PFLÜGER® ARCHIV FÜR DIE GESAMMTE BHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE. HERAUSGEGEBEN VON MAX VERWORN PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE UND DIREKTOR DES PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTS DER UNIVERSITÄT BONN UNTER MITWIRKUNG VON PROF. BERNHARD SCHÖNDORFF IN BONN. BAND HUNDERT UND VIERUNDDREISSIG. MIT 1 TAFEL UND 71 TEXTFIGUREN. 3 BONN, 1910. VERLAG VON MARTIN HAGER. Inhalt. — Erstes und zweites Heft. Ausgegeben am 15. August 1910. Über den angeblichen Nachweis von Farbensinn bei Fischen. Nasen Hesiss ne sine ten Die Wirkung von Adrenalin in ihrer Beziehung zur Innervation der Iris und zu der Funktion des Ganglion cervicale superius. Von Dr. med. H. Straub aus Stuttgart. (Aus dem physiologischen Institut der Universität re England) - il. RITR Mer Zur Frage des künstlichen Pneumothorax. Von A. Kakowski (Kiew) . BE Eee, Studien zur Hämolyse. Gibt es eine Kokain-Hämolyse? Von Dr. Georg Fischer, Assistent der Poliklinik. (Aus dem Laboratorium der we von Prof. Dr. EBrskoeppe, Giessen) .. . -:. . : Der physiologische Protoplasmastoffwechsel und die "Purinbildung. Von Dr. E.MareS, Professor der Physiologie. (Aus dem physiologischen Institute der k. k. böhm. Universität in Prag) Das Krankheitsgefühll. Von Dr. Wilhelm Sternberg, Spezialarzt für Zucker- und Verdauungskranke in Berlin Zur Kenntnis von, der Entstehung der Irisfarben. Von Dr. med. Mathilde Gstettner. (Aus dem Physiologischen In- stitute der k. k. Universität Wien) Berichtigung von Dr. med. Lewon Orbeli und Dr. med, E. Th. von Brücke. Drittes, viertes und fünftes Heft. Ausgegeben am 25. August 1910. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres im menschlichen und tierischen Organismus. Von Wilhelm * Seite 1 15 sl 45 59 103. 121 132. IV Inhalt. Völtz (Referent), Rudolf Förster und August Bau- drexel. (Aus der ernährungsphysiologischen Abteilung des Instituts für Gärungsgewerbe der Kgl. Landwirtsch. Hochschule zu Berlin). ; 3 . ; Über Stoffwechselstörungen nach der eciakon en Neben- nieren. Von Dr. Oswald Schwarz, Externarzt der I. Frauenklinik. (Aus der chem. Abteilung des k. k. sero- therapeutischen Institutes in Wien) Sechstes, siebentes und achtes Heft. Ausgegeben am 6. September 1910. | Beiträge zur Analyse der Cholinwirkung. Von Franz Mülle 18 Berlin. (Mit 18 Textfiguren.) (Aus dem Tierphysiologischen " Institut der Landwirtsch. Hochschule zu Berlin) . Über den Einfluss einiger organischer Alkalisalze auf Muskeln, Blutkörperchen, Eiweiss und Lecithn. Von Rudolf Höber. (Mit 24 Textfiguren.) (Aus dem en Institut der Universität Kiel) . . . . £ Über eine einfache quantitative Benihbennn und das Fermentgesetz des Trypsins. Von Dr. Alexander Palladin aus Petersburg. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Tübingen) a Hi W377, ur „un RE NN Chronophotische ° Studien über den Umpehttiikhöhnät Von Dr. Robert Stigler. Assistent am physiol. Institute der Universität Wien. (Mit 9 Textfiguren). . ze . Können ultramikroskopische Teilchen aus dem Blute in die Lymphe übertreten? Von Cand. med. Edmund Nobel, Demonstrator am genannten Institute. (Aus dem , logischen Institute der Universität Wien) . Neuntes und zehntes Heft. Ausgegeben am 26. September 1910. Energetik glatter Muskeln. Von Jakob Parnas. (Mit 5 Textfiguren.) (Aus der physiologischen En der zoologischen Station zu Neapel) al“ en Beitrag zur Fettbestimmung im Fleisch. Von G. Dissel- horst. (Aus dem zootechnischen Institut der landwirtsch. Hochschule zu Berlin). Seite 133 259 289 311 337 365 436 441 496 Inhalt. Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize auf den Ablauf der Reaktionsbewegungen bei Wirbel- losen. I. Mitteilung. Versuche an Tunicaten. Von Pro- fessor Toosaku Kinoshita. (Osaka, Japan.) (Mit 8 Textfiguren.)-- (Ausgeführt in der k. k. zoologischen Station zu Triest und in dem physiologischen Institut der k. k. Universität zu Wien) . Experimenteller Beitrag zur Frage über die Beziehung zwischen Placenta und Brustdrüsenfunktion. Von Dr. Richard Lederer und Dr. Ernst Pfibram. (Hierzu Tafel 1.) (Aus dem k. k. serotherapeutischen Institut und der Kinder- abteilung des k. k. Kaiser Franz Joseph-Spitales in Wien) Berichtigung zu meinen Abhandlungen in Pflüger’s Archiv Band 132 Seite 43 und 82. Von F. B. Hofmann Elftes und zwölftes Heft. Ausgegeben am 8. Oktober 1910. Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. II. Mitteilung. Von R. Magnus. (Mit 5 Textfiguren.) (Aus dem Kuzmaalanspieaien Institut der Reichsuniversität Utrecht) EU FERSEN ER a. Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. IV. Mitteilung. Von R. Magnus. (Aus dem pharma- kologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht) Die Ursache der motorischen Acceleration des Herzens. Von G. Mansfeld-Budapest, Privatdozent für experimentelle Pharmakologie. (Aus dem physiologischen Institut der Uni- versity College zu London und dem en Institut der Universität Budapest). ENT“, : Der Einfluss des Koloquinten-Dekokts auf die EN bewegungen. Von J. H. Padtberg, ehem. Assistent des Instituts. (Mit 2 Textfiguren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht) Zur Frage des Hörvermögens der Fische. Von A. L. Bernoulli Seite Sal 544 598 627 633 2 + Ki RUN Über den angeblichen Nachweis von Farbensinn bei Fischen. Von I. In früheren Arbeiten habe ich Methoden entwickelt, mit deren Hilfe es möglich geworden ist, die Frage nach dem Lichtsinne niederer Tiere von neuen Gesichtspunkten in Angriff zu nehmen !). Ich ging davon aus, die Helligkeitswahrnehmung einiger Fischarten unter möglichst verschiedenen Bedingungen zu prüfen, und konnte dann durch systematische Untersuchung der Tiere im Spektrum die überraschende Tatsache nachweisen, dass die relativen Helligkeiten, in welchen jene Fischaugen die ver- schiedenen Teile des Spektrums sehen, nahezu oder ganz über- einstimmen mit jenen, in welchen sie der total farbenblinde Mensch sieht. „Alle von uns bisher ermittelten Tatsachen würden gut in Einklang stehen mit der Annahme, dass die untersuchten Fische total farbenblind seien, ja, nach einer solchen Annahme hätte man das tatsächlich gefundene Verhalten in allen Einzelheiten voraus- sagen können. Ein bei ihnen etwa doch vorhandener Farbensinn müsste jedenfalls mindestens hinsichtlich der Helligkeitsverhältnisse der von ihnen gesehenen Farben wesentlich anders geartet sein als der menschliche. Bei dem gegenwärtigen Stande der Frage wäre es müssig und wenig interessant, hier etwa in Betracht kommende, aber experimenteller Behandlung vorderhand noch nicht zugängige Möglichkeiten zu erörtern.“ Es war bisher noch nicht versucht worden, die interessanten Fragen nach dem Lichtsinne der Fische vom Standpunkte der wissenschaftlichen Farbenlehre zu bearbeiten. Von Laien auf diesem Gebiete lagen einige Versuchsreihen vor, die bei allem 1) C. Hess, Untersuchungen über den Lichtsinn bei Fischen. Arch. f. Augenheilk. Bd. 64 Ergänzungsheft S. 1—38. 1909. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 1 2 C. Hess: darauf verwendeten Fleisse schon infolge irriger Fragestellung nicht zum Ziele führen konnten. Auch heute spricht der mit den Pro- blemen nicht Vertraute gerne von „Farbengefühl‘, „Rotscheu‘, „Blauvorliebe“ und anderem mehr bei Fischen, wodurch die Sach- - lage aufs Neue verwirrt wird; denn man führt damit ohne Anlass wieder ein der wissenschaftlichen Behandlung noch nicht zugängiges Moment ein (8. u.). Ein bei Laien beliebtes Verfahren besteht bekanntlich darin, dass man Fischen verschieden gefärbtes Futter sichtbar macht und aus dem Umstande, dass manche Fische zuerst den roten, andere zuerst den grünen oder den blauen Köder nehmen, schliesst, die Tiere müssten Farbensinn haben. Die Frage, ob nicht hier viel- leicht allein der farblose Helliskeitswert der verschiedenen farbigen Lichter für die Fische in Betracht kommt, ist nie aufgeworfer worden; sie konnte nicht in Angriff genommen werden, solange die Kenntnis von den Helliekeitswerten farbiger Lichter für das Fisch- auge fehlte. Dass durch solche Versuche mit farbigem Köder, wie auch auf dem von Graber!) u. A. (s. u.) beschrittenen Wege die Lehre vom Lichtsinne bei Fischen nicht gefördert werden konnte, bedarf für den mit den Verhältnissen Vertrauten keiner Betonung, und ich hatte daher gehofft, auf solche, wie ich glaubte, genügend geklärte Fragen nicht zurückkommen zu müssen. Da aber neuerdings Viktor Bauer?) jenen früheren Methoden wieder das Wort redet und durch fehlerhafte Berichterstattung und ungenügende Versuche ein unzutreffendes Bild von der Sachlage gibt, soll im Folgenden an einigen Beispielen gezeigt werden, was jene alten und was die neuen Methoden uns über den Lichtsinn der Fische sagen können. In meiner Darstellung betonte ich, dass „aus den mitgeteilten Beobachtungen an einer Reihe von Fischen selbstverständlich noch nicht geschlossen werden darf, dass sämtliche Fischarten sich so verhalten müssen, wie die bisher von mir untersuchten“. Bauer versäumt dies anzugeben und erweckt durch seine Darstellung den Anschein, als hätte ich aus meinen Untersuchungen geschlossen, dass die Fische sich allgemein so verhalten, wie ich es bei einigen 1) V. Graber, Grundlinien zur Erforschung des Helligkeits- und Farben- sinnes der Tiere. Leipzig 1884. 2) V. Bauer, Über das Farbenunterscheidungsvermögen der Fische. Pflüger’s Arch. Bd. 133 S.7. 1910. Über den angeblichen Nachweis von Farbensinn bei Fischen. 3 Arten gefunden hatte. Wenn er die von ihm bei Fischen, die ich nieht untersucht habe, erhaltenen Ergebnisse gegen mich anführt, so begeht er den Fehler, vor dem ich gewarnt habe. Bauer beginnt seine Arbeit mit einer Besprechung der be- kannten Versuche Graber’s. Ich habe schon früher kurz an- gedeutet, dass und warum wir durch diese nichts über den Farben- sinn der Tiere erfahren; hier genüge der Hinweis darauf, dass wir bei Graber’s „Zweikammersystem“ oft nicht wissen können, aus welchen Gründen: die Tiere die eine oder die andere Kammer aufsuchen. Wenn z. B. Tiere die dunkle Hälfte aufsuchen, zieht Graber daraus den Schluss, dass sie „dunkelliebend“ seien, während sie vielleicht „liehtliebend“ sind und nur aus Angst ins Dunkle flohen. Kommt doch Graber so unter Anderem zu dem seltsamen Ergebnisse, es unterliege wohl „keinem Zweifel, dass die Eidechse ein lichtscheues Tier sei“. (Derartige Irrtümer lassen sich in Graber's Arbeiten mehrfach nachweisen.) Aus solchen Gründen konnte ich auch keinen Wert auf Graber’s Angabe legen, dass vier von ihm untersuchte Fische (Schmerle, Weissfisch u. andere) alle „lichtscheu“ seien, weil sie, für Y/2 Stunde in teilweise bzw. in verschiedenfarbig belichtete Bassins gebracht, im allgemeinen im dunklen Bassinteile etwas zahlreicher gefunden wurden als im hellen, im roten etwas zahl- reicher als im blauen. Wie wenig Wert derartige Befunde haben, solange über das benutzte Rot und Blau keine genügenden Angaben vorliegen, brauche ich nicht zu wiederholen. Nachdrücklich zu betonen ist aber, dass ich für die bisher von mir untersuchten Fische nachweisen konnte, dass sie nicht zum Dunkeln, sondern zum Hellen und dass sie stets aus (nicht zu hellem) Rot in (nieht zu dunkles) Blau schwimmen, sich also gerade entgegen- gesetzt verhalten wie nach Graber die von ihm untersuchten Fische. Entgegen diesen Tatsachen schreibt Bauer, meine Uktersuchungen hätten im wesentlichen „eine Bestätieung der Graber’schen Befunde“ ergeben. Weiter meint Bauer Beobachtungen gegen mich anführen zu können, die noch nach jener alten Laienmethode der farbigen Köder angestellt und für die Frage nach dem Farbensehen der Tiere ohne jeden Wert sind. Seine irrige Angabe, die Ergebnisse jener Ver- suche widersprächen den meinigen, nötigt mich zu dem Nach- weise, dass sie diesen aufs beste entsprechen. 15: 4 C. Hess: Bauer zitiert unter Anderem eine Arbeit von Reighard!) (1908), der einen Schnappfisch (Lutianus griseus) mit Atherinen fütterte, die, in sieben verschiedenen Farben gefärbt, vom Schnapp- fisch ohne Unterschied gefressen wurden. Bauer fährt fort: „Trotzdem besitzt der Schnappfisch ein deutliches Unterscheidungs- vermögen für Farben. Denn wurden gleichzeitig weisse und blaue Atherinen verfüttert, so fielen stets: die weissen zuerst zum Opfer. So waren z. B. von 80 verfütterten Fischen unter den 40 zuerst aufgeschnappten 34 weisse und nur 6 blaue, und nachdem alle weissen gefressen waren, blieben noch 32 blaue übrig. : Wurde die Wahl zwischen Blau und Hellrot gelassen, so befanden sich unter den fünf bei jedem Versuche zuerst gefressenen Fischen im ganzen 84° blaue; bei der Kombination Blau - Dunkelrot sogar 90 °/o blaue. Ähnlich fiel die Kombination Blau-Gelb aus, während bei Blau-Grün keine Bevorzugung der einen Farbe erkennbar war. Besonders interessant war auch das Benehmen der Lutianus den verschieden gefärbten Futterfischen gegenüber. Während sie die blauen und grünen ohne Besinnung aufschnappten, zögerten sie bei den gelben und roten, zuckten häufig zurück, nachdem sie zu- nächst auf sie zugeschwommen waren; und wenn zufällig zwei Fische von verschiedener Farbe, z. B. ein blauer und ein roter dicht neben- einander fielen, nahmen sie in allen Fällen den blauen zuerst.“ Bauer versäumt anzugeben, dass das Ergebnis der Reig- hard’schen Versuche fast überraschend genau dem entspricht, was nach den von mir gefundenen Tat- sachen zu erwarten war, sofern Lutianus sich im wesentlichen so verhält, wie die bisher von mir untersuchten Fische. Ich schrieb: „Die Fische verhielten sich bei allen unseren Untersuchungen an- genähert oder genau so, wie total farbenblinde Menschen bei jeder Lichtstärke... sich verhalten würden, wenn ihnen zur Aufgabe gemacht wäre, die jeweils für sie hellsten Stellen aufzusuchen.“ Wenn auch Lutianus die für ihn hellste Stelle aufsucht bzw. zunächst auf die für ihn hellsten Fische zuschwimmt (weil die seine gewöhnliche Nahrung bildenden normalen Atherinen „silberweiss“ sind), so wird er bei Wahl zwischen Weiss und Blau erst auf die weissen Fische zu- schwimmen, bei Wahl zwischen Blau und Rot im allgemeinen auf 1) Reighard, An experimental field study of warning coloration in coralreef fishes. Pap. Tortugas Laborat. Carnegie Instit. vol.2 p. 257-325. Washington 1908. Über den angeblichen Nachweis von Farbensinn bei Fischen. 5 die blauen, da bekanntlich auch die vom Laien als „hellrot“ be- zeichneten Farben im allgemeinen kleinere weisse Valenz haben, daher dem Fische wie dem total farbenblinden Menschen dunkler erau erscheinen als die üblichen blauen Farben. Zwischen einem Blau und einem Grün, deren weisse Valenzen nicht sehr verschieden sind, wird der Fisch keinen grossen Unterschied finden. Der Leser meiner Arbeit (in der ich auch die feine Unterschiedsempfindlich- keit für Helligkeiten bei Fischen nachwies und messend bestimmte), hätte also schon nach meinen Befunden mit Wahrscheinlichkeit voraussagen können, dass die Fische das von Reighard tat- sächlich gefundene Verhalten zeigen würden, soweit solches bei der zu wissenschaftlichen Aufgaben nicht genügenden Versuchsanordnung überhaupt möglich war. Zu den zitierten Reighard’schen Versuchen macht Bauer die Angabe: „Dem Einwand, dass es sich bei diesen Versuchen um Unterscheidung der Helligkeits- nicht der Farbwerte handeln könne, sucht Reighard durch eine möglichst genaue Bestimmung der Weissvalenzen der verwendeten Farben zu begeenen.“ Davon steht nichts in der Arbeit Reighard’s. Vielmehr geht aus ihr klar hervor, dass ihm die Weissvalenzen und deren Bedeutung für unsere Frage unbekannt waren !!). eo) 1) Bei seinen Hauptversuchen (1907) gibt Reighard (S. 274) an, dass er die „relativen Helligkeiten“ seiner Farben bestimmte, indem er Kartonscheiben ebenso wie die Futterobjekte färbte und am Farbenkreisel mit Grau „in der gewöhn- lichen Weise“ verglich. Es wurde also nicht die weisse Valenz bestimmt, d.h. der farblose Helligkeitswert, den die betreffenden Pigmentlichter gehabt hätten, wenn er sie mit gut dunkel adaptiertem Auge und bei so weit herabeesetzter Lichtstärke betrachtet hätte, dass sie ihm farblos erschienen. Schon die dort mitgeteilten Werte für die „Helliskeiten“ des von Reighard benutzten Blau, Dunkel- und Hellrot mussten Bauer darauf hinweisen, dass Reighard hier, wie er auch ausdrücklich angibt, Helligkeitswerte, nicht aber weisse Valenzen bestimmte. Ein Gleiches ist bei älteren Versuchen Reighard’s (1905) den dort (S. 285) angegebenen Zahlen wie auch dem Hinweise auf die bekannte König’sche Kurve zu entnehmen. Dass auch ihm der Unterschied zwischen Farbenhelligkeit und weisser Valenz sowie der Einfluss der Adaptation auf die Farbenhelligkeiten fremd war, geht schon aus dieser Anführung der König’schen Kurve, insbesondere aber auch daraus hervor, dass er.neben seinen Helligkeitsbestimmungen am Kreisel auch Versuche anführt, bei welchen er nach den roten, weissen und blauen Fischen auf schwarzem Grunde bei so schwacher Belichtung blickte, dass keine Farben unterschieden ‘werden konnten, ohne anzugeben, ob er selbst dunkel adaptiert war oder nur die Belichtung des Behälters für die Fische herabgesetzt hatte, und C. Hess: {or} Die Angabe Bauer’s erweckt den Anschein, als wären bei Reig- hard’s Versuchen jene Umstände berücksichtigt, deren Niehtberück- sichtigung ihnen allen wissenschaftlichen Wert für unsere Frage nimmt. Noch kürzer darf ich mich über eine Arbeit Zolotnitsky’s (1901) fassen, die Bauer gleichfalls zu Unrecht als Beweis für Vorhandensein von Farbensinn bei Fischen anführt. Zolotnitzky klebte an die Bassinwand von Fischen, die sonst mit dunkelroten Chironomuslarven gefüttert wurden, weisse, grüne, gelbe und rote Wollfäden von der Form und Grösse solcher Larven. Die Fische schwammen an den weissen und grünen Fäden vorbei, an den gelben hielten sie vorübergehend an, die gefrässigsten unter ihnen suchten sie zu fassen, während alle Fische lebhaft auf die roten Wollbündel zuschwammen. Der mit der Farbenlehre Vertraute wird aus solchen Versuchen nicht den Schluss ziehen, dass die fraglichen Fische die Farben unterschieden. Denn so, wie es Zolotnitzky schildert, werden sich auch Fische verhalten, deren Sehqualitäten jenen des total farbenblinden Menschen ähnlich oder gleich sind, und die also die weissen Wollbündel am hellsten, die grünen hellgrau, die gelben dunkler grau, die roten noch dunkler orau, fast: schwarz und so sehen, wie die ihre gewohnte Nahrung bildenden Chironomuslarven. Es ist bekannt, dass auch ein total farbenblinder Mensch, den man auffordert, aus einer Reihe farbiger Papiere die roten heraus- zusuchen, dies meistens richtig trifft, indem er die für ihn dunkel- sten wählt?). Die an helies Futter gewöhnten Fische Reighard’s zogen ein für uns dunkleres Blau einem helleren Rot vor, der zunächst an Dunkelrot gewöhnte Fisch von Washburn und Bentley (s. u.) ein für uns helles Rot einem angenähert gleich hellen Blau. Die Hypothese, die den Fischen Farbensinn zuschreibt, vermag diese merkwürdige Erscheinung nicht zu erklären und muss wieder zu ohne zu bemerken, dass, falls er dunkel adaptiert war, das von ihm angeführte Ergebnis „die Helligkeit nahm in: der Reihenfolge Weiss, Rot, Blau ab“, durch- aus nicht dem bei Benutzung der üblichen Pigmente zu Erwartenden entsprach. Bei seinen späteren Hauptversuchen hat Reighard diese letztere Methode der „Helligkeitsbestimmung“ nicht mehr angewendet. 1) Zolotnitsky, Les poissons distinguent-ils les couleurs? Arch. de zool. experim. t. 9. 1901. 2) Vgl. E. Hering, Untersuchung eines total Farbenblinden. Pflüger’s ‚Arch. Bd. 49 S. 587. Über den angeblichen Nachweis von Farbension bei Fischen. 7 der Hilfshypothese einer „Rotvorliebe“ bei der einen und „Blau- vorliebe“ bei der anderen Fischart greifen. Nach meinen Befunden ist das fragliche Verhalten der Fische leicht verständlich, ja zu er- warten, sofern ihre Sehqualitäten die gleichen sind wie bei den von mir untersuchten Arten und beim total farbenblinden Menschen. Bei Versuchen von Washburn und Bentley!) wurden zwei Pinzetten mit je einem roten bzw. grünen oder blauen Stäbchen versehen und an einer der beiden ein Köder befestigt. Die Ver- suche wurden mit einem Exemplar von Semotilus atromaculatus an- sestellt, der durch längere Zeit an dem roten Stäbchen sein Futter erhalten hatte und so an ersteres gewöhnt worden war. Bei einer ersten grösseren Versuchsreihe schwamm der Fisch fast immer zuerst auf das rote Stäbchen. Anfangs wurde ein Rot benützt, das für das normale Menschenauge etwas dunkler war als das Grün, später ein Rot, das für gewöhnliche Betrachtung beträchtlich heller erschien als das Grün; bei weiteren Versuchen wurde statt des Grün ein Blau benutzt, das ungefähr ebenso hell erschien, als das helle Rot. Diese Angaben genügen zur Feststellung, dass für den total farben- blinden Menschen das dort benutzte dunkle Rot viel dunkler grau war als das Grün, und das helle Rot beträchtlich dunkler grau als das für uns gleich helle Blau. Wenn also jener Fisch die gleichen Sehqualitäten hat wie ein total farbenblinder Mensch und, wie Zolotnitzky’s Fische, zunächst auf den ihm dunkler erscheinenden Köder zuschwimmt, so hätte nach meinen Befunden das Ergebnis bei diesen Kombinationen sich voraussehen lassen. Bei der Kombi- nation Hellrot—Dunkelerün liess es sich nicht voraussehen, da wiederum keine weissen Valenzen bestimmt wurden. Wer die kleine Weiss-Valenz der gewöhnlich als Hellrot bezeichneten farbigen Liehter kennt, weiss, dass auch ein für unser helladaptiertes Auge helles Rot dem total Farbenblinden dunkler erscheinen kann, als ein für uns weniger helles Grün. Es ist lange bekannt, dass Angler gerne mit farbigen Ködern fischen. Sie schliessen auf Farbensinn bei Fischen, wenn sie mit dem einen Köder mehr Beute haben als mit dem anderen. Den . gleichen Fehler begeht Bauer, wenn er aus den drei hier be- sprochenen Arbeiten auf Farbensinn bei Fischen schliesst. Denn mit diesen Methoden wird ja nur aufs Neue festgestellt, was man 1) Was hburn und Bentley, The establishment of an association involving color-discrimination etc. Journ. of comp.neur. and psychol. vol. 16 S.113—125. 1906. 8 C. Hess: längst wusste, dass verschiedenfarbige Lichter auf Fische verschieden wirken können. Was uns hier allein interessiert, ist die Frage, worin diese Lichter für die Fische verschieden und ob sie es etwa nur durch ihre farblosen Helligkeiten sind; darüber können wir mit den farbigen Ködern nichts erfahren. Eben darum habe ich einen anderen Weg eingeschlagen und durch systematische Untersuchung solche farbige Lichter ermittelt, die auf die Fische nicht verschieden, sondern merklich gleich wirken. Jene früheren Methoden konnten uns auch kein Urteil darüber gestatten, ob überhaupt zwischen dem Lichtsinne bei Fischen und jenem beim Menschen irgend eine Beziehung, Ähnlichkeit oder Verschiedenheit, bestehe. Meine Methoden haben für die Fische die überraschende Helliekeitsverteilung im Spektrum aufgedeckt, deren Kenntnis uns durch die Beziehungen zu den Eigentümlichkeiten des Sehens normaler dunkel adaptierter Menschenaugen den Weg zum Verständnis des Sehens der Fische eröffnet. Aus meinen Untersuchungen geht auch hervor, wie jene Ver- suche mit farbigem Köder angestellt werden müssten, wenn sie wissenschaftlich verwertbar sein sollen. Neben den grünen, gelben und roten Wollfäden bei Zolotnitzky’s Versuchen müssten farb- los graue von genau gleicher weisser Valenz den Fischen geboten, ausserdem weitere Versuchsreihen nur mit farblos grauen Fäden von verschiedener Helligkeit angestellt werden u. a. m. Ent- sprechendes hätte mit den Futterfischen bei Reighard’s Versuchen und mit den Holzstäbehen bei jenen von Washburn und Bentley zu geschehen. Dann wären aber derartige Versuche nur noch eine unzweckmässige Abänderung der von mir zur Untersuchung der Fische ausgearbeiteten Methoden; denn aus bekannten Gründen würden die Ergebnisse von Beobachtungen mit farbigen und farb- losen Wollfäden, Futterfischen und Holzstäbehen nicht auf gleiche Genauigkeit Anspruch machen können wie jene bei dem von mir benutzten Verfahren. Darum habe ich derartige Versuche mit pigmentiertem Köder, mit welchen ich mich auch bei Fischen seit Jahren wiederholt beschäftigt hatte, als für meine Zwecke weniger brauchbar wieder verlassen. (Nach Feststellung. der relativen Helligkeiten der verschiedenen homogenen Lichter für die Fische mit anderen ‚Methoden habe ich den geringen Helligkeitswert langwelliger Lichter für Julis auch noch durch Bestrahlung weisslichen Futters mit homogenen roten Lichtern nachweisen können.) Über den angeblichen Nachweis von Farbensinn bei Fischen. 9 Aus den besprochenen Untersuchungen, die Bauer gegen mich 'anführt, kann also nur der eine Schluss gezogen werden, dass auch diese Fische sich offenbar ähnlich wie die von mir untersuchten und durchaus so verhalten, wie es der Fall sein muss, wenn ihre Sehqualitäten ähnliche oder die gleichen sind wie jene des total farbenblinden Menschen. II. Weiter muss ich auf einige von Bauer selbst angestellte Ver- suche eingehen, kann mich aber auch hier auf Besprechung eines Teiles seiner Irrtümer beschränken. Für Atherina hepsetus, eine von mir genauer untersuchte Fisch- art, macht er im wesentlichen folgende Angaben: „Führt man z. B. die Küvette mit den hell adaptierten Tieren in einem etwa l m langen Spektrum langsam vom violetten gegen das rote Ende ZU» so zeigen sie bis zum Gelb keinerlei Aufregung, sondern schwimmen ruhig hin und her und lassen sich durch teilweise Verdunkelung des Gefässes jederzeit in dem beleuchteten Teile sammeln. In dem Moment jedoch, wo die roten Strahlen von der einen Seite her mit in das Gefäss fallen, kehren sich die Tiere von dieser Seite ab und lassen das rot bestrahlte Gebiet frei. Auch durch Verdunkelung des übrigen Gefässteiles lassen sie sich nicht ins Rot treiben.“ Bauer versäumt zu erwähnen, dass er hier bis ins Einzelne lediglich einen von mir angeeebenen und an der Neapeler Station oft vorgeführten Versuch wiedergibt. Ich habe dort diese Form des Versuches gewählt, weil sich damit auch dem in einschlägigen Fragen weniger Bewanderten der geringe Reizwert langwelliger Liehter schön zeigen lässt. Bauer zieht aus dem Versuche den Schluss, dass die Atherinen „rotscheu“ seien und spricht von einer „abschreckenden Wirkung“ des Rot. Sämtliche von mir an Atherina bei den verschiedensten Adaptationszuständen angestellten Spektrum- versuche, von welchen Bauer hier einen wiederholt und bestätigt, beweisen lediglich, dass das Rot für Atherina sehr geringen Helligkeits- wert hat; von einer abschreckenden Wirkung des Rot war nie etwas wahrzunehmen. Durch Wiederholung auch einiger anderer von mir angegebener Versuche hätte er sich leicht von seinem Irrtume über- zeugen können. Im Anschlusse an seine Hypothese von der „abschreckenden Wirkung“ des Rot auf die Fische bemerkt Bauer, „man wird an das Verhalten vom Truthahn - 10 C. Hess: und Stier erinnert, deren heftige Reaktion aufdieselbe Farbe bekanntist“. Gelegentlich meiner Untersuchungen über das Sehen der Vögel habe ich mitgeteilt, dass ich auch die verbreitete Meinung von einer reizenden Wirkung des roten Lichtes auf den Truthahn prüfte, indem ich unter anderem den Tieren ein leuchtend rotes Feld neben einem blauen sichtbar machte, auf welchen Körner ausgestreut waren; die Truthähne pickten im roten wie im blauen Felde. „Irgendwelche Anhaltspunkte für die Angaben über eine reizende Wirkung des roten Lichtes auf den Truthahn konnte ich nicht finden.“ Wie bedenkliche Folgen es haben kann, derartige Laienmeinungen ohne Prüfung als bekannte Tatsache in die Wissenschaft einzuführen, haben uns die Behauptungen über die angebliche „Nachtblindheit“ der Hühner eindringlich gezeigt. Es muss zu Verwirrung führen, wenn man zur Stütze unhaltbarer An- sichten immer wieder Laienangabenu heranzieht, für deren Richtigkeit die bis- herigen Versuche keine Anhaltspunkte ergeben. Von dem zweiten Versuche, den Bauer bei Atherina anstellte, sei hier nur folgende Angabe erwähnt: „Kombiniert man die Jenaer Blau- und Rotscheiben, ihre Intensität so abstufend, dass die dunkel adaptierten Tiere sich deutlich in der roten Hälfte sammeln, und bringt sie hierauf für 10 Minuten in helles Licht, so tritt eine Um- kehr der Reaktion ein, sie sammeln sich jetzt im Blau statt im Rot.“ Auf der nächstfolgenden Seite gibt Bauer an, es sei ihm der Nachweis des Purkinje’schen Phänomens für Atherina ge- lungen. Jener erste Versuch mit Rot und Blau hatte aber gerade das entgegengesetzte Resultat von dem, was nach Bauer’s Auffassung vom Purkinje’schen Phänomen (s. u.) der Fall sein müsste, wenn ein solches bei Atherina nachzuweisen wäre. Die beiden Angaben Bauers können unmöglich gleichzeitig richtig sein. Von diesen Angaben, die Bauer über die von mir untersuchte Fischart macht, ist also die erste ledielich Wiederholung und Be- stätigung eines meiner Versuche, die zweite widerspricht anderen Angaben Bauer’s für die gleiche Fischart und kann also bis zur Lösung dieses Widerspruches nicht weiter in Betracht gezogen werden. Über Bauer’s Methode, das Purkinje’sche Phänomen zu prüfen, mögen folgende Angaben genügen: Man wählt bekanntlich zur Untersuchung dieses Phänomens rote und blaue möglichst gesättigte Lichter, weil dann die bei Änderung ihrer Lichtstärke und des Adaptationszustandes des Untersuchers eintretenden rela- tiven Helligkeitsänderungen beider Farben am deutlichsten sind. Bauer wählt auffälligerweise nicht Rot und Blau, sondern Grün und Blau, eine zur Wahr- nehmung des Phänomens besonders ungünstige Kombination, da die fraglichen Über den angeblichen Nachweis von Farbensinn bei Fischen. 11 relativen Helligkeitsänderungen hier, insbesondere bei Pigmentfarben, nur ver- hältnismässig gering, wenn überhaupt nachweisbar sind. Bauer kombiniert ferner ein gesättigtes farbiges Glaslicht mit einem verhältnismässig weniger gesättigten srünen Papierlichte, das er durch Übereinanderlegen eines gelben und eines grünen Lumiere’schen Viridapapiers erhält. Er führt nun die relativen Helligkeits- werte an, die andere Autoren für eine bestimmte Lichtstärke bestimmter homo- gener grüner und blauer Strahlungen von 535 uu bzw. 490 uw nach der be- kanntlich recht unsicheren Methode der heterochromen Photometrie ermittelten, und meint, diese Helligkeitswerte müssten auch für seine Glas- und Papierlichter gelten, von welchen das erste Strahlen vom violetten Ende bis 480 uu (er schreibt wohl nur versehentlich 580 uu) „so gut wie ungeschwächt“, daneben noch Gelbgrün, das andere solche von 505—570 uu, ausserdem noch etwas Rot enthielt. Er prüft nicht, ob bei dieser ungewöhnlichen und höchst unzweckmässigen Kombination das dem hell adaptierten Fischauge angeblich „eben merklich heller“ erscheinende Grün wirklich für unser Auge auch heller und bei Dunkeladaptation und entsprechend herabgesetzter Lichtstärke beider dunkler erscheint als das gesättigte Blau, wie er nur auf Grund jener irrigen Erwägung annimmt. End- lich scheint er anzunehmen, dass zur Erzeugung der fraglichen Helligkeits- änderungen selbst bei dieser ungeeigneten Kombination lediglich Änderung des Adaptationszustandes der Tiere genüge. Wenigstens ist nirgends angegeben, dass und in welchem Umfange etwa er zur Untersuchung des Phänomens bei dunkel adaptierten Tieren die Lichtstärken der Reizlichter vermindert hat, und ob diese ihm dann farblos und in welchem Helligkeitsverhältnisse erschienen, was alles für die Beurteilung des Versuches unerlässlich ist. Wir wissen also nicht einmal, ob unter den von Bauer gewählten Bedingungen das Purkinje’sche Phänomen für den Menschen wahrnehmbar war und können daher nicht wohl auf Wahrnehmung desselben durch die Fische schliessen. Da ich betont hatte, dass meine Befunde an Atherina ete. nicht ohne weiteres auch für andere Fischarten gültig sein müssen, würde schon das Gesagte zur Widerlegung Bauer’s genügen. Doch ist noch kurz eine Versuchsreihe zu besprechen, .durch die er meine Ergebnisse aufs Neue bestätigt. Er bringt kleine Exemplare von Charax puntazzo in ein von ihm als Phototaxistrog bezeichnetes Gefäss, das er schildert als „langes, schmales, innen geschwärztes Gefäss, welches nur von einer Schmalseite her Lieht empfängt“. Bei dem im folgenden zu be- sprechenden Hauptversuche war aber der Trog nicht bedeckt, „so dass die Fische stets von oben mit gemischtem Lichte diffus be- leuchtet waren. Sie kamen also nie in vollkommenes Dunkel oder in einfarbiges Licht allein, da sie unter diesen Bedingungen zu un- ruhig geworden wären.“ Vor das offene Ende des Troges wurden bei verschiedenen Versuchen weisses oder durchscheinendes Papier 12 C. Hess: oder verschieden farbige Scheiben gehalten. Als Lichtquelle diente Tageslicht oder Auerlichtt. Bauer findet nun, dass bei Vorhalten des weissen oder durchscheinenden Papieres die Tiere sofort darauf los schwimmen, sich dann allmählich an den veränderten Zustand gewöhnen und bald wieder ruhig hin und her schwimmen. Bei Vorsetzen farbiger Gläser ergab sich folgendes: „Wurde hell adaptierten und seit längerer Zeit im Troge be- findlichen Charax die blaue Scheibe geboten, so reagierten sie wie auf gemischtes Licht durch äusserste Annäherung an dieselbe. Ebenso bei Grün und Hellgelb. Dunkelgelb rief in keinem Falle eine deutliche Ansammlung hervor; zuweilen kehrten sich sogar die Tiere, zumal wenn kurz vorher Blau vorgeschaltet wurde und sie noch am hellen Ende angesanıme!t waren, von der Lichtquelle ab. Wurde jedoch die rote Scheibe vorgesetzt, so schwammen sie so- gleich in raschen Stössen von der Lichtquelle fort und hielten sich selbst bei länger dauernder Rotbestrahlung lange Zeit so weit als möglich vom Licht entfernt am dunkelsten Ende des Gefässes auf.“ Wiederum versäumt Bauer anzugeben, dass auch diese Befunde genau dem entsprechen, was nach meinen Untersuchungen zu er- warten, ja vorauszusagen war, wenn Charax sich ebenso verhält wie Atherina: Der Helliskeitswert des durch die blauen, grünen und hellgelben Gläser gefärbten Lichtes ist für die Fische verhältnismässig cross, so dass sie darauf auch dann zuschwimmen, wenn die übrigen Bassinteile von oben mit diffusem Lichte bestrahlt sind; die dunkel- gelben und roten Lichter haben für sie, wie ich zeigen konnte, einen verhältnismässig geringen Helligkeitswert, und die Tiere schwimmen daher nicht mehr darauf zu, sondern gehen nach den entfernteren Stellen des Troges, da diese im allgemeinen von oben und den Seiten etwas mehr diffuses Licht erhalten werden als die der Licht- quelle für die Gläser zugewendeten, im Schatten der betreffenden Wand befindlichen Trogpartien. Die Angaben Bauer’s über seine Versuchsanordnung genügen nicht, um letzteres im einzelnen durch- zuführen. | In bestem Einklange mit diesen meine Befunde bestätigenden Angaben Bauer’s stehen die Versuche, in welchen er statt der Glaslichter homogenes Licht zur Bestrahlung seines Troges benützt. Nach meinen Befunden war zu erwarten, dass die Fische bei Be- strahlung mit Blau, Grün und Gelb auf die Lichtquelle zuschwimmen würden, dagegen bei Bestrahlung mit Rotgelb und Rot weniger oder Über den angeblichen Nachweis von Farbensinn bei Fischen. 13 gar nicht, je nachdem Bauer seinen Trog von oben her grösseren oder geringeren Mengen diffusen Lichtes aussetzte. War dieses diffuse Licht etwa Himmelslicht (Bauer macht darüber keine An- gaben), so konnte die Grenze der Umkehr in der Gegend des Orange für die Fische schon z. B. durch das Vorüberziehen einer Wolke vor der hellen Sonne merklich beeinflusst werden. Bei anderen Versuchen an Gefässen, die zur Hälfte mit rotem, zur Hälfte mit blauem Glaslichte bestrahlt wurden, fand Bauer, dass die hell adaptierten Charax sich allmählich sämtlich in der blauen Hälfte ansammelten und in dieser hin und her schwammen; „dann kann man häufig beobachten, dass sie dort, wo die blaue Hälfte in die rote übergeht, wie vor einer Wand zurückprallen“. Abermalis versäumt Bauer anzugeben, dass er auch hier lediglich einen von mir beschriebenen Versuch wiedergibt und die von mir bei Atherina gefundenen Tatsachen auch für Charax bestätigt. Auch in diesen Befunden sieht er einen Beweis für die angebliche „Rot- scheu“ seiner Tiere. Durch Versuche mit Helliekeitsgleichungen in der von mir angegebenen Weise konnte er sich wieder leieht von seinem Irrtume überzeugen. Bauer eibt auf S. 17 an, Charax sei weder positiv noch negativ photo- taktisch, auf S. 18 dagegen, bei der von ihm gewählten Intensität seiner Licht- quelle hätten die Tiere sich „am hellsten Ende“ des Troges angesammelt. Dunkeladaptierte Tiere sollen aus dem Dunkeln in die rotbeleuchtete Bassin- hälfte schwimmen, helladaptierte aus der rotbeleuchteten in die dunkle. Auf ein weisses Blatt Papier oder eine ins Bassin gehaltene Hand schwimmen die Fische sofort zu, „gewissermaassen neugierig“. Vor sehr intensivem Lichte sollen sie fliehen; aber sie sollen die „Tendenz zeigen, sich jede Veränderung der Licht- quelle aus nächster Nähe anzusehen“. Es war mir nicht möglich, mich in diesen Widersprüchen zurecht zu finden. Bauer versäumt anzugeben, dass ich selbst für Charax posi- tive Phototaxis nachgewiesen habe; die Tiere schienen sich bei den von mir angestellten Beobachtungen im wesentlichen ähnlich zu verhalten wie Atherina. Sämtliche von ihm mit farbigen Lichtern angestellten Versuche bestätigen wieder die Richtigkeit meiner Beobachtungen. Weiter meint Bauer, bei diesen Fischen sei Verkürzung des Spektrums nicht erkennbar, denn er habe die dunkel adaptierten Tiere sich in der belichteten Gefässhälfte ansammeln sehen, auch wenn zur Belichtung ein dunkelrotes Filter benutzt wurde, das nach seinen Angaben nur Licht von 680— 710 uu durchliess. Hier über- 14 GC. Hess: Über den angeblichen Nachweis von Farbensinn bei Fischen. sieht er, dass bei derartigen Versuchen die Stärke des benutzten Liehtes von ausschlaggebender Bedeutung ist. Ist doch bekannt, dass man bei geeigneter Anordnung auch dem total farbenblinden Menschen trotz der erheblichen Verkürzung seines Spektrums sogar die eine der beiden Kaliumlinien sichtbar machen kann, die einer Wellenlänge von 768 uw entspricht. Wenn also die Sichtbarkeit eines Lichtes von 768 uu eine erhebliche Spektrumverkürzung noch nicht ausschliesst, so wird erst recht die Sichtbarkeit eines solchen von 680— 700 uu die Verkürzung nicht ausschliessen. Bemerkens- wert ist auch Bauer’s Angabe, dass die Tiere sich in diesem Lichte sammelten, obschon sie nach seinen Angaben gar nicht phototaktisch sein sollen. — Bauer schliesst mit der Angabe, die von mir gefundene Übereinstimmung der Helliekeitsverteilung im Spektrum zwischen Fischen und total farbenblinden Menschen gelte nur für das dunkeladaptierte Auge. Auch damit setzt er sich in Widerspruch zu seinen eigenen, meine Befunde bestätigenden Beobachtungen: Er erwähnt nicht, dass ich auch mit extrem hell- adaptierten Tieren gearbeitet uud ausdrücklich angegeben habe, dass auch sie im entsprechend lichtstärker gemachten Spektrum „rasch dem Gelbgrün bis Grün zuschwimmen, ähnlich, wie es dunkeladaptierte Tiere bei geringeren Lichtstärken tun“; er er- wähnt ferner nicht, dass er selbst für helladaptierte Atherina im Spektrum und für helladaptierte Charax im Spektrum wie bei Untersuchung mit Pigmentlichtern in allen Punkten die gleichen Ergebnisse erhielt wie ich bei Unter- suchung dunkel- und helladaptierter Atherinen. Da- mit erledigt sich auch dieser Irrtum Bauer’s. Auf Besprechung seiner anderen Versuche darf ich nach dem Mitgeteilten verzichten. — Die Analyse der hier angeführten Arbeiten zeigt, dass keine von ihnen das Vorkommen von Farbensinn bei Fischen auch nur wahrscheinlich macht und dass alle bisher mitgeteilten Resultate von Versuchen mit farbigem Köder dem entsprechen, was nach meinen Befunden hätte erwartet werden müssen. Die hier be- sprochenen Versuche Bauer’s bringen für die von mir gefundenen Tatsachen eine Reihe von Bestätigungen, auch in den Punkten, in welchen er Anderes als ich gefunden zu haben meint. | 1) Vgl. A. v. Hippel, Über totale angeborene Farbenblindheit. Festschrift. Halle 1894. 15 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Cambridge, England.) Die Wirkung von Adrenalin in ihrer Beziehung zur Innervation der Iris und zu der Funktion des Ganglion cervicale superius. Von Dr. med. H. Straub aus Stuttgart. Die pupillenerweiternde Wirkung von Adrenalin wurde zuerst 1398 von Lewandowsky!) an der Katze festgestellt; er fand auch, dass ungefähr 3 Wochen nach Exstirpation des Ganglion cervicale superius die Adrenalinwirkung noch bestand. Langley’) bestätigte 1901 das Fortbestehen der Adrenalinwirkung nach Ent- fernung des Ganglion cervicale sup. bei der Katze. Radziejewski?°) und später Lewandowsky) beobachteten, dass Adrenalineinträufelung in den Konjunktivalsack keine Wirkung auf die Pupille hat; ein ähnliches Fehlen einer Wirkung wurde klinisch beim Menschen gefunden. Eine Erklärung für das Fehlen der Wirkung, die ohne weiteres in die Augen fällt, geht dahin, dass die Adrenalinmenge, welche vom Konjunktivalsack resorbiert wird und die Iris erreicht, nicht genügt, um Dilatation hervorzurufen. 1904 fand jedoch Meltzer°), dass 2 Tage nach Exstirpation des Ganglion cervicale sup. durch Einträufeln von Adrenalin in die 1) M. Lewandowsky, Über eine Wirkung des Nebennierenextraktes auf das Auge. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 12 S. 599. 1898. 2) J. N. Langley, Observations on the physiological action of extracts of the suprarenal bodies. Journ. of Physiol. vol. 27 p. 237. 1901. 3) Radziejewski, Berl. klin. Wochenschr. 1898 S. 572. 4) M. Lewandowsky, Über die Wirkung des Nebennierenextraktes auf die glatten Muskeln, im besonderen des Auges. Engelmann’s Arch. 1899 S. 360, 5) 8. T. Meltzer and Clara Meltzer-Auer, Studies:on the „para- doxical“ pupil-dilatation caused by Adrenalin. Americ. Journ. of Physiol. vol. 11 p- 28. 1904. 16 H. Straub: Conjunetiva Pupillenerweiterung hervorgerufen wird. Dadurch wurde die Frage der Adrenalinwirkung verbunden mit der Wirkung des oberen Halsganglion auf die Iris. Über letztere Frage waren schon zahlreiche Beobachtungen gemacht, ausgehend von der Entdeckung Budges!), dass bei Kaninchen auf Entfernung des Ganglion cervicale sup. in wenigen Tagen Pupillenerweiterung folgt. In Überein- stimmung mit dem gegenwärtigen Gebrauch möge die stärkere Pupillenerweiterung auf der Seite der Fxstirpation des Ganglion cervicale sup., die durch irgendeinen Einfluss hervorgerufen wird, der beide Augen gleichmässig betrifft, paradoxe Pupillenerweiterung genannt werden. Zur Erklärung dieser paradoxen Pupillenerweiterung sind ver- schiedene Ansichten vorgebracht worden. Die Unzulänglichkeit der meisten von diesen ist von Anderson?) zwingend nachgewiesen worden. Unter andern Ansichten teilt er die von Kowalewsky°) mit, der vermutete, dass das Ganglion cervicale sup. sowohl hemmende als fördernde Fasern für den Dilatator enthält. Anderson nimmt Lewandowskys Ansicht an, dass die paradoxe Pupillenerweiterung bedingt wird durch erhöhte Erregbarkeit des Gewebes; er verwirft die Ansicht, dass die erhöhte Erregbarkeit von der Entfernung hemmender Einflüsse herrührt, die von dem oberen Halseanglion ausgehen. Andersons Beobachtungen wurden veröffentlicht, ehe Meltzer seine Erklärung über die Wirkung der Exstirpation des Ganglion cervicale superius auf die Adrenalinreaktion gab; doch lag offenbar eine zu kurze Zeit dazwischen, als dass sie hätten in Betracht ge- zogen werden können. Die von Meltzer gegebene Erklärung ist im Prinzip eine Wiederholung der alten Ansicht, dass das Gangelion cervicale sup. hemmende Fasern zum Dilatator pupillae sende; er nimmt jedoch an, dass diese Fasern keine Verbindung mit irgend- welchen im Halssympathicus verlaufenden haben. Zu dieser Hypothese fügt er ziemlich willkürlich die weitere, dass der Sympathieus hemmende und das obere Halsganglion fördernde Fasern zum Sphinkter schicke. 1) Budge, Über die Bewegungen der Iris. Braunschweig 1855. 2) H. K. Anderson, The paralysis of involuntary muscle, with special reference to the oceurrence of paradoxical contraction. Journ. of Physiol. vol. 30 p: 290. 1904. 3) Kowalewsky, Archives Slav. t.50 p.59. 1881. Die Wirkung von Adrenalin in ihrer Beziehung zur Innervation etc. 17 Anderson hatte es ausgesprochen, dass Entfernung des Ganglion eervicale sup. erhöhtes Ansprechen auf verschiedene Reize veranlasst nicht allein am Dilatatormuskel des Auges, sondern auch an der Nickhaut und an den Augenlidern; und in einer späteren Arbeit !), dass Entfernung des Ganglion ciliare erhöhtes Ansprechen des Sphinkter veranlasst. Elliot?) fand, dass die Wirkung einer kleinen Adrenalindosis erhöht wird durch Denervation und durch Dezentralisation am Dilatator und an den Ohrgefässen des Kaninchens, sowie durch Denervation am Retractor penis, der Blase, den Blut- gefässen des Darms, am Herzen und an den glatten Muskeln der Haare. Langley°) begründete die Annalıme, dass Degeneration des Ischiadieus erhöhte Erregbarkeit des Gastrocnemius beim Huhn hervorruft; diese Ansicht hat eine weitere Stütze erfahren durch Edmunds und Roth), die erhöhte Erregbarkeit bei Physostiegmin- injektionen nachwiesen. Die erhöhte Wirkung in all diesen Fällen wird von Langley einer Erhöhung der Erregbarkeit der rezeptiven Substanz des Gewebes zugeschrieben. Beim quergestreiften Muskel ist bis jetzt von niemand die ja an sich unwahrscheinliche Annahme gemacht worden, dass erhöhtes Ansprechen auf chemische Reize von der Durchtrennung hemmender Nervenfasern herrühre. Hier müssen wir sicherlich zu dem Schlusse kommen, dass erhöhtes Ansprechen von erhöhter Erregbarkeit her- rührt in einem Falle, wo Denervation eines willkürlich innervierten Gewebes zu erhöhtem Ansprechen führt. Wenn nun Denervation verschiedener autonom innervierter Gewebe ebenfalls erhöhtes An- sprechen veranlasst, müssen wir schon darum — abgesehen von anderen direkteren Beweisen — doch wohl schliessen, dass auch hier erhöhtes Ansprechen durch erhöhte Erregbarkeit bedingt ist.. 1) H.K. Anderson, On the action of drugs on the paralysed iris. Journ. of Physiol. vol. 32. Proc. Physiol. Soc. 1905 p. 49. — The paralysis of in- voluntary muscle. II. Journ. of Physiol. vol. 33 p. 156. 1905/1906. — III. Journ. of Physiol. vol. 33 p. 414. 1905/1906. 2) T. R. Elliot, The action of adrenalin. Journ. of Physiol. vol. 32 p. 401. 1905. 3) J. N. Langley, On the reaction of cells and of nerve-endings to cer- tain poisons. Journ. of Physiol. vol. 33 p. 374. 1905. 4) Ch. W. Edmunds and G. B. Roth, Concerning the action of curara and physostigmine upon nerve endings or muscles. Americ. Journ. of Physiol. vol. 23 p. 28. 1908/1909. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bud. 134. 2 18 II. Straub: Die direkten Beweise gegen das Entspringen von hemmenden Nervenfasern aus dem oberen Halsganglion sind verschiedener Art: 1. Reizung der Nervenfasern, die aus dem Ganglion cervicale sup. herauskommen, gibt ebenso grosse Pupillenerweiterung _ wie Reizung des Halssympathieus. Wenn an ersterer Stelle sowohl hemmende als fördernde und an letzterer nur motorische Fasern _ verlaufen, sollte man einen deutlichen Unterschied beobachten können. Soweit elektrische Reizung in Betracht gezogen wird, ist keine Spur von Grund zu der Annahme vorhanden, dass hemmende Fasern vor- handen sind, weder in den postganglionären noch in den prä- sanglionären Fasern des Ganglion. Gegen Meltzer’s Ansicht ist der Beweis noch strenger; denn nach dieser soll der Halssympathieus Pupillenerweiterung hervor- rufen nicht allein durch Kontraktion des Dilatator, sondern auch durch Hemmung des Sphinkter, und die Fasern vom Ganglion cervicale superius sollen nicht nur Hemmungsfasern zum Dilatator, sondern auch motorische Fasern zum Sphinkter enthalten, so dass der Unter- schied in der Wirkung prä- und postganglionärer Fasern noch aus- gesprochener sein müsste. Ausserdem gibt es aber nach Langley im ganzen Körper keinen Fall, in dem Reizung von postganglionären Fasern eines Ganglions andere Wirkung hat als die der prä- ganglionären. 2. Direkte Versuche über die Wirkung der Reizung des Hals- sympathicus auf den Sphinkter sind von Langley und Anderson!) ausgeführt worden. Sie fanden keine Spur einer Wirkung. Die einzigen Experimente, die auf eine Wirkung des Sympathieus auf den Sphinkter hinweisen, sind die von Reid?) über die verschiedenen elektrischen Schwankungen, die auftreten, wenn verschiedene Punkte der Cornea mit dem Galvanometer verbunden sind und der Sympathicus gereizt wird. Die Bedingungen dieser Experimente sind jedoch kompliziert und die Resultate mehr als einer Deutung zugänglich. 3. Nach Meltzer’s Hypothese schiekt das Ganglion cervicale sup. dauernd hemmende Impulse zum Dilatator pupillae (und fördernde 1) J. N. Langley and H. K. Anderson, On the mechanism of the move- ments of the iris. Journ. of Physiol. vol: 13 p. 554. 1892. 2) E. W. Reid, Electrical phenomena during movements of the iris. Journ. of Physiol. vol. 17 p. 433. 1894/1895. Die Wirkung von Adrenalin in ihrer Beziehung zur Innervation etc. 19 zum Sphinkter) und macht so die Pupille enger, als sie es sonst wäre. Die Weite der Pupille hängt demnach von einem Gleich- gewicht von Kräften ab. Ist nun die Pupille mittelweit, so muss die kleinste Verstärkung einer dieser Kräfte das Gleichgewicht stören und leichte Erweiterung oder Verengerung veranlassen. Nach Meltzer’s Ansicht ist der Grad der Reizung durch Adrenalin der- selbe, ob das Ganglion cervicale sup. vorhanden ist oder nicht; nach dieser Ansicht sollte Adrenalin in jedem Falle Erweiterung hervor- rufen, wenn die Pupille mittelweit ist. Es ist, wie wenn man ein weiteres Gewicht auf die eine Seite einer Wage legt. Die Wirkung des Adrenalin könnte durch hemmende Impulse nur dann verhindert werden, wenn diese im gleichen Augenblick und mit derselben Stärke zur Wirkung kämen wie die fördernden Impulse durch das Adrenalin. Die Tatsache, dass Einträufelung von Adrenalin in den Conjunctival- sack vor und nach Entfernung des Ganglion cervicale sup. ver- schiedene Wirkung hat, gibt demnach keinen Grund, anzunehmen, dass das Ganglion hemmende Nervenfasern aussendet. 4. Nach Entfernung des oberen Halsganglions verstreiceht eine erhebliche Zeit, ehe Adrenalin eine Wirkung auf die Pupille hat, nach Meltzer’s Angabe 2 Tage. Während dieser Zeit sehen natürlich keine hemmenden Einflüsse vom Ganglion aus, und doch hat nach den bisherigen Angaben Adrenalin keine stärkere Wirkung als normalerweise, wo angenommen wird, dass Hemmung die Adrenalin- wirkung verhindere. Um dem Rechnung zu tragen, nimmt Meltzer an, der Degenerationsprozess reize die durchschnittenen Nervenfasern. Aber von all den Nervenfasern, von denen wir wissen, dass sie vom Ganglion cervicale sup. ausgehen, wird keine durch den Degenerations- prozess irgendwie erkennbar gereizt, weder die Fasern, die den Dilatator versorgen, noch die zu den Blutgefässen, den Drüsen, den Haarmuskeln verlaufenden, noch beim Hund die hemmenden Fasern für die Blutgefässe des Bucco-facialen Gebietes. Ausserdem ist im Körper kein efferenter Nerv bekannt, der während der Degeneration in der langdauernden Weise gereizt wird, die die Hypothese verlangt. So müssen wir nach Meltzer’s Ansicht nicht nur das Vorhanden- sein von hemmenden Nerven annehmen, sondern sie auch mit Eigen- schaften ausstatten, die bei anderen efferenten Nervenfasern un- bekannt sind. 9. Es ist von Langley, Brodie und Dixon, Elliot und vielen anderen Beobachtern gezeigt worden, dass jede Wirkung, die DE 20 H. Straub: durch Reizung sympathischer Nervenfasern erhalten werden kann, auch hervorgerufen werden kann durch Anwendung von Adrenalin; die einzige Beschränkung ist die, dass, wenn fördernde und hemmende Fasern im selben Nerv verlaufen, das Überwiegen der fördernden oder hemmenden Wirkung nicht notwendig in beiden Fällen das gleiche sein muss. In der Folge ist die Anwendung von Adrenalin oft als Probe auf die Anwesenheit von sympathischen Nerven benützt worden. Wenn nun der Sphinkter iridis mit sympathischen Fasern versorgt wird, sollte Adrenalin eine Wirkung auf den Sphinkter haben. Einige diesbezügliche Experimente sind von Langley an- gestellt worden, der fand, dass Adrenalin keine Wirkung hat. Ich habe in bezug auf die Frage einige Experimente auf zwei Wesen angestellt: a) durch Beobachtung der Adrenalinwirkung auf den ausgeschnittenen Sphinkter, der bei einer Temperatur von 38°C. in Ringerlösung gehalten wurde, durch die Sauerstoff perlte. Bei Katzen wurde unmittelbar nach dem Tode die Iris aus dem Auge ausge- schnitten, der periphere Teil, der keine Sphinkterfasern enthält, abgetragen und in den zurückbleibenden Sphinkterring an zwei gegenüberliegenden Punkten feine Fäden eingebunden. Der Sphinkter wurde nun in Ringer-Lösung von 38° C. gebracht, durch die ein Strom von Sauerstoff geleitet wurde. Mit Hilfe der Fäden wurde er mit einem genau ausbalancierten Hebel verbunden. Anwendung von Adrenalin ergab in keiner Konzentration eine Verlängerung des Sphinktermuskels. b) Nach Entfernung der Cornea wurde mit einem feinen Pinsel Adrenalin lokal auf die Oberfläche des Dilatators und des Sphinkters gebracht. Die Versuche wurden an Katzen angestellt, die mit ACE narkotisiert waren. Die Cornea wurde am Corneoskleralrand durchtrennt und die Iris mit Filtrier- papier von überschüssiger Flüssiskeit befreit. Wurde nun mit spitzem Pinsel ein kleiner Tropfen Adrenalin auf eine umschriebene Stelle der Iris gebracht, so zeigte sich alsbald eine Erweiterung der Pupille, die vollkommen lokal auf das dem Tropfen entsprechende Gebiet der Pupille beschränkt blieb. Falten in der Iris parallel dem Pupillarrand bewiesen, dass die Erweiterung von einer Kontraktion des Dilatator herrührte. Es machte in dieser Beziehung keinen Unterschied, ob das Adrenalin nahe dem Pupillarrand oder nahe der Sklera aufgebracht wurde. In weiteren Versuchen wurde nun in der einen Hälfte der Iris, der medialen oder lateralen, der Dilatator durch einen Schnitt parallel dem Pupillar- rand etwa in der Mitte des Irisgewebes durchtrennt. Durch Kontraktion des Dilatator wird die Pupille sofort schlitzförmig, an Stelle des Schnitts entsteht ein grosses Loch. Wird nun ein Tropfen Adrenalin auf die Mitte des Irisstreifens gebracht, der zwischen der Pupille und dem Schnitt liegt, so wird dieser Streifen an der benetzten Stelle durch Kontraktion der durchschnittenen Dilatatorfasern schmäler; dagegen ändert sich seine Länge und damit die Pupillenweite in keiner Die Wirkung von Adrenalin in ihrer Beziehung zur Innervation etc. 2] Weise. Auch durch sanftes Auswärtsstreichen des Pupillarrandes mit einem trockenen Pinsel gelingt es nicht, die Pupille zu erweitern, — ein Beweis, dass durch das Adrenalin der Sphinktertonus nicht geändert wurde. Bei Ausführung des Versuches ist darauf zu achten, dass der Schnitt mindestens den halben Um- fang der Iris durchtrennt, da sonst durch den Zug von Dilatatorfasern an beiden Enden des Streifens eine Wirkung auf den Sphinkter vorgetäuscht werden kann. Um dieses Fehlen einer Wirkung von Adrenalin auf den Sphinkter mit Meltzer’s Hypothese in Einklang zu bringen, muss man an- nehmen, dass die heinmenden Fasern für den Sphinkter, die mit dem Halssympathieus verbunden sind, und die fördernden Fasern, die nur mit dem oberen Halsganglion zusammenhängen, genau gleiche Wirkung haben und durch keine Dosis von Adrenalin in verschiedener Weise beeinflusst werden, eine Annahme, die zum mindesten ausser- ordentlich unwahrscheinlich ist. Trotz der angeführten Tatsachen, von denen viele wohl bekannt sind, ist der Ursprung hemmender Fasern zum Dilatator pupillae aus dem Ganglion cervicale sup. ohne weitere Erörterung angenommen worden von Löwi!), um die Wirkung von Adrenalin auf die Pupille nach Exstirpation des Pankreas zu erklären, von Shima?) zur Er- klärung der Adrenalinwirkung nach verschiedenartigen Verletzungen des Zentralnervensystems und von Gautrelet in Verbindung mit der Diaenose von Erkrankungen des Halssympathicus. Da die Resultate dieser Forscher, und besonders die von Shima, als eine Bestätigung der Hypothese angesehen werden könnten, mit der sie verbunden wurden, scheint es erwünscht, einige Bemerkungen darüber zu machen und über einige Versuche zu berichten, die ich in Beziehung auf die Adrenalinmydriasis angestellt habe. Shima hat zwei Arbeiten veröffentlicht. In der ersten findet er, dass ungefähr einen Tag nach Entfernung eines Teils des Stirn- lappens bei Katzen Adrenalineinträufelung in den Conjunctivalsack Pupillenerweiterung hervorruft, und zwar vorwiegend auf der der Verletzung gegenüberliegenden Seite. Daraus zieht er den Schluss, dass der Stirnlappen hemmende Fasern zum Dilatator iridis beider Seiten schicke, die auf einer anderen Bahn verlaufen als durch den Halssympathicus und das obere Halsganglion. Dieser Schluss wird 1) 0. Löwi, Über eine neue Funktion des Pankreas und ihre Beziehung zum Diabetes mellitus. Arch. f. exper. Pathol. und Pharmakol. Bd. 59 S. 83. 1908. 2) R. Shima, Über die Erweiterung der Pupille usw. I. Pflüger’s Arch. Bd. 126 S. 269. 1909. II. Pflüger’s Arch. Bd. 127 S. 99. 1909. 22 H. Straub: gezogen als Analogie zu der Annahme, dass die mydriatische Wirkung des Adrenalin, die einen oder zwei Tage nach Entfernung des Gauglion cerviceale sup. auftritt, durch die Durchtrennung hemmender Fasern bedingt ist. Ist letztere Annahme unbegründet — und wir haben gesehen, dass gute Gründe für eine solche Ansicht sprechen —, so ist der auf sie aufgebaute Schluss nicht mehr zwingend, und die Ursache der Adrenalinmydriasis nach Abtragung des Stirnlappens nıuss dann als eine offene Frage angesehen werden. Nun sind, ab- gesehen von den postganglionären Fasern des oberen Halsganglions, keine zur Pupille verlaufenden Fasern bekannt ausser in den Ciliar- nerven. Bei den Versuchen aber, die an diesen angestellt wurden, sind keine hemmenden Fasern für den Dilatator pupillae gefunden worden. Eine wahrscheinlichere Erklärung der Tatsachen soll im folgenden erörtert werden. In seiner zweiten Arbeit findet Shima, dass nach Durch- schneidung des Rückenmarks in der Hals- und oberen Brustgegend, ungefähr bis zum siebenten Thorakalsegment, Einträufelung von Adrenalin in den Conjunctivalsack Pupillenerweiterung hervorruft. Aus diesen Experimenten folgert Shima, dass das Halsmark und obere Brustmark motorische und hemmende Sympathieusfasern für die Pupille enthält. Wie wir oben gesehen haben, ist die Adrenalin- reaktion kein genügender Grund für die Annahme hemmender Fasern. Der Verlauf, den die Fasern ausserhalb des Rückenmarks nehmen, ist nicht direkt festgestellt; aber da die Fasern als sym- pathische bezeichnet werden, müssen wir annehmen, dass sie im Halssympathicus und durch das obere Halsganglion verlaufen. In der Tat gibt es auch keine andere Bahn für die spinalen pupillen- erweiternden Fasern. Nun macht die Annahme, dass hemmende Fasern für den Dilatator im Halssympathicus verlaufen, den Schluss ganz unnötig, den Shima in seiner ersten Arbeit gezogen hatte, nämlich dass die Stirnlappen direkte Hemmungsfasern zum Dilatator iridis senden; denn wenn die Adrenalinmydriasis nach Durchtrennung des Rückenmarks von der Durchtrennung sympathischer Hemmungs- bahnen herrührt, warum sollte nicht der analoge Effekt nach Ab- tragung des Stirnlappens durch dieselbe Ursache bedingt sein; es sei darauf hingewiesen, dass Shima es für wahrscheinlich hält, dass die hemmenden Impulse vom Gehirn kommen, die bei Durch- trennung des Rückenmarks abgeschnitten werden. Somit besteht Die Wirkung von Adrenalin in ihrer Beziehung zur Innervation etc. 23 kein Grund zu der Annahme, dass die Adrenalinreaktion, die Shima nach Entfernung des Stirnlappens fand, eine andere Nervenbahn bedinst als die, deren Durchtrennung für die Adrenalinreaktion nach Durchschneidung des Rückenmarks verantwortlich gemacht wird. Ausserdem muss bemerkt werden, dass, wenn hemmende Fasern durch den Halssympathieus verlaufen, die Wirkung einer Durch- trennung des Halssympathieus von derselben Art und womöglich stärker sein sollte als die einer Durchtrennung des Rückenmarks. Nach den Angaben von Meltzer ändert aber Durchschneidung des Halssympathieus die Adrenalinreaktion nicht. Sein Schluss über das Entspringen hemmender Fasern aus dem Ganglion cervicale sup. beruht auf der Beobachtung, dass Adrenalin Mydriasis hervorruft ungefähr 2 Tage nach Entfernung des Ganglion cervicale sup., aber nicht nach Durchtrennung des Halssympathieus. Ehe wir auf die Gründe dieser widersprechenden Resultate eingehen, ist noch ein anderer Schluss Shima’s zu erörtern. Er kommt zu der Annahme, dass die untere Grenze der pupillen- erweiternden Bahnen bei verschiedenen Tieren wechselt vom vierten bis zum siebenten Thoracalsegment. Für diesen Schluss ist keine befriedigende Erklärung gegeben. Es besteht guter Grund für die Annahme, dass die sympathischen Nerven, welche in einer be- stimmten Spinalwurzel austreten, nahezu alle in dem entsprechenden Rückenmarksegment entspringen, und dass keine mehr als ein Segment ober- oder unterhalb dem entsprechenden ihren Ursprung haben. Eine sehr beträchtliche Anzahl von Experimenten über die Nervenwurzeln. die pupillenerweiternde Fasern enthalten, sind von Langley!) angestellt worden, und zwar an der Katze, dem Tier, das auch Shima zu seinen Versuchen benützte. Es fanden sich dabei keine Verschiedenheiten im Ursprung der Fasern abgesehen von dem Verhältnis in der Anzahl der pupillenerweiternden Fasern im ersten und dritten Brustnerven. Keine solchen Fasern sind vor- handen in den Wurzeln ober- und unterhalb der ersten drei Brust- nerven. Da einige ältere Beobachtungen, die den Fasern ein grösseres 1) J. N. Langley, On the origin from the spinal cord etc. Phil. Trans. Royal Soc. vol. 183 p. 85. 1892. — Note on regeneration of pre-ganglionic fibres of the sympatketic. Journ. of Physiol. vol. 18 .p. 280. 1895. — On the regene- ration of pre-ganglionic and of post-ganglionie visceral nerve-fibres. Journ. of Physiol. vol. 22 p. 215. 1897. 24 H. Straub: Ursprungsgebiet zuteilen, von Shima als glaubwürdig angeführt werden, nahm ich nochmals eine experimentelle Prüfung der Frage vor. An Katzen, die mit ACE narkotisiert waren, wurden in der unteren Hals- und oberen Brustgegend die Wirbelbögen mit der Knochenzange abgetragen, die austretenden Nervenwurzeln ausserhalb der Dura mater angeschlungen und das ganze Rückenmark der betreffenden Gegend entfernt. Die Wurzeln wurden mit schwachen Strömen faradisch gereizt. Der Einfluss von Stromschleifen war durch das Abtragen des Rückenmarks ausgeschlossen. Im ganzen stellte ich sieben derartige Versuche an, die ein mit den Angaben Langley’s völlig überein- stimmendes Resultat ergaben. Es bestanden zwischen den einzelnen Versuchen nur insofern Verschiedenheiten, als in dreien keine sichere Pupillenerweiterung durch Reizung des dritten Brustnerven erhalten werden konnte; ebenso enthielt in drei Versuchen der fünfte Brustnerv keine Fasern, die ein Zurückziehen der Nickhaut bewirken. Es entspricht dies den von Langley erwähnten individuellen Verschiedenheiten. Im übrigen wurden die Reizungserfolge stets prompt und mit schwachen Strömen erzielt. Auch mit beträchtlichen Stromstärken konnte keine Wirkung auf die Pupille in anderen Nervenwurzeln erzielt werden als in denen der ersten drei Brustnerven, und keine Wirkung auf die Nickhaut ausser von den ersten fünf Brustnerven. Aus diesen Versuchen ziehe ich den Schluss, dass die Adrenalin- wirkung, die Shima beobachtete nach Durchtrennung des Rücken- marks, jedenfalls unterhalb des fünften Brustsegments nicht durch Durehtrennung von Nervenfasern bedinst sein kann, die die lris- muskeln versorgen. Die Ursache der Pupillenerweiterung nach Adrenalineinträufelung in den Conjunectivalsack. Im bisherigen Verlauf der Erörterungen haben wir gesehen, dass es an einer genügenden Begründung für die Annahme fehlt, dass Durchtrennung hemmender Fasern die Ursache ist für die er- höhte Adrenalinwirkung auf die Pupille nach Entfernung des Ganglion cervicale superius und nach Verletzungen im Gebiet des Zentral- nervensystems; wir fanden, dass diese Annahme mit manchen leicht festzustellenden Tatsachen im Widerspruch steht, und haben zu überlegen, welche bessere Erklärung gegeben werden kann. Eine Erklärung der Tatsachen sollte auch der erhöhten Adrenalinreaktion nach Exstirpation des Pankreas!), bei Entzündung der Meningen’), 1) ©. Löwi, Über eine neue Funktion des Pankreas und ihre Beziehung zum Diabetes mellitus. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 59 S. 83. 1908. 2) Zak, Zur Kenntnis der Adrenalinmydriasis.. Wiener klin. Wochenschr. Bd. 22 S. 822. 1908. Die Wirkung von Adrenalin in ihrer Beziehung zur Innervation etc. 25 und bei bestimmten anderen Erkrankungen Rechnung tragen, bei welchen eine solche Wirkung festgestellt wurde. Es ist selbstverständlich, dass eine erhöhte Adrenalinreaktion auf zwei Wegen hervoreerufen werden kann: 1. durch jeden Um- stand, der erlaubt, dass mehr Adrenalin von der Conjunctiva resorbiert und mit der Iris in Berührung gebracht wird; 2. durch jeden Um- stand, der die Erregbarkeit des Dilatatorgewebes steigert. Erhöhte Resorption kann zustande kommen, wenn die Blut- gefässe dilatiert sind. Ist dies der Fall, so wären Shimas Ex- perimente am Rückenmark befriedigender zu erklären als Resultat der Durchschneidune von vasomotorischen Nerven, statt von Hemmungsfasern zu der Pupillee Nach Angaben Langley’s ent- springen die vasomotorischen Fasern zur Conjunctiva (und zum Kopf überhaupt) bei der Katze von den fünf ersten Brustnerven; der zweite und dritte enthält die meisten, der fünfte sehr wenige. Dem- nach waren in allen Experimenten Shima’s, in denen Adrenalin- mydriasis auftrat, vasomotorische Nerven zur Copjunctiva durch- schnitten, ausgenommen in einem Versuch. In diesem Falle (Ex- periment II) ging der Schnitt durch die sechsten Brustwurzeln, und es ist leicht zu verstehen, dass die durch den Schnitt bedingte Blutung ein oder mehrere Segmente oberhalb beschädigen kann. Die Verschiedenheit der Resultate, die sich bei Schnittführung zwischen dem vierten und sechsten Brustsegment fand, wäre dann die natürliche Folge des Umstandes, dass nur ein Teil der vaso- motorischen Fasern durchschnitten war, indem die nicht durch- schnittenen Fasern in verschiedenen Versuchen in verschiedenem Grade beeinflusst waren und infolgedessen der Tonusverlust der Blutgefässe verschieden war. Ist diese Erklärung richtig, so muss die Adrenalinwirkung auch nach Durchschneidung des Halssympathieus auftreten. Ich habe deshalb im Zusammenhang mit dieser Frage einige Versuche angestellt. Es sei daran erinnert, dass in Shima’s Ver- suchen 0,1°/o Adrenalin (Takamine) in kurzen Zwischenräumen wiederholt auf die Oberfläche des Auges gebracht wurde, und dass es gewöhnlich eine halbe Stunde oder länger dauerte, ehe eine Dilatation sichtbar war. Die Reaktion war demnach viel geringer als in Meltzer’s Versuchen. 1. Nach Durchschneidung des Halssympathicus lässt sich durch Einträufeln von Adrenalin in den Conjunctivalsack Mydriasis erzielen. 20, H. Straub: Die Versuche wurden alle an Katzen angestellt, die mit ACE narkotisiert waren. Die Adrenalinanwendung geschah durchweg in der Weise, dass alle 5 Minuten je drei Tropfen einer 0,1°/oigen Adrenalinlösung (Takamine) in den Conjunctivalsack eingeträufelt wurden. Da die Versuche an narkotisierten Tieren angestellt wurden, war es wichtig, die Beobachtung der zweiten Pupille zum Vergleich heranzuziehen, um mydriatische Einflüsse, die beide Augen gleichmässig betrafen, d. h. alle ausser dem verwendeten Adrenalin auszuschliessen, z. B. zu tiefe Narkose, Störungen der Atmung usw. Eine Mydriasis kann nur dann mit Recht auf das Adrenalin bezogen werden, wenn das Auge, das kein Adrenalin erhalten hat, eine normale Pupillenweite aufweist. 14. März 1910. Der rechte Sympathicus wird am Halse durchschnitten; die rechte Pupille ist enger, die Nickhaut steht rechts stärker vor. 105 00’. Beginn der Adrenalineinträufelungen in das rechte Auge. 105 07'. Die rechte Nickhaut zieht sich langsam zurück. 10h 13’. Beide Nickhäute gleichmässig zurückgezogen. 10b 45’. Pupillen gleich weit. 10h 55°. Rechte Pupille eine Spur weiter (?). 114 05’. Rechte Pupille deutlich etwas weiter. 11h 10’. Rechte Pupille beträchtlich weiter als linke. 11h 30’. Rechte Pupille nahezu maximal erweitert, linke mittelweit. Schluss der Adrenalineinträufelungen. 12h 30’. In hellem Sonnenlicht ist die rechte Pupille maximal erweitert, die linke schlitzförmig. 2. Durechschneidung der Spinalwurzeln im unteren Hals- und oberen Brustmark hat denselben Einfluss auf die Adrenalinreaktion wie Durchschneidung des Halssympathieus. 12. März 1910. Der rechte Sympathicus wird am Halse durchschnitten. Durch Abtragen der Wirbelbögen mit einer Knochenzange wird der Wirbelkanal eröffnet. Auf der linken Seite werden die austretenden Spinalwurzeln von der VI. Hals- bis zur VII. Brustwurzel ausserhalb der Dura angeschlungen und durch- schnitten. 11h 03’. Beginn der Adrenalineinträufelungen in beide Augen. Beide Pupillen ziemlich weit, beide Nickhäute gleich weit vorgezogen. 11h 23’. Beide Nickhäute gleichzeitig zurückgezogen. 12h 48’. Pupillen auch in hellem Licht weit, beiderseits gleich. (Der erste Eintritt einer Adrenalinwirkung liess sich in diesem Versuch nicht bestimmen, da der Vergleich mit einer Pupille ohne Adrenalin nicht möglich war.) 12h 53’. Beide Pupillen nahezu maximal erweitert. Der Conjunctivalreflex ist leicht auslösbar, also ist die Narkose nicht so tief, dass sie die weiten Pupillen erklären würde. Die Atmung ist völlig unbehindert Auch foreierte künstliche Atmung ändert die Pupillenweite nicht. Die Wirkung von Adrenalin in ihrer Beziehung zur Inneryation etc. 27 3. Abtragung des Rückenmarks im Gebiet des unteren Hals- und oberen Brustmarks hat denselben Einfluss auf die Adrenalin- reaktion wie Durchschneidung des Halssympathicus. 18. März 1910. Der rechte Sympathicus wird am Halse durchschnitten. Durch Abtragen der Wirbelbögen wird der Wirbelkanal eröffnet. In dem Gebiet vom VI. Hals- bis zum VII. Brustnerven wird das Rückenmark möglichst genau in der Mittellinie durchtrennt und die linke Hälfte abgetragen. Beide Pupillen gleich und mittelweit, beide Nickhäute gleich und stark vorgezogen. 11° 08’. Beginn der Adrenalineinträufelung in beide Augen. 12h 38'. Beide Pupillen erweitern sich langsam, gleich. 12% 58’. Beide Pupillen auch im Sonnenlicht sehr weit, gleich. Conjunctival- reflex leicht auszulösen. Der Versuch ist nicht sehr beweiskräftig, da durch die Operation am Rücken- mark zweifellos auch der stehen gebliebene Rest stark geschädigt ist. Shima stellt jedoch fest, dass das Stehenbleiben einer schmalen Brücke von Rückenmark- substanz genügt, um die Adrenalinreaktion zu verhindern. Insofern darf man vermuten, dass die Unterbrechung der Bahnen rechts erst im Halssympathicus stattgefunden hat. Ich glaubte deshalb den Versuch immerhin mitteilen zu sollen, um dem Einwand zu begegnen, es seien die im Rückenmark verlaufenden Bahnen andere als die in den Spinalwurzeln austretenden und deshalb eine Verschiedenheit der Wirkung zu erwarten. Die Resultate der mitgeteilten Versuche zwingen dazu, unsere bisherigen Ansichten über das Zustandekommen einer Mydriasis nach Adrenalineinträufelungen in den Conjunctivalsack zu ändern. Die Adrenalinwirkung, die 2 Tage nach Entfernung des Ganglion cervicale sup. auftritt, ist von der Wirkung nach Durchschneidung der Bahnen an zentralerer Stelle nicht prinzipiell, sondern nur graduell verschieden. Worin der Unterschied seine Ursache hat, war der Gegenstand weiterer Versuche. 4. Nach Entfernung eines oberen Halsganglions hat intravenöse Adrenalininjektion stärkere Wirkung auf der Seite der Operation als auf der gesunden Seite. 15. März 1910. Der rechte Sympathicus wird am Halse durchschnitten, elektrische Reizung desselben hat die gewöhnlichen Folgen am Auge. Das rechte Ganglion cervicale sup. wird entfernt. Reizung des Halssympathicus ist nunmehr wirkungslos. Kanüle in der rechten Vena femoralis. Beide Pupillen ziemlich eng, rechte enger; rechte Nickhaut stärker vorstehend. 10h 45’. Intravenöse Injektion von Adrenalin (1 ccm 1:100000). Keine Wirkung auf die Pupillen. 10h 55’. Injektion von 1 ccm 1:10000 in 20”. Die linke Pupille erweitert sich 5’ später als die rechte, nach 1’ 40'' verengern sich ‚beide wieder. 28 H. Straub: 11% 05’. Die Pupillen haben wieder ihre ursprürgliche Weite. 11h 06’. Injektion von 1 ccm 1:20000 in 20”. 15” nach Beginn der In- jektion erweitert sich die rechte, 20’ nach Beginn der Injektion die linke Pupille. Beide Pupillen werden gleich weit. 11h 14’. Die Pupillen haben ihre ursprüngliche Weite. 11h 16'. Injektion von 1 cem 1:50000 in 15’. 12” nach Beginn der In- jektion beginnt sich die rechte, 22’ nach Beginn der Injektion die linke Pupille zu erweitern; beide Pupillen erreichen dieselbe Weite. Nach 1’ beginnen sich beide wieder zu verengern. Das Experiment zeigt, für kleine Dosen deutlicher, dass auch für die intravenöse Einverleibung von Adrenalin durch Abtragung des Ganglion cervicale sup. dieselben graduellen Unterschiede bedingt werden wie für die Instillation in den Conjunctivalsack. Die Tatsache, dass die für das Zustandekommen einer Wirkung notwendige Grenzkonzentration am rechten Auge früher erreicht wird, lässt auch hier wieder zwei Möglichkeiten der Erklärung zu; entweder wird dieselbe Adrenalinmenge dem rechten Auge früher zugeführt, weil der Blutstrom stärker ist, oder genügt eine kleinere Adrenalinmenge zur Hervorbringung einer Wirkung. 9. Wenn die Conjunctivalgefässe erweitert sind, tritt Mydriasis durch Einträufeln von Adrenalin früher und stärker auf als auf der K.ontrollseite. 16. März 1910. 10500’. Beide Sympathiei am Halse durchschnitten. Beide Pupillen mittelweit, gleich; Nickhaut beiderseits stark vorstehend. 10% 11’. Einträufeln von Kreosot in den rechten Conjunctivalsack. Ent- zündung, Gefässe injiziert, Cornea oberflächlich leicht getrübt, Pu- pille eine Spur enger als links. 10h 18’. Beginn der Adrenalineinträufelung in beide Augen. 10b 40’. Pupillen gleichweit. 10h 42’. Rechte Pupille eine Spur weiter (?). 10b 43’. Rechte Pupille deutlich etwas weiter. 11h 33’. Rechte Pupille maximal erweitert, linke beginnt sich zu erweitern (?). 12h 33'. Die rechte Pupille zu über !/2 erweitert, noch immer sehr grosser Unterschied zwischen beiden Seiten. Während also auf der entzündeten Seite die ersten Zeichen der Andrenalin- wirkung nach 25’ auftraten, waren sie auf der Kontrollseite erst nach 80’ zu bemerken. Der Versuch beweist, dass die Adrenalinwirkung früher und stärker eintritt, wenn die Bedingungen zur Resorption günstiger sind. Zugleich widerlegt er den Einwand, dass die durch Adrenalin bedingte Vasokonstriktion einen Unterschied in der Resorption nicht eintreten lasse. Die Wirkung von Adrenalin in ihrer Beziehung zur Innervation etc. 29 we 6. Nach Exstirpation des Ganglion cervicale sup. sind die Bedingungen zur Resorption von der Conjunetiva günstiger als auf der normalen Seite. 3. Mai 1910. Der rechte Sympathicus wird am Halse durchschnitten; elek- trische Reizung desselben hat die gewöhnlichen Folgen am Auge. Das rechte Ganglion cervicale sup. wird entfernt. Reizung des Halssympathicus ist nunmehr wirkungslos. Beide Pupillen mittelweit, rechte enger; rechte Nickhaut stärker vorstebend. 105 17’. Einträufelung von drei Tropfen Eserin in jedes Auge (konzentrierte wässrige Lösung des Alkaloids, also sehr schwache Lösung!). 10h 40’. Die rechte Pupille verengert sich. 10h 42'. Rechte Pupille sehr eng, linke weit. 10h 45’. Rechte Pupille schlitzförmig, linke weit. 10h 48’. Linke Pupille verengert sich langsam, 11h 00’. Linke Pupille sehr eng. 11h 18’. Linke Pupille schlitzförmig.. Die Wirkung war also rechts nach 28’, links nach 60’ maximal. Der Versuch zeist, dass auch die der Adrenalinwirkung ent- segengesetzte miotische Eserinwirkung auf der ganglienlosen Seite stärker ist als auf der gesunden. Die Annahme, dass dies durch Wesfall der Hemmungen des Halssympathieus bedingt sei, bedarf wohl keiner Widerlegung. Es bleibt kaum eine andere Erklärung als die, dass es sich in beiden Fällen um verstärkte Resorption handelt. Es bleibt noch die Tatsache zu erörtern, warum die Adrenalin- wirkung 2 Tage nach Entfernung des Ganglion cervicale sup. viel stärker ist als unmittelbar nach der Operation. Ob die Resorption des Adrenalin während dieser Zeit sich weiterhin beschleunigt, darüber kann eine bestimmte Angabe nicht gemacht werden. Wesentlich in Betracht zu ziehen ist dagegen die schon erörterte zweite Ursache, dass nach Denervation die Erregbarkeit des Ge- webes zunimmt. Offenbar dauert es ungefähr 2 Tage, bis der Nerv völlig degeneriert ist und das Gewebe einen hohen Grad von Erreg- barkeit erreicht hat. Es ist ohne weiteres ersichtlich, dass die Tatsachen, die sich im Laufe der Untersuchung ergeben haben, die Resultate von Zak erklären. Die Vermutung mag hier geäussert werden, dass auch Loewi’s Versuche auf ähnlichen Ursachen beruhen, und dass eben offenbar verschiedene nutritive Veränderungen im Körper die Erregbarkeit des Dilatator beeinflussen. 30 H. Straub: Die Wirkung von Adrenalin etc. Zusammenfassung. Es wird eine Reihe älterer Beobachtungen angeführt, die dagegen sprechen, dass vom Ganglion cervicale sup. hemmende Nervenfasern zum Sphineter iridis verlaufen. Diese Beobachtungen werden durch eigene Versuche ergänzt. Durch Reizungsversuche an den Spinalwurzeln bei der Katze wird die Angabe Langley’s bestätigt, dass pupillenerweiternde Fasern nur in den drei ersten Brustnerven austreten. Das Zustandekommen einer Mydriasis nach Einträufelung von Adrenalin in den Conjunetivalsack wird zurückgeführt 1. auf verstärkte Resorption des Adrenalin von der Conjunctiva aus infolge von vasomotorischen Störungen ; 2. auf erhöhtes Ansprechen des Dilatatorgewebes nach Denervation. In diesem Zusammenhange werden Versuche mitgeteilt, die zeigen: 1. dass nach Durchschneidung des Halssympathicus, der Spinal- wurzeln im unteren Hals- und oberen Brustmark, sowie nach Ab- tragung des Rückenmarks in diesem Gebiete durch Adrenalin- instillation Mydriasis hervorgerufen werden kann. Die Adrenalin- reaktion 2 Tage nach Abtragung des Ganglion cervicale sup. ist demnach nur graduell, nicht prinzipiell davon verschieden. Der nur graduelle Unterschied auch gegenüber dem normalen Verhalten wird gezeigt in einem Versuch mit intravenöser Injektion von Adrenalin; 2. dass unter Verhältnissen, die eine Resorption von der Conjunctiva begünstigen, die Adrenalinmydriasis früher und stärker auftritt; 3. dass nach Abtraeung des Ganglion cervicale sup. verstärkte Resorption von der Conjunctiva stattfindet. Zum Schlusse ist es mir Bedürfnis, Herrn Professor Dr. Langley für die Anregung zu der vorliegenden Arbeit, für die Unterstützung bei Anordnung der Versuche sowie für die Beratung bei der Bewertung der bisher vorliegenden Untersuchungen auch auf diesem Wege meinen ergebensten Dank auszusprechen. Sl Zur Frage des künstlichen Pneumothorax. Von A. Kakowski (Kiew). Die Frage der Veränderung des Blutdrucks beim Pneumothorax ist von den meisten Autoren — trotzdem sich sehr viele Forscher mit dem Pneumothorax beschäftigt haben — mit Stillschweigen übergangen worden. Gewöhnlich wurden nur die Veränderungen der Atmung berücksichtigt. Aber auclı die Arbeiten, die sich mit den Blutdruckveränderungen befassen, bieten widerspruchsvolle Er- gebnisse. Cohn), der allerdines die uns interessierende Frage nur nebenbei berührt, kommt ebenso wie Rosenbach?), Lieven?) und Gilbert et Roger*) zu dem Schluss, dass das Eintreten des Pneumothorax keinerleı Veränderungen des arteriellen Blutdrucks hervorruft. Nur die letztgenannten Autoren sahen eine vorüber- gehende Verlangsamung der Herzkontraktionen beim Eindringen der Luft in die Brusthöhle. Auch Sackur’) kommt zu dem Schluss, dass der Pneumothorax keinen Einfluss auf die Höhe des arteriellen Drucks ausübt. Zwar beobachtete er im Beginn seiner Versuche mit dem offenen Pneumo- thorax bedeutende Erhöhung des arterielien Blutdrucks, doch ging diese Erhöhung nach Vornahme künstlicher Atmung fast bis zur Norm zurück. Im Gegensatz dazu konstatieren andere Autoren eine aus- gesprochene Steigerung des arteriellen Drucks, die auch im wesent- lichen konstant blieb. Von diesen Autoren sind zu nennen: Aron®) 1) Pflüger’s Arch. Bd. 37. 2) Virchow’s Arch. Bd. 105. 3) Dissertation. Dorpat 1893. 4) Rev. de med. no. 233. Nov. 12. 5) Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 29. Virchow’s Arch. Ba. 150. 6) Virchow’s Arch. Bd. 145. | 32 A. Kakowski: (die Erhöhung ging etwas zurück, der Druck blieb aber doch über der Norm), Knoll!), Hnatek?) (Drucksteigerung. Pulsverlangsamung) und namentlich Sauerbruch°), der eine grosse Anzahl von Ver- suchen hauptsächlich an Kaninchen ohne Narkose mit künstlicher Atmung ausgeführt hatte und stets Steigerung des arteriellen Drucks beobachtete. Ähnliche Versuche führte Taljanzew*) aus und ge- langte zu denselben Resultaten. Während also fünf Autoren jeglichen Einfluss des Pneumothorax auf die Höhe des arteriellen Drucks bestreiten, kommen fünf andere Autoren zu dem Schluss, dass der Pneumothorax eine Drucksteigerung bewirkt. Im Gegensatz zu diesen beiden Gruppen von Forschern findet Klemensiewicz°’), dass der arterielle Druck unter dem Einfluss des Pneumothorax sinkt. Die Resultate dieser wenigen Arbeiten sind also so wider- spruchsvoll wie möglich, und weitere Versuche sind demnach sehr angebracht. Um zur Lösung dieser strittigen Frage beizutragen, stellte ich Versuche an Hunden bei folgendem Verfahren an: Nachdem ich den Hund auf dem Operationstische festgebunden hatte, verband ich eine A. carotis mit dem Quecksilbermanometer des Hering’schen Kymographen. Alsdann machte ich ohne Narkose in einem Interkostalraum (VI—VlIllten) mit dem Messer einen breiten Einschnitt (von etwa 6—7 cm), wobei ich zugleich Haut, Unterhaut- zellgewebe, Muskeln und Pleura spaltete. Auf diese Weise gelangt die Luft momentan in die Brusthöhle, und die entsprechende Lunge kollabiert rasch. Sofort nach dem Eintritt des Pneumothorax hört das Tier einen Moment (2—4 Sekunden) völlig zu atmen auf, dann treten alle Respirationsmuskeln in Funktion, und es beginnen bei heftiger Unruhe verzweifelte Atmungsbewegungen. Bleibt die Öffnung im Thorax ungeschlossen, so tritt nach etwa 1—2 Minuten eine allmähliche Abschwächung der Atmungsbewegungen ein, bis der Atem völlig aussetzt, worauf auch die Herztätigkeit aufhört. 1) Sitzungsber. d. Wiener Akad. Bd. 97. 2) Allgem. Wiener med. Zeitschr. 1898. 3) Mitt. a. d. Grenzgebiete d. Med. u. Chir. 1904. 4) Arbeiten des Instituts für allgem. Pathologie an der kaiserl. Universität zu Moskau Bd, 1 (russisch). 5) Sitzungsber. der Wiener Akad. Bd. 94. 1886. Zur Frage des künstlichen Pneumothorax. 33 Der arterielle Druck nimmt einige Sekunden nach Eintritt eines aussen offenen Pneumothorax immer stark (um mehr als die Hälfte) zu. Der Druck wurde gewöhnlich so stark, dass gesättigte SO,- Mg-Lösung, die sich in dem mit der A. carotis verbundenen Schenkel des Quecksilbermanometers befand, in den anderen Manometer- schenkel getrieben wurde und sowohl oberhalb wie unterhalb des Sehwimmers zu finden war, weshalb es auch nicht möglich war, die Druceksteigerung genau zu bestimmen. Erzeugte ich nach dem oben beschriebenen Verfahren mittelst gleich grosser Einschnitte in den Interkostalräumen einen beider- seitigen Pneumothorax und liess die Öffnungen klaffen, so traten dieselben Erscheinungen auf wie bei einseitigem Pneumothorax und endeten ebenso, nur noch rascher, mit dem Tode der Tiere. Übrigens wird jeder einseitige Pneumothorax bei Hunden durch Zer- reissung des äusserst feinen Mediastinum anticum bald zu einem doppelseitigen. Daher bemerkte auch Sauerbruch, dass Hunde die Pneumothoraxoperation schlechter aushalten als Kaninchen. Alle oben beschriebenen Erscheinungen, die nach einem aussen offenen Pneumothorax auftreten, waren schwächer ausgeprägt, wenn ich den Einstich in den Interkostalräumen mit einem Skalpell aus- führte, und noch schwächer, wenn ich mich eines Troikarts bediente. So steigerte sich der arterielle Druck z. B. in einem Versuche nach dem Einstich mit einem feinen Troikart nur um ein Sechstel der ursprünglichen Höhe, und auch das nur allmählich (doppelseitiger Pneumothorax). Dieser Zusammenhang zwischen der arteriellen Drucksteigerung und der Grösse und Ausführungsart des Einstichs erklärte mir einerseits die Abweichungen in den Resultaten einiger Autoren, welche verschiedene Verfahren angewandt hatten (Gilbert et Roger: Troikart, Sauerbruch und Hnatek: breite Schnitte), und brachte mich andrerseits auf den Gedanken, dass bei der Druck- erhöhung die Reflexe eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Auf Grund meiner mit den Schlüssen der beachtenswerten Arbeiten über- einstimmenden Beobachtungen unterliegt es für mich keinem Zweifel, dass der arterielle Druck bei aussen offenem Pneumothorax zunimmt. Es erübrigt sich, auf diese Frage näher einzugehen. Welches sind nun die Ursachen der Drucksteigerung bei Pneumo- thorax ? | In den oben zitierten Arbeiten ist über diese Frage sehr. wenig zu finden. Die meisten Autoren haben sich gar nicht mit ihr be- Pflüger’s Archiv für Physiologie, Bd. 134, 3 34 A. Kakowski: schäftist, und manche haben wenig begründete Vermutungen über die Ursachen der Druckänderungen ausgesprochen. So sagt z. B. Taljanzew: „Es ist offenbar, dass die Ursache der Drucksteigerung in der raschen Veränderung der allgemeinen mechanischen Blut- zirkulationsbedingungen liest. Das Volumen des ganzen in der Brusthöhle eingeschlossenen Teils des Gefässsystems verringert sich bei der Parazentese plötzlich, und diese Verringerung des Volumens des Gefässbettes muss bei unveränderter Blutmenge im Gefässsystem und ungeschwächter Herztätickeit naturgemäss eine Steigerung des Blutdrucks im ganzen Gefässsystem zur Folge haben.“ Ganz um- gekehrt. Sackur hat experimentell bewiesen, dass „durch die kollabierte Lunge mehr Blut fliesst als durch dieselbe Lunge vor dem Pneumothorax“. Manche Autoren sehen in der Verschiebung des Herzens und der Gefässe die Ursache der Blutzirkulations- veränderungen bei Pneumothorax, aber die wunderbare Elastizität des Herzens spricht für sich schon gegen diese Annahme, und auch die klinische Erfahrung lehrt uns, der Herzverschiebung keine solehe Bedeutung beizulegen. Sackur nimmt richtig an, dass die artielle Drucksteigerung bei Pneumothorax eine Folge der Dyspnöe, und vor allen Dingen der Verwundung ist, beweist seine Annahme aber nicht experimentell. Hnatek — und besonders eingehend Sauer- bruch — erklären die Drucksteigerung bei Pneumothorax durch Sättigung des Bluts mit Kohlensäure und Reiz der Vagi. Trotzdem er aber durch künstliche Atmung die Dyspnöe beseitigt hatte, beob- achtete Sauerbruch doch eine arterielle Drucksteigerung. Durch- schnitt er aber die Vaei am Halse der Tiere, so hatte die Pneumo- thoraxoperation keinen Einfluss auf die Druckhöhe. Obgleich der Autor durch seine Versuche die unzweifelhafte Bedeutung der Vagi bei Pneumothorax nachgewiesen hat, ist er doch auf halbem Wege stehen geblieben und uns die Erklärung schuldig geblieben, auf welche Weise die Vagi den Druck erhöhen. Wir sehen also, dass die Frage nach den Ursachen der arteriellen Drucksteigerung bei Pneumothorax bisher offen geblieben ist; weitere Untersuchungen sind um so notwendiger, als eine spezielle Arbeit über diese Frage nicht vorhanden ist. Auf Grund theoretischer Erwägungen sind als Ursachen der Druckerhöhung bei Pneumothorax anzunehmen: 1. Dyspnöe. Bekanntlich ist das Atmen nur bei Haan Druck in der Brusthöhle möglich; bei freiem Luftzutritt in dieselbe Zur Frage des künstlichen Pneumothorax. 35 wird der negative Druck durch Atmosphärendruck ersetzt, und der Atem stockt. Alsdann erregt das mit Kohlensäure gesättigte Blut das vasomotorische Hauptzentrum (im verlängerten Mark), und die peripheren kleinen Arterien des ganzen Körpers verengern sich, was natürlich eine arterielle Drucksteigerung nach sich zieht. 2. Heftige und ausgedehnte Muskelkontraktionen des Tiers be- wirken ebenfalls eine arterielle Druckerhöhung, und 3. errest ein Schnitt im Interkostalraum (der Haut, der Muskel- sehieht und der Pleura) reflektorisch die Vasomotoren und bewirkt eine arterielle Drucksteigerung. Da der Einfluss des mit Kohlensäure gesättigten Bluts auf das vasomotorische Zentrum keinem Zweifel unterliegt, so wandte ich in allen meinen technisch verschiedenartigen Versuchen künstliche Atmung an, wozu ich natürlich bei allen Tieren Tracheotomie vor- nahm. Ausserdem hat die künstliche Atmung den Vorzug, dass die bei Pneumothorax eintretenden Veränderungen der Blutzirkulation länger und besser beobachtet werden können. Um die zweite unleugbare Ursache der Druckerhöhung — die Muskelkontraktionen des Tiers —, auszuschalten, wandte ich ver- schiedene pharmakologische Mittel an. Meine Versuche verfolgten also den Zweck, die Bedeutung des dritten Faktors der Drucksteigerung bei Pneumothorax — des vaso- motorischen Reflexes — aufzuhellen, wie aus folgenden Protokollen ersichtlich ist. Versuch l. Ein 7 kg schwerer Hund wurde zunächst durch eine Einspritzung . von 0,2 Morphium narkotisiert. Nach der Operation am Halse (Tracheotomie, Einführung der Kanüle usw.) wurde der sechste Inter- kostalraum bis zur Pleura in der Axillarlinie (zur Beseitigung des Hautreflexes) abpräpariert. Dabei erwachte der Hund. Nachdem sich das Tier beruhigt hatte, wurde die Pleura in der Ausdehnung von 6 cm rasch geöffnet und gleichzeitig mit der künstlichen Atmung begonnen. Der arterielle Druck stieg rasch von 130 bis 164 mm Hg., d. h. fast um ein Viertel der ursprünglichen Höhe. Da Morphium in kleineren Dosen den Tieren nicht die erforder- liche Ruhe verschafft, in grossen Dosen aber die Reflexe hemmt, so wandte ich in den folgenden Versuchen intravenös das Grübler’sche Curare an, wobei ich die Vorsicht übte, die Dosis so abzumessen, BE 36 A. Kakowski: dass die peripheren Enden der vasomotorischen Nerven nicht ge- lähmt wurden. Die infolge der kleinen Curaredosen eintretende Druckabnahme durch vorübergehende Depression der Vasomotoren gleicht sich bald aus. Aus meinen weiteren Versuchen ist ersicht- lich, dass bei sehr allmählicher Zuführung kleiner Curaremengen die Curarisierung des Tiers erreicht werden kann, ohne dass dadurch der Druck sinkt. Versuch Der Hund wiegt 8,2 kg. Operationen: In die V. cruralis d. wird eine Kanüle eingeführt, die A. carotis sin. mit dem Kymo- graphen verbunden. Tracheotomie. In die V. eruralis d. wird 0,025 -Curare injiziert. A | Keine willkürlichen Bewegungen des Tiers, Atmung schlecht, Beginn der künstlichen Atmung. In 15 Sekunden sank der arterielle Druck von 124 auf 56 mm Hg und nach weiteren 30 Sekunden bis auf 34 mm Hg. Während zweier Minuten blieb der Druck un- verändert, dann begann er allmählich zu steigen und blieb 7 Minuten nach der Curareeinspritzung auf seiner ursprünglichen Höhe, nämlich 122: mm, stehen. Darauf wurde ein linksseitiger Pneumothorax durch eine zwar rasche Resektion der sechsten Rippe herbeigeführt, die aber doch so viel Zeit in Anspruch nahm, dass der Hautreflex nicht ausgeschaltet wurde. .Augenblicklich stieg der arterielle Druck bis auf 158, dann allmählich bis 164 und sogar 174 und hielt sich dann auf dieser Höhe. Nach 7 Minuten wurde der Versuch eingestellt. Aus diesem Versuche ist ersichtlich, dass eine auf einmal injizierte gehörige Dosis Curare eine beträchtliche und ziemlich anhaltende Parese der gefässverengernden Nerven hervorruft, welche jedoch da- nach fast in ihren normalen Zustand zurückkehren. Der einseitige Pneumothorax rief, wie wir gesehen haben, eine arterielle Druck- erhöhung hervor; der Druck stieg nicht mit einem Male bis zur Maximalhöhe, weil die Öffnung des Brustkastens nicht rasch genug ausgeführt wurde, und die Vasomotoren wahrscheinlich nacheinander Reflexerregungen vom Brustkasten und von der Pleura erhielten. Versuch 3. Gewicht des Hundes 14 kg. Dieselben Operationen wie im vorigen Versuch. In die V. eruralis d. wurde innerhalb 22 Minuten in 10. Dosen 0,05 Curare eingespritzt. Da die Respiration aufhörte, wurde mit künstlicher Atmung begonnen, 10 Minuten später wurde Zur Frage des künstlichen Pneumothorax. 37 äusserst schnell (Haut- und Pleurareflexe deckten sich fast) ein Pneumothorax herbeigeführt. Der arterielle Druck stieg ebenso rasch von 166 bis 210 mm He. Nach 5 Minuten wurde der Versuch ein- gestellt. Der darauf herbeigeführte linksseitige Pneumothorax: übte auf den Druck keinerlei Wirkung aus (205). Wie wir sehen, ent- spricht die Eintrittszeit der Maximalhöhe des Drucks der Schnellig- keit der Reflexerregung der Vasomotoren. Dieser Versuch beweist unter anderm, dass der einseitige Pneumothorax bei Hunden tat- sächlich schon ein doppelseitiger ist. Versuch 4. Gewicht des Hundes 9,4 kg. Unter tiefer Chloroformnarkose wurden alle vorbereitenden Operationen ausgeführt und die Inter- kostalräume bis zur Pleura auf beiden Seiten abpräpariert. Dann wurde mit Chloroformieren aufgehört, und der Hund schlief eine Stunde ruhig. Sobald er erwachte, wurde 0,02 Curare. in die V. eruralis eingespritzt. Sofort trat heftiges Sinken des arteriellen Drucks und völlige Curarisierung des Tieres ein. Künstliche Atmung. Nach 10 Minuten glich sich der Druck aus. Rasch wurde die linke teura durchschnitten, allein der Druck stieg nur träge von 80 bis 100 und dann allmählich bis 120. Die Ursache der trägen Reaktion der Vasomotoren und der starken Wirkung des Curare auf diese lag wohl in der Depression des vasomotorischen Zentrums durch das Chloroform; eine Rolle spielt dabei auch die schwächere — nur von der Pleura ausgehende — Erregung. | Versuch >. | Gewicht des Hundes 6,5 kg. Operationen. Curare 0,04. Starkes Sinken des Drucks. Künstliche Atmung. Nachdem der Druck stationär geworden war, wurde längs der fünften linken Rippe nur die Haut 7 cm lang durchschnitten. Der arterielle Druck steigerte sich und stieg nach der Durchschneidung der Pleura noch höher. Aus diesem Versuch geht hervor, dass die Drucksteigerung von der Erregung des vasomotorischen Zentrums abhängt, die nicht nur von der Pleura, sondern auch von der Haut au Versuch 6. Gewicht des Hundes 8,5 ke. Nachdem alle Operationen‘ aus- geführt waren, wurde der Hund durch 0,03 Curare in 2 Dosen eurarisiert. Künstliche Atmung. Ein Einstich in die vorher ab- 38 A. Kakowski: präparierte rechte Pleura erhöhte den Druck nur von 146 bis 150. Zweiter Stich: Druck 152. Resektion einer rechten Rippe: Druck 161. Nach 3 Minuten wurde die linke abpräparierte Pleura durchschnitten, worauf der Druck bis 170 stieg. In diesem Versuch war der Haut- reflex ausgeschaltet. Wiederholte kleine Reize verschiedener Pleura- bezirke bewirkten kleine Frregsungen des vasomotorischen Zentrums und entsprechend kleine Druckerhöhungen. In allen meinen dargelegten Versuchen waren die ersten beiden Faktoren der arteriellen Druckerhöhung bei aussen offenem Pneumo- thorax — Dyspno& und Muskelkontraktionen der Tiere — aus- geschaltet. Dennoch ergab jeder Versuch eine arterielle Druck- steigerung. Hieraus folst logisch die Bedeutung des dritten Faktors, des vasomotorischen Reflexes, durch den sich der beobachtete Effekt denn auch lediglich erklären lässt. Der Reflex geht, wie wir gesehen haben, sowohl von der Haut als von der Pleura aus. Die Summierung von Reizen ruft ebenso wie ein rascher und heftiger Reiz raschere und stärkere Druckerhöhung hervor; schwächere und langsamere sowohl als in Intervallen erfolgende Reize bewirken entsprechend kleinere und stufenartige Druckerhöhung. Curare und Morphium schwächen den Erfolg des Versuchs wenig, Chloroform etwas mehr ab. Durch welche Bahnen wird nun die reflektorische Erregung der Vasomotoren geleitet? Sind diese Bahnen nicht vor allen Dingen in den sensiblen Fasern der Vagi zu suchen? Zu meinen Versuchen, welche die Lösung dieser Frage be- zweckten, durchschnitt ich vorher beide Vagi am Halse des Versuchs- tieres; um den Hautreflex auszuschalten, präparierte ich den Inter- kostalraum bis zur Pleura ab. Versuch 7. Gewicht des Hundes 11 kg. Operationen. 0,02 Curare. Der Druck sank und blieb dann stationär. Durchschneidung beider Vagi. Der Druck stieg von 120—215 und sank dann auf 203. Da der Hund sich bewegte, wurden noch 0,015 und nach 4 Minuten weitere 0,01 Curare injiziert. Als der Druck auf 185 stehen blieb, wurde ein rechtsseitiger Pneumothorax herbeigeführt. Der Druck änderte sich aber nicht. Dieser Versuch beweist deutlich, dass der Pleuraschnitt bei ab- präparierter Pleura und durchschnittenen Vagi keine Reflexerregungen Zur Frage des künstlichen Pneumothorax. 39 der Vasomotoren hervorruft. Da bei den vorhergehend n Versuchen, in denen, abgesehen von der Durchschneidung der Vag, die gleiche Technik angewandt wurde, der Druck immer stieg, so ist es offenbar, dass dieser Durchschneidung grosse Bedeutung und zwar als Unter breehung des Reflexbogens beizulegen ist. Unzweifelhaft bedeutet es, dass die Reflexerregung der Vasomotoren durch die sensiblen Fasern der Vagi geleitet wird. Diese Annahme wird auch durch den folgenden Versuch bestätigt. | Versuch ®&. Gewicht des Hundes 11,0 kg. Vorsichtige Curarisierung: 0,08 innerhalb 20 Minuten. Zehn Minuten später hielt sich der Druck ohne Schwankung auf 138. Sobald die Vagi durch vorher unter- geleste Ligaturen gespannt wurden, stieg der Druck momentan auf 186. Darauf wurden die Vagi durchschnitten. Der Druck stieg. 20 Sekunden hielt er sich auf 210, 15 Sekunden auf 240, dann sank er allmählich bis 177 und blieb auf dieser Ziffer stehen. Als danach die Pleura auf der linken Seite durchschnitten wurde, änderte sich der Druck absolut nicht. Die Ursache war unzweifelhaft die Durehschneidung der pressorischen Vagusfasern. Um mich davon zu überzeugen, ob nicht in diesem Versuche die Ermüdung der Vasomotoren irgendeine Rolle gespielt haben konnte, erzeugte ich bei einem Hunde 6 Minuten später einen rechts- seitigen Pneumothorax nach raschem Verfahren. Der Druck stieg zwar träge, aber hoch; der Zustand der Vasomotoren hatte also in der ersten Hälfte des Versuchs die Druckerhöhung nicht hindern können. Während 30 Sekunden stieg der Druck bis 234, und nach weiteren 40 Sekunden bis 240, auf dieser Höhe hielt er sich eine Minute und sank dann allmählich, in 4 Minuten bis 188, nach 5 Minuten bis 50, nach weiteren 1!/a Minuten bis auf 40. Versuch abgebrochen. Die zweite Hälfte des Versuchs beweist den Anteil der sensiblen Nerven des Brustkastens an der arteriellen Druck- steigerung bei Pneumothorax; sie spielen auch die Rolle der Reflexbahn. Alle oben beschriebenen Versuche beweisen, dass die Steigerung des arteriellen Drucks bei offenem Pneumothorax mit Ausschaltung der Dyspno& und der Muskelkontraktionen der Tiere ausschliesslich von der reflektorischen Erregung der Vasomotoren abhängt. Um die Richtigkeit der Annahme eines rcflektorischen Gefäss- 40 A. Kakowski: ‚krampfes zu prüfen, rief ich in den folgenden Versuchen eine De- pression der Vasokonstriktoren durch Chloralhydrat (5 °/o in physio- ‚logischer Lösung) hervor. Versuch 9. Gewicht des Hundes 7,5 kg. Nach den üblichen Operationen: arterieller Druck 140. In die V. cruralis d. 0,5 Chloral hydr. in- jiziert; rasches Sinken des Drucks bis 78 und rasches Steigen bis 126. Wiederum 0,25 Chlor. hydr.; Sinken des Drucks bis 98 und Steigen bis 126. Chlor. hydr. 0,25, Druck 80-—-110. Chlor. hydr. 0,25, Druck 70—88. Chlor. hydr. 0,25, Druck 68— 94. Chlor. hydr. 0,25, Druck 54—94. Der Hund atmete schlecht, deshalb wurde mit künstlicher Atmung begonnen. Nochmals 0,25 Chlor. hydr. eingespritzt; Druck 52—84. Chlor. hydr. 0,25, Druck 55—79. Auf dieser Höhe hielt sich der Druck. Im ganzen waren 2,25 Chlor. hydr. während 13 Minuten in 3 Dosen injiziert worden. Zwar war, wie wir gesehen haben, eine absolute Lähmung der Vasomotoren nicht eingetreten, allein aus Furcht, das Tier zu verlieren (etwa in diesem Stadium hatte ich bereits drei Hunde eingebüsst), wagte ich ‚nicht mehr Chloralhydrat einzuspritzen. Rasch wurde auf die schnellste Art ein rechtsseitiger Pneumothorax herbeigeführt. Der arterielle Druck änderte sich während 4 Minuten absolut nicht. Darauf wurde wieder 0,5 Chlor. hydr. in 2 Dosen eingespritzt; der Druck hielt sich ungefähr in den Grenzen zwischen 54—60. Auch der rasch herbeigeführte linksseitige Pneumothorax beeinflusste die arterielle Drueckhöhe fast gar nicht (D= 60). Um einen Stillstand der Herz- tätigkeit zu veranlassen, injizierte ich 0,5 Chlor. hydr. Der Druck sank von 62 auf 34, die systolischen Erhebungen stiegen um das Vierfache (von 4 mm bis 17 mm). Noch einmal wurden 0,75 Chlor. hydr. in 2 Dosen eingespritzt und darauf beide Vagi durchsehnitten. Allein die Herzschläge setzten erst aus, nachdem nochmals 2,0 (also von Anfang an gerechnet 6,0) Chlor. hydr. injiziert worden waren. Der nächste Versuch lieferte die gleichen Resultate. Versuch 10. Gewicht des Hundes 7,1 kg. Im Laufe von 15 Minuten wurden in 8 Dosen 3,0 Chlor. hydr. in die V. eruralis d. injiziert. Der arterielle Druck sank allmählich von 114 bis 59, mit Schwankungen nach jeder Injektion, mit Ausnahme der letzten. Als der Druck auf 59 stehen blieb, wurde rasch ein rechtsseitiger Pneumothorax, und Zur Frage des künstlichen Pneumothorax. 41 3 Minuten später auch ein linksseitiger herbeigeführt, der Druck änderte sich jedoch gar nicht. Nach 4 Minuten wurden die systolischen Erhebungen dreimal so hoch (statt 9,28 mm), D. — 66. Die minimale Druckerhöhung konnte auf die Wiederherstellung einer geringen Erregbarkeit der Vasomotoren hindeuten, deshalb wurde nochmals 0,25 Chlor. hydr. injiziert. Die Reizung der Vagi durch Anziehen der Ligaturen rief nur Arhythmie hervor. Die Durehschneidung des linken Vagus veränderte weder den Druck noch die Amplitude; als aber der rechte Vagus durchschnitten wurde, sank die Amplitude jäh auf S mm, die Pulsation wurde frequenter (von 54—130), der Druck erfuhr aber keine Änderung (D. — 68). Wieder 1,0 Chlor. hydr. injiziert: — 40, Amplitude —=5 mm. Chlor. hydr. 1,0 — D. = 34, Amplitudes — 4 mm. ‚Versuch ab- gebrochen. Aus diesen beiden Versuchen: geht hervor, dass, wenn auch keine Hemmung, sondern nur ein heftiges Sinken der Reflexerregbarkeit .der Vasokonstriktoren stattfindet, das Auftreten eines aussen offenen Pneumothorax keine arterielle Drucksteigerung ‚hervorruft, wodurch die Bedeutung des reflektorischen Krampfes der Gefässe deutlich bewiesen wird. Daher hat wohl auch Cohn, welcher in seinen Versuchen Chlor. hydr. anwandte, keine Druckerhöhung beobachtet. Die Herzschwäche hatte in meinen Versuchen keine wesentliche Rolle spielen können, da selbst sehr grosse Dosen Chlor. hydr. keinen Stillstand der Herztätigkeit bewirkten. So wurden - im ersteren Versuche vor dem Pneumothorax 2,25 Chlor. hydr. injiziert; ‚die danach erfolgte Einspritzung von 3,75 (im zweiten Falle 2 2 Chlor. hydr. verursachte keine Herzlähmung. Um mich endgültig davon zu überzeugen, dass das vasomotorische Zentrum bei meiner Untersuchungsmethode von ausschliesslicher Bedeutung sei, machte ich einen Versuch mit vorhergehender Durch- schneidung des Rückenmarks an der Oblongata. Durch dieses Ver- fahren wird bekanntlich eine völlige Lähmung der Vasomotoren erreicht, so dass irgendwelche Reflexerregung ausgeschlossen ist. Versuch 11. Gewicht des Hundes 7,5 kg. Tracheotomie. Die A carotis wird mit dem Kymographen verbunden. Unter beide Vagi werden Ligaturen gelegt. Durchschneidung des Rückenmarks an der Oblongata und sofortige künstliche Atmung. Der arterielle Druck 49 A. Kakowski: ist sehr niedrig — 27 mm Hg., hochgradige Bradykardie, etwa 24 pro Minute. Rechts- und linksseitiger Pneumothorax, die sehr rasch hintereinander (in 85 Sek. Abstand) herbeigeführt wurden, erhöhten den arteriellen Druck nieht. Das Tier wurde durch Einstellung der künstlichen Atmung getötet, wobei die Asphyxie den arteriellen Druck absolut nicht steigerte. Ich darf wohl annehmen, dass die oben dargelegten Versuche, insbesondere die letzten, die Bedeutung der Vasomotoren für die arterielle Druckerhöhung beim Pneumothorax mit voller Deutlich- keit beweisen. Ausserdem wurden von mir noch vier Kontrollversuche an- gestellt, wobei ich mich der plethysmographischen Kurve der Niere, des Onkogramms, bediente. Stimmt die Annahme, dass alle Arterien des Tieres beim Pneumothorax sich verengern, so muss das auch für die Arterie der Niere gelten; wir müssen also beim Pneumo- thorax fast gleichzeitig mit dem Steigen des arteriellen Drucks ad maximum ein Sinken des Onkogramms ad minimum beobachten. Die diesbezüglichen Versuche ergaben folgende Resultate: Versuch 12. Gewicht des Hundes 8,3 kg. Sämtliche Operationen wurden ohne jede Narkose ausgeführt. Arterieller Druck 154. Das Onko- gramm in einer Distanz von 67 mm von der Druckkurve. Pnemou- thorax sinistr. Die Pleura war nicht vorher abpräpariert worden, der Schnitt in den Interkostalraum wurde schichtweise und langsam ausgeführt, weshalb der Druck auch langsam stieg und bis 190 kam. Das Onkogramm sank fast bis zur Berührung mit der Druckkurve. Versuch 13. Gewicht ‚des Hundes 9,5 kg. Unter absoluter Chloroform- narkose wurden die Operationen ausgeführt. Arterieller Druck 142; das Onkogeramm in Distanz von 65 mm von der Druckkurve. Pneumothorax sinistr. herbeigeführt, der Schnitt schichtweise und langsam gemacht. Der arterielle Druck stieg langsam auf 190, das Önkogramm sank auf Null, so dass beide Kurven zusammenfielen. Versuch 14. Gewicht des Hundes 15,0 kg. Narkose: Morphium subkutan 0,1 & und darauf Chloroform. Die Pleura vorher abpräpariert. Zur Frage des künstlichen Pneumothorax. 43 Rasche Herbeiführung eines rechtsseitigen Pneumothorax. Der arterielle Druck stieg rasch von 150—210, das Onkogramm sank bis zur Abszisse. Versuch 15. Gewicht des Hundes 10,5 kg. Narkose: Morphium 0,08 g sub- kutan. Operationen. Pleura abpräpariert. Linksseitiger Pneumo- thorax. Der arterielle Druck stieg mit einem Male von 120—150, und das Onkogramm begann sich sofort der Abszisse zu nähern, nach 28 Sekunden verlief es schon in gerader Linie. Der arterielle Druck stieg aber bis 160, nach 30 Sekunden bis 180, nach weiteren 10 Sekunden bis 190 und dann sogar noch etwas höher. Wie wir aus den letzten vier Versuchen ersehen, beweist die plethysmographische Kurve der Niere in glänzender und anschau- licher Weise unsere Behauptung, dass beim Pneumothorax ein Krampf der Arterien eintritt, infolgedessen der Druck erhöht wird. Es sei mir gestattet, das oben Dargelegte kurz zusammen- zufassen: Ein aussen offener Pneumothorax ruft bei Tieren stets eine starke arterielle Drucksteigerung hervor, und zwar kommen hier folgende ursächliche Momente in Betracht: 1. Die direkte Erregung des vasomotorischen Zentrums durch stark mit Kohlen- säure gesättigtes Blut; 2. kräftige Muskelkontraktionen des Tieres und 3. die reflektorische Erregung der Vasokonstriktoren seitens der Haut und der Pleura. Auf den ersten und zweiten Faktor der Druckerhöhung haben auch aıldere Autoren hingewiesen; die Be- deutung dieser Momente ist ausserdem theoretisch so zweifellos, dass ich sie in meinen Versuchen durch künstliche Atmung und pharma- kologische Mittel ausschaltete.e Den Hautreflex beseitigte ich in manchen Fällen durch vorheriges Abpräparieren der Pleura. Nichts- destoweniger erwies sich eine arterielle Druckerhöhung bei Pneumo- thorax, und zwar infolge des Pleurareflexes längs der pressorischen Fasern der Vagi, da bei vorhergehender Durchschneidung der letzteren der Druck nicht erhöht wurde. Die Vagi spielen also beim Pneumothorax nur in der Eigenschaft als sensible Nerven eine Rolle. Um nachzuweisen, dass in meinen Versuchen eben der vasomotorische Reflex die Druckerhöhung verursacht hatte, beseitigte ich den Tonus der Gefässe durch Chloralhydrat und lähmte die Gefässe durch hohe Durchschneidung des Rückenmarks, worauf die Drucksteigerung beim Pneumothorax ausblieb. Endlich bestätigten 44 A. Kakowski: Zur Frage des künstlichen Pneumothorax. sich alle meine Schlüsse durch Versuche mit dem Onkogramm, welche den Krampf der Gefässe bei Pneumothorax und seinen ursächlichen Zusammenhang mit der Druckerhöhung glänzend bewiesen. Diese Arbeit wurde im Laboratorium des Herrn Professor W. Lindemann ausgeführt, dem ich für seine Anregung und freundliche Unterstützung auch an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank ausspreche. 45 (Aus dem Laboratorium der Kinderpoliklinik von Prof. Dr. H. Koeppe, Giessen.) Studien zur Hämolyse. Gibt es eine Kokain-Hämolyse? Von Dr. @eorg Fischer, Assistent der Poliklinik. Die Angaben über die hämolytische Wirksamkeit der Alkaloide in der Literatur sind noch keine einheitlichen. Während z. B. nach E. Juckuff!) allen Substanzen, welche narkotisch wirken, zugleich die Fähigkeit zukommt, „das Protoplasma lebender Blutkörperchen derart zu verändern, dass seine Bestandteile in Lösung gehen“, die Alkaloide aber hiervon ausgenommen werden, schreiben Goldschmidt und Pribram?) allen intensiven Gehirn- und Nervengiften, ins- besondere den giftigen Alkaloiden, eine Reihe von Wirkungen, _ unter diesen auch die Fähigkeit, Erythrocyten aufzulösen, zu. Nur einzelne Ausnahmen, z. B. Morphium, werden angegeben. Parallel zu den Versuchsresultaten P. Ehrlich’s, der nur für das Kokain, nicht aber für dessen Vorstufen Tropin, Ekgonin und Benzoylekgonin die grosse Giftigkeit und die anästhesierende Eigen- schaft feststellen konnte, finden die beiden Autoren ein gemeinsames Verhalten der ungiftigen Alkaloide gegen Lecithin, Erythrocyten, Komplement und Toxin, nämlich das Unvermögen, die genannten Testobjekte zu verändern, im „schreienden“ Gegensatze zu dem giftigen Kokain. Indem sie nun für das Kokain, wie für die giftigen Alkaloide überhaupt, eine erhöhte Affinität zu Lipoiden annehmen, stellen sie die Wirkung der giftigen Alkaloide und der Narkotika, deren pharmakodynamische Wirkung ja auf ihrer Lipoidlöslichkeit beruht, auf gleiche Stufe und finden auch tatsächlich, dass sowohl jenen als auch diesen eine blutkörperchenauflösende Wirkung zukommt. 1) E. Juckuff, Versuche zur Auffindung eines Dosierungsgesetzes. Leipzig 1895. . 2) Goldschmidt und Pribram, Wirkung der Narkotika und Alkaloide auf das Komplement. \ Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 6. 46 Georg Fischer: Bei konsequenter Schlussfolgerung müsste dann auch für die siftigen Alkaloide eine bestimmte Kongruenz zwischen Giftiskeit und hämolytischer Wirksamkeit bestehen, wie sie von Juckuff als Grund- lage für die Auffindung eines Dosierungsgesetzes für die Narkotika, und von van de Velde!) als bestimmend für die Aufstellung so- senannter kritischer Lösungen giftiger Substanzen — das sind die Höchstkonzentrationen, die die roten Blutkörperchen nicht mehr schädigen — verwendet wurde. Allein wie aus unseren Versuchen hervorgeht, bewirkt 0,2 g Kokain in 5 ®/oiger Lösung bei 37 ° im Thermostaten erst in 135 Minuten Hämolyse, während nach Maurel’s Versuchen 0,01 Kokain, in 5 joiger Lösung einem Kaninchen in die Ohrvene injiziert, den sofortigen Tod des Tieres herbeiführt?) — zwischen Gift- und hämolytischer Wirkung ein ungeheurer Unterschied. Herr Professor Koeppe, in dessen Laboratorium die folgenden Versuche ausgeführt wurden, hat in seiner Arbeit („Über das Lack- farbenwerden der roten Blutscheiben“. I. Mitteilung) ?®) eine Anzahl von Alkaloiden, darunter auch Cocainum muriaticum, auf ihre hämo- lytischen Fähigkeiten geprüft. | Die Untersuchungen, die bei Zimmertemperatur ausgeführt wurden, hatten durchweg negatives Resultat. Auch bei 2—5 °/oigen Lösungen von Cocainum muriaticum trat keine Hämolyse ein, wenn frisch bereitete Lösungen verwendet wurden. Dagegen wurde schon damals Hämolyse in alten Kokainlösungen festgestellt, die als Säure-, nicht aber als spezifische Alkaloidhämolyse gedeutet wurde. Ich wurde daher beauftragt, die Faktoren zu bestimmen, die bei der Alkaloidhämolyse in Frage kommen, dieselbe gewissermaassen zu analysieren. Wir wählten zur Untersuchung zunächst das Cocainum muriaticum, einmal weil die oben zitierten Arbeiten auf dasselbe hinwiesen, und weil dasselbe, chemisch gut charakterisiert, bei einem Versuche, die Hämolyse zu analysieren, die beste Gewähr zu bieten schien, zu eineın Resultate zu kommen. 1) Van de Velde, Über die Bestimmung der Giftigkeit chemischer Ver- bindungen durch die Bluthämolyse. Chemikerzeitung 1905 Bd. 29 Nr. 41, 74, Bd. 30 Nr. 27. 2) Zitiert nach H. Braun, Die Lokalanästhesie. Leipzig 1905. 3) H. Koeppe, Über das Lackfarbenwerden der roten Blutscheiben. I. Mitteilung. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 99. 1903. Studien zur Hämolyse. 47 Die Methode, deren wir uns bedienten, war eine zweifache. Einmal wurde die Zeit beobachtet, in der die Hämolyse unter dem Einflusse des hämolytischen Agens bei konstanter Temperatur — 37° im Thermostaten — eintrat und dann auch der Schmelzpunkt der roten Blutkörperchen in dieser Lösung (nach Koeppe)'!) bestimmt. Zur Erklärung der letzteren Methode sei folgendes gesagt: Koeppe hat gefunden, dass bei der Hämolyse drei Faktoren in Betracht kommen, das hämolytische Agens als solches bzw. seine Konzentration, die Temperatur, bei der es einwirkt, und endlich die Zeit, die zur Einwirkung gewährt wird und folgende Beziehungen zwischen den drei Faktoren festgestellt: 1. Bei gleicher Temperatur wirkt die stärkere Konzentration stärker als die schwache; 2. bei gleicher Konzentration des Agens erfolgt die Hämolyse um so schneller, je höher die Temperatur ist; 3. um innerhalb einer bestimmten Zeit Hämolyse zu erhalten, kann eine an sich unwirksame Konzentration durch Erhöhung der Temperatur wirksam gemacht werden und bei ungenügender Temperatur durch Erhöhung der Konzentration Hämolyse hervorgerufen werden. Bei der Methode der Schmelzpunktbestimmung wird der Faktor Zeit ausgeschaltet und durch kontinuierliches Erwärmen der Blut- körperehenemulsion im Wasserbade die Temperatur bestimmt, bei der das Blut lackfarben wird — eben der Schmelzpunkt der roten Blut- körperchen. Dieser ist in bestimmten indifferenten Lösungen konstant; wir fanden 67 ° in 0,9 °/oiger Chlornatriumlösung, 67 ° für 9,4 P/oige Rohrzuckerlösung und 67a für 1,42°/oige Natriumsulfatlösung für Kaninchenblutkörperchen. Wird nun der Lösung ein hämolytisch wirksames Agens zu- gesetzt, dann erfolgt das Lackfarbenwerden des Blutes bei niedrigerer Temperatur. Herabsetzung des Schmelzpunktes durch ein Agens ist also gleichbedeutend mit Hämolyse, die bei niedrigerer konstanter Temperatur — z. B. bei 37 ° im Thermostaten — nach bestimmter Zeit erfolgen würde. Die Methode ist durchaus zuverlässig und präzise und bietet vor den Thermostatenversuchen manche Vorteile. Sie erspart das oft stundenlange Warten, bringt die einzelnen Phasen des Prozesses 1) Koeppe, Über Hämolyse: Verhandlungen des Kongresses. für innere Medizin. Leipzig 1904. 8. 344. ‚ 48 Georg Fischer: in kürzester Zeit zur Beobachtnng und lässt den Endpunkt derselben prägnant erkennen. Die Untersuchungen wurden stets in isotonischen Lösungen vor- genommen; zu diesem Zwecke wurde die zu verwendende Neutral- lösung stets frisch in doppelter Konzentration bereitet und zu 2 cem derselben (z. B. zu 2 cem 2% 9,4 %)o ige Rohrzuckerlösung) das auf seine hämolytische Wirksamkeit zu prüfende Agens zugesetzt und mit destillierttem Wasser auf 4 ccm aufgefüllt. Als Testobjekte benützten wir einige Male der eigenen Finger- beere entnommenes Blut, grösstenteils aber gewaschene Kaninchen- blutkörperchen. Welches von beiden verwendet wurde, wird bei den Versuchen stets vermerkt werden. Das Cocainum muriaticum, dessen hönrelrtische Wirksamkeit wir zunächst prüften, färbt, in destilliertem Wasser gelöst, blaues Lackmuspapier rot, ist also ein saures Salz, dessen wässrige Lösung freie H-Ionen enthält. Versuch I. Von einer 20/oigen Cocainum mur.-Lösung. als Stammlösung werden unten- stehende Konzentrationen in 2 > 9,4°/oiger Rohrzuckerlösung und 2 > 0,9%Yoiger Na0l-Lösung hergestellt. Verwendetes Blut: Fingerblut. ; 5% 10% 9,490 ige 50%: 10% A Cocainum ? | HE & | 2 Deine . muriat. in 9,4%/oiger Rohr- | zucker- | in 0,9%oiger NaCl- | 7, zuckerlösung | lösung Lösung DEunS Es tritt Hämo- | | Iyse ein. bei N 880C. | 38T C. 67°C. 54° C. 390 C. 67° C. Versuch II der dem Versuche I entsprechende T'hermostatenversuch. Verwendetes Blut: gewaschene Kaninchenblutkörper. Die Lösungen werden in den auf 37°C. ein- gestellten 'Thermostaten gebracht; nachdem sie die gleiche Temperatur haben, erhält jede um 4b p. m. 0,2 ccm Blut. 59% 10% |%4%ige| 59% 10% Oi Cocainum R | BARS x ” a ige muriat. in 9,4%oiger Rohr- | zucker- | in 0,9°oiger NaCl- | Tacun zuckerlösung lösung Lösung 8 Es tritt Hämo- ; A N Ken = lyse ein um 1 na | as (lk: Zn 4h 07 4h 01 also nach Pau 4' _ TR 1’ — Studien zur Hämolyse. 49 Dagegen war in einer 5°/oigen Cocainum muriatieum-NaCl-Lösung, die bei Zimmertemperatur stehen gelassen wurde, auch am nächsten Tage keine Hämolyse eingetreten, die Blutkörperchen waren sedi- mentiert. Die Hämolyse erfolgte bei allen Versuchen mit dem für die Säurehämolyse charakteristischen Farbenumschlag ins Braune. Für die Richtigkeit der Vermutung, dass es sich im wesentlichen um eine Säurehämolyse handle, spricht auch die Tatsache, dass in der 5 %/oigen Kokain-NaCl-Lösung, die bei Zimmertemperatur stehen ge- lassen wurde, auch am nächsten Tage keine Hämolyse eingetreten war, während dieselbe Lösung bei 37° das Blut in 7’ lackfarben machte; denn die Hämolyse durch Säuren, die, wie Koeppe gezeigt hat, auf Katalyse durch H-Ionen, also auf einer Spaltung des fett- ähnlichen Bestandteiles der Blutscheibenwand beruht, bedarf zu ihrem Zustandekommen einer bestimmten Temperatur, die hier durch eine längere Zeiteinwirkung nicht zu ersetzen ist. Endlich zeigen die Versuche auch, dass die Neutrallösung selbst an dem Prozesse beteiligt ist, denn die Hämolyse erfolgt unter sonst gleichen Bedingungen in der Kochsalzlösung stets früher als in der Rohrzuckerlösung. Um den Einfluss der Neutrallösungen weiter zu verfolgen, wurden die folgenden Versuche gemacht. Versuch III. Verwendetes Blut: Fingerblut. 5%o in 9,4%oiger |5%oin 1,42%oiger| 5/0 in 0,9 Yoiger Cocainum murjat. Rohrzuckerlösung | Na5SO,-Lösung | NaCl-Lösung Es tritt Hämolyse ein bei | 5800. 56° 0. 590 C. Derselbe Versuch ca. 3 Stunden später. Es tritt Hämolyse ein bei | 56°C, 591/20 C. all 058% _ Derselbe Versuch mit Berücksichtigung der Koagulationstemperaturen. Es tritt Hämolyse ein bei 54'/a 0 54°C. 47°C. Es tritt Koagulation ein bei | keine Koagulation, 68% C. 69°C. auch nichtim kochen- den Wasserbade Nach diesen Versuchen scheint der Neutrallösung tatsächlich ein Einfluss auf die Hämolyse zuzukommen. Dieselbe erfolgt unter der Einwirkung desselben hämolytischen Agens in Kochsalzlösung regel- mässig bei niedrigerer Temperatur als in der NasSO,-Lösung, und in dieser wieder früher als in der Rohrzuckerlösung. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 4 80 Genrg Fischer: Auffallend aber sind die Differenzen der Schmelzpunkte unter ganz gleichen Bedingungen — z.B. bei 5 P/oiger Cocainum muriaticum- Rohrzuckerlösung 58 °, 56°, 54!/2°, auffallend auch das Ausbleiben der Koagulation in dieser Lösung. Diese beiden Erscheinungen schienen besondere Untersuchungen notwendige zu machen, und es wurden deshalb zu eingehenderem Studium der Verhältnisse grössere Reihen geprüft. Versuch IV. 2 g Cocainum muriat. werden in 10 ccm destilliertem Wasser gelöst. Von dieser sauer reagierenden 20°%oigen Lösung werden untenstehende Kon- zentrationen in 2 > 9,4°/oiger Rohrzuckerlösung hergestellt und in den auf 37° C. eingestellten Thermostaten gebracht. Um 3& p. m. erhält jede Lösung 0,2 ccm gewaschene Kaninchenblutkörper. Cocainum muriat. in 9,4 /oiger Rohrzuckerlösung 9,4 %/oige 5% 4% 2%o Rohrzuckerl. als Kontrolle 10 %o 8%o Es tritt Hämolyseeinum |3b 15’/|35 30'’|55 15’|5h 40’ — — Alspimachn. BELTEE 15’ 30’ 135 160’ — _ Versuch V. Die dem Versuch IV analogen Schmelzpunktbestimmungen. Zur Verwendung kommt dieselbe Kokainlösung. Jede Lösung erhält knapp vor der Untersuchung 0,2 ccm gewaschene Kaninchenblutkörper. Cocainum muriat. | 9,4 /o ige in 9,4%oiger Rohrzucker- | 10% | 8%o | 5% | 4%o 2% Rohrzucker!. lösung als Kontrolle Es tritt Hämolyse etn bei | 56°C. 59° 0./6300.165°C.| 62°C. feinste | 67°C. Flockung, 67°C.Farben- umschlag Es tritt Koagulation einbi | — —-— | — | — ROSE: 681/20 C. Die beiden Versuche zeigen insofern eine Gesetzmässigkeit, als mit steigender Konzentration der Kokainlösung der Schmelzpunkt der roten Blutkörperchen niedriger wird, der Zeiteintritt der Hämolyse eher erfolet. Mit den früheren Versuchen verglichen, fallen die unter gleichen Bedingungen viel höheren Zahlen für Schmelzpunkt und Zeiteintritt auf, die Hämolyse ist also verzögert. Da in den beiden letzten Versuchen ganz frisch bereitete Kokainlösung verwendet worden war, während früher auf das Alter Studien zur Hämolyse. Sl nieht sonderlich geachtet wurde — immerhin waren verhältnismässig frische, höchstens 3—4 Tage alte Lösungen verwendet worden —, so lag die Vermutung nahe, dass die hämolytische Wirksamkeit der Kokainlösung innerhalb kurzer Zeit eine Verschiebung im Sinne einer Steigerung erfahren müsse. Ein diesbezüglicher Versuch ergab folgendes Resultat. Versuch VI. Frisch bereitete 20°%oige Cocainum muriat.- Lösung. Verwendetes Blut: Gewaschene Kaninchenblutkörperchen. 10°/-Cocainum muriat. in 9,4%oiger Rohrzuckerlösung bereitet 44 30’ I a So ho’ h has’ h Untersucht um . . . . . ah 50 b) oh 45 8 a.m. ı p m. I Be | | am mächetemälene Es tritt Hämolyse ein bei | 56° C. | 56°C. | 55°C. |521/a° C.| 52°C. | 41°C. Diesem Versuche ist ein zweiter an die Seite zu stellen, bei dem der Schmelzpunkt der roten Blutkörperchen in 10 °/o iger Kokain- Rolhrzuckerlösung innerhalb 2 Stunden unter Umständen, die damals nicht näher beachtet wurden, von 56 ® auf 50° sank. Um endlich noch einen extremen Fall anzuführen: Unter der Einwirkung einer 5 Jahre alten 5 °/oigen Kokainlösung erfolgte die Hämolyse sofort bei Zimmertemperatur. Haben hier Schimmelbildung oder gelöste Glas- bestandteile eine Zersetzung der Kokainlösung herbeigeführt, so kommen diese Faktoren bei der nur einice Stunden alten Lösung nicht in Frage. Hier muss zur Erklärung dieser auffallenden Er- scheinung die chemische Konstitution des Kokains herangezogen werden. - Das Kokain ist ein Methylester des Benzoylekgonin, das Cocainum muriatieum, wie schon oben erwähnt, ein saures Salz; seine wässrige Lösung enthält also freie H-Ionen, die den Ester spalten, ihn in Säure und Alkohol, beides wieder hämolytisch wirksame Faktoren, zerlegen. Sehon Fühner und Neubauer!) machen darauf aufmerksam, dass die Ester bei hämolytischen Versuchen Gelegenheit zu Fehlern geben, wenn man die leichte Verseifbarkeit dieser Produkte nicht berücksichtigt. Sie neutralisieren deshalb vor Herstellung der wässrigen | 1) Fühner und Neubauer, Hämolyse durch Substanzen homologer Reihen. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 56. 1907. 4 * 59 Georg Fischer: Lösung, bekommen aber auch dann nur bei raschem Arbeiten halb- wegs vergleichbare Werte. Goldschmidt und Pribram dagegen, die die ausflockende Wirkung der Alkaloide, unter diesen auch des Kokains, auf Leeithinsuspensionen prüften, stellen ihre Untersuchungen in sauren Suspensionsflüssigkeiten an, indem sie zu 10 cem Leecithin- suspension 0,5 cem einer !/ıo Normalsalzsäure hinzusetzen. Die in dieser Konzentration unter Umständen auch schon wirksamen H-Ionen addieren ihre Wirkung zu den in der Kokainlösung bereits vor- handenen und lassen das Resultat der Untersuchung nicht als ein für das Alkaloid spezifisches erscheinen. Tatsächlich geben die Autoren selbst an, dass es bei neutraler Reaktion zu keiner Aus- flockung kommt, die bei Verwendung saurer Suspensionsflüssigkeit prompt eintritt. Ist nun tatsächlilch die Katalyse des Kokainradikals durch H-Ionen die Ursache der erhöhten hämolytischen Wirksamkeit einer nur stundenalten Kokainlösung, dann muss die bei höherer Temperatur stehende Lösung hämolytisch stärker wirken als eine gleichaltrige, bei niedrigerer Temperatur aufbewahrte; denn die Wärme fördert bekanntlich die Katalyse wesentlich. Der folgende Versuch beweist die Richtigkeit der Voraussetzung. Versuch VI. Frisch bereitete 20%oige Cocainum muriat.- Lösung. Verwendetes Blut: Gewaschene Kaninchenblutkörper. Erste Untersuchung am 4. April 3b p. m. Cacainum muriat. in 9,4%/oiger Rohrzuckerlösung | 10 %0 | 5 0/0 Es tritt Hämolyse ein bei 56° C. | 63° C. Die Lösung wird nach dieser Untersuchung auf zwei Fläschchen verteilt. Das eine (Nr. I) bleibt in dem allerdings nur durch ein paar Stunden geheizten Zimmer (13° C.), das andere (Nr. II) wird in einem ungeheizten Vorraume (ca. 8° ©.) aufbewahrt. Zweite Untersuchung am 5. April. 3b p. m. Cocainum muriat. in 9,4/oiger Rohr- Nr. I Nr. II zucker lösung 10 % | 50/0 10 % | 50% Es tritt Hämolyse ein bei | 46° 0. 7 Eh | 511,90. | SORT, Dritte Untersuchung am 6. April. 3h p. m. Es tritt Hämolyse ein bei | 43° c. | 56° 0. | 51° c. | 60° c. ar ir A en ee ee ee Da a a nn re a Zn nn nn a an ee ER Studien zur Hämolyse. 53 Der Einfluss eines nicht allzu bedeutenden Temperaturunter- schiedes ist nicht zu verkennen. Auch der Einfluss des Lichtes wurde geprüft. Versuch VII. Frisch bereitete 20%/oige Cocainum muriat.-Lösung wird auf zwei Fläschchen veıteilt. Das eine (Nr. I) ins Fenster gestellt, wo es einige Stunden des Tages dem direkten Sonnenlichte ausgesetzt ist. Das andere (Nr. II) aus dunklem Glase wird im Schranke verschlossen. Verwendetes Blut: Gewaschene Kaninchenblutkörper. Erste Untersuchung am 3. April 4b p. m. Cocainum muriat. in 9,4 %o iger Nr. I Nr. Rohrzuckerlösung 10% 50% 10% | 50 Es tritt Hämolyse ein bei .... . | so | ee 0 Zweite Untersuchung am 4. April 4b p. m. Es tritt Hämolyse ein bei... . . . 192120202 600207 752220317 SIR: Dritte Untersuchung am 6. April 5b p. m. Es tritt Hämolyse ein bei. .... . ID see. en 160.0 Vierte Untersuchung am 7. April 4b p. m. ; Es tritt Hämolyse ein bei. .... . NZ En 560. 60 Nach diesen Versuchen käme also auch dem Licht ein Einfluss ‚ doch mag wohl zum Teil auch die Sonnenwärme die Slaız E Schmelzpunktwerte bewirkt haben. Haben durch diese Versuche die anfänglich sehralenes schein- baren Unregelmässigkeiten der Schmelzpunktsbestimmung ihre Erklärung gefunden, so steht noch die Frage bezüglich des Nicht- koagulierens der Blutlösung in Rohrzucker im Gegensatze zum prompten Eintreten der Koagulation in NaCl- und Na,SO,-Lösung offen. Der Rohrzuckerlösung selbst kommt diese hemmende Fähig- keit nicht zu. Es tritt Kosgulation ein: in 4 cem 9,4 Ploiger: Bohkruckeritsunel er 02 ccm Hacnaschiehen Käninchenblutkörpercehen bei 68 °, in 4 cem 0,9 °Joiger NaCl-Lösung + 0, 2 ccm eher Kaninchen- blutkörperchen bei 69 °, | | in 4 cem 148 Ooiger Na,SO,-Lösung + 0,2 ccm gewaschener Kaninchenblutkörperchen bei 68°. | 54 Georg Fischer: Wird dagegen der 9,4 °!oisen Rohrzuckerlösung Cocainum muriaticum in einer Konzentration zugesetzt, die hämolytisch wirk- sam ist, dann bleibt die Koaeulation aus. Sie erfolgt auch nicht im kochenden Wasserbade; hier kommt es nur zu einer Opaleszenz der Lösung; reicht die zugesetzte Konzentration zur Hämolyse nicht aus, dann tritt auch Koaegulation ein. Das ergibt sich aus Versuch V: In der hämolytisch nicht wirksamen 2 %oigen Kokain-Rohrzucker- lösung tritt Koagulation ein, in den übrigen nicht. Von der Voraussetzung ausgehend, es mit Säurewirkung zu tun zu haben, untersuchten wir die Salzsäure selbst auf ihr diesbezüg- liches Verhalten und fanden auch tatsächlich die gleichen Verhältnisse. Die Erklärung gibt das Koagulationsverhalten der Eiweisskörper im allgemeinen’). Von grosser Bedeutung nämlich für die Wärmekoagulation ist einmal die Reaktion der Lösung und dann der Gehalt an Salzen. Eine vollkommene Koagulierung des Eiweisses tritt nur bei schwach- saurer Reaktion ein; erfolgt Erhitzune in stärkerer saurer Lösung, dann entstehen Acidalbumine, die im Wasser leicht löslich sind, aber bereits durch geringe Mengen Salz gefällt werden. Daher das Nicht- koagulieren in der sauren Kokain-Rohrzuckerlösung, die keine oder doch nur Spuren anorganischer Salze enthält. Durch vorstehende Versuche ist der hervorragende Anteil der Säurewirkung an der Kokainhämolyse bewiesen worden; es er- übrigte noch, die hämolytische Wirkung des Cocainum purum zu prüfen, dem ja als Ester die Fähigkeit zukommen muss, Blut lack- farben zu machen. Aber das Cocainum purum ist wasserunlöslich, lässt sich daher für eine analoge Versuchsanordnung nicht verwenden; auch der Versuch, die frische Cocainum muriaticum - Lösung zu neutralisieren, misslang, da hierbei das wasserunlösliche Kokain ausfiel. Wir griffen deshalb zu einem anderen Ausweg, indem wir ein Ersatzpräparat des Cocainum muriatieum, das Cocainum salieylieum auf seine hämolytische Wirksamkeit prüften. Dieses enthält nach der Berechnung aus der- chemischen Formel 68,55 °/o reines Kokain, während der Kokaingehalt des Cocainum muriaticum 89,2 %/o beträgt. l) Diese sowie alle folgenden Angaben über Eiweisskörper sind zum Teile wörtlich dem Buche: Cohnheim, Chemie der Eiweisskörper. Braunschweig 1904, entnommen. Studien zur Hämolyse, 5» Es haben daher ungefähr 1 & Cocainum muriaticum und 13 g Cocainum salieylicum den gleichen Kokaingehalt. Versuch IX. Entsprechend der 20°/oigen Cocainum muriat.-Lösung wird eine 26 °/o ige Cocainum salicyl.- Lösung hergestellt und von dieser untenstehende Konzentra- tionen hergestellt. Verwendetes Blut: Fingerbeerenblut. ' 13% | 65% | 13% | 65% | 23,6% | ‚2,6% Cocainum | in.Nacı. | U Rohr- salicyl. in 0,9%/oige NaCl- | in 9,4%/oige Rohr- j zucker- Lösung zuckerlösung Lösung lösung Es tritt Hämo- sofortige Trübung sofortige Hämolyse lyse ein Grobe Flockenbildung; Flocken senken bei Zimmer- sich zu Boden | temperatur Dieses Versuchsergebnis war überraschend, um so überraschender, sobald man eine spezifische Kokainhämolyse voraussetzte; denn die 2,6 ige Lösung, deren Kokaingehalt einer 2%oigen Cocainum muriatieum-Lösung entspricht, bewirkte sofort Hämolyse, während letztere, wie aus Versuch IV und V hervorgeht, überhaupt nicht mehr hämolytisch wirksam ist. Allerdings war die in diesen Ver- suchen verwendete Lösung nicht ganz frisch. Um die Verhältnisse eingehender zu studieren, wurden auch hier grössere Reihen aufgestellt. (Siehe Versuch X. auf S. 56 und Versuch XI auf S. 57.) Es wirkt also tatsächlich die frische 2°/oige Cocainum salieyl.- Lösung trotz ihres ungleich geringeren Kokaingehaltes und wegen ihres höheren Säuregehaltes stärker Kuualyel als die 10 % ige Cocainum muriat.-Lösung. | Unter sonst gleichen Bedingungen tritt in jener Hämolyse bei 42° bzw. nach 9’ im Thermostaten, in dieser bei 56° bzw. nach 15’ ein; in ähnlichem Verhältnisse stehen 1 °/oige Cocainum sali- eylieum- und 5°bige Cocainum muriaticum-Lösung. Aber die Hämolyse ist auf die niederen Konzentrationen beschränkt, bei den höheren tritt schon vorher flockige Nalzze auf und stört das Lack- farbenwerden des Blutes. Die Salieylsäure selbst konnte auf ihre eiweissfällende Wirkung nieht untersucht werden, da sie im Wasser äusserst schwer löslich ist (1 Teil auf 600 Teile); es ist aber anzunehmen, dass sie gleich anderen organischen Säuren mit Eiweiss Salze bildet, die im 56 Georg Fischer: Gegensatze zu den Chloriden, Sulfaten und Nitraten der Eiweiss- körper im Wasser unlöslich sind; bleiben auch jene in Lösung, Versuch X. bei geringem Säureüberschuss da sie hydrolysiert werden. 1 g Cocainum salieyl. wird in 10 ccm destilliertem Wasser gelöst und von dieser Lösung untenstehende Konzentrationen in den auf 37° C. eingestellten Thermostaten gebracht. Um 2% 30’ erhält jede Lösung 0,2 ccm gewaschene Kaninchenblutkörperchen. Cocainum salicyl. in 9%oiger Rohr- zu = zuckerlösung sofortige 25 35’ Trübung | Trübung 2h 36’ | 2h 42’ flockige | flockige Fälluog | Fällung Die Flöckchen ballen sich allmählich zu braunen Flocken, die sich zu Boden senken; die Flüssig- keit selbst bleibt un- gefärbt klar. 2.%o 2h 39’ Hämolyse 2h 45’ Trübung 2h 50' feinste Flocken- bildung 1% 4h Hämolyse 4h 40’ Beginn feinster Flocken- bildung 0,5 9/0 3h 50’ Spur Hämolyse, viel Sedi- ment roter Blutkör- perchen 9,4%oige Rohr- zucker- lösung 5h Sedimen- tation roter Blut- körper- chen 10 b vorm. des nächsten Tages (von 5% nachm. an stehen die Lösungen bei Zimmertemperatiur). Flüssigkeit un- gefärbt, braun- schwarzes Flocken- sediment Es tritt also Hämolyse einnach. . — Versuch XI. Hämolyse, Flocken- sediment g’ Hämolyse, geringes Flocken- sediment 120’ Spur Hämolyse, Blutkör- perchen- sediment Spur 110’ Blutkör- perchen- sediment Die dem Versuche X entsprechende Schmelzpunktbestimmung. Zur Ver- wendung kommt dieselbe Kokainlösung; jede Lösung erhält knapp vor der mer suchung 0,2 ccm gewaschene Kaninchenblutkörper. ‘Die 4%ige und 30oige Lösung we nicht untersucht, da morige Aus- flockung zu erwarten stand. Studien zur Hämolyse. 57 Cocainum salicyl. in 9,4°/iger Rohr- 2% 1% | 0,5% zuckerlösung | Es tritt Hämolyse ein bei 42° C. | DECKE) | 65° C.!) Es tritt Koagulation ein bei 46° C. Ba] ? Dieselbe Lösung nach 10 Tagen. Es tritt Hämolyse ein bei sofort bei 380 C. 58° C.1) Zimmer- temperatur Es tritt Koagulation ein bei SE. 45° C. 65°C. Die Koagulation ist in Rohrzuckerlösung unter der Einwirkung des Cocainum salieylieum nicht gehemmt, im Gegenteil, die Koagu- lationstemperatur sinkt mit steigender Konzentration; allerdings wird sich schwer entscheiden lassen, wo die Denaturierung des Eiweisses durch Säurewirkung aufhört und durch Wärme beginnt. — Aus den vorstehenden Versuchen geht hervor, dass die Hämolyse in Lösungen von Cocainum muriaticum nicht auf spezifischer Alkaloid- wirkung beruht, aber auch die Säurewirkung allein reicht zum Zu- standekommen der Hämolyse nicht aus. Bei der von uns gewählten Versuchsanordnung kommen noch andere hämolytisch wirksame Faktoren in Betracht: bei den Thermo- statenversuchen Wärme und Zeit, bei der Schmelzpunktbestimmung Wärme allein; diese treten mit den H-Ionen der Kokainlösung in hämolytische Konkurrenz (konkurrente Faktoren). Ausserdem aber entstehen speziell unter dem Einflusse der Wärme während der Untersuchung neue hämolytisch wirksame Asenzien: neue H-Ionen und Alkohol durch Spaltung des: Esters (interkurrente Faktoren). Praktisch wichtig und für die Kokainanästhesie von Bedeutung ist es, dass sich diese Spaltung teilweise schon beim Stehen der Lösung vollzieht. Es ist bekannt, dass eine Kokainlösung durch Schimmelbildung zersetzt wird, bei stark saurer Reaktion an Wirk- samkeit einbüsst; unbekannt aber ist es, dass die Steigerung der Azidität schon innerhalb weniger Stunden erfolgen kann. Allerdings kann man sich, um dies festzustellen, kaum besserer Testobjekte bedienen als der Erythrocyten; denn diese, gegen Säuren sehr 1) Die Hämolyse ist nicht glatt. Es hat schon früher eine Ausflockung statt- geiunden, die allmählich stärker wird. Die angegebenen Schmelzpunkte beziehen sich hier auf die Temperatur, bei der der Farbenumschlag in Braun eintritt. 58 Georg Fischer: Studien zur Hämboiyse, empfindlich, reagieren schon auf die geringste Konzentrations- verschiebung. Von diesem Gesichtspunkte wird es sich empfehlen, die zu Anästhesierungszwecken zu verwendende Kokainlösung knapp vor dem Gebrauche herzustellen, wie es auch Braun angegeben hat, was bei der leichten Wasserlöslichkeit der Substanz kaum auf Schwierigkeiten stossen dürfte; andernfalls wird die Lösung, speziell bei der Temperatur der oft überhitzten Operationsräume kaum ver- lässlich sein. Wo die frische Bereitung aus äusseren Gründen unmöglich ist, muss die Lösung tunlichst vor Wärme geschützt werden. Wie sehr das zu Sterilisierungszwecken übliche einmalice Aufkochen zu ver- werfen ist, geht aus dem Gesagten deutlich hervor. Ergebnisse. 1. Es gibt keine spezifische Kokainhämolyse. Die bei Kokainlösungen beobachtete Hämolyse ist bedingt: a) durch H-Ionen, die bei der Lösung durch Dissoziation des Salzes entstehen, | b) durch H-Ionen und Alkohol, die: durch Zersetzen des Kokainradikals entstehen. 3. Nur eine ganz frisch bereitete Lösung von Cocainum muria- tiecum kann die ihrer Konzentration entsprechende anästhesierende Wirkung ausüben. DD Zum Schlusse erlaube ich mir, meinem verehrten Chef, Herrn Professor Koeppe, den ergebensten Dank für die Anregung zu dieser Arbeit und die mannigfaltigen Unterstützungen bei derselben auszusprechen. er (Aus dem physiologischen Institute der k. k. böhm. Universität in Prag.) Der physiologische Protoplasmastoffwechsel und die Purinbildung. Von Dr. F. Mares, Professor der Physiologie. Zur Erforschung der bestimmten physiologischen Tätigkeiten zugrunde liegenden Stoffwechselvorgänge dient in erster Linie das Verhältnis der Ausscheidung bestimmter Stoffwechselprodukte zu diesen Tätiekeiten. Unter diesen Produkten kommt der Harn- säure und den Purinkörpern überhaupt eine besondere Bedeutung zu. Dann erstens entsteht die Harnsäure, im Gegensatze zum Harn- stoffe, aus stofflichen Änderungen im tätigen Zellprotoplasma selbst dies habe ich aus meinen im Jahre 1887 durchgeführten Unter- suchungen zuerst erschlossen. Und zweitens sind es insbesondere die Nukleinsubstanzen des Protoplasmas, von welchen die Harnsäure und die Purinkörper des Harnes herrühren; darauf weist der von Kossel und von Horbaczewski nachgewiesene chemische Zu- sammenhang der Alloxurkörper und der Harnsäure mit den Nu- kleinen hin. Meine Untersuchungen, durch welche der Ursprung der Harn- säure im tätigen Zellprotoplasma nachgewiesen wurde, im Gegen- satze zum Harnstoffe, der von dem verdauten Nahrungseiweiss her- rührt, sind zu jener Zeit durchgeführt worden, wo man noch ziem- lich allgemein die Harnsäure als eine minder oxydierte Vorstufe des Harnstoffes direkt aus dem Nahrungseiweiss herleitete, da man ja auch immer nach reichlicher Eiweiss-(Fleisch-)Nahrung eine an- scheinend parallele Harnsäure- sowie Harnstoffvermehrung be- obachtet hat. Diese Annahme hing vielleicht mit der allgemeinen Vereinfachung der Stofiwechsellehre durch Voit zusammen , ‚welche die Lehren Liebig’s verdrängte. So hatten Lehmann, Ranke, Meissner, 60 F. Mares: im Sinne dieser Lehren, für Harnstoff und Harnsäure verschiedenen Ursprung angenommen. Ranke besonders führte die Harnsäure auf das Hypoxanthin der Milz zurück, deren Anschwellung in einem bestimmten Verdauungsstadium ihm mit Harnsäurevermehrung ver- bunden zu sein schien. Aber der Zusammenhang zwischen der Harnsäure und den Xanthinkörpern war zu der Zeit, als ich meine Versuche vornahm, ganz problematisch. Kossel hegründete eben damals die Kenntnis der Beziehungen der Xanthinkörper zu den Nukleinen; aber die Beziehung der Harnsäure zu diesen Körpern war zweifelhaft, da es nicht gelingen wollte, durch Einnahme der- selben Harnsäurevermehrung zu bewirken; so blieb man bei der An- nahme, dass die Harnsäure als Vorstufe des Harnstoffes aus dem Nahrungseiweiss herstamme. Dagegen brachten meine Untersuchungen zuerst den Nachweis, dlass die Harnsäureausscheidung beim Menschen ganz andere Ver- hältnisse zeigt als die Harnstoffausscheidung, so dass diese beiden Körper verschiedenen Ursprungs sein dürften, und zwar so, dass der Harnstoff aus dem verdauten und resorbierten Nahrungseiweiss her- stammt, die Harnsäure aber aus stofflichen Änderungen im Zell- protoplasma selbst hervorgeht. Ich dachte zunächst an die Drüsen- zellen des Verdauungsapparates, deren durch Eiweisseinnahme an- geregte Tätigkeit mit sichtbaren stofflichen Änderungen im Zelleibe, zur Bereitung der Verdauungssäfte, verbunden ist. Ich fand nämlich nach Einnahme von Fleisch eine rasche Vermehrung der Harnsäure- ausscheidung, deren zeitlicher Verlauf augenscheinlich auf einen Zu- sammenhang..mit der Bereitung der Verdauungssekrete hindeutete, während die Vermehrung des Gesamtstickstoffes (Harnstoffes) später, augenscheinlich mit der Resorption des verdauten Nahrungseiweisses, zum Vorschein kam. Ich fand weiter, dass die durch Pilokarpin- einwirkung angeregte Drüsentätigkeit tatsächlich mit Harnsäure- vermehrung verbunden. ist. Aber diese Untersuchungen fanden zunächst wenig Beachtung) Denn erstens sind dieselben an wenig oder gar nicht zugänglichen Orten !) veröffentlicht worden, so dass sie zur Kenntnis weiterer Kreise nur durch kurze Referate?) ohne Belege gelangen konnten. Dann 1) F.. MareS, Sur l’origine de l’acide urique chez ’homme. ‚Arch, Slaves de Biologie t.3 p. 207—226. 1887. — Sbornik lekarsky t.2 p. 1-18. 1888. 1.2532) Zentralbl. f. d. med. Wissensch. 1888 8. 2 (J. Munk). — Zentralbl. f. Physiol. Bd. 1 8.444. .1888.. (F. Röhmann.) A: fe Der physiologische Protoplasmastoffwechsel und die Purinbildung. 61 aber wurde bald die allgemeine Aufmerksamkeit in der Frage der Harnsäure auf die Untersuchungen von Horbaczewski!) gerichtet, durch welche die Beziehung der Harnsäure zu den Xanthinkörpern und zu den Nukleinen tatsächlich nachgewiesen worden ist. Hor- baeczewski schuf dann auch eine eigene Theorie der Harnsäure- bildung im Säugetierorganismus, welche auch gleich ziemlich all- gemein angenommen wurde. Danach sollte die Harnsäure aus- schliesslich aus den Nukleinen der im lebenden Körper nekrotisch zerfallenden Leukocyten entstehen. Als tatsächlicher Grund dieser Theorie wurde ein Parallelismus zwischen der Harnsäureausscheidung und der Zahl der Leukocyten im Blute angenommen und nach- zuweisen gesucht. Diese Leukocytosetheorie leitete ziemlich alle Unter- suchungen auf diesem Gebiete durch lange Zeit. Ich habe zwar gegen dieselbe gleich nach ihrer Veröffentlichung Einwände erhoben’), deren tatsächliche Gültigkeit aber erst viel später von anderen er- kannt und allmählich auch erwiesen wurde. Gegenwärtig ist die Unhaltbarkeit jener Leukocytosetheorie „von verschiedenen Seiten vollständig dargetan, ohne dass gleichwohl eine andere wahrschein- lichere an ihre Stelle getreten wäre“ [Siven?®)]. Endlich ist die Leukocytosetheorie von ihrem Urheber selbst als „nicht bewährt“ aufgegeben worden ?). Bei dieser Sachlage finde ich mich veranlasst, aus meiner durch 18 Jahre in dieser Frage beobachteten Zurückbaltung hervorzutreten und meine ursprüngliche Theorie der Harnsäurebildung beim Menschen von neuem vorzutragen; und dies um so mehr, als sich in der neueren Literatur bestimmte Anklänge an dieselbe vernehmen lassen, und als es mir jetzt, bei dem gegenwärtigen Stande der Untersuchungen in dieser Frage, möglich ist, die Einwände, welche gegen diese Theorie erhoben worden sind, kritisch zu beleuchten und womöglich zu zer- streuen. Ich kann auch jetzt aus meiner Reserve hervortreten, ‘da es nicht mehr um die Leukoeytosetheorie zu tun ist, und ich vollends das tatsächliche Verdienst meines verehrten Kollegen Horbaezewski 1) Horbaczewski, Sitzungsber. d. kaiserl. Akad. Wien Bd. 98, Juli 1889. Bd. 100, April 1891. re 2) F. MareS, Zur Theorie der Harnsäurebildung im Säugetierorganismus. Sitzungsber. d. kaiserl. Akad. d. Wissensch. in Wien Bd. 101. Januar 1892. 3) 0. Siven, Skand. Arch. f. Physiol. Bd. 18 S. 181. 1906. 4) J. Horbaczewski, Chemie lekarskä Bd. 3 S. 536. Praha 1908. 62 F. Mares: in der Frage des Zusammenhanges der Harnsäure mit den Xanthin- körpern und den Nukleinen hervorheben kann. Für mich selbst aber nehme ich in Anspruch, früher den physioloeischen Nach- weis erbracht zu haben, dass die Harnsäure ein Produkt der Körper- zellen ist, unabhängig vom FEiweissgehalt der Nahrung. Der von mir aufgestellte Satz: „Die Harnsäure ist ein Produkt des Stoffwechsels in den lebenden Zellen, wobei namentlich die Nukleine der Zellkerne beteiligt sind“ kann als gemeinsame Frucht zweier verschiedener, wörtlich unter einem Dache geführter Arbeits- richtungen betrachtet werden. Die erwähnten Anklänge an meine Untersuchungen über den Ursprung der Harnsäure beim Menschen ertönten zunächst von seiten einiger Autoren, welchen die Grundlage der Leukocytosetheorie, das ist der angenommene Parallelismus zwischen der Harnsäuremenge und der Zahl der Leukocyten im Blute, zweifelhaft erschien. So haben Milroy und Malcolm!) meine Stellungnahme gegen die Leuko- eytosetheorie beachtet. Hopkins und Hope?) haben dann meine Einwände gegen die Leukocytosetheorie näher besprochen und wiederholten und bestätigten einen Teil meiner Untersuchungen, ohne aber den von mir angegebenen Zusammenhang der Harnsäure- vermehrung nach Fleischeinnahme mit der durch diese angeregten Tätigkeit der Verdauungsdrüsen anzunehmen, aus Gründen, die ich noch zu erwähnen und zu erwägen haben werde. Aus denselben Gründen haben auch Siven°) und Burian mit Schur‘) sich gegen meine Theorie ablehnend verhalten, obgleich sie meinen Unter- suchungen selbst eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet haben. Zuletzt hat Wiener°) meine Untersuchungen und besonders meine Theorie einer eingehenden Würdigung unterzogen und diese Theorie in einer ganz allgemeinen Fassung auch angenommen, dass nämlich die Harnsäure ein Produkt des physiologischen Stoffwechsels der Zellen ist, an welchem die Zellkerne beteiligt sind. Ob dabei spezielle 1) Milroy and Malcolm, The Journ. of Physiol. vol. 23 p. 221. 1898. 2) Hopkins and Hope, The Journ. of Physiol. vol. 23 p. 271. 1898. 3) Siven, Skand. Arch. f. Physiol. Bd. 11 S. 143. 1901. 4) Burian und Schur, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 30 S. 251. 1900. 5) H. Wiener, Ergebnisse der Physiologie von Asher und Spiro Bd. 1 H.1 S. 582. 1902. . ld a ET TEE a ve a Fe Der physiologische Protoplasmastoffwechsei und die Purinbildung. 63 Organe, wie die Verdauungsdrüsen, eine grössere Rolle spielen, das liess Wiener vorläufig dahingestellt. Aber der Zusammenhang der Harpsäurebildung mit der Tätigkeit der Verdauungsdrüsen war gerade der tatsächliche Grund, auf welchem ich jene Theorie auf- gestellt habe; wird dieser Grund hinfällig, so sinkt die Theorie zu einer blossen ganz allgemeinen Annahme herab. In dieser ganz allgemeinen Fassung wird diese Theorie von vielen auch angenommen, als wenn sie keinen besonderen tatsächlichen Grund hätte, ausgenommen vielleicht die nicht bezweifelte indivi- duelle Konstanz der Harnsäure bei verschiedenen Individuen. So sagt z. B, Abderhalden!): „Im endogenen Harnsäurewert haben wir einen direkten Ausdruck für den Umfang und die Grösse der Zellarbeit, die, wie wir aus mancherlei Beobachtungen wissen, für jedes Einzelwesen eine ganz besonders geregelte und eingestellte ist.“ Und ©. Weiss?) führt einfach an: „Vielmehr hat sich die Mehr- zahl der Forscher der Anschauung angeschlossen, die einmal von MareS ausgesprochen ist, dass nämlich die Harnsäure das End- produkt des Stoffwechsels der Zellkerne ist.“ So scheint diese Anschauung grundlos in der Luft zu schweben, wie eine Sage, weil ihr tatsächlicher Grund verkannt oder gar ganz unbekannt ist. Es ist also nicht zu verwundern, wenn einige das- jenige ganz ignorieren, was andere als annehmbar anerkennen. Hammarsten?) z. B. führt meine Untersuchungen unter den Be- legen dafür an, dass bei vegetabilischer Kost die Harnsäuremenge kleiner ist als bei Fleischnahrung, wovon aber darin überhaupt keine Rede ist. Andere wieder halten meine Untersuchungen für „nicht ganz einwandfrei“ und glauben „von diesen unvollkommenen Versuchen“ absehen zu können). Einige tun dies wenigstens stillschweigend °). Als verantwortlicher Urheber jener „von der Mehrzahl der Forscher angenommenen Anschauung“ fühle ich mich verpflichtet, den tatsächlichen Grund dieser Anschauung von neuem darzulegen, sobald Zweifel um denselben laut werden. Ich kann dies jetzt um so mehr, 1) Abderhalden, Lehrb. d. physiol. Chemie, 2. Aufl., S. 390. 1909. 2) O. Weiss, Nagel’s Handb. d. Physiol. Bd. 2 (1) S. 354. 1906. 3) Hammarsten, Lehrb. d. physiol. Chemie, 7. Aufl., S. 664. 1910. 4) Kaufmann und Mohr, Deutsches Arch. f. klin. Medizin Bd. 74 S. 141. 1902. 5) Magnus Levy, v. Noorden’s Handb. d. Pathol. d. Stoffwechsels, 2. Aufl., 1907. — A. Ellinger, Biochemie von Oppenheimer Bd. 3 (1) S. 574. 64 | F. Mares: als ich in der Lage bin, den stärksten Einwand, der gegen den von mir behaupteten Zusammenhang der Harnsäurevermehrung mit der durch . Fleicheinnahme angeresten Verdauungsdrüsentätigkeit er- hoben wurde, zerstreuen zu können, und zwar durch eine kritische Zusammenstellung meiner ursprünglichen Versuche mit späteren Untersuchungen anderer Autoren, sowie durch eigene neue Versuche, die ich in dieser Richtung veranlasst habe, und deren Ergebnis in einem folgenden Artikel dargelegt werden wird. I. Individuelle Konstanz der Harnsäuremenge bei sehr verschiedener Menge des ausgeschiedenen Gesamtstickstoffs im nüchternen Zustande. Um die Verhältnisse zwischen der Harnsäuremenge und dem ausgeschiedenen Harnstickstoff zu verfolgen, machte ich 22 Versuche an fünf Männern im Alter von 13-45 Jahren, und zwar im nüchternen Zustande. Die Versuche besannen 12 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme und dauerten bis zur 24., einige Male bis zur 27. Stunde. Der Harn wurde in dreistündigen Perioden ge- sammelt und analysier.. Die Harnsäure wurde nach Salkowski- Ludwig, der Gesamtstickstoff nach Kjeldahl bestimmt. Es war wohl eine der ersten Untersuchungen des Harns mittelst dieser bis jetzt unübertroffenen Methoden. Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle I (S. 65) dargestellt. Diese Versuche zeigen, dass im nüchternen Zustande die von einer Versuchsperson ausgeschiedene Harnstickstoffmenge an ver- schiedenen Tagen in sehr weiten Grenzen bis nahezu um 100 %o variieren kann, dass dagegen die zu gleicher Zeit ausgeschiedene Harnsäuremenge nur wenig um einen Mittelwert herumschwankt, welcher bei verschiedenen Versuchspersonen verschieden ist und individuell konstant erscheint. So variiert bei der Versuchs- person A die Harnstickstoffausscheidung. in 15 Stunden nüchternen Zustandes an verschiedenen Tagen zwischen 6,078—10,005 g, die Harnsäuremenge aber erscheint zu gleicher Zeit, an ziemlich weit entfernten Tagen, ganz gleichmässig, indem sie sich sehr nahe am Durchschnittswerte von 0,2659 g hält, woraus sich für diese Ver- suchsperson ein individuell konstanter Wert von 17,7 mg Harnsäure in einer Stunde ergeben würde. Bei der Versuchsperson B variiert die Harnstickstoffausscheidung zwischen 5,15—9,47 g in 15 Stunden rüchternen Zustandes, der Harnsäurewert aber hält sich knapp um. u S 69 Der physiologische Protoplasmastoffwechsel und die Purinbildung. 66.0 86910 | 260.9 IrG ‘op "| © LC] sro | eier | ur "op ZIEM 'E I 01 8110 | SHL N \ ’ EI, zravrog, uagNuaTog yeveodaı xal aouEvwog Erri TO uavdaveıy Iovra za Archmorwg EXovra, Tobrov Ö &v Öian PNoouEv Yıhocoyor. „Von dem also, der mit Widerwillen an die Lerngegenstände geht, werden wir, zumal wenn er jung ist und noch keinen Begriff davon hat, was brauchbar sei und was nicht, gewiss nicht sagen, dass er lernbegieriz, wissbegierig oder weisheitliebend sei, sowie wir auch von jenem, der einen Widerwillen gegen Speisen hat, nicht sagen, dass er hungere, oder dass er Speisen begehre, oder dass er esslustig sei, sondern eben, dass er appetitlos sei. — Ja, und mit Recht werden wir dies sagen. — Hingegen von dem, der gleich bereit ist, von jedem Lerngegenstande kosten zu wollen, und willig an das Lernen geht und hierin unersättlich ist, werden wir mit Recht sagen, Jass er weisheitliebend sei; oder wie denn anders?“ Auch Plutarch!) verwendet in diesem Sinne die Bezeichnung für „schwierig“ zugleich für den appetitlosen Kranken. Seine Be- obachtungen sind zugleich so richtig, dass sie auch heute noch physio- logische Geltung beanspruchen, um so mehr, da die moderne Medizin, allzuviel mit der Behandlung der Krankheit, allzuwenig mit der des Kranken beschäftigt, sie noch gar nieht kennt, so wichtig sie auch für die Praxis sind. Daher bilden sie tatsächlich eine neue Be- obachtung. Die eine ist die, dass schon Plutarch Appetit und Ekel in Gegensatz setzt. Die zweite ist die Beobachtung, dass ein und die- selbe Speise ein und demselben Menschen einınal Appetit erregen kann und ein anderes Mal Ekel. Die dritte Beobachtung ist die, dass der Faktor, welcher diese Gegensätzlichkeit im Appetit und in der Appetitlosigkeit hervorruft, Gesundheit und Krankheit ist. Plutarch knüpft an den Vers aus Euripides’°) Tragödie „Orestes“ an: 1) Ieoi eudundas III. Moralia 466 ©. 2) 232: Elektra: Wohl ist dem Kranken lieb sein weiches Lager, 219 Beschwerlich, aber doch notwendig ihm. Orestes: Willst du mich wieder in die Höhe richten? Chor: Wie ungeduldig ihn die Krankheit macht! HA. idov‘ to dovievn dv, xoUx Gvalvonaı 291 ade’ adeipn xeıol FEgurteveıy wen. OP. inößele wievgois zrhevon, zeöyuodn zöum® Gele mo00WmoV' lenta yao AEV0OW xogcus. HA. o Bootgugov nıvodss @FALOV xaoc, 225 os nyelwonı dia uexgds akovolas. HA. idov, Ylkov Toı TO vooovyrı dEuvıov, avırg0V 69 TO xriu’, avayxciov d’Oums .. 330 OP. «üdls u’ ds 0090v oTNooV, avarvzkcı deuas IvORgEOTOV of vooovvres anoplag Uno. 118 Wilhelm Sternberg: „Wie macht die Ungeduld den Kranken ärgerlich!’ Er ärgert sich über seine Frau, zankt mit dem Arzt, keift. wegen des Bettes. Ihm ist der Freund, der kommt, und der, der weggeht, zur Last, wie Ion sagt. Aber kaum ist die Krankheit gehoben, kaum fängt der Zustand des Körpers an, sich zu verändern, so macht auch die zurückkehrende Gesundheit alles wieder angenehm und behaglich. Wer gestern noch vor Eiern, Kraftsuppen und dem feinsten Brote einen Ekel hatte, isst heute mit dem grössten Appetit gemeines Brot zu Oliven oder Kressen.“ | N D m P) ’ (d} \ \ c = 2 / %5 ’ \ ’ wos 6 Iwv gyoiv. Eira ng voocov dıakvdelong, ul, X0U0EwG 5. BC ’ br \ > ETEQUG EYYErouevng, NAFEr 1 vyleia piAa 7eavra 71010000 Kal 7r000n7V7° c \ B) N» \ „ ü 6 Y60 E7IE5 wa nal aubAıe, Kal ONTaEVELOV aOTov dıarruwv, TNWEOOV >) ı e) n IN wm - x ’ n avzorrvgov Err EAataıg 7 nagdauidı oıreitau rroooyLAwg Aal T00FVUWS. So erweistsich auch die Sprache, wie ich !) bereits wiederholt nachge- wiesen habe, als eine durchaus dankbare Handhabe für die klinische Ver- wertung und als eine der tierexperimentellen Laboratoriums-Forschung durchaus ebenbürtige Methode .der physiologischen Wissenschaft... Die vergleichende Sprachwissenschaft kann sogar systematisch und metho- disch als Unterstützungsmittel von der physiologischen und klinischen Forschung herangezogen werden, als selbständige exakte Methode, die bessere Resultate möglicherweise zeitigen kann als die exakteste Methode der Tier-Experimentatoren. ‚Es dürfte also auch das Denken im Lichte der Sprache, wie Max Müller?) sein klassisches Werk nennt, in Zukunft mit derselben Berechtigung wie heute das Tier-Ex- periment das Denken in der Medizin beherrschen. Ohnehin scheint die häufigere Behandlung des Problems vom Denken in der Medizin in der Neuzeit gegenüber der eben vergangenen Zeit durch Helm- 1) Die Küche in der modernen Heilanstält''S. 75. F. Enke, Stuttgart 1909. — Die Schmackhaftigkeit und der Appetit. Zeitschr. F$ Sinnesphysiol. Bd. 43 S. 234. 1908. — Der ‚Appetit, in- der experimentellen ‚Physiologie und in der klinischen Pathologie. Zentralbl.. £. Physiol. ‚Bd..23 ‚Nr. 10 8. 5. — Die Küche in der klassischen Malerei S. IV: F. Enke, ‚Stuttgart 1910. 2) F. M. Müller, Das‘ Deüken' im Lichte der ee ‚ans dem Engl. übers. von Engelbert Schneider. Leipzig 1888. ö Das Krankbeitsgefühl. 119 holtz!), Leyden?) einerseits und durch Thöle?®), Bier*), Cohn?), Bieganski°) andrerseits darauf hinzuweisen, dass die bisherige Betrachtungsweise doch. nicht mehr allseitig genügt und nicht voll- kommen befriedigt. Mit Recht nennen die Sprachen die Appetitlosigkeit, das Übel- befinden und die Übelkeit gleichermaassen „Schwieriekeit“. Das, was dem Kranken in gesunden Tagen am besten schmeckt, und was er sonst mit grösstem Appetit und Hunger sogar verzehrt, das schmeckt ihm in der Krankheit nicht mehr und vermag seinen Appetit nicht mehr zu erregen. Im Gegenteil errest es obendrein den diametral entgegengesetzten Zustand, es verursacht „Fkelgeschmack“. Das Krankheitsgefühl, das Unwohlsein und das Übelbefinden sind also nichts anderes als die natürliche Abneigung gegen die Nahrungs- aufnahme. Teleologisch ist diese Wirkung der Krankheit sehr wohl zu verstehen. Plutarch’) hat schon ganz recht, wenn er meint: „Unter allen Krankheiten des Körpers sind diejenigen die gefährlichsten, die mit Unempfindlichkeit verbunden sind. .... Daher wünschen die Ärzte, dass der Mensch, wenn er ja krank werden sollte, wenigstens wisse und fühle, dass er krank ist.“ ’ > \ \ > - ’ N 07} > ’ Eu ß. Aoyn yao amallayng voooV uEv ALOFNOLG Eig XoElav AyovO« - - - = a) [ea tod Bon$ovvros TO raoyov' 6 dE arrıozia Tor vooeiv, 00% ELdWg Wv deitaı, Kav ragn TO Fegarıevov, agveizaı. 501. Kai y&e rwv rregi TC OWua voonudtwv, TA uera AvauoInolag ’ u ’ b] ‚ D) Fa > ’ xeioova, Amdapyoı, neqahalyiaı, eErrıAnWiaı, arosrınsiar, avroi TE 7LvgETOL Gvvrelvavrssg EIS mragaxorımv Te @Asyuaivov, al av aloIn0Lıv WOrreE Ogeyarı dLerapasavrss: “aıvoisı Xopdag Tag > - AXıvnToVS PEEVOV. 1) Helmholtz, Das Denken in der Medizin. 2. August 1877. 2) Leyden, Das Denken in der heutigen Medizin. 2. Dezember 1902. 8) Prof. Dr. Fr. Thöle, Das vitalistisch-teleologische Denken in der heutigen Medizin. F. Enke, Stuttgart 1909. 4) A. Bier, Über die Berechtigung des teleologischens Denkens in der praktischen Medizin. Berlin 1910. 5) Dr. Max Cohn, Über das Denken. Zusammenhang des Geistes und Körpers. Verlag Leonhard Simion, Berlin. 1910. 6) Dr. W. Bieganski, Medizinische Logik. Kritik der ärztlichen Er- kenntnis. Curt Kabitsch, Würzburg 1909. 7) Horteoov 1& ns puyis 7 Ta Toü Omuaros nasn yelpova ß' y. Moralia 500 f—501a. 120 Wilhelm Sternberg: Das Krankheitsgefühl. ’ A x 10 b] - y) \ \ . x „4 $ y.. Jıo aid iargwv Bochovraı uEv um vooeiv Tov avdgwron, - 2 = ’ - vooovvra dE un ayvosiv OrL vocel. Mit dem Krankheitsgefühl und der Übelkeit hängen weitere Erscheinungen zusammen, wie die beleste Zunge, die unangenehmen subjektiven Geschmacksempfindungen und die Erhöhung der Geruchs- und Gesehmacks-Empfindlichkeit. Daher ist eben die Küche des diffi- zilen Kranken so überaus schwierig. Deshalb erachte ich im Gegen- satz zu Hufeland!) diejenige Küche als das Vorbild der Kranken- küche, welche dem Geschmack auf alle Weise zu schmeicheln sucht. Das ist die feine Küche. So führt die klinische Betrachtung der Allgemeingefühle und der allgemeinen Symptomatologie, welche selbst in der allgemeinen Physiologie über dem Studium der be- sonderen Erscheinungen und gar in den Spezialdisziplinen etwas zurückzutreten scheint, zu der Erkenntnis von der hohen Bedeutung des Geschmacks, des Appetits und der Krankenküche für die ärzt- liche Praxis. 1) Makrobiotik oder die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern. Vierte Auflage. Zweiter Teil S. 36. Berlin 1805. 121 (Aus dem Physiologischen Institute der k. k. Universität Wien.) Zur Kenntnis von der Entstehung der Irisfarben. Von Dr. med. Mathilde Gstettiner. Im Jahre 1904 habe ich eine Untersuchung „Über Farben- veränderungen der lebenden Iris bei Menschen und Wirbeltieren“ !) publiziert und gezeigt, dass bei Veränderungen der Pupillenweite die Iris ihre Farbe wechselt und diese Farbenveränderungen grösstenteils durch Dehnung des Irisgewebes zustande kommen, indem durch die Dehnung der Fasern ihre Doppelbrechung steigt und die Trübung des Gewebes infolgedessen zunimmt. Dabei kommt auch die mit der Dehnung verbundene Änderung der Stellung und Verteilung der Chromatophoren in Betracht. Das Irisgewebe fungiert als trübes Medium, während die Stroma- zellen durch ihre Färbung die durch den dunklen Hintergrund des Piementepithels der Iris bedingte blaue Farbe des trüben Mediums je nach Umständen in Grau, Grün, Hellbraun oder Dunkelbraun überführen. Es waren damals die Fragen offen geblieben, 1. an welches Gewebe die Doppeltbrechung gebunden ist, 2. welche Farbe das Piement der Stromazellen besitzt, 3. ob es wirklich gelingt, alle an menschlichen Augen beobachteten Färbungen durch die Faktoren: Trübes Medium und Pigment, wie sie in der Iris vorkommen, nach- _ zuahmen. Das doppeltbrechende Gewebe. Um die erste dieser Fragen zu beantworten, fertigte ich Schnitte von Iriden an und verwendete Bulbi von Menschen, Katzen und vou Kaninchen-Albinos. Von ersteren wählte ich ganz lichte Iriden 1) Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 105. 122 Mathilde Gstettner: . von Leichen; bei letzteren war es möglich, das am Menschen Ge- fundene an ganz frisch exstirpierten Augen zu kontrollieren. Ich präparierte die Iris durch Abtragung der Cornea frei, ver- band zwei gegenüberliegende Punkte des Pupillarrandes mittelst eines Zwirnsfadens, den. ich durch die Iris gezogen hatte und näherte die so verbundenen Stellen durch Knüpfen des Fadens so weit, als es möglich war, ohne die Iris durchzureissen. Das auf diese Weise gewonnene Präparat wurde nach Abtragung des hinteren Bulbus- abschnittes (vor dem Äquator) gehärtet. Die Schnitte, welche ich in verschiedener Dicke herstellte, brachte ich zwischen die zwei Nikols eines Polarisationsmikroskopes. Sie zeigten an einzelnen radiär, seltener an taneential verlaufenden Faserbündeln ebenso Doppeltbrechung wie die frischen Zerr- präparate, von welchen ich in der eingangs erwähnten Arbeit be- richtete. Die Faserbündel wurden im Gesichtsfeld des Mikroskopes je nach ihrer Stellung zu den gekreuzten Nikols dunkel oder hell. Wir sehen daraus, dass die gezerrte Faser, auch nachdem das Ge- webe gehärtet ist — ich habe: es nach 2 Jahren noch ebenso deutlich gesehen wie in frisch hergestellten Präparaten —, seine Doppelt- brechung_ beibehält. | Um zu erfahren, welchem Bestandteile des Irisgewebes die doppeltbrechenden Faserbündel angehören , färbte ich die Sehnitte mit Hämatoxylin und Eosin., An jenen Faserbündeln, welche Doppelt- brechung zeigten, war zu ersehen, dass sie aus zarten, sich rosa färbenden Gewebselementen bestanden, zwischen welchen auffallend wenig Stromazellen lagen. Ihrem Aussehen nach konnte es sich um zwei Arten von Gebilden handeln: Bindegewebsfasern oder elastische Fasern. Dies ; zu entscheiden, schlug ich folgenden Weg ein. _ Bekanntermaassen lässt sich Bindegewebe von anderen Gewehs- arten dadurch unterscheiden, dass es durch Zusatz eines Tropfens Essigsäure aufquillt, während elastische Fasern dabei unverändert bleiben. Ich fertigte daher in der üblichen Weise in physiologischer Kochsalzlösung ein. Zupfpräparat einer frischen Iris an, die ich vom hinteren Pigmentepithel durch Abpinseln.ibefreit und: mit der Pinzette gezerrt hatte. Dieses Präparat ‘legte ich auf den Objekttisch. eines Polarisationsmikroskopes. Im dunkeln Sehfeld zeigten sich bläulich- weisse, fast seidenglänzende vereinzelte. Faserbündel. Diese er- Zur Kenntnis von der Entstehung der Irisfarben. 123 schienen bei Drehung . des: Objektes um die Achse des Mikroskopes abwechselnd hell und dunkel. Nach Zusatz von Essigsäure ver- schwand die Doppeltbrechung im Verlauf von 40—80: Sekunden, selten erst etwas. später,. also offenbar immer, sobald der an den Rand des Deckelases gebrachte Tropfen bis zum Gewebe gedrungen war und dieses durchtränkt hatte. Man sah, wie die Doppeltbrechung in dieser kurzen Zeit allmählich abnahm, d. h. die Helliekeit des Gewebes im dunklen Sehfelde immer geringer wurde, bis sie endlich verschwunden war. Auch bei Drehung des Objektes um die Achse des Mikroskopes zeigte sich nunmehr nirgends eine zulung von Doppeltbrechung. | Auch bei Verwendung von Kalflaute statt Essigsäure zu diesem Versuche nahm die Intensität der Doppeltbrechung allmählich, aber doch ebenfalls sehr rasch ab. 4 Diese Versuche gelangen sowohl mit der Iris von Albinos als auch bei blauen und. schwach pigmentierten Augen. . Iriden dunkler Augen eienen sich natürlich wegen ihres Pigmentreichtumes dazu nicht. Dasselbe Resultat erhielt ich bei Verwendung einer frischen, eben dem Tiere entnommenen Iris, deren Doppeltbrechung durch Zerrung gesteigert war. Dieselbe gehörte einem albinotischen Kaninchen an. Ein Sektor derselben wurde mittelst Nadeln auf einem Objektträger radiär so stark gespannt, wie es das zarte Gewebe zuliess. Bei Untersuchung im Polarisationsmikroskop zeigten sich mächtige, radiär angeordnete doppeltbrechende Streifen. Einen derselben stellte ich zwischen gekreuzten Nikols in das wirksamste Azimuth, d. h. ich drehte ihn um die Achse des Mikroskopes,; bis er das Maximum der Helligkeit erreichte. Nun Jliess-ich mit Rücksicht darauf, dass er in zähflüssiceem ‚Humor vitreus lag; Eisessig-zutreten un« sah, wie die Helligkeit im Lauf von: Minuten: fast: bis: zum Verschwinden ‚.abnahm. Es sprieht also auch dieser Versuch dafür, dass die doppeltbrechende le wenigstens use Busse) ist. Farbe ‚des Irispigmentes, ( ‘ il [ er Professor Emil Zuckerkändl'hat vor: wenigen Jahren in einem. nicht: veröffentlichten. Vortrage: darauf hingewiesen, ‘dass die Iris des Menschen immer pignienthaltige Zellen: aufweise, auch dann, wenn sie im Leben reinstes Blau zeigt: ı Er fand, :dass: ganz geringe Mengen Pigmentes in den betreffenden Zellen vorhanden seien, während in dunklen Iriden die Chromatophoren strotzend ge; 124 Mathilde Gstettner: füllt mit Pigmentkörnern gefunden werden!). Die Tatsache wurde damals als Nebenbefund gelegentlich der Untersuchungen, die er auf anatomischem Gebiete über die blonde und die dunkle Rasse in Mitteleuropa vorgenommen hatte, erwähnt. Von der Farbe des in den verschiedenen Iriden enthaltenen Pigmentes, glaube ich, wurde nichts weiter mitgeteilt. Es liegt wohl die Versuchung nahe, zu vermuten, dass die ver- schieden gefärbten Augen auch verschieden gefärbtes Pigment in dem Irisgewebe haben. In dieser Hinsicht untersuchte ich eine grosse Anzahl mensch- licher Augen von verschiedenen Irisfarben. Es zeigte sich jedoch das Gegenteil, — das Pigment scheint mir beim Menschen nur in einer einzigen Farbe aufzutreten. Zu diesen Untersuchungen dienten mir Menschenaugen aller Art. Ich verwendete wohl auch gefärbte Schnitte, hauptsächlich aber un- gefärbte und Zupfpräparate von Leichenaugen, sowie von frischen Irisstücken, die bei Operationen exstirpiert wurden. Das Pigment repräsentiert sich sehr verschieden, aber immer in Splittern oder Schollen mit unregelmässigen Begrenzungsflächen, die teils eben aussehen, teils wie flachmuschelige Bruchflächen. Es scheint regellos in den spezifischen Zellen zerstreut zu liegen, resp. in der Zellmasse suspendiert zu sein. Um das Pigment selbst in möglichst intaktem Zustande zu unter- suchen, fertigte ich mir Zupfpräparate in Humer aquaeus oder in physiologischer Kochsalzlösung an. Die Farbe der Pigmentkörnchen, die dabei herausfallen und frei herumliegen, ist immer dieselbe: ein Orangebraun, ob die Iris in vivo gelblich, grau, grünlich oder braun ausgesehen hat. Nur die Helligkeit der Pigmentkörner ist verschieden und scheint von der Dicke derselben abzuhängen. Im durchfallenden Lichte betrachtet, erscheinen die Piement- massen am Rande, wo die Körnchen einzeln liegen, gelblich und in raschen Übergängen gegen innen zu braun, bis sie namentlich bei grösseren Zellen in der Mitte in Schwarz übergehen; hier bilden sie formlose aus zahlreichen Körnchen aufgebaute Klümpchen. Es ist immer und überall dieselbe Farbennuance; nirgends sieht man ein rötliches Braun oder ein grünliches Braun. 1) Prof. Zuckerkandl hatte die Güte, mir das Pigment blauer Iriden.zu demonstrieren. Zur Kenntnis von der Entstehung der Irisfarben. 125 Ich muss deshalb annehmen, dass die Variationen, welche die Pigmentkörnchen der Stromazellen und diese Zellen selbst durch die Körnchen in ihrer Färbung zeigen, nur der Ausdruck stärkerer oder schwächerer Absorption des Lichtes durch denselben Farbstoff sind, wobei ich dahingestellt lasse, ob es Körnchen von gegebener Dicke eibt, die mehr oder weniger des Farbstoffes enthalten, wie es bisweilen den Anschein hat. Denn es kommt vor, dass man zwei anscheinend gleich grosse Körnchen sieht, von denen das eine selb, das andere dunkelbraun erscheint, und man kann sich nicht davon überzeugen, dass letzteres dicker ist. Künstlich erzeugte Irisfarben. Bei blauen Augen wirkt, wie ich 1904 besprach und längst be- kannt ist, die pigmentfreie Iris als trübes Medium über dem dunklen Pismentepithel. Ich verweise hierbei auf das früher Gesagte und wähle den Ausdruck „pigmentfreie“ der Kürze halber, weil das Pigment blauer Iriden in vivo et mortuo für das Auge des Beob- achters selbst am Pupillarrand, wo es am dichtesten liegt, nicht merklich in Betracht kommt. Je nach der Dicke und Trübung bzw. Doppeltbrechung des Irisgewebes, richtiger des Bindegewebes der Iris, ist dieses Blau dunkler oder heller — bei zarten Iriden dunkler, bei derben heller. Ich habe, wie schon erwähnt, Versuche gemacht, die Irisfarben, welche am häufigsten in unseren Gegenden zu sehen sind, nachzu- ahmen; dieselben waren mir, wie ich seinerzeit kurz berichtete), gelungen, doch setzte ich diese Versuche auf Anregung des Herrn Professor S. Exner fort. Bei den ersten Versuchen hatte ich Objektträger mit opaken Malerfarben bestrichen, trocknen lassen und vor oder hinter eine vierkantige Flasche mit Mastixemulsion gebracht, die vor einem dunklen Grund als trübes Medium wirkte. Man erhält eine solche, indem man eine alkoholische Mastixlösung tropfenweise in Wasser giesst. Je nach der Dicke der Schichte des trüben Mediums und je nachdem ich das Gelb auf dem Objektträger heller oder dunkler wählte, war die eine oder die andere Irisfarbe hergestellt. — Soweit kam ich damals. 1) Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 105 S. 335. 1904. 126 ‘Mathilde Gstettner: Nunmehr handelte es sich darum, zu erfahren, ob man mit ein und derselhen Pigmentfarbe und dem trüben Medium die ver- schiedenen Irisfarben zustande bringen kann. Als trübes Medium verwendete ich : bei weiteren Versuchen Celloidinscheiben. Ich stellte mir dieselben aus reinster, wasserklarer Celloidinlösung her. Diese goss ich zuerst in ein kreisförmiges zylindrisches Glasgefäss mit ebenem Boden und liess sie erstarren, aber nur so weit, dass sie sich noch weich anfühlte, aber doch fest genug war, um beim Übertragen in ein anderes Gefäss zusammen- zuhalten. Glashell, scheinbar farblos, erweist sich die Scheibe auf dunklem Grunde als trübes Medium, erscheint also blau, schon bevor sie mit Alkohol in Berührung kommt. Um sie haltbarer zu machen, über- goss ich sie, nachdem ich sie vom Glase abgelöst hatte, bisweilen auch vor dem Ablösen mit absolutem Alkohol, wodurch sie sich stärker trübte, ohne die Fähigkeit einzubüssen, als trübes Medium zu fungieren. Diese Scheiben bewahrte ich in Alkohol auf. Ein bis zwei Tage bleiben sie nahezu unverändert, selbst in 75 oder 70°/oigem Alkohol; später werden sie immer mehr weisslich und dann gelblich, zeigen aber selbst noch nach Monaten die bläuliche Farbe als trübes Medium. Die Versuchsanordnung war immer so gewählt, dass sie nach Möglichkeit den Verhältnissen entsprach, wie sie sich im Auge vorfinden: 1. dunkler Hintergrund, 2. trübes Medium, 3. Pigmentfarbe, 4. Beleuchtung von vorn, wobei Pigment und trübes Medium in einfacher oder mehrfacher Schichte angewendet wurden. Als dunkler Hintergrund diente entweder ein schwarzes Tuch oder eine ziemlich weite und tiefe zylindrische Röhre, die mit schwarzem Sant ausgeschlagen und ebenso nach hinten abgeschlossen war. Zur Beleuchtung verwendete ich helles Tageslicht oder Auer- licht. Am günstigsten waren die Resultate, wenn das Licht schräg. von vorn oder doch hauptsächlich aus dieser Richtung einfiel. Die Pigmentfarben brachte ich als Aufschwemmung in prismatische Flaschen. Ich verwendete dazu Gummigutti und Malerdeckfarben, die ich vorher wiederholt geschlemmt hatte, um nur kleine Farb- Zur Kenntnis von der Entstehung der Irisfarben. 127 körnchen in Verwendung zu haben. Die Flaschen mit dem farbigen Inhalt brachte ich dicht vor das trübe Medium und konnte auf diese Weise verschiedene Irisfarben darstellen. Es ist wichtig, hervor- zuheben, dass man sich sehr leicht über die wahre Farbe einer Fläche täuscht, wenn man sieht oder weiss, dass dieselbe durch mehrere gefärbte Schichten zustande kommt. Es ist deshalb bei diesen Versuchen nötig, die betreffende Fläche stets durch ein innen seschwärztes Rohr so anzublicken, dass die Umgebung geänzlich abgedeckt ist, wodurch gleichzeitig jede Kontrastwirkung aus- geschaltet wird. Nachdem ich gefunden hatte, dass die oben erwähnten Celloidin- scheiben als trübes Medium verwendbar sind, versuchte ich nun, die Verhältnisse des Irisbaues nachahmend, in jene selbst die Pigmente einzutragen. Ich rührte daher zunächst ein pulverisiertes Braun in einer Celloidiniösung an und trachtete, die geschlemmte Malerfarbe — es ejenet sich hierzu sehr gut „Neapelgelb“!) — in genügende Verteilung zu bringen. Von der Celloidinlösung hatte ich so viel _ verwendet, dass ich eine Scheibe giessen konnte (etwa Vs em dick und von 8—10 em Durchmesser) und behandelte das Ganze wie die reine Gelloidinlösung zur Herstellung der beschriebenen Scheiben trüben Mediums. Nach etwa 24 Stunden zeigte die neue Scheibe in der entsprechenden Beleuchtung auf dunklem Hintergrunde eine Irisfarbe. Je nachdem ich mehr oder weniger von der Farbe in eine solche Scheibe eintrug, und je nachdem ich sie dünner oder dieker herstellte, ferner das Pigment hauptsächlich an der vorderen Fläche anordnete oder verteilte, bekam ich Irisfarben, wie sie braune, graue grünliche, gelbliche Iriden in allen Abstufungen zeigen. ‘ Gummiguttiemulsion konnte ich zu diesen Versuchen wegen der Löslichkeitsverhältnisse nicht verwenden, deshalb nahm ich hier- zu Chromgelb. Obwohl sich bei den Versuchen mit Mastixemulsion als trübes Medium Gummiguttiemulsion besser bewährt hatte als Chromgelb, erhielt ich auch hier ganz deutlich ein Grün, wie ich es an Iriden gesehen habe. Die Technik, die ich bei Herstellung dieser Scheiben, welche zugleich trübes Medium bilden und das Pigment enthalten, einhielt, war folgende. Nachdem ich meine Farbe mit der Celloidinlösung 1) Es ist das in Pulverform ein helles Braun. 128 Mathilde Gstettner: verrührt hatte, so dass genügend Farbpartikelchen in feinste Ver- teilung gebracht waren, goss ich den oberen Teil der Flüssigkeit vom Bodensatz ab und stellte ersteren zum Erstarren an einen ruhigen Platz, gegen Staub durch eine Glasglocke geschützt. Je dichter der Abschluss war, desto günstiger fielen die Scheiben aus, weil die Eigenschaft des Celloidins, als trübes Medium zu wirken, beim langsamen Erstarren besser zum Vorschein kam als beim raschen Trocknen. Ruhe ist erforderlich, um die gleichmässige Ver- teilung der Farbpartikelehen zu erhalten. Der Umstand, dass die Farbpartikelchen in der Tiefe nach dem Erstarren dichter zusammengedrängt liegen als in den übrigen Teilen der Celloidinscheibe (Wirkung der Schwere), wirkt bei Verwendung derselben in den Versuchen schon deshalb nicht ungünstig, weil hier- durch die Verteilung des Pigmentes in dem Irisgewebe nachgeahmt ist. Bekanntermaassen gehört die reicher pigmentierte Schichte des Irisgewebes der Vorderfläche an, wo die Pigmentzellen am dichtesten liegen. Durch Zufall kam ich auf eine andere Art der Darstellung von Irisfarben. Ich hatte bei meinen Arbeiten gewöhnlich über einer Glasplatte manipuliert, wie sie auf Arbeitstischen in Laboratorien in Gebrauch stehen. Als ich eines Tages von der Glasplatte ein glashelles Celloidinhäutehen abhob, kam mir der Gedanke, meine Farben in solche dünnste trockene Schichten von Celloidin zu bringen. Nach manchem Fehlversuche gelangte ich dadurch ans Ziel, dass ich die geschlemmte, gut getrocknete Farbe in 2 Jo iger Celloidinlösung in gleichmässige feinste Verteilung brachte und dann 5°/oige Celloidinlösung nachgoss, meist ungefähr in gleicher Menge. Je nachdem die Farbe in ein- oder mehrfacher Schichte in der Versuchsanordnung in Verwendung kommen soll, müssen die Ver- hältnisse der Mengen zwischen dünner und dicker Celloidinlösung und Farbe variieren. Nach dem Ausgiessen auf die Glasplatte, wo- zu nie mehr Farbenaufschwemmung verwendet werden darf, als nötig ist, um die Platte mit einer '/’? mm hohen Schichte (im flüssigen Zustande gemessen) zu überziehen, muss die mit Farbe vermengte Celloidinlösung auf der Platte so lange in leichter Be- wegung erhalten werden, bis die Masse genügend verdichtet ist, dass sich die Farbpartikelehen nur mehr langsam bewegen. Dann ist die Platte an einen ruhigen Ort vollkommen horizontal zu legen, vor Staub und vor zu raschem Erstarren zu bewahren. Nach wenigen Zur Kenntnis von der Entstehung der Irisfarben. 129 Stunden schon, besser am nächsten Tag kann man ein homogen ge- färbtes Häutehen von der Glasplatte abheben. Der geringste Fehler in der Darstellung rächt sich auf irgendeine Weise, sei es, dass das Häutchen in viele schmale zugespitzte Streifchen zerspringt, sei es, dass es sich unregelmässig krümmt, usw. Das Loslösen des „Farbhäutehens“ von der Glasplatte erfordert die grösste Vorsicht, weil es einerseits leicht unregelmässig springt, anderseits, weil es so stark elektrisch wird, dass es kaum einige Sekunden freihängend in der Luft gehalten werden kann: es schlägt sich sofort auf die Hand zurück. Diese letztere Eigenschaft bewirkt, dass das Häutchen — negativ elektrisch — in jeder Stellung tagelang an Glasflächen haften bleibt um so länger, je weniger dicht die Farbpartikelchen darin enthalten sind. Ich legte daher in meiner Versuchsanordnung solche Farb- häutehen glatt an die Wand der prismatischen Flaschen mit Mastix- emulsion und bekam damit sehr gute Resultate. Mit einem hellen gelblichen Braun konnte ich je nach Variation der Farbmenge (ein- faches oder mehrfach übereinandergeleste Häutchen) und Dicke der Schicht des trüben Mediums die Farbe der lichten graugelblichen, grauen, grünlichen und hellbraunen Iriden nachahmen. Gelbe Pigmente erzeugten mit dem Blau des trüben Mediums, auch in Mischung mit verschiedenen Arten von Braun, falls letzteres nicht zu sehr überwog, stets einen grünlichen Ton. Bei der künst- lichen Herstellung der Farbe der sogenannten grauen Augen ist auch vor der pigmentierten Schicht eine Lage trüben Mediums anzubringen. Bei Herstellung der gelblichen Töne muss das trübe Medium weiss- lich sein. Mein weiteres Streben ging dahin, mit möglichst gleichen Mitteln wie die Natur die Irisfarben darzustellen. Zunächst benutzte ich die Iris ganz frischgetöteter Kaninchen- Albinos als trübes Medium mit einer schwarzlackierten Porzellan- platte als Hintergrund — die Iris erscheint blau. Nun streute ich die Malerdeckfarben mit einem Pinsel in geringer Menge, fein ver- teilt, auf die Iris, bald auf die vordere, bald auf die hintere Fläche oder auf beide. Ich betrachtete die Iris auch frei, noch von Kammer- wasser befeuchtet, oder in physiologischer Kochsalzlösung oder im Wasser immer auf dunklem Grunde. Auch auf diese Weise erhielt ich einige Farben, wie sie den lebender Iriden entsprechen: Grün- lich, Bräunlich, Braun. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. ) 130 Mathilde Gstettner: Nun wollte ich auch noch tierisches Pigment verwenden. Ich nahm dazu menschliche Haare und Katzenhaare, schnitt sie in kurze Stückchen (!/ı mm und kürzer) oder verwendete die Haarpartikelchen, die sich im Seifenschaum, der zum Rasieren verwendet wurde, finden. Nach Waschung und Entfettung derselben brachte ich sie in Celloidin, wobei ich nur dann günstige Resultate erhielt, wenn ich die Haar- partikelchen in die Celloidinscheibe eingebettet hatte. Die Versuche mit den Celloidinscheiben und Haaren waren sehr günstig ausgefallen. Die grösste Zahl von Variationen erhielt ich auch hier mit einem sehr hellen Braun (im gewöhnlichen Leben als etwas dunkleres Blond bezeichnet). Ich konnte damit gelbliche, grünliche, graue und braune Irisfarben in grösserer oder geringerer Reinheit darstellen, ähnlich wie mit den farbigen Celloidinhäutchen und Mastixemulsion, aber nur ähnlich, denn sie waren nie so rein. Dies mag seinen Grund in der Cuticula haben, von welcher das Haarpigment gedeckt ist, und den Grenzen der Zellen der Substantia propria des Haares, die durch Reflexe störend wirken. Mit licht- blonden Haaren konnte ich nur ein schönes Irisgrün erzielen und ein Grünlichgrau; mit dunkelbraunen Haaren erhielt ich ein Grau und ein Braun bisweilen mit einem Stich ins Violette. Aus allen diesen Versuchen geht hervor, dass das Irispigment höchstwahrscheinlich nur in einer Farbe auftritt, in dem oben er- wähnten Gelbbraun; ferner, dass die lichteren Irisfarben auf einem stärkeren Hervortreten des trüben Bindegewebes beruhen, das bis zum mehr oder weniger neutralen Grau führen kann. Ist die Trübung eine zartere und das Irispigment in verschwindenden Quantitäten vorhanden, so entsteht das tiefe Blau, wie man es häufig beim Neu- geborenen findet, und welches im Laufe des Lebens, wenn das Pig- ment sich nicht merklich vermehrt, heller und ungesättigter wird, offenbar wegen zunehmender Derbheit des als trübes Medium wirkenden Bindegewebes (Hinzutreten des obengenannten Grau). Mit wachsender Quantität der eingestreuten Pigmentzellen ent- steht aus jenem Blau die Farbe der sogenannten grünlichen Augen, welche bei genauerer Betrachtung gelbe Flecken besonders am Pupillarrand zu zeigen pflegen, die ihre Entstehung einer stärkeren Anhäufung von Pigmentzellen verdanken; sodann jene der gelben und braunen Augen. Auch letztere können nach dem obengenannten Prinzipe an Helligkeit variieren. Zur Kenntnis von der Eintstehung der Irisfarben. 131 In dunkelbraunen Iriden sind die Pigmentmassen in Fülle an der Vorderfläche zusammengedrängt, und da diese letztere über- dies zahlreiche Vertiefungen trägt, so entsteht der Eindruck eines dunklen Samtes. Es sei mir zum Schlusse gestattet, dass ich meinem hoch- geschätzten Lehrer, Herrn Hofrat Professor Sigmund Exner, meinen besten Dank für seine gütigen Bemühungen bei Förderung dieser Arbeit zum Ausdrucke bringe. 9* 132 > =. Berichtigung. Berichtigung zu der Abhandlung: Beiträge zur Physiologie der autonom innervierten Muskulatur. II. Mitt. von Dr. med. Lewon Orbeli und Dr. med. E. Th. von Brücke betr. Tafel VI in Bd. 133 dieses Archives: Dureh ein Versehen der Kunstanstalt ist die Tafel VI beim Textdruck auf den Kopf gestellt worden, wodurch die Fig. 1 de Nr. 3 und Fig. 3 die Nr. 1 erhalten hat. Eine Ersatztafel wird einem der nächsten Hefte des Archives beigefügt. (Aus der ernährungsphysiologischen Abteilung des Instituts für Gärungsgewerbe der Kgl. Landwirtsch. Hochschule zu Berlin.) Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres im mensch- lichen und tierischen Organismus. Von Wilhelm Völtz (Referent, Rudolf Förster und August Baudrexel. Die norddeutschen dunklen Biere (ein solches Bier wurde aus- schliesslich für die vorliegende Untersuchung benutzt) enthalten un- gefähr 4°/o Alkohol und ca. 5—7 °/)o Trockenrückstand (Extrakt). Dal eg Alkohol 7,08 Cal. und 1 g Extrakt ca. 3,8 Cal. liefern, sind ‚n 1 Liter Bier der angegebenen Zusammensetzung rund 280 Cal. im Alkohol und 2380 , „ im Extrakt, Sa. 510 Cal. enthalten, das ist eine recht beträchtliche Energiemenge. Das Bierextrakt weist eine recht komplizierte Zusammensetzung auf; in geringen Mengen sind N-haltige Substanzen vorhanden (in 100 Extrakt ca. 1 N), die aus kleinen Mengen Eiweiss, Albumosen, Peptonen, Leuein, Tyrosin, Guanin, Hypoxanthin, ferner Vernin und Cholin und Spuren von Alkaloiden bestehen. Die Haupt- menge des Extraktes sind Kohlehydrate (ca. 85 °/o). Unter diesen überwiegen Dextrine, ausserdem sind Isomaltose, Maltose, Dextrose, Galaetoxylan (ein gummiähnlicher Stoff), Amylan, Hefengummi, Pektinstoffe, Caramel, Pentosen und Inosit im Extrakt enthalten. In geringen Mengen kommen schliesslich Hopfenharze und Hopfenöle, Glycerin und Bernsteinsäure usw. im Bierextrakt vor; der Asche- gehalt beträgt etwa 3—4°/o. Es handelt sich bei dem Bierextrakt also um ein recht kompliziert zusammengesetzes Nahrungs- und Ge- nussmittel. Wenn wir ferner bedenken, dass die Menge des Ex- traktes und das Verhältnis seiner einzelnen Bestandteile zueinander Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 10 134 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: in den verschiedenen Bieren, ebenso wie der prozentische Alkohol- gehalt, sehr grossen Abweichungen unterworfen sind, so sehen wir, dass experimentelle Untersuchungen über das Verhalten des Bieres im menschlichen und tierischen Organismus auf erhebliche Schwierig- keiten stossen. Diesen Schwierigkeiten suchten wir einmal dadurch zu begegnen, dass wir nur Bier derselben Herkunft, und zwar von der Berliner Versuchs- und Lehrbrauerei, für unsere Untersuchungen verwendeten und ferner zunächst gesondert die Verwertung des Extraktes durch den Organismus und seine etwaige Wirkungen als Genussmittel studierten, ehe wir an Stoffwechselversuche mit dem Bier selbst gingen. Dureh die bahnbrechenden Arbeiten, insbesondere Pawlow’s und seiner Schüler, sind wir über die physiologische Bedeutung der Genussmittel wesentlich besser unterrichtet als früher. So wissen wir, dass diese Stoffe als chemische Erreger der Fermentsekretion im Tierkörper anzusehen sind. Im Hinblick auf diese Tatsache er- scheint die Möglichkeit naheliegend, dass bei gleichzeitiger Zufuhr von Genussstoffen zu einem bestimmten Regime die Resorption der Nährstoffe eventuell erhöht werden könnte. Übrigens liegen bereits eine Anzahl diesbezüglicher Beobachtungen vor. So fand M. Rubner!), dass Käse die Verdaulichkeit der Nahrung erhöht, Effront?) ermittelte eine wesentlich vermehrte Resorption von vegetabilischem Nahrungseiweiss nach Fleischextrakt- zufuhr, und der eine von uns [W. Völtz°)] konnte in Versuchen, die er in Gemeinschaft mit G. Yakuwa an Hunden ausführte, zeigen, dass verschiedene Amidsubstanzen eine höhere Verdaulichkeit der N-haltigen Nahrungsbestandteile bewirkten. Weiterhin führt Spiro*) als Würzstoffe, die die Resorption der Nahrung erhöhen, Kochsalz, Senföl, Pfeffer, Pfefferminze und Alkohol an. Um eine etwaige Erhöhung der Resorption der Nährstoffe nach der Zufuhr von Bierextrakt hervortreten zu lassen, war es erforder- 1) Bericht IV des fünften internationalen Kongresses für angewandte Chemie S. 99. 1904. 2) Bericht IV des fünften internationalen Kongresses für angewandte Chemie S. 97—99. 1904. 3) W. Völtz und G. Yakuwa: Über die Verwertung verschiedener Amid- substanzen durch Carnivoren. Pflüger’s Arch. Bd. 121 S. 141. 1908. 4) Spiro in N. Zuntz und A. Loewy’s Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Verlag von F. C. W. Vogel, Leipzig 1909. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc, 135 lich, in den Vergleichsperioden ein Regime zu wählen, das möglichst frei von Genussstoffen war. Naturgemäss stossen derartige Versuche auf grosse Schwierigkeiten, weil die Tiere sich häufig weigern, ein senussstofffreies oder -armes Futter zu verzehren. Sie können dazu meist nur nach einer kürzeren oder längeren Hungerperiode gebracht werden, und selbst dann lassen sich die einzelnen Perioden oft genug nur recht kurze Zeit durchführen. (Wir haben aus den angeführten Gründen eine ganze Anzahl Versuche früher oder später unter- brechen und auf eine Publikation der unvollständigen Resultate natürlich verzichten müssen.) Für diese Versuche dienten ausnahms- los Hunde, die nun einmal für diesen Zweck die am besten ge- eigneten Versuchstiere sind. Es soll hiermit jedoch nieht gesagt sein, dass die Hunde mit Vorliebe die Extraktstoffe des Bieres auf- nehmen, die übrigens allein auch dem Menschen nicht schmecken, während sie ausser im Bier doch als Zusatz zu manchen Speisen (Bierfische, Eierbier, Biersuppen usw.) beliebt sind. Speziell scheinen die Bitterstoffe des Bieres, die in der natürlichen Nahrung der Fleisch- fresser nicht vorkommen, dem Hundegaumen nicht besonders zu gefallen. Immerhin haben wir in den betreffenden Perioden beobachten können, dass die Tiere das mit Bierextrakt gewürzte Grundfutter wenigstens teilweise verzehrten, während es ohne diesen Zusatz meistens mit Hilfe eines Löffels oder einer Schlundsonde eingeführt werden musste. Eine Hündin frass sogar das Futter während der Bierextraktperiode sierig, während sie das würzlose Grundfutter absolut verschmähte. Das Regime der Vergleichsperioden bestand ausser den nötigen Mineralsubstanzen ferner aus Eier-Albumin, Rindertalg und Kartoffel- stärke bzw. Dextrin. Kasein, das wir zunächst an Stelle des Albumins gewählt hatten, erwies sich als ungeeignet. Der Genuss desselben verursachte den Tieren offensichtlich Widerwillen. Mit Albumin, Talg, Stärke, resp. Dextrin haben wir dagegen an verschiedenen Hunden eine ganze Anzahl Perioden glatt durchführen können, über die im folgenden berichtet werden soll. Das Futter wurde in heisses Wasser eingetragen und während des darauf folgenden Kochens wieder- holt umgerührt, so dass eine gleichmässige Mischung möglich war. Über die Versuchsanstellung siehe die früheren Publikationen von W. Völtz in diesem Archiv und in dem von E. Abderhalden heraus- gegebenen Werk: Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden !). 1) Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin— Wien, Bd. III, S. 1040 bis 1054, 1910. 10* 136 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: An dieser Stelle beschränken wir uns auf die folgenden Angaben: In den Nahrungsmitteln, sowie im Harn und Kot wurden der N- und Caloriengehalt direkt ermittelt. Die Abgrenzung der Fäces erfolgte in einigen wenigen Versuchen durch Knochen, in den meisten mittels Holzkohle. In den Knochen, die gemahlen und durch Über- giessen mit kaltem Äther, der später abdekantiert wurde, von der Hauptmenge des Fettes befreit worden waren, wurden Calorien- und N-Gehalt, in der Kohle der Caloriengehalt bestimmt. Der Harn wurde bei den Hündinnen täglich mittels Katheters abgegrenzt, bei den Hunden zu Beeinn und am Schluss der Periode entweder mittels Katheters oder nach der Methode von Zuntz!). An den einzelnen Tagen jeder Periode erfolgte die Abgrenzung des Harnes der männ- lichen Hunde auf der Tretbahn mit Hilfe eines von W. Völtz?) konstruierten Harntrichters. Den Tieren wurde zu Beginn jedes Ver- suchstages durch Laufen auf der Tretbahn die nötige Bewegung ver- schafft und zumeist bei der Gelegenheit die Fäces direkt aufgefangen. Die N-Bestimmung der Fäces erfolgte in der frischen Substanz. Die folgende Tabelle enthält die Daten über den N- und Calorien- gehalt der verfütterten Substanzen. Tabelle T. Analysen = Werte. Ovalbumin I .. 1186 %o N und 4,642 Cal. ) AL 222 les, Bierexwaktsle2 2 70:96 mon and 2 ESS 20er E83 Gellnlosert 27722270. 032 0 Pal zursklarnver- brennung) „ I... 007 % „ „ 398 „ (zurFütterung g lufttrocken der Ratten) Dextrin ar ee: VITO ol Kartoffelstärke . 0,027 % „ „ 38397 „ _(1880°%0 Wasser) Knochen (entfettet) 5,98 Yo „ „ 0,2383 „ Kohle (Holzkohle) — 6,564 „ ) Eundertaleı 77 22201200 HiGzer Pferdefleisch .. 345 % „ „ 1361 „ aufdasfrischeFleisch bezogen Schweineschmalz. 0,00 % „ „ 9511 „ Das Bierextrakt wurde auf folgende Weise gewonnen: Das dunkle Bier der Versuchs- und Lehrbrauerei wurde, nachdem die Kohlensäure durch Ausschütteln grösstenteils entfernt war, zunächst 1) Pollitzer, Über den Nährwert einiger Verdauungsprodukte aus Eiweiss. Pflüger’s Arch. Bd. 37 S. 303. 2) Näheres s. E. Abderhalden, Handbuch |. c. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 137 auf dem Wasserbade bis zur Sirupkonsistenz eingedampft und hierauf im Vakuumtrockenapparat bei ca. 15 mm Druck und 30—40° C, getrocknet. Das so erhaltene, absolut trockene, sehr lockere Präparat nimmt beim Stehen an der Luft ungefähr 5—6 °/o Wasser auf. Es wurde lufttrocken analysiert. Bierextrakt I enthielt in 100 Trockensubstanz: 3,44 Asche, 96,60 organische Substanz, 6,36 N-haltige Stoffe (N X 6,25), 0,13 Ätherextrakt, 90,11 N-freie Extraktstoffe. Die N-haltigen Stoffe bestanden zu 42,70 °/o aus Protein!) und zu 57,3 °/c aus Amidstoffen. Die erste Versuchsreihe wurde an einem männlichen Teckel durchgeführt. Es sollte der physiologische Nutzwert des Bierextraktes ermittelt, der Einfluss dieses Präparates auf den N-Umsatz und N-Ansatz bestimmt und schliesslich festgestellt werden, ob etwa der resorbierbare Anteil der Nährstoffe, welcher zunächst in einem an Genussstoffen möglichst armen Regime zu ermitteln war, durch eine Zulage von Bierextrakt erhöht werden könnte. Um das Verhalten des Bierextraktes im tierischen Stoffwechsel im Vergleich zu reinen Nährstoffen recht deutlich hervortreten zu lassen, wurde ausserdem in besonderen Perioden eine dem N- und Caioriengehalt des Bierextraktes gleiche Menge an N und Calorien in Form von Ovalbumin und Dextrin gereicht. Das offizinelle Dextrin enthält sämtliche Zwischenglieder zwischen Dextrin und Dextrose ?), es erscheint also als Ersatzmittel für die N-freien Extraktstoffe des Bieres in vergleichenden Versuchen besonders geeignet. Die. Versuchsreihe I umfasst fünf Perioden von je fünftägiger Dauer und zwar eine Grundfutterperiode, zwei Bierextrakt- und zwei Dextrin - Albuminperioden. Die Grundfutterperiode ist die Periode 3; da es nämlich nach früheren Erfahrungen sehr zweifel- haft erschien, ob sich zwei Grundfutterperioden an demselben Tier bei dem gewählten Regime würden durchführen lassen, so wurde 1) Bestimmt nach der Methode von Barnstein, Die Landwirtschaftl. Versuchsstationen Bd. 54 8. 327. 1900. 2) J. König, Die menschlichen Nahrungs- und Genussmittel Bd. 2 S. 157. 138 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: die Grundfutterperiode so zwischen die übrigen Perioden eingeschaltet, dass ein Vergleich der Resultate sämtlicher Perioden am besten er- folgen konnte. Die Reihenfolge der Perioden war folgende: 1. die erste Dextrin-Albuminperiode, 2. die erste Bierextraktperiode, . die Grundfutterperiode, . die zweite Dextrin-Albuminperiode und 9. die zweite Bierextraktperiode. Der ersten (Dextrin-Albumin)-Periode gehen fünf, der dritten (Grund- futter)-Periode zwölf Hungertage voraus, weil andernfalls die Ver- suchsreihe nicht hätte durchgeführt werden können. Wir lassen nunmehr die detaillierten Angaben über die Nahrungs- zufuhr, für den N-Umsatz und -Ansatz und für den Energieumsatz folgen: | Sr) I. Versuchsreihe. Vom 1./2. Juni bis 16./17. Juli 1909. Männlicher Teckel. Periode 1. Vom 1./2.—5./6. Juni 1909. (Dextrin-Albuminperiode.) Das Tier erhält nach fünftägigem Hunger pro die: als Grundfutter: 9,86 g Ovalbumin mit 1,21 g N und 45,771 Cal. 15,27 „ Rindertalg 0 A DAN 25,50 „ Kartoffelstärke „ 0,01 „ „ „86,624 „ 3,2 „ Kochsalz — == 4,0 „ Knochenasche — — als Zulage: 3,93 g Ovalbumin Lo u nu lose: 5 45,45 „ Dextrin OST 108 Sa. 1,30 g N und 463,785 Cal. Zur Abgrenzung der Fäces dienten 2 g Kohle mit 13,123 Cal. (Siehe Tabelle II auf S. 139.) Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund im Mittel 0,272 g N und 70,3 Cal. erhalten. Der mittlere tägliche Gewichtsverlust betrug 72 g. Das Tier verliert pro die im Mittel 0,18 g N, befindet sich also nahezu im N-Gleichgewicht; dagegen war eine erhebliche Gewichts- abnahme von durchschnittlich 72 g täglich zu konstatieren. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 139 Tabelle II. Es wurden ausgeschieden N Mesıne en Datum |; EN biert | N-Ansatz | wicht lass im Harn | im Kot Berniessh. Summa et Eu oe los Bro od a Q/o ec .0/o EN kg 1./2. Juni | 0,88 49 | 0,50 | 27,8 | 0,08 4,5 1,46 81,2 | 1,30 | 72,2 | 0,34 | 18,8 | 6,320 232 1,01 | 55 | 0,50 | 27,8 | 0,08 | 4,5 | 1,59 | 88,5 | 1,30 | 72,2[0,21 1117| — 3/4. „ 11,16 |64|0,50 | 27,8 |0,08 4,5 [1,74 96,7[1,30|72,2[0,06 3,3| 6,510 4/5. „ 10,97 |54!0,0|27,8|0,07 3,9|1,54 85,6[1,30 722[0,26 144| — 3/6. „ 1,19 | 60 | 0,50 | 27,8 0,07 | 3,9 | 1,76 | 98,4 | 1,30 | 72,2 0,04 | 2,2] 6,460 Sem Sal 20 ee ia Zr REIZE Also im Mittel von 5 Tagen: [ 1,04 | 58 | 6,50 | 27,8 | 0,08 | 4,5 | 1,62 | 90,1 | 1,30 | 72,2] 0,18 | 10,0 | 6,590 Die Resorption des Eiweiss betrug 72,2 °o der Zufuhr, er- scheint also recht niedrig. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Eiweisszufuhr nur gering war, so dass im Vergleich zu dem N des Kotes, welcher dem Nahrungseiweiss entstammte, offenbar relativ viel N-haltige Stoffwechselprodukte den Fäces beigemengt sein mussten, wodurch natürlich der betreffende Verdauungskoeffizient entsprechend herabgedrückt wird. Ausserdem kommt hierfür die relativ zum Eiweissgehalt des Futters hohe Kohlehydratzufuhr in Betracht. Was die N-Ausscheidung im Harn an den einzelnen Tagen anbelanst, so finden wir am ersten Tage im Vergleich zu den drei folgenden Tagen eine N-Retention, am letzten eine vermehrte N-Ausscheidung. Diese Befunde können zwanglos durch ’die in Anwendung gebrachte Methode der Abgrenzung des Harnes !) erklärt werden. Die vor Beginn der Periode zwecks Abgrenzung des Harnes eingeführte beträchtliche Wassermenge führte wahr- scheinlich zu einer Mehrausscheidung von N-haltisen Abbau- produkten der Proteine durch den Harn. Diese Ausschwemmung von N-haltigen Substanzen hatte wahrscheinlich die N-Retention am ersten Fütterungstage zur Folge. Da am letzten Versuchstage die Abgrenzung des Harnes mit dem Unterschiede erfolgte, dass die durch vermehrte Wasseraufnahme erzielte Harnmenge dem Harn des betreffenden Tages zugegeben wurde, war an diesem Tage gegen- über dem vorhergehenden eine Vermehrung an Harnstickstoff zu erwarten, und das war in der Tat der Fall. Da die betreffenden 1)N. Zuntz,. c. 140 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Zahlen für den ersten und letzten Tag der Periode in entgegen- gesetzter Richtung von dem Durchschnitt der anderen Tage (übrigens nicht sehr erheblich) abwichen, findet eine Kompensierung statt. Energieumsatz: Einnahmen pro die. „vw... nun. 22 91697800 Ausgaben: . Der Kot der 5 Versuchstage wog getrocknet 96,10 & und ergab pro g 4,270 Cal. also Sa. 410,350 „ ab für 2g Kohle 13,128 „ also Sa. 397,222 Cal. resp. pro die. . 79,444 „ =17,1°lod. Zufuhr. Der Harnlenthieit, 19100072, 2 Sa. 98,444 Cal. — 21,2 od. Zufuhr = 98,444, Somit beträgt der physiologische Nutzwert. . . . 365,341 Cal. entsprechend 78,3 °/o der Zufuhr. Von den 187,150 Cal., die in Form von Albumin-Dextrin verab- reicht wurden, gingen, wie sich aus dem Vergleich dieser Periode mit der Grundfutterperiode 3 S. 143 ergibt: 79,444—44,284 = 35,160 Cal. entsprechend 18,5°/o der Zufuhr in den Kot über. Es wurden also 81,2 %/o resorbiert. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund 55,5 nutzbare Calorien erhalten. Harn - Cal. = 190 \ _ Harm-i = Er ee. Calorischer Quotient ( Der physiologische Nutzwert der Dextrin-Albuminzulage beträgt 78,8. (Berechnet aus den Daten dieser Periode und der Grund- futterperiode 3 auf S. 144.) Der calorische Quotient, welcher in der zugehörigen Grundfutterperiode 3 (S. 144) 11,6 betrug, ist hier zu 18,3 ermittelt worden, also erheblich höher. Ein so starkes und eventuell noch rapideres Emporschnellen der calorischen Quotienten fanden wir regelmässig nach vermehrter Kohlehydratzufuhr. Offenbar gehen unter solchen Versuchsbedingungen erhebliche Mengen an N-freien, oder N-armen Stoffen in den Harn über. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 141 Periode 2. Vom 6./7.—12./13. Juni 1909. (Bierextraktperiode.) Das Tier erhielt pro die: als Grundfutter: 9,86 g Ovalbumin mit 1,21 g N und 45,771 Cal. 15,27 „ Rindertalg 70:02 2, 2020.0144.240 25,50 „ Kartoffelstärke „ 0,01 „ „ „86,624 3,2 „ Kochsalz — — 4,0 ,„ Knochenasche — — » ” als Zulage: 50,0 g Bierextrakt aller enelarlolr © Sa. 1,72 g N und 463,785 Cal. Zur Aberenzung. der Fäces dienten 2 g Kohle mit 13,128 Cal. Tabelle II. Es wurden ausgeschieden N Pesor Ge- © | N-Ansatz| wicht Datum 3 : Di A . «1704 |indenEpi- : iert 1909 im Harn | im Kot |dermisgeb. Summa nn s| %| g | % ee lo) eo) Dow ieoze El/o g |%| ke 6./ 7. Juni | 0,94 | 54,7 | 0,54 [31,4 0,08 |4,6|1,56, 90,7[1,1868,6| 0,16 9,3] 6,460 7J8 ,„ [1,09 |63,4| 0,54 \31,4| 0,08 [4,6 1,21| 99,4[1,18\68,6| 0,01 10,6| — 8/9. „ [1,12 | 65,2 | 0,54 [31,4 0,08 |4,6|1,74|101,2[1,18 68,6| -0,02 1,2| 6,380 9/10. „ |1,01 58,8 | 0,54 |31,4| 0,08 |4,6 1,63| 94,8[1,18\68,6| 0,09 5,2] — 10.11. „ 1121| 70,4 0,54 131,4' 0,08 14,611,83|106,4|1,18/68,6] -0.11 6,4] 6,350 Sn bar EEE re Also im Mittel von fünf Tagen: | 1,07 | 62,2 | 0,54 |31,4]| 0,08 |4,6|1,69| 98,2]1,18|68,6] 0,03|1,7]| 6,405 Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund im Mittel 0,269 & N und 72,2 Cal. erhalten. Der mittlere tägliche Gewichts- verlust betrug 22 eg. Das Tier befindet sich also im N-Gleichgewicht bei einer ge- ringen Gewichtsabnahme von im Mittel 22 g täglich. Durch die Zufuhr von 50 g Bierextrakt mit 0,48 g N wurde der N-Gehalt der Fäces im Vergleich zu der Grundfutterperiode 3 (S. 143) um 0,54— 0,25 —= 0,29 g erhöht. Somit sind die N-haltigen Stoffe des Bier- extraktes trotz ihrer Wasserlöslichkeit nur zu 39,58 /o resorbiert worden. 142 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Energieumsatz: Einnahmen»pro dien. 1. nr Dr loan Ausgaben: Der Kot der 5 Versuchstage wog getrocknet 80,353 g und ergab pro g 4,044 Cal. also Sa. 324,950 „ ab für 2g Kohle 13,128 „ also Sa. 311,822 Cal. resp. pro die. . 62,364 „ = 13,5 Io d. Zufuhr. Der Harn enthielt 22,900 „ = 49% „ „ Sa. 85,264 Cal.= 18,40 d. Zufuhr = 85,264 „ Somit beträgt der physiologische Nutzwert . . . 378,521 Cal. ‘entsprechend 81,6°/o der Zufuhr. Von den 187,150 Cal., die in Form von Bierextrakt verabreicht wurden, eingen, wie sich aus dem Vergleich dieser Periode mit der Grundfutterperiode ergibt: 62,364—44,284== 18,080 Cal. entsprechend 10,3 /o der Zufuhr in den Kot über. Es wurden also 89,7 °/o resorbiert. Pro Kilogramm Lebendgewieht und Tag hatte der Hund 59,0 nutzbare Calorien erhalten. Harn - Cal. = 22,9 Ham-N = 1,0 Der physiologische Nutzwert des Bierextraktes beträgt 85,8. (Be- rechnet aus den Resultaten dieser Periode und der Grundfutterperiode 3 auf S. 144.) Vergleichen wir zunächst die Daten für den Energie- gehalt der Fäces dieser und der unmittelbar vorausgegangenen Albumin-Dextrinperiode, so ergibt sich, dass das Bierextrakt zu einem wesentlich höheren Prozentsatz resorbiert worden ist als die reinen Nährstoffe. Für die Dextrin- Albuminzulage war nämlich die Zahl 81,2, für das Bierextrakt dagegen 89,7 ermittelt worden, trotzdenı die N-haltigen Substanzen des Bieres zum grösseren Teil nicht resorbiert wurden. Der Caloriengehalt des Harnes war dagegen in der Bierextraktperiode höher (22,9 Cal.) als in der Albumin- Dextrinperiode (19,0 Cal.). Jedenfalls ist die Differenz bezüglich des Caloriengehaltes der Fäces dieser Perioden sehr viel grösser als bezüglich des Caloriengehaltes der Harne, und daher betrug auch der physiologische Nutzwert für die Albumin- Dextrinzulage 78,8 %/o, für die Bierextraktzulage dagegen 85,8 Yo. Dass übrigens der geringere physiologische Nutzwert für das Albumin-Dextrin nicht Calorischer Quotient ( Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 143 auf die Verfütterung des Dextrins zurückzuführen ist, beweisen die Daten für den physiologischen Nutzwert des Futters in der folgenden Grundfutterperiode 3, in der als Kohlehydrat ausschliess- lich Stärke verabreicht, und in der genau dieselbe Zahl als physio- logischer Nutzwert ermittelt worden war wie in der Dextrin-Albumin- periode. Der Versuch, diese Periode noch ein paar Tage weiter fortzu- führen, scheiterte an der mangelhaften Fresslust des Hundes. Das mit einem Löffel beigebrachte Futter wurde zum Teil erbrochen. Infolgedessen wurde der Teckel vom 15. Juni bis zum Morgen des 21. Juni freigelassen und erhielt während dieser Zeit Futter, das ihm mundete. Vom 21. Juni morgens bis zum Morgen des 2. Juli, also zwölf Tage, musste der Hund hierauf hungern; wir hätten andernfalls schwerlich noch drei Fütterungsperioden mit dem gewählten Regime unmittelbar nacheinander durchführen können. Periode 3. Vom 2./3.—6.7. Juli 1909. (Grundfutterperiode.) Das Tier erhielt nach l2tägigem Hunger pro die: 9,86 g Ovalbumin mit 1,21 g N und 45,771 Cal. 15,27 „ Rindertalg er LIE 29,90 „ Kartoffelstärke „ 0,01 ,„ „ „ 86,624 „ 3,2 „ Kochsalz a — 4,0 „ Knochenasch „ — „y » — R Sa. 1,24 © N und 276,635 Cal. Zur Abgrenzung der Fäces dienten 2g Kohle mit 13,128 Cal. Q Tabelle IV. Es wurden ausgeschieden N Resor- Ge- N- icht Datum : r biert wic im Harn | im Kot | 2 den Epi- | Symma N Ansatz des 1909 mnirab, Tieres Be oe Vo ce ee los nee llor 022/07 kr 2./3. Juli |1,48|119,2|0,25|20,2| 0,07 5,6 |1,80|145 |0,99|79,9| -0,56 |45 | 6,320 3.4. „ |1,32| 106,3 0,25 20,2| 0,07 5,6 [1,64|132 |0,99 79,9| -0,40 |32| 6,300 4.5. „ 11,24|100,0|0,25|20,2| 0,07 [5,6 |1,56|125,8[0,99|79,9[-0,32 26| — 5/6. „ 11,08] 87,2.0,25 20,2| 0,07 5,6 |1,40/113 |0,99 79,9[-0,16 | 13 | 6,270 6./7. „ |1,08| 87,2/0,25/20,2| 0,07 |5,6 |1,40. 113 |0,99|79,9] -0,16 | 13 | 6,230 Sn Sal Neger erde Also im Mittel von 5 Tagen: [1,24|100 1|0,25|20,2| 0,07 15,6 |1,561126 ]0,99| 79,9] -0,32 | 26 | 6,275 144 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund im Mittel 0,198 g N und 44,2 Cal. erhalten. Der mittlere tägliche Gewichts- verlust betrug 18 g. Das Futter genügte also nicht zur Deckung des Nährstoffbedarfes, da täglich im Mittel 0,32 & N vom Körperbestande verloren gingen. Energieumsatz: Binnahmenspro die 2 wa N ee Ausgaben: Der Kot der 5 Versuchstage wog getrocknet 58,48 g und ergab pro g 4,011 Cal. also Sa. 234,550 „ ab für 2g Kohle 13,128 „ also Sa. 221,422 Cal. resp. pro die. . 44,284 „ —= 16,0 0 d. Zufuhr. Der Harn enthielt 14,400 „ = 52%, „ Sa. 58,684 Cal. = 21,2 %o d. Zufuhr= 58,684 Cal. Somit beträgt der physiologische Nutzwert. . . . 217,951 Cal. entsprechend 78,8 °/o der Zufuhr. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund 34,7 nutzbare Calorien erhalten. Harn-Cal. — 14,4 \ _ Harı-N = zu Calorischer Quotient ( Periode 4. Vom ’7./83—11./12. Juli 1909. (Dextrin-Albuminperiode.) Das Tier erhielt pro die: als Grundfutter: 9,586 g Ovalbumin mit 1,21 g N und 45,771 Cal. 15,27 „ Rindertalg 20025, 0144, 2400 25.90 „ Kartoffelstärke „ 0,01 „ „ „ 86,624 „ 3,2 „ Kochsalz — — 4,0 „ Knochenasche = = als Zulage: 3,95 g Ovalbumin auurles 2 less 45,45 „ Dextrin EEE OS Sa. 1,50 g N und 463,785 Cal. Zur Abgrenzung der Fäces dienten 2 g Kohle mit 13,128 Cal. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 145 Tablelke \V. Es wurden ausgeschieden N Resor- Ge- biert N-Ansatz| wicht Dat : En ‚im Harn | im Kot en Summa N a ars fo u lo ro Sons ie Sonne joe ke ne 8.Juli| 0,87 | 48,3 | 0,48 | 26,7 | 0,04 2,2 | 1,39 | 77,2] 1,32 | 73,4 | 0,41 | 22,8] 6,230 8./ 9. „11,06 | 59,0 0,48 | 26,7 | 0,04 | 2,2 | 1,58 | 87,9 | 1,32 | 73,4 | 0,22 | 12,2] 6,250 9./10. „ [1,01 | 56,0 0,48 | 26,7 | 0,04 | 2,2 | 1,53 | 84,9] 1,32 | 73,4 | 0,27 |15,0| 6,300 10./11. „ [1,04 | 57,8| 0,48 | 26,7 | 0,04 | 2,3 | 1,56 | 86,7 [1,32 | 73,4 | 0,24 1134| — 11.112. „ 0,95 | 52,8 | 0,48 | 26,7 | 0,04 | 2,2 | 1,47 | 80,9 | 1,32 | 73,4 | 0,34 | 19,0] 6,240 Som || = Kal = id rar Also im Mittel von 5 Tagen: | 0,99 |55 | 0,48 | 26,7 | 0,04 | 2,2 | 1,51 | 83,9] 1,32 | 73,4 | 0,29 | 16,1] 6,235 Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund im Mittel 0,289 & N und 74,5 Cal. erhalten. Die mittlere tägliche Gewichts- zunahme betrug 2 g. Die Resultate bezüglich des N-Umsatzes und -Ansatzes stimmen mit denjenigen der Periode 1 bei dem gleichen Regime befriedigend überein. Energieumsatz: Einmmanmensprordien u... aan. nn, 2 .463,7850Cal. Ausgaben: Der Kot der 5 Versuchstage wog getrocknet 92,73 g und ergab pro g 4,464 Cal. also Sa. 413,850 „ ab für 2 g Kohle 13,128 „ also Sa. 400,722 Cal. resp- pro die. . 80,144 „ = 17,2%o.d. Zufuhr. Derklarn enthielt 18,500, = 4,0%, 7, Sa. 98,644 Cal. —= 21,2 Yo d. Zufuhr—= 98,644 Cal. Somit beträgt der physiologische Nutzwertt . . . 869,141 Cal. entsprechend 78,8°/o der Zufuhr. Von den 187,150 Cal., die in Form von Albumin-Dextrin ver- abreicht wurden, gingen, wie sich aus dem Vergleich dieser Periode mit der Grundfutterperiode 3 ergibt: 80,144—44,284 — 35,860 Cal. entsprechend 19,2 %0 der Zufuhr in den Kot über. Es wurden also 80,8 °/o resorbiert. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte. der Hund 58,5 ‚nutzbare Calorien erhalten. 146 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Calorischer Quotient ( Harn-Cal. 18,5 Harn-N I\l 0,99 )= 187. Der physiologische Nutzwert vom Dextrin-Albumin beträgt 78,7. Bezüglich des Energieumsatzes sind die Resultate dieser Periode und der analogen Periode 1 also nahezu identisch. Periode 5. Vom 12./13.—16./17. Juli 1909. (Bierextraktperiode.) Das Tier erhielt pro die: als Grundfutter: 9,86 & Ovalbumin mit 1,21 g N und 45,770 Cal. 15,27 „ Rindertalg „ V02r,, 942: 25,50 „ Kartoffelstärke ‘,. 0,01 „ „ „ 86024 „ 3,2 „ Kochsalz ar — 5 4,0 7,»RKnochenasche u ı — I, — N als Zulage: 50 g Bierextrakt se A nlezslalre, Sa. 1,72 g N und 463,785 Cal. Zur Aberenzung der Fäces dienten 2 g Kohle mit 13,128 Cal. Tabelle VI. Es wurden ausgeschieden N Resor- Ge- Dat 3 = biert | N-Ansatz | wicht on im Harn | im Kot een Summa N N a, ol a na Oo a She ae | | Kr 12./13.Juii| 1,03 | 59,8 0,64 37,2 0,05 2,9\1,22| 99,9lı,0s 6a8|+ o | o [6,240 13./14. „ [0,90 524 0,64 |37,2|0,05 2,9|1,59| 92,5[1,08/62,8| 0,13| 7,5| 6,240 14.115. „ [1,24 | 72,1 | 0,64 37,2 0,05 |2,9 | 1,93 | 112,2|1,08|62,8[-0,21|12,2| 6,200 15.116. „ [1,10 63,9 0,64 | 37,2 | 0,05 2,9 | 1,79 |104,0[1,08 | 62,8[-0,07| 4,1[ 6,140 16./17. „ [1,09 | 63,4 | 0,64 | 37,2. | 0,05 2,9 1,78 103,5|1,08 62,8] -0,06 | 3,5] 6,210 Summa 5,36 520727105 2 Baier: Also im Mittel von 5 Tagen: | 1,07 | 62,2 | 0,64 | 37,2] 0,05 | 3,9 | 1,76 |102,111,08|62,8]-0,04| 2,3] 6,225 Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund im Mittel 0,276 g N und 74,5 Cal. erhalten. Der mittlere tägliche Gewichts- verlust betrug 6 g@. Bezüglich des N-Umsatzes und -Ansatzes ist also im Vergleich mit der analogen Periode 2 eine gute Übereinstimmung zu kon- statieren. Der N-Gehalt der Fäces ist hier allerdings um 0,1 g N erhöht; und infolgedessen berechnet sich aus den Daten dieser Periode Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 147 und der Grundfutterperiode 3 ein noch niedrigerer Verdauungs- koeffizient für die N-haltigen Substanzen des Bierextraktes, als er in der analogen Periode 2 bestimmt wurde; es wurden hiernach nänı- lich nur 18,75 °/o der N-haltigen Stoffe des Bierextraktes resorbiert. Energieumsatz: Eimmahmenspro.die . 2.0... 00 2 eretsan m. 468,185 Oal. Ausgaben: Der Kot der 5 Versuchstage wog getrocknet 80,1 g und ergab prog 4411 Cal. also Sa. 353,320 „ ab für 2g Kohle 13,125 „ also Sa. 340,192 Cal. resp. pro die. . 68,038 „ = 14,7°lo d. Zufuhr. Der Harn enthielt 22,30 „ = 483% „ „ Sa. 90,338 Cal. —= 19,5 od. Zufuhr = 90,338 Cal. Somit beträgt der physiologische Nutzwertt . . . . 373,447 Cal. entsprechend 80,5 °/o der Zufuhr. Von den 187,150 Cal., die in Form von Bierextrakt verabreicht wurden, gingen, wie sich aus dem Vergleich dieser Periode mit der Grundfutterperiode 3 ergibt: 68,058—44,284 — 23,754 Cal. ent- sprechend 12,7 °/o der Zufuhr in den Kot über. Es wurden also 87,3 °/o resorbiert. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund 60,0 nutzbare Calorien erhalten. Calorischer Quotient (en en )- 20,9. Harn-N 22771807 Der physioloeische Nutzwert des Bierextraktes beträgt 83,2 Ic. (Berechnet aus den betreffenden Daten dieser und der Grundfutter- periode 9.) Für den Caloriengehalt des Harnes dieser und der analogen Periode 2 wurde nahezu derselbe Wert (Periode 2: 22,9 Cal., Periode 5: 22,3 Cal.) ermittelt. Die bei beiden Bierperioden er- mittelten hohen calorischen Quotienten legten die Vermutung nahe, dass eventuell Kohlehydrate in die Harne übergegangen waren. In der Tat konnten wir im Harn dieser Periode allerdings sehr geringe Mengen reduzierender Stoffe nachweisen. Der Kot der letzten Bier- extraktperiode enthielt 5,674 Cal. mehr als der Kot der Periode 2. (Periode 2: 62,364 Cal., Periode 5: 68,038 Cal.) Gegen Ende einer 148 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: längeren Versuchsreihe ist das Verdauungsvermögen fast regelmässig etwas beeinträchtigt, und daher wurde auch für den physiologischen Nutzwert des Bierextraktes in Periode 5 ein etwas geringerer Wert gefunden (83,2) gegenüber Periode 2 (85,8). Trotz der Erhöhung des Caloriengehaltes der Fäces in der letzten Bierextraktperiode (Periode 5) ist jedoch die Verwertung des Bier- extraktes eine erheblich höhere als die der Albumin-Dextrinzulage; für letztere wurden in den betreffenden beiden Perioden 1 und 4, bei einer Vermehrung der Fäces im Vergleich zu der Grundfutterperiode 3 um 35,160 (Periode 1), bzw. um 35,860 (Periode 4) Cal., als physiologischer _Nutzwert die Zahlen 78,8 (Periode 1) resp. 78,7 (Periode 4) gefunden, während in der letzten Bierextraktperiode (Periode 5) trotz des etwas schlechteren Verdauungsvermögens nur 23,754 Cal. (bei Zufuhr isodynamer Mengen an Nährstoffen) mehr in den Kot übergegangen waren, als in der zugehörigen Grundfutterperiode (Periode 3). Während also, wie ausgeführt, bezüglich das Caloriengehaltes der Fäces in den beiden Bierextraktperioden nur eine Differenz von 9,674 Cal. besteht, beträgt die diesbezügliche Abweichung zwischen der zweiten Bierextraktperiode und dem Mittelwert aus beiden Dextrin- Albuminperioden 11,756 Cal. zugunsten des Bierextraktes. Es geht also aus den übereinstimmenden Befunden je zweier Perioden eindeutig hervor, dass die Zulage von Bierextrakt zu einem nahezu würzlosen Grundfutter die Resorption der N-freien Nährstoffe im Vergleich zu einer Zulage von reinen Nährstoffen (Albumin- Dextrin) deutlich erhöht. Es war nun zu ermitteln, ob die Resorption des Fettes oder der Kohlehydrate in der Bierextraktperiode erhöht wird. Wir haben zu dem Zweck in den Fäces von drei Perioden dieser Reihe und zwar der Grundfutterperiode, der zweiten Dextrin- Albuminperiode und der zweiten Bierextraktperiode Fettbestimmungen ausgeführt. Die Resultate dieser Untersuchung enthält die folgende Übersicht: Die Fäces der Grundfutterperiode 3 wogen lufttrocken 11,696 g pro die, Dextrinperiode 4 & 4 18,55 8 Bierextraktperiode 5 „ R 16020 Die Proben zur Fettbestimmung wurden vor der Ätherextraktion nochmals pulverisiert, gewogen und bei ca. 40° und 20 mm Druck bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Die Fettbestimmungen ergaben: ” ” Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 149 Tabelle VI. Für die zweite Bier- extraktperiode Nr. 5 Für die zweite Dextrin- Albuminperiode Nr. 4 Für die Grundfutter- periode Nr. 3 pro die pro die pro die 8,71% = 1,02 g freies 8,49%/0 = 1,57 g freies | 5,43 %/0 = 0,37 g freies Fett Fett ! Fett 22,29%/0 — 2,61 g Fett aus ! 9,60 %0 = 1,78 g Fett aus | 11,08°%0 = 1,78 g Fett aus Seifen Seifen Seifen 31,00% — 3,63 g Gesamt- | 18,09%/0 — 3,35 g Gesamt- 16,51 %/0 = 2,65 g Gesamt- fett fett fett Da das Tier täglich 15,27 g Rindertalg 15,27 g Rindertalg 15,27 g Rindertalg und in ‚80 g Bierextrakt: 0,07 g Atherextrakt Sa. 15,34 g Ätherextrakt verzehrt hatte, wurde das Fett also in der Grundfutterperiode Dextrin-Albuminperiode Bierextraktperiode zu 76.230 zu 78,06 °/o zu 82,72 %0 resorbiert. Das Fett ist also während der Bierextraktperiode zu dem höchsten Prozentsatz resorbiert werden (zu 82,72 °/o). Nun enthielten die Fäces der Dextrin-Albuminperiode täglich 80,144 Cal., die der Bierextraktperiode 68,038 Cal., also 12,106 Cal. weniger. Der Kot (der Bierextraktperiode enthielt 0,70 g Fett weniger, als derjenige der Dextrinalbuminperiode; 0,70 g Fett liefern 6,6122 Cal. (lg = 9,446 Cal.). Es restieren somit 12,106—6,612 — 5,494 Cal. für Kohlehydrate, entsprechend 1,54 g Stärke. Es wären also durch die Zulage von Bierextrakt zur Grundration 0,70 g Fett und 1,34 g Stärke resp. isodyname Mengen anderer Kohlehydrate mehr resorbiert worden, als durch die Zulage von Albumin und Dextrin. Dieser - Ausschlag ist nicht sehr gross, jedoch deutlich; es ist ausserdem zu bedenken, dass während dieser abschliessenden Bierextraktperiode, infolge der langen Versuchsdauer, das Verdauungsvermögen des Tieres etwas abgeschwächt war, wie der höhere Caloriengehalt der Fäces dieser im Vergleich zur ersten Bierextraktperiode beweist. Leider waren von den Fäces der ersten Bierextraktperiode nicht genügende Mengen für die Fettbestimmung aufbewahrt worden. Aus den analogen Daten der folgenden zweiten Versuchsreihe werden wir eine die Resorption speziell des Fettes fördernde Wirkung des Bierextraktes noch schärfer hervortreten sehen. Pflüger’s Arehiv für Physiologie. Bd. 134. 11 150 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Während dieser Versuchsreihe 1 wurde das Fett auch in der Albumin-Dextrinperiode zu einem etwas höheren Prozentsatz resorbiert (zu 78,06 °/o) als in der Grundfutterperiode (zu 76,23 Po). Möglicherweise ist die etwas bessere Resorption des an sich ja schwer verdaulichen Rindertalges in der Albumin-Dextrinperiode auf die noch bessere Verteilung (Emulsion) in einer grösseren Futter- menge zurückzuführen. Die Resultate dieser Versuchsreihe bieten übrigens in anderer Hinsicht noch einiges Interesse. Bekanntlich ist die Grösse des Stoffumsatzes und -Ansatzes, speziell auch die des Eiweissstoffwechsels während einer bestimmten Fütterungsperiode bis zu einem gewissen Grade abhängig von der der betreffenden Periode vorausgegangenen Nahrungsaufnahme. Man pflegt daher dieser Tatsache Rechnung zu tragen z. B. dadurch, dass man jede Hauptperiode zwischen zwei Grundfutterperioden einschaltet; man kann durch eine derartige Versuchsanordnung ausserdem eine etwaige Nachwirkung der in den Hauptperioden erfolgten Nährstoffzulage z. B. auf den Eiweiss- stoffwechsel ermitteln. Eine solehe Versuchsanordnung liess sich bei der vorliegenden Versuchsreihe aus den angeführten Gründen leider nicht durchführen. Wie die Resultate der einzelnen Perioden beweisen, war eine solche Versuchsanordnung hier auch nicht er- forderlich; denn es stimmten z. B. die Daten für den N- und Energieumsatz in beiden Dextrin-Albuminperioden gut überein, trotz- dem der einen Periode eine fünftägige Hungerperiode, der anderen eine fünftägige Fütterungsperiode unmittelbar vorausging. Wie sind nun diese Befunde in Einklang zu bıingen mit den eben gemachten Angaben über die Beeinflussung des Stoffwechsels während einer Periode durch den Ernährungszustand des Organismus unmittelbar vor Beginn der Versuchsanstellung ? Die Sache verhält sch offenbar folgendermassen: Die Versuchsanstellung war hier derartig gewählt, dass während sämtlicher Perioden die Bedingungen für einen Ansatz speziell für einen Eiweissansatz besonders günstige waren. Das Regime war also in keinem Fall so reich an Nährstoffen, dass der Nährstoff-, speziell der Eiweisshunger des Organismus voll befriedigt werden konnte. Und so finden wir übereinstimmende Werte für zwei Perioden, von denen eine auf eine Hungerperiode, die andere auf eine Fütterungsperiode folgt. Sicherlich war im ersten Fall, also nach fünftägigem Hunger, der Nährstoffbedarf des Organismus noch Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 151 srösser als im zweiten Fall. Diese Tatsache konnte jedoch nicht zur Folge haben, dass etwa die Nahrung hier zu einem höheren Prozentsatz verdaut wurde, oder von dem resorbierbaren Anteil der- selben ein erösserer Prozentsatz zum Ansatz gelangte als in der zweiten Periode; denn auch hier suchten die Zellen möglichst viel Nahrungsmaterial an sich zu reissen. Eine etwas modifizierte Versuchsreihe II wurde mit einem zweiten Tier durchgeführt, und zwar mit derselben Hündin, welche früher in einer Versuchsreihe benutzt worden war, in welcher der Einfluss des Fleischextraktes auf die Resorption der Nahrung fest- sestellt werden sollte). Nach 7 Hungertagen, an denen das ca. 12 kg schwere Tier im Mittel 18 g täglich an Gewicht eingebüsst hatte, wurden eine fünftägige Grundfutterperiode 1, eine unmittelbar folgende fünftägige Hauptperiode 2 mit 50 g Bierextrakt als Zulage zur Grund- ration und eine abschliessende sechstägige Grundfutterperiode 3 durch- geführt. Das Regime der Grundfutterperioden wich von dem in der eben besprochenen Versuchsreihe an dem männlichen Teckel ge- wählten hauptsächlich dadurch ab, dass hier erheblich grössere Mengen an N-freien Stoffen (Stärke) im Verhältnis zum Eiweiss gereicht wurden. Die Zulage von Bierextrakt in den Hauptperioden war in beiden Versuchsreihen die gleiche (50 g). In der Grundfutterperiode hatte der Teckel 9,36 & Ovalbumin, 15,27 g Rindertalg und 25,50 & Stärke erhalten. Die Hündin erhielt dagegen 13,00 g Ovalbumin, 20,0 g Rinder- tale und 100,00 & Stärke, und zwar dasselbe Futter, welches sie während der Grundfutterperiode aufgenommen hatte, die der Fleisch- extraktperiode vorausgegangen war. Damals hatten sich bezüglich der Zusammensetzung des Kotes sehr auffallende Resultate ergeben, die hier zu erwähnen sind. An den ersten Tagen der auf eine da- mals zehntägige Hungerperiode folgenden Grundfutterperiode war die produzierte Kotmenge relativ zu den späteren Tagen dieser Periode abnorm niedrig (übrigens gelang eine scharfe Aberenrung des Kotes der Hungerperiode von dem der Grundfutterperiode nicht, weil dem Kot Haare beigemengt waren). Der N- und Caloriengehalt der Fäces der ersten 4 Tage war um mehr als 50°/o geringer als an den späteren Tagen. Es geht. aus diesem Befund, den wir durch weitere 1) Die Arbeit wird in Kürze von W. Völtz und A. Baudrexel in diesem Archiv publiziert werden, IR = 152 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Beobachtungen bestätigen konnten, also hervor, dass der Magen- darmkanal bei plötzlicher Überschwemmung mit Nährstoffen nach längerem Ruhezustande dieselben zunächst unter Umständen stärker resorbiert als später. In der nunmehr zu besprechenden Versuchsreihe mit dem Bier- extrakt wurden ganz ähnliche Resultate erzielt. Was zunächst die Futteraufnahme anbelangt, die während der Fleischextraktperiode stets willig erfolgte, se weigerte sich hier die Hündin vom ersten Tage ab, das Futter zu verzehren. Infolgedessen wurde das Futter während der ganzen 1l6tägigen Versuchsreihe täglich zweimal und ohne jede weitere Komplikation mittels Schlundsonde quantitativ in den Magen gebracht. Die genaueren Daten über die Nahrungs- zufuhr während der ersten Grundfutterperiode enthält die folgende Zusammenstellung: I. Grundfutterperiode. Vom 22./23.—26./27. November 1909. Das Tier erhielt pro die: 15 g Ovalbumin mit 1,833 & N und 71,75 Cal. „ Kartoffelstärke „ 0,097 , „ „ 34356 „ 20 „ Rindertalg O2 4 „ Knochenasche —_ — 2,9 „ Kochsalz — — Sa. 1,884 g N und 604,23 Cal. ” Zur Abgrenzung der Fäces dieser Periode dienten 2 g Holzkohle mit 13,128 Cal. Die Trennung der Fäces von dem Hungerkot gelang nicht mit genügender Schärfe. Die Daten für den N- und Caloriengehalt des Kotes können daher nicht verwertet werden; es wird infolgedessen auf die Aufstellung einer Bilanz verzichtet; die Resultate der ab- schliessenden Grundfutterperiode 3 ermöglichen einen exakten Ver- gleich mit den in der Haupt(Bierextrakt)-Periode 2 erhaltenen Daten. In den Fäces der Grundfutterperiode 1 wurden ermittelt: 0,79 g N und 70,094 Cal. pro die. Da die betreffenden Werte in der abschliessenden Grundfutterperiode 3 bei demselben Regime, wie wir sehen werden, etwa doppelt so hoch sind, sei hier ausdrücklich be- tont, dass diese grosse Differenz keinesfalls durch die unvollkommene Abgrenzung des Kotes der Grundfutterperiode 1 erklärt werden kann. Der hierdurch bedingte Fehler kann nur sehr gering sein; es kommt Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 153 hierfür vielmehr, wie hervorgehoben, das höhere Resorptionsvermögen des Darmes an den ersten Tagen einer Fütterungsperiode nach längerem Hunger des Tieres in Betracht. Übrigens fanden wir die nach längerem Hunger relativ zu späteren Versuchstagen zunächst ab- norm starke Resorption keineswegs immer, sondern nur bei diesem Regime und an zwei Tieren (in zwei Perioden an dieser Hündin und in einer Periode an einem Hunde, der ausser demselben Regime noch 5 g Fleischextrakt pro die erhielt). Bei den anderen von uns durch- geführten Versuchsreihen wurde ein eiweissreicheres Regime gereicht, und mit vereinzelten Ausnahmen waren die Hungerperioden von kürzerer Dauer. Es dürften ausserdem auch individuelle Verschiedenheiten in- sofern bestehen, als bei einem Tier nach kürzerer, bei einem anderen nach längerer Inanition eine zunächst relativ zu den später gefundenen Werten gesteigerte Resorption der Nahrung nach plötzlicher Nahrungszufuhr gefunden werden könnte. Ein Analogon zu unseren Befunden bietet vielleicht eine Arbeit von Ficker!), welcher fand, dass Bakterien von Hunden nach 16tägigem Hunger vom Darm resorbiert werden und in die Blutbahn gelangen, unter normalen Bedingungen und nach einer kürzeren Hungerperiode dagegen nicht. Die Zahlen für den N- und Caloriengehalt des Harnes der Grundfutterperiode 1 sind natürlich einwandfrei. Der N-Gehalt des Harns betrug am ersten | amzweiten | am dritten | am vierten | am fünften | Summa | im Mittel Tage Tage Tage Tage Tage g g g 8 NER g 9,87 | 1.89 1,84 a | 10.21 | 2,04 Die Verbrennungswärme des Harnes betrug 29,05 Cal. Harn-Cal. — 29,05 Han-N = a) — 14,24. Calorischer Quotient ( Das Lebendgewicht war am ersten | am zweiten | am dritten | am vierten | am fünften | im Mittel Tage Tage Tage Tage Tage kg kg kg kg kg kg 203 1.1203 11,98 11,97 | 11,90 | 11,98 l) M. Ficker (Hygien. Institut der Universität Berlin), Über den Einfluss des Hungers auf die Bakteriendurchlässigkeit des Intestinaltraktus. Arch. f. Hygiene Bd. 54 S. 354 (Dez. 1905). 154 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Pro Kilogramm Lebendgewieht und Tag hatte die Hündin im Mittel 0,16 & N und 50,4 Cal. erhalten. Der mittlere tägliche N-Verlust betrug ungefähr 1 g, die mittlere tägliche Gewichtsabnahme 26 g. Der Mittelwert für den N-Gehalt des Harnes stimmt mit der betreffenden Zahl nahezu überein, welche unter den gleichen Be- dingungen in der Grundfutterperiode erhalten wurde, die der Fleisch- extraktperiode (l. e.) vorangegangen war. Hier wie dort ist ausserdem am ersten Tage der Perioden der N-Gehalt des Harnes im Vergleich zu den späteren Versuchstagen wesentlich erhöht. Man hätte am ersten Tage einer Fütterungs- periode, die auf eine Hungerperiode folgt, viel eher die stärkste N- Retention erwarten sollen; denn offenbar ist doch der Nährstoffbedarf der Zellen unmittelbar nach längerem Hunger am grössten. Wir finden jedoch zumeist den höchsten N-Gehalt des Harnes am ersten Fütterungstage. In der folgenden Tabelle haben wir unsere diesbezüglichen Resultate zusammengestellt. Tabelle VII. N-Gehalt des Harnes. N anliene: Foxhündin nl: Spitzhündin Hündin Tag der 2 ee nach hnud n en nach ! 13täoioem | [3tägigem | __ nach Bas Bar 4tägigem Fütterung Rh gsıgem H 10tägigem | 10tägigem | 7 tägigem Hy a unger Zus Hunger | Hunger!) | Hunger?) | Hunger ) 8 g g S 8 8 1 6,20 2,26 22 3,29 en a 2 4,41 1,34 4,3 2,10 , ‚9 3 4.10 1,03 3,62 1.98 1.84 2,55 A 4.46 131 3,34 165 1,82 2.44 b) 4,72 0,93 — 1,82 1,79 2,14 6 9,24 0,92 —_ 1,62 — 2,24 Ü 5,10 — — 1,63 —_ 2,08 8 5,52 Ei ii 1.46 = 2,19 1) — — — 1,32 — 2,10 10 en ei Bu 1.30 ze & 1) Versuch zur Feststellung der Verwertung des Fleischextraktes, auf den bereits hingewiesen wurde. 2) Diese Periode. 3) W. Völtz, Über die Bedeutung der Amidsubstanzen für die tierische Ernährung. Landwirtschaftl. Jahrbücher Bd. 38. Ergänzungsband 5, 8.441. 1909. 27.128. Nov. |1,72 |69,4| 2,39 | 96,4 | 0,08 28.299. „ 1,48 |59,7| 2,39 96,4 [0,08 30. Nor. bis1.Dez. | 1,62 | 65,3 | 2,39 | 96,4 | 0,08 Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 155 Die folgende Bierextraktperiode schliesst sich unmittelbar an die Grundfutterperiode an. Periode 2. Bierextraktperiode. Vom 26./27. Nov. bis 1./2. Dez. 1909. Das Tier erhielt pro die: 15,0 g Ovalbumin mit 1,333 g N und 71,5 Cal. 0.0 Kartoftelstärke‘ ; 0,027, 12 5 348556 . ; 20 „ Rindertalg en % ., leerüpeee 50 „ Bierextrakt RD, a Ol 4 „ Knochenasche — — 2,9 „ Kochsalz — — Sa 2,484 g N und 795,88 Cal. Zur Abgrenzung der Fäces dienten 2 g Kohle mit 13,128 Cal. Tabelle IX. Es wurden ausgeschieden N Resor- Ge- biert N-Ansatz wicht Datum : 5 An Alam Is 1909 im Harn | im Kot | dermisgeb.| Summa N gs | % g Ya 380, 3 Yo 0/0 kg 4,19 | 1690,09 | 3 3,95 | 159 0,09 | 3, 3 32 3.2 29.130. „ 11,65\66,5| 2.39 | 96,4 | 0,08 32 4,12 | 166 | 0,09 2 1.2. Dez. |1,54 62,1 2,39 | 96,4 | 0,08 3,2 ‚| -1,71, -69,0 | 11,90 6] -1,47 | -59,3 | 11,75 ‚6|-1,64 | -66,2| 11,75 4,09 | 165 | 0,09 | 3,6 | -1,61 | -64,9| 11,70 4,01 | 162 [0,09'| 3,6 | -1,53 | -61,7 | 11,61 ae Aires Also im Mittel von 5 Tagen: [1,60 | 64,5 | 2,39 | 96,4 | 0,03 | 3,2 | 4,07 | 164 | 0,09 | 3,6 | -1,59 | -64,0 | 11,74 Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte die Hündin im Mittel 0,21 & N und 67,79 Cal. erhalten. Der mittlere tägliche Gewichtsverlust betrug 58 g. Aus dem Vergleich der Daten für die N-Bilanzen dieser und der folgenden Grundfutterperiode 3 (die vorausgegangene Grundfutter- periode I muss natürlich aus den angeführten Gründen unberück- sichtigt bleiben) ergibt sich, dass die N-haltigen Stoffe des Bier- extraktes nur zu 7,13 °/o resorbiert wurden. Es ist bei dieser sehr niedrigen Zahl zu bedenken, dass die in Form von Bierextrakt zu- geführte N-Menge nur 0,6 ga betrug, und dass daher verhältnismässig geringe Abweichungen bezüglich des N-Gehaltes der Fäces der zu vergleichenden Perioden bereits eine sehr bedeutende Veränderung 156 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: des Verdauungskoeffizienten in diesem Fall für die N-haltigen Be- standteile des Bierextraktes zur Folge hat. Könnte man statt 0,6 g N in Form von Bierextrakt z. B. 6 g N als Zulage zu einer Grund- ration geben, was bei Tieren gleicher Grösse infolge zu hoher Kohle- hydratzufuhr (500 g) nieht möglich ist, so würden gleich geringe Abweichungen bezüglich des N-Gehaltes der Fäces zweier Perioden keine wesentliche Veränderung des betreffenden Verdauungskoeffi- zienten im Vergleich zu anderen Versuchen bewirken. Energieumsatz. Einnahmenprordier Su sr ISSN Ausgaben: Der Kot sämtl. 5 Versuchstage wog getrocknet 174,2g und enthieltprog 4,612 Cal. also Sa. 803,270 „ ab für 2 g Kohle 13,128 „ also Sa. 790,142 Cal. resp. pro die. . 158,028 „ =19,85/o.d. Zufuhr Der Harnenthielt 24,600 „ = 3,09% ,„ „ Sa. 182,628 Cal. = 22,94 Io d. Zufuhr — 182,628 „ Somit beträgt der physiologische Nutzwert. . . . 613,252 Cal. entsprechend 77,06 °/o der Zufuhr. Von den 191,65 Cal., die in Form von 50 g Bierextrakt ver- abreicht worden waren, gingen, wie sich aus dem Vergleich dieser Periode mit der folgenden Grundfutterperiode 3 ergibt, 158,028 minus 138,744 —= 19,284 Cal., entsprechend 10,06 °/o der Zufuhr in den Kot über. Es wurden uk 89,94 °/o resorbiert. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte die Hündin 52,2 nutzbare Calorien erhalten. Calorischer Quotient (u mes Harn-N = 1,60 Aus den Daten dieser Periode und der folgenden Grundfutter- periode berechnet sich als physiologischer Nutzwert des Bierextraktes die Zahl 86,23. Dieser Wert stimmt mit den früheren befriedigend überein. Es ist durch diese Übereinstimmung also erwiesen, dass trotz der abnorm schlechten !) Resorption und Ausnutzung der Nahrung ) een 1) Übrigens waren die Fäces nicht dünnflüssig, sondern stets von normaler dickbreiiger Beschaffenheit. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 157 und insbesondere der N-haltigen Bestandteile während dieser Ver- suchsreihe aus den differenten Werten der beiden Perioden (Haupt- und Grundfutterperiode) als physiologischer Nutzwert für die in der Hauptperiode zugeführte Substanz (Bierextrakt) dieselbe Zahl gefunden wird, welche wir in einer anderen Versuchsreihe bei normaler Aus- nutzung des Futters ermittelt hatten. Periode 3. Grundfutterperiode vom 2./3.—7./8. Dezember 1909. Das Tier erhielt pro die: : Ovalbumin mit 1,833 g N und 71,75 Cal. 100 „ Kartoffelstärke „ 0,027 „ „ „343,56 , Rindertalg LO N2AERTER 3183,92 , Knochenasche — _ 2,9 „ Kochsalz u — Sa. 1,884 g N und 604,23 Cal. m OT j8 (=} ” ID & ” 7 Zur Abgrenzung des Kotes dieser Periode dienten 2 g Kohle mit 15,128 Cal. Tabelle X. Es wurden ausgeschieden N Resor- Ge- Dat 5 : Teret biert N-Ansatz wicht a: im Harn | im Kot a Summa N N 2 | Jar u | er So | ee 0/0 ks 2.18. Dez.| 1,34 | 71,2 1,83 | 97,3 | 0,08 | 4,25 | 3,251 173 | 0,05 | 2,7 |-1,37\-72,8] 11,61 3. „ 11401 74,5 1,83197,310,08|4,25| 3,31 176 10,05 |3,7|-1,43 -76,0] 11,57 ‚ld. —h)| — 183 9730081 — | — | — | — | —-| — — | 11,52 5.6. „ 11,34 [71,2 1.83 197,3 0,08 |4,25 | 3,25| 173 | 0,05 | 2,7 [-1,37 -73,8| 11,40 6./7. „ 11,24 | 66,0 | 1,83 |97,3 1008 4,25 | 3,15] 168 | 0,05 | 2,7 |-1,27 -67,5| 11,37 = Kae: ee ee EEE na erregen Also im Durchschnitt: [1,30 |69,2 | 1,83 | 97,3 | 0,08| 4,25 | 3,21] 171 [0,05 | 2,7 [-1,33|-71,0] 11,46 Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte die Hündin im Mittel 0,164 & N und 52,72 Cal. erhalten. Die mittlere tägliche Gewichtsabnahme betrug 52 g. Der tägliche N-Verlust war 1,33 g I) Der Harn konnte an diesem Tage nicht quantitativ gewonnen werden, infolgedessen wurde die Periode um 1 Tag verlängert. | 2) Die Abgrenzung des Kotes erfolgte bereits nach Abschluss des fünften Tages. 158 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: im Mittel, also viel grösser als in der betreffenden Periode am Teckel (— 0,32). Der Teckel hatte allerdings etwas mehr Eiweiss, dagegen erheblich weniger Stärke erhalten (pro Kilogramm 0,198 & N und 43,2 Cal.) und infolgedessen das Eiweiss zu einem weit höheren Prozentsatz resorbiert. Energieumsatz. Einnahmen pro dien ae 20025 Ausgaben: Der Kot sämtl. 5 Versuchstage wog getrocknet 155,7 8 und enthieltprog 4,541 Cal. also Sa. 706,850 „ ab für 2 g Kohle 15,128 „ also Sa. 693,722 Cal. resp. pro die . 138,744 „ —= 22,96 /o d. Zufuhr DerHarnenthielt 17,500 „ = 2,%%, ,„ Sa. 156,244 Cal. — 25,86 °/0 d. Zufuhr = 156,244 Cal. Somit beträgt der physiologische Nutzwert. . . . 447,986 Cal. entsprechend 74,140 der Zufuhr. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte die Hündin 39,09 nutzbare Calorien erhalten. Harn-Cal. = 17,5 Harn-N 1,30 Colowsches One: ( ) kin N Die getrockneten Fäces der Bierextraktperiode 2 sowohl als auch der Grundfutterperiode 3 wurden ebenso, wie in den analogen Perioden der Versuchsreihe 1, auf ihren Fettgehalt untersucht, um zu ermitteln, ob die Resorption des Fettes durch die Bierextrakt- zulage beeinflusst wird. Nun wogen die Fäces der Bierextraktperiode 2 lufttrocken 34,84 g pro die, die der Grundfutterperiode 3 lufttrocken 31,14 g pro die. Die Proben für die Fettbestimmung wurden vor der Ätherextraktion nochmals pulverisiert, gewogen und bis zur Ge- wichtskonstanz getrocknet (bei 40 ° und ca. 20 mm Druck). Die Fettbestimmungen ergaben '): 1) Bezogen auf die lufttrockene Substanz. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 159 Tabelle XI. Bierextraktperiode 2 pro die | Grundfutterperiode 3 pro die 2,42 %/o = 0,84 g freies Fett 7,38 /o = 2,30 g freies Fett 4,52% = 1,58 „ Fett aus Seifen 6,36 °/o = 1,98 „ Fett aus Seifen 6,94% — 2,42 g Gesamtfett | 13,74% — 4,28 g Gesamtfett Da das Tier 20 g Fett 20 g Fett und in 50 g Bierextrakt verzehrt hatte 0,07 g Atherextrakt Sa. 20,07 g Ätherextrakt verzehrt hatte, wurde das Fett in der [9] Bierextraktperiode 2 Grundfutterperiode 3 zu 87,94 %/o resorbiert. zu 78,58 °/o resorbiert. Somit ergibt sich in Übereinstimmung mit den Resultaten der ersten Versuchsreihe, dass die Zufuhr von Bierextrakt die Resorption des Fettes wesentlich erhöht hat, da während der Bierextraktperiode täglich im Mittel 1,86 g = 9,36 °/o Fett mehr resorbiert wurden, als in der zugehörigen Grundfutterperiode. In der ersten Versuchsreihe an einem anderen Hunde (Teckel) wurde durch die Zufuhr des Bierextraktes die Resorption des Fettes um 6,49 °/o erhöht. (Die Fäces der Bierextraktperiode 5 der ersten Versuchsreihe enthielten 2,65 8, die der Grundfutterperiode 3,63 g Fett, also 0.98 g mehr, bei einer Zufuhr von 15,27 g Fett in beiden Perioden.) Reihe III (Ratte). Es erschien nun weiterhin von Interesse, zu untersuchen, wie die Extraktstoffe des Bieres als ausschliessliche oder doch nahezu ausschliessliche Nahrungsquelle im Organismus wirken resp. von demselben verwertet werden. Es lag nahe, Ratten als Versuchstiere zu wählen,- weil diese Tiere Omnivoren und weil sie ferner sehr gefrässig sind und somit Komplikationen bei der Durchführung der Versuche infolge ungenügender Futteraufnahme nicht so leicht zu erwarten waren; ausserdem bietet die quantitative Gewinnung und Trennung von Harn uud Fäces bei der Anwendung einiger Kautelen und geeigneter Käfige keine Schwierigkeiten. Hier sei ein solcher Käfig kurz beschrieben: Der eigentliche Käfig ist aus verzinktem Drahtnetz von ca. 1 cm Maschenweite angefertigt. Die Länge beträgt ca. 35—40 em, die Breite ca. 25 em, die Höhe 25—30 em. Die Wände bestehen bis 160 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: zu ca. 10 cm Höhe aus Zinkblech!), welches an zwei gegenüber- liegenden Seiten je eine runde Öffnung hat, um den Tieren das Hinaurchstecken des Kopfes zwecks Futter- und Wasseraufnahme aus den aussen angebrachten, ringsum verdeckten Näpfen zu er- möglichen. Ausserdem ist eine Schiebetür angebracht, um die Ratte zwecks Wägung durch eine dritte entsprechend grössere Öffnung in der Seitenwand bequem heraus- und hereinlassen zu können. Der Boden des Käfigs besteht aus dem gleichen Drahtnetz und ist aus- ziehbar. Vor der Öffnung zum Futternapf ist ein Blech von ca. 8 em Länge und 4 em Breite angebracht, damit die Ratte herunter- eefallene Futterbestandteile wieder aufnehmen kann. Der Käfig wird auf einen passenden Untersatz aus Zinkblech gesetzt und be- festigt, dessen Boden trichterförmig zu einem Ansatzrohr verläuft, durch das der Harn in ein untergestelltes Gefäss läuft. Zwischen Käfig und Untersatz wird ein engmaschiges Drahtnetz gelegt, das sich in ca. 3 cm Abstand von dem weitmaschigen Boden des Käfigs, durch den der Kot fällt, befinde. Auf dem engmaschigen Netz bleiben die Fäces liegen, während der Harn hindurchfliesst und durch den trichterförmigen Metallboden in das mit etwas Säure beschiekte Harnglas gelangt. Die Grösse des Käfigs bedingt es in der Hauptsache, dass kaum je Kot mit Harn in Berührung kommt. Da es vorkommt, dass die im Stoffwechselversuch befindlichen Ratten Fliegen fangen und somit die Resultate der Bilanzversuche unbrauchbar machen würden (E. Abderhalden hat den einen von uns [Völtz] früher einmal auf diese Fehlerquelle aufmerksam gemacht), muss man Vor- kehrungen treffen, um den Fliegenfang (z. B. durch um den Käfig anzubringende Gaze) unter allen Umständen unmöglich zu machen. Vom 26. Juni 1909 ab erhielten zwei eingefangene graue Ratten I und II von 88,2 g, resp. 92,35 g Gewicht, täglich je 10 g Bierextrakt, 5 g Cellulose (bei ca. 120—130° C. getrocknetes und pulverisiertes Filtrier- papier) und 0,1 g Kochsalz. Das Cellulosepulver wurde sorgfältig mit dem Bierextrakt untermischt; eine relativ grosse Menge Cellulose wurde deshalb verabreicht, weil es erwünscht erschien, Fäces von beträcht- lichem Volum und möglichst geringer Klebrigkeit zu erhalten, um eine leichte quantitative Gewinnung und Trennung von Kot und Harn zu ermöglichen, was hierdurch auch ohne Schwierigkeiten gelang. 1) Um zu verhindern, dass Exkremente seitlich herausbefördert werden. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 161 Ratte I erhielt am 29./30. Juni 1909 ausser dem Futter 0,1 & Holzkohle zur Abgrenzung der Fäces, und es wurden von diesem Tage ab die Stickstoffbilanzen und der Energieumsatz an dem Tier festgestellt, während das Kontrolltier (Ratte II) bei Aufnahme des- selben Futters ad libitum nur alle 3 Tage gewogen wurde). An Ratte I wurden folgende drei Perioden durchgeführt: 1. Periode 1 mit 10 & Bierextrakt, 5 g Cellulose und 0,1 g Koch- salz pro die. Dauer 8 Tage. 2. Periode 2 (im unmittelbaren Anschluss an Periode I) mit 8 g Bierextrakt, 4 g Cellulose und 0,05 g Kochsalz pro die. Dauer 10 Tage. 3. Periode 3 (direkt anschliessend an Periode II) mit 0,769 g Albumin, 7,692 g Bierextrakt, 3,346 g Cellulose und 0,077 g Kochsalz pro die. Dauer 3 Tage. Die Fäces jeder Periode wurden durch 0,1 g Holzkohle ab- segrenzt, der mit HCl angesäuerte und mit Thymol desinfizierte Harn jeder Periode gesammelt und analysiert. Die gesammelten Epidermisgebilde der 21tägigen Versuchsreihe wurden mit Schwefel- säure aufgeschlossen und auf ihren N-Gehalt untersucht, der so gering war, dass er vernachlässist werden könnte. Ich lasse die Daten der experimentellen Untersuchung folgen: Periode 1. Ratte 1. Vom 29./30. Juni bis 6./7. Juli 1909. Das Tier erhielt pro die: BesezBierextrakt, - . 2... 0. 0,096 EN und. 37,430: Cal. Cellulose... ..- 2. 2... 96 „ vn... 19840, , 0,1 „ Kochsalz | — — 0,0125 g Kohle (Anteil an der Ab- grenzung von 0,1 g für 8 Tage) — NS Sa. 0,0996 & N und 57,352 Cal. Im Mittel der achttägigen Periode 1 ergab sich die folgende Stiekstoffbilanz : 1) Ratte II erhielt 21 Tage lang nur Bierextrakt und Cellulose ad libitum. Die infolge fast N-freier Nahrung konstatierte Gewichtsabnahme war auf die Gewichtseinheit bezogen nahezu die gleiche, wie bei Ratte I. Hierauf erhielt das Tier gewöhnliches Futter und nahm schnell an Gewicht zu. An anderen Ratten gelangten wir zu ganz ähnlichen Resultaten. Auf die Mitteilung der Wägungsergebnisse usw. kann hier wohl verzichtet werden. 162 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Tabelle XI. Es wurden ausgeschieden N Der N-Ansatz Ein- : : nahme im Kot | im Harn len Summa betrug N 0/o der 0/o der O/o der 0%/o der O/o. der mg mg | Ein- me | Ein- | mg | Ein-| mg Ein- mg | Ein- nahme nahme nahme nahme nahme 99,6 | 96 | 96,39 | 32 32h 720,5 | 0,31 | 128,3 | 128,8 | - 28,7 | - 28,8 Gewicht der Ratte zu Beginn der Periode = 837,05 g | am Schluss „ E = UN alsorın S-Tacen 2, — 6,75 „ Abnahme oder pro die 0,844 g Abnahme. Energieumsatz: Einnahmen: 10 g Bierextrakt . . —= 37,430 Cal. »2delluloserz =, 810, ) 0,0125 g Kohle . . = 0,082 „ Sa. 57,352 Cal. Ausgaben: Der Kot enthielt . Sa. 24,186 Cal. in Cellulose und Kohle —= 19,922 Cal. Somit gingen von dem Energiegehalt des Bierextraktes. . . = 4,264 Cal. entspr. 11,39 °/o in den Kot über. Der Harn enthielt. . = 1,064 „ „ 284% der Zufuhr in Kot und Harn . . = 5,328 Cal. entspr. 14,23 %/o der Zufuhr. Der physiologische Nutzwert des Bierextraktes beträgt also 85,77 °/o seines Caloriengehaltes. Harn-Cal. = 1,064 Harn-N = 0,032 Calorischer Quotient ( ) — 33,95. Der ealorische Quotient ist somit sehr hoch. So hohe und höhere calorische Quotienten findet man bekanntlich bei Pflanzenfressern ), deren natürliche Nahrung (Gräser, Leguminosen) erhebliche Mengen ; 1) Siehe z. B. W. Völtz, Untersuchungen über die Verwertung des Betains durch den Wiederkäuer. Pflüger’s Arch. Bd. 116 $. 321. 1907. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 163 an aromatischen Stoffen enthält, welche als Muttersubstanzen von bestimmten stickstoffarmen Bestandteilen des Harnes speziell der Hippursäure in Frage kommen. Die unmittelbar folgende 1l0tägige Periode 2 (vom 7./8. bis 16./17. Juli 1909) ist eine Wiederholung der Periode 1; nur ver- zehrte das Tier infolge geringerer Fresslust etwas weniger Futter, nämlich im Mittel pro die: 8 g Bierextrakt . . = 0,0768 g N und 29,920 Cal. Be @elluloser 2... — 0.002838 27 ,.15802, 0,08 „ Kochsalz — und 0,01 g Kohle (Anteil an der Abgrenzung von 0,1 g für 10 Tage) . — VAL sr Sa. 0,07968 & N und 45,858 Cal. (e) Im Mittel der l0tägigen Periode ergab sich die folgende N- Bilanz: Tabelle XII. Es wurden ausgeschieden N Der N-Ansatz Ein- : : nahme im Kot im Harn ee nillen Summa betrug N %/oder O/oder O%/oder 0%/oder %/oder mg mg | Ein- | mg | Ein- | mg | Ein- mg Ein- mg | Ein- nahme nahme nahme nahme nahme 79,68 | 80 | 100,4 | 224 | 28.1 | 0,3 0,4 | 102,7 | 128,9 |-23,02| 28,9 Gewicht der Ratte zu Beginn der Periode 80,30 g Gewicht der Ratte am Schluss . . . . 67,10, also in 10 Tagen. . . . . . 13,20 „ Abnahme, oder pro die 1,32 g Abnahme. Energieumsatz: Einnahmen: 8 g Bierextrakt.. — 29,920 Cal. BeVelluloser .. — 15,372 5 PeKohle 2°. — 0,066 , Sa. 45,858 Cal. 164 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Ausgaben: | Der Kot enthielt . = 20,860 Cal. in Cellulose u. Kohle = 15,955 ,„ Somit singen von dem Energiegehalt des Bierextraktes = 4,922 „ == 16,45 /o in den Kot über. Der Harn enthiet . 0,9375 ,„ Zz 3%! der Zufuhr Kot und Harn . . = 5,8505 Cal. = 19,58°/o der Zufuhr. Der physiologische Nutzwert des Bierextraktes beträgt also 80,42 °%/o seines Caloriengehaltes. Harn-Cal. — 0,9375 Harn-N == 0,0224 Calorischer Quotient ( ) = 40. Die weitere Erhöhung des calorischen Quotienten kann nur durch eine noch mangelhaftere Oxydation gewisser N-freier Substanzen bedingt sein!). Es handelt sich bei diesen Versuchen um eine so gut wie N-freie Ernährung. Wir haben den Harn dieser Periode auf reduzierende Substanzen untersucht. Der Harn sämtlicher zehn Versuchstage war auf 750 cem aufgefüllt worden. 500 cem wurden für die Kohlehydratbestimmung verwendet. Zu dem Zweck wurde der Harn neutralisiert, durch Ab- destillieren bei vermindertem Druck auf zirka die Hälfte seines Volums gebracht und nach Michaelis und Rona?) mittels Kaolin möglichst von Farbstoffen und Colloiden befreit, konzentriert und in zwei gleiche Portionen geteilt. Die eine Hälfte (1) des Harnes wurde direkt zu kochender Fehling’scher Lösung zugesetzt, die andere (2) nach der Invertierung mit Salzsäure und Neutralisation. Das abfiltrierte Kupferoxydul wurde im Wasseırstoffstrom zu Kupfer reduziert. Die Menge reduzierender Substanzen entsprach bei Harnprobe 1 (nicht invertiert) = 0,2133 g Cu —= 0,1099 g Dextrose, 2 2 (invertiert) —. (A WNELAN.E 3 resp. pro die bei Harnprobe 1 — 0,03297 g Dextrose, „ ee en N 2 (invertiert) = 0,04410 g = 1) Ungenügende Bildung glykolytischer Enzyme infolge fast ausschliess- licher Kohlehydratnahrung. 2) Biochem. Zeitschr. Bd. 7 S. 330. 1908. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 165 Nun enthielt der Harn der Ratte täglich 0,9375 Cal. In 0,03297 g Dextrose, Harnprobe 1 — 051241 Cal: „ 0,04410 g : ı 2 (invertiert) — 0,1659 Somit enthielt der Rattenharn bei diesem fast N-freien Regime 13,23 °/o seines Energiegehaltes in Form von reduzierenden Stoffen und 4,47 °/o in Form von Muttersubstanzen reduzierender Stoffe, also insgesamt 17,70 °/o von diesen Körpern. ” Die experimentellen Daten der Perioden I und II ergaben folgendes: In den Fäces der Periode I gelangte nahezu dieselbe Menge Stickstoff zur Ausscheidung, die in der Nahrung verabreicht worden war, in Periode II stimmen die betreffenden Werte völlig überein. Hiernach wären die N-haltigen Stoffe des Bierextraktes nicht resor- bierbar. In Wirklichkeit verhält sich die Sache allerdings etwas anders. Den Fäces sind nämlich stets stickstoffhaltige Stoffwechsel- produkte beigemischt, wie Gallensekret, Darmschleim usw.; eine dem N-Gehalt dieser Stoffwechselprodukte gleiche Menge an Bier- extraktstickstoff, die allerdings bei dieser Versuchsanordnung nicht er- mittelt werden konnte, ist resorbiert worden; dagegen konnte die Bestimmung des resorbierten Anteils vom Bierextraktstickstoff in den Versuchen an Hunden erfolgen, bei denen sowohl Grundfutterperioden durchgeführt wurden, als auch in besonderen Perioden als Zulage Bier- extrakt gereicht wurde. Aus dem Vergleich der in den Grundfutter- perioden einerseits und den Bierextraktperioden andererseits für den N-Gehalt der Fäces gefundenen Werte ergab sich nun, wie wir gesehen haben, dass in der Tat die N-haltigen Bestandteile des Bierextraktes zu einem gewissen, allerdings verhältnismässig geringen Prozentsatz (bis zu 40 °/o) resorbiert werden. Da nun der resorbierbare Anteil der N-haltigen Stoffe des Bierextraktes in den Rattenversuchen gerade durch die im Darm zur Ausscheidung gelangenden N-haltigen Stoff- wechselprodukte (Darmsekret, Gallensekret usw.) kompensiert wurde, so musste die Ratte naturgemäss erhebliche N-Mengen von ihrem Körperbestande verlieren. Dieser N-Verlust betrug während der ersten Periode täglich 28,7 mg entsprechend 28,8 /o, während der zweiten Periode täglich 23,02 mg entsprechend 28,9 %/o der Zufuhr. Die Lebendgewichtsabnahme betrug bei der reicheren Ernährung (Periode 1) pro die 0,844 g, ärmeren ” ( » 2) b) » 1,32 8. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 12 166 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Die Zahlen für den physiologischen Nutzwert des Bierextraktes stimmen mit den an Hunden gefundenen überein. Die niedrigeren Werte für den physiologischen Nutzeffekt findet man fast stets bei den späteren Perioden einer Versuchsreihe, in denen zumeist, wenn auch nur geringe Störungen des Resorptions- vermögens zu bestehen pflegen, wie aus den analytischen Daten so- wohl in den vorliegenden Versuchen an Hunden wie an der Ratte hervorgeht. So wurden bei beiden Tierklassen zunächst als physio- logischer Nutzwert des Bierextraktes die Zahlen 85—86 ermittelt, in den späteren Perioden sanken dieselben auf 80—81. Anschliessend wurde in einer dritten Periode (vom 17./18. bis 19./20. Juli 1909), die aus äusseren Gründen nur 3 Tage dauerte), ausser den genannten Futtermitteln als Zulage Eieralbumin gereicht. Die folgende Zusammenstellung enthält die genaue Nährstoffzufuhr. Die Ratte verzehrte pro die: 0,7692 ge Ovalbumin mit 0,0940 & N und 3,679 Cal. 7,692 „ Bierextrakt „ 0,0739 , ,„ ,„ 28790 „ 3,8346 , Cellulose , 00028, , ,„ 12260 , 0,077 „ Kochsalz — == 0,01 ,„ Kohle a 0.066 „ Sa. 0,1707 & N und 47,795 Cal. Im Mittel der dreitägigen Periode 3 ergab sich die folgende N-Bilanz : Tabelle XIV. u Es wurden ausgeschieden N Der N-Ansatz in- : ; nahme im Kot im Harn le Summa betrug N O%/o der %oder 0/o der | %oder oder mg mg | Ein- | mg | Ein- | mg | Ein- mg Ein- mg | Ein- nahme nahme nahme nahme nahme 58 | 34 170,7 1 134,7 | 78,9 | 29,9 | 17,5 0,3 | 0,2 164,9 | 96,6 Gewicht der Ratte zu Beginn der Periode 67,10 g am Schluss „ R 72,30 „ 5,20 g Zunahme, oder Also in 3 Tagen aa pro die .1,73 g Zunahme. 1) Im Hinblick auf die nur dreitägige Versuchsdauer erfolgte vielleicht die Abgrenzung des Harnes nicht genügend genau, bei acht- bis zehntägiger Versuchs- dauer kann dagegen der mögliche Fehler nur ganz unwesentlich sein. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 167 Die Zufuhr von 94 mg N in Form von Ovalbumin hat also sofort zur Erreichung des N-Gleichgewichts geführt, trotzdem die dieser Periode vorausgegangene 185 tägige N-freie Ernährung eine sehr starke Verdauungsdepression des Eiweisses zur Folge hatte. | Energieumsatz. Einnahmen: 0,7692 g Ovalbumin —= 3,679 Cal. 71,692 „ Bierextrakt = 28,790 „ 3,846 „Cellulose . = 15,260 „ u Kohle '. "10,066, Sa. 47,795 Cal. Ausgaben: der Kot enthielt . „. = 20,380 Cal. abf.Celluloseu. Kohle — 15,326 „ 9,054 Cal.; somit gingen von dem Energiegehalt des Bierextraktes und des Albumins . . = 5.054 Cal. = 15,57 °/o in den Kot über; der Harn enthielt .— 1212 „ = 3,730 der Zufuhr; in Harn und Kt .= 6,266 „ = 19,30°/oe der Zufuhr. Der physiologische Nutzwert von Bierextrakt und Albumin be- trägt somit 80,70 °/o. ; Ä Harn-Cal. — 1,212 CGaloriseher Quotient er 0,0299 Es lässt sich nun auch leicht der physiologische Nutzwert des Bierextraktes gesondert annähernd genau berechnen, wenn wir nämlich den von M. Rubner!) gefundenen, bei Verfütterung von Eiweiss aus Fleisch in Harn und Kot übergehenden Prozentsatz (76,89 °/o) an Calorien für das Ovalbumin einsetzen und von den Gesamtcalorien der genannten Ausscheidungsprodukte in Abzug bringen. Die Durch- führung dieser Berechnung ergibt als physiologischen Nutzwert für das Bierextrakt 81,19 °/o, also eine Zahl, die mit den früher an Hunden und an der Ratte ermittelten, befriedigend übereinstimmt. Im Anschluss an die Fütterungsversuche an Ratten erschien es vor Interesse, zu untersuchen, wieviel Zeit der Durchtritt der ) u, D) M. Rubner, Kalorimetrische Untersuchungen. I. Zeitschr. f. Biol. Bd. 21 8. 250. 1885. — OU. Zeitschr. f. Biol. Bd. 21 S. 337. 1885. 12 168 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Contenta durch den Magendarmkanal dieser Tiere in Anspruch nimmt. Bei den einzelnen Tierarten bestehen in dieser Hinsicht sehr grosse Differenzen. So kann es z. B. unter Umständen bei den Wiederkäuern bis 14 Tage dauern, ehe der unverdaute Rest eines be- stimmten Futters aus dem Darm ausgeschieden wird. Sehr viel kürzere Zeit nimmt der Durchtritt der Contenta beim Carnivoren in Anspruch. Natürlich sind Schwankungen nach dieser Richtung zu konstatieren je nach der Art der aufgenommenen Nahrung, der Bewegung der Tiere ete. | Bei gemischter Kost pflegen im Käfig gehaltene Hunde im all- gemeinen alle 24 Stunden einmal den Kot zu entleeren, bei reiner Fleischkost vergehen mehrere Tage, ehe die Defäkation erfolst. Sehr schnell passiert der Speisebrei den Magendarmkanal der Vögel. So hat der eine von ‚uns (W. Völtz') gezeigt, dass bei reiner Körnerfütterung oder Körner-Kartoffelfütterung ungefähr nur 21/2 Stunden vergehen, bis Hühner den zugehörigen Kot entleeren; bei reiner Kartoffelfütterung gelangten die Fäces nach bereits. 1!/a Stunden zur Ausscheidung. Bei den Versuchen an Ratten konnten die Beobachtungen nur mit ziemlicher Mühe ausgeführt werden, weil die Tiere (es handelt sich um eingefangene wilde Ratten) nicht merken durften, dass man sie beobachtete; andernfalls hielten sie den Kot zurück. Man wartete zunächst oft vergeblich auf die Defäkation und gelangte zu recht abweichenden Resultaten. Bei recht vorsichtiger Beobachtung der Tiere gelang es schliesslich, bei den verschiedenen Probefütterungen annähernd übereinstimmende Werte zu erzielen. Zur Abgrenzung der verabreichten Nahrung wählten wir Kreide, Zellulose oder Holzkohle, die unter das Futter gemischt wurden. Die Tiere erhielten in einigen Versuchen den Trockenrückstand des Bieres, in anderen entweder gekochte Kartoffeln oder gekochte Kartoffeln und Brot. Nach Verabreichung von Bierextrakt gelangten die Fäces innerhalb eines Zeitraumes von 31/ı—3°/ı Stunden zur Ausscheidung. Das ist für Omnivoren eine recht kurze Zeit. Nach der Aufnahme von Kartoffeln bzw. Kartoffeln und Brot nahm der Durchtritt der Contenta durch den Magendarmtraktus 4°/a bis 51/a Stunden in Anspruch, also etwas längere Zeit. 1) W. Völtz, Studien über den Stoffwechsel des Haushuhnes usw. Unter Mitwirkung von Dr. G. Yakuwa. Landwirtschaftl. Jahrb. 1909 S. 553— 59. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 169 Die folgende Versuchsreihe IV wurde an demselben männlichen Teckel durchgeführt, der sich während der Versuchsreihe I als Ver- suchstier so gut bewährt hatte. In dieser Reihe sollte in etwas längeren Perioden ein normales, aus Fleisch und Fett bestehendes, Regime gereicht werden; während der zwei Hauptperioden wurden Zulagen von Bierextrakt gegeben, hierauf folgte eine Periode mit Bier als Zulage zur Grundration, und den Abschluss machte eine Grundfutterperiode. Um die Perioden von genügend langer Dauer ohne Störungen durchführen zu können, ging der Versuchsreihe eine Stägige Hunger- periode voraus; ferner wurde in den Grundfutterperioden ein Regime gereicht, das zur Deckung des Nährstoffbedarfes nicht vollkommen genügte. Um die Wirkung des im Bier enthaltenen Alkohols auf den N- und Energieumsatz möglichst rein hervortreten zu lassen, hatte der Hund in der unmittelbar vorausgegangenen Periode ebenso viel Calorien in Form von Bierextrakt erhalten wie in der Bier- periode. Im speziellen wurde folgende Versuchsanordnung gewählt: Nach 5tägigem Hunger: I erundration 0... Dauer 107 Tage 21 E + 50 g Bierextrakt ROSELTLTCNN AA. 9. s + 25.8 s L SR, 4. N + 467,8 ge Bier . 4 >. A Bat er. Erler 5 Die Daten über das Regime, die N-Einnahmen und -Ausgaben, die N-Bilanzen usw. der Grundfutterperiode 1 enthält die folgende Zusammenstellung. IV. Versuchsreihe. Periode I. Vom 6./7—15./16. September. (Grundfutterperiode.) Das Tier erhielt nach 5tägigem Hunger pro die: 80 g Pferdefleisch. . . . . . . mit 23,76 & N und 108,88 Cal. Bindlertale 05. a, all 12 0,0 0418892, Anteil an der Knochenration von 20 g ud GE RL BI ee IE UL NERBRLBEBRITE EL FS ARE RRTEIE HR 0,47, Sa. 2,90 g N und 298,27 Cal. (} 170 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Tabelle XV. Es wurden ausgeschieden N Resor- N- Bi Datum 3 = biert wicht 1909 im Harn | im Kot en Summa N Amalz N. g Yo. 190 ea /o a eo g |%l ke 6./7. Sept. | 4,45 | 158 | 0,21 |7,2 0,02 |0,7| 4,68|161| 2,69 | 92,8 | -1,78 |61| 6,630 Ude 3,62 | 125 | 0,21 | 7,2 0,02 |0,7| 3,85|133| 2,69 | 92,3] -0,95133| — Sb 3,67 | 127 [0,21 7,2, 0,02 |0,7, 3,90|135| 2,69 | 92,8 | -1,00 | 34 | 6,500 SA, 3,38 | 117 |0,21|7,2| 0,02 |0,7| 3,611125] 2,69 |92,8|-0,71|24| — 10.11. „ | 345 |119 | 0,21 |7,2| 0,02 |o,7| 3,68 | 127 | 269 | 9338 | -0,78 |27| 6,410 11.12. „ | 368 | 127 |0,21\7,2|0,02 |0,7| 391 \135| 269 92,8 [-1,01 1355| — 12JAS., 3,77 | 130 10,21 | 7,2 | 0,03 |1,0| 4,01|138| 2,69 | 92,8| -1,11|38| 6,320 13./14. „ 3,27 | 113 | 0,21 |7,2|0,03 |1,0| 3,51| 121]. 2,69 | 92,3 | -0,61 |21]| — 14.115. „ 3,36 1117 10,21 7,2) 0,03 |1,0| 3,60 11251 2,69 | 92,8 | -0,70 | 24 | 6,280 15./16. , 3,60 | 124 | 0,21 | 7,2 0,03 |1,0| 3,84 1132] 2,69 | 92,8 | -0,94 | 32 | 6,200 Summa |36,25| — |2,10| — |0,24 |— |38,59 | — |26,90| — |-959|—] — Also im Mittel von 10 Tagen: | 363 |125 | 0,21 | 7,2 | 0,024 |0,9| 3,86 | 1331 2,69 | 92,8 | -0,96 | 33] 6,415 Die Resorption der N-haltigen Nährstoffe ist also eine hohe (92,80). Dagegen reichte die Nährstoffzufuhr zur Deckung des Nährstoffbedarfes nicht aus, da der N-Verlust 0,96 g pro die betrug. Der höhere N-Gehalt des Harnes am ersten Tage ist bedingt teils durch die vorhergehende Hungerperiode, teils durch die Ver- fütterung der N-haltigen Knochen. Pro Kilogramm Körpergewicht und Tag hatte der Hund im Mittel 0,452 g N und 46,5 Calorien erhalten. Der mittlere tägliche Gewichtsverlust betrug 43 @. Da dieser Grundfutterperiode 1 eine Hungerperiode voranging, sollen zum Vergleich der gewonnenen Daten mit denjenigen der Hauptperioden 2, 3 und 4 nur die letzten fünf Tage, deren Resultate übrigens nicht erheblich von dem zehntägigen Durchschnitt abweichen, herangezogen werden. Ausserdem hat die abschliessende Grund- futterperiode 5 Berücksichtigung zu finden, so dass wir also bei den betreffenden Vergleichen die mittleren Werte aus den letzten fünf Tagen der Grundfutterperiodel und aus der fünftägigen abschliessenden Grundfutterperiode 5 (siehe S. 188) einzusetzen haben. Für den N-Umsatz und -Ansatz waren nun folgende Werte (siehe Tab. XVI auf S. 171) im Mittel pro die ermittelt worden. Diese bei den späteren Vergleichen einzusetzenden Mittelwerte weichen also nur unwesentlich von den Daten der beiden in Betracht kommenden Grundfutterperioden 1 und 5 ab. Die folgende Zusammenstellung enthält die Daten für die calori- metrischen Bestimmungen in der Nahrung, im Harn und in den Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 171 Fäces. Die diesbezüglichen Ergebnisse sowie die betreffenden der folgenden vier Perioden dieser Reihe sollen im Zusammenhange im Anschluss an die Bierperiode 4 besprochen werden (siehe S. 137). Tabelle XVl. ind. Epi- : i im Harn! im Kot | dermx- | Summa u = N N N |gebildenl N tert nsatz N N betrug 5 8 g g g g 1. Für die letzten 5 Tage d. Grundfutterperiode 1 3,99 0,21 0,03 377 1 2,69 I — 0,87 9%. Für die Grundfutter- Bersdes .. ...:.: 3,46 0,22 0,02 3,70 2,68 I — 0,80 Also im Mittel | 3,49 | 0,22 | 003 | 3,74 | 2,68 |- 08 Nur auf einen Punkt muss zuvor noch "hingewiesen werden: Ebenso, wie die N-Werte im Mittel beider Grundfutterperioden 1 und 5 bei den Vergleichen mit den betreffenden Daten der Haupt- perioden einzusetzen sind, müssen auch die Mittelwerte aus den ealorimetrischen Befunden beider Grundfutterperioden bei den Be- trachtungen über den Energieumsatz der während der Hauptperioden verabreichten Zulagen (Bier und Bierextrakt) als Grundlage dienen. Nun betrug der Energiegehalt der Fäces während der Grundfutterperiode 1: 24,689 Cal. i. Mittel pro die, Grundfutterperiode 5: 26,520 Cal. i. Mittel pro die (siehe S. 189). Die Differenz von 1,831 Cal. ist nicht erheblich; ausserdem findet man gegen Ende einer längeren Versuchsreihe fast stets etwas höhere Werte für den N- und Caloriengehalt der Fäces. Es ist also der Mittelwert bei dem Vergleich mit den Hauptperioden einzusetzen; derselbe beträgt 25,605 Cal. Der Energiegehalt des Harnes betrug in der Grundfutterperiode 1 (letzte 5 Tage): 30,904 Cal. i. M. pro die, Grundfutterperiode 5: . . . . . 34,400 Cal. i. M. pro die. Dieses Plus von 3,496 Cal. in der Grundfutterperiode 5 ist, wie später gezeigt werden soll, höchstwahrscheinlich eine Folge der starken Alkoholgaben während der unmittelbar vorausgesangenen Periode 4, weleher daher diese 3,496 Cal. zur Last geschrieben 172 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: werden müssen, so dass bei den späteren Vergleichen für den Energiegehalt der Harne in den Grundfutterperioden der Wert 30,904 Cal. einzusetzen ist. Energieumsatz. (Grundfutterperiode 1.) Emnahmen pro.die 2. N 09 or Ausgaben: Der Kot der 10 Versuchstage wog getrocknet 49,20 g und ergab prog 5,018 Cal. also Sa. 246,886 „ resp. pro die . 24,689 „ = 8,3°%od. Zufuhr DerHarnenthielt 31,500 „ =106%, . „ Sa. : 56,189 Cal. —18,9°/o d. Zufuhr — 56,189 „ Somit beträgt der physiologische Nutzwert. . . . = 242,031 Cal. entsprechend 81,4°/o der Zufuhr. . Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund 37,8 nutzbare Calorien erhalten. Harn - Cal. —= 31,5 Calorischer Quotient ran) = 8,74. Für den Harn der letzten 5 Tage dieser Grundfutterperiode berechnet sich mit Hilfe des calorischen Quotienten ein Energiegehalt von 30,904 Cal. Periode 2. Vom 16./17.—25./26. (Bierextrakt-Periode.) Das Tier enthielt pro die: als Grundfutter: 80 8 Pferdefleisch . . . . . . mit 2,76 g N und 108,88 Cal. 20 „ Rindertalg . LU DZ ea iketor at Anteil an der Knochenration von 20 8 pro: die 2 E22 Se NAKED Ve, als Zulage: 50,8 Bierextrakt 2. 7. E27 222,m100,60 2. Neun Sa. 3,50 g N und 491,92 Cal. (Siehe Tabelle XVII auf S. 173). Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund im Mittel 0,572 g N und 80,3 Cal. erhalten. Der mittlere tägliche Gewichtsverlust betrug 15 g. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 173 .Tabelle. XVI. Es wurden ausgeschieden N Resor- biert N-Ansatz ; im Harn | im Kot en Summa N g 0/0 oe) Yo Er) Yo 0/0 g 0/o g 0/o ‚ 16./17. Sept. | 3,72 | 106,3 0,69 | 19,7 | 0,02 |0,6 | 4,43 126,6 2,81 s03| 083 26,6 ms. „ | 359 102,7|0,69|19,7\0.02.0,6 430| 943| 281 80,3] — 0,80 | 5,7 eng „ 3,15 90,0 0,69 | 19,7 0,02 0,6 | 3,86 [110,3| 2,81 |80,3 | — 0,36 | 10,3 ‚19/0. , | 301| 86,0 0,69 |19,7 0.02 0,6| 3,72 |106,3| 2’si 8038| 022 | 63 20.21. „ | 3.00| s57|0,69\ 19,7 0.02|0,6\ 371|1060| 281 |80,3| —o2ı | 60 222." „ 2,43 | 69,5 | 0,69 19,7 0,02 |0,6| 3,14| 89,8] 2,81 |80,3| + 0,36 | 10,3 Da 323| 92,3 .0,69 19,7 0,02|0,6| 3,941112,6| 2,81 80,3 | — 0,44 | 12,6 23.124. „ 2,96| 84,6 0,69 19,7 0,02|0,6| 3,67 |104,9| 2,81|80,3| — 0,17 | 4,9 24.125. , 2,97 | 84,8 0,69 | 19,7 0,02 |0,6 3,68|105,0| 2,81|80,3| — 0,18 | 5,1 25.6. „ | 3,84 109,8 | 0,69 19,7 0,02 0,6 | 4,55 130,0] 281 |80,3| — 1,05 | 3,0] 6,050 Summa 81,901 — |6,90| — |o20| —|s900| — sel - J-a0| — | — iz Also im Mittel von 10 Tagen: | 3,19] 88,4| 0,69] 19,7 |0,02|0,6| 3,90 108,6] 2,81] 80,8] — 0,40 | 8,6] Die Zahlen für den N-Gehalt des Harnes wiesen an den einzelnen Tagen keine grossen Schwankungen auf, mit Ausnahme des sechsten Tages, der aus der Reihe fällt. Der höhere N-Gehalt am letzten Tage ist bedingt durch die vermehrte N-Zufuhr in Form von Knochen, die als abgrenzende Substanz benutzt wurden. Die Zulage von 50 g Bierextrakt zum Grundfutter hat die N-Ausscheidung in Harn im Vergleich zu den Grundfutterperioden 1 und 5 um 3,49— 3,19, also um 0,50 g N verringert; der N-Gehalt der Fäces betrug 0,69 g, derselbe war somit im Vergleich zu den beiden Grund- futterperioden um 0,69—0,215, also um 0,475 g erhöht. Da während ‚dieser Periode 0,6 & N in Form von Bierextrakt zugelegt worden waren, so ergibt sich dass die N-haltigen Substanzen des Bier- extraktes nur zu 20,83 °/o resorbiert wurden. Auch in den früheren Versuchen waren diese Substanzen trotz ihrer Wasserlöslichkeit zum grösseren Teil nicht resorbiert worden. — Was schliesslich den N- Ansatz anbelangt, so betrug derselbe während der Grundfutterperiode in Mittel — 0,84 g, hier dagegen — 0,40 g; die 50 g Bierextrakt haben also den N-Verlust des Organismus um 0,44 g herabzusetzen ver- mocht; jedoch konnte sich das Tier trotz dieser Zulage noch nicht in das N-Gleichgewicht setzen; es verlor auch täglich 15 & seines Gewichtes. Ge- wicht de Tieres kg 6,200 6,125 174 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Energieumsatz. (Bierextraktperiode). Einnahmensprordie 0.0 en AED NEE Ausgaben: Der Kot der 10 Versuchstage wog getrocknet 113,748 und ergab prog 4,364 Cal. also Sa. 553,230 „ resp. pro die . 55,323 „ = 11,39 d. Zufuhr DerHarnenthielt 33,60 „ = 6,8%, , 8a 388,9285 75, 0 18,180/0.0. Zufuhr 7 SS DSEr | Somit beträgt der physiologische Nutzwert . . . = 402,997 Cal. entsprechend 82,2°%o der Zufuhr Von den 191,650 Cal., die in Form von 50 g Bierextrakt ver- abreicht wurden, gingen, wie sich aus dem Vergleich dieser Periode mit den Grundfutterperioden 1 und 5 ergibt: 55,323 — 25,605 — 29,718 Cal. entsprechend 15,5 °/o der Zufuhr in den Kot. Es wurden also 84,5 /o resorbiert. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund 65,3 nutzbare Calorien erhalten. Harn -Cal. = 33,6 \ Harnı-N = a ln Calorischer Quotient ( Der physiologische Nutzwert des Bierextraktes beträgt 83,4 oe. seines Energiegehaltes (berechnet aus den Resultaten dieser Periode und den betreffenden Daten der beiden Grundfutterperioden). Periode 3. Vom 26./27. September bis 3./4. Oktober 1909. (Bier- extraktperiode.) Das Tier erhielt pro die: als Grundfutter: 80 8 Pferdefleisch . . . . . . mit 2,76 g N und 108,88 Cal. 2 Rindertals.ı.} 1. .naa SUERlE02., Vale oa Anteil an der Knochenration von 168 | prote ae rar . Gm Ran a ar VAT OR als Zulage: 2uue. Bierextrakt 0.0... 2 722:500n620,307 22 NEund 95,825, 04% Sa. 3,20 g N und 394,095 Cal. rg Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 175 Tabelle XVII. Es wurden ausgeschieden N Resorbiert (ee: Datum m: TE N-Ansatz icht 1909 im Harn | im Kot re Summa N A Ti g 0/0 2 Yb go g 0/0 Eu jo g 0/o en 126.97. Sept. | 3,54 | 110,8 | 0,36 | 11,3 | 0,02 | 0,6 | 3,92 | 122,7 | 2,84 | 88,8 | — 0,72) 22,5 | 6,050 2728. „ 2,71| 84,6 0,36 11,3 0,02 0,6 | 3,09| 96,5] 2,84 |88,8| + 0,11| 3,4 | 6,090 128429. „ 2,32, 8810,36 | 11,3 | 0,02 | 0,6 | 3,20 | 100,0| 2,84 | 88,8 0,00 | 0,0 | 6,090 2980. „ 3,26 | 101,8 | 0,86 | 11,3 0,02 10,6 3,64 113,7] 2,84 | 88,8 | — 0,44 |13,7| — ‚30. Sopt. bisi.Okt. | 3,02 | 94,3 10,36 |11,3 0,02 10,6 | 3,40 | 106,2] 2,84 | 88,8 | — 0,20 | 6,3.] 5,950 1./2. Okt. 2,61 | 81,6 0,36 11,3 0,02 0,6 | 2,99| 93,5] 2,84 |88,8| + 0,21| 6,61 — 20. , 3.29 | 102,9 | 0,36 | 11,3 0,02 0,6 | 3,67 | 114,8] 2,34 | 88,8 | — 0,47 | 14,7 | 5,850 3/4. „ 3,49 | 109,1 | 0,36 | 11,3 10,02 | 0,6 | 3,87 1121,0] 2,84 | 88,8 | — 0,67 | 21,0 15,720 ae a eeeIeaeerTaennneE Also im Mittel von 8 Tagen | 3,09] 96,5 | 0,36 | 11,3 | 0,02] 0,6 | 3,47 | 108,4] 2,84 | 88,8] — 0,27| 8,4 | 5,885 Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund im Mittel 0,545 & N und 67,0 Cal. erhalten. Die mittlere tägliche Gewichts- abnahme .betrug 41 2. Die N-Bilanzen dieser Periode 3 bei Zulage von 25 g Bier- extrakt zur Grundration und diejenigen der Periode 2 bei Ver- abreichung der doppelten Menge Bierextrakt als Zulage stimmen nahezu überein. Von Interesse ist also zunächst die Tatsache, dass eine über 25 g hinausgehende Zulage an Kohlehydraten (die minimalen Mengen resorbierbarer N-haltiger Stoffe des Bierextraktes können bei dieser Betrachtung unberücksichtigt bleiben) die Zersetzung N-haltiger Nahrungs- bzw. Körperbestandteile nicht weiter hat ein- schränken können. Es war also jedenfalls bei der Zulage von 25 g Bierextrakt die Grenze erreicht, bei der eine eiweisssparende Wirkung der Kohlehydrate noch hat stattfinden können. Der Gewichtsverlust des Tieres war allerdings infolge verdoppelter Kohlehydratzufuhr während der zweiten Periode wesentlich geringer (— 15 g pro die) als in der dritten (— 41 g), so dass also vermutlich wenigstens eine fettsparende Wirkung der Kohlehydratzulage in Periode 2 in Betracht gekommen sein dürfte durch die Beteiligung dieser Bierextraktzulage am Stoffwechsel an Stelle des andernfalls der Oxydation preis- gegebenen Körperfettes. Was nun die einzelnen Komponenten der N-Bilanzen während der beiden Bierextraktperioden anbelangt, so sind zunächst die be- treffenden Mittelwerte beider Perioden für den N-Gehalt der Harne 176 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: identisch. Dagegen wurde in den Fäces der Periode 2 (50 g Bier- extrakt) im Mittel 0,69 g N pro die, im Kot der Periode 3 (25 g Bierextrakt) 0,36 g N ermittelt. Es berechnet sich somit für die N-haltigen Substanzen des Bierextraktes aus dem Vergleich der Periode 3 mit dem Mittelwert aus beiden Grundfutterperioden der Verdauungskoeffizient 51,67 ein Wert, der wesentlich höher ist als die früher gefundenen (siehe hierzu S. 141, 147 und 155). Energie-Umsatz. (Bierextraktperiode.) Iiinnahmen'ipro, die ia ve an SRH Ausgaben: Der Kot der 8 Versuchstage wog getrocknet 75,17 g und ergab prog 4,625 Cal. also Sa. 347,640 „ resp. pro de . 43,456 „ =11,0 0 d. Zufuhr Der Harnenthielt 3LB0 78 llo, , Sa. 75,306 Cal. —=19,1°o d. Zufuhr = 75,306 Cal. ‘Somit beträg der physiologische Nutzwert . . . =318,789 Cal. entsprechend 80,9°/o der Zufuhr. Von den 95,825 Cal., die in Form von 25 g Bierextrakt ver- .abreicht wurden, eingen, wie sich aus dem Vergleich dieser Periode mit den Grundfutterperioden 1 und 5 ergibt: 43,456 — 25,605 —= 17,851 Cal. entsprechend 18,6°o der Zufuhr in den Kot über; es wurden also 81,4 °/o resorbiert. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund 53,8 nutzbare Calorien erhalten. Harn - Cal. = 31,85 ame) = N) wo Der physiologische Nutzwert des Extraktes beträgt 81,0 %/o seines Energiegehaltes (berechnet aus den betreffenden Werten dieser Periode und den beiden Grundfutterperioden). Im unmittelbaren Anschluss an die zweite Bierextraktperiode erhält der Hund während einer sechstäeigen Periode als Zulage zum Grundfutter pro die 467,8 g Bier. Die Bieranalyse hatte folgende Werte ergeben: Extrakt (Trockenrückstand): 5,822 %0 mit 3,518 Cal. pro Gramm, Alkohol }): 3,98% mit 7,08 Cal. pro Gramm, Stickstoff: 0,066 °/o. Calorischer Quotient ( 1) In der abdestillierten Alkohol- Wassermischung wurde das spezifische Gewicht mit dem Pyknometer bestimmt und der Alkoholgehalt mit Hilfe der Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 177 In den 467,8 g Bier, die das Tier täglich erhielt, waren somit enthalten: 27,24 & Extrakt mit 95,832 Calorien und 0,31 g N und 18,615 & Alkohol mit 131,52 Calorien Sa. 227,652 Calorien und 0,31 &. N. Da der Hund während der Bierperiode im Mittel 5,745 ke wog, so hatte er pro Kilogramm Gewicht 3,25 g Alkohol erhalten, also eine sehr grosse Menge, welche die in den Versuchen Chauveau’s!?) am Hunde verabreichte Quantität (2,4 g Alkokol pro Kilogramm) somit sehr erheblich übersteist. Es kam uns eben darauf an, den Einfluss der Alkoholzufuhr auf den N- und den Energieumsatz bei der Verabreichung verschiedener Mengen zu studieren; in den späteren Versuchen an Hunden und am Menschen wurden daher auch wesentlich geringere Quantitäten Alkohol gegeben. Der Hund Chauveau’s war bei der Gabe von 2,4 g Alkohol pro Körperkilo berauscht, unser Teckel durch 3,25 g Alkohol pro Kilogramm Gewicht schwer bezecht. Das Bier erhielt er, da er es freiwillig nicht aufnehmen mochte, in zwei Portionen mittels Schlundsonde bei einem Zeitintervall von 2—3 Stunden. Einige Zeit nach der Einführung der ersten Portion wurde der Hund etwas schläfrig; zirka eine halbe Stunde nach Aufnahme der zweiten setzte sich das Tier, bemühte sich den Kopf möglichst senkrecht nach oben zu halten und heulte mehrere Stunden mit nur kurzen Unterbrechungen ; wenn man ihn auftrieb, ging er sehr unsicher mit ausgeprägter Schwäche der hinteren Extremitäten. Dieselben Beobachtungen machten wir täglich während der 6tägigen Bierperiode. Da ein geringer Prozentsatz des genossenen Alkohols unverändert durch die Nieren ausgeschieden wird ?), so waren im Harn der Bier- Tabellen von K. Windisch, Berlin (Verlag von Julius Springer. 1895) berechnet. Für den Caloriengehalt des Alkohols wurde der theoretische Wert eingesetzt (7,08 g Cal. pro Gramm). 1) A. Chauveau, La production du travail musculaire etc. Compt. rend. t. 132 p. 65. 1901, et Compt. rend. t. 132 p. 110. 1901. 2) Siehe z. B. G. Bodländer, Die Ausscheidung aufgenommenen Wein- geistes aus dem Körper. Pflüger’s Arch. Bd. 32 S. 398. 1883. — F. Strass- mann, Untersuchung über den Nährwert und die Ausscheidung des Alkohols. Pflüger’s Arch. Bd. 49 S. 315. 1891. — W.O. Atwater and F. G. Benedict, An exp, inquiry regarding the nutritive value of Alcohol. Mem. of the nat. acad. of sciences vol. 8 p. 6 memoir. Washington 1902. 178 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: periode Alkoholbestimmungen auszuführen. Zuvor hatten wir uns von der Genauigkeit der Methode zu überzeugen. Erster Kontrollversuch. Zirka 250 cem eines mit HCl angesäuerten und einem Thymol- krystall desinfizierten bei alkoholfreiem Regime gewonnenen Harnes (Harn des dritten Tages der fünften Periode Versuchsreihe 1) werden mit 2 cem Alkohol vom spezifischen Gewicht 0,82217 entsprechend 1,484 g Alkohol (mittels Pyknometers bestimmt) versetzt. Nach 5 Wochen wurde die Alkoholbestimmung in diesem Harn aus- geführt. Zu dem Zweck wurde der Alkohol durch einen Liebig- schen Kühler in einen Glaskolben überdestilliert; das Destillat wurde mit Natronlauge neutralisiert und nochmals in ein 100 cem Kölbchen destilliert. Letzteres wurde hierauf genau bis zur Marke mit Wasser aufgefüllt. Die Alkoholbestimmung mittels Pyknometers ergab bei 15° C. das spezifische Gewicht 0,99723 entsprechend 1,48 g Alkohol. Zweiter Kontrollversuch. Zu 250 eem angesäuertem und mit Thymol versetztem Harn (Harn des dritten Tages der ersten Periode Versuchsreihe 4) werden 0,50 g absoluter Alkohol zugesetzt. Nach 5 Wochen wurde in dem wie bei Kontrollversuch 1 gewonnenen Destillat das spezifische Gewicht 0,99907 gefunden, entsprechend 0,49 g Alkohol. Die Bestimmung des Harnalkohols mittels Pyknometers wurde übrigens nur im Urin der Periode 4 Reihe VI und der Periode 1 Reihe V ausgeführt. Bei den späteren Versuchen gelangte die für geringe Alkoholmengen genauere Nicloux’sche Methode in Anwendung. Wir lassen nunmehr die Resultate der Bierperiode 4 folgen: Periode 4. Vom 4./5 bis 9./10. Oktober 1909. (Bierperiode.) Das Tier erhielt pro die: als Grundfutter: 80 g Pferdefleisch . . . . . mit 2,76 g N und 108,88 Cal. 208 4 JRindertale,.2:.,2 SoRe 20.02, ee Anteil an der Knochenration von 12 g prostdie 2er 1: Nee 30 ET VE als Zulage: 467,8 g Bier mit 18,62 g Alkohol und. 27 24eoHRxtrakt 27 re ol 2252 Sa. Sal 0. 525 DOC Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 179 Tabelle XIX. Es wurden ausgeschieden N Resorbiert Datum 1907 im Harn im Kot in den Epi- | dermisgeb. | Summa N Ge- N-Ansatz | wicht des Tieres = his A| 5 | % g |% g 0/o g %ot kg 4./5. Okt. | 3,27 | 102 0,39 | 12,1 0,03 0,9) 3,69 | 115] 2,82 | 87,9 | — 0,48 | 14,9 | 5,720 3.0. ,„ 3,44 | 107 0,39 | 12,1 0,03 |0,9| 3,86 | 120| 2,82 | 87,9 | — 0,65 | 20,1 | 5,860 6.71. ,„ 2,87 900,39 |12,1|0,03/0,9| 3,29/103| 2,82 | 87,9] — 0,08 | 2,5 | 5,910 RIO: „ 3,22 !100 0,39 112,1 /0,03|10,9| 3,64! 114| 2,32 | 87,9 | — 0,43 | 13,4 | 5,900 a? 3,14| 980,39 |12,1/0,03|0,9| 3,56 | 111] 2,82 | 87,9 | — 0,35 | 10,9 | 5,820 Er 0: ;. 3,93 | 122 | 0,39 | 12,1 | 0,03 | 0,9 | 4,35 |135 | 23,82 | 87,9 | — 1,14 | 35,5 | 5,770 are oa een ser Also im Mittel von 6 Tagen: | 332] 103 |0,39 | 12,1 0,03 | 0,9 | 3,74|116| 2,82 | 87,9] — 0,53 | 16,5 | 5,745 Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund im Mittel 0,559 g N und 91,7 Calorien (hierin 3,25 g Alkohol) er- halten. Die mittlere tägliche Gewichtzunahme betrug 8,3 @. Was zunächst die N-Ausscheidung im Harn anbelangt, so betrug der Mittelwert pro die 3,32 & N. In der unmittelbar vorausgegangenen Bierextraktperiode, deren Regime sich nur durch das Fehlen des Alkohols vom Regime dieser Bierperiode unterscheidet, wurden im Mittel nur 3,09 g N täglich durch die Nieren sezerniert; die Steigerung der Eiweisszersetzung um 0,23 g N täglich in der Bierperiode ist der toxischen Wirkung der grossen Alkoholgaben zuzuschreiben. Im Versleich zu dem Durchschnitt der beiden Grundfutterperioden ist die N-Ausscheidung im Harn jedoch um 0,17 g verringert, so dass die Bierzulage trotz der zu grossen Alkoholgaben infolge des be- trächtlichen Kohlehydratgehaltes immerhin noch etwas eiweisssparend wirkte. Die N-Ausscheidung in den Fäces betrug während der Bier- periode täglich 0,39 g, gegenüber 0,36 g in der vorausgegangenen Bierextraktperiode. Die Differenz ist unerheblich. Die N-haltigen Stoffe des Bieres wurden zu 43,26 °/o resorbiert. Jedenfalls beweisen diese Daten, dass von einer Erhöhung der Resorption N-haltiger Nährstoffe bei Alkoholzufuhr unter den ge- wählten Versuchsbedingungen nicht die Rede war. Was schliesslich die N-Bilanzen anbelangt, so steht der Durch- schnittswert der Bierperiode (— 0,53 g N) ungefähr in der Mitte zwischen den betreffenden Daten für die Grundfutterperioden 1 und 5 180 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: (i. M. — 0,84 g N) und für die vorausgegangene Bierextraktperiode (— 0,27 g N). Die Alkoholbestimmung im Harn dieser Periode ergab, dass. 0,58%) & Alkohol entsprechend 4,106 Cal. unverbrannt durch die Nieren sezerniert worden waren, das sind 3,12 %o der aufgenommenen Alkoholmenge. Dieser Prozentsatz ist ziemlich hoch, wenn wir bedenken, dass z. B. Atwater und Benedict (l. ec.) im Mittel einer grösseren Zahl Versuche am Menschen in der Atmung und im Urin zusammen nur 1,9°/o der genossenen Alkoholmenge wieder- fanden. Allerdings handelt es sich bei den Versuchen der amerikanischen Forscher um eine wesentlich geringere Alkoholzufuhr. Die Menschen erhielten 72,3 g Alkohol, also ea. nur 1 g pro Kilo- sramm (gegenüber 3,25 g in unserem Versuch am Hunde); es kommt noch hinzu, worauf Rosemann?°) mit Recht hinweist, dass die Alkoholaufnahme bei den Versuchspersonen Atwaters und Bene- diet’süber.den ganzen Tag (sechs gleiche Dosen) verteilt war, während wir dem Hunde den gesamten Alkohol in zwei Portionen bei einem Zeitintervall von nur 2—3 Stunden beigebracht hatten. Die höheren Werte, welche Bodländer (l. ec.) an Hunden und Menschen und Strassmann (l.c.) an Menschen für die ausgeschiedenen Alkohol- mengen gefunden hatten, finden nach Rosemann (l. c.) wenigstens teilweise ihre Erklärung darin, dass diese Autoren ihren Hunden bzw. Versuchspersonen die gesamte Alkoholmenge (50—100 ccm Alkohol beim Menschen) auf einmal verabreicht hatten. Bodländer hatte im Harn der Hunde im Mittel von vier Versuchen 1,576 °/o des verabreichten Alkohols wiedergefunden, mit der Atemluft wurden im Mittel von drei Versuchen 1,946 °/o Alkohol ausgeschieden. Hier- nach ist das Verhältnis des durch die Nieren ausgeschiedenen Alkohols zu dem ausgeatmeten Alkohol = 1:1,235. Nach den von Atwater und Benediet an Menschen ausgeführten sehr exakten Versuchen war das Verhältnis des durch die Nieren sezernierten Alkohols zu dem mit der Atmung ausgeschiedenen — 1: 9,375. 1) Die aus 500 ccm Mischharn dieser Periode zweimal abdestillierte Alkohol- Wassermischung hatte das spezifische Gewicht 0,99945 entsprechend 0,29 g Alkohol; da der Harn täglich auf 1000 ccm aufgefüllt worden war, wurden somit 0,58 g Alkohol pro die im Harn sezerniert. Ein zweite Bestimmung ergab denselben Wert. 2) R. Rosemann, Alkohol. Handb. d. Biochem. d. Menschen u. d. Tiere, herausgeg. von C. Oppenheimer Bd. 4 Hälfte 1 S. 419. 1909. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 181 Nach diesen Befunden erscheinen die Bodländer’schen Zahlen für den Alkohol der Atmung zu niedrig; denn es ist doch nicht wahrscheinlich, dass der Hund nur etwa die gleiche Menge Alkohol im Urin und in der Atmung unverbrannt ausscheidet, wenn beim Menschen ungefähr die neunfache Alkoholmenge des Harnes in der Atmung wiedergefunden wird. Diese Bedenken werden noch gestützt durch die Tatsache, dass die Alkoholbestimmungsmethode Bodländers nicht genau genug war, um befriedigende Resultate zu erhalten, worauf die amerikanischen Forscher (l. ce.) bereits hin- gewiesen haben. Es kam uns bei unseren Alkoholversuchen an Hunden darauf an, die durch die Atmung unverändert ausgeschiedenen Alkoholmengen quantitativ zu bestimmen. Was zunächst die Apparatur anbelangt, so bedienten wir uns eines Vakuumtrockenapparates, um den aus- geatmeten Alkohol zu ermitteln. Zu dem Zweck werden eine bzw. zwei ca. 1 m lange Glasröhren, welche je mit einem zweifach durch- bohrten Gummistopfen verschlossen werden können, zwischen Vakuum- apparat, dessen Kupferrohr durch ein Glasrohr ersetzt wird, und Pumpe geschaltet. Durch die eine Durchbohrung jedes Stopfens führt ein ca. 0,7—0,3 cm starkes Glasrohr nahezu auf den Boden der Glasröhre, welche ca. 3 em lichte Weite hat. Durch die zweite Öffnung jeden Stopfens wird ein Kjeldahl’sches Aufsatzstück ge- steckt, das nur etwa 1 cm weiter als der Stopfen in die Röhre hineinragt. Dieser Kugelaufsatz hat den Zweck, die mit der durch- gesausten Luft etwa mitgerissenen Tropfen der Lösung wieder zurückfliessen zu lassen. Das nach aussen führende Rohr des Auf- satzes wird mittels Druckschlauches entweder mit dem zweiten Glas- rohr oder direkt mit der Pumpe verbunden. Um den Alkohol zu bestimmen, wandten wir die Nieloux’sche!) Methode an. Diese Methode beruht im Prinzip darauf, dass Kalium- biehromat bei Gegenwart von Schwefelsäure durch Alkohol reduziert wird; nach der vollständigen Oxydation des Alkohols wird natürlich kein Bichromat mehr reduziert, und ein geringer Überschuss von )) M. Nicloux, Dosage de l’alcool dans le chloroform. Bull. de la Soc. Chimique de Paris, 3° ser. t. 35 p. 330. 1906. Siehe auch: Prings- heim, Nachweis und Bestimmung der biologisch wichtigen niederen Alkohole, in dem von E. Abderhalden herausgegebenen Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden Bd. 2 8.7. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 13 182 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Bichromat bewirkt einen Umschlag der bis dahin grünblauen Lösung in Gelberün. Es handelt sich also um eine titrimetrische Methode. Die Titrierflüssiskeit ist so weit zu verdünnen, dass höchstens ein Teil Alkohol in 500 Teilen der Lösung enthalten ist. Wir haben uns durch eine grosse Zahl von Kontrollversuchen davon überzeust, dass diese Methode recht zufriedenstellende Resultate gibt. Für die Beschiekung der beschriebenen, zwischen Vakuumapparat und Pumpe eingeschalteten Glasröhren benutzten wir eine konzentriertere Lösung, die 1,9987 g des Salzes in 25,0 cem enthielt, und ungefähr die gleiche Menge konzentrierte Schwefelsäure. Nun vermag 1 o Kalium- bichromat 0,2632 eem Alkohol zu oxydieren, somit 1,9987 g Bichromat — 0,526 cem Alkohol. Je nach der in den Apparat gebrachten bzw. im Tierversuch zu erwartenden Alkoholmenge haben wir die Röhren mit 25 bis 125 cem der Bichromatlösung beschickt, die stets aus derselben 25 eem-Pipette eingemessen wurden. Nach Beendigung des Versuches wurde die Lösung in einen Messkolben gespült und mit Wasser entsprechend verdünnt. Um nun die Menge des während des Versuches oxydierten Alkohols zu bestimmen, war jetzt nur noch nötig, festzustellen, wie- viel Alkohol die benutzte Bichromatlösung noch zu oxydieren ver- mochte. Zu dem Zweck stellten wir titrimetrisch fest (wir benutzten stets dieselbe Bürette, welche 0,01 ccm direkt abzulesen gestattete), wieviel Kubikzentimeter der Bichromatlösung nötig waren, um 5 cem einer wässerigen alkoholischen Lösung, die 0,1 Volumprozent Alkohol enthielt, zu oxydieren. Da das Bichromat der in den betreffenden Versuchen vorgeleeten Lösungen durch den Alkohol zum Teil oxy- diert worden war, waren zur Oxydation der 0,005 ecem Alkohol, die in den 5 eem der Titrierlösung enthalten sind, entsprechend mehr erforderlich als von der ursprünglichen Bichromatlösung. Es soll hier zunächst der Gang des Versuches und an einem Beispiel die Alkoholbestimmung beschrieben werden. In dem er- wähnten Vakuumtrockenapparat befinden sich zwei Heizplatten, die nur kurz vor Beendigung des 20—24stündigen Versuches, nachdem das Tier aus dem Apparat genommen war, erwärmt wurden, um etwa noch vorhandene Spuren Alkohol in die Vorlagen überzu- destillieren. Auf die obere Heizplatte wurde eine bestimmte Menge einer alkoholischen Lösung gegossen bzw. das Tier gebracht und hierauf die Tür des Apparates geschlossen, nachdem ein kleines Fenster der Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 183 Tür durch einen durchbohrten Kork ersetzt war. Nur durch die Öffnung des Korkes konnte Luft in den Apparat gelangen, die kon- tinuierlich von zwei mit einem T-Rohr verbundenen Wasserstrahl- pumpen durch den Apparat und die Bichromatvorlagen hindurch- gesaugt wurde. Da die Luft stets in den Apparat strömte (Prinzip des Pettenkofer’schen Respirationsapparates), konnten durch die Eintrittsöffnung natürlich keine Luft und keine Alkoholdämpfe aus dem Apparat nach aussen gelangen. Nachdem man die Wasserstrahl- pumpen in Tätigkeit gesetzt hatte, liess man aus einer Pipette eine bekannte alkoholische Lösung auf die obere Heizplatte fliessen und schraubte die Tür zu. Ein Beispiel: In die Vorlagen: 25 ccm Bichromatlösung und H,SO,, die 0,526 eem Alkohol zu oxydieren vermochten. In den Apparat: 30 ccm einer 0,984-volumprozentigen alkoho- lischen Lösung entsprechend 0,295 eem Alkohol. Nach 20 Stunden wird der Kork durch das luftdichte Fenster ersetzt, die Platten durch ein- strömendes heisses Wasser erwärmt und der Apparat auf 20—40 mm Druck durch die grosse Kolbenluftpumpe, die statt der Wasserstrahl- pumpen eingeschaltet wird, evakuiert. Schliesslich öffnet man die Ventile, wobei man die Pumpe noch einige Minuten in Tätigkeit lässt, um noch eine grössere Menge Luft durch Apparat und Vor- lagen zu saugen, und stellt ab. Die vorgelegte Bichromatlösung wurde nun auf 200 eem auf- gefüllt und ein aliquoter Teil in die Bürette mit 0,01 ccm Grad- einteilung gefüllt. Zur Titration von 5 eem der 0,1 °/oigen Alkohol- lösung waren im Mittel von vier Versuchen 4,18 cem Bichromat- lösung erforderlich. Es waren also 4,18 eem dieser Lösung notwendig, um die in den 5,0 ecm der 0,1-volumprozentigen alkoholischen Lösung enthaltenen 0,005 cem Alkohol zu oxydieren. Die Auflösung der Proportion: 4,18 : 0,005 —= 200 :x ereibt, dass die gesamte vorgelegte Lösung noch 0,239 cem Alkohol zu oxydieren vermochte. Da die Lösung ursprünglich 0,526 cem Alkohol oxydieren konnte, so ergibt die Differenz 0,526—0,239, dass 0,287 cem Alkohol bereits durch die Vorlage oxydiert worden war. Die in den Apparat gebrachte Alkoholmenge betrug 0,295 cem. Andere Bestimmungen ergaben: 184 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: In dem Apparat In den Vorlagen wiedergefunden 0,246 eem Alkohol 0,221 cem. 0,246 „ > DZ 0,246 „ ar 0,248 „ 0,246 „ n (22a: 2902008 5 2A 0 0,984 , 5 0,988 „ Der betreffende in den Apparat gebrachte Hund hatte die alko- holische Lösung unmittelbar vorher mittels Schlundsonde erhalten. Um den Harn getrennt auffangen zu können, wurde ihm ein Trichter (l e.) umgeschnallt, auf dessen Ansatz resp. zwei Ansätze Gummi- schläuche gestreift wurden. Der Gummischlauch wurde durch eine zweite Durchbohrung des Korkstopfens, die ihn fest umschloss, unter eine in einer Flasche befindliche ca. 1 cm hohe Schicht von an- gesäuertem Wasser nach aussen geleitet. Bei Anwendung von zwei Schläuchen wurden letztere unter der Heizplatte auf zwei Schenkel eines T-Rohres gestreift; der dritte Schenkel wurde eben- falls mit einem Schlauch verbunden und letzterer, wie beschrieben, nach aussen geführt. Also auch bei dieser Versuchsanordnung konnte die Luft nur durch die eine Öffnung in den Apparat gelangen. Wir haben eine grössere Anzahl Versuche mit wechselnden Alkoholgaben an Hunden verschiedener Grösse und verschiedenen Alters ausgeführt und insbesondere auch die Frage studiert, welchen Ein- fluss die Gewöhnung an Alkohol auf das Alkoholoxydationsvermögen les Organismus hat. Die Resultate der Versuche, welche augen- blieklich noch fortgesetzt werden, sollen in einer besonderen Arbeit publiziert werden. An dieser Stelle teilen wir nur diejenigen Daten mit, welche unter ähnlichen Bedingungen erhalten wurden, wie sie in den drei vorliegenden Alkoholperioden an Hunden gewählt worden waren. Die erste dieser drei Alkoholperioden ist die vorliegende Alkohol- periode 4 der Reihe IV an einem männlichen Teckel, der täglich 3,25 g Alkohol pro Körperkilogramm erhielt und 3,12% des zu- geführten Alkohols im Harn sezernierte. Um nun zu ermitteln, wie eross die ausgeatmete Alkoholmenge unter ähnlichen Versuchs- bedingungen ist, erhielt ein zweiter, etwas grösserer Teckel an 4 Tagen!) nach der Fütterung je 2,854 g Alkohol pro Körperkilo- 1) Die durch je 2—3 Tage voneinander getrennt waren. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 185 eramm in 300 eem wässeriger Lösung und in einer Portion mittels Schlundsonde, also annähernd dieselbe Menge. Hierauf wurde das Tier je 19—22 Stunden in den Apparat gebracht und der Alkohol in Harn und Atmung, wie angegeben, bestimmt. Wir haben übrigens ebenso wie die amerikanischen Forscher (l. ce.) in alkoholfreien Perioden die Menge reduzierender Stoffe bestimmt und in Abzug gebracht. Die Menge entsprach im Mittel von 4 Versuchen 0,045 & Alkohol pro Tag und Tier. Im Mittel der vier Alkoholversuche wurden folgende Werte gefunden: Kngklarne ne, 205408200, in der Atmung . . . .. 5,269 9%, Sa. 9,651 °/o des zugeführten Alkohols. Harnalkohol : autgeatmetem Alkohol —= 1: 1,202. Dieses Verhält- nis werden wir bei der Berechnung des in der vorliegenden Periode 4 ausgeatmeten Alkohols zugrunde legen. | Bodländer (I. ec.) hatte annähernd dasselbe Verhältnis gefunden, nämlich auf 1 Alkohol im Harn 1,235 Alkohol in der Atmung. Hierzu haben wir jedoch zu bemerken, dass nur bei solchen Alkohol- gaben, wie wir sie z. B. in Reihe IV verabreichten, die angegebenen Verhältniszahlen zutreffen. Bei geringeren Alkoholdosen wird, wie wir gleich sehen werden, auch von Hunden ein geringerer Prozentsatz des aufgenommienen Alkohols sezerniert, dagegen relativ zum Harn- alkohol mehr Alkohol ausgeatmet. Um nun die Menge des Alko- hols der Atmung für die Versuchsreihen V (Periode I) und VI (Periode 1 und 2) zu bestimmen, erhielt ein junger !/sjähriger Hund 0,842 g Alkohol pro Körperkilogramm. Wir fanden im Mittel von fünf Versuchen: klar #: wan sin, spiele 00% insders Atmung... 1.2.00 12148, 1.103810, Sa. 4,285 °/o der Zufuhr. Somit Alkohol im Harn : ausgeatmetem Alkohol —= 1: 2,647. Diese Zahlen beweisen, dass bei der Zufuhr von ea. 1 g Alkohol pro Körperkilogramm etwa nur !/« des Prozentsatzes an Alkohol in den Harn übergeht, der bei der grossen Gabe von 2,9 g pro Körper- kilogramm ermittelt wurde; dagegen finden wir hier in der Atmung die 2,6fache Alkoholmenge des Harnes. gegenüber der 1,2fachen Menge bei Gaben von ca. 3 g pro Körperkilogramm. Bei den Alkohol- perioden der Reihen V und VI werden wir die 2,647 fache Menge 186 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: des im Harn gefundenen Alkohols für den Alkohol der Atmung ein- setzen. Von Tieren, welche bereits mehrere Wochen an die Auf- nahme von Alkohol gewöhnt sind, werden, wie in einer besonderen Arbeit gezeiet werden soll, nur noch 1—2°o der genossenen Alkohol- menge durch Harn und Atmung unverbrannt abgegeben. Nunmehr lassen wir die Resultate für den Energieumsatz der Reihe IV Periode 4 folgen: innahmen, prondieren nn e929 2a Ausgaben: Der Kot der 6 Versuchstage wog getrocknet 64,156 g und ergab pro g 4,344 Cal. also Sa. 278,090 „ resp. pro die. .. 46,448 „= 8,80 d. Zufuhr Der Harnenthielt: direkt bestimmt. 42,400. „= 81%, , 0,58 g Alkohol . 4,106 „ In her Atmung: Une 7ae lo 0,697 g Alkohol: 4,937 ,„ Sa: 97,891 — 18,6% d. Zufuhr—= 97,891 _Cal. Somit beträgt der physiol. Nulzwert des ges. Futters— 428,031 Cal., entsprechend 81,4°/o der Zufuhr. Von den 95,832 Cal.. die in Form von Bierextrakt verabreicht wurden, gingen, wie sich aus dem Vergleich dieser Periode mit den Grundfutterperioden ergibt, 46,448 — 25,605 — 20,845 Cal., ent- sprechend 21,75 /’o der Zufuhr, in den Kot über. Es wurden also 78,25 °/o resorbiert. Die während dieser Periode noch etwas verringerte Resorption des Bierextraktes scheint hiernach durch ein im Verlauf dieser Ver- suchsreihe allmählich etwas beeinträchtigtes Verdauungsvermögen des Organismus bedingt zu sein. Dagegen sprechen allerdings die nur unwesentlichen Abweichungen im N- und Caloriengehalt der Fäces in der ersten und der abschliessenden Grundfutterperiode, so dass also die hohen Alkoholgaben für die schlechtere Resorption des Bier- extraktes in der Bierperiode verantwortlich gemacht werden müssen. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund 74,48 nutzbare Calorien erhalten. Calorischer Quotient ( en =) — U) Han N = 332 Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 187 Der physiologische Nutzwert des Alko- Holsibetrug . . . ea Ion] Der physiologische Nubzwert des Ex: berechnet aus den Re- traktes betrug . . . . 66,3 | sultaten dieser Periode Der physiologische Nutzwert A Biörek und der beiden Grund- BER Sl Amen 81,8 futterperioden. Diese rechnerisch ermittelten Daten für den physiologischen Nutzwert des Alkohols, des Bierextraktes und des Bieres dürfen nicht ohne weiteres akzeptiert werden, da der Energiegehalt des Harnes der Bierperiode im Vergleich zu den übrigen Perioden der Reihe, abgesehen von dem Caloriengehalt des übergegangenen Alkohols, sehr beträchtlich erhöht ist. Es wurden nämlich ermittelt; Im Harn der Grundfutter- Periode II Periode III Periode IV Periode V periode I (Grundfutter + | (Grundfutter + | (Grundfutter + Grund- (letzten 5 Tage) | 50 g Bierextrakt)| 25 g Bierextrekt)| 467,8 g Bier) futter 30,904 Oal. 393,600 Cal. 31,850 Cal. 42,400 Cal. 34,400 Cal. (ohne den über- gegangenen Alkohol) Während also durch die Zugabe von 50 g Bierextrakt (Periode 2) im .Vergleich zu den letzten 5 Tagen der ersten Grundfutterperiode der Energiegehalt des Harnes nur um 2,696 Cal., bei einer Zulage von 25 g Bierextrakt (Periode 3) nur um 0,946 Cal. erhöht wurde, finden wir im Harn der Bierperiode ohne den übergegangenen Alko- hol ein Plus von 11,496 Cal., trotzdem mit dem Bier isodyname Mengen Bierextrakt wie in der Periode 3 aufgenommen waren. Wir hätten also im Harn der Bierperiode ausser den Alkoholcalorien nur 31,850 Cal. erwarten sollen. Der um 42,400 — 31,850, also um 10,550 Cal. vermehrte Energiegehalt des Harnes der Bierextrakt- periode kann nur durch die toxische Wirkung der sehr grossen Alkoholgabe bedingt sein. Es ist natürlich durch die vorliegende Untersuchung nicht entschieden, welche Substanzen in den Harn der Bierperiode übergegangen sind. Die Erhöhung des calorischen Quotienten in der Alkoholperiode könnte bedinst sein: 1. durch das Übergehen von N-freien Stoffen 183 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: in Harn, 2. durch den Übergang von N-armen Verbindungen und 3. könnte beides in Frage kommen. Wir haben den Harn auf reduzierende Stoffe untersucht, aber nur Spuren hiervon gefunden; die Natur der Stoffe, welche nach toxischen Alkoholdosen in den Urin übergehen, wird also noch auf- zuklären sein. Auf alle Fälle müssen wir das Plus an Calorien im Harn der Bierperiode dem Alkohol zur Last schreiben. Auch in der abschliessenden Grundfutterperiode finden wir noch, wahrscheinlich infolge der Nachwirkung des Alkohols, gegen- über der ersten Grundfutterperiode einen um 3,496 Cal. höheren Energiegehalt des Harnes; auch dieses Plus von 0,5827 Cal. pro die kommt also auf Konto des Alkohols in der sechstägigen Bierperiode. Unter Berücksichtigung dieser Daten berechnet sich nunmehr der physiologische Nutzwert des Alkohols wie folet: In Form von Bier waren pro die aufgenommen 18,618 g Alkohol entsprechend 131,82 Cal.; es gingen 0,58 g — 4,106 Cal. in den Harn über; in der Atemluft wurden 0,697 eg Alkohol = 4,937 Cal. angenommen; dazu kommen 11,1327 (10,550 + 0,5827) Cal., um die der Harn in der Bierperiode bzw. der Nachperiode infolge der Alkoholzufuhr vermehrt war; das sind also insgesamt 20,176 Cal., entsprechend 15,31 °/o der in Form von Alkohol zugeführten Energie- menge. Somit beträgt der physiologische Nutzwert des Alkohols in dieser Periode nur 84,69 °/o seines Energiegehaltes. Für das Bier- extrakt ergibt sich nun als physiologischer Nutzwert eine ent- sprechend höhere Zahl, nämlich der Wert 77,26, und schliesslich für das Bier die Zahl 81,51, natürlich ebenfalls unter Anrechnung der 3,496 Cal. (pro die 0,5827 Cal.), die infolge der Nachwirkung des Alkohols im Harn der abschliessenden Grundfutterperiode mehr erschienen. Periode 5. Vom 10./11.—14./15. Oktober 1909. (Grundfutter- periode.) Das Tier erhielt pro die: als Grundfutter: 80 g Pferdefleisch. . . . . . . mit 2,76 g N und 108,88 Cal. 20,1, Rindertaleaycni&l 21 al, u ES Anteil an der Knochenration von 10 g prowdie ae 8 No Ren re OT Sa. 2,90 © N und 298,27 Cal. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 189 Tabelle XX. Es wurden ausgeschieden N Bösschiert ER Datum | inden Epi-| & N Brauer NN 1909 im Harn | im Kot dermisgeb. Summa 197 Tieres g | %o 3 ok g 0/o g %o| kg 10.111. Okt.| 2,96 | 102 | 0,22 | 7,6 | 0,02 0,7| 3,201 110| 2,68 | 92,5 | — 0,24 | 8,3 | 5,770 11.12. „ | 3,46| 119 | 0,22 7,6 |0,0210,7| 3,70|128| 2,68 | 92,5 | — 0,80 |27,6| — 12.13. „ | 3,35 | 115 | 0,22 | 7,6 0,02 10,7| 3,59 124| 2,68 | 92,5 | — 0,69 | 23,8 | 5,670 13.114. „ | 3,46 | 119 | 0,22 7,6 |0,02|0,7 | 3,70|128| 2,68 | 92,5 | — 0,80 27,6] — 14.45. „ 1 4,09 141 | 0,22 | 7,6 | 0,02 |0,7 | 4,331 149 | 2,68 | 92,5 | — 1,43 | 49,4 | 5,500 ae e,10 0,101 [1852 | 148 [13,40 Z [3,96 =] = Also im Mittel von 5 Tagen: | 346 | 119 | 0,22 | 7,6 | 0,02 | 0,7 | 3,70|128] 2,68 | 92,5 | — 0,80 | 27,6 | 5,635 Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund im Mittel 0,515 & N und 53,0 Cal. erhalten. Der mittlere tägliche Gewichts- verlust betrug 54 g. | Energieumsatz: Einnahmen pro die. Ausgaben: Der Kot der 5 Versuchstage wog getrocknet 34,21 g und ergab pro g 3,875 Cal. also Sa. 132,600 „ resp. pro die. 26,520 „ 8,9 °/o d. Zufuhr Der Harn enthielt 34,400 ,„ IE N Sa. 60,920 „ = 20,40 d. Zufuhr= 60,920 Cal. ‘Somit beträgt der physiologische Nutzwert.. = il entsprechend 79,4% der Zufuhr Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund 42,1 nutzbare Calorien erhalten. 298,270 Cal. | Harn-OCal. Harn-N SEN 3 n 2100. Während der folgenden Versuchsreihe V wurde ein aus ge- mischter Kost bestehendes Regime an einen männlichen Dalmatiner verabreicht, der ca. 13 kg wog. Das Futter enthielt pro Körper- kilogramm ca. 0,4 & N und 90 Cal. täglich, so dass man einen ge- wissen N-Ansatz oder wenigstens N-Gleichgewicht hätte erwarten sollen. Das war jedoch während der ersten Periode nicht der Fall, das Tier verlor vielmehr zunächst ea. 0,7 g N täglich. Der Hund Calorischer Quotient ( 190 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: war als Versuchstier leider überhaupt recht ungeeignet, ein ziemlich schwächliches, degeneriertes Tier, so dass mehrfach Komplikationen vorkamen. Wir haben übrigens während dieser Reihe und der folgenden, die an einem anderen Hunde durchgeführt wurde, eine Anzahl klini- scher Beobachtungen vorgenommen, die sich auf die Messung der Körpertemperatur und auf die Bestimmung der Pulsfrequenz vor: und nach der Alkoholzufuhr erstreckten. Die Versuchsreihe setzt sich aus drei Perioden (einer Bierperiode,, einer Bierextraktperiode und einer Grundfutterperiode) von je acht- tägiger Dauer zusammen. Während der ersten Periode wurden ausser dem Grundfutter- täglich 500 g Bier mittels Schlundsonde gegeben, da das Tier das. Bier freiwillig nicht aufnehmen mochte. Das Bier enthielt: 3,98 °/o Alkohol und 5,82 °/o Extrakt mit 3,518 Grammealorien. Nachdem der Hund dieses Futter 2 Tage verzehrt hatte, wurde der Versuch begonnen. Nur am ersten der beiden Vorversuchstage hatte: der Hund 500 & Bier freiwillig, am zweiten 335 g getrunken. Die Details enthält die folgende Zusammenstellung: Versuchsreihe V. Periode 1. Vom 25./26. Oktober bis 2./3. November 1909. (Bierperiode.) Männlicher Dalmatiner. Das Tier erhielt pro die vom 23./24 Oktober ab: als Grundfutter: 2007 "erReis 2. N Ernie NASEN und a7 E00 NACTE 403 ©), Schmalzl aa a 380 AA 133,33, Pferdelleisch” 220 20.222 40607 ,27.2,, SP Abe Biular Riochsälz: Ute: ne a Bun nn er Me — 2 5 „ entfettete Knochen . . „ 030 5 2 1,1050 als Zulage: 19,9 g Alkohol & 7,08 Cal. rn) ., " a Sa. 7,37 & N und 1547,965 Cal. Zur Abgrenzung der Fäces dienten 2 g Holzkohle mit 13,128 Cal. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 191 Tabelle XXI. Es wurden ausgeschieden N Pesorbiert Gewicht Datum ne N N-Ansatz des 1909 im Harn | im Kot |dermisgeb. | Summa Tieres g 0/0 g Dion Ener Eon ae 15%/0 g %/o g | 0/o kg | 25.126. Okt. | 6,66 90,4 1,35 | 18,3 |0,04|0,5 | 8,05 1109| 6,02 | 81,71 — 0,68 | 9,2] 17,800 BB. „ 6,53 | 88,5 ı 1,35 | 18,3 | 0,04 10,5 | 7,92 [107 | 6,02 | 81,7 | — 0,55 | 7,4| 17,900 END , 6,48 |87,7 | 1,35 18,3 | 0,04 0,5 | 7,87 |107| 6,02 |81,7| — 0,50 | 6,8| 18,220 BE29: m 6,59189,3| 1,35 | 18,3 0,04 |0,5 | 7,98, 108] 6,02 | 81,71 — 0,61| 8,3] 18,090 29.130. „ | 568 7z,1| 1,35 18,3 0,04 |0,5| %07| 96| 6,02 |81,7[+ 0,80| 41| 18,220 all. „ 7,28|98,7, 1,35 | 18,3 0,04 |0,5 | 8,67 1118| 6,02 | 81,7 | — 1,30 | 17,6 | 18,070 31.0kt. bis1.Nov. | 7,32 199,3 | 1,35 18,3 | 0,04 0,5 | 8,71!120| 6,02 81,7] — 1,34 | 18,2 | 18,050 1./2. Nov. 6,56 189,2 | 1,35 | 18,3 | 0,04 [0,5 | 7,95 1108| 6,02 | 81,7 | — 0,58 | 7,9 | 17,930 DS. - |- 1 = 1 =-1=1=1 = 1-1 1-6 | 118,030 a5 108] 0,32 — | 6422) = [4816| — | 526 7 — | — Also im Mittel von 8 Tagen: I 6,65] 90,2| 1,35 |18,3 | 0,04 |0,5 | 8,031 109] 6,02 | 81,7] — 0,66 | 8,9] 17,915. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund im Mittel 0,411 g N und 86,25 Cal. erhalten. Die mitttere tägliche Gewichtszunahme betrug 29 g. Die Nährstoffzufuhr war reichlich genug bemessen, um den Organismus vor N-Verlusten zu schützen. Wenn trotzdem täglich 0,66 & N von dem Körperbestande verloren gingen, so kann die Ursache hierfür wohl nur in der toxischen Wirkung des Alkohols gesucht werden, welche die Störung des Wohlbefindens jedenfalls in der Hauptsache zur Folge hatte, was auch durch die klinischen Be- obachtungen erwiesen ist, deren Resultate im Anschluss an die anderen Ergebnisse dieser Versuchsreihe mitgeteilt sind. Die N-haltigen Nährstoffe wurden zu 81,7 °/o resorbiert. Ver- gleichen wir diese Zahl mit der entsprechenden der zugehörigen Grundfutterperiode 3, so können wir auch den Verdauungskoeffi- zienten für die N-haltigen Substanzen des Bierextraktes berechnen. Es ergibt sich aus dieser Berechnung, dass die N-haltigen Ver- bindungen des Bierextraktes zu 48,5 °/o resorbiert wurden. Vom 3. November ab erhält das Tier gewöhnliches Futter ad libitum bis zum 18. November. Vom 18./19.—21./22. November 1) Das Futter wurde an diesem Tage nur etwa zur Hälfte verzehrt, so dass der Versuch abgebrochen werden musste. Die andere Hälfte des Futters erhielt der Hund am folgenden Tage und hierauf die Abgrenzung, so dass der Kot von 9 Versuchstagen gesammelt wurde. 192 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: war der Hund wieder im Versuch, der leider nicht exakt durch- geführt werden konnte. Um Komplikationen bei der Durchführung der nächsten Periode möglichst zu vermeiden, entschlossen wir uns, den Hund längere Zeit hungern zu lassen, und zwar insgesamt 13 Tage. Am 14. Tage beginnt der neue Versuch, bei dem als Zulage zum Grundfutter genau die gleiche Menge an Bierextrakt (das aus demselben Bier gewonnen war) gereicht wurde wie in der ersten (Bier)-Periode. Wir lassen nunmehr zunächst die Resultate über den Energie- umsatz der ersten (Bier)-Periode folgen. Energieumsatz: Einnahmen pro@die Wan. ar ee wenn 158 IE Ausgaben: Der Kot der 9 Versuchstage wog getrocknet 235 .0g und ergab pro g 3,472 Cal. also Sa. 815,92 „ ab für 2g Kohle 13,123 „ also Sa. 802,792 Cal. resp. pro die. . 89,199 „= 5,8 "od. Zufuhr Der Harn enthielt direkt bestimmt: 71.85.20, 20 lo, 1%; 00% 8 Alkohol) 705310 77 — El. Valle In der Atmung ?) 0.199787 Alkohol a71409 7577092 Sa. 162,989 Cal.— 10,5 "od. Zufohr 162,989 Cal. Somit beträgt der physiologische Nutzwert. . . . 1884,976 Cal., entsprechend 89,5 %/o der Zufuhr. Von den 102,4 Cal., die in Form von 29,11 g Bierextrakt ver- ‚abreicht wurden, gingen, wie sich aus dem Vergleich dieser Periode mit der Grundfutterperiode ergibt: 89,199 — 82,748 — 6,451 Cal., entsprechend 6,3 °/o der Zufuhr, in den Kot über. Es wurden also 93,7 °/o resorbiert. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund 77,5 nutzbare Calorien erhalten. Calorischer Quotient (er — 72,4 ) Harn-N = 6,65 1) Berechnet. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 193: Physiologischer Nutzwert des Alkohols 98,6, ” E „ Extraktes 72,41, h x „ Bieres 87,59. Die Alkoholzufuhr hatte während dieser Periode pro Kilogramm Gewicht 1,11 g betragen, also nur etwa !/s derjenigen Menge, welche in der Versuchsperiode 4 an den Teckel verabreicht werden war. Wir sehen aus den Daten über den Energieumsatz, dass infolge der relativ geringen Alkoholgabe ein wesentlich geringerer Prozentsatz. Alkohol als in der Versuchsreihe IV in den Harn überging, näm- lich nur 0,4 /o. In bezug auf den N- und Energiegehalt der Harne bestehen bei den Versuchsreihen IV und V insofern Differenzen, als bei der starken Alkoholzufuhr (Reihe IV) N-freie Stoffe in der Hauptsache für die Erhöhung des Energiegehaltes des Harnes in Frage kommen (ealorischer Quotient 14, in der zugehörigen Bierextraktperiode 10,3). Bei der vorliegenden Versuchsreihe V ist der Caloriengehalt des Harnes der Bierperiode gegenüber der zugehörigen Bierextraktperiode- ebenfalls erhöht (um 7,725 Cal.); hier kommt jedoch dieser höhere Caloriengehalt des Harnes zustande durch den vermehrten Gehalt des Harnes an N-haltigen Abbauprodukten der Proteine, da der ealorische Qnotient in der Bierperiode sogar etwas kleiner ist (10,9) als in der zugehörigen Bierextraktperiode (12,4). Jedenfalls ist der niedrige physiologische Nutzwert des Bierextraktes in der Bierperiode- (72,4) der Alkoholzufuhr zuzuschreiben. Es ist hierzu jedoch zu bemerken, dass durch die l3tägige Hungerperiode, welche der Bier-- extraktperiode vorauseing, günstigere Bedingungen zu einer N-Re- tention bestanden als während der Bierperiode, welcher keine Hunger- periode vorausgegangen war. Periode 2. Vom 6./7.—13./14. Dez. 1909. (Bier-Extraktperiode.): Das Tier erhielt pro die nach 13tägigem Hunger als Grundfutter: 200,00 g Res . . . . . mit 3,14 g N und 741,600 Cal. mo, „Schmalz ........ , — 05 380,440. 153,88 „ Bierdefleisch . . „ 460eN ,„. 18146 ,„ ln Kochsalz. .. . . „ — — 8,00 „ entfettete Knochen „ 050 gN „ I1osa: als Zulage: 29,11 „ Bierextrakt . BR. ON N Sa. 7,37 g N und 1407,075 Cal. Zur Abgrenzung der Fäces dienten 2g Holzkohle mit 13,128 Cal.. 194 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Tabelle XXI. Es wurden ausgeschieden N Resochiert EN Gewicht Dat : ‚Ansatz d en im Harn | im Kot en Summa 2 Te | g | Ein 70/02 20H No | 0/0 g 0/o g | % kg 6./ 7. Dez. | 6,20 | 84,0 | 1,23 | 16,7 | 0,04 [0,5 | 7,47|102,0| 6,14 83,3] — 0,10 | 1,4| 12,820 7/8 „| 441159,9|1,23|16,7|0,04|0,5| 5,68| 77,2] 6,14 83,3] + 1,691 23,01 — 8/9. „ | 4,10|55,6 | 1,23 | 16,7 | 0,04,0,5| 5,37| 72,9| 6,14 |83,3 | + 2,00 | 27,2| 13,350 302; 4,46 | 60,6 | 1,23 16,7 0,04 |0,5| 5,73| 77,8] 6,14 |83,3| + 1,64 | 22,3 = 10.11. , | 472|6480\123|16,7|0,04|0,5| 5,99| 81,3] 6,14 |83,3| + 1,38) 18,7 | 13,750 11/12. , | 524 710 1,23 |16,7|0,04[0,5| 6,51| 884| 614 833] + 0,86 1117| — 12.113. „ | 510 69,2 |1,23 | 16,7 | 0,04 [0,5 | 6,37| 86,5| 6,14 83,3 | + 1,00 | 14,0 | 13,850 13/4 „ 5,92 | 74,9 | 1,23 | 16,7 | 0,04 [0,5 | 6,79) 92,0| 6,14 |83,3| + 0,58 | 7,9] 14,220 Summa |39,75| — |984| — |0,32| —|4#9,91| — |49,12]| — | +9,65) — | = Also im Mittel von 8 Tagen: | 4,97 | 67,4 | 1,23 | 16,7 | 0,04 | 0,5| 6,24| 84,9] 6,14| 83,3] 1,13|15,3] 13,520) Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund im Mittel 0,546 g N und 104 Cal. erhalten. Die mittlere tägliche Ge- wichtszunahme betrug 175 g. Nachdem also durch eine vorausgegangene 1lStägige Hunger- periode günstige Bedingungen für eine N-Retention geschaffen waren, setzte das Tier täglich 1,13 g N an, das ist also ein Plus von 1,79 & N im Vergleich zu der Bierperiode, trotzdem bei diesem Reeime 140,392 Cal., die bei letzterer in Form von 19,9 g Alkohol verabreicht waren, fortfielen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Bedingungen für eine N-Retention, wie bereits hervorgehoben, während dieser Periode wesentlich günstiger waren als bei der Bier- periode, weil der Hund vor Beginn der letzteren normal ernährt worden war. Jedenfalls hätte sich der Hund während der Bierperiode im N-Gleichgewicht halten müssen. Der N-Verlust von 0,66 g pro die war also eine Folge der Alkoholintoxikation. Auch die Resorption der N-haltigen Nährstoffe ist während dieser Periode eine um einen geringen Wert höhere (83,3 °/o) als in der Bierperiode (81,7 °/0). Als Verdauungskoeffizient für die N-haltigen Körper des Bierextraktes ergibt sich aus dem Vergleich dieser mit der abschliessenden Grundfutterperiode 3 die Zahl 84,8, also ein sehr hoher Wert, der bisher nicht beobachtet wurde. Eine kleine Mehrausscheidung von N im Kot der abschliessenden Grundfutter- periode über den normalen Wert würde diese hohe Resorption der Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 19: OT in Form von Bierextrakt zugeführten geringen N-Menge vortäuschen, In Übereinstimmung mit unseren früheren Befunden ermittelten wireinen etwas höheren Wert für die resorbierbaren Calorien des Bierextraktes in dieser Periode [95,8 °/o!)] gegenüber der Bierperiode [93,7 °/o%)]. Auch hier ist also von einer von manchen Autoren behaupteten günstigen Beeinflussung der Resorption durch Alkoholzufuhr keine Rede. Anschliessend lassen wir die Resultate über den Energieumsatz für die Bierextraktperiode (Periode 2) folgen: Energieumsatz: Bahmeneprordie. „2. wen re 107,075: Cal. Ausgaben: Der Kot der 3 Versuchstage wog getrocknet 185,4 g und ergab prog 3,8255 Cal. also Sa. 709,25 ,„ ab für 2 g Kohle 13,128 „ also Sa. 696,122 Cal. gespapro, die 2.87.0157, == 6,200 d. Zufuhr. DerHarnenthielt 64,125 „ = 46% „ „ Sa. 151,140 Cal.—=10,8 ?/o d. Zufuhr — 151,140 Cal. Somit beträgt der physiologische Nutzwertt. . . . 1255,935 Cal., entsprechend 89,2 °/o der Zufuhr. Von den 102,41 Cal., die in Form von 29,11 g Bierextrakt ver- abreicht wurden, gingen, wie sich aus dem Vergleich dieser Periode mit der Grundfutterperiode 3 ergibt: 87,015 — 82,748 — 4,267 Cal., entspr. 4,2 °/0 der Zufuhr, in den Kot. Es wurden also 95,8 %/o!) resorbiert. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund 93,8 nutzbare Calorien erhalten. | S h Harı-@ale — 68:65 ‘ Calorischer Quotient (ar = — — N Der physiologische Nutzwert des Bierextraktes beträgt 82,1. 1) Diese Werte (95,3 resp. 93,7) für den resorbierbaren Anteil der Calorien des Bierextraktes erscheinen im Vergleich zu unseren anderen Versuchsergebnissen an Hunden und an der Ratte aussergewöhnlich hoch. Es wäre möglich, dass der Enersiegehalt der Fäces in der abschliessenden Grundfutterperiode 3, deren Resultate bei der Berechnung dieser Werte ja als Grundlage dienten, infolge des Auftretens von Würmern vom 4. Tage ab, erhöht worden ist; ausserdem haben wir ja mehrfach während der abschliessenden Fütterungsperioden der Versuche, wahrscheinlich infolge einer gewissen Darmreizung und dadurch bedingten Ver- mehrung von Darmsekret, etwas höhere Energiewerte im Kot ermittelt, als den normalen Werten entsprach. 196 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Periode 3. Vom 14./15.—21./22. Dez. 1909. ee Das Tier erhielt pro die als Grundfutter: 200 gReis. . . . „mit 214 g N und 741,600 Cal. A061,» Schmalzi.! sa, sa 8 ,10,,.04, SBSl AA een: 133,933.5, „Bferdefleisch 777 25,4 4,00 ,2: 20 In ls rAbzz 3:4, 13 Kochsalzar waere En — h 5 „ entfettete Knochen „ 0,30 „ 5 1,165, », Sa. 7,04 g EN und 1304,665 Cal. Zur Abgrenzung der Fäces dienten 2 g Holzkohle mit 13,128 Cal. Tabelle XXI. Es wurden ausgeschieden N Pesorbiet Ge- Datum | SEN, N-Ansatz vn ' 1909 im Harn | im Kot eE Summa N. g Yo a | 30 2) Yo = %o g os De23 | Saal az 14./15. Dez. | 4,89 | 69,5 | 1,18 | 16,8 | 0,04|0,5 6,11 | 86,9| 5,86 | 83,2] 0,93 | 13,2 | 14,220. 15.16. „ | 5,16!73,4|1,18 16,8 0,04 10,5 | 6,38|90,6| 5,86 |83,2|0,66| 94] — 16.117. °„ | 4,60 65,3 | 1,18 16,8 0,04 [0,5 5,82 |82,6| 5,86 |83,2 1,22 | 17,3 | 14,250 17.18. „ | 4105831 1,18) 16,8 0,04|0,5| 5,32 | 75,6| 5,86 |83,2|1,72 244| — 18.119. „ | 5,56 79,1 |1,18\16,8|0,04|0,5 | 6,78|96,2| 5,86 |83,2 [0,26 | 3,7 | 14,400: 19.120. „ | 569 |80,7\1,18| 16,8 0,04 0,5 6,91 |98,1| 5,86 |s32[0,18| 1,8| — 20.21. „ | 5,26 | 74,8| 1,18 | 16,8 | 0,04 |0,5| 6,48 |92,0| 5,86 |83,2| 0,56 | 8,0| 14,400 21.122. „ | 5,68! 80,7 1,18| 16,8 | 0,04 |0,5| 6,90 |97,9| 5,86 | 83,2 |0,14 | 2,0 | 14,660: Summa |40,94| — |9,44| — 0,32) —| 50,70 | — |46,88| — ]5,62] = = Also im Mittel von 8 Tagen: | 512 | 72,9 | 1,18 | 16,8 | 0,04 | 0,5 | 6,34 | 89,9] 5,86 | 83,2] 0,70 | 9,9 | 14,440 Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hat der Hund im Mittel 0,4888N und 90,4 Cal. erhalten. Die mittlere tägliche Gewichtszunahme betrug 55 8. Energieumsatz: Einnahmen pro die nee Ausgaben: Der Kot der 3 Versuchstage wog getrocknet 193,5 g und ergab pro g 3,489 Cal. alsonSasbrollee ab für 2g Kohle 13,128 „ also Sa. 661,982 „ resp. pro die. . 82,748), — 6,3lod.Zufuhr. Der Harn'enthielt 0.0372 Ze Sa. 132,798 „ — 10,2°/0 d. Zuftuhr— 132,798 Cal. Somit beträgt der physiologische Nutzwert . . . 1171,867 Cal., entsprechend 89,5 %o der Zufuhr. 1) Siehe hierzu die Anmerkung auf der vorigen Seite. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 197. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund 81,1 nutzbare Calorien erhalten. Calorischer Quotient (an zu er) — 9,7. Ham-N = 5,16 Während der Bierperiode und der Grundfutterperiode dieser Versuchsreihe V wurden, wie schon einleitend erwähnt, Be- obachtungen ausgeführt, die sich auf die Bestimmung der Körper- temperatur und der Pulsfrequenz vor und nach der Futteraufnahme und auf das sonstige Verhalten des Tieres erstreckten. Die be- treffenden Feststellungen erfolgten unmittelbar vor der Futter- aufnahme (9 Uhr morgens), einige Zeit nach derselben (um 10!/2 Uhr), ferner nach weiteren °/a Stunden (11"/k Uhr) und nach nochmals 8/4 Stunden (12 Uhr). Natürlich hat die Futteraufnahme an sich eine geringe Temperatursteigerung und vor allem eine erheblich vermehrte Pulszahl zur Folge, wie z. B. ein Blick auf die betreffenden Daten der Grundfutterperiode beweist. Immerhin sind die relativen Werte zweier Perioden miteinander vergleichbar. Die betreffenden klinischen Beobachtungen erfolgten an 7 Tagen der Bierperiode und an 6 Tagen der Grundfutterperiode. Die folgenden Tabellen XXIV und XXV enthalten die ermittelten Daten; Tabelle XXIV. Bierperiode. Temperatur Puls Datum GC SO: v0, IC. 25, Okt. 38,23 | 88,30 | 98,20 | 38,10 — 120 112 110 2b. 5 38,62 | 37,96 | 38,10 | 38,20 84 120 120 118 Pie; 38,10 | 38,20 | 38,16 | 38,10 84 102 114 108 28. „...1.9806.| 38323 | 38,16 | 38,05 90 120 108 102 DI m 38,06 | 38,26 | 37,94 | 37,93 90 108 104 108 30... 3831 | 3812. | 38,00 | 37,95 70 108 106 108 1. Nov. 38,26 | 38,19 | 38,16 — 76 106 118 — Mittelwerte: 38,23 | 3818 | 38,10 | 38,06 82,3| 109 112 109 Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 14 198. Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Tabelle XXV. Grundfutterperiode. Temperatur / Puls Datum ) 1909 an un ame| akt: 16. Dez 38,00 38,21 38,40 70 78 90 ar: 38,20 38,40 38,15 76 76 92 18.2), 38,25 98,62 38,42 54 83 88 1903, 38,32 38,10 38,30 84 92 94 AU 38,23 38,32 38,34 18 83 96 lat? 38,19 38,40 38,39 78 90 92 Mittelwerte: | 3820 383,34 | 3833 | 783 85,3 92 Nach den ersten Messungen um 9 Uhr erhielt der Hund, wie eingangs hervorgehoben, das Futter. Nach ca. 1 Stunde (um 10Y/s Uhr) war die Temperatur (im Reetum) während der Grundfutterperiode im Mittel um 0,14° C. (von 38,2 auf 38,34° C.), also um = 0,37 "lo angestiegen. Bei der nächsten Messung um 11'/k Uhr wurde an- nähernd derselbe Wert, nämlich 38,33° C. (also — 0,01° C.) beobachtet. Die vor der Futteraufnahme während der Bierperiode gemessene Mitteltemperatur betrug 38,23 ° C. Dieser Wert ist also noch etwas höher als in der Grundfutterperiode Die Differenz ist aber so gering, dass sich ein Schluss aus ihr nicht ableiten lässt. Die Pulszahl betrug während der Grundfutterperiode vor der Futter- aufnahme 78,3 und stieg nach der Fütterung um 10!/2 Uhr auf 85,3, also um 8,94 °/o und um 11": auf 92, also um weitere 7,86 %/o an. Der während der Bierperiode vor der Fütterung des Tieres um 9 Uhr beobachtete Mittelwert für die Pulszahl betrug 82,3. Der Einfluss des Alkohols auf die Veränderung der Temperatur und die Pulsfrequenz ergibt sich aus dem Vergleich der Mittelwerte beider Perioden. Diese waren: Tabelle XXVI. @ Temperatur Pulszahl pro Minute 9 Uhr In Uhr { (vor der | (nach der |11'/Uhr { Fütterung) Blitterung) 9 Uhr 110Y/2Uhr 11"/AUhr| 12 Uhr VOR oe Bierperiode . . . 38,23 38,18 38,10 | 82,3 | 109 112 109 Grundfutterperiode 38,20 38,43 38,33 | 78,3 85,3 92 —_ Somit durch den Alhohol bewirkte Temperaturerniedrigung und Pulszablerhöhung 0727205 10232004 2371.20 | — Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 199 Aus diesen Zahlen ergeben sich folgende Schlüsse: In der Grund- futterperiode wurde, wie auch nicht anders zu erwarten, infolge der Nahrungsaufnahme die Temperatur deutlich erhöht. Nach der Zu- fuhr von 1,1 g Alkohol pro Körperkilogramı in Form von Bier wird die Wirkung der Nahrungsaufnahme auf die Wärmemehrung überkompensiert; wir finden eine nicht unerhebliche Temperatur- abnahme unter den Nüchternwert. Die Pulsfrequenz wird dagegen, bezogen auf die Nüchternwerte um 9 Uhr morgens, durch die Aufnahme von Alkohol sehr erheblich über die Werte gesteigert, welche nach dem Verzehren einer alko- holfreien Nahrung zu erwarten waren (nach 1 Stunde um 9,7, nach 1®/2 Stunden um 16,0 Pulssehläge in der Minute). Diese Wirkung des Alkohols auf das Herz ist an den ersten 5 Tagen der Bierperiode noch nach 24 Stunden deutlich zu erkennen. Für den nüchternen Organismus wurden in der Grundfutterperiode nämlich 78,3, in der Bierperiode dagegen 82,3, also vier Pulsschläge in der Minute mehr gezählt. Die an den beiden letzten Tagen der Bierperiode vor der Futteraufnahme beobachteten niedrigeren Werte - für die Pulszahl legen den Schluss nahe, dass infolge der Gewöhnung an die Aufnahme von Alkohol die Wirkung des letzteren auf die Vermehrung der Pulsfiequenz nicht mehr 24 Stunden anhält. Während der Bierperiode wurde über das Verhalten des Tieres noch folgendes notiert: 25. Oktober 1909. Das Tier ist benommen, es zeigt ausgeprägte mo- torische Schwäche in den hinteren Extremitäten. 26. I 1909. Der Hund erscheint apathisch. 27. a 1909. Der Hund fängt kurze Zeit nach der Bier- aufnahme mit hochgehaltenem Kopf zu heulen an. 28. A 1909. Ziemlich lange andauerndes Heulen. 29. x 1909. Das Tier wankt im Käfig und heult ca. 1! Stunden, nachdem es das Bier erhalten hat. 30. S 1909. Heulen mit hochgehobenem Kopf. El. M 1909. Starkes Heulen mit ausgeprägter motorischer Schwäche in den hinteren Extremitäten. 1. November 1909. Heulen mit starrem Blick, motorische Schwäche in den hinteren Extremitäten. Es geht aus diesen Beobachtungen hervor, dass die Alkohol- zufuhr von ca. 1,1 & pro Kilogramm in einer Dosis zweifellos toxisch eewirkt hatte. 14 200 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Versuchsreihe V]. Diese Reihe wurde ebenfalls an einem männlichen Hunde durch- geführt. Das Regime war ein ähnliches wie in Reihe V, jedoch wurde in der vorliegenden Versuchsreihe VI etwas weniger Eiweiss verabreicht. Der Hund „Harro* war ein altes Tier, das keiner be- stimmten Rasse angehörte; am meisten ähnelte er Schäferhunden. Die in den Bierperioden gegebene Alkoholmenge betrug ca. 1,2 g pro Körperkilogramm. Die Reihenfolge der Perioden war folgende: Zunächst wurde dem Tier während einer l6tägigen Berione vom 18. Oktober bis 3. November 1909 als ausschliessliche Nahrung 300 g Bier täglich vorgesetzt, das zumeist freiwillig aufgenommen wurde; an einem Tage (19. Oktober 1909) musste ihm dieses Quantum mittels Schlundsonde beigebracht werden. Der Hund wog am ersten Tage dieses Vorversuches mit Unterernährung 18,400 kg, am letzten 15,570 kg; er hatte also insgesamt 2,3350 kg resp. pro die 0,177 kg seines Gewichtes eingebüsst. Während dieser 16 Tage wurde der Hund wenigstens etwas an die Aufnahme von Alkohol gewöhnt. An diese Periode schliesst sich die erste zehntägige Bierperiode an. Da der Hund an mehreren Tagen diarrhoischen Kot entleerte, führten wir nochmals nach Abschluss dieser Periode eine gleiche fünftägige Bierperiode durch; während derselben waren die Fäces von normaler Beschaffenheit. Es sei gleich hier darauf hingewiesen, dass der höhere N- und Caloriengehalt der Fäces während der ersten Bierperiode im Ver- gleich zur zweiten auf die vermehrte Ausscheidung von Darmsekret usw. infolge der Diarrhöe zurückzuführen ist. Auf die zweite Bierperiode folst eine fünftägige Grundfutter- periode. Am 5. Tage der Grundfutterperiode erbrach das Tier Futterbestandteile und gelblichen Schleim, verzehrte jedoch bald darauf wieder das Erbrochene. Wir versuchten die Periode noch einige Zeit durchzuführen, sahen uns jedoch genötigt, den Versuch infolge verminderter Futteraufnahme bereits nach. 2 weiteren Tagen abzubrechen. Die N-Bilanzen. und der Energieumsatz sind für die ersten 5 Tage ermittelt worden. Wir liessen nunmehr eine Hungerperiode folgen; der Versuch, eine neue Fütterungsperiode nach dem siebenten Hungertage durch- zuführen, scheiterte infolge mangelnder Fresslust. Das Tier erhielt daher an fünf weiteren Tagen keine Nahrung. = letzte Periode - Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 201 (Grundfutter + 25 g Bierextrakt) folgt nach insgesamt elf Hunger- tagen. Diese Periode wurde sieben Tage durchgeführt. Die an den einzelnen Tagen dieser Versuchsreihe zum Teil sehr abweichenden Daten für den N-Gehalt der Harne sind dadurch bedingt, dass der Hund an einzelnen Tagen den Harn nicht zur bestimmten Zeit entleerte. Die Genauigkeit der Mittelwerte für den Harnstickstoff der einzelnen Perioden ist durch die Abweichungen im N-Gehalt an den einzelnen Tagen nicht verringert, da zu Beginn und am Schluss jeder Periode der Urin durch Katheterisieren genau abgegrenzt wurde. Die Ab- grenzung der Fäces jeder Periode erfolgte mit Kohle. Der Bier- trockenrückstand wurde aus demselben Bier gewonnen, das zum Teil in den zwei Bierperioden dieser Reihe verabreicht worden war. Es folgen nunmehr die detaillierten Angaben über die Einnahmen und Ausgaben usw. während der einzelnen Perioden. | Die Bieranalyse hatte folgende Werte ergeben: Extrakt: ‘5,60 °/o mit 3,650 Cal. pro Gramm, Alkohol: 4,07 %o „ 7,080 i Stickstoff: 0,072 %0. In den 500 g Bier, die das Tier täglich erhielt, waren somit enthalten: 28,00 g Extrakt mit 102,200 Calorien und 20,35 g Alkohol „ 144,078 ° Br; Sa. 246,278 Calorien und 0,36 EN. Die während der ersten Bierperiode verabreiehten Futtermittel hatten. folgenden Stickstoff- und Caloriengehalt: » Periode l. Vom 3./4.—12./13. November 1909. (Bierperiode.) Das Tier erhielt pro die, nach vorausgegangener 16 tägiger Unter- ernährung mit 300 g Bier, täglich: / als Grund£utter: moseRleisch . . .....% . mit 345 e.N und 136,100 Cal. Behmalz 2 Na 332,890, 7, 170 „ Reis ee a BO 630,300, 5 „ entfettete Kchen Bu ciir, OSSDE a ale 3, Neo —_ als Zulage: 500 „ Bier mit 28 g Trockenrück- standeta, 2.090 Gal.): 5 u Weiters 102200 u. 20,35 g Alkohol a7. 0a78al.)7 2 144,078 ,„ Sa. 5,93 g N und 1346,793 Cal. Es wurden ausgeschieden N Berne Ge- Datum . 7 in den Epi- N N-Ansatz wies 1909 im Harn im Kot | germisgeb,, Summa Tieres g 0/o g nam Yo 2 0/o g %/o g 0/0 kg 8./4.Nov.| 3,08| 51,9 | 1,16 |19,6 | 0,04 10,7 | 4,28| 72,2] 4,77 80,4 1,65 27,8 | 15,570 4.5. „ | 462| 77,9| 1,16 | 19,6 0,04 |0,7 | 5,82| 98,2] 4,77 | 80,4 0,11 1,9 | 16,600 5/6. „ | 422| 71,2| 1,16 19,6 0,04 |0,7| 5,42 | 91,4| 4,77 80,4 0,51 8,6] 16,150 6./ 7. „ | 2342| 40,8| 1,16 |19,6 0,04 0,7 | 3,62] 61,1| 4,77 | 80,4 2,31 39,0 | 16,100 7./ 8 „ | 6,76 |114,0| 1,16 |19,6 0,04 0,7 | 7,96 | 134,0] 4,77 | 80,4 | — 2,03 | — 34,2 | 16,500 8&/ 9. „ | 398 | 67,1| 1,16 | 19,6 10,04 |0,7| 5,18] 87,4| 4,77 | 80,4 0,75 12,6 | 16,210 9./10. „ | 545, 91,1| 1,16 19,6 0,04\0,7| 6,65 |112,1| 4,77 | 80,4 | — 0,72 — 12,1 | 16,300 10./11. „ | 4,03] 680| 1,16 119,6 0,04 |0,7| 5,23| 88,2] 4,77 |80,4| 0,70 11,8 | 16,200 11.112. „ |. 3,08| 51,9| 1,16 | 19,6 | 0,04 | 0,7 ee) 72,2] 4,77 80,4 1,65 27,3 | 16,400 12.113. „ | 486 | 82,0| 1,16 | 19,6 | 0,04 | 0,7 | 6,06 1102,2] 4,77 | 80,4 | — 0,13 | — 2,2] 16,320 Sun BHFrerrrrernrıezo ve Also im Mittel von 10 Tagen: | #25| 71,7| 1,16 | 19,6 |0,04|0,7| 5,45 | 91,9] 4,77| 80,4] 0,48 8,1[ 16,285 302 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Die Werte für den N-Umsatz und -Ansatz, die N-Bilanzen, so- wie die Gewichtsveränderungen des Tieres enthält die folgende Tabelle XXVI. Pro Kiloeramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund im Mittel 0,37 g N und 82,961 Cal. erhalten. Die mittlere tägliche Gewichtszunahme betrug 66,5 @. Trotzdem der Hund an mehreren Tagen Diarrhoe hatte, betrug die tägliche N-Retention 0,48 g. Infolge der Diarrhoe berechnet sich als Verdauungskoeffizient für die N-haltigen Stoffe des Bieres im Vergleich mit der Grundfutterperiode 3 ein negativer Wert (— 2,8%). Für die positiven N-Bilanzen während dieser Periode im Gegensatz zu denjenigen bei der analogen Versuchsreihe 5 mit dem Dalmatiner kommen im wesentlichen zwei Faktoren in Betracht: 1. die vorausgehende, ziemlich lange Unterernährung, und 2. eine gewisse Gewöhnung an das Bier; die tägliche Lebendgewiehtszunahme war recht beträchtlich (66,5 @). | Von den 102,200 Cal., die in Form von Bierextrakt verabreicht wurden (siehe Energieumsatz S. 205), gingen, wie sich aus dem Vergleich dieser Periode mit der Grundfutterperiode 3 ergibt, 80,501 — 48,428 — 32,073 Cal. entsprechend 31,380 der Zufuhr in den Kot über. Es wurden also 68,62 %o resorbiert. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund 74,143 uutzbare Calorien erhalten. Harn-Cal. — 59,327 Calorischer Quotient (er 5) — 1). Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc, 203 Energieumsatz: Bimnanmendpro die. . lege en anno dern cn .1846,798: Cal. Ausgaben: Der Kot der 10 Versuchstage wog getrocknet 221,0 g und ergab pro g 3,702 Cal. Sa 818,140 7, ab für 2 Kohle 13,128 „ also Sa. 805,012 Cal. resp. pro die. . 80,501 „ = 5,98 lo d. Zufuhr Der Harn enthielt direkt bestimmt 56,700 „= 421%, „ In der ne a) 0,982 & Alkohol 6,953 „ Sa. 146,781 Cal. =10,90°/od.Zufuhr 146,781 „ Somit beträgt der physiologische Nutzwert des ge- Samten@Butters Wear. tue „u 22.0.0587 102, 8,1200,012:0al., entsprechend 89,10 °/» der Zufuhr. Der physiologische Nutzwert des 0,371 g Alkohol 2,627 „ = (lt 5 Alkohols betrug. . . 93,35 (berechnet Der physiologische en dr aus san Resultaten Extraktes betrug .. . . . 67,85 dieser Periode Der physiologische Nutzwert ve und manuntlmiee Bieresihetwma 02.2.0... 807 periode 3). Von diesem Hunde wurde also ein verhältnismässig hoher Prozentsatz (1,8°o) des aufgenommenen Alkohols im Harn aus- geschieden. Im übrigen stimmen die Daten dieser Reihe befriedigend überein mit denjenigen der ReiheV. In der vorliegenden VersuchsreiheVI wurde allerdings ein wesentlich höherer calorischer Quotient gefunden. Die folgende Periode 2 ist eine Wiederholung der Periode 1. Periode 2. Vom 13./14.—17./18. November 1909. (Bierperiode.) Das Tier erhielt pro die: als Grundfutter: KU0zezRleisch. . . .. .., . mit SAb @N und „136,100 Cal. SO uSchmalz.... ... — 332,890 „ | lansport 3,45 g N und 468,990 Cal. 1) Harnalkohol zu Alkohol in der Atmung = 1: 2,647. 204 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Übertrag 3,45 & N und 468,990 Cal. 170 „ Reis. Ä en oA RL ERLUL SIE 5 „ entfettete Knochen, = MURSTURRE LEE. Ile 0 2 „ NaCl — _ e als Zulage: 00 „ Bier mit 28g Trocken- rückstand (& 3,650 Cal.) mit 0,356 „ „ „ 102,200 „ und20,35gAlkohol(A7,08Cal) „ — 144.008, Sa. 5,95 g. N und 1346,793 Cal. Tabelle XXVII. r Es wurden ausgeschieden N Resorbiert ih, En atum h Abann & N ‚Ansatz 1909 im Harn im Kot EN Summa y ME. g 0/0 ABER 0/o g 0/0 g 0/0 kg 13./14. Nov.| 3,54 | 59,7 1,07 |18,0 \0,04 0,7 | 4,65 |. 78,4| 4,86 |82,0| 1,28| 21,6] 16,320 14.115. „ | 411| 69,3 |1,07 | 18,0 | 0,04 10,7 | 5,22] 88,0| 4,86 82,0] 0,71| 12,0 | 16,450 15.16. „ | 347| 58,5 1,07 | 18,0 10,04 10,7 | 4,58, 77,2| 4,86 |82,0| 1,35 | 22,8 | 16,400 16.117. „ | 341| 40,6 | 1,07 | 18,0 10,04 0,7 | 3,521 59,4| 4,86 182,0] 2,41| 40,6 | 16,7701) 17.118. „ | 6,62 114,2 | 1,07 | 18,0 10,04 10,7 7,731 130,4] 4,86 182,0] - 1,80 | - 30,3 | 16,480 Sn, Eee ed era = = Also im Mittel von 5 Tagen: | 4,03] 68,5 | 1,07 | 18,0 | 0,04 |0,7 | 5,14| 86,7] 4,86 |82,0] 0,79| 13,3] 16,484 Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund im Mittel 0,36 & N und 81,706 Cal. erhalten. Die mittlere tägliche Chrichteiunaniie betrug 32 eg. Das Verdauungsvermögen des Tieres ist hier wieder normal, und wir finden daher auch etwas höhere Verdauuneskoeffizienten als in der ersten Periode. Von den N-haltigen Stoffen des Bieres wurden 22,22 °/o resorbiert, wie sich aus den be- treffenden Zahlen für den N-Gehalt der Fäces dieser und der zu- gehörigen Grundfutterperiode 3 ergibt. Der N-Ansatz ist ebenfalls erheblich grösser (+ 0,31 g N pro die). Vergleichen wir die N- Bilanzen dieser Bierperiode mit denjenigen der zugehörigen Bier- extraktperiode 4 dieser Reihe, so tritt die eiweisssparende Wirkung des-Alkohols deutlich hervor. Das Tier setzte nämlich in der Bier- extraktperiode (4) 0,56 g N im Mittel täglich an, während der vor- 1) Das Tier hatte nicht Harn gelassen. Vgl. auch die Zahl für den N-Gehalt des Harnes im Verhältnis zu der vom 17./18. Nov. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 205 liegenden Bierperiode 0,79 g N, somit haben 20,35 g Alkohol 0,79 — 0,56 = 0,23 & N vor dem Zerfall geschützt. Diese eiweiss- sparende Wirkung des Alkohols trat ein, weil das Tier bereits vor Beginn der Periode einige Zeit an dieselben Alkoholmengen ge- wöhnt war. Energsieumsatz. Ennnahmen. pro, die... ...,. ie... na: want. a, 1346,798, Cal. Ausgaben: Der Kot der 5 Versuchstage wog getrocknet 100,88 2 und ergab pro g 93,768 Cal. Sa. 380,120 ab für Ag Kohle 26,256. also Sa. 353,864 resp. pro die. . 70,773 „ = 5,26 °lod. Zufuhr Der Harn enthielt direlass bestimmt '55,520- „ —.4,12%0, 3 0,549 & Alkohol 3,387 In der Atmung!) re KON N 1,453 g Alkohol 10,287 Sa. 140,467 Cal.—10, 13%d. Zufuhr 140,467 Cal. Somit beträgt der physiologische Nutzwert des ge- samten Futters . . . 2005620, Cal Ehteprschend 59, 57 ofn de Zufuhr. Von den 102,200 Cal., die in Form von Bierextrakt verabreicht wurden, gingen, wie sich aus dem Vergleich dieser Periode mit der Grundfutterperiode 3 ergibt, 70,773 — 48,428 = 22,345 Cal. ent- sprechend 21,86°0o der Zufuhr in den Kot über. Es wurden also 78,14 °/o resorbiert. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag Hatfe der Hund 73, 51 nutzbare Calorien erhalten. Harn-Cal. = 2. = a7 Calorischer Quotient ( Harn-N. — 4,03 Der physiologische Nutzwert des PN \ (berechnet Alkohols, betrug 0.4: zus 2.0.:.1:90,168 | : aus den Resultaten Der physiologische Nutzwert des : dieser Periode Extraktes betrug . . . ... 78,59 OR und der Grundfutter- Der physiologische Nutzwert des ode 3 Bieres betrug"... 2. .. 85,93 Din ) 1) Harnalkohol zu Alkohol in der Atmung = 1: 2,647. 206 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Es fällt auf, dass ein noch höherer Prozentsatz des auf- senommenen Alkohols in den Harn überging, nämlich 2,7 %o, gegen- über 1,8°/o in der ersten Periode dieser Reihe. Der gar nicht an Alkohol gewöhnte Dalmatiner schied nur 0,5°o der zugeführten Alkoholmenge aus. Die Diskussion über die Frage, ob und in- wieweit die zur Ausscheidung gelangende Alkoholmenge von ver- schiedenen Faktoren abhängig ist, soll aufgeschoben werden, bis weitere experimentelle Arbeiten vorliegen. Periode 3. Vom 18.19.—22./23. November 1909. periode.) (Grundf£utter- Das Tier erhielt pro die: als Grundt£utter: 100 & Fleisch . . mit 3,45 & N und 136,100 Cal. Sen chmalzer ange 332,890 „ 70. eis... a Ba Be 630,360 4 5.,„ entfettete Knochen . „ 0,80 5, 2% las. > 2 „ NaCl — — Sa. 5,57 & N und 1100,515 Cal. Tabelle XXIX. Es wurden ausgeschieden N Resörbrert N Ge- Dat 5 2 a im Harn | im Kot en Summa N des“ g 0/0 Re NE RSS a al ree Snalnrer |N/on me 0/0 g 0/0 g 0/0 13./19. Nov. | 3,78 | 67,9 [0,79 | 14,2 0,04 |0,7| 4,61 | 82,3| 4,78 | 85,8 0,96 17,2 19.20. „ | 4.93 | 885 [0,79 | 14.20.04 [0,7 | 5,76 |1084| 4,78 858] 0.19 — 34 20.21. „ | 483! 86.5 \0,79 | 1420.04 0.7| 5.66 1101,6| 4,78 | 85,8] —0,09 — 1,6 Ale 9,96 ae 14,2 0,04 0,7| 6,39 114,7 4,78 | 85,8 | — 0,82 | — 14,7 22.123. „ 4,52 181,2 | 0,79 142 0,04 0,7 | 8,35 96.1 4,18 | 85,8 0,22 ) Senn, Baer een er ie Also im Mittel von fünf Tagen: | 4,72] 84,8 |0,79 | 14,2] 0,04|0,7| 5,55| 99,7] 4,78|85,8] 0,02| 0,3] 16,505 Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund im Mittel 0,34 g N und 66,676 Cal. erhalten. Der mittlere tägliche Gewichtsverlust betrug 16,0 g. Das Tier befindet sich im Stickstoff- gleichgewicht. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 207 Energieumsatz: Bamabmıen pro, dien. m. 0 0 nen 100,515 :Cal, Ausgaben: Der Kot sämt]. 5 Versuchstage wog getrocknet 87,548 und enthielt prog 3,637 Cal. also Sa. 255,270 „ ab für 22 Kohle 13,128 „ also Sa. 242,142 Cal. resp. pro de . 48,428 „ —=4,40 lo d. Zufuhr Der Harnenthielt 55,920 „ =5.08%, „ Sa. 104,348 Cal. — 9,48 ?/o d. Zufuhr — 104, As, Somit beträgt der physiologische Nutzwert. . . . 996,167 Cal. entsprechend 90,52 °/o der Zufuhr. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte die ala 60,30 nutzbare Calorien erhalten. Harn- Cal. = 55,92\ _. HameNıı — =) als Calorischer Quotient ( Periode 4. Vom 6./7.—12./13. Dezember 1909. (Bierextraktperiode.) Das Tier erhielt pro die nach 11 Hungertagen: als Grundfutter: 100 g Fleisch . . . . . mit 345 g N und 136,100 Cal. Ss, Schmalz. 3. u, — 332,890 „ RUN eis Aut 322205 .000 3071,82: ,0391,n506301360179 Ser entiettete, Knochen? 20,307, 7, %, loan 2 „ NaCl — — als Zulage: As sBiertrockenrückstand „IT Sa. 5,93 g N und 1202,715 Cal. (Siehe Tab. XXX auf $. 208.) Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund im Mittel 0,39 8 N und 89,288 Cal. erhalten. Die mittlere tägliche BE irmahme betrug 99,3 g. Die N-haltigen Substanzen des Bierextraktes wurden zu 16,67 °/o resorbiert (vgl. die Zahlen für den N-Gehalt der Fäces dieser Periode und der Grundfutter- periode 3). 508 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Tabelle XXX. Es wurden ausgeschieden N Resorbiert Ge- Datum 3 an N N- Ansatz nz 1909 im Harn | im Kot |dermisged. Dumma Tieres g Un Bl oe io © 0/o g 0/o g Oo kg 6./ 7. Dez.| 4,78 | 80,6 1,10 | 18,6 | 0,04 |0,7| 5,92 | 99,8| 4,83 |81,5| 0,01 0,2 | 14,540 2.18. -, | 4,38 73,9) 1,101 18,6 | 0,04 0,7| 5,52 93,1 4.83 81,5 0,41 6,9 | 15,050 8/9. „ | 362 | 61,1|1,10| 18,6 | 0,04 0,7 | 4,76. .80,3| 4,83. 81,5 1,17 19,7 | 15,100 9./10. „| 334156,3!1,10 18,6 0,04 0,7| 4,84| 81,6| 4,33 | 81,5 1,09 18,4 | 15,025 10./11. „1 5001 84,3 | 1,10 | 18,6 | 0,04 |0,7| 6,14 103,5| 4,83 | 81,5 | — 0,21 | — 3,5 15,320 11.112.) „ | 2,37 | 40,0 [1,07 |18,0.|0,04|0,7| 3,48| 58,7| 4,86 |82,0| 2,451 41,3] 15,320 12.118. „ | 5841,51 1,07 | 18,0 0,04 10,7 | 6,95 117,2] 4,86 | 82,0 | — 1,02 | — 17,2] 15,235 Summa: [2933| — |7,64| — |028| —|37,61! — |3337| — | 390 — | — Also im Mittel von sieben Tagen | 4,19 | 70,7 | 1,09 | 18,4 | 0,04 |0,7 | 5,37 | 90,6] 4,84 |81,6] 0,6] . 9,4] 15,084 Die Bedingungen für eine N-Retention waren in dieser Periode infolge vorausgeganzenen 11ltägigen Hungers besonders günstig, und zwar vielleicht noch etwas günstiger als in der Bierperiode I, der eine l13tägige Unterernährung vorausging. Die während der Bier- periode I wiederholt beobachtete Diarrhoe bedingte es wohl in der Hauptsache, dass der N-Ansatz geringer war (0,48 g) als in der vorliegenden Bierextraktperiode (0,56 g), so dass die von mehreren Forschern (Neumann, Rosemann, Zuntz usw.) konstatierte eiweisssparende Wirkung des Alkohols hier nicht zu erkennen war. Ziehen wir jedoch die zweite Bierperiode zum Vergleich mit dieser Bierextraktperiode heran, bei der das Futter normal resorbiert wurde, so ergaben die N-Bilanzen ein Plus von 0,23 g N infolge der Alkohol- zufuhr in der Bierperiode 2, obwohl die zugeführten Alkoholmengen = so gross waren, dass toxische Wirkungen eintraten, wie die klinischen Beobachtungen beweisen. Übrigens wurden die Nährstoffe in dieser abschliessenden Bier- extraktperiode etwas schlechter resorbiert als in der unmittelbar vorausgegangenen Bierperiode (siehe die Zahlen für den resorbier- baren Anteil des Stickstoffes und der Calorien). Die etwas schlechtere Resorption der Nährstoffe in dieser letzten Periode dürfte eine Folge der langen Versuchsdauer sein; wir haben mehrfach analoge Be- 1) An den zwei letzten Tagen dieser Periode wurde der N-Gehalt der Fäces besonders bestimmt. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc., 209 obachtungen gemacht. Jedenfalls dürfen wir aus den betreffenden Daten der beiden letzten Perioden nicht folgern, dass der Alkohol, wie aus den Zahlen hervorzugehen scheint, die Resorption der Nähr- stoffe erhöht. Wir haben vielmehr in mehreren Versuchen zeigen können, dass die Resorption der Nährstoffe durch Alkoholzufuhr ein wenig verringert wird. Energieumsatz: Bimahmenspro; die... er sun... 220% 20 20,00 1202,715..Gal. Ausgaben: Der Kot sämtl.5 Versuchstage wog getrocknet 114,4 undenthieltprog 3,311 Cal. also Sa. 578,790 „ ab für 28 Kohle 13,128 „ also Sa. 365,662 Cal. resp. pro die. . 73,132 „ = 6,080 d. Zufuhr Deuklannenthielt 57,820, = 18320, , Sa. 131,002 Cal. = 10,90 /o d. Zufuhr = 131,002 Cal. Somit beträgt der physiologische Nutzwert. . . . 1071,713 Cal. entsprechend 89,10 °/o der Zufuhr. Von den 102,200 Cal., die in Form von Bierextrakt verabreicht worden waren, gingen, wie sich aus dem Vergleich dieser Periode mit der vorigen Grundfutterperiode ergibt, 73,132 — 48,428 — 24,704 Cal., entsprechend 24,17% der Zufuhr in den Kot über. Es wurden also 75,83 °/o resorbiert. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte der Hund N 2 nutzbare Calorien erhalten. - —_— J 1 Calorischer Quotient aller 7 Tage (a eh. =: — 3,7. Harn-N = 419 Der physiologische Nutzwert des Bierextrakts betrug 73,94 (be- rechnet aus den Resultaten dieser Periode und der Grundfutter- periode 3). Die Messung der Temperatur und der Pulszahl erfolgte in der im Anschluss an Versuchsreihe V geschilderten Weise. An den einzelnen Tagen ergaben sich folgende Werte: 1) An den fünf ersten Versuchstagen wurden N- und Caloriengehalt des Harnes direkt bestimmt, an den beiden letzten Tagen nur N-Bestimmungen aus- geführt und der Caloriengehalt im Mittel sämtlicher Tage mit Hilfe des calorischen Quotienten berechnet, 210 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Tabelle XXXI. Bierperioden 1 und 2, Temperatur Puls us 9 Uhr | 10% Uhr | 112 Uhr 1909 di 06. | oc, | ? ar |10% Uhr 11% Uhr 3. Nor. 37,95 38,05 37,80 76 130 126 ur, 37,93 38,11 37,90 110 132 128 sup: 37,88 38,07 38,03 92 132 130 38,33 —_ = 100 = ee TI. 37,93 38,00 _ 90 128 a Bw: 38,00 38,02 2 84 132 en O8 n% 38,00 37,92 ze 96 130 a 100: 38,42 38,55 38,50 94 134 132 11 38,15 38,10 37,81 120)')| 138 134 ID 38,10 37,82 38,10 96 132 136 lan 37,92 37,72 37,80 90 134 136 1A % 37,98 37,80 99 130 a is 38,15 37,80 37,60 96 132 132 1 38,10 37,92 37,82 94 134 132 ie 37,83 37,70 N 90 132 a 1a rar 37,90 — — 94 er en Mittelwerte: re s3zol: | Sean smosaannlds 132 132 Tabelle XXXII. Grundfutterperiode 3. ® Temperatur Puls Datum Era 1 pa 1909 ee | res |) Sun | 102 nn) urane 20. Nov. 37,81 38,13 — 86 so 2% Don 38,10 — = 88 2 x Den 37,81 38,20 38,00 80 90 92 Mittelwerte: Prag El ERBsı Te nes 005 85 92 Tabelle XXXII. Bierextraktperiode 4. Temperatur Puls Datum 1909 9Uhr | 10% Uhr | 11% Uhr | g Uhr | 101 Uhr) 11% Uhr Da 3 ©, 06 6. Dez. 37,60 — — 80 — — TA 38,20 38,15 38,21 74 92 92 Bu 38,01 38,32 38,28 72 92 90 1) Der Puls wechselte an diesem Tage zwischen 90 u. 120 Schlägen in der Minute. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. >11 Tabelle XXXIII (Fortsetzung). Temperatur Puls Datum 9 Uhr 10'/s Uhr | 11" Uhr | T 1909 ON 00 °C, 9 Uhr | 10%/a Uhr | 11?/s Uhr 9. Dez. 37,82 38,60 38,23 76 92 92 10: 2% 38,00 38,20 38,36 76 94 96 1120, 37,82 38,30 38,20 74 93 94 1a), 37,91 38,31 — 76 94 —_ 3.17%; 38,01 38,02 — 76 92 —_ 14. „ 38,00 38,60 — 74 76 -_ Io 38,22 38,91 — 76 96 — Ir , 38,48 38,10 38,42 90 76 90 bogen 38,40 38,30 —_ 76 76 — 184lır, 38,10 38,20 — 76 96 _ TIP). 38,40 38,13 — 86 96 — Allee 38,10 38,92 -— s0 96 — 2, 38,30 38,30 _ 80 92 _ DICH, 38,10 — —_ s0 _ — Mittelwerte: ESS 0952783823 211 2,38,28 [7 Tererer9t. 21 3 Die Mittelwerte der eben aufgeführten Daten über Pulszahlen und Temperaturen in der Bierextrakt- und Bierperiode enthält die folgende Tabelle: Tabelle XXXIV. Temperatur Pulsschlag pro Minute 9 Uhr 10!/2 Uhr (vor der | (nach der | 11!/s Uhr Fütterung) | Fütterung) oc, E08 ER: 9 Uhr | 10% Uhr | 11%/4 Uhr Bierperiode 38,04 | 37,97 37,93 93 132 132 Bierextraktper. SS.) 38,28 73 91° 92 Somit durch den Alkohol bewirkte Temperaturerniedrigung und Pulserhöhung | 0,05 | 0,32 22[#.300,35%2 72.1922 7724202149 Aus den nur an 3 Tagen der Grundfutterperiode gewonnenen Daten können wegen der geringen Anzahl der vorliegenden Beobachtungen bindende Schlüsse nicht gezogen werden, doch dürfte der Nüchtern- wert 85 der Pulszahl auf eine Nachwirkung der vorhergehenden Alkoholzufuhr (obschon diese 2 Tage zuvor bereits aufgehört hatte) hindeuten. Von sonstigen Erscheinungen wurden im Protokoll vermerkt: Am 7. November war das Tier scheu und heulte nach Aufnahme des Alkohols. Dieses Heulen wurde auch an mehreren anderen Tagen der Bierperiode beobachtet. 212 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Am 11. November bestand motorische Unruhe (Neigung herum- zulaufen, Kratzen usw.). Das Tier stöhnte an diesem Tage, war taumelig, der Puls wechselte zwischen 90 und 120. (Dieser Tag wurde bei dem Durchschnittswert der Pulszahlen deshalb nicht mit berücksichtigt.) Wechselnder Puls zeigte sich auch am 13. November. Am 15. November erschien der Hund ausserdem müde. Nachdem der Hund bereits am 11. November dadurch auffällig geworden war, dass er das Heulen bisweilen plötzlich unterbrach, die Schnauze hochhielt und sich an die Käfigwand lehnte, wurde auch an den folgenden Tagen wiederholt ein Eindruck gewonnen, der lebhaft an den Halluzinierender erinnerte, auch insofern, als der Hund in diesen Zuständen schwer ablenkbar war. Im Zusammenhang mit der allgemeinen Müdigkeit machte sich allmählich eine Gleichgültigkeit bemerkbar, die zu einer sehr deut- lichen Vernachlässigung hinsichtlich der Sauberkeit führte. So lag der Hund am 16. November und den folgenden Tagen wiederholt in seinem Urin, was früher nicht beobachtet worden war. Beim Gehen in der Nähe der Tischkante trat er leicht fehl. Wohl infolge der mangelhaften Reaktion gegen äussere Reize entwickelte sich eine Conjunetivitis. Bei der Würdigung dieser Befunde ist zu berücksichtigen, dass ein nicht durch Unterernährung geschwächtes Tier wohl weniger durch die Alkoholwirkung alteriert worden wäre. Wenn wir nunmehr die Beobachtungen über den Einfluss der Alkoholzufuhr auf die Pulsfrequenz, die Körpertemperatur und auf das sonstige Verhalten der beiden in den in Betracht kommenden Versuchsreihen V und VI benutzten Versuchstiere zusammenfassen, so ergibt sich in Übereinstimmung folgendes: 1. Die Zufuhr von ea. 1 g Alkohol pro Körperkilogramm in einer Portion bewirkt ein geringes Absinken der Körpertemperatur und eine über die Normalwerte sehr wesentlich gesteigerte Puls- frequenz, welche noch nach 24 Stunden deutlich nachweisbar ist. 2. Die genannte Gabe Alkohol ruft beim Hunde recht erhebliche Intoxikationserscheinungen hervor. Zunächst erschienen die Tiere müde, nach einiger Zeit versuchten sie aufzustehen, was bisweilen seine Schwierigkeiten hatte. Der Gang. war recht unsicher, ins- besondere fiel, wie vorher geschildert, eine motorische Schwäche auf. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 2313 Die Neigung, längere Zeit mit geringen Unterbrechungen zu heulen, schien zum mindesten ein Ausdruck des Missbehagens zu sein. Die Erscheinungen schwanden meist erst nach 5—6 Stunden. Im weiteren Verlauf der betreffenden Bierperioden wurde eine inshesondere an dem einen Tier allmählich fortschreitende Depression und Gleich- sültigkeit gegen die Umgebung wahrgenommen. Diese erheblichen toxischen Wirkungen erklären sich einmal durch die Zufuhr der gesamten, doch immerhin recht beträchtlichen Alkoholmenge in kürzester Zeit, und zweitens kommt natürlich die Tatsache wesentlich in Betracht, dass der eine Hund so gut wie gar nicht, der andere nur wenig an die Aufnahme von Alkohol ge- wöhnt war. Im Anschluss an die Resultate sämtlicher sechs Versuchsreihen lassen wir eine tabellarische Übersicht folgen, welche in Stab I die Daten für den resorbierbaren Anteil der zum Grundfutter gegebenen Zulagen (Albumin-Dextrin resp. Bierextrakt) und in Stab II die Zahlen für den physiologischen Nutzwert dieser Zulagen enthält. Ferner lässt sich aus Stab I der Versuchsreihen IV, V und VI der Einfluss des Alkohols auf die Resorption anderer Nährstoffe bzw. aus Stab II auf die Veränderung des physiologischen Nutzwertes erkennen !). (Siehe Tab. XXXV auf S. 214). Was nun zunächst die Resorbierbarkeit der Zulagen in den Reihen I und II anbelangt, in denen das Grundfutter keine organi- schen Genussstoffe enthielt, so wurden für das Albumin-Dextrin die Zahlen 80,8 und 81,2, also im Mittel 81,0 gefunden, für das Bier- extrakt die Zahlen 89,7, 87,3 und 89,94, im Mittel 88,39. Wir haben nachgewiesen, dass die für die Bierextraktzulage im Vergleich zu der Zulage von reinen Nährstoffen (Albumin-Dextrin) ermittelte wesentlich (um 8°) erhöhte Resorption dadurch bedingt ist, dass die Extraktstoffe des Bieres die Resorption der N-freien Nährstoffe 1) Bei dieser Art der Berechnung sind natürlich die Ausschläge relativ gross, weil die absoluten Differenzen nicht auf das gesamte Regime, sondern nur auf die Zulagen (ausgenommen den Alkohol) bezogen wurden. So betrug z. B.: eh diere ade erakiehlbes IV 394,1 Cal. 95,83 Cal. = 24,32%. V 14070 , 10241 „ = 728%. vI 1202,7 „ 1002 „ = 850%. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 15 314 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Tabelle XXXV. I II Resorbier- | Physiolog. Reihe Periode Grundfutter barer Anteil| Nutzwert der Zulagen | der Zulagen %o 0/0 A.. Reihe I und II. 6Grundfutter ohne organische Genussstoffe. + 45,45 g Dextrin \ I | und 3,93 g Albumin If ae 18,8 I (Männlicher 2 + 50 g Bierextrakt 89,7 85,8 . Dackel) -+ 45,45 g Dextrin \ | 4 | und 3,93 g Albumin |f us yS1 b) + 50 g Bierextrakt 87,3 83,2 II (Spitzhündin) 2 + 50 g Bierextrakt 89,94 „786,23 - B. Reihe IV, V und = Das Grundfutter ist ein normales Regime. i Dis + 50.g Bierextrakt 84,5 83,4 IV (Männlicher 3 | +25 g Bierextrakt 814 81,0 Dackel) + 467,8 & Bier \ E x N = hierin 27, 2; g Extrakt [ > 66,57) Son +:500 g Bier \ ” V- Münnlicher 1 | hierin Borıee Brtanı | 979 | mar wi 2 + 29,11 g Bierextrakt 95,31) 82,1 Koies + 500 g Bier, { - R I } hierin 28 g Extrakt | en 67,85 VI (Alter männl. ++ 500 g Bier | + [44 Hund „Harro‘)\| 2 1 m Fa 78,53 | 4 + 23 g Bierextrakt | 75,89 73,94 und insbesondere der Fette erhöhen. Somit ist wohl die Bedeutung dieser Genussstoffe objektiv bis zu einem gewissen Grade charakterisiert. Wahrscheinlich enthält also das Bierextrakt Substanzen, die die Sekretion von lipolytischen Enzymen anregen. | Nun der Einfluss des Alkohols auf die Resorption des Bier- extraktes: | In Reihe IV wurden die Extraktstoffe des Bieres allein zu 84,5 °/o resp. zu 81,4 °/o, im Mittel zu 82,95 °/o resorbiert. “Für das im Bier gegebene Bierextrakt wurde der Verdauungs- koeffizient 78,23 gefunden, der Alkohol hatte also die Resorption um 4,72 °/o verringert. 1) Der Alkohol des Bieres ist in die Zulagen nicht eingerechnet, da durch diese Aufstellung die Fragen beantwortet werden sollen: Wie gross ist der physiologische Nutzwert des Bierextraktes, 1) wenn dasselbe als alleinige Zulage zu einem bestimmten Grundregime gereicht wird, und 2) wenn das Bierextrakt neben Alkohol, also in Form von Bier, aufgenommen wird? Bezüglich der hohen Werte 93,7 und 95,3 siehe die Anmerkung auf Seite 195. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 215 In Periode V waren die betreffenden Zahlen für das Biexexirakt' ohne Alkohol‘, >»... 4: us20....998,: 8 mit e RE ERS BE ‚durch den Alkohol wurde. also die Resorption um 2,1 verringert. In den Perioden I und 4 der VI. Reihe war die Resorption, ‘wie bei Besprechung der betreffenden Daten dargelegt, etwas ver- schlechtert; infolgedessen scheint beim Vergleich der zweiten mit der vierten Periode der Alkohol die Resorption etwas erhöht zu 'haben. Berücksichtigen wir beide Bierperioden (1 und 2), so findet man auch, dass der Alkohol die Resorption anderer Nährstoffe im Mittel um 2,45 °/o verringert hat. ‚Somit ergibt sich als Schluss: Der Alkohol verringert ein wenig die Resorption anderer Nährstoffe. Wir sind im Begriff zu untersuchen, ob der Alkohol etwa bei besonders fettreichem Regime die Resorption speziell des Fettes zu erhöhen vermag. . “ Die Daten des zweiten Stabes der Tabelle für den physiologi- schen Nutzwert stehen im Einklang mit denjenigen des ersten Stabes. ‘Besonders deutlich ist aus den betreffenden Daten der Reihe IV «(Periode 4) und V (Periode 1) zu erkennen, dass der Alkohol den ‘physiologischen Nutzwert des Bierextraktes wesentlich verringert hat ‘(in den Alkoholperioden fanden wir den Caloriengehalt der Harne “stets erheblich vermehrt) im Vergleich zu den alkoholfreien Perioden “(Reihe IV, Periode 2 und 3 und Reihe V, Periode 2). S Reihe VII. Versuche an Menschen. Es war geplant, eine aus vier Perioden bestehende Reihe am Menschen durchzuführen. Während aller Perioden sollte dasselbe Regime gereicht :werden und ausserdem in der zweiten Periode ca. 1—2 Liter Bier pro die als Zulage, in.der dritten Periode die aus der gleichen Menge desselben Bieres gewonnene Trockensubstanz (Extrakt). Versuchsperson war zunächst der eine von uns (Bau- drexel). Dr. Baudrexel ist 26 Jahre alt, er stammt aus München und ist Chemiker. Er ist von mittelkräftigem Körperbau, gut ent- wickelter Muskulatur und befriedigendem Ernähruneszustande. Akute Krankheiten waren nicht vorhanden, von Zeit zu Zeit leidet Bau- drexel an Hämorrhoidalbeschwerden. 155 316 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Die im nachfolgenden gegebene Zusammenstellung der Nahrungs- mittel erfolgte unter Berücksichtigung seiner speziellen Wünsche. Um die geplante Versuchsreihe möglichst glatt zu Ende führen zu können, hatten wir die Nährstoffzufuhr nicht besonders gross be- messen. Erfahrungsgemäss begünstigt eine mässige Nahrungszufuhr und eventuell eine geringe Unterernährung die Durchführung einer genügend langen Versuchsreihe im Vergleich zu einer starken Nahrungszufuhr, und zwar besonders im Hinblick auf die doch immer- hin nicht gerade abwechselungsreiche Kost. Baudrexel arbeitete in gewohnter Weise täglich 7 Stunden im Laboratorium, ging ca. 1!/.—2 Stunden spazieren ‘und rauchte täglich 2 leichte Cigarren und 4 Cigaretten, — Leider gelang die Durchführung der Reihe an der Versuchsperson trotz der angewandten Kautelen nicht, weil die Gewichtsabnahme Baudrexel’s ihm schon gegen Ende der ersten Periode Bedenken verursachte, Überhaupt war Baudrexel während des Versuches vielleicht ein wenig zu sehr um: seinen Gesundheitszustand besorgt. Am 4. und 8. Versuchstage fühlte sich Baudrexel nicht wohl, er hatte heftige Kopfschmerzen und ver- spürte etwas Sodbrennen, Die zweite Periode, welche durch den Biergenuss eine angenehm empfundene Ergänzung des Regimes bot, führte Baudrexel noch 3 Tage durch, erklärte dann aber, den Versuch abbrechen zu müssen, da sich zudem einige Hämorrhoidalbeschwerden bemerkbar machten, die übrigens nicht zu einer Blutung führten. — Herr Dr. Matzdorff, ebenfalls Chemiker, Assistent am Institut für Gärungsgewerbe (früher Apotheker), hatte die Liebenswürdigkeit, sich für die Durchführung der beiden noch folgenden Perioden (Bierextrakt und Grundregime) 6. Tage zur Verfügung zu stellen. Die Nahrungsmittel und ihre Vorbereitung zur Analyse. Es wurden folgende Nahrungsmittel gewählt: 1. Roggenbrot aus der Versuchsbäckerei Berlin N, Cakes (Leibnitz), Apfelmus, Kakao, Zucker, Fleisch, Sauce, Lachsschinken, aD Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 27 9. Milch, 10. Butter, 11. Schweizerkäse, 12. Bier. Vom Brot kamen die Enden für den Konsum wegen ihrer un- regelmässigen Zusammensetzung nicht in Betracht. Aus allen anderen Teilen des Brotes wurden Proben für die Analyse entnommen und zwar alle 2 Tage je 50 g, im Vakuumschrank bei 30—40° C. getrocknet, lufttrocken gewogen, gemahlen, vermischt und analysiert. Im Apfelmus wurden die Stickstoffbestimmungen direkt aus- geführt. Die calorimetrischen Bestimmungen erfolsten nach der Troeknung. Für die Versuchsreihe wurde ein genügend grosses Stück Rind- fleisch vom Hinterviertel beschafft, das von recht gleichmässiger Be- schaffenheit war. Dieses Fleisch wurde unzerteilt in guter Butter, Sahne usw. gebraten. Hierauf goss man zunächst diese Sauce zwecks gesonderter Analyse in ein anderes Gefäss. Die Kruste des Bratens, fernerhin fettreiche Partien, Sehnen usw. wurden abgeschnitten und gelangten nicht zur Verwendung. Der Braten hatte augenscheinlich recht einheitliche Beschaffenheit. -Es wurden nun genau gewogene Mengen (300 g) als Tagesportionen in Konservengläser gebracht, und während dieser Verteilung erfolgte aus den verschiedensten Partien des Bratens eine sorgfältige Probeentnahme zur Analyse. Die so gewonnene Substanz wurde, wie beschrieben, getrocknet, lufttrocken gemahlen und analysiert. Die Vorbereitung zur Analyse der Sauce erfolgte in folgender Weise: Die Sauce wurde besonders sorgfältig gemischt und eine genügend grosse Menge in einem Glaskolben gewogen. Aus diesem Material lässt sich natürlich keine genaue Durchschnittsprobe er- halten, weshalb es zunächst erforderlich war, das Wasser zu ent- fernen. Zu dem Zweck wurde der Kolben auf ein Ölbad von ca. 105° C. gebracht und das Wasser verdampft. Nach genauer Ermittlung des Wasserverlustes wurde der über die Schmelzpunkt- temperatur des Fettes erwärmte Kolbeninhalt in eine Reibschale ge- gossen und sorgfältig gemischt, was in vollkommener Weise gelang. Die so erhaltene Substanz wurde zur N- und calorimetrischen Be- stimmung verwendet. Die zunächst von dem Braten getrennte Sauce wurde nach der Probenahme zur Analyse den einzelnen Tagesportionen des Bratens 318 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: in gleichen Mengen von 140 & zugesetzt. Hierauf wurden die Kon- servengläser geschlossen und an 3 Tagen sterilisiert: Alsdann wurden die Gläser mit Fleisch ebenso wie die anderen Nahrungs- mittel in den Eisschrank gestellt, aus dem die täglichen Portionen je nach Bedarf entnommen wurden. Zur Analyse des Lachsschinkens wurden aus je einem Stück drei Proben aus verschiedenen Teilen des Schinkens genommen, fein durchmischt und die Stickstoff bestimmung direkt ausgeführt; das Fett-: gewebe von der Peripherie wurde stets entfernt. Zur calorimetrischen Bestimmung wurden diese Proben in Mengen von 3—4 & genau ge- wogen, im Vakuumschrank, wie oben angegeben, getrocknet und in der Bombe verbrannt. In der Milch wurde der Stickstoftgehalt direkt ermittelt. Der Energiegehalt wurde im Milchtrockenrückstand bestimmt (Fällen der Eiweisskörper mit einem Tropfen Salzsäure, Eindampfen auf‘ dem Wasserbad und Trocknung im Vakuumschrank). Die Milch‘ wurde ebenso wie das Fleisch in Tagesportionen in Flaschen ge- wogen und wiederholt sterilisiert. In der Butter wurden die Stiekstoffbestimmungen direkt aus- geführt nach sorgfältiger Mischung der aus verschiedenen Partien des ganzen Butterstückes entnommenen Teile in der Reibschale. Die Substanz für die calorimetrischen Bestimmungen wurde aus derselben Durcehscehnittsprobe in Platinschälehen gewogen, bei Zimmertemperatur im Vakuum über Schwefelsäure getrockuet und in der Bombe ver- brannt. Die Probeentnahme und Vorbereitung für die Analyse von Cakes, Kakao, Zucker, Käse und Bier erfolgte in der üblichen Weise. Die nachfolgenden analytischen Daten (s. Tab. XXXVI auf S. 219) sind die Mittelwerte aus mindestens zwei gut überein- stimmenden Analysen. Wir lassen nunmehr die Resulate der ersten beiden Perioden (Grundration [5 Tage] und Bierperiode [3 Tage]), welche an Bau- drexel durchgeführt wurden, folgen; im Anschluss daran teilen wir die Ergebnisse der beiden letzten Perioden (Grundration [3 Tage] und Bierextraktperiode [3 Tage]) mit, für die sich Dr. Matzdorff zur Verfügung gestellt hatte. Die erste Abgrenzung wurde mit Preiselbeeren am Vorabend des ersten Versuchstages vorgenommen, gelang jedoch nicht zur vollen Zufriedenheit; immerhin können wir annehmen, dass sie uns: Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 219 Tabelle XXXVl. Wasser Stickstoff |Energiegehalt on on pro 100 g Brave 1.) or BEE 69,85 0,527 135,0 Ba len. 67,70 0,461 127,78 WARSSEREE ne ne — 1,045 431,6 EN elmuSn ne ae... 47,10 . 0,068 181,53 Kellner — 2,351 934,6 Tackar SIR TE EEE _ 397,3 Filsisdh a 0 Dal re 44,70 6, ‚883 196,81 TEN8 NS EEE 67,46 0,856 212,91 Wachssehinkenn. 2... 2. 2 um... — 3,474 209,9 Erlen 5: vera o 87,02 0,488 70,52 Lauer Se Secoe — 0,136 775,1 WERE 0 RT —_ 4,392 451,0 Bier 3,98 °/0, Alkohol 6,20 °%0, Extrakt!) 90,27 0,097 48,71 annähernd geglückt ist. Da diese Periode 5 Tage währte, so kann der mögliche Fehler pro die zudem nur !/s des absoluten Wertes betragen. Die späteren Abgrenzungen gelangen scharf. Wir haben im Verlauf der ersten Periode noch eine andere Abgrenzung und zwar mit 1,3 g Karmin versucht, das in Gelatinekapseln eingeschlossen war. Das Karmin (inklusive Gelatinekapsel) haben wir auf seinen Caloriengehalt (eine Bestimmung) und N-Gehalt untersucht?) und die gefundenen Werte vom Gesamt-Calorien und N-Gehalt der Fäces dieser Periode subtrahiert. Pulverisierte Kohle erschien uns schliess- lich als abgrenzende Substanz am besten. Wir haben bereits den Kot während der ersten Periode einmal mit 2 g Kohle abzugrenzen versucht, bei den späteren Perioden benutzten wir stets 4 g Kohle. Zu dem Zweck wurde die Kohle zu Beginn des ersten Versuchs- tages jeder Periode inmitten des Frühstücks um 9 Uhr morgens genommen; die letzte Nahrung war stets 14 Stunden früher mit der Abendmahlzeit um 7 Uhr verzehrt worden. An allen anderen Versuchstagen wurde die Nahrung zu den im folgenden angegebenen Zeiten verspeist. Die Abgrenzung des Harnes erfolgte durch Entleerung der Blase unmittelbar vor Beginn des neuen Versuchstages. 1) Das Extrakt lieferte pro Gramm eine Verbrennungswärme von 3,825 Cal. 2) Das Karmin enthielt 6,789%o N und 4,959 Cal. pro Gramm. 220 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: 1. Periode. (Grundration. Durchgeführt an Baudrexel.) Das Regime bestand morgens!) 8!/s Uhr aus 300g8Milch mit 1,464=N und 211,56 Cal. 8 Kakao. „ , 0,188, , a8. . 16 „Zucker „ a 20390808 UDeNnKakes nn Ban SAD Sa. | 2,38 Wo N) UT TE 620.016 C mittags 12/2 Uhr aus 200 g Fleisch mit 13,767 g N und 393,620 Cal. 409 5Sauce 2 BE l98,: „ 298,080 - „ 250 „Apfelmus ,„. 0,170,, „ 453,830 „ S0HBror le +. 108.00 Sa. 15,556 & N 1253,530 Cal. abends 7!/e Uhr aus 100 g Brot I mit 0,527 g N und 135,00 Cal. 1005, Stuka 7, aa, „ 209,9 n SE Butlenz2,...0.068% , DISS DDAEN, 2a Käse 3.098 a7 Sa. 5,167 & N 845,200 Cal. Sa. Summarum 23,107 & N und 2718,746 Cal. Nachdem Baudrexel diese Kost 2 Tage genossen hatte, wurde der Versuch am Morgen des 11. Januar 1910 begonnen. Der Ei- weissgehalt der Ration betrug 144,4 & (N X 6,25). Es handelt sich also um ein Regime von hohem Eiweiss- und mässigem Caloriengehalt. Die Daten für den N-Gehalt des Harnes, der Fäces, den N-Ansatz und die Wägungsergebnisse enthält die folgende Tabelle XXXVII auf Seite 221. Den übrigens geringen N-Gehalt der epidermoidalen Ge- bilde haben wir nicht bestimmt. | Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte Baudrexel im Mittel 0,36 & N und 42,5 Cal. erhalten. Der Verdauungskoeffizient für die N-haltigen Nahrungsbestandteile betrug 92,51 (siehe die Tabelle XXXVII auf Seite 221); derselbe ist also ganz normal. Die N-Retention ist an den ersten Tagen recht beträchtlich, sie wird jedoch täglich geringer; am letzten Tage ist ein N-Verlust von 0,69 g zu konstatieren. Daneben findet eine Gewichts- abnahme von im Mittel pro die 310 g statt. 1) Eine Tasse Kakao und einige Cakes wurden bei sämtlichen Perioden für die Vespermahlzeit (4 Uhr nachmittags) aufbewahrt. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 29] Tabelle XXXVIL. geschieden . Es wurden ausgeschieden N Resorbien Br Datum | N N-Ansatz 5 1910 im Harn | im Kot Summa wicht g %o| g |% g 0/0 g %/o g 0 kg 11./12.Jan.| 17,48 | 75,5 |1,73 [7,6 | 19,21) 83,0| 21,38 | 92,51| 3,90 | 16,9 | 64,700 12.113. „ [1838| 79,3 1,73 7,6 | 20,11) 87,0| 21,33 | 92,51| 3,00 | 13,0 [64,420 13./14. „ [18,98 | 82,0 11,73 7,6 | 20,71) 89,7| 21,38 | 92,51| 2,40 | 10,4 |64,130 14./15. „ 120,23 | 87,5 11,78 7,6] 21,96 | 95,0| 21,38 | 92,51| 1,15) 5,0 [63,820 15./16. „ [22,07 | 95,0 | 1,73 | 7,6 | 23,80 | 103 21,35 | 92,51] -0,69 | 3,0 | 63,630 Summa |97,14| — |8,65| — |105,79| — [106,901 — | 9,76|- — [63,350 Also im Mittel von 5 Tagen: [19,48 | 83,9| 1,75 |7,6| 21,16] 93,6] 21,38|92,51] 1,95 | 8,45] 64,01 Energieumsatz: BaahmenE pro die... . . 02 20a... 02.008.2718,746 Cal. Ausgaben: Der Kot der 5 Versuchstage wog getrocknet 103,74 g und ergab prog 5,1446 Cal. also Sa. 533,70 5 ab für 28 Kohle und1,5e2Karmin 19,575 „ also Sa. 514,125 Cal. resp. pro die . 102,825 „ = 3,830 d. Zufuhr Der Harnenthielt 171,140 „ = 63%, „ | Sa. 273,965 Cal. = 10,1 od. Zufuhr = 273,965 „ Somit beträgt der physiologische Nutzwert . . . . 2444,781 Cal. entsprechend 89,920 der Zufuhr. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte Baudrexel 38, 2 nutzbare Calorien erhalten. ‘Harn- = — I71,1N\ _ Calorischer Quotient Kmars 019, ) — 8,8 Die Daten für den ee der Fäces, des Harnes, den physiologischen Nutzwert und den calorischen Quotienten zeigen eine gute Übereinstimmung mit den von anderen Autoren (Rubner, Zuntz, Tangl, Caspari, Loewy) bei gemischter Kost am Menschen ermittelten Werten). 2. Periode. (Grundration mit 1510 g Bier als Zulage. Das Bier enthielt 53,3 & Alkohol und 93,62 g Extrakt mit 1,47 g Stickstoff und 735.48 Cal. in 1510 g@. Durchgeführt an nee) 1) Eine diesbez. Zusammenstellung mit Literaturangaben s. unter W.Caspari, Physiologische Studien über Vegetarismus. Pflüger’s Arch. Bd. 109 S. 555. 1905 222 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Das Regime bestand morgens 8!/s Uhr aus!) u.211,56 Cal. 300 g Milch mit 1,464gN 8 „ Kakao De US OT 16 „ Zueker N Bee 70 „Cakes LSA 2, Sa. ca. 1Y/a Stunden nach dem Frühstück "aus 390 g Bier mit 24,18 gExtraktmit 0,380 &g N u. 13,77 g Alkoh. „ Sa. ”» mittags 12!/a Uhr aus 200 gFleisch mit 13,767 gN 140 „Sauce 3 250 " Apfelmus » 0,170 ”» s0 » Brot I D) 0,421 DB) 890 „ Bier mit 24,18 g Extrakt „ - 0,380 „„ U. 13,77 ® Alkoh. 9 rn) . Sa. abends 7!/a Uhr aus 100gBrotI mit 0,527g N N0DERSchinkene mn 3 50 „ Butter . UUE8 5 25 5 Käse „ 1,098 , Ri 730 „Bier mit 45,26 8 Extrakt „- 0,710, , u.25,77gAlkoh. „ — „35 Sa. Sa. Summarum 2,3842 N 0,380 8 N 15,936 & N OB „ DI 5 all zn 2 d 620,016 Cal. u. 92,49 Cal. 2 97,AS0 N, 189,970 Cal. u. 393,620 Cal. „298,080 „ „AD NEN u „Aal, 1443 500 Cal. u.135,00 Cal. oo a8 „112,750 , „17312 „ „182,450 , 5,877 &N 94,577 0 Nu. 1200,770 Cal. 3454,256 Cal. 1) Eine Tasse Kakao und einige Cakes wurden als Vespermahlzeit (4 Uhr) aufbewahrt. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 293 Zur Abgrenzung der Fäces dienten 4 g Holzkohle mit 26,256 Calorien. Tabelle XXXVI. Es wurden ausgeschieden N Res | Datum 7 z N N-Ansatz | Gewicht im Wasser | im Kot Summa 1910 er g | DE Wie: | %/o g | 0/0 | or lerz ”) kg | | | 16./17. Januar | 21,12 | 85,8 | 2,57 | 10,4 | 23,69 | 95,9 | 22,01 | 89,5 | 0,89 | 3,6 | 63,350 ikel1S..ı 19,59 | 79,7 | 2,57 | 10,4 | 22,16 | 90,1 | 22,01 | 89,5 | 2,42 | 10,2 | 63,770 Ba. 5, 18,38 | 74,9 | 2,57 | 10,4 | 20,95 | 85,3 | 22,01 | 89,5 | 3,63 | 14,8 | 63,740 Summa 159,09 |: — |7,71| — |66,80 | — [66,03 | — [6,94 | — | 63,700 Also im Mittel von 3 Tagen: [ 19,70 | 80,1 | 2,57 | 10,4 | 22,27 | 90,7 | 22,01 | 89,5] 2,31 | 9,4] 63,64 - Was zunächst die Resorption der N-haltigen ‚Stoffe des Bieres anbelangt, so entsprach der Gehalt an diesen Substanzen täglich 1,47 g N. Der N-Gehalt der Fäces betrug: in der Grundrationsperiode 1. . —= 1,73 g, Be bserpemodes2rr..... 22008, --somit wurden in der Bierperiode 2 = 0,54g N mehr ausgeschieden entsprechend 57,14 °/o der mit dem Bier auf- genommenen Stickstoffmenge. Es wurden also 42,86 °o der N-haltigen Stoffe des Bieres resorbiert. Dieser Befund steht im Einklang mit der in einer Anzahl von Tierversuchen konstatierten Tatsache, dass die N-haltigen Substanzen des Bieres zum grösseren Teil nicht re- sorbierbar sind. Infolge der Zulage von 1510 g Bier mit 147 g N und 739,48 Calorien zum Grundreeime gestalten sich die N-Bilanzen an den einzelnen Tagen wesentlich günstiger als in der ersten Periode. Während nämlich im Verlauf der ersten Periode der N-Ansatz kon- tinuierlich geringer wurde, finden wir nach der Zulage von Bier in Periode 2 umgekehrt eine kontinuierlich zunehmende N-Retention. Wenn wir zunächst die Durchschnittswerte pro die für die N-Reten- tion während der beiden Perioden miteinander vergleichen, so finden wir in der Bierperiode einen täglich um ‚0,36 g höheren N-Ansatz. Dieser Wert ist jedoch noch zu niedrig, da wir die fallende resp. steigende Tendenz der N-Retention bei beiden Perioden in Rechnung zu stellen haben. Nun waren die betreffenden Zahlen für den N-Ansatz in Gramm in der ersten Periode (Grundregime): 224 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Am Am Am Am Am ersten zweiten | dritten vierten fünften Tage Tage Tage Tage Tage 8 g g S g 3,90 3,00 2,40 1,15 | —.0,69 Die Differenz der Einzelwerte beträgt hiernach ! — — 0,90 | —0,60 | —125 ı — 1,84 resp. durchschnittlich — 1,15 g N. Nehmen wir nun zunächst einmal an, dass diese im Durch- schnitt pro die — 1,15 g betragende fallende Tendenz der N-Re- tention noch an weiteren 3 Tagen fortbestehen würde, so hätten wir also in der folgenden Periode ohne Bierzulage folgende Werte für die N-Retention zu erwarten: Am ersten , Am zweiten | Am dritten Tage Tage Tage g 8 g — 1,84 — 2,99 — 4,14 Infolge der Bierzulage waren die be- treffenden? Werte, u... ern + 0,89 + 2,42 + 3,63 Somit würde die Aufnahme von 1510 g Bier eine Retention von. ..... 2,13 3,41 m resp. von durchschnittlich 5,30 g N pro die bewirkt haben. Nun können wir. jedoch nicht annehmen, dass der Organismus weitere Mengen an Stickstoff von seinem Körperbestand eingebüsst hätte, wenn die Grundrationsperiode ohne Bierzulage weiter fort- geführt wäre, und zwar aus folgendem Grunde: Aller Wahrschein- lichkeit nach: müsste die Nahrungszufuhr in Anbetracht ihres reich- lichen Eiweiss- und genügenden Caloriengehaltes zur Deckung des Nährstoffbedarfes genügen; es war also zu erwarten, dass Bau- drexel nach Abschluss der fünftägigen Periode I bei weiterer Er- nährung mit demselben Regime sich in das N-Gleichgewicht gesetzt hätte, trotzdem am letzten Tage der Periode 1 ein Verlust von 0,69 & N gefunden wurde. Wir werden also bei dem Vergleich der N-Bilanzen beider Perioden von der Annahme auszugehen haben, dass während der Grundrationsperiode Stickstoffgleichgewicht bestand. Unter dieser Voraussetzung sind die in der Bierperiode 2 für den N-Ansatz direkt ermittelten Werte durch die Bierzulage bewirkt. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 225 1510 g Bier hatten also bei diesem Versuch einen Ansatz von 0,89 & N am ersten, 2,42 g N am zweiten, 3,63 g N am dritten Tage und im Durchschnitt von 2,31 & N zur Folge. Da die N-Retention von Tag zu Tag steigt, so würde bei längerer Versuchsdauer zweifellos noch eine stärkere N-Retention gefunden worden sein; welcher Maximalwert erreicht worden wäre, lässt sich natürlich nicht sagen. So viel steht jedoch fest, dass die in diesem Versuch erzielte eiweisssparende Wirkung des Bieres zum mindesten 2,31 g N pro die entsprach. Pro Körperkilogramm und Tag hatte Baudrexel im Mittel 0,39 g N und 54,3 Calorien aufgenommen. Die mittlere tägliche Gewichtszunahme betrug 127 g. Energieumsatz: Cal. Einnahmen pro-die’. .. 2.22.02. 02.2 0 2200.00. 8404,256 Ausgaben: Der Kot der 3 Versuchstage wog getrocknet 113,12 g und ergab prog 4,8515 Cal. also Sa. 548,810 „ ab für 4g Kohle 26,256 „ also Sa. 522,554 Cal. %/o Qal. d. Zufuhr BESDSENRORdIER 2. 0 nee. 174,185 0 — 55,0 Der Harn enthielt dektsbestimmt.... ..: 0... 172200 = 30 Alkohol . 0,128 g— 0,906 Cal. Alkohol in der Atmung (be- rechnet)!) . 1,20 „=8,49% „ Sa. 1,323 g; reduzierende Sioter.r.. 0,3, also in Harn und Atmung 1,023g Alkohol . . 7,278 = 02 Sa. 353,663 = 10,2 — 353,663 Somit beträgt der physiologische Nutzwert . .2.20.2583100:593 entsprechend 89,76 °/o der Zufuhr. 1) Da wir Alkoholbestimmungen in der Atmung von Baudrexel nicht aus- geführt haben, benutzten wir die von Atwater und Benedict [(l. c.) siehe auch unter Rosemann |. c. S. 419] ermittelten Werte. Die genannten Autoren fanden 226 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Pro Körperkilo und Tag hatte Baudrexel somit 48,8 nutz- bare Calorien erhalten. | Von den 358,100 Cal., die in Form von Bierextrakt verabreicht wurden, gingen, wie sich aus dem Vergleich dieser Periode mit der Grundrations-Periode 1 ergibt, 174,185—102,825 = 71,36 Cal. ent- sprechend 19,93 %/o der Zufuhr in den Kot über, es wurden also 80,07 °/o ‚resorbiert. Dieser Wert ist etwas niedriger als die an Hunden für den resorbierbaren Anteil des Bierextraktes bei alkohol- freiem Regime ermittelten Daten. Wir werden auch aus den Re- sultaten der an Matzdorf durchgeführten Versuche sehen, dass die Resorption der in Form von Bierextrakt_zugeführten Calorien nach Entfernung des Alkohols eine wesentlich höhere ist. Es geht also auch aus der am Menschen durchgeführten Versuchsreihe hervor, dass der Alkohol die Verdaulichkeit anderer Nährstoffe etwas verringert. & Harn-Cal. —= 172,2 \ 9, Calorischer Quotient (er Dr _—. = 314, Der physioloeische Nutzwert des Bierextraktes beträgt 79,78 %o, ” ” » » Bieres » 88,87 lo des Energiegehaltes. Bei der Diskussion der Resultate über die N-Bilanzen in den zwei ersten Perioden dieser Reihe ist dargetan worden, dass bei einem Vergleich der betreffenden Daten dieser Perioden für die Grundrationsperiode 1 Stiekstoffeleichgewicht anzunehmen ist. Dieser Voraussetzung haben wir auch bei der Bestimmung des physiologi- schen Nutzwertes des Bieres Rechnung zu tragen. Nun wurde in der Grundrationsperiode 1 die Zahl 8,8 als ealori- scher Quotient des Harnes ermittelt. Da der Harn der Grundrations- im Mittel von 13 Versuchen am Menschen, bei einer Zufuhr von durchschnittlich 73,3 g Alkohol pro die, im Harn 0,16 & = 0,22%, in der Atmung 1,50.g —= 2,075°/o der Zufuhr. Im Harn von Baudrexel wurde nahezu derselbe Prozentsatz des aufgenommenen Alkohols sezerniert (0,240). Wir haben nun bei der Berechnung des von Baudrexel ausgeatmeten Alkohols das von den amerikanischen Forschern gefundene Verhältnis: Alkohol im Urin zu Alkohol in der Atmung, zugrunde ‘gelegt. Da die im Harn sezernierte Alkoholmenge zu klein war, um mit dem Pyknometer _ bestimmt werden zu können, haben wir hier die Methode von Nicloux (l. c.) angewandt. Nun haben Atwater und Benedict auch die Aus- scheidungen der alkoholfreien Perioden auf reduzierende Substanzen untersucht und im Mittel pro die 0,3 g reiuzierende Stoffe gefunden, die sie von den in den Alkoholperioden ermittelten Werten in Abzug brachten. ‘Wir haben diesen von den genannten Autoren gefundenen Wert (0,3 g) ebenfalls in Rechnung gestellt. Über die Verwertung des Bierextraktes und des’ Bıeres etc. DT periode bei N-Gleichgewicht 21,53 g N enthalten hätte, würde der Enersiegehalt des Harnes 21,38 X — 188,144 Cal. betragen haben. Nun können wir die Bereehnung des physiologischen Nutzwertes ür das Bierextrakt und das Bier durchführen. 1. Physiologischer Nutzwert des Bierextraktes. In der Bierperiode 2 enthielten die Fäces im Mittel pro die. . . . 174,185 Cal. In der Bierperiode 2 enthielt der Harn (ohne den Alkohol) im Mittel pro Bien... 3. ., Br 12200 Somit in Harn ed Kot a ige Cal, In der Grundrationsperiode 1 ent- hielten die Fäces im Mittel pro die 102,525 Cal. In der Grundrationsperiode 1 hätte der Harn (bei N- Seen Renee. ernennen. 18814497 AR ® Sa a 290,069 Durch. die Zulage von 358,100 Cal. in Form von Bierextrakt wurde also der Energiegehalt der Aus- Keheidumesprodukter um. =. „wu. 2.0402 299,416 Cal. entsprechend 15,48 °/o vermehrt. Der physiologische Nutzwert des Bierextraktes beträgt somit 84,52 %/o seines Energiegehaltes. Diese Zahl stimmt mit den an Tieren ermittelten Werten befriedigend überein. ze Physiologischer Nutzwert des Bieres: In der Bierperiode 2 wurden in Fäces, Harn und Atmung pro die insgesamt ermittelt . . . . . 355,787 Cal. Der Energiegehalt der Ausscheidungsprodukte während der Grundrationsperiode hätte unter Voraussetzung des N-Gleichgewichtes, wie eben angeführt, betragen 290,969 Durch die Zulage von 735,48 Cal. in Form von Bier wurde der Energiegehalt der Ausscheidungsprodukte Fremen... 0, ’ Een HASTE GA entsprechend 8,81 °/o dieser Polige vermei. Der physiologische Nutzwert des Bieres betrug also 91,19 00 seines Energiegehaltes. In Versuchen an Hunden waren die Zahlen 87,6, 85,33 und 82,77 resp. im Durchschnitt 85,23 ermittelt worden. Die schlechtere Ver- ” 228 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: wertung des Bieres dureh die Hunde ist darauf zurückzuführen, dass die an Alkohol nicht gewöhnten Tiere toxische Dosen (1,1 g pro Kilogramm) in einer Portion erhalten hatten, während der an mässigen Alkoholgenuss gewöhnte Baudrexel eine geringere Alkoholmenge (0,84 g pro Körperkilogramm) in drei Dosen trank. Bei dem Dackel, welcher 3,2 g Alkohol pro Kilogramm erhalten hatte (Reihe IV), war als physiologischer Nutzwert des Bieres die niedrigste Zahl, nämlich 81,51, gefunden worden. Baudrexel rauchte täglich zwei leichte Zigarren und fünf Zigaretten. An den einzelnen Versuchstagen führte er eine Anzahl Temperaturmessungen und Pulsfrequenzbestimmungen an sich aus. Wir lassen die betreffenden Zahlen folgen: Tabelle XXXIX. Temperatur (im Rectum) und Pulsfrequenz von Baudrexel. Grundration. Temperatur Puls Puls (kurz vor dem (kurz vor dem (vor dem Schlafen- Mittagessen) Mittagessen) gehen) 1. Tag 37,10 80 82 ER 37,33 82 82 Be: 37,03 75 82 EN 37,06 82 90 SER 37,26 76 78 Im Mittel | 37,16 | 79 | 82,8 Die grösste Differenz der an den 5 Versuchstagen gemessenen Körpertemperaturen beträgt hiernach 0,3 ° C., während die stärksten Abweichungen bezüglich der Pulsfrequenz an den beiden letzten Tagen (Differenz zwölf Pulsschläge) gefunden wurde. Tabelle XL. Bierperiode. Unmittelbar vor 1!/a Stunden nach Durch die Biergabe der Aufnahme der der Aufnahme der rs ersten Bierportion ersten Bierportion mit 13,77 g Alkohol | mit 13,77 g Akobol| Temperatur-| Vermehrung Temperatur Puls |Temperatur) Puls erhöhung | der Pulszahl 1. Tag | 36,94 | 75 37,23 85 0,29 10 Du, 37,11 72 37,21 78 0,10 6 Ar, 31 | 7 36,99 76 0,08 2 Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 2939 Zur Kritik dieser Zahlen möchten wir folgendes bemerken: Die Bestimmungen erfolgten stets unter möglichst gleichen Bedingungen, Die Resultate scheinen darzutun, dass eine Alkoholmenge von 0,22 g pro Körperkilogramm sowohl die Temperatur als auch die Pulszahl etwas erhöht und zwar am ersten Tage mehr als an den späteren. Im Hinblick jedoch auf die Tatsache, dass speziell die Pulsfrequenz zahlreichen Einflüssen unterliegt und ferner, dass die Zahl der Be- obachtungen für die Deutung der geringen Abweichungen keine senügend grosse war, können bindende Schlüsse aus denselben nicht abgeleitet werden. Jedenfalls beweisen die mitgeteilten Daten, dass die Pulsfrequenz und die Temperatur während der beiden Versuchs- perioden normal waren. Dr. Matzdorff ist 36 Jahre alt, Brandenburger, von mittlerer Grösse, weniger kräftigem Körperbau, schwach entwickelter Musku- latur und befriedigendem Ernährungszustand. Zur Anamnese wurde frühere Skrophulose angegeben; gegenwärtig bestanden irgendwelche Krankheiten nicht. Hinsichtlich seiner Beschäftigung und Lebens- weise macht er folgende Angaben: Seine Assistententätigkeit nimmt ihn zumeist und auch während des Versuches täglich ca. 14 Stunden in Anspruch. Er gibt an, ein starker Esser zu sein. Der Stuhlgang erfolgt bei ihm gewöhn- lich innerhalb 36 Stunden einmal. Das Grundregime war das gleiche wie in den Versuchen an Baudrexel, nur gelangte ein anderes Brot derselben Herkunft und Qualität zum Verzehr. Das Bierextrakt wurde aus derselben Menge Bier derselben Bierprobe dargestellt, von der Baudrexel sein tägliches Quantum erhalten hatte, und in zwei Portionen täglich genommen. Man hätte nun annehmen sollen, dass Matzdorff im Hinblick auf seinen grossen Nahrungsbedarf besonders leicht und gern die ihm während der Versuchstage gebotene Kost verspeist hätte. Das war jedoch nicht der Fall, sondern die Monotonie der Kost verur- sachte ihm schon am dritten Tage gegen die Aufnahme einzelner Speisen (speziell des Bratens und Schinkens) eine geringe Abneigung. Doch konnten beide Perioden ohne weitere Komplikationen durch- seführt werden. An Matzdorff wurde der Versuch begonnen, ohne dass er, wie Baudrexel, sich einige Tage an den Genuss der Kost Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 16 330 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: sewöhnt hatte. Im übrigen waren die Versuchsbedingungen die gleichen wie bei Baudrexel. Matzdorf rauchte täglich sechs leichte Zigarren & 5 g. Temperaturmessungen und Pulsfrequenz- bestimmungen nahm Matzdorf während beider Perioden täglich wiederholt vor. Die Zahlen waren normal, und es kann auf eine Wiedergabe verzichtet werden. 3. Periode. Vom 23./24.—25./26. Januar 1910. (Grundration. Durchgeführt an Dr. Matzdorff.) Das Regime bestand morgens 8/2 Uhr aus 300gMilch mit 1,464sN u. 211,56 Cal. 8 „ Kakao 0,8 Aal; or» Zucker — 5, , (208; 70 „ Cakes en oa, Sa. 2,3842 N 620,016 Cal. mittags 12%/a Uhr aus 200 g Fleisch mit 13,767 g N u. 393,620 Cal. 140 „Sauce na „298,080 „ 250 „ Apfelmus „ 0,170, , A SO Bro Eee 22 Sa. 15,504 & N 1247,754 Cal. abends 7!/sz Uhr aus 100 g Brot II mit 0,461 gN u. 127,780 Cal. 100 „Schinken „ 3,474, ,„ „ 209,900 „ 50 „ Butter .. NOS; Bora 25 „ Käse ie) DO Sa. 5.101e N 837,980 Cal. Sa. Summarum 22,989 gN u. 2709,750 Cal. Tabelle XLI. Es wurden ausgeschieden N Resorbiekt Gew. Datum N N-Ansatz d. Ver- 1910 im Harn im Kot Summa suchs- person g | %/o g | 0% g | Oo g 0/0 g | %o | kg 23./24.Jan.| 14,50 | 63,07 2,38! 10,35 16,88 | 7343 | 20,61 | 89,65 6,11 26,8 59,740 24.125. „ | 16,32 | 70,99 | 2,38 | 10,35 | 18,70 | 81,34 | 20,61 | 89,65 | 4,29| 18,66] 59,000 25.126. „ | 18,00 | 78,30 | 2,38 | 10,35 | 20,38 | 88,65 | 20,61 | 89,65 | 2,61 11,31] 58,250 San Kanes ee een = | — Also im Mittel von 3 Tagen: | 16,27 | 70,77 | 2,38 | 10,35 | 18,65 | 81,13 | 20,61 | 89,65 | 4,34| 18,87] 58,997 Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 231 Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte die Versuchs- person im Mittel 0,390 g N und 45,863 Cal. erhalten. Der mittlere tägliche Gewichtsverlust betrug 497 g. Der Verdauungskoeffizient für die N-haltigen Nährstoffe ist der gleiche wie in der an Baudrexe]l durchgeführten Bierperiode. Dagegen wurde in der analogen Grundrationsperiode 1 von Bau- drexel etwas mehr N resorbiert (92,51 °/o). Die Tendenz des Organismus, sich in das N-Gleiehgewicht zu setzen, tritt ganz ähnlich hervor wie in der analogen Periode an Baudrexel. Am ersten Tage beträgt der N-Ansatz 6,11 g, am zweiten 4,29 g und am dritten 2,61 g. Die mittlere Differenz dieser Werte beträgt 1,75. Bei Fortführung dieser Periode wären daher für die nächsten 3 Tage folgende Werte für den N-Ansatz zu erwarten: Für den vierten, fünften, sechsten Tag 1,8568 N 011g N N-Gleichgewicht und im dreitägigen Durchschnitt 0,657 eg N. Diese Werte werden wir bei dem Vergleich der N-Bilanzen dieser und der folgenden Periode 4 (Bierextraktzulage) einsetzen. Trotzdem während dieser Periode im Mittel 4,34 g N ent- sprechend 130,2 g frischen Fleisches zum Ansatz gelangten, verliert Matzdorff im Mittel pro die 497 g von seinem Körpergewicht. Energieumsatz: Rinmahmeneprordie.n . 2 2 else... 240,490 Cal Ausgaben: Der Kot der 3 Versuchstage wog getrocknet 91,38 g und enthieltprog 4,966 Cal. also Sa. 456,280 „ ab für 4 g Kohle 26,256 „ also Sa. 430,024 Cal. resp. pro die. . 143,341 „ = 5,30 led. Zufuhr Der Harn enthielt 138,450 „ 5 Sa. 281,791 Cal. = 10,42 %o d. Zufuhr = 281,791 „ ' Somit beträgt der physiologische Nutzwert.. . . . 2423,959 Cal. entsprechend 89,58 °/o der Zufuhr. | Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte die Versuchs- person 41,09 g nutzbare Calorien erhalten. Harn-Cal. —= 138,45 Harn N = wa sl, 16 * Calorischer Quotient ( 3339 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: 4. Periode. Vom 26./27.—28./29. Januar 1910. (Grundration mit Bierextraktzulage. 93,62 g Bierextrakt aus 1510 g Bier. Versuchs- person: Dr. Matzdorff). Das Regime bestand morgens 8!/a Uhr aus 300&Milch mit 1,464gN u. 211,560 Cal. 8 „Kakao 0er ro > 16, Zucker ir, — 5% BELD3 HOSE 70 „Cakes ONTB2 EL, 02,200 46,81 gBierextr. ,„ 0,735, „ ‚179,050, Sa. 3119gN 799,066 Cal. mittags 121/a Uhr aus 200 g Fleisch mit 13,767 g N u. 393,620 Cal. 140 „Sauce LO e „298,080 ., 250), Apfelmus „ 0,170, , „453,830 „ 80, IBroplaR 770869 „102,224 „ Sa. 15,904 8 N 1247,754 Cal. abends 7!/e Uhr aus 100 Brot II mit 0,461 gN u. 127,780 Cal. 100 „Schinken „ 3,474, „ „209,900 „ 30, Sultan. , 0.008, el > 25 „ Käse RUSS 12,70 46,81 gBierextr.„ 0,7359 5 „ 73050 Sa. 5,836 & N 1017,030 Cal. Sa. Summarum 24,459 & N 3063,850 Cal. Tabelle XLII. Es wurden ausgeschieden N Besesbiert Som Datum N N-Ansatz |d. Ver- 1910 im Harn im Kot Summa suchs- ar person g %/o g | 0/0 g 0/0 g | 0/0 g 0/0 kg 26./27.Jan.| 18,06 | 73,84 256 10 20,62 | 84,30 21,00 [89,58 3,84 |15,70| 58,700 27.128. „ [18,42 75,31 | 2,56 | 10,47 | 20,98 | 85,78 | 21,90 | 89,53 | 3,48 | 14,231 58,770 28./29. „ [1891 | 77,31 | 2,56 | 10,47 | 21,47 | 87,80 | 21,90 | 89,53 | 2,99 | 12,22 | 58,850 Summa |55,39]| — |z,s8| — 6307| — |6570| — ]1032] = | = Also im Mittel von 3 Tagen: | 18,46 | 75,47 | 2,56 | 10,47 | 21,02 | 85,96 | 21,90 | 89,53 | 3,44] 14,05] 58,773 _— Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 223 Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte die Versuchs- person im Mittel 0,416 g N und 52,151 Cal. erhalten. Die mittlere tägliche Gewichtszunahme betrug 50 8. Für die N-haltigen Stoffe des Bierextraktes berechnet sich als resorbierbarer Anteil der Wert 87,76 °o, der, wie aus den zahl- reichen Tierversuchen hervorgeht, zweifellos zu hoch ist. Im Hin- blick auf die in Form von Bierextrakt sehr geringe N-Menge kann, wie bereits mehrfach hervorgehoben, eine in der zum Vergleich heranzuziehenden Grundrationsperiode kleine Mehrausscheidung an Stickstoff eine hohe Verdaulichkeit der betreffenden Stoffe vortäuschen. Es ist bei der Besprechung der Resultate der Grundrations- periode 3 dargelest worden, dass bei Fortführung der Periode der "N-Ansatz an den folgenden Tag voraussichtlich betragen hätte: Am ersten | Amzweiten | Am dritten Mittel Tage Tage Tage us g 8 g g 1,86 0,11 0,00 0,657 Infolge der Bierextraktzulage mit 398,1 Cal. zum Grundregime be- trug dagegen der N-Ansatz. . 384 3,48 2,99 3,440 Somit hätte die Bierextraktzulage eine N-Retention bewirkt von. 1,98 Sl 2,99 2,183 Baudrexel retinierte in der Bierperiode infolge der Zulage der. gleichen Bierextraktzulage und ausserdem 53,3 g Alkohol zum Grundregime täglich 23,31 & N, also 0,47 g N (2,78—2,31) weniger als Matzdorff, so dass bei dieser Versuchsreihe, die leider an zwei Personen durchgeführt werden musste, von einer eiweisssparenden Wirkung des Alkohols nicht die Rede ist. Auch andere Forscher [Miura!), Schmidt!)] konnten in kurzen Versuchen bei Alkohol- zufuhr keine nennenswerte eiweisssparende Wirkung des Alkohols erkennen. Später haben Neumann!'), Clopatt!), Offer!) und Rosemann (I. ce.) in ausgedehnteren Versuchsreihen gezeist, dass der Alkohol an den späteren Versuchstagen dieselbe eiweisssparende Wirkung bat wie die Kohlehydrate. Die Steigerung der Eiweiss- zersetzung an den ersten Tagen führt Rosemann (l. ce.) auf eine 1) Die Literaturangaben siehe unter Rosemann (. c.). 234 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Giftwirkung des Alkohols zurück, welche aufhört, wenn sich der Organismus an Alkohol gewöhnt hat. Die an den einzelnen Tagen der an Baudrexel durchgeführten Bierperiode kontinuierlich zunehmende N-Retention (0,89 g, 2,42 g, 3,63 g) spricht ebenfalls dafür, dass bei Fortsetzung der Periode die eiweisssparende Wirkung des Alkohols hervorgetreten wäre. Im Hin- blick auf die kurze Versuchsdauer können wir jedoch bindende Schlüsse nicht ziehen. Energieumsatz: EinnahmenSprordien a ne 3063850 Ausgaben: Der Kot der 3 Versuchstage wog getrocknet ins- gesamt 103,64 & und enthielt prog 4,940 Cal. also Sa. 511,990 „ ab für 4g Kohle 26,256 „ also Sa. 485,734 Cal. resp. pro die. . 161,911 „ — 5,28 Jod. Zufuhr DerHarn enthielt 168,710 „ = 5,51°o, „ Sa. 330,621 Cal. =10,79 od. Zufuhr— 330,621 „ Somit beträgt der physiologische Nutzwert. . . . 2733,229 Cal. entsprechend 89,21 °/o der Zufuhr. Von den 358,100 Cal., die in Form von Bierextrakt verabreicht wurden, gingen, wie sich aus dem Vergleich dieser Periode mit der vorausgegangenen Grundfutterperiode ergibt, 161,911—143,341 = 18,570 Cal., entsprechend 5,19 %/o der Zufuhr in den Kot über. Es wurden also 94,81 /o resorbiert. Ein so hoher Wert war nur noch einmal (Versuchsreihe V Periode 2 S. 195) gefunden worden. Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag hatte die Versuchs- person 46,50 nutzbare Calorien erhalten. Harn-Cal. = 168,710 Ham N = 18,46 )— 91. Calorischer Quotient ( In der zugehörigen Grundrationsperiode 3 war der calorische Quotient 8,51; also auch hier in dem Versuch am Menschen hat die Zufuhr von Bierextrakt in analoger Weise wie bei sämtlichen Tierversuchen den calorischen Quotienten erhöht. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 235 Der physiologische Nutzwert des Bierextraktes beträgt 86,36 °/o seines Energiegehaltes (berechnet aus den Resultaten dieser Periode und der Grundfutterperiode). Diese Daten für den Energieumsatz bedürfen jedoch noch einer Korrektur. Da nämlich in der zugehörigen Grundrationsperiode 3 die N-Ausscheidung im Harn kontinuierlich grösser wurde, dürfen wir die direkt gefundenen Werte für den N- und Energiegehalt des Harnes nicht zum Vergleich mit den betreffenden Daten dieser Bier- extraktperiode 4 heranziehen, sondern diejenigen Werte, welche aller Wahrscheinlichkeit nach bei Fortführung der Grundrationsperiode ermittelt worden wären. Nun hat sich rechnerisch ergeben, dass der N-Ansatz an den folgenden 3 Tagen voraussichtlich im Mittel 0,66 g pro die betragen hätte, entsprechend einem Gehalt von 19,95 g Harnstickstof. Da der calorische Quotient in der Grundrations- periode drei 8,51 betragen hatte, so würden 19,95 g Harnstickstoff 169,8 Cal. entsprechen. Infolge der eiweisssparenden Wirkung der Kohlehydrate des Bierextraktes wurden in dieser Bierextraktperiode 4 im Mittel nur 18,46 g N und 168,710 Cal. durch die Nieren se- zerniert, also 1,1 Cal. weniger als voraussichtlich ohne die Bier- extraktzulage gefunden worden wären. Diese 1,1 Cal. sind bei der Berechnung des physiologischen Nutzwertes des Bierextraktes in An- rechnung zu bringen. Nun enthielten die Fäces Berabierextraktperiode 4... 0... 0... 0... 161,911 Cal., — 11 5 — 160,811 Cal. In den Fäces der Grundrationsperiode 3 wurden ge- Enden os ln RR EEE Een ar ze Somit wurden von den 358,1 Cal., die in Form von Bierextrakt verabreicht waren . . . . .= 1747 Cal. entsprechend 4,88 %o ungenutzt ausgeschieden. Der physiologische Nutzwert des Bierextraktes beträgt hiernach 95,12 °/o seines Energie- gehaltes. Wenn wir nunmehr den Einfluss des Alkohols auf die Resorp- tion und den physiologischen Nutzwert der anderen Nährstoffe unter- suchen wollen, so stossen wir auf einige Schwieriekeiten, die aus der folgenden Zusammenstellung ersichtlich sind. 236 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Tabelle XLIN. Resorbiert N RE Physiol. Periode en N-haltige| Gujorien Nutz- Bemerkungen p Stoffe wert %o % 1, Grundration |Baudrexel 92,9 96,2 89,92 2, Bierperiode % 89,5 94,3 88,71 | Der Alkohol (Per. 2) ist in Einnahmen Im 94,7 89,58 u. Ausgaben nicht 9,9 E 3, Grundration | Matzdorff 8 0) 94,7 89,21 eingerechnet. 4, Bierextraktper. 8 Die Zahlen für den verdaulichen Anteil der N-haltigen Nähr- stoffe und der Calorien stimmen mit Ausnahme der ersten Periode gut überein. In dieser ersten Periode hatte Baudrex.el sowohl die N-haltigen Nährstoffe als auch die gesamte Nahrung (Calorien) zu einem erheblich. höheren Prozentsatz resorbiert, als Matzdorff in der analogen Periode 3. Wenn wir nun die Frage so stellen: „Zu. welchem Prozentsatz sind die Extraktstoffe des Bieres mit und ohne gleichzeitige Alkoholzufuhr resorbiert und verwertet worden“, so liegt es zunächst auf der Hand, dass die in der vorstehenden Tabelle enthaltenen geringen Differenzen, die sich auf die gesamte Nahrungszufuhr beziehen, sehr viel grösser werden müssen, wenn wir dieselben dem Bierextrakt allein anrechnen, dessen Caloriengehait nur 11,7 °/o der in der gesamten Nahrung zugeführten Energiemenge beträgt. Ganz besonders niedrig wird natürlich der Wert für den resorbierbaren Anteil der Calorien des Bierextraktes ausfallen, welcher aus den betreffenden Daten der Bierperiode und der zugehörigen Grundrationsperiode 1 zu berechnen ist. Es ist möglich, dass die abweichenden Befunde der Grundrationsperiode 1 im Vergleich zu den nahezu übereinstimmenden Daten der drei übrigen Perioden hin- sichtlich der Resorption der Nahrung zum Teil bedingt sind durch eine unvollkommene Abgrenzung der Fäces, die übrigens nur zu. Beginn dieser ersten Periode, wie eingangs hervorgehoben, nicht aus- geschlossen war; gross sind diese Abweichungen, wie man zugeben wird, überhaupt nicht. Die Zahlen für den physiologischen Nutzwert der Nahrung stimmen in beiden Grundrationsperioden an Baudrexel und Matzdorff nahezu absolut überein (der geringere Energiegehalt der Fäces in Periode 1 wurde kompensiert durch einen entsprechend höheren Energiegehalt des Harnes). Nun ist in Anbetracht der nahezu gleichen Versuchsbedingungen in den beiden Grundrations- Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc, 937 perioden an Baudrexel und Matzdorff auch ein Vergleich der Resultate der an Matzdorff durchgeführten Grundrationsperiode 3 mit der an Baudrexel durchgeführten Bierperiode 2 zulässig, um auch auf diesem Wege den resorbierbaren Anteil und den physio- logischen Nutzwert des Bierextraktes in der Bierperiode 2 und in der Bierextraktperiode 4 zu bestimmen, bzw. mit anderen Worten, um den resorbierbaren Anteil und den physiologischen Nutzwert des Bierextraktes mit und ohne gleichzeitige Alkoholzufuhr zu be- rechnen, also den Einfluss des Alkohols auf die Resorption des Bier- extraktes festzustellen. Wir haben beide Berechnungen durchgeführt und die Resultate in die folgende Tabelle XLIV eingetragen. Im Stabe 2 finden wir die direkt ermittelten Daten, im Stabe 3 die Wahrscheinlichkeitswerte. Es ist bei der Besprechung der in den betreffenden Perioden gewonnenen Resultate hervorgehoben worden,: von welehen Voraus- setzungen wir bei der Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte aus- gegangen sind. Hier sei nur kurz rekapituliert, dass sowohl in der an Baudrexel wie auch in der an Matzdorff durchgeführten Grundrationsperiode der N-Gehalt der Harne kontinuierlich anstieg. Dieser Tatsache wurde dadurch Rechnung getragen, dass wir nach Berechnung der durchschnittlich pro die vermehrten N-Ausscheidung im Harn, die für die nächsten Tage bei Fortführung der Grund- rationsperiode im Harn zu erwartenden N-Werte zum Vergleich mit den in den Hauptperioden 2 und 4 direkt gefundenen Daten heran- zogen. Die Werte in der Rubrik A sind gefunden worden aus der Differenz der an Baudrexel angestellten Grundrationsperiode 1 und der Bierperiode 2. Die in der Bierperiode aufgenommenen 53,3 Alkokol sind natürlich im Hinblick auf die Fragestellung in den Einnahmen unberücksichtigt geblieben, ebenso der in die Aus- scheidungen (Atmung und Harn) übergegangene Alkohol. Rubrik B enthält die aus der Differenz der beiden an Matz- dorff durchgeführten Perioden 3 (Grundration) und 4 ee periode) berechneten Werte. Schliesslich haben wir, wie hervorgehoben, den Einfluss des Alkohols auf die Resorption des Bierextraktes aus den differenten Resultaten der an Matzdorff durchgeführten Grundrationsperiode 3 und der an Baudrexel durchgeführten Bierperiode 2 ermittelt und in die Rubrik C eingetragen. 338 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: Tabelle XLIV. Es betrug : der physiolog. | der physiolog. der IE SENDE Nutzwert ° Nutzwert der alatien des Bier- des Bier- eskBier extraktes extraktes ertralten (direkt ermittelte (Wahrscheinlich- Werte) keitswerte) Io 0% %o A Bei gleichzeitiger Zu- fuhr von 53,3 g Alko- hol bei Baudrexel 80,07 719,78 ( 84,52 B ohne Alkohol bei Matzdorff..... 94,81 86,36 | seines | 95,12 C | Bierperiode von Bau- Energie- drexel verglichen halt mit der Grundrations- De periode von Matz- Vor Kia ee: 91,38 81,96 ı 90,72 Der Vergleich der Werte in Rubrik A mit denjenigen in Rubrik B ergibt eine sehr beträchtliche Verschlechterung der Resorption und des physiologischen Nutzwertes des Bierextraktes bei gleichzeitigem Alkoholgenuss. Worauf diese grossen Abweichungen zurückzuführen sind, haben wir eingehend erörtert. Aber wenn wir auch zu dem Vergleich mit der an Baudrexel durchgeführten Bierperiode 2 die Grundrationsperiode 3 mit einer anderen Versuchsperson (Matz- dorff) heranziehen (Rubrik C), können wir in Übereinstimmung mit den Tierversuchen deutlich erkennen, dass eine Gabe von 0,38 & Alkohol (in drei Dosen) pro Körperkilogramm und Tag sowohl den resorbierbaren Anteil der Nährstoffe als auch den physiologischen Nutzwert derselben etwas verringert. Wir lassen nunmehr eine tabellarische Übersicht über die wichtigsten in den sieben Versuchsreihen erhaltenen analytischen Daten folgen. Wir haben in diese Tabellen nur die direkt gefundenen Werte eingetragen. Für jede Versuchsreihe sind drei Tabellen vor- handen. Die erste Tabelle enthält die Daten für die Stickstoff- bilanzen, die zweite diejenigen für den Energieumsatz und die dritte die Werte für die Stiekstoff- und Calorienzufuhr pro Kilogramm Körpergewicht und Tage. 239 Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc, < |9 - | 8a - 90°0-| 889 | 80'T | 8307 | 92T | 068 |soro| aus [790 | 869 |LOT| gutes sro |Preyxeaıg 304 + IL Prey 77T |: ° ° uoneapunag |ca2‘9 | -xeaoıg | | 9po uadepnz A9p 19D Oo 1ed 1ap 9), Ted 10p 0, #9) | yuayond) 20p 0 [ed aaynqgwr| opolLtag 1104 JA9OMZInN ze a d9y9s | Jynynz i 1op 1op ö G) N ; \ -1IOJE -uoLIoJe/) | Sunumıazag | . T9y9STOOJOISÄUT 1oyosıTojorsäyg wer uf goyy uf MOTE) up uf LO) u d| «x (ToP9L JOyaıuug) I Sytray "(oIp oxd joy wu) zyesunorsaaug "TATX SLIOAEL 241 Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc, 60.68 | GL’ag v00.0 910 uoneıpunıg E 8.88 | 62.219 L00°0 | 130 PIEXFXIAOTT 2 u9LIOTE9 oreqzynu | JWIBSIOSUL yoınepAa9A | yuwesodsut 9porıag Op 9poLIaA "ModpuagoT wweasory od aynynz-eg | FPTmaSpuageTT wweasorLy 01d aynnz-N Sunugplezag dp "IN -JJoyroy ‘Se pun JU9IMaSpuageT wurzasofLy 01d aynynzusrıofe) pun -N DIITATX OTIO4®L = 77, | sseurr | 98% | Fr29ST 6 | FrLsel Ge] 063 00G°L1L &3.709 uomeapun) | & 0/0 8898 90°uL 878819 7688 eraoaelı Gs’6L 820881 F’ Een = | -U9TIOTE)) u 19p -oISÄ, 319MZIUN “sofoisÄgA| 9oy7 pun med u 390,7] w -TIOJE ug w i - | Zunugp1ozo . orsÄyg N S0J0ISAyg | 304 1 Jul Lil ME MOTe) Beruf YPRZI| “In Ir oyroy ‘(orp oad [om wı) zyesumsrsaoug "AIITATX OLIOARL 9 | 89- | 12- ee] 22 | u9LIoJen AAegzınu yuBsadsut yoIpnepaaA yuesoasut opoLIO] aop ee ke) IUOLMIH WLURISO]LY od 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9070 18 7.06 Ä ssFr0 aayymypunan) g 3,86 0 vor A9y9S u Jop UI Iynynz 19p 19p dagosısojorsiyg | MamzınN Torsäyg |3047] pun wre u]| goy wy -LIOJE/) ugep] wy -U9LIOJEN Sunuyorzag "AN ee ee (uoypsuow us ayansıox) "IIA eyloy (eip oad [oyyıy wı) zyesumesaoug "XI OLIO4eL 250 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel nn „oltej“ puny J9yaıjuugun & IA | ol [9799L "Tuueu & I IT aguryewuect A9TOITULURgUL I A OL « «“ 2 AI 6 [4 « & AI 8 [999], "Tuuewu q AT e% J9uryewufelt Jdoypıjuugw € A I JJ10pzJeM 7 al iS & I HA | F [9xoapneg 2 IIA | & [9799], Tuueu I AI | JJ20pzye MW & HA | I AONSTINSATOA "nzq 9po I 7 uosıod -119 1 SEEN -SYONSIO A ‘zes ‘sog 8 O1 879 sTT | 809 L'99 680 FE “zieugos 8 GE ‘yostogopaayg 3 00T Gog'gl "Ozjeg OS 3 0G'7Z TLıl IT | ve orr 9TO | 86TO | Fremopury 3 z3‘0T “urumgpao 3 986 | S28'9 = ‘ozjes “OIg 8 004 ‘YoSIop 1'99 Kur | E22 ‘98 ve0 | 1170 |-9payJq 3 Eger ‘zeugas 3 07 ‘sıoy 3 0038| ST6'L1 "9ZJeS 'NENXIIIT 3 0C 2.08 co | € 808 970 | 3280 |Sreyopuryg 3 05 ‘yosıogapaagg 3 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beträchtliche Zahl von Einzelversuchen ermöglicht es, den Einfluss. bestimmter Nährstoffe auf die calorischen Quotienten des Harns etwas eingehender zu studieren. Wir haben bereits bei der Besprechung der analytischen Daten bei den einzelnen Perioden unsere Schlussfolgerungen gezogen. Hier sind aus dem diesbezüg- lichen analytischen Material nochmals die Ergebnisse zusammengestellt worden. Um die Übersicht zu erleichtern, haben wir in der. vorher- gehenden Tabelle (S. 250 u. 251) die einzelnen Perioden nach den calorischen Quotienten des Harnes geordnet. Ausserdem sind in der letzten Rubrik der Tabelle die calorischen Quotienten der Fäces eingetragen worden. Die calorischen Quotienten des Harnes bewegen sich also zwischen den Grenzwerten 8,51 und 41,85. Die niedrigsten Zahlen wurden in den Versuchen an Menschen (Reihe VII) gefunden, nämlich 8,51 — 8,74 — 8,8 und 9,14. Das Regime bestand: nach dem N-Gehalt |nach dem Calorien- zu rund gehalt animal. | vegetab. | animal. | vegetab. Kost Kost Kost Kost % |. % 0/0 %/o In den Grundrationsperioden. . . . 88 12 99 4l In der Bierperiode ... -..... 86 14 47 bp} In der Bierextraktperiode ... . . 86 14 59 47 Diese calorischen Quotienten stimmen mit den von anderen Autoren (l. ec.) bei ähnlichem Reeime gefundenen gut überein. Fin ähnlicher Wert (8,7) wurde in einer Periode (Reihe IV, Periode 1) bei Fleisch- und Fettkost beim Hunde ermittelt. Nach der Zulage von Kohlehydraten in Form von Bierextrakt zu demselben Regime steigt der calorische Quotient von 8,7 auf 10,3 (Reihe IV, Periode 3). Nach einer weiteren Zulage von 18,62 g Alkohol (3,25 g pro Körperkilogramm) sehen wir infolge der Alkoholwirkung den calorischen Quotienten auf 14 (Reihe IV, Periode 4) ansteigen. Der Einfluss dieser starken Alkoholzufuhr auf die Erhöhung der calorischen Quotienten des Harnes macht sich noch in der nächsten abschliessenden Grundrationsperiode 5 dieser Reihe bemerkbar, da der calorische- Quotient hier 10,0 betrug, also im Vergleich zu der analogen Grundrationsperiode 1 (cal. Quotient 8,7) um 1,3 gesteigert ist. Bei einem Regime, das aus 200 g Reis, 40 & Schmalz und 133,3 g Pferdefleisch bestand, wurde in Reihe V, Periode 3 der calorische Quotient 9,7 gefunden; während der Bierperiode 1 dieser Über die Verwertung des Bierextraktes und .des Bieres etc. 953 Reihe ermittelten wir bei einer Zulage von 500 g Bier zu derselben Grundration den calorischen Quotienten 10,9, also eine Steigerung von 1,2, in der zugehörigen Bierextraktperiode 2 wurde infolge der Zulage von 29,11 g Bierextrakt der calorische Quotient 12,4, also ein noch höherer Wert gefunden. Vergleichen wir die Befunde dieser Reihe mit denjenigen der Reihe IV, so ergibt sich der Schluss, dass eine Gabe von 1,1 g Alkohol pro Körperkilogramm (Reihe II) jedenfalls keine Vermehrung von N-freien oder N-armen Harnbestandteilen bewirkt hat, während die starke Aikoholdosis von 3,25 g pro Körperkilogramm ein starkes Emporschnellen des calorischen Quotienten zur Folge hatte. Ähn- liche Resultate wie in Reihe V wurden in Reihe VI an einem anderen Hunde gewonnen. Das Tier erhielt 100 & Pferdefleisch, 35 g Schmalz und 170 g Reis, also ein Futter, das im Verhältnis zum Fleisch etwas a Kohlehydrate enthielt, als das in der Reihe V verabreichte Futter. Entsprechend der höheren Kohle- hydratzufuhr in Reihe VI ist der calorische Quotient höher als in der analogen Grundfutterperiode der Reihe V (11,8 gegenüber 9,7). ‘Die Zulage von 28 g Bierextrakt in Reihe VI, Periode 4 bewirkt eine weitere Erhöhung des calorischen Quotienten, nämlich auf 13,7. In den beiden Bierperioden 1 und 2 der Reihe VI wurden die calorischen Quotienten 14 resp. 14,7 gefunden, so dass der Alkohol in einer Dosis von ca. 1 g pro Körperkilo und Tag jedenfalls nur eine sehr geringe Erhöhung der calorischen Quotienten zur Folge hatte. Viel stärker tritt das Ansteigen der calorischen Quotienten nach Kohlehydratzufuhr in der Versuchsreihe I hervor. Vergleichen wir zunächst einmal die calorischen Quotienten der Grundfutterperiode 3, Reihe I und der Grundfutterperiode 1, Reihe IV, die an demselben Tier bestimmt wurden. Es betrug: in Grundfutterperiode 1, Reihe IV, bei einer Fütterung von 80 g Fleisch und 20 € : Fett der calorische Quotient . . 8,7, in BE tintterneriode 3, Barke I, bei einer Fütterung von 9,86 g Eiweiss, 15,27 g Fett und 25,5 g Stärke der ealorische Quotient. . . . . } I A IE AIG Bei einer Zulage von wenig Hiweis in viel Kolllehrdiet (38,93 g Albumin und 45,45 g Dextrin) in den Perioden 1 und 4, Reihe I, erreichen die eesischen Quotienten die Werte 18,3 bzw. 18,7 gegenüber 11,6 in der zugehörigen Grundrationsperiode 3. In 354 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: den Perioden 2 und 5 dieser Reihe waren statt der Dextrin-Albumin- zulage ebensoviel Stickstoff und Calorien in Form von 50 g Bier- extrakt gereicht worden. Da die N-haltigen Stoffe des Bierextraktes zum grösseren Prozentsatz nicht resorbiert wurden, bestand diese Zulage also aus relativ mehr Kohlehydraten als die Albumin- Dextrinzulage, und in Übereinstimmung hiermit wurden noch höhere calorische Quotienten ermittelt, nämlich die Werte 22,9 resp. 22,3. Ebenfalls wird die Erhöhung der calorischen Quotienten nach Kohlehydratzufuhr aus den Resultaten der Reihen I und I} bewiesen. Das Regime bestand in den Grundfutterperioden beider Reihen aus denselben Nährstoffen, nur wurde in Reihe II relativ mehr Kohlehydrat gereicht, nämlich in Cal. Quotient Reihe I, Periode 3 = 9,86 g Ovalbumin, 15,27 g ! ; Fett und 25,590 g Stärke . . . - 11,6 Reihe II, Periode 3 = 15 g Oealbuniin, 20 g Fett nal 100)8.,Stärker nenne 20. 095 Reihe II, Periode 1 — a 11008 Reihe II, Periode 2 — ebenso und 50 g ra .. 1554. Ganz ähnliche calorische Quotienten wurden in einer aus 2 Perioden bestehenden Versuchsreihe gefunden, in welcher der Einfluss des Fleischextraktes auf die Resorption der Nährstoffe und der physiologische Nutzwert der FExtraktivstoffe des Fleisches. bestimmt werden sollten. Die diesbezüglichen Daten der Unter- suchung, welche demnächst in extenso publiziert werden soll, sind unter den laufenden Nummern 18 und 22 der Tabelle eingetragen. Das Grundregime war das Gleiche wie in Reihe II, in der Haupt- periode (Nr. 15) wurde als Zulage zur Grundration 10 g Liebigs Fleischextrakt gegeben. Während der Grundfutterperiode (Nr. 22). wurde der calorische Quotient 16,3, während der Fleischextrakt- periode (Nr. 18) der calorische Quotient 14,14 gefunden. Bei fast reiner Kohlehydratnahrung in Form von Bierextrakt erreichen schliesslich in der Reihe III an der Ratte die calorischen Quotienten die enorme Höhe von 33,25 (Periode 1) und 41,85: (Reihe I). Auch die Zulage von 0,77 g Albumin zu 7,7 g Bier- extrakt hat den calorischen Quotienten infolge 18tägigen Eiweisshungers. während der nur 3tägigen Albuminperiode (Reihe III, Periode 3) kaum herabzudrücken vermocht (Cal. Quotient 40,53). In dieser Ver- suchsreihe an der Ratte hatten wir nachweisen können, dass sehr be- trächtliche Mengen an reduzierenden Substanzen in den Harn übergehen.. Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 255 Zusammenfassung der Resultate. 1. Der Trockenrückstand des Bieres (Extrakt) bewirkt als Zulage zu einem an organischen Genussstoffen nahezu freien Regime eine Erhöhung der Resorption N-freier Stoffe insbesondere des Fettes. Durch diese Förderung der Verdauung sind die Extrakt- stoffe des Bieres als ein Genussmittel charakterisiert, dessen Nutzen objektiv und zahlenmässig ausgedrückt werden kann. 2. Die N-haltigen Substanzen des Bieres sind zu rund 40 °/o resorbierbar!). Die Tatsache, dass diese Verbindungen zur grösseren Hälfte nicht zur Resorption gelangen, ist für die Frage nach dem Nährwert der Biere von recht untergeordneter Bedeutung. 1 Liter dunkles Bier, wie wir es für unsere Versuche benutzten, enthält ca. 4,5 g stickstoffhaltige Substanzen (N X 6,25). Rechnen wir für diese Stoffe vielleicht noch etwas zu hoch 5 Cal. pro Gramm, so würden wir also insgesamt 22,5 Cal. in Form von stickstoff- haltigen Körpern in 1 Liter Bier anzunehmen haben. Da nun der Energiegehalt pro Liter Bier insgesamt rund 500 Cal. beträet, sind hiernach nur 4,5 °/o der Calorien in Form von stickstoffhaltigen Stoffen im Bier enthalten. Jedenfalls würden wir das Bier selbst dann als sehr N-armes Nahrungs- und Genussmittel zu bezeichnen haben, wenn nicht, wie wir nachgewiesen haben, nur 40 °/o, sondern eine maximale Menge der Stickstoffverbindungen des Bieres resorbiert und verwertet würde. 3. Die isolierten Extraktstoffe des Bieres (Trockenrückstand) werden als Zulage zu einem normalen Regime zu rund 86 °/o?) resorbiert. Der physiologische Nutzwert beträgt rund 81 °/o?) ihres Energiegehaltes. 4. Von den in Form von Bier verabreichten Extraktstoffen er- wiesen sich im Mittel von 5 Versuchen 80 °/o als resorbierbar. Der physiologische Nutzwert beträgt 73 0°). Somit hat der Alkohol in Gaben von 0,35—3,25 g pro Körperkilogramm die Resorption der Extraktstoffe des Bieres um: 6 °o, den physiologischen Nutzwert derselben um 8°/o verringert. Es ist bereits darauf hingewiesen worden (Seite 236), dass diese Verringerung der Resorption anderer Nährstoffe nach Alkoholzufuhr sehr unbedeutend ist; bezogen auf das gesamte Regime beträgt die Differenz der Werte für den resorbierbaren Anteil der Nährstoffe in den Alkoholperioden gegen- 1) Im Mittel von zwölf Versuchen. 2) Im Mittel von fünf Versuchen. 256 Wilhelm Völtz, Rudolf Förster und August Baudrexel: über den alkoholfreien Perioden nämlich unter 10. Wäre die ‚Zahl der untereinander übereinstimmenden Versuche nicht so gross, so könnte man überhaupt nicht von einem Einfluss des Alkohols auf die Ausnutzung der Nahrung reden. 5. In Versuchen an Hunden wirkten Alkoholgaben (in Form ‘von Bier) von ca. 1 g (in einer Dosis), resp. von 3,25 & (in zwei Dosen) pro Körperkilogramm und Tag toxisch. Die Dosierung war so gewählt worden, um starke Ausschläge zu erhalten. Nach der sehr grossen Gabe von 9,25 & Alkohol pro Körperkilogramm und Tag gingen beträchtliche Mengen N-freier oder N-armer Substanzen in den Harn über, deren Natur noch aufzuklären sein wird; um reduzierende ‘Stoffe handelt es sich nicht. Infolge der hohen resp. sehr hohen Alkoholgaben wurde die Eiweisszersetzung etwas gesteigert; in einem Versuch an einem an Alkohol etwas mehr gewöhnten Hunde (Reihe VI, Periode 2) trat bei einer Gabe von ca. 1 g Alkohol pro’ Körperkilogramm die von anderen Autoren (l. e.) beobachtete, eiweiss- sparende Wirkung des Alkohols deutlich kervor. Es wird noch zu untersuchen sein, wie der Alkohol im Organismus des Hundes wirkt und verwertet wird, wenn dieselbe Menge, in mehreren Dosen über den Tag verteilt, gereicht wird. | | 6. Die nach Alkoholdosen von ca. 1 g pro Körperkilogramm zu konstatierende Temperaturerniedrigung des Organismus äussert sich so intensiv, dass sie die durch Nahrungszufuhr andernfalls sicher ein- tretende Temperatursteigerung überkompensiert. (Versuche an Hunden.) 7. Die bekannte Erhöhung der Pulsfrequenz nach Alkoholzufuhr lässt sich nach Dosen von ca. 1 g pro Körperkiloeramm noch nach 24 Stunden sicher nachweisen. (Versuche an Hunden.) 8. Die in besonderen Versuchen an Hunden ausgeführten Alkoholbestimmungen des in Atmung und Harn wieder erschienenen Anteils ergaben, dass bei einer Zufuhr von 2,854 g Alkohol pro Körperkilogramm im Harn in der Atmung Summa: 4,382 /o | 5,269 9/o 9,651 %o der aufgenommenen Alkoholmengen unverbrannt aus dem Körper gelangten !). Somit ist das Verhältnis von Harn-Alkohol zu Alkohol in der Atmung gleich 1:1,202. Wir bemerken jedoch nochmals ausdrücklich, dass dieses Verhältnis, ebenso wie das für eine Alkohol- dosis von ca. 0,8 g pro Körperkilogramm (1: 2,647) gefundene, nur 1) Im Mittel von 4 Versuchen. “a Über die Verwertung des Bierextraktes und des Bieres etc. 257 für die ersten Alkoholversuche an solchen Hunden zutrifft, welche vor der Versuchsanstellung noch niemals Alkohol erhalten hatten. Bei einer Zufuhr von 0,842 g& Alkohoi pro Körperkilogramm er- schienen: im Harn in der Atmung Summa:!) 141.25 %/o 3,110 /o 4,285 ®Jo Somit Harn — Alkohol : ausgeatmetem Alkohol — 1: 2,647. k} 9. Unter Berücksichtigung der unter 6 mitgeteilten Werte für den Alkoholgehalt der Atmung und der direkt bestimmten Alkohol- mengen im Harn der Bierperioden in den Versuchsreihen IV, V und VI wurden von dem Organismus in Harn und Atmung unver- brannt ausgeschieden: in Reihe IV, Periode 4 (Zufuhr: 3,25 g Alkohol pro Körperkilogramm) 6,96 °/o des aufgenommenen Alkohols in Reihe V, Periode 1 (Zufuhr: ca. 1 g Alkohol pro Körperkilogramm) 1,4 °/o des aufgenommenen Alkohols in Reihe VI, Periode 1 (Zufuhr: ca. 1 g Alkohol pro Körperkilogramm) 6,6. °/o des aufgenommenen Alkohols in Reihe VI, Periode 2 (Zufuhr: ca. 1 g Alkohol pro Körperkilogramm) 9,5 °o des aufgenommenen Alkohols 10. Der physiologische Nutzwert des Bieres betrug: in Reihe IV, Periode 4 (Zufuhr: 3,25 g Alkohol \ pro Körperkilogramm) 81,8 %o | imMittel in Reihe V, Periode 1 (Zufuhr: ca. 1 g Alkohol rund pro Körperkilogramm) 87,6 Yo | 84 0% in Reihe VI, Periode 1 (Zufuhr: ea. 1.2 Alkohol seines pro Körperkilogramm) 32,3 °/o | Energie- in Reihe VI, Periode 2 (Zufuhr: ca. 1 g Alkohol gehaltes. pro Körperkilogramm) 85,3 °io 11. Beim Menschen hatte die Zufuhr von 0,8 g Alkohol pro Körperkilogramm in Form von 1510 g Bier in drei Dosen keinerlei toxische Wirkungen zur Folge. Temperatur und Puls waren ganz normal. Im Vergleich zu der zugehörigen Grundrationsperiode wurde ein täglicher Mehransatz von im Mittel 2,31 g N erzielt. Ohne gleichzeitige Zufuhr von Alkohol bewirkte dieselbe Menge Bierextrakt eine noch um 0,47 g pro die stärkere N-Retention. Da die betreffenden Perioden an zwei Personen durchgeführt werden mussten, und die Dauer der Perioden eine relativ kurze war, sind 1) Im Mittel von 5 Versucheu. 258 W. Völtz, R. Förster u A. Baudrexel: Über die Verwertung etc. die Resultate nicht streng miteinander vergleichbar. Da nun die N-Retention während der Bierperiode von Tag zu Tag sehr beträcht- lich anstieg (am 1. Tage 0,89 g N, am 2. Tage 2,42 g N, am 3. Tage 3,63 g N), so wäre bei weiterer Fortführung der Bier- periode voraussichtlich die eiweisssparende Wirkung des Alkohols eingetreten, die durch die Arbeiten anderer Forscher (l. ce.) nach- gewiesen ist. Bindende Schlüsse nach dieser Richtung können wir jedoch im Hinblick auf die kurze Versuchsdauer nicht ziehen. 12. Im Harn der Bierperiode wurden beim Menschen 0,24 °/o des zugeführten Alkohols wiedergefunden, ein Wert, der mit dem von Atwater und Benedict gefundenen Mittelwert (0,22 %/o 1. e.) nahezu übereinstimmt. Für den Alkohol der Atmung haben wir den von den amerikanischen Forschern gefundenen Durchschnitts- wert (1,66 °/o) eingesetzt. 13. Der physiologische Nutzwert des Bieres betrug in einer Periode am Menschen 91,2 °/o seines Energiegehaltes. Dieser Wert ist also noch erheblich höher, als die in Versuchen an Hunden gefundenen analogen Werte (im Mittel rund 84/0). In der Haupt- sache ist diese höhere Verwertung des Bieres durch den Menschen dadurch. bedingt, dass von der etwas geringeren und in drei Dosen aufgenommenen Alkoholmenge ein geringerer Prozentsatz durch die Ausscheidungen verloren ging, als bei den an Alkohol wenig ge- wöhnten Hunden; ausserdem wurden auch die Extraktstoffe des Bieres höher verwertet. 14. Bei eiweissarmer Ernährung und starker Kohlehydratzufuhr, werden die calorischen Quotienten des Harnes durch Übergang von N-freien Substanzen in den Harn erhöht. Bei fast eiweissfreier und nahezu ausschliesslicher Kohlehydraternährung können die calorischen Quotienten des Harnes bis über den Wert 40 ansteigen. In solchen Fällen wurden reduzierende Substanzen in beträchtlichen Mengen im Harn gefunden. (Versuche an der Ratte.) 15. Am 1., bisweilen auch noch am 2. Tage einer Fütterungs- periode, die unmittelbar auf eine längere Hungerperiode folst, ist der N-Gehalt des Harnes im Vergleich zu den späteren Tagen der betreffenden Fütterunesperiode häufig erheblich erhöht; unter Um- ständen ist auch die Resorption der Nährstoffe an den ersten Fütterungstagen nach längerem Hunger anormal, nämlich im Ver- gleich zu den späteren Tagen erheblich höher. (Aus der chem. Abteilung des k. k. serotherapeut. Institutes in Wien.) Über Stoffwechselstörungen nach der bien beider Nebennieren. Von . Dr. Oswald Schwarz, Externarzt der I. Frauenklinik. Einleitung. Für das Studium der Funktion eines Organes stehen der Physio- logie vornehmlich zwei Methoden zur Verfügung: einmal die Be- obachtung der Ausfallserscheinungen nach Exstirpation des Organes, andererseits das Einverleiben von Organsubstanz unter der Voraus- setzung, dass der Fffekt dieses Eingriffes einer Hyperfunktion des Organes gleichzusetzen sei. Gegenüber den wohlfundierten Ergebnissen, die mit beiden Methoden in Versuchen über die Beziehungen von Nebennieren und Blutzirkulation erzielt worden sind, sind wir in der Frage über die Bedeutung dieser Organe für den normalen Stoffwechsel kaum über das Stadium der ersten orientierenden Versuche hinaus: die zahl- reichen Arbeiten über Nebennierenexstirpationen nämlich, die in den letzten 50 Jahren ausgeführt wurden, hatten als wichtigstes Ergebnis in diesem Sinne die Tatsache aufgedeckt, dass die meisten Tierarten diesen Eingriff nur kurze Zeit überleben und verschiedene Be- obachtungen, besonders Exstirpationsversuche an Selachiern [Biedl'] haben mit grosser Wahrscheinlichkeit die Nebennierenrinde als das Organ kennen gelehrt, dessen Wegfall für das Versuchstier von letaler Folge ist; auch der Umstand, dass Tierarten mit akzessorischen Neben- nieren, die bekanntlich nur aus Rindensubstanz bestehen, die Epine- phrektomie längere Zeit überleben, sprieht in diesem Sinne. 1) Biedl und J. Wiesel, Über die funktionelle Bedeutung der Neben- organe des Sympathicus (Zuckerkandl) und der chromaffinen ;UEFUBDEN Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 91 S. 434. 260 Oswald Schwarz: Viel prägnantere Resultate hingegen förderte die Injektion von Nebennierenextrakten zutage, und speziell auf physiologisch-chemischem Gebiete inaugurierte die Entdeckung der glykosurischen Wirkung dieser Injektionen eine neue Periode unserer Anschauungen über die intermediären Stoffwechseivoreänge im Organismus. Als es weiter gelang aus den Nebennieren einen chemisch wohl charakterisierten Körper darzustellen, dessen Applikation denselben Effekt hatte wie die Injektion der Drüsenextrakte, lag die Annahme nahe, dass wir im Adrenalin auch das physiologische Sekretionsprodukt der Nebennieren in Händen haben. In konsequenter Fortführung dieser Vorstellung entstand bald die heute von vielen Forschern anerkannte Theorie. dass die elykosurische Wirkung des Adrenalin in Gestalt einer Zuckermobilisation die Aufgabe dieses Körpers im normalen Stoffwechsel sei. Als unmittelbarer Ausdruck dieser zuckermobilisierenden Tätig- keit des Adrenalin gilt nun die Regulierung des Zuckergehaltes des Blutes. Das Studium gerade dieser Funktion stellt nun auch — wie später noch ausgeführt werden soll — den hauptsächlich beschrittenen Wes zur experimentellen Begründung dieser Hypothese dar. Da aber die Ergebnisse dieser Versuche keineswegs übereinstimmende sind, schien es bei der Bedeutung, die dieser Frage allenthalben zugesprochen wird, angezeigt, diesem Problem mit etwas veränderter Fragestellung noch einmal näherzutreten. Methodik. Zahlreiche Beobachtungen "sprechen dafür, dass die Rolle der einzelnen Drüsen mit innerer Sekretion bei verschiedenen Tieren mindestens quantitativ recht verschieden ist, so dass die Wahl eines geeigneten Versuchstieres für das Studium einschlägiger Fragen von erhöhter Bedeutung ist. Verschiedene Tierarten besitzen nun er- fahrungsgemäss eine recht ungleiche Toleranz für die Exstirpation beider Nebennieren: Meerschweinchen und Hunde erliegen dem Ein- griff in kürzester Zeit; Kaninchen gelingt es etwas länger am Leben zu erhalten und Ratten überleben den Eingriff fast regelmässig durch Wochen und Monate. Der Grund für dieses verschiedene Verhalten wurde bald in dem Vorkommen akzessorischer Nebennieren erkannt. Chromaffine- und Rindensubstanz finden sich bekanntlich ausser in den Nebennieren noch an anderen Körperstellen: erstere als Para- ganglien, letztere als akzessorische Nebennieren s. striet. Der Prozent- Über Stoffwechselstörungen nach der Exstirpation beider Nebennieren. 961 satz nun. in dem solche akzessorische Rindenelemente bei den einzelnen Tierarten gefunden werden, entspricht auch ungefähr der Mortalitäts- ziffer nach Entfernung beider Nebennieren. Während beim Meer- schweinchen in nur 5 °/o sehr kleine akzessorische Nebennieren vor- kommen, findet man bei der Ratte nach Wiesel!) in 50 °o, nach anderen Angaben (vel. Biedl?) in 96° am Kopf des Neben- hodens seschlechtsreifer männlicher Ratten, weniger konstant im ligamentum latum der Weibchen, wohlausgebildete akzessorische Nebennieren, die ausnahmslos nur aus Rindensubstanz bestehen. Hunde scheinen für diese Versuche in hohem Grade ungeeienet, da sie ausnahmslos in den ersten 24 Stunden nach der Operation eingehen, so dass Versuchsergebnissen an derartig in ihrer Gesamt- vitalität geschädigten Tieren nur eine sehr bedingte Gültigkeit zu- kommen kann. Allerdings wird als Gegenargument gewöhnlich an- geführt, dass derartige epinephrektomierte Tiere mitten aus vollstem Wohlbefinden plötzlich tot zusammenstürzen. Da wir aber über die Todesursache nach Nebennierenexstirpation so gut wie gar nichts wissen, ist die Vorstellung eines akut progredienten Funktions- ausfalles, der eben in so kurzer Zeit eine für den Fortbestand des Lebens unerträgliche Höhe erreicht, die plausibelste Annahme zur Erklärung . dieser Erscheinung. Weiter wird hervorgehoben, dass gerade Tiere, für die der Eingriff ein so schwerer ist, den Funktionsausfall in vollster Höhe zeigen müssten; nach dem heutigen Stand unserer Kenntnisse ist nun diese Schlussfolgerung als unzutreffend abzulehnen, denn wir haben allen Grund, die Stoffwechselstörung, auf die es bei diesen Versuchen ankommt, als Ausdruck einer Insuffizienz des chromaffinen Gewebes anzusehen, während der Tod der Versuchstiere auf einen Ausfall der Rinden- substanz zurückgeführt wird, so dass ein Zusammenhang zwischen der Toleranz für die Operation und der Intensität der Stoffwechsel- störung bis jetzt noch nicht zu konstruieren ist. Von diesen Gesichtspunkten aus schienen mir nun Ratten ein überaus geeignetes Versuchsobjekt, da sie nach der beiderseitigen Nebenniererexstirpation trotz grösstmöglichster Reduktion des Adre- nalin produzierenden Gewebes den für die Erhaltung des Lebens 1) Wiesel, Sitzungsber. d. Akad. d. Wissensch., math.-naturw. Sektion Bd. 107 Abt. 3 8. 257. 2) Biedl, Vorlesungen über innere Sekretion. Wiener Klinik 1903. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 18 262 Oswald Schwarz: nötigen Anteil der Nebennieren — nämlich die Rindensubstanz — in ihren akzessorischen Nebennieren in anscheinend genügender Menge besitzen. Da die Tiere nach Entfernung beider Nebennieren in einer Sitzung schon am nächsten Tage eingingen, operierte ich zweizeitig, indem zwischen beiden Operationen ein Intervall von 3—6 Wochen eingeschaltet wurde; in dieser Zeit hypertrophiert die akzessorische Nebenniere nach den Beobachtungen Wiesel’s (l. ec.) bis zur Funktionstüchtigkeit. Die Operation gestaltet sich bei einiger Übung überaus einfach: in Äthernarkose wurde durch einen 1 em langen, von der Mitte des Rippenbogens schräg nach aussen abfallenden Laparatomieschnitt das Abdomen eröffnet. Bei Exstirpation der rechten Nebenniere wird der Leberlappen, der den oberen Nierenpol deckt, mit der einen Branche einer Pinzette aufgehoben, während die andere Branche die Niere nach abwärts drückt; dadurch wird die zirka stecknadel- kopfgrosse Nebenniere sichtbar, die sich durch ihre Farbe von dem Fett der Nierenkapsel, in dem sie eingebettet liegt, meist deutlich abhebt; man fasst nun mit einer feinen Pinzette den Gefässstiel der Nebenniere und holt sie stumpf oder mit einem Scherenschlag heraus. Eine Ligatur der Gefässe war immer entbehrlich, die meist un- bedeutende Blutung stand auf kurze Tamponade. — Bei Operation auf der linken Seite werden Milz und Magen nach links beiseite geschoben, worauf die Nebenniere leicht eingestellt und auf die gleiche Weise wie rechts exstirpiert wird. Die Bauchwunde wird in zwei Etagen mit fortlaufender Seidennaht geschlossen. Die Tiere vertragen den Eingriff ganz ausgezeichnet. Es wurden im ganzen 64 Ratten operiert; Nachblutungen, Peritonitiden oder Wundinfektionen wurden niemals beobachtet. Eine Viertelstunde nach der Operation waren die Tiere wieder vollkommen munter und zeigten schon am Abend des Operationstages zumindest keine auf- fallend verminderte Fresslust. Der einzige Unterschied normalen Tieren gegenüber war der, dass die nebennierenlosen Ratten auf- fallend zahm waren: während eine gesunde Ratte sich gegen jede Berührung energisch verteidigt, konnte man die operierten Tiere auch wochenlang nach der Operation anfassen, injizieren usw., ohne dass die Tiere bissen oder sich irgendwie erfolgreich zur Wehr setzten. A priori war es nun nicht zu entscheiden, ob und wie weit sich der Ausfall der Marksubstanz gegenüber dem kompensatorischen Über Stoffwechselstörungen nach der Exstirpation beider Nebennieren. 263 Einfluss des restlichen chromaffinen Gewebes funktionell bemerkbar machen würde: die Ergebnisse meiner Versuche haben nun aber gezeigt, dass eine derartige Ersatzfunktion jedesfalls unter dem Minimum zurückbleibt, das für die Erhaltung des normalen Stoff- wechsels nötig ist. Es stellen also diese operierten Ratten vollkommen lebenskräftige Versuchstiere dar, deren Adrenalingehalt auf das mit unserer heutigen Versuchstechnik erreichbare Mindestmaass herab- sedrückt war. I. Über das Verhalten des Leberglykogens bei nebennierenlosen Ratten. Wie bereits erwähnt wurde, besteht die herrschende Auffassung über die Rolle des Adrenalins im Stoffwechselhaushalte darin, dass entsprechend dem Kohlehydratbedürfnis des Organismus aus dem Glykogenbestande der Leber durch das Adrenalin Zucker mobilisiert und in den Kreislauf gebracht wird. In konsequenter Weiterführung ‚dieser Anschauung war nun zu erwarten, dass es im nebennieren- losen Organismus, in dem diese mobilisierende Tätigkeit des Adre- nalins wegfällt, oder doch zumindest bedeutend reduziert ist, zu ‚einer beträchtlichen Glykogenanhäufung in der Leber kommen musste. Von dieser Überlegung ausgehend untersuchte ich den Glykogen- gehalt der Leber nebennierenloser Ratten. Um Vergleichswerte zu erhalten, waren zunächst einige Vor- versuche nötig, um zu ermitteln, welche Glykogenmengen die Leber gesunder Ratten durchschnittlich enthält. Alle Untersuchungen wurden in den Wintermonaten angestellt, um den Einfluss der ‚Jahreszeit auf den Glykogenbestand der Tiere tunlichst auszuschalten. Die Ratten wurden in einem gemeinsamen Käfig gehalten und mit Semmeln gefüttert. Behufs Entnahme der Leber wurde das Tier ‘durch Nackenschlag getötet, die Leber exstirpiert und das Glykogen nach Pflüger bestimmt. Versuch I. Gesunde Ratte, 180 g. Leber 6,12 g enthält Glykogen 0,3lg= "9,07 %/0. Versuch II. Gesunde Ratte, 200 g. Leber 9,02 g enthält Glykogen 0,22 g ‚= 2,44%). Versuch III. Gesunde Ratte, 250 g. Leber 9,59 g enthält Glykogen 0,35 g — 83,67 %0. Versuch IV. Gesunde Ratte, 120 g. Leber 6,57 g enthält Glykogen 0,29 g — 4,360. 18% 264 Oswald Schwarz: Als nun diese Versuche auch auf nebennierenlose Ratten aus- gedehnt wurden, zeigte sich ein überraschendes Resultat: Die Leber dieser Tiere enthielt entweder gar kein Glykogen oder nur ganz geringe Spuren. Während auf Zusatz von Alkohol zu der in Kali- lauge zerkochten Leber normaler Ratten das Glykogen sofort in grossen Flocken ausfiel, blieb die Lösung in diesen Versuchen ent- weder vollkommen klar oder sie wurde leicht opaleszierend; in letzterem Falle war nach 24 Stunden ein spärlicher Niederschlag ausgefallen; Versuche einer quantitativen Bestimmung desselben scheiterten an der allzugeringen Menge. Unter 15 Versuchen, die das mehr minder vollkommene Fehlen von Glykogen in der Leber der operierten Tiere demonstrierten, wurde ein einziges Mal ein Glykogengehalt von 0,009 g = 0,15 °/o gefunden. Im folgenden seien einige Versuche angeführt: Versuch V. Ratte, 100 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 5. August 1909, Exstirpation der linken Nebenniere 24. September, 27. September getötet. Leber 3,94 g. Glykogen: Spur. Versuch VI. Ratte, 95 g. Exstirpation der rechten Nebennieren 5. August, Exstirpation der linken Nebenniere 24. September, 27. September getötet. Leber 3,29 g. Glykogen: (Q. Versuch VII. Ratte, 98 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 5. August, Exstirpation der linken Nebenniere 29. September, 2. Oktober getötet. Leber 326 g. Glykogen: (0. Versuch VIII. Ratte, 100 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 5. August Exstirpation der linken Nebenniere 29. September, 2. Oktober getötet. Leber 4,01 g. Glykogen: (0. Versuch IX. Ratte, 100 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 10. August, Exstirpation der linken Nebenniere 29. September, 9. Oktober getötet. Leber 9,47 g. Glykogen: (. Versuch X. Ratte, 130 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 25. Oktober, Exstirpation der linken Nebenniere 30. November, 18. Dezember getötet. Leber 9,36 g. Glykogen: Spur. Versuch XI. Ratte, 170 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 25. Oktober, Exstirpation der linken Nebenniere 30. November, 5. Januar 1910 getötet. Leber 4,21 g. Glykogen (0. Eine Untersuchung nach den Ursachen dieses Glykogenschwundes hatte nun zunächst seine spezifische Natur zu erweisen. Es gelang dies auf doppelte Weise: Narkosewirkung und Öperationschok, an die ja zunächst zu denken wäre, schieden aus der Reihe der ver- anlassenden Momente aus durch Hinweis auf die Tatsache, dass auch mehrere Wochen nach der Exstirpation beider Nebennieren Über Stoffwechselstörungen nach der Exstirpation beider Nebennieren. 265 kein Glykogen nachgewiesen werden konnte. Eine weitere Möglich- keit bestand nun darin, dass der Glykogenschwund nur eine Teil- erscheinung einer allgemeinen Kachexie der Tiere darstellt: obzwar nun schon das ganze Verhalten der Ratten gegen einen mehr minder rasch zum Tode führenden Marasmus sprach, so glaubte ich in einer Kontrolle des Körpergewichts der Tiere einen objektiven Maassstab für ihr Befinden zu erlangen: es zeigte sich, dass einzelne Tiere nach einer rapiden Gewichtsabnahme im Anschluss an die Operation sich bald wieder auf ein konstantes Gewicht einstellten, andere sogar beträchtlich an Gewicht zunahmen; eine dritte Gruppe magerte aller- dings konstant bis zu Tode ab. Versuch XII. Ratte Nr. 17. Exstirpation der rechten Nebenniere 17. Oktober, Exstirpation der linken Nebenniere 29. November Gewicht 95 g, 1. Dezember Gewicht 93 g, 5. Dezember Gewicht 94 g, 15. Dezember Gewicht 99 g, 30. Dezember Gewicht 101 g. Versuch XIII. Ratte Nr. 21. Exstirpation der rechten Nebenniere 22. Oktober, Exstirpation der linken Nebenniere 4. Dezember Gewicht 97 g, 6. Dezember Ge- wicht 83 g, 9. Dezember Gewicht 96 g, 20. Dezember Gewicht 97 g, 4. Januar Gewicht 102 g. Versuch XIV. Ratte Nr. 25. Exstirpation der rechten Nebenniere 31. Oktober, Exstirpation der linken Nebenniere 7. Dezember Gewicht 123 g, 10. Dezember Ge- wicht 115 g, 14. Dezember Gewicht 120 g, 20. Dezember Gewicht 122 g, 2. Januar Gewicht 127 g, 15. Januar Gewicht 128 g. Das verschiedene Verhalten der einzelnen Tiere darf nach den einleitenden Bemerkungen nicht wundernehmen, da das Befinden der operierten Tiere von der Suffizienz etwa vorhandener akzessori- scher Rindenelemente abhänst. Für die vorliegende Frage ent- schieden jene Versuche, in denen trotz Gewichtszunahme kein Glykogen vorhanden war, gegen die Annahme einer Kachexie als Ursache des Glykogensehwundes. Ähnliche Beobachtungen über eine ganz beträchtliche Gewichtszunahme der Tiere nach der Ex- stirpation beider Nebennieren finden sich übrigens auch in den Protokollen anderer Autoren!). | Weiter gelang es aber auch noch auf direktem Wege, die spezifische Natur dieses Glykogenschwundes zu erweisen: bei Ver- 1) Kahn, Zur Frage nach der inneren Sekretion des chromaffinen Gewebes. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 128 S. 519. — Hultgren und Anders- 8on, Studien über die Physiologie und Anatomie der Nebennieren. Skand. Arch. f. Physiol. Bd. 9 8. 73. 266 Oswald Schwarz: fütterung verschiedener Kohlehydrate zeigen diese nämlich in bezug auf ihre elykogenbildende Fähigkeit ganz charakteristische Ab- weichungen gegenüber ihrem Verhalten bei gesunden Tieren. Ge- legentlich der Besprechung der einschlägigen Versuche wird auf diesen Punkt noch näher einzugehen sein. Ergebnisse: Die mitgeteilten Versuche lassen sich dahin zusammenfassen, dass in der Leber neben- nierenloser Ratten das Glykogen entweder vollständig oder bis auf ganz geringe Spuren geschwunden ist. Diese Störung der Glykogenie ist keine Teilerscheinung eines allgemeinen Marasmus der Tiere, sondern muss als spezifische Ausfallserseheinung nach Exstirpation beider Nebennieren aufgefasst werden. I. Über die Ursache des Glykogensehwundes. Versuche mit Verfütterung von Traubenzucker. Störungen des normalen Glykogengehaltes der Leber können bekanntlich entweder auf einen veränderten Kohlehydratbedarf des Organismus oder auf Anomalien in der Glykogenbildung, zurück- geführt werden, sei es, dass die Leberzellen die Fähigkeit ver- loren haben direkte Glykogenbildner zu Glykogen zu polymerisieren, sei es, dass die Nahrungsstoffe aus irgend welchen Gründen nicht bis zu jener Stufe abgebaut werden, als es zu ihrer Umbildung zu Glykogen erforderlich wäre. Trotz verschiedener Versuche konnte der Annahme eines ver- mehrten Kohlehydratbedarfes des nebennierenlosen Organismus, die anfangs aus mehreren Gründen zur Erklärung der Aglykogenie her- angezogen wurde, keine hinreichende experimentelle Grundlage ver- liehen werden. Es gelang nämlich nicht, die Assimilationsgrenze dieser Tiere für Traubenzucker auszuwerten, da die operierten Tiere bei Verfütterung von 0,4 g Traubenzucker bereits eingingen. Gesunde Ratten verbrennen 1 g Traubenzucker noch vollkommen. Diese Versuche führten aber zu einem andern bemerkenswerten Resultat: Der Harn gesunder Ratten reduziert bei gewöhnlicher Fütterung mit Semmel oder Brot in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle sehr intensiv Fehling’sehe Lösung, und zwar ergibt die polarimetrische Bestimmung des Gehaltes des Harns an diesem Körper Zahlen, die dem Drehungsvermögen von 0,2—0,4 lo Traubenzucker entsprechen. Nur in ganz wenigen Fällen (in zwei Über Stoffwechselstörungen nach der Exstirpation beider Nebennieren. 267 unter 17 untersuchten) waren höhere Werte (0,9 °/o resp. 1,6 °/o) nachzuweisen. Dieser Körper wird von Hefe vollständig vergohren, fällt nicht mit Bleiazetat in saurer Lösung und dreht die Ebene des polarisierten Lichtes nach rechts. Mit Phenylhydrazin erhält man Kristalldrusen, die für eine genauere Charakterisierung des Osazons nicht geeignet waren. Bei Hydrolyse mit verdünnter Salzsäure wird aber Traubenzucker abgespalten, der durch sein Osazon identifiziert wurde. Da die Ausscheidung dieses komplexen Kohlehydrates im Hunger sistiert, so dürfte es sich um eine Melliturie ex amylo handeln. Diese Melliturie nun ist bei nebennierenlosen Ratten an- scheinend gesteigert; der 24stündige Harn zeigte einen durchschnitt- liehen Gehalt von 2,5 °/o dieses Körpers, nicht selten wurde ein Gehalt von 4—5 °/o beobachtet. Die Grösse der Ausscheidung zeigt bei dem einzelnen Tier im Laufe einer längeren Beobachtung periodenweise Schwankungen. Da sich auch bei den einzelnen Tieren sehr verschiedene Werte ergaben, so lässt sich, obzwar meine Beobachtungen dafür zu sprechen scheinen, nicht mit Sicherheit sagen, ob zwischen normalen und operierten Ratten ein prinzipieller Unterschied in diesem Sinne besteht, oder ob nicht eine noch erössere Zahl von Beobachtungen fliessende Übergänge ergeben würde. Zur Entscheidung der Frage, ob vermehrter Kohlehydrat- verbrauch oder mangelhafte Glykogenbildung die Ursache der Aglyko- senie der operierten Ratten sei, war es nun von Wichtigkeit, das Verhalten des Leberglykogens nach Verfütterung eines exquisiten Glykogenbildners zu untersuchen. Es wurde daher den Tieren Dex- trose zugeführt. Der Traubenzucker wurde in 2 cem phys. Kochsalzlösung gelöst. Dann wurde die Ratte mit Äther leicht betäubt und die Lösung unter Verwendung eines ganz dünnen Katheters als Schlund- sonde in den Magen injiziert. Wenn man durch lanesames Ein- spritzen eine unmittelbare Shokwirkung vermeidet, so erholen sich die Tiere in wenigen Minuten von dem Eingriffe. Die Ratten erhielten dann ihr normales Semmelfutter und wurden nach 16—20 Stunden getötet. Das Glykogen wurde analog den früheren Ver- suchen bestimmt. Versuch XV. Ratte, 160 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 15. Januar, Exstirpation der linken Nebenniere 10. Februar, 15. Februar 5h nachm. 0,1 g Traubenzucker per os, 16. Februar 11h vorm. getötet. Leber 4,45 g enthält 0,07 g Glykogen = 1,58°)o. 268 Oswald Schwarz: Versuch XVI. Ratte, 150 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 15. Januar, Exstirpation der linken Nebenniere 10. Februar, 16. Februar 7& nachm. 0,1 g Traubenzucker per os, 17. Februar 12h Mittag getötet. Leber 4,66 g enthält 0,14 g Glykogen = 3,0%. Versuch XVII. Ratte, 170g. Exstirpation der rechten Nebenniere 8. Dezember, Exstirpation der linken Nebenniere 25. Februar, 2. März 7b nachm. 0,2 g Traubenzucker per os, 3. März 1b nachm. getötet. Leber 4,82 g enthält 0,20 g Glykogen = 4,1°. Die Untersuchung des Harnes während der Versuchstage ergab nun, dass die Ausscheidung der obenerwähnten reduzierenden Sub- stanz durch diese Traubenzuckerzufuhr nicht beeinflusst wird. Auch mit Phenylhydrazin konnte kein Traubenzucker im Harn nach- gewiesen werden. Im Hunger schwindet auch bei Traubenzucker- zulage die reduzierende Eigenschaft des Harns ebenso vollkommen wie an den Kontrolltagen. Ergebnisse: Die mitgeteilten Versuche lehren, dass Ratten bei Semmelfütterung eine Melliturie ex amylo zeigen, die bei nebennierenlosen Tieren anscheinend eesteigertist. Durch einmalige Fütterung mit reinem Traubenzucker konnte eine nicht unbeträchtliche Glykogenanreicherung in der Leber nebennierenloser Ratten erzielt werden. Für die Entscheidung der Frage nach den Ursachen der Aglyko- genie nebennierenloser Ratten sind nun diese Befunde nicht ein- | deutig zu verwerten, denn es ist a priori nicht zu entscheiden, ob der zugeführte Traubenzucker a) einen eventuell bestehenden erhöhten Kohlehydratbedarf des nebennierenlosen Organismus über- kompensiert und noch zu einer Füllung der Glykogendepots aus- reicht oder ob b) bei diesen Tieren eine qualitative Störung der | Glykogenbildung besteht: so wäre es immerhin denkbar, dass die Leber nur Traubenzucker zu Glykogen zu polymerisieren vermag, und dass die Nahrungsmittel nicht unter Bildung dieses Kohlehydrates abgebaut und so zur Glykogenbildung ungeeignet werden. Diese letzte Annahme war nun einer experimentellen Prüfung zugänglich, durch Untersuchung verschiedener Kohlehydrate auf ihre Fähiekeit zur Glykogenbildung zu führen. Über Stoffwechselstörungen nach der Exstirpation beider Nebenaieren. 269 Versuche mit Verfütterung von Lävulose. Seit den Arbeiten von Külz und Minkowski ist es bekannt, dass die Lävulose sich bei Erkrankungen, die mit Anomalien des Kohlehydratstoffwechsels einhergehen, in ihrer Fähigkeit verbrannt, resp. zur Glykogenbildung verwertet zu werden, wesentlich vom Traubenzucker unterscheidet. Es war daher in dem Ausfall von Versuchen mit Lävulosezufuhr mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Hinweis auf das eventuelle Bestehen qualitativer Änderungen der Glykogenbildung bei nebennierenlosen Tieren zu erwarten. Chemisch reine Lävulose (Präparat Schering) wurde wie in den früheren Versuchen die Dextrose in physiologischer Kochsalz- lösung gelöst und mit der Schlundsonde den Ratten verfüttert. Die Maximaldosis, die die Tiere vertrugen, war 0,3 g; auf grössere Dosen gingen die Tiere in wenigen Stunden ein. Versuch XVIII. Ratte, 200g. Exstirpation der rechten Nebenniere 21. Januar, Exstirpation der linken Nebenniere 15. Februar, 19. Februar 64 nachm. 0,3 g Lävulose, 20. Februar Y/al2&b vorm. getötet. Leber 5,21 g enthält Glykogen: 0. Versuch XIX. Ratte, 120 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 21. Januar, Exstirpation der linken Nebenniere 15. Februar, 19. Februar 5h nachnm. 0,2 g Lävulose, 20. Februar 1b nachm. getötet. Leber 4,62 g enthält Glykogen: 0. Versuch XX. Ratte, 160 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 21. Februar, Exstirpation”der linken Nebenniere 10. März, 22. März 5b nachm. 0,3 g Lävulose, 25. März 1b nachm. getötet. Leber 4,80 g enthält Glykogen: Spur. VersuchXX1. Ratte, 200g. Exstirpation der rechten Nebenniere 10. Dezember, Exstirpation der linken Nebenniere 7. Januar, 15. Februar 6% nachm. 0,2 g Lävulose, 16. Februar 4b nachm. getötet. Leber 4,91 g enthält Glykogen: 0. Das Resultat dieser Versuche ist nun ein höchst auffallendes: auch im nebennierenlosen Organismus tritt die Sonderstellung der Lävulose gegenüber der Dextrose zutage, nur ist das Verhältnis gerade entgegengesetzt dem bisher bekannten. Im normalen Orga- nismus steht die Lävulose der Dextrose als Glykogenbildner kaum nach; ihre Assimilationsgrenze ist beim Menschen gleich der der Dextrose, ebenso beim Kaninchen; für den Hund liegt sie etwas tiefer. Külz fand nun, dass bei manchen Diabetikern Lävulose- zufuhr die Zuckerausfuhr im Harn gar nicht oder bedeutend weniger als die Zufuhr äquivalenter Mengen Dextrose steigert. Minkowski bestätigte diese Befunde auch für den pankreasdiabetischen Hund und fand als Grund für dieses differente Verhalten der beiden Kohle- hydrate die Tatsache, dass die Leber eines pankreaslosen Hundes 270 Oswald Schwarz: trotz völligen Unvermögens Traubenzucker zu Glykogen umzuwandeln, die Fähigkeit der Glykogenbildung aus Lävulose in gewissem Um- fange behalten hat. Dasselbe Verhalten fand E.E Neubauer!) bei der Phosphorvergiftung. Im vollen Gegensatze hierzu vermag die nebennierenlose Ratte nur Traubenzucker, nicht aber Lävulose als Glykogen festzuhalten. Diese Versuche über das Schicksal der Lävulose bedurften jedoch noch einer Ergänzung durch die Kontrolle der Zuckerausscheidnng im Harn. Die Ratten wurden zu diesen Versuchen in kleinen gläsernen Stoffwechselkäfigen mit trichterförmig ausgezogenen Boden gehalten, der das quantitative Auffangen des Harnes leicht gestattete. In allen Versuchen wurde die 24stündige Harnmenge auf das gleiche Volumen aufgefüllt und der Zuckergehalt polarimetisch bestimmt. Die angeführten Zahlen geben, wie bereits erwähnt, die abgelesenen Werte entsprechend dem Drehungsvermögen des Traubenzuckers in Prozenten an. Versuch XXIII. Ratte, 160 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 21. Februar, Exstirpation der linken Nebenniere 10. März. 15. März. "Semmeltütterung. . 2.2... 10 ccm Harn dreht 1,7°/o rechts 16:0 5, # 0,2 g Lävulose . 15 „ H DOES Is RN a re Ad ans? m 3 Ir eb, Funken he Sl RR. IOSER a 302010 WIE, Semmeltütterunge ea We 10: 4 3 aloe, 20ER Hunger 0,2 & Läyulose . .... 107, = Se 00 202 5Semmelfütterunge a a ld: 2 5, Versuch XXIII. Ratte, 206 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 21. Februar, Exstirpation der linken Nebenniere 10. März. 16.2 Marz-22 Semmeltütterunoas es: 15 ccm Harn dreht 3,60 rechts ld. k 0,3 g Lävulose. 10 „ * 20,30lo0; STE" BESTER ENERT Dur EN ILS TR, 7 De llomes Versuch XXIV. Ratte, 108g. Exstirpation der rechten Nebenniere 10. Januar, Exstirpation der linken Nebenniere 12. Februar. 1722 März.; Hunger)... Kerne ee 9 cem Harn dreht 0 % BR 4, Semmelfütterung. ... ,»-.. 2 yp, n „2,190 reckts IN, Hunger 0,2 g Lävulose. .. - . le, R DIR aA Semrmelfütterung es ee ayes 5 ERSHENINT, 1) E. Neubauer, Ist der Unterschied im Verhalten der Glykogenbilduug aus Lävulose bzw. Dextrose beim Diabetes für diesen charakteristisch? Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 61 S. 174. Über Stoffwechselstörungen nach der Exstirpation beider Nebennieren. 271 21. März. Semmelfütterung 0,3 g Lävulose „ 10 ccm Harn dreht 0,8°%o rechts 22. 1225, = u 2,0000 DI, 0... 10 Re} 20 Diese Versuche zeigen übereinstimmend, dass die Rechtsdrehung, die der Rattenharn bei Semmelfütterung zeigt, an den Lävulosetagen eine sehr bedeutende Verminderung erfährt, um an dem dem Ver- suchstag folgenden Tag zur früheren Höhe zurückzukehren. An den Hungertagen bleibt der Harn auch bei Lävulosezufuhr optisch inaktiv. Diese Beobachtungen müssen wohl vorläufig nur als Tat- sachen notiert werden, ohne dass es möglich ist, sie völlig auf- zuklären. Gewisse anscheinend paradoxe Reaktionen gehören in der Physiologie der Kohlehydrate nicht zu den Seltenheiten, und es sei an dieser Stelle an Versuche von Straub!) erinnert, die vielleicht in entfernter Analogie zu meinen Beobachtungen stehen: Straub fand nämlich dass beim Kohlenoxyddiabetes nur Eiweisskörper die Quelle des ausgeschiedenen Zuckers sein können, kohlehydratreiche Nahrung (Brot) bringt die Glycosurie zum Schwinden, und selbst Verfütterung von Traubenzucker blieb völlig erfolglos. Beide Fälle haben also das Gemeinsame, dass die Zufuhr bestimmter Kohle- hydrate eine bestehende Glycosurie herabsetzt. Es lag nun natürlich nahe, diese Reduktion der Rechtsdrehung auf die Ausscheidung einer linksdrehenden, Substanz, im konkreten Falle von Lävulose zurückzuführen. Es war dies jedoch nicht der Fall, denn die Seliwanoff’sche Reaktion war bei diesen Harnen negativ und ebensowenig gelang es mit Phenylhydrazin ein Frukto- sazon darzustellen. Ergebnisse: Diese Versuche über die Verwertung der Lävuloseim nebennierenlosen Örganismusführten zu dem Resultat, dass per os. zugeführte Lävulose weder zu einer Glykogenanhäufung, noch zu Lävu- loseausscheidung führt; sie nötigen also zu der An- nahme, dass sie im Organismus vollkommen aus- genutzt wird. Auch in theoretischer Hinsicht beanspruchen diese Befunde einiges Interesse: 1. für die allgemeine Physiologie der Kohlehydrate lehren sie, dass eine Verwertung von Nahrungszucker nicht unbedingt über 1) Straub, Über die Bedingungen des Auftretens der Glykosurie nach der Kohlenoxydvergiftung. Arch. f. experim. Pharmakol. u. Therapie Bd. 38 S. 139. 212 Oswald Schwarz: die Glykogenstufe führen muss. Weiter findet die Annahme eine Stütze, dass Lävulose auch ohne vorherige Umlagerung in Dextrose vom Organismus ausgenutzt werden kann. 2. Der relativ häufige Befund von Lävulosurie bei Leber- erkrankungen und der geringe Einfluss, den die Pankreasexstirpation auf die Polymerisation der Lävulose zu Glykogen ausübt, führten zu der Vorstellung, dass die Verwertung der Lävulose eine aus- schliessliche Funktion der Leberzellen selbst sei. Unter dieser Voraussetzung hätten wir wenigstens eine Ursache der Aglykogenie nebennierenloser Ratten in einer Störung einer spezifischen Funktion der Leber zu suchen. Andererseits könnten die Ergebnisse der angeführten Versuche auch dahin gedeutet werden, dass die Fähigkeit der Leber, Lävulose in Glykogen umzuwandeln, durch Exstirpation der Neben- nieren in analoger Weise beeinflusst wird, wie die Glykogenbildung aus Traubenzucker durch Exstirpation des Pankreas. Versuche mit Verfütterung von Rohrzucker. Nachdem nun das Verhalten der beiden wichtigsten Mono- saccheride festgestellt war, schien es noch von Wichtigkeit, die Verwertung zusammengesetzter Kohlehydrate zu prüfen, als deren Repräsentant Rohrzucker gewählt wurde. Dieser Zucker wird be- kanntlich nur im Verdauungstrakt in Dextrose und Lävulose gespalten, so dass bei Verfütterung von Rohrzucker an nebennierenlose Ratten eine Kombination der Wirkung beider Komponenten zu erwarten war. Das Experiment bestätigte auch diese Überlegung. Versuch XXV. Ratte, 180 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 23. Dezember, Exstirpation der linken Nebenniere 1. Februar, 5. Februar 6h nachm. 0,2 g Rohrzucker, 6. Februar 15 nachm. getötet. Leber 4,06 g enthält Glykogen: 0,087 g = 2,15 /o. Versuch XXVI. Ratte, 160 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 28. Dezember, Exstirpation der linken Nebenniere 1. Februar, 6. Februar 5h nachm. 0,2 g Rohrzucker, 7. Februar 2b nachm. getötet. Leber 3,96 g enthält Glykogen: 0,10 g = 2,56 %/o. Die Versuche zeigen, dass Rohrzuckerverfütterung zu einer Glykogenanhäufung führt entsprechend seinem Gehalt an Trauben- zucker. Die Wirkung der Lävulosekomponente musste sich nun nach den früheren Frfahrungen in einer Änderung des Drehungsvermögens des Harnes äussern. Über Stoffwechselstörungen nach der Fxstirpation beider Nebennieren. 273 Versuch XXVII. Ratte, 210 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 28. Dezember, Exstirpation der linken Nebenniere 1. Februar. 7. Februar, Semmelfütterung. ....... 7 cem Harn dreht 1,5°o rechts 8. es BB aaa or 10273 4 „el,8Nor *, 3. 3 “ 0,2 g Rohrzucker 15 „ 2 0 lorlır, Ka tin. lo 5 rel Yon .<, ” ” Versuch XXVII. Ratte, 180 gs. Exstirpation der rechten Nebenniere 28. Dezember, Exstirpation der linken Nebenniere 1. Februar. 7. Februar. Semmelfütterung. ....... 10 cem Harn dreht 4,6°/0o rechts 8. 5 ;. 0,2 g Rohrzucker 10 „ 5 er AR 3) 5 N REN NEL. Iy.; IS ä 20:20 7, 10. = U een lergsnt 125, s Rollo Ergebnisse: Per os zugeführter Rohrzucker wird an- scheinend auch im nebennierenlosen Tier in Lävulose “und Dextrose gespalten, wobei die Dextrosekomponente zu einer Glykogenanreicherung der Leber führt. Versuche mit Stärkefütterung. Da die gewöhnliche Semmelnahrung der Versuchstiere, bei der die Leber vollständig glykogenfrei war, vorwiegend Stärke enthält, stellte ich noch einige Versuche mit Verfütterung reiner Stärke an. 0,5 g lösliche Stärke wurde in 20 ccm Wasser gelöst und 2 cem dieser Lösung den Ratten an drei aufeinanderfolgenden Tagen per os injiziert. Ergebnisse: In einem Versuch wurde das Tier 20 Stunden, in einem zweiten 40 Stunden nach der letzten Fütterung getötet, in beiden Fällen war die Leberder Tierevoll- kommen glykogenfrei. Versuche mit Verfütterung von Aminosäuren. Das für die Stoffwechselphysiologie so wichtige Problem: ob Eiweisskörper direkte Glykogenbildner sind, hat in den Arbeiten über den Einfluss von Aminosäurenfütterung auf die Glykogenbildung ihre modernste Ausgestaltung erfahren. Heute kann man wohl diese Frage als im positiven Sinne entschieden betrachten: Alle Unter- suchungen an Tieren, deren Kohlehydratstoffwechel eine zu Glykosurie führende Alteration erfahren hatte (Pankreasexstirpation, Phloridzin- diabetes), ergaben übereinstimmend, dass Zufuhr von Aminosäuren eine Vermehrung des Harnzuckers bedingt; Pflüger!) konnte 1) Pflüger, Über die Muttersubstanzen des Glykogens. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd, 131 S. 201. 274 Oswald Schwarz: in seiner grossen Arbeit über die Eiweisskörper als Quellen des Zuckers zeigen, dass die Leber glykogenfreier Hunde nach Zufuhr von Aminosäuren wieder Glykogen ansetzt. Das einzige negative Resultat, das Grube!) bei seinen Durchblutungsversuchen erzielte, wird allgemein mit Recht wohl dahin gedeutet, dass der isolierten Leber diese Fähigkeit, aus Aminosäuren Glykogen zu bilden, nicht zukommt. Es schien daher von Interesse, das Verhalten von Amino- säuren bei nebennierenlosen Tieren zu untersuchen. | Geprüft wurde Alanin und asparaginsaures Natron. 0,5 g der Substanzen wurden in 2 ccm physiologischer Kochsalz- lösung gelöst den Ratten per os zugeführt. 5 Versuche ergaben nun: übereinstimmend, dass auch nach drei- täciger Fütterung mit Aminosäuren in der Leber der Ratten keine Spur Glykogen nachzuweisen war. Eine Untersuchung des Harnes auf sein Drehungsvermögen er- gab ganz analoge Verhältnisse wie bei Zufuhr von Lävulose: eine sehr bedeutende Verringerung der Rechtsdrehung am Versuchstag, während bei Verfütterung der gleichen Dosis an gesunde Ratten kein Unterschied zwischen Versuchs- und Kontrolltagen zu kon- statieren war. Ergebnisse: Die Zufuhr von Alanin oder asparagin- saurem Natron führt bei nebennierenlosen Ratten zu keiner Glykogenbildung. Il. Über die glykosurische Wirkung des Phloridzins bei neben- nierenlosen Ratten. Abgesehen von den Befunden von Wiesel und Schur?), dass in tiefer Narkose und nach erschöpfender Arbeit das chromaffine System seine Chromierbarkeit verliert, Versuche zu deren Erklärung die „Mobilisationstheorie“ ersonnen wurde, sind die Versuche über das Verhalten des Blutzuckers bei nebennierenlosen Tieren der einzige Punkt, in dem eine experimentelle Kritik dieser Theorie einsetzte. Den theoretischen Vorstellungen über den Mechanismus 1) Grube, Untersuchungen über die Bildung des Glykogens in der Leber. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 118 S.1. 2) Wiesel und Schur, Beiträge zur Physiologie und Pathologie des chromaffınen Gewebes. Wiener klin. Wochenschr. 1907 S. 1203. Über Stoffwechselstörungen nach der Exstirpation beider Nebennieren. 975 der Blutzuckerregulation gemäss fand Porges!) bei epinephrecto- mierten Hunden eine bedeutende Hypoglykämie, während Frank und Isaak?) sowie Nishi°) bei nebennierenlosen Kaninchen ganz normale Blutzuckerwerte beobachteten. Mit einer originellen Methode versuchten nun Eppinger, Falta und Rudinger*) diese Frage zu lösen: Auf Grund der sogenannten „Eliminationstheorie“ beruht die glykosurische Wirkung des Phloridzins in seiner Fähiekeit, den im Blute kreisenden Zucker durch die Nieren zu entführen; ein feiner Regulierungsmechanismus (in der Leber) soret dann durch eine sekundäre Zucker- ausschwemmung ins Blut für ein stets konstantes Blutzuckerniveau. Zu derselben Auffassung über das Wesen der Phloridzinwirkung kommt Erlandsen°) auf Grund ausgedehnter Versuche über den Effekt einer Kombination der Phloridzinglykosurie mit der durch Adrenalinapplikation und die Pigüre hervorgerufenen. Dieses Über- führen der Kohlehydrate aus der Leber ins Blut soll nun die Auf- gabe des Adrenalins sein. Eppinger, Falta und Rudinger untersuchten nun die elykosurische Wirkung des Phloridzins bei zwei Hunden, denen beide Nebennieren exstirpiert worden waren. Der eine Hund schied nun 4 Stunden nach der Operation keinen Zucker mehr aus, und im zweiten Versuche enthielt der Harn des Hundes 10 Stunden nach der Operation 1 g Zucker, und der Harn in der Blase des am nächsten Morgen tot aufgefundenen Tieres war vollkommen zucker- frei. Auch das erste Versuchstier überlebte die Operation übrigens kaum 24 Stunden. In beiden Fällen war eine Phloridzindosis in- jiziert worden, die für eine maximale Vergiftung genügt hätte. In dem Ausfall dieser beiden Versuche sehen nun die Autoren in 1) Porges, Über Hypoglykämie bei Morbus Addisoni, sowie bei neben- nierenlosen Hunden. Zeitschr. f. klin. Medizin Bd. 69. 2) Frank und Isaak, Bedeutung des Adrenalins und Cholins für die Er- forschung des Zuckerstoffwechsels. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therapie Bd. 9 S. 396. 3) Nishi, Über den Mechanismus der Blutzuckerregulation. Arch. f. experim. Pharm. u. Therapie Bd. 61 S. 186. 4) Eppinger, Falta und Rudinger, Über die Wechselwirkung der Drüsen mit innerer Sekretion. (II. Mitt.) Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 67 S. 380. 5) Erlandsen, Experimentelle Untersuchungen über den Phloridzindiabetes. I und II. Biochem. Zeitschr. Bd. 23 S. 329 u. Bd. 24 S.1. 1910. 276 Oswald Schwarz: gleicher Weise eine Stütze ihrer Anschauungen über den Mechanismus der Kohlehydratmobilisierung als auch für den Mechanismus der Phloridzinwirkung. Das Ergebnis dieser Versuche ist überraschend und wäre ge- eignet, den theoretischen Schlussfolgerungen der Autoren bindende Beweiskraft zu verleihen, wenn gegen die Versuchsmethoden nicht prinzipielle Einwände zu erheben wären: Wie bereits eingangs er- wähnt, sind Hunde für das Studium der Ausfallserscheinungen nach Nebennierenexstirpation keine geeigneten Versuchstiere, da sie den Eingriff kaum 24 Stunden überleben; das Ausbleiben eines glyko- surischen Effektes bei derartigen moribunden Tieren berechtigt keines- wegs zu der Annahme einer spezifisch veränderten Wirkungsweise der zu prüfenden Substanz. Da nun nebennierenrlose Ratten diesen Eingriff lange Zeit ohne sichtbare Störungen ihres Allegemeinbefindens überstehen, schienen sie mir ein geeignetes Material zur Nachprüfung der erwähnten Versuche. Aus später noch eingehend zu motivierenden Überlegungen wurden nur sehr geringe Phloridzindosen verwendet. Das Phloridzin wurde in 2 cem Sodalösung gelöst und den Tieren subkutan injiziert. Da ja, wie erwähnt, auch der Harn einer gesunden Ratte Kupfersulfat sehr intensiv reduziert, bekamen die Tiere an den Versuchstagen kein Futter. Eine grosse Zahl von Versuchen ergab nun überein- stimmend, dass die Ratten in jedem Zeitpunkte nach der beider- seitigen Nebennierenexstirpation auf Phloridzininjektionen reichlich Traubenzucker (durch das Osazon als solcher charakterisiert) in den Harn übertreten liessen. Aus sieben vollständig eleichartigen Ver- suchen, die die quantitativen Verhältnisse der Zuckerausscheidung auf die gleiche Phloridzindosis vor und nach der Operation unter- suchen sollten, seien folgende drei als Belege mitgeteilt. Versuch XXIX. Ratte, 200 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 5. September. 6. Oktober 0,05 g Phloridzin. 12 ccm Harn enthalten 2,0°%0 Zucker. Exstirpation der linken Nebenniere 9. Oktober. 12. Oktober 0,05 g Phloridzin. 15 ccm Harn enthalten 1,6°%0 Zucker. Versuch XXX. Ratte, 160 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 2. Oktober. 4. November 0,05 g Phloridzin. 10 ccm Harn enthalten 2,30/0 Zucker. Exstirpation der linken Nebenniere 6. November. 10. November 0,05 g Phloridzin. 14 cem Harn enthalten 1,9% Zucker. Über Stoffwechselstörungen nach der Exstirpation beider Nebennieren. 977 - - VersuchXXXI. Ratte, 210g. Exstirpation der rechten Nebenniere 5. September. 8. Oktober 0,01 g Phloridzin. 15 ccm Harn enthalten 1°%0 Zucker. Exstirpation der linken Nebenniere 9. Oktober. 15. November 0,01 g Phloridzin. 12 ccm Harn enthalten 0,8°%o Zucker. Alle Versuche zeigen also übereinstimmend, dass das Phloridzin im nebennierenlosen Tier selbst 5 Wochen nach der Exstirpation der zweiten Nebenniere seine glykosurische Wirkung behalten hat; der Effekt ist zwar nach Exstirpation der zweiten Nebenniere ein etwas geringerer als vor der Operation. Nun ist es eine bekannte Erscheinung, dass bei länger dauernder Phloridzinbehandlung die ersten Injektionen zunächst grössere Zuckermengen im Harn er- scheinen lassen als die späteren, was mit einer initialen Aus- schwemmung der Glykogendepots erklärt wird. Da das neben- nierenlose Tier aber schon an und für sich gar kein Glykogen in der Leber besitzt, so ist dieser geringere Effekt der Phloridzin- injektion nach Entfernung der zweiten Nebenniere selbstverständlich. Folgender Versuch bringt eine Bestätigung dieser Auffassung. | Versuch XXXII. Gesunde Ratte, 200 g. 15. November 0,01 g Phloridzin. 12 cem Harn enthalten 1,2% Zucker, 15.—19. November inkl. hungert das Tier. 19. November 0,01 g Phloridzin. 10 ccm Harn enthalten 0,8%0 Zucker. Der Versuch zeigt, dass auch bei einer gesunden Ratte nach fünftägigem Hunger der glykosurische Effekt der gleichen Phloridzin- dosen geringer geworden ist. Früher angestellte Kontrollversuche hatten ergeben, dass nach dieser Zeit die Ratten ihr Leberglykogen bereits vollkommen verloren haben. Eine Zusammenstellung der beiden letzten mitgeteilten Versuche demonstriert nun besonders klar, dass bei einem normalen und gleichschweren nebennierenlosen Tier unter annähernd gleichen Versuchsbedingungen dieselbe Phloridzindosis die gleiche Zuckermenge in den Harn über- treten lässt. Das Resultat obiger Versuche zeigt nun, dass den Befunden von Eppinger, Falta und Rudinger zumindest nicht diese Allgemeingültigkeit zukommt, die ihnen die Autoren zuschreiben. Besonders die theoretischen Konklusionen müssen eine Einschränkung erfahren; denn die Berechtigung der Annahme, dass der postulierte sekundäre Ersatz des durch das Phloridzin entführten Blutzuckers durch das Adrenalin vermittelt werde, wird sehr in Frage gestellt, wenn bei einem hochgradig adrenalinarmen Tier, bei dem es bereits zu charakteristischen Stoffwechselstörungen gekommen ist, die Zucker- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd, 134. 19 278 Oswald Schwarz: mobilisierung — gemessen an der Intensität der Phloridzinglykosurie — ebenso ausgiebig erfolgt wie bei einem gesunden Kontrolltier. IV. Über die toxische Wirkung des Phloridzins bei nebennierenlosen Ratten. Gelegentlich der Untersuchungen über die glykosurische Wirkung des Phloridzins bei nebennierenlosen Ratten zeigte sich noch eine höchst auffallende Tatsache. Bekanntlich können bei einmaliger subkutaner Applikation recht beträchtliche Phloridzinmengen ohne Gefahr einer akuten Vergiftung zugeführt werden: So verträgt eine normale Ratte von ca. 150 g Körpergewicht 1 a Phloridzin ohne merkliche Störung ihres Allgemeinbefindens. Injiziert man aber eine bedeutend kleinere Menge einer nebennierenlosen Ratte, so geht das Tier unter ganz charakteristischen Symptomen in kürzester Zeit ein: Gleich nach der Injektion sitzt das Tier unter Dyspnoe apathisch da; bald darauf wird es von heftiesten Krämpfen erfasst, die die Ratte im Käfig umherschleudern, wobei sich das Tier oft mehrmals hintereinander um seine Längsachse überschlägt, bis nach einem kurzen komatösen Stadium der Tod erfolgt. Besonders auf- fällig ist es, dass die Empfindlichkeit der Tiere für das Gift immer erösser wird, je länger sie schon ohne Nebennieren leben. Zwei Tage nach der Exstirpation der zweiten Nebenniere vertragen die Ratten noch 0,2 g Phloridzin, während am achten Tag 0,05 g sicher tödlich waren. Ein Tier, das 5 Wochen vollkommen frisch die Operation überlebt hatte, ging nach dieser Zeit auf die Injektion von 0,01 g Phloridzin akut ein. Die ganze Versuchsanordnung wies nun mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf das Adrenalindefizit dieser Tiere als die Ur- sache ihrer hochgradigen Empfindlichkeit für Phloridzin hin. Ich versuchte daher, durch eine vorhergehende Adrenalininjektion die Tiere vor den letalen Folgen der Phloridzinapplikation zu schützen. Versuch XXXIll. Ratte, 150 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 14. September. Exstirpation der linken Nebenniere 3. November. 5. November. 15 nachm. 0,1 g Phloridzin subkutan. 1’/zh nachm. Tier liegt schwer dyspnoisch im Käfig. 2h nachm. Schwere Krämpfe. 2'/;h nachm. Tot. Versuch XXXIV. Ratte, 140 g. FExstirpation der rechten Nebenniere 28. September. Exstirpation der linken Nebenniere 3. November. Über Stoffwechselstörungen nach der Exstirpation beider Nebennieren. 279 5. November. 12h mittags. 0,2 mg Adrenalin subkutan. ih nachm. 0,2 g Phloridzin subkutan, 5h nachm. Tier vollkommen munter, Harn reduziert stark. 10b abends. Tier vollkommen wohl. 6. November morgens. Tot aufgefunden. Versuch XXXV. Ratte, 120 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 28. September. Exstirpation der linken Nebenniere 10. November. 17. November. 3h nachm. 0,05 g Phloridzin subkutan. 4h nachm. Schwere Krämpfe. 4h 50’ nachm. Tot. Versuch XXXVI. Ratte, 135 g. FExstirpation der rechten Nebenniere 28. September. Exstirpation der linken Nebenniere 10. November. 17. November. 1b nachm. 0,2 mg Adrenalin subkutan. 3b nachm. 0,15 g Phloridzin subkutan. 4h nachm. Etwas dyspnoisch. 5b nachm. Ratte ganz munter, Reflexerregbarkeit be- deutend gesteigert. 5 ccm Harn, reduziert stark. 9h abends. Tier frisstreichlich, anscheinend vollkommen wohl. 18. November. 8 früh. Liegt im Sterben. Diese Versuche, die aus einer grossen Zahl nur als Beispiele herausgegriffen sind, zeigen deutlich, dass das Adrenalin der Gift- wirkung der Phloridzininpjektion erfolgreich entgegenwirkt; in einem Falle wurde sogar die dreifach letale Dosis glatt entgiftet. Aller- dings zeigen alle Protokolle übereinstimmend, dass die letale Wirkung des Phloridzins durch eine vorhergehende Adrenalininjektion nicht aufeehoben, sondern nur hinausgeschoben wird, denn nach 10 bis 20 Stunden erliegen die Tiere dennoch der Vergiftung. Auch noch in einer anderen Hinsicht ist die Schutzwirkung des Adrenalins eine begrenzte. Es zeigte sich nämlich bald, dass das Phloridzin in einem nicht allzulangen Intervall nach dem Adrenalin injiziert werden muss, da sonst die Adrenalininjektion anscheinend wirkungslos bleibt. Versuch XXXVI. Ratte, 180 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 8. Oktober. Exstirpation der linken Nebenniere 16. November. 19. November. 8b 45’ vorm. 0,2 mg Adrenalin subkutan. 53h 30’ nachm. Ratte ganz munter, 0,2 g Phloridzin subkutan. 3b 45’ nachm. Schwere Krämpfe. 4h nachm. Tot. Versuch XXXVII. Ratte, 200 g. Exstirpation der rechten Nebenniere 1. Oktober. Exstirpation der linken Nebenniere 3 November. 6. November. 9h vorm. 0,2 mg Adrenalin subkutan. . 2h nachm. 0,2 g Phloridzin subkutan. 25 30’ nachm. Ratte moribund. 3h 45’ nachm. Tot. 3 19% 280 Oswald Schwarz: Aus weiteren Versuchen ergab sich, dass längstens 31/a bis 4 Stunden nach dem Adrenalin das Phloridzin nachinjiziert werden muss, wenn die Adrenalinwirkung noch ausgenützt werden soll. Worauf diese hochtoxische Eigenschaft, die das Phloridzin im nebennierenlosen Organismus gewinnt, beruht, liess sich bisher nicht feststellen. Auch in bezug auf die scheinbar entgiftende Wirkung des Adrenalins sind wir nur auf Vermutungen angewiesen: Die Annahme einer bloss exzitierenden Wirkung, wie sie das Adrenalin bei Kollaps- zuständen, septikämischen Prozessen usw. zeigt, schliesst das ganz Verhalten der Tiere während der Periode der Entgiftung und der akute Verlauf der Phloridzinvergiftung aus. Auch eine chemische Absättigung der beiden Substanzen ist recht unwahrscheinlich, da ja die Adrenalinwirkung eine zeitlich begrenzte ist; andererseits gelang es in zwei Fällen, das Phloridzin aus dem Harn der Ratten darzustellen und durch den Schmelzpunkt der Kristalle als solches zu identifizieren. Es ergibt sich also hieraus, dass wenigstens die eine der beiden Komponenten unverändert ausgeschieden wird. Ebenso entsprechen die zeitlichen Verhältnisse, unter denen das Adrenalin seine Schutzwirkung entfaltet, auch ungefähr der Zeit, nach welcher auch seine glykosurische und pressorische Wirkung schwindet. Die Annahme, dass nach dieser Zeit das Adrenalin im Körper zersetzt (oder ausgeschieden) wird, gilt auch für diese Versuche. | Es wäre endlich naheliegend, die resorptionshemmende Wirkung des Adrenalins [Exner!), Januschke?)] zur Erklärung seiner entgiftenden Wirkung heranzuziehen. Obzwar diese Annahme keineswegs von der Hand zu weisen ist, so spricht doch vielleicht in gewissem Sinne dagegen, dass der Harn der Ratten einige Zeit nach der Phloridzininjektion Kupfersulfat stark reduzierte, was wohl für eine Resorption des Phloridzins spricht, da in einigen Kontrollversuchen die verwendete Adrenalindosis zu keiner Zucker- ausscheidung führte. Eine besondere Beweiskraft soll diesen Ver- suchen aber keineswegs zugeschrieben werden, da das Verhalten der Tiere nach Adrenalininjektionen recht verschieden war; insbesondere 1) Exner, Über die durch intraperitoneale Adrenalininjektion veränderte Resorptionsfähigkeit des tierischen Peritoneums. Zeitschr. f. Heilk. 1903 S. 12. 2) Januschke, Adrenalin ein Antidot gegen Strychnin. Wiener klin. Wochenschr. 1910 S. 284. Über Stoffwechselstörungen nach der Exstirpation beider Nebennieren. 981 berechtigen sie m. E. nicht zur Annahme, dass Mangelan Adrenalin die unmittelbare Ursache der Über- empfindlichkeit der Tiere für Phloridzin sei. Anhangsweise seien noch einige Beobachtungen über das Ver- halten nebennierenloser Ratten nach Adrenalininjektionen mitgeteilt. Die subkutane Injektion von 0,2 mg Adrenalin wird von einer gesunden Ratte anstandslos vertragen und mit der Ausscheidung von 0,5—0,8 °/o Zucker im Harn beantwortet (mit Rücksicht auf die physiologische Melliturie der Ratten bei Semmelfutter wurden auch diese Versuche immer an einem Hungertag angestellt). Injiziert man nun die gleiche Adrenalindosis einer nebennierenlosen Ratte 2—3 Tage post op., so werden die Tiere dyspnoisch und sehr unruhig; bald darauf sitzen oder liegen sie apathisch im Käfige, ohne auf äussere Reize zu reagieren; meistens erholen sich die Tiere nach einigen Stunden, manche erliegen aber der Vergiftung. Besonders charakte- ristisch war das Bild, als einer Ratte 6 Wochen nach Entfernung der zweiten Nebenniere 0,2 mg Adrenalin injiziert wurden: Sofort nach der Injektion wurde das Tier im höchsten Grade dyspnoisch und rang mit heraushängender Zunge nach Luft, es stand ihm blutiger Schaum vor dem Maule, und auch aus der Nase kam reines Blut; dabei rannte die Ratte in höchster Aufregung im Käfig umher. Nach einer halben Stunde war sie tot. Die Obduktion ergab punkt- förmige Eechimosen auf allen serösen Häuten und hochgradiges Lungenödem. — Dieser Befund bestätigte den Eindruck, dass das Tier an einer eminenten Blutdrucksteigerung zugrunde gegangen war. Ergebnisse: 1. Die glykosurische Wirkung des Phloridzins bleibt bei nebennierenlosen Ratten erhalten. 2. Das Phloridzin wirkt im nebennierenlosen Orga- nismus stark giftig, und zwar nimmt die Giftempfind- lichkeit der Ratten zu, je länger die Tiere die Exstir- pation der Nebennieren bereits überlebt haben. 3. Wird eine bestimmte Zeit vor dem Phloridzin Adrenalin injiziert, so wird der Eintritt der tödlichen Phloridzinwirkung bedeutend hinausgeschoben. 4. Nebennierenlose Ratten erlangen einige Zeit nach der Operation eine hochgradige Empfindlichkeit für Adrenalin. 282 Oswald Schwarz: V. Über die Ausfallserscheinungen nach Exstirpation beider Nebennieren. Schlussbetrachtungen. Die Forschung über den intermediären Stoffwechsel und speziell über die Drüsen mit innerer Sekretion steht heute zu nicht geringem Teil unter dem Einfluss der Lehre von der gegenseitigen Beein- flussung der einzelnen Blutdrüsen. Ich möchte jedoch, ohne in diesem Sinne etwas zu präjudizieren, die in dieser Arbeit mit- geteilten Beobachtungen nur dahin deuten, dass der ungestörte Ablauf bestimmter Stoffwechselvorgänge an die Integrität der Nebennieren gebunden sei, keineswegs. aber den Schluss ziehen, dass die Funktionen, deren Störungen ich beobachtete, im normalen Organismus unmittelbar e Leistungen der Nebennieren oder gar des Adrenalins darstellen. Besonders: den letzteren Punkt möchte ich nachdrücklich betonen; es muss nämlich festgehalten werden, dass die Versuche keinen Anhaltspunkt. dafür bieten, dass gerade der Ausfall des chromaffinen Gewebes die geschilderten Ausfallserscheinungen bedingte, da ja die Tiere neben einer Restriktion ihres chro- maffinen Gewebes auch eine bedeutende Verminderung der Rinden- substanz erlitten haben und die in der Einleitung erwähnte Ver- teilung der Funktion auf die beiden Bestandteile der Nebennieren für die Marksubstanz wenigstens bis jetzt kaum mehr als eine Ver- mutung bedeutet. Im Mittelpunkte der gesamten Stoffwechsel- störung nach Exstirpation beider Nebennieren steht wohl die Störung der Glykogenie. Bei den Untersuchungen nach ihrer Ursache konnten für eine Annahme eines gesteigerten. Kohlehydratverbrauches keine Anhaltspunkte gewonnen werden; es sprachen vielmehr mehrere Beobachtungen für eine Störung in der Glykogenbildung: Durch Zufuhr von Trauben- und Rehrzucker konnte das Leberglykogen der Ratten wieder in gewissem Umfange restituiert werden. Diese Tatsache liess zwei Deutungen zu: ein- mal, dass der zugeführte Zucker einen erhöhten Kohlehydrat- verbrauch des nebennierenlosen Organismus überkompensiert, andererseits die Annahme, dass der Abbau der Nahrungsmittel in einem solchen nebennierenlosen Organismus nicht bis zur Trauben- zuckerstufe vor sich geht. Speziell die Versuche mit Verfütterung löslicher Stärke scheinen für diese Vorstellung einer unvollkommenen Über Stoffwechselstöorungen nach der Exstirpation beider Nebennieren. 283 Ausnützung komplexer Kohlehydrate zu sprechen. Eine Störung der glykogenbildenden Tätigkeit der Leber selbst decken die Ver- suche mit Lävuloseverfütterung auf, die bei der nebennierenlosen ‚Ratte nicht zur Glykogenbildung führen. Auch für Aminosäuren ‚erwies sich der nebennierenlose Organismus in dieser Hinsicht refraktär. Dieser konstante Befund einer vollkommenen glykogenfreien Leber bei epinephreetomierten Tieren legte nun die Frage nahe, ‚wieweit sich einzelne der schon früher beobachteten Ausfalls- ‚erscheinungen nach Nebennierenexstirpation auf diese Aglykogenie als gemeinsame Ursache zurückführen lassen: In erster Linie wäre hier die Frage nach der Bedeutung der Nebennieren für das Zustandekommen der Zuckerstichglykosurie zu erörtern. A. Mayer!) hat in einer grossen Versuchsreihe gezeigt, dass nach Exstirpation beider Nebennieren der Zuckerstich unwirk- sam bleibt und so einer Vermutung Blums?) eine experimentelle Stütze verliehen. Seine Angaben wurden von Kahn?) in vollem Umfange bestätigt. Nun fand schon Claude Bernard, dass der Erfolg des Zuckerstichs von dem Ernährungszustand des Versuchs- tiers wesentlich abhängt und speziell an einen gewissen Glykogen- reichtum der Leber gebunden ist. Da nun meine Versuche gezeigt haben, dass ein solehes nebennierenloses Tier sein Glykogen voll- kommen eingebüsst hat, so ist die Unwirksamkeit des Zuckerstichs vollauf erklärt; die Hypothese, dass der Reiz aus dem vierten Ventrikel über die Sympathieusbahn nicht der Leber, wie Claude Bernard gemeint hatte, sondern den Nebennieren zufliesse und von diesen erst der Anstoss zur Zuckermobilisation vermittelt werde, wird hierdurch vollkommen entbehrlich. — Dieselben Überlegungen gelten auch für den Mechanismus der Diuretinhyperelykämie, die bekanntlich nach dem Typus der Zuckerstichhyperglykämie verläuft. Nishi*), der die Bedeutung der Funktion der Nebennieren für das Zustandekommen der Diuretinelykosurie entdeckte, misst den 1) A. Mayer, Sur le mode d’action de la piküre dialectique. Röle des capsules surrenales. Compt. rend. de la societe de Biol. 1906 p. 1123. 2) Blum, Weitere Mitteilungen zur Lehre von dem Nebennierendiabetes. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 90 S. 628. 3) Kahn, Zur Frage nach der inneren Sekretion des chromaffinen Gewebes. 'Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 128 S. 519. 4) Nishi, Über den Mechanismus der Diuretinglykosurie. Arch. f. experim. Pharmakol. u. Therapie Bd. 61 S, 401. DA - Oswald Schwarz: Versuchen, in denen nach Durchtrennung der vom Splanchnicus zur Nebenniere ziehenden Nervenfasern die Diuretinapplikation unwirk- sam war, eine besondere Beweiskraft für die Hypothese über den Weg des glykosurischen Reizes zu. Meines Erachtens sind sie aber ‚keineswegs beweisender als die Versuche, in denen die Nebennieren exstirpiert worden waren, solange nicht das Verhalten des Leber- glykogens nach dieser Nervendurchtrennung untersucht ist; denn es. ist a priori keineswegs die Annahme von der Hand zu weisen, dass ein vollkommen enerviertes Organ einige Tage nach der Operation auch seine Funktion eingestellt hat. Weniger sicher lässt sich die Frage beantworten, ob die bei nebennierenlosen Hunden beobachtete Hypoglykämie mit dem Gly- kogenmangel in ursächlichem Zusammenhange steht. Zunächst muss festgehalten werden, dass die Hypoglykämie nach Nebennieren- exstirpation keineswegs eine konstante Folge dieses Eingriffs ist, da sie, wie bereits erwähnt, beim Kaninchen regelmässig vermisst wird. Es ist weiterhin nach dem Stande unserer heutigen Kennt- nisse keineswegs angängig, den Zuckergehalt des Blutes in lineare Abhängigkeit zu der Menge des Glykogens in der Leber zu setzen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass beide Grössen voneinander in. weitem Umfange unabhängige Funktionen des Gesamtkohlehydrat- stoffes sind, wie unter anderem ihr Verhalten nach Pankreasexstirpation. hinlänelich beweist. Speziell die Beobachtung, dass bei neben- nierenlosen Tieren (Kaninchen und Hunde) die Aderlasshyperglykämie prompt einsetzt, weist noch auf andere Quellen des Blutzuckers hin. Wenn es auch aus versuchstechnischen Gründen (vel. S. 266) nicht möglich war, die Toleranz nebennierenloser Ratten für Trauben- zucker auszuwerten, so lassen sich doch vielleicht gewisse Erfahrungen aus der menschlichen Pathologie zur Aufklärung dieser Verhältnisse heranziehen. Eppinger, Falta und Rudinger (l. c.) konnten nämlich bei drei Patienten mit Morbus Addisoni durch Zufuhr von 300 g Dextrose selbst nach subkutaner Injektion von 1 mg Adre- nalin keine alimentäre Glykosurie auslösen. Sie deuten diese Resul- tate dahin, dass die durch Insuffizienz des chromaffinen Systems bestehende Trägheit der Kohlehydratmobilisierung eine grössere Glykogenfestigkeit bei diesen Kranken bedingt. Meine Befunde lassen auch diese Tatsache in einem anderen Lichte erscheinen. Die Tatsache, dass ein Organismus bei Insuffizienz der Nebennieren nur Traubenzucker noch zu Glykogen umzuwandeln vermag, gibt Über Stoffwechselstörungen. nach der Exstirpation beider Nebennieren. 985 vielleicht den Hinweis für diese Erhöhung der Assimilationsgrenze für Traubenzucker: Man könnte sich nämlich vorstellen, dass ein solcher glykogenarmer Organismus dieses einzige ihm adäquate Kohlehydrat in grösserem Umfange verwertet als ein normaler, indem er es vornehmlich zur Kompensations eines Glykogendefizits heranzieht. Ein Versuch, meine Ergebnisse über die Ausfallserscheinungen im Stoffwechsel nach Entfernung beider Nebennieren in das System der Wechselwirkung der Drüsen mit innerer Sekretion einzureihen, hätte in erster Linie an die Beziehungen der Nebennieren zum Pankreas anzuknüpfen. Ein Vereleich des nebennieren- mit einem pankreaslosen Tier zeigt nun, wie bereits erwähnt, einen auffallenden Gegensatz der Ausfallserscheinungen: Das pankreaslose Tier nämlich kann nicht mehr aus Dextrose, wohl aber noch aus Lävulose Glykogen bilden; nach Nebennierenexstirpation hingegen bleibt das Vermögen der Glykogenbildung aus Dextrose voll er- halten, bei völliger Insuffizienz der Lävuloseverwertung. Es schafft also die Entfernung beider Nebennieren einen Zustand, der gleich- sam ein „Negativ“ darstellt zu den Folgeerscheinungen nach Ex- stirpation des Pankreas. Man könnte weiter versucht sein, die Ursache der Aglykogenie nebennierenloser Tiere in einer Umwandlung der Kohlehydrate in Fett statt in Glykogen zu suchen. Durch Untersuchungen der Leber nebennierenloser Ratten konnte jedoch diese Vermutung als unbegründet abgelehnt werden: Die Leber von drei Ratten, die 4, 6 und 9 Wochen die beiderseitige Epinephrectomie überlebt hatten, zeigte im mit Sudan gefärbten mikroskopischen Präparat keine Spur von Verfettung. Da der Abbau der Stärke bis zur Maltose bekannt- lich vorwiegend durch das amylolytische Ferment des Pankreas er- folgt, so könnte die Beobachtung über die mangelhafte Ausnützung der Stärkenahrung beim nebennierenlosen Tier vielleicht zu der An- nahme einer Insuffizienz des Pankreas führen. Es wurde nun darauf- hin auch das Pankreas der drei oben erwähnten Ratten histologisch untersucht. Die Langerhans’schen Zellenhaufen wie auch die "Aeini der Drüse waren normal; nur bei einem Tier fanden sich mehrere nekrotische Herde über das ganze Organ zerstreut. Aus diesem vereinzelten Befund können natürlich keinerlei Schlüsse ab- geleitet werden). 1) Ich danke dem liebenswürdigen Entgegenkommen des Herrn Prof. Joanno- vics eine kritische Durchsicht meiner Präparate. 1 286 Oswald Schwarz: Wenn wir zum Schlusse noch einmal zu der eingangs auf- geworfenen Frage nach der physiologischen Bedeutung des Adrenalins für den Ablauf des normalen Zuckerstoffwechsels zurückkehren, so: scheint es zweckmässig, zunächst noch einmal die Tatsachen zu rekapitulieren, die als Stütze für die Ansicht der zuckermobilisierenden Funktion des Adrenalins angeführt werden. 1. Claude Bernard erbrachte mit der Entdeckung, dass durch Reizung einer Stelle im Zentralnervensystem über die Bahn des Sympaticus eine Ausschüttung des Leberglykogens und weiterhin: Glykosurie erzielt werden könne, den ersten Beweis einer Ab- hängigkeit des Kohlehydratstoffwechsels vom Nervensystem. Diese Tatsache, zusammengehalten mit dem Umstande, dass das Adrenalin: die Endorgane. des Sympatieus erregt und bei subkutaner oder intra- venöser Applikation Glykosurie bewirkt, bildet den einzigen Hinweis für die Möglichkeit, dass das Adrenalin auch physiologisch bei der Regulierung des Kohlehydratstoffes eine Rolle spielt. Experimentell bewiesen schien diese Beziehung zum erstenmal durch die Be- obachtungen von Wiesel und Schur, dass Prozesse, die mit einem erhöhten Kohlehydratverbrauch einhergehen (Muskelarbeit) oder zu gewissen Veränderungen des zentralen Nervensystems führen (Narkose), bei längerer Dauer das Adrenalin produzierende Gewebe erschöpften. Eine gründliche Nachprüfung dieser Angaben durch Kahn (l. c.) ergab nun, dass dieser postulierte Zusammen- hang zwischen Adrenalinproduktion und Kohlehydratstoffwechsel sich nicht in allen Fällen nachweisen liess. 2. Weiter wurde die Beobachtung, dass die Adrenalinglykosurie das Leberglykogen bald zum Schwinden bringt, als Stütze dieser Auffassung herangezogen. Nun hat aber das Adrenalin diese Eigen- schaft mit fast allen glykosurieerzeugenden Giften gemein,. und andererseits spricht die Tatsache, dass auch im pankreaslosen Tier, dessen Leber als vollkommen glykogenfrei gelten kann, das Adre- nalin seine glykosurische Wirkung voll erhalten hat, entschieden gegen die Annahme des Glykogens als alleiniger Quelle für den im Adrenalindiabetes ausgeschiedenen Zucker. 3. Die Versuche von Eppinger, Falta und Rudinger über das Verhalten des Phloridzins im nebennierenlosen Organismus haben: durch meine Erfahrungen an nebennierenlosen Ratten wesentlich an. Beweiskraft eingebüsst. RR 4. Als Experimentum erueis zur Entscheidung der Frage nach Über Stoffwechselstörungen nach der Exstirpation beider Nebennieren. 287 den Beziehungen des Adrenalins zum Glykogenbestande der Leber müssen, wie an früherer Stelle näher ausgeführt wurde, die Versuche über das Verhalten des Leberglykogens im nebennierenlosen Tiere selten: Das Resultat dieser Versuche war dem nach der Tbeorie zu erwartenden gerade entgegengesetzt. Aus dieser Zusammen- stellung erhellt zur Genüge, dass die Annahme einer zuckermobilisierenden Funktion des Adrenalins, so wie sie bisher ohne jegliche direkte experimentelle Grundlage angenommen wurde, nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. In jüngster Zeit wurde das Wirkungsbereich des Adrenalins. noch bedeutend erweitert: Neben seiner Aufgabe, aus dem Leber- glykogen Zucker zu mobilisieren, soll es auch noch umgekehrt die Polymerisation von Zucker zu Glykogen beherrschen. Als vornehmste- Stütze dieser Lehre dienen Untersuchungen von L. Pollak'!), „Uber die Wirkung des Adrenalins bei glykogenfreien Tieren“, in denen er die Beobachtung mitteilt, dass mehrmalige Adrenalininjektionen bei Kaninchen, die durch Strychnin praktisch glykogenfrei gemacht waren, zu einer recht beträchtlichen Glykogenanhäufung in der Leber führen. Obzwar der Autor selbst es unterlässt, aus diesen inter- essanten Befunden theoretische Schlüsse abzuleiten, werden seine An- gaben von mancher Seite (Porges) in obenerwähntem Sinne gedeutet. Abgesehen davon, dass es nicht angängig ist, die Folgen subkutaner Adrenalininjektionen ohne weiters mit seiner hypothetischen Funktion. im Organismus zu identifizieren, müsste die Berechtigung zu obiger Schlussfolgerung durch den Beweis erbracht werden, dass diese Glykogenanhäufung für die Adrenalinwirkung spezifisch sei. Nun hat aber Pflüger in seiner letzten Arbeit noch gezeigt, dass auch. das Phloridzin, das doch bis dahin für ein exquisites Mittel galt, um Tiere glykogenfrei zu machen, in gewissen Phasen der Vergiftung zu einer bedeutenden Glykogenanreicherung in der Leber führt. Wie: sehr auch sicherlich der Mechanismus der glykosurischen Wirkung des- Phloridzins von dem des Adrenalins verschieden ist, so ist doch beiden. Giften gemeinsam, dass sie im hungernden Tiere, das auf seine eigene Körpersubstanz als Quelle für den im Harn ausgeschiedenen Zucker angewiesen ist, zu einer hervorragenden Steigerung der 1) L. Pollak, Experimentelle Studien über Adrenalindiabetes. Arch. f.. experim. Pharmakol. u. Therapie Bd. 61 S. 149. 288 Oswald Schwarz: Über Stoffwechselstörungen etc. Stiekstoffausfuhr führen. Es sind im hiesigen Laboratorium Ver- suche im Gange, die untersuchen sollen, wieweit dieser Eiweissabbau zu einer Aufklärung der Beziehungen des Adrenalins zum Kohle- hydratstoffwechsel herangezogen werden kann. Nach der ersten Mitteilung meiner Befunde über die Aglyko- senie nebennierenloser Ratten in der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Ärzte in Wien vom 17. Dezember 1909 erschien eine Arbeit von OÖ. Porges!) über das Verhalten des Blutzuckers bei neben- nierenlosen Hunden, in der er beiläufig erwähnte, dass bei einem Hunde eine Reduktion des Leberglykogens zu konstatieren war. Vor kurzem publizierte er nun Versuche über das Verhalten des Leberglykogens bei Hunden nach Exstirpation beider Nebennieren, deren Ergebnisse mit meinen ursprünglichen Angaben übereinstimmen. Mit Rücksicht aber auf die prinzipiellen Bedenken gegen die Ver- wendung von Hunden zu diesen Versuchen vermisst man in dieser Arbeit jeden Beweis für die spezifische Natur des Glykogenschwundes, der um so mehr hätte erbracht werden müssen, da die Tiere kaum 24 Stunden die Operation überlebten, und in drei Fällen die Leber erst mehrere Stunden nach dem Tode der Versuchstiere untersucht werden konnte. 1) 0. Porges, Zur Pathologie des Morbus Addison. II. Über Glykogen- schwund nach doppelseitiger Nebennierenexstirpation bei Hunden. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 70. S. 243. ; 289 (Aus dem Tierphysiologischen Institut der Landwirtsch. Hochschule zu Berlin.) Beiträge zur Analyse der Cholinwirkung. Von Franz Müller, Berlin. (Mit 15 Textfiguren.) Im Verlauf der kürzlich!) mitgeteilten Versuche über die Wirkung sicher ganz reinen Cholins (von E. Abderhalden dar- gestellt) machte sich das Bedürfnis mehr und mehr geltend, die Wirkung des Cholins auf den Kreislauf recht eingehend kennen zu lernen. Es hatte sich gezeigt, dass auch das aufs beste gereinigte Cholin in der grössten Mehrzahl der Fälle (über 100 mal) eine reine Blutdrucksenkung zur Folge hat. Eine Drucksteigerung (3 mal) war die Folge sensibler Reizung oder Ähnliches. Merck’s Cholin wirkte genau so wie das frisch dargestellte Produkt. Ich war daher berechtigt, für die folgenden Versuche das Merck’sche Cholin ausser dem frisch aus dem Goldsalz dargestellten Cholin zu verwerten. Die Lösungen wurden aber stets erst während des Versuchs frisch angefertigt und auch die angebrauchten Tuben (1 g) sofort wieder luftdicht verschlossen, vor Licht geschützt aufbewahrt und nicht länger als ea. 1 Woche gebraucht. I. Die Ursachen der Bintdrucksenkung. Es fragte sich zunächst: Ist die Senkung die Folge einer Herz- schädigung oder einer Gefässerweiterung in der Peripherie oder durch beide Faktoren gemeinsam bedingt? Mott und Halliburton?) sind der Ansicht, dass letzteres der Fall ist, und dass die Dilatation wahrscheinlich vornehmlich die DE. Abderhalden und Franz Müller, Die Blutdruckwirkung des reinen Cholins. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 65 S. 420. 1910, und Berl. physiol. Ges. 6. Mai 1910. Sitzber. in Mediz. Klinik 1910 Nr. 22 mit Kurven. 2) F. W. Mott and H. D. Halliburton, The physiol. action of choline and neurine. Proc. Roy. Soc. London vol. 141 p. 211. 1899. — W.D. Halli- burton, Ergebnisse der Physiologie Bd. 4 S. 65. 1905. Pflüger’s Archiv für Physiologie Bd. 134. 20 290 Franz Müller: Darmgefässe betrifft, während die Nieren- und Extremitätenregion nur passiv beteiligt seien; auch die Hirngefässe würden nur indirekt beeinflusst. Meine eigenen auf ein Material von etwa 40 Tieren sich . stützenden Versuche), in denen bei dem einzelnen Tier mindestens vier, meist aber mehr als sechs intravenöse Injektionen mit steigen- den Cholinmengen gemacht wurden?), ergaben für Katzen und Hunde einerseits, für. Kaninchen andererseits etwas verschiedene Resultate. Um die Beeinflussung des Zirkulationssystems klar und eindeutig, unkompliziert durch Änderungen der Atmung, hervor- treten zu lassen, wurden die Tiere meist mit Urethan narkotisiert und dann unter künstlicher Atmung eine Chloroform-Äthermischung oder reiner Äther der einzuatmenden Luft beigemischt. In einigen Fällen wurde auch das Tier ohne Narkose durch partielle oder totale hohe Rückenmarkdurchschneidung immobilisiert. BANG IBTFINTENBLLTONERTPERGERGETELUSTUEEUGEREBRULBERTULGESEUTULEES VENERR] Kurve 1. a) Die Wirkung des Cholins auf die Atmuns. Die Änderung der Atmung interessiert uns hier nur in zweiter Linie. Beim ätherisierten Kaninchen tritt nach Injektion von etwa 20 mg Cholinchlorhydrat pro Kilogramm ein kurz dauernder Atem- stillstand auf, wie Kurve 1 illustriert: Wir sehen an der aus der Luft- röhre mittelst Seitenabzweigung, zwischengeschalteter Atemflasche und Marey’schen Tambours geschriebenen Atemkurve den Atemstill- stand, darunter die Blutdrucksenkung (Gad-Cowl-Blutwellenschreiber, . 1) Das Cholinmaterial zu diesen Versuchen wurde mir von Herrn Professor E. Abderhalden in der liebenswürdigsten Weise zur Verfügung gestellt. Ich danke ihm dafür herzlich. 2) Die beim gleichen Tier wiederholten Injektionen hatten immer den gleichen Erfolg, wie die erste Dosis. Dies muss im Widerspruch zu G. Modrakowski (Pflüger’s Arch. Bd. 124 S. 601. 1908) betont werden. Auch L. B. Mendel und F. B. Underhill widersprechen Modrakowski’s Angabe (Zentralbl. f. Physiol. Jahrg. 24 Nr. 7. 1910.: 24. Juni 1910). Beiträge zur Analyse der Cholinwirkung. 291 27 mg Cholin pro kg. Die Zeitmarke gibt immer Sekunden an.) ‚Der, wie ich fand, auf Cholin sonst viel feiner als das- Kaninchen reagierende Hund zeigt nach Dosen, die bei ihm die Zirkulation schon sehr stark beeinflussen, im Gegensatz zum Kaninchen keine starke Veränderung der Atmung (siehe Kurve 5 und 6). Dosis: 1,3 und 4,2 mg pro Kilogramm. Über die Wirkung höherer Dosen auf die Atmung des Hundes besitze ich keine eigenen Erfahrungen. Gaehtgens!) gibt an, dass Mengen von 0,05 bis 0,2 g auch bei Hunden: und Katzen Atemstillstand hervorrufen, der unter Umständen den Tod herbeiführt. Kurve 2. Bei Kaninchen muss also für die Untersuchung der Kreislauf- wirkung die Atembeeinflussung berücksichtigt werden. Sonst kann schon leichte Dyspnöe eine Drucksteigerung vortäuschen. b) Die Wirkung des Cholins auf das Herz. Wenn wir uns jetzt mit dem Zirkulationssystem näher beschäftigen, so soll zuerst die direkte Wirkung aufdas Herz betrachtet werden. Wir sehen bei Katzen von 10 mg pro kg an aufwärts gleich- 1) Gaehtgens (1370) sah nach 50—200 mg bei Kaninchen, Katze, Hund Atemstillstand (Schmiedeberg, Lehrb. d. Pharmakologie S. 87). 20 * 292 Franz Müller: zeitig mit dem Sinken des Blutdrucks eine geringe Verlangsamung des Pulses. So ging z. B. (Versuch 14) die Pulszahl von 168 auf 150, während der Blutdruck von 100 auf 57 fiel. Die Vagi waren dabei durehschnitten, so dass die Verlangsamung ihren Sitz nur im Herzen selbst haben kann. Das Herzvolumen, gemessen im Herzonkometer, steigt nach minimal wirksamen Dosen von 5 bis 10 mg pro kg teils wenig, teils deutlich diastolisch an, während der Blutdruck auf etwa die Hälfte herabsinkt. Ein Beispiel gibt Fig. 2. Man sieht bei künstlicher Atmung oben den vorübergehenden Anstieg des Herzvolumens, dar- Konslahen Ahnung Ä pbantulluldolbahh Lu ll) ya NENEIEINNANDEANANII MINI MI Mh a NIIRUMTMINCRNIN LQ2s>oeLooreer BR : = rs NT Fu EU MEN A N ! a DENE ! EEE U Me NREERRAREE Se ef BEE BAR: “ “ \ RE ER RE Ar ZZ 7 hohin Kurve 3. unter erst Fall, dann Anstieg des Beinvolumens!), endlich eine starke Blutdrucksenkung (Quecksilbermanometer, Blutdruck von 94 auf 52 mm gefallen, Zeit in Sekunden). Auch nach Atropininjektion (4 mg pro Kilogramm) und zwar sofort nach der Injektion, bewirkt Cholin einen Anstieg des Herzvolumens, während der Blutdruck jetzt aber stark ansteigt (siehe Kurve 3)?). Das Ansteigen nach der diastolischen Seite hin, die vermehrte Füllung des Herzens, beweist, wenn der Aortendruck gleichzeitig sinkt (Kurve 2), meines Erachtens mit Sicher- heit eine akute Stauung im Herzen. Steigt der Druck an (Kurve 5), 1) Die Zacke ist durch Muskelzuckungen beim tief narkotisierten, ruhig liegenden Tier entstanden (s. folg. S. 309 Zeile 2). 2) Blutdruck. stieg von 53 auf 87 mm. Beiträge zur Analyse der Cholinwirkung. 293 so kann auch eine Gefässverengerung in der Peripherie relative Insuffizienz. des. Herzmuskels hervorrufen. Doch spricht die. auch nach Vagusdurchschneidung oft vorhandene Pulsverlangsamung, zumal wenn Atropin die Vagusinnervationsgebiete im Herzmuskel gelähmt hat, dafür, dass Cholin bei Katzen schon in minimal wirksamen Dosen auf Gebiete im Herzmuskel lähmend wirkt, die peripherer als die Vagusendigungen liegen. Die Erklärung wird sich sicherer auf elektrographischem Wege finden lassen. Vielleicht erzeugen wir durch Cholin vorübergehend Ausbleiben der Reize vom Vorhof aus, und haben dann eine von den Vorhöfen unabhängige Kammertätig- keit, wie es in einer soeben erschienenen, sehr interessanten Arbeit!) bmg. Cholin. | Kurve 4. von Rothberger und Winterberg für Muskarin, Physostigmin u. a. festgestellt worden ist. Bei Kaninchen ist die Herzwirkung deutlicher ausgesprochen: Dosen von 11 bis 30 mg?) bewirken vor und nach Vagusdurch- schneidung, vor und nach Atropininjektion, eine Verlangsamung des Pulses. Sie kann verschwinden, wenn künstliche Atmung eingeleitet wird, vorausgesetzt, dass die Cholinmenge unter 20 mg!) liegt. Aber schon bei diesen kleinsten Dosen, deutlicher bei den grösseren, wird der Herzschlag oft unregelmässig. Ein Beispiel der Verlang- samung bieten Kurve 1 und 4. Der Druck sinkt in Kurve 4 von 85 1) Pflüger’s Arch. Bd. 132, S. 233. 1910. 2) Die Dosen sind ausnahmslos pro Kilogramm Körpergewicht zu verstehen. 294 Franz Müller: bis 65 mm, die Pulszahl von 162 auf 54 Schläge pro Minute und bleibt so langsam, obwohl künstliche Atmung mit reiner Luft ohne Narkotikum eingeleitet wird. In einem anderen Fall nahm die Pulszahl nach Vagusdurchschneidung und Injektion von 27 mg Cholin bei künstlicher Atmung von 150 auf 120 ab ‘(Druck 57. .auf 29 mm). Bei tiefstehendem Druck betrug die Pulszahl eine Zeit- lang 114 pro Minute und war nach 15 Minuten ebenso wie der Druck wieder zur normalen Zahl zurückgekehrt. Dasselbe Tier bekam kurz darauf 2 mg (pro kg) Atropin und sofort: danach die gleiche Menge Cholin wie zuvor. Der Druck sank nun von 91 auf 70: mm, die Pulszahl von 192 auf 159 Schläge pro Minute. Bein- i volumen iresEE Speichel- | absonderung # | INN Zamg, Chalin Kurve 5. :. Zum Vergleich mit den später zu . besprechenden Versuchen am isolierten Darm und Uterus wäre es wünschenswert gewesen, die Herzwirkung eingehender zu’ analysieren. Da diese Frage aber, wie ich hörte, von anderer Seite in Angriff genommen ist, verzichtete ich auf eine Weiterführung. Meine Versuche zeigen, dass die Pulsverlangsamung durch Cholin beim Kaninehen ohne künstliche Atmung zum Teil die Folge dys- pnoischer Vagusreizung sein kann. Aber auch bei künstlicher Venti- lation und immer bei Katzen und Hunden verlangsamt Cholin den Herzschlag. Es greift an Gebieten an, die vom Vagus unabhängig sind und durch kleine Atropindosen nicht beeinflusst werden. Beiträge zur Analyse der Cholinwirkung, 295 c) Die peripherischen Gefässgebiete. | Mit Beginn der Blutdrucksenkung beginnt bei Katzen und Hunden oft gleichzeitig, oft auch nach anfänglicher Senkung, bei Dann nn ern HET, Fi 6 k2 mg. Cholin. un Kurve 6. Künstliche Atmung BE Beinvolumen ll 14 ILLITE u: VORN WTORPEUIVROESURRR IE ne hi Blutdruck — DLLLIEITTTPITTTITEISTTUEITTTIETLLGOSTTTSETETTTTHTITTTERITITSTTTERTTOTLITTTTSTTEEITTTITEUTHENTTTELTTTHTIRTTNT Kurve 7. der die Pulse nicht nachweislich kleiner werden, eine Erweiterung der Extremitätengefässe. So haben wir auf Kurve 2 ein deutliches Ansteigen des Bein- volumens mit geringem Grösserwerden der Pulse. es tritt beim Hund in noch viel klarerer Weise hervor (s. Kurve 5, 6,7, Die Kurven 296 Franz Müller: zeigen ferner den Einfluss der Cholins auf die Speichelabsonderung, Ss. 8. 307). Die Zunahme des Beinvolumens erfolgt auf Kurve 6 und 7 im Anschluss an eine deutliche Abnahme des Volumens. Auf Kurve 5 ist das Absinken weniger deutlich, aber auch vorhanden. Da es ohne Kleinerwerden der Beinpulse verläuft, beruht es nicht auf einer Vasokonstriktion im Bein, sondern ist passiv durch die Herzwirkung des Cholins oder eine gleichzeitig in anderen grossen Gefässgebieten einsetzende Erweiterung hervorgerufen. Eine solche mit Zunahme der Pulse einhergehende gleichzeitige Erweiterung anderer Organgebiete habe ich aber nicht gefunden, es muss daher die Herzschädigung allein als Ursache der primären Senkung angesprochen werden. P J u" Hat AT Ra Reh Ye h 18 E “all ne rg Rn } at LM ; ; EN N N s ER | His mg. Cholin auf 90c Ningerlösung : Lhisl-dferstellen dreh EIG TEE Kurve 9. Die Zunahme des Beinvolumens ist sicher die Folge einer Gefässerweiterung im Bein, da die Pulse stark anwachsen. Ihr An- sriffspunkt liegt in der Peripherie, wie die Wirkung des Cholins auf die überlebenden Beingefässe des toten Tieres zeigt. Auf Kurve 9 sieht man den Anstieg des mittels Volumschreibers registrierten Auswurf- volumens: die Pulse zeigen die Arbeit der Druck-Saug-Pumpe des Durchspülungsapparates an. Ein Anstieg bedeutet ceteris paribus Erweiterung der Strombahn des Beines post mortem. Beim Kaninchen ist die Herzschädigung so bedeutend und als Folge davon das Herzschlagvolumen so stark verkleinert, dass das Beinvolumen nur sinkt. Eine Zunahme der Pulse ist nicht immer mit Sicherheit zu konstatieren, wenn man auch bisweilen den Eindruck hat, dass sie vorhanden ist (s. Kurve 4). Die Veränderung in der Bauchregion unter dem Einfluss des Cholins gestaltet sich folgendermaassen: Bei Katzen haben die kleinst wirksamen Dosen, die den Blut- druck schon um etwa 15—20 mm herabsetzen, entweder keinen Einfluss auf das im Onkometer eingeschlossene Dünndarmstück, oder Beiträge zur Analyse der Cholinwirkung. 297 das Volumen sinkt ein wenig, sobald der. Blutdruck sinkt (5—6 mg Cholin pro Kilogramm). . Dasselbe beobachtet man,. wenn man eine Dünndarmschlinge mit warmer Kochsalzlösung in corpore füllt und das Darmlumen mit einem Schreiber verbindet (Versuch XXI). Da Cholin den Tonus der Darmmuskulatur erhöht (s. folg. S. 299), dürfte dies Absinken also eine Folge der Luftkompression in den an beiden Seiten abgebundenen, in der Onkometerkapsel befindlichen Darm- schlingen sein. Nach etwas grösseren Dosen folgt auf das der Blut- drucksenkung stets synchrone Absinken eine Volumzunahme, bei der auch die Pulsamplitudenzunahme meist nicht fehlt. Bei Hunden Z: Img Cholin IBBESBRGLTERDISBTUTLESDTEESEUERARSSTTSEBTLSTUSEGBEBLSORSETEURBESERETSSSLENSUSTOLLUSETGEERLUOLESEEAULLDERREUTSDRRERURUUTSUERERTORRNGHRDERORDTELKRUTODENDULENSIERDELBENTITSLTRUSUDILEEUSULEEDRUUDEUETUAERDELEATEITE) Kurve 10. sind die Verhältnisse genau ebenso, nur sind die erforderlichen Cholindosen kleiner (s. Kurve 10 nach 1,5 mg pro kg). Mott und Halliburton hatten, wie schon erwähnt, aus ihren plethysmographischen Versuchen geschlossen, dass die Blutdruck- senkung durch Darmgefässdilatation erzeugt werde, und dass die Extremitäten nur passiv beteiligt seien. Auch in einer ganz kürzlich erschienenen Mitteilung von Pal!) wird behauptet, Cholin wirke auf das Splanchnieusgebiet vasokonstriktorisch. Meine Erfahrungen und die hier abgebildeten Kurven zeigen aber, dass dies jedenfalls nicht die Regel ist. Die Abnahme des Beinvolumens dürfte, wie gesagt, passiv durch Blutstauung im Herzen und verringerte Blutfülle der Peripherie bedingt sein. Die sich daran anschliessende Z u nahme des Volumens und das Grösserwerden der Pulse erfolgt beim Bein 1) J. Pal, Zur Kenntnis der Cholinwirkung. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 24 Sal. 1910: 298 Franz Müller: schon nach sehr kleinen Cholindosen ohne gleichzeitige Abnahme der Darmpulse, oder die Pulse steigen sogar in Bein und Darm gleich- zeitig an. Eine aktive Gefässerweiterung ist also sicher bei beiden vorhanden. u Ein Bild, wie reine Darmgefässerweiterung ohne Herzschädigung („Splanehnieusreizung“) sich dagegen bei gleicher Methodik darstellt, bietet eine „Pepton“injektion: Dem gleichen Hund, von dem Kurve 10: stammt, wurde 0,1 g Seidenpepton zwischen mehreren Cholininjektionen gegeben. Im Moment des Absinkens des Druckes beginnt das Darm- volumen sofort ohne Abfall anzusteigen, so dass hier an dem kausalen. STEIN a DEOBR | Kurve 14. Zusammenhang von Darmgefässerweiterung und Drucksenkung kein. Zweifel besteht. Vergleicht man dies Verhalten mit Kurve 10, so kann man nicht im Zweifel sein, dass der Mechanismus der Blutdrucksenkung durch Cholin ein anderer ist als bei reiner Splanchnieuswirkung.. Übrigens finden sich in den Versuchen von Mott und Halliburton zwar einige, bei denen der Anstieg des Darmvolumens dem Fallen des- Drucks genau synchron verläuft, so dass wohl bisweilen die Gefäss- erweiterung im Bauch so stark sein mag, dass sie eine passive Blut- zunahme im Bein herbeiführt. Aber auch für eine aktive Erweiterung der Beingefässe lassen sich aus ihren Versuchen Beispiele anführen. So zeigt ihre Kurve 26 eine sehr deutliche Zunahme der Beinpulse. Die Wirkung auf die Nierengefässe habe ich nicht weiter unter- sucht, da die Versuche von Mott und Halliburton für eine aktive Erweiterung deutliche Beispiele bringen (vgl. ihre Kurve 24). Das. Beiträge zur Analyse der Cholinwirkung. 299 Bild entspricht durchaus dem beim Bein. Dagegen habe ich eine- Erweiterung der Gehirngefässe mit Hilfe des Roy-Gott- lieb’schen Hirn-Onkometers mit Sicherheit nachweisen können. Kurve 14 weist nach der Injektion eine Zunahme mit deutlicher Steigerung der Pulshöhen auf. Ob hier die Volumzunahme eine Folge der Stauung im Herzen oder auch aktiver, primärer Gefäss- erweiterung im Gehirn ist, mag dahingestellt bleiben. Es war nur mit Rücksicht auf einige Angaben in der Literatur von Interesse, zu zeigen, dass Hirnanämie nach solehen Cholindosen nicht eintritt,. die schon Zuckungen in den Extremitäten, Tränen- und Speichel- fluss u. a. hervorrufen. Die Drüsensekretion ist daher hier keine- Folge von Hirnanämie ). ; II. Die Wirkung des Cholins auf glatte Muskeln. a) Isolierter Darm und Uterus. Cholin erhöht, wie schon Lohmann gefunden?), am plexus- haltigen Dünndarm der Katze den Tonus. Dasselbe findet man am Uterus. Im ersten Fall wirken Mengen von 0,01, im zweiten von. 0,001 auf 80 cem Ringer-Lösung. Wie Kurve 15 und 16 zeigt, sind die Spontankontraktionen auf dem hohen Tonusniveau niedriger als zuvor. Mit Rücksicht auf den Angriffspunkt war die Wirkung des Cholins auf den nach Magnus’scher Methode plexusfrei gemachten Darm zu untersuchen: Nach einiger Einübung gelang es unschwer, die Ringmuskulatur von der Längsmuskulatur zu lösen und nach Be- streichen mit einem Kristall von Argentum nitricum Stücke zu er- halten, die keine Spontankontraktionen mehr aufwiesen. Dagegen war, wie Kurve 17 zeigt, der Dehnungsreiz stark wirksam. Solche Stücke zeigen nun ein Auftreten von rhythmischen Kontraktionen nach Cholin. Dass in der Tat der Plexus entfernt war, ergibt sich aus dem Resultat der später beobachteten Physostigminwirkung (s. Kurve 17).. Magnus hat beobachtet), dass am plexusfreien Darmstück Muskarin unwirksam ist, Pilokarpin dagegen eine glatte Dauerkontrak- tion und Physostigmin rhythmische Kontraktionen hervorruft. Das. _ DL. Popielski, Pflüger’s Arch. Bd. 126 8.483. 1909, behauptet es. für Witte-Pepton. 2) A. Lohmann, Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 203. 1904. 9) R. Magnus: Pflüger’s Archiv Bd. 118 S. 1. 1905. 300 Franz Müller: auf Kurve 17 abgebildete Resultat ist etwas anders. Wir haben nach Physostigmin nur eine reine Kontraktur. Magnus macht darauf aufmerksam, dass man sich bei Mitteln, die am plexusfreien Präparat rhythmische Zuckungen hervorrufen, also wie Cholin, bezüglich des ‚Angrifispunktes, sei es am Plexus selbst oder am peripheren nervösen Kurve 15. Kurve 16. Apparat, nicht auf demselben sicheren Boden bewegt wie etwa bei Muskarin, das nur am plexushaltigen Darm wirkt. Trotzdem macht es unser Versuch mit Cholin wenigstens sehr wahrscheinlich, dass dieses Gift nicht allein am Plexus angreift; dagegen bleibt es un- entschieden, ob es allein die periphersten Gebilde, die Muskulatur ‚oder auch nervöse Elemente in ihr, beeinflusst. Beiträge zur Analyse der Cholinwirkung. 301 Das in Kurve 17 abgebildete Resultat wurde aber durchaus nicht immer erhalten. Es fanden sich mehrfach Präparate, die zwar auf den Dehnungsreiz gut reagierten, aber durch Cholin nicht in rhyth- mische Zuckungen versetzt wurden. Bisweilen auch trat nach Cholin eine kurze 'Tonuszunahme ein, an die sich leichte rhythmische: Zuckungen anschlossen. Wenn Cholin nieht wirkte, so wirkte meist auch Pilokarpin nicht. Chlorbaryum dagegen war stets im Sinne: enormer Tonuszunahme wirksam. INAnan As cnanan ala Kurve 17. Wie schon in anderem Zusammenhang hervorgehoben '), wirkt: Adrenalin gerade entgegengesetzt wie Cholin. Das hat A. Loh- mann für den Blutdruck, den plexushaltigen Darm sowie den Herz- muskel gefunden. Kurve 15 und 16 zeigen es für den isolierten. Darm und Uterus. Der Tonusfall und die Abnahme der Kontraktionen durch Adrenalin nach Cholin treten aber auch am plexusfreien Darm- stück ein. Die gleiche hemmende Wirkung des Suprarenins hat Magnus nach Pilokarpin und nach Strophanthin beobachtet, während Suprarenin allein sonst am plexusfreien Stück keine sichtbare Wirkung entfaltet. Unser Befund ist ein weiterer Hinweis darauf, dass- das Suprarenin seinen Angriffspunkt peripher vom Auerbach’schen. Plexus hat. 1) E. Abderhalden und Franz Müller, . c. -302 Franz Müller: b) Versuche an dem isolierten Irismuskel der Katze. Am exstirpierten Katzenauge, am bequemsten nach Entfernung -der hinteren Teile des Auges, erzeugt Cholin in 1°/oiger Lösung fast sofort maximale Miosis, in 0,1 °/oiger ist sie nach 2—3 Minuten ‘voll entwickelt. Bringt man ein solehes Auge in 0,05—0,1 /oige ‚Atropinlösung, so wird die Pupille weiter, während sie in reiner Ringer-Lösung noch längere Zeit eng bleibt. Atropin unter 0,1/o ‘verhindert die folgende Wirkung von Cholin nicht völlig, dagegen ‘bleibt die Pupille nach 0,1 Atropin und Abspülen in Ringer- ‚Lösung in 0,1 oder 1°/o Cholin weit (Versuch D—G). Die Cholinwirkung ist der des Physostigmin sehr ähnlich: In 0,1°/o Physostigmin (auf 100 „Ringer“) ist die Miosis nach -wenigen Minuten sehr deutlich oder maximal. Übertragen in reine Ringer-Lösung bewirkt bisweilen nach 10 Minuten geringe Er- weiterung, doch nicht zur ursprünglichen Weite. 1. Suprareninum -synth. in Verdünnung 1 zu 100000 erzeugt dann sofort maximale Mydriasis. Ebenso wird nun auch die Cholinmiosis durch Suprarenin auf- gehoben, andererseits die Suprareninmydriasis durch Cholin oder Physostigmin verringert. Es herrscht zwischen Cholin und Suprarenin ‚auch hier sogenannter „doppelseitiger Antagonismus“, den wir, wie erwähnt, auch am Blutdruck, dem Darm, Uterus und isolierten Herzen ‘haben (Versuch A—C) }). Beispiele. Die isolierte Iris liegt in 10 ccem Ringer-Lösung (R.). Beimischung von: 1 cem 1°oiger Cholinlösung (Ch.), also Verdünnung zu 1:1000 Cholin (ch.). l ccm 1:1000 Suprarenin (S), also Verdünnung zu 1:10000 Suprarenin (r.). 0,1 ccm 1:1000 Suprarenin (S), also Verdünnung zu 1: 100000 Suprarenin (s.). Versuch A. a) In ch.: Pupille (P) sofort max. eng. b) In R.: P., Spalt von 1 mm Weite. c) In r.: P. sofort weiter, bald max. weit. d) In ch.: P. enger, doch nicht spaltförmig. 1) A. Lohmann, Pflüger’s Arch. Bd, 118 $. 215. 1907, und Bd. 122 8.203, 1908. Beiträge zur Analyse der Cholinwirkung. 303 Versuch B. a)’ In s.: P. nach 1 Min. max. weit. b) Nach 2 Min. in ch.: P. nach 30 Sek. enger, nach 3 Min noch mehr. c) Nach 4 Min. in s.: P. nach 40 Sek. langsam sich erweiternd. »„ 6 Min. noch zunehmend. ( » 7 ” b) BD) „ . 10/2 Min. wieder etwas enger. Versuch C. “ a) In s.: P. nach 10 Sek. weiter, nach 1 Min. max. b) In ch. nach 4 Min.: P, nach 1 Min. unverändert. ; 2 „ enger, nach 15 Min. so eng wie vor ' Bo Beginn des Versuches. ‚ ec) In s. nach 15 Min.: P. nach 5 Min. max. weit. ‚ d) In ch. nach 5 Min.: P. nach 10 Min. enger, nach 15 Min. noch enger. “ e) In s. nach 20 Min.: P. sofort wieder weiter. Versuch D. a) In ch.: P. nach 21/2 Min. max. eng. b) Nach 12 Min. in R.: P. unverändert. c) In 0,05% Atropin nach 1 Min.: P. nach 1 Min. weiter, nach 5 Min. ebenso. d) In ch. nach 7 Min.: P. nach 6 Min. unverändert, e) In Ch. sofort darauf: P. bleibt so weit. Versuch E, a) In 0,1°/o Atropin: P. nach 2 Min. mittelweit, nach 12 Min, ebenso. b) In R.: P. nach 16 Min. unverändert mittelweit. c) In 0,01% Cholin: P. nach 15 Min. unverändert mittelweit, d) In Ch.: P. nach 10 Min. unverändert mittelweit. Versuch F. a) In 0,08°%o Atropin: P. wird und bleibt mittelweit. b) In Ch.: P. wird ganz eng, strichförmig. c) In 0,08 Atropin: P. wird langsam wieder mittelweit. Versuch G. . a) In ch.: P. nach 2"/s Min., spaltförmig. . b) In 0,08% Atropin: P. wird kreisrund, mittelweit. ec) In ch.: P. wird langsam schmäler, länglich, dann wieder allmählich kreis- rund, weiter, <) Versuche am künstlich durchspülten Gefässsystem. Mott und Halliburton (l. e.) hatten gefunden, dass Cholin nach vorheriger Atropininjektion nicht mehr den Blutdruck herab- setzt, sondern stark in die Höhe treibt. Die Tatsache ist von allen über Cholin arbeitenden Forschern ausnahmslos bestätigt!), auch 1) Reid Hunt, Note on the blood-pressure lowering body in the suprarenal gland. Americ. Journ. of Physiol. vol. 3 p. XVII. 1900, ..und vol.5 p. VI. — 304 Franz Müller: von mir stets gefunden worden. Merkwürdig ist dabei, dass schon sehr kleine Atropinmengen diese Umkehrung herbeiführen. Die Gründe der Atropinumkehrung sind bisher noch nicht erforscht worden. Ausschaltung von Einflüssen seitens des Vagus ist sehr unwahrscheinlich. Tritt doch die Drucksenkung durch Cholin, wie betont, ganz unverändert auch nach Vagusdurchschneidung ein, und ist doch die Wirkung auf das Herzvolumen auch nach Atropin unverändert vorhanden, ebenso wie die periphere Gefässerweiterung rein ‚peripher bedingt ist. Nun ist schon an anderer Stelle gezeigt worden (l. c.), dass Cholin in Ausnahmefällen (unter mehr als 100 Fällen nur einmal in drei Injektionen am gleichen Hund mit partiell zerstörtem Halsmark) Yesuch ZI Kae Bancerohspileng Kingerfosuing Moore Druck OT 79 rg RE VE TR NS - ı os \ Nr . fe oo * = Iedhe ©. ! Urn oalı Nauen Kurve 19. auch ohne Atropin eine starke: Dinolsteiebmae hervorruft, die nicht durch Unruhe des zu schwach betäubten Tieres oder durch Durchbrechung der Narkose durch Cholin, nicht durch unwillkürliche Muskelzuekungen oder ähnliches, "wie sonst in einigen Fällen, erklärt werden konnte. Das Tier lag vielmehr ganz ruhig (Rückmark durch- trennt), und der Druck stieg nach 4, dann 7, dann 11 mg Cholin. pro Kilogramm jedesmal ‘von ‚etwa 62 auf 96 mm an). Die ple- thysmographische Untersuchung zeigte dabei, dass die Drucksteigerung infolge peripherer starker Vasokonstriktion eintrat (Darm und Bein), C. Schwarz und R. Lederer, Über das Vorkommen von Cholin in Thymus,. Milz, Lymphdrüsen. Pflüger’s Arch. Bd. 124 S. 353. 1908 (dort weitere Literatur). 3 1) Siehe Medizin. Klinik 1910 Nr. 22. Sitzungsber. Berl. Physiol. Ges.. 6. Mai 1910. Fig. 2. . Beiträge zur Analyse der Cholinwirkung. 305 Das Resultat wurde trotz mehrfacher Wiederholung des Versuchs nie wiedererhalten. Die Annahme lag daher nicht fern, dass Cholin in der Gefäss- wand immer sowohl verengernde, als auch erweiternde Elemente Hang Ulli auf WAngerlesung Kurve 13. BT ER a a Kurve 20. errest, dass aber letztere im allgemeinen die Oberhand behalten, dass Atropin diese erweiternden nun beseitigt und dadurch die Ver- engerung rein zum Vorschein kommen lässt. Der genannte Aus- nahmefall der Drucksteigerung ohne Atropin. würde dann ein Tier Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 21 306 Franz Müller: betreffen, bei dem entweder von vornherein oder durch die Hals- markverletzung (vielleicht auch durch eine allerdings 20 Min. zuvor erfolste Yohimbininjektion) die verengernden Elemente überwiegen. Folgende Versuche sollen diese Vermutung stützen: Cholin erzeugt bei Zusatz zur das überlebende Organ (Bein, Lunge) durchspülenden Ringer- Lösung Erweiterung der Strombahn. Das zeigt Kurve 19 und 13. Atropin selbst erzeugt nun eine entweder IS MV mg. Cholin nach Alropia: Kurve 21. vorübergehende Verengerung (19) oder wirkt gar nicht (Kurve 20). Mischt man dann aber Cholin in zuvor sicher wirksamer Menge bei, so ändert sich die Weite der Strombahn entweder nicht (19 dritte Injektion) oder nimmt sogar ab (19 vierte Injektion und Kurve 2]). Wir haben also die Atropinumkehrung der Cholin- wirkung rein peripher hervortreten sehen. Vergleicht man dies mit den Versuchen an der isolierten Iris und berück- sichtigt, dass Atropin am isolierten Arterienmuskel eine Veränderung der elektrisch erzeugten Zuckungskurve hervorruft!), also in der Tat die Arterienwand irgendwie beeinflusst, so dürfte die Umkehrung der Blutdruckwirkung des Cholins durch Atropin unter Zuhilfenahme 1) Franz Müller: Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1906 Suppl. S. 421. Beiträge zur- Analyse der Cholinwirkung. 307 der genannten Hypothese leicht verständlich sein. Für sie sprechen ferner eine ganze Reihe sicherer Tatsachen, so die von Dale!) sefundene Umkehrung der Vasokonstriktion nach Suprarenin, p-Oxyphenyläthylamin u. a. in Dilatation durch Ergotoxin. Die Ver- suche von A. Fröhlich und O. Loewi?°) suchen eine ähnliche An- sicht an mehreren Beispielen zu begründen. Über den Angeriffspunkt des Cholins in der Gefässwand ist da- mit natürlich nichts ausgesagt und lässt sich auch m. E. nichts aus- sagen. Das eilt in gleicher Weise für den Uterus, Irismuskel und Darm. Bei dem zuletztgenannten wissen wir jetzt zwar, dass Cholin sehr wahrscheinlich auch peripher vom Auerbach’schen Plexus an- greift, aber wo es dort wirkt, lässt sich auch durch die entgegen- gesetzte Wirkung des Suprarenin oder die partielle Aufhebung durch Atropin m. E. nicht weiter entscheiden. Wir besitzen eben immer noch kein Mittel, um festzustellen, ob ein Gift in der Peripherie am glatten Muskel selbst oder an den nervösen Gebilden in ihm angreift. Diese Auffassung ist allerdings resignierter als die Popielski’s, der daraus, dass Adrenalin nach Witte- Pepton einen Blutdruckanstieg herbeiführt, und dass Witte-Pepton nach Adrenalin im Stadium des Druckanstiees nicht entgegengesetzt wirkt, schliesst, „dass Adrenalin an einem anderen Ort wie Witte- Pepton angreift, und zwar muss derselbe mehr peripher gelegen sein“ °). Und weiter: Witte-Pepton lähme die Nervenendigungen, während Adrenalin den Muskelapparat beeinflusse, ein Schluss, der mir auch jetzt noch nicht überzeugend erscheint *). II. Die Drüsenwirkung des Cholins. Es ist bekannt, dass Cholin eine starke Steigerung der Drüsen- sekretion hervorruft. Man beobachtet. eine profuse Speichelsekretion auch nach Injektion von ganz frisch aus dem Goldsalz dar- gestelltem Cholinchlorid. Die Drüsenwirkung ist also nicht allein durch „Verunreinigungen“ oder „Zersetzungsprodukte“ hervorgerufen. Von anderer Seite ist Zunahme der Pankreassekretion festgestellt worden. Mit Rücksicht auf die Frage, inwieweit eine Blutdruck- 1) H. H. Dale: Journ. of Physiol. Bd. 34 S. 169. 1906. 2) Arch. f. exp. Path. Bd. 59 S. 34. 1908. 3) Schmiedeberg-Festschrift, Arch. für exp. Pathol. 1908 S. 440. 4) Wie im Referat, Zentralbl. für Phys. Bd. 22 S. 831. 21 * 308 Franz Müller: senkung die Vorbedingung für Drüsensekretion sei — eine Frage, die kürzlich erst wieder lebhaft besprochen worden ist!), und die ja schon Heidenhain u.a. vielfach beschäftigt hat —, war es inter- essant, gleichzeitig mit dem Blutdruck die Speichelsekretion und die Blutstromverhältnisse in der Vena submaxillaris zu verzeichnen. Einige derartige Versuche an Katzen ergaben, dass der Blut- strom beim Abfallen des Druckes zunächst kurze Zeit schwächer wird und dann mit Wiederanstieg des Druckes stark zunimmt. Der Speichelfluss beginnt erst, nachdem der Druck gesunken ist und ichel ® De l \ i30 ib 16 Blutdruck FaLı7E a h io d4 h UANMAMMAMAAVDANVENEN VAR 90 42 70 4.0 50 n & um Plutstren Y (ir a I 2 come pro DIS Mar 04 SE ELRIIN gem 2 Rote FEN A a ne + AR jo 1.0 50 03 Blutdruck mm. , = Bluse 5 A. , gerade wieder anzusteigen beginnt. Der Blutstrom in der V. sub- maxillaris ist in diesem Moment schon stark beschleunigt, wenn er auch erst wenige Sekunden später sein Maximum erreicht (s. Kurve 22, oberes Diagramm und Kurve 23). Dseh ist die Speichelsekretion durchaus nicht eine Folge der Blutdrucksenkung und der Beschleunigung des Blutstromes in der Vene der Speicheldrüse, wie das untere Diagramm der Kurve 22 zeigt. Das Gleiche geht aus Kurve 5—7 (S. 294 u. 295) am Hund hervor: bei sehr kleinen Dosen haben wir nur Drucksenkung mit Gefässerweiterung, bei etwas grösseren auch Speichelfluss. Die Versuche sprechen durchaus dafür, dass die Wirkung des Cholins auf die sekretorischen 1) L. Popielski, Pflüger’s Arch. Bd. 121 S. 258. . Beiträge zur Analyse der Cholinwirkung. 309 Fasern unabhängig von der auf die vasodilatatorischen verläuft, sehr kleine Dosen wirken dilatatorisch und nicht auch sekretorisch. Mit anderen Worten: es kommt dasselbe zum Vorschein, was Heiden- hain oft betont hat, dass die Beeinflussung der Drüsensekretion ihren eigenen Gesetzen folgt, wenn auch ein gewisses Optimum oder Pessimum der Durehströmung nicht ohne günstigen, bzw. ungünstigen Ffiekt auf die Sekretion ist. Im gleichen Sinne spricht die ” Blutdnuch Beobachtung, dass andere, rein peri- phere Vasodilatation und daher Blut- drucksenkung hervorbringende Mittel, wie Yohimbin, trotz Herabsetzung des Druckes auf die Hälfte durchaus keine Speichelsekretion erzeugen. Genau dasselbe findet man bei . Kurve 23. den Schweissdrüsen. Cholin er- zeugt bei Katzen eine so starke Schweisssekretion an den Ballen der Vorder- und Hinterfüsse, dass die Ballen oft mit grossen Tropfen bedeckt sind. Bei Yohimbin dagegen, das eine noch viel stärkere Dilatation der Beingefässe hervorbringt, sieht man keine Schweiss- Sekretion. IV. Die Stellung des Cholin im pharmakologischen System. Cholin wird auf Grund seiner chemischen Konstitution auch in pharmakologischen Büchern (Schmiedeberg’s Lehrbuch) den Ammoniakbasen der Fettreihe zugerechnet. Die mitgeteilten Be- obachtungen weisen ihm aber, wie ich glaube und auch schon von Dixon (Manual of Pharmacology , 1906) und neuerdings von H. H. Meyer und Gottlieb (Lehrbuch der Pharmakologie, 1910) ). ausgeführt worden ist, seinen Platz neben dem Physostigmin an. Wie dies bewirkt es fibrilläre Muskelzuckungen, . die in tiefer Narkose fortbestehen, durchbricht es die Curarelähmung, wirkt es am plexusfrei gemachten Darmmuskel, an dem Pilokarpin nicht mehr erregend wirkt, erregt es den Uterusmuskel, den Sphineter pupillae. Wie Physostigmin wird Cholin durch genügend grosse Dosen von Atropin unwirksam gemacht, dagegen beeinflussen sich Suprarenin und die genannten Gifte gar nicht gegenseitig. Cholin wirkt also 1) Nach Abschluss dieser Arbeit erschienen. 310 Franz Müller: Beiträge zur Analyse der Cholinwirkung. sehr wahrscheinlich wie Physostigmin erregend auf die rein autonomen Endapparate, und zwar vasomotorische und sekretorische. Möglicher- weise werden sich beim Cholin die gleichen Beobachtungen machen lassen, die OÖ. Loewi und G. Mansfeld kürzlich mit Physostigmin gemacht haben !), und die sie zu der Auffassung führten, dass Physo- stigmin keine direkte Erregung, sondern eine Steigerung der Erreg- barkeit kranial und sakral autonom innervierter Organe hervorruft. Gewissheit hierüber und über den Angriffispunkt können nur Durch- schneidungs- und Degenerationsversuche der autonomen Fasern bringen. Doch genügen die mitgeteilten Beobachtungen, um mit grosser Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass Cholin die kra- nialen und sakralen autonomen Nervenendapparate in erregendem Sinne beeinflusst. V. Zusammenfassung. Reines Cholin erzeugt Blutdrucksenkung. Sie entsteht durch Blutstauung im Herzen und durch primäre Erweiterung der Gefässe der Extremitäten, des Darmees, der Nieren. Gleichzeitig sind auch die Hirngefässe erweitert. Cholin bewirkt aber auch Vasokonstriktion, die am künstlich überlebend erhaltenen Gefässsystem nach vorheriger Atropinwirkung allein hervortritt. Cholin wirkt wie am plexus- haltigen, so aın plexusfrei gemachten Darmmuskel erregend, greift also nur oder auch peripher vom Auerbach’schen Plexus an. Die Versuche am isolierten Darm-, Uterus-, Irismuskel ergeben eine sehr weitgehende Analogie zur Physostigminwirkung. Die sog. Umkehrung der Blutdrucksenkung nach Cholin in Blutdrucksteigerung nach Atropin und Cholin ist wahrscheinlich bedingt durch Lähmung der dilatatorischen Elemente der Gefässwand durch Atropin. l) Arch. f. exp. Path. Bd. 62 S. 180. 1910. 311 (Aus dem physiologischen Institu. der Universität Kiel.) Über den Einfluss einiger organischer Alkali- salze auf Muskeln, Blutkörperchen, Eiweiss und Lecithin. Von Rudolf Höber. (Mit 24 Textfiguren.) Ich habe in einer Reihe von Untersuchungen gezeigt, dass ein Parallelismus zwischen dem Einfluss von anorganischen Neutralsalzen auf den Zustand und die Funktion physiologischer Objekte und ihrem Einfluss auf die kolloidalen Lösungen von Eiweiss und Leecithin vor- handen ist; der Parallelismus besteht darin, dass die Kationen und Anionen der Salze in der gleichen gegenseitigen Abstufung der Wirk- samkeit das physiologische Objekt sowohl wie die Lösungen beein- flussen, und da die physiologischen Salzwirkungen, besonders die Kationenwirkungen, unter den anerganischen Vorgängen bisher allein in den Wirkungen der Salze auf die kolloidalen Lösungen ihr Ana- logon finden, so sind konsequenterweise die physiologischen Salz- wirkungen als Folgen einer kolloidalen Zustandsänderung aufgefasst worden, was eine Reihe weiterer Deutungen physiologischer Vor- gänge im Gefolge hatte!). Die bisherigen Untersuchungen haben im wesentlichen folzende Reihen für die relative Wirksamkeit der Ionen bei den verschiedenen untersuchten Vorgängen zutage gefördert: 1) Siehe dazu Höber, Pflüger’s, Arch. Bd. 120 S. 492. 1907 und die zusammenfassende Darstellung in Zeitschr. f, allgem. Physiol. Bd. 10 S. 173. 1910. 312 Rudolf Höber: Wirkung Kationen Anioner 1. Begünstigung der Hämo- ISA) 1. ar K>Rb> (0: >NaLi| J>NO, B>(C1>SQ 2. Verminderung der Flim- meratbeit?). . . . .. K NO, > CI, So, 3. Herabsetzung der Mus- kelerregbarkeit®) .. .I|K>Rb>Cs>Na, Lil JRb>C;>Na>Li! J, NO, < Br Rb>Na>CGs>Li| J< Br, NO, Br>N0,>Cl>S0, Um nun des weiteren das Vorhandensein dieser Zusammenhänge zu prüfen, habe ich vor einiger Zeit begonnen, auch die Wirkung organischer Ionen mit Hilfe starker und mittelstarker organischer Elektrolyte zu untersuchen. Die zum Teil veröffentlichten Versuche über die Wirkung organischer Kationen, welche den erwarteten Parallelismus zwischen dem Einfluss auf den Ruhestrom und auf die Erregbarkeit von Muskeln erwiesen hatten®), sind aus äusseren Gründen vorläufig unterbrochen, und ich fahre zunächst damit fort, meine bisherigen Untersuchungen über den Einfluss orga- nischer Anionen mitzuteilen. Die Untersuchungen erstrecken sich auf Alkalisalze der Ameisensäure, Essigsäure, Propionsäure, Butter- säure, Valeriansäure, Weinsäure, Benzoesäure und Salieylsäure. Die Salze waren grösstenteils von Kahlbanm, zum Teil von Merck bezogen. Soweit ihre Lösungen nicht ganz neutral reagierten, wurden sie vorsichtig gegen Phenolphthalein neutralisiert. 1) Höber, Biochem. Zeitschr. Bd. 14 S. 209. 1908. 2) Höber, ebenda Bd. 17 S.513. 1909, und Lillie, Americ. Journ. of physiol. vol. 17 p. 89. 1906. 3) Overton, Pflüger’s Arch. Bd. 105 S. 176. 1904; Schwarz, ebenda Bd. 117 S. 161. 1907; Lillie, Americ. Journ. of physiol. vol. 24 p. 459. 1909. 4) Höber, Pflüger’s Arch. Bd. 106 S. 599. 1905. 5) Hofmeister, Arch. f. experim. Pathol. Ed. 28 S. 210. 1891; Paul Hofmeister’s Beitr. Bd. 3 S. 225. 1902. 6) Höber, Hofmeister’s Beitr. Bd. 11 3.35. 1907; Porges und Neu bauer, Biochem. Zeitschr. Bd. 7 S. 152. 1908. 7) Hofmeister, Ic. 8) llöber und Waldenberg, Pflüger’s Arch. Bu. 126 S. 331. 1909. Über den Einfluss einiger organischer Alkalisalze auf Muskeln etc. 313 A. Der Einfluss organischer aliphatischer Anionen auf den Ruhestrom von Froschmuskeln. Wie bei den früheren Untersuchungen kamen Sartorien von euraresierten Fröschen, vorwiegend von Esculenten, zur Verwendung. Der Ruhestrom wurde in der mehrfach beschriebenen Art und Weise durch Ableitung mit Ringer-Calomelelektroden und Kompensation ge- messen !). Die molekulare Konzentration der Lösungen, in welche die Muskeln eintauchten, war ungefähr identisch mit der einer physio- logischen Kochsalzlösung, so dass die Lösungen unter der berechtigten Annahme, dass die verwendeten Salze ungefähr ebenso stark dissoziiert sind wie die anorganischen Neutralsalze, als isotonisch mit den Muskeln gelten konnten. Die Wirkung auf den Ruhestrom wird durch die Anführung einiger Protokolle aus der grossen Zahl der Versuche veranschaulicht; die Protokolle sind in Form von Kurven wiedergegeben, welche so erhalten wurden, dass auf den Ordinaten die E. M.K. in Millivolt, auf den Abszissen die Zeitpunkte der Beobachtung abgemessen wurden. Für alle Kurvenbitder eilt, dass die Dauer der Einwirkung des jeweilig untersuchten Salzes durch kleine Kreise auf der Kurve abgegrenzt ist. Vor und nach dieser Zeit tauchte der Muskel in Ringer-Lösung ein, wenn nicht extra etwas anderes angegeben ist. Zum Vereleich wurden einige anorganische Salze mit unter- sucht. - 1. Die Wirkung von Natriumsalzen. — Aus den Figuren 1—5 ist zu ersehen, dass die Natriumsalze einen Ruhestrom erzeugen, indem die in die Lösung eintauchende Muskelstelle negativ wird. Diese negativierende Wirkung ist verhältnismässig schwach. Das sieht man sofort, wenn man sie mit der negativierenden Wirkung irgendeines Kalium- oder Rubidiumsalzes vergleicht. Fig. 5 ver- anschaulicht z. B., wie schnell und mächtig Kaliumsulfat die kleine durch Natriumsulfat erzeugte E.M.K. in die Höhe treibt. Aus der grossen Zahl meiner Versuche geht hervor, dass alle untersuchten aliphatischen Anionen ziemlich schwach negativieren; immerhin be- stehen kleine Unterschiede, Tartrat zusammen mit Sulfat negativieren im allgemeinen mehr als die andern, und von diesen stehen wieder im allgemeinen Formiat und Acetat dem Sulfat und Tartrat näher 1) Zur Methodik s. die Bemerkungen Pflüger’s Arch. Bd. 126 8.335. 1909. 314 Rudolf Höber: 1orr 591]5 11 10 16 19 23 29 31 33 35 38 9 gar Ws] Arme 8 52 Sue Top) 16 ak Fig. 1.. Ameisensaures Natrium. Fig. 2. Essigsaures Natrium. — 535) 7 1113 16 21 20 35 45 So SQ ST Gare sig 3 8 41 Ab 20 24 30 Fig. 3. Buttersaures Natrium. Fig. 4. Valeriansaures Natrium. 30 20 40 40 r2% Ic IE T ay'93r 32 35 36 33 #0 43 #58 5255 5 5317 1038 43 48 SQ 54 sy 770 6 IAMAZALS Fig. 5. Schwefelsaures Natrium. Fig. 6. Essigsaures Lithium. Über der Einfluss einiger organischer Alkalisalze auf Muskeln etc. 315 gasapsggt 3 + 1% 273 ma So L3y ar 50 SEM 5 IS Hr Fig. 7. Valeriansaures Lithium. Fig. 8. Schwefelsaures Lithium. 515 20 26 24 31 33 3.41 m 48 50 52 5266 35 GI uU 3 3 14 49 51 Sb4gL 8 15 0 30 Fig. 9. Weinsaures Lithium. Fig. 10. Bromlithium. als Propionat, Butyrat und Valerianat. — Weiter ist aus den Figuren zu ersehen, dass die Wirkung der Salze ein reversibler Vorgang ist; denn die Negativierung verschwindet wieder bei nachfolgender Behandlung mit Ringer- Lösung. 2. Die Wirkung von Lithiumsalzen. — Diese ist, wie die Figuren 6, 7 und 9 als Beispiele zeigen, ungefähr dieselbe wie die der Natriumsalze. Nur ist hier noch deutlicher hervorgetreten, dass Tartrat und Sulfat stärker wirken als die übrigen. Zur besseren Vergleichbarkeit mit den anorganischen Salzen ist in Fig. 10 auch ein Versuch mit Lithiumbromid reproduziert; man sieht die ganz andere Art der Wirkung, das Lithiumbromid positiviert schwach, statt, wie die andern, zu negativieren. Das Resultat der Versuche mit Naben. und Lithiumsalzen ist also etwa folgende Reihe, welche die Abstufungen in der negativierenden Wirkung ‚mit dem am stärksten wirksamen Anion angefangen, dar- stellt: 316 Rudolf Höber: Tartrat, Sulfat>Formiat, Acetat, Propionat, Butyrat, Valerianat >(l. Dies Ergebnis steht in einem gewissen Widerspruch mit meiner ersten Mitteilung über den Einfluss der Alkalisalze auf den Ruhe- strom). Dort wurde angegeben, dass Natriumsulfat,. -tartrat und -acetat sowie Lithiumsulfat und -acetat indifferent sind, gar keinen Strom wachrufen, und dass nur Lithiumtartrat schwach negativiert. Der Widerspruch erklärt sich so, dass alle Muskeln, welche ich in Zürich untersuchte, viel schwächer reacierten als die in Kiel ge- prüften; die in Zürich begonnenen Versuche über den Einfluss der organischen Anionen wurden in Kiel zu den verschiedenen Jahres- zeiten wiederholt, stets negativierten die genannten Anionen hier deutlich, während die Wirkung bei den Züricher Fröschen entweder gleich Null war oder so wenige Millivolt betrug, dass sie fast u Null gesetzt: werden konnte. An den wiedergegebenen Kurven wird noch auffallen, dass die anfängliche negativierende Wirkung oft nach Überschreitung eines kürzer oder länger eingehaltenen Maximums von einer ganz schwach positivierenden Wirkung abgelöst wird. Dieser Vorgang wurde vor- läufig nicht weiter analysiert. B. Der Einfluss der aliphatischen Anionen anf die direkte Muskelerregbarkeit. Zur Prüfung des Einflusses auf die Erregbarkeit wurden wieder curaresierte Sartorien verwendet. Es wurde eine Anzahl möglichst gleich grosser Muskeln präpariert und in Ringer-Lösung gelegt, dann ein Muskel nach dem andern herausgenommen und der Schwellenwert der Reizbarkeit für tetanisierenden Induktionsstrom aufgesucht, danach kam jeder Muskel in eine andere Salzlösung, und der Verlauf der Erregbarkeit wurde weiter, meist bis zum Erlöschen, geprüft. Auf diese Weise ergab sich als Resultat einer grossen Zahl von Versuchen folgende Reihe, in welcher dasjenige Anion, welches die Erregbarkeit am raschesten aufhebt, das erste Glied bildet: Tartrat>Sulfat>Formiat, Acetat, Propionat, Butyrat, Valerianat>(l. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 106 S. 599. 1905, besonders S. 609610. u A - Über den Einfluss einiger organischer Alkalisalze auf Muskeln etc. 317 Der Einfluss ist meist reversibel; selbst nachdem die Erregbarkeit vollkommen erloschen ist, kehrt sie in Ringer- Lösung zurück. Ich gebe dafür einige Beispiele: Versuch vom 21. I. I0. Lithiumtartrat. Schwellenwert Rollen-Abstand 88. 35 26’ in die Lösung gelegt. Der Muskel macht Zuckungen. 3h 35’ R.-A. = 39. 3h 42’ R.-A.= 15. 3h 49’ R.-A. —=0. Darauf in Ringer-Lösung übertragen. 4h R.-A. — 7, ganz schwache Kontraktion. 4h 13’ R.-A. = 25. 4h 22’ R.-A. = 34. Versuch vom 15. I. 10. Natriumtartrat. Schwellenwert R.-A. 45. 11h 50’ in die Lösung gelegt. Der Muskel zuckt heftis. 125 4’ R.-A. — 37. Muskel zuckt noch etwas. 12h 13’ R.-A. = (0. Darauf ir Ringer-Lösung übertragen. 12h 17’ R.-A. = 5 ganz schwache langsame Kontraktion. 125 27’ dasselbe. 12h 45’ R.-A.—=7. Muskel ist etwas geschrumpft und hat ein opakes Aussehen. 4b 5’ dasselbe Aussehen, aber R.-A.= 34. Versuch vom 15. I. 10. Natriumbutyrat. Schwellenwert R.-A. 41. 11h 56’ in die Lösung gelegt. Der Muskel macht einige Zuckungen. 12h 1’ R.-A.—=42. 12h 9 R.-A.= 15. Muskel in schwacher Kontraktur. Darauf wieder in Ringer-Lösung. 12h 19 R-A. = 4. 443’ R.-A. — 48. Dann wieder in die Butyratlösung. Schwache Zuckungen. 41 30' R.-A. — 11. Kontraktion nur an der Reizstelle. 4b 49’ R.-A.—=0. Dann zurück in Ringer-Lösung. 5b R.-A. — 18. Kontraktion nur schwach. 55 25’ R.-A.—= 32. Versuch vom 20. I. 10. Natriumbutyrat. Schwellenwert R.-A. 35. 3h 55’ in die Lösung gelegt. 4b 5’ R.-A. = 55. 4h 18’ R.-A. — 36. 4h 27’ R.-A. = 21. Kontraktion schwach. 4h 38’ R.-A. — 12. 4h 45’ R.-A.—=7. 4h 51’R.-A.—0. Muskel sieht normal aus. Über- tragung in Ringer-Lösung. 5 1!’ R.-A. = 30. Aus den angeführten Beispielen ist zu ersehen, wie weit die Reversibilität reicht. Der anfängliche Schwellenwert der Reizbarkeit wird, nachdem er Null geworden war, in der Ringer-Lösung un- sefähr wieder erreicht. Aber an Kontraktilität haben die Muskeln häufig, wenn auch nicht immer eingebüsst, und als äusseres Kenn- zeichen einer gewissen Schädigung sieht man auch öfter die Muskeln etwas schrumpfen, sich verbreitern und ein etwas opakes Aussehen annehmen. | 318 Rudolf Höber: C. Der Einfluss der aliphatischen Anionen auf Eiweiss und Leeithin. Die Versuche, welche ich hier mitzuteilen habe, bilden eine Fort- setzung der früher mit anorganischen Salzen ausgeführten Versuche '!); es handelt sich wieder um die Bestimmung von Koagulationspunkten bei Gegenwart der verschiedenen Salze und um die Bestimmung des Fällungsvermögens der Salze. Nach den früher gemachten Erfahrungen spielt nun das Verhältnis der Konzentrationen von Kolloid und Salz eine grosse Rolle. Ich erinnere daran, dass das relative Vermögen der einzelnen Anionen, die Koagulationstemperatur des Eiweisses zu be- einflussen, sehr verschieden ist, je nachdem ihre Konzentration grösser oder kleiner ist; so erhöhten z. B. bei gegebener Konzentration an Eiweiss die Anionen bei einer Konzentration von 0,5-normal die Koagulationstemperatur in der Reihenfolge: Acetat 100220 1) Höber, Hofmeister’s Beitr. Bd. 11 S. 35. 1907. 2).1.6.8. 01. 3) Siehe dazu: Pauli, Pflüger’s Arch. Bd. 78 S. 315. 1999. Über den Einfluss einiger organischer Alkalisalze auf Muskeln etc. 319 b) die Fällung von Hühnereiweiss und Leeithin, Folgender Versuch illustriert das Verhalten: Fällung mit 4-normal Na-Salz. 2 ccm 5-Normallösung + 0,5 ccm Hühnereiweiss. Sofort nach Mischung Nach 2 Stunden Nach 20 Stunden Chlorid | schwach opaleszent stark opaleszent stark opaleszent : schwach opaleszent stärker opaleszent Valerianat klar und gelatiniert als Cl, gelatiniert Acetat leichte Trübung schwacher Niederschlag | schwacher Niederschlag Formiat | ganz schwache Trübung Niederschlag Niederschlag Butyrat klar trüb undurchsichtig trüb, gelatiniert Sulfat dicker Niederschlag | dicker Niederschlag dicker Niederschlag Tartrat ” P)] ” b}] ” ” Danach nimmt also das Fällungsvermögen etwa in folgender Reihenfolge zu: Chlorid, Valerianat < Acetat <- Formiat, Butyrat <- Sulfat, Tartrat. Andere Versuche mit Hühnereiweiss verliefen ganz ähnlich. Die Versuche mit frisch bereiteten Leecithinlösungen bei 4-normal- Salzkonzentration!) ergaben die Reihenfolge: Chlorid < Acetat Form., Acet., Prop., But., Val, Erzeugung eines Ruhestroms 2 SChlouid ! l : Herabsetzung der Muskel- ! Tartr. > Sulf. > Form., Acet, Prop., But., erregbarkeit Val. > Chlorid ! . BR, Tartr. > Sulf. > Form. > Prop. > But. > Hitzekoagulation von Eiweiss | a, Seien Eallung von Hiweiss Tartr., Sulf. > Buc, Dat > Acet. > Val. Fällung von Leeithin Sulf. > Form., Prop. > Acet. > Chlorid In allen Fällen stehen also die einwertigen aliphatischen Anionen zwischen Chlorid einerseits und Sulfat und Tartrat andererseits. 1) Siehe dazu: Höber, I. c. S. 39, 320 Rudolf Höber: Damit ist ein neuer Anhaltspunkt für die Auffassung gewonnen, dass die Neutralsalze physiologisch wirk- sam werden durch Beeinflussung der kolloidalen Be- standteile der Protoplasten. D. Die Wirkung von Salieylat und Benzoat. In den Kreis der Untersuchungen wurden auch die Na- und Li-Salze der Salieylsäure und der Benzoesäure hinein- gezogen, wobei sich alsbald zeigte, dass hier der Parallelismus zwischen der Wirkung auf Ruhestrom, Erregbarkeit und Kolloidzustand nicht zu finden ist. Eine eingehende Untersuchung hat dafür keine völlig befriedigende Erklärung geben können; auf alle Fälle hat sich aber herausgestellt, dass diese Salze aromatischer Säuren mit den bisher unter- suchten anorganischen Salzen und den Salzen alipha- tischer Säuren gar nicht ohne weiteres verglichen werden können; daher kann auch ein Mangel an Parallelismus zwischen den hier untersuchten Wirkungen nicht als ein Widerspruch mit der bisher vertretenen Auffassung der Neutralsalzwirkung als einer Wirkung. auf die Kolloide aufgefasst werden. a) Die Wirkung auf den Ruhestrom. — Die genannten Salze der Benzoesäure und der Salieylsäure haben in einem Teil meiner Versuche überhaupt nicht stromentwickelnd gewirkt, in einem anderen machten sie die eintauchende Muskelstelle negativ, aber schwächer, als die Salze der aliphatischen Säuren. Der erste Fall ist durch die Beispiele der Fig. 14, 15 und 17 Seite 325 repräsentiert, der zweite Fall durch die Fig. 11 und 12, welche das Verhalten zweier Muskeln wiedergeben, die vom selben Tier stammten und gleichzeitig untersucht wurden, sowie durch Fig. 13 (S. 323) und Fig. 12 (8. 326). . = ‚Danach ist die Reihe der Anionen bezüglich ihrer strom- entwickelnden Fähigkeiten folgendermaassen zu vervollständigen: Tartr., Sulf. > Form., Acet., Prop., Bnt., Valer. > Benz,, Salie. > Chlorid. 53 b) Die Wirkung auf die Erregbarkeit. — Eine ganz andere Stelle in der Reihe nehmen die beiden aromatischen Ionen nach ihrem Einfluss auf die Erregbarkeit ein. Beide heben die Er- regbarkeit sehr rasch auf, meist binnen 15—30 Minuten, rascher als Über den Einfluss einiger organischer Alkalisalze auf Muskeln etc. 321 die Tartrate, und das Salieylat rascher als das Benzoat. Es ergibt sich also folgende Reihe: Saliec. > Benz. > Tartr. > Sulf. > Form., Acet., Prop., But., Valer. > Chlorid. e) Die Wirkung auf Eiweiss und Leeithin. — Wieder an einen anderen Platz sind Salieylat und Benzoat zu stellen, wenn man ihren Einfluss auf die organischen Kolloide ausdrücken will, nämlich dann gehören sie ans andere Ende der Reihe, jenseits des Chlorids. Das ist durch folgendes zu zeigen: l. Die Hitzekoagulation von Hühnereiweiss: Es wurde vorher (S. 318) gezeigt, wie die Anionen die Koagulationstemperatur in ver- To 207 10 4 10 run u 5 er I = bı Lad . ri ENEEECTEENESENTITITT un) Gi# 20 15 28 3033 36 Ho 5 4} a £Z Sros1s 4 372 90 iS io 20 2% 31 33 35 Ip Hy 6 Ag 5 58 Fr b) Mn Fig. 11. Salicylsaures Lithium. Fig. 12. Weinsaures Lithium. schiedenem Maasse beeinflussen ; unter den eingehaltenen Versuchs- bedingungen koagulierte das Jodid überhaupt nicht. Das gleiche gilt für Benzoat und Salicylat. Nimmt man statt l1-normal-Salzlösungen 0,1-normale, die man zu gleichen Teilen mit Hühnereiweiss vermischt, so kann man nun folgende Koagulationstemperaturen ermitteln: Dartrats 72.0.6 Formiat 75,0° C., Jodid RC, Benzoat 76,8° C., Salieylat 77,8° C. 2. Die Fällung von Hühnereiweiss und Leeithin: Um überhaupt Fällungen zustande zu bringen, wurde so verfahren, dass allen Salzen ınit einwertigem Anion jedesmal das gleiche Quantum des gut fällenden Sulfats zugefügt wurde. Dann erhält man etwa folgendes: Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 22 322 Rudolf Höber: Fällung mit 1,2 norm. Na-Salz + 1,6 norm. Na,S0,. 3 ccm 2 norm. Na-Salz + 2 ccm 4 norm. Nas50, + 0,2 ccm Hühnereiweiss. Sofort nach Mischung Nach 24 Stunden Chlorid schwach opaleszent opaleszent Jodid sehr schwach opaleszent sehr schwach opaleszent Rhodanid Spur opaleszent Spur opaleszent Benzoat ” » BD) „ Salicylat klar klar Analoges gilt für Leeithin. Rekapitulieren wir nun, so finden wir also folgende Verhältnisse: Wirkung auf den Ruhestrom: Tart., Sulf. > Form., Acet., Prop., But., Val. > Benz., Salie. > Chlorid > Jodid. Wirkung auf die Muskelerregbarkeit: Salıer >uBenzr >> Tart. >>7Sul > 2Rorma Ace erop" But., Val. > Chlorid, Jodid. Wirkung auf Eiweiss und Leeithin: Tartr., Sulf. > Form., Prop., But., Sal., Acet. > Chlorid > Jodid > Benz. > Salie. Die aromatischen Anionen nehmen also jedesmal einen anderen Platz in der Reihe ein. Kann dafür eine Erklärung gefunden werden? Bevor ich auf die dazu unternommenen Versuche eingehe, sei auf ein weiteres Moment hingewiesen, durch welches Saliceylat und Benzoat sich gerade so von den bisher untersuchten anorganischen Ionen und aliphatischen Anionen unterscheiden, wie durch den Mangel an Parallelismus in ihrer Wirkung auf die verschiedenen genannten Prozesse, das ist die Irreversibilität ihrer Wirkung. Diese ist beim Salieylat ganz ausgesprochen; weder geht der einmal erzeugte Ruhestrom wieder, wie sonst, völlig zurück, wenn man mit Ringer-Lösung nachbehandelt, noch ist die einmal erloschene Erregbarkeit wieder wachzurufen.. Beim Benzoat habe ich die Irreversibilität oft konstatiert, wenn auch nicht regelmässig; jedenfalls ist sie viel häufiger als bei den aliphatischen Anionen. Für die Ruhestromirreversibilität findet man Beispiele in den Kurven der Fig. 11 und Fig. 13. Über den Einfluss einiger organischer Alkalisalze auf Muskeln etc. 323 Durch diese Art der Wirkung werden nun Salicylat “und Benzoat unvergleichbar mit den übrigen bisher untersuchten Ionen. Das wesentliche Interesse an diesen Salz- einflüssen lag ja gerade in der Reversibilität ihrer Wirkung begründet; nur unter dieser Voraussetzung konnten auch diejenigen Schlüsse gezogen werden, welehe zu neuen Vorstellungen von der Natur der Erregung und der Narkose führten!). Obgleich somit die Unter- suchung der aromatischen Anionen an Bedeutung für die Aufklärung physiologischer Fragen verliert, so habe ich die Untersuchung doch noch nach einigen Richtungen fortgeführt, da sie sich immerhin noch für den Ausbau unserer Vorstellungen von den Plasmahautvorgängen lohnen konnte. Auch andere irreversible Wirkungen sind ja in jot 41 15.16.49 21 15 30 36 37704793 SYj1S Fig. 13. Salicylsaures Lithium. dieser Hinsicht zweckdienlich gewesen; ich erinnere etwa an die Untersuchungen über die Desinfektionskraft der Schwermetallsalze und Säuren oder an die Untersuchungen von Henze über den Einfluss von Aikaloiden auf den Ruhestrom, welche sich beide für die Plasmahauthypothese verwerten lassen ?), oder an die Wirkung der Baryumsalze auf den Ruhestrom?). Die erste weitere Frage, die nun gestellt wurde, war die: Gibt es schon andere Erfahrungen über Mittel, mit denen man die Erregbarkeit aufheben kann, ohne dass bei lokaler Applikation des Mittels ein Ruhestrom auf- tritt? Das ist in der Tat der Fall. Erstens sind die eben ge- 1) Siehe dazu: Pflüger’s Arch. Bd. 106 S. 629. 1905 und Bd. 120 S. 492. 1907. 2) Siehe dazu: Pflüger’s Arch. Bd. 126 S. 333. 1909, und Physikal. Chemie der Zellen und der Gewebe 1906 S. 264 ff. 3) Pflüger’s Arch. Bd. 106 S. 621 ff. 1905. 22 * 324 Rudolf Höber: nannten Baryumsalze und etwas weniger ausgesprochen auch Strontium- und Caleiumsalze solche Mittel. Ich habe früher ee- funden, dass, obgleich z. B. Bariumchlorid die Erregbarkeit sehr leicht aufhebt, es doch elektrisch indifferent ist. Dazu kommt, dass es die elektromotorische Wirksamkeit anderer Salze stark zu hemmen vermas; so verhalten sich selbst Kalisalze, die sonst doch so sehr stark negativiern, nach Vorbehandlung der Muskeln mit BaCl, zunächst ebenfalls elektrisch indifferent. Ich habe dies so ge- deutet, dass die Plasmahaut der Muskelfasern, auf deren Auflockerung und Steigerung der Permeabilität die Kaliströme bezogen werden können, durch die Baryumsalze konsolidiert wird, so dass die auch bei der normalen Erregung zustande kommende Auflockerung der Plasmahaut nun ebensowenig zustande kommen kann wie die sonstige Auflockerung durch die Kalisalze. Die Baryumwirkung ist mit der Wirkung der aromatischen Anionen um so vergleichbarer, als auch der Einfluss des Baryums auf die Erregbarkeit meist irreversibel ist. Ein zweites Analogon ist die Wirkung des Wassers auf den Muskel; es ist, hauptsächlich durch Biedermann, gezeigt worden, dass ein Muskel, den man in Wasser legt, seine Kontraktilität ein- büsst, ohne dass bei lokaler Wasserbehandlung eine nennenswerte Negativität zu entstehen braucht. Bei dieser Behandlung schwillt der Muskel, wird weisslich, undurchsichtig und eventuell sauer; bei Ersatz des Wassers durch physiologische Kochsalzlösung kann, wenn das Wasser nicht zu lange gewirkt hat, die Kontraktilität zurück- kehren, andernfalls sind irreversible Störungen eingetreten. Also auch das Wasser ist in seiner Wirkung den aromatischen Anionen zu vergleichen. Hier ist nun die Erklärung für das ganze Verhalten meiner Meinung nach wohl darin zu suchen, dass die Durchlässigkeit der Plasmahaut wie überhaupt ihre wesentlichen Eigenschaften dureh das Wasser nicht geändert, sondern dass die die Kontraktion ausmachenden Vorgänge im Innern durch den Eintritt des Wassers alteriert werden; dafür spricht auch die Feststellung von Bieder- mann, dass wasserstarre Muskelpartien die Erregung noch zu leiten vermögen. Entspricht nun die Wirkung der Salieylate und Benzoate einem von diesen beiden Einflüssen mehr als dem andern? Um zunächst zu entscheiden, ob die Wirkung der aromatischen Ionen der Baryum- wirkung vergleichbar ist, wurde geprüft, ob eine Vorbehandlung mit Salicylat oder Benzoat für andere Salze ähnlich unempfindlich macht, Über den Einfluss einiger organischer Alkalisalze auf Muskein ete. 325 wie das, wie gesagt, für das Baryum gilt. Dies ist, wie die Fig. 14 bis 17 zeigen, nicht der Fall. Man sieht an Fig. 14, 15 und 17, wie die Vorbehandlung mit Lithiumsalieylat keinen Moment das Aufkommen einer positivierenden oder einer negativierenden Wirkung eines anderen Salzes verhindert. Fig. 16 reproduziert zum Vergleich das Verhalten nach Vorbehandlung mit dem schwach positivierenden Lithiumehlorid; Fig. 16 und 17 09 Ir wa la aM Sa 14 43 21 MM 31 A5yo 32 jofi 24, 30 33 35 41 43 50418 I4 Yz 2125 #5 Fig. 14. Rhodanlithium nach salicylsaurem Fig. 15. Weinsaures Lithium nach Lithium. salicylsaurem Lithium. ol do = :., 4a 0.47% hi 4307, Li turt 138% Li Tart, 9:4 43 u Sa4n2 39 25 31 33 35 38 49 Soffin 19 ıs 35 923 43 4953 Sb/n?25 3645 55 aa 1 4835 Fig. 16. Weinsaures Lithium nach Fig. 17. Weinsaures Lithium nach Chlorlithium. salicylsaurem Lithium. sind Parallelversuche mit den beiden Sartorien eines Tiers. Be- achtenswert ist noch, dass die Vorbehandlung mit Lithiumsalieylat eine volle Stunde dauerte, eine Zeit, innerhalb deren die Erregbar- keit stets irreversibel auf Null heruntergeht. Aus diesen Versuchen ist also zu schliessen, dass die Plasma- haut bei der Einwirkung der beiden aromatischen Ionen ihre volle Alterationsfähigkeit, ihre volle Beweglichkeit behält: Daher ist es auch ganz begreiflich, dass die aromatischen Ionen gerade um- gekehrt, statt dass sie, wie Erdalkaliionen, die Ruhestromwirkung 396 Rudolf Höber: anderer Ionen hemmen, selbst in ihrer Wirkung durch etwas Erd- alkali gehemmt werden können; wenn man z. B. Sartorien mit einer Ringer-Lösung vorbehandelt, die 0,06°o Cacliumchlorid enthält, so wird, ganz ähnlich, wie ich das für andere Salze früher gezeigt habe !), auch eine schwach negativiernde Wirkung von Lithiumsalieylat gehemmt. Die Fig. 15 und 19, welche zwei Parallelversuche re- produzieren, bilden dafür ein Beispiel. Die Wirkung von Salieylat und Benzoat ist also nicht mit der Wirkung der Erdalkaliionen zu vergleichen. Sehen wir nun zu, ob sie der Wasserwirkung ähnelt. Diese wurde vorher im wesentlichen als Wirkung auf das kontraktile Innere der Muskeln charakterisiert. Wenn man einen Sartorius in eine Salicylatlösung einlegt, so ver- 1:58% Li sale ysrizs 1F zo zu 9518 32 35 43 07 50 SByyk 176 19 18 1 16 2935 mu na 54 SA4IF SS Fig. 18. Salieylsaures Lithium nach Fig. 19. Salicylsaures Lithium nach Ringer-Lösung mit 0,06% CaC].. Ringer-Lösung mit 0,025°/o CaCl]z. ändert er sofort sein Aussehen, er schrumpft stark und wird trüb; dasselbe geschieht meist und in schwächerem Maass beim Benzoat. Dies dürfte wohl auf einem Eindringen der aromatischen Ionen bzw. der freien Säure ins Innere der Muskeln beruhen. Es ist nämlich von v. Fürth?) bemerkt worden, dass Coffein, Veratrin, Chinin, Salieylat und Rhodanid vor vielen anderen Substanzen die exquisite Fähigkeit besitzen, die Eiweisskörper von Muskeln zur Gerinnung zu bringen, und weiter haben dann v. Fürth und Schwarz?) an- gegeben, dass diese selben Substanzen, Kaninchen intravenös ein- gespritzt, die Kontraktilität der Muskeln stark erhöhen. Daraus muss wohl geschlossen werden, dass alle diese Substanzen in die Muskelfasern hineingehen. Für das Salieylat ist das dann auch 1) Pflüger’s Arch. Bd. 120 S. 513. 1907. 2) v. Fürth, Arch. f. experim. Pathol. Bd. 37 S. 339. 1896. 3) v. Fürth und Schwarz, Pflüger’s Arch. Bd. 129 S. 555. 1909. Über den Einfluss einiger organischer Alkalisalze auf Muskeln etc. 397 deshalb wahrscheinlich, weil, wie ich eben sagte, die Muskeln sich in seinen Lösungen sofort unter Schrumpfung trüben. Ich habe nun weiter auch das Rhodanid geprüft, und es zeiste sich, dass auch dieses die Muskeln sehr rasch zur Schrumpfung bringt und trübt. Es ist deshalb zu fragen, wie weit Rhodanid, Benzoat und Salieylat sich sonst noch ähneln: Der Einfluss auf die Kolloide ist durch folgende Reihen wiedergegeben: Fällung von Myogen (v. Fürth): SO, < NO,, C1 < SCN, Salie. Fällung von Hühnereiweiss: S0,>C1>J > Benz. > SCN > Salie. Fällung von Leeithin: S0,>C1>J> SCN > Benz. > Salie.. Salieylat, Benzoat und Rhodanid gehören also zusammen; sie fällen Myogen am stärksten, Hühnereiweiss und Leeithin am schwächsten. “ Auch im Einfluss auf die Erregbarkeit sind sie einander ähnlich. Die Kontraktilität wird zwar nach v. Fürth und Schwarz dureh Salieylat und Rhodanid zunächst erhöht, aber die Erregbarkeit sinkt unter ihrem Einfluss — wenigstens bei den von mir eingehaltenen Versuchsbedingungen — ebenso wie unter dem Einfluss von Benzoat rasch auf Null. Die Reihe für den Errezbarkeitsabfall lautet danach, noch durch Einbeziehung des Rhodanids ergänzt, etwa: Salic. > Benz. > Tartr., Sulf., SCN > Form., Acet....> Cl>J. Nun ist aber Folgendes bemerkenswert: die Erregbarkeit der Sartorien sinkt in einer Rhodanidlösung nicht ab, ohne dass ein Stadium ge- steigerter Erreebarkeit vorausgeht; erst dann folst ein steiler Abfall der Erregbarkeit auf Null. Im Anfang eines Erregbarkeitsversuches gilt also die ganz andere Wirkungsreihe: Bartı, Sulf.>> Form., Aeet: .: . >> EL>>J>>S0NH, und diese ist nun, wie man sieht, identisch mit der Kolloidfällunes- reihe. Der Einfluss des Rhodanids auf die Erreebarkeit geht also seinem Einfluss auf die Kolloide in Wirklichkeit parallel; der Parallelismus wird offenbar nur verschleiert dadurch, dass das Rhodanid ins Muskelinnere eindringt und von da aus sekundär die Erregbarkeit herabsetzt. 1) Siehe dazu: Schwarz, Pflüger’s Arch. Bd. 117 S. 161. 1907. 3238 Rudolf Höber: Verhalten sich nun Salieylat und Benzoat vielleicht ähnlich? Wenn man unmittelbar nach dem Einlegen der Muskeln in ihre Lösungen die Erregbarkeit prüft, so kann man manchmal auch hier eine Steigerung det Erregbarkeit finden; aber sie tritt doch nicht regelmässig genug auf, als dass sich daraus bestimmte Schlüsse ziehen liessen. Ich halte es danach für möglich, wenn auch nicht für erwiesen, dass Salieylat und Benzoat nur scheinbare Ausnahmen der Regel bilden, nach der der Einfluss der Salze auf die Erreso- barkeit ihrem Einfluss auf die Kolloide parallel geht, und dass diese Ausnahmen auf sekundären Störungen beruhen. Es erübrigt nun noch, Rhodanid, Benzoat und Salieylat in ihrem Einfluss auf den Ruhestrom miteinander zu vergleichen. Über die eigentümliche Wirkung der Rhodanide habe ich schon früher !) berichtet; bei lokaler Applikation positivieren sie nämlich zunächst stark, stärker als die Jodide, und dann tritt rasch an die Stelle der Positivierung ein starke und irreversible Negativierung. Das ist offenbar das vollkommene Abbild der Frregbarkeitsänderung, wie sie eben beschrieben wurde; der Positivierung entspricht die Steigerung, der Negativierung das Absinken der Erregbarkeit. Gibt es etwas Dementsprechendes bei der Salieylat- und Benzoatwirkung? Ich habe vergeblich versucht, unmittelbar nach dem Eintauchen des Muskels eine erhebliche Positivierung aufzufinden, wie ja auch die zweite Phase der Rhodanidwirkung, die starke Negativierung, hier nicht vorkommt. Während also eine genauere Analyse eine einigermaassen plausible Erklärung für das abweichende Verhalten von Salieylat und Benzoat in ihrem Einfluss auf die Erregbarkeit bot, bleibt die Inkongruenz in bezug auf die Ruhestromwirkung zunächst noch weiter bestehen. Ich habe aber noch auf eine andere Weise versucht, eine Er- klärung für das abweichende Verhalten zu finden. E. Der Einfluss einiger organischer Anionen auf die Hämolyse. Ich habe unlängst gezeigt?), dass, wenn man Blutkörperchen in Neutralsalzlösungen einträgt, welche alle untereinander den gleichen osmotischen Druck haben, aber in bezug auf die Blutkörperchen 1) Pflüger’s Arch. Bd. 106 S. 611. 1905. 2) Höber, Biochem. Zeitschr. Bd. 14 S. 209. 1908. Über den Einfluss einiger organischer Alkalisalze auf Muskeln etc. 329 etwas hypotonisch sind, allmählich Hämoglobin aus den Körperchen austritt, jedoch je nach dem einwirkenden Salz nach verschieden langer Zeit. Vergleicht man Alkalisalze mit dem eleichen Kation untereinander, so zeigt sich, dass die Anionen in der Reihenfolge 50, Form > Bz, Cl > J, SO.. 29: 5 Du Sal > Acet > Form, J > Bz > (|, SO.. 24. 5 1) Sal > Acet, Bz > Form, J > CI > S0,. 24. n Du Sal > Bz > J > Acet > Form > Cl > S0,. 29. 5 122 Sal > Bz > J> Ace > Form > (1 > S0O.. 26. 5 2 Sal > Bz > J > Acet > Form > Cl > SO.. 27. les, Sal > Bz>J > Ace, Form > Cl > SO.. 28. n 129 & Sal > Bz > J > Form > Acet, Cl > SO,. 29. n 12.065, Sal > Bz > J > Form > Acet, C1 > SO, Resultat: Sal > Benz > J > Form > Acet, Cl > SO,. Versuch vom 13. Januar 1909. Blutkörperchen vom Schwein. Eisschrank. 13. Januar 9 Uhr: Acet > J, Sal > Bz, Form > (I, SO,. lan 00% Dre Sal > Acet, J > Bz, Form > CI SO,. 1a, Var, Sal > J > Acet > Bz, Form > Cl > SO, I DA Sal I >> Acet > Rorm, >IBze>0>>250,. I De: Sal > J > Form > Acet > Bz > Cl > S0,. lo 2: 3 10.05 Sal> J> Bz > Ace > Form > Cl > SO,. 18. A Sal> I > Form > Bz > Acet > Cl > SO.. 97, 3 ıh, Sal > J > Form > Bz > Act > 0l > SO. DDR, SuHm Sal > J > Bz > Form > Aat > Cl > SO. al A, DS Sal > Bz > J > Form > Ace > Cl > SO, Zalm DlO U, Sal > Bz > J > Form > Ace > Cl > SO.. Resultat: Sal > Benz, J > Form > Acet > Cl > SO.. In dieser Art und Weise wurden folgende Endreihen festgestellt: Über den Einfluss einiger organischer Alkalisalze auf Muskeln etc. 331 * Rinderblut: Eisschrank. Sal > Bz > J, Acet > Form > Cl > SO, Sal > Bz > J > Form > Acet, Cl > SO, Sal3>#B2 >) > Acet >"Eoım >-Cl > SO, Zimmertemp. Sal, Bz > J > Acet, Form > Cl > SO, Sal > Bz > J, Acet > Form > Cl > SO, Brütschrank. Sal, Bz > J > Cl > Form > Acet > SO, Sal, Bz > J > Form > Acet > CI > SO, Sal > Bz > J > Acet > Form > Cl > SO, Schwein: Eisschrank. Sal > Bz, J > Acet, Form > Cl > SO, Sales Horm#>>B7,. ):=>Atet>> CH ’S0, Sal Bz,] 3: Form: >rAce# > 61580; Zimmertemp. Sal > Bz, Acet > Form > J > Cl > SO, Brütschrank. Sal, Bz > J, Cl, SO, > Form Sal > Bz > Form, Acet > Cl > SO, Hammel: Brütschrank. Sal, Bz > J > Form, Acet > Cl > SO, Als Gesamtergebnis darf hieraus wohl die Reihe abgeleitet werden: Sal > Benz > J > Form, Acet > (1 > 80.. Bevor ich nun im Zusammenhang mit dem früher Besprochenen auf eine Diskussion dieses Ergebnisses eingehe, sei noch eine andere Angelegenheit kurz erörtert. v. Dungern und Coca!) teilten vor einiger Zeit Versuche über den Einfluss verschiedener Neutral- salze auf die Hämolyse verschiedener Blutkörperehen mit, deren Ergebnis mit dem eben Gesagten in einem gewissen Widerspruch steht. Zur Verwendung kamen an Salzen NaCl, NaBr, KCl, CaCl,, MsCl,, BaCl;,, Na;SO, und MnSO,, an Blutkörperchen solche vom Rind, Schwein, Kaninchen, Meerschweinchen, Katze, Hund, Ratte, Maus, Kanarienvogel, Falke, Taube, Steinkauz und Mensch. v. Dungern und Coca fanden nun, dass man von diesen Salzen nicht eins als das hämolytisch wirksamste, ein anderes als das 1) v. Dungern und Coca, Münchener med. Wochenschr. 1905 Nr.1 S. 14. 3932 Rudolf Höber: wenigst wirksame bezeichnen und die anderen in einer bestimmten Reihe dazwischen einordnen kann, sondern dass je nach der Tierart, der die Blutkörperchen entstammen, bald dieses, bald jenes Salz am besten hämolysiert; bald ist es das Kaliumchlorid, bald das Caleium- chlorid, bald das Magnesiumchlorid, das die grösste Hämolysier- fähiekeit besitzt, aber nicht bloss das: auch von Individuum zu Individuum gibt es Differenzen. So ist also nach v. Dungern und Coca grösste Regellosigkeit hier das Kennzeichnende. Dem- gegenüber fand ich, wie eben gezeigt wurde, und wie auch meine früheren Versuche lehren — freilich zum Teil mit anderen Salzen —, klar definierte Verhältnisse, und ich kann noch hinzufügen, dass in Versuchen über die Wirkung organischer Kationen, über welche dem- nächst beriehtet werden soll, auch noch die Blutkörperchen von Katze und Kaninchen sich gleichartig wie die von Rind, Hammel und Schwein verhielten. Wie der Widerspruch zwischen den Ergeb- nissen von v. Dungern und Coca und von mir zu erklären ist, kann ich nicht sagen. Ich komme nun zum Vergleich der eben gewonnenen Anionen- reihe mit den früher erörterten Reihen. Eben erhielten wir die Reihe: SO = OEZrNeer, FBorm =) benz = Sal Betrachtet man die Zusammenstellung auf S. 322, so wird man finden, dass diese bei den Blutkörperehen gefundene Reihe fast — bis auf die Stellung von CI — mit der für Kolloidfällungen geltenden Reihe übereinstimmt. Von aliphatischen Anionen sind ja freilich bisher nur wenige unter- sucht worden; die Hauptsache ist aber, dass Benzoat und Salieylat hier als Agentien gegenüber einem physiologischen Objekt den Platz am Ende der Reihe jenseits des Jodids einnehmen, den sie auch als physikochemische Agentien beanspruchen. Hier verhielten sich also Benzoat und Salieylat nicht „abnorm“. Ich verweise sodann auf die Betrachtungen S. 327—328, nach denen es als nicht unwahrschein- lich anzusehen ist, dass die abnorme Stellung von Salieylat und Benzoat am anderen Ende der Reihe jenseits des Tartrats, welche ihren Einfluss auf die Erregbarkeit kennzeichnet, vielleicht nur sekundär bedingt ist, und dass diese Stellung nur eine scheinbare Ausnahme bedeutet. Dann bleibt als Hauptabweichung nur noch die Stellung der aromatischen Ionen in der für den Ruhestrom geltenden Reihe, welche S. 328 besprochen wurde. Mit in bezug darauf verweise Über den Einfluss einiger organischer Alkalisalze auf Muskeln etc. 333 ich aber noch auffolgendes: Die Anionen wirken auflockernd auf die Plasmahaut der Blutkörperchen in der Reihe: SOFORT J = Benze=sal, auf die Plasmahaut der Muskeln in der Reihe: Ta:mags>180, 26: J > SCN C> Benz > Sal). Die Reihen verlaufen also in einander entgegengesetzten Richtungen, was ich schon an verschiedenen Objekten sowohl für die Anionen- wie auch für die Kationenwirkung konstatiert habe!). Wirken nun Salieylat und Benzoat, ausser von aussen, auch noch dadurch, dass sie im Innern der Protoplasten Veränderungen setzen, so können aus der Superposition der Wirkung auf die Plasmahaut von innen her und der in beiden Fällen einander entgegengesetzten Wirkung von aussen her Effekte resultieren, welehe nicht leicht voraus- zusehen sind. F. Der Einfluss einiger Hämolytica auf den Muskel. Zum Schluss seien zur Charakterisierung der Plasmahaut- veränderungen noch ein paar Mitteilungen über den Einfluss typischer Hämolytika auf die Muskeln angefüst. Von solehen Substanzen wurden untersucht: Saponin, Solanin, taurocholsaures, glykocholsaures und Ölsaures Natrium. Da es für diese Substanzen festgestellt bzw. wahrscheinlich gemacht ist, dass sie mit den Lipoiden reagieren, wobei sie sie lösen, so ist ihr Einfluss auf Blutkörperchen oder all- gemein ihre Fähigkeit zur Cytolyse wohl als die Folge eines An- grifis auf die Plasmahaut anzusehen. Werden nun Sartorien in die Lösungen dieser Stoffe eingehängt, so trittein Ruhestrom normaler Richtung auf, die einhängende Partie des Muskels wird also negativ. Der Effekt ist irrever- sibel, und er ist um so stärker, je grösser die Konzentration des Hämolytikums ist. Die Figuren 20—24 geben Beispiele dafür: Die Hämolytika kamen, in Ringer’scher Lösung gelöst, zur Ver- wendung. Da die Wirkungen zum Teil sehr kräftige sind, muss, wenn in einem bestimmten Zeitpunkt die Wirkung abgebrochen werden soll, für gute Wegspülung der Stoffe durch reichliche, eventuell 1) Die Beweglichkeit wird z. B. bei Muskeln in der Kationenfolge: Na < Li< Cs (s > Na > Rb > K vermindert. Siehe die Zusammenstellungen Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 10 8. 173. 1910. 334 Rudolf Höber: jy32 #0 n5 #4 50 51 55 Sag! 79523%% Fig. 20. Saponin. 1082 30 #1 45 #1 48 49 51 52 Fig. 22. Solaninchlorhydrat. -40 210 5} 75 393638 »B55 [0 2 9 45 B) 3) Fig. 21. Saponin. go 3 412 13 1548 25 27 128 30 34 41 45 Fig. 23. Solaninchlorhydrat. 1016 24 38 30 34 4250574237 uam Fig. 24. Glykocholsaures Natron. Über den Einfluss einiger organischer Alkalisalze auf Muskeln etc. 335 mehrfach gewechselte Mengen Ringer- Lösung Sorge getragen werden. Saponin und Solaninchlorhydrat erwiesen sich noch bei einer Kon- zentration von 0,002°% als wirksam, glykocholsaures Natron bei 0,15 °/o, taurochol- und ölsaures Natron bei 0,1 o. Im Zusammenhang mit den früher entwickelten Vorstellungen vom Zustandekommen des Ruhestroms ist aus diesen Versuchen zu schliessen, dass durch Weglösung bzw. Auflockerung von Lipoiden die Permeabilität der Plasmahaut gesteigert wird. Hand in Hand mit der Erzeugung des Ruhestroms geht eine Herabsetzung der Erregbarkeit, welche auch, je nach der Konzentration des Hämolytikums, verschieden schnell zustande kommt; in einer 0,01 °/oigen Saponinlösung ist die Erregbarkeit eines Sartorius binnen einer Stunde auf Null gesunken. Die Hämolytika beeinflussen also die Muskeln in anderer Weise als das ebenfalls irreversibel alterierende Barium oder als Wasser oder auch als Salieylat und Benzoat; sie beeinflussen die Muskeln geradeso, wie man es nach den gegebenen Vorstellungen vom Zusammenhang zwischen der Erscheinung des Ruhestroms und der Permeabilität der Plasmahaut von vornherein erwarten kann. Auch dies trägt wohl zur Charakterisierung der eingehender besprochenen Salieylat- und Benzoatwirkungen als komplizierterer Vorgänge bei. Zusammenfassung. 1. Es wird von neuem, diesmal durch das Studium des Ein- flusses organischer Anionen, gezeigt, dass physiologische Neutralsalz- wirkungen und physikochemische Neutralsalzwirkungen, speziell Wirkungen der Neutralsalze auf Kolloidsysteme zu einander parallele Vorgänge sind; die Fällung organischer Kolloide wird von den Anionen in der Reihenfolge Tartrat > Sulfat > Formiat, Acetat, Propionat, Butyrat, Valerianat — Chlorid > Jodid begünstigt, in ungefähr der gleichen Reihenfolge werden die Muskelerregbarkeit und der Ruhestrom von Muskeln beeinflusst. Die Wirkungen sind reversibel. 2. Zieht man zum Vergleich der Wirkungen auch noch die Natrium- und Lithiumsalze der Benzoesäure und Salieylsäure heran, - so zeigt sich, dass hier von einem Parallelismus in der Stärke der Wirkung auf die genannten Objekte nicht mehr die Rede sein kann. Jedoch zeigt sich auch, dass zum Unterschied von der physiologischen 336 Rudolf Höber: Über den Einfluss einiger organischer Alkalisalze etc. Wirkung der aliphatischen Anionen die der aromatischen Anionen mehr oder weniger irreversibel ist, was auf kompliziertere Einflüsse dieser Ionen hindeutet. 3. Es lässt sich wahrscheinlich machen, dass die genannte In- kongruenz in den physiologischen und physikochemischen Wirkungen der Salieylate und Benzoate von der Superposition mehrerer Vor- gänge bei der physiologischen Wirkung herrührt. 4. Der Einfluss der organischen Anionen, inklusive der aroma- tischen, auf die Hämolyse geht, soweit darüber bisher geurteilt werden kann, ungefähr dem Einfluss auf die Kolloidsysteme parallel. 9. Die relative hämolytische Wirksamkeit der verschiedenen Salze ist gegenüber den Blutkörperchen verschiedener Tierarten die gleiche. 6. Die typischen Hämolytika, wie Saponin, Solanin u. a., erzeugen bei Muskeln einen normal gerichteten, irreversiblen Ruhestrom und setzen entsprechend die Erregbarkeit herab. 337 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Tübingen.) Über eine einfache quantitative Trypsinbestimmung und das Fermentgesetz des Trypsins. Von .Dr. Alexander Palladin aus Petersburg. Einleitung. Gleichwie das Pepsin in saurer Lösung die Eiweisskörper auf- löst und schliesslich in die sogenannten Peptone überführt, so greift das von der Bauchspeicheldrüse gelieferte Ferment, das Trypsin, die Eiweisskörper in neutraler oder schwach alkalischer Lösung in ähn- licher Weise an, löst sie also vor allen Dingen auf, wandelt sie zu- nächst ebenfalls in peptonähnliche Körper um wie das Pepsin, bleibt aber bei dieser. Zersetzung nicht stehen, sondern zertrümmert sie gewissermaassen noch weiter, indem es schliesslich Aminosäuren und ähnliche verhältnismässig einfache Stoffe aus ihnen bildet. Will man tryptische Wirkungen im allgemeinen feststellen, so begnügt man sich meistens mit dem Nachweis, dass die Eiweiss- körper in schwach alkalischer Flüssigkeit aufgelöst werden, wobei die Lösung in anderer Weise stattfindet als in pepsinhaltigen Flüssig- keiten. Das Trypsin zertrümmert mehr, wie das ja auch der von Kühne geschaffene Name besagen soll, die Eiweisskörper, nament- lich das Fibrin, in kleine Krümelchen; das Pepsin löst sie von den Rändern her allmählich auf. Beide Fermente aber lösen unter sonst gleichen Bedingungen in gleichen Zeiten um so mehr Eiweiss auf, je grösser — bis zu einem gewissen Grade — die Ferment- mengen sind. Für das Pepsin glaubt man da eine bestimmte Regel gefunden zu haben, indem Schütz und später Borissow zeigen konnten, dass die von bestimmten Pepsinkonzentrationen gelösten Eiweiss- mengen nicht wie diese selbst, sondern viel langsamer, nämlich nur Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 23 338 Alexander Palladin: wie ihre Quadratwurzeln zunahmen, die 1, 4, 9, 16fach so starke Pepsinlösung also nur die 1, 2, 3, 4fache Eiweissmenge löste. Dieses Gesetz ist aber, wie Grützner!) zeigte, nur innerhalb ge- wisser Grenzen ungefähr richtig, wie auch aus allen von den ver- schiedensten Forschern angestellten Versuchen ?) hervorgeht, sobald man dieselben genau nachrechnet. Namentlich verdauen die starken Pepsinlösungen durchweg verhältnismässig zu wenig®). Innerhalb einer gewissen Grösse der Pepsinmengen stimmt die Regel ungefähr deshalb, weil die Peptone die Wirkung des Pepsins hemmend be- einflussen. Beseitigt man diese schädigende Wirkung, so sind, wie Grützner gezeigt hat, die in der Zeiteinheit gelösten Fiweissmengen den wirksamen Pepsinmengen direkt proportional. Wirksame Pepsinmengen sind aber, wenn es sich um Verdauung von festem Eiweiss handelt, natürlich nicht gleichbedeutend mit Pepsinkonzentra- tionen. Entgegen diesen Auffassungen, dass unter allen Umständen die verdauten Eiweissmengen hinter den Pepsinkonzentrationen be- deutend zurückbleiben, ist zwar neuerdings von Gross*) ganz all- gemein behauptet worden, dies sei nicht der Fall, sondern „die Pepsinverdauung gehe nach einfachen Proportionen vor sich“, wie 1) P.v. Grützner, Versuche und Betrachtungen über meine Methode, Pepsin kalorimetrisch zu bestimmen. Arch. d. Fisiologia vol. 7 p. 223. 1909. 2) Vgl. z. B. die Arbeiten von Borissow, Korn, Volhard u.a., die in Grützner’s obiger Arbeit besprochen sind. 3) So verhielten sich z. B. in den Samojloff’schen Versuchen (Archives des seienc. biolog. t.2 p. 727. 1893) die Pepsinmengen wie: i 1272, 2204 Sees log 2, die verdauten reduzierten Eiweissmengen in mm wie: 1:1,19:1,81: 2,48: 3,13 : 3,92. Nach dem Quadratwurzelgesetz sollen sie sich ver- halten wie: 1: 14 :2,0: 28: 40 : 5,6 oder in einem anderen Versuch die Ferment- mengen wie: UWE: Are 32165:7 792,264; die verdauten Eiweissmengen wie: 1,0:1,28: 1,72: 2,25 : 2,93: 3,73 : 4,87; die geforderten Eiweissmengen sind: 1.072492:0572:87:4,0°:79.678:,0, also ungeheures Zurückbleiben in der: Tätigkeit der starken Pepsinlösungen. Oder 'in einem -dritten Versuch mit geringeren Pepsinmengen, die Ferment- mengen wie: la RA 8 2 16 2325,61 die verdauten Eiweissmengen wie: 1:1,39:1,95:: 2,79: 3,92: 5,27: 6,56: 8,62; die geforderten Eiweissmengen wie: 1:14 :2,0:28:40:56:80: ul, z hier nur ein geringes Zurückbleiben der starken Fermentlösungen. 4) ©. Gross, Die Wirksamkeit des Pepsins und eine einfache Methode zu.ihrer Bestimmung. Berliner klin. Wochenschr. 1908 :8. 643. Über eine einfache ‘quantitative Trypsinbestimmung etc. 339 dies auch beim Trypsin. stattfinde. Die zwei-, dreifach so starke Pepsinlösung verdaut in. gleicher . Zeit die zwei- bzw, dreifache Eiweissmenge u. s. f. : Da mich diese Gesetzlichkeiten interessierten und mir - eine einfache und genaue Methode, die wirksamen Trypsinmengen zu be- stimmen, ähnlich etwa der Grützner’schen kolorimetrischen Pepsinbestimmungsmethode, nicht bekannt war, folgte ich gern einer Aufforderung von Herrn Prof. v. Grützner, eine ähnliche Methode auch für das Trypsin auszuarbeiten und die Gesetzlichkeiten bei der Trypsinverdauung zu studieren. Im Sommer 1910 unternahm ich diese Untersuchungen im physiologischen Institut in Tübingen und hatte mich dabei des dauernden Rates und der Unterstützung von Herrn Prof. v. Grützner zu erfreuen, dem ich auch die Abfassung der nachstehenden kleinen Arbeit verdanke. Ich spreche ihm an dieser Stelle meinen herzlichen Dank für alle seine Bemühungen aus. j. Über quantitative Trypsinbestimmungen im allgemeinen. R. Heidenhain!) war wohl der erste, welcher die verschieden starken Trypsinwirkungen der Extrakte von Bauchspeicheldrüsen untersuchte. Die Drüsen entstammten Hunden, welche in verschiedenen Verdauungszuständen getötet worden waren, und wurden gewöhnlich nach 24stündigem Liegen mit der zehnfachen Gewichtsmenge von Glycerin ausgezogen, hierauf die Massen filtriert und die gewonnenen Extrakte in 1,2°%/oiger Sodalösung mit Fibrin auf ihre Verdauungs- fähigkeit geprüft. Dabei stellte sich im allgemeinen heraus, dass die Extrakte der hungernden Hunde stark, die der gefütterten schwach verdauten. In den ersten befand sich demnach viel, in den zweiten wenig Ferment. Genauere Bestimmungen über die relativen Ferment- mengen stellte Heidenhain nicht an. Erst später wurde eine grosse Menge dahingehender Versuche yon verschiedenen Forschern ausgeführt, die hier erwähnt werden müssen. Da das Trypsin wohl immer den Faserstoff langsamer auflöst als das Pepsin und demzufolge kleinere, Trypsinmengen viel schwieriger nachzuweisen sind als ähnliche Pepsinmengen, um ‚so mehr, als sich in den’ alkalischen Flüssigkeiten Bakterien ‚leieht störend einmischen, war für Grützner, als er kleine: Mengen von DR. Heidenhain, Beiträge zur Kenntnis des Pankreas. , Pflüger’s Arch: ‘Bd. 10 S. 557. 1875. Da 340 Alexander Palladin: Trypsin z. B. im Harn nachweisen wollte, eine derartige empfind- liche Methode von grossem Wert. Sie wurde im folgenden gefunden und von Gehrig'), der im hiesigen Institut arbeitete, in seinen Untersuchungen erprobt. Gehrig färbte sauber gewaschenes und fein zerkleinertes Fibrin in alkoholischer Lösung von Magdalarot; einem Farbstoff, der weder in Wasser noch in wässeriger Sodalösung sich auflöst. Wird dieses rot gefärbte Fibrin in Sodalösung ein- gelegt, wodurch es ein wenig aufquillt, und dann in alkalische Trypsinlösung gebracht, so färbt sich die Flüssigkeit schon bei der Lösung von ganz geringen Fibrinmengen schwach, aber deutlich rot, bei Lösung grösserer Fibrinmengen natürlich mehr oder weniger dunkelrot, wie ganz ähnliches bei der Grützner’schen kolori- metrischen Pepsinmethode stattfindet. Würde sich eine viel grössere ungefärbte Fibrinmenge auflösen, so könnte man davon natürlich nichts sehen, gerade so wenig wie man die Auflösung eines Körnchens Kochsalz im Wasser ohne weiteres sieht, wohl aber die Lösung einer Spur von Methylviolett oder eines anderen ähnlichen Farbstoffes geradezu in die Augen springt ?). Wie mir aber Herr Prof. v. Grützner mitteilte, hat er das frühere Magdalarot nicht mehr erhalten. Fast alle ebenso be- nannten Farbstoffe lösten sich leicht in Wasser, waren also ganz unbrauchbar; nur eine einzige Probe von den vielen untersuchten löste sich, allerdings in der ersten Zeit nicht in Wasser, wohl aber dann, wenn man die Mischung schüttelte oder längere Zeit mit Sauerstoff in Berührung brachte. Auch dieser Farbstoff war also unbrauchbar. Nach vielfachen vergeblichen Versuchen meinerseits mit allen möglichen Farbstoffen verschaffte uns Herr Prof. Bülow hier- selbst in liebenswürdiger Weise einen Farbstoff, der sich vortrefflich für unseren Zweck eignete und zudem den Vorteil hatte, billig zu sein, 1) F. Gehrig, Über Fermente im Harn. Pflüger’s Arch. Bd. 38 8.35. 1886. 2) C. Oppenheimer beschreibt die Methode von Gehrig in seinem Buche (Die Fermente $. 124. Leipzig 1903) folgendermaassen. Er sagt: „Man bringt das gefärbte Fibrin auf ein Filter und beobachtet (zählt eventuell) die ge- färbten Tropfen, die bei der Trypsinwirkung aus dem Trichter herauskommen.“ Davon ist gar keine Rede. Oppenheimer macht hier denselben kaum begreif- lichen Fehler, den er bei der Beschreibung meiner kolorimetrischen Pepsin- bestimmungsmethode an gleichem Orte macht, bei der ebensowenig filtriert oder getropft wird. (Vgl. meine obengenannte Arbeit im Archivio di fisiologia p. 251.) Grützner. Über eine einfache quantitative Trypsinbestimmung etc. 341 während brauchbares Magdalarot ziemlich teuer war. Dieser: Farb- stoff ist Spritblau, bezogen von den Farbfabriken aus Elberfeld, wo es in zwei Arten, Spritblau bläulich und Spritblau rötlich, ver- kauft wird. Beide Arten sind wohl ziemlich gleich gut ver- wendbar. Ich stellte meine Versuche mit dem Spritblau bläulich an. Es ist, wie notwendig, völlig unlöslich in Wasser, dagegen sehr leicht löslich in Alkohol, ziemlich leicht löslich in Glycerin. In Alkohol gelöst hat es eine schöne violettblaue Farbe, die in starker Verdünnung mit sodahaltigem Wasser versetzt rötlich wird. Diese rötliche Farbe tritt aber erst ein bei Anwendung von 0,5—1,0 P/oiger Sodalösung. Die von mir angewendete 0,1 °/oige Sodalösung ver- ändert seine Farbe nicht. | Ehe ich jedoch zur genaueren Beschreibung dieser Methode übergehe, wird es sich empfehlen, die anderen Methoden kurz zu schildern, deren man sich zum quantitativen Nachweis dieses Fer- mentes bedient hat. a) Ältere quantitative Methoden zur Bestimmung des Trypsins. Ich zähle diese Methoden kurz der Zeit nach auf. Fermi!) verwendete geronnenen Leim zur Verdauung, der sich in Reagenz- giäsern befand. 7 g reine Gelatine in 100 g gesättigter wässeriger Thymollösung werden durch Erwärmen verflüssigt, die Lösungen in die Reagenzgläschen gefüllt und, nachdem die Höhe der Gelatine an dem Gläschen : bezeichnet war, mit den verschiedenen verdauenden Lösungen (namentlich von Mikroorganismen stammend) übergossen. Der erstarrte Leim verflüssigt sick ia Zimmertemperatur durch die ‘Berührung mit der Fermentlösung und zwar um so schneller, je stärker dieselbe ist. Dabei sei bemerkt, dass alle diese Versuche tage-, ja wochenlang dauerten. Ebenfalls Leim benutzten Hankin und Wesbrook°?), welche eine Glasplatte mit einer dünnen Schicht Thymolgelatine überzogen und Tröpfehen von Fermentlösungen auf die geneigte Platte brachten. „Ein Wassertröpfehen bleibt bei geringer Neigung der Platte an seinem Ort, während ein trypsinhaltiges Tröpfehen sich nach unten 1) Claudio Fermi, Die leim- und fibrinlösenden usw. Fermente der Mikroorganismen. Arch. f, Hygiene Bd. 10 S.1. 1890. | 2) Hankin et Wesbrook, Annales de l’Institut Pasteur t.6. 1892. 343 Alexander Palladin: zieht.“ Ich folge der Schilderung: von une uher. da mir die Originalarbeit nicht zugänglich war. Auch die Mett’sche Methode, welche zur quantitativen Pepsin- bestimmung vielfach, in dem Pawlow’schen Laboratorium wohl einzig angewendet worden ist und noch wird, wurde in entsprechen- der Form verändert, auch für das Trypsin benutzt. Die Kapillar- röhrchen, welche in bekannter Art mit geronnenem Hühnereiweiss gefüllt waren, legte man in schwach alkalische Trypsinlösungen und liess ihren Inhalt bei Körpertemperatur verdauen. Samojloff!) empfahl zuerst diese Methode für das Trypsin, ohne irgendwie nähere Angaben zu machen. Späterhin hat Walther?) die Methode weiter angewendet, indem er die Mett’schen Röhrchen in verschieden ver- dünnte Pankreassäfte legte und die Längen der abverdauten’‘ Eiweiss- zylinder maass. Er fand, was für uns von besonderer Wichtigkeit ist, die Schütz-Borrissow’sche Regel auch hier bestätigt. Die verdauten Eiweissmengen verhielten sich wie die Quadratwurzeln aus den Fermentmengen bzw. deren Konzentrationen. Linossier?°) ersetzte das durch die Hitze geronnene Eiweiss durch erstarrten Leim, welcher mit Methylviolett gefärbt war. Er wird flüssig in die Gläschen eingesaugt und gerinnt in niederer Temperatur. Weiteres ist mir nicht bekannt. Weiterhin hat Vernon*) eine grosse Reihe von eingehenden Versuchen über die Trypsinwirkung angestellt, von denen das Wesent- liche und das uns besonders Angehende hier mitgeteilt sei. Vernon benutzte fein gehacktes Fibrin, welches er mit alkalischer Trypsin- lösung verdaute und die verdaute sowie die ursprüngliche Menge in hier nicht näher zu beschreibender Weise durch Zentrifugierung feststellte. Er fand in Übereinstimmung mit den Angaben von Heidenhain, dass das Trypsin in Paukreasextrakten in 0,4P/oiger Sodalösung bei der Temperatur von 38 ® schnell zerstört wird und ferner, dass die verdauten Fibrinmengen der Schütz-Borissow’schen Regel folgen, also nur mit den Quadratwurzeln der Fermentmengen wachsen. 1) Samojloff, Determination du pouvoir fermentatif des liquides etc. par le proced de M. Mette. Arch. d. scienc. biolog. t. 2 p. 699. 1893. 2) A. A. Walther, Arch. d. scienc. biolog. t.7 p. 15. 1899. 3) Linossier, Compt. rend. de la societe de biol. t. 52 p. 2%. 1900. Zitiert nach Oppenheimer: R 4) H. M. Vernon,. The conditions of action of Trypsin. on fibrin.. The journ. of Physiol. vol. 26 p. 405. 1900—1901. Über eine einfache quantitative Trypsinbestimmung etc. 343 Thomas und Weber!) verwenden nun zum erstenmal einen neuen Eiweisskörper, nämlich Kasein in alkalischer Flüssigkeit gelöst. Diese Lösungen: werden mit &rösseren oder. kleineren Fermentmengen versetzt und mehr oder weniger verdaut. Nach einer bestimmten Zeit wird das noch unverdaute Kasein ausgefällt. Selbst- verständlich ist der ausgefällte Niederschlag um: so bedeutender, je geringer die Verdauung war. Der Niederschlag wird auf ge- wogenen Faltenfiltern gesammelt, mit destilliertem Wasser gewaschen, getrocknet und gewogen, also eine Reihe recht umständlicher Ope- rationen vollzogen. Löhlein?) hat auf Anregung von Volhard diese Methode vereinfacht. Er verfährt in der Hauptsache folgendermaassen: Die Verdauung in den alkalischen Flüssiekeiten. wird unterbrochen durch Zusatz einer bestimmten Menge Salzsäure und Glaubersalz, welche das unverdaute Kasein ausfällen. „Die salzsauren Peptone gehen durchs Filter, und der durch sie bedingte (dureh Titration fest- zustellende) Säurezuwachs dient als Maass für den Grad der Ferment- wirkung.“ Der Kaseinniederschlag , llher die Salzsäure zurückhält , ist um so geringer und das Filtrat um so saurer, je mehr Kasein ver- daut wurde. Löhlein findet, und das interessiert uns hier am meisten, dass die Schütz-Borissow’sche Regel für das Trypsin nicht eilt, sondern dass eine einfache direkte Proportionalität besteht zwischen den Mengen des Fermentes und dem von ihm verdauten Eiweiss. Zu ganz demselben Frgebnis kommt durch eine grosse Zahl von Versuchen mit verschiedenen Trypsinlösungen, sog, „Ölmagensäften“, vermittelst derselben Volhard’schen Methode Faubel?).. Er sagt: „Meine Versuche ergeben, dass das Schütz-Borissow’sche Wurzel- gesetz, wie es bei der Pepsin- und Steapsinverdauung zutrifft, bei dem Trypsin seine Gültigkeit nicht findet, dass hier vielmehr die Sl) Thomas und Weber, Zentralbl. f. Stoffwechsel- u. arkmsrndt. Bd.2. 1901. Zitiert nach Löhlein. 2) W. Löhlein, Über die Volhard’sche Methode äh quantitativen Pepsin- und Trypsinbestimmung durch Titration. F. Hofmeister’s Beiträge zur chem. Physiol. usw. Bd. 7 S. 120. 1905. u u. 3) 0. Faubel, Untersuchungen über den menschlichen Bauchspeichel und das Fermentgesetz des Trypsins. F. Hofmeister’s Beiträge zur chem. Physio- logie usw. Bd. 10 8. 35. 1907. 344 ° Alexander Palladin: Verdauung bei gleichen Verdauungszeiten direkt proportional den zugefügten Fermentmengen fortschreitet.“ Der Vollständigkeit balber sei noch erwähnt, dass zum -Nach- weis von kleinen Trypsinmengen Bierry und Henri!) sowie Schumm besondere Methoden angegeben haben. Die ersteren ver- wenden frische Milch nach dem Zentrifugieren und Filtrieren durch feuchte Papierfilter. Die Milch hellt sich auf und wird in 10—15 Minuten durchscheinend.. Schumm?) zeigt, dass Trypsin in einer konzentrierten Lösung von Witte-Pepton ziemlich schnell Tyrosin bildet, welches man gelegentlich in schönen Drusen kristallisiert nachweisen kann. Eine sinnreiche Methode beschreiben auch Henri und Larguier des Bancels°), welche in kurzer Zeit zu bestimmten Ergebnissen führt und den Verlauf der Trypsinverdauung deutlich erkennen lässt. Sie bedienen sich der Messung des elektrischen Widerstandes, der sich schon kurze Zeit (10 Minuten) nach dem Beginne der Verdauung auffällig ändert. Die letzte mir bekannte Arbeit über Trypsinverdauung ver- danken wir Gross*). Seine Methode ist verhältnismässig einfach und, wie ich glaube, recht genau. Auch er verwendet Kasein (Caseinum purissimum Grübler) in 0,1%oiger “Sodalösung (1 Kasein : 1000 Lösung). Die Reagenzgläser werden mit je 10 cem dieser Kaseinlösung und mit den nötigen Trypsinmengen versetzt. Die Verdauung geschieht bei 40° C. Je nach der Menge des Fermentes ist nun das Kasein früher oder später verdaut, so dass eine kleine Flüssigkeitsprobe aus dem Verdauungsgläschen mit wenig verdünnter Essigsäure (1:40) versetzt (viel Essigsäure löst den Niederschlag) nur da einen stärkeren oder schwächeren Niederschlag gibt, wo noch mehr oder weniger Kasein ungelöst vorhanden ist. Ist das Kasein völlig verdaut, so tritt kein Niederschlag ein. Gross fand mit dieser Methode, dass die Verdauungszeiten sich 1) Bierry und Henri, Compt. rend. de la societe de biol. t. 52. 1902. Zitiert nach Oppenheimer. 2) 0. Schumm, Über menschliches Pankreassekret. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 36 S. 292. 1902. 3) V. Henri et Larguier des Bancels, Compt. rend. t. 136 p. 1038. 1903. 4) OÖ. Gross, Die Wirksamkeit des Trypsins und eine einfache Methode zu ihrer Bestimmung. Arch. f. exper. Pathol. usw. Bd. 58 S. 157. 1908. Über eine einfache quantitative Trypsinbestimmung etc. 345 genau umgekehrt proportional verhalten wie die. Fermentmengen, also das Schütz-Borissow’sche Gesetz für das Trypsin in keiner Weise Geltung hat. b) Die kolorimetrische Trypsinbestimmungsmethode im besonderen. Wie schon oben angedeutet, färbte ich das zu verdauende Fibrin wie Grützner und Gehrig es getan haben, mit einem geeigneten Farbstoff und zwar mit Spritblau. Der Farbstoff wurde in Alkohol aufgelöst und das saubere, zerschnittene und in Glycerin aufbewahrte Fibrin nochmals mit einer Schere fein zerschnitten und in dieser gesättisten Farbstofflösung 48 Stunden liegen gelassen. Hierdurch nimmt es eine schöne dunkelviolette Farbe an. Dieses blaue Fibrin bewahrte ich in Glycerin auf, in welchem Spritblau bis‘ zur Sättigung gelöst war. Solches Fibrin bleibt weicher und wird besser verdaut als dasjenige, welches dauernd in Alkohol liest. Vor Anstellung eines Versuches wird dieses Spritblaufibrin sorg- fältig mit Wasser von seinem Glycerin befreit und dann auf etwa eine Stunde in 0,1°/oige Sodalösung gelegt, in welcher es ein wenig aufquill. Zur Verdauung benutzte ich Pankreatin aus der chemischen Fabrik Rhenania in Aachen, welches sehr kräftig wirkte. ‘Um einen Überblick über die Verdauung dieses bunten Fibrins zu haben, wurden folgende Versuche angestellt. | Zunächst wurden gleiche Mengen von Fibrin unter möglichst gleichen Bedingungen, also in genau gleich weiten Reagenzgläsern bei derselben Temperatur der Verdauung durch gleiche Mengen Trypsin ausgesetzt. Die Flüssigkeitsmenge betrug in allen Gläschen 15 cem und war 0,1°/oige Sodalösung, welche sich mir am besten bewährte. Das am Boden befindliche Fibrin war durchweg 1'/e em hoch. Nach 10—20 Minuten wurden alle Gläschen schwach bläulich, und die Farben waren nicht von einander zu unter- scheiden. Alle 5—10 Minuten kehrte man die Gläschen um, indem man sie mit dem sauberen Daumen verschlos. Die Verdauung ging in allen Gläschen in gleichem Schritt vorwärts, und die Flüssig- keiten wurden immer dunkler, blieben aber untereinander voll- kommen gleich. Weiter wurden verschiedene Fermentmengen : angewendet, und sofort änderte sich natürlich der Verlauf des Versuches. Die 346 Alexander Palladin: Gläschen, welche viel Ferment enthielten, wurden schneller blau und waren oft schon recht dunkelblau, während die ersten kaum einen blauen Schimmer zeigten; ein Kontrollgläschen mit der Soda- lösung ohne Trypsin blieb farblos. Um nun die Menge des gelösten Faserstoffs festzustellen, legte ich mir wie Grützer eine Farbenskala an, deren Herstellung aber schwieriger war als diejenige mit Karmin. Ich verfuhr dabei folgendermaassen. Je 0,5 g abgepresstes Spritblaufibrin werden ver- setzt mit 13,5 eem Sodalösung von 0,1°/o und 1,5 eem Pankreatin- lösung (1 g Pankreatin auf 100 ecm Sodalösung 0,1°/o) und in sechs Gläschen von 13 mm Durchmesser verteilt. Die Verdauung schreitet wieder wie in obigem Versuche gleich schnell vorwärts. Nach einigen Stunden ist in allen Gläschen das Fibrin verdaut. ° Die Flüssigkeiten haben alle die gleiche dunkelblaue Farbe. Die Inhalte aller Gläschen werden zusammengegossen und aus dieser Flüssigkeit eine Skala aus sechs Gliedern angefertigt. Gläschen 1 enthielt 1 cem dieser blauen Flüssigkeit + 14 cem Wasser, x 2 a 2 i R 5 +13, 2 ” 3 ” 3 nn ” ” ” Ar 12 ” ” ö 4 N 3 E RN £ +11 „ A & 5) „ Dar “ 3 = 101.5 n ” 6 ” 6 $)] ” ” ” ar 3 » ” Gläschen 1 enthält demnach gelöst 0,02 g feuchtes Fibrin und hat Farbe I, DAR ENEI NIE N DEP a EAN a ru & BO N And, re LU a , rg DB ARE AN. Be i OO BR: a h BE UI Wi gr 2 RENT LT IV. Das Gläschen 1 sieht ganz blassblau-violett aus, ähnlich der Farbe gewisser grossblütiger Campanulablüten (Campanula rapunculoides), die mittleren Gläschen gleichen der Farbe der Rosmarinblüten, und die späteren sind entsprechend dunkler. Über die Haltbarkeit dieser Farblösungen habe ich noch wenig Erfahrung. Sie dürften aber nicht so haltbar sein wie diejenigen der Grützner’schen Karmin- skala. Meine Zeit war leider zu knapp, um darüber weitere Ver- suche anzustellen. Jedenfalls hielten sie, im Dunklen aufbewahrt ihre Farben, ‚solange ich sie brauchte. Ich bezeichne. die Farben, Über eine einfache quantitative Trypsinbestimmung etc. 347 so wie es Grützner getan hat, mit den römischen Zahlen I—VI; I ist die hellste, VI die dunkelste Nüance. . ER Als ich weitere Versuche anstellte, indem ich in den sechs Gläschen 0,02, 0,04 usw. bis: 0,12 g blaues Fibrin mit je 15 eem Trypsinlösung verdaute, erhielt ich stets dieselben Farbentöne wie in dem vorigen Versuch. Nur einmal waren die blassblauen Gläser hier eine Spur heller als im ersten Versuch. Über die Brauchbarkeit der Methode stellte ich nun eine Reihe von Versuchen an, in denen gleiche Fibrin-, aber verschiedene Trypsinmengen Verwendung fanden. Folgender Versuch gibt darüber Aufschluss. Versuch 1 (21. Mai). Gläschen 1 enthält 15 ccm 0,1°%oiger Sodalösung + 0,0 ccm Trypsinlösung von 1/o, 2,5 14,8 „.0,l0loiger in +01 „ e; se 10/0, ” 3 ” 14,6 ” 0,1°/0 iger ” +04 ” » ” 196, A101 O/oiger n +09 „ n Bal0lor Bo 1340, lloiger io, = leo: Beginn des Versuches 10h 20 ', die Verdauung geschah hier wie in allen anderen Versuchen bei 40°C. Um die nachbenannten Zeiten hatten die Gläschen folgende Farben erreicht: i Gläs- | Tryp- Zeit ‚chen | sin |10»30’|10R45’| 10n 55° | 11%5’° 11n15’| 115 95’ 1 0 0 208 178.05°(0.0) 0 (0,0) | 000,0) | 00,0) 2 0 0 | 0-1 (LO) 1.(1,0) I-11(1,0) 11(1,0) 3 4 0 I | Il (2,1) | 113,0) |. III(L,5). 4 9 0 I | 1-1116,0)) II1@,0) | 1V(2,6) |IV-V (2,25) 5 6 | 0-1 IıII bedeutet etwas’ heller bzw. etwas dunkler als’Il, I—II eine Farbe etwa in der Mitte zwischen I und II. 348 Alexander Palladin: Ein dritter Versuch mit viel weniger Ferment (0,25 °/o) ergibt folgende Verhältnisse. Alles übrige ist. wie in den beiden vorher- gehenden Versuchen. Versuch 3 (8. Juni). Beginn 2h 30’. Zeit Gläschen | Trypsin = 2h 402245027 31 | 8210” 13u 39) 36300 1 0 0 () 0 0 0 (0,0) 0 (0,0) 2 0,1 0 0 0 020 TO ES TIED) 3 0,4 0 0 0 I II (2,0), II (30) 4 0,9 0 0 I I-NI | 1,0 3 4 39 38 65 5 4 ) 9,0 5,0 2100077, ol 6) 16 6,5 6,5 1,02%, „ 43 Versuch 2 (7. Juni, Nr. 26). Eine schwächere Trypsinlösung (0,5°o Ferment in Sodalösung von 0,1°/o) gelangt unter ganz derselben Bedingungen zur Verwendung. Die Verdauung dauert 15 Stunden. mit Ferment- 1 In Röhrchen lösung erinnern Leim ccm mm zusammen 1 (0) 0,0 0,0 0,0 oder bzw. 0,0 2 1 1,2 1,2 2 0 3 4 2,9 2,9 5,0 ” b)) 2,1 4 9 4,0 4,0 Sl 2» 99 5 16 5,0 OR SL 100 22 Versuch 3 (7. Juni, Nr. 27). Eine 1°/oige Trypsinlösung in den gleichen Konzentrationen wie oben ver- daute in 13 Stunden bei 25° C.: mit Ferment- ; TrRölschen ang Verdauter Leim ccm mm zusammen 1 0 0,0 | 0,0 0,0 oder 0,0 2 1 1,0 1,3 a el B3 4 2,8 248 48 „ 21 4 9 4,0 4,0 STE, 8,5 d 16 5,0 9,0 10073 1483 356 Alexander Palladin: Aus diesen Versuchen sieht man zunächst, wie diese Methode, eine entsprechende Abänderung der Mett’schen, gut für quantitative Trypsinbestimmungen verwertbar ist. Das Quadratwurzelgesetz gilt nahezu; besondere Beachtung aber verdient, dass die verdauten Leimmengen, namentlich die grösseren, nicht wie es bei den Pepsinversuchen für das Eiweiss durchweg gilt, zurückbleiben (s. S. 342 die Zahlen bei Samojloff und Korn), sondern dass sie grösser sind als die Quadratwurzeln der Fermentkonzentrationen. Die Art und Stärke der Hemmung, welche hier in Betracht kommt, ist also eine ganz andere, als bei der Pepsinverdauung. Im grossen und ganzen aber stimmen meine Ergebnisse mit den Angaben von Samojloff und Walther überein. Anders aber wird die Sache sofort, wenn man, wie das Grützner getan hat, dafür sorgt, dass alle Hemmungen bei der Verdauung so viel wie möglich beseitigt werden. Das geschieht am einfachsten, wenn man die Mett’schen Röhrchen senkrecht hängt und zwar in die oberen Schichten von einer grösseren Menge Verdauungsflüssigkeit oder wenn überhaupt nur sehr wenig verdaut wird. Dann kommt doch stets, wenn die Röhrchen nicht gar zu eng sind, die ursprüng- liche Verdauungsflüssigkeit in unmittelbare Berührung mit dem zu verdauenden Leim. Ich habe ziemlich viel Versuche nach dieser Richtung hin angestellt, und alle mit den gleichen Ergebnissen, nämlich denjenigen, welche das Grützner’sche Gesetz fordert: die verdauten Leimmengen waren ziemlich genau proportional den dritten Wurzeln aus den Quadraten der Konzentrationen. Einige Versuche mögen als Belege dienen. Versuch 1 (13. Juni, Nr. 32). Die mit Spritblau-Gelatine gefüllten Röhrchen werden an einem Ende mit einem dünnen Seidenfaden an Holzstäbchen gehängt, welche quer über den mit Verdauungsflüssigkeit gefüllten Bechergläschen liegen, so dass sie möglichst senkrecht herabhängen. Die Verdauung geschieht bei 19° C. Die Gläschen stehen, wie auch bei allen früheren Versuchen in einem eigens dazu her- gerichteten Wasserbad. Der Versuch dauert 25 Stunden. Enthält Enthält Verdaute Mengen Leim 3 Glas |, Ttypsin- |Sodalösung = ae Vi: lösung 10/0 0,10 oben unten (t = Trypsin- ccm ccm mm mm mengen 1 0 75 0 0,0 oder 0,0 0,0 2 1 74 0,4 (1,0) 09 „ 10 1,0 3 4 71 1,0 (2,5) DIDE 0 DU8 2,5 4 ) 66 1,3 (4,5) 307.5 AU 4,33 b) 16 99 2,5 (6,2) D33 5, 6,35 Über eine einfache quantitative Trypsinbestimmung etc. 357 Versuch 2 (13. Juni, Nr. 33). Ein gleicher Versuch unter denselben Bedingungen an demselben Tage angestellt, ergibt: Verdaute Mengen Leim Ferment- SaRE mengen oben unten ve mm mm 0 00 | 0,0 oder 0,0 0,0 1 050.0) 10,9. , "10 1,0 4 1.080) | 225 2,5 9 Le ee es 4.33 16 Een 6,35 Wie man also sieht, folgen namentlich die unten abverdauten Leimmengen dem Grützner’schen Gesetz. Bei den oberen pflegen (Versuch 2) die grösseren Mengen ein wenig zurückzubleiben. Dieses Zurückbleiben wird aber ausserordentlich stark, sobald die Ver- dauung in etwas höherer Temperatur geschieht, was wohl auf die stärkere Zerstörung des Trypsins zurückgeführt werden dürfte. Folgende Versuche zeigen dies. Versuch 3 (15. Juni, Nr. 34). Anordnungen wie in Versuch 1 und 2. Dauer des Versuches 23 Stunden. Temperatur 25° C. Dieselben Fermentmengen in denselben Flüssigkeitsmengen. Verdaute Mengen Leim Ferment- 38 mengen oben ‘ unten ve mm mm 0 0,0 0,0 | 0,0 etwas heraus gequollen 1 1,0 1,1 oder 1,0 1,0 E: 1,5 I 2,5 1) 2,1 WERFEN 3}; 4,3 16 2,5 I el 6,35 Versuch 4 (15. Juni, Nr. 35). Derselbe Versuch wiederholt. Dauer 23 Stunden. Temperatur 25° C., einige Zeit etwas niedriger. Verdaute Mengen Leim Ferment- SAN mengen _ oben unten ye mm mm 0 0,0 | 0,0 0,0 etwas heraus gequollen 1 0,8.(1,0) | 1,0 1,0 2 TABL 28 25 2 2,2 (2,7) 4,2 43 16 aa 6,0 6.35 358 Alexander Palladin: Es wird nicht nötig sein, noch mehr Versuche derart mitzuteilen. Sie alle zeigen, abgesehen von der viel besseren Verdauung unten als oben, dieselben Gesetzlichkeiten. Und es stimmen die gefundenen Zahlen, auch die nicht mitgeteilten, recht gut mit den berechneten, namentlich wenn man bedenkt, dass die Messung der verdauten Leimsäulehen nicht aufs Haar genau geschehen kann und Fehler- quellen hier wie bei jeder anderen Methode unvermeidlich sind. Erwähnt sei noch, dass, wenn man dieselben Versuche mit Pepsinlösungen und Mett’schen Eiweissröhrehen macht, sie anders ausfallen, d. h. dass die von den stärkeren Pepsinlösungen ver- dauten Eiweissmengen bedeutend zurückbleiben, wie folgender, Ver- such zeigt. Versuch. Pepsinextrakt in Salzsäure von 0,2°/o je 25 ccm in fünf Gläschen, in denen die Mett’schen Röhrchen oben senkrecht hängen. Dauer des Versuches 22 Stunden, Temperatur 37° C. Eiweiss verdaut Se Ferment- PERL yvP: mengen oben unten P = Pepsin- mm mm mengen 0 0,0 oder 0,0 0,0 oder 0,0 0,0 1 oe” Wo 1,0 4 2,12... 2126 24 °,23156 2,5 ) 2161 0a | 4,33 16 SEE) 48 „ 32 6,35 Lehrreich ist das Zurückbleiben der Verdauung in den Röhrchen oben, je weiter die Verdauung bei späteren Konzentrationen fort- schreitet. Hier sind die Hemmungen offenbar in den engen Kapillar- röhrchen am bedeutendsten. Will man bei der Pepsinverdauung die reine Abhängigkeit der verdauten Fiweissmengen von den tätigen Fermentmengen studieren, so muss man, wie das Grützner getan, nicht kapillare Röhrchen, sondern weite Röhren verwenden. Aus allen diesen Versuchen geht also hervor, dass für das Trypsin ganz dasselbe Gesetz gilt wie für das Pepsin, wenn man berücksichtigt, wie viel Fermentmoleküle überhaupt auf die Oberfläche des zu verdauenden FEiweisses wirken können. Dabei muss natür- lich diese Oberfläche konstant erhalten, und ferner müssen alle Widerstände, die sich der Verdauung entgegenstellen, wie die Ver- mischung der Verdauungsflüssigkeit mit Peptonen, Zerstörung von Ferment, die Änderung der Konzentration der Fermentlösung u. a., möglichst vermieden werden. Ein Fermentmolekül leistet dann dieselbe Arbeit wie jedes andere, n wirksame Fermentmoleküle n-mal Über eine einfache quantitative Trypsinbestimmung etc. 359 so viel wie eins. Wirksam aber können nur diejenigen Ferment- moleküle sein, welche mit der Oberfläche des Eiweisses in unmittel- bare Berührung kommen. Daher verdaut eine Fermentlösung, in welcher n-mal so viel Fermentmoleküle sind als in einer anderen unter sonst gleichen Bedingungen niemals n-mal so viel festes Eiweiss, sondern nur 3 YVn? mal so viel. Ganz das gleiche muss natürlich auch gelten, wenn man nicht, was — wie oben schon auseinandergesetzt — im allgemeinen viel zweckmässiger ist, die Verdauungszeiten gleich lässt und nach den in diesen Zeiten verdauten Eiweissmengen iragt, sondern die Frage aufwirft, innerhalb welcher Zeit verschiedene Ferment- mengen dieselbe Arbeit verrichtet haben, also z. B. sleiche Mengen von Eiweiss verdaut haben. Selbstverständlich müsste man auch bei derartigen Versuchen, wenn man irgend ein Gesetz herausfinden wollte, für gleiche Oberfläche des zu verdauenden Eiweisses und für Vermeidung aller Hemmungen während der Ver- dauung sorgen. Derartige Versuche hatte ich noch nicht Gelegenheit anzustellen. Sie würden aller Wahrscheinlichkeit dieselben Gesetz- lichkeiten ergeben. Berücksichtist man aber diese Vorsichtsmaassregeln nicht, so ergeben .sich, wie längst bekannt ist, ganz andere Beziehungen zwischen Fermentmenge und Geschwindigkeit der Verdauung. Es ist behauptet worden, dass die n-fache Menge des Fermentes eine bestimmte Menge von Eiweiss in der n-mal so kurzen Zeit wie die einfache löst. Daran ist aber gar nicht zu denken, sondern sie braucht viel länger dazu. Brücke!) verwendete z. B. Pepsin- lösungen, welche sich wie 1:2:4:8:16:32 verhielten; die Ver- dauungsgeschwindiekeiten (das sind die umgekehrten Zeiten) zeigten aber keineswegs dieselben verhältnismässigen Grössen, sondern die achtfache Pepsinmenge verdaute etwa nur 4,7 mal so schnell als die einfache. In einem Versuche von Mayer?) dagegen verdauten die 16, 8, 4, 2fachen Pepsinmengen bezüglich nur 2,8, 2,3, 2,0, 1,7 mal so-schnell als die einfachen. Auch ich stellte einige dahingehende Versuche mit Trypsin und Pepsin an und will zwei von ihnen mitteilen. I) Siehe P. v. Grützner, Versuche und Betrachtungen usw. Arch. di Fisiol. vol. 7 p. 223. 1909. 2) Siehe P. v. Grützner, Versuche und Betrachtungen usw. Arch. di Fisiol. vol. 7 p. 223. 1909, 360 Alexander Palladin: Versuch 1. (27. Mai, Nr. 19.) Gleiche Mengen Spritblaufibrin werden mit je 15 ccm von verschieden starken Trypsinlösungen in Brutwärme verdaut. In den Gläschen befinden sich 0,4, 0,9 und 1,6 cem Trypsinlösung (1 g Trypsin zu 100 ccm Sodalösung von 0,1°/o) mit den entsprechenden Mengen gleicher Sodalösung versetzt. Das Fibrin war auf- gelöst nach bezüglich 6 Stunden 50 Minuten, ze 40 a B) ” 25 $)] Die Verdauungsgeschwindigkeiten verhielten sich sonach wie 1,0 : 1,46 : 2,0, „ Irypsinmengen „ 3; 5; » 1,0.:72,25154.0: . Versuch 2. (28. Mai, Nr. 20.) Ein ganz ähnlicher Versuch mit Pepsin, in welchem sich die Mengen des Pepsins in je 25 ccm Salzsäure wie 1: 4:9 : 16 verhielten und gleiche Mengen Karminfibrin bei Zimmertemperatur verdaut wurden, zeigte folgende Ergebnisse. Die Zeiten, in denen alles Fibrin verdaut war, betrugen bezüglich 2 Stunden 58 Minuten, 1 Stunde 8 5 38 ” 25 n Die Verdauungsgeschwindigkeiten also bezüglich 1,0 : 2,6 : 4,7 : 7,1. „ Pepsinmengen, wie oben mitgeteilt les Ara 9 merel0% Auch in diesen Versuchen bestand also keineswegs eine direkte Proportionalität zwischen Fermentmengen und Verdauungsgeschwindig- keiten. Die grösseren Fermentmengen verdauten verhältnismässig viel zu langsam. Auch wenn man, was sich mit der kolorimetrischen Methode sehr leicht ausführen lässt, nicht bis zu dem Ende der Verdauung wartet, sondern nur so lange, bis in allen Verdauungsgläschen, welche gleiche Mengen Fibrin, aber verschiedene Mengen Ferment enthalten, gleich viel Fibrin gelöst worden ist, also die Frage beantwortet, innerhalb welcher Zeit in den verschiedenen Gläschen eine bestimmte Farbe erreicht ist, erhält man dieselben Verhältnisse. Die starken Ferment- lösungen bleiben ungeheuer zurück. Die Farbe II meiner Skala wurde z. B. in einem Versuch mit den Trypsinmengen 1, 4, 9, 16 erreicht in beziehungsweise 60, 40, 25 und 18 Minuten. Den ge- nannten Fermentmengen entsprechen also die Verdauungsgeschwindig- keiten 1,0, 1.4, 2,2, 3,3. Nachdem wir also gesehen haben, dass bei den gebräuchlichen Verdauungsversuchen nahezu die Schütz-Borisso w’sche Regel, unter bestimmten Versuchsbestimmungen aber, wie Gleicherhaltung der Oberfläche des zu verdauenden Eiweisses und Vermeidung aller Über eine einfache quantitative Trypsinbestimmung etc. 361 Hemmungen das Grützner’sche Gesetz recht genau gilt, kommen wir zum Schluss zu der wichtigen Frage, wie sind die Angaben von Volhard und seinen Schülern sowie diejenigen von Gross zu er- klären, welche auf das bestimmteste eine direkte Proportionalität zwischen Fermentmenge und Verdauungsgeschwindigkeit behaupten. Nun, der wesentliche Unterschied in jenen beiden Versuchsarten ist der, dass die letztgenannten Forscher flüssiges Eiweiss, die anderen aber so wie ich in den oben beschriebenen Versuchen festes Eiweiss zur Verdauung verwendeten. Ich machte mich daher daran, die Ver- suche von Gross zu wiederholen, weil mir die Methode als die einfachste von den genannten gleichartigen erschien. Und siehe da, auch ich kam zu ganz den gleichen Ergebnissen wie Gross; das in schwacher Sodalösung (von 0,1 °/o) gelöste Kasein wurde um so schneller gelöst, je mehr Trypsin in der Lösung sich fand, und die Lösungsgeschwindigkeiten waren den Fermentmengen direkt pro- portional. Weder bestand das Sehütz-Borissow’sche noch das Grützner’sche Gesetz. Nun, dass das letztere hier nicht gelten konnte, ist klar; denn bei dieser Art von Verdauung gibt es kein zu verdauendes Eiweissstück mit gleichbleibender Oberfläche, sondern gelöstes Eiweiss, dessen Oberfläche wir, wenn auch nicht als un- endlich, doch als sehr gross ansehen können. Nahezu an jeder Stelle des Raumes in der Verdauungsflüssigkeit können die ebenfalls durch den ganzen Raum verteilten Fermentmoleküle mit den Eiweiss- molekülen in Berührung kommen. Je mehr Fermentmoleküle vor- handen sind, um so mehr Eiweissmoleküle können von ihnen gepackt werden. Die nfache Menge der Fermentmoleküle kann n-mal so viel Eiweissmoleküle angreifen und in derselben Zeit also n-mal so viel Eiweiss auflösen oder mit einer bestimmten Eiweissmenge in n-mal so kurzer Zeit fertig werden. Dass dies alles in der Tat für das Trypsin gilt, haben die ge- nannten Forscher gezeigt. Es ist ein leichtes, sich vermittelst der Methode von Gross von der Richtigkeit dieser Tatsachen zu über- zeugen. Folgender Versuch diene als Beispiel. Versuch 1. Es wird Caseinum purissimum nach Hammarsten von Grübler in 0,1%/oiger Soda aufgelöst (1: 1000). Je 10 ccm dieser Lösung werden in 5 Gläschen verteilt und mit verschiedenen Mengen einer Trypsinlösung (1 Trypsinum siccum 'Grübler in 100 derselben Sodalösung) versetzt und zwar mit 0,1, 0,2, 0,4 und 0,8 ccm Trypsinlösung und mit Sodalösung zu je 15 ccm aufgefüllt. Die 362 Alexander Palladin: Verdauung geschieht in Körpertemperatur und beginnt um 2h 57’. Sie war be- endet bezüglich nach 101, 50, 25, 12 Minuten '!), Die Verdauungsgeschwindig-, keiten verhielten sich also wie 1:2;4:8, 4, also nahezu wie die Ferment- mengen. Andere ähnliche Versuche lieferten dieselben Ergebnisse. Auch den Versuch von Gross, dass die n-fache Kaseinmenge n-mal so viel Zeit gebraucht, um von einer bestimmten Ferment- menge aufgelöst zu ‚werden, als die einfache, konnte ich leicht bestätigen. Er ist auch leicht. zu verstehen, da eben, wie man doch annehmen muss, eine gegenseitige Durchdringung der beiden Flüssig- keiten stattfindet und verhältnismässig um so weniger tätige Ferment- moleküle vorhanden sind, je grösser die Zahl der Kaseinmoleküle wird. Wie himmelweit verschieden derartige Versuche ausfallen, wenn statt des gelösten Fiweisses festes Eiweiss verwendet wird, ist schon lange bekannt. So behauptet Brücke in seinen bekannten „Bei- trägen zur Lehre von der Verdauung“, dass eine grosse Menge von in Salzsäure gequollenem Fibrin sich nahezu ebenso, schnell auf- ‚löst wie eine kleine Fibrinflocke, wenn beide von der gleichen Menge Pepsin verdaut werden. Wenn auch dieser Versuch keine reinen Bedingungen darbietet, so ist doch, wie Grützner?°) gezeigt hat, so viel sicher, dass, wenn man verschieden grosse Fibrinmengen in ausreichend viel Pepsinlösung der gleichen Konzentration lest, in breiten Grenzen die Zeitunterschiede der vollständigen Verdauung ziemlich geringe sind, ja bei stärkeren Pepsinlösungen ganz. ver- schwinden können, wovon auch ich mich überzeugte. Wie steht es nun aber bei dem Trypsin? Gelten da dieselben Verhältnisse oder andere? Wiederum eaben mir Versuche mit der kolorimetrischen Methode in sehr einfacher Weise ganz bestimmte Antworten. Ein Versuch diene als Beispiel. Versuch. (11. Juni, Nr. 23.) In 4 Reagenzgläsern werden verschiedene Mengen von Spritblaufibrin, die sich verhalten wie 1:2:3:4, mit je 15 ccm derselben Trypsinlösung (1,0 Trypsin zu 100 Sodalösung von 0,1%) übergossen und der Verdauung in der Wärme ausgesetzt. Nach einer Viertelstunde zeigen die Gläschen sehr verschiedene Färbungen, nämlich I, U, H—II, III—IV. ar; 1) Da man aus anderen ähnlichen Versuchen ungefähr die Dauer der Ver- dauung kannte, goss man um diese Zeit eine kleine Menge der Verdauungs- flüssigkeit aus dem Gläschen in andere Gläschen und fügte ein paar Tropfen verdünnter Essigsäure hinzu. Fehlte jedweder Niederschlag, so war für. mich die Verdauung beendet. 2) P. v. Grützner, Neue Untersuchungen usw. S. 12 u. ff. Über eine einfache quantitative Trypsinbestimmung etc. 363 Wäre der Vorgang :der Verdauung so wie in den oben be- schriebenen Versuchen mit dem flüssigen Kasein, so müsste man erwarten, dass in gleichen Zeiten etwa gleiche Mengen verdaut würden; denn die n-fache Menge Eiweiss verlangt ja n-mal so viel Zeit zur Verdauung. Wenn das Fibrin in dem ersten Gläschen mit der geringsten Fibrinmenge verdaut ist, dürfte auch in den anderen Gläschen nicht mehr verdaut sein; die Farben in den Gläschen müssten gleich sein. Daran ist aber, wie gesagt, nicht zu denken. Durch den ganzen Versuch hindurch sind von Anfang bis zu Ende die Gläschen mit den grösseren Fibrinmengen dunkler als die mit den geringeren, natürlich wegen der grösseren Oberfläche des zu lösenden Fibrins.. Und da in ihnen die Verdauungsgeschwindiekeit viel grösser ist als in den anderen mit weniger Fibrin, so werden sie auch in nahezu derselben Zeit mit ihrem Fibrin fertig. In’ obigem Versuch dauerte es z. B. 5 Stunden, bis in dem ersten Gläschen, und etwa noch 30 Minuten länger, bis auch in dem letzten die Verdauung beendet war. Es war natürlich gar keine Rede davon, dass die vierfache Menge Fibrin viermal so viel Zeit zur Verdauung gebraucht hätte wie die einfache. Fasse ich hiernach die Ergebnisse meiner Arbeit, die ich leider bei der mir zugemessenen kurzen Zeit nur auf das Trypsin !) ausdehnen konnte, kurz zusammen, so dürften sie folgender- maassen lauten. 1. Dadurch, dass man das zu verdauende Fibrin mit einem passenden Farbstoff, Spritblau bläulich, färbt, ist es möglich, die Lösung von äusserst geringen Fibrinmengen, welche die Flüssigkeit blau färben, nachzuweisen. Diese Methode ist also sehr genau. Da ausserdem die Verdauung um so schneller vor sich geht, je mehr Ferment in Tätigkeit ist, so kann man aus der mehr oder weniger starken Färbung, ganz wie bei der kolorimetrischen Pepsinbestimmung von Grützner, die Schnelligkeit der Verdauung und demgemäss den relativen Fermentgehalt der Lösungen schnell und sicher be- stimmen. Diese Methode wird von keiner anderen quantitativen übertroffen. 1) Wie mir soeben Herr Prof. v. Grützner mitteilt, dürften in kurzem ähnliche Untersuchungen von anderen Fermenten aus seinem Institut veröffent- licht werden. 364 Alex. Palladin: Über eine einfache quant. Trypsinbestimmung etc. 2. Das sogenannte Fermentgesetz des Trypsins lautet genau so wie das von Grützner festgestellte des Pepsins. Handelt es sich nämlich um die Verdauung von festem Eiweiss (oder Leim), und sorgt man dafür, dass möglichst alle Störungen und Hemmungen vermieden werden und stets eine gleichgrosse Fläche Eiweiss dem Ferment dargeboten wird, so sind die verdauten Eiweissmengen proportional der Kubikwurzel aus dem Quadrat der Fermentmengen. Verdaut man auf- gewöhnliche Weise, indem man das zerkleinerte Eiweiss einfach in die Verdauungsflüssigkeit bringt oder nach Mett’scher Art Röhrchen damit (oder besser mit buntem Spritblau- leim) anfüllt, so gilt ziemlich genau das Schütz-Borissow’sche (uadratwurzelgesetz. Denn in beiden Fällen werden hier der Ver- dauung Hemmungen oder andere Vorgänge, wie Verkleinerung der Oberfläche des zu verdauenden Eiweisses u. a. entgegengesetzt, welche bewirken, dass in einer bestimmten Zeit weniger verdaut wird, als nach dem Grützner’schen Gesetz verdaut werden sollte, nämlich etwa nur eine den Quadratwurzeln der Fermentkonzentrationen proportionale Menge. Ist dagegen das zu verdauende Eiweiss gelöst, so zeigt sich, dass bei den von mir angewendeten Versuchsbedingungen eine direkte Proportionalität zwischen den Fermentmengen und den von ihnen ge- lösten Eiweissmengen besteht. Die n-fache Menge Ferment arbeitet n-mal so schnell wie die einfache. Hiernach hätten also beide oben genannten Parteien recht, sowohl diejenige, welche behauptet, dass für das Trypsin das Schütz-Borissow’sche, als auch diejenige, welche meint, dass das Volhard’sche Gesetz (denn Volhard hat wohl zuerst das Proportionalitätsgesetz ausgesprochen) gelte. Es kommt eben bloss auf die Methode an, welehe man anwendet. Das Wesentliche hier- bei aber scheint mir, dass stets ein Fermentmolekül ganz so viel leistet wie jedes andere, also n-Moleküle n-mal so viel wie eines, falls sich seiner Wirkung nicht besondere Hemmungen entgegen- stellen und die Fermentmoleküle auch an ihr Opfer (wenn ich so sagen darf), das ist das Eiweiss, herankommen können, wie das alles Grützner zuerst für das Pepsin nachgewiesen hat. 369 Chronophotische Studien über den Umgebungskontrast. Von Dr. Robert Stigler, Assistent am physiol. Institute der Universität Wien. (Mit 9 Textfiguren.) Zur Analyse der Wechselbeziehungen zwischen einem durch Licht erregten Teile des Auges und seiner entweder in relativer Ruhe befindlichen oder gleichfalls durch Licht erregten Nachbarschaft eignet sich in vorzüglicher Weise die ungleichzeitige Belichtung der in Betracht kommenden Netzhautstellen. Die Lichtstärke und Ex- positionsdauer der miteinander verglichenen Lichtfelder oder beide zusammen können gleich oder verschieden sein, je nach der Frage- stellung. Es kommt vor allem darauf an, dass die beiden Vergleichs- felder nicht gleichzeitig gleich lang exponiert werden, sondern ent- weder zu verschiedenen Zeiten erscheinen oder zu verschiedenen Zeiten verschwinden oder beides zusammen. Derartige Unter- suchungen bezeichne ich der Kürze halber als chronophotische Einer exakten chronophotischen Methode bediente sich zuerst S. Exner!) bei seinen Versuchen zur Ermittlung der Licht- empfindungskurve und der Maximalzeit eines gegebenen Lichtreizes. Er ging dabei von der Annahme aus, dass zwei objektiv gleiche Lichtreize, welche kurz nacheinander auf unmittelbar benachbarte und symmetrische Netzhautpartien fallen, zwei gleiche Lichtempfin- dungen auslösen, welche graphisch durch zwei gleiche bis zum Maximum ansteigende und dann absinkende Kurven darzustellen seien. Da aber die zweite Lichtempfindung um ein kleines Zeit- teilchen (bei Exner !/co—!/so Sek.) nach ihrer Nachbarempfindung einsetzte, so müssten sich die beiden Empfindungskurven zwischen 1) Über die zu einer Gesichtswahrnehmung nötige Zeit. Wiener Sitzungs- berichte, Abt. II, Bd. 58 S. 601. 1868. 366 Robert Stigler: beiden Gipfeln schneiden. Gelinge es, diesen Schnittpunkt zu er- mitteln, so sei daraus die Maximalzeit mit umso grösserer Genauig- keit zu bestimmen, je geringer die zeitliche Differenz im Beginne der beiden Lichtreize sei. Diesem, wie es W. MeDougall!) nennt, „ingeniösen und physikalisch bewundernswerten Verfahren“ lag die Anschauung zu- orunde, dass man die Kurve der später auftretenden Lichtempfindung erhalte, indem man die Kurve der ersten Lichtempfindung parallel zu sich selbst längs der Abszissenachse um die zeitliche Differenz zwischen dem Beginne der beiden Lichtreize verschiebe. Als indessen später A. Kunkel?) nach dem erwähnten Prinzipe die Maximalzeiten farbiger Lichter ermitteln wollte, kam er zu keinem Resultate, da ihm zu seiner Verwunderung in allen Fällen das um eine kurze Zeit länger exponierte Photometerfeld heller er- schien als das kürzer exponierte, der postulierte Kreuzungspunkt der beiden Kurven also überhaupt nicht zutage trat. Einen gleichen Misserfolg hatte K. Petr&n?°) mit dem Versuche, die Maximalzeit weissen Lichtes nach Exner’s Methode zu er- mitteln: die länger exponierte Hälfte seines Photometerfeldes erschien ihm niemals dunkler als die kürzer exponierte. Meine eigenen Untersuchungen über diesen Gegenstand *), welche nach der Exner’schen Methode, jedoch mit rein fovealen weissen Lichtreizen angestellt wurden, hatten das folgende Ergebnis: erschien das eine meiner beiden objektiv gleichen und einander unmittelbar benachbarten halbkreisförmisen Photometerfelder um 0,02—0,05 Sek. vor dem anderen, so war das länger exponierte Feld auch bei weit übermaximalen Expositionszeiten (bis zu 1!/s Sek.) relativ heller als das kürzer exponierte. Erst wenn die Differenz über 0,2 Sek. er- höht wurde, so erschien in der Mehrzahl der Fälle von den beiden übermaximal exponierten Halbkreisen der länger exponierte dunkler als der kürzer exponierte. Es musste also eine zeitliche Differenz von mindestens 0,2 Sek. zwischen dem Auftreten der beiden Licht- 1) W. MeDougall, The variations of the intensity of visual sensation with the duration of the stimulus. The British Journ. of Psych. vol. 1 p. 154. 1904. 2) A. Kunkel, Über die Abhängigkeit der Farbenempfindung von der Zeit. Pflüger’s Arch. Bd. 9 S. 201—202. 1874. 3) K. Petren, Untersuchungen über den Lichtsinn. Skand. Arch. f. Physiol. Bd. 4 8.441. 1893. 4) R. Stigler, Über die Unterschiedsschwelle im aufsteigenden Teile einer Lichtempfindung. Pflüger’s Arch. Bd. 123 S. 205f. 1908. Chronophotische Studien über den Umgebungskontrast. 367 reize vorhanden sein, damit ein Kreuzungspunkt der beiden Empfindungskurven zutage trat. Dieses eigentümliche Verhalten bildete den ersten Anstoss zu den folgenden Untersuchungen. Versuchsanordnung. Bei. diesen Untersuchungen werden entweder zwei objektiv gleich lichtstarke und gleichartige, unmittelbar aneinander stossende oder durch einen Trennungsstreifen getrennte oder zwei solche Lichtfelder benötigt‘, deren Lichtstärkenverhältnis in beliebiger Weise abgestuft werden kann. Ich wüsste keinen Apparat, der es gestattete, das eine Mal zwei in einer scharfen Grenzlinie unmittelbar aneinander stossende Lichtfelder von objektiv sichergestellter absoluter Gleich- heit der Lichtstärke, das andere Mal zwei solehe von beliebig variablem Lichtstärkenverhältnisse herzustellen. Darum habe: ich eben für diese beiden verschiedenen Zwecke zwei verschiedene Apparate verwendet: mein Chronophotometer I gestattet nur die zeitliche Variation zweier unbedingt gleich lichtstarker und unmittelbar in scharfer Grenzlinie aneinander stossender Lichtfelder, das Ch rono- photometer II gestattet die Variation sowohl der Fxpositions- dauer, als auch des Lichtstärkenverhältnisses zweier Vergleichsfelder, ohne jedoch die objektive Gleichstellung der Lichtstärken zu ermög- lichen). Das Chronophotometer I ist für solche physiologisch- optische Untersuchungen eingerichtet, bei denen die Fehler der subjektiven photometrischen Gleichstellung unbedingt auszuschalten sind. Die chronophotische Methode eignet sich auch zur praktischen Photometrie in solchen Fällen, bei denen es auf eine äusserst geringe -Unterschiedsschwelle ankommt, da die Fehlerbreite in diesem Falle kleiner ist als bei der gewöhnlichen Photometriermethode ?). ChronophotometerI zur Vergleichung zweier objektiv gleich lichtstarker Felder (Fig. 1 u. 2). Den Hauptanteil desselben bildet ein in geeigneter Weise für die binokulare Beobachtung umgeformter Helmholtz’scher, von S. Exner beschriebener „Apparat zur Unterbrechung des Licht- eindruckes“ ?), von welchem Fernrohr und Spaltvorrichtung entfernt 1) Beide Apparate werden von der Firma Schmidt & Haensch in Berlin hergestellt. 2) R. Stigler, Über den physiologischen Proportionalitätsfaktor. Zeitschr. f. Sinnesphysiol. Bd. 44 S. 155—164. 1909. 3) 8. Exner, |. c. 368 Robert Stigler: und die dem Beobachter zugewendete Scheibe durch eine Kombi- nation aus drei geschwärzten Metallscheiben (S,) ersetzt wurde, welche von gleicher Beschaffenheit sind, wie die bei meinen früheren Untersuchungen „Über die Unterschiedsschwelle im aufsteigenden Teile einer Lichtempfindung“ !) verwendeten Scheiben I, IL, IH. Diese werden in der a. a. OÖ. angegebenen Weise eingestellt und zur zeitlichen Umgrenzung der Lichtreize verwendet. Die rück- wärtige Scheibe (‚$;) dreht sich zwölfmal langsamer; sie trägt, Wie : F Allan, =. | % Er na AN Fig. 1. Chronophotometer I zur Vergleichung zweier objektiv gleich lichtstarker Felder. bei dem von Exner beschriebenen Apparate, einen Ausschnitt, der nur alle zwölf Umdrehungen der vorderen Scheibe dem Licht den Durehtritt zum Photometerfelde gestattet. Als Lichtquelle dient ein Auerstrumpf (A) von relativ grosser Konstanz der Lichtemission innerhalb eines gewissen Zeitraumes. Die Auerlampe ist in einem Blechzylinder (B) eingeschlossen. Dieser trägt eine Blechröhre (R,), deren runde vordere Öffnung einen Ansatz zur Aufnahme von Gläsern besitzt (@). Nachdem das Licht den Ausschnitt der Scheibe 5,’ passiert 1) Pflüger’s Arch. Bd. 123 S. 196. 1908. Chronophotische Studien über den Umgebungskontrast. 369 hat, gelangt es in die Röhre A,, die an ihren beiden Enden von je einem Stativ getragen wird. Das vordere Stativ: (Fig. 3) besteht aus einer rechtwinkelig gebogenen Eisenblechplatte (EE) mit einem runden Ausschnitte, an welchem eine kurze Hülse (77T) angesetzt ist. In dieser steckt drehbar ein zweiter Tubus (U U), welcher an eine Blechplatte (PP) gelötet ist, die einen runden Ausschnitt (V) hat, der kleiner als das Lumen des Tubus U ist, so dass sein Rand einen in das Lumen von U vorragenden Ring (W W) bildet. An die Vorderfläche der Platte PP wird die das Reizfeld liefernde Beinglasplatte Rf gekittet. Das Lumen des Tubus UU dient der 0 Fig. 2. Chronophotometer zur Yereleichung zweier Den gleich . lichtstarker Felder. Röhre R, als Stütze. Der Ring W W verhindert, dass die Röhre an das Beinglas anstösst. Das Photometerbeinglas soll homogen (schlierenfrei) und möglichst dünn sein. Seine vordere Fläche ist mit schwarzem Papier überklebt, aus welchem eine Ellipse ausgespart ist, welche die Grösse und Form des Reizfeldes bestimmt. Durch Drehung des Tubus U in der Hülse 7 kann die Lage dieser Ellipse geändert werden. Das schwarze Papier darf nicht an der hinteren Beinglasplatte angeklebt werden, weil sonst das Reizfeld von einem diffusen Lichthofe umgeben wäre. Es ist auch wichtig, dass das Beinglas selbst grösser als die Reizfläche ist, und zwar aus folgendem Grunde: irgendein Partikelchen A im inneren Teile der Beinglas- platte empfängt von der Lichtquelle durch direkte Bestrahlung die Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 28 370 Robert Stigler: Lichtmenge J. Davon gibt es an seine Umgebung durch Diffusion die Menge # ab, empfängt aber seinerseits von seiner Umgebung durch Diffusion eine gleiche Liehtmenge . Seine Lichtstärke setzt sich daher zusammen aus: I—i-+;, ist also gleich I. Ein gleichgrosses Partikelehen B an der Peripherie des Beinglases empfängt von der Lichtquelle ebenfalls die Lichtmenge I, es gibt durch Diffusion ebenfalls die Lichtmenge © ab, empfängt aber nur von einer Hälfte her diffundiertes Licht, also Somit für: EZ = 0,015 Sek. 0 0 Be Ga US — 0,001 Sek. 8. April 1908. — lr r — r r r 0 0 l 1 1 = 1 1/a — ? 1 1 1 1 — er ? r r ? > 1/a — 1 1 j 1 1 2 gr r 1 1 ] 1 | P= Year 1 ? 1 1 1 1 = 1 1 1 ? ] Zeichenerklärung: Reizdauer — Expositionszeit des länger exponierten Ver- gleichsfeldes; die Zahlen bedeuten die Grösse der Sektoren in Graden, in diesem Falle also auch die Zeit in o (Tausendstel Sek.), r = „rechts heller“, 1 = „links heller“, — heist „gleich“, ? bedeutet „unbestimmt“. Wenn unter vier Angaben zwei ? oder = und die beiden anderen gleich- lautend sind, so zähle ich dies bei der Auswertung als halbe Einheit für die be- treffende Seite und als halbe Einheit für „unbestimmt“. Z.B.: r, ?, r, = geben im Mittel — „+“ bedeutet „richtig“, „f“ „falsch“. ZZ = Expositionszeit, US = zeitliche Unterschiedsschwelle. 1) „Links“ bzw. „rechts“ bedeuten, dass „links“ bzw. „rechts“ um die an- gegebene Differenz länger exponiert wurde- 28 * 420 ° " Robert Stigler: Unterschiedsschwellen immer wieder kontrolliert. Auf diese Weise: trachtete ich, den Einfluss der Übung möglichst auszugleichen, so dass alle Punkte der Kurve der Unterschiedsschwelle, soweit es überhaupt möglich ist, unter gleichen Umständen ermittelt wurden. Zum Zwecke der gleichartigen Verwertung der Beobachtungsergeb- nisse stellte ich mir folgende willkürliche Regel auf: als zeitliche Unterschiedsschwelle wird diejenige Differenz der Expositionszeiten Tabelle XIV. Reizdauer = 120 o. Beobachter Stigler. 1°=]1o. : Difrenz Vergleichsurteile Mittel Ergebnis links | rechts 6. April 1908. — 5 r r r ip r 3a = = a. a, 2,37 4 u 1 _ l l l 4 — 4 ? r — = ? 10 +, 42, 1f. 5 Br n \ ' Somit für: EZ = 0,12 Sek. 4 — r ? r r r US — 0.004 — 5 r Tr r ? r Sa ” — 4 r r 7 r r 4 — = ? — r ? 4 — ? — — r ? 5 — l ? l 1 1 4,5 — l — r ? ? — 5 Tr r T Tr r — 4 r ? 1 1 ? 5 — 1 1 l l 1 4,8 _ l l 1 1 1 4 — 1 l l 1 1 — 4 r Tr Tr ? r 39 — l 1 1 l 1 — 3lla r r r r r — 3 r r Tr r r 3 — r ? r r wi —_ 3 Tr r ? 1 ? — alla 1 l l 1 1 7. April :1908. 4 —_ 1 1 l l l 4 _ r l l 1 1 — 0 r r ? r r —_ 4 1 ? 1 l 1 —_ 4 ? Fr r ip r 3,D — r 1 1 — ? 3,9 —_ 1 — ? r ? — 3lla 1 ? l 1 l — r r Tr r r 320) — r r r ? a Chrenophotische Studien über den Umgebungskontrast. 421 - Tabelle XV. Reizdauer — 200 o. Beobachter Stigler. 1 Umdrehung in 0,483 Sek., 1° —= 0,00135 Sek., 150° = 0,203 Sek. Die Zahlen bedeuten Grade. 11. April 1908. Diff u Vergleichsurteile Mittel Ergebnis links | ‚rechts ; i : ; 2 —_ 1 ? l 1 1 6 7! — l l < l l DEENOSNOr: 0 0 T r r ie r u ; nl — 7 r Tr Tr r r 6'/a — 6 r r 7 r r 4-+, 1? 6 => 2 1 — 1 2 Somit für: } - i 5 5 u2 — (0,2 Sek. = ! r ! US = 0,008 775 Sek. AG a 1 1 1 Kr 1 a >) et 6 1 1 Ka ? 5 6 Tr ? % r Tr 61/2 — l 1 T r ? 61/2 — l 1 1 1 1 0 0 ? Tr r r r — |: 618 r r ? ? = — 6l/a Tr r ? r r 0 0 l l ? 1 1 6 | — 1 = ] l 1 — 61/2 r Tr Tr r r betrachtet, bei deren Einstellung unter den Angaben des Beohachters mindestens dreimal so viel richtige als falsche bzw. doppelt so viel richtige als unbestimmte sind. Bei der Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheibe von 1° pro 1 o konnten nur Expositionszeiten bis zu 178 o untersucht werden. Zur Herstellung längerer Expositionszeiten musste sich die Scheibe langsamer drehen. Dadurch wurde zwar der Fehler der allmählichen Aufdeckung des Reizfeldes durch den vorüberrotierenden Sektorenrand vergrössert, dies kommt aber um so weniger in Betracht, je länger die Expositionsdauer ist. Die Bestimmung der zeitlichen Unterschiedsschwelle bot, sowie sich dies auch bei meinen früheren Untersuchungen gezeigt hatte, die grössten Schwierigkeiten bei mittleren Expositionszeiten; bei höheren Expositionszeiten (über 200 0) traten die Urteilsschwankungen des Beobachters wieder spärlicher auf. Als Beispiel gebe ich aus unseren Protokollen die Untersuchungsreihen bei einer Expositionszeit von 15 o (Tab. XII), 120 o (Tab. XIV), 200 o (Tab. XV) und 260 o (Tab. XVI) wieder, und zwar in Reihenfolge und Inhalt gleichlautend mit den protokollarischen Aufzeichnungen, um zu zeigen, in welcher 493 Robert Stigler: [1 Weise der Beobachter durch fortgesetzte Einschaltung von Täuschungs- versuchen nach Möglichkeit zu Unbefangenheit bei der Abgabe des Vergleichsurteiles veranlasst wurde. Von der Expositionszeit von 0,24 Sek. an bleibt die Unterschiedsschwelle konstant, nämlich 9,3 o. Das um diese Zeit früher exponierte Feld erscheint auch bei einer Expositionszeit von einer halben Minute heller als das später be- lichtete. Tabelle XVl. Reizdauer — 260 o. Beobachter Stigler. 1 Umdrehung in 1,13 Sek., 1° = 0,0031 Sek., 84% — 0,26 Sek. er Differenz a ee ven en links | rechts Dan Zi rgebnis 11. April 1908. 2 5 1 : n T 4 21/a be l l l j I in B E= l 1 ? 1 ] a+, 3a? S1/a — l 1 1 l 1 3 2 Re m = 4,25 2 ? P > Somit für: “. A 2 s R A : EZ = 0,26 Sek. Bo 3lla l ? r r 2 US = 0,0093 Sek. 4 — l 1 1 1 ] 3,0 — r l l l ] 157 38 l r ? r 2 13. April 1908. 3,9 —_ l ] l l 1 1 3,25 Pe l 1 b) EN 5 FTER 3 Tr IE r r Tr Fan 2,5 ? ? r r = 3 —_ 1 1 l ] f 2,5 Zr 1 l Tr r ? 7% 3 r l ? r ? AR 5R5) Tr r r iD r 3 = r 1 ] ] 1 3 — r 1 1 l ] Um noch grössere Expositionszeiten zu untersuchen, verlieh ich der Sektorenscheibe $, eine Umdrehungsgeschwindigkeit von 100 ° pro Sek., so dass die höchste bei dieser Umdrehungsgeschwindigkeit einstellbare Expositionszeit 1,3 Sek. betrug. Um jetzt die Pause zwischen den einzelnen Darbietungen nicht zu gross zu gestalten, Chronophotische Studien über den Umgebungskontrast. 493 entfernte ich bei dieser langsamen Umdrehung der Scheibe 8, die. 12 mal langsamer rotierende Scheibe S,, so dass der Lichtreiz bei jeder Umdrehung der Scheibe $,, also alle 3,6 Sek., wiederkehrte. Bei dieser geringen Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheibe $, waren zur allmählichen Aufdeckung des elliptischen Reizfeldes 0,07 Sek. erforderlich. Es schien mir daher nötig, zu untersuchen, ob eine so langsame Abdeckung der Lichtfläche irgendeinen Einfluss auf die zeitliche Unterschiedsschwelle habe. Ich prüfte dies bei Expositionszeiten, für welche die zeitliche Unterschiedsschwelle schon bestimmt war, nämlich von 300—500 o, und fand, dass die allmäh- liche Abdeckung des Reizfeldes keinen Einfluss auf die Erscheinung habe, dass das um 9!/s o früher exponierte Feld stets heller erschien als das später beleuchtete. Letzteres Verhalten blieb bis zur höchsten untersuchten Expositionszeit von 1,8 Sek. konstant (Tab. XVII); jedoch zeigte sich von einer Expositionszeit von etwa 1,7 Sek. an die Er- scheinung, dass bei Konzentration der Aufmerksamkeit auf den Moment des Verschwindens der Ellipse diese in beiden Hälften gleich hell erschien. Sehr deutlich ist dies bei den höchsten untersuchten Tabelle XVII. Beobachter Stigler. 1 Umdrehung in 3,6 Sek., 1° 0,01 Sek. Die Zahlen bedeuten Grade. Differenz G esamt- EZ | Vergleichsurteile Mittel links | rechts = | mol om | | + HH on 0 = |e-sunuon on Peru mr mm m 1 1 1 40 1 7 1 Hour mm mern md 1 je>) | m Berta Is je ft DD fe) |ww| | mom eonlelerorsn le] yo N are br Male ee | - RR m—m > | 3456789 m I B 13 141 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 Al 42 43 44 45 46 47 48 49 50 Robert Stigler: Zeitliche Unterschiedsschwelle in Tausendstel-Sekunden. Ordinate: Lichtstärke —= 0,057 VK. Fig. 7. Abszisse: Gesamt-Expositionszeit in Hundertstel-Sekunden. Expositionszeiten zu beobachten, z.B. von 1,5—1,5 Sek. Nie konnte ich bemerken, dass die später erschienene Ellipsenhälfte heller erschienen wäre als die früher beleuchtete. Tabelle XVII. zeitliche Unter- schiedsschwelle in Tausendstel-Sek. Expositionszeit in Tausendstel-Sek. _ Er 600 <10 700 . <10 Ich gebe in Tab. XVIII die Reihe aller von mir ermittelten zeitlichen Unterschiedsschwellen und in Fig. 7 deren graphische Darstellung als Kurve wieder. Diese ist nahezu übereinstimmend mit der Kurve, welche nach meinen früheren Be- obachtungsergebnissen konstruiert worden war!). Es zeigen sich auch hier drei ähnlich verlaufende Oszil- lationen im Anstiege der Kurve. Es ist dabei noch nicht sicher entschieden, an welchem Punkte der Kurve die Maximalzeit liegt. DR. Stigler, Über die Unterschieds- schwelle usw. L.c. 8. 221. Chronophotische Studien über den Umgebungskontrast. 435 Die obere Grenze der bei meinen früheren Untersuchungen ge fundenen zeitlichen Unterschiedsschwellen betrug 0,035 Sek., während sie sich bei der hier vorliegenden Untersuchung bloss auf 0,01 Sek. beläuft. Auch ein Vergleich der zu gleichen Expositionszeiten ge- hörigen zeitlichen Unterschiedsschwellen ergibt für die letztere Unter- suchungsreihe geringere Werte als für die erstere. Da die Lichtstärke des Reizfeldes meiner ersten Untersuchungsreihe geringer war als die der letzten, so lag der Schluss nahe, dass die Grösse. der- zeit- lichen Unterschiedsschwelle, bzw. auch der zeitlichen Kontrastschwelle, von der Lichtstärke abhänge. Ich bestimmte deshalb die zeitliche Kontrastschwelle für zwei sicher übermaximal (nämlich während 0,55 Sek.) exponierte Lichtfelder von grösserer Lichtstärke. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist in Tab. XIX enthalten. Die zeit- liche Kontrastschwelle beträgt nur 0,00465 Sek., wodurch erwiesen erscheint, dass die absolute Grösse der zeitlichen Unter- schiedsschwelle, bzw. der zeitlichen Kontrastschwelle, mit zunehmender Lichtstärke abnimmt. Tabelle XIX. Grössere Lichtintensität (Beinglas aus dem Lampenschirm entfernt). Reiz- dauer: 0,55 Sek. 1° = 0,0031 Sek. Beobachter Stigier. 13. April 1908. nenn Vergleichsurteil Mittel Ergebni eikı 5 x Se rgleichsurtei Mitte rgebnis _ 4 Tr r r r r US = 11/29 — 0,00465 Sek. ni — l 1 l 1 j 3 — 1 l 1 l 1 N — 1 1 1 1 1 — 1!/a T r 3 ? r 1!/e — l=- ? l I 1 1!/a — 1 l 1 l l — 1 r Tr r jr i eh 1 ; Z= en es la I j : 9 — 12a ] l r r 2 Lana: — 1 l r Tr m 1 —_ r r r r r il — | ? jr r ? 1!/g — era log r l r — 11/2 ee er: r r Tr: — 1!/a r r r r r 11/a — 1 1 ? l l 11/2 —_ 1 l ? l l Gelegentlich dieser Untersuchung zeigte sich auch, dass die zeitliche Differenz im Beginne beider Reize, welche 426 Robert Stigler: eben hinreicht, um zu erkennen, dass beide Felder nieht gleichzeitig, sondern eines nach dem anderen beleuchtet werden, von der Lichtstärke abhängt, und zwar ebenfalls mit zunehmender Lichtstärke ab- nimmt. Denn bei der zuletzt verwendeten grossen Lichtstärke be- merkte man bereits bei einer Differenz von 0,012 Sek. einen Augen- blick eine Hackenfigur als Zeichen der ungleichzeitigen Beleuchtung: beider Ellipsenhälften, während bei der geringeren Lichtstärke der früheren Untersuchungen eine zeitliche Differenz von 0,015 Sek. hierzu erforderlich war. Diese Erscheinung erklärt sich aus dem von S. Exner beobachteten Verhalten, dass die zur deutlichen WahrnehmungeinesGegenstandesnötigeZeitabnimmt, wenn dessen Lichtstärke zunimmt!). 2. Die zeitliche Kontrastbreite., Welche Beziehungen bestehen zwischen den beiden Nachbarempfindungen, wenn Feld II um eine die zeit- liche Kontrastschwelle übertreffende Zeit nach FeldI exponiert wird und beide Felder gleichzeitig ver- schwinden? Solange die Expositionszeit des längerexponierten Feldes unter- maximal ist, erscheint das später exponierte Feld II in jedem Falle dunkler, sobald die zeitliche Differenz gleich oder grösser als die zeitliche Unterschiedsschwelle ist. Obige Frage hat daher nur für eine übermaximale Expositionszeit eine Bedeutung. Nach dem Maximum sinkt einerseits die Intensität der Empfin- dung I, entsprechend der Lichtstärke des Reizes mehr oder weniger steil, ab, anderseits wird aber auch die Erregbarkeit des Feldes II durch die vorhergehende Beleuchtung des Feldes I bis zu einem gewissen Grade um so mehr herabgesetzt, je länger Feld I vor Feld II beleuchtet worden war. Die Herabsetzung der Erregbarkeit des Feldes II durch Belichtung des Feldes I hat aber auch ihre Grenze. Das Absinken der Lichtempfindungskurve nach dem Maximum bei andauernder Beleuchtung hängt wahrscheinlich mit der im ersten Teile besprochenen wechselseitigen Hemmung der einzelnen Elemente 1) S. Exner, Über die zu einer Gesichtswahrnehmung nötige Zeit. L. c. S. 24. Chronophotische Studien über den Umgebungskontrast. 4237 einer belichteten Netzhautfläche zusammen, welche mit der Be- leuchtungsdauer und Lichtstärke zunimmt. Darum fällt die Licht- empfindungskurve um so steiler ab, je grösser die Lichtstärke des. Reizlichtes ist. Ob bei einer gewissen Differenz im Beginne beider Reize Feld I oder Feld II nach der gleichzeitigen objektiven Verdunkelung heller: erscheint, wird davon abhängen, ob die (durch Binnenkontrast be- dingte) Verminderung der relativen Helligkeit des Feldes I die durch Belichtung des Feldes I bedingte Herabsetzung der Erregbarkeit des. Feldes II übertrifft, in welchem Falle sich beide Kurven kreuzen. werden, oder ob die auf vorheriger Beleuchtung der Nachbarschaft beruhende Hemmung des Feldes II die durch Binnenkontrast be- wirkte Hemmung des Feldes I übertrifft, in welchem Falle keine Kreuzung der beiden Kurven eintreten wird. Die chronophotische- Untersuchung dieses Verhaltens besteht in der Vergleichung der beiden Lichtfelder: 1. bei Variation der zeitlichen Differenz im Begeinne beider Reize bei gleichbleibender Gesamtexpositionszeit;, 2. bei Variation der Gesamtexpositionszeii bei gleichbleibender Differenz im Beginne. Derartige Untersuchungen habe ich als Be- obachter angestellt, wobei Herr cand. med. E. Weiser als Experimen- tator fungierte. Tabelle XX (zu Fig. S Kurve A). Lichtstärke = 45 VK. Differenz = 0,03 Sek. Beobachter Stigler. 30. November 1908. Feld I links Feld I rechts Exposi- | (d.h. das linke Feld erscheint (d.h. das rechte Feld erscheint tionszeit | um 0,03 Sek. vor dem rechten) um 0,03 Sek. vor dem linken) d ER I Welches Feld erscheint heller? in Sek. | Einzelbeobachtung |Mittel ans Einzelbeobachtung |Mittel a 0,06 va eu ee Ze keiner keiner 0,12 r r r r r 0,18 1 1 l l 1 0,24 r 5 \ S Bel ı 0,36 roller hr 0,42 l l 1 1 l 0,48 r % r r r — | — I = = [q = d | I | = 770 I I 6 I I 7 — I I R er0 R 6 6 I ı FA I a A I &0 ' 1 I 2 h N L & v20 & i 1 nn n et L 720 : & 1 ı & £ i 1 sro U9ULLUBS : 5 u9wwupes -nz "999 ZI 0 < I I I I I 12 209 ZI0 < a A d 1 a STo UOA JOZSUOTSOAXT a J 6 a u UOA NOZSUOTJISOAXY ra) AOUId TORU UOSSOIF & 5 A9UT9 YOBU UHSSOLFF f = uoAıINny UHPIOA Ar 1 e “ i e u9AANy U9PI9A OL I I I I I Lo [eb] = ‘798 9,00 = zuaaoyyIq = (9 Samy 8Std) "IIXX OITOdeıL E @ = == R a 1 = I 1 1 I 1 980 = 2 1 1 ı ! I | a va A R A A A I I I I R sT.o 4 I 4 I Bi I I I I 4 ol 0 A & A d 4 I I I I I 60.0 A9UT9M Ai vl BL I I ' AOUoM T I I I 1 100 yyundsdunznoay | [eyIm |. usadunJgaegoagjezumg | yyundsdunznaayyp | JOYIN u9SUnFyIBgoAg[aZU 7 "og ur gdo]fey Fursy9sıd pa T SOydfaM en Iqoaı T DPA | syu I DIA aulbie: er 'S06T FOqwAoN "27 SI 190139 JoIydegoaT, "98 90°0 — ZU9AOIIJLT °XX ol2geL nF 9IM 97184S}y9T'T Cg Amy 8 SL) "IXX O1TOgeL 429. Chronophotische Studien über den Umgebungskontrast. I I I I I d a — = & v0 6 = (4 ; Be I 6 = I = 1 = & a 2zr0 I I T I T Bi hi ı 2 ı ‘ I I I I I a Ai 1 E 1 in I I T I T Bi hi a 1 6 SIo I I 6 I I 6 I hi I Bi cTo 6 : f 198 S7‘0 104 | I h ; 08 1>M OLD 0,3 5 11I 0,033 „ 04 „ Diese Tabelle lehrt, dass die zeitliche Kontrastbreite zur Liehtstärke in gleichem Verhältnisse steht wie die zeitliche Kontrastschwelle, dass sie nämlich um so kleiner ist, je grösser die Lichtstärke des Reiz- feldes ist. | Dies erklärt sich ungezwungen aus der mit der Lichtstärke zu- nehmenden Steilheit des Abfalles des nachmaximalen Teiles der Lichtempfindungskurve. Zusammenfassung. 1. Als ehronophotische Untersuchungen werden jene be- zeichnet, welche die Erforschung des Einflusses der Expositionszeiten zweier Lichtfelder auf deren Helliekeitsverhältnis bezwecken. Derjenige Teil der primären Lichtempfindung, des Bildes katexochen, welcher zugleich mit dem objektiven Lichtreize besteht, wird als homophotisches, derjenige Anteil des Bildes, welcher den objektiven Reiz überdauert, als metaphotisches Bild be- zeichnet. 2. Die Intensität einer durch einen untermaximalen Reiz erzeugten Lichtempfindung steigt auch nach dem Verschwinden des Reizes an, mit andern Worten: Die Hellig- keit des metaphotischen Bildes eines untermaximal beleuchteten Gegenstandes steigt anfaugs an. Dieser Anstieg dauert um so länger, je geringer die Lichtstärke und je kürzer die Dauer des objektiven Reizes ist. Die Dauer des an- steigenden Teiles des metaphotischen Bildes eines untermaximal be- lichteten Gegenstandes kann die Reizdauer um ein Vielfaches übertreffen. 8. Ein metaphotisches Bild kann durch Belichtung der Nach- barschaft vernichtet werden. Diese Art des Umgebungskontrastes Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 29 434 Robert Stigler: wird als metaphotischer Kontrast oder Metakontrast bezeichnet. 4. Belichtung einer Netzhautstelle hemmt nicht nur einen in der Nachbarschaft bereits bestehenden Erregungszustand, sondern setzt auch die Erregbarkeit der noch nicht belichteten Nachbarschaft herab, so dass ein auf diese fallender Lichtreiz eine schwächere Helligkeitsempfindung auslöst, als es ohne vorhergehende Belichtung der Nachbarschaft der Fall wäre. 5. Zwei gleichzeitige homophotische oder metaphotische Nach- barbilder verdunkeln sich gegenseitig. Welches von beiden durch Kontrast stärker verdunkelt wird, hängt von dem Verhältnisse der jeweiligen Erregungszustärde in demjenigen Anteile des Sehorgans ab, in welchem der Kontrast zustande kommt. Dieser wird als „Kontrastregion“ bezeichnet. Die stärkere Erregung einer Kontrastregion unterdrückt die schwächere Erregung der benachbarten Kontrastreeion. Die zentrale Erregung kann noch ansteigen, während die Erregung der Kontrastregion iim Absinken begriffen oder schon er- loschen ist. Für das Zustandekommen des Metakontrastes kommt es nicht auf das Verhältnis der Erregungszustände der zu den beiden beleuchteten Nachbarfeldern der Netzhaut gehörigen zentralen Anteile des Sehorganes, sondern lediglich der zugehörigen Kontrastregionen an. 6. Der Metakontrast ist nicht von einem Auge auf das andere übertragbar. Die Kontrastregion liegt somit im monokularen Anteil des Sehorgans.. 7. Die Aufhellung des Randes eines von einem schwarzen Grunde umgebenen hellen Feldes beruht nicht bloss auf einer Verminderung des Binnenkontrastes, sondern auch auf einer aktiven Weiss- induktion seitens des schwarzen Hintergrundes. 8. Die grösste lineare Ausdehnung der deutlich wahrnehmbaren durch Metakontrast bewirkten Verdunkelung eines hinlänglich grossen, metaphotischen Bildes wird als räumliche Kontrast- breite bezeichnet. Die lineare Ausdehnung der meta- kontrastiven Verdunkelung eines von einem dunklen Hintergrunde umgebenen und entsprechend schmalen metaphotischen Bildes kann durch aktive Weissinduktion seitens des schwarzen Hinter- grundes vermindert werden, so dass sie in diesem Falle geringer ist als die räumliche Kontrastbreite. 9. Der Metakontrast wächst bis zu einem gewissen Grade mit der Reizgrösse, er ist um so stärker, je grösser Lichtstärke und Chronophotische Studien über den Umgebungskontrast. 435 Expositionszeit sowohl des kontrastleidenden, als auch des kontrast- erregenden Feldes sind. Dementsprechend ist beian der Schwelle stehender Lichtstärke oder Expositionszeit überhaupt kein Meta- kontrast wahrnehmbar. 10. Der Metakontrast wird durch einen schwarzen Trennungsstreifen zwischen dem kontrastleidenden und kontrasterregenden Felde auf- gehoben, welcher viel schmäler ist als die räumliche Kontrastbreite. Dies ist auf aktive Weissinduktion seitens des schwarzen Trennungs- streifens zurückzuführen. 11. Die metakontrastive Verdunkelung des metaphotischen Bildes ermöglicht die annähernde Bestimmung sowohl der Anstiegsdauer eines metaphotischen Bildes, als auch der Maximalzeit eines homophotischen Bildes. 12. Die geringste zeitliche Differenz im Beginne zweier objektiv gleicher, gleichzeitig verschwindender untermaximaler Nachbarlicht- reize, welche einen Unterschied der durch diese erzeugten Helligkeits- empfindungen bedingt, heisst zeitliche Unterschiedsschwelle. Auch vor zwei objektiv gleichen, übermaximal exponierten und gleich- zeitig abgedunkelten Lichtfeldern erscheint den meisten Beobachtern dasjenige heller, welches eine gewisse Zeit vor dem anderen be- leuchtet wurde. Die geringste zeitliche Differenz, welche dieses Ver- halten bedingt, heisst die zeitliche Kontrastschwelle. Wenn die zeitliche Differenz im Beginne beider Reize über die zeitliche Kontrastschwelle hinaus bis zu einer gewissen Grösse verlängert wird, so erscheint das früher exponierte der beiden Vergleichsfelder bei hin- reichender Lichtstärke und übermaximaler Expositionszeit dunkler als das später exponierte. Die geringste zeitliche Differenz, bei welcher dieses Verhältnis auftritt, heisst die zeitliche Kontrast- breite. | 13. Sowohl die zeitliche Unterschiedsschwelle, als auch die zeitliche Kontrastschwelle, als auch die zeitliche Kontrastbreite sind um so geringer, je grösser die Lichtstärke der Vergleichsfelder ist. Den Herren stud. med. Otto Schiffuer, Egon Weiser und Alfred Zanko sei für ihre aufopferungsvolle Mithilfe bei obigen Untersuehungen mein besonderer Dank ausgesprochen. 2908 436 Edmund Nobel: (Aus dem physiologischen Institut der Universität in Wien.) Können ultramikroskopische Teilchen aus dem Blute in die Lymphe übertreten ? Von Cand. med. Edmund Nobel, Demonstrator am genannten Institute. Es ist in der menschlichen Pathologie eine Reihe von Fällen bekannt, in denen sich aus einer Lymphfistel eine chylusähnliche Flüssigkeit entleerte. Bei einigen derselben konnte der Ausfluss von Chylus durch eine Verletzung des Ductus thoraeicus erklärt werden). In anderen jedoch war die Herkunft der chylusartigen Flüssig- keit nicht klar. Einen Fall letzterer Art hat vor vielen Jahren Hensen?) be- schrieben. Ein zehnjähriger Brasilianer hatte auf der Scrotalhaut weisse Knötchen, wie sie als Vorläufer der Elephantiasis beobachtet werden, und am Präputium eine Öffnung, aus der sich nach Ablösung eines kleinen, verklebenden Schorfes, eine milchweisse Flüssigkeit entleerte. Diese Flüssigkeit kam aus einem sondierbaren Gange, von der Wurzel des Penis her. Der Autor nimmt an, dass eine Lymphgefässfistel vorliege, welche durch erweiterte Gefässe und degenerierte Drüsen mit chylusführenden Stämmen zusammenhänge, und begründet diese Diagnose einerseits mit der Beschaffenheit des Sekretes, welches kaum etwas anderes sein könne als Lymphe mit starkem Chylusgehalt, und anderseits damit, dass Lymphgefässerweiterungen, wie er sie in seinem Falle supponiert, tatsächlich anderwärts, in pathologischen Fällen, durch Sektionsbefunde nachgewiesen wurden. Im Jahre 1890 haben J. Munk und Rosenstein?) ein 13jähriges Mädchen demonstriert, das an einer Elephantiasis Jes 1) Vgl. Langenbeck’s Arch. f. klin. Mediz. Bd. 12 Heft 2. 2) Pflüger’s Arch. ft. Physiol. Bd. 10. Bonn 1875. 3) Verhandl. d. physiol. Gesellsch. zu Berlin. 7. März 1890. Können ultramikrosk. Teilchen aus dem Blute in die Lymphe übertreten? 437 linken Beines litt. Diese Patientin hatte am Unterschenkel eine Fistel; die sich zeitweise öffnete, und aus der sich dann „eine im nüchternen Zustande klare, im Laufe des Tages sich mehr oder weniger milchig trübende Flüssigkeit entleerte“. Es handelte sich um eine Lymphfistel, aus welcher auf der Höhe der Verdauung chylöse Flüssigkeit floss. Genaue Gewichtsbestimmungen zeigten, dass der grösste Teil des im Darme resorbierten Fettes durch die Fistel ausgeschieden wurde. Wenn nun auch in diesem Falle kaum daran zu zweifeln ist, dass es sich um einen Rückfluss des Darmehylus durch die erweiterten Lymphgefässe des linken Truneus lumbalis handelte, und auch Hensen für seine Annahme sehr gewichtige Gründe anführt, so könnte doch anderseits daran gedacht werden, ob nicht in ähnlichen Fällen der Fettgehalt der Lymphe durch ein Übertreten von Fett in Form ultramikroskopischer Teilchen aus den Blutgefässen in die Lymphgefässe erklärt werden kann. Es wäre da zunächst die Frage zu entscheiden, ob überhaupt Fett aus den Blutgefässen in die Lymphgefässe zu gelangen vermag. Darum veranlasste mich Herr Prof. Sigmund Exner, die Lymphe von Tieren nach Fettzufuhr ultramikroskopisch zu unter- suchen. Meine ersten Experimente stellte ich iu der Weise an, dass Fröschen Milch in die grosse an der Innenfläche der Bauchwand verlaufende Vene (Vena abdominalis) injiziert wurde. Die Frösche wurden zu diesem Zwecke, mit dem Rücken nach unten, auf ein Frosehbrett gebunden und ihnen nach medianer Spaltung der Haut und der Bauchmuskeln Milch aus einer Pravaz’schen Spritze in die genannte Vene injiziert. Fünfzehn Minuten nach soleher Verabreichung von Y/a—1 eem Mileh konnte eine deutliche Vermehrung der Ultrateilchen !) in der Lymphe beobachtet werden. Die Gewinnung derselben geschah folgendermaassen. Da es Schwierigkeiten bereitete, aus den Lymphherzen. der Frösche, die ich wiederholt schon makroskopisch nach Milchinjektion von trübem Aussehen fand, die Lymphe rein, ohne Blutbeimengung, 1) Beobachtet mit dem Ultraspiegelkondensor von K. Reichert. Vgl. Verhandl. d. Gesellsch. deutsch. Naturf. u. Ärzte 78. Versamml. zu Stuttgart 2. Teil, mediz. Abt. S. 68. 438 Edmund Nobel: zu erhalten, wurde diese stets aus dem Rückenlymphsacke ent- nommen. Nach sorgfältiger Reinigung der Rückenhaut habe ich durch eine kleine Öffnung in derselben mit Hilfe von langausgezogenen Glaskapillaren ein Tröpfehen Lymphe aspiriert. Für diese Versuche wurden nur solche Frösche verwendet, deren Lymphe in einem vorher entnommenen Kontrolltropfen keine oder nur wenige Ultrateilchen zeigte. Die nach der Injektion in der Lymphe sehr zahlreich auf- getretenen Teilchen waren vielfach grösser und lebhafter glänzend, als es die feinen Kaseinteilchen!) der Milch sind. Eine gleiche Vermehrung der Teilchen konnte auch dann kon- statiert werden, wenn statt Milch eine sehr schwache Emulsion von Lebertran (1—2 Tropfen auf eine Eprouvette 5 '/oiger Sodalösung) in die Vene injiziert wurde. Auch hier verwendete ich ca. 1 cem. Ich musste mir die Frage vorlegen, ob die so beobachteten Ultrateilchen wirklich aus den im Organismus noch feiner zer- stäubten Fetttröpfehen der Milch stammen bzw. ob sie Tröpfchen der Lebertranemulsion sind. Es wäre ja auch denkbar, dass die Injektion irgendeine Schädigung der Gefässe oder anderer Organe bewirkt hätte, als deren Folge Ultrateilchen, deren Ursprung ein unbekannter ist, in der Lymphe auftreten. Es ist ja unmöglich, die Fettnatur, ja überhaupt Form, Konsistenz, Liehtbrechungsvermögen und Farbe von Ultrateilehen zu erkennen. Ich habe deshalb eine Reihe von Versuchen ausgeführt, die der Beantwortung jener Frage dienen sollte. | Zunächst wurde zur Kontrolle des letztgenannten Versuches bei mehreren Fröschen die gleiche Quantität Sodalösung, wie sie in der Emulsion verwendet wurde, in die Vene injiziert. Ein Auftreten der Ultrateilchen fand aber nicht statt. Es konnte weiter nachgewiesen werden, dass auch nach Ver- fütterung von Öl und von Fett eine massenhafte Zunahme der Teilchen eintrat. Die Frösche wurden zu diesem Zwecke teils mit Öl und Rahm (1—2 ccm), teils mit dem reichlichen abdominalen Fette von anderen Fröschen gefüttert. Kontrollfrösche bekamen Dextrin. Nach 12—15 Stunden trat nun auf Rahm- und Ölfütterung 1) Vgl. Prof. Dr. Alois Kreidl und Dr. Alfred Neumann, Ultra- wikroskopische Beobachtungen über das Verhalten der Kaseinsuspension in der frischen Milch und bei der Gerinnung. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 123. Bonn 1908 ee ee 2 ee EEE Können ultramikrosk. Teilchen aus dem Blute in die Lymphe übertreten? 439 eine deutliche Zunahme der Ultrateilchen in der Lymphe ein, nach Fütterung mit Dextrin hingegen nicht. Die mesenterialen Lymph- sefässe waren vielfach mit weissem Chylus erfüllt. Öfters trat im Abdomen ein Transsudat auf. Dieser Versuch zeigt also, dass die Vermehrung der Ultra- teilchen in der Lymphe auch dann auftritt, wenn dem Blute die Fettemulsion in normaler Weise, d. i. durch Verdauung und Re- sorption zugeführt, dass sie aber nicht auftritt, wenn die Verdauung durch fettlose Nahrung (Dextrin) angerest wird. Ich machte auch einen Versuch, indem ich (käufliches) Kasein fütterte, das ja, wie Kreidl und Neumann nachgewiesen haben, in der Milch in Form von Ultrateilchen vorhanden ist. Auch nach dieser Fütterung zeigte sich die Lymphe reich an Ultrateilchen. Es wurde nun versucht, ob sich nicht auf chemischem oder physikalischem Wege etwas Näheres über die Natur der gefundenen Ultrateilchen ermitteln liesse, una ob etwa der direkte Beweis ge- länge, dass sie bei Fettfütterung aus Fett bestehen. Auf Zusatz von Kalilauge oder Natronlauge zur Lymphe schien öfters eine Abnahme, insbesondere der feinsten Teilchen, zu erfolgen ; auch gelang eine Verdauung der Teilchen durch Trypsin nicht (in alkalischer Lösung im Thermostaten). Der Versuch, die Fettnatur der Teilchen an ihrem geringen spezifischen Gewichte zu erkennen, gab mir keine überzeugenden Resultate, indem weder das Aufsteigen der Trübung in einer Kapillar- röhre noch in dem zwischen ÖObjektträger und Deckglas ein- geschlossenen Tropfen unzweideutig zum Ausdrucke kam. Die Emulsionen von solcher Feinheit sind eben sehr haltbar. Die im Kapillarrohr eingeschlossene Lymphe enthielt, nachdem sie einen Tag lang gestanden war, eine abgegrenzte stärkere Trübung, die sich bei der Entleerung als eine zarte Flocke — offenbar von Fibrin — herausstellte. Vermutend, dass dieselbe die Fetttröpfchen in sich eingeschlossen enthält, setzte ich, nachdem sie mit dem klaren Inhalt der Kapillare auf den Objektträger gebracht war, Osmiumsäure zu. Die Flocke wurde bräunlich, wie man sich mit freiem Auge und auch mit dem Mikroskop überzeugen konnte. Die weiteren Versuche sollten nun ergeben, ob bei Warmblütern ähnliche Verhältnisse vorliegen. Zu diesem Zwecke wurde an Kaninchen, Katzen usw. der Duetus thoraeicus teils an seiner Ein- mündung in den linken Angulus venosus, teils auch in der Bauch- 440) -Edmund Nobel: Können ultramikrosk. Teilchen aus dem Blute etc. höhle freigelegt. Doch ergab sich hierbei die Schwierigkeit, dass stets schon vor dem Versuche sehr viele Teilchen in der Lymiphe vorhanden waren, die auch nach 12—24stündigem Fasten nicht schwanden; ausserdem war es technisch kaum möglich, vollkommen reine Lymplıe zu erhalten. Wenn nun auch der direkte Nachweis, dass die in der Frosch- lymphe nach Fettzufuhr auftretenden Ultrateilchen aus Fett bestehen, nicht gelungen ist, so scheinen dennoch die Versuche die Deutung nahezulegen, dass Ultrateilehen aus dem Blute normalerweise in die Lymphbahnen übertreten. Es wäre ja nicht ausgeschlossen, dass die Injektion von Milch oder Lebertranemulsion in die Vene eine Störung im physiologischen Verhalten der Blutgefässe oder des ge- samten Stoffwechsels veranlasst, als deren Folge die Ultrateilchen in der Lymphe auftreten; aber da dieser Übergang auch nach Fett- fütterung — selbst nach Aufnahnıe von Froschfett — statthat, wird man eine solche Deutung mindestens nicht für naheliegend halten. Stellen wir uns aber vor, dass die Ultrateilchen in der Lymphe deshalb gleichzeitig mit der Überladung des Blutes durch dieselben auftreten, weil sie eben wie andere Bestandteile des Blutes durch die Gefässwandungen in die-Lymphe übergehen, so erklären sich auch in einfachster Weise gewisse Erfahrungen an Lymphfisteln von Menschen, wobei nicht in Abrede gestellt werden soll, dass es Krank- heitsfälle geben mag, in welchen abnorme Kommunikationen zwischen dem Ductus thoraeieus und anderen Lymphbahnen bestehen. Die angeführten Versuche habe ich zum grössten Teile im Winter gemacht; ich habe sie dann an Frühjahrsfröschen wiederholt. Diese hatten zwar schon vor dem Versuche bedeutend mehr Ultra- teilchen als die Winterfrösche, doch konnte auch bei ihnen, sowohl nach Injektion einer schwachen Lebertranemulsion, als auch nach Verfütterung von Fett, eine bedeutende Zunahme der Teilchen kon- statiert werden. Zum Schlusse möchte ich Herrn Hofrat Sigmund Exner und Herrn Prof. Dr. Joh. Paul Karplus für die freundliche Unter- stützung bei dieser Arbeit meinen ergebensten Dank aussprechen. 441 (Aus der physiologischen Abteilung der zoologischen Station zu: Neapel.) Energetik glatter Muskeln. Von Jakob Parnas, (Mit 5 Textfiguren.) Inhaltsverzeichnis. Seite a. Age el ee) HERREN 441 Brnnletuneiund Brasestellung 7... 2. rn a 441 Dniwickluns@dern Kragen sun. 2... EI a 444 a) Grundlagen: Arbeiten von Uxküllu. a .. 2. 2.2.202.. 445 b) Anschauungen von A. Bethe, W. Biedermann, P. Grützner ‚446 © Kl Son Be 1 452 DO Wohnheim und EB. Kehrer‘. . ann. er ..... 455 3. Experimentelle Entscheidung der Frage. . -....... 2... 457 PR EETLUNGEen Ha EDER SEEN RE TODE DEE 458 EDER Bonus ir sh en er 459 E. Smazlallar Tele Ve ARRRERE ER SE SHTE. BRABSEEA EEE EN 462 1. Anatomie und Physiologie der Muscheladduktoren . . . ..... 462 2. Experimentelles a En, 471 a) Methode und Erfahrungen . ...... N N 471 IaVersuchei Ama N AIR, 480 3. Berechnung eines Versuches und Vergleich mit quergestreiften Muskeln 487 4. Berechnung eines Versuches unter Zugrundelegung der Annahme anäroben Stoffwechsels .. ...... RE" . 493 BB SamnmentassunosW Spa een on 2 495 A. Allgemeiner Teil. l. Fragestellung. Die allgemeinsten Erfahrungen über Muskelenergetik lassen sich in folgenden Sätzen zusammenfassen: I. Der arbeitende Muskel setzt chemische Energie um; im günstigsten Fall wird ein Drittel der umgesetzten Energiemenge in mechanische Arbeit verwandelt, zwei Drittel erscheinen als Wärme. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 30 442 Jakob Parnas: II. Der Muskel, welcher unter Ausübung einer statischen Kraft dauernd kontrahiert ist, hat einen im Vergleich mit dem Ruhe- zustand erhöhten Energieumsatz: die gesamte umgesetzte Energie- menge wird in Wärme verwandelt’). Die im zweiten Satz enthaltenen Gesetzmässigkeiten sind am quergestreiften Skelettmuskel von Wirbeltieren auf Grund folgender Tatsachen ermittelt worden: Die Dauerkontraktion wird durch andauernd wiederholte Im- pulse hervorgerufen und durch chemische Prozesse im Muskel bedingt. Reize geringer Frequenz rufen isolierte Einzelzueckungen hervor; Erhöhung der Reizfrequenz führt den isolierten Muskel durch schnell aufeinanderfolgende Zuckungen jhindurch in den Zustand stetiger Kontraktion (Tetanus) über: die Reizfrequenz, welche dazu nötig ist, ist von der Natur des Muskels abhängig und variiert erheblich: so sind zur „Tetanisierung“ eines Insektenmuskels 300 Reize in der Sekunde, für einen Schildkrötenmuskel nur zwei Reize in der Sekunde nötig?). | Der Zahl der Reize entspricht die Zahl der Aktionsströme in der gleichen Zeit; nach allen Erfahrungen über das Zustande- kommen von Aktionsströmen ist man berechtigt, der Zahl der Aktionsströme die Zahl der im Muskel stattfindenden chemischen (Energie lieferenden) Umsetzungen gleichzusetzen: es ist also die Frequenz der chemischen Vorgänge gleich der Reizfrequenz. Bei willkürlichen Kontraktionen kann man von menschlichen Armmuskeln etwa 50 Aktionsströme in der Sekunde ableiten. Der hohen Frequenz chemischer Prozesse entspricht ein andauernd erhöhter Energieumsatz: dieser wird entweder durch Messung der Wärmebildung im Muskel oder durch Bestimmung des respira- torischen Stoffwechsels gemessen: nach beiden Methoden findet man den ganzen Energieumsatz, da mechanische Arbeit nicht ge- leistet wird. Es ergeben sich dabei folgende Gesetzmässigkeiten: Der Energieumsatz des Muskels in Dauerkontraktionen steigt annähernd proportional (in Wirklichkeit etwas stärker) mit der 1) Diese Erscheinung wird in der Physiologie gewöhnlich mit dem sonder- baren Terminus: „statische Arbeit“ bezeichnet. Eine erschöpfende Kritik dieses Begriffes, welche ein weiteres Eingehen unnötig macht, findet sich bei O. Frank, Die Thermodynamik des Muskels. Ergebn. d. Phys. Bd. 3 (2) S. 491. (1904.) 2) Biedermann, Elektrophysiologie S. 106. Energetik glatter Muskeln. 443 Belastung und der Kontraktionsdauer, erheblich stärker als die relative Verkürzung des Muskels. Diese Gesetzmässigkeiten sind sowohl an isolierten, tetanisierten Frosehmuskeln durch Wärmemessung (Fick) als auch an willkür- lich kontrahierten Muskeln des unversehrten Menschen [Johansson!), -Bornstein und Poher?)] gefunden worden. Den absoluten Wert der Erhöhung des Energieumsatzes, welcher mit dem Ausüben statischer Kräfte eines kontrahierten Muskels verknüpft ist, habe ich in dem „speziellen Teil“ dieser Abhandlung (S. 489 ff.) berechnet. Berechnet man ihn aus myothermischen Daten vom tetanisch gereizten isolierten Froschmuskel auf 1000 g Belastung und eine Stunde Kontraktionsdauer, so beträgt der dazu nötige Sauerstoff- verbrauch ca. 120 mg. (Siehe die Berechnung im speziellen Teil dieser Abhandlung, S. 489). Berechnet man ihn aus respiratorischen Versuchen am lebenden Menschen und bei willkürlicher Kontraktion für die gleiche Belastung und Zeit, so findet man den ie Tvetbnu etwa, gleich 135 mg (s. wie oben S. 492). Alle diese Erfahrungen sind, wie schon hervorgehoben wurde, an quergestreiften Skelettmuskeln von Wirbeltieren gewonnen worden. Diese sind Organe von vielseitiger mechanischer Funktion: sie dienen jedoch mehr der Bewegung und der Arbeit an relativ grossen Wegen als der Ausübung statischer Kräfte. Dass für statische Wirkungen die Natur quergestreifter Muskeln wenig geeignet ist, geht aus der raschen Ermüdbarkeit dieser Organe bei Dauer- kontraktionen hervor. Es gibt nun aber eine grosse und weit verbreitete Klasse der glatten Muskeln, deren Funktion gerade in der Ausübung statischer Kräfte und langsamen, oft periodischen Bewegungen gegen sehr hohe Kräfte besteht. Um gleich zur Problemstellung zu gelangen: Eine Auster, welche sich ausser Wasser befindet, keine Nahrung aufnimmt, kaum atmet, !bleibt bis zum Tode, 20 bis 30 Tage, geschlossen: während dieser Zeit hält der Schliessmuskel der 1) Skand. Arch. f. Physiol. Bd. 11 S. 273, Bd. 13 S. 229. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 95 S. 146. (1903.) 30 * 444 Jakob Parnas: Spannkraft der Schlossbänder im Betrage von ungefähr 500 g das Gleichgewicht. Betrachtet man diese Dauerkontraktion und die für Dauer- kontraktionen quergestreiften Muskeln angeführten Werte des Energieumsatzes, so muss man fragen: Kann beiden Organen bei gleicher Funktion ein analoger Mechanismus und Energieumsatz zugrunde liegen? Denn wäre es so, wie könnte die Auster über so grosse Energiemengen verfügen ? 2. &eschichtliche Entwicklung der Frage. Dass eine solche Analogie bestehe, scheint als selbstverständlich angenommen worden zu sein; zwar ist die Frage nur äusserst selten gestellt worden, aber aus gelegentlichen Äusserungen zahlreicher Autoren kann man ersehen, wie allgemein verbreitet diese — viel- leicht halbbewusste — Anschauung ist. Entgegengesetzte Ansichten einiger Forscher, welche auf verschiedenen Wegen zu der gleichen Frage kamen, sind teils mit Schweigen übergangen, teils ohne hin- reichende Argumente streng ablehnend kritisiert worden. Bei den verschiedensten Klassen der sogenannten niederen Tiere, findet man glatte und quergestreifte!) Muskelstränge zu Muskelsystemen zusammengefügt, in welchen die eigenartige Funktion beider Teile besonders klar zur Abhebung gelangt. Der Schliessmuskel der Muscheln besteht aus einem glatten und einem quergestreiften (oder spiralförmig gewundenen) Muskel, welche zusammen einen Strang von gleichmässigem Querschnitt bilden. Es ist schon früh erkannt worden?), dass die schnellen Schalenbewegungen nur von dem quergestreiften Muskel ausgeführt werden; der glatte Muskel folgt dem voraneilenden, aber schwachem Teil und entlastet ihn, indem er die entgegenwirkende Last übernimmt. Dieser Mechanismus führte später Marceau®) zu dem Ver- gleiche mit einer Maschine, in welcher ein durch Energie bewegtes, arbeitendes Zahnrad in jeder Lage durch einen Sperrhaken gestützt werden kann. 1) An Stelle der quergestreiften finden sich häufig Muskel mit glatten, spiralförmig gewundenen Fibrillen, welche die gleichen Funktionen haben: schnelle Bewegungen und kurzdauernde Arbeitsleistungen. 2) Coutance, Energie et structure musculaire chez les Mollusques Acephales. Paris 1878. 3) Arch. Zool. Exp. et gen. fasc. 6. 1909. Energetik glatter Muskeln. 445 In ähnlich klarer Anordnung finden sich glatte Muskeln und Bewesungsmuskeln bei Seeigeln. Ich lasse die schöne Beschreibung, welche v. Üxküll vom Seeigelstachel gibt, wörtlich folgen !): „Die Anatomie des Seeigelstachels verdient besondere Auf- merksamkeit. Es ist ein Kugelgelenk mit festsitzender Kugel und beweglicher kleiner Pfanne, welche die Basis des Stachels bildet... Ungefähr 30 Muskelstränge umgeben das Stachelgelenk und drücken die Pfanne auf die Kugel. Jeder der 30 Muskelstränge ist doppelt: er besteht aus einem weisslich, undurchsichtigen, inneren und einen glashellen, äusseren Strang. Der äussere Strang wird von der allgemeinen Körperhaut überzogen, die das gemeinsame Nerven- system für beide Stränge beherbergt. Reizt man die Körperhaut durch einmalige Berührung in der Nähe eines Stachels, so verkürzen sich die zunächstliegenden Muskel- stränge, und der Stachel neigt sich dem Reizorte zu, um gleich darauf in die aufrechte Ruhelage zurückzukehren. Reizt man hingegen die Haut mehrere Male, so verkürzen sich die Stränge stärker, und der Stachel neigt sich gleichfalls. Der Stachel kehrt aber nicht in die Ruhelage zurück, sondern bleibt in geneigter Lage unbeweglich stehen und leistet jedem Versuch, ihn gewaltsam in die Ruhelage zurückzuführen, erfolgreichen Widerstand. Dieser Unterschied in der Reizbeantwortung findet, wie ein- gehende Experimente beweisen, seine Erklärung darin, dass die vom einmaligen Reiz erzeugte, schwache und kurze Erregung nur den äusseren Muskelstrang in Tätigkeit versetzt, während die wieder- holte Reizung eine dauernde und starke Erregung im Nervensystem hervorruft, die auch zu dem inneren Strang herüberfliesst. Der äussere Strang dient dank seiner Verkürzung zur Bewegung, der innere zum Feststellen des Stachels. Wir bezeichnen daher die äusseren Stränge als Bewegungs- oder Verkürzungsmuskel, die inneren als Sperrmuskel.“ Auch hier begegnen wir dem erwähnten Vergleich aus der Maschinentechnik: indessen hat keiner von den genannten Forschern die naheliegende Konsequenz betreffend die Energieverteilung eines solchen Mechanismus gezogen. Von Uxküll rühren zwei für die Physiologie der glatten Muskel fundamentale Feststellungen her: 1) Umwelt und Innenwelt der Tiere S. 91. (1909.) 446 Jakob Parnas: 1. Dass der glatte Muskel im Gegensatz zu dem quergestreiften keine ausgezeichnete Länge besitzt, welche man als „konstante An- fangslänge“ bezeichnen könnte®). 2. Dass Kontraktionszustände glatter Muskeln autonom, ohne andauernde Zufuhr nervöser Impulse beibehalten werden. — Diese Tatsache ist schon früher (1886), von Biedermann an aus- geschnittenen Acephalen-Muskeln erkannt worden. Nach diesen Erkenntnissen stellte sich Uxküll die Kontraktions- zustände glatter Muskeln folgendermaassen vor: Durch nervöse (von den Zentren ausgehende) Erregung wird der Muskel in den Zustand eines anderen Energieumsatzes versetzt; in dem Sinne, dass ein stärker kontrahierter Muskel höheren Energie- umsatz hat. In diesem Zustand verbleibt er, bis neue nervöse Im- pulse einen neuen Zustand herbeiführen. Die „antibiologische“ Frage nach dem Ursprung des Energie- umsatzes, und ob die bei dieser Vorstellung zu postulierende Energie- menge überhaupt disponibel sei, lag v. Uxküll fern. Sie wurde erst von Bethe?) gestellt. Und die biologischen Erfahrungen auf diesem Gebiete führten diesen Forscher zu folgender Auffassung: „Der tonusfähige Muskel leistet nur dann Arbeit, wenn er aus einem Zustand in den andern übergeht. Dem Zustande des hohen Tonus entspricht wirkliche Ruhe, und er äussert dabei keine höhere Lebensintensität nach aussen als in schlaffem Zustande. Wenn man einen quergestreiften Muskel längere Zeit „willkür- lich“ oder durch Reizung des Nerven in kontrahiertem Zustande erhalten will, so verbraucht der Muskel dabei sehr viel Material und gerät bald in einen Zustand hochgradiger Ermüdung. Tonus- fähige Muskeln können aber stunden- und tagelang im Zustande der Verkürzung bleiben, ohne Ermüdung zu zeigen. Würde hierbei dauernd Arbeit geleistet, so müsste der Stoffverbrauch nach Analogie quergestreifter Muskeln ausserordentlich gross sein. Wenn man nun die Blutversorgung als Maass des Material- und Sauerstoffverbrauches selten lässt, so kann schwerlich von einer dauernden Arbeit der Tonusmuskulatur die Rede sein, denn ihre Blutversorgung ist in der 1) Leitfaden der experim. Biologie der Wassertiere S. 28. 1905. 2) Bethe, Allgemeine Anatomie und Physiologie des Nervensystems S. 367. (1903). Energetik glatter Muskeln. 447 Regel geringer als die der quergestreiften, schnellen Muskulatur. Es wäre denkbar, dass die durch die Erregung hervorgebrachte Verkürzung bei den tonisch erregbaren Muskeln eine stabile Modi- fikation des schlaffen Zustandes wäre, die ohne Arbeit der Fasern fortbestände und nur auf neue Zustandsänderungen hin in andere stabile Ruhelagen umgeändert würde.“ Vorher schon sagt Bethe: „Wir sind so gewöhnt, dass unsere eigene Muskulatur erschlaft, wenn wir sie nicht innervieren, und dass die meisten Muskeln der physiologischen Paradetiere nur in gereiztem Zustande verkürzt sind, dass es uns ganz selbstverständlich erscheint, das Stadium des Lang- und Schlaffseins überall als einzigen Rubezustand anzusehen und jeden Zustand von Verkürzisein auf Reızung zurückzuführen. Wenn wir Seeigel oder Muscheln wären, würde uns das sicherlich nicht so selbstverständlich vorkommen. Unsere Bewegungsmuskulatur, an der so viele das Wesen der Kontraktion zu ergründen gesucht haben, stellt eben nur einen ganz einseitig entwickelten Spezialfall form- wechselfähiger lebender Substanz dar, und es ist sehr die Frage, ob wir die an ihr zu beobachtenden Erscheinungen als maassgebenden Ausgangspunkt für allgemeine Betrachtungen über den Formwechsel werden benutzen dürfen.“ Glatte Molluskenmuskeln, besonders schön der Hautmuskel- schlauch der Aplysia, treiben bei der Kontraktion Wasser oder Serum aus; diese Tatsache gibt die Möglichkeit einer Deutung der tonischen Kontraktionen. „Wenn also bei der Kontraktion der tonusfähigen Muskeln (wenigstens bei diesen Tieren) Wasser oder Serum ausgetrieben wird, so ist es sehr gut denkbar, dass der dadurch bedingte Verkürzungs- zustand anhält, ohne dass zur Erhaltung dieses Zustandes eine aktive Arbeit geleistet werden muss. Der Zustand der schlaffen Faser kann eben dahin geändert sein, dass sie zur Wiederaufnahme des verdrängten Wassers keine Tendenz hat. Den bei den Reizungs- vorgängen einiger Pflanzen beobachteten Wasseraustritt hat bekannt- lich Pfeffer auf eine plötzliche Aufhebung des osmotischen Innen- drucks der Zellen zurückgeführt. Es liegt nahe, auch bei den Aplysiamuskeln an osmotische Erscheinungen zu denken.“ Exstirpiert man einer Aplysia das zentrale Nervensystem, so steigt bald nach der Operation der Tonus des ganzen Hautmuskel- schlauches, und der Innendruck in der Leibeshöhle erreicht eine AAS Jakob Parnas: Höhe, welche das Dreifache des normalen Druckes beträgt. Man kann solche Tiere bis zehn Tage am Leben ohne Nahrungsaufnahme erhalten; dabei bleibt der Tonus konstant hoch. „Wenn man bedenkt, wie gross die Arbeitsleistung sein müsste, um den so hervorgerufenen starken Tonus aufrechtzuerhalten, wenn er durch fortgesetzte aktive Tätigkeit bedingt wäre, dann wird man zugeben müssen, dass die Tonusmuskulatur wohl anderen Ge- setzen unterworfen ist als die Bewegungsmuskulatur, und dass der Kontraktionszustand dieser Muskeln eine andere Form wirklicher Ruhe ist.“ Es ist hier also in sehr klarer Weise die Überzeugung aus- gesprochen, dass sowohl der Mechanismus als auch die Energetik glatter und quergestreifter Muskeln prinzipiell verschieden sind. W. Biedermann!) hat die Gedanken von Bethe auf- genommen und andere Vorstellungen vom Wesen der Muskel- kontraktion dieser Auffassung zugrunde gelegt. Fick hatte schon früher für quergestreifte Muskeln die An- nahme, dass Verkürzung und Erschlaffung von zwei verschiedenen, entgegengesetzten Prozessen abhängen; durch Pawlow’s Versuche am Anodonta-Schliessmuskel und Biedermann’s Untersuchungen über die Krebsschere ist einwandsfrei bewiesen worden, dass der Verkürzung und der Erschlaffung zwei besondere nervöse Impulse entsprechen. Durch Fick und Bernstein sind Analogien entwickelt worden, welche zwischen den verschiedenen Formen der Muskelstarre (durch Ammoniak, Wärme, Totenstarre) und dem Beharren von Kontraktions- zuständen bestehen sollen. Das Bild, welches Biedermann von der tonischen Kontraktion entwirft, liesse sich kurz so wiedergeben: Auf nervöse Erregung kontrahiert sich der Muskel — (Arbeit) — gerinnt?) —, bleibt beliebige Zeit geronnen (ohne Enereieumsatz). Auf neue, andere nervöse Erregung wird die Gerinnung auf- gehoben, das wieder „flüssige“ System ist schlaff. Diese Auffassung gibt ein klares, wenn auch keineswegs be- wiesenes Bild von den Voreängen und hat den grossen Vorteil, die gemeinsamen Momente aller Muskelarten hervorzuheben und dennoch 1) Pflüger’s Arch. Bd. 102 S. 503 ff. (1904.) 2) Im allgemeinsten Sinne des Wortes: Zustandsänderung durch Wasser- verschiebung in einem vorläufig nicht näher definierbaren Gebiet der Muskelfaser. Energetik glatter Muskeln. 449 für die gewaltigen Unterschiede zwischen glatten und quergestreiften Muskeln den weitesten Spielraum zu lassen. Wenn auch Biedermann keine direkten Äusserungen über die Frage des Energieumsatzes der glatten Muskeln in „tonischen“ Kontraktionen macht, so geht doch aus der Anlehnung an Bethe’s Ausführungen sowie auch aus der Auffassung des Tonus, als eine Art substanzieller Kontraktur, hervor, dass er die Bethe’sche Ansicht teilt. Auf ganz anderem Wege gelangte später P. Grützner!) zu ähnlichen Ansichten. Im Inneren glattmuskeliger Hohlorgane (Harnblase, Magen, Uterus) besteht in bewegungslosen Zuständen kein Druck (abgesehen vom hydrostatischen); dabei kann sich das Volumen des Hohlorgans um das Vielfache verändern. Im gedehnten (verlängerten) Zustand sind die Schleimhäute gestreckt, die Muskeln lang und dünn; im kontrahierteu, kurzen Zustand die Schleimhäute gefaltet, die Muskel kurz, diek: in beiden Fällen ungespannt. Die glatten Muskeln haben also die Eigentümlichkeit, ihre Länge verändern und in jeder Lage festlegen zu können: immer ohne Spannung. Dies ist der prinzipielle Unterschied gegenüber den quer- gestreiften Muskeln, bei welchen nur eine (normale) Ruhelänge existiert, alle anderen dagegen durch Spannkraft und Belastung be- stimmt werden (abgesehen von passiven Formänderungen des schlaffen Muskels). Grützner vergleicht die glattmuskeligen Hohlorgane mit Ge- fässen aus teleoskopartig ineinandergeschobenen Zylindern mit Sperr- vorriehtungen: solche können ihr Volumen verändern, ohne dass die Wände dadurch ihre Spannung verändern, was bei einem elastischen Sack der Fall wäre. Histologische Untersuchungen stützten diese Analogie: der Ver- gleich der Magenwände eines stark gefütterten und eines Hunger- frosches zeigte, dass den Längenveränderungen der glatten Muskeln sowohl Streckung als auch sehr erhebliche Gegeneinanderverschiebung der Zellen entspricht. Für die Stillstellung in den verschiedenen Verschiebungszuständen gibt die Histologie natürlich keine Erklärung: es bleibt nur die Analogie mit dem Sperrhaken. 1) Ergebn. d. Physiol. Bd. 3 S. 73. (1904.) 450 Jakob Parnas: Ähnliches wie für die eJattmuskeligen Hohlorgane kann auch für den Schliessmuskel der Muscheln gelten. Grützner sagt darüber: „Wäre diese andauernde Zusammenziehung des glatten Schliess- muskels auch nur einigermaassen ähnlich dem Tetanus eines quer- gestreiften Muskels, so müsste binnen kürzester Zeit Ermüdung ein- treten, was aber offenbar nicht der Fall ist. Es wäre auch eine unbegreifliche Vergeudung an Kraft und Stoff, wenn durch diese Zusammenziehung des glatten Muskels gewissermaassen 9 Pferde vor den Wagen und 7 Pferde hinter denselben gespannt würden. Nach meiner Auffassung wird der in sich gefestigte glatte Muskel nahezu zu einem elastischen Bande, welches sich in seiner Gleich- gewichtslage befindet und einer Dehnung, wie derjenigen des elastischen Muskelbands, einen seiner Elastizität entsprechenden Widerstand entgegensetzt, aber nicht entgegenzusetzen braucht. Denn er kann, indem er sich gewissermaassen an einem anderen Zahn festhakt, länger (beziehungsweise auch kürzer) werden und wieder eine andere Gleichgewichtslage mit der Spannung Null ein- nehmen.“ Grützner betrachtet den Magen eines Winterfrosches, welcher seit Monaten keine Nahrung aufgenommen hat: seine Faserzellen sind kurz und dick. „Soll man da annehmen, sie seien alle „tätig“ und befänden sich wie ein verkürzter quergestreifter Muskel in einer Art Tetanus. Eine solche Annahme halte ich für absurd. Ich glaube vielmehr, alle Muskelzellen in einem derartigen leeren Magen ruhen, aber in kurzer Form.“ „Dabei will ich natürlich nicht behaupten, dass in einem der- artigen Muskel gar keine chemischen und thermischen Prozesse sich abspielen. Ich glaube nur, dass sie sehr unbedeutend sind. Schon deshalb können sie nicht ganz fehlen, weil derartige Muskeln meistens in ihrer Spannung ein wenig auf und nieder schwanken und so gewissermaassen ihre Fühler tastend ausstrecken, um, wenn nötig, andere Spannungen oder spannungslose Haftstellungen einzunehmen. Aber auch wenn sie in diesen geschilderten Haft- oder Ruhe- stellungen ganz stillständen, würden wohl ganz geringe chemische und thermische Prozesse in ihnen stattfinden.“ Es ist nicht klar zu verstehen, ob Grützner damit eine geringe Vermehrung der Ruheprozesse meint, welche mit dem Kontraktionszustand verknüpft ist, oder die Ruheprozesse selbst. Energetik glatter Muskeln. 451 Denn das Vorhandensein von geringen Ruheprozessen ist ja selbst- verständlich. So wird durch den letzten zitierten Satz der Standpunkt Grützner’s in der hier behandelten Frage etwas unklar gemacht. Es geht nämlich aus der Tatsache, dass glatte Muskeln ver- schiedene Längen spannungslos annehmen können, nicht eindeutig hervor, dass alle stationären Zustände solcher Muskeln ohne erhöhten Energieumsatz bestehen bleiben. Es wäre denkbar, dass ungespannt verkürzte Muskel erst bei dem Angreifen einer Last ihren Energie- umsatz erhöhen, und zwar proportional der Last. Erst durch den Nachweis, dass der Energieumsatz bei gleicher Länge von der Be- lastung unabhängig ist, in Verbindung mit der Tatsache des spannungs- losen Variierens der Länge wäre die energetische Gleichwertigkeit verschiedener Kontraktions- und stationärer Belastungszustände be- wiesen. Dieses soll in der vorliegenden Arbeit geschehen. Die von Bethe begründete Auffassung der Kontraktionszustände glatter Muskeln findet eine wichtige Stütze in den Befunden über Aktionsströme glatter Muskeln niederer Tiere von R. F. Fuchs!). Dieser Forscher konnte von KRetraktoren und Hautmuskeln des Sipuneulus sowie von glatten Schliessmuskeln der Peetenmuschel bei mechanischer Reizung des zentralen Nervensystems einphasige sowie auch doppelphasige Aktionsströme ableiten: diese zeigten, dass die auf einen Reiz erfoleenden Dauerkontraktionen keine Tetani, sondern Einzelzuckungen sind.. Die Kontraktion bleibt bestehen, nach- dem die Aktionsströme längst abgeklungen sind; die ganze Kon- traktionsdauer bildet für neue Reize ein Refraktärstadium des Muskels. Durch die angeführten Argumente scheint mir die Auffassung, dass statische Kontraktionszustände glatter Muskeln ohne erhöhten Energieumsatz verlaufen, wenn auch richt bewiesen, so doch sehr wahrscheinlich, jedenfalls aber plausibel und beachtenswert gemacht worden zu sein. Merkwürdigerweise aber sind diese Gesichtspunkte, deren biologische Bedeutung doch augenfällig ist, seit ihrem Erscheinen totgeschwiegen worden; in keinem der seither erschienenen, so zahl- reichen Lehrbücher und Handbücher der Physiologie findet man sie gewürdigt ?). 1) Leider ist diese wichtige Untersuchung nur als kurze vorläufige Mit- teilung erschienen. Phys. med. Soc. Erlangen Bd. 40 S. 201. 1908. 2) Nur R. Hesse (Der Tierkörper als selbständiger Organismus S. 160. [1910]) sagt: „Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die tonische Zusammenziehung 452 Jakob Parnas: Otto Frank hat sich in seinem schönen Essay über „Die Thermodynamik des Muskels“ !) eingehend mit Bethe’s Ansicht über „tonische Kontraktionen“ beschäftigt. Prinzipiell ablebnend. Und doch schlägt dieser Forscher den Weg einer Überlegung ein, welcher bei konsequenter Durchführung zu derjenigen Anschauung führen muss, die er zu widerlegen bestrebt war. Ich muss hier auf Frank’s Gedankengang näher eingehen, da dieser für eine kurze Wiedergabe ungeeignet ist. Frank führt zunächst im Anschluss an Überlegungen von A. Fick den strengen Beweis, dass es keine bekannten physi- kalischen Gesetze gibt, welche einer solchen Möglichkeit, wie sie von Bethe vermutet wurde, widersprächen. Er stellt den Tatbestand fest, dass während der stetigen tetanischen Zusammenziehung des quergestreiften Muskels eine beträchtliche Enereieumwandlung stattfindet, und setzt seine Über- leeung folgendermaassen fort: „Es fragt sich, welche Anhaltspunkte wir haben, um die Vor- gänge bei dem glatten Muskel beurteilen zu können. Direkte experimentelle Untersuchungen der Thermodynamik des glatten Muskels existieren nieht. Die Dauerkontraktionen, die bei glatten Muskeln, unter dem Einfluss tetanisierender natürlicher oder künst- licher Reize erfolgen — das erstere z. B. bei der tonischen Kontraktion der unter der Herrschaft des Nervensystems stehenden Gefässmuskulatur —, müssen wir uns nach ähnlichen Regeln ver- laufend denken wie die Dauerkontraktionen der quergestreiften Muskulatur. Es gibt keinen Grund, der gegen eine solche Annahme spräche?). Wir müssen also annehmen, dass auch während der stetigen gleichmässigen Zusanmenziehung dieser glatten Muskeln, während deren sich weder ihre Länge noch ihre Spannung „aktiv“ verändert, eine stärkere Verminderung der inneren Energie erfolgt als während des Ruhezustandes, den wir hier noch, da es sich um nervöse Einflüsse handelt,’nach unserer Definition ?) bestimmen können. Etwas anders steht es aber mit den quantitativen Verhältnissen. ohne beständigen Energieaufwand besteht, dass sie gleichsam nur eine andere Form der Ruhe ist. ...“ ; 1) Ergebn. d. Physiol. Bd. 3 Abt. 2 S. 495—508. (1904.) 2) Auch keinen, der für eine solche Annahme spräche: beide Arten von Muskeln sind sowohl histologisch als auch funktionell verschieden. (Parnas.) 3) Sie lautet: der Muskel ruht, wenn er nicht gereizt wird. Energetik glatter Muskeln. 453 Wir haben wohl Gründe zu der Annahme, dass auch dann, wenn die mechanischen Zustände eines quergestreiften und eines glatten Muskelbündels quantitativ gleich sein mögen, während der Dauerkontraktion des glatten Muskels beträchtlich weniger innere Energie verbraucht wird als bei dem quergestreiften. Gesetzt den Fall, der maximale Wirkungserad bei einer Einzelkontraktion der beiden Muskelgattungen sei gleich, so würde also bei einer gleich starken Zusammenziehung die positive Wärmetönung in beiden Muskelarten gleich sein. Wir können auch annehmen, dass der Verbrauch von Energie für einen Reiz bei dem glatten Muskel ähnlichen Gesetzen folgt wie bei dem quergestreiften Muskel, so dass also auf der Höhe der tetanischen Kontraktion auf den einzelnen Reiz bei dem elatten wie bei dem quergestreiften Muskel ver- gleichsweise dieselbe Grösse der Energieumwandlung träfe. Nun sind aber zur Erzeugung einer stetigen tetanischen Zusammenziehung um so weniger Reize in der Zeiteinheit erforderlich, je langsamer die Einzelkontraktion des Muskels erfolgt. So sind nach der Zu- sammenstellung, die Biedermann S. 106 seiner Elektrophysio- logie gibt, 300 Reize in der Sekunde nötig, um einen Insektenmuskel zu einem stetigen Tetanus zu bringen, während ein weisser Kaninchenmuskel 20—30, ein Schildkrötenmuskel sogar nur zwei Reize in derselben Zeit hierzu erfordert ..... i „Die Verminderung der Energie in der Zeiteinheit oder, was das gleiche ist, der Verbrauch der Stoffe in der Zeiteinheit ist also für die tetanische Kontraktion des glatten Muskels verhältnismässig viel kleiner als bei dem quergestreiften Muskel. Der glatte Muskel würde sich nach diesen Überlegungen viel geeigneter zur Aufrecht- erhaltung einer bestimmten Spannung erweisen als der quer- gestreifte. Ohne Analogie mit den Erscheinungen bei den quergestreiften Muskeln stehen die Vorgänge bei dem oben beschriebenen „Tonus“ des Schliessmuskels der Muscheln, der glatten Muskulatur von Aplysien usw.“ Die Analogie, welche bis an diese Stelle so scharfsinnig und konsequent durchgeführt wurde, wird jetzt willkürlich unterbrochen, sobald die sogenannten „niederen“ Tiere in Betracht gezogen werden; Frank kommt allerdings zum Schluss, „dass von dieser Seite der Bethe’schen Annahme nichts im Wege steht“. Führen wir die begonnene Überlegung weiter; dabei sollen die Eigentüm- 454 Jakob Parnas: lichkeiten der glatten Muskeln von Muscheln, Schnecken und Würmern als wahr angesehen und berücksichtigt werden. 300 Reize in der Sekunde waren für den Insektenmuskel nötig, um ihn zu tetanisieren; 20—30 für den weissen Kaninchenmuskel, 2 für den Schildkrötenmuskel. Daraus folgt, wie Frank später auch sagt, sehr wahrscheinlich, „dass die Bildung von Wärme in dem tetanisierten, dauernd kontrahierten, glatten Muskel nur den - zehnten bis hundersten Teil der während der gleichen Kontraktion des quergestreiften Muskels erzeugten ausmacht“. Ein Reiz genüct, um glatte Muskeln von Lamellibranchieren, Hautmuskeln und Retraktoren vom Sipuneulus, Hautmuskeln von Aplysien, Stachelmuskeln von Seeigeln für Sekunden, Minuten, Stunden und Tage in den Kontraktionszustand zu versetzen: eine ausgeweidete Auster, aller Zentren beraubt, öffnet ihre Schalen manchmal erst nach 50 Stunden. Daraus würde folgen, dass die Bildung von Wärme in dem dauernd kontrahierten glatten Muskel den zehntausendsten, millionsten und zehnmillionsten Teil der Wärme ausmacht, welche in der gleichen Kontraktion eines quergestreiften Muskels erzeugt wird. Aus den Beobachtungen an Aktionsströmen wissen wir-, dass der energieliefernde chemische Vorgang, welcher die Einzelzuckung des gereizten Muskels bedingt, dem mechanischen Vorgang nicht parallel verläuft, sondern dass er sich in einer kurzen Zeit, die meistens noch ;in der Latenzzeit des Muskels liegt, abspielt. Nach den Untersuchungen von Fuchs gilt dies a fortiori für die glatten Muskeln: bei diesen erstreckt sich die Dauer der mechanischen Kontraktion weit über den elektromotorischen Vorgang hinaus. Daraus ergibt sich, dass im Verlaufe der „Einzelkontraktion“ !) eine Zeit existiert, während welcher der Muskel ohne Verminderung seiner inneren Energie kontrahiert bleibt. Diese Zeit existiert bei schnellen Muskeln praktisch nicht; 'bei diesen wird sie von den Zeiten der thermischen Prozesse überdeckt; bei trägen, glatten Muskeln kann sie sehr grosse Werte annehmen. Berücksichtigt man ferner, was aus den Untersuchungen von Pawlow, Biedermann, v. Uxküll, Jordan besonders für glatte Muskeln hervorgeht: dass die Wiederausdehnung wie die 1) Einzelkontraktion: Der ganze Prozess, bestehend aus dem Verkürzungs vorgang, Verkürzungszustand und Wiederausdehnung. Einergetik glatter Muskeln. 455 Kontraktion ein selbständiger Prozess mit selbständigen nervösen Impulsen ist: dann gelangt man ungezwungen zu derselben Vor- stellung, zu welcher auch die Betrachtungen von Bethe und Biedermann führten: Der glatte Muskel verbraucht nur während der aktiven, arbeits- leistenden Kontraktion Energie; der Kontraktionszustand bleibt ohne erhöhten Energieumsatz bestehen. Ich habe hier lediglich eine formelle Beschreibung des Verhaltens glatter Muskeln geben wollen, um zu zeigen, dass man in konse- quenter Verfoleung der trefflichen, von Frank angesetzten Über- legung — unter ursprünglieher Annahme prinzipieller Analogie beider Muschelarten und lediglich „quantitativer“ Unterschiede — zur Erkenntnis des prinzipiellen Unterschiedes gelangen muss, wenn man die experimentell gegebenen Verschiedenheiten — „quantitativer Natur“ — berücksichtigt. Otto Frank wendet gegen Bethe’s Annahme ein, es sei „bis jetzt noch nicht gelungen, irgendeinen Zustand der Zusammen- ziehung des Muskels nachzuweisen, in dem er nicht eine grössere positive Wärmetönung aufgewiesen hätte als im schlaffen Zustand“. Dies ist nicht richtig: in der Kontraktur zeigt der quergestreifte Muskel keine messbare Wärmeentwickelung }). O0. Cohnheim?) versuchte die Fragen der Energetik glatter Muskeln direkt in Angriff zu nehmen. Er untersuchte die Bildung von Kohlensäure in einem über- lebenden Katzendarm und findet die Produktion in der Stunde zu 30 mg für 100 g Darmmuskulatur. Zuntz und Schumburg haben den Mehrverbranch an Sauer- stoff eines militärisch marschierendenn Mannes zu 10 bis 11,8 Liter Sauerstoff für den Kilometer bestimmt. Cohnheim rechnet diesen Wert auf 80—100 & CO, in der Stunde um, bezieht ihn auf 30 kg Muskulatur und kommt so auf den Mehrverbrauch von 270—300 mg CO, in der Stunde für 100 & Muskelsubstanz. Also etwa zehnmal so viel wie der Verbrauch der gleichen Menge glatter Muskeln bei „entsprechender Arbeit“. Was wird hier verglichen? Die Kohlensäureproduktion einer Menge quergestreifter Muskeln bei unbekannter Arbeit mit der 1) Brissard et Regnard, Bull. Soc. Biol. (1881) Zit. nach H. Meyer und Gottlieb, Pharmakologie S. 354. (1910.) 2) Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 54 S. 461. (1908.) 456 Jakob Parnas: Kohlensäureproduktion der gleichen Menge glatter Muskeln bei auch unbekanter Arbeit. Nun ist aber die Menge der Muskelsubstanz für den Energieumsatz gar nicht so maassgebend wie die Arbeits- leistung resp. statische Kraftwirkung. Es geht nicht an, zwei Arbeitsleistungen, von deren Grösse man auch nicht annähernd eine Vorstellung haben kann, einfach als „entsprechende Arbeiten“ hin- zustellen. Über die sehr interessante Frage des Wirkunesgrades glatter Muskeln ist aus Gohnheim’s Untersuchung gar nichts zu ersehen und gar nichts zu schliessen. Ein Katzendarm wurde mit Chlorbaryum vergiftet und dadurch in den Zustand der Dauerkontraktion versetzt, die übrigens direkt in die Totenstarre überging. In dem Zustand der Dauerkontraktion fand Cohnheim die Kohlensäurebildung nicht verringert, vielmehr etwas erhöht gegenüber der Produktion während der peristaltischen Bewegung. Er schliesst daraus, dass die „Dauerkontraktionen“ glatter Muskeln mit erhöhtem Energieumsatz verbunden sind. Auch dieser Schluss ist unhaltbar. - Es liegt kein Anhaltspunkt vor, welcher gestattete, Chlorbaryum- kontraktur irgendeiner normalen Kontraktion gleichzusetzen. Aus Befunden an gelähmten peristaltischen Muskeln lassen sich keine Folgerungen über solche Muskel ableiten, deren Funktion im Aufrechterhalten von Dauerkontraktionen besteht. Es ist wahr- scheinlich, dass bei periodisch und fortwährend arbeitenden Organen der Stoffwechsel auf einen bestimmten Betrag eingestellt ist; an diesem Betrag wird sich wohl nichts ändern, wenn durch „Ver- stimmung“ die normale Bewegung verhindert wird. Chauveau und Kaufmann haben bewiesen, dass es (am lebenden Tier) bei gegebener Innervation für den Betrag des Stoffwechsels unerheblich ist, ob auch wirklich die Arbeit geleistet wird, auf die innerviert wurde; wird keine Arbeit geleistet, so tritt die umgesetzte Energie ganz als Wärme auf. Ähnliches muss man bei den Chlorbaryumdärmen in den Ver- suchen von Cohnheim annehmen; dadurch werden seine Schlüsse aus diesen Versuchen hinfällig. Neuerdings hat E. Kehrer!) den Stoffwechsel des überlebenden Katzenuterus untersucht; er fand an normalem, kontrahiertem Organ 1) Arch. f. Gynäkol. Bd. 89 H. 3. 1909. Energetik glatter Muskeln. 457 die Kohlensäureproduktion zu 10—15 mg CO, in der Stunde pro 100 g Muskulatur; bei schwangeren (also gedehnten) Organen 20—30 mg für die gleiche Zeit und Menge, nach der Geburt ist die Kohlensäureproduktion fast null. Kehrer bringt den geringen Umsatz der glatten Muskeln in Beziehung mit ihrer Dauertätigkeit, Unermüdlichkeit und der Fähigkeit, ausserhalb des Körpers lange leben zu können. Weiter hat sich niemand mit der Frage befasst. 3. Experimentelle Entscheidung der Frage. Man kann die Frage nach dem Energieumsatz bei Dauer- kontraktionen glatter Muskeln auf zwei Wegen entscheiden: 1. Qualitativ: durch Untersuchung der Aktionsströme in Zuständen verschiedener relativer Verkürzungen und verschiedener Belastung. 2. Quantitativ: a) durch thermometrische resp. calorimetrische Untersuchung des Energieumsatzes; b) durch Untersuchung des respiratorischen Stoffumsatzes in stationären Zuständen verschiedener Verkürzung und Belastung. Nach den Methoden 2a und b können verglichen werden: . I. gleiche oder gleichartige Muskeln in verschiedenen spannungs- losen oder gleich gespannten Längezuständen; I. gleiche oder gleichartige Muskeln in Zuständen gleicher Länge, aber verschiedener Belastung. Einen ausgezeichneten Zustand der Ruhe, einen Nullpunkt, gibt es bei glatten Muskeln nicht; es gibt nur graduelle Reihen zwischen zwei extremen, physiologisch oder anatomisch BeSchenel Grenz- zuständen der Muskellänge. Ist der Nachweis erbracht, dass glatte Muskeln in ihren ver- schiedenen Längen spannungslos verharren können, so wird dadurch die Frage nach der Erhöhung des Energieumsatzes gegenstandslos: der erhöhte Energieumsatz hängt nicht mit der Länge des Muskels, sondern mit der ausgeübten Kraft zusammen. A priori ist freilich nicht zu sagen, ob ein Muskel in Zuständen verschiedener Länge die gleiche Atmung hat; ob die Atmung in verkürztem Zustand grösser oder kleiner ist als in den gedehnten. Dureh Verkürzung und Verdiekung der Muskelfasern können Gefässe Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 3l 458 Jakob Parnas: und Zirkulation beeinflusst werden; Anhaltspunkte darüber liegen nicht vor. Es ist wohl möglich, dass der Verkürzungszustand eine Veränderung der Atmung bedingt, nicht aber durch Veränderung der Atmung bedingt wird. Es folgt aus der Tatsache, dass glatte Muskeln spannungslos ver- schiedene Längen einnehmen können, die energetische Gleichwertig- keit der verschiedenen Längen. Es folgt aber daraus nicht, dass Zustände gleicher Länge und verschiedener Belastung energetisch gleichwertig wären. Ist dies aber experimentell bewiesen (Methode 2, I), dann ist der Beweis erbracht, dass der Energie- umsatz in allen Zuständen verschiedener Länge und Belastung von beiden letzteren Faktoren unabhängig ist. Ich habe in Verfolgung der Überlegung von O. Frank be- rechnet, dass die Erhöhung des FEnereieumsatzes bei Dauer- kontraktionen glatter Muskeln wohl in den Grössenordnungen von zehntausendsten bis zehnmillionsten Teilen des entsprechenden Um- satzes quergestreifter Muskeln bei gleicher Kraft und Zeit liegen müsse. Man kann aber auch den gesamten Energieumsatz eines kleinen, elattmuskeligen Tieres bei hohen Kraft-Zeit-Werten be- trachten; findet man diesen sehr gering im Vergleich z. B. mit der Erhöhung des Energieumsatzes quergestreifter Muskeln, dann ist die hier entwickelte Anschauung bewiesen. I. Ich habe lebende, intakte Muscheln so belastet, dass glatte Muskeln von 0,3 qem Querschnitt mit etwa 3000 g während der Zeit von 3 Stunden belastet blieben. Gegenüber dem Ruhezustand — in welchem die Muscheln auch geschlossen blieben, aber mit zehnfach geringerer Belastung — erwies sich der respiratorische Stoffwechsel als nieht erhöht. Auch in darauffolgenden Nachperioden war keine Erhöhung des Stoffwechsels nachzuweisen. II. Der gesamte Stoffwechsel so belasteter Muscheln ist so gering, dass derjenige Anteil, welcher besten- falls dem glatten Muskel zukommen kann, etwa 50000mal kleiner ist als die Erhöhung des Stoff- umsatzes eines quergestreiften Muskels, der gleiche ERREGER Damit ist bewiesen, dass die Dauerkontraktionen glatter Muskeln auch bei grosser Belastung ohne Erhöhung des Energieumsatzes. Energetik glatter Muskeln. 459 - gegenüber den unbelasteten und gedehnten Zuständen dieser Muskeln bestehen können. Einzelheiten der Überlesungen, Versuche und Berechnungen befinden sich im speziellen Teil dieser Abhandlung. 6. Der Tonus. Ich habe in den bisherigen Ausführungen den Begriff „Tonus* absiehtlich vermieden; dieser Begriff ist bis jetzt sehr unklar und mangelhaft definiert geblieben. Wenn man von denjenigen Erscheinungen absieht, welche als '„Lonus quergestreifter Muskeln“ bezeichnet wurde, so findet man immer noch bei verschiedenen Autoren Definitionen, welche das Wesentliche und Unterscheidende gar nicht hervorheben. V. Üxküll sagt: „Das einzige, was wir von der Lebensintensität einer Zelle zu sehen bekommen, ist der Teil, der nicht zur Weiterführung des Lebens dient, sondern in irgendeiner Form nach aussen in Er- seheinung tritt. Diese Überproduktion an Energie nennen wir beim Muskel Tonus.“ | Würde man irgend jemandem, der physikalische Begriffe be- ‘herrscht, diese Definition vorlegen und ein Beispiel für den „Tonus“ verlangen, so würde der betreffende höchstwahrscheinlich auf die ausgestrahlte Wärme oder den Verbrennungswert der Exkrete raten, sicher aber nicht auf eine Erscheinung der Festigkeit. Denn statische Festigkeit ist keine Enereieform. V. Üxküll aber beschreibt als „Tonus“ immer nur statische Festigkeiten oder Längen der Muskeln. Neben v. Uxküll hat sich H. Jordan am meisten mit dem „Tonus“ beschäftigt. Es ist schwer, aus den Schriften dieses Autors sich Klarheit über seine Anschauungen zu verschaffen; er gibt ver- schiedene Definitionen des Tonus. „Tonus kann definiert werden als das Bestreben des ruhenden Muskels, einen bestimmten Verkürzungsgrad beizubehalten trotz aus- dehnender Kräfte; allerdings so, dass diese Kräfte den Verkürzungs- grad wieder bedingen.“ !) „Nerventonus ist die statische Form irgendeiner Energie.“ ?) 1) Über reflexarme Tiere. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 7 S. 113. 1907. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 110 S. 596. 1905. 3R- 460 Jakob Parnas: „Der Tonus ist ein Muskelzustand, der abhängig ist vom Nervensystem.“ !) Es ist schwer, die verwickelten Ausführungen Jordan’s wieder- zugeben; es scheint mir aus dem Angeführten hervorzugehen, dass Jordan das Bestehen des „Tonus“ mit nervösen Impulsen und mit Enersieumsatz in Beziehung bringt, wenn man einen in gebräuch- licher Ausdrucksweise auszudrückenden kurzen Sinn daraus hervor- holen will. Jordan steht auf dem Boden der hydradynamischen Vorstellungen von Uxküll; beide Forscher begehen den Fehler, aus den Erscheinungen der Veränderlichkeit des Tonus auf den Mechanismus seines Bestehens schliessen zu wollen. Im übrigen möchte ich auf die treffliche Kritik verweisen, welche Bieder- mann dieser Betrachtungsweise gewidmet hat.?) Eine klare, wenn auch nicht erschöpfende Definition des Tonus findet sich bei Biedermann. Biedermann sagt: „Tonus ist in bezug auf den Muskel ein Zustand beharrender Verkürzung, welcher nur zum Teil auf Dauer- erregung seitens nervöser Zentren beruht, anderenteils aber dadurch verursacht wird, dass im kontrahierten Muskel jene aktiven Vor- gänge, welche sonst Erschlaffung und Wiederverlängerung bewirken, nicht oder nur in unvollkommener Weise zu einer Lösung der durch die vorausgehende Erregung gesetzten Veränderungen der Muskelsubstarz führen.“ Über Kontraktionserscheinungen glatter Muskeln wissen wir folgendes: | 1. Der glatte Muskel verändert seinen Zustand auf nervöse Im- pulse hin, er behält autonom jeden gegebenen Zustand. 2. Er kann verschiedene Längen spannungslos annehmen; in jeder dieser Längen verhält er sich — falls nicht nervöse Impulse hinzu- kommen — wie ein Band; einer Last leistet er nach Maassgabe seiner Elastizität und Festigkeit Widerstand. 3. Der Energieumsatz des glatten Muskels ist in jedem stationären Zustand unabhängig von der Belastung und — wahrscheinlich — auch von der Länge. | Daraufhin definiere ich den Tonus: Tonus ist jeder stationäre Zustand eines normalen Muskels, in welchem bei jeder gegebenen Länge — die 1) Über reflexarme Tiere. II. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 8 S. 250. 1908. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 1028. 511f. (1904.) Energetik glatter Muskeln, 461 kleiner ist als die grösste physiologisch vorkommende Länge desungespannten Muskels — der Energieumsatz von der Belastung unabhängig ist. Tonusmuskeln sind diejenigen Muskeln, welche auf dem ganzen Gebiete der Längen, welches zwischen der grössten und der kleinsten physiologisch vor- kommenden Länge liegt, sowohl spannungslos als ge- spannt (belastet) in einem stationären Längenzustand verharren können, welcher ohne Erhöhung des Energie- umsatzes beibehalten bleibt. Der Tonus kann gemessen werden durch die reziproke Länge des Muskels in dem betreffenden Zustand; es können natürlich nur Tonuszustände des gleichen Muskels verglichen werden. Ein Null- zustand ist bei glatten Muskeln nicht zu definieren; würde man aber versuchen, den Zustand minimaler, physiologisch vorkommender und feststellbarer Länge als solchen zu definieren, und die Länge in diesem Zustand als Einheit des Tonus ansehen, dann hätte man ein allgemein vergleichbares Maass des Tonus: T Lo L, bedeutet die erwähnte kleinste Länge, " Du| Z. die Länge des betreffenden Zustandes. Wäre z. B. der Adduktor einer Muschel bei geschlossenen Schalen 12 mm lang, in gegebenem Zustand 15 mm, dann wäre der Tonus gleich *s. Jedem Tonuszustand entspricht ein Wert der Elastizität und der Festigkeit; dieser ist indessen nicht nur von der Tonusgrösse, sondern in erster Linie von der Natur und dem Ernährungszustand des Muskels abhängie. Wir wissen nichts Genaues über die Form der Abhängiekeit der Elastizität und Festigkeit eines Muskels von seinem Tonus; es scheint aber, dass sie bei geringerem Tonus grösser ist als bei. höherem, trotz des geringeren Querschnitts des Muskels im ersteren Zustand. Mit Hilfe der Grützner’schen Vorstellung über die tonischen Kontraktionen, welche bekanntlich sowohl Streckung als gegenseitige Verschiebung zellulärer Elemente annimmt, kann man diese Verhältnisse erklären. Ich möchte noch hervorheben, dass alle diese Ausführungen über das Beibehalten der tonischen Kontraktionen in keiner Weise die Erfahrungen über Veränderlichkeit des Tonus unter dem Ein- fluss zentraler oder reflektorischer Einflüsse berühren. Bei den 4 462 Jakob Parnas: letzteren handelt es sich um ganz andere Fragen, bei welchen das Nervensystem die wichtigste Rolle spielt. Ich habe bisher immer von glatten Muskeln gesprochen: ich bemerke aber ausdrücklich, dass es sich stets nur um die „tonus- fähigen“ glatten Muskeln im Sinne der oben gegebenen Definition handelt, auch immer nur um normale (physiologisch normale). Muskeln. Ob für die Kontraktionszustände peristaltischer Muskeln von glatter Struktur ähnliches eilt, lässt sich nicht sagen. Ich würde in Anbetracht der Bewegungsfunktion solcher Muskeln eher das Gegenteil erwarten. Aber auf Tonusmuskeln, also solche, deren Funktion im Beibehalten statischer Dauerkontraktionen besteht, möchte ich die hier gewonnenen Auffassungen im weitesten Maasse verallgemeinern. Wahrscheinlich existieren Übergänge zwischen den extremen Tonusmuskeln, wie sie in den Schliessmuskeln der Muscheln vor- liegen, den peristaltischen Muskeln (Herz, Darm) und den quer- gestreiften Skelettmuskeln. Diese Übergangsglieder könnte man in Reihen ordnen nach der Grösse des Energieumsatzes, welcher bei jedem zur Aufrechterhaltung eines Kontraktionszustandes von gleicher relativer Verkürzung und gleicher Belastung nötig ist. Und dieser Energieumsatz kann offenbar zwischen dem Wert Null eines Tonus- muskels und dem hohen Umsatz eines tetanisch kontrahierten quer- gestreiften Muskels sehr viele verschiedene Werte annehmen. B. Spezieller Teil. 1. Anatomie und Physiologie der Adduktoren. Es gibt in der Tierwelt kein Objekt, welches für das Studium der Dauer- kontraktionen glatter Muskeln geeigneter wäre als die Adduktoren der Acephalen; kräftige Muskeln von gleichmässigem Querschnitt greifen direkt, ohne Sehnen, an zwei starren Flächen an, die miteinander ein System einarmiger Hebel bilden. Es bedarf keiner künstlichen Reizung, um die Muskeln in Kontraktion zu ver- setzen; die Kontraktion ist ein Reflex auf die Belastung. Will man am isolierten Muskel arbeiten, so kann man leicht alle inneren Organe entfernen und den Muskel mit seinen Hebeln allein übrig behalten. Da die Eigenschaften dieser Muskeln nicht allgemein bekannt und aus den Lehrbüchern der Zoologie nicht zu entnehmen sind, will ich hier eine kurze Schilderung der anatomischen und physiologischen Eigenschaften vorausschicken. Sie gründet sich hauptsächlich auf die Monographie von Marceau!). 1) Arch. d. Zool. exper. et gen. [5] t.2 no. 6. 1909. [3 Energetik glatter Muskeln, 463 Die Funktion der Adduktoren besteht darin, dem Zug der elastischen Schloss- bänder bei verschiedenen, durch die jeweilige Lebenslage bestimmten Öffnungs- winkeln der Schalen das Gleichgewicht zu halten. Auch sind sie imstande, die Schalen gegenüber Feinden fest zusammen zu schliessen. Sie haben die Gestalt kurzer Zylinder von ellipsoidem Querschnitt, stehen senkrecht zur Symmetrieebene oder Schnittebene der beiden Schalen, an denen sie direkt, ohne Sehne inserieren. Die Basen der Muskelzylinder sind meistens bi-convex oder flach-convex, doch kommen je nach der Form der Schalen konkave Flächen und andere Kombinationen vor. Es gibt Mollusken, welche zwei Adduktoren, und solche, welche nur einen besitzen; man nennt sie entsprechend Dimyarier und Monomyarier. Die Dimyarier können gleichmässig oder ungleichmässig entwickelte Muskeln haben; so zerfallen sie in Isodimyarier und in Anisodimyarier. Diese Einteilung hat keinen syste- matischen Wert; die genannten Gruppen bilden Konvergenzreihen verschiedenen Ursprungs. Der Weg führt über die Anisodimyarier von den Isodimyariern zu den Monomyariern, indem der eine Muskel, meistens der hintere, allmählich verschwindet. Zu den Monomyariern gehört die Auster und Pecten, zu den Anisodimyariern Venus, Mytilus, Anodonta, zu den Isodimyariern Nucula und Arca. Bei den Dimyariern liegt der eine Muskel an der Mundöffnung, der andere am Anus; bei Monomyariern rückt der Muskel gegen den Mittelpunkt der Schale ‚vor. Bei Dimyariern, welche von einer Seite Syphone ausstrecken und deshalb die Schalen ungleichmässig öffnen, sind die Adduktoren ungleich von der Schloss- linie entfernt, so dass gleichen Muskelverkürzungen bei ungleichmässiger Öffnung doch ein gleichmässiger Schalenschluss entspricht. | Die Grösse der Muskeln ist von Art zu Art sehr verschieden; so beträgt das Gewicht des Adduktors bei Venus Verrucosa Y/ıo,z des Körpergewichtes (ohne Schalen), bei Ostrea edulis "/ıo,a, bei Pecten maximus "/s,s, bei Mytilus nur !/ee ‚des Körpergewichtes. Fast alle Adduktoren bestehen aus zwei Teilen, welche schon mit blossem Auge deutlich zu unterscheiden sind }). Der eine Teil ist weich, durchscheinend, von gelblicher Farbe, dem glasigen Aussehen einer Gallerte; ich werde ihn im folgenden als den glasigen Muskel bezeichnen. Der andere Teil ist härter, undurchsichtig, weiss, von perlmutterartigem Glanz; er gleicht dem Aussehen einer Sehne; ich werde ihn als weissen Muskel bezeichnen. In den meisten Fällen sind die beiden Teile nicht getrennt; sie liegen dicht ‚aneinander und bilden zusammen den oben beschriebenen Zylinder. Nur bei Spondylium und bei Pecten sind sie durch Bindegewebe getrennt; bei Pecten 1) Anthony (Bull. Soc. Philom. de Paris [9] t. 6 no. 3. 1904) hat in geist- reicher Weise die Länge der Fasern und die Trennungsfläche beider Muskel- teile in eine mathematische Formel gebracht. Da diese Formel aber nach den Untersuchungen von Marceau nicht allgemein gültig ist, gehe ich nicht näher auf seine Entwicklung ein. 464 > Jakob Parnas: Jacobaea verdickt sich dieses gegen die konkave Schale so, dass beide Muskeln an der flachen Schale eine gemeinsame elliptische Insertionsfläche, an der ge- wölbten zwei Insertionsflächen haben: eine runde des glasigen Muskels und eine langgestreckte, die dem weissen Muskel entspricht. Der weisse Muskel ist immer kleiner als der glasige; seine Fasern sind kürzer; er liegt immer peripher in bezug auf die inneren Organe des Tieres, der glasige ist immer zentral. Dabei sind beide Teile so angeordnet, dass der weisse Teil mit einem grösseren Hebelarm angreift als der glasige. Diese Anordnung erlaubt dem glasigen Teil die Schalen schneller zu schliessen, dem weissen, sie kräftiger zusammen zu halten. Sowohl bei Arten als auch bei Individuen variiert die relative Entwicklung beider Muskelteile nicht unerheblich; indessen ist die Entwicklung des weissen Muskels immer der Kraft der Schlossbänder proportional. Einige Acephalen haben undifferenzierte Adduktoren; so findet man bei Pholas, welche in der Sicherheit von ihr selbst gebohrter Felsenlöcher lebt, nur glasige Muskeln, aber auch keine Schlossbänder. Ebenso ist es bei Lutraria und bei Solen. Bei Mya dagegen ist der Muskel homogen weiss. Histologisch sind die beiden Muskelteile sehr verschieden. Die weissen Muskeln bestehen aus dicken, glatten zylindroiden Fasern; die Fasern sind lang, eng aneinander gesetzt, bilden Bündel, die von sehr wenig Bindegewebe und nie vollständig umgeben sind. Das Bindegewebe besteht aus sehr verzweigten Zellen mit einer dünnen Lage Protoplasma um den Kern. Die glasigen Muskeln haben relativ dünnere und kürzere Fasern, die auf langen Strecken ihres Verlaufes zerfasert sind. Bei Anomia, Lima und Pecten sind die Fasern durch seitliche Anastomosen zu Bündeln vereinigt und quer oder schräg zu ihrer Richtung gestreift. 'In der Nähe der Insertionsfläche sind die Fasern beider Muskeln gewöhnlich fingerförmig gespaltet. Die Fasern der glatten, weissen Muskeln bestehen aus dicht aneinander gepressten, sehr feinen Fibrillen, die kurz verlaufen und durch seitliche Anastomosen vereinigt sind. Die Anastomosen bilden ein Netzwerk, dessen Menschengrösse und Winkel von dem Verkürzungszustande abhängt, in dem der Muskel fixiert wurde. Die glasigen Muskelfasern zerfallen in drei Gruppen: Fasern mit glatten, den Fasernachsen parallelen Fibrillen; Fasern mit parallelen, quer gestreiften Fibrillen, die sich selten, nur bei Pecten, Lima und Anomia, finden; Fasern mit schraubenförmig gewundenen glatten Fibrillen, früher als doppelt schräggestreifte Fibrillen beschrieben. Diese sind am häufigsten, kommen aber: nie bei denjenigen Arten vor, welche quergestreifte Fibrillen besitzen. Marceau hat eine mechanische Theorie dieser schraubenförmig gewundenen. Fibrillen gegeben, auf die ich hier aber nur verweisen kann. Die physiologische Analyse des Anteils beider Muskelteile an Bewegung, Kraft und Arbeit des ganzen Muskels zeigte, dass der glasige Muskel als Träger der schnellen Zuckungen und kurzen Arbeitsleistungen anzusehen ist, der weisse Muskel aber die langen und widerstandsfähigen Dauerkontraktionen ausführt. Energetik glatter Muskeln. 465 Diese Beziehungen erlauben, an intakten Tieren angestellte Dauerkontraktions- versuche vollständig dem weissen Muskel zuzuschreiben. Coutance!) studierte die Funktionen des Adduktors von Pecten max. Dieses Tier hält gewöhnlich seine Schalen leicht geöffnet; im Falle einer Gefahr schliesst es sie oder schwimmt mittels einer schnellen, klappernden Schalen- bewegung schnell davon. Coutance beobachtete nun folgendes: Der Schalenschluss erfolst gegen eine grosse Kraft der elastischen Bänder, die bei Pecten max. 660 g beträgt. Der glasige (quergestreifte) Muskel bewirkt schnellen, kurzen Schluss. Der weisse, glatte Muskel allein schliesst sehr langsam‘, hält aber beliebig lange der Kraft der elastischen Bänder und noch weitere Belastung in kontrahiertem Zu- stand das Gleichgewicht. Die spontane Schalenöffnung, welche durch die Wiederausdehnung des weissen Muskels bestimmt wird, erfolgt nur sehr langsam, Nach Lostrennung von einer Insertionsfläche verlängert sich der glasige Muskel, der glatte verkürzt sich erheblich. Zu gleicher Zeit machte Ihering?) ähnliche Beobachtungen am Anomia. A. Fick?) untersuchte die Reizbarkeit von Muskeln der ausgeweiteten Anodonta; dabei machte er die wichtige Beobachtung, dass bei gegebener Reiz- intensität und Frequenz die Kontraktion um so grösser war, je grösser das spannende Gewicht. Die Bewegungen, welche von Acephalen unter normalen Lebensbedingungen ausgeführt werden, sind von Marceau mittelst eines leichten Schreibhebels registriert worden. Sie zerfallen in zwei Gruppen, je nach den Lebens- gewohnheiten des Tieres. Die erste Gruppe umfasst diejenigen Acephalen, welche gewöhnlich ihre Schalen geschlossen halten: Anodonta, Auster, Unio, Venus, Tapes, Mytilus. Die Tiere der anderen Gruppe leben offen: Cardium, Mactra, Mya, Lutraria, Pecten und Solen. Allen Kurvenbildern gemeinsam ist der ziemlich regelmässige Wechsel von Perioden der Ruhe und der Bewegung. Sowohl die Perioden als auch die Form der Bewegungen sind von Art zu Art verschieden. In der ersten Gruppe erfolgt (bei Anodonta einmal täglich, bei Unio mare. dreimal im Tage) schnell eine weite Öffnung der Schalen; sie kommt in spitzen Schwingungen im Verlaufe einer Viertelstunde zustande und geht im Verlauf von mehreren Stunden in einer zackigen Linie, deren Richtung eine gerade ist, in den Zustand der geschlossenen Schalen zurück. Sobald sich beide Schalen be- rührt haben, hören die Bewegungen für mehrere Stunden auf. Das entgegengesetzte Bild zeigt die Kurven der zweiten Gruppe. Auf relativ schnellen Schalenschluss folgt eine lange Bewegungsperiode, in welcher sich die Schalen der gewöhnlichen Öffnung nähern; dann hört die Bewegung auf. Marceau fasst diese normalen Bewegungen auf als Lebensbedingung der 1) Energie et structure museulaire chez les Moll. acephales. Paris 1878. 2) Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 30 Suppl. 1878. 3) Beiträge zur vergl. Physiologie der irritablen Substanz. Braunschweig 1863. 466 Jakob Parnas: sonst trägen Muskeln im Sinne des Satzes: „tout organe qui ne travail pas s’atrophie.“ Befinden sich die Acephalen ausser Wasser, so halten sie die Schalen lang und fest geschlossen, um das nötige Wasser nicht zu verlieren; es gehört doch zu den normalen Lebensbedingungen der Muscheln, welche an von der Flut be- spülten Felsen festsitzen, bis zu sechs Stunden ausser Wasser zu verbringen: so die Miesmuscheln. Folgende Tafel gibt die Zeiten an, welche verschiedene Arten ausser Wasser verbringen können und den Zug der Bänder für den Quadratzentimeter glatter Muskeln, welchem sie während dieser Zeit Widerstand leisten. Anadonta eygnea ..... 2—3 Tage 235 8 Gardiumfeduler rm 9—8 ,„ 415 „ Dioxinia exoleta . - ... 20—30 „ 2400 „ Mytbıluswedulise „se 6-8 „ 2450 „ Ostrealeduliser Armee. 20—80 ,„ 960 „ Pecten maximus . .... 2—3 ,„ 416 „ Unostumiduseer sem: 2—3 ,„ 980 „ Bei der Betrachtung dieser Tabelle macht Marceau folgende Bemerkung: „En examinant ce tableau on voit qu’il serait antiphysiologiste de supposer, que les muscles adducteurs font equilibre & la resistance du ligament, qui est parfois considerable, par une contraction active volontaire.. On pourrait aussi se demander, pourquoi la nature n’a pas realise une disposition plus avantageuse pour eviter cette inutile depense d’energie.“ Man kann das Verhalten jeder Muskelhälfte untersuchen, indem man die andere von der Insertionsfläche losschneidet; geeignet für diese Versuche sind besonders Monomyarier, als Typus der geschlossen lebenden Tiere !die Auster, als Typus der offenen Pecten. Durchschneidet man einer frischen, gesunden Pecten den weissen Muskel, so klaffen in einigen Minuten die Schalen vollständig; der quergestreifte Muskel ist nicht imstande, auch nur während einer kurzen Zeit dem Zug der elastischen Bänder Widerstand zu leisten. Wird der glasige Muskel durchschnitten, so bleiben die Schalen geschlossen, oder sie schliessen sich langsam. Bei allen Acephalen, welche deutlich differenzierte Adduktoren besitzen (Auster, Gryphea, Cardium, Tapes, Venus), bestehen dieselben Verhältnisse. Ein klares Bild liefern die Bewegungskurven von Austern: Ist der glasige Muskelteil entfernt, so erhält man gleich nach der Operation Perioden sehr langsamen Öffnens von geringer Amplitude, dann verhältnismässig schnellen Schluss; bald aber tritt eine regelmässige Folge von langen Perioden vollständiger Schliessung, die von kürzeren Perioden sehr geringen Öffnens unterbrochen sind. Ist der weisse Muskel durchtrennt, so klafft die Muschel andauernd; nur in stündigen Perioden erfolgt ein kurzer, momentaner Schalenschluss. Als absolute Kraft bezeichnet man nach Weber dasjenige Gewicht, welches ein gereizter oder innervierter Muskel gerade noch heben kann. Energetik glatter Muskeln. 467 Bei den Adduktoren der Acephalen sind immer die Gewichte bestimmt worden, welche die Schalen mehr oder weniger öffneten. Vaillant!) bestimmte sie bei den grossen und gewaltig starken Tridacniden. Plateau?) untersuchte sie bei vielen Arten; er bestimmte die Kraft, welche nötig war, um die Schalen auf 1 mm weit zu öffnen. Die elastische Kraft der Schlossbänder, die Hebelarme der Muskeln unter öffnender Kraft berücksichtigte er und bezog den Wert der absoluten Kraft auf die Einheit des Muskelquerschnittes. Nachstehend einige Werte: Öffnende | Spannkraft ee Quer- | Absolute Spezies Kraft des ae schnitt Kraft g Bandes |d. Muskeln mm gem Venus verr... .. . 5400 900 2 100 | 12500 Pectunculus - . . . 2700 128 2,7 75 10150 Mytilus edulis. . 3900 10504. 125169 110 8000 Ostrea Hippopus. . 17500 1050 | 18 500 6400 Pecten maximus. . 9650 350 2 520 3800 Pecten opercul. . . 125 30 2,21 65 930 Cardium edule. . . 1150 106 1,75 76 2900 Später ist von Hamilton Lawrence?°) und von Paulus Schiemenz*) die Kraft der Venus verrucosa gemessen worden. Schiemenz beschäftigte sich mit der Frage, auf welche Weise Seesterne Austern öffnen können, und erkannte, dass dies ohne Anwendung von Gift oder Säure, bloss durch langdauernden Zug geschieht. Er bestimmte die Kraft, mit welcher ein Seestern eine Muschel fest- zuhalten vermag, zu 1300 g: Wurde dann dieses Gewicht an Schalen von Venus angehängt, so klafften diese nach einiger Zeit. Im Laufe weiterer Untersuchungen stellte es sich heraus, dass schon Kräfte eines Kilogramms die Schalen mit der Zeit zum Klaffen brachten, ja sogar die Adduktoren vollständig zerrissen. Es hat also die Festigkeit der Adduktoren bei höheren Belastungen eine grössere Zeitkomponente. Die von Schiemenz gefundenen Werte (so z. B. öfineten 900 g eine Venus in 15 Minuten) sind sicher viel zu niedrig; die von ihm benutzten Tiere sind ohne Wasser von Neapel nach Hannover versandt worden und mussten ausser- ordentlich geschwächt gewesen sein. Venus verrucosa verträgt selbst das Aquarium- leben sehr schlecht, und die Festigkeit der Adduktoren nimmt mit dem Wohl- befinden des Tieres sehr schnell ab. Ich möchte aber hier schon bemerken, dass eine Zeitkompenente, die für tetanische Kontraktionen selbstverständlich ist, auch für tonische, ohne erhöhten Energieumsatz verlaufende von vorn herein anzunehmen ist. Es besteht doch 1) Ann. des Soc. nat. Zool. [5] t. 4 p. 65. 1865. 2) Arch. de Zool. exper. et gen. [2] t. 2. 1884. 3) The limpets strength. Nature vol. 45 p. 487. 1892. 4) Wie öffnen Seesterne Austern? Mitteilungen des deutschen Seefischerei- vereins 1896. 468 ‚Jakob Parnas: für jedes tote Material eine Zeitgrösse der Deformation, welche in der Nähe der äussersten Festigkeitsgrenze ausserordentlich hohe Werte annimmt. Ich werde auf diese Frage nochmals zurückkommen. Zuletzt bestimmte Marceau in sehr genauer Weise die Kräfte der Ad- - duktoren. Er mass das Gewicht, welches in 1—2 Sekunden die Schalenränder eines geschlossenen Tieres um 1 mm voneinander entfernte; dann die Kraft, welche die Muscheln sofort zum weiten Klaffen brachte, und die zur Zerreissung der Muskeln erforderlich war. Die Kraft der Schlossbänder, das Verhältnis der Hebelarme sowohl für den ganzen Muskel als auch für seine beiden Teile wurden sehr genau bestimmt. Die Beträge der absoluten Kraft für den ganzen Muskel, für die beiden Teile und die Einheit ihrer Querschnitte finden sich in folgender Tabelle für einige Arten angegeben. Kraft in g, welche Verhältnis der Hebelarme die d d d Sarg auf zum { es es es Mn” 1—2 mm | Klaffen un ganzen | glasigen | weissen öffnet bringt | zerreisst | Muskels | Muskels | Muskels Ostrea edulis 6020 6920 7935 *1/z6 45]gg 52/57 Venus verrucosa 4385 4885 5389 33/13 — 23/14 Pecter varius 350 700 800 42/90 2 #2/9g Ela- : ; € Absolute Kraft pro a Quexschnitt Ab ccm der Muskels - h Eee main SONNE, Spezies Kraft Kraf j 4 | des glasig | weiss Bit u = des Bandes ganz | ganzen glasigen, weissen Ostrea edulis 390 0,70 0,58 1256 5668 514 11992 Venus verrucosa 335 0,60 0,30 11475 | 12750 5913 } 35413 Pecter varius 50 0,87 0,15 790 632 E 4820 Aus welchen Momenten setzt sich die Kraft der Adduktoren zusammen ? 'Marceau zerlegt sie in folgende: Eine willkürliche Kontraktionskraft (force de contractions volontaire), im Sinne des quergestreiften Skelettmuskels. Die elastische Kraft der Muskelfasern, welche ungereizte Muskeln auf eine bestimmte (anatomische) Länge zurückbringt. Der Tonus (Tonicite): Eine relativ konstante Spannung, welche sich unter dem Einfluss des zentralen Nervensystems ändert, dagegen autonom, vielleicht unter dem Einfluss intramuskulärer Ganglien, beibehalten bleibt. Marceau bemerkt wohl, dass es keine Möglichkeit gibt, den Tonus und die elastische Kraft der Muskelfasern begrifflich oder. experimentell zu trennen; ich werde im folgenden im Sinne Marceau’s die Summe beider Momente als Tonus bezeichnen. Welchen Anteil haben nun die beiden Momente, willkürliche 'Kontraktions- kraft und Tonus, an den Bewegungen und der Kraft der Adduktoren? Energetik glatter Muskeln. 469 Es lässt sich nachweisen, dass die sogenannte willkürliche Kontraktions- kraft dem glasigen Muskelteil zukommt und den schnellen Schalenschluss be- wirkt, dass dagegen der Tonus seinen Sitz im weissen Muskel hat und den dauernden Verschluss aufrecht erhält. Wäre der dauernde Schalenschluss durch zentrale Nervenimpulse bedingt, so müsste man erwarten, dass nach Ausweidung einer Muschel unter Zurücklassung .der Adduktoren sofortige Öffnung der Schalen erfolgt. Dies ist nicht der Fall; bei Mytilus, öffnen sich die Schalen in 5—20 Stunden nach der Ausweidung, bei Anotonta nach 2—5 Stunden, die Austern bleiben sogar 10—50 Stunden fest ver- schlossen. Ist der glasige Muskel durchschnitten worden, so ändert sich an der Öffnungszeit der ausgeweideten Tiere nichts; wurde der weisse durchschnitten, so ‚klaffen noch geschlossene Schalen nach der Ausweidung augenblicklich. Bei Tieren, welche nur glasige Muskeln haben (Lutraria, Pholas, Solen), klaffen die Schalen sofort nach der Ausweidung. Das Verhältnis der absoluten Kraft vor und nach der Ausweidung liegt bei Unio zwischen 1,2 und 1,4, bei Cardium zwischen 1,7 und 2, bei Mactra zwischen 1,3 und 1,6. Hat man den glasigen Muskel entfernt, so findet man die absolute Kraft vor der Ausweidung und nach der Ausweidung gleichbleibend. Es hat sich also nur die „willkürliche Kraft“ des glasigen Muskels durch die Ausweidung geändert: Man kann sie messen, indem man die „absolute Kraft“ des Tieres vor der Ausweidung und nach der Ausweidung bestimmt. Marceau findet für Cardium edule die „willkürliche Kontraktionskraft“ gleich 695 g, den Tonus gleich 1420 g, bei Austern und Pecten ist die „willkürliche Kraft“ sehr gering. Die Schliessung der Schalen verläuft bei intakten Muskeln sehr schnell; bei Pecten dauert sie Hundertstel einer Sekunde, sonst Zehntel einer Sekunde ‘bis einige Minuten. Die Öffnung dagegen erfolgt sehr langsam, sie dauert von einigen Minuten bis zu 1'/e Stunden; es ist mechanisch klar, dass bei der Kon- traktion der schnelle Muskel dem trägen vorauseilen kann, bei der Wieder- ausdehnung aber die Dehnungsgeschwindiskeit des trägeren die Geschwindigkeit beider bestimmt. | Marceau bemerkt, dass bei den Schwimmbewegungen von Pecten die Schalenöffnuug sehr schnell, in Zehnteln einer Sekunde, erfolgt; ich habe aber oft beobachtet, dass bei den Klapperbewegungen, welche auf Reizung des Mantels - durch fliessendes Wasser erfolgen, der glatte Muskel die Bewegungen der Schalen ‘im Zustand grosser Dehnung passiv mitmacht; bei jeder Kontraktion des glasigen Muskels wird er in deutlich sichtbare Falten geworfen. Änderungen des Tonus erfolgen nur auf aktive nervöse Impulse; sowohl ‘ Verkürzungeu als auch Verlängerüngen. Pawlow!') zeiste, dass der anhaltende Tonus von Anodontaschliessern durch Nervenreizung zum Schwinden gebracht werden kann: Reizt man die vom Ganglion in den hinteren Schliessmuskel eintretenden Nerven. an ihrer Eintritts- «stelle in den Muskel, so verwandelt sich der Zustand stärkster Verkürzung in den Zustand grösster Dehnung. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 37 S. 6ff. (1885.) 470 Jakob Parnas: Auch die Tatsache ist hier anzuführen, dass die Muscheln im Winterschlaf, während der Periode des herabgesetzten Lebens, geschlossen bleiben; während des aktiven Lebens öffnen sie sich weit. Marceau vergleicht das Funktionieren der beiden Adduktorenteile mit dem einer Maschine, in welcher ein durch Kraft bewegtes Zahnrad in jeder Stellung durch einen Sperrhaken gestützt werden kann. Dieser Vergleich findet sich schon bei v. Üxküll und bei Grützner, Nur Grützner hat aus ihm Kon- sequenzen in bezug auf die Energiebilanz des Sperrmuskels gezogen, Soweit gingen die bisherigen Untersuchungen über Bewegungen und Kraft der Adduktoren; wegen zahlreicher interessanter Beobachtungen, Betrachtungen und experimenteller Einzelheiten möchte ich noch einmal auf die Monographie von Marceau verweisen. Im nachfolgenden will ich auf Grund der im allgemeinen Teil dieser Arbeit gewonnenen Gesichtspunkte die Physiologie der glatten Adduktoren kurz be- schreiben. Der glatte Adduktor hat keine bevorzugte, keine ausgezeichnete Länge; er kann eine grosse Reihe von Längen spannungslos annehmen. Das Maximum der Dehnung und das Maximum der Verkürzung sind physiologisch ohne Bedeutung, sie liegen bei Längen, welche im normalen Leben des Tieres niemals vorkommen. Auf nervöse Impulse oder direkte elektrische Reizung kann der glatte Adduktor seine Länge vergrössern oder vermindern und dabei Arbeit leisten. Über die Thermodynamik dieser Arbeitsleistung wissen wir gar nichts, haben auch keinen Grund, dieselbe quantitativ mit der Thermodynamik des quer- gestreiften Muskels in Parallele zu setzen. In jeder durch zentrale nervöse Impulse bestimmten und autonom erhaltenen Länge ist der glatte Adduktor stabil; einer Kraft, welche er dehnend angreift, hält er durch seine rein statische Festigkeit das Gegengewicht, ohne dabei seinen Stoffwechsel zu verändern. Der Energieverbrauch des glatten Adduktors ist bei gegebener Länge unabhängig von seiner Belastung. Die mechanische Rlastizität des glatten Adduktors ist sehr gering; hat man eine Pecten in schwach geöffneter Lage nach Durchschneidung des glasigen Muskels belastet, und durchschneidet plötzlich die Last, so beobachtet man niemals ein merkliches Zusammenschlagen der Schalen. Über den Zusammenhang der Festigkeit mit der Länge des Muskels lässt sich nichts Bestimmtes sagen. Aus der Tatsache, dass der verkürzte Muskel bei Einwirkung einer seine Festig- keitsgrenze überschreitenden Kraft gedehnt wird, kann man nicht den Schluss ziehen, dass dem gedehnten (schlaffen) Muskel eine grössere Festigkeit zukäme als dem kontrahbierten,. Wird ein verkürzter Adduktor überhaupt gedehnt, so schreitet die Dehnung mit der Zeit immer weiter und führt schliesslich zur völligen Zerreissung. Niemals konnte ich einen stabilen Zustand beim Tragen von Gewichten beobachten, welche die geschlossenen Schalen einmal zur schwachen Öffnung gebracht haben, es sei denn, dass sich die Muschel dann wieder schloss. Es besteht keine Proportionalität zwischen der Tragkraft eines glatten Adduktors und seiner Arbeitsfähigkeit. Ein glatter Pectenmuskel kann unter Umständen ein Gewicht lange tragen, welches er nicht zu heben vermag, Energetik glatter Muskeln, 471 Eine durch langen Aufenthalt im Aquarium geschwächte Pecten ist weder bei Reizung des Mantelrandes noch bei direkter Reizung des Muskels imstande, sich zu schliessen. Hilft man aber dem Tier, indem man die Schalen zusammen- drückt und mehrere Minuten zusammenhält, so kann sich der Muskel arbeitslos verkürzen und hält dann dem Zug der Schlossbänder beliebig lang das Gleich- gewicht. Die scheinbare Ermüdung und langsames Nachgeben des glatten Adduktors bei Einwirkung von Lasten, die an der Grenze seiner Tragfähigkeit stehen, erkläre ich folgendermaassen: Durch die Last wird langsam die innere Reibung des Muskels überwunden, er wird mechanisch gedehnt. Die kleinen Dehnungen, welche bei frischen Muscheln oder bei kleineren Lasten durch aktive Kontraktion wieder rückgängig gemacht werden, bleiben bei geschwächten Tieren oder grossen Lasten bestehen und summieren sich, 2, Experimentelles, Für die Respirationsversuche benutzte ich drei Arten von Muscheln. 1. Venus verrucosa (Fig. 1). Ein kräftiger Anisodimyarier, häufig im Golf von Neapel, lebt im Schlamm. Die Schalen sind symmetrisch und gleich stark gewölbt. Fig. 1. Schaleninneres einer Venus verrucosa, sehr grosses Exemplar (nat. Grösse) a Zahn, db Schloss, ce Insertionsfläche des glasigen Adduktors, d Insertionsfläche des glatten Adduktors, e Schlossband, f Bohrloch, 9 äusserer Schalenhöcker. Durchschnittliche Maasse: Länge 50 mm, Breite 45 mm, Höhe 30 mm. Durehschnittlicher Querschnitt der glatten Muskeln 0,3 qem, der glasigen Muskeln 0,6 gem. Masse der Muskeln durchschnittlich 10 %o 4712 Jakob Parnas: des Körpergewichtes ohne Schalen. Die Schalen sind aus dichtem Kalk, sehr stark, an verschiedenen Stellen 2—4 mm dick. 2. Cytheraea Chione (Fig. 2). Ein grosser Anisodimyarier. Länge 72 mm, Breite 55 mm, Höhe 34 mm. Sehr starke Muskeln Schalen glatt, mit einer elatten, glänzenden Haut überzogen. Diese beiden Muscheln leben im Schlamm; bei Licht bleiben ihre Schalen geschlossen, in der Dunkelheit klaffen sie; die Tiere strecken dann ihre Siphonen aus. Sie können lange ohne Ermüdung Lasten von 1—2 kg tragen. Fig. 2. Innere Schalenansicht einer Cythaeraea Chione (nat. Grösse). a Zähne, b Schloss, c Insertionsfläche des glasigen Adduktors, d Insertionsfläche des glatten Adduktors, e Schlossband, f Bohrloch. 3. Peeten Jacobaea (Fig. 3). Die bekannte Kammmuschel !) wurde in verschiedenen Grössen benutzt. Sie hat einen sehr starken quergestreiften Muskel; ein Exemplar von 95 mm Länge und 8&2 mm Breite hatte einen runden quergestreiften Muskel von 20 mm Durchmesser. Der glatte Muskel ist etwa dreimal kleiner; die beiden Muskeln inserieren gesondert an der konvexen Schale, dicht nebeneinander an der flachen Schale. Sie sind voneinander durch Bindegewebe getrennt. 1) Siehe die schöne Monographie von Dakin, Pecten. Liv. Mar. Biol Com. Memoirs 1909. Energetik glatter Muskeln. 473 Peeten lebt gewöhnlich mit leicht geöffneten Schalen; sie klaffen 9—10° auf und lassen die am Mantelrand sitzenden Tentakeln durchtreten. Diese Öffnung entspricht indessen nicht dem Zustand grösster Dehnung des Schliessmuskels; bei der Klapper- oder (@) gewölbten Schale einer kleiner Pecten Jacobaea ‚e In- c Insertionsfläche des glatten Adduktors, d Bohrloch sertionsfläche des glasigen Adduktors. Innenansicht der (F') flachen Schale und a Schlossband, 5 Schloss, (nat. Grösse). Fig, 3. Schwimmbewegung öffnen sich die Schalen auf 30—45°, bei er- müdeten Tieren sieht man oft einen „diastolischen Stillstand“ von so grosser Öffnung. Die Schlossbänder liegen bei Venus und Cytheraea hinter dem Schloss, ausserhalb der Schale; sie bestehen aus einem langgestreckten Pflüger’siArchiv fürYPhysiologie Bd. 134. 32 474 Jakob Parnas: elastischen Polster. Bei Peeten liegt es vor dem ‘Schloss, innerhalb der Schalen; es verbindet dieselben in Gestalt eines elastischen Bügels. 19 Dem Zug der elastischen Schlossbänder kann auf der Höhe der Muskelinsertionslächen bei Venus verrucosa durch Auflegen von Gewichten im Betrage von durchschnittlich 350 g bei geschlossenen Schalen das Gleichgewicht ‘gehalten werden. Die Muscheln wurden möglichst frisch — d. h. möglichst bald nach dem Fang — für die Versuche verwendet; in frischem Zustand haben die Tiere eine viel intensivere Atmung, als nach längerem Aufenthalt im Aquarium; auch sind die Muskeln merklich stärker. In die Schalen der frisch gefangenen Tiere wurde vorsichtig ein rundes 2 mm weites Loch gebohrt (s. Fig. 1, 2, 3); gewöhnlich in der Entfernung 2 mm vom Schalenrande. Nach dieser Operation wurden die Tiere in einer mit Schlamm gefüllten Schale in das Aquarium versenkt, wo sie sich bis zum nächsten Tage in Ruhe und Dunkelheit von den erlittenen Erschütterungen und der Asphyxie erholen konnten. Nimmt man die Tiere gleich nach der Operation in Arbeit, so findet man die Atmung etwa halb so gross als im normalen Zu- stand (s. Versuche 28, 30, 32); dieser wird schon nach 12 Stunden erreicht, bleibt einige Tage lang konstant und sinkt dann wieder auf einen geringeren Wert langsam herab. Lässt man die angebohrten Tiere längere Zeit in Ruhe, so findet man nach 10 Tagen die Bohrlöcher durch eine feste Perl- mutterschicht verschlossen. Für die Respirationsversuche benutzte ich nachstehend be- schriebenen Apparat (s. Fig. 4). In einem 8 cm weiten Glaszylinder von ea. 1 Liter Inhalt stehen zwei dünne, an den oberen Enden gegabelte Holzstäbchen ; durch einen elastischen Zelluloidring werden sie an die Wände des Zylinders. gepresst; in den Gabelungen liegt ein Querbalken und bildet so einen leichten, tragfähigen Galgen mit abnehmbarem Querholz. Der Zylinder ist durch einen eingeschliffenen Glasstopfen ver- schliessbar. Am Querholz ist ein sehr kurzer Haken aus Messingdraht be- festigt; er greift in das Bohrloch einer Muschelschale. Weitere kurz umgebogene Haken in [-Form dienen dazu, weitere Muskeln an der Energetik glatter Muskeln. 475 obersten anzuhängen; in die untere Schale der letzten greift dann der Haken des Bleigewichtes. \ Es ist wohl klar, dass bei einer solehen Aufhängung mehrerer Tiere das Gewicht der Belastung mit seinem ganzen Betrage auf Te — af N aan a SRATLUUATITU LAT RS D) ‘ NUN h\ III IIIINÜÜURÜRÜÜRÜRÜRÜRÜ—Ü::Q—_ _ _—_ _X_X_—X—x;_;,;,;,RUI IT R«U«U« Ü «<= QÜOQQ—Q—U<—«QÜOÜOıQ_QOQOOQ°Qqıdı'ırı ASARNYANGLONALGITRENLDKANLLSAFKLASLLLHTEIS ÜIFIBIBTONLTNTLITTEILTDLHILGTGIBITTGTAFGLLSBSIASLLLNNISÄLIENLURDAILENAKITARNITLIGCRRÄLHT AAN! UIDDENNIOITSRDDNLSRGDASLIDENUHDIPDBLTENDTIDUNDDIDIDULUEDDDYTWNDIBUHDDIDDD EULDDNIDNINESTYNUDEDSUHDIANNUDIUADENTFLINDDTLLNDMLDTDEDUDADNANDAFDDTUADNENDDSTITRNAIT N SIR, NÜRRRÜRNRTIRÄRÄÄRRÜN ATTELERDLIEIGUULETBLAKUTKTATUITAR ER ' Fig. 4. Versuchsanordnung bei einem Belastungsversuch (Querschnitt). , a Querholz, b Stützpfosten, c Celluloidring, d Bleigewicht, e Muscheln. N alle Muscheln wirkt; ist das unten angehängte Gewicht aus Blei 1 kg schwer, dann trägt jede Muschel im Wasser etwa 910 g; dazu kommt noch für die oberste das Gewicht der unter ihr hängenden usw. Der Auftriebjim Wasser muss natürlich berücksichtigt werden. Durch das,Kräftepaar, welches nahe den Schalenrändern senk- recht zu demselben Punkt der Symmetrieebene angreift, werden die Muscheln in horizontaler Stellung gehalten. 293 32 * 476 Jakob Parnas: Peetenmuscheln wurden gewöhnlich nicht an Messinghaken sondern an Seidenschnürchen aufgehängt, welche durch die Bohr- löcher gezogen waren. Die Wassermenge, welche im Zylinder enthalten war, wurde jedesmal bestimmt oder berechnet. In Versuchen, in welchen nur die Sauerstoffzehrung bestimmt wurde, benutzte ich filtriertes See- wasser; sollte auch die Kohlensäureproduktion gemessen werden, dann benutzte ich künstliches, karbonatfreies Seewasser. Dieses enthielt im Liter 30,292 & NaCl, 0,779 g KCl, 3,24 g MgCl,, 2,633 g MgSO,, 1,6005 g CaS0Q.. Es wurde ausgekocht, unter Natronkalkverschluss abgekühlt und mit Sauerstoff gesättist. Will man Respirationsversuche in künstlichem Seewasser machen, dann muss man die Versuchstiere an dieses gewöhnen und sie vom karbonathaltigen Seewasser genau abspülen. Gewöhnlich habe ich die Muscheln (Venus) während zweier Tage unter stündigem Wasser- wechsel (am Tage) in das künstliche Seewasser übergeführt. Während dieser ganzen Zeit befanden sich die Tiere in der Dunkelheit. Es muss sehr darauf geachtet werden, dass vergleichbare Ver- suche bei gleichartiger Belichtung vorgenommen werden. Wie schon erwähnt, öffnen viele Muscheln im Dunkeln ihre Schalen und strecken ihre Siphonen aus; dann findet man höhere Sauerstoffzehrung als bei Tageslicht. Um gleichmässige Temperatur zu erzielen, wurden die Versuchs- gefässe in ein grosses, durchströmtes Aquarium versenkt, welches ständig die Temperatur von 18° hatte. Um die Sauerstoffzehrung des Seewassers als Fehlerquelle zu eliminieren, wurde eine Stöpselflasche voll desselben Wassers, welches für den Versuch gebraucht wurde, zugleich mit dem Versuchsgefäss in das gleiche Aquarium versenkt und ebenso lange darin gelassen. Nach Ablauf der Versuchszeit wurde zuerst in der Kontrollflasche der Sauerstoffgehalt bestimmt, dieselbe Flasche mit Wasser aus dem Versuchszylinder gefüllt und wieder der Sauerstoff bestimmt. Die Differenz ergab den Sauerstoffverbrauch. Der Sauerstoff wurde nach der bekannten Methode von L. W. Winkler!) bestimmt. Die Bestimmungen waren auf 10-3 mg Sauerstoff genau. 1) Berichte 21 S. 2843, Berichte 22 S. 1764. Siehe auch Henze, Unter- suchungen an Seetieren. Handb. d. biochem. Arbeitsmethoden Bd. 2 S. 1065. 1910. Energetik glatter Muskeln. 477 Es braucht wohl nicht erst bemerkt zu werden, dass die Versuchsgefässe vollständig mit Wasser, ohne den geringsten Luft- raum, gefüllt waren. Zur Kohlensäurebestimmung wurde eine bestimmte Menge Wasser (460 em) aus dem Versuchsgefässe entnommen und die Kohlensäure durch Auskochen mit wenig Schwefelsäure und Durch- leiten von Luft (CO,-frei) ausgetrieben. Sie wurde in einer „Liebig ’schen Ente“ durch heisses Barytwasser (!/ıo N) absorbiert: nach OÖ. Warburg!) absorbiert heisses Barytwasser unvergleichlich schneller als kaltes. In meinen Versuchen, in welchen Kohlensäure- mengen bis 5 mg in Frage kamen, legte ich 10—15 «m . Baryt- wasser vor. Die „Ente“ hing in einem Wasserbade. Die Bestimmung der Sauerstoffaufnahme und der Kohlensäure- bildung von Muscheln ergibt noch keinen Respirationsquotienten. In dem karbonatfreien, künstlichen Seewasser lösen sich die Schalen beträchtlich auf; die konzentriertere Kohlensäurelösung, welche von den Atmungsorganen kommend, über die Schalen. streicht, scheint die Auflösung erheblich zu beschleunigen. Aber auch abgesehen davon ist die Löslichkeit von Kalkkarbonat im Wasser, besonders im Seewasser, sehr gross. Reines Wasser von 16° löst 0,013 g CaCO, im Liter auf?); nach E. Cohen?) enthält ein Liter See- wasser 55,5 mg Kohlensäure neutral an Kalzium gebunden, was einen Gehalt von 0,126 g Kalkkarbonat im Liter entspricht. Man findet also immer sehr viel mehr Kohlensäure, als dem auf- genommenen Sauerstoff entspricht: gewöhnlich nahezu doppelt so viel. Für meine Versuche war dies belanglos; es kam lediglich auf die relative Konstanz der gefundenen Kohlensäurebildung an. Die Atmung der Muscheln in nacheinanderfolgenden Perioden von je 3 Stunden ist annähernd konstant; durch Herausnehmen aus - dem Wasser, Verletzungen usw. wird sie sehr herabgedrückt. Nach längerem Aufenthalt im Aquarium sinkt sie auf die Hälfte des ur- sprünglichen Wertes herunter, — wahrscheinlich infolge des Hungers; Vernon hat dies an zahlreichen Seetieren beobachtet ?). 1) Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 61 S. 261. 1909. 2) Schlösing, C. r. t. 74 p. 1555. 1872. Zitiert nach Meyerhoffer in Phys.-chem. Tabellen S. 527. 1905. 3) Versh. v. d. kon. Akad. Amsterdam Bd. 9 S. 28. 1900-1901. 4) Journ. of Physiol. Bd. 19 S. 80. 1896. 478 Jakob Parnas: Von dem Sauerstoffgehalt des Wassers ist die Atmung in weiten Grenzen unabhängig; die Atmung ändert sich nicht, wenn der Sauer- stoffdruck auf das doppelte steigt oder auf die Hälfte sinkt. ‘In allen zu vergleichenden sowohl Ruhe- als Belastungs- versuchen befand sich die ganze Apparatur — Aufhängung und Gewichte — zusammen mit den Tieren in dem Versuchsgefäss. _ Die zur Belastung dienenden Gewichte waren aus Blei. Die Versuche wurden folgendermaassen angestellt: Zuerst wurde die Atmung der ruhig liegenden, geschlossenen Tiere bestimmt, bei Versuchen mit Peeten bei leicht geöffneten Schalen. Um gut messbare Werte der Atmung zu erlangen, nahm ich für jeden Versuch drei bis fünf Tiere auf einmal und setzte die Versuchsperiode zu 3—4 Stunden an. Ist die Atmung konstant, dann werden die Muscheln in der beschriebenen Weise aufgehängt und belastet; nach der gleichen Zeit wie im Ruheversuch wurde die Atmung wieder bestimmt. ‚Dann nimmt man die Gewichte ab, stellt die Bedingungen der Vorperiode wieder her und bestimmt in einer gleichdauernden Nach- periode. die Atmung. | ‚ Gewöhnlich bestanden die Versuchsserien aus einer Vorperiode, dem .Hauptversuch und einer Nachperiode; manchmal untersuchte ich mehrere Vor- und Nachperioden, so dass die Versuchsserie etwa 21 Stunden in dreistündigen Perioden umfasste. . Die Beobachtung ausgedehnter Nachperioden hatte folgenden Zweck: Man könnte annehmen, dass die belasteten Muscheln ihren Energiebedarf aus anaeroben Spaltungen decken, eine Zeitlang fakultativ. anoxybiotisch leben. Es wäre dann zu erwarten, dass die Spaltungsprodukte nach der Belastungsperiode oxydiert werden; es könnte in einer Nachperiode diejenige Erhöhung der Atmung auftreten, welche man in ‘der Belastungsperiode erwartete. Tat- sächlich tritt in keiner Periode eine Erhöhung des Stoffwechsels auf. Es wäre auch folgender Einwand gegen die benutzte Versuchs- anordnung möglich: | | Die Muscheln pressen ihre geschlossenen Schalen mit so grosser Kraft aneinander, dass das Belastungsgewicht. dieser Kraft gegenüber nicht in Betracht kommt. Die Versuche an Peeten widerlegen diesen Einwand; die Tiere bleiben sowohl ohne als mit Belastung in dem gewohnten, halbofienen Zustand. Energetik glatter Muskeln. 479 Zur Bestimmung der Last, welche an den Adduktoren angreift, ist die Kenntnis der Hebelarme sowohl der Belastung als der Muskeln nötig; ferner die Keuntnis der Zugkraft, welche die elastischen Schlossbänder auf die Muskeln ausüben. Zur Bestimmung der Hebelarme wurde das Innere einer Schale auf die Schnittebene beider Schalen projiziert und aus den Zentren der Muskelinsertionsflächen ‚und dem Angriffspunkt der Last durch graphische Konstruktion die Hebelarme in bezug auf die Sehlosskante ermittelt. Die Kon- struktion wird durch die:.neben- stehende Fig. 5 angegeben. "Die Kraft der elastischen Bänder wurde gefunden, indem auf die Schalen einer frisch aus- geweideten Muschel auf der Höhe der Muschelinsertionsflächen Ge- EB: 2 an ER and wichte aufgelegt wurden, bis die rs Hebelarm der glatten Adduktoren (gg”\ Schale geschlossen war. En Mazcean), Wenn den Venusmuscheln die Schlossbänder exstirpiert wurden dann sank der Betrag der Atmung sehr erheblich. Durch Anhängen von Gewichten konnte die Atmung auf den normalen Wert gebracht werden; dabei war es gleichgültig, ob ein Gewicht von 50 g oder eine Last von 500 g am Rande der Schalen angriff (Versuchs- serien 5, 12, 13). Diese Tatsache könnte in dem Sinne gedeutet werden, dass schon eine kleine Last einen maximalen Stoffwechsel im Muskel hervorruft, und dass dieser Stoffwechsel dann auch schon für die grössten Kräfte ausreicht; ich bin indessen der Ansicht, dass diese Herabsetzung. der Atmung nur auf Behinderung der Kommunikation zwischen Innen- und Aussenwasser beruht. _ Aus den zitierten Untersuchungen von Marceau wissen wir, dass alle Muschelarten ihre Schalen periodisch öffnen und schliessen. 'Pawlow hatte an Anodonta gezeigt, dass diese Schalen- bewegungen mit der Atmung zusammenhängen; sie werden häufiger. wenn man das Wasser erwärmt oder mit Kohlensäure bereichert. Nach Märceau’ s Untersuchungen sind die Schalenöffnungen sehr gering, meistens. mit blossem Auge unbemerkbar. 480 Jakob Parnas: Anodonten, deren Schalen belastet sind, bewegen dieselben wie auch sonst periodisch !). Sind die Schlossbänder entfernt und durch keine gleichwirkende mechanische Vorrichtung ersetzt, dann können die Muschelschalen gar nicht bewegt werden und die Zirkulation zwischen dem Inneren der Schalen und dem äusseren Medium ist behindert. Bei ein- tretendem Sauerstoffmangel stellen sich die Tiere auf geringeren Stoffwechsel ein, wie dies in ihrem Leben überhaupt oft vorkommt. b) Versuche. I. Normalversuche. Versuch 2. Fünf Venus verrucosa. Gewicht 276 g. 1 Tag im Aquarium. 904 g Seewasser, enthaltend 7,298 mg Sauerstoff im Liter. Dauer des Versuches 3 Stunden. Verbrauch 5,552 mg O,, pro Stunde 1,85 mg O,, für das Tier und die Stunde 0,358 mg O,,. Versuch 4. Drei Venus verrucosa, 126 g. 3 Tage im Aquarium. 962 g Seewasser, enthaltend 7,352 mg O,; im Liter. Verbrauch in 3 Stunden 2,506 mg O,, in der Stunde 0,8240 mg O,, für das Tier und die Stunde 0,2746 mg 0O;. Versuch 25. Pecten, 29 g. Lange im Aquarium. 460 g Seewasser. Ver- brauch in 3 Stunden 45 Min. 1,420 mg O,, in der Stunde 0,378 mg 0,. Versuch 26. Pecten, 37 g. In 480 g Seewasser. Verbrauch in 4 Stunden 2,059 mg O,, in der Stunde 0,514 mg O;. Diese Versuche dienten zur Orientierung über die Grösse der Sauerstoffreehnung von Venus verrucosa und Pecten Jacobaea. II. Vergleichende Versuche über Sauerstoffatmung bei Belastung. Serie l. a): Versuch 5. Vorperiode. Tiere aus dem Versuch 4. In 833 g See- wasser, enthaltend 7,599 mg O0, im Liter. Verbrauch in 4 Stunden 3,222 mg O,, in der Stunde 0,805 mg O;. b) Versuch 6. Belastungsversuch. Dieselben Tiere, gleiche Wasser- menge. 1000 g Blei Belastung in Wasser, Hebelarm der Last 37 mm, der Hebel- arm der Muskelzentren 12 mm. Verbrauch in 3 Stunden 2,357 mg O,, in der Stunde 0,7846 mg 0,3. c) Versuch 7. Nachperiode. Wie Versuch 5. Verbrauch in 3 Stunden 2,434 mg O,, in der Stunde 0,813 mg O,. Diese Serie besteht aus drei Perioden; in der Vorperiode sind die Tiere unbelastet, die Atmung stimmt mit der Atmung des 1) Bethe (Tigerstedt’s Physiol. Methodik Bd. 1 Abt. 2 S. 94. 1908) macht auf dieses Verhalten von Anodonte aufmerksam und verweist auf die Be- deutung dieser Erscheinungen für das Studium der Thermodynamik glatter Muskeln. Energetik glatter Muskeln. 481 Normalversuches (4) überein. In Versuch 6 ist sie bei einer Be- lastung von 3000 & unwesentlich vermindert, in der unbelasteten Nachperiode unwesentlich erhöht. Die Belastung hat also den Stoffwechsel nicht erhöht. Serie 2. a) Versuch 8. Vorperiode. Drei Venus verrucosa, frisch. Gewicht 115 g. In 833 g Wasser (6,996 mg O, im Liter). Verbrauch in 3 Stunden 2,712 mg O,, in der Stunde 0,904 mg 0,. b) Versuch 9. Belastungsperiode. Dieselben Tiere, gleiche Wasser- menge (7,133 mg O0, im Liter). Belastung 1000 & in Wasser. Hebelarm der Last 35 Hebelarm der Kratt 11 Verbrauch in 3 Stunden 2,624 mg O,, in der Stunde 0,374 mg O,. c) Versuch 10. Nachperiode. Dieselben Tiere. Alles wie in Versuch 8, Wasser enthält 7,287 mg O0, im Liter. Verbrauch in 3 Stunden 2,672 mg O,, in der Stunde 0,890 mg O,. Dasselbe Resultat wie in der Serie 1. Während der Belastungs- zeit und der Nachperiode ist die Atmung gegenüber der Vorperiode unwesentlich herabgesetzt. | Serie >. a) Versuch 11. Vorperiode. Vier Venus verrucosa, 200 g. 16 Tage im Aquarium. 808 g Seewasser, 6,996 mg O, im Liter. Verbrauch in 3 Stunden 1,387 mg O,, in der Stunde 0,462 mg O,. b) Versuch 12. Belastungsversuch. Drei Tiere aufgehängt, eines ruhig liegend. Wasser enthält 7,215 mg 0, im Liter. _ Belastung 1000 g& in Wasser. Im Anfang des Versuches klaffen die Schalen aller Tiere auf etwa 2—3 mm, schliessen sich nach etwa 10 Minuten. Nach Ya Stunde öffnet sich das Tier 3 auf etwa 2 mm, schliesst sich in etwa 15 Minuten wieder. Verbrauch in 3 Stunden 1,485 mg O,, in der Stunde 0,506 mg 0,. c) Versuch 13. Nachperiode. Wie 11. Verbrauch in 3 Stunden 1,308 mg O,, in der Stunde 0,436 mg O,. e In dieser Versuchsserie sind Tiere verwendet worden, deren Atmung infolge langen Aufenthalts im Aquarium bedeutend herab- gesetzt war. Im Belastungsversuch ist die Atmung um etwa 10 /o erhöht, was: wahrscheinlich mit der positiven Arbeitsleistung zu- sammenhängt. Es ist in diesem Versuch durch Schalenbewegungen eine Arbeit von etwa 0,033 Kilogrammeter geleistet worden, dies würde, falls keine wesentlichen negativen Schwankungen vorliegen, die Erhöhung des Sauerstoffverbrauches erklären. 482 Jakob Parnas: In der Nachperiode ist die Sauerstoffrechnung gegenüber der Vorperiode wenig herabgesetzt. Serie 4. a) Versuch 16. Vorperiode. Drei Venus verrucosa, frisch, 130 g. In 931 g Wasser (7,544 mg O, im Liter). Verbrauch in 3 Stunden 3,328 mg O,, in der Stunde 1,109 mg O,. f b) Versuch 17. Belastungsversuch. Wie oben. 931 g Wasser, ent- haltend 7,325 mg O0, im Liter. Belastung 500 g in Wasser, Hebelarm etwa 3. Verbrauch in 3 Stunden 3,208 mg O,, in der Stunde 1,069 mg 0O,. c) Versuch 18. Nachperiode ]. Wie 16. Verbrauch in 3 Stunden 3,088 mg O,, in der Stunde 0,8823 mg O,. d) Versuch 19. Nachperiode Il. Wie 18. Wasser enthält 7,517 mg 0, im Liter. Verbrauch in 3 Stunden 2,740 mg O,, in der Stunde 0,913 mg O,. e) Versuch 20. Nachperiode Ill. Wie 18 und 19. Wasser wie 19. Verbrauch in 3 Stunden 2,960 mg O,, in der Stunde 0,989 mg O,. Diese Serie enthält neben der Vorperiode und der Belastungs- zeit drei Nachperioden von je drei Stunden. Die Belastung ist halb so gross, wie'in den vorherigen Serien. In der Belastungszeit ist die Atmung gegenüber der Vorperiode herabgesetzt, stärker herabgesetzt während der ersten Nachperiode, sie steigt in den folgenden Nachperioden allmählich gegen den ursprünglichen Wert empor. | Serie 6. a) Versuch 41. Vorperiode. Zwei Pecten Jacobaea. 11 Tage im Aquarium. In 1125 g künstlichem Seewasser, karbonatfrei. Gehalt 8,231 mg 0, im Liter. Die Tiere halten ihre Schalen auf etwa 7—8 mm offen. Verbrauch in 4\/’e Stunden 3,024 mg O,, in der Stunde 0,672 mg O,. b) Versuch 42. Belastungsversuch. Dieselben Tiere mit 500 g. Hebelarm der Last OR Mana: N ne Hear WaerRrN 0 für die flache Schale, 95 für die gewölbte. Die Tiere bleiben während des ganzen Versuches auf etwa 8 mm geöffnet. Verbrauch in 4 Stunden 2,716 mg O,, in der Stunde 0,679 mg O,. Diese zwei Versuche zeigen, dass auch bei Tieren, welche mit offenen Schalen leben, die Sauerstoffatmung von der Belastung des Schliessmuskels unabhäneig ist. Die Belastung und Atmung sind hier genauer feststellbar als bei Venus verrucosa; dadieScnalen in beiden Versuchen offen sind, ist der Verdacht gegenstandslos, die Schalen würden auch im Ruhe- zustand mit grosser Kraft aneinandergepresst. Es fällt auch die Annahme fort, der Sauerstoffzutritt würde Energetik glatter Muskeln. 483 durch die geschlossenen Schalen verhindert. Unter allen ver- gleichenden Versuchen messe ich der Serie 6 den grössten Wert bei. Serie 7. a) Versuch 15a. Vorperiode. Vier Pecten. Gewicht 85 g. Natürliches Seewasser 900 g. Gehalt 7,352 mg O0, im Liter. Verbrauch in 3" Stunden 5,062 mg O,, in der Stunde 1,446 mg 0.,. b) Versuch 15b. Belastungsversuch. Dieselben Tiere, mit 100 g am Rande belastet. Verbrauch in 3 Stunden 4,494 mg O,, in der Stunde 1,498 mg O,. Diese Versuche, an kleinen Peetenmuscheln und mit geringer Belastung ausgeführt, bestätigen die Ergebnisse der Serie 6. Serie 10. a) Versuch 50. Vorperiode. Drei Cytheraea Chione, 190 g. In 1000 & künstlichem Seewasser, enthaltend 9,767 mg 0, im.Liter. Verbrauch in 4 Stunden 1,656 mg O,, in der Stunde 0,414 mg O,. b) Versuch 5l. Belastungsversuch. Dieselben Tiere mit 1000 g belastet. _— = —_. — = Verbrauch in 4 Stunden 1,656 mg O,, in der Stunde 0,414 mg O,. c) Versuch 52. Nachperiode. Wie 50. Verbrauch in 8 Stunden a mg O,, in der Stunde 0,387 mg O.. Hier ist die Atmung in der Vorperiode und während der Be- lastung identisch. In der nachfolgenden achtstündigen Nachperiode ist sie um 6 °/o herabgesetzt. Serie9. Versuche, betreffend den Einfluss der Schlossbänder. (Siehe auch Serie 12 u. 13.) a) Versuch 21. Vorperiode I]. Drei Tiere (Venus verrucosa), 134 g, frisch. 915 g Wasser. Verbrauch in 31/4 Stunden 3,256 mg O,, in der Stunde 1,002 mg 0; b) Versuch 22. V orperiode IL, Dieselben, Schlossbänder entfernt. Ver- brauch in 3 Stunden 1,558 mg O,, in der Stunde 0,519 mg O,. ‚..c) Versuch 23. Belastungsversuch. Dieselben, mit 500 g Blei in Wasser am Hebelarm 3 belastet. 3 Stunden 20 Min; Verbrauch 3,184 mg O,, in der Stunde 0,956 mg 0. d) Versuch 24. Be chneiilode. Wie 22. Verbrauch in 3 Stunden 40. Min. 1,770 mg O,, in der Stunde 0,483 mg O3. Serie 12. Reihe a) Versuch 28. Vorperiode. Drei Venus verrucosa, frisch, gleich nach Anbohrung in den Versuch genommen. 1020 g Seewasser, 7,983 mg 0, im Liter. Verbrauch in 4 Stunden 1,796 mg O,, in der Stunde 0,449 mg 0,. ' Versuch 29. Hauptversuch. Wie 28, am nächsten Tage. Verbrauch in 3 Stunden 3,874 ng. O,, in der Stunde 1,291 mg O,. AasA Jakob Parnas: Reihe b) Versuch 30. Vorperiode. Drei Venus verrucosa. Wie in Versuch 28, gleichzeitig mit demselben. 1070 g Wasser. Verbrauch in 4 Stunden 2,119 mg O,, in der Stunde 0,528 mg O,. Versuch 31. Hauptversuch. Denselben Tieren wurden gleich nach Ver- such 30 die Schlossbänder exstirpiert. Versuch 31 gleichzeitig mit 29. Ver- brauch in 3 Stunden 1,968 mg O,, in der Stunde 0,656 mg O,. Reihe c) Versuch 32. Vorperiode. Drei Venus verrucosa. Wie oben in Versuch 28 und 30, gleichzeitig mit diesen Versuchen. 990 g Wasser. Ver- brauch in 4 Stunden 2,130 mg O,, in der Stunde 0,532 mg 0,. Versuch 33. Hauptversuch. Die Schlossbänder der Tiere aus 32 wurden gleich nach dem Versuch 32 exstirpiert. Versuch 33 wurde gleichzeitig mit 29 und 31 angestellt. Die Schalen sind am Rande mit 100 g belastet. 3 Stunden 10 Min., Verbrauch 4,175 mg O,, in der Stunde 1,314 mg O,. Serie 13. Tiere aus der Serie 12, 1 Tag nach den Versuchen 29, 31, 33. Reihe a) Versuch 34. Vorperiode. Tiere aus den Versuchen 28, 29. 1020 g Wasser. Wie in Serie 12. Verbrauch in 4 Stunden 3,697 mg O,, in der Stunde 0,928 mg 0O;. Reihe b) Versuch 35. Vorperiode. Tiere aus den Versuchen 30, 31. Wasser wie oben. Verbrauch in 4 Stunden 1,963 mg 0,, in der Stunde 0,492 mg O.. Versuch 38. Hauptversuch. Tiere aus den Versuchen 30, 31, 35 ohne Schlossbänder, mit 230 g belastet. Verbrauch in 5 Stunden 4,926 mg O,, in der Stunde 0,985 mg O2. Reihe c) Versuch 37. Vorperiode. Tier aus den Versuchen 32, 33, ohne Schlossbänder. Belastung 230 g am Rande. Verbrauch in 4 Stunden 3,661 mg O,, in der Stunde 0,915 mg 0O,. Versuch 36. Hauptversuch. Die Tiere aus Versuch 32, 33, 37, un- belastet. Wie in Versuchen 30, 31. Verbrauch in 5 Stunden 2,654 mg O,, in der Stunde 0,531 mg O,. Reihe d) 1. Versuch 40. Tiere aus 33, mit 230 g am Rande belastet. Künstliches Seewasser mit 8,406 mg O, im Liter. 960 g Wasser. Verbrauch in 3 Stunden 2,875 mg O,, in der Stunde 0,956 mg 0O,. 2. Versuch 40a. Wie 40. Mit 100 g Blei belastet. Verbrauch in 3 Stunden 2,927 mg O,, in der Stunde 0,976 mg O,. 3. Versuch 40b. Wie 40a. Belastet mit 50 g. Verbrauch in 3 Stunden 2,875 mg O,, in der Stunde 0,956 mg O,. 4. Versuch 40c. Wie 40b. Belastet mit 500 g. Verbrauch in 3 Stunden 2,915 mg O,, in der Stunde 0,972 mg O;. Die Versuchsserien 5, 12 und 13 gehören zusammen; sie be- dürfen einer näheren Erläuterung. In der Versuchsreihe 5 stellte es sich heraus, dass die Ent- fernung der Schlossbänder bei Venus verrucosa die Atmung auf die Energetik glatter Muskeln. 485 Hälfte herabsetzt; durch Anhängen eines Gewichtes von 500 g am Rande, also effektiv 1500 ge, konnte die Atmung wieder auf den normalen Wert gebracht werden. In der Serie 12 sollte diese Erscheinung an drei Reihen aus- gesucht gleicher Tiere von demselben Fang untersucht werden. Reihe a sollte unverändert bleiben; ihre Vorperiode sollte den Vor- perioden der Reihe b und e entsprechen. Nach diesen Vorperioden sollten den Tieren der Reihe b und ce die Schlossbänder exstirpiert werden und die der Reihe e mit 100 g am Rande belastet werden; diese Last entspricht annähernd dem Zug der elastischen Bänder. Weil nun die Tiere sofort nach dem Anbohren der Schalen für die Versuche verwendet wurden, waren die Atmungsbeträge in den Vorperioden sehr gering!). Am nächsten Tag zeigten die intakten Muscheln normale Atmung (Versuch 29); ebenso diejenigen Tiere, welche ihrer Schlossbänder beraubt, aber belastet waren. Die un- belasteten Tiere ohne Schlossbänder atmeten sehr schwach. In der Serie 13 wurde dieselbe Untersuchung fortgesetzt. Es wurden zunächst die letzten Versuche der Serie 12 in den ent- sprechenden Reihen an den gleichen Tieren wiederholt: Versuche 34, 35, 37. | Die Resultate waren die gleichen wie in der vorhergehenden Serie. . Dann wurden in den Reihen b und e die Rollen vertauscht. Während in Serie 12b die Muscheln ohne Sechlossbänder unbelastet untersucht wurden, erhielten sie in 13b ein Gewicht angehängt, welches die Tiere ce in Serie 12 getragen hatten. Letztere blieben in Serie 13 ohne Gewichte. Der Erfolg war, dass die Atmung der nunmehr belasteten Tiere der Reihe b auf das Doppelte stieg, der Verbrauch der jetzt unbelasteten Tiere e fast auf die Hälfte sank. In der Reihe d wurde an den gleichen Tieren untersucht, ob nach der Exstirpation der Schlossbänder die Atmung von der Grösse der Belastung abhängig ist, falls eine Belastung überhaupt vor- handen ist. Die Belastung wurde zwischen 50 g und 500 g variiert: die Atmung zeigte keine Verschiedenheit. Dies bestätigt die Auffassung , dass die geringen Werte der Atmung bei 1) Ich habe die Schlossbänder exstirpiert, nachdem ich die Wasserproben für die Analysen entnommen habe, aber vor der Analyse; wäre mir der geringe Betrag der Atmung bekannt gewesen, dann hätte ich am nächsten ae eine neue Reihe von Vorperioden gemessen. 486 Jakob. Parnas: Tieren, deren Schalen keinem öffnenden Zug unterliegen, nur da- durch verursacht wird, dass Abfuhr der Atmungsprodukte und Atmungszufuhr durch die Unmöglichkeit, die Schalen zu öffnen, verhindert wird. III. Versuche unter Bestimmung von Sauerstoffverbrauch und Kohlen- säureabgabe. Serie 8. a) Versuch 43. Vorperiode, Drei Venus verrucosa, 125 g. Künstliches Seewasser im Dunkeln 18mal gewechselt. 915 g Wasser, Gehalt im Liter 18,41 mg O;. Verbrauch in 4 Stunden 3,846 mg O,, in der Stunde 0,961 mg O,. Kohlensäure- bildung in 4 Stunden 15,19 mg in der Stunde 3,738 mg. Bei der Bestimmung der Kohlensäure ist infolge des Versagens der Wasserkühlung Säure in die Vor- lage destilliert, infolgedessen ein zu hoher Wert. b) Versuch 4. Hauptversuch. Wie 43, Belastung 1000 g am Rande der Schalen. Sauerstoffverbrauch in 4 Stunden 3,822 mg O,, in der Stunde 0,955 mg O,:. Kohlensäurebildung in 4 Stunden 10,4 mg, in der Stunde 2,6 mg. ec) Versuch 45. Nachperiode. Nachperiode ohne Belastung, Wasser wie in 44 (und 43). Sauerstoffverbrauch in 4 Stunden 3,751 mg 0,, in der Stunde 0,938 mg O,;, Kohlensäurebildung in 4 Stunden 10,36 mg, in der Stunde 2,59 mg. Serie 9. Drei Venus verrucosa, 130 g, wie in Serie 3 vorbehandelt. 860 g künst- liches Seewasser; Sauerstoffgehalt im Liter 16,72 mg. : a) Versuch 46. Vorperiode. Sauerstoffverbrauch in 4 Stunden 3,917 mg O,, in der Stunde 0,979 mg O,;. Kohlensäurebildung in 4 Stunden 9,706 mg CO,, in der Stunde 2,426 mg CO,. b) Versuch 47. Belastungsversuch. Wie oben. Belastung 1000 g am Rande. Verbrauch in 4 Stunden 35 Minuten 4,612 mg O,, in der Stunde 1,007 mg OÖ... Kohlensäurebildung in 4 Stunden 35 Minuten 11,93 mg CO,, in der Stunde 2,60 mg CO,. c) Versuch 48. Nachperiode I. Verbrauch in 4 Stunden 40 Minuten 4,506 mg O,, in der Stunde 0,967 mg O,. Kohlensäurebildung in 4 Stunden 40 Minuten 13,9 mg CO,, in der Stunde 3,00 mg CO,. d) Versuch 49. Nachperiode Il. Verbrauch in 9 Stunden 10 Minuten 8,871 mg O,, in der Stunde 0,966 mg O5. Kohlensäurebildung in derselben Zeit 23,12 mg CO,, in der Stunde 2,58 mg. Serie ll. a) Versuch 53. Vorperiode I. Drei Venus verrucosa, 132 g, künstliches Seewasser, 14,76 mg O, im Liter, 860 g Wasser. Verbrauch in 3 Stunden 3,114 mg O,, in der Stunde 1,038 mg O,;. Kohlensäureabgabe in 3 Stunder 6,992 mg CO,, in der Stunde 2,33 mg CO,. Energetik glatter Muskeln. 487 b) Versuch 54. Vorperiode Il. Wie Versuch 53. Sauerstoffverbrauch in 3 Stunden 3,138 mg O,, in der Stunde 1,046 mg O;. Kohlensäurebildung in 3 Stunden 7,074 mg CO,, in der Stunde 2,35 mg CO;. c) Versuch 55. Belastungsversuch. Belastung 500 g, Hebelarm der Last dreimal grösser als der der Muskeln. Tiere geschlossen. Sauerstoffverbrauch in 3 Stunden 3,114 mg O,, in der Stunde 1,038 mg O,. Kohlensäurebildung in 3 Stunden 7,033 mg CO,, in der Stunde 2,34 mg 005: d) Versuch 56. Nachperiode I. Verbrauch in 3 Stunden 3,067 mg O,, in der Stunde 1,023 mg O,. Kohlensäurebildung in 3 Stunden 6,99 mg CO,, in der Stunde 2,33 mg CO;. e) Versuch 57. Nachperiode Il. 9 Stunden, Verbrauch 9,013 mg O,, in der Stunde 1,001 mg O5. Kohiensäurebildung 20,98 mg CO,, in der Stunde 2,33 mg CO;. Die Serien 8, 9 und 11 haben alle das gleiche Resultat: es erfolgt keine Erhöhung des Sauerstotfverbrauches und keine Ver- mehrung der Kohlensäureproduktion, wenn die Belastung der Schliessmuskeln erhöht wird. Die Serie 11 ist unter allen hier angeführten Versuchen am exaktesten durchgeführt worden. Sie zeigt auch in zwei Vorperioden, der Belastungsperiode und in den beiden Nachperioden fast identische Werte der Atmung. Berechnung des Energieumsatzes der glatten Adduktoren und Versuch eines zahlenmässigen Vergleiches mit dem Mehrumsatz quergestreifter Muskeln bei gleicher Belastung. Aus den angeführten Versuchen geht hervor, dass maximale Kontraktion und hohe Belastung glatter Muskeln keine Erhöhung des Stoffwechsels (und Energieumsatzes) bedingt. Bekräftigt wird dieser Beweis prinzipieller Verschiedenheit zwischen „Tetanus“ und „Tonus“, wenn man die Energiebeträge, welche in den „Belastungsversuchen“ überhaupt disponibel sind, mit denjenigen vergleicht, welche bei gleicher Belastung und gleicher Zeit von quergestreifien Muskeln verbraucht, d. h. in Wärme um- gesetzt würden. \ Der Energieumsatz glatter Muskeln ist aus den Respirations- versuchen an Muscheln annähernd zu schätzen. | In Versuch 12 (Serie 3) verbrauchen 4 Tiere in der Stunde 0,506 mg O,;, es kommt also auf ein Tier 0,126 mg O,. Bei An- nahme des respiratorischen Quotienten gleich 1 würde dies der Kohlensäuremenge 0,171 mg CO, entsprechen. 488 . Jakob Parnas: Die Belastung ist dabei folgende: Jedes Tier trägt die Belastung von 1000 g Blei in Wasser, also in Wirklichkeit 908 g an einem Hebelarm, welcher dreimal so gross ist als der Hebelarm des Muskels. Der Muskel wird also vom Gewicht mit 2729 g beansprucht es kommt noch hinzu die Kraft der elastischen Schlossbänder mit 350 g. Das Eigengewicht der Muscheln und das Gewicht, mit welchem die unten aufgehängten Tiere auf die oberen wirken, ist verschwindend klein (etwa 25 g im Durchschnitt. Die Summe der Belastungen eines Muskels ist also (abgerundet) 3000 g; bei dieser Belastung verbraucht eine Muschel im ganzen 0,126 me OÖ, in der Stunde. Der Muskel beträgt an Gewicht !/ıo des Tieres ohne Schalen, der glatte Teil '/s des Muskels. Angenommen, dass er bei hoher Sauerstoffbedürftigkeit für die Gewichtseinheit den doppelten Ver- brauch hat, als der Körper im Durchschnitt, so käme auf den so belasteten Muskel 0,008 mg 0,. Ich wiederhole: Der glatte Muskel vom Querschnitt 0,3 qcem ver- braucht bei einer Belastung mit 3000 g in maximaler Kontraktion während einer Stunde 0,008 mg Sauerstoff Sucht man jetzt nach einem vergleichbaren quergestreiften Muskel, so tritt man zunächst vor die Schwierigkeit, einen gleich grossen zu finden, welcher überhaupt imstande wäre, einer ähnlich grossen Kraft das Gleichgewicht zu halten; man muss schon, um vergleichen zu können, folgende Annahme machen: Die Erhöhung des Energieumsatzes eines Muskels bei gegebener Arbeit gegenüber dem Ruhezustand ist unabhängig von seiner Masse und seinem Querschnitt und nur von der Arbeitsleistung und der Natur (Wirkungsgrad) des Muskels abhängig. Für statische Kontraktionen ist die Annahme zu modifizieren: Die Erhöhung des Energieumsatzes eines Muskels bei Ausübung statischer Kräfte im Kontraktionszustand ist unabhängig von seiner Masse und seinem Querschnitt; sie hängt nur von der ausgeübten Kraft, der relativen Verkürzung, der Kontraktionsdauer und der Natur des Muskels ab. Die Zulässiekeit einer solehen Annahme scheint mir daraus hervorzugehen, dass verschiedene quergestreifte Muskeln bei Arbeits- leistungen an hohen Belastungen (d. h. solehen, welche im Ver- hältnisse zu ihrem eigenen Gewicht gross sind), einen annähernd Energetik glatter Muskeln, 489 konstanten Wirkungsgrad zeigen. Die Verallgemeinerung auf „sta- tische Wirkungen“ wird auf Grund der tetanischen Natur der letzteren gemacht. Ich lege sie auch nur einer vergleichenden Berechnung zugrunde, bei welcher es auf Ermittelung der Grössenordnung, nicht auf genaue Zahlen ankommt. Ich werde den Energieumsatz statischer Kontraktionen erstens: aus myothermischen Untersuchungen am isolierten Muskel, zweitens: aus respiratorischen Versuchen an intakten Tieren berechnen, Im ersten Fall bekommt man wohl zu niedrige Werte, im zweiten zu hohe. Eine absolute Wärmemessung an tetanisierten, isolierten Frosch- muskeln hat nur Danilewsky') ausgeführt; er bestimmte an tetanisierten Froschmuskeln (es wird nicht angegeben, welche Muskeln untersucht wurden: wahrscheinlich semimembranosi und graciles) die Erwärmung. Leider ist in diesen Versuchen die Masse der Muskel nicht angegeben, sondern nur die Wärmeentwickelung für 1 g Froschmuskel, so dass die Werte nicht direkt zu gebrauchen sind. Danilewsky’s „Versuch 62: Belastung 35 g, Reiz maximal, 160 Schläge in der Minute (?); Tetanus während 3 Minuten ver- ursachte eine rein physiologische Erwärmung auf 0,275 ° C., was für 1 g Muskel einer Wärmemenge von 243 Mikrokalorien entsprach“. Nimmt man nun an, dass das Gewicht der Muskeln 3 g ge- wesen sei?), so hätte das Halten von 35 g in 3 Minuten 729 mikro- kalorien gekostet. Dies entspricht für 3000 g und eine Stunde 1249714 mikro- . kalorien oder abgerundet 1,25 Cal. Vorausgesetzt, dass Zucker verbrannt wurde, entspricht dieser Wert dem Verbrauch von 356 mg Sauerstoff. Der Muscheladduktor verbrauchte beim Tragen von 3150 g in der Stunde 0,008 mg. Es ist also die Erhöhung des Energieumsatzes eines tetanisierten, quergestreiften Froschmuskels annähernd 50000 mal so gross, als der ganze Energieumsatz eines glatten Muscheladduktors, wenn der quer- gestreifte das gleiche Gewicht in verkürztem Zustand während der gleichen Zeit hielte wie der glatte. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 45 S. 355. 1889. 2) Auf S. 347 (Fussnote) sagt Danilewsky: „Das Gewicht der Muskelmasse betrug in allen meinen Versuchen überhaupt 3,0—4,5 g.“ Ich nehme bei dieser Berechnung den ungünstigsten Minimalwert an. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 33 490 Jakob Parnas: Ich möchte aber ausdrücklich bemerken, dass die Umrechnung des Versuches von Danilewsky nur zu einem Annäherungswert führt, weil das Gewicht der Muskeln in diesem Versuch nicht an- gegeben ist. Ich setzte es gleich 3 g, es kann aber auch bis 4,5 g betragen haben. Andererseits enthält der Versuch eine Fehlerquelle: die Wärmeabgabe; durch diese wird der Wert des Energieumsatzes geringer gefunden, als er in Wirklichkeit ist. Unter den respiratorischen Untersuchungen über den Energie- umsatz bei „statischer Arbeit“ ‚sind es in erster Linie die von Johansson!) sowie Johansson und Koraen?), welche es er- möglichen (nach Einführung gewisser Voraussetzungen), den Energie- umsatz des Warmblütermuskels bei bekannter Kraft, Zeit und Ver- kürzung zu berechnen. Johansson lässt die Versuchsperson an einer eigens kon- struierten Arbeitsmaschine ruhig sitzend mit aufgestützten Armen ein Gewicht halten; die Hände fassen einen Schlitten, der sich auf 50 em langen Schienen bewegt; das Vorderende der Schienen liegt dicht vor der Brust der Versuchsperson. Der Schlitten ist über Rollen mit dem Gewicht verbunden; automatische Anschläge be- wirken Belastung und Entlastung. Mit dieser Anordnung wurden folgende Gesetzmässigkeiten ge- funden; der Energieaufwand bei statischer Arbeit wächst: 1. proportional dem gehaltenen Gewicht; 2. proportional der Kontraktionsdauer; 3. nimmt mit der relativen Verkürzung des Muskels stark zu. Dieselben Gesetzmässigkeiten sind von A. Fick an tetanisierten Froschmuskeln ermittelt worden. Aus den Versuchen von Born- stein und Poher ist noch hinzuzufügen, dass der Energieumsatz bei „statischer Arbeit“ schneller wächst als das gehaltene Gewicht zunimmt. Ich will meiner Berechnung die Tabelle IV in der Arbeit von Johansson und Koraen zugrunde legen. Bei einer Belastung: von 20 kg bezeichnet hier D die Entfernung des Schlittens von dem Hinterende, also D — (0, die fast ganz gestreckte Lage der Arme; t bedeutet die Mehrausscheidung von Kohlensäure in der Sekunde. 1) Skandin. Arch. f. Physiol. Bd. 11. S. 273—307. 1901. 2) Ibidem Bd. 13 S. 229—250. 1902. Energetik glatter Muskeln. 491 D cm tg CO, Bemerkung 49,6 0,0129 BE on bei einer Belastung von 20 kg 0,5 0,0025 Den Mechanismus der Hebelwirkungen, welche bei Arbeits- leistungen keinen, bei statischen Kräften einen ausschlaggebenden Einfluss haben, berücksichtigt Johansson nicht. Man kann die Last, welche auf den Biceps wirkt, unter den von Johannsson verwendeten Versuchsbedingungen für D = 0,5 em annähernd berechnen; für die anderen Lagen nur unter der Voraus- setzung, dass der Oberarm immer die gestreckte Lage beibehält. Man kann sich ferner unter Zugrundelegung der oben gemachten Annahme denken, dass die ganze Kraftwirkung und der ganze Energie- umsatz im Biceps lokalisiert ist: die Rotationsmomente des Biceps am Ellenbogengelenk liegen nahe an dem Mittelwert aller anderen Armmuskeln. Es besteht dann die Gleichung _P-E-sine. nr R Darin bedeutet: m die auf den Biceps wirkende Last, E die Länge des Unterarms bis zum Carpömetakarpalgelenk vom Ellenbogengelenk, P die an der Hand wirkende Last, « den Winkel zwischen dem verlängerten Oberarm und dem Unterarm, R die aus der Arbeit von Braune und Fischer für den Winkel « entnommene Rotationsmomente des Biceps. (Abh. der math.-phys. Klasse der sächs. Gesellsch. d. Wissensch. Bd. XV S. 245.) Es sei 5-2 2002 — 350 mm, dann berechnet sich: Jh 492 Jakob Parnas: den Ruhewert in g CO, Kohlensäureproduktion über a m pro Sekunde 50 49 ke 0,0025 100 88,8 , 200 149,4 ) 300 1638 , 40° 167,3 „ 0,0044 500 1652 , 60° 163,8 ), | 70° 161,4 „ ansteigend bis 0,0083 800 1584 | 900 1542 , weiter ansteigend bis 0,0 Zwischen den Winkeln 5° und 40° verdoppelt sich kaum der Stoffwechsel, während sich die Belastung mehr als verdreifacht. Dann steigt der Stoffwechsel steil in die Höhe, während die Be- lastung annähernd konstant bleibt; offenbar spielt hier ausser der Erhöhung des Energieumsatzes bei starker Verkürzung des Muskels die Fixierung des Oberarmes vom Schultergelenk aus eine grosse Rolle. Ich werde den Umsatz in zwei Lagen mit der vom glatten Muskel vergleichen: 1. Belastung von 49 kg, gestreckt, Umsatz gleich 2,5 mg CO, in der Sekunde, 2. Belastung von 160 ke, kontrahiert, Umsatz 8,3 mg CO, in der Sekunde. 1. Der Stoffwechsel von 2,5 mg CO, in der Sekunde bei 49 kg Bedeutung entspricht für 3000 g und 1 Stunde dem Verbrauch von 400 mg 0O,. Der elatte Adduktor verbrauchte für die gleiche Leistung 0,008 mg O,, also ist bei gleicher Belastung und Zeit das Verhältnis Enerpieumsatz (quergestreift) _ 50.000. Energieumsatz (glatt) Es ist hier für den glatten Muskel der Gesamtverbrauch, für den quergestreiften nur der Mehrverbrauch bei der Dauer- kontraktion in Rechnung gesetzt. | 2. Der Stoffwechsel von 8,3 mg CO, in der Sekunde bei 160 kg Belastung enspricht für 3000 g und 1 Stunde dem Umsatz von 407 mg Sauerstoff. Da der glatte Adduktor für die gleiche Leistung 0,008 mg O, verbrauchte, so beträgt der Mehrverbrauch des quergestreiften, will- Energetik glatter Muskeln. 493 kürlich kontrahierten Armmuskels annähernd das 50 000 fache des Ge- samtumsatzes eines glatten Muskels bei gleicher Bedeutung und Zeit. Drei Berechnungen, auf verschiedene Messungen gestützt, führen hier zu fast identischen Resultaten. Der Mehrumsatz eines quergestreiften Skelettmuskels ist un- vergleichlich grösser als der Gesamtumsatz eines glatten Muskels bei gleicher Belastung. Die Grössenordnung des Verhältnisses beider Energiebeträge ist hier festgelegt: Sie liegt zwischen den Zehnerpotenzen 10* und 10°. Ein Mehrumsatz des glatten Muskels bei Belastung ist über- haupt nicht zu beobachten; dies sei hier nochmals betont. Die hier durchgeführten Berechnungen haben lediglich den Zweck, gewissen Einwänden vorauszugreifen, wie sie wohl immer da zu gewärtigen sind, wo eine allgemein geltende Theorie verteidigt wird. Die Möglichkeit soleher Einwände wird hierdurch limitiert; sollte sich jemand entschliessen zu glauben, dass eine belastete Muschel deshalb nicht mehr atmet als die unbelastete, weil sie den Umsatz ihres Körpers einschränkt und allen disponiblen Sauerstoff dem Muskel zukommen lässt, nun, dann ist aus den obigen Zahlen zu entnehmen, dass die gesamte Sauerstoffzufuhr immer noch etwa 1500 mal kleiner ist als der Mehrverbrauch eines gleichbelasteten quergestreiften Muskels. Berechnung eines Versuches unter der Voraussetzung, dass anaerobe Zersetzungen die Muskelenergie liefern. In den Versuchen 43—49 sowie 55—57 wurde etwa die doppelte Menge Kohlensäure gefunden, als dem Sauerstoffverbrauch der Muscheln entsprechen konnte. Es wurde diese Tatsache durch Auflösung des Schalenmaterials durch Seewasser mit Hilfe der ausgeatmeten Kohlen- säure erklärt. Nun wäre aber folgender Einwand möglich: „Die Kohlensäure stammt aus anaeroben Zersetzungen, welche die Quelle der Muskelenergie sein könnten.“ Ich will unter Voraussetzung dieses Gesichtspunktes nach dem Versuch 47 die Energiebilanz des glatten Muskels berechnen !). 1) Dieser mögliche Einwand (der mir übrigens persönlich wiederholt gemacht wurde) muss um so mehr gewärtigt werden, als in der letzten Zeit immer öfter ähnliche Ansichten in der Literatur anzutreffen sind; sie stützen sich meistens auf die bekannten Untersuchungen von Winterstein an Erstickungsfröschen. 494 Jakob Parnas: Eine Muschel, deren Schliessmuskel mit 3000 & belastet ist, produziert 0,86 mg Kohlensäure in der Stunde. Bei der anaeroben Zersetzung C;H,50,; = 2 C;H,OH + 2 CO, + (25,8 Cal.) entsprieht 1 G.-Mol. Kohlensäure der Wärmemenge 12,9 Cal.; aus der in unserem Beispiel produzierten Kohlensäuremenge 0,36 ıng wäre also zu schliessen, dass in der Muschel 252 mikrocalorien ent- wickelt werden. Nach einem oben berechneten Versuch von Danilewsky würde die Wärmeproduktion über den Normalwert in einem ähnlich be- lasteten, tetanisierten Froschmuskel 1,25 - 10% Mikrocalorien betragen. Dieser Wert wäre also 5-10° mal grösser als der ganze nach obigen Voraussetzungen berechnete Energieumsatz der Muschel. Setzen wir den Energieumsatz des glatten Adduktors wie oben zu "Yıs des Um- satzes der ganzen Muschel, dann würde sich das im vorigen Kapitel erörterte Verhältnis Mehrverbrauch an Energie des quergestreiften Muskels Gesamtverbrauch des glatten Muskels bei gleicher Leistung zu 7,5 - 10* berechnen. Die Ansicht, dass anaerobe Zersetzungen die eigentliche Energiequelle darstellen, der Sauerstoff aber nur zur Beseitigung der giftigen Zersetzungsprodukte dient, führt in Anwendung auf die Erfahrungen am Muskel zu einem offenbaren Wider- spruch mit den Hauptsätzen der Wärmelehre. Es sei hier ein Beispiel berechnet. Vorausgesetzt, dass es sich um die anaerobe Zersetzung von Glukose im Sinne der Reaktion (Alkohol. Gärung) C;H450, = 2 0.H,0OH + 200, (677,2) = (651,4) + (25,8) handelt, würde von der ausgeschiedenen Kohlensäure ein Drittel dem anaeroben, energieliefernden Prozess entsprechen. Es würde also 1 g-Mol. Kohlensäure dem Betrag von en Cal., d. h. 4,3 Cal. darstellen. Nach Johansson entspricht bei einem Menschen der Arbeitsleistung von 1 m/kg die Produktion von 5,5 mg CO,. Diese Kohlensäuremenge würde nach obigen Voraussetzungen die Wärmemenge 0,537 g-cal. anzeigen. Das geleistete 1 m/kg bedeutet aber eine Wärmemenge von 2,358 g-cal.; die anaeroben Zersetzungen würden also etwa ein Viertel davon leisten können, was tatsächlich geleistet wird. Der Energieumsatz und die Kohlensäurebildung anderer anaerober Zersetzungen sind von ähnlicher Grössenordnung wie die hier berücksichtigten; ich beschränke mich deshalb auf dieses eine Beispiel. _Energetik glatter Muskeln. 495 Es gilt übrigens bezüglich dieser Berechnung dasselbe, was am Schluss des vorigen Kapitels gesagt wurde. Zusammenfassung. In dieser Abhandlung wird der Energieumsatz soleher glatter Muskeln behandelt, deren Funktion darin besteht, stationären Kontraktionszuständen von langer Dauer und bei grosser Belastung beizubehalten. Durch Untersuchung des respiratorischen Stoffwechsels an Muscheln, deren Schliessmuskeln bei grossen Be- lastungen maximal kontrahiert bleiben, wird bewiesen, dass solehen Kontraktionszuständen keine Erhöhung des Energieumsatzes entspricht. Der beobachtete Stoffwechsel ist so gering, dass der gesamte Energie- umsatz eines solehen glatten Muskels einen Bruchteil von der Grössenordnung 10 *—10 desjenigen Betrages ausmacht, welcher die Erhöhung des Energieumsatzes eines quergestreiften Muskels bei gleicher Belastung darstellt. Diese Arbeit wurde um Ostern 1910 in der physiologischen Abteilung der zoologischen Station zu Neapel ausgeführt. Herr R. Dohrn hat durch sein liebenswürdiges Entgegenkommen in der Überlassung eines Arbeitsplatzes ihre Ausführung ermöglicht; Herr A. Bethe in Strassburg sowie die Herren V. Bauer, R. Burian und M. Henze haben sie durch öftere Besprechungen gefördert, dafür möchte ich hier meinen Dank aussprechen. Herrn Prof. Hof- meister danke ich auch für das entgegengebrachte Interesse. 496 G. Diesselhorst: (Aus dem zootechnischen Institut der landwirtsch. Hochschule zu Berlin.) Beitrag zur Fettbestimmung im Fleisch.’ Von G. Diesselhorst. Während früher zur Fettbestimmung in tierischen Organen nur die einfache Ätherextraktion nach Soxhlet benutzt wurde, ergab sich durch eingehende Untersuchungen namentlich von Dormeyer!), dass dadurch niemals alles Fett gelöst wird, sondern immer noch Reste zurückbleiben, so dass die Bestimmung stets zu niedrig aus- fällt. Hieraus folgt, dass alle älteren Arbeiten, welche diesen Umstand nicht berücksichtigten, an Wert verloren haben. Seitdem sind nun eine Reihe von Methoden ausgearbeitet worden, die höhere Fett- ausbeuten liefern. Dormeyer ging ganz radikal vor, indem er nach Entfernung der Hauptmenge des Fettes das Fleisch durch Pepsin-Salzsäure-Verdauung zerstörte und den nun nicht mehr durch die Zellen eingeschlossenen Rest des Fettes durch Äther in Lösung brachte. Man hat auch später die Pepsinverdauung durch Auf- schliessen mit Salzsäure ersetzt. Liebermann und Szekely°) benutzten bei ihrer Verseifungsmethode zum Zerstören der ein- schliessenden Zellen Kalilauge, wobei sie allerdings das Fett nicht mehr als solches, sondern nur noch als Fettsäuren erhielten. Rosen- feld?) suchte ein besseres Resultat nicht durch Aufschliessen des. Fleisches, sondern durch Verwendung von Alkohol] und darauf Chloro- form als Extraktionsmittel zu erreichen. Dieses Verfahren, welches eine sehr hohe Ausbeute liefert, wurde auch etwas modifiziert von Rubow*) bei seiner Arbeit über den Leecithingehalt des Herzens angewandt. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 65 S. 90. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 72 S. 360. 3) Zentralbl. f. innere Medizin Bd. 21 Nr. 33. 4) Arch. f. exper. Pathol. Bd. 52 S. 175. Beitrag zur Fettbestimmung ‘im Fleisch. 497 Es wäre nun ein Trugschluss, zu folgern, dass alle diese Methoden schon deshalb besser wären, weil sie ein höheres Resultat liefern ; sie sind vielmehr auch daraufhin zu prüfen, ob die erhöhte Ausbeute nur auf Fett — wenn auch nur als Ätherextrakt verstanden — und nicht etwa auch auf solche Stoffe zurückzuführen ist, welche erst bei der Aufschliessung aus dem Untersuchungsmaterial durch Ab- spaltung entstehen. Es sind nun verschiedene Fettbestimmungsverfahren auch schon kritisch untersucht worden, so von Glikin!) und in neuester Zeit namentlich von M. Kumagava und K. Suto?) in einer grösseren Arbeit über „Quantitative Bestimmung des Fettes und der unverseif- baren Substanzen in tierischem Material nebst der Kritik einiger gebräuchlicher Methoden“. Letztere Autoren fanden in dem nach der Alkoholmethode hergestellten Ätherextrakt 20—46 °/oVerunreinigungen, was sie durch quantitative Abscheidung und Reinigung der freien Fettsäuren feststellten. Das „Restfett“ nach Dormeyer ist nach ihrer Angabe mit 81 °/o fremden Stoffen verunreinig. Kumagava und Suto kommen schliesslich zu der Ansicht, dass es in Ermanglung einer guten Methode besser sei, auf die Bestimmung des Fettes als solches zu verzichten und nur nach dem von ihnen verbesserten Verseifungsverfahren die höheren Fettsäuren zu bestimmen, aus welchen sie dann, ähnlich wie aus dem Stickstoff das Protein, das Neutralfett berechnen. Bei Untersuchungen, mit denen ich gegenwärtig beschäftigt bin, handelt es sich aber weniger darum, genau den Fettgehalt zu kennen, als darum, möglichst fettfreies Fleisch herzustellen zum Zwecke einer genauen Elementaranalyse. Hierbei sind die Methoden, bei denen das Fleisch zerstört wird, von vornherein unbrauchbar. Man müsste sonst, wie Köhler?) es tat, das noch fetthaltige Material analysieren und das Resultat unter Berücksichtigung des in einer anderen Portion bestimmten Fettgehaltes durch Rechnung korrigieren. Dies ist aber nur dann statthaft, wenn man genau weiss, dass dasjenige, was man als Fett abzieht, auch wirklich solches ist und nicht etwa eine ganz andere Zusammensetzung hat. In solchen Erwägungen haben König‘) 1) Dissertation 1903. 2) Biochem. Zeitschr. Bd. 8. 8) Zeitschr. f£. physiol. Chemie Bd. 31 S. 479. 4) Zeitschr. f. Untersuchung der Nahrungs- und Genussmittel 1909 S. 497. 498 G. Diesselhorst und Splittgerber bei ihrer Untersuchung über die Zusammen- setzung von Fischfleisch sich damit beenügt, das Material im Soxhlet- apparat mit Äther zu extrahieren, dann zu zerreiben und wieder zu extrahieren, welches Verfahren sie sehr iange Zeit fortsetzten. Da ich zur Entfettung meines Untersuchungsmaterials das Leh- mann’sche Kugelmühlverfahren !) anwandte, war es von Interesse, zu untersuchen, wie der aus dem so entfetteten Fleische durch die Verdauungsmethode noch zu gewinnende Ätherextrakt sich hinsichtlich seiner chemischen Zusammensetzung verhielte. Die Kugelmühlmethode beruht auf ler Extraktion mit absolutem Äther, welche durch bis zur Staubfeinheit getriebene Zerkleinerung des Fleisches und gleich- zeitige mechanische Durcharbeitung mit dem Lösungsmittel sehr wirksam unterstützt wird. Man erhält dabei eine grössere Ausbeute an Fett als nach Soxhlet, aber eine kleinere als nach Dormeyer. Das „Dormeyer-Restfett“ ist bis jetzt nicht näher auf seine Reinheit untersucht worden, meist aus Mangel an einer genügenden Menge Material. Auch Kumagava und Suto haben ihr „Dormeyer- Fett“ aus nur sechs Stunden im Soxhlet entfetteten Fleisch her- gestellt. Es musste also noch ziemlich viel wirkliches Fett enthalten. Ferner haben sie sich auch auf die Bestimmung der höheren Fett- säuren in diesem Extrakte beschränkt. M. Müller?) und Völtz haben im zootechnischen Institut die Elementarzusammensetzung und den Verbrennungswert des nach Lehmann und des nach Dor- meyer gewonnenen Fettes verglichen und namentlich beim Kasein- Fett ziemliche Differenzen (7 °/o C.) gefunden; sie hatten aber nicht das lediglich durch die Verdauung erhaltene Fett getrennt dargestellt. Als Untersuchungsobjekt wählte ich mageres Ochsenfleisch, von verschiedenen Tieren stammend. Es mussten davon ca. 3 kg ver- arbeitet werden, um eine für die Untersuchung genügende Menge Material zu erhalten. Das Fleisch wurde in kleineren Portionen im Vakuum über Schwefelsäure bei ca. 40° getrocknet, zerkleinert und sodann gleichmässig gemischt. Das trockene Fleisch extrahierte ich zuerst in vielen kleinen Kugelmühlen und darauf in grossen Soxhlet- apparaten mit Äther. Das so nach Möglichkeit vom Fett befreite Material wurde, der grossen Menge wegen in vielen Teilen, nach Dormeyers Vorschrift der Verdauung mit einer Lösung von 1) Völtz, Pflüger’s Arch. Bd. 97 S. 606. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 116 S. 207. Beitrag zur Fettbestimmung im, Fleisch. 499 0,1°/o Pepsin in 0,5 /oiger Salzsäure unterworfen, und zwar zwei bis drei Tage lang bei 37°. Die erhaltenen grossen Flüssigkeits- mengen konnten schlecht durch einfaches Filtrieren von den ungelösten Bestandteilen, die in diesem Falle sehr viel feingemahlenen Sand enthielten, getrennt werden. Dies gelang aber leichter, nachdem die Lösung durch Schleudern in einer grossen Zentrifuge geklärt war. Der setrocknete Rückstand wurde im Soxhlet mit Äther extrahiert und das Filtrat bis zur Erschöpfung mit Äther ausgeschüttelt, wobei wiederum die Zentrifuge gute Dienste leistete. Es sei hier noch bemerkt, dass die benutzten Filter vorher mehrere Tage im Soxhlet mit Äther behandelt waren. Sämtliche Ätherauszüge vereinigt und durch nochmaliges Lösen in absolutem Äther gereinigt, ergaben nur 6 g Extrakt, während aus derselben Fleischmenge, 3 kg, nach dem Kugelmühlverfahren etwa 84 & Fett gewonnen worden waren. Es folgen hier die Ergebnisse der Analyse beider Produkte tabellarisch nebeneinandergestellt. Fett mittelst Kugelmühle ge- Restfett nach Dormeyer. wonnen. Ve. 2.02 119,16%0,.1.C. 62,77 lo, Besen... 11,75%0, | H. SH dk, Del N. 2. 0,63 °lo, Kalorien pro 1g. . 9,438, Kalorienprosle72.2. 77.280. Jodzahl me... 48,98, Jodzanlee SER)! Brechungsexpon. nD Brechungsexpon.»D 1,4516, Bei .s 2 14571, Erosphorr . .......* Spur BRosphorse. N 2 72U/0 (Leeithin 5,56 /o?). Die Zahlen der ersten Kolumne sind als durchaus normale für Rinderfett anzusehen. Die Jodzahl und meist parallel gehend der Breehungsexponent schwanken bekanntlich beim Fett ein und der- selben Tierart innerhalb gewisser Grenzen. Die elementare Zu- sammensetzung und dementsprechend der Verbrennungswert differieren dagegen bei verschiedenen Fetten nur wenig voneinander. Der ge- ringe Stickstoffgehalt ist vielleicht auf Leeithin zurückzuführen. Die Zahlen der zweiten Reihe weichen bedeutend von denen, welche die Analyse eines Fettes liefert, ab. Namentlich der Kohlen- stoffgehalt und entsprechend der Verbrennungswert sind viel zu niedrig. Eine Jodzahl von 39 findet sich kaum bei Rinderfett. Hier- 500 G. Diesselhorst: Beitrag zur Fettbestimmung im Fleisch. bei ist ausserdem noch zu beachten, dass bei der Verdauung eventuell auch Substanzen, die kein Fett sind und doch Jod binden, entstanden sein können. Setzt man selbst den gesamten gefundenen Phosphor als Leeithin in Rechnung, so entspricht dem, da das Leeithin auf ein Atom P ein Atom N enthält, nur 0,097 °/o Stickstoff. Es bleibt also noch über 0,5 /o N übrig, der in dem Ätherextrakt in Form von Aminosäuren oder anderen aus dem Eiweiss bei der Verdauung abgespaltenen Stoffen enthalten sein muss. Diese Befunde beweisen erneut, dass bei der Dormeyer’schen Methode auch Substanzen mitbestimmt werden, welche nichts mit Fett zu tun haben und ursprünglich in dem Fleisch noch gar nicht vorhanden waren. Es ist demnach auch nicht zulässig, den nach diesem Verfahren bestimmten Fettgehalt bei der Elementaranalyse eines Fleisches zur rechnerischen Berichtigung der unmittelbar ge- fundenen Zahlen zu benutzen. Der Fehler der Dormeyer’schen Methode wird nun um so grösser sein, je fettarmer das Untersuchungsmaterial ist; bei fett- reichem Fleisch dagegen wird er kaum ins Gewicht fallen, da die Nichtfettstoffe des Ätherextraktes im Verhältnis zu der grossen Fett- menge verschwinden. In dem von mir untersuchten Falle handelt es sich um ein mittelwertiges Fleisch. Weiter ist noch der Schluss zu machen, dass durch die Pepsin- Salzsäure-Verdauung beim Fleisch weniger Ätherlösliches aufgeschlossen wird als beim Kasein!). Eine Bestimmung und Untersuchung der flüchtigen Fettsäuren, die aus dem nach dem Kugelmühlenverfahren entfetteten Fleisch durch Pepsinverdauung gewonnen werden, wird für später vor- behalten, da hierzu eine grosse Menge Material erforderlich ist. 1) Siehe Völtz und Müller. ol (Ausgeführt in der k, k. zoologischen Station zu Triest und in dem physiologischen Institut der k. k. Universität zu Wien.) Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize auf den Ablauf der Reaktions- bewegungen bei Wirbellosen. I. Mitteilung, Versuche an Tunicaten. Von Professor Toosaku Kinoshita. (Osaka, Japan.) (Mit 3 Textflguren.) In der vorliegenden ersten Mitteilung berichte ich über die Resultate meiner Untersuchungen, soweit sie sich auf die Tunicaten beziehen; eine zweite Mitteilung soll die Ergebnisse von Versuchen bringen, die an Coelenteraten ausgeführt wurden. Ich hatte mich bei diesen Untersuchungen im Herbst 1908 der Liebenswürdigkeit des Direktors der k. k. zoologischen Station in Triest, des Herrn Professor Cori, sowie der freundlichen Unterstützung des Herrn Professor Kreidl zu erfreuen. Ich ergreife gern hier die Gelegenheit, beiden Herren auf das wärmste zu danken. Bekanntlich zeigen einige Vertreter aus der Klasse der Tunicaten die Erscheinung, sich auf verschiedene Reize hin zu kontrahieren. Meine Aufgabe war dahin gerichtet, zu untersuchen, wie dieses Kontraktionsphänomen sich ändert, wenn mehrere aufeinanderfolgende wirksame Reize dem Tiere appliziert werden. Das Prinzip meines Verfahrens war folgendes: Zuerst wurde das Tier gereizt, damit es sich kontrahiere. Dann wurde gewartet, bis das Tier nach seiner Kontraktion wieder in den normalen Zustand zurückgekehrt. war, und ein neuer Reiz appliziert. 502 Toosaku Kinoshita: Einerseits wurde die Kurve der Kontraktion aufgenommen, anderer- seits die Zeit vom Beginne der Kontraktion bis zur Rückkehr zur Ruhelage gemessen, um zu beobachten, ob der vorhergegangene Reiz irgendeinen Einfluss auf den Effekt der nächsten Reizung ausübe oder nicht. Zur Anwendung kam mit wenigen Ausnahmen der einzeln wirksame Reiz. Von mir sind folgende Reizqualitäten ge- prüft worden: mechanische, elektrische, termische, chemische und photische Reize. Als Versuchsmaterial diente mir von Tunicaten Ciona intestinalis und Styela plicata. I. Versuche an Ciona intestinalis. Diese Form besitzt einen langgestreckten, walzenförmigen, gelb- lichweissen und durchscheinenden Körper, der mit seinem hinteren Ende an der Unterlage festgewachsen ist. Das Vorderende des Tieres gabelt sich in zwei kurze Röhren, deren eine die Mund- (Ingestions-) Öffnung (Mundsipho), deren andere die Kloaken- (Egestions-) Öffnung (Kloakensipho) darstellt. Der freie Rand der erstgenannten Öffnung erscheint in acht, der der letzteren in sechs Lappen geteilt, und in den Nischen zwischen diesen findet sich immer ein zinnoberroter Pigment-(Augen-) Fleck. Diese Lappen erweisen sich als sehr reiz- empfindlich. Der Mundsipho liegt in der Verlängerung der Körper- achse, während der Kloakensipho etwas weiter zurück und seitlich abstehtt.e Am Grunde, wo diese beiden Röhren zusammenstossen, schimmert durch die durchscheinende Leibeswand das Zerebral- ganglion als ein rundlicher weisser Knoten durch. Aussen ist der schlauchförmige Körper mit einer zähen zellulose- haltigen Hülle, dem sogenannten Mantel, einem Ausscheidungsprodukt des Körperepithels, bedeckt. Dieser Mantel lässt sich nach einer wenig tiefen Zirkumzision vom Tiere unschwer abheben und ent- fernen. Bemerkenswert ist nach diesem Eingriff, dass durch ihn auf das Leben und den Reizzustand der Ciona kein merklicher Ein- fluss ausgeübt wird. Ich habe in meinen Versuchen einige Male bemerkt, dass der normale Zustand des enthäuteten Tieres eine Woche hindurch keine wahrnehmbare Veränderung erleidet. Damals konnte ich meine Beobachtungen leider nicht fortsetzen; doch ver- mute ich, dass sich dieser Zustand auch auf eine noch längere Zeit erstreckt. An dem vollständig ausgestreckten Tiere fallen in der Längs- richtung des Körpers angeordnete und durch den Zellulosemantel Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 503 durehschimmernde schmale Längsbänder auf, welche zum Teile in dem Mund-, zum anderen Teile in dem Kloakensipho enden. Es sind dies die aus quergestreiften Muskelfasern bestehenden Längsbänder. Ausserdem besitzen die beiden Siphonen auch noch mit blossem Auge nicht ohne weiteres sichtbare Rings- muskeln. Die Aszidien erweisen sich an ihrem Vorderende und besonders an den beiden Körperöffnungen reizempfindlich. Im Zusammenhang mit der festsitzenden Lebensweise dieser Tiere beschränken sich die Bewegungsphänomene, durch welche ihr Reizzustand zum Ausdruck kommt, im wesentlichen auf eine Verkürzung des Körpers in der Richtung seiner Längsachse und einen Verschluss der beiden ge- nannten Körperöffnungen durch Kontraktion der Siphonen. Die Körperwand erscheint dann in quere Falten und Runzeln gelegt. Nach einiger Zeit beginnt sich dieser Kontraktionszustand allmählich wieder zu lösen. Zuerst fangen die Runzeln an dem vorderen Pole an, sich zu glätten, dann beginnen die Mund- und Kloakenröhren wieder zur normalen Lage und Länge zurückzukehren. Zuletzt öffnet sich die Mund- und dann die Kloakenöffnung. Bei Applikation eines Reizes an einer anderen Stelle der Körperoberfläche ist eine grössere Intensität als bei den Reizungen der beiden genannten Öffnungen nötig. Diese Tatsache lässt sich dadurch erklären, dass einerseits die Reizwirkung durch den starken Zellulosemantel ab- seschwächt wird, und dass andererseits wahrscheinlich dort sensible Nervenendigungen in geringer Anzahl vorhanden sind; denn diesbezügliche Versuche an enthäuteten Tieren haben ähnliche Resultate ergeben. Ciona erweist sich im Allgemeinen gegen gewohnte Reize, wie sie durch die Bewegung des umgebenden Mediums erfolgen un- empfindlich, während sie gegen ungewohnte Reize relativ empfind- lich ist. A. Mechanischer Reiz!). Zunächst will ich eine graphische Darstellung des Effektes, welchen ich bei der Applikation mehrerer aufeinander folgender 1) Bei den an der k.k. zoologischen Station in Triest ausgeführten mecha- nischen Reizungen berührte ich das Tier mit einem dünnen Glasstab oder mit einem Baumwollfaden. 504 Toosaku Kinoshita; Reize erzielte, geben und zugleich die Methode meines Verfahrens kurz beschreiben. Zum Zwecke der gleichzeitigen graphischen Registrierung des Reizmomentes verwendete ich als Reizapparat ein pinzetteartiges Instrument, welches vom Institutmechaniker Herrn Casitagna geliefert wurde (siehe Fig. 1). Fig. 1, Beide Branchen dieses Apparates waren mit Hartgummi isoliert verbunden und jede Spitze mit einem schmalen Elfenbeinstück versehen. Jede Branche SS war mit einer Klemme in einen elektri- schen Stromkreis eingeschaltet, welcher zugleich den Reizmarkierer einschloss. —, Das im kleinen Seewasserbehälter auf einer Korkplatte befestigte Tier wurde SEE GE mit einem sehr dünnen Seidenfaden, der an dem Siphorand befestigt war, mit einer Marey’schen Aufnahmskapsel ver- bunden. Durch Lufttransmission wurde ————y ° die Kontraktion auf ein Schleifen- kymographion aufgeschrieben. Die Zeit- an markierung erfolgte durch einen Elektro- magneten, der in den Stromkreis einer KR RT Sekunden anzeigenden Kontaktuhr ein- geschaltet war. Bei diesen Reizqualitäten habe ich leider wegen der Schwierigkeit der Do- — sierung des Reizes, welche im Seewasser einen speziellen Apparat nötig macht, das Verhalten bei variierender Reiz- intensität nicht untersucht, sondern das Tier nur durch Quetschen gereizt, was nach Möglich- keit gleichartig ausgeführt wurde. Aus der Fig. 2 ist der Fig. 2. Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 505 Effekt von zehn aufeinander folgenden mechanischen Reizen er- sichtlich '). Man sieht deutlich, dass die Zeitdauer der Kontraktion bei den späteren Reizen immer verkürzt und zugleich die Kontraktions- amplitude wesentlich vermindert ist. Überdies ist bemerkenswert, dass das Tier beim ersten Reize gelegentlich zwei tonische Kontraktionen ausführt. Als Beispiel da- von führe ich hier eine Kurve an (Kurve 1), um Kurve 1. In der folgenden Tabelle sind die Resultate mehrerer derartiger Versuche zusammengestellt, wobei die Kontraktion nicht graphisch registriert, sondern bloss ihre Dauer zeitlich ausgemessen wurde. (Siehe Tabelle I auf S. 506 und Tabelle II auf S. 507.) Aus den Versuchen in der Tabelle I und II ist ebenfalls deut- lieh erkennbar, dass die Kontraktionsdauer im allgemeinen bis zu einem bestimmten Reize abnimmt, um dann noch etwas zuzunehmen. Bei der graphischen Registrierung kommt dieses letztere Phänomen nicht zum Ausdruck, weil sich offenbar die Kontraktionen, die die späteren Reizungen zur Folge haben, wegen der geringen Amplitude nicht mehr graphisch aufzeichnen. In einer weiteren Versuchsreihe habe ich die Art und Weise der Reizapplikation geändert, indem ich den folgenden Reiz nicht 1) Zur leichten Orientierung sind die der einzelnen Reizung entsprechenden Kontraktionskurven derart untereinander gestellt, dass der erste Reiz der oberste, ‚der letzte der unterste ist. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 34 Toosaku Kinoshita 506 unnptArpuf sedunp — = — — — _ IN X wmnpIAIpu] sesunp > = =; >= == — N XI Se 7 = 0'L 27 22% L IIIA = e a zB = = > IIA OT 17 2/28 OL 0'8 173 4 IA u = 2/19 0% 214 2/19 a A == Er 0°8 0 2lel 08 V AI “qe]) 18Serp IJ] "SIOA Yoeu "uLmy 08 UOA Osneg deu ToeN 0'9 2/,9 09 alsF EU slıy V III "qeL 1se1p I] 'SIaA Yoeu "Up 09 UOA osneg 10UI0 yoeN _ — = n — V II "qep I0sorp ] 'SIeA yoeu "um OT UOA osneg 1oure yoeNn — = — — — u V I uosunyıauıog sTaNnzey | FTANZzI0g | STANZIOY | ST ANZ | ITINZIOY OTANZRY| aauımmu IN uapunyag ur Sunziayy deut al 10q uonyeiyuoyy J9p aonel] -syoansıoA | YOnsıoA ZZ —_ ln =E = rz Sr 0'21 08 OL 01T 2/eGl A x OL “sg 2/59 0 219 02 2/s6 06 2/01 N xI 09 */19 2/39 2/66 zZ u z ae San) ı en Be 10 a m we ua mı| M 7.0) A = 912 Toosaku Kinoshita: Das Resultat mehrerer aufeinander folgender Reizversuche mit Strömen von verschiedener Reizstärke stelle ich hier zusammen; die Dauer der Kontraktion in Minuten und Sekunden wurde an der Hand von Kurven bestimmt. Reizqualität: Elektrischer Reiz, Induktionstrom. Tabelle VI. Applikationsstelle des Reizes: Körperoberfläche in der Nähe des Mundsipho. Art und Weise der Reiz- einwirkung: Gleich nach dem Ablauf der vorhergegangenen Reizwirkung gereizt. Primärer Stromkreis: 4 Volt. Rollen- | Ver- | Ver- | Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Sekunden abstand | such [suebs-[ Rei, | Reiz | Reiz | Reiz | Reiz | Reiz | Reiz | Reiz cm Nr. | tier | Nr. 1 |Nr. 2 |Nr. 3 | Nr. 4 | Nr. 5 | Nr. 6 | Nr. 7 | Nr. 8 IE N 89 og 12 66 99 43 34 23 6 II q 57 821/5 | 47 3825 | 3545| 262/75 | 202/75 | 1625 II r 33 29/5 | 2825| 2015| 16%| 0 — — I (0) 93 36 — _ — — — II B 44 47 30 21 — _ — E— 4 III Q 76 46 25 — — = — — IV R 13 38 27 28 22 22 16 — V S 54 3125| 3515| 30% | 4045 | 2783/75 | 1645| 1485 VI t 48/5 | 3845| 37% | 1745| 1475| 1825 | fat0| — I S 96/2) 41 3slae| Sll/a| 33 43 — — I u 26 32lle| 26 25 266 | — — —_ 2 I U | 38 32 28 28 E= — E — | a ee A en | 2E V u 54215 | 86U/s| 19%5 | 22 21 12%/5| 1345| 18% I W | 58 24 — — — —_ — — N) I X 75 Sl 8 ale — — — —_ III Z 62 98 3 19 21 16 13 — IV V 54/5 | 48°/5 | 40 3145 | 1715 | 283% | 1265| 21% Rollen- | Ver- | Ver- | Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Sekunden abstand | such |suchs-| R.;, | Reiz | Reiz | Reiz | Reiz | Reiz | Reiz | Reiz- cm Nr. | tier | Nr. 9 |Nr. 10 INr. 11! Nr. 12 | Nr. 13 | Nr. 14 |Nr. 15 | Nr. 16 1 N 5 — bir II q 211/5 | 15% | 123/5 | 144/65 | 1185 | 11%) | 12% | fast O- II ie — — _ _ I (0) > : ven ner II 19 — — —_ — — — — — 4 III Q — u — IV R _ — = _ V 5 92/5 | 18/5 | fat0| — —_ — — — VL ee N 2 ee ee Ihlansa lee Zt pe nd A ee 2 ln ae | vl: Ze 2 ARE De ie FU 817 1.6 22 \% u 10 |gestört — _ ie La wol. ae he | mel ee | I 1 tamee 1 IH Z = — = | w| » | 2%) 23%) 16% = gestört I Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 513 Weiter habe ich die Veränderung der Reizschwelle bei den auf- einander folgenden Reizungen beobachtet. Das Resultat war das folgende: Tabelle VI. Reizqualität und Applikationsstelle des Reizes: Wie auf Tabelle V. Art und Weise der Reizeinwirkung: Gleich nach dem Ablauf der Reizwirkung, d. h. der vollständigen Erweiterung der Öffnung, gereizt. Um den Schwellenwert des Reizes zu bestimmen, wurde der Rollenabstand nach und nach verkleinert und der Abstand bei der zuerst auftretenden Kontraktion gemessen. Rollenabstand bei dem Schwellenreize von einer Reizung Ver- | Ver- in Zentimetern such |suchs- Nr. | tier | Reiz | Reiz | Reiz Reiz Nr. 4 | Reiz | Reiz Reiz | Reiz | Reiz | Reiz Nr. 1| Nr. 2| Nr.3| -* |Nr.5| Nr. 6| Nr. 7| Nr.&| Nr.9|Nr.10 | | | | | Il a 30,2 | 25,2 | 21,8 20,4 20,4 | 20,6 | 23,3 | 19,6 | 18,6 | 15,0 Da 90 en | empfindlich | | Rollenabstand bei dem Schwellenreize Merz Ver von einer Reizung in Zentimetern such |suchs- Zar Bemerkungen Nr. | tier | Reiz | Reiz | Reiz | Reiz | Reiz | Reiz Nr. 11 | Nr.12|Nr. 15 | Nr. 14|Nr.15| Nr. 16 | il a aA 3,0 | 0,0 | 0,0 | Bei 0,0 un-| Nach 30 Min. reagierte empfindlich das Tier wieder bei Rollenabstand 0 em. meh he hi. 2 Zu iR Dann habe ich das Latenzstadium für elektrische Reize, und zwar bei mehreren aufeinanderfolgenden Reizen der gleichen Intensität und bei solchen von verschiedener Stärke untersucht; die Versuchs- anordnung war dieselbe wie bei der Latenzbestimmung für den mechanischen Reiz. Das Resultat war folgendes: Tabelle VII. Rollenabstand Die Zahl der Zeitmarken in Y/ısı Sek. cm Reiz Nr. 1 Reiz Nr. 2 | Reiz Nr. 3 g Il | 12,2 4,2 | 5,1 1,2 6 7,8 | 82 _- 3 | 15.2 — 4 | 4,2 5,2 _ 5,8 6,2 6.5 3 5,2 6,8 2 30 5,0 nf 0 4,0 8,6 514 Toosaku Kinoshita: Tabelle IX. Die Zahl der Latentes Stadium Rollenabstand Zeitmarken in Sekunden em in Vierzehntel-Sek. im Mittel D 5,1 | 8 4,2 0,54 | 122 | 9,1 8,5 5,2 6 4,6 0,49 7,8 8,2 4,2 ) 5,0 9,8 6,2 4 6,5 0,59 9,1 15,2 12,0 11,7 )) 19} 3,9 ( [9] 3 | a N 0,37 3,2 5,0 13,7 4,0 8,6 0 11,9 0,47 3,1 | 5 | Durchschnitt 7,5 Dies in Sek. 0,54 Schliesslich füge ich hier an der Hand der Kurve 3 das Resultat eines Versuchs an, bei dem die Wirkung des konstanten Stromes mit der einer einmaligen und tetanisierenden Reizung mit dem induzierten Strome verglichen werden sollte. Die Versuchsanordnung ist aus der beigegebenen Skizze (Fig. 4) ohne weiteres ersichtlich. Bei der Stellung der Wippen, wie sie in der Zeichnung er- scheint, ging der Strom durch den Zeitmarkierer in den primären Kreis des Induktoriums und der induzierte Strom durch die zweite Wippe bis zur Elektrode. Wenn die Brücken der Wippen umgelegt wurden, ging der Strom durch den Reizmarkierer und durch beide Wippen direkt nach der Elektrode. Der Strom wurde von einem Akkumulator geliefert bei 10 Volt Spannung. Die Zeit wurde ebenso wie beim früheren Falle alle Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 515 Sekunden markiert, die Befestigung des Tieres und die graphische ‚Registrierung wie oben erwähnt ausgeführt. Die Elektrode ward auch diesmal vor der Reizung an den Sipho angelegt, um eine mechanische Nebenwirkung zu vermeiden. Bei Anwendung des konstanten Stromes trat an der Spitze der Elektrode eine sehr un- angenehme Blasenbildung auf, welehe durch die Elektrolyse des Fig. 4 A, B Wippe ohne Kreuz. Ak Akkumulator. S Schlüssel. R Reiz- markierer. I Primäre Rolle des Schlitteninduktoriums. ZI Sekundäre Rolle des Schlitteninduktoriums. Z# Elektrode. Seewassers verursacht wurde. Um sie nach Möglichkeit zu ver- ringern, war es notwendig, die Platinspitze der Elektrode sehr wenig blosszulegen, wenn auch natürlich der mechanische Einfluss solcher kleiner Blasen sehr gering ist. Das Resultat war das folgende: A Kurve 3. Oben: Reizmarkierung. Mitte: Zeitmarkierung. Unten: Kontraktionskurve. A: Einmaliger Induktionsschlag. B: Tetanisierender Reiz. C,, Ca: Schliessung und Öffnung des konstanten Stromes. Aus der Kurve 3 ist zu ersehen, dass der tetanisierende Strom die stärkste Reaktion hervorruft, der einmalige Induktionsreiz bei demselben Rollenabstande weniger wirksam ist. In Bezug auf die Wirkung steht der Gleichstrom, welcher auch als primärer Strom des Induktoriums verwendet wurde, in der Mitte zwischen beiden. 516 Toosaku Kinoshita: Bezüglich des konstanten Stromes erwähnt W. Nagel!), das die Schliessungsreizung stets deutlicher ist und bei Ciona die Anoden” sehliessung immer stärker ist als die Kathodenschliessunge. An der obigen Kurve kann man bemerken, dass weder bei der Öffnung des Stromes noch während des Durchfliiessens des Stromes eine Reaktion auftritt. C. Thermische Reize. Zum Zwecke der thermischen Reizung konstruierte ich einen Apparat (siehe Fig. 5), welcher durch Durchleitung von erwärmtem Wasser beliebig temperiert werden konnte. Die nähere Ausführung illustriert die beigegebene Figur. Fig. 5. X Kupferner Ansatz. G Gummiverschluss. & Glasrohr. Durch diesen thermischen Reizapparat (Thermosonde) wurde warmes Wasser, welches schon vorher in einem Bassin vorgewärmt worden war, durchgeleitet. Zwei Thermometer wurden in diesem Kreislaufe eingeschaltet; das eine gab die Temperatur des Wassers im Bassin, das andere die des ausfliessenden Wassers an. Ich las an beiden Thermometerskalen ab; die Durchschnittszahl von beiden wurde als beiläufige Temperatur an der Tastspitze betrachtet. Mit diesem Instrument habe ich auf das Tier aufeinanderfolgende Reize bei verschiedenen Temperaturen ausgeübt. Die Resultate sind in der Tabelle X auf Seite 517 zusammen- gestellt. Im Anschlusse an diese Versuche prüfte ich die elektrische Erreebarkeit von Ciona bei wechselnden Temperaturen des Mediums. | 1) W. Nagel, Beobachtung über polare galvanische Reizung bei Wasser- tieren. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 53 S. 332. 517 Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 0‘0 zIOy '3 ‘Fo ey 'T "UM 05 UN = = 7% se = 59 9 19 = = = = — 0.19 69 89 = ES = = = En: gg 9g 00 07 0° he OT 0.08 87 Pde = = == = = or er 02 ; = = = = G68 68 7 > == — — — c7E 29 SE See ee | een) | ia 20 Sunyrourg zIoy] zıoy zo zIoy zo | a a aeg vu: _ uapunyog ur Sunzioyy aouto ol Toq uomyeayuoyy op done anyerodwoa], =: =: e; 00 2/9 0L 0,8 2/s@l 479 %9 19 = 00 2lr$ 07 2 2/#G "ah SlrL 0.19 68 9) = >= nz 0.0 2/g@ 2a6 te salzlösung| ? |Reiz Reiz| Reiz Reiz Reiz Reiz Reiz 0/9 > |Nr.1|Nr.2| Nr. 3 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 Nr.-7 DO 11/5 | 7,0 9,0 unempfindl. —_ — — (Süsswass.)| d 8) 70 5,0 Als unempfindl. Zu — 05 C 92/5 | 62/5 53/5 6,0 22/5 orapfind Ten unempfindl. d | 70 | 65) 6 | enananE |unempfndl.| — _ 1,0 Jule 61/5 505 5,0 ; 6,0 6,0 — \I d [110 8% 72/s | unempfindl. — — _ 15 en | 63a 55 Az 4]5 IS endlich | Wnempfindl, "d 15,0 9,0 7,0 3,0 Enpfinalien unempfindl. — An e | 5| 6%s| 16,0 54/5 113% >09 ann ’ d 125,0 [1635| 102 92/5 gestört — — 9,5 | c |18%/s | 112/5 7/5 93/5 er ev gestört & d 1182/5 | 102/s 10,0 9,0 All; 62/5 unempfindl. c [1625| 9% 8?/5 4,0 unempfindl. —_ —_ >»0 | a [20,0 [1546| 112% 84/5 1,0 8% | 84% 30,0 |1245| 11,0 92/5 173/5 _ — 4,0 1 e ’ ) f 17,0 15 en, > en I3w, REN [| e 147%5 | 27,0 i gestört — _ —_ 60 || + [280 1290 | 220 15/5 | 19% = 8.0 J e [60,0 4225| 40,0 372/s \unempfindl. an ven ? f 1322/s | 65,0 29,0 23,0 15,0 gestört — 1) Jordan, Über reflexarme Tiere. Verworn, Zeitschr. f. allgem. Physiol. 1907. Bd. 7 S. 86—135. Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 51% E. Photische Reize. Diese Reize hatten nur eine sehr geringe und spät eintretende Wirkung. Das Tier, das jsich eine Zeit hindurch in einer Dunkel- kammer befunden hatte, wurde ans indirekte Sonnenlicht gebracht, worauf nach längerer, von mir gemessener Zeit eine Kontraktion erfolgte. Letztere löste sich allmählich bis zur Erschlaffung auf, und auch diese Zeit von der beginnenden bis zur völligen Erschlaffung wurde gemessen. Tabelle XIIA. Reizqualität: Photischer Reiz, indirektes Sonnenlicht. Applikationsstelle des Reizes: Der ganze Körper. Art und Weise der Reizapplikation: Zuerst wurde das Tier in die Dunkelkammer über 10 Minuten gelegt, dann ans Tages- licht gebracht. Die Zeit, welche zwischen je zwei Reizungen verstrich, betrug immer 30 Minuten. Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Min. und Sek. Ver- | Ver- Reiz Nr. 1 Reiz Nr. 2 Reiz Nr. 3 Reiz Nr. 4 a a L Kon- L Kon- r Kon- L Kon- Nr. ier a- : a- Dee a- | La- NA N traktions- a traktions a traktions ann traktions | dauer dauer dauer dauer I fe 20 nm 1% 0’ 15 22 50 [2 15 22 40 m 2 Re 101 h 2571.17 re 134 30" — —_ 111 i 257 | Fr 18 15” 40’ — — IV w a 1% | 7 50’ HR 47%/5"" Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Min. und Sek. Ver-| Ver- | Reiz Nr.5 | Reiz Nr.6 | Reiz Nr.7 | Reiz Nr.8 | Reiz Nr. 9 such [suchs- Kon- | Kon- | Kon- | Kon- Kon- Nr. | tier |La- | trak- |La-| trak- |La-| trak- |La-| trak- |La-| trak- tenz | tions- |tenz| tiens- |tenz| tions- |tenz tions- |tenz| tions- dauer | dauer dauer dauer dauer Tele — — — —_ —_ | — — - — I h — — —_ — — —_ — —_ — u I i —_ ra — — — — — IV Ww BA Ee ı| | 0 ee (Siehe Tabelle XIIB auf Seite 520.) Das Ergebnis aller mit den verschiedenen Reizqualitäten aus- geführten Versuche ist das folgende: Bei den zuerst applizierten Reizen ist die Kontraktionsdauer am längsten und wird nach und nach kürzer. Am Ende eines jeden Versuches jedoch wird sie manches Mal wieder mehr oder weniger verlängert. 20 Toosaku Kinoshita: Tabelle XIIB. Reizqualität: Photischer Reiz, künstliches Bogenlicht. Applikationsstelle des Reizes und Art und Weise der Reizapplikation: wie in Tabelle XIIA. Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Sekunden Ver- | Ver- | Reiz Nr. 1 | Reiz Nr.2 | Reiz Nr.3 | Reiz Nr. 4 | ‘Reiz Nr. 5 such |suchs- Kon- Kon- Kon- | Kon- | Kon- Nr. | tier | La- | trak- | La- | trak- La-| trak- |La-, trak- |La- | trak- tenz | tions- |tenz | tions- |tenz | tions- 'tenz | tions- |tenz | tions- dauer dauer dauer dauer dauer | I x [25” | 1645’ 120” | 16%” 119” | 122/56” | unempfindlich | — — II \Y 1078321522 won Baar OL 2 wenig empfindl.| — | ——= III Z 1971 A83/s 71812, 332/5% | 672 | 28°/5. wenig empäindl.| — | — IV A' 127) 51U/s | 28 Aa UNE Du Sl” we empfindl. I E. Versuche an operierten Tieren. Ferner habe ich die Untersuchung noch auf folgende Punkte ausgedehnt. Wie ich schon eingangs erwähnt habe, besitzen die Aszidien ein zentralisiertes Nervensystem in Gestalt von Nerven und einem Zerehralganglion und an den beiden Körperöffnungen haben sie kleine rote Pigmentflecke, welche als Augenflecken gedeutet werden. Um zu ermitteln, welchen Einfluss das Gehirnganglion und die letzterwähnten Organe auf die Kontraktionserscheinungen dieser Tiere ausüben, exstirpierte ich entweder das Ganglion allein, oder die Augenflecke, oder auch beide Gebilde. Vorerst führte ich einen Versuch mit Exstirpation der Augen- flecken aus. Diese Operation gelingt relativ leicht. Bevor ich diese Operation vornahm, maass ich immer die Kontraktionsdauer bei Reizung des unversehrten Tieres. Nach der Operation wartete ich ea. 30 Minuten, bis sich das Tier wieder beruhigt hatte, und bis es hinsichtlich der Reize ein möglichst normales Verhalten an den Tag legte. Dann wurde ihm der Reiz appliziert und die Kontraktions- dauer wie gewöhnlich gemessen. Das Resultat zeiet die Tabelle XIII auf Seite 521. Das Tier, welchem die Augenflecken exstirpiert worden waren, lebte sehr lange — bekanntlich können Aszidien abgeschnittene Siphonen regenerieren —, und wie ich während meines Versuches beobachtete, zeigte es nach der Operation eine Woche lang keine nennenswerte Veränderung. Sogar die Verzögerung der Kontraktions- dauer ist keine leicht verschwindende Erscheinung, sondern eine Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 521 Tabelle XII. Augenflecke am Ingestionssipho exstirpiert. Reizqualität: Mechanischer Reiz. Applikationsstelle des Reizes: Ingestionsöffnung. Art und Weise der Reizung: Wie in Tabelle 1. Ver- | Ver- Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Min. und Sek. such [suchs-[ 0, der | Reiz | Reiz | Reiz | Reiz | Reiz | Reiz Nr. | tier |Operation, Nr.1 Nr. 2 Ns EN EI BE Ne.35 Nr. 6 I J 192/527 KRZ1GL5L | a a II k a 2. Nee, ee — III 1 Isa In 2 = — — IV| m lS2/san Eo2rsu 1725, | Aus — — n_ V n LO EIN 32 3/522 |HI25 3" 458/53" — — — sehr lang; andauernde; ich habe sie durch vier Tage lang konstatiert, wie aus folgender Übersichtstabelle hervorgeht: Tabelle XIV. Exstirpation der Pigmentflecke an der Ingestionsöffnung. Reizqualität: Mechanischer Reiz. Applikationsstelle des Reizes: Ingestionsöffnung. Art und Weise der Reizapplikation: 4 Tage lang an jedem Morgen ein Reiz appliziert. Versuch | Versuchs-| Dauer der Kontraktion bei einer einzigen Reizung in Min. u. Sek. Nr. tier Meran), 2, Tag | 3. Tag | 4. Tag I 0 IN 6 I 02, sk LE00REN Il a 1.0430 SO 1 15 III q 2 ee NEASNET INS, Se J. Loeb) hatte als Erster neben seinen bekannten Regenerations- versuchen bei Ciona das Zerebralganglion entfernt und gefunden, dass der reflektorische Schluss beider Siphonen noch eintritt, wenn -man einen der beiden Siphonen reizt, und dass als der einzige nach- weisliche Unterschied zwischen normalem und enthirntem Tiere die Erhöhung der Reizschwelle zu beobachten war. Er sagt weiter, dass das Ganglion die Funktion besitzt, die Leitung der Erregung von den Rezeptoren zu den Effektoren zu bewirken, und dass sich die bessere Leitung dadurch verrät, dass der gleiche Effekt durch einen geringeren Reiz zu erzielen ist. Magnus?) teilt mit, dass bei einer enthirnten Ciona der Effekt 1) J. Loeb, Untersuchungen zur physiologischen Morphologie der Tiere. II. Organbildung und Wachstum. Georg Hertz, Würzburg 1892. 2) R. Magnus, Die Bedeutung des Ganglions bei Ciona intestinalis. Mitteil. d. zool. Station Neapel Bd. 15 S. 483—486. 1902. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 3 DIDI BR Toosaku Kinoshita: des Reizes nur auf den unmittelbar getroffenen Sipho beschränkt bleibt, wenn man bei der Reizung eine direkte Erschütterung des anderen vermeidet. Weiter behauptet er, dass auch für diesen Fall das Ganglion als das Zentrum für den Reflex in seiner Wirksamkeit sichergestellt sein dürfte, und dass kein Raum für die Annahme einer Erregungsleitung von Muskelfaser zu Muskelfaser bleibt. Die Beobachtung von Magnus wurde von Fröhlich!) be- stätist. Er hatte bei einer enthirnten Ciona intestinalis folgende Tatsachen konstatiert: 1. Herabminderung des Tonus; 2. Erlöschen des echten Reflexes; 3. Herabsetzung der Sensibilität; 4. Hervortreten der Ringmuskelkontraktion; 5. stärkere Fortpflanzung der Muskel- kontraktion nach Applikation eines lokalen Reizes. Und dazu be- merkt er, dass bei der enthirnten Ciona die Kontraktionsdauer bei einem Reize gegenüber der normalen verkürzt erscheint. Jordan?) meint, dass das Ganglion von Ciona die Bewegungen des Tieres unmittelbar in keiner Weise beeinflusst. Und er fügt hinzu, dass wahrscheinlich das Ganglion die Verbindung zwischen den beiden Siphonen herstellt. Weiter findet er auf Grund seiner graphischen Versuche, dass ein Unterschied zwischen beiden Kurven, welche vom enthirnten und normalen Tiere aufgenommen wurden, bezüglich der Steilheit kaum nachzuweisen ist, dass aber stets eher die enthirnte Ciona die weniger steile Kurve gibt. Das Ergebnis meiner Versuche stimmt nicht mit dem der früheren Autoren überein, wie aus der Tabelle XV zu ersehen ist. Die Exstirpation des Zerebralganglion ist leicht ausführbar, und habe ich dieselbe gewöhnlich so ausgeführt, dass ich einen Einschnitt in die Körperwand an der Gabelungsstelle der beiden Siphonen vor- nahm. Um dem Einwand zu begegnen, dass dabei die direkte Kommunikation zwischen beiden Siphonen zerstört werde, habe ich das Ganglion einigemal von der Seite operativ entfernt. An jedem Tiere wurde vor dem Eingriff die normale Kontraktionsdauer ge- messen, die operierten Tiere frühestens nach 30 Minuten, gelegent- lich auch nach einer Stunde (obwohl Loeb dazu 24 Stunden, Fröhlich eine halbe bis eine Stunde, höchstens zwei bis drei Stunden, verstreichen liessen), zum Versuche verwendet. 1) A. Fröhlich, Beiträge zur Bedeutung des Zentralganglions bei Ciona intestinalis. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 95 S. 609—615. 1903. 2) H. Jordan, Über reflexarme Tiere. Verworn, Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 7 8. 86—135. 1907. Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 523 Das Ergebnis war das folgende: Nach der Exstirpation des Zerebralganglions kontrahiert sich die Ciona intestinalis sehr schnell und stark, und dieser Zustand dauert über 10 Minuten an, dann beginnt das Tier langsamer, als dies sonst unter normalen Umständen der Fall ist, zu erschlaffen bzw. sich zu entfalten. Wenn dann nach 30 Minuten zum ersten Male gereizt wird, kontrahiert sich zwar das Versuchstier, wobei jedoch der Reiz ein stärkerer sein muss als gewöhnlich, um einen gleichen Effekt zu erzielen. Auch die Reaktionszeit bis zum Eintritt der Kontraktion ist eine grössere und ebenso dauert das Erschlaffungsstadium sehr lang an. Die Zeitdauer, welche ich in diesem Falle maass, ist aus der Tabelle XV ersichtlich. Tabelle XV. Reizqualität: Mechanischer Reiz. Applikationsstelle des Reizes: Ingestions- öffnung. Reiz Dauer der Kontraktion in Minuten Nr. und Sekunden. 1 DES 2 4' 50’ 3 Br a 4 27 19% Dabei beobachtete ich an solehen Versuchstieren, dass das sonst synchrone Kontrahieren beider Körperöffnungen, wenn die Reiz- applikation an einer der beiden erfolste, eine Störung erlitten hatte, insofern als die Kontraktion der anderen je nach der Reizstärke entweder erst später oder nicht mehr eintrat. Diese Erscheinungen waren von langer Dauer und währten mindestens unverändert durch 4 Tage hindurch an. Aus der Tabelle XVI auf Seite 524 ist das Verhalten der Tiere, bei denen die verschiedenen Eingeriffe teils einzeln, teils kombiniert vorgenommen wurden, zu ersehen. Zum Schlusse untersuchte ich den Einfluss verschiedener Gifte auf die Reaktion gegenüber den verschiedenartigen Reizen. A. In einem Medium, das aus zehn Teilen Seewasser und einem Teil 0,8 '/oigen Cocainum hydrochloricum bestand, reagierte Ciona intestinalis auf verschiedene Reize nicht. Wenn man sie jedoch in frisches, durchlüftetes Seewasser brachte, so wurde sie nach mehreren Minuten wieder reaktionsfähig. 39° 324 Toosaku Kinoshita: Tabelle XV1. Vergleichsversuch über die Erscheinung nach den verschiedenen operativen Eingreifen. Zustand der Tiere N nach operativem Effekt des Reizes Eingriffe Integer (Kontrolle) | Beim Reizen je einer Öffnung kontrahiert sich auch die andere, und dieser Akt ist sehr schnell und lebhaft. Zerebralganglion | Beim Reizen der Ingestionsöfifnung: Ingestionsöffnung kon- intakt, Augenflecken | trahiert sich sehr langsam und vollständig; Egestions- in der Ingestions-| öffnung begleitet sie. Um die Offnung, welcher die Augen- öffnung waren ent-| flecken entfernt wurden, vollständig zu schliessen, ist es fernt. nötig, entweder einen starken Reiz oder mehrere wieder- holte Reize zu applizieren. Die Zeit, welche vom Anfange der Kontraktion bis zum Ende des Erschlaffens verstrich, betrug in mehreren meiner Bestimmungen 4’ low bisalaryz Beim Reizen der Egestionsöffnung: Ingestionsöffnung schliesst sich sehr langsam und unvollständig, und erfolgt der Anfang ihrer Schliessung in bezug auf die Egestions- öffnung etwas verspätet. Egestionsöffnung schliesst sich etwas lebhafter als die Ingestionsöffnung. Zerebralganglion | Beim Reizen der Ingestionsöffnung: Ingestionsöffnung schliesst ist intakt, Augen- sich langsamer als normal, doch schneller als die andere. flecken in beiden Egestionsöffnung begleitet langsam. Öffnungen waren Beim Reizen der Egestionsöffnung: Ingestionsöffnung exstirpiert. kontrahiert sich sehr schwach und langsam oder gar nicht. Egestionsöffnung kontrahiert sich schneller als vorige, doch langsamer als gewöhnlich. Zerebralganglion | Beim Reizen je einer Öffnung begleitet die andere die exstirpiert, Augen- Kontraktion nicht, und dieser Akt ist sehr langsam und flecken in beiden minimal selbst bei starker Reizung. (Dauer betrug 7’ 27" Öffnungen intakt. bis 4’ 17.) Dies dauert 3 Tage lang, doch bemerkt man schliesslich eine etwas kürzere Kontraktionsdauer als am ersten Tage (4’ bis 2’ 37”). Zerebralganglion |Beim Reizen je einer Öffnung kontrahieren sich beide extrahiert, Augen- Öffnungen unabhängig. Die Kontraktion der versehrten flecken d. Ingestions-| (Ingestionsöffnung) ist sehr langsam und die der anderen öffnung exstirpiert. schneller. Längsschnittführung | Beim Reizen der Ingestionsöffnung: Die betreffende schliesst an der Ingestions- sehr lebhaft, doch ist die Dauer bis zum Erschlaffen sehr öffnung. lang. Egestionsöffnung begleitet sie auch. Bei der Anwendung von 0,1°/oigem Kokainhydrochlorid-Seewasser reagierte das Tier nach 3 Minuten schon sehr wenig und nach 10 Minuten nicht mehr. B. Bei Anwendung eines Gemenges von zehn Teilen Seewasser . und einem Teile 0,8 °/oigen Magnesium sulfuricum wurde das Tier anfangs sehr träg, dann nach ziemlich langer Zeit unempfindlich. Bei grösseren Mengen des Giftes wurde es schon nach kürzerer Zeit Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 525 unempfindlich. In beiden Fällen erholte es sich in frischem See- wasser und wurde sehr bald fähie, sich zu kontrahieren. C. In einem kleinen Bassin, dessen Inhalt aus einer Mischung von zehn Teilen Seewasser und zwei Teilen 0,5 °/oigen Chloral- hydratum bestand, wurde Ciona intestinalis gänzlich gelähmt, erholte sich aber wieder, als sie in frisches Seewasser gebracht wurde. D. In einem Gemische von zehn Teilen Seewasser und zwei Teilen seewassergesättigtem Acetochloroform reagierte das Tier nicht auf die verschiedenen Reize, belebte sich jedoch nach kürzerer Zeit im frischen Seewasser wieder. E. Ein Gemenge von zwei Teilen einer gesättigten Lösung von Chininum sulfuricum in Meerwasser und zehn Teilen Seewasser wirkte auf das Tier wie bei anderen Fällen lähmend, jedoch versetzte es frisches Seewasser wieder in den Zustand der Reaktionsfähiekeit. F. Bei der Anwendung von 0,1°/oigem Nikotinhydrochlorid- Seewasser reagierte das Tier schon nach 3—5 Minuten gar nicht gegen den Induktionsreiz. G. Bei der Anwendung von (0,1 °/oigen Curareseewasser reagierte das Tier nach ca. 20 Minuten sehr schwach, behielt dabei noch die Frreebarkeit gegen den konstanten Strom, verlor sie jedoch schon gegen einmaligen Induktionsschlag. Nach ca. 30 Minuten besass es zwar noch gegen tetanisierende Induktionsströme seine Erregbarkeit, aber nicht mehr gegen Einzelreize mit Gleichstrom und Induktions- strom. .Nach einer Stunde reagierte es nur wenig gegen tetani- sierende Induktionsreize. Aus obigen Resultaten lässt sich schliessen, dass die oben auf- sezählten Substanzen auf das Nervensystem der Ciona lähmend wirken und die Reaktionsfähigkeit auf Reizung vernichten, dass aber die Übertragung der Tiere in frisches Seewasser den normalen Zu- stand wiederherstellt. Aus dem Umstand, dass die verschiedenen Gifte einen reaktions- losen Zustand gegenüber sämtlichen Reizen hervorrufen, während bei Eliminierung der Ganglienmasse nur das synchrone Zusammen- wirken der beiden Öffnungen in Wegfall kommt, lässt sich schliessen, dass einerseits das Zerebralganglion den Zweck hat, die gleichzeitige Kontraktion der beiden Öffnungen herzustellen und andererseits dieses nicht das einzige Zentrum der Kontraktion der In- und Esestionsöffnung ist, sondern dass noch andere regulative Zentren hierfür bestehen müssen. 5926 Toosaku Kinoshita: II. Versuch an Styela plicata. Als zweites Versuchsobjekt wählte ich Styela plicata, welche im Vergleich zu Ciona eine gedrungenere Gestalt und einen dicken lederartigen Mantel besitzt. Die Körperoberfläche zeigt warzen- föormige Unebenheiten, die besonders bei der Kontraktion hervor- treten. Die beiden Siphonen sind etwas kürzer und weiter als bei Ciona intestinalis und zeigen einen viereckigen Querschnitt. Augen- flecke fehlen im vorliegenden Falle. Styela erweist sich für verschiedene Reize empfindlicher als Ciona, indem jene nicht bloss auf schwächere Reize rascher reagiert, sondern auch länger in Kontraktion verweilt. Während z. B. die letztgenannte Form auf die Bewegung des umgebenden Seewassers sehr wenig reagierte, zeigte Styela eine grosse Empfindlichkeit. Das zentrale Nervensystem dieses Tieres ist leider in diesem Falle operativen Eingriffen nicht so bequem zugänglich, und daher habe ich auf solche verzichtet. Als Reiz gebrauchte ich wie bei Ciona die gleichen Qualitäten und die gleiche Art und Weise deren Applikation. Das Resultat aller Versuche ist in den folgenden tabellarischen Darstellungen übersichtlich zusammengestellt: Tabelle XVM. Reizqualität: Mechanischer Reiz, Berührung mit einem dünnen Glasstab. Applikationsstelle des Reizes: Rand der Ingestionsöffnung. Art und Weise der Reizapplikation: Versuch A: Gleich nach dem Ablauf der Reizwirkung, d. h. der vollständigen Erweiterung der Öffnung gereizt. Versuch B und C: Mitaufeinander- folgenden Reizen, eine Minute lang gereizt. Dauer der Kontraktion bei der Reizung in Sekunden Versuch | Reiz | Reiz Reiz | Reiz | Reiz| Reiz | Reiz | Reiz na | st inave er | Nr. 1| Nr.2| Nr.3| Nr.4| Nr.5| Nr.6| Nr.7 | Nr.8) Nr. 9|Nr.10|Nr.11| Nr.12 A 1131| 11,0 | 15% |11%6| 11,0| 9% | 8% | 726 | zo | 70 |8% | 80 Be Pa ee mA, ce j23%]230| = u, rare Tabelle XVII. Reizqualität: Elektrischer Reiz, Induktionsstrom. Applikationsstelle des Reizes: Körperoberfläche des Tieres. Art und Weise der Reizeinwirkung: Gleich nach dem Ablauf der Reizwirkung, d. h. der vollständigen Erweiterung der Öffnung gereizt. Um den Schwellenwert bei den einzelnen Reizungen zu bestimmen, wurde der Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 597 Rollenabstand nach und nach verkleinert und der Abstand bei der zuerst auf- tretenden Kontraktion gemessen. Gleiche Elektrode, wie in Tabelle V. Ver- | Ver- | Rollenabstand bei dem Schwellenreize von einer Reizung in a . such |suchs- Bemerkungen Nr. tier | Reiz Reiz Reiz | Nr.1| Nr. 2 Reiz Nr. u iz | Reiz Nr.5 | I A 13.7. 6:7 Bei 0.0un- | —_ = Nach 30 Min. reagierte das Tier ; ’° | empfindlich | | wieder bei Rollenabstand 0,0 cm. 100 B Seo 4,3 0,0 | Bei 0,0un-| Nach 30 Min. reagierte das Tier 2 } y | empfindlich wieder bei Rollenabstand 0,0 cm. Tabelle XIX. Reizqualität: Thermischer Reiz, Berührung mit der Thermosonde. Appli- kationsstelle des Reizes: Rand der Ingestionsöfinung. Art und Weise der Reiz- applikation: Gleich nach dem Ablauf der Reizwirkung, d. h. der vollständigen Erweiterung der Öffnung gereizt. Die Reizungen wurden bis zur Unempfindlich- keit des Tieres fortgesetzt. Temperatur Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Sek. imAbfluss-| durch- im Bassin |. : Reiz | Reiz Reiz Reiz Reiz | Reiz chen Sehmi. | 1 | N.2 | N2.3 | Nr.4 | Nr.5 | Nr.6 27 26 26,9 minimal! 0,0 — — — — 8°/5 82/5 72/5 | gestört — 2 = 23 30,5 | 104 | 825 | 5,0 9/5 | 10,0 | 81% c e | 62/5 91/5 5/5 | gestört — _ =. = Sl us | 926 | 70 | 56 | 486 | 40 41 38 39,5 101% | 645 | 5% | 26% | 50 | 60 47 44 45,5 142% | 61% | 50 345 | Als | 42% 51 49 50,0 635 | 526 | 42 5,0 315 | 3,0 BP) 94 94,5 102/53 | 41,0 | gestört — —_ —_ Temperatur Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Sek, im Bassin (mabäuss| durch“ | Reiz | Reiz | Reiz | Reiz | Reiz er °G 0 og | 7 | Nr8 | Nr.9 | Nr.10 | Nr. 11 | Nr. 12 27 26 26,5 — — _ — — | ga ee Be — z 2 20,5 80 | 76 | 546 | 26 | 86 | — 41 38 39,5 4,0 6,0 52% | 25 | 4,0 5,0 47 44 45,5 6,0 — as — u = 51 49 50,0 3,0. 220 ara a0 | 225 — 55 4 | 545 — — _ = _ - Bei höherer Temperatur dauert die Wirkung sehr lange an, wodurch das Resultat gestört wird. 528 Toosaku Kinoshita: Tabelle XX. Reizqualität: Chemischer Reiz, Berührung mit Kochsalzlösungen von ver- schiedener Konzentration. Applikationsstelle des Reizes und Art und Weise der Reizapplikation: Wie bei Ciona intestinalis (Tabelle XI). Konzentration Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Sekunden der Kochsalz- lösung Reiz Reiz Reiz Reiz Reiz 0% Nr.1 Nr.2 Nr.3 Nr. 4 Nr. 5 0,0 | 5 sehr wenig un- (Süsswasser) | J 85 2) 55 ! empfindlich | empfindlich 0,5 122]; 72/5 102/s 7*s 54/5 1,0 15,0 91/5 62/5 545 1 reich 15 152/5 92/5 ls 62/5 53/5 2,0 16,0 82/5 11,0 9,0 10?/5 2,9 16Y/5 122/5 7/5 62/5 _ 30 102) 6 | 9 ae ai En EaLDn | Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Sekunden salz- Ieun Reiz Nr.6 | Reiz Nr. 7 | Reiz Nr.8 | Reiz Nr. 9 0,0 (Süsswasser) —_ —_ | — — 5 au Se en er 1.0 unempfindlich — u — 1,5 wenig empfindl. ' unempfindlich — — 2,0 10,0 72% 44/5 9,0 2,5 — _ - — 3,0 8,0 — — _ Tabelle XXI. Reizqualität: Photischer Reiz, indirektes Sonnenlicht. Applikationsstelle des Reizes: Der ganze Körper. Art und Weise der Reizapplikation: Zu- erst wurde das Tier in die Dunkelkammer über 10 Min. gelegt, dann ans Tages- licht gebracht. Die Zeit, welche zwischen je zwei Reizungen verstrich, betrug immer 30 Min. Versuch Dauer der Kontraktion bei je einer Reizung in Min. und Sek. Nr. Reiz Nr.l | ReizNr.2 | Reiz Nr.3 I E50R | 1200 | 40" II 1' 45" | LB20N, 1:00 1 I 00 U | 45 [22 III | 129% Aus diesen Tabellen geht hervor, dass bei Styela plicata dieselben Erscheinungen zu beobachten sind wie bei Ciona intes- tinalis. Über den Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender wirksamer Reize etc. 599 ‘Auch bei Styela untersuchte ich den Einfluss von verschiedenen Giften auf den Ablauf der Kontraktion gegenüber verschiedenen Reizen, und zwar: l. Zehn Teile Seewasser und ein Teil 0,8 /oiges Cocainum hydrochlorieum, 2. zehn Teile Seewasser und ein Teil 0,8 /oiges Magnesium sulfurieum, 3. zehn Teile Seewasser und zwei Teile 0,5 '/oiges Chloralum hydratum, 4. zehn Teile Seewasser und zwei Teile 8 /oiges Acetochloroform, 5: zehn Teile Seewasser und zwei Teile von im Seewasser gesättigten Chininum sulfuricum. Nach einer ein paar Minuten lang währenden Einwirkung der Gifte wurde das Tier gelähmt und reagierte auf verschiedene Reize nicht mehr. Bringt man es später in frisches Seewasser, so bemerkt man, dass nach einem längeren oder kürzeren Zeitraum die Erscheinung wieder aufzutreten beginnt. Zusammenfassung der Ergebnisse. I. Übereinstimmend hat sich gezeigt, dass sowohl bei Ciona als auch bei Styela bei künstlicher Reizung die Dauer und Stärke der Reaktionsbewegungen mit der Zahl der Reizungen abnimmt, so dass jeder Reiz eine geringere Wirkung ausübt als der ihm voran- gehende; der erste Reiz ist immer der wirksamste. II. Die Abnahme in der Kontraktionsdauer erfolgt nach der ersten Reizung ziemlich rasch bis auf ein gewisses Minimum, an dem die folgenden Reizungen nur wenig mehr ändern. Gelegentlich sieht man nach der letzten ganz kurzdauernden Kontraktion wieder solche von längerer Dauer auftreten. III. Dieses Phänomen gilt für alle künstlichen Reize, am schwäch- sten ist diese Erscheinung bei photischen Reizen ausgeprägt. IV. Das latente Stadium beträgt bei einmaliger mechanischer Reizung bei Ciona 0,279, bei einzelnen elektrischen Reizungen 0,54 Sekunden. Die Dauer der Latenz bei mehreren aufeinander- folgenden Reizungen nimmt mit der Zahl der Reizungen zu. 530 Toosaku Kinoshita: Über den Einfluss etc. V. Das Reaktionsvermögen auf künstliche Reize wird durch verschiedene Gifte vernichtet, nach Entfernung derselben wieder hergestellt. Auf eine Erklärung dieser Erscheinungen soll im Zusammen- hang mit den Ergebnissen der zweiten Mitteilung, die sich auf Ver- suche an Aktinien beziehen, eingegangen werden. Spezielle Schlussfolgerungen für Ciona. I. Das der Augenflecken entbehrende Tier reagiert sehr lang- sam gegen den Reiz, was hauptsächlich durch die Verlängerung des FEröffnungsstadiums verursacht wird. II. Bei Tieren, denen das Zerebraiganglion exstirpiert wurde, ist der synehrone Verschluss der In- und Egestionsöffnung gestört, die Erregbarkeit durch Reize jedoch herabgesetzt. Dieses Ganglion reguliert nicht so sehr die Schliessung der beiden Körperöffnungen, als vielmehr das gleichzeitige Zusammenwirken dieses Mechanismus. B21 (Aus dem k. k. serotherapeutischen Institut und der Kinderabteilung des k. k. Kaiser Franz Joseph-Spitales in Wien.) | Experimenteller Beitrag zur Frage über die Beziehung zwischen Placenta und Brustdrüsenfunktion. Von Dr. Richard Lederer und Dr. Ernst Pribram. (Hierzu Tafel 1.) Die Frage, in welchem Zusammenhange die Funktion der Brust- drüse zum weiblichen Geschlechtsapparate und insbesondere zu dessen Veränderungen nach erfolgter Geburt steht, lässt sich heute dahin zusammenfassen, dass nervöse Beeinflussungen, die man noch“ vor nicht gar langer Zeit hiefür in Anspruch nehmen wollte, dabei keine Rolle spielen. Dies zeigen die Beobachtungen von Goltz und Ewald!) über Eintritt der Milchsekretion trotz vorhergegangener Exstirpation des Lendenmarkes, noch deutlicher jene von Ribbert?) über Milchsekretion einer ins Ohr implantierten Milehdrüse. Auch Basch°), der früher einen Zusammenhang auf nervösem Wege an- zunehmen geneigt war, hat diese Ansicht endgültig fallen gelassen. Ebensowenig wie der Nerveneinfluss können die seinerzeit von W.A. Freund) als ausschlaggebend betrachteten Änderungen der Zirkulationsverhältnisse nach der Geburt heute allein als auslösendes Moment in Frage kommen, wenn sie auch als unterstützend für den Transport der die Milchsekretion anregenden chemischen Substanzen 1) Fr. Goltz und J. R. Ewald, Pflüger’s Arch. Bd. 63 S. 385. 1896. 2) Ribbert, Arch. f. Entwicklungsmech. Bd.7. 1898. Zitiert nach Boucha- court, Compt. rend. Soc. de biol. 1. fevr. 1902. 8) Basch, Verhandl. d. Naturforschervers. zu Hamburg. 1901. — Basch, Ergebn. d. Physiol. Bd. 1 S. 325. 1903. 4) W. A. Freund, Jahresber. d. schles. Gesellsch. f. vaterländ. Kultur 8.139. 1860. Referiert in Lubarsch-Ostertag Bd. 3 (2) S. 179. 532 Richard Lederer und Ernst Pribram: in Betracht kommen. Es unterliegt nämlich heute keinem Zweifel mehr, dass die Anregung der Milchsekretion durch im Blute kreisende Stoffe erfolgt, deren Natur und Herkunft zu erschliessen Aufgabe der heutigen Forschung ist. Eine Reihe von Untersuchungen [Röhrig!), Stumpf?), Hammerbacher?°), Cornevin‘) u. a.] haben aus diesem Grunde mit verschiedenem Erfolge versucht, die Milchsekretion durch chemische Agenzien anzuregen, welche erfahrungsgemäss auf die Sekretion anderer Drüsen fördernd wirken (z. B. Pilocarpin). Andere Forscher suchten der Frage näherzukommen, indem sie die Ausfalls- erscheinungen nach Exstirpation einzelner Organe beobachteten oder Transplantationen vornahmen oder endlich Gewebsextrakte aus jenen Organen subkutan oder intraperitoneal einverleibten. Auf diese Weise stellte z.B. Foges?) fest, dass es bei der Entwicklung der Mamma nur auf das Vorhandensein funktionstüchtiger Ovarien ankomme, dass aber für die Milchproduktion der Wegfall der Ovarialfunktion als auslösendes und steigerndes Moment in Betracht komme. Eine ähnliche, wenn auch nicht dieselbe Meinung spricht Cramer) über diesen Gegenstand aus. Knauer’) fand, dass bei Exstirpation der Ovarien die Brustdrüsen zugrunde gingen, bei erfolgreicher Trans- plantation aber erhalten blieben. L. Fraenkel°) sieht das Corpus luteum als eigene Drüse mit innerer Sekretion an und schreibt ihm einen gewissen Einfluss auf die Laktation zu. Bond?°) weist an langen Versuchsreihen Beziehungen, hauptsächlich antagonistischer Natur zwischen Uterus und Ovarium nach, ohne aber dem Einfluss dieser Organe auf die Brustdrüse genügend breiten Raum zu ge- währen. Knoepfelmacher!?) versuchte, von einem, wie wir heute wissen, richtigen Gedanken geleitet, dadurch Milchsekretion zu er- zeugen, dass er Tieren Serum injizierte, das von anderen, entweder 1) Röhrig, Virchow’s Arch. Bd. 67 S. 119. 2) M. Stumpf, Arch. f. klin. Med. Bd. 30 S. 201. 1832. 8) F. Hammerbacher, Pflüger’s Arch. Bd. 33 S. 228. 18834. 4) M. Ch. Cornevin, Compt. rend. Soc. de biol. 1891 p. 628. 5) A. Foges, Wiener klin. Wochenschr. 1908 Nr. 5 und Zentralbl. f. Physiol. Bd. 19 S. 233. 1905. — 6) H. Cramer, Münchner med. Wochenschr. 1906, Nr. 39 und 1909 Nr. 30. 7) Knauer, Arch. f. Gynäkol. Bd. 60 S. 322. 8) L. Fraenkel, Arch. f. Gynäkol. Bd. 68 S. 438. 9) C. J. Bond, British med. Journ. July 21. 1906. 10) W. Knoepfelmacher, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 56. 1902. Experim. Beitrag zur Frage über die Beziehung zwischen Placenta etc. 533 trächtigeen oder in der Geburt befindlichen Tieren stammte. Marshall!) sieht die Ursache für die Erregung der Milchsekretion in den Veränderungen, welche die Uterusschleimhaut während der Gravidität erleidet. In den letzten Jabren kam man von der Überzeugung, dass das Ovarium den entscheidenden Einfluss auf die Milchdrüse habe, allmählich ab und suchte in anderen Teilen des weiblichen Genitales diesen Faktor zu finden. Lane Claypon und Starling?) [vel. auch Bayliss und Starling°)] injizierten jungfräulichen Kanin- chen FExtrakte aus Ovarien, Uterus, Placenta und Föten, teils ge- trennt, teils in verschiedenen Kombinationen erst subkutan, dann intraperitoneal, und fanden, dass nur in jenen Fällen, in denen Fötalextrakt verwendet wurde, eine deutliche Hypertropbie der Brustdrüsen eintrat. Extrakte von Placenta allein blieben vollständig wirkungslos. Die Verfasser knüpfen an diesen Versuch die Theorie, dass das Wachstum der Brustdrüsen während der Schwangerschaft an einen chemischen Reiz gebunden ist, der vom befruchteten Ei ausgeht. Die Menge dieses „Hormons“ wächst mit der Grössen- zunahme des Fötus. Die Laktation tritt bei Entfernung dieser Substanz ein, der demnach ein hemmender Einfluss auf die Drüsen- zellen zugeschrieben werden muss. Hildebrandt?) gelangt auf Grund von Autolyse-Versuchen zu einer ganz ähnlichen Anschauung und spricht die Ansicht aus, dass die Milchdrüse im Momente der beginnenden Sekretbildung, also nach Ausstossung der Frucht, im- stande sei, Substanzen aus dem kreisenden Blute an sich zu reissen und zu verarbeiten, auf welche vordem das sich entwickelnde Ei grössere Anziehungskraft besas. Halban°’) kommt auf Grund eines grossen klinischen Materials zu dem Schlusse, dass das Ovarium „in geeigneten Fällen ganz ähnlich — nur in der Regel quantitativ schwächer wie die Placenta — und zwar nicht nur hyperplasierend auf das Mammagewebe, sondern auch hemmend auf dessen Sekretion“ wirkt, und „dass es nur die Placenta bzw. das Chorionepithel sein 1) Marshall, Phil. Trans. B. vol. 198. 1905. Zit. nach Hildebrandt, Hofmeister’s Beiträge Bd. 5 S. 464. 1904. 2) Lane Claypon and E.H. Starling, Proceedings of the Royal Society vol. 77 p. 505. 1906. 3) Bayliss und Starling, Ergebn. d. Physiol. 1906 S. 664. 4) Hildebrandt, Hofmeister’s Beiträge Bd. 5 S. 464. 1904. 5) Halban, Arch. f. Gynäkol. Bd. 75 8. 358. 534 Richard Lederer und Ernst Pfibram: kann, deren biologische Ausschaltung den Anstoss zur Milchsekretion gibt“. Basch!), der zu dem gegenteiligen Resultat kommt, injizierte einer Hündin, etwa einen Monat, nachdem die Milchsekretion ver- siegt war, Kochsalzextrakte menschlicher Placenten. 10 Tage später liess sich in allen Drüsen wieder Milch nachweisen, am meisten in jenen Drüsen, welche der Injektionsstelle am nächsten waren. Ferner injizierte er einer jungfräulichen Hündin Ovarien einer graviden Hündin und nach 8 Wochen Placentarextrakt. Es trat Milchsekretion ein, so dass junge Hündehen angelegt werden konnten. Bemerkens- wert mit Bezug auf unsere eigenen Erfahrungen ist, dass Basch neben der Erregung der Milehabsonderung noch andere Erscheinungen beobachtete, die das Befinden der Tiere wesentlich beeinträchtigten. Besonders giftig erwies sich das Glycerinextrakt und (der auch von uns verwendete) Presssaft aus Placenta. Schliesslich seien noch die Beobachtungen Bouchacourt’s°) erwähnt, der nach Verfütterung von Schafsplacenten eine Steigerung der Milchsekretion bei Frauen erzielte. Bouchacourt glaubt, dass die vielfach beobachtete Placentophagie der Tiere einen Einfluss auf die Milehsekretion habe, und dass es möglich sei, durch innerliche Verabreichung von Placenta Milchabsonderung hervorzurufen. Diese Beobachtungen konnte Fieux°®) in einer experimentellen Nachprüfung nicht bestätigen; M. de Sin6ty*) suchte Bouchacourt’s Ansichten durch theore- tische Überlegungen zu entkräften. Die folgenden Versuche sollen, angesichts dieser widersprechenden, sich über ein weites Arbeitsgebiet erstreckenden Beobachtungen die Frage entscheiden, ob auf dem Wege der Blutbahn mit Hilfe von Organextrakten die Milchsekretion beeinflusst werden kann, und welche Extrakte in diesem Sinne zu wirken vermögen, Wir haben es ver- sucht, mittels einer Methode, die seinerzeit von Röhrig?°), aller- dings zu anderen Zwecken (Pilocarpinwirkune, Inuervation der Brustdrüse usw.) angegeben wurde, die aber seither gänzlich in Vergessenheit geraten zu sein scheint, zunächst wenigstens diesen kleinen Teil der Frage experimentell zu bearbeiten. 1) Basch, Monatsschr. f. Kinderheilk. Bd. 8 S. 513. 1909. 2) Bouchacourt, Compt. rend. Soc. de biol. 1. fevr. 1902. 3) Fieux, Bullet. med. 1903 N. 66. Referiert in Berliner klin. Wochenschr. Literatur-Beilage 1904 Nr. 3. 4) M. de Sinety, Compt. rend. Soc. de biol. 22. feyr. 1902. 5) Röhrig, Virchow’s Arch. Bd. 67 5. 119. u Experim. Beitrag zur Frage über die Beziehung zwischen Placenta etc. 535 Unsere Versuchsanordnung lehnt sich an die von Röhrig angegebene an, unterscheidet sich aber von seiner darin, dass wir, um eine genauere Ablesung bzw. Messung der in einer bestimmten Zeit abgesonderten Milchmenge zu ermöglichen, die Milch in ein kalibriertes Steigrohr fliessen lassen, während Röhrig die pro Minute in die Vorlage fallenden Tropfen zählte. Wir verwendeten, wie dieser Autor, einen aus Silber ver- fertieten, an seinem vorderen Ende abgerundeten und im obersten Drittel mit mehreren Öffnungen versehenen, dünnen Katheter, der in den Ausführungsgang des Euters eingeführt wird. Mittels eines kurzen Schlauches ist der Katheter mit dem Steigrohr in Verbindung, das an seinen Enden je ein T-förmiges, verschliessbares Ansatzstück trägt, um nach Bedarf die das Steigrohr füllende Milch ablassen und so mittels eines kurzen und einfachen Handgriffes eine neuer- liche Ablesung des Standes der Milchsäule ermöslichen zu können. An das Steigrohr schliesst sich eine Vorlageflasche, in welche die sezernierte Milch abtropft. Ein Schlauch führt aus dieser Flasche zu einer, mit einer Voriage versehenen Wasserstrahlpumpe. Zu den Versuchen wurden ausschliesslich Ziegen verwendet. Dieselben haben, im Gegensatz zu vielen anderen Tieren, nur einen, ziemlich weiten, Ausführungsgang der Mamma. Der Gang ist für einen im Durchmesser 1—1,5 mm messenden Katheter gut passier- bar, besitzt einen kräftigen Schliessmuskel, der sich um den ein- geführten Katheter zusammenzieht und derart einen sicheren Ver- schluss nach aussen gewährleistet. Der Ausführungsgang mündet in einen ziemlich weiten Raum, eine Art Reservoir für die bereits ab- gesonderte Milch. Erst in diesen Raum münden die kleineren Milchgänge. Da die beiden Milchdrüsen der Ziege, sowohl was Ge- fäss- und Nervenversorgung betrifft, als auch in Bezug auf das eigentliche Drüsenparenchym vollständig gesondert sind, ist es mit Hilfe der angegebenen Methode möglich, den periodischen Saugakt durch einen kontinuierlichen zu ersetzen und auf diese einfache Weise die Milchsekretion direkt zu beobachten, unter ähnlichen Ver- suchsbedingungen, wie sie die experimentelle Physiologie an vielen anderen drüsigen Organen mit Ausführungsgang anwendet. Die Ziege wird in Seitenlage auf einem ÖOperationstisch fest- gebunden. Es wird ein Euter zwischen den Hinterbeinen hervor- geholt; der Katheter, dessen Spitze gut eingeölt ist, wird unter 536 Richard Lederer und Ernst Pfibram: leicht drehenden Bewegungen in den Ausführungsgang eingeführt und mit dem Steigrohr verbunden. Hat das Tier längere Zeit die Jungen nicht saugen lassen, so befindet sich immer eine grössere Milchmenge in dem oben beschriebenen Reserveraum. Die in Aktion gesetzte Wasserstrahlpumpe, deren Saugkraft aber immer nur ganz gering sein darf, entfernt rasch die angesammelte Milch. Nach einiger Zeit rückt die Milchsäule regelmässig in ganz kleinen Abständen vor. Die Ablesung geschah in halben Minuten derart, dass der Stand der Milchkuppe an der Teilung des Steigrohres vermerkt wurde. Trat eine Steigerung der Milchsekretion ein, so rückte die Milchsäule in der Zeiteinheit um vieles schneller vor, ja manchmal fand ein Ein- schiessen der Milch in das Steigrohr mit solcher Geschwindigkeit statt, dass dasselbe in der festgesetzten Zeiteinheit (*/s Minute) voll- ständig ausgefüllt war, und die Milch in die Vorlage abtropfte. Die in dieser Zeit abgesonderte Milchmenge wurde durch Messung des Inhaltes der Vorlage, berechnet auf das bekannte Volumen des ganzen Steigrohres und somit auch jedes seiner Teile, ermittelt. Nach Be- endigung des Versuches wurde die Differenz zwischen je zwei, in einer halben Minute gemachten Ablesungen berechnet und damit ein Maass für die in dieser Zeit sezernierte Milchmenge gewonnen. Diese Differenzen in einem Koordinatensystem, in dem die Zeit- einheiten auf der Abszissenachse aufgetragen sind, als Ordinaten ein- gezeichnet, ergeben das Bild unserer Figuren. Die Anwendung der Narkose haben wir in unseren Versuchen stets unterlassen. Die meisten Tiere verhalten sich während des Versuches ganz ruhig, einige pressen oder machen Befreiungsversuche. Durch diese brüsken Bewegungen können manchmal etwas grössere Milchmengen in das Steigrohr gepresst werden, ohne dass dieser Umstand auf Rechnung einer erhöhten Sekretion zu setzen wäre. Das Bild einer solchen Kurve (z. B. Kurve Nr. I) zeigt etwas grössere Schwankungen der in den Ordinaten verzeichneten, in halben Minuten sezernierten Milchmengen. Eine wirkliche Erhöhung der Sekretion manifestiert sich aber in einem raschen Emporschnellen der Sekre- tionsmenge. Die intravenöse Injektion der Extrakte wurde perkutan an den Öhrvenen vorgenommen. Nach dem oben Gesagten interessierte es uns zunächst, die Wirkung von Placentarextrakten auf die Milchsekretion mittels der eben geschilderten Versuchstechnik zu studieren. Wir verwendeten Experim. Beitrag zur Frage über die Beziehung zwischen Placenta etc. 537 zu diesem Zweck frische Ziegenplacenten, die den Tieren unmittelbar nach dem Wurf weggenommen worden waren. (Ziegen fressen in der Regel, so wie viele andere Tiere, die eigene Placenta bald nach der Geburt.) Die Art der Bereitung des Extraktes und der Grad der Verdünnung ist bei den einzelnen Versuchsprotokollen angegeben. Der Raumersparnis wegen veröffentlichen wir nur die wichtigsten und typischen Kurven, ebenso nur einzelne unserer Versuchsprotokolle, da bei den öfter wiederholten Versuchen jeder Art die Resultate immer dieselben waren. Versuch vom 8. März 1910. Eine ganz frische Ziegenplacenta wird vormittags in der Fleischmaschine zerhackt. 10 g werden mit 10 ccm 0,9°/oiger NaQl-Lösung gut durchgeschüttelt, bleiben bis 4 Uhr nachmittags bei Zimmertemperatur stehen, werden nochmals gut durchgeschüttelt, durch Seide koliert und durch Papier zweimal filtriert — Extrakt I. Von diesem Extrakt wird je eine zehnfache und fünffache Verdünnung hergestellt. Ziege Il, keine Narkose. Zum Versuche wird das linke Euter verwendet, die darin angesammelte Milch abgesaugt. ; Beginn des Versuches um 6 Uhr 30 Min. Ablesung in halben Minuten. Beobachtungszeit vor der Injektion 23 Min. Durchschnittlich pro halber Minute sezernierte Milchmenge am Steigrohr in Längeneinheiten abgelesen, entsprechend 5 mm‘). 6 Uhr 53 Min. Intravenöse Injektion von 1 ccm des zehnfach ver- dünnten Extraktes I. Während der darauffolgenden Beobachtungszeit von 10 Min. werden durchschnittlich Mengen von entsprechend 1,5 mm sezerniert. 7 Uhr 5 Min. 30 Sek. Injektion des fünffach verdünnten ExtraktesI. Während der darauffolgenden 4 Minuten steht die Sekretion still. Von 9 Min. 30 Sek. bis 10 Min., also 4'/a Min. nach der Injektion, werden entsprechend 332 mm, von 10 Min. bis 10 Min. 30 Sek. weitere 60 mm entsprechende Mengen sezerniert. Nach 2 Min. kehrt die Sekretion wieder zur Norm zurück, so dass in der noch 4 Min. währenden Beobachtungszeit durchschnittlich je 4,5 mm pro halber Minute abgelesen werden. Versuch vom 9. März 1910. Neben anderen Versuchen wurde das fünffach verdünnte Extrakt I vom Vortage, das in der Zwischenzeit in Salz-Eismischung eingefroren war, zum Ver- suche verwendet. 1 Ziege II. Keine Narkose. Aus dem linken Euter wird die Milch abgesaugt. Beginn des Versuches 6 Uhr 9 Min. Beobachtungszeit vor der Injektion 17 Min. 1) Das Volumen unseres 50 cm langen Steigrohres beträgt 4 ccm; das Volumen einer zwischen zwei Millimeter-Teilstrichen befindlichen Milchsäule be- trägt daher 0,008 ccm. Man braucht daher nur jede der folgenden Zahlen mit 0,008 zu multiplizieren, um das Volumen derjeweilig sezernierten Milchmenge zu erhalten. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 36 DI Richard Lederer und Ernst Pfibram: Durchschnittlich pro halber Minute sezernierte Milchmenge im Steigrohr ent- sprechend 4 mm. 7 Uhr 3 Min. Intravenöse Injektion des fünffach verdünnten Extraktes I. Nach 7 Min. Ablesung von 47 mm in Y/a Min. Nach einer halben Minute Rückkehr zur Norm, durchschnittlich 1,5 mm pro halber Minute. Versuch vom 1. März 1910. ' Frische Ziegenplacenta wird am 25. Februar in der Fleischmaschine ge- hackt, in der Reibschale zerrieben und auf Eis gestellt. 10 g dieses Breis werden am Versuchstage mit 10 ccm 0,9%/oiger NaCl-Lösung durchgeschüttelt und nach mehrstündigem Stehen bei Zimmertemperatur durch Seide koliert und durch Papier filtriert. Ziege I. Zum Versuche wird die linke Zitze verwendet, aus der die über- schüssige Milch abgesaugt wird. Das Tier ist während des ganzen Versuches ziemlich unruhig, presst und macht Befreiungsversuche. Die pro halber Minute schon vor der Injektion abgesonderten Milchmengen sind daher grösser als in anderen Versuchen, doch ergibt die Injektion des Placentarextraktes eine eklatante Steigerung der Milchsekretion. Die graphische Darstellung dieses Versuches ist in Kurve Nr. I wiedergegeben. Beginn des Versuches um 5 Uhr 2 Min. 30 Sek. Beobachtungszeit vor der Injektion: 14 Min. Durchschnittlich pro halber Minute abgesonderte Milchmenge am Steigrohr: entsprechend 6,5 mm. 5 Uhr 17 Min. Intravenöse Injektion von 1 ccm Placentarextrakt. Durch 2 Min. hält sich die Sekretion auf der eben angegebenen, durchschnittlichen Höhe, 5 Uhr 19 Min. steigt sie auf 23, 19 Min. 30 Sek. auf 96 mm, hält sich in den nächsten Halbminuten auf 42 bezw. 22 mm, um 4 Min. nach der Injektion auf einen Durchschnittswert von 6 mm pro halber Minute zurückzukehren. ‚Diese drei Protokolle als Beispiele zahlreicher Versuche dieser Art mögen zeigen, dass die intravenöse Injektion frischer Placentarextrakte in verschiedenen, nicht allzu hohen: Kon- zentrationen nach 3—7 Minuten eine deutliche Steigerung der Milchsekretion hervorzurufen imstande ist, die /e—2 Minu- ten später der vor der Injektion bestimmten, durchschnittlichen niedrigen Sekretionsmenge Platz macht. Während der allerersten Versuche, da uns eine genügend sichere Konservierung der Extrakte nicht bekannt war, war es auffallend, dass die Extrakte nach einigen Tagen in ihrer Wirkung schwächer wurden, so dass zur Erzielung desselben Fffektes viel höhere Kon- zentrationen angewendet werden mussten. Nach 2—3 Wochen waren die Extrakte vollständig unwirksam. Nun ist es bei der Schwierig- keit, Ziegenplacenten zu beschaffen (abgesehen. von der relativen Seltenheit dieses Materials, sind ja die Versuche an eine bestimmte Jahreszeit gebunden), notwendig, die Placenten in ihrer Wirksamkeit Experim. Beitrag zur Frage über die Beziehung zwischen Placenta etc. 539 zu erhalten. Wir erreichten diesen Zweck am besten dadurch, dass wir die Extrakte in einer Salz-Eismischung eingefroren hielten und dieselben erst knapp vor dem Versuche auftauten. Um den Verlust der Wirksamkeit zu zeigen, diene folgendes Protokoll als Beispiel. Versuch vom 5. März 1910. Eine am 25. Februar erhaltene, also 9 Tage alte Placenta (ihre Wirksamkeit wurde im unmittelbar vorstehenden Protokoll vom 1. März dargetan) stand während dieser Zeit in einem mässig gekühlten Raum (ca. 10%. 10 g des Breis werden mit 10 cem 0,9°/oiger NaCl-Lösung geschüttelt, durch Seide koliert und durch Papier filtriert. Ziege I, linkes Euter. Beginn des Versuches um 5 Uhr 6 Min. Beobachtungszeit vor der Injektion 18 Min. Durchschnittlich pro halber Minute sezernierte Milchmenge am Steig- rohr entsprechend S mm. 5 Uhr 24 Min. 30 Sek. Intravenöse Injektion von 2 ccm Placentarextrakt. Nach 10 Min. dauernder Beobachtung keine Steigerung der Milchsekretion, sondern Verbleiben auf einem Durchschnittswert von 6 mm. Der Verlust der Wirksamkeit der Placentarextrakte lässt sich auch auf andere Weise demonstrieren. 1 ccm eines frischen, 160 fach verdünnten Placentar- extraktes (Versuch vom 12. März 1910) einem Kaninchen in die Ohrvene injiziert, bewirkt den sofortigen Tod des Tieres. 1 ccm eines 25 Tage alten, zehnfac verdünnten Extraktes (Versuch vom 13. April 1910) einem gleich schweren Tier intravenös injiziert, bleibt ohne Wirkung. Aus den eben geschilderten Versuchen geht hervor, dass das wirksame Prinzip der Placentarextrakte sehr labil ist und schon durch längeres Stehenlassen bei ungenügender Kühlung ver- loren geht. Nur durch Einfrieren der Extrakte lässt sich deren Wirksamkeit längere Zeit erhalten. Um in exakter Weise den Verlust der Wirksamkeit der Placentar- extrakte durch physikalische Eingriffe nachzuweisen und damit der Natur ihres wirksamen Prinzipes näherzukommen, erwärmten wir die Aus- zuge durch Ya—1 Stunde auf 60°C. und versuchten, mit denselben Milchsekretion hervorzurufen, während wir Placentarextrakte, in gleicher oder sogar geringerer Menge und Konzentration, aber ohne diese Vorbehandlung intravenös injiziert, als Kontrollen verwendeten. Versuch vom 6, April 1910. Eine frische, am 22. März gelieferte Placenta wird noch am selben Tage zerrieben, durch Seide koliert und in täglich gewechselter Salz-Eismischung ein- gefroren. Am Versuchstage wird eine 1Ofache Verdünnung des Extraktes her- gestellt und filtriert. Die Hälfte des Filtrates wird durch eine Stunde auf 60—65° erhitzt und nochmals filtriert, die andere Hälfte als Kontrolle verwendet. Graphische Darstellung des Versuches in Kurve Nr. Il. 36 * 540 Richard Lederer und Ernst Pfibram: Ziege III, linkes Euter. Beginn des Versuches: 6 Uhr 31 Min. Be- obachtungszeit vor der Injektion: 8 Min. Durchschnittlich pro halber Minute ab- gesonderte Milchmenge am Steigrohr: entsprechend 2 mm. 6 Uhr 39 Min. Intra- venöse Injektion von 2 ccm 1lOfach verdünnten, durch 1 Stunde auf 60—65° 'erwärmten Placentarextraktes: Im Laufe der nächsten 18 Min. keine Steigerung der Milchsekretion, sondern Verharren auf einem Durchschnittswert von 1,8 mm. 6 Uhr 58 Min. Intravenöse Injektion 1,5 ccm 10fach verdünnten nicht erwärmten Placentarextraktes: Nach einer Minute Sekre- tion von 48, in der nächsten halben Minute von entsprechend 10 mm. Nach 2 Min. Rückkehr zur Norm. Folgende Beobachtungszeit: 9 Min. Durchschnittswert der Sekretion: 1 mm. Dieser Versuch zeigt, dass einstündiges Erwärmen auf 60—65° C genügt, um die milehsekretionsfördernde Wir- kung des Placentarextraktes aufzuheben. Es war nun von Interesse, festzustellen, ob diese, die Milch- absonderung fördernde Wirkung nebst anderen, später noch zu be- sprechenden Eigenschaften nur der Placenta oder auch anderen, besonders zellreichen Organen zukäme. Wir verwendeten, um diese Frage zu entscheiden, Extrakte aus Ovarium und Leber. Die Ver- suche mit Ovarialextrakt fielen nicht eindeutig aus. Da die Organe verhältnismässig klein sind und relativ viel Bindegewebe besitzen, konnten nur sehr geringe Mengen wirksamen Extraktes gewonnen werden. Die Hälfte der Versuche fiel vollständig negativ aus, d. h. es fand keine Steigerung der Milchsekretion statt, während in der anderen Hälfte der Experimente nur in einem Versuche, bei welchem ein Versuchsfehler nieht mit Sicherheit auszuschliessen war, eine geringe Vermehrung der Milchabsonderung eintrat. Keinesfalls aber erfolgte nach intravenöser Injektion von Ovarialextrakt eine so deut- liche und auffallende Steigerung der Sekretion, wie dies nach Injektion von Placentarextrakt mit Regelmässigkeit stattfand. Die Versuche mit Leberextrakt ergaben in eindeutiger Weise ein negatives Resultat, d. h. die Milchabsonderung erfuhr keine Vermehrung. Versuch vom 21. Mai 1910. Eine am 19. Mai einer eben geschlachteten Ziege entnommene Leber wird zerhackt und durch Leinwand koliert. Ein Teil wird an diesem Tage verwendet, während der Rest, in Salz-Eismischung eingefroren, aufbewahrt wird. Am Ver- suchstage Herstellung einer 10fachen Verdünnung, Filtration derselben. (Dar- stellung des Versuches in Kurve Nr. III.) Ziege IV, rechtes Euter. Beginn des Versuches um 7 Uhr 32 Min. Be- obachtungszeit vor der Injektion: 41/2 Min. Experim. Beitrag zur Frage über die Beziehung zwischen Placenta etc. 541 Durchschnittlich pro halber Minute sezernierte Milchmenge: entsprechend 2 mm (Ablesung am Steigrohr). 7 Uhr 36 Min. 30 Sek. J. v. Injektion von 2 cem 10fach erdanaten Leber- extraktes. Während der darauffolgenden Beobachtungszeit von 10 Minuten keine ‚Steigerung der Milchabsonderung. Unmittelbar nach Beendigung dieses Versuches wird einem 1 kg schweren Kaninchen 1 ccm des zehnfach verdünnten Leberextraktes in die Ohrvene injiziert — ohne Wirkung. Die gleiche Menge Placentarextrakt hätte das Tier sofort getötet. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass Ovarialextrakt mit Wahrscheinlichkeit, Leberextrakt mit Sicherheit keine fördernde Wirkung auf die Milehabsonderung ausübt, dass somit diese Wirkung für Placentarextrakt spezifisch ist. Nun haben wir — in Analogie mit zahlreichen anderen Be- obachtern — die Wahrnehmung gemacht, dass die intravenöse Injektion von Placentarextrakt noch andere Wirkungen ausübt. Es gelang uns, mit Hilfe unserer Versuchsanordnung insbesondere die zeitlichen Beziehungen zwischen dem Eintritt der Milchsekretion und dem Eintritt anderweitiger Erscheinungen festzustellen, sowie die Ab- hängigkeit dieser beiden Wirkungen von der Quantität des injizierten ’Extraktes darzutun. Versuch vom 24. Mai 1910. Eine am 22. Mai abends gelieferte frische Placenta wird zerhackt und durch Seide koliert. Der Presssaft wird mit 0,9%eiger NaCl-Lösung 20 bzw. 10fach verdünnt und filtriert. (Graphische Darstellung des Versuches in Kurve Nr. IV.) Ziege IV, keine Narkose, linkes Euter, aus dem die Milch abgesaugt wird. Beginn des Versuches um 4 Uhr 29 Min. Beobachtungszeit vor der ersten In- jektion: 5'/g Min. Durchschnittlich pro halber Minute sezernierte Milchmenge entsprechend 1 mm (am Steigrohr). 4 Uhr 34 Min. 30 Sek.: Intravenöse Injektion von 1,5 ccm 20 { ach ver- dünnten Placentarextraktes. Im Laufe der nächsten 12 Minuten keine Steigerung der Milchsekretion, sondern Verharren auf einem Durchschnittswert von 0,8 mm. f 4 Uhr 46 Min. 30 Sek.: Intravenöse Injektion von 2 ccm 10fach ver- dünnten Placentarextraktes. Nach 2 Min. schiesst die Milch in das Steigrohr mit grosser Schnelligkeit ein, füllt die Vorlagen aus und tropft in die Flasche ab. Diese starke Sekretion dauert 2 Min. an. Die nachträgliche Messung und Umrechnung ergab, dass in diesen 2 Min. pro halber Min. durchschittlich 417 mm sezerniert 549 Richard Lederer und Ernst Pfibram: wurden. In den darauffolgenden 8 Min. kehrte die Milchsekretion wieder zur Norm zurück. Eine Minute nach dem Einschiessen der Milch begann das Tier unruhig zu werden, schrie einigemal auf, war stark dyspnoisch. Gleichzeitig er- folgte Kotabgang. 4 Uhr 58 Min. 30 Sek. trat eine neuerliche Steigerung der Milch- sekretion ein, so dass in den nächsten Halbminuten Mengen abgesondert wurden, welche Werten von 140 bzw. 180 und 190 mm entsprachen, worauf dann end- gültig wieder normale Durchschnittswerte von 2 mn eintraten. Auch während dieser zweiten Periode vermehrter Milchabsonderung war das Tier sehr stark dyspnoisch, zeigte Nasenflügelatmung, hatte wiederholt Harn- und Kotabgang und zeigte später auch Speichelfluss.. Der Zustand des Tieres ver- schlimmerte sich rapid. Das Tier verendete ungefähr 1 Stunde nach der letzten Injektion. Die sofort vorgenommene Obduktion zeigt die Lungen in kollabiertem Zu- stande, das Herz in Diastole. In den Venen war flüssiges Blut. An der drei- zipfeligen Klappe, ebenso in beiden Arteriae pulmonales je ein kleines, dem Aus- guss einer Gefässverzweigung entsprechendes Blutgerinnsel. Starke Hyperämie des Darmes. Versuch vom 8. März 1910 (auszugsweise). Eine ganz frische Ziegenplacenta wird zerhackt, mit der gleichen Menge 0,9%Yoige NaCl-Lösung verdünnt, durch Seide koliert und durch Papier zweimal filtriert. Ziege I, linkes Euter. Vor der Injektion normale Durchschnittswerte. »d Min. nach intravenöser Injektion von 2 ccm des Placentarextraktes schiesst die Milch in das Steigrohr ein, dieses sowie die Vorlageflasche ausfüllend. Unmittel- bar darauf wird das Tier unruhig, schreit wiederholt auf. Nach 2—3 Min. be- ginnt ein immer heftiger werdender Nystagmus, gleichzeitig starke Dyspnöe und reichlicher Speichelfluss. Die Haut fühlt sich heiss an. Wiederholter Harn- und Kotabgang. — Tags darauf ist das Tier stark dyspnoisch, hat aufgetriebenen Leib und profuse Diarrhöen. Mittags 1 Uhr, also 19 Stunden nach der Injektion des Placentarextraktes, verendet das Tier. Die Obduktion ergab Lungenembolien, das Herz in Diastole, das Blut in den grossen Gefässen nicht geronnen und schwer gerinnbar. Enorme Hyperämie des Darmes und der Nieren. Die Analyse dieser Versuche im Zusammenhang mit den oben wiedergegebenen Protokollen ergibt also, dass die Wirkung des Placentarextraktes quantitativ abgestuft ist. Nur nach In- jektion geringer Mengen tritt allein die milchsekretionsbefördernde Wirkung auf, während bei Injektion höherer Dosen sich auch die anderen, schon von anderen Autoren beschriebenen Erscheinungen, besonders die eminent blutgerinnungsfördernde Eigen- schaft der Placentarextrakte geltend machen. Ob die gleichzeitig auftretenden Erscheinungen — Speichelfluss, Koliken, Harn- und Experim. Beitrag zur Frage über die Beziehung zwischen Placenta etc. 543 Kotabgang, Hitzegefühl der Haut — ebenfalls auf Blutgerinnung beruhen, mag dahin gestellt bleiben. Es erinnern diese Symptome an jenes Bild, das Cornevin!) nach subkutaner Injektion von Pilocarpin bei Kühen erzeugte, und es ist nicht undenkbar, dass auch die von uns erwiesene Steigerung der Milchsekretion durch ein ähnliches, in der Placenta enthaltenes Prinzip als Teilerscheinung einer Erregung aller Drüsen aufgefasst werden kann. Jedenfalls wird diese Tatsache zu berücksichtigen sein bei der Anwendung von Placentarextrakten als Laetagoga, wie dies in jüngster Zeit von Basch?) und früher schon von Bouchacourt?) vorgeschlagen wurde. Letzterer Autor fand nach Verabreichung von Schafsplacenta per os eine Steigerung der Milchsekretion bei Frauen. Gleichzeitig beobachtete er „deutliche purgierende Wirkung“. Es scheint also, dass das wirksame Prinzip der Placenta dem destruktiven Einfluss der Darmsäfte einigermaassen widersteht und seine Wirkung als Kolik erregendes Mittel auch bei innerer Anwendung behält. Wie aus einzelnen Bemerkungen in den Versuchsprotokollen ersichtlich ist, haben wir uns nicht nur mit der milchsekretions- erhönenden Eigenschaft der Placenta beschäftigt, sondern sind auch der für die Auffassung des Themas wichtigen Frage der blutgerinnungs- fördernden Wirkung dieses Organs näher getreten — eine Frage, die insbesondere-in ihrer Bedeutung für die Entstehung der Eklampsie schon vor uns zahlreiche Bearbeiter fand. [Ein zusammenfassender Literaturbericht über alle in dieses Kapitel einschlägigen Arbeiten, nebst einigen wertvollen experimentellen Beiträgen erschien kürzlich von F.Schenk*).] Wir behalten uns vor, in einer zweiten Arbeit auf dieses Thema zurückzukommen, ebenso wie es notwendig sein wird, die Wirkung intravenöser Injektionen der Extrakte anderer Teile der Genitalorgane, wie Uterusschleimhaut, Fötus usw., allein und in verschiedenen Kombinationen, an der Hand unserer Versuchs- anordnung zu studieren. Zusammenfassung. l. Die intravenöse Injektion frischer Placentarextrakte ruft in bestimmten Konzentrationen eine nach 3—10 Minuten eintretende, 1) M. Ch. Cornevin, Compt. rend. Soc. de biol. 1891 p. 628. 2) Basch, Deutsche med. Wochenschr. 1910 Nr. 21. 3) Bouchacourt, Compt. rend. Soc. de biol. 1. fevr. 1902. 4) F. Schenk, Zeitschr. f. Geburtshilfe und Gynäkol. Bd. 66 Heft 1. 1910. 544. R. Lederer u. E. Pfibram: Experim. Beitrag ete. — Berichtigung. nach weiteren !/„—2 Minuten wieder verschwindende Steigerung der Milehabsonderung hervor. 2. Placentarextrakt verliert durch Stehenlassen bei S—-10° C. in: 2—3 Wochen, ebenso durch Erwärmen auf 60—65 ° C. in !/’s—1 Stunde vollständig seine Wirksamkeit als milchsekretionsbeförderndes Mittel. 3. Diese Wirkung des Placentarextraktes ist organ-spezifisch,. d. h. wird von Ovarialextrakt mit Wahrscheinlichkeit, von Leber-' extrakt mit Sicherheit nicht hervorgerufen. 4. In grösseren Dosen injiziert, ruft Placentarextrakt nach enorm gesteigerter Milchsekretion Speichelfluss, Koliken, Harn- und Kot- absang, Hitzegefühl der Haut sowie vor allem starke Beförderung der Blutgerinnung hervor, die zur Thrombenbildung in den Injektions- venen und meist zur Loslösung dieser Thromben, Lungenembolie und damit zum früher oder später folgenden Tod des Tieres führt. Berichtigung zu meinen Abhandlungen in Pflüger’s Archiv Band 132 Seite 45 und 32. | Von F.B. Hofmann Auf S. 45, 52, 84 und 86 ist an Stelle von Loligo marmorata zu setzen: Loligo marmorae. Taf. I. Physiologie Bd 13% Pflügers Archiv für die ges Curve Ne IV. veyseis semia adwng — vayayyey — | A’ JUUNPyaA yoeJoL 5 Meulxauega] woaz — BYONSsEAyaHSWulg — vorayyey — ; Curve Nellll. BunBameg a4y8eyg3/ uyas — BunBemag „08,02 519 „08.91 von— A (Hlayınyaseßsne L:|) HDeuy4xsuejusnelg woo, — Bunbamag — waussısey — BYONSUBAYaNISL Bunßamag — Gurve Ne. SMIXI ,ShuS veuyejebnjuszen “soudsAg ayseıs "bueßbgeioy — vslauyasyny sebyewuyew "soudsAg ByYse/s'ayndun ‚85 S19,09,% Won Bueßgejoy — AI JUUNpyeA yoByoL HDOBu}XBaJejUsse|d WOIZ — BEIEITN velayiey uajayjey A JuunpusA YoeB40z Yaayey JDeujxausjussejg waag'ı — YINSUFZ +— A1DEULXBUEJUEDELJ WIOG.| + BunBamag — HWUEMUS „Gg jne apunjs | A JDeUIXSJEJUBIELJ WIOOZ — Curve Ne ll. E72 56 57 E77 50 545 (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Zur Regelung der Bewegungen durch das Zenträalnervensystem. IH. Mitteilung. Von R. Masnus. (Mit 5 Textfiguren.) Inhaltsverzeichnis. SR einleiten: Pat aan ara 1 Sr ne ee 545 2. Sind für das Zustandekommen der Schaltung nel? Nerven er- konderlichkiarss a re EEE I RE RR ER 547 SlsaVlersuchezaneHlundens."2 0.2.2... na 848 2 VEIREıE an Eee ee 997 e)QZusammenfassung der Ergebnisse . . : .... „NW. 967 3. Durch welche zentripetalen Nerven wird die Schaltung vermittelt? . . 567 TAN amImIERIASSUND. Imre layer dee ara cal er ea he ea eh) ehe 572 5. Über den zentralen Sitz der Schaltung . : - 2. 2 222220. 573 Seellertonische. Natur.der Schaltung. ».. „1... . „m nl aan 576 7. Die Rolle der Schaltung bei der Ausführung normaler Körperbewegungen 578 % Schanze WA RN ER ee 589 1. Einleitung. In zwei früheren Mitteilungen: „Zur Regelung der Bewegungen dureh das Zentralnervensystem“ habe ich über Versuche an Hunden !) und Katzen?) berichtet, in denen es möglich gewesen war, auf ein und denselben afferenten Reiz hin verschiedene und manchmal direkt entgegengesetzte Reflexbewegungen zu erhalten. Es hatte sich dabei ergeben, dass man den Reizerfolg nach Willkür beherrschen kann 1) R. Magnus, Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnerven- system. I. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 130 S. 219. 1909. 2) R. Magnus, Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnerven- system. II. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 130 S. 253. 1909. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 37 946 R. Magnus: durch die Lage und Stellung, welche man dem Gliede vorher gibt, an welchem der Reflex beobachtet werden soll. An dem Hinterbein des Rückenmarkshundes erfolet auf die verschiedenartigsten Reize (am besten von der kontralateralen Seite) bei gebeugtem Beine Streckung, bei gestrecktem Beine Beugung, nach Abduktion Adduktion und umgekehrt. Der Schwanz der Rückenmarkskatze schlägt auf Berührung der äussersten Spitze regellos nach allen Seiten, wenn das Organ sich vorher in symmetrischer Lage zur Körperachse be- fand; wird aber der Schwanz vorher nach irgendeiner Seite ab- gelenkt, so erfolgt nunmehr auf denselben Reiz ganz gesetzmässig die Bewegung nach der entgegengesetzten, d. h. der gedehnten Seite. Es wurde ferner auseinandergesetzt, dass dieses Resultat in beiden Fällen nicht auf der anatomischen Anordnung der Skeletteile und der Muskulatur beruhen kann (wofür in der vorliegenden Mitteilung noch weitere zwingende Beweise gebracht werden sollen), sondern auf „Schaltungen“ im Zentralnervensystem bezogen werden muss. Für diese Schaltungen gilt in den bisher studierten Fällen die von v. Uexküll!) bei Wirbellosen aufgestellte Regel, dass in einem diffusen Zentralorgan die Erregung immer am leichtesten den Zentren derjenigen Muskeln zufliesst, welche sich im Zustand der grössten Dehnung befinden. Es stellt sich also die Peripherie das Zentral- organ selbst ein, und je nach dem wechselnden Zustand der Peripherie ist die Verteilung der Erregbarkeiten und Schaltungen im Zentrum eine andere. Die zweite Mitteilung schloss mit den Worten: „In welcher Weise nun es zustande kommt, dass durch die veränderte Lage des Gliedes eine veränderte Schaltung im Rücken- marke eintritt, kann aus den bisherigen Versuchen nicht abgeleitet werden. Die Frage, ob es wirklich die Dehnung der Muskeln ist, oder ob es die Gelenke sind, oder, was unwahrscheinlicher wäre, ob es die Haut ist, von der aus die Reaktion ausgelöst wird, und welche Nervenbahnen für diese Beeinflussung des Zentrums von der Peri- pherie her in Betracht kommen, ınuss durch besondere Versuche entschieden werden.“ Die Beantwortung dieser letzteren Fragen ist das Thema der vorliegenden Mitteilung. 1) J. v. Uexküll, Die ersten Ursachen des Rhythmus in der Tierreihe. Ergebn. d. Physiol. Bd. 3 (2) S. 1. 1904. Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. II. 547 2. Sind für das Zustandekommen der Schaltung zentripetale Nerven erforderlich? Wenn man die Frage entscheiden will, auf welchem Wege das Zentralnervensystem „erfährt“, dass irgendwelche Veränderungen in der Lage und Stellung der Glieder vorgenommen sind, so kann an zwei Möglichkeiten gedacht werden. Entweder es handelt sich um Reflexe. Durch die veränderte Lage und Stellung des Gliedes werden in der Haut, den Gelenken, den Sehnen oder den Muskeln sensible Nervenendigungen erregt, und von hier aus dem Zentral- nervensystem durch die hinteren Wurzeln Impulse zugeleitet, welche dort eine Änderung der Erregbarkeitsverteilung bewirken, mit dem Resultat, dass nun ein nachfolgender Reiz die Zentren anderer Muskeln in Erregung versetzen kann als vorher. Diese Annahme ist zwar weitaus die wahrscheinlichste, aber ist keineswegs die einzig mögliche. Man kann sich auch vorstellen, dass die Erreebarkeitsverteilung von den Muskeln aus beeinflusst wird auf dem Wege durch die zentrifugalen motorischen Nerven. Ob man nämlich ein Gegner oder ein Anhänger der Neuronenlehre ist, so wird man doch wenigstens zugeben müssen, dass motorisches Zentrum (Vorderhornzelle), motorischer Nerv und Skelettmuskel ein funktionell zusammengehöriges Ganze bilden, und es wäre immerhin vorstellbar, dass durch Zustandsänderungen in der Peripherie (im Muskel) die Erregbarkeit des Zentrums beeinflusst werden könnte. Ähnliche Vorstellungen sind durch v. Uexküll!) zur Erklärung der von ihm bei Wirbellosen beobachteten Schaltungen entwickelt worden. Ihre Übertragung auf das Wirbeltier schien mir im Beeinn dieser Untersuchungsreihe keineswegs eine Unmöglichkeit zu sein. Wissen wir doch, dass nach Fortfall zentripetaler Impulse noch rhythmische alternierende Bewegungen möglich sind, dass ein Hund mit einer asensiblen Pfote noch laufen, ein Tabiker noch gehen kann. Es war eben zu untersuchen, ob bei diesen Bewegungen asensibler Extremitäten sich noch solche Schaltungen und Umkehrphänomene nachweisen lassen, wie sie in den vorhergegangenen Mitteilungen beschrieben worden sind. Der Beantwortung dieser Frage dienen die in der ersten Hälfte der vorliegenden Arbeit geschilderten Ver- 1J.y.U e xküll, Studien über den Tonus. II. Die Bewegungen der Schlangen- sterne. Zeitschr. f. Biol. Bd. 46 S.1. 1904. Su 548 R. Magnus: suche. Das .Ergebnis derselben ist, dass nach Durchtrennung der zentripetalen Bahnen die untersuchten Schaltungen und Umkehr- reaktionen sich nicht mehr beobachten lassen. a) Versuche an Hunden. Die Versuche an Hunden bezwecken festzustellen, ob die in der ersten Mitteilung!) geschilderten Schaltungen nach Ausschluss der hinteren Wurzeln noch vorhanden sind. Es handelte sich um Tiere, denen das Rückenmark im unteren Thorakalteile durchtrennt war. Als reflexauslösende Bahnen konnten die Fasern für die oberfläch- liche und tiefe Hautsensibilität sowie für die Sehnen-, Periost- und Muskelempfindlichkeit benutzt werden. Der Reizerfolg wurde am kontralateralen Hinterbein beobachtet, und an diesem letzteren wurde auch durch die veränderte Stellung, die man dem Gliede gab, die Schaltung im Zentralnervensystem bewirkt. Dieses Glied, das „Erfolgsbein“ also, musste asensibel gemacht werden, und zwar So vollständig als möglich. Danach ergab sich folgender Versuchsplan: Einem gesunden Hunde werden zunächst intradural, um jede Mög- lichkeit einer Nervenregeneration auszuschliessen, die Hinterwurzeln der einen Seite im ganzen Lumbal- und Sakralmark durchtrennt. Die Wunde wird zur Heilung gebracht und abgewartet, bis das asensible Bein wieder in der bekannten „ataktischen“ Weise zum Gehen benutzt wird. Wenn die Motilität des Beines sich völlig wiederhergestellt hat und die motorischen Apparate des Lenden- und Sakralmarks wieder in guter Weise funktionieren, wird die Sensibilität auf der operierten Seite sorgfältig bestimmt. Erst wenn sich ergibt, dass die operierte Pfote völlig asensibel ist und bleibt, wird die Querdurchtrennung des Rückenmarks im unteren Brustteile vorgenommen. Dann wird wieder gewartet, bis die Wunde geheilt ist und bis alle Shokerscheinungen zurückgegangen sind. Wenn die asensible Pfote danach wieder gute Motilität zeiet, können nunmehr von der sensiblen Pfote ‚gekreuzte Reflexe auf die asensible ausgelöst werden, und man kann untersuchen, ob sich durch veränderte Lage und Stellung der asensiblen Pfote noch die früher beschriebenen Schaltungsphänomene erzielen lassen. Nur wenn man in dieser allerdings langwierigen und etwas mühseligen Weise vorgeht, ist 1) R. Magnus, Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnerven- system. I. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 130 S. 219. 1909. Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. III. 549 man wirklich sicher, ein Objekt von guter Motilität und mit genau bekannter Sensibilitätsstörung zu haben. Diesen Anforderungen ge- nügen zwei Hunde, die ich im letzten Jahre operiert habe. Versuch 1. „Gerda“, weibl. junger Foxterrier. 27. November 1909. In Ätherchloroformnarkose wird der Wirbelkanal vom 13, Brustwirbel an bis weit ins Kreuzbein hinein eröffnet, die Dura der Länge nach gespalten und die hinteren Wurzeln vom Unterrande der letzten Rippe bis zum Ende des Rückenmarkes auf der rechten Seite durchschnitten. Dauer der Operation 1 Stunde. !/a Stunde später lässt sich links, nicht aber rechts der Patellarreflex auslösen. 4. Dezember. Bei Schlag auf die linke Kniesehne Bewegung des rechten Beines (erstes Auftreten gekreuzter Reflexe). 13. Dezember. Wunde geheilt. Wird der Hund frei hängend in der Luft gehalten, so führen beide Beine Spontanbewegungen aus. 17. Dezember. Beginnt auf vier Pfoten zu stehen und zu laufen. 28. Dezember. Erste kinematographische Aufnahme von Stehen und Laufen. Das Tier steht auf vier Pfoten, das rechte asensible Bein hat deutlichen Tonus, wenn auch weniger als das linke. Gelegentlich lassen sich spontane Beugebewegungen der rechten Pfote beobachten. Beim Laufen wird das rechte Bein meist auf dem Fussrücken nachgeschleift, führt aber gelegentlich einen Schritt aus, bei dem dann starkes Ausfahren nach der linken Seite auftritt. — In der Folgezeit entwickelt sich nun das bekannte Bild der Bewegungsstörung asensibler Extremitäten, wie es durch Baldi‘), Hering?, Muskens?), Bickel*) u. a. eingehend geschildert worden ist. 24. Januar 1910. Der Hund verwundet sich. seine asensible Pfote selbst. Die Heilung dauert bis zum 16. Februar. 19. Februar. Zweite kinematographische Aufnahme. Der Hund läuft ab- wechselnd auf drei und auf vier Pfoten, Schritt, Trab und Galopp. Dabei wird das Bein entweder auf dem Fussrücken nächgeschleift, meist macht es aber die Laufbewegungen mit. Diese werden mit Kraft ausgeführt, zeichnen sich durch Schnelligkeit und Exkursionsgrösse aus und haben einen ausfahrenden Charakter. Häufig ist eine abnorme Richtung der Bewegungen nach innen oder aussen zu bemerken. Treppensteigen möglich. Beim Stehen wird der Fuss oft durch plötzliche Beugebewegungen des rechten Beines vom Boden abgehoben. Steht 1) D. Baldi, Effetti della recisione delle radici posteriori sui movimenti. Lo sperimentale 1885 p. 265. (Zit. nach Bickel.) 2) H. E. Hering, Über Bewegungsstörungen nach zentripetaler Lähmung. Schmiedeberg’s Arch. Bd. 38 S. 266. 1897. 3) L. J. J. Muskens, Demonstration of exper. ataxia and its recovery. Journ. Boston Soc. med. scienc. vol. 11. 1298. 4) A. Bickel, Über den Einfluss der sensiblen Nerven und der Labyrinthe uf die Bewegungen der Tiere. Pflüger’s Arch. Bd. 67 S. 299. 1897. 550 R. Magnus: längere Zeit auf dem rechten Fussrücken oder lässt den Fuss über den Tisch- rand herabhängen, ohne die Stellung zu korrigieren. Der Tonus des rechten Beines ist hinreichend, um beim Gehen das Gewicht des Hinterkörpers allein zu tragen, aber deutlich geringer als links. Bei Schlag auf die linke Kniesehne erfolgt Beugung des rechten Beines in jeder Stellung. — Resümee: Die Motilität des asensiblen Beines hat sich nach der Operation wieder völlig hergestellt. 23. Februar. Bestimmung der Sensibilitätsgrenze des asensiblen Beines, deren Ergebnis mit drei früheren Bestimmungen am 19. Dezember, am 24. De- zember und am 17. Januar genau übereinstimmt. Die Grenze lässt sich besonders gut bestimmen, weil der Hund sehr scharf, besonders auf Kneifen mit einer Fig. 1. Pinzette reagiert. Zwischen je einer sensiblen und asensiblen Hautstelle wird auf dem weissen Fell mit schwarzer Farbe eine Linie gezogen und darauf das Tier photographiert. (Fig. 1). Das ganze rechte Hinterbein ist asensibel. Trotz mehrfacher Prüfung lassen sich auch keine kleinen sensiblen Inseln entdecken. Von dem Bein greift die gefühllose Hautpartie auf den Rumpf über, wo sie ebenfalls ein zusammenhängendes Ganze ohne Inseln bildet. Die Grenze verläuft von der Schwanzspitze genau medial an der Ventralseite des Schwanzes gegen den After, verläuft am Damm genau medial über die Vulva, dann am Bauche zunächst genau in der Linea alba, um zwischen letzter und vorletzter Mamilla etwas nach rechts auszubiegen und 1—1!/s cm neben der Linea alba herzulaufen. Einen Fingerbreit oberhalb der vorletzten Mamilla (etwas unterhalb des Nabels) biegt die Grenze dann scharf lateral um und verläuft um den ganzen Rumpf ziemlich genau in einer frontalen Ebene bis gegen die Wirbelsäule Die bei gestrecktem Hinterbein sich sehr scharf von der seitlichen Bauchwand abhebende Schenkelfalte wird von der Sensibilitätsgrenze etwa 1—2 Finger breit hinter ihrem Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. II. 551 kranialen Ansatze geschnitten. Am Rücken verläuft die Grenze dann wieder genau medial der Wirbelsäule folgend bis zur Schwanzspitze. Diese Sensibilitäts- grenze hat sich bei wiederholter Prüfung bis heute (2. Juli 1910) nicht geändert. Es erhebt sich nun die Frage, ob der gefundene Sensibilitätsausfall über- einstimmt mit der beabsichtigten Operation, der Durchschneidung aller lumbalen und sakralen Wurzeln. Über diesen Punkt bin ich in freundlichster Weise durch Prof. C. Winkler in Amsterdam aufgeklärt worden, der kürzlich gemein- sam mit G. van Rynberk die segmentale Verteilung der sensiblen Wurzeln in der Haut des Hundes untersucht hat!). Es kommen sehr zahlreiche Varietäten vor, die zum Teil mit Varietäten in der Zahl der Brust und Lendenwirbel zu- sammenhängen. Die daraufhin bei dem Hunde „Gerda“ vorgenommene Röntgen- untersuchung ergab, dass derselbe 13 rippentragende und 7 lumbale Wirbel besitzt, also normaie Skelettverhältnisse zeigt. Danach ist es nach Mitteilung von Prof. Winkler höchst wahrscheinlich, dass die von mir festgestellte Sensibilitätsgrenze die caudale Grenzlinie des 13. Thorakalnerven ist, und dass somit die erste hintere Lendenwurzel noch mit durchschnitten worden ist; die 2. Lumbalwurzel sei dagegen sicher durchtrennt. Über die segmentale motorische Innervation der Beinmuskeln durch die ersten vier Lendennerven beim Hunde liegen noch nicht sehr zahlreiche Unter- suchungen vor; Sherrington?) gibt nach drei Versuchen an, dass die Ver- hältnisse ähnlich liegen wie bei der Katze. Nach seinen Ergebnissen würde die 4. vordere Lendenwurzel den Hauptteil der Innervation des Iliopsoas liefern, die 3. sich auch noch deutlich daran beteiligen und die 2. Lumbalwurzel noch leichte Beugung des Oberschenkels bewirken können. Die 1. Lendenwurzel beteiligt sich nach diesen Versuchen nicht mehr an der motorischen Innervation des Beines. Aus dem Vorhergehenden folgt (wenn man berücksichtigt, dass die motorischen und sensiblen Nervenbahnen eines Muskels- ausnahmslos (Sherrington) im gleichen Niveau das Rückenmark verlassen), dass durch die vorgenommene Hinter- wurzeldurchschneidung sowohl die Haut als die Muskulatur des rechten Hinterbeines, soweit sie bei Bewegungen desselben in Mitleidenschaft gezogen werden können, vollständig asensibel gemacht worden sind. 3. März 1910. In Ätherchloroformnarkose wird der Rückenmarkskanal am 11. Brustwirbel eröffnet und das Rückenmark durchtrennt. Naht der Wunde in zwei Etagen. Nach 4 Stunden ist der Patellarreflex am linken Beine lebhaft. 5. März. Spontanbewegungen des rechten (asensiblen) Beines, aber noch keine gekreuzten Reflexe. 12. März. Gekreuzter Patellarreflex vom linken auf das rechte Bein aus- lösbar. _ 18. März. Gekreuzter Streckreflex von links nach rechts. l) Anm. bei der Korrektur: Ein Teil dieser Untersuchungen ist in- zwischen veröffentlicht: C. Winkler en G. A. van Rynberk, Exp. onderzoek. over segmenteelinnervatie van de huid van den hond. VI. — Sitzungsber. d. k. Akademie d. Wiss. in Amsterdam. Mat.-naturw. Abt. 25. Juni 1910. 2) C. S. Sherrington, Notes on the. arrangement of some motor fibres "in the lumbo-sacral plexus. Journ. of physiol. vol. 13 p. 621. 1892. 552 R. Magnus: ad 13. April. Erste Andeutung von Pendelbewegungen der Hinterbeine, wenn das Tier frei in der Luft gehalten wird. Dieses Pendeln ist vom 2. Mai ab deutlich und kräftig, wird durch Drücken des Schwanzes verstärkt und wird am 18. Mai und 22. Juni kinematographisch aufgenommen. Dabei ist zu bemerken, dass das asensible Bein des Rückenmarkshundes deutlich ataktische Bewegungen beim Pendeln ausführt. Die Bewegung beginnt mit einer kurzen Streckung des sen- siblen linken Beines, daran schliesst sich schnell, noch ehe die Streckung ihr Maximum erreicht hat, eine sehr schnelle, ausgiebige und stark nach der Seite ausfahrende Beugung des asensiblen rechten Beines an. Inzwischen ist das linke Bein wieder in Beugestellung zurückgekehrt, und das rechte wird wieder gestreckt. Die Beine bleiben nun einige Zeit ruhig hängen, bis ein neuer Zyklus beginnt!,. Von Anfang Mai ab sind alle möglichen Reflexe auf das asensible Bein mit grosser Leichtigkeit auszulösen: Schlag auf die linke Knie- sehne, Kneifen der linken Zehenballen (gekreuzter Streckreflex), Spreizen der linken Zehen (Extensorstoss), passive Beugungen und Streckungen des linken Beines oder einzelner seiner Gelenke, Kneifen des Schwanzes und viele andere an den sensiblen Körperstellen angebrachten Reize bewirken deutliche und kräftige Reflexbewegungen des asensiblen Beines. Reiben der Bauchhaut rechts kranialwärts von der asensiblen Zone bewirkt deutlichen Kratzreflex des rechten Beines. Es ist also bei unverändert bestehender sensibler Lähmung des rechten Beines seine Motilität in vorzüglicher Weise zurückgekehrt und ist jedenfalls ebenso lebhaft wie bei gewöhnlichen Rückenmarkshunden mit intakten hinteren Wurzeln. Nach der Durchtrennung des Rückenmarkes wurde der Hund im Laufe von 4 Monaten an 37 verschiedenen Tagen genau untersucht und an ihm alle die in der ersten Mitteilung ausführlich geschilderten Versuche über Schaltung und Reflexumkehr angestellt. Das Ergebnis war, dass in keinem einzigen unter vielen hundert Reflexversuchen sich irgendein Einfluss der Lage und Stellung, die dem rechten Beine gegeben wurde, auf die Reflexbewegungen des rechten Beines nachweisen liess. Die Durchschneidung der hinteren Wurzeln hatte alle die beschriebenen Schal- tungen vollkommen aufgehoben. Im einzelnen ergaben sich folgende Verhältnisse, wobei immer auf die Schilderung der normalen Versuchsergebnisse in der ersten Mitteilung zurück- verwiesen sei. Der gekreuzte Kniesehnenreflex (Schlag auf die linke Kniesehne, Bewegung des rechten Beines) war vom 12. März ab deutlich. In der überwiegenden Mehr- zahl der Fälle trat Streckung des rechten Beines auf, einerlei ob das Bein vor- her gebeugt oder gestreckt war. War Knie und Fussgelenk gestreckt, Hüfte 1) Diese Beobachtungen bestätigen die neuerdings von Sherrington (Flexion-reflex of the limb, crossed extension reflex and reflex stepping and standing. Journ. of Physiol. vol. 40 p. 28. 1910) gemachten Angaben und stehen im Gegensatz zu. denen von Philippson (Sur les phenomeönes consecutives & la section de la moelle et & l’ablation des racines posterieures. Bull. soc. roy. sc. med. et nat. Bruxelles. 2. Dec. 1907). Auch bei meinem Hunde hörte das Pendeln nach Festhalten des linken, nicht aber des rechten Oberschenkels auf. | Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. III. 553 gebeugt, so erfolgte Streckung der Hüfte. War das Bein in allen Gelenken ge- streckt, so liess sich vor allem eine weitere energische Streckung des Knies wahrnehmen. An fünf verschiedenen Tagen (also nur als seltene Ausnahmen) liess sich beim gekreuzten Kniesehnenreflex Beugung des rechten Beines beobachten. An einem Tage trat diese ausnahmslos in allen Versuchen ein, einerlei ob das rechte Bein sich in maximaler Beuge- oder Streckstellung befand. An vier anderen Tagen wurden sowohl Beuge- wie Streckbewegungen erhalten, regellos durch- einander und ohne dass die dem rechten Beine gegebene Stellung darauf irgend- einen Einfluss ausübt. So erfolgt z. B. sehr deutlich bei gebeugtem Beine weitere Beugung, manchmal auch Adduktion dazwischen. Auch Beugung der rechten Hüfte zusammen mit Streckung des Knies wird beobachtet. Diese Tatsachen zeigen, dass bei. dem Hunde sehr wohl die Möglichkeit besteht, beim gekreuzten Kniereflex mit Beugung oder Streckung zu reagieren, dass aber trotzdem die Schaltung durch veränderte Stellung des Gliedes nicht eintritt. Auf Kneifen der linken Pfote trat ausnahmslos der gekreuzte Streckreflex ein. Ebenso erfolgte beim Auslösen des Extensorstosses links immer Streckung des rechten Beines, einerlei in welcher Ausgangsstellung sich das Bein befand. Schnelle kräftige Beugung des tonisch gestreckten linken Knies bewirkte an zwölf verschiedenen Prüfungstagen Streckung des rechten Beines, wobei sich be- sonders das Kniegelenk beteiligte, an zwei Tagen wurde auch eine Adduktions- bewegung 'des Hüftgelenkes beobachtet, an einem Tage waren nur Beugereaktionen des rechten Beines zu erhalten, und an einem anderen Tage traten abwechselnd Beuge- und Streckreflexe auf, welche aber keine Abhängigkeit von der vorher dem Gliede gegebenen Stellung erkennen liessen. Streckung des gebeugten linken Knies hatte meist keine gekreuzten Reflexe zur Folge. An drei Tagen wurden Streckbewegungen, an einem Tage Beugebe- wegung rechts, vor allem des Knies erhalten, unabhängig von der Stellung des Gliedes. Schnelle Streckung des gebeugten linken Beines hatte an einem Tage immer und bei jeder Stellung Streckung, an drei anderen Tagen immer Beugung des rechten Beines zur Folge, an drei Tagen trat Adduktion im Hüftgelenk ein, an einem weiteren Tage abwechselnd Beugung und Streckung, ohne dass ein Ein- fluss der Stellung des rechten Beines sich hätte nachweisen lassen. An zwei Tagen endlich erfolgte, einerlei welches auch die Ausgangsstellung war, immer zuerst eine Beugung, der dann eine Streckung folgte; d. h. das rechte Bein führte einen ganzen Schritt aus. Reiben der Bauchhaut kopfwärts von der asensiblen Zone bewirkte stets und in zahlreichen Versuchen Beugung des rechten Beines, welches auch dessen Ausgangsstellung war. An diese Beugung schloss sich dann in vielen Fällen ein typischer Kratzreflex an. Die angeführten Tatsachen zeigen, dass bei dem Hunde das rechte asensible Bein zu allen möglichen Reflexbewegungen be- fähigt war. Trotzdem liess sich eine Schaltung durch veränderte Lage und Stellung des Gliedes nicht herbeiführen. Dieses ist um so bemerkenswerter, alsbeibestimmten Reflexenan einzelnen Tagen sehr wohl Beuge- wie Streckbewegungenzuerhalten waren; woraus sich ergibt, dass beide Reaktionen sehr gut hätten ein- 554 R. Magnus: treten können. Trotzdem liess sich in keinem einzelnen Falle ein Einfluss der Stellung des Gliedes auf den Reizerfolg nach- weisen. Resümee: Bei einem Hunde wird nach einseitiger intraduraler Durchschneidung aller Hinterwurzeln vom 1. Lumbalis abwärts die rechte Pfote samt der angrenzenden Haut des Rumpfes asensibel. Die Motilität stellt sich nach einiger Zeit in befriedigender Weise wieder her. Nunmehr wird das Rückenmark am 11. Brustwirbel durehtrennt. Nachdem die Shokerscheinungen geschwunden sind, pendelt der Hund mit beiden Hinterbeinen, von den sensiblen Körperstellen sind alle möglichen Beuge- und Streckreflexe auf das asensible Bein zu erhalten, es lässt sich aber ein schaltender Ein- fluss der Lage und Stellung des Gliedes auf die Richtung der Reflex- bewegung in keinem einzigen Falle mehr nachweisen. Versuch 2. „Eva“, weibl. junger Foxterrier. 13. November 1909. In Ätherchloroformnarkose wird der Wirbelkanal® vom Unterrand der letzten Rippe bis weit ins Kreuzbein hinein eröffnet, die Dura ge- spalten und rechterseits die Hinterwurzeln intradural vom ersten Lumbalnerven bis zum Schwanzmark durchtrennt. Operationsdauer 1'/a Stunden. Nach dem Erwachen aus der Narkose ist der Patellarreflex links deutlich, rechts fehlt er. 22. November. Versuche zu laufen. Gekreuzte Reflexe von links nach rechts. Willkürbewegungen des rechten Hinterbeines. 13. Dezember. Erste kinematographische Aufnahme von Stehen und Laufen. Das Tier steht auf vier Pfoten, wobei oft längere Zeit auf dem Fussrücken des rechten Hinterbeines, ohne die Stellung zu korrigieren. Das asensible Bein wird: oft abwechselnd gestreckt und gebeugt. Beim Gehen kann das asensible rechte Hinterbein zusammen mit dem linken Vorderbein kurze Zeit das Körpergewicht tragen. Beim Sitzen wird das asensible Bein meist tonisch gestreckt gehalten. Beim Laufen und Galoppieren beteiligt sich dasselbe und kann dabei wirksam mithelfen. Die Ataxie, das Ausfahren nach allen Richtungen ist aber so stark, dass der Hinterkörper gelegentlich zu Falle kommt und dann nachgeschleift wird. 29. Dezember. Zweite kinematographische Aufnahme. Beim Stehen wird der Stand auf dem asensiblen Fussrücken nicht korrigiert. Beim Traben und Galoppieren entwickelt der Hund eine ausserordentliche Lebhaftigkeit, er kommt dabei nur selten zu Falle. Auch beim Laufen tritt dabei die linke hintere Pfote oft mit dem Fussrücken auf, das ganze Bein macht noch stark ausfahrende Be- wegungen und kommt dabei oft auf die linke Seite hinüber (Kreuzen). Beim Galoppieren wird die Pfote zum Abspringen kräftig mit benutzt. — Resümee; Das asensible Bein hat nach der Operation eine vorzügliche Motilität wiedererlangt. 24, Januar 1910. Bestimmung und Photographie der Sensibilitätsgrenze (s. Fig. 2). Das Ergebnis stimmt mit den Bestimmungen vom 30. November, Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. III. 555 vom 10. Dezember und vom 24. Dezember 1909 vollkommen überein. Das ganze rechte Hinterbein ist asensibel, Patellar- und Beugereflex sowie Extensorstoss fehlen. Auf der ganzen Haut des Beines sind keine sensiblen Inseln zu entdecken. Auch die angrenzenden Partien des Rumpfes sind asensibel und zwar in etwas grösserer Ausdehnung als bei Hund „Gerda“ (Versuch 1). Die Grenze verläuft am Bauch in der Linea alba, an der Vulva, dem Damm, der medialen und dor- salen Seite des Schwanzes und am Rücken genau in der Mediallinie. Die kraniale Grenzlinie verläuft ungefähr in einer Frontalebene, und zwar beginnt sie zwei Finger breit unter dem Nabel, geht an den oberen Ansatz der Schenkelfalte und von da etwa drei Finger breit unterhalb des Rippenbogens und zwei Finger breit oberhalb des Darmbeinkammes gegen die Wirbelsäule. — Diese Sensibilitätsgrenze hat sich während der ganzen ferneren Dauer des Versuches nicht geändert. Fig. 2. Auch hier wieder verdanke ich Herrn Prof. Winkler die Aufklärung, wie die gefundene Sensibilitätsgrenze zu der beabsichtigten Operation stimmt. Der Hund hat nach dem Ergebnis der Röntgenuntersuchung dreizehn rippentragende Brustwirbel und sechs Lendenwirbel, die Hinterextremität ist gegenüber dem Rückenmark in „präfixer“ Stellung. Aus diesen Befunde ergibt sich im Zusammen- hang mit den Befunden Winkler’s und v.Rynberk’s, dass ausser sämtlichen caudalen, sakralen und lumbalen auch die 13. thorakale Hinterwurzel höchst- wahrscheinlich noch mit durchtrennt ist. Nach dem, was bei Gelegenheit der Besprechung von Versuch 1 angeführt wurde, ist es danach sicher, dass auch alle mit der hinteren Extremität in Beziehung stehenden Muskeln ihrer afferenten Bahnen völlig beraubt sind. Aus dem Vorhergehenden folgt, dass durch die vorgenommene Hinterwurzeldurchschneidung das ganze rechte Hinterbein mit 556 R. Magnus: allen Teilen, welche bei seinen Bewegungenin Mitleidenschaft gezogen werden können (Haut, Muskeln etc.), asensibel gemacht worden ist. Da ausserdem die Extremität eine ganz vorzügliche aktive Motilität in allen Gelenken und nachallen Richtungenhin zeigte, so schien nunmehr die Zeit für die Querdurchtrennung des Rückenmarkes ge- kommen, welche am 26. Januar 1910 in Ätherchloroformnarkose am 10. oder 11. Brustwirbel vorgenommen wurde. Eine Stunde nach der Operation war links ein starker Patellarreflex nachzuweisen. Auf Kneifen der linken Hinterpfote trat Bewegung der Zehen des rechten asensiblen Beines auf. 27. Januar. Schwacher Extensorstoss rechts. Dasselbe am 1. Februar, wo auch Spontanbewegungen beider Beine und deutliche gekreuzte Reflexe von links nach rechts wahrgenommen wurden. Von nun an stellen sich allmählich die Reflexe wieder her, und die Shokerscheinungen schwinden. "Bis Anfang Juli 1910 werden an 34 verschiedenen Tagen im ganzen 93 protokollierte Einzelversuche vor- genommen, bei denen sich die verschiedenen Reflexe auf dasrechte (asensible) Bein im einzelnen in folgender Weise verhielten: Bei Schlag auf die linke Kniesehne erfolgte anfangs meist Beugung, von Mitte März ab dagegen ausnahmslos Streckung, am stärksten im Knie, meist auch in den anderen Gelenken, manchmal begleitet von einer Adduktion im Hüft- gelenk. — Kneifen der linken Pfote bewirkte Streckung, am stärksten im Knie- gelenk, meist wurden auch die anderen Gelenke gestreckt, nur an einem Tage wurde Beugung des Fussgelenkes, an einem anderen des Hüftgelenkes notiert. — Wurde am linken Beine der Extensorstoss ausgelöst, so erfolgte anfangs Streckung- des rechten Beines. Von Mitte April ab wurde konstant eine sehr merkwürdige komplizierte Bewegung beobachtet, die aus Adduktion der Hüfte, Streckung des Knies und anfänglicher Beugung des Fusses mit nachfolgender Streckung des- selben zusammengesetzt war und zu einer Art Herumschleudern des Beines gegen den Bauch zu Anlass gab. Diese Bewegung trat ein, einerlei welches auch die Ausgangsstellung des rechten Beines war. — Beugung des tonisch gestreckten linken Knies bewirkte fast immer eine Adduktion der rechten Hüfte, wozu sich manchmal eine Streckung von Hüfte und Knie gesellte. — Beugung des gestreckten linken Beines in allen Gelenken führte zu Streckung des rechten Knies. — Streckung des gebeusten Knies bewirkte meist Beugung rechts. An einem Tage trat regellos Beugung oder Streckung ein, ohne dass sich hierauf ein Einfluss. der Stellung des rechten Beines hätte nachweisen lassen. — Streckung der gebeusten linken Hüfte wurde von Beugung der rechten Hüfte gefolgt. — Kneifen des Schwanzes bewirkte eine Beugung beider Beine in allen Gelenken, an welche sich nach dem Aufhören des Reizes eine kräftige Streckbewegung in allen Gelenken anschloss. — Reiben der Bauchhaut linkerseits führte zu Beugung des. rechten Fusses. Mit beiden Beinen werden beim Hängen Spontanbewegungen ausgeführt, dieselben steigern sich bei längerdauerndem Kneifen des Schwanzes zu lebhaften Zappel- und Strampelbewegungen, welche aber nicht so regelmässig alternieren, dass man von richtigem „Pendeln“ sprechen könnte. Der Tonus des asensiblen Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. II. 557 Beines ist meist geringer als der des anderen. An einzelnen Tagen konnte aber ein deutlicher Unterschied nicht festgestellt werden. Die angeführten Tatsachen zeigen, dass das asensible Bein des Rücken- markshundes eine vorzügliche Motilität besitzt, dass Reflexbewegungen in allen Gelenken und in allen Richtungen an ihm hervorgerufen werden können. Trotz- dem war das Ergebnis in bezug auf die uns hier interessierende Frage ein ein- deutig negatives. Niemals trotz vielfacher Bemühungen habe ich auch nur eine Andeutung davon auffinden können, dass die Lage und Stellung, die dem rechten Beine vor Auslösung eines Reflexes gegeben wurde, von irgendeinem Einfluss auf die Richtung war, in welcher diese Reflexbewegung erfolgte. Das Resultat war also vollkommen das gleiche wie bei dem Hunde von Versuch I, Die Durchschneidung der hinteren Wurzeln hatte alle die in der ersten Mit- teilung beschriebenen Schaltungen völlig aufgehoben. Resümee: Bei einem Hunde wird nach einseitiger intraduraler Durchschneidung aller lumbalen und sakralen Hinterwurzeln die rechte Pfote samt den angrenzenden Teilen der Rumpfhaut asensibel. Die Motilität stellt sich nach einiger Zeit in befriedigender Weise wieder her. Nunmehr wird das Rückenmark am 10.—11. Brustwirbel durch- trennt. Nachdem die Shokerscheinungen geschwunden sind, können alle möglichen Beuge- und Streckreflexe auf das asensibele Bein hervorgerufen werden; es lässt sich aber ein schaltender Einfluss der Lage und Stellung des Gliedes auf die Richtung der Reflexbewegung in keinem einzigen Falle mehr nachweisen. b) Versuche an Katzen. Die Versuche an Katzen bezwecken, festzustellen, ob die in der zweiten Mitteilung !) beschriebenen Schaltungsreaktionen nach Durch- schneidung der hinteren Wurzeln noch nachzuweisen sind oder nicht. Es handelte sich dabei um Katzen, die zuerst in tiefer Chloroform- narkose dezerebriert waren, und denen "/—1 Stunde danach das Rückenmark in der Höhe des 10.—12. Brustwirbels durchtrennt wurde. Dann entwickelte sich in kurzer Zeit eine hochgradige Reflexerregebarkeit des hinteren Rückenmarksabschnittes, wobei es auch zu sehr leicht auslösbaren und sehr kräftigen Reflexbewegungen des Schwanzes kam. Auf leichtes Kneifen der Schwanzspitze oder auch nur auf Berührung der Haare an dieser Stelle wird der Schwanz, wenn er sich in symmetrischer Lage zur Körperachse be- ER. Magnus, Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnerven- system. II. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 130 S. 253. 1909. 598 R. Magnus: findet, regellos nach allen Seiten bewegt. Sowie aber der Schwanz nach irgendeiner Seite von der Mittellinie abgelenkt wird, so ver- schwindet die Regellosickeit, und der Schwanz schlägt immer nach der gedehnten Seite. Es wurden eine ganze Reihe von verschiedenen Versuchsanordnungen geschildert, welche alle diese Regel ver- anschaulichen. In der anatomischen Anordnung liegt es begründet, dass die seitliche Ablenkung des Schwanzes die anuschaulichsten Resultate gibt. Die Bewegungen erfolgen, wenn der Schwanz als Ganzes in einer Richtung von der Mittellinie abgelenkt wird, vor allem an der Schwanz wurzel. Daher seien einige Bemerkungen über die anatomische Anordnung der Abduktoren (Seitwärtswender) des Schwanzes bei der Katze hier angeführt, wobei für ein genaueres Studium auf das Werk von Strauss-Durkheim!) und auf die vergleichende Untersuchung von Eggeling?) verwiesen sei. 1. Der wichtigste Abduktor der Schwanzwurzel ist M. spino-caudalis (Esgeling) — Ischio-caudal (Strauss-Durkheim) — M. abduktor caudae internus s. coceygeus (Ellenberger und Baum). Derselbe verläuft von der Spina ischiadica zu den Querfortsätzen der vier ersten Schwanzwirbel. 2. Ein weiterer Abduktor der Schwanzwurzel ist der Abduktor coceygis ext. (Ellenberger und Baum) — Longs-sus-intertransversaires de la queue (Strauss-Durkheim). Dieser entspringt am Becken an der Innenseite des Os Ilium gegenüber den Sakralwirbeln, ferner an den Seitenteilen der Sakral- wirbel selber und an den Seitenteilen der ersten Schwanzwirbel. Der Muskel inseriert an den Querfortsätzen der zwei letzten Sakral- und der vier ersten Schwanzwirbel. Entsprechende Muskeln setzen sich noch bis zum 9. Schwanz- wirbel, allmählich schwächer werdend, fort. Ausser diesen hauptsächlich die Schwanzwurzel abduzierenden Muskeln sind besonders von Strauss-Durkheim noch eine ganze Reihe von Muskeln beschrieben worden, welche mehr für die Abduktion des Schwanzes in seinem weiteren Verlaufe bestimmt sind, und welche in der Nomenklatur dieses Autors hier aufgezählt seien. -3. Longs-sous-plagio-transversaires und Longs-plagio-mamillaires (ent- sprechen zum Teil dem M. sacro-caudalis von Eggeling) entspringen an der Innenseite des Beckens von den drei sakralen Querfortsätzen und ferner von den Seitenteilen der zehn ersten Schwanzwirbel. Sie inserieren sich an den Seiten- teilen der Schwanzwirbel vom 5. abwärts bis zur Schwanzspitze. 1) H. Strauss-Durkheim, Anatomie descript. et compar. du chat. Paris 1845. 2) H. Eggeling, Zur Morphologie der Dammmuskulatur. Morph. Jahrb. Bd. 24 S. 405. 1896. Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. III. 559 4. Moyen-sous-plagio-transversaires entspringen lateral vom 2. und den folgenden Schwanzwirbeln und inserieren vom 6. Schwanzwirbel an abwärts. 5. Courts-sous-plagio-transversaires und Interplagiens caudaux sind kurze Muskeln zwischen den Seitenteilen der einzelnen Schwanzwirbel. Die Schwanzwurzel selber liegt bei der Katze dem Blicke ver- borgen am Ende des Rückens. Erst der 5. Schwanzwirbel befindet sich vertikal über dem After, und erst der 6. Wirbel liegt in dem- jenigen Teil, der dem unbefangenen Beobachter des Tieres als der Beginn des Schwanzes erscheint. Die Kenntnis der segmentalen motorischen Innervation des Katzenschwanzes verdanken wir hauptsächlich Sherrington!), der an 27 Katzen die vorderen Wurzeln gereizt hat. Er fand bei Tieren mit postfixem Typus des Plexus lumbosacralis auf Reizung der 8. thorakalen (1. sakr.) Wurzel: een a) Wire | Abduktion der Schwanzwurzel nach der 9. ” (2. e7] ) ” . D ereizten Seite. I | 5 | Bei Tieren mit präfixer Anordnung des Plexus ergab sich auf Reizung der 7. postthorakalen (7. lumb.) Wurzeln Bewegung der Schwanzwurzel nach der Reizseite. 8. A (1. sakr.) ns Dasselbe. > = () Mi Bewegung des Schwanzes nach der Reiz- seite. 10. = (Ba ee) -n Dasselbe. I; n Bewegung der Schwanzwurzel von der Reizseite weg. 12. 5 Bewegung des distalen Schwanzteiles nach der Reizseite. 13. A Bewegung der Schwanzspitze nach der Reizseite. Wie man sieht, kommen für die Bewegung der Schwanzwurzel das Sakralmark und die unmittelbar angrenzenden lumbalen und coceygealen Abschnitte des Rückenmarkes in Betracht. In diesem Gebiete muss also die Hinterwurzeldurchschneidung für den hier vorliegenden Zweck vorgenommen werden. Wie oben erwähnt wurde, diente als wichtigster Ort für die Auslösung der Schwanzreflexe die äusserste Schwanzspitze. Diese durfte also durch die Hinterwurzeldurchschneidung nicht mit asensibel 1) 0. S. Sherrington, Notes on the arrangement of some motor fibres in the lumbo-sacral plexus. Journ. of Physiol. vol. 13 p. 621. 1892. 560 R. Magnus: gemacht werden. Es waren also die allerletzten sensiblen Wurzeln im Sehwanzteile des Rückenmarkes bei der Operation zu schonen. Danach ergab sich nun der folgende Versuchsplan. Bei Katzen wurde der Wirbelkanal vom 4. oder 5. Lendenwirbel an abwärts unter Ätherchloroformnarkose eröffnet, mit Dura gespalten und die Hinterwurzeln beiderseits vom 5. Lumbalsegment abwärts durch- trennt, wobei nach Möglichkeit die allerletzten Wurzelfäden geschont wurden. Nach Heilung der Wunde wurde der Sensibilitätsausfall festgestellt und solange gewartet, bis der Schwanz und besonders die Wurzel wieder aktiv in kräftiger Weise nach allen Seiten bewegt werden konnte. Erst danach wurde dann die betreffende Katze ‘ dezerebriert und an ihr die Schwanzreflexe untersucht. Bei allen operierten Tieren wurde After, Damm, Vulva bzw. Scrotum nebst den unmittelbar angrenzenden Partien von Bauch und Rücken asensibel gefunden. Patellar- und Pfotenreflexe ver- hielten sich verschieden. Der proximale Teil des Schwanzes war in verschiedener Ausdehnung unempfindlich. Diese Unterschiede dürften, was die kraniale Grenze anbetrifft, weniger auf Verschieden- heiten in der Ausführung der Operation als auf den hochgradigen Variationen beruhen, welche mit prä- und postfxem Typus des Lumbosakralplexus und mit Variationen der Wirbelsäule zusammen- hängen. Im ganzen verfüge ich über drei Katzen, bei welchen die Operation in befriedigender Weise gelungen ist. Ausserdem werde ich noch zwei Versuche referieren, von denen der eine einen voll- ständig asensiblen, der andere einen zu wenig asensiblen Schwanz ergab. Das Ergebnis aller dieser Experimente an Katzen ist das- selbe wie das der Hundeversuche. Nach Durchschneidung der hinteren Wurzeln sind die früher beschriebenen Schaltungen vollständig aufgehoben. Durch die Ab- lenkung des Schwanzes von der Medianlinie wird die Richtung der Reflexbewegung nunmehr in keiner Weise mehr beeinflusst und bestimmt. h> Katze „Kees“. A 19. Dezember 1909. Ätherchlorofomnarkose. Eröffnung des Wirbelkanals vom 6. Lendenwirbel inkl. an abwärts. Intradurale Durchschneidung der beider- seitigen Hinterwurzeln bis ins Sakrum. Muskel- und Hautnaht. Borsäure-Kollo- dium-Verband. Heilung per primam. Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. III. 561 27. Januar 1910. Schwanzspitze 10 cm lang sensibel. Schwanzmitte und -wurzel (14,5 cm lang) vollständig asensibel. Ebenso Damm, After, Vulva. Die Sensibilitätsgrenze ist an der Linea alba 20 mm kranialwärts von der Spitze der Vulva, an der Streckseite des Oberschenkels links 35 mm, rechts 24 mm von der Spitze der Vulva. Sie zieht beiderseits lateral vom Tuber ischii nach dem Rücken hinüber und ist im der Gegend des Trochanter links 38 mm, rechts 40 mm von der Schwanzwurzel entfernt (Fig. 3). Patellar- und Berührungsreflexe an den Pfoten beiderseits vorhanden. Schwanz wird beim Gehen mit normalem Tonus getragen, wird spontan nach allen Seiten lebhaft bewegt. 1. Februar 1910. Versuch. 9 Uhr 50 Min Dezerebrierung in Chloroform- narkose. Danach gute Enthirnungsstarre aller vier Beine. 10 Uhr 45 Min. Durch- schneidung des Rückenmarks am 11. Brustwirbel. Sofort starke Reflexe des Hintertieres. In den folgenden drei Stunden werden nun sämtliche in der 2. Mit- teilung unter Nr. 1—6 geschilderten Schaltungsversuche!) wiederholt angestellt. A Rückenansicht. Fig. 3. B Bauchansicht. Das Ergebnis ist, dass der Schwanz auf Berührung seiner Spitze meist nach rechts schlägt, dazwischen aber auch gelegentlich ganz regellos nach links, dorsal- oder ventralwärts. Ein Einfluss der Lage und der Krümmung des Schwanzes auf die Bewegungsrichtung ist dabei nicht nachzuweisen. Mit Hilfe der Reflexe wird darauf die Sensibilitätsgrenze nochmals bestimmt, mit weisser Farbe auf das Fell gezeichnet und nach dem Tode photographiert (Fig. 3). Sektion: Wunde reizlos. Rückenmark nirgends verwachsen. Formolfixierung. 1) Nr. 1. Seitenlage. Schwanz hängt über den Tischrand: schlägt nach oben. — Nr. 2. Seitenlage. Schwanz über die Horizontale gehoben: schlägt nach unten. — Nr. 3. Seitenlage. Schwanz in der Mitte mit dem Finger ge- hoben: Wurzel schlägt nach unten oder Mitte nach oben. — Nr. 4. Seitenlage. Schwanz auf dem Tisch: schlägt nach oben. — Nr. 5. Hinterkörper symmetrisch, Bauch unten. Vorderkörper gedreht: Schwanz schlägt nach der Seite der Vorder beine. — Nr.6. Rückenlage. Schwanz auf dem Tisch, wird nach der Seite ab- gelenkt: schlägt nach der anderen Seite. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 38 562 R. Magnus: Versuch 4. Katze „Mieze“. 9. Februar 1910. Operation wie Versuch 3 vom 4. Lendenwirbel bis ins Sacrum. Gute Heilung. 5. März 1910. Schwanz tonisch nach oben getragen, kann aktiv nach beiden Seiten bewegt werden. Schwanzspitze bis etwas über die Mitte gut sensibel, proximale Hälfte völlig asensibel, ebenso die angrenzenden Teile der Bauch-, Rücken- und Oberschenkelhaut (s. Fig. 4). Patellarreflex rechts vorhanden, links abwesend. Beide Pfoten asensibel, das Tier hat sich am 17. Februar die linke Pfote bis zur Mitte des Unterschenkels abgefressen, was unter Perubalsam und einen Mull-Kollodiumstiefel zur Heilung gebracht wird. Läuft mit der anderen Pfote auf dem Fussrücken. Harnentleerung erfolgt wieder spontan. 10 Uhr 30 Min. Dezerebrierung in Chloroformnarkose. Nach Entwicklung guter Enthirnungsstarre Durchtrennung des Rückenmarks am 11. Brustwirbel. A Bauchansicht. Fig. 4. B Rückenansicht. In den folgenden 3'/a Stunden werden die Schwanzreflexe fortlaufend geprüft (Versuche 1, 4, 5 und 6 der 2. Mitteilung). Das Ergebnis ist, dass die dem Schwanz gegebene Lage ohne jeden Einfluss auf die Richtung der Reflexbewegung ist. Dagegen ist ein deutlicher Einfluss der Reizstelle zu konstatieren, indem auf Kneifen der äussersten Schwanzspitze der Schwanz immer nach rechts, auf Berühren der Haare an der Dorsalseite des Schwanzes dagegen meist nach links schlägt. Gelegentliche Ventralflexionen werden auch beobachtet. Niemals aber hat die dem Schwanz gegebene Stellung und Krümmung irgendeinen Einfluss auf die Richtung des folgenden Reflexes. Die Sensibilitätsgrenze wird nochmals be- stimmt, mit Farbe dem Tier auf das Fell gemalt und photographiert (Fig. 4). Sektion: Wunde gut geheilt. Rückenmark nirgends verwachsen und in gutem Zustand. Formolfixierung. Versuch 5. Katze „Het Y“. 13. April 1910. Operation wie Versuch 3, vom 5. Lendenwirbel inkl. bis Sacrum. Dabei leichte Verletzung der Hinterstränge in der Höhe des 5. Lenden- wirbels (also ausserhalb der für die Schwanzbewegungen in Betracht kommenden Rückenmarksregion). Vorzügliche Heilung. 11. Mai 1910. Schwanz wird mit gutem Tonus getragen, wird sowohl an der Wurzel, wie an der Mitte und Spitze aktiv nach links, rechts, ventral- und dorsalwärts kräftig bewegt. Die Schwanzspitze ist sensibel, die Schwanzwurzel Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. Il. 563 völlig asensibel, die Sensibilitätsgrenze liegt in der distalen Hälfte des Schwanzes. Vulva, Damm, Anus sowie die angrenzenden Partien von Bauch, Rücken und Oberschenkel asensibel (Fig. 5). Patellarreflex rechts vorhanden, links abwesend. Beide Pfoten asensibel. Das Tier läuft stark ataktisch und meist auf den beiden Fussrücken. Blase wird nur selten spontan entleert. 11 Uhr 40 Min. Dezerebrierung in Chloroformnarkose. Nach Entwicklung der Enthirnungsstarre wird 12 Uhr 12 Min. das Rückenmark am 13. Brustwirbel durchtrennt. Darauf sofort lebhafte Reflexe bei Berühren der Schwanzspitze. In den folgenden 2!/s Stunden werden die Schwanzreflexe (Versuch 1, 2, 3, 4, 5 und 6 der 2. Mitteilung) fortlaufend geprüft. Dabei erfolgt auf Berühren der Schwanzspitze sowohl wie auf Reizung von anderen Körperstellen (z. B. Druck l \ E J Fig 5A. Rückenansicht. Fig. 5B. Bauchansicht. (Auf !/e verkleinert.) (Auf !/a verkleinert.) auf die Lendenwirbelsäule) kräftiges Schlagen nach rechts, links, dorsal- oder ventralwärts. Manchmal wird die Schwanzmitte auch nach einer anderen Rich- tung bewegt als die Wurzel. In keinem Falle ist irgendein Einfluss der dem Schwanze vorher gegebenen Lage und Krümmung auf die Richtung der nach- folgenden Reflexbewegung nachzuweisen. Der nach links abgebogene Schwanz z. B. schlägt ebenso oft und kräftig nach links wie nach rechts. — Markierung der Sensibilitätsgrenze mit Farbe auf dem Fell des Tieres (Photographie s. Fig. 5). Sektion: Wunde tadellos geheilt. Im Rückenmark befindet sich in der Höhe des 5. Lendenwirbels ein kleiner dorsaler Erweichungsherd, dort auch die Dura etwas verwachsen. Übriges Rückenmark in gutem Zustande. Formolfixierung. Resümee von Versuch 3-5: Bei drei Katzen wurden intradural beiderseits die Hinterwurzeln im Sakralmark und den 38 *+ 564 R. Magnus: | angrenzenden lumbalen und coceygealen Rückenmarksabschnitten durehtrennt, die Wunde wurde zur Heilung gebracht, der Sensibilitäts- ausfall genau bestimmt. Derselbe betraf Damm, Vulva, Anus und die angrenzenden Partien von Bauch, Rücken und Oberschenkeln sowie die proximale Hälfte des Schwanzes. Bei zwei Tieren waren auch beide Pfoten asensibel.e. Die Motilität des Schwanzes stellte sich gut wieder her, derselbe wurde mit deutlichem Tonus getragen und wurde aktiv nach allen Seiten mit Kraft bewegt. 4—6 Wochen nach der Operation wurde mit diesen Tieren dann der in der zweiten Mitteilung beschriebene Versuch zur Untersuchung der Schaltungen bei den Schwanzreflexen angestellt, die Tiere wurden in Narkose dezerebriert, nach Entwicklung der Enthirnungsstarre das Rücken- mark im unteren Dorsalteile durchtrennt und nunmehr bei ver- schiedenen Lagen des Tieres und des Schwanzes nachgesehen, ob die Lage, Stellung oder Krümmung des Gliedes irgendeinen Einfluss auf die Richtung der Reflexbewegungen besitzt. Das Ergebnis war in allen Versuchen ein eindeutig negatives. Der Schwanz wurde wohl bei den Reflexen kräftig nach allen Seiten bewegt, aber ganz regellos, und es war nicht mehr möglich, wie das in den Normal- versuchen stets der Fall ist, die Richtung der eintretenden Reflex- bewegung mit Sicherheit vorauszusagen. Im Anschluss an diese drei vollkommen gelungenen Versuche sei dann noch über zwei Experimente berichtet, bei denen die Hinterwurzeldurehschneidung nieht genau die gewollte Ausdehnung hatte, welche aber geeignet sind, das allgemeine Ergebnis weiter zu befestigen. Versuch 6. Katze „Zebra“. 12. April 1910. Operation wie Versuch 3, vom 5. Lendenwirbel bis ins Sacrum. Glatte Heilung. 6. Juni 1910. Schwanz wird mit gutem Tonus getragen, wird an der Wurzel und an seinem ganzen Verlauf nach allen Richtungen hin prompt und kräftig bewegt. Asensibel sind Anus, Damm, Vulva sowie die angrenzenden Partien von Bauch und Rücken. Der ganze Schwanz ist asensibel, so dass sich das Tier am 21. Mai die äusserste Schwanzspitze anfristt. Die Wunde wird mit dem Termokauter behandelt und ist am 28. Mai geheilt. Patellar- reflexe und Berührungsreflexe an beiden Pfoten deutlich vorhanden. Blase wieder spontan entleert. 10 Uhr 13 Min. Dezerebrierung in Chloroformnarkose. Nach Entwicke- lung der Enthirnungsstarre wird 11 Uhr 20 Min. das Rückenmark am 12. Brust- wirbel durchtrennt. In den folgenden drei Stunden werden die Schwanzreflexe u Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. III. 565 fortlaufend geprüft (Versuch 1, 2, 4, 5 und 6 der 2. Mitteilung). Da aber der ganze Schwanz asensibel ist, müssen die Reize an anderen Körperstellen an- gebracht werden, vorzugsweise am Rücken und den Pfoten. Dabei erfolgt auf Drücken der Lendenwirbelsäule immer Schlagen des Schwanzes nach links, manchmal mit gleichzeitiger Depression der Schwanzwurzel. Auf Berühren der Haut am Rücken seitlich neben der Wirbelsäule schlägt der Schwanz immer nach der gereizten Seite, also bei Berührung der rechten Flanke nach rechts, der linken Flanke nach links. An diesem Ergebnis ändert es nichts, wenn man den Schwanz auch noch so sehr nach einer Seite von der Mittellinie abbiegt, oder wenn er bei Seitenlage des Tieres über den Tischrand nach unten herab- hängt. Die Richtung der Reflexbewegung ist völlig unabhängig von der Lage und Stellung des Schwanzes und wird allein durch Art und Ort des Reizes bedingt. Aufzeichnung und Photographie der Sensibilitätsgrenze. Sektion: Wunde glatt geheilt. Dura bis zum Unterrande des 4. Lenden- wirbels eröffnet. Dort etwas Verwachsung, ebenso wie an einer kleinen Stelle im Sacrum. Im Übrigen Rückenmark frei und in gutem Zustande. Formol- fixierung. Resümee: Der Versuch stimmt im allgemeinen mit den früheren Experimenten überein, nur war der Schwanz in seiner ganzen Länge asensibel, und es konnten daher die Reize nicht an der Schwanzspitze angebracht werden. Auch in diesem Falle liess sich irgendein Einfluss der Lage und Stellung des Gliedes auf die Richtung der Reflexbewegung nicht nachweisen. Versuch 7. Kater „Velox“. 12. April 1910. Operation wie Versuch 3, vom 5. Lendenwirbel bis ins Sacrum. Danach Abszess am Rücken, der am 4. Mai geheilt ist. 28. Juni 1910. Schwanz wird mit Tonus getragen, kann aktiv nach allen Seiten bewegt werden. Der ganze Schwanz ist sensibel mit Ausnahme von einer Strecke von 2cm an der Schwanzwurzel. Damm, Anus, Penis asensibel, ebenso die Hinierseite des Oberschenkels und die Pfoten. Am Bauche liegt die Sensibilitätsgrenze 1 cm vor dem Penis, am Rücken 1 cm vor einer die Trochanteren verbindenden Linie. Patellarreflexe abwesend. Starke Ataxie der Hinterbeine beim Laufen. Das Tier läuft auf dem Rücken der Pfoten und Unterschenkel, kreuzt dabei oft medialwärts mit den Beinen nach der anderen Seite hinüber, kann sich aber auf den Hinterbeinen erheben und sogar aus dem Käfis springen. Harnentleerung erfolgt wieder spontan. 10 Uhr 33 Min. Dezerebrierung in Chloroformnarkose. Nach Entwicklung der Enthirnungsstarre um 11 Uhr, Durchschneidung des Rückenmarkes am 11. Brustwirbel. Darauf sofort gute Schwanzreflexe auf Berührung der Schwanz- spitze. In den folgenden 4 Stunden werden dieselben fortlaufend geprüft. Die Bewegungen des Schwanzes erfolgen dabei nach allen Seiten kräftig, und zwar treten Bewegungen an der Wurzel, der Mitte und der Spitze auf. Oft wird die Mitte nach einer anderen Richtung bewegt, als die Wurzel. Bei einer ganzen 966 R. Magnus: Reihe von Versuchen ist nun mit Sicherheit die Abwesenheit jeder Art von Schaltung zu erkennen. Und zwar gilt das für alle diejenigen Versuche, bei denen der Schwanz als Ganzes eine gerade Linie bildet und nur an seiner Wurzel von der Richtung der Körperachse abgebogen ist (Versuch 2, 4, 5 und 6 der II. Mitteilung). Wenn z. B. das Tier auf den Rücken gelegt wird, der Schwanz ebenfalls auf dem Tisch liegt und an der Wurzel nach rechts oder links abgebogen wird, so ist dadurch nicht wie in den Normalversuchen die Richtung der Reflexbewegung eindeutig bestimmt, sondern es erfolgen ganz regel- lose Bewegungen nach allen Seiten. Wenn aber das Tier auf die Seite gelegt wird und der Schwanz über den Tischrand nach unten hängt (vgl. Fig. 1 und 2 der II. Mitteilung), so ist nicht nur die Schwanzwurzel gegen die Körperachse abgebogen, sondern das proximale Drittel des Schwanzes selber ist gekrümmt, Diese Krümmung fällt nun bei der Katze Velox in den sensibelen Bezirk, und damit hängt es zusammen, dass bei diesem und nur bei diesem Versuche sich nun ein deutlicher, wenn auch nicht sehr hochgradiger Einfluss der Stellung des Schwanzes auf die Richtung der Reflexbewegung erkennen lässt. . Bei linker Seitenlage erfolgt auf Berühren der Spitze meist Schlag nach rechts (oben), bei rechter Seitenlage nach links (oben. Die Schaltung ist aber keine absolut sichere wie in den Normalversuchen, sondern gelegentlich kommen auch Fehl- reaktionen vor. Sektion: Abszess völlig geschwunden. Dura bis zum Oberrande des 5. Lendenwirbels eröffnet. Dort geringe Verwachsung des Rückenmarkes mit der Umgebung, welches im übrigen aber frei und reizlos gefunden wird. Formolfixierung )). Resümee: Bei dieser Katze ist der Ausfall der Sensibilität etwas weiter kranialwärts erfolgt, als beabsichtigt war. Der Schwanz blieb in seinem grössten Teile sensibel, und nur ein kleines Stück der Schwanzwurzel war zusammen mit dem Hinterende des Rumpfes und einem Teile der Hinterbeine gefühllos geworden. Das Ergebnis war nun ein recht interessantes. Alle Lagen, in deren der Schwanz als ganzes gerade und ungekrümmt gelassen und nur seine Wurzel gegen die Körperachse abgebogen wurde, waren ohne jeden schaltenden Einfluss, und die Reflexbewegungen erfolgten ganz regel- los in allen Richtungen. Wurde dagegen nicht nur die Schwanz- wurzel allein, sondern auch das proximale Drittel des Schwanzes mit abgebogen, so war nunmehr ein schaltender Einfluss deutlich, so dass der Schwanz nun wenigstens in der Mehrzahl der Fälle nach der gedehnten Seite schlug. Diese Katze stellt also gewisser- massen den Grenzfall dar, bei dem in einzelnen Fällen Schaltung erfolgte, in anderen dagegen nicht. 1) Die Rückenmarke der Katzen von Versuch 3—7 wurden dem Zentral- institut für Hirnuntersuchung in Amsterdam zur weiteren Bearbeitung übergeben. a An Zur Regelung der Bewegungen durch das Zertralnervensystem. III. 567 ec) Zusammenfassung der Ergebnisse. Auf die im Anfang dieses Abschnittes gestellte Frage nach der Abhängigkeit der geschilderten Schaltungsphänomene von den afferenten sensibelen Nerven haben, wie ich glaube, die im vor- stehenden berichteten Versuche an Hunden und Katzen eine ein- deutige Antwort geliefert. Nach Durchtrennung der hinteren Wurzeln ist die Lage und Stellung des Gliedes ohne jeden Einfluss auf die Richtung der Reflexbewegungen, welche sich auf die verschiedenste Weise an diesen Gliedmaassen erhalten lassen. Dieses Ergebnis wird vielleicht manchem Leser als selbstverständlich erscheinen, ich glaube aber doch, dass es gut war, es über jeden Zweifel sicher zu stellen, ‚weil nur auf dieser Basis eine weitere Analyse der Schaltungs- phänomene möglich wird. In allen bisher geschilderten Versuchen wurde getrachtet, den Beweis zu liefern, dass die Motilität der untersuchten Gliedmaassen durch die Operation der Hinterwurzel- durchschneiaung nicht beeinträchtigt worden ist. Erst wenn das asensibele Glied wieder nach allen Richtungen und mit genügender Energie bewegt werden konnte, wurde die Prüfung auf die An- oder Abwesenheit der Schaltungserscheinungen vorgenommen. Zugleich wurde der Sensibilitätsausfall genau bestimmt, um sicher zu sein, dass die beabsichtigte Operation auch wirklich ausgeführt worden war. Von den sensibelen Körperteilen liessen sich dann leicht - kräftige Reflexbewegungen an den gefühllos gemachten Gliedern hervorrufen. Von den in den ersten beiden Mitteilungen dieser Reihe beschriebenen Gesetzmässigkeiten über die Riehtung der Bewegung war aber in keinem Falle mehr etwas nachzuweisen. 3. Durch welche zentripetalen Nerven wird die Schaltung vermittelt? Nachdem die im vorigen Abschnitte geschilderten Versuche er- geben hatten, dass die zu untersuchenden Schaltungen durch Ver- mittelung der sensibelen Bahnen in den Hinterwurzeln zustande kommen, war nun die weitere Aufgabe, zwischen den verschiedenen Arten afferenter Bahnen zu scheiden und nachzusehen, welche von ihnen für das Zustandekommen des Phänomens entbehrlich und welche dafür notwendig sind. Der heutige Stand der experimentellen Technik erlaubt es, drei funktionelle Gruppen im Versuche von- 868 R. Magnus: einander zu sondern, die Sensibilität der Haut, der Gelenke und drittens die aller übrigen Strukturen zusammen, d. h. im wesent- lichen der Muskeln selbst nebst den zugehörigen Sehnen und Faszien. Anfangs versuchte ich, die Trennung dieser Nervengruppen auf operativem Wege vorzunehmen, verliess diesen Weg aber bald wieder, weil z. B. die Durchtrennung aller sensibelen Hautnerven für den Oberschenkel und die angrenzenden Partien beim Hunde so ausgiebige Verletzungen nötig macht, dass das Glied nachher kaum noch als ein normales anzusehen ist, und man ausserdem wohl schwerlich sicher sein kann, nicht noch irgendeinen kleinen Nervenzweig undurchtrennt gelassen zu haben. Viel besser eignet sich zu diesem Zwecke die Verwendung der modernen Lokal- anästhetika, besonders seit der Einführung der neueren Kokain- ersatzmittel, welche wesentlich uneiftiger sind als das Kokain und besonders bei Zusatz von Suprarenin eine genügend langdauernde und starke Wirkung entfalten. Die in diesem Abschnitt zu schildernden Versuche wurden aus- schliesslich an Rückenmarkshunden vorgenommen, bei denen die in der ersten Mitteilung beschriebenen Schaltungserscheinungen (Ein- fluss der Lage und Stellung des Gliedes auf die Richtung der Reflex- bewegung bei gekreuzten Reflexen an den Hinterbeinen) geprüft wurden. Das Ergebnis war, dass nach Ausschaltung der Haut- und der Gelenksensibilität die Schaltungen noch mit genau derselben Sicherheit eintraten wie bei den Normalversuchen. Versuch 8. Hund „A“, 2. Durchtrennung des Rückenmarkes in der Höhe des 12. Brust- wirbels am 6. Mai 1909. Es ist dasselbe Tier, von welchem die in der I. Mit- teilung wiedergegebenen kinematographischen Aufnahmen der Schaltungsversuche gewonnen wurden. 28. Juni 1909. Hund in guter Verfassung. Alle Umkehr- und Schaltungs- reaktionen sind in deutlichster Weise zu erhalten. Bei Schlag auf die linke Kniesehne wird das rechte Bein, wenn es in allen Gelenken gebeugt gehalten wird, kräftig in allen Gelenken gestreckt, wenn es vorher aber in allen Gelenken gestreckt gehalten wird, ebenso kräftig gebeugt. Wird das in Knie- und Fuss- gelenk gestreckte Bein nur in der Hüfte gebeugt gehalten, so erfolgt Streckung des Hüftgelenkes. Bei Abduktion des Beines erfolgt als Reflexbewegung Adduktion, bei Adduktion dagegen Abduktion. 11 Uhr 34 Min. Injektion der drei grossen Gelenke des rechten Hinter- beines mit je 1 ccm 5/oigem Stovain unter Zusatz von !/soo mg Suprarenin. ee ae Ar he Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. III. 569 Der Eingriff war vorher an der Leiche geübt worden. Die Injektion des Hüft- gelenkes geschieht medial vom Beckenansatz des M. Adduktor longus, die In- jektion ins Knie von der medialen, die ins Fussgelenk von der Vorderseite. Bei allen drei Gelenken ist das Eindringen der Injektionsnadel in die Gelenkhöhle gut wahrzunehmen, so dass man nicht im Zweifel bleibt, ob die Injektion auch wirklich ins Gelenk erfolgt ist. Von 11 Uhr 33 Min. bis 12 Uhr werden die gekreuzten Reflexe vom linken auf das rechte Bein fortlaufend untersucht. Das rechte Bein hat dabei vorzügliche Motilität, alle Reflexe treten mit grosser Promptheit an demselben auf. Beim Auf- rechthalten mit hängendem Hinterkörper pendeln beide Beine lebhaft, kommen aber dabei oft aus dem Takt und schlagen auch gelegentlich in verschiedener Frequenz. Das Pendeln lässt sich durch Unterstützen des Oberschenkels auf der rechten und linken Seite gleich gut hemmen. Passive Beugung und Streckung des rechten Beines löst starke Muskelreflexe am linken Hinterbeine aus. Der Patellarreflex ist auf der rechten Seite deutlich auszulösen, die Gegend des rechten Knies ist aber weniger empfindlich als die des linken. Bei Schlag auf die linke Kniesehne erfolgen die oben ge- schilderten Umkehr- und Schaltungsreaktionen am rechten Beine genau in der gleichen Weise und mit derselben Sicherheit wie vor der Injektion der Gelenke. Daran ändert sich während der ganzen Dauer des Versuches nichts. Bis zum Schluss des Versuches sind keine Erscheinungen von Allgemein- vergiftung des Tieres zu beobachten. Das Tier behält aber infolge der reizenden Eigenschaften des Stovains in den folgenden Wochen eine Beugekontraktur des Hüftgelenkes zurück. Daher wurde zu allen folgenden Versuchen das reizlose Novokain verwendet. Resümee: Nach Anästhesierung der drei grossen Gelenke des rechten Hinterbeines am Rückenmarkshund bleiben alle Schaltungs- reaktionen an diesem Beine unverändert bestehen. Versuch 9. Hund „Corry“ 2. 9. September 1909. Durchschneidung des Rückenmarkes am 10. Brustwirbel. Glatte Heilung. Die Reflexe entwickeln sich in vorzüglicher Weise. Die erste Schaltungsreaktion wird am 29. September beobachtet, in der Folge entwickeln sich alle in der I. Mitteilung beschriebenen Erscheinungen zu grösster Deutlichkeit. Vom 13. Oktober ab pendelt er mit den Hinterbeinen und zeigt auch die von Philippson beschriebenen Laufbewegungen, wenn man ihn mit horizontaler Wirbelsäule an Schultern und Schwanz frei in der Luft hält. 23. November. Bei einem Schlag auf die linke Kniesehne erfolgt am rechten Bein, wenn dasselbe in allen drei Gelenken gestreckt ist, Beugung der Hüfte (zugleich mit Beugung von Knie und Fuss), wenn dasselbe aber in der Hüfte gebeugt und in Knie und Fussgelenk gestreckt ist, Streckung der Hüfte. Es ist das der in der I. Mitteilung auf Fig. 2, 4 und 9 kinematographisch ab- ebildete Versuch, in welchem nur durch veränderte Stellung im Hüftgelenk eine 570 R. Magnus: Schaltung zuwege gebracht wird, während Knie und Fussgelenk in beiden Fällen gleichmässig gestreckt bleiben. Dieser Versuch wird nun benutzt, um zu sehen, ob nach Anästhesierung der Haut des rechten Hüftgelenkes die Reaktion noch vorhanden ist. Zu diesem Zwecke wird die Haut des ganzen rechten Ober- schenkels bis zum Knie und die Haut am Bauch, Rücken und Damm bis etwa in Nabelhöhe mit 150 ccm einer 3/4 %/o igen Novokain-Suprareninlösung infiltriert. Darauf erfolgt prompte Anästhesie dieser Gegend. Die Grenze der asensiblen Zone beginnt in der Linea alba einen Finger breit unter dem Nabel, läuft 3 cm oberhalb der vierten Zitze gegen den Ansatz der Schenkelfalte, den sie in Nabel- höhe kreuzt, von da in derselben Höhe gegen die Wirbelsäule, längs dieser hinab bis zu After und Vulva, und am Bauche der Linea alba entlang bis kurz unterhalb des Nabels. Am Beine reicht die asensible Zone vorne und hinten bis zum Knie. Zur Feststellung der Hautsensibilität dienen die Auslösung des Kratzreflexes (vgl. die folgende Mitteilung) und an der Hinterseite des Ober- schenkels und in der Sitzbeingegend Haarbewegungsreflexe, die bei diesem Tiere ° mit grosser Leichtigkeit erhalten werden können. — Der Ausfall der Sensibilität wird während der ganzen Dauer des Versuches kontrolliert und ändert sich in dieser Zeit nicht. Die Motilität des rechten Beines ist dabei ganz normal: Extensorstoss, Beugereflex, Patellarreflex, Kratzreflex lassen sich am rechten Beine mit Deutlichkeit auslösen. Beim Aufrechthängen erfolgt Pendeln der Hinterbeine nur, wenn man den Schwanz kneift. Bei Schlag auf die linke Kniesehne erfolgt, wenn das rechte Bein in allen Gelenken ge- streckt ist, Beugung der Hüfte (manchmal begleitet von Beugung des Knies und Fusses); wenn dagegen das rechte Bein nur in Knie und Fussgelenk gestreckt, in der Hüfte dagegen gebeugt ist, erfolgt Streckung der Hüfte. Dieser Versuch wird wiederholt angestellt und gelingt jedesmal mit Sicherheit und auf das deutlichste. — Gegen Schluss des Experi- mentes macht der Hund zweimal leichte Brechbewegungen. Die Beinreflexe sind alle gut zu erhalten, die Anästhesie besteht noch unverändert fort. Resümee: Nach Anästhesierung der Haut in der ganzen Um- gebung des rechten Hüftgelenkes am Rückenmarkshund bleibt die Schaltungsreaktion an diesem Hüftgelenke unverändert bestehen. Versuch 10. Derselbe Hund „Corry“. | 23. Dezember 1909. Die Schaltungsreaktion am Hüftgelenk ist in derselben Weise auslösbar wie in Versuch 9. Von der Haut des l. Oberschenkels und der 1. Bauchseite sind lebhafte Reflexe zu erhalten. 10 Uhr 35 Min. 1 ccm 0,75%oiges Novokain wird zunächst in die Nähe des linken Hüftgelenkes, darauf 1 ccm in das 1. Hüftgelenk selber injiziert. Dar- auf sofort Infiltration der Haut auf der linken Seite ungefähr in derselben Aus- dehnung wie beim vorigen Versuche (Verbrauch 90 ccm ®/ı%/oiges Novokain). 10 Uhr 50 Min. Asensibel ist der ganze linke Oberschenkel bis zum Knie, die ganze linke Bauchhaut bis zur Linea alba und bis einen Finger breit unter- halb des Nabels. Von hier geht die Grenze 2 cm unterhalb der drittletzten Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. II. 571 Zitze gegen den. obersten Beginn der Schenkelfalte und gegen die Wirbelsäule, längs welcher sie nach hinten verläuft. Diese Sensibilitätsgrenze ändert sich im Verlaufe des Versuches nicht nachweisbar. Die Motilität des linken Beines ist gut. Beugereflex, Extensorstoss, Patellarreflex und Kratzreflex sird an ihm mit Deutlichkeit auszulösen. Deutliches Pendeln beider Beine. 11 Uhr. Bei Schlag auf die rechte Kniesehne erfolgtamlinken Bein, wenn es inallen Gelenken gestreckt gehalten wird, Beugung von Hüfte, Knie und Fuss, wenn das gestreckteBein dagegen nur in der Hüfte gebeugt wird, Streckung der Hüfte. Auch ver- schiedene andere Umkehrreaktionen lassen sich am |. Beine her- vorrufen. Alles dieses wird wiederholt geprüft. 11 Uhr 15 Min. Das bis jetzt ruhige Tier bekommt einen deutlichen Er- regungszustand mit Speichelsekretion und lebhafter Atmung. Aber auch jetzt bleibt die Schaltungsreaktion unverändert erhalten. Resümee: Nach kombinierter Anästhesierung des Hüftzelenkes und der Haut in der ganzen Umgebung desselben bleibt am Rücken- markshund die Schaltungsreaktion an diesem Gelenke unverändert bestehen. Versuch 11. Derselbe Hund „Corry“. 27. Juni 1910. Alle Schaltungsreaktionen in deutlichster Weise auszulösen. Speziell erfolgt bei Schlag auf die linke Kniesehne, wenn das rechte Bein in allen Gelenken gebeugt ist, Streckung in allen Gelenken; wenn aber das rechte Bein in allen Gelenken gestreckt ist, Beugung in allen Gelenken. Wird das gestreckte Bein nur in der Hüfte gebeugt, so erfolgt Streckung der Hüfte. Dieselben Reaktionen am rechten Beine werden auch erhalten, wenn statt des Schlages auf die linke Kniesehne als Reiz die schnelle Streckung des gebeugten linken Beines benutzt wird. 10 Uhr 25—30 Min. Injektion des rechten Hüft-, Knie- und Fussgelenkes in der oben geschilderten Weise mit je 1 ccm 0,75 %/oiger Novokain-Suprareninlösung. 10 Uhr 40 Min. Infiltration der Haut des ganzen rechten Hinterbeines mit alleiniger Ausnahme der Zehenballen, sowie der Bauch-, Rücken- und Dammhaut in der gleichen Ausdehnung wie in den beiden vorhergehenden Ver- suchen (Verbrauch 115 cem 3/s°/oiger Novokain-Suprarenin). Danach wird die Haut des ganzen rechten Hinterbeines ausser den Zehenballen asensibel, ebenso die Bauch- und Rückenpartien bis zum vorderen Ansatz der rechten Schenkelfalte, sowie die rechte Hälfte des Dammes. Motilität des rechten Beines nicht gestört, Beugereflex, Extensorstoss, Patellarsehnenreflex und Kratzreflex sind an ihm deutlich zu erzielen. 10 Uhr 46 Min. Alle oben geschilderten Schaltungsreaktionen unverändert in deutlichster Weise demonstrierbar. Auf Schlagen der linken Kniesehne oder Strecken des gebeugten linken Beines erfolgt an dem infiltrierten rechten Beine, wenn dieses in allen Gelenken gebeugt ist, Streckung in allen Gelenken, wenn es in allen Gelenken gestreckt ist, Beuguyg in allen Gelenken. Wird das gestreckte rechte Bein nur in der Hüfte gebeugt gehalten 572 R. Magnus: so erfolgt Streckung der Hüfte. Alles dieses wird mehrfach: geprüft. Die ge- schilderten Reaktionen treten konstant ein. Nach Schluss der Versuche wird die Sensibilität nochmals kontrolliert und unverändert gefunden. Das Tier ist während des Versuches ganz ruhig. Nach Abschluss desselben entwickelt sich ein leichter Erregungszustand. Resümee: Nach kombinierter Anästhesierung der drei grossen Gelenke des rechten Hinterbeines sowie der Haut an der rechten Seite von der Nabelgegend und dem oberen Ansatz der Schenkelfalte an abwärts bis zu den rechten Zehenballen bleiben am Rückenmarks- hund alle Schaltungsreaktionen an diesem Beine unverändert bestehen. 4. Zusammenfassung. Durch Versuche am Hinterbeine von Rückenmarkshunden wurde - gezeigt, dass die in der I. Mitteilung beschriebenen Schaltungs- und Umkehrreaktionen nach Fortfall der Haut- und Gelenksensibilität noch unverändert bestehen bleiben. Bei diesen Reaktionen wurde die Richtung der Reflexbewegung, welche auf einen kontralateralen Reiz eintrat, be- stimmt durch die Lage und Stellung, welche dem Gliede vor Auf- lösung des Reflexes gegeben war. Finerlei, ob nur die Gelenke allein, oder ob nur die Haut allein, oder beide zusammen asensibel gemacht waren, einerlei ferner, ob nur die Reaktion des für diese Schaltungen wichtigsten Gelenkes, des Hüftgelenkes, oder ob die Reaktion des ganzen Beines mit allen drei Gelenken untersucht wurde, das Resultat war stets das gleiche: die Schaltungsreaktionen blieben unverändert erhalten. Im Anfang dieser Arbeit wurde nun in einer Reihe von Ver- suchen an Hunden und Katzen gezeigt, dass die Schaltungsreaktionen endgültig aufgehoben werden, wenn alle sensiblen Nervenbahnen von ‚dem betreffenden Gliede nach dem Zentralnervensystem durch- geschnitten worden sind. Daraus folgt, dass in den zuletzt ge- schilderten Experimenten die Schaltung im Zentralorgan bewirkt sein muss durch Vermittlung derjenigen sensiblen Bahnen, welche nach Ausschaltung der Haut und Gelenksensibilität noch von der betr. Extremität zum Rückenmark ziehen. Das können nur die afferenten Bahnen von den Muskeln (einschliesslich derer von den Sehnen und Faszien) sein. In den ersten beiden Mitteilungen wurde ferner gezeigt, dass die bisher beschriebenen Fälle von Schaltung der von v. Uexküll bei Wirbellosen aufgestellten Regel folgen, nach welcher in einem diffusen Nervensystem eine Erregung immer mit besonderer Leichtig- Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. III. 573 keit den Zentren derjenigen Muskeln zufliesst, welche sich im Zu- stand der grössten Dehnung befinden. Auch bei unseren bisher be- schriebenen Schaltungen floss im Rückenmark die Erregung bei allen möglichen Reflexen mit besonderer Vorliebe den Zentren der gedehnten Muskeln zu. Die in der vorliegenden Arbeit beschriebenen Experimente liefern nun, soweit wenigstens der Warmblüter in Frage kommt, die Er- klärung für dieses Verhalten. Es handelt sich bei den be- sprochenen Schaltungen eben um Reflexe, welche von den Muskeln selber ausgelöst und auf dem Wege der sensiblen Muskelnerven dem Zentralorgan über- mittelt werden!). Solange diese Bahnen funktionsfähig sind, so lange ist die Schaltung in den bisher beschriebenen Fällen mög- lieh. Werden sie durchtrennt, so hört das geschilderte Phänomen auf. 5. Über den zentralen Sitz der Schaltung. Schon in den früheren Mitteilungen war gezeigt worden, dass die Schaltungsphänomene nicht bedingt sein können durch die ana- tomische Anordnung der Skeletteile und der Muskeln, sondern dass sie im Zentralnervensystem lokalisiert werden müssen. Bei den Versuchen am Hundebein war diese Schlussfolgerung nicht einfach selbstverständlich gewesen, denn hier ist die anatomische Anordnung eine so verwickelte, dass sehr gut derselbe Muskel bei gebeugtem Beine eine Streckbewegung, bei gestrecktem eine Beugebewegung hätte hervorrufen können. Wenn trotzdem die Schaltung in das Zentralnervensystem lokalisiert wurde, so geschah es erstens deshalb, weil sich Bedingungen ergeben hatten, bei denen die anatomische Anordnung wohl dieselbe war, wo aber die Schaltungserscheinungen ehlten. Das war vor allem in der Zeit nach der Rückenmarks- durehschneidung der Fall gewesen, wenn die Shokfolgen allmählich zurückeingen, alle möglichen Beuge- und Streckreflexe wieder auf- traten, ja selbst die Pendelbewegungen wieder begonnen hatten, aber noch keine Spur von einem Einfluss der Lage des Gliedes auf die Riehtung der Reflexbewegungen sich nachweisen lies. Wenn dann einige Zeit später an demselben Tiere, ohne dass sich sein Muskeltonus und andere Bedingungen deutlich geändert hatten, die 1) Dabei bleibt zunächst unentschieden, ob die Schaltung bewirkt wird durch die Dehnung der einen Muskelgruppe oder durch die Entspannung ihrer Antagonisten oder durch beides zugleich. 974 R. Magnus: Schaltungen auf das deutlichste eintraten, so konnte dieses nicht gut auf etwas anderes als auf die veränderten Bedingungen des Zentralorganes, auf das Abklingen des Shoks zurückgeführt werden. Derselbe Schluss auf die zentrale Lokalisation der Schaltungen ergab sich aus den Versuchen, in welchen das Bein als Ganzes immer gestreckt gelassen und nur die Stellung des Hüftgelenkes geändert wurde (vel. z. B. oben Versuch 9 und die Kinematogramme der I. Mitt... Hier handelte es sich nur um Bewegungen in einem Ge- lenke, und es war nicht einzusehen, wieso in diesem Falle das er- haltene Resultat auf die anatomische Anordnung der lleizumaasel hätte bezogen werden können. Drittens führten die Versuche am Katzenschwanz (II. Mitt.) zu demselben Ergebnis, denn an diesem einfach aus metameren Teil- stücken aufgebauten Gebilde, das mit vier Gruppen von paarweise antagonistischen Muskeln versehen ist, wird das Resultat so ohne weiteres übersichtlich und anschaulich, dass wohl keiner die zentrale Natur des Phänomens bezweifeln dürfte. Zu allem übrigen, um wieder auf die Bewegungen des Hunde- beines zurückzukommen, hat nun in allerjüngster Zeit für die Beuge- und Streckbewegungen und für das Gehen und Laufen der Hinterbeine Sherrington!) eine ganz eingehende Analyse der mechanischen und nervösen Koordination durchgeführt, wobei er die Schaltungeserscheinungen schon mit berücksichtigte. Dabei kam er zu dem Resultat, dass die Muskulatur der Gliedmaassen in ganz be- stimmte funktionelle Gruppen zusammengeordnet ist, wovon die eine Gruppe immer nur bei der Streeckung, die andere immer nur bei der Beugurg in Kontraktion gerät. Nach Sherringtons Resultaten werden eben bei jeder Beugung, einerlei von welcher Ausgangs- stellung aus sie erfolgt, immer nur die Beuger und niemals die trecker kontrahiert und umgekehrt. Es kann also auch bei der Reflexumkehr infolge von Schaltung sich nicht darum handeln, dass eine Beugung des Beines durch Kontraktion der Streckmuskeln vor- getäuscht wird. Nur für eine einzige Muskelgruppe ist Sherrington noch nicht zu völliger Klarheit darüber gelangt, ob sie sich diesem Ge- setze durchaus fügt, das ist die Gruppe der Adduktoren. Schon 1) €. 8. Sherrington, Flexion-reflex of the limb, crossed extension reflex and reflex stepping and standing. Journ. of Physiol. vol. 40 p. 28. 1910. Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. II. 575 Lombard und Abbott?!) haben für das Froschbein auf eine solehe Doppelfunktion der Adduktoren hingewiesen. Es war daher zu untersuchen, ob die Schaltungsreaktionen am Hundebein sich nach funktioneller Ausschaltung der Adduktorengruppe noch nachweisen lassen. Die Möglichkeit zu solchen Beobachtungen ergab sich an einem Hunde, bei welchem aus anderen Gründen beiderseits die Nerven der Adduktorengruppe, die Obturatorii durchtrennt waren. Versuch 12. Derselbe Hund „Corry“, welcher zu den Versuchen 9—11 gedient hat. Bei demselben hatten sich, wie in den früheren Protokollen erwähnt ist, nach der Anfang September 1909 vorgenommenen Querdurchtrennung des Rücken- markes die Reflexe und alle Umkehrreaktionen in vorzüglicher Weise entwickelt. Das Tier war bis Ende Januar in Beobachtung gewesen und alle in der I. Mit- teilung beschriebenen Versuche liessen sich an ihm mit grosser Deutlichkeit demonstrieren. Am 26. Januar 1910 wurde in Morphinnarkose beiderseits im kleinen Becken neben der Vena hypogastrica der Nervus obturatorius durchschnitten und je ein Stück der Nerven exstirpiert. Bereits 2 Tage später liess sich an beiden Beinen vorzügliche Schaltung nachweisen. Bei Schlag auf die Kniesehne erfolgte am anderseitigen Bein, wenn es gestreckt war, Beugung, wenn es gebeugt war, Streckung. Die Reflexumkehr durch Schaltung war also durch Ausschaltung der Adduktoren nicht aufgehoben, sondern sie war sogar deutlicher und übersichtlicher geworden, weil bei diesem Tiere seit der Operation immer nur reine Beugungen oder Streckungen erfolgten, welche nieht durch gleichzeitige Adduktionsbewesungen kompliziert waren. Es fielen also alle diejenigen Bewegungen fort, welche ich a. a. O. als Komplikationen beschrieben habe. Der Hund eignete sich des- halb in besonders guter Weise zur Demonstration der Schaltungs- phänomene, und ich habe ihn seither oft zu diesem Zwecke benutzt. Also auch nach Ausschaltung der Adduktorenbewegsungen durch Nervendurchschneidung lässt sich der Einfluss der Stellung des Hundebeines auf die Richtung seiner Reflexbewegungen auf das deutlichste nachweisen. Es kann also auch eine etwaige Doppel- funktion dieser Muskelgruppe bei der Beugung und Streckung nicht für die Schaltungserscheinungen verantwortlich gemacht werden. 1) W. P. Lombard und Abbott, The mechanical effects produced by the contractions of individual muscles of the thigh of the frog. Americ. Journ. of Physiol. vol. 20 p. 1. 1907. 876 R. Magnus: Hält man das Resultat mit den erwähnten Ergebnissen Sherrinston’s zusammen, so ergibt sich auch hieraus der zentrale Angriffspunkt des Phänomens. Alle diese etwas komplizierten Überlegungen werden aber nun- mehr überflüssig, weil durch die in dieser Arbeit mitgeteilten Ver- suche der direkte Beweis erbracht wird, dass die hier geschilderten Schaltungen ihren Sitz im Rückenmark haben und nicht durch die anatomische Anordnung vorgetäuscht sind. Nach der Durchschneidung der hinteren Wurzeln hören alle Schaltungen, soweit sie bisher untersucht wurden, auf. Die weiter oben ausführlich mitgeteilten Protokolle zeigen aber, dass sowohl die Hundebeine wie die Katzen- schwänze, an denen diese Versuche angestellt wurden, eine vorzüg- liche Motilität besassen. dass sie nach allen Richtungen mit Kraft bewest werden konnten, und in ihrer anatomischen Anordnung nicht gestört waren. Bei den Katzenschwänzen war ausserdem, wie das schon Merzbacher!) ausführlich für den Hund gezeigt, der Muskeltonus gar nicht herabgesetzt. Trotzdem war keine Spur von einem Einfluss der Stellung auf die Reflexrichtung mehr nachzuweisen. Wäre die Schaltung anatomisch in der Anordnung von Knochen und Muskeln bedingt, so hätte sie durch Hinterwurzeldurchschneidung nicht aufgehoben werden können. Sämtliche in diesem Abschnitte angeführten Tat- sachen führen also zu dem zwingenden Schlusse, dass die hier geschilderte Schaltung ein zentraler Vor- gang ist, ausgelöst durch zentripetale Impulse, welche in den bisher studierten Fällen das Rückenmark auf dem Wege der sen- siblen Muskelnerven erreichen. 6. Die tonische Natur der Schaltung. Der Einfluss, den die Stellung und Lage des Gliedes auf die Richtung der nächstfolgenden Reflexbewegung dieses Gliedes ausübt, dauert in den hier untersuchten Fällen solange an, als das Glied sich in dieser Lage befindet. Davon kann man sich sowohl am Rückenmarkshund wie an der dezerebrierten Katze mit durch- schnittenem Rückenmark überzeugen. Es macht keinen Unterschied, 1) L. Merzbacher, Die Folgen der Durchschneidung der sensiblen Wurzeln im unteren Lumbalmarke, im Sakralmarke und in der Cauda equina des Hundes. Pflüger’s Arch. Bd. 92 S. 585. 1902. Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. III. 577 wenn man einen Rückenmarkshund auf den Rücken gelegt hat und ein Hinterbein in maximale Beugung oder Streckung bringt, ob man den reflexerzeugenden Reiz (Schlag auf die kontralaterale Kniesehne) sofort oder etwa nach 5 Minten anbringt. Die Richtung der Reflex- bewegung ist in beiden Fällen mit derselben Sicherheit bestimmt. Länger kann man die Versuche nicht gut ausdehnen, weil ein lebhafter Foxterrier meist nicht so lange in wirklich ruhiger Lage zu halten ist. Eine dezerebrierte Katze bleibt aber gewöhnlich in der ihr gegebenen Position liegen. Legt man eine Katze, welche zur Vornahme der Schaltungsversuche operiert ist, in Seitenlage auf den Tisch und lässt ihren Schwanz über den Tischrand nach unten hängen, so schlägt der Schwanz auf Berührung der Schwanz- spitze immer nach oben, einerlei, ob man den Reiz sofort oder nach einer halben Stunde einwirken lässt. Der Einfluss dauert ebenso lange, als die Stellung und Lage des Gliedes andauert'). Nun wurde in dem Vorgehenden gezeigt, dass die Schaltung eine reflektorische ist, die auf dem Wege der sensiblen Nerven im Zentralnervensystem zustande gebracht wird. Damit reiht sich das Phänomen also unter die Gruppe der tonischen Reflexe ein, und zwar handelt es sich um tonische propriozeptive Reflexe, welche dureh die afferenten Muskelnerven zustande gebracht werden. Nicht alle propriozeptiven Reflexe sind bekanntlich tonische. Sherrington hat eine ganze Reihe von Muskelreflexen beschrieben, welche im Gegenteil nur kurze Zeit andauern. Das sind die Reflexe, welche man am Rückenmarkstier durch passive Bewegung der Extremi- täten auslösen kann. So bewirkt z. B. Streckung der Hüfte eine kontralateraile Beugung im anderen Hüftgelenk u. a. m. Diese Reflexe sind aber nur von kurzer Dauer und haben keinen tonischen Charakter. Tonische propriozeptive Reflexe treten dagegen mit Vor- liebe an den Streckmuskeln dezerebrierter Tiere auf, wo sie zu der bekannten Enthirnungsstarre führen. Tonische Reflexe an Rücken- markstieren sind viel seltener; ein von der Haut ausgelöster tonischer Beugereflex ist z. B. die Wochen und Monate andauernde Beuge- haltung des Beines, wenn an der Haut sich irgendwelche Ulzerationen entwickelt haben [Sherrington?)]. 1) Ebenso werden durch die ruhige unveränderte Lage und Stellung eines Gliedes auch Dauerempfindungen (Lagegefühl) ausgelöst. 2) C. S. Sherrington, Flexion-reflex of the limb, crossed extension reflex and reflex stepping and standing. Journ, of physiol. vol, 40 p. 28. 1910. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 39 H78 - R. Magnus: Von allen diesen tonischen Reflexen unterscheiden sieh aber die hier beschriebenen Erscheinungen dadurch, dass die afferenten Impulse selbst gar nicht den Eintritt irgendwelcher Bewegungen veran- lassen (sie zum mindesten nicht veranlassen müssen). Die Ein- flüsse, um die es sich hier handelt, bewirken nur, dass ein nach- folgender Impuls eine bestimmte Bahn einschläst und bestimmte Zentren in Erregung versetzt, andere Zentren, denen er auch zu- fliessen könnte, dagegen vermeidet. Es handelt sich eben nicht um Bewegungen oder Tonusänderungen der Muskulatur, sondern aus- schliesslich um „Schaltungen“ im Zentralorgan. Um ein naheliegendes Bild zu gebrauchen: es werden auf dem Rangierbahnhof nur die Wechsel gestellt, damit der nächste Zug richtig passieren kann. Es kann zweifelhaft erscheinen, ob für einen derartigen Vorgang noch der Ausdruck Reflex verwendet werden darf. Richtiger wäre es, nur von reflektorisch bedingter Schaltung zu sprechen. — Die Versuche zeigen, dass diese Vorgänge den Charakter von Dauer- reaktionen haben. 7. Die Rolle der Schaltung bei der Ausführung normaler Körperbewegungen. Die bisherigen Auseinandersetzungen haben die Schaltung als einen wohlcharakterisierten und unter bestimmten Bedingungen mehr oder weniger konstant zu demonstrierenden zentralen Vorgang kennen gelehrt, und es erhebt sich nun die Frage, wie weit sich dieser Mechanismus bei der normalen Ausführung von Bewegungen. be- teiligt, wie weit er unter Umständen sogar dafür notwendig ist. Das Gehen stellt z. B. eine Bewegungsfolge dar, bei welcher ant- agonistische Muskelgruppen alternierend sich kontrahbieren und er- schlaffen. Nach den vorhergehenden Ausführungen sind in der Phase der grössten Beugung des Beines die Zentren der Streckmuskeln für alle möglichen Reize besonders leicht erregbar, in der Phase der grössten Streckung dagegen die Zentren der Beuger. Man wird hierdurch vor die Frage gestellt, ob etwa der Übergang von der Beugung zur Streckung oder der Übergang von der Streckung zur Beugung eine einfache Folge dieser Schaltung ist. Sherrington hat in seiner oben zitierten eingehenden Analyse der Beinbewegungen von Hunden und Katzen!) bereits diese 1) C. S, Sherrington, Flexion-reflex of the limb, crossed extension reflex and reflex stepping and standing. Journ. of Physiol. vol. 40 p. 28. 1910. Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. II. 579 Frage diskutiert und ist zu dem Schlusse gelangt, dass die Schaltung (Umkehr) nur als ein Hilfsmoment in Betracht kommen kann, unıl dass rein zentrale Vorgänge in Verbindung mit gleichseitigen und gekreuzten propriozeptiven Reflexen die alternierenden Geh-: bewegungen bedingen. Der Grund für diese Schlussfolgerung lax hauptsächlich darin, dass die Schaltung am Hundebeine die Be- wegungsrichtung nicht zwangsmässig genug bedingt. In der ersten Mitteilung konnte ich zeigen, dass zwar beim gekreuzten Kniesehnen- reflex die Bewegungsrichtung des Beines durch seine Lage und Stellung so gut wie eindeutig bestimmt wird, dass aber im Gegen- satz dazu sich bei den gekreuzten Muskelreflexen, beim gekreuzten Extensorstoss u. a. diese Abhängigkeit nicht in allen Fällen nach- weisen lässt. Gerade die Reflexe von den bewesten Muskeln sind aber nach Sherrington von besonders grosser Bedeutung für die Gehbewegungen. Dass die Schaltung durch Lage und Stellung der Glieder keine völlig zwangsmässige ist, lehrt schon die einfache Selbstbeobachtung. Wir können willkürlich jederzeit ein gebeugtes Bein noch weiter beugen, ein gestrecktes noch weiter strecken. Bei der Rückenmarks- katze ist die Abhängigkeit der Bewegungsrichtung des Schwanzes von seiner Lage eine völlig zwangsmässige, und trotzdem kann eine normale nicht operierte Katze ihren nach links abduzierten Schwanz noch weiter nach links bewegen. Die in dieser Mitteilung beschriebenen Versuche bestätigen die Folgerungen Sherrington’s in jeder Hinsicht und erweitern sie. Der Hund „Gerda“ (Versuch 1), bei welchem das Rückenmark durchschnitten und die Hinterwurzeln für das eine Bein durchtrennt waren, führte mit diesem asensiblen Beine so gut wie mit dem normalen deutliche Pendelbewegungen aus, welche aus alternierenden Beugungen und Streckungen bestanden. Bei diesem Hunde waren aber alle Schaltungserscheinungen an dem asensiblen Beine völlig aufgehoben. Daraus. folgt, dass die Schaltung keine notwendige Vorbedingung für das Zustandekommen alternierender Gehbewegungen ist. Dieselbe Folgerung muss man aus den Versuchen an Katzen mit asensiblem Schwanze ziehen. Auch bei ihnen waren alle Umkehr- und Schaltungsreaktionen aufgehoben, und trotzdem konnten die Tiere während des Lebens noch rhythmisch alternierend mit dem Schwanze nach beiden Seiten schlagen. Es können also die beschriebenen Schaltungen alternierende 39 * 980 R. Magnus: Bewegungen, wie das Gehen, Laufen, Schwanzwedeln usw., wohl unterstützen und erleichtern, aber sie sind keine unerlässliche Vor- bedingung für ihr Zustandekommen. Es ist dieses wieder einer von den vielen Fällen, in denen eine wichtige Körperfunktion durch eine ganze Reihe verschiedener Einriehtungen „gesichert“ ist. Im Falle der Gehbewegungen wirken ausser den zentralen Apparaten noch Reflexe von den bewegten Gliedmaassen selber und die hier be- schriebenen Schaltungen zusammen, Diese letzteren müssen ferner als unterstützende Sicherungen funktionieren bei allen Arten von Gleichgewichtsreaktionen des Körpers. Droht z. B. der Körper nach einer Seite umzufallen, so werden im allgemeinen die Muskeln der gegenüberstehenden Seite gedehnt werden, Setzt nun, um das Umfallen zu ver- hindern, irgendeine Gleichgewichtsreaktion ein, bei der sich diese gedehnten Muskeln kontrahieren, so findet dieser Reflex die Zentren der Muskeln, die er in Erregung versetzen muss, bereits in „eingeklinktem“ Zustande vor. Es bedarf natürlich besonderer Untersuchungen, um festzustellen, in welchem Umfange nun tatsächlich der geschilderte Mechanismus bei den verschiedenen Gleich- gewichtsreaktionen benutzt wird. Es sei gestattet, an dieser Stelle noch einige Bemerkungen anzuschliessen, welche auf die praktische Medizin, und zwar auf die Orthopädie Bezug haben. Wenn, wie in dieser Arbeit gezeigt wurde, in vielen Fällen der Muskel selber je nach dem Grade seiner Dehnung auf die Erregbarkeit seines motorischen Zentrums im Rückenmarke einen Einfluss ausübt, so muss dadurch, dass man operativ einem Muskel einen anderen Ansatzpunkt am Skelette gibt, auch eine andere Erregbarkeitsänderung seines Zentrums bei Be- wegungen dieses Skeletteiles erfolgen als vorher. Gibt man z. B. einem Ellbogenstrecker die Insertion eines Ellbogenbeugers, so wird der Muskel nunmehr im Gegensatz zu früher bei der Streekung des Gliedes gedehnt und bei der Beugung weniger gedehnt sein. Die Zentren dieses Muskels werden also bei Streckstellung „ein-* und bei Beugestellung „ausgeklinkt“ sein, und der Muskel, welcher vorher als Strecker funktionierte, muss nun, allein infolge seines veränderten Ansatzpunktes, mit besonderer Leichtigkeit als Beuger verwendet werden können. Die hier angedeuteten Versuche sind in neuerer Zeit von den Orthopäden bei den verschiedensten Muskeln in zahlreichen Fällen und mit oft überraschend gutem und promptem Erfolge ausgeführt worden. Die Sehnenüberpflanzung hat sich bereits zu einer typischen Methode entwickelt. Ich entnehme der kürzlich erschienenen zu- Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. III. 581 sammenfassenden Darstellung von Vulpius!) folgende An- gaben: Der Erfolg tritt auch ein, wenn statt eines funktionsverwandten Nachbar- muskels ein Antagonist verwendet wurde, ja, wenn statt der totalen Überpflanzung eine Funktionsteilung ausgeführt wurde. Dass nach der Sehnenüberpflanzung ein Muskel eine antagonistische Leistung übernehmen kann, darüber kann kein Zweifel bestehen. Codivilla sah nach Luxation der Peronealsehnen, dass die Muskeln als Extensoren des Fusses wirkten; sobald sie operativ in ihre normale Lage zurückgebracht waren, wurden sie ohne weiteres als Flexoren innerviert. Wird ein Muskel bzw. seine Sehne operativ der Länge nach gespalten, so kann die eine Hälfte die alte Funktion behalten, die andere die eines Antagonisten bekommen (Funktionsteilung). Solche Fälle sind am Tibialis anticus, am Extensor digitorum, am Wadenmuskel beobachtet. Am besten sieht man diesen Vorgang, wenn man einen Anteil der Trizepssehne auf den Biceps brachii überpflanzt. Hier lässt sich die isolierte Kontraktion der transplantierten Partie bei Flexion aufs deutlichste sehen und palpieren. In einem dieser Fälle begann das über- pflanzte Trizepsstück sofort nach der Verbandabnahme in der neuen Weise zu funktionieren. Diese Sätze lesen sich direkt wie eine experimentelle Bestätigung der oben entwickelten Vorstellungen. Ich glaube nun in der Tat, dass die Möglichkeit so weit gehender Sehnenüberpflanzungen mit gutem funktionellen Ergebnis auf Schaltungsvorgängen beruht, indem der Muskel in seiner neuen Lage unter anderen Verhältnissen arbeitet wie vorher, dementsprechend mit Hilfe seiner eigenen afferenten Nerven die Erregbarkeit seines motorischen Zentrums von Anfang an in der richtigen durch die neuen Verhältnisse ge- forderten Weise beeinflusst und so teils direkt seinem Zentrum im Rückenmark eine andere funktionelle Rolle aufzwingt, teils die Be- dingungen schafft, durch welche im Verlaufe der Nachbehandlung das Grosshirn und die höheren Sinnesorgane diesen Mechanismus durch Übung verbessern können. Sehr viel weniger einfach und übersichtlich liegen die Ver- hältnisse bei dem jüngsten Zweige der Lähmungsorthopädie, der Nervenüberpflanzung und Nervenpfropfung. Hier sind zweifellose günstige Resultate bekannt, bei denen eine Nervenbahn mit einem antagonistischen Muskel verbunden wurde und diesen dann in der funktionell richtigen Weise innervierte. Bethe?°) zitiert den Versuch von Flourens, der bei einem Huhne die beiden Haupt- 1) 0. Vulpius, Die Behandlung der spinalen Kinderlähmung. Leipzig 1910. 2) A. Bethe, Die Nervenregeneration und die Verheilung durchschnittener Nerven. Folia neurobiologica vol. 1 p. 63. : 1907. 582 R. Magnus: stämme des Plexus brachialis kreuzweise miteinander durch die Naht vereinigte, und ein entsprechendes Experiment von Stephani am Vorderbeine des Hundes. N. Tibialis und Peroneus wurden durch Forsmann und Spitzy!) beim Hunde kreuzweise mit- einander vereinigt. Bethe machte dasselbe mit dem rechten und linken Isehiadieusstamm bei einem Hunde. In allen diesen Fällen war das funktionelle Resultat ein vorzügliches. Auch beim Menschen sind vor allem durch die Bemühungen Spitzy’s?) schon gute Resultate erzielt worden. So lässt sich das gelähmte Radialisgebiet vom N. Medianus aus, das gelähmte Peroneusgebiet von N. Tibialis aus wieder frisch innervieren und wird dann in der funktionell richtigen Weise bei den Bewegungen benutzt. Nach den bisher vor- liegenden Angaben der Chirurgen sind die Resultate aber keineswegs so sichere wie bei den Sehnenüberpflanzungen. Hierbei ist nun eins zu berücksichtigen. Wenn es richtig ist, dass die guten funktionellen Ergebnisse bei beiden Operationen auf Schaltungen beruhen, welche die Muskeln selbst auf dem Wege ihrer eigenen afferenten Bahnen im Rückenmark bewerkstelligen, so muss die Sehnenüberpflanzung schon an sich der Nervenplastik gegenüber im Vorteil sein, weil hier sicher die efferenten und die afferenten Nerven eines Muskel- bauches beisammen bleiben. Bei der Nervenplastik wissen wir [Osborne und Kilvington?)], dass die motorischen und sensiblen Bahnen des zentralen Stumpfes bei der Regeneration auch in andere periphere Bahnen hineingelangen können. Es bleibt daher dem Zufall und den speziellen anatomischen Bedingungen des Einzelfalles überlassen, ob nach der Plastik die afferenten Bahnen eines einzelnen Muskelbauches noch mit den zugehörigen motorischen Zentren in Verbindung stehen oder vielleicht sogar mit denen von antagonistischen Muskeln. Bei den zitierten Tierversuchen liegen die Verhältnisse, wie man sieht, besonders günstig, weil «lie kreuzweise verheilten Nerven zu funktionell sehr verschiedenartigen Gruppen gehören. Es ist anzunehmen, dass die Resultate der Nervenplastik sich noch 1) H. Spitzy, Weitere Erfahrungen auf dem Gebiete der Nervenplastik. Zeitschr. f. orth. Chir. Bd. 14 S. 671. 1905. 2) H. Spitzy, Die Verwendung der Nervenplastik bei Plexuslähmungen. Zeitschr. f. orth. Chir. Bd. 16 S. 100. 1906. 3) W. A. Osborne und Kilvington, The arrangement of nerve fibres in a regenerated nerve trunk. Journ. of Physiol. vol. 33 p. 276. 1909. Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. III. 583 wesentlich verbessern werden, wenn bei der Operation darauf ge- achtet wird, dass nach der Regeneration die motorischen und sensiblen Bahnen der verschiedenen Muskelbäuche beisammen bleiben. Schlusssätze. Die in früheren Mitteilungen beschriebenen Schaltungs- erscheinungen am Hundebein und Katzenschwanz, wobei die Stellung und Lage des Gliedes von Einfluss ist auf die Richtung einer nach- folgenden Reflexbewegung, sind nach Durchschneidung der hinteren Wurzeln nieht mehr zu beobachten. Sie treten dagegen unverändert ein nach Ausschaltung der Haut- und Gelenksensibilität. Die Schaltungen beruhen auf Vorgängen im Zentralnervensystem, die auf dem Wege der afferenten Muskel- (Sehnen-, Faszien-) Nerven von den Muskeln her ausgelöst werden. Für die bisher beschriebenen Fälle gilt die v. Uexküll’sche Regel, wonach die Zentren der gedehnten Muskeln für eine Erregung anspruchsfähiger werden. Der Einfluss der Lage und Stellung der Glieder auf die Er- regbarkeitsverteilung im Zentralorgan ist ein dauernder (tonischer). Es ist zu vermuten, dass die guten Erfolge der orthopädischen Sehnenüberpflanzungen und Nervenplastiken zum Teil auf den ge schilderten Schaltungserscheinungen beruhen. 984 R. Magnus: (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. IV. Mitteilung. Von R. Magnus. In der vorhergehenden (III.) Mitteilung dieser Reihe wurde der Nachweis geliefert, dass die bisher (in der I. und II. Mitteiluug) be- schriebenen Fälle von Schaltung im Zentralnervensystem bewirkt werden durch afferente Impulse, welche durch die sensiblen Muskel- nerven dem Rückenmarke zufliessen. Der Reiz war in diesen Fällen die Dehnung (oder Entspannung?) bestimmter Muskelgruppen in den Gliedmaassen selber, an welchen die Reflexe beobachtet werden sollten. Es erhob sich nun die Frage, ob dieses die einzige Entstehungsmöglich- keit für Schaltungen ist, oder ob auch von anderen Körperteilen als dem bewegten Gliede und auch durch andere afferente Nerven als die von den Muskeln ein solcher schaltender Einfluss auf das Zentral- organ ausgeübt werden kann. Bei der Beobachtung der in voriger Mitteilung beschriebenen Rückenmarkshunde bin ich auf einige Tat- sachen aufmerksam geworden, welche zur Beantwortung dieser Frage dienen können, und welche zeigen, dass die Möglichkeiten zur Ent- stehung von Schaltungen noch viel zahlreicher sind, als es bisher den Anschein hatte. 1. Sherrington!) hat in einer Reihe von Arbeiten den Kratz- reflex am Rückenınarkshund beschrieben. Er untersuchte Tiere, denen das Mark im untersten Halsteil durchtrennt war. Reizt man die Haut an irgendeiner Stelle innerhalb des „rezeptiven Feldes“, l) C. 8. Sherrington, Journ. of Physiol. vol. 31 p. XVII. 1904. — Brit. Assoc. adv. sc. Cambridge 1904. — Observ. on the scratch-reflex in the spinal dog. Journ. of Physiol vol. 34 p. 1. 1906. Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. IV. 585 so führt das gleichseitige Bein lebhafte rhythmische Kratz- bewegungen aus. Das Bein der anderen Seite kratzt niemals, sondern wird in Streckung und Abduktion gebracht. Das rezeptive Feld umfasst ein sattelförmiges Gebiet, welches am Rücken von der Durchschneidungsstelle des Rückenmarks nach hinten bis etwa zur Mitte der Lendenwirbelsäule reicht und seitlich am Thorax gegen die Vorderbeine zu verläuft. Die Haut an Bauch, Gesäss und Hinter- beinen gehört bei derartig operierten Tieren nicht zum rezeptiven Felde des Kratzreflexes. — Dass bei Hunden, denen das untere Brust- oder oberste Lendenmark durchtrennt wird, der Kratzreflex auftreten kann, wird schon von Goltz und Freusberg!) angegeben, welche den Reflex durch „Kitzeln der Bauchhaut an der Grenze des Haarwuchses“ auslösten. — Ich habe bei zwei von den in der vorigen Mitteilung beschriebenen Hunden („Corry* und „Gerda“, Durch- schneidung am 10. bzw. 11. Brustwirbel) den Kratzreflex sich ent- wickeln sehen. Die meisten der im nachstehenden zu schildernden Beobachtungen wurden an „Corry“ gemacht, bei welcher am 9. September das Rückenmark durchtrennt und am 1. Oktober 1909 das erste Auf- treten des Kratzreflexes auf Reiben der Bauchhaut festgestellt wurde. Danach entwickelte sich derselbe zu grösster Lebhaftigkeit und ist bis jetzt bestehen geblieben. 2. Das rezeptive Feld des Reflexes hat im Verlaufe dieser Zeit allmählich an Ausdehnung zugenommen. Am 16. November 1909 er- streckte sich dasselbe über den ganzen Bauch bis herab zur Vulva, griff zungenförmig auf die Innenseite der Oberschenkel über und reichte lateral bis zu einer Linie, welche dem Poupart’schen Bande folgend zum kranialen Ansatz der Schenkelfalte und von hier gegen die Wirbelsäule verlief, welche sie ca. 5 cm unterhalb des Ansatzes der letzten Rippe erreichte. — Am 5. März 1910 hatte sich die Grenze kaudalwärts verschoben, so dass sie auch auf die Aussenseite des Oberschenkels bis etwa zur Mitte desselben übergriff und von da 1 em oberhalb des Trochanter gegen die Wirbelsäule verlief, — Am 7. Mai gehörte schon die Haut des ganzen Oberschenkels aussen und innen bis herab zum Knie mit zur reflexauslösenden Zone, und am 21. Mai liess sich der Kratzreflex von der ganzen Haut des Stammes kaudalwärts von der Durchschneidungsstelle auslösen, vom 1) A. Freusberg, Reflexbewegungen beim Hunde Pflüger’s Arch. Bd. 9 S. 358. 1874. 36. R. Magnus: Damme, vom Schwanze und von der Haut beider Ober- und Unter- schenkel innen und aussen herab bis zum Fussgelenk, während die Haut des Fusses ausserhalb des reizempfänglichen Gebietes blieb. Diese Grenze ist keine ganz unveränderliche, da an einigen späteren Tagen von der Aussenseite des Unterschenkels kein Kratzen aus- zulösen war. — Diese Beobachtungen lehren, dass sich das rezeptive Feld für einen Reflex allmählich immer mehr ausbreiten kann, und das noch zu einer Zeit, wo die gewöhnlichen Shokerscheinungen nach der Rückenmarksdurchtrennung längst geschwunden sind. (Das Tier hatte Ende September schon Schaltungsreaktionen, Mitte Oktober Laufbewegungen der Hinterbeine gezeigt; seit Mitte Februar wurde es frei von Flöhen gehalten.) Innerhalb des rezeptiven Hautfeldes liess sich der Kratzreflex mit grösster Leichtigkeit durch sanftes Reiben mit der Fingerspitze hervorrufen. Auch faradische Reizung mit einer ganz oberflächlich eingestochenen Nadelelektrode erwies sich als gut wirksam. Der Reflex zeigte das typische Verhalten, dass das Bein tonisch, be- sonders in der Hüfte gebeugt wurde und dann die schnellen rhyth- mischen Kratzbewegungen einsetzten. Nur selten war allein die tonische Beugung vorhanden, oder es erfolgte das Kratzen bei herab- hängender Pfote. 3. Wird der Hund auf den Rücken gelegt, so kratzt bei Reiben der rechten Bauchseite das rechte Bein und bei Reiben der linken Bauchseite das linke Bein. Der Reflex erfolgt also wie in den von Sherrington untersuchten Fällen streng gleichseitig. Aber schon hier kann man gelegentlich beobachten, dass auf Reiben der einen Bauchseite beide Beine kratzen. Gewöhnlich erfolgt das in der Weise, dass beide Pfoten synchron schlagen, d. h. zu gleicher Zeit gebeust bzw. gestreckt werden. Es wird weiter unten zu schildern sein, dass der doppelseitige Kratzreflex bei bestimmten Lagerungen des Hundes leichter zu erzielen ist. Man kann fast immer, wenn das Tier beginnt, mit beiden Beinen zu kratzen, eine genau sym- metrische Lagerung ausfindig machen, in welcher der Kratzreflex einseitig, und zwar an der Reizseite erfolgt. Die in dieser Arbeit zu schildernden Sehaltungen beziehen sich nun alle auf das Phänomen, dass es gelingt, ohne Veränderung der Reizstelle nach Willkür und mit Sicherheit bald das eine und bald das andere Bein kratzen zu lassen. ne Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. IV. 587 4. Wird der Hund .auf den Rücken gelegt, und erfolgt auf Reiben z. B. der rechten Bauchseite Kratzen des rechten Beines, so kann man das rechte Bein dadurch mit Sicherheit für den Kratz- reflex „ausklinken“, dass man es stark streckt, abduziert und nach aussen rotiert und in dieser Stellung festhält. Dann tritt links- seitiges Kratzen auf!). — Es genügt für diesen Erfolg schon,. wenn allein der Oberschenkel im Hüftgelenk gestreckt. und abduziert wird. Dureh die Streckung und Abduktion des rechten Beines wird dieses nicht einfach mechanisch am Kratzen verhindert, denn es genügt manchmal nur ein ganz leises Auflegen der Hand, um das Glied in dieser Stellung zu halten, und trotzdem kratzt dasselbe nicht. Bei dem Hunde „Gerda“, bei welchem das ganze rechte Bein nebst den angrenzenden Rumpfteilen asensibel war, konnte das rechte Bein nicht mehr durch Streckung und Abduktion am, Kratzen ver- hindert werden, wohl aber das sensible linke. Da im Gegensatz dazu Anästhesierung des Hüftgelenkes und der Haut von Ober- schenkel und angrenzenden Rumpfteilen mit Novokain-Suprarenin den ausklinkenden Einfluss der Streckung und Abduktion nicht auf- hob, so wird es sehr wahrscheinlich, dass es’ sich hier um eine Beeinflussung des Zentralnervensystems handelt, welche diesem auf dem Wege der afferenten Muskelnerven zufliesst. Dass es wirklich die angegebene Stellung war und nicht das Festhalten des Beines an sich, welches den geschilderten Effekt ausübte, ergab sich daraus, dass Festhalten des Beines in gebeugter Stellung, auch wenn man es dabei stark kniff oder drückte, nicht imstande war, den Eintritt des Reflexes zu verhindern. Weniger sicher liess sich das Bein ausklinken, wenn es nur gestreckt oder in Mittelstellung nur abduziert wurde. Der geschilderte Einfluss wird nicht allein durch die Dehnung der Adduktoren hervorgerufen, denn Durchschneidung beider Nn. obturatorii im kleinen Becken hob bei „Corry“ das Phänomen nicht auf. Der einzige Erfolg der Operation war, dass jetzt schon Streckung des Beines allein, ohne begleitende Abduktion, die geschilderte Wirkung ausübte. Diese Beobachtungen machen es verständlich, warum unter ge- wöhnlichen Umständen der Kratzreflex nur einseitig (auf der Reiz- seite) eintritt. Denn da, wie Sherrington fand, hierbei das kontralaterale Bein gleichzeitig in Streck- und Abduktionsstellung 1) Derselbe Versuch lässt sich natürlich spiegelbildlich bei linksseitigem Reiz anstellen. ; / 988 R. Magnus: gerät, so wird es schon dadurch „ausgeklinkt“ und kann nicht mit- kratzen. Wird dagegen das Bein der Reizseite am Kratzen ver- hindert, so kann nun das kontralaterale Bein den Reflex ausführen. Werden beide Beine gestreckt abduziert, so bleibt das Kratzen vollständig aus. 9. Nunmehr können wir zur Schilderung des eigentlichen Haupt- versuches übergehen. Wird der Hund, bei dem in Rückenlage auf einseitiges Reiben der Bauch- oder Flankenhaut das hombolaterale Bein kratzt, in Seitenlage gebracht, so kratzt nunmehr immer das obere Bein, einerlei an welcher Körperseite der Reiz an- gebracht wird. Dieses Resultat tritt ausnahmslos ein und hat sich seit Anfang Oktober bis zum Juli in zahlreichen Versuchen immer wieder mit Sicherheit hervorrufen lassen. Solange die Seiten- lage andauert, ist das untere Bein für den Kratzreflex vollständig ausgeklinkt, auch wenn die unten liegende Bauch- oder Flanken- gegend gerieben wird. Dabei ist das untere Bein aber keineswegs reflektorisch unerregbar, vielmehr lässt sich der Beugereflex, der Extensorstoss, der Patellarreflex an ihm mit Leichtigkeit hervorrufen, und gelegentlich kann man sehen, dass das Bein in dieser Lage regelmässige Pendelbewegungen ausführt. Auch gekreuzte Reflexe sind auf das untere Bein unvermindert auszulösen. Nur der Kratz- reflex wird unter diesen Umständen niemals beobachte. — Im Gegensatz dazu spricht das obere Bein nun nicht allein auf Reiben der oberen (eleichseitigen) Bauch- und Flankenhaut an, was dem normalen Verhalten entsprechen würde, sondern auch auf Reiben der unteren (kontralateralen) Seite. Betrachten wir eine bestimmte Hautstelle A, welche beispiels- weise auf der rechten Bauchseite gelegen sei, so erfolgt in Rücken- lage auf Reiben von A Kratzen rechts, in linker Seitenlage ebenfalls Kratzen rechts, in rechter Seitenlage dagegen niemals Kratzen rechts, sondern immer Kratzen links. Von ein und derselben afferenten Bahn aus kann man also die Erregung nach Willkür den motorischen Zentren des rechten oder linken Beines zufliessen lassen und sie von den Zentren des anderen Beines dabei fernhalten. _ Über den Ort, an welchem diese Schaltung stattfindet, lässt sich jedenfalls aussagen, dass er ganz zentral sitzen muss. Wenn in rechter Seitenlage bei Reizung von A das rechte Bein nicht an- spricht, während es für alle anderen gleichseitigen und gekreuzten Beuge- und Streckreflexe sehr wohl fassbar ist, so können Muskeln, SS Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. IV. 589 motorische Nerven sowie deren letzte motorische Zentren im Rücken- mark nicht unerregbar geworden sein. Wenn bei derselben Seiten- lage aber auf Reiz von A das linke Bein kratzt, so muss die Er- regung von den sensiblen Nerven in die zentrale Substanz des Rückenmarkes eingetreten sein. Der Ort der Schaltung muss also zwischen dieser letzteren Stelle und den letzten motorischen Zentren gelegen sein. 6. Es erhebt sich auch hier wieder die Frage, auf welche Weise es das Rückenmark „erfährt“, dass das Tier in eine andere Lage gebracht worden ist. Welches sind die afferenten Bahnen, von denen in diesem Falle die Schaltung veranlasst wird, und von welchen Teilen des Körpers gehen die sensiblen Impulse aus? Nach den in den vorigen Mitteilungen berichteten Erfahrungen, habe ich es zunächst für das Wahrscheinlichste gehalten, dass auch hier die Lage und Stellung derjenigen Gliedmaassen, an denen die Reflexbewegung erfolgt, von maassgebendem Einflusse sei. Ich habe mich daher bemüht, durch Verändernng der Stellung eines oder beider Beine zum Rumpfe einen Einfluss auf das geschilderte Schaltungsphänomen zu bekommen. Aber ohne jeden Erfolg, Wenn das Tier in Seitenlage gebracht wird, so hängt gewöhnlich das untere Bein in Streck- und Abduktionsstellung herab, während das obere Bein adduziert ist bzw. dem Rumpfe aufliest. Die Vermutung, dass das untere Bein aus diesem Grunde „ausgeklinkt“ sei, hat sich nicht bestätigt. Zunächst zeigte es sich, dass nach Ausschaltung der Adduktoren durch Obturatoriusdurchschneidung sich die Schaltung in keiner Weise geändert hatte. In Seitenlage kratzte nach wie vor immer das obere Bein. Ferner machte es gar keinen Unterschied, ob das untere Bein bei Seitenlage vorsichtig in adduzierte oder ge- beuste Stellung gebracht wurde. Es blieb trotzdem für den Kratz- reflex ausgeklinkt. Auch das obere Bein konnte in die verschiedensten Stellungen gebracht werden, ohne dass es das Vermögen verlor, auf Reiben der rechten oder linken Bauchhaut zu kratzen. Nur wenn es stark gestreckt abduziert wurde, wurde es, ebenso wie bei Rückenlage, nicht mehr zum Kratzen gebraucht. Nachdem durch diese und zahlreiche andere Versuche sich immer wieder ergeben hatte, dass die Stellung der Beine selbst bei der Seitenlage die geschilderte Schaltung nicht zuwege bringt, war die zweite Möglichkeit, dass andere Teile des Skelettes mit den zugehörigen Muskeln in veränderte Stellung zueinander gebracht 590 R. Magnus: und dadurch die Ursache der Schaltung geworden wären. Da das Rückenmark im untersten Brustmark durchtrennt war, konnte es sich hierbei wohl nur um die Wirbelsäule handeln, welche, wenn der Hund in Seitenlage gehalten wird, gewöhnlich so abgebogen ist, dass eine Skoliose mit der Konvexität nach unten, d. b. der Tischseite entsteht. Man kann diese Krümmung korrigieren, ja, man kann sie sogar in beliebiger Weise überkorrigieren, indem man z. B. das Tier in Seitenlage auf den Schoss nimmt und das Gesäss desselben über die Knie nach unten herabhängen lässt: Es kratzt nach wie vor das obere Bein. Ebenso, wenn man den Schwanz des Tieres packt und mit Hilfe dieser Handhabe die Lendenwirbelsäule nach verschiedenen Richtungen abbiegt. Auch alle anderen Versuche, die Ursache der Schaltung in irgendeiner veränderten Stellung verschiedener Skeletteile zuein- ander oder in .der Dehnung irgendwelcher Muskelgruppen zu suchen, scheiterten. vollkommen. : 7. Nach langen vergeblichen Versuchen klärte sich das Rätsel in der allereinfachsten Weise auf. Der Hund liegt in Seitenlage. auf Reiben der Bauchhaut rechts .oder links kratzt immer das obere Bein. Wird nun der Schwanz des Tieres gepackt, so ändert sich daran auch bei starkem Kneifen gar nichts. Wird nun der Schwanz langsam gehoben, wobei die Wirbelsäule eventuell stark abgebogen werden kann, so bleibt die Schaltung, wie erwähnt, unverändert erhalten. Sowie nun aber beim Heben des Schwanzes der Hund von seiner Unterlage abgehoben wird, ist die Erscheinung verschwunden, und auf Reiben der. rechten Bauchhaut kratzt das rechte, auf Reiben der linken Bauchhaut das linke Bein. Wird also der Hund an Schwanz und Schultern frei in Seitenlage in der Luft gehalten, so ist der Kratzreflex homolateral, sowie aber das Tier mit der Seitenwand des Körpers die Unterlage berührt, kratzt immer das obere Bein. Die Schaltung wird demnach bewirkt nicht von dem kratzenden Gliede aus, sondern von einer entfernten Körperstelle, und zwar durch Druck auf die Seitenteile des Rumpfes (untere Thoraxpartie, Lenden- und Flankengegend.) Verschiedene andere Versuche bestätigen diese Auffassung. Wird der Hund beispielsweise in rechter Seitenlage (rechte Schulter unten) an Schwanz und Schulter in der Luft gehalten, so erfolgt, wie erwähnt, der Kratzreflex homolateral. Wird nun mit der flachen Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. IV. 591 Hand ein Druck auf ein möglichst grosses Stück der linken (oberen) Flankengegend ausgeübt, so verhält sich das Tier wie ein in linker Seitenlage befindliches, d. h. es kratzt nun bei Reiben einer be- . liebigen Hautstelle immer das untere rechte Bein. Wenn sich der Hund in symmetrischer Rückenlage befindet, so ist der Kratzreflex eleichseitig. Wird nun mit der flachen Hand ein Druck auf eine der beiden Flanken, z. B. die rechte, ausgeübt, so ist das rechte Bein für den Kratzreflex ausgeklinkt, und auf Reiben der rechten :wie der linken Bauchseite kratzt immer das linke Bein. Bei diesem Versuche muss man aber genau darauf achten, dass man durch den Druck auf die rechte Flanke nicht die linke ebenfalls gegen einen Gegenstand (Wand des Käfiges, Knie des Dieners) an- drückt, weil sich sonst diese beiden Einflüsse gegenseitig aufheben und der Versuch misslingt. Sicherer ist es, wenn man nicht die rechte Flanke drückt, sondern eine breite Hautfalte seitlich vom Rumpfe abhebt und diese mit der Hand presst. Dann ist ebenfalls das Bein dieser (rechten) Seite ausgeklinkt, und auf jeden Reiz kratzt das linke Bein. Dieser letztere Versuch gelingt auch besonders gut in Seitenlage. Man hält einfach das Tier an den Schultern und an einer Hautfalte der (z. B. rechten) Flankengegend in (linker) Seitenlage in der Luft. Unter diesen Bedingungen kratzt immer das untere (linke) Bein, auch wenn die obere (rechte) Bauchseite gerieben wird. Alle diese Beobachtungen lehren übereinstimmend, dass Druck auf die Haut an den Seitenteilen des Rumpfes, einerlei ob dieser Druck durch das Gewicht des eigenen Körpers, der einer Unterlage aufliest, oder durch festes Auflegen der Hand oder durch Pressen einer aufgehobenen Hautfalte erfolst, das gleichseitige Bein für den Kratzreflex aus- und das kontralaterale Bein einklinkt. Der Druck- sinn gehört nach Head, Rivers und Sherren [vel. die Dar- stellung von Page May!) in den Erg. d. Physiol.] zur tiefen Sensibilität und wird vermutlich von den tieferen Teilen der Haut, den Faszien usf., vermittelt. Die Versuche mit Kneifen der ab- gehobenen Hautfalte scheinen zu zeigen, dass jedenfalls die Haut- sensibilität an den beschriebenen Phänomen mitwirkt. Andrerseits spricht für eine Beteiligung subkutaner und tieferer Strukturen 1) Page May, Über sensorische Nerven und periphere Sensibilitäten. Erg. d. Physiol. Bd. 8 S. 657. 1909. 592 R. Magnus: (Faszien usw.) die Erfahrung, dass es nicht gelingt, durch Anästhe- sierung der gesamten Lenden-, Flanken- und seitlichen Thoraxhaut mit Novokain-Suprarenin den Einfluss der Seitenlage vollständig aufzuheben. Die Schaltung wird wohl hierbei weniger deutlich, schwindet aber sicherlich nicht ganz. Die beschriebenen Versuche geben die Erklärung dafür, weshalb in Seitenlage immer das obere Bein kratzt. Es handelt sich um eine Schaltung, welche ausgelöst wird durch das Auf- liegen einer Körperseite auf der Unterlage Auch in diesem Falle, wie in den früher (Mitteilung I—III) beschriebenen, wird auf dem Wege afferenter Nerven das Zentral- organ in verschiedener Weise eingestellt, so dass ein und derselbe Reiz verschiedene motorische Zentren- gruppen in Tätigkeit versetzen kann. Welche von diesen Zentren auf den Reiz ansprechen sollen, lässt sich von der Peripherie her nach Willkür beherrschen. In dem hier beschriebenen Falle ist nun die Lage und Stellung des kratzenden Beines selbst für die Schal- tung ohne Bedeutung, diese wird vielmehr von einem anderen Körperteile her ausgelöst. Die reflex- vermittelnden Bahnen sind ferner im Gegensatz zu den früher studierten Fällen nicht die Muskelnerven, welche durch Dehnung des Muskels in Erregung ge- raten, sondern die afferenten Bahnen des Druck- sinnes. 8. Andem Hund „Gerda“ (vgl. vorigeMitteilung S.549), bei welchem durch Hinterwurzeldurchschneidung das ganze rechte Hinterbein und die angrenzenden Rumpfteile bis fast zum Nabel asensibel gemacht waren, wurden einige ergänzende Beobachtungen angestellt, welche geeignet sind, das bisher Erörterte noch weiter zu verdeutlichen. In Rückenlage zeigte das Tier homolateralen Kratzreflex (an der rechten asensiblen Seite musste die Bauch- oder Flankenhaut natürlich kranialwärts von der asensiblen Zone gerieben werden). In linker Seitenlage verhielt sich das Tier wie ein normales, d. h. es kratzte auf jeden Reiz nur mit dem oberen, rechten asensiblen Bein. In rechter Seitenlage, wenn darauf geachtet wurde, dass das Tier dabei hauptsächlich mit dem asensiblen Teile seiner Flankengegend auf der Unterlage auflag, erfolgte dagegen keine Schaltung, der Kratz- reflex blieb homolateral.e. Wurde das Tier in linker Seitenlage frei } 1 . } | i Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. IV. 593 in der Luft gehalten, indem man es an einer Hautfalte der rechten Flanke packte, so war der Effekt ein verschiedener. Fiel die Haut- -falte in den vorderen sensibeln Bezirk, so kratzte auf rechtsseitiges Reiben das linke (untere) Bein. Fiel dagegen die Hautfalte in den hinteren asensibeln Bezirk, so kratzte auf Reizung der rechten Bauchhaut das rechte (obere) Bein. Es war also sehr wohl eine ‚Schaltung auf das asensible rechte Bein möglich, nicht aber eine -Schaltung von der asensiblen Flankengegend aus. 9. Bei der Demonstration der geschilderten Schaltungsversuche an „Corry“ wurde mir von befreundeter Seite ein Einwand gemacht. Wenn in Rückenlage auf Reizung der rechten Seite das rechte Bein kratzt, in rechter Seitenlage aber auf denselben Reiz das linke Bein, so brauche es sich dabei nicht um Schaltung zu handeln, sondern ‘es könne die Erscheinung einfach so zustande kommen, dass in rechter Seitenlage das rechte Bein „gehemmt“ wäre und man nun den Reiz unwillkürlich so lange verstärke, bis die Erregung nach der anderen Seite hinüber sich ausbreite. Dieser auf den ersten "Blick einleuchtende Einwand kann leicht zurückgewiesen werden. Unter normalen Umständen gelingt es nämlich niemals, durch ein- fache Verstärkung des Reizes einen einseitigen Kratzeffekt in einen doppelseitigen zu verwandeln. Verstärkung des Reizes bewirkt immer nur, dass das kratzende Bein stärker kratzt, dass eventuell das kontralaterale Bein in stärkere Streckung und Abduktion gebracht wird, gelegentlich auch einige kräftige stossende Bewegungen aus- führt, aber niemals durch blosse Verstärkung des Reizes auch mit zum Kratzen gebracht wird. Um diese Verhältnisse näher zu prüfen, habe ich für homo- laterales und kontralaterales Kratzen die Reizschwelle mit dem elektrischen Strome bestimmt und keine höhere Schwelle für kontra- laterales Kratzen gefunden. Die Versuche wurden in der von Sherrington empfohlenen Weise an- gestellt, dass dem Hunde eine feine Nadelelektrode etwa 1 mm tief in die Haut des Bauches eingestochen wurde. Als andere Elektrode diente eine breite, mit nassem Tuch bespannte Messingplatte, welche an eine geschorene und befeuchtete Hautstelle an der rechten Schulter angedrückt wurde. Gereizt wurde mit faradischen Strömen eines mit einem Akkumulator betriebenen nach Kronecker geeichten Schlittens, in dessen sekundären Kreis ein Widerstand von 21000 Ohm ein- geschaltet war. e Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 40 ” 994 R. Magnus: Versuch 1. Reizelektrode an der linken Bauchseite. Rechte Seitenlage. Linkes homolaterales Bein kratzt. Schwelle: 350 Einheiten. Linke Seitenlage. Rechtes kontralaterales Bein kratzt. Schwelle: 325 Ein- heiten. Versuch 2. Reizelektrode an der linken Bauchseite. Rückenlage. Linkes homolaterales Bein kratzt. Schwelle: 275 Einheiten. Rechte Seitenlage. Linkes homolaterales Bein kratzt. Schwelle: 275 Ein- heiten. Linke Seitenlage. Rechtes kontralaterales Bein kratzt. Schwelle: 275 Ein- heiten. Versuch 3. Reizelektrode an der linken Bauchseite. Rechte Seitenlage. Linkes homolaterales Bein kratzt. Schwelle: 375 Einheiten. Linke Seitenlage. Rechtes kontralaterales Bein kratzt. Schwelle: 375 Ein- heiten. Versuch 4. Reizelektrode an der rechten Bauchseite. Linke Seitenlage. Rechtes homolaterales Bein kratzt. Schwelle: 375 Einheiten. Rechte Seitenlage. Linkes kontralaterales Bein kratzt. Schwelle: 300 Ein- heiten. Diese Versuche lehren übereinstimmend, dass, wenn durch Lagerung des Tieres auf einseitigen Reiz das kontralaterale Bein kratzt, dazu in keinem einzigen Falle ein stärkerer Reiz nötig ist, als für die Auslösung eines homolateralen Kratzreflexes von derselben Reizstelle aus. Es sind also von ein und demselben Reiz- punkte aus die Bahnen zum rechten und zum linken Beine für die gleichen Schwellenreize wegsam. Es handelt sich eben in diesen Fällen allein um „Schaltung“, d.h. um die Direktion der Erreeung in die eine oder iu die andere Bahn, nicht aber um das Weefallen des einen Reizerfolges infolge von Hemmung und um das Auftreten eines anderen infolge von Ver- stärkung des Reizes und Ausbreitung dieses stärkeren Reizes im Zentralorgan. 10. Auch die hier beschriebene Form der Schaltung ist eine tonische. Solange sich der Hund in Seitenlage befindet, so lange spricht auch immer nur das obere Bein auf Reizung jeder beliebigen Hautstelle an. Es macht keinen Unterschied, ob ınan diese Reizung sofort nach Einnahme der Seitenlage oder nach !/e Stunde vornimmt. Die Seite, auf welcher das Kratzen erfolgt, ist in beiden Fällen mit der gleichen Sicherheit bestimmt. Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnervensystem. IV. 595 11. Wenn der Hund in Rückenlage liegt, so erfolet auf Reiben . der linken Bauchseite Kratzen des linken Beines. Wird nun der Hund in linke Seitenlage gedreht, so ändert sich der Reizerfolg, und es kratzt nun auf linksseitiges Reiben das rechte Bein. Nimmt man das Umlegen des Tieres auf die Seite sehr allmählich vor, so kann man gelegentlich (aber nicht immer) eine Übergangsstellung aus- findig machen, in welcher synehrones Kratzen beider Beine erfolst. Im Anfang dieser Arbeit wurde erwähnt, dass manchmal, wenn der Hund einfach auf den Rücken gelegt wird, auf einseitigen Reiz beide Beine kratzen. Es ist mir im Verlaufe der Versuche sehr wahr- scheinlich geworden, dass es sich hierbei immer um den erwähnten Übergangszustand handelt, und dass es bei sorgfältiger symmetrischer Lagerung des Tieres immer gelingt, in Rückenlage auf einseitigen Reiz homolaterales Kratzen zu erhalten. 12. In dieser Arbeit wurden zwei Formen von Schaltungen beim Kratzreflex beschrieben, von denen die eine durch Streckung und Abduktion des Beines, die andere durch Druck auf die Seitenteile des Rumpfes hervorgerufen wurde. Es erhebt sich nun die Frage: Was geschieht, wenn diese beiden Einflüsse miteinander in Kon- kurrenz treten? Die Versuche ergeben, dass in diesem Falle die Streckung und Abduktion des Beines den Einfluss des seitlichen Druckes überwindet. Wenn z. B. der Hund sich in rechter Seiten- lage befindet, so kratzt auf Reiben der rechten oder der linken Bauchseite immer das linke (obere) Bein. Wird nun dieses linke Bein gestreckt und abduziert und in dieser Stellung festgehalten (wozu oft leises Auflegen des Fingers genüst), so ist es „ausgeklinkt“, und auf Reiben der rechten wie der linken Bauchseite kratzt jetzt das untere rechte Bein. In diesem Falle gelingt es also, das bei Seitenlage sonst niemals reagierende untere Bein kratzen zu lassen. Ein weiterer Beweis, dass dieses Bein sich nicht im Zustande einer Hemmung befindet. Ist das untere Bein dagegen selbst in Streckung und Abduktionsstellung, so sind alle Reize unwirksam, und es gelingt auf keine Weise, den Hund zum Kratzen zu veranlassen. 13. Die hier geschilderten Schaltungsphänomene scheinen auf den Hund beschränkt zu sein. Wenigstens ist es mir nicht gelungen, sie an der dekapitierten Katze, an der sich nach den Angaben von Sherrington!) der Kıatzreflex sehr gut studieren lässt, mit 1) C. S. Sherrington, Notes on the scratch-reflex of the cat. Quart. J. of exper. physiol. vol. 3 p. 213. 1910. 40 * 596 R. Magnus: Sicherheit hervorzurufen. Dieses Präparat kratzt auch in Seitenlage gewöhnlich homolateral. 14. Die in dieser Arbeit beschriebenen Schaltungserscheinungen liessen sich an den beobachteten Hunden mit grosser Sicherheit und Konstanz hervorrufen, so dass kinematographische Aufnahmen der wichtigsten Versuche genommen werden konnten. In dieser Hinsicht bot dieses Objekt dieselben Vorteile wie der früher beschriebene Katzenschwanz. Im Laufe von ®« Jahr habe ich an mehr als 70 verschiedenen Tagen viele Hunderte von Einzelversuchen an- gestellt und dabei wohl Schwankungen in der Intensität und der Auslösbarkeit des Reflexes gefunden, aber niemals Ausnahmen von den in dieser Abhandlung beschriebenen Schaltungsgesetzen gesehen. Unter den geschilderten Bedingungen ist also das Bein, welches auf einen gegebenen Reiz bei einer gegebenen Körperstellung kratzen wird, eindeutig bestimmt. Es ist also in einem Falle, wo auf einen bestimmten Reiz hin verschiedene Reaktionen auftreten können, gelungen, die Regeln vollständig aufzufinden, von denen diese Verschiedenheiten be- dingt werden. 15. In den früheren Mitteilungen waren Versuche am Hunde- bein und Katzenschwanz beschrieben, in denen durch veränderte Lage und Stellung desjenigen Gliedes, an dem. der Reflex eintreten sollte, eine Schaltung hervorgerufen wurde. Die Regel für diese Schaltungen entsprach dem von v. Uexküll am Wirbellosen auf- gestellten Gesetz, dass immer die Zentren derjenigen Muskeln für die Erregung eingeklinkt sind, welche sich bei der gegebenen Stellung des Gliedes im Zustande der grössten Dehnung befinden. Für die in dieser Arbeit mitgeteilten Schaltungsversuche ist nun die Uexküll’sche Regel nicht mehr anwendbar. Wenn ein Bein gestreckt abduziert wird, so befinden sich die Beuge- muskeln, welche beim Kratzreflex zuerst in Tätigkeit treten müssen, im Zustande der grössten Dehnung, und trotzdem ist das Bein für den Kratzreflex ausgeklinkt. Wenn der Hund in Seitenlage gebracht wird, so gehen die schaltenden Einflüsse überhaupt gar nicht von dem Gliede aus, an welchem die Reflexbewegung eintreten wird, sondern von einer entfernten Körperstelle, und es müssen dabei gar keine Muskeln gedehnt werden. Es lehren also diese Experimente, dass das Rückenmark der Säugetiere sehr viel mehr verschiedene Schaltungsmöglichkeiten besitzt, als sie an den einfacheren Nerven- Zur Regelung der Bewegung durch das Zentralnervensystem. IV. 597 systemen der Wirbellosen: bisher aufgefunden worden sind. Nicht nur die afferenten Muskelnerven, welche durch Dehnung der Muskeln erregt werden, sondern auch andere sen- sible Bahnen von entfernten Körperstellen werden dureh Lagerung, durch Druck, wahrscheinlich auch noch durch viele andere noch nicht untersuchte Ein- flüsse erregt und wirken schaltend auf das Zentral- organ, d.h. sie bestimmen den Weg, welchen später eintretende Erregungen hier nehmen werden. Man sieht, dass das Nervensystem eigentlich in jedem Moment ein anderes ist, dass es in jedem Moment die Zustände des Körpers, seine Lage, die Stellung seiner Glieder, die Berührung mit der Aussenwelt widerspiegelt. Auf diese Weise wird es verständlich, wieso das Nervensystem unter verschiedenen Bedingungen so verschiedenartig und doch gesetzmässig reagieren kann. Zusammenfassung. Am Hunde wurde nach Durchtrennung des Rückenmarkes im untersten Brustteil das Auftreten des Kratzreflexes beobachtet, wobei sich das 'rezeptive Feld im Laufe der Zeit kaudalwärts ausdehnte. Bei symmetrischer Rückenlage ist dieser Reflex gleichseitig, man kann ibn aber zu einem kontralateralen machen, indem man entweder auf der Reizseite das Bein streckt und abduziert oder einen seitlichen Druck auf die Flankengegend ausübt. Auf diese beiden Einflüsse liessen sich alle bisher beobachteten Fälle zurückführen. . Es handelt sich hierbei um Schaltungen im Zentralnervensystem von tonischer Natur, dureh welche ein von einem afferenten Impulse hervorgerufener Reflex ohne Änderung der Reizschwelle nach Willkür der einen oder anderen motorischen Zentrengruppe zugeleitet werden kann. Die hier beschriebenen Schaltungen folgen im Gegensatz zu den früher studierten nicht der Uexküll’schen Regel und können zum Teil auch von anderen Körperteilen als dem bewesten Gliede her ausgelöst werden. 598 G. Mansfeld: (Aus dem physiologischen Institut des University College zu London und dem pharmakologischen Institut der Universität Budapest.) Die Ursache der motorischen Acceleration des Herzens. Von G. Mansfeld - Budapest, Privatdozent für experimentelle Pharmakologie. Inhaltsübersicht. En I. Die motorische Acceleration bei der künstlichen Muskelreizung . . 601 II. Die Wirkung der Muskelarbeit auf das entnervte Herz . ..... 603 III. Die Wirkung der Muskelarbeit nach Exstirpation der Gangl. stellata 604 IV. Die Wirkung der Muskelarbeit nach Vagotomie. . ». . .2.... 605 V. Die Rolle der extrakardialen Nerven und Mechanismus der motorischen Acceleration. 14 ee en een lee RENT 5 606 VI. Wirkung der CO, auf die Pulszzahl ........ A RE any & 610 VII. Wirkung anoxybiotischer Stoffwechselprodukte auf die Pulszahl ... 611 VII. Wirkung von Extrakten ruhender und arbeitender Muskeln auf die Pulszahl I INSIDE. DIRT ER IX. Die Wirkung von Blut tetanischer Hunde auf die Pulszahl u es, X. Beziehungen zwischen Muskelarbeit, Bluttemperatur und Puls- beschleunigung 44.9 30. mu a RT a te ee 616 XI. Wirkung von geringer Temperatursteigerung im rechten Herzen auf die Pulszahl mn nF 2 har denen ehe ee Sala ÜReege: a (E XI. Angriffspunkt des Tea ARENA ae) ARE O2 Aus alltäglicher Beobachtung ist jedem die staunenswerte Koordi- nation bekannt, welche im Organismus der Warmblüter zwischen der Muskeltätigkeit und der Arbeit des Herzens besteht. Die Nütz- liehkeit dieses Zusammenwirkens ist leicht einzusehen. Das ge- steigerte Sauerstoffbedürfnis tätiger Muskeln erfordert, dass in der Zeiteinheit mehr Blut als in der Norm die Muskeln durchströmt, und dies wird durch die Pulsbeschleunigung und verstärkte Herz- kontraktion, unterstützt von Vasodilatation in den arbeitenden Muskeln selbst erreicht. Es drängte die Frage nach dem ursäch- lichen Zusammenhang dieser zweckmässigen Koordination, und dies Die Ursache der motorischen Acceleration des Herzens. 599 erforderte eine Prüfung erstens jener Wege, auf welchen das Zu- sammenwirken vermittelt wird, zweitens derjenigen Faktoren, welche bei der motorischen Acceleration des Herzens ursächlich in Betracht kommen können. Geschichtliches: Abgesehen von manchen genauen Beob- achtungen an Menschen, welche wohl die quantitativen Änderungen der Herztätigkeit während der Muskelarbeit, nicht aber deren Be- dingungen feststellen, liegt wenig Experimentelles über diesen Gegen- stand vor. Zunächst muss einer Arbeit von Heinrich Ewald Hering!) gedacht werden, welche dieser Frage gewidmet ist. Hering unter- suchte mittelst eines sinnreichen Verfahrens (teleakustische Methode) an 2 Minuten lang herumgetriebenen Kaninchen die motorische Acceleration und prüfte die Bedeutung der extrakardialen Nerven für diesen Vorgang. Er kam zu dem Schluss, dass die Steigerung der Herzfrequenz hauptsächlich an die Integrität der Acceleratoren sebunden ist, und ist geneigt, die Erregung der Acceleratoren als reflektorischen Vorgang infolge von Reizung sensibler Muskelnerven zu betrachten. \ Eine zweite sehr gründliche Untersuchung stammt von Johansson?), der gefunden hat, dass bei der Pulsbeschleunigung von den tätigen Muskeln gelieferte Stoffwechselprodukte wohl mit- beteilist sind, aber nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen, da nach Tetanisieren von Muskelgruppen, welche jede nervöse Ver- bindung mit dem Zentralnervensystem entbehrten, eine wohl konstante, aber sehr geringe Acceleration eintrat. Den Angriffspunkt des Blut- reizes verlegt er in das Herz selbst, da die Beschleunigung auch am entnervten Herzen erfolgte. Die Hauptursache der verstärkten Herztätigkeit, welche die willkürliche Muskelarbeit begleitet, sieht Johansson, nachdem sich der. Einfluss zentripetaler Impulse, die Rolle von Blutdruck- und Atemschwankung als unwesentlich heraus- stellte, in einer Miterregung des Zentrums der Acceleratoren. Gegen diese Erklärung sprechen jedoch interessante Versuche von Athanasiu und Carvallo an paraplegischen Individuen mit intaktem Hirn, bei welchen trotz erösster Anstrengung, die gelähmten Beine zu be- wegen, niemals eine beschleunigte Herztätigkeit zu beobachten war?°). 1) H. E. Hering, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 60. 2) Johansson, Skand. Arch. f. Physiol. Bd. 5. 3) Zit. nach F. B. Hoffmann in Nagel’s Handb. d. Physiol. Bd. 1 S. 287. 600 G. Mansfeld: Dieselben Forscher fanden in Übereinstimmung mit Johansson, dass weder die beschleunigte Atmung noch die Schwankungen des Blutdrucks ursächlich in Betracht kommen. In einer zweiten Arbeit kommen sie entgegen den Erfahrungen Johansson’s zu den Er- gebnissen, dass bei normaler Muskelarbeit die Herzbeschleunigung wesentlich reflektorisch bedingt ist, in welchem Reflex der Vagus als zentrifugaler Nerv fungiert, und glauben, dass die Stoff- wechselprodukte als direkte Herzbeschleuniger nur bei exzessiv an- gestrengter Muskeltätigkeit eine Rolle spielen !). Angerest durch die Wichtiekeit der Frage und die wider- sprechenden Ergebnisse vorliegender Untersuchungen hatte ich mich entschlossen, die Frage von Anfang an experimentell zu prüfen, wobei ich mir — wie schon früher angedeutet — die Aufgabe gestellt habe, zunächst die Vermittlungswege zwischen Muskulatur und Herztätigkeit zu ergründen, und zweitens diejenigen Reize einer genauen Prüfung zu unterziehen, welche die verstärkte Herzaktion verursachen können. Dank der liebenswürdisen Gastfreundschaft des Herrn Professors E. H. Starling war es mir gestattet, diese Untersuchungen im physiologischen Institut des University College in London zu be- einnen, und unter seiner dankenswerten Anleitung und Unterstützung gelang es mir, die Untersuchung der Frage ersten Teil zum Abschluss zu bringen, während die weiteren Untersuchungen im hiesigen pharmako- logischen Institut ausgeführt wurden. Herrn Professor Starling möchte ich auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank aussprechen. Versuchsanordnung: Sämtliche Untersuchungen habe ich an Hunden und Katzen angestellt. Die Versuchstiere waren während der Versuche tief narkotisiert. Als Narkotica benützte ich stets Urethan und Äther, die Hunde erhielten überdies 0,01 g Morphin per Kilogramm. Der Blutdruck wurde in üblicher Weise mittels Quecksilber- oder Hürthle’schen Gummimanometer von der Karotis aus, die Atmungszahl mittels eines Pneumographen und Marey scher Trommel registriert. Die Muskelarhbeit wurde durch elektrische Reizung der hinteren Extremitäten vom Rückenmark aus hervor- gerufen. Das Rückenmark war in allen Versuchen in der Höhe des zweiten bis dritten Lendenwirbels durchtrennt worden, der zentrale Stumpf mit Watte und Staniolblättern isoliert, der periphere mit Elektroden armiert, wobei die eine Elektrode in das Rückenmark 1) Arch. de physiol. 1898. p. 552. Die Ursache der motorischen Acceleration des Herzens. 601 selbst, die andere in die .die Wirbelsäule umgebenden Muskeln ver- senkt war. Gereizt wurde mit einem Du Bois’schen: Schlitten- induktorium, als Stromquelle diente ein Trockenelement. I. Die motorische Acceleration bei der künstlichen Muskel- reizung. Nach den Versuchen Johansson’s schien die künstliche Er- regung von Muskelgruppen, welehe nur durch die Blutbahn mit dem Zentralnervensystem in Verbindung waren, eine äusserst geringe Wirkung auf die Tätigkeit des Herzens auszuüben, und es musste angenommen werden, dass Stoffwechselprodukten nur eine geringe Rolle bei der Pulsbeschleunigung zukommt. Auch mir gelang es anfangs nur schwer, auf diese Weise eine nennenswerte Acceleration zu erzielen, obwohl die Muskeln lange und kräftig tetanisiert wurden, was stets von einer bedeutenden Beschleunigung der Atmung oefolgt war. Nach einigen Misserfolgen jedoch konnte ich auch durch künst- liche Reizung des durchtrennten Rückenmarkes eine sehr prompte und bedeutende Pulsbeschleunigung hervorrufen, falls ich nur darauf achtete, dass die Versuchstiere während der vorbereitenden Operation nicht abkühlten. Wurde nicht durch künstliche Erwärmung der Tiere stets für physiologische Bedingungen gesoret, konnte kaum eine Acceleration des Herzens beobachtet werden. Falls aber die Temperatur der Tiere nicht unterhalb 36 ° C. sank, genügte schon das Tetanisieren während einer Minute und sogar weniger, um sehr bedeutende Pulsbeschleunigung zu erzielen, wie dies aus den folgenden Versuchen ersichtlich. In den Versuchen sind die Pulszahlen stets in 20” angegeben Die vier Zahlen lassen die Änderung der Pulszahl innerhalb einer Reizungsperiode erkennen. Die erste bedeutet die Pulszahl un- mittelbar vor der Reizung, die zweite während der letzten 20 Sekunden der Reizung, die dritte unmittelbar nach Beendigung der Reizung, die vierte 2 Minuten nach dem Tetanus. Die Angaben über die Höhe des Blutdrucks habe ich raumersparnishalber nicht mitgeteilt, da dieselben nichts weiter als die schon von Johansson gefundene Tatsache zeigen würden, dass nämlich die geringen Blutdruck- schwankungen, die während der Muskelarbeit gelegentlich vorkommen, nichts mit der Pulsbeschleunigung zu tun haben. Die Änderung der Atmungsfrequenz habe ich in einigen Versuchen beispielsweise mit- geteilt. Registriert wurde sie in allen Versuchen und diente als 602 G. Mansfeld: guter Indikator dafür, dass die Reizung des Rückenmarkes erfolg- reich war, was besonders in jenen Versuchen von Wichtigkeit war, in denen durch verschiedene Eingriffe, wie Nervendurchtrennung usw., die Pulsbeschleunigung nicht zustande kam. Mitgeteilt wurden die Atmungszahlen nur, wo sie von besonderem Interesse. a) Versuche an Katzen. Versuch II. London, 24. Mai 1909. a) Dauer des Tetanus: 34 Sek. Temperatur: 38,30 C. Pulszahl: 70, 80, 88, 72. Acceleration: 25,7%. Atmung: 7, 12, 12, 12. b) Dauer des Tetanus: 46 Sek. Temperatur: 39° C. Pulszahl: 72, 81, 82, 73. Acceleration: 13,9%. Atmung 10, 14, 14, 12. Versuch III. London, 25. Mai 1909. Dauer des Tetanus: 76 Sek. Temperatur: 37,9°C. Pulszahl: 45, 62, 58, 50. Acceleration: 33% Atmung: 11, 18, 17, 13. Versuch VI. London, 10. Juni 1909. Dauer des Tetanus: 34 Sek. Temperatur: 37°C. Pulszahl: 66, 73, 33, 70, Acceleration: 25,7 /o. Versuch VII. London, 11. Juni 1909. a) Dauer des Tetanus: 23 Sek. Temperatur: 37,90 C. Pulszahl: 57, 70, 70, 59. Acceleration: 22,7 %o. b) Dauer des Tetanus: 33 Sek. Temperatur: 38°C. Pulszahl: 59, 73, 71, 57. Acceleration: 23,7°o. b) Versuche an Hunden. Versuch XV. London, 28. Juni 1909. a) Dauer des Tetanus: 75 Sek. Temperatur: 36° 0, Pulszahl: 37, 42, 43, 37. Acceleration: 16,2%. b) Dauer des Tetanus: 69 Sek. Temperatur: 36,5° C. Pulszahl: 37, 42, 42, 37. Acceleration: 13,9%. Versuch XIX. London, 7. Juli 1909. a) Dauer des Tetanus: 54 Sek. Temperatur: 36,5°C. Pulszahl: 56, 66, 70, 57. Acceleration: 25%. b) Dauer des Tetanus: 90 Sek. Temperatur: 36,800. Pulszahl: 57, 69, 71, 60. Acceleration: 24,50. Versuch XXVIII. Budapest, 30, September 1909. Dauer des Tetanus: 120 Sek. Temperatur: 37,1°C. Pulszahl: 43, 57, 59, 46. Acceleration: 37,2%. Die motorische Acceleration tritt, wie wir sehen, in allen Ver- suchen in Erscheinung und kann recht bedeutende Grösse erreichen. | | | ü Die Ursache der motorischen Acceleration des Herzens. ° 603 Bei Katzen tritt sie viel-rascher ein als bei Hunden. Dass in den Versuchen die Acceleration verschieden gross ist, erklärt sich aus den verschiedenen äusseren Bedingungen (Tiefe der Narkose, Strom- stärke, Reizungsdauer usw.) von selbst. In allen Versuchen setzt die Pulsbeschleunigung erst nach einer gewissen Latenzdauer von etwa 10—15 Sekunden bei Katzen, 20—25 Sekunden bei Hunden ein und erreicht oft ihr Maximum erst nach Aufhören des Tetanus. Vor Eintritt der Beschleunigung war stets eine positiv inotrope Wirkung zu beobachten. Nach 2, spätestens 3 Minuten ist die Puls- zahl wieder normal. Nach diesen Versuchen müssen wir also sagen, dass die Blut- bahn einen wesentlichen Reiz für die Pulsbeschleunigung vermittelt und wir diesem Blutreiz eine viel bedeutendere Rolie zuschreiben müssen als bisher, ohne natürlich ausschliessen zu können, dass bei der willkürlichen Muskelarbeit ausser diesem Blutreiz noch andere Einflüsse nervöser Art zur Geltung kommen. Die Annahme nervöser Reize wäre jedoch derzeit eine Willkür und zum mindesten überflüssig. Im folgenden teile ich die Untersuchungen mit, welche den Angrifispunkt des Blutreizes zu ermitteln suchten. II. Die Wirkung der Muskelarbeit auf das entnervte Herz. Um zu entscheiden, ob der Blutreiz seine Wirkung im Herzen selbst oder im Zentralnervensystem ausübt, mussten die eben ge- schilderten Versuche an solchen Tieren wiederholt werden, an welchen beide Vagi durchschnitten und die Ganglia stellata exstirpiert worden sind. In allen Versuchen habe ich vor der Entnervung des Herzens am normalen Tier einen Reizversuch angestellt. a) Versuche an Katzen. Versuch IV. London, 2. Juni 1909. Normal: Dauer des Tetanus: 60 Sek. Temperatur: 37,5° C. Pulszahl: 62, 78, 76, 55. -Acceleration: 260. Nach Entnervung: Dauer des Tetanus: 55 Sek. Temperatur: 37,5° C, Pulszahl: 70, 70, 67, 67. Acceleration: (0. Versuch V. London, 3. Juni 1909. Normal: Dauer des Tetanus: 40 Sek. Temperatur: 37,8° C. Pulszahl: 60, 75, 77, 61. Acceleration: 28%. Nach Entnervung: Dauer des Tetanus: 66 Sek. Temperatur: 33° C, Pulszahl: 76, 76, 77, 77. Acceleration: 1,4%. 604 G. Mansfeld: b) Versuche an Hunden. Versuch XVII. London, 6. Juli 1909. Normal: Dauer des Tetanus: 54 Sek. Pulszahl: 42, 49, 52, 37. Accele- ration: 24%. Nach Entnervung: Dauer des Tetanus: 70 Sek. Pulszahl: 40, 36, 37, 40 Acceleration: — 10%. Versuch XIX. London, 7. Juli 1909. Normal: Dauer des Tetanus: 63 Sek. Temperatur: 37,30 C. Pulszahl: 71, 81, 81, 69. Acceleration: 14%. Nach Entnervung: Dauer des Tetanus: 54 Sek. Temperatur: 37,50 C. Pulszahl: 50, 48, 49, 50. Acceleration: — 4o. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass nach der Entnervung des Herzens die künstliche Muskelarbeit nicht eine Spur von Puls- beschleunigung hervorruft, und müssen daraus den Schluss ziehen, dass die motorische Acceleration durch einen Reiz be- dingt ist, welcher seinen Sitz im Zentralnervensystem hat. Ob dieser Reiz die Hemmung des Vagustonus oder die Er- regung des Acceleratorenzentrums bewirkt, sollten die folgenden Versuche entscheiden. Erwähnt sei hier noch die eigentümliche Erscheinung, dass in vielen Versuchen nach Entnervung des Herzens, wo also der vom Muskel gelieferte Blutreiz unwirksam blieb, eine Verlangsamung des Pulses eintrat. Die Ursache dieser Erscheinung wurde durch spätere Versuche aufgedeckt. III. Die Wirkung der Muskelarbeit nach Exstirpation der Ganglia stellata. Die Versuche wurden ausgeführt, um zu entscheiden, ob die motorische Acceleration die Folge einer Erregung des Acceleratoren- zentrums ist. a) Versuche an Katzen. Versuch IV. London, 2. Juni 1909. Normal: Dauer des Tetanus: 60 Sek. Temperatur: 37,5°C. Pulszahl: 62, 78, 76, 55. Acceleration: 26. a Nach Exstirpation der Gangl. stellata: Dauer des Tetanus: 56 Sek. Temperatur: 37,2°C. Pulszahl: 53, 54, 49, 48. Acceleration: 1,3. Versuch V. London, 3. Juni 1909. Normal: Dauer des Tetanus: 40 Sek. Temperatur: 37,80 C. Pulszahl: 60, 75, 77, 61. Acceleration: 28%. Nach Exstirpation der Gangl. stellata: Dauer des Tetanus: 66 Sek. Temperatur: 38° C. Pulszahl: 76, 76, 77, 77. Acceleration: 1,3%. Die Ursache der motorischen Acceleration des Herzens. 605 b) Versuche an Hunden. Versuch XVII. London, 6. Juli 1909. Normal: Dauer des Tetanus: 54 Sek. Pulszahl: 42, 49, 52, 37. Accele- ration 24%. Nach Exstirpation der Gangl. stellata: Dauer des Tetanus: 73 Sek. Pulszahl: 36, 36, 37, 37. Acceleration: 2,7. Versuch XIX. London, 7. Juli 1909. Normal: Dauer des Tetanus: 63 Sek. Pulszahl: 71, 81, 81, 69. Accele- ration 140. Nach Exstirpation der Gangl. stellata: Dauer des Tetanus: 58 Sek. Pulszahl: 54, 51, 52, 51. Acceleration: — 5. Wir sehen also, dass allein schon die Durchtrennung der Accelera- toren die Pulsbeschleunigung fast vollständig verhindert; dieselbe ist also im wesentlichen die Folge einer Erregung der herzbeschleunigen- den Zentren. IV. Die Wirkung der Muskelarbeit nach Vagotomie. Nachdem wir sahen, dass Ausschaltung der Acceleratoren und vollständige Entnervung des Herzens für das Zustandekommen der motorischen Acceleration gleichbedeutend sind, war anzunehmen, dass den Nervi vagi bei diesem Vorgang überhaupt keine Rolle zu- kommt. Um die Richtigkeit dieser Annahme zu beweisen, wurde in einer Versuchsreihe die motorische Acceleration vor und nach Vagotomie untersucht. a) Versuche an Katzen. Versuch VII. London, 10. Juni 1909. Normal: Dauer des Tetanus: 34 Sek. Temperatur: 38,3% C. Pulszahl: 66, 78, 83, 70. Acceleration: 25%. Nach Vagotomie: a) Dauer des Tetanus: 44 Sek. Temperatur: 39,2% C. Pulszahl: 100, 100, 99, 92. Acceleration: 0. b) Dauer des Tetanus: 32 Sek. Temperatur: 39,2°C. Pulszahl: 92, 94, 92, 91 Acceleration: 2%. Versuch VII. London, 11. Juni 1909. Normal: a) Dauer des Tetanus: 28 Sek. Temperatur: 37,9°C. Pulszahl: 97, 70, 70, 59. Acceleration: 22%. b) Dauer des Tetanus: 33 Sek. Temperatur: 37,9°C. Pulszahl: 59, 73, 71, 57. Acceleration: 23%. 606 G. Mansfeld: Nach Vagotomie: a) Dauer des Tetanus: 52 Sek. Temperatur: 38° C. Pulszahl: 82, 82, 84, 84. Acceleration: 2%. b) Dauer des Tetanus: 34 Sek. Temperatur: 37,80 C. Pulszahl: 83, 85, 86, 84. Acceleration: 3%. b) Versuche an Hunden. Versuch XII. London, 23. Juni 1909. Normal: Dauer des Tetanus: 46 Sek. Temperatur: 36° C. Pulszahl: 46, 48, 57, 46. Acceleration: 24%. Nach Vagotomie: Dauer des Tetanus: 64 Sek. Temperatur: 36° C. Pulszahl: 67, 68, 71, 65. Acceleration: 5°. Versuch XX. London, 8. Juli 1909. Nach Vagotomie: Dauer des Tetanus: 64 Sek. Pulszahl: 63, 66, 68, 69. Acceleration: 7%. Versuch XV. London, 28. Juni 1909. Nach Vagotomie: Dauer des Tetanus: 70 Sek. Temperatur: 36,8% C. Pulszahl: 36, 41, 41, 34. Acceleration: 13%. Entgegen aller Erwartung ergeben diese Versuche, dass auch den Nn. vagi eine sehr wichtige Rolle bei der motorischen Acceleration zukommt. Dwurchtrennen wir diese Nerven, so tritt bei der Katze überhaupt keine, beim Hund eine viel geringere Pulsbeschleunigung ein als in der Norm. Wie wir uns diese sich scheinbar wider- sprechenden Tatsachen zu erklären haben, dass nämlich sowohl Acceleratorenausschaltung als auch die Vagotomie, jede für sich allein, die Beschleunigung des Pulses verhindert, soll im folgenden dargeleet werden. V. Die Rolle der extrakardialen Nerven und Mechanismus der motorischen Aceceleration. Nachdem die Versuche am entnervten Herzen bereits gezeigt haben, dass die Pulsbeschleunigung infolge von Erregung nervöser Zentren zustande kommt, hatten wir stillschweigend angenommen, dass der vom tätigen Muskel gelieferte Reiz durch Vermittlung der Blutbahn das Zentralnervensystem erreicht und daselbst entweder im Vaguszentrum oder im Zentrum der Acceleratoren Veränderungen schafft, welche die Beschleunigung des Pulses zur Folge haben. In der Tat konnte gezeist werden, dass nach Ausschaltung der Accele- ratoren kein beschleunigender Impuls zum Herzen gelangt, und so durfte angenommen werden, dass der fragliche Blutreiz die accelera- El a an Zu du u = Zu Ken on Die Ursache der motorischen Acceleration des Herzens. 607 torischen Zentren in Erregung versetzt. Nun sehen wir aber, dass auch die Vagotomie allein die motorische Acceleration verhindert, und aus dieser Tatsache müsste man schliessen, dass der Blutreiz auch das Vaguszentrum — im Sinne einer Hemmung — beeinflusst, oder dass zum mindesten das Gesetz der reciproken Innervation auch für die Antagonisten des Herzens zu Recht besteht. Wäre aber die Muskelarbeit von einer Hemmung des Vagustonus begleitet, so ınüsste nach Acceleratorenausschaltung und intakten Vagi die motorische Acceleration in Erscheinung treten, was aber nicht der Fall ist. Um die Rolle der Vagi und Acceleratoren zu erklären, gibt es zwei Möglichkeiten: 1. Falls der Blutreiz in der Tat im Zentralnervensystem an- greift, könnte angenommen werden, dass nach der Vagotomie der Puls schon an und für sich so beschleunigt ist, dass die zentrale Erregung der Acceleratoren bei der Katze überhaupt keine, beim Hunde nur eine geringe Beschleunigung bewirken kann; sind doch im Herzmuskel selbst der Tätigkeit Grenzen gelegt, über welche hinaus stärkste Reize unwirksam bleiben müssen. 2. Dass der Blutreiz gar nicht im Zentralnervensystem angreift, sondern dass im Herzen sensible Nervenendigungen gereizt werden, wodurch die reflektorische Erregung des Acceleratorenzentrums er- folgt. Die zentripetalen Nerven dieses Reflexbogens würden dann bei der Katze ausschliesslich im Vagus, beim Hund auch in den Acceleratoren verlaufen, wodurch es verständlich wird, dass bei letzterem nach Vagotomie die motorische Acceleration nur beträcht- lich abgeschwächt, nicht aber vollstägdig verhindert wird. Beide Möglichkeiten besitzen Wahrscheinlichkeit, und der Versuch musste entscheiden. ad 1. Es musste entschieden werden, ob bei der Katze nach Vagotomie die elektrische Reizung der Acceleratoren noch imstande ist, eine Beschleunigung des Pulses hervorzurufen ? Die Versuche wurden in folgender Weise ausgeführt: Das Gangl. stellatum wurde zwischen der ersten und zweiten Rippe dicht neben der Wirbelsäule eindringend aufgesucht, sämtliche Rami eommunicantes unterbunden und durchschnitten. Das Ganglion selbst wurde mit Ludwig’scher Elektrode armiert und die Wunde ge- schlossen. Es wurde nun das Ganglion mit Faradischem Strom gereizt und die Wirkung vor und nach doppelseitiger Vagotomie festgestellt. Blutdruck war in üblicher Weise registriert worden. 608 G. Mansfeld: Versuch XXVI. Budapest, 24. September 1909. Katze. Urethan-Äther. Pulszahl 20 Sek. Nach Vagotomie: Pulszahl 20 Sek. 57. normal 74 normal 63 20 Sek. gereizt, R.-A. S cm 76 26 Sek. gereizt, R.-A. 8 cm 55 normal 75 normal 98 ‚13 Sek. gereizt, R.-A. 6 cm 77 19 Sek. gereizt, R.-A. 8 cm Versuch XXXI. Budapest, 7. Oktober 1909. Katze. Urethan-Äther. Pulszahl 20 Sek. Nach Vagotomie: Pulszahl 20.Sek. 96 normal 64 normal 59 22 Sek. gereizt, R.-A. 12 cm 65 24 Sek. gereizt, R.-A. 11 cm 58 sofort danach 65 sofort danach 56 20 Sek. später 64 20 Sek. später 96 normal 64 normal 70 15 Sek. gereizt, R.-A. 10 cm 70 17 Sek. gereizt, R.-A. 10 cm 69 sofort danach 70 sofort danach 62 20 Sek. später 62 60 Sek. später 57 60 Sek. später 97 normal 64 normal 62 23 Sek. gereizt, R.-A. 11 cm 68 20 Sek. gereizt, R.-A. 10 cm 91 12 Sek. später 70 sofort danach 64 60 Sek. später. Die Versuche zeigen, dass nach der Vagotomie die elektrische Reizung der Acceleratoren wohl einen viel geringeren Effekt ausübt als in der Norm, dass aber die Pulsbeschleunigung keineswegs aus- bleibt. Die Annahmealso, dass die motorische Accelera- tion nach Vagotomie deshalb.nichtin Erscheinung tritt, weil bei der Katze nach Durchschneidung der Vagi das Herz nicht mehr zu beschleunigen ist, musste verworfen werden. ad 2. Der Versuch sollte nun entscheiden, ob der Angriffspunkt des Blutreizes im Zentralnervensystem oder im Herzen selbst liegt und von da aus auf nervösem Wege die Erregung des Acceleratoren- zentrums hervorruft. Wäre letzteres der Fall, so müsste die motorische Acceleration auch nach vollständiger Ausschaltung der Hirnzirkulation unvermindert eintreten, falls die extrakardialen Nerven intakt sind. Die Ursache der motorischen Acceleration des Herzens. 609 Ich habe also Versuche an Hunden angestellt, welchen kurz vor der Tetanisierung der hinteren Extremitäten beiderseits Karotiden und Aa. vertebrales unterbunden worden waren, Während dieser Versuche wurden die Tiere künstlich geatmet, da ich zu befürchten hatte, dass es zu asphyktischen Erscheinungen kommen könnte. In dieser Weise wurden Versuche LXII und LXV ausgeführt, Versuch LXII. Budapest, 18. Februar 1910. Hund. Morphin-Äther-Urethan. Künstliche Atmung. Art. carotis und Art. vertebrales unterbunden. Dauer des Tetanus 120 Sek. Pulszahl: 24, 36, 41, 28. Acceleration: 70%. Versuch LXV. Budapest, 24. Februar 1910. Hund. Wie oben vorbereitet. Dauer des Tetanus: 160 Sek. Pulszahl: 31, 48, 47, 30. Acceleration: 55°. Aus beiden Versuchen geht hervor, dass die motorische Accelera- tion auch dann eintritt und sogar sehr hohen Grad erreicht, wenn der vom Muskel gelieferte Blutreiz das Zentralnervensystem nicht zu erreichen vermag, und somit ist es uns gelungen, den Mechanis- mus, nach welchem die Pulsbeschleunigung zustande kommt, auf- zudecken. Der vom tätigen Muskel gebildete Reiz erreicht auf dem Blutwege zunächst das Herz, versetzt daselbst sensible Nervenendigungen in Erregung, wodurch dia reflektorische Erregung der acceleratorischen Zentren erfolst. Die zentripetalen Nerven dieses Reflexbogens verlaufen bei der Katze ausschliesslich im Vagus, beim Hund teilweise in diesem, zum Teil aber auch im Accelerans. Auf diese Weise ist es verständlich, dass die Durchtrennung sowohl der Vagi als auch der Acceleratoren die motorische Acceleration verhindert. Der Reflex muss ausbleiben, gleichviel ob wir die zentripetalen oder die zentri- fugalen Nerven durchschneiden. Nachdem wir aus den bisherigen Untersuchungen erkannt haben, auf welche Art und Weise die motorische Acceleration zustande kommt, durfte an die Untersuchung der weiteren Frage über die Ursache der beschleunigten Herztätigkeit geschritten werden. In Betracht kamen hierbei erstens vom tätigen Muskel gelieferte Stoffwechselprodukte, und zweitens die Wärme, welche während der Muskelarbeit entsteht, Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 41 610 G. Mansfeld: Von den Stoffwechselprodukten war in erster Reihe an die CO, und die Milchsäure zu denken, Substanzen, welche stets von arbeitenden Muskeln «ebildet und an das Blut abgegeben werden. Die Milehsäure durfte ich aus dem Bereich dieser Untersuchungen ausscheiden, da ich aus ganz anderen Gesichtspunkten die Wirkung der Milchsäure auf den Kreislauf während meines Aufenthaltes in Wien im dortigen Pharmakologischen Institut einer Prüfung unter- zog. In etwa 20 Versuchen hatte ich Milchsäure bis zu 300 cem n a. B . 6 ö c . z Lösung Katzen intravenös infundiert, ohne die geringste Be- schleunieung des Pulses beobachtet zu haben. Über die Wirkung der CO, berichte ich im folgenden. VI. Wirkung der CO, auf die Pulszahl. Die Versuche hatte ich an Hunden ausgeführt. Teils wurde die CO, der Einatmungsluft zugesetzt, teils um die während der Muskeltätiekeit herrschenden Bedingungen nachzuahmen, hatte ich den Versuchstieren durch die Vena femoralis mit CO, gesättigtes defibriniertes Hundeblut infundiert. Versuch XX. London, 3. Juli 1909. Hund. Morphin-Urethan- Äther. Trachealkanüle. Karotis mit Hg-Mano- meter verbunden. Pulszahl: Respiration: 20 Sek. 20 Sek. 19 13 normal. 19 15 während 56 Sek. Atmung von 9,2% CO;. 20 14 normal. 20 17 während 106 Sek. Atmung von 9,2% CO;. 19 13 sofort nachher. lee 13 2 Min. später. Versuch XXIV. Budapest, 15. September 1909. Hund. Morphin-Urethan-Äther. Infusion in die Vena femoralis. Pulszahl: Respiration: 20 Sek. 20 Sek. Sl 19 normal. 28 in 13 100 cem mit CO, gesättigtes Blut infundiert. 29 12 sofort nach der Infusion. ol 10 2 Min. später. 32 8 normal. |! 29 11 120 ccm CO, gesättigtes Blut. 29 11 sofort nach der Infusion. ol 7 2 Min. später. te = 1 a ne u a a en TEE A a a nn nn ud nu En nn Die Ursache der motorischen Accelerätion des Herzens. 611 Wie ersichtlich, wirkt die CO, keineswegs beschleunigend auf den Puls; wir beobachten bloss eine Acceleration der Atmung. Sogar zeigt Versuch XXIV, dass infolge der CO, der Puls etwas langsamer wird, und dies ist von Interesse, wenn wir uns an Versuche er- innern, in welchen während des Tetanus nach Entnervung des Herzens stets eine Abnahme der Pulszahl zu beobachten war (Ver- suche XVII, XIX). In diesen Fällen blieb der pulsbeschleunigende Reiz wegen Durchtrennung der Nerven unwirksam, und so trat möglicher- weise die verlangsamende Wirkung der CO,!) in den Vordergrund. VI. Wirkung anoxybiotischer Stoffwechselprodukte auf die Pulszahl. Wie bekannt, geht angestrengte Muskelarbeit stets mit relativem Sauerstoffmangel Hand in Hand, und es konnte daran gedacht werden, dass infolge dieses Sauerstoffmangels im Muskel entstehende, näher nicht bekannte Spaltungsprodukte eine pulsbeschleunigende Wirkung haben. Der Gedanke lag nämlich nahe, dass im Organismus eine spezifische Empfindlichkeit derjenigen Organe, welche dem Sauerstoff- mangel durch verstärkte Zirkulation entgegenarbeiten, gerade solchen Stoffen gegenüber sich entwickelt hat, welche Produkte des Sauer- stoffmangels sind. Gestützt wurde diese Annahme durch die Beob- achtung von Zuntz?) und seinen Mitarbeitern, nach welcher in grosser Höhe die motorische Acceleration ganz besonders hohe Werte erreicht. Um diese Annahme zu prüfen, wurde statt der Muskelreizung den Hunden die Aorta abdominalis dieht oberhalb der Verzweigung der Aa. Iliacae für einige Minuten zugeklemmt und nach- Freigabe der Zirkulation die Wirkung eventuell entstandener anoxybiotischer Stoffwechselprodukte auf die Herztätigkeit festgestellt. In all diesen Versuchen war das Rückenmark ähnlich wie in den früheren Ver- suchen durchtrennt, teils um an ein und demselben Tier die Wirkungen von Muskelreizung und Aortenabklemmung vergleichen zu können, teils um durch die Abklemmung eventuell auftretende Reflexe zu verhüten. 1) Vgl. die unlängst erschienene Arbeit von Jerusalem und Starling, On the significanee of carbondioxide for the heart beat. Journ. of Physiol. vol. 40 p. 279. % 2) Zuntz-Loewy-Müller-Caspari, Höhenklima und Bergwanderung. S. 343. 41* 612 G. Mansfeld: Versuch XXVI. Budapest, 28. Oktober 1909. Hund. Morphin-Urethan-Äther. MRückenmark beim II. Lendenwirbel durchtrennt. Puls- Blut- Respi- | Accele- | Tempe- zahl druck ration ration ratur 20 Sek. | mm Hg | 20 Sek. 0/0 BAG: 96 110 3 Ruhe 66 110 5 20 36.5 54 Sek. Tetanus 70 105 4 m ? sofort nach der Reizung 97 105 5) 2 Min. später 57 105 3 Ruhe 69 100 Rs 966 | 90 Sek. Tetanus 71 Sl 4 j A 2 sofort nach der Reizung 60 100 3 2 Min. später Aorta abdominalis präpariert. 64 95 B) \ ww 36,9 normal 58 100 3 J Aorta 2 Min. geschlossen (letzten 20 Sek. gezählt) 66 93 B) 20 Sek. nach Eröffnung 65 100 3 3 Dr 40 „ 5 r 64 100 3 UT, 5 5 62 100 3 0 er = 60 100 3 I 12 97 4 Min. Tetanus 13 97 4 a 36,9 | sofort danach 63 97 4 2 Min. später Versuch XXX, Budapest, 4. Oktober 1909. Hund. Morphin-Urethan-Äther. Rückenmark beim II. Lendenwirbel durch- Aorta präpariert. trennt. Respi- Pulszal an 20 Sek. 20 Sek. 68 8 88 10 883 11 75 8 75 8 74 7 76 8 76 8 73 8 Accele- Tempe- ration ratur 0/0 DaB: 29 38,7 1 38,7 Ruhe 2 Min. Tetanus sofort nach der Reizung 2 Min. später normal Aorta 2 Min. geschlossen 20 Sek. nach Eröffnung ” ” 1 Min. später En Die Ursache der motorischen Acceleration des Herzens, 613 Aus diesen Versuchen ergibt sich, dass Stoffwechselprodukte, welehe im Muskel während seiner Erstickung entstehen, für die Herztätiekeit völlig unwirksam sind, also kann der relative Sauerstoffmangel tätiger Muskeln nicht als Ursache der motorischen Acceleration betrachtet werden. Nach all diesen negativen Ergebnissen musste entschieden werden, ob wir überhaupt berechtigt sind, Stoffwechselprodukte für die Be- schleunigung des Pulses verantwortlich zu machen ? Ist die Ursache der verstärkten Herztätiekeit etwas Substantielles, so müsste sich dies entweder im ermüdeten Muskel selbst oder im Blut während schwerer Muskelarbeit befinden und zumindest physio- logisch nachweisen lassen. Zur Entscheidung der Frage müsste also die Wirkung von Muskelextrakten und vom Blut solcher Tiere unter- sucht werden, welche schwere körperliche Arbeit geleistet haben. Um die höchstmögliche Muskelarbeit leisten zu lassen, hatte ich Hunden die Schilddrüse samt Epithelkörperchen exstirpiert, und nach- dem sie stundenlang in schwerstem Tetanus dalagen, entnahm ich ihnen in Äthernarkose das Blut und benützte die Muskeln zur Be- reitung von Extrakten. VII. Die Wirkung von Extrakten ruhender und arbeitender Muskeln auf die Pulszahl. Um 'Muskelextrakte zu gewinnen, welche kaum oder gar keine Blutdrucksenkung hervorrufen, erwies sich folgendes Verfahren als brauchbar: Die Muskeln des eben verbluteten Hundes wurden in einer Hackmaschine zerkleinert und Portionen von 100—120 g mit ebensoviel physiologischer NaCl-Lösung bei 40 ° C. 4 Stunden lang im Schüttelapparat geschüttelt und die Flüssigkeit durch Watte filtriert. Es wurde die Wirkung von Extrakten ruhender und tätiger Muskeln verglichen. Im ganzen führte ich sechs Versuche so aus. Zwei teile ich in extenso mit. Versuch XXXIV. Budapest, 15. Oktober 1909. Hund. Morphin-Urethan-Äther. Infusion von Extrakt ruhender Mus- keln in die Vena femoralis. Respiration 20 Sek. Puls 20 Sek. Blutdruck 22 | 95 | 6 | normal 614 G. Mansfeld: Puls Blutdruck Respiration 20 Sek. Hs mm 20 Sek. Während 120 Sek. Infusion von 25 ccm Extrakt: 23 95 6 20 Sek 28 95 7 40°, 30 95 4 60 26 95 3 S0F 28 92 6 100 „ 29 92 7 1a) 5 20 95 2 I 20 „ nach der Infusion 25 95 b) 2 Min. später 38 90 6 10 Min. später Während 40 Sek. Infusion von 30 cem Extrakt: 38 90 7 20 Sek 49 feb) 7 40 „ 39 90 8 20 „ nach der Infusion 38 1) 5 2 Min. später Versuch XXXIIH. Budapest, 12. Oktober 1909. Hund. Morphin-Urethan-Äther. Muskelextrakt stammt von einem Hund, der in der vierten Stunde der Tetanie getötet wurde. Puls Blutdruck Respiration | 20 Sek. Hg mm 20 Sek. 37 | 110 | g normal Während 52 Sek. Infusion von 50 ccm Extrakt: 32 110 5 erste 20 Sek. der Irfusion 38 110 11 letzte 20 Sek. der Infusion 34 110 7 sofort nach der Infusion 37 110 11 8 Min. später 39 110 11 normal Während 53 Sek. Infusion ven 50 cem Extrakt: 41 105 11 erste 20 Sek. der Infusion 41 105 10 letzte 20 Sek. der Infusion 39 105 10 sofort nach der Infusion 35 105 10 2 Min. später. al 100 8 normal Während 80 Sek. Infusion von 60 ccm Extrakt: 48 95 il letzte 20 Sek. der Infusion 43 95 7 20 Sek. nach der Infusion 44 =g5 10 40 „ nach der Infusion 65) 95 1 2 Min. später. Es besteht, wie wir sehen, überhaupt kein Unterschied in der Wirkung von Extrakten ruhender oder maximal tätiger Muskeln. Die Beschleunigung des Pulses infolge der Extrakte ist wohl den Extraktivstoffen zuzuschreiben, welche direkt das Herz erregen. Dass Die Ursache der motorischen Acceleration des Herzens. 615 ‚die Acceleration, welche: von Muskelextrakten hervorgerufen wird, srundverschieden von der motorischen Acceleration ist, beweist Ver- such IL vom 13. November. In diesem Versuch wurde das Extrakt tätiger Muskeln einem Hund infundiert, dem die Ganglia stellata extirpiert und beide Vagi durchsehnitten worden sind. Während der Infusion von 25 eem Extrakt stieg die Pulszahl von 43 bis 52 in 20 Sek. IX. Die Wirkung von Blut tetanischer Hunde auf die Pulszahl. Das Blut wurde denselben thyreoideetomierten Tieren ent- nommen, welche für obige Versuche die Extrakte lieferten. Nach Entnahme wurde das Blut defibriniert, durch Watte filtriert und auf 38° C. erwärmt durch die Vena femoralis Hunden infundiert. Zwei so ausgeführte Versuche ergaben völlig negative Resultate. Als Beispiel führe ich folgenden Versuch an: Versuch XLII. Budapest, 15. Oktober 1909. Hund. Morphin-Urethan- Äther. Puls Respiration 20 Sek. 20 Sek. BR 45 m | normal. Infusion von 50 cem Blut. 45 Al erste 20 Sek. der Infusion. 43 7 letzte 20 Sek. der Infusion. 44 7 sofort nach der Infusion. 44 7 2 Min. später. 40 7 normal. Infusion von 100 ecem Blut. 39 8 letzte 20 Sek. der Infusion. 39 7 sofort nach der Infusion. 39 U 2 Mın. später. Die eben mitgeteilten Versuche waren geeignet, mich von der Ansicht abzubringen, dass etwas Substantielles den Reiz für die Pulsbesehleunigung abgibt, und so musste auf die Möglichkeit, dass die während der Muskelarbeit entstandene Wärme Ursache der motorischen Acceleration sei, näher eingegangen werden. Nachdem wir den Mechanismus der Pulsbeschleunigung genau kennen gelernt haben, war die erste Frage, ob die Kontraktion von Muskeln, welehe für die Pulsbeschleunigung erfolgreich ist, auch so viel Wärme liefert, dass selbst noch im Herzen, denn hier ist 66 G. Mansfeld: ja der Angriffspunkt des Blutreizes, eine merkliche Erhöhung der Temperatur stattfindet? Um diese Vorfrage zu entscheiden, hatte ich während der künst- lichen Reizung des durchtrennten Rückenmarkes nebst Registrierung des Pulses und der Atmung die Bluttemperatur des rechten Herzens beobachtet, indem ich den Hunden durch die Vena jugularis einen Heidenhain’schen Thermometer in die rechte Herzkammer ein- führte. Es hat sich herausgestellt, dass während eines Tetanus der hinteren Extremitäten von 1—-2 Minuten Dauer die Bluttemperatur um 0,6—0,8 ° C. zunehmen kann. Es durfte nach diesen Vorversuchen also angenommen werden, dass sensible Nerven des Herzens durch diese Temperaturerhöhung des Blutes gereizt werden, und dass dieser Temperaturreiz reflek- torisch die beschleunigte Herztätigkeit hervorruft. Um diese An- nahme auf ihre Richtigkeit zu prüfen, wurden die folgenden Unter- suchungen angestellt. X. Beziehungen zwischen Muskelarbeit, Bluttemperatur und Pulsbeschleunigung. Da es sich herausstellte, wie aus den gleich mitzuteilenden Versuchen ersichtlich, dass die Temperatursteigerung im rechten Herzen mit der Pulsbeschleunigung Hand in Hand geht, musste die Frage entschieden werden, ob diese beiden Erscheinungen bloss parallel verlaufen oder aber ursächlich verknüpft sind. Um in der Temperatursteigerung die Ursache der motorischen Acceleration er- blicken zu dürfen, musste gezeigt werden, dass letztere nicht in Erscheinung tritt, falls wir die Temperatur des Blutes während der Muskelarbeit konstant erhalten. In den folgenden Versuchen wurde die Temperatursteigerung dadurch verhindert, dass das von den tetanisierten Muskeln abfliessende Blut abgekühlt wurde, indem ich die Vena cava ascendens auf eine 10 cm lange, doppelwandige Rinne gelagert habe, in welcher Eiswasser zirkulierte. Auf diese Art ist es mir gelungen, die Temperatur des Blutes trotz stärkstem Tetanus fast konstant zu erhalten. In den Versuchen wurde während des Tetanus die Temperatur des rechten Herzens auf das genaueste beobachtet und bei der Er- höhung derselben um je 0,1° C. ein Zeichen an der Pulskurve mittels eines Elektromagnetschreibers gemacht. Die Pulszahlen sind in 10 Sek. angegeben. Die Ursache der motorischen Acceleration des Herzens. 617 Versuch XXXVIL. Budapest, 27. Oktober 1909. Hund. Morphin-Urethan-Äther. Rückenmark beim II. Lendenwirbel durch- trennt. Thermometer im rechten Herzen. Karotis mit Hürthle’schem Mano- meter verbunden. Blut- 1 : Pulszahl temperatur Acceleration 10 Sek. vr 0/0 20 35,1 — Ruhe 25 35,8 3 26 39,9 90 während 51 Sek. Tetanus.. Tempe- = = raturerhöhung 0,4° C. 5 en Bi: sofort nach dem Tetanus 23 39,9 — 1 Min. später 26 36,0 _ Ruhe 26 36,1 = 2 53 et 82 Sek. Tetanus. Tempe- 39 964 ratursteigerung 0,5° C. 40 36,9 “ 2 ar; sofort nach dem Tetanus s0 36,3 — 2 Min. später Mit Kühlung der Vena cava. 37 36,4 E= Ruhe 37 36,4 38 36,9 2 während 73 Sek. Tetanus. Tempe- 3r So ratursteigerung 0,2° C. = un ie: U nach dem Tetanus Versuch XLII. Budapest, 22. November 1909. Hund. Morphin-Urethan-Äther. Vorbereitung wie in Versuch XXXVII. Blut- f - Pulszahl temperatur Acceleration 10 Sek. °C. 0/0 27 36,2 _ Ruhe 30 36,4 34 36,5 37 während 120 Sek. Tetanus. Tempe- 39 36,6 raturerhöhung 0,5° C. 37 36,7 temperatur 10 Sek. 2RV:. 0/o 618 G. Mansfeld: Blut- 3 Pulszahl Acceleration \ 37 36,8 — sofort nach dem Tetanus 32 36,8 = 30 Sek. später 28 36,6 — 1 Min. später 23 36,6 — Da h5 29 36,6 = Ruhe ; 29 36,7 f 32 3 29 Be 110 Sek. Tetanus. Tempe- 35 370 Ai ratursteigerung 0,5° C. | 36 37,1 | 36 37,1 — sofort nach dem Tetanus B 32 Bl — 40 Sek. später 30 36,9 — 1 Min. später 29 36,9 — 2 = ” » Versuch XLIV. Budapest, 25. November 1909. Hund. Wie oben. m nn nn em nn Palszahl enden ulsza temperatur cceleration 10 Sek. DIE: 0/0 Mit Kühlung der Vena cava. 22 37,9 — Ruhe 21 38,0 N 0 en 100 Sek. Tetanus. Tempe- 22 38,1 ratursteigerung 0,2° C. 23 38,1 — sofort nach dem Tetanus 22 38,1 — 2 Min. später 21 38,2 — Ruhe en 2 n während 300 Sek. Tetanus. Tempe- 91 385 ratursteigerung 0,9% C. 20 34 — sofort nach dem Tetanus 20 38,4 = 1 Min. später 21 38,3 — Ruhe 22 38,4 4 während 240 Sek. Tetanus. Tempe- 22 38,5 ratursteigerung 0,2° C. 21 38,4 | — nach dem Tetanus Besprechung der Versuche. Vor allem sehen wir, dass mit dem Anstieg der Temperatur parallel die Pulszahl steigt. Erfolgte während stärkstem und sehr Die Ursache der motorischen Acceleration des Herzens. 619 lange dauerndem Tetanus nur eine sehr geringe Temperatur- erhöhung (wie in den Versuchen mit Kühlung der Vena cava), so wird der Puls kaum oder gar. nicht beschleunist. Dann sehen wir, dass nach beendeter Reizung die Pulszahl viel rascher zur Norm zurückkehrt als die Temperatur, und dies spricht dafür, dass nicht die Wärmemenge, sondern die Steigerung der Temperatur über den physiologischen Nullpunkt hinaus den Reiz für die Accele- ration abgibt. Bleibt nun die Temperatur im Herzen nach voll- endeter Muskelarbeit auf der erreichten Höhe stehen, so tritt Adaptation ein, und die Pulszahl kehrt trotz der höheren Temperatur zur Norm zurück. Erfolgt die Steigerung der Temperatur während des Tetanus aur sehr allmählich, 'so findet kaum eine Beschleunigung des Pulses statt. So sehen wir z. B., dass in Versuch 44 die Temperatur in 300 Sek. um 0,5 ° C. anstieg, ohne eine Acceleration verursacht zu haben, während in Versuch 37 dieselbe Temperatursteigerung im Verlaufe von 5l Sek. von einer sehr bedeutenden Beschleunigung des Pulses begleitet war. Diese Versuche sprechen also mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit dafür, dass die bei der Muskel- arbeit entstandene Wärme die Ursache der motorischen Aeceleration ist, und dass die Steigerung der Tem- peratur jener „Blutreiz“ ist, welcher vom Herzen aus reflektorisch die acceleratorischen Zentren erregt. Um nun diese Wahrscheinlichkeit zur Sicherheit zu erheben, musste gezeigt werden: 1. dass die Erwärmung des Blutes im rechten Herzen um einige Zehntel Grade (falls dies genügend rasch erfolgt) allein schon genügt, um die Pulszahl in die Höhe zu treiben; 9%. dass dieser Temperaturreiz genau denselben Angriffspunkt hat, den wir für den bei der Muskelarbeit entstandenen Blutreiz erkannt haben. XI. Wirkung von geringer Temperatursteigerung im rechten | Herzen auf die Pulszahl. Die Steigerung der Temperatur im rechten Herzen wurde da- durch erreicht, dass in die Vena femoralis der Tiere physiologische NaCl-Lösung von 42—43 ° C. eingegossen wurde. Ebenso wie in 620 G. Mansfeld: den eben beschriebenen Versuchen war ein Thermometer in das rechte Herz eingeführt und während der Infusion die Änderung der Temperatur um je 0,1° C. auf der Pulskurve genau registriert. Nach einiger Übung gelang es leicht, diejenige Einflussgeschwindig- keit zu finden, welche geeignet war, im rechten Herzen eine ähnliche Temperatursteigerung zu erzielen, wie wir sie während künstlicher Muskelreizung sahen. Die Versuche wurden an Hunden angestellt. Versuch XLVIII. Budepest, 4. Oktober 1909. Hund. Morphin-Urethan-Äther. Sn Blut- P Pulsza temperatur Acceleration 10 Sek. IC: %/o 2a 36,5 —_ normal 24 36,6 Während 90 Sek. Infusion warmer 26 86,7 32 NaCl - Lösung. Temperatursteigerung ns Z 29 36,9 —_ sofort danach 23 36,9 —_ 2 Min. später 23 36,7 — normal 23 36,8 2 2er 95 Während 100 Sek. Infusion. Tem- 30 371 = peratursteigerung 0,5° C. 32 372 Bath 31,2 — sofort danach 24 37,0 — 2 Min. später Versuch XLIX. Budapest, 6. Oktober 1909. Hund. Pulszahl | Bi | lerati ulsza temperatur Acceleration 10 Sek. 028: 0/0 24 26,9 — normal 27 37,0 j) 20 Sek. 2 37,1 | a. 2 97,2 10 Tr 190 Sek. Infusion. Tem- 2 3 29 m ” peratursteigerung 0,6° C. 5) ” 30 37,4 180 31 375 100) 29 37,5 —_ sofort nach der Infusion 25 37,5 = 2 Min. später 23 31,9 — 2 Min. später Die Ursache der motorischen Acceleration des Herzens. 621 Blut- Pulszahl omas Acceleration 10 Sek. DEE. 0/0 22 Su) — | normal 25 37,6 ai a | 50 Während 100 Sek. Infusion.e Tem- 39 379 | peratursteigerung 0,5° C. 33 38,0 33 3‘ — | sofort danach 23 | 37,8 | _. 2 Min. später Die Versuche zeigen, dass rasche Temperatur- steigerungen im rechten Herzen um einige Zehntel- grade in der Tat eine sehr bedeutende Acceleration zur Folge haben. Ich schlage für diese Erscheinung die Be- zeichnung „Erwärmungsacceleration“ vor. Die Beziehungen zwischen der Temperatur des rechten Herzens und der Pulszahl sind hier vollkommen dieselben, wie wir sie während der Muskelarbeit beob- achtet haben. Auch hier sehen wir, dass die Pulsbeschleunigung um so grösser ist, je rascher der Temperaturanstieg erfolst. Am schönsten sehen wir dies aus Versuch 49. Zu Beeinn der ersten Infusion stieg die Temperatur in 30 Sek. um 0,2 °C., die Pulszahl von 24 auf 23. Zum Schluss der Infusion erfolste dieselbe Temperatur- steigerung von 0,2° C. in 90”, also viel langsamer, und die Puls- zahl stieg bloss von 29 bis 31. Dasselbe sehen wir, wenn wir die Wirkung der ersten und zweiten Infusion vergleichen. Bei der ersten Infusion stieg die Temperatur um 0,6° C. in der Zeit von 190 Sek. und die Acceleration betrug 29 ®/o; hingegen vermochte während der zweiten Infusion die geringere Temperatursteigerung von 0,5 °C. den Puls um 50 °/o zu beschleunigen, weil dieselbe in 100 Sek., also fast doppelt so rasch, erfolgte. Weiterhin sehen wir auch hier, dass nieht die Wärmemenge, sondern der Anstieg der Temperatur Ursache der Acceleration ist, denn die Pulszahl ist nach der Infusion längst wieder normal, ehe die Temperarur des Blutes zu sinken anfängt. XII. Angrifispunkt des Temperaturreizes. "Um zu beweisen, dass die motorische Acceleration dem Wesen nach nichts anderes als eine „Erwärmungsacceleration“ ist, musste noch schliesslich gezeigt werden, dass die Acceleration, welche durch 622 G. Mansfeld: Temperatursteigerung ausgelöst wird, ebenfalls die Folge einer reflek- torischen Erregung des Acceleratorenzentrums ist, hervorgerufen durch Reizung zentripetaler Herznerven, welche bei der Katze im Vagus allein, beim Hund zum Teil im Accelerans verlaufen. Es musste also untersucht werden die Wirkung der Temperatur- steigerung: 1. nach Vagotomie beim Hund und bei der Katze; 2. nach Exstirpation der Ganglia stellata; 3. nach Ausschaltung der Hirnzirkulation. 1. Die Erwärmungsacceleration nach Vagotomie. Um die Wirkung der einfachen Erwärmung und der Temperätur- steigerung infolge von Muskelarbeit am vaeotomierten Hund ver- gleichen zu können, teile ich hier auch einen Tetanusversuch mit, in welchem die Herztemperatur gemessen wurde. Versuch LI. Budapest, 12. November 1909. Hund. Morphin-Äther-Urethan. Thermometer im rechten Herzen. In- fusion warmer NaCl-Lösung in die Vena femoralis. Beide Vagi durchschnitten. Blut- ! ; Pulszahl temperatur Acceleration 10 Sek. 0, ME ER 11 BRENNER 29 36,0 —_ normal 30 36,1 [2] [8 sl a 10 während 100 Sek. Infusion. Tem- 30 364 peratursteigerung 0,500. 3 36,5 30 36,9 — sofort nach der Infusion 28 | 36,2 _ | 2 Min. später Versuch LIII. Budapest, 22. November 1909. Hund. Morphin-Urethan-Äther. Rückenmark durchtrennt beim II. Lenden- wirbel.e. Beide Vagi durchschnitten. Blut- ee: Pulszahl en Acceleration 10 Sek. Be 0/0 | 39 36,7 Ruhe 36 36,8 37 36,9 87 37,0 g während 140 Sek. Tetanus. Tempe- 38 37,1 ratursteigerung 0,6° C. 38 37,2 5 38 31,9 98 31,3 sofort nach dem Tetanus 35 31,1 1 Min. später Die Ursache der motorischen Acceleration des Herzens. 623 Versuch LVIII. Budapest, 2. Dezember 1909. Katze. Äther-Urethan. Infusion warmer NaCl-Lösung in die Vena femoralis. Beide Vagi durchtrennt. | Blut- ‚ | Pulszahl temperatur Acceleration 10 Sek. ORFEAEIE II 2) 37,2 — normal 45 37,3 ni a 0 während 70 Sek. Infusion. Tempe- 46 37.6 ratursteigerung 0,5° C. 45 37,7 45 UT | _ sofort nach der Infusion 44 31,8 — 2 Min. später Die Versuche zeigen, dass die Wirkung der Temperatursteigerung durch Vagotomie in derselben Weise beeinflusst wird wie die mo- torische Acceleration. 2. Die Erwärmungsacceleration nach Exstirpation der Ganglia stellata. Versuch LIV. Budapest, 23. November 1909. Hund. Morphin-Äther-Urethan. Ganglia stellata exstirpiert. Infusion warmer NaCl-Lösung in die Vena femoralis. Pulszahl en erelsteni | ulsza temperatur cceleration 10 Sek. | % 32 36,2 — normal 3 36,3 32 36,4 32 36,5 0 während 70 Sek. Infusion. Tempe- 32 36,6 ratursteigerung 0,6° C. 38 36,7 32 36,8 32 36.8 — sofort nach der Infusion 32 36,4 — 2 Min. später Ausschaltung der Acceleratoren verhindert also vollständig die pulsbeschleunigende Wirkung der Temperatursteigerung; dieselbe ist also gleich der motorischen Acceleration die Folge einer Erregung des Acceleratorenzentrums. Se: 624 G. Mansfeld: 9 Die Erwärmungsacceleration nach Ausschaltung der Hirnzirkulation. Obwohl wir aus den Untersuchungen von Fick!), Cyon?) und Kahn?) wissen, dass die Erwärmung des Hirnblutes keine Acceleration des Herzens zur Folge hat, war es doch angezeigt, den Beweis zu führen, dass der Angriffspunkt des Temperaturreizes im Herzen selbst seinen Sitz hat und von da aus reflektorisch die Erregung der Acceleratoren hervorruft. Es wurde also am Hunde die Wirkung der Temperatursteigerung im r. Herzen nach Unterbindung der Carotiden und Art. vertebrales untersucht. Versuch LXIV. Budapest, 22. Februar 1910. Hund. Morphin-Urethan-Äther. Art. vertebrales und carotides unterbunden. Infusion in die Vena femoralis. Künstliche Atmung. | Biut- Pulszahl temperatur Acceleration 10 Sek. SCHERE 17 35,8 — |. normal 17 39,9 ss en 95 a 120 Sek. Infusion. Tempe- 1 369 an ratursteigerung 0,9° C. 23 36,3 22 36,3 — sofort nach der Infusion ıb7) 36,2 _ 2 Min. später 12 36,2 — normal 14 36,4 R en 75 während 80 Sek. Infusion. Tempe- 00 367 ratursteigerung 0,6° C. 21 36,8 19 36,0 — sofort nach der Infusion 14 36,5 _ 2 Min. später Diese Versuche beweisenalso, dass das Herztempe- raturempfindliche Nerven besitzt, welche schon infolge geringer Temperatursteigerung erregt werden, und dies die reflektorische Erregung des Acceleratoren- zentrums bewirkt. — 1) Pflüger’s Arch. Bd. 5 8. 38. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 8 S. 340. 3) Engelmann’s Arch. 1904. Suppl.-Bd. S. 130. Die Ursache der motorischen Acceleration des Herzens. 625 Zusammenfassung der Ergebnisse. 1. Die Kontraktion von Muskeln, welche jede nervöse Ver- bindung mit dem Zentralnervensystem entbehren, wird von einer starken Beschleunigung der Herztätigkeit begleitet. 2. Diese motorische Acceleration tritt nicht ein, wenn die Ganglia stellata exstirpiert worden sind. Ebenso wirkt die Vagotomie bei der Katze, beim Hund jedoch erfolgt — falls nur die Vagi durch- schnitten sind — noch eine, allerdings geringe Acceleration. 3. Wird das Hirn aus der Blutzirkulation ausgeschaltet, so tritt dennoch die motorische Acceleration in die Erscheinung, falls die extrakardialeı Nerven intakt sind. Der für die Pulsbeschleunigung wirksame Reiz muss also vom tätigen Muskel durch Vermittlung der Blutbahn zum Herzen ge- langen und von hier aus auf nervösem Wege die acceleratorischen Nerven erregen. Die zentripetalen Nerven dieses Reflexes verlaufen bei der Katze ausschliesslich im Vagus, beim Hund zum Teil im Accelerans. 4, Die bekannten Produkte der Muskeltätigkeit: die Kohlen- säure und Milchsäure, sind nicht die Ursache der motorischen Acceleration, und ebensowenig wirken auf das Herz Substanzen, welche infolge relativen Sauerstoffmangels während der Muskel- tätigkeit entstehen könnten. 5. Versuche sowohl mit Extrakten ruhender und maximal tätiger Muskeln als auch mit Blut von Hunden, welche stundenlang tetanisch waren, schliessen fast mit Bestimmtheit die Möglichkeit aus, dass es eine Substanz ist, welche die Beschleunigung des Pulses hervorruft. 6. Temperaturmessungen im rechten Herzen während der Muskelarbeit sprachen mit grosser Wahrscheinlichkeit dafür, dass die vom tätigen Muskel gebildete Wärme jener Reiz ist, welcher die motorische Acceleration verursacht. Bewiesen wurde dies durch Versuche, welche zeigten: a) dass trotz kräftigsten Tetanus keine motorische Acceleration eintritt, falls im rechten Herzen die Temperatur konstant bleibt oder nur sehr langsam ansteigt; b) dass die Herztätigkeit genau so beschleunigt wird wie infolge von Muskelarbeit, wenn wir die bei der Muskelarbeit be- obachtete Temperatursteigerung des rechten Herzens durch Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 42 626 6. Mansfeld: Die Ursache der motor. Acceleration des Herzens. Infusion warmer Kochsalzlösung hervorrufen (Erwärmungs- acceleration); c) dass im Herzen temperaturempfindliche Nerven vorhanden sind, welche schon durch die Temperatursteigerung von einigen Zehntelgraden gereizt werden, und dass dieser Reiz, die acceleratorischen Zentren erregend, reflektorisch die beschleunigte Herztätigkeit verursacht; d) dass schliesslich die Rolle der extrakardialen Nerven bei der „Erwärmungsacceleration“ vollständig dieselbe ist wie bei der motorischen. 627 (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Der Einfluss des Koloquinten - Dekokts auf die Verdauungsbewegungen. Von J. H. Padtbersg, ehem. Assistent des Instituts. (Mit 2 Textfiguren.) Die guten Resultate, welche das Studium des Einflusses von Abführmitteln auf die Bewegungen des Magendarmkanals mit Hilfe von Röntgenstrahlen !) geliefert hatten, liessen es wünschenswert er- scheinen, diese Methode auch bei der Untersuchung der sogenannten Drastika anzuwenden. Als Repräsentant dieser pharmakologischen Gruppe wurden wegen ihrer häufigen praktischen Verwendung die Koloquinten gewählt, und zwar in Form eines 10 °/oigen Dekokts. Über die Wirkung der Drastika wissen wir durch die Arbeiten Buchheim’s?), dass nach 15—30 Minuten Magenbeschwerden auf- treten, darauf heftiges Kollern im Leibe und nach 1—3 Stunden flüssige Entleerung meist ohne Kolikschmerzen erfolgt. Radziejewski?) sah an Hunden mit Kolonfistel Beschleunigung der Darmpassage. Lauder Brunton‘) und Brieger?°) brachten Drastika in abgebundene Darmschlingen und fanden danach starken, D)) R. Magnus, Der Einfluss des Sennainfuses auf die Verdauungs- bewegungen. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 251. 1908. — R. Magnus, Der Einfluss des ‚Rizinusöles auf die Verdauungsbewegungen. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 261. 1908. — J. H. Padtberg, Der Einfluss des Magnesiumsulfats auf die Verdauungsbewegungen. Pflüger’s Arch. Bd. 129 S. 476. 1909. 2) R. Buchheim, Über einige Abführmittel aus der Familie der Konvol- vulaceen. Arch. f. physiol. Heilk. N. F. Bd. 1 S. 423. 1857. 3) L. Radziejewski, Zur physiol. Wirkung der Abführmittel. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1870 8.1. 4) Lauder Brunton, On the action of purgative medicines. The prac- titioner 1874 no. 71 and 72. 5) L. Brieger, Zur physiol. Wirkung der Abführmittel. Schmiede- berg’s Arch. Bd. 8 S. 355. 1878. 42 * 628 J. H. Padtberg: manchmal blutigen Flüssigkeitserguss und Entzündung der Schleim- haut. Dixon konnte an einem in den Darm eingebundenen Mano- meter Zunahme der Bewegungen und des Tonus direkt sehen. Die Wirkung der Drastika ist nach Buchheim!?), Stadelman?) u. a. an die Anwesenheit von Galle im Darme gebunden. v. Podwyssotzki?°) erhielt durch Podophyllin und Fischer‘*) durch Koloquinten in toxischen Dosen heftige Entzündung des Darmkanals, die am stärksten im Reectum zu sehen war. Gelegentlich wurden auch Magengeschwüre beobachtet. Die Resultate der vorliegenden Arbeit beruhen auf 33 Experi- menten, wovon 15 mit Hilfe von Röntgenstrahlen ausgeführt wurden. Als Versuchstiere dienten ausschliesslich Katzen, welche ebenso wie in meiner früheren Untersuchung über den Einfluss von Magnesium- sulfat auf die Verdauungsbewegungen nach eintägigem Hunger mit einem Gemenge von 25 cem Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd gefüttert und nach der Methode von Cannon vor dem Röntgen- schirm beobachtet wurden. Das Koloquintendekokt wurde mit der Schlundsonde in den Magen gebracht. Als sicher abführende Dosis wurde die Menge von 10 cem ermittelt. Darauf erfolgte nach 1 bis 4 Stunden eine sehr weiche bis flüssige Entleerung, auf welche bald eine zweite und dritte und manchmal noch weitere Defäkationen sich einstellten. Nur einmal unter 33 Fällen trat der erste Stuhl erst nach 6 Stunden auf. Mit den Fäces wurde ziemlich viel Schleim und in einigen Fällen auch etwas Blut entleert. Alter Kolon- inhalt kann auch geformt ausgestossen werden. Zuerst seien diejenigen Versuche‘ beschrieben, in welchen das Decoctum colocynthidis etwa eine Viertelstunde nach Verfütterung des Kartoffelbrei-Wismutgemisches in den Magen gebracht wurde. Nachstehende Kurve (Fig. 1) veranschaulicht die erhaltenen Re- sultate. Die punktierte Linie entspricht dem normalen Ablauf der Ver- dauungsbewegungen nach zahlreichen von Magnus und mir an- I. ce. 2) Stadelman, Experim. Untersuchungen über die Wirkung von Abführ- mitteln bei Gallenabwesenheit im Darm. Schmiedeberg’s Arch. Bd. 37 S. 352. 1896. 3) vv Podwyssotzki, Pharm. Studien über Podophyllum peltatum. Schmiedeberg’s Arch. Bd. 13 8.29. 1880. 4) Fischer, Zur Wirkung der Koloquinten. Dissertation. Berlin 1889. Der Einfluss des Koloquinten-Dekokts auf die Verdauungsbewegungen. 629 gestellten Normalversuchen. Die ausgezogene Linie gibt die mittleren Werte von fünf Koloquintenversuchen wieder. Die Kurven stellen nach dem Vorgange Cannon'’s die Gesamtlänge der Dünndarm- schatten in Zentimetern im Verlaufe von 7 Stunden dar. Die Geschwindigkeit der Magenentleerung verhält sich ver- schieden, manchmal ist sie beschleunigt (1—1!/sz Stunde), manchmal verlangsamt (6 Stunden). Ein Blick auf die Kurve zeigt demgegen- über, dass der Einfluss auf den Dünndarm konstant und sehr deutlich ist und in einer wesentlich beschleunigten Passage besteht, so dass Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. 0 1 2 3 4 5 6 7 Stunden Fig. 1. Diagramm der Verdauungsbewegungen bei der Katze nach Kartoffelbrei- Wismut- Fütterung (Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern). Die punktierte Kurve stellt das Mittel aus den Normalversuchen dar, die ausgezogene Kurve aus den Versuchen, in denen 10—15 Minuten nach der Fütterung 10 ccm 10 %/oiges Decoct. colocynthidis per os gegeben wurde. Die Pfeile bezeichnen das erste Auftreten eines Schattens im Kolon. der Dünndarm sich niemals so stark anfüllen kann als unter normalen Bedingungen. Die erste Anwesenheit von Speisebrei im Kolon ist demnach auch schon im Mittel nach 1"/a statt nach 3—3!/z Stunden wahrzunehmen. Die Beschleunigung der Dünndarmpassage kann so weit gehen, dass schon nach einer Viertelstunde Inhalt im Kolon zu sehen ist. Nach 4 Stunden ist der Dünndarm leer, während er in den Normalversuchen nach 7 Stunden noch deutlichen Inhalt er- kennen lässt. 630 J. H. Padtberg: Die Beeinflussung der Dünndarmbewegung wird nun noch viel deutlicher, wenn man das Koloquintendekokt erst in den Magen bringt, nachdem sich derselbe entleert hat und sich aller oder fast aller Speisebrei im Dünndarm befindet. Dann sieht man, dass in einigen Fällen schon nach !/g Stunde sich der ganze Darminhalt in das Kolon entleert hat. Im Mittel dauerte es in dieser Versuchs- reihe 1—2 Stunden, bis der Dünndarm leer geworden war, während in der Norm dazu 7 und mehr Stunden erforderlich sind. Fig. 2 veranschaulicht diesen Vorgang. BE: Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. 0 1 2 3 4 b) 6 7 Stunden Fig. 2. Diagramm der Verdauungsbewegungen bei der Katze nach Kartoffelbrei- Wismut-Fütterung (Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern). Die punktierte Linie stellt das Mittel aus den Normalversuchen, die ausgezogene Linie aus den Versuchen dar, in denen nach Leerwerden des Magens 10 ccm 10 %oiges Decoctum colocynthidis gegeben wurde. Die Pfeile bezeichnen das erste Auftreten eines Schattens im Kolon. Ausser dieser schnellen Dünndarmpassage kann man auf dem Röntgenschirm noch andere Besonderheiten wahrnehmen. Die Dünn- darmschatten werden in allen Fällen viel breiter und undeutlicher und verwandeln sich in blasse Bänder. Diese Veränderung betrifft manchmal alle Dünndarmschatten, manchmal nur einen Teil derselben. Auf diese Weise kann man deutlich die Erweiterung und die An- Der Einfluss des Koloquinten-Dekokts auf die Verdauungsbewegungen. 631 füllung der Darmschlingen erkennen und kann so die Verdünnung des Darminhaltes durch vermehrte Flüssigkeitssekretion direkt wahr- nehmen. Auch das Undeutlicherwerden der Schatten ist derselben Ursache zuzuschreiben. Rhythmische Segmentierung ist meist in denjenigen Darmschlingen zu sehen, welche nicht auf diese Weise erweitert worden sind. Während sich nun in der geschilderten Weise das !proximale Kolon sehr schnell mit Speisebrei und Darmsekreten füllt, kann man wahrnehmen, dass in diesem Darmabschnitt die normal dort zu be- obachtende Antiperistaltik aufgehoben ist. Es wurde also ebenso wie durch Senna und Rizinusöl der normale Eindickungsmechanismus an dieser Stelle verhindert. Durch diese Wirkung unterscheiden sich die bisher untersuchten pflanzlichen Abführmittel von den Mittelsalzen. Die Ankunft des koloquintenhaltigen Darminhaltes im proxi- malen Kolon gibt nun aber nicht so, wie es bei Senna der Fall ist, Anlass zu sofortigsem Auftreten der Kotentleerung, sondern diese erfolgt erst, wenn man den Übertritt von Kot ins Reetum auf dem Röntgenschirme sieht. Die Kotentleerung wird also in diesem Falle ebenso wie nach Rizinusöl und Bittersalz reflektorisch von der nor- malen Stelle ausgelöst. Während in der Norm der Übertritt des Kotes aus dem proximalen ins distale Kolon sehr langsam und un- merklich erfolgt, wird auch dieser Vorgang durch Koloquinten deutlich beschleunigt. Meist nach !/sz Stunde, manchmal in noch kürzerer Zeit, sieht man schwarze Schatten im distalen Kolon erscheinen und !/a bis 2 Stunden später (im Mittel nach 1'Y/s Stunde) erfolgt dann die Kotentleerung. Bedenkt mau, dass in den Normalversuchen für die Passage des Kolons 12 Stunden und mehr erforderlich sind, so sieht man, um welche beträchtliche Beschleunigung es sich hier handelt. In einer dritten Versuchsreihe wurden die Katzen des Abends mit Kartoffelbrei-Wismut gefüttert. Am anderen Morgen war dann aller Darminhalt im Kolon angehäuft, und die Tiere bekamen nun 10 eem des Dekokts mit der Schlundsonde. Als ersten Erfolg sieht man dann ausser dem Verschwinden der Antiperistaltik ein Fleckig- werden des Kolonschattens, was auf die vermehrte Darmsekretion bezogen werden muss. Bei der Kotentleerung wird häufig nicht der ganze Koloninhalt ausgestossen, das proximale Kolon kann zunächst noch gefüllt bleiben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Koloquinten nicht nur auf die Sekretion des Dünndarmes, sondern auch auf die des Dickdarmes 632 J. H. Padtberg: Der Einfluss des Koloquinten-Dekokts ete. einwirken. Dafür spricht erstens die reichliche Beimengung von Schleim zu den Fäces, welcher sehr häufig nicht mit dem Kot gut durchgemischt ist, sondern demselben nur oberflächlich anhaftet. Zweitens wurde gelegentlich beobachtet, dass zuerst eine nur schleimige Entleerung und einige Zeit danach die Ausstossung von Kot erfolgte. Die Resultate dieser Untersuchung lassen sich folgendermaassen zusammenfassen: I. Bei Katzen kann man durch 10 cem 10 oiges Deeoetum coloeynthidis per os weiche bis flüssige Kotentleerung hervorrufen, welche viel Schleim und manchmal auch etwas Blut enthält. II. Nach dem Röntgenverfahren kann man sehen, dass dieses Dekokt die Magenentleerung bald beschleunigt, bald verlangsamt: die Fortbewegung des Darminhaltes durch den Dünndarm beträcht- lich beschleunigt und eine starke Sekretion hervorruft, durch welche die Darmschlingen ausgedehnt werden; die Antiperistaltik des proxi- malen Kolons aufhebt; die Passage vom proximalen ins distale Kolon und von hier ins Reectum beschleunigt; wahrscheinlich auch vermehrte Diekdarmsekretion veranlasst; auf diese Weise sehr schnell grosse Mengen dünnen bis flüssigen, schleimhaltigen Darminhaltes in das Rectum befördert, von wo auf normale Weise der Defäkationsreflex ausgelöst wird. 633 Zur Frage des Hörvermögens der Fische. Von A. L. Bernoulli. Es wäre für die Bewertung mechanistischer Hörtheorien von grosser Wichtigkeit, sicher zu wissen, ob ausschliesslich der Basilar- membran die Eigenschaft zukommt, die Gehörseindrücke zu perzipieren, oder ob auch andere Teile des häutigen Labyrinths diese Fähigkeit besitzen. Die Ontogenese der höheren Wirbeltiere lehrt, dass der cochleare Tractus bei diesen in frappantester Weise alle diejenigen Stadien durchläuft, die wir in der aufsteigenden Reihe der Wirbel- tiere als persistierend finden. Nun steht aber die dem cochlearen Traetus homologe Lagena der Fische und der niederen Amphibien in ihrem ganzen Bau und speziell in der Art der peripheren Per- zeptionselemente, z. B. dem Utriceulus, also einem spezifischen Vesti- bularorgan, so ausserordentlich nahe, dass eine analoge Funktion beider zum mindesten nicht unwahrscheinlich ist. Auch die Crista in den Ampullen der Bogengänge, deren statische Funktion sicher nachgewiesen ist, unterscheiden sich von den Maeulae utrieuli und den Maculae sacculi einzig durch die etwas längeren Cilien ihrer „Hörzellen“. Endlich möchte ich noch daran erinnern, dass auch die Perzeptionsstellen des Seitenorgans einen zwar einfacheren Bau als die Maculae aufweisen, aber doch jenen ausserordentlich nahe stehen. Fast alle neueren Hörtheorien arbeiten mit der Vorstellung einer mechanischen, automatischen Reproduktion des Schalls im Gehör- organ und zwar speziell in der Basilarmembran. Ob es sich dabei um freie, durch Resonanz ausgelöste Schwingungen einzelner Quer- fasern (Helmholtz) oder um erzwungene Schwingungen der ganzen Membran [Ewald!]) handelt, ist eine weitere Frage, auf die ich hier nicht eingehen möchte. Die Gründe, welche mich dazu veranlassen, die Helmholtz’sche Theorie trotz aller Angriffe als 1) J. Ewald, Pflüger’s Arch. Bd. 76 S. 146. 1899, und Bd. 93 S. 485. 1903- 634 A. L. Bernoulli: die einzige mechanistische Hörtheorie, welche die experimentell be- obachteten Tatsachen richtig wiedergibt, zu betrachten, habe ich an anderer Stelle!) ausführlich auseinandergesetzt und zugleich an- gegeben, wie ich mir einen weiteren Ausbau der Resonanztheorie mit Berücksichtigung des Dämpfungsproblems und des Wien’schen Einwandes denke. Die Frage des Hörvermögens der Fische dagegen ist für alle mechanistischen Hörtheorien von fundamentaler Bedeutung, denn sobald es irgendwie gelingt einwandfrei nachzuweisen, dass Fische (oder auch niedere Amphibien) auf akustische Reize reagieren, so ist damit jede mechanistische Hörtheorie, nicht nur die Helmholtz’- sche, widerlegt. Bisherige Versuche zur Gehörsprüfung der Fische. Bis in die neueste Zeit hat man den Fischen unbedenklich die Fähigkeit des Hörens zugeschrieben. E. H. Weber?), der erste Forscher, dem wir eine genaue Kenntnis des Labyrinthorgans einiger Fische verdanken, ging soweit, z. B. für die Rochen eine mecha- nistische Hörtheorie aufzustellen. Sie ist physikalisch einwandfrei, würde aber allerdings nur die Reizung der Cilien durch beliebige Druckschwankungen im Wasser erklären. Von Schallanalyse ist dabei keine Rede. Wie Körner?) mitteilt, war Cyon*) der erste, welcher das Hörvermögen der Fische auf Grund von Versuchen an- zweifelte, denn er fand, dass seine Versuchstiere selbst auf die stärksten Geräusche keinen Fluchtreflex zeigten. Allerdings wählte er als Versuchstiere leider gerade Neunaugen, deren noch wenig differen- ziertes Labyrinth nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf die Funk- tionen des Labyrinths bei höheren Fischen gestatten. Der erste, welcher physikalisch einwandfreie Versuche zur Prüfung der Frage unternahm, war Kreidl°). Nachdem er alle optischen Reize sorgfältig ausgeschlossen hatte, gelang es ihm zu 1) A. L. Bernoulli, Neuere Einwände gegen die Helmholtz’sche Theorie des Hörens. Physik. Zeitschr. Bd. 11 S. 649. 1910. 2) E.H. Weber, De aure hominis et animalium vol. 1. Leipzig 1820. 3) OÖ. Körner, Beiträge zur Ohrenheilkunde. Festschrift für A. Lucae. Berlin 1905. 4) E. v. Cyon, Recherches experimentales sur les fonctions des canaux semicirculaires.. Paris 1878. 5) Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 63 8. 581. 1892. Zur Frage des Hörvermögens der Fische. 635 zeigen, dass seine Goldfische (Carassius auratus) nicht auf den Schall reagierten. Als Schallquelle dienten Metallstäbe, welche mit dem Violinbogen angestrichen oder durch aufgesetzte Stimm- gabeln zum Tönen gebracht wurden. Die Schallstäbe waren in einem Knotenpunkt ausserhalb des Wassers fixiert und tauchten mit dem schwingenden Ende ins Wasser. Auch stryehnisierte Goldfische reagierten unter gleichen Bedingungen nicht, ebensowenig auf einen schrillen Pfiff oder auf den Ton einer grossen Glocke. Dagegen reagierten sie auf starkes Händeklatschen und ebenso auf das Ab- feuern eines Revolvers. Die beiden letzten Fälle scheinen mir trotzdem nicht zugunsten eines Hörvermögens zu sprechen. Bei starkem Händeklatschen ist mechanische Erschütterung des Zimmer- bodens und damit des Aquariums unvermeidlich; ebenso beim Ab- feuern des Revolvers durch den Rückstoss und die Übertragung des- selben durch den Beobachter auf den Fussboden und mittelbar auf das Aquarium. Auch Lee!), welcher dieselbe Versuchsanordnung wie Kreid] benutzt hat, konnte keine akustische Reaktion der Fische nachweisen. In direktem Gegensatz zu Kreidl schliesst Zenneck?°) aus Versuchen, die er an freilebenden Süsswasserfischen anstellte, dass den von ihm untersuchten Fischen (Leueisceus rutilus, Leueis- cus dobula und Alburnus lueidus) ein Gehör zukomme, da dieselben beim Ertönen einer im Wasser befindlichen elektrisch an- getriebenen Klingel deutliche Fluchtreaktionen zeigten. Ich werde noch weiter unten auf die Versuche von Zenneck zurückkommen. Auch Parker’) und ebenso sein Schüler Bigelow‘) schliessen aus ihren Versuchen , dass die untersuchten Fische hören. Die wie ich elaube einwandfreisten Versuche endlich verdanken wir dem Otologen Körner?°). Derselbe hat 25 verschiedene Arten von Fischen unter vollständigem Ausschluss aller optischen und namentlich auch aller mechanischen Störungen geprüft. Als Tonquelle benützte er das sogenannte Crieri, jenes bekannte Kinderspielzeug, das aus 1) Lee, Americ. Journ. of Physiol. vol. 1 p. 136. 2) Zenneck, Pflüger’s Arch. Bd. 95 S. 346. 1903. 3) Parker, Hearing and allied senses in fishes. U. S. Fish Comission Bulletin f. 1902 p. 45. Washington 1903. 4) Bigelow siehe Parker. 5) ©. Koerner, Können die Fische hören? Beiträge zur Ohrenheilkunde. Festschrift für A. Lucae. Berlin 1905. 636 A. L. Bernoulli: einem dünnen Stahlplättehen mit einer passenden Fassung besteht. Beim Zusammendrücken des kleinen Instrumentes springt eine Delle ein und bringt einen einmaligen laut knackenden Ton hervor. Diese Tonquelle scheint mir sehr viel glücklicher gewählt als die- jenigen anderer Autoren, da sie einerseits keinerlei irgend nachweis- bare mechanische Erschütterungen hervorruft im Gegensatz zu tönenden Stäben, Stimmgabeln und elektrischen Glocken und ausser- dem nur einzelne kurze akustische Signale ebenfalls im Gegensatz zu allen anderen bisher benutzten Tonquellen gibt. Körner be- obachtete in keinem einzigen Fall irgendwelche Bewegungsreflexe oder gar Fluchtreflexe wie Zenneck. Körner schliesst ebenso wie Kreidl hieraus, dass keinem der untersuchten Fische ein Hörvermögen zukomme. Nicht minder wertvoll als seine sorgfältigen Versuche scheint mir die überaus klar und sachlich geschriebene, historisch-kritische Ein- leitung, die Köruer der Beschreibung seiner eigenen Versuche voran schickt. Besonders wichtig zur Beurteilung der durch die Diskrepanz der Resultate geschaffenen Situation scheint mir die scharfe Kritik, welche Körner an den Versuchen von Parker und von Bigelow übt. Vom Standpunkt «des experimentierenden Physiologen aus weist Körner!) diesen beiden Forschern nach, dass ihre Versuche nichts zur Entscheidung der vorliegenden Frage beitragen können. Parker erblickt den positiven Nachweis des Hörens darin, dass die respira- torische Frequenz der Kiemendeckel eines Versuchsfisches infolge des Schallreizes von 114 auf 138 in der Minute, in einem anderen Fall von 120 auf 156 gestiegen sei. Dabei gibt Parker an, dass die Frequenzsteigerungen nur 10—12 Atembewegungen lang; nachweisbar gewesen seien. Auch eine Verstärkung der Brustflossenbewegung sieht Parker als positive Reaktion an. Ähnlich sieht Bigelow z. B. in der plötzlichen wagerechten Ausbreitung der vorher zu- sammengefalteten Brustflossen seiner Versuchstiere positive Gehörs- reaktionen. Diese Beispiele dürften wohl genügen. Für alle weiteren Details verweise ich einerseits auf die Originalarbeiten von Parker und von Bigelow und auf die Kritik von Körner. Parker kommt überdies zu dem Schluss, dass unter den beiden ein- zigsen von ihm untersuchten Fischarten die eine (Fun- dulus heteroclitus) höre, dagegen dieandere (Dogfish, nach Körner also ein Hai oder ein Vertreter der Gattung Umbra) 1). c. S. 20. Zu en A ee Zur Frage des Hörvermögens der Fische. 637 taub sei. Gerade dieses Resultat erscheint im Hinblick auf die Anatomie des Labyrinths der Fische als ausserordentlich unwahr- scheinlich. Endlich hat bereits Körner darauf hingewiesen, dass auch die benutzten Schallquellen sowohl bei Bigelow als auch bei Parker wenig geeignet erscheinen. Beide Forscher leiteten den Schall von Stimmgabeln der einen hölzernen Wand des Aquariums . direkt zu; es sind also mechanische Erschütterungen des Aquariums keineswegs ausgeschlossen. Noch weniger geeignet erscheint eine andere Anordnung von Parker, bei welcher als Schallquelle eine Basssaite diente, die über einen Steg gespannt war, welcher auf der hölzernen Wand des Aquariums aufsass. Wurde die Saite durch Zupfen erregt, so war die mechanische Erschütterung des ganzen Aquariums so stark, dass nach Parkers eigener Angabe von allen vier Seiten des Aquariums sichtbare Oberflächenwellen aus singen. Schon die optischen Reflexe derselben würden ja genügen, allfällige positive Reaktionen der Fische auch ohne akustische Reizung zu erklären, ganz abgesehen von der bekannten Empfindlichkeit der Fische gegen taktile Reizung. Während also aus den Versuchen von Kreidl und von Körner auf die Taubheit der Fische geschlossen werden muss, scheinen im direkten Gegensatz hierzu die bereits erwähnten Versuche von Zenneck!) dennoch für ein Hörvermögen der Fische zu sprechen. Doch ist zu beachten, dass Zenneck in seiner Fragestellung viel vorsichtiger ist als frühere Autoren. Er will nur entscheiden, ob Fische auf akustische Reize überhaupt reagieren. Dagegen lehnt er es ausdrücklich ab, durch seine Versuche etwa festzustellen, ob die Fische die Schallwellen mit Hilfe des Gehörorgans oder des Seiten- organs perzipieren. Ich halte diese Zenneck’sche Einschränkung für sehr wesentlich. Ferner verlangt Zenneck stärkere Schall- quellen, und endlich fordert er Versuche an freilebenden Fischen im Gegensatz zu den Experimenten in den Aquarien. Dementsprechend experinmentierte Zenneck mit freilebenden Fischen und benutzte eine grössere Glocke als Tonquelle.. Der elektromagnetisch betriebene Klöppel befand sich samt dem Trieb- werk im Innern der fast ganz unter Wasser getauchten Glocke. Letztere war an einem Brett befestigt, welches 2—3 m weit über den Uferrand hinausragte. Die läutende Glocke versetzte die Auf- hängevorrichtung gleichfalls in so starke Schwingungen, dass sieht- 1) Pflüger’s Arch. Bd. 95 S. 346. 1903. 638 A. L. Bernoulli: bare Oberflächenwellen auftraten. Um die Ausbreitung der letzteren zu verhindern, wurde die Glocke mit einem Eimer aus Eisenblech umgeben. Letztere war im Flussbett fest aufgestellt. Das Wasser stand im Eimer gleich hoch wie ausserhalb. Nunmehr liessen sich beim Läuten der Glocke ausserhalb des Eimers keine Oberflächen- wellen mehr beobachten. Trotzdem wurde der Schall der Glocke von einem im Wasser untergetauchten Beobachter noch in 50 m Entfernung deutlich gehört, und zwar ebenso deutlich, wie wenn der Eimer entfernt wurde. \ Bei jedem Läuten der Glocke ergriffen allein der Nähe der Glocke vorhandenen Fische die Flucht. Da- gegen reagierten solche Fische, welche sich in mehr als S m Entfernung von der Glocke befanden, nicht. Zur Gegenprobe wurde nunmehr der Klöppel der Glocke mit Filz umwickelt, wodurch der Ton fast unhörbar wurde. Auf den Schall der gedämpften Glocke reagierten die Fische nicht. Nur die in allernächster Nähe der Glocke (!/s m und weniger) wurden unruhig, schwammen aber nur zum Teil weg. Da Schwingungszahl und Amplitude des Klöppels und der Aufhängevorrichtung trotz der Um- wicklung des Klöppels, soweit bemerkbar, unverändert blieben, schliesst Zenneck, dass seine Fische auf den Schall der Glocke reagiert haben, da nach Zenneck’s Auffassung die Ausbreitung der mechanischen Schwingung der Glocke und des Aufhängeapparates als ausgeschlossen zu betrachten ist. Gegen die Beweiskraft der Versuche von Zenneck sind bis jetzt von Körner!) und von F. Bezold?) Bedenken geltend gemacht worden. Körner hält es anscheinend nicht für aus- geschlossen, dass die Fische bei Zenneck anstatt auf den Schall der Glocke auf optische Reize reagiert hätten. Körner fährt dann fort®): „Wir müssten auch noch erfahren ob nicht etwa bei den negativ ausgefallenen Versuchen mit der belegten Glocke zufällig die Sonne durch eine Wolke verdeckt war, wodurch der Schatten (des bewegten Aufhängebrettes) wegfiel.“ Ich denke, dass jeder, der auch nur eine der Experimental-Untersuchungen von Zenneck kennt, durch welche dieser Forscher die von ihm speziell gepflegten 1. c. 8.18. 2) F. Bezold, Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. 48 S. 158 Anm. 3. 1904. a) lc. 8.18, NR Zur Frage des Hörvermögens der Fische. 639 Gebiete der Physik bereichert hat, diese Bedenken von Körner als völlig unbegründet betrachten wird. Mehr Bedeutung möchte ich den Einwänden von F. Bezold beilegen, welcher darauf hin- gewiesen hat, dass nach Zenneck’s eignen Angaben der Schall der Glocke durch einen im Wasser untergetauchten Beobachter noch in 50 m Entfernung deutlich gehört wurde, während die Fische nur bis maximal 8 m Entfernung der Glocke reagierten. Die Vermutung liest somit nahe, dass es nicht die Schallwellen, sondern vielmehr „mechanische Schwingungen“ waren, welche die Fluchtreflexe ver- anlassten. Es ist ja bekannt, dass sowohl Wasserwellen als auch vereinzelte Schwankungen des hydrodynamischen Drucks sich nur auf kurze Entfernungen fühlbar machen wegen des starken Energie- verlustes bei der Ausbreitung infolge der hohen inneren Reibung des Wassers. Die rein elastischen Schallwellen werden dagegen auch im Wasser infolge ihrer verschwindend kleinen Amplitude nur sehr wenig gedämpft. Sie können sich demnach fast ebenso un- gehindert und auf ebenso grosse Entfernungen ausbreiten wie in Luft. Ich halte somit die Bedenken von Bezold auch vom physikalischer Standpunkt aus für durchaus begründet. | Nun noch ein zweiter Punkt. War der Klöppel mit Filz um- wickelt, so blieben, wie Zenneck angibt, die Schwingungen des ganzen Apparates soweit merklich dieselben wie bei unbelegtem Klöppel. Ich möchte trotzdem vermuten, dass bei unbelegtem Klöppel bei jedem Anschlag ein Stoss von merklicher Intensität durch das Anprallen des Klöppels an die Glocke durch letztere auf das Wasser ausgeübt wurde. Man überzeugt sich davon leicht, wenn man den Finger an eine in Tätigkeit versetzte elektrische Klingel anlest.e. Wird jetzt der Klöppel umwickelt, so ist keineswegs nur der Ton der Glocke fast unhörbar geworden, sondern man kann zugleich mit dem an die Glocke gelegten Finger direkt fühlen, dass die Stösse auf die Glocke jetzt sehr viel schwächer sind als vorher. Auch hier sind die mechanischen Schwingungen des Klöppels sehr nahe dieselben wie vorher ohne Umwicklung. Im ersteren Fall wird eben viel mehr kinetische Energie des Klöppels durch Stoss auf die Glocke und von da aufs Wasser übertragen. Bei umwickeltem Klöppel dagegen wird der grösste Teil der Energie bereits in der Umhüllung durch Reibung in Wärme umgesetzt. Ich wiederhole ausdrücklich: Ich vermute ebenso wie Bezold, dass ausschliesslich mechanische Schwingungen von relativ grosser 640 A. L. Bernoulli: Amplitude und zwar solche von der Feriode der Klöppeischwingung die von Zenneck bei unbelegten Klöppel beobachteten Fluchtreflexe der Fische ausgelöst haben, und dass im Fall des belegten Klöppels eben zu wenig Energie durch Stoss ins Wasser gelangte, um noch positive Reaktionen auszulösen. Inwieweit meine Vermutung be- rechtigt war oder nicht, konnte nur durch eine Wiederholung der Zenneck’schen Versuche entschieden werden. Eigene Versuche. Im verflossenen Sommer bot sich mir Gelegenheit, die Versuche von Zenneck zu wiederholen, und zwar experimentierte ich wie jener nicht im Aquarium, sondern im Fluss oder im See. Besonderen Wert legte ich bei meinen Versuchen darauf, die als Tonquelle benutzte elektrische Glocke vollkommen fest aufzustellen, um so diese mutmaassliche Fehlerquelle von vornherein auszuschliessen. Eine erste Gruppe von Versuchen wurde in der Königsache be Berchtesgaden durchgeführt. In der Nähe der Station Au dicht unter dem Stauwehr der Kraftstation der Salzburger Tramwaygesell- schaft findet sich eine ruhige Stelle im Fluss, an welcher sich stets Forellen in grosser Zahl aufhalten. Gelegenheit zu einer absolut festen Aufstellung der Glocke bot sich an einem Baumstrunk von zirka einem Meter Durchmesser, der überdies zum Teil von der Zementmasse der einen Betonseitenmauer des Wehres umschlossen war. Die Aufstellung meiner Glocke war demnach weit stabiler als die Mehrzahl der sogenannten „festen“ Aufstellungen der physika- lischen Institute. Die Glocke wurde ähnlich wie bei Zenneck mit der Kuppel nach unten eingetaucht. Der Kontakt zum Schliessen des Stromkreises wurde auf der Strasse in etwa 3 m Höhe über dem Wasserspiegel hinter der erwähnten Betonmauer betätigt. Von der Strasse aus über die Seitenmauer des Wehres hinweg wurden die Fische gleichzeitig von zwei Beobachtern kontrolliert. Sollten die Fische auch die Bewegungen der Köpfe der Beobachter gesehen haben, so werden sie doch schwerlich die Glocke und die Beobachter in Beziehung zueinander gebracht haben, um so weniger, als der Kontakt völlig verdeckt betätigt werden konnte. Im ganzen waren ungefähr 20 Forellen in der unmittelbaren Nähe der Glocke. Die Glocke war bei der ersten Versuchsreihe derart an dem Baumstrunk befestigt, dass sie durch vorspringende Wurzelrippen für die Fische völlig verdeckt war. Später wurde absichtlich, um die Versuchs- a BE u en u oe Sue" 1 A ee ee re u ie ai u cn er Ta ze BU a Be A a a TE rt De Dr FE en Zur Frage des Hörvermögens der Fische. 641 bedingungen zu variieren, die Glocke sukzessive an verschiedenen anderen Stellen des Ufers, diesmal zwischen Felsblöcken befestigt. Vor dem Beginn jeder Versuchsreihe wurde so lange gewartet‘, bis die Forellen möglichst nahe an die Glocke herangekommen waren und nunmehr ruhig an einer Stelle verharrten. Der kleinste Ab- stand zwischen Glocke und Fisch, bei welchem beobachtet wurde, war ca. 40 em. In keinem einzigen Fall haben die Fo- rellen (Salmo Fario L.) irgendwie auf das Läuten der Glocke reagiert. Sie zeigten weder Fluchtreflexe noch auch irgendwelche Unruhe etwa durch Bewegung des Schwanzes oder der Brustflossen. Auch solche Bewegungen hätten beobachtet werden müssen, da das Wasser der aulbe an dieser Stelle und zu der Zeit völlig klar war. Ich will der Vollständigkeit halber noch erwähnen, dass der Grundton meiner Glocke c, war. Ihr Durchmesser an der Basis betrug 94 mm; ihre Höhe war 62 mm. Um meine Versuche auch noch auf andere Fischarten aus- zudehnen, wählte ich zur Fortsetzung meiner Versuche einen geeig- neten Platz am Ufer des Königsees. Im „Malerwinkel“, einer felsigen Bucht am Nordostufer dieses Sees, fand ich eine Stelle, wo dem Steilabfall der Uferfelsen eine seichte Geröllbank vorgelagert ist. Über dieser Bank kann man bei sichtigem Wasser zahlreiche meist junge Fische beobachten. An dem Tage, an welchem ich Versuche mit der Glocke vornahm, befanden sich an dieser Stelle ein junger Aal (Anguilla vulgaris Flem.) von ca. 30 em Länge sowie einige Exemplare von Zander (Lucioperca sandra Cuv.) Gelegenheit zu fester Aufstellung der Glocke bot sich auf ge- wachsenem Fels. Die Zander kamen zum Teil bis auf ca. 30 em an die Glocke heran. Auch bei diesen Versuchen unterstützte mich ein zweiter Beobachter. Das Resultat der Versuche war dasselbe wie bei: den Forellen. Sowohl der Aal als auch die Zander haben in keinem einzigen Fall irgendwie auf das Läuten der ins Wasser tauchenden Glocke reagiert. Es war mir besonders wertvoll, dass sich unter meinen Ver- suchstieren neben der Forelle als Vertreter der Salmoniden und dem Aal als einem Vertreter einer anderen Gruppe der Physostomen hier auch einige Exemplare von Zander, also einem Vertreter der im Süsswasser ja seltenen Hartflosser, befanden. Im Zusammenhang mit den hier beschriebenen Hörprüfungen Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 134. 43 642 A. L. Bernoullis mit der elektrischen Klingel möchte ich noch erwähnen, dass ich bereits vor mehreren Jahren Gehörprüfungen an frei lebenden Fischen durchgeführt habe, allerdings ohne etwas darüber zu publizieren. In der Rotfisch, einem Seitenfluss der Iller dicht bei der Bahn- station Fischen, beobachtete ich zahlreiche Exemplare von Forellen (Salmo fario L) und Äschen {(Thymallus vul- garis Nilss). Als Schallquellen dienten verschiedene schrille Pfeifen. Der Ton derselben wurde mit Hilfe eines Schallrohres aus. Blech von ca. 4 m Länge und 30 mm Durchmesser, welches mög- lichst durch Wasserpflanzen maskiert im Flusse befestigt wurde, den Fischen zugeleitet. Auch bei diesen Versuchen zeigten weder die Forellen noch die Äschen jemals irgendwelche Fluchtreflexe oder irgendwelche Unruhe. Zusammenfassend ergibt sich, dass sämtlichen von mir auf ihr Hörvermögen geprüften Fischen sicher kein Hörvermögen zukommt. Reaktionen der Fische wie die von Zenneck beobachteten (von welchen ich durch den negativen Ausfall meiner Hörprüfungen glaube gezeigt zu haben, dass es sich dabei nicht um Schall, sondern um „mechanische Schwingungen“ von der Frequenz der Klöppelschwingungen gehandelt hat), werden wir weder physikalisch noch physiologisch als akustische Vorgänge auffassen dürfen. Die Physostomen und hier speziell wieder die Siluriden (Wels), Salmoniden, Clupeiden (Hering, Maifisch) und Cyprinoiden (Karpfen) haben unter allen Fischen die höchstentwickelten Labyrinthorgane. Ferner besitzen bekanntlich gerade die genannten Gruppen spezielle mechanische Systeme, welehe die Schwimmblase mit dem Labyrinth verbinden. Bei den Salmoniden und Cyprinoiden zeigen dieselben eine weitgehende konstruktive Analogie mit der Gehörknöchelkette der Säuger. Diese Verhältnisse waren wohl auch mit eine der stärksten Stützen für die Auffassung, dass die Fische hören. Um so mehr dürfen wir jetzt, wo durch die Versuche von Kreidl, von Körner und dem Verfasser nachgewiesen ist, dass auch diesen in bezug auf ihr Labyrinthorgan und seine Adnexa so hoch entwickelten Fischen kein Hörvermögen zukommt, schliessen, dass die Funktionen des cochlearen Abschnitts keine akustischen Funktionen sein können. Die Theorie von Leydig-Sarasin, welche das Labyrinthorgan als eine Art höherer Entwicklungsstufe des Seitenorgans auffasst und ihm wie jenem die Aufgabe zuschreibt, Zur Frage des Hörvermögens der Fische. 643 Drueksehwankungen und mechanische Schwingungen zu perzi- pieren, scheint mir durch die Versuche von Zenneck eine neue Stütze zu gewinnen. Ich beabsichtige auf diese Frage später zurück- zukommen, Eine Gruppe akzidenteller Beobachtungen. Eine akzidentelle Beobachtung, die ich übrigens öfters und bei ganz verschiedenen Witterungsverhältnissen kontrollieren konnte, "bezieht sich auf die Frage, ob die Fische auf den Schall eines in grösserer Entfernung abgefeuerten Schusses reagieren. Einen solchen Fall glaubt Martenson!) nachgewiesen zu haben. Körner bespricht diesen Fall ausführlich und vertritt dabei die Auffassung, dass das von Martenson beobachtete Aus-dem-Wasser-Springen der Fische nichts mit dem kurz vorher in einer Entfernung von 11 Werst (nahe 12 km) abgefeuerten Kanonenschuss eines Kriegsschiffes zu tun hatte, da der Schall im Wasser 7 Sekunden, in der Luft 31 Sekunden zum Durchlaufen der betreffenden Distanz gebraucht haben muss. Hätte das von Martenson beobachtete Aufspringen der Fische und das Hörbarwerden des Schusses wirklich um volle 21 Sekunden aus- einander gelegen, so hätte der Beobachter wohl schwerlich einen ursächlichen Zusammenhang zwischen diesen zwei zufälligen Be- obachtungen vorausgesetzt. Etwa 2 km von der Stelle, wo ich am Ufer des Königsees die Fische beobachtet habe, pflegen alle vorüberfahrenden Schiffer das Echo einer Felswand durch Pistolenschüsse zu wecken, so dass zu bestimmten Tagesstunden oft zehn oder mehr Schüsse hintereinander in Zeitintervallen von einigen Minuten zwischen den einzelnen Schüssen abgegeben wurden. Da das Aufblitzen des Pulvers von meinem Standort aus sichtbar war, liess sich zufolge der be- kannten Entfernung von nahe 2 km zwischen Schallwelle und Fisch eine Reaktion nach 1!/s Sekunden erwarten. Ich habe im ganzen bei etwa 0 Schüssen die Fische beobachtet und zwar an verschiedenen Tagen mit und ohne Bewölkung. Ich konnte auch hierin keinem einzigen Fall eine Reaktion der Fische (Zander) be- obachten. Somit muss auch aus diesen Beobachtungen geschlossen werden, dass den Fischen kein Hörvermögen zukommt. 1) Th. Zell, Ist das Tier vernünftig? Stuttgart 1904. S. 89. 43 * 644 A. L. Bernoulli: Zur Frage des Hörvermögens der Fische. Zusammenfassung der Resultate. 1. Aus den Versuchen von Kreidl und denjenigen von Körner folgt, dass die Fische nicht hören. Die im Gegensatz hierzu von Zenneck beobachteten Reaktionen glaubt Verfasser als _ taktile Reizungen durch mechanische Wasserwellen von der Frequenz des Klöppels der elektrischen Klingel, mit welcher Zenneck arbeitete, auffassen zu müssen. 2. Verfasser hat die Versuche von Zenneck wiederholt an freilebenden Exemplaren von Forelle, Aal und Zander, wobei im Gegensatz zu Zenneck spezielle Sorgfalt auf absolut feste Aufstellung der Klingel verwendet wurde. 3. Verfasser konnte in keinem einzigen Fall eine Reaktion seiner Versuchstiere beobachten und schliesst deswegen in Überein- stimmung mit Kreidl und Körner, dass den Fischen kein Hör- vermögen zukommt. Dasselbe Resultat ergab eine frühere Versuchs- reihe des Verfassers, bei welcher der Schall von schrillen Pfeifen mittelst eines Schalirohrs in das Wasser geleitet wurde. 4. Akzidentelle, aber zahlreiche Beobachtungen über die akustische Wirkung von Pistolenschüssen, die im Boot in 2km Entfernung von den Fischen abgefeuert wurden, lösten gleichfalls keinerlei Reaktionen der Fische aus. Die Fische reagieren somit auch auf starke ein- malige Schalleindrücke nicht, wenn wegen grosser Entfernung der Schallquelle die mechanische Übertragung des Rückstosses bei dem Schuss ausgeschlossen ist und somit nicht an den Fischen als taktile Reizung zur Wirkung kommt. Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co. in Altenburg. MD 7 5 WHSE 07937 er 4 e e f %