, IV. ser., Bd. 9, p. 172; Johnson, ebenda 1835, II ser., Bd. 4, p. 327; J. B. Pollock, Botan. Gazette 1900, Bd. 2>>, p. 25, 48. Schon Mohl (Vegetabil. Zelle 1831, p. 141) hat Dutrochet's (Me- moires etc., Bruxelles 4 837, p. 322, 327) Irrthümer in Bezug auf die Bedeutung der Ge- webespannung aufgedeckt und ebenso dargethan , dass nicht, wie es Dutrochet an- nahm, bestimmte anatomische Unterschiede zwischen den positiv und negativ tropisti- schen Organen bestehen. Erwähnt sei noch, dass Dutrochet (1. c.) die positiv helio- tropische Krümmung irrigerweise allein durch ein actives Krümmungsstreben der Concavseite zu Stande kommen lässt. 2) H. de Vries, Landwirthschaftl. Jahrb. isso, Bd. 9, p. 502. Vgl. auch Bd. II, p. 372, 432, 528. 3) Wortmann, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1887, p. 961 ; Bot. Zeitg. 1889, p. 456; Noll, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1888, Bd. 3, p. 511; Flora 1895, Ergzbd. p. 36. — Die Annahme von P. Bert, dass die positiv heliotropische Krümmung die 658 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Krümmung von Gewebecomplexen keine Tm^gorsteigerung eintritt. Bei den sich schnell krümmenden Organen wurde sogar in den Zellen der convex werdenden Flanke eine geringe Abnahme des Turgors (des plasmolytischen Werthes) con- statirt, die offenbar daraus resultirt, dass in den schnell wachsenden Zellen die Volumzunahme und Wasseraufnahme schneller fortschreiten, als die Production osmotisch wirksamer Stoffe, durch welche in selbstregulatorischer Weise die Constanz des Turgors erhalten wird^j. Selbst dann, wenn in einem concreten Falle, in Verbindung mit der tro- pistischen Reaction, eine einseitige oder allseitige Steigerung des Turgors ein- tritt, dürfte in dieser Turgorsteigerung im allgemeinen nur ein begleitender und mitwirkender Factor, aber nicht die primäre Ursache derjenigen Wachsthums- änderung zu suchen sein, die zur Einkrümmung führt. Jedenfalls gilt dieses für die in horizontaler Lage fixirten Stengelknoten von Hordeum vulgare, in welchen der Turgor der Parenchymzellen eine Steigerung erfährt, die 1 — 2 Procent Kaliumnitrat äquivalent ist 2]. Denn einmal vermag eine solche Ver- mehrung der Zellhautspannung das Wachsthum des Knotens nicht zu verur- sachen, und zudem stellt sich keine Turgorsteigerung in den horizontal gehal- tenen Stengelknoten von Triticum vulgare und spelta ein, welche ebenso gut und schnell geotropisch reagiren, wie die Knoten von Hordeum vulgare. Die Turgorerhöhung in diesen ist somit in gleichem Sinne eine vortheilhafte, aber nicht generell nothwendige Reaction, wie diejenige Turgorsteigerung, welche nur in gewissen Pflanzen bei dem Arbeiten gegen äussere Widerstände ein- tritt (II, p. U4). Muss auch nicht in allen Fällen dieselbe Wachsthumsmechanik obwalten, so scheint doch bei den tropistischen Krümmungen die nöthige Wachsthums- thätigkeit und Wachsthumsbeschleunigung häufig durch plastische Dehnung der Zellwand erzielt zu werden (II, p. 30, 374). Dafür spricht, dass w^ährend der Krümmungsbevvegung in der Epidermis, im Collenchymgewebe u. s. w. der con- vexen Flanke die Dicke der Zellwand, und zwar zuweilen erheblich, abnimmt 3), während diese Wandungen in der concaven Flanke öfters eine gewisse Ver- dickung erfahren 4j. Schon aus dem Umstand, dass diese Veränderungen der Folge davon sei, dass durch Zerstörung des Zuckers der Turgor der beleuchteten Seite sinke, bedarf keiner besonderen Widerlegung (vgl. die Bd. II, p. 528 citirte Lit.). , 4) Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893, p. 412. Vgl. auch Bd. II, § 103. 2) Pfeffer. 1. c. p. 399, 405; vgl. auch dieses Buch Bd. II, § 8, 9. — Nach Kohl (Mechanik der Reizkrümmungen 1894, p. 39) soll bei der geotropischen Reizung eine absolute Steigerung des Turgors in den Zellen der Concavseite eintreten. Diese An- nahme ist freilich durch die Versuche Kohl's nicht erwiesen. Jedenfalls ist aber die Ansicht von Kohl irrig, dass durch eine solche Turgorsteigerung eine Verkürzung der Zellen der Concavseite bewirkt werde (vgl. Noll, Flora 1895, Ergzbd. p. 48, 54). Ohnehin ist, wie schon II, p. 664 dargethan wurde, die Ansicht von Kohl irrig, nach der durch die Verkürzung der Concavseite die geotropische Nutationskrümmung erzielt werden soll. 3) Noll, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg I888, Bd. 3, p. 52ö; Flora, Ergzb. 1895, p. 73. — Vgl. ferner Wortmann, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1887, p. 463; Bot. Zeitung 1887, p. 808; 1888, p. 469; Kohl, 1. c. p. 36; D. T. Mac Dougal, Botanic. Gazette IS97, Bd. 23, p. 364. 4) Eine derartige Differenz pflegt an den sich krümmenden Sprossen immerhin nur gering zu sein. Dagegen tritt nach Wortmann ;Bot. Zeit. 1837, p. 824. § 130, Die inneren" Bewegungsursachen. 669 Wanddicke erst während der Ausführung der Krümmungsbewegung eintreten, ergiebt sich, dass sie die Folge, aber nicht die Ursache der Einkrümmung sind, wie Wortmann 1) annimmt, nach dessen Auffassung die Wachsthumsschnellig- keit der Zellhaut (bei constantem Turgor) einfach durch die Verdickung der Wand verlangsamt und in solcher Weise in entsprechendem Grade regulirt werden soll. Das Irrige dieser Ansicht geht ferner daraus hervor, dass die Zellwandungen durch die Turgorenergie normalerweise nicht über die Elastici- tätsgrenze gedehnt werden, dass also zur Erzielung eines plastischen Wachsens die Cohäsion der Zellhaut durch eine physiologische Beeinflussung in regulato- rischer Weise verringert werden muss^). Hand in Hand mit dieser physiologischen Beeinflussung scheinen die elastischen Eigenschaften der Zellhaut in der convex werdenden Flanke zu- weilen in der Art verändert zu werden, dass bei Constanz der Turgorenergie eine Steigerung der elastischen Verlängerung eintritt. In Folge dieser einseitigen Verlängerung kommt dann eine entsprechende elastische Einkrümmung zu Stande, die bei Aufhebung des Turgors so lange zurückgeht, bis die tropistische Krümmung durch Wachsthum fixirt ist. Eine solche Combination von Wachsthums- und Variationsbewegung wird übrigens auch bei den noch wachsenden, jugend- lichen Blattgelenken von Phaseolus etc. beobachtet, die mit dem Auswachsen nur noch zu Variationsbewegungen befähigt sind. Demgemäss führt das ausgewachsene Blattstielgelenk der Bohne nach dem Umkehren der Pflanze eine typische, geo- tropische Variationskrümmung aus (II, p. 508). Indess stellt sich in der 808) eine sehr ansehnliche Verdickung der Zellwandungen in der oberen (aufwärts gerichteten) Hälfte von horizontal gelegten Sprossen ein, wenn diese an der Aus- führung der angestrebten geotropischen Krümmung dadurch verhindert werden, dass die Sprossspitzen an einem Faden befestigt sind, der über eine Rolle geführt und durch Belastung gespannt gehalten wird. Ausserdem constatirte Fr. Elfving ;Zur Kenntniss d. Krümmungserscheinungen ■! S88, Separ. a. Öfversigt af Finska Vet. Soc. Förhandlingar Bd. XXX), dass die fragliche Verdickung sich auch dann, und zwar nur in der convexen Hälfte der Sprosse, einstellt, wenn diese gewaltsam gebeugt und durch einen ent- sprechend befestigten Faden bogig gekrümmt gehalten werden. Da ein solcher Erfolg auch am Klinostaten erzielt wird, so müssen also die mit der Einkrümmung bewirkten Veränderungen den Anstoss zur Ausbildung der besagten Wandverdickungen gegeben haben. Andererseits ist die Wandverdickung an der Oberseite der horizontal gelegten und an der Ausführung der angestrebten, geotropischen Krümmung gehinderten Sprosse zunächst als eine Folge der Reizwirkung der Schwerkraft anzusprechen, die auch bei epitrophischen und hypotrophischen Reactionen (Bd. H, p. 123) inäquale Wachsthums- thätigkeiten hervorruft. Ob und inwieweit in den beiden genannten Bedingungen die durch die mechanische Beugung bezw. die durch die geotropischen Krümmungs- bestrebungen bewirkten Spannungsverhältnisse die nähere Reizursache vorstellen , ist noch nicht entschieden. Vielleicht werden durch die ungleiche Inanspruchnahme, also durch eine Unterschiedsempfindung, bestimmte Reizanstösse gewonnen, da nach den Untersuchungen Ball 's der (äquale) Längszug an den vertical stehenden Sprossen keine merklichen Wandverdickungen hervorruft (vgl. Bd. H, p. 425, Anmerk.). Augen- scheinlich fallen diese Verdickungen nicht allgemein mit der Plasmaansammlung zu- sammen, die sich in gewissen Fällen, und zwar zum Theil nur secundär, in den ge- krümmten Sprossen einstellt (vgl. Bd. II, p. G35 Anm.). ~ Vgl. die inzwischen erschienene Arbeit von Ball in Jahrb. f. wiss. Botan. 1903, Bd. 39, p. 305. 1) Wortmann, I. c. Vgl. auch die Kritik von NoU, Flora, Ergzbd. 1893, p. 38. 2) Vgl. Bd. II, p. 8, 9. — Ueber Plasmaansammlungen siehe Bd. II, p. 635 Anm. 670 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. erdwärts gewandten, also ungewöhnlich verlängerten (geotropisch in Anspruch genommenen) Gelenkhälfte, allmählich ein gewisses Wachsthum ein, wenn die Pflanze einige Tage in der inversen Stellung verbleibt i). Es ist also wohl möglich, dass in demselben Objecte, je nach seinen Eigenschaften, so- wie je nach der Natur und der Dauer des Reizes, eine Variations- oder eine Nutationsbewegung, oder eine Combination beider eintritt. Möglicherweise finden sich derartige Verhältnisse bei den Blattgelenken der Marantaceen, bei welchen nach 3Iöbius2) speciell die heliotropische Krümmung ziemlich schnell durch Wachsthum fixirt zu werden scheint. Aus der leicht zu constatirenden Thatsache, dass die realisirte tropistische Krümmung bei der Aufhebung des Turgors durch Salzlösungen, sowie beim Ab- tödten erhalten bleibt, folgt, wie zuerst Frank-^) darthat, dass die heliotropischen und geotropischen Krümmungen durch Wachsthum vermittelt werden. Von de Vries^) wurde dann weiter gefunden, dass eine soeben begonnene und noch nicht weit fortgeschrittene, heliotropische oder geotropische Krümmung durch die Ein- wirkung einer 20proc. Kochsalzlösung theilweise ausgeglichen wird, dass also zunächst eine elastische Krümmung eintritt, die allmählich durch Wachsthum fixirt wird. Die weitere Annahme von de Vries, diese elastische Krümmung komme dadurch zu Stande, dass in der convex werdenden Flanke der Turgor, also die Dehnkraft, erhöht werde, ist (abgesehen von einzelligen Organen) schon desshalb irrig, weil durch die tropistische Reizung zumeist eine Turgor- steigerung nicht hervorgerufen wird. In der That dürfte nach NolP) die frag- liche elastische Einkrümmung die Folge davon sein, dass durch den tropistischen Reiz die elastische Dehnbarkeit in der convexen Flanke erhöht wird. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass vielleicht in gewissen Fällen die Verdickung der Mem- branen (ohne Qualitätsänderung) in der Concavseite vei'ursacht, dass diese Flanke durch dieselbe Turgorenergie eine relativ geringere Verlängerung erfährt"). Uebi'igens wurde zuweilen eine Ausgleichung der jugendlichen Krümmungen 1) Pfeffer, Periodische Bewegungen 1875, p. 139. 2) M. Möbius, Festschrift für Schwendener 1899, p. 60. 3) Frank, Beiträge z. Pflanzenphysiol. 1868, p. 97. 4) H. de Vries, Landw. Jahrb. 1 880, Bd.9, p. 302. Vgl. ferner W i esner, Die helio- tropischen Erscheinungen 1880, II, p. 3; Noll, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1888, Bd. III. p. 516; Flora 1893, Ergzbd. p. 82; R. Barth, Die geotrop. Wachsthums- krümmungen d. Knoten 1894, p. 12; Kohl, Mechanik der Reizkrümmungen 1894, p. 67. 3) Noll, 1. c. 1888 u. 1893. — Wiesner (I.e. 1880, II, p. 20) nimmt an, dass der positive Heliotropismus zu Stande komme, indem auf der beleuchteten Seite die Elasti- cität der Zellwände, dagegen auf der Schattenseite die Ductilität der Membran und der Turgor gesteigert werden. — Ob und inwieweit Hofmeister (Jahrb. f. wiss. Bot. 1860, Bd. 2, p. 263; 1863. Bd. 3, p. 88; Pflanzenzelle 1867, p. 287) die Veränderung der elastischen Dehnbarkeit als nähere Ursache der geotropischen und heliotropischen Krümmungen ansieht, ist bei den unklaren Vorstellungen dieses Forschers über Spannung und Wachsthum nicht sicher zu sagen. Vgl. Pfeffer, Pflanzenphys. I. Aufl.. Bd. II, p. 324. Anmerk. 6) Ueber die Veränderung der Wanddicke beim Krümmen vgl. Bd. II, p. G68. — V. Weinzierl (Sitzungsber. d. Wien. Akad. 1877, Bd. 76, Abth. I, p. 434) fand an positiv heliotropisch gekrümmten Pflanzentheilen für die Epidermis der Concavseite einen etwas höheren Elasticitäts- und Festigkeitsmodulus, als für die Epidermis der Convexseite. Jedoch ist noch zu entscheiden, ob dieses Resultat durch die QuaUtätsänderung oder die ungleiche Verdickung der bezüglichen Membranen bedingt ist. § 130. Die inneren Bewegungsursachen. 671 vermisst. Auch felilen nähere Studien darüber, ob bei plötzHcher Abtödtung (durcli Hitze etc.) derselbe Erfolg erzielt wird, wie bei Plasmolyse. Denn da bei der Einwirkung von Salzlösungen oft längere Zeit bis zur Aufhebung des Turgors verstreicht, so sind diese Versuche nicht streng beweisend i). Auch ist zu beachten, dass bei der Plasmolyse und bei der Abtödtung von Geweben Compressionen etc. von Zellen eintreten, und dass desshalb die Diniensions- und Krümmungsänderungen nicht allein durch die elastische Contraction der Zell- wandungen bestimmt werden (11, § 17). Ferner wird die Zunahme der elasti- schen Dehnbarkeit in der Convexseite auch nur wahrscheinlich gemacht durch die Versuche N oll 's 2) ^ bei welchen ein Spross, nach Beginn der geotropischen Bewegung, in der Krümmungsebene nach entgegengesetzter Richtung ausgebogen und dabei gefunden vmrde, dass dieselbe Kraft einen etwas grösseren Ausschlag verursachte, wenn durch die Beugung die geotropische Krümmung verstärkt, also die Membranen der Convexflanke verlängert wurden. Ausserdem ist noch nicht genügend aufgeklärt, warum und wodurch bei Einwirkung einer Salzlösung zunächst häufig eine gewisse Zunahme und dann erst eine Abnahme der eben gebildeten tropistischen Krümmung eintritt^). Einige Thatsachen über den mit der tropistischen Beaction verknüpften Stoffwechsel ergeben sich aus den Untersuchungen von G. Kraus 4]. Nach diesen hat das Horizontallegen eines parallelotropen Sprosses zur Folge, dass schon vor Beginn der geotropischen Krümmungsbewegung, und zwar besonders in der erdwärts gewandten Hälfte, der Gehalt an reducirendem Zucker erhöht und gewölmlich der Säuregehalt etwas vermindei't wird. Während der Krümmung tritt dann eine absolute Abnahme des Zuckers (zuweilen auch der freien Säure) in der convex werdenden Stengelhälfte ein. So fand G. Kraus (1. c. II, p. 49) in dem etiolirten Keimstengel der Bohne, nachdem dieser während "2 Stunden horizontal gelegen hatte, in der oberen Hälfte 0,2358 g, in der unteren Hälfte 0,2404 g (= + 0,0046) Zucker (d. h. Kupferoxyd reducirende Substanz). In anderen Sprossen dieser Pflanze, die weitere ^/^ Stunden in horizontaler Lage zugebracht hatten, wurde in der zenithwärts gerichteten Stengelhälfte ein Zuckergehalt von 0,2095 g, in der unteren von 0,2 074 g ( — 0,0021) gefunden. Gleichzeitig nimmt schon vor Beginn und während der geotropischen Krümmung der Wassergehalt in der erdwärts gewandten Sprosshälfte zu, so dass das specifische Gewicht des ausgepressten Saftes vermindert wird. So wurde z. B. von G. Kraus (1. c. H, p. 42) bei einem Stengel von Anthriscus silvestris, der 2 4 Stunden horizontal gehalten, aber noch wenig gekrümmt war, das specifische Gewicht des ausgepressten Saftes für die aufwärts gewandte Stengelhälfte zu 1,0240, für die erdwärts gewandte Hälfte zu 1,0226 (— 0,0014) bestimmt. Diese Besultate harmoniren mit der Thatsache, dass während der 1) Vgl. z. B. Fitting, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1902, p. 380, u. Bd. II, p. 432. 2) Noll, 1. c. 1888, p. 514; 1893, p. 56; Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893, p. 417; Kohl, 1. C. p. 73. 3) Noll, 1. c. 1888, p. 517; 1893, p. 84 ; Pfeffer, Studien zur Energetik 1892, p. 247. 4) G. Kraus, Ueber die Wasservertheilung in d. Pflanze 11, 1880, p. 38, und I, 1879, p. 23 (Separat, a. Abhandl. d. Naturforsch. Gesellsch. in Halle). Einige That- sachen auch schon in Botan. Ztg. 187 7, p. 596. — Dass diese Processe im sauerstoff- freien Räume unterbleiben, wurde späterhin von Kraus dargethan. (Ueber die Wasser- vertheilung IV, 1884, p. 59.) 072 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Krümmung in der convex werdenden Hälfte der plasmolytisch bemessene Turgor- werth abnimmt (dieses Buch, Bd. II, p. 6 68). Beachtenswerth ist, dass sich nach G. Kraus (1. c. I, p. 24; II, p. 42) die genannten Veränderungen schon vor Beginn der Krümmung und auch in den nicht mehr krümmungsfähigen Stengeltheilen einstellen, dass dieselben also nicht nur die Folge des realisirten Wachsens und Krümmens sind. Demgemäss dürfte es sich wohl um Reactionen handeln, die ebenso durch die Reizwirkung der Schwei*- kraft ausgelöst werden, wie die Krümmungsbewegung und die, wo Krümmungs- thätigkeit eintritt, bei der Ausführung dieser eine gewisse Rolle spielen. Uebrigens gehört auch die von Czapek beobachtete Zunahme einer Silber redu- cirenden Substanz zu denjenigen Reactionen, welche durch die Schwerkraft etc. vor Beginn der geotropischen Krümmung ausgelöst werden (II, p. 643). Da aber G. Kraus nur die Reductionswirkung auf alkalische Kupferlösung ermittelte, so ist es fraglich, ob die besprochenen quantitativen Veränderungen allein durch Zucker verursacht werden. Jedenfalls sind die beobachteten Vorgänge nur einige der Processe, die mit der Auslösung und der Ausführung der tropistischen Reaction direct oder indirect verknüpft sind. Es ist auch noch unentschieden, ob die tropistische Reizung eine Depression der Athmung verursacht, oder ob etwa eine Steigerung der Athmung dann eintritt, wenn die tropistische Reizung eine Wachsthumsbeschleunigung hervorruft (vgl. Bd. II, p. 618). Ferner lässt sich nicht sagen, ob die mitgetheilten Erfahrungen für alle tro- pistischen Reizvorgänge Giltigkeit haben. Denn das folgt nicht daraus, dass G. Kraus (1. c. II, p. 41) ähnliche Resultate bei positiv heliotropischen Reactionen erhielt 1). Ferner hat G. Kraus (1. c. I, p. 26) bei horizontal gehaltenen Wurzeln constatirt, dass sich schon vor Beginn der Krümmungsthätigkeit eine Zunahme des Wassergehaltes in der convex werdenden, also in diesem Falle in der auf- wärts gewandten Hälfte einstellt. Beachtenswerth ist aber, dass in älteren Wurzeltheilen nach längerer Zeit, analog wie in einem Stengel, der Wassergehalt in der erdwärts gewandten Stengelhälfte zunimmt. Veränderungen der beschriebenen Art werden aber nicht nur durch tropistische Reizungen, sondern auch, und zwar sehr schnell, bei dem Schütteln von Sprossen hervorgerufen, so dass z. B. nach G. Kraus-) in einem entblätterten, wachs- thumsthätigen Sprosse von Alliaria officinalis durch ein kräftiges Schütteln der Zuckergehalt von 0,1463 auf 0,1618 g erhöht wurde. Dabei ergab die convexe Hälfte des durch Schütteln gebeugten Sprosses (Bd. II, p. 6 4) einen etwas höheren Zuckex'gehalt und ein etwas höheres specifisches Gewicht des Presssaftes. Ein näheres Studium dieses interessanten Verhaltens dürfte wohl im Stande sein, unsere Kenntnisse über den Mechanismus von schnell und langsam verlaufenden Reizvorgängen wesentlich zu erweitern (vgl. z. B. II, p. 453 in Bezug auf Tur- gorwechsel als Ursache schneller Reizbewegungen). 1) Die geringen Differenzen machen es begreifhch, dass Wiesner (Die heliotrop. Erscheinungen 1878, p. 65) und Thate (Jahrb. f. wiss. Botan. 1882, Bd. 13, p. 718) in ihren minder sorgfältigen Untersuchungen keine Differenz des Wassergehaltes in den antagonistischen Hälften fanden. 2) G. Kraus, 1. c. II, p. 69. Vgl. übrigens dieses Buch. Bd. II, p. 434, Anmerk. 3. §131. Specielle Fälle. 673 Abschnitt V. Specielle Fälle. § 131. Da wir für unsere Zwecke in erster Linie die Verbreitung, das Wesen und die Causalität der einzelnen Tropismen in das Auge zu fassen haben, konnten und können wir nicht näher auf alle die besonderen Combinationen eingehen, die in concreten Fällen zu Orientirungszwecken nutzbar gemacht sind. Wenn nun auch im 1. Abschnitt dieses Kapitels (§ 107 — 109) im allgemeinen auf die Complicationen hingewiesen ist, die durch das Zusammengreifen und Zusammen- wirken von tropistischen mit anderen Reizungen und Bewegungen geschaffen werden, so dürfte es doch zur näheren Illustration vortheilhaft sein, im Folgenden wenigstens einige Orientirungen und Orientirungsbewegungen in die maassgebenden Factoren zu zergliedern. Bei diesen Betrachtungen werden wir wiederum sehen, dass häufig verwickelte Verhältnisse obwalten, und dass desshalb eine causale Aufhellung oft mit Schwierigkeiten verknüpft ist. Da zudem ein ähnliches Endresultat durch verschiedene Combinationen erzielt wer- den kann, so muss man sich hüten, nach den Erfahrungen in einem einzelnen Falle zu generalisiren. Sind auch nicht alle Pflanzen in gleichem Grade zur Ausführung von Orientirungsbewegungen befähigt, so beweist doch die Realisirung der normalen Orientirung, dass unter den in der Natur gebotenen Verhältnissen in der Regel das Reactionsvermögen und die Actionsfähigkeit ausreichen, um die Pflanzen imd ihre Organe in die angestrebte Lage zu bringen. Da aber die Actions- fähigkeit gewöhnlich mit dem Auswachsen erlischt, so geht das Orientirungs- vermögen zumeist mit einem gewissen Alter verloren. Indess ist es für die Pflanze im allgemeinen nicht bedenklich, dass ältere Sprosse u. s. w. in einer ihnen aufgedrängten, abnormen Lage dauernd verbleiben, da die neuen Triebe u. s. w. durch ihr eigenes Reactionsvermögen immer wieder die normale Orien- tirung gewinnen. Beachtet man aber, dass es offenbar einen grösseren Auf- wand von Energie und Material kosten würde, wenn die älteren Stengeltheile nicht nur den normalen Functionen (Tragfähigkeit etc.) genügen, sondern auch zugleich bewegungsfähig sein müssten, so kann man verstehen, dass es im all- gemeinen für die Pflanze doch wohl öconomischer ist, in den ausgewachsenen Organen auf die Orientirungsfähigkeit zu verzichten, wenn auch damit gewisse Nachtheile verknüpft sind. Wurzeln. Es ist allgemein bekannt, dass die Reizwirkung der Schwerkraft bei der Orientirung der Organe eine grosse Rolle spielt, und dass durch diese Reizung, sogleich bei der Keimung des Samens, die Aufwärtskrümmung des Stengels sowie die Abwärtskrümmung der Wurzel bewirkt wird (11, p. 546). In dieser positiv Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 43 574 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. geotropischen Richtung wächst dann die Wurzel weiter, sofern nicht durch andere Factoren eine Ablenkung verursacht wird. So wird die Wurzel durch den Hydrotropismus in zweckentsprechender Weise veranlasst, sich nach dem feuchteren Medium zu wenden (II, p. 586) , und gelegentlich mag eine gewisse Ablenkung auch durch eine rheotropische (II, p. 588) oder durch eine aerotro- pische (II, p. 586) Reaction hervorgerufen werden ^). Ferner biegt die Wurzel vermöge ihrer plastischen Eigenschaften (II, p. 64, 144) aus, wenn sie auf eine feste Widerlage (z. B. auf eine Steinplatte) trifft, und wächst dann, der Widerlage angeschmiegt, so lange weiter, bis sie den Rand erreicht hat und wiederum ihren positiv geotropischen Bestrebungen folgen kann 2). Auf diese Weise, also ohne dass weitere Reizwirkungen nöthig sind, findet die Wurzel durch Hin- und Herbiegen sehr gut ihren Weg durch einen steinigen Boden, der ein geradliniges Fortwachsen nicht gestattet. Thatsächlich wird das Weg- wenden der Wurzel von einem Steinchen etc. nicht durch einen Contactreiz ver- ursacht (II, p. 459). Auch ist es fraglich, ob unter normalen Verhältnissen ein solches Wegwenden häufig dadurch hervorgerufen wird, dass die Reibung an festen Körpern eine einseitige Verletzung und dadurch eine Reizung der trau- matisch sensibeln Wurzelspitze bewirkt (II, p. 590). In Folge dieses plastischen Ausweichens hat die fortwachsende Wurzel sogar in einem steinigen Boden nur eine geringe Aussenarbeit zu vollbringen. Zu einer ansehnlichen Aussenleistung ist aber die plastische Wurzel nur be- fähigt, wenn das Ausbiegen in genügender Weise verhindert ist. Unter diesen Umständen wird auch von der Wurzel ein gewaltiger Druck gegen die Wider- lage entwickelt. Ebenso wird durch die fortwachsende und sich zugleich verdickende apicale Partie eine sehr energische Keilwirkung ausgeübt, wie man sehr schön an der entsprechenden Sprengung einer Gipsplatte sieht, wenn man eine Wurzel zwischen zwei Glasplatten in einen Gipsguss gebracht hat 3). Auf diese Weise werden auch im Boden mit grosser Energie zwei Steinchen auseinander- getrieben, wenn sich die Wurzelspitze zwischen dieselben eingedrängt hat. Bei dem geringen Widerstand, den die Wurzel in einem normalen Boden findet, wird gewöhnlich schon durch das Gewicht des Samens, sowie durch die Bedeckung dieses mit etwas Erde, eine Widerlage geschaffen, die ausreicht, um das Ein- dringen in den Boden zu sichern und somit ein Emporheben des Samens durch die sich streckende Wurzel zu verhindern. In vielen Fällen wird indess durch Schleimstoffe, durch frühzeitiges Hervorbrechen von Haaren etc. eine bessere Fixirung des Samens er-zielt^j. Für das ungehemmte Vordringen der Wurzel in den Boden ist es ferner wichtig, dass erst hinter der Streckungs- 1 ) Ueber Heliotropismus vgl. Bd. II, p. 573. — Ueber die Beeinflussung des Reactions- vermögens durch Stimmungsänderungen siehe z.B. Bd. II, § 121, 122. Ueber Beeinflussung des Wachsens und der Gestaltung der Wurzeln durch die Aussenbedingungen etc. vgl. Bd.I, §26; F. Freidenfelt, Flora 1902. Ergzbd. p. IIS. 2) Pfeffer, Druck- u. Arbeitsleistungen 1893, p. 362. Vgl. auch dieses Buch Bd. II, p. 144. 3) Pfeffer, 1. c. p. 369, 240. sowie dieses Buch, II, § 35. 4 Pfeffer, 1. c. p. 365. — Ueber das Hervorbrechen der Sprosse aus dem Boden vgl. Pfeffer, 1. c. p. 383, und die dort citirte Literatur, sowie Areschoug, Beiträge zur Biologie d. geophilen Pflanzen 1896. § 131. Specielle Fälle. 675 Zone (11, p. 9) die Seitenwurzeln hervortreten, deren plagiotrope Richtung durch ihren Klinogeotropismus erzielt wird, während die Seitenwurzeln höherer Ord- nung gewöhnlich nicht geotropisch reagiren (II, p. 563). Auch bei den Bhizomen, sowie bei ähnlichen Organen, dürfte zumeist und der Hauptsache nach die Orientirung durch die Reizwirkung der Schwerkraft erzielt und regulirt werden. Wir haben auch schon gehört, dass viele Rhizome sich diageotropisch einstellen, dass gewisse Rhizome durch den autogenen oder aitiogenen Stimmungswechsel zu einer positiv geotropischen Reaction veranlasst werden (II, p. 564, 613, 615), und dass speciell die Rhizome von Adoxa, Circaea etc. bei Beleuchtung positiv, im Dunkeln aber transversal geotropisch reagiren (II, p. 615). Diese letztgenannten Rhizome werden also durch ihren positiven Geo- tropismus so lange in den Boden geführt, bis in Folge der Lichtabnahme eine diageotropische Stimmung und Reaction eingetreten ist. Aber auch bei den- jenigen Rhizomen, bei welchen das Licht nicht in der besagten Weise, sowie auch nicht durch seinen heliotropischen Einfluss, wirksam ist, wird, wie es öcologisch nothwendig ist, die Tiefenlage durch die aus der Bodenbedeckung entspringen- den Verhältnisse regulirt, und vermuthlich wird diese Regulation oft durch den geotropischen Stimmungswechsel vermittelt. Allerdings ist noch nicht genügend aufgehellt, in wie weit etwa durch die ungleiche Vertheiking von Sauerstoff, Kohlensäure, Wasser, sowie durch die Temperaturdifferenzen etc., im Boden tropistische oder umstimmende Wirkungen erzielt werden, oder ob durch die Entfernung zwischen den Rhizomen und den oberirdischen Theilen der Pflanze, d. h. durch die hiervon abhängige Veränderung der Wechsel- beziehungen, die geotropische Stimmung u. s. w. modificirt wird. Denn dass letzteres sehr wohl möglich ist, ergiebt sich aus den überaus mannigfachen Reizungen und Beeinflussungen, die durch den Stoffverkehr und die Gesammtheit der correlativen Beziehungen vermittelt werden (II, § 45, 46). Zudem ist es bekannt, dass die geotropische Stimmung gewisser Rhizome erheblich verändert wird, wenn die bisherigen correlativen Verhältnisse, z. B. durch totale oder partielle Entfernung der oberirdischen Organe, alterirt werden (vgl. II, p. 612). Vermuthlich spielen die angedeuteten Wechselbeziehungen, wie es Rim- bachi) annimmt, öfters eine hervorragende Rolle. Dass sie aber nicht allein i] A. Rimbach, Beiträge z. wiss. Botan. von Fünfstück 1S99, Bd. 3, p. 177, so- wie die in diesem Bd. II, p. 16 citirten, seit 1893 publicirten Arbeiten dieses Forschers. — Wenn auch schon länger bekannt war, dass Rhizome, Knollen etc. eine gewisse Tiefenlage annehmen (vgl. die bei Rimbach, 1. c. angegebene Lit.), so wurden doch erst von Rimbach nähere Studien über die Ursache dieses Verhaltens angestellt. Begreiflicherweise reagiren nicht alle Rhizome in exacter Weise, und so kommt es, dass manche Rhizome, sogar bei Gleichheit der Bedingungen, in Bezug auf die Tiefen- lage einen grösseren Spielraum zeigen. So erklärt es sich vielleicht, dass P. E. Müller (Botan. Centralbl. 1896, Bd. 66, p. 22) eine Regulirung der Tiefenlage durch die reactionelle Eigenthätigkeit verwirft, also die Tiefenlage durch zufällige, mechanische Bedingungen zu Stande kommen lässt, unter denen die Arbeit der Regenwürmer (die ohne Frage eine accidentelle Rolle spielt) von hervorragender Bedeutung sein soll. Thatsachen über das subterrane Leben und die Tiefenlage finden sich ausserdem z. B. bei T. W. C. Areschoug, Beitr. z. Biolog. d. geophüen Pflanzen 1896; Goebel, ürganographie 1898, p. 646. 43* 676 K.ap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. und in allen Fällen entscheidend sind, beweisen schon diejenigen Rhizome, deren geotropische Reaction durch die Beleuchtung verändert wird, sowie die Erfah- rung, dass die Tiefenlage auch mit der Beschaffenheit des Bodens variiren kann. Jedenfalls muss es möglich erscheineil, dass die tropistische Stimmung, ebenso- gut wie die Wachsthums- und Gestaltungsthätigkeit des subterranen Wurzel- und Sprosssystems, durch die Beschaffenheit des Bodens (Dichte, Durchlüftung, Sauerstoffgehalt, Kohlensäuregehalt etc.) beeinflusst wird (I, p. 135). Derartige Beeinflussungen haben ja auch zur Folge, dass das Wurzelsystem einer Pflanze, trotz verschieden tiefer Aussaat oder Einpflanzung, eine bestimmte Tiefenlage an- strebt (I, p. 139). Wahrscheinlich wirken hierbei vielfach die correlativen Be- ziehungen zu den oberirdischen Organen regulirend mit. Speciell bei der Be- stockung des Getreides soll nach Schellenberg i) dieser regulirende Reiz- einfluss durch die Beleuchtung der bezüglichen Blätter geschaffen werden. Aber nicht nur Rhizome, sondern auch Zwiebeln, Knollen u. s. w., die keine auffällige Krümmungs- und Bewegungsfähigkeit besitzen, stellen mit der Zeit annähernd wieder die normale Tiefenlage her, wenn die bedeckende Boden- schicht reducirt oder vermehrt wird. Das wird, wie schon mitgetheilt wurde (11, p. 16, u. die hier citirte Lit.), wenigstens zum Theil dadurch erreicht, dass die Knolle etc. durch die Verkürzung der Zugwurzeln tiefer in den Boden gezogen wird. Indem aber nach Rimbach bei einer gewissen Bodentiefe diese Zugwurzeln nicht mehr entstehen oder eine horizontale Lage annehmen, ist dafür gesorgt, dass auf diese Weise die Knollen u. s. w. nur bis zu einer be- stimmten Tiefe befördert werden. Selbstverständlich kann sich eine solche Be- förderung auch mit anderen Bewegungsmitteln combiniren. I In der Luft befindliche Stengel. Da auf die oberirdischen Organe, neben der Schwerkraft, auch das Licht einwirkt, so gestallen sich bei ihnen die Ver- hältnisse complicirter, besonders auch desshalb, weil für die Orientirung nicht nur die tropistische, sondern auch die diffuse Lichtwirkung, und zwar in ver- schiedener Weise imd in verschiedenen Combinationen, in Betracht kommt (II, § 107 — 109, 126)2). Auch kann an den oberirdischen Organen durch die mechanische Wirkung des Eigengewichts eine gewisse oder auch eine weitgeh- ende Ablenkung von der anderweitig angestrebten Orientirung bewirkt werden (II, p. 657). Analog wie bei den Wurzeln, ist auch bei den oberirdischen Sprossen zur Erzielung der Verticalstellung in der Regel die Reizwirkung der Schwer- kraft, in diesem Falle also der negative Geotropismus, nutzbar gemacht 3). Die 1) H. C. Schellenberg, Untersuch, üb. d. Lage der Bestockungsknoten beim Getreide 1902, p. 21 (Sep. a. Forschung, a. dem Gebiete d. Landwirthschaft). Vgl. dieses Buch Bd. I, p. 139. 2) Wir lassen im Folgenden die Feuchtigkeitsverhältnisse, die mechanische Wir- kung des Windes u. s. w. unberücksichtigt, die bei der Richtung oberirdischer Organe im allgemeinen nicht oder doch nur secundär in Betracht kommen. Ueber die Richt- wirkung des Hydrotropismus in gewissen Fällen vgl. Bd. II, §.116. 3) Ueber Vorkommen und Fehlen von Geotropismus und Heliotropismus vgl. Bd. II, § 110. 112. Aus diesen Angaben ist auch z. Th. die Betheiligung dieser Factoren bei Richtungsbewegungen zu ersehen. — Nähere Angaben über Gestaltung, Symmetrie und Richtungsverhält.nisse finden sich u. a. in den Bd. II, p. 3 citirten Lehrbüchern etc. § I3i. Specielle Fälle. 677 Seitensprosse behalten dann entweder die plagiotrope Lage, die sie vermöge der Eigenrichtung annehmen (11, § 119), oder werden durch aitiogene Einflüsse in eine bestimmte Gleichgewichtslage übergeführt (vgl. II, § 1 07). Letzteres pflegt auch bei vielen Laubblättern der Fall zu sein, bei denen in zweck- entsprechender Weise die orientirende Wirkung des Lichtes in den Vordergrund tritt. Uebrigens vermag die heliotropische Wirkung auch an geotropisch gerich- teten Sprossen eine starke Ablenkung zu erzielen (II, p. 574, 617). Die Blattorientirungen lassen wir vorläufig unberücksichtigt und wenden uns den Richtungsursachen der Stengel, mid zwar zunächst den Ausläufern uud den sogenannten kriechenden Sprossen zu^j. Bei diesen wird, ana- log wie bei den Rhizomen (II, p. 675), die horizontale oder schief aufsteigende Lage in vielen Fällen durch einen transversalen Geotropismus verursacht, der entweder im Dunkeln und am Licht (z. B. bei Fragaria vesca, grandiflora) un- verändert bleibt oder sich (z. B. bei Lysimachia nummularia, Polygonum avicu- lare, Rubus caesius, Vinca major, Stachys sylvatica) derart ändert, dass im Dunkeln eine mehr oder minder verticale, am Lichte aber eine schief aufsteigende, eine horizontale oder sogar eine abwärts geneigte Lage zu Stande kommt. Dem- gemäss findet man im Freien die Sprosse der zuletzt genannten Pflanzen an sehr sonnigen Standorten dem Boden angepresst, und zwar zum Theil selbst dann, wenn sie sich zu diesem Zwecke abwärts neigen müssen, während sie an schattigen Localitäten (auch schon zwischen Gras) mehr oder minder aufstre- bend gerichtet sind. Auch kann man durch Verdunkelung oder Beleuchtung jeder- zeit veranlassen, dass der actionsfähige Theil des Sprosses allmählich (in 1 — 2 Tagen) in die den Beleuchtungsverhältnissen entsprechende geotropische Gleich- gewichtslage übergeht. Die Befähigung zu diesem geotropischen Stimmungswechsel durch die Beleuch- tungist natürlich specifisch verschieden ausgebildet und kann sich sogar bei derselben Pflanze mit den Entwickelungsbedingungen, der morphologischen Dignität u. s. w. derart ändern, dass z. B. bei Glechoma hederacea die im Frühjahr entstehen- den Ausläufer bei Verdunkelung eine erhebliche, die späterhin entstehenden aber eine geringe oder gar keine geotropische Aufrichtung ausführen 2). So ist es zu verstehen, dass Czapek (1. c.j bei dieser Pflanze, ebenso bei den Ausläufern von Potentilla reptans, bei Verdunkelung keine Lagenänderung beobachtete, die von Maige (1. c. p. 340) auch bei der letztgenannten Pflanze gefunden wurde. Bei gewissen Pflanzen wird aber eine Modification des Geotonus durch die Temperaturverhältnisse hervorgerufen. Auf diese Weise wird erzielt, dass sich die aufstrebenden Sprosse von Veronica chamaedrys, Lamium purpureum bei erheblicher Erniedrigung der Temperatur ansehnlich, sogar bis zur Horizontal- i) A. B. Frank, Die natürl. wagerechte Richtung etc. i870, p. 17; Botan. Ztg. 1873, p. 36; Fr. Czapek, Sitzungsber. d. Wien. Akad. 1S9Ö, Bd. 104, Abth. I, p. 1234, 1249 ; Fr. Oltmanns, Flora 1897, p. 24; A. Maige, Annal. d. scienc. naturell. i9ü0, VII ser., Bd. 11, p. 334. [Massart, L'irritabilite d. plantes superieures 1902, p. 13.] 2) Maige, 1. c; Oltmanns, 1. c. p. 25. Ueber den Einfluss innerer u. äusserer Bedingungen auf die Bildung von Ausläufern vgl. Maige, 1. c; Goebel, Organo- graphiel90l, p. 640. [Klebs, Willkürliche Entwickelungsänderungen bei Pflanzen 1903.] 678 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Stellung senken (Bd. II, p. 495). Die auf diese Weise und die durch den photischen Stimmungswechsel verursachten geotropischen Bewegungen werden sich also entgegenarbeiten, wenn ein Organ, das eine photische und thermische Um- stimmung erfährt, gleichzeitig in erhöhte Beleuchtung und in erhöhte Temperatur gebracht wird. Frank (1. c, vgl. auch II, p. 560), der zuerst die Orientirung der behandelten Sprosse näher untersuchte, erkannte richtig, dass die constante diatrope Lage diu'ch Transversalgeotropismus verursacht wird, während er die mit der Be- leuchtung veränderliche Lage aus dem Antagonismus von negativem Geotropismus und dem mit dem Lichte veränderlichen negativen Heliotropismus zu erklären suchte. Thatsächlich handelt es sich aber in diesem Falle um eine geo- tropische Gleichgewichtslage, die sich mit dem Lichte ändert, weil die geotropische Stimmung durch das Aussenmaass der Beleuchtung modificirt wird. Es folgt dieses, wie Czapek^) darthat, unter anderm dai^aus, dass die fraghchen Lagen- änderungen bei Lichtwechsel auch dann eintreten, wenn für allseitig gleiche Be- leuchtung gesorgt ist, und dass am Klinostaten (nach Eliminirung der einseitigen SchwerkraftwLrkung) die fraglichen Orientirungsbewegungen, trotz des diffusen Beleuchtungswechsels, unterbleiben. Unter diesen Umständen reagiren sogar die Sprosse von Lysimachia nummularia und verschiedener Pflanzen bei einseitiger Beleuchtung schwach positiv (Czapek, 1. c. p. 1236), die kriechenden Sprosse einiger anderer Pflanzen schwach negativ hehotropisch (Maige, 1. c. p. 358). Die Ausläufer und kriechenden Sprosse der Mehrzahl der oben genannten Pflanzen sind nach Czapek und Maige von Haus aus physiologisch radiär und werden erst durch die Ueberführung und das Verharren in der plagiotropen Stellung (in analoger Weise wie der Epheu vgl. II, p. 661) transitorisch dorsiventral^). Ist mit dieser transitorischen Induction, wie es öfters der Fall sein dürfte, ein gewisses epinastisches Krümmungsbestreben verknüpft-^), so wird dieses bei der Orientirung ebensogut eine Bolle mitspielen, wie der etwa vorhandene positive oder negative Heliotropismus. Dasselbe gilt für das Eigengewicht, durch das die dünnen Ausläufer bei grösserer Länge unvermeidlich mechanisch hei'abgebogen werden (II, p. 657), während die active Erhebung der kürzeren Sprosse zeigt, dass sie das statische Moment des Eigengewichtes zu überwinden vermögen. Jedenfalls wii*d aber durch diese und andere Factoren nur eine Abweichung von der geotropisch angestrebten Orientirung bewirkt. In der besprochenen Weise wird die plagiotrope Orientirung nicht einmal bei allen ausläuferartigen und rhizomartigen Organen hergestellt 4). Jedenfalls sind aber die Laubblätter und andere klinoheliotropische Objecte (II, § 107, 109) Beispiele dafür, dass eine gegen das Loth geneigte Lage durch die überwiegende, tropistische Wirkung des Lichtes erzielbar ist. Ebenso kommt unter den in der Natur gebotenen Bedingungen häufig aus dem Zusammenwirken von negativem Geotropismus und negativem Heliotropismus eine (in Bezug auf das Loth) plagio- trope Stellung zu Stande. Das ist auch der Fall, wenn ein parallelogeotropes 1) Czapek, 1. c. p. 1235. Vgl. ferner Oltmanns, sowie Maige, 1. c. 2) Ueber Stimmungswechsel durch Licht und andere Ursachen siehe Bd. II, § 121, 122; vgl. auch Bd. H, p. 508. 3) Maige, 1. c. p. 340; Czapek. 1. c. p. 1235; de Vries, Arbeit, d. botan. Instit. in Würzburg 1872, Bd. 1 , p. 271. 4j Ueber die Ausläufer von Mucor stolonifer vgl. Bd. II, p. 565, 576. § 131. Specielle Fälle. 679 Organ durch einseitige Beleuchtung zu einer positiv heliotropischen Krümmung veranlasst wird (II, p. 556). Marchautia. Als Beispiel für die Orientirung durch die Beleuchtung sollen hier die plagiotropen Sprosse (Thallome) von Älarchantia polymorpha be- sprochen werden 1). Nachdem der Thallus einmal durch die einseitige Beleuch- tung stabil dorsiventral inducirt ist (Bd. II, p. 181), verhält er (sowie seine Aus- zweigungen) sich wie ein inhärent dorsiventrales Organ, das gegenüber dem Lichte eine ähnliche Gleichgewichtslage annimmt, wie selbstbewegliche Laubblätter (II, § 132). Bei guter Beleuchtung findet man demgemäss den Thallus an- nähernd senkrecht gegen die Lichtrichtung, also unter normalen Verhältnissen plagiotrop gegen die Lothlinie orientirt. Dass aber die Beleuchtung in ent- scheidender Weise die Orientirung beherrscht, geht daraus hervor, dass sich der Thallus stets plagiophototrop einstellt, also auch dann, wenn er dadurch gegen- über der Schwerkraftrichtung in eine inverse oder beliebige andere Situation gebracht wird 2] . Zudem kommt die plagiophototrope Orientirung auch am Klinostaten, d. h. bei Eliminirung dieser einseitigen Schwerkraftwirkung, zu Stande. Der Thallus reagirt indess auch geotropisch, wie sich daraus ergiebt, dass er sich (auch wenn er nicht etiolirt ist) im Dunkeln senkrecht aufrichtet, während mit Zunahme der Beleuchtung die Neigung gegen die Verticale zu- nimmt (Sachs, Czapek 1. c). Im näheren ist aber noch nicht entschieden, ob der Thallus stets negativ geotropisch reagirt, ob sich also negativer Parallelo- geotropismus und Plagiophototropie entgegenarbeiten, oder ob (wie Czapek an- nimmt) mit der Beleuchtung die geotropische Stimmung in ähnlicher Weise wechselt, wie bei gewissen Ausläufern (II, p. 677), so dass sich unter normalen Verhältnissen bei der Erreichung der Ruhelage Plagiogeotropismus und Plagio- phototropismus unterstützen. Die Versuche von Sachs (1. c. p. 2 44) ergaben, dass sich der Thallus von Marchantia bei Anwendung einer Centrifugalkraft von ca. S^s S {^^'^ gewöhnlicher Beleuchtung) annährend senkrecht gegen die (horizontale) Richtung der Fliehkraft stellt, während die einer schwächeren Centrifugalvvirkung ausgesetzten (dem Mittel- punkt der rotirenden Scheibe genäherten) Objecte eine gegen das Loth und gegen die Centrifugah'ichtung geneigte Lage annahmen. Dabei bleibt aber unentschieden, ob der Erfolg durch das Zusammenwirken von Plagiogeotropismus oder negativem Parallelotropismus mit der orientirenden Lichtwirkung erzielt wurde 3). Wie der Thallus bei einer allseitig gleichen Beleuchtung auf den Richtungsreiz der Schwer- i) Sachs, Arbeit, d. botan. Instit. in Würzburg 1879, Bd. 2, p. 229; Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 260; Sitzungsber. d. Wien. Akad. 1895, Bd. 104, I, p. 1238. 2) Demgemäss wird sich ein horizontal (mit der Oberseite nach oben) aufgestellter Thallus bei schiefer Beleuchtung senken , wenn die morphologische Spitze der Licht- quelle zugewandt ist, während eine Hebung des Thallus eintritt, wenn die fortwachsende Spitze umgekehrt gerichtet ist. Bei Beachtung des Gesagten sind auch leicht die Gleichgewichtslagen abzuleiten, welche die auf den verschiedenen Flächen eines Torf- würfels erzogenen Pflänzchen bei normaler und einseitiger Beleuchtung annehmen. Vgl. Sachs, 1. c. p. 232. 3) Ausserdem ist zu beachten, dass in diesen Versuchen die sich aus Centrifugal- wirkungund Schwerkraft ergebende Resultante in Betracht zuziehen ist. Vgl. Bd. II, p. 566. 680 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. kraft reagirt, ist noch nicht sichergestellt. Ein Versuch von Cz-apek (1. c. 1898, p. 263), aus welchem dieser folgert, dass sich speciell die am Klinostaten er- zogenen radiären Thalluslappen (II, p. 182) diageotrop verhalten, ist nicht ein- wandsfrei. Mit der Constatirung, dass die plagiotrope Orientirung schon allein durch die einseitige Beleuchtung verui'sacht wird, ist natürlich noch nicht entschieden, ob dieser Effect durch eine einzelne Reizwirkung oder durch das Zusammen- wirken verschiedener Reizwirkungen des Lichtes erzielt wird (II, § 10 8). Beachtet man, dass der Thallus in die plagioheUotrope Lage immer übergeht, gleichviel, ob er zu diesem Zwecke eine convexe oder concave Krümmung der morphologischen Oberseite annehmen muss, so ist klar, dass einem (mit der Dorsiventralität zusammenhängenden) epinastischen oder hyponastischen Krüm- mungsbestreben keine entscheidende Bedeutung zukommen kann. (Vgl. auch das fernerhin über Epheusprosse Gesagte.) Indess ist durch die bisherigen Unter- suchungen noch nicht ermittelt, ob der im Dunkeln erzogene Thallus im Lichte (bei allseitig gleicher Beleuchtung) durch Photonastie (II, § 96) eine epinastische Einkrümmung erfährt, die bei Steigerung der diffusen Beleuchtung zunimmt. Durch die Plagiophototropie ist es natürlich bedingt, dass die Orientirungsbe- wegung des Thallus, je nach der Aufstellung gegen die Lichtquelle, dieser zu- gewandt oder abgewandt (im positiven oder negativen Sinne gerichtet) sein muss (II, § 107). Bei Beleuchtung der Unterseite erfährt diese demgemäss so lange eine concave Einkrümmung, bis die normale Orientirung der Oberseite gegen das Licht hergestellt ist^). Diese Reaction können wir indess nicht als positiven Heliotropismus ansprechen, weil die Bewegung nur anfangs gegen die Lichtquelle gerichtet, späterhin aber von dieser abgewandt ist. Wir müssen eben bekennen , dass wir auch in diesem Falle nicht den Complex von Factoren durchschauen, der bewirkt, dass eine Störung diejenigen Reactionen hervorruft, welche auf die Wiederherstellung des Gleichgewichts (der plagiophototropen Licht- orientirung) berechnet sind. Bemerkt sei noch, dass Sachs (1. c. p. 239) die Plagiotropie des Marchantia- thallus durch das Zusammengreifen von negativem Geotropismus, positivem Heliotropismus der Unterseite und Epinastie der Oberseite, Czapek (1. c. 1898) aber durch das Zusammenwirken von Diaphototropismus, photonastischer Epinastie und dem mit der Beleuchtung variabeln Diageotropismus zu Stande kommen lässt. Es ist aber zu beachten, dass in den wichtigen Untersuchungen von Sachs, sowie auch fernerhin, die Fragen nicht so weit zergliedert und präcisirt wurden, als es in Obigem geschah, und dass demgemäss die empirische Klar- stellung verschiedener Punkte noch aussteht. Uebrigens sind die Inflorescenzstiele von I\larchantia parallelogeotrop sowie paralleloheliotrop und nelmien bei schiefer Beleuchtung, in Folge der relativ hohen heliotropischen Empfindlichkeit, eine nahezu der Lichtrichtung parallele Lage ein (Sachs, 1. c). Die Orientirung des Prothalliuius der Farne wird ebenfalls durch den Plagioheliotropismus beherrscht, und wie bei Marchantia wird durch die ein- seitige Beleuchtung der Unterseite das Bestreben hervorgerufen, die Oberseite durch eine entsprechende Einkrümmung wiederum in die Lichtstellung zu bringen 2). 1) Diese Wendungen wurden schon beobachtet von M. Mir bei, Rech, anatom. et physiol. sur le Marchantia 1835, Sep. aus Nouvell. Annal. d. Museum d'Histoire naturelle Bd. I. Vgl. ferner Czapek, 1898, I. c. p. 262. 2) Leitgeb, Flora 1877, p. 174; 1879, p. 317. § I3i. Specielle Fälle. 681 Da aber bei dem Prothallium die Dorsiventralität nur labil inducirt ist, und durch Beleuchtung der Unterseite allmählich umgekehrt wird (II, p. 182), so wird auf diese Weise zugleich die normale Orientirung des bildungsthätigen und actionsfähigen Theiles des Prothalliums hergestellt. Eine Orientirungsbewegung unterbleibt demgemäss, wenn sie nicht bald nach Beleuchtung der Unterseite zur Ausführung kommen kann. Hedera helix^). Auch bei dem Stengel dieser Pflanze wird durch ein- seitige Beleuchtung eine labile Dorsiventralität inducirt (II, p. 1 86) und im Zu- sammenhang damit eine plagiotrope Orientirung des Sprosses verursacht. Dem- gemäss pressen sich die aufstrebenden Sprosse der verticalen Mauer an und krümmen sich, wenn sie über diese hinauswachsen, derart vom Lichte hinweg, dass sie eine aufstrebende oder horizontale Lage gewinnen, um dann bei weiterer Verlängerung durch die eigene Last herabgebeugt zu werden 2). Da die Sprosse bei allseitig gleicher Beleuchtung (am Klinostaten) radiär bleiben (Czapek 1. c. 1895, p. 1236), und da ferner die Dorsiventralität durch Beleuchtung der Unterseite umgekehrt werden kann, so ist erwiesen, dass es sich um eine labile und localisirte Induction handelt 3). Ist somit das Licht zur Induction der Dorsiventralität nothwendig, so ist doch nicht endgiltig entschie- den, ob, wie es scheint, die dorsiventrale Induction und die plagiotrope Orien- tirung schon allein durch die einseitige Beleuchtung bewirkt werden kann, oder ob die Mitwirkung des Schwerkraftreizes bei beiden Vorgängen oder nur bei den Orientirungsbewegungen in irgend einer Weise erforderlich ist. Thatsächlich reagiren die Sprosse von Hedera geotropisch, jedoch werden sie von Sachs (1. c. p. 269) als negativ, von Czapek (1. c. 1898, p. 358) als transversal geotropisch angesehen. Wenn aber, wie Sachs (1. c, p. 20 4) an- giebt, bei Flankenstellung (d. h. bei horizontaler Lage der Krümmungsebene, also vermuthlich auch bei Eliminirung des geotropischen Reizes) nur eine geringe epinastische Einkrümmung eintritt, während bei verticaler Aufstellung des apicalen Sprosstheiles die Krümmung sowohl im Dunkeln als im Licht so weit geht , dass allmählich die plagiotrope Lage hergestellt wird, so darf man auf eine plagiogeotrope Reaction schliessen, die nicht, wie bei gewissen Ausläufern, durch diffuses Licht modificirt wird. Dieser Plagiogeotropismus muss aber mit der inducirten Dorsiventralität zusammenhängen, da die radiären Sprosse augen- scheinlich parallelogeotrop reagiren. 1) Sachs, Arbeit, d. botan. Instit. in Würzburg 1879, Bd. 2 , p. 257; Czapek, Jahrb. f. wiss. Botan. -1898, Bd. 32, p. 258; Sitzungsber. d. Wien. Akad. ^89^, Bd. 104, I, p. 1236; Oltmanns, Flora 1897, p. 26. 2) Das hypocotyle Glied , sowie die Blüthensprosse werden nicht dorsiventral und reagiren geoparallelotrop. 3) Voraussichtlich hängt es mit der langsamen Krümmungsthätigkeit und der verhältnissmässig schnellen Umkehrung der Dorsiventralität zusammen , dass bei Be- leuchtung der Unterseite des Epheusprosses nur eine geringe Hinkrümmung zur Licht- quelle und dann eine Wegkrümmung vom Lichte erfolgt (Sachs, l. c. p. 267). Der Epheuspross verhält sich also wie ein Farnprothallium, das bei Beleuchtung der Unterseite an der Ausführung der zunächst angestrebten Orientirungsbewegung ver- hindert ist. 6g2 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Falls die einseitige Beleuchtung zur plagiotropen Orientirung ausreicht, so haben wir diese Reaction (ebenso wie bei Marchantia etc.) wiederum als Plagio- phototropismus zu bezeichnen. Dabei bleibt offen, ob dieser durch eine einfache Auslösung zu Stande kommt, oder ob vielleicht die plagiotrope Lage aus dem Zu- sammengreifen einer durch die (diffuse) Beleuchtung geförderten Epinastie und einer positiv heliotropischen Reaction oder aus anderen Combinationen resultirt (II, § 10 9). Auch ist es noch fraghch, in wie weit etwa in dem dorsiventral indu- cirten Stengel durch den Wechsel der diffusen Beleuchtung eine photonastische Be- wegung (II, § 96) verursacht wird. — Czapek (1. c. p. 258) lässt die plagiotrope Orientirung durch das Zusammenwirken von Phototropismus, Diageotropismus und Photonastie, Sachs (1. c. p. 266) durch den Antagonismus einer besonderen Art von negativem Hehotropismus und von negativem Geotropismus zu Stande kommen. Plagiotrope Zweige von Kraut- und Holzpflanzen. Aus der vor- stehenden Besprechung einiger plagiotroper Organe, die in ausgezeichneter Weise eine aitiogene Orientirung erfahren, ist zugleich zu ersehen, dass verschiedene Combinationen benutzt werden, und dass nicht einmal in den am besten unter- suchten Fällen alle mitwirkenden Factoren exact ermittelt sind. Das ist natür- lich noch weniger bei solchen Objecten der Fall, die minder eingehend studirt wurden, und für welche oft nur aus einigen Beobachtungen und Versuchen ab- geleitet ist, ob die Orientirung vorwiegend von der Reizwirkung des Lichtes oder der Schwerkraft ausgeht. Ohne auf Einzelheiten einzugehen sei hier nur bemerkt, dass sich z. B. die plagiotropen Sprosse von Cucurbita pepo^), Linaria cymbalaria^), Tropaeolum majus^) in den Hauptzügen und insbesondere darin an die Epheusprosse anschliessen, dass durch die einseitige Beleuchtung eine dorsiventrale Induction verursacht wird. Diese tritt allerdings bei Tropaeolum derart zurück, dass man ebensogut von einem typischen Plagioheliotropismus sprechen kann, der in Verbindung mit der negativ geotropischen Gegenwirkung die klinotrope Orientirung herbeiführt. Ebenso wie bei den radiären und labil dorsiventralen Organen ist auch bei den inhärent dorsiventralen, plagiotropen Organen die Empfindlichkeit gegen Licht und Schwerkraft in relativ ungleichem Grade ausgebildet. Im all- gemeinen ist eine überwiegende Orientirungswirkung des Lichtes besonders bei solchen Organen zu erwarten, bei denen es wichtig ist, dass sie (wie die Laub- blätter, der Thallus von Marchantia etc.) eine bestimmte Flächenorientirung gegen die Lichtrichtung annehmen. Denn diese Orientirung ist, bei der Veränderlichkeit der Lichtrichtung, mit Hilfe der Schwerkraftreizung selbst dann nicht in allen ■1) Czapek, Flora 1898, p. 427; Noll, Landwirthschaftl. Jahrb. 1901, Ergzbd. p. 425. 2) Oltmanns, Flora 1897, p. 26. 3) Sachs,!, c. p. 271. Vgl. auch Bd. II, p. 377. ^ — Einige weitere Angaben über die Induction von Dorsiventralität, sowie über die plagiotrope Orientirung von labil oder stabil dorsiventralen Sprossen finden sich in der Bd. II, p. 186 citirten Literatur. — Er- wähnt sei, dass es z. B. noch unentschieden ist, ob bei der Induction der Dorsiventralität und der plagiotropen Orientirung von Polygonatum multiflorum das Licht oder die Schwerkraft (bezw. beide zusammen) wirksam sind. Vgl. Vöchting, Bewegungen der Blüthen und Früchte 1882, p. 148; Frank, Die natürl. wagerechte Richtung von Pflanzentheilen 1870, p. 21. § 131. Specielle Fälle. 683 Fällen gewinnbar, wenn sich die geotropische Gleichgewichtslage mit dem Aus- maasse der diffusen Beleuchtung verändert (II, p. 677). Thatsächlich scheint die phototropische Reactionsfähigkeit in ansehnlichem Grade bei chlorophyllführen- den Flachstengeln und ferner dann ausgebildet zu sein, wenn' die Lichtorien- tirung des Stengels von Bedeutung ist, um die Blätter in eine gute Lichtlage zu bringen. So verhalten sich z. B. die plagiotropen Sprosse von Atropa belladonna, Pilea, Pellionia, Goldfussia anisophylla, Selaginellaij, bei denen indess zum Theil die ürientirungswirkung der Schwerkraft (die auch bei Laubblättern vorhanden ist, II, § 132) dominirt. Bei den normalerweise schief aufstrebenden (radiären oder dorsiventralen) Seitensprossen, die als Träger der sich selbstthätig orientirenden Blätter functioniren, ist aber die tropistische Lichtwirkung häufig gering 2), so dass eine seitliche Beleuchtung oft nur eine schwache oder auch keine merk- liche heliotropische Krümmung verursacht. Dabei kann eine so weit gehende geotropische Empfindlichkeit vorhanden sein, dass nach einer Ver- änderung der Lage die radiären Stengel (analog wie die Seitenwurzeln II, § i 1 0) immer wieder dieselbe Neigung gegen die Lothlinie gewinnen, und dass epina- stische Stengel eine entsprechende Orientirungsbewegung ausführen (vgl. II, § 1 09). Jedoch wird bei manchen Krautpflanzen, sowie bei vielen Holzpflanzen nur eine geringe geotropische Reactionsfähigkeit der primären oder secundären Sprosse oder auch beider gefunden, so dass die Reizwirkung der Schwerkraft öfters nur eine massige oder keine Rolle bei der plagiotropen Orientirung spielt. Bei den Bäumen (ebenso bei den Sträuchern) lassen schon der aufstrebende Wuchs und, in manchen Fällen, die plagiotropen Richtungsverhältnisse gewisser Auszweigungen erkennen, dass äussere Einflüsse und insbesondere die Schwerkraft bei der Orientirung betheiligt sind. Wenn aber, wie es sehr oft zutrifft, die Zweige (erster oder höherer) Ordnung in ganz verschiedener Neigung zur Ver- ticalen stehen und nach dem Ausbiegen in der aufgedrängten Richtung fort- wachsen, so folgt daraus, dass die plagiotrope Stellung nicht (direct) durch die tropi- stische Wirkung der Schwerkraft oder eines anderen Agens bewirkt wird. In- dess sind diese Aeste nach den ausgedehnten Untersuchungen Baranetzky's^) negativ geotropisch empfindlich, erfahren aber keine geotropische Krümmung (und stellen sich demgemäss nicht auf einen bestimmten geotropischen Grenz- winkel ein), weil gleichzeitig ein epinastisches Krümmungsbestreben ausgelöst wird, welches der negativ geotropischen (hyponastischen) Action das Gleich- gewicht hält. 1) Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 265. Vgl. auch Wiesner, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1902, p. 321; [Sitzungsber. der Wiener Akad. 1902, Abth. I, Bd. MI, p. 733]. 2) Vgl. z. B. de Vries, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1872, Bd. 1, p. 271 ; Frank, 1. c. 3) Baranetzky, Flora 1901, Ergzbd. p. 138. Ausgedehnte Versuche wurden zu- erst angestellt von Frank, 1. c. Vgl. ferner de Vries, 1. c; H. Vöchting, Organ- bildung im Pflanzenreich 1884, II, p. 4, 93; J. Wies n er, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1902. p. 321. [Wiesner, Sitzungsber. d. Wiener Akad. 1902, Bd. 111, Abth. I, p. 733.] — In der Regel spielt die tropistische Wirkung des Lichtes bei der Orientirung der Zweige keine wesentliche Rolle. 634 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. Die Existenz dieser epinastischen Ki-ümmungsbestrebung ergiebt sich dai'aus, dass Baranetzky bei allen untersuchten Holzpflanzen (Prunus, Fraxinus, Tilia, Ulmus, Philadelphus etc.) an der actionsfähigen Zweigspitze eine entsprechende Einki'ümmung eintreten sah, wenn er einen plagiotropen Zweig vertical aufwärts oder abwärts aufstellte oder denselben durch Drehung am Klinostaten der einseitigen Schwei'kraftwirkung entzog. Da stets diejenige Flanke epinastisch reagirte, die in der plagiogeotropen Lage zenithwärts gerichtet war, so handelt es sich um die Activirung einer Epinastie, die (unabhängig von dem morphologischen Bau) durch den Schwerkraftreiz inducirt wird^). Und zwar liegt eine transitorische und um- kehrbare Induction vor, wie sich daraus ergiebt, dass die Krümmung allmählich selbstthätig wieder ausgeghchen wird, und dass nunmehr sowohl die vertical auf- gestellten, als auch die am Klinostaten befindlichen Zweige in der ihnen auf- gedrängten Richtung geradlinig fortwachsen. Aus dem Unterbleiben dieser (epi- nastischen) Incurvation bei den l^unter normalen Aussenbedingungen) plagiotrop gerichteten Zweigen folgt schon, dass ein compensirendes, negativ geotropisches Krümmungsbestreben ausgelöst wird. Dieses kommt nach Baranetzky that- sächlich zur Ausführung, wenn ein Zweig horizontal gelegt wird, der zuvor vertical stand oder durch Aufenthalt am Klinostaten längere Zeit der tropistischen Reiz- wirkung der Schwerkraft entzogen war. Demnach wird die epinastische Bestrebung langsamer inducirt, hält aber, bei Sistirung des Reizes, länger an, als die negativ geotropische (hyponastische) Induction. Da nun diese epinastische Tendenz auch in vöUig geraden Sprossen besteht, so kann sie nicht, wie Baranetzky an- nimmt, durch die Krümmung ausgelöst werden, die allerdings, wo sie realisirt wird, stets eine auf die Ausgleichung hinarbeitende Gegenreaction erweckt (II, p. 365, 596). Uebrigens werden voraussichtlich in vielen Fällen durch dasselbe Agens differente Auslösungen und antagonistische Bestrebungen hervorgerufen (II, § 108, 109). Wie schon früher (II, § \ \9) hervorgehoben wurde, ist die fragliche geo- tropische Actionslosigkeit nur möglich, wenn bei Veränderung der Neigung die epinastischen und hyponastischen Bestrebungen in demselben Verhältniss zu- oder abnehmen. Da nun alle physiologischen Reactionsfähigkeiten variabel sind, so werden zur selbstregulatorischen Veränderung der Lage voraussichtlich sowohl die Modification der geoepinastischen, als auch der geohyponastischen Reaction, sowie unter Umständen wohl auch die Entwickelung einer autogenen Epinastie etc. oder anderweitiger Reactionsfähigkeiten u. s. w. verwandt ■■^). Sofern aber eine -1) Vgl. Bd. II. p. 183, 681. 21 Natürlich kann eine bestimmte Gleichgewichtslage auch durch den Antagonis- mus einer autogenen (oder auf andere Weise erzeugten) Epinastie und des negativen Geotropismus erzielt werden (vgl. z. B. Bd. II, § 132 für Blätter; über autogene Epinastie siehe auch Bd. II, § 79, 80). Aus einem solchen Antagonismus hat de Vries (1. c. p. 269 den Plagiotropismus aller Sprosse etc. zu erklären versucht (vgl. die Kritik bei Bara- netzky, 1. c. p. 141). Dieser Auffassung schliesst sich auch Wiesner (1902 I. c.) an. der, soweit ich aus der vorläufigen Mittheilung ersehen kann, die Lagenänderungen immer durch Variation der Epinastie, also bei Constanz der negativ geotropischen Action, zu Stande kommen lässt. Da diese einseitige Auffassung nicht zulässig ist, so ist somit auch die Annahme nicht gerechtfertigt , dass bei mittlerer Wachsthumsschnellig- keit die autogene Epinastie den Maximalwerth erreiche, und dass desshalb, sowohl bei weiterer Zunahme, als auch bei Verminderung der Zuwachsbewegung, die geotro- pische Aufrichtung zunehme. Ein solcher Zusammenhang besteht übrigens sicher nicht m allen Fällen (vgl. II, § 121), und wenn er sich, in zweckentsprechender Anpas- sung, bei gewissen Objecten findet, so ist damit kein Causalverständniss des physiolo- gischen Geschehens gewonnen. Uebrigens ist an verschiedenen Stellen betont, dass § 131. Specielle Fälle. 685 Krümmungsbewegung nachweislich durch den Schwerkraftreiz veranlasst wird, werden wir, unserm Principe (II, § 107) gemäss, auch in diesem Falle von einer geotropischen Reaction reden, unbekümmert um die nähei-en Vorgänge, aus welchen die Bewegung resultirt. In diesem Sinne liegt also eine positiv geo- tropische Reaction vor, wenn ein Seitenspross den decapitirten Gipfel der Tanne ersetzt (II, p. 612), oder wenn ohne Verletzung, wie es gelegentlich vorkommt, bei anderen Pflanzen gewisse Triebe sich geoparallelotropisch erheben. Beachtet man ferner, dass durch die autogene Regulation, sowie durch den directen und indirecten Einfluss der verschiedenen Aussenbedingungen, specifisch und local ver- schiedene, kleinere Richtungsveränderungen verursacht werden, so muss es be- greiflich erscheinen, dass durch die Gesammtheit dieser Factoren, in Verbindung mit der (autogenen und aitiogenen) Orientirung der Knospen i) und dem Einfluss der Aussenbedingungen auf die Ausgestaltung der verschiedenen Sprosse (vgl. II , Kap. VI, VII), sowie durch die mechanische Wirkung des Eigengewichts (II, p. 657) u. s.w., die specifischen (und doch in gewissen Grenzen veränderlichen) Gruppirungen und Orientirungen des Auszweigungssystems geschaffen werden. Dass bei längeren Zweigen durch das hohe statische Moment immer eine gewisse und zum Theil eine sehr ansehnliche Herabbeugung bewirkt wird, ist allbekannt 2). Dagegen sind die wachsthumsthätigen Zweigspitzen im allgemeinen tragfähig genug, um ein nennenswerthes Ausbiegen durch das Eigengewicht zu verhindern und um eine Aufkrümmung mit grosser Energie auszuführen ^j. Das gilt auch für die jungen Triebe von Pinus sylvestris etc., die sich nach ihrer geotropischen Aufrichtung nicht, wie Baranetzky (1. c.) annimmt, durch eine Lastkrümmung senken, da nachWiesner (1. c. p. 326) zu einer solchen Krümmung bei Pinus laricio das 15 — 30 fache des Zweiggewichts nöthig ist. Nach den Untersuchungen von Vöchting'*) und Baranetzky 5) ist es aber wahrscheinlich, dass, wenigstens bei gewissen Trauervarietäten, durch eine Last- krümmung die Senkung der Zweige erfolgt, deren Spitze nunmehr, wie bei vielen Zweigen, in der aufgedrängten, hängenden Richtung weiter wächst. Wenn es nach dem Mitgetheilten möglich erscheint, dass sogar die Zweige derselben Pflanze, je nach den obwaltenden Bedingungen, erhebliche Reactions- differenzen ergeben, so müssen doch nähere Untersuchungen aufhellen, wie es kommt, dass Frank (1. c.) bei den Zweigen verschiedener Holzpflanzen (im Dunkeln und am Licht) nach der Ablenkung eine Rückkehr in die frühere Gleichgewichtslage fand, während eine solche Rückkehr von Baranetzky (1. c.) nicht beobachtet wurde. Auch die von Frank 6) beobachteten Orientirungs- in bestimmten Fällen eine ausgesprochene und zum Theil sehr wirkungsvolle auto- gene Epinastie oder Hyponastie) vorhanden ist. Vermuthlich findet sich eine solche auch in einigen derObjecte, die Baranetzky untersuchte, und bei denen dieser Forscher keine autogene Epinastie annimmt [Wiesner, Sitzungsber. d. Wiener Akad. 1902, Bd. 111, Abth. I, p. 733]. 1] Vgl. Goebel, Organographie 1898; Wiesner, 1. c. p. 326. 2) Vgl. Bd. II, p. 667. Beispiele finden sich in denSchriften von Frank, de Vries, Baranetzky. 3) Vgl. Bd. II, p.[6d7. Wenn, wie es vorkommt [II, p. 632), die schon ausgewachsenen Zweige noch eine Aufkrümmung ausführen, so wird hierdurch die bisherige mecha- nische etc. Senkung der Aeste theilweise oder ganz ausgeglichen. 4 Vöchting, Organbildung im Pflanzenreiche 1884, II, p. 90; Botan. Zeitung 1880, p. 595. ö) Baranetzky, 1. c. p. 216. 6) Frank, 1. c. p. 22. Siehe auch Czapek, Jahrb. f. wiss. Botan. 1898, Bd. 32, p. 267. 686 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. torsionen der bereits dorsiventral inducirten Zweige von Abies-arten (II, p. 183) sind wohl sicherlich nicht, wie Baranetzky (1. c. p. 203) vermuthet, einfache, mechanische Belastungsdrehungen. (Weiteres über Torsionen siehe II, § 132.) § 132. Fortsetzung. Laubblätter. Aus der natürlichen Lage der Blätter, sowie aus der That- sache, dass diese Lage nach der Ablenkung, und zwar nüthigenfalls mit Hilfe von Torsionsbewegung, wiedergewonnen wird, ist ohne weiteres zu ersehen, dass den Laubblättern ein ausgezeichnetes Orientirungsvermügen zukommt. Diese Fähigkeit ist allerdings in specifisch verschiedenem Grade ausgebildet, und es gibt Blätter (Erica, DracophyJlum, Yiscum etc.), die nur autogen, d. h. in be- stimmter Richtung gegen den Stengel orientirt und demgemäss in verschiedenster Weise gegen die Lothlinie gestellt sind. Auf diese Blätter, sowie auf Einzel- heiten über die Orientirungsbewegungen haben wir indess nicht einzugehen, da unsere Aufgabe nur darin bestehen kann, im allgemeinen die Mittel und Wege zu kennzeichnen, die zur Orientirung gut reagirender Blätter benutzt werden i). Weil es darauf ankommt, das Chlorophyll in günstige Beleuchtungsverhältnisse zu bringen, so ist es verständlich, dass bei den photometrischen, insbesondere bei den dorsiventralen Blättern, das Bestreben zumeist dahin geht, die Blatt- fläche senkrecht gegen das stärkste diffuse Licht zu orientiren (euphotometrische Blätter AViesner's), während sich gewisse andere Blätter annähernd parallel zur Einfallsrichtung des Lichtes stellen. Wenn ein solches Streben bei bestimmten Blättern erst bei intensiver Beleuchtung bemerklich wird, so ist dieses, wie auch die Formänderung gewisser Blätter u. s. w., als eine zweckentsprechende Schutz- einrichtung aufzufassen 2). Die aitiogene Orientirungsthätigkeit der Blätter wird wiederum in der Hauptsache durch Licht und Schwerkraft verursacht. Die Thatsache, dass die gut reagirenden Blätter nach der Ablenkung auch im Dunkeln, nüthigenfalls mittelst Torsionen, annähernd die natürliche Lage wieder gewinnen ^ , beweist, dass schon der Schwerkraftreiz ^j zur Erzielung einer bestimmten Orientirung ausreicht. 1) Literat. Bonnet, Untersuchung, üb. d. Nutzen d. BLätter 1762, p. 45; M. H. Dutrochet, Rech, anatom. et physiologiques 1824, p. 126; Frank, Die natürl. wage- rechte Richtung von Pflanzentheilen 1870; Bot. Ztg. 1873, p. 72; H. de Vries, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1872, Bd. 1, p. 223; J. Wiesner, Die heliotropischen Erscheinungen 1880, II. p. 39; Biolog. Centralbl. 1899, Bd. 19, p. 1; Ch. Darwin, Bewegungsvermögen d. Pflanzen 1881; Fr. Darwin, Linnean Society Journal 1881. Bd. 18, p. 420; 0. Schmidt, Das Zustandekommen d. fixen Lichtlage blattartiger Organe 1883; F. Noll, Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1885—1887, Bd. 3. p.189u. 315; Flora 1892, Ergzbd. p. 265; H. Vöchting. Bot. Ztg. 1888, p. 501 ; G. Krabbe. Jahrb. f. wiss. Botan. 1889, Bd. 20, p. 211; Schwendener u. Krabbe 1892 (Gesammelte Abhandl. von Schwendener Bd. 2, p. 255); Oltmanns, Flora 1892, p. 231 ; Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898. Bd. 32, p. 269; Flora 1898, p. 429. [Wiesner, Biolog. Centralbl. 1903, Bd. 23, p. 209; Bericht, d. bot. Gesellsch. 1902, Generalvers. (p. 84].] 2) "Vgl. Bd. I, p. 343; Wiesner. Biolog. Centralbl. 1899, Bd. 19, p. 1. 3) Näheres in den oben citirten Schriften. 4) Dass die Centrifugalkraft ebenso wirkt wie die Schwerkraft, wurde constatirt von Dutrochet, Memoires etc., Bruxelles 1837, p. 312; Vö chting. Bot. Ztg. 1888, p. 549. Ueber Marchantia siehe Bd. II, p. 679. § 132. Specielle Fälle. 687 Jedoch überwiegt in der Regel, analog wie bei Marchantia ^11, p. 679), die Licht- wirkung derart, dass sich die Blätter plagiotrop gegen die Lichtrichtung, also so Orientiren, dass die Lichtstrahlen ungefähr senkrecht auf die Oberfläche des (dorsi- ventralen) Blattes treffen, das also bei horizontal einfallendem Licht seine Ober- fläche nach dem Horizont, bei Beleuchtung von unten nach der Erde wendet. Da dieser Erfolg eintritt, gleichviel ob die Orientirungsbewegung gleichsinnig oder entgegengesetzt zu den epinastischen Eigenbestrebungen (II, p. 556) gerichtet ist, so folgt, dass die Epinastie überwunden wird, dass also das Blatt plagiophoto- tropisch reagirt, d. h. schon allein durch den Lichtreiz zur Annahme der klino- tropen oder diatropen Lage veranlasst wird (vgl, II, § \\9). Analoge Erfahrungen und Erwägungen zeigen, dass dem Blatt ausserdem Plagiogeotropismus zukommt. Denn eine dementsprechende Orientirung tritt eben- so bei gleichsinniger, wie bei antagonistischer Richtung der geotropischen und epina- stischen Bestrebungen ein. Es ist übrigens durchaus zweckmässig, dass (abge- sehen von Epinastie u. s. w.) Plagiogeotropismus und Plagioheliotropismus in der besagten Art ausgebildet sind. Denn auf diese Weise wird unter normalen Verhältnissen bereits durch die geotropische Reizung eine Orientirung des Blattes gewonnen, die entweder schon eine günstige Lichtlage gewährt, oder doch in eine solche zumeist durch eine massige phototropische Orientirungsbewegung übergeführt werden kann. Wir haben bei diesen Betrachtungen nur die eigenen Orientirungsbewegungen der Blätter im Auge, die allein in Frage kommen, wenn der fixirte Stengel durch seine Krümmungsthätigkeit nicht mitwirken kann. Diese Blattbewegungen werden mit Vorliebe in den Stiel oder auch (z. B. bei den sitzenden Blättern) in der Lamina ausgeführt i). Da es sich zumeist um Nutationsbewegungen handelt, erlischt die IBewegungsthätigkeit mit der Wachsthumsfähigkeit. Es ist aber zweckentsprechend, dass letztere in gewissen Partien des Blattes oft ver- hältnissmässig lange anhält (II, p. 651), dass also das Blatt eine gewisse und oft eine längere Zeit nach dem Auswachsen des Stengels zu Orientirungs- bewegungen befähigt ist. Diese Befähigung bleibt bei den Blättern, die mit Variationsgelenken ausgestattet sind, gewöhnlich bis zu dem Lebensende er- halten (II, p. 650). Nach dem Mitgetheilten kann kein Zweifel bestehen, dass den Blättern Plagio- geotropismus und Plagioheliotropismus zukommt, dass also für die klinotrope Orientirung nicht, wie de Vries2) auch für die Blätter annimmt, das Zusammen- wirken von negativem Parallelogeotropismus und (autogener) Epinastie nothwendig ist. Natürlich wird aber die angestrebte plagiogeotrope Lage (ebenso die plagioheliotrope Lage u. s. w.) mehr oder minder durch anderweitige Factoren 1) Weiteres über diese Punkte, sowie über die selbständige Orientirungsthätigkeit der Fiederblättchen, findet sich in den citirten Schriften. Ueber das Wachsthum und die Wachsthumsvertheilung in Blättern vgl. auch Bd. II, p. H, und die dort citirte Lit. — Die Frage, ob die Lamina oder der Stiel, bezw. beide, den tropistischen Reiz perci- piren, ist Bd. II, p. 603 behandelt. 2) H. de Vries, 1. c. ; ebenso Wiesner, 1. c. Frank, Darwin, Vöchting, Krabbe u. A. nehmen dagegen Plagiogeotropismus und Plagioheliotropismus an. Vgl- die Bd. II, p. 686 citirte Literatur, sowie Bd. II, p. 560. 688 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. modificirt. Zu diesen gehört die oft sehr ansehnliche autogene Epinastie, die sich darin kund giebt, dass sich die actionsfähigen Blätter stark zurückschlagen, wenn sie nach Eliminirung des einseitigen Schwerkraftreizes (am Klinostaten) in die B Fig. 75. Coleus spee. Die in Fig. .4. in normaler Verticalstellnng gezeiclinete Pflanze wurde in horizontaler Lage auf den Klinostaten gebracht. In Folge der Eliminirung der geotropischen Wirkung hatten sich dann die Blätter im Laufe von 24 Stunden in die in Fig. B dargestellte Lage begehen. autogene campylotrope Gleichgewichtslage übergehen, Fig. 75 Zudem scheint die Epinastie bei gewissen Blättern (vgl II bei Zunahme , p. 556) 1). der diffusen \) Fr. Darwin, I. c. 1881. p. 426; Vöchting, 1. c. 1888, p. 534; Krabbe, 1. c. 1889, p.248; Schwendener u. Krabbe, 1. c. 1892, p. 340 u. s. w. Die Epinastie wurde schon von de Vries durch das Verhalten bei Flankenstellung (Blattfläche vertical bei Horizontallage des Blattes) ermittelt. Da beim Umkehren der Pflanze Epinastie und Plagiogeotropismus gleichsinnig zusammenwirken, so erfolgt eine schnelle fortschreitende Einkrümmung. Aus dem Bd. II, p. 679 in Bezug auf den Heliotropismus Gesagten er- giebt sich, dass man desswegen nicht von negativem Parallelogeotropismus reden kann (vgl. auch Bd. II, § 109). Erzielt man durch entsprechende Aufstellung eine derartige plagiotropistische Gleichgewichtslage, dass das Blatt stärker eingekrümmt ist als in der autocarapylotropen Gleichgewichtslage, so wird eine gewisse (hyponastische) Ver- § 132. Specielle Fälle. 689 Beleuchtung gesteigert zu werden ^). So wird vielleicht öfters durch die photo- nastische Wirkung verursacht, dass Blätter in hellem Lichte sich stärker abwärts krümmen, bei schwacher Beleuchtung und im Dunkeln aber sich erheben. Ferner bewirkt das Eigengewicht eine gewisse und zuweilen sogar eine erhebliche Senkung. Indess beweist schon die Thatsache, dass die plagiogeotrope Orientirung auch im Wasser 2) ^ also bei Umkehrung der Richtung des mechanischen Zuges eintritt, dass das Zustandekommen dieser Orientirung nicht von der Last- krümmung abhängt. Sofern nach einer Ablenkung die normale Orientirung nicht durch eine einfache Krümmungsbewegung herstellbar ist , so werden (genügende Actionsfähigkeit vorausgesetzt) comphcirte Wendungen oder wirkliche Torsionen angewandt, um das dorsiventrale Blatt (zumeist auf dem kürzesten Wege) in die ihm zukommende Gleichgewichtslage (vgl. II, § 109) zurückzuführen. Da auch diese Orientirungs- bewegungen unter Wasser 3) ausgeführt werden, so ist schon damit erwiesen, dass es sich um active Bewegungen, also nicht, wie deVries^j annimmt, um passive Drehungen handelt, die durch das Blattgewicht verursacht werden. Die OiMcntirungstorsionen werden einmal durch die Schwerki'aft (im Dunkeln) minderung der Krümmung eintreten , wenn man die Pflanze baldigst auf den Klino- staten bringt. In diesem Falle war also in der tropistischen Gleichgewichtslage keine epinastische Gegenwirkung vorhanden. 1) Vgl. Bd. II, p. 487 und die dort citirte Literatur. An dieser Stelle ist ferner mit- getheilt, dass es auch Pflanzen giebt, deren Blätter im Dunkeln sich stärker zurück- schlagen. Es ist übrigens in den meisten Fällen nicht genügend sichergestellt, inwieweit die Lagenänderung durch wirkliche Photonastie erzielt wird, oder durch die tropistischeetc. Wirkung, die sich ja ebenfalls mit der Lichtintensität ändert (II, p. 624). Ferner wird es sich bei den autogen dorsiventralen Blättern wohl in vielen, jedoch vielleicht nicht in allen Fällen um eine von dem Schwerkraftreiz unabhängige Photonastie han- deln. Sofern aber die Mitwirkung des Schwerkraftreizes nothwendig ist, kann man ebensogut von einem durch die Beleuchtung verursachten geotropischen Stimmungs- wechsel reden (II, p. 512, 614). Jedenfalls giebt es Blätter (manche Gramineen etc.), die auch bei guter Beleuchtung durch den Schwerkraftreiz in eine steil aufgerichtete Stellung gebracht werden. Die ansehnliche Rückwärtskrümmung anderer Blätter — gleichviel wie sie zu Stande kommt — verursacht, dass sich die sog. Wurzelblätter, besonders bei starker Beleuchtung, fest an den Boden pressen und sich nach dem Aus- graben der Pflanze auch wohl noch weiter zurückschlagen (vgl. z. B. Frank, 1. c. 1870, p. 45; Gh. Darwin, Insectenfressende Pflanzen 1876, p. 3i3; Wiesner, 1. c. 1880, p. 43; Fr. Darwin, 1. c. 1881, p. 430; Vöchting, Bewegungen d. Blüthen und Früchte 1882, p. 179) [F. W. Neger, Flora 1903, p. 37i;. — Früher (II, §99, 100) ist bereits mitgetheilt, dass auch durch Thermonastie, Hydronastie etc. eine Lagenände- rung bewirkt werden kann. — Die transitorischen Verschiebungen der Gleichgewichts- lage (Schlafbewegungen, II, § 96ff.) durch Licht und Temperaturwechsel lassen wir hier unberücksichtigt. — Ueber autogene Aenderung der Epinastie etc. siehe II, § 79 — 81. 2) Bonnet, 1. c. 1762, p. 61 ; Frank, Bot. Ztg. 1873, p. 53; Noll, 1. c. p. 222. 3) Siehe die in der vorigen Anmerkung citirten Schriften. 4) H. de Vries, 1. c. 1872, p. 266; Wiesner; I. c. 1882, 0. Schmidt, 1. c. 1883. Dass ein Blatt z. B. bei seitlicher Krümmung ein gewisses statisches Torsionsmoment auf den Blattstiel ausübt, ist klar. Doch zeigen die Versuche in Wasser, sowie andere Experimente, dass die Bewegungsenergie ausreicht, um mehr als die eigene Last zu überwinden. Siehe z. B. Vöchting, 1. c. 1888, p. 552 und Noll, I.e. 1885 — 1887. p. 220, 337, die gleiche Resultate auch für Blüthen erhielten. — Ferner kommen die Senkungen und Torsionen an Aesten sicher nicht in allen Fällen rein mechanisch zu Stande, wie Baranetzky annimmt (Flora, Ergzbd. 1901, p. 211, 194;. Vgl. Bd. II, p. 686. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. IT. 44 690 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. und ausserdem, und zwar in hervorragender Weise, durch eine geeignete ein- seitige Beleuchtung ausgelöst i). Das letztgenannte Reactionsvermögen ist aller- dings bei vielen Pflanzen nur bei Mitwirkimg des einseitigen Schwerkraftreizes vorhanden. Denn nach Eliminirung dieses (am Klinostaten) reagii*en die Blätter von Viola, Dahlia nicht mehr auf einseitige Beleuchtung, und hei den Blättern von Phaseolus, Soja, Acacia wird die Lichtorientu'ung (wie es in Folge der Zurück- krümmung der Blätter [II, p. 9 06] möglich ist) ohne Torsion erreicht 2). Wenn in diesen Fällen die Torsion desshalb unterbleiben dürfte, weil sie zur Er- reichung des Zieles nicht nöthig ist, so deutet doch der Indifferentismus der Blätter von Viola etc. darauf hin, dass in anderen Fällen die Befähigung zur Lichtorientirung (durch Torsion) in ii-gend einer Weise von der Mitwirkung des geotropischen Reizes abhängig ist. Dass ein solches Zusammenwirken nicht immer nothwendig ist, beweisen die Blüthen von Viola, die auch am KJinostaten durch einseitige Beleuchtung zu einer heliogenen Torsionsorientirung veranlasst wei'den^). Eine Torsionsorientirung wird aber bei den meisten dorsiventralen Blüthen nicht dm'ch Licht, wohl aber (z. B. bei Aconitum, Delphinium, Scrophularia) in aus- gezeichneter Weise durch die tropistische Reizwirkung der Schwerlo-aft ver- ursacht 4). Ebensogut wie eine Krümmung kann durch ein einzelnes tropistisches Agens auch eine Torsion, d. h. diejenige Thätigkeit erweckt werden, welche unter Um- ständen zur Herstellung der Gleichgewichtslage nothwendig ist, die bei den reactionsfähigen (physiologisch) dorsiventralen Organen nur besteht, wenn eine Seite in bestimmter Weise gegen die Angriffsrichtung des Lichts, der Schwer- kraft etc. orientirt ist^). Dieses Endziel, das wir hier allein in das Auge fassen, wird nach einer entsprechenden Ablenkung im allgemeinen durch eine complicirte Bewegungscurve erreicht, da epinastische und tropistische Krümmungen mit den Torsions- und Retorsionsvorgängen in verwickelter und local verschiedener Weise zusammengreifen ^). Aus der Einstellung gegen die Reizrichtung folgt zugleich, dass die Orientirung 1) Ueber die Bezeichnungen Geotortismus (Geostrophismus) und Heliotortismus (Heliostrophismus) vgl. Bd. II, p. 540. 2) Schwendener u. Krabbe. 1. c. -1892, p. 339. Aehnliche Resultate theilte auch schon Krabbe, 1. c. 1889, p. 244 mit. 3) Schwendener u. Krabbe, 1. c. -1892, p. 327. Auf dem Klinostaten erfahren nach Vöchting (1. c. -1888, p. .534) auch die Blätter von Malva neglecta eine ausge- zeichnete Lichtorientirung. Jedoch muss ich dahingestellt lassen , ob bei dieser Pflanze wirkliche Lichttorsionen eintreten. Gleiches gilt auch für die von Fr. Darwin (1. c. 1881, p. 426) beobachteten Lichtorientirungen am Klinostaten. — Uebrigens dürfte es noch andere Blüthen und Blätter geben, die schon allein durch den Lichtreiz zu Torsionen veranlasst werden. Vgl. z. B. Schwendener u. Krabbe, 1. c. p. 333, 348. 4) Noll, 1. c. 1885—1887; Schwendener u. Krabbe, I. c. 1892. 5) Vgl. Bd. II, § 351. Eine derartige Orientirung tritt bei emem dorsiventralen Organe nur ein, wenn es tropistisch empfindlich ist, setzt aber jedenfalls eine physiologische Dorsiventralität voraus. Da letztere in dem wahrnehmbaren Bau nicht ausgesprochen sein muss, so will es nichts sagen, dass Schwendener u. Krabbe (1. c. p. 317) bei den Blüthenstielen von Aconitum etc. einen sichtbaren dorsiventralen Bau nicht finden konnten. (Ueber die Internodien von Philadelphus vgl. II, p. 694.; Dementsprechend ist bei labilerDorsiventralität die Orientirung von der Induction jener abhängig (vgl. Bd. II, p. 681). Andererseits verhalten sich nach Vöchting (Jahrb. f. wiss. Bot. 1893, Bd. 23, p. 179) die bei schwachem Lichte ausgebildeten, kleinen Blüthen von Impatiens wie radiäre Organe. 6) Näheres über den Verlauf bei Noll, 1. c, sowie bei Schwendener 1. c. — Ueber die Retorsion u. s. w. siehe diesen Bd. II, p. 634. § 132. Specielle Fälle. • 691 im wesentlichen durch die tropistische Sensibilität des Blattes oder der Blüthe bestimmt wird, dass also eine von der Tragachse ausgehende Richtwirkung eben- sowenig eine entscheidende Rolle spielt wie bei den Seitenwurzeln (II, p. 562), die als radiäre Organe ohne Wendungen und Torsionen in die geotropische Gleich- gewichtslage gelangen. Thatsächlich lässt sich auch durch die entsprechende Lenkung der Beleuchtungsrichtung erzielen, dass ein Blatt in der phototropischen Gleichgewichtslage jeden gewünschten Winkel mit der Tragachse bildet, also dieser letzteren entweder die Oberseite, die Unterseite oder eine Seitenkante zu- wendet. Es ist aber leicht einzusehen, dass ein kataklinotropes Blatt durch den Schwerkraftreiz zumeist so orientirt wird, dass seine Oberseite, bei ver- schiedener Ablenkung der Tragachse, wieder der durch die Längsachse des Tragstengels gelegten Verticalebene zugewandt ist. Dasselbe gilt auch für die geotropisch empfindlichen, dorsiventralen Blüthen von Aconitum etc., deren Stiel (analog wie das Blatt bezw. der Blattstiel) so lange krümmungsthätig ist, bezw. tordirt, bis er und mit ihm die Blüthe die bestimmte Orientirung gegen das Loth und damit gegen die durch die Tragachse gelegte Verticalebene angenommen hati). Es sprechen somit diese und andere Erfahrungen keineswegs dafür, dass, wie No 11 2) annimmt, bei der Orientirung der dorsiventralen Blüthen (bezw. bei den orientirenden Torsionsbewegungen) ein von der Tragachse ausgehender richtender Einfluss (Exotropie) in hervorragender Weise mitwirkt. Natürlich hängt die tortistische Reactionsbefähigung von den Eigenschaften eines Organes und somit auch von den correlativen Einflüssen der Trag- achse etc. ab. Durch diese Beziehungen wird ja die zumeist inhärente morpho- logische und physiologische Dorsiventralität der Blätter und Blüthen bestimmt (II, p. 18 6). Ferner ist es z. B. eine Folge der so mannigfachen correlativen Umstimmungen (II, p. 612), dass beim Durchschneiden der Blüthenstandsachse von Orchis die der Schnittwunde zunächst stehende Blüthenknospe durch eine einfache geotropische Krümmung, also nicht (wie es sonst geschieht) durch eine geotropische Torsion, in die normale Orientirung gebracht wird 3). Ausserdem wird durch die Torsion eine Gegenreaction erweckt, die z. B. verursacht, dass die Drehung im Blattgelenk von Phaseolus nach Aufhebung des tortistischen Reizes ausgeglichen wird. Weiter giebt es auch bei den Blättern autogene Torsionen, durch welche z. B. bei den (übrigens aitiogen orientirungsfähigen) Blättern von Allium ursinum und Alströmeria die in der Knospe invers oinentirte Blattoberseite in die gewöhnUche (autogene) Lage gebracht wird'*). Der Complex von Factoren, durch den die Wachsthumsthätigkeit (bezw. bei Variationsbewegungen die Expansionsthätigkeit) so dirigirt wird, wie es die 1) Nach Czapek (Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 279) wird die Orientirungs- torsion des Blüthenstiels von Aconitum auch nach Entfernung der Blüthe ausgeführt, während R. Meissner (Bot. Centralbl. 1894, p. 12) unter diesen Umständen ein negatives Resultat erhielt. Uebrigens gilt das Gesagte auch dann, wenn einmal die Blüthe etc. das den Reiz percipirende Organ sein sollte. 2) Noll, Arbeit, d. bot. Instituts in Würzburg 1885—87, Bd. 3, p. 367; Flora 1892, Ergzbd. p. 273. Der im Text eingenommene Standpunkt entspricht im wesentlichen der Auffassung von Schwendener u. Krabbe 1892, Gesammelte Abhandlungen Bd. II, p. 255. 3) Neil, 1. c. p. 329. 4) Czapek, Flora 1898, p. 249, u. die dort citirte Lit. ; Goebel, Organographie ■1898, p. 495. — Ueber autogene Torsionen vgl. Bd. II, § 79. 44* 692 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. mechanische Ausführung einer Torsion erfordert i), ist weder für die autogenen, noch für die aitiogenen Torsionen bekannt. Jedenfalls zeigen aber z. B. die autogenen Vorgänge, dass Torsionen, wie es nicht anders zu erwarten ist, ohne Krümmungsbewegungen zu Stande kommen, die allerdings bei den uns hier be- schäftigenden Orientirungstorsionen in der Regel nicht fehlen werden. Damit ist aber nicht gesagt, dass diese Krümmungen eine Bedingung für die Reahsirung der Torsion sind, die nach Schwendener und Krabbe 2] in der Weise, wie es NolP) annimmt, nämlich durch das Zusammenwirken von zwei verschieden gerichteten Krümmungsprocessen, nicht erzielt werden kann. Dagegen ist es sehr wohl möglich, dass durch die Combination von zwei Reizen eine Torsion erzielt wird. So lehrt die Erfahrung, dass unter Umständen erst durch die Induction von stabiler oder labiler Dorsiventralität die Bedingungen für eine geogene oder heliogene Torsion geschaffen werden. Ferner giebt es, wie wir bereits ver- nahmen (II, p. 690), dorsiventrale Blätter, bei welchen die heliogene Orientirungs- torsion bei Eliminirung des einseitigen Schwerlo-aftreizes unterbleibt. Nach dem Mitgetheilten sind nunmehr, wenigstens in den Hauptzügen, die Be- wegungen und Orientirungen verständlich, welche die selbstbeweglichen Blätter aus- führen und annehmen, wenn derSpross gewaltsam oder durch seine Eigenthätigkeit in eine schiefe, horizontale oder vertical abwärts gew-andte Lage gebracht und in dieser gehalten wird. Wird z. B. eine Pflanze (Chenopodium, Coleus, Helianthus etc.) umgekehrt und die Krümmungsthätigkeit der Hauptachse verhindert, so erfahren die Blätter Jurch ihr Eigengewicht zunächst eine gewisse Senkung. Dann beginnt durch das Zusammenwirken von Epinastie und Geotropismus (bezw. Heliotropismus) eine Aufwärtskrümmung, die bei den actionsfähigen Blättern so lange fortschreitet, bis sie zurückgeschlagen und mit der morphologischen Ober- seite wiederum zenithwärts gewandt sind. Häufig wird aber diese Aufwärtsbewegung nicht durchgeführt, weil schon frühzeitig (oder erst späterhin) im Blattstiel eine Torsion eintritt, und hierdurch die normale Orientirung des Blattes hergestellt wird. Durch eine solche Torsion werden somit schon die jugendlichen Blätter der hängenden Zweige von Fraxinus, Caragana, Salix, Betula u. s. w. in die gewöhnliche Gleichgewichtslage^ gebracht. Wird aber der Stengel der genannten oder anderer Pflanzen in horizontaler Lage fixirt, so vollfühi-en die an den Seitenflanken inserirten, also nunmehr horizontal gerichteten Blätter (ausser der Lastsenkung) zunächst ebenfalls eine epinastische Rückwärtskrümmung, werden dann aber allmählich durch die Torsion des Stieles und durch eine Vorwärtsbewegung so orientirt, dass sie senkrecht oder schiefwinklig gegen die Tragachse und mit ihrer Oberseite zenithwärts gewandt sind. Die auf der Oberseite des Stengels befindlichen Blätter kommen z. Th. schon durch das epinastische (und geotropische) Zurückkrümmen in eine günstige Lichtlage. Häufig erreichen oder bewahren sie aber diese Lage nicht, son- dern werden durch seitliche Krümmungen, in Verbindung mit Torsionen, in eine ähnliche Situation wie die zuerst genannten Seitenblätter gebracht. Eine solche Orientirung gewinnen gewöhnlich auch die abwärts gewandten Blätter, die übrigens schon durch ihre Aufwärtskrümmung in eine normale Flächenstellung gelangen (vgl. Fig. 76). ■I) Vgl. Bd. II, p. 370, und die dort citirte Lit. 2) Schwendener u, Krabbe, 1. c. 1892. 3) Noll, 1. c. 4885—87 u. 1892. Vgl. auch R.Meissner, Botan. Centralbl. 1894, Bd. 60, p. 1. § 132. Specielle Fcälle. 693 Durch derartige Orientirungsbewegungen werden z. B. die Blätter an den plagiotropen Sprossen von Vinca, Glechoma, Lysimachia nummularia, Buxus, Acer, Taxus in die Lichtlage und zugleich in die bekannte, mehr oder minder zwei- reihige Anordnung gebracht, während sie an den verticalen Sprossen allseitig ab- stehen i) (Fig. 7 6). Bei gewissen anderen Pflanzen werden aber die decussirt (Deutzia, Lonicera, Philadelphus u. s. w.) oder zerstreut (Spiraea salicifolia, Kerria japonica) stehenden Blätter an den geneigten und horizontal gerichteten Sprossen durch eine Drehung der Internodien in eine genau zweizeilige Anordnung über- geführt. Die einzelnen Blätter haben demgemäss nur eine gewisse Drehung um Fig-, 76. Evonymus radicans. A ein Verticalspross mit decussirter Blattstellung. B ein horizontal wachsender Spross. die eigene Achse auszuführen, um aus der Profilstellung in die Flächenstellung überzugehen (Fig. 77). Bei diesen Vorgängen werden unnöthige Drehungen dadurch vermieden, dass unter normalen Entwickelungsbedingungen die Torsion in dem jüngeren, entwickelungsthätigen Internodium erst zu beginnen pflegt, nachdem sie in dem nächst älteren vollendet ist (Frank, 1. c. p. 16). Diese Drehung wird schon allein durch die Schwerkraft, aber auch, an den vertical stehenden Sprossen, durch eine einseitige Beleuchtung veranlasst 2). Da unter diesen Umständen die Blätter kein mechanisches Torsionsmoment auf den Stengel ausüben, so ist schon damit erwiesen, dass auch in diesem Falle die Ansicht \] Näheres besonders bei Frank, 1. c. 1870, p. U, 37, 57, 64, sowrie in den Bd. II, p. 68G citirten Schriften von de Vries, Noll, Schwendener u. Krabbe. Siehe auch die Abbildungen bei Kerner, Pflanzenleben 1887, Bd. 1, p. 387. 2) Schwendener u. Krabbe, 1. c. p. 320. 694 Kap. XIII. Tropistische Krümmungsbewegungen. von de Vries^) unrichtig ist, nach welcher die Drehung der Internodien durch die mechanische Wirlcung des Blattgewichts verursacht wird. Näheres über die thatsächlichen Orientirungsverhältnisse (vgl. besonders Go e b e 1 , Organographie 1901), sowie über das, was wir in einzelnen Fällen über die Orientii'ungsbewegungen der höheren und niederen Pflanzen und ihrer Organe wissen, ist in den Bd. II, § i \ 0 — 1 19; 131, 132 citirten Schriften zu finden (vgl. auch die Bd. II, p. 18(5 citirte Lit.). Ueber Moose und deren Protonema Fig. 77. Diervilla lonicera. Aufsiclit auf einen horizontalen Spross. An dem Verlauf der Stengelkanten ist zu ersehen, dass die Torsion in den Internodien 1, 2 und 3 ausgeführt ist. Das Internodium 4 ist noch nicht tordirt. siehe Coesfeld, Bot. Zeitung 1892, p. 192", Czapek, Jalu'b. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 265; Correns, Festschrift f. Schwendener 1899, p. 385. Eine zu- sammenfassende Darstellung der Orientirungsbewegungen der Blüthen, die zumeist in den Blüthenstielen und Inflorescenzachsen ausgeführt werden, hat Noll (Arbeit, des bot. Instit. in Würzburg 1885 — 87, Bd. III, p. 189 u. 315) geliefert 2j. Ferner 4) Vgl. diesen Bd. II, p. 686, u. die dort citirte Lit. Bei Noll (1. c p. 358) und bei Schwendener u. Krabbe (1. c. p. 3ä0j sind weitere Argumente gegen die Auffassung von de Vries zu finden. Wenn nach der Entfernung des Blattpaares die Drehung des Internodiums unterbleibt, so muss dieses entweder durch eine Veränderung der Reizstimmung im Internodium oder durch den Ausfall eines von den Blättern aus- gehenden, directiven Reizes veranlasst werden (siehe Bd. II, p. 61 4 Anmerk. . Wie es kommt, dass nach de Vries (1. c.) bei Philadelphus die Internodiumstorsion durchEntfer- nung des oberen, aber nicht durch Entfernung des unteren Blattes aufgehoben wird, ist näher zu untersuchen. — Nach de Vries (1. c. p. 272} unterbleibt die Torsion an den entblätterten Zweigen von Ulmus und Celtis, während nach Czapek (Jahrb. f. wiss. Botan. 1898, Bd. 32, p. 288) auch die entblätterten Zweige von Taxus und Picea excelsa tordiren. Sicherlich beruht auch die Orientirungstorsion der ersten Internodien der plagiotropen Zweige von Ulmus, Carpinus, Tilia etc. (vgl. Frank, 1. c. p. 9, 31; Goebel, Organographie 1901, p. 58, 82) nicht auf einer rein mechanischen Wirkung der Belastung, eine Ansicht, für die neuerdings Baranetzky (vgl. II, p. 689 Anm.) ein- getreten ist. 2) Ausserdem siehe besonders Wiesner, Biolog. Centralbl. 1901, Bd. 21, p. 801. § 132. Specielle Fälle. 695 sind die Orientiriingsbewegungen einiger dorsiventralen Blüthen in diesem Para- graphen kurz berücksichtigt. Ausserdem sind Angaben über die tropistische Empfindlichkeit einiger Blüthenstiele, sowie über den Stimmungswechsel in § 109, HO, M2, 121, 122, 79, 80 etc. zu finden. Bei vielen photometrischen Blättern wird durch die Steigerung der Licht- iiiteusität (bei directer Besonnung) eine gewisse Hebung, Senkung oder auch eine Drehung veranlasst, durch die in zweckentsprechender Weise erzielt wird, dass die Lichtstrahlen nun nicht mehr (wie bei günstiger Beleuchtung) senkrecht, sondern in einem mehr oder weniger spitzen Winkel gegen die Blattoberseite gerichtet sind^). Ein solches Verhalten ist z. B. sehr schön bei dem Fiederblatt von Robinia pseudacacia zu beobachten. Denn die Blättchen, welche bei massiger Beleuchtung in einer Ebene ausgebreitet sind, führen bei Insolation eine positiv gerichtete heliotropische Bewegung aus, die bei intensiver Besonnung so weit geht, dass beinahe eine parallelophototrope Lage (also nahezu Profil- stellung) erreicht wird, und zwar wird dieses Resultat auch dann erzielt, wenn die Sonnenstrahlen nicht gegen die Oberseite, sondern gegen die Unterseite des Blattes und der Blättchen gelenkt werden. In gleichem Sinne, jedoch nicht immer in so ansehnlichem Grade, scheinen alle mit Variationsgelenken versehenen Blätter (II, p. 488) zu reagiren. Aber auch bei den auf Wachsthumskrümmungen angewiesenen photometri- schen Blättern wirkt die Besonnung in der besagten Weise, wenn die Blätter auch zumeist nur eine massige Neigimg gegen die Lichtrichtung und nur in einzelnen Fällen eine Profilstellung annehmen, die bei Lactuca virosa, Silphium laciniatum und einigen anderen Pflanzen durch Drehung in der Blattbasis er- zielt wird. Da diese Orientirung (durch welche also die Lamina des klinotropen Blattes vertical und parallel zur Lichtrichtung gestellt wird) besonders durch die intensive Mittagsonne bewirkt wird, so findet man bei diesen sog. Compass- pflanzen an sonnigen Standorten die Blätter nach Nord und Süd gerichtet, während an schattigen Standorten sowohl diese Orientirung, als auch die Profilstellung nicht ausgebildet werden 2). Ferner die in diesem Bd. II, p. 686 citirten Schriften von Schwendener u. Krabbe, Oltmanns, Czapek, sowie Vö chting, Jahrb. f. wiss. Bot. ISSe, Bd. -17, p. 297; ^893, Bd. 25, p. 179; J. Schaffner, Bot.Centralbl.'l S98,Bd. 76,p. 22 (Helianthus);R. M eissner. Bot. Centralbl. 1894, Bd. 60, p. 1. 1) Allgemeines über die Veränderung der Gleichgewichtslage mit der Lichtinten- sität siehe II, § -IIS, 124. Näheres über die Orientirung der Blätter findet sich in den II, p. 686 Anm. citirten Schriften von Wiesner und Oltmanns, sowie in Bezug auf die Variationsgelenke in den Bd. II, p. 488 Anm. angegebenen Arbeiten. — Analog wie Blätter verhalten sich auch der Thallus von Marchantia, die Farnprothallien (II, p. 679), sowie solche Sprosse und Sprosssysteme, die ähnlich wie ein Blatt reagiren. (lieber die Sprosssysteme von Biota siehe Czapek, Jahrb. f. wiss. Bot. 1898, Bd. 32, p. 268.) — Ueber die analogen Orientirungsbewegungen des Chlorophyllkörpers von Mougeotia siehe II, § 146. 2) Stahl, Ueber sogenannte Compasspflanzen IS8I (Sep. a. d. Zeitschr. f. Natur- wiss. Bd. 13); Oltmanns, Flora 1892, p. 248; Ch. Bay, Botanic. Gazette 1894, Bd. 19, p. 251. 696 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. Wenn man auch in diesen und anderen Fällen aus der bestimmten Stellung der Organe gegen die Lichtrichtung schliessen darf, dass es sich in der Haupt- sache um eine phototropische Orientirung (in unserem Sinne) handelt, so bleibt doch unentschieden, in wie weit durch die Steigerung der Lichtintensität auch thermonastische, photonastische und anderweitige Reactionen hervorgerufen wer- den. Dass solche Reactionen auch bei intensiver Beleuchtung die Gleichgewichts- lage in erheblichem Grade modificiren können, ist schon früher gezeigt worden (II, § 97, 99). Bei dieser Gelegenheit (II, p. 4 88) ist bereits dargethan, dass und warum, wenigstens bei Robinia, die Profilstellung der Blättchen nicht durch die Wärmewirkung der Sonnenstrahlen verursacht wird. KajDitel XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasma- bewegungen. Abschnitt 1. Verlauf und Mechanik der Bewegungen. § 133. Allgemeines. Alle diejenigen Pflanzen und Pflanzentheile, die nicht an das Substrat fixirt sind, können natürlich durch Wasser und Wind weithin fortbewegt werden. Eine eigentliche active Ortsbewegung ist indess bei Blüthenpflanzen (abgesehen von den Samenfäden einiger Gymnospermen) niclit bekannt, und wird auch bei den Gefässcryptogamen und Farnen nur bei den Samenfäden gefunden. Unter den Pilzen, besonders aber unter den Algen giebt es indess zahlreiche Arten, die zu Vermehrungszwecken Schwärmzellen produciren, und bei vielen Volvo- cineen, Flagellaten, Bacterien, Diatomeen, Myxomyceten wird die Befähigung zur activen Ortsbewegung nur bei der Bildung von gewissen Dauerzuständen und Fortpflanzungsmitteln eingestellt i). Bei den meisten activen Locomotionen handelt es sich um Organismen (Schwärmzellen), die mit Hilfe von Cihen (Wimpern, Flagellen, Geissein) im Wasser herumschwimmen (Schwimmbewegungen). Jedoch giebt es aucli Organis- men, die ein festes Substrat als Stützpunkt für ihre kriecliende oder gleitende 1) Dass gewissen Pflanzen freie active Ortsbewegung zukommt, ist allbekannt. Ferner ist schon früher hervorgehoben worden, dass auch in Bezug auf Sensibilität, Stoffwechsel etc. kein bestimmter Unterschied zwischen Pflanzen und niederen Thieren besteht. Vgl. z. B. Bd. I, p. 275; II, p. 334. § 133. Allgemeines. 697 Ortsbewegung benützen. Je nachdem dann die Locomotion durch amöboide Bewegungen oder in irgend einer Weise ohne solche Formänderungen des Körpers erzielt wird, pflegt man amöboide Ortsbewegungen und (nicht amöboide) Gleit- oder Kriechbewegungen zu unterscheiden. Während solche Locomotionen von gewissen Pflanzen, und zwar theilweise unter Wasser, theilweise auf feuchtem Substrate (also an der Luft), ausgeführt werden, ist, so weit wir wissen, kein vegetabilischer Organismus zu einer realen, activen Flugbewegung in der Luft befähigt. Die genannten Typen sind übrigens nicht scharf geschieden. So kann sich der Schwärmer eines Myxomyceten abwechselnd oder gleichzeitig durch amö- boide und Gilien-Thätigkeit fortbewegen. Zudem giebt es Uebergänge zwischen den transitorisch auftretenden Pseudopodien und den typischen Gilien. Ferner sind z. ß. Infusorien bekannt, die abwechselnd frei schwimmen oder an einem festen Substrate mit Hilfe von Gilien kriechen (laufen). Ueberhaupt wird an Stelle der angestrebten Schwimmbewegung eine Gleitbewegung treten, wenn der Organis- mus derartig (durch Schleim etc.) an das Substrat befestigt ist, dass durch die motorische Energie der Gilien wohl ein Fortgleiten an dem Substrate, aber kein Abreissen von diesem erzielt wird. Auch zwischen den activen Bewegungen der festgewurzelten und der frei- beweglichen Organismen giebt es Bindeglieder. Denn wenn z. B. eine Schwärm- zelle mit der Basis einem Substrate anhaftet, vermag sie, analog wie eine fest- gewurzelte Pflanze, nur Neigungs- und Beugungsbewegungen auszuführen (II, § 76, 107, 142). Ferner lässt sich darüber streiten, ob man das Fortrücken, welches bei gewissen Desmidiaceen durch die Ausscheidung eines Gallertstieles ver- mittelt wird, als eine freie Locomotion oder als ein Fortschieben ansehen will, das bei der festsitzenden Pflanze durch eine intercalare Vegetationszone bewirkt wird (II, p. 1 1 ). Ausserdem ist bekannt, dass durch die autonomen Wachsthums- krümmungen die Fortschiebung des Fadens einer Spirogyra etc., sowie eine bestimmte Gruppirung der Fäden in einem Algenbüschel erzielt werden kann (II, § 79, 135). Zu Schwimm- und Gleitbewegungen sind auch die Dermatoplasten befähigt, während die Umkleidung mit einer starren Zellhaut die amöboiden Ortsbewe- gungen unmöglich macht, sofern nicht extramembranöses Plasma vorhanden ist (vgl. Kap. XI, § 76, 135). Innerhalb des von der Zellhaut umgrenzten Raumes spielen sich aber im Protoplasma mannigfache Bewegungen ab, die durch lebhaftes Strömen, durch langsame Lagenänderung der Organe, durch amöboide Ausgestaltungen gegen den Zellsaft u. s. w. bemerklich werden. Irgend welche sichtbare Bewegungen fehlen wohl nie, wenn sie auch zuweilen so lang- sam sind, dass man erst nach längerer Zeit eine kleine Verschiebung erkennen kann. Aber auch wenn das nicht möglich sein sollte, so wissen wir doch, dass mit dem ununterbrochen thätigen Stoffwechsel, d. h. mit der Aufnahme und der Ausgabe, sowie mit dem Umsatz und der Zertrümmerung der Stoffe, eine nie rastende Bewegungsthätigkeit verknüpft ist. Alles das geht auch in der wachsenden Zelle vor sich, in der durch das Flächenwachsthum und die Ausgestaltung der Wandung zugleich der Raum für die Bewegung und die Umrissänderung des der Zellhaut angepressten Protoplasten geschaffen wird. Zudem werden uns in der Kern- und Zelltheilung besondere Bewegungsvorgänge im Protoplasma vorgeführt (II, § 12). 698 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. Naturgemäss muss mit einer lebhaften Wachsthums- oder anderweitigen Thätigkeit nicht eine ausgiebige Realisirung derjenigen Bewegungsthätigkeiten verknüpft sein, denen andere Aufgaben zufallen. So sei nur darauf hingewiesen, dass z. B. in dem sehr thätigen Urmeristem die Plasmastrümung zu fehlen pflegt, die sich vielfach in ausgewachsenen Zellen, auch in minder thätigen, findet und oft bis an das Lebensende anhält, in anderen Zellen aber sogar nicht durch die lebhafteste Stoffwechsel- und Athmungsthätigkeit erweckt wird. Wir halten uns hier allein an die activen Locomotionen, die durch die phy- siologische Eigenthätigkeit des Objectes erzielt werden. Wir gehen also nicht auf diejenigen Vorgänge ein, in welchen die vom Organismus geschaffenen leben- den oder todten Organe etc. rein mechanisch durch Wasser, "Wind, dm'ch Quellungsbewegungen (11, § 106) etc. bewegt und fortbewegt werden. Zu diesen Vorgängen gehört unter anderm auch das Fortschleudern von Samen etc. ; selbst dann, wenn es durch den Ausgleich von Spannungen bewirkt wird, die durch die vitale Thätigkeit hergestellt wurden. Eine passive Bewegung liegt auch dann vor, wenn durch adhärirende Gasblasen verursacht wird, dass die specifisch schwereren Algenfäden im Wasser aufsteigen. Entstehen diese Gasblasen diu'ch die Kohlensäureassimilation (I, p. 291), so werden allerdings die phy- sikalischen Aufsteigbedingungen durch die physiologische Thätigkeit geschaffen. Das ist ebenso der Fall, wenn das specifische Gewicht durch die Ausbildung von lufterfüllten Intercellularräumen vermindert und hierdurch z. B. das Auf- steigen von Sprossen bewirkt wird, die sich aus Ruheknospen entwickeln, welche im Herbst, in Folge ihi'es höheren specifischen Gewichtes, auf den Boden des Gewässers sanken ^). Finden sich aber, wie es bei einigen niederen Organismen der Fall ist, in dem Protoplasten Gasvacuolen^) , so ist es wohl möglich, dass die Vergrösserung und Verkleinerung dieser Gasblasen benutzt wird, um selbst- thätig eine Hebung und Senkung des im Wasser lebenden Organismus zu ver- ui'sachen. Für die mechanische Hebung und Senkung, sowie für die Fortbewegung in Luft oder Wasser, kommen allerdings nicht allein das specifische Gewicht, sondern ebenso verschiedene andere Factoren in Betracht, zu denen insbesondere auch die Gestaltung des Körpers (Durchmesser, Grösse der Oberfläche etc.) zählen. Es wird dieses nicht nur durch die mit Flughaaren etc. ausgerüsteten Samen demonstrirt, die schon durch eine leichte Luftbewegung in die Höhe gehoben und fortgetrieben werden, sondern auch durch die Staubtheilchen, die man in einem Lichtstrahle tanzen sieht, welche sich also nur langsam senken und durch leichte 1) Vgl. z. B. Goebel, Pflanzenbiol. Schilderungen 1893. Th. II, p. 336. — Ueber die äussere Arbeitsleistung bei Bildung der Intercellularräume siehe Pfeffer. Ener- getik 1892, p. 282. 2) Ueber Gasvacuolen siehe Th. W. Engelmann, Pflüger's Archiv f. Physiolog. 1869, Bd. 2, p. 307; H. Klebahn, Flora 1893, p. 241 ; S. Strodtmann, Biolog. Centralbl. 1893, Bd. 13, p. 113; L. Celakovsky, Ueber den Einfluss des Sauerstoff- mangels auf die Bewegung einiger aeroben Organismen 1898, p. 21 (Separat, a. Bullet, internationale de l'Academie de Boheme); N. Wille, Biolog. Centralbl. 1902, Bd. 22, p. 207, 257. ;H. Molisch, Bot. Ztg. 1903, p. 47 ; G.Hinze, Ber. d. bot. Gesellsch. 1903 p. 394.1 — In wie weit durch Abnahme oder Zunahme der im Zellsafte oder im Proto- plasma gelösten Stoffe eine gewisse Verminderung oder Vergrösserung des specifischen Gewichtes eines Organismus erzielt und dadurch die Schwebfähigkeit modificirt wird, muss ich dahingestellt lassen. Vgl. K. Brandt, ßiolog. Centralbl. 189;-., Bd. 13, p. 833; F. Schutt, Jahrb. f wiss. Bot. 1899, Bd. 33, p. 680. § 134. Schwimmbewegungen mit Hilfe von Cilien. 699 Luftbewegungen schwebend erhalten werden ^). Indess ist es nicht unsere Auf- gabe, auf diese Verhältnisse und auf die physikalischen Bedingungen einzugehen, die es mit sich bringen, dass schon durch eine schwache Wasserbewegung das Sinken von kleinen (specifisch schwereren), submei'sen Gebilden verhindert bezw. überwunden werden kann. Diese und andere mechanische Vorgänge sind aber bekanntlich von hoher ökologischer Bedeutung'^). Denn die Samen, die Pollenkörner, die Sporen, die Bacterien u. s. w. werden durch die mechanische Wirkung des Windes , des Wassers etc. oft weithin verbreitet und an Orte geführt, an welchen sie sich entwickeln und wirken können. Auf diese Weise wird auch die Beförderung der selbstbeweglichen Organismen auf grössere Distanzen vermittelt, da durch die Eigenbewegung, bei ihrer absolut geringen Schnelligkeit (II, § 134), nur verhältnissmässig geringe Wegstrecken zurückgelegt werden. In dem engeren Räume können dann allei'dings die Eigenbewegungen von wesentlicher Bedeutung sein, um die Organismen an die Stellen zu führen, wo sie die besten Bedingungen für ihre Ernährung oder für ihr Wirken finden. § 134. Schwimmbewegungen mit Hilfe von Cilien. Das freie Herumschwimmen wird bei den vegetabilischen Organismen, eben- so wie bei den Infusorien etc., zumeist durch die active Bewegungsthätigkeit von Cilien, d. h. von feinen, haarfürmigen, plasmatischen Fortsätzen (Organen) er- zielt. Bieten diese Cilien bei den animalischen Organismen im allgemeinen eine mannigfachere Ausgestaltung und Differencirung, so finden sich doch auch bei den Pflanzen z. B. Verschiedenheiten darin, dass einige oder zahlreiche Cilien vorhanden sind, dass diese einzeln oder büschelförmig an ein, zwei oder mehreren Stellen inserirt oder über den ganzen Körper vertheilt sind. Da es aber alle möglichen Abstufungen giebt, so ist natürlich keine scharfe Grenze ge- zogen, wenn man die localisirt und dann meist in massiger Zahl auftretenden Cilien als Geissein oder Flagellen, die ein grösseres Flächenstück bedeckenden und dann meist zahlreichen und kürzeren Cilien als Wimpern oder Flimmern be- zeichnet 3). Bei Chlamydomonas, sowie bei vielen sexuellen und asexuellen Schwärm- zellen der Algen, sind z. B. zwei, bei den vegetativen Schwärmern von 4) Näheres bei Nägeli, Sitzungsber. d. Bayerisch. Akademie -1879, p. 389; W. Ostwald, Biolog. Centralbl. 1902, Bd. 22, p. 596. — Für die Vertheilung kleiner Orga- nismen in Wasser, somit auch des Planktons, kommen, neben den rein physika- lischen Factoren, natürlich auch die eigene Bewegungsthätigkeit, sowie die directiven und anderweitigen physiologischen Reactionen in Betracht. — Ueber die sogenannte Brown'sche Körnchen- oder Molekularbewegung vgl. F. M. Exner, Annal. d. Physik 1901, (4), II, 4, p. 843; 0. Lehmann, Molekularphysik 1889, Bd. I, p. 264; Bd. II. p. 7. — Sofern Samen, Sporen etc. nicht benetzt werden, können sie natürlich, trotz ihres höheren specitischen Gewichtes, auf dem Wasser schwimmen. Vgl. Nägeli, Beiträge z. wiss. Bot. 1860, Heft 2, p. 103; Nägeli u. Schwenden er, Mikroskop 1877, II. Aufl., p. 377. 2) Vgl. hierüber z. B. F. Ludwig, Biologie d. Pflanzen 1895. 3) Vgl. z. B. 0. Hertwig, Die Zelle u. die Gewebe 1893, p. 64. — Ueber Pseudo- podien vgl. II, § 136. 700 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. Oedogonium aber zahlreiche Geissein um den hyalinen Keinifleck (Mund- fleck) gruppirt^). Während sich bei diesen radiären Objecten der Keimfleck und die Cilien an dem einen Ende des eiförmigen Organismus finden, sind sie unter anderm bei den dorsiventralen Peridineen und Schwärmzellen der Phaeo- phyceen seitlich inserirt. Allseitig mit Wimpern bedeckt sind die vegetativen Schwärmzellen von Yaucheria^), sowie Pandorina, Volvox etc., die freilich durch die Vereinigung von zahlreichen, zwei wimperigen Schwärmzellen zu einem Indi- viduum (Coenobium) gebildet werden. Dasselbe gilt auch für Gonium (Volvo- cinee), bei dem durch die parallele und gleichsinnige Orientirung der einzelnen Zellen ein Organismus von tafelförmiger Gestalt formirt ist. Verschiedenartige Gruppirungen der Cilien zeigen ferner die Bacterienarten, die entweder an einem oder an beiden Polen eine Geissei oder ein Geissei- büschel tragen oder allseitig (diffus) bewimpert sind. Wie die zumeist bipolar bewimperten Spirillen, so sind unter anderm auch die Samenfäden der Farne Schwärmzellen von schraubenförmiger Gestalt, bei denen aber nur das Vorder- ende (diffus) mit Cilien besetzt ist. Dagegen ist z. B. das Vorderende des stab- förmigen Samenfadens der Muscineen nur mit zwei Cilien ausgerüstet. Einige der genannten Schwärmer besitzen Cilien von ungleicher Grösse und bei verschiedenen Flagellaten, Peridineen u. s. w. wird zudem eine functionelle Differenz dadurch angezeigt, dass die eine Geissei während des Schwimmens vorwärts, die andere (die sog. Schleppgeissel) rückwärts gerichtet ist. In aus- gedehnterer Weise wird aber eine formale und functionelle Differenz bei animalischen Organismen gefunden, bei denen in gewissen Fällen, neben den locomotorisch thätigen Geissein, auch Cilien vorkommen, die als Tastorgane functioniren. Ferner hat bei den höheren Thieren das Flimmerepithel nicht mehr die Locomotion des ganzen Organismus, sondern andere motorische Func- tionen zu vollbringen. Bis dahin haben sich bei allen freischwimmenden Organismen Cilien nachweisen lassen. Diese w^erden aber als die motorischen Organe dadurch gekennzeichnet, dass sie sehr lebhaft und energisch hin- und herschwingen, und dass die Schwimmbewegung des Schwärmers aufhört, wenn die Cilien nicht arbeiten oder in irgend einer Weise entfernt sind 3). Allerdings kann bei 1) Näheres ist in den verschiedenen Lehrbüchern und Specialarbeiten zu finden. Genannt mögen hier u. a. sein: Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. 28; Falkenberg in Schenk's Handbuch d. Botanik 1882. Bd. 2', p. 194 (Algen); Zopf, Die Pilze 1890, p. 61 ff.; A. Fischer, Jahrb. f. wiss. Bot. 189Ö, Bd. 27, p. 84 (Bacterien;. W. Migula, System d. Bacterien 1897, Bd. I, p. 97; D. Ellis, Centralbl. f. Bacteriolog. 2. Abth. 1902, Bd. 9, p. 346; Ueber animalische Organismen und gewisse niedere Algen vgl. 0. Büt- schli. Die Protozoen, 1880 — 1889; Ueber Flagellaten, Peridineen siehe auch A.Fischer. Jahrb. für wiss. Bot. 1894, Bd. 26, p. 230; Fr. Schutt, Die Peridineen d. Plankton- expedition 1895, p. 111. 2) Vgl. über diese E. Strasburger, Histologische Beiträge 1900, Heft 6, p. 187. 3) Ein Abreissen der Cilien gelingt öfters durch kräftiges Schütteln (Stras- burger, Wirkung des Lichtes u. der Wärme auf Schwärmsporen 1878, p. 6). Ferner führt nur der bewimperte Theü Schwärmbewegungen aus, wenn eine Schwärmzelle, wie es zuweilen vorkommt, bei dem Austreten aus dem Zoosporangium in zwei Stücke zerreisst. (Vgl. Hofmeister, 1. c. p. 29, u. die hier citirte Lit.) § ■134. Schwimmbewegungen mit Hilfe von Cilien. 701 den kleineren Bacterien die Action der Cilien nicht direct verfolgt werden. In- dess ist anzunehmen, dass auch das Schwimmen dieser winzigen Organismen durch die Bewegungsthätigkeit der Cilien bewirkt wird^). Ueberhaupt hat man in keinem bekannten Falle Grund zu der Annahme, dass das freie, active Herumschwimmen eines vegetabilischen Organismus auf andere Weise zu Stande kommt. Auch bei den Schwärmzellen der Myxomyceten wird das Schwimmen durch die Action der in Einzahl vorhandenen Cilie^), also nicht durch die gleichzeitige amöboide Bewegungsthätigkeit erzielt. Eine solche fehlt übrigens zumeist auch bei denjenigen Schwärmern, die nicht mit einer starren Zellhaut umkleidet sind. Bei dem Schwimmen, das in der Begel mit einer Drehung um die eigene Achse verknüpft ist, geht bei den einseitig bewimperten Organismen in den meisten Fällen das bewimperte Ende voraus ^j. Während also unter diesen Umständen die Cilien derart thätig sind, dass sie den Körper des Schwärmers nachziehen, müssen dieselben fortstossend wirken, wenn sie sich während der Be- wegung am hinteren Ende befinden. Dieses ist unter anderm bei Chytridiumvorax'*) sowie bei Polyphagus euglenae^) der Fall und dürfte noch öfters vorkommen, da ein solcher Bewegungsvorgang z. B. bei animalischen Samenfäden verbreitet ist^j. Allgemein, also auch bei den allseitig bewimperten Organismen, pflegt eine bestimmte Beziehung zwischen der Richtung der Hauptachse und der Bewegung zu bestehen. So geht z. B. bei Volvox") der vegetative Pol voraus, und bei den ellipsoidischen Schwärmsporen von Vaucheria sowie bei den (äquipolaren) ellipsoidischen Exemplaren von Pandorina^j fallen die Längs- ■I) Als motorische Organe wurden die Cilien bereits von Unger (Die Pflanze im Momente der Thierwerdung 1843, p. 93) angesprochen. Die einstige Auffassung Nägeli's (Gattungen einzelliger Algen 1849, p. 22), die Wimpern seien nur passiv be- wegt, wurde von C. Th. v. Siebold (Zeitschr. f. wiss. Zoologie 1849, I, p. 287) wider- legt. Auch die Annahme einiger Forscher, das Schwimmen der Bacterien komme ohne Cilien zu Stande, ist der Hauptsache nach schon durch den Nachweis der Cilien bei diesen Organismen hinfällig geworden [vgl. A. Fischer, sowie Migula, I.e.). Ob sich die Schwärmzellen von Erythotrichia, wie es Berthold (Protoplasmamechanik 1886, p. 12.0) annimmt, ohne Cilien bewegen, muss ich dahingestellt lassen. Unmöglich ist es ja nicht, dass auch durch Hervorstossen von Wasser oder auf andere Weise ein actives Herumschwimmen erzielt wird. — Ueber das Kriechen der Schwärmer von Chromophyton Rosanoffii an der Wasserfläche vgl. Wo ronin, Bot. Ztg. 1880, p. 630. — Ueber Desmidieen, Diatomeen, Oscillarien etc. vgl. II, § 1 35. 2) Näheres bei H. Plenge, Verhandl. d. naturh. medic. Vereins in Heidelberg 1899, N. F. Bd. 6, p. 216. — Einige weitere Beispiele für eine gewisse amöboide Bewe- gung sind z. B. bei Kolkwitz (Bot. Centralbl. 1897, Bd. 70, p. 186), sowie in der auf Schwärmzellen und Samenfäden bezüglichen Literatur zu finden. — Ausserdem ist bekanntlich Euglena zu metabohscher Gestaltung befähigt. — Ueber mechanische Ge- staltänderungen von Samenfäden vgl. Pfeffer, Unters, a. d. botan. Institut zu Tübingen 1884, Bd. I, p. 394. 3) Nägeli, Beiträge z. wiss. Bot. 1880, Heft 2, p. 96, sowie die auf der vorigen Seite citirte Literatur. 4) Strasburger, Die Wirkung des Lichtes und der Wärme auf Schwärmsporen 1878, p. 13. 5) L. Nowakowski, Cohn's Beiträge z. Biologie 1877, Bd. 2, p. 208. 6) 0. Hertwig, Zelle u. Gewebe 1893, p. 63. 7) 0 verton, Botan. Centralbl. 1889, Bd. 39, p. 68. 8} Pfeffer, Unters, a. d. Botan. Institut z. Tübingen 1884, Bd. I, p. 443. — Eben- n 702 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. achse des Körpers und die Bewegungsrichtung zusammen. In diesen Fällen müssen also die dauernd thäligen Cilien in harmonischer Weise zusammen- wirken, da keine Fortbewegung zu Stande käme, wenn der Schwärmer durch die motorische Thätigkeit der Cilien mit derselben Energie nach allen Seiten ge- zogen würde. Gleiches gilt für die allseitig und ebenso für die bipolar bewimperten Bacterien, unter denen sich z. B. Spirillum undula abwechselnd vorwärts und rückwärts, also so bewegt, dass einige Zeit der eine und, nach einer Ruhe- pause, der andere Pol vorausgeht i). Ob dieses dadurch erzielt wird, dass sich die beiden polaren Cilienbüschel unterstützen, dass also ein jedes Cilienbüschel abwechselnd einen vorwärts und einen rückwärts gerichteten hupuls ertheilt, oder ob alternirend die eine oder die andere Ciliengruppe motorisch thätig ist, muss empirisch entschieden werden. Uebrigens fällt in diesen und anderen Fällen die Hauptachse des Körpers entweder mit der geraden oder der gekrümmten Bewegungsbahn zusammen, oder es bewegt sich der Organismus in einer Schraubenlinie um eine ideelle Achse. Dabei ist dann die Achse des (sich dauernd um seine Längsachse drehenden) Organismus entweder parallel oder schief zur ideellen Achse der Bewegungsbahn gestellt 2). In jedem Falle handelt es sich bei der Thätigkeit der Ciüen um autogene Bewegungen, die, ebenso wie andere autonome Bewegungen (bei Constanz der Aussenbedingungen), entweder continuirlich in demselben Rhythmus fortschreiten, oder die selbstregulatorisch zeitweise (periodisch) sistirt oder umgekehrt werden 3). Ebenso wie bei anderen Bewegungen kann durch die äusseren Verhältnisse eine Modification der Wimperthätigkeit und unter Umständen eine Umkehrung der Bewegungsrichtung veranlasst werden. Ein solcher Erfolg mag gelegentlich durch eine (autogene oder aitiogene) Veränderung der Orientierung der Cilien [gegenüber der Körperachse verursacht werden. Vielleicht beruht es hier- auf, dass sich Paramaecium nach Loeb*) in umgekehrter Richtung bewegt, 'wenn es in eine 0,4 — 0,7 proc. Chlornatriumlösung übertragen wird. Ferner hat bei gewissen Organismen das Anstossen an einen festen Körper zur Folge, dass der Schwärmer (unter Umkehrung der Rotation um die eigene Achse) ein wenig zurückweicht, um dann wieder die normale Rotation und Bewegungs- so ist es bei Gonium, bei welchem die Längsachse des Körpers die kürzere Achse der Colonie ist. — Ueber Stephanosphaera siehe Cohn, Zeitschrift, f. wiss. Zoologie -1853, Bd. 4, p. 84. 1) Pfeffer, Unters, a. d. Botan. Institut zu Tübingen 1888, Bd. 2, p. 591; Migula, System d. Bacterien 1897, ßd.1, p. 108. — Eine intermittirende Bewegung ist übrigens für verschiedenartige Schwärmorganismen bekannt. Siehe z. B. Büt sc hli, l Die Protozoen 1880 — 1889, p. 850. 2) Näheres bei Nägeli, 1. c. Vgl. auch Bütschli, 1. c. p. 850. — Ueber die Bedeutung der Körperdrehung bei asymmetrischen Organismen vgl. H. S. Jennings, The American Naturalist 1901, Bd. 35, p. 369. 3) Bd. II, §79 u. 82. Vgl. ferner in Bezug auf amöboide Bewegungen und Protoplasmaströmungen II, §136. 138. 4) J. Loeb, Pflüger's Archiv f. Physiologie 1897, Bd. 66, p. 533. Nach A. Pütter (Archiv f. Anatom, u. Physiolog., Physiolog. Abthl., Supplementband 1900, p. 297) dauert dieses Rückwärtsschwimmen nur so lange, bis sich Paramaecium an die Salzlösung accommodirt hat. § 134. Schwimmbewegungen mit Hilfe von Cilien_ 703 richtung anzunehmen, die ihn von neuem gegen die Glasplatte etc. führt ^). In anderen Fällen setzt aber die Schwärmzelle die Drehung um die eigene Achse fort, wenn ihr durch eine Glasplatte etc. die Ausführung der angestrebten Vorwärts- bewegung unmöglich gemacht ist. Unter diesen Umständen verharrt nach Nägeli (1. c.) der Schwärmer auf demselben Punkte, wenn er sonst geradlinig fortschreitet, während er auf der Glasplatte Kreise etc. beschreibt, sofern er sich normalerweise um eine excentrische Achse (in einer schraubenförmigen Bahn) fortbewegt. Während in den soeben behandelten Beispielen die fortschreitende, aber nicht die drehende Bewegung sistirt wird, kommt in anderen Fällen eine Auf hebung der Drehbewegung, ohne Sistirung der Locomotion, zu Stande. Das geschieht z. B., wenn der Organismus an einem festen Substrate fortgleitet oder fort- kriecht 2). Bei dem freischwimmenden Bodo saltans-^) hat aber offenbar die nachen- förmige Körperform (die Lage des Schw^erpunktes) zur Folge, dass durch das Drehungsmoment, welches aus der Cilienthätigkeit resultirt, ein Hin- und Her- schaukeln des Organismus, aber keine Botation um die Körperachse be- wirkt wird. Da durch die Cilienthätigkeit gleichzeitig die Locomotion und die Drehbe- wegung verursacht werden, so ist es begreiflich, dass die letztere im allgemeinen keine Umkehrung erfährt, so lange der Schwärmer in derselben Bichtung fort- schreitet. Indess ist sehr wohl eine Modification der Wimperthätigkeit denkbar, durch die eine Umkehrung der Drehung ohne eine Veränderung der Bewegungs- richtung bewirkt wird. Allerdings sind die diesbezüglichen, zumeist auf bei- läufigen Beobachtungen beruhenden Angaben mit Vorsicht aufzunehmen*). Jedoch scheint bei Gonium pectorale^) eine derartige Umkehrung der Drehrichtung sichergestellt zu sein. Die Schnelligkeit und die Dauer der Bewegung sind natürlich im hohen Grade von den Aussenbedingungen abhängig (II, § 141). Während aber die Samenfäden, sowie diejenigen Schwärmzellen, die zur ungeschlechthchen Ver- mehrung von Algen, Pilzen u. s. w. dienen, nach einer gewissen, unter Um- ständen nach kurzer Zeit zur Ruhe kommen (vgl. II, § 141), lässt sich bei den Bacterien, bei den Schwärmzellen der Myxomyceten, voraussichtlich auch bei Flagellaten, Volvocineen u. s. w. durch die Culturbedingungen erreichen, ■1) Vgl. Nägeli, 1. c; Bütschli, 1. c. p. 854; H. S. Jennings, Centralbl. für Physiol. 1900, Bd. 14, p. 106. — ■ Ueber anderweitige Reizwirkungen beim Anstossen etc. vgl. II, §153. Uebrigens wird beim Zurückprallen gewöhnlich die Lage des Organis- mus verändert, so dass er beim Vorwärtsgehen nach einer etwas anderen Richtung steuert und so das Auftreffen auf die Widerlage vermeidet. 2) Siehe Nägeli, 1. c. p. 101; Bütschli, 1. c. p. 833; Schutt, Die Peridineen d. Planktonexpedition 1895, p. 117; Jennings, American Naturalist 1901, Bd. 33, p. 372 u. s. w. 3j Pfeffer, Unters, a. d. bot. Instit. zu Tübingen 1888, Bd. 2, p. 594. 4) Vgl. auch Bütschli, 1. c. p. 853. 5) W. Migula, Bot. Centralbl. 1890, Bd. 44, p. 104; Pfeffer, Unters, a. d. botan. Instit. zu Tübingen 1884, Bd. 1, p. 443. — Vgl. auch Nägeli, 1. c. p. 97. ^ 704 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. dass ein Ruhestadium nicht gebildet wird, dass sich also die Organismen wäh- rend der Schwärm thätigkeit dauernd vermehren^). Auch unter den günstigsten Bedingungen erreichen die beweglichsten vege- tabilischen Schwärmer nicht die Bewegungsschnelligkeit flinker Infusorien, rücken also absolut nur langsam fort. Denn die grüsste Schnelligkeit scheint 4 mm in 1 See. nicht zu überschreiten und oft 0,05 mm nicht zu erreichen 2). Ein Schwärmer, der sich mit 0,2 mm in 1 See. bewegt, erscheint aber unter dem Mikroskop bei 300facher Vergrösserung schon recht flink, da er in 1 See. eine Wegstrecke von 60 mm zu durcheilen scheint, obgleich er factisch in 1 Stunde nur einen Weg von 720 mm zurücklegt. Relativ, d. h. im Verhältniss zu ihrer Körpergrüsse, besitzen aber diese Organismen eine ansehnliche Bewegungsthätig- keit. Denn die flinken Schwärmer legen in \ See. leicht das 2 — 3 fache ihres Durchmessers zurück, während in 1 See. der Mensch (im Schritt) etwa die Hälfte seiner Länge, die Erde aber nur ca. V420 ihres Durchmessers durcheilt^). Da aber das Wasser, bei der geringen Grösse der Schwärmer, einen verhältnissmässig hohen Widerstand bietet (II, p. 698), so muss zur Fortbe- wegung dieser Organismen eine relativ hohe Energie entwickelt werden 4). That- sächlich vermögen die Schwärmzellen einen adhärirenden Körper mitzuschleppen, der ihre eigene Grösse übertrifft. Aus der Erfahrung aber, dass Chlamydomo- nas und Euglena erst dann der mechanischen Wirkung der Centrifugalkraft folgen, wenn diese 8 g überschreitet, bis dahin aber sich entgegen der Centri- fugalwirkung negativ geotropisch bewegen, ist zu entnehmen, dass diese Organis- men in Wasser etwa das achtfache ihres Körpergewichts zu heben vermögen 5). Zu diesem Zwecke müssen also die beiden Cilien von Chlamydomonas, bezw. die eine Cilie von Euglena, eine Bewegungsenergie entwickeln, die der Leistung der einzelnen Wimper des Flimmerepithels ^) nicht nachstehen dürfte. Diese Leistung ist verhältnissmässig ansehnlich im Vergleich zu einem Pferde, das etwa das einfache seines Körpergewichts zu heben vermag, während allerdings Insecten das 67 fache ihres Körpergewichts zu bewältigen vermögen'^). Uebrigens ist es begreiflich, dass die Thätigkeit der Cilien und damit die Locomotion des 1) Vgl. Bd. II, § 57; 13.3. — Ueber die Schwärmer der Myxomyceten vgl. Klebs, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 196. 2) NachHofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. 30, legen die Schwärmer von Aethalium septicum in i See. 0,7—0,9 mm, die von Gonium pectorale 0,046 mm zurück. Weitere Angaben bei Nägeli, Bütschli u. s. w.; siehe auch II, § 143. — Die Gleitbewegungen (11, §135), die amöboiden Bewegungen 11, § 136), die Plasmaströmung (II, §138) er- reichen die Schnelligkeit flinker Schwärmer nicht. Ebenso ist die schnellste Zuwachs- bewegung relativ langsam II, §5. [K.B.Lehmann, Centralbl. f. ßacteriol. 1903, II. Abth., Bd. 10, p. 545; Bacterien.] 3) Nägeli, 1. c. p. 30. — Kleine Insecten entwickeln übrigens eine relativ viel ansehnlichere Schnelligkeit. 4) Vgl. Pfeffer, Studien zur Energetik 1892, p. 255. 5) Fr. Schwarz, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1884, p. 60. Nach P.Jensen (Centralbl. f. Physiol. 1893, Bd. 7, p. 568) hebt Paramaecium ca. das 9 fache seines Ge- wichtes. Bei der Kleinheit dieser Organismen sind aber zur Hebung von 1 mgr 600 Paramaecien nöthig. 0) Vgl. hierüber Engel mann in Hermann's Handbuch der Physiologie Bd. I, p. 392. 7) Siehe Jensen, 1. c. § 134. Schwimmbewegungen mit Hilfe der Cilien. 705 Schwärmers schon in zähflüssigen 3Iedien sehr verlangsamt und in massig con- sistenter Gelatine unmöglich gemacht wird ^]. In jedem Falle sind die Cilien lebendige Organe, die durch entsprechendes Hervortreten aus der Leibessubstanz des Protoplasten formirt werden und nöthigen- falls ihren Weg durch die umhüllende Zellhaut finden ~). Die Cilien entstehen also in analoger Weise wie die Pseudopodien, mit denen sie durch Binde- glieder verknüpft sind. Denn wie diese werden auch die CiHen bei gewissen Organismen wieder eingezogen 3) , und es ist also wohl als ein Zeichen einer höheren Differencirung und Individualisirung anzusehen, dass die typischen CiUen vielfach abgestossen werden, obgleich sie durch die Deformationserscheinungen zeigen, dass ihre ganze Masse aus lebendiger, plasmatischer Substanz besteht. Wir haben indess nicht auf die Bauverhältnisse der aus Hyaloplasma for- mirten Cilien und ebenso nicht auf die Frage einzugehen, ob und in welchem Sinne die Entstehung der CiHen (ebenso die der Pseudopodien) von dem Zellliern, von Centrosomen oder von bestimmten Blepharoplasten abhängig ist *). Nach der Formirung sind aber die Cilien Organe, die ebenso wie andere plasmatische Gebilde selbstthätig und mit einer gewissen Autonomie arbeiten (I, p. 40). So ist es zu verstehen, dass die Wimperbewegung an kernfreien Stücken zunächst nicht stille steht und eine kurze Zeit sogar an isolirten Cilien fortgesetzt werden kann^). Indess muss die Thätigkeit der Wimpei'n, im analogen Sinne wie die Thätigkeit anderer Organe und Partialfunctionen, dem Ganzen subordinirt sein (I, § 9; II, Kap. VII), damit das schon (II, p. 702) betonte, harmonische Zu- sammenwirken zu Stande kommt. Allerdings ist bei Pflanzen noch nicht näher verfolgt, in wie weit die Wimpern in concreten Fällen isochron oder in einem gewissen Phasenunterschied schwingen, und ob es z. B. durch die Richtungs- änderung oder durch den Bewegungsmodus der Wimpern oder in anderer Weise erreicht wird, dass sich die Cilien von Volvox, Bacterien etc. in der (II, p. 702) angedeuteten Weise unterstützen. Zu diesem Zwecke müssen aber, wie leicht einzusehen ist, die Wimpern nicht gerade isochron arbeiten 6). Thatsächlich be- i; Pfeffer, Unters, a. d. botan. Institut zu Tübingen 1884, Bd. I, p. 391. 2) Ueber die Entstehung der Cihen vgl. Zimmermann, Beihefte z. botan. Centralbl. 1894, Bd. 4, p. 169; A. Fischer, Jahrb. f. wiss. Bot. 1894, Bd. 26, p. 207; 1893, Bd. 27, p. 34, 126; Strasburger, Histologische Beiträge 1900, Hefte, p. 188; Jahrb. f. wiss. Bot. 1901, Bd. 36, p 320; A. Plenge, Verhandl. d. naturhist.-medic. Vereins in Heidelberg 1899, N. F. Bd. 6, p.2l8; R. Hartwig, Archiv f.Protistenkunde1902, Bd. 1, p. 22, u. die an diesen Stellen citirte Lit. [ü. N. Maier, Archiv f. Protisten- kunde 1903, Bd. 2, p. 73.] 3) Beispiele bei Strasburger 1901, 1. c. p. 521. Nach Rothert (Bericht, d. bot. Gesellsch. 1894, p. 277) werden bei den Schwärmsporen von Saprolegnia die Cilien des ersten, aber nicht die des zweiten Schwärmstadiums eingezogen. Ueber Pseudopodien vgl. Plenge, 1. c. ; 0. Hertwig, Zelle u. Gewebe 1893, p. 26 etc.; Verworn, Allgem. Physiologie 1901, III. Aufl. p. 248, sowie Bd. II, § 186 u. s. w. — Ueber typische Pseudo- podien von Amoeba radiosa, die wie Cilien schwingen, vgl. Bütschli, 1. c. p. 836. 4) Näheres in der in Anmerkung 2 citirten Lit. 5) Thatsachen und Literaturangaben bei A. Fischer 1895, 1. c. p. 73; Plenge, 1. c. p. 261, vgl. auch dieses Buch, Bd. I, p. 44. — Ueber Infusorien vgl. ferner Ver- worn, Psycho-physiolog. .Protistenstudien 1889, p. 169; A. Fischer, 1. c; H. S. Jen- nings u. Gl. Jamieson, Biological Bulletin 1902, Bd. 3, p. 225. 6) Ueber Volvox vgl. L. Klein, Jahrb. f. wiss. Bot. 1889, Bd. 20, p. 162; W. Mi- gula, Bot. Centralbl. 1890, Bd. 44, p. 104. — Nach Migula arbeiten die Cihen der Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. U. 45 706 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. steht keine Isochronie bei den Cilien des Flimmerepithels und der dicht be- wimperten Infusorien, deren Bewegungen an ein wogendes Kornfeld erinnern, weil die Wimpern zwar in demselben Rhythmus und in derselben Richtung schwingen, aber eine jede folgende "Wimper etwas später in die Be- wegungsphase der vorausgehenden Wimper tritt. Bei den dicht bewimperten Infusorien ist aber festgestellt, dass dieser wellenförmige Rhythmus auch nach der Entfernung des Kernes eingehalten, und dass die wechselseitige Re- gulation durch das Ectoplasma vermittelt wird '). Es folgt dieses daraus, dass sich die Regulation nicht über eine Einschnittstelle fortpflanzt, während sich an einem abgetrennten Ectoplasmastücke der besagte harmonische Rhythmus erhält. Mechanik der Cilien. Um zu präcisiren, wie dui'ch die Motion der Cilien die fortbewegende Componente gewonnen wird, ist eine genauere Kenntniss des Bewegungsverlaufes nothwendig , als sie uns , abgesehen von der typischen Flimmerbewegung, zur Verfügung steht. Bei dieser wird dadurch, dass sich die in einer Ebene schwingenden Wimpern schnell rückwärts schlagen und dann langsamer in die Ausgangslage zurückkehren (also in analoger Weise wie durch die entsprechende Bewegung eines Ruders), die Vorwärtsbewegung des Organismus erzielt 2]. Es ist leicht einzusehen, dass mit einer solchen Mechanik eine Drehung des Schwärmers um die eigene Achse nicht verknüpft sein muss, dass aber eine solche Drehung sowohl durch die Körperform des fortbewegten Objectes, als auch durch die Richtung und den Modus der Cilienbewegung ver- ursacht werden kann. Bis dahin ist nicht sichergestellt, ob die typische Flimmerbewegung bei vegetabilischen Schwärmern vorkommt. Bei diesen, sowie auch bei der Mehrzahl der animalischen Schwärmzellen scheint sich vielmehr zumeist eine jede Geissei in den auf einander folgenden Zonen successive in der Weise zu krümmen, dass sie in ähnlicher Weise eine schraubenförmige Wellenbewegung ausführt, wie ein Tau, durch das man vermittelst geeigneter Schwingungen oder Stösse Spiralwellen schickt ^). Eine solche Bewegung macht natürlich in der Gesichts- feldebene des Mikroskopes den Eindruck eines weUenförmigen Hin- und Her- einzelnen Zellen eines Gonium nicht so gleichmässig und harmonisch wie bei Volvox. Obgleich bei Volvox, aber nicht bei Gonium, Plasmaverbindungen zwischen den ein-, zelnen Zellen nachgewiesen sind, folgt daraus noch nicht, dass dieselben bei Gonium fehlen. Aus einer Disharmonie der Wimperbewegungen kann man aber nicht ohne weiteres auf die Nichtexistenz von Plasmaverbindungen schliessen. Ueber die Plasma- verbindungen bei Volvox etc. vgl.Kohl, Beihefte z. botan. Centralbl. ■1902, Bd. 12, p. 345, sowie Klein 1. c; Migula 1. c; Goebel, Organographie 1901, p. 22. 1) Verworn, Psycho-physiol. Protistenstudien 1889, p. 183. — Ueber die Flimmer- bewegungen vgl. auch Engelmann in Hermann's Handbuch d. Physiologie 1879, Bd. 1, p. 385. — Ueber das Fortbestehen von tropistischer und anderer Reizbarkeit an den kernlosen Theilstücken vgl. II, § 154. 2) Vgl. Engelmann, sowie Verworn, 1. c; Bergel, Centralbl. f. Physiolog. 1900, Bd. 1 '), p. 34. Für animalische Samenfäden siehe auch V. Hensen, in Her- mann's Handbuch d. Physiologie 1881, Bd. VI, Abth. 2, p. 90. 3; Näheres bei Bütschli, Die Protozoen 1880 — 89, p. 850; Schutt, Die Peri- dineen d. Planktonexpedition 1895, p. M9; R. Kolkwitz, Botan. Centralblatt i897. Bd. 70, p. 185 u. die an diesen Stellen citirte Literatur. Vgl. auch Pfeffer, Studien zur Energetik 1892, p. 255. — Voraussichtlich werden bei dem Studium der Cilien- bewegung photographische Momentaufnahmen, wie sie bereits von Marey (Compt. rend. 1892, Bd. 114, p. 989) bei starker Vergrösserung ausgeführt wurden, sehr werth- volle Dienste leisten. § H35. Gleitbewegungen.' 707 schlängelns, das entweder nur in dem apicalen Theile oder auch in der ganzen Geissei ausgefühi't wird. Jedoch lässt sich in vielen Fällen (insbesondere nach Verlangsamung der Bewegung durch Uebertragung in niedere Temperatur oder in ein zähflüssiges Medium) der spiralwellige Verlauf der Cilienbewegung deutlich erkennen. Zuweilen wird sogar von einer Gilie eine ansehnliche transitorische (oder bleibende) , schraubenförmige Contraction vollbracht. Ausserdem giebt es Cilien, die augenscheinlich, sei es mit oder ohne spiralwellige Bewegung, Kegel- schwingungen ausführen (d. h. kreisförmige oder elliptische Kegelflächen be- schreiben). Bei den Peridineen scheint die eine Geissei wesentlich Kegel- schwingungen, die andere spiralwellige Bewegungen zu machen (Schutt, 1. c.). Beachtet man ferner, dass der Bewegungsmodus der Cilien zuweilen in sehr auffälliger Weise durch die Aussenbedingungen modificirt wird, so hat man um- somehr Grund zu der Annahme, dass der Bewegungsmodus nicht immer derselbe zu sein braucht. Es bedarf keiner besonderen Erörterungen, dass durch die spiralweUige Be- wegung der Cilie oder der Cilien, in analoger Weise wie durch die Umdrehung der Schiffsschraube, eine Vorwärtsbewegung und zugleich eine Componente ge- wonnen werden kann, die den Schwärmer um seine eigene Achse zu drehen sucht. Ebenso wie bei der Schiffsschraube wird aber auch durch den Wechsel der Umdrehungsrichtung der Geissein bewirkt werden können, dass der motorische Apparat den zu bewegenden Körper nachzieht oder vor sich hertreibt. Ausser- dem würde durch eine geeignete rhythmische Wiederholung von Contractionen oder von Kegelschwingungen eine Schwimmbewegung des Schwärmers erzielbar sein. Eine derartige Bewegung wird natürlich nicht durch eine einzelne Contraction oder Wellenbewegung verursacht, die aber z. B. dann, wenn die Cilie einen festen Stützpunkt findet, ausreicht, um ein Fortstossen des Schwäi-mers zu bewii'ken. Unter diesen Bedingungen kann auch ein wiederholtes Schnellen, sowie ein stoss- oder sprungweises Fortbewegen des schwärmenden Organismus zu Stande kommen. Wir haben bis dahin sachgemäss die Bewegung der Cilien als gegeben hin- genommen und werden erst fernerhin (II, § 137, 140), im Zusammenhang mit anderen plasmatischen Contractionen und Expansionen, besprechen, wie man sich das Zustandekommen der Cilienbewegung zu denken hat. § 135. Gleitbewegungen. Zu Gleitbewegungen, die ohne Formänderung des Körpers und ohne Action von Cilien ausgeführt werden (II, § 133), sind die meisten Diatomeen und Os- cillarieen, aber auch gewisse Desmidiaceen befähigt. Die Diatomeen und Os- cillarieen, die wir zunächst in das Auge fassen, gleiten im Wasser (oder auf nassem Boden) langsam auf einer Glasplatte oder auf irgend einem festen Substrate, das ihnen als Haft- und Stützpunkt dient. Hierbei pflegen sie nach einiger Zeit eine rückläufige Bewegung zu beginnen, bei der das entgegengesetzte Ende des bipolaren Organismus vorausgeht. Da aber die Bewegungsbahn häufig krummhnig ausfällt, so wird sich das sich hin- und herbewegende Individuum ge- wöhnlich nicht genau an demselben Platze behaupten. Sofern aber z. B. die tropistische Reizwirkung veranlasst, dass die nach der Lichtquelle hinzielende Bewegungsthätigkeit verhältnissmässig länger anhält und ausgiebiger ausfällt, 43* 708 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. wird der Organismus, trotz seines Hin- und Herbewegens, nach einem bestimmten Ziele vorrücken (II, § 142). Während der Gleitbewegung liegen die Diatomeen und Oscillarieen mit einer Längsseite ganz oder theilweise dem Substrate an, können sich aber gelegent- lich so weit abheben, dass nur noch das eine Ende an der Unterlage haftet. In dem einen wie in dem anderen Falle pflegen zwar nicht die Diatomeen i), wohl aber die Oscillarieen eine Drehung um die eigene Längsachse auszuführen, die (wie bei den Schwärmzellen) genetisch mit der motorischen Thätigkeit ver- knüpft ist und demgemäss mit der Bewegungsrichtung eine Umkehrung erfährt. Sowohl bei den starren Diatomeen, als auch bei den (elastisch) flexibeln Oscilla- rieen geht die Fortbewegung ohne nennenswerthe Krümmungen des Körpers von statten, die aber bei den flexibeln Oscillarieen rein mechanisch erzeugt werden, wenn der bewegungsthätige Faden auf Widerstände stösst oder in irgend einer Weise vorübergehend festgehalten wird. In dieser Weise kommen in der That die schlängelnden, circumnutirenden, schnellenden etc. Bewegungen zu Stande, die bei gewissen Oscillarieen sehr ansehnlich ausfallen können 2). Die Bewegungsenergie wird nachweislich an der Oberfläche entwickelt, und zwar bei Diatomeen an der Schalenseite durch die Strömung einer voraus- sichtlich plasmatischen Masse, deren Bewegungsrichtung umsetzt und demgemäss (in der Bichtung der Längsachse) abwechselnd nach dem einen und dem anderen Ende der Schalenseite gerichtet ist. Die Existenz und die Bichtung dieser motorischen Thätigkeit wird bei einer festliegenden Diatomee dadurch ge- kennzeichnet, dass kleine Körper (Sandkörnchen, Indigopartikel etc.), die an der freien (nicht dem Substrat anliegenden) Schalenseite haften, fortbewegt und abwechselnd vorwärts und rückwärts (von dem einen zum anderen Pol) befördert werden 3). Bei den Oscillarieen ist die motorische Thätigkeit noch nicht präcisirt ; sie giebt sich aber ebenfalls in der Fortbewegung von Körnchen kund, die an der Oberfläche haften. Jedoch werden diese Partikel, wie es bei der Achsendrehung des bewegten Fadens zu erwarten ist, in schraubigen Bahnen abwechselnd vorwärts und rückwärts bewegt. Diatoineeu. — Während verschiedene Forscher *) die Bewegung der Dia- tomeen durch einseitiges Hervorstossen von Wasser, also durch Rückstoss 1) Nach Borscow (Die Süsswasser-Bacillariaceen des südwestlichen Russlands 1873, p. 35) führen Cylindrotheca und Nitzschiella während der Gleitbewegung Dre- hungen um ihre Längsachse aus. 2) Nägeli, Beiträge z. wissenschaftl. Botanik '-1860, Heft 2, p. 89; Correns, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1897, p. 141. — Auch Kolkwitz hat sich späterhin (Bericht, d. botan. Gesellsch. 1897, p. 460) dieser Auffassung angeschlossen. Indess ist nicht ausgeschlossen, dass fernerhin Arten aufgefunden werden, die, wie die Fäden verschiedener Algenarten, lebhafte autonome Krümmungsbewegungen ausführen. Vgl. diesen Bd. II, p. 380. 3) Schon beobachtet von Siebold, Zeitschrift f. wissenschaftl. Zool. 1849, Hft. 1, p. 284, und M. Schultze, Archiv, f. mikroskop. Anatom. 1865, Bd. 1, p. 386. 4) Nägeli, Gattungen einzelliger Algen 1849, p. 20; Siebold, 1. c; Dippel, Beiträge z. Kenntniss der in den Soolwässern von Kreuznach lebenden Diatomeen 1870, p. 332; Borscow, 1. c; M ereschko wsky, Bot. Ztg. 1880, p. 529. § 135. Gleitbewegungen. 709 zu Stande kommen lassen, sind M. Schultze^), Pfitzer^), Engelmann 3] der Ansicht, dass die Bewegung in irgend einer Weise durch hervortretende Plasma- fortsätze vermittelt werde. Die Existenz und die Wirkungsweise des extra- cellulären Plasmas wurde aber erst durch 0. Müll er 4] erwiesen und aufgeklärt. Nach diesem Forscher tritt auf jeder der beiden Schalenseiten aus den Polspalten Plasmamasse nach aussen , die in der Spalte der Raphe zu dem Mittelknoten strömt und an diesem in das Innere zurückkehrt. Da nun eine genügende motorische Energie schon durch die mechanische Wirkung (die Reibung) dieser strömenden Masse gegen das angrenzende Wasser gewonnen wird , so kommt eine Gleitbewegung auch dann zu Stande, wenn die Diatomee mit der Gürtel- bandseite dem festen Substrate anliegt, wenn also die Plasmamasse mit diesem gar nicht in Berührung tritt ^). Weil aber die motorische Kraft nur an der Schalenseite erzeugt wird, so ist es begreiflich, dass nur die an der Schalenseite adhärirenden Fremdkörper, sei es mit, sei es ohne directen Contact mit dem strömenden Plasma, fortbewegt werden 6). Näheres ist in den Arbeiten von 0. Müller zu finden, bei dem auch dar- gethan ist, dass die extracelluläre , äusserst dünne Plasmaschicht nur massig schnell zu strömen braucht, um die langsame Fortbewegung der Diatomeen zu bewii"ken, die gewöhnlich nicht 0,02 mm in 1 See. erreicht'). Indess muss die in der besagten Weise gewonnene motorische Energie in der Regel nicht aus- reichen, um ein freies Herumschwimmen zu erzielen, da dieses nur ausnahms- weise beobachtet wurde ^) und meist angezweifelt wii'd. Uebrigens scheinen die beiden Schalenhälften nicht immer harmonisch zusammenzuwirken, da das extra- celluläre Plasma an den beiden opponirten Schalenseiten öfters in entgegenge- setzter Richtung strömt und demgemäss eine antagonistische motorische Thätigkeit entwickeln kann 9). 1) M. Schultze, 1. c. p. 388. 2) Pfitzer, Unters, üb. Bau u. Entwickelung d. Diatomeen 1871, p. 176 (in Hanstein's Botan. Abhandl. Bd. 1). 3) Engelmann, Botan. Ztg. 1879, p. r)4. li] 0. Müller, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1899, p. 445; 1897, p. 70, u. die in derselben Ztschr. seit 1889, p. 169 enthaltenen Aufsätze dieses Forschers. Ein Referat dieser Arbeiten findet man bei Karsten, Die Diatomeen d. Kieler Bucht 1899, p. 163; H. Klebhahn, Archiv f. Protistenkunde 1902, Bd. I, p. 429. — Aus diesen Referaten ist zu ersehen, dass sich R. Lauterborn in seinen späteren Arbeiten Untersuchung. üb. d. Diatomeen 1896, p. 113) in den Hauptpunkten an Müller's Auffassung an- geschlossen hat. — Ueber extramembranöses Plasma vgl. Bd. II, p. 220. 5i Wenn auch die Diatomeen zumeist mit der Schalenseite dem Substrate an- liegen, so giebt es doch auch solche , bei welchen ziemlich häufig die Gürtelbandseite an dem Substrate gleitet. Vgl. z. B. 0. Müller, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1894, p. 143; Karsten, 1. c. p. 165; Benecke, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 551. 6 0. Müller, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1894, p. 143; M. Schultze, 1. c. Letzterer konstatirte bereits, dass die Fremdkörper immer nur bis an das Ende der einen Schalenseite, also nicht über die Kante hinaus, fortbewegt werden. 7) 0. Müller, 1. c. 1897, p. 75; Müller (1. c. 1896, p. 121, beobachtete Bewe- gungsschnelligkeiten zwischen 0,007 und 0,017 mm in 1 See. Am schnellsten bewegen sich nach Be necke (1. c.) die farblosen Diatomeen. 8) Pfitzer, 1. c. p. 176. Vgl. auch 0. Müller, Ber. d. botan. Gesellsch. 1896, p. 128. Von dem freien Schwimmen in Wasser ist das Kriechen an der Oberfläche (an dem Spannungshäutchen) des Wassers zu unterscheiden. 9, Schon beobachtet von M. Schultze, 1. c. Vgl. z. B. Benecke, 1. c. p. 553. 710 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. Da sich eine Gallertschicht (Schleimschicht) nicht bei allen Diatomeen findet, so ist eine solche zur Realisirung der Bewegung nicht nothwendig ^). Wird eine Schleimschicht formirt, so wird diese (ohne dass sie in das Innere tritt) entweder durch die strömende Plasmaschicht in Bewegung gesetzt oder die motorische Energie wird durch die Wirkung der Plasmaströmung gegen die selbstproducirte Schleimschicht gewonnen. Durch das Zurückbleiben eines Theiles dieser Schleimhülle wird dann, in analoger Weise wie bei den Oscillarieen, die Bewegungsbahn gekennzeichnet 2). ^Y\v können indess nicht weiter auf dieses Verhalten , sowie auf verschiedene Controversen eingehen, die sich unter anderm auf die besondere Lage und Gestaltung der Austrittsstellen und der Bewegungsbahn des extracellulären Protoplasmas, sowie auf die Frage beziehen, ob eine Fortbewegung auch durch das Hervorpressen von Schleim- massen etc. verursacht wird 3). Jedenfalls deuten schon die festsitzenden Diatomeen darauf hin, dass sich nicht alle Repräsentanten dieser Ordnung ganz gleich verhalten, Oscillai'ieen'*). — Die Fäden sind allgemein mit einer Scheide aus weicher Gallerte umgeben, mit der oder in der sie sich fortbewegen^). Dabei wird die Bahn durch zurückbleibende Gallertsubstanz gekennzeichnet, während durch gleich- zeitige Neubildung dafür gesoi'gt ist, dass die fortrückende Spitze dauernd mit Gallerte umkleidet bleibt. Die Mechanik dieser Bewegungen ist noch nicht auf- geklärt. Dass es sich nicht um ein Fortbewegen durch Schlängeln etc. des Körpers handelt, folgt aus der schon (11, p. 70 8) erwähnten Erfahrung, dass sich der Faden ohne die Entwickelung einer Krümmungsthätigkeit bewegen kann. Für die Existenz und die Action eines extracellulären Plasmas haben sich bis dahin keine bestimmten Argumente beibringen lassen"). Ferner ist es fraglich, ob etwa die Fortbewegung durch die Ausscheidung und Quellung von Gallerte (vgl. II, p. 711) oder durch eine entsprechende Regelung und Ausnutzung von Oberflächenenergie (II, § 137) erzielt wird. Augenscheinlich wird aber die mo- torische Kraft, ebenso wie bei den Diatomeen, nicht durch das einseitige Hervor- stossen von Wasser gewonnen"). Eine bestimmte Entscheidung ist auch nicht 1) 0. Müller, 1. c. 1897, p. 81. 2) M. Schultze, 1. c. p. 399; 0. Müller, 1. c; Lauterborn, 1. c. etc. 3) Vgl. z. B. Schutt, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 33, p. 645, 656; Ber. d. botan Gesellsch. 190^, p. 202; 0. Müller, Ber. d. bot. Gesellsch. 1899, p. 445; 1900, p. 4SI; 1901 , p. 195. 4) Nägeli, Beiträge z. wissenschaftl. Botan. 1860, Hft. 2, p. 89; Correns, Ber. d. bot. Gesellsch. 1897, p. 141. Ferner Kolkwitz, Bericht, d. bot. Gesellsch. 1897, p. 460; Hansgirg, Bot. Ztg. 1883, p. 831 ; Physiolog. u. Phycophytol. Untersuch. 1893, p. 207. Die ältere Literat, über die seit Adanson (1767) bekannten Bewegungen der Oscillarieen bei Meyen, Pflanzenphysiol. 1839, Bd. 3, p. 563; Mohl, Vegetabilische Zelle I8.i1, p. 13 6. — Das im Text Gesagte stützt sich besonders auf die Arbeit von Correns. [F. Brand, Beihefte z. botan. Centralbl. 1903, Bd. 15, p. 53.] 5) Ueber die Bedeutung von Gallerte und Schleim für das Fortgleiten vgl. F. W. T. Hunger, Biolog. Centralbl. 1899, Bd. 19, p. 385; ßr. Schröder, Verhandl. d. naturh.-medic. Vereins zu Heidelberg 1902, Bd. VII, Hft. 2, p. 187. 6) Diese ergeben sich auch nicht aus den von Engelmann Bot. Ztg. 1879. p. 54) ausgeführten Versuchen. Cilien sind bis dahin nicht gefunden. Die positiven Angaben dürften darauf beruhen, dass anhaftende Bacterien für Cilien gehalten wurden. 7) Eine solche Annahme findet sich bei Hansgirg. 1. c; vgl. auch diesen Bd. II, p. 708, Anm. 4. § 135. Gleitbewegungen. 711 daraus zu entnehmen, dass adhärirende Fremdkörper an oder in der Gallei'te in einer schraubenlinigen Bahn Ibi'tbewegt werden, dass hierbei neben den activen auch inactive Zonen gefunden werden, dass ferner nach Correns während der Fortbewegung immer ein Theil des Fadens festhaftet. Ebenso wie bei den meisten Diatomeen (II, p. 709) unterbleibt ein freies Herumschwimmen^) schon wegen der geringen Bewegungsschnelligkeit, die von Correns im Maximum zu 0,004 mm in \ See. gefunden wurde. Das strahlenförmige Auseinanderweichen, welches man an Oscillarienmassen be- obachtet, die sich auf feuchtem Substrate befinden 2), ist offenbar eine Gruppirung, die aus der realisirten Bewegungsthätigkeit, sowie aus den Widerständen resultirt, die eben bei i*adialer Anordnung und centrifugaler Fortbewegung der Fäden ein Minimum werden. Uebrigens wird eine analoge Gruppirung auch durch die Be- wegungsthätigkeit der Fäden von Spirogyra etc. hervorgebracht. Desmidiaceen^). Die langsamen Bewegungen dieser Organismen werden nach Klebs durch die Ausscheidung von Schleimmasse erzielt. Thatsächlich lässt sich nachweisen, dass gewisse Desmidiaceen durch die Secretion eines Gallertstieles bis zu einer gewissen Hübe im Wasser emporgehoben werden^). Es ist aber auch einleuchtend, dass sich ein Organismus durch die bestimmt gerichtete, fortdauernde Secretion von Schleim selbstthätig auf einer Unterlage fortschieben kann. Wenn verschiedene Desmidiaceen bei einer solchen Fortbe- wegung schief aufgerichtet sind und nur mit einem Ende das feste Substrat berühren, so ist darin der Erfolg einer bestimmten Orientirung zu sehen, gleich- viel ob immer dasselbe oder abwechselnd, in Folge einer selbstregulatorischen Thätigkeit (Veränderung), das eine oder das andere Ende des bipolaren Organis- mus dem Substrate anhaftet. Letzteres ist bei Closterium moniliferum der Fall, das sich infolgedessen bei phototropistischer Reizung in analoger Weise nach der Lichtquelle hinbewegt, wie ein Stab, den man so fortschleudert, dass er sich überschlägt, und dass abwechselnd das eine und das andere Ende auf die als Drehpunkt dienende Unterlage gestützt wird (Stahl, 1. c; vgl. n, § 145). In der That muss es möglich erscheinen, dass die beobachteten Bewegungen l) Nach Nägeli (1. c. p. 90; und nach Kolkwitz ;1. c. p. 466) soll aber gelegentlich freies Schwimmen vorkommen. Kolkwitz beobachtete auch ein Fortkriechen an der Wasserfläche. 3) Vgl. Nägeli, 1. c. p. 91. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass unter Umständen auch Reizungen mitwirken. Hansgirg (1. c. 1893, p. 207) hat aber für diese Annahme keine Beweise erbracht. — Ueber ähnhche Gruppirvmgen bei Diatomeen vgl. z. B. M. Schultze, Archiv f. mikroskop. Anatom. 1865, Bd. 1, p. 396. — Ueber Spirogyra vgl. diesen Bd. II, p. 380. 3) Klebs, Biolog. Centralbl. 1885, Bd. 5, p. 333; Unters, a. d. bot. Institut zu Tübingen 1886, Bd. 2, p. 383; Stahl, Bot. Zeit. 1880, p. 397; Verband!, d. phys.- med. Gesellsch. in Würzburg 1879, Bd. 14; Aderhold, Jenaische Zeitschrift f. Naturw. 1888, N. F. Bd. 15, p. 323. — Ueber die Gallertausscheidung bei Desmidieen siehe ferner Schutt, Jahrb. f. wiss. Bot. 1899, Bd. 33, p. 676; B. Schröder, Verhandl. d. naturh.- med. Vereins in Heidelberg 1902, N. F. Bd. 7, p. 139; J. Lütk emulier, Gohn's Bei- träge z. Biologie 1902, Bd. 8, p. 347. 4) Bd. II, p. 697 ist auf die Analogie dieser Fortbewegung mit dem Fortschieben durch intercalares Wachsen hingewiesen. 712 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. der Desmidiaceen, auch das Fortschreiten nach einem bestimmten Ziele, sowie die pendelartigen oder elliptischen Excursionen, durch die autogene und aitiogene Regulation der Schleimsecretion erzielt werden. Desshalb muss es aber doch dahin gestellt bleiben, ob bei diesen Organismen immer nur diese oder unter Umständen auch andere Mittel zur Fortbewegung angewandt werden. Uebrigens wird auch bei den gestielten Diatomeen durch die Formirung des Gallertstieles eine gewisse Fortbewegung erzielt. Auch ist es bekannt, dass manche Diatomeen, sowie auch einzelne Desmidiaceen so fest an Steinen etc. haften, dass sie sogar in Stromschnellen nicht abgerissen werden. § 136. Amöboide Bewegungen. Unter den vegetabilischen Organismen ist eine ausgezeichnete amöboide Gestaltungs- und Bewegungsthätigkeit nur bei den Plasmodien und Schwärm- zellen der Myxomyceten bekannt. Ausserdem ist bei den Schwärmzellen einiger Pilze (Chytridiaceen etc.) und Algen i) eine ansehnliche amöboide Bewegungs- thätigkeit beobachtet, die nach dem Festsetzen, also nur vorübergehend, eintritt. Da aber die übrigen Gymnoplasten (Schwärmzellen, Eizellen etc., sowie die plasmolysirten Protoplaste) keinen merklichen amöboiden Formen Wechsel zeigen, so folgt, dass nur in gewissen Protoplasten eine energische amöboide Gestaltungs- thätigkeit angestrebt wird. Mit dem Fehlen der äusseren activen Ausgestaltung ist indess eine innere amöboide Bewegungsthätigkeit nicht ausgeschlossen. Thatsächlich wird z. B. eine gewisse wechselnde Ausgestaltung häufig gegen den Zellsaft hin ausgeführt (vgl. II, p. 697 u. § 138). Ferner wird zuweilen bei dem Zellkern eine geringe und langsame amöboide Formänderung be- obachtet, die in gewissen Fällen (Blatthaare von Tradescantia virginica, Blatt- zellen von Elodea canadensis) durch die Einwirkung von Asparagin lebhaft und ausgiebig wird 2). Wir haben hier nicht näher die formale Seite der amöboiden Bewegungs- thätigkeit zu schildern, durch die fortwährend der äussere Umriss des Organis- mus modificirt wird, indem an einer oder an vielen Stellen gröbere oder feinere Hervorwölbungen (Pseudopodien), bezw. Einbuchtungen entstehen und wieder eingezogen und ausgeglichen werden ^j. Auf diese Weise kommt sowohl das -1) Berthold, Protoplasmamechanik 1886. p. 94; de Bary , Morphologie u. Biologie d. Pilze '1884, p. 174; Zopf, die Pilze 1890, p. 102, und die an diesen Stellen citirte Literatur. — Unter den animalischen Organismen und Gebilden sind ausgezeichnete amöboide Bewegungen, z. B. bei den Rhizopoden und den weissen Blutkörperchen zu finden, ferner bei den Amöben, die man schliesslich auch dem Pflanzenreiche anglie- dern kann. Vgl. über diese und andere Organismen 0. Hertwig, Die Zelle und die Gewebe 1893, p. 53; Verworn, Allgemeine Physiologie 1901, III. Aufl., p. 244. 2) F. G. Kohl, Bot. Centralbl. 1897, Bd. 1-2, p. 168. — An Zellkernen animalischer Organismen sind amöboide Gestaltungen häufiger beobachtet. 3) Näheres bei de Bary, Morphologie u. Biologie d. Pilze 1884, p. 453; Zopf, in Schenk's Handb. d. Botanik 1887, Bd. 3, 2. Hälfte, p. 1; Pfeffer, Zur Kenntniss d. Plasmahaut u. d. Vacuolen 1890, p. 256. Siehe auch die Fig. -2 u. 7 in diesem Buche, Bd. I, p. 45 u. p. 93. — Ueber Amoeben u. animaUsche Organismen vgl. die in § 136. Amöboide Bewegungen. 713 Hervorwülben und Einziehen der feinen und langen Pseudopodien der Rhizo- poden u. s. w. zu Stande, als auch die lappige, fächerförmige oder netzförmige Ausgestaltung des Myxomycetenplasmodiums, an dem übrigens gleichzeitig zahl- reiche feine, aber kurze Pseudopodien hervorgetrieben und wieder eingezogen werden. Da nun bei dem Plasmodium etc. die Expansion (bezw. die Contrac- tion) eine gewisse Zeit nach der einen und darauf nach der anderen Seite thätig ist, so ergiebt sich ein periodisches Hin- und Herbewegen des Plasmodiums und somit auch der Strömung des inneren (flüssigeren) Körnerplasmas, die immer nach den expansionsthätigen, vorrückenden Partien des Plasmodiums gerichtet ist. Eine solche lebhafte Binnenströmung ist zwar vielfach, aber doch nicht in allen Fällen mit der amöboiden Locomotion verknüpft ^j. So tritt diese Binnenströmung bei den Schwärmsporen der Myxomyceten zurück. Diese sind auch zu Schwimmbewegungen befähigt (H, p. 701) und führen infolge der Wirkung der Cilien gegen mechanische Widerstände öfters eine ruckweise oder springende Fortbewegung aus 2). Wie immer diese amöboiden Gestaltungen zu Stande kommen mögen (vgl. n, § 137), so sind sie doch in jedem Falle das Resultat einer autogenen Be- wegungsthätigkeit, die durch die Eigenthätigkeit des Organismus veranlasst und regulirt wird. Wir tragen auch nur den wahrnehmbaren Erscheinungen Rech- nung, wenn wir die Ausgestaltung und Rückgestaltung auf den Antagonismus von Expansion und Contractionsthätigkeit zurückführen 3) und weiter aus der Realisirung dieser Thätigkeit die Fortbewegung des Organismus erklären. Denn diese ist gesichert, wenn das Substrat dem (mit oder ohne Schleimsecretion^] adhärirenden Organismus als Stützpunkt dient, und wenn sich die Körpermasse (bezw. das Pseudopodium) auf der einen Seite fortschiebt, während sie auf der anderen Seite, unter Ueberwindung der Adhäsion am Substrate, eingezogen wird. Auf die besagte Weise wird allerdings nur eine langsame Fortbewegung erzielt, die im günstigen Falle etwa 0,006 mm in 1 See. beträgt^), also etwa mit der Bewegungsschnelligkeit von Diatomeen (H, p. 709) und Oscillarieen (H, p. 71 I) übereinstimmt. Das verticale Emporwandern der in AVasser oder feuchter Luft befindlichen Plasmodien zeigt, dass die Bewegungsenergie zur Bewältigung Anm. 1 citirte Lit., sowie L. Rhumbler, Archiv f. Entwicklungsmechanik; 189S, Bd. 8, p. lU; P.Jensen, Die Protoplasmabewegung 1902, Sep. a. Ergebnisse der Physiol. I. Jahrg. An diesen Stellen ist auch Näheres über die verschiedenartige Plasmaströmung in den Pseudopodien zu finden. 1] Vgl. z. B. Berthold, 1. c. p. 109; Jensen 1902, 1. c. p. U. 2) de Bary, 1. c. p. 954; Fayod, Bot. Ztg. 1883, p. 171. Ueber die cilienartigen Pseudopodien der Myxomycetenschwärmer siehe die in diesem Buche, Bd. II, p. 700 und 7 01 citirte Literatur. 3) Jensen, 1. c. 1902, p. 7 spricht von einer sphärogenen und cylindrogenen Componente, um damit die auf die Abrundung, bezw. die auf die Ausgestaltung be- rechnete Thätigkeit anzuzeigen. 4) de Bary, 1. c. p. 458; Rhumbler, 1. c. p. 158; Jensen, 1. c. p. 36. 5) Hofmeister (Pflanzenzelle 1867, p. 23) giebt für Didymium serpula eine Be- wegungsschnelligkeit von 0,4 mm, für Stemonitis fusca von 0,i5mm in 1 Minute an. Vgl. auch Jensen, 1. c. p. 15. — Bei gewissen animalischen Organismen giebt es aber auch Pseudopodien, die sehr schnell eingezogen und hervorgetrieben werden. 714 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. des eigenen Gewichts, sowie auch einer etwas grösseren Last ausreicht. Jedoch gestattet die geringe Cohäsion keine allzu grossen Leistungen. Demgemäss wird durch das Einbetten in w^eiche Gelatine die Fortbewegung des Plasmodi- ums soweit aufgehoben, dass unter diesen Bedingungen nur noch die Bestre- bungen zu einer periodischen, amöboiden Bewegungsthätigkeit zu erkennen sind ^). Das schliesst indess nicht aus, dass sich kleine Amöben, weisse Blutkörperchen etc. vermöge ihrer Befähigung zu einer weitgehenden Aenderung der Körperform durch sehr enge Poren durcharbeiten, die sie präformirt vorfinden, oder die sie, analog wie eindringende Pilzfäden (I, p. 360), durch ihre Eigenthätigkeit schaffen 2). § 137. Mechanik der amöboiden Bewegungen. Soweit das Protoplasma, wie es zumeist zutrifft, zähflüssig ist^), verhält es sich in physikalischer Hinsicht wie eine jede Masse, der ein solcher Aggregat- zustand zukommt (vgl. II, p.47). Somit sind bei der Beurtheilung der Gestaltungen und Bewegungen des Protoplasten und im Protoplasma die Eigenschaften und Be- sonderheiten des flüssigen Aggregatzustandes zu beachten, die wir als bekannt -1) Pfeffer, 1. c. p. 277 Anmerk. — Ueber die Arbeitsleistung aiaimalischer Pseudo- podien siehe Jensen, 1. c. p. H. i, Ueber Plasmodiophora s. S. Na wasch in, Flora 1899, p. 404. .s) Die Existenz und Bedeutung des zähflüssigen Aggregatzustandes wurde schon in Bd. I. p. 38 hervorgehoben. Ein solcher Aggregatzustand wurde bereits von Mohl, Nägeli U.S.W, angenommen, und heute besteht kein Zweifel darüber, dass diese Auffassung berechtigt ist, dass also die Ansichten einiger Autoren, dem Protoplasma komme eine feste Beschaffenheit zu, irrig sind. Näheres bei Hofmeister, Pflanzen- zelle 1867. p. 1; Berthold, Protoplasmamechanik 1886, p. 85; Pfeffer, Zur Kenntniss d. Plasmahaut u. d. Vacuolen 1890, p. 267; Bütschli, Untersuch, über mikroskop. Schäume 1902; Rhumbler, Archiv f. Entwickelungsmechanik 1898, Bd. 7, p. 172; Zeit- schrift f. allgem. Physiologie 1902, Bd. I, p. 279; 1903, Bd. 2, p. 1S3 u. s. w. — Der zäh- flüssige Aggregatzustand des Protoplasma wird z. B. bewiesen durch die schon er- wähnte Abrundung des Ganzen, sowie der im Innern befindlichen Vacuolen, durch die Strömungsbewegungen, durch das Ausziehen in Fäden, überhaupt durch die Nachgiebigkeit gegen alle mechanische Einwirkungen (mit Einschluss der Oberflächen- spannung). Aus diesem Verhalten ist zu ersehen, dass das Protoplasma wenig oder auch erheblicher zähflüssig ist. Im allgemeinen reicht aber die Zähflüssig- keit aus, um die Molecularbewegung der im Innern des Protoplasmas befindlichen kleinen Körper (vgl. z. B. Veiten, Flora 1873, p. 12o;, sowie die Eigenbewegung von aufgenommenen Bacterien, Volvocineen etc. (Celakovsky, Flora 1892, Ergzbd. p.223) zu hemmen, Bewegungen, die dagegen in der Vacuolenflüssigkeit zu Stande kommen. Ferner hat die Zähflüssigkeit etc. zur Folge, dass Umlagerungen im Innern des Protoplasten ohne die Mithilfe einer anderweitigen Bewegungsthätigkeit nur allmählich ausgeglichen werden, und dass längere Protoplasten bei der Plasmolyse nicht so leicht in Theil- stücke zerfallen, wie ein aus einer leicht beweglichen Flüssigkeit gebildeter Faden (vgl. Bd. II, p. 46; über die Anpressung des Protoplasten durch den Turgor und über das osmotische System siehe Bd. I, § 24). Aus diesen und anderen Erfahrungen er- giebt sich ferner, dass der zähflüssige Aggregatzustand auch im lebensthätigen Proto- plasma besteht (vgl. Pfeffer, 1. c. p. 271), also nicht erst durch die äusseren Ein- griffe U.S.W, erzielt wird, die allerdings, wie fernerhin mitgetheilt wird, in gewissen Fällen die Cohäsion des Protoplasmas herabsetzen können. — Ueber die innere Aus- gestaltung der Protoplasten vgl. II, § 1 40. § 137. Mechanik der amöboiden Bewegungen. 715 voraussetzen. Wir haben desshalb nicht die Physik der Oberflächenspannung und der hiermit zusammenhängenden Ausbreitungserscheinungen auf Flüssigkeiten und festen Substraten u. s. w. zu behandeln i), durch die, soweit andere mechanische Factoren nicht im Spiele sind, auch die Gestaltungen und Bewegungen des mehr oder minder zähflüssigen Protoplasmas beherrscht werden. Immerhin sei daran erinnert, dass die Abrundung eines plasmolysirten Protoplasten oder eines iso- lirten Protoplasmastückes, ebenso wie die Abrundung des in einer Flüssigkeit schwebenden Oeltropfens, durch die homogene Oberflächenspannung bedingt ist, dass also eine jede Anomogenität in der Vertheilung der Oberflächen- spannung eine Abweichung von der Kugelgestalt verursachen muss. Demgemäss wird z. B. eine locale Verminderung der Oberflächenspannung eine localisirte Hervorwölbung am Flüssigkeitstropfen bewirken, die so lange anhält, bis durch die Verkleinerung des Krümmungsradius der bisherige Centraldruck und damit das Druckgleichgewicht wieder hergestellt sind 2). Durch eine entsprechende Modification der Oberflächenspannung kann also eine beliebige und weitgehende Ausgestaltung des freischwebenden oder des einer flüssigen oder festen Unter- lage aufliegenden (nicht mischbaren) Tropfens erzielt werden, die bei stetigem Wechsel einen continuirlichen Formenwechsel verursacht. In der That werden z. B. bei der Ausbreitung eines Oeltropfens auf alkalischem Wasser Gestaltungen und Bewegungen beobachtet 3), die in formaler Hinsicht an die amöboiden Be- wegungen gewisser Organismen (H, § 136] erinnern. Es kann aber auch ohne eine auffällige amöboide Gestaltung eine bestimmt gerichtete Strömungsbewegung entstehen, wenn eine geeignete und genügende Potentialdifferenz der Oberflächenspannung hergestellt und unterhalten, bezw. rhvthmisch verändert wird. Das ist z. B. der Fall, wenn ein in Wasser liegen- der Tropfen Olivenöl oder Paraffinöl einseitig mit einer Seifenlösung in Berüh- rung kommt. Denn durch die so bewirkte, locale Verminderung der Oberflächen- spannung (die sich durch eine gewisse Hervorwölbung des Oeltropfens kund giebt) wird, in Verbindung mit der Ausbreitung der Seife an der Oberfläche des Oeltropfens, eine Fortführung der peripheren Oelschicht von dem Orte niederer zu den Orten höherer Spannung bewirkt. Hierdurch und durch den Nachstrom kommt in dem Oeltropfen (aber auch in der Seifenlösung) eine be- stimmt gerichtete Circulationsbewegung zu Stande, die fortdauert, weil die Seifenlösung mit der Entfernung von dem Contactpunct verdünnt und endlich durch das umgebende Wasser beseitigt wird 4). Zugleich tritt eine Fortbewegung des Oeltropfens gegen die Seifenlösung, also in der Richtung der Spannungs- abnahme, ein^). i] Näheres in den Lehrbüchern der Physik, sowie bei Lehmann, Molecular- physik -1888, Bd. i, p. 251. Ferner bei Berthold, ]. c; Bütschli, ]. c; Rhumbler 1. c; P. Jensen, Pflüger's Archiv f. Physiologie 1901, Bd. 87, p. 366, sowie in den an diesen Stellen citirten, physikalischen Arbeiten von Quincke u. s. w. 2! Dasselbe ist auch der Fall, wenn bei einem aufgeblasenen Gummiballon an einer Stelle die Dicke oder die Elasticität des Kautschuks vermindert wird. 3) Vgl. z. B. Bert hold, 1. c. p. 96, u. die in Anm. 1, p. 7U citirte Literatur. 4) Bütschli, 1. c. p. 43. Weitere Beispiele bei Berthold, Rhumbler etc. 5) Bütschli, 1. c. p. 44. — So erklärt es sich auch, dass sich die in verdünntem Alkohol schwebenden Tröpfchen von Ricinusöl nach Chloroform, sowie nach Kali- 716 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. Analoge Erfolge werden beobachtet, wenn ein Tropfen eines Gemisches aus Olivenöl und Kaliumcarbonat in reines Wasser gebracht wird, indem die Herabsetzung der Spannung u. s. w. in diesem Falle durch die Seife bewirkt wird, die aus dem Inneren hervortritt und sich an der Oberfläche des Tropfens ausbreitet 1). Durch die Herstellung der physikalischen Bedingungen, also durch die entsprechende Modification der Oberflächenspannung mittelst einer secre- torischen oder anderweitigen Thätigkeit, muss es also auch dem zähflüssigen Protoplasten möglich sein, einen Formenwechsel, eine gewisse Locomotion oder eine Binnenströmung zu erzielen. Derartige Erfolge sind aber auch im Inneren des Protoplasmas möglich, wenn durch die Thätigkeit des Zellkerns, des Chloro- phyllkorns oder des umgebenden Cytoplasmas die Oberflächenspannung etc. so modificirt und regulirt wird, dass ein Formenwechsel oder eine Strömungsbe- wegung zu Stande kommt. Da die Umrisse eines Flüssigkeitstropfens durch die Oberflächenspannung bedingt sind, so muss die amöboide Bewegung eines Protoplasten, dessen ganze Masse flüssig ist, durch die entsprechende Aenderung der Oberflächenspannung bewirkt werden. Auf diese Weise kann aber die amöboide Bewegung nicht zu Stande kommen, wenn der Protoplast, oder auch nur die peripherische Schicht des Protoplasmas, eine Cohäsion besitzt, die den mechanischen Bestrebungen der Oberflächenspannung ganz oder theilweise zu widerstehen vermag. Diese Eigenschaft kommt schon der erstarrten Gelatine und augenscheinlich auch dem Ectoplasma zu, das bei dem Plasmodium der Myxomyceten eine consistentere Hüllschicht von variabler Dicke um das flüssige Endoplasma bildet. Möglicher- weise wird die Herstellung eines festeren Aggregatzustandes häufiger benutzt, um, unter Ueberwindung der antagonistischen Oberflächenspannung, die amö- boide Ausgestaltung, also auch die Formirung von Pseudopodien, Cilien etc., zu ermöglichen und zu erzielen. Jedenfalls besitzen bestimmte Protoplaste die Fähigkeit, durch die Cohäsionssteigerung von Protoplasmamassen"-) oder durch die Production von Gerüstsubstanzen Zellen von soliderem und tragfähigerem Bau herzustellen. Auch die Zellhaut gehört ja zu den Gerüstsubstanzen, die entweder durch eine secretorische Thätigkeit oder durch eine Metamorphose von Plasmamasse gebildet wird (H, § 36). Wenn aber der Protoplast, wo es darauf ankommt, sogar die Zellhaut wieder auflösen und beseitigen kann, so ist es nicht zu verwundern, dass er auch die gesteigerte Consistenz protoplasmatischer Substanz wieder rück- gängig zu machen vermag, wie es thatsächlich bei dem Plasmodium der Myxomyceten zu beobachten ist. Mit einem solchen Wechsel wird dann, ebenso wie bei der Verflüssigung der Gelatine, die Oberflächenspannung wieder- lauge bewegen (Rhumbler. Physikalische Zeitschrift 1899, Nr. 3), und dass nach Bernstein (Pflüger's Archiv f. Physiologie 1900, Bd. 80, p. 6281 Quecksilbertröpfchen nach Kaliumbichromat wandern. 1) Vgl. Bütschli, 1. c. p. 33. Vgl. auch II, § 138. 2) Vgl. Bd. I, p. 38, 40. Der allmähliche Cohäsionswechsel der Gelatine u. s. w. zeigt, dass es keine scharfe Grenze zwischen dem flüssigen und festen Aggregat- zustande giebt. Vgl. auch Pfeffer, Zur Kenntniss der Plasmahaut u. d. Vacuolen 1890, p. 255; Rhumbler, Zeitschrift f. allgem. Physiologie 1902, Bd. 1, p. 281. § 137. Mechanik der amöboiden Bewegungen. 717 um zu entscheidender Wirkung kommen. Auf diese Weise wird demgemäss eine Contraction, d. h. eine Ausgleichung derjenigen Ausgestaltung ein- treten, welche die consistentere Protoplasmamasse, gleichviel auf welche Weise, entgegen der Oberflächenspannung auszuführen vermochte und ausführte. Falls die Expansion und die Contraction auf einem solchen Antagonismus be- ruhen, bedarf es, z. B. zur Formirung eines Pseudopodiums etc., keiner Modification der Oberflächenspannung, während eine sehr starke locale Depres- sion der Oberflächenspannung nothwendig ist, wenn durch diese das Hervor- treiben und die Erhaltung eines Pseudopodiums, einer Cilie etc. bewirkt werden soll. Eine bestimmte Entscheidung in diesen Fragen ist desshalb nicht leicht, weil insbesondere da, wo es sich um sehr zarte Plasmagebilde oder um dünne Plasmaschichten handelt, einmal die Cohäsion schwer zu ermitteln ist, und weil es ausserdem unbekannt ist, bis zu welchem Grade der Protoplast die Intensi- tät der Oberflächenspannung zu erhöhen oder zu erniedrigen vermag (vgl. Pfeffer, Plasmahaut u. Vacuolen 1890, p. 273). Mag nun eine mechanische Action durch Oberflächenenergie, durch osmo- tische oder chemische Energie oder durch ein anderes Energiemittel vollbracht werden, so ist durch die Präcisirung des Energiemittels imd der mechanischen Ausführung ein Fortschritt, aber keineswegs eine völlige Einsicht in den physio- logischen Process gewonnen. Denn mit einer solchen Präcisirung bleibt die Gesammtheit der physiologischen Thätigkeiten und Operationen unbestimmt, durch welche die bestimmt gerichtete Nutzbarmachung des bezüglichen Energie- mittels im Dienste des Organismus vorbereitet und erzielt wird (vgl. Bd. I, p. 5 ; II, p. 161). Uebrigens ist schon früher (Bd. II, p. 221) erörtert, dass die Ober- flächenspannung und die besonderen Bedingungen, die an der Oberfläche und Grenzfläche bestehen, auch als Reizanstoss wirken und somit den Organismus zu bestimmter Thätigkeit veranlassen können. Bei den Plasmodien von Chondrioderma, Aelhalium und anderen Myxomv- ceten ist leicht zu verfolgen, dass die consistente Ilüllschicht (das Ectoplasma) aus dem flüssigen Protoplasma (dem Endoplasma) formirt und in dieses zui'ück- verwandelt werden kann 1). Da dieses Ectoplasma sogar bis 0,01 mm dick wird, so handelt es sich nicht um das überaus dünne, physikalische Spannungshäutchen, sondern um ein physiologisches Product, das dui^ch die Steigerung der Cohäsion geschaffen wird 2). Ist diese auch nicht genau bestimmt, so dürfte sie doch die Resistenz einer erstarrten soliden Gelatinemasse erreichen, wie einmal aus der Tragfähigkeit eines Plamodiumstranges^) und ferner aus der Widerstandsfähigkeit 1) Näheres bei Pfeffer, Zur Kenntniss der Plasmahaut u. d. Vacuolen 1890, p. 256 ff. Vgl. auch diesen Bd. II, p. TIS. 2) Die Büdun^ des Ectoplasmas muss übrigens durch die periphere Lage veran- lasst werden. Das gilt aber ebenso für die Formation der Zellwand wie für die Formation der Plasmahaut u. s. w. (Bd. II, p. 221). Das festere Ectoplasma ist übrigens nicht nur aus der zumeist dünnen Schicht von Hyaloplasma, sondern auch aus der sich anschliessenden Schicht von Körnerplasma gebildet. 3) Da die benutzten Plasmodiumstränge einen Durchmesser von ca. 0,3 mm be- sassen (Pfeffer, 1. c. p. 264), so tritt der Einfluss des oberflächlichen, physikalischen Spannungshäutchens zurück. 718 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. gegen die internen Reibungs- und Druckwirkungen zu entnehmen ist. Denn das lebhaft strömende Endoplasma vermag das Ectoplasma aucli dann nicht in Bewegung zu setzen oder zu deformiren (auszubauchen), wenn durch das Ecto- plasmarohr feste Partikel oder auch grössere Vacuolen (bezw. Oeltropfen) ge- presst werden, die durch ihre Formänderung anzeigen, dass ein ziemlich an- sehnlicher Druck gegen die ruhende Hüllschicht ausgeübt wird. Ein habituell ähnliches Verhalten beobachtet man übrigens, wenn man durch Wärme ver- flüssigte (mit Garminkörnchen versetzte) Gelatine durch eine Glascapillare presst, und gleichzeitig durch Abkühlung dieser dafür sorgt, dass sich an der Wan- dung des Gapillarrohres eine erstarrte Gelatineschicht bildet und erhält (Pfeffer, 1. c. p. 26 3). Wie die Dicke dieser erstarrten Gelatineschicht durch die Steige- rung oder Verminderung der Abkühlung, so wird die Dicke der Ectoplasma- schicht durch die (autogene oder aitiogene) Thätigkeit und Reactionsfähigkeit des Plasmodiums vermindert oder erhöht. Bei einer solchen Cohäsion ist nicht daran zu denken, dass die amö- boide Expansionsthätigkeit (II, § 136) durch die Modification der Oberflächen- spannung betrieben wird. Ohnehin ist mit der Vergrösserung der Oberfläche bei der Expansion auch eine absolute Zunahme des Ectoplasmas, also eine formative physiologische Thätigkeit verknüpft, durch die wohl auch (gleichviel auf welche Weise) die motorische Energie geliefert wird. Ob dann die Con- traction durch einen entgegengesetzt gerichteten Gestaltungsprocess oder einfach durch die Verflüssigung des Ectoplasmas und die hierdurch bewirkte Activirung der Oberflächenspannung (bezw. durch Gombination beider Factoren) erzielt wird, ist noch nicht entschieden. Offenbar wird aber allein durch den schon (II, § 136) charakterisirten, anta- gonistischen Rhythmus von Gontraction und Expansion, d. h. durch den hierdurch geschaffenen Druckunterschied, das zähflüssige Endoplasma nach dem jeweils expansionsthätigen Ende getrieben und auf diese Weise in Strömung versetzt (vgl. II, § 138). Damit steht im Einklang, dass beim Durchschneiden eines Piasmodiumstranges nur dann ein kleines Quantum Endoplasma hervorgepresst wird, wenn die Strönmng gerade gegen die Schnittfläche gerichtet ist^). Auch ist es verständlich, dass, je nachdem bei dem rhythmischen Wechsel die con- tractorische oder expansorische Thätigkeit früher oder energischer einsetzt, der Beginn der rückführenden Strömung zuerst an dem einen oder dem anderen Ende des Piasmodiumstranges anhebt 2). Da ähnliche Erfolge, wie öfters betont wurde, auf verschiedene Weise zu Stande kommen können, so ist nicht ausgeschlossen, dass die amöboide Gestaltung bei gewissen anderen Organismen allein mit Hilfe der an der Grenzfläche entwickelten Oberflächenenergie erzielt wird. Die Argumentationen der verschiedenen Autoren 3), die für eine solche Auffassung eintreten, basiren freilich im wesentlichen auf der Annahme, dass das ganze Protoplasma flüssig sei und sich desshalb nur mit Hilfe der Oberflächenenergie amöboid gestalten könne. Thatsächlich ist aber bei i) de Bary, Mycetozoen 1864, p. 4S. — In analoger Weise tritt auch Protoplasma aus einer durchschnittenen Internodiumzelle von Ohara hervor, wie schon Corti und Meyen (Pflanzenphysiolog. 1838, Bd. 2, p. 218) bemerkten. 2) Vgl. de Bary, 1. c. p. 48; Bütschli, 1. c. p. 175. a) Berthold, Protoplasmamechanik 1886, p. 83; Bütschli, Untersuchungen über mikroskopische Schäume 1892, p. 172; Verworn, Die Bewegungen der lebendigen Substanz 1892, p. 36; Rhumbler, Archiv f. Entwickelungsmechanik 1898, Bd. 8, p. 172, Zeitschr. f. allgem. Physiolog. 190 2, Bd. 1, p. 279; 1903, Bd. 2, p. 183; P.Jensen, Pflüger's Archiv f. Physiologie 1901, Bd. 87, p. 361 u. s. w. § -137. Mechanik der amöboiden Bewegungen. 719 vielen Amöben die mindestens zeitweilige Existenz einer consistenteren Ecto- plasmaschicbt nachgewiesen i), und bei den langen und zarten Pseudopodien (wie sie bei animalischen Organismen vorkommen) scheint allgemein ein Achsenfaden aus consistenterer Substanz vorhanden zu sein 2]. Dieser könnte also sehr wohl als Stützgerüst dienen, das sich z. B. an der Spitze durch reversibles Erstarren von plasmatischer Substanz fortbaut, die durch das an der Oberfläche strömende Protoplasma (also mit Hilfe der Oberfläehenenergie) herbeigeführt wird. Aus der Gestaltung und der zuweilen ansehnlichen Schnelligkeit der amö- boiden Bewegungen, sowie aus der Erfahrung, dass äussere Anstösse eine Con- traction (Abrundung etc.) verursachen, lassen sich keine bestimmten Schlüsse ziehen, da diese Erfolge mit und ohne Cohäsionswechsel erreichbar erscheinen. Wohl aber spricht die Erfahrung, dass die Cilien zumeist weder in noi'malen noch in abnormen Bedingungen eingezogen werden (II, p. 705), dafür, dass sie solidere Differencii'ungen sind, dass ihr Fortbestehen also nicht von der Erhaltung einer entsprechenden Potentialdifferenz der Oberflächenspannung abhängt. Ferner sind auch die contractilen Myoiden solide Gebilde, die sich im Inneren des Proto- plasmas von Vorticella etc. dilferenciren^j. Die Frage, ob die amöboiden Bewegungen durch die an der Oberfläche des Protoplasten entwickelte Oberflächenenergie (Oberflächenspannung) oder durch andere MitteH) erzeugt werden, lässt sich entscheiden, ohne dass im näheren bekannt ist, in welcher Weise die Zunahme der Gohäsion und die hierdurch ermöglichten formativen Actionen zu Stande kommen. Für diese Actionen sind aber theoretisch alle diejenigen Mittel in Betracht zu ziehen, welche, mit oder ohne Wachsthum des Protoplasten, zur Ausführung mechani- scher Leistungen benutzt werden (vgl. II, p. 29 u. Kap. XVI). Demgemäss muss man zunächst dahingestellt sein lassen, ob etwa die Ausgestaltungen durch eine localisirte Volumzunahme, durch Aufquellen etc., oder durch Eindrängen und Erstarren von flüssigem Protoplasma, oder durch eine secretorische Thätigkeit (wie sie bei der Formirung von soliden Gallertstielen benutzt wird, II, p. 7Hj, oder durch andere interne Processe erzielt werden. Natürlich kann zu diesen Leistungen auch die im Inneren (an den zahlreichen Grenzflächen) entwickelte Oberflächenenergie benutzt werden, die, wie früher (I, p. 63) bemerkt wurde, im Organismus offenbar eine sehr hervorragende und mannigfache Rolle spielt. 1) Vgl. Rhumbler, 1. c. 1903, Bd. 2, p. 315; 1. c. 1898, p. 193. Rhumbler ist übrigens jetzt der Ansicht, dass die amöboiden Bewegungen nur mit Hilfe der rever- sibeln Umwandlung in consistenteres Ectoplasma zu Stande kommen. — Dass die Ver- hältnisse an lebenden Organismen nicht so einfach liegen, geht u. a. aus der Beob- achtung F. Blochmann's (Biolog. Centralbl. 1894, Bd. 14, p. 82) hervor, nach welcher bei dem schnellen Fortrücken von Pelomyxa in dem umgebenden Wasser eine Strö- mung besteht, die derjenigen entgegengesetzt gerichtet ist, welche sich beim Fortrücken eines Oeltropfens gegen Seifenlösung einstellt (II, p. 715). Nach Blochmann beruht dieses darauf, dass an der Oberfläche von Pelomyxa noch eine (specialisirte) Strö- mung thätig ist. 2) Rhumbler, 1. c. 1898, p. 114. 3) Vgl. z. B. Verworn, Allgem. Physiologie 1901, III. Aufl., p. 252. 4) Das ist auch der Fall, wenn die Besonderheiten an der Oberfläche nur als Anst.oss wirken , durch den die Cohäsionszunahme oder anderweitige Actionen veran- lasst werden. Vgl. Bd. II, p. 221. — Ueber den Einfluss der Oberflächenspannung auf die Bildung von Niederschlägen u. s. w. siehe Quincke, Annal. d. Physik 1902, IV, Bd. 7, p. 631 u. 701. 720 Kap. XIV. Locomotorlsche Bewegungen imd Plasmabewegungen. Mit diesen und anderen Mitteln können zwar formative Actionen bei ver- schiedener Structur erzielt werden, jedoch erscheint eine Gerüststructur, also auch die Wabenstructur, besonders geeignet^ um mit wenig Baumaterial eine con- sistentere Masse zu schaffen (vgl. I, p. 61). Wenn nun auch durch die Waben- structur, die allgemein dem Plasma zukommen dürfte i), aus rein physikalischen Gründen eine gewisse Steigerung der Cohäsion bewirkt werden muss^j, so be- weist doch das flüssige Protoplasma, dass nicht schlechthin durch die mit dem wabigen Bau verknüpften physikalischen Bedingungen die leichte interne Ver- schiebbarkeit, d. h. der Charakter des Flüssigen aufgehoben wird. Die Cohä- sionszunahme in dem Plasmodium der Älyxomyceten u. s. w. wird aber augen- scheinlich nicht durch eine Verkleinerung der Waben erzielt 3), und wird dess- halb auf irgend eine Weise durch die Steigerung der Cohäsion in den Waben- wandungen (vielleicht unter Mitwirkung des Inhalts der Waben) verursacht werden müssen. Im näheren wird es sich dann (ebenso wie bei dem Cohäsions- wechsel der Gelatine) z. B. darum handeln, ob der Erfolg etwa durch eine chemische oder physikalische Veränderung in der ganzen Wandmasse der Waben oder durch eine Modification der Oberflächenspannung an der Be- rührungsfläche von Wabenwand und Wabeninhalt bewirkt wird^;. Ist aber einmal, gleichviel auf welche Weise (also auch mit oder ohne AVabenslructur), ein genügend fester Aggregatzustand hergestellt, dann können natürlich mit den zur Verfügung stehenden, mechanischen Mitteln alle diejenigen Actionen ausgeführt werden, die einen solchen Aggregatzustand erfordern. So ist es klar,^ wenn wir an die Waben als nähere Bauelemente anknüpfen, dass eine jede bestimmt gerichtete, active Dimensionsänderung der einzelnen Waben eine entsprechende Formänderung (Contraction oder Expansion) der Plasma- masse bewirkt^). Eine solche Action kann dann z. B. wiederum auf einer Ver- i) Vgl. Bd. I, p. 37, und die dort citirte Literatur, sowie ferner z. B. Bütschli, Archiv f. Entwickelungsmechanik 190i, Bd. 11, p. 499; Rhumbler. Zeitschr. f. allgem. Physiolog. 1903, Bd. 2, p. 326. — Unsere Erfahrungen über die Eigenschaften und Thätig- keiten desProtoplasmas sind zwar mit der Wabenstructur völHg verträghch. fordern diese aber nicht unbedingt (vgl. Bd. I, p. 37), und somit sind die von Rhumbler (1. c. p. 327) zusammengestellten Thatsachen an sich kein genügender Beweis für die Wabenstructur. Uebrigens ist auch noch nicht entschieden, ob die Eigenschaften der Colloide, und ins- besondere die Aenderung des Aggregatzustandes bei diesen, mit einer Wabenstructur verknüpft, bezw. durch diese bedingt sind. Vgl. z. B. die in diesem Buche Bd. I, p. 61 citirte Lit., sowie S. Posternak, Annal. d. l'Institut Pasteur 1901, Bd. 15, p. 85; W. Pauli, Naturwissenschaft!. Rundschau 1902, Bd. 17, Nr. 25. 2) Lehmann, Molecularphysik 1884, Bd. 1, p. 257 ; G. Quincke, Annal. d. Physik 1894, Bd. 53. p. 616; 1902, IV, Bd. 17, p. 639. 3) Auch im consistenten Theil des Protoplasmas der Plasmodien von Aethalium sind die Waben verhältnissmässig gross, und, so weit sich beurtheilen lässt, ist da- selbst die Wabenwandung ebenso dick wie im flüssigen Theüe des Protoplasmas. 4) Uebrigens bewegen sich, wie früher (Bd. I, p. 63) betont wurde, die durch die Oberflächenenergie (einschliesslich der Adsorption) bewirkten Vorgänge auf der Grenze zwischen physikalischen und chemischen Prozessen. 5) Natürlich nehmen die Waben im flüssigen Protoplasma, ebensogut wie in einem Seifenschaum, eine bestimmte Gleichgewichtsform an, ermöghchen aber durch ihre gegenseitige Verschiebung, dass die gesammte Protoplasmamasse den Flüssigkeits- gesetzen folgt. § 137. Mechanik der amöboiden Bewegungen. 721 änderung in der Masse oder an der Grenzfläche der Wabenwandung beruhen. Ausserdem könnte der Wabeninhalt so beschaffen sein, dass er durch eine Modification seines Quellungszustandes oder des osmotischen Druckes eine allgemein oder bestimmt gerichtete Contraction oder Expansion der einzelnen Waben und damit des Protoplasmas bewirkte. Allerdings kann der osmotische Druck nur in Betracht kommen, wenn durch die Semiper- meabilität der Wabenwandung die Bedingungen für dessen Herstellung vor- handen sind, wenn sich also die Waben etwa wie kleine Vacuolen ver- halten, unter denen die pulsirenden Vacuolen Beispiele für eine schnell verlau- fende Contractions- und Expansionsthätigkeit sind^). Uebrigens sind z. B. bei den Cynareen die (relativ grossen) Zellen die activen Bauelemente, auf deren Thätigkeit die Contraction und Expansion des Filamentes beruht (II, § 91, 92). Wird in diesem Falle die motorische Energie durch den Turgorwechsel ge- wonnen, so wurde doch hervorgehoben (II, p. 375), dass die Bewegung auch durch die Spannungsänderung der Wandung (also auch der Wabenwandung) erzielt werden könnte. Es ist also nicht unmöglich, dass z. B. eine gewisse Ana- logie in der Mechanik der Bewegungsthätigkeit der Cynareenstaubfäden und jener der Gilien besteht, deren Bewegungsmechanismus indess noch nicht auf- gehellt ist. Nachdem man sich in früherer Zeit damit begnügt hatte, die Bewegungs- vorgänge einfach als einen Erfolg der dem Protoplasma allgemein zukommenden Contractilität anzusehen 2) ^ versuchte Hof meistert) die Protoplasmabewegungen (speciell die Plasmaströmungen) durch die Variation der Imbibition und Quellung zu erklären. Eine Aenderung des Quellungszustandes sieht auch Engelmann^) als die Ursache der Formänderung der Inotagmen, d. h. der supponirten, winzigen Einheiten (Molecülverbindungen) an, eine Formänderung, auf der im näheren die Contraction und Expansion plasmatischer Gebilde beruhen solP), Die hohe Be- deutung der an der Grenzfläche des Protoplasten entwickelten Oberflächenspannung w^urde dann von Berthold und den schon früher (II, p. 718) genannten Autoren hervorgehoben. Einige dieser Forscher lassen aber dahingestellt, ob die Ober- flächenenergie alle Bewegungen des Protoplasmas beherrscht, dessen Aus- gestaltung, wie wir gesehen haben, offenbar öfters durch andere Mittel, oder in Verbindung mit anderen Mitteln, betrieben wird. Durch die an der Grenzfläche einer grösseren Protoplasmamasse entwickelte Oberflächenenergie, die wir soeben allein im Auge hatten, können natürlich nicht so gewaltige mechanische Leistungen vollbracht werden, wie durch die internen Vorgänge, für welche im Protoplasma sicherlich eine ungeheuer grosse Oberflächenentwickelung zur Verfügung steht*"). 1) Vgl. Bd. II, § 139. Ueber den hohen Centraldruck der Vacuolenhaut bei kleinen Vacuolen. siehe Bd. I, p. 1 1 9. 2) Bütschli, Unters, über mikroskopische Schäume 189-2, p. 173. An dieser Stelle ist Näheres über die unseren Gegenstand betreffende Literatur zu finden. 3) W. Hofmeister, Flora I86ä, p. 7; Pflanzenzelle 1867, p. 63. 4) Engelmann, Handbuch d. Physiologie von Hermann 1879, Bd. 1, p. 374. 5) Uebrigens giebt es verschiedene Quellungsursachen, wenn man sachgemäss »Quellung« als Collectivbezeichnung für die Volumänderungen benutzt, die unter und durch Aufnahme oder Abgabe von Wasser oder andern Flüssigkeiten) von statten gehen. Vgl. Bd. I, p. 59. 6) Vgl. Bd. I, p. 63. — Es ist also denkbar, dass durch diese interne Oberflächen- Pfeffer Pflanzenpliysiologie. 2. Aufl. IL 46 722 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. Ob freilich die Variation dieser internen Oberflächenenergie oder andere Factoren die entscheidende Rolle bei der amöboiden Ausgestaltung, sowie bei den Conti'actionsbewegungen der Cilien oder des Muskels etc. spielen, ist noch un- bekannt. Sofern aber erst durch die internen Oberflächenwirkungen der festere Aggregatzustand einer Plasmamasse, eines Muskels etc. erzielt werden sollte, so haben wir mit diesem uns entgegentretenden Aggregatzustand der Masse ebenso als Thatsache zu rechnen, wie dann, wenn die höhere Cohäsion durch andere Mittel hergestellt ist^). Da nicht einmal die Mechanik der Protoplasmabewegungen aufgeklärt ist, so lassen sich auch nicht die näheren und ferneren Vorgänge und Factoren präci- siren, durch welche die mechanische Action vorbereitet und vermittelt wird. Selbst wenn man annimmt, dass in einem gegebenen Falle die amöboiden Bewegungen allein durch die Variation der (peripheren) Oberflächenspannung bewirkt werden, so ist man doch nicht in der Lage zu sagen, ob diese Veränderung der Oberflächen- spannung durch die Secretion eines Stoflfwechselproductes oder in irgend einer anderen Weise ei'zielt wird. Die Annahme von Verworn^], nach der die Be- wegungen dadurch zu Stande kommen sollen, dass die Oberflächenspannung durch die Bindung von freiem Sauerstoff in der (an der Oberfläche liegenden) lebendigen Substanz (in den supponirten Biogenen) vermindert, durch die Abspaltung oder Verwendung des Sauerstoffs aber erhöht wird, ist ebensowenig als eine noth- wendige und begründete Hypothese anzusehen, als die bis zu einem gewissen Grade verwandte Ansicht von Jensen 3), nach der durch die assimilatorische Thätig- keit die Gi-össe der Molecüle in der Plasmahaut gesteigert und damit die Ober- flächenspannung vermindert wird, während durch die Dissimilation (I, p. 271) eine Vei-kleinerung der Molecüle und dadurch eine Erhöhung der Oberflächen- spannung bewirkt werden soll. Die specielle Ansicht von Verworn kann schon desshalb nicht verallgemeinert werden, weil einmal bei gewissen aeroben Organismen die amöboide Thätigkeit und die Protoplasmaströmung nach vöUiger Entziehung des Sauerstoffs lange fortgesetzt werden, und weil sich bei anaeroben Bacterien die Entwickelung und die Thätigkeit der Cilien ohne die Mitwirkung von freiem Sauerstoff abspielt (vgl. II, § 14i). Zudem setzen diese Hypothesen die Alleinherrschaft der (peripheren) Oberflächenenergie voraus und sind somit nicht mehr zulässig, wenn die Ausgestaltungen und Bewegungen ganz oder theil- weise durch andere Mittel erzielt werden und erzielt werden müssen. Uebrigens energie auch die hohen mechanischen Leistungen des Muskels bewirkt werden. Vgl. J. Bernstein, Pflüger's Archiv f. Physiologie -1901, Bd. 85, p. 305. 1) Einer consistenten Plasmamasse können wir also auch dann keinen flüssigen Aggregatzustand zuschreiben, wenn sie real aus an sich flüssiger Plasmamasse formirt ist oder flüssiges Plasma innerhalb der consistenten Hüllschicht enthält. Ebenso kann man nicht mit P. Jensen (Pflüger's Archiv f. Physiol. i900, Bd. 80, p. 227) dem Muskel die Eigenschaften einer Flüssigkeit zuschreiben, wenn seinem Aufbau auch eine an sich flüssige Masse zu Grunde liegen sollte. Uebrigens ist die Mechanik der Muskelcontraction ebensowenig aufgeklärt wie die Mechanik der Cilien, während z. B. die Mechanik der Contractionsbewegungen bei den Staubfäden der Cynareen u. s. w. auf den Antagonismus der constanten Elasticität der Zellwand und der variabeln Turgor- spannung zurückgeführt ist Bd. II, § 9 1,. 2) M. Verworn, Die Bewegung d. lebendigen Substanz 1892, p. 60; Aflgemeine Physiologie 190'!, 3. Aufl., p. 595. — Dass der Kern nicht direct für die Bewegungs- thätigkeit nöthig ist, ergiebt sich aus den Bd. I, p. 44; Bd. II, p. 705 mitgetheilten Er- scheinungen. 3) P. Jensen, Die Protoplasmabewegung 1902. p. 29 (Separat, a. Ergebnisse d. Physiologie, Jahrgang I). § 138. Protoplasmaströmung. 723 lässt sich die Erfahrung, dass bei äusseren Einwirkungen vielfach die con- tractorische Thätigkeit in den Vordergrund tritt, nicht als ein Argument für die genannten Hypothesen anführen. Denn ein solcher Erfolg wird immer herauskommen, wenn die Bedingungen für die expansorische Thätigkeit zurück- treten, gleichviel wie diese zu Stande kommt, und ob sie mit oder ohne Gohäsionswechsel ausgeführt wird. Es braucht aber nicht besonders hervor- gehoben zu werden, dass die Bewegungsthätigkeit des Protoplasmas, wie alle vitale Thätigkeit, unter allen Umständen (direct oder indirect) von der Stoffwechsel- thätigkeit abhängt. § 138. Protoplasmaströmung. Bekanntlich befindet sich das Protoplasma in vielen hautumkleideten Zellen in strömender Bewegung, und je nachdem die Strömung im Wandbelag den Zellsaft umkreist oder auch in den den Zellsaft durchsetzenden Strängen und Bändern thätig ist, pflegt man Rotations- und Circulationsbewegung zu unter- scheiden. Diese beiden Typen sind indess durch Bindeglieder verknüpft. Denn wenn z. B. das Protoplasma einer Zelle durch Einziehen der Stränge und Bänder auf eine Wandschicht reducirt wird, geht die bisherige Circulationsbewegung nicht selten in eine Rotationsbewegung über'). Während bei dieser (Blattzellen von Vallisneria, Internodium von Nitella etc.) gewöhnlich dieselbe Bewegungs- richtung eingehalten wird, tritt bei der typischen Circulationsbewegung (Staub- fadenhaare von Tradescantia etc.), analog wie bei den Plasmodien (II, § 136, i37), häutig eine Umwendung der Bewegungsrichtung ein, die sich in Intervallen von 1 Minute oder in einem längeren Rhythmus wiederholt 2). Gegenüber flinken Schwärmzellen (II, p. 704) ist die Plasmaströmung immer langsam. Denn im Maximum wurde in dem Plasmodium von Didymium ser- pula eine Bewegungsschnelligkeit von ] 0 mm in 1 Min. beobachtet, während für Dermatoplasten (Blattzellen von Vallisneria, Internodium von Nitella) selbst im günstigsten Falle die Stromschnelligkeit gewöhnlich nicht 1,6 mm in 1 Min. überschreitet ^). Relativ ist das immerhin eine ansehnliche Schnelligkeit, da ein 1) lieber solche Uebergänge infolge von Reizwirkungen vgl. Haupt fleisch, Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 24, p, 193. 2) Wir haben keine Veranlassung, Näheres über die Verbreitung und die formale Gestaltung der Plasmaströmungen mitzutheilen, und verweisen auf die Lehrbücher und die bezügliche Literatur, z. B. auf: Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. 48; Veiten, Bot. Ztg. 1872, p. 672; Wigand, Botanische Hefte 1885, Heft 1, p. 169; Berthold, Proto- plasmamechanik 1886, p. 119. — Vgl. auch J. M. Janse, Jahrb. f. wiss. Bot. 1890, Bd. 21, p. 198 (Caulerpa); Gh. Ternetz, Ebenda 4900, Bd. 35, p. 273 (Ascobolus). [A. J. Ewart, On the Physics and Physiology of Protoplasmic Streaming in Plants 1903, erschien nach Abschluss dieses Kapitels und konnte leider nicht mehr benutzt werden. Die vorläufige Mittheilung in Proceedings of the Royal Society 1902, Bd. 69, p. 466 — 470 ist zu kurz gehalten, um Wesentliches daraus entnehmen zu können.] 3) Siehe die Zusammenstellung bei Hofmeister, I.e. p. 48. Weitere Beispiele in der oben und fernerhin citirten Literatur. J. C. Arthur (Annais of Botany 1897, Bd. -Il, p. 493) beobachtete bei Rhizopus nigricans eine Strömungsschnelligkeit von 3,3 mm in 1 Min. — Um Praktikanten eine Vorstellung über die reale Schnelligkeit der 46* 724 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. Protoplasmatheilchen die ihm in der Blattzelle von Vallisneria zur Verfügung stehende Bahn 4 — Cmal in 1 Min. durchläuft, also öfter, als es das beste Renn- pferd in der Rennbahn fertig bringt. Obgleich im Protoplasma niemals vollständige Ruhe herrscht (II, § 133), so giebt es doch zahlreiche Zellen, in denen eine Strömung direct nicht wahrzunehmen und in keiner Weise zu erwecken ist, während bei anderen Zellen durch Verwundung oder andere Reize eine sehr lebhafte Strömung hervorgerufen werden kann (II, § 153). Letzteres ist unter anderm bei den Blättern von Vallisneria der Fall, während z. B. in den Haaren der Blätter von Cucurbita und Urtica, sowie der Staubfäden von Tradescantia u. s. w. die Strömung auch unter normalen Bedingungen zur Ausbildung kommt. Uebrigens pflegt in den Urmeristemzellen die Plasmastrümung zu fehlen, die sich mit der Vergrösserung der Vacuolen einstellt, also in irgend einer Ent- wickelungsphase ein Maximum erreicht und dann häufig bis zum Lebens- ende andauert 1). Die Plasmodien der Myxomyceten beweisen aber, dass eine Strömungsbewegung ohne die Ausbildung einer ansehnlichen Zellsaftvacuole möglich ist. Auch in den mit Plasma erfüllten Urmeristemzellen sind unter Umständen gewisse Strömungsbewegungen zu finden 2). Die Fäden von Spirogyra zeigen aber, dass bei dem Vorhandensein einer grösseren Zell- saftmasse auch in den embryonalen Zellen eine normale Protoplasmastrümung bestehen kann. Ist somit eine sichtbare Plasmaströmung nicht generell nothwendig, so dürfte dieselbe doch da, wo sie vorhanden ist, auf einen gewissen Zweck berechnet sein, wenn wir auch nicht wissen, ob dieser in der Beschleunigung des Stoff- transportes oder in anderen Functionen zu suchen ist (vgl. I, p. 602). Unmög- lich ist es freilich auch nicht, dass die Plasmaströmung unter Umständen nur die unvermeidliche Begleiterscheinung der anderweitigen Thätigkeit ist 3). In manchen Fällen, wie in dem theilungsthätigen Urmeristem, mag es aber sogar vortheilhaft sein, dass die Plasmaströmung, also eine lebhafte Bewegungs- thätigkeit, fehlt, die vielleicht das Zustandekommen von Gruppirungen er- schweren würde, welche im Protoplasma für bestimmte Ziele und Zwecke angestrebt und ausgeführt werden. Uebrigens ist schon (II, p. 698) allgemein be- tont worden, dass zwar die Protoplasmaströmung von der Stoffwechselthätigkeit abhängt, dass aber keineswegs eine besonders lebhafte Stoffwechselthätigkeit eine Protoplasmaströmung zur Folge haben muss, die z. B. durch Chloroform sistirt wird, obgleich die Athmung fortdauert oder sogar zunimmt. Mit Ausnahme der der Zellhaut anliegenden Hautschicht pflegt das ganze Plasmaströmung zu geben, lasse ich bei schwacher Vergrösserung die Bewegung der Spitze des Minuten- und Secundenzeigers einer Taschenuhr z. B. mit der Plasma- strömung in den Blattzellen von Vallisneria vergleichen, die ungefähr mit der Be- wegungsschnelligkeit des Minutenzeigers übereinstimmt. -1) Siehe z. B. Wigand, 1. c. p. i86, ferner Nägeli, Beiträge z. wiss. Bot. 1860, Heft 2, p. 61 ff.; Vesque-Püttlingen, Bot. Ztg. 1876, p. 574 ; A. Braun, Berichte über die Verhandlungen d. Berliner Akademie 1852, p. 2U u. s.w. 2) Vgl. z.B. Bütschll, Archiv f. Entwickelungsmechanik 1900, Bd. iO, p. 52. 3) Augenscheinlich ist das Strömen des Endoplasmas in dem Plasmodium der Myxomyceten nur die Folge der amöboiden Ausgestaltung des Ectoplasmas Bd. II. p. 718. § 138. Protoplasmaströmung. 725 Cytoplasma der thätigen Zelle zu strömen oder doch zum Strumen befähigt zu seini). Da die Hautschicht auch ruhend bleibt, wenn sie durch Plasmolyse von der Zellwand abgehoben ist 2), so kann der Mangel des Strümens nicht durch die Anpressung an die Zellhaut, d. h. durch die hierdurch bewirkte mechanische Hemmung, verursacht sein. Die nächstliegende (allerdings nicht erwiesene) Annahme ist die, dass die Ruhe, analog wie bei dem Plasmodium der Myxomyceten (H, p. 717], durch eine gewisse Steigerung der Cohäsion her- vorgerufen wird, die aber nicht so weit geht, dass der zähflüssige Zustand aufgehoben wird. Denn ohne eine relative Steigerung der Cohäsion würde die Hautschicht voraussichtlich durch die mechanische Wirkung des vorbeistrümenden Cytoplasmas in eine gleichsinnige Bewegung gesetzt werden. Jedenfalls lehrt die Erfahrung, dass sowohl die innere, den Wandbelag, als auch die die Plasmastränge überziehende Plasmahaut (Vacuolenhaut) mitstrümt^), dass die Strömung nicht durch die physikalische Oberflächenspannung unmöglich gemacht wird, die an der Grenzfläche von Protoplasma und Zellsaft besteht. Da aber bei vielen Pseudopodien (II, p. 719), voraussichtUch auch bei dem extracellularen Plasma der Diatomeen (II, p. 708), die an das umgebende Wasser grenzende Plasmaschicht mitströmt ^), so ist es wohl möglich, dass fernerhin Zellen gefunden werden, in denen sich die der Zellhaut angepresste Plasmahaut mitbe- wegt oder doch strömungsfähig ist. Ohnehin kann es sich bei der Hautschicht, die aus dem flüssigeren Cyto- plasma entsteht und in dieses wieder umgebildet werden kann (I, § 1 8), immer nur um eine relative Ruhe handeln, und bei mechanischen Deformationen (Plas- molyse etc.), sowie bei der amöboiden Ausgestaltung der Plasmodien etc., werden in der Hautschicht thatsächlich Verschiebungen und Bewegungen ausgefühi^t. üebrigens ist die Hautschicht bei Dermatoplasten zumeist sehr dünn und er- reicht sogar bei Chara und Nitella, wo ihr die ruhenden Chlorophyllkörner an- gelagert bezw. eingebettet sind, nur eine geringe Mächtigkeit. Zudem ist die ruhende Hautschicht nur unbestimmt gegen das strömende Cytoplasma abgegrenzt und dürfte (analog wie das Ectoplasma der Plasmodien) zeitweise eine gewisse Veränderung ihrer Dicke erfahren. Abgesehen von dieser Plasmahaut können sich grössere oder kleinere Massen des übrigen Cytoplasmas vorübergehend oder dauernd in (relativer) Ruhe befinden. Eine transitorische Ruhephase tritt stets bei der rhyth- 1, Veiten, Flora 1873, p. 97; Hofmeister, Pflanzenzelle tS67, p. 33, 45 u. s. w.; Pfeffer, Plasmahaut u. Vacuolen 1890, p. 269; Wigand, 1. c. p. 194; G. Hörmann, Studien über die Protoplasmaströmung bei d. Characeen 1898, p. 24. A. Hanstein, Botan. Abhandig. 1880, Bd. 4, Heft 2, p. 15 nimmt, ohne besondere Argumente anzu- führen, an, dass der ganze Protoplast, und somit auch die Hautschicht, dauernd in dem Zellwandgehäuse verschoben werde. 2) Aus der Ruhe der der Oberfläche adhärirenden Fremdkörperchen ist sicher zu ersehen, dass die äussere Hautschicht des plasmolysirten Protoplasten sich nicht fort- bewegt. 3) Veiten, 1. c. p. 98; Hofmeister, 1. c. p. 43 ; Berthold, 1. c. p. 122; Rhumb- 1er, Zeitschr. f. aflgemein. Physiologie 1902, Bd. 1, p. 304. An diesen Stellen ist auch mitgetheilt, dass in dem an das Protoplasma anstossenden Zellsaft eine gleichsinnig gerichtete Strömung stattfindet. 4j Dasselbe ist auch bei Pelomyxa der Fall. vgl. Bd. II, p. 71 9 Anm. 726 Kap. XIV. Locomotorisch6 Bewegungen und Plasmabewegungen. mischen Umkehrung der Strümungsrichtung ein. Zuweilen sind z. B. in dem Wandbelag nur einzelne Streifen in strömender Bewegung. Wenn aber die Hauptmasse strömt, so ist doch zwischen der aufsteigenden und der absteigen- den Partie des Rotationsstromes, analog wie zwischen zwei entgegengesetzt ge- richteten Meeresströmungen, eine schmale oder auch eine breitere Ruheschicht vorhanden, die speciell bei Chara und Nitella durch das Fehlen der Ghloro- phyllkörper markirt wird. In wie weit diese und ähnliche Verhältnisse allein durch die Vertheilung und den Wechsel der motorischen Kräfte und der Widerstände oder auch durch die Mithilfe einer localisirten Cohäsionsveränderung bedingt sind, muss dahin gestellt bleiben. Uebrigens ist es einleuchtend, dass es nur zu unbestimmten, allgemeinen oder localisirten Bewegungen im Proto- plasma kommen wird, wenn die motorische Energie ungenügend ist, imi eine volle Strömung zu bewirken, oder wenn dieselbe localisirt und wechselnd an- greift. In der That sind solche Vorgänge, zu denen auch ein Theil der sog. Glitschbewegungen 1) gehört, in gewissen Fällen dauernd oder zeitweise (bei Wiederbeginn der Strömung nach Chloroformiren, nach p-artieller Desorgani- sation etc.) zu beobachten. Die directe Beobachtung zeigt aber, dass sich (abgesehen von der Haut- schicht etc.) die ganze strömende Plasmamasse in Bewegung befindet'-), und dass, ebenso wie in einer jeden anderen strömenden Flüssigkeit, auch die inactiven Einschlüsse mit fortgerissen werden. In der That werden nicht nur Krystalle, Stärkekörner, Vacuolen etc., sondern auch öfters die Chlorophyllkörper und der Zellkern passiv mitgeführt. Dieses Schicksal widerfährt aber auch einem jedem selbstbeweglichen Organismus, der sich in strömendem Wasser befindet, und es ist also durchaus nicht ausgeschlossen, dass die mitgerissenen Chlorophyllkörper, Zellkerne etc. diejenigen verhältnissmässig langsamen, anderweitigen Fortbewe- gungen anstreben, die wir sie thatsächlich da ausführen sehen, wo sie sich in einem nicht strömenden Protoplasma befinden-'). Jedenfalls treten diese Be- strebungen, sofern sie vorhanden sind, in dem relativ schnell strömenden Proto- plasma zurück, in welchem in Folge der herrschenden physikalischen Bedingungen, auch bei den passiven Körpern, die Schnelligkeit und die Form der Bewegung verschiedenartig ausfallen. Denn wenn z. B. ein an sich bewegungsloses Körperchen einseitig einer ruhen- den oder langsamer bewegten Plasmaschicht anliegt, so wird es unter Umständen in drehende Bewegungen versetzt und zudem langsamer fortbewegt, als ein Körper, der sich allseitig in dem schnell strömenden Plasma befindet-*). Ferner werden 1) Vgl. Nägeli, Pflanzenphysiol. Untersuchung. -fSSS, Heft 1, p. 49; Beiträge z. wissenschaftl. Botan. 1860, Heft 2, p. 1 0, 84 ; Veiten, Bot. Ztg. 1872, p. 651 ; ferner VVigand, Botanische Hefte 1885, Heft 1, p. 180|, der von Disgressionsbewegungen redet. Zum Theil sind solche Bewegungen auf das Hin- und Herbewegen einzelner Körnchen im Plasma beschränkt. 2) Es existirt also nicht etwa ein festeres Gerüstwerk, zwischen dem sich das flüssigere Plasma strömend bewegt. Dass der Wabenbau die Zähflüssigkeit nicht ver- hindert, ist schonBd.n, p. 720 erwähnt, und ist auch aus den gegenseitigen Verschiebungen während des Strömens zu ersehen. 3) Vgl. Bd. II, § 139. sowie Büts chH , I. c. p. 205. u. die bei diesem citirte Literatur 4) Göppert u. Cohn, Bot. Ztg. 1849, p. 698; Nägeli, Beitr. z. wiss. Bot. 1860, Heft2,p.66; Veiten, Activoder passiv? Oesterr. Botan. Zeitschrift 1876, Nr. 3; Berthold, § 138. Protoplasmaströmung. 727 z. B. durch das Anhäufen von Stärkekürnern, Chlorophyllkörnern etc. nicht selten Hemmungen hervorgerufen, die zuweilen zur Folge haben, dass das übrige Plasma um diese locale Stauung, wie um eine Insel, herumfliesst, bis dann end- lich das Hinderniss fortgerissen wirdi). Auf diese, aber auch auf andere Weise, werden Umrissänderungen des Protoplasmas gegen den Zellsaft hin erzielt, die zuweilen eine lebhafte amöboide Ausgestaltung bewirken. Mechanik und Historisches. Die Mechanik der Protoplasmaströmung ist noch nicht aufgeklärt, und bis dahin ist nicht einmal festgestellt, ob die Betriebs- energie an der Berührungsfläche von Zellsaft und Protoplasma oder im Inneren des Protoplasmas erzeugt wird. Ein bestimmter Schluss ist auch nicht aus der Thatsache abzuleiten, dass die Vacuolenhaut mitströmt (II, p. 725); und dass sich der Zellsaft (wie die darin schwebenden Partikel erkennen lassen) in gleichsinniger Bewegung befindet 2). Da fei'ner die Strömung nicht nur von der Intensität und der AngrilTsweise der Betriebsenergie, sondern auch von der Cohäsion, überhaupt von den Widerständen u. s. w. abhängt, so können verschiedene Ursachen eine Störung hei'vorrufen und bewirken, dass im allgemeinen die Bewegungsschnellig- keit im Protoplasma von dem Zellsaft gegen die Zellwand hin abnimmt-^). Wenn mau nun auch geneigt sein wird, mit Berthold und den schon früher genannten Autoren ■*), die Ursache der Protoplasmaströmung in der regulatorisch gelenkten Veränderung der Oberflächenspannung, bezw. der Aus- breitungsbewegungen an der Grenzfläche von Protoplasma and Zellsaft, zu suchen, so ist doch zuzugeben, dass ein entscheidender Beweis für diese Ansicht nicht erbracht ist. Denn die Experimente mit Oelseifen u. s. w. (II, p. 715) zeigen nur, dass auf die angedeutete Weise in dem zähflüssigen Protoplasma eine Strömung zu Stande kommen kann, wenn die physikalischen Bedingungen für diese Bewegung z. B. dadurch geschaffen werden, dass das Protoplasma in be- stimmter und veränderlicher Weise Stoffe durch die Vacuolenhaut ausscheidet, 1. c. p. M8, ISO; Wigand, 1. c. p. 195; Hörmann, 1. c. p. 24. — Eine gewisse Senkung der Einschlüsse kann auch durch das Eigengewicht, also durch die Schwerkraft, ver- anlasst werden. Vgl. II, §'l'i7. 1) Meyen, Pflanzenphysiologie 1838 , Bd. 2, p. 2-20; Nägeli, I.e. p. 62; Hof- meister, Pflanzenzelle 1867, p. 44; Rhumbler, Zeitschr. f. allgemeine Physiolog. ■1902, Bd. -t, p. 321. — Ueber die mechanische Wirkung der Protoplasmaströme vgl. Pfeffer, Osmotische Untersuchungen 1877, p. 172. 2) Vgl. Bd. II, p. 725 Anm., sowie II, p. 715 Anm. in Bezug auf die Bewegungen in Oelseifen. Eine entgegengesetzt gerichtete Strömung würde entstehen, wenn die Fort- bewegung (wie beim Rudern etc.; durch die Wirkung einer Bewegung gegen das Wasser erzielt würde. [Vgl. auch Ewart, 1. c. 1903, p. 101.] 3) Wigand, 1. c. p. 196; Berthold, 1. c. p. 123. 4) Vgl. Bd. II, p. 715 Anm. Siehe besonders Berthold, 1. c. p. 1 15, undBütschli, I.e. p. 210, sowie Pfeffer, Plasmahaut und Vacuolen 1890, p. 277. An der zuletzt genannten Stelle ist auch hervorgehoben, dass die spezielle Auffassung Quincke's, welcher zudem die motorisch wirksame Oberflächenspannung an die ruhende, äussere Grenzschicht des Protoplasmas verlegt, nicht richtig sein kann. Ebenso ist darauf hingewiesen, dass die hemmenden Einflüsse von Chloroform, Ammoniak etc. einer kritischen Forschung vielleicht Handhaben zur Aufklärung der maassgebenden Vor- gänge bieten werden. 728 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. oder wenn auf andere Weise die Oberflächenspannung rhythmisch fortschreitend verändert wird^). Sofern durch die Oberflächenspannung, oder auf irgend eine andere Weise, localisirte und fortschreitende Contractionen und Expansionen (und hierdurch eine Abnahme und Zunahme der Dicke des Wandbelags etc.) derart erzielt werden, dass fortschreitende Contractionswellen über den Protoplasmaköi'per (die Vacuolenhaut) verlaufen, könnte auch auf diese Weise eine Strömung entstehen 2]. Da man aber eine solche contractorische Thätigkeit nicht beobachtet, da sich vielmehr in manchen Fällen die Umrisse des strömenden Protoplasmas (gegen den Zellsaft) nicht wesentlich ändern, so ist, wie von de Bary u. A. 3) hervorgehoben wurde, die soeben angedeutete Auffassung nicht gerechtfertigt, die von Corti"^) (1774), so- wie von Heidenhain 5), Kühne 6) u. A. vertreten wurde. Es ist durchaus nicht nöthig, dass die Plasmaströmung in den Dermatoplasten in analoger Weise wie bei den gymnoplasten Plasmodien etc., also durch eine Contractionsthätigkeit der peripheren Schicht, zu Stande kommt (II, p. 718). In beiden Fällen werden aber offenbar andere Mittel angewandt, als bei den Hyphen von Ascobolus carneus, in welchen (wie vielleicht in manchen anderen Fällen) nach Ch. Ternetz'^) die lebhafte, hin- und hergehende Plasmaströmung dadurch erzielt wird, dass das Protoplasma durch die antagonistische Vergrösserung und Verkleinerung der Vacuolen abwechselnd in acropetaler und basipetaler Richtung fortgetrieben wird. Es ist nicht geboten, die verschiedenen Bedingungen und Modalitäten darzu- legen, unter denen auch durch die Thätigkeiten und Veränderungen im Inneren des Protoplasmas eine Strömung verursacht werden könnte^). Ich beschränke mich hier mit dem Hinweis auf die Theorien von Engelmann 9) und Hofmeister lO), von denen der erstere die Protoplasmaströmung in einer nicht näher zu erörternden Weise durch die schon (H, p. lt\) erwähnten Dimensionsänderungen der Inotagmen zu Stande kommen lässt. Hofmeister nimmt dagegen an, dass in dem Protoplasma durch die rhythmische, in bestimmter Richtung fortschreitende Abnahme und Zunahme der Imbibition eine Wasserströmung und durch die mechanische Wirkung dieser die Strömung des Protoplasmas hervorgerufen wird. Die Annahme von Brücke^^) und Heidenhain 12\ nach der die Contractions- thätigkeit eines internen, fibrillären Gerüstes die motorische Energie liefert, durch 1) Da es sich hierbei um die Bewegung von flüssigem Protoplasma handelt, so st nur ein geringer Energieaufwand nöthig. Vgl. II, p. 715. [Ewart, 1. c. 4 903.] 2) Ebenso wird man eine Rotationsströmung erhalten, wenn man an einem ring- förmigen, mit Wasser gefüllten Kautschukschlauch eine fortschreitende Contractions- welle dadurch erzeugt, dass man den angepressten Finger im Kreise herumführt. 3) A. de Bary, Flora 1S62, p. 250 ; M. Schnitze, Das Protoplasma d. Rhizo- poden u. der Pflanzenzellen 186;i, p. 40; Nägeli u. Schwendener, Mikroskop IST?, II. Aufl., p. 389 u. s. w. 4) Citirt bei Göppert u. Cohn, Bot. Ztg. 1849, p. 666. 5) Heidenhain, Studien d. physiolog. Instituts in Breslau 1863, II, p. 60. 6j Kühne, Untersuch, über d. Protoplasma 18(54, p. 73, 91. 7) Ch. Ternetz, Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 273. 8) Literatur bei Bütschli, Untersuch, über mikroskopische Schäume 1892 p. 173. «) Vgl. Bd. II, p. 721. 10) Vgl. Bd. n, p. 721. 1t) Brücke, Sitzungsb. d. Wiener Akadem. 1862, Bd. 46, Abth. 2, p. 36. 12) M. Heidenhain, Einiges über die sog. Protoplasmaströmungen 1897 (Separat, a. Sitzungsb. d. physik.-medic. Gesellsch. zu Würzburg). § 138. Protoplasmaströmung. 729 welche die flüssige, plasmatische Zwischenmasse in Bewegung gesetzt wird, ist mit der Thatsache nicht vereinbar, dass die Gesammtmasse des Protoplasmas in Strömung gefunden wird (II, p. 7 2 6). Mit Uebergehung anderer Ansichten von nur historischem Werthe sei noch erwähnt, dass Amicii) sowie Veiten^) die Ursache der Plasmaströmung in electrischen Wirkungen suchten. Die Unrichtigkeit dieser Auffassung ergiebt sich, abgesehen von anderen Gründen, daraus, dass die Plasmaströmung durch die Einwirkung eines starken Magneten nicht beeinflusst wird 3). Beeinflnssung- tlurch die Zellgestalt und denCrewebererbaud. Das Zustande- kommen und die Richtung der Bewegung hängt stets von verschiedenen Factoren ab (II, p. 726). Es ist desshalb z. ß. fraglich, ob es schon durch die Richtung der motorischen Thätigkeit oder erst durch den directen Einfluss der Gestalt der Zelle bewirkt wird, dass sich der typische Rotationsstrom in cylind- rischen Zellen gewöhnlich parallel zur Längsachse der Zelle ■^) orientirt, d. h. so, dass er nach Veiten^) denjenigen Weg benutzt, welcher den geringsten Wider- stand bietet. Uebrigens giebt es Abweichungen von dieser Regel. Auch ist z. B. noch nicht aufgeklärt, warum bei Ohara der Rotationsstrom eine schraubige Bahn beschreibt, und in wie weit die entsprechende Anordnung der Chlorophyllkörper durch diese Bewegung bedingt ist oder auf diese zurückwirkt 6). In einem Gewebeverband kommen einmal die hierdurch bedingte Ausgestaltung der Zellen und ausserdem die wechselseitigen Beeinflussungen in Betracht (II, § 45). Diese werden in sehr auffälliger Weise u. a. dadurch bemerklich, dass sich von einer Wundstelle aus die Erweckung bezw. Beschleunigung der Plasmaströmung öfters bis in fernliegende Zellen ausbreitet (II, § 153). Offenbar kann auch die bestimmte Orientirung der Protoplasmaströme in den miteinander verketteten Zellen (z. B. in den Internodial-, Berindungszellen etc. von Ohara) '^) durch die correlativen Beziehungen regulirt werden. Eine solche Beziehung tritt indess in vielen Fällen nicht hervor, und oft scheint sich die Richtung der Rotalions- strömung in der oben angegebenen Weise auch dann der Form der Zelle an- zupassen, wenn dadurch in den aneinanderstossenden Zellen eine verschieden- artige Orientirung der Ströme herbeigeführt wird. Dass die Protoplasmaströmung zunächst auch in kernlosen Protoplasmamassen von statten geht, wurde bereits Bd. I, p. 44 mitgetheilt. 1) Siehe Göppert u. Cohn, Bot. Zeitung 1849, p. 666. 2) Veiten, Sitzungsb. d. Wiener Akad. -1875, Bd. 73, Abth. 1, p. 343. 3) Becquerel, Compt. rend. 1837, Bd. 5, p. 784; Dutrochet, Compt. rend. 1846, Bd. 2-2, p. 619; Reinke, Pflüger's Archiv f. Physiolog. 1882, Bd. 27, p. 140. 4) Nägeli, Beiträge zur wissenschaftl. Botanik 1860, Heft 2, p. 62. Einige Beobach- tungen auch bei A. Braun, Berichte über d. Verhandig. d. Berliner Akademie 1852, p. 214; Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. 36. 5) Veiten, Flora 1873, p. 86; Berthold, 1. c. p. 120. 6) Nach A. Braun (1. c. p. 225) stellt sich die schraubige Bewegung erst mit der Torsion des Internodiums ein. Siehe auch Berthold, 1. c. p. 121; Hörmann, Studien ü. d. Protoplasmaströmung b. d. Characeen 1898, p. 16. Nach Rhumbler, Zeitschrift f. allgem. Physiologie 1902, Bd. 1, p. 300, wird die Lage der Chlorophyllkörper bei Ohara durch die Stromrichtung bedingt. — Einige weitere Beispiele für eine ausnahmsweise schraubige Strombahn z. B. bei Meyen, Pflanzenphysiol. 1838, Bd. 2, p. 236; Veiten 1. c. p. 85. 7j A. Braun, 1. c. p. 231. — Für andere Pflanzen vgl. auch Hofmeister, I. c. p. 40; Berthold, 1. c. p. 121. '30 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. § 139. Pulsirende Vacuolen. Die Vacuolen, die im Dienste des Protoplasmas zu verschiedenen Zwecken formirt werden, sind in dem lebensthätigen Organismus differenten und auch formativen Veränderungen unterworfen, die sich in Volum- und Gestaltsänderungen, in Verschmelzungen, im Entstehen und Vergehen kund geben (I, p. 35, 40, 116). Sofern sich aber Verschwinden (bezw. Verkleinern) und Wiedererscheinen (bezw. Vergrüssern) in einem gewissen Rhythmus wiederholen, so sprechen wir von pul- sirenden oder contractilen Vacuolen. Diese sind besonders schon und mannig- faltig bei Infusorien 1) und vielen Protozoen ausgebildet, finden sich indess auch bei verschiedenen Thallophyten, so z. B. bei den meisten Volvocineen und Flagellaten 2), bei einigen Palmellaceen^jj bei den Schwärmsporen von Stigeoclo- nium, Chaetophora^), Ulothrix^j, Microspora ''j und manchen anderen Algen, bei den Schwärmsporen von Saprolegnia'i, Cystopus*) und bei den Schwärmern und Plasmodien der Myxomyceten^). Bei den höheren Pflanzen sind bis dahin keine typischen pulsirenden Va- cuolen nachgewiesen, die indess mit anderen Vacuolen durch Bindeglieder ver- knüpft sind. Denn alle Vacuolen werden in derselben Weise in dem Proto- plasma gebildet, und ferner giebt es alle Uebergänge zwischen Vacuolen, deren Volumen sich ansehnlich oder nicht merklich ändert i*^). So lässt sich in manchen Vacuolen die Pulsation durch äussere Eingriffe beliebig reduciren und sistiren, während andererseits wohl eine jede Vacuole gewisse Yolumschwan- kungen erfährt oder doch erfahren kanni^). Thatsächlich führen die Vacuolen (der Zellsaft] periodische Volumschwankungen aus, wenn sich die Concentration (die osmotische Wirkung) des umgebenden Wassers rhythmisch ändert, und es •I) Bütschli, Protozoen 1880—88, p. 1411. 2) Bütschli, 1. c. p. 708; 0. Hertwig, Zelle u. Gewebe 1893, p. 69 u. die an dieser Stelle citirte Lit. ; Cohn, Beitr. z. Biolog. d. Pflanzen 1877, Bd. 2, p. 117; Klebs, Unters, a. d. botan. Institut z. Tübingen 1883, Bd. 1, p. a46; G. Senn, in Engler's Natürl. Pflanzenfamüien 1900, Th. I, Abth. 1, p. 101 u. s. w. 3) Cienkowski, Bot. Ztg. 1865, p. 22; 1876, p. 70. 4) Cienkowski, Bot. Ztg. 1876, p. 70. 5) Strasburger, Zellbüdnng u. Zelltheilung 1875, p. 157; Dodel, Bot. Ztg. 1876, p. -183. 6) E. Maupas, Compt. rend. 1876, Bd. 82 , p. 1451. — Weitere Angaben über Algen bei Falkenberg in Schenk's Handbuch d. Botanik 1882. Bd. 2, p. 194. Vgl. ferner Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. 12; Woronin, Bot. Ztg. 1880, p. 628 (Chromophyton) etc. 7) Rothert, Cohn's Beitr. z. Biolog. 1892, Bd. 5, p. 323. 8) de Bary, Bericht, d. naturf. Gesellsch. z. Freiburg 1860, p. 8. 9) de Bary, Mycetozoen 1864, p. 41, 81; Cienkowski, Jahrb. f. wiss. Bot. 4863, Bd. 3, p. 329; Pfeffer, Zur Kenntniss d. Plasmahaut u. d. Vacuolen 1890, p. 192, 219, 336. — Ueber Amöben siehe Bütschli, I.e. p. 105; Rhumbler, Archiv f. Ent- wickelungsmechanik 1878, Bd. 7, p. 256. 10) Bd. I, p. 40; Pfeffer, I. c. ; Bütschli, 1. c. p. 1412, 1435; Rhumbler, I. c. 11) Ueber Formeänderung der Vacuolen durch die mechanische Wirkung der Plasma- strömung, die Unterbringung in eine dünne Plasmaschicht etc. siehe Pfeffer, 1. c. p. 257. § -139. Pulsirende Vacuolen. 731 ist nicht zu bezweifeln, dass mit den mannigfachen periodischen Processen viel- fach auch eine gewisse rhythmische Veränderung der Vacuolen verbunden ist^). Das ist z. B. bei Glosterium und einigen anderen Desmidiaceen der Fall, bei welchen sich in der Nähe der beiden Pole je eine Vacuole befindet, die sich jedes- mal verkleinert, wenn die Protoplasmastrümung gegen sie (gegen das bezügliche Zellende) gerichtet ist, bei der umgekehrten Bewegung des Protoplasmas aber wiederum an Volumen zunimmt 2). Ferner wurde schon (II, p. 728] berichtet, dass in den Hyphen von Ascobolus, und voraussichtlich in verschiedenen anderen Fällen, eine causale Beziehung zwischen Protoplasmaströmung und Volumänderung der Vacuolen besteht. Weiter ist z. B. mit den periodischen Bewegungen der Blätter und Blättchen von Desmodium, Trifolium etc. eine rhythmische Ver- grüsserung und Verkleinerung der Zellen, also auch des Zellsaftes (der Vacuolen) verknüpft (II, § 82). Eine solche Volumschwankung tritt ebenfalls in den Staub- fäden der Gynareen und in den Gelenken von Mimosa pudica bei einer jeden Reizbewegung ein, bei der eine ansehnliche Menge Wasser aus der Zelle hervor- gepresst wird (II, §91). Es sei hier nur kurz erwähnt, dass die stets kleinen, pulsirenden Vacuolen bei den oben genannten vegetabilischen Organismen, mit Ausnahme der Plas- modien, nur in geringer Zahl (I — 3) vorhanden sind und sich während ihrer Thätigkeit zumeist an einer bestimmten Stelle halten 3). Dagegen besitzt das Plasmodium der Myxomyceten zahlreiche pulsirende Vacuolen, die sich nicht nur in dem relativ ruhenden Ectoplasma, sondern auch in dem strömenden Endo- plasma befinden. In allen bekannten Fällen stimmen die pulsirenden Vacuolen darin überein, dass das Zusammenfallen, die Systole, sehr schnell, die Regene- ration, die Diastole, viel langsamer von statten geht 4). In der Systole fällt die Vacuole gewöhnlich plötzlich zusammen, nimmt dann, nach dem Wieder- erscheinen an derselben oder an einer andern Stelle, zunächst schnell, dann langsamer zu, um nach Erreichung einer gewissen Grösse^) abermals mit einem Rucke zu verschwinden. Bei grösseren Vacuolen oder bei langsamerer Thätigkeit lässt sich indess beobachten, dass bei der Systole das Volumen zwar schnell, aber doch allmählich und bei den nicht gänzfich schwindenden Vacuolen nur bis zu einem gewissen Grade abnimmt. Die Pulsationsfrequenz ist natürlich von den Aussenbedingungen abhängig ^] Ueber das osmotische System und Gleichgewicht in der Zelle vgl. Bd. I, § 24. 2) de Bary, Untersuch, ü. d. Familie d. Conjugaten; Schumann, Flora 1875, p. 66; A. Fischer, Jahrb. f. wiss. Bot. 1884, Bd. 14, p. U2. 3) Näheres in der citirten Lit. Aus der Zusammenstellung bei Bütschli (1. c. p. 708) ist z. B. zu ersehen, dass die meisten Volvocineen 2, Volvox aber nur i, Chlorogo- nium dagegen zahlreiche Vacuolen enthalten. Aehnliche Differenzen finden sich auch bei Infusorien etc. Nach Massart (Bullet, d. TAcademie royale de Belgique ■190'). p. 100) hat eine Erwärmung von Paramaecium aurelia auf 30 — 35 OC. die Bildung einer grösseren Zahl von Vacuolen zur Folge. Auch bei den Plasmodien ist die Zahl der pulsirenden Vacuolen Schwankungen unterworfen, während dieselbe constant zu bleiben pflegt, wenn nur 1 oder 2 Vacuolen vorhanden sind. 4) Auch bei den aitiogenen Reizbewegungen pflegt die Rückregulation langsamer von statten zu gehen, als die Reizreaction (H, p. 366). ö) Die Vacuolen in dem Plasmodium von Aethalium septicum und Chondrioderma haben dann einen Durchmesser von 0,004 — 0,01 mm. Pfeffer, 1. c. p. 192. 732 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. und erreicht z. B. mit einer gewissen, optimalen Temperatur ein Maximum. Unter günstigen Aussenbedingungen wurde z. B. das Zeitintervall zwischen zwei Ent- leerungen bei den Zoosporen von Ulothrix zu 12 — 15 See. i), bei Gonium zu 26 — 60 See. 2) gefunden. AehnUch dürften sich die Mehrzahl der typischen Pulsationsvacuolen verhalten. Diese führen aber in dem Plasmodium von Aetha- lium und Chondrioderma gewöhnlich erst in 60 — 90 See. ^j einen Rhythmus aus, und in diesen Plasmodien arbeiten die sich nicht ganz entleerenden Vacuolen oft viel langsamer^). Da zudem für ein hifusorium (Spirostomum teres) die Pulsationsfrequenz zu 30 — 40 Min. angegeben wird»), so dürfte es wohl auch bei den vegetabilischen Organismen Vacuolen geben, deren Rhythmus so lang- sam ist, dass die periodische Pulsation bisher übersehen wurde. Von der Regel, dass bei Gleichheit der Aussenbedingungen annähernd die- selbe Pulsationsfrequenz eingehalten wird (vgl. die citirte Literatur), giebt es begreiflicherweise Ausnahmen^). So fielen die Zeitintervalle, die Cienkowski'^'j bei gewissen Palmellaceen beobachtete, sehr ungleich aus, und diejenigen Vacu- olen der Plasmodien, die bei der Contraction nicht ganz verschwinden, pflegen sehr unregelmässig zu arbeiten s). In den Plasmodien findet man die be- nachbarten Vacuolen in den verschiedensten Phasen der Systole und der Dia- stole. Besitzt aber eine Zelle nur zwei A'acuolen, so scheinen die Pulsationen der Regel nach zu alterniren, so dass die eine Vacuole in der Wiederbildung oder Vergrösserung begriffen ist, während die andere zusammensinkt'^). Jedoch wurde mehrfach, so z. B. von Cienkowski bei gewissen Palmellaceen, die gleichzeitige Conti^action beider Vacuolen beobachtet. Nach den Erfahruns-en über animalische und vegetabilische Wesen wird bei dem Zusammenfallen einer pulsirenden Vacuole die Inhaltsflüssigkeit entweder nach aussen (in das umgebende Wasser) entleert oder von dem Protoplasma auf- genommen. Ersteres scheint bei den Infusorien die Regel zu sein^^j^ jjgj denen besondere Ausführungsgänge differencirt sind, die bei vielen animalischen Orga- nismen und, wenn wir von den Flagellaten absehen, bei denjenigen Organismen zu felden scheinen, die man zu dem Pflanzenreich zu rechnen pflegt. An die Existenz von besonderen Ausführungsgängen oder Ausführungsstellen ist indess die Entleerung nach Aussen nicht gebunden. Dieses zeigen z. B. gewisse Amöben, bei denen das Zusammenfallen und die Entleerung einfach dadurch erfolgen, dass die Plasma- ■I) Strasburger, sowie Dodel, 1. c. 2 Cohn, Nova Acta Academ.' Caesar. Leopold, ISSA. Bd. 24, 1. p. 4 96. Weitere Angaben bei Bütschli, 1. c. p. 7-14 und in der übrigen citirten Literatur. Bei Bütschli (1. c. p. 1453) finden sich auch Zusammenstellungen über die Pulsationsfrequenz bei Infusorien. 3) Cienkowski, Jahrb. f. wiss. Bot. 1863, Bd. 3, p. 329. 4) Pfeffer, Zur Kenntniss d. Plasmahaut u. d. Vacuolen 4 890, p. 4 92. 5) Bütschli, 1. c. p. 4454. 6) Ueber den Rhythmus bei der Zuwachsbewegung und bei Krümmungsbewegungen vgl. II, § 5, 79, 80 etc. 7) Cienkowski, Bot. Ztg. 4865, p. 22. 8) In den einzelnen Zellen der Colonie von Gonium etc. wird zuweilen annährend derselbe Rhythmus eingehalten. 9) Siehe Bütschli, 1. c. p. 743 u. die dort citirte Literatur. 40) Vgl. Bütschli, sowie 0. Hertwig, 1. c. § -139. Pulsirende Vacuolen. 733 Schicht, welche die peripherisch liegende Vacuole von dem umgebenden Wasser trennt, einreisst, nachdem sie durch die Vergrösserung oder durch das Hinaus- drängen der Vacuole in genügendem Maasse verdünnt worden ist^j. Auf diese Weise werden augenscheinlich auch bei den Mjxomvceten eine Anzahl der pul- sirenden, aber auch der nicht pulsirenden Vacuolen entleert, die an die Peripherie des Plasmodiums zu liegen kommen 2]. Dagegen ist bei den im Inneren des Plasmodiums befindlichen Vacuolen (II, p. 731) nur eine Entleerung in das um- gebende Protoplasma möglich. Letzteres gilt für alle Fälle, in denen die Vacuole nicht an die Peripherie des Protoplasmas und auch nicht an einen von der Peripherie sich in das Innere erstreckenden (bezw. sich bildenden] Ausführungs- gang stösst. Es kann sich also im näheren nur darum handeln, ob die aus- gestossene Vacuolenflüssigkeit im Protoplasma verbleibt (imbibirt wird etc.] oder durch Vermittelung desselben nach aussen gelangt. In diesem Falle wird dann eine entsprechende Volumabnahme des (gesammten) Protoplasten eintreten 3]. Die Entleerung durch die erwähnte physikalische Zerreissung der Vacuolen- haut ist aber ausgeschlossen, wenn die Vacuole allseitig und dauernd mit einer ansehnlichen Plasmaschicht umgeben ist, da diese, sowie die zu ihr gehörige Vacuolenhaut, eine durchaus plastische (zähflüssige) Masse ist. Unter diesen Um- ständen wird es sich also bei der Systole um eine Druckfiltration handeln, durch die in der That, bei Herstellung der entsprechenden Bedingungen, sehr schnell eine partielle oder totale Entleerung der Vacuole möghch ist. Zur Beurtheikmg aller dieser Verhältnisse ist zu beachten, dass in einer jeden Vacuole ein Antagonismus zwischen dem für die Existenz unerlässlichen osmotischen Druck in der Vacuolenflüssigkeit und dem von der Vacuolenhaut ausgehenden Centraldruck besteht, dass somit eine Volumänderung der Vacuole erfolgt, sobald das Verhältniss dieser antagonistischen Factoren modificirt wird (I, § 24]. Dem- gemäss gelten auch für die Volumschwankungen der Vacuolen die allgemeinen Erörterungen in Bd. II, p. 374, wenn man dort an Stelle der elastisch ge- spannten Zellhaut die gespannte Vacuolenhaut setzt und dabei bedenkt, dass der Centraldruck mit der Verkleinerung dauernd zunimmt und sehr erhebliche Werthe erreicht*], während der von der Zellhaut ausgeübte Druck mit der Volum- verminderung der Zelle abnimmt. Da durch die von der Vacuolenhaut (bezw. vom Protoplasma) ausgehende Druckwirkung nur eine massige Volumverminderung erreichbar ist. so muss eine ansehnliche Verkleinerung oder das gänzliche Schwinden einer nicht einreissenden Vacuole auf einer Verminderung (bezw. auf der Aufhebung) der osmotischen Wirkung in der Vacuole beruhen. Eine solche Aufhebung wird immer erzielt, wenn die Gesammtheit der in der Vacuole gelösten Stoffe in das umgebende Protoplasma übertritt, wenn also auf irgend eine Weise die Exosmose dieser Stoffe eingeleitet wird^). Bei der verhältnissmässig sehr 1) Siehe Rhumbler, Archiv f. Entwickelungsmechanik 1898, Bd. 7, p. 257. 3; Vgl. Pfeffer, Aufnahme u. Ausgabe ungelöster Körper 1890, p. 159. — In ana- loger Weise vereinigt sich auch eine kleine Vacuole mit einer anderen oder mit der grossen Zeflsaftvacuole. 3) Dass bei der Pulsation die Flüssigkeit der einen Vacuole nicht einfach in eine andere Vacuole getrieben wird, beweisen z. B. auch diejenigen Organismen, bei welchen nur eine Vacuole vorhanden ist oder die Systole der beiden Vacuolen gleichzeitig eintritt. 4) Dieses Buch, Bd. I, p. i19 u. Pfeffer, Plasmahaut u. Vacuolen 1890, p. 298. 5) Aus Bd. I, § 16 — 18, sowie § 22 — 23 ist zu ersehen, dass eine solche Exosmose ebensogut durch eine Modification der Vacuolenhaut, wie durch eine einfache Spaltung oder tiefere Zertrümmerung der gelösten Stoffe erzielt werden kann. Eine Modification der 734 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. grossen Oberfläche der kleinen Vacuole genügt schon eine massige Diosniir- und Filtrationsfähigkeit, um die gelösten Stofl'e und das Wasser so schnell aus der Vacuole zu befördern, wie es zm* Erzielung des plötzlichen Zusammen- sinkens der Vacuole nothwendig ist^). Sofern dann das umgebende Plasma das hervorgetriebene Wasser nicht sogleich zu imbibiren vermag, so ist das ti'ansi- torische Auftreten von Wassertröpfchen zu erwarten. Eine solche Erscheinung, die den Eindruck des Zerstäubens der Vacuole machen kann 2] ^ ist also sehr wohl mit der soeben besprochenen Entleerungsmechanik vereinbar. So lange osmotisch wirkende Stoffe in der Vacuole vorhanden sind, ist ein völliges Schwinden der Vacuole durch die in Betracht kommende äussere Druck- wirkung ausgeschlossen, da mit der Verminderung des Volumens die Concentration und damit die osmotische Leistung der Vacuolenflüssigkeit steigen. Desshalb kann allein durchs die von der Plasmahaut ausgehenden Druckwirkungen und Di'uck- veränderungen nur eine massige Volumänderung der Vacuole bewirkt werden 3). Dasselbe gilt auch für das übrige Protoplasma. Zudem beweisen die Erfahrungen, dass nahe benachbarte Vacuolen einen zeitlich verschiedenen Rhythmus einhalten, und dass die Pulsation der isolirten Vacuole noch einige Zeit fortgesetzt wird (II, p. 736), dass die Systole und Diastole nicht durch eine generelle und locale Druckschwankung im Protoplasten hervorgerufen werden. Aus diesen Erfahrungen und anderweitigen Erwägungen folgt zugleich, dass die Pulsation nicht auf der Vermehrung und Verminderung osmotisch wirksamer Stoffe in dem Cytoplasma beruhen kann. Auch bei den pulsirenden Vacuolen muss nicht in allen Fällen dieselbe Mechanik-*) obwalten, und vielleicht kann, analog wie bei den Plasmodien, schon durch die Lage der Vacuole (oder durch andere Bedingungen) verursacht werden, dass die Entleerung der Vacuole durch Zerreissung oder ohne Zerreissung der Vacuolenhaut (kurz gesagt durch Filtration) stattfindet^). Letzteres ist immer anzunehmen, wenn bei _der Systole nur eine Verldeinerung eintritt, da ein Ein- reissen der Vacuolenhaut, bei der Spannung dieser, voraussichtlich eine völhge Ent- leerung verursachen würde. Wenn aber, wie es scheint, die pulsirenden Vacuolen bei den meisten Organismen unter bestimmten Bedingungen nur partiell entleert werden^), so ist hiermit noch nicht erwiesen, dass auch bei dem völligen Vacuolenhaut würde auch vorliegen, wenn diese zeitweise schwände (d. h. wenn deren Differencirung aufhörte). Denn auch dann würde eine Entleerung durch Exosmose, also nicht durch Zersprengung der Vacuolenhaut vorliegen. — Nach Colin (Nova Acta Caesar. Leopold. 1834, Bd. 24, 1, p. 194), stellen sich bei Gonium pectorale unmittelbar vor der Systole Trübungen in der Vacuolenflüssigkeit ein. In welcher Weise dieser Vorgang mit der Contraction der Vacuole zusammenhängt, ist noch nicht festgestellt. i) Vgl. Bd. n. p. 377. 2) Siehe z. B. Rhumbler, 1. c. p. 289. sowie Bütschli, 1. c. etc. 3) Siehe Bd. I, § 24 u. Pfeffer, Plasmahaut u. Vacuolen 1890, p. 337. — Ob die p. 731 erwähnte Volumabnahme der Vacuole bei Closterium, die beim Einströmen des Protoplasmas eintritt, nur auf der gesteigerten mechanischen Druckwirkung des Plasmas oder gleichzeitig auf anderen Ursachen beruht, ist noch nicht festgestellt. 4) Die Ansichten verschiedener Autoren über den Contractionsprocess sind zu sammengestellt bei Bütschli, I. c. p. 1433, 1438. U52. 3) Rhumbler, 1. c. p. 257, 271 beobachtete bei Amöben neben Vacuolen, die sich nach aussen entleeren, auch solche, deren Inhalt sich in das Innere ergiesst. 6) Siehe Bütschli, 1. c. p. 1457. — Cohn (1. c. p. 200) fand unter anderm, dass sich bei Gonium pectorale die pulsirenden Vacuolen zuweilen nur erheblich ver- kleinern. § 139. Pulsirende Vacuolen. 735 Schwinden der Vacuole nur eine Druckfiltration eintritt, obgleich die that- sächlichen Beobachtungen an pflanzlichen und auch an vielen animalischen Organismen sehr w'ohl mit einer solchen Entleerung vereinbar sind. Die Erfahrung, dass in dem Plasmodium der Myxomyceten diejenigen Vacuolen, in die Anilinblau eingeführt ist, diesen Farbstoff bei der partiellen Pulsation nicht abgeben ^] , ist ein weiterer Beweis, dass die Vacuolenhaut nicht einreisst, während die elective Durchlässigkeit der Vacuolenhaut (I, § 22, 23) es ermöglicht, dass die Contraction durch die diosmotische Ausgabe anderer Stoffe verursacht wird. Nach der Einführung von nicht exosmirenden, gelösten Stoffen müsste dem gemäss an Stelle der bisherigen totalen Entleerung eine partielle Entleerung der Vacuole treten. Ob es in diesem Sinne zu deuten ist, dass in dem Plasmodium von Chondrioderma aus der Vereinigung einer ganz zusammenfallenden und einer nicht pulsirenden Vacuole eine kaum pulsirende Vacuole entsteht, muss dahin- gestellt bleiben^). In jedem Falle entspringt die rhythmische Pulsation der Vacuolen ebensogut einer selbstregulatorischen Thätigkeit, wie die rhythmischen Bewegungen der Cilien oder der Blättchen von Desmodium, und zwar müssen diese Regulationen schon in der mit einer dünnen Plasmaschicht umgebenen Vacuole erzielbar sein, wenn die so separirte Vacuole noch einige Zeit und bis zu einem gewissen Grade pulsirt (II, p. 736). Obgleich der regulatorische Eintritt der Systole mit der EiTeichung einer gewissen Grösse verknüpft ist, so ist die Auslösung dieser Action doch zugleich von specifischen Eigenschaften abhängig, wie sich ohne weiteres daraus ergiebt, dass in derselben Zelle andere Vacuolen nicht pulsiren, und sogar dann nicht, wenn sie die maximale Grösse der pulsirenden Vacuole erhebUch überschreiten 3). Wenn eine Vacuole völlig entleert wird, so ist durch die directe Beobachtung nicht wohl zu entscheiden, ob sie nur bis zur Unsichtbarkeit zusammengefaUen oder gänzlich verschwunden ist. Vielleicht kommt beides schon desshalb vor, weil auf der einen Seite die Differencinmg der Vacuolenhaut mit der Ueber- führung in das Innere des Protoplasmas rückgängig wird*), und weil andererseits verschiedene Ursachen die sonst so leichte Verschmelzung der Plasmahaut ver- hindern können (11, § I40). Die Neubildung einer pulsirenden Vacuole ist aber an sich nicht auffälliger, als die Neubildung einer nicht contractilen Vacuole 5). Eine solche Neubildung ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die pulsirende Vacuole immer wieder an derselben Stelle auftritt. Denn dieses erfordert nur. dass gerade an dieser Stelle bevorzugte Bedingungen für die Neuformation einer Vacuole bestehen bezw. geschaffen werden. Auf die sichtbaren formalen Eigenthümlich- keiten bei der Bildung und bei der Entleerung brauchen wir nicht einzugehen, da es in principieller Hinsicht nicht so wichtig ist, ob die Vacuole durch das Zusammenfliessen der zunächst isolirt auftretenden Tröpfchen oder auf andere Weise gebildet wird. Uebrigens ist noch nicht endgiltig entschieden, ob, wie 1) Pfeffer, ]. c. 1890, p. 219, 337. 2) Pfeffer, 1. c. 1890, p. 219. 3) Diese Folgerung bleibt natürlich zu Rechte bestehen, wenn man auch Be- dingungen herstellen kann, in welchen eine rhythmische Pulsation eintritt. Vgl. Rhumbler, 1. c. p. 263. 4) Siehe Bd. I, § 18. 3) Bd.I, p.40, sowie Pfeffer, I.e. 1890, p.223. AuchB ütschli. I.e. sowie Rhumb- ler, 1. c. treten für Neubildung der pulsirenden Vacuolen ein. —Bei der Vergrösserung der Vacuolen kommt dann die übliche Turgorregulation in Betracht. Vgl. Bd. I , p. 1 21 ; n, § 8. 736 ^^^P- X^V. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. es ja möglich ist, die pulsirenden Vacuolen bei gewissen Organismen eine höhere Differencirung und Selbständigkeit erreichen i). Aeussere Einflüsse. Das Wenige, was in dieser Hinsicht bekannt ist, zeigt, dass von einem näheren und zielbewussten Studium der Beeinflussung durch die äusseren Factoren wichtige Anhaltspunkte für die causale Erforschung der Pulsationsthätigkeit der Vacuolen zu erwarten sind. Den formalen Bedingungen gegenüber verhalten sich natürlich die pulsirenden Vacuolen analog wie die Plasmaströmung und andere vitale Functionen (II, § 141 ff.). Es sei desshalb auch nur darauf hingewiesen, dass die Pulsationsfrequenz bei einer gewissen optimalen Temperatur ihren Höhepunkt erreicht 2). Beachtenswerth ist, dass sich die contractilen Vacuolen gegen verschiedene Eingriffe verhältnissmässig resistent erweisen, also ihre Thätigkeit später einstellen als andere Bewegungsvorgänge im Protoplasma. Nach Klebs (1. c.) werden nämlich bei Euglena durch mechanische Eingrifle, durch hohe Temperatur, durch Strychnin zuerst die metabolischen, sowie die internen Plasmabewegungen und erst späterhin die Pulsationen der Vacuolen sistirt, die bei der Wiederherstellung der normalen Aussenbedingungen wiederum zuerst die Thätigkeit aufnehmen. Die Pulsationen werden nach Klebs sogar, allerdings verlangsamt und unregelmässig, noch einige Zeit fortgesetzt, wenn die Hauptmasse des Cytoplasmas dm-ch hohe Temperatur oder durch Druck desorganisirt und getötet ist 3). Hiei'mit steht im Einklang, dass nach Rossbach^) bei den Infusorien durch electrische Schläge zu- nächst die Bewegung der Cilien und die Locomotion des Organismus aufgehoben werden. Als eine Folge der specifischen Eigenthümlichkeiten ist es aber zu ver- stehen, dass nachRossbach (1. c.) bei den Infusorien durch gewisse Alkaloide zuerst die Cilien und erst späterhin die Vacuolen zum Stillstand gebracht werden, und dass nach Dodel^) bei den Schwärmsporen von Ulothrix gleichzeitig die Thätig- keit der Cilien und der Vacuolen erlischt, während bei anderen Schwärmern 6) die Thätigkeit der Cihen länger anhält. Ferner ist hervorzuheben, dass durch verschiedene Einflüsse eine z. Th. sehr ansehnliche und reversible Vei'grösserung der Vacuolen veranlasst wird, die in diesem angeschwollenen Zustand nur noch schwach oder gar nicht mehr pulsiren. Ein solcher Erfolg wurde von Klebs (1. c.) bei Euglena dm-ch die verdünnte Lösung verschiedener Neutralsalze erzielt, die aber auf Infusorien in geringem Grade wirken. Wenigstens wurde von Rossbach (1. c.) bei diesen Organismen keine Vergrösserung der Vacuolen beobachtet, die indess nach Massart") bei einer bestimmten Conccntration eintritt. Durch die plasmolytische Wirkung einer höher concentrirten Lösung wird aber allgemein eine Verkleinei-ung der Vacuolen be- ^) Näheres in den p. 730 Anm. citirten Schriften. Vgl. auch Pfeffer, 1. c. 1890, p. 223. 2) Bütschli, Protozoen 1880—88, p. 1454, 715; Klebs, Unters, a. d. botan. In- stitut zu Tübingen 1883, Bd. -l, p. 248. 3; Aus obigem ergiebt sich zugleich, dass für die Pulsationsthätigkeit der Zell- kern nicht direct nöthig ist. Demgemäss wird die Pulsation auch in kernfreien Plasma- massen einige Zeit fortgesetzt. Vgl. Bd. I, p. 45 (Hof er;. — Ueber die Fortdauer von Partialfunctionen an isolirten Organen siehe Bd. I, p. 43. 4) G. Rossbach, Die rhythmischen Bewegungserscheinungen d. einfachsten Or- ganismen 1872, p. 56. Siehe auch Bütschli, 1. c. p. 1455. 5j Dodel, Bot. Ztg. 1876, p. 185. 6) Siehe z. B. Cienkowski, Bot. Ztg. 1865, p. 23; Strasburger, Ueber Zell- bildung u. Zelltheilung 1875, p. 157. 7) J. Massart, Archive de Biologie 1889, Bd. 9, p. 550. § l.'^9. Pulsirende Vacuolen. 737 wirkt, die unter Umständen bis zum Unsichtbarwerden gehen kann^). Näher aufzuklären ist noch, wie es zusammenhängt, dass Rossbach (1. c.) bei Infusorien durch die Einwirkung von Alkaloiden, Alkalien etc. eine Vergrösserung der Vacuolen erhielt, während von Klebs (1. c.) eine solche Reaction nicht beobachtet wurde, als er auf Euglena Strychnin wirken liess. Vermuthlich werden bei den pulsirenden Vacuolen in ähnlicher Weise, wie bei anderen Vorgängen, durch die plötzliche Veränderung der Redingungen transi- toi'ische Reactionen hervorgerufen (II, §141 ff.). Aus der Nichtberücksichtigung dieser transitorischen Reactionen erklärt sich vielleicht, dass z. R. bei Sauerstoff- mangel oder bei Anhäufung von Kohlensäure nur von einigen Forschern eine Reschleunigung der Pulsationsfrequenz beobachtet wurde (vgl. Rütschli 1. c). Tuuctionelle Bedeutung. Nach der allgemeinen Auffassung besteht die Aufgabe der pulsirenden Vacuolen darin, die Aufnahme von Sauerstoff und Nähr- stoffen, sowie die Reseitigung der Kohlensäure und anderer Excrete zu be- schleunigen 2). In der That muss der Stoffaustausch durch das Ausstossen und die Wiederaufnahme von Wasser im hohen Grade begünstigt werden, da nach den Rerechnungen von Maupas 3] bei Infusorien unter günstigen Redingungen in 2 — 46 Minuten ein Wasserquantum ausgestossen wird, das dem eigenen Körpervolum gleichkommt. Andererseits ist zu beachten, dass nicht einmal alle Protozoen pulsirende Vacuolen besitzen, und dass diese z. R. den Geweben der Pilze und den Urmeristemzellen etc. abgehen, die doch ebenfalls eine sehr energische Athmungs- und Stoffwechselthätigkeit ausführen, obgleich in dem Gewebeverband die Zufuhr und Abfuhr erheblich erschwert ist (I, Kap. V). Es ist also noch auf- zuklären, ob und in wie weit bei bestimmten Organismen besondere Verhältnisse obwalten, welche die Rethätigung der pulsirenden Vacuolen nothwendig machen. Uebrigens ist es wohl möghch, dass die pulsirenden Vacuolen, ebenso wie die übrigen, zu verschiedenen Zwecken nutzbar gemacht sind. So dienen sie bei Chilodon propellens vielleicht zur Fortbewegung, da bei jeder Pulsation, offenbar durch die Rückstosswirkung des herausgetriebenen Wassers, ein stossweises Fortbewegen des Organismus beobachtet wird 4). Ferner ist mit den Reiz- bewegungen der Cjnareenstaubfäden etc., sowie mit den periodischen Rewegungeu der Rlättchen von Desmodium, ein Ilervortreiben und eine Wiederaufnahme von Wasser verknüpft (If, p. 731). ^) Cohn, Nova Acta Academ. Caesar. Leopold. -1854. Rd. 24, 1, p. -194; Klebs. I.e.: Massart, I.e. Von Klebs. sowie von Massart, ist auch die allmähliche Accom- modation an concentrirte Lösungen beobachtet (Rd. II, p. 137). Dass bei dem plötz- lichen Uebertragen aus concentrirten in verdünnte Lösungen ein Platzen erfolgen kann, ist schon früher (Bd. II, p. 138, 329) erwähnt. Bei der näheren Aufklärung der durch verdünnte Salzlösungen etc. erzielten Erfolge ist u. a. auch das Platzen von Pollenschläuchen etc. zu beachten, das ohne Concentrationswechsel eintreten kann Bd. II, p. 1 38 Anm.). 2) Cohn, Beiträge z. Biologie 1877, Bd. 2, p. 118. Näheres bei Bütschli, I.e. p. 1452. 3) Citirt nach Bütschli, 1. c. p. 1453. — Nach Rhumbler (Archiv f. Entwicke- lungsmechanik 1898, Bd. 7, p. 257) erfährt Amoeba proteus bei der Entleerung der Vacuole jedesmal eine ansehnliche Volumabnahme. 4) Engelmann, Zur Physiologie d. contractilen Vacuolen der Infusionsthiere 4878. Pfeffer, rflauzenpli3-siologie. 2. Aufl. II. 47 738 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. § 140. Anderweitige Bewegungen im Protoplasma, Ebenso wie die amöboiden und Strömungs-Bewegungen sind auch die übrigen Ausgestaltungen und Bewegungen im Protoplasten Symptome und Folgen der vitalen Thätigkeit. Da wir aber das Zustandekommen dieser Actionen (zu denen z. B. auch die Kern- und Zelltheilungsvorgänge gehören) nicht in zureichender Weise causal aufzuklären vermögen, so müssen wir uns im wesentlichen auf die Andeutung der in Betracht zu ziehenden Bedingungen und Factoren be- schränken. Diese ergeben sich übrigens in der Hauptsache aus den Erörterungen über die Mechanik und die Regulation der amöboiden Bewegungen (II, §137), wenn man beachtet, dass nicht nur der ganze Protoplast, sondern auch die in ihm differencirten Theile (auf deren Zusammenwirken die Lebensthätigkeit be- ruht, Bd. I, Kap. II) selbstthätig und doch zugleich in physiologischer und mechanischer Abhängigkeit arbeiten, also ebenfalls bewegungs- und gestaltungs- thätig sind bezw. sein können. Soweit die dem Cytoplasma eingebetteten differencirten Organe einen zäh- flüssigen Aggregatzustand besitzen, wird also auch ihre Gestaltung und Bewegung in dem früher (II, p. 715) erörterten Sinne von denselben physikalischen Ge- setzen beherrscht (bezw. durch diese eingeengt), wie die einer zähflüssigen todten Masse. Demgemäss müssen Yacuolen (oder Oeltropfen etc.), die aneinander ge- presst, oder in eine zu dünne Plasmaschicht eingezwängt werden (II, p. 718], eine entsprechende Deformation erfahi^en, und offenbar wird in gewissen Fällen durch solche oder andere mechanische Wirkungen die Abilachung des Zellkerns etc. bewirkt. Andererseits hat die Zunahme der osmotisch wirksamen Substanz, d. h. die hierdurch verursachte Vergrösserung einer A'acuole, eine Ver- schiebung in dem angrenzenden Plasma zur Folge, und wir haben bereits (II, p. 728) vernommen, dass auf diese Weise sogar eine bestimmt gerichtete Plas- maströmung hervorgerufen werden kann. Ebenso wird durch die active Ver- grösserung oder Formänderung des Zellkerns, durch die Bildung und Vergrösse- rung eines Stärkekorns u. s. w., eine mechanische Verschiebung im Plasma und hierdurch eine gewisse Störung des physikalischen Gleichgewichts geschaffen, die zur Folge hat, dass sich eine Bewegung einstellt, die auf die Herstellung des neuen Gleichgewichts und somit auch auf eine bestimmte Anordnung und Gruppirung der Organe und Einschlüsse im Cytoplasma hinarbeitet. Es ist aber als eine Folge der physikalischen Bedingungen zu verstehen, dass sich der zähflüssige Protoplast bei der Plasmolyse schnell abrundet (II, p. 714), während unter den in der Zelle gebotenen Verhältnissen eine interne Umlagerung so langsam ausgeglichen wird, dass bis zur Wieder- herstellung des Gleichgewichtszustandes zuweilen mehr als eine Woche ver- geht, wenn durch eine starke Gentrifugalwirkung eine einseitige Anhäufung des Protoplasmas erzielt ist (II, § 1 47). Allerdings gilt dieses nur für den Fall, dass nur die (physikalische) Oberflächenenergie wirksam ist. Denn wenn das Protoplasma strömungsthätig ist, wird die Umlagerung mit Hilfe dieser physio- logischen Bewegung schnell ausgeglichen. § 140. Anderweitige Bewegungen im Protoplasma. 739 Da sich die internen Umlagerungen (Störungen) nur langsam ausgleichen, so wird das stabile Gleichgewicht in der Gestaltung und Anordnung des Proto- plasmas vielleicht nie erreicht, wenn durch die Thätigkeit im Protoplasten immer wieder neue Potentialdifferenzen geschaffen werden. Uebrigens lässt sich die zu fordernde stationäre Gleichgewichtslage aus verschiedenen Gründen nicht leicht (theoretisch) präcisiren, und zwar schon desshalb nicht, weil uns die maass- gebenden Bedingungen (Oberflächenspannung etc.) nicht genügend bekannt sind, imd weil zudem in dem thätigen Protoplasten sehr wohl anomogene Spannungen unterhalten werden können. Im allgemeinen entsprechen aber die Gestaltungen und Anordnungen des Protoplasten und im Protoplasma dem, was man unter den obwaltenden Bedingungen nach physikalischen Gesetzen in einem zäh- flüssigen Gemische zu erwarten hat. Dadurch, dass die Organe des Protoplasten nicht in einer todten, sondern wiederum in einer lebendigen Masse liegen, sind Bedingungen geboten, die im erhöhten Grade die Schaffung einer local verschiedenen Thätigkeit und Ober- flächenspannung ermöghchen 1). Auf diese Weise kann also z. B. sehr wohl eine spindelförmige Gestaltung oder ein amöboider Formenwechsel oder eine active Fortbewegung des Zellkerns, der Chromatophoren etc. bewirkt werden. Denn wir haben gehört (II, p. 715), dass auch Oeltropfen, Quecksilbertropfen u. s. w. bei Unterhaltung einer anomogenen (polaren) Oberflächenspannung, ohne wesentliche Aenderung des Umrisses, eine bestimmt gerichtete Locomolion aus- führen, durch die sie, je nach den obwaltenden Bedingungen, einander genähert oder von einander entfernt werden. Eine solche Locomotion, also auch ein Zu- sammenführen oder Auseinanderführen, sowie eine bestimmte Gruppirung kann aber auch durch localisirte, gleichsinnig oder ungleichsinnig gerichtete (langsame) Bewegungen im Cytoplasma bewirkt werden, dessen Bewegungsfähigkeit durch die Protoplasmaströmimgen demonstrirt wird. Thatsächlich wissen wir aber nicht, in wie weit diese und andere Gestaltungen und Bewegungen durch die Oberflächenenergie oder durch die Mitwirkung anderer Factoren erzielt werden. Einmal ist schon zu bedenken, dass bei Erhaltung des zähflüssigen Aggregatzustandes der Gesammtmasse einzelne Partien (einzelne Organe oder Theile des Cytoplasmas, des Zellkerns etc.) vorübergehend oder dauernd eine festere Consistenz gewinnen können, die in der früher (II, p. 716) angegebenen Weise und mit den dort angedeuteten Mitteln eine anderweitige active Gestaltungsthätigkeit gestatten. Yermuthlich wird auf diese Weise die Conservirung der besonderen Form der Chlorophyllbänder von Spirogyra er- möglicht, und vielleicht spielt eine Cohäsionszunahme eine Rolle bei der Aus- gestaltung und dem Formen Wechsel der Chromosomen etc. Weiter ist unbekannt, in wie weit durch die Stoffwechsel- und Bauthätig- keit (Ausfällen, Auflösen etc.), für sich und in Verbindung mit anderen Pro- cessen, transitorische oder bleibende Differenzen und Differencirungen erzeugt werden, die mit ihrer Realisirung wiederum neue Bedingungen und Angriffs- 1) Wir haben hier nur die Oberflächenspannung an der Grenzflcäche der sichtbaren, differencirten Theile im Auge, ziehen also nicht die Vorgänge in Betracht, welche sich im Innern der imbibitions- und quellungsfähigen Organe etc. abspielen. Vgl. Bd. II, p. 719. 47* 740 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. punkte für Leistungen durch die Oberflächenenergie oder durch andere Mittel herstellen. Uebrigens setzt ein jedes progressives oder rhythmisches (autogenes) Geschehen voraus, dass durch die jeweilige Thätigkeit immer wieder neue Con- stellationen und damit die Bedingungen für die Modification bezw. für die Wiederholung des Gestaltens, Bewegens etc. geschaffen werden (Vgl. II, p. 159). Das complicirteste physiologische Geschehen kann aber, wie ebenfalls schon be- tont wurde (I, p. 5; II, § 51), sehr wohl mit den üblichen Energiemitteln er- zielt werden, wenn diese in regulatorischer, also in zeitlich und local verschie- dener Weise und Combination, zur Anwendung gebracht werden. Wie freilich in einem concreten Falle gearbeitet wird, das ist auch in Bezug auf die sichtbaren Gestaltungs- und Bewegungsvorgänge im Protoplasma zumeist unbekannt. So ist es nicht einmal sichergestellt, ob die Plasmastrümung durch Oberflächenenergie betrieben wird (Vgl. II, p. 727). Noch weniger sind die Factoren bekannt, durch welche eine bestimmt gerichtete Wanderung des Zell- kerns, der Chlorophyllkörper etc. veranlasst und bewirkt wird. Ebenso ist der Complex von Factoren nicht aufgeklärt, durch den z. B. die Gestaltungen und Bewegungen bei der Kerntheilung erzielt werden. Es ist aber wohl zu be- achten, dass dasselbe Resultat sehr wohl mit verschiedenen Mitteln und Combinationen erreichbar ist. Wenn also z.B. der Zellkern (dasselbe gilt für die Ghlorophyllkörper u. s. w.) unter Umständen in dem strömenden Cytoplasma passiv mitgeführt wird, so ist damit nicht ausgeschlossen, dass er in anderen Fällen eine active Locomotion ausführt (II, p. 726). Letzteres würde in der That der Fall sein, wenn sich der Kern mit Hilfe eines amöboiden Formenwechsels oder, ohne einen solchen, etwa dadurch fortbewegte, dass durch die eigene Thätigkeit eine anomogene Ober- flächenspannung und hierdurch in der früher (II, p. 715) angedeuteten Weise die motorische Energie geschaffen würde. Sofern aber die entscheidende Ano- mogenität der Oberflächenspannung nur durch die entsprechende Stoff'wechsel- thätigkeit etc. des umgebenden Cytoplasmas erzeugt wird, so kann man zweifel- haft sein, ob man von einer activen Locomotion des Kernes reden soll, obgleich die motorische Energie wiederum durch die Wechselwirkungen an der Grenzfläche von Kern und Cytoplasma erzeugt wird^). Die motorische Energie wird aber ohne eine directe Betheiligung des Zellkerns geschaffen, wenn dieser nur dirigirend wirkt, d. h. wenn er sich durch eine auslösende Wirkung in irgend einer Weise die motorische Befähigung des Cytoplasmas nutzbar macht. Auch in diesem Falle kommt dem Nucleus mit Bezug auf die directive Wirkung eine x\ctivität zu, die man ihm aber nicht zusprechen kann, wenn man die mechanische Eigenbethätigung (die selbstthätige Production der Betriebsenergie) als Kriterium der Activität ansieht. Da aber bei den mannigfachen physiologischen Wechselbeziehungen allge- mein auch mechanische Wechselwirkungen mitspielen (II, p. 738), so lässt sich zumeist schwer präcisiren, ob und in welchem Sinne eine active oder eine unzweifelhaft passive Bewegung des Nucleus (der Chlorophyllkörper etc.) vor- 1) Ebenso wird die Anomogenität der Oberflächenspannung durch die Differenz im Aussenmedium erzeugt, wenn Seifenlösung einseitig zu einem Oeltropfen tritt, während ein Tropfen aus einem Gemisch von Oel und Kaliumcarbonat auch bei Homo- genität des umgebenden Wassers Bewegungen ausführt. Vgl. II, p. 713. § 140. Anderweitige Bewegungen im Protoplasma. 741 liegt. Tritt z. B. in der fortwachsenden Spitze eines Haares, oder an irgend einer anderen Stelle, eine Ansammlung des. Cytoplasmas ein'), so kann hier- durch sehr wohl (direct oder indirect) eine passive Locomotion des Zellkerns bewirkt werden. Aber auch dann, wenn sich der Kern ohne eine gleichsinnige Umlagerung des Cytoplasmas nach einem bestimmten Ziele bewegt, folgt daraus nicht ohne w-eiteres, dass der Kern eine (mechanisch) active Motion ausführt, obgleich eine solche sicherlich öfters vorjcommt^). Voraussichtlich werden auch die besonderen Gestaltungen und der (nicht häufige) amöboide Formenwechsel öfters durch die active Thätigkeit des Nucleus erzielt 3). Bei der Correlation aller Theile im Protoplasten (I, § 7 — 9) ist andererseits nicht zu bezweifeln, dass die Ausgestaltungen und Bewegungen vielfach in wechselseitiger Beeinflussung und Unterstützung zu Stande kommen, und dass im speciellen Locomotionen des Kerns auch durch die Ausnutzung der energetischen Befähigungen des Cyto- plasmas erzielt werden. Bis zu einem gewissen Grade ist ja stets die Lage des Kerns oder der Kerne (I, § 1 0) in der Zelle von den mechanischen und physiologischen Wechsel- beziehungen zwischen dem Kern und dem Cytoplasma etc. abhängig. Gleiches gilt z. B. auch für die Chloroplasten, deren bestimmte Orientirung gegenüber der Beleuchtung entweder durch eine active Motion oder durch eine directive Nutzbarmachung des Cytoplasmas erzielt werden muss (II, §146). Ebenso sind die mechanischen Vorgänge bei der Kerntheilung nach den angedeuteten Principien zu beurtheilen. Es ist desshalb einleuchtend, dass man aus der for- malen Gestaltung dieser Vorgänge z. B. nicht ohne weiteres ersehen kann, ob und in w^elchem Sinne die Chromosomen sich passiv oder activ oder vielleicht theilweise activ, theilweise passiv bewegen. Die nächste mechanische Ursache ist natürlich dann festgestellt, wenn man weiss, dass der Kern z. B. durch eine allgemeine oder locale Cytoplasmastrümung 1) Ueber diese Ansammlung des Protoplasmas, sowie über die Lage des Zellkerns in wachsenden Zellen vgl. Bd. II, p. 38 und die dort citirte Literatur. Ueber die trauma- tropische Wanderung des Zellkernes siehe Bd. II, § 153. 2) Kritische Untersuchungen über die Bewegungen des Zellkernes, die den oben erörterten Gesichtspunkten Rechnung tragen, liegen nicht vor. Uebrigens wird von einigen Autoren eine active, von anderen eine passive Bewegung des Zellkerns an- genommen. Vgl. z.B. Hanstein, Mittheil. ü. d. Bewegungserscheinungen des Zell- kerns 1S70, p. 224 (Separat, a. d. Sitzungsber. d. Niederrhein. Gesellsch.); Berthold, Protoplasmamechanik 1886, p. 150, 164; Haberlandt, Function u. Lage d. Zellkerns 1887, p. 103; Behrens, Bot. Ztg. 1890, p. 100. 3) Ueber langgestreckte, gelappte und absonderlich geformte Zellkerne vgl. z. B, Molisch, Studien ü. d. Milchsaft u. Schleimsaft 1901, p. 87, 107; Bot. Ztg. 1899, p. 177; Haberlandt, I.e. p. 124; v. Wasiele wski, Jahrb. f. wiss. Bot. 1902, Bd. 38, p. 415. In vielen Fällen ist es schon aus der Gestaltung zu ersehen, dass es sich nicht um eine durch die Form der Zelle zwangsweise aufgedrängte Gestalt handeln kann. — Auf die' amöboide Thätigkeit des Kerns, die im Thierreich häufiger als im Pflanzen- reich beobachtet wurde, ist schon Bd. 11, p. 712 hingewiesen worden. Ob etwa der Nucleus mit Hilfe amöboider Thätigkeit aus dem Pollenschlauch in die Eizelle übertritt oder auch in gewissen anderen Fällen von einer Zelle zur anderen wandert, ist noch nicht entschieden. Ueber den Uebergang des Zellkerns in eine Nachbarzelle vgl. Bd. II, p. 225 u. die dort citirte Lit., sowie Strasburger, Jahrb. f. wiss. Bot. 1901, Bd. 30, p. 551 ; M. Koernicke, Sitzungsb. d. Niederrhein. Gesellsch. vom 4. März 1901. 742 Kap. XIV. Locomotorisclie Bewegungen und Plasmabewegungen. oder dadurch fortbewegt wird, dass er durch das Einziehen eines den Zellsaft durch- setzenden Plasmastranges in die Wandschicht befördert wird. In diesem Fall kann die motorische Energie in analoger Weise gewonnen werden, wie bei dem Einziehen eines Pseudopodiums (ll,p. 7 1 6), wobei ebenfalls die eingeschlossenen und adhäriren- den Körper fortbewegt werden. Es ist also auch möglich, dass die dilferencirten, fibrillären Massen, die sich bei der mitotischen Kerntheilung, zuweilen aber auch ausserdem ausbilden i], durch ihre Zusammenziehung im Inneren des Protopla- sten eine mechanische Fortbewegung anderer Theile zu Stande bringen. Wenn man unter diesen Umständen berechtigt ist, in demselben Sinne wie bei der Einziehung eines Pseudopodiums, von Contraction zu reden 2], so ist dabei nicht zu vergessen, dass es sich auch bei diesen transitorischen fibrillären Differen eirunden, wie bei einem festen Körper, nicht um eine elastische Contraction, sondern um eine Zusam- menziehung (einen Formenwechsel) handelt, wie ihn ein Pseudopodium und auch eine gewaltsam zu einem Faden ausgezogene, zähflüssige Masse ausführt. Uebrigens ist nicht ausgeschlossen, dass ausser solchen plasmatischen Massen auch Plasma- producte, also z. B. gallertartige oder schleimige Massen, durch ihr Auftreten und Ausgestalten im Inneren des Protoplasmas eine mechanische Fortbewegung oder Differencirung bewirken ^i. Kerntheilung'. Die specilische Wachslhumslhätigkeit und Gestaltung der Zelle und des Organismus vermögen wir ebensowenig wie die Bewegungen und Gestaltungen im Protoplasma als nothwendige Folge aus den Constellationen und Thäligkeiten des Protoplasten abzuleiten-*). Dieses gilt demgemäss auch für die Zell- und Zcllkerntheilung, deren Bedeutung und wechselseitige Beziehungen bereits erörtert wurden 5). Bei dieser Gelegenheit ist schon hervorgehoben, dass es sich auch bei der Kerntheilung um physiologische Vorgänge handelt, die entweder in lockerer oder auch in so inniger Wechselwirkung mit dem Cytoplasma 1) Bei solchen fibriUären Anordnungen handelt es sich im allgemeinen um tran- sitorische Gruppirungen und Differencirungen . die auf verschiedene Weise vgl. z. B. auch Bd. II. p. 743) im Protoplasma auftreten können (vgl. Bd. I. § 7 u. 8). Auf einige Beispiele ist Bd. It. p. 228 u. 609 hingewiesen. Ein weiteres Eingehen auf diese Fragen und die bezügliche Literatur ist hier nicht geboten. Thatsachen finden sich in der auf Kern- und Zelltheilung bezüglichen Literatur. 2) Vgl. Bd. II, p. 713. Uebrigens ist bereits (II, p. 738 mitgetheilt, dass durch die Formänderung einer Vacuole, des Zellkerns etc. ein mechanisches Nachziehen bezw. Fortschieben im Plasma verursacht werden kann. 3;i Es würde dieses etwa mit der motorischen Schleimsecretion bei Desmidiaceen (II, p. 7M; zu vergleichen sein oder auch mit der Schleimbildung, durch welche in einer Zoogloea die einzelnen Bacterien-Individuen auseinandergedrängt und zugleich in bestimmter Weise gruppirt werden. Im Innern des Protoplasmas würden solche Plasma- producte auch wieder beseitigt werden können. 4) Vgl. Bd. I, p. 34 ; II, p. 158. Im Protoplasma besteht, wie schon Bd. 11, § 133 be- tont wurde, niemals Ruhe, und so ist ein jeder Constellationswechsel im Grunde ge- nommen mit einem Bewegungsvorgang verknüpft. 5; Siehe Bd. II, §12; Bd. I, §9. In diesen Paragraphen, deren Inhalt hier als bekannt vorausgesetzt wird, ist auch in principieller Hinsicht auf die Centrosomen Rücksicht genommen, die übrigens bei der Mehrzahl der Pflanzen nicht vorkommen. Näheres über die Centrosomen z.B. bei Strasburger, Histologische Beiträge Hefte, 1900, p. 1Ö6; Ber. d botan. Gesellsch. 4901, p. 4ö8: R. Hertwig, Abhandig. d. Bayrisch. Akad. d. Wissensch. 1898, Bd. 19, p. 690. In diesen Arbeiten, sowie in der an diesen Stellen citirten Literatur sind auch die theoretischen Ansichten der verschiedenen Autoren über die Bedeutung der Centrosomen zu finden. § HO. Anderweitige Bewegungen im Protoplasma. 743 vollbracht werden, dass dieses direct an dem Theilungsprocesse (Bildung der Spindelfasern etc.) theilnimmt^). Im näheren ist aber nicht einmal die 3Iechanik der amitotischen Theilung und noch weniger der Complex von Factoren aufgeklärt, durch den bei der Karjokinese die progressiven und regressiven Differencirungen, Gestaltungen, Gruppirungen, Bewegungen etc. veranlasst, regulirt und ausgeführt werden. Aus den allgemeinen Erörterungen in diesem Paragraphen ist zu ersehen, dass solche Operationen und Erfolge sehr wohl in verschiedener Weise erzielbar sind (vgl. auch Bd. I, p. 48). Nach Experimenten mit todten Massen lässt sich aber nicht schlechthin das reale physiologische Schaffen präcisiren, da, wie sich voraussagen lässt, ähnliche Gestaltungen wie in der Karyokinese unter ver- schiedenen Bedinsfumren zu Stande kommen. Erwähnt sei nur, dass z. B. Bütschli^) Strahlungen in gerinnender Gelatine um Luftblasen (dm-ch Contraction und die hierdurch erzielten Spannungen), aber auch (durch bestimmt gerichtete Stoffbewegung?) in Oelseifenmasse 3) auftreten sah, dass A. Fischer*) schöne Strahlungen, die sich um Zellkernreste als Centrum anordneten, durch Ausfällen von Albumose in todten Hollundermarkzellen erhielt, dass sich ferner im magnetischen Kraftfeld 5) Eisentheilchen in ähnlicher Art gruppiren können. Auch ist noch unbekannt, in welcher Weise (ob activ, passiv etc., vgl. II, p. 740) die Chromosomen bewegt und angeordnet werden. Uebrigens würde immer nur die nächste mechanische Ursache einer einzelnen Action in dem Gesammt- processe der Theilung ermittelt sein, wenn sich z. B. herausstellen sollte, dass die Motion der Chromosomen durch die Zug- und Druckwirkung der Spindel- fasern bewirkt Avird^j. Wie alles vitale Geschehen ist auch die Kern- und Zelltheilung von den -1) Vgl. Bd. II, p. 45; I, p. 47. Näheres bei R. Hartwig, p. 698: Strasburger, i. c. •1900, p. HS; Zimmermann, Morphologie u. Physiol. d. pflanzlichen Zellkerns 4 896, p. 48. An diesen Orten, sowie in den Lehrbüchern, ist Näheres über den Theilungs- process zu finden, bei dem auch eine Massenzunahme der Kernstoffe eintritt. 2) Bütschli, Untersuch, über Structuren 1898, p. -löG. 3) Bütschli, Untersuch, ü. mikroskopische Schäume -1892, p. 29, 1.59. An dieser Stelle (p. 166) sowie bei A. Fischer ist auch Näheres über die Plasmastrahlungen zu finden. In wie weit diese Strahlungen, sowie andere Vorgänge bei der Theilung, direct an lebenden Objecten sichtbar sind, vgl. S tr asburger, Botan. Zeitung Referate 1900, p. 300, sowie Zacharias, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1902, p. 298. 4) A. Fischer, Fixirung, Färbung u. Bau d. Protoplasmas 1899, p. 206. In diesem Falle wirkt der Kernrest nur als Ansatzpunkt für die sich ausscheidenden Massen. Eine active Thätigkeit des Centrums (also ein kinetisches Centrum) ist demgemäss zum Zustandekommen der Strahlung nicht gerade nothwendig, 5) Vgl. hierüber Errera, Compt. rend. d. 1. soc. royale d. botanique d. Belgique 4890. Bd. 29. p. 17; Bütschli, 1. c. 1898, p. 169. IL. Rhumbler, Archiv f. Entwicke- lungsmechanik 1903, Bd. 16, p. 476; M. Seddig, Annal. d. Physik 1903, Bd. 2. p. 815.] 6) Vgl. Bd. II, p. 742. — Es ist nicht geboten, auf die verschiedenen Hypothesen ein- zugehen, die im allgemeinen auf Grund bestimmter Voraussetzungen, die Mechanik der Kerntheilung, oder doch einen Theil derselben, zu erklären suchen. Zusammen- stellungen über solche Theorieen findet man z. B. bei Bütschli. I.e. 1892, p. 160; H. E. Ziegler, Verhandig. d. deutsch, zoologischen Gesellschaft 1895, p. 62; R. Hert- wig. Abhandig. d. Bayr. Akad. 1898, p. 694; Rhumbler, Archiv f. Entwickelungs- mechanik 1898, Bd. 7, p. 535; Ergebnisse d. Anatomie u. Entwickelungsgeschichte 1898, Bd. 8, p. 605; A. Fischer, 1. c. p. 224, 257; A. Bethe, Botan. CentralbL 1902, Bd. 89, p. 513; V. Hacker. Praxis u. Theorie d. Zellen- u. Befruchtungslehre 1899, p. 78. 744 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. obwaltenden Verhältnissen abhängig, und demgemäss wird die Veränderung der autogenen und aitiogenen Bedingungen einen gewissen und unter Umständen einen erheblichen Einfluss auf den Verlauf und die formale Gestaltung der besagten Processe habend). Wenn sich also z. B. bei Spirogvra der Nucleus unter normalen Verhältnissen dauernd mitotisch, unter besonderen Be- dingungen (bei Aethereinwirkung etc.) aber dauernd amitotisch theilt (II, p. 48), so liegen analoge Beziehungen vor, wie z. B. bei einem Mucor, der gewöhnlich in der Gestalt eines Schimmelpilzes, unter bestimmten Bedingungen aber dauernd in der Gestalt eines Hefepilzes wächst 2). Da aber die formative Ausgestaltung gewisser anderer Pflanzen durch die Modification der Bedingungen nur wenig alterirt wird, so ist es nicht auffallend, dass bei den meisten Pflanzen die mitotische Kerntheilung unter verschiedenen Bedingungen nicht wesentlich verändert wird. Dass sich aber gewisse Abweichungen einstellen können, haben ver- schiedene Erfahrungen gezeigt ^j. Auch sind bereits eine grössere Zahl von Fällen bekannt, in denen infolge der Veränderung der äusseren oder inneren Be- dingungen einzelne oder zahlreiche amitotische Kerntheilungen *) auftreten. Falls aber, wie es bei einzelnen niederen Organismen der Fall ist, der Kern sich normalerweise amitotisch theilt^), ist andererseits nicht ausgeschlossen, dass unter besonderen Bedingungen eine mitotische Kerntheilung eintritt. Ohnehin geht schon 'l) Vgl. 11, p. 48; § 39, 54 etc. — An diesen Stellen, sowie in Bd. I, § 8 ist auch hervorgehoben, dass durch Differencirungen aus dem Cytoplasma separirte Partieen (Theile, Organe) mit besonderen Eigenschaften geschaffen werden können. Ebenso wie durch eine solche Differencirung Hyaloplasma und Körnerplasma entstehen, ist es auch wohl möglich, dass aus derselben Masse das Trophoplasma (Alveolarplasma, Wabenplasma) und Kinoplasma (Fadenplasma, Filarplasma hervorgehen, die Stras- burger (vgl. Bd. I, p. 41, u. Strasburger, Histologische Beiträge Heft 6, 4900, p. 144) ohne s;enüa-enden Grund für von Haus aus verschiedene Theile ansieht. Jedenfalls ist die Aenderung der relativen Menge mit der Entwickelung und den Aussenbeding- ungen auch mit dem einheitlichen Ursprung völlig verträglich. Näheres über solche Verschiebungen bei Strasburg er. 1. c. p. 144; Fr. R. Schrammen, Botan. Centralbl. ■1902, Bd. 90, p. 551. Gegen die Annahme von solchen distincten Massen im Cyto- plasma haben sich unter andern R. Hertwig (Abhandig. d. Bayrisch. Akadem. 1898, Bd. 19. p. 690), sowie Zacharias, Flora 1895, Egzbd. p. 259 ausgesprochen. 2) Vgl. hierüber Pfeffer, Sitzungsb. d. Sachs. Gesellsch. d. Wissenschaft 3. Juh 1899. 3i Thatsachen finden sich ausser in den Bd. II, p. 49 Anm. 1 u. 3 citirten Schriften z. B. bei J. Blazek, Bot. Centralbl. 1902, Bd. 90, p. 548; C. van Wisselingh, Flora 1900, p. 373; Gerassimoff, Zeitschrift f. allgem. Physiolog. 1902, Bd. 1, p. ^20; Stras- burger, Histologische Beiträge Heft 6, 1900, p. 127, sowie in den folgenden erwähnten Arbeiten. Ferner für niedere animalische Objecte: F. Doflein, Zell- u. Protoplasma- studien 1900, p. 42; E. B. Wilson, Archiv f. Entwickelungsmechanik 1901, Bd. 13, p. 389; A. Wasilieff, Biolog. Centralbl. 1902, Bd. 22, p. 758; R. Werner, Bot. Centralbl. 1902, Bd. 90, p. 52 1; H. Wallengren, Zeitschr. f. allgem. Physiolog. 1902, Bd. 1, p. 67. Bei R. Hertwig, Abhandig. d. Bayr. Akadem. 1898, Bd. 19, p. 687; Archiv f. Protisten- kunde 1902, Bd. 1, p. II, 16, ist auch mitgetheilt, wie sich in bestimmten Fällen die Kerntheilung mit der Entwickelungsphase verschieden gestaltet. 4) Siehe die Bd. II, p. 48 citirte Literatur, sowie besonders W. v. Wasielewski (Jahrb. f. wiss. Bot. 1902, Bd. 38, p. 377), der an Wurzeln Amitose durch Chloralhydrat erzielte. Ferner W. Magnus, Jahrb. , f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 242; R. Chodat, Actes d. Congres international de Botanique Paris 1900, p. 23; K. Shibata, Jahrb. f. wiss. Bot. 1902, Bd. 37, p. 648; S chimkewitsch. Bot. Centralbl. 1902, Bd. 22, p. 605. 5) R. Hertwig, Archiv f. Protistenkunde 1902, Bd. 1. p. 26. § 140. Anderweitige Bewegungen im Protoplasma. 745 aus dem Gesagten hervor, dass die mitotische und amitotische Theilung nur zwei Typen vorstellen, die durch Bindeglieder verknüpft sind'). Die unberechtigte Annahme verschiedener Forscher, ohne die mitotische Kern- theilung sei die dauernde Erhaltung und Vermehrung eines Organismus unmöglich, ist, ebenso wie das Dogma von der Unentbehrlichkeit des freien Sauerstoffs, nur aus einer incorrecten Verallgemeinerung entsprungen. Es ist auch nicht einzusehen, warum eine vöHige erbgleiche Theilung nicht müghch sein soll, ohne dass sich die theilungsthätigen Lebenseinheiten (Pangene, Biophoren) zu grösseren, sichtbaren Complexen (Chromatinfäden etc.) gruppiren^j. Damit ist wohl ver- einbar, dass mit dieser Gruppirung, wie es sicherlich der Fall sein dürfte, ein Vortheil verknüpft ist. Uebrigens ist man auch nicht berechtigt, die Allgemein- heit des Kerns zu fordern, und die neueren Untersuchungen machen es sehr wahr- scheinlich, dass dieses Organ bei gewissen niedersten Organismen fehlt 3] , also ebensogut nicht vorhanden ist, wie etwa das Gehirn oder das Herz, die erst bei einer gewissen Entwickelungsstufe des Thierreichs real auftreten. Plasmaverschmelzuugen. Mittelst der regulatorischen Ausnützung der an- gedeuteten Mittel sind schliesslich die verschiedenartigsten Bewegungen und somit auch die Auseinandei'führung und Gruppirung erzielbar, die u. a. in der bestimmten Lagerung der zahlreichen Kerne in einer Vaucheria (I, §10) etc. oder der Chloroplasten bei dieser und anderen Pflanzen zum Ausdruck kommen. That- sächlich würde schon durch die selbstlhätige Herstellung der entsprechenden Obei'- ilächenspannungen zwischen den Kernen (bezw. den Chloroplasten etc.) und dem umgebenden Cytoplasma bewirkt werden können, dass sich diese Organe bis auf einen gewissen Abstand von einander entfernen oder bis zur Berührung nähern (vgl II, p. 741). Eine Zusammenführung bis zur Berührung ist natürlich stets die Voraussetzung für eine Verschmelzung, die aber nicht immer eintritt, wenn Protoplasten der- selben Art oder gleichartige Organe im Innern des Protoplasmas zusammentreffen, und die im allgemeinen zwischen fremdartigen Protoplasten und Organen nicht zu Stande kommf^l. So verschmelzen die Plasmodien verschiedener Arten von 1) Vgl. unter andern R. Hertwig, I. c. p. 23. Auch zeigt die übrige Literatur über Kerntheilung, dass nicht immer ein bestimmtes Schema genau eingehalten wird. Ferner bieten die Kerntheilungen, die man, mit Rücksicht auf das Nichtentstehen einer ausgesprochen mitotischen Figur, als Amitosen zusammenfasst, Eigenthümlichkeiten. die wohl nicht mit den von Wasielewski (1. c. p. 40 1) aufgestellten zwei Typen er- schöpft sind. 2) Vgl. dieses Buch, Bd. L § 8; Bd. IL p. 23-2 u. p. 179. 'S) Siehe besonders in Bezug auf Bacterien G. Hinze, Bericht d. botan. Gesellsch. 1901, p. 369; Unters, ü. d. Bau von Beggiatoa mirabilis 1902. Ferner F. Schaudinn. Archiv f. Protistenkunde 1902, Bd. t, p. 333; P. Ernst. Centralbl. f. Bacteriol. 1902, Abth. 2, Bd. 8, p. I; Bütschli, Protozoen 1880, p. 107. Wenn man correcterweise sich dahin ausspricht, dass der Nucleus noch nicht differencirt ist ;vgl. R. Hert- wig, 1. c. 1902, p. 6), so ist wohl möglich, aber nicht nothwendig, dass im Organismus bereits die Formelemente, die man als Chromatin zu bezeichnen pflegt, zwar dif- ferencirt aber diffus vertheilt smd. Ohnehin muss das, was wir Chromatin nennen, nicht allgemein identisch sein, und es ist nicht ausgeschlossen, dass es einst Wesen mit dem Charakter des Lebendigen gab 'oder derzeit noch auf anderen Planeten giebt, die in morphologischer und chemischer Hinsicht wesentlich anders gebaut waren bezw. sind, als die uns bekannten Organismen. (Vgl. Bd. I, p. 4 8 u. 53.) 4) Ueber symbiotische Vereinigung, sowie über Verwachsungen von Zellen, die auch ohne Plasmaverschmelzung möglich .sind, vgl. Bd. IL § 48 — 50. An dieser Stelle 746 Kap. XIV". Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. Mvxomyceten auch bei innigstem Contact nichts), während die Plasmodien der- selben Art sich leicht vereinigen. Bei den Schwärnizellen von Aethalium etc. tritt die Verschmelzung freilich erst in einem gewissen Entwickelungsstadium ein"-). Bei Dictyostelium und anderen Acrasieen unterbleibt dagegen die Verschmelzung dauernd, obgleich sich die gleichartigen Amöben aneinander schmiegen und ein Aggregationsplasmodium bilden 3). Ferner verschmelzen die Samenfäden nicht unter sich, wohl aber mit der Eizelle, in der dann weiter die Vereinigung des männlichen und weiblichen Kerns vor sich geht*). Die Bastardirungen zeigen zugleich, dass auch die Piasmakörper verschiedener Arten verschmelzen können, und vielleicht tritt eine "N'erschmelzung der Plasmaverbindungen ein, wenn sich bei der Transplantation verschiedene Arten erfolgreich vereinigen^). Da zum Zusammenfliessen, ausser einer (mindestens localen) innigen Berührung, die Ueberwindung der Oberflächenspannung nolhwendig ist, so kann auch bei todten Massen die Verschmelzung auf verschiedene Weise erschwert oder ver- hindert werden. So genügt bekanntlich eine geringe Verunreinigung der Ober- fläche, um die Vereinigung von Quecksilbertropfen etc. zu hemmen. Ein solches Resultat wird überhaupt erzielt, wenn die relativen Spannungsverhältnisse bewirken, dass sich nach physikalischen Gesetzen eine äusserst dünne Schicht des Zwischenmediums als trennende Zone erhält (bezw. eindrängt 6). Ferner zeigt das Verhalten der erstarrten Gelatine, dass schon durch eine ent- sprechende Cohäsionssteigerung der peripheren Schicht eine Verschmelzung ver- mieden werden kann. Es ist also von Fall zu Fall zu entscheiden, ob etwa die Secretion einer dünnen Gallerthülle, oder irgend eine Regulirung der Ober- flächenspannung, oder andere Mittel angewandt werden, um die Verschmelzung der an sich gleichartigen Protoplasten zu verhindern, bezw. einzuleiten. Thatsächlich wissen wir nicht zu sagen, wie es kommt, dass nach Klebs"^) die Gameten von Protosiphon botryoides nicht copulii'en, wenn sie bei 26 — 27 C. zur ist auch zum Theil auf die Plasmaverschmelzung Rücksicht genommen. Ueber das Zusammenführen von Zellen etc. vgl. Bd. II. § 155. 1) Siehe z. B. Cienkowski, Jahrb. f. wiss. Bot. 1863, Bd. 3. p. 337; L. Cela- kovsky, Flora )S92, Ergzbd. p. 215. Letzterer fand, dass auch dann kein Verschmelzen eintritt, wenn ein Plasmodiumstückchen in den Protoplasten einer anderen Art auf- genommen wird. 2) Da der Eintritt dieses Entwickelungsstadiums von Aussenbedingungen abhängt (vgl, Bd. II, § 57). so kann nach Klebs (Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 196) durch geeignete Culturbedingungen erzielt werden, dass die Verschmelzung der Schwärmer und somit die Bildung eines Plasmodiums dauernd unterbleibt. 3) Vgl. Zopf in Schenk's Handbuch d. Botanik 1887, Bd. III. 2. p. 22: G. Potts, Flora 1902, Ergzbd. p. 281 und die an diesen Stellen citirte Literatur. Ueber die Ur- sachen des Zusammenwanderns siehe Bd. 11, § 155. 4) Beachtenswerth ist, dass nach dem Eindringen eines Samenfadens sehr bald Veränderungen an der Oberfläche der Eizelle vor sich gehen, die das Eindringen weiterer Samenfäden verhindern. Die Sistirung dieser Veränderungen verursacht offenbar, dass, wie R. Hertwig (0. Hertwig, Zelle u. Gewebe 1893, p. 93) fand, bei Einwirkung von Chloralhydrat eine Anzahl von Samenfäden in ein Seeigelei eindringt. 5} VgL Bd. 11, p. 219, sowie Strasburger, Jahrb. f. wiss. Bot. 1901, Bd. 36, p. 586, 592; A. Meyer, Bot. Zeitung 1902, p. 173. 6) Näheres bei Quincke. Pflüger's Archiv f. Physiolog. 1879, Bd. 19, p. •129; Berthold, Protoplasmamechanik 1886, p. 107; Rhumbler, Biolog. Centralbl. 1898, Bd. 18, p, 115. Eine Folge der Spannungsänderungen ist es auch, dass die Vereinigung von Oeltropfen in reinem Wasser schwer, in alkoholhaltigem Wasser aber leicht erfolgt. 7; Klebs, Bedingungen d, Fortpflanzung 1896, p. 209. § 140. Anderweitige Bewegungen im Protoplasma. 747 Entwickelung kommen und ausschwärmen, und dass bei den Schwärmzellen von Aethalium erst allmählich die Verschmelzungsfähigkeit eintritt. Wenn sich aber nach Townsend^) die durch Plasmolyse getrennten Plasmamassen, trotz der An- einanderpressung, nach der Aufhebung der Plasmolyse öfters nicht vereinigen, so wird dieses offenbar durch die Zwischenlagerung einer geringen Menge todter Substanz bewirkt, die bei der Zerstörung der Verbindungsfäden entstand. Bei den Plasmodien eines Mjxomyceten wird dagegen das Verschmelzen sogar durch eine ansehnliche Schicht von Fremdkörpern nicht verhindert, weil diese durch die aus- gesandten Pseudopodien durchbrochen und auf diese Weise der Contact zwischen den getrennten Plasmamassen hergestellt wird. Das Ectoplasma bildet aber desshalb kein Hinderniss für die Verschmelzung, weil seine höhere Cohäsion bei der Einführung in das Innere des Protoplasmas verloren geht (II, p. 718). Uebrigens wird, wo es darauf ankommt, sogar die Zellwand weggelöst, und hierdurch die Berührung und die Vei'schmelzung der bis dahin getrennten Protoplaste er- möglicht. Andererseits wird bei der Zelltheilung nicht nur durch Einschnürung, sondern auch auf andere Weise (Einschiebung von trennenden Massen etc.) die Trennung von Protoplasten (auch ohne Zellhautbildung) ausgeführt. Alle diese Erörterungen gelten auch für die Chlorophyllkörner (ebenso für Zellkerne etc.), deren Zusammenfliessen wohl theilweise schon durch die Her- stellung und Erhaltung einer trennenden cytoplasmatischen Zwischenmasse ver- hindert wird (II, p. 7 45). Jedenfalls folgt aus dem Unterbleiben der Verschmelzung nicht, dass den bezüglichen Plasmamassen die Mischungsfähigkeit abgeht, welche also auch fremdartigen Protoplasten zukommen kann, die sich unter normalen Ver- hältnissen nicht vereinigen. Austausch vou festeu Theilen. Dem Wiesen der Sache nach handelt es sich bei dem Protoplasten, wie bei der symbiotischen Vereinigung von fremd- artigen Organismen, um ein wechselseitiges Zusammenwirken und Zusammenhalten differenter Theile (I, p. 47; II, § 48 — 50). Diese Analogie tritt uns besonders schön entgegen, wenn wir z. ß. Infusorien betrachten, in deren Protoplasma kleine Algen symbiotisch wohnen (II, p. 211). Da unter diesen Umständen bei dem Wachsen und Vermehren (analog wie bei einer chlorophyllhaltigen Pflanze) der symbiotische Zusammenhalt dauernd erhalten bleibt, während andere aufgenommene Fremdkörper zumeist früher oder später ausgestossen werden, so bedarf es also besonderer Bedingungen und Wechselwirkungen, um das Ausstossen der besagten Algen, ebenso der Chlorophyllkörper und der anderen Organe des Protoplasten, zu vermeiden 2). Eine solche Tendenz zum Ausstossen der Fremdkörper besteht übrigens auch bei den hautumkleideten Zehen, bei denen ein Austausch zwischen Protoplasma und Zellsaft möglich ist, der nur die innerhalb der Zelle gebildeten Fremdkörper (Krystahe von Calcium- oxalat u. s. w.) betreffen kann. Diese Aufnahme und Ausgabe von festen Körpern wird, wie schon milgelheilt ist (I, § 19), augenscheinlich durch die mit der Bewegungsthätigkeit verknüpften mechanischen Wirkungen herbeigeführt. Die Erfahrung, dass die Aufnahme in der Piegel nicht eintritt, wenn Partikel vei'schiedenartiger Körper mit der nicht 1) Townsend, Jahrb. f. wiss.Bot. 1897, Bd.30, p. 49.';. — Falls ein dünner Plasma- faden zwischen den separirten Plasmapartieen erhalten bleibt, erfolgt bei der Aufhebung der Plasmolyse stets Verschmelzung, da eine locale Vereinigung ausreicht, um eine vollständige Verschmelzung herbeizuführen. 2) Pfeffer, Aufnahme u. Ausgabe ungelöster Körper IS90. p. 174. 748 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. ^amöboid) bewegungsthätigen Oberfläche eines plasmolysirten Protoplasten (nach Aufschneiden der Zellhaut) in Contact kommen, spricht dagegen, dass schon allein durch die relativen Spannungs- und Ausbreitungsverhältnisse die physikahschen Bedingungen für den hnport des Fremdkörpers geschaffen werden ^). Jedoch ist ein solches Hineinziehen möglich und kommt z. B. dann zu Stande, wenn ein Körper .mit einem in Wasser befindlichen Chloroformtropfen in Berührung kommt, auf dem sich das Chloroform (unter Verdrängung des Wassers) ausbreitet, so dass derselbe von dem Chloroform umflossen wird. Auf diese Weise wird in der That ein mit Schellack überzogenes Glasfädchen in einen Chloroformtropfen aufgenommen und nach Weglösen des Schellacks wieder ausgestossen, weil nunmehr (nachdem eine Spitze des Fadens die Oberfläche des Tropfens durchbrochen hat) infolge der veränderten Spannungs- und Ausbreitungsverhältnisse das Chloroform von dem Wasser verdrängt wird 2). Es wäre also denkbar, dass durch die Verdauung im Inneren des Protoplasmas zugleich die physikalischen Bedingungen für das Ausstossen der unverdaulichen Reste hergestellt werden. Derartige Yerhällnisse können aber bei dem Plasmodium der Myxomyceten keine wesentliche Rolle spielen, da nicht nur verdauliche, sondern auch unverdauliche Körper, die (wie Sandkörnchen, Zinnoberkörnchen etc.) keine Veränderung erfahren, anscheinend in gleicher Weise und mit gleicher Leichtigkeit aufgenommen und wieder ausgestossen werden (Pfeffer, 1. c.\ Zudem führt eine Berührung mit den ruhenden Partieen des Ectoplasmas nicht zur Aufnahme der Körper, die in der Regel nur an den sich amöboid bewegenden Theilen des Plasmodiums erfolgt. Natürhch ist nicht ausgeschlossen, dass unter Umständen auch durch besondere Eigenschaften und reactionelle Actionen die Aufnahme oder Ausgabe von festen Partikeln veranlasst oder begünstigt wird. Abschnitt II. Beeinflussung der iocomotorischen Bewegungen und Plasma- bewegungen durch äussere Factoren. § 141. Allgemeiües. Da die in diesem Kapitel behandelten Bewegungen vitale Actionen sind, so sind sie, in gleichem Sinne wie andere Bewegungsvorgänge, von den Anssenbe- dingungen abhängig und werden somit durch diese modificirt und dirigirt^). Bei den allgemeinen Betrachtungen ist auch schon öfters auf die Iocomotorischen •I) Auf diese Weise soll nachRhumbler 'Archiv f. Entwickelungsmechanik 1898, Bd. 7. p. 224) allgemein die Aufnahme und Ausgabe fester Partikel verursacht und geregelt werden. 2) Rhumbler. I.e. p. 250. Bei diesem Forscher ist Näheres über diese und ähnliche Vorgänge nachzusehen. 3) Siehe Bd. II, §20, 21, 63, 77, 105, 107—109. § 141. Allgemeines über die Beeinflnssunir durch äussere Factoren. 749 Organismen Rücksicht genommen, deren lebhafte Thätigkeit undActionsfähigkeit es ermöglichen, dass auf eine Veränderung in den Aussenbedingungen schnell, oft fast augenblicklich, mit einer physiologischen Reaction geantwortet wird (II, p. 354, 620). Ebenso wie die freien Ortsbewegungen hängen die Be- wegungen im Innern des Protoplasten nicht von der AVachsthumsthätigkeit ab, vmd desshalb treten diese intraplasmatischen Reactionen auch in ausgewachsenen Zellen ein, die als Ganzes unfähig sind, eine Bewegung oder Bewegungsreaction auszuführen. Die zähflüssige und plastische Eigenschaft des Protoplasmas er- möglicht aber, dass, wie schon besprochen wurde (II, § 137, UO), durch die äusseren Eingriffe weitgehende mechanische und physiologische (reversible) Um- lagerungen und Deformationen herbeigeführt werden (vgl. z. B. II, § 140). Uebrigens ist schon früher (II, p. 355, 547) betont, dass wir die Locomo- tionen, somit auch die locomotorischen Reactionen, nur aus practischen Rück- sichten getrennt behandeln. Da aber die allgemeinen Erörterungen in princi- pieller Hinsicht für alle Reactionen, also auch für die der freibeweglichen Orga- nismen gelten, so haben wir im Folgenden wesentlich nur Thatsächliches über die besonderen Eigenthümlichkeiten zu berichten. Insbesondere kann es sich bei den formalen und allen den Factoren, durch welche das Ausmaass der Bewegungs- thätigkeit beeinflusst wird, in der Hauptsache nur um die Angabe der speci- fischen Bedürfnisse (also auch der Lage von Minimum, Maximum, Optimum etc.) handeln. Auf die durch die einseitige (tropistische) Angriffsweise erzielten Reizbewegungen müssen wir indess etwas näher eingehen, um einmal diese zum Theil sehr auffälligen Reactionen der freibeweglichen Organismen zu charak- terisiren, und um ferner darzuthun, wie die Lenkung und Ansammlung dieser Organismen nach und an bestimmten Zielen auf verschiedene Weise herbei- geführt wird. In Bezug auf die Bewegungen im Protoplasma werden wir uns im wesentlichen auf die Beeinflussung der Protoplasmaströmung und auf einige aufftillige Deformationen, sowie auf die tropistischen Bewegungen der Chloroplasten (und zum Theil des Zellkerns) beschränken. Denn wenn auch eine jede autogene oder aitiogene Modification des Wachsens und Bewegens eine Veränderung der Thätigkeiten und Constellationen im Protoplasma anzeigt, so ist doch über die internen Vorgänge zumeist nichts iVäheres bekannt. Zudem dürften die wahrnehmbaren Bewegungen, soweit eine Verkettung mit den äusserlich sicht- baren Wachsthums- und Bewegungsvorgängen besteht, am besten in Verbindung mit diesen Vorgängen behandelt werden. Uebrigens ist z. B. bereits an anderer Stelle (II, § 12, 140) darauf hingewiesen, dass der Process der Zell- und Kerntheilung nicht nur zeitlich, sondern auch qualitativ durch die Aussenfactoren beeinflusst werden kann. Ferner wurde schon (II, p. 736) über die Beeinflussung der Pulsation der Vacuolen durch die Aussenverhältnisse berichtet. Wir setzen hier, ebenso wie bei der Behandlung anderer Bewegiingsthätig- keiten, die Actionsbefähigung voraus, gehen also nicht auf die Umstände und die Bedingungen ein, durch die das bewegungsfähige Stadium geschaffen oder erhalten wird. Es ist aber allgemein bekannt, dass die Samenfäden der Farne etc., die Schwärmzellen verschiedener Algen u, s.w. nur in gewissen Entwickelungsphasen (transitorisch) auftreten, und wir haben früher gesehen, dass die Bildung mancher 750 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. Schwärmzellen durch die Aussenbedingungen gänzlich verhindert werden kann i). Durch diese ist es andererseits möglich, bei Bacterien, Flagellaten, Myxomyceten etc. die Entstehimg der Ruhezustände zu unterdrücken und somit diese Organis- men dauernd in einem bewegungsthätigen Zustand zu erhalten. Dagegen ist z. B. bei den Samenfäden die Dauer des Lebens und der Bewegungsthätigkeit be"-renzt und kann demgemäss durch das Ausmaass der Temperatur etc. nur in gewissen Grenzen zeitlich verlängert oder verkürzt werden. Eine solche Verkürzung der Schwärmzeit wird bei den zu Vermehrungszwecken dienenden Zoosporen verschiedener Algen auch durch Beleuchtung hervorgerufen (II, § U4). Natürlich können die Erfahrungen über die Bedeutung der Aussenfactoren für Wachsthum und Gedeihen nur in allgemeinen Zügen und bis zu ge- wissem Grade einigen Aufschluss über die specifisch verschiedene Abhängigkeit der locomotorischen und intraplasmatischen Bewegungen von den Aussenbedingungen geben. So lässt sich z. B. aus der Lage der Grenzwerthe in Bezug auf AVachs- thum und Gedeihen im allgemeinen ersehen, ob das Maximum für die Be- wegungsthätigkeit bei niederer oder höherer Temperatur etc. liegt, und es ist einleuchtend, dass nur die anaeroben Organismen dauernd ohne Sauerstoff be- wegungsthätig sein können. Eine nähere Präcisirung der specifischen Aussen- bedingungen, sowie der Lage von Minimum, Optimum und Maximum, kann aber in Bezug auf die uns hier beschäftigenden Bewegungsthätigkeiten, sowie in Bezug auf andere Partialfunctionen, nur empirisch ermittelt werden. Factisch werden diese Bewegungen nach dem Auswachsen der Zelle fortgesetzt. Auch lässt sich in gewissen Fällen durch äussere Einflüsse die Bewegungsthätigkeit (bezw. das Wachsen) sistiren, ohne dass das Wachsthum (bezw. die Bewegungsthätig- keit) still steht. So gedeihen nach A. Fischer 2) verschiedene Bacterien noch in concen- trirten Lösungen, in denen, trotz der Ausbildung der actionsfähigen Cilien, keine Bewesuns; zu Stande kommt. Diese unterblieb auch, als Ritter 3) facultativ anaerobe Bacterien im sauerstofffreien Räume cultivirle, obgleich bei Zutritt von Sauerstoff sogleich die Bewegungsthätigkeit von den actionsfähigen Organismen auf- genommen wurde. Vermuthlich werden in vielen Fällen Maximum und Minimum für das Wachsthum etwas höher oder tiefer liegen, als für die locomotorischen und plasmatischen Bewegungen. Ohne Wachsthum und Vermehrung ist natürlich eine unbegrenzte Fort- dauer des Lebens und somit des Bewegens unmöglich. Mit dem Auswachsen 1) Vgl. Bd. II, §37. Ueber die Züchtung von bewegungsfähigen oder unbeweg- lichen Rassen siehe Bd. II, p. 243. 2) A. Fischer, Jahrb. f. wiss. Bot. 1890. Bd. 27, p. 48, 103. Ein gleicher Erfolg wird auch durch bestimmte Gaben von Carbolscäure etc., überhaupt durch ein gewisses Ausmaass von Einflüssen erzielt, die bei etwas intensiverer Einwirkung die Entwicke- lung hemmen. Vermuthlich wird ein solches Resultat auch durch eine dem Maximum nahe liegende Temperatur herbeigeführt werden. Die Angaben von T. Matzuschita (Centralbl. f. Bacteriolog. II. Abth., 1901. Bd. 7, p. 209) lassen unentschieden, in wie weit die Bewegungslosigkeit durch die Entstehung von cilienfreien Entwickelungsstadien ver- ursacht wurde. — Nach D. Ellis (ebenda 1902, Bd. 9, p. 546) wird öfters die Bewegungs- losigkeit durch die Production von Schleim verursacht, der mechanisch hemmend wirkt. 3) G. Ritter, Flora 1899, p. 337. § 141. Allgemeines über die Beeinflussung durch äussere Factoren. 751 wird aber selbstregulatorischdieWachsthumsthätigkeit ausgeschaltet, die vermuth- lich auch bei bestimmten Einwirkungen (abgesehen von der mechanischen Hemmung) früher zum Stillstand kommt, als die Locomotion und die Plasmabewegungen. Diese vermögen aber, ebenso wie das Wachsen etc., unter Umständen eine kurze oder auch eine längere Zeit unter Bedingungen auszuhalten, in denen auf die Dauer weder die Bewegungsthätigkeit noch die Existenz des Organismus möglich ist (II, p. 280). Es sei nur daran erinnert, dass die Bewegungen nicht sogleich in einer supramaximalen oder in einer inframiniraalen Temperatur still stehen (II, § 143), dass sich einige obligat aerobe Organismen nach der Ent- ziehung von Sauerstoff zunächst noch bewegen oder Protoplasmastrümung zeigen, und dass die Bewegungen der anaeroben Bacterien bei Zufuhr von Sauerstoff eine gewisse Zeit anhalten (11, § '148). Uebrigens sind derartige Thatsachen, sowie einige Erfahrungen über die Separation von Wachsthumsthätigkeit und Krümmungs- bewegungen bereits früher mitgetheilt i). Bei dieser Gelegenheit ist auch gezeigt, dass sich in gewissen Fällen die Perceptionsfähigkeit für gewisse Reize ohne die Sistirung der Actionsfähigkeit aufheben lässt und umgekehrt. Dem ent- sprechend ist auch in einigen Fällen die Sistirung der tropistischen Sensibilität (durch Aether etc.) ohne die Aufhebung der Locomotion gelungen (II, § 148, und vermuthlich werden mit der Zeit vielfach analoge Verhältnisse aufgedeckt W'Crden. Ohnehin ist bei verschiedenen Arten eine w'eitgehende Veränderlichkeit und zuweilen ein völliges Schwinden der Sensibilität beobachtet worden. Nach den allgemeinen Erfahrungen über die formalen Bedingungen ist es selbstverständlich, dass auch die hier behandelten Bewegungen durch eine ge- nügende Senkung der Temperatur zum Stillstand gebracht, also durch die Stei- gerung der Temperatur wiederum erweckt werden können. Dagegen gehen die meisten locomotorischen und intraplasmatischen Bewegungen, wie viele andere Bewegungen (II, p. 76, 531), auch im Dunkeln von statten. Indess werden die Purpurbacterien, die sich im Dunkeln normal entwickeln, in der Regel erst durch Lichtzutritt zur Bewegungsthätigkeit veranlasst und durch Lichtentziehung wieder, in Bezug auf die Bewegung, in einen Starrezustand versetzt (II, § 144)2j. Ferner kommen die Plasmaströmungen zwar nicht imter normalen Verhältnissen, wohl aber bei gleichzeitigem Einfluss einer gewissen Aethermenge im Dunkeln zum Stillstand, so dass unter diesen Umständen (in dieser Stimmung) durch Licht- entziehung Lähmung, durch Beleuchtung Erregung der Bewegungsthätigkeit ver- ursacht Avird (II, § 144). Uebrigens gelten die allgemeinen Erörterungen über Bedeutung und Wir- kung der Aussenfactoren (II, § 20, 63, 77, 105) nicht nur für die nothwendigen 1) Bd. II, § lOS, ')21. — Ueber die Separation von Zell- u. Kerntheüung siehe Bd. II, § 12. 2) Dahin gehören auch die facultativ anaeroben Bacterien, die nur bei Zutritt von Sauerstoff bewegungsthätig werden (II, p. 750). Man kann in solchen Fällen von phototonischen oder thermotonischen Wirkungen oder mit Engelmann (vgl. II, p. 361 Anm.) von Photokinese, Chemokinese etc. reden. — Die Beruhigung gewisser Schwärmzellen durch das Licht (II, § U4), der Zoosporen von Saprolegnia durch Fleischextract (Pfeffer, Untersuch, a. d. Botanisch. Institut zu Tübingen 1884, p. 467; Rothert, Flora igoi, p. 374) beruht dagegen auf einer Abkürzung der grossen Periode dieses Entwickelungsstadiums. 752 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. (formalen) Bedingungen, sondern auch für unnülhige und nngewühnliche Ein- griffe, sowie auch in Bezug auf die Uebergangsreize, die Aecommodation u. s. w. Zu den Eigenheiten der Locomotionen und der Plasmastrümung gehört es z. B., dass sie, wie auch gewisse andere Bewegungen, durch Aether, Chloroform etc. sistirt werden. Ebenso scheint durch inframaximale Dosen von Aether und anderen schädlichen Stoffen etc. häufig eine gewisse Beschleunigung der hier behandelten Bewegungen veranlasst zu werden i). Weiter ist früher (II, p. 364, 478, 504, 514) allgemein hervorgehoben, dass durch den schnellen Wechsel der Aussenbedingungen oder durch plötzliche Ein- griffe (gleichviel ob dadurch eine bleibende Veränderung der Aussenbedingungen hergestellt wird oder nicht) wohl allgemein eine kurze oder auch länger anhaltende Störung (Uebergangsreaction) hervorgerufen wird, die z. B. durch Erregung oder Lähmung der Thätigkeit (oder auch beider nacheinander) bemerklich wird. Analoges findet man auch bei den hier besprochenen Bewegungen, unter denen insbesondere die schnellen Locomotionen die Wahr- nehmung von selir kurzen transitorischen Störungen gestatten, die in anderen Fällen sich leicht der Beobachtung entziehen oder auch wegen der langsamen Actionsfähigkeit nicht zur Ausbildung kommen. Bei solchen Organismen wird wohl auch durch die plötzliche Uebertragung in eine supramaximale Temperatur oder in einen zu sauerstoffarmen Raum etc., überhaupt durch die plötzliche Her- stellung von schädlichen und tödtlichen Bedingungen, vorübergehend ein beson- ders lebhaftes Ilerumschiessen hervorgerufen, das an die verzweifelten An- strengungen erinnert, die ein Thier ausführt, das sich tödtlichen Einflüssen zu entziehen sucht. Uebrigens bringt es die specifisch verschiedene Empfind- lichkeit mit sich, dass der eine Organismus ansehnlich, der andere nicht merklich reagirt, dass ferner bei einem Organismus verschiedenartige, bei einem anderen nur bestimmte Veränderungen (Uebergangsreize) eine erhebliche Ueber- gangsreaction hervorrufen. Ferner wird durch Temperaturschw^ankungen, Lichtwechsel, Concentrations- wechsel, vorübergehende Chloroformwirkung, Verwundung, überhaupt durch ver- schiedenartige Einwirkungen in vielen Fällen die Her vorrufung (bezw. Beschleu- nigung) der Plasmaströmung bewirkt, die je nach der Reizintensität etc. nur kurz oder, insbesondere nach einer Verwundung, lange, unter Umständen sogar bis zum Absterben anhält (II, § 1 53). Ein solcher Erfolg ist immer das Resultat einer complicirten Reaction, und so ist es nicht überraschend, dass durch die plötzliche Veränderung der Temperatur, der Concentration , des Druckes etc. öfters eine vorübergehende Beschleunigung oder Hemmung (bezw. beides) einer bereits thätigen Plasmastrümung verursacht wird 2). Die genannten und andere Veränderungen und Eingriffe pflegen ferner bei den sich amöboid bew^egenden Protoplasten ein Abrundungsbestreben (eine contractorische Thätig- keit) hervorzurufen, auf das zuweilen eine gesteigerte, expansorische Thätigkeit folgt (vgl. II, § 136, 137). Weiter wird auf verschiedene Weise (durch Uebergang in ein anderes \) Ueber solche Wirkungen auf Wachsen, Stoffwechselthätigkeit etc. siehe Bd. II. p. 228; I. p. 373, 408, 575. 2) Verschiedene Beispiele sind in den folgenden Paragraphen zu finden. § i42. Allgemeines über tropistische Reizungen. 753 Medium, durch Contact etc.) verursacht, dass sich die Wimpern von Chlamydb- monas plötzlich gerade strecken und dadurch ein Zurückschnellen dieses Organis- mus bewirken, der in dem homogenen Medium nach einer oder einigen Secunden die Wimperthätigkeit und die Fortbewegung wieder aufnimmt i). Bei Bacterium photometricum wird eine solche Schreckbewegung besonders durch eine plötz- liche Lichtabnahme ausgelöst (II, § 144). Da somit dieses Bacterium zurück- prallt, und zwar um das 10 — 20 fache seiner Länge, wenn es durch seine Fortbewegung an die Grenze eines beleuchteten Areales gelangt, so wird dieser Organismus in einem Lichtfeldc festgehalten, und sammelt sich all- mählich massenhaft an, weil die Schreckbewegung nur bei dem Uebergang von Licht in Dunkelheit eintritt (II, § 142). In analoger Weise ruft bei vielen Bacterien, bei manchen Flagellaten, Infusorien etc. der Uebergang aus der concentrirteren in die verdünntere Lösung ein Zurückprallen und hierdurch eine Anhäufung in dem concentrirteren Medium hervor 2). Auch dieses Reactions- vermögen ist in specifisch verschiedenem Grade und nicht immer in einer merklichen Weise ausgebildet. T'ebrigens ist z. B. mit einer ausgezeichneten Empfindlichkeit gegen den Goncentrationswechsel öfters keine merkliche Empfind- lichkeit (Reaction) gegen eine plötzliche Lichtschw'ankung verknüpft und um- gekehrt. Die Erfahrungen, dass die Schreckbewegung bei Bacterium photometricum nur bei dem Uebergang von Licht in Dunkelheit, bei Pelomyxa palustris (II, § 144) dagegen nur bei dem Uebergang vom Dunkeln in das Helle ausgeführt wird, dass ferner gewisse Bacterien u. s. w. nur bei dem Uebergang von der concentrirteren zur verdünnteren Lösung zusammenschrecken, sind schöne Beispiele dafür, dass der umgekehrte Wechsel nicht denselben Erfolg hervorruft. Eine derartige Differenz kommt ferner darin zum Ausdruck, dass eine auffällige Deformation des Protoplasmas nicht bei der Erhöhung der Temperatur bis zum Maximum, wohl aber bei der Rückkehr auf die normale Temperatur eintritt (II, § 143), Ebenso wird eine Deformation nicht durch den Uebergang zu einer inframini- malen Temperatur, wohl aber durch die Wiederervvärmung hervorgerufen. Uebrigens wurde schon früher (II, p. 478, 504) auf analoge physiologische Ver- hältnisse hingewiesen, und zugleich darauf, dass auch Apparate bekannt und construirbar sind, bei welchen durch die progressive Veränderung ein anderer Erfolg ausgelöst wird, wie durch die gleichgrosse, regressive Veränderung. § 142. Allgemeines über tropistische Keizungen. Auch bei vielen freibeweglichen Organismen ist eine specifisch verschiedene tropistische Sensibilität ausgebildet, und es wurde bereits (II, p. 347) betont, dass mit Phototaxis, Chemotaxis etc. nur gekennzeichnet sein soll, dass die tropi- stische Reaction nicht durch eine Krümmungsbewegung, sondern mittelst der 1) Pfeffer, 1. c. p. 444. ^2' Näheres II, § U2, 149. Ob bei diesen Schreckbewegungen vorübergehend die Wimperbewegung aufhört, ist unbekannt. Nach A. Fischer (Jahrb. f. wiss. Bot. 1895. Bd. 27, p. 76; wird bei dem plötzlichen Wechsel der Concentration die Thätigkeit der Cilien transitorisch sistirt. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. 11. 48 754 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. zur Verfügung stehenden freien Ortsbewegung ausgeführt wird, üebrigens ist schon darauf hingewiesen, dass es eine scharfe Grenze zwischen den tropisti- schen Reactionen der freibeweglichen und der festgewurzelten Organismen schon desshalb nicht giebt, weil unter Umständen, nach der Fixirung der Basis (in analoger Weise wie bei einem Menschen], durch |den tropistischen Reiz nicht mehr die übliche locomotorische Reaction, sondern hauptsächhch oder allein eine Neigung oder Krümmung des Körpers ausgelöst wird (vgl. auch II, p. 354). Sofern aber durch den tropistischen Reiz eine bestimmte Orientirung der Haupt- achse des Körpers zur Reizrichtung veranlasst und erlialten wird, so ist damit auch eine bestimmte Bewegungsrichtung des locomotorischen Organismus gesichert, da dieser (zumeist) in der Richtung der Hauptachse fortrückt und demgemäss seine Bewegungsrichtung nicht ändert, so lange die bestimmte Orientirung der Körperachse fortbesteht (II, § 1 34). Wird also z. B. die Körperachse parallel zur An- griffsrichtung des Tropisticums orientirt, so werden sich allmählich alle positiv pho- totactischen Schwärmer an der beleuchteten Seite eines Glastroges sammeln, eben- so werden die positiv chemotactischen Schwärmer in eine Capillare wandern, von der aus sich das Chemotropicum diffundirend ausbreitet (vgl. 11, § 145, 149). Jedoch kann eine locale Ansammlung auch ohne eine solche Dirigirung der Bewegungsrichtung dadurch zu Stande kommen, dass der locomotorische Organis- mus z. B. ungehindert in eine heller beleuchtete Zone oder in die concentrirtere Lösung (z. B. in eine mit dem Chemotropicum gefüllte Capillare) eindringt, aber durch die schon (II, p. 753) erwähnte, einseitige Uebergangsreizung (Schreckbe- wegung) verhindert wird, aus dem helleren Räume oder aus der concentrirteren Lösung (aus der Capillare, aus einem Tropfen etc.) auszuwandern. Denn da sich die umherschwimmenden Organismen ohne eine directive Wirkung gleichmässig im Wasser vertheilen, so wird ein locales Festhalten eine Ansammlung verursachen, gleichviel, ob das Festhalten auf mechanische Weise (durch Festkleben, Ab- tüdten etc.) oder durch eine physiologische Reaction bewirkt wird. In analoger Weise hat auch die Zurückhaltung eines Stoffes in einer Zelle etc. zur Folge, dass schliesslich die gesammte 3Ienge dieses Stoffes aus der umgebenden (begrenzten) Flüssigkeitsmenge in die Zelle übergeführt wird (II, § 22). Durch eine solche einseitige Uebergangsreizung (Schreckbewegung) wird imter anderm die Ansammlung des Bacterium photometricum in einem Licht- punkt, sowie die Ansammlung verschiedener Bacterien und Infusorien (durch chemische oder osmotische Reizwirkung) in der concentrirteren Lösung herbei- geführt 1). Dagegen wird durch die typische tropistische Richtung der Körper- achse z. B. die phototactische Bewegung und Ansammlung der Schwärmsporen vieler Algen, die chemotactische Ansammlung der Samenfäden gewisser Pflanzen, der Schwärmer von Saprolegnia und verschiedener Flagellaten u. s. w., die geo- tactische, sowie die galvanotactische Bewegung verschiedener Organismen bewirkt. In beiden Fällen handelt es sich um den Erfolg von Reizungen, welche durch die Anomogenität der Aussenwirkung ausgelöst werden, die aber auf einer 1] Vgl. II, p. 753. Nähere Angaben über dieses und das Folgende sind in § U3- 105 zu finden. § 142. Allgemeines über tropistische Reizungen. 755 verschiedenartigen Unterschiedsempfmdung beruhen i). Denn während die frag- lichen Schreckbewegungen durch eine Uebergangsreizung hervorgerufen werden und sich demgemäss so oft wiederholen, als durch die plötzliche Veränderung der Aussenverhältnisse oder durch den Ortswechsel des Organismus die Bedin- gungen für diese transitorische Reizung hergestellt werden, liegt in dem typischen tropistischen Richtungserfolg eine Gleichgewichtslage vor, die sich bei voller Constanz des tropistischen Einflusses, also auch ohne einen Platzwechsel des Organismus, erhält (II, § 125). Damit hängt es zusammen, dass der derartig gerichtete, locomotorische Organismus nach einem bestimmten Ziele steuert, während die Ansammlung durch die Uebergangsreizung darauf beruht, dass diejenigen Individuen zurückgehalten werden, die bei ihrem allseitigen Herum- schwärmen zufällig an den Sammelpunct (in die physiologische Falle) gerathen. Wendet man aber, wie es von uns geschieht (II, p. 547), »Tropismus« als Collectivbezeichnung für alle physiologischen Reactionen an, bei welchen durch die anomogene (einseitige) Angriffsweise eines Agens (gleichviel welcher Art die veranlassenden und vermittelnden sensorischen und motorischen Processe sind) eine bestimmte Orientirung und Gruppirung herbeigeführt wird, so darf man auch die Ansammlung (Orientirung) durch die Uebergangsreizung (Schreckbe- wegungen) als einen besonderen Fall der mannigfaltigen tropistischen Reizerfolge ansehen, den man Phobotaxis2) (dgl. Photophobotaxis, Chemophobotaxis) be- nennen kann. Sofern es nöthig erscheint, schlage ich vor, für die tropistischen Reactionen, die durch einen typischen Richtungsreiz veranlasst werden, die Be- zeichnung Topotropismus (Topotaxis) anzuwenden. Ohne Frage wird man bei weiterer causaler Aufklärung der tropistischen Processe noch andere specifische Verschiedenheiten kennen lernen und dann 1) Ueber die Reizbedingungen und die Unterschiedsempfindung bei den typischen Richtungsbewegungen siehe Bd. II, § 120. Es bedarf keiner besonderen Erörterung, dass und warum auch die Uebergangsreizung auf einer Unterschiedsempfindung beruht. 2) Die Bezeichnung »Phobismus« wurde von Massart (Biolog. Centralbl. 1902, Bd. 22, p. 49) für Schreckbewegungen eingeführt. Diese werden aber auch durch eine diffuse Schwankung der Beleuchtung etc. ausgelöst, und es wird somit durch »phobische Taxis« oder »Phobotaxis« im Ucäheren angezeigt, dass es sich um die Ansammlung durch eine Anomogenität des umgehenden Mediums handelt. Die von Rothert (Flora 1901, p. 393) angewandte Bezeichnung »apobatisch« lässt sich nicht gut mit Taxis zu einem zu- sammengesetzten Worte vereinen. Da aber »Strophismus« bereits für Torsionsbewegungen vergeben ist (II, p. 549), so kann man nicht wohl als strophische Taxis (bezw. als Strophotaxis), wie es Rothert (1. c.) thut, die typischen tropistischen Richtungserfolge bezeichnen, für welche ich desshalb »Topotaxis« , also ein Wort vorschlage, mit dem an- gedeutet ist , dass es sich um eine auf einen Ort abzielende Richtungsbewegung handelt. Meinerseits halte ich die Verwendung von »Tropismus« als Collectivbezeichnung, die historisch gerechtfertigt ist (vgl. auch 11, p. 547 Anm., sowie Rothert I.e. und Bot. Ztg. 1902, Referate p. I7j, für zweckentsprechender als die Einschränkung, welche z. B. Massart (L c. p. 49) und Nagel (Bot. Ztg. 1902, Ref. p. 24) befürworten. Indess handelt es sich immer nur um conventioneile Begriffsbestimmungen, und so ist es zum guten Theil Geschmackssache, ob man »Tropismus« im engeren oder weiteren Sinne anwenden will. Warum aber Nagel (Bot. Ztg. J 901, p. 297, 1902. Ref. p. 24, vgl. Bd. II, p. 630 spezieU die phobischen Reactionen als Erfolge der Unterschiedsempfindung bezeichnet, ist nicht recht einzusehen, da doch alle Reizerfolge, die in Folge eines Wechsels oder einer Differenz eintreten, also ebenso die topotactischen Orientirungen auf Unterschiedsempündungen beruhen. — Ueber Photopathie vgl. Bd. II, p. 649 Anm. 48* 756 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. wohl Veranlassung haben, für die verschiedenen Typen, zum Zwecke einer kurzen und bequemen Verständigung, besondere Kunstausdrücke zu schaiTen. Ein be- sonderer Typus würde z. B. auch dann vorliegen, wenn in Folge der anomogenen Beschaffenheit des umgebenden Mediums (analog wie bei einseitiger Berührung eines Oeltropfens mit Seifenlösung) eine bestimmt gerichtete Fortbewegung be- wirkt wird (vgl. II, p. 715). Obgleich in diesem Falle (direct) keine physio- logische motorische Thätigkeit nothwendig ist, so würden wir ihn doch, nach unserer Begriffsbestimmung, als einen tropistischen Process anzusprechen haben, den man etwa als Argotaxis^j bezeichnen könnte. Vielleicht wird eine solche Argotaxis in einigen Fällen nutzbar gemacht, um eine Annäherung oder Ent- fernung bewegungsloser Zellen zu erzielen (II, § '155), und es wurde schon (II, p. 739) darauf hingewiesen, dass derartige Processe möglicherweise bei der Fort- bewegung von Chloroplasten, Zellkernen etc. im Innern der Zelle eine Rolle spielen. In der Regel ist eine jede physiologische Bezeichnung, die auf Aeusserlich- keiten (z. B. auf dem äusseren Anstoss oder dem Enderfolg) basirt, nur ein CollectiviDegrift', und häufig wird bei verschiedenen Organismen ein ähnlicher Er- folg auf diilerente Weise vermittelt und erzielt. Eine Gruppenbezeichnung ist aber in nnserem Falle zur Zeit gar nicht zu entbehren, da nur für einen Theil der beobachteten (und also zu beachtenden) Reactionen ermittelt ist, ob ein topotac- tischer oder phobotactischer Reizprocess zu Grunde liegt. Es ist dieses übrigens nicht immer leicht zu entscheiden. Zudem resultirt in manchen Fällen der End- erfolg aus dem Zusammengreifen vontopotactischen undphobotactischen Reizungen, und schliesslich ist es nicht ausgeschlossen, dass diese beiden Typen durch Binde- glieder verknüpft sind. Besonders bei kleinen und Hinken Organismen vermag nur eine kritische Untersuchung zu entscheiden, ob die Ansammlung durch Topotaxis oder Phobotaxis zu Stande kommt. Denn wenn z. B. eine typische topochemotac- tische Reizung vorliegt, so eilen durchaus nicht immer alle Individuen auf geraden Bahnen zu der Capillare (der concentrirteren Lösung), und bei schwacher Reiz- wirkung bedarf es schon einer aufmerksamen Beobachtung, um die tropisti- sche Ablenkung sicher zu stellen. Vor oder in der Capillare aber schiessen die Individuen ebenso herum wie die durch eine phobotactische Wirkung an- gesammelten Organismen. In der That erweckt das Verhalten von Bacterien nach dem Zuschieben der mit einem Reizstoff gefüllten Capillare zunächst den Eindruck, dass eine chemotactische Ablenkung (Anlockung) stattfindet. So ist es begreiflich, dass erst bei Verwendung von langsam beweglichen Bacterien^ und bei einem speciellen Studium des Reactionsvorganges, durch Rothert^) ermittelt wurde, dass die Ansammlung der Bacterien durch die phobotactische Reizwirkung herbeigeführt wird. 1) uoyös thatlos. unthätig. 2) Die Ansammlung des Bacterium photometricum durch die photische Schreck- bewegung wurde von Engelmann (Pflüger's Archiv f. Physiologie 1882, Bd. 30, p. 95) erkannt. Die chemophobotaktische Ansammlung von Bacterien wurde von Rothert (Flora 1901, p. 393), sowie von H. S. Jennings u. Crosby (American Journal of Physiology IQO'I, Bd. 6, p. 29) nachgewiesen. Zuvor war schon von Jennings (American Journal of Physiology 1899, II; 1900, III) die phobotactische Reaction und Ansamm- § 142. Allgemeines über tropistische Reizungen. 757 Vermulhlich wird öfters durch dasselbe Agens eine geringe phobolactische Reaclionsfähigkeit neben einer starken und dominirenden topotactischen, ausge- löst und umgekehrt. So mag das Zurückprallen, das man an den ausgezeichnet topisch chemotactischen Samenfäden der Farne beobachtet, wenn sie aus der mit Aepfelsäurelösung gefüllten (lapillare zu enteilen suchen, auf einer chemo- phobotactischen Wirkung beruhen. Auch deuten unter anderm gewisse Beob- achtungen an den phototopotactischen Schwärmern von Botrydium darauf hin, dass diese in schwachem Grade photophobotactisch reagiren i). Ferner schliessen die Beobachtungen von Rothert nicht aus, dass den chemo- phobotactischen Bacterien eine gewisse chemotopotactische Empfindlichkeit zukommt, und ich möchte glauben, dass letztere bei einzelnen Arten einen an- sehnlichen Werth erreicht. Sofern aber bei einem Organismus bei jedem Versuche, sich in die ver- dünntere Lösung zu begeben"-;, eine wenn auch nur geringe Schreckbewegung ausgelöst wird, so muss auch ohne eine topotactische Reaction eine Fortbe- wegung nach der concentrirteren Lösung hin stattfinden, weil der Ueber- gang in die verdünntere Lösung unmöglich gemacht wird. Es ist aber durchaus nicht nöthig, dass eine Schreckbewegung schon oder allein durch eine difluse (allseitige) Schwankung verursacht wird-*). Denn es ist auch denkbar, dass bei einem Organismus, in Folge der Vertheilung seiner speciiischen Sensibilität, bei jeder Abweichung von der Orientirung gegen die Reizrichlung eine Schreck- bewegung ausgelöst wird, die dem Sinne nach stets der Ablenkung entgegen- gesetzt gerichtet ist, also auf die Erhaltung einer bestimmten Orientirung gegen das Tropisticum hinarbeitet. Schliesslich könnte man sogar bei den schnell arbeitenden und reagirenden Schwärmzellen die Erhaltung der topo- tropistischen Lage als das Resultat von solchen bestimmt gerichteten Schreck- bewegungen ansehen, die durch jede Abweichung aus der Gleichgewichtslage veranlasst werden. Wie schon früher (II, p. 572, 624) hervorgehoben wurde, ist es bei gewissen, freibeweglichen Organismen besonders schön zu übersehen, dass durch die Steigerung des Reizanstosses, bei einer specifisch verschiedenen Reizintensität, die bisherige positiv tropistische in eine negativ tropistische Reaction verwandelt wird. Eine solche Umkehrung wird aber nicht nur bei topotactischen Orga- nismen beobachtet, sondern tritt auch bei phobotactischen dadurch ein, dass die Schreckbewegung, nach der Ueberschreitung einer gewissen Concentration, Lichtintensität etc., nicht mehr bei dem Uebergang in die verdünntere, sondern bei dem Uebergang in die concentrirtere Lösung etc. ausgelöst wird. In Folge dieser antagonistischen Reizungen werden also sowohl die topo- tactischen , als auch die phobotactischen Organismen in einem gewissen lung bei verschiedenen Infusorien und Flagellaten verfolgt worden. Vgl. auch W. Garrey, Centralbl. f. Physiolog. 1900, Bd. U, p. 105. 1) Siehe die bei Rothert (1. c. p. 386) citirte Literatur. Vgl. ferner Bd. II, § 1U. 2) Wenn sich ein phobochemotactischer Organismus, nach Ueberschreitung des Schwellenwerthes, bei jeder Concentration in einer Capillare ansammelt, so zeigt dieses, dass innerhalb dieser Concentrationsgrenzen eine jede Concentralionsabnahme als Reiz wirkt, dass also die Schreckbewegung in einer jeden DifTusionszone ausgelöst wird. 3) Vgl. Rothert, 1. c. p. 399. 758 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. Abstand von dem Ausgangspunct des Reizanstosses, also in einer Gleichge- wichtszone festgehalten, in der aber die rastlos imiherschiessenden Individuen keine Ruhelage annehmen i). Speciell bei den einseitig bewimperten (inäquipolaren), topotactischen Schwärmern wird durch die Steigerung der Reizintensität eine Wendung des Körpers und damit eine entgegengesetzt gerichtete topotactische Bewegung verursacht. Infolgedessen schiessen die Schwärmer über die Gleichgewichts- zone hinaus, um nach der erneuten Umwendung immer wieder dasselbe Spiel zu wiederholen. Yermuthlich würde aber ein solcher Schwärmer bei der richtigen Reizintensität diatactisch reagiren, wenn er durch Festhalten der Basis gezwungen wäre, in analoger Weise wie eine krümmungsthätige Pflanze, eine fixe Gleichgewichtslage anzunehmen (vgl. II, p. 573). Nach dem Gesagten, und mit Rücksicht auf die ükologische Bedeutung dieser Reactionen, ist es verständ- lich, dass bei freibeweglichen Organismen in der Regel kein Diatropismus be- obachtet wird. Uebrigens stellt sich nach Verworn^j das Wim]>erinfusor Spirostomum ambiguum senkrecht zur Richtung des galvanischen Stroms. Auch nehmen gewisse Desmidiaceen (II, § 1 45), sowie die Ghloroplasten von Meso- carpus (II, § 146) bei einer bestimmten Lichtintensität eine photodiatrope Lage ein. Dagegen wird den an sich parallelophototactischen Diatomeen nur zwangs- weise eine plagiophototrope Lage aufgedrängt, wenn die Glasplatte, an der die Diatomeen fortgleiten (II, §135), schiefwinklig gegen die Angriffsrichtung des Lichtes orientirt ist. Bei den Diatomeen und anderen äqui])olaren Organismen kann natürlich die Umkehrung der Bewegung bei Steigerung der Reizintensität ohne eine Wen- dung der Hauptachse ausgeführt werden. Zudem wird bei solchen Organismen, die sich normalerweise abwechselnd vorwärts und rückwärts bewegen (II, § \ 35 etc.), das Wandern nach einem bestimmten Ziele dadurch vermittelt, dass, in- folge der topotru[»istischen Reizung, bei jedem Rhythmus die nach dem Ziele ge- richtete Bewegung ansehnlicher ausfällt, als die entgegengesetzt gerichtete Bewe- gung. Bei den Plasmodien und Amöben (II, § 136) wird dagegen die tro])istische Lenkung durch die einseitige Förderung der amöboiden Ausgestaltung erzielt. Das Zurückprallen (die Rückwärtsbewegung) bei der Schreckbewegung scheint in der Regel, auch bei einseitig bewimperten Schwärmern, mit keiner Umwendung der Körperachse verknüpft zu sein. Wenigstens wurde ein i) Belege finden sich in Bd. II, § 145, 149. löi. Ferner ist in II, § 108. 424, 12r, er- örtert, wie dieser Wechsel derReactionsrichtung bezw. der Sensibilität) aufzufassen ist, und in welchem Sinne man die Gleichgewichtslage als Resultante anzusprechen hat Es ist aber wohl angemessener, in diesen Fällen von einer intermediären oder antagonistischen Gleichgewichtslage oder auch von einer Indifferenzzone (vgl. übrigens II, p. 572 Anm.) zu reden, als von einem Optimum, bezw. einer optimalen Reizlage. Jedoch ist nicht zu verkennen, dass die graphische Darstellung eine Curve mit einem Maximum liefert, das man in Bezug auf die functionelle AJjhängigkeit der Zuwachsbewegung etc. von der Temperatur u. s. w. als Optimum zu bezeichnen pflegt. Vgl. Rothert, 1. c. p. 401. 2) Verworn, AUgem. Physiolog. 1901, III. Aufl., p. 480. Von einem transversalen Thigmotropismus kann man wohl auch bei Oxytrichia und anderen Infusorien reden, die mit ihren Bauchwimpern an der Oberfläche von Gegenständen herumlaufen. § 142. Allgemeines über tropistische Reizungen. 750 solches Verhalten bei dem einseitig bewimperten Bacterimii photometricum von Engelmann 1) beobachtet. Ferner ist bereits mitgetheilt (II, p. 702), dass eine transitorische Rückwärtsbewegung öfters eintritt, wenn eine Schwärm- zelle an eine Glasjjlatte etc. anstüsst. Wird aber, wie es gewöhnlich der Fall ist, bei dem Zurückprallen die Lage des Körpers etwas verändert, so hat die Schreckbewegung auch eine gewisse Veränderung der Bewegungsrichtung zur Folge. In wieweit etwa dorsiventrale Gebilde, analog wie Paramaecium etc. 2), infolge der besonderen Bau- und Reactionsverhältnisse, bei einer jeden Schreck- bewegung zunächst eine bestimmte Lage annehmen, ist für vegetabilische Orga- nismen noch nicht näher untersucht. Da die Ileactionsfähigkeit stets von der Ausbildung der von einander unab- hängigen specifischen Sensibilitäten abhängt (II, p. 349), so ist es selbstverständlich, dass derselbe Organismus durch ein bestimmtes Tropisticum zu einer topotactischen, durch ein anderes zu einer phobotactischen Reaction veranlasst werden kann. Auch haben wir bereits gehört, dass an demselben Objecte beide Arten von Reac- tionen durch denselben Reizanstoss ausgelöst werden können. Es mag hier er- wähnt sein, dass z. B. viele Infusorien durch den galvanischen Strom topotactisch, durch chemische oder osmotische Reize i)hobotactisch gereizt werden, dass gewisse Volvocineen im hohen Grade phototopotactisch, aber zugleich osmophobo- tactisch sind 3). Ferner verhält sich nach Garrey*) Chilomonas gegen schwache organische Säuren topochemotactisch, gegen (stärkere) anorganische Säuren phobochemotactisch. Zudem dürfte in manchen Fällen die positive Chemotaxis auf topischer, die repulsive Wirkung (negative Chemo- oder Osmo- taxis) auf phobischer Reizung beruhen (II, § 149 — 151). Im allgemeinen sind auch die tactischen Reizfähigkeiten in einer zweckent- sprechenden Anpassung und Combination ausgebildet (vgl. II, p. 549). Damit ist völlig verträglich, dass viele freibewegliche Organismen galvanotactisch rea- giren, obgleich diese Reizbarkeit für sie ohne practische Bedeutung ist, dass ferner wohl gewisse Organismen schädliche Concentrationen meiden, andere aber in diese (auch in Giftlösungen) hineinsteuern, obgleich sie darin den Tod finden (II, § 1 49). Da die kleinen locomotorischen Organismen auf grössere Entfernungen hauptsächlich passiv verbreitet werden (II, p. 629), im engeren Räume sich aber durch ihre Eigenbewegung allseitig ausbreiten, so wird schon durch die Phobotaxis eine weitgehende Ansammlung erzielt. Thatsächlich wirken selbst die besten toi)Ochemotactischen Reize nur auf kurze Distanzen an- lockend bezw. abstossend, während freilich durch die topischen Reizwirkungen •des Lichts und der Schwerkraft eine Direction auf grössere Entfernung möglich ist. Für die Lenkung von Organismen nach bestimmten Zielen wird überhaupt die topotactische Reizung im allgemeinen gewisse Vortheile gewähren, und ohne eine i] Vgl. Rothert, 1. c. p. 391 ; Jennings u. Crosby, I. c. p. 36. 2) Siehe hierüber Jennings in den Bd. II, p. 756 Anm. 2 citirten Arbeiten. Dass sich auch dorsiventrale Schwärmer parallelotactisch stellen und bewegen können, ist schon Bd. II, p. 531 betont. Vgl. auch Bd. II, § 134. 3) Rothert, 1. c. p. 396. Vgl. z. B. Bd. II, § 1'.5, 149, 154. 4, W. Garrey, The effects of ions upon the aggregation of flagellated Infusoria 1900. 760 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. solche Lockung würden z. B. die Samenfäden der Farne etc. nicht mit so grosser Sicherheit bis zu der Eizelle gelangen. Jedoch genügt die phobotactische Reizung vollständig, um z. B. Bacterien an bestimmten Stellen anzusammeln und zurückzuhalten, oder um das Eindringen in ein schädliches Medium zu ver- hüten. Auch im hmern der Zellen werden voraussichtlich durch einseitige Reiz- wirkungen vielfach bestimmte Orientirungen veranlasst. Indess sind auffällige Erfolge eigentlich nur in Bezug auf die phototropische Bewegung der Chloro- plasten (II, § 146) und die traumatropische Bewegung des Zellkerns etc. {II, § 153) bekannt. Denn für die einseitige Ansammlung des Protoplasmas, die in Verbindung mit der Auslösung gewisser tropistischer Krümmungsbewegungen beob- achtet wurde, ist es noch fraglich, ob eine primäre oder nur eine secundäre Action vorliegt (II, p. 635 Anm.). Bei den verwickelten Wechselwirkungen im Innern des Protoplasten ist es zudem schwierig, zu entscheiden, in wie weit eine Reaction durch die active oder passive Betheiligung eines Organes herbeigeführt wird (II, § 140). Im allgemeinen .wird man jedoch, schon mit Rücksicht auf den langsamen Verlauf der internen Bewegungen, annehmen dürfen, dass bei den Orientirungen und Gruppirungen im Inneren des Protoplasmas die Uebergangs- reizungen (Schreckbewegungen) zurücktreten. Ebenso wie die tropistischen Krümmungsbewegungen sind auch die hier besprochenen topischen und phobischen Taxien tyjjische Reizreactionen, bei welchen die Bewegungsthätigkeit durch den äusseren Anstoss so beeinflusst und dirigirt wird, dass der Organismus nach bestimmten Zielen steuert oder an be- stimmten Orten festgehalten wird. Im allgemeinen ist dabei die nüthige motorische Thätigkeit auch ohne die tropistische Reizung im Gange, und zumeist wird durch diese die Bewegungsschnelligkeit nicht wesentlich modificirt ^). Das muss indess nicht in allen Fällen so sein, und vielleicht werden mit der Zeit sogar zahlreichere Beispiele dafür bekannt werden, dass die Bewegungsthätigkeit erst durch die tropistischen Reizbedingungen erweckt wird. Letzteres, oder auch nur eine Beschleunigung der motorischen Thätigkeit, wird z. B. dann erzielt, wenn zu den Organismen, die durch den totalen oder partiellen Mangel des Sauerstoffs (oder eines Nährstoffs) immobilisirt oder theilweise gelähmt sind, der zugleich als Tropisticum wirkende Sauerstoff (oder Nährstoff) einseitig zugeführt wird'-^). Andererseits kann unter Umständen schon durch die Steigerung der Reizintensität eine Retardirung der Bewegungsschnelligkeit bewirkt werden. Analogen Verhältnissen sind wir übrigens bereits bei der Be- sprechung der tropistischen Krümmungsbewegungen begegnet, die theilweise ohne, theilweise mit Verzögerung oder Beschleunigung der normalen Wachs- ■I) Nach Nägeli (Beiträge z. Wissenschaft!. Botanik 1860, Heft 2, p. 102) und Stras- burger (Wirkung d. Lichts u. d. Wärme auf Schwärmsporen 1878, p. 27) tritt z. B bei der phototactischen Reizung der Algenschwärmer, nach Pfeffer (Unters, a. d. botan. Institut zu Tübingen -1884, Bd. 1, p. 375) bei der chemotactischen Reizung der Samenfäden der Farne keine Beschleunigung der Bewegung ein. 2) Siehe z. B. Pfeffer, 1. c. p. 463 u. ebenda 1888. Bd. 2, p. G31. Ferner wird z. B. bei dem phobotactischen Bacterium photometricum die Bewegungsthätigkeit erst durch den Lichtreiz erweckt (Bd. II, p. 751 j. § 14i2. Allgemeines über tropistische Reizungen. 761 thumsthütigkeit, bei den Grasknoten aber mit Hilfe derjenigen Wachsthums- thätigkeit ausgeführt werden, die erst durch die geotropische Reizung erweckt wird (II, § 128). Eine solche physiologische Reizbewegung liegt indess nicht vor, wenn die ganze Aclion ohne eine directe ßetheiligung der vitalen Thütigkeit, also, etwa wie bei einem Oeltropfen, dadurch zu Stande kommt, dass durch den einseitigen Angriff eines geeigneten Stoffes, in rein physikalischer Weise, die motorische Energie und die Bedingungen für eine bestimmte Richtung der Bewegung geschaflen werden (vgl. II, p. 756). Mag eine derartige tropistische Be- wegung (Argotaxis) in gewissen Fällen vorkommen, so dürften doch die tro- l)istischen Reactionen der Myxomycetenplasmodien und anderer amöboider Organismen physiologische Reizbewegungen sein i). Denn factisch handelt es sich bei diesen Richtungsbewegungen um die directive Lenkung einer physio- logischen Gestaltungs- und Bewegungsthätigkeit, die sich auch in einem homo- genen Medium abspielt, und deren mechanische Ausführung zudem wohl nicht allein durch die selbstthätige (anomogene) Modification der Oberflächenspannung vollbracht wird (II, § 137). Sofern aber der Perceptionsprocess mit einer Modi- fication der Oberflächenspannung verknüpft ist, sofern diese also nur als aus- lösendes Bindeglied in Betracht kommt, liegt unter allen Umständen ein physio- logischer Reizprocess vor, gleichviel ob die motorische Energie (unter Vermitte- lung der physiologischen Thätigkeit) durch Oberflächenspannung oder durch andere Älittel gewonnen wird (II, p. 635, 717). Desshalb können die tropistischen Bewegungen der Schwärmsporen ebensowenig die directen Folgen einer Modi- fication der Oberflächenspannung durch das äussere Agens sein, wie die tropi- stischen Krümmungsbewegungen einer Pflanze oder die durch den einseitigen Licht- oder Geruchreiz dirigirten Locomotionen eines Menschen. Durch die allgemeinen Erörterungen in Bd. 11, § 120 — 127 ist zugleich unsere derzeitige Einsicht in die topotactischen Reizprocesse gekennzeichnet. Ebenso ist schon (II, p. 367) hervorgehoben, dass und warum bei einem einzelligen Organis- mus eine functionelle Arbeitstheilung bestehen kann und besteht. Diese ist unter anderm bei Schwärmzellen schon in der Vermittelung der locomotorischen Bewegung durch die Gilien ausgesprochen, die wahrscheinlich in vielen Fällen auch den tropistischen Reiz zu percipiren vermögen. Augenscheinlich ist dieses der Fall bei der galvanotactischen Reizung (II, § 154) und ferner bei der (tran- sitorischen) Contactreizung der Wimpern von Chlamydomonas (II, p. 753), die schon reagiren, wenn nur die Spitze der Cilie an einen festen Körper stösst^j. Dagegen ist es in Bezug auf die chemotactischen und anderen tactischen Reac- tionen noch nicht ermittelt, ob die Cilien perceptionsthätig sind. In der That scheint bei Euglena der phototactische Reiz weder in der Cilie noch in dem Augenfleck, sondern in dem hyalinen Vorderende percipirt zu werden (II, § 145). -1) Vgl. Bd. II, § ^37. — Verworn (Bewegung d. lebendigen Substanz 1892. p. 44} und Rhumbler (Ergebnisse d. Anatomie u. Entwickelungsgeschichte 1899, Bd. 8, p. 584) lassen die tropistischen Bewegungen der Amöben einfach durch die Aenderung der Oberflächenspannung zu Stande kommen. 2) Analog dürften sich auch die thigmotropisch reizbaren Cilien gewisser In- fusorien verhalten. 762 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. Unter solchen Umständen muss natürlich die Thätigkeit der Cilien von dem reizaufnehmenden Körpertheil aus so dirigirt werden, dass die tropistische Wendung und Richtung des Körpers zu Stande kommt. Uebrigens wurde bereits (II, p. 702) hervorgehoben, dass eine wechselseitige Reizverkettung nothwendig ist, um das harmonische Zusammenwirken der Wimpern in einer Volvox- colonie etc. zu erzielen. Auch ist es selbstverständlich, dass die aus lebendiger Substanz gebildeten Cilien ebensogut zur Reizleitung geeignet sind, wie z B. die Plasmaverbindungen. Ferner beweist die Erfahrung, wonach in einer Cilie von Chlamydomonas sofort die Reizreaction eintritt, wenn nur das AVimperende be- rührt wird, dass der Reiz schnell fortgepflanzt wird^). Da nachweislich ge- wisse locomotorische Bewegungen nicht direct vom Zellkern abhängig sind 2), so werden wohl auch verschiedene tactische Reizreactionen ohne die Ver- mittelung des Kerns zu Stande kommen, wie dieses in Bezug auf die galvano- tactischen Bewegungen nachgewiesen ist (II, § 154). Die phobotactische Reizung, die ebenfalls auf einer Unterschiedsempfindung beruht, wurde bereits (II, p. 7.54) charakterisirt. Auch ist schon angedeutet wor- den (II, p. 757), dass, wenn vielfach eine Schreckbewegung durch eine ge- nügend schnelle allseitige (diffuse) Schwankung des Reizmittels ausgelöst wird, es nicht ausgeschlossen ist, dass in anderen Fällen die plötzliche Herstellung einer Intensitätsdifferenz des Reizmittels an der Spitze und der Basis (oder an zwei Flanken) des Organismus als phobischer Reiz empfunden wird. Alles was ausserdem in Bd, II, § 'l'20 — 127 in Bezug auf Reizbedingungen, Reizschwelle, Reizintensität, Inductionszeit, Nachwirkung, Stimnumgswechsel etc. gesagt ist, gilt im Princip auch für die tactischen Reizvorgänge, die ohnehin, so weit es nöthig erschien, bei den allgemeinen Erörterungen berücksichtigt wurden. So wurde unter anderm darauf hingewiesen, dass bei den flinken und schnell reagirenden Schw-ärmern die Inductionszeit und die Nachwirkung sehr kurz ausfallen. Ausserdem wurde in den allgemeinen Remerkunsen über die 'o'- Bedeutung der Aussenfactoren in Bd. II, S 141 nochmals deren Bedeutung für o die tactischen Reizprocesse hervorgehoben. Auch werden wir fernerhin specielle Belege z. B. dafür kennen lernen, dass die tactische Sensibilität ohne die Aufhebung der Locomotion sistirt werden kann und umgekehrt. Da ferner eine jede Sensibilität mit Zunahme des Reizanstosses (durch diese Inanspruch- nahme) abgestumpft und modificirt wird, so ist einleuchtend, dass die in Bd. II, § 124 dargelegten Beziehungen nicht nur für die topotactischen, sondern auch für die phobotactischen Reactionen gelten. Dass unter Umständen bei genügen- der Steigerung des Aussenreizes an Stelle der positiven eine negative Topotaxis oder Phobotaxis tritt, ist in diesem Paragraphen (II, p. 757) erwähnt. In Bd. 11, p. 625 ist aber bereits zahlenmässig gezeigt, dass, in gewissen Reizgrenzen, die durch das Weber'sche Gesetz ausgedrückten Beziehungen auch für die Ab- stumpfung der Sensibilität bei den phobotactischen Bacterien gefunden werden (vgl. auch II, § 151). -1) Ueber Reizleitungen siehe Bd. II, § 53, 9j, p. C07. Ueber die Fortleitung der Plasmaströmung Bd. II, § ^riB. 2) Vgl. hierüber Bd. I, § 9 ; Bd. II. p. 3G7, 705. üeber die Autonomie der pulsiren- deu Vacuolen Bd. II, p. 736. § 143. Thermische Einflüsse. 763 Beachtenswerth ist, dass die Schwärmzellen (auch die radiär gehauten) phototactisch, geotaclisch, chemotactisch etc. reagiren, obgleich sie sich, in- folge der Drehung um ihre Kürperachse (II, p. 701), gegenüber dem einseitigen Angriff von Licht, Schwerkraft etc. in einer analogen Lage befinden, wie eine festgewurzelte Pflanze, die auf dem Klinoslaten gleichmässig um die eigene Achse gedreht wird (II, § Iil)i). Es muss denigemäss in den verticibasalen Schwärmern, wie es auch für die bestimmte polare Orientirung nothwendig ist, die tropistische Gleichgewichtslage nur bestehen, wenn die Spitze (bezw. die Basis) gegen das Tropisticum gewandt ist, wenn also die beiden Pole in ver- schiedener Weise dem Angriff der Lichtstrahlen etc. ausgesetzt sind. Denn dann wird sich z. B. eine (positiv oder negativ phototactische) Schwärmzelle (wie es auch der Fall ist) parallel zur Richtung der Lichtstrahlen orientiren, wenn diese senkrecht gegen den unter Drehung sich fortbewegenden Organis- mus gerichtet sind. Nähere Untersuchungen über diese und die hiermit ver- knüpften Fragen liegen nicht vor. So muss es dahin gestellt bleiben, ob ein Orientirungsreiz stets dann ausgelöst wird, wenn zwei symmetrische Punkte der opponirten Flanken in ungleicher Weise dem Angriff eines Tropislicums ausgesetzt sind, während die eben angedeuteten polaren Reizbedingungen nicht bestehen. Eine bestimmte Entscheidung in diesen Fragen kann aber z. B. nicht schlechthin daraus entnommen werden, dass, wie es scheint, bei Euglena die Beleuchtung des hyalinen Yorderendes zur Auslösung des phototactischen Reizes genügt. In noch ansehnlicherem Grade als bei den höheren Organismen, scheinen bei den niederen individuelle Differenzen der lleactionsfähigkeit vorzukommen. In der That lassen die vorliegenden Erfahrungen, trotz des Mangels einer kritischen Untersuchung, erkennen, dass die tropistische Sensibilität derselben Art von Bacterien, Flagellaten etc. je nach den vorausgegangenen Culturbedin- gungen graduell verschieden ausfällt. So ist es zu verstehen, dass man bei derselben Art, in der Natur und in künstlichen Culturen, zuweilen eine sehr ansehnliche, zuweilen eine geringe oder verschwindende Reactionsfähigkeit gegenüber einem bestimmten Tropisticum fmdet^). Ja es muss nach ander- weitigen Erfahrungen möglich erscheinen, dass Rassen gezüchtet werden können, bei welchen eine zuvor vorhandene, bestimmte tropistische SensibiHtät theilweise oder gänzlich verloren gegangen ist 3). § 143. Thermische Einflüsse. Diflfuse Einwirkimgen. ■ Die hier behandelten Bewegungen sind in analoger Weise von der Tem- peratur abhängig wie die Zuwachs- und Krümmungsbewegungen (11, § 22, -lOö). 1) Ueber die tropistischeu Reizbedingungen vgl. Bd. IT, § 125 — 127. 2) Rothert, Flora 1901, p. 417. Ueber die Aenderung anderer Eigenschaften durch die Culturbedingungen siehe z. B. Bd. II, § öß, 57. 3) Ueber die Entstehung von bewegungslosen bezw. bewegungsthätigen Rassen vgl. Bd. II, p. 243. 764 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. Es wurde auch bereits (II, p. 750) angedeutet, dass und warum das Tempera- turminimum und Temperaturmaximum der Locomotion und der Plasmastrümung wenigstens annähernd durch die Erfahrungen gekennzeichnet werden, die für denselben Organismus in Bezug auf Wachsthum und Gedeihen vorliegen. Jedoch kann nur durch nähere Studien entschieden werden, ob, wie es denkbar ist, gewisse Pflanzen noch in einer Temperatur wachsen, in denen die Loco- motion oder die Plasmastrümung nicht zu Stande kommen. Beide Bewegungen können aber (analog wie das Wachsthum) eine gewisse Zeit in einer supramaximalen oder inframinimalen Temperatur fortdauern, in welcher der Organismus endlich zu Grunde geht (II, p. 280). So beobachtete Zopf i) bei Bacterium vernicosum, dessen Wachsthumsmaximum 45 — 46 C. ist, Bewegung noch bei 50 — 52 C. Ferner fanden verschiedene Forscher (Klemm u. a.), dass die Plasmastrümung in einer supramaximalen, bezw. einer inframinimalen- Temperatur erst nach einiger Zeit aufhört. Aus diesen und anderen Gründen ist, ebenso wie für das Wachsthum, eine genaue Bestimmung der Grenzwerthe schwierig (vgl. II, p. 79, 280), die sich zudem mit der jeweiligen Stimmung des Organismus ändern künnen. So ist es z.B. zu verstehen, dass nach Jo sing'-) die Plasmastrümung in den Blattzellen von Yallisneria bei dem Uebertragen in 45 C. normalerweise in 2 Min., dagegen in ^ 4 Proc. Aether enthaltendem Wasser erst nach 20 Min. still steht. Wenn es auch leicht zu sehen ist, dass die Bewegungsschnelligkeit mit der Erhühung der Temperatur bis zu einem optimalen Grade zunimmt, um bei weiterer Steigerung wieder abzunehmen, so sind doch der nähere Ver- lauf dieser Curve und die Lage des Optimums für locomotorische Bewegungen noch nicht genauer ermittelt. Nach den vorliegenden Untersuchungen scheint aber bei derselben Pflanze das Optimum für die Plasmastrümung hüher zu liegen, als das Optimum für das Wachsthum. Ob dieses allgemein zutrifft, müssen kritische Untersuchungen entscheiden. Durch diese wird z. B. auch zu ermitteln sein, ol) etwa das Optimum für die Plasmastrümung desshalb hüher zu liegen kommt, weil die inneren Widerstände mit der Steigerung der Tempe- ratur abnehmen (vgl. II, p. 727). In Bezug auf die Plasmaströmung wurden z. B. von Veiten 3) folgende ^^'ln■the für Minimum, Optimum und Maximum beobachtet: bei Chara foelida 0, 3 8J, 42,8 (;.; bei den Blattzellen von Vallisneria spiralis 0 — 1, 38,7, 45 C. ; beiden Blattzellen yon Elodea canadensis 0, 36,2, 38,7 C. Da sich auch aus den Unter- suchungen von M. Schnitze*), Sachs^), Hofmeister^), Wigand^), Klemmt), 1) Zopf, Beitr. z. Physiol. u. Morphol. niederer Organismen ISSiS, I, p. CG. 2; E. Josing, Jahrb. f. wiss. Bot. 1901, Bd. 36, p. 217. 3) Veiten, Flora 1876. p. 177. Während der Beobachtung befanden sich die Ob- jecte in Wasser, dessen Temperatur geändert wurde. — Ueber die Versuchsmethoden vgl. Bd. II, p. 93. — Ueber den näheren Verlauf der Curve vgl. K. L. Schaefer, Flora 1898, p. 135. [Ewart, On the Physics and Physiology of Protoplasmic Streaming in Plants 1903, p. 59.] 4) M. Schultze, Das Protoplasma d. Rhizopoden u. Pflanzenzellen 1863, p. 48. ry) Sachs. Flora 1864, p. 65. 6) Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. 47, 33. 7) A. Wigand, Botanische Hefte I880, 1, p. 216. 8) P. Klemm, Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, Bd. 28, p. 633. — Einige Beobachtungen § 143. Thermische Einflüsse. 765 Josing (1. c.) mehr oder minder deutlicli (Mn Optimmii ergiohl, so müssen wohl besondere Umstände bewirkt haben, dass in den Experimenten Nägeli's^) mit Nitella syncarpa die Bewegungsschnelliglveit dauernd bis 37 C zunahm und dann plötzlich Stillstand eintrat. Dass die Bewegung noch eine gewisse Zeit bei — \ bis — 2 C. anhält, wurde vonDutrochet^) und Cohn^j beiCharaceen, von Klemm (1. c. p. 641) ausserdem bei den Wurzelhaaren von Trianea beobachtet. Dieser Forscher fand ferner (1. c. p. 63 6), dass die Plasmastrumung in den Haaren von Momordica elaterium einige Zeit bei 48 C. fortdauert, wenn die Temperatur langsam ge- steigert wird, während bei plötzlicher Erhöhung auf 45 C. Stillstand und endlich der Tod eintraten. Wahrscheinlich sind die Schwärmzellen derjenigen Algen, die bei Spitzbergen in dem auf 0 bis — 1,8 C. abgekühlten Wasser gedeihen (II, p. 8 8), auch bei dieser Temperatur beweglich. Ferner wvn-den die Schwärmer von Vaucheria^) clavata, Ulothrix zonata^), Haematococcus lacustris*') in Wasser von 0° bewegungsthätig gefunden, während die Schwärmer von Botrydium granulatum '^) bei + 6 C. starr waren. Das Optimum für die Schwärmer von Haematococcus lacustris liegt nach Strasburger (1. c.) zwischen 30 — 40 C, das Maximum um 50 C. (Jffenbar werden sich aber die schwärmthätigcn Thermobacterien noch bei mehr als 70 C, gewisse Oscillarieen und Diatomeen bei mehr als 50 C. bewegen (vgl. I, p. 87). Einige Angaben über Oscillarieen sind z. B. bei Meyen (Pflanzenphysiol. 1839, Bd. 3, p. 565), über Samenfäden bei Hofmeister (Pflanzenzelle 1867, p. 33) und Voegler (Bot. Ztg. 1891, p. 675) zu finden. Durch einen Temperaturspriing wird einmal in gewissen strömungslosen Zellen eine transitorische Plasmastrumung erweckt s), und ausserdem in den strümungsthätigen Zellen zuweilen eine geringe, zuweilen aber eine erheb- liche Störung hervorgerufen, die sich in einer transitorischen Hemmung oder Beschleunigung oder in einer Succession beider kund giebt^). Diese Störung pflegt besonders ansehnUch zu werden, wenn plötzlich eine supraoptimale Temperatur hergestellt wird, denn dann wird nach Klemm öfters eine unregel- mässige und fieberhafte Strömungsthätigkeit veranlasst. Alle diese Störungen an Plasmodien von Myxomyceten bei Kühne, Unters, ü. d. Protoplasma 1864, p. 47, 53. •1) Nägeli, Beiträge z. wissensch. Bot. 1860, Heft 2, p. 77. 2) Dutrochet.Annal.d.scienc. naturell. 1838. II. ser., Bd. 9, p.24. NachDutroche t beobachtete schon Corti, dass die Schnelhgkeit der Plasmaströmung mit Erhöhung der Temperatur zunimmt. 3) Cohn, Bot. Ztg. 1871, p. 723. — Vgl. auch Molisch, Unters, ü. d. Erfrieren d. Pflanzen 1897, p. 25. 4) Unger, Die Pflanze im Momente d. Thierwerdung 1843, p. 57. n) Dodel, Jahrb. f. wiss. Bot. 1876, Bd. 10, p. 484. 6) Strasburger, Wirkung d. Lichts u. d. Wärme auf Schwärmsporen 1878, p. 62. 7) Strasburger, 1. c. 8) P. Hauptfleisch, Jahrb. f. wiss. Botanik 1892, Bd. 24, p. 210. Vgl. dieses Buch, Bd. n, p. 752. 9) Lit.: Dutrochet, I.e. p. 27; Ho fmeister, 1. c. p. 53 ; Kühne, 1. c. p. 1 02; de Vries, Materiaux p. 1. connaissance de Tinfluence d. 1. temperature s. 1. plantes 1870, p. 8 (Separat, a. Archiv. Neerlandaises Bd. 5); Klemm, 1. c. p. 640; G. Hör- mann, Studien ü. d. Protoplasmaströmung bei d. Characeen 1898, p. 45. — Wenn Veiten (1. c. p. 213) keine Störung fand, so wird das wohl durch die Art der Ver- suchsanstellung und die Eigenheiten des Versuchsobjects bedingt gewesen sein. 766 K^P- XIV. Locomotorische Bewegungen und PlasmabeAvegungen. werden aber nach Josing (1. c. p. 220) durch eine schwache Aetherisirung verringert. Uebrigens pflegt das Protoplasma in den meisten Fällen ziemlich bald den den veränderten (constanten) Temperaturverhältnissen entsprechenden Gleichgewichtszustand anzunehmen. In diesem wird, wenn die Plasmaströmung in einer Internodiumzelle von Chara durch locale Abkühlung gehemmt wird, dauernd eine locale Plasmaanhäufung erhalten '). Während das Protoplasma bei der allmählichen oder plötzlichen Herstellung einer nahezu maximalen oder einer supramaximalen Temperatur gewöhnlich nur eine geringe Deformation erfährt, fällt diese sehr ansehnlich aus, wenn nach kurzem Aufenthalt bei einer sub- oder supramaximalen Temperatur wieder abgekühlt wird. Ebenso werden nach Klemm (1. c.) nicht durch die Abkühlung- unter den Gefrierpunkt, sondern durch die Wiedererwärmung die lebhaften Deformationen hervorgerufen, die, analog wie nach einer transitorischen Er- wärmung, in Vacuolisirung, Abreissen von Plasmaballen, fieberhafter und un- regelmässiger Strümungsthätigkeit etc. bestehen'^]. Alle diese Reactionen treten aber nur in den nicht getödteten Zellen ein, in denen allmählich wiederum der normale Zustand hergestellt wird. In diesem Falle hat also der Uebergang zu den Temperaturextremen eine andere Wirkung, als der umgekehrte Temperatur- wechsel (II, p. 753). Ob ein analoger Reactionsunterschied auch dann zur Gel- tung kommt, wenn die Temperatur nicht bis zu dem Maximum oder Minimum gesteigert wird, lässt sich aus den bisherigen Untersuchungen nicht mit Sicher- heit ersehen. In analoger Weise wie die Dermatoplasten reagiren auch die Plasmodien der Myxomyceten^), die schon bei massigen Temperatursprüngen ein gewisses Abrundungsstreben zeigen (II, § 137). Der Einfluss von plötzUchen Temperatur- schwankungen auf vegetabilische Schwärmzellen ist noch nicht näher untersucht; jedoch ist nicht zu bezweifeln, dass es unter diesen auch solche giebt, bei denen, wie bei gewissen Infusorien, durch den Temperatursprung eine Schreck- bewegung ausgelöst wird. Auch wird bei manchen pflanzlichen Schwärmzellen durch eine supraoptimale oder maximale Temperatur das früher (II, p. 732) er- wähnte, fieberhafte Umherschiessen veranlasst. Einige Angaben über den Einfluss der Temperatur auf die pulsirenden Vacuolen, sowie auf die Kerntheilung u. s. w. finden sich in der in Bd. II, § 139 und 140 citirten Literatur. Vgl. auch Matruchot et Molliard, Revue generale d. Bo- tanique 1903, Bd. 1,5, 193. Theriiiotaxis (vgl. Rd. 11, § 114). Da sich Paramaecium und verschiedene andere Infusorien ausgezeichnet ther- motactisch verhalten, und zwar bis zu einer gewissen Temperatur positiv, bei 1) Hörmann, 1. c. p. 46. 2) M. Schultze, 1. c. p. 48; Kühne, 1. c. p. 64, 87, 101 ; Sachs, 1. c. p. 39, 66 nehmen an, dass. die Deformationen durch den Uebergang in die hohe bezw. niedere Temperatur zu Stande kommen. Klemm (1. c.) fand dann, dass die Deformationen erst bei dem Rückgang in die normale Temperatur vor sich gehen. Vgl. auch Bd. II, p. 31.7. 3) Kühne, 1. c. p. 87. § 144. Diffuse Lichlwirkungen. 767 liüherer Teniperatur aber negativ thermotacUsch reagiren ^), so wird wohl auch manchen freischwimmenden vegetabilischen Organismen ein analoges Reactions- vermügen zukommen. Thatsächlich wird von de Wildeman^) positive Thermo- taxis für Euglena angegeben, die sowohl bei den in Wasser, als auch bei den in nassem Sand befindlichen Organismen beobachtet wurde. Ausserdem wird von Schenk 3] den Bacterien, freilich auf Grund von unzulänglichen Versuchen. Thermotaxis zugeschrieben . Ferner wurde von StahH) erwiesen, dass sich das Plasmodium von Aetha- ÜLuii septicum nach der wärmeren Seite hin bewegt, Avenn es sich auf einem nassen Papierstreifen befindet, der auf der einen Seite in Wasser von 30 C, auf der anderen Seite in Wasser von 7 C. eintaucht. An Stelle dieser posi- tiven tritt aber nach Wortmann^) eine negative thermotactische Bewegung, wenn die Temperatur auf der einen Seite 36 C. überschreitet. Ein derartiges Reactionsvermügen erscheint bei den Plasmodien und bei anderen Objecten, die auf einem festen Substrat kriechen, ganz vorlheilhaft, um den Organismus in eine zusagende Temperatur zu führen. Die kleinen, frei- schwimmenden Organismen dürften indess von der durch die Temperatur- differenz erzeugten Wasserstrümung sehr leicht derart mitgerissen werden, dass die thermotactischen Bestrebungen überwunden werden. Immerhin mag durch die Thermotaxis bei kräftigeren Schwimmern, sowie dann eine bestimmte Orien- tirung erzielt werden, wenn die oberen Wasserschichten Avärmer sind und auf diese Weise eine lebhafte Wasserbewegung vermieden ist. Die näheren Untersuchungen werden auch zu entscheiden haben, in wie weit eine topische oder phobische Thermotaxis vorliegt. Jedoch kann die ther- motactische Reaction der sich langsam bewegenden Plasmodien nicht auf der Auslösung einer typischen Schreckbewegung beruhen. § 144. Diffuse Liclitwirkimgen. Bei den zahlreichen Organismen und Organen, die sich im Dunkeln ent- wickeln können 6), kommen die Locomotion und die Plasmaströmung in der Regel sowohl mit als ohne Zuthun des Lichts zu Stande. Andererseits pflegen bei denjenigen Organismen und Organen, die zur normalen Entwickelung des Lichts bedürfen, die genannten Bewegungsthätigkeiten nach dem Einbringen in das Dunkle lange und zuweilen bis an das Lebensende fortzudauern. Letzteres gilt ■1^ M. Mendelssohn, Pflügers Archiv f. Physiolog. 1895, Bd. 60, p. 1; Zeitschrift f. allgemeine Physiologie 1902, Bd. 2, Referate p. 38. 2) E. de Wildem an, Botanisch. Centralbl. 1894. Bd. 60, p. 176. 3) S. L. Schenk, Centralbl. f. Bacteriol. 1893, Bd. 14, p. 37. — Ausserdem be- obachtete Beyerinck (ebenda 1894, Bd. 13, p. 799), dass sich Bact. Zopfii auf Gela- tine nach der Wärmequelle hin ausbreitet, weil an der wärmeren Seite stärkeres Wachsen und Vermehren stattfindet. [H. Zikes, Centralbl. f. Bacteriol. 1903, II. Abth., Bd. XI, p. ög.l 4) Stahl, Bot. Ztg. 1884, p. 174. Siehe auch Clifford, Annais of Botany 1897, Bd. 14, p. 179. 3) Wortmann, Bericht d. Botan. Gesellsch. 1883, p. 117. — Eine negativ thermo- tactische Reaction wurde von Vervvorn (Psycho-physiolog. Protistenstudien 1889, p. 63) bei Amöba beobachtet. 6; Vgl. Bd. 11, §23. 768 Kap. XIV. Locomotorisclie Bewegungen und Plasmabewegungen. besonders für die Plasmaslrümung, die sich in der Regel auch bei den im Dunkeln entwickelten, etiolirten Pflanzentheilen ausbildet i). Jedoch sind z. B. auch die im Dunkeln entwickelten Schwärmzellen von Vaucheria^) imd anderen chlorophyllführenden Organismen bewegungsthiUig, und vielfach wird durch die Entziehung des Lichts die grosse Periode, also auch die Schwärmzeit, der- jenigen Schwärmzellen verlängert, durch .welche die vegetative Vermehrung vermittelt wird. So fand Strasburger^) im Dunkeln die Schwärmzellen von Ulothrix zonata noch nach 3 Tagen, die von Haematococcus lacustris noch nach 2 Wochen in Bewegung, während besonders die letzteren bei günstiger Beleuchtung in wenigen Minuten zur Ruhe kamen. Eine solche Verlängerung der Entwicklungsperiode im Dunkeln, eine Hemmung, die nicht bei allen grü- nen Schwärmern so auffällig ausfällt, ist übrigens ganz zweckentsprechend, da auf diese Weise die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sicli die Schwärmzelle an einem Orte festsetzt, der für die sich entwickelnde Alge günstige Beleuchtungs- verhältnisse bietet. Bei diesen zu Vermehrungszwecken dienenden Schwärmern, sowie auch bei Volvocineen etc. (vgl. II, § 134) scheint die Bewegungsschnelligkeit durch die Lichtenlziehung zunächst nicht wesentlich verändert zu werden ^j. Bei solchen Organismen aber, die ohne Licht nicht auf die Dauer leben können, ist es be- greiflich, dass im Dunkeln allmählich eine Verlangsamung der Bewegungen ein- tritt, wie das unter anderm bei Oscillarieen ^) und Volvocineen 6) beobachtet wurde. Mit der Zeit dürften indess noch weitere Beispiele dafür bekannt wer- den, dass die Bewegungsthätigkeit durch die Verdunkelung (oder umgekehrt durch die Beleuchtung) wesentlich beeinflusst oder zum Stillstand gebracht wird. Thatsächlich wird nach Engelmann'^) die locomotorische Thätigkeit V, Vgl. Z.B. Dutrochet, Annal. d. scienc. naturell. 4838, II. ser., Bd. 9. p. 30; Nägeli, Beitr. z. wissensch. Bot. 1860, Heft 2, p. 78; Sachs, Botan. Zeitung Beilage 1863, p. 3; Hauptfleisch, Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 24, p. 210; Josing, Jahrb. f. wiss. Bot. 1901, Bd. 36, p. 198, 210. 2) Siehe z. B. Klebs, Die Bedingungen d. Fortpflanzung u. s. w. 1896, p. 19. Vgl. auchj Walz, Jahrb. f. wiss. Bot. 1866 — 67, Bd. .^j, p. I3ä. — Ueber den Einfluss des Lichts auf die Entstehung der Schwärmer vgl. auch Bd. II, p. 103, 249. 3) Strasburger, Wirkung d. Lichts u. d. Wärme auf Schwärmsporen 1878. p. 53, 27. — Manche dieser Schwärmzellen gehen im Dunkeln zu Grunde, ohne sich festzusetzen und auszukeimen. 4) Nägeli, 1. c. p. 10-2; Strasburger, 1. c. p. 27. — Ueber Plasmaströmung vgl. auch Hauptfleisch, 1. c; Josing, 1. c. p. 198. — Wir haben hier und im folgenden nicht die Wirkungen von transitorischen Beizungen im Auge. — Das Gesagte gilt auch für solche Plasmaströmungen, die lange anhalten, nachdem sie durch Verletzen erweckt sind. 5) Famintzin, Jahrb. f. wiss. Bot. 1867 — 68, Bd. 6, p. 31; Hansgirg, Botan. Centralbl. 1882, Bd. 12, p. 361. 6) Oltmanns, Flora 1892, p. 196. 7] Engelmann, Bot. Ztg. 18S8, p. 663: Pflüger's Archiv f. Physiologie 1882. Bd. 30, p. 103. — Winogradsky, Beitr. z. Morphol. u. Physiol. d. Bacter. 1888, p. 90, beobachtete an seinem Materiale zum Theil auch Fortdauer derBewegung im Dunkeln so- wie andere Abweichungen. Vgl. auch Bd. II, p. 751 über Trennung von Entwickelung und Bewegungsthätigkeit. — Ueber Dunkelstarre siehe Bd. II, p. 531. — Nach K. Sorokin, § 14 4. Diffuse Lichtwirkungen. 769 verschiedener Purpurbacterien erst durch die Beleuchtung erweckt, obgleich sich diese Organismen auch im Dunkeln entwickeln. Durch die Verdunkelung wer- den somit diese Organismen wieder zur Ruhe gebracht. Da dieselben aber nach Engelmann nach längerer Zeit auch in constantem Licht die locomo- torische Thätigkeit einstellen, so scheint durch die Beleuchtung nur eine vor- übergehende Bewegungsthätigkeit ausgelöst zu werden. Wenn in diesem Falle die Versuchsresultate nicht immer übereinstimmend ausfielen, so mag dieses theilweise durch die Verwendung verschiedener Arten, theilweise durch die Moclification der Reactionsfähigkeit (vgl. II, p. 763) verursacht worden sein. Ein schönes Beispiel für die Veränderung der Stimnumg durch die Aussenbedingungen liefern die Versuche Josing's^), nach denen durch die Einwirkung von Aether, sowie auch durch die Entziehung der Kohlensäure, bewirkt wird, dass die Plas- maströmung im Dunkeln sistirt, im Licht wieder erweckt wird, während die Strömung unter normalen Verhältnissen im Dunkeln ungefähr ebenso schnell ist wie am Licht. Befanden sich z. B. die Blattzellen von Vallisneria spiralis in Wasser, das Y4 bezw. i Proc. Aether enthielt, so kam nach dem Verdunkeln die Strömung in 3 1 bezw. \ 0 Minuten zum Stillstand und wurde durch Wiedererhellen in '''2 bezw. 5 Minuten von neuem hervorgerufen'^). In gleichem Sinne, aber weniger schnell, reagiren die Objecte, wenn sie sich im Hängetropfen einer Glaskammer be- finden, deren Boden mit Natronlauge bedeckt ist 3). Dass in diesem Falle der Stimmungswechsel durch die dauernde Entziehung der Kohlensäure bedingt ist, er- giebt sich daraus, dass die Plasmaströmung auch im Dunkeln anhält, wenn durch Zusatz einer anderen, nicht flüchtigen Säure (z. B. Viooiio Phosphorsäure oder V'20000 Gitronensäure) dafür gesorgt ist, dass die umgebende Flüssigkeit eine genügend saure Reaction behält. Es handelt sich also um eine generelle Säure- wirkung, die auch durch die Kohlensäure ausgeübt wird. Da ferner nach Ent- ziehung der Säure, sowie bei Aetherwirkung chlorophyllfreie und chlorophyll- führende Objecte in derselben Weise reagiren, so ist damit erwiesen, dass die Erweckung der Protoplasmaströmung im Licht nicht mit der Assimilation der Kohlensäure und der Production von Sauerstoff zusammenhängt. — Da man ebenso entsprechende Resultate erhält, wenn man den Aether etc. auf die ver- dunkelten oder auf die erhellten Objecte einwirken lässt, so kann man auch sagen: Mit der Lichtstimmung ändert sich die Reactionsfähigkeit gegen Aether etc. Bei allen diesen Betrachtungen wurde eine günstige (inframaximale) Be- leuchtung vorausgesetzt, die keine tödtliche Wirkung ausübt (II, § 69). Durch eine genügende (specifisch verschiedene) Steigerung der Lichtintensität wird es aber mögUch sein, eine Verlängerung der Locomotion oder der Plasmaströmung Botan. Jahresb. I&78, p. 471) kommt auch in dem Plasmodium von Dictydium ambiguura die Strömungsbewegung im Dunkeln zum Stillstand und wird durch Licht wieder er- weckt. —Ueber Auslösung der Wachsthumsthätigkeit durch den Lichtreiz siehe Bd. II, p. -i 03. 1; Josing, 1. c. p. 206. 2) Ebenso wirkt Chloroform, während nach Josing (I.e. p. 214) durch Alkohol, Alkaloide etc. ein solcher Stimmungswechsel nicht erzielt wird. 3) Bei den Versuchen mit Aether enthielt das Wasser, welches den Boden der Glaskammer bedeckte, ebensoviel Aether, wie das Wasser des Hängetropfens. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 49 7 70 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Piasinabewegungen. zu bewirken!). Da speciell die Plasmodien der Myxomyceten zumeist durch eine massige Lichtintensität getüdtet werden (II, p. 318), so ist es begreillich, dass bei diesen schon durch eine schwächere Beleuchtung eine merkliche Ver- minderung der amöboiden Ausgestaltungs- und Bewegungsthätigkeit veranlasst wird 2). Vermuthlich wird auch bei manchen anderen Organismen durch eine inframaximale Beleuchtung eine gewisse Verzögerung der Bewegungsvorgänge verursacht. Als Beispiel für eine auffällige Uebergangsreizung durch den Lichtwechsel wurden bereits (11^ p. 753) Bacterium photometricum und einige andere Purpur- bacterien angeführt, die nach Engelmann 3) bei plötzlicher Verminderung, da- gegen nicht bei plötzlicher Steigerung der Beleuchtung eine ansehnliche Schreck- bewegung ausführen. Auch dann, wenn diese Bacterien auf solche Weise häufig in Anspruch genommen werden, tritt keine merkliche Ermüdung ein 4). Es er- giebt sich dieses schon daraus, dass diese Organismen immer von neuem zurück- prallen, wenn sie durch ihre Eigenbewegung in schneller Aufeinanderfolge an die Grenze eines Lichtpunctes geführt werden, in dem sie durch ihre physio- logische Reaction gefangen gehalten werden (II, p. 753, 754). Bei Pelomyxa palustris (einem amöboiden Rhizopod) wird dagegen nach Engelmann ^) durch die plötzliche Erhellung ein transitorisches Einziehen der Pseudopodien etc. veranlasst. In analoger AVeise, jedoch in viel schwächerem Grade, scheinen die Plasmodien der Myxomyceten zu reagiren. Auch bei dem Menschen wird im allgemeinen der plötzliche Uebergang aus dem Dunkeln in sehr helles Licht unangenehmer empfunden, als der um- gekehrte Wechsel. Andererseits giebt es niedere animalische Organismen, bei denen eine Schreckbewegung hauptsächlich durch die schnelle Licht- entziehung ausgelöst wird«). Das geschieht nach Strasburger ') auch im ge- ringen Grade und ganz vorübergehend bei den Schwärmern von Botrydium granulatum, während bei den Schwärmern von Bryopsis plumosa gerade 1) Durch die localisirte Wirkung von intensivem Licht kann demgemäss eine locale Hemmung der Plasmaströmung hervorgerufen werden. Pringsheim. Jahrb. f. wiss. Bot. 1879, Bd. -12, p. 334, 367. — Ueber Deformationen bei einseitiger Beleuchtung vgl. Klemm, Jahrb. f. wiss. Bot. 189ö, Bd. 28, p. 647. 2) Baranetzky, Memoir. d. 1. soc. d. sciences naturelles d. Cherbourg 1876, Bd. -19, p. 328, 340; Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. 21. Vgl. auch Lister. Annais of Botany 1888—89, Bd. 3, p. 13. 3) Engelmann, Pflüger's Archiv f. Physiologie 1882, Bd. 30, p. 103; Botan. Zeitung 1888, p. fi66; Winogradsky, Beiträge z. Morphol. u. Physiol. d. Bacterien 1888, p. 95. Nach Winogradsky ;Bot. Ztg. 1888, p. 90) ist Bact. photomet. em kleines Chromatium. Nach Engelmann (1882, 1. c. p. 112; 1888, I. c. p. 689) wird eine Schreck- bewegung auch durch plötzliche Aenderung der Kohlensäurespannung ausgelöst, aber nicht bei schneller Verdrängung des Sauerstoffs durch einen Wasserstoffstrom. 4) Siehe auch Winogradsky, Beiträge etc. 1. c. p. 93. 5) Engelmann, Pflüger's Archiv f. Physiologie 1878, Bd. 1 9, p. 3 ; Blochmann, Biolog. Centralbl. 1894, Bd. 14, p. 85. Vgl. auch II, p. 733. 6) Siehe z.B. J. Loeb, Pflüger's Archiv f. Physiol. 1897, Bd. 66, p. 459; W. A. Nagel, Bot. Ztg. 1901, Ref. p. 289. 7) Strasburger, Wirkung d. Lichts u. d. Wärme auf Schwärmsporen 1878, p. 25. Vgl. II, p. 739. — Stahl, Bot. Ztg. 1880, p. 410 (Euglena;. § 145. Tropistische Lichtwirkungen. 77-! durch die Erhellung eine sehr kurz dauernde Unregehnüssigkeit der Bewegungs- thätigkeit veranlasst wird. Es entspricht nur der specifisch verschiedenen Ent- wickelung der Sensibilität, dass' bei anderen Algenschwärmern (Strasburger 1. c.) und vielen anderen Organismen eine merkliche photische Uebergangs- reizung nicht eintritt. Vermuthlich giebt es aber auch Pflanzen, bei denen die plützliche Erhellung in derselben Weise als Uebergangsreiz wirkt, wie die plötz- liche Verdunkelung. Ueber die Wirkung der verschiedenartigen Lichtstrahlen siehe II, § 145. lieber die plützliche Lagenänderung gewisser Chloroplasten II, § 146. Ueber die noch problematische Reizplasmolyse II, p. 4öO. § 145. Tropistische Lichtwirkungen. Wie bei vielen festgewurzelten Organismen (II, § \ 1 2), ist auch bei vielen freibeweglichen eine graduell und specifisch verschiedene phototropistische Sensibilität ausgebildet. So reagiren die meisten chlorophyllführenden, jedoch auch einige chlorophyllfreie Schwärmer topophototactisch, ferner viele Oscillarieen und Diatomeen, sowie gewisse Desmidiaceen. Insbesondere wird bei empfind- lichen und flinken Schwärmern durch eine einseitige Beleuchtung sofort eine parallelotrope Orientirung der Hauptachse hergestellt und dadurch bewirkt, dass sich die zuvor nach allen Seiten schwärmenden Organismen in der Licht- richtung fortbewegen (vgl. II, p. 754). Sofern sich also, wie es bei massiger Lichtintensität üblich ist, das bei der Locomotion vorausgehende Vorder- ende (vgl. II, p. 701) nach der Lichtquelle wendet, tritt eine positiv photo- tactische Bewegung und Ansammlung, bei der umgekehrten Orientirung des Schw ärmers aber eine negative ein. In beiden Fällen pflegen die Schwärmer ohne eine merkliche Bewegungsbeschleunigung (II, p. 760), in einer mehr oder weniger gradlinigen Bahn, dem Ziele zuzusteuern. Indess tritt die tropistische Körper- wendung auch ein, wenn dem Schwärmer die Ausführung der angestrebten Fortbewegung durch das Anstossen an eine Glasplatte oder durch das Fest- haften des Hinterendes unmöglich gemacht ist. Auch im letzteren Falle ver- mochte Stahl 1) die positiv phototrope Orientirung von Euglena durch Steige- rung der Lichtintensität in eine negativ phototrope Lage überzuführen. Ferner wird bei Oscillarieen und Diatomeen durch einseitige Beleuchtung eine (topische) parallelophototrope Orientirung der Längsachse und hierdurch eine positiv oder negativ phototactische Bewegung veranlasst. Analog verhalten sich verschiedene Desmidiaceen, die zum Theil bei einer bestimmten Lichtinten- sität plagiophototrop reagiren. Durch die schon besprochene Schreckbewegung kommt aber eine sehr an- sehnliche Ansammlung von Bacterium photometricum in einem Lichtpunkt zu Stande, der mittelst eines Objectivs oder auf andere Weise auf einem Objectträger entworfen ist (vgl. p. 753, 754). Da Engelmann 2) bei einseitiger Beleuchtung eine Ansammlung seines Bacterium photometricum nicht sicher beobachten konnte, 1) Stahl, Botan. Zeitung 1880, p. 410. 2) Engelmann, Pflüger's Archiv f. Physiolog. 1882, Bd. 30, p. 121. 49* 772 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. so muss bei diesem Organismus der allmähliche Lichtabfall nicht als ein zu- reichender phobophototactischerReiz wirken. Es muss auch dahingestellt bleiben, ob die phototactische Ansammlung, die Winogra dsky i) bei seinem Chromatium, sowie die negativ phototactische Reaction, die dieser Forscher 2) bei Beggiatoa beobachtete, durch eine phobische oder topische Reizwirkung oder auf andere Weise verursacht wurden. Offenbar wird aber die negativ phototactische Bewegung des Plasmodiums der Myxomyceten nicht durch eine Uebergangsreizung, jedoch vielleicht einfach dadurch verursacht, dass die Ausgestaltung und damit die Fortbewegung an der stärker beleuchteten Seite relativ gehemmt wird (vgl. II, p. 758, § 136;. Ob solche phototropischen Bewegungen und Ansammlungen im Innern von hautum- kleideten Zellen vorkommen, ist bis dahin nicht sichergestellt 3). Jedoch sind die Orieniirung der Chlorophyllplatten von Mesocarpus, sowie der Chlorophyll- körper von anderen Pflanzen Beispiele für phototropische Reactionen im Inneren eines Dermatoplasten (II, p. 760, § 146). In vielen Fällen tritt bei genügender Steigerung der Lichtintensität an Stelle der positiven eine negative phototactische Reaction, durch die flinke Schwärm- zellen fast augenblicklich zum Umwenden und Fliehen veranlasst werden^). Wenn Strasburger (1. c. p. 26) bei den Schwärmern von Botrydium granulatum und bei Chilomonas curvata (Flagellate) nur eine Ansammlung am Lichtrand beob- achtete, so mögen ihm wohl Individuen vorgelegen haben, die auf besonders hohe Lichtintensität gestimmt waren, da Stahl ^) die Schwärmer von Botrydium granulatum leicht zu negativ phototactischen Bewegungen veranlassen konnte. Eine solche wird bei den meisten Schwärmern durch massiges Sonnenlicht, bei manchen aber schon durch eine geringere Lichtintensität ausgelöst. Ferner reagiren die meisten Diatomeen schon bei schwächerer Beleuchtung negativ heliotactisch, und bei den Plasmodien der Myxomyceten ist eine positiv photo- tactische Reaction nicht sicher gestellt. Dass durch den Antagonismus der positiv und negativ phototactischen Reaction .eine Ansammlung in gewissem Abstand von der Lichtquelle ver- ursacht wird, ist bereits II, p. 758 besprochen worden. An dieser Stelle ist auch darauf hingewiesen, dass sich die Schwärmer voraussichtlich nur desshalb nicht plagiophototrop orientiren, weil sie in der Gleichgewichtszone hin- und herschiessen und hierdurch immer wieder in eine Region gelangen, in der sie durch den abgeschwächten bezw. verstärkten Lichtreiz zur vollen Umwendung und somit von neuem über die (vermuthliche) photodiatrope Gleichgewichtslage hinausgeführt werden. 1) S. Winogradsky, Beiträge z. Morphol. u. Physiolog. d. Bacterien -1888, Heft -1, p. 94. Auch Engelmann's Bact. photometricum ist ein Chromatium. 2) Winogradsky, Botan. Zeitung 1887, p. 517. 3) Vgl. Bd. II, p 760. — Ueber den Einfluss einseitiger Beleuchtung auf die Richtung der Zelltheilung bei keimenden Sporen von Equisetum vgl. Bd. 11, p. -190. 4) Vgl. hierüber Bd. II, p. 572. — Dass innerhalb gewisser Lichtgrenzen das Weber'sche Gesetz gilt, ist wahrscheinlich, jedoch in Bezug auf die Phototaxis der Schwärmer noch nicht erwiesen, wohl aber für die heliotropische Reaction von Phycomyces. Vgl. Bd. II, § 124. 5) Stahl, Einige Bemerkungen ü. d. richtenden Einfluss d. Lichts auf Schwärm- sporen 1879. Sep. a. Verh. d. phys. med. Gesellsch. z. Würzburg N. F. Bd. 14. § U5. Tropistische Lichlwirkungen. 773 Die ungleiche Sensibilität der einzelnen Individuen bringt es aber mit sich, dass die Gleichgewichtszone der Schwärmer derselben Art nicht genau an der- selben Stelle hegt. Ausserdem spricht sich ein autogener, periodischer Wechsel der Lichtstimmung darin aus, dass Schwärmzellen, trotz der Constanz der Aussenbedingungen, abwechselnd vom positiven zum negativen Rand des Wassertropfens eilen und umgekehrt^). Dieser Wechsel geht zum Theil lang- sam, zum Theil aber so schnell vor sich, dass Strasburger einzelne Schwärmer von Ulothrix zonata sogleich nach der Ankunft am Lichtrand (bezw. am Schattenrand) des Wassertropfens umkehren sah. Nach Stahl 2) schwankt ferner die phototropische Sensibilität von Closterium moniliferum derart, dasc s in Intervallen von 6 — 35 Min. abwechselnd die Spitze der älteren und die der jüngeren Hälfte der Zelle dem Licht zugewandt wird. Ausserdem ist die Lichtstimmung mit der Entwickelung^), sowie mit den Cultur- und Aussenbedingungen, mehr oder weniger weitgehenden Schwankungen unterworfen (vgl. II, p. 763). Ich erwähne hier, dass nach Strasburger^) die bei starker Beleuchtung erwachsenen Schwärmer auf höhere Licht- intensität gestimmt sind, d. h. sich positiv phototactisch bei einer ein- seitigen Beleuchtung verhalten, bei welcher die in schwachem Licht erwachsenen Schwärmer bereits negativ phototactisch reagiren. Ferner spricht sich nach Strasburger^) eine Erhöhung der Lichtstimmung darin aus, dass Schwär-mer, bei Constanz des phototactischen Reizanstosses, infolge der Erhöhung der Temperatur vom positiven zum negativen Tropfenrand wandern. Hiermit stimmt überein, dass nach Massart^) Ghromulina Woroniniana gegenüber demselben Lichtanstoss bei 5 C. negativ, bei 20 G. positiv phototactisch reagirt. Eine kritische Untersuchung über die Beeinflussung der Lichtstimmung durch chemische Agentien liegt nicht vor. Nach Strasburger (1. c. p. 66] wird aber durch Sauerstoffmangel die phototactische Lichtstimmung erhöht '^). Ferner wird nach ElfvingS) durch Aether bei Chlamydomonas pulvisculus eine Steigerung der Sensibilität (eine Tieferlegung der Reizschwelle) und eine Erhöhung der i) Strasburger, I.e. p. 17, 38. Vgl. über solchen autogenen Wechsel Bd. II, §80, -läl, 12-2. Die Diatomeen (vgl. II, § -135) sind dagegen ein Beispiel für einen autogenen Wechsel der Bewegungsrichtung. 2) Stahl, Botan. Zeitung 1880, p. 396. Vgl. Bd. II, p. 777. 3] Vgl. z.B. Strasburger, I.e. p. 38; Oltmanns, Flora 1892, p. 187. 4) Strasburger, 1. c. p. 39; Oltmanns, 1. c. p. 191. 5) Strasburger, 1. c. p. 56. — Nach diesem Forscher iL c. p. 59) wird durch den plötzlichen Temperaturabfall transitorisch eine rückgängige Bewegung veranlasst. 6) J. Massart, Bullet, d. l'Academ. royale d. Belgique 1891, 3. ser., Bd. i2, p. 164. Ueber die gleichzeitige Aenderung der Geotaxis siehe Bd. II, §147. 7) Nach L. Celakovsky (Ueber d. Einfluss d. Sauerstoffmangels auf die Bewegung einiger aeroben Organismen 1898, p. 28, 11. Separat, a. Bullet, d. l'Academ. d. scionces d. Boheme) reagiren die Algenschwärmer bei Sauerstoffentziehung so lange phototactisch, als die motorische Thätigkeit anhält. 8) Fr. Elfving, Ueber d. Einwirkung von Aether u. Chloroform auf Pflanzen 1886, p. 13 (Sep. a. Öfversigt af Finska Vetensk.-Soc. Fürh. Bd. 28). Nach Elfving wirkt Chloroform nicht wie Aether. Dagegen soll durch Chloroform, sowie durch Al- kohol, die phototactische Beizbarkeit, ohne Sistirung der Bewegungsthätigkeit, aufge- hoben werden. [Bothert, Jahrb. f. wiss. Bot. 190 3, Bd. 39. p. I. Dieser Forscher er- hielt z. Th. andere Resultate als EIfving.l 774 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. phototactischen Lichtstimmung verursacht. Durch die Combination dieser und anderer Factoren kann natürlich auf verschiedene Weise veranlasst werden, dass bestimmte Organismen zu gewissen Jahres- oder Tageszeiten an der Ober- fläche des Wassers (oder eines festen Substrates) erscheinen odet mehr oder weniger in die Tiefe wandern. Wie schon früher (II, Kap. XII u. 11, p. 702] ausgesprochen wurde, sind wir weder über den Perceptionsprocess, noch über den Perceptionsort unter- richtet. Es muss also dahin gestellt bleiben, ob aligemein eine solche Arbeits- theilung und Localisation besteht, wie bei Euglena, bei der nach Engelmann i) nur das hyaline Vorderendc phototropisch sensibel ist. Denn erst wenn dieses von dem Lichtbildchen getroffen wurde, das Engelmann von dem Hinterende des Organismus oder von der Spitze der Gilie aus über den Körper wandern liess, trat eine Reaction ein. Da sich diese aber schon einstellte, bevor das acropetal vorrückende Lichtbildchen den Augenfleck erreicht hatte, so ist dieser nicht speciell mit der tropistischen Lichtperception betraut. Thatsächlich ist noch in keinem Falle erwiesen, dass, wie es wohl möglich ist, dem Augen- flecke eine solche functionelle Bedeutung zukommt. Denn aUe derartigen An- nahmen 2] sind nur Vermuthungen, die wohl zum guten Theil darauf basiren, dass bei den Thieren die lichtpercipirenden Organe (Augen) auf niederster Stufe Pigmentflecke sind. Uebrigens reagiren auch viele Schwärmzellen phototactisch, die keinen Augenfleck besitzen. Ueber die Reizbedingungen ist schon an anderer Stelle gesprochen worden (II, p. 762, § 125). Die allgemeinen Erörterungen über die Frage, ob die Licht- richtung oder der Lichtabfall als Reiz empfunden werden (II, p. 646), gelten auch für die freibeweglichen Organismen. Diese Frage wird somit aus den früher angeführten Gründen nicht ohne weiteres dadurch entschieden, dass sich die Schwärmer in der Richtung des Lichtabfalls, also nicht in der Lichtrichtung, bewegen, wenn sie sich in einem Wassertropfen befinden, auf den die Licht- strahlen senkrecht auftreffen, nachdem sie ein mit Tusche gefülltes Prisma passirt haben ^). Ein derartiges Wandern gegen die Richtung der Strahlen tritt übrigens auch dann ein, wenn ein Strahlenbüschel, in dem die Lichtintensität von dem einen zum anderen Rande (senkrecht gegen die Lichtrichtung) abnimmt, rechtwinklig gegen eine Glasplatte mit Oscillaneen oder Diatomeen gelenkt wird, die sich nur durch Gleiten auf der Unterlage fortbewegen können (vgl. II, p. 758, 776). Schwärmer. Bestimmte Gruppirungen von Schwärmern, die bereits Colomb (l79l) und G. Olivi^), sowie fernerhin verschiedene Forscher^) beobachteten, -t) Engelmann. Pflüger's Archiv f. Physiologie 1882, Bd. 29, p. 396. 2) Lit. z.B. bei Klebs, Untersuch, a. d. Botan. Institut zu Tübingen -1883, Bd. 1, p. 263; Overton, Botanisches Centralblatt 1889, Bd. 39, p. lU; Franze, ebenda 1894, Bd. 57, p. 81 ; Schutt, Peridineen 1893, p. 08; Zimmermann, Beihefte z. Botan. Centralbl. 1894, Bd. 4, p. 161; Senn, in Engler u. Prantl, Natürl. Pflanzenfamilien 1900, I. Th., 1. Abth., p. 102; Kohl, Carotin 1902, p. 13. — Ueber den Bau des Augen- flecks vgl. auch Strasburger. Histologische Beiträge 1900, Heft 6, p. 193. 3) Die auf die Schwärmzellen bezügliche Literatur ist II, p. 647 Anm. citirt. 4) Usteri, Annal. d. Botanik 1793, Stück 6, p. 30. Hier ist Colomb citirt. 3) Die übrige Literatur, insbesondere auch die Arbeiten von Nägeli, Cohn, § 145. Tropistische Lichtwirkungen. 775 waren wohl zumeist durch eine photolaclische Reaclion erzielt. Indess wurde nicht genügend der mechanische Erfolg von Wasserbewegungen beachtet, der jedoch in den Experimenten Stahl's ^j und Strasburger's (1. c.) berücksichtigt ist. Dass in der That schon die geringe Erwärmung bei einseitiger Beleuchtung Wasserströmungen verursachen kann, die zu einer bestimmten Gruppirung der an sich unbeweglichen Körper ausreichen, hat Sachs^) gezeigt, indem er Oel- tröpfchen in eine Mischung von Alkohol und Wasser brachte, deren specifisches Gewicht von dem des Gels nur wenig verschieden war. Indess wird nach Stras- iturger die phototactische Orientirung der Schwärmer, sowohl in einer grösseren Wassermenge, als auch in dem in einer Feuchtkammer befindlichen Wasser- tropfen, nicht durch die schwachen Wasserströmungen verhindert, welche durch die angewandte, einseitige Beleuchtung hervorgerufen werden. Denn dass die photo- tactischen Bewegungen entscheidend sind, geht daraus hervor, dass in einem Gemisch von verschiedenen Schwärmzellen die einen positiv, die andei'en gleich- zeitig negativ reagiren, dass ferner diejenigen Schwärmer, denen ein photo- tactisches Reactionsvermögen abgeht, sich gleichmässig im Wassertropfen vertbeilen, und dass die beigemischten todten Schwärmzellen keine bestimmte Gruppirung annehmen 3]. Dagegen vermögen empfindliche und flinke Schwärmer in einem Wassertropfen schon innerhalb einer oder einiger Minuten die phototactische Gruppirung herzustellen. Nach den vorliegenden Erfahrungen sind die meisten chlorophyllführenden Schwärmer, so die von Ulothrix zonata, Ulva enteromorpha, Bryopsis plumosa, Scytosiphon lomentarius, ferner Euglena und andere grüne Flagellaten, die ein- zelligen und coloniebildenden A^olvocineen u. s. w., natürlich im ungleichen Grade phototactisch empfindlich^). Diese Eigenschaft ist sowohl bei Süsswasser- als Meeresalgen entwickelt, jedoch nicht ausnahmslos, da sie z. B. den chlorophyll- haltigen Schwärmsporen von Vaucheria^) abgeht, ebenso nach Strasburger' (l. c.) den kleinen, gelblichen, nicht aber den grösseren, grünen Zoosporen von Bryopsis plumosa. Nach Thuret (1. c.) reagiren die Zoosporen von Codium Famintzin sind citirt bei Strasburger, Wirkung d. Lichts u. d. Wärme auf Schwärmsporen 1878, p. 1. 1) Stahl, Bot. Zeitung 1878, p. 715; Verhandig. d. physik. medic, Gesellsch. z. Würzburg 1879, Bd. U, p. 7 d. Sep. 2) Sachs, Flora 1876, p. 241. Diese Wasserströmungen werden aber nicht allein durch die localen Temperaturdifferenzen, sondern sogar vorwiegend durch die Ver- dampfung des Alkohols und die hierdurch bewirkten Modificationen der Oberflächen- spannung hervorgerufen. Vgl. Berthold, Protoplasmamechanik 1886, p. 113. In reinem Wasser fallen demgemäss, insbesondere bei Hemmung der Verdunstung, die Strömungen viel schwächer aus. 3; Vgl. Strashurger, 1. c. p. 6 — 8. 4) Siehe besonders Strasburger u. Stahl, I.e. Ferner z.B. Famintzin, Jahr)), f. wiss. Bot. 1867— 68, Bd. G. p. l ; Woronin, Bot. Ztg. 1880, 629 (Chrornophyton); Berthold, Fauna u. Flora des Golfs von Neapel 1882, p. 1 I ; Pfeffer, Unters, a. d. Botan. Institut z. Tübingen 1884, Bd. 1, p. 443; 0 verton. Bot. Centralbl. I8S9, Bd. 39, p. 68; Oltmanns, Flora 1892, p. 187 (Volvox und Angaben über die ungleiche Empfind- lichkeit der geschlechtlichen und ungeschleclitlichen Individuen); Kolkwitz, Botan. Centralbl. 1897, Bd. 70, p. 187 u. die an diesen Stellen citirte Literatur. — Nach Borzi (Botan. Jahresb. 1883, I, p. 26) verlieren die Zoosporen von Enteromorpha compressa mit der Copulation die phototactische Empfindlichkeit. S. Holmes, Botan. Centralbl. 1903, Bd. 93, p. 18 (Volvox).] 5) Thuret, Annal. d. scienc. naturell. 1850, 111. ser., Bd. 14, p. 246; Woronin, Bot. Zeitung 1869, p. 139; Strasburger, 1. c. p. 42. 776 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabevvegungen. tomentosum und Eclocarpns flrmus kaum phototactiscli. Jedoch ist auch bei den locomotorischen Organismen die phototropisUsche Emplindhclikeit nicht unbedingt an den Chlorophyllgehalt gekettet (vgl. II, § 1 12). So sind die farblosen Sclnvarmer von Chytridium vorax vmd Poljphagus euglenae ^j phototactiscli. Offenbar ist es für diese Parasiten nützlich, dass sie sich nach Orten beAvegen, an denen die ihnen als Wii'the dienenden Algen leben. Dagegen sind viele andere chlorophyllfrei'e Schwärmer, z. B. die von Sapi'olegnia, viele farblose Flagellaten etc. nicht photo- tactisch^j. Ebenso verhalten sich z. B. die Samenfäden der Farne "^), während die Samenfäden von Sphaeroplea*) und Fucus^j als phototactisch bezeichnet werden. Die chlorophyllführenden Diatomeen scheinen durchweg phototactisch zu reagiren^), während den farblosen Diatomeen nach Benecke') ein solchesBeactions- vermögen abgeht. Da aber der tropistische Lichtreiz offenbar keine sehr energische Orientirung der Achse verursacht, so pflegen die sich abwechselnd vorwärts und rück- wärts bewegenden Diatomeen (II, § 135 und p. 758) auf ziemlich imregelmässigen Bahnen nach dem Lichte hin oder vom Lichte hinweg zu wandern. Dui'ch die negative Phototaxis, die zumeist schon bei massiger Lichtintensilät ein- tritt, Averden somit die Diatomeen häufig veranlasst, sich in dem Schlamm zu verkriechen. Ebenso wie bei den Diatomeen wird bei den chlorophyllhaltigen Oscillarieeii ^) durch die einseitige Beleuchtung eine zum Licht parallele Achsen- richtung und dadurch eine topophototactische Bewegung veranlasst. Jedoch ver- halten sich die meisten Oscillarieen noch bei ziemlich ansehnlicher Lichtintensität positiv phototactisch. Desinidiaceen. Nach StahP), Klebs^o), Aderhold^i) reagiren die meisten locomotorischen Desmidiaceen, freilich zum Theil in massiger Weise, phototactisch. -1) Strasburger, I.e. p. 18. Vgl. auch Kolkwitz, I.e. p. 187. Eine phototac- tische Bodo-Art beobachtete Rothert, Flora 1901. p. 372. — Ueber Bactenea vgl. Bd. II, p. 770. 2) Strasbu^-ger. I.e. p. 18; Cohn, Bot. Ztg. 1867, p. 171: A. Fischer, Jahrb f. wiss. Bot. 1882, Bd. 13. p. 297; Kolkwitz, 1. c. — Ueber das Vorkommen von Pho- totaxis bei animalischen Organismen vgl. J. J. Loeb, Der Heliotropismus d. Thiere 1890; Yerworn, Psycho-physiolog. Protistenstudien 1889, p. 35: Herbst, Biolog. Centralbl. 1894, 14, p. 659; E. Jourdan, Die Sinne u. die Sinnesorgane d. niederen Thiere 1891 ; Nagel, Der Lichtsinn augenloser Thiere 1896. 3) Pfeffer. 1. c. p. 372. 4) Cohn, Annal. d. scienc. naturell. I8ö. 640). § 148, Diffuse chemische Einwirkungen. Wie alles vitale Geschehen, so sind auch die locomotorischen und intracellu- laren Bewegungen von dem Stoffumsatz im Organismus abhängig und kommen desshalb bei unzureichendem Betriebsstoffwechsel sogleich oder nach einiger Zeit zum Stillstand'^). Das ist somit auch der Fall, wenn der Sauerstoff den aeroben Organismen entzogen wird, die aber in der Regel noch bei sehr weit- gehender Luftverdünnung eine gewisse Bewegungs- und AVachsthumsthätigkeit aufrecht zu erhalten vermögen 3). Andererseits wird bei den typischen Anaeroben durch Luftzutritt, und ebenso bei den Aeroben durch eine genügende Steigerung der Partiärpressung des Sauerstoffes, die Hemmung und Sistirung des Wachs- thums und der Bewegung verursacht'^). Die facultativ anaeroben Bacterien bieten aber nach den Untersuchungen Ritter's^) ein Beispiel dafür, dass bei Ent- ziehung des Sauerstoffs die Bewegung bei Organismen sistirt wird, die sich auch anaerob entwickeln. Unter diesen Umständen bleiben diese Organismen somit bewegungslos, bis die ausgebildete Bewegungsfähigkeit durcli den Zutritt von Sauerstoif activirt wird. Während in diesem Falle die motorische Thätig- keit ausgeschaltet wird, dürfte bei anderen Pflanzen durch die Sauerstoff- entziehung zunächst das Wachsthum und erst späterhin die Bewegungsthätigkeit, insbesondere die Plasrnaströmung, aufgehoben werden (vgl. II, § 141). Naturgemäss muss die Entziehung der Nahrung, oder auch nur eines imentbehrlichen Nährstoffs, früher oder später die Verlangsamung und endlich 1) P. Jensen, Botan. Centralbl. 1893, Bd. 36, p. 21. 2) Vgl. z. B. Bd. I, p. 268, Ö77; Bd. II, p. 1, 76, 127, 340, 7Ö0. 3) Vgl. Bd. I, § 105, 31. 4) Siehe Bd. I, p. 348; 11, p. 132. 5) G. Ritter. Flora 1899, p. 329. Siehe auch diesen Bd. II, p. 750. 704 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. das Aufhören der Bewegungsthätigkeit zur Folge haben. Letztei-e kommt begreif- licherweise vor dem Absterben zum Stillstand, doch scheint besonders die Plas- maströmung bei hungernden Pflanzen bis nahe an die Lebensgrenze fortgesetzt zu werden ij. Es ist aber selbstverständlich, dass durch Zufuhr der Nahrung (bezw. des Sauerstoffes) die Bewegung beschleunigt oder wieder erweckt wird, wenn sie durch Nahrungsmangel bezw. Sauerstoffmangel) verlangsamt oder sistirt war. Um den Einfluss einer partiellen oder totalen Sauerstoffentziehung unter dem Mikroskop zu verfolgen, benutzt man bekanntlich eine der verschiedenartigen Gas- kammern-), aus der man den Sauerstoff ganz oder theilweise durch ein indiffe- rentes Gas oder mit Hilfe der Luftpumpe entfernt. Die in Fig. 82 dargestellte einfache Gaskammer"'), die sich in meinem Institut vielfach als vortheilhaft be- währte, besteht aus einem Messingrahmen, in dessen Unterseite die Glasplatte a mit Siegellack eingesetzt ist. Die kreisförmige Oeffnung auf der Oberseite wird dann durch ein Deckglas ö, oder, bei Evacuationsversuchen, durch eine genügend n Flg. 82. Median halbirte Gasliammer in ca. Vt '^er natürl. Grösse. starke Glasplatte geschlossen, die mittelst (mit Colophonium versetztem) Vaselin luftdicht aufgesetzt wird, und auf deren Innenseite das Yersuchsobject im Hänge- tropfen untergebracht ist. Die Ansatzröhren c dienen zur Zu- und Ableitung des Wasserstoffs etc. oder zur Verbindung mit der Luftpumpe und dem Manometer, bei deren Anwendung man sehr leicht eine jede gewünschte Sauerstoffdichte herstellen oder durch wiederholtes Zuleiten von Wasserstoff und Evacuiren eine schnelle Entfernung des Sauerstoffs erzielen kann 4). Nöthigenfalls lässt sich durch die Bewegungslosigkeit aerober Bacterien, die man in geringer Zahl dem Hänge- tropfen zugiebt, die Abwesenheit von Sauerstoff controliren^). Unter Umständen empfiehlt es sich, eine Recklingshaus en'sche etc. Glaskammer anzuwenden, und 1, Siehe z. B. Kühne, Zeitschr. f. Biologie 1898, N. F. Bd. 18, p. 85 ; Ritter 1. c. p. 355. Ueber Plasmaströmung in etiolirten Pflanzen siehe auch Bd. II, p. 751. — Wir lassen hier ausser Acht, dass öfters durch Hunger die Bildung von Dauerzuständen etc. veranlasst wird (vgl. Bd. II, p. 1 34, 248). Auch gehen wir nicht auf die durch Hunger ver- ursachten Veränderungen im Plasma und in der Zelle ein. Ueber Infusorien etc. siehe H. Wallengren, Zeitsch. f. allgem. Physiol. 1902, Bd. 1, p. 67. 2) Beschreibung und Abbildungen verschiedenartiger Kammern finden sich z. B. bei A. Zimmermann. Das Mikroskop 1895, p. 220, 223, sowie in den Preislisten ver- schiedener Firmen. 3) Vgh Botan. Zeitung 1887, p. 31 und Clark. Bericht d. botan. Gesefisch. 1888, p. 274. 4) Durch den genügend grossen Rauminhalt der Kammer ist dafür gesorgt, dass der Sauerstoff auch bei einer sehr geringen Partiärpressung nicht sobald erschöpft wird. Uebrigens lässt sich durch geeignete Vorrichtungen erzielen, dass durch die continuirliche Thätigkeit der Pumpe dauernd etwas Luft nachgezogen und der Druck und die Zusammensetzung der Luft in der Gaskammer constant erhalten werden. — Ueber die Entfernung des Sauerstoffs vgl. auch Bd. I, p. 54 2. 5) Ueber Bacterien als Reagens auf Sauerstoff vgl. Bd. I, p. 392. §148. Diffuse chemische Eimvirkungen. 795 durch Abschmelzen der Zuleitungsröhren einen absolut sicheren Abschluss her- zustellen. Näheres über diese und andere Operationen, sowie über die Ver- wendung von absorbirenden Medien u. s. w., ist in den Originalarbeiten, besonders in denen von Ritter (1. c), Kühne (1. c.) und Celakovsky (1. c), nachzu- sehen. Selbstverständlich können derartige Kammern auch benutzt werden, um das Verhalten gegen verschiedenartige Gase u. s. w. zu prüfen. Dass aerobe Bactei'ien, wenn man sie in grösserer Zahl unter Deckglas ab- schliesst, durch ihre Athmungsthätigkeit schnell den Sauerstoff consumiren und desshalb in wenigen Minuten die Bewegungsthätigkeit einstellen, die durch Sauer- stoffzufuhr sofort wieder erweckt wird, ist bereits Bd. I, p. 292 mitgetheilt. Ausser diesen schnell reagirenden Arten giebt es auch Bacterien, die (wie auch gewisse andere, zugleich mit den Bacterien eingeschlossene Organismen) unter gleichen Bedingungen erst nach längerer Zeit bewegungslos werden. Analog ver- halten sich die von Ritter i) untersuchten, facultativ anaeroben Bacterien, die ihre Bewegungsthätigkeit etwas länger in einer Nährlösung bewahren, die ihnen •ein gutes anaerobes Wachsen gestattet. So kam z. B. Spirillum Finkler- Prior in Peptonlösung in 10 Min., in der mit Zucker versetzten Peptonlösung in 35 — 40 Min. zur Ruhe (Ritter, 1. c. p. 34 2). Andererseits pflegen die obligat anaeroben Bacterien bei vollem Luftzutritt in ^,'2 bis 1 Stunde bewegungs- los zu werden 2). Bei den übi-igen aeroben chlorophyllfreien und chlorophyllhaltigen Organismen wird ebenfalls die locomotorische Thätigkeit durch die Sauerstoffentziehung z. Th. bald, z. Th. erst nach längerer Zeit sistirt^). So kamen in den Versuchen Cela- kovsky's (1. c. p. 27) (im Dunkeln) Pandorina morum in 1 1 , Euglena viridis in 44, Pelomyxa palustris sogar erst in 72 Stunden zur völligen Ruhe. In den ausgedehnten Untersuchungen Clark's (1. c.) hörte nach Entziehung des Sauerstoffs die Plasma- strömung der Plasmodien, sowie der von Zellhaut umkleideten Protoplasten bei gewissen Pflanzen nach einigen Minuten, bei anderen erst nach 4 Stunden auf ^). Bei den Characeen aber hält die Plasmaströmung gewöhnlich viel länger an, zuweilen so- gar bis zu 19 Tagen ^). Da bei den von Gl ark untersuchten Objecten ein Luft- I; G. Ritter. Flora 1899, p. 329. Vgl. Bd. K, p. 793. 3] Beyerinck. Centralbl. f. Bacteriol. 1893, Bd. 14, p. 841 ; Ritter, 1. c. p. 345. sowie die in diesem Buche, Bd. 1, p. 550 citirte Literatur. 3) J. Clark. Bericht, d. bot. Gesellsch. 1888, p. 278; L. Celakovsky, Ueber d. Einfluss d. Sauerstoffmangels auf d. Bewegung einiger aeroben Organismen 1898 (Sep. a. Bullet, internation. d. l'Academ. d. Boheme}. Nach diesem Forscher (1. c. p. 28) reagiren die sensibeln Organismen, solange sie sich noch bewegen, auch phototactisch. 4; I3ie Nothwendigkeit des Sauerstoffs für die Plasmaströmung wurde von Corti 1772 (citirt nach Mayen, Pflanzenphysiol. Bd. II, p. 224) entdeckt und späterhin zunächst von Kühne (Untersuch, ü. d. Protoplasma 1864, p. 88. 105 u. s. w.) und Hofmeister (Pflanzenzelle 1867, p. 49) verfolgt. Von neuen Studien sind besonders zu nennen Clark. 1. c; Kühne, Zeitschr. f. Biolog. 1898, N. F. Bd. 18, p. 1 ; G. Lopriore, Jahrb f. wiss Bot. 1895, Bd. 28. p. 571; Bot. Centralbl. 1902, Bd. 89, p. 118; Demoor Contribut. ä letude d. 1. physiolog. d. 1. cellule 1894 (Sep. a. Archiv, d. Biologie Bd. 13) P. Samassa. Ueber d. Einwirkung von Gasen auf Pflanzen 1898 (Sep. a. Verb, d naturhist. Vereins zu Heidelberg N. F. Bd. 6); G. Ritter, 1. c. p. 347; Josing, Jahrb f. wiss. Bot. 1901, Bd. 36, p. 221. — Aus den Versuchen von J. K. Goebel (Ueber die Durchlässigkeit d. Cuticula 1903, p. 14) ist zu ersehen, dass die Plasmaströmung bei Einlegen in Gel nicht immer aufhört. 5) Kühne, 1. c. p. 30; Ritter, 1. c. p. 351. Aehnliche Beobachtungen auch schon bei Ewart. Linnean Society 1897, Bd. 33, p. 14G, und Farmer, Annais of Botany 1896, Bd. 10, p. 288. 796 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. druck von I — 7 inm zur dauernden Unterhaltung der Plasmaströmung genügte i), so ist es begreiflich, dass diese, nachdem sie durch Sauerstoffentziehung zum Stillstand gebracht worden war, schon durch eine geringe Partiärpressung des Sauerstoffs wieder erweckt wurde. Da die Zeil, welche bis zum Eintritt der Sauerstoffstarre verstreicht, offenbar von dem jeweiligen Zustand des Objectes, sowie von den \ersuchsbedingungen abhängt, so ist es nicht auffallend, dass die Angaben verschiedener Forscher z. Th. erheblich differiren. Indess dürfte die unvollständige Entfernung oder Fernhallung des Sauerstoffs die Ursache sein, dass in den Versuchen Lopriore's^j die Plasma- strömung der Haare von Tradescantia. Cucurbita elc. weder in Wasserstoff, noch in Kohlensäure zum Stillstand kam. Die Kohlensäure übt übrigens nach den Er- fahrungen verschiedener Forscher 3] mit der Zeit einen schädlichen Einfluss aus, , der indess nicht verhindert, dass die Plasmaströmung in einem Gasgemisch aus 8 0 Proc. Kohlensäure und 20 Proc. Sauerstoff lange anhält'^). Abgesehen von Pelomyxa (II, p. .33 8] ist dagegen in keinem Falle ein nachtheiliger Einfluss des Wasserstoffs beobachtet worden. Dasselbe gilt für den Stickstoff. Auch Stick- oxvdul ^) und Kohlenoxyd (II, p. 33.5) scheinen sich bei gewöhnlichem Luftdruck indifferent zu verhalten. Dass die temporäre oder permanente anaei'obe Fortdauer des Wachsens, der Plasmaströmung und anderer Partialfunctionen nicht auf der Verwendung einer (durch Speicherung von freiem Sauerstoff gewonnenen) Sauerstoffreserve beruhen kann, ist genugsam in Bd. I, p. 582 dargethan. Die gänzliche Vernachlässigung der Erfahrungen über die anaeroben Organismen ist aber offenbar die Ursache, dass Kühne 6) die lange Fortdauer der anaeroben Plasmaströmung bei Ohara durch die Annahme einer Sauerstoffreserve zu ei'klären sucht. Uebrigens lässt sich mit Hilfe der Bacterienmethode (I, p. 292) zeigen, dass auch Ohara nach längerem anaerobistischem Aufenthalt im Dunkeln schon bei schwacher Be- leuchtung sofort Sauerstoff ausscheidet, dass also auch unter diesen Umständen kein Sauerstoff im Inneren der Zelle gespeichert wird'^). ^) Nach den Erfahrungen über die Athmung (vgl. Bd. I, p. 547) dürfte der Sauer- stoff bei so geringer Dichte nicht mehr zur vollen Befriedigung des Athmungsbedürfnisses ausreichen. äj Lopriore, 1. c. -1893, p. 28; vgl. dagegen Samassa, 1. c. p. 2. Nach Lopriore, 1. c. 1902. p. 418 fällt das Resultat verschieden aus, je nachdem die Objecte am Mor- gen oder Abend zum Versuche verwandt werden. — Dass die jeweilige Stimmung be- deutungsvoll sein kann, beweist das ungleiche Verhalten der ätherisirten und nicht- ätherisirten Pflanzen gegen Licht (Bd. II, p. 769). Nach Josing (I.e. p. 2-2i) kommt bei Entziehung des Sauerstoffs die Protoplasmaströmung schneller in den ätherisirten Objecten zum Stillstand. 3) Vgl. z. B. Samassa. 1. c. p. 3. und die in Bd. II. p. 333 citirte Literatur. 4) Ein transitorischer Stillstand, den Lopriore (I. c. 1895, p. 573) bei Einwirkung eines solchen Gasgemisches beobachtete, tritt vielfach bei dem schnellen Wechsel der Aussenbedingungen ein. Ueber Accommodation an Sauerstoff u. s. w. vgl. z. B. Bd. II, p. 131, 337. 5) Samassa, 1. c. p. 2; C. Kauffmann, Einwirkung d. Anaesthetica auf Pflanzen 1899, p. 16. Wenn Demoor (1. c. p. 35) eine Fortdauer der Strömung in Stickoxydul fand, so wird dieses wohl nicht frei von Sauerstoff gewesen sein. 6) Kühne,], c. p. 92. Vgl. auch dazu die Widerlegung durchRitter, 1. c. p. 35S. 7) Ritter, 1. c. p. 350. — Die Inactivirung der Chlorophyllkörper (I, p. 319) war offenbar die Ursache, dass Pringsheim (Sitzungsb. d. Berliner Akadem. 1887, p. 769) durch Bacterien keine Sauerstoffproduction bei Beleuchtung einer Ohara nachweisen konnte, die längere Zeit im Dunkeln verweilt hatte. § 148. Diffuse cliemische Einwirkungen. 797 Auf die locomotorischen und intraplasmatischen Bewegungen wii'd, ausser den Nährstoffen, bis zu einem gewissen Grade jeder Körper einwirken, der einen Einfluss auf die vitale Thätigkeit ausübt. Im allgemeinen ist also zu er- warten, dass jedes Gift (II, § 72) bei genügender Concentration eine Ver- langsamung der Bewegungen verursacht. Vermuthlich wird aber durch eine gewisse inframaximale Wirkung nicht nur eine transitorische oder permanente Beschleunigung der Athmung, des Wachsens etc. i), sondern auch der hier be- handelten Bewegungen veranlasst, eine Beschleunigung, der vielfach eine vor- übergehende Hemmung vorausgehen mag. Wenn diesen Voraussetzungen die Erfahrungen, die bei Einwirkung von Aether, Chloroform, Kohlensäure etc. ge- wonnen wurden 2], zwar vielfach, aber nicht immer entsprechen, so ist das schon desshalb nicht wunderbar, weil der Erfolg von verschiedenen Factoren abhängt, so von der chemischen Qualität des Stoffes, von der Concentration, der Schnelligkeit des Einwirkens u. s. w. Uebrigens kann auch schon bei partieller Verdrängung der Luft durch den indifferenten Wasserstoff u. s. w. eine transi- torische Hemmung und Beschleunigung ausgelöst werden 3). Es wurde bereits (II, p. 46C) mitgetheilt, dass in den Blatttentakeln von Drosera die Plasmaströmung im hohen Grade durch alle diejenigen chemischen Reize beschleunigt wird, die eine Krümmungsbewegung auslösen. Ferner wird in dem Blatte von Vallisneria etc. die Plasmaströmung, ebenso wie durch ver- schiedene andere Eingriffe (II, p. 752), auch durch eine transitorische Ghloro- formirung^) und voraussichtlich durch mannigfache chemische Einwirkungen hervorgerufen. Sehr leicht werden, wie lange bekannt ist, die Plasmaströmung und die locomotorischen Bewegungen durch Aether und Chloroform, aber auch durch Chloralhydrat und verschiedene andere Anaesthetica aufgehoben &). Das scheint in der Regel schon durch eine Einwirkung zu geschehen, durch die das Wachs- thum noch nicht ausgeschaltet wird. Dagegen dürfte in manchen Fällen die phototactische, chemotactische u. s. w. Sensibilität früher sistirt werden, als die motorische Thätigkeit 6). Uebrigens bedarf es im Licht einer höheren, im Dunkeln einer geringeren Aethcrwirkung, um die Plasmaströmung zum Stillstand zu bringen (II, p. 769). Ausserdem ist schon (II, p. 769) mitgetheilt, dass im 1) Vgl. Bd. I, p. 409, 575; II. p. 127. 339, 752. [Ueber verschiedenartige chemische Einflüsse vgl. auch Ewart, On the physics and physiology of Protoplasmic Stream- ing 1903, p. 76.] 2) Thatsachen z. B. bei Demoor, I.e. p. 72 ; Lopriore, I.e. 1895, p. 573, 621; Klemm, Jahrb. f. wiss. Bot. 1895, Bd. 28, p. 680; Samassa, 1. c. p. 2; Kühne, 1. c. 1898, p. 36; Farmer u. Waller, Bot. Centralbl. 1898, Bd. 7'., p. 377; Kauffmann, 1. c. p. 10; Josing, 1. c. p. 223. — Ueber Fhmmerepithel vgl. Verworn, Allgemeine Physiolog. III. Aufl. 1901, p. 384. 3) Vgl. Lopriore, 1. c. p. 621 ; Kühne, 1. c. 1898. p. 36. 4) Hauptfleisch, Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 24, p. 220. 5) Damit sich die Concentration des Aethers etc. im Hängetropfen nicht ändert, bringt man auf den Boden der Kammer eine grössere Menge Wasser mit gleichem Aethergehalt. Vgl. über Aetherwirkungen u. s. w. Bd. II, p. 345, 348. 6) Vgl. Bd. II, p. 751, 773. Ueber die Beeinflussung der Krümmungsbewegungen Bd. II, p. 534, 611. [Nähere Studien enthält die inzwischen erschienene Arbeit von Rothert, Jahrb. f. wiss. Bot. 1903, Bd. 39, p. 1.] 798 Kap. XIV. Locomotorisclie Bewegungen und Plasmabewegungen. Dunkeln die Plasmastrümung still steht, wenn Stelle eine geringe Menge einer anderen freien nicht Kohlensäure oder an deren Säure vorhanden ist. Durch die Stei- gerung der Säurewir- kung, und zwar schon durch eine sehr geringe Menge von Salzsäure etc. , Fig. S3. Junges Wurzelhaar von Trianea bogotensis. A vor, B nach der Behandlung mit sehr verdünnten Ammoniak. Vergr. I Stunde looo/i. die Plasmastrü- sistirt. Das ge- loren ginge, nach Entfernung des Reagens die zustellen (Fig. 83). Durch Methylviolett und Coffein 3) etc., kann aber auch eine auffällige Plasmaströmung hervorgerufen werden. wird mung schieht auch durch ge- ringe Mengen von Am- moniak und anderen starken Alkalien i). In beiden Fällen wird durch eine genügende Einwir- kung eine Deformation des Protoplasmas be- wirkt, die bei der An- wendung von Alkalien bis zur Bildung eines schaumigen Protoplas- mas fortschreitet, ohne dass die Fähigkeit ver- normale Gestaltung wieder her- Bismarckbraun^j, sowie durch Deformation ohne Sistirung der Vgl. ferner über die chemische Beeinflussung der Kern- u. Zelllheilung II, § 12, p. 74 4; der Kerngestaltung II, p. 712 Anm. ; der Vacuolen II, p. 736. § 149. Chemotaxis und Osmotaxis. Es wurde bereits in Bd. II, § 1 1 5 darauf hingewiesen, dass besonders bei verschiedenen locomotorischen Organismen durch eine anomogene Stoff- vertheilung eine tropistische Reaction hervorgerufen wird, die wir, je nachdem die chemische Qualität oder die osmotische Leistung als Reiz empfunden wird, Chemo- 1) Klemm, 1. c. p. 658. Die hemmende Wirkung von Ammoniak wurde schon beo- bachtet von Dutrochet, Annal. d. scienc. naturell. 1838, II. sör., Bd. 9, p. 66, sowie vonNägeli u. Schwendener, Mikroskop 1 8 77, II. Aufl., p. 392. Die Einwirkung ver- schiedener anderer Stoffe ist bei Dutrochet, Kühne, Hofmeister, Jürgensen [Studien d. physiologischen Instituts in Breslau 1861, I, p. 107), Klemm u. s. w. be- handelt. — Ueber die leichte Alteration von Plasmodien vgl. Bd. II, § 136 und die dort citirte Literatur. 2) Pfeffer, Untersuch, a. d. Botan. Institut zu Tübingen 1886, Bd. II, p. 250, 262, 264. 3) Klemm, 1. c. p. 663. § -149. Chemotaxis und Osmotaxis. 799 taxis oder Osmotaxis (Tonotaxis) nennen; Reactionen, die dann im näheren topischer oder phobischer Natur sein können (II, p. 755). An den citirten Stellen ist auch erörtert, dass und warum es nicht immer leicht ist, Chemo- taxis und Osmotaxis auseinander zu halten, und dass es nicht in allen Fällen entschieden ist, ob eine topische oder eine phobische Chemotaxis bezw. Osmo- taxis vorliegt. Bevor wir indess näher auf diese und andere Verhältnisse ein- gehen, sollen zunächst die hauptsächlichen Erfahrungen über das Vorkommen von Chemotaxis und Osmotaxis bei gewissen vegetabihschen Organismen mit- getheilt werden. In methodischer Hinsicht handelt es sich immer darum, ein Concentra- tionsgefälle herzustellen. Das wird erreicht, wenn man nach meinem^) Vor- gehen eine einseitig abgeschmolzene (oder anderweitig geschlossene) Glascapillare (von etwa 5 — 20 mm Länge und 0,03 — 0,1 mm Durchmesser) mittelst partieller A (n) c Fig. 84. In der mit lo/o Fleiscliestractlösung gefüllten Capillare A haben sich die Bacterien in einigen Minuten in der angedeuteten Weise angesammelt. B zeigt eine Anhäufung der Bacterien gegen die in der Capillare befindliche Luftblase, welche nach längerer Zeit in Folge des Sauerstoifmangels und der aerotactischen Reizwirkung zu Stande kam. Die Capillare C ist mit angesäuerter Fleischextract- lösung gefüllt, und die repnlsive Wirkung der Säure hat bewirkt, dass sich die Bacterien in einigem Abstand vor dem Capillarmund anhäuften. (Vergr.) Fig. S5j1. Ein Tropfen Meerwasser o mit Spirillum spec. und ein Tropfen destillir- tes Wasser n wurden durch die Brücke 6 miteinander verbunden. Die Spirillen weichen vor dem destillirten Wasser zu- rück {B) und sammeln sich allmählich (C) da, wo das Wasser am reichsten an Salzen ist. Evacuation oder auf andere Weise (durch Erwärmung, Capillaraufstieg und nach- folgendes Abschliessen etc.) theilweise mit der Lösung des zu prüfenden Stoffes oder Stoffgemisches füllt und diese Capillare mit dem offenen Ende in das (unter Deckglas befindUche oder unbedeckte) Wasser schiebt , das eine genügende i) Pfeffer, Bericht d. bot. Gesellsch. 1883, p. 524, Untersuch, a. d. botan. Institut z. Tübingen 1884, Bd. 1, p. 367, 4 31; 1888, Bd. 2, p. 383, 627. In diesen Arbeiten ist Näheres über die fernerhin vielfach angewandte Capillarmethode nachzusehen. Ebenso ist an diesen Stellen dargethan, wie und warum sich mit der Zeit, z. B. in Folge der fortschreitenden Diffusion, des Sauerstoffconsums etc. (vgl. Fig. 84), die Vertheilung der Organismen ändert. — Die mechanischen Strömungen, die bei horizontaler Lage der Capillare, besonders durch das Ausfliessen einer Lösung von höherem specifischen Ge- wicht, eintreten, werden vermieden, wenn man ein umgelegtes Mikroskop benutzt und die Capillare, mit der Oeffnung nach oben, in verticale Lage bringt. — Wie man die chemotactische Anlockung zum Einfangen und Einsammeln von Organismen anwen- den kann, ist in den Tübinger Unters. Bd. II, 639 nachzusehen. M. S. JENNINGS, 800 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. Menge des schwärmenden Organismus enthält. Sofern dieser nicht reagirt, tritt keine Ansammlung ein, die aber sehr bald in und um den Capillarmund be- merklich wird, wenn der Organismus energisch positiv chemotactisch ist (Fig. 84, A u. B) 1). Verhält sich der Schwärmer aber negativ chemotactisch oder osmo- tactisch^ so wird er von dem Capillarmund zurückweichen, und es wird natür- lich eine Anhäufung in einem gewissen Abstand von dem Capillarmund ein- treten (Fig. 84 C), wenn mit der zunehmenden Verdünnung der diffundirenden Lösung oder des Lösungsgemisches an Stelle der negativen eine positiv tropi- stische Reizwirkung tritt (vgl. 11, p. 758). Unter Umständen kann es vortheilhafter sein, das Concentrationsgefälle z. B. dadurch herzustellen, dass man ein Stückchen ^j oder mittelst einer Pipette ein Tröpfchen 3) des zu prüfenden StolTes unter das Deckglas etc. bringt, oder indem man zwei benachbarte Wassertropfen, von denen der eine den Organismus, der andere den zu prüfenden Stoff enthält, durch eine Wasserbrücke verbindet (Fig. 85)4), oder indem man in anderer Weise 5) für einen einseitigen Zutritt des Reizstoffes sorgt. Ein Concentrationsgefälle des Sauerstoffs, also die Bedingung für eine aerotactische Reizwirkung, wird natürlicli dann geschaffen, wenn sich eine Luftblase in einer sauerstoffarmen Flüssigkeit befindet, oder wenn in einer solchen der Sauerstoff durch eine beleuchtete grüne Algenzelle etc. erzeugt wird (vgl. die Figuren in Bd. I, p. 293 u. 334). Bei der Operation mit Plasmodien kann man diese nach dem Vorgehen Stahl's 6) auf einen Streifen Filtrirpapier bringen, der mit dem einen Ende in Wasser, mit dem anderen Ende in die zu prüfende Lösung taucht. Hierbei muss aber eine Wasserbewegung in dem Papierstreifen vermieden werden, die eine rheotropische Reaction auslösen könnte (II, § 152). Samenfäden. Ausgezeichnet chemotactisch sind die Samenfäden der Farne ^), die nach einiger Zeit massenhaft ausschwärmen, wenn man eine An- zahl der mit reifen Antheridien besetzten (kleinen) Prothallien, nach schnellem Abspülen, in einem Wassertropfen liegen lässt. Auch dann, wenn die Flüssig- keit in der zugeschobenen Capillare nur 0,01 oder 0,1 Proc. Aepfelsäure (als Na-Salz etc.) enthält, tritt sogleich eine starke Anlockung und nach einiger Zeit eine sehr ansehnliche Ansammlung in der Capillare ein, und selbst bei 0,001 Proc. Aepfelsäure ist eine schwache positiv chemotactische Reaction zu erkennen. Gegenüber dieser sehr starken Reizwirkung der Aepfelsäure tritt die geringere 1) Ueber den Sinn von positiver und negativer Chemotaxis und Osmotaxis vgl. Bd. II, p. 581. 2) Ebenso wirken z. B. Fleischstückchen. Fliegenbeine etc. durch die herausdiffun- direnden Stoffe. Vgl. z. B. Pfeffer, 1. c. Bd. 1. p. 467. 3) H. Jennings, Journal of Physiology -1897. Bd. 21, p. 264. 4) H. Massart, Bullet, d. l'Academ. royal. d. Belgique 1891, 3. ser., Bd. 22, p. 152. 5) Vgl. z.B. W. Garrey, American Journal of Physiology 1900, Bd. 3. p. 295. 6) H. Stahl, Bot. Zeitung 1884, p. 156. — Ueber den Nachweis der Chemotaxis von Pilzfäden u. s. w. siehe Bd. II, p. 384. 7) Pfeffer, Bericht, d. bot. Gesellschaft 1883, p. 524, Unters, a. d. bot. Institut z. Tübingen 1884. Bd. 1 , p. 367; C. Voegler. Bot. Ztg. 1891, p. 641 ; R. Buller, Annais of Botany 1900, Bd. 14, p. 543. § 149. Chemotaxis und Osmotaxis. 801 lieizwirkung zurück^), die nach Buller (1. c.) z. B. Kaliumnitrat und Ammonium- phosphat ausüben. Dagegen wurde z. B. mit Ammoniumnitrat, Calciumchlorid, Zuckerarten, Asparagin, Glycerin auch von Bull er kein chemotactischer Erfolg erzielt. Wenn ich seinerzeit auch solche Stoffe wirkungslos fand, denen nach Bull er ein schwacher positiv chemotactischer Reizwerth zu- kommt, so erklärt sich dieses daraus, dass ich mit nicht genügend concen- trirten Lösungen arbeitete und zudem zumeist nach dem negativen Erfolg mit Stoffgemischen urtheilte, bei denen aus verschiedenen Gründen die schwache chemotactische Wirkung einzelner Bestandtheile eliminirt sein kann (vgl. Buller, 1. c. p. 548, 571). Ebenso wie die active wirkt auch die inactive Aepfelsäure (Pfeffer, 1. c. Bd. 2, p. 654), und zwar wurde für die freie Aepfelsäure und die neutralen Salze derselbe Schwellenwerth gefunden (Pfeffer, 1. c. p. 381; Voegler, I.e. p. 659). Dagegen hat der Diäthylester der Aepfelsäure, in dem die Aepfelsäure nicht als Ion vorhanden ist, keine chemotactische Wirkung (Pfeffer, 1. c. p. 371). Wenn bei Steigerung der Concentration die freie Aepfelsäure, aber nicht deren Salze eine repulsive Wirkung ausüben, so handelt es sich hierbei um einen Reactionserfolg, der auch durch Citronensäure und andere freie Säuren, ver- muthlich nach Maassgabe der Acidität (der H-Ionen), zu Stande kommt (Pfeffer, 1. c. p. 387; Buller, 1. c. p. 567). Auch stärker alkalische Flüssigkeiten, so- wie genügend concentrirte Lösungen bewirken eine gewisse Repulsion, die aber öfters nur anfangs hervortritt und die nicht verhindert, dass allmählich eine grössere Zahl der Samenfäden in die Capillare eintritt, in der sie bald be- wegungslos werden und mit der Zeit absterben^). Die Samenfäden sind also nicht mit einem Reactionsvermögen ausgestattet, das sie alle schädlichen 3Iedien vermeiden lässt. In der That steuern dieselben auch dann in eine Capillare, wenn diese neben etwas Aepfelsäure Quecksilberchlorid etc. enthält, also ein »iift, das den Tod herbeiführt (Pfeffer, 1. c. p. 388). Bei diesen Samenfäden ist leicht zu erkennen, dass die positive Chemo- taxis auf einer typischen topotactischen Reaction beruht 3). Das gilt augen- scheinlich auch für die negative Chemotaxis, die durch freie Säuren veranlasst wird. Dagegen ist es noch nicht näher ermittelt, ob die durch concentrirte Lösungen verursachte (osmotactische) Repulsion eine topotactische oder phobo- tactische Reaction vorstellt (vgl. auch II, p. 757). Für die Samenfäden von Selaginella ist ebenfalls Aepfelsäure, für die Samenfäden der Laubmoose dagegen Rohrzucker das hauptsächliche Reizmittel, das ebenfalls schon in einer 0,001 proc. Lösung eine eben merkliche topo- chemotactische Anlockung verursacht 4). Ferner werden die Samenfäden der 1) Etwas stärker, doch viel schwächer als Aepfelsäure, wirkt Maleinsäure, Pfeffer, ]. c. Bd. I, p. 382; Bd. II, p. 655. 2) Pfeffer, 1. c. p. 385. Dass Buller (1. c. p. 555) nur schwache oder gar keine Repulsion angiebt, erklärt sich daraus, dass dieser Autor weniger die transitorische Repulsion beachtete, und dass thatsächlich, je nach der Ausführung des Versuchs, der Effect verschieden ausfällt. 3) Vgl. auch Rothert, Flora 1901, p. 388. 4) Pfeffer, 1. c. 1884, p. 422, 430. Vermuthlich erfahren auch die Samenfäden P f ef fer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 5^) 802 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. Lebermoose, der Sphagnaceen, sowie von Marsilia augenscheinlich durch chenio- tactische Reizung in das Archegonium geführt, doch sind die wirksamen Reiz- stoffe noch nicht präcisirt^). Ob die Samenfäden der Fucaceen, wie ßordet annimmt, nur durch eine Contactreizung an der Oberlläche des Eies festgehalten und angehäuft werden (vgl. II, p. 754), oder ob ausserdem ein chemotactischer Reiz anlockend wirkt, ist noch nicht aufgeklärt 2). Weiter ist noch fraglich, ob die Samenfäden von (^hara eine chemotactische Reizung erfahren, die augenscheinlich die copulirenden Schwärmer von Chlamydomonas, sowie von Ulothrix zonata nicht auf einander ausüben'^). Bei diesen scheint das Zusammentreffen in zweckentsprechender Weise dem Zufall überlassen zu sein. Thatsächlich ist es auch nicht auffallend, dass, ebenso wie bei der Uebertragung des Blüthenstaubes auf die Narbe, bei der Zusammenführung der locomotorischen Sexualzellen verschiedene 3Iittel nutzbar gemacht sind-^). Jedenfalls dient aber auch die chemotactische Lockung zunächst nur dazu, die Samenfäden bis zur Eizelle zu lenken, denn ob eine Verschmelzung eintritt, das hängt immer von den specifischen Eigenschaften der Protoplasten ab (II, p. 745). Eine Verschmel- zung unterbleibt demgemäss, wenn durch die chemotactischen Eigenschaften, die bei allen Farnkräutern übereinstimmen, die Samenfäden einer Art in das Archegonium einer anderen Art gelenkt und bis zur innigen Berührung mit der Eizelle gebracht w^erden (Pfeffer, I.e. 1884, Bd. I p.42'1; Voegler, I.e. p. 693)S|. Bei der überwiegenden Reizwirkung der Aepfelsäure ist aber kaum zu be- zweifeln, dass die Lockung in das Archegonium der Farnkräuter im wesent- lichen durch diesen Stoff bewirkt wird, der sich auch bei den Farn- kräutern in ziemlicher Menge findet (Pfeffer, 1. c. p. 884; Buller, 1. c. 1900, p. 570). Bacterien. Bei den beweglichen Baclerien, die alle Abstufungen von sehr hoher bis zu sehr geringer Empfindlichkeit bieten, werden sowohl die chemo- tactischen, als auch die osmotactischen Reactionen auf phobotactische Weise aus- der Laubmoose durch verschiedene andere Stoffe eine schwache chemotactische Rei- zung. Ueber einige besondere Eigenschaften der Samenfäden der Laubmoose vgl. Pfeffer, 1. c. i) Pfeffer, I.e. 1884, Bd. 1, p. 43ö, 434. 1888, Bd. 2, p. 653. — Ueber den Be- fruchtungsvorgang bei den Lebermoosen vgl. auch Strasburger, Jahrb. f. wiss. Bot. 1869—70, Bd. 7, p. 402; Leitgeb, Flora i88o, p. 330. 2) Thuret, Annal. d. scienc. naturell. -1834, IV. ser., Bd. 2, p. 17; Bordet, Bullet. d. l'Academ. Royal, d. Belgique 1894, 3. ser., Bd. 27, p. 889; Farmer u. Williams. Philosophie, transactions 1898, Bd. 190, p. 633, 643; Buller, Quarterly Journal of Mi- croscopical Science 1902, Bd. 46, p. 148. 3) Pfeffer, 1. c. 1884, p. 438, 441. 4) Vgl. Pfeffer, 1. c. 1884. p. 447. ■ — Es ist also wohl möglich, dass eine chemotactische Reizbarkeit den Samenfäden von Rana (Mass art. Bullet, d. l'Academ. royal. d. Belgique 1888, 3. s6r.. Bd. 15, Nr. 5 und 1889, Nr. 8) und Echinus (Buller, Quarterly Journal of Microscop. Science 1902, Bd. 46, p. 131) abgeht, dagegen nach Otto Low (Sitzungsb. d. Wiener Akad. 1902, Bd. IM, Abth. 3, p. 118) den Samenfäden der Ratte zukommt. 5) Ueber die Bedeutung der Chemotaxis für das Eindringen von Pilzfäden vgl. Bd. II, p. 383. I § 149. Chemotaxis und Osmotaxis. 803 geführt!). Auf sehr empfindliche Baclerienarten üben die meisten Stoffe eine, gewisse positiv chemotactische Wirkung aus, die begreiflicher Weise oft nicht bemerldich wird, wenn das Verhalten unempfindlicherer Bacterien gegenüber schlechten Reizstoffen geprüft wird 2). Bei den meisten Bacterien haben sich als besonders gute Heizstoffe Pepton und Kaliumsalze erwiesen, die es auch be- dingen, dass Fleischextract einen hohen lleizwerth besitzt. Dieser pflegt aber z.B. bei Natriumsalzen, Galciumsalzen, Asparagin, Harnstoff geringer, zum Theil sehr viel geringer zu sein, und für Glycerin ist noch keine positiv chemotactische Reizung beobachtet worden, während viele, vielleicht so^ar alle Bacterien auf Sauerstoff stark reagiren. Besonders empfindliche Organismen sind Bacterium termo ^) und Spirillum undula, bei denen die Reizschwelle schon durch eine Capillarflüssigkeit erzielt wird, die 0,001 Proc. Pepton, Kaliumchlorid oder Fleischextract enthält. Dagegen sind z. B. Spirillum serpens, volutans, Bacillus subtilis und besonders Spir. Finkler-Prior viel weniger empfindlich. Zu den specifischen Eigenheiten gehört es, dass Bact. termo sehr stark, Spir. undula dagegen sehr schwach durch Dextrin angelockt werden*), während nur einzelne Bacterienarten durch Aether che- motactisch gereizt werden ^). Ferner wird eine solche Reizwirkung durch Schwefelwasserstoff speciell auf Chromatium Weissii mid vermuthlich auf andere. Schw^efelbacterien ausgeübt''), während die sonst ziemlich unempfindlichen Typhus- und (Uiolerabacillen'j durch Kartoffelsaft stark angelockt werden. Bei steigender Concentration von Neutralsalzen wird auf Bacterium termo keine nennenswerthe, auf Spirillum undula eine starke, auf andere Arten im allgemeinen eine zwischen diesen Extremen liegende, negativ chemotactische oder osmotactische A\'irkung ausgeübt ^j. Besonders stark repulsiv wirken freie Säuren (vgl. II, p. 801), die schon bei geringer Concentration verursachen, dass sich Spirill. undula in einiger Entfernung vom Capillarmund ansammelt. Eine schwächere repulsive AVirkung wird durch freie Alkalien, unter Umständen auch durch Alkohol oder Aether 9), erzielt. Ferner bewirkt schon die Partiär- pressung des Sauerstoffs in der Luft eine Repulsion von Spirill. undula und serpens. Schwefelbacterien, sowie anaerobe Bacterien reagiren noch leichter, ja zum Theil so leicht negativ gegenüber Sauerstoff, dass unter den gewöhn- lichen Bedingungen eine positiv chemotactische Reaction gar nicht bemerklich wird, die wohl bei den meisten, jedoch nicht bei allen Bacterien nachweisbar ist i"). ■1) Siehe Bd. H, p. 757. 2) Näheres bei Pfeffer, Unters, a. d. Botan. Institut zu Tübingen -1888, Bd. 2, p. ;5S2. 3) Was unter Bacterium termo verstanden wird, ist bei Pfeffer, 1. c. p. 590 nach- zusehen. Ueber die Veränderlichkeit der Eigenschaften vgl. II, p. 763. 4) Pfeffer, 1. c. p. fiü6. 5) Rothert, Flora 1901, p. 380. 6) M. Miyoshi, Journal of the College of Science, University Tokyo 1897, Bd. 10, p. 169. 7) Pfeffer, I.e. p. ölö; Ali-Cohen. Centralbl. f. Bacteriolog. 1890, Bd. 8, p. 164. 8) Pfeffer, I.e. p. 621. Ebenda p. G38 sind Versuche mitgetheilt, nach denen auch die Bacterien keine allgemeine Reactionsfähigkeit besitzen, die sie Gifte ver- meiden lässt. Vgl. dieses Buch Bd. II, p. 801. 9) Rothert, 1. c. p. 380. 10) Ueber Aerotaxis oder Oxygenotaxis vgl. Bd. II, p. 582 Anm.. sowie Engelmann, g04 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. Da Bact. termo kaum negativ osmotactisch und chemotactisch reagirt, so dringt es sogar in concentrirtere Losungen von Chlorlialiuni, Zucker etc. in an- sehnlicher Menge ein, Avährend Spirillum undula schon bei massiger Concentration (osmotischer Wirkung) zurückprallt ^ Pfeffer, 1. c). hi wie weit die repulsiven Wirkungen concentrirter Lösungen durch osmotactische oder chemotactische Reizung bedingt sind, wird fernerhin (§ 150, 151) beleuchtet werden. riagellaten, Tolvocineen etc. Von den farblosen Flagellaten reagiren verschiedene chemotactisch und osmotactisch und zwar im wesentlichen auf dieselben Stoffe wie die Bacterien^). So kommt z. B. Bodo saltans, Trepomonas agilis, Hexamitus rostratus ungefähr dieselbe positiv chemotactische Empfind- lichkeit zu, wie den sensibelsten Bacterien, während unter anderm Hexamitus intestinalis nur schwach, Astasia proteus und Tetramitus rostratus nicht merk- lich reagiren. Ferner geht den untersuchten grünen Flagellaten, abgesehen von der Aerotaxis^), eine positiv chemotactische Eigenschaft ab, die sich aber im geringen Grade, und zwar gegenüber den schon erwähnten Stoffen, bei einigen chlorophyllführenden Volvocineen findet (Pfeffer, 1. c). Durch dieselben Reizstoffe, welche bei den Bacterien eine positiv phobo- chemotactische Reaction veranlassen, wird aber bei den genannten Flagellaten, wie sich leicht erkennen lässt, eine typische topochemotactische Reaction aus- gelöst ^l. Ebenso verhalten sich die Zoosporen von Saprolegnia*), für welche die Phosphate einen hervorragenden Reizwerth besitzen. Auch zählen der positive und der negative Chemotropismus der Pilzfäden, die im wesent- lichen auf dieselben Stoffe wie die Bacterien und Flagellaten reagiren (H, p. 584), zu den topotropistischen Bewegungen. Zu diesen gehört offenbar auch die repulsive Wirkung, die bei verschiedenen Flagellaten (auch bei den Pilzfäden), in ähnlicher Weise wie bei den Bacterien, in einem specifisch verschiedenen Grade durch verdünnte Säuren veranlasst wird^). Nähere Untersuchungen werden aber zu entscheiden haben, ob alle Flagellaten etc. topisch reagiren, und Pflüger's Archiv 18S1, Bd. 2r^. p. r,t,\ ; Beyerinck, Centralbl. f. ßacteriolog. i893, Bd. 1i. p. 833; 1895, II. Abth., Bd. 1, p. Hl; Rothert, I.e. p. 377. — Eine chemotactische Reizbarkeit durch Sauerstoff geht den Samenfäden der Farne (Pfeffer, 1. c. 1884, p. 372) und den Schwärmsporen von Saprolegnia ab (Rothert , Cohn's Beitrag, z. Biolog. 1892, Bd. 3, p. 341; Stange, Bot. Ztg. 1890, p. 139). 1) Pfeffer, 1. C. 1888, p. 6IÖ, 623. 393. 2) Ueber die Reizwirkung des Sauerstoffs auf Euglena viridis siehe B. Aderhold. Jenaische Zeitschr. f. Naturwiss. 1888, Bd. 22, p. 314. 3) Vgl. Rothert, Flora 1901, p. 388, sowie dieses Buch, Bd. II, p. 754, 799. 4: Rothert, I.e. p. 388. Ueber die wirksamen Reizstoffe siehe Stange, Bot. Ztg. 1890, p. 124. Nach Rothert (I.e. p. 373) ist nur das zweite Schwärmstadium dieser Zoosporen chemotactisch reizbar. — Die Reizstoffe, durch welche die Schwärmer der Chytridiaceen angelockt werden, sind noch nicht ermittelt. Vgl. Pfeffer, 1. c. 1888, p. 643. — Nach W. Benecke (Jahrb. f. wiss. Bot. 1900, Bd. 35, p. 334) sind die farblosen Diatomeen chemotactisch und aerotactisch reizbar. 5) Pfeffer, 1. c. 1888, p. 625. Nach W. Garrey (Americ. Journal of Physiology 1900, Bd. 3, p. 291) reagirt Chilomonas auf verdünnte Säuren positiv topochemotactisch, auf concentrirte Säuren und verschiedene andere Stoffe phobochemotactisch. § 150. Chemotaxis und Osmotaxis. Fortsetzung. 805 in wie weit die osmotropischen Reizbewegungen i), die auch bei diesen Organis- men in ähnlicher Weise ausgebildet sind wie bei den Bacterien, durch eine topische oder phobische Action ausgeführt werden. Bemerkt sei noch, dass die Infusorien'-) durch die genannten Stoffe im allgemeinen nicht chemotactisch ge- reizt werden, dass aber wenigstens gewisse Arten durch verdünnte Säuren (auch durch Kohlensäure) zu einer positiv, durch concentrirtere Säuren zu einer negativ chemophobotactischen Reaction veranlasst werden. Myxomyceten. Nach Stahl^) werden die Plasmodien durch Loheauszug zu einer positiv chemotactischen Kriechbewegung veranlasst, und nach Stange'*) scheinen verschiedene Körper auslösend zu wirken. Nach Stange werden ferner die Schwärmzellen von Aethalium und (Ihondrioderma durch verchie- dene Stoffe, in hervorragender Weise durch Milchsäure, Buttersäure, Aepfel- säure, angelockt. Eine stärkere saure Reaction, sowie concentrirte Lösungen u. s, w. üben aber auf diese Schwärmer, sowie auf die Plasmodien eine repul- sive AMrkung aus. Beiläufig sei bemerkt, dass auch die animalischen Leuco- cyten durch verschiedene Körper chemotactisch gereizt werden, und dass durch derartige Reiz Wirkungen bestimmt gerichtete und pl^ysiologisch bedeutungsvolle Wanderungen im hniern des Körpers verursacht werden können 5). § 150. Fortsetzung. Aus 11, § 149 ist zu ersehen, dass durchaus nicht bei allen, auch nicht bei allen chlorophyllfreien Organismen, eine chemotactische Reizbarkeit ausge- bildet ist, die aber da, wo sie vorhanden ist, wohl geeignet erscheint, um eine Ansammlung an Orten zu fördern, die günstige Nahrung bieten, oder um z. B. die Samenfäden zur Eizelle zu lenken 6). In dieser Hinsicht ist bereits (II, p. 802) das Nöthige gesagt, und weiter ist II, p. 759 darauf hingewiesen, dass auch die Phobochemotaxis zur Erzielung einer Ansammlung ausreicht, dass aber durch die Topochemotaxis wohl im allgemeinen eine sicherere Lenkung der Samenfäden zur Eizelle zu erreichen isf^). Ferner ist schon (IT, p. 759, 801) hervorgehoben. ■1) Vgl. hierüber auch Massart, Archives de Biologie 1889, Bd. 9, p. 531; Bullet, d. rAcadem. royale d. Belgique 1891, 3. ser., Bd. 22, p. 148. 2) S. Jennings, Journal of Physiology 1897, Bd. 21, p. 320; Americ. Journal of Pliysiology i900, Bd. 3. 3) Stahl, Bot. Zeitung 1884, p. 155. Ueber die Methodik siehe diesen Band II, p. 800. In Bezug auf die Mechanik und das Zustandekommen solcher Richtungsbe- wegungen vgl. Bd. II, § 136, p. 758, 761. — Bei den Acrasieen konnte E. Olive (Pro- ceedings of the Boston Soc. of Natural History 1902, Bd. 30, p. 4 69) Chemotaxis nicht sicher nachweisen. 4) Stange, Bot. Ztg. 1S90, p. 155. 5) Vgl. z. B. Verworn. Allgem. Physiologie III. Aufl. 1901, p. 451. G) Da es sich nicht allein um Lenkung zur Nahrung handelt, und da ferner, wo es auf Nahrungsgewinn abgesehen ist, doch nicht ein jeder Nährstoff als Chemotropicum wirkt, so ist es wohl nicht zweckmässig, mit Stahl Bot. Ztg. 1884, p. 165) die Bezeich- nung Trophotropismus (Trophotaxis) anzuwenden. 7) Dass allgemein chemische Reize eine grosse Rolle spielen dürften, ist Bd. B, p. 223, 581 betont. — Ueber die historische Entwickelung unserer Kenntnisse vgl. Bd. II, p. 583. 810. 806 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. dass nur gewisse Organismen, und diese nur gegenüber bestimmten Stofien (z. B. Säuren) oder gegenüber hohen Concentrationen , mit einer negativ chemotactischen oder osmotactischen Reizbarkeit ausgestattet sind, die sie vor dem Eindringen in eine schädliche oder tüdtliche Lüsung bewahrt. Weiter ist bereits (II, p. 581, 649) die Difierenz des chemotactischen und osmotactischen Reizanstosses auseinander gesetzt und betont worden, dass Chemo- taxis und Osmotaxis auf der Ausbildung von zwei specifischen Sensibilitäten be- ruhen, die sich, wie auch die in II, § 149 mitgetheilten Thatsachen zeigen, sowohl vereint wie isolirt finden. Auch ist schon (II, p. 582) erörtert, warum es besonders dann, wenn eine repulsive Wirkung erst bei höherer Concentralion eintritt, nicht immer leicht ist, die chemotactischen und osmotactischen Wirkungen aus- einander zu halten. Eine Reizwirkung durch die chemische Qualität liegt aber ohne Frage dann vor, wenn der Organismus nur auf einzelne Stoffe reagirt, oder wenn die tac- tische Reaction schon bei einer Verdünnung eintritt, bei der eine osmotische Reizung noch nicht in Frage kommt. Demgemäss handelt es sich z. B. bei der Anlockung der Farnspermatozoiden durch Aepfelsäure, der Bacterien und Flagellaten durch Pepton, Kaliumsalze u. s. w. unzweifelhaft um eine positiv chemotactische Bewegung. Wenn auch nach den in II, § 149 mitgetheilten Erfahrungen wohl ein jeder der sensibeln Organismen durch mehr als einen Stoff chemotactisch gereizt wird, so kann doch ni manchen Fällen die Reizwirkung eines einzelnen Stoffes derart überwiegen, dass sie practisch allein oder fast allein in Betracht kommt. In diesem Sinne sind bei den Samenfäden der Farne die Aepfelsäure, bei den Samenfäden der Laubmoose der Rohrzucker die specifischen Reizstoffe. Sofern aber die Samenfäden von Lebermoosen, Sphagnaceen, xMarsilia, wie es scheint, chemotactisch reizbar sind (II, p. 80 1 ), dürfte ihr Empfindungsvermögen sehr eng begrenzt sein, da durch die bisher geprüften Stoife und StolTgemische keine sichere Anlockung erzielt wurde. Eine solche wird aber bei den Bacterien und Flagellaten (II, p. 803) durch zahlreiche und verschiedenartige Körper her- vorgerufen, denen freilich ein sehr ungleicher Reizw'erth zukommt. Dabei ist beachtenswerth, dass eine Gruppirung der Körper nach ihrer relativen Reiz- wirkung auf Bacterien, Flagellaten, Volvocineen, Zoosporen von Saprolegnia, sowie auf Pilzfäden, wie schon aus den II, p. 803, 584 erwähnten, specifischen Eigenheiten folgt, zwar nicht dieselbe, aber doch in vielen Fällen eine in den Hauptzügen ähnliche Anordnung ergiebt. Aus dem Gesagten ist zugleich zu ersehen, dass die Ausbildung einer hohen Sensibilität für Aepfelsäure (Samenfäden der Farne) oder Rohrzucker (Laub- moose) nicht die Ausbildung der Reizbarkeit durch Pepton oder Kaliumsalze bedingt, welche im allgemeinen die besten Reizstoffe für Bacterien etc. sind, die auf Aepfelsäure und Rohrzucker nur massig reagiren. Die empirischen Erfahrungen, insbesondere die II, p. 802 mitgetheilten specifischen Eigentliüm- lichkeiten, zeigen aber, dass der relative Reizwerth der Stoffe in gewissem Grade oder auch weitgehend modificirbar ist. So werden z. B. nur gewisse Bacterien durch Schwefelwasserstoff angelockt, und auf eine Bacterienart wirkt das in der Regel nur schwach reizende Dextrin im höchsten Grade chemotactisch. Der- artige specifische Eigenheiten geben sich ferner darin kund, dass den Samen- § löO. Chemotaxis und Osmotaxis. Fortsetzung. 807 fäden der Farne die Aerotaxis (Oxygenotaxis) abgeht (II, p. 804 Anm.), während sehr viele Bacterien, aber doch nicht alle durch Sauerstoff stark chemotactisch gereizt werden (II, p. 803). "Weiter sind Infusorien und Euglena (II, p. 804) aero- tactisch, obgleich sie auf andere Stoffe nur wenig (Infusorien) oder gar nicht reagiren (Euglena). In jedem Falle wird durch solche Eigenheiten und Differenzen eine Ver- schiedenheit des Reactionsvermügens oder, wie wir zunächst sagen dürfen, der Sensibilität gekennzeichnet. Damit bleibt aber unentschieden, ob die Perceptions- processe, die bei einem bestimmten Organismus durch differente Stoffe hervor- gerufen werden, in allen Fällen dieselben sind. Nach den an anderer Stelle (II, p. G28) mitgetheilten Erfahrungen dürfte eine solche Uebereinstimmung, in Bezug auf die durch Fleischextract, sowie durch Aether ausgelüste positiv chemotactischen Reizungen nicht bestehen. Auch muss es wahrscheinlich dünken, dass den durch freie Säuren, vielleicht auch den durch Sauerstolf bewirkten Reizungen andersartige primäre Wechselwirkungen (Perceptionsprocesse) zu Grunde liegen, als etwa den durch Pepton oder Kalisalze hervorgerufenen Auslösungen. In- dess ist bei der derzeitigen Unbekanntschaft mit den sensorischen Vorgängen nicht wohl eine sichere Entscheidung zu treffen, da auch nicht bekannt ist, in wie weit die durch andersartige Rcizanstösse bewirkten tropistischen Reiz- processe übereinstimmen oder verschiedenartig sind. Es ist aber wohl an- zunehmen, dass die Ausbildung einer auf einen bestimmten Stoff bezw. Zweck berechneten, chemotactisch reizbaren physiologischen Structur es unvermeidlich mit sich bringt, dass auch eine Reihe von anderen Stoffen in eine Wechsel- wirkung treten, die eine chemotactische Reaction im Gefolge hat (vgl. II, p. 171). So ist es zu verstehen, dass z. B. Bacterien auf Rubidiumsalze und Anilinblau/ die Samenfäden der Farne auf Maleinsäure, dass überhaupt Organismen chemotactisch auf Stoffe reagiren, die es in der fi'cien Natur gar nicht giebt, oder die doch practisch nicht in Frage kommen (Pfeffer, 1. c. 1888, p. 649). Wie bei anderen Vorgängen (Ernährung, Giftwirkung etc.) so ist natürlich auch bei der Chemotaxis die physiologische Wirkung stets von der chemischen Qua- lität des Stoffes abhängig (vgl. Bd. II, p. 349), wenn wir auch aus der bekannten chemischen Structur nicht ableiten können, warum die Aepfelsäure auf die Samenfäden der Farne, der Rohrzucker auf die Laubmoosspermatozoiden, Pep- ton und Kaliumsalze auf Bacterien u. s. w. eine so hervorragende Reizwirkung ausüben. Sofern aber ein Körper dissociirt, wird es sich, analog wie in Ge- mischen, und wie es (II, p. 350) in Bezug auf die Giftwirkung auseinandergesetzt ist, zunächst darum handeln, in wie weit die Reizung von den undissociirten Molecülen oder von den einzelnen Ionen ausgeht. Aus der Erfahrung, dass die Spermatozoiden der Farne durch die freie Aepfelsäure und ihre Salze gleich stark gereizt werden, dass aber z. B. Chlornatrium, Chlorammonium etc., ferner der Diäthylester der Aepfelsäure unwirksam sind (II, p. 801), folgt, dass speciell dem Aepfelsäure-Ion die Reizung zufällt. Nach solchen Principien (vgl. Bd. II, p. 350) lassen sich auch die oben angeregten Fragen in Bezug auf andere Salze entscheiden, doch halte ich es nicht geboten auf einige Schlussfolgerungen hinzuweisen, die sich aus den Untersuchungen BuUer's (1. c. p. 56'2) für Farn- spermatozoiden, ferner zum Theil auch aus meinen Studien (1. c. 1888) für 808 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. Bacterien ableiten lassen. Die generelle repulsive Wirkung der Säuren muss aber von den dissociirlen H-Ionen abhängen, wenn, wie es scheint (II, p. 801, 803), diese Wirkung durch den Dissociationsgrad bemessen wird (vgl. II, p. 351). § 151. Fortsetzung. In den bisher untersuchten Fällen besteht in der Regel kein Zweifel darüber, dass die Anlockung durch die chemische Qualität des Stoffes, also durch eine positiv chemotactische Reizung veranlasst wird. Vermuthlich wird aber auch bei gewissen Organismen die Befähigung zu einer positiven Osmotaxis aus- gebildet sein (vgl. II, p. 581), auf der es vielleicht beruht, dass nach Massart ^i gewisse marine Bacterien und Flagellaten aus der verdünnten Lösung zum Meer- wasser wandern, und dass nach StahPi das Plasmodium der Myxomyceten unter Umständen von der verdünnteren zur concentrirteren Zuckerlüsung kriecht. Da viele Organismen bei genügender Steigerung der Concentration negativ osmotactisch reagiren, so wird immer zu entscheiden sein, in wie w^eit eine beo- bachtete Repulsion durch negative Osmotaxis oder Chemotaxis, bezw. durch das Zusammenwirken beider, verursacht ist. Wird indess durch keine Steigerung der Concentration eine Repulsion hervorgerufen, so fehlen natürlich die beiden nega- tiven Reactionen, wie das nach meinen Beobachtun2:en annähernd bei Bacterium termo^), nach Massart bei einem Meeresspii'illum-^i, sowie bei verschiedenen Fla- gellaten, Polytoma uvella, Euglena viridis etc. und Infusorien '") zutrifft, die demge- mäss ohne Anstand in die mit der concentrirten Lösung eines Neutralsalzes ge- füllte Capillare steuern, wenn sie durch die positiv chemotactische AVirkung des Inhalts angelockt werden. Dagegen erfahren u. a. Spirillum undula und Bodo saltans durch Lösungen von Neutralsalzen, deren osmotische Leistunu' etwa 0,5 — -1,0 Proc. Kaliumnitrat entspricht, eine repulsive Wirkung, während z. B. Trepomonas agilis und Spirillum volutans etwas weniger empfindlich sind, d. h. erst durch Lösungen von höherer osmotischer Leistung zum Zurückweichen und zum Ansammeln in einigen Abstand vom Capillarmund veranlasst werden ß). Wenn also ein Körper schon in einer Lösung von geringerer osmotischer Leistung repulsiv wirkt, so kann das nur auf negativer Chemotaxis beruhen. •1; Massart, Bullet, d. l'Academ. royale d. Belgique 1894. 3. ser., Bd. 2-2, p. 15-2. Vgl. Bd. II, Fig. 85, p. 799. — Es fehlt freilich, ebenso wie in den Versuchen Stahl's, der exakte Nachweis, dass es sich nicht um Chemotropismus handelt. 2, Stahl, Bot. Ztg. 1884, p. 166. 3) Pfeffer, Unters, a. d. Botan. Institut zu Tübingen 1888, Bd. 2, p. 626. 4) Massart, 1891, 1. c. p. 153. ö; Massart, Archives d. Biologie 1889, Bd. 9, p. 360. — Es ist stets zu beachten, dass das Reactionsvermögen dieser Organismen recht verschieden ausgebildet sein kann (II, p.763). So fand ich (1. c. p. 614) bei der von mir benutzten Polytoma uvella eine deutliche Repulsion, üebrigens habe ich gelegentlich auch Culturen des sonst so sensibeln Spirillum undula beobachtet, die fast gar nicht chemotactisch reagirten. 6) Vgl. Pfeffer,!, c. p. 626, 601, 614; Massart, I.e. Ueber die Samenfäden der Farne siehe dieses Buch, Bd. II, p. 801 : Ueber die Folgen des Antagonismus von At- traclion u. Repulsion siehe Bd. II, p. SOG. § löl. Chemotaxis und Osmotaxis. Fortsetzung. 809 Das gilt z. B. für freie Säuren. Denn schon durch 0,1 Proc. (bezw. 0,2 Proc.) Citronensäure wird die chemotactische Anlockung überwunden, die eine Beigabe von 0,19 Proc. KCl (bezw. 0,01 Proc. Aepfelsäure) auf Spirillum undula (bezw^ Samenfäden der Farne) ausübt i). Ebenso ist es zu erklären, dass nach Mas- sart (1. c. 1889, p. 525, 526) z. B. Cyankalium und (lalciumnitrat schon in hypo- osmotischen Lösungen eine Repulsion verursachen. Auch geht aus dem II, p. 803 Gesagten ohne weiteres hervor, dass der Sauerstoff vermöge seiner chemischen Qualität (durch negative chemotactische Reizung) das Zurückweichen von Bacterien etc. veranlasst. Das Verhalten verschiedener Bacterien gegen Sauerstoff ist zugleich ein Beispiel dafür, dass bei steigender (loncentration an Stelle der positiven eine negativ chemotactische Reaction tritt ^i. Eine solche Umwendung bewirkt bei den Samenfäden der Farne die Aepfelsäure. Die Erfahrung, dass die Repulsion bei der in Frage kommenden Concentration nur durch die freie Säure, aber nicht durch deren Neutralsalze hervorgerufen wird, zeigt aber, dass der Erfolg in diesem Falle aus der positiv chemotactischen Wirkung des Aepfelsäuremolecüls und der negativ chemotactischen Wirkung der H-Ionen lesullirt (II, p. 807). Naturgemäss muss aber nicht ein jedes positive Chemotacticum mit genügen- der Erhöhung der Concentration negative Chemotaxis hervorrufen; und um- gekehrt setzt diese nicht voraus, dass der StolT auch positiv chemotactisch wirkt (vgl. II, § 124). So wird durch freie Citronensäure, Salzsäure etc. bei den Samenfäden der Farne, ebenso z. B. bei Spirillum undula nur negative Chemotaxis ausgelöst. Auch verhalten sich gewisse Bacterien gegen Sauerstoff offenbar nur desshalb immer negativ chemotropisch, weil die negative Reiz- schwelle schon bei geringer C-oncentration dieses Chemotropicums eintritt. Andererseits übt selbst eine 1 5 proc. Lösung von Rohrzucker, dieses specifischen Reizstoffes, keine repulsive Wirkung auf die Samenfäden der Moose aus^j. Yermuthlich wird überhaupt, bei Fortbestehen der positiven Chemotaxis, in vielen Fällen die ümkehrung allein, oder doch in der Hauptsache, durch die mit der Concentration schneller zunehmende negative Osmotaxis erzielt. Durch die positive Chemotaxis kann, sofern dieselbe genügend energisch ist, das gleichzeitig ausgelöste, negativ osmotactische Bestreben ganz überwunden oder doch so beeinflusst werden, dass der Beginn der Repulsion verzögert, also erst durch eine hyperosmotische Lösung hervorgerufen wird. Dagegen wird die Repulsionsschwelle durch eine hypoosmotische Lösung erzielt, wenn der ange- wandte Stoff schon bei geringerer Concentration eine negativ chemotactische Bewegung auslöst. Die resultirende Repulsionsschwelle wird demgemäss unter Umständen sehr erheblich von dem Werthe abweichen, den die osmotactische Reizung für sich erzielen würde. Es ist desshalb von vornherein zu erwarten, dass die Lösungen verschiedener Körper, welche eine eben merkliche Repulsion bei Bacterien und Flagellaten hervorrufen, nicht genau isosmotisch sind, da .diese Organismen durch die meisten Stoffe im geringeren oder höheren 1) Pfeffer, 1. c. iSSS, p. h'21 ; 1. c. 1884. p. 387. 2) Vgl. über dieses und das Folgende Pfeffer. I. c. 1888. p. G2t ff. 3) Pfeffer. 1. C. 1884. p. 432. 810 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. Grade chemotaclisch gereizt werden (II, p. 803). Dass aber noch andere Momente die osniotactische Schwelle verschieben, bezw. den osmotactischen Keiz- erfolg ganz eliminiren können, zeigt die Erfahrung, dass Glycerin i) auf die osmo- tactischen Organismen zumeist keine Reizwirkung ausübt. Auch ist nicht zu vergessen, dass sich zwei Reizungen nicht einfach summiren, dass also auch die osmotische Stimmung durch die anderweitigen Einflüsse mehr oder minder modificirt werden kann (II, § 1?l, 122). Nachdem Engelmann^) die repulsive Wirlcung des Sauerstoffs erkannt hatte, wurde von mir 3) nachgewiesen, dass bei genügender Concentration eine Repulsion durcli nianclierlei Stotfe verursacht wird. Dabei stellte sich heraus, dass diese Repulsion entweder auf einer tj'pischen, negativen Chemotaxis beruht, oder schlecht- hin durch die Concentration, aber, wie z. B. die Unwirksamkeit des Glycerins zeigt, doch in einer bestimmten Abhängigkeit von der Qualität des Stoffes aus- gelöst wird. Massart"*) fand dann, dass z. B. Kaliumnitrat, Chlorkalium, Am- moniuniphosphal, überhaupt eine grössere Zahl von Stoffen, in isosmotischer Lösung, also vermöge ihrer osmotischen Leistung, ungefähr gleichstark repulsiv wirken. Hat auch Massart solche vergleichende Studien nur au Spirillum undula und Bacil- lus rnegatherium^) durchgeführt, so spi'cchen doch die allgemeinen Beobachtungen entschieden dafür, dass bei anderen reactionsfäbigen Organismen analoge Verliält- nisse obwalten. Die stärkere Repulsion durch Cyankalium, Calciurnnilrat u. s. w. ist aber, wie schon (II, p.809) erwähnt wurde, auf die ansehnliche, negativ chemotac- tische Reizwirkung dieser Stoffe zu schieben. Die geringere Repulsivwirkung der Saccharose und Dextrose, sowie die Wirkungslosigkeit des Glycerins, sind nach Massart*^) dadurch zu erklären, dass durch die schnelle Aufnahme dieser Stoffe die Depression des Turgors und damit die osmotactischen Reizbedingungen ver- mindert oder verliütet werden. Wenn nun auch mancherlei für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht, so ist durch vei'gleichende Studien doch noch nicht festgestellt, ob allgemein mit der Beschleunigung der Aufnahme (luit dem l'nter- \) Pfeffer, I. c. 1888, p. 62G; Massart, 1. c. iSQl, p. 528, .'löO. 2) Engelmann, Pflüger's Archiv f. Physiologie 1881; Bd. 26, p. 341; Bot. Ztg. ■1881, p. 442. — Ueber die Entwickelung unserer Kenntnisse über die Chemotaxis siehe II, p. 383. 3) Pfeffer, Bericht, d. botan. Gesellschaft 1883, p. 524, Unters, a. d. bot. Institut zu Tübingen 1884, p. 383, 453; ebenda 1888, Bd. 2, p. 621. — Stahl, Bot. Ztg. 1884, p. 166 lässt die abstossende Wirkung von Zuckerlösung auf das Plasmodium von Ae- thalium ebenfalls nicht durch die chemische Qualität zu Stande kommen, sondern durch die wasseranziehende Wirkung des Stoffes. 4) Massart, Archiv, d. Biologie 1889, Bd. 9, p. 529. Die benutzten Bacterien etc. reagirten auf die meisten Stoffe chemotactisch. Es würde also bei denselben auch ohne die Zugabe von etwas Kaliumcarbonat. die Massart anwandte, der Antagonismus von Attraction und Repulsion hervorgetreten sein. 5) Die Repulsionsschwelle wurde durch Lösungen der obengenannten Stoffe erzielt, deren osmotische Leistung einer Kaliumnitratlösung entsprach, die 0,005 — 0,006 Mole- culargewicht in 1 Liter enthielt, vgl. Bd. I, p. 128. — Die Reactionsfähigkeit des von Massart benutzten Spirillum undula ist augenscheinlich etwas verschieden von dem von uns benutzten Spirill. undula. Vgl. Rothert, Flora 1901, p. 413 Anm. 6) Massart, 1. c. p. 528. Vgl. auch Rothert, Flora 1901, p. 409. Nach Miyoshi (Bot. Ztg. 1894, p. 17) scheint Glycerin auch auf Pilzfäden nicht repulsiv zu wirken. § 151. Chemotaxis und Osmotaxis. Fortsetzung. 811 bleiben oder der schnellen Ausgleichung der Plasmolyse) die negativ osmotactische Reizwirkung eines Stoffes abnimmt. Eine empirische Entscheidung ist aber nothwendig, weil die Verminderung und Aufhebung der Repulsion nicht immer auf dieselbe Weise zu Stande kommen muss ^). Factisch wird z. B. eine phobotactische Reaction durch verschiedenartige Umstände ausgelöst oder auch verhindert (II, p. 753). Auch wurde bereits (II, p. 650) darauf hingewiesen, dass möglicherweise bei gewissen Organismen als tactischer Reiz die ungleiche Vertheilung eines Stoffes im Inneren empfunden wird, die bei einem eindringenden Stoff so lange fortbesteht, als in der umgebenden Flüssigkeit ein Concentrationsgefälle vorhanden ist. Die Erfahrungen, dass die Plasmolyse bei gewissen Bacterien nicht, bei anderen schnell oder langsam ausgeglichen wird 2) ^ lassen sich zu maassgebenden Schluss- i'olgerungen schon desshalb nicht ohne weiteres verwenden, weil möglicherweise diese Eigenschaften nicht constant sind (vgl. II, p. 763), und weil specifische Eigen- thümlichkeiten gegenüber einem bestimmten Stoffe bestehen können. Eine solche Eigenheit, die darin zum Ausdruck kommt, dass sich die beiden von Massart benutzten Versuchsbacterien im aligemeinen gleich verhalten, dass aber auf Bac. megatherium Asparagin etwa so stark wie Kaliumnitrat, auf Spirill. undula in den angewandten Concentrationen aber gar nicht repulsiv wirkt, beruht vielleicht darauf, dass Asparagin speciell in Bac. megatherium besonders schnell eindringt. Da aber eine negativ osmotactische Reaction nur eintritt, wenn eine ent- sprechende Sensibilität ausgebildet ist, so ist es begreiflich, dass es auch Organismen giebt, die nicht repulsiv beeinflusst werden, obgleich sie bei dem Eintritt in eine genügend concentrirte Lösung stark plasmolysirt werden 3). Andererseits reagirt z. B. nach Massart (1. c. p. 562) Tetramitus rostratus negativ chemotactisch, obgleich er in ganz hervorragendem Maasse die Fähigkeit besitzt, sich sogleich, ohne Hemmung seiner Bewegungsthätigkeit, an concentrirle Lösungen zu accom- modiren. Jedenfalls kann man also nicht schlechthin, wie es A.Fischer (1. c. p. H 6) thut, aus dem Eintritt oder Nichteintritt der Plasmolyse auf die Befähigung oder Nichtbefähigung zu einer negativ osmotactischen Reaction schliessen. Vielmehr müssen in jedem Einzelfalle die besonderen Bedingungen ermittelt werden, welche die leicht überwindbare oder die nachhaltige Repulsion herbeiführen. Diese wird übrigens (wie auch die negative Chemotaxis) öfters schon durch Lösungen ver- anlasst, in welchen der Organismus existenzfähig ist. Natürlich hängt es in jedem Falle von den Eigenheiten und der Accommodationsfähigkeit ab, ob der Uebertritt in die concentrii'tere Lösung eine geringe oder eine ansehnliche Störung der Bewegungsthätigkeit verursacht, oder ob diese dauernd sistirt wird, und ob der Organismus schneller oder langsamer zu Grunde geht'*). Als Resultante aus Attraction und Repulsion, gleichviel wie diese verursacht werden, ergiebt sich stets eine Ansammlung in einer Gleichgewichtszone 1) Es ist wohl mit Sicherheit anzunehmen, dass die Wirkungslosigkeit des Gly- cerins nicht dadurch bedingt ist, dass sich bei allen Concentrationen positive Chemo- taxis und negative Osmotaxis äquilibriren. Vgl. Pfeffer, 1. c. 1888, p. 022. 2) Vgl. A. Fischer, Vorlesungen ü. Bacter. 1903, IL Aufl., p. 24, 116. — Ueber das Zustandekommen der Turgorregulation siehe Pfeffer, Pflanzenphysiolog. II. Aufl., Bd. 1, p. 121, 415; Bd. II, p. 137, sowie II. v. Mayenburg, Jahrb. f. wiss. Bot. 1901, Bd. 36, p. 381. 3) Einige Thatsachen sind aus den Angaben bei Massart, Jennings u. s. w. zu entnehmen. 4) Dass durch die chemotactische Reizung die Bewegungsschnelligkeit modificirt werden kann, ist Bd. II, p. 760 erwähnt. 812 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. (II, p. 8 00), die, je nach den specifischen Eigenthünilichkeilen, näher oder ferner von dem Auss-anpspunkt des diffiindirenden Stoffes (des Capillarmundes etc.) zu liegen kommt, so dass eine Separirung der verschieden rcagirenden Arten erzielt wird. Da sich aber die Bedingungen allmählich durch die mit der Diffusion fortschreitende Verdünnung, durch den Sauersloffconsum, durch die StolTwechsel- producte, durch die Accommodation an das Medium u. s. w. ändern, so treten Ver- schiebungen in den Gruppii'ungen ein, die auch dazu führen können, dass der eine Organismus den anderen verdrängt, oder dass die eingefiingenen Organismen unter Umständen die Capillare wiederum verlassen i). Naturgemäss kann eine chemotactische Attraction auch durch die Sloffwechselthätigkeit veranlasst werden. So wird nach Jennings^) das Zusammenwandern von Paramaecium durch die Reizwirkung der producirten Kohlensäure verursacht. Da die behandelten Reizerfolge, wie sich aus den allgemeinen Erürterungeo in Bd. II, p. 754 ergiebt, sowohl durch topische als auch durch phobische Reactionen erzielbar sind, so kann nur empirisch entschieden werden, ob in einem bestimmten Falle die eine oder die andere Reactionsweise oder Coni- binationen beider vorliegen. In dieser Hinsicht sind eingehende vergleichende Studien noch nicht angestellt, doch ist aus II, § 1 49 zu ersehen, dass die Samenfäden der Farne (wohl auch die von Moosen und von Selaginella), ferner bestimmte Flagellaten, sowie die Zoosporen von Saprolegnia positiv und augen- scheinlich auch negativ chemotopotactisch reagiren, dass aber erst näher ermittelt werden niuss, in wie weit die negativ osmotactischen Reactionen dieser Organismen topischer oder phobischer Natur sind. Dagegen scheinen die bisher untersuclilen Bacterien, die übrigens durch dieselben Stoffe wie die fraglichen Flagellaten gereizt werden, nur phobische Reactionen auszuführen. Die tropistischen Krümmungen der Pilzfäden sind aber wiederum topischer Natur. Gleiches gilt augenschein- lich für die positiv chemotactischen Bewegungen der Plasmodien, bei denen es aber fraglich ist, ob die negative Chemotaxis und Osmotaxis durch eine topische oder phobische Bewegung vermittelt werden (vgl. 11, p. 758, 761). Wenn nun schon, wie aus dem Mitgetheilten (II, p. 806) zu entnehmen ist, öfters Zweifel darüber bestehen, ob von einem Stoffe nur eine einzelne oder verschiedenartige chemische Reiz Wirkungen ausgehen, so ist doch noch weniger über die unmittelbaren Reizbedingungen und Perceptionsprocesse bekannt. Die Sachlage ist in der Hauptsache in Bd. II, 649 dargelegt =^). Auch ist II, p. 592 erörtert, dass und warum die osmotropischen und die hydrotropischen Reizungen auf denselben Sensibilitäten beruhen können, aber, wenigstens in bestimmten Fällen, niclit zu beruhen scheinen. Im Anschluss an die allgemeinen Erörterungen (II, § 120 — 127; p. 762) ^) Näheres bei Pfeffer, I.e. 1888, p. 639: 1884, p. 472. Weitere Beispiele bei Massart, Bullet, d. PAcadem. royal. d. Belgique 1891, III. ser., Bd. 22, p. 1ü7; Beyer- inck, Centralbk f. Bact. 1893, Bd. I4,p. 827; II. Abth. 1895, Bd. 1,p. 111 ;1897, Bd. 3, p. 1 ; M. Yegounow. Archiv, d. scienc. biolog. d. l'Institut imper. d. medecine d. St. Petersbourg 1895, Bd. 3, p. 381 ; Centralbl.^ f. Bacteriologie 18iiS, Abth. II, Bd. 4, p. 97. 2) H. Jennings, Journal of Physiology 1897, Bd. 31, p. 318. — Vgl. auch Pfeffer. 1. c. 1888, p. 619. — Ueber andere Fälle siehe Bd. II, § 155. 3) Ueber Localisation der Sensibilität vgl. auch Bd. II. p. 761. §13'!. Chemotaxis und Osmotaxis. Fortsetzung. 813 sollen hier noch einige Thatsachen über Schwellenwerlh, ünterschiedsempündung, Einfluss der Reizintensität etc. mitgetheilt werden. Bei den sensibeln Organismen genügt schon eine sehr geringe Menge eines guten Reizstoffes, um eine eben merkliche Reaction auszulösen. Diese tritt bei den Samenfäden und Bacterien schon ein, wenn die gesammte Capillarflüssigkeit nur Yio(,millionstel mgr Aepfelsäure bezw. Pepton enthält'), eine Menge, von der wiederum nur ein sehr geringer Bruchtheil in Contact mit dem zu reizen- den Organismus kommt. Immerhin ist dieses minimale Quantum des Reizstoffes nicht verschwindend gegenüber dem winzigen Organismus, da ein Samenfaden etwa Y4millionstel, ein Bact. termo etwa YsQomillionstel mgr wiegen mag. Eine negativ osmolactische Reaction wurde dagegen bei den sensibelsten Bacterien erst durch eine Lösung hervorgerufen, deren osmotischer Werth 0,5 Proc. Kalium- nitrat entsprach (II, p. 808). Nach einigen Erfahrungen scheint aber die chemotactische und osmo- tactische Sensibilität gewisser Mikroorganismen in hervorragender Weise ver- änderlich zu sein (vgl. II, p. 763, 808 Anm.), Eine hohe Anpassungsfähigkeit wird unter anderm dadurch angezeigt, dass Massart^) bei Spirill. undula, nach der allmählichen Accommodirung an eine Salzlösung, eine 5 — 8 fach concen- trirtere Chlornatriumlösung anwenden musste, als zuvor, um eine eben merk- liche osmolactische Abstossung zu erzielen. Dass die nach dem Schwellenwerth bemessene Empfindlichkeit durch ungün- stige Aussenbedingungen vermindert wird, wurde, in Bezug auf niedrige Tem- peratur, von Voegler^) für die Samenfäden der Farne nachgewiesen. Jedoch ist weder in Bezug auf niedrige Temperatur, noch in Bezug auf Sauerstoffmangel kritisch geprüft, ob etwa die Sensibilität früher erlischt als die Bewegungsthätig- keit-^). Ein solcher Erfolg wird aber nach Rothert^) hei gewissen Organismen durch Aether erzielt, der wiederum bei bestimmten Arten zunächst die osmo- tactische und erst bei höherer Concentration die chemotactische Reaction aus- schaltet. Die Erfahrung, dass mit der Steigerung der Concentration (des Reizanstosses) an Stelle der Attraction eine Repulsion tritt, ist ebenfalls ein Beispiel für eine Veränderung der Reizstimmung mit der Inanspruchnahme (II, § 124). Wenn die Repulsion aus dem Zusammenwirken von positiver Chemotaxis und nega- tiver Osmotaxis oder (wie bei der Repulsion der Farnspermatozoiden durch freie Apfelsäure II, p. 80 1 , 807) aus dem Zusammenwirken von zwei verschiedenen chemotaclischen Reizwirkungen resultirt, so ist das zugleich ein Beispiel dafür, dass von demselben Stoffe zwei diiferente Reizungen ausgehen, von denen die eine mit der Steigerung der Concentration schneller zunimmt als die andere. i) Pfeffer, ]. c. 18S4, p. 382; 1888, p. 628. Vgl. Bd. II, p. 800. — Wenn auch der Wiederbeginn der Bewegung aerober Bacterien schon durch geringe Sauerstoffmengen verursacht wird, die noch keine Aerotaxis hervorrufen (vgl. Bd. I, p. 292), so wird doch auch diese durch minimale Sauerstoffmengen ausgelöst. 2) Massart, 1. c. 1889, p. 548. 3) C. Voegler, Bot. Zeitung -1891, p. 673. — Vgl. auch B. Stange, Bot. Ztg. 1890, p. 139 für die Zoosporen von Saprolegnia. 4] Vgl. über solche Trennungen Bd. II, § 121. 5) Inzwischen veröffentlicht in Jahrb. f. wiss. Bot. 1903, Bd. 39, p. 1, gl4 Ks^P- XIV- Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. Es ist aber schon früher (II, § 1 22) hervorgehoben, dass derartige Verhältnisse auch dann vorliegen können, aber nicht vorliegen müssen, wenn es nicht gelingt die Existenz von zwei oder einigen verschiedenartigen Reizprocessen nachzu- weisen. Dass bei der Steigerung der Reizintensität bis zu einer gewissen Grenze die chemotactische Sensibilität annähernd nach dem sog. Weber 'sehen Gesetze abgestumpft wird, wurde schon (II, § 124) in Bezug auf die Samenfäden der Farne und die Bacterien berichtet. Dass beiderlei Organismen sich analog ver- halten, zeigt zugleich, dass die im Weber'schen Gesetz ausgedrückten Bezieh- ungen sowohl bei topochemotactischen, als auch bei phobochemotactischen Vor- gängen zum Ausdruck kommen, und vermuthlich werden diese Beziehungen auch bei den negativ osmotactischen Reizungen obwalten. Im übrigen muss auf II, § 124 verwiesen werden, in dem auch hervorgehoben ist, dass und warum die Resultante aus zwei Reizungen nicht einfach der Summe der Einzelreizungen entsprechen muss, dass aber z. B. dann, wenn die Sensibihtät gegenüber einem Chemotacticum durch den Einfluss eines anderen nicht modificirt wird, an- zunehmen sein wird, dass zwei verschiedenartige Reizprocesse ausgelöst werden. § 152. Hydrisclie Einflüsse. Diffuse Wirkuiig-en. Wie das Wachsthum ist auch die Bewegungsthätigkeit von dem Wasser- gehalt abhängig ') , und wir hörten bereits, dass die locomotorische Thätigkeit durch Uebertragung in eine genügend concentrirte Lösung vermindert oder aufgehoben wird'-). Eine solche Sistirung kann aber ohne Vernichtung des Lebens vor sich gehen, wie diejenigen Bacterien zeigen, die sich bei der Ent- wickelung in concentrirten Lösungen nicht bewegen, obgleich sie actionsfähige Gilien ausbilden 3]. Uebrigens kann es keinem Zweifel unterliegen, dass es auch für die Bewegungsthätigkeit eine optimale Goncentration bei denjenigen Organismen giebt, die in zu verdünnter Lösung nicht zu existiren vermögen^). Ueberhaupt dürfte reines Wasser für viele Organismen nachlheilig sein-''). Andererseits wird die Plasmaströmung in plasmolysirten Zellen forlgesetzt, jedoch durch sehr weitgehende Plasmolyse verzögert^). 1) Siehe Bd. II, § 33, 71. 2j Vgl. z. B. Bd. II, p. 8H sowie die an dieser Stelle u. in Bd. 11. § 33 n. 71 citirte Literatur. — Dass Salzlösungen ein Rückwärtsschwimmen von Paramaecium veranlassen, ist Bd. II, p. 702 erwähnt. 3) Bd. I, p. 4IÖ, II, p. 750. — Ueber Flimmerepithelien siehe Engelmann, in Hermann's Handbuch für Physiologie Bd. I, p. 398. 4) Vgl. Bd. I, p. 415. — Einige Angaben von Veiten (Bot. Zeitung 1872, p. 649) und Dehn ecke (Flora 1881, p. 8) über ein Optimum des Turgors für die Plasmaströmung sind ohne Belang, da andere influirende Factoren nicht genügend berücksichtigt sind. 5) Ueber die Giftigkeit des destillirten Wassers siehe Bd. II, p. 334. 6) Dutrochet, Annal. d. scienc. naturell. 1838, IL ser., Bd. 9, p. 73; A. Braun, § 152. Hydrische Einflüsse. 815 In normaler Weise werden aber auch durch den plötzlichen Uebergang in eine verdünntere oder concentrirtere Lösung Störungen der Bewegungsthätigkeit veranlasst. So wird durch eine solche Uebergangsreizung zuweilen ein tran- sitorischer Stillstand der (Milien i), oder eine gewisse Lähmung der amöboiden Thätigkeit der Plasmodien 2) liervorgerufen. Auch kommt bei plötzlicher Plas- molyse in gewissen Fällen ein Stillstand der Plasmaströmung zu Stande^), die in anderen Fällen i wie durch verschiedenartige andere EingritTe] durch eine Wasser- entziehung erst veranlasst oder beschleunigt wird^j. Uebrigens beruhen auch die phoboosmotactischen Reactionen auf einer Uebergangsreizung, die durch den plötzlichen Wechsel der Concentration ausgelöst wird (II, § 142). Tropistisclie Wirkimgen. Während die schon (II, § 149 — 151) behandelte osmotactische Sensibilität bei vielen freibeweglichen Organismen vorkommt, ist eine, und zwar eine posi- tiv rheotactische Reizwirkung s) bis dahin nur für die Plasmodien der My- xomyceten sichergestellt ß). Diese bewegen sich demgemäss auf nassem Fliess- papier oder auf einem anderen Substrate dem Wasserstrom entgegen. Es genügt in der That die geringe Wasserbewegung, die man erhält, wenn man den mit dem einen Ende in ein Wasserglas tauchenden Filtrirpapierstreifen herabhängen lässt, um das positiv rheotactische Fortkriechen zu verursachen. Da die schwärmenden Organismen sclion durch eine massige Wasserströmung mecha- nisch fortgerissen werden (II, p. 699), so ist es nicht wahrsclieinlich , dass bei freischwimmenden Organismen häufig eine rheotactische Sensibilität zur Erreichung bestimmter Ziele und Zwecke ausgebildet ist. Jedenfalls bedarf die Angabe Roth 's"), nach der gewisse Bacterien rheotactisch sein sollen, einer kritischen Prüfung. Auch Hydrotaxis^i ist bis dahin nur für die Plasmodien der Mj-xomy- Verhandlg. d. Berl. Akad. iSöä, p. 225; Nägeli, Beiträge z. wiss. Bot. ISGO, Heft 2. p. 73; M. Schultze, Protoplasma d. Rhizopoden u. Pflanzenzellen 4863, p. 41; Hof- meister, Pflanzenzelle -1867, p. 52 u. s. w. 1) Vgl. Bd. II, p. 330 u. die dort citirte Literatur. 2) Bd. II, p. 752; Stahl, Bot. Zeitung 1884, p. 166. 3) Hofmeister, 1. c. p. 27, 53; G. Hörmann, Studien ü. d. Protoplasmaströmung bei Characeen 1898, p. 48; M. Tswett, Bot. Centralbl. 1897, Bd. 72, p. 329. 4) Hauptfleisch, Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 24, p. 214. Vgl. Bd. II, p. 732. 3) Ueber Rheotropismus vgl. Bd. II, p. 588. 6) B. Jönsson, Bericht, d. botan. Gesellschaft 1883, p. 513; Stalil, Bot. Zeitung 1884. p. 147; J. B. Clifford, Annais of Botany 1897, Bd. 11, p. 180. — Diese Reaction wurde auch schon beobachtet von Schleicher, nach einer Angabe bei Strasburger. Wirkung d. Lichts u. d. Wärme auf Schwärmsporen 1878, p. 71. 7) Roth, Centralbl. f. ßacteriolog. 1893, Bd. 13, p. 755. — Aderhold (Jenaische Zeitschr. f. Naturwiss. 1888, N. F. Bd. 15, p. 314) vermochte bei Euglena viridis keine Rheotaxis zu finden. 8) Ueber Hydrotropismus vgl. Bd. II, p. 586. 816 Kap. XIV. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. ceten i) nachgewiesen, die in Folge dieser Reizbarkeit zunächst in das feuchtere Substrat, fernerhin aber an die Oberfläche desselben kriechen, weil mit dem Herannahen der Fruchtreife an Stelle der positiven eine negative Hydro- taxis tritt. § 153. Mechanische Einwirkungen. Wie in anderen Fällen wird durch Druck, Stoss etc. einmal ein rein mechanischer Effect ausgeübt, und ferner unter Umständen eine Reizreaction aus- gelöst 2). Thatsächlich wird die Bewegung der Schwärmzellen schon in einem etwas zäh- flüssigen Medium (Lösungen von arabischem Gummi oder Gelatine) erheblich samt 3) und (ebenso wie die der Plasmodien ^) durch erstarrte 2 — o proc. Gelatine unmöglich gemacht, während in dieser Oscillarieen noch fortkriechen. Zu den mechanischen Erfolgen gehören auch die früher besprochenen Umlagerungen \ ^1 % verlang- Fortbewegung im hineren der Zelle, die zuweilen schon unter dem Einfluss der Schwerkraft bemerklich werden, durch eine hohe Centrifugalwirkung aber sehr weit getrieben werden können (vgl. II, § 147). Ueberhaupt verträgt der Protoplasmakörper vermöge seiner plasti- II, § 137, 140) ansebn- ohne Tödtung bis Partieen und bis sehen Eigenschaften liehe Deformationen, die einzelner zum Abreissen zur werden können. Eine derartige Deformation weitgehenden Zerklüftung gesteigert kann, ebenso Schwankungen Staubfadenhaare von A. Frisch in Wasser Zelle nacli massiger Fig. 86. Zelle aus dem Tradescantia virginica beobachtet. B. Dieselbe Einwirkung von Inductionsschlägen. Das Ge biet des gereizten Protoplasmas erstreckt sich von a bis b. c zu Klumpen und Kugeln con- trahirtes Protoplasma, -»ooi. (Nach Kühne.) Wie (n, P wisse chemische Einflüsse durch Quetschungen mechanische durch Temperatur 765) und fll. durch ge- 798), auch Wirkung , P- etc. , sowie durch die von schwachen In- ■1) Stahl. 1. c. p. 149. — Ob etwa die Amö- ben von Acrasieen (vgl. Fayod, Bot. Ztg. 18s3, p. 172; E. Olive. Proceedings of the Boston Society of Natural History 1902, Bd. 30, p. 486), ist bis dahin nicht er- reagiren. ferner Diatomeen oder Oscillarieen hydrotropisch mittelt. 2) Vgl. Bd. II, § 30—38. 3) Siehe z. B. Pfeffer, Unters, a. d. botan p. 390, 420. 4) Pfeffer, Zur Kenntniss d. Plasmahaut u. d. Vacuolen 1890, p. 277. Institut zu Tübingen 1884, Bd. l, § 153. Mechanische Einwirkungen. 817 ductionsschlägen erzielt werden, die besonders geeignet sind, um locale Effecte hervorzurufen ') (Fig. 86). Da die Plasmaslrümung bei derartigen Eingriffen (ebenso bei dem Einknicken der Internodien von Nitella oder der Wurzelhaare von Hydrocharis^) ) häufig fortgesetzt wird, so ist es nicht auffallend, dass dieselbe durch eine kräftige Erschütterung der Pflanzentheile gewühnlich nur wenig alterirt wird. Zuweilen tritt indess bei einer solchen Behandlung transitorisch eine Yerlangsamung oder Sistirung ein 3), auf die eine vorübergehende Beschleunigung folgen kann (vgl. II, p. 752). Analog verhalten sich die Plasmodien der Myxomyceten, bei denen bei mechanischen Eingriffen in der Regel die Tendenz zu einem Abrundungs- streben bemerklich wird (vgl. II, p. 752). Ferner kann durch kräftige Erschütte- rungen (desgleichen durch elektrische Entladungen 4) ) auch eine transitorische Hemmung der Bewegung der Schwärmzellen ^), sowie der Diatomeen und Os- cillarieen^) bewirkt werden. Wie durch viele andere Anstüsse wird auch durch eine Berührung eine Ileizbewegung und ein transitorischer Stillstand der Wimpern von Ghlamy- domonas pulvisculus '^) ausgelöst, und eine gewisse Contactreizbarkeit dürfte sich bei den Cilien verschiedener locomotorischer Organismen finden. Durch eine Contactreizbarkeit werden unter anderm Stylonychia und verschiedene andere Infusorien veranlasst, auf dem Substrate hinzulaufen^). Nach Bord et 9) kommt -1) Kühne. Untersuch, ü. das Protoplasma 186i, p. 74, 94; Klemm, Jahrb. f. wiss. Bot. -1890, Bd. 28, p. 647 u. die an diesen Orten citirte Lit. — Ueber die Methodik der Versuche mit Inductionsschlägen siehe die citirten Schriften, sowie Nägeli u. Schwendener, Mikroskop II. Aufl., 1877, p. 462; Zimmermann. Mikroskop 189."). p. 231. 2) Dutrochet, Annal. d. scienc. naturell. 1838, II. sör., Bd. 9, p. 32; Meyen Pflanzenphysiolog. 1838, Bd. 2, p. 210; Hofmeister, Pflanzenzelle 1867, p. öO u. s.w. — Ueber den Einfluss von Verwundungen auf die Gestaltung der Plasmaströmung in Caulerpa vgl. J. M. Janse, Jahrb. f. wiss. Bot. 1890, Bd. 21, p. 20G. 3) Dutrochet, 1. c. p. 32; Hofmeister. 1. c. p. 50; Borscow, Bullet, d. l'Acad. d. St. P6tersbourg 1 868, Bd. 12, p. 21 3 ; Hauptfleisch, Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 24, p. 217; Hörmann, Studien ü. d. Protoplasmaströmung b. d. Characeen 1898, p. 39; L. Rhumbler, Zeitschr. f. allgem. Physiolog. 1902, I, p. 303. 4) Unger, Die Pflanze im Momente d. Thierwerdung 1843, p. 67. 5) Strasburger, Wirkung d. Lichts und d. Wärme auf Schwärmsporen 1878, p. 6. 6) Engelmann, Bot. Zeitung 1879, p. 53 Anm. 7) Pfeffer, Unters, a. d. bot. Institut zu Tübingen 1884, Bd. i. p. 444. Vgl. dieses Buch, Bd. II. 733. Siehe ferner J. Massart, La sensibilite tactile chez les organismes inferieures 1900 (Sep. a. Journal publie par la Soc. royale d. scienc. medicales et naturelles de Bruxelles). 8) Pfeffer, Unters, a. d. botan. Institut z. Tübingen 1888, Bd. 2, p. 618; Ver- worn, Psycho-physiolog. Protistenstudien 1889, p. 90 ; Massart, I.e. 1900; H. Jen- nings, Journal of Physiology 1897, Bd. 21, p. 298. American Naturalist. 190f, Bd. 33, p. 372; A. Pütter, Archiv f. Anatomie u. Physiologie, Physiolog. Abth., Supplement- band 1900, p. 243. — Wir haben nicht näher auf das besondere Verhalten der höher differencirten Wimpern bei animalischen Organismen einzugehen. Ebenso lassen wir die Contactreizbarkeit der Leucocyten ausser Acht. Ferner beschränken wir uns auf Bewegungsreactionen, gehen also nicht auf Reizwirkungen ein, die eine Veränderung der secretorischen Thätigkeit etc. zur Folge haben. 9) Bordet, Bullet d. l'Academie royale d. Belgique 1894, 3. ser.. Bd. 27, p. 889; vgl. dieses Buch, Bd. II, p. 802. Ueber die Thigmotaxis gewisser animalischer Samen- Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. 11. g^ 818 Kap. XR''. Locomotorische Bewegungen und Plasmabewegungen. eine solche Thigniotaxis (Haplotaxis) auch den Samenfäden von Fucus, nach Massart (1. c. p. 4) in geringem Grade dem Spirillum undula zu. Ob in die- sem Falle, analog wie bei Ranken (11, § 89), nur das feste Substrat als Reiz wirkt, muss durch specielle Studien um so mehr entschieden w'erden, als die genannten Infusorien gelegentlich auch an der Wasseroberfläche herumlaufen ^j. Jedenfalls wird aber die Reizbewegung der (lilien von (Ihlamydomonas, in ana- loger Weise wie die Reizbewegungen der Blätter von Mimosa pudica, durch verschiedene Anstüsse ausgelöst. Vielleicht werden durch fernere Unter- suchungen noch andere, besonders geartete Sensibilitäten aufgedeckt (vgl. II, § 37, 89, 117). Ferner wird eine Verwundung 2), mag sie durch mechanische Eingiifle oder auf andere Weise bewirkt werden, wohl stets einen gewissen Einfluss auf die Bewegungsthätigkeit ausüben. Thatsächlich hat eine A^erletzung vielfach die Beschleunigung oder die Erweckung einer sichtbaren Plasmaströmung zur Folge. Doch sin W'Orden. Doch sind auch verschiedene traumatische Umlagerungen im Zellinhalt beobachtet Nach einigen Beobachtungen von Frank-^) und von Veiten-*) wurde durch eingehendere Untersuchungen von Keller^) und von Hauptflei sch^i festgestellt, dass die auffällige Plasmaströmung, welche man an Schnitten beobachtet, viel- fach in der intacten Pflanze nicht existirt, also erst durch die Verletzung (aber z. Th. auch durch andersartige Reize, II, p. 752) veranlasst bezw. beschleunigt wird (vgl. II, p. 72 4)''). So fehlt z. B. die Plasmaströmung den intacten Blättern von Vallisneria spiralis, bei welchen man schön verfolgen kann, dass eine Vei"- wundung schnell die Plasmaströmung erweckt. Diese tritt zunächst an der Wundstelle auf, um sich von da, nach dem Einstechen in das Parenchym, auf eine kurze, nach dem Einstechen in das Leilbündel auf eine ansehnlichere Distanz und bei kräftigem Verletzen durch das ganze Blatt oder auch auf alle fäden siehe Dewitz. Pflüger's Archiv f. Physiologie 1886, Bd. 38. p. 3ö8 [und Centralbl. f. Physiolog. 1903. Bd. 17, p. 89j; Massart, Bullet, d. l'Academ. royal. d. Belgique 1858, 3. ser.. Bd. 15, Nr. 5; R. Buller, Quarterly Journal of microscopical science 1902, Bd. 46, p. 145. 1) Massart. 1. c. p. 7. Es wird zu entscheiden sein, ob es sich, wie bei dem Kriechen von Diatomeen an der Wasseroberfläche, um eine durch das Spannungs- häutchen und die Wassergrenzfläche gebotene, mechanische Bedingung oder um eine Reizwirkung durch das Spannungshäutchen handelt. Massart nimmt letzteres an und lässt auch die Ansammlung von Chromulina Woroniniana an der Wasseroberfläche durch eine tactile Reizung zu Stande kommen. 2) Ueber traumatische Einflüsse vgl. Bd. II. § 38 ; Ueber Traumatropismus Bd. II, § 1 1 7. 3) Frank, Jahrb. f. wiss. Bot. 1872, Bd. 8, p. 220. 292. 4) Veiten, Bot. Zeitung 1872. p. 672. 3; J. Keller. Ueber Protoplasmaströmung im Pflanzenreich 1890. 6) P. Hauptfleisch, Jahrb. f. wiss. Bot. 1892, Bd. 24, p. 190. 7) Nach den Beobachtungen an Schnitten, auf die auch de Vries (Bot. Ztg. 1885, p. 1] sich stützte, erscheint also die auffällige Plasmaströmung verbreiteter, als sie es in Wirklichkeit in der intacten Pflanze ist (vgl. Bd. II, p. 7-23). Durch die Präparation wird übrigens eine schon bestehende Plasmastrümung gewöhnlich nicht oder doch nur transitorisch sistirt (II, p. 81 7j. Die Discussionen von Kienitz-Gerloff (Bot. Ztg. 1893, p. 36) verkennen das Wesen physiologischer Reizreactionen. Dasselbe gilt für die Ansicht von J. Keller (I. c. p. 8). nach der die Plasmaströmung nur ein pathologisches Phänomen ist. § 133. Mechanische Einwirkungen. 819 Blätter der Pflanze auszubreiten ^). Analog verhält sich das Jilatt von Elodea canadensis, bei dem durch die Verwundung verursacht wird, dass die bis dahin ruhenden Chloroplasten von dem Plasmastrom mitgenommen werden, der zwar schon in den Blättern der intacten Pflanze besteht, durch den ^^'undreiz aber bedeutend beschleunigt wird (vgl. auch II, p. "79). Mit der Zeit wird dann in der unter normalen Bedingungen gehaltenen Pflanze das Reizstadium übei'wunden und der frühere Zustand wiederhergestellt. Einen solchen Verlauf nimmt auch die Steigerung der Athmung [l, p. 577; und der Wärmeproduction (II, § 156), die, ebenso wie die Beschleunigung der Plasma- slrümung, mit der erhohlen Thaligkeit zusammenhängt, welche durch die Ver- wundung veranlass! wird. Uebrigens ist schon früher (II, p. 723) erwähnt, dass es auch Zellen giebt, in welchen sich durch keinen Reiz eine sichtbare Strömung erwecken lässt, und dass in vielen Fällen die Plasmaströmung ohne einen be- sonderen Aussenreiz auftrilt und fortgesetzt wird. Bei den Eigenschaften des Proloplasten ist von vornherein zu erwarten, dass die Auslösung von Reactionen und die Störung des bisherigen Gleichgewichts 3,0 * 3,5 45 10.0 6,1 70 1 5.5 8,6 95 21.1 10,5 140 31.) 10,0 85 IS. 9 5,7 35 7.7 1) Bonnier, Annal. d. scienc. naturell. 1893, Vll.'ser., Bd.18, p. 33. Vgl. Bd. II, p.834. 2; G. Kraus, 1. c. 1884, p. 9, 67: 1. c. 1896, p. 271. Siehe auch E. Knoch. 1. c. 1899, p. 52. § 157. Die Erwärmung der aeroben Pflanzen. 841 Bei solcher Abhängigkeit wird sich vermulhlich durch nähere Studien er- geben, dass jede autogene oder aitiogene Verschiebung der Athmungsthätigkeit im allgemeinen auch eine gleichsinnige Veränderung der Wärmeproduction mit sich bringt. So wurde in den mehr beiläufigen Beobachtungen ^) bei Abnahme der Aussentemperatur eine Verminderung des Temperaturüberschusses und von Bonnier (1. c. p. 21) auch eine Verminderung der ANärmepro- diiction gefunden, die z. B. bei den Keimpflanzen von Triticum für 1 Kilo und I Stunde (vgl. II, p. 83 5) bei 15,8 C. =2,1 Cal., bei 5,7 C. = 0,18 Cal. ergab. Liegen auch keine speciellen Untersuchungen über die Wärmeproduction bei Steigerung der Temperatur über das Wachsthumsoptimum vor, so weisen doch die Erfahrungen, dass sich die Blüthenstände der Aroideen und die zusammen- gehäuften Massen anderer Pflanzen bis zur Tödtungstemperatur erwärmen, darauf hin, dass die Wärmeproduction, ebenso wie die Athmuiig, mit der Tem- peratur ansteigt 2). Ferner liegen keine näheren Untersuchungen über die Beeinflussung der Wärmeproduction durch die Partiärpressung des Stauerstoffs vor. Weqn aber, wie Vrolik und de Vriese (1. c. p. 77) für den Spadix von Colocasia odora, J. Schmitz (1. c. p. 51) für die Knospen von Aesculus hippocastanum angeben, die Verdrängung der Luft durch reinen Sauerstoff eine Temperaturerhöhung des Vrrsuchsobjectes verursacht, so ist anzunehmen, dass gleichzeitig eine Steigerung der Athmung eintritt (vgl. Bd. I, p. 547). Es wurde Ijereits (I, }>. 576) hervorgehoben, dass durch die Verwundung gleichzeitig die Athmungsthätigkeit und die AVärmeproduction gesteigert werden. Demgemäss lässt sich, wie Richards ^i fand, nach der Verletzung eine Tem- peratursteigcrung sowohl bei angeliäuften Pflanzen, als auch (mittelst thermo- elektriscber Messung' bei einem einzelnen Organe nachweisen. Mit Hilfe der thermoelektrischen Methode konnte Richards z. B. zeigen, dass sich die Temperatursteigerung , also auch die fieberhafte Erregung der Athmungs- thätigkeit, bei der Kartoffelknolle nicht so weit ausbreitet, als bei der Küchenzwiebel. So war nach dem Zerschneiden der Kartoffel schon liei 20 mm Abstand von der Schnittfläche zu keiner Zeit eine Temperaturerhöhung zu er- kennen, die in einem concreten Falle bei 15 mm Abstand auf 0,05 C. und dicht hijiter der Schnittfläche auf 0,21 C. stieg. Bei der Zwiebel dagegen, bei welcher in einem Versuche die maximale Temperaturerhöhung dicht an der Schnittfläche 1) Siehe z. B. Saussure, 1. c. -1833, p. 251 ; J. Schmitz, lieber die Eigenwärme d. Pflanze 1870, p. 22. Weitere Belege in den auf Aroideen bezüglichen Temperatur- messungen von Hoppe (1. c.) und einigen anderen Forschern. — lieber die Temperatur- curve der Athmung siehe Bd. I, p. 37-2. 2) Auf die Angabe von Saussure (1. c. 1822, p. 298), dass die Eigenwärme der Blüthe von Cucurbita schon über 15 — 20° C. sinke, und jene von Vrolik und de Vriese (1. c. 1836, p. 140, vgl. auch Caspary, Flora 1856, p. 219), dass die Eigenwärme im Spa- dix von Colocasia über 30° C. abnehme, ist kein Gewicht zu legen, da nicht einmal zu ersehen ist, ob etwa eine Steigerung der Transpiration compensirend eingriff. Auch ist nicht untersucht, ob unter den obwaltenden Versuchsbedingungen mit der Tempe- raturerhöhung vielleicht auch die Athmungsthätigkeit reducirt wurde. 3) H. M. Richards, Annais of Botany 1897. Bd. 11, p. 29. Eine vorläufige Mit- theilung in Bericht, d. Sächsisch. Gesellsch. d. Wissenschaft 27. Juli 1896. §42 Kap. XV. Erzeugung von Wärme, Licht und Elektricität. 0,28 C. betrug, trat auch noch in einer Entfernung vun 45 mm eine Tempera- tursteigerung von 0,17 C. eini). Bei den Anhäulungs versuchen ermittelte Richards die Temperaturerhöhung der Pflanzenmasse, welche sich vor dem V'erletzen,^ und nachdem die einzelnen Objecte in einige Stucke zerschnitten waren , einstellte. Bei den thermoelek- trischen Messungen (vgl. II, p. 8 36) wurde je eine Löthstelle in eine Kartoffel (oder Zwiebel etc.) eingestossen. Nachdem sich dann ergeben hatte, dass z. B. zwischen den beiden unverletzten Kartoffeln , nach Erreichung des Gleichge- wichtszuslandes, keine Temperaturdifferenz bestand, wurde die eine Kartoffel in der Nähe der Nadel oder an einer anderen Stelle durchschnitten. In einem concreten Falle (Lufttemperatur 2 4 G.) wurden dicht an der Schnitt- fläche folgende Temperaturerhebungen gegenüber der intacten Kartoffel beobachtet : Nach 2 Std. 0,09, nach 4V2 Std. 0,19, nach 8V2 Std. 0,3 1, nach 121/2 Std. 0,21, nach 40 '/2 Std. 0,02 G.; nach 3^4 Tag war die Temperaturdifferenz ver- schwunden. Die Gurven für die Steigerung der Temperatur und der Athmung haben also, wie beim Vergleich mit den Bd. I, p. 576 angeführten Zahlen zu er- sehen ist, einen ähnlichen Verlauf. Die Abgabe der producirten Wärme durch Strahlung, sowie insbesondere durch Leitung in dem Pflanzengewebe, macheu es verständlich, dass die Steigerung der Athmung verhältnissmässig höher ausfällt, als die der Temperatur. Da die intacte Kartoffel ungefähr 0,16 G. wärmer war, als die umgebende Luft, so wurde in obigem Versuche immerhin nahezu die Verdoppelung dieses Temperaturüberschusses erreicht. Im grossen und ganzen dürfte aber die Wärmeproduction ungefähr in gleichem Grad wie die Athmung, also bei dem Zerschneiden einer Kartoffel in 4 Stücke ungefähr um das 10 fache, erhöht werden. Diese Gesammtleistung fällt vornehmlich auf die der Wunde be- nachbarten Gewebe, in denen somit eine gewaltige Steigerung der Athmungs- Ihätigkeit und der W' ärmeproduction eintreten muss. , Aus dem Mitgetheilten ergiebt sich ohne weiteres, dass die 'N\'ärmeproduc- tion der ganzen Pflanze und eines jeden Organes, in gleichem Sinne \^ie die Athmung und andere physiologische Vorgänge (bei Constanz der Aussenbedin- gungen) eine grosse Periode durchläuft (vgl. 11, § i, 57). In wie weit sich hier- bei secundäre Maxima und kleinere Oscillationen einstellen, ist weder in Bezug auf die Athmungsthäligkeit, noch in Bezug auf die Wärmeentwickelung näher untersucht. Zu den periodischen Schwankungen gehören auch die täglichen Oscillationen des Temperaturül)erschusses, die uns besonders auffällig bei den sich hoch erwärmenden Pflanzen entgeg(^ntr(>ten. Jedoch finden sich solche Oscillationen nach Dutrochet (1. c. iSiO, p. 41) auch in Sprossen, Früch- ten etc., bei deren geringer Erwärnmng naturgemäss nur Schwankungen um kleine absolute Werthe möglich sind. Die tägliche Periodicität der Erwärmung in dem Blüthenstand der Aroideen ergiebt sich aus den Untersuchungen von N'rolik und de Vriese (1. c), van Beck und Bergsma, Dutrochet, Brogniart, Romer, Hoppe, sowie aus den Studien von G. Kraus (1. c. 189 6) 2), der ausserdem die tägliche Wärme- 1) Ueber die Ausbreitung der durch Verwundung veranlassten Plasmaströmung siehe Bd. II, p. 818. 2 Siehe die Citate II, p. 837 Anm. Ueber die Blüthe von Victoria regia vgl. Knoch, ]. c. p. 4i. § 157. Die Erwärmung der aeroben Pflanzen. 843 periode auch bei dem Blülhenstand von Cycadeen und Taimen verfolgte. Im allgemeinen lässt sich selbst bei denjenigen Beobachtungen, die im Freien, also bei Inco nstanz der Aussenbedingungen, angestellt wurden, eine von den Temperalur- schwankungen der Luft unabhängige, tägliche Periodicität der Erwärnmng er- kennen'), die aber auch da auftrat, wo für genügende Constanz der Tem- peratur etc. gesorgt war. Das war u. a. der Fall in den Versuchen, die van Beek und Bergsma bei ca. \1 G. mit einer im Zimmer befindlichen Pflanze von C.olocasia odora (Arum cordifolium) anstellten. Aus den Resultaten der Ihermoeleklrischen Temperaturbestimmungen (11, p. 83 6) theile ich hier nur einige Angaben mit, die sich auf die Keule in der Region der sterilen männlichen Blüthen beziehen, und bemerke, dass die gleichzeitigen Messungen in der Region der fertilen männlichen Blüthen ein im wesentlichen analoges Resultat ergaben. Für die besagte Zone wurde das Maximum der Erwärmung über die Lufttemperatur am ersten Beobaehtungstage um 2 Uhr Nachm. =10,6 C, am zweiten Tage um 5 Uhr Nachm. = 1 4,7 C, am dritten Tage um 2 V2 ^hr Nachm. = 20,2 C. , am viertenTage um 2 Uhr Nachm. := 11,1 C. gefunden. Nach Ueberschreitung des Maximums fiel dann die Temperatur, ähnlich wie bei Arum italicum (11, p. 837), in einer Reihe von Stunden soweit, dass in der fraglichen Zone am Abend und am Morgen nur ein Temperaturüberschuss von 1,3 C. bis ca. ö C. gemessen wurde. Weiterhin begann dann die Temperatursteigerung, durch welche in einigen Stunden wiederum das tägliche Maximum erreicht wurde. Uebrigens stellt sich das Maximum sogar bei derselben Pfianzenart nicht immer zu derselben Zeit ein und erfährt nicht selten in den aufeinanderfolgenden Tagen eine nicht unerhebliche Yerfrühung oder Verspätung (vgl. besonders G. Kraus 1. c). Aus den Beobachtungen an verschiedenen Arten ist aber zu ersehen, dass das Maximum zwar in der Regel in die Tageszeit fällt, aber sowohl in den Morgen- stunden, als auch in den Mittag- und Abendstunden beobachtet wurde. Da Arum maculatum und italicum sich nur einmal hoch erwärmen (11, p. 837), so wird bei ihnen natürlich keine so auffällige periodische Schwankung der Er- wärmung beobachtet. .Tedoch kommt nach Dutrochet^) dem Blüthenstand dieser Pflanzen vor und nach der hohen Temperatursteigerung, ebenso wie anderen Pflanzentheilen , eine tägliche Erwäi-mungsperiodicität zu. Diese be- wegt sich indess in engen Grenzen, da Dutrochet bei den thermoelektrischen Messungen von Spi'ossen, Früchten etc. zumeist nur eine Temperaturerhöhung beobachtete, die geringer ausfiel als bei den Sprossen von Euphorbia lathyris, d. h. im Maximum weniger als 0,3 4 C. betrug (II, p. 839)3). Uebrigens trat bei den benutzten Objecten, die sich während der Versuchszeit im dampfge- sättigten Raum befanden , die maximale Erwärmung am Tage zwischen \ 0 Uhr Morgens und 3 Uhr Nachmittags ein und fiel dann so ab, dass am Abend und V Die Unregelmässigkeiten im Temperaturgang der Keule, die Hoppe (1. c. p. 239) bei Schwankungen der Lufttemperatur beobachtete, sind leicht zu verstehen, selbst wenn, was auch möglich wäre, ein plötzlicher Temperaturwechsel keine transitorische Reizwirkung ausübte. Uebrigens scheint die Keule von Arum gegen manche Eingriffe recht empfindlich zu sein, da nach G. Kraus (I.e. 1884, p. 52) schon durch eine Be- rührung der Stärkeverbrauch local herabgedrückt wird. 2) Dutrochet, 1. c. -1840, p. 66. — Diese kleineren Oscillationen konnten natur- gemäss von G. Kraus (1. c. 1884, p. 81; 1882, p. 1; bei seinen thermometrischen Mes- sungen nicht beobachtet werden. 3) Auf eine tägliche Wärmeperiodicität weisen auch die Beobachtungen von J. Schmitz (Ueber die Eigenwärme der Pflanze 1870, p. 20 an den Knospen von Aesculus hippocastanum hin. §4-4 K'i'P- XV. Erzeugung von Wärme. Liclit und Elektricität. am frühen Morgen vielfach keine Temperaturdifferenz zwischen dem Objecte und der umgebenden Luft beobachtet wurde. Sofern, wie Dutrochet (1. c.) angiebt, die täghche Erwärmungsperiodicität der Sprosse etc. im Dunkeln einige Tage mit nachlassender AmpUtude fortgesetzt und durch die Wiederkehr des täglichen Beleuchtungswechsels (bei ausserdem cou- stanten Bedingungen) von neuem hervorgerufen wird, so dürfte es sich, wie bei der sich analog verhaltenden Tagesperiode der Wachsthums- und Bewegungsvorgänge U.S. w., um die Nachwirkung eines durch den Beleuchtungswechsel inducirten Vorgangs handeln (11, § 58, 9 8). Ob indess die periodischen Schwankungen bei den sich hoch erwärmenden Aroideen etc. ebenfalls durch den Beleuchtungswechsel ver- ursacht werden oder auf andere Weise zu Stande kommen, ist noch nicht unter- sucht. Aber auch in Bezug auf andere Objecte muss die Causalität und der Zusammenhang der besprochenen Periodicität durch fernere Studien aufgeklärt W'Crden. So ist noch nicht ermittelt, ob die Temperatursteigerung durch die Erhöhung der Athmungsthätigkeit oder durch die Beduction des Wäi'meverlustes verursacht wird. Wenn factisch bei den bisherigen Untersuchungen keine aus- gesprochene Tagesperiode der Athmungsthätigkeit erkannt wurde ^) , so ist doch wohl zu erwarten, dass die sehr ansehnliche periodische Temperaturerhöhung der Aroideen durch eine Steigerung der Athmungsthätigkeit erzielt wird. Uebrigcns ist die sich täghch wiederholende Ansäuerung der Fettpflanzen mit einer perio- dischen Veränderung der Athmungsprocesse verknüpft (I, p. 532, 310). Da die Tagesperiode der Erwärmung auch bei den sehr chlorophvllarmen Blüthenachsen der Aroideen, und, wie es scheint, auch bei den Phitpilzen gefunden - wird, so kann sie nicht von dem rh3'thmischeu Wechsel der Kohlensäureassimilation abhängen. Ferner kann diese Erwärmungsperiodicität nicht, oder doch nicht allgemein, durch eine Veränderung des Energieverbrauchs bei Zunahme und Ab- nahme der Wachsthumsthätigkeit bedingt sein. Denn wenn zumeist die Zuwachsbewegung am Tage, also dann, wenn die Körpertemperatur steigt, retardirt wird (1, § 58), so vollzieht sich doch die hohe Erwärmung bei den Aroideen in Organen, die nahezu ausgewachsen sind 2), vmd nach Dutrochet (1. c.) kommt auch dem ausgewachsenen Cactusstengel eine tägliche Erwärmungs- periodicität zu. Die ansehnlicheren Temperaturerhöhungen kommen aber sicher nicht durch Absorption von Lichtstrahlen zu Stande. Sofern indess durch Beleuchtung die Transpiration vermehrt wird (I, p. 228), tritt ein Wärme- verbrauch ein, der also der Erwärmung am Tage gerade entgegenarbeitet. Uebrigens wird auch bei dem Menschen eine periodische Aenderung der Körper- temperatur beobachtet, die zur Zeit des Maximums, gegen Abend, im Durchschnitt etwa 1,2 C. höher zu stehen kommt, als am Morgen. § 158. Wärmebildung bei anaerober Thätigkeit. Voraussichtlich wird auch in dem Betriebsstoffwechsel der Anaeroben immer eine positive Wärmetünung gewonnen. Thatsächlich ist bekannt, dass sich bei der Alkoholgährung (vgl. I, p. 565) (auch wenn sie ohne Zutritt von freiem 1) Dieses Buch, Bd. L p. 573 und Kolkwitz. Jahrb. f. wiss. Bot. 4 898, Bd. 33, p. 128. 2) G. Kraus, 1. c. 1884, p. 17. Was hier für Arum italicum und maculatum mit- getheilt ist, dürfte in der Hauptsache auch für die sich wiederholt erwärmenden, an- deren Aroideen gelten. § 158. Wärmebildung bei anaerober Thätigkeit. 845 Sauerstoff verläuft) die Flüssigkeit erheblich erwärmt. Ausserdem liegen keine eingehenden empirischen Untersuchungen über die Wärmebildung der mit oder ohne Gährung verlaufenden anaeroben Stoffwechselthätigkeiten vor^). AVenn man nun auch z. B. aus der Erwärmung des Mistes auf eine AVärmeproduction bei diesen Gährungsprocessen schliessen kann, die offenbar auch bei völligem Abschluss von freiem Sauerstoff eintritt, so ist man desshalb doch nicht berech- tigt, generell zu fordern, dass hei der Realisirung eines zureichenden anaeroben Stoffwechsels unter allen Umständen Wärme frei werden muss. Denn es er- scheint zwar nicht wahrscheinlich, aber doch nicht unmöglich, dass ein anae- rober Stoifwechsel derart verläuft, dass aus der Summe der in ihm betheiligten Einzelprocesse eine negative Wärmetönung resultirt, dass also durch diese Eigenlhätigkeit des Organismus fortwährend eine geringe Abkühlung unter die Temperatur der Umgebung bewirkt wird^j. Auch ist früher (I, p. 538, 380) schon darauf hingewiesen, dass möglicherweise gerade gewisse (gährungs- thätige oder nicht gährungsthätige) Anaeroben besonders ökonomisch arbeiten. Eine bestimmte Schlussfolgerung lässt sich auch nicht aus dem Verhalten der obligaten Aeroben ableiten, bei denen nach der Entziehung des Sauerstoffs der Stoffumsatz in der intramolecularen Athmung nicht für die volle Erhaltung des vitalen Getriebes genügt (I, § 99, 102). Jedoch wird durch die intra- moleculare Athmung eine gewisse Wärmemenge producirt, die freilich nur aus- reicht, um (im Vergleich zu todten Objecten) eine Temperaturerhöhung von 0,1 — 0,3 C. in einer angehäuften Pflanzenmasse zu erzielen, in der sich bei Luftzufuhr eine Selbsterwärmung von 3 — 1 6 C. einstellen würde. Ein derartiges Resultat erhielt Eriksson'') mit Keimpflanzen und Blülhen, auch mit dem Spadix von Arum maculatum, als er diese Objecto in den Fig. 8 8, p. 835 abgebildeten Apparat brachte und die Luft durch Wasserstoff verdrängte. Unter den angewandten Vorsichtsmaassregeln ist ausgeschlossen, dass die geringe Erwärmung durch das Zurückbleiben oder das Hinzutreten von geringen Sauer- stoffmengen bedingt ist. Da ferner dei'selbe Temperaturüberschuss auch dann gefunden wird, wenn gut gewaschenes Material verwandt und durch entsprechende Temperirung dafür gesorgt wird, dass sich der sLationäi'e Zustand schnell einstellt, so kann die Temperaturerhöhung nicht durch die Thätigkeit von anhängenden Mi- kroorganismen*) hervorgerufen werden und muss demgemäss durch die intra- moleculare Athmung der Keimpflanzen etc. erzeugt werden. Die ansehnliche Wärmeproduclion bei der Alkoholgährung (I, p. 565), die eine Erwärmung der Flüssigkeit bis um mehr als 10° C. verursachen kann^j. 1 Vgl. über Anaerobiose Bd. I, §97, 98. — Von einer geringen Erwärmung bei der Sumpfgasgährung spricht z. B. Popoff, s. ßotan. Jahrb. 1873, p. 286. [Rubner, Hygienische Rundschau 1903, Bd. 13, p. 753.] 2) Vgl. Pfeffer, Studien zur Energetik 1892, p. 189 und dieses Buch, Bd. H, p. 831 u. Kap. XVI. 3) J. Eriksson, Unters, a. d. Botan. Institut z. Tübingen -1881, Bd. 1, p. 105. 4) Die von Pasteur (Compt. rend. -1872, Bd. 7.5, p. 1036, Etüde s. 1. biere 1876, p. 261; beobachtete, erhebliche Erwärmung von Früchten und fleischigen Wurzeln im sauerstofffreien Raum mag durch anaerobe Mikroorganismen hervorgerufen worden sein. 5) Thatsachen z. B. bei Dubrunfaut, Journal f. pract. Chemie 1836, Bd. 69, p. 444; Fitz, Bericht, d. ehem. Gesellsch. 1873. p. 57; Brefeld, Landwirth. Jahrb. 1876, Bd. 3, g^g Kap. XV. Erzeugung von Wärme. Licht und Elektricität. ist ja ebenfalls eine physiologische Zerspaltung, die sich ohne Milhille des freien Sauerstoffs abspielt, hi der That werden bei der glatten Zerspaltung von I Grammmolecül [= 180 gr) Dextrose in Alkohol und Kohlensäure 33 Cal., also eine Wärmequantität gebildet, durch die (ohne Wärmeabgabe) ein Liter Wasser um ca. 33 C. erwärmt wirdi). Dieser Werlh ist allerdings 22 — 30 mal geringer, als die Wärmeproduction l)ci der vollständigen Verbj-enmmg eines Grammmol. Dextrose, die 673,7 Cal. beträgt. Da sich bei der Gährung (ohne Zutritt von Sauerstoff) auch andere Processe abspielen (vgl. I, p. 565), so wird die real entwickelte Wärme nicht genau mit derjenigen übereinstimmen, die sich unter der Voraussetzung berechnet, dass die gesammte Zuckermenge glatt in Alkohol und Kohlensäure zerfällt. Wenn indess Bouffard (1. c.) bei der Ver- gährung von ISO gr Dextrose, anstatt der berechneten 32,07 Cal., empirisch nur eine Wärmebildung von 2 3,3 Cal. ermittelte, so muss dahin gestellt bleiben, oli die ansehnliche Differenz nicht durch irgend welche Bestimmungs- oder Cal- culationsfehler bedingt ist. Auch bei der intramolecularen Athmung der Aeroben spielen sich Zerspaltungen ab, bei denen Alkohol und Kohlensäure gebildet werden (I, § 99). Da aber gleich- zeitig andere Umsetzungen vor sich gehen, so lässt sich die reale Wärmebildung natürlich nicht aus der gebildeten Menge von Alkohol und Kohlensäure berechnen. Möglich aber, dass fernerhin die quantitative Kennlniss der Wärmetönvmg ein Hilfsmittel bietet, um, in Verbindung mit anderen Erfahrungen, nach gewissen Seiten einen Einblick in die Umsetzungen zu gewinnen, die bei der intramole- cularen Athmungsthätigkeit vor sich gehen. Die bedeutend grössere AVärme- production bei der totalen Verbrennung macht es aber begreiflich, dass die Selbsterwärmung der Aeroben selbst dann auf ein Minimum sinkt, wenn in der intramolecularen Athmvmg ein ansehnliches, vielleicht sogar ein gleiches Quantum Kohlensäure gebildcl wird, wie in der normalen Athmung. Da bei der Zerspaltung von \ Moleculargewicht Dextrose in 2 Molgew. Milch- säure 14,7 Cal., bei der Zerspaltung von 1 MolgeNv. Dextrose in 1 Molgew. Buttersäure und i Molgew. Wasserstoff 10,9 Cal. frei werden2), so ist auch bei diesen Zerspaltungen in der Milchsäure- bezw. in der Buttersäure- gährung eine Wärmeentwickelung zu erwarten. Die wirkliche Wäi-metönung wird freilich schon bei der glatten Zerspaltung hinter den soeben angegebenen Zahlenwerthen zurückbleiben, die nur auf Grund der Verbrennungswärme, also unter Vernachlässigung von Lösungswärme u. s. w., berechnet sind. Ausserdem werden auch bei diesen Gährungen, neben den besagten Zerspaltungen, ander- weitige Umsetzungen ausgeführt, durch welche die reale Wärnietönung in un- bekannter Weise im positiven oder negativen Sinne beeinflusst wird. Ueberhaupt sind viele cler physiologisch wichtigen chemischen Zerspaltungen p. 300; Eriksson, I.e.; Nägeli, Theorie d. Gährung 1879. p. öS; Bouffard, Compt. rend. l.S'jö. Bd. 121. p. 136. 1 Vgl. Bouffard, 1. c; E. Duclaux, Traite de Microbiologie 1898. Bd. 2, p. 77. 739. Obiger Werth, der sich unter Berücksichtigung von Lösungswärme etc. berechnet, wird auf 22,3 Cal. reducirt, wenn man die Differenz zwischen der Verbrennungswärme von Dextrose (1 Molgew. = 673,7 Cal.; und Alkohol (2 Molgew. = 651,4 Cal.; in das Auge fasst. In Bezug auf diese 22,3 Cal. liefert also die totale Verbrennung der Dextrose ca. 30 mal, in Bezug auf den Werth von 33 Cal. ca. 21 mal mehr Wärme. 2) Vgl. R. 0. Herzog, Zeitschr. f. physiolog. Chemie 1903, Bd. 37. p. 383, sowie die über Verbrennungswärmen und Wärmetönung liandelnden Abschnitte in den Handbüchern über physikalische Chemie. §159. Die Temperatur des Pflanzenkörpers unter normalen Bedingungen. 847 nur mit einer geringen positiven oder negativen Wärraetönung verknüpft*), und, wie schon (II, p. 8 4ö) bemerkt wurde, ist es nicht unmöglich, dass es Pflanzen giebt, bei denen sogar der eigentliche BetriebsstotTwcchscl eine negative Wärme- tönung liefert. § 159. Die Temperatur des Pflanzenkörpers unter normalen Bedingungen. Wie wir hurten, wird die Temperatur des Pflanzenkürpers in der Haupt- sache durch die Aussenl)edingungen bestimmt, unter denen, neJjen der Tempera- tur der Umgebung, die hisolation als erwärmender Factor, die Transpiration, sowie der Wärmeverlust durch Leitung und Strahlung als abkühlende Factoren eine hervorragende Rolle spielen. Diese und andere Factoren wirken aber nicht in derselben Weise auf die verschiedenen Theile einer Pflanze. So wird in der Regel die Wurzel eine andere Temperatur als der Stanmi, ein be- sonnter Ast eine andere Temperatur als ein ])eschattetcr besitzen. Hier- durch wird wiederum Jiewirkt, dass zwischen den ungleich temperirten Theilen ein W^ärmeaustausch durch Leitung und durch die interne AVasserJjewegung eintritt, durch den der Temperaturzustand eines Kürpertheils etwas imd zu- weilen in erhe])lichem Grade beeintlusst wird. Während ein Pilzfaden und auch ein dünner Spross schnell die Tem- peratur des umgebenden Mediums annimmt, können Stunden vergehen, jjevor das Innere einer dicken Knolle oder eines mächtigen Baumstammes denjenigen Gleichgewichtszustand erreicht, der den veränderten (constanten) Temperaturverhällnissen der Umgebung entspricht. Diese sind aber dauei^nden Schwankungen unterworfen, und ferner kann, z. B. durch locale Insolation oder durch Hervortreten aus dem Wasser, erzielt werden, dass sogar benachbarte Stellen desselben Organes recht verschieden temperirt sind. Das Gedeihen der Pflanzen zeigt aber, dass solche Diiferenzen, überhaupt weitgehende allgemeine und locale Temperaturunterschiede und Temperaturschwankungen ertragen werden. Jedoch hat auch die W^iderstands- und Accommodationsfähigkeit der Pflanze Grenzen, und es ist schon erwähnt worden (II, p. 304), dass eine Pflanze schliesslich in Folge der Störung des harmonischen Zusammenwirkens eingehen muss, wenn der Boden dauernd so kalt ist, dass den in warmer Luft befindlichen^ ober- irdischen Organen nicht genügend A\'asser geliefert werden kann. Auch bei der Beurtheihmg des rein physikalischen Einflusses der Aussen- bedingungen muss den jeweiligen (veränderlichen) Eigenschaften der Pflanze Rechnung getragen werden, durch die u.a. verursacht wird, dass bei (Kon- stanz der Aussenverhältnisse die Transpiration und damit die abkühlende Wir- kung dieser modilicirt wird (vgl. I, § 38). Uebrigens ist in Bd. II, § 156, 157 dar- gethan, in welchem Sinne und bis zu welchem Grade die Temperatur des Pflan- -1) Vgl. Pfeffer, Studien zur Energetik 1892, p. 189, wo zugleich betont ist, dass durchaus nicht alle enzymatischen Spaltungen mit negativer Wärmetönung verlaufen müssen, wie unter andern Nägeli wollte, der darin einen Unterschied von den mit positiver Wärmetönung verlaufenden Gährungen zu iinden glaubte. Siehe ferner Herzog, 1. c. u. s. w. g48 Kap. XV. Erzeugung von Wärme, Licht und Elektricität. zonkürpers durch eine kräftige Transpiration herabgedrückt werden kann. Auch der Verbrauch und die Ausgabe von Kohlensäure und Sauerstoll', wie überhaupt der Gasaustausch, werden einen gewissen, wenn auch untergeordneten Einfluss auf den Temperaturzustand des Pflanzenkörpers ausüben. Durch die directe Besonnung werden insbesondere massige Pflanzentheile häutig höher erwärmt, als die blanke Kugel des Thermometers. So stieg u. a. in Versuchen Askenasy's^) das zwischen die l^osettenblätter von Sempervivum alpinum geführte Thermometer bis 52 C. (Schattentemperatur 28, 1 C), während das den (dünneren) Blättern von Gentiana cruciata angepresste Thermometer nur 35 C. anzeigte, eine Temperatur, die auch an dem Thermometer abgelesen wurde, das zwischen die dicht stehenden Blätter von Aubrietia deltoidea ge- führt war. Die sog. Fettpflanzen können also durch die hisolation bis nahe an die Tödtungstemperatur erwärmt werden, die vielleicht erreicht würde, w^nn nicht zugleich die mit der Insolation steigende Transpiration abkühlend wirkte. Wie die Transpiration wird auch die Abgabe der Wärme durch Strahlung durch die verhältnissmässig grössere Oberfläche der dünneren Blätter etc. begünstigt, die sich demgemäss bei gleicher Insolation weniger erwärmen. Ausserdem kommen für die Erwärmung durch Insolation Färbung, Be- haarung, Stellung der Blätter u. s. av. in Betracht. Dass die Färbung, in Folge der vermehrten Extinction der Sonnenstrahlen, die Erwärmung fördern muss, ist selbstverständlich, und es wurde bereits darauf hingewiesen, dass in den grün und anders gefärbten Blättern unter Umständen 50 — 90 Proc. der zu- gestrahlten Sonnenenergie absorbirt, d. h. in Wärmebewegung umgesetzt w^er- den2]. Auch ist bereits (11, p. i8l, 695) auf die Stellungsänderung der Blätter als Schutzmittel gegen die zu starke Wirkung der Insolation hingewiesen. Es bedarf auch keiner besonderen Auseinandersetzung, dass und warum ein Haar- kleid die Erwärmung durch Insolation verringert. Ferner mögen die Dämpfe von ätherischen Gelen einen gewissen Schutz gegen die Insolation gewähren, der aber nicht hoch anzuschlagen sein dürfte. Denn selbst bei denjenigen Pflanzen, die reichlichst ätherisches Gel produciren, wird offenbar die umgebende Luft nicht in dem Maasse und nicht auf eine solche Distanz mit den Dämpfen dieser Stoffe bereichert, dass die allerdings ansehnliche Extinctionswirkung der Geldämpfe in erheblichem Grade die Erwärmung durch Insolation herabsetzen könnte-^). Sehr schlechte Wärmeleiter sind trockener Kork und Borke. Indess ver- mag eine dünne Korkschicht nicht eine hohe Erwärmung im Inneren eines ■I) Askenasy, Bot. Ztg. isva, p. 441. Weitere Beispiele unter anderm bei Haber- landt, Sitzungsb. d. Wiener Akad. 1892, Bd. 101. Abth. 1, p. 787; Passerini, Nuov. giornal. botan. italiano 1901, Bd. 8, p. 69. In Versuchen Rameaux's (Anna), d. scienc. naturell. 1843, II. ser., Bd. 19, p. 21) zeigte das mit der Kugel in einem besonnten, dün- nen Ast steckende Thermometer 33" C.. während es sich bei directer Insolation des Quecksilbergefässes auf 24° C. einstellte. Becquerel (Compt. rend. 1858, Bd. 47. p. 717) fand im Innern eines dicken, besonnten Pflaumenbaumes eine Temperatur von 37° C. — Weitere Beispiele in der fernerhin citirten Literatur. Aeltere Lit. bei Göp- pert, Die Wärmeentwickelung i. d. Pflanze 1830. 2) Vgl. Bd. I, p. 329 und die Bd. I, p. 495 Anm. citirte Literatur. 3) C. Detto, Flora 1903, p. 161; V^olkens, Sitzungsb. d. Berlin. Akad. 1886, p. 78. § 159. Die Temperatur des Pflanzenkörpers unter normalen Bedingungen. 849 dünnen Zweiges zu verhindern. Auch in einem von ansehnlicher Borke um- gebenen Stamme kann die Temperatur bei langer Insolation bis über 40 C. steigen. Dabei kann der Stamm an der besonnten Seite bis zu 20 G. wärmer werden, als an der Schattenseite i). Aus rein physikalischen Gründen wird bei jeder Pflanze mit dem Wechsel der Aussenbedingungen die Ausgabe von Wärme und damit die Ausgleichung des Temperaturüberschusses modificirt. Es bedarf aber keiner besonderen Erklärung, warum die Berührung mit Wasser stärker abkühlend wirkt, als die Berührung mit Luft, und warum die Luftbewegung (abgesehen von der Steigerung der Transpiration) die Wärmeabgabe befördert. Ebenso beruht es auf rein physikalischen Verhältnissen, dass sich auch die Pflanzen in klaren Nächten stärker abkühlen, weil sie dann ungehindert gegen den kalten Welten- raum ausstrahlen, während durch eine Wolkenschicht, analog wie durch ein aus- gespanntes Tuch, der Wärmeverlust durch Strahlung herabgesetzt wird. In der That werden in der eine grosse Oberfläche bietenden Pflanzenmasse eines Rasens, gegenüber dem in der Luft hängenden Thermometer, Temperaturerniedrigun- gen bis zu 6 und 8 G. gefunden'^), und es wurde schon mitgetheilt (II, p. 304), dass desshalb Pflanzen erfrieren können, obgleich das freie Thermometer nicht unter den Nullpunkt sinkt. Diese Abkühlung hat andererseits die ökologisch wichtige Thaubildung zur Folge, die der zu weit gehenden AJikühlung ent- gegengearbeitet, da durch die Gondensation des Wasserdampfes eine erheb- liche Wärmemenge frei wird 3). Ferner spielt bei der Temperirung der Pflanze die Schnelligkeit eine Rolle, mit der die Ausgleichung einer Temperaturdifferenz erfolgt, welche einmal durch Leitung und ausserdem durch die Wasserbewegung vermittelt wird. Durch die normale Wasserbewegung in der transpirirenden Pflanze (I, Kap. VI) wird also das Innere des Stammes abgekühlt, wenn das aus den AVurzeln kommende Wasser kühler ist. Demgemäss fand Rameaux^) bei einem transpirirenden Baum das Innere des insolirten Stammes um I 0 G. kühler, als das Innere eines Stammes, dessen Aeste todt waren. Bei beiden Pflanzen stellte sich aber allmählich eine fast übereinstimmende Temperatur ein, nachdem die Aeste des belaubten Baumes abgeschnitten worden waren. 1) Vgl. z. B. Ihne, Botan. Centralbl. 1883, Bd. 15, p. 231 ; Müller-Thurgau, Landwirth. Jahrbuch. 1886, Bd. 15, p. 531 ; R. Hartig, Forstl. naturwiss. Zeitschrift 1892, Heft 3, 10, 12; Prinz, Botan. Jahresber. 1894, I, p. 226; Büsgen, Bau und Leben d. Waldbäume 1897. 2) Boussingault, Die Landwirthschaft, übers, von Graeger 1851, II. Aufl., p. 401 ; Agronom., Chim. agricole et Physiol. 1861, Bd. 2, p. 380; Tyndall, Fragmente a. d. Naturwissensch. übers, von H. Helmholtz 1874, p. 232; Müller-Thurgau, 1. c. 1886, p. 557; Th. Hormon, Bot. Ztg. 1894, p, 277. 3) Siehe ausser den in der vorigen Anmerkung citirten Schriften z.B. Jamin, Naturforscher 1879, p. 140; Wollny, Forschung, a. d. Gebiete d. Agriculturphvsik 1892. Bd. 15. 4) Rameaux, 1. c. p. 23. Dahin gehört auch die Beobachtung Th. Hartig's (Botan. Jahresb. 1874, p. 760), dass mit der Entfaltung der Knospen die Temperatur im Inneren des Stammes sinkt. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. 11. 54 850 Kap. XV. Erzeugung von Wärme, Licht und Elektricität. Abgesehen von diesem Transpirationsstrom, wird die Ausgleichung der Tem- peratur durch Leitung vermittelt, die, in analoger Weise -wie der Stotl'transport (I, p. 602), durch die Massenbewegung (Mischungsthätigkeitj im Inneren der saftführenden Zellen gefördert wird. Ausserdem kommt die Fortleitung der Wärme in den Zelhvandungen in Betracht, die in der lebensthätigen Pflanze (ausgenommen etwa die trockenen Kork- und Borkeschichten) mit Wasser im- hibirt sind. Schon die Längsstreckung der Elcmentarorgane macht es verständ- lich, dass die Wärme im feuchten (aber auch im trockenen) Holze (ohne die Mitwirkung des Transpirationsstromes) schneller in longitudinaler, als in trans- versaler Richtung fortgeleitet wird i). Desshalb wird im allgemeinen im >Mnter, während der Transpirationsstrom unterdrückt ist, das Innere des Stammes nicht ganz so tief abgekühlt werden, als die umgebende Luft, weil von den im rela- tiv wärmeren Boden befindlichen Wurzeln aus Wärme zugeleitet wird. Da aber auch das feuchte Holz nur massig schnell die Wärme leitet, so nimmt dieser erwärmende Einfluss im Stamme mit der Entfernung vom Boden schnell ab und kommt für die dünneren Aeste praktisch nicht in Betracht. Eine Folge dieser massigen Wärmeleitung ist es auch, dass in einem Versuche Hartig's^) die maximale Temperaturerhöhung, welche die Insolation am Tage in den peripheren Schichten eines Eichenstammes hervorrief, im Grunde eines 4 cm tiefen Bohr- loches erst gegen 6 Uhr Abends, im Grunde eines 20 cm tiefen Bohrloches erst gegen Mitternacht eintrat. Obgleich die Temperaturverhältnisse des Pflanzenkörpers von entscheiden- der Bedeutung für die Lebensthätigkeit und die Existenz der Pflanzen sind (II, § 22, 65 — 68), so kann es doch nicht unsere Aufgabe sein, im Einzelnen die Factoren und Combinationen zu beleuchten, durch die es bewirkt wird, dass die Temperatur des Pllanzenkörpers oder einzelner Theile desselben bis zu einem gewissen Grad von der Temperatur der unmittelbaren Umgebung ab- weicht. Es ist übrigens liekannt und schon betont, dass besonders die in AA'asser, aber auch die in Luft befindlichen, dünneren Pflanzentheile ziemlich schnell den Gleichgewichtszustand, d.h. diejenige Temperatur annehmen, welche den obwalten- den Bedingungen entspricht. In den von Luft umgebenen, dünneren Pflanzen- theilen werden desshalb die Temperaturextreme ansehnlicher ausfallen, als in einem dicken Stamm, in dessen Innerem die täglichen Maxima und Minima der Aussentemperatur nicht erreicht werden. Indess ist der Stamm in der Regel ansehnlicheren täglichen und jährlichen Temperaturschwankungen unterworfen, als das Wurzelsystem, das sich in dem zumeist etwas gleichmässiger temperirten i; Es sei hier nur kurz erwähnt, dass Untersuchungen über die Wärmeleitungs- fähigkeit des Holzes unter anderm angestellt wurden von de Candolle. Annal. d. Physik u. Chemie 1828, Bd. U, p. 590; Knoblauch (ebenda 1858, Bd. 105, p. 623); Wiesner, Die Rohstoffe des Pflanzenreichs 1873, p. 292; Sowinsky, Bot. Jahresb. 1873, p. 773. Sowinsky, der auch mit feuchtem Holz operirte, fand das V^er- hältniss zwischen der Wärmeleitung in transversaler und longitudinaler Richtung zwischen 1 : 1,15 (Quercus robur) und 1 : 1,43 (Carpinus betulus). Nach diesem For- scher kommt gewissen Holzarten die schnellste Leitfähigkeit im trockenen, anderen aber im feuchten Zustand zu. 2) Th. Hartig, Bot. Jahresb. 1873, p. 308. Siehe auch Göppert, Die Wärme- entwickelung i. d. Pflanzen 1830, p. 160. Weitere Beispiele bei Müll er-Thurgau, 1. c. Ihne, 1. c. etc. § 160. Die Production von Licht. 851 Boden Ijofindet'). Hat nun auch die höhere Temperatur der Wurzel zur Folge, dass von dieser aus dem Stamme im Winter Wärme zugeleitet wird, so kann sich derselbe doch tief abkühlen. So fiel in Versuchen II artig' s die Tempera- tur im Inneren des Stammes auf — 13 C. in einem Winter, in dem die Lufttemperatur häufig auf — 15 bis — 22 C. sank. Die Gründe, welche be- wirken, dass, wenigstens bei einem beschatteten Stamme, das Innere die Tem- peraturextreme der Luft nicht erreicht, sind vorhin angedeutet worden. Abschnitt II. Die Production von Licht. § 160. Wie eine grössere Zahl von Thieren'^), besitzen auch gewisse Pflanzen die Fähigkeit, Lichtstrahlen auszusenden, die durch die Eigenthätigkeit erzeugt wer- den. Ein solches Selbstleuchten ist freilich bis dahin nur für bestimmte Pilze und Bacterien, sowie für Ceratiuin tripos^j, also auch für einen chlorophyll- haltigen Organismus, sichergestellt. Unter den Pilzen sind es besonders Hyme- nomyceten und Ascomyceten, bei denen entweder der Fruchtkörper oder das Mycelium leuchtet, auf dessen Thätigkeit auch das Leuchten des Holzes beruht. Dageiren wird das Leuchten des Fleisches durch verschiedene Bacterienarten hervorgerufen. Bei allen diesen Organismen erinnert die Lichterscheinung am meisten an das Leuchten des Phosphors. Auch kann man in einem dunkeln Räume das Leuchten des Holzes und der Bacterienmassen etwa ebensoweit wahr- nehmen, wie das Leuchten eines Stückchens Phosphor, das nicht ganz mit Wasser bedeckt ist. Gardner gibt sogar an, dass er in Brasilien bei dem Lichte, das einige Exemplare von Agaricus Gardneri ^) aussandten, zu lesen ver- mochte. Ferner genügt das Licht der Bacterien, um heliotropische Krümmungen 5) 1) lieber die Temperatur der im Boden befindlichen Knollen etc. siehe M. .A Seignette, Revue generale d. Botan. 1889, Bd. I, p. 573. Vgl. Bd. II, p. 832 Anm. 2) Siehe über diese z.B. R. Dubois, Legons d. Physiolog. 1898, p. 301 ; Ver- worn, Allgem. Physiol. III. Aufl. 1901, p. 263; de Kerville, Die leuchtenden Thiere u. Pflanzen. Deutsch von Mars hall 1893. 3) J. Reinke. Wissensch. Meeresuntersuch. d. deutschen Meere 1898, N. F. Bd. III, p. 39. 4) Gardner, Flora 1847, p. 756. — Uebrigens senden auch grosse Massen von activen Leuchtbacterien soviel Licht aus, dass man den Stand der Zeiger einer Taschenuhr ablesen kann. 5) H. Molisch, Sitzungsb. d. Wiener Akad. 1902, Bd. Ml, Abth. 1, p. 141. [M. B. Isatschenko, Chlorophyllbildung im Bacterienlicht, Centralbl. f. Bacteriol. 1903, Abth. 2, Bd. 10. p. 498.] 54* §52 Kap. XV. Erzeugung von Wärme, Licht und Eleklricität. auszulösen und diese Organismen im eigenen Licht zu photographi- ren ^]. Bacterieu. Nachdem Pflüger 2] erkannt hatte, dass das Leuchten des Fleisches durch Bacterien verursacht wird, wurden weiterhin verschiedene Species von Leuchtbacterien isolirt und studirt, unter denen z. B. Bact. phosphorescens, Pflügeri, indicum, luminosum'') gut leuchtende Arten sind-*). Thatsächlich finden sich in dem Meerwasser stets gewisse Arten von Leuchtbacterien, und man er- hält desshalb leicht eine leuchtende Cultur, wenn man einen frischen Seefisch mit 2 — 3proc. Kochsalzlösung übergiesst und bei ü — 15 C. stehen lässt. Uebrigens sind auch im Binnenlande die Keime von Leuchtbacterien verbreitet, da man zumeist eine leuchtende Cultur erzielt, wenn man ein Stück Rindfleisch, Schweine- fleisch etc. so in eine 3 proc. Kochsalzlösung legt, dass es theilweise aus dieser hervorsteht^). Die isolirten Arten gedeihen im allgemeinen auch gut in einer Fischabkochung, die mit 1 Proc. Pepton, 2 Proc. Chlornatrium und \ Proc. Chlor- magnesium, nöthigenfalls noch mit 1 — 2 Proc. Dextrose versetzt ist. Durch Hinzugabe von Gelatine oder Agar lässt sich aus dieser Flüssigkeit ein fester Nährboden herstellen (Beyerinck 1. c. 1891, p. 38; Mckenney, 1. c. p. 2\ö). Ob die farblose Oscillaria, die Meyen*"] massenhaft in einer Licht aussendenden Masse im allantischen Ocean beobachtete, selbst leuchtete, muss dahingestellt bleiben. Ferner ist die Angabe Ehrenberg's"), dass gewisse Diatomeen (Chaetoceras und Discoplea) zum Leuchten befähigt seien, bisher nicht bestätigt. Uebrigens ist in diesen und anderen Angaben zu beachten, dass das Leuchten auch durch adhärirende und durchsetzende^) Leuchtbacterien bewirkt sein kann, die ja auch 1) Forster, Centralbl. f. Bacteriol. 1887, Bd. 2, p. 338; B. Fischer, ebenda 1888, Bd. 3, p. 140. — [H. Molisch, Sitzungsb. d. Wiener Akad. 1903, Abth. I, Bd. 112, p. 297.] 2) Pflüger, Archiv f. Physiologie 1875. Bd. 10, p. 275; Bd. M, p. 223. Vgl. Mo- lisch, Bot. Zeitung, Orig. 1903, p. 1. 3) Nomenclatur nach Migula, System d. Bacterien 1897, Bd. 1, p. 336. 4] Lit.: B. Fischer, Zeitschrift f. Hygiene 1887, Bd. 2, p. 54; Centralbl. f. Bacteriol. 1888, Bd. 3, p. 103, 137; 1888, Bd. 4, p. 89; Beyerinck, Archives Neerlan- daises 1889, Bd. 23, p. 104, 367, 416; 1891, Bd. 24, p. 3fi9; Koninklijke Akad. v. We- tenschappen te Amsterdam, Proceedings of the Meeting 27. Oktob. 1900, p. 359; K. B. Lehmann, Centralbl. f. Bacteriol. 1889, Bd. 5, p. 785; Kutscher, Centralbl. f. Bac- teriol. 1890, Bd. 8, p. 124; 0. Katz, Centralbl. f. Bacteriol. 1891, Bd. 9, p. 157; C. Eijk- mann, Centralbl. f. Bacteriol. 1892, Bd. 12, p. 656; E. Suchsland, Centralbl. f. Bact. II. Abth., 1898, Bd. 4, p. 713; J. Tarchanoff, Compt. rend. 1900, Bd. 131, p. 246; R. Mckenney, Observations on the conditions of light production in Bacteria 1902, Separat, a. Proceedings of the biological Society of Washington Bd. 15. p. 213; A. Barnard and A. Macfadyen, Annais of Botany 1902, Bd. 16. p. 387. Zusammen- fassungen z. B. bei Migula, System der Bacterien 1897, Bd. I, p. 336; Flügge. Mikro- organismen III. Aufl. 1896, Bd. 1, p. 166. 5) Molisch, I.e. 1903, p. 17 fand stets Micrococcus phosphoreus (Syn. = Bact. phosphorescens Beyerinck). 6) Meyen, Physiolog. 1838, Bd. 2, p. 202. Vgl. Ludwig. Centralbl. f. Bacteriol. 1887. Bd. 2, p. 402. 7) Ehrenberg, Die das Funkeln u. Aufblitzen des Mittelmeeres bewirkenden kleinen Lebensformen 1874, p. 8 (Separat, a. Festschrift d. Gesellsch. naturf. Freunde zu Berlin;. 8) Dubois (1. c. 1898 p. 451) hat seine frühere Annahme, dass das Leuch- ten der Bohrmuschel durch ein symbiotisches Bacterium bedingt sei, fallen gelassen. § 160. Die Production von Licht. 853 den Schleim leuchtend machen, den man von einem leuchtenden Fische ab- wischt. Hutpilze. Durch Retzius, A. v. Humboldt') u. A. wurde ermittelt, dass das schon im Alterthum bekannte Leuchten des Holzes von den darin lebenden Pilzen ausgeht, hi der Folge 2] wurde dann näher festgestellt, dass Licht von den Sclerotien (Rhizomorpha), sowie von dem feineren Mycelgeflecht verschiedener Hymenomjceten und Ascomyceten ausgesandt wird, unter denen bei uns am häufigsten Agaricus melleus und (im Buchenholz) Xjlaria hypoxylon das Leuchten des Holzes hervorrufen. Man kann sich leicht leuchtendes Holz verschaffen, wenn man das von einem dieser Pilze befallene Holz (besonders das Wurzelholz) sammelt vmd befeuchtet in einem dunkeln Raum hält. Uebrigens zeigt das Mycelgeflecht von Agaricus melleus auch in einer Reincultur (in wässriger Nährlösung) 3) eine schöne Lichtentwickelung. Bei Agaricus olearius^), der in Südeuropa an alten Oliven etc. vorkommt, phosphoresciren besonders die Lamellen, jedoch theilweise auch die übrigen Theile des Hutes, sowie der Stiel. In wärmeren Ländern scheinen aber verschiedene Hymenomyceten vorzukommen, deren Hut stark leuchtet. Ein solches Verhalten wird u. a. von dem schon erwähnten Agaricus Gardneri^) (Brasilien), Agaricus igneus^) (Amboina), Agai'icus noctilucens '^) (Manila) berichtet. Die älteren Angaben über Lichtentwickelung, insbesondere über blitzartiges Leuchten von Blättern, Blüthen und anderen Pflanzentheilen, beruhen wohl zu- meist auf Täuschungen S). Doch mögen gelegentlich reale Lichterscheinungen beobachtet sein, da u. a. die als Elmsfeuer bekannten, elektrischen Ausstrahlungen auch einmal an Pflanzen zu Stande kommen könnten. Unmöglich ist es auch nicht^ dass sich z. B. in einem Milchsaft Stoffe finden, die bei Zutritt der Luft Veranlassung zur Lichtentwickelung geben (vgl. fernerhin p. 859), und dass sich auf diese Weise (oder durch Bacterien) das Leuchten des Milchsaftes bestimmter Arten von Euphorbia erklärt, von dem z. B. Mornay, Martius u. A. ") be- richten. Das Leuchten des Protonemas von Schistostega i'^) , das früher 1) Siehe Aga'rdh. Allgem. Biolog. d. Pflanzen 1832, p. 179; de Candolle, Pflanzen- physiolog. 1835, Bd. 2, p. 680 Anm. ; P. Heinrich, Phosphorescenz der Körper 1811. 2) Literatur u. Thatsachen bei F. Ludwig, Ueber d. Phosphorescenz d. Pilze u. d. Holzes 1874; Lehrbuch d. niederen Cryptogamen 1892, p. 525. An der zuletztge- nannten Stelle ist p. 529 auch hervorgehoben, dass bis dahin ein Leuchten des Holzes durch Leuchtbacterien nicht bekannt ist. 3) Brefeld, Botan. Unters, ü. Schimmelpilze 1877, Hefts, p. 170. 4) Fahre, Annal. d. scienc. naturell. 1855, IV. s6r. , Bd. 4, p. 179; Tulasne, ebenda 1848, III. ser., Bd. 9, p. 541. Vgl. auch Ludwig, 1. c. 1874, p. 9. Das Leuchten beginnt schon vor der vollständigen Entwicklung des Hymeniums und erlischt vor dem Zerfall der Gewebe. In dem lebensthätigen Pilze leuchten auch die Schnittflächen. 5) Gardner, cit. bei Ludwig, I.e. 1874, p. 9. 6) Rumph, Herbarium amboinense 1750, Bd. 6, p. 130.] 7) Gaudichaud, citirt bei Ludwig, 1. c. 1874, p. 9. — Bei Ludwig, 1. c. 1874 und 1892, p. 525 ist auch die übrige Lit. zusammengestellt. 8) Literatur bei E. Fries, Flora 1859, p. 178; Meyen, Pflanzenphysiologie 1 838, Bd. 2, p. 200; Ludwig, I.e. 1874, p. 5. Angaben aus neuerer Zeit: Crie, Compt. read. 1881, Bd. 93, p. 8)3; Ascherson, Naturvviss. Wochenschrift 1901, p. 106. — Senebier (Physiol. vegötal. 1800, Bd. 3, p. 315) will am Spadix von Arum maculat. beim Einbringen in Sauerstoff ein phosphorisches Leuchten bemerkt haben. 9) Literatur bei Meyen, 1. c. p. 203. 10) Unger, Flora 1834, p. 33; Noll. Arbeit, d. botan. Instituts in Würzburg 1888, §54 K^P- XV. Erzeugung von Wärme, Licht und Elektricität. zuweilen zu den activen Lichtentwickelungen gestellt wurde, wird nur durch die Strahlenbi'echung in den besonders geformten Zellen des Protonemas verursacht. Zweck. Wenn man allenfalls vermuthen könnte, dass das Leuchten der Fruchtkörper von Hutpilzen etc. nächtliche Besucher anlockt und dadurch die Verbreitung der Sporen begünstigt, so ist doch nicht recht einzusehen, in welcher Weise das Leuchten den Bacterien oder den im Holze lebenden Pilzfäden Nutzen bringen soll. Möghcherweise gewähren aber die Leuchtbacterien anderen Wesen dadurch einen Vortheil, dass sie diesen durch ihre Ansammlung einen todten Fisch oder eine andere Nahrungsquelle markiren, oder dass sie bei einem leben- den Organismus, auf dem oder in dem sie leben, den Mangel von eigenen Leuchtorganen ersetzen. In dem Leuchten tritt uns eine physiologische Leistung entgegen, die, ana- log wie andere physiologische Leistungen, durch den Energieumsatz im Betriebs- stoü'wechsel erzeugt und demgemäss auch im Dunkeln realisirt wird^). Es handelt sich also um eine physiologische Chemiluminescenz 2) nnd nicht um eine Photoluminescenz, d. h. um ein Ausstrahlen von Licht, das durch die voraus- gegangene Beleuchtung vorl)ereitet und ermüghcht wurde. Naturgemäss ist aber die Lichtproduction, in analogem Sinne wie andere physiologische Functionen, von dem jeweiligen Zustand des Organismus, sowie von den Aussenverhältnissen abhängig und mit dem Wechsel der inneren und äusseren Bedingungen veränder- lich (vgl. II, § i, 20 u. s. w.). ThatsächUch beginnt die Lichtproduction bei den Pilzen erst mit einem ge- wissen Entwickelungsstadium und erstreckt sich nicht auf alle Organe. Aber auch bei den Leuchtbacterien tritt nach Mckenney (1. c. p. 229) das Leuchten erst ein, nachdem die active Locomotion beendet ist. Ausserdem unterbleibt das Leuchten, ebenso wie W'achsen, Bewegen etc., bei einer unzureichenden Constellation der Aussenbedingunsen und erreicht mit einem bestimmten Aus- maass der Temperatur, der Nährstoffe, der (]oncentration etc. einen optimalen Werth. Das Leuchten nimmt demgemäss, ebenso wie das A^'achsthum etc., nach Ueberschreitung des optimalen Temperaturgrades wieder ab, steigt also nicht bis zum Temperaturmaximum, wie es bei der Athmungsthätigkeit und der mit dieser direct verketteten Wärmeproduction (II, p. 841) der Fall ist. Bd. 3, p. 477. Vgl. auch dieses Buch, Bd. L p. 345. — Das Aufflammen des Blüthen- stands von Dictamnus albus bei Annäherung eines brennenden Körpers wurde bereits von Ingenhousz (Versuche mit Pflanzen, übers, von Scherer, 1786, Bd. i, p. IGI) richtig als eine Explosion der mit den Dämpfen des ätherischen Oels vermischten Luft gedeutet. 1; Die Untersuchungen an Rhizomorpha lassen keinen Einfluss einer massigen Beleuchtung auf die Lichtentwickelung erkennen. Vgl. die Lit. bei Ludwig, 1. c. -1874, p. 26. Aehnliche Resultate wurden z. ß. von Pflüger, sowie von Mckenney I.e. p. 222) mit Bacterien erhalten. — Da stärkere Beleuchtung die Thätigkeit der Bac- terien hemmt oder auch tödtlich wirkt, so wird durch dieselbe auch das Leuchten be- einträchtigt oder aufgehoben. Vgl. Bd. H, p. 318, 107. Solches Avurde unter anderm beobachtet von J. Tarchanoff, 1. c. p. 247; Suchsland, 1. c. p. 714. 2) E. Wiedemann, Annal. d. Physik u. Chem. 1889 N. F., Bd. 37, p. 180; 1SS9 N. F., Bd. 38, p. 485; E. Wiedemann u. G. C. Schmidt, Zeitschr. f. physikal. Chemie 1893, Bd. 18, p. 528; M. Roloff, ebenda 189S, Bd. 26, p. 3.-;4; Winkelmann, Handbuch d. Physik 1894, Bd. H, Abth. i, p. 486. § 160. Die Procluction von Liclit. 855 Die Lichtproduction gehurt aber nicht zu den generellen und unerläss- lichen vitalen Functionen, kann also, analog wie die Locomotion, die Produc- tion von Farbstoffen, Giften, Enzymen etc., ausgeschaltet werden, ohne dass die Existenz und die Erhaltung des Organismus unmöglich gemacht wird ^). Factisch ist es mehrfach gelungen, Bacterien z. ß. bei einer Temperatur oder bei bestimmten Ernährungsbedingungen zur Entwickelung zu bringen, die ein Leuchten nicht aufkommen lassen, das auch (analog wie die Locomotion, II, p. 750, 793] unterbleibt, wenn ein facultativ anaerobes Leuchtbacterium bei Abschluss von Sauerstoff wächst. Ferner bilden sich nach Beyerinck (I. c. 1900, p. 359) unter bestimmten Bedingungen, also auch in der Natur, Rassen aus, denen die Fähigkeit zur Lichtproduction transitorisch, möglicherweise auch dauernd, ab- handen gekommen ist (vgl. 11, p. 241). Sind aber die leuchtenden Bacterien oder Pilze actionsfähig, so senden sie hei vollster Constanz der Aussenbedingungen continuirlich Licht aus. Es bedarf also nicht, wie z. B. bei Noctiluca^), einer mechanischen oder anderen Reizung, um das Aufleuchten zu veranlassen, das bei diesem Organismus, nach Reinke (1. c.) ebenso bei Geratium tripos, durch eine Uebergangsreizung transitorisch ausgelöst wird. Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass auch bei Pilzen und Bacterien die Lichtentvvickelung durch einen plötzlichen Wechsel vorübergeliend mehr oder minder verringert oder gesteigert wird 3). Thatsächlich sind derartige Störungen mehrfach bei plötzlicher Veränderung der Temperatur, der Goncen- tration u. s. w. beobachtet. A\'enn dieselben in der Regel nur gering austielen, so folgt daraus nur, dass keine weilgehende transitorische Alteration bei diesen Organismen hervorgerufen wurde, deren Lichtproduction sich eben schnell auf das den neuen Bedingungen entsprechende Maass einstellt. Andererseits muss es auf autogenen Aenderungen der Eigenthätigkeit beruhen, dass das Leuchten zuweilen periodisch ab- und zunimmt, dass also die Lichtproduction rhyth- misch modificirt wird. Es entspricht auch nur den allgemeinen physiologischen Eigenscliaften und Eigenthümlichkeiten, dass das Leuchten zuweilen auch dann noch eine gewisse Zeit fortdauert, wenn der Organismus in eine Temperatur, in eine Goncentration, überhaupt in Bedingungen versetzt wird, in denen er auf die Dauer nicht zu leuchten und vielleicht auch nicht zu leben vermag (vgl. II, p. 79, 289). Ausser- dem ist es aber als eine Folge der Accommodation verständlich, dass ein Organis- mus (oder dessen Nachkommen) mit der Zeit in einer Temperatur, in einem Medium u. s. w. , also vmter Bedingungen wieder leuchtthätig wird, in denen er zunächst kein Licht zu produciren vermochte (vgl. II, p. 79 u. s. w.). Auftreten und Schwinden der Lichtproduction sind, da wir für diesen Wechsel, sowie auch für die Veränderung der Liciitintensität, ein sehr feines ünterscheidungsvermögen besitzen, ausgezeichnet geeignet, uns augenblicklich ^) Vgl. z. B. Bd. I, p. 441, 496, 580 ; Bd. II, p. 78, 750. 2) Bütschli, Protozoen 1883—87, II. Abth., p. 10S8; Kruckenberg, Centralbl. f. Physiologie 1887, Bd. 1, p. 689; Massart, Bullet, scientifique d. 1. France et d. 1. Belgique 1893, Bd. 25, p. 76. 3; Vgl. dieses Buch, Bd. I, § 3; Bd. II, p. 79, 364. 356 Kap. XV. Erzeugung von Wärme. Licht und Elektricität. und in leicht verfolgbarer Weise eine Modification in den auf die Liclit- produclion hinarbeitenden physiologischen Thätigkeiten anzuzeigen. In diesem Sinne sind denn auch die Leuchtbacterien von Beyerin ck nutzbar gemacht wor- den, um z. B. die Sauerstoffproduction zu markiren (I, p. 293), oder um mit Hilfe der auxanographischen Methode (I, p. 375) die Bedeutung eines Stoffes oder Stoffwechselproductes für die Lichtentwickelung zu verfolgen. Bei der Interpretation derartiger Versuche muss aber den oben angedeuteten Nachwir- kungen und anderen physiologischen Eigenthümlichkeiten in vollem Maasse Rechnung getragen werden. Teiuperatureinfluss. Alle Untersuchungen stinuuen darin überein, dass es ein Temperaturoptimum für das Leuchten giebt. Bei Rhizomorpha ^) liegt das Optimum bei ca. 25 — 30° C. , das Minimum bei ca. 1 — 3" C. Die Lage der Cardinalpunkte ist auch bei den Bacterien zumeist nur annährend bestimmt 2j. Die nicht unerheblichen Differenzen in den Befunden verschiedener Forscher er- klären sich zum Tbeil schon dadurch, dass die gleich benannten Bacterien fac- tisch nicht identisch waren, und dass besonders für Minimum und Maximum, je nach den Ernährungs- und anderweitigen Culturbedingungen, verschiedene Werthe gefunden wurden. Sicher ist, dass verschiedene Bacterien noch bei 0 — 5 C. leuchten, während z. B. Mckenney bei Photobacterium indicum Beyerinck (= Bacillus phosphorescens B. Fischer) das Minimum = 1 5 C. , das Optimum -^22 — 28 C, das Maximum = 30—35 C. , bei Photobacterium (Microspira) luminosum =10, I5u. 22 C. bestimmte. In diesen und anderen Versuchen ergab sich, dass das Temperaturmaximum fiu" das Leuchten etwa 5 — 1 0 C. tiefer . lag, als das Temperaturmaximum für das Wachsen. AVenn in den Experimenten Mckenney 's das Temperaturminimum für Leuchten und Wachsen zusammen- fielen, so trifft dieses gewiss, wie auch die Erfahrungen einiger anderer Forscher zeigen, nicht allgemein zu. Von verschiedenen Forschern wurde auch beobachtet, dass das Leuchten noch eine gewisse Zeit anhält, wenn plötzlich uxiter Null und sogar bis — 12 C. ab- gekühlt wird^). Es steht dieses nicht in Widerspruch damit, dass Mcken- ney bei einer Senkung der Temperatur unter das Minimum ein schnelles Er- löschen des Leuchtens beobachtete und bei der Ueberschreitung des Tempe- raturmaximums dasselbe Resultat erhielt. Uebrigens beobachtete Mckenney, dass durch fortgesetzte Gultur des Photobacterium indicum bei möglichst hoher Temperatur das Maximum für das Leuchten von 30 C. auf 35 C. erhöht werden konnte. Diesem Forscher traten ferner bei schnellem Wechsel der Temperatur keine auffälligen transitorischen Störungen des Leuchtens ent- gegen, die aber von einigen anderen Forschern, allerdings bei Bacterien im massigen Grade, beobachtet wurden. Nach Ludwig (1. c. p. 25) wird aber das 1 Ludwig, I.e. p. 35; Brefeld, I.e. p. 4. Leuchten des Holzes bei 0° wurde auch schon von älteren Autoren beobachtet. Siehe Ludwig, 1. c. p. 25. — Nach Fahre (1. c. p. iSl) beginnt das Leuchten von Agaricus olearius erst oberhalb 3 — 4 C. 2) B. Fischer, 1. c. -1887, p. 78; -1888, p. 89. 139; Lehmann, 1. c. -1889, p. 789; Beyerinck, I.e. 1891, p. 8, 66; Eijkmann, 1. c. 1892. p. 636; Mckenney, 1. c. p. 219. 3) B. Fischer, 1. c; Lehmann, 1. c: Tarchanoff, 1. c. p. 24". — Da sehr starke Kälte die Bacterien nicht tödtet (Bd. II, p. 305), so ist auch nicht auffallend, dass in den Versuchen Suchsland's J. c. p. SO; nach der Abkühlung auf —80" C. das Leuchten in normaler Temperatur wiederkehrte. § 160. Die Production von Licht. 857 Leuchten von Rhizomorphen vorübergehend sistirt, wenn plötzlich von 40 auf 10 C. abgekühlt wird. Chemische Einflüsse. Bei unzureichender Ernährung muss natürlich das Leuchten sogleich oder mit der Zeit erlöschen. Jedoch lüsst sich durch die Zusammensetzung und Concentration der Nahrung, sowie durch besondere chemische Einflüsse (z. B. durch ein gewisses Quantum von Aether, Alkohol) ^) erreichen, dass die Bacterien zwar gedeihen, aber kein Licht pi'oduciren^j. Bei den bisher näher untersuchten Arten von Leuchtbacterien ist es schon für das Gedeihen nothwendig, dass der Nährboden neben der zureichenden organischen Nahrung eine gewisse Menge von Salzen enthält. Nach Mckenney (1. c. p. 226) kommen sowohl Wachsthum als Leuchten zu Stande , wenn in einer passenden (Concen- tration allein Chlornatrium, Natriumnitrat oder gCAvisse andere Salze des Natriums, oder auch allein Chlormagnesium geboten wird, wähi'end bei alleiniger Darbietung der Salze des Kalium, Rubidium, Lithium, Ammonium, Calcium sowohl das Wachsthum als auch das Leuchten unterbleiben. Da zudem die Vereinigung von Chlornatrium mit etwas Chlormagnesium einen gewissen Vortheil zu gewähren scheint, so erklärt es sich, dass die Leuchtbacterien in Seewasser und in ähn- lich zusammengesetzten Salzlösungen gut gedeihen und leuchten. Uebrigens kann der Salzgehalt zwischen \ — 4 Proc. liegen, ohne dass "Wachsthum und Leuchten Avesentlicli beeinträchtigt werden. Die näher untersuchten Bacterienarten bedürfen zum Wachsen und Leuchten Pepton, neben welchem, wie schon früher (Bd. I, p. 368) mitgetheilt wurde, nach Beyerinck dem Photobact. phosphoresccns und Pflügeri ein geeignetes Kohlen- Indi'at geboten sein muss, Avährend Photobact. luminosum und indicum beide Functionen auch mit Pepton allein zu vollbringen vermögen. Jedoch übt die Glycose in grösserer Menge eine hemmende Wirkung aus, die speciell bei Pho- tobact. luminosum soweit geht, dass bei 1 Proc. Glycose das Leuchten, bei 3 — 5 Proc. auch das ^Vachsen aufhören'^). Ich unterlasse die Mittheilung weiterer Eigenthümlichkeiten und bemerke nur, dass einige Differenzen, die sich in den Versuchen Beyerinck's-*) und Mcken- ney's ergaben, darauf hindeuten, dass der Einfluss eines Stolfes durch die je- weiligen Culturbedingungen (Stimmung) modilicirt werden kann ^). Allgemein wird aber bei den benutzten Arten schon durch eine ziemlich schwache An- säurung , sowie durch eine etwas stärkere alkalische Beschaffenheit des Cultur- bodens das Leuchten imd auch das ^^'achsthum sistirt ^). 1) Mckenney. I.e. p. 223; Tarchan off. I.e. p. 247. 2) Thatsachen, ausser in den in Anin. i genannten Arbeiten, in den citirten Publi- kationen von B. Fischer. Beyerinck, Lehmann, Katz. 3) Ueber den hemmenden Einfluss der Zuckerarten vgl. Bd. II, p. ^%9. 4) Die Versuche Beyerinck's über den Einfluss bestimmter Stoffe auf das Leuch- ten wurden z. Th. mit Hilfe der II, p. S;j6 erwähnten auxonographischen Methode ausgeführt. o) Da einerseits nach Mckenney fl. c. p. 229 das Leuchten erst nach dem Ein- stellen der Bewegungsthätigkeit beginnt und andererseits sicherlich auch bei den Leuchtbacterien durch dauernde Erhaltung der primären Zusammensetzung des Nähr- bodens erzielt werden kann, dass nie ein bewegungsloser Zustand eintritt (vgl. Bd. II, p. 248), so muss es möglich sein, Bacterien so zu cultiviren, dass trotz üppigster Ver- mehrung kein Leuchten zu Stande kommt. 6 Vgl. Bd. II, p. 129. sowie die Arbeiten von Beyerinck. Mckenney etc. — Die saure und alkalische Reaction, die durch die elektrolytische Zerlegung an den beiden Elektroden geschaffen werden, haben natürlich den entsprechenden Einfluss auf §58 Kap. XV. Erzeugung von Wärme, Licht und Elektricität. Ferner ist das Leuchten aligemein von der Sauerstoffathniuug abhängig und wird desshalb durch die Entziehung des Sauerstoffs sistirt. Es gilt dieses nicht nur für die aeroben Pilze i) (Agaricus melleus, olearius etc.* und Bacterien^], sondern auch für das facultativ anaerobe Bact. phosphorescens Beyerinck, bei dem also mit der Entziehung des Sauerstoffs die Lichlproduction [d. h. eine Partialfunction. vgl. Bd. I, p. 580), aber nicht die Entwickelungslhätigkeit aufgehoben wird. Diese Erfahrungen schhessen natürlich nicht aus, dass fernerhin ein anaerobes ßac- terium gefunden wird, das ohne den Eingriff des freien Sauerstoffs leuchtet, so wie es ja auch möglich ist, dass es gewisse facultativ anaerobe Organismen giebt, deren Cilien auch im sauerstofffreien Medium locomotorisch thätig sind i Vgl. II, p. 793). Bei solcher Abhängigkeit ist es selbstverständlich, dass das Leuchten durch eine zu weitgehende Verminderung oder Steigerung der Partiärpressung des Sauerstoffs abnimmt und endlich unterdrückt wird (I, p. 547; II, p. 1311. Kri- tische Studien über die Verändei'ung des Leuchtens mit der Partiärpressung des Sauerstoffs hegen indess nicht vor. Nach Lehman n^) haben die auf 6 Atmo- sphären comprimirte Luft, sowie der reine Sauerstolf (bei gewöhnlichem Luft- druck) keinen merldichen Einfluss auf das Leuchten des Fleisches und des Hol- zes. Dagegen soll nach Fahre'*) das Leuchten von Agaricus olearius in reinem Sauerstoff zunehmen. Wenn das Leuchten gewisser ßacterien nach Entziehung des Sauerstoffs nur allmählich erlischt, so ist man desshalb, wie früher (I, p. 582) dargethan wurde, nicht berechtigt, eine Speicherung von freiem Sauerstoff im Organismus anzunehmen. Mit der nachweislichen Abhängigkeit von der Athmungsthätigkeit sind (ebenso wie in Bezug auf Wachsen und Bewegen) noch nicht die Mittel und Wege präcisirt, durch welche die Lichtproduction erzielt wird. Diese Produc- tion ist jedenfalls nicht die einfache und noth wendige Folge einer intensiven Athmungsthätigkeit. Das folgt schon daraus , dass letztere auch bei den leuchtenden Organismen mit der Ueberschreitung der supraoptimalen Tem- peratur dauernd zunimmt (I, p. 572), während die Lichtproduction ab- nimmt und endlich sistirt wird. Ferner kommt den leuchtenden Pilzen und Bacterien durchschnittlich keine besonders hervorragende Athmungsintensität das Wachsen und das Leuchten der Bacterien. Vgl. Bd. II, p. 123, sowie Suchsiand, 1. C. 1898, p. 715. 1) Fahre, Annal. d. scienc. naturell. 1835, IV. ser.. Bd. 4, p. 190; Nees von Esenbeck, Nöggerath u. Bischoff, Nova Acta d. Leopoldin. Academ. 1 823, Bd. 11, Th. 2, p. 667, 694. Dass für das Leuchten des Holzes Sauerstoff nöthig ist. constntirten schon Boyle, Dessaignes (Journal d. physique et d. chimie 1809, Bd. 59, p. 29 und PI. Heinrich, Die Phosphorescenz d. Körper 1811, p. 334. 2) Pflüger, 1. c. p. 223; B. Fischer, 1. c. 1887, p. 37; Lehmann, 1. c. 1889 p. 788; Beyerinck, 1. c. 1889; Katz, 1. c. 1891, p. 314; Eijkmann, 1. c. 1892, p. 637. 3) K. B. Lehmann, Einfluss des comprimirten Sauerstoffs auf d. Lebensprocesse, Zürich 1883, p. 87. Ebenso fand Dessaignes (1. c. p. 29) in reinem Sauerstoff keine Zu- nahme des Leuchtens d. Holzes, während Nees, Nöggerath und Bischoff 1. c. p. 693) eine Steigerung desselben angeben. Eine solche Steigerung soll nach Heinrich I.e. p. 332 in der auf 2 Atmosphären comprimirten Luft, aber nicht in reinem Sauerstoff eintreten. 4 Fahre, 1. c. p. 191. § 160. Die Production von Licht. 859 zu 1). Demgemäss strahlen die Leuclitorganismen Licht auch dann aus, wenn die Temperatur ihres Körpers unter der Temperatur der Umgebung liegt, während z. B. der ßlüthenstand der Aroideen trotz der hohen Selbsterwär- mung kein Licht producirt. Es bedarf also jedenfalls specifischer Eigenthümlichkeiten und Thätigkeiten, um in den Stoffwechselprocessen die Erregung von Lichtstrahlen zu erzielen. Da es nun gewisse Körper gibt, die bei langsamer Oxydation ohne eine nen- nenswerthe Temperatursteigerung leuchten 2)^ so muss es wahrscheinlich dün- ken, dass auch die physiologische Lichtproduction durch bestimmte Oxydations- processe im Organismus erzeugt wird, gleichviel, ob es sich dabei um einen bestimmten präformirten und isolirbaren Körper oder um eine besondere Len- kung der gewöhnlichen Athmungsthätigkeit handelt. Thatsächlich sollen sich nach Dubois^j aus Pholas dactylus zwei Stoffe isoliren lassen — er nennt sie Luciferin und Luciferase — , die nach dem Zusammenbringen leuchten, und die also wohl das Leuchten des besagten Organismus verursachen dürften. Muss nun das Leuchten nicht in allen Fällen auf dieselbe Weise erzielt werden, so bleibt es doch auch dann, wenn es auf einem separirbaren Stoff beruht, ein physiologischer Process, dessen Realisirung eben von der Production des Leuchtstoffes abhängt. Durch die Lenkung dieser Production, sowie durch die Lenkung und Herstellung der Oxydationsbedingungen ist somit auch die physiologische Regulirung des Leuchtens möglich (vgl. Bd. I, § 93). Denn so gut wie z. B. durch Separation zerfällbare Stoffe in der Zelle intact erhalten bleiben, könnte sehr wohl durch geeignetes Trennen und Zu- sammenführen die Verwendung und Umsetzung des vorhandenen leuchtfähigen Körpers regulirt, somit auch sistirt oder transitorisch activirt werden. Je nachdem der supponirte Stotf (oder die Stoffe) nur in der Zelle activirt oder auch secernirt werden, wird dann eine intracellulare oder auch eine extracellu- lare Lichtentwickelung eintreten-*). In wie weit das Letztere vorkommt, ist 1) Das schliesst nicht aus, dass ein Organ am lebhaftesten in demjenigen Ent- wickelungsstadium athmet, in dem es leuchtet, wie das Fahre (1. c. p. 193] bei Aga- ricus olearius fand. 2) Nach Radziszewki (Annal. d. Chemie 1880, Bd. 203, p. 330; Bericht, d. ehem. Gesellsch. 1877, p. 321 ; 1883, p. .'jS?) leuchten z. ß. schon bei 10° C. Lophin in alkalischer Lösung und Leberthran, der in Toluol gelöst und mit einigen Tropfen Cholin- oder Neurinlösung versetzt ist. Ferner leuchtet nach Dubois (Compt. rend. 1901, Bd. 132, p. 431) Aesculin in alkoholischem Kali. 3) R. Dubois, Lecons d. Physiologie 1898, p. 524 ; Compt. rend. 1896, Bd. 123, p. 653. — Dubois hatte früher einmal die Ansicht ausgesprochen, dass die Licht- entwickelung durch die Umwandlung von coUoidalen in krystalloide Körper bewirkt werde. 4) Bei Noctiluca wird das Licht im Innern, und zwar hauptsächlich an bestimm- ten Punkten, entwickelt. Doch wird das Leuchten nach dem Zerquetschen noch kurze Zeit fortgesetzt. Bütschli, Protozoen 1883 — 87, Abth. 2, p. 1092. — Ob das Leuchten des Holzes nur in den Pilzhyphen oder auch ausserhalb dieser stattfindet, ist noch nicht entschieden. Vgl. Ludwig, Lehrb. d. niederen Cryptogamen 1892, p. 530. — Das Erlöschen des Leuchtens mit dem Tode u. s. w. ist aber nicht, wie z. B. Leh- mann (I.e. 1889, p. 789) und Beyerinck {1. c. 189^, p. 32; annehmen, ein Argu- ment gegen die Existenz eines producirten Leuchtstoffs. Die Annahme Beye- rinck's (1. c. 1891, p. 61 , dass der Uebergang von Pepton in organisirte Sub- 850 Kap. XV. Erzeugung von Wärme. Licht und Elektricität. noch nicht genügend sichergestellt. Jedenfalls sind die hezügUchen Angaben mit Vorsicht aufzunehmen, da in manchen Fällen das Leuchten von secernirten Schleimen etc. nachweislich durch die Gegenwart von Leuchtbacterien bedingt war. Wie aber auch das physiologische Leuchten zu Stande kommen mag, so liegt doch in jedem Falle eine Chemiluminescenz vor (II, p. 854), bei der, ebenso wie bei dem Leuchten von Lophin etc., chemische Energie, ohne wesentliche Temperaturerhöhung des Küq^ers, in strahlende Lichtenergie umgesetzt wird. Somit ist der Process nicht mit einer erheblichen V^ärmeabgabe an die Um- gebung verknüpft, imd insofern wird in Bezug auf die Lichtproduction viel spar- samer gearbeitet, als dann, wenn ein Körper durch Erhitzen zur Aussendung von leuchtenden Strahlen gebracht wird^]. A^'elcher Energieaufwand freilich nothwendig war, um in dem Organismus (oder auch ausserhalb desselben) den ökonomisch arbeitenden, leuchtenden Stoff zu gewinnen, das bleibt bei obigen Erwägungen unbestimmt 2). Uebrigens ist es einleuchtend — und steht nicht in Widerspruch mit dem zweiten Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie — . dass unter den besagten Bedingungen die strahlende Energie von einem kälteren auf einen wärmeren Körper übergehen kann, indem in diesem die Lichtstrahlen absorbirt werden 3). Zusainmeusetznng des Lichts^). — hi Kürze sei nur bemerkt, dass das ausgesandte Licht bei gewissen Arten weisslich, bei anderen bläulich oder grün- lich erscheint, dass aber, wie es scheint, die Färbung mit den Culturbedingungen und Ausseneinflüssen eine gewisse Veränderung erfahren kann. Wie es auch die spectroskopische Prüfung des Lichts ergiebt, werden also die verschieden brechbaren Strahlen nicht immer in demselben Verhältniss producii't. Die Existenz von Strahlen, die, wie die Röntgen- und Decquerelstrablen, durch undurchsichtige Körper auf die pholographiscbe Platte wirken, vermochte Suchsland") nicht nachzuweisen. stanz mit Lichtentwickelung verknüpft sei, ist durch keine maassgebenden Erfahrungen gestützt. 1) S. P. Langley u. F. W. Very, Beibl. z. d. Annal. d. Physik u. Chemie 1890, Bd. U, p. -1096; Dubois, 1. c. 1898, p. 376. 2) Vgl. dieses Buch, Bd. IL Kap. XVL 3) E. Wiedemann, Annal. d. Physik und Chem. 1889, N. F. Bd. 38. p. 485. 4) Ludwig, Zeitschrift f. wissenschaftl. Mikroskopie 1S84. Bd. 1, p. 181; 1. c. 1892, p. 78, 387; Lehmann, Centralbl. f. Bacteriol. 1889, Bd. ö, p. 787: Dubois, 1. c. 1898, p. 510. 5) Suchsland, 1. c. 1898, p. 715. Gleiches berichten M. Barnard u. A. Mac- fadyen, Annais of Botany 1902. Bd. 16, p. 387, und H. Molisch, Sitzungsber. d. Wiener Akadem. 1903, Bd. 112, Abth. I, p. 305, 3i0.1 § \61. Die Production von elektrischen Spannungen in der Pflanze. 861 Abschnitt IIT. Die Production von elektrischen Spannungen in der Pflanze. § 161. Pflanzen, denen, wie gewissen Fischen, die Fähigkeit zukäme, einen direct wahrnehmbaren elektrischen Schlag zu ertheilen, sind nicht bekannt. Wohl aber lässt sich auch bei den Pflanzen die selbstthätige Schafl'ung von elektrischen Spannungen nachweisen, die indess, wie bei den meisten animalischen Wesen, so schwach sind, dass sie sich nur mit Hilfe feiner Messungsmetboden er- kennen lassen. Diese kommen im allgemeinen darauf hinaus, dass man an zwei Punkten des Versuchsobjectes unpolarisirbare Elektroden anlegt und verfolgt, ob das in den ableitenden Bogen eingeschaltete ernpfindUche Galvanometer (Elektrometer) einen Strom anzeigt. Trifft dieses zu, so ist damit zunächst nur erwiesen, dass zwischen den beiden in leitende Verbindung gebrachten Punkten eine Potentialdifferenz besteht, aber nichts darüber ausgesagt, wie die Elektri- cität producirt wird, und wie die Potentialdifferenz im näheren zu Stande kommt. Aus der Existenz und der Fortdauer des elektrischen Stromes in dem ab- leitenden Bogen ergiebt sich aber einmal, dass die maassgebenden Potentialdiffe- renzen durch continuirliche Thätigkeit dauerd unterhalten werden, und ferner, dass sich, analog wie in einem galvanischen Element, im Inneren des Pflanzen- theils (von einer zur anderen Elektrode) ein elektrischer Strom bewegt, und zwar in entgegengesetzter Richtung wie in dem ableitenden Bogen. Die Be- seitigung des ableitenden Bogens muss aber einen Einfluss auf die elektrische Bewegung im Inneren der Pflanze ausüben, wenn es auch unwahrscheinlich ist, dass die internen Ströme in analoger Weise aufhören, wie in einem gal- vanischen Element nach Aufhebung der leitenden Verbindung zwischen den beiden Polen. Denn da in der Pflanze offenbar an verschiedenen Punkten Elektricität producirt (frei) wird, so müssen sich auch ausgleichende Ströme einstellen. Wie diese verlaufen , das hängt aber nicht allein von der Lage der geschaffenen und unterhaltenen Potentialdifferenzen, sondern auch von der Beschaffenheit, Gruppirung, Leitfähigkeit u. s. w. der umgebenden und ver- bindenden Zellen und Gewebecomplexe, also von einer Reihe von Factoren ab , deren Gombination zur Folge haben kann , dass in einem Pflanzentheil dauernd elektrische Ströme in bestimmter Weise und Richtung kreisen. Da uns aber eine nähere Einsicht in die realen Vorgänge fehlt, so können wir uns nur an die Erfahrungen halten, welche durch die Controle des Stromes im ableiten- den Bogen gewonnen sind. In der Schaffung von freier Elektricität und in der Ausbildung von elek- trischen Potentialdifferenzen tritt uns, ebenso wie in der Bildung von Wärme und von Temperaturdifferenzen (II, § 156), nur die Resultante aus einer unbekannten Anzahl von Processen entgegen. Es ergiebt sich demgemäss Thermoneutralität bezw. Elektroneutralität, wenn die Gesammtsunmie der 862 Kap. XV. Erzeugung von Wärme, Licht und Elektricität. positiven und negaüven Werthe = Null wird. Unter diesen Umständen beob- achten ^vir also an der Obertläche eines Organes bei dem Anlegen des Ther- mometers (der thermoelektrischen Nadel) oder der Elektrode keine calorische bezw. keine elektrische Potentialdifferenz, gleichviel ob die Cornj^ensation der positiven und negativen AVerthe schon in jeder einzelnen Zelle stattfindet, oder erst in dem Zellcomplex, dessen GesammtclTect bei unseren Messungen zur Beob- achtung kommt. Ist nun auch die Production von Elektricität in der Pflanze nicht näher aufgeklärt, so ergiebt sich doch aus den noch mitzutheilenden Erfahrungen, dass freie Elektricität, ebenso wie die Wärme (II, § 156), hauptsächlich durch die directe oder indirecte Vermittelung des Stoffwechsels geschaffen wird. Natür- lich können Elektricität und Wärme auch durch andere Processe erzeugt wer- den, so z. B. durch die mechanische Wirkung der Wasserbewegung in capillaren Räumen und innerhalb der Membranen, jedoch wird auf solche Weise in der Regel nur eine verhältnissmässig geringe Menge von Elektricität oder Wärme gewonnen (vgl. II, § 162). Bekanntlich tritt in sehr verschiedenartigen chemischen Processen eine Um- wandlung von chemischer in elektrische Energie (und umgekehrt) ein, vmd factisch ist, soweit Ionen (Elektroljte) in Betraclit kommen, jeder chemische Process mit einem elektrischen Vorgang verknüpft. Auch kann unter verschie- denen Umständen eine derartige Trennung der positiven und negativen Elektricität zu Stande Ivommen, dass eine Potentialdil'ferenz durch die Ableitung eines Stromes nachweisbar wird. Das geschieht z. B. allgemein, wenn Oxydationsvorgänge und Reductionsvorgänge (beide im generellen Sinne genommen) zwar in wechsel- seitiger Beziehung, aber nebeneinander (räumlich getrennt) verlaufen^). Jedoch ist in vielen Fällen auch ein Strom ableitbar, wenn bei dem Zusammentreffen von zwei Stoffen (durch Diffusion etc.) eine chemische Beaction eintritt 2j. Nun sind aber in der Pflanze stets Oxydations- und Beductionsvorgänge im Gange. Zudem sind dm"ch die räumliche Trennung (auch der gelösten Stoffe) und die regulatorische Lenkung des Austausches und des Umsatzes (Bd. I, § 77, 93, 108, sowie Kap. IV) in ausgezeichneter Weise Bedingungen geboten, durch welche elek- trische Unterschiede (Potentialdifferenzen) sowohl zwischen den Theilen (Cyloplas- ma. Kern, Vacuolen etc.) der einzelnen Zelle, als auch zwischen den benach- barten und entfernten Zellen und Gewebecomplexen eines Organes erzielbar sein müssen. Infolge der Semipermeabilität der Plasmahaut ist es aber auch denkbar, dass nur die eine Art von Ionen hindurchwandert, und dass auf diese Weise (wie auch schon durch die ungleiche Wanderungsschnelligkeit der Ionen) ein elektrischer Unterschied geschaffen wird, der, insbesondere wenn die Ionen anderweitig mit Beschlag belegt werden, einen ablenkbaren, continuirlichen Strom zu liefern ver- 1, Ich muss mich hier auf Andeutungen beschränken. Näheres findet man z. B. bei Ostwald, Grundriss d. allgem. Chemie III. Aufl.. 1S99, p. 375— 480; Lehrbuch d. allgem. Chemie II. Aufl. 1893, Bd. 2, Th. 1, p. 518 ff. 2j So erhält man z.B. nach Haake. Flora 1892. p. 465 im ableitenden Bogen einen ansehnlichen Ausschlag des Elektrometers in dem Augenblick, wo in einem nas- sen Streifen Fliesspapier Kupfervitriol und Ferricyankalium zusammentreffen und in Reaction treten. — Anderweitige Versuche z. B. bei Dnbois. Centralbl. f. Physiol. 1901, Bd. 14, p. 32. § 1G1. Die Prodnction von elektrischen Spannungen in der Pflanze. 863 iiioji'l. Soinit können dios)iiolische- und DilTusions-Yori^ünge die nähere Ui'sache eines elektrischen Stromes sein, der iil»crhaupt auf verschiedene Weise durch Concentrationsdifferenzen zu Stande kommen kann 2). Jedoch führen sich auch derartige Ströme auf die Sloffwechselthätigkeit zurück und sind von dieser ab- hängig, da in dem Organismus durch die Stoffwechselthätigkcit die Concen- tratiousunt erschiede und die anderen Vorbedingungen geschafren und unter- hallen werden (II, Kap. XVI). Unter allen Umständen hängl es al)cr von einer Reihe von Bedingungen ab, ob in einem bestimmten Svsleme eine Polentialdifferenz zu Stande kommt, welche ipractisch) durch die A])lenkung eines Stromes nachweisbar ist, und ob eine er- hebliche Menge von Elektriciiät geliefert wird. Ich erinnere luu- daran, dass eine ansehnliche Menge von Elektricitäl entslehl, wenn ein Zink- und Platinstal), die in verdünnter Schwefelsäure stehen, leitend verbunden sind, während nach der Entfernung des Verbindungsdrahtes l)eim Auflösen des Zinks die Gesammt- menge der disponibeln chemischen Energie in Wärme transformirt wird. Anderer- seits ist es klar, dass an der Oberfläche keine Potentialdifferenz bestehen muss, wenn sich im Inneren (zwischen Cytoplasma, Zellsaft etc.) elektrische Spannungen und Ströme entwickeln. Zudem vermag man mit den in der Physiologie üblichen Methoden an einer winzigen Zelle nicht zu erkennen, ob eine Potentialdifferenz vorhanden ist, die sich aber thatsächlich an der einzelnen, grossen Internodialzelle von Nitella nachweisen lässt (II, § 16 2). Da in der Pflanze freie Elektriciiät gleichzeitig in verschiedenen Processen erzeugt werden kann , da ferner z. B. mit der Veränderung der Aussentemperatur alle physiologischen Thätigkeiten und somit auch diejenigen modificirt werden, durch welche u. a. die Goncentrationsdifferenz (d. h. die Bedingungen für eine supponirte Goncentrationskette etc.) geschaffen und regulirt werden, so lässt sich die Veränderung der elektrischen Spannung mit der Temperatur nicht ohne weiteres zu Schlüssen in Bezug auf das Zustandekommen der elektromotorischen Ki*aft im Organismus verwenden. Der Umstand, dass die elektromotorische Kraft der zu dem Typus der Goncentrationsketten gehöi'igen physikalischen Anordnvmgen mit der Temperatur ansteigt, lässt also unentschieden, ob, wie es Bernstein^) will, im Muskel die elektromotorische Kraft in derartigen Vorgängen, also nicht direct durch chemische Processe, gewonnen wird. Factisch ist die Elektriciläts- production auch seitens der Thierphysiologen noch nicht aufgeklärt. Indess scheint auch bei den Thierphysiologen mehr und mehr die Ansicht an Boden zu gewinnen, dass die elektromotorische Kraft in der Hauptsache in irgend einer Weise durch chemische Processe gewonnen wird'*). Bei einer gründlichen 1) Ausser der in Anm. l p. 862 citirten Lit. vgl. z. B. Ostwald, Zeitschr. f. physikak Chem. 1890. Bd. 6. p. 69; Waiden, ebenda 1892, Bd. 10, p. 718; Oker-Blom, Pflüger's Archiv f. Physiol. 1901. Bd. 84, p. 191. 2) Ueber Goncentrationsketten siehe z. B. Ostwald, Lehrb. d. allgem. Chemie I. c. p. 824; Grundriss 1. c. p. 442. 3 J. Bernstein. Pflüger's Archiv f. Physiologie 1902, Bd. 92, p. 521. An dieser Stelle, sowie z.B. bei Winkelmann, Handbuch d. Physik 190;^, p. 420, ist auch das Nöthige über die Wärmetönung in verschiedenartigen Kettenanordnungen zu finden. 4) Bei Biedermann (Elektrophysiologie 1895, p. 300) ist zu ersehen, dass zuerst L. Hermann, dann aber besonders E. Hering Lotos 1889, N. F. Bd. 9, p. 56) die elektromotorische Kraft in animalischen Organen auf chemische Processe zurückzu- führen suchte. Bei den Theorien du Bois-Reymond's, welche die beobachteten elektrischen Aeusserungen aus peripolaren u. s. w. Molecülen zu erklären suchen, ist über die Energiequelle ohnehin nichts ausgesagt. §ß4 Kap. XV. Erzeugung von Wärme, Licht und Elektricität. Ausnutzung der Errungenschaften der physikaUschen Chemie dürfte es übrigens dei"zeit wohl niögUch sein, durch eine lii'itische Untersuchung wenigstens eine gewisse Einsicht zu gewinnen. Da nach dem Tüdten eines Sprosses u. s. w. eine anomogene Vertheihing der Inhaltsstoffe vorhanden ist, bei deren Ausgleichung unter Umständen (mit oder ohne chemischen Umsatz) elektrische Ströme entstehen, so ist es nicht auffallend, dass zuweUen an dem todten Organe ein Strom ableitbar ist, der nach kurzer oder längerer Zeit verschwindet i). Mag es sich nun bei der Erzeugung dieses postmortalen Stromes um Vorgänge und Umsetzungen han- deln, die auch während des Lebens thätig sind, oder die erst mit der Ver- nichtung dieses inscenirt werden , so fällt doch mit dem Tode die Ge- sammtheit der mit der vitalen Thätigkeit verketteten physiologischen Processe und Reactionen aus. Demgemäss tritt mit der Vernichtung des Lebens stets eine weitgehende Verschiebung (oder auch eine sofortige Aufhebung) der bis- herigen elektrischen Spannungsverhältnisse ein. Bedenkt man, dass mit einem jeden chemischen Process LTmsetzungen und Umlagerungen von Elektricität und elektrischer Energie verknüpft sind, die aber nur bei anomogener Vertheilung und unter bestimmten Bedingungen einen ab- lenkbaren elektrischen Strom liefern, so ist klar, dass auch in der Pflanze durch den Stoffumsatz (überhaupt durch die vitale Thätigkeit) nicht unbedingt eine nachweisbare elektrische Potentialdifferenz erzeugt werden muss, und dass diese durch eine autogene oder aitiogene Modification der Thätigkeit nicht unter allen Umständen modificirt wird. Allerdings dürfte sich bei einer Veränderung der Thätigkeit in der Regel eine gewisse Verschiebung der elektrischen Spannung einstellen, indess ist noch nicht näher untersucht, ob sich eine solche in allen Fällen nachweisen lässt. Soweit nähere Untersuchungen vorliegen, scheint wenigstens eine weitgeh- ende (transitorische oder bleibende) Veränderung der vitalen Thätigkeit mit einer transitorischen oder permanenten Verschiebung der elektrischen Potential- differenzen verknüpft zu sein 2). Ein solcher Erfolg wird z. B. in sehr auffälliger Weise durch die Entziehung des Sauerstoffs, durch die Veränderung der Tem- peratur, durch Chloroform etc., sowohl bei ditiuser Einwirkung, als auch dann hervorgerufen, wenn nur ein Theil des Stengels etc. den veränderten Bedingungen I 1' Ein allmähliches Erlöschen des elektrischen Stromes beobachteten z. B. Ranke (Sitzungsb. d. Bayrischen Akad. 1892, p. 181) und Munk iDie elektrischen u. ßewegungs- erscheinungen im Blatte von Dionaea 1876. p. 43). Dass auch nach den plötzlichen Tödten in heissem Wasser oder Wasserdampf zunächst noch ein Strom ableitbar ist, fanden z. B. Veiten (Bot. Zeitung 1876, p. 296) und 0. Haake (Flora 1892, p. 467 Anm.). Wenn, wie Haake berichtet, dieser Strom am abgetödteten Stengel von Pi- sum in dampfgesättigter Luft schnell schwindet, durch Einlegen in Wasser aber von neuem erweckt wird, so muss der Grund wohl in einer Concentrationsdifferenz zu suchen sein, die durch die oberflächliche Auslaugung wieder hergestellt wird. Nach A. D. Waller (Centralbl. f. Physiol. 1901, Bd. 15, p. 480) ist der Tod durch Kälte von einer explosionsartigen elektrischen Action begleitet. 2) Es handelt sich hierbei um analoge Beziehungen, wie bei der Beeinflussung der Wachsthums- vmd Bewegungsthätigkeit (vgl. Bd. II, § 2i, 77 u. s. w.), und es ist dess- halb auch klar, dass sich eine bestimmte Grenze zwischen Ruhestrom und Actions- strom nicht errichten lässt. Vgl. auch Biedermann, 1. c. p. 331. § 161. Die Production von elektrischen Spannungen in der Pflanze. 865 und Einwirkungen ausgesetzt wird. In dem zuletzt genannten Falle, ebenso bei localer Verletzung, machen sich nicht nur weitgehende Verschiebungen und Um- kehrungen der elektrischen Potentialdifferenzen bemerklich, sondern diese treten nunmehr in Folge der ungleichen Inanspruchnahme und Thätigkeit auch zwi- schen solchen Stellen auf, die sich zuvor isoelektrisch (stromfrei) erwiesen hatten (vgl. II, p. 861). Ein derartiges Verhalten zeigen auch ausgewachsene Organe, bei denen, sofern sie im übrigen unter constanten Bedingungen im dampfgesätligten Raum gehalten werden, durch die Sauerstoffentziehung etc. im wesentlichen nur die Stoffwechselthätigkeit modificirt wird. Bei der Beurtheilung der erheblichen Stromschwankungen, die bei der Reizbewegung des Blattes von Dionaea oder Miniosa u. s. w. bemerklich werden, sind natürlich auch die Krümmungsthätig- keit, sowie die mit dieser verknüpften Vorgänge (Wasserströmung u. s. w.) in Betracht zu ziehen. Nach dem Gesagten ist es verständlich, dass man zwischen den symmetrischen Punkten eines Blattes, Stengels u. s. w., häufig keine Potentialdifferenz beobachtet, aber doch nur dann, wenn sich das Organ allseitig unter gleichen Bedingungen befindet, und wenn demgemäss die symmetrischen Stellen in gleicher Weise in Anspruch genommen sind. Andererseits können sich aber auch zwei morpho- logisch und functionell verschiedene Organe isopotential erweisen. Aus der Umkehrung des Stromes im normalen Leben oder unter bestimmten Aussenbe- dingungen folgt ferner, dass mit dem polaren Bau eines Organes keine fixe elektrische Polarität verknüpft ist. Weiter ist aus der Erfahrung, dass an- scheinend von jedem Punkte eines lebendigen Organes i), normalerweise oder unter veränderten Verhältnissen, ein elektrischer Strom abgeleitet werden kann, zu ersehen, dass der Organismus befähigt ist, an jeder Stelle eine elektrische Spannung zu schaffen. Auch geht aus dem Mitgetheilten hervor, dass alle Pflanzen nicht nur Wärme, sondern auch Elektricität zu produciren vermögen, während die Befähigung zur Production von Licht nur einzelnen Pflanzen zu- kommt (II, § 1 60). In den vorausgegangenen Erörterungen ist zur Genüge gekennzeichnet, dass und warum sich die elektrische Spannung an der Oberfläche der Pflanze mit den inneren und äusseren Bedingungen verändert. Uebrigens ist die Potential- differenz immer nur gering, kann aber doch in günstigen Fällen an intaclen und an verletzten Organen 0,1 — 0,14 Volt 2), also einen Werth erreichen, wie er am ruhenden Muskel für die Spannung zwischen Längs- und Quer- schnitt gefunden wird. Ueber die Mengen von freier Elektricität, die in der Pflanze producirt und durch die (vermuthlich) im Inneren kreisenden Ströme (II, p. 861) befördert werden, lässt sich zur Zeit nichts sagen. Eine bestimmte Schlussfolgerung über 4) Ich sehe hier von den Fällen ab. in welchen die Epidermis abgestorben und vielleicht durch einen Korkmantel eine schlecht oder lim trockenen Zustande) kaum leitende Schicht gebildet ist. 2 Thatsaclien, auch für intacte Pflanzen, z. B. in den Bd. II, p. 8G9 citirten Ar- beiten von Müller-Hettlingen, Kunkel, Burdo n- San derso n , Haakeu.s.w. Vgl. auch Biedermann, Elektrophysiologie 1893. p. 441. Pfeffer , Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 55 ggß Kap. XV. Erzeugung von Wärme, Licht und Elektricität. diese Frage und die internen Ströme würde sich auch dann nicht ziehen lassen, wenn wir besser über die sicherlich differente Leitfähigkeit u. s. w. der ver- schiedenartigen Zell- und Gewebecomplexe aufgeklärt wären. Thatsächlich ist aber nur bekannt, dass auch den pflanzlichen Geweben ein hoher Leitungs- widerstand zukommt, der wohl öfters, ebenso wie bei den thierischen Geweben, den Leitungswiderstand des Quecksilbers um das 1 — 2 millionfache übertrifl't ^j. Ohne Frage wird der Widerstand in diesen Leitern zweiter Ordnung mit der Verkettung der Zellen, mit der Natur der imbibirenden Lösung u. s. w., also auch mit gewissen reactionellen Vorgängen (z. B. mit secretorischen Thätigkeiten, Injection von Intercellularen), Veränderungen erfahren. Es ist desshalb nicht auffallend, dass schon die vorübergehende Durchleitung eines kräftigen elektri- schen Stromes den Leitungswiderstand transitorisch herabsetzt 2). V^ie schon früher (II, p. 861 ) angedeutet ist, muss der Leitungswiderstand auch einen gewissen Einfluss auf die Ausbildung der Spannung an der Oberfläche eines Pflanzen- organes haben, da diese im allgemeinen aus Zuleitung und Ableitung resultirt und demgemäss sinken wird, wenn z. ß. der Leitungswiderstand in den zu- führenden Bahnen steigt. Abgesehen von den elektrischen Fischen, bei denen die intensiven Ent- ladungen als Schutz- oder Angriffsmittel dienen, wissen wir zur Zeit nicht, ob die Elektricität in den vegetabilischen und animalischen Organismen mit Absicht auf bestimmte Ziele und Zwecke producirt wird, oder, wie die AVärme bei den poikilothermen Wesen (II, p. 831), nur als unvermeidliche Begleiterscheinung des Stoffumsatzes und der übrigen Vorgänge im Organis- mus zu Tage tritt. Denn die Erfahrungen, dass gewisse Organismen auf stärkere Ströme galvanotropisch reagiren (II, § 154, 118), gestatten nicht ohne weiteres die Schlussfolgerung, dass die schwächeren Eigenströme in der Pflanze und im Protoplasten zur Auslösung von orientirenden oder anderen Reizungen-') oder zum Transport von Ionen, also zum Stofl'austausch und zum Stofftransport (I, p. 88), nutzbar gemacht werden. Auch gewähren die ander- weitigen Erfahrungen über die Beeinflussung der Thätigkeit durch Elektricität^: 1) Vgl. z.B. Biedermann, I.e. p. 704; A. Kunkel, Arbeit, d. Botan. Instituts in "Würzburg 1879, Bd. 2, p. 333; T. L Wjasemsky, Ueber den Einfluss d. elektrischen Ströme auf d. Leitungswiderstand der Pflanzengewebe 1901; G. Galeotti, Zeitschrift f. Biologie 1902, Bd. 43, p. 289. — Angaben über die Leitfähigkeit des nassen und trockenen Holzes finden sich z.B. bei E. Villari, Annal. d. Physik u. Chemie 1868, Bd. 133, p. 418; D. Mazotto, Bot. Jahresb. 1897, p. 92. 2) T. L Wjasemsky, 1. c. Ob der Erfolg, wie dieser Forscher (1. c. p. 26) an- nimmt, nur dadurch herbeigeführt wird, dass durch den Strom Wasser von den feuch- ten Elektroden in das Innere geführt wird, muss dahin gestellt bleiben. Jedenfalls muss die relativ hohe Impermeabilität der Cuticula etc. für Wasser und gelöste Stoffe einen hohen Einfluss auf die Leitfähigkeit (also auf die Wanderung der Ionen) haben, und unter Umständen kann die so erschwerte Leitfähigkeit bewirken, dass von der Epidermis, trotz der elektromotorischen Thätigkeiten in den unterliegenden Geweben, kein Strom ableitbar ist. 3) Natürlich kann jede, also auch die durch den elektrischen Strom erzielte anomogene Vertheilung eines Stoffes die Veranlassung von orientirenden oder ander- weitigen Reizungen und Reizübermittelungen werden. Vgl. Bd. II, p. 825, 226 u. s. w. 4) Vgl. Bd. II, p. 122 und die in jüngster Zeit erschienenen Publikationen von § 161. Die Productioa von elektrischen Spannungen in der Pflanze. 867 keine Anhaltspunkte, nach denen man mit einiger Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte Bedeutung der schwachen Eigenströme schliessen könnte. Indess ist nicht zu vergessen, dass schon durch schwache Ströme ansehnliche Reiz- erfolge und bei continuirlichem Wirken auch ansehnliche Leistungen vollbracht werden können (I, p. 88, 519 etc.). Andererseits würde man sich auf Grund der physikalisch-chemischen Erfahrungen geradezu darüber wundern müssen, wenn bei den besonderen Bedingungen und Verhältnissen, unter denen die Stoil'wechsel- und Stoffwanderungsprocesse durchgeführt werden, freie Elektri- cität und elektrische Ströme nicht entständen. Wie dem auch sei, jedenfalls sind die Stromschwankungen in dem ablei- tenden Bogen Folgen und Zeichen irgend einer autogenen oder aitiogenen Ver- änderung im Inneren der Pflanze. Somit können dieselben (ebenso wie die Licht- und Wärmeproduction und andere wahrnehmbare Vorgänge) auch dann als In- dicien für die Realisirung einer internen Verschiebung dienen, wenn wir über den Entstehungsmodus der Elektricität und über die näheren Vorgänge, welche die Stromschwankung veranlassen, nicht orientirt sind. Da nun die Strom- schwankungen sehr genau verfolgbar sind und sich schnell (also öfters vor der Bewegungsreaction etc.), sowie auch da einstellen, wo eine sichtbare Reac- tion nicht zu Stande kommt, so werden sie in dem besagten Sinne sicherlich viel ausgedehnter nutzbar gemacht werden können, als es bisher geschah. Zu einer eingebenden Schilderung des formalen Verlaufs der Stromschwan- kungen haben wir ebensowenig Veranlassung, wie zu einer eingehenden Be- schreibung der Eigenheiten des Verlaufs irgend einer Reizbewegung, da ein causales Verständniss durch die beste Kenntniss des formalen Geschehens nicht gewonnen wird^). Wir haben desshalb die Erfahrungen über die formale Gestaltung der Strom- und Spannungsverhältnisse nur soweit zu berück- sichtigen , als es zur allgemeinen Charakterisirung der elektrischen Leistungen und zur Kennzeichnung des Zusammenhanges der Elektricitätsproduction mit anderen Vorgängen in der Pflanze geboten ist. Uebrigens gelten die allge- meinen Erörterungen (II, p. 363) über den Verlauf von Bewegungsreactionen im Princip auch für die durch einen Eingriff veranlassten Schwankungen in dem abgeleiteten elektrischen Strome, die natürlich im näheren nicht mit den Os- cillationen u. s. w. bei den Bewegungsreactionen etc. übereinstimmen müssen. Da wir hier die Eigenproduction von Elektricität behandeln, so haben wir (analog wie bei der Wärmeproduction) die Erfolge durch die äussere Einwirkung der Elektricität, die ohnehin schon mitgetheilt wurden (II, § 28, M 8, 154), nur soweit zu berücksichtigen, als es zum Verständniss der Selbstproduction der Elektricität und der Bedeutung dieser nothwendig erscheint. Auch ist es für H. Euler, Meddelanden frän Stockholms Högskolas Botaniska Institut 1899, Bd. 2, so- wie S. Lemström, Elektrokultur, deutsch von Pringsheim 1902. ■1) »Leider muss man bekennen, dass, ungeachtet der zahllosen Arbeiten und Ent- deckungen auf diesem so viel und gern durchforschten Gebiete, ein sehr auffälliger Widerspruch zwischen der Summe von Kenntnissen und Erscheinungen im Einzelnen und der fast gänzlichen Unkenntniss ihrer Bedeutung für die Function der betreffenden Gewebe hervortritt«, sagt Biedermann (1. c. p. 273) in Bezug auf die elektrophysio- logischen Untersuchungen an animalischen Organismen. 55* 868 Kap. XV. Erzeugung von Wärme, Licht und Elektricität. uns nicht geboten z. B. die Eigenthümlichkeiten der Stromschwankungen etc. zu discutiren, die sich bei einer elektrischen Reizung, infolge der Polarisation etc., ergeben können. Methodisches. Der Nachweis und die Messung der elektrischen Ströme und Spannungen in dem ableitenden Bogen geschieht mit den in der Thierphysiologie gebräuchlichen und in zahlreichen Untersuchungen zu einer hohen Vollkonuneii- heit gebrachten Methoden. Unter Verweisung auf die bezügliche thierplysio- logische Literatur 1) bemerke ich nur, dass man am besten unpolarisirbare Pinsel- elektroden (vgl. Fig. 91 e und Fig. 87, p. 823) verwendet, bei welchen der iil>- schliessende Thonpfropfen und der hervortretende Pinsel entweder luit Brunnen- wasser oder mit einer 0,05 pi'oc. Chloi"natriuinlösung angefeuchtet werden. Durch Erneuerung des Thons und durch häufiges Auswaschen des Pinsels hat man dafür zu soi'gen, dass sich in diesem keine schädigende Menge \'on dem in der Glas- röhre befindlichen Zinksulfat ansammelt. Um im dampfgesättigten Raum zu arbeiten und zugleich die Wirkung von Gasen u. s. w. prüfen zu können, brachte Haake^j die Versuchsobjecte in ein weiteres Glasrohr a (Fig. 9 I ), das mit zwei Ansätzen {b) versehen war, durch die je eine Elektrode e mit Hilfe einer Kautschouk- kappe k luftdicht und doch beweglich eingeführt wurde. Die durch die Pfropfen p geschlossene Glasröhre a gestattet die Luft durch Wasserstoff zu verdrängen oder die eingeschlossene Pflanze der Wirkung von Gasen und flüchtigen Körpern auszusetzen. Ist das Glasrohr aus zwei bei c — c übereinanderschiebbaren Hälften zusammengesetzt, so lässt sich mit Hilfe einer bei c — c anzubringenden Kork- scheibe (die gedichtet wird) mittelst Cacaobutter ein Stengel, Blatt etc. so ein- führen, dass man z. B. die in die linke Hälfte des Glasrohrs a ragende Partie des Versuchsobjectes in Wasserstoff oder in die mit bestimmten Stoffen versehene Luft bringen kann. Will man aber die eine Hälfte eines Stengels etc. erwärmen \) Siehe z.B. L. Hermann, Physiolog. Practicum 1898. p. 75; Biedermann, ElektrophysiologielSOä. Ferner die auf Pflanzen bezüglichen, Bd.U, p. 869 citirten Arbeiten von Burdon-Sanderson, Kunkel, Haake u. s. w. — Ueber unpolarisirbare Elek- troden vgl. auch die Bd. H, p. 823 citirte Literatur. Da schon durch das Aufsetzen eines Wassertropfens, somit auch durch das Anlegen einer feuchten Elektrode, ein transitorischer Ausschlag verursacht wird (vgl. H, § 162), so hat man mit Vorsicht zu verfahren und dafür zu sorgen, dass nicht die eine Elektrode einen stärkeren Effect hervorruft als die andere. 2) Haake, Flora 1892, p. 461. § 162. Die Production von elektrischen Spannungen in der Pflanze. Fortsetzung. 869 oder abkühlen, so führt man ihn durch eine bei c — c anzubringende Watte- schicht. Zur Controle des Stromes im ableitenden Bogen dient entweder ein empfind- liches Spiegelgalvanometer oder wohl am besten das Lippmann 'sehe Capillar- elektrometer, das bei Untersuchungen an Pflanzen z. B. von Kunkel, Haake, theilweise auch von Bur don-Sanderson u. A. angewandt wurde. Bei die- sem Instrument wird bekanntlich die Verschiebung des Quecksilberfadens in der in verdünnter Schwefelsäure stehenden Capillare beobachtet, eine Verschiebung, die dadurch zu Stande kommt, dass beim Durchleiten eines elektrischen Stromes eine Veränderung der Capillaritätsconstante eintritt^). Bei Verwendung einer engen Capillare und eines genügend vergrössernden Ablesemikroskopes^) lassen sich Spannungsänderungen von weniger als 0,00 05 Volt verfolgen. Auch können sogar sehr schnelle Stromschwankungen mit Hilfe der photographischen Methode registrirt werden ^j. Die Spannungsintensität wird in der üblichen Weise durch Compensation ermittelt oder auch durch die Bestimmung des Drucks, durch den die Quecksilberkuppe in die Ausgangslage zurückgeführt wird. § 162. Fortsetzung, Die Existenz eines ableitbaren elektrischen Stromes wurde von Becquerel, Wartmann, Buff u. A.^) an verletzten Pflanzentheilen entdeckt, und dann von Burdon-Sanderson und Munk am unverletzten Blatte von Dionaea, von Kunkel, Müller-Hettlingen, Haake u. A.^) an zahlreichen intacten Pflanzen nachgewiesen. Nach den vorliegenden Erfahrungen scheint es schliessHch keine 1) Siehe z.B. Hermann, 1. c p. 93; Ostwald, Hand- u. Hilfsbuch f. physiko- chemische Messungen 1893, p. 247; L. Hermann und Gildemeister, Pflüger's Archiv f. Physiologie 1900, Bd. 81, p. 491. 2) Zum Ablesen kann das Bd. H, p. 2-2 abgebildete Instrument benutzt werden. 3) Siehe 0. Langendorff, Physiol. Graphik 1891, p. 90; Garten, Abhdig. d. Math.-physisch. Klasse d. Sachs. Gesellsch. d. Wissensch. 1901, Bd. 26 u. s.w. 4) Becquerel, Annal. d. chim. et d. physique 1851, III. ser., Bd. 31, p. 40; Wartmann, Bot. Ztg. 1851, p. 308; Buff, Annal. d. Chem. u. Pharmac. 1854, Bd. 89, p. 76; Heidenhain, Studien d. physiol. Instituts zu Breslau 1861, Heft 1, p. 104; Her- mann, Pflüger's Archiv f. Physiologie 1871, Bd.4, p. 153; Ranke, Sitzungsb. d. Bayrisch. Akademie 1873, p. 181; Veiten, Bot. Ztg. 1876, p. 273. 5) J. Burdon-Sanderson, Proceedings of the Royal Society 1876 — 77, Bd. 23, p. 411; Philosophical Transactions 1882, Parti; 1888. Bd. 179, p. 417; Biologisch. Centralbl. 1882, Bd. 2, p. 481 ; 1889, Bd. 9, p. 1 ; H. Munk, Die elektrischen u. Bewegungs- erscheinungen am Blatte von Dionaea ^876; A. J. Kunkel, Pflüger's Archiv f. Physiolog. 1881, Bd. 2ä, p. 342; Arbeit, d. Botau. Instituts in Würzburg 1878, Bd. 2, p. 1, 333; J. Müller-Hettlingen, Pflüger's Archiv f. Physiolog. 1883, Bd. 31, p. 193; 0. Haake, Flora 1892, p. 433; B. Klein, Bericht, d. botan. Gesellsch. 1898. p. 333; R. Dubois. Centralbl. f. Physiolog. 1899, Bd. 13, p. 699; A. Waller, Proceedings of the Physiologie. Society 30 Juni 1900 und 9. Nov. 1901; Proceedings of the Royal Soc. 1900, Bd. 67. p. 129; Centralbl. f. Physiolog. 1901, Bd. 15, p. 480; A. Tompa, Beihefte z. Botan. Centralbl. 1902, Bd. 12, p. 99; L. Querton, Institut Solvay, Travaux d. Laboratoire d. Physiolog. 1902, Bd. 5, Fase. 2, p. 81; Botan. Centralbl. 1903, Bd. 92, p. 143. [A. B. Plowmann, Botan. Centralbl. 1903, Bd. 93, p. 61.] — Die etwas phantastischen Auf- fassungen von R. Keller (Reibungselektrische Untersuch, an pflanzlichen Geschlechts- organen 1902) können nicht berücksichtigt werden. 870 Kap. XV. Erzeugung von Wärme, Licht und Elektricität. einigermaassen ansehnliche Pflanze zu geben, bei der nicht schon im intacten Zustand zwischen irgend zwei Punkten der Oberfläche eine Potentialdifferenz nachweisbar ist. Eine solche, die Haake (1. c.) auch an dem einzelligen Inter- nodium von Nitella beobachtete, dürfte öfters bei Caulerpa und anderen grossen, einzelligen Algen u. s. w. zu finden sein. Eine generelle Gesetzmässigkeit für die Vertheilung der Spannungen scheint aber auch bei Constanz der Aussenbedingungen nicht zu bestehen. Denn wenn z. B. in der Regel die symmetrischen Punkte eines Sprosses oder Blattes sich isopotential erweisen ij, und w^enn die Blattrippe sich (nach der Stromrichtung im ableitenden Bogen) in der Regel positiv gegen das Mesophyll verhält, so giebt es doch auch Ausnahmen 2). Ein übereinstimmendes Verhalten hat sich auch nicht bei dem Vergleich zwischen den noch wachsthumsthätigen und aus- gewachsenen Partieen ergeben, deren Spannungsverhältnisse sich zudem mit der Entwickelung ändern können. Wenn auch bekannt war, dass bei der Auslösung der schnellen Reizbewegung bei Dionaea etc., sowie in Folge von Verletzungen oder Temperaturwechsel, Stromschwankungen und Stromverschiebungen eintreten, so wurde doch erst von Haake (1. c.) gezeigt, dass sich solche stets einstellen, wenn die Stoffwechsel- thätigkeit durch die Veränderung der Aussenbedingungen genügend modificirt wird {vgl. II, p. 862). So wird nach Haake 3) durch die Entziehung des Sauerstoffs (bei Con- stanz aller übrigen Bedingungen) immer eine gewisse und zumeist eine ansehn- licbe Verschiebung der Spannungsverhältnisse hervorgerufen. Kam das ganze Versuchsobject in AVasserstoff, so nahm in der Regel der Ausschlag am Elektro- meter ab und ging zuweilen in die entgegengesetzte Richtung über. Bei locali- sirter Entziehung des Sauerstoffs (vgl. II, p. 868) pflegte aber eine Vergrüsserung des Ausschlags einzutreten, gleichviel ob diejenige Partie, welche in die Wasser- stoffatmosphäre kam, bis dahin den positiven oder den negativen Pol vorgestellt hatte. Mögen nun immerhin weitgehende Abweichungen von diesen Regeln ^) gefunden werden, so geht doch aus diesen Erfahrungen hervor, dass bei der physiologischen Elektricitäsproduction die Sauerstoffathmung, bezw. die mit dieser verketteten Processe, eine hervorragende Rolle spielen, dass aber freie 4) lieber die Isopotentialen u. s. w. am Blatte siehe z. B. Kunkel, 1. c; Haake, 1. C. p. 483; Munk, 1. c. p. 37. 2) Vgl. z. B. Kunkel, 1. c. 1878, p. 2; Haake, I. c. p. 438; Klein, ]. c. p. 336. 3) Haake, 1. c. p. 467. Ueber die Methodik siehe Bd. II, p. 868. — Ueber einige Ver- suche mit Sauerstol'fentziehung bei animalischen Objecten vgl. Biedermann, 1. c. p. 402. — Ueber die intramoleculare Athmung siehe Bd. I, §99, iO-2. Dass nicht etwa die durch die Production und den Verbrauch bedingten Gasbewegungen die elektri- schen Spannungen erzeugen, ist leicht einzusehen und bei Haake dargelegt. 4j Eine Steigerung des Ausschlags bei allseitiger Sauerstoffentziehung wurde von Haake (1. c. p. 470) bei der Keimpflanze von Vicia faba beobachtet. Ob dieses damit zusammenhängt, dass bei dieser Pflanze (vgl. Bd. I, p. 545) bei der intramolecularen Athmung ebensoviel, von den Cotyledonen sogar mehr Kohlensäure erzeugt wird, als bei der normalen Athmung, muss dahingestellt bleiben. § 162. Die Production von elektrischen Spannungen in der Pflanze. Fortsetzung. 871 Elektricität auch durch die intramoleculare Athmung und diejenigen Processe er- zeugt wird, welche nach Ausschluss des freien Sauerstoffs vor sich gehen. Mit der Feststellung dieser allgemeinen Causalbeziehungen ist natürlich noch keine nähere Einsicht in die einzelnen maassgebenden Vorgänge gewonnen. Da es sich aber bei der normalen und intramolecularen Athmung etc. um complicirte und veränderliche Processe handelt, so begreift man, dass bei rechtzeitiger Wieder- zufuhr des Sauerstoffs zu den noch lebendigen Pflanzen das Elektrometer nicht immer genau in die frühere (normale) Lage zurückkehrt, und dass im sauerstofffreien Räume vielleicht keine fixe Einstellung angenommen wird. In beiden Fällen ist aber der Uebergang in die neue Gleichgewichtslage mit an- sehnlichen Oscillationcn des Elektrometers verknüpft. Die Stromänderungen, welche bei einer Erhöhung oder Erniedrigung der Temperatur im ableitenden Bogen auch dann eintreten, wenn sich ein ausgewachsenes Organ im dampfgesättigten Raum befindet, dürften in der Hauptsache durch die mindestens quantitative Verschiebung der Athmungs- und Stolfwechselthätigkeit herbeigeführt werden i). Speciell dann, wenn nur die eine Hälfte eines Sprosses etc. erwärmt oder abgekühlt wurde (vgl. H, p. 868), stellte sich bei den Versuchen Haake's (1. c. p. 476) als Regel heraus, dass die wärmere Hälfte einen Spannungszuwachs im positiven Sinne erfuhr, dass also der Ausschlag am Elektrometer zunahm oder abnahm, je nachdem durch diesen positiven Zuwachs die zuvor vorhandene Spannungsdifferenz vergrüssert oder verringert wurde. Dass die Spannungsverhältnisse auch durch die mit der Kohlensäure- assimilation verknüpften Processe modificirt werden, und dass demgemäss bei einem Beleucbtungswechsel in den chlorophyllhaltigen Organen eine erhebliche Stromschwankung eintritt, wurde bereits von Haake (1. c. p. 477] und Klein (1. c.) erkannt. Nach den Beobachtungen Waller's (Proceedings of the Royal Soc. 1900, p. 134) und Querton's (1. c. p. 110) pflegt die Beschattung der einen Hälfte eines Blattes zur Folge zu haben, dass sich von dieser in dem ableiten- den Bogen der Strom nach der beleuchteten Hälfte bewegt. Jedoch wurden bei Tiopaeolum und Matthiola Abweichungen von dieser Regel gefunden. Die stärkste elektromotorische Beeinflussung wurde denn auch, von den zuletzt genannten Forschern, hinter einer Lösung von Kaliumbichromat, also in derjenigen Spec- tralhälfte beobachtet, die am meisten bei der Kohlensäurezersetzung leistet (I, § 60). Die elektrischen Spannungsänderungen, welche in lebensthätigen Pflanzen durch Chloroform, Aether ^j und vermuthlich durch verschiedene chemische Agentien hervorgerufen werden, dürften wohl ebenfalls durch irgend eine Beein- flussung der Stolfwechselthätigkeit zu Stande kommen. 1) Allerdings sind hierbei auch die Veränderung des Leitungswiderstands und einige andere Factoren in Betracht zu ziehen. 2) Querton, 1. c. -1902, p. M9; Haake, I.e. p. 480. — Einige Beobachtungen über den Emfluss chemischer Agentien auf animalische Organismen bei Biedermann, 1. C. p. 302, 408. g72 Kap. XV. Erzeugung von Wärme, Licht und Elektricität. Ausserdem muss die Fortbewegung des Wassers in capillaren Räumen und in den Membranen in der Pflanze ebensogut eine elektromotorische Wir- kung ausüben, wie in todten Massen i). Jedoch tritt diese Elektricitätsquelle (analog wie bei der Wärmeproduction II, p. 830) bei der Pflanze zumeist der- art zurück, dass sie practisch nicht oder doch nur in untergeordneter Weise in Betracht kommt. Denn Haake (1. c. p. 462, 481) beobachtete, gleichviel ob der Strom vom Blatt oder vom Stengel abgeleitet wurde, keinen oder nur einen geringen Ausschlag am Elektrometer, als er in dem Versuchsobject durch Ein- leiten oder Sistiren der Transpiration eine Wasserbewegung hervorrief, bezw. diese ausschaltete. Ja selbst dann, als dieser Forscher eine angewelkte Pflanze durch Einpressen von Wasser ziemlich schnell in den turgescenten Zustand zurückführte, war in dem vom Stengel abgeleiteten Strom nur eine geringe Schwankung zu bemerken. Da die normalen Potentialdifferenzen auch bei den in dampfgesättigter Luft befindlichen Pflanzen gefunden werden, so kann ohnehin die Annahme Kunkel's (1. c. 1878, 1881) nicht richtig sein, nach der in der Pflanze die gesammte freie Elektricität durch die mechanische Energie der Wasserbewegung gewonnen wird. Diese Auffassung wird auch keineswegs durch die Argumente Kunkel's gestützt, unter denen dieser Autor besonderen Werth auf die (auch von Haake 1. c. p. 457 bestätigte) Thatsache legt, dass der an einem Blatte von der Rippe zum Mesophyll abgeleitete Strom transitorisch umgekehrt wird, wenn man auf das Mesophyll einen Wassertropfen setzt. Denn da diese Reaction ebenso bei einem mit Wasser gesättigten Blatt eintritt, so muss man vielmehr schliessen, dass die Ursache nicht, wie Kunkel will, in der durch die Wasseraufnahme bedingten Wasserbewegung zu suchen ist'-). Ferner ist es noch unentschieden, ob die Stromschwankungen, die bei dem schnellen Beugen eines Sprosses beobachtet werden, wie Kunkel annimmt, durch die Wasser- bewegung oder durch andere Vorgänge hervorgerufen werden. So wird z. B. ein kräftiges Biegen oder Drücken, falls es etwa interne Zerreissungen erzeugt, wie eine jede Verwundung wirken (II, p. 873). Zudem ist es nicht unmöglich, dass durch mechanische Eingriffe irgend welche Reac- tionen (Stoffwechselprocesse etc.) ausgelöst werden, ohne dass eine wahrnehm- bare Bewegungsreaction ausgeführt wird. Stellt sich aber eine solche ein 3), so 1) Ueber Strömungsströme, elektrische Endosmose etc. vgl. z. B. Winkelmann, Handbuch d. Physik 1893, Bd. III, 1, p. 493, 504. [Ueber elektrische Endosmose vgl. aiTch G. Bredig, Zeitschr. f. Elektrochemie 1003, Bd. 9, p. 738.] 2) Die Frage, in wie weit Concentrationsänderungen oderModificationen des Leitungs- vermögens oder andere Factoren eine Rolle spielen, ist noch nicht erledigt. — Da die elektrischen Potentialdifferenzen sich auch bei Pflanzen finden, in denen keine Plas- maströmung thätig ist, und da dieselben durch das Sistiren der Plasmaströmung nicht wesentlich modificirt werden, so kann diese bei der Production von Elektricität nicht entscheidend betheiligt sein. Vgl. Veiten, 1. c. p. 295; Haake, I.e. p. 480; G. Hör- mann, Studien ü. d. Protoplasmaströmung bei den Characeen 189S, p. 72. 3; A. Tompa (1. c. p. 116) sucht zwar die Angabe von Waller (Proceedings of the Physiological Society 9. Nov. 1901; Centralbl. f. Physiolog. 1901, Bd. 15, p. 480) zu widerlegen, dass locale Stösse etc. eine Stromschwankung verursachen, jedoch dürfte die Frage durch die angestellten Experimente noch nicht entschieden sein, Vgl. auch T. Böse, Journ. of Linn. Soc. ßotany 190-2, Bd. 35, p. 275. § 162. Die Production von elektrischen Spannungen in der Pflanze. Fortsetzung. 873 sind, wenigstens am Blatte von Dionaea und vermuthlich auch bei analog rea- girenden Objecten, die elektrischen Stromschwankungen schon vor dem Beginn der Krümmungsbewegungen zu erkennen. Demgemäss sind diese Stromschwan- kungen nicht von der Wasserbewegung abhängig, die erst mit der Krümmungs- reaction realisirt wird, und die dann vielleicht in erheblichem Grade als elek- tromotorische Kraft wirksam wird. Dionaea mnscipula. In dem Blatte dieser Pflanze (vgl. Fig. 57, Bd. I, p. 364), in dem während des Buhezustandes ähnliche elektrische Spannungsver- hältnisse bestehen, wie in den Blättern anderer Pflanzen (11, p. 870), treten bei einer mechanischen Beizung, wie Burdon-Sanderson (1. c.) und Munk (1. c.) zeigten, sehr ansehnliche Stromschwankungen ein. Aus den mit den feinsten technischen Hilfsmitteln ausgeführten Untersuchungen von Burdon-Sanderson') geht hervor, dass nach einem momentanen, schwachen Inductionsschlag die Schwankung des elektrischen Stromes im ableitenden Bogen schon nach 0,04 See. bemerldich wird, während die Bewegungsreaction (II, p. 456) erst nach einer Latenzzeit von \ See. einsetzt und sich dann (d. h. die Schliessungsbewe- gung) im Verlaufe von ca. 5 — 6 See. abwickelt (Temperatur 20 C). Jedoch kann durch einen genügend schwachen Inductionsschlag auch erzielt werden, dass wohl die elektrische Schwankung, aber nicht die Bewegungsreaction eintritt. Durch diese elektrische Beaction wird also angezeigt, dass sich in dem Blatte von Dionaea (vermuthlich auch im Blatte von Mimosa etc.) als nächste Folgen der Beizung irgendwelche Beactionen (möglicherweise chemische Processe) ein- stellen, durch deren Verlau-f dann erst die mechanische Action ausgelöst wird. Dass sich aber diese primären Auslösungen schnell ausbreiten, ergiebt sich wieder- um aus der Fortpflanzungsschnelligkeit der Stromschwankungen. Denn diese machen sich bei einer localen Beizung des Blattes an einem \ 0 mm entfernten Punkte nur 0,05 See. später bemerklich, werden also mit einer Schnelligkeit von ca. 200 mm in 1 See. fortgeleitet (vgl. II, p. 231). Näher gehen wir hier auf den Verlauf der elektrischen Schwankungen nicht ein, die übrigens viel Aehnlichkeit mit denjenigen haben, die bei einer Beizung animahscher Objecte beobachtet werden (vgl. Biedermann, 1. c. p. 466). Sehr ansehnliche elektrische Stromschwankungen treten nach Kunkel 2) auch bei der Beizung des Blattes von Mimosa pudica ein, bei dem während der Buhe- zeit eine ansehnliche Potentialdifferenz zwischen der Oberseite des primären Ge- lenks und dem sich positiv verhaltenden Dorn besteht. Durch eine Yerwundung wird stets eine gewisse reactionelle Thätigkeit er- weckt, die, wie früher (II, § 155) erwähnt worden ist, u. a. durch die Steigerung der Atlnnungsthätigkeit (I, p. 576) und der Wärmeproduction (II, p. 841), sowie durch verschiedenartige Vorgänge bemerklich wird, die auf die Wundheilung und die Ausgleichung der internen Störung abzielen. Es kann also nicht über- raschen, dass die partielle oder totale Durchschneidung sowie eine locale Quet- schung eine erhebliche Stromänderung im ableitenden Bogen veranlassen. Nach den bereits (II, p. 869) citirten Untersuchungen von Hermann, Ranke, Veiten und Kunkel scheint in der Regel die verwundete Stelle negativ (bezw. negativer) 1) Eine ausführliche Zusammenfassung bei Biedermann, 1. c. p. 435. 2) Kunkel, I.e. 1878, p. -11 ; B. Dubois, Centralbl. f. Physiol. 1899, Bd. 13, p. 699. g74 l^ap. XV. Erzeugung von Wärme, Licht und Elektricität. gegen die intacte Partie zu werden. Demgemäss lässt sich nunmehr ein Strom auch an einem Stengelstück ableiten, bei dem dieses vor der Verwundung nicht möglich war^). Da somit in den durchschnittenen Organen verhältniss- mässig ansehnliche Potentialdifferenzen bestehen, so ist es begreiflich, dass die Läsionsströme zuerst entdeckt wurden 2). Beim Durchschneiden eines stromlosen Stengels wird nach den Untersuchungen von Hermann, Ranke, Veiten, Kunkel (in Bezug auf den Strom im ab- leitenden Bogen) die Wundfläche (Querschnittfläche) negativ gegen die intacte Mantelfläche (Aussenfläche, Seitenfläche). An dieser verhält sich aber eine jede dem Querschnitt nähere Stelle negativ gegen eine entferntere Stelle. Jedoch er- streckt sich der Wundreiz nur auf eine gewisse Entfernung, so dass nach Kunkel (1. c. 1878, p. 6) an einem zuvor isoelektrischen Stengelslück zumeist keine Potentialdifferenz zu bemerken ist, wenn beide Punkte, an welche die Elektroden angelegt werden, mehr als 5 — 6 cm von der Schnittfläche entfernt sind. Da sich nun bei einem herausgeschnittenen Stengelstück dasselbe Spannungsverhält- niss von den beiden Querschnittsflächen aus herstellt, so wird annähernd in der Mitte zwischen diesen, in der Aequatorialzone, gegenüber einer jeden der beiden Querschnittsfläcben die höchste und zugleich dieselbe Potentialdifferenz besteben. Setzt man aber die Elektroden rechts und links und in gleiche Entfernung von der Aequatorialzone, also an den isopotentialen Zonen an, so wii'd man keinen abgeleiteten Strom beobachten. An einem solchen Stengelstück bestehen also ähnliche Spannungsvertheilungcn, wie sie für iMuskelcylinder bekannt und in sehr eingehender Weise untersucht sind 3). Diese Uebereinstimmung findet sich aber nur, so lange die Mantelfläche des Stengels nicht verletzt ist. Denn wenn auch nur die Epidermis abgezogen wird, tritt nach Ranke 4) und Veiten (1. c.) sofort die umgekehrte Stromrichtung ein, so dass nunmehr der Strom im ableitenden Bogen vom Querschnitt zum Längs- schnitt fliesst. Eine solche Umkehrung des Stromes kann sich nach Hermann (1. c.) mit der Zeit auch an Stengelstücken einstellen, deren Mantelfläche unver- letzt blieb, und die zunächst dieselbe Spannungsvertbeilung wie ein Muskelcyl Inder zeigten. Ausnahmen von diesen Regeln sind übrigens bekannt und werden sicher noch vielfach gefunden werden. So beobachtete u. a. Ranke (1. c. p. 197), dass an dem Blatt- und Blüthenstiel von Nymphaea alba der Strom, vor und nach dem Wegschneiden der Epidermis, von dem Querschnitt zum Längsschnitt (nach der Mantelfläche) ging, während nach Veiten (1. c. p. 291) an dem Stengel von Nasturtium officinale der von der Mantelfläche nach dem Querschnitt gerichtete Strom auch nach dem Wegschneiden der Epidermis fortbesteht. Bei der Verwundung stellen sich die besagten Potentialdifferenzen sofort ein, 1) Vgl. Bd. n, p. 861, 869. — Nach Tompa (Beiheft z. botan. Centralblatt 1902, Bd. 12, p. 117) ist derLäsionsstrom auch an verletzten, lufttrockenen, Samen nachweisbar. 2) Wenn in einem unverletzten Organe kein Strom ableitbar ist, so können dess- halb doch im Innern Ströme kreisen (vgl. auch H, p. 861), die aber z. B. im ruhenden Muskel nicht vorhanden sind. Vgl. Biedermann, 1. c. p. 288. 3) Vgl. Biedermann, 1. c. p. 273. Auch am Querschnitt des Stengels iindet sich eine analoge Vertheilung der Potentialdifferenzen. 4) Ranke(l. c.) nennt den von der intakten Mantelfläche abgeleiteten Strom den falschen, den von der verletzten Mantelfläche abgeleiteten Strom den wahren Pflanzenstrom. § 163. Ausblick auf die in der Pflanze angewandten energetischen Mittel. 875 und man bemerkt desshalb augenblicklich einen Ausschlag am Elektrometer, wenn man, wie es Kunkel (1. c. p. 6) that, die Elektroden anlegt und dann in der Nähe der einen den Stengel etc. durchschneidet. Bis dahin ist aber noch nicht entschieden, ob diese momentanen Stromschwankungen nur durch eine rein physikahsch-chemische oder, analog wie bei der Reizung des Blattes von Dionaea (IT, p. 873), durch eine physiologische Reaction herbeigeführt werden, die in diesem Falle nicht mit der Auslösung einer Krümmungsbewegung verknüpft wäre. So lässt sich auch nicht sagen, ob diese primären Stromveränderungen schon ein Indicium für die physiologische Reaction sind, durch deren fernere Ent- wickelung die Athmung und die Wärmeproduction, und zwar am stärksten in der Nähe der Wunde, gesteigert werden (1, p. 577; II, p. 841). Auch lassen die vorhegenden Untersuchungen unentschieden, ob und in wie weit sich die Spannungsverhältnisse mit dem allmählichen Verlauf und in Ab- hängigkeit von den genannten Keactionen verschieben. Beachtenswerth ist, dass die Stromverschiebungen auch dann in der angedeuteten Weise eintreten, wenn die Elektrode gar nicht mit der Schnittfläche in Berührung kommt, und wenn diese sogleich mit Wasser abgespült wird. Da aber nach Kunkel (1. c. 1878, p. 7) locales Beugen etc. ebenfalls ein Negativwerden der in Anspruch genommenen Stelle verursacht, so ist auch die Frage aufzuwerfen, ob diese Stromverschiebung und der Läsionsstrom auf dieselbe Weise zu Stande kommen, ob also ein Ver- letzen und Abtödten von Zellen keine integrirenden Bedingungen sind. Mit diesen Hinweisen sollten nur einige Gesichtspunkte angedeutet werden, durch deren weiteren Verfolg es wohl gelingen dürfte, die Causalität der Läsionsströme etwas näher aufzuklären. Natürlich ist bei diesen Bestrebungen zu beachten, dass mit der Beseitigung der Oberhaut auch die bisherigen Leitungswiderstände modificirt werden. Kapitel XVI. Ausblick auf die in der Pflanze angewandten energetischen Mittel. § 163. Uebersicht. Wie früher (I, § 1) erörtert wurde, ist die vitale Thätigkeit von der Reali- sirung der StofTwechselthätigkeit abhängig, durch welche nicht nur die nothwen- digen Baustoffe gebildet, sondern auch die für den Betrieb unerlässlichen, ener- getischen Mittel geschaffen werden. Mit der Constatirung dieses Causalzusam- menhanges ist aber natürlich noch keine nähere Einsicht in die Mittel und Wege gewonnen, durch welche die chemische Energie im Dienste des Organismus nutzbar gemacht wird, sowie ja auch aus dem Factum, dass die Dampf- maschine durch die Verbrennung von Kohlen betrieben wird, nicht unmittelbar zu 876 Kap. XVI. Ausblick auf die in der Pflanze angewandten energetischen Mittel. ersehen ist, in welcher Weise durch die activirte chemische Energie die Maschine selbst und alle die verschiedenartigen Mechanismen in Gang gesetzt werden, die in einer Fabrik von der Dampfmaschine abhängen, und die demgemäss zum Stillstand kommen, wenn das Feuer unter dem Dampfkessel erlischt. Bei einem derartigen durchsichtigen mechanischen Getriebe ist leicht zu übersehen, dass die mechanischen Leistungen, trotz der Abhängigkeit von der chemischen Energie, nicht direct durch diese, sondern durch die Vermittlung des gespannten Dampfes erzielt werden, der durch die Wärme erzeugt wird, welche durch die Transformation der activirten chemischen Energie entsteht. Die actuelle Energie der Dampfmaschine kann aber wiederum durch Auf- pumpen von Wasser in ein Bassin in potentielle Energie, oder mit Hilfe einer Dynamomaschine in elektrische Energie, oder vermittelst dieser (durch Elektro- lyse) in chemische Energie, also in Energieformen umgesetzt werden, durch die sogleich oder (nach der Aufspeicherung) erst fernerhin einzelne Partialfunctionen in dem verketteten Gesammtgetriebe einer Fabrik vollbracht werden. Ebenso folgt aus der Abhängigkeit des vitalen Getriebes von der Stoffwechselthätigkeit nicht, dass die mechanischen Leistungen des Organismus direct durch chemische Energie erzielt werden. Wie weit solches geschieht, ist keineswegs aufgeklärt, wohl aber steht es fest, dass ansehnliche und wuchtige Actionen des Organis- mus zunächst durch osmotische Energie oder durch Oberflächenenergie ausgeführt werden. Durch die Existenz und die reahsirte Thätigkeit des Organismus (ebenso des Mechanismus) können dann wiederum Energiemittel gewonnen werden, die im Betriebsstoffwechsel oder unabhängig von diesem nutzbar gemacht werden. Eine solche Einführung von Energie liegt immer vor, wenn ein Thier durch seine Eigenthäligkeit die Beute erjagt, oder wenn in dem Chlorophyllapparat der Pflanze die Energie der Sonnenstrahlen zur Bereitung von Zucker, also zum Gewinn von Nahrung und nutzbarer chemischer Energie, verwandt wird. Ausser- dem sind z. B. osmotische Leistungen auch durch Stoffe erzielbar, die gar nicht in den generellen Betriebsstoffwechsel gerissen, aber durch die Eigenschaften und Thätigkeiten des Organismus aufgenommen und local angehäuft werden. Die Transpiration ist ferner ein Beispiel dafür, dass unabhängig von dem Stoff- wechsel eine Potentialdifferenz entsteht, durch welche die Wasserbewegung in der Pflanze hervorgerufen wird, der ebenfalls eine functionelle Bedeutung in dem Gesammtgetriebe der Pflanze zukommt. Sachgemäss hat man, wie das auch bei der Besprechung der einzelnen physiologischen Vorgänge geschah, zunächst nach den näheren Factoren zu suchen, durch welche ein Geschehen bedingt und erzielt wird (vgl. I, p. 4). Nunmehr ist es aber geboten, unter Vernachlässigung der besonderen Eigen- thümlichkeiten, einen allgemeinen Ausblick auf die energetischen Mittel zu werfen, mit deren Hilfe die mannigfachen Leistungen der Pflanzen ausgeführt werden. Bei einer solchen Betrachtung, bei der naturgemäss die energetische Seite in den Vordergrund tritt, ist aber wohl zu beachten, dass die Form der Leistung ebensowohl im Organismus wie im Mechanismus stets von dem Bau, d. h. von der Anordnung und Verkettung der Theile in dem maschinellen Systeme, abhängt, und dass demgemäss durch dasselbe Energiemittel sehr verschiedenartige Erfolge erzielt werden können. Ein causales Verständniss der Leistungen des Organismus § 163. Uebersicht. 877 (und ebenso eines Mechanismus) ist demgemäss, wie wiederholt betont wurde (vgl. z. B. Bd. I, § 1), nur bei gleichzeitiger Berücksichtigung aller maass- gebenden Factoren möglich, also weder durch die alleinige Controle der bethei- ligten Energiemittel und Energietransformationen, noch durch die alleinige Be- achtung der stofflichen Veränderungen zu gewinnen. Es ist aber selbstverständlich, dass auch alles physiologische Geschehen mit einer Bethätigung von Energie (mit einem Energieumsatz, einem Energiestrom) verknüpft ist, da es ohne eine Bethätigung von Energie überhaupt kein Geschehen giebt. Demgemäss ist mit jedem Geschehen, also auch mit jedem chemischen Process, stets ein energetisches Problem verknüpft. Als physiologische Leistungen betrachten wir die Gesammtheit des Ge- schehens, das durch die Thätigkeit des Organismus innerhalb und ausserhalb des- selben vollbracht wird. Wir erblicken also physiologische Leistungen nicht nur in den internen und externen mechanischen Vorgängen (Ortsbewegungen, Wach- sen, Stofftransport etc.), sondern auch in der Erzeugung von Wärme, Licht und Elektricität, sowie in der Production von Stoffen, die zum Aufbau oder zu anderen Zwecken dienen. Abgesehen von den locomotorischen Bewegungen, die den meisten vegeta- bilischen Organismen abgehen, dürften die Leistungen bei den Pflanzen im all- gemeinen ebenso ansehnlich ausfallen, wie bei den Thieren. Denn auch die wachsenden Ptlanzen vermögen, wenn sich ihnen ein Widerstand entgegenstellt, eine gewaltige Aussenarbeit zu vollbringen (II, § 35, 128). Die nicht sicher bemess- baren inneren Arbeitsleistungen bei dem Wachsthum des Ganzen und der einzelnen Theile mögen bei Pflanzen und Thieren im Durchschnitt ähnliche Werthe erreichen, sind aber sicherlich, auf die Gewichtseinheit und Zeiteinheit bezogen, bei einem schnell wachsenden Bacterium (II, p. 18) ansehnlicher, als bei einem langsam wachsenden Thiere. In der That fällt bei schnell arbeitenden Bacterien und Pilzen auch die Athmungsthätigkeit und die von dieser abhängige Wärmeproduction verhältnissmässig grösser aus, als bei höheren Thieren (I, p. 526; II, § 156). Die Lichtproduction, die nur bei gewissen animalischen und vegetabilischen Organismen in Frage kommt, sowie die schwache Elektricitätsproduction erfor- dern wohl immer nur einen verhältnissmässig geringen Energieaufwand. Gegen- über den Thieren haben aber die chlorophyllführenden Pflanzen die Fähigkeit voraus, durch die Nutzbarmachung der Sonnenstrahlen eine ansehnliche Trans- formation der strahlenden Energie in chemische Energie auszuführen. Wenn nun auch die physiologische Thätigkeit in erster Linie auf die Be- thätigung und den Umsatz der chemischen Energie basirt ist, so kommen doch für den Betrieb von einzelnen Aclionen, allerdings in einem verschiedenen Grade, schliesslich alle Energiearten in Betracht, die in der Natur eine Rolle spielen ^). Es wurde schon darauf hingewiesen, dass in der Pflanze eine wichtige Rolle vielfach der osmotischen Energie zufällt, die wir als eine be- sondere Erscheinungsform der Volumenergie, d. h. derjenigen Energieart an- sehen können, die sich durch Volumen und Druck bethätigt, und welche auch die 1) Allerdings ist eine Bethätigung der magnetischen Energie im Organismus noch nicht nachgewiesen. Vgl. Bd. II. p. 12-2. Dagegen kommt die elektrische Energie jeden- falls in Betracht, wenn auch über deren specielle Bedeutung im Organismus noch nichts näheres bekannt ist. Vgl. Bd. II, § 161, 16-2. 878 Kap. XVI. Ausblick auf die in der Pflanze angewandten energetischen Mittel. Diffusion von Massentheilchen herbeiführt ij. Auch der Flächen- oder Ober- flächenenergie wurde schon gedacht, auf der die Oberflächenspannung, die Capillar- erscheinungen, die hnbibition und Quellung, sowie (sofern nicht chemische Reac- tionen vorliegen) die Adsorption beruhen. Denn als Fläclienenergie fassen wir alle Energiebethätigungen an der Berührungsfläche von flüssigen oder festen Körpern (bezw. zwischen beiden) zusammen, gleichviel ob sich diese an der freien Oberfläche des Ganzen oder an der Grenzfläche der sichtbaren oder un- sichtbaren Theile und Theilchen im Innern eines Körpers abspielen 2). Werden aber Leistungen durch Auskrystallisiren oder durch eine anders- artige Ausscheidung oder durch die Aenderung des Aggregatzustandes (Gefrieren des Wassers etc.) vollbracht, so kann man diese Erfolge wohl als Bethätigungen der Ausscheidungs- oder Krystallisationsenergie ansehen. Jedoch ist nicht zu verkennen, dass man diese auf Ausscheidungsenergie berulienden Leistungen, je nach den obwaltenden Verhältnissen und der Art und Weise der Anschauung, wohl auch als Bethätigungen der Volumenergie oder der chemischen Energie oder der Oberflächenenergie auffassen kann^). Die Form der actuellen Energie oder Bewegungsenergie tritt uns in allen Bewegungsvorgängen entgegen. Durch die Arbeitsleistung dieser Bewegungs- energie oder anderer Processe kann dann wiederum potentielle Energie (Distanz- energie) geschaffen werden, die u. a. in allen Haut- und Gewebespannungen ge- geben ist und durch deren Activirung z. B. die Reizbewegungen des Blattes von Mimosa, die Schnellbewegungen der aufspringenden Früchte etc. herbeigeführt werden. Ebenso wird durch die selbstthätige Hebung der Masse eines wachsen- den Sprosses potentielle Energie geschaffen, die wiederum activirt wird, wenn der abseschnittene oder der sich selbstthätig abtrennende Spross in Folge der Massenanziehung der Erde zu Boden fällt. Auch wenn man fernerhin Veranlassung haben sollte, weitere Energiearten (Erscheinungsformen der Energie) zu unterscheiden, so bleibt doch in jedem Falle die Thatsache bestehen, dass alle Energieformen wechselseitig transformir- bar sind, dass also, wie es das Princip der Erhaltung der Energie aussagt, die (auf dasselbe Maass bezogene) Energie in allem AVechsel und Wandel weder vermehrt noch vermindert wird. Das gilt ebenso für diejenige Energie, mit welcher der Organismus wirthschaftet. Denn einmal scheidet diese Energie mit dem Tode wieder aus dem lebendigen Verbände, während der Lebensthätig- keit aber wird diejenige Energie im vitalen Getriebe nutzbar gemacht, welche der Organismus aus der leblosen Umgebung bezieht. Da in Folge der be- sonderen Anordnungen und Verkettungen in maschinellen Systemen mit den üblichen Energiemitteln die verschiedenartigsten Leistungen ausführbar sind, so ist man auch nicht genüthigt anzunehmen,, dass die mannigfachen Leistungen des Organismus nur mit besonderen Energiemitteln erzielbar seien ^). Der Umstand 1) Ueber die verschiedenen Energiearten siehe z. B. Ostwald, Grundriss d. allgem. Chemie III. Aufl., 1899, p. 247; Lehrb. d. allgem. Chemie II. Aufl., isgs, Bd. II, Th. 1. p. 11. In Bezug auf Organismen siehe Pfeffer, Studien zur Energetik d. Pflanzen 1892, p. 159. 2) Vgl. Bd. I, p. 63. 3) Vgl. Pfeffer, 1. c. 1892, p. 163, sowie dieses Buch, Bd. II, § 164. 4) Vgh z. B. Bd. I, § 1 ; Bd. II, § 39. § i64. Die energetischen Factoren. 879 aber, dass sich der Organismus vermöge seiner realisirten Thätigkeit selbstthätig fortbaut, imd dass den losgelüsten Keimen die Befähigung zukommt, dasselbe Spiel zu wiederholen, ermöglicht es, dass die Nachkommen die von Aussen gebotenen Nährstoffe und Energiemittel immer wieder in derselben Weise nutzbar machen. Demgemäss wird die Art auch unverändert fortbestehen, wenn einmal die Baustoffe des Urahnen vollständig durch die aus dem be- zogenen Rohmaterial formirten Bausteine ersetzt sind, wenn also in einem Nach- kommen keines derselben Atome und keine Spur derselben Energiequantität zu finden ist, welche bei dem Bau und dem Betrieb des Urahnen betheiligt waren. Alle diese Erörterungen gelten in principieller Hinsicht ebenso für die ver- schiedenartigen Auslösungen, die zwar nicht die Leistungen vollbringen, ohne deren Nutzbarmachung und Mithilfe die Lenkung des regulatorischen Getriebes des Organismus (aber auch eines complicirten Mechanismus) unmöglich wäre i). Denn wenn jede beliebige Disproportionalität zwischen der auslösenden Wirkung und der ausgelösten Energie bestehen kann, so setzt doch auch die Auslösung immer einen gewissen Energieaufwand voraus, gleichviel ob es sich um die Produclion eines auslösenden Stoffes (Enzyms etc.) oder um einen anders- artigen Auslösungsvorgang handelt 2). Uebrigens ist an verschiedenen Stellen dargethan, dass mit Hilfe der regulatorischen Lenkung des Getriebes ebenso- wohl eine langsame und continuirliche, als auch eine plötzliche, transitorische Bethätigung der energetischen Mittel, oder auch eine localisirte Sistirung eines bestimmten Energieumsatzes erzielbar ist. Eine eingehende Untersuchung über die energetischen Verhältnisse in den Pflanzen veröffentlichte ich in meinen Studien zur Energetik der Pflanzen 18 92, auf welchen das hier Gesagte beruht. Uebrigens ist in diesem Buche bei der Besprechung der einzelnen Vorgänge in der Pflanze stets auch den energetischen Beziehungen Rechnung getragen. § 164. Die energetisclieii Factoren. Nach den allgemeinen Erörterungen (§ 163) soll nun in grossen Zügen die Bedeutung der hauptsächlich in Betracht kommenden Energiearten erläutert werden, insbesondere mit Rücksicht auf die mechanischen Leistungen, die in und durch den Organismus vollbracht werden. Wir wenden uns zunächst zur osmotischen Energie, also zu einem be- sonderen Fall der Volumenergie (H, p. 877), die sich immer bethätigt, wenn auf irgend eine Weise eine anomogene Vertheilung eines gelösten Stoffes geschaffen ist. Denn damit ist eine Potentialdifferenz gegeben, die analog wie bei der anomogenen Vertheilung eines Gases, die Diffusion und, sofern der gelöste Stoff (bezw. das Gas) die Wandung des umschliessenden Gefässes nicht passiren 1) Auf die Auslösungsprocesse gehen wir hier nicht ein, da wir nur die energe- tischen Mittel im Auge haben, durch welche die Leistungen vollbracht werden. 2) Ueber Auslösungsvorgänge u. s. w. siehe z. B. Bd. I, § 3. 880 Kap. XVI. Ausblick auf die in der Pflanze angewandten energetischen Mittel. kann, einen (osmotischen) Druck gegen die Wandung verursacht, der, ebenso wie bei Gasen, durch die Zahl der Molecüle in der Volumeinheit bestimmt wird 1). Eine Diffusionsbewegung muss natürlich aus rein physikalischen Gründen (also ohne jede weitere Bethätigung des Organismus) stets eintreten, wenn irgend- wie und irgendwo (durch locale Production oder Consumirung eines Stoffs u. s. w.) eine Concentrationsdifferenz erzeugt wird. Dagegen ist die osmotische Druck- spannung ein Mittel, dessen sich der Organismus zwar vielfach, aber doch nicht allgemein bedient, um bestimmte Leistungen zu vollbringen. Denn, wenn z. B. in einem Gymnoplasten ein erhebhcher osmotischer Druck entstände, würde eine Zersprengung unvermeidlich sein (I, p. 1 1 9) , während in den hautum- kleideten Zellen in der Regel ein erhebhcher und oft ein sehr hoher osmo- tischer Druck nothwendig ist, um die Zelle in den normalen, actionsfähigen Zu- stand zu versetzen (I, § 24 ; II, § 33). In diesem ist folglich die Zellhaut durch die Arbeitsleistung der osmotischen Energie gedehnt und gespannt, und dem- gemäss tritt Verkürzung, also Activirung der potentiellen Energie ein, wenn der Turgor durch Tödtung der Zelle, durch Plasmolyse oder durch physiologische Processe ganz oder theilweise aufgehoben wird 2). Durch eine plötzliche phy- siologische Turgorsenkung werden unter anderm die auffälligen Reizbewegungen der Staubfäden der Cynareen, der Blätter von Mimosa u. s. w. verursacht, die sich wiederholen können, weil nach jeder Reaction die frühere Turgorspannung selbstregulatorisch wiederhergestellt wird (II, p. 374, 446). Auch die Pulsation der Vacuolen wird , wenigstens zum Theil , durch die physiologische Variation der Turgorspannung erzielt (II, § 139). Um aber in einer wachsenden Zelle die Turgorspannung, trotz der Volum- zunahme des Zellsaftes, auf gleicher Höhe zu erhalten, ist eine entsprechende regulatorische Production von osmotisch wirksamen Substanzen unerlässlich (I, p. 121, 518; II, p. 32). Uebrigens wird bei dem sog. plastischen Wachsen- der Zellhaut die nöthige Arbeitsleistung durch die Turgorenergie vollbracht (II, p. 30). Stüsst aber der wachsende Pflanzentheil gegen einen Widerstand, so wird der ansehnliche Aussendruck und die erhebliche Arbeit bei dem Fort- schieben des Widerstands dadurch erzielt, dass die Zellwand in regulatorischer Weise entspannt und auf diese Weise die osmotische Energie gegen die Wider- lage gelenkt wird (II, § 35, 128). Durch eine derartige Wirkung der activen gegen die passiven Gewebe werden auch in einem Gewebeverband Spannungen erzielt (II, p. 38, 67), die bei plötzlicher Activirung zu Schnellbewegungen führen können, wie sie unter anderm bei dem Aufspringen der Früchte von Impatiens, Momordica etc. be- obachtet werden (II, § 106). Während auch in diesen Fällen die potentielle Energie durch die physiologische Arbeitsleistung des Organismus erzeugt wird, liegt eine rein physikalische Action des gegebenen (physiologischen) Apparats vor, wenn die Verminderung der osmotischen Spannung durch Wasserver- 1) Ueber den Turgor und das osmotische System in der Zelle u. s. w. siehe Bd. I, § 24. 2) Ueber die Intensität dieser Spannungen und die Grösse der Dehnung vel. auch Bd. II, § 17, 48. § 164. Die energetischen Factoren. 881 dampfung (Welken) oder durch die Einwirkung einer Salzlösung herbeigeführt, bezw. durch Wasserzufuhr wieder rückgängig gemacht wird. Durch eine solche physikalische Action kann natürlich, ebensogut wie durch die physiologische Contraclion der Staubfäden der Cynareen, des Blattgelenkes von Mimosa oder eines Muskels^ eine entsprechende Leistung vollbracht und durch AViederholung des Processes eine ansehnhche Aussenarbeit geleistet werden i). Aus den vorstehenden Andeutungen geht zur Genüge hervor, dass die os- motische Energie immer nur als eines der energetischen Mittel in Betracht kommen kann, das in Abhängigkeit vom Gesammtgetriebe und durch die Ver- mittlung dieses in regulatorischer Weise zur Erzielung bestimmter Leistungen im Dienste des Organismus verwandt wird. Diese Nutzbarmachung setzt ohnehin die Existenz der Zelle (d. h. des osmotischen Apparates) und ausserdem das Vorhandensein und die Ansammlung der osmotisch wirkenden Substanz voraus, die im allgemeinen durch die Stoffwechselthätigkeit formirt und in der Zelle angehäuft wird. Jedoch steht die osmotische Leistung in keinem bestimmten (constanten) Verhältniss zu dem Aufwand an Energie bei der Bildung und Anhäufung des wirkenden Stoffes 2). Denn die osmotische Leistung ist ganz und gar durch die gegebenen, physikalischen Bedingungen bestimmt, erreicht also bei gleicher Zahl der Molecüle denselben Werth, gleichviel ob der wirkende gelöste Körper mit einem grossen oder geringen Energieaufwand erzeugt wurde, ob also z. B. die chemischen Processe, die zu seiner Bildung führten, unter positiver oder negativer Wärmetönung verliefen. Auch kommt derselbe osmo- tische Druck zu Stande, wenn der wirkende Stoff gar nicht in dem Stoffwechsel gebildet, sondern direct von Aussen bezogen und in irgend einer Weise, mit oder ohne eine active Thätigkeit des Organismus, in die Zelle geschafft wurde 3). Ebenso ist es einerlei, ob der wirkende Stoff direct im Athmungsprocess oder in einem anderen Process entstand. So werden z. B. bei der hydrolytischen Spaltung der unlöslichen Stärke durch ein Enzym lösliche, also osmotisch wirk- same Zuckerarten gebildet, und die osmotische Leistung wird verdoppelt, wenn durch die Invertirung des Rohrzuckers die doppelte Anzahl von Zucker- molecülen entsteht 4). Durch die umgekehrten Processe, überhaupt dann, wenn die Molecülzahl vermindert wird, oder wenn eine unlösliche Verbindung ent- steht, wird natürlich die osmotische Wirkung verringert oder aufgehoben. Ebenso wie eine comprimirte Gasmasse vermag auch die in einer Zelle eingeschlossene, gelöste Substanz nur eine begrenzte Arbeitsleistung zu voll- bringen, da mit der Volumzunahme der wachsenden Zelle die Lösung verdünnt wird, und demgemäss der osmotische Druck (in derselben Weise wie bei der Ausdehnung der Gase) abnimmt ^). Die Erhaltung des osmotischen Druckes und 1) Pfeffer, Studien zm- Energetik 1892, p. 236. 2) Pfeffer, 1. c. p. 170, 172, 196 etc. 3) Ueber verschiedene Ursachen der Turgorschwankung vgl. Bd. II, p. 376, 453. 4) Ueber die zum Theil sehr geringen Wärmetönungen bei derartigen Spaltungen vgl. Bd. II, p. 84 6 und die dort citirte Literatur. 5) Ueber die Arbeitsleistungen bei dem Ausdehnen der Gase ist das Nöthige in den Lehrbüchern der Physik zu finden. Vgl. auch Rodewald, Bericht, d. botan. Gesellschaft 1892, p. 83. Aus den im Text Gesagten ist zu ersehen, dass die Annahme Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. II. 5ß Sg2 Kap. XVI. Ausblick auf die in der Pflanze angewandten energetischen Mittel. der hiervon abhängigen Arbeitsfähigkeit in der wachsenden Zelle erfordert also einen entsprechenden Nachschub von osmotisch wirkender Substanz, der that- sächlich durch die regulatorische Lenkung der Productionsthätigkeit erzielt wird (II, p. 880). Bei einer Arbeitsleistung durch die osmotische Energie (z. B. bei der plasti- schen Vergrösserung der Zell wand, bei dem Fortschieben eines Widerstands etc.) wird aber, in analoger '\^'eise wie bei der Arbeitsleistung durch die Ausdehnung eines Gases, Wärme in Arbeit umgesetzt. Da dieses aber bekanntlich durch einen endothermen Vorgang geschieht, der Abkühlung und damit eine Aus- gleichung der Temperaturerniedrigung durch Uebergang von Wärme aus der Umgebung zur Folge hat, so ist es für die Realisirung der osmotischen xVrbeits- leistungen im Organismus ohne Belang, ob die Pflanze selbstthätig Wärme producirt oder nicht, ob also die Pflanze etwas wärmer oder (in Folge der Transpiration) etwas kühler ist als die Umgebung i). Uebrigens wird auch durch die Transpiralion unter Abkühlung, also durch Ueberführung von Wärme in Arbeit, eine Potentialdifferenz geschaffen, durch welche die welke Pflanze bei Zufuhr von Wasser zu Arbeitsleistungen befähigt wird. Aus dem Mitgelheilten ist leicht zu ersehen, dass die energetische Leistungs- fähigkeit eines Stoffes nicht schlechthin durch seine Verbrennungswärme bemessen wird 2)^ und dass die Reihenfolge der Umwandlungen für die Aus- nutzung im Dienste des Organismus nicht gleichgiltig ist. Denn einmal hängt die osmotische Leistung von der Zahl der Molecüle, aber in keiner Weise von dem Gehalt an chemischer Energie ab, der durch die Verbrennungswärme be- messbar ist, und demgemäss kommt die osmotische Leistungsfähigkeit auch allen denjenigen löslichen Körpern zu, die nicht weiter verbrennbar sind. Ferner wird ein Stoff in höherem Grade ph^^siologisch nutzbar gemacht, wenn er erst verathmet wird, nachdem er zuvor zu osmotischen Leistungen benutzt worden ist. Soll aber durch einen Körper gleichzeitig ein (bleibender) osmotischer Druck und eine möglichst hohe Wärmebildung erzielt werden, so wird es am vortheil- haftesten sein (da die Kohlensäure entweicht), wenn die physiologische Ver- brennung nur bis zur Bildung von solchen nichtflüchtigen Stoffen fortschreitet, denen bei möglichst geringer Verbrennungswärme eine hohe osmotische Leistung zukommt. So würde z. B., wenn I Molecül Glycose bei der Oxydation 3 Mole- cüle Oxalsäure liefert, die osmotische Leistung verdreifacht und doch zugleich der grösste Theil der disponibeln chemischen Energie in Wärme verwandelt werden -^i. Rodewald's nicht richtig ist, nach der der mechanische Werth der Verbrennungs- wärme eines Körpers immer ansehnlicher sein muss , als seine osmotische Leistungs- fähigkeit, und dass Körper, die in der Zelle nicht zerspalten werden, keine osmotische Arbeit leisten können. Bei dieser letzteren Annahme ist unter anderm auch über- sehen, dass Stoffe voraussichtlich auch durch eine active Bethätigung des Organismus eine Anhäufung in einer Zelle erfahren können. i) Pfeffer, 1. c. p. 170. — Wir lassen hier ausser Acht, dass sich der osmotische Druck mit der Temperatur in demselben Verhältniss verändert wie der Gasdruck. 2) Abgesehen davon, dass die physiologische Bedeutung eines Stoffes von dessen chemischer Qualität abhängt. 3) Pfeffer, 1. c. p. 173, 197; Rodewald, 1. c. § 164. Die energetischen Factoren. 883 Durch die Oberfliicheueuergie (II, p. 878) wird bekanntlich die Gestal- tung von Flüssigkeitstropfen beherrscht (II, § 137). Jedoch ist, wie früher (II, p. 715, 727) dargethan wurde, noch nicht entschieden, ob und in wieweit z. B. die amöboiden Bewegungen und die Protoplasmastrümung durch die selbst- thätige Variation der Oberflächenspannung (eventuell in Verbindung mit Cohä- sionswechsel und anderen Factoren) erzielt werden, und ob z. B. bei dem Zustandekommen der Vacuolenpulsation (II, p. 732) Variationen der Ober- flächenspannung mitwirken. Ebenso ist noch nicht aufgeklärt, in wie weit regulatorische Veränderungen der Oberflächenspannung benutzt werden, um die mannigfachen Gestaltungs- und Bewegungsvorgänge im Inneren des Proto- plasten auszuführen (II, § 140). Die an der Oberfläche entwickelte Flächenenergie ist indess nicht im Stande, bei einem festen Körper eine Formänderung zu bewirken. Da aber mit der Zerlegung eines Körpers in kleine Partikel die Oberfläche gewaltig vergrössert wird, tritt unter diesen Umständen die Oberflächenenergie in den A^ordergrund, und es ist desshalb zu verstehen, dass sich bei einem quellungsfähigen Körper das Wasser (oder eine andere Flüssigkeit) mit sehr grosser Energie zwischen die kleinen und kleinsten Theilchen eindrängt und diese auseinander treibt*). Uebrigens wurde schon früher darauf hingewiesen, dass es sich bei der Ad- sorption von Wasser oder gelösten Stoffen imi Vorgänge handelt, die auf dem Grenzgebiet von Chemie und Physik liegen 2). In der That wird man z. B. gewisse Adsorptionsvorgänge, je nach der Auffassung, als physikalische oder chemische Processe ansehen können. Ferner mögen manche Quellungen in derselben Weise zu Stande kommen wie die sog. festen Lösungen (I, p. 60). Es wurde auch bereits früher (I, § 12) angedeutet, dass die Quellung, über- haupt die Oberflächenenergie, auf verschiedene Weise modificirt wird, und dass durch die Quellung gewaltige Leistungen vollbracht werden können. Factisch ist aber z. B. noch nicht sichergestellt, ob und in welcher Weise die Bewegungen der Cilien u. s. w. durch die Oberflächenenergie vermittelt werden (II, p. 719). In jedem Falle steht aber die physiologische Bethätigung der Oberflächenenergie in analoger Abhängigkeit von dem Gesammtgetriebe, wie die Leistungen durch die osmotische Energie (II, p. 882). Es ist auch ohne weiteres klar, dass der energetische Aufwand bei der Production eines Körpers, sowie der chemische Energieinhalt eines Stoffes keinen Maassstab für den mechanischen Werth der Leistungen abgeben können, die dieser Körper durch die Variation der Ober- flächenspannung etc. zu vollbringen vermag. Uebrigens sind die Imbibitions- bewegungen der Grannen von Erodium etc. (II, § 106) Beispiele dafür, dass durch die Entziehung des Quellungswassers (durch Transpiration etc.) ansehn- liche Bewegungen erzielt werden und zugleich die Schafl'ung einer Potential- dillerenz, die ermöglicht, dass bei der Wiederzufuhr des Imbibitionswassers mit grosser Energie eine Bewegung ausgeführt wird. 1) Ueber Quellung u. s. w. vgl. Bd. I. § 12. 2) Bd. I, p. 63; Pfeffer, Studien z. Energetik 1892, p. 178. )6* 884 Kap. XVI. Ausblick auf die in der Pflanze angewandten energetischen Mittel. § 165. Fortsetzung. Chemisclie Energie. Aus den vorausgegangenen Betrachtungen ist zu ersehen, dass durch die Production und Anhäufung von Stoffen, also vermittelst des chemischen Umsatzes (des chemischen Energiewechsels), in mannigfacher Weise Potentialdifferenzen geschaffen werden, die den Organismus befähigen, Arbeitsleistungen mit Hilfe der osmotischen- oder der Oberflächen-Energie zu vollbringen 1). Bei diesen und anderen Vorgängen kann dann auch durch en- dotherme Processe Wärme in Arbeit verwandelt werden. Durch die Production von (freier) Wärme und die hierdurch erzeugte calorische Potentialdifferenz wird dagegen wohl eine Abgabe der Wärme an die Umgebung verursacht, aber keine physiologische Thätigkeit erweckt, durch welche (analog wie bei der Dampfmaschine) Wärme in Arbeit transformirt wird. In wie weit mechanische Leistungen direct durch die chemische Energie vollbracht werden, ist auch in rein physikalischer Hinsicht noch nicht genügend aufgeklärt. Indess darf man wohl die Zerreissungen und Zusammenfügungen der Molecüle bei chemischen Umsetzungen als Arbeitsleistungen durch die Be- thätigung der chemischen Energie ansprechen. Eine directe Arbeitsleistung durch chemische Energie kann man ferner dann annehmen, wenn ein Körper, unter Ueberwindung und Fortschieben der entgegentretenden mechanischen Widerstände, durch den chemischen Process gebildet und zur Ausscheidung ge- bracht wird 2). Ein solcher Vorgang lässt sich freilich auch als eine Bethäti- gung der Ausscheidungsenergie (der Volumenergie, vgl. H, p. 877) ansehen, und zu dieser Auffassung wird man dann genöthigt, wenn die Production des Stoffes und die Arbeitsleistung durch die Ausscheidung des erzeugten Stoffes zeitlich oder auch räumlich getrennt vor sich gehen, gleichviel ob die Ein- drängung und Ausscheidung durch Auskrystallisiren, durch Adsorptionswirkung, durch die von dem Bestehenden ausgehenden Affinitäten oder auf andere Weise veranlasst und ausgeführt wird. Wie dem auch sei, jedenfalls spielen derartige Vorgänge im Organismus eine grosse Rolle. Denn wenn das Proto- plasma und seine Organe wachsen, so geschieht dieses dadurch, dass neue Massentheile incorporirt werden. Hierbei handelt es sich aber offenbar um complicirte Processe, bei denen voraussichtlich chemische Umsetzungen, Ober- flächenenergie (incl. Adsorption), chemische Affinitäten des Bestehenden u. s. w. in verschiedener Weise zusammenwirken und auf diese Weise erzielen, dass das Hinzukommende sich entweder den schon bestehenden Organelementen (oder Molecülcomplexen) anlagert oder einlagert (H, p. 29). Ebenso handelt es sich bei dem Intussusceptionswachsthum der Zellhaut um Processe, bei denen auch die von den schon bestehenden Hauttheilen ausgehenden Wirkungen eine wesentliche 1) Ich sehe hier von der elektrischen Energie ab, da es noch nicht entschieden ist, ob und in wie weit diese in der Pflanze zu Leistungen nutzbar gemacht wird. Vgl. Bd. II, § U1, 162. 2) Siehe Pfeffer, Studien zur Energetik 1892, p. 174. § 16S. Die energetischen Factoren. Fortsetzung. 88 5 Rolle spielen (II, p. 30). Uebrigens ist bekannt und auch schon erwähnt, dass durch derartige Eindrängungen, mögen sie durch chemische Energie, oder durch Adsorptionsenergie oder Ausscheidungs-Energie bedingt sein, sehr hohe mecha- nische Leistungen erzielbar sind (I, p. 63 ; II, p. 29). Da sich der Pflanzenkürper annähernd auf die Temperatur der Umgebung einstellt, so hat die physiologische Wärmeproduction keine entscheidende formale Bedeutung. Denn für das Gedeihen ist es nicht wesentlich, ob die Pflanze 0,2 C. wärmer ist als die Luft, und factisch entwickelt sich die Pflanze auch dann normal, w^enn sie in Folge der abkühlenden Wirkung der Transpiration vor- übergehend oder dauernd ein wenig kühler ist, als das umgebende Medium (vgl. II, p. 831). Wenn nun auch die Sauerstotfathmung wohl stets mit einer Wärmeproduction verknüpft ist, so kann man doch nicht fordern, dass eine solche unter allen Umständen für das Fortkommen einer Pflanze nothwendi2 ist, und es wairde bereits (II, p. 845) darauf hingewiesen, dass möglicherweise auch anaerobe Organismen existiren, deren Betriebsstoffwechsel als Gesammt- summe eine negative Wärmetönung ergiebt. Factisch kann man a-uf Grund unserer derzeitigen Erfahrungen nicht behaupten, dass das Fortkommen einer Pflanze ohne Wärmeproduction im Betriebsstoffwechsel unmöglich sei. Für alle die physiologischen Wirkungen aber, die durch die Vermittelung der pro- ducirten Stoffe erzielt werden, muss es einerlei sein, ob die chemischen Pro- cesse, aus denen diese Körper hervorgingen, unter negativer oder positiver Wärmetönung verliefen. Vielleicht sind aber die mit positiver Wärmebildung verknüpften Umsetzungen thatsäcblich ökologisch vortheilhafter, weil im Allge- meinen am leichtesten die unter Wärmebildung verlaufenden chemischen Re- actionen eintreten, d. h. diejenigen, bei denen unter Austritt von Wärme die Gesammtentropie zunimmt i). Unter allen Umständen ist aber der Stoffwechsel (der chemische Energie- wechsel) aus den schon angeführten Gründen eine unerlässliche Voraussetzung für die Realisirung und die Fortdauer der vitalen Thätigkeit, die erfahrungs- gemäss auch im ausgewachsenen Organismus zum Stillstand kommt, wenn der Betriebsstolfwechsel aufhört. Bildlich kann man diese im Organismus ob- waltenden Beziehungen etwa mit einer Fabrik vergleichen, in der alle Arbeits- leistungen durch ein und dieselbe Dampfmaschine betrieben werden, in der also die Arbeitsthätigkeit und die Arbeitsbefähigung aufhören, sobald das Feuer unter dem Kessel der Dampfmaschine erlischt. So lange aber diese im Gang ist, bleiben die mit der Maschine verketteten Wellen und Transmissionen auch dann in Thätigkeit, bleibt also die Befähigung zu Arbeitsleistungen auch dann erhalten, wenn in der Fabrik die disponible Betriebsenergie während kürzerer oder längerer Zeit nicht zu den normalen Arbeitsleistungen benutzt wird. Falls dann in diesem Zustand die Energie, die zur Ueberwindung der Wider- stände im maschinellen System aufgewandt wird, durch Reibung etc. in AVärme übergeht, wird die in dem ganzen Systeme (einschliesslich der Dampf- maschine) entwickelte Wärmemenge mit derjenigen übereinstimmen, die durch die Verbrennung der Kohle geliefert wird. Der continuirliche Umsatz und der Verlust an chemischer Energie im Be- l] Pfeffer, 1. c. p. 188. S86 Kap. XVI. Ausblick auf die in der Pflanze angewandten energetischen Mittel. triebsstoffwechsel erfordert natürlich, dass sowohl bei der aeroben, als auch bei der anaeroben Thätigkeit einmal die hemmende Anhäufung der Zerfallspro- ducte vermieden wird (I, p. 493), und dass ferner geeignetes Betriebsmaterial in zureichender Menge in den Organismus gelangt, gleichviel ob dasselbe von Aussen aufgenommen oder im Organismus durch die photosynthetische Ausnutzung der Energie der Sonnenstrahlen aus Kohlensäure und Wasser gebildet wird. Es ist aber von hohem Interesse, dass zwar in der Regel, jedoch nicht ausnahms- los, organische Kohlenstoffverbindungen verathmet werden. Denn bei den Nitrit- und Nitratbacterien wird durch die Oxydation von Ammoniak oder Nitrit, bei den Schwefelbacterien durch die Oxydation von Schwefel und Schwefelwasser- stoff auf chemosynthetischem Wege einmal die nüthige organische Nahrung her- gestellt und ausserdem vielleicht die gesammte generelle Betriebsenergie ge- wonnen 1). Wenn dieses zutrifft, wenn also die organischen Kohlenstoffverbin- dungen im wesentlichen zu Bauzwecken, die genannten anorganischen Körper aber zum Gewinn der Betriebsenergie benutzt und verarbeitet werden, so ist wohl zu erwarten, dass gerade durch das Studium derartiger Organismen ein tieferer Einblick in diese besonderen, aber doch zusammengreifenden Functionen gewonnen werden kann (vgl. Bd. I, p. 552). Durch die nähere Berücksichtigung dieser Organismen wird sich, worauf ebenfalls schon hingewiesen wurde, vielleicht auch die Frage entscheiden lassen, ob bei der Athmung dauernd Eiweissmolecüle etc. zertrümmert und regenerirt werden, oder ob schon durch die feine Vertheilung im Protoplasma die Be- dingungen für die physiologische Oxydation hergestellt werden 2). Die bis- herigen Erfahrungen gestatten keine bestimmte Entscheidung, doch ist nicht einzusehen, warum die Realisirung und die physiologische Bethätigung der Ath- mung nicht in der zuletzt genannten Weise möglich sein soll. Der Umstand, dass bei dem anaeroben Leben der Hefe, der Buttersäurebacterien etc. die zu- reichende Betriebsenergie aus der intracellularen Zerspaltung des Zuckers stammt, die durch ein isolirbares Enzym bewirkt wird 3), spricht dafür, dass die in dem Protoplasma Acrtheilten Zuckermolecüle (ohne chemische Bindung) zertrümmert werden. In wie w^eit in dem verwickelten und in correlativer Verkettung arbei- tenden Getriebe des Organismus die einzelnen Arbeitsleistungen durch chemische, osmotische, Oberflächen-Energie etc. vollbracht werden, ist nicht sicher ermittelt. Aber auch dann, wenn direct durch die chemische Energie keine Arbeit oder nur ein kleiner Bruchtheil derselben geleistet wird, so bleibt doch der Umsatz der chemischen Energie in dem (aeroben oder anaeroben) Betriebsstoffwechsel die erste und unerlässliche Bedingung für die Bethätigung des Lebens (vgl. Bd. I, p. 578), Ebenso sind alle Arbeitsleistungen einer Fabrik von der durch die -1) Vgl. Bd. I, §50, 63 u. p. 331. Ferner A. Nathansohn, Mittheil. a. d. zoolog. Station zu Neapel 1902, Bd. 15, p. 655, nach dessen Studien keine Kohlensäure im Ath- mungsprocess gewisser aerober Bacterien gebildet wird, die ihre Kohlenstoffnahrung mit Hilfe der Oxydation von Thiosulfat chemosynthetisch formiren. 2) Vgl. Bd. I, p. 552, 578; Nathansohn, 1. c. p. 678. 3) Siehe Bd. I, p. 539, sowie die neueren Forschungen, die bei Buchner, Die Zymasegährung 1908, zusammengestellt sind. § 165. Die energetischen Factoren. Fortsetzung. 887 Verbrennung der Kohle activirten chemischen Energie auch dann abhängig, wenn diese durch die Vermittelung der Dampftiiaschine zunächst in elektrische Energie transformirt wird, mit deren Hilfe dann erst die einzelnen Mecha- nismen in Gang gesetzt werden i). Uebrigens ist die ausgedehnte Ausnutzung der chemischen Energie im Organismus und in der Technik desshalb besonders zweckentsprechend, weil jene eine ausgezeichnete, leicht activirbare Dauerform und zudem eine besonders concentrirte Form der Energie vorstellt, die es gestattet, in einem kleinen Raum einen grossen nutzbaren Energievorrath unterzubringen. Durch die Kenntniss der Differenz zwischen dem calorischen Werthe der activirten chemischen Energie und der in einem Organismus oder in einem Maschinengetriebe real entstehenden Wärmesumme wird natürlich nur angezeigt, wie viel von der activirten chemischen Energie schliesslich nicht in Wärme trans- formirt wurde. Damit ist aber nichts über die vielleicht sehr mannigfaltigen Operationen und Transformationen ausgesagt, die durchlaufen wurden, und die sowohl in einem Mechanismus, wie in einem Organismus, auch dann durchlaufen werden können, wenn endlich die gesammte oder fast die gesammte activirte chemische Energie in Wärme übergeführt wird. Das Wesen des Innengetriebes kann also nicht einfach durch calorimetrische Untersuchungen aufgedeckt werden, obgleich diesen bei dem Studium bestimmter Fragen ein hervorragender Werth zukommt 2). Allerdings ist bei solchen Studien eine sehr grosse Genauigkeit selbst dann nicht zu erreichen, wenn die entste- hende Wärmemenge sehr exact bestimmbar ist. Denn eine genaue Ermit- telung des Wärmewerthes der activirten chemischen Energie ist zumeist nicht möglich, weil sich einmal die Qualität und Quantität der Stoffe, die der Verbren- nung anheimfallen, nicht correct präcisiren lässt, und weil die Oxydation nicht immer gleichweit fortschreitet, so dass sich die activirte chemische Energie aus dem Verbrauch von Sauerstoff und der Production von Kohlensäure nicht exact berechnen lässt 3). Andererseits sind wir nicht im Stande, direct den Wärmewerth der mecha- nischen und anderweitigen Leistungen im Organismus mit genügender Sicherheit festzustellen. Beachtet man ferner das hohe mechanische Aequivalent der Wärme, so ist es- klar, dass selbst eine sehr ansehnliche Arbeitsleistung im Orga- nismus oder durch den Organismus nur eine geringe Abnahme der Wärmepro- duction zur Folge haben wird. Jedoch ist schon (II, p. 885) angedeutet worden, dass unter Umständen die gesammte in dem lebensthätigen Organismus acti- virte chemische Energie in der Form von Wärme auftreten kann. Ein solches Resultat wurde in der That von Rodewald mit Aepfeln und Kohlrabi in Ver- suchen erhalten, die allerdings der Natur der Sache nach mit gewissen Fehler- 1) Vgl. II, p. 876. Die Herstellung von nutzbaren Potentialdifferenzen macht es begreiflich, dass im Mechanismus, und ebenso im Organismus, einzelne Partialfunctionen eine gewisse Zeit nach dem Erlöschen des Feuers, bezw. nach der Sistirung der normalen Athmung (durch Entziehung des Sauerstoffs), fortgesetzt werden. Vgl. Bd. I, p. 581. 2) Vgl. Pfeffer, 1. c. 1892, p. 201. 3) Vgl. Bd. II, p. 833. 888 Kap. XVI. Ausblick auf die in der Pflanze angewandten energetischen Mittel. quellen behaftet sind (II, p. 832). Die Differenzen, welche Bonnier in seinen 1 Versuchen mit Keimpflanzen zwischen der real producirten und der nach dem ■ Sauerstoffconsum oder der Kohlensäureproduction berechneten Wärmemenge fand, dürften, wie bereits (II, p. 833) bemerkt wurde, im wesentlichen durch die ungleich weit getriebene Verbrennung und die neben der Athmung herlau- fenden, mit Wärmetünung verknüpften Processe verursacht worden sein. Die gesammte in (freie) Wärme transformirte Energie wird natürlich all- mählich an die Umgebung abgegeben. Dieser Verlust an Energie ist ganz un- vermeidlich bei Organismen, deren Körper auf constanter, also im allgemeinen auf höherer Temperatur als die Umgebung gehalten werden soll (II, §156 — 159). Das ist aber nicht die Aufgabe der poikilothermen Wesen, und sofern wir die Transpiration als eine Leistung des Organismus ansehen wollen, wird bei einer transpirirenden Pflanze, deren Körper tiefer tem- perirt ist als die Umgebung, die gesammte producirte Wärme im Dienste der Pflanze ausgenutzt. Sehen wir aber, wie es wohl correcter ist, von der Tran- spiration ab, so dürfte sich die Ausnutzung der activirten chemischen Energie zu mechanischen Leistungen bei den Pflanzen wohl ähnlich gestalten, wie bei den Thieren'). Da aber sehr gewöhnlich die activirte chemische Energie ganz oder zum grössten Theil in eine äquivalente Wärmemenge umgesetzt zu werden scheint, so kann der Nmechanische utzeffect, mit Bezug auf die ganze Pflanze, nicht sehr hoch ausfallen. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Nutzeffect bei einzelnen Actionen, wie z. B. bei der Arbeitsleistung durch den Muskel oder durch den sich contrahirenden Staubfaden der Cynareen, günstiger ausfällt und voraussichtlich den Nutzeffect übertrifft, der mit einer Dampfmaschine oder einem Gasmotor erreichbar ist 2). Uebrigens muss sich der mechanische Nutz- effect je nach der Inanspruchnahme, nach den obwaltenden Bedingungen u. s. w. verschieden gestalten. Im allgemeinen darf man erwarten, dass auch die Pflanze gegen höhere Widerstände sparsamer arbeitet, bezw. bei einer bestimmten Be- lastungsweise die maximale Leistung erzielt (II, p. 891). Der Umstand aber, dass mit der Temperatur die Athmung dauernd steigt, während die AVachsthums- thätigkeit nach Ueberschreiten der optimalen Temperatur verlangsamt wird (I, p. 579), ist ein Beispiel dafür, dass der mechanische Nutzeffect mit den Aussenbedingungen u. s. w\ veränderlich ist. Ich unterlasse es, auf diese und andere Probleme einzugehen, die ohnehin in Bezug auf vegetabilische Organismen noch keine gründliche Durcharbeitung- erfahren haben. .Jedoch mag darauf aufmerksam gemacht sein, dass man bei Maschinen die Leistungen des fertigen Mechanismus, ohne Rücksichtnahme auf die Mittel und den Aufwand bei der Herstellung, in das Auge zu fassen pflegt, während bei dem Organismus gerade der Aufbau und Ausbau des Körpers eine 1) Ueber die Leistungen der Pflanze vgl. Bd. II. p. 877. — Die Ausnutzung der Nali- rung ist bei denjenigen Pflanzen, die nur Kohlensäure und Wasser nach Aussen ab- geben, natürlich vollkommener, als bei den Thieren und solchen Pflanzen, bei denen als Endproducte des Betriebsstoffwechsels noch weiter verbrennbare Stoffe entstehen und ausgeschieden werden. Vgl. Bd. I, § 96 — 98. 2) Vgl. über diese Fragen die Lehrbücher der Physik und der Thierphysiologie, sowie z. B. Traite d. physique biologique publie par d'Arsonval etc. 1901, Bd. I, p. 982. § 166. Specielle Fälle. 889 der Hauptaufgaben bilden (Pfeffer, 1. c. p. 168). Soweit diese Gesammtleistung in dem Gewicht der producirten Kürpermasse einen Ausdruck findet, fällt der üconomische Coefficient, d. h. das Verhältniss zwischen verbrauchter Nahrung und producirter Kürpermasse, wiederum je nach den obwaltenden Bedingungen, verschieden aus (I, p. 374). Da aber der Nährwerth von der chemischen Con- stitution eines Kürpers abhängt, so ist eine generelle, nur durch den Verbren- nungswerth bemessene, isodynamische Vertretung der Stoffe unmüglichi). Eine solche ist indess im allgemeinen dann zu erwarten, wenn man die in der physiologischen Verbrennung benutzbaren Stoffe nur in Bezug auf die calorische [^eistung im Organismus untersucht 2). § 166, Specielle Fälle. Soweit die physiologischen Vorgänge genügend aufgeklärt sind, lässt sich an der Hand der allgemeinen Erürterungen in § 1 63 — 1 65 auch der betreibende Energiewechsel in den Hauptzügen übersehen. Da aber bei der Darlegung der einzelnen Actionen die energetische Seite nicht einseitig in den Vordergrund treten konnte, so dürfte es zweckmässig sein, an einigen Beispielen, in An- lehnung an die frühere Behandlung des Gegenstandes (in Bd. I u. H), in ge- drängter Kürze darzulegen, dass die energetische Bethätigung in physiologischen Processen stets in Verkettung mit dem Gesammtgetriebe vorbereitet, veranlasst, regulatorisch gelenkt und ausgeführt wird. Stoffaufnalime und Stoffwauderung 3). Durch eine jede Stürung des Gleichgewichts wird stets eine rein physikalische Diflusionsbewegung verursacht, die sich also ohne eine directe Arbeitsleistung des Organismus vollzieht. Dieser hat somit nur die Concentrationsdifferenz zu schaffen, für deren physikalische Wirkung es natürlich einerlei ist, ob die Herstellung der Potentialdifferenz (durch Stoffumsatz etc.) im Organismus unter Gewinn oder unter Verlust von Energie ausgeführt wird. Da aber die Diffusionsbewegung nur langsam fortschreitet, so sind mechanische Strümungs- und Mischungsbewegungen in allen Fällen von Bedeutung, in welchen es auf genügend schnelle Zufuhr oder Abfuhr von Stoffen ankommt. Demgemäss wird die an die Scholle gebannte Pflanze, bei vülliger Ruhe der Luft oder des umgebenden Wassers, von einem in grosser Verdünnung gebotenen Stoffe nicht so viel in der Zeiteinheit ge- winnen können, als es dann müglich ist, wenn durch die Bewegung der Luft oder des Wassers immer neue StotTtheilchen herbeigeführt werden. Durch diese Bewegungen in der Umgebung wird auch die Kohlensäure zu den Blättern der Krone eines hohen Baumes befördert, in der also, mit der Anhäufung der durch die Kohlensäureassimilation gewonnenen Substanz, i) Vgl. Bd. I, p. Ö80 u. Pfeffer, Jahrb. f. wiss. Bot. i89ö, Bd. 28, p. 258. 2) Siehe hierüber Rubner, Die Gesetze des Energieverbrauchs bei der Ernährung 1902. Vgl. auch F. Mares, Biolog. Centralbl. 1902, Bd. 22, p. 2S2. 3} Die thatsächlichen Unterlagen etc. sind in Bd. I, Kap. IV, V und X zu finden. Vgl. ferner diesen Bd. p. 880, sowie Pfeffer, Studien zur Energetik 1892, p. 268. 890 Kap. XVI. Ausblick auf die in der Pflanze angewandten energetischen Mittel. ein dem Gewicht dieser Masse entsprechender potentieller Energievorrath ge- sammelt wird, ohne dass die Pflanze eine Arbeit für die Hebung dieser Masse zu leisten hätte. Das ist auch der Fall, wenn ein von der Wurzel aufgenom- mener Stoff durch die Diffusionsbew'egung befördert wird, in Verbindung mit den Massenstrümungen , die in der Pflanze rein physikalisch (durch Tem- peraturdifferenzen, mechanische Beugungen etc.)^) erzeugt werden. In gleicher Weise wird natürlich eine jede physiologische Strömungs- und Mischungsthälig- keit auch dann wirken, wenn eine vitale Bethätigung zur Erzielung einer aus- reichenden Beförderung nicht nothwendig ist. Die vitale Thätigkeit dürfte indess in bestimmten Fällen wesentlich oder auch ganz unentbehrlich sein, so z. B. bei der Beförderung von todten Stoffen oder lebendiger Masse durch die Plasma- verbindungen in Siebröhren und anderen Zellen. Bei diesen, wie bei allen folgenden Betrachtungen ist aber nicht zu ver- gessen, dass wir den functionirenden, lebendigen Apparat, sowie die physio- logischen Thätigkeiten, durch welche die Erhaltung und die Veränderungen des lebenden Apparates und die Herstellung der Potentialdifferenzen besorgt w-erden, als gegeben voraussetzen. Ferner ist es möglich, dass nicht nur bei dem Ver- schlingen einer Beute, sondern z. B. auch bei der Löslichmachung ^Verdauung) durch Secrete, in manchen Fällen vielleicht auch bei der Aufnahme gelöster Stoffe in den Protoplasten (vgl. Bd. I, p. 89), eine active physiologische Be- thätigung im Spiele sein kann. WasserbewegllUg"2). Durch die Senkung des Turgors, also auch durch die Transpiration, wird in jedem Falle eine Potentialdifferenz geschaffen, die eine nach den wasserärmeren Zellen und Gewebe^ gerichtete Wasserbew^egung hervorruft. Ob nun die Wasserbew^egung in den auf weite Strecken befördern- den Leitbahnen direct durch die besagte Potentialdifferenz betrieben wird, oder ob anderweitige physikalische oder physiologische Energiemittel in Thätigkeit treten, das wird sich erst sagen lassen, wenn die Mechanik des Wassertrans- portes in den Leitbahnen aufgeklärt ist. Durch eine physiologische Bethätigung wird aber das Bluten erzielt, dessen Zustandekommen ebenfalls noch nicht aufgehellt ist. Dagegen sind die näheren Factoren präcisirt, die den Wasseraustritt bei Nectarien bewirken. Denn dieser wird durch die extracellulare Anhäufung (also durch die plasmolyti- sche Wirkung) von Zucker oder von anderen gelösten Stoffen verursacht. Die Pflanze hat also nur für die Anhäufung des Zuckers und für die Unterhaltung dieser Potentialdifferenz zu sorgen, für deren (physikalische) Wirkung es natür- lich ohne Belang ist, ob der Zucker durch die Metamorphose der Zellhaut, durch Secretion aus Zellen oder auf andere Weise herbeigeschafft wurde. 'S^ Wachstliumsarbeit. Wir wollen nun einen Blick auf die Aussenarbeit wachsender Organe werfen, erinnern aber zuvor daran, dass das Flächenw^achs- thum der Zellhaut nicht immer in derselben Weise ausgeführt wird. Denn bei 1) Hierher gehört auch die Wasserbewegung in der Pflanze insofern und insoweit dieselbe ohne vitale Bethätigung zu Stande kommt. 2) Vgl. Pfeffer, 1. c. p. 258 und dieses Buch, ßd. I. Kap. VI. § 166. Specielle Fälle. 891 dem plastischen AVachsen wird die Zellwand durch eine von Aussen auf sie ein- wirkende Dehnkraft, d. h. durch die Turgorenergie, passiv (plastisch) ausgezogen, während bei dem activen Wachsthum die Wachsthumsarbeit durch die Ausschei- dungsenergie, d. h. durch die auf irgend eine AVeise erzielte Einlagerung (Intus- susception) von Substanztheilchen geleistet wird^). Tritt aber der Zelle oder dem Zellcomplex eine Widerlage entgegen, so wird gegen diese allmählich ein sehr ansehnlicher Druck dadurch entwickelt, dass die Zellhaut fortfährt in die Fläche zu wachsen, so dass der Turgordruck (der osmotische Druck des Zellinhalts), der zuvor die Zellhaut spannte, mehr und mehr gegen die AViderlage gelenkt wird. Mit der totalen Entspannung der Zellhaut ist dann der höchste erreichbare Aussendruck hergestellt, der ent- weder dem schon zuvor vorhandenen Turgordruck entspricht oder höher als dieser ausfällt, wenn, wie es bei gewissen Objecten zutrii'lt, die mechanische Hemmung eine Steigerung des Turgors veranlasst. Allerdings vermag der Aussendruck nur bei zartwandigen Geweben die Turgorenergie nicht wesentlich zu überschreiten, während bei dickwandigen Geweben, deren Zellhaut bei einem Compressionsdruck nicht so leicht ausbiegt, durch das active Flächenwachsthum der Membran eine höhere Aussenleistung zu Stande kommen kann und viel- leicht in gewissen Fällen zu Stande kommt "■^j. Nachdem allmählich die Druckleistung die Höhe des äusseren Gegendruckes erreicht und überschritten hat, wird die bis dahin mechanisch gehemmte Zu- wachsbewegung wieder aufgenommen, und nunmehr wird bei dem Fortschieben der Widerlage eine durch das Product aus Last und Wegstrecke bemessene Arbeit geleistet. AVährend aber bei massiger Last die frühere Wachsthums- schnelligkeit ganz oder nahezu eingehalten wird, tritt mit der Erhöhung der hian- spruchnahme mehr und mehr eine Verlangsamung der AVachsthumsschnelligkeit ein. Die Pflanze vermag also ihre Arbeitsthätigkeit zu steigern, denn eine Steigerung dieser ist ja nöthig, um, neben der fortdauernden, internen AVachs- thumsarbeit, einen entgegentretenden AViderstand vor sich herzuschieben. Es liegen hier analoge Verhältnisse vor, wie bei einem Menschen, welcher, neben dem stets zur eigenen Fortbewegung nothwendigen Energieaufwand, seine Arbeitsleistung entsprechend steigern muss, wenn er, nach dem Aufladen einer Last, auf derselben AA'egstrecke in derselben Zeit auf eine Anhöhe gelangen will. Ebenso wie die Pllanze besitzt auch der Mensch, sowie eine jede Maschine, eine begrenzte Leistungsfähigkeit, und bei genügendem AViderstand wird ein Fortbewegen unmöglich. Bei etwas geringerem AViderstand aber muss der Gang verlangsamt, d. h. die für eine bestimmte AA'^egstrecke nöthige Zeit ver- längert werden, um mit den zur Verfügung stehenden Mitteln vorwärts kommen zu können. In diesem Sinne ist auch die Abnahme der Wachsthumsschnellig- keit der Pflanze bei Zunahme des AViderstandes aufzufa!rsen. Die Aussenarbeit muss aber bei einer bestimmten hianspruchnahme den Maximalwerth erreichen, da jene sowohl Null wird, wenn ein Widerstand fehlt, als auch dann, wenn dieser die llealisirung der Zuwachsbewegung 1) Vgl. Bd. II, p. 30, 884. 2) Näheres über dies und das Folgende in Bd. IL p. U4 und bei Pfeffer, Druck- und Arbeitsleistungen 1 893. 892 Kap. XVI. Ausblick auf die in der Pflanze angewandten energetischen Mittel. verhindert. Uebrigens ist es klar, dass es sich auch bei diesen Yorgängen um regulatorische lleactionen handelt, durch die erzielt wird, dass die der Ptlanze zur Verfügung stehenden Energiemittel, da wo es nüthig ist, zu Aussenleistungen nutzbar gemacht werden. Der nummerische Werth dieser ist aber natürlich kein Maassstab für die interne Arbeitsleistung bei der Ausführung des Wachs- thums, das ohnehin mit gleicher Intensität fortgesetzt wird, wenn eine immer- hin schon ansehnliche, aber nicht zu hohe Aussenleistung hinzukommt i). Die entwickelten Gesichtspunkte gelten ebensogut für eine einzelne Zelle, wie für einen aus gleichartigen oder differenten Zellen gebildeten Zell- und Ge- webecomplex^]. Denn in einem Gewebeverband bilden die langsamer oder die nicht mehr wachsenden Complexe die Widerlage, welche durch die Aussen- arbeit der nach schnellerem Wachsthum strebenden Gewebe in Zugspannung versetzt wird. Die Verhältnisse gestalten sich nur insofern complicirter, als die Widerlage aus lebendigen und reactionsfähigen Geweben besteht, die, wenig- stens in den noch nicht ausgewachsenen Organen, selbst noch wachsthumsfähig sind. Infolgedessen wird dann, wenn dem ganzen Organe durch eine Wider- lage die fernere Vergrüsserung unmöglich gemacht ist, das Wachsthum der negativ gespannten Gewebe fortgesetzt, und je nachdem auf diese Weise die negative Spannung theilweise oder ganz schwindet, wird die von den activen (positiv gespannten) Geweben ausgehende Wirkung auf die Widerlage übertragen. Wenn dann fernerhin auch die Turgorenergie der zuvor negativ gespannten Gewebe in der gewöhnlichen Weise gegen die Widerlage gelenkt wird, so ist klar, dass bei völliger Entspannung aller Zellhäute der theoretisch mögliche Aussen- druck auch von solchen Organen ausgeübt wird, in denen normalerweise eine hohe Gewebespannung besteht. Dieses Ziel wird unter anderm bei der Hem- mung der geotropischen Krümmung der Grasknoten erreicht, während bei vielen Pflanzen die Gewebespannung im Gipsverband nicht gänzlich schwindet. In jedem Falle werden nach der Beseitigung der Widerlage die bisherigen Spannungsverhältnisse nicht nur in Gewebecomplexen hergestellt, sondern auch bei der einzelnen Zelle, deren Wandung nun wiederum im vollen Maasse durch die Turgorenergie in Zugspannung versetzt wird. Da aber ein solcher Wechsel, z. B. bei dem Durchbrechen einer Widerlage, sehr plötzlich eintreten kann, so ist es wichtig, dass während der äusseren Arbeitsleistungen die Zellwände dauernd diejenige Cohäsion bewahren, die ihnen erlaubt, der höchsten Inan- spruchnahme durch den Turgor widerstehen zu können. In derselben Weise wird auch bei krümmungsthätigen Organen die Energie für die oft sehr ansehnliche Aussenleistung gewonnen. Denn wie wir früher hörten, vermögen sich viele horizontal gelegte Sprosse auch dann geotropisch aufzurichten, wenn sie ausser dem Eigengewicht eine 4- bis 30 mal grössere Last zu heben haben. Unter diesen Umständen wird dann eine erhebliche, bei einer massigeren Steigermig der Inanspruchnahme aber keine oder nur eine geringe Verlangsamung der Krümmungsbewegung beobachtet 3). iN'atürlich setzt eine solche Leistung eine genügende Tragfähigkeit des 1; Pfeffer, 1. c. -1893, p. 330, 419. 2) Pfeffer, 1. c. 1893, p. 379, 400, 426; dieses Buch. Bd. II, p. 38, 1?.. 3; Siehe Bd. II, p. fis: und die dort citirte Literatur. § 166. Specielle Fälle. 893 Sprosses voraus, denn eine Wurzel oder ein anderes Organ, das bei dem Auftreffen auf eine Widerlage leicht ausbiegt, vermag keinen hohen Druck auszuüben (Bd. 11, p. 6o9, 674). Wird aber das Ausbiegen durch eine ent- sprechende Widerlage unmöglich gemacht, so kann eine Wurzel, ebensogut wie ein tragfähig gebauter Spross, einen hohen Aussendruck entwickeln, der sogar bis zum Sprengen von Steinen anschwillt (H, p. 145). Das Hervorbrechen der Sprosse aus einem zähen Boden, das Sprengen fester Samenschalen, das Ueber- winden des Widerstandes der Rinde, sowie die Intensität der Gewebespannung sind weitere Beispiele für die Entwickelung einer hohen Aussenleistung durch die physiologische Wachsthumsthätigkeit i). Die Schnellbewegungen der Staubfäden von Parietaria, der aufspringenden Früchte von hnpatiens, Momordica u. s. w. sind ferner Beispiele dafür, dass durch die physiologische Aussenleistung der wachsenden Organe Spannungen geschaffen werden, die eine plötzliche Activirung gestatten 2). Dabei ist aber zu beachten, dass die Pflanze nicht nur diese potentielle Energie herstellt, sondern auch (analog wie für das Abfallen des Apfels etc. II, § 62) selbstregulatorisch dafür sorgt, dass diese Spannungen zu einer gewissen Zeit ohne oder durch einen äusseren Anstoss ausgelöst werden. Da aber die schnellenden Gewebe niemals in vollkommener Weise elastisch sind, so ist es schon desshalb unmöglich, dass der volle Betrag der activirten potentiellen Energie zum Fortschleudern von Samen etc. (zur Wurfbewegungj nutzbar gemacht wird 3). In diesen und ähnlichen Fällen ist nur eine einmalige Action möglich, weil die durch die Wachsthumsthätigkeit geschaffene Spannung (potentielle Energie) nicht wieder regenerirt wird. Durch die regulatorische Wiederherstellung der Spannungen sind aber die Staubfäden der Cynareen, die Gelenke des Blattes von Mimosa pudica u. s. w. zur Wiederholung der Reizbewegung befähigt, die im Avesentlichen darauf beruht, dass durch eine plötzliche Turgorsenkung eine schnelle Contraction der elastischen Wandungen ermöglicht wird, die dann durch die Wiederherstellung des Turgors von neuem gedehnt und gespannt werden''). In dieser regulatorischen Wiederherstellung, sowie in der plötzlichen Senkung des Turgors treten uns physiologische Operationen entgegen, durch deren Ver- mittlung die osmotische Energie, bezw. die durch diese erzielten Spannungen (potentielle Energie), im Dienste des Organismus nutzbar gemacht werden. Durch die Zurückführung auf den Antagonismus zwischen der Spannung der (constant) elastischen Zellhaut und der Variation des Turgors (der osmo- tischen Energie) sind die energetischen Factoren präcisirt, die den besagten Reactionen zunächst zu Grunde liegen. Für den mechanischen Erfolg ist es 1) Siehe Pfeffer, I.e. 1893. — Ueber das Eindringen von Pilzen u. s. w. vgl. ferner Bd. I, p, 360; II, p. 585. 2) Siehe Bd. II, § 106. Die durch den Wechsel der Imbibitionsverhältnisse erzielten Bewegungen lebender und todter Organe lassen wir hier ausser Acht. Vgl. übrigens auch Bd. il, p. 880. 3) Pfeffer, Studien zur Energetik 1892, p. 239. 4) Näheres Bd. II, § 91, 92. Vgl. auch Bd. II, p. 375. Ob bei den autonomen und nyctinastischen Variationsbewegungen nur der Turgor oder auch die Elasticität der Zellhaut variirt, ist noch nicht sicher entschieden. Vgl. Bd. II, § 82, 103. 894 Kap. XVI. Ausblick auf die in der Pflanze angewandten energetischen Mittel. einerlei, wie iin näheren der Turgor regenerirt und die plötzliche Senkung der Turgorspannung herbeigeführt wird. Das Hervorpressen von Wasser ist aber erst eine Folge dieser Turgorsenkung, und in jedem Falle kann also die Zelle sich nur dann schnell contrahiren, wenn sie eine genügend schnelle Druckfil- tration des Wassers gestattet. Die Contractionsenergie (die der osmotischen Arbeitsleistung bei der Span- nung der Zellhäute entspricht) ist aber ebenso ansehnlich wie bei Muskeln. Denn bei diesen wird die durch eine Reizung ausgelüste Contractionsenergie durch 1 — 10 Kilo, bei den Staubfäden der Cynareen durch ca. 5 Kilo pro I cm^ Querschnitt äquilibrirt i). Da aber diese animalischen und vegetabilischen Ge- bilde bei der Gontraction in physikalischer Hinsicht im wesentlichen wie ge- spannte elastische Körper wirken, so ist es auch klar, dass die maximale Aussenleistung dann erzielt wird, wenn die Belastung während der Gontraction maximal ist, d. h. wenn sie so regulirt wird, dass sie mit der Verkürzung dauernd abnimmt 2). Denn wenn die Gontractionsenergie zu Beginn oder in irgend einer Phase der Gontraction nicht voll ausgenutzt wird, oder wenn durch eine bleibende Belastung bewirkt wird, dass sich der elastische Körper nicht völlig contrahirt, so geht ein entsprechender Theil der nutzbaren Energie für die Aussenarbeit verloren. Ebenso wird bei der activen Wiederverlängerung des Staubfadens etc. die höchste Aussenarbeit dann geleistet, wenn man durch eine Widerlage die angestrebte Verlängerung so lange verhindert, bis der volle Turgordruck wieder- hergestellt ist, und wenn man dann die Ausdehnung unter allmählicher Ent- lastung vor sich gehen lässt. Eine solche Abnahme der nutzbaren Aussen- energie mit der Verlängerung tritt natürlich nicht bei einem wachsenden Organe ein, das vermöge seiner selbstregulatorischen Thätigkeit während der Fort- bewegung einer Last dauernd denselben Aussendruck ausübt. Die hohe Gontractions- und Expansionsenergie ermöglicht den Staubfäden der Gynareen, den Blättern von Mimosa etc. (analog wie den geotropisch reagirenden Organen) (II, p. 657), neben dem eigenen Körpergewicht eine an- sehnliche Last zu heben. Nach Schilling 3) kehrt sogar das gereizte Blatt von Mimosa pudica auch dann völlig in die gewöhnliche Lage zurück (vgl. Fig. 48, Bd. II, p. 433), wenn das statische Moment, welches normalerweise in dem primären Gelenk wirksam ist, durch das Anhängen einer Last auf das 2 — 4 fache gesteigert wird. Es hängt dieses offenbar damit zusammen, dass durch die Abweichung von i) Pfeffer, Studien zur Energetik 1892, p. 238. 2) Pfeffer, I.e. 1892, p. 236. Analoges gilt für die Arbeitsleistung durch die Ausdehnung oder die Zusammenziehung eines comprimirten bezw. eines unter nega- tivem Druck stehenden Gases; vgl. Bd. II, p. 881. — Ob die geringe Zunahme der Wärme- production bei der Reizcontraction des Blattgelenks von Mimosa pudica durch eine chemische Reaction oder durch die mechanischen Reibungen etc. des austretenden Wassers u. s. w. bewirkt wird, ist noch nicht entschieden. Vgl. Bd. II, p. 434 Anm. 3) A. J. Schilling, Der Einfluss von Bewegungshemmungen auf die Arbeits- leistungen d. Blattgelenke von Mimosa pudica 1895, p. 11. Vgl. auch diesen Bd. II, p. 507. Die Causalität dieser Verhältnisse ist übrigens durch die Untersuchungen Schilling's nicht genügend aufgeklärt, die auch unentschieden lassen, in wie weit ein solches Reactionsvermögen bei anderen Bewegungsgelenken ausgebildet ist. § 166. Specielle Fälle. 895 der normalen (stationären) Lage, wie das allgemein der Fall ist (II, § 1 1 9), He- actionen erweckt werden, die auf die Wiederherstellung dieser Gleichgewichtslage (Eigenrichtung) hinarbeiten. So ist es auch zu verstehen, dass das Blatt ebenso dann in die normale Lage zurückkehrt, wenn es durch das Anhängen eines Gewichts, unter Vermeidung einer Reizung, ein wenig ausgebogen wird. So weitgehend wie bei den Staubfäden der Cynareen etc. sind die maass- gebenden mechanischen Factoren z. B. weder in Bezug auf die Bewegungen der Cilien (II, p. 722), noch in Bezug auf die Bewegungen der Muskeln aufge- klärt, die wir als animalische Gebilde nicht zu behandeln haben. Autorenreüister zu Band I und IL A. Aberson I, 559, 566. Aeby I, 387. Acqua I, 44. Acton I, 265, 308, 3 53. Adanson II, 710 Aderhold II, 7 H , 776, 79 1, 804, 8i5. Adie I, 12 6. Adler I, 18 4. Agardh II, 853. Ahlfvengren II, 122. Aime I, 18 8. Albert II, 261. Albertus Magnus II, 492. Albrecht II, 22. Alessandri I, 222, 2 3 4. Alexandrow II, 312. Ali-Cohen II, 803. Altvater I, 3 96. Ambronn I, 70, 198, 480; II, 62, 392, 402, 405, 408, 4H. Amelung II, 44, 101, 10 4. Amici I, 178. Amm I, 5 46, 573. Amthor I, 617. Anderson I, 2 2 4. Andre I, 423, 432, 554, 599. Andrews II, 78 9. Arct II, 618. Aereboe I, 573, 57 4. Arendt I, 259, 599. Areschoug II, 67 4. Arloing II, 318. Arnoldi II, 11, 173, 225. Arnould II, 242. d'Arsonval II, 888. Artari II, 293. Arthur II, 263, 72 3. Ascherson II, 542, 853. Aschoff I, 414, 425, 492. Askenasy I, 20 5, 497; II, 6—20, 33, 52,91—95, 104,140,196,218,200, 270,381,394,539,570, 848. Astruc 11, 641. Atkinson II, 122. Aubert I, 164, 188, 191 — 233, 310, 342, 380, 529—534, 576. Avedissian I, 217. B. Baccarini II, 474. Bach I, 3 4 0. Bachmann, E. I, 156, 496. Bachmann, H. II, 92, 103, 135, 140, 142. Bachmetjew II, 299, 311, 313. Baier I, 568. Bailey I, 33 6. Baisse, de la I, 133, 199. Ball II, 425, 669. Balland I, 598. Ballo I, 3 40. Baranetzky 1,222,230,232, 243,248,510,613,619; II, 25, 110, 149, 255, 257, 382,392,396,401 — 412, 596,652—658, 683 — 694, 770, 777, 792. Barnard II, 852, 8 60. Barth II, 126, 564, 610, 651—670. Barthelemy I, 161, 165, 179, 232. Barus I, 6 0. de Bary I, 101, 170, 178, 198, 260, 265, 349 — 364,478,501,509,593, 618, 620; II, 7, 15, 39, 50, 96, 105, 130, 140, 151,264,274,291,294, 328,540,542,575,583, 712, 718, 728 — 731. Baeseler I, 397. Bastit I, 304, 322, 576; II, 566. Batalin I, 317; II, 100, 113, 267, 456 — 468, 484, 525. Bateson 11, 23, 73, 632. Baudrimont I, 18 8, 338. Bauke II, 182. Baumann I, 58, 359, 3 82, 431. Bay II, 306, 62 1, 72 331, 299, 305, — — specifische Assimilationsenergie I, 343. — in den Spectralbezirken I, 32 5. Theoretisches I, 338. Unfähigkeit chlorophyllfreier Organismen I, 2 87. Verhältniss von Kohlensäureconsum und SauerstofTproduction I, 303. Bedeutung in der Natur I, 275, 279, — Wirkungsweise des Chlorophylls I, 334. — zweckentsprechende Bauverhältnisse der Beeinflussung durch Aussenbedingungen Pflanzen I, 341 I, 317. ohne Chlorophyll I, 2 87. chlorophyUarmer Organe ., chlorophyUfreier Chromatophoren 1,2 86. Einfluss chemischer A2:entien I, 322. der Bodenluft I, 1 53. Kohlensäuregehalt — — Intercellularluft I, 187. I 52 j%o. Luft I, 313. ., 280, — und Wachsthum I, 316. Kohlensäuresecretion der Wurzeln 944 Sachregister. Kohlenstoff, Kreislauf desselben in der Natur I, 279. Kohlenstoffverbindungen, allgemeine Noth- wendigkeit dieser I, 277. Kohlenwasserstoffe, nicht assimilirbar 1, 309. — Production I, 540. Kork, Bedeutung für Transpiration I, 218. — Durchlässigkeit I, 99. — Gasdurchtritt I, 165. Korkbildung beim Abwerfen von Blättern etc. II, 277. — nach Verwundungen II, 157. Korkwandungen , Elasticität und Cohäsion II, 60. Körnerplasma I, 41, Kraftwechsel und und Verkettung Stoffwechsel beider I, Definition ; II, 3. Kreatin, Stickstoffnahrung I, 39 7. Kreislauf der Stoffe I, 279. Kriechbewegungen Krümmungen, 11, 697, 707. Einfluss auf die Production von Sprossen und Wurzeln II, 154. Erweckung von Gegenreactionen durch dieselben II, 596. in Folge der Gewebespannung II, 68. passive und active II, 658. als Ursache von Wandverdickungen II, 669. Ki'ümmungsbewegungen, Beeinflussung II, 531. autonome I, 379. durch äussere Factoren — Dunkelstarre II, 532. — Dimensionsänderungen in den anta- gonistischen Flanken II, 371, 533, 650. Energie Arbeitsleistung und 521, 657. hygroskopische II, 543 II, 378, II, 370, 513, 521, 650. mechanische Reizungen — Mechanik — durch mechanische Reizungen II, 4 3 3. — durch Nutation und Variation II, 370, 513, 521, 650. — photo-, thermo- und hjdronastische II, 476. — Sistirung einzelner durch Chloroform und andere Aussenfactoren II, 530. — tropistische 11, 650. — Verknüpfung mit den Locomotionen II, 697. — Verlauf und Schnelligkeit der tropisti- schen II, 653. — Wachsthumsverhältnisse und Zell- mechanik II, 370, 513, 662. Krümmungsbewegungen der Zellen und der Gewebe II, 373. Krystalle, Senkung in der Zelle II, 789. Krystallisationsenergie (Ausscheidungsener- gie) II, 878. Krystalloide I, 68, 458. — osmotische Leistung I, 128. — Wachsthum II, 28. Kupfer, Reizwirkungen I, 408; II, 128. — Vorkommen I, 43 2. Kupfersalze, Giftigkeit II, 334, 352. — Resistenz von Penicillium II, 3 42. Kurztriebe II, 168. Kyanophihe 1, 37. L. Labferment I, 36 3, 512. Labile Gleichgewichtslage radiäi*er und dor- siventraler Organe I, 508, 630. — Induction von Dorsiventralität II, 167, 508. Lackmus, Reduction durch die Stoffwechsel- thätigkeit I, 558. Lactase I, 509. Lagern des Getreides I, 431; II, 101. Lakkase I, 553. Landpflanzen, Wachsen unter Wasser II, 141. Landwurzeln II, 132. Längenperiode der Internodien II, 8. Längenwachslhum vgl. Wachsthum. Längsspannung II, 68. Langtriebe II, 16 8. — correlative Entwickelung II, j 97. Lastkrümmungll, 391, 551, 655, 658, 685. Latenzzeit bei Reizungen II, 363, 620. Lateralgeotropismus II, 405. Lathraea, Erregung der Keimung durch chemische Reize I, 351. Laubfall, Auswandern der Aschenbestand- theile I, 597. — Ursachen und Mechanik II, 276. Laubmoose, Dorsiventralität II, 1 87. — Geotropismus II, 566. Lävulin I, 47 4. Lävulose, Assimilationsproduct I, 302. — Reservestoff I, 60 8. — Vorkommen und Verarbeitung I, 472. Lebendige Substanz, Continuität I, 30 ; II, 5. Lebensdauer, Abhängigkeit von den Aussen- bedingungen II, 2 47, 279, 282. — ausgetrockneter Pflanzen II, 3 23. — Begrenztheit I, 33; II, 283. Sachregister. 945 Lebensdauer, bei der intramolecularen Ath- Licht, morphogene Erfolge durch einseitige mung I, 54 4. Lebenskraft f, 5. Lebermoose, Entstehung der Dorsiventralität It, 182. — Geotropismus II, 566. Lecithin I, 53, 417, 422, 478. Legumin I, 55. LegumiBosen, Assimilation des freien Stick- stoffs I, 387. — Wurzelknöllchen I, 357. der Pflanze II im 877. bei denselben IL 875. Leistungen Vergleich 877. zum Thiere IL — Energiemittel Wtärmewerth derselben II, 887. Leistungsformen II, 877. Leitbahnen, Verstärkung durch die Wasser- bewegungen II, 141. Gefässbündel. vgl Gasaustausch I, 180. auf Sauerstoff I Reagens siehe Lichtproduction. Leitbündel Lenticellen, Leuchtbacterien 293. Leuchten, Leuchtende Stoffe II, 859. Leuchtendes Fleisch II, 851. — Holz II, 851. Leucin als Reservestoff I, 60 8. — Stoffwechselproduct I, 454, — Stickstoffnahrung I, 397. Leucoplasten I, 2 93. — Fehlen der Phototaxis II, 786. Lianen, Eintheilung II, 398. Licht, Aenderung der Blattorientirung 540. mit der Intensität II, 695. Bedeutung 317. für Chlorophyllbild an g I Wirkung intensiven Lichts IL 319. Wachsen und formative Gestalten IL II, 119. Wirkungen ., 98, 248. formativer Einfluss auf Blüthen II, I — Erfok 04. cibasalität II, 181, 190. - — locales Etiolement II, 101. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. IL Beleuchtung II, 107. ■ — orientirende Wirkung auf Chlorophyll- körper II, 779. — photonastische Wirkungen II, 476. — - phototonische Wirkungen II, 97, 114, 532. — Säm-ezersetzung I, 310. — transitorische Reizwirkungen II, 109. — tropistische Reizungen und Orientirungen II, 553, 572, 771, tropistische Reizwirkimg des polari- sirten II, 579. Wachsthum und differenler Trockengewicht bei Beleuchtung IL 111 Plasmaströmungen Wirkung auf die II, 770. Zerstörung des Chlorophylls I, 318. Lichtabfall oder Lichtrichtung als Ursache der heliotropischen Reizung? II, 646. Lichtabsorption in Geweben I, 329. — und Kohlensäureassimilation 1, 331. — im Wasser I, 3 37. Lichtabstufung mittelst Tuscheprismen II, 647. Lichtconcentration bei Schistostega I, 345; II, 853. Lichteinfluss auf Algen und Moose II, 103. — — Anlage und Austreiben von Knospen etc. II, 104, 10 6. — Athmung I, 573. — autonome Bewegungen II, 395. — Bedeutung Factoren 11, auf Bildung — ■ Blattorientirungen der mitwirkenden anderen 115. von Ausläufern II, 102. II, 688. des Sauerstoffs bei der schädlichen — — directe und indirecte Wirkungen auf — — bei Abkühlung während der Lichtentziehung II, 115. Gedeihen in constanter Beleuchtung II, 1 1 2. Hemmung und Tödtung durch intensives Licht I, 318; II, 107. Induction von Dorsiventralität und Verti- — — Blüthen I, 246. elektrische Spannungsverhältnisse II, 871. embryonale und postembryonale Ausgestaltung und Thätigkeit II, 1 05. Farbstoff bildung I, 497. die geotropische Stimmung II, 512, 564, 677. Keimung von Sporen und Samen IL 105. — locomotorische Bewegungen unü Plasmaströmungen 11, 767. die Nectarsecretion I, 267. Oeffnungs- gungen und II, 545. ökologisches Optimum Schleuder-Bewe- I, 344; n, 109. 60 946 Sachregister. Lichteinfluss auf Pilze 11, 102. — Regeneration von Amiden I, 461. — — Spaltöffnungsweite I, 175. Synthese der Proteinstoffe I, 402. ^— Transpiration I, 229. die tropistischen 512, 564, 614, 677, Stniimungen n. 773. — — den Tu r gor II, 116. Wachsen und Gestalten II, 96, 108, 113. — — das Wachsthum negativ heliotro- pischer Organe II, 110. Zelltheilung II, 112. Lichteinheiten II, 574. Lichtgenuss der Blätter I, 343. — Einrichtungen für diesen II, 109. Lichtgrenzen II, 107. Lichtintensität, Aenderung der heUotropi- schen und phototactischen Wirkung mit derselben II, 572, 772. — und Blattorientirung II, 695. — und Kohlensäureassimilation I, 3 2 3. Lichtmangel, Bedeutung für Abstossung von Pflanzentheilen II, 278. — Dunkelstarre II, 532. — Etiolement II, 98. — Gedeihen ohne Lichtproduction II, 851. — Abhängigkeit von Nahrung und che- Beleuchtung II, 97. Lichtproduction, Verschiebung des Tempe- raturmaximums durch Accommodation II, 856. — Zusaimnensetzung Zweck II, 854. Lichtstimmung, Aenderung des Lichts II, 860. der phototac- tischen II, 773. — Modification durch Aether und Kohlen- säure II 769. Lichtwechsel für Gedeihen nothwendig? II, 112. — jährliche Periodicität durch denselben II, 264. — phobische Reactionen bei locomotori- schen Organismen II, 770. — photonastische Bewegungen durch den- selben II, 482. — transitorische Wachsthumsbeschleuni- gung bei photonastischen Bewegungen II, 478. — ungleiche Reizwirkung bei Erhellung und Verdunklung II, 753. — Wachsthums- und Productionsperiodici- täten durch den täglichen Beleuchlungs- mischen Einflüssen II, 857. — — dem Entwickelungsstadium und den Aussenbedingungenll, 854. Ausfall bei nichtleuchtenden Rassen II, 855. Beeinflussung durch die Partiärpressung des Sauerstoffs II, 858. — — ■ — — Uebergangsreizungen II, 855. durch Chemiluminescenz II, 854. continuirliche und intermittirende II, — — 855. Energiequelle und Oeconomie II, 860. — — gewisse Fortdauer in supramaximalen und inframinimalen Bedingungen II, 855. Wechsel II, 111, 2 2 5. Lichtwirkungbei der Kohlensäureassimilation I, 339. — der Spectralbezirke vgl. Speclralfarben. Lipochrome I, 496. Lithium, Entbehrlichkeit I, 405, 423. — Markirung der Schnelligkeit der Wasser- bewegung durch dasselbe Locomotorische Bewegungen I, 201. II, 696. Bedeutung Agentien II, chemischer 793. begrenzte Fortdauer in supramaxi- malen und inframinimalen Bedin- gungen 11, 751. Beeinflussung durch die Aussen- bedingungen II, 748. — — — — — Temperatur U, 764. — — Bindeglieder mit den Krümmungs- bewegungen II, 697. intracellulare vmd extracellulare II, 859. — — Erweckung durch den Lichtwechsel — bei Noctiluca II, 855, 859. — Nothwendigkeit des Sauerstoffs II, 858. Reagens I, 293; als physiologisches II, 850. Sistirung bei Fortdauer 11, 855. Temperaturoptimum etc. Ursachen II, 854, 859. des Gedeihens — — II, 854. II, 769. Hemmung 797. Lichteinfluss mechanische durch Anaesthetica II, II, 767. Einflüsse II, 81 6. Reizwirkung emes von Giften II, 752. plötzlichen Temperatur- wechsels II, 765. Sachregister. 947 Locoraotorische Bewegungen, Schreckbe- wegungen durch Lichtwechsel II, 770. — — Sistirungohne AufhebungdesWachs- thums und umgekelu't II, 750. transitorische Fortdauer bei supra- maximaler und inframinimaler Tem- peratur II, 76 4. tropistische Reactionen II, 753. Uebergangsreizungen II, 752. Organismen, Topotaxis, Phobotaxis und Argotaxis II, 755. Longitudinaler Tropismus II, 548. Lophin II, 860. Lösungen, feste I, 60. Lösungsconcentration und Wachsthum II, 137. Luciferase und Luciferin II, 859. Luftbewegung, Einfluss auf Transpiration I, 230. Luftcontact, formative Reizwirkung II, 221. Luftdruck, Einfluss auf die Athmung I, 548. auf Wachsthum II, 131. 140. Luftoi'gane, Aufnahmethätigkeit Lufttrockene Pflanzen, Resistenz II, 321. ■ — — Wassergehalt II, 323. Luftwasserkette in Tracheen I, 205. Luftwurzeln, Function I, 141. — Heliotropismus II, 575. Luxusconsumption I, 405. M. Magnesit, Corrosion durch Wurzeln I, 154. Magnesium, Nothwendigkeit I, 404, 425. Plasmaströmungen II, 729. auf Maleinsäure, chemotactische Wirkung Farnspermatozoiden II, 801. Maltose I, 472, 508. Mangan als Reizmittel I, 373, 408. — Vorkommen und Bedeutung I, 43 Mangansalze, Giftwirkung II, 335. Mannit, Assimilationsproduct I, 302. — Reservestoff und Wanderstoff I, 608. — Vorkommen und Verarbeitung l, Marchantiaceen , aitiogene Induction der stabilen Dorsiventralität II, 181. — Reproductionsfähigkeit II, 205. Marchantiaceen, Ursachen der II, 679. Mark, Entspannung der Zellhaut II, Orientirung 35. geotropisches Verhalten nach der Iso- lation II, 6 65. Gewebespannung II, 67. Reservestoffe I, 61 8. in demselben I, 585. 11, 39. Markirung für Wachsthumsmessungen II, 2 4. Stoffwanderung Zerreissung Markstrahlen, Wanderung Bedeutung I, 618. bei der Stoff- — geometrische Anordnung derselben 11,54. Marmor, Corrosionen durch Wurzeln I, 153. Marsilia, Parthenogenesis II, 177. Martjnia, Reizbarkeit und Reizleitung bei den Narben II, 458, Masdevallia, Reizleitung 4 /i im Labellum II, 435, 470. Massenproduction bei höheren und niederen Pflanzen II, 8, 18. Massenwirkung, Bedeutung bei physiologi- schen Vorgängen I, 107, 489, 519; II, 107. Maximum bei Functionen II, 78. Mechanik des Wachsens II, 26. Mechanische Aussenleistungen durch Wachs- thum und Bewegungen II, 1 44,657,876. der autonomen Bewe- Beeinflussung gungen II, 396. locomotorischen bewegungen II, und Plasma- 816. des Wachsens und Gestaltens 11, 1 44. ■ — • physiologische Differenz vom Calcium — I, 426. — Speicherung und Auswandern I, 597. — Magnesiumoxalat I, 486. — Magnetismus, Einfluss auf Pflanzen II, 123. Hemmung Zelltheilung des Wachsens, Einfluss auf und Zellengrösse II, 43. Inanspruchnahme der Pflanze II, 55. Leistungen, II, 876. Energiemittel für dieselben — Wärmewerth derselben II, 887. Reize, Bewegungen infolge derselben II, 433, 439, 445, 791. — Fortleitung dieser II, 469. Reizungen, Abstumpfung der Reizbar- keit und Accommodationen II, 444. Theorie der Blattstellung II, 173. — Zellen und Gewebe II, 57. 588, Mechanomorphosen, Definition II, 154. Mechanonastische Reizbewegungen 11, 43 3. 475. Meeresalgen, Cultur derselben I, 414. — Turgorhöhe I, 122. — zulässige Concentration des Mediums I, 415. 60=' 948 Sachregister. Meerestiefe und Kohlensäureassimilation I, 337. Meristeme, Cohäsionsverhältnisse II, 64. — mit und ohne Totalbefähigung II, 4 75. Metabiose I, 350. Metamorphose, Begriff II, 171. .Metamorphosirende Reize II, 85. Metaplasma I, 39. Metatonische Reize II, 361. Meteorische Blüthen II, 499. Methanproduction I, 540. Methylal, verwendbar zur Stärkebildung in den Chloroplasten I, 30 9. Methylalkohol, Nährwerth I, 3 69. :\Iethylamin, Nährwerth I, 372. Meth3^1enblau, Excretion I, 107. Giftwirkung 11, 341. 82, 445. — Speicherung I, 82, 103, 605. Methylmercaptanproduction I, 540. Methylsulfid, Assimilation I, 423. Methylviolett, Giftwirkung II, 345. — Speicherung I, 80. Micell I, 6 4. Mikrochemie, Aufgabe derselben I, Mikrometrische Messung des Wachsens II, 24, 377. Mikrosome I, 36. Mikrospectralobjectiv II, 33 4. Milchröhren I, 593. Milchsaft, Enzyme I, 511. — Zusammensetzung und Bedeutung 1,5 9 3. Milchsäure, Nährwerth I, 372. Milchsäurebacterien I, 56 9. Milchsäuregährung I, 540, 569. Milchzellen I, 593. — gleitendes Wachsthum derselben II, 51. Milchzuckervergährung 1, 56 5. Mimosa pudica, Chemonastische Reizbarkeit der Blattgelenke II — — EintUiss von , 462. Belastung Gleichgewichtslage 894. elektrische des auf die Blattes II, Schwankungen bei der Reizbewesung II, 873. Fortdauer der photischen Reizbar- keit bei Sistirung der seismischen EmpfindUchkeit II, 44 4. Mechanik und Energie der seis- monastischen Reizbewegungen II, 450, 453. Mimosa pudica. Periodische Wiederholung der Reizauslösung bei intermittiren- der Reizung 11, 443. Reizfortpflanzung II Schlafbewegungen 473. , 482, 506. seismonastische Reizbewegungen II, 433. Sistirung der Reizbarkeit durch mechanische und elektrische Rei- zungen II, 443. Steigerung der Aussenleistung durch die Inanspruchnahme II, 894. Vertheilung der sensibeln und mo- torischen Zellen im Bewegungsge- lenke II, 451. Wärmeproduction bei der Reizbe wegung des Gelenkes II, 454. Zunahme der Biegungsfestigkei beim CWoroformiren II, 453. Zweck der seismonastischen Reiz bewegungen II, 445. Reizbewegungen Mimulus, chemonastische der Narben II, 435. — Reizausbreitung bei den Narben II, 470. Mineralbestandtheile, siehe Aschenbestand- theile. Minimum für Functionen II, 78. Mischculturen I, 571. Missbildungen, Bedeutung für phylogene- tische Schlüsse II, 172. Mitelllamelle, Lösung derselben II, 50. Mixotrophie I, 3 49. Molecularbewegung II, 69 9. Molecularstructur, Hypothesen 1, 64. — und physikalische Eigenschaften I, Quellung I, 61. — Veränderung I, 71. — Zerstörung durch Gefrieren II, 3 16. 71. Molvbdän t32. Mondlicht, heliotropische Wirkung II, 621. — Kohlensäureassimilation 1, 32 3. Mohoplast I, 51. Moose, Austrocknungsfähigkeit II, 3 2 3, 328. — ■ Chemotaxis der Samenfäden II, 801. — Erschlaffung der Bewegungsgelenke — bei der Reizbewegung 11, 452. — (lolonisationsarbeit I, 157. — Geotropismus II, 679. — Heliotropismus II, 679. — Incrustation I, 115. — Orientirungsbewegungen II, 6 9 4. — Reproductionsfähigkeit II, 205. — Ursachen der Dorsiventralität II, — Wasseraufnahme I, 140. 187. Sachregister. 949 Moose, Wasserleitung in denselben 1, 197. Moossporen, Reizwirkung des Lichts und chemischer Agentien beim Keimen II, 105, 114, 130. Morphästhesie II, 59 6. Morphium, Giftigkeit II, 333. Stickstoffnahrung I, vgl. Formative 399. Wir- Differencirung Morphogene Reize kungen etc.) II, 85. Morphologische Periode der II, 7. Mosaikarbeit II, 1 80. Mucin I, 475. Mucor, Bildungsbedingungen der Hefeform II, 135. Mucorineen, Wassersecretion I, 2 56. Mutation II, 236. Mutualistische Beeinflussung durch die Stoff- wechselproducte I, 515. Mycocecidien 11, 210. Myelinformen I, 91. Mykorrhiza I, 35 4, 3 57. — i'ormative Verhältnisse II, 210. Myronsaures Kalium I, 495. Myrosin I, 495. Myxomyceten, Bildungsursachen der Frucht- körper und der Dauerzustände II, 13 4, 140- — Enzymproduction I, 3 63. Myxomycetenplasmodien, amöboide Bewe- gungen u. Plasmaströmung II, 713, 723. Beeinflussung der Bewegungsthätigkeit durch Licht II, 770. chemische Zusammensetzung I, 57. Chemotaxis und Osmotaxis II, 80 5, 80 8. 717. — Cohäsion II, — Cytotaxis II, — Deformation II, 820. 828. durch elektrische Schläge — mechanische Beeinflussung der Bewe- gungen II, 817. Nichtverschmelzen der fremdartigen II, 746. Phototaxis II, 777. pulsirende Vacuolen II, 7 30. Resistenz Rheotaxis gegen Kälte II, 305. und Hvdrotaxis II, 81 Myxomycetenplasmodium, Schädigung durch osmotische Einflüsse II, 330. — Schreckbewegungen durch den Licht- wechsel II, 770. — Stoffaufnahme I, 94. — Thermotaxis II, 767. — Ursache und Mechanik der tropistischen Bewegimgen II, 761. — Verhalten nach Einbetten in Gelatine II, 46. Nachreifen der Samen I, 616. Nachwirkung der abgekürzten Entwicke- lungsperiode II, 2 67. — Accommodation an Gifte etc. II, 2 45. Temperatur, — autonyctinastischen Tagesbewegun- gen bei Eliminirung der Schwei'- kraft II, 510. — modificirten II, 2 67. — täglichen Periodicität der Zuwachs- bewegung 11, 2 56. von realisirten und mechanisch ver- Entwickelungsperiode hinderten Bewegungen II, 245, 508. rhythmischer geotropischer und helio- tropischer Reizbewegungen II, 490. der Tagesperiode sind nicht erblich II, 479, 488, 491. tropistischer Reizungen II, 508 Nachwirkungsmechanik Einfluss von Temperatur, Licht, Sauer- stoff etc. auf Bewegung und Gestaltung II, 766, 770, 795. Geotaxis? II, 792. intraplasmatische Verdauung I, 363. — 623. der täglichen Nu- tations- und Variationsbewegungen II, 518, 522. Nadelhölzer, Ersatz des Haupttriebes nach der Decapitation II, 612. — Induction der DorsiventraHtät II, 182. Nährboden , Systems I, 136. — Einfluss Beeintlussung des Wurzel- setzung auf die Aschenzusammen- I, 111. Nährlösungen, anorganische I, 413. — Einfluss der Concentration I, 415. — sauren und alkalischen Reaction I, 408. — — auf Transpiration I, 231. — für Pilze und Bacterien I, 375, 413. Nährmedium, Aenderungen durch die und Eigenthätigkeit einflussung I, 575. wechselseitige Be- Nährstoffe, 376. Auswahl derselben I, 102, 950 Sachregister. Nährstofle, beschleunigende und hemmende Reizwirkungen durch dieselben I, 5 < 3 ; H, 28. organische und anorganische I, 284, 349, 395, 403, 4*9, 535. verschiedenartige Verwendung I, 451. Vertretbarkeit der anorganischen 1,404, 421, 422. — der organischen I, 370, 442, 53 1, 607. I, 583. Negative Tropismen II, 548. Nepenthes, Einfluss chemischer Reize auf die secretorische Thätigkeit II, 465. — Insectenverdauung I, 365. — Wassersecretion in den Kannen I, 256. Neubildungen, gesetzmässige Entstehung II, 173. nach Verletzung und Organen II, 20 5. Entfernung von Neubildungsreize II, 85. Wanderung Nahrung, Allgemeines I, 268. Herkunft Nothwendigkeit düngen I, derselben der 277. Neutrale Anlagen II, 171 Nichtcelluläre Pflanzen I, Nickel, Vorkommen I, 432. 51. I, 268. Kohlenstoffverbin- Niederblätter, formativer Lichteinfluss II, der Athmung I, 527. — Verbrauch bei Nahrungsaufnahme, Bedeutung von lösen- den Seci'eten I, 355. Nahrungsgewinn der locomotorischen Orga- 102. Niederschlagsmembranen I, 90. Nitrat, Production Speicherung I, durch Athmung I, 531 nismen Reizen I. Bedeutung von 356. anlockenden Nitrat 83, 397. I, 395. und Nitritbacterien, chemosyntheti- sche Assimilation der Kohlensäure durch — Stickstoffnahrung Nahrungsmangel, Einfluss auf Wachsen und Gestalten II, 133. — als Reiz für Bildung von Fortpflanzungs- dieselben Nitrification Nitrile als I, im 346. Boden I, Stickstoffnahrung 397. I, 398. 11, 134. Nahrungsverbrauch mittel II, 202. Nähi'werth der 367. als correlatives Reiz- Kohlenstoffverbindungen I, Nitrit, Entstehung durch Reduction I, 558. Stickstoffverbindungen 395. Narben, autonome Bewegungen II, 3 86. — chemonastische Beilegungen II, 465. Reizfortpflanzung II, 47 0. seismonastische Reizbewegungenil, 435, 458. — Oxydation durch Nitratbacterien I, 3 47. — Production durch Athmung I, 531. — Stickstoffnahrung I, 399. Nitrobacterien, Athmung I, 531. — Wachsthumshemmung durch Zucker etc. II, 128. Nitrobenzoesäure, keine Stickstoffnahrung I, 399. Nodienund Internodien,Differencirung II, 1 1 . Nonosen, Nastien, Definition Vergährang I, 565. II, 83, 356. Natrium, Entbehrlichkeit I, 404, 424, 429. — kein Ersatz für Kalium I, 40 4. Natriumchlorid für Meerespflanzen noth- Nucleine I, 55 wendig? I, 408, 434. Nebenblätter, correlative Vergrösserung 197. Normalkerzen II, 574. Nosloc, Symbiose mit Gunnera I, 3 57. Nothreife II, 140. Nucleoalbumine 457. I, 55. II, — grosse Periode II, 12. Nebenproducte im Stoffwechsel I, 440. Nectarien I, 263. — Mechanik der Secretion I, 2 64. — Wiederaufnahme des Zuckers I, 265. des Secrets I, 263. , Zusammensetzung I, 2 6 6. Nectarsecretion, Beeinflussuner durch Assimi- — Zuckergehalt Nectarsaft, lation , , 267. I Licht, Temperatur, Turgescenz — Nucleolus, mechanisches Herausschleudern aus dem Zellkern II, 7 91. Nucleoplasma I, 3 6. Nucleoproteine als Reservestoffe I, 457. Nutationsbewegungen , autonome II, 380. — Definition II, 3 53, 476. — Messungsmethoden II, 377. — photo-,thermo-, chemo-, hydronastische 11, 433 ff. — revolutive II, 382. tropistische II, 6 50. unterbrochene und undulirende II, 386. Sachregister. 951 Nutationsbewegungen durch Veränderung der Turgorenergie II, 374. — mit und ohne Wachsthumsbeschleuni- gung II, 373. — Wachsthumsmechanik 11,372,374, 513, 528. — vgl. auch autonome, aitionastische, tro- pistische Krümmungsbewegungen. Nutzeffect, mechanischer II, 888. — Veränderlichkeit bei Arbeitsleistungen II, 888. Njctinastische Bewegungen vgl. photo- und thermonastische Bewegungen. 0. Oberflächenenergie II, 878. — Beziehungen zum Gesammtgetriebe II, 883. — externe und interne 11, 7 2 0, 8 83. — Leistungen sind nicht durch die Ver- brennungswärme eines Stoffes bemess- bar II, 8 83. — und Quellung I, 62. — regulatorische Benutzung zu Arbeits- leistungen II, 8 83. — beim Wachsthum II, 29. Oberflächenspannung II, 878. — auslösende und mechanische Bedeutung bei der Ausgestaltung 11, 221. — autogene (locale oder allgemeine) Ver- änderung II, 2 22. — Bedeutung für Gestaltungen und Be- wegungen im Protoplasma II, 715, 739. Oberirdische Organe, Sloffaufnahme I, 149. Objecttische, heizbare II, 95. Oeconomischer Coefficient I, 374, 527; II, 889. Oeffnungs- und Schleuderbewegungen II, 5 3 7 . — — — Beeinflussung durch dieAussen- bedingungen II, 544. Oeffnungsmechanik der Spaltöffnungen I, 174. Oekologie, Definition I, 8. Oekologische Arten II, 239. Oekologisches Optimum II, 79, 109. Oelbildner I, 478. Oele, ätherische I, 501. — Nährwerth und Verarbeitung I, 372, 466, 534. — und Oelsäuren, Aufnahme I, 85. — Production durch Kohlensäureassimi- lation I, 302. Oele, Beservestoffe I, 608. — Stoffwanderung I, 606. — Umlagerung durch Gentrifugalkraft H, 790. — Verathmung I, 534. — siehe auch Fette. Oelfermente I, 51 1 . Oligodynamik I, 104. Oelkörper der Lebermoose I, 468. — — — specifisches Gewicht derselben II, 791. Oelsäure I, 478. Oeltropfen, Aufnahme in Plasmodien I, 95. — Bewegungen durch Aenderung der Oberflächenspannung II, 715. Ontogenese, Ausschaltung der Fortpflan- zungsorgane und einzelner Phasen II, 250. ■ — autogene und aitiogene Factoren II, 4, 161, 221. — Bestimmung durch Structur imd Eigen- schaften des Protoplasten II, 1 53—2 33. — die dirigii-enden Factoren II, 221. — Gewebedifferencirung II, 223. — normales Absterben von Theilen II, 283. — regulatorische Bedeutung der Volum- und Massenzunahme II, 2 22. ■ — Schaffung neuer Bedingungen mit der Zelllheilung und Gewebebildung II, 223. selbstregulatorische Lenkung II, 159, 222. — selbstthätige Veränderung und Nutz- barmachung der inneren und äusseren Factoren II, 221. — ist von den specifischen Eigenschaften imd den AussenverhäUnissen abhängig II, 161. — Theoretisches II, 232. Optimum der Functionen II, 78. ökologisches II, 79. Optimumcurve Oi-gananlagen, 163. Oi'ganbildende II, 627. üeterminirung Keimbezirke II, Organe, Organeiweiss Bau und Function derselben II, 180. 31. I, 457. Organisation, Definition I, 59. Organisatorisches Wachsthum II, 2 8. Organische Nahrung 1, 2 68, 349, 436. Aenderung des Nährwerths mit den Aussenbedingungen I, 373. Aufnahme I, 3i9, 353. 952 Sachregister. Organische Nahrung, chemosvnthetische Osmotactische Sensibilität, Production — Election 346. 376. Gewinnung I, 355. — Mittel zur — Nährlösungen I, 375. — photosynthetische Production 1,2 85. Säuren, Bedeutung für den Tui'gor 1,12 3. als Nährmaterial I, 367, Producte der Athmung 539. 531, regulatorische — als Pi'oduction I, 4 87. Reservestoffe I, 48 6, 608. H2, 366. zur Stärkebildunc ui — — Secretion I, — — unbrauchbar den Chloroplasten I, 369. — — Verhalten in Früchten I, 616. Vorkommen und Bedeutung I, 485, 531, 540, Zersetzung 616. durch Licht I, 309. — autogene Orientirungsreize Orientirungstorsionen Beeinflussung der Bewegungen durch mechanische Eingriffe II, 816. — Einfluss der Lichtentziehung auf die Bewegungsthätigkeit 11, 76 8. — Phototaxis 11, 776. — Temperatureinfluss auf die Bewegungen II, 765. — Temperaturwerthe füi- Gedeihen II, 88. Oscillationen, aitionastische mit und ohne bleibende Verschiebung der Gleich- gewichtslage II, 477. autonome II, 380. — der Zuwachsbewegung II, 20. Veränderung durch Accommodation und Aussen- bedingungen II, 813. Osmotaxis II, 79 8. — der Bacteinen If, 803. — Natur des Reizanstosses II, 8 1 4. — positive II, 808. — topische und phobische II, 799. - — Ursachen dass isosmotische Lösungen nicht gleich stark wirken II, 810. - — siehe auch Osmotropismus und Chemo- taxis. Osmotische Beeinflussung der pulsirenden Vacuolen II, 736. — Druckhöhe, Bestimmung durch Plasmo- lyse I, 119, 127; II, 377. — — physiologische Ermittelung derselben I, 126. — Stickstoffnahrung I, 378. Orientirung der Haupt- und Seitensprosse II, 683. Orientirungsbewegungen II, 547, 654, 673. II, 596. II, 83. der Blätter 11, 689. Orobanche, Erregung der Samenkeimung durch chemische Reizung I, 35 1. — — Orthotrope Organe II, 549. Orthotropismus II, 548. Ortsbewegungen II, 696. — — — mit Cilien II, 699. — passive II, 69 8. — — — im Protoplasma, siehe Protoplasma- — — bewegungen. — ohne Cilien, siehe Gleitbewegungen und — — amöboide Bewegungen. Oscillarieen, Assimilationscurve im Spectrum I, 327. — Bewegungen II, 710. Tabelle I, 12 8. — Einflüsse auf locomotorische und Plasma- bewegungen II, 814. ungleicher Erfolg bei Zunahme und Abnahme der Concentration II, 753. Energie II, 877. Arbeitsleistungen durch dieselbe II, 880, 89 1. Herkunft und Verhältniss zum Stoft- wechselund zur chemischen Energie II, 881. regulatorische Gewinnung und Ver- wendung II, 881. Umsatz in potentielle Energie II, 8 80. Umwandlung von Wärme in Arbeit durch dieselbe II, 882. Verhältniss zum II, 881. Gesammtgetriebe Wirkung, I, vgl. 251. auch Diosmose Leistungen beim Wachsen II, 29, 137, 145. Resistenz gegen dieselbe II, 329. — Wasserausscheiduns: Osmotische Vorgänge und Turgor. Osmotischer Druck I, 116. — — Accommodation bei Concentrations- wechsel I, 122. — — BeziehungenzuGefi'ierpunkt, Dampf- spannung, elektrischer Leitfähigkeit und Moleculargewicht I, 12 6. — — Einfluss der Temperatur 1 , 120; II, 75. — — durch Gemische I, 12 4. Sachregister. 953 Osmotischer Stoffe I Druck, Natur der wirkenden und Theoretisches und Regulationen , 122. Physikalisches I, 126. Schwankungen I, 121, 520; 376, 449. Unabhängigkeit von der Hautqualität und Filtrationsschnelligkeit 1, 120, 125. Zunahme mit der Concentration II, 32, 145, 329, I, 129. 78. 592. Osmotisches System der Zelle I^ Osmotropismus 11, 581. ■ — Charakteristik des Reizanstosses II, — und Chemotropismus, Zusammenwirken II, 581. — Reizbedingungen und Perceptionsprocess — II, 648. — — siehe auch Osmotaxis und Chemotropis- mus. — Osteolith, Corrosion durch Wurzeln I, 154. Otolithentheorie II, 642. Ovula, Zufuhr der Nährstoffe I, 616. Oxalis, seismonastische Reizbewegungen der Rlätter II, 453. Oxalsäure als Athmungsproduct I, 532. Panachirung, Uebertragung auf die Unter- lage durch Transplantation II, 214. Pandorineen, Rewegungen II, 700, 771. Pangene I, 41 ; II, 233. Papain I, 511. Papayotin I, 511. Pappus, Rewegungen II, 542. Parabansäure, Nährwerth I, 372. Paraheliotropismus II, 488, Parallelotropismus II, 548. — dorsiventraler Oi'gane II, 551. — infolge der Vereinigung plagiotroper Or- gane II, 557, 561. Paramylon I, 302. Paranaslie II, 83, 356. Paraplasma I, 39. Parasiten I, 274. Eindringen I, 360. Gewebeanschluss an den Wirth 355. Haustorienbildung I, 198, II, 151, 418. — Mittel zur Erreichung der Nahrung 1,355. — morphogene Erfolge durch dieselben II, 210. — Richtwirkung des lebenden Substrats II, 595. Secretion von Enzymen I, 361, Rildung und Nährwerth I, Production 1 Secretion I, Verathmung Bedeutung 368. 540. 155. I, 377. 1, 489. Parasitische Ernährung I, 350. Parasitismus der Rhinanthaceen etc. I, 352. Wirkungen Paratonische Paratropismus II, 549. Parthenogenesis, normale II, 177. Partialfunctionen und II, 86, 356. und künstliche II, 77. Beeinflussung 534, 797. Aussenbedingungen durch Gifte etc. II, 3 40, ■ — Zersetzung durch Licht I, 309. Oxydasen I, 503, 553. Oxydation, extracellulare I, 553. — postmortale I, 553. Oxydationsgährungen I, 522. Oxygenotaxis und Oxygenotropismus 11, — Nothwendigkeit des harmonischen Zu 582, 803. Oxymethylen I, 309. Oxymethylensulfonsäure, Stärkebildung aus derselben in den Chloroplasten I, 309. Oxytropismus II, 582. Ozon, Giftigkeit I, 554; II, 320. sammenwirkens II, 282. ungleiche Beeinflussung derselben I, 51 3, 580; II, 78, 530, 610, 769, 797. — durch Sauerstoff I, 580; II, 533, 610. — Temperaturansprüche derselben II, P. Pallisadenzellen , Beeinflussung der Aus- bildung durch die Beleuchtung II, 100. — Chlorophyllgehalt I, 345. T— Formänderung der Chlorophyllkörner in denselben II, 784. Palmitinsäure 1, 478. 92, 610. Partialzuwachse II, 10. Passive Locomotionen II, 698. Pectase I, 477. Pectinstoffe, Reservestoffe I, 608. — Vorkommen und — in der Zellhaut I, Pentane I, 479. Bedeutung 480. I, 475. 954 Sachregister. Reizwirkung etc. II, 803. auf Pentosane und Pentosen, Vorkommen und Bedeutung I, 468, 476. Pentosen, Product der Kohlensäureassimi- lation? I, 302. Pepton , chemotactische Bacterien, Flagellaten — chemotropische Reizwirkung 11, 58 4. — Diosmose I, 81, 89. — hemmender Einfluss auf Nitrobacterien II, 128, 333. — Nahrung für Anaerobien I, 539. — Vorkommen I, 511. Peptonalgen I, 352. Peptonisirende Enzyme, Bildung und Se- cretion I, 362, 5H. Peptonorganismen I, 352, 368, 379, 398. Perception I, 13; II, 339. — und Action, einseitige Sistirungen 11,610. — — — räumliche Trennung bei tro- pistischen Reizen II, 599. Perceptionsprocesse, tropistische 11, 636. Periclinen II, 54. Peridineen, Ortsbewegung II, 700. — Lichtproduction II, 851. Periode, grosse, des Dickenwachsthums II, 15. — — der Entwickelung II, 8. — — secundäre Maximaund Minima II, 1 2 . Periodicität des Blutens I, 2 47. — der Gewebespannung II, 74. — jährHche II, 2 39. — tägliche II, 2 52, 4 88. — der Wärmebildung II, 837, 8 43. Periodische Bewegungen, autonome II, 380. Enlstehungsursachen II, 389. Peristom . Bewegungen Pettenkofer sehe Röhren I, desselben II, 542. Thier, Mangel 528. einer scharfen Pflanze und Grenze I, 275; II, 354. Pfropfen 11, 214. — Ausbreitung der Fleckenkrankheit II, 215. Pfropf hybriden 11, 216. Phänologie II. Phäoplasten I, 269. 295. Phenol, Nährwerth I, 372. Phenole, Giftwirkung II, 3 49. Vorkommen und Bedeutung .92. Phenylalanin, Stoffwechselproduct I, 454. Phloem, Bedeutung bei der Stoffwanderung I, 385, 591. — für die Wasserleitung I, 195. Phloem, Jahresperiode der Zuwachsbewe- gung II, 15. Phloridzin, Nährwerth für Pilze I, 492. Phloroglucin , Speicherung durch dasselbe I, 82. — Vorkommen und Bedeutung I, 58, 491. Phobismus II, 755. Phobochemotaxis und Phoboosmotaxis II, 799, 812. Phobophototaxis II, 771. Phobotaxis, Unterschied von Topotaxis und Argotaxis II, 755. Phosphate, chemische Reizwirkung bei Car- nivoren II, 463. — als Chemotropica II, 584, 803. ^ — Nahrung I, 422. — Speicherung I, 8 4. Phosphor, nicht vertretbar I, 422. — in organischer Bindung I, 417, 42 2, 609. — Speicherung und Auswandern I, 397. — Verhältniss zum Stickstoff I, 423. Phosphorescenz, siehe Lichtentwickelung. Phosphorgehalt I, 422. Phosphorige Säure I, 422. Phosphorsäure, Nährstoff I, 422. — in organischer Bindung I, 422, 609. — Stoffwechselproduct I, 459. Phosphorverbindungen, Abspaltung von Phosphorsäure I, 597. Photographische Registrirunj Photokinese II, 361, 751. Photometrische Bewegungen. 356. — Blätter II, 686. Photomorphose I, 21; H, 2, Photonastie, Definition II, 83. — Zusammenwirken mit Heliotropismus etc. II, 553, 679. Photonastische Bewegungen in Folge auto- gener und labil inducirter Dorsiventra- II, 26. Definition II, 82, 98. lität 11, 509. Bedeutung von Licht und formale Temperatur II, 531. in Folge geotropischer Induction II, 511. imd 680. Mechanik Gleichgewichtslagen II, 482, der Nutations- und Va- riationsbewegungen II, 513, 521. ■ — bei optimaler und supraoptimaler Lichtintensität II, 488. Sachregister. 955 Photonastische Bewegungen, Reactionszeit Pilze, Accommodation an concentrirte Lö- iind Inductionszeit etc. II, 50 3. — bei mngekehrter Aufstellung und bei Eliminirung desGeotropismus 11,508. — mit und ohne bleibende Verschie- bung der Gleichgewichtslage II, 477, 514. — Wachsthumsbeschleunigungbei den- selben II, 515. — wirkt Erhelluns Verdunklung? gleich II, 504, stark wie 517. Zusammenwirken mit thermonasti- schen Actionen — siehe auch Nutations- und II, 482, 505. Tagesbewegungen. II, 482. Variationskrümmungen , selben II, 52 4. Variationsbewegungen Energie der- Photopathie 11, 83, 649. Photosynthese, BegrifT I, 2 73. Photosjnthetische Kohlensäureassimilation I, 284. — ■ ■ — Bedeutunginder Natur I, 275, 279. Phototaxis, autogene und aitiogene Aende- rung der Lichtstimmung II, 773. — Beeinflussung durch chemische Aeentien und Temperatur II, 773. der Ghlorophyllkörper II, 779 Definition II, 753. wirkt Lichtrichtung oder reizend? II, 77 4. Perceptionsort des Reizes II, 76 topische und phobische II, 771 Umkehrung mit Steigerung Intensität II, 772. der Licht- 778. — ■ Wirkung der Spectralbezirke II, Phototonus II, 78, 97. Phototropismus, siehe Heliotropismus II, 547. Phragmoplast II, 45. Phycoerjthrin und seine Bedeutimg bei der Assimilation I, 298, 333, 496. Phjcophäin I, 2 9 8. Phylogenese, Bedeutung der Missbildungen II, 172. Physiologie, Aufgaben I, 7. Physiologisch-ökologische Periode der DilTe- sungen I, 12 1. — — Gifte II, 337. Aerotropismus II, 585. Assimilation des freien Stickstoffs 1, 385. Athmungsintensität I, 526. autonome Krümmungsbewegungen II, 380. — Beeinflussung der formativen Thätigkeit rencirung II, Physiologische Curven II, 78. — Leistungen, Begriff II, 8 77. Pilze, Abhängigkeit der Rhythmik und des Generationswechsels von den Aussen- bedingungen II, 249. durch chemische Einflüsse II, 134. Bildung von Dauerzuständen bei Wasser- mangel II, 1 40. — — Vereinigungsgewebe II, 52. carnivoi-e I, 3 65. Chemotropismus II, 58 4. Entstehung von Haftorganen II , 151. Ernährung mit Proteinstoffen I, 463. Fehlen der Chromatophoren I, 295. formative Erfolge durch dieselben 11, 2 1 0. formativer Lichteinfluss II, 102, 107. Galvanotropismus II, 593. Geotropismus II, 565. — Gewebespannung II, 70. — Giftproduction I, 500. — grosse Periode II, 12. — Heliotropismus II, 574, 575. — Hemmung der Spoi'enbildung beim Leben unter Wasser etc. II, 140. — Hydi'otropismus II, 587. Lichtabfall — Lichteinfluss auf die Zuwachsschnellig- keit II, 110. 775. — Lichtproduction II, 8 53. — Lösungswirkung durch Secrete I, 156. — als Mykorrhiza I, 357. — Nährmedien I, 3 75. — Nährwerth verschiedener Kohlenstoff- verbindungen, I 3 67. — nothwendige Aschenbestandtheile 1,40 4. — Nothwendigkeit des 420. 352. Eisens auf Pepton angewiesene I, Plasmaströmung II, 72 3. Production von ArsenwasserstoIT I, 433. pulsirende Vacuolen II, 730. Regenerationsvorgänge II, 2 08. regulatorische Bildung von Enzymen 1, 506. — Einflüsse durch die Veränderungen in der Zusammensetzung des Aussen- mediums II, 13 4. Reservestoffe I, 62 0. Rheotropismus II, 589. Ruhezeiten II, 2 64. 956 Sachregister. sjmbiotische Erfolge Tastreizbarkeit 11, durch Licht II, 318. Plagiotropismus der Blätter II, 687. Enzymen I, 362. — der Epheusprosse II, 681. — von Marchantia und Farnprothallien II, 679. .59 4. — radiärer und dorsiventraler Organe II. I, 357; II, 210. 551, 683. — Ursachen II, 554, 560, 638. Pilze, Schädigung — Secretion von — Stickstoffnahrung I, 3 97. — StofTwanderung in denselben I, 585. — Substratrichtung II, 459. für Temperaturwerthe Gedeihen II, 87. Thermotropismus II, 580. Ursachen der Bildung der Fortpflan- Wachsen und Plankton II, 699. Plasma vgl. Protoplasma und Protoplast. Zungsorgane II, 2 49. Plasmafibrillen , leitung II, 22 8, Plasmahaut I, 77. Bedeutung für die Beiz- 609. — des Verhalten Eindringens I. im farbigen 360; Licht 19 1 1 585. 117. Durchlässigkeit Durchlässigkeit I, 87. Wachsthumsschnelligkeiten II, Wachsthumsvertheilung II, 7. Wärmebildung II, 8 3 9. Wassersecretion I, 257. Weber's Gesetz bei chemotropischen und heliotropischen Reizungen II, 626. wechselseitige Beeinflussune:en durch Reizperception II, Aenderung der auswählende Bedeutung bei der 367. Diosmose I, 78. Durchtritt ungelöster Körper 1, 88. Einfluss niedriger Temperatur auf die Permeabilität II, 75. den Stoffwechsel I, 515. andere Gifte II, 3 34. — Modus der Stoffaufnahme I, 88 — Natur und Entstehung I. — Widerstandsfähigkeit gegen Kupfer und — Ursachen der differenten II, 342. Plasmaverbindungen, Bedeutung I Wärme und Kälte II, 2 89, 3 05. 91. Permeabilität 26, 50, von giftfestei'en Rassen? II, Züchtung 243. zulässige Concentration der Nährlösung L 415. 97, 602; II, 225, 609, 745. Neubildung bei Verwachsungen II, 219. Zerreissungen 11, Pilzfäden, rankenartig fassende II, 416. Pilzhyphen, Perceptionsort der tropistischen Beize II, 603. — und Pilzsporen, Austrocknungsfähigkeit 11, 328. Pilzsporen, Keimung in Folge chemischer Beize I, 351 ; II, 13 0. Pinsuicula, thisnionastische und chemo- 220. Plasmodesmen, siehe Plasmaverbindungen. Plasmodien, siehe Mvxomvceten. Plasmolyse 1, 118. — Abrundung des Protoplasten II, 73 9. Ausgleich derselben II, 138. nastische Bewegungen II, 461, 463. — Inscctenfang I, Pinselelektroden II, 365. 868. Beispiele für Unausführbarkeit II, 36, 138. Einfluss auf die Kohlensäureassimilation I, 322. durch dieselbe II, 330. durch Cuticula etc. I, 99; Schädigung Verzögerung II, 432. Pistill, autogene und aitiogene Krümmungen 11, 391. - — Bewegungsthätigkeit 11, 3 8 7. — Geotropismus 11, 56 4. Plagiogeotropismus 11, 564, 677. Plagioheliotropismus II, 67 9, 6 87. Plagiotrope Organe, Reizgrösse bei Ablen- kung nach oben oder unten II, 63 3. — — Orientirungsursachen II, 6 82. — — Vei-halten am Klinostaten II, 556. — Zweige, ßlattorientirung II, 693. Plagiotropismus 11, 548. Plasmolytische Verkürzungen I, 127; II, 65,' 374, 448. — Wirkungen, Einfluss auf Bluten I, 2 45. Plasmolytischer Nachweis der Stolfaufnahme I, 84. Plasmolytisches Gleichgewicht I, H 8. Plasmoptyse II, 138. Piasomen I, 41. Plasticität zartwandiger und wachsender Gewebe II, 64, UO Piastiden I, Plastine I, 56. ., 64, 36. Sachregister. 957 Plastische Stoffe I, 270, 439. Plastisches Wachsen der Zellhaut II, 3 0. Poikilotherme Polarisirtes Licht Organismen II, 829. Propionsäureproduction I, 540. Propjlalcohol, Oxydation zu Propionsäure I, 570. heliolropische Wirkung Propylamin, N'ährwerth I, 372. desselben II, 579. als Polarität der Sprosse, Wurzeln etc. II, 18 8. bei Anlage der Spallöff- Stickstoffnahrung I, 397. 348. Umkehrung nungen II, 791, — Ursachen derselben II, 187, 19 4. Polioplasma 1, 41. Pollenkörner, Keimung in Folge chemischer Reizung II, 130. — Reservesloffe I, 620. Proslropistische Bewegungen II, Proteide I, 55. Proteinkörner I, 458. Proteinkrvstalloide I, 68, 438. Proteinstickstoff und Aniidstickstoff I 455. Proteinstoffe, allgemeine Bedeutung für Bau gegen Wärme II, 2 9 4. durch Kalksalze I, 428. — Resistenz — Schädigung — Zerplatzen I, 117. Pollenschlauch, Reizwirkungen durch den- selben II, 213. Pollenschläuche, Aerotropismus II, 385. — Chemotropismus II, 584. — Hjdrotropismus II, 586. — Leitung zu den Samenknospen II, 585. der Tastreizbarkeit II, 459. des Substrats 11, 595. II, 20. — Weber's Gesetz bei der chemotropischen Reizung II, 626. — Zerplatzen dei-selben II, 139. Polysaccharide I, 492. — Spaltung durch Enzyme I, 510. — Vergährung nach der Zerspaltung I, 565. Populin 1, 493. Porenkork, Gasaustausch durch denselben und Betrieb i, 53, 456. Bildungsstätten I, 401. Reizwirkung bei Carnivoren Mangel Richtwirkung Wachsthumsschnelligkeit — chemische 11, 463. — chemotropische Reizwirkungen II, 584. — Constitution I, 55. — Diosmose I, 81, 89. — Nährwerth 395, 458. — Organeiweiss I, 457. — als Producte der Kohlensäureassimila- tion I, 3 00. — Qualitäten und Eintheilung I, 55. — als Reservestoffe I, 450, 6 08. — Synthese I, 378, 399. der verschiedenen I, 369, und circulirendes Eiw^eiss — Einfluss des Lichts I, 402 — in I, 402. Umsatz derselben I grünen und nicht grünen Zellen 3 8 0, 80. ., ...., 458, verdauHche und unverdauliche Wanderung 465. I, 4 58. 606. Positiver Tropismus II, 548. Postembryonale Anlagen und 171. Postmortale Veränderungen 11, Postregeneration II, 209. Potentialdifferenzen, elektrische derselben I, 586, — zerspaltende Enzyme I, 311. Zustände II, — dauernde Zerstörung derselben im Stoff- wechsel I, 380, 461. 289. Proteolytische Enzyme, Bildung, Secretion und Wirkungsbedingungen I, 362, 51 1. II, 86 1 Proteosomen I, 38. Potentielle Potetometer Energie 2 23. 11, 878. Prothallium , lität II, Präformationstheorie II, 2 35. Präsentationszeit II, 622. Productionsthätigkeit, correlative Hemmung imd Beschleunigung II, 198. Induction labiler 182, 680. Dorsiventra- II, 182, 680. Profilstellung von Blättern etc. II, 549. — bei intensivem Licht II, 6 95. Projection der Galvanotaxis II, 823. — kinematographische II, 355. — der Sauerstoffproduction I, 291. — des Wachsthums II, 2 2. — Orientirungsbewegungen Protochlorophyll I, 2 98. Protonema, Lichtconcentration und Licht- refiex I, 345; II, 853. — Oi'ientirungsbewegungen II, 69 4. Protoplasma, Aggregalzustand und Verände- 739. 490. fester Theile rung I, 38; II, 714, 1, — alkalische Reaction — Aufnahme und Ausgabe I, 9 4; II, 747. 958 Sachregister. Ausgleichung Protoplasma, sehen Umlagerungen II, 790. — Baustoffe I, 457. — — Bedeutung der Wabenstructur für Co- — der mechani- Protoplasmaströniung, Einfluss von Erschüt- EingrifTe ", häsion, Bewegungen etc. II, 720. Deformationen durch Anilinfarben etc II, 798. — — benachtheiligende 284, 288. SäurenundAlkalien II, 798,826. Temperaturwechsel II, 317,766. extracellulares I, 50; II, 3 6. Farbenspeicherung I, 57. m Folge des Aggregatzu- der Oberflächenspannun Gestaltungen Standes und II, 73 9. Gleichgewichtsgestallungen I, 3 8; 11,71 5. Ghtschbewegungen in demselben II, 726. Lebendfäi'bung I, 80. mechanische Umlagerungen und Defor- mationen II, 816. — Wirkungen der Centrifugalkraft II, 788. Quellungsenergie I, 117. Schwerkraft und — Silberreduction I, 57. — Theoretische Ansichten über Bau und Structur I, 41; II, 233. — Ursachen der Gestaltung, Bewegung und Gruppirung der Organe 11, 715, 739. — Ursachen der Strahlungen II, 746. — Wabenstructur I, 37. Protoplasmaanhäufung bei Reizvorgängen II, 367. bei tropistischen und Reizungen II, 635, 643. II, 44. mechanischen und Zelltheilung II. Protoplasmabewegungen II, 696. — Beeinflussung durch die Aussenwelt 748. — — — chemische Agent ien II, 793. — Einfluss der Concentration II, 814. — mechanische Einflüsse II, — transilorische Störung sehe Agentien 11, 797. Protoplasmaströmung, autogene und aitio- gene II, 723. — Bedeutvmg für die Stoffwanderung I, 109, 602. — Beinflussung durch Licht II, 319, 767, 816. durch chemi- 770. Beschleunigung durch chemische Reize terungen etc. II, 817. Einfluss der Kohlensäure II, 79 6. — — Plasmolyse II, 814. Zellform II, 729. bei Drosera etc. II, 466. — Entbehrlichkeit des Zellkerns I, 4 4; H, 729. — in etiolirten Objecten II, 794. — Hemmung durch Anaesthelica II, 797. — — durch Säuren und Alkalien II, 798. — und Lebensdauer II, 79 4. — bei Plasmodien II, 778. — Reizeinfluss des plötzlichen Temperatur- wechsels II, 765. — Reizwirkungen von Giften II, 752. — Rotation und Circulation II, 723. — Ruhe der Hautschicht II, 725. — Schnelligkeit II, 723. — Temperatureinfluss II, 76 4. — Temperaturoptimum im Vergleich zum Wachsthumsoptimum 11, 76 4. — transitorische Fortdauer bei supra- maximaler und inframinimaler Tem- peratur II, 751, 764. — transitorische Störung durch plasmo- lytische Wirkungen II, 815. — traumatische Beschleunigung II, 8 18. — Uebergangsreizungen II, 752. — Ursachen und Mechanik II, 727. — Veränderung der Lichtstimmung durch Aether und Kohlensäure II, 7 69. — Verhalten nach Entziehung des Sauer- stoffs I, 581; II, 79 4. — Verhalten im Hungerzustand II, 794. Protoplast, Aufnahme von Symbionten II, 219. — Austrocknungsfähigkeit II, 326. — Bau I, 34. — Bau und Eigenschaften bestimmen die Ontogenese etc. II, 158—2 33. — Bedeutung der einzelnen Organe bei Reizprocessen II, 366. — chemische Qualität und Organisation I, 51. — Definition I, 5 I . — diosmolische Eigenschaften I, 7 7. — embryonaler Zellen II, 7. — Gallenbildung in demselben 11, 211. — Giflempfindlichkeit der verschiedenen Organe II, 343. — Organe desselben I, 35, 39. Sachregister. 959 Protoplast, physikalische Einschnürung bei Plasmolyse II, 46. — Polarität in demselben II, 193. in demselben II, 201. — Reizwirkungen durch Oberflächenspan- nung und Stoftaustausch 11, 2 "21. — Reproduclionsfähigkeit II, 206. — Tödlung und Veränderung durch Säuren Reizverkettung und Alkalien II, Veränderungen mit I, 345. dem 49. Tode I, 56. 27. - — Vielkernigkeit ., — Wachsthum desselben 11 — Zusammenführung durch Chemotaxis II, 802. Pseudoparenchym II, 52. Pseudopodien II, 712. Psychophysisches Gesetz II, 62 8. Psychrometrische Bewegungen II, 586, 815. Ptomaine 1, 499. Pulsirende Vacuolen II, 730. — — Beeinflussung durch Aussenbedin- gungen II, 736. — — Fortdauer der Action in kernfreien Strecken II, 736. — — Functionelle Bedeutung 11, 737. — — Pulsationsfrequenz II, 731. — — Uebergänge zu anderen Vacuolen 11, 73 0. " — — Ursachen und Mechanik der Pulsa- tion II, 73 3. Purpurbacterien, Assimilationscurve im Spectrum I, 327. ■ — Kohlensäureassimilation I, 28 4, 2 87. — phototactische Wirkung der Spectral- bezirke II, 778. Pyocyanin I, 496. Pyrenoide I, 41, 296. Quecksilber I, 432. Quecksilberchlorid, Eindringen in den Proto- plasten I, 83. Quecksilbersalze, Giftigkeit II, 3 35. Quellung, Bedeutung für Wachsthum II, 27. und Molecularstructm* I, 59. — Oberflächenenergie II, 878. — Quellungsenergie I, 59, 63. der Zellhaut als Ursache von Bewe- gungen II, 542. Quellungsenergie beim Wachsthum II, 29. Quellungsgrössen I, 60. Quellungswasser, Volumänderungen durch Entziehung desselben II, 74. Quercitrin, Nährwerth für Pilze I, 492. Querspannung II, 68. R. Radiäre Organe mit plagiotroper Reaction II, 550. Radiumstrahlen II, 579. Ranken, Absterben der nicht fassenden II, 427. — anatomische und physiologische Dorsi- ventralität II, 422. — Ausgleichung der Krümmung und Accom- modation an die Reizung II, 42 3, 429. — Charakterisirung der Contactreizbarkeit (Kitzelreizbarkeit, thigmischen Sensibili- tät) II, 422. — chemonastische Reizung II, 462. — Circumnutationsbewegungen und deren Abhängigkeit vom Schwerkraftreiz II, 382, 392. — Einrollung und Beschleunigung dieser durch das Fassen II, 414, 426. — einseitig und allseitig reizbare II, 421. — Entwickelungsstadium und Reizbarkeit II, 420. — Erfolge dui'ch Superposition der Reize II, 442. — Folgen der Inanspruchnahme durch das Fassen II, 4 2 6. — heliotropische Eigenschaften II, 419, 573. ■ — Klettern vermittelst Haftscheiben II, 4 1 7. — Krümmungsmechanik H, 42 8. — Nichtfassen zu dicker Stützen II, 42 5. — plastische Eigenschaften II, 6 4, 43 2. — und rankende Blattstiele, Verstärkung durch die Reizung und die Inanspruch- nahme II, 416. — Reizleitung II, 42 4. — Reizschwelle II, 423. • — thermonastische — Umfassen der Stütze diese II, 42 4. — Umkriechen der Stütze II, 431. Bewegungen II. und , 494. Druck auf Flüssigkeiten Unempfindlichkeit gegen und Leimgallerte II, 422, 437. Unterbleiben der Reizreaction bei gleich- zeitiger Berührung der opponirten Flan- ken II, 430. verzweigte 11, 414. 960 Sachregister. Ranken, Wachsthunisbeschleunigung bei der thigmotropischen Reizbewegung H, 428. — Wachsthumsniechanik bei den Reizbe- wegungen II, 432. — Wachsthumsthätigkeit bei der rückläu- figen Bewegung II, 429. — Windungsrichtung II, 425. Rankenkletterer II, 398, 412. Rassen, Entstehung solcher II, 236. — asporogene II, 242. — farblose II, 2 42. — nicht leuchtende II, 8.55. — ungiftige II, 2 42. Reactionskette, Definition I, 13; II, 3 58. Reactionswechsel im Zellsaft I, 490. Reactionszeit bei tropistischen Reizungen II, 620. Receptionsbewegungen, siehe aitiogene Be- wegungen. Rectipetalität II, 595. Reductionen durch Gährungen und intra- moleculare Athmung I, 541, 557. — von Nitraten und Sulfaten I, 557. — durch die Stoffwechselproducte I, 557. Reflectorische Reizverkettung, Allgemeinheit II, 201, 230. Regen, Einrichtungen für Widerstands- fähigkeit II, 60. Regenbäume I, 268. Regeneration II, 204. — normale und pathologische II, 204. Regenwasser, Stickstoffgehalt I, 383. Regenwürmer, Betheiligung bei der Boden- bildung I, 158. Registrirapparate I, 2 39; II, 2 5. Regulation der Enzymbildung I, 505. — durch Massenwirkung I, 107, 489, 519; II, 107. — des Turgors I, 121, 520; II, 32, 145, 329, 376, 449. Regulationen I, 19. Regulatorische Ersatzthätigkeit II, 196. Reifen der Früchte I, 616. Reizbarkeit und anatomischer Bau II, 440. — autogene und aitiogene Veränderung derselben I, 16; II, 76, 361, 609, 753. — ein labiler Zustand ist nicht nothwendig II, 364. — und Reizbedingungen I, 9; II, 76, 20 I , 231, 358, 629, 753. Vorgänge bei den- Reizbewegungen, Beeinflussung durch Aus- seneinflüsse II, 76, 394, 412, 529, 609, 699. — Beziehungen der autogenen und aitio- genen II, 3 69. — elektromotorische selben II, 873. — Energie derselben 11, 1 45, 358, 434, 657. — mechanische Mittel zur Ausführung II, 369, 650, 699. — sind nicht alle als modificirte Circum- nutation aufzufassen 11, 369. — Verhältniss zur anatomischen Structur II, 510. Reize, autogene und aitiogene I, 9; II, 76, 163. — directe, indirecte, beschleunigende, hem- mende, umgestaltende, umstimmende, correlative, diffuse, tropistische, tac- tische, transitorische, permanente, pho- bische etc. I, 14; II, 85, 359, 546, 699 etc. — formative oder moi-phogene I, 2 1 ; II, 1 5 8. — functionelle II, 2 03. — Inductionswirkung I, 18; II, 167, 82 0. — - Intensität und Excitation (Weber's Ge- setz) I, 62 4, 814. — intermittirende II, 443, 475. — ■ maximale und submaximale Auslösungen II, 364, 624. — Perception, Impression etc. 1, 1 3 ; II, 359. — Schwellenwerth I, 12; II, 620. — sensorische, ductorische und motorische Processe I, 9; II, 359. — transitorische, rückregulirende Ueber- gangs-Reizungen I, 18; II, 364. wechselseitige durch Secrete I, 515. Reizgrösse und Excitation (Weber's Gesetz) II, 625. Reactionsgi'össe II, Vertheilung der 365. Reizbarkeit II. Reizhaken, 422. Reizleitung II, 230,469,607,645,702,819. — Abhängigkeit von der Structur des Protoplaslen und der Gewebe II, 22 8. — Allgemeinheit der reflectorischen Reiz- verkettung II, 201. Bahnen für dieselbe II, 230, 469, 607, 645. der Gegenreactionen für die des Reizes und für die Reizerfolge II, 227, 2 2 9. Bedeutung Ausbreitung Sachregister. 961 Reizleitung, Beeinflussung durch Verwun- dungen [I, 607, 818. — im Blatte von Dionaea 11, 873. — durch chemische Processe und deren Fortpflanzungsschnelligkeit II, 2 26. — in Cilien und dünnen Plasmafäden 11, 225, 702. — bei Drosera II, 231, 4 60, 469. — Einfluss äusserer Factoren und der Stimmung II, 228, 473. — Entbehrlichkeit distincter Nerven 11, 227. — mechanische und physiologische II, 2 31, 471. — bei mechanonastischen und chemo- Bewegungen nastischen bei Mimosa II, 2 30. Mittel dafür II, 223, 469, II, 469. 607, 643. oi'ientirende mit und II, 230. ohne Plasmaverbindungen II, Schnelligkeit bei Bewegungsvorgängen II, 231, 472, 608, 818. bei der traumatischen Plasmaströmung II, 818. — bei tropistischen Reizungen II, 60 1, 607, 645. — innerhalb der Zelle II, 602. Reizplasmolyse II, 450. Reizreactionen, formale Differenz bei frei- beweglichen und festgewurzelten Pflan- zen II, 354, 360. — Oscillationen um die Gleichgewichtslage II, 362. — perceptorische, sensorische, ductorische, motorische Processe l, 13; II, 359. der sensorischen und moto- Trennung rischen Zone II, 599. Reizstimmung, dificationen Reizstoffe, formative II, 23 4. Reizungskette II, 3 59. autogene und aitiogene Mo- I, 16; II, 361, 609, 761. Reizwirkungen, gleiche durch verschieden- artige Anstösse II, 3 60, 557. — durch die Inanspruchnahme H, 203. — bei sjmbiotischen Verhältnissen II, 212. — transitorische (rückregulirendc) und stationäre (permanente) I, 15; II, 364. — beim Zusammengreifen von zwei oder einigen Reizen T, 18; II, 195, 361, 529, 609. Reproduction, normale und pathologische II, 204. — und Reproductionsfähigkeit II, 20 4. Reproductionsgrenze bei Abtrennung kleiner Stücke II, 20 6. Reservecellulosen I, Lösung durch Keimen 1, 361, Resei^vestoffe der 480. Enzyme 614. und beim Algen I, 62 0. anorganische I, 59 5. Art der Unterbringung und Speicherung I, 431, 609, Auswandern Bedeutung T, 584. I, 607. — — der Unlöslichkeit und des colloi- dalen Charakters I, 609. — der Flechten I, 62 0. — in Holzpflanzen I, 618. — Natur und Vorkommen I, 608. der Pilze I, 620. — Pollenkörner I, und regulatorische 620. künstliche Mobili- und Entleerunsr I, 518. Speicherung und Turgorfrage I, 12 3. und stickstofffreie I, stickstoffhaltige 449. wechselseitige Vertretungen I, 449. Resistenz, siehe Widerstandsfähigkeit. Resorcin, Nährwerth 1, 37 2, Resorptionsbewegungen und reizungen II, 463. Respiration, siehe Athmung. 492. Resorptions- Reizursache, Reizanstoss, Reizerfolg, Reiz- Retinispora II, 18' kette I, 13; II, 359. Reizverkettung, Allgemeinheit der reflecto- rischen in der Pflanze und innerhalb der Zelle II, 201, 2 3 0. Reizwirkungen, differente durch dasselbe Agens II, , 360, 557. Differenz zwischen Zunahme und Ab- nahme eines Agens 753. Erwecken von Gegenreactionen II, 365. Pfeffer, Pflanzenphysiologie. 2. Aufl. IL Revolutive Nutationen II, 3 8 2. Rhabdoid II, 467. Rheotaxis II, 815. Rheotropismus II, 347, 5 8 8. — Charakteristik des Reizanstosses II, 592. Rheotropische Reizung^ Schwellenwerth etc. II, 588. II, 47 8, 50 4, 618, Rhinanthaceen, Parasitismus I, 352, Rhizoidbildung, Einfluss einseitiger Beleuch- tung II, 107. Gl 962 Sachregister. Rhizoidbildung, Einfluss der Schwerkraft n, 125. Rhizoiden, — autonome Aufnahmethätigkeit I, 13 2. Bewegungen II, 380. Entstehung II, — Verticibasalität II, 19 4. Rhodanammonhun nicht als Schwefelquelle verwendbar I, 423. Rhodoplasten I, 295. Rhythmik, autogene und aitiogene II, 2 47. — bei Blüthenpflanzen II, 250. — der Cilienbewegung II, 7 06. — jährliche II, 2 59. — tägliche, der Zuwachsbewegung und der Schlaf bewegungen II, 252, 476. — der Vegetationsprocesse II, 2 47. Rhythmische Bewegungen, Entstehungsur- sachen II, 38 9. — — Nachwirkungen II, 490. — Wachsthumsoscillationen II Richtungsänderungen, autogene jjOUl^ »> 77. — phototactische Wirkung II, 778. schädigender Einfluss II, 319. — Wachsthum und Production in denselben I, 337. Spectrum des Chlorophylls I, 326. — prismatisches und objectives I, 331. Speicherorgane I, 610. Speicherung, Demonstration I, 104. — unnöthiger Stoffe I, 428. — Ursachen I, 102. Spermatozoiden, siehe Samenfäden. Sphärokrystalle I, 67; II, 40. Sphärometer II, 23. Spindelfasern, chemische Qualität I, 56. Spiraltracheiden, Zerreissung beim Wachsen II, 39. Spirillum, Spirogyra, 2 IL siehe Bacterien. Wachsthumsoscillationen II, — Krümmungsbewegungen II, 381. Spitze und Basis, Gegensatz beider 187. Spitzenwachsthum II, 6. Splintholz, Lebensdauer II, 2 8 6. — Leitvermögen für Wasser 1, 195. Spontane Bewegungen, siehe autonome Be- wegungen. Sporangien, Fortschleudern II, 542. Sporangienbildung der Pilze unter Paraffinöl II, 142. Sporen, Abstossung II, 276. — Ejaculation II, 540. 968 Sachregister. Sporen, Lebensdauer und Resistenz im ausgetrockneten Zustand II, 293, 327. — passive Fortbewegung 11, 699. — Resistenz gegen Wärme II, 290. — Ruhezeiten II, 264. — Schädigung und Tödtung durch inten- sives Licht II, 318. — Veränderung der Austrocknungsfähig- keit mit dem Keimen II, 325. Sporenbildung und vegetatives Wachsen, Differenz der Temperaturansprüche II, 92. chemischer 135, 142, 248. — in Folge Nahrungsmangels, Einflüsse u. s. w. II, Sporenkeimung, Einfluss des weissen und farbigen Lichts II, 105, 118. Sporenschläuche, Entleerung II, 540. Spreizklimmer II, 398. Sprengungen durch Wachsthumsenergie II, 144. Sprosse, autogene und aitiogene Ki-üm- 380, 391. Construction II, 58. biegungsfeste Erschlaffen Etiolement durch Schütteln II, 65. II, 99. — Ersatz in Folge der Aenderung des Geo- 612. und photonastische Be- tropismus II, — Induction wegungen II, 511. Geotropismus II, 562, 673. Gewebespannung II, 69. Heliotropismus II, 575, 676. Orientirungsursachen der Haupt- und Seitensprosse II, 546, 562, 676. — — kriechenden Sprosse II, 677. Sprosse, Wachsthumsschnelligkeiten II, 19. — Wachsthumsvertheilung bei denselben II, 11. Sprosspilze, siehe Saccharomjces und Hefe. Sprosspol II, 18 8. Sprossspitze, autogene und aitiogene Ein- krümmung Regeneration II, 385. derselben II, 207. Sprossstücke, geotropischer etc. Reactions- verlauf bei Fixirung der Spitze II, 633. Sprosssystem, Beeinflussung des Wachsens und Beseitigung der durch Verletzung Wurzeln H, 158. correlative Systems II, Entwickelung 197. des Wurzel- Sprungvariation II, 240. Stärke, Entstehung der zusammengesetzten Körner II, 41. Lösung durch Enzyme I, 507. im Milchsaft I, 59 4. Product der Kohlensäureassimilation I, 299. Reservestoff I, 6 08. in den Umwandlung Temperatur I Siebrölu'en I, 593. in Zucker 514. bei niedriger Vorkommen und Verwendung im Stoff- wechsel I, 472. Stärkeanhäufung bei Kaliummangel I, 42 4. I, 618. Stärkebäume Stärkebildner Stärkebildung II, 40. Stärkekörner, Bildungsweise der Schichtung II, 40. I, 295. durch die Chromatophoren — — plagiotropen Sprosse II, 682. photonastische Bewegungen II, 48 4. — Doppelbrechung I, 70. — Reproductionsfähigkeit II, 205. — Senkung im Winter II, 49 5. — tägliche Wachsthumsperiodicität II, 254. künstliche II, 40. Molecularstructur I, Otolithwirkung — Thermonastische Bewegungen II, 495. — Umwandlung in Wurzeln II, 166. — Ursachen derDorsiventralität undAniso- phyllie 11, 186. — Veränderungen der heliotropischen Sen- bei .. 6 4'' 68. der ^eotropischen Reizung II, Spannungen in denselben II, 73. Umlagerung Centrifugalkraft durch Schwerkraft und U, sibilität II, 576. des Veränderung Schütteln II, 672. Zuckergehaltes Stärkemenge , 789. n, 39. der beim Wachsthum als Maass assimilation I, 306. Stärkescheide, Bedeutung I, 587 Kohlensäure- — Verlauf der tropistischen Krümmungs- Stärkeumsatz in Holzpflanzen durch niedrige reaction II, 653. — Verticibasalität U, 188. — Wärmeproduction II, 839. Temperatur I, 619. Stärkewanderung I, 588. Starrezustände II, 7 8, 532. Sachregister. 969 Statisches Moment, Beugungen durch das- selbe II, 6 85. — — • bei geotropischen Hebungen 11, 657. — — als Ursache der abendlichen Senkung des Blattes von Mimosa pudica II, 506. Statolithentheorie II, 642. Staubgefässe , autogene und aitiogene Be- wegungen II, 385, 391, 445, 564,694. — Beispiele für Geotropismus II, 564, 694. — chemische Reizungen II, 465. Gontactreizbarkeit derselben 11, 457. Reizfortpflanzung II, 470. II, Schlaf bewegungen 485. — Schnellbewegungen II, 539. — seismonastischeReizbewegungenll, 434. — Wachsthumsschnelligkeit II, 20. — Wärmeproduction II, 838. Steapsine I, 510. Stearinsäure I, 478. Stecklinge, Einfluss der Entwickelungsphase II, 184. Stengel, siehe Sprosse. Stengelknoten, II, 665. — geotropische thums II, 651 Anregung des Wachs- Geotropismus II, 651, 656 von Tradescantia, Geotonus von II, 6 13. Abhängigkeit des correlativen Beziehungen Stengelranken II, 413. derselben I, 370. I, 540, 399, 559. 559; Stickgaspi'oduction I, 380, Stickoxydul, Assimilation I, 396. — Einfluss auf — Production I, 559. Stickstoff, Assimilation des freien I, — — — — durch II, Reizbewegungen II, 534. carpus, Leguminosen, Elaeagnus I, 383. Podo- 387. Beeinflussung der Assimilation des freien durch Stickstoffverbindungen I, 38 9. Stickstoffentziehung durch die Ernte I, 383. Stickstofffreie Körper, Entstehung aus stick- stofl"haltigen I, 459. Stickstoffgehalt der Pflanzen I, 378. — - Vertheilung auf Proteinstoff, Amide etc. I, 455. Stickstoffhaltige Reservestofl^e I, 455. I, 381. I, 378, 397. — chemische Constitution I, 3 98. — Election derselben I, 397. — und Erntegewicht I, 381. Stickstoffsammler I, 3 83. Stickstoftumtrieb und Stickstofföconomie Stickstoffhunger Stickstoffnahrung I, 380. Ausscheidung mit Stickstoffverbindungen , den Stoffwechselproducten I, 460. — Bildung durch Synthese und Zerspal- tungen I, 399, 459. — formative und plastische I, 454. — Nährwerth I, 378, 3 95. — Speicherung und Auswanderung I, 597. — Umsatz I, 458. active und passive Theile — Wanderung Stickstoffverlust Stimulatoren II, Stimmungsreize Stimmungswechsel , I, 588. I, 380. 440. II, 85. autogener gener II, 362, 391, 610, und aitio- 675. Stoffanhäufung, Ursachen I, 102. Stoffaufnahme I, 73. Bedeutung der Stereoisomere Körper, differenter Nährwerth — Transpiration I, 216. Einfluss elektrischer Ströme I, 88. Energiemittel bei derselben functionelle Arbeitstheilung Nachweis durch Plasmolyse I, 889. 130. 84. Stoffausscheidung I, 112, 440. Stoffaustausch, Bedeutung für die Reiz- verkettungen II, 22 5. — Mechanik I, 73. — Reizwirkungen durch denselben II, 224. — Wege in Zellen und Geweben I, 73. Stoffliche Zusammensetzung von Pflanzen Kreislauf I, 283, 382. Verhältniss zur Phosphorsäure I, 423. I, 470. Stoffumsatz, Accommodation ducte I, 513, 517. Stickstoff bacterien , Infection der Pflanzen — Bedeutung für die thätigkeit II, 793. — Beeinflussung durch freie an die Pro- Bewegungs- durch dieselben I, 391. — Symbiose mit Algen I, 3 86. die Aussenbedin- in den WurzelknöUchen der Leguminosen etc. II, 211. Stickstoffbereicherung des Bodens I, 385. gungen I, 512. begrenzte und I, 517. unbegrenzte Production 970 Sachregister. Stoffiimsatz, Bildung besonderer Producta bei denn Zusammenwirken I, 316. — chemische Einflüsse I, 5 1 4. — — Continuität in Folge der Ableitung der Producte I, 518. — — dauernder und facultativer I, 519. — dü-ecte und indirecte Bedeutung für die — Leistungen II, 876. — Einfluss der Temperatur 1, 514. — — Election bei demselben 1, 518. — Stoffwanderung, Interpretation der- Ringe- lungsversuche I, 590. Zwiebeln , Rhizomen 1, bei Knollen, 620. künsthche Entleerung in das umgebende Wasser — Gegenreactionen I, 316. — Gleichgewichtszustand 1, 513, 517. — mit positiver und negativer tönung II, 8 46. — Production von Elektricität durch den selben II, 862. — Regulation durch II, 224. — Regulation der Stoffanhäufung und Stoff- wanderung Störungen bei 318. transitorische Ueb ergang zu 513. Beeinflussung der Partial- neuen Bedingungen dem ungleiche functionen I, 512. Winterruhe II, 265, 2 73. wechselseitige Zuckerbildung Beeinflussungen I, bei niedriger beim Stoffwanderung I, 604. — Milchsafts I, 393. — — der Plasmaverbindungen Länge 602. der Magazinirung I, 606. 603. in den Wanderbahnen Mithilfe von iMittel zur regulalorische Enzvmen I, Beschleunigung I, 602. Lenkung 585, und transitorische Speicherung I, 603. 588. Wärme- — Trennung der wandernden Stoffe I, 586. — unterbrochene Bahnen 1, 601. Ursachen der Anhäufung oder Nicht- anhäufung in den Wanderbahnen I, 60 1 . — der Einengung in Leitbahnen 1, 60 1 , 60 5. — und Mechanik I, 59 9. — desNichtauslaugensdermagazinirten Stoffe I, 605. die Producte I, 517; — — Beschleunigung durch die Leitelemente I, 60 2. — Beziehungen zwischen magazinirten und wandernden Stoffen I, 607. — Einfluss der Plasmolyse I, 6 04. — — — Sauerstolfentziehung I, 604. — Energiemittel bei derselben II, 8 8 9. — Entleerung im Hungerzustand und beim Absterben I, in Früchten 597. und Samen der Wanderungsrichtung, der An- und des Auswanderns 600. durch Anaesthetica I, Sammlung ilo. — aus Stärke Temperatur I, 514. Stoffumwandlungen beim Keimen I, 465, 470, 610. Reifen der Früchte I, 616. I, 583. — Anschluss an den Stoffaustausch der einzelnen Zelle I, 599. — Arbeitstheilung mit der Gewebedifferen- — cirung I, 585. — ■ — bei Bäumen und Sträuchern I, 617. — Bedeutung des Baues der Leitbahnen — Verlangsamung 603. "N'erkorkung Regulationsmiltel I, 6 05. Wanderung 595. von Zelle und Cuticularisirung als der Aschenbestandtheile zu Zelle I, 96. — zweiseitige Wanderung I, 60 4. Stoffwechsel, abbauender und aufbauender I, 436, 440. — Allgemeinheit und Bedeutung 1,2 6 8, 4 3 7. Begriff I, 2. 436. I, 616. , ., 270, — von formativen, plastischen und aplastischen Stoffen I, 439. continuirliche Zertrümmerung von Pro- teinstoffen bei demselben? I, 46 1, 552. Definition von Secreten und Excreten I, 440. Endproducte und Nebenproducte I, 440. Energiegewinn durch denselben I, 437; II, 884. isodjnamische Vertretung I, 580; II, 889. Producte bei Anaerobien I, Production von Selbstregiüation I, 441, 517. Uebereinstimmung bei Pflanzen Thieren I, 44 4. 539. Baustoffen I, 437. und Sachregister. 971 Stoffwechsel, Unterschied Ucher und von regulatorischer Bildung continuii'- von Stoffen I, ., 440 Verhältniss zur Athmung I, 438. — vorbereitender I, 4^57. — Wesen und Bedeutung der makro- und mikrochemischen Studien I, 4 45. Stoffwechselproducte, Bestimmung derselben I, 445. — Regulationen durch dieselben I, 517; II, 2 2 4. — Separirung derselben in der Zelle I, 452. — specifische Eigenlhümlichkeiten I, 45 4. — die verbreiteten I, 447. Stomata, siehe Spaltöffnungen. Stomatäre Transpiration 1, 218. Stossreizbarkeit II, 150, 436. — vgl. seismonastische Bewegungen. Stossweisses Wachsen II, 2 0. Strahlen verschiedener Brechbarkeit, siehe Spectralbezirke. Sträucher, Jahresperiode IT, 259. — Orientirungsursachen der Haupt- und Seitensprosse II, 68 4. — Stoffwanderung und Reservestoffe 1, 6 1 7. Strömungen im Protoplasma, siehe Proto- plasmaströmungen. Strontium, Entbehrlichkeit I, 426. Strophis-che Taxis II, 755. Strophismus II, 549. Strychnin, Giftigkeit II, .333. Substratrichtung II, 59 4. — Nähe- und Fei'nwirkung dabei II, 597. Sulfate, Nährwerth I, 423. — Reduction I, 558. — Speicherung I, 8 4. Sulfoharnstoff, ungeeignet als Schwefelquelle I, 423. Süsswerden der Kartoffel I, 514. Symbionten, Mittel zur Zusammenführung II, 218. Symbiose, conjuncte und disjuncte I, 3 49. bei den Flechten I, formative Erfolge l von Infusorien und 357. , 209 Aken I, 357. 217, 237. antagonistische I, der Knöllchenbacterien I, 390 mutualistische und 349. stoffliche Beeinflussung bei derselben I, 515. verschiedene Arten der Vereinigung II, 219. Symbiose, Verschmelzung und Nichtver- schmelzung der Protoplasten II, 2 1 9. — von Wux'zeln und Pilzen I, 357. Symbiotische Affinität, Diffei*enz von der sexuellen Affinität II, 218. — Beziehungen der Organe einer Pflanze 1, 351. — Vereinigung, Grenzen derselben II, 2 1 7. Symbiotisches Zusammenwii'ken von Mikro- organismen I, 515, 570. Symmetrievei'hältnisse j Ursachen II, 186, 595. Symplast I, 51. Sympodien, Ursachen des veränderten Geo- tropismus II, 612. Svnanthrin I, 474. Synanthrose als Wanderstoff I, 617. Synthesen im Stoffwechsel I, 4 40. Systole II, 73 1. T. Tactische Reactionen, apobatische und stro- phische II, 755. Gleichgewichtslagen II, 758. der locomotorischen Organismen II, 754. Geologische Bedeutung II, 750. durch phobische und topische Rei- zungen II, 755. vom Zeil- Reizungen, Unabhängigkeit kern II, 762. — Sensibilitäten, Veränderlichkeit mit den Culturbedingungen II, 763. Tagesbewegungen II, 476. — auto- und geonyctinastische II, 510. — Beeinflussung durch äussere Factoren und Combinationserfolge II, 501. — Einfluss des farbigen Lichts II, 532. — — der geotropischen Reizung und des statischen Moments bei den etc. II, 507, Energie II, 52 4. Entstehung Variationsbewegungen II, 488. Beleuchtung Erlöschen bei constanter und Verdunkelung II, 489. in Folge des Wechsels des Wassergehalts II, 499. Mechanik der Nutationskrümmungen II, 513, 528. — — Variationskrümmungen und der Nachwirkungsbewegungen II, 522. Registrirung derselben II, 493. 972 Sachregister. Tagesbewegungen sind nicht erbüch II, 49 1. — transitorische Reactionen und dauernde Verschiebung der Gleichgewichtslage II, — — ■ — D\i. — Ursachen der zeillichen Verschiebungen — — — der Periode II, 503, 505. — Verhalten der einseitig operirten Va- riationsgelenke II, 524. — — — — vgl. auch photo- und thermonastische Bewegungen. — — — Tagesperiode des Blutens I, 2 48. - — — — — der Zuwachsbewegung II, 253. — — — allmähliche Induction und Nach- — — — wirkuncren derselben II, 256. — — — Temperatur, Einfluss auf die geotropische Stimmung II, 512, 677, 792. — — • — Gewebespannung II, 74. — — — intramoleculareAthmung 1,544. — — — Kohlensäureassimilation I, 321. — — — locomotorische und Plasmabe- wegungen II, 763. und Schleuderbewe- 545. Oeffnungs- gungen II, osmotischen Druck I, 120. die phototactische Stimmung II, 773. pulsirende Vacuolen II, 736. den Stoffumsatz I, 514. Tagesschlaf bei Besonnung II, 488. Tangentialspannung II, 68. — der Vaciiolenhaut I, 119. Tannin, Assimilation desselben I, 423. — • siehe Gerbstoffe. Tastreizbarkeit, Beispiele und Charakteristili II, 150, 436, 459. Tasttüpfel II, 438. Tastzh-kel II, 2 3. Taurin als Schwefelquelle I, 414. Taxis, Definition II, 547, 756. — Perceptionsort des Reizes II, 761. — phobische und topische Reactionen 756. — Reizbedingungen, Reizintensität etc. II, 762. der phobischen und topi- mit der Reiz- intensität II, 757. Taxuszweige, Induction der Dorsiventralität II, 185. Tellursäure I, 433. Temperatur, Accommodation an höhere Temperatur 11, 29 2. Verschiebune: — — — Spaltöffnungen I, 176. — — — Transpiration I, 22 8. — — • — die tropistische Reizbarkeit II, 614. — — — Wachsthum und Gedeihen II, 87. — — — Wasser auf nähme und ^^'asser- bewegung I, 211. — formative Wirkungen 11, 92. — Herstellung constanter Temperaturen II, 95. — localisirte Beeinflussung des Wachsthuais II, 94. II, — Minimum, Optimum, Maximum I, 373; ümwendung sehen Reactionsrichtung autogene und der Cardinalpunkte aitiogene I, 373; II, 91, 292. Begrenztheit der Accommodationsfähig- keit II, 90, 292. Einfluss auf aitionastische Bewegungen II, 531. — — Athmung und Gährung I, 570, 573. autonome Bewegungen 11, 395. Bluten I, 2 45. Chlorophyllbildung I, 319. elektrische Spannungsverhält- nisse II, 871. Farbstoff bildung I, 495. II, 87, 91, 288, und maximale II, 292. ungleiche 76 4 etc. Schädigung Tödtung durch ultra- Beeinflussung von Partial- functionen II, 92, 611. — Veranlassung vmd Regulation der jähr- lichen Periodicität II, 260. — vgl. Erfrieren, Gefrieren, Kältewirkung, Wärme und Wärmebildung. Temperaturgrenzen für ^^'achsen und Ge- deihen II, 87, 288, 297, 53 1. Temperatursummen II, 269. Temperaturverhältnisse der Pflanze II, 8 47. Temperaturwechsel, Einfluss auf Wachsthum II, 93. — transitorische Beschleunigung der Thätig- keit II, 479, 765. — als Ursache der thermonastischen Bewe- II, 493. Wirkung bei Zunahme und Abnahme II, 753.' Tentakeln von Drosera, thigmonastische und chemonastische Bewegungen II, 460. Tetanus II, Thallium I, 364. 432. Sachregister. 973 Thalliumsalze, Giftigkeit 11, 335. ihallome I, 32. Thaubildung, Bedeutung I, 143; II, 849. Theilrädchen II, 23. Thein als Stoffwechselproduct I, 45 4. Thermen, Vorkommen von Organismen in denselben II, 88. Thermobacterien II, 87, 289. Thermocleistogame Blüthen II, 496. Therrnodiffusion I, 18 6. Thermoelektrische Nadeln II, 836. Thermonastie bei infraoptimaler und supra- optimaler Temperatur II, 497. Thermonastische Bewegungen II, 493. — — des Blattes von Aldrovandia II, 457. — — formaler Einfluss der Temperatur II, 531, — — in Folge geogener Induction II, 511. — — harmonisches und antagonistisches Zusammenwirken mit photonasti- schen Einflüssen Mechanik II, 505. derselben II, und 513. wii'ken Steigerung und Abnahme der Temperatur in gleicher Weise? II, 504, 517. transitorische Oscillationen und der Gleich- II, 495, 514. Wachsthumsbeschleunigung bei den- selben II, 515. dauernde Verschiebung gewichtslage Tagesbewegungen. — Or; siehe auch ■lane mit gleichsinnig oder entgegen- gesetzt gerichteter Photonastie II, 497, 505. ThermophileBacterien, Temperaturansprüche II, 87, 289. Thermostaten II, 94. Thermosynthese, Begriff I, 273. Thermotaxis II, 766. Thei'motonus II, 78. Thermotropismus II, 579. Thesium, Parasitismus I, 352, 355. Thigmische Beizbarkeit II, 155, 458. — Beize, Fortleitung II, 469. Thigmomorphosen II, I 55. Thigmonas tische Bewegungen II, 462. ^ — — des Droserablattes II, 46 0. — Krümmungen, Mechanik II, 461. Thigmotaxis H, 817. Thigmotropische Bewegungen, Beeinflussung durch chemische Agentien Thigmotropische Bewegungen, Superposition der Beize II, 4 42. — Beizbarkeit, Grösse der Sensibilität II, 423, 441. Thigmotropismus II, 420, 547, 588. — der Ranken (vgl. Ranken) II, 420. — — — Unterbleiben der Reaction bei diffuser Berührung II, 43 0. Reizbedingungen 436, 639. und Reizprocess II, Thiosinamin, ungeeignete Stickstoffnahruni I, 423 und Bedeutung I, der labilen Dorsi- I, 399. Thiosulfat als Nährstoff Thonerde, Vorkommen 432. Thränen, siehe Bluten. Thujazweige, Induction ventralität II, 1 82. Thyllen II, 51. • — Bildungsursachen II, 157. Tiefenlage, Bedeutung der Wurzelverkür- zungen II, 16- — Begulation derselben I, 139; II, 1 6, 675. Titan I, 432. Todessymptome II, 2 88. Todesursachen, innere und äussere II, 283. Tödtung durch die Aussenbedingung II, 279. — — hohe Partiärpressung des Sauerstoffs I, 550; Wärme wechselseitige 515. II, 132. und Kälte II, 288, 297. Beeinflussungen I, Tonotaxis, siehe Osmotaxis. Tonus II, 78, 361. — Begriff von anatonischen, katatonischen, metatonischen Reizen II, 361. Topochemotaxis II, 799, 812. Topogalvanotaxis II, 824. Topophototaxis II, 771. Topotaxis II, 755. Torfmoose, Schädigung durch Kalksalze I, 435. Torsionen II, 37 0, 386. autogene bei der geotropische bei Blättern II, 691. Blattorientirung II, 691. II, 689, 693. hygroskopische II, 543. — der Internodien, Ursachen II, 6 1 4. Ursachen II, 692. II, 535. — Verlauf der tropistischen II, 65 4. bei windenden Stengeln II, 410. — Einfluss des Sauerstoffs II, 533. Tortismus II, 549. 974 ■Sachregister. Toxalbumine I, 499. Toxine I, 516. Toxische Wirkungen, siehe Gifte. Tracheen, Bedeutung bei der Stoffwande- rung I, 389. — Inhalt I, 205. — Länge I, 18 4. — Luftverdünnung in denselben I, 183. — Permeabilität für Gase I, 165. — Wassei'leitung I, 19 6. Tracheiden, gleitendes Wachsen II, 51. Träger gleicher Oberflächenspannung II, 59. Tragfähigkeit, Einfluss von Zug 11, 148, 423. — mit und ohne Turgor Spannung II, 57. — Zunahme bei den functionirenden Ran- Transpiration als Reiz für die Bildung von Fortpflanzungsorganen bei Pilzen 11, 142. — der Rinde I, 219. — stomatäre I, 218. — Tagesperiode I, 232. Transpirationsgrösse I, 22 2. — und Niederschlagsmenge I, 2 3 3. Transpirationsschutz I, 219. — durch Blattlage, Haare etc Blattlage, nordischer Pflanzen I, I, 220. 213. 220. ken IT, Tragmodul Tragvermögen Trajectorische II, 54. Transitorische 416, 425. der Zellwand II, 61. der Pflanze II, 53. Anordnung der Zellwände Reizwirkungen durch den 13; Wechsel der Aussenbedingungen I, II, 80, 93, 109, 138, 364, 436, 478, — durch Schleimhüllen I, Transpirationsstrom I, 192. — siehe Wasserbewegung. Transplantation IL 214. — - Anschluss der Leitbahnen I, 3 5 5 ; II, 2 1 8 . — Art und Weise der Verwachsung II, 218. — Einfluss der Polarität auf die Vereini- gung II, 2 I 7. — functionelle Reizwirkungen in Folge der Vereinigung II, 2 16. — mehrjähriger II, 216. auf einjährige Pflanzen 752. Transpiration I, 216. — Abkühlung durch Verlängerung der Lebensdauer in Folge dieselbe II, 831. der Inanspruchnahme der Unterlage II, 216. — Aenderungmit der Entwickelungl, 220- — Wechselwirkung der Symbionten II, 2 1 4. Transplantationsfähigkeit, Grenzen derselben Bedeutung I, 217. — von Cuticula und Kork I, 218. — der Spaltöffnungen und Lenticellen I, 225. Beeinflussung durch Aussenbedigungen I, 226. in Folge der Eigenwärme 1,227; II, 8 3 I . Einfluss auf das Abwerfen der Blätter etc. n, 278. von Bewegung und Erschütteri img I, 2 3 0. der Dampfsättigung I, 227. des Lichts I, 2 29. II, 217. Transport der Stoffe, siehe Stoffwanderung. Transversalen bei der Zellwandanordnung II, 54. Transversaler Tropismus II, 548, 359. — — vgl. Plagiotropismus, Diatropismus etc. Traubensäure, Spaltung durch Pilze I, 376. Traubenzucker, siehe Dextrose. Trauerbäume, Ursachen der Zweigrichtung II, 685. Verticibasalität der — von Salzen I, 231. — der Temperatur I, 2 2 8. Förderung der Ausbildung der Wasser- bahnen durch dieselbe I, 198. formative Reizwirkungen II, 14 2, 221. der Gase I, 169. Jahresperiode I, 232. Methodisches I, 222. Mittel zur Einengung I, 216. normaler Verlauf I hängenden Zweige ^, 232. — Optimum für Gedeihen I. 21 — regulatorische Einrichtungen I, 221. II, 19 4. — Wachsthumsschnelligkeit II, 126. Traumatische Beeinflussung der Anordnung der Chloroplasten II, 819. — — — Athmungsthätigkeit I, 577. — — — Elektricitätsproduction II, 873. — ■ — ■ — tropistischenReizbarkeit II, 60 6, 612. — — des Wachsens und der formativen Thätigkeit —^ Beschleunigung mung II, 818. II, 155, 612. der Protoplasmaströ- Sachregister. 975 Traumatische Protoplasmaströmung, Fort- pflanzung des Reizes II, 818. — Steigerung der Wärmeproduction und Ausbreitung der Reaction II, 8 41 plasma II, 819. Reizung, Traumatropische 608. Traumatropismus II, 590. Trehalose, Vorkommen und I, 475. — als ReservestoIY I, 6 0 8. Trichiten I, 68; II, 40. Trimethylamin-Exhalation I, 381, Fortleitung Verarbeitung Triosen, Vergährung I, 565. Triticin I, 474. Trockengewicht, Verminderung Athmung I, 527. Trockenperiode II, 259, Trockenstarre II, 7 8. Trockensubstanz, 2 6 4. Stickstoffgehalt I, 457. Tropfaspirator I, 52 8. Trophien, Definition II, 83. Trophische Stoffe I, 270, 439. Trophoplasma I, 41; II, 74 4. Trophotaxis und Trophotropismus II, 581, 805. Tropismus II, 83, 547. — positiver, negativer, transversaler etc., Definitionen II, 548. Tropisticum II, 553. Tropistische Gleichgewichtslage kann aus verschiedenen tropistischen Wirkungen desselben Agens resultiren II, 554 - — ■ Modification durch änderung der Sensibilität — radiärer und autogene II, Ver- 554. dorsiventraler Organe II, 551 Veränderung mit der II, 573, 624. Reizintensität II, 652. active weben und passive Zellen in Ge- ll, 665. Zweigen II, 562. — — Redeutung und Modification .der Gewebespannung II, 557, 667. Tropistische Krümmungen , mechanische Ausführung II, 651, — durch Nutation Combinationen 660. Variation 650, 669. und — Wanderung von Zellkern und Cyto- — — Plasmaansammlungen bei denselben ", II, Schnelligkeit 656. Turgorverhältnisse und Verlauf II, 6 33, durch die — — Resultante aus dem Zusammen- wirken mit anderen autogenen oder — aitiogenen Restrebungen und Induc- tionen II, 553, 556, 675. bei denselben II 668. unterbrochene Actionszonen II, 656. Veränderungen des Zucker- und Wassergehalts bei denselben II, 67 1-. bei Vereinigung differenter Elemente II, 638. Verhalten bei Plasmolyse II, 671. Wachsthumsregulation in Gewebe- complexen II, 637, 644, 665. — — Zellmechanik bei den Nutations- und Variationsbewegungen II, 660, 667. — — Zusammenhang mit der Wachs- thumsvertheilung II, 655. Tropistische Krümmungsbewegungen 11,356, 546. — — ■ specielle Fälle und Combinationen II, 673. — Perception, ' Reizfeldtheorie II, 6 38. — Pei'ceptionsprocesse II, 6 3 6. — photonastische und Dorsiventralität indu- cirende Wirkung durch dasselbe Agens II, 553. — Reactionen im Innern der Zelle II, 760. — — Modification durch die Reizintensität II, 550. — — Zusammenhang mit Nastien II, 553. — Reizbarkeit, autogene und aitiogene Veränderung der Stimmung II, 609. Reizbedingungen II, 629. Reize, Fortleitung derselben II, 601, 607. — gegenseitige Reeinflussung II, Tropistische Krümmungen, die active Region — — — ^ in ausgewachsenen, vei'holzten — 616. — räumliche Trennung von Perception und Action II, 599. — Schwellenwerthe, Inductionszeit. Re- actionszeit II, 620. Reizgrösse bei Ablenkung nach oben und unten II, 633. Reizprocesse, nähere Aufklärung II, 63 4. Reizung, Redeutung der Hautschicht II, 636. — intermittirende II, 620. 976 Sachregister. verschiedene Aus- II, 636. Ti'opistische Reizungen, lösungen durch ein Agens — — Nachwirkungen II, 623. — — Trennung der Partialfunctionen II, 610. ohne Zellkern II, 63 6. — — durch Zusammenwirken oder mehr — Reizzunahme mit der Auslösungen von zwei der Gleichgewichtslage Ablenkung II, 632. 000. aus Sensibilitäten, Abstumpfung durch In- anspruchnahme (Weber's Gesetz) II, 617, 625. — autogene und aitiogene Modification II, 550. durch die Modification X, 390. — inäquale Vertheilung derselben 558. — Sistirung durch Verwundung 606. — Specificität II, 550. Torsionen, Verlauf und Retorsion 654. Umstimmungen II, 550, 618, 625, 675. Bewegungen derselben II, ", ", des galvanischen — Wirkung 821. — — der Röntgenstrahlen x., Tropistischer Reactionsverlauf stücken bei Fixirun? der II, II, 633. Stroms II, 579. an Spross- Spitze etc. Gleichgewichtslage — Reizzustand in der II, 631. Trypsin I, 511. Tüpfel, Bedeutung für Wasserleitung I, 198. Turgescenzzustand, Bedeutung für Wachs- thum und Thätigkeit der Pflanze I, 322, 546; II, 137, 396, 497. Turgonastie II, 498. Turgor (vgl. auch osmotischer Druck) 1,117. durch Plasmolyse I, 116. Aufhebung Bedeutung der organischen Säuren I, 487. Einfluss auf die Oeffnungsweite der Stomata I, 174. — der Temperatur etiolirter Pflanzen II, Turgordehnung, Grösse 1, 120; II, 75. 1 1 6. derselben I ■? 65, in der Wachsthumszone II, 66. Turgorenergie, Aussenleistungen durch die- selbe II, 31, 147, 880. Turgorenergie , Bedeutung beim Zellhaut- wachsthum II, 31 — Ermittelung durch Plasmolyse I, 12 6; II, 377. — verschiedener Stoffe I, 12 9. — Verwendung zur Erzielung von Aussen- druck II, 145. Turgorgrösse und Stoffspeicherung I, 123. — in Zellen I, 121. Turgorregulation bei Speicherung von Re- servestoffen I, 609. — und Wachsthum II, 33, 145. — bei Wechsel der Concentration des Aussenmediums I, 415. Turgor seh wankung II, 453. bei den Stossreizungen Ursachen I, 124; II, 376. 11, — Turgorspannung II, 67. — Bedeutung für Tragfähigkeit II, 57, 63. Fortdauer nach der Sauerstoffentziehung I, 580. — Spritz- und Schleuderbewegungen durch dieselbe II, 538. Turgorstoffe I, 122. Turgorwechsel und Turgorregulation I, 121, 415; II, 376, 453. — als Betriebsmittel der Variationsbewe- gungen II, 375. — bei den photonastischen Variationsbe- wegungen II, 528. — bei tropistischen Variationsbewegungen II, 660. — als Ursache vonKrümmungsbewegungen II, 498. Tyrosin, Stickstoffnahrung I, 397. — Stoffwechselproduct I, 454, 540. U. Uebergangsreizungen beim Wechsel der Aussenbedingungen I, 15; II, 80, 93, 109, 138, 364, 436, 478, 752. Uhrfederranken II, 416. Ultramaximale Einflüsse, werden kurze Zeit ertragen II, 2 80. — Temperatur, Schädigung und Tödtiing durch dieselbe 11, 2 89. Ultramaximum der Beleuchtung II, 318. — und Ultraminimum II, 2 81. Ultraviolette Strahlen, Bedeutung fürWachsen und Gestalten II, 119. — — Einfluss auf die Kohlensäureassi- milation I, 327. Sachregister 977 Umdifferencirung 11^ \ {'){). Umgestaltende Reize II, 85. Urnstimmungsreize II, 85. Umwachsen durch Hutpilze II, Undulirende Nutation II, 3 8 6. Unnöthige 15 1. Stoffe, Anhäufung I, 103, Unreife Samen Unterkühl une: 7 vor Keimung derselben 1, dem Gefrieren II, -12 8. 6 07. 310. Unterschiedsempfindung II, 630, 755. Unterschiedsschwelle bei tropistischer Rei- zung II, 625. Unterschweflige Säure als Nährstoff I, 423. Urase I, 503, 559. Ureide, Nährwerth I, 372. Urmeristem, Bedeutung II, 5. — Beeinflussung durch das Soma etc. — I, 29; II, 244. — — Erhaltung im Gipsverband II, 1 46. — — Frage der Polarität II, 193. — — labiler Inductionszustand II, 175. — Urmeristemzellen sind äquipotentiell II, 1 65. — specifische Detei'minirung derselben II, 165. Utricularia, Insectenfang Y. I, 366. Vacuolen I, 35. — Centraldruck durch die Hautschicht 1, 119. — pulsirende, siehe pulsirende Vacuolen. — Speicherung von Stoffen I, 451. Stoffaustausch I, 77. I, Vacuolenbildung 92. Vacuolenhaut I, 77. Valeriansäure, Production I, 5 40. Vanadin I, 432. Variation I, 26; II — aitiogene und ■ — sprungweise spontane. 235. autogene II, 238. unbestimmt mutirende gerichtete, sinale Variation) imd bestimmt gerichtete (adaptive, all- mähliche, individuelle) II, 2i0. — symbiogene II, 238. -»"■■D-" "7 354, 3 75. Variationsbewegungen 1 1, — Ausführung mit und ohne Veränderung der osmotischen Energie II, 375, 528. — autonome, siehe autonome Bewegungen. Variationsbewegungen, Mechanik derphoto- und thermonastischen II, 521. — — der seismonastischen II, 446. — — — tropistischen II, 660. — mechanische Vermittlung und innere Ursachen II, 375. — photonastische II;, 4 83. — seismonastische II, 446. — tropistische II, 650. Veränderung und Ermittlung der Bie- gungsfestigkeit II, 377, 452, 523. Variationsgelenke, Einfluss von Chloroform auf die Biegungsfestigkeit II, 527. Vegetationspunkte, BedeutungderselbenII,5. — Gestalt der Zellen 11, 7. — intercalare II, 6, 11. — Regeneration derselben II, 2 07. Ruhezeiten II, 2 65. II, Schutzeimüchtungen Wachsthumsschnelligkeit zur Streckungszone Vegetationswasser I, Vegetationszonen II, — intercalare II, 11. 189. 5. 1 4. im 6. Vergleich Vegetative Vermehrung 11, 2 05. — — unbegrenzte Erhaltuns: durch die- selbe II, 251 Verbrennungswärmen Verdauung, II, 833, 836. extracellulare I, 363. Verdrängung, wechselseitige I, 435. Vereinigungsgewebe Vei'geilung II, 98. Verholzte Wandungen, Elasticität und Co- häsion II, I, Verholzung Bedeutung 60. 481. II, 6 — und Wachsthum II, 3 7. Verhungern H, 28 3. Verkorkung, Bedeutung der Aufnahme und — der Zellhaut I, 484 für die Regulation Ausgabe 1, 6 05. Verkürzung Verletzungen, durch Wachsthum II, siehe traumatische Einflüsse. Vermehrung, vegetative II, 205. der Zellhaut I, 48 4. Verschleimung Vertheidigungsmittel, stoffliche I, 515. Verticibasalität, Induction II, autogene 187. und aitiogene Bedingungen leistung Energie für maximale Arbeits- — Beeinflussung der autogenen durch die 894. Schwerkraft und andere Aussenfactoren der tätlichen und der geo- tropistischen II, 52 4, 657. Pfeffer, Ptlan/.eiipliysiologie. 2. Anfl. IT. II, 192. — Ursprung derselben II, 19i. 978 Sachregister. Verücibasalität, Verhallen der Sprosse etc. beim Umkehren II, 182. Vertretung von Aschenbestandtheilen I, 404. von Verwachsung und Symbionten II, Nichtverwachsun g 219. Verwundungen vgl. traumatische Einflüsse. Vielzelligkeit, Bedeutung derselben II, 44. Viscum, Ernährung I, 352, 3.55. — Lichteinfluss auf Keimung 11, 105. Vitelline als Reservestoff I, 457. Volumänderung mit dem Wassergehall II, 7 4. Volumenergie II, 877. Volum- und Massenzunahme, Reizwirkungen hierdurch II, 22 3. Volvocineen, Bewegungen II, 700. — Pholotaxis II, 772. ■ — pulsirende Vacuolen II, 730. W. Wachsarten I, 47 8. Wachsbildung, Einfluss der Transpiration I, 221. Wachseinlagerung I, 99. Wachssecretion I, 112. Wachsthum, Abhängigkeit von Athniung und Gährung I, 580; II, 131, 877. ■ — Accommodation an die Aussenverhäll- nisse und Verschiebung der Cardinai- punkte II, 7 9, 91, 137, 333. — Aenderung des Wassergehalls dabei II, 33. Widerstände — durch Apposition und Intussusception 11, 28. — Arbeitsleistungen geg( II, 146, 891. — ausbauendes oder inneres — Ausbildung der Gewebespannung und 11, 2. 11, 38, Beeinflussung durch diese 145. Bedeutung der Combination der Aussen- bedingungen II, 77. — — des Pholotonus II, 9" Wachsthum, Curve für die Abliängigkeit von den Aussenbedingungen II, 7 8. — — der Partialfunctionen II, 78. vgl. Dickenwachsthum. Vermitteluni II, 29, 884, energetische 891. Erhallung durch embryonale Zellen II, 5. formale Bedingungen und Nothwendig- keit des Zusammenwirkens derselljen II, 77. gewisse Fortdauer nach dem Versetzen in ungenügende Bedingungen II, 79,279. gleitendes II, 51, — der isolirten Gewebe II, 73. — Längenperiode II, 8. — Minimum, Optimum, Maximum II, 78. — morphogenes und formatives II, 2. — Nährstoffoptimum II, 12 8. — der Niederschlagsmembranen I, 90. — nothwendige und entbehrliche Aussen- einflüsse II, 76. — organisatorisches II, 28. — projective Demonstration II, 22. — Registrirung desselben II, 2 5. — reproductives und regeneratorisches II, 204. — der Stärkekörner II, 39. — Streckungswachsthum der determinirlen Zellen II, 6. Periodicität II, 252. II, 66. II, 32. tagliche und Turgordehnung — Turgorregulation II, 3. 42 — verschiedene Arten desselben — mit und ohne Zelltheilung II, — Zerreissungen von Geweben dabei II, 3 9. Wachsthumsbeeinflussung durch Austrock- Agenüen nen II, 267. — chemische correlative II, 1 95. durch Contact II, 151. — Einkrümmung II, 1 49. — Elektricität 11, 122. II, 127. Bedingungen für die maximale Aussen- Gifte II, 128. arbeit II, 891. — Inductionsschläge II, 123. durch die Aussenbedingimgen II, 161, 247. 80, — Beeinflussung der formativen Thälii?keit — — Kohlensäure I, 316 Licht mus). localisirte 94. durch mechanische Begriff II, 3. Beziehung zwischen Längen- und Dicken- II, 9 6 (vgl. auch Heliotropis- durch Temperatur etc. II wachsthum II, 1 5. — — Bildung von Wasser- und Landformen — H, 140. Eingriffe IL 1 — nothwendige und unnöthige Aussen- bedingungen II, 76. Sachregister. 979 Wachsthumsbeeinflussung durch den plölz- lichen Wechsel der Ausscnfactoren H, 80, 93, 138, 364 etc. 147. — — Salzlösungen — — Sauerstol'f 1, — — Schwerkraft II, 123 (vgl. — — die selbstthätige j81 ; II, 131. und Cenlrifugalkrall Geotropismus). des Veränderung Nährmediiims 11, 13 4. — — — Spectralbezirke If, 1 I — Temperatur 11, 87. den Turgescenzzustand If, Verletzungen 37,497. II, 155, 6 0 6, 614, — — Wassei'druck II, 147. — — Zug II, 148. Wachsthumsbeschleunigung bei photo- und Ihermonaslischen Reactionen II, 478, 514. — durch submaximale Dosen von schädigen- den StolTen I, 409, 42 0; II, 128. — bei der thigmotropischen Reizung der Ranken II, 42 8, 6-51. die durch 131. Verdünnung Wachsthumsbewegungen II, der Luft II, 3.53. Wachsthumscurven , trajectorische II, 53. Wachsthumsenergie If, 18, 144. — und Athmungsthätigkeit I, 523. — Druck- und Arbeitsleistungen durch die- selbe II, 144. Wachsthumserweckung 637, 891. durch Beleuchtung II, 103, 615. durch chemische Reize II, 128. — ■ tropistische Reizung 11, 631. Wachsthumsgeschwindigkeit, Detinition II, 18. Wachsthumsgrösse 11, 1 8. Wachsthumshemmung durch chemische Ein- flüsse II, 12 8. im durch Hungerzusland innere und 259. Licht II, 127. äussere Ursachen 77, 176, intensives II, 108. — — Starrezustände II, 77, 529. — — ultramaximale Bedingungen II, 2 80, 28 9. Wachsthumsintensiiät II, 19. Wachsthumskrümmungen, siehe Krüiii- mungsbewegungen, tropistische Be- wei etc. Wachsthumsmechanik II, 2 6. bei autonomen Bewegungen R, 39 2. Wachsthumsmechanik bei den photonasti- schen und thermonastischen Bewegun- gen der 43 2. 528. Reizbewegung der Ranken II, — — tropistischen Krümmungen II, 6 6 8. — der Zellhaut II, 30. Wachsthumsmessung, Methodisches II, 22. — an gekrümmten ObjecLen II, 2 4. Wachslhumsoscillationen II, 2 0, 255. Wachsthumsperiode, grosse II, 8. — Ermittelung derselben aus der relativen Länge der Internodien II, 10. — jährliche, siehe Jahresperiode. — tägliche, siehe Tagesperiode. Wachsthumsregulirung bei den Schwimm- blättern 11, 141. Wachs thumsreize v; Reizvorgänge. Wachsthumsrichtung vgl. die und aitiogenen Tropismen. Wachsthumsschnelligkeit II, 18. — und Grösse der Turgordehnung II, 3 4. die verschiedenen autogenen Vertheilung derselben II, 9. Wachs thumsschwelle Wachsthumsstörung II, 78. Uebergangs- reizungen II, 80, 478, 514, 651. durch 93, 138, 330, 428, Wachsthumsthätige mungsthätigkeit II, "NVachsthumsveränderung Region 652. bei und Krüm- inverser Auf- stellung II, 126. Wachsthumsverkürzung II, Wachsthumsverzögerung bei hoher Aussen- leistung II, 146, 89 1. Wachsthumszone , apicale und intercalare II, 5, 14. — Grösse der Turgordehnung in derselben II, 66. Länge derselben II, Veränderungen der 13. Länge II, I 3. Zuwachsbewegung — Vertheilung der derselben II, 6, 10. Wahlvermögen I, 102. — Anhäufung nothwendiger und unnöthi^ m er Stoffe durch dasselbe — Beeinflussung durch 108. '5 die 103. Aussenbedin- Relation zwischen Wasser und Salzen I, MI. Veränderung 106. mit der Enlwickelung I, 62* 980 Sachregister. Wanderung der Stoffe, siehe SLoftVanderung. Wandverdickungen bei Krümmungen II, 1 49. Wärme, Abhängigkeit von der Umgebung II, Ausnutzung telst 829, 850. zu osmotischer Arbeitsleistungen Energie mit- II, 882. — Erhöhung der Temperatur durch Inso- lation I, 8 48. formale Möglichkeit tiver Bedeutung IT, 87. des Gedeihens bei Wärmetönung II, 8 8 5. reale Temperatur der Pflanzen II, 82 9, 839. Resistenz gegen dieselbe II, 289. ausgetrockneter Objecte II, 293. mit Entwicke und Resistenzveränderung Aussenbedingungen lungsstadium II, 292. — ■ vgl. auch Temperatur. Wärmeabgabe, Energievei'lust hierdurch II, 888. Wärmeausgleich in der Pflanze II, 847. Wärmebildung, Zweck derselben I, 578; II, 831. Wärmedifferenzen in den Theilen einer Pflanze II, 8 47. Wärmeleitung II, 8 48, 850. Wärmemenge und Athmungsintensilät II, 833, 840. — Vergleich der berechneten und gefun- denen II, 8 33. Wärmeschutz II, 848. Wärmeschwankungen und Gedeihen II, 8 47. Wärmestarre H, 7 8, 2 89. Wärmetod, Ursachen II, 290, 294. Wärmetönung bei Fermentwirkungen I, 50 3. — positive nicht allgemein nothwendig II, 88 5. Wärmeverhältnisse der Pflanze 11, 829, 83 9. — Mangel einer Selbstregulation im Ver- gleich zu homoiothermen Thieren II, 829, 83i, 834. Wärmeverlust durch Strahlung, Verdampfung etc. II, 8 29, 8 49. Wärmebildende und abkühlende Processe Wärmezustand, abkühlende und erwärmende II, 829. Wärmebildung II, 828. durch aerobe Athmung I, 527 ; II, 82 9, 839. bei der Alkoholgährung I, 579. — anaerober Thätigkeit II, 8 29, traumatischen Ausbreitung bei 8 45. Re- actionen II, 841. Bedeutung calorimetrischer Untersucli- ungen II, 887. Einfluss der Partiärpressung des Sauer- stoffs II, 841. — von Verletzungen II, 841 bei der intramolecularen Athmung II, — Nachweis mittelst thermoelektrischer Nadeln II, 8 36. — — durch Zusammenhäufen II, 8 3 5. — Periodicität H, 837, 8 43. - bei Quellung T, 64; II, 830. — — der Reizbewegung des Blattgelenks von Mimosa II, 454, 8 9 4. Uebereinstimmung mit der Athmungs- curve II, 812, 83 0. Ursachen II, 829. Veränderung mit den Aussenbedingungen II, 841. im Vergleich zur aclivirten chemischen Energie II, 887. Factoren 11, 8 48. — der Organe in der Natur 11, 8 47. Wasser, Beeinflussung des Wurzelsystems I, 137. Wasser- und Landformen, Gestalldifferenz II, 80, 141. Wasserabtropfen durch ca}iil]are Wirkungen I, 2 59. W^asseränsammlung in Blattscheiden etc. I, 141, 235. Wasseraufnahme, Aenderung an Schnitt- flächen I, 213. — Beeinflussung durch Aussenbedingungen T, 212. — durch Biälter I, 142. — beim Durchschneiden unter Wasser I, 213. — Einfluss der Temperatur 1, 211. — Relation zur Wasserabgabe I, 210. Wasserauspressung bei Variationsbewegun- gen II, 376. Wasserausscheidung I, 23 4. — • active (durch Druckfiltration) und plas- molytische I, 23 4. — Bedeutung T, 2 58. — Injection der Intercellularen durch die- selbe I, 258. — in Nectarien, "siehe Nectarien. — Periodicität I, 260. Sacliregister. 981 Wasserausscheidung aus pulsircnden Va- cuolen 11, 730. — beiReizbewegungenl, 2 57,365;IT, 376. — aus unverletzten Pflanzen I, 254. — — — — Ursachen und Mechanik I, 261. verletzten Pflanzentheilen (vgl. Blu- ten) I, 2 36. — — WasserporenundBlattzähnenl, 2 50. Wasserhaltende Krall des Bodens I, 150. Wasserleitung in der transpirirenden Pflanze I, 192. — Arbeitstheilung dabei F, 192. — Bevorzugung der Längsrichtung I, 199. — Einfluss der Aussenbedingungen I, 2 10, 226. — Energie des Betriebs I, 195. — Gasdrucktheorie I, 208. Zusammensetzung des Secrets I, 262. — Imbibitionstheorie I, 2 08. — im luftleeren Raum f, 206. Wasserbahnen I, 195 — Ermittelung mittelst Farbstoffen I, 199. — • regulatorische Ausbildung I, 198. Wasserbedeckung, Hemmung der Production vonBlüthen und anderen Fortpflanzungs- mitteln II, 1 40. — Wachsthumsregulirung der Schwimm- blätter II, 141. sserbewegung durch 209. elektromotorische Druckfiltration I, Wirkung II, 872. Energiemittel bei derselben I, 203; II, 890. Reizfortpflanzung durch dieselbe II, 230, 471. Transport von Nährstoffen durch die- selbe I, 585. Wasserblätter und Wassercontact Luftblätter II, 140. Reizwirkungen durch den- selben II, 422, 436, 4 59. Wasserculturmethode I, 412. Wasserdampf, Condensation I, 143. — hydrotropische Reizwirkung II, 586. Wasserdruck, Einfluss aufwachsen II, 147. Wassereinlagerung, siehe Imbibition und Quellung. Wasserentziehung, gegenseitige durch wach- sende Theile I, 1 vgl. Austrocknen. 211 ; II, 7 4. Wassergehalt des Bodens I, 150. für Wachsthum Einfluss auf die Athmung Bedeutung II, 137. I, 576. — Gewebespannung II, 7 4. locomotorische und Plasma- bewegungen II, 814. tägliche und jährliche I, 215. der Pflanzen I, 191 ; U, 32 3. Schwankungen — Mechanik derselben I, dabei I, 202. 193. Saugwirkung Schnelligkeit I, 201. in umgekehrter Richtung I, 19 4. Veränderung 2 09. der Leitfähigkeit I, 195 — Welken abgeschnittener Sprosse I, 213. Wasserparasiten I, 355. Wasserpflanzen, geringere Festigung der- selben II, 56. — Gewinn der Kohlensäure I, 3 1 4. — Verlängerung in fliessendem Wasser II, 149. Wasserporen I, 172, 2 59, 261. — Secretionsthätigkeit I, 255. Wasserspeicherung I, 2 1 0 Wasserstoff, Giftwirkung II, 335, 796. ■ — Oxydation desselben I, — Production bei der Athmung auf Pelomyxa 532. intramolecularen und bei anaerobem Leben I, 540, 557. Wasserstoffsuperoxyd , Protoplasten I, 83. — Fehlen in der Zelle Eindringen I, in den — Oxydationswirkungen in der Zelle 1,55 4 , Wasserverdampfung, siehe Transpiralion. Wasserverlust, zulässiger II, 32 2. Wasserversorgung dui'ch den Boden 1, 147. — - Einfluss auf Abwerfen von Blättern etc. II, 278. — optimale I, 181 ; 11, 139. — und Productionsthätigkeit H, 139. Wasserwechsel, formativer Einfluss II, 140. — hydronastische Bewegungen durch den- selben II, 497. turgescenten und lufttrockenen Weber's Gesetz II, 814. Wechselwirkungen, correlative und functio- und vgl. Volumänderung Turgor. H, 74. Wassergewebe I, 210. nelle II, 195, 827. bei svmbiotischen 211. Vereinigungen II, 982 Sachregister. Weichbast, SloHwanderung in demselben I, Ö8Ö. Weinsäure als Nährstoff I, 370. Windepflanzen mit Ranken II, — rechts- und linkswindende II, 407. — Steilerwerden der Windungen II, 409. Nährwerth der rechts- und linksdrehen- — Zustandekommen der Circumnutation 399. II, den I, 376. — als Nahrung von Anaerobien I, 539. — — Stoffwechselproduct I, 485. Welken, Aufheben durch Wassereinpressung I, 213. — Hemmung des Wachsthums durch das- selbe II, 137. — Ursachen I, 210. Wettbewerb der Pflanzen I, 43 4. II, 393. — — des Windungen , Schlingens sofortiges II, 401, und nachträiiliches Anpressen an die Stütze II, 4 08. Windungsrichtung und Circumnutations- richtung II, 407. Winterfärbungen I, 319. Widerstandsfähigkeit, Abhängigkeit von der Stimmung etc. II, 2 80. — gegen extreme Einflüsse 11, 279. Wiederbelaubung nach dem Entblättern II, 265. Wimpern, siehe Cilien. Winterknospen, Bildungszeit 11, 26 6. — frühzeitiges Austreiben nach der laubung II, i 6 8. — grosse Periode — ReservestolTe I Ent- Winterruhe II Wismuth I, Wolfram I, 432. derselben 617. II, 12. , 259. 432. Wind, Einrichtungen für fähigkeit II, 60. Winden, Abhängigkeit nutation II, 403. die Widerstands- Wundholz II, 157. Wundreize, siehe traimiatische von der Circum- Wundschutz durch Milchsaft I, Reize. — Neigung und der Dicke der Stütze II, 409. Aufhören am Klinostaten und Abwickeln der jugendlichen Windungen auf dem- selben II, 3 93, 402. Bedeutung der Greif bewegungen II, 40 3. Begriff II, 370. Wurzelblätter, Anpressung an den Boden II, 689. Wurzelentwickelung, Einfluss der Schwer- kraft II, 12 5. Wurzelfilz in Blumentöpfen I, 13 6. Wurzelhaare, autonome Bewegungen 11,380. für StoITaufnahme I, 133. der Production durch Windungen II, 404. Bildung freier in Buschwerk II, 410. Einfluss von Aussenbedingungen II, 407. etiolirter Pflanzen II, 402. Bedeutung Beeinflussung Aussenbedingungen I, Durchwachsungen II. 138. 157. functionelle 40 4. Reizwirkung desselben II, Fehlen der Tastreizbarkeit II, 459. Oberflächenvergrösserung durch die- selben I, 132. Verwachsung mit Bodentheilen I, — RegeLmässigkeit der Windungen 11, 40 6. — Wachsthumsbeeinflussung durch 132. Con- Unfähigkeit 406. Verhältniss Windungen umlaufe II, der ersten Internodien II, zwischen der Anzahl der und der Circumnutations- 408. Windepflanzen II 398. Abhängigkeit Schwerkraftreiz II, 392 Circumnutation derselben II ohne Gontactreizbarkeit II mit Gontactreizbarkeit II, Druck gegen die Stütze II, der Circumnutation vom , 382. , 402. 418. 409. — Heliotropismus derselben II, 412. — homodrome Krümmung der Sprossspitze 11, 405. tact II, 151. — ■ Wassersecretion I, 2 57. Wurzelhöschen I, 133. Wurzelkletterer II, 398. Wurzelknöllchen, Bildungsbedingungen und Bedeutung I, 392. Wurzelmjkorrhiza I, 357. Wurzelkraft, siehe Bluten. Wurzeln, Activität der positiv geotropischen Krümmung II, 658. — Aenderung des Grenzwinkels nach De- capitation II, 613. — Aerotropismus II, 585. — aitiogener PlagiogeotropismusderHaupt- wui'zeln II, 616. Sachregister. 983 Wurzeln, aulonome Bewegungen II, 381 Bildung von Windungen II, 407. Wiu-zeln, zugfeste Construction II, 58. correlativer Ersatz und Neubildung 11, 193. Eigenwinkel II, 562, 597. Einbohren in lebende Gewebe II, 145. Eindringen in Quecksilber II, 659. Einfluss des Decapitirens auf dasWachs- thum II, 158. Elasticitäts Verhältnisse 11, 64. Etiolement II, 99. Wurzelparasiten 1, 355. Wurzelpol II, 188. Wurzelproduction , Einfluss einseitiger Be- leuchtung II, 1 07. — — der Einkrümmung II, 154. — — — Ringel ung I, 59 0. — Schwerkraft II, 12 4. Wurzelranken II, 416, 459. Wurzelspitze, galvanotropische Sensibilität II, 594, — geotropische Sensibilität 11 601. Regeneration derselben II, 207. excentrische Verdickung II, 125. Galvanotropismus II, 593. Geotropismus der Haupt- und Seiten- — Sistirung der tropistischen Sensibilität wurzeln II, 563. Gewebespannung II, 70. bedingungen II, — grosse Periode des Wachsthums II, 9. — lleliotropismus II, 575. — Jlydrotropismus II, 586. — Land- und Wasserwurzeln I, 137. — Lichteinfluss auf die Zuwachsschnellig- keit II, 111. — Lösungswirkungen im Boden I, 153. — Modification desGeotonus durch Aussen- 6 15. — Orienlirungsursachen II, 546, 674. — Pi'oteinstoffsjnthese in denselben 1,402. — Reproductionsfähigkeit 11, 205. — Reservestoffe I, 617. — Rheotropismus II, 5 88. — — Perceptionsorl des Reizes II, 589. — Richtiingsverhältnisse aufgepfropfter Wurzeln II, 6 13. — Secretionen I, 85, 154. — Sprengwirkung derselben II, 145. — StoITwanderung I, 612, 617. — Tastreizbarkeit II, 459, 590. — Thermotropismus II, 580. — Traumatropismus II, 590. — Umwandlung in Sprosse 11, 166. — Veränderung der AVachsthumsschnellig- keit in Wasser , Boden, Luft II, 141. — Verlauf der geotropischen Krümmung II, 655. — Vertheilung der Zuwachsbewegung II, 9. — Verticibasalität II, 188. • — Wachsthumsschnelligkeiten II, 1 9. Wachsthumsverkürzung II, 15. Weber's Gesetz bei der geotropischen Reizung II, 627. Widerstandsfähigkeit gegen die Boden- wärine II, 295. durch Verwundungen II, 606. — traumatropische Perception II, 59 0. Wurzelstöcke, siehe Rhizome. Wurzelsystem, Accommodation I, 130. Aufnahmethätigkeit I, 132. — Beeinflussung durch Aussenverhältnisse I, 136. — (Korrelation mit dem Sprosssystem II, 197. — Einfluss der Bodenbeschaffenheit I, 13 7. — — — Concentration I, 137. — Grösse desselben I, 13 5. — bei Tief- und Flachaussaat I, 13 9. Wurzelwachsthum, Einfluss der Temperatur II, 88. — jährliche Periodicitat 11, 2 6 3. — täghche Periodicitat II, 258. X. Xanthin. Stoffwechselproduct I, 454. Xantophiyll I, 298. Xenomorphose I, 21; II, 82. Xerophyten 1, 2 16; II, 139. Xylem, Jahresperiode der Zuwachsbewe- gung II, 15, 2 74. — ■ Stofilransport in demselben I, 58 5. — Wasserleitung in demselben I, 19 6. Z. Zeiger am Bogen II, 23. Zelle, Definition I, 5 1 . — diosmotische Eigenschaften I, 7 7. — Entstehung ungleich grosser II, 4 3. — Formänderung ohne Einbusse des em- bryonalen Charakters II, 169. — Grösse der Turgordehnung II, 65. — osmotische Druckspannungen in der- selben I, 12 1. 984 Sachregister. Zelle, osmotisches System I, 77, H6. specifische Determinirung derselben 163, 168. Tiirgorm-sachen I, 117; 11, 63. Verkürzungen 11, 16. Wahlvermögen derselben 1, 102. Wasserauspressung aus derselben 251. Zersprengung durch Turgordruck ", Zellhaut, Festigkeit im trockenen und nassen Zustand II, 61. — Flächenwachsthum Membran II, 34. — Gasaustausch durch — Incrustation I, 11 ö. der entspannten dieselbe I. 1 65. Metamorphosen I, 483. Molecularstructur I, 69. I, — Neubildun II, 122; II, 138, 329. — — Zunahme der Widerstandsfähigkeit mit — Abnahme des Durchmessers II, 6 5. — Zellen, äquipotentielle, determinirte, indu- — cirte, charakterisirte II, 170. — 6 I, 52 — nach Plasmolyse ., osmotische Spannung I, 116; IF, 880. I, von Plasma durchzogen? lebendige Continuität derselben I, 97; II, 219, 22 5. specifische Theilungsgrösse II, 42. zeitweise oder dauernde Sislirung der Wachsthumsthätigkeit durch correlatives Wirken II, 176. Zellformen, Entstehung verschiedener For- men in Geweben II, 50. ZellgCAvebe, Bildung durch Zellvereinigung n, 52. — Separation der Zellen II, 50. Wandbrechungen demselben II, 51 . und Abrundungen ui Zellgrüsse bei mechanischer Hemmun des Wachsthums II, 43, 146. 2 21. 483 6, II, 36. plastische Dehnbarkeit II, 62. Regeneration II, 20 8. Schichtenspannung II, 67. Veränderungen II, 36. Verdickung im Gipsverband II, 149. Verhältniss von Flächen- und Dicken- wachsthum II, 36. Verholzung, Verkernung, etc. I, 481, 484. Verkieselung I, 429. Verschiedenheit der Eigenschaften in den II, 62. Wachsthumsmechanik II, 30 Wachsthumsstillstand Membranen II, 3 7. Verkorkung physikalischen Wandschichten •7 in verholzton grosse Periode ., 43, derselben II, 8, 42. 508. — Veränderlichkeit aus inneren und äusse ren Ursachen II, 4 3. Zellhaut Abhängigkeit der Zellkern I, 45; II, 227. — activesund plastisches (passives)Wachsen II, 30. — Bewegungen durch Elasticitätsänderung — Zusammensetzung I, 479. Zellhautenzyme I, 361, 477, Zellhautwachsthum, Abhängig Zellhautqualität II, 37. Bildung vom • — durch Apposition und Intussusception von der II, 30. Bedeutung der Turgorspanmmg II. 3 I . Beziehung zur Lage des Zellkerns und II, 375. Bildung derselben I, 482; II, Differenzen der Permeabilität und Wasser 1, 1 60. diosmotische Eisrenschaften I, 79, 9 9. — zu Plasmaansammlungen II Einfluss der Beleuchtung II 30. für Gase — Doppelbrechung I, 70. — von Einlagerungen energetische 891. Regulation II, 38. , 116. 37. Vermittlung II, 30, 88- Durchbohrung durch Pilze I, 361 desselben II, 37. Sistiren durch Entziehung des Sauerstoffs II, 31. — ohne Turgordehnung II, 33. Zellkern, absolute und relative Grösse II, 41. ■ — ■ active und passive Locomotionen II, 740. Elasticitäts- und Cohäsionsverhältnisse — amöboide Bewegungen II, 712, 741. Anordnung bei Vielkernigkeit I, 49. Bedeutung bei Reizprocessen II, 3 67. Entbehrlichkeit bei der Cilienbewegung 11, 705. Einlagerung von Fremdköi'pern I, 9 9, 48 4; II, 3 4. Elasticitätsänderungen II, 670. II, 60 elastische Entspannung bei gegen Widerstände Nachwirkung der U II, 62. Arbeitsleistun 32, 145 892. Sachregister. 985 Zellkern, Entbehrlichkeit für die galvano- tactische Reizung II, 825. — Fehlen desselben II, 7 45. — Function desselben I, 42. — Lage und Zellhautbildung I, 50. — Lebendfärbung I, 80. — Nothwendigkeit bei Zellhautbildung und Wachsthum II, 1 75, 227. — Organ des Protoplasten I, 36. — passive Fortbewegung im Cytoplasma II, 726. — und Proteinstoffsynthese I, 402. — relatives specifisches Gewicht desselben II, 791. — als Träger der Erbmasse II, 235. — traumatropische Reactionen II, 819. — tropistische Reizungen bei Fehlen des- selben 11, 6 36, 825. — Uebertritt in Nachbarzellen II, 2 25, 741. — Umlagerung durch Centrifugalkraft II, 789. — Veränderungen in Folge chemischer Reiz- wirkung bei den Carnivoren II, 467. Zellkerntheilung, Abhängigkeit vom Sauer- stoff I, 581. — amitotische II, 48, 744. — Beeinflussung durch Aussenverhältnisse II, 744. — Mechanik derselben II, 745. — Reduction der Chromosomen II, 49. — und Zelltheilung II, 45. — — — Wirkungslosigkeit des Magne- tismus II, 123. Zellkernverschmelzung, Bedingungen und* Ursachen II, 745. ZeUplatte II, 45. Zellsaft, saure und alkalische Reaction I, 490. — vgl. Vacuolen. Zellstoff balken II, 59. Zelltheilung, Abweichungen von der recht- winkligen Schneidung der Wandungen II, 47. — Anordnung der Wandungen II, 47. — äquale und inäquale II, 4 4, 791. — Ausschaltung der Wandbildung II, 46. — Bedeutung der Oberflächenspannung II, 47. — Einfluss von Druck auf die Wandrich- tung II, 47. — — von Licht II, 112. Zelltheilung, inäquale bei einseitiger Plasma- anhäufung II, 44. — und Kerntheilung II, 45. — — — Beeinflussung durch Aussenbe- dingungen II, 40. — ist kein einfacher physikalischer Vor- gang II, 46. — Separation der Partialfunctionen II, 45. — Ursachen derselben II, 223. — und Wachsthum II, 42. Zellwand, Verdickung in Folge geotropischer Reizung und Einkrümmung II, 669. Zellwände, Leitvermögen für Wasser I, 204. Zellwandungen, Anordnimg nach Perichnen, Anticlinen, Transversalen II, 54. — kappenförmige (coaxiale) und gewöhn- liche (confocale) Schichtung II, 55. — primäre und secundäre Anordnungen II, 52. — Princip der rechtwinkligen Schneidung II, 53. Zerplatzen bei Concentrationswechselll, 138. Zerreissungen beim Abwerfen von Blättern etc. II, 277. Zink als Reizmittel I, 37 3. — Vorkommen und Bedeutung I, 431. Zinksalze, Giftwirkung II, 335. Zinn I, 432. Zitterfreier Tisch II, 2 3. Zoocecidien II, 210. Zoosporangien, Entleerung 1!, 542. Zoosporen, siehe Schwärmzellen. Zucker, Anhäufung bei niedriger Temperatur I, 514, 618. — im Blutungssaft Einfluss auf Lichtentwickelune: der I, 2 44. Lichtentwickelung Leuchtbacterien II, 857. — hemmender Einfluss auf Nitrobacterien II, 333. — Nährstoff für Pilze i, 367. — Product der Kohlensäureassimilation I, 599. — Secretion I, 263. — vgl. Dextrose, Lävulose, Mannit etc. Zuckerarten, Aufnahme I, 8 3. — chemotropische Reizwirkung IIj 58 4, 801. — als Nahrung der Anaerobien I, 53 9. aus denselben I, 308. Stärkebildung Vergährung ■\^'anderung derselben derselben 565. 588. 9S6 Sachregister. Zuckerdrüsen I, 235. Zuckergehalt, Veränderung durch Schütteln II, 454. Zugfestigkeit II, 36. Zugreiz, irrige Behauptung Hegler's II, 425. Zugspannung II, 67. Zugwurzeln II, 1 6. Zusammenwandern von Organismen II, 827. Zuwachsbewegimg vgl. Wachsthum. Zuwachsgrössen II, 18. Zwangsdrehungen II, 386. Zweige, Orien rungsursachen der plagio- tropen II, 68 2. — Torsionen derselben II, 69 4. Zweigklimmer II, 415. Zwiebeln, Athmungsenergie I, 529. — Athmungssteigerung durch Verwundung I, 577. — Jahresperiode II, 260. — Regulation der Tiefenlage II, 16, 676. — Reservestoffe und Stoffwanderung I, 620. — Ursachen für das Zurückhalten der ge- speicherten Stoffe I, 605. — Wärmebildung 11, 832, 841. Zygoten, Bildungsbedingungen II, 1 3 4, 1 42. Zj^mase I, 503, 559. Zvmogene I, 505. P- P- [Druckfehlerberichtigungen. Band I. 81. Anm. 2 lies Hanstee n statt Hanstein. 103 letzte Zeile lies Fig. 9 statt Fig. 6. 280, Zeile 9 von oben ist hinter 1265000 zu setzen Million. Anm. 1 lies 1886 statt 1866. Anm. 1 lies Bd. 2o statt Bd. 30. Zeile 3 von unten lies 1,15 Proc. statt 1,7 Proc. Zeile 2 von oben lies 11,5 Proc. statt 17 Proc. Zeile 16 von oben, sowie in der Ueberschrift auf p. 438. 440 etc. lies Bau- stattBau. Zeile 18 von oben lies Phenylalanin statt Phenylabanin. Anm. 7 hes Bd. 4 statt Bd. 14. Zeile 6 von oben lies complexe statt complete. 522, Zeile 13 von unten lies ein statt sein. 563, Zeile 10 von oben muss es heissen: Die Befähigung zu einer Gährthätigkeit bedingt nicht, 566, Zeile 28 von oben lies Kohlensäurereproduction statt Kohlensäurereduction. 574. Anm. 4 hes 1883 statt 1893. Band II. 348, 407, p. 414, p. 415, 436, 454, 498. 52 O', p. 89, Zeile 4 von oben hes Brewer statt Creek. p. 9-2, Anm. 2 lies Schübeier statt Schieb eler. p. 122, Textzeile 3 von unten lies Hettlingen statt Heltlingen. p. 142, Anm. 4 lies Jungner statt Junger. p. 173, Anm. 1, Zeile 3 von oben lies Weisse statt Weise und Bd. 30 statt Bd. p. 237, Anm. 1, Zeile 4 von unten lies Ber. d. botan. Gesellsch. statt Botan. Ztg. p. 266, Anm. 1 lies 1896 statt 1898. p. 272, Anm. 2 lies Tagesperiode statt Jahresperiode. p. 375, Textzeile 2 von unten lies II, § 137, statt II, 137. p. 421, Zeile 22 von oben lies einseitig statt allseitig. p. 426, Zeile 13 von oben lies das statt da. Bei Hinweisen auf spätere Kapitel ist in Kap. I bis X zu setzen: Kap. XVI statt Kap. XVII; Kap. XV statt Kap. XVI; Kap. XIV statt Kap. XV. 31. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.