PFLUÜGER"® ARCHIV FÜR DIE GESAMMTE PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE. HERAUSGEGEBEN VON MAX VERWORN PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE UND DIREKTOR DES PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTS DER UNIVERSITÄT BONN UNTER MITWIRKUNG VON PROF. BERNHARD SCHÖNDORFF IN BONN. BAND HUNDERT UND FÜNFÜNDDREISSIG. MIT 19 TAFELN UND 148 TEXTFIGUREN. a BONN, 1910. VERLAG VON MARTIN HAGER. <> Inhalt. Erstes, zweites, drittes und viertes Heft. Ausgegeben am 22. Oktober 1910. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontrak- tionen. Von Prof. Joh. Dogiel. (Mit 79 Textfiguren und Tafel I, H und III) Experimentelle Wachstumsstudien. Von Heinrich Gerhartaz. (Aus dem tierphysiologischen Institut der kgl. landw. Hoch- schule zu Berlin) Nochmals über das Verhalten des Phlorhizins nach der Nieren- exstirpation. Von Erich Leschke, vorm. Assistenten am physiologischen Institut der Universität Bonn Antwort auf vorstehende Bemerkungen. Von K. Glaessner under. P. Pick EI HE REISEN CE NE Beiträge zur Physiologie der Verdauung. II. Mitteilung. Über den Gesamtchlorgehalt des tierischen Körpers. Von R. Rose- mann. (Aus dem physiol. Institut der westfälischen Wil- helms-Universität Münster) Ionentheorie der Nerven- und Muskelreizung. Von Privatdozent P. Lasareff. (Mit 1 Textfigur.) (Aus dem physikalischen Institut der Universität Moskau) Fünftes, sechstes, siebentes und achtes Heft. Ausgegeben am 10. November 1910. Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader.. III. Das Stromvolum der „Vena gastrica“. Von Russell Burton-Opitz. (Mit 1 Textfigur und Tafel IV und V.) (Aus dem physiologischen Institut der Columbia-Universität, College of Physieians and Surgeons, New-York) . Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. IV. Der Einfluss des Plexus mesentericus auf das Strom- FR * Seite 104 205 IV Inhalt. volum der Vena mesenterica.e Von Russell Burton- Opitz. (Aus dem physiologischen Institut der Columbia- Universität, College of Physieians and Surgeons, New York) Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes bei verschiedenen Vogelarten. Von Hans Stübel. (Hierzu Tafel VI bis XIH.) (Aus dem 2: Institut der Universität Jena) . ae ß Über den Einfluss des Rhythmus der Reize auf die Arbeits- leistung der Muskeln, speziell der Vogelmuskeln. Von Martin Gildemeister. (Mit 6 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Strassburg i. E.) Notizen zum Problem des Vogelfluges. Von Martin Gilde- meister. (Mit 3 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Strassburg i. E.) 2 Neuntes und zehntes Heft. Ausgegeben am 5. Dezember 1910. Gehirn und Sympathicus. Il. Mitteilung. Ein Sympathicus- zentrum im Zwischenhirn. Von Prof. Dr. J. P. Karplus und Prof. Dr. A. Kreidl, Assistenten am physiologischen Institut in Wien. (Mit 11 Textfiguren und Tafel XIV.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Wien) . Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzen. Von Prof. A. Samojloff. (Mit 7 Textfiguren und Tafel XV bis XIX.) (Aus dem physiologischen Laboratorium der physiko-mathematischen Fakultät der kais. Universität Kasan) . Elftes und zwölftes Heft. Ausgegeben am 9. Dezember 1910. Untersuchungen über reizlose vorübergehende Ausschaltung am Zentralnervensystem. II. Mitteilung. Zur Lehre von den bulbären und spinalen Atmungs- und Gefässzentren. Von Wilhelm Trendelenburg. (Mit 8 Textfiguren.) (Aus dem Benselzı schen Institut der Universität Frei- burg i. B.) N Nr Über die Beziehungen der Herznerven zur Den des Elektro- kardiogramms. Von Privatdozent Dr. J. Rothberger und Seite 245 249 366 385 401 417 469 Inhalt. Privatdozent Dr. H. Winterberg. (Mit 18 Textfiguren.) (Aus dem Institute für allgemeine und experimentelle Pathologie der Universität Wien) . Über die Beziehungen der Herznerven zur atrioventrikulären Automatie (nodal rhythm). Von Privatdozent Dr. C.J.Roth- berger und Privatdozent Dr. H. Winterberg.) Mit 14 Textfiguren.) (Aus dem Institute für allgemeine und experimentelle Pathologie der Universität Wien) V Seite 559 Die Bedingungen der automatisch- rhythmischen Herzkontraktionen. Von Prof. Joh. Dogiel. (Mit 79 Textfiguren und Tafel I, II und III.) Das Herz des gesunden Menschen zieht sich zusammen, wie man sich leicht durch gewisse Hilfsmittel zu überzeugen vermag; die Kontraktionen erfolgen regelmässig-rhythmisch und sind von zwei Tönen — den Herztönen — begleitet. Beim Hunde besteht, wie die Auskultation ergibt, die eleiche Herztätigkeit wıe: beim Menschen. Hat man den Hund durch Curare bewegungslos gemacht, künstliche Atmung eingeleitet, die Brusthöhle und den Herzbeutel eröffnet, so erbliekt man das rhythmisch schlagende Herz. Da seine frequenten Kontraktionen die Beobachtung erschweren, so greift man zur mechanischen Reizung des Vagus, wonach die Schlagfolge lang- samer wird und man deutlich die Zusammenziehung der Vorhöfe und ihrer Anhängsel — des rechten und linken Herzohres — und hernach solche der Kammern unterscheiden kann; zuweilen sieht man auch Schwankungen in der Weite der an der Herzoberfläche ver- laufenden Gefässe.. Am freigelesten Froschherzen kann man leicht und mit unbewaffnetem Auge die Kontraktionen der den Sinus bildenden Venen, des Sinus, der Vorhöfe, des Ventrikels und des Bulbus arteriosus verfolgen; ebenso mühelos gelingt die Beobachtung der rhythmischen Kontraktionen der Venen, des Sinus, der Vorhöfe und des Veutrikels bei der Schildkröte. Äusserst kurz war die Zeit bemessen, während welcher es gelungen ist, die Herzkontraktionen beim gouillotinierten Menschen zu beobachten. Auch das aus der Brusthöhle entfernte Hundeherz schlägt aus Blutmangel, wegen Ab- kühlung usw. nicht lange, wogegen das Froschherz nach seiner Herausnahme aus der Brusthöhle sich noch Minuten, Stunden und noch länger rhythmisch zusammenziehen kann. Rhythmische Herz- kontraktionen sieht man auch beim Flusskrebs, bei Fischen und Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. l 2 Joh. Dogiel: Mollusken. Bei kleinen durchsichtigen Tieren, wie z. B. bei Mücken- larven, kann man unter dem Mikroskop bei bestimmter Vergrösserung nicht allein die Kontraktionen des Herzrohres, sondern auch das Spiel der verschieden angelesten Klappen während der Systole und Diastole verfolgen. | Am schlagenden Herzen sind nur die verschieden gefärbten Blut- gefässe — Arterien und Venen — sichtbar. Um die Nerven auf der Oberfläche des Hunde- oder Kalbsherzens zu sehen, müssen die grossen Blutgefässe unterbunden und das Herz aus der Brusthöhle genommen und in eine */2°/oige Essigsäure- oder eine I—5 /oige Phenollösung gebracht werden. Im ersteren Falle hellt die Essig- säure das Bindegewebe und das Epithel auf, im letzteren bewirkt die Eiweissfüllung durch Phenol, dass die Nervenzweige auf der Fig. 1. Obere Ansicht der Vorhöfe und Fig. 2. Obere Ventrikelfläche desselben : Ventrikel des Hundeherzens in natür-_ Hundeherzens nach Beseitigung der Vor- licher Grösse. Ein Teil der losgelösten höfe. v.d. Ventriculus dexter, v. s. Ventr. Aorta (aa.), v.d. Ventriculus dexter, sinister, a.c.c. Arteria coronaria cordis. v.s. Ventr. sin., a.s. Atrium sin., v.n. Gefässe und Nerven. Herzoberfläche in der Form von weissen Linien hervortreten (s. Tafel III Fig. 10). Zum Studium der Verbindung zwischen den Vorhöfen und den Ventrikeln des Hundeherzens kann man sich der Mazerations- methode bedienen: nach Unterbindung der grossen Gefässe wird das Herz aus der Brusthöhle genommen, in eine 5 '/oige Essigsäurelösung gebracht und darin zirka 12 Stunden auf 40—50° C. erwärmt. Hierauf plaziert man das Herz derart in ein mit 0,5 °/oiger Essig- säurelösung gefülltes Glasgefäss, dass die Vorhöfe und ein Drittel der Ventrikelbasis zum Abpräparieren des an der Grenze beider Gebilde befindlichen Fettgewebes frei bleiben. Nachdem man alles, was nicht direkt zu den Vorhöfen und den: Ventrikeln gehört, vor- sichtig und ohne Verletzung der Blutgefässe und Nerven entfernt Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 3 hat, verfertist man zuerst eine Zeichnung der Vorhöfe mit den von denselben auf die Ventrikel ziehenden Gefässen und hernach, nach Beseitigung der leicht entfernbaren Vorhöfe, der oberen Ventrikel- fläche an (s. Fig. 1 und Fig. 2). Bei genauer mikroskopischer Untersuchung dessen, was von der Atrienoberfläche auf die Ventrikeloberfläche des mazerierten Hunde- herzens geht, habe ich Blutgefässe, Nerven, lockeres Bindegewebe und Fettgewebe vorgefunden. Stärkere Blutgefässe können übrigens auch mit blossem Auge, wie Fig. 1 und Fig. 2 lehren, erkannt werden. Muskelfasern oder Bündel derselben sind hierbei von mir nieht angetroffen worden, und es lässt sich die Abwesenheit derselben an der Grenze zwischen den Vorhöfen und den Ventrikeln unschwer durch die Anordnung der Muskelfasern sowohl am rechten wie am linken Ventrikel des Herzens erklären (s. Fig. 2). An den Vorhöfen des Menschen- wie des Hundeherzens gehen dagegen Muskelbündel sehr oft von einem Atrium auf das andere über. An den inneren Schichten der Vorhöfe verlaufen die Muskelfasern vorzugsweise der Länge nach; an einigen Vorhofsstellen sind die Muskelfasern sphineter- ähnlich angeordnet. Die Muskelfasern der Vorhöfe treten auf die äussere Fläche der in den rechten Vorhof sich ergiessenden Venen; bei einigen Tieren geschieht das bis auf weite Entfernungen vom Herzen. Die Zahl der Muskelbündel variiert an den verschiedenen Vorhofsstellen, so dass mitunter das Endokardium mit dem Epi- kardium sich fast berühren. Viel schwieriger gelingt es, sich über den Verlauf der Muskelbündel und Muskelfasern in den Herzventrikeln des Menschen und der Säugetiere, sowohl solcher, welche in jedem Ventrikel für sich, wie auch derjenigen, welche beide Ventrikel mit- einander verbinden, zu orientieren. Zu diesen: Zweck behandelt man das Herz entweder mit Mitteln, welehe die Verbindung zwischen den Muskelbündeln zu lockern vermögen, oder man härtet es und zerlest es dann in Schnitte, oder aber man entfernt oder hellt das Epi- und Endokardium auf. So zum Beispiel: Wird das Herz auf einige Stunden in eine 1—5 °/oige Phenollösung gelegt, so hat man die Möglichkeit, mit blossem Auge deutlich den Verlauf der ober- flächlichen Muskelbündel auf der vorderen und hinteren Ventrikel- fläche bis zum Wirbel (Vortex cordis) hin zu sehen. Noch leichter erblickt man die Anordnung der Muskelbündel, wenn man das aus- geschnittene Herz vom Hunde oder Kaninchen einige Stunden in einer 0,5 °/oigen Essigsäurelösung hält und hernach vorsichtig das 1l $ 4 Joh. Dogiel: Perikardium entfernt, wie das die hier abgebildeten Herzventrikeln vom Hunde lehren (Fig. 3A, B, O). Durch das Kochen wird das Herz dermaassen gelockert, dass die Muskelbündel schichtweise sich isolieren lassen. Behandelt man Fig. 3B. Fig. 3A, B, C. A Aorta, P Art. pulmonalis, 1 Septum, 2 linkes und 3 rechtes Orific. atrio- ventricularis, a,b verschieden gerichtete Muskel- bündel, ce Wirbel an der Herzspitze (Vortex cordis). Herzventrikel vom Hunde nach der Bearbeitung mit 0,5 °/oiger Essigsäurelösung. = das Herz mit 95°/oigem Äthylalkohol, so kann man das Herz in Längs- und Querschnitte, welehe sowohl durch jeden Ventrikel für sich wie auch durch die ganze Masse beider Ventrikel gehen können, zerlegen. An solchen Schnitten (Fig. 4 und Fig. 5) kann das Ver- hältnis der verschiedenen Muskelbündel zueinander bis zu einem gewissen Grade studiert werden. Trotz aller Schwierigkeiten bei der Feststellung des Verlaufs der Muskelbündel im Säugetier- und Menschenherzen kann man nach der Anwendung verschiedener Untersuchungsmethoden dennoch folgende Resultate verzeichnen: Geht man von dem die Vorhöfe von den Ventrikeln scheidenden Annulus fibrosus aus, so sieht man die vom letzteren wie von den grossen Gefässostien entspringenden Muskel- bündel meist schräg zur Herzspitze verlaufen, die letztere schlingen- förmig. umfassen und hierauf in die Tiefe dringen, um die Papillar- Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 5 muskeln zu bilden. Sowohl in verschiedener Höhe während ihres - Verlaufs von der Herzbasis bis zur Herzspitze als auch in ver- schiedener Tiefe von der äusseren Herzoberfläche wechseln die Muskelbündel beständig ihre Richtung, d. h. aus Längsfasern werden quer verlaufende, aus nach rechts gehenden links gehende und umgekehrt. Kurz, die schleifenförmigen Muskel- bündel entspringen vom fibrösen Ring an der Herzöffnung und enden, nachdem sie das Herz ein- mal oder achterförmig, wie es von Fig. 6 schematisch demonstriert wird, umfasst haben, entweder direkt oder vermittels der Sehnen- fäden von den Papillarmuskeln an demselben fibrösen Ring. Die Muskelbündel des rechten Ventrikels treten stellenweise in die Wandung des linken Ventrikels, welche dieker als solehe des rechten Ventrikelserscheint. Zum linken Ventrikel gehören sowohl ganze Gruppen wie aucheinzelne Muskel- bündel, welche sich an der Bildung der Scheide- wand zwischen den Ven- trikeln beteiligen. Ein Septum atrioventricu- lorum existiert nur während der Kontraktion Fig. 4 Ein Teil vom Menschenherzen in 95° Alkohol gehärtet. Schnitte durch die Muskulatur. Die Zahlen 7, 2, 3, 4, 5, 6 und 7 weisen auf die Richtung hin, in welcher die oberflächlichen und tiefen Muskelbündel des einen oder beider Ventrikel verlaufen. der Herzkammern; es Fig. 5. Längsschnitt durch beide Herzventrikel wird durch die an den des Menschen unter dem Mikroskop (S. 2, Ok. 3 Hartn.). a Verlauf der Längsfasern, b d Querschnitt Annulus valvulosus be- der Muskelbündel anderer Richtung. 6 Joh Donier- festigten Klappen dargestellt. Letztere legen sich nach der Meinung einiger Physiologen fast ganz an die Wandung der erschlafften Kammern an. Vom freien Rand und der Ventrikelfläche der Trikus- und Bikuspidalklappen gehen einfache und vielfach verzweigte Sehnenfaden (Chordae tendineae) zu den in der Form von ab- gerundeten Hervorragungen der Ventrikel- wand vorhandenen Papillarmuskeln (Museculi papillares)). Es waltet sowohl in der An- heftung als auch in der Verteilung der Sehnenfäden eine solche Mannigfaltigkeit, dass S6nac?) zwei Arten derselben, und oberflächliche und zwar tiefe, Kürschner°) | und Henle*) aber dreierlei Sehnenfäden a a Be unterscheiden. An ihrem Bau beteiligen lee te der sieh: Bindegewebe, elastische Fasern und nach Gussenbauer?°) auch Muskelfasern. Das Verhältnis der Sehnenfäden zu den Papillarmuskeln ersieht man am besten an einem Längsschnitt aus der Übergangsstelle beider Gebilde, wie es in Fig. 7 dargestellt ist. Be T— — — m Pr a De u Bein [74 E BULLS = ie —— = Frese: Ne rn — m ar Fig. 7. Ein Längsschnitt durch die Übergangsstelle der Papillarmuskeln in die Chordae tendineae des Menschenherzens. aa Muskelfasern, b Bindegewebe, c Bindegewebskörperchen. Syst. 7, Ok. 3 von Hartnack. 1) Marc S&e, Recherches sur l’anatomie et la physiologie du cour. Paris 1833. 2) Senac, Traite de la structure du ceur. Paris 1749. 3) Kürschner, Froriep’s Notizen. 1849. — R. Wagner’s Hand- wörterbuch Bd. 2. ; 4) Henle, Handbuch der Gefässlehre des Menschen. 1868. '5) Gussenbauer, Sitzungsber. d. kaiserl. Akad. d. Wissensch., mathem.- naturwissensch. Klasse Bd. 51. 1868. ET Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 7 Die Zusammensetzung der an den venösen und arteriellen Öffnungen vorhandenen ventilförmigen Klappen ist folgende: in die venösen Klappen setzt sich der Annulus fibrocartilagineus blattförmig nebst der Endokardiumfalte fort, woraus sich die drei Zipfel für die rechte und zwei für die linke Ventrikelöffnung (Valvulus tricuspidalis s. triglochis et Valv. bicuspidalis s. mitralis) bilden. Das fibröse Klappenblatt besteht aus Bündeln festen Bindegewebes und elastischen Fasern und enthält im wandständigen Drittel noch Muskelfasern aus der Vorhofswand. Beide Klappenflächen sind vom Endothel bekleidet. Die an jeder arteriellen Öffnung befindlichen drei halbmondförmigen, dureh Einstülpung des Endokardiums gebildeten Klappen (Valvulae semilunares s. sigmoideae) repräsentieren Taschen (Sinus Valsalvae s. Morgagni). In der Mitte des freien in das Gefässlumen blickenden Randes jeder Klappe findet sich eine knötchenförmige Verdickung (Nodulus Arantii s. Morgagni), welche an den Aortenklappen jedoch stärker ausgebildet ist als an denen der Pulmonalarterie. Jede Semilunarklappe ist aus zwei durch lockeres Bindegewebe ver- bundene Platten zusammengesetzt und besteht aus Bindegewebe, elastischen Fasern und Endothel. Im obersten Teil des von der Herzspitze bis zur Basis gehenden Septum ventrieulorum weist ein kleines Gebiet (Pars membranacea) gewöhnlich keine Muskelfasern auf, der ganze übrige Teil der Scheidewand besteht aus in ver- schiedensten Richtungen verlaufenden Muskelbündeln. Aus dem Angeführten ist zu ersehen, dass beim Hunde die Verbindung der Herzventrikel mit den Vorhöfen durch die Chordae tendineae und die Blut- und Lymphgefässe und Nerven, welche von den letzteren zu den ersteren gehen, zustande kommt; ein direkter muskulöser Zusammenhang der Vorhöfe mit den Ventrikeln. existiert nicht. Trotzdem behaupten einige Physiologen und Anatomen, welche der Theorie von Engelmann und Gaskell huldigen, dass die Vorhöfe mit den Ventrikeln durch ein besonderes Muskel- bündel verbunden sind. Die diese Ansicht vertretenden Autoren lassen sich in zwei Gruppen sondern: in solche, welche die in Rede stehende Frage wenig oder gar nicht selbständig studiert haben und die Tatsache als durch andere Forscher festgestellt betrachten, und in solche, welche die Muskelbrücke zwischen den Vorhöfen und den Ventrikeln durch selbständige Untersuchungen mit Hilfe des Mikroskops und physiologischer Experimente nachzuweisen suchen. Zu. der ersteren Gruppe gehören Engelmann, Gaskell, Langendorff 8 Joh. Dogiel: _ usw. So behauptet Gaskell!), dass an der Atrioventrikulargrenze des Froschherzens kreisförmig angeordnete Muskelbündel sowohl am Vorhof wie auch am Ventrikel vorhanden seien und dieselben mit- einander in Verbindung träten, hat aber weder diese Muskelelemente bildlich dargestellt noch die Untersuchungsmethode zu ihrer Eruierung angegeben. Engelmann, Wenkenbach und Langendorff berufen sich bei ikrer Annahme der Muskelbrücke zwischen den Vorhöfen und den Ventrikeln auf ein im „Jahresbericht für Anatomie und Physiologie“ 1876, S. 251 von Bardeleben verfasstes Referat über eine Arbeit von Paladino, in welcher eine Beschreibung dieser Muskelbrücke sich finden sollte. Nachdem R. Retzer?) aber die zitierte Arbeit von Paladino gelesen, glaubt er sich für be- rechtist zu erklären, „entweder steht eine solche Behauptung Paladino’s in einer anderen Arbeit, oder der Referent ist einem Irrtum bei der Übersetzung anheimgefallen“. Zu den Forschern, welche durch eigene Arbeiten das die Vor- höfe mit den Ventrikeln verbindende Muskelbündel klarzulegen be- strebt waren, gehören W. His jun.*), Stanley Kent°), R. Retzer‘), K. Brauenig’), S.Tawara°) und J. Dogiel?’). Bei R. Retzer, welcher durch die W.His jun.’schen Untersuchungen zum Studium und Verifikation dieser Frage sich veranlasst fühlte, zitiert folgende Aus- sage des letzteren: „Das Bündel (Muskelbündel) entspringt von der Hinterwand des rechten Vorhofs, nahe der Vorhofscheidewand, in edler Atrioventrikularfurche, legt sich der oberen Kante des Kammer- 1) W. Gaskell, On the innervation of the heart, with speciel reference to the heart of the tortoise vol. 4 p. 43. 2) R. Retzer, Über die muskuläre Verbindung zwischen Vorhof und Ventrikel des Säugetierherzens. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1904 p. 3, Anat. Mitt. Hierzu Tafel VII und VIII.) 3) Giovani Paladino, Contribuzione anatomia, istologia del cuore. Movimento med. chirurg. Napoli. 1876. 4) W. His jun., Die Tätigkeit des embryonalen Herzens und seine Bedeutung für die Lehre der Herzbewegung beim Erwachsenen. Arb. aus d. med. Klinik zu Leipzig. 1893. 5) Stanley Kent, Reserches of the Structure of the Mammalien heart. Journ. of Physiol. vol. 14 p. 234. 189. 6) R. Retzer, l. c. 7) K. Brauenig, Arch f. Anat. u. Physiol. Suppl. 1904. 8) Tawara, Das Reizleitungssystem des Säugetierherzens. Jena 1906. 9 J. Dogiel, Arch. f. mikrosk. Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. 70. 1907. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 9 .scheidewandmuskels unter mehrfachem Faseraustausch an, zieht auf demselben nach vorn, bis es, nahe der Aorta, sich in einen rechten und einen linken Schenkel gabelt, welch letzterer in der Basis des Aortenzipfels der Mitralis endigt“ (His, Die Tätigkeit des embryo- nalen Herzens und deren Bedeutung für die Lehre von der Herz- bewegung bei Erwachsenen. Mit 4 Abbildungen. Arbeiten aus der medizinischen Klinik zu Leipzig. 1893, S. 23). Mit dieser Be- schreibung ist R. Retzer wesentlich einverstanden, denn S. 13 seiner Arbeit bringt uns folgende Behauptung: „Mit der Mitralklappe hat das Bündel nichts zu tun, auch konnte ich nicht den Befund von His jun. bestätigen, nach dem es bis zur hinteren Wand des rechten Vorhofs zu verfolgen ist. Das Bündel verschmilzt meinen Präparaten nach bereits vorher vollständige mit der Vorhofsmuskulatur, so dass sich keine Angaben über die weitere Verlaufsrichtung machen lassen.“ Über zwei Abbildungen der Arbeit von His jun. äussert sich R. Retzer folgendermaassen: „Zwei Abbildungen sollen diese An- gaben erläutern, sind aber leider in der Wiedergabe so mangelhaft ausgefallen, dass sie für diesen Zweck vollständig ungeeignet sind.“ Meiner Meinung nach sind alle vier Abbildungen in der oben an- gegebenen Arbeit von His jun. (das Herz eines Haifisches, das Herz eines ausgewachsenen Frosches, das Herz einer ausgewachsenen Maus und Sagittalschnitt durch die Atrioventrikelgrenze des Herzens eines menschlichen Neugeborenen) schematisch und anatomisch ungenügend, jeder Beweiskraft entbehrend. 1393 erschien die Arbeit von Stanley Kent über muskuläre Verbindung der Vorhöfe mit dem Ventrikel verschiedener Tierherzen, hauptsächlich bei Ratten und Kaninchen. Zur Unterscheidung des Muskelgewebes vom Binde- gewebe bediente sich Kent des Pikrokarmins. Nach Retzer soll Kent aber selber abgelehnt haben, sich bestimmt über die von ihm erhaltenen Bilder auszusprechen. Ich berufe mich wiederholt auf Retzer, weil seine Untersuchungen sorgfältig und vertrauen- erweckend sind. Die Arbeit Retzer’s bringt mikro- und makro- skopische Untersuchungen von Tier- und eines Menschenherzens. Seine mikroskopischen Untersuchungen an Tierherzen führten ihn in betreff der muskulären Verbindung zwischen den Vorhöfen und den Herzkammern fast zu denselben Schlussfolgerungen wie His jun. und A. Interessanter erscheinen die makroskopischen Unter- suchungen am Menschen- und Tierherzen. Bei der makroskopischen Untersuchung fand Retzer am Menschenherzen ein Muskelbündel 10 Joh. Dogiel: von 18 mm Länge, 2,5 mm Breite und 1,5 mm Dicke, konnte aber auf demselben Wege an den Herzen vom Schwein, Pferd und Kalb kein solches Muskelbündel finden („der Versuch ist mir vollständig misslungen“).,. R. Retzer erklärt diesen Misserfole durch die starke Entwickelung des Bindegewebes, der elastischen Fasern und das Vorhandensein von Knorpel an der betreffenden Stelle, was die Mazeration erheblich erschwert. Er sagt: „Auch bei den vor- sichtigsten Mazerationen gelang es nicht, die Muskulatur zu isolieren, sondern stets zerriss die letztere, während das Bindegewebe und . der Knorpel von der Mazerationsflüssigkeit noch fast unverändert waren. Ob bei diesen Herzen an derselben Stelle wie bei den anderen Tieren eine Verbindung besteht oder nicht, darüber kann ich mir deshalb kein Urteil erlauben, da ich auch keine mikro- skopischen Schnitte von ihnen angefertigt habe.“ In demselben Archiv pro 1904 versucht Brauenig das betreffende, die Vorhöfe mit den Ventrikeln verbindende Muskelbündel im Herzen ver- schiedener Tiere an mikroskopischen tingierten Schnitten zu zeigen. Die Fig. 10 der Tafel soll ein solches Bündel aus dem Froschherzen zur Anschauung bringen; das Bündel links kann jedoch entweder zum Vorhof oder zum Ventrikel gehören und nicht als ein gemein- schaftliches Bündel für beide angesehen werden. Diese Unbestimmt- heit könnte auf die Schnittrichtung geschoben werden; der Autor hat aber die muskuläre Struktur dieses Bündels nicht bewiesen. Trotz zahlreicher mikroskopischer Schnitte, welche ich aus mit 1°/o Osmiumsäure behandelten Froschherzen angefertigt und durch- mustert habe, bin ich niemals auf eine solche Verbindung gestossen. Zieht man die entgegengesetzte Verlaufsrichtung der Muskelfasern von den Vorhöfen und der Kammer in Betracht (Fig. 1 und 7 Arch. f. mikr. Anat. Bd. 70, 1907, Taf. XLIV) und das nicht allein beim Frosche, sondern auch beim Menschen, Hunde und anderen Tieren, so ist eine muskulöse Verbindung zwischen beiden nicht gut denkbar. Die Verbindung zwischen den Vorhöfen und der Kammer wird beim Frosche hauptsächlich durch die Klappen und die längs denselben verlaufenden Nervenstämme (Arch. f. mikr. Anat. Bd. 70, Taf. XLIV, Fig. 4) hergestellt; beim Hunde sind hierbei, wie wir schon gesehen, die Sehnenfäden, Nerven, Blut- und Lymphgefässe beteiligt. Die für das Brückenfaserbündel eingetretenen Autoren beschränken sich gewöhnlich auf die Beschreibung der Stelle, wo es gelegen sein soll. So z. B. behauptet M. Humlet, dass bei Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. al einem Hunde das Muskelbündel, am unteren vorderen Rande der Fossa ovalis seinen Anfang nehmend, nach unten fast bis zum Rande des medialen Blattes der Trikuspidalklappe verläuft, an der Grenze des hinteren Drittels der letzteren sich nach vorn richtet, paralle der Anheftungsstelle geht, bevor es aber das vordere Ende erreicht wieder nach unten zieht und mit der Ventrikelmuskulatur in Ver-. bindung tritt. Trotz der eingehenden Beschreibung bleibt es aber ungewiss, was der Autor eigentlich gesehen hat. Andere Forscher haben das betreffende Bündel an einer anderen Stelle beschrieben und stützen sich hierbei auf mikroskopische Schnitte, an welchen das Bündel sich durch besondere Färbung vor den übrigen Muskel- fasern auszeichnete. Sie haben sich dabei weder um den Ursprungs- ort noch um die Endigungsstelle dieses Bündels besonders be- kümmert, auch ist sein Verhältnis zu den benachbarten Gebilden nieht beachtet worden, oder aber man findet die Angabe, dass es von Bindegewebe begleitet sei, welches es von der übrigen Muskulatur isoliere.. Unaufgeklärt bleibt es auch, ob das in Rede stehende Muskelbündel in seinem Bau von dem der übrigen Herzmuskulatur abweicht oder nicht. Gewöhnlich behaupten aber alle Autoren, dass das Bündel von keinem Nerven begleitet wird und keine Nerven- zellen und -fasern enthält, wie es ja die Theorie verlangt. Der Hinweis der Autoren, dass dieses Bündel seine embryonale Struktur und Funktion auch beim erwachsenen Tier bewahrt und der Umstand, dass sie ausser S. Tawara (1906) keine Nervenelemente in dem- selben anerkennen, spricht dafür, dass sie höchstwahrscheinlich es überhaupt nicht mikroskopisch untersucht haben. Aus seinen makro- und mikroskopischen Untersuchungen an Herzen von Menschen, Schafen, Kälbern, Hunden, Katzen und Tauben schliesst S. Tawara®): 1. dass bei allen von ihm untersuchten Tieren das Herz Purkinje’sche Fasern enthält; 2. dass die Purkinje’schen Fasern die Vorhöfe mit den Kammern verbinden, folglich die von His jun. beschriebene muskulöse Verbindung zwischen diesen Gebilden darstellen; 3. dass diese muskulöse Verbindung, von der Vorhofsscheidewand ausgehend, durch das Septum fibrosum atrioventrieulare tritt, an verschiedenen Stellen sich verschieden verzweigt, aber von der übrigen Muskulatur des Ventrikels durch Bindegewebe getrennt bleibt und schliesslich nur mit der letzteren verschmilzt; 4. dass eine solche in der . 1) Tawara,l. c. 112 i Joh. Dogiel: frühesten embryonalen Periode anzutreffende Verbindung beim Menschen auch während des ganzen späteren Lebens erhalten bleibt. In bezug auf die Angaben von Stanley Kent, His jun., Retzer und Brauenig, dass das betreffende Muskelbündel bald. nach seinem Durchtritt durch das Septum fibrosum atrioventrieulare in die Muskulatur der Kammerscheidewand eintritt, meint Tawara (p- 3): „Schon die ersten von mir ausgeführten Untersuchungen machten uns stutzig, insofern wir niemals einen derartigen direkten Übergang finden konnten.“ Nach Tawara befindet sich am Vor- hof ein besonderer Muskelknoten, von welchem zwei Äste — ein rechter und ein linker — ausgehen, die, sich vielfach in ihrem Ver- laufe teilend, an der Herzspitze ein ganzes Netz von Muskelfasern- bilden. Stets hat er gesehen, dass dieses Muskelbündel in seinem ganzen Verlauf von Nerven und sogar von Nervenzellen begleitet ist. Die Behauptung Tawara’s, dass die Erregung von dem von ihm beschriebenen Muskelknoten und nicht von der Umgebung der Hohlvenenmündung ausgeht, gleiehwie seine sub Nr. 4 angeführte Schlussfolgerung sind unbewiesen und problematisch. Da die Forscher bei der Suche nach dem Brückenfaserbündel den Bau und die Innervation des Herzens ganz ausser acht gelassen haben, halte ich es für notwendig, auf Grund erneuter Untersuchung hierauf näher einzugehen. Die Embryologie und vergleichende Anatomie lehren uns, dass das Herz in einer bestimmten Entwickelungsperiode ein Rohr — Blut- gefässabteil — darstellt. Die Verschiedenheit in der Form dieses Organs bei erwachsenen Menschen und, Tieren erklärt sich durch seine verschieden weit gehende Differenzierung je nach der Ent- wickelung anderer Organe, z. B. des Atmungsapparates. Trotz alle- dem bleibt der Bau des Blutgefässes auch im Herzen von Menschen und Tieren wesentlich erhalten, und man kann an ihm drei Schichten unterscheiden: eine äussere (Epikardium), mittlere (Myokardium) und innere (Endokardium). | I. Die äussere Schicht (Epikardium). Das Herz befindet sich im Herzbeutel (Perikardium), dessen diekeres parietales, fibröses Blatt in die äussere Schicht der Pulmonalarterie und Aorta aufgeht, während das dünnere viszerale, seröse Blatt längs diesen Gefässen hinunter zum Herz zieht, es umhüllt, also die äussere Herzschicht (Exokardium s. Epikardium) bildet. Die innere Herzbeutelfläche trägt einen Epithelbelag, die Zellen sind von verschiedener Form Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 13 und Grösse und erinnern durch ihre Gruppierung an die Stomata der serösen Häute überhaupt; in der Höhle findet sich zuweilen etwas Flüssigkeit. Das subseröse Bindegewebe enthält etwas Fett in der Umgebung der Gefässe und Nerven. Im viszeralen Blatt des Froschperikardiums stösst man auf Pigmentzellen (Fig. 8). Im Perikardium von Fischen (Esox lucius) findet man gut entwickelte quergestreifte Muskelfasern. Fig. 8. ‚Pigmentzellen im [Froschperikardium. aa Epithel, b Pigmentzellen. Hartn. S. 7, Ok. 3. I IL Die mittlere Schicht (Myokardium) besteht beim Menschen und den Tieren aus Muskelelementen, Bindegewebe, elastischen Fasern, Blut- und Lymphgefässen und Nerven. a) Der Bau des Muskelgewebes ist verschieden je nach dem Ent- wiekelungsgrade des Herzens des Menschen und der Tiere. Im frühen Embryonalstadium ist das Herz von Säugetieren und Vögeln von einfachem Bau. Beim Hühnchen besteht das Herz, bevor es zu schlagen anfängt, aus denselben polygonalen embryonalen Zellen wie der ganze übrige Organismus. Bald nach dem Auftreten der Kon- traktionen findet man hier schon eine Menge von in drei Schichten angeordneten Zellen; in der mittleren Schicht sind dieselben spindel- förmig. Auch bei Menschenembryonen weist das Herz spindelförmige, mit einem oder zwei ovalen Kernen versehene Zellen auf, welche von A. Kölliker!) von einem neunwöchigen menschlichen Embryo beschrieben und. dargestellt sind; hernach sieht man neben den Muskelzellen noch quergestreifte Fibrillen. Purkinje hat ein 1) A. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen Ba. 3 (Schluss) von Victor Ebner S. 623. 1902. 14 Joh. Dogiel: besonderes Netz an der inneren Herzfläche vom Schafe, das auch mit blossem Auge leicht bemerkt werden kann, beschrieben. Ein gleiches Netz habe ich im Herzen vom Kalbe vorgefunden; es repräsentiert sich in der Form von schwachen Streifen unter dem Endokardiumepithel (Fig. 9). Betrachtet man es bei schwacher Vergrösserung (Hartn. S. 2, Ok. 3), so kann man sieh davon über- Fig. 10. Die Purkinje’schen Streifen im Herzer vom Kalbe bei schwacher Vergrösserung (Hartn. S. 2, Ok. 3). zeugen, dass die Streifen aus runder gekörnter Masse mit I—2 Kernen und 1—2 Kernkörperchen (Fig. 11) zusammengesetzt sind (Fig. 10). Es kommen darin auch ferner zweikörnige Zellen von verlängerter Form vor, welche schon mehr an die Skelettmuskelfasern erinnern (Fig. 11). Tiefer zum Myokardium hin sind solche Zellen fast doppelt so lang und gleichen beinahe den übrigen Muskelzellen des Myokardium. Höchstwahrscheinlich sind die Vorgänge dieser kurzen Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 15 prismatischen Körperchen mit kaum angedeuteter Streifung ihrer Peripherie ohne letztere Randstreifung und bestehen nur aus ge- körntem Protoplasma. Diese Voraussetzung stützt sich darauf, dass bei den Flussmuseheln (Anadonta anatina, Peeten maximus u. a.) im Vorhof und in der Kammer die körnige verschieden geformte kontraktile Substanz während der Diastole bei flüchtiger mikro- Fig. 11. Die prismatischen Körperchen Fig. 12. Die mehr verlängerten prisma- aus den Purkinje’schen Streifen im tischen Körperchen aus den Purkinje- Herzen vom Kalbe bei Hartn. S.7 0k.3. schen Streifen im Herzen vom Kalbe bei Hartn. S.7 Ok. 3. skopischer Betrachtung weder der glatten noch der quergestreiften Muskulatur gleicht. Wird das Herz jedoch in Systole mittels 1 °/oiger Osmiumsäure fixiert, so findet man die Protoplasmakörnchen in Querreihen angeordnet, und man erhält ein Bild, das an die quergestreifte Muskulatur des Säugetierherzens oder an die Schliess- muskel der Muschel erinnert. Bei der Beschreibung der spindelförmigen, sternförmigen Muskel- zellen aus dem 9 Wochen alten Herzen eines Menschenembryo sagt A. Kölliker!): „Sehr bald kann man rings um die Herzmuskel- zellen kontinuierliche Belege von quergestreiften Fibrillen oder viel- mehr Fibrillensäulehen erkennen, welche Querschnitten von Fasern wie einfache, im Kreise um das zentrale Sarkoplasma geordnete Purkinje’sche sich darstellen.‘ „Die Vermehrung der Herz- _ muskelkerne erfolgt auf mitotischem Wege, und noch nach der Geburt lassen sich Mitosen in den Muskelzellen auffinden (Tangl, Solger, Hoyer), welehe zu Teilungen der Kerne senkrecht zur Längen- richtung führen, wodurch die Verlängerung der hohlen Muskelfasern _ begreiflich wird.“ Über das erste Auftreten der Muskelfibrillen in den Myoblasten berichtet M. E. Godlewsky?). Aus ähnlichen 1) A. Kölliker, 1. c. S. 625. 2) M. E. Godlewsky, Bull. de ’Acad. de science. de Cracovic 1901 p. 146. 16 Joh. Dogiel: Fibrillensäulehen besteht die Körpermuskulatur einiger Mollusken: die Peripherie ist quergestreift, das Innere körniges Sarkoplasma. Das Herz von Salpa maxima ist aus spindelförmigen Muskelzellen zusammengesetzt, welche ihrer Form nach zur glatten Muskulatur gezählt werden könnten, der Querstreifung und Kernzahl wegen aber eher zu den Purkinje’schen Zellen gehören (Fig. 13, 14). Fig. 13. Muskelzellen von Salpa maxima. Fig. 14. Das Herz nebst Nachbargebilden Hartn. S. 8, Ok. 23. von Salpa maxima. «a Herz, bc Endo- styl, d Nucleus. Normale Grösse. Die mittlere Schicht des Herzens von Menschen, Säugetieren und Vögeln besteht aus Bündeln von Muskelfasern, welche nach der Auflösung der durch 1°ige Höllensteinlösung färbbaren (Eberth) Kittsubstanz durch 40 %oige Ätzkalilösung in einzelne Zellen zer- fallen. Diese Kittsubstanz kann auch durch die Bearbeitung dünner Muskelfasern aus dem Herzen von Menschen und Hunden mit 0,5 /oige Essigsäurelösung unter Zusatz von etwas Glyzerin zur An- schauung gebracht werden (Fig. 15). Fig. 15. aa Verbindungsstellen der Herzmuskelzellen vom Menschen, b Kern nebst körniger Masse. Hartn. 8.7, Ok. 3 Diese Zementstreifen zwischen den Herzmuskelzellen sind aber durchaus nicht homogen, wie das zuerst M. Przewosky!) an äusserst dünnen Schnitten aus Menschenherzen nach der Färbung (der Kerne) mit Hämatoxylin und hernach mit Eosin nachgewiesen hat. Er fand, dass durch das Zement Fäden treten, wodurch der Zusammen- hang der Muskelzellen bewahrt bleibt (Fig. 16). Nach Renaut sind die Fibrillen (Cylindres primitifs) mit ihren Enden in der Zement- linie verbunden. Vietor Ebner?) drückt sich hierüber folgender- 1) A. Przewosky, Arch. d. scienc. biol. St. Petersbourg 1893 p. 286. Gazeta Lekarska 1893 Nr. 24. 2) Victor Ebner im Kölliker’schen Handb. Bd. 3 S. 613—616. 1902. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 17 maassen (p. 615) aus: „Man kann sich in der Tat mit starken Ver- 'grösserungen an geeigneten Stellen überzeugen, dass die Muskel- säulehen kontinuierlich durch die Kittlinien, richtiger Verdichtungs- streifen, quer abgebrochen oder als Vorstadium hierzu, sekundär gedehnt und infolgedessen ziemlich blass. Solche Bilder finden ihre Erklä- | rung wohl in dem Umstande, dass wegen des allseitigen netzartigen Zusammenhanges der Herzmuskel- fasern, noch nach dem Auftreten Bee) m = IR Biel AT Fig. 16B. Fig. 16. A. Muskelfaserbündel aus dem Herzen eines erwachsenen Menschen. a Stratum granulosum terminale, db eine Reihe von Protoplasmafädchen, welche die Muskelzellen unter sich verbinden, c Zellkerne. — B. Verbindung zweier Herz- muskelzellen eines erwachsenen Menschen. «a Stratum granulosum terminale, b fadenförmige Fortsetzung der Protoplasmamasse zur Verbindung beider Zellen, ce Kern. Die stärkste Vergrösserung bei verschiedenartiger Beleuchtung; nach Przewosky. von Schrumpfkontraktionen vor dem völligen Absterben durch normale Kontraktionen der Nachbarfaser die wenig elastischen Verdichtungs- streifen passiv gedehnt und zerrissen werden. Dass gerade die Kerngegend der Fasern fast immer von solchen Verdichtungsstreifen frei bleibt, ist wahrscheinlich der dort reichlichen Anhäufung von Sarkoplasma zuzuschreiben.“ Die Muskelzellen des Säugetierherzens sind von prismatischer Form, enthalten in der Mitte einen von einer geringen Menge körniger Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 2) 18 Joh. Dogiel: Masse umgebenen Kern und weisen eine Längsstreifung auf. Nach Eberth, L. Ranvier u. a. sollen sie kein, nach Winkler jedoch wohl ein Sarkolemma besitzen. Schweigger-Seidel?)erklärt diesen Widerspruch dadurch, dass von den sarkolerinmlosen Muskelzellen bei der Mazeration sich in den Henle’schen Spalten ein dünnes Häutehen abhebt, welches als Sarkolemma angesehen worden ist. _ Nach diesem Forscher müssen ja die Muskelzellen abgegrenzt sein, ein Sarkolemma kommt ihnen aber nicht zu. Die Muskelfasern vereinigen sich zu platten, seltener zu runden, durch Bindegewebe verbundenen Bündeln und Balken, welche im Vorhof Trabeculae carneae genannt werden (Perimysium externum et internum). II. Die innere Schicht (Endokardium). An der Bildung dieser Herzschicht beteiligen sich Endothel, Bindegewebe und vor- züglich elastisches Gewebe, woraus sich. eine verschieden starke, die innere Herzfläche mit den Papillarmuskeln, deren Sehnen überziehende und die Atrioventrikularklappen bildende Hülle resuitiert. Im linken Vorhof ist das Endokardium stärker als in den Kammern, wo die unter ihm liegenden Muskeln gut erkennbar bleiben. Nach Schweigger- Seidel, L. Ranvier, E. Albrecht und Renaut kommen im Endokardium glatte Muskelfasern vor, bilden aber darin keine zu- sammenhängende Schicht. Beim Kalbe und Schafe gehören zum Endo- kardium die Purkinje’schen Fäden, welche wir aufs neue unter- sucht haben. Nachdem Purkinje dieselben 1845 an der inneren Kammerwandung des Kalbherzens bemerkt, hat man sich wieder- holt bis 1906 mit ihnen beschäftigt, um ihre Bedeutung bei der Herzfunktion klarzulesen. In bezug auf die Lokalisation und Verteilung im Herzen dieser von A. Kölliker zu Ehren des Entdeckers als Purkinje’sche Fäden bezeichneten Gebilde finden wir folgende Angaben: sie finden sich unmittelbar unter dem Endokardium der Herzventrikel und nicht der Vorhöfe |A.Kölliker?)]; sie kommen mehr im linken als im rechten Ventrikel vor und werden ausserdem in der myokardialen und perikardialen Schicht angetroffen [Hessling?)]; sie sind im Endokardium und sehr selten im Myo- 1) Schweigger-Seidel, Handb. der Lehre von den Geweben des Menschen und der Tiere. Herausg. v. Stricker, Das Herz, 1871 p. 182—18. 2) A. Kölliker, Handb. der Gewebelehre 1852 p. 67. 3) Hessling, Zeitschr. f. wissensch. Zoologie von Siebold u. Köllike Bd. 5 S. 189. 1854, Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 19 kardium [Ch. Aeby !)]; der hauptsächlichste Fundort der Purkinje- schen Fäden ist das Endokardium, sie dringen aber auch in das Myokardium [H. Hoyer?)]. Was den Bau und die Bedeutung der Purkinje’schen Fäden anbelangt, so könnte man sie mit embryonalen Muskelfasern vergleichen, „doch“, behauptet A. Kölliker, „muss betont werden, dass typischeembryonale Herzmuskel- zellen in keinem Stadium ihrer Entwickelung mit den Zellen der eigentlichen Purkinje’schen Fäden überein- stimmen, und dass andererseits, wie Lehnert zeigte und A. Frisch bestätigte, auch die Embryonalformen der Purkinje’schen Fäden schon frühzeitig (bei 6 em langen Schafembryonen) als solche kennt- lich sind.“ Die Körner (nach Hessling) von wachsartiger Konsistenz und Durchsichtigkeit besitzen drei Kerne und sind gestreift; die Substanz zwischen den Körnern zeigt die Beschaffenheit der Muskeln. C.B. Reichert?) bestätigt die Untersuchungsergebnisse von Hess- ling, nur bestreitet er die Abstammung der Fäden aus den Körnern. L. Ranvier*) erklärt p. 416: „Nous avons vu plus haut que les faisceaux museulaires stries des mammiferes en voie de d&veloppement sont formes d’un eylindre de protoplasma contenant des noyaux et dont la surface et occupee par de la substance striee. Telle est, ainsi que nous venons de le voir, la constitution des cellules de Purkinje; elles representent des fibres cardiaquesembryo- naires.“ Obernier°) unterscheidet drei Arten von Purkinje- ‚schen Körnern: 1. ganz durchsichtige, glänzende ohne deutlich aus- gesprochene Quer- oder Längsstreifung; 2. weniger (durchsichtige, deutlich quer- und längsgestreifte Körner; 3. quergestreifte, engere und verlängerte in gewöhnliche Muskelfasern übergehende Körner. F.Schweigger-Seidel!) bemerkt unter anderem: „Was die mit blossem Auge zu erkennenden, grauen, gallertartig erscheinenden Fäden betrifft, welche Purkinje 1845 unter dem Endokard des Kalbes auffand, so sind dieselben teils für einen besonderen moto- rischen Apparat, teils für eine embryonale Form der Herz- 1) Ch. Aeby, Zeitschr. f. nat. Mediz. Bd. 17 3. Reihe S. 195. 1863. 2) H. Hoyer, Anzeiger d. Akad. d. Wissensch. in Krakau, math.-naturwiss. Klasse 1901 S. 205. 3) C. B. Reichert, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1855 S. 51. 4) L. Ranvier, Traite technique l’Histologie 1889 p. 416. 5) Obernier, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1869 S. 245, 255 u. 358—386. 6) Schweigger-Seidel,]. c. 2 * 20 Joh. Dogiel: muskulatur angesehen worden.“ „Während nun unter den Be- obachtern die einen die quergestreifte Masse als eine Zwischen- substanz ansehen und in sie hinein mehr selbständige klare Zellen eingelagert sein lassen, halten die anderen, wie ich glaube, mit Recht, jedes Korn für eine Muskelzelle, an welcher (als embryonales Stadium) nur die peripherischen Schichten zu kontraktiler Substanz umgewandelt sind.“ Ich muss mich Obernier und teilweise Schweigger-Seidel, wie ich es schon angegeben, anschliessen. Die Untersuchungen sind an Herzen von Menschen und Säugetieren und teils von Vögeln ausgeführt. Das Vogelherz unterscheidet sich vom Säugetierherz nicht durch sein Myokardium oder Endo- Fig. 17. Querschnitt durch das Fig. 13. Normalgrosses Taubenherz. Taubenherz unterhalb der Ven- vd rechte Kammerwand an der Scheidewand trikelbasis. a linke Kammer und durchschnitten u. zurückgeschlagen, vs linke ihr Lumen, b rechte Kammer und Kammer, vv’ muskulöse Zipfel der rechten ihre Höhlung (d), ce, c’ rechte Atrio- Atrioventrikularklappen, s Kammerscheide- ventrikularklappen. wand, 2 Pulmonalarterienöffnung, 2 rechte Atrioventrikularöffnung. kardium, wohl aber dadurch, dass die rechten Atrivventrikularklappen nicht aus Sehnenfäden und -platten wie bei den Säugetieren, sondern aus gutentwickelten, quergestreiften Muskelfasern bestehen, welche mit der Kammerwand unmittelbar verbunden sind (Fig. 17, 18). Bei der Ventrikelkontraktion schmiegen sich die muskulösen Klappen an eine Erhöhung der Kammerscheidewand. Die innere Froschherzkammer ähnelt einem Schwamm; die Trabeculae carneae verflechten sich und bilden gegen 8-10 Ver- tiefungen [Nebenkammern nach Gompertz)]; von einer derselben gelangt man in den Bulbus aortae. Letzterer wird an seiner Ur- 1) Conrad Gompertz, Über Herz und Blutkreislauf bei nackten Amphibien. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1884. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 2a sprungsstelle von aussen von einem Ring quergestreifter Muskeln, welche sich, wie J. Dogiel!) gezeigt hat, in eine Quer- und Längs- schicht zerlegen lassen, umfasst. Die Atrien mit ihrer Scheidewand werden von verschieden starken und langen Bündeln aus quergestreiften Muskelfasern gebildet. Die Muskulatur der den Sinus bildenden Venen besteht aus glatten Fasern. Wenn auch schwer, so lassen sich doch die Muskelzellen aus dem Frosch- und Schildkrötenherzen (Emys caspica) ER [MN if rt I lm N Fig. 19. Einzelne Muskelfasern mit ovalen Kernen aus der Froschherz- Vorhofsscheidewand. Hartn. Immers. 9, Ok. 3 isolieren; dieselben sind meist einkernig, quergestreift und weisen eine Anzahl von Ansätzen auf (Fig. 16, 17). Nach Pohl Pincus?) finden sich im Froschherzen zwei Typen von Muskeln: Muskeln von CHERERT BER BR REES ERTL IR Male an or ER e R Si) Fig. 20. Muskelzelle aus dem Froschherz Fig. 21. Zellen a b, c, d) aus der mit einem Kern nebst zwei Körperchen u. Vorhofsscheidewand.d. Froschherzens. fünf Fortsätzen. Hartn. Immers. S.9 Ok.3. Hartn 529, 0k:73: demselben Typus wie im Herzen von Warmblütern, ihre Kerne sind oval, 4—7 mm breit und 8—18 mm lang und Muskeln, wie sie in kleineren Arterien vorkommen: ihre Kerne sind stäbchenförmig, 2,5—3,5 mm breit und 25—43 mm lang. In stärker ausgesprochenen Trabekeln sind beide Typen vertreten, in schwachen jedoch nur der zweite 1) J. Dogiel, Arch. f. mikrosk. Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. 70 S. 780 Taf. XIV Fig. 3. 1907. 2) Paul Pincus, Über die Muskelfasern des Froschherzens. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1883. 2 Joh. Dogiel: Typus. Weder Obernier!) noch ich haben im Froschherzen Purkinje’sche Fäden angetroffen. Man findet aber im Frosch- herzen, besonders in den Vorhöfen, besondere Gebilde aus körniger Masse mit einem Kern nebst Kernkörperchen (Fig. 21). Es wird nieht leicht zu entscheiden, ob diese Elemente als junge Muskel- zellen oder als noch pigmentlose Pigmentzellen aufzufassen sind. Die Muskelfasern aus dem Herzen des Flusskrebses (Astacus Aluviatilis) und des Hummers zerfallen leicht in dünnste Fibrillen; die Muskelbündel sind in zartes Bindegewebe eingehüllt (Fig. 22, 23). Fig. 22. Muskelbündel und Muskel- Fig. 23. Muskelbündel aus der Herz- fasern (b) aus dem Herzen vom Fluss- kammer des Hummers in Binde- krebs. Zeiss S. 4 Ok. 12. gewebe (a) eingehüllt, 5 Muskel- fibrillen. Hartn. S. 4 Ok. 3. Die Membran, welche das Herz des Flusskrebses oder des. Hummers bedeckt, unterscheidet sich von der unter der Kammer befindlichen: erstere enthält keine Muskelelemente, letztere (Peri- kardium oder Atrium?) Epithel, quergestreifte Muskelfasern und Nerven (Fig. 24). Wir sehen somit, dass die unter bestimmten Bedingungen pulsierende Protoplasmamasse des Herzens je nach dem Entwicke- lungsgrade bei Menschen und Tieren verschiedene Formen annimmt: sie kann die Form aus feinkörniger Masse bestehender Lamellen haben (Anadonta anatina, Peeten maximus ete.), als Purkinje’sche Fäden oder embryonale Muskelfasern (aus dem Herzen von drei Wochen alten Menschenembryonen nach L. Ranvier) auftreten, aus halbgestreiften Zellen bestehen (bei neun Wochen alten Menschen- embryonen nach Kölliker). In der Form von glatten Muskel- fasern findet man die kontraktile Substanz an der Einmündungs- 1) Obernier]. c. Zr Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 23 stelle der Hohlvenen in den rechten Vorhof beim Menschen und Säugetier, im Sinus des Froschherzens und im Endokardium des Menschen- und Tierherzens (nach Schweigger-Seidel, L. Ranvier u. a.). Sie hat die Form von quergestreiften, spindelförmigen, mehr- kernigen Zellen im Herzen von Salpa maxima und endlich das be- kannte Aussehen der Skelettmuskeln bei Säugetieren. Diese Form- verschiedenheit der kontraktilen Substanz ist nicht allein der Aus- druck ihres verschiedenen Differenzierungsgrades oder des aus Fig. 24. Ein Teil vom Perikardium oder Atrium des Flusskrebses. a Muskelelemente, b Nerven. Hartn. S. 4 Ok. 3. irgendeinem Grunde vorhandenen Verharrens in einem bestimmten Evolutionszustande, sondern hängt auch von der Kraft und Frequenz der Kontraktionen, ja von der Kontraktionsphase, in welcher sie angetroffen wird, ab, wie wir es am Herzen der Flussmuschel ge- sehen haben. Zu weleher Form der kontraktilen Substanz im Herzen das Bündel von His jun., Gaskell, Engelmann u. a. gehört, können wir nicht angeben, da wir dasselbe weder zu makroskopischer noch zu mikroskopischer Untersuchung zu erhalten vermochten. Bei diesen wie den übrigen derselben Richtung angehörenden Autoren suchen wir vergebens hierüber Aufschluss zu erhalten, weil sie es eben- falls nieht zur Untersuchung haben erlangen können. Die einen be- 24 Joh. Dogiel: haupten, dass es im Bau den gewöhnlichen Muskeln des Herzens gleiche, nach den anderen besitzt es embryonale Struktur und be- wahrt dieselbe für das ganze Leben. Die meisten Untersucher geben an, dass das Bündel von der übrigen Muskulatur durch Bindegewebe getrennt sei, doch sind keine Beweise hierfür beigebracht worden. Niemand hat den Ursprung, den Verlauf und das Ende des be- treffenden Bündels genau angegeben. Bevor die Verhältnisse des Brückenfaserbündels zum Bindegewebe und elastischen Fasern auf- geklärt sind, kann auch seine besondere Färbbarkeit nichts helfen; seine Isoliertheit von der übrigen Muskulatur stimmt ebenfalls nicht zu der angenommenen Funktion. Nach den Angaben von His jun., Retzer u. a. muss das betreffende Bündel an der inneren Herz- fläche unter dem Endokardium liegen. Da letzteres aber nicht so durchsichtig ist, dass man das durch Bindegewebe isolierte Bündel ohne weiteres mit blossem Auge sehen könnte, so musste dasselbe doch an den Stellen, wo das Brückenfaserbündel liest, entfernt werden. Hierüber finden wir aber bei keinem der Autoren eine Notiz. Obgleich Tawara bei seinen Untersuchungen zu dem Er- gebnis gelangte, dass die Purkinje’schen Fäden die Vorhöfe mit den Kammern verbinden, welche Verbindung derjenigen von His jun. entspreche, so haften auch seinen Untersuchungen dieselben Mängel an wie allen übrigen. Macht auch die Muskulatur beim Menschen und allen Tieren die Hauptmasse des Herzens aus, so gehört aber dazu noch ein höchst komplizierter Nervenapparat, Blut- und Lymph- gefässe, elastisches und Bindegewebe und Epithel. Bei der Er- klärung der Herztätigkeit müssen alle diese Bestandteile mit be- rücksichtigt werden. Um in dieser Hinsicht ganz und voll ver- standen zu werden, müssen wir näher auf das Nervensystem und die Blut- und Lymphgefässe des Herzens eingehen. Der Nervenapparat des Herzens. Wird das noch pulsierende Herz vom Hunde oder der Katze in eine 0,5 /oige Essigsäure- oder 1—5/oige Phenollösung gebracht, so heben sich die Nerven und Blutgefässe auf der Herzoberfläche deutlich hervor. Wird ein ebensolches Herz der Wirkung einer 1°/oigen Osmium- säurelösung ausgesetzt, so kann man nicht allein die Nerven, sondern auch die Nervenknoten und Nervenzellen, wie das von J. Dogiel seinerzeit gezeigt worden, leicht verfolgen (vergl. Arch. f. mikr. Anat., Bd. XIV, S. 470, Taf. XXVIII, Fig. 11—14). Gegenwärtig habe ich die Untersuchungen wieder aufgenommen und dieselben Resultate Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 25 [1 erhalten, wie das die hier vorgeführten Figuren es demonstrieren. Man sieht hier die Verteilung der Nerven und Nervenknoten an der Herzoberfläche des Hundes, an der oberen und unteren Hohlvene und am Aortenbogen (Fig. 25—28). Fig. 25. Hundeherz mit 1°/oiger Osmium- Fig. 26. Dasselbe Herz. säure bearbeitet a Vena ascendens, a Vena cava descendens, b Arcus aortae, b rechtes Herzohr, c Nerven (schwarze c Nervenfäden und -zellen. Linien) und Ganglien (schwarze Punkte), d. Blutgefässe. Fig. 27. Hundeherz mit 1%/oiger Osmium- Fig. 28. Hundeherz mit 1%oiger Osmium- säure behandelt. a Trachea, b Vena cava säure behandelt. a Arcus aortae (ab- descendens, c rechtes Herzohr, d Arcus geschn.), d Vena pulmonalis (abgeschn.), aortae, e Vena pulmonalis (abgeschn.), c, d rechtes und linkes Herzohr, e Nerven- f Nervenfäden u. -zellen, 9 Nervenfäden u. zelien, Nervenfäden. -zellen am Grunde des rechten Herzohres. 26 Joh. Dogiel: Das Nervensystem des Herzens von Menschen und Tieren (Hunden, Katzen, Kaninchen, Kälbern, Schafen usw.) wird zu- sammengesetzt aus: 1. Nerven vom Gehirn und Rückenmark; 2. Nerven aus dem Sympathieus, aus dem oberen und unteren Halsknoten, aus dem ersten und teilweise aus dem zweiten und dritten Brustknoten und 3. dem intrakardialen Nervenapparat. Alle diese Nerven sind schon lange und wiederholt von Anatomen und Physiologen beschrieben worden. Wir wollen uns besonders mit den die Vorhöfe mit den Kammern verbindenden Nerven beim Menschen und bei einigen Tieren beschäftigen. Wie angegeben, lassen sich die Vorhöfe des Hundeherzens leicht durch Mazeratiou von den Kammern trennen, es bleiben hierbei nur die Sehnenfäden, die Gefässe und Nerven, welche von den ersteren zu den letzteren verlaufen, erhalten. Ferner haben wir soeben die Verteilung der Nerven und Ganglien am Hundeherzen nach der Behandlung mit 1 °oiger Osmiumsäure-, 0,5 °loiger Essigsäure- oder 1—5 "loiger Phenollösung vorgeführt. Bearbeitet man den Inhalt der Vorhof- kammergrenze der Herzen von Menschen, Hunden, Kälbern, Katzen und Tauben mit 1 °/oiger Osmiumsäure, nimmt davon eine gewisse Menge zur mikroskopischen Untersuchung und zerzupft sie unter Anwendung von 10 °/oiger Ameisensäure und etwas Glycerin, so findet man darin sowohl Ganglien (Taf. [ Fig. 1, 2) als auch Nervenfasergeflechte (Taf. I Fig. 3). Merkt man sich die Stellen, woher die Präparate stammen, so kann man sich überzeugen, dass ein Teil der Nervengebilde am Vorhof, ein anderer näher zu den Kammern liegt, also mit die Verbindung der Atrien mit den Ven- trikeln bilden helfen. Das grössere Ganglion 1 besteht aus einer bedeutenden Anzahl Nervenzellen (Leitz Syst. 3, Ok. 4 beim ausgez. Tubus), deren: Fortsätze zu starken Nervenbündeln zusammentreten. Vom anderen Ganglion 2 sieht man fünf Nervenbündel in ver- schiedenen Richtungen ausgehen. Ein Teil dieser Nerven geht nur über das Ganglion hinweg, ein anderer nimmt aber seinen Anfang aus den Nervenzellen dortselbst. Bei derartigen Untersuchungen habe ich ausser Nervenfasern und Ganglion wohl Blutgefässe, Bindegewebe und Fett, niemals aber Muskelelemente vorgefunden. Obgleich die Verteilung der Nervenelemente und das Verhältnis der letzteren zu der Herzmuskulatur des Menschen, der Säugetiere und der Vertreter anderer Tierklassen in vielem übereinstimmt, so finden sich aber auch einige Abweichungen in dieser Hinsicht. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. pi Beim Hunde verlaufen die Nerven und lagern die Ganglien unter dem Epithel des Epikardium und legen sich an die Muskulatur an, kommen aber auch im Myokardium vor. Am Kalbherzen hat be- kanntlich R. Remak!) zuerst Ganglien beschrieben: „Ein solches Ganglion (aus der Muskelwand des rechten Herzohres desselben Herzens) ist (Fig. 20) bei 20 maliger Vergrösserung dargestellt, wobei schon die Ganglienkugeln sichtbar werden.“ A. Kazem- Beck und J. Dogiel berichten: „Auf einem Kalbherzen fand ich [Kazem-Beck?)] Nervenzellengruppen an denselben Stellen, wie beim Schaf, in der Entfernung von 75 mm von der Ventrikelbasis. Die Ventrikellänge betrug SO mm. N. A. Waledinsky°) be- hauptet auf Grund seiner Untersuchungen, dass Nervenknoten an der ganzen Kammeroberfläche des Kalbherzens, die Herzspitze nicht ausgeschlossen, vorkommen. Die in den oberflächlichen Schichten der Kammer- und Spitzenmuskulatur befindlichen Nervenknoten haben keine bestimmte Lokalisation, sondern bilden ein oberfläch- liches Nervengeflecht. Durch die sorefältigen Untersuchungen von Waledinsky werden die Ergebnisse von Kazem-Beck und J. Dogiel bestätigt. Höchst interessant noch ist die Beobachtung Waledinsky’s, dass die Nervenknoten auf der hinteren und vorderen Herzoberfläche des Kalbes spiralig angeordnet sind, was an den spiralförmigen Verlauf der Herzmuskelbündel beim Menschen und den Tieren erinnert, welche Erscheinung durch die Form- veränderung des aus dem embryonalen Rohre hervorgegangenen Herzens zu erklären ist. Bei meinen erneuten Untersuchungen über die Verteilung der Nervenelemente im Herzen verschiedener Tiere habe ich meine Aufmerksamkeit besonders dem Herzen des Kalbes, die Herzspitze mit eingeschlossen, geschenkt. Von frischen Kalbsherzen wurde zu diesem Zweck die Spitze in einer Entfernung von 10 mm vom Scheitel abgeschnitten und 12 Stunden lang den Dämpfen einer 1°/oigen Osmiumsäurelösung ausgesetzt. Hierauf wurde sie sorgfältig ausgewaschen und auf einige Tage in 10 P/oiger Ameisensäure mit etwas Glycerinzusatz gelegt. Hierdurch erzielt man eine derartige Lockerung des Bindegewebes, dass Stückchen 1) R. Remak, Neurologische Erläuterungen. J. Müller’s Arch. 1894 S. 463. 2) A. Kazem-Beck, Zentralbl. f. d. med. Wiss. Nr. 42 S, 786. 1887. 3) J. A. Waledinsky, Vorl. Mitt. Anat. Anzeiger Bd. 27 H. 81 S. 287— 23. Materialien zur Frage nach den Nervenknoten in der Herzkammer. Tomsk 1908 in russ. Sprache). 38 Joh. Dogiel: davon leicht mittels Nadeln zerzupft und der mikroskopischen Beobachtung zugänglich gemacht werden können. Auf diese Weise ist es mir gelungen, zahlreiche und verschieden grosse Nervenknoten und Nervenzellen längs dem Verlaufe grösserer Nervenstämme zwischen den Muskelbündeln nachzuweisen. Gewöhnlich beträgt die Zahl der Zellen im Nervenknoten 3, 7, 18 bis 100 (Taf. I Fig. 4, 5, 6, 7); die Grösse der Nervenzellen variiert ebenfalls. Hierbei konnte man sehen, wie die Fortsätze der Nervenzellen an die benachbarten Muskelbündel traten (Taf. I Fig. 4 mm) und die Ganglien zwischen der Muskulatur unabhängig von den Blutgefässen gelagert waren. Färbte ich die Herz- nerven beim Kalbe mit 1—2 °/o Methylenblau in Ringer’scher Lösung und fixierte sie mit molybdäns. Ammoniak, so erhielt ich ein ganzes Nervennetz unter dem Endothel des Endokardiums (Taf. II Fig. 8 und 9 fn). Somit war ausser allem Zweifel gestellt, dass beim Kalbe unter dem Epithel des Epi- und Endokardiums und im Myokardium bis in die Herzspitze hinein zahlreiche Ganglien und einzelne Nervenzellenhaufen und ein ganzes Netz von Nervenfasern vorhanden ist. Auch beim Schafe und anderen Säugetieren verteilen sich die Nervenelemente im Herzen in ähnlicher Weise. Bei Vögeln (Tauben) haben den Übergang der Nerven von den Vorhöfen auf die Ventrikel und die Verteilung der Nervenelemente im Herzen J. Dogiel und K. Archangelsky beschrieben !); ebenso bei der Schildkröte Emys caspica?). Am häufigsten und wiederholt ist aber das Nervensystem des Froschherzens untersucht worden, SO von R. Remak, C. Ludwig, Bidder, J. Dogiel (1877—1890). Aus allen diesen Untersuchungen geht hervor, dass Nerven und Nervenzellen in kleinen Gruppen und vereinzelt längs dem Verlauf der Nn. cardiaci, am Sinus, an der Sinus-Vorhofserenze, an der Vorhofsscheidewand, an der Vorhofkammergrenze, an den Klappen und unterhalb derselben (Gangliaintraventricularia), in der Kammer- muskulatur bis zur Herzspitze hinab und am Bulbus aortae sich finden. Nach ihrem Eintritt bei den Remak’schen Ganglien in die Vorhöfe und Faseraustausch unter sich verlaufen die Nn. cardiac. 1) J. Dogiel und K. Archangelsky, Der bewegungshemmende und motorische Nervenapparat des Herzens. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 113 S. 33—85, 22—25 Taf. I. 1906. 2) J. Dogiel, Einige Daten der Anatomie des Frosch- und Schildkröten- herzens. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 70 S. 787—791 Taf. XIV. 1907. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 239 Fig. 29. Froschherz nach der Bearbeitung mit Osmiumsäure. Nervenstamm und Nervenzellen des Bidder’schen Ganglions mit der Klappe zwischen Vorhof und Ventrikel. 1, 2 Nervenstamm, 3, 4, 5, 6 und 7 seine Teilung in fünf Aste, n, n, n myelinhaltige Nervenfasern auf der Kammermuskulatur. 30: Joh. Bogiel: zu beiden Seiten der Vorhofscheidewand unter dem Epithel und in der Muskulatur und geben dabei einige wenige Zweige an die Scheidewand selbst, zueinander hin und an die Vorhöfe ab. An der Atrioventrikulargrenze bei jedem Klappenzipfel bemerkt man eine aus Nervenfaserbündeln und zahlreichen Ganglienzellen bestehende Verdiekung — die Bidder’schen Ganglien, an welchen gleichwie an den Remak’schen Ganglien gegenseitiger Faseraustausch statt- findet. Diese letzten Fasern verlaufen teilweise an der Vorhof- Fig. 30. Froschherz nach 1%/oiger OÖsmiumsäurebehandlung. a Muskelbündel des obersten Kammerdrittels, d myelinhaltige Nervenfaserbündel, c, c, 9 Gruppen von Nervenzellen unterhalb des Klappenzipfls (Ganglia ventricularia). Hartn. 8. 4 Ok. 3. kammergrenze und sind von einzelnen Nerverzellen begleitet. Aus den Bidder’schen Ganglien gehen ausserdem sowohl zu den Vor- höfen, wie zu dem Ventrikel Nervenzweige ab. Auf jeden Zipfel tritt der entsprechende Nervenstamm, befindet sich hier unter dem Endothel und teilt sich in 2—5 Zweige, welche zur Ventrikel- muskulatur gehen, so dass die Vorhöfe beim Frosch mit der Kammer durch die Klappenzipfel und den Nerven, die ‚aus dem Vorhof zu der Kammermuskulatur verlaufen (Fig. 29), verbunden sind. Nach der Bearbeitung mit Osmiumsäure lassen sich diese aus den Vor- höfen über die Klappenzipfel zur Ventrikelmuskulatur tretenden Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 9 {2} myelinhaltigen Nerven ziemlich weit von der Basis bis zur Spitze leicht verfolgen: sie verlaufen teils zwischen den Muskelbündeln, b) a Fig.31. Verteilung der Nerven- zellen an der Verhofsscheide- wand des Froschherzens. Be- ‚arbeitet mit 0,5/oiger Höllen- steinlösung. a Epithelzellen, :b,b, ce Muskelfasern, d, dNerven- zellen zwischen der Muskulatur und dem ar Hartn. S. 7 KES% teils senken sie sich in dieselben hinein und bilden, sieh fortwährend teilend, ein reichhaltiges Netz. Besonders gut ist dieses durch be- EU ar „ÄLAINTTEIIENNEER. yon m ur Tr man ZPITIFEND, TICHOmEEEN NND u ) nm iD: um an pn gnwen! Het N X Kr She Mi: ER) (ui af Jen I Um TEN RAN ENGE N N Jh) a N) NE EN I por! Fig. 32. Froschherz mit 1°%eiger Osmiumsäure behandelt. n, n Nervenbündel aus myelinhaltigen Nerven, nc, nc Nervenzellengruppe unterhaib des Klappen- zipfels, 7m, 2m Muskelschichten der Kammern, zwischen denen die Nerven- bündel mit den Zellen sich. befinden. Hartn. S.7 Ok. 3. 32 Joh. Dogiel: ständigen Faseraustausch entstandene Nervennetz nach der Tinktion mit Methylenblau, wie J. Dogiel mit Stud. med. Tümänzew es gezeigt haben, zu sehen. Im oberen Teile der Kammerbasis vom Froschherzen hat J. Dogiel zwei Gruppen (zu je 5—6 Zellen) von Nervenzellen an den über die Klappenzipfel aus den Vorhöfen zur Kammer ziehenden Nervenstämmchen zwischen quergestreifter Kammermuskulatur beschrieben (Fig. 27, 28). Ausserdem hat Joh. Dogiel Nervenzellen und Nervenfasern des Bulbus aortae beim Frosche abgebildet (Fig. 33, 34). | ) I | | Hl LNMININ | | i | I thin IHN Il N \ U N —E | = ES E en | Fig. 33. Bulbus aortae des Froschherzens nach der Behandlung mit 1%oiger Osmiumsäure. at Atrium, b Teil des Bulbus, e Nervenzellen, ch Bindegewebs- bündel vom Bulbus zum Ventrikel gehend. Hartn. S.7 Ok.3. Über die Herznerven der Krebse (Flusskrebs, Hummer, Krabbe) hat J. Dogiel 1876 der Pariser Akademie der Wissenschaften Be- richt erstattet!) und 1877 eine eingehendere Schilderung der dies- bezüglichen Verhältnisse im Arch. de Physiologie normale et patho- logique veröffentlicht. Nachdem er hierauf infolge der von L. Pogoschewa 1893 publizierten Untersuchung über die Nerven- verteilung im Herzen vom Flusskrebs?) seine Ergebnisse wieder ge- 1) J. Dogiel, Compt.-Rend. des seances de ’Akad. de sciences. Paris 1876. 2) Lydia Pogoschewa, Bote f. Naturwiss. St. Petersburg Nr. 5. 1890. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 33 prüft, konnte er behaupten, dass im Herzen des Flusskrebses nicht nur einzelne Nervenzellen, wie Berger!) glaubte, und auch nicht ein einziger Nervenknoten, wie L. Pogoschewa angegeben, sondern eine ganze Nervenkette längs dem ganzen Herzventrikel . vorhanden ist?®). Man kann zwei Gruppen von Nervenzellen, eine vordere und eine hintere, je aus fünf kis sechs Zellen bestehend und ausserdem einzelne Nervenzellen in anderen Herzteilen unter- scheiden. Grösse und Form dieser Nervenzellen ist verschieden; es überwiegt aber doch die Birnform mit Kern und Nukleolus und mit GR RN > IS SS Se Fig. 34. Bulbus aortae des Froschherzens nach der Behandlung mit 1%/oiger Osmiumsäure n Nervenfasern, a, « Nervenzellen. Hartn. S. 7 Ok.3. einem in gewisser Entfernung sich teilenden Fortsatz. Es kommen hier aber auch multipolare und bipolare an die Nervenzellen der Fische erinnernden Zellen vor. Die Nervenzellen des Flusskrebs- herzens liegen den Nervenfasern an. Letztere sind in bedeutender Anzahl sowohl in der Herzkammer wie auch im Atrium (der Autoren) vorhanden; sie verzweigen sich hier bis zur Bildung feinster Fibrillen, welche zwischen den Muskelfasern verlaufen und letztere umspinnen. In bezug auf die Herznerven von Fischen (Hecht, Sterlett) müssen wir die von H. E. Weber?) zitierten Worte Cuvier’s 1) Berger, Wiener Sitzungsber. d. k. Akad. Bd. 74. 1877. 2) J. Dogiel, Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 43. 1893. 3) H. E. Weber, Anatomia comparata n. sympathici. Lipsiae 1817. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 3 34 Joh. Dogiel: erwähnen: „Etiam in piscibus nervum sympathicum. invenimus, tenuissimum tamen illum. Conspieitur enim filum, quo in alvo ab utroque latere columnae vertebralis situm est, ex quo elare observatur ramos ad peritoneum transire, qui arterias ad intestina comitantur.“ Ausserdem hat H. E. Weber auf Carus hingewiesen, der die Ver- bindung zwischen Sympathieus und Vagus und Trigeminus bei Fischen konstatiert habe. Selbst untersuchte er den Sympathicus und. Vagus bei Lucio perea und Silurus glanis, hat aber auf die Herz- nerven wenig acht gegeben; es findet sich nur bei ihm die Angabe, dass vom Ösophagusaste ein Zweig zum Herzen abgeht; verfolgt hat er denselben nicht. Nach Stannius!) ist der Ramus cardiacus bei Fischen ein Zweig vom R. pharyngeus und R. oesophageus, welcher den Ductus Cuvieri bis zum Vorhof begleitet. A. Kazem-Beck und Joh. Dogiel?) kamen in ihrer gemeinschaftlichen Arbeit über die Nerven beim Hecht (Esox lueius) und Sterlett (Aceipenser ruthenus) zu folgenden Ergebnissen. Hat man beim Hecht das Herz freigelegt und die in der Nähe desselben befindlichen Venen aus- präpariert, so bemerkt man unweit der hinteren Kardinalvene einen dünnen Nerven, welcher an der Vereinigungsstelle der letzteren mit der vorderen Kardinalvene auf das Blutgefäss tritt, die Wandung des Duetus Cuvieri durchbohrt, um an der inneren Fläche bis zum Venensinus bis zu dessen Grenze mit dem Vorhof zu verlaufen. Noch bevor der Nerv die letztere Stelle erreicht hat, fänet er an sich zu teilen, und die Zweige (4—7) verteilen sich an der Umgebung der Vereinigungsstelle des Venensinus mit dem Vorhof. Die Nerven der rechten und linken Seite tauchen während ihres Verlaufs an der innern Venensinusfläche gegenseitig Fasern aus, wie das beim Frosch an der Vorhofseheidewand und anderen Stellen zur Beobachtung gelanst. In dem Nervenfasergeflecht an der Grenze zwischen dem Venensinus und dem Vorhof sind Nervenzellen eingelagert. Das Geflecht wird besonders dicht in der Gegend der Klappen und gibt von hier aus Zweige für die benachbarten Teile — den Vorhof und die Klappen — ab. An der oberen und unteren Fläche des Vorhofs und der Kammer sind die Nerven ziemlich stark. Ausser den soeben erwähnten Nerven gehen beim Hecht zum Herzventrikel noch solche 1) Stannius, Das periphere Nervensystem der Fische. 1849. 2) A. Kazem-Beck und J. Dogiel, Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. 36. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 24. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 35 mit den Coronararterien und verbreiten sich an der ganzen Herz- oberfläche von der Basis bis zur Spitze. Auch Hoffmann!) hat den R. cardiacus bei einigen Fischen (Cyprinus earpio, Perca fluviatilis, Barbus fluviatilis, Leueiscus vulgaris, Esox lueius) bis zum Vorhof und Atrioventrikulargrenze verfolgen können. Nervenzellen hat er aber dabei nicht gesehen, denn er schreibt: „Unmittelbar an der Ventrikelmündung finden sich auch in dem Ventrikel selbst, bei der mikroskopischen Untersuchung, zahlreiche Nervenfasern, ohne dass ich jemals imstande gewesen wäre, selbständige Zweige oder Ganglienzellen in dem Ventrikel selbst bei den zahlreichen von mir untersuchten Herzen nachzuweisen.“ Vignal?) dagegen behauptet, dass an Fischherzen die Nervenzellen über die ganze Ventrikelfläche zerstreut sind: „Chez les poissons le ganglion ventrieulaire au lieu d’ötre forme, comme chez la grenouille, par deux ou trois petites masses situ6es & la base du ventrieule, est compos&e de cellules sanelionnaires appendues par petites groupes ou isol&ment aux nerfs, qui se distribuent fort inegalement sur toute la surface ventrieulaire.“ Um die Verteilung der Nervenzellen im Hechtherzen besser übersehen zu können, haben A. Kazem-Beck und J. Dogiel (l. c.) einen Teil des Vorhofs und des Venensinus entfernt und hernach die übrigen Teile mit 1°/o Osmiumsäure bearbeitet und das Präparat in Glycerin eingeschlossen. Schon bei geringer Vergrösserung (Hartn. S. 2, Ok. 3) war es leicht zu bemerken, wie die Nerven- zellen in Gruppen um die Öffnung in der Nähe der Klappen ge- lagert sind. Auch dort, wo weder Hoffmann noch Vignal („sinus qui ne contient pas de cellules ganglionnaires“) keine Nervenzellen gesehen, nämlich im Venensinus, und sogleich nach dem Eintritt in den Ductus Cuvieri, fanden diese Autoren solche längs dem Ver- laufe der Nerven. Die Zahl der Nervenzellen ist nicht überall gleich; sie sind wohl am Vorhof, an den Klappen im oberen Teit der Kammer vorhanden, aber über die Ventrikelfläche verteilt, wie Vignal es angibt, haben wir sie nicht gefunden. Das Ergebnis ihrer Untersuchungen fassen A. Kazem-Beck und J. Dogiel in folgende Schlusssätze: 1. Nervenzellen kommen an den Nerven nach ihrem Eintritt in den Venensinus wenn auch vereinzelt vor. 2. Sie 1) Hoffmann, Beiträge zur Anat. u. Physiol. d. N. vagus bei den Fischen. Giessen 1860. 2) W. Vignal, Recherches sur l’appareil ganglionnaire du ceur des vertebres (reptiles-cheloniens). Laboratoire d’histologie de College de France. 18381. Ix 13) 36 Joh. Dogiel: werden an der Grenze des Venensinus zu dem Vorhof und auf der Klappe angetroffen und finden sich 3. an der Vorhofkammergrenze und 4. im oberen Teile der Ventrikelbasis und erinnern sehr stark an die Verteilung der Nervenelemente im Froschherzen. Den Ur- sprung, die Lage und Anfang des Verlaufes vom Vagus und Sym- pathicus beim Hecht illustrieren folgende zwei Figuren (35 und 36). Was die Nervenelemente des Insektenherzens anbelangt, so hat J. Dogiel schon 1877 !) seine Beobachtungen über das Herz der Mückenlarve (Corethra plumi- cornis) veröffentlicht. Er fand die Nervenzellen an den Herzklappen in ein Netz von quergestreiften Fig. 35. Hechtgehirn von oben. Fig. 36. Seitenansicht vom Hechtgehirn. 1 Grosshirnhemisphären, 2 Seh- 0 Augapfel, 1, 2,3 Grosshirnteile, 4 N. trige- hügel, 3 Medulla oblongata, minus, 5 N. vagus beim Austritt aus der 4, 4' Augapfel, o, o Nn. optici, Schädelhöhle, 6 Ramus oesophageus, 7, 8, m, m Muskeln des Augapfels, 9, 10 Nerven zu den Kiemen und Zunge, 0', 0' Nn. oculomotorii, £ N. trige- 11 N. lateralis, 12 Gangl. cervic. super., minus, ® N. vagus. 13 Gangl. a c Osophagus. v Vene. Muskelfäden eingeschlossen, welche den sog. flügelförmigen Muskeln angehören. Der Scheitel dieser dreieckigen Muskeln ist an der Körperperipherie befestigt; von der Basis des Dreiecks gehen quer- gestreifte kernhaltige Muskelfäden ab, bilden ein Netz, das die Nervenzellen einschliesst und auf das Herzrohr übergeht. 1) J. Dogiel, Memoires de l’Acad. Imp. des scienc. de $S. Petersburg t.1 p. 24 Nr. 10. 1877. | Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 37 Hernach hat J. Dogiel einige Erklärungen [1906 !)] zu den An- gaben von A. OÖ. Kowalewsky?). und K. Dawidow®) machen müssen, indem er darauf hinwies, dass von der Nervenkette Fibrillen zu den dreieckigen flügelförmigen Muskeln abgehen (Fig. 37). Die Nervenzellen der Mückenlarve bestehen aus körnigem Protoplasma mit einem oder zwei Kernen und Kernkörperchen, sind apolar und färben sich mit Gold, Methylenblau und Osmiumsäure. Die Nerven- Fig. 37. Ein Teil der Mückenlarve (Corethra plumicornis) bei Leitz S3, Ok4 und ausgezogener Tubus gezeichnet. ic Teil des Herzrohres, e Ösophagus, 9 Ganglion der Nervenkette, n Nerv vom Ganglion zu dem flügelförmigen Muskel, 9, 9 Nerenzellen des Hervens, i, i Tracheenrohr, c, c Körperumrisse der Larve. fasern, welche von der Verdickung der Nervenkette zu den flügel- förmigen Muskeln treten, und letztere selber lassen sich mit Osmium- säure oder 0,5°/oiger Höllensteinlösung färben. In bezug auf die Nervenelemente im Herzen von Mollusken (Helix pomata, Peeten maximus, Anadonta anatina) wissen wir, dass 1) J. Dogiel und K. Archangelsky, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 113. 1906. 2) A. 0. Kowalewsky, Biolog. Centralbl. Bd. 10 Nr. 2. 1889. 3) K. Dawidow, Arbeiten d. S. Petersb. Naturforschergesellschaft. Bd. 35 L.1 (russisch). 38 Joh. Dosgiel: Ransom bei der Reizung der Nervenzweige, welche beim Octopus und Helix vom oberen Schlundganglion zum Herzen gehen, dessen Stillstand in Diastole erhielt, infolge dessen er sie mit Vagus identifiziert. Ich habe nach Methylenblaufärbung im Herzen von Anadonta anatina Fasern erhalten, welche ich für Nerven halte (Fig. 38). Fig. 35. Herznerven von Anadonta anatina. Methylenblaufärbung. a Teil der Muskeltrabekeln des Herzens. db, b Muskelbündel des Vorhofs. c, ce Nervenfasern. Hartn. S. 7, Ok 3. Im Herzen von Pecten maximus finden sich Nervenzellen im Vorhof, an der Atrioventrikulargrenze und in der Kammerwand. Die von mir als apolare Nervenzellen beschriebenen Gebilde!) (Fig. 39) enthalten ausser körnigem Protoplasma und durch Pikrokarmin leicht 1) J. Dogiel, Die Muskeln und Nerven des Herzens bei einigen Mollusken, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 14. Die Bedingungen der automatfisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 39 färbbarem Kern noch gewöhnlich gelbes Pigment. Sie liegen im ‚Muskelfasernetz eleichwie ebensolche Zellen bei Anadonta anatina. Carlson!) hat am Herz von Limulus auf ein besonderes Ver- halten der Nervenelemente zu der Muskulatur hingewiesen. Bei diesem Tiere besteht das Herz aus neun Segmenten und enthält in seinem Muskelgewebe weder Nerven- zellen noch Nervenfasern. Längs der Rückenfläche (Ektokard) ver- laufen drei Nervenstränge, von welchen nur der mittlere lang- gestreckte Ganglien enthält. Das, was wir hier über das Nervensystem des Herzens bei ver- schiedensten Tieren vorgeführt u 8% iin DE vom Nostafe de: haben, beweist doch zur Genüge, Pecten maximus. a, a Muskelfaser- dass Nervenzellen oder Ganglien Binpe N un und Nerven zu den beständigen Bestandteilen des Herzens gezählt werden müssen. Von grösserer physiologischer Bedeutung ist ferner die für das Nervensystem über- Fig. 40. Präparat aus dem Herzen vom Flusskrebs (Astacus fluviatilis) nach der Behandlung mit Chlorgold und SUP SEN AnEE Nervenfasernaustausch. Hartn. S. 4, & kuss \ 1) A. J. Carlson, The nervous of origin of the heart-beat in limulus ‚and the nervous nature of coordination or conduction in the heart. American'Journal of Physiology_ vol. 12. 40 Joh. Dogiel: haupt und für dasjenige des Herzens insbesondere gültige Tatsache, dass die Nerven durch wiederholten Faseraustausch sich miteinander ver- binden. Dieser Faseraustäusch (oder diese Anastomosen) ist leicht beim "Flusskrebs (Fig. 40) und Frosch (Fig. 41) zur Anschauung zu bringen. [NER ZZ, 1724 . Eh "2a Fig. 41. Nervenfaseraustausch an der Vorhofscheidewand des Froschherzens. (Rana esculenta). Das Präparat ist mit 1%/oiger Osmiumsäure behandelt. c Larynx- knorpel, v.s. Ramus cardiacus n. vagi sinistri, v.d. Ramus cardiacus n. vagi dextri, a, a Rami recurrentes r. cardiaci zum Pharynx, v.p.5. Vena pulmonalis sinistra, v.p.d. Vena pulmonalis dextra, R, R Ganglia Remaki, v.p.c. Vena communis, L Ganglia Ludowici, B.a. Ganglia Bidderi anterius, B.p. Ganglia Bidderi poster., ra Rami nervorum ad atrium (zur Vorhofkammergrenze). Hartn. S. 2 Ok. 3. Die Bedingungen der automotisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 41 Es soll nun die Verbindung zwischen den Vorhöfen und Kammern ausschliesslich durch ein Muskelbündel zustande kommen. Obwohl wir dieses Bündel nicht gesehen haben, so entnahmen wir doch der Herzstelle, wo das Brückenfaserbündel nach His jun, Humlet, Retzer usw. verlaufen soll, Präparate, fanden aber stets ausser Bindegewebe, elastischen Fasern und quergestreiften gewöhnlichen Muskelfasern stets myelinhaltige Nervenfasern (Fig. 42). Es muss entweder die Beschreibung des Verlaufs des besagten Bündels nicht stimmen, oder aber die Angabe, dass dort keine Nervenfasern angetroffen werden, nicht wahr sein. Tawara, der die Ansicht von der Existenz einer muskulären Verbindung zwischen den Vorhöfen und Kammern teilt, sagt aber S. 189: „... das Atrio- ventrikularbündel im Kalbsherzen ist von einem sehr ansehnlichen Nervenbündel beeleitet, welches sich mit dem Muskelbündel aufs innigste verflechtend ver- läuft, und welches sogar in der Kammer- scheidewand Ganglienzellen besitzt. Auch beim Schafherzen konnte ich immer im Ver- bindungsbündel einige kleine Nervenbündel a konstatieren, während ich bei Menschen, SR Hunden, Katzen usw. keine nennenswerten Fig. 42. m quergestreifte Nervenbündel finden konnte; aber es ist ge UN nicht ausgeschlossen, dass auch in den Herzen gewebe. der letztgenannten Tiere ganz feine Nerven- bündel das Verbindungssystem begleiten. Dieses Vorkommen be- gleitender Nervenbündel im Verbindungsbündel war bisher un- bekannt.“ Ferner finden wir bei demselben Autor S. 113: „Zum Schluss möchte ich noch eins hinzufügen. Wie oben erwähnt, waren bei diesem Kalbsherzen ausserordentlich zahlreiche Nerven- bündel mit dem muskulösen, atrioventrikulären Verbindungsbündel sehr innig, und im linken Schenkel haben sich sogar zerstreut liegende . Ganglienzellen gezeigt.“ An dem Bau des Menschen- und Tierherzens beteiligen sich ausser der Muskulatur und des Nervensystems noch Blut- und Lymphgefässe. Was die Arterien und Venen des Menschen- und Säugetierherzens anbetrifft, so gibt die noch im Perikardium weilende Aorta die beiden Kranzarterien des Herzens ab (Art. coronariae cordis). Die rechte Kranzarterie (Art. coron. cordis dextra Ss. posterior) verläuft in der Querfurche an der vorderen Herzfläche ML 42 Joh. Dogiel: bis zum rechten Herzrand, schlägt sich um denselben, gelangt auf die hintere Fläche, wo sie, an die hintere Längsfurche gelangt, in ihr bis zur Herzspitze geht. Sie versorgt hauptsächlich die Wandung des rechten Vorhofs und der rechten, aber teils auch der linken Kammer. Die linke Kranzarterie (Art. coron. cordis sinistra s. anterior) ist etwas stärker als die rechte und schlägt sich in der Querfurche - um den linken Herzrand. Sie geht in der vorderen Längsfurche bis zur Herzspitze; hier sowohl wie an der hinteren Fläche in der Querfurche anastomosiert sie mit der rechten Kranzarterie durch Kapillargefässe. Die Wandungen des linken Vorhofs und der linken Kammer erhalten ihr Blut aus der linken Kranzarterie. Sowohl die Kranzarterien selbst wie auch ihre Verzweigungen auf den Herz- flächen sind vom Epithel des Epikardium bedeckt. Von der linken Kranzarterie geht ein bedeutender Zweig zur Scheidewand des Herzens (Fig. 43 und 44). Im Myokardium gleichen die Ver- zweigungen der Koronararterien und ihr Verhältnis zu den Muskel- fasern denen der in den Skelettmuskeln. Wie man sich an injizierten Präparaten leicht zu überzeugen vermag, ist das Myokardium sehr reich an Gefässen '). Das venöse Blut wird aus den Herzwandungen durch die in der Querfurche befindliche Vena coronaria cordis direkt in den rechten Vorhof geführt. Gewöhnlich werden die Zweige der Kranzarterien von je zwei Venen begleitet. Nicht bei allen Tieren ist die Verteilung und die Zahl der Blutgefässe wie beim Menschen oder den Vögeln. So verzweigen: sich die Blutgefässe bei der Schild- kröte (Emys caspiea) in bedeutender Anzahl auf der Herzoberfläche’?), und ein kleines Gefäss findet man auch am Ligament, das die Herz- spitze mit dem Perikardium verbindet. Injiziert man die Herz- gefässe mit Berlinerblau und verfertigt hernach mikroskopische Schnitte an, so sieht man, dass die Blutgefässe sich unter dem Epithel des Epikardium verzweigen und nur in die oberflächliche Schicht des Myokardiums dringen, so dass man das Herz von der kaspischen Schildkröte als teilweise gefässhaltig bezeichnen kann (Fig. 45). Über die Blutversorgung des Herzens bei Amphibien erhält man einen Einblick, wenn man sich hierüber beim Frosche orientiert. 1) J. Dogiel und K. Archangelsky. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 116 Taf. XIX Fig. 1. 1907. 2) J. Dogiel und K. Archangelsky, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 113 S. 24 u. 25 Fig. 6—9. 1906. ER Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 48 = Fig. 43. Normalgrosses Hundeherz; die Wand der rechten Kammer durchschnitten und zurückgeschlagen, damit man die Scheidewand sehen kann. A Aorta, B Art. pulmonalis, D Venae pulmonales, Z linke Kammer, F rechte Kammer, K Art. coronaria sinistra, 9 Art. cordis septi, m Ram. circumflexus, n Ram. descendens art. coronariae sinistrae. N 04 y Fig. 44. Hundeherz längs der Scheidewand zwischen der rechten und linken Kammer aufgeschnitten. © rechte Kammer, E linke Kammer, A Aorta, B Lungen- arterie, © obere Hohlvene, D Lungenvenen, I Art. coronaria, @ Art. coronaria, sulei longitudinalis, X Art. et Nervus septi ventriculorum. | 44 Joh. Dogiel: An der unteren Herzfläche des Frosches (Rana eseulenta; R. tempo- raria) geht vom Ostium arteriosum der Kammer der Truneus arteriosus s. Bulbus aortae aus; durch eine unvollständige Scheidewand ist der letztere in zwei Teile geteilt, beide, sowohl der rechte wie der linke, geben Äste ab: 1. Duetus aortieus s. Canalis carotico-lingualis (Brücke), 2. Ductus aortieus und 3. Duetus pulmo-eutaneus Ss. Fig. 45. Querschnitt durch die Kammerwand des mit Berlinerblau injizierten Schildkrötenherzens (Emys caspica) in Terpentinöl. a Epikardiumepithel, b, 5 ver- schiedene starke Blutgefässe unter dem Epithel, b’ tiefer gelegene in der Muskulatur befindliche Gefässe, m, m gefässlose Myokardiumschicht. Cam. Luc. Hartn. S. 4. Canalis pulmonalis (Brücke), Die aus der Art. carotico-lingualis dextra entspringende Art. bulbi arteriosi (Art. cardiaca) verzweigt sich am Bulbus, ohne auf die Kammer überzugehen (Fig. 46a). Das aus dem Kapillarnetz dieser Arterie stammende Blut sammelt sich in die Vena cardiaca s. Vena bulbi posterior, welche sich in die untere Abdominalvene (Vena abdominalis inferior) und in die Vena bulbi auterior, welehe sich in die Vena anonyma sinistra ergiesst. Die Bedingungen der automotisch-rhythmischen Herzkontraktionen, 45 Das arterielle Blut gelangt in den linken Vorhof durch die gemein- schaftliche Pulmonalvene, zu welcher die rechte und linke Lungen- vene (V. pulmonalis dextra et v. pulm. sinistra) zusammengetreten waren. Nach Hyrtl!) gehen den Vorhöfen wie der Kammer des Froschherzens Blutgefässe ab: „Das Herz der Urodelen, der Gym- nophionen und der Batrachier ist vollkommen gefässlos.* J, Dogiel?) hat aber gezeigt, dass vom reichen Gefässnetz des Bulbus aortae bedeutende Blutgefässe sieh abzweigen und eine gewisse Strecke an der Vorhofkammergrenze zurücklegen. tat z 2 Paz Fi Fig. 46. Herz von Rana Fig. 47. Die Venen von Rana esculenta esculenta.. VW Ventriculus, (schematisch). Ad, As Atrium dextrum et Atrium A, A’ Atria, t, t Bulbus ar- sinistrum, SC Sinus venarum cavarum, vp Vena teriosus, a Arteria bulbi, pulmonalis, cs Vena cava superior, je Vena vVena bulbi anterior, ve Vena Jugularis externa, va Vena anonyma, cm Vena bulbi posterior, AR Vena ab- cutanea magna, ci Vena cava inferior, L Vena dominalis inferior, i, i Venae hepatica, vc Vena cardiaca, p Vena porta, portae, b Kapillarnetz. ab Vena abdominalis. Wenden wir uns zu den Herzgefässen der Fische, so sehen wir am freigelesten Hechtherzen auf dem Bulbus aortae ein grosses aus der zweiten Kiemenvene stammendes Blutgefäss (Art. coronaria cordis), das sich näher zum Herzen in zwei Hauptäste teilt (Fig. 48). Hat man dieses Gefäss (Fig. 48 d) mit Berlinerblau gefüllt, so ist es 1) Hyrtl, Vorläufige Anzeige über gefässlose Herzen. Sitzungsber. d. math.- naturwiss. Klasse d. kais. Akad. in Wien. Bd. 33. 2) J. Dogiel, Einige Daten der Anatomie des Frosch- und Schildkröten- herzens. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 70. 1907. Hierzu Taf. XLIV u. L. Fig. 18. 46 Joh. Dogiel: Fig. 48. Hechtherz mit injizierten Fig. 49. Dasselbe Hechtherz wie in Gefässen, untere Fläche. a Kammer, Fig. 48, Seitenansicht. a Bulbus ar- b Vorhof, c Bulbus arteriosus, d Blut- teriosus, d Teil vom Vorhof, ce Kammer gefässe am Bulbus arteriosus. mit den Blutgefässen auf ihr, an der Vorhofkammergrenze u. am Bulb. aortae. Fig. 50. Querschnitt durch die Herzkammer des Hechtes. a Blutgefässe, b gefässlose Kammerschicht. Hartn. S.2 Ok.4. [24 Fig. 51. Teil eines Querschnittes aus dem Hechtherzenventrikel bei Hartn. S. 5, Ok. 3. a Bindegewebeschicht, d Schnitt durch Langsbündel der Muskulatur, ce Querschnitt der Muskulatur, d, d verschieden starke Blutgefässe. Die Bedirgangen der automotisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 47 leicht, seine Verzweigungen am Herzen zu verfolgen. Stärkere Äste dieses Gefässes verlaufen bald in der Mitte, bald an den Rändern der Herzkammer (Fig. 49). An der oberen Kammerfläche geht ein Zweig zuerst an den Vorhofkammergrenzen und hernach zur Ventrikel- spitze; ausserdem gibt dieser Zweig einen kleinen Ast zum Vorhof, der fast gar keine Blutgefässe besitzt. Querschnitte durch die vorher injizierte Kammer belehren uns, dass nur die äussere Kammerschicht Blutgefässe enthält, wie das Fig. 47 und 48 demonstrieren. Bei näherer Untersuchung der Hecht- und Sterletherzen kann man sich davon überzeugen, dass die Blutgefässe die ganze äussere Ventrikel- sehicht durchsetzen, die Muskelbündel begleiten und sich vielfach dabei durch Queräste untereinander verbinden. Wir haben also auch bei den Fischen ein teilweise mit Blutgefässen versehenes Herz vor uns. Die Blutgefässe bei den Krebsen (Flusskrebs, Hummer): das durch die Kiemenvenen (Venae branchiales) herbeigeflossene arterielle Blut geht durch die Aorta ophthalmica, A. cephalica, A. hepatica, A. posterior s. abdominalis und Art. caudalis inferior und sammelt sich im Sinus venosus. Die Herzkammer besitzt keine eigenen Blutgefässe. Bei der Mückenlarve (Corethra plumicornis) stellt das vom Kopfknoten bis zum Schwanzteil reichende Herzrohr zugleich auch das Gefässsystem dar. Es ist nicht überall gleich weit: am Schwanz- ende von der Befestigungsstelle bis zu den unteren Atmungsorganen (den Knäueln der Tracheengänge) ist sein Durchmesser fast doppelt so gross wie an anderen Orten (8 Abteilen mit Ausnahme des Teiles vor den oberen Knäueln der Tracheengänge). An der Grenze je zweier Abteilungen mit Ausnahme der am Schwanzende befindlichen sind zwei Öffnungen vorhanden. Die Klappen an der Schwanz- abteilung sind viel komplizierter gebaut als an anderen Abschnitten. Sie bestehen aus acht Paaren kugelförmiger Körper, von denen jeder aus einigen Zellen zusammengesetzt ist. Diese acht Paare liegen in Reihen längs dem Rohr: zieht sich das Herzrohr zusammen, so nähern sie sich einander und verhindern auf diese Weise das Zurück- fliessen der Flüssigkeit. Am Schwanzende an der Befestigungsstelle des Rohrs befindet sich eine spaltförmige Öffnung, welche sich während der Erschlaffung des Rohres öffnet und während seiner Kontraktion schliesst. An den übrigen Öffnungen haben die Klappen die Form ovaler Verdiekungen. Die Flüssigkeit (Blut?) bewegt sich nicht in einem geschlossenen Gefässsystem. Jeden Abschnitt des 48 Joh, Dogiel; Rohres mit den zwei Öffnungen, entsprechenden Klappen und den neuro-muskulären Apparat kann man als ein Herz für sich ansehen, in welches die Körperflüssigkeit des Tieres ein- und austritt. Zieht man in Betracht, dass die Kontraktion des Rohres stets am Schwanz- abteil anfängt und sich dann bis zum Kopfanteil fortpflanzt, so kann man den Schwanzabschnitt als Vorhof, die anderen Rohrteile aber Fig. 52. Lymphgefässe des Menschenherzens nach Mascagni*), um die Hälfte kleiner als beim letzteren. 1, 1 Teil des aufgeschnittenen Perikardium, 2 das Herz, 3, 3 Divisiones art. coronar., quae per faciem anteriorem cordis distribuitur, 4, 4 Divisiones venarum coronarium, 5, 5 Auricula dextra carotis, 6 Portio auriculae sin., 7 Art. pulmoralis, 8 Aorta, 9 Arcus aortae, 13 Art. carotis, 35 Portio venae cavae sup., 36 Venae cavae sup. divisio, 62 Ductus thoracicus, 39 Vena thyreoidea inf., S4 Comm. tract., 85 Glandulae aortae ac sublaviae, 86 Truncus lymphaticus resectus (ex thymo), 87 Glandula aortae (ex thymo ac pericardio), 88 Glandula atr. subclaviae, 81, 82, 83 Trunci lymphatici (supra aortam conj.), 107 Truncus lymphaticus major. als Herzkammer ansehen. In der Flüssigkeit stösst man auf schwach gefärbte Elemente, welche ihre Form verändern können, somit den Leukoecyten anderer Tiere entsprechen. Gehen wir nun zur Betrachtung der Lymphgefässe des Herzens bei Menschen und Tieren über. Beim Menschen begleiten die Lymphgefässe (Vasa lymphatica cordis) die Blutgefässe des Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 49 Herzens und bilden ein reiches Netz. An verschiedenen Stellen der Herzoberfläche gehen aus diesem Netz grössere Gefässe hervor; die der rechten Herzhälfte ziehen zur Aorta, treten hier in die Lymph- drüsen (Glandulae Iymphaticae cordis), verlieren sich unter dem Aortenbogen am Luftrohr im rechten Stammgefäss (Truneus Iymphatieus dexter).. Von der linken Herzhälfte ziehen die Lymphgefässe zur Teilungsstelle der Lungenarterie, treten in die Lymphdrüsen hier am Aortenbogen und ergiessen sich in den Ductus thoraeieus. Es ist nicht leicht, die Lymphgefässe des Menschenherzens zu injizieren, weil man das Herz ja nicht in so frischem Zustand wie bei den Tieren erhalten kann. Alles, was in dieser Hinsicht getan worden ist, bestätigt die Ergebnisse von Mascagni!), und die von ihm gegebene Abbildung in seinem klassischen Werk entspricht voll- kommen der Wirklichkeit. Nicht zu verkennen ist die grosse Ähn- lichkeit in der Verteilung der Lymphgefässe des Herzens beim Menschen und beim Hunde und anderen Säugetieren. Die Lymphgefässe an Säugetierherzen (Hund, Katze, Kaninchen) injiziert man am besten mit Berlinerblau oder einer 0,5 '/oigen wässerieen Höllensteinlösung. Man nimmt hierzu das noch schlagende Herz, führt die Nadel vorsiehtig unter das Epikardium, nach meiner Erfahrung an der Herzspitze, wo die Gefässe von der Längsfurche hinstreben, und drückt die Injektionsflüssigkeit aus der Spritze. Bei einiger Übung erhält man ein dichtes Netz von Lymphgefässen unter dem Epikardium; aus demselben entstehen grössere Stämmchen, welche in der Längsfurche verlaufen, mit solchen der Querfurche verbinden und schliesslich einen in die Bronchialdrüsen tretenden Traetus Iymphatieus magnus cordis bilden. Hin und wieder sieht man an den Lymphgefässen Erweiterungen (Fig. 53). Weniger gut lassen sich die Lymphgefässe des Herzens durch die Einführung der Nadel direkt in das Myokardium injizieren. Henle hat auf die Existenz von „Spalten in der Muskelsubstanz“ hingewiesen und glaubte, dass dieselben mit den Lymphgefässen in Verbindung seien. Schweigger-Seidel?) fand, dass diese Spalten von besonderen Membranen, welche nach der Behandlung mit Silber 1) Mascagni, Vasorum lymphaticorum cordis humani historia et icono- graphia. Genis 1787. 2) Schweigsger-Seidel, Das Herz. Stricker’s Gewebelehre 8.185. , 1871. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 4 50 Joh. Dosgiel: an das Endothel der Lymphgefässe erinnern, ausgekleidet sind. C. Eberth und A. Belajew!) haben bei Kälbern, Pferden, Schweinen, Hunden, Katzen und Kaninchen die Lymphgefässe des Herzens untersucht und sind zum Ergebnis gelangt, dass solche nicht allein im Perikardium (externum et internum), sondern auch im Endokardium der Kammern, besonders in den Papillarmuskeln, in den Vorhöfen und in den Atrioventrikelklappen vorhanden sind. Auf dieselbe Weise wie die Lymphgefässe des Säugetierherzens habe ich die der Vogelherzen injiziert, obwohl das schon etwas Fig. 53. Hundeherz in fast normaler Grösse. Injektion mit 0,5 °/oiger Höllen- steinlösung. a linke Kammer, b rechte Kammer, c linkes Herzohr, d rechtes Herzohr, e Art. pulmonalis, f Aorta, 9 Lymphgefäss der Längsfurche, % Lymph- gefäss zur Querfurche gehend, ? Blutgefäss in der Längsfurche, k k Erweiterungen der Lymphgefässe. schwieriger war. Wie dort begleiten auch hier die Lymphgefässe die Blutgefässe und sind mit Klappen ausgestattet und werden durch Lymphdrüsen unterbrochen. Über die Lympheefässe des Herzens von Amphibien und Reptilien sind wir wenig unterrichtet. Es ist zu bemerken, dass der Bulbus aortae bei der Schildkröte (Emys caspiea) von einer dünnen Membran umgeben ist; in dem Raum zwischen letzterer und dem Blutgefäss findet man nicht selten eine durchsichtige Flüssigkeit, er kann mit Luft gefüllt werden; diese 1) N. Eberth und A. Belajew, Arch. f. path. Anat. u. Physiol. Bd. 37 8. 124. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 51 gelangt von hier aus auf die Herzfläche und wird in der Form von hellen Streifen sichtbar. Was die Lymphgefässe an den Herzen von Fischen anbelanst, so wissen wir, dass die Oberfläche des Herzventrikels und der Fig. 54. Herzkammer und Bulbus Fig.55. Querschnittdurch dieselbe Herz- aortae vom Sterlet in normalerGrösse. kammer vom Sterlet in 2facher Ver- a Herzkammer, 5b Bulbus aortae, grösserung. aHerzkammer, db Lymphoid- ee Lymphoidkörper. körper. Fig. 56. Teil vom Herzventrikel des Sterlets mit Iymphoidem Gewebe’ «a Muskel- fasern, db adenoides Gewebe aus den Lymphoidkörpern. Hartn. bei 4 S der Camera lucıda. | | Bulbus aortae vom Sterlet und Stör mit stark entwickeltem Iymphoidem Gewebe bedeckt ist (Fig. 54—56), das nach J. Müller und Leidig, mit Lymphgefässen in Verbindung steht. Es ist mir ferner ge- lungen, die Lymphgefässe am Bulbus aortae und einen Teil der Herzkammer vom Hecht (Fig. 57) zu injizieren; die auf den Herz- ventrikel tretenden Gefässe befinden sich in Lymphräumen. 4* 52 Joh. Dogiel: Als allgemeines Fazit aus dem über den Bau des Herzens beim Menschen und bei den verschiedenen Tieren Gesasten ergibt es sich, dass dieser Hauptmotor für die Zirkulation und Stoffwechsel im Tier- organismus wesentlich nach gleichem Typus gebaut ist, und dass nur seine einzelnen Bestandteile bei den verschiedenen Tieren einige Veränderungen aufweisen. Dank unseren neueren Untersuchungs- methoden konnten wir natürlich tiefer in die Geheimnisse des Baues und der Funktion des Herzens ein- dringen, als sogar solche Anatomen und Physiologen wie Alb. v. Hal- ler und Harvey. Doch ist alles, was wir über den Bau und die Funktion des Herzens wissen, nicht das Werk eines einzigen Menschen, sondern das Untersuchungsergeb- nis vieler wissenschaftlicher For- Ten ul scher; an diesem Problem haben Tubus halbausgezogen. gearbeitet:Magendie, Claude Bernard, Marey, J. Müller, H. E. Weber, H. Helmholtz, du Bois-Reymond. C. Ludwig, E. Pflüger, Brücke, Virchow, A.v.Kölliker, L. Ranvier, Mascagni, Malphigi, Bichat (der Schöpfer der Histologie mit Messer und Schere, aber hauptsächlich durch seinen Verstand), N.J. Pirogoff, Setschenoff u. v. a. nebst ihren Vorläufern — Hippokrates, Galenus usw. Fragen wir nun nach der dieses komplizierte Organ in Be- wegung setzenden Energie, nach dem Impuls zur regelmässigen, sich mit gewisser Kraft immer wiederholenden Arbeit des Herzens, so finden wir bei dem bekannten Anatomen und Physiologen, zugleich Poeten Alb. v. Haller!) folgende Behauptung: „Proxima omnino causa motus, quam hactenus in corde deseripsimus, est in fibris earneis ejus musceuli.“ „Ea causa est natura irritabilis, quae in omni museulo aliqua, in corde super omnes alias carnes poten- 1) Alb. v. Haller, Elementa Physiologiae corp. humani t. 7 lib. 4 — cor, t. 5 lib. 14 p. 489, $ 11. p. 465. Lusanae 1757. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 53 tissime habitat.“ Der Widerhall von dieser Antwort tritt uns immer wieder entgegen, anstatt gleich einer Schallwelle sich im Raume zu verlieren. In der Mitte des 19. Jahrhunderts versuchten Gaskell, Engelmann u. a. sie wieder zu beleven. Im Resonator W. H. Gaskell’s klingt das Echo von Alb. v. Haller’s natura irritabilis, quae in omni museulo aliqua, in corde super omnes alias carnes potentissime habitat mit erneuter Kraft: „Striated musele of vertebrates — Rapidity of contraction most highly developed — Tonieity rudimentery. Rhythmic action still more rudimentery.* — „Cardiac musele — Rhythmie action most highly developed. Rapidity of eontraction well marked. Tonieity well marked. Unstriped musele — Tonieity most highly developed. Rhythmiec action well marked. Rapidity of contraetion most rudimentery.“ Weiter hat W.H.Gaskell in französischer Sprache folgendes Resume gegeben: „l. Le systeme du c@ur est dü & une puissance rhythmique du tissu musceulaire lui-möme et non aux centres nerveaux peripheriques. 2. La puissance rhythmique de toute portion du c@ur est en relation, ton avec la presence de cellules ganglionaires, mais avec la per- sistancee d’un 6&tat du tube musculaire cardiaque. 5. La succession des contractions est dü & l’onde p6ristaltigque de contraction qui part de l’endroit oü existe la plus grande vitesse du mouvement rhyth- mique et elle ralentie lors du passage de la contraction d’une chambre du c&ur ä une autre, en raison de la nature et de la dis- position anatomique du tissu musculaire A la fonetion de ces parties.“ Somit wiederholt Gaskell das von Alb. v. Haller über die Er- regbarkeit der Herzmuskulatur Gesagte, negiert aber ausserdem jeden Anteil der Nervenzellen an der Herztätigkeit, was Alb. v. Haller selbstverständlieh nicht tun konnte. Gaskell aber hätte das durch das Mikroskop erbrachte Tatsachenmaterial über das Herz doch mit berücksichtigen sollen. Obwohl Engelmann (l. ce.) bei seinen Untersuchungen sich des Mikroskopes bediente, behauptete er den- noch 1869: „dass der grösste Teil des Ventrikels und die Herzspitze bei dem Frosche selbst der geringsten Spuren von Nervenelementen entbehren“ („sur Ja plupart des points il est impossible de de- couvrir meme avec les excellentes methodes dont on dispose aujourd’hui, une fibrille nerveuse ou n’importe quel autre el&ment nerveux“). Solches sollte nicht allein für das Herz des Frosches, sondern auch für das anderer Tiere (Testudo graecea, Mus museulus, Lupus canieulus) Geltung haben. In der 1890 veröffentlichten Arbeit 54 Joh. Dogiel: von J. Dogiel und Stud. med. Tumänzew!) heisst es jedoch: „Den weiteren Verlauf und die mannigfaltigste Verästelung der dünnen marklosen Nervenfädchen sieht man ebenso leickt, wenn man die Färbung mit Methylenblau vorgenommen hat. Im letzteren Falle sieht man Nervenbündel, welche unterhalb der Atrioventrikular- klappen an den Ventrikel treten (Fig. 4) und, nachdem sie die Trabekel erreicht haben, miteinander anastomosieren; einige dieser Bündel umspinnen als feines Netz die Trabekeln (Fig. 5), andere senken sich aber tiefer in die Muskulatur der Ventrikelwand, bilden um den tieferen Teil der Trabekeln und an einzelnen Muskelbündeln des Ventrikels ein Nervennetz, welches sich bis zur äussersten Spitze des Herzens verfolgen lässt. In den Vorhöfen, auf der Vorhofs- scheidewand und im Ventrikel muss man zwei Nervengeflechte unter- scheiden: das eine besteht aus stärkeren Nervenfäden und das zweite aus sehr feinen, welche von den ersteren abgehen (Fig. 3, 5, 6).“ Niehtsdestoweniger schreibt Engelmann 1897, also sieben Jahre nach obiger Erklärung von J. Dogiel und Tumänzew, im Arch. f. d. ges. Physiologie, Bd. 65, Heft 9/10, S. 549: „Vor Einführung namentlich der Methoden von Ehrlich und von Golgi suchte man an vielen Stellen der genannten Organe (z. B. im Muskelfleisch der Kammerspitze) vergeblich nach Nervenfasern.“ Hier scheint wohl kein Missverständnis zu walten, um so mehr, als Engelmann nicht angibt, wer das beobachtet hat. Nach ihm gehen dem grössten Teil der Kammer des Froschherzens nebst der Ventrikelspitze, dem Bulbus arteriosus, den Hohlvenen und dem Sinus Nervenelemente ab; er sagt: „Für die Hohlvenen des Herzens eilt also dasselbe, was ich?) 1869 für den Ureter bewies und damals schon für das Herz als möglich vermutete: die Ursache der normalen Pulsationen liegt nicht in einem nervösen Zentral- organ, Sondern in den Muskelfasern selbst.“ Diese Er- gebnisse von Engelmann sind sowohl bezüglich des Herzens wie auch der Ureteren von J. Dogiel u. a. wiederholt widerlegt worden. Im Vergleich zu der vor 10 Jahren erschienenen Arbeit „Über den myogenen Ursprung der Herztätiekeit und über automatische Erreg- barkeit als normale Eigenschaft peripherischer Nervenfasern“ hat Engelmann seine ursprünglichen Anschauungen wesentlich ge- 1) J. Dogiel und Tumänzew, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 36 S. 492. 1890. 2) Th. W. Engelmann, Arch. f.d. ges. Physiol. Bd. 65 H. 3/4 S. 120. 1896. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 55 ändert. In einer neuen Abhandlung „Über die Wirkungen der Nerven auf das Herz“ schreibt Engelmann dem intrakardialen Nervengeflecht lediglich regulatorische Verrichtungen zu und unter- scheidet dementsprechend primär und sekundär chronotrope, sodann batmotrope, dromotrope und inotrope Wirkungen der Herznerven und zwar im positiven wie negativen Sinne. Die Wirkungen können einzeln oder vereint und in verschiedenen Abteilungen des Herzens auftreten. Die Einführung derartiger Termine für die bisher ge- bräuchlichen erleichtert aber durchaus nicht das Verständnis, sondern erschwert vielmehr die Orientierung, ist also wenigstens überflüssig. Im Vorhergehenden haben wir schon die Herzmuskulatur bei verschiedenen Tieren und während der verschiedenen Entwicklungs- phasen dieses Organs kennen gelernt. Von nervösen Elementen kommen bei der Herztätiekeit in Betracht: Leitungsbahnen vom Gehirn und Rückenmark, vom Hals- und vom ersten, zweiten und dritten Brustknoten des Sympathicus, intrakardiale Ganglien an den Hohlvenenmündungen, an der Lungenvene, im Sinus, in den Vor- höfen, in den Kammern beim Menschen und im Ventrikel und am Bulbus arteriosus beim Frosche. Nervenzellen sind zerstreut und in Gruppen am Herzohr, längs den grösseren Gefässen und Nerven, an Vorhöfen und Kammern, an der Vorhof- und Kammerscheidewand, unter dem Epikardiumepithel und zwischen der Myokardiummuskulatur, unter dem Endokardiumepithel; sie sind im Kalbsherz spiralförmig angeordnet, und man findet sie an der Herzspitze (Kalb, Taf. I Fig. 4, 5, 6; Schaf). Zu den Herznerven müssen auch die Nerven der Blut- und Lymphgefässe bei Menschen, Säugetieren und Vögeln gezählt werden. Die Bedingung zur Herztätiekeit ist in einem bestimmten not- wendigen Zusammenharg der Muskulatur des Herzens und seiner Gefässe mit den Nervenelementen gegeben. Für einen solchen Zu- sammenhang sprechen sowohl anatomische wie physiologische Tat- sachen nicht allein des Nerven-Muskelapparates der Kreislaufsorgane mit dem Herzen, sondern auch solcher Organe, welche überhaupt zu automatischer, rhythmischer Bewegung befähigt sind, wie z. B. der Magendarmtraetus, die Ureteren, die Harnblase. Wenn nun Gaskell und hauptsächlich Engelmann behaupten, dass die Erregung von Muskelzelle zur Muskelzelle unabhängig von Nerven gehe, so hätten sie beweisen sollen, dass in solehen Muskeln erstens keine Nerven- elemente vorhanden sind, und dass zweitens zwischen den Muskel- 56 Joh. Dogiel: zellen ein ununterbrochener Zusammenhang existiert. Im bekannten Versuch Engelmanns mit dem Zickzackschnitt der Frosehherzkammer bleiben bei dem grossen Reichtum des Herzens an Nervenelementen zugleich mit den Muskelbrücken auch Nerven im Zusammenhang. Hiergegen existiert eine natürliche Unterbrechung des Zusammen- hangs zwischen der Muskulatur der Vorhöfe und der Kammern beim Menschen und sogar zwischen der Atrien- und Kammermuskulatur beim Frosche. Die Vorhöfe mit den Kammern verbinden beim Frosche nur Nerven, bei Menschen und den Säugetieren ausser Nerven und Nervenzellen noch Blut- und Lymphgefässe. Die Existenz des His’schen Bündels bleibt problematisch und sollte auch ein solches Bündel als Entwickelungsanomalie hin und wieder angetroffen werden, so wäre doch noch zu beweisen, dass es weder von Nerven- fasern noch von Nervenzellen begleitet ist. Falls ein solches, von His jun., Retzer, Brauenig u. a. beschriebenes, die Vorhöfe mit den Kammern verbindendes und die Erregung von den ersteren zu den letzteren leitendes Muskelbündel wirklich vorhanden wäre, so müsste, wie obige Untersucher und Engelmann es auch vor- ausgesetzt, eine Koordinationsstörung der Bewegungen der Vorhöfe und Kammern stets die Folge der Durchschneidung dieses Bündels sein. Dass das aber nicht der Fall ist, beweisen die 1895 von Kronecker!) ausgeführten Versuche: durch Umstechunssligaturen hat er bei Kaninchen die ganze Kammer von dem entsprechenden Vorhof getrennt, ohne dass eine Koordinationsstörung aufgetreten wäre, während eine Ligatur auf die Einmündungsstelle der Hohlvenen Allorhythmie zur Folge hatte. Prof. H. E. Hering?) (Prag) hat Durchsehneidungsversuche des angeblichen His jun.’schen Bündels an Hundeherzen bei der Anwendung des Langendorff’schen Ver- fahrens ausgeführt. „Als Speisungsflüssigkeit wurde (von der Aorta aus) Ringer’sche Lösung benutzt. Um das Bündel zu duıch- schneiden, gehe ich folgendermaassen vor: An dem schlaglosen, in situ befindlichen Herzen mache ich in dem rechten Vorhof einen Sagittalschnitt, der beiläufig parallel zur Cava superior geht; links vom Schnitt liegt dann das rechte Herzohr. Mit zwei stumpfen 1) Kronecker, L’extension des etats fonctionnels de l’oreilette au ventricule. Compt. rend. Fevrier 1905. — Zeitschr. f. Biol. 1893. 2)H. E. Hering, Nachweis, dass das His’sche Übergangsbündel Vorhof und Kammer des Säugetierherzens funktionell verbindet. Arch. f..d. ges. Physiol. Bd. 108 S. 271. 1905. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 57 Haken lasse ich die Schnittränder vorsichtig vom Assistenten aus- einanderhalten, gehe mit einer Pinzette und einer kleinen Schere (oder einem kleinen Messer) durch die Öffnung, fasse mit der Pinzette einen Teil des medialen Zipfels der Trikuspidalklappe, durchschneide seine Sehnenfäden und präpariere den Zipfel bis zu seiner Ansatz- linie so frei, dass er gegen den rechten Vorhof zurückgeschlagen werden kann, und zerschneide ihn in einen linken und rechten Teil, und zwar dort, wo das Bündel zu durchschneiden ist. Diesen Ort bestimme ich auf folgende Weise: Nachdem ich mir an dem in situ liegenden Herzen angesehen habe, in welcher Höhe der vom rechten Herzohr bedeckte Bulbus aorta entspringt, und welche Richtung die Aorta ascendens nimmt, ziehe ich entlang dieser Richtung bis zu dem präparierten Klappenzipfel in Gedanken eine Linie und schneide dort, wo die gedachte Linie die Ansatzlinie des Klappenzipfels trifft, letzteres durch und steche hier — wo sich, wie gesagt, jene gedachte Linie und Ansatzlinie des Klappenzipfels kreuzt — ein.“ Trotz der sorgfältigen Beschreibung des Sitzes des His jun.’schen Bündels nebst vier photographischen Aufnahmen der Einschneidestellen rechts und links bleibt die Existenz des Bündels doch fraglich, wie man aus folgenden Worten H. E. Hering’s schliessen kann: „Hat man sich nach dem ersten Schnitt davon überzeust, dass dieser keine oder eine vorübergehende Wirkung hatte, dann ist es nötig, den Schnitt in jener Richtung zu erweitern, von welcher man bei der ersten Schnittführung aus einem der oben angeführten Gründe ab- gewichen ist; führt auch der zweite Schnitt nicht zum Ziele, so wird dies ein dritter Schnitt tun!“ Solche unbestimmten Resultate be- stärken nur die Meinung, dass wir trotz Photographie und Be- schreibung es nur mit einem angenommenen Bündel zu tun haben. Das gilt nieht nur für H.E. Hering, sondern auch für die übrigen Untersucher des angeblichen Muskelbündels. Mit zu den neuesten Versuchen, dieses Bündel zu durchschneiden, gehört die Arbeit von E. Paukul!). Die Versuche wurden an mit Morphium narkotisierten und durch Curare bewegungslos gemachten Kaninchen bei künstlicher Atmung ausgeführt. Die Läsion des angeblichen His jun.’schen Muskelbündels führte er mit einer etwas veränderten, schon von 1) Privatdozent E. Paukul, Die physiologische Bedeutung des His’schen Bündels. (Aus dem Hallerianum zu Bern. Mit 3 Taf.) Sonderabdr. a. d. Zeitschr. f. Biol. Bd. 51. München 1908. 58 Joh. Dogiel: Kronecker benutzten Nadel aus. Zur Kontrolle wurden hernach mikroskopische, nach Gieson tingierte Präparate angefertigt. Es kam zu folgendem Resultate: „Wenn es gelang, das Bündel allein zu umschnüren, ohne viel vom umgebenden Gewebe zu schädigen, so war die Koordination der Vorhof- und Kammerpulse nicht auf- gehoben.“ Das wird durch Kurven der Herztätiekeit bekräftiet. Ferner sagt der Autor: „Denn ich habe ebenso wie Kronecker und Dr. Nadina Lomakina, nach Unterbindung anderer Herz- stellen, z.B. in der Gegend der Hohlvene, die Vorhöfe und Kammern der Kaninchenherzen inkoordiniert pulsieren gesehen“. War das sog. His’sche Bündel bei Paukul’schen Versuchen unterbunden, so hätte er doch schliessen müssen, dass es nicht Anteil hat an der Erregunesleitung von den Vorhöfen zu den Kammern, und dass die Übertragung durch Nerven stattfindet. Leider hat Paukul es eben- falls unterlassen, die Struktur des betreffenden Bündels, seinen Ge- halt an Muskeln und Nerven, zu untersuchen. Aus dem physiologischen Laboratorium von Professor N. A. Mislawsky erschien die vor- läufige Mitteilung einer Arbeit von G. A. Lübenetzky!) unter dem Titel: „Zur Frage über den Zusammenhang der Vorhöfe mit den Kammern des Säugetierherzens.“ Alle Versuche hat der Autor an mit der auf 30—36° C. erwärmten und mit Sauerstoff gesättieten Locke’schen Flüssigkeit belebten Herzen ausgeführt; sobald sich kräftige Herzkontraktionen eingestellt hatten, wurde es mit dem Registrierapparat verbunden, so dass die Herztätigkeit durch den Depres’schen Verzeichner notiert werden konnte. Die Operationen am His’schen Bündel fanden durch den rechten Vorhof statt. Der letztere wurde durch einen nicht mehr als 1,5 em langen senkrecht und etwas links an der rechts und nach vorn gelegenen Wandung des rechten Herzohrs eröffnet. Werden die Schnittränder auseinander- gezogen und die Vorhofshöhlung durch einen Reflektor beleuchtet, so soll man sich leicht über den Verlauf des His’schen Bündels orientieren können. Dasselbe soll (nach Humlet’scher Zeichnung) unter dem vorderen unteren Rand der Fossa ovalis seinen Anfang nehmen, verläuft nach unten bis fast zum Ende des medialen Zipfels der Trikuspidalklappe an der Grenze des hinteren Drittels mit den vorderen, kehrt hier nach vorn und geht parallel der Anheftungs- stelle und richtet sich, noch bevor es das vordere Ende erreicht, 1) G. A. Lübenetzky, Das Kasansche mediz. Journ. 1903 (in russ. Sprache). Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 59 wieder nach unten, um sich mit der Ventrikelmuskulatur zu verbinden. In zehn Versuchen hat Lübenetzky neunmal das angebliche His- sche Bündel an der Strecke von seinem Anfang unter der Fossa ovalis bis zur Mitte der Basis des medialen Blattes der Trikuspidalis, d. h. in dem Abschnitt hinter dem membranösen Dreiecke und ein- mal unter dem vorderen Winkel des Dreiecks, wo das Bündel vor- aussichtlich nach unten zu den Kammern abbog, durchschnitten. Im letzteren Falle und in sechs Versuchen ersterer Kategorie erhielt er sogleich nach der Durchschneidung anhaltende Allorhythmie; in allen diesen sieben Fällen musste nach dem Autor das His’sche Bündel lädiert sein. In den drei übrigen Versuchen dauerte die Allorhythmie nieht lange, und schon nach einigen Minuten stellte sich wieder Fig. 55. Aus der Pars membranacea des Katzenherzens nach der Bearbeitung mit 1°/oiger Osmiumsäure. Man sieht ein ganzes Bündel myelinhaltiger Nervenfasern. Leitz S. 3 Ok. 3. regelmässige rhythmische Schlagfolge ein. Nach der Durchschneidungs- stelle an der Vorhofswand zu urteilen, muss das His’sche Bündel nach der Voraussetzung des Autors nicht ganz durchschnitten, sondern wahrscheinlich nur leicht verletzt sein. Ausserdem hat Lübenetzky vielmals grosse Einschnitte an verschiedenen Stellen des Vorhofs gemacht, jedoch derart, dass das His’sche Bündel verschont bleiben musste, wobei er niemals Allorhythmie eintreten sah. Lübenetzky hat jedoch die Stellen, an welchen er das His’sche Bündel zu durch- schneiden suchte, keiner mikroskopischen Analyse unterworfen. Ich ersuchte ihn, mir diese Stellen an Herzen von Hunden und Katzen zu bezeichnen: das Mikroskop wies an diesen Stellen Bindegewebe, gewöhnliche Muskelfasern und myelinhaltige, die letzteren begleitende Nerven (Fig. 58) nach. Hernach hat Lübenetzky sich selber davon überzeugt, dass an der Stelle, wo das His’sche Bündel angeblich verlaufen soll, Nervenfasern und Nervenzellen angetroffen werden. Da nun alle Einschnitte des Autors in die Vorhofswandung gerade in diejenigen Herzterritorien fallen, wo nach meinen Untersuchungen zahlreiche 60 Joh. Dogiel: Nervenzellen und Nervenfasernetz vorhanden sind (vgl. Fig. 25, 26, 27 und 28), so ist es selbstverständlich, dass nach solchen Einschnitten die Koordination der Herzkontraktionen gestört wurde. Lübenetzky glaubte, dass er mit dem His’schen Bündel zu tun hatte, hat aber sich nicht davon überzeuest, ob die durchschnittenen Muskelfasern in ihrem Bau etwas abweichen von den nicht durchschnittenen Muskel- fasern.. Meiner Meinung nach beweisen die Versuche dieses Autors nicht, wie er es haben will, dass die Allorhythmie als eine Folge der Verletzung des angeblichen His’schen Muskelbündels aufzufassen ist, sondern vielmehr, dass sie durch Reizung und Verletzung des neuromuskulären Apparates zu erklären ist, wie er ausser in anderen Herzteilen auch im rechten Vorhof und rechten Herzohr der Hunde und anderer Tiere vertreten ist (vgl. Fig. 25—28). Die Lübenetzky- schen Versuche sind von geringem wissenschaftiichen Wert, da er das angebliche Muskelbündel weder gesehen noch mikroskopisch untersucht hat und die Einschnitte aufs Gerätewohl ausführte. Es muss hier noch eine Arbeit von Dr. Alf. E. Cohn und Prof. Dr. W. Trendelenburg!) erwähnt werden. Sie befassten sich mit der Nachprüfung der Paukul’schen Beobachtungen nicht nur an Kaninchen, wobei die künstliche Durchspülung des Herzens in der von Langendorff eingeführten Weise zur Anwendung kam, sondern auch an Katzen, Hunden, Ziegen und Affen (an letzteren nur zwei Versuche). Obwohl die Autoren p. 83 angeben: „Es muss aber betont werden, dass vom experimentellen Standpunkt aus kein zwingender Grund vorliegt, gerade die Muskulatur des Übergangs- bündels als das leitende Element anzusprechen“, und auf Tawara’s Untersuchungen hinweisen, in welchen (bei Huftieren) Nervenstränge beträchtlicher Grösse das Bündel begleiten, ferner bei zehn Katzen Nerven in naher Beziehung zum Bündel oder Knoten gefunden haben und bei sieben Katzen ein Nervenstrang im Bündel bei einer Gruppe von Ganglienzellen in seiner Nähe festgestellt werden konnte; ausser- dem im Zusatz bei der Korrektur auf die kürzliche Mitteilung von Asehoff „Die Nervengeflechte des Reizleitungssystems“, Natur- forschergesellsch. Freiburg, 30. Nov. 1909, aufmerksam machen, be- haupten sie doch p. 83: „Die durch unsere Versuchsreihen bestätigte 1) Dr. Alf. E. Cohn und Prof. Dr. W. Trendelenburg, Untersuchungen zur Physiologie des Übergangsbündels am Säugetierherzen, nebst mikroskopischen Nachprüfungen. Mit 79 Fig. u. Taf. I-V. Pflüger’s Arch. Bd. 131 H. 14 S. 1. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 61 Annahme, nach welcher als Leitungsweg zwischen Vorhöfen und Kammern ausschliesslich das Übergangsbündel in Betracht kommt, hat man in der Regel mit der Frage der myogenen oder neurogenen Auffassung der Entstehung und Leitung der Herzreize in Beziehung gebracht.“ Dieser Passus bekräftist mich in der Meinung, dass die Autoren den mikroskopischen Bau und die Verteilung der Nerven- elemente an den Stellen, wo sie ihre Schnitte ausgeführt, ausser acht gelassen haben, denn es ist doch gewiss nicht zulässig, aus der Färbung allein auf den muskulösen Charakter des Bündels zu schliessen. Einem noch fraglichen Muskelbündel schreiben also die Anhänger der myogenen Theorie der Herztätigkeit nicht allein die zur Er- klärung der koordinierten Arbeit notwendige Verbindung zwischen den Vorhöfen und Kammern des Säugetierherzens, sondern auch die Fähigkeit automatischer Erregung und Leitung letzterer von Muskel- zelle zur Muskelzelle zu, weil dieses Muskelbündel bei Erwachsenen die Eigenschaften der embryonalen Muskulatur — die Automatie bewahren soll, wobei sie darauf hinweisen, dass das embryonale Herz, an welchem man mit dem Mikroskop noch keine Nervenelemente, sondern nur Muskeln zu unterscheiden vermag, rhythmische Kon- traktionen ausführt. Niemand von diesen Biologen hat sich aber die Mühe gegeben, anzugeben, ob er die allererste Herzkontraktion beobachtet und in solchem Falle die Struktur dieses Herzens studiert hat, und ob er ausserdem den Bau des Herzens, welches noch gar keine Kontraktion ausgeführt hatte, ebenfalls untersucht hat. Es ist leieht möglich, dass im letzteren Falle nicht allein Nervenelemente, sondern auch Muskelfasern noch nicht unterscheidbar sind. Ausser einer flüchtigen Notiz von Preyer habe ich in der Literatur ver- gebens nach solehen Beobachtungen gesucht. Ohne Antwort bleibt auch die Frage nach der Kraft und dem Charakter der ersten Herz- kontraktionen und ob dieselben nicht eher den Bewegungen der Leukocyten und Amoeben gleichen, in denen das Mikroskop ebenfalls weder Muskeln noch Nerven zeigt. Wir kennen doch Tiere (Pecten maximus, Helix pomata), bei welchen das aus Vorhof und Kammer bestehende Herz bei verhältnismässig niedriger Temperatur ab- wechselrd mit demeinen und dem anderen Abschnitt 5—6 Kontraktionen in der Minute ausführt, ohne dass in denselben glatte oder gar quer- gestreifte Muskulatur vorhanden wäre; sie bestehen nur aus einer 62 Joh. Dogiel: feingekörnten Protoplasmamasse, wie ich?!) und F. Darwin?) es be- schrieben haben. Ausserdem habe ich in meiner Antwort an M. Foster und A. G. Dew-Smith?) Folgendes angeführt: „Hier wäre noch die Beobachtung Dr. Wernicke und meines Freundes Prof. Salensky (der mir die Erscheinung an dem Herzen von Aceipenser ruthenus zeigte) zu erwähnen, dass an embryonalen Herzen ohne ausgebildete Querstreifung der Muskulatur durch Herzgifte (KNO,, Dieitalin ete.) Erscheinungen hervorgerufen werden, die auf die Gegenwart von Bildungsmaterial für künftige Muskelzellen schliessen lassen“ *). Die von E. H. Hering u. a. erhaltene Allorhythmie rührt nicht von der Verletzung des fraglichen His’schen Bündels, sondern von einer Verletzung der an den entsprechenden Stellen vorhandenen Nerven, Nervenzellen und Muskelbündeln ab. Im Altertum hat man vom Rhythmus der Blutgefässe oder des Pulses gesprochen: „comparatio autem ictus tempore cum tempora quietis gignitur rhythmus, quade proportio temporis est ietus ad tempus quietis“ (Galenus de diff. pulsum). Gegenwärtig bezeichnet man mit Herz- rhythmus das Verhältnis der Kontraktionszeit zur Diastolezeit des Herzens. Wenn, wie bei normaler Herz- tätickeit, das Verhältnis gleich bleibt, indem die Systole immer etwas kürzer als die Diastole dauert, spricht man vom Rhythmus. Mag die Herztätigkeit noch so beschleunigt oder verlangsamt sein, er- folgen die Kontraktionen der einzelnen Abschnitte nur stets mit .gleicher Kraft und Aufeinanderfolge, so nennen wir sie regel- mässig rhythmisch; falls aber aus irgendeinem Grunde diese Regelmässiekeit gestört ist, können wir volle Arhythmie-delirium cordis C. Ludowieci vor uns haben. Es kann geschehen, dass die Systole gleichlang oder länger als die Diastole dauert. Ein solches Verhältnis kann während der ganzen Herzevolution anhalten oder aber verschieden schwanken. Wenn im ersteren Falle auch die Herztätigkeit nicht vollkommen rhythmisch ist, so kann man sie aber auch nicht arhythmisch nennen, wie im zweiten Falle. Bei der 1) J. Dogiel, Die Muskeln und Nerven des Herzens bei einigen Mollusken. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 14 H.1 S. 317. 2) F. Darwin, On the structure of the snail’s heart. The journ. of Anat. and Physiol. vol. 10. 1876. 3) M. Foster und A. G. Dew-Smith, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 14 H. 3 S. 317. 4) J. Dogiel, Erklärung zu der Bemerkung von M. Foster und A. G. Dew-Smith. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 15 S. 96. 1878. ee I oe Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 63 Stenose des Ostium arteriosum sinistrum trifft man z. B. die Ver- änderung ersterer Art. Ziehen sich gewöhnlich wohl beide Herz- hälften gleichzeitig zusammen, so wird beim Menschen und besonders bei Tieren auch beobachtet, dass die Kontraktionen der rechten und der linken Herzhälfte nicht zusammenfallen, so dass man von einer Hemisystolie des Herzens sprechen kann. Hat sich nicht der Rhythmus, sondern nur die Schnelligkeit der Herzkontraktionen ge- ändert, so liest Tachyrhythmia oder Bradyrhythmia vor uns. Wechseln regelmässige Herzkontraktionen mit unregelmässigen ab, ändert sich fortwährend das Verhältnis zwischen der Dauer der Systole und Diastole, hat man es mit Arhythmia striete sie dieta zu tun. Ausserdem beobachtet man noch Arhythmie der Herztöne: die kurze Pause zwischen dem ersten und zweiten Herzton kann gleich oder gar länger sein als die grosse zwischen dem zweiten und ersten Herzton. Einige Kliniker (S&e) weisen auf die Ver- doppelung des ersten (bruit de galop) oder des zweiten (bruit de rapel) Herztons hin. Die Zeit zwischen den einzelnen Herz- kontraktionen (Intermissiones) kann auch wechseln. Anstatt dessen, dass nach jeder Vorhofskontraktion eine solche der Kammer folgt, kann es geschehen, dass die Vorhöfe häufiger schlagen als die Ven- trikel oder umgekehrt. Ferner kann es vorkommen, dass die Ventrikel- muskulatur nicht im ganzen, also gleichzeitig, sondern ungleichzeitig, gleichsam peristaltisch sich zusammenzieht. So hat Lukjanow!) eine ungleichzeitigse Zusammenziehung der Herzventrikel (Asyn- ehronismus) bei euraresiertem Kaninchen nach der Durchschneidung des Vagus und nach Asphyxie beschrieben. Bezold?) sah nach Zusammenpressen der Art. coronaria magna beim Kaninchen Still- stand der linken Kammer eintreten. Fingehender haben sich mit den Folgen des Schlusses der Coronaarterien auf die Herztätigkeit Lukjanow und W. Tomsend Porter°®) beschäftigt. Skoda) erwähnt einen Fall beim Menschen, wo die rechte Kammer doppelt so viel Kontraktionen ausführte wie die linke. Bei seinen Versuchen an curaresierten Hunden bei künstlicher Atmung erhielt Heiden- 1) Lukjanow, Zur Lehre von den Funktionsstörungen einzelner Herz- höhlen. Zentralbl. f. d. med. Wiss. 1881 Nr. 49 S. 881; 1882 Nr. 18 S. 321—323. 2) J. Bezold, Unters. aus d. physiol. Labor. in Würzburg 1867 S. 288—3 3) W. Tomsend Porter, Journ. of Physiol. vol. 15. Nr. 3 p. 121. 18 Arch. f. d. ges. Physiol. 1893. 4) Skoda, Die Perkussion und Auskultation. Wien 1839. 2} Is 22 Je 1 B) 64 Joh. Dogiel: hain!) durch Reizung des verlängerten Markes mittels Induktions- strom nach der Durchschneidung beider Vagi Blutdruckerhöhung. So lange der Druck nicht über 200 mm Hg stieg, blieb die Heız- tätigkeit regelmässig. Erhöhte sich der Blutdruck auf 250 mm Hg oder etwas mehr und verharrte bei beschleunigten Herzschlägen über eine Minute in dieser Höhe, so traten unregelmässige Herz- kontraktionen auf. Die Arhythmie wechselte mit rhythmischer Herz- tätigkeit, zuweilen blieb sie aber bestehen, wenn auch der Druck anfing abzunehmen. Nicht bei allen Hunden sah Heidenhain nach der Reizung des verlängerten Markes Arhythmie eintreten; so vermisste er dieselben hauptsächlich bei mageren Hunden; sie blieb auch bei wiederholter Reizung (ö—6mal) der Medulla oblongata aus, trotzdem der Blutdruck gleich hoch wurde Heidenhain versuchte ferner festzustellen, inwiefern hierbei das extra- und intra- kardiale Nervensystem beteiligt ist. Er unterband alle das Herz mit den übrigen Teilen des Organismus verbindenden Nerven, ent- fernte an beiden Seiten den unteren Hals- und oberen Brustknoten (Ganglion cervicale infimum et Ganglion thoracicum primum) und erhielt doch die Arhythmie nach Reizung der Medulla oblongata und Blutdruckerhöhung. So musste also die Ursache der Arhythmie in der Tätiekeitsänderung des intrakardialen Nervensystems liegen: ist die Regelmässigkeit der Kontraktionen durch die regelmässige Tätigkeit des hemmenden und des automatischen Herzzentrums be- dingt, so muss die erhöhte Erregbarkeit des ersteren oder die Er- müdung des letzteren Arhythmie geben. Heidenhain neigte mehr zur Annahme einer verstärkten Arbeit des Hemmungsapparates; je- doch erhielt er auch nach vorausgeschickter Atropinapplikation eben- falls Arhythmie. Knoll?) wiederholte mit etlichen Modifikationen die Heidenhain’schen Versuche und gelangte zur Überzeugung, dass jede Blutdruckerhöhung Arhythmie und zuweilen Verlangsamung der Herztätigkeit zur Folge hat. Aussergewöhnlich hoher oder sich schnell und intensiv einsetzender Blutdruck ruft unregelmässige 1) Heidenhein, Über die arhythmische Herztätigkeit. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. V. 2) Knoll, Über die Veränderungen des Herzschlages bei reflektorischer Erregung des vasomotorischen Nervensystems, sowie bei Steigerung des intra- kardialen Druckes überhaupt. Sitzungber. d. k. Akad. d. Wissensch. in Wien Bd. 66 H.1/2. 1872. — Über Inkongruenz in der Tätigkeit der beiden Herzhälften. Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. in Wien 1890. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 65 Herzkontraktionen hervor; Atropin verhindert nicht das Eintreten ‘der Arhythmie. Am Schluss seiner Arbeit bemerkt Knoll, dass unter gleichen Bedingungen die Arhythmie sich einstellen, aber auch ausbleiben kann. Die Frage, ob hierbei die Nervenelemente des Herzens oder seine Muskulatur interessiert ist, lässt dieser Autor offen. Köhler!) sah nach Physostigmineinspritzung ins Blut wohl erhöhten Biutdruck, aber keine Arhythmie der Herztätigkeit sich einstellen. Er glaubt, dass die Arhythmie nicht vom erhöhten Blut- druck abhängt, sondern eher durch Ermüdung der Herzmuskulatur bedingt ist. Auf Grund eigener Versuche mit CO,, Apomorphin und Akonitin glaube ich, dass die Ursache der Arhythmie in der Wirkung der verschiedenen Einflüsse auf die Erregbarkeit und Leitung des Vagus, auf die intrakardialen Nervenelemente und auf die Muskulatur oder auf diese und jene zugleich liegt, obwohl jede Ursache für sich nicht immer Arhythmie bewirken kann. Eine solche Erklärung steht mit der klinischen Erfahrung in keinem Widerspruch: die Arhythmie wird bei Menschen häufiger bei Bikuspidalfehlern als bei Aorten- klappenfehlern beobachtet; sie ist bei der Stenose der linken Atrio- ventrikularöffnung, bei erhöhtem intrakardialen Druck, bei Myokarditis, bei Affektionen der Coronaarterie (Panum, Bezold, Cohnheim, See, Bochfontaine) und bei krankhaften Veränderungen der Nervenknoten [Putiatin?) 1877 und Dr. Kulescha°) 1901] ver- merkt worden. Selbstverständlich hat an jeder Arhythmie unregel- mässige Muskelkontraktion ihren Anteil; aber wie zu normaler, so auch zu pathologischer Tätigkeit muss der Muskel angeregt werden. Nur dann, wenn es uns gelingt, eine solehe Kombination der Muskulatur und des Nervenapparates zu entdecken, dass es möglich ist, den Einfluss dieses oder jenes Mittels zuerst getrennt auf jeden Teil und dann auf beide zusammen zu prüfen, werden wir Klarheit 1) Köhler, Experimentelle Beiträge zur Kenntnis der Herzwirkung des Calabar nebst nachträglichen Bemerkungen über Arhythmie. Arch. f. experim. Path. u. Pharm. Bd. 1. 1883. 2) Putiatin, Über pathologische Veränderungen in den automatischen Ganglien des Menschenherzens bei chronischen Leiden. St. Petersburg 1877 (Dissertation in russ. Sprache). 3) G. Kulescha, Zur pathologischen Anatomie der intrakardialen Nerven- knoten (Abdominaltyphus und akute diphtheritische Enterokolitis. Krankenhaus- zeitung von Botkin 1901 (russisch). Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 5 66 Joh. Dogiel: in die uns interessierende Frage bringen. Betrachtet man z. B. die Arhythmie, welche beim Hunde oder Kaninchen nach 0,001 Atropin. sulf. behufs Ausschaltung des hemmenden Vaguseinflusses durch 0,008—0,010 Akonitin (Fig. 59) oder beim Frosche unter gleichen Bedingungen (Fig. 60) erhalten wird, so kann man wohl mit grosser Wahrscheinlichkeit dieselbe auf die Erregung der in den verschiedenen Herzabschnitten gelegenen Nervenganglien zurückführen. en N AM ae) WM VAYAURN “ EN ee mn N ee N N Fig. 59. Die Kurven 7, 2 u. 3 demonstrieren die Arhythmie der Herztätigkeit beim Kaninchen, dem in die Jugularvene 8—10 mmg Akonitin eingespritzt war. Die Karotis ist mit dem Fick’schen Manometer behufs Registrierung auf die Trommel verbunden. ‚2 x AM Inn VB ma % Nm [ W Var Nr) Kae, nV EI N Vz Fig. 60. D Arhythmie des Froschherzens, «aa Vorhofskurve, ©» Ventrikelkurve. Zuerst zur Ausschaltung des Vaguseinflusses Atropin, als dann Akonitin. Die Arhythmia kann auf mechanischem Wege, durch den elektrischen Strom und chemisch durch Herzeifte hervorgerufen werden. C. Ludwig!) und Hoffa haben zuerst gezeigt, dass die Reizung der Herzoberfläche mittels Induktionsstromes bei Warm- blütern eine starke Veränderung des Herzrhythmus bewirkt: anstatt der regelmässig sich wiederholenden Herzkontraktionen treten eigen- tümliche ‚Bewegungen der Muskelschichten, von denen die einen sich kontrahieren, während andere erschlaffen, eine wellenförmige, einige Minuten anhaltende Bewegung der Ventrikelwandung — das Delirium cordis C. Ludovici auf. Bei nicht besonders intensiver Reizung geht das Delirium cordis in normale Herzbewegung über 1) C. Ludwig und Hoffa, Zeitschr. f. rat. Med. 1849 S. 128. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 67 oder, im entgegengesetzten Falle, tritt der Tod ein. Bei der An- wendung des galvanischen Stromes sah Einbrodt!) Beschleunigung der Herztätiekeit und bei der Steigerung desselben ad maximum Herzstillstand und Tod sich einstellen. S. Mayer?) aber erhielt auf galvanischen Strom wellenförmige, unregelmässige Herz- kontraktionen und Sinken des Blutdrucks. Nach Me. William?) hänst das Delirium cordis der verschiedenen Tiere durch direkte Einwirkung des Reizes auf die Muskulatur des Herzens und nicht auf seine Nerven ab. Kronecker*) und Schmey versuchten zu beweisen, dass das auf den Stich in das obere Drittel der Kammer- scheidewand von Hunden und Kaninchen sich einstellende Delirium eordis die Folge der Läsion eines koordinatorischen Zentrums ist. Me William ist nicht für diese Lokalisation, weil nicht immer Delirium cordis durch den Stich in die besagte Stelle hervorgerufen wird und weil, wie andere Forscher angeben, mit der Zeit wieder normale Herzkontraktionen sich einstellen. Meine diesbezüglichen Versuche sprechen dafür, dass die von Kronecker und Schmey beobachteten starken Veränderungen des Herzrhythmus durch Reizung und Läsion der grossen Nervenstämme und Nervenknoten und der Blutgefässe sowohl unter dem Epithel wie auch des Astes der Coronaarterie, der in Begleitung eines stärkeren Nervenzweiges in der Tiefe der Kammerscheidewand verläuft, wodurch in bestimmten Herzbezirken die Zirkulation gestört wird, und schliesslich noch einiger Muskelbündel zu erklären ist. Je nach der Grösse und Menge der durch den Stich bewirkten Verletzungen stellt eine schwächere oder stärkere, kürzer oder länger dauernde Arhythmie ein; es kann sich nur um ein lokales, aber kein für das ganze Herz bestimmtes koordinatorisches Zentrum handeln. Sich auf M. Foster’), W. H. Gaskell‘) und His jun. be- 1) Einbrodt, Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. Wissensch., math.-naturwiss. Klasse Bd. 38 S. 3856. Wien 1859. 2) S. Mayer, Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. Wissensch., math.-naturwiss. Klasse Bd. 68 Abt. 3 S. 84. Wien 1873. 3) Mc William, Journ. of Physiol. vol. 8 p. 296. 1887. 4) Kronecker und Schmey, Sitzungsber. d. Akad. d. Wissensch. zu Berlin: 1884 S. 87. 5) M. Foster, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 5 S. 190—195. 1872. 6) W. H. Gaskell, Journ. of Physiol. vol. 4 p. 4—127 pl. II—V. 1883. 5* 68 Joh. Dogiel: rufend, nimmt Engelmann!) an, dass die Muskelzellen des embryonalen Herzens ihre Fähigkeit zu spontanen Kontraktionen auch im Herzen erwachsener Tiere beibehalten. Ferner behauptet er: „Schon 1869 hatte eine mikroskopisch - anatomische und ex- perimentelle Untersuchung für den Ureter von erwachsenen Säuge- tieren (Kaninchen, Ratte, Maus) erwiesen, dass die den Herz- pulsationen in vieler Beziehung so ähnlichen automatischen Be- wegungen dieses Organs ohne Mithilfe von Ganglienzellen zustande kommen oder doch zustande kommen können.“ Engelmann hat es fertig gebracht, eine solche Behauptung im Pflüger’schen Archiv pro 1897 (S. 539) aufzustellen, wo doch schon 1878 jene Ansicht in betreff der Ureteren von Al. Dogiel und hernach 1397 von Protopopow°) u.a. widerlegt worden war. Passte es Engelmann nicht, den wahren Sachverhalt anzuerkennen, so hätte er wenigstens nicht die irrige Meinung wiederholen sollen und andere beirren, welche, sich auf ihn verlassend, die peristaltischen Bewegungen der Ureteren als ohne Mitbeteiligung der Nervenzellen zustandekommend sich dachten. Zu diesem soeben besprochenen Irrtum hat Engelmann noch einen zweiten hinzugefüst, indem er auch die peristaltische Darmbewegung als nur von der glatten Muskulatur, ohne jeglichen Anteil der Nervenelemente, abhängig erklärte. In einer eingehenden anatomisch-physiologischen Arbeit über die sehr komplizierten Darmbewegungen hat H. Magnus?) diese irrtümliche Ansicht Engelmann’s widerlest und ist zu folgenden Ergebnissen gelangt: „l. Die spontanen Beweeungen der Darmmuskulatur dauern unverändert fort nach Entfernung der Schleimhaut. Sie sind also nicht durch sensible Erregungen von dieser aus bedingt, sondern automatische Bewegungen. 2. Auch nach Entfernung der Submucosa und des in dieser gelegenen Meissner’schen Plexus bleiben die Bewegungen der Darm- muskulatur unverändert. Sie sind also von diesem Plexus un- abhängig. Auch die lokalen peristaltischen Reflexe kommen ohne ihn zustande. 3. Ein einfacher Riss bei der Schichtentrennung an der inneren Grenze der Ringmuskulatur vermag also die Bewegungs- 1) Engelmann, Pflüger’s Arch. Bd. 65 H. 11/12 S. 538—539. 1897. 2) Al. Dogiel, Protopopow, vgl. J. Dogiel und K, Archangelsky. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 113 S. 5. 3) H. Magnus, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 102 S. 362. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 69 fähigkeit der Ringmuskulatur nicht zu stören. 4. Wird aber ein solcher Riss an der äusseren Grenze der Ringmuskulatur geführt, wobei diese so gut wie vollständig vom Auerbach’schen Plexus getrennt wird, so sind die spontanen Bewegungen für immer er- loschen, während die Erregbarkeit der Muskulatur selbst vollständig erhalten geblieben ist. 5. Die Längsmuskulatur, welche bei diesem Verfahren mit dem Auerbach’schen Plexus in Verbindung bleibt, behält die Fähigkeit zu spontanen rhythmischen Kontraktionen. 6. Wird die Trennung so vorgenommen, dass der Auerbach’sche Plexus, welche der Längsmuskulatur aufsitzt, vollständig intakt bleibt, so haben die Bewegungen der Längsmuskulatur vollständig normalen Typus und Rhythmus. 7. Daraus folgt, dass die automatischen Be- wegungen der Darmmuskulatur nicht myogenen Ursprungs sind, sondern von Zentren abhängen, welche im Auerbach’schen Plexus gelegen sind. 8. Man kann demnach aus der Darmwand Präparate herstellen, welche die Zentren der automatischen Be- wegungen enthalten oder frei von ihnen sind.“ 1906 erschien die wertvolle Arbeit für vergleichende Anatomie und Physiologie von Biedermann!): „Studien zur vergleichenden Physiologie der peristaltischen Bewegungen. Die Innervation der Schneckensohle.*“ Mit drei Tafeln. Fig. 1—7 stammen von mit Gold und Ameisensäure behandelten Präparaten von Limax agrestis und fünf Figuren von Helix hortensis und bringen Ganglienketten und Nervennetze bei verschiedenen Vergrösserungen. Auf Grund seiner genauen Untersuchungen kommt dieser ernste Biologe zu folgenden Ergebnissen (S. 285): „Zunächst darf es wohl als sicher gelten, dass die peristaltische (oder eigentlich antiperistaltische) Be- wegung der Schneckensohle nicht myogenen, sondern neurogenen Ursprungs ist, wenn sich dies auch freilich nicht so direkt beweisen lässt, wie dies etwa beim Hautmuskelschlauch der Würmer oder nach den Versuchen von Magnus am Darm der Wirbeltiere gelingt. Für Helix lehrt jedenfalls der Erfolg der Durchschneidung und Reizung der Pedalnerven in ganz unzweideutiger Weise, dass die Sohlenperistaltik unter normalen Verhältnissen ausschliesslich doch ganz überwiegend von den nervösen Zentralorganen im engeren Wortsinne und speziell vom Pedalganglion abhängig ist.“ S. 264 1) Biedermann, Pflüger’s Arch. Bd. 111 S. 251. 1906. (Hierzu Taf. II—V.) 70 Joh. Dogiel: sagt Biedermann: „Es muss daher auch für die glatten Muskelelemente der Mollusken eine direkte Über- tragung der Erregung von Zelle zur Zelle entschieden in Abrede gestellt werden.“ Zuerst hatten Engelmann (1. e.), Gaskell (l. e.), Foster (l. ec.) u. a. darauf hingewiesen, dass das Herz von Menschen, Säugetieren, Vögeln, Fröschen, Schild- kröten, Fischen und Krebsen keine Nervenelemente enthalte und doch schlage. Als nun in diesen anatomische und physiologische Untersuchungen die Existenz von Nerven und Ganglien ausser Zweifel stellte. mussten andere weniger untersuchte Wirbellose (Tunikaten, Mollusken, Arthropoden) solche nervenlose Herzen be- sitzen. Ziemlich lange wurde das Herz des Flusskrebses als Beweis für die Möglichkeit der Tätigkeit ohne Beteiligung von Nerven- ganglien angeführt. Aber schon 1876 habe ich auf Ganglien im Herzen des Hummers hingewiesen!). In demselben Sinne hat sich 1877 E. Berger?) und 1890 Lydia Pogoschewa°) aus dem Laboratorium von Akademiker F. Owsjönnikow, welcher bisher daran gezweifelt hatte, ausgesprochen. 1893 habe ich*) nochmals meine Untersuchungen über die Herznerven des Flusskrebses auf- genommen und konnte zeigen, dass im Herzen des Flusskrebses nicht allein einzelne Nervenzellen vorkommen, sondern eine Nerven- kette, welche den ganzen Ventrikel entlang geht und aus zwei Gruppen, einer vorderen und hinteren, jede aus mehreren (5—6) Zellen bestehenden Gruppen zusammengesetzt ist. Die Form der Nervenzellen ist meist birnenförmig; sie sind mono- oder bipolar. Ausserdem findet man hier Reste von unreifen, sich entwickelnden Zellen von verschiedener Form und Grösse (Punktsubstanz der Autoren). Die den Nervensträngen gewöhnlich anliegenden Nerven- zellen finden sich in bedeutender Zahl nicht allein im Ventrikel, sondern auch im Vorhof (oder Perikardium der Autoren). Der Faseraustausch unter den Nerven des Herzens vom Flusskrebs (Fig. 40) gleicht dem des Froschherzens. Bei der elektrischen Reizung des Flusskrebsherzventrikels erhält man diastolischen Still- stand, bei solcher der Vorhofsnerven — Beschleunigung der Kon- 1) J. Dogiel, Compt. rend. de seances de l’Acad. de science. Paris 1876. 2) E. Berger, Sitzungsber. d. k. Akad. Bd. 74. 1877. 3) L. Pogoschewa, Bote f. Naturwiss. Nr. 5. St. Petersburg 1890 (in russ. Sprache). 4) J. Dogiel, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 43. 1893. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. za traktionen. Die direkte Reizung des Herzventrikels beim Flusskrebse mittels Induktionsstrom gibt anhaltende Systole — Tetanus. Ausserdem habe ich die Herzen von Peeten maximus, Anadonta, Aplysia und Salpa maxima untersucht!), in welchen ich ebenfalls Muskeln und Nerven und Nervenzellen nachgewiesen habe (vgl. Fig. 39). Ransom?°) fand, dass bei Helix von den Ganglia suboesophagia ein viszeraler Nerv abgeht, welcher einen Zweig zu dem Geschlechtsorgan abgibt; ein zweiter Zweig dieses Nerven teilt sich in zwei Äste: der eine geht zur Niere und zum Vorhof, der zweite zum Ventrikel und zur Aorta. M. Foster?) behauptet, dass bei Helix, Anadonta nicht nur die Herzkontraktionen, sondern auch deren Regulierung unabhängig von dem Nervensystem sind, da es ihm nicht gelingen wollte, Nervenfasern und Ganglienzellen im Herzen dieser Tiere nachzuweisen, während er andererseits Herz- stilltand in der Diastole bei Reizung des Herzens mittels des Induktionsstromes beobachtete. Diese interessante Erscheinung konnte er noch an einigen anderen Mollusken (Sepia, Aplysia, Salpa) be- stätigen. Meine zur Kontrolle der Foster’schen Beobachtungen unternommene Arbeit*) besteht aus zwei Abschnitten: 1. Die Muskulatur des Herzens und 2. die Herznerven. Da wir schon über den ersten Abschnitt berichtet haben, wollen wir nur hier den zweiten, die Herznerven, berühren: Die Vorhöfe bei Pecten maximus bestehen aus einem Muskelgeflecht, in welchem Zellen verschiedener Grösse liegen (Fig. 126). Diese Zellen bestehen aus einem körnigen Protoplasma, einem Kern und Kernkörpercehen, die sich in Pikro- karminammoniak rot färben. Ausserdem sieht man in der Zelle noch eine gelbe Masse, die nach diesem Farbstoff unverändert bleibt. Der grösste Teil dieser Zellen liest an der Grenze zwischen Vorhof und Ventrikel, zerstreut liegen sie auch in den übrigen Teilen der Vorhöfe; vereinzelt sieht man sie endlich auch an der äusseren Fläche des Ventrikels, namentlich in der Nähe der Vorhöfe. Ver- sleicht man die isolierten Nervenzellen aus dem Kiemenganglion 1) J. Dogiel, Die Muskeln und Nerven des Herzens bei einigen Mollusken. (Hierzu Taf. Va.) Arch. f. mikr. Anat. Bd. 14 S. 59. 1877. 2) W. B. Ransom, On the cardiac rhythm of invertebrata. Journ. of Physiol. Suppl. vol. 5. 1883. 3) M. Foster, Über einen besonderen Fall von Hemmungswirkung. Pflüger’s Arch. Bd.5 S. 191. 4) J. Dogiel, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 14 S. 59. 1877. 12 Joh. Dogiel: von Pecten maximus mit den beschriebenen Zellen aus den Vor- höfen desselben Tieres, so ist die Ähnlichkeit zwischen beiden Ge- bilden augenfällig. Der Unterschied besteht nur darin, dass die Ganglienzellen (Kiemenganglion) Fortsätze besitzen, während die Zellen aus den Vorhöfen apolar sind. Dabei glaube ich die letzteren als apolare Nervenzellen des Herzens von Pecten maximus ansehen zu müssen. Auf Fig. 15 bedeutet a das Herz, db den Vorhof, ce die Kiemen, d Branchialganglien bei Aplysia. An der Grenze des Vorhofs und der Kieme (c) bemerkt man eine gelbgefärbte Stelle, die bei der mikroskopischen Untersuchung eine Menge ähnlicher Zellen aufweist, wie sie im Ganglion (d) vorkommen und auf Fig. 16 abgebildet sind, mit dem Unterschiede jedoch, dass jene keine Fortsätze besitzen und kleiner sind als die Zellen aus dem Branchialganglion.. Auf Fig. 13 sieht man Ganglienzellen der Anadonte (Branchialganglion). und in Fig. 14 ist ein Teil der muskulösen Vorhofswand abgebildet mit den aufgelagerten Nerven- zellen. In dem Herzen der von mir untersuchten Mollusken: Pecten maximus, Aplysia und Anadonta befinden sich somit apolare Nerven- zellen, von denen höchstwahrscheinlich die Herzkontraktionen bei diesen Tieren abhängen. Aus den hier niedergelesten Beobachtungen folet, dass die Herzkontraktionen der von mir untersuchten Mollusken von dem Nervensystem beeinflusst werden, und dass in der quergestreiften Herzmuskulatur dieser Tiere apolare Nervenzellen eingelagert sind. Gegen die Ein- wendung von M. Foster und A.G. Dew-Smith!) (S. 319): „Die Mollusken brauchen weder Hemmungs- noch Beschleunigungsnerven. Und wenn die Einzelheiten von Dogiel’s Experimenten, in denen ihm Hemmung gelang, unzureichend sind, um uns ein bestimmtes Urteil darüber zu gestatten, so will uns doch bedünken, dass der von ihm beobachtete Hemmungsmechanismus nicht nervöser, sondern, wenn uns der Ausdruck erlaubt ist, hydraulischer Natur gewesen sei“, habe ich darauf hingewiesen ?), dass es mir gelungen war, im Herzen von Pecten maximus, Anadonta anatina und Aplysia Ganglien zu finden, was Darwin entgangen war, weshalb die Meinung von 1) M. Foster und A. G. Dew-Smith, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 14 S. 317. 1877. 2) J. Dogiel, Arch. £. mikr. Anat. Bd. 15 S. 95—97. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 73 Foster und Dew-Smith von der. „hydraulischen® und „nicht nervösen“ Natur der Hemmung hinfällig wird. In meiner Arbeit steht folgendes: „Reizt man mit dem Induktionsstrom das Branchialganglion, das bei Aplysia in der Nähe des Herzens liegt, so tritt eine Beschleunigung der Herz- kontraktionen ein; ein gleich starker Induktions- strom an die Vorhöfe appliziert, hat Herzstillstand in der Diastole zur Folge.“ Ausser den angeführten Autoren hat noch Carlson das Herz eines 15—20 em langen und 2,5 em dieken Arthropoden - Limulus untersucht!). An der Dorsalseite dieses Tieres (Ektokard) bemerkt man drei Nervenstränge, deren mittlerer ein in die Länge gezogenes Ganglion darstellt; die lateralen Stränge zeigen keine Ganglienzellen. Das Herz besteht aus neun Segmenten und enthält in der Muskel- substanz keinerlei Nerven oder Ganglien. Durchschneidet man nun das Herz selbst, mit Schonung der nervösen Stränge, so fahren die einzelnen Herzabschnitte fort in koordinierter Weise zu schlagen. Durchschneidet man die beiden lateralen Stränge ohne Verletzung des Mittelstranges und bei Integrität des Herzens, so hört die Koordination der Herzsegmente auf; ihre rhythmischen Kontraktionen dauern aber fort. Wird aber der mittlere Ganelienstrang entfernt, so verschwinden diese Kontraktionen. Dank der oberflächlichen Lage dieser drei Stränge, welche sie der gesonderten Experimentation zugänglich macht, vermochte Carlson klar nachzuweisen, dass die Leitung und Kontraktion der Erregungen im Herzen des Limulus ausschliesslich von den beiden letzteren Nervensträngen und nicht von der Muskelsubstanz besorgt wird. Dagegen beruht die Automatie des Herzens, d. h. die Erregung der rhythmischen Kontraktionen, auf den Funktionen des dorsomedialen ganglionären Stranges. Beim Frosche bilden die Hohlvenen zusammen mit den Lungen- venen den Herzsinus. Die Venae pulmonalis wird von beiden Seiten vom aus den Vagus- und Sympathicusfasern gebildeten Nervus cardiacus begleitet. Reizt man mit dem Induktionsstrom den letzteren, so erhält man Stillstand, der den Sinus bildenden Venen, des Sinus selbst, der Vorhöfe, des Ventrikels und des Bulbus arteriosus — kurzum es hören die rhythmischen Bewegungen der aufgezählten 1) A. J. Carlson, The nervous origin of the heart-beat in limulus and the nervous nature of coordination in the heart. Journ. of Physiol. vol. 12. 74 Joh. Dogiel: Herzteile auf. Einen ebensolchen Stillstand gibt die Reizung des an der Vorhofsscheidewand verlaufenden durchschnittenen Nerven, gleichviel ob das zu den Remak’schen oder das zu den Bidder- schen Knoten gehende Ende zereizt wird. Wird die Kammer und werden die Vorhöfe bis auf geringe mit dem Bulbus arteriosus zusammenhängende Reste jedoch so, dass sie mit den Remak’schen Knoten und dem Sinus durch die Vorhofsscheidewandnerven in Ver- bindung bleiben, entfernt und reizt man darauf das periphere Cardiacus- ende, so erhält man einen einige Minuten dauernden Stillstand des Bulbus arteriosus, während die Venen, welche den Sinus bilden, weiter pulsieren. Fast dasselbe Resultat erhält man durch Quetschung, d. h. mechanische Reizung; wird z. B. der Hohl- venensinus mit Schonung der Remak’schen Knoten gequetscht, so bleibt der Sinus still, während die Vorhöfe und die Kammer, wenn auch langsamer (18mal in der Minute), weiter pulsieren. Die Quetschung des oberen Teiles vom Vorhof, wo die Remak’schen Knoten sich befinden, gibt Stillstand der Vorhöfe, des Ventrikels und des Bulbus arteriosus, die der Atrioventrikulargrenze gibt zuerst einige starke, aber verlangsamte Kontraktionen, alsdann aber Still- stand des Ventrikels und des Bulbus arteriosus und Beschleunigung der Kontraktionen des Venensinus und der Atria [bis 72 mal in der Minute !)]. Letztere Erscheinung ist auf eine Erregung der Ganglien durch die an der Atrioventrikulargrenze mechanisch gereizten Nerven zurückzuführen. Privat-Doz. D. Polumordwinow°) hat die obige Versuchs- anordnung etwas modifiziert: gleich mir hob er die muskuläre Ver- bindung des Venensinus mit der Kammer dureh Trennung der Vor- hofswandung auf, liess aber die an der Vorhofsscheidewand zu der Kammer verlaufenden Nerven unversehrt. Reizte er den einen Vagus während des infolge der Durchtrennung der Vorhöfe eingetretenen Stillstandes, so sah er nach einer ziemlich geraumen Zeit (nach 5—30 Sek.) regel- mässige rhythmische Herztätigkeit sich wieder ein- stellen; letztere hielt sich nach der Einstellung der l) Eine eingehendere Schilderung der Resultate der elektrischen und mechanischen Herzreizung findet sich im Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 113 S. 16—20. 1906. 2) D. Polumordwinow, Über motorische Herznerven. Neurol. Bote Bd. 16 Lief. 2. Kasan 1909. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 7 Reizung noch einige Zeit, wurde dann allmählich seltener und schwächer und hörte wieder auf; die Wiederholung der Reizung hatte den gleichen Erfolg. Wurde ausser der Kammerbewegung noch die der Vorhöfe oder des Venensinus zugleich registriert, so bemerkte man, dass zu der- selben Zeit, wo die Kammer ihre Bewegungen unter dem Einfluss der Vagusreizung wieder aufnimmt, die oberen Herzteile im diastolischen Stillstand ver- harren. Diese interessante Beobachtung Polumordwinow’s kann gleichsam als Ergänzung zu meinen früheren und 1906 aufs neue wiederholten Versuchen mit dem Bulbus arteriosus aufgefasst werden. Ich hatte angegeben !), dass nach der Entfernung der Atria und der Kammer mit Zurücklassung der Vorhofsscheidewand, wobei der Bulbus arteriosus mit dem N. cardiacus (Vagosympathicus?) und ebenso durch Vermittelung der Vorhofsscheidewand mit dem Hohlvenensinus und den Remak’schen Knoten im Zusammenhang bleibt und demselben ein geringer Teil der Ventrikelwand anhaftet, die Reizung des peripheren Abschnitts des N. eardiacus durch den Induktionsstrom einen mehrere Minuten anhaltenden Stillstand des Bulbus arteriosus gibt. Dieser Versuch lässt sich mehrmals mit Erfolg wiederholen. Bei der Abtragung der Vorhöfe und der Kammer bleibt in der Nähe des Bulbus arteriosus stets ein geringer, dem Aortenbulbus anliegender Streifen der Vorhöfe zurück, und ebenso wird auch ein minimaler Teil des Ventrikels in der Gegend der Aortenklappen zurückgelassen. Hier ist auch zu notieren, dass der Stillstand des Bulbus arteriosus infolge der Reizung des N. cardiacus auch dann eintrat, wenn ausser den genannten Herzteilen auch eine der Atrioventrikularklappen entfernt worden war. Während des auf die Reizung des N. cardiacus erfolgenden Stillstandes des Bulbus arteriosus fahren die den Venensinus bildenden Hohlvenen fort, sich zu kontrahieren. In denjenigen Fällen, wo auf die Reizung des N. eardiacus kein Stillstand des Aortenbulbus, sondern nur eine Verlangsamung seiner Kontraktionen (bis auf 12 Schläge in der Minute) erfolgte, wurde eine Beschleunigung der Pulsschläge der Hohlvenen beobachtet, welche die Pulsschläge des Bulbus arteriosus um das Fünffache an Frequenz übertrafen. Somit sind meine wie 1) J. Dogiel und K. Archangelsky, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 113 >19 1906. 76 Joh. Dogiel: auch Polumordwinow’s Versuche mit Durchschneidung der Vor- höfe, Trennung der Kammer und des Bulbus arteriosus von den Vorhöfen, Beibehaltung des Zusammenhangs nur durch die Vorhofs- scheidewandnerven und darauffolgender Reizung des N. cardiacus ausgeführt worden. Die erzielten Resultate sprechen dafür, dass mit den Vorhofsscheidewandnerven motorische Bahnen verlaufen, welche rhythmische Kontraktionen des durch die Durchschneidung der Vorhöfe zum Stillstand gebrachten Ventrikels (Polumordwinow), Stillstand des Bulbus arteriosus und, nach der Einstellung der Reizung des N. cardiacus, Beschleunigung der Hohlvenen (3. Dogiel) auslösen können. L. Wooldridge!) versuchte die physiologische Rolle der an der Herzoberfläche, unter dem Epikardepithel verlaufenden Nerven des Hundeherzens festzustellen. Wie ich schon angegeben, werden dieselben gut bemerkbar nach der Behandlung des Herzens mit Phenol- oder 0,5°/oiger Essigsäurelösung. Diese Nerven sind in fünf Figuren auf einer Tafel dargestellt worden. „Der geschilderte Ursprung und Verlauf der Nerven vor dem Übergang auf die Kammer ist das Ergebnis sehr oft wiederholter und sorgfältiger Zer- gliederungen von Hundeleichen.“ Die Versuchstiere waren durch Tinet. opii narkotisiert, und es wurde künstliche Atmung eingeleitet. Es wurden von ihm die Nerven an der Ventrikeloberfläche durch- schnitten, möglichst isoliert und das periphere oder zentrale Ende mittels Induktionsstrom gereizt, wobei die Zahl der Herzkontraktionen und der Blutdruck in der Karotis vor, während und nach der Reizung notiert wurden. Vagus- und Acceleransreizung fand vor und nach der Durchschneidung der auf der Ventrikelfläche ver- laufenden Nerven statt; auch die Nerven rechts und links von der Pulmonalarterie wurden aufgesucht und durchschnitten. Wooldridge hat auch die Stannius’sche Ligatur wie am Froschherzen an- zulegen versucht: „ihr nächster Erfolg ist jedoch nicht immer der erwünschte“. Auch wurde er getäuscht in der Erwartung, „dass nach ringförmiger Zerquetschung der gesamten Vorhofswand (wie beim Frosch) unmittelbar über den Klappensegeln auch die Ventrikel des Säugetieres zum Stillstand gebracht wurden. Die Voraussicht 1) Dr. Leonard Wooldridge, Über die Funktion der Kammernerven des Säugetierherzens. Arch. du Bois-Reymond’s f. Anat. u. Physiol., phys. Abt. 1883 S. 522 (Tafel VII). nn Um m Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. un erwies sich als eine irrige; die Ventrikel setzen ebenso wie die Vor- höfe ihre Schläge fort, jeder jedoch in einem besonderen Takte“. Die Reizung der peripheren Nerven führten Wooldridge zum Schluss, „dass die hinteren ebenso wie die vorderen Kammernerven eines Einflusses auf den Rhythmus der Systolen entbehren“. „Auch in ihnen brachte die Reizung keine Veränderung in der Pulsfolge, wohl aber eine Steigerung des Blutdruckes hervor.“ Diese Tatsache veranlasst mich zur Annahme, dass im Hundeherzen ausser den depressorischen Nerven noch pressorische vorhanden sind, und dass letztere mit-den beschleunigenden Nerven verlaufen, wie J. Dogiel und K. Archangelsky!) es angeben: „li. Erster Zweig. Reizung des ersten über der Arterie liegenden unversehrten Zweiges ergab drei Effekte: 1. Frequenzzunahme der Herzkontraktionen, 2. Blutdruckerhöhung und 3. Pupillenerweiterung. Die Reizung des ersten (durchschnittenen) Zweiges nach oben hin, d. h. in der Richtung zum unteren Halsknoten, ergab zwei Effekte: 1. Frequenzzunahme der Herzkontraktionen und 2. Pupillen- erweiterung. Die Reizung des ersten Zweiges nach unten hin, d.h. in der Richtung zum Brustknoten, ergab einen Effekt: Blutdruck- erhöhung.“ Somit beweisen meine und die Wooldridge’schen Ver- suche, dass im Hundeherzen sensible Nerven vorhanden sind: pressorische, den Blutdruck erhöhende, uud die schon von C. Ludwig und Cyon entdeckten depressorischen, den Blutdruck herabsetzenden. Die pressorischen verlaufen mit den die Herztätigkeit beschleunigenden, die de- pressorischen mit den dieselbe verlangsamenden (Vagus-) Nerven. Beide, sowohl die pressorischen wie auch die de- pressorischen, bleiben bei ihrer Reizung in bezug auf die Herztätigkeit selbst indifferent. Das stimmt mit folgendem Schluss von Wooldridge überein: „Einstweilen werden wir uns mit der Aufklärung begnügen müssen, dass, wie die Reizung der sensiblen Nervenstämme nachweist, vom Herzen aus sehr mannigfaltige Reflexe erzielt werden können“ Gegenwärtig kann also auf Grund des bekannt gewordenen und teils hier vorgeführten Tatsachenmaterials mit voller Gewissheit be- 1) Io @; 718 Joh. Dogiel: hauptet werden, dass die Leitung, Koordination und Automatie der Herztätigkeit nicht allein von besonderen Eigenschaften seiner Muskulatur, sondern von seinem Nervenapparat abhängt. Kurzum, die Annahme der Anhänger der „myogenen“ Theorie der Herz- tätigkeit, dass die Erregung unmittelbar von Muskelzelle zur Muskel- zelle, ohne Mitbeteiligung der Nerven, geleitet wird, erweist sich als falsch. Die Automatie der Herzkontraktionen ist auf die Tätig- keit der Ganglien zurückzuführen. Wie jeder äussere Reiz durch Reflexwirkung von den sensiblen Nerven der Haut und des Darm- traktus, vom Gesichts-, Gehör-, Geruchs-, Geschlechtsorgan usw. die Herzarbeit beeinflussen kann, ebenso kann der komplizierte Nerven- apparat des Herzens durch Reflexwirkung von den sensiblen Herz- nerven, den depressorischen und pressorischen Fasern, das Herz veranlassen, den Blutdruck herabzusetzen oder zu erhöhen und Blutzirkulation im ganzen Organismus und im Herzen selbst zu verändern, wodurch es ermöglicht ist, auf die Atmung und den Stoffwechsel sowohl im Herzen wie in den übrigen Körperbezirken einzuwirken. Die Herzmuskulatur beantwortet jegliche — mechanische, chemisch-physikalische oder physiologische — Reizung der Nerven mit entsprechender Kontraktion oder Erschlaffung. Das Studium der Physiologie der Herztätigkeit muss Hand in Hand mit der anatomischen Erforschung dieses Organs gehen. Die Untersuchung der einzelnen Herzteile, die Klarlegung ihres Baues ist durchaus notwendig zum Verständnis seines ganzen komplizierten Mechanismus; aber die Erforschung der Tätigkeit der Herzspitze, der Kammerteile, der Vorhofsteile, des Herzohres, des Sinus oder der Hohlvenenteile ist undenkbar ohne Kenntnis des ganzen Herzbaues und ohne Zusammenhang mit den übrigen Körperteilen und erlaubt kein Urteil über das mannigfaltige Leben dieses Organs, dessen Tätig- keit mit dem Leben und Tätigkeit des ganzen Organismus aufs engste verbunden ist. Man kann sich z. B. eine präzis gehende Uhr aus dem besten Material und mit dem feinsten Mechanismus kon- struieren, und dennoch wird sie in Kasan, Nischny-Nowgorod und St. Petersburg verschiedene Zeiten zeigen, wenn der Besitzer dieser Uhr herumreist. Die geringste Verlängerung oder Verkürzung des Pendels verzögert oder beschleunigt den Gang einer Uhr an einem und demselben Orte. Das Herz ist eine Uhr, welche einmal auf- gezogen das ganze Leben lang, hundert und mehr Jahre, geht; der Mechanismus einer solchen Uhr muss so fein und kompliziert sein, Die Bedingungen der automatisch-rhytbmischen Herzkontraktionen. 79 dass man ihn mit keiner noch so komplizierten Uhr vergleichen kann. Das Herz des Embryo kann mit dem des Erwachsenen nicht verglichen werden, weil beide unter verschiedenen Bedingungen arbeiten und mit dem Wechsel der letzteren sich der Bau und die Funktion verändern. Das Herz der Säugetiere wird man also nicht als einen hohlen nur aus Muskeln bestehenden Körper, der auto- matisch erregt die Erregung vou Muskelzelle zur Muskelzelle ohne Vermittelung der Nerven leitet, angesehen werden. Ebenso unrichtig ist die Vorstellung, dass zum Herzen, als muskulösem Organ, nur von aussen Nerven gehen, welche es mit dem zentralen Nerven- system verbinden; denn diese Nerven können alle durchschnitten werden, und das Herz wird doch mit bestimmter Kraft und be- stimmten Rhythmus weiterschlagen. Falls man imstande wäre ausser den das Herz mit dem zentralen Nervensystem verbindenden Nerven auch den intrakardialen Nervenapparat auszuschliessen, dann erst könnte man sich ein Urteil bilden, inwiefern das Herz als Muskel automatisch und rhythmisch zu arbeiten vermag, voraus- gesetzt, dass die Muskulatur nach dieser Prozedur ihre normalen Eigenschaften beibehielte. Das hat aber noch niemand vermocht, und es ist wenig wahrscheinlich, dass man, von Menschen gar nicht zu reden, ein rhythmisch schlagendes Herz, das dem Nerveneinfluss ganz entzogen, erhalten kann. Man kann wohl durch Verhinderung des Blutzuflusses zu den Kranzarterier, ohne die Muskulatur des Herzens von den Nervenelementen zu isolieren, Verlangsamung, Stillstand oder unregelmässige Kontraktionen des Herzens bewirken, welche Erscheinungen mit der Wiederherstellung der Zirkulation ver- schwinden. Das der Brusthöhle entnommene und infolgedessen nicht pulsierende Herz fängt wieder an zu schlagen, wenn man durch seive Gefässe Blut oder eine Flüssigkeit von bestimmter Zusammensetzung und bis zur Körpertemperatur erwärmt unter einem bestimmten Druck fliessen lässt. Bekanntlich fällt der Blutdruck und beschleunigt sich die Herztätigkeit bei Blutentziehungen; hört der Aderlass auf, so hebt sich nach einer gewissen Zeit der Blutdruck, und das Herz schlägt langsamer und kräftiger. Diese Erscheinungen gelangten so oft zur Beobachtung, dass Marey glaubte, das Herz pulsiere stets langsamer bei erhöhtem und schneller bei niedrigem Blutdruck. Spritzt man jedoch eine kleine Dosis Atropin ins Blut, so geht der Blutdruck in die Höhe, während das Herz viel schneller schlägt; bei der Applikation von Strychnin hebt sich aber auch der Blut- Sl > Joh. Dogiel: druck, das Herz pulsiert jedoch bald langsamer, bald schneller. Folglich schlägt das Herz bei niedrigem Blutdruck schneller, bei erhöhtem langsamer, kann aber im letzteren Falle auch schneller oder bald schneller, bald langsamer arbeiten. Wird die Atmung behindert, so verändert sich die Herztätigkeit wegen Sauerstoffmangel oder Kohlensäureanhäufung im Blut: bald pulsiert das Herz lang- samer, bald schneller, die Kontraktionen werden bald kräftiger, bald schwächer, bald beobachtet man einzelne starke Zusammenziehungen; es stellt sich Arhythmie in bezug auf Frequenz und Kraft ein. So- bald die Atmung freigegeben wird, stellt sich die normale Herz- tätigkeit schnell wieder ein. Somit sehen wir, dass die Herztätigkeit abhängig ist von der Menge und Beschaffenheit des Blutes, An- wesenheit im letzteren fremder Reibemengungen oder Stoffwechsel- produkte, vom Ernährungszustande des Herzens selbst, von den Ver- änderungen des allgemeinen oder des kardialen Kreislaufs. Einige Stoffwechselprodukte, weil schädlich für den Organismus und speziell für das Herz, sollen schneller ausgeschieden werden, andere können dagegen sogar im gewissen Sinne nützlich für die Herztätigkeit sein. Auch die Menge und Bescharfenheit der Lymphe kann auf die Herz- arbeit nicht ohne Einfluss bleiben. Dem Herzen als muskulösen Organ kommt ausser der Kontraktilität noch Elastizität zu; ausser- dem hat auch das Sehnen- und Bindegewebe im Epi-, Myo- und Endokardium eine gewisse Bedeutung für die Blutzirkulation des Herzens beim erwachsenen Menschen und Tier. Fraglich ist die Existenz eines besonderen Muskelbündels, das die Vorhöfe mit den Kammern verbinden soll. Trotz der vielen Arbeiten ist weder sein Anfang, noch sein Ende, noch sein Bau bisher festgestellt worden Die Anhänger der myogenen Theorie der Herztätigkeit suchen noch immer dieses Bündel. In der Arbeit von His jun.!): „Die Tätigkeit des embryonalen Herzens und deren Bedeutung für die Lehre von der Herzbewegung beim Erwachsenen“ finden sich vier Abbildungen. Fig. 1: Frontalschnitt durch das Herz eines Haifisches (Mustelus laevis, neugeboren); Fig. 2: Sagittalschnitt durch das Herz eines ausgewachsenen Frosches; Fig. 3: Frontalschnitt durch das Herz einer ausgewachsenen Maus und Fig. 4: Sagittalschnitt durch die 'Atrioventrikulargrenze des Herzens eines menschlichen Neugeborenen. Alle diese Abbildungen sind aber zu sehr schematisch gehalten, und 1) His jun., Arbeiten aus der med. Klinik zu Leipzig S. 14, 15. 1893. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 8 es finden sich gar keine Beweise, dass: die durch Sternchen be- zeichneten Stellen durchaus ein Muskelbündel (das Übergangsbündel) ‘darstellen; es fehlen Angaben über seinen Bau und über sein- Ver- hältnis zum ‘Bindegewebe und ‘zu den Nervenelementen sowohl: im positiven wie auch im negativen Sinne. Über den Verlauf dieses Bündels gibt His jun. S. 23 an: „... nahe der Aorta, sich in einen rechten und in einen linken Schenkel gabelt, welch letzterer. in der Basis des Aortenzipfels der Mitralis endigt“. Aber Retzer, wie wir gesehen, sagt in dieser Hinsicht (l. e.): „Mit der Mitralklappe hat das Bündel nichts zu tun, auch konnte ich nicht den Befund von His jun. bestätigen, nachdem es bis zur hinteren Wand des rechten Vorhofs zu verfolgen ist. Das Bündel verschmilzt meinen Präparaten nach bereits vorher vollständig mit der Vorhofsmuskulatur, so dass sich keine Angaben über die weitere Verlaufsrichtung machen lassen.“ Ferner gibt His jun. selbst an: „Ob dieses Bündel wirklich die Erregung vom Vorhof zum Ventrikel leitet, kann ich nicht mit Sicherheit angeben, da ich bisher Durehtrennungsversuche an demselben nicht angestellt habe.“ Die schon angeführten Untersuchungen von Kronecker (l. ec.) und E. Paukul (I. ec.) haben aber in dieser Hinsicht negative Resultate gegeben. | Gegenwärtig. besitzen wir eine stattliche Anzahl anatomischer und physiologischer Untersuchungen, welche den Anteil des Nerven- systems an der Herztätigkeit klarlegen. Als definitiv festgestellt gilt die Existenz von Nerven, welche Verlangsamung der Herzschläge oder Stillstand des Herzens in Diastole (N. vagus), Beschleunigung der Herzkontraktionen (Nn. accelerantes) hervorrufen, die Sensibilität ‘des Herzens vermitteln (Nn. depressores et pressores), die Koronar- gefässe verengern und erweitern; und der Bewegung des Herzens dienen einzelne Nervenzellen und Nervenzellengruppen von ver- schiedener Grösse. Von der sensiblen Sphäre und von den Sinnes- orsanen aus kann das Herz reflektorisch beeinflusst werden. So ‚habe ich gezeigt, dass bei der Einatmung von Chloroform, Ammoniak usw. durch die Reizung der sensiblen Nerven der Atmungswege (Trigeminus usw.) Verlangsamung und Stillstand des Herzens in 'Diastole. erfolgt. Bekanntlich kann die Vokal- und Instrumental- musik die Energie der Muskelkontraktionen und das Nervensystem überhaupt beeinflussen. Auch die Atmung wird beschleunigt oder verlangsamt, je nachdem ein Allegro oder ein Andante gespielt wird. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 6 82 Joh. Dogiel: Geht man vom Dur zum: Moll im verlangsamten Tempo über, so bemerkt man, wie das Atmen beim Menschen seltener und tiefer wird, seine Muskulatur erschlafft und eine mehr wehmütigere Stimmung sich einstellt. Es war vorauszusehen, dass unter dem Einfluss der Musik auch die Herztätigkeit und die Blutzirkulation überhaupt alteriert werden muss. Tatsächlich ist es mir auch ge- lungen, die Berechtigung zu dieser Annahme durch: Versuche an Tieren und Beobachtungen an Menschen nachzuweisen, “Bei Tieren (Kaninchen, Katzen, Hunden) wurden der Blutdruck und die Herz- Fig. 61. M3 und M, ohne Resonator. NN: “ La - Arsen Fig. 62. M, und M, mit Resonator, dlys Reson Fig. 64. Sol; mit dem Resonator. schläge mittels des mit der Karotis verbundenen Manometers unter dem Einfluss von Pfiffen, vom Spiel mit der Flöte oder Klarinette registriert. Beim Menschen erhielt ich die Daten über den Blut- druck, die Frequenz, Kraft und Regelmässigkeit der Herzschläge und Atmung, über die Volumschwankungen der Hand mittels eines von mir etwas modifizierten Plethysmographen. . Auf diese Weise kann die Wirkung der Töne von verschiedener Intensität, Höhe, Klang- farbe, welche durch Stimmgabel mit und ohne Resonator oder auf Geigen, Flöten oder anderen Instrumenten hervorgebracht, auf die Herztätigkeit und die Blutzirkulation studiert werden. Der mit dem Plethysmographen verbundene Registrierapparat notiert auf die rotierende Trommel die unter dem Einfluss der verschiedenen von dem Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 83 Versuchsobjekt gut vernommenen Töne entstandenen Schwankungen des Blutdrucks, wie die folgenden Kurven es zeigen (Fig. 61—64). Fig. 65. Fig. 66. no Blutzirkulation-und Atmung vor der Reizung, op während der Reizung und pg nach der Reizung. Dabei konstatiert man die höchst interessante Erscheinung, dass djeselbe Note (M, moll) auf verschiedenen Instrumenten gespielt 6 * 34 Joh. Dogiele verschieden. die, Blutzirkulation beeinflusst, wie Fig. 65 es beweist, wo die Kurve abc während des Spiels (Ständchen von Schubert) auf der Geige, def auf der Klarinette, ghs auf der Flöte und klm auf der Pikkoloflöte; db, e, A, ! Anfang der Musik. Wird das Gehör des Menschen durch Pfiffe gereizt, so erhält man nicht nur Veränderung der Blutzirkulation, sondern auch der Atmung (Fig. 66). Somit sieht man, dass nicht allein die Höhe und Stärke des Tones, sondern auch die Klangfarbe, d. h. das Instrument, auf welchem dieses oder jenes musikalische Werk vorgetragen wird, einen Einfluss auf die Blutzirkulation ausübt. Ferner ist die Fig. 67. Die Kurve abcd demonstriert die Veränderungen der Blutzirkulation und der Atmung des tatarischen Laboratoriumsdieners Garif: ab vor, bc während und cd nach dem Anhören einer tatarischen Melodie auf der Flöte. Wirkung der Musik verschieden, wenn die Individuen verschiedener Nationalität ihre nationale Melodie oder eine fremde hören. So änderte sich die Blutzirkulation ganz anders, als mein Versuchsobjekt, ein Tatare, anstatt klassischer Musik eine tatarische Melodie anhörte (Fig. 67). Die nächsten Kurven (Fig. 68 und 69) demonstrieren die Wirkung einer kleinrussischen (Fig. 68) und einer jüdischen (Fig. 69) auf derselben Geige und von demselben Musiker gespielte Melodie auf einen jüdischen Studenten. Die nächste (Fig. 70) Kurve zeigt die Veränderung der Herz- tätigkeit unter dem Einfluss einer russischen Volksmelodie, „Lutschi- nuschka“, auf einen Russen. Der Diener Michailo gab an, dass er während dieser Melodie wehmütig bis auf Tränen gestimmt wurde und einen Druck in der Herzgegend verspürte. Derselbe war 35 Jahre alt, verheiratet, voll- kommen gesund, von kräftiger Konstitution und .beständigen Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 85 Charakters. Auch auf mich‘ hat‘ das Singen oder Spielen dieses melancholischen, gedehnten Volksliedes stets stark eingewirkt. Nieht ohne Interesse ist die Beobachtung, dass der Vortrag auf der Geige eines anderen lustigwilden Volksliedes „Komarinski“ bei 1 Die mittelst Plethysmographen erhaltene IT Kurve während der Musik. ıe Melodie auf der Geige gespielt. Kurve vor der Musik, Fig. 68. Kleinrussiscl einem Studenten Herzklopfen und Schweissabsonderung, bei einem anderen aber Neigung zum Lachen bewirkte. Von nicht ‚geringem Interesse sind ferner die Beobachtungen über die Veränderungen der’ Frequenz der Herzschläge und der Intensität und Höhe des ersten Herztones unter dem 8 - Joh, Dogiel: Einfluss der Musik. Als Versuchsobjekt diente ein etwas musikalischer, nervöser Student. Irgendwelche organische Veränderungen des Beide Versuche an einem 68 und 69 ein Jude. emselben Musiker wie Fig. 68. I Kurve vor der und demselben Tage. S| RS Fr 7 Alleg Musik, ZI Kurve während der Musik. Versuchsobjekt in Fig. Fig. 69. Jüdische Tanzmelodie auf derselben Geige von d Herzens waren nicht vorhanden; zeitweilig wurde der erste Herz- ton vom Geräusch begleitet, wie der Professor für Diagnostik A. N. Kazem-Beck,der die Güte hatte, das Behorchen des Herzens Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 87 zu übernehmen, es feststellte. Während der Versuche geschieht: die Auskultation mittels des Phonendoskop von Bazzi-Bianchi; der Versuch bestand darin, dass ein anderer Student in einiger Ent- AYYMHA, JYYUHYIMIKA LENTO MAESTOSO Sf. sme rzando. N f Poco ritard. e dim. - . Pr F Fig. 70. Russische Volksmelodie „Lutschinuschka“ auf der Geige. Versuchsobjekt Laboratoriumsdiener Michailo Semenow, ein Russe. fernung vom ersten auf gegebenes Zeichen einige Akkorde auf der Geige aus dem Stück „Souvenir de Moscou* par Wieniawski (Dissonanzen) spielte. : In dieser Richtung fanden einige Beobachtungen 88 Joh: Dogiel: statt. 1. Die Untersuchung -vor dem Spiel auf der Geige ergab, dass das Herz hundertmal in der Minute schlug, dabei bald läng- 3 br: a . Ss Nehme. S = ud: a 2. & > 2 S \ NNf. 7 NN NN \mfwr an nn R ie AN N \ \f Ant N is Zu Fig. 70 gehörig. ab Kurve vor der Musik, cd Kurve während der Musik. samer, bald schneller pulsierte. Keine Ver- änderungen in der Stärke der Herztöne. 2. Während des Spiels der Dissonanzen stieg die Zahl der Herzschläge auf 112 in 1 Min. 3. Wiederholung der ersten und zweiten Be- obachtung mit gleichem Resultat: vor dem Spiel 100, während desselben 112 Herzschläge in {1 Min. 4. Nochmalige Wiederholung der vorherigen Beobachtungen: vor dem Spiel 100, gleich zu Anfang während des Spiels 112, hernach und nach Aufhören des Spiels wieder 100 Herzschläge in 1 Min. 5. Wiederholung der früheren Beobachtungen nur mit dem Unterschiede, dass nun die Aufmerksamkeit ausschliesslich auf die Intensität und Höhe der Herztöne gerichtet wurde. Sowohl Professor A. N. Kazem-Beck wie auch der junge Mann, an welchem die Beobachtung stattfand, bemerkten, dass der erste Herzton während des Spiels höher war. Noch bevor ersterer seine Beobachtung verkündet hatte, erklärte der junge Mann, der selber Vioioncellist ist, dass er ganz deutlich vernommen habe, wie sein erster Herzton während des Spiels höher geworden sei. Wie ich mich an Hunden, Katzen und Kaninchen habe überzeugen können, wirkt die . Musik auch auf das Herz und die Blut- verteilung der Tiere. Während der Reizung des Gehörorgans der Hunde durch Pfeifen geht der in der Karotis gemessene Blutdruck in die Höhe, und das Herz schlägt schneller. Bei euraresierten Tieren ist die Wirkung des Pfiffes schwächer ausgesprochen, bleibt aber doch bestehen. Bei verschiedenen Hunderassen ist die Wirkung; verschieden: Pintscher und Rattenfänger reagieren stärker als andere Rassen. Es seien hier einige Daten aus den Versuchsprotokollen vorgeführt: Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 89 Pintscher; nicht vergiftet. Vor dem Pfiff: Zahl der Herzschläge in 10 Sek. = 20, Blutdruck = 130 mm He. Während des Pfeifens: Zahl der Herzschläge in 10 Sek. — 23, Blutdruck —= 204 mm He. Bald nach dem Versuch: ie Zahl der Herzschläge in 10 Sek. — 22, Blutdruck = 128 mın Hg. Derselbe Hund; Curare; künstliche Atmung; hierauf Strychnin (0,0005—0,001). Vor dem Pfiff: je Zahl der Herzschläge in 10 Sek. — 32, Blutdruck — 204 mm Hg. Während des Pfeifens: Zahl der Herzschläge in 10 Sek. = 39, Blutdruck — 214 mm He. Curare setzt die Empfindlichkeit des Gehörs herab; Strychnin verstärkt die Veränderungen der Herztätigkeit sogar bei curaresierten Tieren bei künstlicher Atmung. Eine starke Reizung des Gehör- organs durch. Pfeifen ruft ausser der verlangsamten oder be- schleunigten Herzarbeit zuweilen noch Kontraktion der Hinter- extremitätenmuskulatur hervor. Auch der Herzrhythmus wird ver- ändert. In allen von mir an Tieren in dieser Richtung ausgeführten Versuchen betrug die Beschleunigung von 6 bis 50 Schläge in 1 Min. Nieht alle Tiere erwiesen sich aber als gleich empfindlich für die Musik und das Pfeifen: bei Kaninchen und Katzen war die Beschleunigung der Herzschläge viel grösser als bei Hunden, und von letzteren reagierten Pintscher und Rattenfänger stärker als andere Rassen. Zur besseren Illustration des Gesagten will ich hier einige Kurven über die Veränderungen des Blutdrucks, der Herzschläge und der Atmung unter dem Einfluss des Pfeifens und Spiels auf der Klarinette und Flöte bei Menschen (mittels Plethysmographen) und bei Hunden und Katzen (mittels Kymographen) vorführen. Meine früheren!) und in der letzten Zeit wiederholten Versuche über die Wirkung der Musik auf Menschen und Tiere. lehren also; dass die Herztätigkeit, der Blutdruck und die Atmung durch Vermittelung des Gehörorgans Veränderungen erleiden, und dass hierbei die Tonhöhe, seine Intensität und seine Klang- farbe eine Rolle spielen. Stryehnin verstärkt, Chloroform und Curare schwächen die Empfindlichkeit des Gehörorgans; das letzte Mittel verhindert aber nicht ganz die Wirkung der Musik. Das curaresierte Tier ist dabei nicht fähig, sich zu be- 1) J. Dogiel, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt. 1880, S. 420 fi. 90 Joh. Dogiel: ER Fig. 71. Kurve des Blutdrucks, der Herzschläge und der Atmung eines unvergifteten Rattenfängers unter dem Einfluss des Pfeifens. Die Karotis mit dem Manometer und Kymographion verbunden. ab vor der Reizung, be während der Reizung. Fig. 72. Kurve des Blutdrucks, der Herzschläge und der Atmung eines Pintschers. Die Karotis mit dem Manometer und Kymographen verbunden. ab während des Spielens der zweiten Oktave auf der Flöte. 1 Fig. 73. Derselbe Hund, wie in Fig. 72, während der zweiten und dritten. Oktave. EN m : | b ! | c Fig. 74. Unvergiftete Katze; Art. carotis mit dem Manometer und Kymographen verbunden. abcd Kurve des Blutdrucks und der Herzschläge, be während des Pfeifens. Fig. 75. Dieselbe Katze, wie in Fig. 74, mit Strychnin vergiftet (0,0005 intravenös). de vor der Einverleibung des Strychnins, ef nach der Strychninapplikation N RE und während schwachen Pfeifens. Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 91 wegen, und die künstliche Atmung kann jeden Augenblick sistiert werden. Hierdurch ist es möglich, den Einfluss der Musik auf die Herztätigkeit und den Blutdruck unabhängig von der Atmung und den Muskelkontraktionen des Skeletts zu studieren. Unter dem Einfluss der Musik wird die Frequenz, der Rhythmus und die Kraft der Herzkontraktionen beim Menschen verändert und der erste Herzton höher. Diese Ver- änderungen verleihen der Musik nationale und soziale Fig. 76. Blutdruckkurve einer unvergifteten Katze während des Spielens (c d) auf der Klarinette der ersten Oktave. Art. carotis mit dem Manometer verbunden. Fig. 77. Dieselbe Katze, wie in Fig. 76, während die zweite und dritte Oktave auf der Klarinette gespielt wird (a b). Bedeutung. Die Wirkung der Musik auf das Menschen- und Tierherz findet ihre Erklärung erstens in der Wirkung der musikalischen Töne auf die peripheren Verzweigungen des Hörnerven im Ohr und zweitens in der Wirkung auf das Gehirn und verlängerte Mark; kurzum, wir haben es hier mit einem Reflex zu tun. Das Herz stellt einen integrierenden Teil des Gesamtorganismus dar: beide können ohne einander nicht weiter fortleben; jede Veränderung im Organismus verändert auch die Herztätigkeit und vice vera. Das Nervensystem bildet den Hauptmotor im Leben des Tier- organismus; von ihm gehen die Impulse zu jeder Bewegung im Organismus aus: die Atmung, Muskelarbeit, Absonderungen und 92 nn Joh. Dogiel: Ausscheidungen,, Blutzirkulation, Lymphbewegung, Stoffwechsel und, wie wir gesehen, die mannigfaltige Tätigkeit des Herzens — alles steht unter seinem Einfluss. Das Herz hat aber ausserdem noch seinen eigenen Nervenapparat, der es bewegt und seine Tätigkeit reguliert und aus Nervenzellen und Nervenfasern besteht. Gegenwärtig weiss doch jeder Histologe und Physiologe, dass in jedem Herzabschnitte des Menschen und der Tiere — in den den Sinus bildenden Hohl- venen, in den Vorhöfen und Herzohren, in der Kammer bis in die Spitze hinein (beim Kalbe), im Bulbus aortae (des Froschherzens) — eine gewisse Anzahl Nervenzellen und Nervengeflechte angetroffen werden, welche in bestimmter Beziehung zur Muskulatur der be- treffenden Herzteile stehen. Die Erregung wird von einem Herzteil zum andern durch Nerven und nicht von Muskelzelle zur Muskel- zelle ohne Beteiligung der Nerven vermittelt. Solange die Nerven- zellen und Nerven normal sind, teilen sie die Erregung der Muskulatur mit, und das Herz wird automatisch im bestimmten Rhythmus und mit bestimmter Kraft schlagen. Wir haben gesehen, dass die Reizung der sensiblen Nerven und des Gehörorgans reflektorisch die Herztätiekeit verändert. L. Musken behauptet am Schlusse (p. 350) seiner Untersuchung „Über Reflexe von der Herzkammer auf das Herz des Frosches“: „Diese Reflexe kommen zustande nicht in den Ganglienknoten des Herzens selbst, sondern ausschliesslich in den grossen Nervenzentren, wahrscheinlich in der Medulla oblongata.“ Der Autor motiviert diesen Schluss dadurch, dass nach der Zerstörung des Gehirns und Rückenmarks die früher erhaltenen Reflexe ausbleiben. Bis zu einem gewissen Grade mag Musken ja recht haben, nichtsdestoweniger bin ich auf Grund unserer Versuche mit K. Archangelsky (p. 16—18) überzeugt, dass beim Frosche die Reflexe gerade in den Ganglien- knoten des Herzens selbst und unabhängig von den grossen Nerven- zentren zustande kommen. Die Kontraktionen der Herzmuskulatur können wohl durch mechanische und chemisch-physikalische. Reize ausgelöst werden, aber bei normaler Herztätigkeit gehen der Herz- muskulatur motorische, hemmende und regulatorische Impulse von dem extra- und intrakardialen Nervensystem zu. Die mechanische Dehnung der Muskulatur durch den erhöhten Blutdruck, die erhöhte Bluttemperatur,. die verschiedene Blutbeschaffenheit wirkt zugleich auf Muskeln und Nerven des Herzens, wenn auch nicht. immer die Wirkung gleich stark und gleichen Charakters zu sein braucht. So Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 93 z. B. gibt die erhöhte Temperatur eine starke Beschleunigung der 'Herzschläge; gesellt man zu der Erregung der Muskeln und Nerven des Herzens noch die Reizung des Vagus mittelst Induktionsstroms, so erhält man eine noch stärkere Frequenz und Stillstand des ‚Herzens in Systole—Tetanus (Fig. 78, 79). Chemisch wird das Herz bei Menschen und Tieren durch die Zusammensetzung des Blutes beeinflusst: es kann der Sauerstoff ‚oder die Kohlensäure, die im Plasma gelösten anorganischen Körper oder die Stoffwechselprodukte und durch Speise und Trank oder Fig. 78. Diagramm des Froschherzens,. ab Diastole als Wirkung erhöhter Temperatur (40° C.), b Reizung mit dem Induktionsstrom, be ur ce Ein- stellung der Reizung; von rechts nach links. Fig. 79. Diagramm des De vom ne abcd von links nach rechts. C Herzarbeit während der unmittelbaren Reizung der Herzkammer mit dem Induktionsstrom, bCc Tetanus. Spiralenabstand des Induktoriums Gaiffe=5 cm; mittelgrosses Grenet’sches Element. als Arznei aufgenommene Substanzen hier zur Geltung kommen. Der für das Nervensystem und die Muskulatur des Herzens gleich nötige Sauerstoff verwandelt das venöse Blut in arterielles, besorgt die Oxydationsprozesse und erhöht die Erregbarkeit und Leitfähigkeit der Nervenelemente. Als Produkt der Oxydation verwandelt die Kohlensäure das arterielle Blut in venöses, es erregt zuerst auf eine kurze Zeit das Nervensystem; hernach nimmt die Erregbarkeit und Leitfähigkeit bis zur vollkommenen Empfindungslosiskeit ab, doch können letztere durch Sauerstoff wiederhergestellt werden. Die Kontraktionen der Herzmuskulatur sowie auch der Skelettmuskeln werden durch Kohlensäure zuerst verstärkt, dann geschwächt, so dass das Herz unter ihrem Einfluss in Diastole still steht. Atropin be- schleunigt die Herzschläge dadurch, dass es die hemmende Vagus- wirkung auf das Herz aufhebt; so gibt schon 0,001 gr Atropin beim euraresierten Hund bei künstlicher Atmung maximale Beschleunigung; ‚wird die Atmung sistiert, tritt volle Arhythmie auf: nach der Be- 94 Joh. Dogiel: schleunigung stellt sich Verlangsamung, welche mit starken Kon- traktionen abwechselt, ein, und hernach sieht man Verlangsamung mit sehr schwachen Zusammenziehungen, bis sich schliesslich voll- kommene Lähmung entwickelt. Muskarin verstärkt ad maximum die hemmende Vaguswirkung: das Herz steht in Diastole, wobei die Fähigkeit seiner Muskulatur zu Kontraktion nicht verloren ist: mechanische oder elektrische Reizung des Herzens löst eine Kon- traktion aus; wonach es wieder im diastolischen Stillstand verharrt. Die elektrische Reizung des Vagus bleibt effektlos. Schon eine ge- ringe Menge (0,001 g) Atropin ruft nicht allein die Herzkontraktionen wieder hervor, sondern beschleunigt sie noch bis ad maximum, wobei der Blutdruck in die Höhe geht. Wird jetzt der Vagus gereizt, so erhält man nicht mehr diastolischen Herzstillstand. Bekanntlich gehört der Vagus zu den motorischen Nerven des Magendarmkanals: bei der Reizung des peripheren Stumpfes des am Halse durch- schnittenen Vagus mittels Induktionsstroms, erhält man nicht nur Verlangsamung oder Stillstand des Herzens in Diastole, sondern auch lebhaftere Peristaltik des Darmkanals und Kontraktionen der Harn- blase. Nach der Applikation von 0,001 g Atropin gibt die Vagus- reizung keine verstärkte Peristaltik; der Darm erscheint erschlafft, kontrahiert sich aber lokal, wenn er mit Chlornatriumkristallen, mechanisch oder elektrisch gereizt wird, folglich ist nicht die Fähig- keit, sich zusammenzuziehen, erloschen, sondern die Übergabe der Erregung vom Vagus aus ist nur zeitweilig aufgehoben. Da das Herz nach Muskarin in Diastole still steht, wobei die Reizung des peripheren Vagusstumpfes effektlos bleibt, die Muskulatur aber auf einzelne mechanische nnd elektrische Reize die Fähigkeit zu ein- maligen Kontraktionen beibehält, so muss das Herz seine automatisch- rhythmischen Kontraktionen eingestellt haben, weil es keine Impulse dazu von ‘seinem motorisch-automatischen Nervenapparat — den Ganglien und Nerven bekommt. Erhöht man die Erregbarkeit und Leitfähigkeit dieses motorisch-automatischen Apparates durch Wärme, so erhält man auch vom unter dem Muskarineinfluss stehenden Herzen rhythmische Kontraktionen, und zwar so lange, bis die Erwärmung dauert. Das durch Muskarin zum Stillstand gebrachte Herz nimmt nach Atropineinspritzung ins Blut wieder seine automatischen Be- wegungen in einem sehr beschleunigten Tempo auf, so lange, bis das Atropin nicht wieder aus dem Blute ausgeschieden ist. Weder die Reizung des peripheren Vagusstumpfes noch die erneuerte Applikation Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 95 von Muskarin veranlasst Verlangsamung oder Stillstand des atro- ‚pinisierten Herzens, wohl aber kann man dasselbe langsamer schlagen lassen, wenn man es abkühlt. Solange die Abkühlung dauert, pulsiert das Herz langsamer, um hernach infolge der anhaltenden Atropinwirkung wieder lebhafter zu schlagen. Auch durch Diseitalin, das die Muskelarbeit des Herzens erhöht, infolge dessen die Impulse des motorisch-automatischen Apparates schwächer sein können, kann man das atropinisierte Herz langsamer schlagen lassen. Muskarin wirkt auch auf die glatte Irismuskulatur ein, indem es Pupillen- verengerung durch Verstärkung der Sphinkterkontraktion, im Ver- gleich zu dem weniger entwickelten Dilatator, infolge erhöhter ‚Tätigkeit der pupillenverengernden Nerven bewirkt. Es ist denkbar, dass das Muskarin den motorisch-automatischen Nervenapparat schwächt und die Kontraktilität der Herzmuskeln zugleich erhöht, jedoch nicht in dem Maasse, dass das Herz imstande wäre, rhythmisch ohne Beteiligung der Ganglien und Nerven zu pulsieren. Am Darm- kanal bewirkt das Muskarin verstärkte Peri- und Antiperistaltik, beeinflusst somit die glatte Darmmuskulatur stärker als die quer- gestreifte des Herzens; diese Wirkung wird durch die Vaguserregung noch erhöht, während das Atropin die Nervenganglien und Endigungen der im Vagus verlaufenden motorischen Bahnen in Untätigkeit versetzt, wie das am Herzen unter dem Muskarineinfluss zur Beobachtung gelangt. Toxische Dosen von KNO, töten Hunde durch Herzmuskel- lähmung, noch bevor die quergestreifte Skelettmuskulatur und die glatte Iris- und Darmmuskulatur gelähmt wird. Vor dem Eintritt der Lähmung durch KNO; stellt sich vollkommene Arhythmie der Herz- tätiekeit ein, wie sie bei der direkten Reizung mit starkem Induktions- ‚strom zur Beobachtung gelanst. Bei der Reizung des peripheren Vagusstumpfes tritt starke peristaltische Bewegung des Magendarm- kanals auf, bei solcher des zentralen Vagusstumpfes sieht man den Augapfel stark hervortreten und die Pupille sich maximal erweitern. Durch direkte Reizung der Skelettmuskeln mit dem Induktionsstrom ‚erhält man Kontraktionen derselben. Wir können also durch chemische Agentien die Tätigkeit in dieser oder jener Richtung verändern; kombinieren wir die chemische Wirkung mit der der Temperatur, so vermögen wir die verlangsamte Herztätigkeit zu beschleunigen oder die durch Atropin beschleunigte zu verlangsamen. Mit einem Alkaloid, dem Muskarin, können wir Herzstillstand in Diastole herbeiführen, mit einem anderen, dem Atropin, ein solches Herz maximal be- 96 Joh. Dogiel: schleunigt arbeiten lassen. Die chemische Beeinflussung des Herzens ist in der Hinsicht von grossem Interesse, dass sie uns erlaubt, durch Einwirkung auf den Nervenapparat des Herzens dasselbe zur Ruhe zu bringen, trotzdem ihre Muskulatur die Fähigkeit sich zu- sammenzuziehen bewahrt: da sie aber von den intrakardialen Nerven- knoten keine Impulse mehr erhält, so führt sie auch keine Kon- traktionen aus, d. h. die automatisch-rhythmischen Bewegungen hören auf, weil die Automatie sowohl wie der Rhythmus dem intrakardialen Nervenapparat und nicht der Herzmuskulatur zukommt. Das Atropin erregt den motorischen Nervenapparat und erhöht wahrscheinlich auch die Erregbarkeit der Herzmuskulatur für motorische Impulse seitens der intrakardialen Ganglien und Nerven, weshalb die Herz- schläge maximal beschleunigt erscheinen; ausserdem sistiert es die regulatorische Wirkung der intrakardialen Nerven. Die Durch- schneidung beider Vagi oder Vagosympathiei am Halse eines normalen, nicht mit Atropin vergifteten Tieres hat ebenfalls Beschleunigung der Herzkontraktionen zur Folge; mittels Atropin können wir aber eine solehe Durchschneidung im Herzen selbst vornehmen, solange nämlich das Mittel nicht aus dem Organismus ausgeschieden worden ist. Die Durchsehneidung nur eines Vagus oder Vagosympathicus bleibt ohne bemerkbare Wirkung auf die Herztätiekeit, weil im Herzen ja Faseraustausch beider Vagi stattfindet, folglich die Medulla oblongata, wo die hemmenden Vagusfasern ihren Ursprung haben, ihre regulierende Wirkung noch immer auf das Herz auszuüben ver- mag. Sind beide Vagi durchschnitten, so erhält man Verlangsamung ‘oder Stillstand des Herzens, wenn man den Hemmungsapparat im Herzen selbst mechanisch oder chemisch-physikalisch reizt oder die Reizung des peripheren Vagusstumpfes vornimmt. Gegenwärtig können wir ohne Durchschneidung beider Vagi am Halse den Zu- sammenhang des Gehirns mit dem Herzen aufheben, wenn wir auf eine bestimmte Strecke dieser Nerven mit Kokain, Nikotin, Kälte oder Hitze einwirken, wonach die Reizung des betreffenden Vagusabschnittes eine vollständige Abwesenheit der Erregbarkeit und Leitfähigkeit an dieser Stelle bei erhaltener Erregbarkeit und: Leitfähigkeit oberhalb und unterhalb wie im normalen Zustande des Nerven (Vagus) ergibt. Betrachtet man alles, was sich auf das Herz bezieht, sowohl vom anatomischen (makro- und mikroskopischen) Standpunkte als auch vom physiologischen Standpunkte aus, so muss man als Arzt und Biologe zum Schluss gelangen, dass das Herz ein untrennbarer Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 97 Teil des Gesamtorganismus ist, der ja im bestimmten Abhängigkeits- verhältnis vom: äusseren Milieu, in welchem er lebt, steht: vom Wasser, von der Luft mit ihrem Feuchtigkeitsgehalt, Zusammen- setzung, Druck und Bewegung, von der Temperatur, Sonne, Elek- trizität, vom Erdmagnetismus, Mond, von der Beschaffenheit des Festlandes, von der Erdbewegung um die Sonne, dem Erdleben und überhaupt vom Weltall. Ist dieser Zusammenhang auch etwas un- klar, so existiert er dennoch, und besteht das Leben des Weltalls in ewiger Bewegung, so müssen wir das Leben der Sonne, der Erde, des Menschen und des Herzens ebenfalls in Bewegung suchen. Assoziiert sich das Leben der Nervenzelle mit dem der Muskelzelle des Herzens, so äussert sich das auch durch Bewegung. Besitzt auch die Muskulatur des Herzens die Fähigkeit zur Kontraktion, so zieht es sich dennoch nicht ohne Beteiligung des Nervensystems, der Ganglien und Nerven, zusammen. Die letzteren können sich nicht gleich der Skelettmuskulatur kontrahieren, sind aber mit der Fähig- keit, sich zu erregen und die Erregung fortzuleiten ausgerüstet; erreicht die letztere die Muskeln, so ziehen sich diese zusammen. Tritt die Erregung: sich regelmässig wiederholend auf, gelangt also zum Muskel rhythmisch, so schlägt das Herz rhythmisch, und zwar so lange, bis die Erregung rhythmisch bleibt. Das Herz des Menschen und der Tiere besteht aber nicht allein aus Muskeln und Nerven; in ihm finden sich Blut- und Lymphgefässe, elastisches und Bindegewebe von verschiedener Beschaffenheit. Die Muskulatur der Vorhöfe verbreitet sich nicht auf die der Kammern; die Verbindung. zwischen den beiden Herzabschnitten kommt durch die Klappen und Sehnen der Papillarmuskeln, durch Blutgefässe und Nerven zustande. Jeder Herzteil des Menschen und der Säugetiere: die Einmündungs- stelle der Hohlvenen in den Vorhof, linker und rechter Vorhof, rechtes und linkes Herzrohr, Arcus aortae, Vena pulmonalis, rechte und linke Kammer, weist seine besondere Anordnung der Muskel- bündel auf. Jeder von den genannten Herzteilen ist mit Ganglien- zellen und Nerven ausgestattet. Die Koronararterien sind von Nerven umstrickt, in der Querfurche des Herzens, an der Atrioventrikular- grenze, wo die Koronararterie, die Vena coronaria magna, die Vena eordis media verlaufen, finden sich in Mengen Ganglien und Nerven- fasergeflechte. Die Herzmuskulatur des Menschen und einiger Tiere Sind reich. an Blutgefässen, welche in ihren Verzweigungen den Muskelbündeln folgen. ‘Das intrakardiale Nervensystem steht in Ver- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 7 98. Joh. Dogiel: bindung mit Gehirn und Rückenmark und dem sympathischen System. ' Das Herz lebt nicht nur für sich allein, sondern auch mit dem ganzen Organismus zusammen; es hat seine eigenen Gefässe, ist’ aber mit dem ganzen Gefässsystem aufs engste verknüpft. Durch das Blut kommt es nicht allein mit Sauerstoff und Kohlensäure, sondern auch mit den durch Lymphgefässe und Venen aufgenommenen Nährstoffen und den Stoffwechselprodukten des ganzen Organismus und seinen eigenen in Berührung. Bekanntlich steht die Entwick- lung des Herzens im bestimmten Verhältnis zu der Entwicklung der Atmungsorgane, weil ja der Sauerstoff der eingeatmeten Luft sowohl. für den Stoffwechsel wie auch zur Erhaltung der Erregbarkeit und Leitfähigkeit der Nervenelemente und der Kontraktilität der Mus- kulatur überhaupt und des Herzens insbesondere notwendig ist. Aus. dem Gesagten geht doch klar hervor, wie mannigfaltig die Be- dingungen für die automatisch-rhythmische Herztätigkeit sind: ausser‘ der konstant vorhandenen notwendigen Verbindung der Ganglien und Nerven mit den Muskelelementen des Herzens, muss man noch‘ mit unzähligen wechselnden Faktoren rechnen, wenn man im ge- gebenen Moment die Herzfunktion begreifen will. Die Kontraktion des Herzens und der Blut- und Lymphgefässe gehören zu den be- dingt konstanten und wechselnden Grössen. Die Herzkontraktion stellt eine Bewegungserscheinung einer Energie von bestimmter Spannung und Form dar. Sowohl die regelmässig-rhythmischen wie auch die unregelmässig-arhythmischen Kontraktionen stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Funktion, das teils mit dem Verhältnis verglichen werden könnte, welches zwischen der konstanten Grösse der Kreisperipherie und der wechselnden des Radius besteht. Be- zeichnet man die Kreisfläche mit X, den Radius mit R, so erhalten wir die für jeden Kreis gültige Formel X = scR?, in welcher X und R wechselnde, zz aber eine konstante Grösse darstellt. Hat der Radius jedesmal eine andere Grösse, welche willkürlich verändert werden kann, so verändert sich entsprechend die Grösse der Kreis- fläche; somit erscheint der Radius willkürlich veränderlich, die Kreisfläche aber veränderlich, weil abhängig vom Radius, also eine Funktion des Radius. Die Funktionen können ebenso mannigfaltig sein, wie die Grössen mannigfaltig unter sich verbunden sind; es kann nichtsdestoweniger von allgemeinen Eigenschaften der Funktionen die Rede sein. Stellt die Grösse y irgendeine Funktion der Grösse & dar, so bezeichmet man mathematisch das: y= f(x), y=F (x), Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 99 — p(z) usw. Es kommen Funktionen von zwei und mehr wechseln- den Grössen vor, wie z. B. der Gaszustand —= F' der Temperatur und des Druckes. Die Funktion des Herzens ist äusserst kompliziert, abhängig von konstanten und vielen inkonstanten Grössen: vom Blut und dessen Zusammensetzung, Temperatur, Druck, Strom- seschwindigkeit, Menge und Eigenschaften der Formelemente, Visko- sität; ebenso von der Lymphe usw. usw., von den Nährstoffen, welche in das Blut aufgenommen, von den Eigenschaften und der Menge der im Blute zirkulierenden Stoffwechselprodukte. von den Atmungsorganen, deren Rhythmus, Kraft, von der Menge des ins Blut aufgenommenen Sauerstoffs und der Kohlensäure, von den Se- und Exkreten, von der Arbeit der Skelett- muskulatur, vom verschiedenartigen Einfluss der sensiblen und motorischen Nerven. Infolgedessen kann man nur nach eingehender Erwägung der konstanten und inkonstanten Grössen im gegebenen Moment der Herztätigkeit annähernd von den Bedingungen der automatischen und rhythmischen Kontraktionen des Herzens reden. Es unterliegt aber gegenwärtig wohl keinem Zweifel mehr, dass die Automatie und der Rhythmus der Herzkontraktionen hauptsächlich an die Verknüpfung der Ganglien und Nerven mit der Muskulatur der verschiedenen Herzteile des Menschen, der Säugetiere, der Vögel, Reptilien und Amphibien, des Flusskrebses, der Fische, Mollusken und Arthropoden (Limulus) gebunden ist, wie es anatomische und physiologische Daten dartun. Ein ebensolches Verhältnis der Ganglien und Nerven zu der Muskulatur, wie beim Herzen, besteht am Darm und an den Ureteren. Übersicht. 1. Die automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen des Menschen und der Tiere sind an das Vorhandensein von Ganglien und Nerven, unter deren Wirkung die Herzmuskulatur steht, gebunden. 2. Bei Menschen und einigen Tieren sind die Vorhöfe mit den Herzkammern durch die Sehnen der Papillarmuskeln zu den Klappen, durch Nerven, Blut- und Lymphgefässe verbunden. 3. Die Existenz des His jun.’schen Bündels, das die Vorhöfe mit den Herzkammern erwachsener Menschen, Hunde usw. verbinden soll, ist zweifelhaft und vielleicht als ein Überbleibsel unvollständiger Degeneration der Muskulaturblätter im Bindegewebe (Chordae tendinea) anzusehen. Sein Anfang, sein Verlauf und seine Endigungsweise in Ti 100 Joh. Dogiel: der Kammermuskulatur bleibt unaufgeklärt; der Bau eines solchen nervenlosen Muskelbündels, seine Beziehungen zu den Nerven, dem Bindegewebe und zu der übrigen Herzmuskulatur ist anatomisch und physiologisch unerforscht. Die Richtung der Muskelbündel an dem Kammer- und Vorhofsring bei Menschen, Hunden oder Fröschen spricht ebenfalls gegen die Existenz eines derartigen Muskelbündels. 4. Die automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen sind durch die Verbindung der Muskulatur mit automatischen Ganglien und Nerven bedingt; eine ebensolche Assoziation der letzteren mit glatten Muskeln findet sich in den Ureteren und im Darme der Säugetiere, bei welchen diese Organe peristaltische Bewegungen ausführten. 5. Die Verbindung des Herzens beim Menschen durch Nerven mit dem Gehirn, Rückenmark und dem sympathischen Nervensystem ermöglicht die mannigfachsten Veränderungen der Herztätigkeit durch Reflexe: durch Übermittlung der Erregung der Sinnesorgane und des Kreislaufs überhaupt und der Zirkulation in den Herzgefässen insbesondere. 6. Das Herz des Menschen und der Tiere besitzt einen vom Gehirn und Rückenmark unabhängigen automatisch - motorischen Nervenapparat, welcher aus miteinander anastomosierenden Ganglien und Nerven besteht. Im Herzen von Menschen und Tieren findet sich ein eigener, seine Tätigkeit regulierender Nervenapparat, welcher aus dem den Blutdruck herabsetzenden Depressor und dem den- selben erhöhenden Pressor und aus einem bewegungshemmenden und motorischen Nervenapparat zusammengesetzt ist. 7. Die Reflexe auf das Froschherz kommen nicht, wie J. Muskens glaubt, „ausschliesslich in den grossen Nervenzentren, wahrscheinlich in Medulla oblongata“, sondern auch in den Ganglienknoten des Herzens selbst zustande. 8. Die Erregung des Gehörorgans durch einen Ton von be- stimmter Höhe bewirkt reflektorisch Verstärkung des ersten Herz- tones. Der Einfluss der Musik auf die Herztätiekeit steht im Abhängigkeitsverhältnis zur Nationalität und Kulturzustand des Menschen. 9. Unter der Wirkung einer allmählichen Temperaturerhöhung beschleunigt sich die Herztätigkeit, während allmähliche Herabsetzung der Temperatur sie verlangsamt. Andauernde hohe Temperatur be- wirkt Herzstillstand in Diastole (beim Frosch); andauernde Abkühlung Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 101 des Herzens hat ebenfalls Herzstillstand in Diastole zur Folge. Wirkt auf das durch Wärme zum Stillstand gebrachte Herz plötzlich starke Kälte ein, so erhält man zuerst eine kurzdauernde Be- schleunigung, alsdann aber allmähliche Verlangsamung der Kon- traktionen; beim schroffen Übergang zur Reizung mit hoher Temperatur auf das durch Kälte langsam schlagende Herz sieht man zuerst eine noch bedeutendere Verlangsamung und alsdann erst eine Beschleunigung der Herzkontraktionen sich einstellen. 10. Die Veränderungen der Stromgeschwindigkeit des Blutes, des Blutdrucks, der Viskosität des Blutes in den Koronargefässen, ebenso auch die Menge und Beschaffenheit der Lymphe übt einen Einfluss auf die Frequenz und Kraft der Herztätigkeit wegen der srösseren oder geringeren Energie der Nervenelemente und Fähigkeit der Muskulatur zu Kontraktionen. 11. Das Herz des Menschen und der Tiere führt ein eigenes Leben, nimmt aber notwendigerweise auch am Leben des Gesamt- organismus teil, das unter dem Einfluss der Feuchtigkeit, Temperatur und des Druckes der Luft, der Insolation und überhaupt des äusseren Milieus steht, so dass das Herz ein äusserst empfindliches Reagens auf die Schwankungen des Thermometers, des Barometers, der klimatischen und kosmischen Vorgänge darstellt. 12. Bei Mollusken und Arthropoden, bei welchen die Muskulatur und die Ganglienknoten und Nerven des Herzens so verteilt sind, dass sie leicht getrennt werden können (z. B. bei Limulus, nach Carlson), aber auch bei anderen Tieren (bei Fröschen nach den Versuchen von J. Dogiel und D. Polumordwinow), durch eine Reihe von Durchtrennungen gelinst es, klar die Abhängiskeit der Automatie und des Rhythmus des Herzens von seinen Ganglienknoten, den motorischen Nervenelementen, nachzuweisen. 13. Die Ergebnisse der anatomischen Untersuchung über die Ganglien in den Ureteren (A. Dosiel, J. Dogiel, Protopopow), die Ganglien und Nerven der Darmwand (Meissner, Auerbach), die physiologischen Versuche von Magnus und die anatomisch- physiologischen Daten über Limax (von Biedermann) liefern voll- gültige Beweise, dass auch bei der glatten Muskulatur die Erregung und Leitung nicht von der Muskelzelle zur Muskelzelle, sondern von den Ganglien und Nerven zu den Muskeln geht. 14. Die Herzmuskulatur ist ebenso wie die Skelettmuskulatur der direkten, nicht von den Nerven vermittelten Einwirkung der 103 Joh. Dogiel: im Blute zirkulierenden Stoffwechselprodukte, Arzneimittel und Gifte erlegen. 15. Der durch Muskarin bewirkte diastolische Herzstillstand ist die Folge des verstärkten Vaguseinflusses — des die motorischen Nervenelemente des Herzens hemmenden Apparates. Die auf Atropin erfolgende Beschleunigung der Herztätigkeit ist durch Vagusparese im Herzen und Prävalenz der intrakardialen Nervenzellen zu er- klären. 16. Die dureh Atropin bewirkte Beschleunigung der Herztätig- keit bei Menschen, Hunden und Fröschen wird durch Digalen oder durch Abkühlung (8&—12° C.) verlangsamt. Der durch Muskarin bewirkte diastolische Herzstillstand macht nach der Anwendung von Wärme (30—42 ° C.) einer Beschleunigung Platz. 17. Die Herzmuskeln verfallen gleich den Skelettmuskeln unter gewissen Bedingungen dem Starrkrampf (Tetanus). Erklärung zur Tafel 1, II und II. Tafel l. Fig. 1. Ein mächtiger Nervenknoten von der Atrioventrikulargrenze des Hunde- herzens. Derselbe ist aus zahlreichen Nervenzellen und Nervenfasern, welche in verschiedenen Richtungen teils über das Ganglion selbst zum Vorhof und zum Ventrikel gehen. g Ganglion, nn Fortsätze aus dem Ganglion. 1%/oige Osmiumsäure. Hartn. Obj. 4, Ok. 3, Tubus ausgezogen. Fig. 2. Ein ebensolcher Nervenknoten aus demselben Hundeherzen mit Fort- sätzen aus Nervenfaserbündeln. 99 Ganglion, 1%oige Osmiumsäure. Leitz Obj. 3, Ok. 4, Tubus ausgezogen. Fig. 3. Nervenfaserbündel teils auf dem Atrium (n A), teils auf dem Ventrikel (nV) an der Vorhofskammergrenze verlaufend und unter sich im Faseraus- tausch (nf) stehend. Dasselbe Hundeherz wie in den vorhergehenden Figuren. 1°/oige Osmiumsäure. Hartn. Obj. 4, Ok. 3, Tubus ausgezogen. Fig. 4. Nervenknoten aus der Ventrikelspitze des Kalbsherzens. Derselbe be- steht aus grossen Nervenzellen aa, und a,,, 9 Ganglion in Verbindung mit Nervenfaserbündeln (nf), welche sich in der Muskulatur (mm), in der das Ganglion enthalten ist, verteilen. 1°oige Osmiumsäure. Leitz Obj. 6, Ok. 4, Tubus bis zum 20. Teilstrich ausgezogen. Fig. 5. Eine Gruppe von Nervenzellen ein Ganglion (c) an der Ventrikelspitze des Kalbsherzens bildend mit Nervenfasern (nn) und Nervenfaserbündel (r f) vom Nervenstamm (N). 1°oige Osmiumsäure, Leitz Obj. 6, Ok. 3, Tubus bis zum 17. Teilstrich ausgezogen. Pflüger's Archiv für die ges. Physiologie. Bd. 185. Tafel I. Verlag von Martin Hager, Bonn. Tarıne Pflüger’s Archiv f.d.ges. Physiologie. Bd.135. Fig.ß. Lith. Anst.v-F.Wirtz Darmstadt. Verlag v.Martin. Hager. Bonn. e N Wernkgzah :@ Pflüger’s Archiv für die ges. Physiologie. Bd. 188. rare] Verlag von Martin Hager, Bonn. Rönımler & Jonas, Dresden, Ton Be " a N % Er = % En hr Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen. 103 Fig. 6. Ein grösseres und ein kleineres längliches Ganglion (g,), Nervenstamm (N) und Nervenfasern (nf) aus der Ventrikelspitze desselben Kalbsherzens wie in vorhergehenden Figuren. 1%oige Osmiumsäure. Leitz Obj. 6, Ok. 3, Tubus bis zum 17. Teilstrich ausgezogen. Fig. 7. Zwei Gruppen von Nervenzellen aus 3 (c) und 7 (c) Zellen bestehend, welche in einiger Entfernung voneinander im Nervenfaserbündel (nf) und im Nervenstamm (N) an der Ventrikelspitze des Kalbsherzens gelagert sind. 1%oige Osmiumsäure. Leitz Obj. 6, Ok. 3, Tubus eingeschoben. Tafel 1. Fig. 8. Endokardiumfläche des Herzventrikels vom Kalbe; unter dem Epithel (ee) bemerkt man die Verzweigungen feinster Nervenfibrillen (fn fn). 2 oige Lösung von Methylenblau in der Ringer’schen Flüssigkeit; im molybden- sauren Ammoniak fixiert. Leitz Obj. 3, Ok. 4, Tubus ganz ausgezogen. Fig. 9. Ein Bündel feinster Nervenfibrillen (nf nf) unter dem Epithel des Endo- kardiogsramm von der Herzkammer des Kalbes. 2°/oige Lösung von Methylen- blau in der Ringer’schen Flüssigkeit; fixiert im molydensauren Ammonium. Leitz Obj. 3, Ok. 4, Tubus ganz ausgezogen. Tafel I. Fig. 10. Kalbsherz in normaler Grösse mit einem Teil der grossen Gefässstämme (V) und einem Teil der Koronargefässe (vv). Durch Behandlung mit 5%/oiger Phenollösung sind die Nerven an der Herzoberfläche sichtbar geworden (nn). aa’ Herzohren, f Fettablagerung. Ebenso treten die Nerven hervor nach der Behandlung der Herzen vom Kalb, Hunde, Kaninchen usw. mit 0,2°%/oiger Essigsäurelösung. 104 Heinrich Gerhartz: (Aus dem tierphysiologischen Institut der kgl. landw. Hochschule zu Berlin.) Experimentelle Wachstumsstudien. Von Heinrich Gerhartz. Inhaltsübersicht. oh Einleitung‘ 27.0.2 anche De EEE ER el De LAN ER 105—112 Untersuchungen über den Energiebedarf des Säuglings (Hund) I. Bestimmung des gesamten täglichen Energiebedarfs bei Hunden derAl._—3.. Lebenswocher .. „u me u 2 ee 112—130 A. Viersuchsreiheplk. „a we en 113—121 Anhang. Ableitung des Erhaltungsbedarfs erwachsener Hunde 119—120 B...Versuchsreiheäll ..x..3.. opera ee 122—129 Anhang. Chemische Zusammensetzung der Hundemilch . . 129 II. Spezifizierung der gesamten Energiezufuhr . »..»..»....... 150—170 A. Differenzierung des Energiebedarfs vermittels direkter Be- stimmung.des Ansatzes 130—141 [Chemische Zusammensetzung von Hund Nr. I (S. 136—138) und Nr. II (S. 131—134) und Kontrolle am Hund Nr. IV (S. 134—136)] B. Differenzierung des Energiebedarfs vermittels experimenteller Bestimmung des Erhaltungsbedarfs. -. -.... . 2.22... 142—153 1. Untersuchungen am mit Muttermilch gefütterten Hund. . 142—-145 2. Untersuchungen an mit Kuhmilch gefütterten Hunden . . 145—150 3. Beziehungen des Erhaltungsbedarfs zur Oberfläche .. . 151—152 4. Vergleichende Untersuchung der Wertigkeit von arteigener und artfremder Milch in energetischer Beziehung 150—151 u. 165—166 5. Über die Natur des Ansatzes(Brennwert, Stickstoffverwertung, Organausbau) ... - 2. en. 154—161 6. Altersveränderungen chemischer Natur am Organismus . 167—170 Anhang. a) Chemische Untersuchung der Kuhmilh ....... 146—147 b) Chemische Untersuchung der Sahne-Milch ...... 147—148 c) Zusammensetzung des mit Kuhmilch gefütterten Hundes Nr. VI... te. ler a ee er 154— 156 Experimentelle Wachstumsstudien. 105 Einleitung. Jede physiologische Untersuchung über das Wachstum hat mit der Tatsache zu rechnen, dass der Ausbau des Organismus nicht gleich- mässig durch Apposition von Nährstoffen zu einer spezifischen, nach Art und Individuum verschiedenen Maximalgrösse erfolgt, sondern dass dauernd ebenso spezifische Veränderungen der Körperzusammen- setzung statthaben. Organe, die während der frühesten Entwicklungs- stufe einen wesentlichen Faktor bedeuten, werden im ausgereiften Organismus bedeutungslos.. Da nun die einzelnen Organe eine ver- schiedene chemische Zusammensetzung besitzen, folgt, dass zu ver- schiedenen Zeiten andere Organe im Vordergrunde der intensivsten Stoffumsetzungen stehen. Sie verlangen naturgemäss einen zeitlich wechselnden Bedarf an bestimmten Nährstoffen. Um ein Beispiel zu nehmen: Es ist ein anderes, ob, wie es zZ. B. beim Gehenlernen geschieht, im wesentlichen stickstofffreie Muskulatur gebildet wird, ob die Leber mit ihrem geringeren Stick- stoffgehalt und ihrem Reichtum an Glykogen an Masse zurücktritt, oder ob, wie es beim menschlichen Fötus des fünften Monats der Fall ist, vorwiegend Fett in das bis dahin fettfreie Unterhautzell- gewebe sich ablagert. Ich werde nachher bei der Mitteilung meines Materiales Organ- gewichtsdaten aus verschiedenen Lebensepochen bringen, welche weitere Beispiele für den Umfang, in welchem die Organgrösse dem Wechsel unterliegt, liefern. Es ist wohl unzweifelhaft, dass die genannten differierenden An- sprüche an die Nährstoffzufuhr quantitativ in der Summe des durch die Lebensleistung bedingten Energiebedarfs wenig in die Wagschale fallen. So konnte es kommen, dass die Bedeutung der artspezi- fischen Umsetzungen gegenüber dem viel grösseren Stoffverbrauch, welcher durch die energetischen Bedürfnisse bedingt ist, verkannt und mit der materiellen Auffassung der Ernährungsprozesse, wie sie vor der Einführung der energetischen Auffassung bestand, identifiziert wurde. So schreibt Rubner'): „Ich stelle die Frage zur Diskussion, Materie oder Energie“ — und interpretiert die Schlag- worte: „Wenn in den Organismen Materie verbraucht wird und Energie freigemacht wird, ist es ebenso berechtigt zu denken, dass die 1) M. Rubner, Kraft und Stoff im Haushalt des Lebens. Verhandl. d. Gesellsch. d. Naturf. u. Ärzte 80. Versamml. zu Köln I. Teil. Leipzig 1909. 106 Heinrich Gerhartz: Materie notwendig ist und: nebenbei Energie frei wird, wie um- gekehrt, dass die Energie gebraucht wird und deshalb Materie in chemische Energie sich umzuwandeln hat.“ Ich meine, dass diese Gegensätze nicht die Frage, Materie oder Energie, erschöpfen, Sie würden es, wenn der Organismus mit einer Maschine identisch wäre, bei der es gleichgültig ist, wie sie geheizt wird, ob mit Holz oder Kohle, wenn nur dem Gesetz der isodynamen Vertretung, dass „die ‚Gewichtsmengen der Stoffe, welche imstande sind, die gleiche Lebens- leistung zu erzielen, genau derselben Kalorienmenge entsprechen“, Geltung verschafft ist. Im Organismus tritt aber neben diese energetischen Gesichts- punkte eine für die Stoffwechselvorgänge wesentliche Komponente, die durch die spezifische Natur der einzelnen Arten und Individuen der lebendigen Organisationen repräsentiert wird und sich sowohl auf die quantitative und qualitative Anlagerung chemischer Substanz, wie .auf die Intensität der gesamten energetischen Vorgänge bezieht. Tabelle. Beziehung zwischen Lebendgewicht und Augenöffnung bei Hunden in den ersten Lebenstagen. Geburts- Gewicht Differenz Gewicht Reihenfolge Nummer gewicht are me vermehrt der Anger & M 8 0/0 lidöffnung I 390 978 228 65 VI 101 320 | 519 199 62 II III 290 | 500 210 12 ETW. IV 230 590 270 | 96 V V 280 | 39 258 92. I NL 270 518 248 92 I vu 200 397 197 98,9 Vu Wäre das nicht der Fall, so wäre es unverständlich, dass die assimilatorische Kraft des Organismus und die Organausbildung nicht miteinander zusammengehen. Ich teile in Tabelle 1 hierfür ein Bei- spiel, das ich noch durch Daten aus einer anderen Versuchsreihe stützen könnte, mit. In dieser Tabelle ist die Schnelligkeit, mit der die Augenlidspaltung vor sich geht, mit dem Geburtsgewicht und dem Anwuchs gleicher junger, von der Mutter ernährter Hunde des- selben Wurfes verglichen. Es ist unschwer das Fehlen jeder Paral- lelität zu verkennen. Die Ursache ist klar. In dem Ablauf der Experimentelle Wachstumsstudien. 107 Körpergewichtskurve ist eben im wesentlichen die Fähigkeit des Organismus, Nährstoffe zu verarbeiten und additiv an gleichartige anzulagern, die nur zum Teil durch die Schnelligkeit des Zelllebens bzw. der Zellteilungsvorgänge bedingt wird, repräsentiert, in der Sehnelliekeit des Organausbaues dagegen die durchaus spezifische Intensität der Wachstumsvorgänge, die auf einen Überschuss an Energie nicht antwortet. Tabelle 2. Erhaltungs- und Anwuchsbedarf pro 1 g während der Regeneration. enmer Erhaltungsbedarf ' Anwuchsbedarf Körpergewichts- Cal. Cal.prolgZuwachs; anstiegwinkel x 33 3,2 680 = 1,7 4,4 690 II 17 6,0 629 IV 3,6 4,9 690 Es ist von Interesse, diese Verhältnisse auch da zu beobachten, wo die gegenseitige Verschiebung der beiden Komponenten, der energe- tischen, durch die Grösse der Zufuhr und der Leistungen bedingten, ‘und der Reifungsarbeit noch deutlicher zutage treten muss, bei der Regeneration des Körperbestandes nach Hunger. In Tabelle 2 ist meiner ersten Mitteilung!) ein Beispiel entnommen, das zeigt, dass Erhaltungs- ‚bedarf und Anwuchsbedarf pro 1 g weder einander noch dem Ablauf der Körpergewichtskurve parallel gehen. Auch dieses FExempel ist verständlich. Es sind hier Reparationsvorgänge im Spiele gewesen, bei denen es eher auf den durch die spezifische Natur des betreffenden Organismus erforderten Ansatz an Stickstoff als lediglich auf die Grösse des zuzuführenden Energiewertes ankam, so dass das Beispiel zeigt, dass der jeweilige Ernährungszustand neben dem Entwicklungs- status des Organismus bei der Bemessung der Höhe der Energie- zufuhr und ihrer Komponenten eine ausschlaggebende Rolle spielt und nur bei normalem Ablauf der Ernährungsverhältnisse die spezi- fische Komponente erkennbar wird. Daraus folgt nun auch ohne weiteres, dass den beim wachsenden Organismus für den gesamten Energieaufwand in Betracht kommenden beiden Anteilen des Er- 1)H. Gerhartz, Zur Physiologie des Wachstums. Biochem. Zeitschr. Bd. 12 S. 113. 1908. 108 Heinrich Gerhartz: haltungs- und Anwuchsbedarfs eine verschiedene Dignität insofern zukommt, als die Bemessung des Erhaltungsbedarfs in überwiegendem Masse unter dem Einflusse der Leistungen, die des Anwuchsbedarfs vorwiegend unter dem Einflusse der jeweiligen für den artspezifischen Ausbau des Organismus geltenden Prinzipien steht, und dass für eine Betrachtung der Energieverhältnisse des wachsenden Organismus eine direkte experimentelle Spezifizierung nach diesen beiden ge- nannten Faktoren als notwendig sich herausstellt. Diese Forderung erweist sich als um so unabweisbarer, als sich bei meinen früheren Untersuchungen herausgestellt hatte, dass „der Erhaltungsbedarf für den wachsenden Hund“ — von dem hier, weil er das bequemste und beste Versuchstier ist, in erster Reihe die Rede sein soll — „Dicht eine einfache und genaue Funktion der jeweiligen Grösse der aus dem Körpergewicht in der üblichen Weise abgeleiteten Körper- oberfläche ist), sondern in jedem Falle eigens bestimmt werden muss. Bevor die experimentelle Ableitung des Totalenergieaufwandes wie die experimentelle Differenzierung desselben für den Säugling und den Erwachsenen am Hund vorgenommen wird, wünsche ich den Begriff des hier hineinspielenden Artspezifischen der Stoffwechsel- vorgänge, wie ich ihn nach meinen Beobachtungen auffasse, und wie er den späteren Ausführungen untergelegt ist, noch kurz zu diskutieren. Denn es liegt jemandem, der mit einer speziellen, hier der energeti- schen Methode, einer Frage nachgeht, ausser der Untersuchung, was die Methode zu leisten vermag, ob, sich darüber zu unterrichten, was sie hier leisten soll, und wie weit das Problem auf andere Weise gefasst werden kann oder muss. In meiner ersten Mitteilung zur Physiologie des Wachstums hatte ich über eine Methode berichtet, die es gestattet, im Koordinaten- system den spezifischen Verlauf der Körpergewichtskurve einzelner Tiere aufzuzeichnen. Es kam darin zum graphischen Ausdruck, dass der normale Anwuchs von Tieren verschiedener Art usw. einen spezifischen, unabhängig von der Energiezufuhr sich gestaltenden, gesetzmässigen Gang geht. Der Methode war mangels besserer 1) Dieser Schluss besagt nicht, wie er anderweitig aufgefasst worden ist, dass die energetische Leistung des Organismus nicht, der Auffassung von Rubner u. A. entsprechend, der Oberfläche parallel geht, sondern nur, dass eine Divergenz zwischen dieser Auffassung und meinen Resultaten lediglich unter der Voraus- setzung der Richtigkeit der allerdings von Rubner mit inaugurierten- Ober- flächenberechnung gilt. Vgl. später S. 151—152. Experimentelle Wachstumsstudien. 109 Unterlagen die Zeit, die gebraucht wird, um das Geburtsgewicht zu verdoppeln, zugrunde gelegt‘). Nach dem oben Gesagten wird es verständlich, dass in diese Methode die von der Grösse der Zufuhr abhängige Komponente des Zuwachses, was die einzelnen Individuen auch ein und desselben Wurfes angeht, störend eingreift und das Spezifische der Finzelorganismen um gewisse Beträge verwischen kann. Vergleicht man aber verschiedene Tierarten, so wird in der Ordnung nach solchen Zeiten ein Ausdruck für die spezifisch ver- schiedene Wachstumsart, wofür sie ja auch von anderer Seite ge- nommen ist, wohl gesehen werden können. Es gibt jedoch bei den Säugetieren auch unverkennbare Parallelen zur Geburtsgewicht- Verdoppelungszeit, die nicht minder charakteristische Funktionen der spezifischen Entwicklung repräsentieren. In Tabelle 3 lässt sich bei einer Anzahl von Tieren die Tatsache lesen, dass die Aufwendung an Masse, welche die Mutter pro Jahr für die Nachkommenschaft trifft, bei den einzelnen Tierarten in der Art differiert, dass der Be- trag bei den kleinen Tieren relativ am grössten ist, im übrigen aber in der Reihenfolge der Grössen der Geburtsgewicht-Verdoppelungs- zeiten rangiert. Die Differenzen, die sich hier nun zwischen den einzelnen Organismen herausstellen, sind nur scheinbare; denn sie werden bedingt lediglich durch die grössere Intensität der Zell- leistungen pro Zeiteinheit bei den kleineren Tieren. Bei der Be- ziehung z. B. auf denselben entsprechenden Bruchteil der Lebens- phase, worin also die spezifische Lebensschnelligkeit ausreichende Berücksichtigung gefunden hat, sind die Aufwendungen der Mutter ziemlich gleich. Auch aus den übrigen Daten ergibt sich eine Be- ziehung zwischen der spezifischen Intensität und der Dauer des Wachstums und der Massenproduktion in der Art, dass eine Regula- tion existiert nach der Richtung, dass die Entwicklung grosser Tiere bei demselben relativen Aufwand durch die Verkleinerung der spezifischen Wachstumsintensität ermöglicht wird. Für diese Gesetz- mässigkeit stellen also die Daten für die Tragzeit, die Verdoppelungs- zeit des Neugeborenengewichts, für das Stadium bis zur Geschlechts- reife, für die Anzahl der jährlich produzierten Jungen?) und ihre 1) Dort bedeutet Fig. 1 die Gewichtskurve des Menschen, Fig. 2 die des Hundes, Fig. 3 die des Schweines. 2) Man erkennt, dass die pro Zeiteinheit grössere Produktionskraft der kleinen Tiere nichts mit Ausleseprozessen im Kampf ums Dasein, was vielfach angenommen wird, zu tun hat. Heinrich Gerhartz 110 3 S aıef '9T "uoN f f Be 00% uus wur apungf 089 &1 0007 0'388 0.06 En 1 = yuegoY 07-08 = on | 09) GEE I 009-047 0.08 0'08 I I Bale 8, DIeJa 08-95 jaayef 7 ur 'yoM 9| /7 8 gl 009-087 0'°8 0'98 I I 1 lid 08 ger 7I-sI| "UN 6 | OP 086 < 09 08 08 I ji a FREI [44 ‘ [4 al 08-02 =; »| 917 | su 98 08 88% 9°T va-aı | 5 a: © 22 Pong 08-058 | 'uoM 8 98 89 ia! 7 87 850 71-9 IF ae NE ST-97 == "816 09-94 gg 8 oT LTTO a | Sal 2.5 Sozyest TE “89 | ypomMF7| 9 08-8 ia2! ET 91°S 900 (IE 9%-08| 8 L |" ° ° "woyourmeyf 879 ONE I, el Is st 590 020 To (6-7 \(S-)E-7| 8-2 |’ voyauromyosaoam =: "UOM 9dTLLO == — [78766 68 80'0 90'0 27000 09-97 1-9 IS ee def Jıngay) oe], | 9SseL 0/g 34 3 34 uogung agep op yoeu Een snwstwedig) snur uodunf | madunp | uareq En oad yj9ddop uauosypeme | _ uaJ191z r 01 ie oFIoA yraz -104 | tonep \sop SIormeN SIUBFIO npoud uaufozurd -A9IznpoAd Bann mM SCH -Syaalyds | -aäneg | "mad | o ır ‚SOP/urypeyos uOUssudeM| iger oad sap yorıqef = 29p oT -99, 19p -syungag| "LE uomwosyoeN\ -10 sop 19p J9IM98 Jap ? 1quz LAUT sep AOp wogomagel | yuormog | INOIMO8 | -yingag | jgezuy | ITFUV | u ur 9197 A9p Iy9IMaH) -JWUBSIH) (usdunygoegoag uauaste pun 1akapjem ‘Tauqny ‘ToqoLng ‘Teyyuoporıy ‘wyaag “uopjeyaopqy yeN) *UHFIESNUSTUBIIG AHUHPITUOSIOA WNISTOR A Oyasyrzads sep ıny uoyeq "s 911laqe.L Experimentelle Wachstumsstudien. 111 Masse lediglich Parallelen dar, die die verschiedene Intensität der Zellteilungsvorgänge zum Ausdrucke bringen. Es ist unschwer zu erkennen, dass die verschiedene Abmessung der genannten Lebensab- schnitte und der Leistungen hier den teleologisch ja wohl verständ- lichen Endzweck verfolgt, die Erzielung einer spezifischen Organismus- form durch Anpassung der energetischen Prozesse an die übergeordnete Forderung der Artgesetze zu ermöglichen. Hier würde also das von Rubner formulierte sogenannte energetische Grundgesetz, dessen experimenteller Beweis noch aussteht, nicht mehr und nicht weniger darstellen als lediglich die eine Art der Formulierung der regula- torischen Prinzipien; es gibt aber keine Erklärung der spezifischen Natur der verschiedenen Organismen. Die energetischen Leistungen, die hier dann offenkundig dem allgemeinen Gesetz von dem Minimum an Aufwand folgen, sind nur eine Funktion der Verschiedenheit der Organisation der lebenden Wesen. Die quantitativen Differenzen im Lebensausbau erschöpfen das Problem des Spezifischen der Art und des Individuums keineswegs; denn die zugeführten Nährstoffe besitzen für verschiedene Organismen eine durchaus verschiedene Dignität in der Art, dass eine Umprägung in die ebenso spezifisch verschiedene chemische Konstitution der Körperstoffe erfolgt. Sie gibt ja den Grund dafür ab, dass, um ein Beispiel zu nennen, dieselben Nährstoffe bei der einen Tierart diesen, bei der anderen jenen Charakter annehmen. Es entfalten also nicht nur die Eiweissstoffe hier eine materielle Funktion, bzw. ist mit der Messung des Eiweissumsatzes die materielle Funktion der organischen Stoffe nicht erschöpft, sondern alle organischen Sub- stanzen besitzen eine solche Funktion, aber nicht lediglich als not- wendige Unterlage für den energetischen Prozess, sondern als Prozesse, die in ihrer Bedeutung den quantitativen Ausdrucks- formen der Arteigentümlichkeit parallel gehen; denn ebenso wichtiges Ziel der Lebensprozesse, wie dass sie Energieleistungen vollführen, ist, dass ein artspezifisches Ziel erreicht wird. Das heisst also: die durchaus biologische Funktion der chemischen Umprägung der zu- geführten Stoffe in körperspezifische ist eine der energetischen gleich- berechtigte wesentliche Funktion des Organischen. Wie wären die Regulationen zu verstehen, die einsetzen, wenn die Entziehung der notwendigsten Stoffe die Existenz des Organismus schädigt, Einrichtungen, die nicht lediglich den Fort- bestand des betreffenden Individuums, sondern auch den der Art 112 Heinrich Gerhartz: garantieren, wenn nicht die stofflichen Umsetzungen vererbten Ge- setzen folgten. Stellt man sich auf den Standpunkt, dass diese Regulationen — wie es durch meine Untersuchungen über den Hunger des die Geschlechtsprodukte beherbergenden Frosches jn höchstem Grade wahrscheinlich gemacht, wenn nicht bewiesen ist, mitunter von der Existenz eines inneren Sekretes abhängig sind, so überträgt sich der Charakter des Artspezifischen auf diese. Ebenso möglich und wahrscheinlich häufiger realisiert ist die Abhängigkeit der Assimilation von der artspezifischen Konstitution der Zell- bestandteile.e Dass mit diesen Vorstellungen dem Beeriff der „Lebenskraft“ alten und neuen Sinnes kein Vorschub geleistet wird, ist doch nur zu klar. Keineswegs wird auch die fundamentale Be- deutung der energetischen Betrachtung gekürzt. Ich werde in den folgenden Untersuchungen, die auf Wunsch‘ von Herrn Geheimrat Zuntz unternommen wurden, auch den ge- nannten Gesichtspunkten Rechnung tragen und habe deshalb, um die später mitzuteilenden Beobachtungen im rechten Lichte erscheinen zu lassen, diese Zeilen vorausgeschickt. Untersuchungen über den Energiebedarf des Säuglings. : I. Bestimmung des gesamten täglichen Energiebedarfs bei Hunden der 1.—5. Lebenswoche. Der Ableitung von Gesetzmässigkeiten hat vernünftigerweise die experimentelle Auffindung von Tatsachen vorauszugehen. Bisher liegen über den Energiebedarf des Säuglings nur wenige Beobach- tungen vor, für den Menschen von verschiedenen Autoren, nament- lich von Rubner und Heubner, für das Schwein von Ostertag und Zuntz, für den Hund von mir. Da namentlich der Hund der grossen Intensität seines Wachstums wegen sich sehr zum Studium der postnatalen Entwieklungsvorgänge eignet, ferner gewisse für den Menschen wichtige Fragen sich nur im Experimente am Tier lösen lassen, habe ich mich veranlasst gesehen, meine früheren Erfahrungen über die Grösse der beim jungen Hunde aufgewendeten Energiebeträge zu kontrollieren und zu erweitern. Dabei treten wegen der Unmöglichkeit, Harn und Kot exakt zu sammeln, ferner genügend grosse Mengen Muttermilch zur Fütterung zu erhalten, recht grosse experimentelle Schwierigkeiten auf. Eine Methode, die diese umgeht und doch gestattet, die Milchzufuhr wenigstens annähernd Experimentelle Wachstumsstudien. 113 zu messen, ist bereits früher von Zuntz bei seinen Studien am wachsenden Schwein mit Nutzen angewendet worden. Dabei wird so verfahren, dass der in einer gewissen Zeit bei den Säuglingen beobachtete Verlust auf den Tag als Verlust durch Harn, Kot und Perspiratio insensibilis aufgerechnet und zu der ebenso berechneten Gewichtszunahme addiert wird. Die Summe stellt die tägliche Milchaufnahme dar. In meiner ersten Mitteilung war zum Teil schon über in dieser Weise ermittelte Zufuhrwerte Mitteilung ge- macht worden. Ich gehe hier auf die dort schon angegebenen Daten noch einmal ein und berechne damit die für die ersten Lebenstage benötigten Energiewerte. Daran werden sich an Hunden eines anderen Wurfes eingehendere Untersuchungen, deren Ergebnisse ein Urteil über die Zuverlässigkeit der erst- angewandten Wägemethode zulassen werden, anschliessen. A. Versuchsreihel. Die sieben jungen Terriers der ersten Versuchsreihe, vier männliche und drei weibliche Hunde, waren am 25. April 1908, morgens 7—8 Uhr geboren. Sie wurden mittags um 12 Uhr zuerst gewogen und hatten um diese Zeit die in der ersten Reihe der Tabelle 4 (S. 114) genannten „Geburtsgewichte“. Im Mittel wogen die Säuglinge der 11,76 kg schweren Mutter 284,3 g bei der ersten Wägung. Die für die späteren Tage in derselben Tabelle genannten Lebendgewichte beziehen sich auf die Zeit von 8—9 Uhr morgens. Die Gewichtszahlen, die dem doppelten Geburtsgewicht entsprechen, sind in der Tabelle fettgedruckt, alle nicht der Norm entsprechenden Gewichte, z. B. bei den Tieren, die nach Abschluss der Versuche an Krankheiten zugrunde gingen, eingeklammert. Iu der dritten Lebenswoche wurde die Entwicklung der meisten Hunde durch Krankheit gestört. Zuerst erkrankte, am 13. Lebens- tage, das in der Tabelle letztgenannte Tier. Es wimmerte, sog nieht mehr, bekam bald Krämpfe und starb am folgenden Tage. Die anderen Hunde, mit Ausnahme zweier, erkrankten am nächsten und nächstfoleenden Tage mit den gleichen Symptomen. Eine Ur- sache für die plötzliche Erkrankung liess sich ohne weiteres nicht auffinden. In der Wachstumskurve des ersten Säuglings fällt zu der gleichen Zeit eine geringere Intensität des Gewichtsanstieges auf. Ich lasse es dahingestellt, ob diese mit einer analogen Störung in ursächliehem Zusammenhange steht, oder ob gelegentliche kleine Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 8 114 Heinrich Gerhartz: Tabelle 4. Lebendgewichte des jungen Terriers der I. Versuchsreihe in den ersten Lebenswochen. ‚Lebens- | Lebens- Datum SuslnzENz woche | tag 1908 ıs | ıg |me| we| we | vie vne L 1. ! 25. Aprii | 200 | 350 | 320 | 270 | 280 | 280 | 290 a 205 | 322 | 350 | 297 | 295 | 294 | 318 a lor. 236 | 390 | 347 | 318 | 320 | 319 | 332 A a 256 | 402 | 357 | 348 | 329 | 347 | 358: Ba 275 | 435 | 368 | 382 | 370 | 370 | 400 Bear 986 | 462 | 415 | 406 | 394 | 413 | 396 7. 1. Mai 309 | 455 | 433 | Aı3 | 419 | 429 | 41 Hm. 8. EN 313 | 468 | 459 | 420 | 461 | 456 | 439 9. u 331 | 498 | azı | A56 | 489 | A65 | 454 10. 374 | 541 | 503 | 490 | 525 | 500 | Ass hl ae s97 | 578 | 519 | 518 | 550 | 538 | 500 12. RN 443 | 629 | 560 | 536 | 576 | 509 | 544 13. Ta 460 | 670 | (564) | 568 | 614 | 606 | (55% 14. SR 481 | 700 | (566) | 580 | 620 | 632 | (18) m. ar , 533 | 740 (32) | (589) | 661 | 665 | + 160 546 | 764 | (500) | (555) | (609) | (ge) | — 17 le + en Te ae) — Oz ee een — N | ae an) | oe a en — va 00 lc | 865 a = Ba | ee. 2 |, oe | — a 1055 |Räude | | — 26. REDE | Eye = 27. 2 1198 N | — 28 | 22 1 lies) a | _ vo oo Kos ıb! a.) 30. | 2 I a sl | 250000110055 | | | Se 2, (930) A). __ Gewichtsreduktionen, wie ich das beim Menschen bei rapidem An- stieg nach intensivem Hungern beobachtet habe, vielleicht der Norm entsprechen. Am 24. Lebenstage erkrankte dasselbe Tier an einem Katarrh der oberen Luftwege. Ein Abfall im Gewicht trat hierbei nicht ein, dagegen kurz nachher, als das Tier die Räude (am 33. Lebenstage zuerst beobachtet) acquirierte. Die sämtlichen jungen Hunde des Wurfs wurden, wie oben bereits erwähnt, vom ersten Lebenstage ab täclich eine gemessene Zeit, vor und nach welcher sie einzeln gewogen wurden, von der Experimentelle Wachstumsstudien. 115 Mutter entfernt. Der in dieser Isolierzeit, während welcher sie vor Wärmeverlusten geschützt wurden, eingetretene Gewichtsverlust wurde als Anhalt für den 24stündigen Verlust durch Harn, Kot und Perspiratio insensibilis genommen. Im allgemeinen steilen die aus der Tabelle 5 (s. unten) abzulesenden Isolierzeiten das Maximum der zulässigen Intervalle dar; denn es wurde beobachtet, dass ein Tier infolge der allzu lange dauernden Entfernung von der Mutter apathisch wurde. Für die Berechnung der physiologischen Nahrungs- aufnahme sind die Zahlen der beiden ersten Tage nicht benutzt worden; denn ihre Verwendung — man beachte den rapiden Ge- wichtsabfall am ersten Lebenstage — würde zu der Norm der ersten Lebenswoche nicht entsprechenden Werten geführt haben. Tabelle 5. Milchaufnahme der Hunde-Säuglinge der I. Versuchsreihe in der ersten Lebenswoche. Gewichts- N Dauer | Dauer zunahme im | Mittlerer Verlust| Ä ; berechnet Tägliche der der Mittel 8 Lebens-| Datum i Milch- 1908 Saug- | Isolier- |— - rg tag tel, el inder'| für die aufnahme p Futter- |pro Tag| Futter- |pro Tag zeit | zeit Min. Min. Sl 0210 g g g 3. |27. April| 313 109 55 | 25,3 2.0 ale 43,8 A 128. 98 106 4,0 58,8 330483 107,1 2, 178 73 7,25 | 58,69 3,9 28,2 86,9 6. S30n 4, 105 150 Sr 51,4 1,8 25,2 76,6 %s 1. Mai 91 111 43 | 76,4 1,8 23,5 104,9 8. 2. 323 156 Ialraa \240:9 2,6 11.6 32,5 Biel..... | 184,7 | 117,5 | 5,75 | 51,9 | 25 | ar | 78,6 Sobald die isoliert gewesenen Hunde gewogen waren, wurden sie zur Mutter gebracht. Sie sogen natürlich nach der langen Hungerzeit, soweit sie an die Drüsen herankommen konnten, mit Gier. Aus den Originaldaten für die in der „Futterzeit“ zustande gekommene Gewichtszunahme ergibt sich aber, dass hierbei 1—2 Hunde relativ schlecht bedacht worden waren. In der Milehaufnahmezeit ist nun nicht nur die in der Differenz der diese Periode begrenzenden Lebendgewichte zum Ausdruck kommende Menge getrunken worden, sondern die Milchaufnahme setzt sich aus der Summe dieses Wertes und der normalen, nach den Zahlen für die Isolierzeit zu berechnenden Abnahme zusammen. 8s* 116 Heinrich Gerhartz: Da, wie bereits erwähnt, an einigen Tagen auch in der Saugperiode eine Gewichtsabnahme festgestellt wurde, weil die Hunde keine Gelegenheit bekamen, ihrem Bedarf entsprechend zu trinken, bzw. durch die Einnahme den Gewichtsverlust zu kompensieren, sind in der Tabelle an diesem betreffenden Tage die Daten des folgenden Tages für die Berechnung des Wahrscheinlichkeitswertes benutzt worden. Die Tabelle gibt als Mittel für die ersten acht Lebens- tage für jeden Säugling eine tägliche Milchaufnahme von 78,6 g Muttermilch an. In der in Betracht gezogenen Untersuchungszeit betrug das Lebendgewichtsmittel der Säuglinge (aus allen 3 Wägungen eines Tages berechnet) 378,8 g. Die Richtigkeit der für die tägliche Milchaufnahme der Säug- linge der ersten Lebenswoche gefundenen Zahl lässt sich nun noch durch anderweitige rechnerische Manipulationen mit Zahlen, die am Muttertier gewonnen wurden, erweisen. Ich habe die hierfür not- wendigen Zahlen in Tabelle 6 (S. 117) übersichtlich zusammengestellt. Aus dieser ersieht man, dass das Lebendgewicht der Hündin (bei der ersten morgendlichen Wägung festgestellt) am 27. April 11 150 g betrug, „3. Mai 10870 „ „so dass also in der Zwischenzeit ein Verlust von 28b g eingetreten war. Die Zufuhr wog am 27., 28., 29. und 30. April je 1100 g am 1. Mai SS) ” 2. ” 376 ” zusammen also 5735 g. Der Totalverlust be- rechnet sich also für die angegebene Zeit von 6 Tagen auf 11 150 g Anfangsgewicht + 5735 „ Zufuhr 16 885 g — 10870 „ Endgewicht. — 6015 g für Harn, Kot und Perspiratio insensibilis und Milch. Kennen wir also den Verlust in den normalen Ausscheidungen, so kennen wir die Milchabgabe der Hündin. Über die Grösse des ersteren Betrages können wir uns ein ungefähres Urteil bilden, wenn wir in derselben Weise, wie wir es bei den jungen Hunden getan haben, die Differenz zwischen der ersten und zweiten Wägung, also derjenigen vor und nach der Isolierung der jungen Hunde, auf den Tag aufrechnen. Eine solche Untersuchung 117 = — — — — > 06601 SE Ted) 28'8 99ET 997 DSSOTE ORT = 06011 ee) — N3]I 9981 G991 FEEOL OTLI Jqassep OSIII Be Ted 2‘06 9981 99] FeeoL | OTıL zyewgpg 8 0, ‘sy 8 08 ‘ySTOFOP-IIFT 9 00% OF9TI et) —seßoad || gErL 9181 cg’eoL | 891 2 OF9TI eG N 8 26'01 S6FI 9IST sg’eoT | 8911 9q[ossep 0OLII Es = — S6FI 9IST Gg'EoT sul zpewgpg 8 0, 'sIOy 9 02 ‘yastopapaaJgd 3 00% 02801 rt S = 796 6PIT | Fee | 9ror zyeuyag 3 89 ‘yostopopaojg 3 STE 008L1 eG = 2 Fall LOFI 1888 LF9T WIM 3 008 zug 8 68 yasIogopaaıı 9 0G7 008II | EN 'T = = OLLI SIIS s06FT | 9T6L x OLEIT 2:08 2 — 0221 sIIg S06FT | 9T6L 5 OFEIT re 3 = OLLI sıra | 206FT | 9161 qpassep 0g@Ll Be e = OLLT 8118 206FT | 9T6T ya 3 004 “zewydg 3 00T ‘y9SToyapıeJT 3 00% OSTIT oz & — = Fi == — | zpewyag 3 007 Yon 3 C'T9 “wostogpurgy pun -ouagsg 5 006 | O6FII "Er 108 ® = GEST 0E8T S'zel G1’gT zyew>soursaysg 3 00T “QOSTOHIP-IIFA 9 008 09LTT |Imdy 'cz {eb} = = 3 z Ken Hougaaı z . = re -94q -9q] upunf E ul wım AUNINZ < ea) En es (gnjosqe) | ıynmmz N ayummz op MY ne ne -goysyong | 120 we | TO DE Med | ons 1yoınas aynpnz | aynpız -19d10M m ———————————————————————————— (I IQPASYPnSIO A) *HFULFURS Op UEPOMSUOgIT UEPIAG U94STO UHP UT AOTFIOMAL Sep ANJ OTOMAUNnZ pun UOYepsIToTAog 9 O1T99E LE 118 Heinrich Gerhartz: setzt voraus, dass der Hund in kurzen Intervallen seinen Harn ent- leert, was hier der Fall war. Die Unterlagen für die Berechnung sind in Tabelle 7 mitgeteilt. Tabelle 7. Gewichtsverluste des Muttertieres in der Isolier- und Saugzeit der Säuglinge in der ersten Lebenswoche (Versuchsreihe I). | Tsolierzeit der Säuglinge | Nährzeit der Säuglinge | pip.. 8 Gewichts- aufd. Tag Gewichts- aufd.Tag| renz 2 | Datum Dauer |Verlustdes! berechn. | 7, verlustdes) berechn. | _der 2 1908 "er Mutter- | Verlust b.! ueT| Mutter- | Verlust b.| Tages- Ss tieres |Muttertier tieres \Muttertier] werte -| Min. g g Min. g g g 3 27. April| 109 30 396 313 200 920 924 4 ZB m 106 50 679 98 90 139 99,9 d ZI 73 30 992 178 60 486 (509) 6 BO, 150 70 672 105 13 1783 1111 2 I en all 40 519 91 60 949,5 430,5 al | wel 0 977 |38 | 146 651 374 Hiernach bemisst sich der normale Verlust an Harn, Kot und Perspiratio insensibilis für die Zeit vom 27. April bis 2. Mai ein- schliesslich auf 3051,7 &. Wird diese Zahl von dem die Milch- abgabe einschliessenden Verlustrest subtrahiert, so erhalten wir für die genannten 6 Tage 6015,0 g Sp. 2963,3 g, d. h. pro Tag 493,9 © und pro Tag und Tier 493,9:7 = 7,6 g Milch; das ist ein Wert, der, trotzdem die Rechnung mit recht erheblichen Unsicherheiten verknüpft ist, mit dem oben berechneten von 78,6 & genügend übereinstimmt. Eine dritte Art der Berechnung führt auch zu einem gleichen Werte. Wie Tabelle 6 erkennen lässt, war in den Tagen vom 28. April bis zum 2. Mai exkl. (4.—8. Lebenstag der Säuglinge) die Zufuhr genügend gross gewesen, um das Lebendgewicht des Muttertieres konstant zu erhalten. Die in dieser Zeit der Hündin zugeführte Nahrung repräsentiert also den Erhaltungsbedarf der Hündin samt dem Bedarf für die Säuglingsernährung. Für diese Zeit lag das mittlere Lebendgewicht der Hündin bei 11315 g. Gelingt es für dieses Gewicht den Erhaltungsbedarf zu ermitteln, so ist eine Ab- leitung des Säuglingsbedarfs möglich. Experimentelle Wachstumsstudien. 119 Über die Höhe des Erhaltungsbedarfs ausgewachsener Hunde besitze ich aus anderen Versuchsreihen Erfahrungen. Bei einem ausgewachsenen Foxterrier, der viel ruhte, hielt sich vom 12. Juni bis zum 17. Juni 1906, also 6 Tage lang, das Körper- gewicht auf gleicher Höhe. Die Gewichtsdaten sind vom 11. Juni ab: 8250; 8270; 8250; 8260; 8270: 8270; 8270; 8300. Die fett- sedruckten Zahlen gelten für die Tage der Gleichgewichtsperiode. In dieser Periode wurden Pferdefleisch und Schweineschmalz in Tagesmengen von 320 g Fleisch und 35 g Schmalz gereicht. Da die Zusammensetzung des hier verfütterten Pferdefleisches (26,2 %/o Trockensubstanz; 3,3 °/o der frischen == 12,6 % der Trockensubstanz Stickstoff; 2,8 /o in der frischen und 10,6 °o in der Trockensubstanz Ätherextrakt) von der eines in der ersten Mitteilung angegebenen Fleisches, dessen Brennwert bestimmt worden war und dessen Nutzwert dort berechnet wurde, nicht nennenswert abweicht (26,95 °/o Trockensubstanz; 11,19 °o Stickstoff und 10,78 °/o Ätherextrakt in der Trockensubstanz), so dürfen die dort berechneten calorischen Werte — 8,9 Cal. Nutzwert pro 1 g Schmalz; 0,98 Cal. Nutzwert für 1 g frisches Pferdefleisch — hier mit Fug und Recht eingesetzt werden. Es wurden also täglich 320 « Pferdefleich —= 313,6 Cal. Nutzwert 35 g Schmalz — Sud. es zusammen 625,1 Cal. Nutzwert zugeführt; d. s. bei einem Lebendgewicht von 8,27 kg 75,59 eal. pro 1 g Körpergewicht und, wenn auf die relative Oberflächeneinheit (für 8270 8) berechnet wird, 152,3 Nutzealorien. Noch zu einer anderen Zeit bestand bei demselben Hund Gleichgewicht, indem vom 13. April 1906 an die täglichen Lebend- gewichte bei 10700, 10730, 10640, 10 670, 10740, 10770 (18. April) lagen. Es wurden täglich 350 g Pferdefleisch und 44,3 & Schweine- schmalz gereicht. Im Fleisch (94,3 g Trockensubstanz pro Tag) wurden, dal g trockenem Fleisch laut direkter Analyse 5320,6 eal. entsprachen, täglich 918,5 Cal. zugeführt. Im Harn gingen 69,7 Cal. im Kot © 1 ehe insgesamt 108,4 Cal. verloren, so dass ein nutzbarer Rest 120 Heinrich Gerhartz: von 810,1 Cal. blieb, bzw. nach Abzug des Betrages von 71,9 Cal. für die Verdauungsarbeit 738,2 Cal. pro Tag; d. s. pro Kilogramm 68,7 Cal. und 151,7 Cal. pro Oberflächeneinheit. Im Mittel beider Rechnungen haben wir also für den er- wachsenen Hund einen Erhaltungsbedarf von 72,16 Cal. pro Kilogramm und von 152,2 Cal. (Nutzwert) pro Einheit der aus dem Körpergewicht nach der üblichen Formel taxierten relativen Oberfläche. Übertragen wir diese Erfahrungen auf die 11315 g schwere Hündin, so stellt sich hierfür ein Erhaltungswert von 767,1 Nutz- ” Cal. heraus. Da täglich (Mittel) 1608 Nutz-Cal. = 1940 Cal. Bruttowert) zugeführt wurden, bleiben für die sieben Säuglinge pro Tag 1608,5 Cal. — 767,1 841,4 Cal., d.s. 120,2 Nutz-Cal. pro Säugling und Tag. Die kalorimetrische Bestimmung ergab (s. u.) pro 1 g Hunde- milch einen Brennwert von 1534 eal. Hiernach machen die 120,2 bei der Mutter frei werdenden Calorien 78,5 g Milch täglich pro Säugling aus. Es stellt sich also auch hier ein Wert heraus, der mit dem oben abgeleiteten (78,6 und 70,6 &) durchaus harmoniert. Zugleich bestätiet (ce. g. s.) die letzte Berechnung die von Zuntz und OÖstertag!) gemachte Beobachtung, dass „die Milchsekretion als solche keinen erheblichen Energieaufwand beansprucht“. Das Mittel der bestgestützten Werte 78,6 und 783 ist 78.45 g Milch. Dieser Wert repräsentiert also die von jedem Hundesäugling pro Tag in der Zeit vom dritten bis achten Lebenstage benötigte Milechmenge. Sie entspricht 120,3 Cal. (Brutto). In dieser Periode (27. April bis 2. Mai einschl.) lag das Mittel der Lebendgewichte der Säuglinge bei 378,8 g. Auf 1 kg Körpergewicht entfallen also 318 Cal. In der genannten Zeit erfolgte bei den Säuglingen ein Anstieg des Körpergewichtes (im Mittel aller Lebendgewichte) von 452,0 g (3. Mai) 328,1 8 (27. April) 128,9 g; d. s. pro Tag 128,9 :6 = 21 g Zuwachs — 1) Ostertag u. Zuntz, Untersuchungen über die Milchsekretion des Schweines und die Ernährung der Ferkel. Landw. Jahrb. 37, 231 (1908). Experimentelle Wachstumsstudien. 121 5,7°/o des Körpergewichts, bzw. 57 & Zunahme pro Kilogramm und Tag!). Über den mütterlichen Aufwand lassen sich noch einige Anhaltspunkte aus der Stickstoffbilanz gewinnen. Es ist klar, dass sich bei zureichender Ernährung der Hündin aus der N-Retention der Aufwand für die Jungen ungefähr wird taxieren lassen. Für die Diskussion dieser Verhältnisse sind für die Zeit vom 10. bis 14. Lebenstage (4.—9. Mai) verwertbare Daten vorhanden. Laut direkter Analysierung der Nahrung wurden pro Tag 17,31 g Stick- stoff aufgenommen. Im Harn wurden (im Mittel) 10,97 g Stickstoff ausgeführt. Unter der wohl berechtigten Voraussetzung, der Stick- stoff sei zu 95 % während der fünftägigen Periode ausgenutzt worden — der Kot (41,7 g frisch) wurde nicht analysiert —, wurden 16,44 & N (Zufuhr) — 10,97 e N (Harn) pro-Tag 5,47 g N retiniert. Nach eigenen Analysen enthalten 100 g Hundemilch 1,69 & N). Die retinierte Stickstoffmenge würde also 323,7 & Hundemilch ent- sprochen haben, was pro Säugling 323,7 : 7 = 46,2 & Muttermilch entsprechen würde. In Wirklichkeit liegt aber nach der obigen Rechnung der Tagesbedarf eines Säuglings beträchtlich höher als der hier aus dem Bilanzversuch sich ergebende, auch wenn man die Fehlerbreite der geübten Berechnung gebührend berücksichtigt. Es verhielt sich also hier wie in dem Versuch von Hagemann’): es wurde weniger Stickstoff zurückgehalten, als durch die Milch ab- segeben wurde; die Säuglinge wuchsen auf Kosten der Mutter. Dazu stimmt, dass ja das Körpergewicht vom 5. Mai an progressiv absank, von 11,64 kg auf ca. 11 ke. 1) Beim Schwein macht nach den Untersuchungen von Zuntz und Östertag (l. c. Tab. 22 auf S. 251) die Zunahme des Gewichts vom 2.—9. Lebens- tag, also für die gleiche Zeit, nur 45,4 g pro Kilogramm und Tag aus. Die Wachs- tumstendenz des Schweines ist hiernach also etwas geringer als die des Hundes gleichen Alters. 2) Nach J. Koenig (Chemie der menschlichen Nahrungs- und Genussmittel, Bd. 1 8.281. 1903) enthält die Milch des Hundes im Mittel 9,72°%0 Eiweiss; d.i. ein Wert, der mit dem gefundenen übereinstimmt. 3) Hagemannn, Beiträge zur Kenntnis des Eiweissumsatzes im tierischen Organismus. Inaug.-Diss. Erlangen 1891. 22 Heinrich Gerhartz: B. Versuchsreihe II. Exaktere Beobachtungen über den Energiebedarf, als die be- sprochenen es sein konnten, wurden noch an einem Wurf von zehn jungen Jagdhunden angestellt, um insbesondere den totalen Energie- bedarf, der sich schon aus dem eben mitgeteilten Material einiger- maassen abschätzen liess, in Erhaltungs- und Anwuchsbedarf experi- mentell zerlegen zu können. Die Hunde wurden am 25. Juli 1909, 12 Uhr mittags, geboren. Die systematische Untersuchung begann aber erst am 29. desselben Monats, also am fünften Lebenstage. Für den Versuch wurden die Tiere, wie folgt, in drei Gruppen geteilt: ASENKLIT. 2 Natürliche Ernährung an der Mutter (getötet am 30. Juli 1909). Nr. I. & Natürliche Ernährung an der Mutter (getötet am 9. August 1909). Nr. II. & Natürliche Ernährung an der Mutter. B. Nr. IV. Mit gemolkener Hundemilch ernährt (getötet am 1. August). Nr. V. Mit gemolkener Hundemilch ernährt. C. Nr. VI. 2 Mit Kuhmilch ernährt (getötet am 8. August). Nr VIE a » 5 Nr. VILQ „ N i Nr. IX, 6) b) BD) ” Nr. X. 2 ” ” ”» Dabei geschah die Auslese zwecks nachherigen besseren Ver- gleichs in der Art, dass immer die im Gewicht und Habitus gleichsten Tiere möglichst auf die drei Gruppen verteilt wurden. Aus der genannten Übersicht gehen schon Anlage und Ziel der Versuche hervor. Des weiteren ist folgendes darüber zu bemerken. Vom 10. Lebenstage (3. August) bis zum 20. Lebenstage wurden mehrmals täglich an den natürlich von der Mutter er- nährten Hunden Wägungen nach Analogie der oben be- schriebenen vorgenommen, um den täglichen Verlust an Harn, Kot und Perspiratio insensibilis und die tägliche Milchaufnahme taxieren zu können. Die Hunde wurden also nach der ersten Wägung — morgens zwischen 10 und 10Ys Uhr — ungefähr 2—3 Stunden Experimentelle Wachstumsstudien. 123 isoliert gehalten, wieder gewogen, dann etwa ebenso lange Zeit bei der Mutter gelassen, wieder gewogen und ab und zu noch zum zweiten Male isoliert. Der Körpergewichtsanstieg dieser Tiere sollte als Typus des normalen Anstiegs zum Vergleichsmass für die körperliche Entwicklung der übrigen Geschwister dienen. Diese letzteren wurden gefüttert. Im Beeinn des Versuchs wurde hierzu eine Pipette benutzt, die in der Mitte kugelförmig aufgeblasen, am einen Ende spitz aus- gezogen war. Über die Pipettenspitze war ein kurzes Stück Kapillar- schlauch, das den Tieren in den Mund gebracht wurde, gezogen. Die Hunde sogen bald recht gut an dem Schlauch bzw. lernten schlucken. Aın weiten Ende der Pipette war ebenfalls ein Gummi- schlauch übergezogen. Dieser trug eine Klemme, damit der Zufluss der Milch bequem abgestuft werden konnte. War die Pipette leer getrunken, so wurden die letzten Reste Milch mit etwas Wasser nachgegeben. Vom 1. August, dem achten Lebenstage, an wurde bei den mit Kuhmilch ernährten Tieren die Pipette durch Büretten ersetzt, die ebenfalls mit einem Gummischlauch, der als Mundstück diente, armiert waren. Die Hundemilech wurde mehrmals täglich durch vollständiges Ausmelken der Mammae in tarierte Wiegeeläser gemolken, gewogen und den beiden Hunden zugeteilt. Der Rest wurde nach der Fütterung zurückgewogen. Die Kuhmilch, die zur Ernährung der letztgenannten fünf Hunde diente, war aus einer grossen Meierei, deren Milch, wie mir zahlreiche frühere Analysen bewiesen haben, eine grosse Konstanz der chemischen Zusammensetzung besitzt, sterilisiert bezogen worden. Vom 4. August an wurde an die Hunde eine Mischung von gleichen Mengen Mileh und Sahne — in den folgenden Ausführungen „Sahne- Milch“ genannt — verabfolst. Es wurden täglich aliquote Mengen der zur Fütterung dienenden Milch zur Analysierung entnommen, konserviert und aufgehoben. Die Entwicklung der Hunde nahm bei den unter den natürlichsten Bedingungen aufwachsenden, von der Mutter genährten Säuglingen einen ungestörten Verlauf. Von den gefütterten Hunden wurden späterhin einige krank, weil es wichtig schien, die Nahrungs- zufuhr bei einigen Tieren gelegentlich so zu reduzieren, dass ein Stillstand im Anstieg der Lebendgewichte zustande kam. Da nur wenige Anhaltspunkte über die Bemessung des Bedarfs junger Hunde 124 Heinrich Gerhartz: vorlagen, war es hier schwierig, sicher zu arbeiten, und Fehlgriffe, die andererseits wieder lehrreich wurden, konnten nicht ausbleiben. Am vierzehnten Lebenstage begann sich bei drei von den noch lebenden fünf Hunden, bei einem natürlich ernährten und zwei mit Kuhmilch gefütterten Hunden, die Lidspalte zu öffnen. Bei den beiden anderen, also bei einem an der Mutter aufwachsenden (Nr. II) und bei einem mit Kuhmilch ernährten Hunde (Nr. IX), geschah dies erst 2 Tage später. Am 28. Lebenstage machte der Hund Nr. X, der bis zum 12. Lebenstage mit Kuhmilch gefüttert, von da an aber natürlich ernährt worden war, die ersten noch misslingenden Laufversuche, während bei dem stets bei der Mutter gebliebenen Hund Nr. III die Bemühungen gleich glückten. Hauptsächlich zur Kontrolle der Erfahrungen über den Bedarf der Hunde wurden vier von den jungen Hunden getötet und analysiert. Am 50. Juli (6. Lebenstag) und 9. August geschah dies mit normal aufgezogenen Säuglingen, so dass also hier die innerhalb 10 Tagen eingetretene Differenz in der Zusammensetzung untersucht werden konnte. Am 1. August (8. Lebenstag) wurde ein Hund, der mit Muttermilch, am 8. August (15. Lebenstag) ein soleher, der mit Kuhmilch gefüttert worden war, getötet. Ich will zunächst aus den Wägungswerten den totalen täg- lichen Energie- und Eiweissbedarf des Hundes für die Zeit vom 10. bis zum 20. Lebenstage ableiten, weil die hierzu dienende Methodik dieselbe wie im letztbesprochenen Versuch ge- wesen ist, diese Untersuchungen sich also direkt an die der Versuchs- reihe I anschliessen. Zu diesen Studien dienten die oben erwähnten Säuglinge Nr. II und III und Hund Nr. X, der anfänglich mit Kuhmilch ernährt worden war. A. Hund Nr. II. Die Daten, die zur Berechnung des täg- lichen Verlustes an Harn, Kot und Perspiratio insensibilis und des damit abzuleitenden täglichen Milchaufnahmebetrages notwendig sind, sind für den Säugling Nr. II in der Tab. S zusammengestellt worden. Unter täglichem Verlust ist hier eine aus der zirka zweistündigen Isolierzeit auf den Tageswert aufgerechnete Zahl zu verstehen. Für jeden Tag eilt die Gleichung: Experimentelle Wachstumsstudien. 125 Körpergewicht + Gewicht der täglichen Nahrungszufuhr — Ge- wicht des täglichen Verlustes in Exkrementen und Perspiratio in- sensibilis — Körpergewicht des folgenden Tages. Tabelle 8). Gewichtsdaten für den Säugling Nr. III. (Natürliche Ernährung.) | | | Bere | Zunahme | | Täglicher, Milch- 5: Gewichts- - ausdemAb- a en | a abfall fall in © aufnahme Lebens-| Datum fangs- | bis zum Fler 180 | ger’ | an Semi: tag 1909 [gewicht | nächsten | lieruag |[olierzeit berechneter Kye a ı Tage | Verlust | BEL SEEN RUE) ESEL: g g | g 6. 30. Juli 294 39,0 — | — — — 7... Be a Er a = u 8 | L.Aue| 3925| 195 = = a & 0 | 380 = = = 10. Sale 4355 | 53,0 245 5,0 29,4 32,4 mE riss 180 | 20) 50 30,0 48,0 12. In 506 | 45,0 432 13,0 43,3 88,3 Be 5 | 325 108° 180 62,8 97,3 14. Ge 585,9 | 111.5 310 | 4,5 20,9 132,4 Baer | 61 a (56,9) 1182 age) 7583| 58,7 318 11,3 51,2 104,9 Boerse | 960 | 250 11,9 685 | 1645 18. BI. 908 | 83,0 120 8,0 96,0 179,0 Bor | 991 | -93,0 |) 255 31,0 175,0 268.0 ae, | 1084 a1 165 19,0 165,8 = Daraus ergibt sich die Milchaufnahme als die Summe aus dem Wert für den täglichen Verlust und dem Betrag der bis zum anderen Tag erfolgten Zunahme des Körpergewichtes. In diesem Versuch sind die in der Fütterungszeit erhaltenen Werte nicht massgebend für den Tageswert der Milchaufnahme, weil die Differenzen für diese ja ungleichmässiger erfolgenden Ver- änderungen bei der Methodik, wie sie hier geübt ist, zu gross aus- fallen und nur durch eine grössere Anzahl von Versuchstieren — wie im letzten Versuch — sich ausgleichen. Aus den Daten der Tabelle ergibt sich als mittlere tägliche Körpergewichtszunahme für den 10.—19. Lebenstag einschliesslich ein Wert von 64,9 g. Der tägliche Verlust beziffert sich im Mittel auf 63,4 g. Es wurden also durchschnittlich pro Tag 128,3 g Milch 1) Am 8. August keine Beobachtung; deshalb Mittelwert vom 7. und 9. August eingesetzt. 9) Heinrich Gerhartz: [2] 126 aufgenommen; d. s., da das Lebendgewicht im Mittel der unter- suchten Periode bei 673 g lag, 19 g pro Kilogramm Körper- gewicht und Tage. B. Hund Nr. X. Beim Hund Nr. X reichen die zur Berech- nung der Milchaufnahme benutzbaren Beobachtungen nur vom 16.—19. Lebenstag (einschliesslich), weil das Tier vorher mit Kuh- milch gefüttert worden war. Als die diesbezüglichen Wägungen begannen, war der Hund gerade 4 Tage (vom 5. August — 12. Lebens- tag) bei der Mutter. Das Tier hatte bei der Kuhmilchfütterung erst stark abgenommen, war dann 3 Tage lang bei gleichem Ge- wicht geblieben. Der erste Termin der eigentlichen Versuchsperiode (16. Lebenstag) fällt hier mit dem Becinn der Öffnung der Lidspalte zusammen. In der zugehörigen Tabelle 9, die alle zur Beurteilung der Zufuhrgrösse notwendigen Angaben enthält, sind wiederum, wie Tabelle 9. Gewichtsdaten für den Säugling Nr. X. (Natürliche Ernährung.) | - Täglicher, | Milch- Te a a a aus demAb- | aufnahme Iüesar : t. 4 fall in der = Ge- hr ee Iso- in der | Isolierzeit | wichts- ag gewicht | + lierung Isolierzeit berechneter zunahme sten Tage Rn = | ade . Verlust !-+ Verlust g 8 Min. 8 8 g 15. 8. Aug. | 577,5 71,3 _ _ — — 16. me 648,8 105,2 130 1,8 199 125,1 7% INDB 754,0 114,0 250 23,9 137,7 251,7 18. ala 868,0 36,0 120 21,0 252,0 238,0 119), 12.0% 904,0 101,0 255 9,0 28,2 129.2 20. Ne 1005 e 165 80 69,8 — schon im letzten Versuch an Hund Nr. III, nur die Summen der Körpergewichtsabnahmen, die während der in der Regel zweimaligen Isolierung eintraten, in die betreffende Rubrik aufgenommen. Die Mittelwerte für Zunahme und Verlust addieren sich zu einem mitt- leren Milchaufnahmewert von 198,5 g Milch; d. h. auf 1000 g Körpergewicht (Periodenmittel = 794 g) kommen pro Tag 250 g Milch. Dieser Wert liegt beträchtlich höher als der vorige, erklärt sich aber zur Genüge aus der vorhergegangenen Gewichts- abnahme, die infelge ungenügender Zufuhr eingetreten war. Um Experimentelle Wachstumsstudien. 10m dem Einwand zu begegnen, es könne sich bei dem höheren relativen Wert um den Einfluss einer späteren Epoche handeln, habe ich auch für diese Zeit an Hund Nr. III die Daten berechnet, aber mit den an dem grösseren Material (10.—19. Lebenstag) erhobenen Zahlen identische bzw. innerhalb der Fehlerbreite liegende Werte erhalten (Milchaufnahme pro Kilogramm Körpergewicht und Tag vom 10.—19. Lebenstag —= 191 g Milch, vom 16.—19. Lebenstag 206 g Milch). C. HundNr. II. Am Hund Nr. II wurden vom 10. bis einschliess- lieh 14. Lebenstag Untersuchungen vorgenommen. Dieser Säugling war stets bei der Mutter gewesen, machte also wie der Hund Nr. III eine durchaus normale Entwicklung durch. Infolgedessen nahm das Körpergewicht bei den beiden Hunden in gleicher Weise zu. Hund Nr. II besass pro Kilogramm Körpergewicht vom 10.—14. Lebens- tage eine Zunahme von 104 eg pro Tag, Hund Nr. III eine solche von 102 g pro Tag für dieselbe Zeit. Die täglichen Verlustzahlen sind jedoch nicht identisch (vgl. Tabelle 10). Infolgedessen differieren auch die Zahlen für die aufgenommene Milchmenge. Aus der Tabelle lässt sich als mittlere Aufnahme ein Wert von 65 & Milch pro Tag entnehmen; d. h. es sind pro Kilogramm Körpergewicht (Mittel der Periode = 465 g) und Tag 140 g Milch aufgenommen worden, also weniger als bei Hund Nr. III (175 g). Tabelle 10. Gewichtsdaten für den Säugling Nr. II. (Natürliche Ernährung.) | : ı Täglicher | Milch- An- | en 2 =: a aus dem Ab-| aufnahme | 2 ; er 5 ‚ | fallin der | = Ge- Lebens-| Datum | fangs- |gewichts bis in der ee: : : ammäache |. 1502 Isolier- [Solierzeit wichtszu- tag 1909 [gewicht sten Tage | ierung | zeit |berechneter| nahme + | x re Verlust | Verlust) g g Min. 8 g | g 9. 2. Aug. | 347 25,0 — ı — - | == 10. Sl 372 62,0 245 3,0 176 | 79,6 A, 434 18,0 240 2,0 12,0 | 30,0 12. DA, 452 49,0 330 3,9 15,3 64,3 13. 00, 501 63,0 145 2,0 19,9 82,9 14. IR, 564 | 49,6 310 4,0 18,6 68,2 15. 8, 613,6 — 352 6.27 | = | Überblickt man sämtliche bisher hinsichtlich des totalen Energie- bedarfs erhaltenen Zahlen an der Hand der Tabelle 11, so erkennt Heinrich Gerhartz: 128 man, dass die letztgewonnenen in durchaus guter Ubereinstimmung zu «en früher auf anderem Wege und an anderem Material erhobenen stehen. Tabelle 11). Mittlere Milchaufnahme der Säuglinge in der 1.—3. Lebenswoche. ee a una | SE ann leres | gewichts- | aut- ne milchmenge uf Beh Säug-| Kör- | zunahme | genom- | _ 2 waren vorhanden (& ens- ling per- 5 sw tere be AR mene pro ig 2 — tag ge- ‘ pro Milch- und Ei- Ather- NN pro pro wicht n ° kgu.| menge | Tag |m.s,r) le Tag ii ac Nr. g © Tag g g g g g | Cal. | Cal. Voruchs-| 3-8. | a788 [215 57 | 7345 | 207 | 84] 75 |\11 [1203 | sı8 reihe I | einschl. a len 2 i ı z / 10.-14.| II. | 464,6 148,3 | 104| 65,0 | 140 | 7,0 | 6,2 | 0,88 | 104,6 | 225 Ver- 1] 10.-14 | III. | 513,1 |52,4 | 102| 89,7 | 175 | 9,7| 86 1,2 | 1443 | 281 suchs- 4} 10.-19. | III. | 672,7 164,9 | 96 | 128,3 | 191 | 13,8 | 12,2 | 1,7 1 206,4 |! 307 reihe 1) 16.-19.| III. | 867,3 [81,4 | 94| 179,1 | 206 [19,3 | 17,1 | 2,4 | 2282 | 332 11 16.-19.| X. | 793,7 [89,05 112 | 198,5 | 250 | 21,4 | 18,9 | 2,7 | 319,4 | 494 Wohl stimmt nicht Zahl zu Zahl. Berücksichtigt man jedoch, dass da, wo ein relativer hoher Brennwert — die direkte Unter- suchung ergab 1609 cal. pro 1 g frischer Hundemilch (vgl. später) — ist, die Gewichtszunahme eine relativ niedrige ist, so ist das leicht zu verstehen, da es sich in diesen Fällen um wechselnden Ansatz — einmal von Fett mit hohem Brennwert, ein andermal von Eiweiss mit niedrigem Energiegehalt — handelt, also auch hier wieder vor Augen tritt, dass der jeweilige Bestand den Bedarf an Energie mit- reguliert. Von diesem Gesichtspunkte aus erklärt sich auch die aus der Tabelle ersichtliche, mit dem höheren Alter eintretende Steigerung der relativen Energiezufuhr bei gleich- bleibender Zunahme des Gewichts aus einem immer mehr sich vergrössernden Fettansatz der Säuglinge, da m. W. keine Anhaltspunkte für einen mit höherem Alter sich steigernden Gehalt der Milch an Fett aus der Literatur sich ergeben. Bewiesen wird meine Auffassung durch die Ergebnisse der später noch zu erörternden - chemischen Untersuchung der Säuglinge. Jedenfalls ereibt sich nun aus den Resultaten der angestellten Berechnungen, dass die gewählte Methode einen hohen Grad von 1) Analysenresultate der Versuchsreihe II auf Versuchsreihe I übertragen. Experimentelle Wachstumsstudien. 129 Sicherheit besitzt, so dass es gestattet ist, weitere Berechnungen darauf aufzubauen. Bevor in dieser Weise die Spezifizierung der zugeführten Energie- beträge vorgenommen wird, erscheint es von Interesse, sich mittels der durch die direkte Analyse der Hundemilch erschlossenen Kenntnis ihrer Zusammensetzung ein Bild von der Grösse der täg- lichen Aufnahme von Eiweiss, Fett, Kohlenhydraten und Aschen- bestandteilen zu machen (Tabelle 11). | Die Trockensubstanz der Hundemilch wurde so bestimmt, dass die Milch in gewogene, mit ausgeglühtem Seesand beschickte Por- zellanschälchen eingeträufelt und erst auf dem Wasserbade langsam unter Vermeidung von Krustenbildung, dann im Trockenschrank bei ca. 80° C. getrocknet wurde. Der Brennwert wurde in der Kroeker-Mahler’schen Bombe an der in Zelluloseblöckchen eingeträufelten Substanz bestimmt. Die unten dafür mitgeteilte Zahl stellt das Mittel aus Werten, die bei zu verschiedenen Zeiten gemachten kalorischen Verbrennungen gefunden wurden, dar. Bezüglich der übrigen Bestimmungen gilt das schon früher An- gegebene. Das Ätherextrakt der Milch, das durch Extrahieren der Milch- seesandgemenge gewonnen wurde, wurde ebenfalls in Blöckchen ein- gesogen verbrannt. Im Mittel von drei guten Bestimmungen wurden pro 1 g Trockensubstanz des Extraktes 9434 cal. gefunden. DieZusammensetzung der Hundemilch war nach diesen Bestimmungen die folgende: Trocekensubstanz = 24,64 Jo. Stickstoff= 1,69°/o der frischen Substanz, — 6,84°/o der Trockensubstanz, — 11,17 °/o der entfetteten Substanz, — 12,27 °/o der fett- und aschefreien Trocken- substanz. Ätherextrakt—= 9,54°/o der frischen Milch, — 38,73 °/o der Trockensubstanz. Mineralstoffe= 1,35°/o der frischen Milch, — 5,49 °/o der Trockensubstanz, — 8,96°/o der fettfreien Substanz. Brennwert: 1.2 frische Substanz — 1609 cal. 1 g Trockensubstanz = 6530 cal. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 9 130 Heinrich Gerhartz: Im Anschluss hieran möchte ich noch einige Angaben über den Eiweissbedarf junger Hunde machen. In der Hundemilch sind 43,59% der Trockensubstanz Eiweiss vorhanden, so dass auf 100 & frische Milch [10,74-5773 (Kasein- ealorien)] 62 Eiweiss-Cal. = 38,5 °/o der Gesamtcalorien entfallen. Nach Analogie der in der ersten Mitteilung geübten Rechnung würden ° dem 1218 cal. und 285,8 cal. pro 1 g frische Milch als Nutzwerte für die in der gesamten Milch bzw. im Eiweiss allein vorhandene Energie ungefähr entsprechen. Berechnet ıman mit diesen Werten die tägliche Aufnahme pro Kilogramm Körpergewicht für die Daten der Tabelle 11, so kommt man als Minimum (für die zweite Ver- suchsreihe [10.—14. Lebenstag, Hund II]) zu einem Betrag von 40,0 Eiweisscalorien (Nutzwert), für den ungefähr dem Mittel entsprechen- den Wert von Versuchsreihe I (3.—8. Lebenstag) zu 59,2 Eiweiss- Nutzcalorien. II. Spezifizierung der gesamten Energiezufuhr. In den vorstehenden Untersuchungen haben wir die Gewähr für eine hinreichende Genauigkeit der Daten, die für die gesamte zugeführte Energie erhalten wurden, gewonnen. Diese letztere setzt sich aus dem die Erhaltung des Bestandes bestreitenden und dem zum. Anwuchs dienenden Anteil additiv zusammen. Beide Kompo- nenten lassen sich experimentell im Tierversuch bestimmen. A. Differenzierung des Energiebedarfs vermittels direkter Bestimmung des Ansatzes. Hinsichtlich der Ermittelung des Ansatzes werden wir am sichersten gehen, überhaupt den genauesten Einblick in den Stoffwechsel des Säuglings erhalten, wenn wir den Anwuchs an der Differenz der verschiedenen Epochen angehörenden Körperbestände direkt bestimmen. Diese Methode setzt voraus, dass die beiden zu analysierenden Tiere bei Beginn der zu unter- suchenden Periode gleich gewesen sind, eine Forderung, der bei der Verwendung von Tieren gleichen Wurfes, die von der Mutter ge- säugt wurden, wohl am ehesten Genüge getan ist. Es wurden also zu Anfang und Ende der 2. Lebenswoche je ein bei der Mutter aufgezogener Säugling getötet und analysiert. Naturgemäss werden sich die folgenden Auseinandersetzungen auf den am Schluss der Versuchsperiode getöteten Hund — Säugling Nr. II, für den schon oben Experimentelle Wachstumsstudien. 131 die tägliche Aufnahme zum grössten Teil bestimmt wurde — be- ziehen. Säugling Nr. II wurde am 9. August (nach Vollendung des 15. Lebenstages), nachdem er 8!/s Stunden vor dem Tode gehungert hatte, damit die Nahrungsreste die Untersuchung nicht störten, aus der Art. carotis in ein tariertes Gefäss hinein entblutet. Bei der Sektion wurden die wichtigsten Organe gesondert in -Wiegegläser gebracht und gewogen. Für die chemische Untersuchung wurden sie aus technischen Gründen zu zwei Gruppen vereinigt, von denen die eine aus Magen, Nieren und Gehirn, die andere aus Herz, Leber und Lungen bestand. Die restierende Tiersubstanz wurde für sich untersucht. Das Tier hatte am Morgen des Todestages 613,6 & gewogen. Vor der Sektion betrug das Gewicht nur noch 607 g, nachher nach künstlicher Entleerung von Blase und Darm — der mit dem Scheren- rücken abgestrichene Darminhalt wog 9,17 g — 596,15 g. Die drei einzeln analysierten Partien des Tieres wogen: I. Magen, Nieren und Gehirn . . 32,99 g II2Eblerz. Beber, Bungen . . 72.283992 5 AND Mienresti mi. m. N 529,24 596,15 g Der Tierrest besass in 100 & frischer Substanz 23,75 g Trockensubstanz. Auf 100 & Trockensubstanz kamen 29,07 °/o Ätherextrakt!), 7,32 %/o Stickstoff, 11,34°/o Mineralbestandteile (= 15,98 %/o der fettfreien Trok- kensubstanz). 1 g Troekensubstanz besass (6 Bestimmungen) einen Brennwert von 9907,5 eal., 1 g vom Ätherextrakt befreite trockene Tiersubstanz einen solchen von 4477,17 eal. (5 gute Verbrennungen). Hiernach besass der Hund also in seiner Restsubstanz: 124,25 g Trockensubstanz mit 36,12 g „Fett“, 56,83 e Eiweiss (9,09 & N. 6,25), 1) Nach dreitägiger Extraktion mit wasserfreiem Äther wurde die Substanz noch mit 1°/oigem Salzsäurealkohol digeriert und nachträglich noch ein zweites Mal im Soxhlet’schen Apparat ausgezogen. 9 * 132 Heinrich Gerhartz: 14,09 g Asche, ferner 734,0 Calorien. | | Die I. Organgruppe (Magen, Nieren und Gehirn) hatte folgende Zusammensetzung: 4,095 8 absolut, Stickstoff — 1,41°/o der frischen Sn, — 11,340 der trocknen Substanz, — 12,85 °/o der entfetteten Substanz. 0,464 g absolut (— 2,90 g Eiweiss). Ätherextrakt— 1,46°/o der frischen Substanz, — 11,75°/o der trocknen Substanz, 0,481 g absolut. Für die II. Organgruppe (Herz, Leber, Lungen) wurden folgende Werte gefunden: | Trockensubstanz = 21,52 %/o = 8,591 g absolut. Stickstoff—= 2,19°/o der frischen Substanz, — 10,16 °/o der Trockensubstanz, — 10,94 °/o der entfetteten Substanz. — 0,373 g (= 5,456 g Eiweiss) absolut. a 1,54 of der frischen Substanz, — 7,16% der Trockensubstanz, — 0,615 g absolut. Da der Brennwert nicht direkt bestimmt wurde, muss er nach der eben mitgeteilten Zusammensetzung berechnet werden: a) Ätherextrakt: I. Gruppe = 0,481 «& Extrakt, I. „» SB 5 1,096 - ‚096 g o Extrakt. 1g Tieriett entspricht hier (nach oe Bestimmung) 9386,4 eal. 1,096 - 9386,4 = 10 288 cal. ß) Eiweiss: I. Gruppe = 2,902 g Eiweiss, Il. — 8,358 g Eiweiss. 1 g asche- und fettfreier Hundemuskel hat nach eigenen Be- stimmungen einen Brennwert von 5547,53 cal. Die 8,358 g Eiweiss entsprechen also 46364 cal. y) Mineralstoffe. Der Gehalt an Aschenbestandteilen ist nicht direkt ermittelt worden; er lässt sich aber taxieren. Bei einem später noch zu diskutierenden Hund (mit gemolkener Hundemilch | ” Experimentelle Wachstumsstudien. 133 ernährtes Tier Nr. IV, 7. Lebenstag) war der Aschengehalt an der ganzen Tiersubstanz zu 14,676 0 der fettfreien Trockensubstanz be- stimmt worden. Hier enthält das ganze Tier Rest 124,25 8 136,986 g Trockensubstanz Gruppe I der Organe 4,095 g „ II „ » 8,591 g und Rest 6,120 g 37,216 g Ätherextrakt ! Gruppe I der Organe 0,481 g ” II » ” 0,615 g also 88,13 g (Rest) + 11,59 g (Organe) fettfreie Trockensubstanz mit 12,934 & bzw. 1,701 g Asche. Nun ist aber das Alter nicht ohne Einfluss auf den Mineralstoffgehalt des Organismus; denn es zeigt sich, dass, wenn bei allen analysierten Tieren der Mineralstoffgehalt der Tierrestsubstanz von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet wird, der prozentuale Gehalt an Asche mit höherem Alter steigt. Es ist demnach eine Korrektur für die 7 Tage betragende Altersdifferenz an dem das gesamte Knochensystem enthaltenden Tierrest anzubringen. Es erscheint am korrektesten, diese den für die Säuglinge I und IH geltenden Zahlen (vgl. unten); zu entnehmen. Hier beträgt der Unterschied pro 100. g fettfreier Trockensubstanz 15,984 %/o — 14,745 lo 1,239 g Asche. Somit würden statt 12,934 & Asche 12,934 & + 1,092 g / 14,026 gAsche für den Tier- rest des Säuglines Nr. II anzusetzen sein. Für den ganzen Hund resultieren also | | 14,026 g Asche En Er 15,727 g Asche. Wird der Betrag für die Organasche samt Eiweiss und Äther- extrakt von der Organtrockensubstanz abgezogen, so bleiben 12,686 g Trockensubstanz 1,096 & Ätherextrakt — 11,155 g$ 8,358 g Eiweiss 1,701 g Asche 1,531 g für Glykogen, d. s. 12,1% der Trocken- substanz der Organe. 134 Heinrich Sernnzoae 1,531 g Glykogen a 4190,6 cal. machen 6416 cal. aus. Die kalorische Zusammensetzung der sechs Organe ist also Eiweiss ... 46364 Ätherextrakt . 10289 Kohlenhydrate 6416 ° insgesamt 63069 eal., die, zu dem Energiewert des Tierrestes addiert, 734,002 eal. + 63,069 „ 797,071 Cal. als Energiebetrag des ganzen Säuglings Nr. II ergeben. 1 g dieses Organismus entspricht also 1337 cal. Kontrollreehnung. Für die Beurteilung des Wertes der Aufrechnung des Energieinhaltes eines Organismus aus der chemischen Zusammensetzung ist.es von Nutzen, einen direkten Vergleich zwischen den so abgeleiteten und den direkt gefun- denen kalorischen Zahlen anzustellen. Diese Berechnung lässt sich an den Zahlen, die für den mit Hundemilch gefütterten, oben bereits erwähnten Hund Nr. IV ermittelt wurden, durchführen. Dieser Hund wurde am 1. August 1909, als er gerade den 7. Lebenstag vollendet hatte, auf dieselbe Weise wie die anderen getötet. Das Tier wog 312,2 g. Bei der Sektion wurden nicht wie früher die Organe gesondert gewogen bzw. analysiert, sondern es wurde nur die Haut zu dem Zwecke, eine Oberflächenbestimmung vor- zunehmen, abpräpariert. Sie wog frisch 59,1 g. Ihre Grösse wurde in der Weise gemessen, dass sie, in einzelne Teile zerschnitten, unter Berücksichtigung gleichmässiger Dehnung auf Millimeterpapier gelegt und an ihren Grenzen mit dem Bleistift umfahren wurde. Die um- grenzten (uadratmillimeter des Blattes wurden dann ausgezählt. Es ergab sich ein Oberflächenwert von 34360,5 qmm. Auf 1 g Haut kommen also 5,3 qem Oberfläche. Auf 1 g Körpergewicht 343,6 a1, das Tier aber kurz vor dem Tode abgenommen hatte, so ist es klar, dass die genannte Relation nicht die normalerweise zwischen Körper- gewicht und Oberfläche bestehende ist. Diese entspricht dem Ver- hältnis des letzthöchsten Körpergewichts (am 29. August — 5. Lebens- 343,6 349 des Todestages entfällt eine Oberfläche von — gem Da tag) 349 & zu der gemessenen Oberfläche. Dieses ist hier Experimentelle Wachstumsstudien. 135 — 0,985 gem pro 1 g Körpergewicht. Hierbei leitet sich für die übliche Vierordt-Meeh’sche Oberflächenformel O — Konst. / Körpergewicht? die Konstante 6,93 ab; denn 6,93 - 49,57 = 343,6. Diese Zahl erscheint auf den ersten Blick ausserordentlich niedrig, da sie z. B. von Rubner!) im Mittel zu 11,16 angegeben ist. Dagegen ist zu bemerken, dass die Zahlen von Rubner sich auf Hunde von 3,2 kg und mehr beziehen. Sortiert man die Körpergewichtszahlen der von Rubner untersuchten Hunde zu zwei Gruppen, wovon die eine die, ‘ Tiere von niederem Gewicht von 3,2 kg bis 6,5 kg einschliesslich enthält, die zweite die von höherem Gewicht, von 9,6 kg bis 29,8 ke, so ergibt sich für die erste Gruppe 10,83, für die zweite 11,55 als Fakto r also für die älteren Tiere — wie hier — eine erheblich höhere Zahl. Es bedingt also einen grossen Fehler, wenn für Hunde verschiedenen Alters dieselbe Konstante genommen wird, bzw. wenn man die Gültigkeit des Oberflächengesetzes erweisen will, ist es notwendig, die Oberfläche direkt zu messen. Zu bedenken ist ferner, dass von Rubner Hunde verschiedener Rasse (ohne genauere Angabe) für die Aufstellung seiner Konstante benutzt wurden ?). Das Herz des Hundes Nr. IV wog 4,15 g; die linke Tibia und Fibula hatten zusammen ein Gewicht von 0,807 @. Das ganze Tier wog im getrockneten Zustande 62,036 8; d.h. die Trockensubstanz, an feinstgepulverter Tiersubstanz bestimmt, machte 19,875 °/o der frischen Substanz aus. 1 g trockene Substanz besass einen Brennwert von 5255,17 eal. (vier gute Bestimmungen). _ In 100 & Trockensubstanz waren vorhanden: 10,921 °/o Stiekstoff (— 68,26 °/o Eiweiss, 15,583 °/o Ätherextrakt. 12,389 °/o Mineralstoffe. In 100 g ätherextraktfreier Trockensubstanz waren 14,676 g Asche. 1) M. Rubner, Über den Einfluss der Körpergrösse auf Stoff- und Kraft- wechsel. Zeitschr. f. Biol. Bd. 19 S. 535—563. 1883. 2) An dem Hund Nr. IV wurden noch einige Maasse genommen, deren Kenntnis gelegentlich von Nutzen sein wird. Der Hund maass von der Schnauze (Kopf vorgestreckt) bis zum Rumpfende 21,3 cm. Die Länge des Rumpfes, vom Manubrium sterni bis zum Rumpfende gemessen, betrug 14 cm, die des Schwanzes 8,5 cm. Der Hals hatte 2,6 cm im Durchmesser. Die Vorderbeine waren 5,2 cm lang. 136 Heinrich Gerhartz: Das ganze Tier enthielt: 6,775 g Stickstoff (— 42,345 g Eiweiss), 9,667 g Ätherextrakt, 7,686 g Asche und besass einen Energieinhalt von 926,012 Calorien. Es entsprach 1 g fettfreier Tiersubstanz (direkte Be- stimmungen) 4491,85 eal.e. Da 1 g Trockensubstanz —= 5,031 g frischer Substanz ist, hat 1 e ee Tiersubstanz einen Brennwert von 1044 cal. Aus der vorstehend genannten chemischen Zusammensetzung er- gibt sich die folgende kalorische Aufstellung: 6,775 g Stickstoff - 6,25 — 42,345 g Eiweiss a 5547,53 eal. — 234900 eal. 9,667 g Ätherextrakt & 9386,4 cal. — Nagel“ Von 62,036 g Trockensubstanz bleiben nach Abzug von 59,698 g& für Eiweiss, Äther- extrakt und Asche 2,3385 & Rest für Kohlen- hydrate (Glykogen & 4190,6 cal. — ask, so dass sich hier als gesamter Energiewert 395 436 Cal. ergeben, ein auf 9 Cal., d. i. genügend mit dem früheren überein- stimmender Betrag. Dem Anfangsstatus des Säuglings II wurde die Zusammen- setzung des Säuglings Nr. I, der am 6. Lebenstag (30. Juli) setötet wurde, zugrunde gelest. Bei diesem Tier (Gewicht 332,6 &) wurde auch genau, wie oben geschildert, verfahren; nur wurden Leber, Milz, Herz, Lungen, Nieren, Magen und Gehirn nach der Wägung zusammen analysiert. A. Restsubstanz. Die Zusammensetzung dieses Anteiles war folgende: In 100 g Trockensubstanz waren vorhanden: 9,93 & Stickstoff — 62,04 g Eiweiss, 16,35 g Ätherextrakt, 2,33 g Mineralstoffe. Der Aschengehalt machte 14,745 °/o der ätherextraktfreien Trocken- substanz aus. Die Trockensubstanz betrug 20,266 °/o der frischen Substanz. 1 g Trockensubstanz besass einen Brennwert von 5414,4 cal. Experimentelle Wachstumsstudien. 1:37; Der ganze Tierrest wog frisch 294,38 g, trocken 59,66 8; er besass Stickstoff —= 37,01 g Eiweiss, ; Ätherextrakt, Asche, (5,55 g Rest für Kohlenhydrate). Der Energieinhalt machte 322,725 Calorien aus. B. Die Organgruppe wog 38,2 g frisch, 5,907 g trocken, da die Trocken- substanz 15,464 °/o der frischen Substanz ausmachte. Die übrige Zusammensetzung war folgende: Ätherextrakt — 1,585 °/o der frisehen Substanz, 10,25 °/o der Troekensubstanz, 0,605 g absolut, Stickstoff — 1,78°/o der frischen Substanz, 11,54°/o der Trockensubstanz, 12,56 °%/0 der entfetteten Trockensubstanz, 0,682 g absolut (— 4,261 & Eiweiss). Wird von der Trockensubstanz die Summe des Ätherextrakt- und Eiweissbetrages abgezogen, so bleiben 5,907 g Trockensubstanz, — 4,866 & Eiweiss und Ätherextrakt, 1,041 g Rest für Asche und Kohlenhydrate. Für die Asche rechnen wir wieder, wie oben geschehen, mit 14,676 °/o der fettfreien Trockensubstanz (für den ganzen Hund). In 65,567 g Trockensubstanz — 55,205 & fettfreier Trocken- substanz sind 8,102 & Asche, im Tierrest 7,358 g; esbleiben also” 0,744 & für die Organasche (12,6°/o der Organtrockensubstanz), so dass sich 1,041 g (Rest für Asche und Glykogen) — 0,744 g (Örganasche) 0,297 g für Glykogen (— 5,03% der Organtrocken- SD Ort 1 - (op ı oo 9a 9a 98 a IR MR substanz) & 4190,6 cal. — 1244,56 eal. herausstellen. Diese zu dem Energiewert des Eiweisses (4,261 - 5547,3) — 25634,8 cal. und des Ätherextraktes (0;605-9386,4) = 5682,5 eal. addiert, ergeben 30 561,9 eal. für die Organ- gruppe. 138 Heinrich Gerhartz: Der gesamte Energieinhalt des Tieres besteht also aus 322725 eal. (Tierrest) 30562 cal. (Organe) 858287 cal. pro 332,6 g Gewicht (1 g Tiersubstanz also — 1062 cal.). Die Daten für die Berechnung des Ansatzes von Körpersubstanz, der in der Zeit vom 6. bis zum 15. Lebenstag beim Säugling Nr. Il stattfand, sind nun vollständig geceben. Der Anwuchs ist bestimmt durch die Differenz der für die totale Zusammensetzung der Hunde I und II genannten Werte (vgl. Tabelle 18). Auf diese Weise ergibt sich ein Zuwachs von 3,823 g Stickstoff bzw. 23,915 g Eiweiss . . . = 132,664 Cal. 26,86 g Ätherextrakt . ad, 12,91 g Kohlenhydraten!) = 54,117 „ insgesamt von 438,90 Cal. (aus der chemischen Zusammensetzung berechnet). Die direkte Bestimmung der Brennwerte führte zu einem An- satz von 443,42 Cal. Dieser Wert verdient natürlich für die folgende Berechnung den Vorzug. Die Milchaufnahme des Hundes Nr. II ist nicht für die ganze hier zur Diskussion stehende Zeit bekannt, sondern nur für die Zeit vom 10.—14. Lebenstag. Es müsste deshalb extrapoliert werden. Tatsächlich können aber die Verhältnisse, die beim Hund Nr. II gefunden werden, hier nicht ohne weiteres Anwendung finden, weil zu Beginn der Versuchsreihe (am sechsten Lebenstag) die beiden Säuglinge Nr. I und II nicht gleiches Gewicht besasser, also zu dem Bestande des Säuglings Nr. I Energiewerte zuaddiert werden würden, die zu seiner Masse in keiner richtigen Beziehung ständen. Hier kommt nun ein glücklicher Zufall entgegen; denn Hund Nr. III besass an dem ersten Periodentage ein Körpergewicht (294 g), das genau in der Mitte zwischen dem des Säuglings Nr. I (332,6 g) und Nr. II (251 g) liegt. Hierdurch ist es möglich, dass das beim Hund Nr. III bezüglich der Aufnahme Gefundene für den Vergleich der beiden Hunde Nr. I und II direkt übertragen werden kann. 1) Der Wert für die Kohlenhydrate ist ungewöhnlich hoch. en Experimentelle Wachstumsstudien. 139 Säugling Nr. III wog an den vier ersten Tagen der Unter- suchungsperiode: am sechsten Lebenstag 294 g „ siebenten 5 349 „ „ achten K 382,9 „ „ heunten = 402 „ Das Mittel lag also bei 356,9 g. In der Zeit vom 10.—14. Lebenstag betrug die Zufuhr 175 & pro Kilogramm Körpergewicht. Überträgt man diese Beziehung Sch auf die ersten Tage, so würde an den vier ersten Tagen eine mittlere Milchaufnahme von 62,46 g pro Tag stattgefunden haben, bzw. es wären in der ersten Periode 4 - 62,45 — 249,3 g Milch eingenommen worden. Nach der früheren Berechnung wurden vom 10.—14. Lebens- tage einschl. von Hund Nr. III am 10. Lebenstag 82,4 g Milch ale 5 480, 5 5) 1% „ 88,9 ” ” „ 18, „ 97,3 ” ” a insgesamt 448,4 g Milch aufgenommen. Zu den eben berechneten Mengen addiert, ergibt sich also hiermit eine totale Milchaufnahme (6.—14. Lebenstag) von 249,8 & 448,4 8 698,2 & Milch, d. =. pro Tag 77,6 & Milch. Hierin wurden in der ganzen Periode zu- geführt (vgl. die ihenische Zusammensetzung der Hundemilch S. 129): Bello N — 74,985 g Eiweiss . . — 432,919 Cal. (1 & Eiweiss = 5773 cal) 66,633 g Ätherextrakt. . . = 628,616 Cal. 1. — 9434 cal.) 20,946 & Kohlenhydrate (3 0) = 82,758 Cal. Aa ee 939slecal) Insgesamt würden sich also hier 1144,293 Cal. für die Zufuhr ergeben, wenn der in der Mileh nach Abzug von Eiweiss, „Fett“ und Asche von der Trockensubstanz verbleibende Rest völlig als aus Kohlenhydraten bestehend angesehen wird. Das ist nun nicht streng richtig, weil stets organische Säuren, die einen niederen Brennwert haben, vorhanden sind. Da die Milch direkt auf ihren Brennwert untersucht wurde, lässt sich hier der Energieanteil der 140 Heinrich Gerhartz: Restgruppe genau angeben. Die wirkliche Zufuhr machte 1123,404 Cal. (698,2 g Milch der ganzen Periode vom 6.—14. Lebens- tag) aus, Eiweiss und Ätherextrakt sind zu 1061,535 Cal. anzusetzen, so dass für den Rest ein Energiewert von 1123,404 Cal. —.1061,535 , 61,869 Cal. bleibt. _ (1 g also = 2953 cal.) Ein Teil der zugeführten Energie wurde nun für den Ansatz von Körpersubstanz beansprucht. Dieser Anteil macht nach der. Differenz der Tierbestände 443,42 Cal. aus. Ziehen wir diesen Betrag von der Totalzufuhr ab, so bleiben 1123,40 Cal. — 443,42 , 679,98 Cal. Rest, die im Körper umgesetzt wurden. Diese Zahl stellt also den Brutto- wert des Erhaltungsbedarfs dar. Er liest für den Tag bei 679,98 :9 — 75,55 Cal. und, da das Körpergewicht in der unter- suchten Periode im Mittel bei 443,7 g lag, pro Kilogramm Körper- gewicht und Tag bei 170,3 Cal. Der Verlust an Energie, den der genannte Brutto- wert bei der Umsetzung im Körper erleidet, kann nun noch genauer spezialisiert werden... - Von den zugeführten 11,772 g Stickstoff wurden (95 Yo) 11,183 & nutzbar; davon wurden 3,823 g angesetzt, so dass 7,360 g im Harn erschienen. 1 gN entspricht im Harn beim Säugling nach Rubner 12,1 Cal. Sonach kommen von dem Energiewert der aufgenommenen Milch zunächst 7,36 - 12,1 — 89,056 Cal. in Abrechnung. - Pro 1 g zugeführtem Eiweiss gehen 0,8 Cal. für die Verdauungs- arbeit in Abzug. Da 11,183 & N zugeführt wurden, kommen hier- für 11,183 - 6,37 —= 71,24..g. Eiweiss in Betracht. Der Abzug beträgt also 56,989 Cal. Es stellt sich also für das Eiweiss ein Nutzwert von 411,268 Cal. — 146,045 „ 265,223 Cal. heraus. Es wurden 132,664 Eiweiss-Cal. angesetzt, so dass also _ 265,223 Cal. | — 132,664 „ 152,559 Eiweiss-Cal. im Körper umgesetzt wurden. Experimentelle Wachstumsstudien. 141 Im Fett wurden 628,616 Cal. eingeführt. Hiervon kommen 0,24 Cal. pro 1 g für die Verdauungsarbeit | — 15,992 Cal., 3°/o für Unverdauliches 18,858 „ zusammen 34,850 Cal. in Abzue. 252,119 Cal. wurden als Fett angesetzt. Es bleiben 593,766 Cal. — 252,119 „ 341,647 Cal. für den Umsatz. In Form von restierenden „Kohlenhydraten“ (und Säuren) wurden 61,369 Cal. zugeführt. Davon gehen 10 %o für die Ver- dauungsarbeit, d. s. 6,187 Cal., ab. Da 54,117 Cal. Ansatz in Rechnung kommen, bleiben für die Umsetzung 99,682 Cal. — 54,117 ,„ 1,565 Cal. Nach dieser Berechnung sind also für die Erhaltung des Lebendgewichtes 132,559 Cal. in Eiweiss, 34617072 Rete 1,569 ,„ „ Kohlenhydraten, zusammen 475,771 Cal. in Betracht gekommen. Das sind pro Tag 475,771:9 = 52,86 Cal. Da nun pro Tag 49,27 Cal. angesetzt wurden, ergibt sich für die Zeit vom 6.—14. Lebenstag einschl. ein täglicher totaler Energiebedarf von 52,86 Cal. + 4927 „ 102,13 Cal.; d. h. es kamen, da das mitt- lere Körpergewicht in der Untersuchungsperiode 443,7 g betrug, pro Kilogramm Körpergewicht und Tag für Erhaltung 119,14 Cal. Anwuchs 111,04 „ insgesamt 230.18 Cal. in Betracht. Es verhält sich also der Erhaltungs- zum Anwuchsbedarf wie 91,8 %/o (Erhaltung) : 48,2 °/o (Ansatz), bzw. Anwuchs zu Totalbedarf = 12 207 In der in Untersuchung stehenden Zeit erfolete der Ansatz bei Hund Nr. III mit 10,2 %o des Körpergewichts. Auf 443,7 g mitt- leres Körpergewicht entfällt also ein mittlerer täglicher Ansatz von 45,26 g. Es kommen also auf 1 g Anwuchs 1,09 Cal. 142 Heinrich Gerhartz: B. Differenzierung des Energiebedarfs vermittels experimenteller Bestimmung des Erhaltungsbedarfs. I. Untersuchungen am mit Muttermilch gefütterten Säugling. Die Spezifizierung des totalen Energiebedarfs eines Säuglines in - den zur Erhaltung und den zum Anwuchs dienenden Betrag lässt sich noch in der Weise vornehmen, dass künstlich durch Reduzierung der Nahrungszufuhr eine Epoche des Gewichtsstillstandes erzielt wird. Dabei wird also der „Erhaltungsbedarf“ direkt ermittelt. Ich bin in dieser Weise sowohl mit den mit Hundemilch wie mit den mit Kuhmilch ernährten Hunden verfahren. Von den Tieren der ersteren Kategorie eignet sich Hund Nr. IV für eine diesbezügliche Berechnung. Von diesem Hund war bereits oben (S. 134) die Rede gewesen, da er nach seinem Tode chemisch untersucht worden war. Er war am 29. Juli 1909, dem 5. Lebenstag, zuerst mit Hundemilch gefüttert worden, am ersten Tage noch mit zu geringen Mengen, weil die Mutter sich erst an das Melken, der kleine Hund sich an das Füttern gewöhnen musste. Am 6. und 8. Lebenstag lag das Körpergewicht auf gleicher Höhe (330 & und 329 eg). Dem Hund wurden an diesen beiden . Tagen (30. Juli) 12,6 g (31. Juli) 46.0 „ 58,6 g Hundemilch — 29,3 & pro Tag zugeführt und zwar hierin, da 1 & Milch 1609 eal. entsprach, 47,144 Cal. (Bruttowert). Um den Nutzwert dieses Betrages, bzw. den Netto- energiewert derHundemilch überhaupt, auf den es ankommt, zu erfahren, ist folgendermaassen zu rechnen. 100 g Milch enthalten 10,74 g Eiweiss a 5773 cal. . = 62,005 Cal. 9,54 „ Fett & 9434 cal. 90,000 , 300 „ „Kohlenhydrate“ usw. = [8,895 ,„ (Differenz)] insgesamt 160,900 Cal. (direkt bestimmt). | Beim Eiweiss der Milch kommen in Abzug: !/eo für Unverdauliches — 3,100 Cal. pro 1 g Eiweiss 0,3 Cal. für Verdauungsarbeit —= 8,592 Cal. 11,692 Cal. Experimentelle Wachstumsstudien. 143 Für das Fett beträgt der Verlust: 3°%/o für Umverdauliches = 2,700 Cal. 0,24 Cal. pro 1 g für Verdauungsarbeit — 2,290 Cal. 4,990 Cal. Bei den „Kohlenhydraten“ kommen etwa 0,4 Cal. pro 1g für Verdauungsarbeit — der Umstand, dass es sich bei dieser Rest- substanz nicht lediglich um Kohlenhydrate handelt, fällt hier bei der Kleinheit des Betrages nicht ins Gewicht — == 1,200 Cal. in Abzug, so dass sich als nutzbarer Gesamtbetrag für 100 g Hundemilch 160,90 Cal. Bruttowert Eiweiss . . . 11,692 Cal. es eNbzüse fürs Heit, ne... 34,990 145,02 cal. ergeben. \ „Kohlenhydrate“ 1,200 Für die Zeit des Gewichtsstillstandes (6. und 7. Lebenstag) kamen also beim Hund Nr. IV in 29,3 g Hundemilch pro Tag 41,9 Cal. zugeführter Energie in Betracht. In der Zeit vom 6.—15. Lebenstag wurden täglich 3,829:9 = 0,425 & N (vgl. S. 138) angesetzt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass bei Erhaltunesdiät der N-Ansatz etwas ceringer ist, als hier an- genommen wurde. Ferner ist zu berücksichtigen, dass hier eine gewisse Unsicherheit in die Rechnung noch dadurch hineinkommt, dass der Ansatz von Stickstoff eine Gewichtszunahme durch Wasser- ansatz nach sich zieht. Wenn also Gleichgewicht vorhanden ist, muss N-freie Substanz und mit ihr Wasser in Verlust gehen. Die Muskulatur des ausgewachsenen Hundes enthält nach meiner Er- fahrung im Mittel 3,27 °/o Stickstoff. Mit 0,425 g N würden also (l& N — 30,6 & Muskelfleisch) 13,0 & Fleisch angesetzt werden, bzw. etwas ehr, da die Muskulatur des jungen Hundes mehr Wasser enthält. Da Glykogen mit der vierfachen Menge Wasser verbunden ist, würden dem Ansatz von 13 g Fleisch 2,6 g Glykogen Verlust entsprechen müssen, was durchaus wahrscheinlich erscheint, wenn man Be eleiehnei, dass der natürlich ernährte Hund Nr. I (Tab. 18) am 6. Lebenstage 5,83 g Kohlenhydrate enthielt, während der u bei den eben ausreichend ernährten und fast gleich schweren Hunden Nr. IV und VI 2,34 g und 2,03 g betrug. Immerhin ist hier, wo es sich doch nur um eine Annäherung handelt, und der Kleinheit des Stickstoffbetrages wegen die obige elatte Rechnung erlaubt. Dabei kommen von dem oben genannten Netto- ” ” 144 Heinrich Gerhartz: betrage wegen des Abzuges, der für den Harn-N und die Ausnutzungs- korrektur zu machen ist, noch, da in 29,3 g Hundemilch 0,494 & N (vel. S. 129) enthalten sind und diese zu 95 °/o ausgenutzt werden (0,469 & N) und 1 g Harn-N = 12,1 Cal., 0,469 & N (-Zufuhr) — 0,425 „ „ (Ansatz) 0,044 & N - 12,1 = 0,532 Cal. in Weefall. Es bemisst sich also die tägliche Netto-Enersieauf- nahme zu 41,90 Cal. ; — WB; 41,37 Cal. Da das mittlere Körpergewicht 329,5 g betrug, sind hier zur Erhaltung des Bestandes pro Kilogramm Körpergewicht 143,1 Cal. (Bruttowert) bzw. 125,5 Cal. (Nettowert) erforderlich gewesen. Die vorstehende Berechnung führt also zu einem etwas höheren Wert als die frühere (S. 141), die 119,1 Cal. (Nutzwert) ergab. Dies ist verständlich, wenn es wahr ist, dass die Ober- flächengrösse den Energiebedarf diktiert; denn dann ist nicht das tatsächliche Körpergewicht (329,5 g) maassgebend, sondern das letzt- höchste (349 g). Wissen wir doch aus Erfahrung, dass die Haut bei der Gewichtsabnahme sich wohl in Falten legt, aber nicht kleiner wird. Auf dieses letztere Gewicht bezogen, ereibt sich die zur Erhaltung erforderliche Energie zu 135,1 Cal. (Bruttowert) bzw. 1185 „ (Nutzwert) pro Kilogramm Körper- gewicht; d. i. ein mit dem früheren Betrag vollkommen über- einstimmender Wert. Im Anschlusse an diese Erörterungen besitzen einige Betrach- tungen über die Natur des Verlustes an Körpersubstanz, der vom 5. Lebenstage (29. Juli) |Körpergewicht 349 g] bis zum Todestage (8. Lebenstag, 1. August) [Körpergewicht 312,2 g] bei dem Hund Nr. IV statthatte, Interesse. In dieser Zeit wurden 67,27 & Hundemilch zugeführt, die 108,237 Brutto-Calorien repräsentieren. Von diesem Energiewert ist ein gewisser Betrag für den stets vor sich gehenden Ansatz von Körpersubstanz verwandt worden. Die Grösse des stattgehabten Ansatzes lässt sich auch hier in einfacher Weise taxieren. Hund Nr. IV besass am 1. August einen absoluten Stickstoffbestand von 6,775 g N, Hund Nr. I am 30. Juli einen solchen von 6,604 g N. Experimentelle Wachstumsstudien. 145 Wird proportional auf den 29. Juli zurückgerechnet (pro Tag 0,171:3 = 0,057 g N), so hat Hund Nr. IV am 29. Juli, also zu Beginn der hier in Rede stehenden Zeitperiode, einen Stickstoff- gehalt von insgesamt 6,547 g N besessen. Es hat demnach ein Ansatz von OUZS N — HN 0,228 g N stattgefunden — 1,425 g Eiweiss bzw. 7,905 Eiweiss-Calorien. Von den eingebrachten Calorien sind also nur 108,237 Cal. — 7905 „ 100,332 Cal. zersetzt worden; d. s. pro Tag 33,444 Cal Nach den oben erwähnten Daten bedurfte Hund Nr. IV zur Erhaltung des Bestandes 47,144 Cal. Da aber von den zugeführten DU . 2 2 .2.202...933444 „ dafürin Betracht kamen, fehlten lau 30... 13,0 Cal. Bei diesem Defizit trat ein täglicher Verlust von 349,0 — 312,2 sog: 3 7103 8 em. Pro 1 g Verlust kommen also 1,1 Cal. in Betracht; d. i. ein Wert, der der mittleren Zusammensetzung des jungen Hundes ent- spricht (vgl. Tab. 18). 2, Untersuchungen an den mit Kuhmilch gefütterten Hunden. In der gleichen Weise, wie vorhin, wurde an zwei mit Kuh- milch gefütterten Hunden (Nr. IX und X) verfahren, Die nach- folgenden Berechnungen beziehen sich also wiederum auf Perioden von Körpergewichtseleichheit. Da die beiden Tiere mit den gleichen Nährmitteln gefüttert wurden, vom 29. Juli (5. Lebenstag) an mit Kuhmileh, vom 4. August (11. Lebenstag) an mit einem Gemisch von gleichen Teilen Kuhmilch und Sahne („Sahne-Milch“), schicke ich die Mitteilung der Ergebnisse der chemischen und kalori- metrischen Untersuchung voraus und leite auf Grund dieser Werte die Nutzbeträge ab, wobei der Harn-Stickstoff jedoch vorläufig un- berücksichtigt bleibt. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 10 146 Heinrich Gerhartz: A. Zusammensetzung der Kuhmilch. Die Analyse ergab: Trockensubstanz 10,149 lo Stiekstot . ., .. 0545% Ätherextrakt . 2,907 % INSchera 20220660320 mer 9 gArral: In 100 g Milch sind 0,545 - 6,37 = 3,469 g Eiweiss A 5773,4 cal. — 20,028 Cal. vorhanden. | Es kommen in Abrechnung: Y/oo für Unverdauliches. . -. . . „= 1,001 Cal. 0,8 Cal. pro 1 g für Verdauungsarbeit — 2,776 „ so dass sich der Abzug zu .... 3,117 Cal. summiert und vom Eiweiss . . . . 20,028 „ — 3777 5 16,251 Cal. nutz- bar sind. Da 1 g Butterfett 9205 cal. entspricht, machen die vorhandenen 2,907 g: 26,759 Cal. aus. Der Abzug beträgt 3°o für Unverdauliches — 0,803 Cal. 0,5 Cal. pro 1 g für Verdauungsarbeit = 0,698 „ insgesamt 1,501 Cal. Es bleiben: 26,759 Cal. — 1501 „ 25,258 Cal. Nutzwert. Wird 1,1 °/o Gehalt an organischen Restsubstanzen angenommen (& 3200 cal.), so bleiben als Rest für Milchzucker: 10,149 g Trockensubstanz, — 7,042 „ für Eiweiss, Fett und Asche, 3,107 g — 1,100 „ (organische Substanz des Restes), 2,007 g & 3951 cal. — 17,93 Cal. Pro 1 & Kohlenhydrate gehen 0,4 Cal. ab, so dass von 7,930 Cal. — 0,808 „ 7,127 Cal. nutzbar bleiben. Es setzt sich somit der Energieinhalt von 100 g der verwendeten Kuhmilch folgendermaassen zusammen: Experimentelle Wachstumsstudien. 147 Baweisse : * ... .%. 20.028: Cal. 16,251 Cal. Mrherexirakt. . - - . 26,759 „ | Brutto-! 25,258% |Netto- Kohlenhydrate . . . . 7,930 „ |wertbzw. 7,127 „ I wert Organische Restsubstanz 3,520 „ 3,520 „ 58,237 Cal. 52,156 Cal. Die direkte Bestimmung ergab statt 582 cal. 594 cal. prolg Kuhmilch. Wir werden im folgenden natürlich mit diesem korrekten Werte von 594 cal. rechnen und als Nutzwert 594,00 cal. — 60,81 „ 538,19 cal. pro 1 g rechnen. b) Zusammensetzung der Sahne-Milch. Die chemische Zusammensetzung des Gemisches war: 14,760 °/o Trockensubstanz, 0,420 °/o Stickstoff — 2,675 °/o Eiweiss, 7,343 °/o Ätherextrakt, 0,619 °/o Asche. ins —1986. 37, eal Als Rest für Zucker und andere Restsubstanzen ana von 14,760 g Trockensubstanz nach Abzug von Eiweiss 2,675 g INN Tür o Bett‘ 7.5435 Asche . 0,619 „ 4,123 g Angenommen, es sei die Hälfte der oben genannten Menge — weil die Hälfte des Gemisches aus Mileh besteht — von organischer Restsubstanz vorhanden, so ergeben sich 4,123 g —() 0,550 Zu 35 330 für Milchzucker. Der behersiewert dieser Komponenten addiert sich also aus 2,675 g Eiweiss a 58773,4 cal. — 15,444 Cal. 7,343 „ Ätherextrakt & 9205,5 eal. = 67,596 3,973 „ Kohlenhydrate & 3951 cal. — 14,117 0,550 „ Rest a. 8200)n8eald 2116020, zu 98,917 Cal.prol00g Sahne-Milch zusammen. Direkt gefunden wurden 986,3 cal. pro lg. 10 * B>] ” 148 Heinrich Gerhartz: Die Abzüge sind: l. für das Eiweiss: 1/oo für Unverdauliches — NT Cl 0,3 Cal. pro 1 g für die Verdauungsarbeit — 2,138 „ R 2,910 Cal. 2. für das Atherextrakt: 3°/o für Unverdauliches —2,028 Cal. 0,24 Cal. pro 1g für die Verdauungsarbeit — 1,762 „ 3,790 Cal. 3. für die Kohlenhydrate: 0,4 Cal. pro 1 g für die Verdauungsarbeit = 1,429 Cal. Daraus ergibt sich ein Nutzwert von 986,30 cal. — 81,29 „ 905,01 cal. pro lg Sahne-Milch. 1. Hund Nr. IX. Beim Hund Nr. IX ist die Erhaltungs- periode, die zur Berechnung des Erhaltungsbedarfs dienen kann, in der Zeit vom 29. Juli (Körpergewicht 342g) bis zum 5. August (Körpergewicht 343 g) gelegen, dauerte also vom 5. bis zum 12. Lebenstage einschliesslich. In diesen 7 Tagen, in denen die täglichen Lebendgewichte 348,5 (6. Lebenstag), 354, 357, —, 334, 327, 343 g waren, wurden 316,4 g Kuhmilch und 116,3 g Sahne-Milch gegeben. Diese repräsen- tieren einen Bruttowert von 302,737 Cal.; d. s. 43,248 Cal. pro Tag. Nach der eben durchgeführten Nutzwertberechnung wurden in der Kuhmilch 168,701 Cal. %» » Sahne-Milch 105,251 , im ganzen 273,952 Cal. zugeführt; d. =. pro Tag 39,136 Cal. ; Dieser Energiebetrag entspricht nun noch nicht dem tatsächlich nutzbaren; denn es steht noch ein Abzug für den Harn—Stickstoff aus. Da wir die N-Zufuhr kennen, muss noch der Ansatz von N bekannt sein, um ein Urteil über die Quantität des zersetzten Stick- stoffs gewinnen zu können. Für diese Berechnung sind Daten, die bei der chemischen Untersuchung der Säuglinge Nr. I und IV ge- wonnen wurden, von Wert. Am 6. Lebenstage besass der erstere einen Bestand von 6,6048 N, am Ende des 7. Lebenstages Hund Nr. IV u — Experimentelle Wachstumsstudien. 149 einen solchen von 6,775 g N. Der N-Bestand hatte sich also in einem Tage um 0,171:2 = 0,0855 g N vermehrt. Dabei stieg das Lebend- sewicht täglich um 10 %o des vorhergehenden an. Es ist also zu berechnen, welchen Anwuchs Hund Nr. IX normalerweise genommen hätte. Bei 10 °/o Anstieg ist anzunehmen, dass das Körpergewicht, das am 29. Juli 342 g betrug, am 5. August bei normalem Anwuchs 666 g ausmachte. Das würde also einen Ansatz von 46,3 g täglich bedeuten. Bei den Säuglingen Nr. I und IV entsprachen den 0,0855 g N 34 g Gewichtsvermehrung (100 g Ansatz = 0,2515 g N). Für die beim Hund Nr. IX in Betracht kommenden 46,3 g wären also 0,116 g N anzusetzen. In der in Untersuchung stehenden Zeit wurden in Kuhmilch 1,725 g N in Sahne-Milch 0,488 „ „ zusammen 2,213gN, also pro Tag 0,316gN, bzw. bei 95 °/o Ausnutzung 0,300 8 N zugeführt. Da hiervon 0,116 g N (e. g. s.) angesetzt wurden, wurden 0,300 & N — 0,116 „,„ 0,184 g N zersetzt. 1 & N entspricht bei Kuhmilchernährung (nach Rubner) 6,93 Cal.!). Es gehen also pro 0,154 g N von 39,136 relativen Nutz-Calorien in der Zufuhr (pro Tag) — 1,275 Cal. ab, so dass 37,861 Cal. nutzbar bleiben. Pro Kilogramm Körpergewicht und Tag sind das, wenn das Anfangs- und Endgewicht der Periode, sowie das letzthöchste Gewicht (vgl. oben bei Hund IV S. 144) zugrunde gelest werden (342 g) 126 Cal. Bruttowert, 11 Cal. Nettowert. 2. Hund Nr. X. Für den Hund Nr. X lässt sich in der Zeit, vom 2.—4. August, d.h. vom 9.—11. Lebenstage folgendes feststellen. Am 2. August wog der Hund 409 e. to, L POL. AT Dan... 2008, 1) Ich selbst fand bei einer milchgebenden, mit Reis und Fleisch ernährten Hündin 8,27 Cal., sonst bei gleicher Ernährung 6,9 Cal. pro 1 g Harn-N. 150 Heinrich Gerhartz: Am 2. und 3. August wurden im Mittel pro Tag 119,35 g Zus milch — 70,894 Cal. Bruttowert eingenommen. Das mittlere „Normalgewicht“ der Periode, d. i. das Gewicht bei normalem 10 °/)oigem Anstieg, ist zu 715 g zu taxieren, so dass also bei 10°/o Ansatz an Gewicht pro Tag 71,5 g in Betracht kommen, auf die [pro 100 g=0,2515 g N] 0,180 & N als täglicher - Ansatz entfallen. Es wurden pro Tag in den 119,35 g Kuhmilch 0,65 & N zugeführt, bzw. bei 95 °/o Ausnutzung 0,618 & N aufgenommen. Angesetzt (s. oben S. 143) wurden davon 0,180 „ „ so dass also 0,438 eN umgesetzt wurden. Diesen ent- sprechen 0,438 - 6,39—=2,799 Cal., die von den eingeführten 63,636 Cal. (Nutzwert) noch in Abzug kommen. Es sind also pro Tag nur 63,636 Cal. | — 2,799 „ 60,857 Cal. völlig nutzbar. Pro Kilogramm Körpergewicht und Tag liegt also hier der Erhaltungsbedarf, wenn auf das tatsächliche Körpergewicht der Untersuchungsperiode (406 g) bezogen wird, bei 175 Cal. (Bruttowert) bzw. 149,8 ,„ (Nutzwert); wenn aber, was mir aus den oben namhaft gemachten Gründen korrekter zu sein scheint, das voraufgegangene Maximalgewicht (487 g) der Beziehung zugrunde geiest wird, bei 146 Cal. (Bruttowert) bzw. 125 „ (Nutzwert). Die bei den beiden Hunden festgestellten Erhaltungsenersie- werte differieren etwas. Am richtiesten ist ohne Zweifel der beim Hund Nr. IX gefundene Wert, weil hier die untersuchte Periode dem normalen, ungestörten Anwuchs noch zeitlich am nächsten liegt. Dieser Energiewert liegt nicht weiter von den früher bei den anderen Hunden festgestellten entfernt, als der Bereich der bei der Art der Untersuchung unvermeidlichen Fehler geht. Ich erinnere daran, dass unter Zugrundelegung des der Untersuchungszeit voraufgegangenen maximalen Lebendgewichtes der nutzbare, zur Erhaltung ausreichende Energiebetrag pro Kilogramm Körpergewicht. und Tag bei der 1. Bestimmung (S. 141) zu 119 Cal.| Ernährung mit de 5 a I De Hundemilch Experimentelle Wachstumsstudien. 151 bei der 3. Bestimmung (,„ 149) zu 111 Cal.} Ernährung mit ) ” 4. ” & 150) $)) 125 ” Kuhmilch festgestellt wurde. Der mittlere Wert der beiden letzten Bestimmungen liegt also (118 Cal. Nutzwert) in der Höhe der beiden ersteren (119 Cal... Daraus geht hervor, dass eine Präponderanz der arteigenen Mileh vor derartfremdenin energetischer Be- ziehung nicht besteht. Es bietet noch Interesse, beim Hund Nr. IV, bei dem die Ober- fläche direkt gemessen wurde, die Beziehung der Körperober- fläche zum Erhaltungsbedarf aus den genannten Daten ab- zulesen. Der Hund hatte bei einem Körpergewicht von 349 & eine Oberfläche von 343,6 qem. Pro Tag wurden zur Erhaltung des Ge- wichtes (vgl. S. 144) 41,37 Cal. (Nutzwert) gebraucht. Es bemisst sich also pro Quadratzentimeter der Erhaltungsbedarf zu 120,4 cal. Bereits oben wurde für den erwachsenen Hund der Erhaltungs- bedarf abgeleitet (S. 119). Dort war die Oberfläche nicht direkt ermittelt worden. Wird mit dem Oberflächenwert, den Rubner . für einen fast gleich schweren Hund (9,6 kg) fand (6140 gem), ge- rechnet, so ergibt sich für den erwachsenen Hund nach meinen Be- obachtungen ein Erhaltungsbedarf von 120,2 cal. pro Einheit der ‚Oberfläche. In der Literatur werden verschiedene Werte genannt. Rubner gibt in einer älteren Arbeit!) 1143 Cal., in einer neueren ?) 1039 Cal. unter Einrechnung der Verdauungsarbeit pro Quadratmeter Oberfläche an. Was die im hiesigen Institut ausgeführten Arbeiten an- betrifft, so berechnete Magnus-Levy°) für völlig ruhende nüchterne Hunde (ebenfalls gemessene Oberfläche) 952 Cal. pro Quadratmeter; Slowtzoff*) fand unter gleichen Bedingungen 811 Cal. Es können ferner die Respirationsversuche, die Porges und Pribram?) an 1) M. Rubner, Einfluss der Körpergrösse auf Stoff- und Kraftwechsel. Zeitschr. f. Biol. Bd. 19 S. 549, 1883. 2) M. Rubner, Das Problem der Lebensdauer und seine Beziehungen zu Wachstum und Ernährung. München und Berlin 1908 S. 149. 3) Ad. Magnus-Levy, Über die Grösse des respiratorischen Gaswechsels unter dem Einfluss der Nahrungsaufnahme. Pflüger’s Arch. Bd. 55 S. 28 bis 32. 1894. 4) B. Slowtzoff, Über die Beziehungen zwischen Körpergrösse und Stoff- verbrauch des Hundes bei Ruhe und Arbeit. Pflüger’s Arch. Bd. 95 S. 174. 1903. 5) 0. Porges und E. Pribram, Über respiratorischen Stoffwechsel nach ermüdender Arbeit. Biochem. Zeitschr. Bd. 3 S. 463. 1910. 152 Heinrich Gerhartz: ruhenden nüchternen Hunden anstellten, herangezogen werden. Diese Autoren fanden bei einem durchschnittlichen Körpergewicht ihres Hundes von 9,3 kg pro Minute 63,6 ccm O, und einen respiratorischen (uotienten von 0,7. Einem solchen Quotienten kommt ein kalorischer Wert des Sauerstoffs von 4,686 pro Kubikzentimeter zu!). Hiernach wurden pro Tag (9158 eem Sauerstoff) 42914,4 Cal. produziert, was pro Einheit der Oberfläche und Tag 97,04 Kal. ausmacht. Wird die Verdauungsarbeit mit 10)%/o veranschlagt, so bleibt noch ein Fehlbetrag von 120,2 Cal. — 106,7 „ 13,5 Cal., der dem Arbeitsaufwand des nicht unbedingt ruhenden Hundes entspricht, wie man aus dem Unterschied zwischen dem jüngsten Rubner’schen Werte (1039) und dem bestgesicherten Ruhewerte Magnus-Levy’s (952 Cal.; absolute Ruhe, nüchtern, direkt gemessene Oberfläche) ersieht (9,1 °o). Auch von Richet?) liegen zahlreiche Respirationsversuche, die im Prinzip dasselbe ergeben, vor. . Der oben von mir für den normal sich verhaltenden relativ ruhigen - Hund angegebene Wert ist also gut gestützt. Es stellt sich dem- zufolge bei meiner Untersuchung heraus, dass sich bei direkter Be- stimmung der Oberflächen Identität zwischen dem Erhaltungs- bedarf des Säuglings und dem des erwachsenen Organismus ergibt; d. h. der Erhaltungs-Energiebedarf ist in der Tat eine Funktion der wirklichen Oberfläche, aber nicht der in der üblichen Weise mit einer der bekannt gegebenen Konstanten abgeleiteten „Ober- fläche“, da die Konstante mit dem Alter und anderem wechselt. Dieses Ergebnis harmoniert durchaus mit den jüngsten Er- fahrungen Schlossmann’s und Murschhauser’s?®) an einem älteren menschlichen Säugling (150.—170. Lebenstag;). Es bietet sich jetzt nach der direkten Bestimmung des Erhaltungs- bedarfs die Möglichkeit, ein zweites Mal die Differenzierung des totalen Energiebedarfs durchzuführen. 1) Zuntz und Schumburg, Studien zu einer Physiologie des Marsches S. 361 Tab. VII. Berlin 1901. 2) Ch. Richet, Etude sur la mesure des combustions respiratoires chez le chien. Arch. de physiol. norm. et pathol. Janv. 1890 no. 1. 3) A. Schlossmann und H. Murschhauser, Grundumsatz und Nahrungsbedarf des Säuglings. Biochem. Zeitschr. Bd. 26 S. 14—41. 1910. Experimentelle Wachstumsstudien. 153 Die erste Berechnung hatte zu einem Bedarf von 119 Cal. für die Erhaltung, 1li „ „den Anwuchs, insgesamt 230 Cal. pro Kilogramm Körpergewicht und Tag für den 6.—14. Lebenstag geführt (S. 141). Erhaltungs- und An- wuchsbedarf stehen also im Verhältnis von 52 °%o : 48 /o; bzw. der Anwuchsbedarf verhält sich zum Totalbedarf —= 100:203. 18 Anwuchs = 1,09 Cal. (Nutzwerte). An den Säuglingen der Versuchsreihe II wurde festgestellt (vgl. Tab. 11 S. 128), dass die Zunahme im Mittel der fünf Bestimmungen 101,6 2, die Milchaufngahme 192,4 g=313,3 Cal. (Bruttowert) pro Kilogramm Körpergewicht und Tag betrug. Die 101,6 & Zunahme entsprechen 0,2555 g Ansatz (S. 150). In 192,4 g Milch wurden 3,252 g N, unter Berücksichtigung der Ausnutzung (95 °/o) 3,089 & N zugeführt. Da hiervon 0,253 „ „ angesetzt wurden, wurden 2,836 8 N umgesetzt; d. h. es ist ein Abzug von 2,896 - 12,1— 34,316 Cal. von dem relativen Nutzwerte der zu- geführten Hundemilch zu machen. Es wurden demnach pro Kilo- gramm und Tag 275,170 Cal. — 34,316 „ 240,854 Cal. Nutzwert eingeführt. -Im Mittel der letztangestellten vier verschiedenen Berechnungen (S. 151) ergab sich unter den gleichen Verhältnissen ein Erhaltungs- bedarf von 118 Cal., so dass die Aufstellung der Energiebeträge zu: 241 Cal. (Nutzwert) totaler Bedarf — 118 „ 5 Erhaltungsbedarf 123 Cal. (Nutzwert) Anwuchsbedarf pro Kilogramm Körpergewicht und Tag für die Zeit vom 10.—19. Lebenstag zu formulieren ist. (=) Das Verhältnis von Erhaltungsbedarf zu Anwuchsbedarf ist also —49°%0:51°o, das von Anwuchsbedarf zum totalen Bedarf —=100:19. 1 g Anwuchs— 1,21 Cal. Die beiden Berechnungen differieren etwas in der Richtung, dass der späteren Zeit ein etwas höherer Anwuchsbedarf zukommt. Es ist dieselbe Beobachtung, die schon oben (S. 128) gemacht wurde. Die Erklärung ist darin zu suchen, dass grösserer Ansatz von Fett sich geltend macht. 154 Heinrich Gerhartz: Über die Verwendung des niedrigen Anwuchswertes lässt sich des genaueren an den Daten, die für die chemische Zu- sammensetzung der Tiere gefunden wurden, Aufschluss gewinnen. Entspricht der Zuwachswert der Totalzusammensetzung? Sind Organe im wesentlichen gewachsen? Oder was ist bestimmend gewesen ? Säugling: Nr. II besass (S. 131) in 72,91 g Organsubstanz (Magen, Nieren, Gehirn, Herz, Leber, Lungen) einen Energiewert von 63,069 Cal., d. s. 865 cal. pro 1 g (6. Lebenstag). Beim Säugling Nr. I (S. 137) kommen auf 38,2 g gleiche Organ- substanz 30,562 Cal., also 800 eal. pro 1 g (15. Lebenstag). Der Brennwert liegt also hier viel niedriger als bei der an- gesetzten Körpersubstanz (1,1—1,2 Cal. Nutzwert pro 1 g). Es ist notwendig, hier über den Anteil, den das Wachs- tum der genannten speziell untersuchten Organe am Anwuchs nimmt, sich klar zu werden. Ehe des genaueren darauf ein- gegangen wird, seien zunächst die Analysenzahlen von Hund Nr. VI, der am Ende des 14. Lebenstages (Kuhmilchernährung seit dem 6. Lebenstage) getötet wurde, mitgeteilt. Die täglichen Gewichte waren vom 6. Lebenstage ab: 468, 430, 403, 383, 373, 362, 390, 373, 388, 397,5 e. | Das Totalgewicht dieses weiblichen Hundes, der 12 Stunden vor dem Tode keine Nahrung mehr erhielt, betrug also zuletzt 397,5 g. Davon wogen die untersuchten Organe 62 g, der Rest 335,5 ©. Die Analyse des Tierrestes ergab: 26,671 %/o Trockensubstanz. Pro 100 g Trockensubstanz: 21,381 g Ätherextrakt, 10,412 „ Stickstoff 13,453 „ Asche = 17,112 °/o der ätherextrakt- freien Trockensubstanz). 1 g Trockensubstanz = 5341,65 cal. Der ganze Rest besass also: \ 79,42 & Trockensubstanz, 8,27 „ Stickstoff — 51,069 g Eiweiss, 16,98 „ Ätherextrakt, 10,68 „ Asche, ferner einen Energiewert von 424,213 Cal. Q Experimentelle Wachstumsstudien. 155 Die I. Organgruppe (Magen, Nieren, Gehirn) — 26,537 g war folgendermaassen zusammengesetzt: Trockensubstanz —13,092 ?/o der frischen Substanz — 3,474 g absolut. Stickstoff — 1,427 °/o der frischen und 10,904 %/o dertrockenen Substanz = 0,379 g absolut (2,367 g Eiweiss). Ätherextrakt == 2,163 ?/o der frischen und 16,524 °/o der trockenen Substanz — 0,574 g absolut. Die II. Organgruppe (Herz, Lungen und Leber) — 35,499 g Substanz, wies auf: Trockensubstanz — 25,104 °/o der frischen Substanz = 8,912 g absolut. Stickstoff — 2,344 °/o der frischen — 8,937 °/o der trockenen Substanz—0,797 gN absolut(—4,978g Eiweiss). Ätherextrakt = 4,603 %/o der frischen — 18,366 %/o dertrockenen Substanz — 1,634 g absolut. Die 2,208 g Ätherextrakt der Organe entsprechen 2,208 - 9386 — 20,726 Cal., die 7,346 g Eiweiss a 5547 cal. —40,751 Cal. Da der Aschengehalt der Organgruppen nicht direkt ermittelt wurde, muss der totale Aschengehalt des Hundes nach den beim Hund Nr. IV erhobenen Zahlen berechnet werden. Hund Nr. IV (7 Tage jünger) besass 14,676 °o der fettfreien Trockensubstanz Asche. Hier beim Hund Nr. VI kommen also 11,431 g Asche, für die ganze fettfreie Tiertrockensubstanz — 72,62 g, unter Berück- sichtigung der durch das höhere Alter bedingten Steigerung des Aschengehaltes des Tierrestes (vgl. S. 133), berechnet, in Betracht. Es bleiben nach Abzug von 10,684 g Tierrestasche 0,747 g ÖOrganasche, und somit ergibt sich ein Kohlenhydratgehalt von 12,386 g (Organtrockensubstanz), Eiweiss 7,346 g — 10,301 „ 2 Ätherextrakt 2,208 „ Asche MZAT 2,085 g, die zu 4190,6 eal. pro 1 g gerechnet, 8,737 Cal. ausmachen. Es ergibt sich hiermit ein Totalenergiewert des Tieres Nr. VI von Heinrich Gerhartz: 424,213 Cal. Tierrest Eiweiss 40,751 Cal. Ätherextrakt 20,726 Kohlenhydrate 3,737 70,214 „ Organe 494,427 Cal. Bei diesem Tier machen die Organe 15,6 °/o des Gewichtes aus. Für den Hund Nr. II (6. Tag) und I (15. Tag) sind die entsprechenden prozentualen Werte 12,0% und 11,5 °/o, woraus sich also keine Beziehung zum Alter ablesen lässt. Es ist unschwer zu erkennen, dass dieser Umstand auf der Veränderlichkeit des Gewichtes des Restbestandes beruhen muss, und es ist deshalb angezeigt, die für die einzelnen Organe erhaltenen Zahlen im einzelnen einer Be- trachtung zu unterziehen. Ich nehme die Erfahrungen, die bei der chemischen Unter- suchung der Organe gesammelt wurden, vorweg, weil sie schon aus den gemachten Mitteilungen abzulesen sind, stelle sie aber noch- mals (Tabelle 12) übersichtlich zusammen. Tabelle 12. Chemische Zusammensetzung der inneren Organe der jungen Hunde. Mit Kuhmilch er- nährter Hund VI (14. Lebenstag) Natürlich ernährter Säugling Nr. I (6. Lebenstag) Natürlich ernährter | Säugling Nr. Il (15. Lebenstag) ab- %o der| %o der | ab- | Yo der | %o der | ab- | Yo der | Yo der solut frischen Trocken-I solut [frischen Trocken-| solut frischen Trocken- g | Subst. substanz| g | Subst. |substanz| g | Subst. |substanz Trockensubstanz |5,907 | 15,46 — 12,69 17,4 — 112,39 | 19,97 — Stickstoff . . . 10,682] 1,78 11,54 1,34| 1,83 10,54 1,18 1,90 3,08 Eiweiss. . . . [4,26 | 11,15 72,125 | 8,36| 11,46 65,85 7,345| 11,84 19,23 Atherextrakt . |0,605| 1,585 | 10,25 1,10| 1,50 8,64 al 3,96 5,18 Es geht klar hervor, dass der Gehalt an T'rrockensubstanz und der absolute Eiweissgehalt mit höherem Alter zunimmt, dass aber der Eiweissgehalt, der in der früheren Epoche den Hauptanteil der Trockensubstanz ausmacht, in dieser dominierenden Rolle bald durch das Glykogen verdrängt wird. Da dies vermuten lässt, dass sich hier im wesentlichen der Einfluss der glykogenreichen Leber geltend macht, ist es am Platze, die betreffende Organgruppe ausser acht zu lassen. Leider geht aber dabei das wichtigste Material von Hund Nr. I (6. Lebenstag) für die Betrachtung der Altersunter- Experimentelle Wachstumsstudien. 157 schiede verloren, und es ist nur noch möglich, den dem 15. Lebens- tag angehörenden Säugling Nr. II mit dem am 14. Tage getöteten Hund Nr. VI zu vergleichen. Diese Untersuchung, die für 4,095 g Trockensubstanz, Hund Nr. II (596 g; 15. Lebenstag) * 2,9 „ Eiweiss, (33 g frische Substanz). 3,47 g Trockensubstanz, Hund Nr. VI (397,5 g; 14. Lebenstag) 4 2,4 „ Eiweiss, (26,5 „ frische Substanz) ergibt, lässt trotz der grossen Unterschiede im Gewicht keine wesent- liche Differenz in der Zusammensetzung der Organe (Magen, Nieren und Gehirn) erkennen. ER Über den spezifischen Ausbau der einzelnen Organe orientieren die Tabellen 13, 14 und 15. Sie bringen die absoluten und prozentualen Gewichte sowie die Beziehungen der Organe zu dem beim jugendlichen Organismus allerdings sehr variabelen Gehirn- gewicht. Ich möchte aber gerade die vergleichende Untersuchung der in der letzteren Tabelle niedergelegten Zahlen für recht lehr- reich halten, da das Gehirn doch eine spezifische Entwicklung durch- macht und von Hunger und anderen Einflüssen, die sonst die Organ- masse zu ändern pflegen, äusserst wenig betroffen wird. Die Modifikationen, die sich in der 2. Lebenswoche abspielen, gehen nach der Richtung, dass Leber, Gehirn, Magen und Nieren ständig entsprechend der Körpermasse (Tabelle 13) zunehmen. Auch beim Herzen und beim Knochensystem besteht eine Proportionalität zur bestehenden Körpermasse (Tabelle 14). Die Beziehung der Organe zum Gehirngewicht verringert sich zum Teil, weil das Gehirn ausserordentlich stark wächst (Tabelle 15). Neben dem Gehirn lassen Lungen und Magen ein spezifisches Wachstum erkennen. Die hier für die 2. Lebenswoche abgeleiteten Organwachstums- werte behalten nicht für das ganze Wachstum der Hunde Gültigkeit. In Tabelle 16 (S. 160) bringe ich Zahlen, die einen Vergleich zwischen den genannten und denen beinahe (eigenes Material) und völlig [Rogozinski!)] ausgewachsener Hunde ermöglichen. Hiernach 1) F. Rogozinski, Über den Einfluss der Muskelarbeit auf Gewicht, Zu- sammensetzung und Wassergehalt der Organe des Tierkörpers. Biochem. Zeitschr. Bd. 1 S. 207—228. 1906. 158 Heinrich Gerhartz: Tabelle 13. Absolute Organgewichte der jungen Hunde. Natürlich er- Natürlich er- Mit Mit Kuhmilch nährter Säug- nährter Säug-| Muttermilch | ernährter ling Nr. I | ling Nr. II | ernährter |Hund Nr. VI (6. Lebens- (15. Lebens- | Hund Nr. IV (14. Lebens- . tag) tag) (7. Lebenstag) tag) 8 g g 8 Körpergewicht . . . . . 332,6 996,15. 312,1 397,5 Herza St 2,64 5,69 4,15 3,05 ungener wer oe 9,12 831 — 7,96 Leberm.entleerterGallen- blaseyz. sea, I. 28 13,02 25,92 —_ 24,89 Gehirn ee 8,59 17,88 —_ 15,97 Magenkr. Hr eirenn: 2,87 5,29 — 4,34 INrerenia. wer 4,73 9,82 _ 6,23 Mir 1,22 _ Haut rar == = 59,10 —_ Linke Tibia und Fibula _ 1,97 0,807 1,226 Bauchinhaltsrest . . . . 22,0 —_ — — Gewicht der untersuchten Organesi. A. 38,20 79,91 _ 62,0 Untersuchter Tierrest. . 294,38 516,24 339,9 Tabelle 14. Organgewichte der jungen Hunde, in Prozent des Körpergewichts. Natürlich er- nährter Säug- ling Nr. I (6. Lebens- tag) %o Herz u. rl: 0,795 Lungen 1,541 Leberm. entleerterGallen- blaseun, rasen ee de 3,914 Gehirn a. Ken Ieyer:, 2,584 Magen... ee eerike 0,364 Nieren el: 1,422 MEZ UN N 0,366 Linke Tibia und Fibula — Bauchinhaltsrest . . . . 6,614 Haut Natürlich er- nährter Säug- ling Nr. II (15. Lebens- tag) 0/0 0,954 1,394 4,348 Mit Muttermilch ernährter Hund Nr. IV (7. Lebenstag) %o Mit Kuhmilch ernährter Hund Nr. VI (14. Lebens- tag) %o 0,768 1,901 6,261 4,017 1.092 1,567 0,308 nimmt die Entwicklung von Gehirn, Leber, Lungen, Pankreas, Milz und Nieren mit steigendem Alter mehr und: mehr einen langsamen Verlauf (Prozent des Körpergewichts); nur das Herz bildet eine Aus- nahme, indem es (anscheinend) seine Proportionalität zur Körper- Experimentelle Wachstumsstudien. Organgewichte der jungen Hunde, in Prozenten des Gehirngewichts. Tabelle 15. 159 Natürlich Natürlich ernährter ernährter ernährter Säugling Nr. I | Säugling Nr. II | Hund Nr. VI (6. Lebenstag) | (15. Lebenstag) | (14. Lebenstag) 0/0 0/0 0/0 Az 0 30,75 31,80 192 TEIEER A 59,63 46,47 47,34 Leber m. entleerter Gallenblase 151,48 144,86 155,87 Brenn... .:.2..... 33,43 29,56 27,18 TIEREN SS 59,04 54,91 39,02 DEN. 7.22.2000: 14,16 — _ Linke Tibia mit Fibula 9,335 11,03 7,68 Mit Kuhmilch masse andauernd vergrössert. Darin weicht der Hund vom Menschen ab; denn bei diesem nimmt auch das proportionale Herzgewicht ab, wie aus der Zusammenstellung von Vierordt!), die in Tabelle 16 mit den von mir am Hunde gefundenen Zahlen verglichen werden kann, ersichtlich ist. Die Tabelle lehrt noch manches Interessante. Es zeigt sich, dass in der frühesten Lebensepoche die Haut, beim aus- gewachsenen Organismus Nieren und Leber sowohl beim Menschen wie beim Hund die gleiche Proportion zum Körpergewicht besitzen, dagegen die übrigen Organe sich abweichend verhalten. Beim Hund halten im Laufe der Zeit die proportionalen Zahlen für Lungen und Nieren mit der Körpermassse weniger Schritt als beim Menschen. Während beim Hund die Prozentzahl für die Lungen im Laufe des Wachstums auf die Hälfte fällt, bleibt sie beim Menschen fast auf der gleichen Höhe. Bezüglich des ausgewachsenen Organismus besteht bei Hund und Mensch für Leber, Milz und Nieren das. gleiche Verhältnis zur Körpermasse. Magen und Pankreas sind beim Hund relativ grösser, Lungen und Gehirn beim Menschen. Das geringe Gewicht der Lungen des Hundes fällt besonders auf. Untersucht man, um auf die frühere Frage zurückzukommen, den Gewichtsanteil, den die Leber am Gewicht der chemisch unter- suchten Organgruppen nimmt, so ergibt sich deutlich genug, dass sie die chemische Zusammensetzung in erster Reihe beeinflusst. Beim Hund Nr. I (6. Lebenstag) macht sie 35,2 °/o der Organgruppe aus, beim Hund Nr. II ebensoviel, 35,55 °/o, so dass also die früher 1) Vierordt, Daten und Tabellen. Jena 1886. . . Heinrich Gerhartz 160 "1878 'S T06L 'TOIsÄyg (m yeuy) 3 "pay -soyeseddesdunnepioA sap FunyoLmyug 9ıp ne ostomssunigeNn op Sunyaraurg oıp dog “o3odey "y pun 1waogT Io weN (I 6007 680 66.18 c9E'0 — —e — = — — — — - Ina y SOoyurT = =: = = = (Bd) | (GE | res | zur og | EL6T | Sgamaänepney -197uy) pun JneH G8’60T | 926,0 == = 96a | 1880 | erse | 7980 | Test |Grro I (670 | ° ° © uoden 09a | sro 2619 | eoLo | 16 | ZT | vocc | zer | see 970 92 2 Slo2 | 222 voran Ivo | 8060 9806 Tec0 = = Se | <0 812 ve zu e008 | r250 | 2698 | 6150 IE = = En 89 11,5 15,2 16,0 12200 213 12,3 12,2 INsche mean. 2,6 9,2 5,0 24 | 2,6 2,9 2,8 - Maus (A. v. Bezold) Hühnerembryo (ohne Dotter) 5 (L. v. Liebermann) öt ß z aleor neu Tage = 7 Tage | 14Tage | 21 Tage Länge) geborene alte wachsene alt alt alt %o Yon So %o 0/0 0/o 0/0 Wasser. nl. NEE 87,2 82,8 76,8 71,3 92,8 87,3 80,35 Trockensubstanz . 12,8 2 23,2 28,7 1,2 12,7 19,65 Organ. Substanz . uk 15,3 21,1 25,2 6,2 11,5 17,3 Eiweiss. .. .. — = — — — — —_ Aschem ea 0: il KO. 2,1 3,9 1,0 1,2 5) Es liegt nahe anzunehmen, dass das Wasser des Organismus zu der Zusammensetzung der Trockensubstanz in einem engeren und ursächlichen Zusammenhang sich befindet. Bezüglich dieser treten ja mit dem höheren Alter durchgreifende Modifikationen auf. 1) Moleschott, Physiologie der Nahrungsmittel, 2. Aufl., S. 224. 1859. 2) Ch. Bouchard, Determination de la surface de la corpulence et de la composition chimique du corps de l’homme. Compt. rend. t. 124 p. 844. 1897. 3) A. v. Bezold, zit. bei L. v. Liebermann, Embryochemische Uuter- Pflüger’s Arch. Bd. 43 S. 71—151. 1888. 4) Lawes und Gilbert, zit. nach Koenig, Chemie der menschlichen suchungen. Nahrungs- und Genussmittel. Bd.1 4. Aufl., 8.1. 1903. — 0 3 Experimentelle Wachstumsstudien. 169 Während .aber nach der Tabelle 21 sich beim Menschen ein mit dem höheren Alter steigender Eiweissgehalt angegeben findet, werden die für den Hund geltenden Prozentzahlen wesentlich kleiner. Diese Unterschiede gleichen sich aus, wenn in korrekter Weise der Eiweiss- gehalt des Organismus auf die fett- und aschefreie Trockensubstanz bezogen wird; denn dann ergibt sich für den Menschen, dass das Eiweiss beim Neugeborenen 73,6 °’o der fettfreien — 88,6 °/o der fett- und | aschefreien Trockensubstanz, beim Erwachsenen nur 50,9 °/o der fettfreien — 73,4 °/o der fett- und aschefreien Trockensubstanz ausmacht; ferner ergibt sich für den Hund als Eiweissgehalt: am 6. Lebenstage (Hund I) 74,5 °/o der fettfreien — 37,7 °/o der fett- und aschefreien Trockensubstanz, am 15. Lebenstage (Hund II) 65,4 Yo der fettfreien —= 77,6 lo der fett- und aschefreien Trockensubstanz ; | d. h.: bei diesen beiden Organismen und beim Schaf. nimmt, der prozentuale Eiweissgehalt mit dem höheren Alter ab. Es ist klar, dass vor allem der wechselnde Glykogengehalt des Organismus Differenzen im Wasserbestand nach sich ziehen muss; denn ein Teil Glykogen pfleet mit vier Gewichtsteilen Wasser zu- sammenzugehen, also einen grossen Teil des Wassergenaltes mit Beschlag zu belegen. Diesen Beziehungen muss natürlich bei der Erforschung der Wassergehaltsverhältnisse Rechnung getragen werden. Wird als Kohlenhydratgehalt des Oreanismus die Differenz, die sich nach Abzug von Eiweiss, Fett und Asche von der Trocken- substanz ergibt, gerechnet und das auf diesen „Kohlenhydratrest“ entfallende Wasser vom Wassergehalt des ganzen Organismus ab- gezogen und zum Eiweissgehalt in Beziehung gesetzt, so ergibt sich die Relation des Eiweisses zu dem nicht auf die Kohlenhydrate ent- fallenden Wasser für den Menschen: neugeboren wie 1: 5,6 Wasser, erwachsen „ 1:43 5 bzw. 1:4,1; d. h. es wird ein Absinken des zum Fiweiss in Beziehung stehenden relativen Wassergehaltes des Organismus mit steigendem Alter beobachtet. Ich bin nun nicht in der Lage, für den erwachsenen Hund, da mir keine Analysen desselben bekannt wurden, die gleiche Rechnung 170 Heinrich Gerhartz: Experimentelle Wachstumsstudien. anzustellen. Doch lässt sich an der Muskulatur zeigen, dass bei diesem die gleiche Gesetzmässigkeit im Spiele ist. Beim erwachsenen Hund repräsentiert ja die Muskelmasse den grössten Teil auch des Eiweissbestandes, und die für sie gefundenen Zahlen gelten also auch im grossen und ganzen für den Eiweissbestand des ganzen Organismus. Ich fand im Mittel von 16 Untersuchungen an vier . kaum ausgewachsenen Terriers desselben Wurfs für das fast völlig elykogenfreie Muskelfleisch 24,64 %/o Trockensubstanz mit 82,5 %o der Trockensubstanz Eiweiss. Es kamen also in 100 g frischem Muskel auf 20,328 g Eiweiss 75,36 g Wasser, d. i. ein Verhältnis von 1: 3,7, also ein gegenüber den Zahlen. die an den Säuglingen gefunden wurden, sehr niedriger Wert, der durchaus der am Menschen gemachten Beobachtung entspricht. Die gefundene Altersdifferenz dürfte in erster Reihe zu den Extraktivstoffen, die in der stickstoffhaltigen Substanz enthalten sind, in Beziehung stehen. Experimentelle Untersuchungen über diese interessante Frage fehlen meines Wissens bisher, so dass es unmöglich ist, diese Verhältnisse noch weiter zu diskutieren. 171 Nochmals über das Verhalten des Phlorhizins nach der Nierenexstirpation. Von Erich Leschke, vorm. Assistenten am physiologischen Institut der Universität Bonn. Im ersten Hefte des Bandes 133 von Pflüger’s Archiv ver- öffentlichen Glaessner und Pick eine Erwiderung auf meine Arbeit „Über das Verhalten des Phlorhizins nach der Nierenexstir- pation“ !), in der sie zu dem Ergebnis kommen, dass sie „den Aus- fall meiner Versuche als Stütze für ihre Anschauung verwenden, da sie zeigen, dass nicht nur bei subkutaner, sondern auch bei intra- venöser Applikation nach Nephrektomie das Phlorhizin zum grössten Teil verschwindet“. Sie sehen daher in meinen Versuchen „eine Bestätieung ihrer Ergebnisse, welche sie vollinhaltlich aufrecht er- halten.“ — Glaessner und Pick haben die bemerkenswerte Tatsache gefunden, dass „Mengen bis zu 5 g Phlorhizin, nephrek- tomierten Kaninchen subkutan beigebracht, weder im Blut noch in der Leber nachweisbar waren.“ Erst Dosen von 3 g und mehr liessen sich physiologisch und chemisch nachweisen. Diese Tatsache besteht zu Recht. Ist aber auch der Schluss berechtigt, den sie daraus ziehen, nämlich, dass darum das Phlo- rhiziu bei nephrektomierten Tieren in Mengen bis zu 8 g sich verändere, zerstört werde, dass „das Vor- handensein der Niere für das Intaktbleiben des Phlo- rhizins unbedingt notwendig erscheint?“ 1) Herr Prof. Schöndorff hat eine Bemerkung zu meiner Arbeit ver- öffentlicht, in der er angibt, dass die Versuche nur zum Teil im physiologischen Institut gemacht worden sind. Ich habe eine Bemerkung, dass ich die Versuche vom 20. und 29. Jan. 1910 in meinem eigenen Laboratorium angestellt habe, in der Arbeit unterlassen, weil ich Herrn Geheimrat Pflüger brieflich davon in Kenntnis gesetzt hatte. 72 Erich Leschke:; Wenn dieser Schluss zu Recht bestände, so würde damit eine sehr merkwürdige und bisher noch nie- mals beobachtete Tatsache gefunden worden sein, nämlich dass ein Gift, welches im normalen Körper niemals zerstört wird, nach der Nierenexstirpation unwirksam gemacht wird. Wenn man eine so völlig neue und nach Analogie mit dem Verhalten anderer Gifte im Organismus sehr unwahrscheinliche Tatsache (die Unwahrscheinlichkeit war auch der Grund, warum Herr Geh. Rat Pflüger mich mit der Nach- untersuchung betraut hatte) erschliessen zu können glaubt, muss man sich jedenfalls gegen alle Einwände von vornherein völlig sicher stellen. Die Autoren suchen den Einwand, dass das subkutan injizierte Phlorhizin nach einer so eingreifenden Operation, wie es die Entfernung beider Nieren ist, nur sehr langsam resorbiert wird, mit allgemeinen Überlegungen abzutun. Das Ergebnis meiner II. Versuchsreihe, dass ich 4 und 8!/s Stunden nach der Nierenexstirpation und Injektion noch unresorbiertes Phlorhizin an der Injektionsstelle gefunden habe, dieses Ergebnis suchen sie damit zu entkräften, dass sie behaupten, „hätte Leschke seinen Versuchen an nephrektomierten Kaninchen noch einen dritten an einem normalen Kaninchen hinzugefügt, so hätte er die Entdeckung gemacht, dass auch bei normalen Kaninchen noch Spuren von Phlorhizin nach 4 Stunden und länger an der Injektions- stelle vorkommen können“. Ich weiss nicht, auf was für Experimente diese Behauptung sieh gründet , jedenfalls halte ich es für unwahrschein- lich, dass man bei normalen Tieren bis zu 8Y/s Stunden nach der Injek- tion noch unresorbiertes Phlorhizin an der Injektionsstelle finden sollte. Dass tatsächlich nach der Nierenexstirpation die Resorption ausserordentlich verlangsamt ist, geht aus den eigenen Versuchen von Glaessner und Pick hervor, wie ich in meiner Arbeit gezeiet habe. In ihrer Ent- gegnung übergehen Glaessner und Pick diese Tatsache mit Stillschweigen, und doch ist sie merkwürdig genug. Sie injizierten nämlich zwei nephrektomierten Kaninchen je 3 g Phlorhizin, töteten das erste nach 5 Stunden, das zweite nach 24 Stunden. Der Blut- extrakt wurde einem Hunde injiziert und gab folgendes Resultat. Tötung nach 5 Stunden: Blutextrakt 1°o Zucker, Leberextrakt: | negativ; R 24 e Blutextrakt 8 °/o Zucker, Leberextrakt: positive Vanillinreaktion. Nochmals über das Verhalten des Phlorhizins etc. 173 Nach 24 Stunden ist also ungleich mehr Phlorhizin resorbiert als nach/5 Stunden; daraus geht doch wohl hervor, dass (die Resorption nach der Nierenexstirpation ausserordentlich verlang- samt ist. Wenn die Anschauung der Autoren zu Recht bestände, hätte dieser Versuch gerade das entgegengesetzte Ergebnis haben müssen: nämlich nach 24 Stunden eine geringere Phlorhizinmenge im Blut als nach 5 Stunden, da nach ihrer Anschauung der nieren- lose Körper in 24 Stunden mehr Phlorhizin zerstören müsste als in 5 Stunden. Ich kann darum die rein deduktiven Einwände von Glaessner und Pick gegen meine Versuche, die sich auf keine neuen Experi- mente und Nachprüfungen stützen, nicht anerkennen und halte meine Behauptung aufrecht, dass bei subkutaner Injektion des Phlo- rhizins die Resorption nach der Nierenexstirpation so langsam vor sich geht, dass auch noch nach mehreren Stunden die Nach- weisbarkeit des Phlorhizins im Blute dadurch beeinträchtigt wird. Aber nehmen wir einmal an, die Autoren hätten Recht mit ihrem Einwande, dass auch bei normalen Tieren noch Spuren von Phlorhizin bis zu 8 Stunden nach der Injektion an der Injektions- stelle vorkommen könnten. Folgt daraus nun ohne weiteres, dass man auch bei nephrektomierten Tieren noch Spuren von Phlorhizin bis zu 8 Stunden nach der Injektion an der Injektionsstelle finden darf?. Nicht im geringsten, denn die Autoren behaupten ja selber, dass bei solchen nierenlosen Tieren das Phlorhizin in Mengen bis zu 3 g unwirksam gemacht werde. Also selbst wenn ihr Einwand zu Recht bestände, hätte ich nach ihrer Erklärung der Vorgänge nie- mals auch nur Spuren von Phlorhizin an der Injektionsstelle finden dürfen, da ich ja nur 1—2 g injiziert hatte. Ich habe jedoch das Phlorhizin in diesen Ver- suchen an nephrektomierten Kaninchen nicht nur an der Injektionsstelle, sondern auch in grösseren ein- sedampften Mengen von Blut- und Organextrakt che- misch nachweisen können. Gewiss sind die so nachgewiesenen Mengen gering, aber das Wesentliche ist doeh, dass überhaupt Phlorhizin ebenso wie an der Injektionsstelle so auch im Blute und in den Organen nachweisbar ist, sogar schon nach Injektion von I—2 g, während Glaessner und Pick behaupten, dass es in Mengen bis zu3 g spurlos verschwinde. 174 Erich Leschke: Schliesslich wenden sich die Autoren gegen meine Versuche mit intravenöser Injektion. Ich kann den Einwand nicht widerlegen, dass meine nach wiederholter Überlegung mit Herrn Geh. Rat Prof. Dr. Pflüger gewählte Versuchsanordnung „höchst unzweckmässig“ gewesen sei. Es wird also den Autoren zufallen, eine zweckmässigere Versuchsanordnung anzugeben, um nephrektomierten Kaninchen 1 g Phlorhizin intravenös zu injizieren. Gerade diese Versuche sind so wichtig, weil sie zeigen, dass man bei intravenöser Injektion von nur 1 & Phlorhizin dieses auch 9 Stunden nach der Nierenexstirpation im Blute nachweisen kann. Mit Bezug auf diese Versuche schreiben nun die Autoren folgenden Satz, der in vollem Gegensatz zu ihrer eigenen Behauptung steht, dass das Phlorhizin in Mengen bis zu 3 & nach der Nierenexstir- pation zerstört werde. Sie schreiben nämlich: „Wir würden von vornherein erwartet haben, dass bei intravenöser Applikation so grosser Giftmengen bei entnierten Tieren ein namhafter Teil des Phlorhizins im Blute des Versuchstieres gefunden werden und .ein sehr deutlicher Ausschlag der Glykosurie eintreten müsste.“ Warum? Wenn das Phlorhizin nach der Nierenexstirpation in Mengen bis zu 3 8 zerstört wird, wie sie behaupten, wie können sie dann er- warten, dass das intravenös injizierte Gift in Mengen von nur 1 g nicht zerstört wird, sondern „ein namhafter Teil des Phlorhizins im Blute des Versuchstieres gefunden werden und ein sehr deutlicher Ausschlag der Glykosurie eintreten müsste?“ Wenn die Autoren das tatsächlich erwartet haben, so haben sie damit ihre eigene Behauptung vollkommen ausser acht gelassen. Sie sind nun erstaunt, dass ich trotz der hohen Mengen Phlorhizin, nämlich 1 g, nur eine so geringe und kurz dauernde Glykosurie von 0,1—0,2 °/o gefunden habe. Demgegenüber möchte ich wieder betonen, dass das Wesentliche doch nicht die geringe Menge ist, sondern die Tatsache, dass überhaupt nach intra- venöser Injektion von nur I g Phlorhizin dieses im Blute nachweisbar ist, und zwar in soleher Menge, dass eseinem Hunde injiziert eine 0,1—0,2 ige Gly- kosurie erzeugt, während Glaessner und Pick be- haupten, dass es in Mengen bis zu d g zerstört wird. Ich kann daher die Kritik von Glaessner undPick, die sieh auf keine Gegenexperimente stützt, nicht anerkennen und mich nicht davon überzeugen, dass Nochmals über das Verhalten des Phlorhizins etc. 175 ihre Argumente ausreichen, um eine so merkwürdige und nach allen Analogien mit dem Verhalten anderer Gifte im Organismus höchst unwahrscheinliche Be- hauptung zu stützen, dass das Phlorhizin, das im normalen Körper niemals zerstört wird, nach der Entfernung der Nieren plötzlich in Mengen bis zu3 & zerstört werden soll. Ich kann mich um so weniger davon überzeugen, als meine eigenen Versuche zeigen, dass sowohl bei subkutaner wie bei intravenöser Injektion von nur 1 5 Phlorhizin dieses auch nach der Nierenexstirpation im Körper nachweisbar ist. Meine Ergebnisse in Bezug auf die Wirkung des Phlorhizins auf Herz und Nervensystem werden von der Kritik nicht berührt. 176 K.Glaessner und E. P. Pick: Antwort auf vorstehende Bemerkungen. Antwort auf vorstehende Bemerkungen. Von K. Glaessner und E. P. Pick. Wie sich aus vorstehender Erwiderung ergibt, konnte Leschke bei Nachprüfung unserer Arbeit die von uns nachgewiesene Tatsache, dass Phlorizin nach subkutaner Zufuhr bei nierenlosen Kaninchen bis auf Spuren verschwindet, vollinhaltlich bestätigen. Auch bei intravenöser Injektion des Giftes blieb dasselbe nur in äusserst ge- ringen Mengen nachweisbar, ein Versuch, der mit Rücksicht auf die plötzliche Überschwemmung des Organismus bei dieser Art der Applikation eine Ergänzung unserer Befunde darstellt; dabei ist es gleichgültig, ob das Gift in Spuren oder gar nicht nachweisbar bleibt, zumal wenn man die relativ grossen zugeführten Mengen und die Fein- heit des von uns eingeführten Phlorizinnachweises berücksichtigt. Da- her ist das allgemein gehaltene Resümee Leschke’s, dass sowohl bei subkutaner wie auch intravenöser Injektion von nur 1 g Phlorizin dieses auch nach Nierenexstirpation im Körper nachweisbar ist, in dieser Fassung geeignet, zu einer missverständlichen Auslegung der ge- fundenen Tatsachen zu führen und deshalb unrichtig, da es sich in den Versuchen Leschke’s um den Nachweis von Spuren, beziehungs- weise äusserst geringen Mengen von Phlorizin, wie er selbst zugibt, handelt. Die von unserer Anschauung abweichende Ansicht Leschke’s, dass mangelhafte Resorption des Giftes bei nephrectomierten Tieren die Ursache des scheinbaren Versehwindens des Phlorizins wäre, wurde weder in der Mitteilung Leschke’s noch in seinen vorliegenden Be- merkungen, die lediglich eine Wiederholung des bereits früher Vor- gebrachten darstellen, durch irgendein Experiment belegt. Solange Leschke für diese seine Anschauung keine anderen als die schon von uns widerlegsten Gründe beibringt, müssen wir an unserer Vor- stellung, dass das Vorhandensein der Niere für die Giftwirkung des Phlorizins von Bedeutung ist, als der besser gestützten festhalten und erachten eine weitere Diskussion darüber vorläufig für wenig aussichtsvoll. 177 (Aus dem pbysiol. Institut der westfälischen Wilhelms-Universität Münster.) Beiträge zur Physiologie der Verdauung. II. Mitteilung. Über den Gesamtchlorgehalt des tierischen Körpers. Von R. Rosemann. In meiner ersten Mitteilung!) habe ich gezeigt, dass bei der Scheinfütterung in dem Magensaft des Hundes eine sehr erhebliche Chlormenge aus dem Körper zur Ausscheidung gelangt. So wurde bei meinem 26 kg schweren Hunde in etwa drei Stunden 4,5—5,5 g Cl aus dem Körper ausgeschieden, annähernd ebensoviel, als in der Gesamtblutmenge des Tieres enthalten war. Natürlich ersetzt das Blut seinen Chlorverlust aus dem Chlorvorrat des übrigen Körpers; in einem Versuch betrug der Chlorgehalt des Blutes nach Schluss des Versuchs 0,2369 %o gegen 0,2701 °/o am Anfang, also nur un- bedeutend weniger. Es schien mir von Interesse, die mit dem Magen- saft ausgeschiedene Chlormenge zu dem Gesamtcehlorgehalt des Körpers in Beziehung zu setzen. Da damals Angaben über den Gesamtchlorgehalt im Körper des ausgewachsenen Hundes nicht vorlagen, so musste ich den Wert auf Grund der Chloranalysen ein- zelner Organe, die Nencki und Schoumow-Simanowsky?) mitgeteilt hatten, berechnen; ich fand so als Chlorgehalt des Hunde- körpers 0,08°/o. Ich war mir schon damals darüber nicht im Zweifel, dass dieser Wert nur eine annähernde Schätzung darstellte. Neneki und Schoumow-Simanowsky haben nicht bei allen Organen das 1) R.Rosemann, Die Eigenschaften und die Zusammensetzung des durch Scheinfütterung gewonnenen Hundemagensaftes. Pflüger’s Arch. Bd. 118 8. 467. ‚1907. 2) M.NenckiundE.O0.Schoumow-Simanowsky, Studien über das Chlor und die Halogene im Tierkörper. Arch. f. experim. Path. u. Pharm. Bd. 34 S. 313. 1894. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 12 178 R. Rosemann: Gewicht angegeben, so dass man nicht berechnen konnte, mit wieviel Prozent sie sich am Gewicht des ganzen Körpers beteiligten. Ich musste daher meiner Rechnung zum Teil die Zahlen anderer Autoren, zum Teil annähernde Schätzung zugrunde legen. Inzwischen sind weitere Chlorbestimmungen einzelner Organe von Wahlgren!), Magnus-Levy?) und Padtberg?) veröffentlicht worden, die durchweg sehr erheblich höhere Werte für den Chlorgehalt der Organe als die Analysen von Nencki und Schoumow-Simanowsky ergeben. Bereits Katz) hatte den Chlorgehalt des Hundefleisches erheblich höher als Nencki uud Schoumow-Simanowsky, nämlich zu 0,08052 °/o, angegeben, während jene nur 0,033 °/o ge- funden hatten. Die Werte Wahlgrens überschreiten die Werte von Nencki und Schoumow-Simanowsky teilweise in noch viel höherem Maasse; so fand z. B. Wahlgren den Chlorgehalt der Leber zu 0,1257 °/o, während Nencki und Schoumow- Simanowsky 0,025 °/o angeben. Wahlgren nimmt an, dass die um so viel niedrigeren Werte von Nencki und Schoumow- Simanowsky vielleicht auf der chlorarmen Ernährung ihrer Hunde beruhen könnten. Wenn auch unzweifelhaft bei einer chlorarmen: Ernährung der Chlorgehalt des Körpers abnehmen wird, so halte ich es doch nicht für möglich, dass so erhebliche Differenzen zustande kommen, da ja bekannt ist, mit welcher Hartnäckigkeit der Körper seinen Chlorvorrat festhält. Ich habe mich bei meinen Untersuchungen davon überzeugen müssen, dass zuverlässige Chlorbestimmungen in tierischen Organlösungen mit sehr grossen Schwierigkeiten verknüpft sind, und dass selbst bei sorgfältigem Arbeiten Chlorverluste vor- kommen können. Nencki und Schoumow-Simanowsky geben nur an, dass sie zur Veraschung das trockene Gewebe mit chlor- freiem Kalk überschüttet hätten, was die Veraschung sehr erleichterte; von besonderen Vorsichtsmassregeln bei der Herstellung der Asche 1) V. Wahlgren, Über die Bedeutung der Gewebe als Chlordepots. Arch. f. experim. Path. u. Pharm. Bd. 61 S. 97. 1909. 2 M2 2) A. Magnus-Levy, Über den Gehalt normaler menschlicher Organe an Cl, Ca, Mg und Fe sowie an Wasser, Eiweiss und Fett. Biochem. Zeitschr. Bd. 24 8. 363. 1910. Br 3) J. H. Padtberg, Über die Bedeutung der Haut als Chlordepot. - Arch. f. experim. Path. u. Pharm. Bd. 63 S.60. 1910. DEE: 4) J. Katz, Die mineralischen Bestandteile des Muskelfleisches. Pflüger’s Arch. Bd. 63 S. 46. 1896. 1-18. Beiträge zur Physiologie der Verdauung. II. 179 erwähnen sie nichts; auch haben sie nicht die gesamte Asche in Lösung gebracht, sondern sie nur mit heissem Wasser ausgekocht und das Filtrat analysiert. ich halte es danach jedenfalls nicht für ausgeschlossen, dass die auffallend niedrigen Chlorwerte von Nencki und Schoumow-Simanowsky durch analytische Fehler bedingt sind!). Es ist sehr zu bedauern, dass weder Nencki und Schoumov- -Simanowsky noch die späteren Untersucher ihre Original- analysenzahlen angegeben haben. Aus der mehr oder weniger grossen Übereinstimmung der Parallelbestimmungen könnte man sich immer- hin ein gewisses Urteil über die Zuverlässigkeit der Werte bilden. Magnus-Levy gibt ausdrücklich an, dass bei ihm in Reihen von 4—6 Bestimmungen Unterschiede von mehreren Milligsrammen Chlor vorgekommen seien. | Es kommt meiner Meinung nach noch ein zweites Moment in Betracht, welches die. Werte der Chlorbestimmungen einzelner Organe überhaupt in sehr zweifelhaftem Lichte erscheinen lässt. Alle ‚Untersucher stimmen darin überein, dass das Blut den höchsten Chlorgehalt besitzt. Nur bei Wahlgren liegt der Wert für die Haut noch etwas höher. Es wird also der Chlorgehalt irgendeines Organes sehr wesentlich von dem Blutgehalt desselben abhängen. Dieser kann aber je nach den Umständen natürlich in sehr weiten Grenzen schwanken. Sind die Tiere durch Verblutung getötet, so wird es geradezu von reinen Zufälligkeiten abhängen können, ob in einem Organe mehr oder weniger Blut zurückgeblieben ist, oder ob das zur Analyse benutzte Stück des Organs besonders blutreich war oder nicht. Die grossen Differenzen, wie sie sich zwischen den Werten der späteren Untersucher und denen von Nencki und Schoumow-Simanowsky finden, dürften zum Teil auch hierauf zurückzuführen sein. Diese Überlegungen haben mich jedenfalls ver- anlasst, auf die Chlorbestimmung einzelner Organe, die ich anfänglich schon in Angriff genommen hatte, zunächst ganz zu verzichten. Sie „würden meiner Meinung nach nur dann Wert haben, wenn es gelänge, das von Blut und Zwischenflüssigkeit völlig befreite Gewebe für sich der Untersuehung zu unterwerfen. Durch die abweichenden Resultate Wahlgren’s, Magnus- Levy’s und Padtberg’s ist jedenfalls die Zuverlässigkeit der Werte I, -1) Zu demselben Urteil kommt Padtberg in seiner während der Nieder- ‘schrift meines Manuskriptes erschienenen Arbeit. . 121% 180 R. Rosemann: von Nencki und Schoumow-Simanowsky so erschüttert, dass der auf Grund dieser letzteren Werte berechnete Chlorgehalt des Gesamtkörpers kein Zutrauen mehr verdient. In der Tat gibt Wahl- gren auf Grund seiner Befunde den Chlorgehalt des Hundekörpers zu 0,17 °/o an, also doppelt so hoch als mein nach Nencki und Schoumow-Simanowsky berechneter Wert, und Padtberg findet für den Chlorgehalt des Hundes sogar bei chlorarmer Ernährung immer noch einen Wert von 0,15 °o. Die Annahme, dass vielleicht der Chlorgehalt des Körpers bei verschiedenen Individuen überhaupt in weiten Grenzen schwanken könne, schien mir von vornherein sehr unwahrscheinlich, wenn man die grosse Konstanz des osmotischen Druckes der Körperflüssigkeiten bedenkt, der doch zum srossen Teil auf dem Vorhandensein von Chlorverbindungen beruht. Ich habe es daher unternommen, direkte Bestimmungen des Gesamtchlorgehalts tierischer Körper auszuführen. Es lag mir zunächst daran, den Gesamtehlorgehalt im Körper ausgewachsener Hunde zu bestimmen; ich habe dann aber zum Vergleich auch Katzen sowie menschliche Föten untersucht. Ich verfuhr dabei in folgender Weise. Das ganze zu unter- suchende Tier wurde — bei kleineren Tieren in einer Porzellan- schale, bei grossen in einem geräumigen Kupferkessel — mit ver- dünnter Kalilauge bis zur völligen Auflösung zerkocht. Ich habe davon Abstand genommen, dazu eine chlorfreie Kalilauge zu ver- wenden; das Tier wurde mit destilliertem Wasser übergossen und gemessene Mengen einer konzentrierten Kalilauge von bekanntem Chlorgehalt hinzugefügt; auf diese Weise war die Menge des jedes- mal mit der Kalilauge zugesetzten Chlors bekannt. Ich habe im ganzen drei verschiedene Kalilaugen verwandt, nämlich: Kalilauge I mit 42,37 °/o KOH und 0,2606 °/o Cl. S 115, Asa „ 02606, 5 I „ .0,0182%0 , Es wurde zunächst so viel Kalilauge zugesetzt, dass der Gesamt- gehalt 1—2°/o KOH betrug. Nach zwei- bis dreistündigem Kochen war ein grosser Teil der Weichteile gelöst. Die Lösung wurde durch Glaswolle abgegossen und der Rückstand aufs neue mit Kalilauge gekocht. Erwiesen sich Reste von Weichteilen als besonders wider- standsfähig, so habe ich diese zum Schluss mit 4—5 °/o Kalilauge behandelt. Auf diese Weise gehen schliesslich alle Weichteile in Lösung, und nur die Knochen bleiben zurück. Auch diese sind aber Beiträge zur Physiologie der Verdauung. II. 181 durch die Auflösung der organischen Grundsubstanz ganz morsch geworden, so dass man sie in der Reibeschale zu einem feinen Pulver zerreiben kann. Dieses Knochenpulver wurde noch mehrfach mit Kalilauge ausgekocht, schliesslich auf der Nutsche abgesaugt und mit Wasser bis zur Chlorfreiheit gewaschen. Das getrocknete Knochen- pulver habe ich noch immer besonders auf etwaigen Chlorgehalt nach Lösung in Salpetersäure untersucht. Es fanden sich stets nur mini- male Spuren. Bei den kleineren Tieren lösten sich übrigens auch die Knochen beim Kochen mit Kalilauge so gut wie ganz auf. Die abfiltrierte Lösung stellt natürlich keineswegs eine völlig klare Flüssigkeit dar. Bei längerem Stehenlassen setzen sich Niederschläge ab, und leichtere Teile steigen nach oben. Doch war es leicht, vor jedesmaliger Analyse durch sorgfältiges Schütteln der Flüssigkeit eine gleichmässige Mischung herbeizuführen. Bei den grossen ziemlich fettreichen Hunden setzte sich das Fett, soweit es nicht verseift war, beim Stehen der Flüssigkeit oben ab. Es wurde abgeschöpft und im Schütteltrichter mit Wasser chlorfrei gewaschen und getrennt aufbewahrt. Sämtliche chlorhaltigen Waschwässer wurden natürlich entsprechend eingedampft und zu der wässrigen Lösung hinzugefügt. Das ganze Tier war auf diese Weise in drei Teile zerlegt: Knochen und Fett, die chlorfrei waren, und die wässrige Lösung, die das ge- samte Chlor enthielt. In einem aliquoten Teil dieser genau gemessenen Lösung wurde das Chlor bestimmt. Bei diesem Verfahren wird also das Tier in eine durchaus sleicehmässige Masse verwandelt, und man kann mit vollständiger Sicherheit aus dem Chlorgehalt eines Teils derselben den Gesamtchlorgehalt berechnen. Es kam natürlich darauf an, die Chlorbestimmung selbst so genau wie überhaupt möglich auszuführen, da bei der Umrechnung auf die verhältnismässig grosse Flüssigkeitsmenge jeder analytische Fehler stark multipliziert wird. Ich habe die Schwierigkeit einer wirklich zuverlässigen Chlorbestimmung in einer derartigen Lösung tierischer Organe anfänglich durchaus unterschätzt. Ich halte es nicht für überflüssig, hier auch meine misslungenen Analysen nach Methoden, die ich schliesslich verwarf, anzuführen, um einen Begriff davon zu geben, wie gross die Verluste an Chlor auch bei sorg- fältigstem Arbeiten sein können. Besonders betonen möchte ich dabei, dass bei der Veraschung stets mit der grössten Vorsicht verfahren worden ist. Eine Erhitzung der Gefässe, in denen sich die zu ver- aschende Substanz befand, bis zum beginnenden Glühen wurde stets 182 R. Rosemann: vermieden. Auf diese Weise erhält man allerdings niemals sofort eine vollständige Veraschung. Ich habe regelmässig die verkohlte Substanz mit Wasser extrahiert und den noch stark braungefärbten wässrigen Extrakt sowie den kohligen Rückstand getrennt aufs neue verascht. Bei der nun folgenden Extraktion erhielt ich dann meist ein farbloses Filtrat. Der geringfügige Rückstand wurde dann schliesslich völlig bis zur Asche verbrannt, diese erst mit Wasser extrahiert und endlich mit Salpetersäure gelöst. Es verblieb so zum Schluss nur noch eine Spur unlöslicher Substanz, die nicht weiter berücksichtigt wurde. In der mit Salpetersäure angesäuerten Lösung wurde dann das Chlor nach Volhard titriert. Ich habe zunächst die alkalische Organlösung ohne weiteren Zusatz verkohlt und verascht. Ich erhielt dabei z. B. bei Hund II statt 0,0908 Cl in 4 Versuchen: 0,0794 Cl 0,0848 , 0,0861 , 0,0897 , Die Verluste können aber unter Umständen noch viel grösser sein. Ich habe 15 ccm einer 1°/oigen NaCl-Lösung, die 0,0903 g Cl ent- hielten + 20 g Rohrzucker eingedampft und in gleicher Weise vor- sichtig verascht. Ich fand nur 0,0582 g Cl wieder. Diese Tatsache, dass bei einer derartigen Veraschung ohne weiteren Zusatz erhebliche Chlorverluste auch bei sehr vorsichtigem Verfahren vorkommen können, ist ja bereits durch die Untersuchungen von Behaghel von Adlerskron!) bekannt. Ich habe dann nach der Vorschrift von Katz?) die Veraschung unter Zusatz von Bariumnitrat aus- geführt, habe dabei aber keine befriedigenden Resultate erhalten, trotz sehr vieler Mühe, die ich auf die Ausführung dieser Methode verwandte. Niemals erhielt ich, wie Katz angibt, sofort eine kohle- freie Asche. Die Verbrennung der verkohlten Substanz ging nur sehr selten allmählich, meist dagegen unter Verpuffung vor sich und dann natürlich mit Materialverlust. Vielleicht ist der Unterschied 1) Behaghel von Adlerskron, Über die Bestimmung des Chlors und der Alkalien in vegetabilischen und animalischen Substanzen. Zeitschr. f. analyt. Chemie Bd. 12 8. 390. 1873. | 2) J. Katz, Die mineralischen Bestandteile des Muskelfleisches. Pflüger’s Arch. Bd. 63 S. 46. 1896. Beiträge zur Physiologie der Verdauung. II. 183 in den Resultaten zwischen Katz und mir durch die Verschiedenheit ‘des Untersuchungsmaterials. bedingt. Als Beispiel möchte ich nur meine Resultate bei der Untersuchung von Hund II anführen. Ich erhielt statt 0,0908 Cl in 3 Versuchen: 0,0818 Cl 0,0885 Cl 0,0871 „ 0,0891 , 0,0879 „ 0,0909 , 0,0885 , 0,0915 „ ‚also nur in den beiden letzten Versuchen ungefähr den richtigen Wert, sonst regelmässig zu wenig, in einem Versuch einen sehr starken Verlust. Ich habe die Methode noch in sehr vielen Versuchen bei der Untersuchung der anderen Hunde angewandt, da ich hoffte, ‚bei zunehmender Übung in der Ausführung derselben endlich be- friedigende Resultate zu erhalten, aber ohne Erfolg. Ich möchte nur noch anführen, dass ich bei der Untersuchung der oben erwähnten Mischung von Kochsalz mit Rohrzucker nach dieser Methode anstatt 0,0903 Cl in 5 Versuchen gefunden habe: | 0,0788 Cl 0,0830 „ 0,0842 „ 0,0854 „ | 0,0867 „ also viel bessere Resultate als bei der Veraschung ohne jeden Zusatz, aber immerhin noch erhebliche Verluste. Ich glaubte dann, bessere Resultate durch eine Veraschung auf feuchtem Wege erzielen zu können. Mit der von Neumann!) an- gegebenen Methode habe ich nur einige wenige Versuche gemacht, die unbefriedigende Resultate ergaben; für mein Untersuchungs- material jedenfalls erwies sie sich als nieht geeignet. Längere Ver- suchsreihen habe ich dagegen mit der von v. Moraczewski?) angegebenen Methode ausgeführt. Die Organlösung wurde mit einer gemessenen Menge überschüssiger Silbernitratlösung von bekanntem 1) A. Neumann, Einfache Veraschungsmethode (Säuregemischveraschung) und vereinfachte Bestimmungen von Eisen, Phosphorsäure, Salzsäure und anderen „Aschebestandteilen unter Benutzung dieser Säuregemischveraschung. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 37 S. 115. 1902. Nachträge dazu. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 43 S. 32. 1904. - 2) W. von Moraczewski, Die Mineralbestandteile der menschlichen Organe. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 23 S. 483. 1897. 184 R. Rosemann: Gehalt und 50—80 cem starker Salpetersäure versetzt und so lange in schwachem Sieden erhalten, bis alle Säure ausgekocht und der Kolbeninhalt bis auf wenige Kubikzentimeter Flüssigkeit reduziert war. v. Moraczewski gibt an, dass in seinen Versuchen nach dieser Behandlung die organische Substanz völlig zerstört war. Für mein Untersuchungsmaterial traf dies jedenfalls nicht zu. Ich habe häufig den Rückstand im Kolben nochmals mit 50—80 ecm Salpeter- säure versetzt und aufs neue bis auf wenige Kubikzentimeter ein- gekocht, schliesslich diese Prozedur noch ein drittes Mal wiederholt; der endlich verbleibende Rückstand blieb aber organisch, denn beim völligen Eindampfen zur Trockne verbrannte er schliesslich explosions- artig unter Hinterlassung von reichlicher Kohle. Ich glaubte, dass diese schliesslich noch zurückbleibende organische Substanz die Chlorbestimmung nach Volhard vielleicht nicht hindern würde. Die Resultate waren zuweilen wohl befriedigende, aber doch keines- wegs zuverlässig. So erhielt ich z. B. bei Hund III statt 0,0945 Cl in 8 Versuchen: 0,0848 Cl 0,0873 Cl 0,0862 „ 0,0873 , 0,0862 „ 0,0873 , 0,0862 , 0,0873 Obwohl die einzelnen Bestimmungen zum Teil ausgezeichnet untereinander übereinstimmen, war doch ein erheblicher Cl-Verlust eingetreten. Die besten Resultate habe ich schliesslich mit der von Behaghel von Adlerskron!) und Bunge?) angegebenen Methode der Ver- aschung unter Zusatz von kohlensaurem Natron erhalten. Ich habe dann dieses Verfahren ausschliesslich angewandt. Ich verfuhr dabei in folgender Weise. Die zu untersuchende Menge Flüssigkeit wurde mit einer Lösung von chlorfreiem kohlensaurem Natron versetzt, so dass auf 50 g der ursprünglichen wasserhaltigen tierischen Substanz ca. 3 g Soda kamen, darauf auf dem Wasserbade eingedampft und im Trockenschranke bei einer von 100—140° allmählich gesteigerten 1) Behaghel von Adlerskron, Über die Bestimmung des Chlors und der Alkalien in vegetabilischen und animalischen Substanzen. Zeitschr. f. analyt. Chemie Bd. 12 S. 390. 1873. 2) G. Bunge, Der Kali-, Natron- und Chlorgehalt der Milch, verglichen mit dem anderer Nahrungsmittel und des Gesamtorganismus der Säugetiere. Zeitschr. f. Biol. Bd. 10 S. 295. 1874. Beiträge zur Physiologie der Verdauung. II. 185 Temperatur getrocknet. Die trockene Masse wurde sodann auf offener Flamme vorsichtig verkohlt, so dass niemals auch nur schwächstes Glühen eintrat, und, wenn keine sichtbare Entwicklung von Rauch mehr stattfand, in einem Muffelofen weiter erhitzt. Die vordere Wand des Muffelofens war durchbohrt, so dass ein Thermo- meter in das Innere eingeführt werden konnte. Die Flammen wurden so reguliert, dass die Temperatur nie über 400—425 ° stieg. Nach zwei Stunden wurde das Erhitzen unterbrochen und die erkaltete kohlige Masse mit heissem Wasser extrahiert. Dieser erste Extrakt war stets noch gelb bis braun gefärbt. Er wurde wiederum ein- gedampft, getrocknet und im Muffelofen verbrannt. Die zweite Extraktion lieferte dann regelmässig eine ungefärbte Lösung. Die kohligen Rückstände wurden wiederum getrocknet und im Muffelofen verbrannt, darauf mit Wasser und schliesslich mit dünner Salpeter- säure extrahiert. Auf dem Filter verblieben dann nur noch sehr geringe Mengen kohlehaltigeı Rückstandes.. Nach dem Auswaschen wurde auch dieser getrocknet und mit dem Filter im Platintiegel bei möglichst niedriger Temperatur verbrannt, die sehr geringe rückbleibende Masse mit Wasser und Salpetersäure extrahiert. Es verblieb so schliesslich nur eine minimale Spur ungelösten Rück- standes. Die erhaltene Aschelösung, die stets ganz farblos war, wurde reichlich mit Salpetersäure versetzt und das Chlor nach Volhard titriert). Zahlreiche nach dieser Methode ausgeführte Kontrollanalysen gaben entweder vollständig übereinstimmende Re- sultate, oder die Titrierungen differierten nur um ein bis zwei Tropfen Titrierflüssigkeit, Resultate, wie ich sie nach keiner anderen Methode auch nur annähernd habe erreichen können. Ich habe mich schliesslich aber noch durch einen besonderen Versuch von der Genauigkeit der Methode überzeugt. 100 & Tropon wurden durch Kochen mit Kali- lauge gelöst und dazu eine Seifenlösung gesetzt, die ich durch Kochen von 100 g meines chlorfreien Hundefettes mit alkoholischer Kalilauge hergestellt hatte. Diese Flüssigkeit stellte eine fast chlor- freie Lösung organischer Substanz dar, die den von mir untersuchten tierischen Flüssigkeiten annähernd analog war. 100 ccm davon gaben, nach obiger Methode verascht, einen Chlorgehalt von 0,0042 Cl. Zu je 100 ecem dieser Flüssigkeit wurden verschiedene Mengen einer 1) Das ausgeschiedene Chlorsilber habe ich häufig auf etwa beigemengtes Cyansilber untersucht, aber niemals Cyan gefunden. 186 irn R. Rosemann: Chlornatriumlösung von bekanntem Gehalt gesetzt und das Ganze analysiert. Ich fand so: I. Vorhanden 0,0042 + 0,0812 0,0854 Gefunden 0,0839 Verlust 0,0015 = 1,3 °/o des vorhandenen Cl. II. Vorhanden 0,0042 + 0,1624 0,1666 Gefunden 0,1633 Verlust 0,0033 — 2°/o des vorhandenen Cl. Es war also in beiden Bestimmungen ein gerinefügiger Cl-Verlust vorhanden, deraber für die vorliegende Untersuchung völlig irrelevant ist. Ich gebe nun die Resultate der Analysen der von mir unter- suchten Objekte: Hund 1!). Gewicht 28910 g. Aufgelöst unter Zusatz von 3690 eem Kalilauge I (enthaltend 0,2606 %o Cl — 9,62 Cl). Gesamtlosunsgs 2 Ester Knochen@. een 1A9AR-Trer. Kette. ee 974 oe In 54,5 eem der Lösung — !/ıooo Hund —= 28,91 g Hund gefunden . . 0,0445 Cl 0,0433 7, Mittel . 0,0439 Cl. In der Gesamtlösung also. . . . 43,90 Cl In der zugesetzten Kalilauge . . . 962 „ In 28910 & Hund . . . 3428 Cl = 0,119 % Cl. Hund 2. Gewicht 19097 g. Aufgelöst unter Zusatz von 2200 eem Kalilauge I (enthaltend 0,2606 %/o Cl —= 5,73 CI). 1) Bei diesem Hund, dem ersten, den ich untersuchte, bin ich noch etwas anders wie später verfahren. Ich beabsichtigte damals noch, den Cl-Gehalt der einzelnen Organe zu bestimmen, was ich später aus oben erörterten Gründen als zwecklos aufgab. Der Körper des Tieres wurde daher in die einzelnen Organe‘ zerlegt und jedes für sich in Kalilauge aufgelöst. Durch Vermischung von je "/so der einzelnen Organlösungen erhielt ich 1090 cem Lösung; diese wurden auf 2000 cem aufgefüllt und davon jedesmal 100 cem = 54,5 ccm der ursprünglichen Lösung — 1/ıooo Hund analysiert. Beiträge zur Physiologie der Verdauung. II. 187 Gesamtlösunsg ur. 2.2. 221.28.01%88. Liter, Knochen 2.20, LUIS 1,858. 8, Gl-frei, Bun Neter. er. ER 209078, 2 In 100 eem der a 1/3350 Honda — 54,6 g Hund sefunden ... 0,0903 Cl 0,0906 „ 0,0906 „ 0,0912 „ 0,0912 „ Mittel . 0,0908 Cl. In der Gesamtlösung also . . . . 31,78 Cl In der zugesetzten Kalilauge. . . 5,73 „ In! 19097 & Hund! .. .... .226.05°Ch 05156. 2lo cı. Hund 3. Gewicht 9945 g. Aufgelöst unter Zusatz von 1450 eem Kalilauge II (enthaltend 0,2606 %/o Cl — 3,78 CI). Gesamelosungse, 2... vu... 2850. Liter Knochen 2.0... 2 0,1202 2.200888 8, Gl-frei, Beten. a an OT In 200 ccm der an !/ıso Hund — 66,3 g Hund gefunden . . 0,0945 Cl 0,0945 „ 0,0945 „ Mittel . 0,0945 Cl. In der Gesamtlösung also. . . . 1418 Cl In der zugesetzten Kalilauge. . . 3,78 „ In 9945 & Hund . . . 10,40 Cl = 0,105 eo Cl. ‘Katze 1. Gewicht 136 g. Aufgelöst unter Zusatz von 40 eem Kalilauge III (enthaltend 0,0182 %% Cl = 0,0073 C]). Gesamtlösung . . . . N EEK CEM! In 200 ecm der Lösung — 2% Katze — 54,4 g Katze gefunden . . 0,1170 Cl VO Mittel . 0,1170 Cl. In der Gesamtlösung also . . . . 0,2925 Cl In der zugesetzten Kalilauge . . 0,0073 „ InalsonaRatze 7. 2777025527017 70,210, 2/0. €] 188 R. Rosemann: Katze 2. Gewicht 184 g. Aufgelöst unter Zusatz von 40 eem Kalilauge III (enthaltend 0,0182 /o Cl = 0,0073 CI). Gesamtlösung. . . - es 900 Keen: In 200 cem der Lösung = 2); Ka — 73,6 g Katze sefunden . . 0,1533 Cl VE > Mittel . 0,1536 Cl. In der Gesamtlösung also. . . . 0,3840 Cl In der zugesetzten Kalilauge. . . 0,0073 „ In 184 g Katze . . . 0,3767 Cl = 0,205 %o Cl. Katze 3. Gewicht 196 g.. Aufgelöst unter Zusatz von 40 cem Kalilauge (enthaltend 0,0182 %/o Cl = 0,0073 C]). Gesamtlösung . .. I Er HlÜREEME In 200 ccm der Lösung — 2, Katze — 78,4 g Katze gefunden . . 0,1627 Cl OMBS0R, Mittel . 0,1629 Cl. In der Gesamtlösung also . . . 0,4075 Cl In der zugesetzten Kalilauge . . 0,0073 „ In 196 & Katze. . . . 0,4002 Cl = 0,204 ?/o Cl. Katze 4. Gewicht 132 g. Aufgelöst unter Zusatz von 40 cem Kalilauge III (enthaltend 0,0182 % Cl = 0,0073 C]). Gesamtlösung . . . NEE, In 200 eem der Lösung — 3. ER — 52,8 g Katze geiunden . . 0,1160 U): In der Gesamtlösung also . . .. 0,2900 Cl In der zugesetzten Kalilauge . . 0,0073 „ In 132 g Katze . . . 0,2827 Cl = 0,214 % CI. Katze 5. Gewicht 2350 g. Aufgelöst unter Zusatz von 600 cem Kalilauge III (enthaltend 0,0182 %/o Cl —= 0,1092 CI). Gesamtlösung . . . . 9000 cem, Knochen a er» 2722 71052:06lirer In 200 eem Lösung — !las Katze — 52,2 g Katze gefunden 0,0854 Cl, 0,0854 5. Mittel 0,0854 Cl. 1) Die Kontrollbestimmung ging verloren. nn nn > in _ ne nn nn nn Beiträge zur Physiologie der Verdauung. II. 189 In der Gesamtlösung also 3,843 Cl In der zugesetzten Kalilauge 0,109 „ in 2350 g Katze 3,734 Cl = 0,159 °/o Cl. Menschlicher Fötus 1. Gewicht 841 g. Länge 35 em. Aufselöst unter Zusatz von 120 cem Kalilauge III (enthaltend 0,0182 %0 Cl = 0,0218 C)). Gesamtlösung . . . . 2000 eem, Knochens ae 13 g, Cl-frei. In 100 eem der Lösung — so Fötus = 42,05 g Fötus gefunden 0,0945 Cl, 0,0945 „ 0,0957 Mittel 0,0947 Cl. In der Gesamtlösung also 1,8940 Cl In der zugesetzten Kalilauge 0,0218 Cl, In 841 & Fötus 1,8722 Cl = 0,223 0 Cl. Menschlicher Et 2. Gewicht 248 ge. Länge 23,5 em. Aufselöst unter Zusatz von 60 cem Kalilauge III (enthaltend 0,0182 %/ Cl = 0,0109 CI). Gesamtlösung . - . . 1000 eem, Knochen. . . geringe Menge, Cl-frei. In 200 cem Lösung = !/s Fötus — 49,6 g Fötus gSelunden .. .. . - ä } DR IZOR Gl. in 100 cem Lösung = Ho Fötus — 24,8 g Fötus seiunden.. a4 ae NOS en 200 cem im Mittel 0,1373 Cl. In der Gesamtlösung also 0,6865 Cl In der zugesetzten Kalilauge 0,0109 „ In 248 g Fötus 0,6756 Cl = 0,272 %0 Cl. Menschlicher Fötus 3. Gewicht 1339 &. Länge 40 em. Aufgelöst unter Zusatz von 200 eem Kalilauge III (enthaltend 0,0182 °/0 Cl = 0,0364 CI). Gesamtlösung . . . . 4300 cem, Krocemmmn or. 22 g, Cl-frei. In 200 cem Lösung —= !sı,;s Fötus — 62,3 g Fötus gefunden 0,1391 Cl, OS Mittel 0,1394 ich 190 R. Rosemann: In der Gesamtlösung also 2,9971 Cl In der zugesetzten Kalilauge 0,0364 „ In 1339 g Fötus 2,9607 Cl = 0,2210 Cl. Die folgende Tabelle gibt eine Zusammenstellung meiner Be- funde mit den Werten für den Chlorgehalt ganzer tierischer Körper, wie sie von anderen Autoren durch direkte Bestimmung gefunden wurden. Gewicht | Cl-Gehalt g %/o Hund, 4 Tage alt... . 394 0,231 Bunge!) Hund, ausgewachsen . . 9945 0,105 Rosemann .i b ER 19097 0,136 5 5 5 Air 28910 0,119 e3 Katze, neugeboren . . . 132 0,214 a „ ae 136 0,210 bs Eel9ETagesaliır > 182 0,197 Bunge!) Se sneuseborenien.: 184 0,205 Rosemann N a 196 0,204 & „ ausgewachsen . . 2350 0,159 A Zwei Kaninchenembryonen | 37,6 (zus.) 0,208 Bunge!) Kaninchen, 14 Tage alt. 105 0,135 } Zwei Mäuse ...... 24,6 (zus.) = 0,142 n 2) i RE EEE 28,8 (zus.) 0,156 Menschlicher Fötus. . . 248 0,272 Rosemann 5 Sue aaa 445 0,241 Michel?) n RB Reife 522 0,241 Hugounengq‘) 5 ERSTER EN 570 0,256 . „ Re. 800 0,197 ° - Te 841 0,223 Rosemann 10 ET 1024 0,290 Michel?) s a 1165 0,205 Hugouneng‘) 5 RN EL 1285 0,219 \ 5 a oe 1339 0,221 Rosemann ) 1) G. Bunge, Der Kali-, Natron- und Chlorgehalt der Milch, verglichen mit dem anderer Nahrungsmittel und des Gesamtorganismus der Säugetiere. Zeitschr. f. Biol. Bd. 10 S. 324. 1874. en) 2) G. Bunge, Über die Bedeutung des Kochsalzes und das Verhalten der Kalisalze im menschlichen Organismus. Zeitschr. f. Biol. Bd. 9 S. 108. 1873. 3) Michel, Compt rend. de la sociöte de biologie, 27. Mai 1899, p. 422. Zit. nach Czerny und Keller, Des Kindes Ernährung, Ernährungsstörungen und Ernährungstherapie Bd. 1 S. 84. Leipzig und Wien 1906. 4) Hugouneng, Compt. rend. de P’academie du sciences, 21. Mai 1900. Zit. nach Czerny und Keller. Beiträge zur Physiologie der. Verdauung. II. 191 Gewicht Cl-Gehalt g %/o Kind, 11 Tage alt ... . 1850 0,189 Giacosa!) „. heugeboren. . . . 2476 0,181 Camerer u. Söldner?) 5 n an 2616 0,183 z a 5 = zZ 2630 0,188 de Lange°) E 5 2683 0,152 Camerer u. Söldner’) GR ir 2720 0,151 Hugouneng‘) ” a 2755 0,177 Camerer u. Söldner?) » „ 3048 0, 186 b)] ”„ ” N 2 3300 0,146 Hugouneng/‘) 5 5 3339 0,193 Michel?) = “ . 3348 0,178 Camerer u. Söldner?) Aus dieser Tabelle ergibt sich zunächst die auch von Bunge und Magnus-Levy betonte Tatsache, dass der Fötus chlorreicher als das Neugeborene und dieses wieder chlorreicher als der aus- gewachsene Organismus ist. In der Reihe der an menschlichen Föten und Neugeborenen angestellten Untersuchungen sinkt der Chlorgehalt beinahe völlig regelmässig mit dem steigenden Körper- gewicht. Einzelne aus der Reihe fallende Werte sind vielleicht auf Versuchsfehler zurückzuführen oder durch starke Schwankungen in dem Gehalt der untersuchten Körper an Fett und anorganischen Skelettbestandteilen erklärbar. Die allgemeine Gesetzmässigkeit der Abnahme des Chlorgehalts mit steigendem Körpergewicht der Föten und Neugeborenen ist aber unverkennbar. Nun ist andererseits durch die Untersuchungen von Bischoff‘), Fehling’) und 1) Giacosa, Giornale d. R. Acad. de Medic. di Torino, April—Mai 1894, p- 364. Arch. ital. de Biol. fasc. 22 p. 252. 1895. Zit. nach Czerny u. Keller. 2) Camerer und Söldner, Beiträge zur Physiologie des Säuglingsalters. Zeitschr. f. Biol. Bd. 39 S. 37. 1900. — Die chemische Zusammensetzung des Neugeborenen. Zeitschr. f. Biol. Bd. 40 S. 529. 1900. — Die chemische Zu- sammensetzung des neugeborenen Menschen. Zeitschr. f. Biol. Bd. 43 S.1. 1902. 3) C. de Lange, Vergelijkende asch-analyses. Dissert. Amsterdam 1897. Zit. nach Czerny und Keller. Die Zusammensetzung der Asche des Neu- geborenen und der Muttermilch. Zeitschr. f. Biol. Bd. 40 S. 526. 1900. 4) Hugouneng, Compt. rend. de l’academie du sciences, 21. Mai 1900. Zit. nach Czerny und Keller. 5) Michel, Compt. rend. de la societe de biologie, 27. Mai 1899, p. 422. Zit. nach Czerny und Keller, Des Kindes Ernährung, Ernährungsstörungen und Ernährungstherapie Bd. 1 S. 84. Leipzig und Wien 1906. 6) Bischoff, Zeitschr. f. rationelle Medizin Bd. 20 S. 75.. 1863. Zit. nach Czerny und Keller. 7) Fehling, Arch. f. Gynäkol. Bd. 11 S. 523. 1877. Zit. nach Ozerny und Keller, 192 R. Rosemann: Michel!) übereinstimmend festgestellt, dass in der fötalen Ent- wicklung mit steigendem Körpergewicht der Wassergehalt abnimmt, und dass der Wassergehalt des Erwachsenen wieder kleiner als der des Neugeborenen ist. Diese Übereinstimmung zeigt, dass Wasser- gehalt und Chlorgehalt des Körpers zusammengehörige Werte sind. Ich komme hierauf weiter unten noch einmal zurück. Meine Werte für den Chlorgehalt des ausgewachsenen Hundes sind: Hund I 0,1190. = 11201263210, Den Während der Chlorgehalt von Hund I und Hund III fast völlig übereinstimmt, ist der von Hund II etwas höher. Es erklärt sich das aber einfach dadurch, dass sich Hund II im Zustand der Gravidität befand. Wenn man bedenkt, dass Bunge den Chlor- gehalt eines 4 Tage alten Hundes zu 0,231 /o fand, so wird man annehmen dürfen, dass der Chlorgehalt der Hundeföten etwa Werte wie bei den menschlichen Föten 0,27—0,29°%o erreicht. Durch diesen hohen Chlorgehalt der Föten ist der Gesamtchlorgehalt des graviden Hundes offenbar erhöht worden. Für eine Mittelbereehnung kann ich daher nur die Werte von Hund I und Hund III zugrunde legen. Es ergibt sich dann für den ausgewachsenen Hund ein Chlorgehalt von 0,112°o. Dieser Wert ist allerdings erheblich höher als der, den ich seinerzeit auf Grund der Analysen von Nencki und Schoumow-Simanowsky berechnet habe (0,08 '/o). Es unterliegt danach wohl keinem Zweifel mehr, dass die niedrigen Werte dieser Autoren auf Analysenfehlern beruhen; ich stimme hier mit Padtberg?) durchaus überein, der inzwischen die Fehler- haftiekeit der von diesen Autoren verwandten Methode direkt nach- gewiesen hat. Auf Grund des neu gefundenen Wertes würde also der 26 kg schwere Hund, an dem ich die Scheinfütterungsversuche meiner ersten Mitteilung ausgeführt habe, 29 g Chlor im Körper enthalten haben. Wenn von diesem Chlorvorrat bei Scheinfütterung mit dem Magensafte bis zu 5,5 g Chlor nach aussen entleert wurden, so stellt das immer noch eine sehr beachtenswerte sekretorische Leistung der Magenschleimhaut dar. 1) Michel, Compt. rend. de la societe de Biol., 27. Mai 1899, p. 422. Zit. nach Czerny und Keller. 2) J. H. Padtberg, Über die Bedeutung der Haut als Chlordepot. Arch. f. experim. Path. u. Pharm. Bd. 63 S. 77. 1910. Beiträge zur Physiologie der Verdauung. I. 193 Magnus-Levy!) hat auf Grund seiner Chlorbestimmungen in den Organen des menschlichen Körpers den Chlorgehalt eines erwachsenen Menschen zu 0,1227 °/o berechnet. Dieser Wert schliesst sieh so ausgezeichnet an die Reihe der Werte für den Chlorgehalt menschlicher Föten und Neugeborener in meiner obigen Tabelle an, dass ich ihn für höchstwahrscheinlich richtig halte, trotz der Be- denken, die, wie ich weiter unten ausführen werde, gegen jede Berechnung eines derartigen Wertes aus den Analysen einzelner Organe erhoben werden müssen. Wenn Magnus-Levy meint, dass dieser Wert vielleicht in Zukunft noch eine Erhöhung erfahren sollte, so kann diese doch nur gering sein, denn wir müssen jeden- falls annehmen, dass der Chlorgehalt des ausgewachsenen Körpers unter dem Chlorgehalt des Neugeborenen, also unter 0,15—0,18/o, bleiben wird. Dagegen haben Wahlgren?, und Padtberg?) aus ihren Chlorbestimmungen der Organe des Hundekörpers Werte für den Chlorgehalt des Gesamtkörpers eines ausgewachsenen Hundes berechnet, die wesentlich höher als die von mir direkt gefundenen sind, nämlich für den mit chlorreicher Nahrung ernährten Hund 0,174, für den mit chlorarmer Nahrung ernährten Hund 0,147 bis 0,154°% Cl. Wahlgren und Padtberg haben einzelne Stücke der Organe des Hundes im Gewicht von etwa 30 g analysiert und aus den gefundenen Chlorwerten den Chlorgehalt des ganzen Organes berechnet. Dieses Verfahren muss bei grossen Organen, wie z. B. der Muskulatur oder der Haut, aber natürlich unsichere Werte er- geben, da der Chlorgehalt dieser Organe wohl kaum überall derselbe sein wird und bei der Umrechnung mit einem grossen Faktor multipliziert werden muss. Die Umrechnung auf den Gesamtkörper des Hundes ist dann vorgenommen worden auf Grund von Zahlen, die Ranke und Custor angegeben haben, von denen es aber natürlich zweifelhaft bleibt, mit welcher Sicherheit sie auch auf die von Wahlgsren und Padtberg untersuchten Hunde anwendbar waren. Ich möchte nur auf zwei Punkte hinweisen, welche geeignet 1) A. Magnus-Levy, Über den Gehalt normaler menschlicher Organe an Cl, Ca, Mg und Fe sowie Wasser, Eiweiss und Fett. Biochem. Zeitschr. Bd. 24 S. 363. 1910. 2) V. Wahlgren, Über die Bedeutung der Gewebe als Chlordepots. Arch. f. experim. Path. u. Pharm. Bd. 61 S. 97. 1909. 3) J. H. Padtberg, Über die Bedeutung der Haut als Chlordepot. Arch. f. experim. Path. u. Pharm. Bd. 63 S. 60. 1910. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 13 194 R. Rosemann: sind, bei der Berechnung den Gesamtchlorgehalt zu hoch erscheinen zu lassen. Wahlgren und Padtberg haben ihre Hunde aus der Arteria carotis „so vollkommen wie möglich ausbluten lassen“, jedermann weiss aber, dass dabei ein erheblicher Teil des Blutes im Körper zurückbleibt. Der Chlorgehalt dieses Blutes muss in den Chlorwerten der einzelnen Organe wieder erscheinen. Bei der Be- rechnung des Gesamtchlorgehaltes setzen aber Wahlgren und Padtberg nicht nur diejenige Menge Blut in Rechnung, die beim Verbluten tatsächlich nach aussen ausgeströmt ist, sondern die ge- samte Blutmenge des Körpers mit 7°%o des Körpergewichts. Da der Chlorgehalt des Blutes ein so bedeutender ist, muss auf diese Weise der Blutgehalt des Gesamtkörpers merklich zu hoch werden. Nimmt man z. B. an, dass beim Verbluten nur 50°/o des Blutes entleert worden sind, so würde, da Wahlgren und Padtberg den Chlorgehalt des Gesamtblutes mit 2 g in Rechnung setzen, 1 g Chlor zu viel berechnet worden sein. Für die Haut nehmen Wahlgren und Padtberg 16°/o des Körpergewichts an. Dieser Wert erscheint mir ziemlich hoch. Schöndorff!) hat bei seinen Bestimmungen des Gesamtglykogengehalts von Hunden sieben Hunde in die einzelnen Organe zerleet; aus den von ihm mitgeteilten Zahlen ergibt sich, dass im Mittel die Haut 13% des Körper- gewichts ausmachte; die einzelnen Werte sind 17,5 — 13,0 — 122 - — 11,1 — 89 — 13,5 — 12,5, und auch bei meinem Hund I], den ich in einzelne Teile zerlegt habe, wog die Haut 3680 g von 23910 g Körpergewicht = 12,73%. Bei dem ausserordentlich hohen Chlorgehalt der Haut macht es aber bereits einen Unterschied von 0,7—1,1 g Chlor aus, wenn man statt. 16° 13°/o für die Haut in Rechnung setzt. Natürlich lässt sich nicht sagen, inwieweit diese Überlegungen nunmehr für die von Wahlgren und Padt- berg untersuchten Hunde tatsächlich zutreffen ; sie sollen nur zeigen, wie verhältnismässig unsicher naturgemäss die durch Berechnung gefundenen Werte sein müssen. Ich halte daher die von mir direkt gefundenen Werte für die zuverlässigeren, um so mehr als die beiden Werte von Hund I und Hund III fast völlig übereinstimmen. Betrachtet man auf obiger Tabelle die Werte für den Chlor- gehalt ausgewachsener Tiere (Hund nn Katze 0,16, Maus 0,15, 1) B. Schöndorff, Über den Maximalwert des Gesamiglykogengehils von Hunden. Pflüger’s Arch. Bd. 99 S. 191. 1903. Beiträge zur Physiologie der Verdauung. II. 195 der durch Magnus-Levy für den erwachsenen Menschen berech- nete Wert von 0,12), so liegen dieselben jedenfalls näher aneinander, als man von vornherein angenommen haben würde. Bedenkt man die grossen Unterschiede im Gehalt der verschiedenen Tierarten an Fett und vielleicht auch an anorganischer Skelettsubstanz, so er- scheint mir die Vermutung nicht allzu gewagt, dass der Chlorgehalt des Körpers, wenn man ihn auf die lebende Substanz beziehen könnte, für alle erwachsenen Tiere annähernd denselben Wert haben würde. Dass bei derselben Tierart unter gleichen Verhältnissen der Chlor- gehalt sehr konstant ist, zeigen deutlich meine Analysen der neu- geborenen Katzen, bei denen trotz verschiedenen Körpergewichts der Chlorgehalt nur Differenzen zeigt, die in die Grenzen der Versuchs- fehler fallen. Setzt man schliesslich den Chlorgehalt des Körpers zu dem Wassergehalt desselben in Beziehung, so ergibt sich, dass jedenfalls das Chlor nicht gleichmässig über das gesamte Wasser des Körpers verteilt sein kann. Die von Camerer und Söldner untersuchten Neugeborenen z. B. enthielten im Durchschnitt 11,8°/o Wasser und 0,18°/o Chlor. Stellt man sich dieses Chlor gleichmässig über den ganzen Wasservorrat des Körpers verteilt vor, so würde eine 0,25 ®/oige Lösung entstehen. Nun enthält aber das Blutplasma erheblich mehr, nämlich 0,34—0,41°/o Chlor), und in der Lymphe ist ein Koch- salzgehalt nachgewiesen worden, der dem des Blutes gleichkommt. Es ist ausserdem selbstverständlich, dass alle Körperflüssigkeiten, die im ungehinderten Austausch miteinander stehen, eiren gleichen Chlor- gehalt besitzen müssen. Es folgt hieraus mit Sicherheit, dass neben dem in der Blut- und Lymphflüssigkeit vorhandenen Wasser mit seinem hohen Chlorgehalt im Körper noch anderes Wasser vorkommen muss, welches erheblich weniger Chlor enthält, vielleicht sogar chlor- frei ist. Es stimmt das mit dem Befunde Urano’s?) überein, dass die Muskelsubstanz als solche kein oder nur wenig Cl enthält, Offenbar befindet sich die Hauptmasse des Chlors des Körpers in den Körperflüssigkeiten, wenig oder gar nichts in den organisierten Geweben. Nur die Haut mit ihrem hohen Chlorgehalt (Wahlgren, Padtberg) scheint hier eine Ausnahmestellung einzunehmen. 1) Vgl. meine I. Mitteilung. Pflüger’s Arch. Bd.118 S. 510. 1907. 2) F. Urano, Neue Versuche über die Salze des Muskels. Zeitschr. f. Biol. Bd. 50 S. 212. 1908. 19,5 196 P. Lasareff: (Aus dem physikalischen Institut der Universität Moskau.) Ionentheorie der Nerven- und Muskelreizung. | Von Privatdozent P. Lasarefl. (Mit 1 Textfigur.) Von der Voraussetzung ausgehend, dass die Muskelfasern und Nervenfasern durch halbdurchlässige Scheidewände in einzelne Zellen getrennt sind, zeigte Nernst!), dass die Reizungen der Nerven und Muskeln durch einen Sinusstrom von Änderungen der Ionenkonzen- tration an diesen Scheidewänden herrühren und dann auftreten, wenn diese Änderungen eine bestimmte Grenze übersteigen. Die experimentelle Erforschung?) dieser Frage, welche von Nernst und seinen Schülern gemacht wurde, hat die Fruchtbarkeit dieser Hypo- these klargestellt. Die Untersuchungen von Nernst beziehen sich auf den Spezial- fall des Schwellenwertes der Reizung. Im folgenden ist der Versuch gemacht, den von Nernst ein- geschlagenen Weg weiter zu verfolgen und eine allgemeine Theorie der Erregung aufzustellen. Diese Theorie stützt sich in erster Linie auf die aus den Versuchen von Loeb°) bekannten Tatsachen, dass ein Organ erregt werden kann, wenn bei einer bestimmten Zu- sammensetzung der Lösung seiner Eiweisskörper nur die Salz- konzentration verändert wird, dass verschiedene Salze antagonistisch wirken können, und dass jedem Organ ein bestimmter Schwellen- wert der Ionenkonzentration entspricht, bei welchem eine Erregung 1) W. Nernst, Göttinger Nachrichten, mathem.-phys. Klasse 1899 S. 104. — W.Nernst, Sitzungsber. d. kgl. preuss. Akad. d. Wissensch. Bd. 1 S.3. 1908. — W. Nernst, Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 275. 1908. 2) W. Nernst, l.c. — R. v. Zeyneck, Göttinger Nachrichten, mathem.- phys. Klasse. S. 94. 1899. — E. Reiss, Pflüger’s Arch. Bd. 117 S. 578. 1907. 3) J. Loeb, Vorlesungen über die Dynamik der Lebenserscheinungen S.112. Leipzig 1906. — J. Loeb, Pflüger’s Arch. Bd. 116 S. 198. 1907. Ionentheorie der Nerven- und Muskelreizung. 197 einsetzt. Die hinzugefügten Salzionen haben nämlich die Eigen- schaft, die Eiweisskörper zu fällen, und zwischen der Wirkung der Ionen auf Eiweisslösungen und ihrer Fähigkeit, reizend zu wirken, ist, wie es aus den Arbeiten von Schwarz!) und Höber?) folgt, eine Beziehung vorhanden. In bezug auf die Beschaffenheit der Nervenbündel ist im folgenden erstens die bekannte Tatsache vorausgesetzt, dass den Fibrillen ein grösseres galvanisches Leitungsvermögen zukommt als dem Plasma der Perifibrillarsubstanz, und zweitens, dass die Fibrille im Einklang mit den Untersuchungen von Bethe?°) mit einer für gewisse Substanzen (Ionengattungen) halbdurchlässigen Wandung bedeckt ist. Das allgemeine Gesetz der Reizung. Es seien Cı, Ca, € . . . die Ionenkonzentrationen der Salze, welche in einem Organ vorhanden sind. Der Zustand der Eiweiss- lösung und demzufolge der Ruhe- oder der Erregungszustand des Organs hängt von der Beziehung zwischen €, &, (3 . . . ab. Wenn die Konzentrationen entweder sehr klein oder sehr gross sind, so kann, wie aus den Versuchen von Overton‘*) und Loeb?°) hervorgeht, überhaupt keine Erregung stattfinden. Soll eine Er- regung entstehen können, so muss die Bedingung AN Mn(en0 > Br mnın Mal 005 erfüllt sein, wobei die Form der Funktion F für verschiedene Organe eine verschiedene ist. Die Ionenkonzentrationen sind in allen Organen recht klein, und deshalb können wir immer die Funktion F’ in eine Reihe entwickeln. Sind: die. c,, €s-:- sehr klein, so können wir die höheren Potenzen vernachlässigen und bekommen schliesslich A>bu+batba+::-=>B .....0), wenn wir zur Abkürzung F (0,0,0--.)=b, dr dF gi RM An di 8 RT b, usw. setzen. 1) C. Schwarz, Pflüger’s Arch. Bd. 117 S. 161. 1907. 2) R. Höber, Pflüger’s Arch. Bd. 120 S. 492. 1907. 3) A. Bethe, Allgemeine Anatomie und Physiologie des Nervensystems 8. 277. Leipzig 1903. 4) E.Overton, Pflüger’s Arch..Bd. 92 S. 346. 1902; Bd. 105 S: 176. 1905. 5) J. Loeb, Dynamik 8. 124. 198 P. Lasareff: Wirken zwei Ionenarten, deren Konzentrationen c, und c, Sind, antagonistisch , so müssen 5, und b, verschiedene Vorzeichen haben [z. B. für Na und Ca-Ionen], dann schreibt sich die Gleichung (2) in der Form A > bo nu bi —baCa > B 0 . D . ) (3), und sind c, und c, verschwindend klein, so ist | A—b—=B, d. h. die obere und die untere Grenze der Funktion F' fallen zu- sammen. Hieraus folgt, dass für äusserst kleine Konzentrationen c, und c, die Differenz A— b,— 0 ist, dann ist (aus 3) b, es DSB Fi Cı Wenn nur zwei Ionenarten an dem Erregungsprozess teilnehmen und die Ionenkonzentrationen sehr klein sind, ist in diesem Falle das von Loeb!) empirisch gefundene Gesetz erfüllt. Bei Konzentrationen, welche nicht als sehr klein betrachtet werden können, müssen Abweichungen vom Loeb’schen Gesetz stattfinden, und zwar um so grössere, je grösser die Ionenkonzen- tration in dem Organ ist. Im Muskel, wie Alt und Schmidt?) es gezeigt haben, ist die spezifische Leitfähigkeit und demzufolge die Ionenkonzentration geringer als im Nerven. Das Loeb’sche Ge-' setz muss also für den Muskel besser erfüllt sein als für den Nerven. Wenn aber im Nerven ein Niederschlag erzeugt wird, welcher die eine Ionenart aus dem Organ entfernt, so muss auch für den Nerv dasselbe Erregungsgesetz gelten wie für den Muskel. Die Versuche, welche von Loeb?°) angestellt wurden, sind mit diesem Schlusse im Einklange. —.const. ir Me era) Die Reizung durch einen Sinusstrom. Wie in dem vorhergehenden Kapitel nachgewiesen wurde, kommt Be des Organs zustande, wenn Ionenkonzentrationen die Gleichung = — — konst oder genauer AS F(c,, )ZB be- friedigen. 2 Konzenwa a heen. welche notwendig ira) um den Erregungszustand zu erzeugen, können auf ganz verschiedene Weise erhalten werden. Der elektrische Strom, und zwar haupt- 1) J. Loeb, Dynamik. 2) K. Alt und K.E.F. Schmidt, Pflüger’ s Arch. Bd. 53 8. 575. 1893. 3) J. Loeb, Pflüger’s Arch. Ba. 116 S. 193. 1907. Ionentheorie der Nerven- und Muskelreizung. 199 sächlich der Sinusstrom, ist ein besonders geeignetes Mittel hierzu, und deshalb wollen wir zuerst auf denselben das allgemeine Gesetz der Erregung anwenden. Wenn mittels zweier Elektroden Z, und E, (Fig. 1) ein Strom im Muskel oder Nervenfaser eingeleitet wird, so gehen die Stromfäden wegen des besseren Leitungsvermögens hauptsächlich durch die Fibrillen der Nervenfasern, und wenn ? die Fig. 1. Stromstärke in der Fibrille ist, so ist die Grenzbedingung an den halbdurchlässigen Membranen, wie Nernst!) gezeigt hat, folgende: wo c Be Konzentration, X den Diffusionskoeffizient, » eine Konstante bedeutet und x in der Richtung nach x, oder nach x, von der Ein- tritts- oder Austrittsstelle des Stromes gerechnet wird. In der Fibrille ist überall die Diffusionsgleichung ea I u a ee) erfüllt. Wenn der Strom nur den Schwellenwert der Reizung erreicht, so sind alle Veränderungen in der nächsten Nähe der Ein- und Aus- trittsstellen des Stromes lokalisiert, und bei = oo muss deshalb je. 0 sein. dx Für einen Sinusstrom hat das Integral der Gleichung (5), welches allen Bedingungen genüst, nach Nernst folgenden Ausdruck: TU > ot eg TE sin (nt + 2) Sum. (0), wo a die Amplitude und » die Wechselzahl des Stromes ist. 1) W. Nernst, |. c. 200 P. Lasareff: Stellen wir uns weiter vor, dass in dem Organ verschiedene Ionengattungen vorhanden sind, welche den Erregungsprozess be- dingen, und nennen wir deren Konzentrationen C,, Ca: usw., SO bekommen wir für jede Ionenart für = eine Gleichung, welche mit der Gleichung (6) identisch ist. Also ) a8 Bm + IE VE - sin (m = 7) 2 Die Diffusionskoeffizienten X,, K,:-- sind verschieden von den- jenigen in reinem Wasser. Ein genauer Ausdruck der Beziehung zwischen c,, c;,, welche für die Erregung notwendig ist, kann, wie oben gezeigt, in folgender Form dargestellt werden: A>F(eg, %::-)=B, Wenn die Reizung nur den Schwellenwert erreicht, so ist die ° Bedingung durch die Gleichung RC CHE MD ..®) ausgedrückt, und dieser Ausdruck führt zum Nernst’ sehen Gesetz. ‚Stellen wir statt c,, cz deren Ausdrücke aus der Gleichung (7) ein, so ist es leicht zu sehen, dass für alle Sinusströme, für welche die Beziehung gilt a ag Az Vn Vms Vans eine Reizung eintreten muss, sobald sie für einen dieser Ströme vorhanden ist. -- — konst, Reizung durch einen konstanten Strom von kurzer Dauer. Die Grenzbedingungen bei z—=(0 haben für einen konstanten Strom ganz dieselbe Form wie bei dem Sinusstrom; das heisst: K de — ‘= konst. da In der Faser ist die Diffusionsgleichung de gie dr. 0m erfüllt. Ionentheorie der Nerven- und Muskelreizung. 201 Das Integral dieser Gleichung ist, wie Nernst zeigt, t —r Für jede Ionenart haben wir dieselbe Gleichung, und die minimale Erregung tritt ein, wenn Bulehn es ) — Balist: Wenn für zwei Ströme die Beziehung i VYi—' Vi erfüllt ist und ein Strom erregend wirkt, so muss auch der andere erregend wirken. = n=--m Die Fortpflanzung der Erregung. Überschreitet der Reiz eine bestimmte Grenze, so bringt er Ionenverschiebungen und eine damit verbundene Erregung hervor. Lokale Konzentrationsänderungen der Ionen an den halbdurchlässigen Membranen, welche den Erregungsprozess bedingen, pflanzen sich als Diffusionsvorgänge fort, wenn die eintretende Erregung auf die Ionen- konzentration nicht zurückwirkt. Dann ist die Konzentration, welche am Anfang der Koordinaten durch die Gleichung ce=c, + a cos nt ausgedrückt ist, an Stellen, welche von dem Koordinatenanfang den Abstand x haben In / = — 77 — 7) c=6@+ ae Von. cos (m —2|/ =) O)): Die Gesehwindigkeitsfortpflanzung der Erregung ist der Periode nach eine verschiedene und kann durch die Formel v—= V2Kn ‘) ausgedrückt werden. Nehmen wir an, dass nur ein Ion, z. B. der Na-Ion den Er- regungsprozess herbeiführt und seine Diffusionskonstante K= 10.10-°°° (für NaCl) sec mm dann ist für T= 1 sec v— 0,12 — sec T—100se v—o,.012 I sec Wenn anstatt des Na-Ions ein anderes an der Reizung teil- nimmt, so bleibt v von derselben Grössenordnung. Versuche haben gezeigt, dass im Protoplasma die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der 1) Weber-Riemann, Die partielle Differentialgleichungen Bd. 2 S. 107. Braunschweig 1901. 13 *%* 202 P. Lasareff: Erregung zwischen 0,02 und 0,005 liegen muss. Die Formel (9) zeigt weiter, dass die Erregung bei der Fortpflanzung eine Schwächung erleidet, und die Versuche von Verworn!) haben wirklich einen derartigen Prozess bewiesen. Im Protoplasma ist also die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der | Frregung mit der reinen Diffusion der Salze identisch. Über den Neuronenabstand. Aus zahlreichen Versuchen ist bekannt, dass, wenn ein Reiz eine bestimmte Grenze übersteigt, ein explosionsartiger in Form einer Stosswelle sich ausbreitender Prozess im Organ entsteht, welcher den Erregungszustand und die damit verbundenen Konzen- trationsänderungen der Ionen überträgt. Von allen Einzelheiten dieser Prozesse abgesehen, darf man behaupten, dass, wenn die Er- regung die Thelodendrien erreicht, solche Konzentrationsänderungen auch in diesen entstehen müssen, welche dann sich diffusionsweise weiter auf die nächsten Neuronen verbreiten. Von den Versuchen von Nernst und Zeyneck’°) ausgehend, können wir den Neuronenabstand berechnen. Wenn die Ionen- konzentration in Thelodendrien eine periodische ist, so hängt die Amplitude der Ionenkonzentration, welche die benachbarten Neuronen erreichen, von der Periode des Sinusstromes ab. Die Konzentrations- änderungen in denselben werden um so schwächer, je kleiner die Periode des Stromes ist. Aus den Zeyneck’schen Versuchen können wir schliessen, dass die Erregungen, welche die Periode von + bis . sec haben, ohne merkliche Schwächung das Gehirn erreichen müssen?). Um den Abstand der Neuronen berechnen zu können, machen wir die ein- fache Annahme, dass, während die Erregung den Nervenstamm passiert, sie keine merkliche Schwächung erleidet, und dass in dem 1) M. Verworn, Psycho-physiologische Protisten-Studien S. 84. Jena 1839. 2) W. Nernst, Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 295. 1908. — R.v. Zeyneck, Göttinger Nachrichten, mathem.-phys. Klasse 1899 S. 9. 3) Bei kleineren Perioden als 0,01 sind die Vorgänge wesentlich komplizierter. Vergl. N. Wedensky, Telephonische Untersuchungen. (Russisch.) Peters- burg 1884. Ionentheorie der Nerven- und Muskelreizung. 203 Prozess der Erregung nur die Na-Ionen teilnehmen. Dann können wir schreiben, dass zwischen den Neuronen die Diffusionsgleichung dc d?c ET z da? erfüllt sein muss. Die Grenzbedingungen an der Grenze eines Neurons sind 2=( und cC—=@-—a 608 nt. Das Integral dieser Diffusionsgleichung !) ist in diesem Falle _uV* 2) C—C69 0eH "7 2E c08 \nt —% Ddh Nimmt man weiter an, dass bei 100 Perioden in 1 see die Erregungsschwächung nicht wahrgenommen werden kann, so dass die Erregung und eine damit verbundene Diffusion, von einem Neuron : x 1 auf den anderen übergehend, eine Schwächung von nur 100 erleidet, so muss der Neuronenabstand unter diesen Annahmen gleich etwa 20 uu sein, wenn wir X—=110-10-? (der Diffusionskoeffizient für NaCl) setzen. Der Neuronenabstand muss deshalb unter der Grenze der Leistungsfähigkeit des Mikroskops liegen, und das erklärt, warum trotz aller Tatsachen der Anatomie ?), welche zugunsten der Neuronen- lehre reden, die einzelnen Neuronen nicht getrennt wahrgenommen werden können und es scheinen muss, dass die Neuronen unmittel- bar miteinander verbunden sind?). Sind die Konzentrationsänderungen nicht gross, so verbreitet sich die Erregung nur bis zum nächsten Neuron, alle anderen, welche in der Umgebung liegen, bleiben unberührt. Wenn der Diffusions- vorgang eine bestimmte Grenze erreicht, so können auch andere Nachbarneuronen miterregt werden. Die Resultate dieser Arbeit können folgendermaassen zusammen- gestellt werden. 1. Fs wurde aus der Annahme, dass die Salze der Muskel oder Nervenfibrille bei bestimmter Kenzentration die Eiweisskörper zu verändern imstande sind, das Loeb’sche Gesetz abgeleitet. 1) Weber-Riemann,l.c. 2) G. Retzius, Proceed. of the Royal Society Ser. 13 vol. 30 p. 414. 1908. 3) A. Bethe, Allgemeine Anatomie und Physiologie des Nervensystems. Leipzig 1903. 204 P. Lasareff: Ionentheorie der Nerven- und Muskelreizung. 2. Es wurde gezeigt, dass das allgemeine Gesetz der Reizung mit Sinusströmen, welches aus dem Loeb’schen Gesetz abgeleitet werden kann, mit dem Nernst’schen identisch ist. 3. Es wurde nachgewiesen, dass die Fortpflanzung der Erregung im Plasma der Geschwindigkeit nach mit dem Diffusionsvorgang identisch ist. 4. Es wurde aus dem Nernst’schen und Zeyneck’schen Daten der Neuronenabstand berechnet. 205 (Aus dem physiologischen Institut der Columbia-Universität, College of Physicians and Surgeons, New York.) Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. III. Das Stromvolum der „Vena gastriea“. Von Russell Burton-Opitz. (Mit 1 Textfigur und Tafel IV und V.) Der Blutgehalt des Magens des Hundes entstammt bekanntlich drei Quellen. Etwa zwei Centimeter peripher von der Stelle, wo die Arteria eoeliaca von der Aorta abdominalis abzweist, entstehen die Arteria hepatica und der Truncus gastro-lienalis. Ersteres Blut- sefäss wendet sich gegen den Hilus der Leber, gibt hier mehrere dieses Organ versorgende Äste ab und gelangt sodann im Bogen an die Pankreasfläche des Duodenums. Zwei ihrer Endzweige erreichen das rechte Magenende. Die Arteria coronaria ventrieuli dextra ver- sorgt die Gegend des Pylorus und kleinen Kurvatur, während die Arteria gastro-epiploica dextra nahe dem Anfange der Curvatura major endet. Kurz nach seiner Bildung teilt sich der Truncus gastro-lienalis in die Arteria coronaria ventrieuli sinistra und die Arteria gastro- lienalis. Die erstere wendet sich nach links und oben und verteilt sich radienähnlich auf die vordere und hintere Magenfläche längs der kleinen Kurvatur. Der der Milz zuerteilte Ast des Truncus verläuft sodann im Omentum majus und gibt während seines Verlaufes nach links zwei Zweige an den Magen ab. Der eine derselben, der Ramus gastricus, erreicht die Eingeweidefläche dieses Organes und wendet sich längs der grossen Kurvatur nach dem linken Magenende. Der andere Ast, Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 14 206 Russell Burton-Opitz: die Arteria epiploica sinistra, verläuft ebenfalls längs der grossen Kurvatur und endet in der Gegend des Pförtners. Der Bestimmung der arteriellen Blutzufuhr des Magens mittels der Stromuhr stehen unüberwindliche technische Schwierigkeiten im Wege. Gemäss obiger Auseinandersetzung müsste eine derartige Messung nämlich, unter Ausschaltung des Leber- und Prankreasblutes, in der Arteria coeliaca vorgenommen werden. Ein solcher Eingriff EZ f Fig. 1. M Magen, Mi Milz, VP Vena portarum, VM Vena mesenterica, AO A. coeliaca, AH A. hepatica, TG@L Trunc. gastro-lienalis mit darüber liegendem Stamme der Vene, @L A. gastro-lienalis mit Vene, VC A. coronaria ventrieuli sinistra mit Vene, RP und RO Venengebiete des Ramus pyloricus und oesophageus, SP Sphincter pylori, VE Venengebiet der A. coron. ventric. dextra und A. gastro-epiploica dextra, AH A. gastro-epiploica sinistra mit Vene, AB A. gastro-brevis mit Vene, RG und RL Ramus gastricus und lienalis der A. lienalis nebst Venen, O Vena omentalis, 1 Einsetzungsstelle der Stromuhr, 2 Reizungsstelle des Plexus der A. cor. ventr. sin., 3 Reizungsstelle des Plexus der A. gastro-lienalis. kann aber wegen der Lage dieses Blutgefässes ohne starke Schädigungen der hier besonders dichten Nervengeflechte nicht vollführt werden. Weit günstiger liegen die Verhältnisse auf der venösen Seite. Mit Ausnahme des Blutes der Pförtnergegend geschieht die Rück- führung des Magenblutes durch zwei Venengebiete, welche parallel den Arterien liegen. Das Blut der beiden Magenflächen, längs der Curvatura major, wird durch mehrere Venen abgeführt, welche in der Nähe des Pförtners ihren Anfang nehmen und sich mit der Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. II. 207 Milzvene zur Vena gastro-lienalis vereinigen. Letzteres Blutgefäss nimmt auch die Vena coronaria ventrieuli sinistra auf, welche das Blut von beiden Flächen des Organes in der Gegend der kleinen Kurvatur sammelt. Der Truneus der Vena gastro-lienalis liegt dem Pankreas dicht an und verbindet sich mit dem Stamme der Venae mesentericae zur Pfortader. In grösseren Hunden besitzt der Stamm der Magen- Milzvene eine Länge von etwa 2 cm und kann mit Leichtigkeit frei gelest werden. Die anatomischen Verhältnisse sind derartige, dass die Einführung einer Stromuhr ohne besondere Schwierigkeiten be- werkstelligt werden kann. Auch ist es möglich, unter Zuhilfenahme geringer experimenteller Änderungen sämtliches Blut des Magens der Stromuhr zuzuführen. Obgleich die Versuche, über welche hier Mitteilung gemacht wird, eben wegen den erforderlichen operativen Eingriffen womöglich als nicht ganz einwandfrei bezeichnet werden können, hoffe ich dennoch einigen Aufschluss über den Blutreichtum des Magens zu geben. Übrigens kam es mir bei der Veranstaltung dieser Versuche prinzipiell darauf an, zu prüfen, wie die Blutzufuhr dieses Organes durch ver- schiedene Eingriffe, hauptsächlich durch Reizung sympathischer Nerven- geflechte, beeinflusst werden kann. Absolute, quantitative Daten sind jedoch beigefügt worden; nur muss vermerkt werden, dass diese nur nach Ausschluss der Blutgefässe der Milz und des äussersten Pförtnerteiles des Magens erhalten werden konnten. Im Verlaufe der quantitativen Bestimmungen des Blutstromes wurden folgende Eingriffe ausgeführt: 1. Erhöhung des Druckes in der Magenhöhle, 2. Einführung in diese von heissem Wasser, 3. Begiessung der Oberfläche des Organes mit erwärmter Koch- salzlösung, 4. Reizung von Nerven an folgenden Stellen: a) des Splanchnieus major sinister, b) des Splanchnicus major dexter, ce) des Plexus der Arteria coronaria ventrieuli sinistra, d) des Plexus der Arteria gastro-lienalis (Milz entfernt), e) der Nervi vagi, oberhalb des Zwerchfelles. 14 * 308 Russell Burton-Opitz: Allgemeine Bemerkungen über die Anstellung der Versuche. Wie es sich bald zeiete, konnten für diese Messungen nur grössere Hunde benutzt werden. Die Tiere wurden zuerst mit Chloroform narkotisiert. Nach völliger Bewusstlosiekeit wurde die Narkose mittelst Äthers fortgeführt. Das letzte Futter wurde ihnen am Abende des vorhergehenden Tages verabreicht. Der Magen zeigte sodann am Tage des Versuches einen Grad „physiologischer“ Aus- dehnung, welcher für diese Bestimmungen besonders günstig zu sein schien. Die Messung der Strömung geschah durch die von mir be- schriebene Stromuhr‘). Es gelang mehrere Male, diese während eines Zeitraumes von 15 Minuten im Gange zu erhalten, ehe sich die ersten Anzeichen der Gerinnung einstellten. | Nach Blosslegung der Baucheingeweide durch einen Schnitt in der Linea alba und Querschnitte durch die Bauchdecken wurden die Rippenbogen leicht nach oben zurückgezogen und die Organe selbst mit einem mit erwärmter Kochsalzlösung befeuchteten Tuche bedeckt. Sodann wurde die Milz nebst Omentum majus hervorgezogen und, nach Unterbindung sämtlicher Blutgefässe, entfernt. Auch wurden die dem Omentum zuerteilten kleinen Zweige abgebunden. Bei der Herausnahme dieses Organes ist einige Vorsicht nötig; denn es trifft oft zu, dass die Venae breviae des Magens sehr nahe der Milzfläche in die Vena lienalis einmünden. Um fernerhin ein Entweichen des Magenblutes in das Gebiet der Vena pancreatica zu vermeiden, wurde der Pförtner mittels eines Fadens abzebunden. Die eben beschriebenen operativen Eingriffe bezweckten, sämt- liches dem Magen zugeführtes Blut in den Truncus arteriae gastro- lienalis zu leiten. Die Vena gastro-lienalis sollte hierdurch in eine „Vena gastrica“ verwandelt werden. Die Einführung der Stromuhr in den Stamm der Vena gastro- lienalis erforderte eine Isolierung der Pfortader nahe der Ein- mündungsstelle dieses Blutgefässes und auch eine Abschälung des Pankreas bis zu dem Punkte, wo die Vena coronaria ventrieuli sinistra ihr Blut in den Truneus ergiesst. Die Einsetzung derselben erleichterte ich mir durch besonders kurze und stumpfe Einsatz- kanülen und schmale Klemmpinzetten. Dass die etwa 10 Minuten 1) Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 121 S. 150—155. 1908. Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. II. 209 u lange Abklemmung der Vena gastro-lienalis keine andauernde Störung der Zirkulation zur Folge hatte, ist daraus zu ersehen, dass wenige Sekunden nach Wiedereröffnung dieses Gefässes, also noch innerhalb einer Umdrehung der Stromuhr, der Magen sein gewohntes Aussehen wieder angenommen hatte. Der Venendruck wurde mittels Membranmanometers gemessen, welcher mit der zentralen Ansatzkanüle der Stromuhr in Verbindung stand. Zu gleicher Zeit schrieb ein mit der Arteria cruralis ver- bundener Quecksilbermanometer den arteriellen Blutdruck auf. Die Zeitmarkierung geschah durch einen Chronographen. Nach Beendigung eines jeden Versuches wurde das Gewicht des seines Inhaltes entleerten Organes ermittelt. Bemerkt sei noch, dass bei der Herausnahme des Organes das Omentum längs der grossen Kurvatur abgetrennt wurde. Ein Schnitt wurde direkt durch den Pförtner geführt und ein zweiter durch die Einmündungsstelle der Speiseröhre. Bei Versuchen Nr. 4A, 5 und 6 wurde der Einfluss der Er- höhung des Druckes in der Magenhöhle eeprüft. Eine kurze Kanüle wurde in diesen Fällen in die Magenwand nahe der Speiseröhre ein- gebunden und diese mit einer Druckflasche in Verbindung gebracht, und zwar so, dass ein Druck von bestimmter Grösse schnell ein- gelassen und auch entfernt werden konnte. Eine, einen kleinen Triehter tragende Kanüle wurde in denjenigen Versuchen gebraucht, welche den Einfluss der Einführung heissen Wassers auf die Blut- strömung des Magens ermitteln sollten. Auch wurde versucht, diese durch Besiessung der Aussenfläche des Magens mit auf 45° C er- wärmter Kochsalzlösung zu beeinflussen. Die Frage, ob dem Magen auch Nervenfasern zuerteilt werden, durch deren Vermittelung sein Blutreichtum verändert werden kann. ist durch Reizung der Nervi splanchniei majores sowie der Nervi vagi beantwortet worden. Der Splanchnieus major sinister wurde, ohne die Brusthöhle zu eröffnen, eine kurze Strecke oberhalb der linken Nebenniere freipräpariert und in Ludwig’sche Elektroden gelegt- Die Anlegung der Elektroden auf der rechten Seite benötigte jedoch eine Durchtrennung des Zwerchfelles und künstliche Atmung. Aus diesem Grunde sind die hier bezüglichen Versuche nicht bei der Berechnung der normalen Strömungsgrösse in Betracht gezogen worden. Die Prüfung des Einflusses der Nervi vagi wurde oberhalb des Zwerchfelles vorgenommen. Nach Eröffnung der Brusthöhle wurden 310 Russell Burton-Opitz: beide Nerven durchschnitten und zusammen in mit Gummimembrau versicherte Elektroden gelegt. Peripher von den in der Gegend der Nebennieren gelegenen Ganglienkomplexen steigen die dem Magen zuerteilten „post- sanglionären“ Nervenfasern an dem Truncus gastro-lienalis empor. Eine Anzahl dieser begleiten die Arteria coronaria ventriculi sinistra bis in ihr peripheres Verzweigungsgebiet. Bei weitem die grösste Anzahl verlaufen aber längs der diesbezüglichen Arterie gegen die Milz und bilden auf dieser Strecke den Plexus lienalis. Eine nähere Besichtigung lehrt jedoch, dass eine beschränkte Anzahl von Fäser- chen jedem der Magenzweige der Arteria gastro-lienalis anliegen und auch auf diese Weise auf die Magenflächen gelangen. Die Reizung sämtlicher postganglionären Fasern des Macens erforderte nun die Anlegung der Elektrode zwischen den Ganelien des Plexus solaris und der ersten Abzweigungsstelle derselben nahe dem Anfangsteile der Arteria coronaria ventrieuli sinistra. Dieses Verfahren war aber mit grossen Schwierigkeiten verbunden, denn die Nervengeflechte sind hier besonders dicht, und man kann leicht die innerhalb derselben verlaufenden Arterien verzerren und beschädigen. Auch gebrauchte ich gerade an diesem Punkte allen vorhandenen Raum für die Einfübrung der Stromuhr in die über dieser Stelle liegende Vene. | | Aus diesem Grunde beschloss ich, die oben genannten Nerven- geflechte einzeln zu präparieren. Der Plexus der Arteria coronaria ventrieuli sinistra wurde etwa 3 cm peripher von seiner Abzweigungs- stelle von der Arterie losselöst und in Ludwig’sche Elektroden gelegt. Eine zweite Elektrode wurde dem Plexus gastro-lienalis an- gepassst, und zwar etwas peripher von dem Punkte. wo die eben bezeichneten Nervenfasern von dem Hauptgeflechte abzweigen. In Ver- suchen Nr. 7, 8 und 10 wurden nun die Nervenstämme einzeln einer Reizung unterzogen und in Versuchen Nr. 12 und 14 beide zu gleicher Zeit. Die mit einem du Bois-Reymond’schen Induktionsapparate aus- geführten tetanischen Reizungen waren von verschiedener Stärke und nahmen verschiedene Zeit in Anspruch. In den Protokollen der Versuche sind hierüber nähere Angaben enthalten. Um die Versuchsanordnung so klar wie möglich darzustellen, ist obiger Beschreibung eine einfache Skizze (Fig. 1) beigefügt worden, jedoch soll diese nicht als eine absolute Kopie der ana- tomischen Verhältnisse erachtet werden. Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. IT. 211 Protokolle der Versuche. Im ganzen wurden 17 Versuche ausgeführt, von denen Nr. 2, 4, 12, 13 und 14 in zwei Teile zerfallen. Nur die zu Anfang der ersten Strommessung erhaltenen Werte wurden für die Berechnung der normalen Strömungsgrösse verwertet. Ferner wurde das Kymo- graphion erst nach zwei bis drei Umdrehungen der Stromuhr in den Gang gesetzt, damit die Strömung keine etwa durch die zeit- weilige Abklemmung der Magenvene bedingten Fehler aufweisen konnte. Da die bei diesen Versuchen nötigen operativen Eingriffe auch unter günstigen Bedingungen eine längere Zeit in Anspruch nahmen, zeiete der arterielle Blutdruck zuweilen nach der zweiten Einsetzung der Stromuhr eine starke Erniedrigung. Wie in den Protokollen angegeben ist, injizierte ich in diesen vereinzeiten Fällen eine gewisse Menge physiologischer Kochsalzlösung. Der Einwand, dass dieses Verfahren auf die während der zweiten Strommessung ausgeführten Eingriffe von irgendeinem Einflusse hätte sein können, ist wohl auszuschliessen; denn es kam mir hierbei ja nicht darauf an, normale Strömungsverhältnisse herzustellen. Der arterielle Blutdruck wurde nicht für jede Phase der Strom- uhr berechnet, sondern nur oft genug, um den allgemeinen Verlauf desselben zu kennzeichnen. Der den Venendruck aufzeichnende Membranmanometer wies auch unter den besten Bedingungen meist nur unwesentliche Schwankungen auf. Die Druckbedinsungen waren hier etwas weniger günstig als in früheren Versuchen dieser Art. Versuch Nr. 1, den 10. Dezember 1908. Reizung des Nervus splanchnicus major sinister. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Einführung der Stromuhr. Der linke Splanchnicus major wurde für die Reizung zurechtgelegt. Die Reizung verblieb . wegen fehlerhafter Anlesung der Elektroden erfolglos. 2. Gewicht: a) des Hundes 18 kg, b) des Magens 270 9. a Strom- | | Blutdruck Perioden bauer volum Strom- | a Be der Peasde Rs volum |— ; = Bemerkungen \ Periode in der | in der umer Sex. ccm | eem/sec | Vene | Arterie 1 26,21, 193 0,53 7,4 61,5 Kein Eingriff 2 43,1 20,5 0,47 ne _ 3 38,1 19,5 0,51 _ = 4 420 | 20,0 0,47 E= _ 5 42,8 | 20,6 | 0,48 = = 6 31,6... 202 17770,54 _ = 7 39,2 20,0 0,59 — = 8 40,6 19,5 0,48 _- = Mittel | 0,52 VAT E63 Russell Burton-Opitz: Versuch Nr. 2, den 14. Februar 1910. A. Reizung des Nervus splanchnicus major sinister. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Einführung der Stromuhr. Der linke Splanchnicus major wurde in Elektroden gelegt. 2. Gewicht: a) des Hundes 24 kg, b) des Magens 240 g. : Strom- Perioden N voller Strom- der p a 4 während yolum Bemerkungen Stromuhr| - ode |d. Periode in der |.in der Sek. ccm cem/sec | Vene | Arterie 1 16,1 17,5 1,08 11,0 64,5 | Kein Eingriff 2 15,8 17,4 1,10 — — Mittel 1,09 11,0 64,5 3 20,4 17,0 0,83 — = Reizung d. Splanchn. 4 21,0 17,0 0,80 == 74,6 major sin., 40 Sek., 10 cm R.-A. h) 25,9 17,0 0,66 — — Kein Eingriff 6 19,6 18,0 0,91 _ 68,2 7 15,4 18,0 1,16 — 8 15,1 18,2 1,20 — 68,5 9 18,8 18,2 0,96 — — Reizung d. Splanchn. 10 21,3 17,2 0,80 _ 76,4 major sin., 44 Sek., 11 23,0 17,8 0,77 — — 10 cm R.-A. 12 21,0 17,8 0,54 —_ — Kein Eingriff 13 20,4 17,8 0,87 _ 70, 14 20,1 18,0 0,89 11,0 -- B. Reizung des Nervus splanchnicus major sinister. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Die Stromuhr wurde gereinigt und wieder eingeführt. 150 cem Kochsalzlösung wurden injiziert. 1l 12,8 17,8 1,39 10,0 62,2 Kein Eingriff 2 12,6 18,0 1,42 — — 3 12,4 18,0 1,45 = — 4 14,4 18,1 1,25 — _ Reizung d. Splanchn. b) 15,5 18,1 1,16 8,0 12,3 major sin., 50 Sek., 6 21,7 16,8 0,77 E— —_ 10 cm R.-A. U 22,2 17,8 0,80 — 66,2 Kein Eingriff 8 19,5 18,3 0,93 — _ 9 16,8 18,3 1,09 — — 10 16,1 18,5 1,14 10,0 64,1 11 20,5 18,5 0,90 —— _ Reizung d. Splanchn. 12 23,1 18,4 0,79 — 71,0 major sin., 40 Sek., ’ 10 cm R.-A. 13 22,6 18,4 0,81 6,0 — | Kein Eingriff Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. II. 213 Versuch Nr. 3, den 17. Februar 1910. Reizung des Nervus splanchnicus major dexter. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Nach Eröffnung der Brusthöhle wurde der rechte Splanchnicus major in Elektroden gelegt. Einführung der Stromuhr. Um den Blutdruck zu erhöhen, wurden 100 ccm Kochsalzlösung injiziert. 2. Gewicht: a) des Hundes 14,2 kg, b) des Magens 190 g. I Strom- | | | Perioden | Pauer Be Som Blutdruck der 4 mm Hg der :od während volum Bemerkungen Stromuhr Periode |d. Periode in der | in der Sek. ccm ccm/sec | Vene | Arterie 1 25,1 17,1 0,68 150 | 688 | Kein Eingriff 2 24,6 fen 0,69 -- — 34 5,2 3,8 0,73 _ — Mittel 0,70 15,0 68,8 3b 9,8 3,9 0,35 8,0 _ Reizung d. Splanchn. major dexter, 9 Sek., 10 cm R.-A. 3C 115 30m 078 "ua 27018 Kein Eingriff 4 24,3 18,2 0,74 n— az 5 24,2 17,8 0,73 = 68,5 6 24,0 18,1 0,75 -- - 7a 4,6 3,5 0,76 140 | — 7b 29,1 14,5 0,50 140 | — Reizung d. Splanchn. N | major dext., 15 Sek., | 10 cm R.-A. / 8 25,7 17,5 0,68 75,6 | Kein Eingriff | 9 27,3 18,0 0,65 — — / 10 26,6 18,0 0,67 68,0 | I | 11 27,5 18,2 0,66 — — | Reizung d. Splanchn. | 12 31,2 18,4 0,58 — | 75,0 major dext., 30 Sek., | | | 8 cm R.-A. 13 39,5 18,5 ee len Einen 14 30,6 18,5 0,60 | — 66,5 | | Versuch Nr. 4, den 28. Februar 1910. A. Erhöhung des Druckes in der Magenhöhle. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Vor Einführung der Stromuhr wurde eine Kanüle durch eine kleine Öffnung in der Wand der Kardia eingeführt und mit der Druckflasche verbunden. | 2. Gewicht: a) des Hundes 22 kg, b) des Magens 370 g. 214 Russell Burton-Opitz: Strom- ; Blutdruck Perioden |Dauer der volum Strom- EN He der Periode | während | yolum Bemerkungen Stromuhr d.Periode in der | in der Sek. ccm | cem/sec | Vene | Arterie 1 12,2 19,2 1.57 12,0 | 104,6 Kein Eingriff 2 11,6 18,1 1,56 -- _ 3 11,9 18,2 1652 —_ -- 4 10,2 17,0 1,66 _ _ b) 10,8 17,0 1,57 - _ 6 10,4 17,5 1,68 — —_ 7 10,5 17,5 1,66 Mittel 1,60 12,0 | 104,6 8 8,8 18,0 2,04 26,5 | 108,2 Druck auf 50 mm Hg Ira) 12a 4,1 0,33 — — erhöht, Dauer Ib 25,0 0,0 0,00 0,0 98,6 50 Sek. 10 94 19,2 2,03 — 95,4 Kein Eingriff 11 10,5 20,2 1,92 10,0 — 12 a 4,5 6,5 1,44 15,5 96,5 Druck auf 30 mm Hg 12b 4,8 1,2 0,25 4,0 — erhöht, Dauer 10 Sek. 12€ 6,4 10,5 1,64 _ 92,6 Kein Eingriff 13 10,5 2 1,63 10,0 = 14 11,0 17,8 1,61 _ — 15a 9,9 13,0 1,391l 15,0 Druck auf 20 mm Hg 15 b 1,8 5,2 0,66 — 88,6 erhöht, Dauer 15 Sek. 16 9,4 15,5 1,64 — _ Kein Eingriff 17 il. 18,0 1,60 — — 18 12,6 19,0 1,50 12,0 | 86,2 19 11,8 21,0 1,77 on 2 1E;; 20a 7,3 6,0 0,82 _ 82,6 Druck anf 5 mm Hg | erhöht, Dauer 20 b 11,8 427502085 15,0 77,6 25 Sek. 20 c 6,9 a 1,60 — 76,2 Kein Eingriff 21 12,2 18,5 1,51 — — 22 12,2 18,2 1,48 12,0 82,8 23 11,8 18,2 1,54 — — 24 19,5 180 092 12,0 80,0 Druck auf 5 mm Hg erhöht, Dauer | 20 Sek. 95 | 14,6 18,0 1,23 — 81,8 | Kein Eingriff B. Einführung von warmem Wasserin die Magenhöhle. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Die Magenkanüle wurde mit einem Trichter versehen, so dass zu einer bestimmten Zeit leicht während der Messung eine gewisse Quantität heissen Wassers eingegeben werden konnte. Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. II. 215 Strom- Perioden es I Strom- es j der = während | volum Bemerkungen Stromuhr Periode |d.Periode in der | in der Sek. ccm cem/sec | Vene | Arterie 1 33,1 16,2 0,49 80 72,4 Kein Eingriff 2 32,1 16,2 0,50 — — 3 33,0 16,0 0,48 — _ 4 41,8 17,8 0,42 _ — 5 35,0 16,2 0,46 _ — 6 40,2 17,2 0,42 -— | — 7 39,1 17,2 0,44 = — 8 22,4 13,0 0,58 IA U 150 ccm Wasser von 60° C. eingeführt 9 32,4 17,6 0,54 — — Kein Eingriff 10 SR? 17,5 0,47 — — 11 42,6 17,6 0,41 — | 720:6 Versuch Nr. 5, den 6. März 1910, Erhöhung des Druckes in der Magenhöhle, 1. Eingriffe vor dem Versuche: Vor der Einführung der Stromuhr wurde eine Kanüle in die Wand der Kardia gebunden und diese mit einer Druckflasche versehen. 2. Gewicht: a) des Hundes 20,2 kg, b) des Magens 240 g. Strom- | 2 . Perioden EN ln Strom- ale der En 1 während volum MR Bemerkungen Stromuhr Periode |d. Periode, in der | in der Sek. ccm cem/sece | Vene | Arterie | il 16,9 17,2 1,01 14,5 92,6 Kein Eingriff eo 16,6 16,5 0,99 _ — 3 16,2 16,5 1,01 — — 4 real 16,8 0,98 — = Mittel 1,00 14,5 92,6 5a SD 81 2,59 24,0 98,0 Druck auf 50 mm Hg 5b I 0,0 0,00 10,0 — erhöht DC 6,0 9,5 1,58 —_ 94,2 Kein Eingriff 6 17,0 16,8 0,98 14,0 _ ö 7a 4,6 6,8 1,48 14,0+| 102,3 Druck auf 50 mm Hg ab 7 0,0 0,00 80 En erhöht Te 9,8 10,6 1,08 80+ — Kein Eingriff 8 17,6 172 0,97 _ 93,0 216 Russell Burton-Opitz: Versuch Nr. 6, den 9. März 1910. Erhöhung des Druckes in der Magenhöhle. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Vor Einführung der Stromuhr wurde eine Kanüle in die Wand der Kardia gebunden und diese mit einer Druckflasche verbunden. 2. Gewicht: a) des Hundes 27,5 kg, b) des Magens 370 g. ; Strom- Perioden a Strom- ne der en während vyolum Bemerkungen Stromuhr Periode | d.Periode in der | in der Sek. ccm cem/sec | Vene | Arterie 1 20,2 1955 0,96 14,0 102,4 | Kein Eingriff 2 20,1 19,8 0,98 — — 3 65 2 218,5 12 — = 4 15,9 16,3 1,02 — — 5 17,2 16,5 0,97 — — 6 16,8 17,2 1,02 — —_ Mittel 1,01 14,0 102,4 Ü 13,4 76B 11.28) 16,0 — Druck auf 20 mm Hg 8a 16,8 7,5 DET 108,6 erhöht, Dauer 25 Sek. 8b 8,2 10,2 1,24 _ = Kein Eingriff 9 13,1 17,0 1,29 _ _ 10 13,3 17,0 1,27 12,0 100,6 N 2 175 1,32 12,0+) — | Druck auf 15 mn Hg 12a 16,3 15,0 ı 0,92 — — erhöht, Dauer 12 b | 95 2.0 0.21 80-| 106,5 | 33 Sek. 13a 4,6 6,0 1,30 _ -- Kein Eingriff 13b 11,2 11,9 1,06 _ — 14 17,0 16,2 0,3 | — — 15 18,2 17,5 0,96 12,0 98,8 16 14,8 17,5 1,18 — _ Druck auf 8 mm Hg 17 18,0 17,2 0,95 _ 106,8 erhöht, Dauer 18a 15,0 6,5 0,43 8,0 — 50 Sek. 18 b 13,0 9,0 0,69 — — Kein Eingriff 19 DT 18,2 0,82 _ 98,0 Versuch Nr. 7, den 11. März 1910. Reizung des Plexus der Art. gastro-lienalis. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Vor Einsetzung der Stromuhr wurden die längs der Art. gastro-lienalis verlaufenden Nervenfasern in Elektroden gelegt. 2. Gewicht: a) des Hundes 22,5 kg, b) des Magens 240 g. Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. II. 217 Strom- Perioden | Dauer | olım | Strom | Fe der = während | volum Bee Bemerkungen Stromuhr Periode |d. Periode in der | in der Sek. ccm cem/sec , Vene |, Arterie 1 28,2 20,0 0,70 14,0 108,2 | Kein Eingriff 2 27,6 19,4 0,70 —_ — 3 24,8 16,5 0.66 — — 4 26,2 16,8 0,64 — — 5 25,0 16,8 0,67 — —_ Mittel 0,67 14,0 | 108,2 6a 14,1 9,2 0,65 — 124,0 | Reizung des Plexus 6b 15,0 81 0,54 —_ 126,1 art. gastro-lienalis, 20 Sek., 8cm R.-A, 7 36,4 17,0 0,46 14,0-| — Kein Eingriff 8 26,5 17,1 0,64 — aß) 9 29,3 18,1 0,62 = 10a 13,1 82 0,62 14,0 132,0 Reizung des Plexus 10b 17,8 9,5 0,53 14,0 - art. gastro-lienalis, 20 Sek., Scm R.-A. Deal _12,6 Ve os laufenden Fäserchen wurden in Elektroden gelegt. Versuch Nr. 8, den 18. März 1910. Reizung des Plexus der Art. gastro-lienalis. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Die längs der Art. gastro-lienalis ver- 2. Gewicht: a) des Hundes 24 kg, b) des Magens 440 g. Perioden der Stromuhr rPowm- Dauer der Periode Sek. 22,0 21,6 29,5 23,2 21,5 Strom- volum während d. Periode ccm 17,2 17,2 17,0 17,0 Mittel 17,5 17,5 152 | 14,8 15,0 15,5 15,5 4,8 12,3 17,2 17,2 17,5 Strom- | volum cem/sec SISS22Q> SS -1-2 1 or WITT OT=) er er 11 & | Bo HMHoS5voIl wur wu. wm = seolesselsesoli oo Er au | ra oa Blutdruck | mm Hg ' in der | in der Vene | Arterie I al 14,2 | I EIS | 11,5 74,2 _ 78,9 6,0 — — 82,4 110 20 14,5 | 78,0 | 8,0 — — 70,5 Bemerkungen Kein Eingriff Reizung des Plexus art. gastro-lienalis, 90 Sek., 10 cmR.-A. Kein Eingriff Reizung des Plexus art. gastro-lienalis, 30 Sek., 8 cm R.-A. Kein Eingriff 218 Russell Burton-Opitz: Versuch Nr. 9, den 25. März 1910. Begiessung der Aussenfläche des Magens mit warmem Wasser. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Wasser von 45° C. wurde benutzt. Dasselbe wurde langsam aus geringer Höhe zu bestimmter Zeit auf die Aussenwand des Magens gegossen. 2. Gewicht: a) des Hundes 21 kg, b) des Magens 220 9. Strom- Perioden Damen a Strom- en der er 1 während volum Bemerkungen Stromuhr| Feriode |d. Periode in der | in der Sek. ccm ccm/sec | Vene | Arterie 1 19,8 19,0 0,96 9,0 | 781 | Kein Eingriff 2 19,0 19,0 1,00 _ — 3 17,6 17,8 1,01 - _ 4 IH,8n 5 1a 1,03 — — Di 18,4 18,2 0,98 — — 6 17,8 18,2 1,02 —_ — Mittel 1,00 9,0 78,1 7a 9,4 9,5 1,01 E= = 120 ccm Wasser be- 7b 7,4 9,8 1,25 = _ nutzt 8 16,8 18,5 1,10 90+ Kein Eingriff 9 192 18,5 0,96 _ — 10 19,4 18,4 0,94 — _ ll 20,6 18.5 0,90 — 74,8 12a 9,6 8,4 0,86 9,0 — 12b 8,7 10,2 1,17 90+| 752 120 ccm Wasser be- 13a 12,2 14,6 1,11 — — nutzt 13b 3,9 4,0 1,02 = a RL 14 291 | | | || A an 15a 5,6 4,2 0,85 9,0 72,8 | 15b Hr 6,8 1630 9,0+ — || 100 ccm Wasser be- nutzt 15e 9,8 7,6 0,77 Ei — | Kein Eingriff Versuch Nr. 10, den 28. März 1910, Reizung des Plexus der Art. coronaria ventriculi sinistra. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Vor Einführung der Stromuhr wurden die an der Art. coronaria ventriculi sinistra vorgefundenen Nervenfasern in Elek- troden gelegt. 2. Gewicht: a) des Hundes 30,2 kg, b) des Magens 360 g. | Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. II. 219 . Strom- Perioden Be rn Strom- ne der es während volum Bemerkungen Stromuhr| Feriode |d.Periode in der | in der Sek. ccm ccm/sec | Vene | Arterie | - 1 18,1 7186 1,02 9,0 79,5 Kein Eingriff 2 174 | 188 1,08 — == 3 lo 1,03 —_ — | Mittel 1,04 9,0 79,5 4 20,2 18,6 0,92 — — Reizung des Plexus 5) 23,6 18,8 0,79 — _ art. cor. ventr. sin., 26 Sek., 10 cmR.-A. 6 24,1 18,6 0,77 8,0 81,6 Kein Eingriff 7 19,6 18,6 0,94 —_ 8 19,8 13,5 0,93 — _ g 20,1 18,5 0,92 10,0 80,5 10 21,6 18,6 0,87 — li — Reizung des Plexus art. cor. ventr. sin., 16 Sek., 6 cm R.-A. 11 23,1 18,2 0,79 80-| 81,0 Kein Eingriff 12 22,3 18,2 0,81 -- _— 13 22, 18,4 0,84 = 79,0 Versuch Nr. 11, den 1. April 1910. Reizung des Nervus splanchnicus major sinister. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Vor Einführung der Stromuhr wurde der linke Splanchnicus in Elektroden gelegt. 2. Gewicht a) des Hundes 21,5 kg, b) des Magens 640 g. Strom- Perioden ne a Strom- ne der = 4 während | volum Bemerkungen Stromuhr Periode | d.Periode in der | in der Sek. cem cem/sec | Vene | Arterie il 8,2 18,5 2,25 | 14,8 112,6 | Kein Eingriff 2 1,6 18,5 2a | — 3 U 18,0 2a — 4 2 18,0 2,50 — — 5 8,4 18,5 2,20 — — 6 82 18,6 2,26 —_ — Mittel 2,32 14,8 112,6 Tee 80 18,6 2,30 16,5 — | Reizung d. Splanchn. 8 9,8 18,2 1,85 ee major sin., 25 Sek. 9 10,1 17,6 1,74 ee 8 cm R.-A. 10 10,6 18,5 1,74 aunk — Russell Burton Opitz: 220 | Strom- Perioden a nz der = während Stromuhr| Periode |d. Periode ccm ccm 11 15,0 18,5 12 16,9 18,6 13 13,4 18,6 14 9,9 18,5 15 81 18,5 16 7,1 17,5 7 79 17,5 18 7,5 19,0 19 13,2 19,0 20 34,0 17,2 21 19,6 15,5 22 17,0 15,5 23 11,5 15,5 24 11,1 15,4 25 10,6 15,4 26 9,8 16,0 27 9,1 16,8 28 9,7 17,6 29 10,1 17,5 30 | 12,8 16,8 31 19,0 16,2 32 24,3 16,5 33 15,6 16,5 34 12,8 15,5 Strom- volum ccm/sec 1,23 1,10 1,39 1,86 2,28 2,46 2,43 in der Vene ker) (=>) Bez m en oo Blutdruck mm Hg in der Arterie 102,8 118,0 102,2 NoXle) [No) SS|#| ||| [Bu [} 101,3 107,4 91,6 Versuch Nr. 12, den 8. April 1910. Bemerkungen Kein Eingriff Reizung d. Splanchn. major sin., 27 Sek., 8 cm R.-A. Kein Eingriff Reizung d. Splanchn. major sin., 7 Sek., 8 cm R.-A. Kein Eingriff A. Reizung des Plexux der Art. gastro-lienalis und des Plexus der Art. coronaria ventriculi sinistra. 1. Eingriffe vor dem Versuche: gleitenden Nervenfasern in Elektroden gelegt. sammen gereizt. Vor Einführung der Stromuhr wurden die die Art. gastro-lienalis, sowie die die Art. coronaria ventriculi sinistra be- Beide Nervenstränge wurden zu- 2, Gewicht: a) des Hundes 24,2 kg, b) des Magens 505 g. Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. II. 221 F D Strom- Blutdruck Perioden a volum Strom- N "He der Deri während | volum Bemerkungen Stromuhr eriode |d.Periode in der | in der Sek. ccm ccm/sec | Vene | Arterie 1 1.9 18,6 2,38 15,0 _ Kein Eingriff 2 8,0 18,6 2,32 — 3 7,3 18,1 2,48 _ 84,1 4 7,6 18,1 2,38 — = 5) 7,1 18,1 2,54 — = 6 7,9 18,1 2,29 — E= Mittel 2,39 15,0 84,1 7 6,4 17,0 2,65 16,8 =_ Gleichz. Reizung d. 8 10,9 17,0 1,56 —_ 77,6 gen. Nervenketten, ) 22,4 16,9 0,75 10,5 12,2 20 Sek., 10 cmR.-A. 10 22,5 16,9 0,74 = _ Kein Eingriff 11 15,9 17,9 1,10 8,1 _ 12 12,9 16,9 1,31 — 62,6 13 12,2 17,2 1,40 — _ 14 12,4 17,2 138 | 10,5 _ 15 16,8 17,8 1,06 — 76,5 Gleichz. Reizung d. 16 32,0 17,8 0,55 8,0 _ gen. Nervenketten, 20 Sek., 10 cm R.-A. 17 26,2 18,0 0,68 _ 76,0 Kein Eingriff 18 20,1 20,0 0,99 11,5 —_ 19 19,6 19,0 0,90 76,5 Gleichz. Reizung d. gen. Nervenketten, 20 Sek., 10 cmR.-A. 20 36,9 19,0 0,51 8,0 —_ Kein Eingriff 21 24,0 18,5 0,77 — — 22 18,8 19,0 1,01 — 70,1 23 14,8 18,5 1,25 11,0 — B. Reizung desPlexusgastro-lienalis und des Plexus der Art. coro- naria ventriculi sinistra. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Reinigung der Stromuhr. 150 cem Koch- salzlösung wurden injiziert, um den Blutdruck zu erhöhen. Einzelreizung sowie gleichzeitige Reizung der genannten Nerven. 104 17,0 1,63 2 114 17,4 1,52 3 102 18,0 1,76 4 10,9 18,0 1,65 5 12,1 17,0 1,31 6 13,2 17,0 1,28 7 11,1 17,6 1,58 8 10,0 17,6 1,60 9 10,3 172 1,67 Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 13,5 70,3 Kein Eingriff E 70,5 Reizung des Plexus Art. cor. ventr. sin. 10 Sek., 10 cmR.-A. 12,0 — Kein Eingriff 14,0 69,6 323 Russell Burton-Opitz: Strom- Perioden mer volum Strom- en er 5 mm Eg der { während volum Bemerkungen Stromuhr Periode |d.Periode in der | in der Sek. ccm ccm/sec | Vene | Arterie 10 | 12,9 17,5 1,35 _ 2 | Gleichz. Reizung bei- 11 25,0 17,5 0,70 — 71,0 der Nerven, 20 Sek.., 10 cm R.-A. 12 24,1 17,6 0,73 7,0 — | Kein Eingriff 13 19,5 18,5 0,94 — —_ | 14 19,4 18,5 0,95 _ — 15 15,4 18,6 1,20 _ _ 16 | 13 18,6 1,37 12,0 68,4 17 18,5 18,0 0,97 — 69,0 Reizung des Plexus 13 18,9 18,0 0,95 12,0 - — Art. cor. ventr. sin. | 26 Sek., 8 cm R.-A. gl ll 0 ll LE 19 14,3 | 1,24 = — Kein Eingriff 20 13,1 17,8 1,35 _ 68,0 Versuch Nr. 13, den 15. April 1910. A. Reizung des Nervus splanchnicus major sinister. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Vor Einführung der Stromuhr wurde der ° Splanchnicus major sinister in Elektroden gelegt. 2. Gewicht: a) des Hundes 16 kg, b) des Magens 370 g. Strom- Perioden Dauer a, Strom- una der e mm Hg der Period während | volum Bemerkungen Stromuhr| * °10C® |d.Periode in der | in. der Sek. ccm cem/sec | Vene | Arterie 1 | 15,4 16,0 1,03 14,0 62,4 | Kein Eingriff 2 15,5 16,0 1,03 — — 3 17,2 16,5 0,96 — — 4 17,8 16,8 0,94 —_ Mittel 0,99 14,0 62,4 5 27,2 15,0 0,59 20,0 64,0 Reizung d. Splanchn. major sin., 15 Sek., 10 cm R.-A. 6 39,9 15,5 0,43 7,0 94,2 Kein Eingriff 7 22,6 18,0 0,79 = — 8 23,2 21,5 0,92 — — 9 21,0 18,520 20:90 14,06 64,5 10 30,7 17,8 0,57 17,0 _- Reizung d. Splanchn. major sin., 12 Sek., 8 cm R.-A. A 40,6 17,8 0,43 — 34,0 Kein Eingriff 12 31,6 17,5 0,55 7,0 — 13 28,9 17,5 0.61 en — l4a 3,0 2,6 0,86 12,0 58,0 Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. II. 223 Perioden Dauer der der Stromuhr Periode Sek. 14b 14,6 14e 21,9 15 31,4 Strom- volum während d. Periode ccm 4,8 10,5 17,6 Blutdruck Strom- mm Hg volum in der | in der cem/sece | Vene | Arterie DE) — | en 0,48 8,0 — 0,56 — 98,0 Bemerkungen Reizung d. Splanchn. major sin., 5 Sek., 8 cm R.-A. Kein Eingriff B. Reizung des Nervus splanchnicus major dexter. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Vor Einsetzung der Stromuhr wurde unter Eröffnung der Brusthöhle. der rechte Splanchnicus in Elektroden gelegt. Da der Blutdruck stark gesunken war, wurden. 200 ccm Kochsalzlösung injiziert. 1 88 18,5 2,10 14,0 | 72,6 Kein Eingriff 2 10,5 21,0 2,00 _ 68,2 3 10,3 21,0 2,03 — 63,6 4 14,6 20,0 a7 18,5 76,9 Reizung d. Splanchn. b) 29,8 18,0 0,60 — 86,8 major dext., 35 Sek., 9 cm R.-A. 6 21,9 17,8 0,81 13,5 — Kein Eingriff 7 13,7 18,2 1,32 14,0 68,9 8 13,6 18,2 1,33 E= 70,5 I 13,2 18,2 1,37 — — 10 25,9 21,4 0,78 18,0 — Reizung d. Splanchn. 11 34,1 21,4 0,62 — 84, major dext., 36 Sek., 9 cm R.-A. 12 18,2 19,0 1,04 12,0 u Kein Eingriff 13 13,1 19,0 1,45 — 14 12,6 19,0 1,50 14,0 68,1 15 18,0 18,0 1,00 — _ Reizung d. Splanchn. 16 27,4 18,0 0,65 12,0-| 785 major dext., 23 Sek., 10 cm R.-A. 17 26,0 19,2 0,73 — — Kein Eingriff 18 25,1 19,2 0,76 -- 71,6 Versuch Nr. 14, den 22. April 1910. A. Reizung desPlexus der Art. gastro-lienalis und desPlexus der Art. coronaria ventriculi sinistra. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Die an der Art. gastro-lienalis und der Art. coronaria ventriculi sinistra verlaufenden Nervenstränge wurden in Elektroden gelegt. Es erfolgte eine gleichzeitige Reizung beider. 2, Gewicht: a) des Hundes 22,6 kg, b) des Magens 420 g. 197 294 Russell Burton-Opitz: s D Strom- Blutdruck Perioden es volum | Strom- mm Hg der 5 während volum Bemerkungen Stromuhr Periode |. Periode in der | in der Sek ccm cem/sec | Vene ‚Arteriel) Kan ER 1 10,2 16,1 1,57 12,5 95,1 Kein Eingriff 2 97 16,0 Il, ‚64 _ — 3 8,9 14,9 7 — — 4 9,6 15, 8 1, 164 —_ —_ Mittel 1,63 12,5 95,1 | 5 10,9 82) 1,39 —_ En Gleichzeit. Reizung 6 15,2 15,9 1,02 — — beider Nerven, Ü 18,6 15,5 0,83 _ 97,0 40 Sek., 6 cm R. N 8 192 154 0,80 in uni. 0 0 7 9 | 15,1 16,0 1,06 ® — | Kein Eingriff 10 12,0 16,0 1,33 — 94,6 11 11,8 15,8 1,33 12 122 15,8 1,41 10,5 _ 13 13,4 15,0 ih — Gleichzeit. Reizung 14 16,6 15,0 0,90 — — beider Nerven, 30 Sek., 6 cm R.-A. 15 22,0 192 0,69 6,0 Fr Kein Eingriff 16 18,5 15,2 0,82 _ — 17 16,3 15,8 0,97 — 93,8 B. Einführung von warmem Wasser in die Magenhöhle. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Nach Reinigung der Stromuhr wurde eine Kanüle in die Magenwand eingebunden und diese mit einem kleinen Trichter versehen. 1 18,2 2 18,0 3 189 4 18,7 5a 9,6 >b 9,2 6 16,3 7 18,2 8 19,4 1. Eingriffe vor dem Versuche: 0,95 1,02 0,95 0,59 12,0 60,2 | Versuch Nr. 15, den 29. April 1910. Reizung beider Nervi vagi. Kein Eingriff 200 ccm Wasser von 60° ©. eingeführt Kein Eingriff Nach Eröffnung der Brusthöhle wurden die Nervi vagi oberhalb des Zwerchfelles durchschnitten und ihre peripheren Enden in Elektroden gelegt. Es erfolgte eine gleichzeitige Reizung beider Nerven. 2. Gewicht: a) des Hundes 21,5 kg, b) des Magens 351 g. Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. II. 295 Perioden der Stromuhr aPpPuvumr [0 0 Kor) ANDROID oXe of Yo oXerxdı ger) = = Se on on Don = Strom- volum während d. Periode ccm 20,0 Versuch Nr. 16, den 20. Mai 1910. Reizung beider Nervi vagi. I el li Bemerkungen Kein Eingriff Gleichzeit. Reizung beider Nervi vagi 15 Sek., 8 cm R.-A. Sehrschwache Kon- traktion. Kein Eingriff Gleichzeit. Reizung beider Nervi vagi 20 Sek., 8 cm R.-A. SehrschwacheKon- traktion. Kein Eingriff Gleichzeit. Reizung beider Nervi vagi 21 Sek., 8 cm R.-A. SehrschwacheKon- traktion. Kein Eingriff 1. Eingriffe vor dem Versuche: Nach Eröffnung der Brusthöhle wurden die peripheren Enden der oberhalb des Zwerchfelles durchschnittenen Nervi vagi Es erfolgten gleichzeitige Reizungen beider Nerven. 2. Gewicht: a) des Hundes 24 kg, b) des Magens 299 g. in Elektroden gelegt. 396 Russell Burton-Opitz: : Dauer | Strom- Blutdruck Perioden volum Strom- mm Hg der der während | volum ae Bemerkungen Stromuhr Periode |d. Periode in der | in der Sek. ccm ccm/sec | Vene | Arterie 1 5,2 18,2 3,50 17,0 32, Kein Eingriff 2 BU 18,2 3,19 _ _ 3 5,1 18,0 3,92 — — 4 5,6 18,0 3,21 = — 5 5,2 18,8 361 _ Gleichzeit. Reizung 6 9,9 18,8 3,18 — — beider N. vagi, 7 5,2 19,0 3,65 _ — 35 Sek., 10cm R.-A 0) 9,9 19,0 3122 — g 5,9 18,2 3,08 —_ Sehr schwache Ein- 10 6,0 18,2 3,03 14,0 = schnürung am Py- lorus. 11 9,6 18,5 3,30 — — Kein Eingriff 12 6,0 18,5 3,08 E= 13 9,6 18,0 3,21 _ — 14 Hal 18,0 3,92 17,0 — 15 9,8 17,5 3,02 82,1 16 9,2 17,9 3,36 — — Gleichzeit. Reizung 17 6,2 17,6 2,83 2 beider N. vagi, 18 6,4 17,6 2,75 — 20 Sek., 8 cm R.-A 19 6,4 16,9 2,64 en — Schwache Ein- ziehungen. 20 2 16,9 2,36 15,0 _ Kein Eingriff 21 6,2 17,0 2,74 _ — 22 9,2 17,0 3,26 En — 23 5,8 18,0 3,10 — — 24 6,0 18,0 3,00 16,5 —— 25 6.2 18,0 2,90 _ _ 26 6,4 18,0 2,81 _ —_ 27a 3,8 101 2,69 — Dee nenn. Reizung 27b 2,8 8,6 3,07 —_ beider N. vagi, 10 Sek., 6 cm R.-A. Starke Einschnü- rung des ganzen ll See Pylorusendes 28a 2,8 1.6 3,80 17,0 — | Kein Eingriff 28b 3,4 3,2 0,60 8,0 — | | 28c 3,1 8,0 2,98 — — 29 6,3 18,8 2,99 _ — 30 6,1 18,6 3,04 16,0 79,8 Gleichzeit. Reizung beider. N. vagi, 5 Sek., 4 cm R.-A. Sehr ‚starke Ein- ziehung des ganzen Pylorusendes Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. II. 297 Perioden der Stromuhr sla 3lb Ss 32 Dauer der Periode Sek. Strom- volum während d. Periode ccm Versuch Nr. 17, den 27. Mai 1910. Strom- volum cem/sec Blutdruck mm Hg in der | in der Vene | Arterie 16,0-+ — 8,0 — 15,0 — Reizung beider Nervi vagi. Bemerkungen Kein Eingriff 1. Eingriffe vor dem Versuche: Nach Eröffnung der Brusthöhle wurden die peripheren Enden der oberhalb des Zwerchfelles durchtrennten Nervi vagi in Elektroden gelest. Die Reizungen erfolgten gleichzeitig. Ein Gummiballon wurde in das Pylorusende eingeführt und sodann mit einer Schreibetrommel verbunden 2. Gewicht: a) des Hundes 23,5 kg, b) des Magens 630 g. Strom- Perioden a volum Strom- der ® während volum Sek. cem cem/sec 1 13,5 17,6 1,30 2 13,5 17,4 1,28 3 13,4 17,4 1,29 AR 12,8 16,2 1,26 5 124 16,2 1,30 6 | 11,6 16,4 1,41 BER) 208 172 0,82 8 | 25,7 17,5 0,68 9a 9,0 8,6 0,95 9b 6,7 92 1637 10 22,9 17,2 0,75 11 16,9 17,2 1,01 12 ‚ 16,4 Ie2 1,04 m —— 13 BER 210.8 1,37 | | 14 NE 1,18 15a 15,1 9,5 0,62 15 b 9,2 8,0 0,86 16 15,6 17,5 1,12 Blutdruck mm Hg in der in der Vene | Arterie 10,6 87,7 — 80,1 20,0 75,1 14,0 66,2 12,0 — 18,0 91,2 13,0 — 10,0 | 87,8 16,0 en _ 91,6 12,5 — — 92,4 — Bemerkungen Kein Eingriff Gleichz. Reiz. beider N. vagi, 12 Sek., 6 cm R.-A. Sehr starke Kontraktion des Pylorusendes. Kein Eingriff Gleichz. Reiz. beider N. vagi, 3 Sek., 6 cm. Sehr starke Kontraktion. Kein Eingriff Gleichz. Reiz. beider N. vagi, 12 Sek., 6 cm. Sehr starke Kontraktion. Kein Eingriff 228 Russell Burton-Opitz: Das Stromvolum der „Vena Gastrica‘“. A. Normal. Bei der Berechnung der normalen Stromgrösse der Magenvenen sind die Ergebnisse der Versuche Nr. 1, 2A, 4A, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12A, 13A und 14A benutzt worden. Wie Tabelle I lehrt: 1. a) schwankt das Körpergewicht der 13 untersuchten Tiere zwischen 16,0 und 30,2 kg und beträgt im Mittel 22,6 ke, b) während das Gewicht des Magens Werte zwischen 220 und 640 g aufweist und im Durchschnitte 360 g beträgt. Das Stromvolum der Vene schwankt zwischen 0,52 und 2,39 cem pro Sekunde und zeigt einen Mittelwert von 1,23 cem in der Sekunde. 3. Derarterielle Blutdruck schwankt zwischen 61,5 und 112,6 mm Hg und beträgt im Mittel 86,1 mm Hg, während 4. der venöse Blutdruck zwischen 7,4 und 15,0 mm He seen Werte aufweist, sowie einen Mittelwert von 12,2 mm Hs. DD Tabelle 1. Stromvolum der Vena gastrica. Nummer| Nummer Gewicht Gewicht Blutdruck mm Hg d &> des des Drums a I To Tree = Versuchs volum : ; 2 Ver- in dem Hundes Magens Y Se | ei nn suches | Protokoll kg g ccm/sec gastrica eruralis | 1 1 | 18,0 270 Pe 0,52 7,4 61,5 2 2A 24, 0 240 1,09 11,0 64,5 3 4A 22,0 370 1,60 12,0 104,6 4 5 20,2 240 1,00 14,5 92,6 5 6 27, 5 370 1,01 14,0 102,4 6 7 22,5 5 240 0,67 14,0 108,2 7 8 24, 0 440 0,76 11,5 74,2 8 9 Dil" 0 220 1,00 9,0 78,1 9 10 30, 2 360 1,04 9,0 79,5 10 11 A, '5 640 9,32 14,8 112,6 11 12A 24, 2 05 2,39 15,0 84,1 12 DA 16,0 | 370 0,99 14,0 62,4 13 13 2 TARA 722,6 20ER] 1,632 2 ro 14A 29. 6 420 1,63 12,5 95,1 Mittel 22,6 360 1,23 12,2 86,1 Berechnet man nun mit Hilfe der eben angegebenen Zahl den Mittelwert des Stromvolums für 100 g Organgewicht, so erhält man den Wert 0,34 cem in der Sekunde oder 21 cem in der Minute. Obgleich also die Durchströmungsgrösse im Falle des Magens eine ansehnliche ist, wird der Gesamtwert derselben durch den eben Über die Strömıng des’ Blutes in dem Gebiete der Pfortader. II. 299 angeführten Vergleich bedeutend herabgesetzt. Es muss jedoch hierbei auf den relativen Zustand der Untätigkeit dieses Organes Rücksicht genommen werden. Der arterielle Blutdruck betrug im Mittel aus allen Versuchen 86,1 mm Hg. Unter einem Drucke von 100 mm Hg würde das Minutenvolum im Falle des Magens also etwa 25 eem betragen. In früheren Veröffentlichungen dieser Art habe ich mehrere Male auf eine Tabelle verwiesen, in welcher verschiedene Organe, deren Blutgehalt bis jetzt festgestellt worden ist, gemäss ihrer Vaskularität angeordnet worden sind. Obige Ergebnisse erlauben nun auch den Magen dieser wie folgt einzuverleiben. Für 100 g Organ- substanz und pro Minute berechnet beträgt das Stromvolum für: Binterey Bxtremitäti 7 ..0..02.20 8225ecmr 7) Skelettmuskel ran. era) Kopie 20) Macene ups) aa Den Barmen Bo tens) NUEVO ET Io) GeEhieBg SR ge Zeus smaller lb) Niereung an en a nl) Schilddrüse 2, 2. 3) Wie schon früher?) erwiesen worden ist, beträgt der innere Durchmesser des Truncus Venae gastro-lienalis 5,1 mm. Benutzen wir diese Zahl für die Berechnung der Geschwindigkeit der Strömung in der „Vena gastrica“, so erhalten wir den Wert 60,2 mm in der Sekunde. Normalerweise führt die genannte Vene jedoch nicht nur das Blut des Magens zentralen Wegen zu, sondern auch dasjenige der Milz. Die totale, diesen Organen entströmende Blutmenge be- trägt im Mittel 2,18 cem/sec®) und die Geschwindigkeit der Strömung demnach 106,7 mm in der Sekunde. 1) Tschuewsky, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 97 S. 286. 1903. 2) Burton-Opitz, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 124 S. 495. 1908. 3) Burton-Opitz, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 129 8. 189. 1909. 4) Jensen, Pflüger’s Arch, f. d. ges. Physiol. Bd. 103 S, 195. 1904. 5) Burton-Opitz und Lucas, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 123 S. 553. 1908, 6) Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 129 S. 207. 1909. 330 ] | Russell Burton-Opitz: B. Unter dem Einflusse der Erhöhung des Druckes in der Magenhöhle. Die Ergebnisse der diesbezüglichen Versuche Nr. 4A, 5 und 6 sind in Tabelle II mitgeteilt; jedoch konnten in dieser nur die jeweils stattgefundenen maximalen Abänderungen der Strömung angeführt werden. Es ist nun leicht zu erkennen, wie schon minimale Druck- erhöhungen das Stromvolum in merklichem Maasse verändern, so genügte, wie Versuch Nr. 4A zeigt, ein Druck von nur 5 mm Hg, um eine Herabsetzung des Stromvolums von 1,50 cem/sec auf 0,35 ecm/see - zu erzeugen. Die Druckwerte, welche angewandt werden müssen, um die Durchströmung zu verändern, scheinen demnach im Falle des Magens besonders gering zu sein!). Nun bietet aber eine jede durch Erhöhung des Druckes erzeugte Reaktion einige Einzelheiten, auf welche besonders verwiesen werden muss. Verfolgen wir an der Hand der Protokolle eine dieser Ver- änderungen, so ist ersichtlich, dass der Periode der verringerten Blutströmung eine Periode vorangeht, während welcher die Strömung eine besonders starke ist. Die in die Magenhöhle eingelassene Luft bewirkt somit erstens eine Ausquetschung der Gefässe und zweitens eine Abschnürung derselben und Zurückhaltung des Blutes auf der arteriellen Seite. Besonders stark zum Ausdrucke kommen diese Veränderungen, wenn der Druck ein relativ hoher ist und rasch - angewandt wird. Unter diesen Bedingungen erscheint noch eine dritte Periode. Ist nämlich der für die Ausdehnung des Magens benutzte Druck ein hoher gewesen, nämlich gleich einem Drucke von 30—50 mm Hg, und wird die Luft schnell ausgelassen, so erhält man auf der venösen Seite vorerst eine Erhöhung des Blutlaufes, welche jedoch bald der normalen Strömung wieder Platz macht. Wie z. B. bei Versuchen Nr. 4A und 5 zu ersehen ist, genügte diese Höhe des Druckes, um die Strömung gänzlich zu hindern. Die eben erwähnte Zunahme des Stromvolums muss somit durch die plötzliche Entfernung des Druckes und Wiedereröffnung der Blutbahn bedingt sein. Auf der arteriellen Seite bedingt die Ausdehnung des Magens entweder eine Erhöhung oder eine Erniedrigung des Blutdruckes, und zwar können hierfür nicht rein mechanische Faktoren ver- antwortlich gemacht werden. In den hier verzeichneten Versuchen 1) Vgl. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 124 S. 496 Tab. II. 1908. u A er an ee I ar ie Are ei 831 Über die Strömung.des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. Ill. 086 - s'9oL Ss. 08 = 031 er0 st 960 G & 8'86 c'90L 9001 — 08 +0'21 081 130 sel La1 GI 3 9 9°001 9'801 Fol 0'8 091 OF +70 651 10° 08 ji 086 ez0l 576 08 +01 OF 00°0 871 86‘0 08 ° N 2376 0'86 96 001 078 GH 00°0 69% 00T 08 ji ä 818 008 828 — 0'81 = 081 860 = Fe q G 9) E78 398 0'°<1 G‘gI 031 er) Lu 0°T g F — g'88 936 — 0' e ol 9 Su Su 08 0'91 ı80 70€ 711078 Ay9S G y £ — s61 08 ‘91 09°0 208 bi elak) oL 9 =, = 1'28 0'71 0'LI 98°3 ge‘E yemgds 08 8 ° = 1'386 0'FI 01 £0‘E 19° x = 68 oL E nn Er TE Be « u [14 [9 174 18 e) E = 2 —_ == SENT WOALMMIISOg WOTEy = x 0% g - Er 928 of ‘gl 07€ 123 ydemyds Ag9S gI 8 un 3 @ = ; “2 Sunziaoyy A9p Kronttom Junzıoy] I9p einaou Sunzioyy A9p auou 195 us pusıyeM pusayem pusayem ynpegsuod zonecf puegsqw 19p us] Sy wu Sy wu 993 / u) doyyeaeyy Sa NOnaıpmjg Aafjolaoyıy A79nıpuaua A WNJOAWOAS Sunzioy 240 & 6 | I || \ IT |) e 6 E I Sunmag | seyansaoA 19p sap aowwnN | JowwnN °I3eA TAION AOp SunzIoy "A SlI9q®L Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. II. 241 und ganzen genommen sehen die hier beschriebenen Kurven den- jenigen sehr ähnlich, welche die Stromuhr bei der Messung des Stromvolums der Vena mesenterica nach Reizung der Nervi vagi aufzeichnete. In beiden Fällen wurden unregelmässig verlaufende Verlangsamungen der Strömung erhalten. Bei den Bestimmungen des Blutreichtums des Darmes kam ich gleichfalls zu dem Ergebnisse, dass die Nervi vagi keine wahren Gefässnerven für dieses Organ enthalten. Die damals erzeugten unregelmässigen Strömungserniedrigungen konnte ich auch nicht auf etwaige durch Vagusreizung hervorgerufene peristaltische Bewegungen des Darmes zurückführen, denn die blosse Beobachtung der ent- blössten Darmschlingen liess entweder keine erkennen oder, wenn solche erschienen, bewahrten sie kein Verhältnis zu den Strömungs- abnahmen. Eine spezielle Einrichtung für die Registrierung etwaiger Darmbewesungen war damals ausser Frage, denn die Versuche waren schon kompliziert genug; auch konnte dieses Organ bei der damals angewandten Methode nicht einwandsfrei mit Schreibehebeln belastet werden. Bei den hier zur Sprache kommenden Versuchen lagen die Verhältnisse viel günstiger. So konnte z. B. das Organ und haupt- sächlich das Pförtnerende desselben, während der Strommessung genau beobachtet werden. Auch konnten die durch Reizung der Vagi verursachten Muskelbewegungen durch Einführung eines kleinen Gummisäckchens in die Höhle des Pylorus und einer mit diesem verbundenen Schreibetrommel auf das Papier des Kymographions übertragen werden. Die direkte Besichtigung, sowie ein Vergleich der Aufzeichnungen des Stromvolums mit der Kurve des Druckes in der Magenhöhle, haben nun zweifellos ergeben, dass die durch Vagusreizung erzielten Abnahmen der Strömung in einem genauen Verhältnisse zu der Peristaltik stehen. In Versuch Nr. 15 verursachten die Reizungen keine ausgesprochenen Muskelbewegungen. Aus diesem Grunde lässt das Stromvolum keine nennenswerten Ver- änderungen erkennen, und wenn auch Abnahmen vorkamen, so erschienen diese meist erst spät im Verlaufe der Reizung oder auch nach Abschluss dieser. In den Versuchen Nr. 16 und 17 waren die Vagusreizungen meist von starken Konstriktionen ausgebreiteter Teile des Pylorusendes 242 Russell Burton-Opitz: gefolet. Demgemäss kamen hier Abnahmen des Stromvolums der Vene zustande, welche leicht mit den durch Gefässnerven bedingten Verringerungen verwechselt werden konnten. Quantitativ beurteilt, erzeugten die Muskelkontraktionen zuweilen ebenso starke Abnahmen, wie die durch Vermittelung der Gefässnerven erhaltenen; jedoch bewahrten erstere jeweils eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber der Dauer der Reizung. Oft traten sie erst nach einer längeren Latenzperiode auf und, wie z. B. in Versuch Nr. 17, wohl auch ge- raume Zeit nach Schluss der Reizung. Der Magen dieses Tieres war besonders empfindlich, denn es traten auch von Zeit zu Zeit spontane Zusammenziehungen des Pylorus auf, welche Strömungs- veränderungen erzeugten, die den eben erwähnten ganz ähnlich sahen. Im Falle die durch Vagusreizung ausgelösten peristaltischen Bewegungen über ein grosses Gebiet des Pylorus verbreitet waren und eine besondere Kräftigkeit entfalteten, wurde die Periode des verringerten Blutflusses durch eine kurze Periode eingeleitet, während welcher die Strömung merklich stärker als normal war. Letztere hat in der durch die Peristaltik verursachten mechanischen Aus- quetschung der Gefässe ihren Ursprung. Während dem Zustande der Kontraktion der Muskeln, verblieb die Strömungsgrösse, dem Grade der Zusammenziehung. angepasst, auf niedriger Höhe, um sodann mit der Erschlaffung der Muskulatur rasch wieder auf normal zurück zu kehren. 3 Die durch Reizung des Vagus verursachten Strömungs- abänderungen, finden somit in den durch dieses Ver- fahren ausgelösten Muskelbewegungen ihre Erklärunse. Die unter diesen Umständen aufgezeichneten Reaktionen, bieten folgende Merkmale dar: | 1. Eine Periode der erhöhten Strömung zu Anfang des Kontraktions: stadiums, 2. eine Periode der verringerten Strömung während der Dauer der Kontraktion, 3 eine Periode, während welcher mit dem Erschlaffen der Muskeln normale Verhältnisse sich wieder einstellen. Unter gewissen Umständen , können somit die durch die glatte Muskulatur der Wand des Magens verursachten Strömungsreaktionen Merkmale darbieten, welche es schwierig gestalten, diese von echten vasomotorischen zu unterscheiden. Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. II. 243 Wie schon angedeutet worden ist, traten bei Hund Nr. 17 be- sonders kräftige peristaltische Zusammenziehungen des ganzen Pylorus- endes auf, und zwar zuerst in Folge der Vagusreizungen und zuletzt auch einige Male ohne diese. In Fig. 2 der Tafel V sind die beiden ersten durch Vermittelung des Vagus erzielten Reaktion wieder- segeben worden, und zwar ist dieses Beispiel ausgewählt worden, um zu zeigen, dass die peristaltischen Bewegungen imstande sind, recht bedeutende Abnahmen der Strömung zu erzeugen !). In dieser Abbildung bezeichnen St das Stromvolum der Vene, AD den arteriellen Blutdruck, VD den Venendruck und MD den durch das Gummisäckchen ermittelten Druck in der Magenhöhle. S die Linie des Elektromagneten, diente als gemeinsame Abszisse. Die Phasen der Stromuhr sind im Einklange mit dem Protokoll numeriert, so dass die Werte der Strömung übertragen werden können. Bei B wurden die Nervi vagi bei einem Rollenabstande von 6 cm während 12 Sekunden gereizt. Die rasch erscheinenden Muskel- bewegungen verursachten nun die plötzliche Erhebung in der Linie MD, auch ist leicht ersichtlich, wie nach einer Latenzperiode von etwa 3 Sekunden das Stromvolum eine Zunahme erleidet, welche bis zu Anfang der 7. Stromuhrphase anhält. Im Mittel beträgt dasselbe nun 1,41 ceem/see (B—C) gegenüber dem normalen Werte von 1,30 eem/see (A—B). Der Venendruck erlitt zu dieser Zeit ebenfalls eine Erhöhung von 10,6 auf 20,0 mm Hg. Diese Veränderungen deuten sämtlich darauf hin, dass die sich zusammenziehenden Magen- wände das Blut rasch aus diesen Gefässen in mehr zentral gelegene Wege befördern. Die zweite Periode fängt kurz nach Schluss der Reizung, bei C, an. Während der Kontraktionszustand des Pylorusteiles fortdauert, verringert sich das Stromvolum der Vene immer mehr und erreicht zuletzt einen Wert von 0,68 cem/sec. Der Venendruck nimmt eben- falls ab. Während der 8. Stromuhrphase zeigt die Linie nun an, dass der Magen wieder zur Ruhe gekommen ist. Das Stromvolum wendet 1) Im Falle des Darmes verursachten die Vagusreizungen niemals so aus- gedehnte und kräftige Bewegungen, auch war es möglich, dass diese tiefer liegende Schlingen umfassten und somit meinen Blicken entgingen. Wegen der Länge dieses Organes hätten die Bewegungen auch sehr weitgreifend sein müssen, um merkliche Abnahmen des hier grossen Blutvolums zu bedingen. 944 Russell Burton-Opitz: Über die Strömung des Blutes etc. sich langsam gegen normal und erlangt während der Phase 9a den Wert 0,95 eem/see. Bei D wurden jedoch die Nervi vagi einer zweiten Reizung unterworfen, deren Dauer bei gleichem Rollen- abstande 3 Sekunden betrug. Wiederum sehen wir die Erhöhung des Druckes in der Magenhöhle und die Zunahme des Stromvolums und des Venendruckes (D—F), und späterhin die dem Grade der Muskelkontraktion gemässe Verringerung der Strömung. Der arterielle Blutdruck liess nur vereinzelte, auf diese Veränderungen zurück- führbare Erhöhungen erkennen. Pflüger's Archiv für die ges. Physiologie. Bd 135 RAMAAMMAMVMWVN ann I an ANVVVYVVWWVYWVVWWV VAN nAA as NA LE nv IA VNMMMR Ann VWMWWWWVVUMNANDAAWMAANW AMY AD S 4 Verlag v- Martin Hager ‚Bann s major dexter. Lith Anstv P Wirt N 6 Er A, AUNRUTENU ENDEN ung der Nervi Vagi 245 (Aus dem physiologischen Institut der Columbia-Universität, College of Physicians and Surgeons, New York.) Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. IV. Der Einfluss des Plexus mesenterieus auf das Stromvolum der Vena mesenterica. Von Russell Burton- Opitz. Der Blutgehalt des Darmes kann durch Reizung der Nervi splanchniei sowie der Nervi vagi beeinflusst werden !). Wahre Gefäss- reaktionen kommen jedoch nur durch Vermittlung der erstgenannten Nerven zustande, während die Nervi vagi den Blutreichtum dieses Organes auf indirekte Weise verändern, indem sie vorerst peristal- tische Bewegungen hervorrufen. Um nun diese „präganglionären“ Gefässnerven auch peripher von den Ganglien des Plexus solaris nachzuweisen, wurden die den Plexus mesentericus bildenden Nervenfasern einer Reizung unterzogen. Bekanntlich schmiegen sich diese Fasern aboral von dem Ganglion mesenteriecum an die gleichnamige Arterie an und verlaufen längs den Zweigen dieser zu den verschiedenen Segmenten des Darmes. Die Versuche gestalteten sich so, dass während der Eichung der Strömung in der Vena mesenterica die genannte Nervenkette mit Induktionsströmen verschiedener Stärke und Dauer gereizt wurde. Für die Messung des Stromvolums dieser Vene diente die von mir beschriebene Stromuhr?). Die Einführung dieser geschah in der schon früher angegebenen Weise. Zu erwähnen sei noch, dass die Reizung dieses Plexus etwa gegenüber des ersten Zweiges der 1) Siehe Burton-Opitz, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 124 S. 469. 1908. 2) Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 121 S. 150. 1908. 346 Russell Burton-Opitz: Arterie vorgenommen wurde, denn das zentrale Ende dieses Blut- gefässes wird ja von einem dichten Ganglienkomplexe bedeckt, so dass die Freilegung der einzelnen Fäserchen hier mit Schwierigkeiten verbunden ist. An der eben bezeichneten Stelle gelang es jedoch leicht, die kapselartige Nervenhülle von der Arterie zu trennen und die Elektroden unter Vermeidung jeglicher Gewebsverzerrungen den Fasern so anzupassen, dass der Blutlauf keine Störung erlitt. Die Reizungen wurden ebenfalls nach vorheriger Durchschneidung des Plexus mit Hilfe seines peripheren Endes wiederholt. Alle weiteren Einzelheiten können wohl leicht den Protokollen der beiden hier verzeichneten Versuchen entnommen werden. Von einer Wiedergabe noch anderer Versuche wird hier Abstand ge- nommen; denn es handelt sich ja nicht mehr um die Gewinnung quantitativer Mittelwerte über die Blutströmung, sondern nur um den Beweis, dass die Gefässnerven des Darmes postganglionär in dem Plexus mesentericus enthalten sind. Bei Hund I wurde die unversehrte Nervenkette gereizt und bei Hund II das periphere Ende des vor Anfang des Versuches durchschnittenen Plexus. Die Versuche sind sämtlich ganz gleichdeutig verlaufen. Die Reizungen bedingten jeweils Abnahmen des Stromvolums der Darm- vene, und zwar bewahrten diese ein direktes Verhältnis zu der Stärke des Reizes. Während der Periode der verringerten Blut- strömung erlitt der Druck in der Darmvene eine Erniedrigung, der allgemeine Blutdruck jedoch eine Erhöhung. Letztere Abänderung beruht auf der durch die Gefässverengerung bedingten Entfernung des Blutes aus dem Darmgebiete und der zu gleicher Zeit auftretenden arteriellen Stauung. Die mit Hilfe des Plexus mesentericus er- haltenen Reaktionen gleichen den durch Reizung der Nervi splanchniei erzeugten vollkommen, so dass eine Wiedergabe dieser wohl nicht nötie ist. ; Bei Hund I betrug das Stromvolum im Mittel 4,79 ecem in der Sekunde und bei Hund II 3,84 cem in der Sekunde. Ersterer Wert übertrifft den von mir bis jetzt verzeichneten höchsten Wert der Strömung in der Darmvene um ein merkliches, jedoch war auch das Gewicht des Darmes in diesem Falle bedeutend. Berechnet man nun aber das Stromvolum für je 100 g des Gewichtes, so erhält man den relativ niedrigen Wert von 0,56 ccm pro Sekunde oder 33,6 cem in der Minute. Bei Hund II betrug das Minutenvolum für 100 & Organsubstanz 36,0 eem. Diese Werte stimmen mit dem durch Über die Strömung des Blutes in dem Gebiete der Pfortader. IV. 247 zehn Versuche von mir festgestellten mittleren Minutenvolum von 31,0 eem gut überein. Bemerkt sei noch, dass die Reizungen des unversehrten Plexus mesenterieus einen kurzdauernden Stillstand der Atmung bewirkten und somit auch ein Verschwinden der respiratorischen Blutdruck- schwankungen. Diese sensorische Beeinflussung der Atmung bedingte jedoch, eben wegen ihrer Kürze, keine merkliche Veränderung der Strömung. Versuch Nr. 1, den 26. Februar 1910. Reizung des unversehrten Plexus mesentericus. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Sämtliche Fasern des Plexus wurden un- versehrt in Ludwig’sche Elektroden gelegt. 2. Gewicht: a) des Hundes 22,0 kg, b) des Darmes 850 g. Periode | Pauer Blut- | Blut- Blutdruck der : der pro | Bemerkungen Stromuhr Dig erigge ı Sekunde | Vena | Arteria Sek. ccm | cem/sec | mesent. cruralis 1 3,9 19,0 4,87 | 112 91,5 | Kein Eingriff 2 2000 19,0 4.15 | - | — 3 4,1 19,0 io — 4 39 |, 188. | -4,82 = 5 3,9 188 | 482 - — 6 3,9 10 en an a Mittel | 4,79 112 91,5 7 4,0 19,5 4,89 — — Reizung des Plexus 8 6,8 19,5 2,86 . 96,2 mesenter., 30 Sek., g a en 2,32 = 106,8 10 cm R.-A. 10 EL | Ikene) 2,19 — —_ 11 11,2 18,8 1,67 | EN | 12 14,6 | 188 1,35 — 985 | Kein Eingriff 13 92 18,8 2,04 | | — 14 8,6 19,8 2,30 > 15 6,4 19,8 3,09 _ 96,5 16 5,2 19,8 3,80 11,0 ef 17 4,6 19,8 4,30 er 18 4,0 19,5 4,89 _ —_ Reizung des Plexus 19 6,5 1IE,5 3,00 —_ 105,0 mesenter., 12 Sek., 20 80 19,5 2,43 — 115,6 6 cm R.-A. 21 13,1 19,5 1,48 6,0 100,2 | Kein Eingriff 22 12,5 19,5 1,56 -- 103,1 23 10,2 19,5 1,91 | a 24 7,0 19,5 2,78 — |) .%,2 25 5,8 19,5 3,36 _ _ 26 5,1 19,5 3,82 — _ 27 5,0 19,5 3,90 | 11,0 90,2 Russell Burton-Opitz: Über die Strömung des Blutes etc. 248 Period Dauer Blut- Blut- Blutdruck eriode der menge menge mm He der i der pro Bemerkungen Stromuhr Periode | Periode | Sekunde Vena | Arteria Sek. ccm cem/sec | mesent. | cruralis 28 6,2 19,5 314 —_ _ Reizung des Plexus 29 10,5 19,5 1,85 — 100,2 mesenter., 10 Sek., 6 cm R.-A. © 30 16,2 19,5 1,20 6,0 104,6 Kein Eingriff sl 9,6 19,5 2,03 — —- 32 8,4 19,5 282 — 94,8 Versuch Nr. 2, den 19. März 1910. 1. Eingriffe vor dem Versuche: Der Plexus mesentericus wurde durch- schnitten und sein peripheres Ende in den Elektroden befestigt. 2. Gewicht: a) des Hundes 18,5 kg, b) des Darmes 610 9. = 3 Blut- Blut- Periode is menge menge ne der ” der pro Bemerkungen Stromuhr Periode | Periode | Sekunde Vena | Arteria Sek. ccm cem/sec | mesent. | cruralis 1 5,1 19,0 3,12 12,0 104,6 Kein Eingriff 2 4,8 19,0 3,98 —_ —_ 3 5,0 19,2 3,84 — — | Mittel 3,84 12,0 104,6 4 8,2 19,5 2,37 — E Reizung des periph. h) 10,9 19,5 1,78 E= —_ Endes des Plexus 6 12,6 19,2 1,52 116,5 mesenter., 25 Sek., 10 cm R.-A. 7 16,1 19,5 1,21 9,0 — Kein Eingriff 8 15,2 19,5 1,28 — u 9 11,8 19,0 1,61 — — 10 10,2 19,0 1,86 — — 11 8,9 19,0 Dale — 106,5 12 82 19,0 2,31 —_ 13 7 19,2 2,66 —_ — 14 | 6,1 19,2 3,14 12,0 — 15 6,0 19,2 3,20 — — Reizung des periph. 16 7,0 19,2 2,74 _- Endes des Plexus mesenter., 10 Sek., 6 cm R.-A. 17 13,6 19,5 1,43 — — Kein Eingriff 18 17,4 19,5 1,12 —_ 118, 19 16,8 19,0 1,13 5,0 — 20 12,8 19,0 1,48 —_ — >21 9,3 19,0 2,04 — — 22 74 19,2 2,60 — 108,5 FE N EN 249 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Jena.) Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes bei verschiedenen Vogelarten. Von Hans Stübel. (Hierzu Tafel VI bis XII.) Inhaltsverzeichnis. Sa, Pissleisunsaund® Methodisches... 2 20... cr 2 ee 249 Die Zahl der Herzschläge bei verschiedenen Vogelarten...» 2. .... 256 Die mittlere Höhe des Blutdruckes bei verschiedenen Vogelarten. ... . 261 Die Beziehungen zwischen Blutdruck und Atmung. . » » .» 2.2.2.2... 271 Form, Höhe und Zahl der Atemschwankungen . .. 2. 2 22.2.2... rl Entstehung der Atemschwankungen -. ..-: -- - - - vn 2 un. 274 Die Atemkurve normaler und doppelseitig vagotomierter Vögel. . . . 282 Der Einfluss des Nervensystems auf Herz und Blutgefässe. ....... 291 EFHROEIISCHESUE A Er AR ER. AT. „DIR AR 291 Die Wirkung der peripheren Vagusreizung bei verschiedenen Vogelarten 292 Die Wirkung der Dyspnöe auf die Frequenz der Herzschläge . .. . . 301 Die Wirkung der einseitigen und doppelseitigen Vagotomie auf die requenzden#Herzschläge wen 10.00 rn 302 Die Wirkung der zentralen Vagusreizung auf Blutdruckhöhe und Frequenz 313 Die Wirkuug der einseitigen und doppelseitigen Vagotomie auf die Höhe BESMBRIILUGEESEI2.N ANA TEN SB ZELL ol: 317 Blutdruckschwankungen bei Reizung sensibler Nerven und bei Be- DNB TEE er yrchrah il een er lene el rel er che) 2 DET 318 Biieinnekswyellensie ie, sr ah rn: ae Sara. ne late 321 Blutdruckwellen nach doppelseitiger Vagotomie, Traube- Heszinmsches Wellenss 2... So ee 322 SıemmliantdoNkay/ersche Wellen... .. .. eur 338 IEReeulaeuno or en ae le se ee 361 Seitdem Ludwig im Jahre 1874 die Methode der graphischen Registrierung in die Technik der Blutdruckuntersuchung eingeführt hat, ist die Bestimmung des Blutdruckes und das Studium der Veränderungen des Blutdruckes unter der Einwirkung der ver- schiedensten Umstände ein bevorzugtes Forschungsgebiet der Physio- 250 Hans Stübel: logie geworden. Wenu auch die Höhe des Blutdruckes eine Grösse darstellt, die von vielen Bedingungen abhängig ist, und es oftmals den grössten Schwierigkeiten begegnet, die Bedeutung dieser einzelnen Bedinsungen für die Höhe des Blutdruckes mit Sicherheit zu er- kennen, so haben doch die ausserordentlich zahlreichen Blutdruck- untersuchungen, die wir in der physiologischen Literatur der letzten Jahrzehnte finden, unsere Kenntnis von der Physiologie des Kreis- laufes in mehr als einer Beziehung erheblich erweitert. Als Objekte der Blutdruckuntersuchung dienten in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle Säugetiere, vor allem Kaninchen. und Hunde, weniger häufig Pferde und andere Huftiere. An Kaltblütern wurde die Blut- druckkurve bedeutend seltener studiert. Hier wurde der Blutdruck entsprechend dem verhältnismässig sehr trägen Stoffwechsel der meisten Kaltblüter im Vergleich zum Blutdruck der Säugetiere auffallend niedrig gefunden. So beträgt er z. B. bei den Cephalopoden 25 bis 80 mm Hg!), bei Fröschen 40—60 mm Hg?) und bei den Krokodilen 30—50 mm Hg?). Noch weniger Blutdruckuntersuchungen sind jedoch bei der zweiten Klasse der warmblütigen Wirbeltiere, bei den Vögeln semacht worden, und eine grössere Anzahl von Blutdruckkurven verschiedener Vogelarten wurde bis jetzt noch nicht aufgenommen. Trotzdem dürfte eine derartige Untersuchung aus manchen Gründen nicht ohne Interesse sein; sehen wir doch überall in der Tierreihe, dass die Organe des Kreislaufes ihrem Bau und ihrer Funktion nach um so höher entwickelt sind, je lebhafter der Stoffwechsel und damit die ganze Lebenstätigkeit eines Organismus sich gestaltet. So haben wir in der Klasse der Vögel diejenigen Vertreter des Tierreiches vor uns, die in Bezug auf Lebhaftiekeit des Stoffwechsels die Säuge- tiere noch übertrifft, deren Bluttemperatur diejenige aller anderen Tiere übersteigt und deren stete Beweglichkeit im Vergleich zu den übrigen Vertretern der Wirbeltieree ohnegleichen dasteht. Im 1) S. Fuchs, Beiträge zur Physiologie des Kreislaufes bei den Kephalo- poden. Pflüger’s Arch. Bd. 60 S. 173. 1895. 2) F. N. Schulz, Studien über das Verhalten der Blutdruckregulation bei Rana esculenta unter verschiedenen äusseren Bedingungen, insbesondere bei ver- schiedener Körpertemperatur. Pflüger’s Arch. Bd. 115 S. 306. 1906. — Über Blutdruckregulation bei Rana esculenta. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 19 S. 302. 1905. 3) Hofmeister, Beiträge zur Lehre vom Kreislauf der Kaltblüter. Pflüger’s Arch. Bd. 44 S. 68. 1889. Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. DHR folgenden sei es daher gestattet, die Ergebnisse von Blutdruck- versuchen mitzuteilen, die mit einer Anzahl von Vögeln verschiedener Art angestellt wurden, nachdem vorher die bei der Untersuchung angewandte Methodik, soweit sie speziell für Vögel abgeändert wurde, in Kürze besprochen worden ist. Untersucht wurden folgende Arten: Anzahl der unter- — suchten Tiere Eaushuhn 2 2 eo... me 5 0.129 (10. Hähne, 19 Hennen) Bacehahne na nn ter nl Hausente IRRE RE: 5 Stockente (Anas boschas) . 4 Taube a ER real Or 1 Saatkrähe (Corvus frugilegus) b Nebelkrähe (Corvus cornix) . 4 Dohle (Colaeus monedula) 2 Sturmmöwe (Larus canus) 4 Mäusebussard (Buteo buteo). 5) Habicht (Astur palumbarius) 1 Roter Milan (Milvus milvus). 1 Rötelfalke (Tinnuneulus naumanni) | Gänsegeier (Gyps fulvus) . 1 Die Raubvögel waren teils in Tellereisen gefangen, teils auf der Jagd leicht angeschossen und dann gefangen worden, wiesen nur geringe Verletzungen auf und waren bis auf wenige Ausnahmen äusserst kräftig und zähe. Die verschiedenen Krähenarten waren auf dieselbe Weise gefangen worden, erwiesen sich aber im Verlaufe eines Versuches viel hinfälliger, obgleich sie ebenso wie die Raub- vögel nur wenige Tage, selten über eine Woche, in Gefangenschaft zugebracht hatten. Die Stockenten und Sturmmöwen waren aus einer Tierhandlung bezogen und befanden sich wahrscheinlich schon längere Zeit in Gefangenschaft; sie waren meist ziemlich hinfällig. Alle Tiere waren ausgewachsene Exemplare. Nähere Angaben finden sich in den einzelnen Tabellen. Hat man verschieden grosse Vogelarten zu untersuchen, so empfiehlt es sich, als Operationstisch einen einfachen, ebenen Tisch zu wählen, dessen Platte an ihren beiden langen Seiten von paar- weise angeordneten Löchern durchbohrt ist, die sich in den ver- schiedensten Abständen einerseits von den Schmalseiten des Tisches, 359 Hans Stübel: andererseits von seiner Längsachse befinden, und so ein bequemes und schonendes Aufbinden der Versuchstiere gestatten. Statt eines Kopf- halters, der je nach Grösse und Form des Kopfes bei fast jeder Art eine etwas andere Gestalt haben müsste, nagelt man zweck- mässig zwei Leisten (3 cm hoch, 15 cm lang) parallel im Abstand von etwa 5 cm an das Kopfende des Tisches. Zwischen diese Leisten wird der Kopf des Tieres gelegt. Ist der Kopf in seinem frontalen Durchmesser schmaler als der Abstand der beiden festen Leisten, so kann man diesen Abstand beliebig verkleinern, indem man mehr oder weniger dicke Holzbrettehen oder Watte einschiebt. Hierauf wird der Schnabel mit Bindfaden fixiert. Am einfachsten und sichersten ist es, mit einer scharfen Nadel das Nasenseptum zu durchstossen und einen starken Zwirnsfaden durch die Nasenlöcher zu führen, durch den sich der Kopf dann sehr leicht festhalten lässt. Da das Nasenseptum der meisten Vögel (eine Ausnahme bilden z. B., die Raubvögel) sehr dünn ist, gelingt dies leicht und schnell, so dass die Operation — soweit man es nach den erfolgenden Abwehr- bewegungen beurteilen kann — den Tieren keine dauernde Schmerz- empfindung verursacht. Noch einfacher ist die Fixierung des Schnabels bei Vögeln, deren Nasenlöcher durch keine vollständige Scheidewand getrennt sind, z. B. bei Enten und Möwen; hier kann man einen Bindfaden bequem durch die Nasenlöcher durchziehen. — Für Enten, deren Kopf sehr dick ist und sich der Länge und Be- weglichkeit des Halses wegen schlecht zwischen zwei Holzleisten fixieren lässt, eignet sich der Malassez’sche Kaninchenkopfhalter recht gut. Das Aufbinden der im allgemeinen sehr unruhigen Vögel wird ausserordentlich erleichtert durch die sogenannte Hypnose, einen tonischen Lagereflex, den man dadurch hervorrufen kann, dass man die Tiere plötzlich umdreht und auf den Rücken legt!). Am leichtesten gelingt dieses Experiment bei Hühnern (ebensowohl Hähnen als Hennen) und zwar nach meinen Beobachtungen oft um so leichter, je lebhafter sich das Tier vorher gebärdete. Auch bei Hausenten ist die „Hypnose“ in der Regel leicht zu erzielen, während sie bei Tauben weniger gut, bei wildlebenden Vögeln schlecht, meistenteils gar nicht gelang. Wenn die Vögel einmal aufgebunden sind, so 1) Verworn, Beiträge zur Physiologie des Zentralnervensystems. I. Teil: Die sogenannte Hypnose der Tiere. Jena 1898. Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 2353 verharren die Muskeln der Extremitäten und des Halses in der Regel über die ganze Dauer des Versuches in einem gewissen Tonus, und selbst locker aufgebundene Vögel machen dann keine Abwehr- bewegungen, so lange man nicht schmerzhafte Operationen, die ja bei Blutdruckversuchen kaum vorkommen, ausführt. Nur vor Er- sehütterungen des Operationstisches muss man sich sorgfältig hüten, da diese stets zu heftigen Abwehrbewegungen und infolgedessen oft auch zu einer Störung der Blutdruckkurven führen. Es ist daher ratsam, den Operationstisch von vornherein auf Filzplatten zu setzen. Zum Einbinden der Kanüle wurde in der grossen Mehrzahl der Versuche die Karotis benutzt. Die Arteria carotis communis der Vögel!) entspringt beiderseits aus dem einen Zweige der Arteria anonyma Ss. brachiocephalica, dem sogenannten Truneus carotieus, welcher noch zwei weitere Arterien für den Kopf, die A. vertebralis und die A. comes nervi. vagi, liefert, während der andere Zweig, die A. subelavia, den grössten Teil des Halses und der vorderen Extre- mität versorgt. Wenn man endständig eine Kanüle in die Carotis communis einbindet, so misst man den Seitendruck des Truncus earoticus. Bei der Weite und Kürze des Truneus carotieus, ebenso wie der aus dem Arcus aortae entspringenden Arteria anonyma wird das Druckgefälle zwischen Aorta und Truncus carotieus ein so un- bedeutentes sein, dass sich die in der Karotis der Vögel bestimmten Blutdruckhöhen ohne weiteres mit den in der Karotis der Säuge- tiere gemessenen Drucken vergleichen lassen. Die beiden Arteriae carotides communes laufen konversierend der Wirbelsäule zu, um ungefähr von der Höhe der oberen Thoraxapertur ab dieht neben- einander dem Kopfe zuzugehen. Sie treten dabei zwischen die starken Züge des auf der Verderseite der Wirbelsäule gelegenen, von einer sehr derben Fascie bedeckten Halsmuskels, des Musculus longus colli anticus, in die Tiefe und liegen direkt der Wirbelsäule auf. Dabei werden sie von den vorspringenden vorderen Dornen der Halswirbelkörper, die unter sich durch derbes Bindegewebe ver- bunden sind, überragt und liegen so in einer soliden Rinne, die nach vorn zu noch durch eine ziemlich dicke Bindegewebsplatte ab- geschlossen wird. Nachdem die Haut des Halses von Federn befreit ist, wird sie 1) Ausführlicheres über die Karotiden der Vögel bei Gadow, Vögel in Bro»nn’s Klassen und Ordnungen des Tierreiches Bd. 6 Abt. 4 Teil 1 S. 769, 775. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 17 254 Hans Stübel: in der Medianlinie durchsehnitten. Nun tritt sofort die von dem paarigen M. longus colli anticus bedeckte, nach vorn konvex ge- bogene Wirbelsäule hervor. Das derbe Bindegewebe, welches in der Medianlinie die Muskeln der beiden Seiten voneinander scheidet, kann man ebenso wie das darunterliesende, die Karotiden bedeckende Bindegewebe scharf, am besten mit einem Sichelmesser durchtrennen ; treten Muskelfasern über die Mittellinie hinweg, so werden sie stumpf beiseite gezogen. Auf diese Weise kann man leicht und ohne nennes- werte Blutung die Karotiden freilesen; da sie am Halse nur ganz unbedeutende Äste abgeben, so ist es auch gleichgültig, in welcher Höhe man die Kanüle einbindet. Am besten wählt man eine Stelle auf der Konvexität der Halswirbelsäule, da dann die Wirbelsäule dem Anfangsteil der Kanüle gleichzeitig als sichere Unterlage dienen kann. Nicht bei allen Vögeln verlaufen die Karotiden in der oben be- schriebenen Weise, sondern der ursprüngliche Zustand wird auf verschiedenem Wege abgeändert. So gibt es zahlreiche Arten, bei denen sich nur eine Karotis findet, sei es, was seltener vorkommt — dass die beiden Karotiden zu einer verschmolzen sind (Carotis con- iuneta), sei es, dass nur die Karotis einer Seite erhalten bleibt, während die andere (fast ausnahmslos die rechte) rudimentär wird (Carotis primaria sinistra); dies ist ein sehr häufiges Vorkommnis. Da die eine Karotis dann eine entsprechend grössere Weite hat, wird hierdurch das Einbinden der Kanüle bei kleineren Vögeln, z. B. Krähen und Dohlen, die wie sämtliche Sperlingsvögel (Passeres) nur eine Karotis besitzen, wesentlich erleichtert. Sind zwei Karotiden vorhanden, so wird die rechte von der linken teilweise überlagert, so dass sich also die letztere besser zum Einführen der Kanüle eignet. Bei anderen kleineren Vogelarten, die zwei Karotiden besitzen, ist jedoch das Einbinden einer Kanüle in die Karotis ziemlich schwierig und bei der Enge des Lumens die Gefahr der Blutgerinnung sehr gross. In diesem Falle wählt man dann zweckmässiger die A. axillaris. Dabei wird der Flügel möglichst gestreckt im Ellbogen- oder Handgelenk festgebunden und die Achselhöhle durch ein Polster gehoben. Die A. axillaris liest ziemlich oberflächlich und ist von mehreren zartwandigen Venen und von häufig anastomosierenden, zum Teil sehr dünnen Nervenstämmen begleitet. Hierdurch kommt es: während der Operation leicht zu stärkeren Blutungen oder zu Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 255 2 heftigen Abwehrbewegungen des Tieres, wenn ein Nervenast durch- schnitten oder mit der Pinzette gefasst wird. Im allgemeinen ist der Karotis trotz ihres engeren Lumens und ihrer tieferen Lage der Vorzug zu geben, weil man dann bei der Präparation der Vagi keine neue Hautwunde zu setzen braucht. Ist im Laufe eines längeren Versuches die eine Karotis z. B. durch Blutgerinnung unbrauchbar geworden, so kann man sie abbinden und an ihrer Stelle die zweite benutzen, ohne dadurch die Versuchsbedingungen wesentlich zu ändern, da bei den Vögeln der Kollateralkreislauf zwischen den Karotiden und den sehr starken Vertebralarterien vortrefflich aus- gebildet ist. Hierzu kommt als zweite Kollateralbahn die A. comes nervi vagi, die bei manchen Vogelarten die eigentlichen Karotiden bis zu dem Grade ersetzt, dass diese rudimentär werden. Die Arterien der Vögel sind sehr fest und dehnbar, und die- jenigen grösserer Arten vertragen Quetschungen und Zerrungen, die während eines Versuchs einmal vorkommen mögen, meist besser als Kaninchenarterien. Vor allem scheinen auch Endothelverletzungen dureh Quetschung oder Zerrung nicht so leicht zustande zu kommen; selbst wenn die Versuchstiere ihre Karotis bei krampfhaften Be- wegungen des ganzen Körpers, wie sie nach Durchschneidung beider Vagi hin und wieder auftraten, mehrere Zentimeter aus der Wunde hervorgezerrt hatten, gerann das Blut nicht. Bei kleinkalibrigen Karotiden traten Blutgerinnungen dagegen häufiger auf. Allerdings ist es nicht angängig, eine der bei Blutdruckversuchen an Säugetieren allgemein gebräuchlichen konzentrierten .Salzlösungen als gerinnungshemmende Flüssigkeit zur Füllung der Kanüle und des Manometers zu verwenden. - Abgesehen davon, dass (die Fibrin- serinnung des Vogelblutes besonders rasch vonstatten. geht, aller- dings nur, wenn das Blut mit lebendem Gewebe in Berührung kommt), tritt bei Vögeln ausser der eigentlichen Blutgerinnung noch die von Alexander Schmidt beschriebene sekundäre Blutgerinnung ein, die darin besteht, dass die kernhaltigen roten Blutkörperchen zu einer gallertartigen Masse zergehen, wenn sie mit einer Salzlösung zusammengebracht werden. Als eine vor- zügliche ‚Kanülenflüssigkeit für Vögel erwies sich mir| hingegen «eine 10 Opige Rohr- oder Traubenzuckerlösung mit einem -Zusatz von 1) Delezenne, Comptes rendus de l’acad. de sciences de Paris t. 122 p. 1281. 1896. 19 256 Hans Stübel: .1°o Ammoniumoxalat, wie sie F. N. Schulz!) für Blutdruck- versuche bei Fröschen angegeben hat. Da die Lösung sehr leicht verschimmelt, ist es zweckmässig, sie steril herzustellen. Als Manometer diente entweder ein Quecksilbermanometer oder ein Blutwellenschreiber nach Gad?). Bei einer Anzahl von Ver- suchen wurden beide Manometer abwechselnd gebraucht, um sowohl die mittlere Höhe des Blutdruckes als die Höhe der pulsatorischen Druckschwankungen unter verschiedenen Verhältnissen zu bestimmen. Im folgenden sollen nun diejenigen Tatsachen, die wir dem Studium der Blutdruckkurve entnehmen können, einzeln erörtert werden. In der Hauptsache handelt es sich also um die Frequenz des Herzschlages, die mittlere Höhe des Blutdruckes, den Einfluss der Atmung auf den Blutdruck und den Einfluss des Nervensystems auf den Blutdruck. Die Zahl der Herzschläge. Die durchsehnittliche Zahl der Herzschläge in der Minute betrug bei den von mir untersuchten Vögeln: Zahl der Zahl der Zahl der Herz- Herz- Herz- schläge schläge schläge kiennealer. 318 Hahn 3 299 Sturmmöwe4d| 360 NE 410 „4 212 Saatkrähe 1 2 392 Ne SEE 420 Hark 349 5 22 379 EL EAL, 178 SEO, 276 B 38 364 LE 283 KIRRIDSIRE RL. 311 R 49 440 a) 348 SS 304 r 32 366 URALART, 283 EIER I" 300 Nebelkräheld| 360 Sites 416 OR... 202 ® 28| 324 RR 388 Truthahn . . 93 5 3d| 492 LO 294 Taube ... 244 5 42| 312 NEN 2, 378 Entel d&.. 133 | Dohlelg . 326 a a 348 a 199 FR 398 »rdonpepte 294 3 ON 246 Bussard 1 & 333 NER: 458 Wald. 216 Mn 22 391 SrIRlSAR RR 273 Bao. Dil 268 2 32 206 Srasl6 se: 396 Stockente 1 2 229 5 48 350 NG N: 360 5 2d& 319 4 52 264 ls 288 h 38 300 Milan®?... 258 lo. 302 5 48 420 Habicht & . 347 Hahn 1... 8307 Sturmmöwe2&| 483 Rötelfalke & 367 ARD 295 E 3d| 360 Geier or 7.n. 199 1) FE. N. Schulz, 1. c. 8. 390. 2) Gad, Zentralbl. f. Physiol. 1889 S. 318; eine genaue Beschreibung des Instrumentes findet sich in Fuchs, Physiologisches Praktikum $. 80. Beiträge zur Kenntnis der Physiolog desie Blutkreislaufes etc. 2357 In folgender Tabelle ist nun die Durchschnittsfrequenz für jede einzelne Vogelart zugleich mit dem durchschnittlichen Körpergewicht der betreffenden Art angegeben: Gewicht Frequenz g in der Minute PFiuhnettese se Ara 1980 312 Brothahnee pre: 8750 93 Tauber. ve ae J 237 244 interesse) a 2304 212 Stockente War. 02. 185 317 Sturmmowers 388 401 Saatkrahess a 3al 380 INebelkrahes 360 378 Dohlemt ma men 140 342 IBussarde W s08 ea, 658 301 IV ATER RN ee 950 258 Habichig wa nen, 960 347 Ikotelfalker sr sr 159 367 EIERN ER A IRLEN) 8310 199 Die grösseren Vögel zeigen demnach eine etwas langsamere Herztätigkeit als die kleineren. Bemerkenswert erscheint mir noch der Unterschied in der durehschnittlichen Pulsfreguenz zwischen Hahn und Henne. Gewicht Frequenz g in der Minute Hahnas-a rule. 2190 | 286 Henne. ar. 2 1770 399 Der Hahn zeigt also ein höheres durchschnittliches Körper- gewicht bei einer geringeren durchschnittlichen Pulsfrequenz. Das- selbe Verhalten in bezug auf das Geschlecht finden wir bei der Hausente wieder, obwohl hier die geringe Anzahl der untersuchten Tiere nicht einen verallgemeinernden Schluss als zuverlässig er- scheinen lässt. Eine Beziehung zwischen Pulsfrequenz und Körpertemperatur liess sich an meinem Material nicht feststellen. An dieser Stelle sei noch einiger Faktoren gedacht, welche die Schnelligkeit der Schlagfolge des Herzens zu ändern imstande sind und deren Einwirkung an einer grösseren Anzahl von Kurven fest- gestellt werden konnte. Bei Bewegungen steigt die Frequenz in der Regel rasch an, um nach kurzer Zeit wieder zur Norm zurückzugehen. 58° Hans Stübel: Reizung sensibler Nerven wirkte in den meisten Fällen beschleunigend. Als Beispiele seien angeführt: Hahn 4, faradische Reizung der Haut des Halses. Die Frequenz steist von 29 (in 5 Sek.) während der Reizung auf 34 und beträst in den ersten 5 Sek. nach der Reizung bereits wieder 29. Bussard 2, faradische Reizung der Schleimhaut des harten Gaumens: Die Frequenz steigt von 28 in 5 Sek. während der Reizung auf 31 und beträgt in den ersten 5 Sek. nach der Reizung 27. Bei demselben Vogel bewirkte eine stärkere Faradisierung der Gaumen- schleimhaut eine Herabsetzung der Frequenz auf 7 (in 5 Sek.), während die Frequenz in den ersten 5 Sek. nach der Reizung be- reits wieder 28 betrug. Eine derartige bedeutende Herabsetzung der Frequenz konnte sonst bei Reizung sensibler Nerven nicht be- obachtet werden. In geringerem Grade trat dagegen hin und wieder eine Verlangsamung auf; z. B. Henne 13, Faradisierung der Schleim- haut des harten Gaumens: Frequenz vor der Reizung 22 (in 5 Sek.), in den ersten 5 Sek. nach der Reizune: 18. Sehr oft liess sich ein Einfluss von Blutdruckschwankungen auf die Schlagfolge des Herzens feststellen und zwar sowohl bei er- haltenen als durchschnittenen Vagi. Die Wirkung von Blutdruck- schwankungen war nicht nur bei verschiedenen, sondern auch bei demselben Tier eine sehr inkonstante, so dass eine Blutdrucksteigerung sowohl eine Beschleunigung als eine Verlangsamung hervorbringen konnte. Dasselbe Verhalten fand sich bei der Blutdrucksenkung. Die grosse Verschiedenheit der Versuchsergebnisse gestattete nicht, irgendeine Gesetzmässiekeit festzustellen. Ebenso abweichend sind ja die Ergebnisse der zahlreichen Forscher, welche diese Verhältnisse bei Säugetieren näher studiert haben !). Ebensowenig liess sich irgendeine Beziehung zwischen der durchschnittlichen Pulsfrequenz der einzelnen Vogelarten und der durchschnittlichen Höhe des Blutdruckes feststellen. Auch Blutverluste hatten keinen konstanten Einfluss auf die Schlagfolge. ‚ Während der Dauer eines Versuches — die Tiere blieben in der Regel 2—3 Stunden, selten länger mit dem Manometer in Ver- bindung — traten zuweilen ohne erkennbare Ursache grössere’ 1) Vgl. hierüber z. B. Tigerstedt, Physiologie des Kreislaufes 3. 295 Leipzig 1893. Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 359 Frequenzschwankungen auf. In den meisten Fällen jedoch blieb die Frequenz gleich oder änderte sich nur wenig, vorausgesetzt dass nicht besondere Eingriffe gemacht wurden. Am Anfang der Versuche war die Frequenz besonders bei kleinen Vögeln manchmal erheblich höher als die sich im Laufe des Versuches herausstellende Durch- schnittsfrequenz. So wurden bei Saatkrähe 4 556 Pulse in der Minute, bei Nebelkrähe 3 554, bei Möwe 2 516 gezählt. — In 24 Versuchen nahm die Frequenz im Verlaufe des Versuches etwas zu, in 27 Fällen nahm sie etwas ab. Die ausserordentliche Höhe der Pulszahlen bei Vögeln ist schon von zahlreichen Autoren erwähnt worden. So gibt Keilson!) als durchschnittliche Pulsfrequenz an: für den Sperling 460, für das Huhn 328, für die Taube 80 (?). Zum Vergleich seien die Puls- zahlen, die derselbe Autor für einzelne Säugetiere gibt, angeführt: Körpergewicht (Reingewicht) | . Frequenz 8 in der Minute Mauser. 13,22 300 Rattesarr. Br, 161,27 400 Meerschweinchen . 492 267 Kaninchen. .°... 1251 235 Katzeia) aaa 29! 2245 140 Sperlmet 2. 30,65 460 Eine ee: 1016 328 Haube case. te 271,23 s0 IEroschesarsr a) | 40 Knoll?) fand „die individuellen Differenzen in bezug auf die Frequenz des Herzschlages der Tauben sehr erheblich. Die am häufigsten sich wiederholenden Zahlen lagen zwischen 150 und 300. Ob dieselben nur durch den wechselnden Seelenzustand des Tieres bedingt waren, oder ob etwa auch die Rasse und die Grösse des Versuehstieres ins Spiel kam, ging aus den Beobachtungen nicht hervor.“ Nach Gadow?°) beträgt die Pulszahl für das Huhn in der Ruhe ungefähr 120 pro Minute, was nach meinen Erfahrungen eine zu niedrige Zahl zu sein scheint. 1) Keilson, Ein experimenteller Beitrag zur Lehre von Sn Pulsfrequenz. Dissertation. Königsberg 1898. \ 0 2) Knoll, Über Myocarditis und die übrigen Folgen der Vagusscktion bei Tauben. Zeitschr. f. Heilk. Bd. 1 S.7. 1880. 3) Gadow, l.c. ö60 Hans Stübel: Die meisten Untersucher bedienten sich zur Bestimmung der Pulsfreguenz der Auskultation, einer Methode, mit Hilfe deren man bei so hohen wie den uns vorliegenden Pulszahlen schwer zu exakten Werten gelangen kann. Dazu kommt, dass bei den sehr lebhaften und sehr ängstlichen Tieren der Puls durch die Auskultation an sich beträchtlich beschleunigt werden muss. Dieser letztere Übelstand ist natürlich auch bei der graphischen Registrierung der Pulszahl unvermeidlich, und auch hierbei werden wir eher auf etwas höhere Zahlen kommen, als sie der Norm entsprechen mögen. Zugunsten der graphischen Registrierung lässt sich aber: sagen, dass wir mit ihrer Hälfte die Pulsfrequenz und ihre Schwankungen über einen längeren Zeitraum hin beobachten können; immerhin werden wir mit dieser Methode zu genaueren Resultaten gelangen, vorausgesetzt dass wir nur Pulszahlen berücksichtigen, die wir einige Zeit nach dem Einführen der Kanüle, nachdem das Tier vollkommen ruhig geworden ist, erhalten. Lediglich solche Pulszahlen sind daher in der oben wiedergegebenen Tabelle angeführt worden; sank im Laufe des Versuches die Pulszahl auf einen über längere Zeit hin kon- stanten minimalen Wert herab, so wurde dieser Wert in erster Linie berücksichtigt. Wenn wir das durchschnittliche Gewicht der einzelnen Vogel- arten mit den entsprechenden Pulszahlen vergleichen, so ergibt sich, wie wir es auch bei Säugetieren finden, und wie es schon oben er- wähnt wurde, dass die Pulsfrequenz der kleineren Tiere höher ist als die der grösseren. Vergleichen wir aber die Pulszahlen der Säugetiere und Vögel untereinander, so finden wir grosse Pulszahlen bei Vögeln, deren Gewicht dasjenige der Säugetiere, welche die gleiche Pulszahl haben, oft bedeutend übertrifft. In diesem Zusammenhange dürften auch die Angaben Wer- nicke’s und Preyer’s!) über die Zahl der Herzschläge des Hühnerembryos von Interesse sein. Nach ihnen beträgt die Pulszahl des Hühnerembryos: Am 2. Tage nach Beginn der Bebrütung: 90, mo - > " > 90—146, 2 ARE e 5 2 90—176 (durchschn.120— 150), 3a a ae : 112—180( „.. .128—144), ne 5 : 2 86—150 ( „.. 128-150), 1) Preyer, Spezielle Physiologie des Embryo S. 29, 30. 1885. Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 361 Am 7. Tage nach Beginn der Bebrütung: 120—181 (durehschn. 120), b2) 8. D) » » » » 139—154, b) 9. 7) ” » » ” 154--167, b) JuB ” b) » b) D) 167. Aus diesen Zahlen „folgt mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass die Herzfrequenz bis zum fünften Tage zunimmt und dann sich nicht vermindert.“ Auch beim Vogelembryo ist also die Frequenz schon sehr bald nach dem Auftreten des ersten Herzschlages eine recht beträchtliche. Die Höhe des Blutdruckes. Die durchschnittliche Höhe des Blutdruckes in Millimetern Hg in der Karotis gemessen betrug in meinen Versuchen: | Blutdruck Blutdruck Blutdruck ı mm Hg mm Hg mm Hg Henne 1 . 155 Hahn 4 203 Sturmmöve4& 1751) MD 135 KR ker 208 Saatkrähe 1 2 153 AERO, 215 a DR 206 a 22 122 id 156 ae 192 x 32 121 RN... 164 ERS 200 ” 42 184 = .,6 171 EL RER: 177 H 59 177 | 169 ER 200 | Nebelkräheld| 155 in... 204 Truthahn .. . 193 5 23| 146 Bd... 177 Taubeljar.n. 145 x 38 158 N 144 Ente l&.. 177 5 49 129 ah! .149 EINER WERE 169 Dohle 12... 124 ER 1 183 13,8 166 BIER 114 RR; 148 RAS, 151 Bussard 1 & 227 Done 180 5 145 5 22 225 als 165 Stockente 1? 173 5 328 133 216 148 5 28 152 4 4 142 7 155 ® 98 204 s 59 129 ke 126 N 4 187 Milano 194 0 A) 178 Sturmmöweld| 176 Habicht &. . 178 Hähnel... 176 2 28 159 Rötelfalke 4!) 103 Bo. |. 2083 aa 06h | Geenai on... 197 Mithin betrug die durchschnittliche Höhe des Blutdruckes bei jeder einzelnen Vogelart: Gewicht Blutdruck g mm Hs Eluhnye.. neansks, RR; 1980 180 Reuthahn) eos kancıe 8750 193 Tauber.) ae Aa 23 145 1) Blutdruck in der Axillaris gemessen. 262° 2 Hans Stübel: Gewicht Blutdruck g mm Hg Ente NA 2304 162 Stockente . . ..... 785 179 Sturmmöwer 388 179 Salat here 341 151 Nebelkrähe . . .... 360 147 Dohler 2: Ku a, 140 119 IBussarde ee 658 az Milanıtı mu ers Feen 950 194 Habicht... 2. mn: 960 178 IRotelfallkkese m 159 103 Geier an See 8310 171 Aus dieser Tabelle geht hervor, dass der Blutdruck der kleinsten Vögel, welche zur Untersuchung kamen, niedriger ist als derjenige der mittelgrossen und grossen. Hervorzuheben ist der Unterschied in der Blutdruckhöhe zwischen Hahn und Henne: | ericht | Blutdruck g mm Hs Hähnel. 20 as ran 2190 196 Henne ana 7. 1770 164 Der durchschnittliche Blutdruck des Hahns übersteigt also den der Henne, während — wie oben angeführt — bei dieser die Puis- frequenz eine höhere ist. Dasselbe Verhalten in bezug auf den Blutdruck findet sich wieder bei Hausente, Nebelkrähe und Bussard ; doch ist die Zahl der von diesen Arten untersuchten Vögel zu klein, so dass man hier den Differenzen in der Blutdruckhöhe der Ge- schlechter eine besondere Bedeutung nicht zuzuschreiben braucht. Während der Versuche traten hier und da spontan erhebliche Blutdruckschwankungen auf. In den meisten Fällen blieb jedoch der Blutdruck immer auf fast derselben Höhe, vorausgesetzt, dass keine besonderen Eingriffe gemacht wurden. In 18 Fällen war der Blutdruck am Ende des Versuches bzw. vor Ausführung der doppel- seitigen Vagotomie etwas höher als am Anfang, in 30 Fällen etwas niedriger. Bi Bemerkenswert erscheint die ausserordentliche Höhe des Blut- druckes bei den immerhin schon ziemlich kleinen Raubvögeln Milan, Habicht, Bussard, ferner bei Sturmmöwe, Saatkrähe, Nebelkrähe und. Stockente. Letztere hat einen höheren durchschnittlichen Blutdruck Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 963 als die Hausente, die ihr in bezug auf Körpergewicht bedeutend überlegen ist. Die intensive Muskelarbeit, welche diese ausdauernd und rasch fliegenden Vögel leisten, wird grosse Anforderungen an den Kreislauf stellen. So liegt der Gedanke nahe, dass die erheb- liche Höhe des Blutdruckes mit der Lebensweise dieser Tiere in Zusammenhang zu bringen ist. Erwähnt sei ausserdem, dass während mancher Versuche der Blutdruck vorübergehend grosse Höhen erreichte, ohne dass sich hierfür eine Ursache erkennen liess. So wurde z. B. gemessen bei: Hahn 6 ...2..% 2: 239 mm, Bussard 2uaa 2. 236 mm, Rruchahn, 2... ... 226 0: Nebelkrähe 3... ...179 IMNlansı a. 0 0: 603% 249, Möwer3.. 24er: 200.75 Bussard- L.... . +... 230-0, Möwe 4........ 210 In einem Falle, bei Möwe 4, wurde der Blutdruck erst in der Karotis, dann in der Brachialis bestimmt; in ersterem Falle betrug er 206, in letzterem 210 mm He. Bei Bussard 4 wurde durch eine heftige Abwehrbeweegung die eine Karotis zerrissen. Eine stärkere Blutung konnte jedoch ver- hindert werden. Hierauf wurde die Kanüle in die zweite Karotis eingebunden und der Versuch fortgesetzt. Der Blutdruck, der vor dem Zwischenfalle 142 mm betragen hatte, war nachher auf 155 mm gestiegen, sank aber bald darauf auf 139 mm. Der Blutdruck blieb dann im weiteren Verlaufe des Versuches in völlig normaler Höhe. | | Nach Blutverlust sank der Blutdruck, wenn die Blutung nicht zu stark gewesen war, nur vorübergehend. In dem Versuche an der Taube wurde die Kanüle in die Axillaris eingebunden und das Tier mit dem Manometer verbunden. Erst dann wurde die Operation am Halse zur Freilegung der Nn. vagi ausgeführt. Dabei zeigte die Blutdruckkurve ausser einigen vorübergehenden Blutdrucksteigerungen, die auf Reizung sensibler Nerven (Befreiung der Haut des Halses von Federn, Hautschnitt) zurückzuführen waren, keine Veränderungen. Ebenso. wie‘ bei. der Bestimmung. der .durchschnittlichen Puls- frequenz wurden auch bei Bestimmung der Blutdrückhöhe nur Kurven- berücksichtigt, die einige Zeit nach Beendigung der Operation, wenn sich das Versuchstier völlig ruhig zeigte, und wenn die Kurve an sich. keine Störungen erkennen liess, aufgenommen. worden waren, 364 Hans Stübel: Der Versuch an der Taube zeigt, dass die vorbereitende Operation selbst keinen dauernden Einfluss auf die Höhe des Blutdruckes hatte. In der älteren Literatur findet man nur einige wenige Blutdruck- bestimmungen bei Vögeln. Diese gibt Volkmann!) in seiner Hämo- dynamik an. Danach beträgt der Blutdruck beim: Haushahn 171 (A. carotis) Henne . 83 (A. brachialis) Taube . 157 (A. brachialis) Gans . . 162 (A. carotis nach Blake) Storch . 161 (A. carotis). In neuerer Zeit ist die Höhe des Blutdruckes der Vögel durch Riddle und Matthews?) einer etwas eingehenderen Untersuchung unterzogen worden. Die genannten Autoren bestimmten nicht nur den arteriellen Blutdruck, sondern sie führten auch Messungen des venösen Blutdruckes in der Armvene aus. Ferner untersuchten sie den Einfluss verschiedener Gifte: Digitalis, Seilla, Bariumchlorid, Barium- und Caleiumchlorid, Magnesiumsulfat und Ergotin auf den Blutdruck. Sie kommen zu dem Schlusse, dass die Druckunterschiede zwischen arteriellem, venösem und Kapillardruck sich bei den Vögeln nicht anders verhalten als bei den Säugetieren; ebenso zeigen die genannten Pharmaka denselben Einfluss wie bei den Säugetieren. In beifolgender Tabelle seien die Blutdruckhöhen, welche Riddle und Matthews bestimmt haben, angegeben: Bnte>Karotis v7 mn al6dmm S h 227 LÜRRRERBRBSHRI N ST EINER ER LO SSR Se 2 2. 65emSyomahlerz 2 SI Hahn L. innominate chest cavity open. 140 „ » ” n ” n n . 122 ” (alt). Karotist aaO AU ae Sole Gans Karotis (2,5 cm von der anonyma) 176 „ „NA. @brachalis/dextrar 2 2 1.2 Eau: ea 5 5 a a a A „ Karotis”.. normal BE 0 BERDE CL. 1) Volkmann, Hämodynamik S. 177, 178. Leipzig 1850. 2) O. Riddle and S. A. Matthews, The blood pressures of birds and their modification by drugs. Americ. Journ. of physiol. vol. 19 S. 108. 1907. ‘ Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 265 Der venöse Blutdruck hatte folgende Höhen: H;0 mm Hg mm Ente V. brachialis sinistra 88 6,5 Ä i 3 em vom distalen 2 2 & = = Ende des Humerus ” ” ”» N 47 9,9 f dextra 98 4,3 » $)] ” Auffallend ist die geringere durehschnittliche Höhe des arteriellen Blutdruckes (besonders beim -Hahn) in der von Riddle und Matthews angegebenen Tabelle, wenn man sie mit den Resultaten meiner Versuche vergleicht. Dieser Unterschied wird hauptsächlich darauf zurückzuführen sein, dass die beiden Forscher ihre Versuchs- tiere mit Äther narkotisierten, der, wie sie selbst hervorheben, die Höhe des Blutdruckes herabsetzt. Ich selbst hatte keine Veranlassung, meine Versuchstiere zu narkotisieren, da die Tiere sich während der sanzen Dauer des Versuches in der Regel ruhig verhielten, wenn man den Öperationstisch vor Erschütterungen bewahrte. Andererseits hätte ein Narkotikum die Pulsfrequenz, den Blutdruck und die Atmune häufig in nicht zu übersehender Weise beeinflusst. Ein reiches Material von PBlutdruckbestimmungen bei ver- schiedenen Säugetieren, die in bezug auf Grösse und Lebensweise merklich voneinander abweichen, findet sich in dem oben angeführten Buche Volkmann’s niedergelegt. Nicolai!) kommt bei der Beurteilung der Volkmann ’schen Zahlen zu folgendem Ergebnis: „Da der Blutdruck bei einzelnen Individuen ausserordentlich schwankt, können nur die Mittelwerte aus grossen Zahlenreihen verwendet werden. Immerhin kann man aus Volkmann’s vergleichenden Messungen den Schluss ziehen, was er selbst leugnet (l. ec. S. 179), dass praeter propter der Blutdruck bei grossen Tieren grösser ist als bei kleinen Tieren.“ „Ich gebe, um diesen Einfluss zu zeigen, die Mittelzahl der bei Säugetieren gewonnenen Werte und gleichzeitig die bei der be- treffenden Tierspezies beobachteten höchsten und niedrigsten Werte: 1) Nicolai, Die Mechanik des Kreislaufes. Nagel’s Handb. d. Physiol, d. Menschen Bd. 1 S. 772, 773. 266 Hans Stübel: Blutdruck in mm Hg Name des Tieres Mittelwert © ©: [aller Beobachtungen lau lan. Pferde: E EA age, 18 23 11 Kalb Rs 16 18 13 Schafen nee 16 21 10 Hunde Boa rer 14 17 10 ZIEGE AR 32 13 13 12 Kaninchen: 211.4... 1.0. 10 11 ) „Allerdings sind diese Zahlen nur als Mittelzahlen zu betrachten, im einzelnen findet man grosse Abweichungen und zum Teil viel höhere Werte, als Volkmann angibt. Ein Blutdruck von 20 em Hg kommt bei Hunden selbst in völliger Urethannarkose vor, und bei Kaninchen findet man Werte bis zu 13 cm — Werte von 15 cm sind nicht selten.“ Tigerstedt!) schätzt den mittleren Blutdruck in der Aorta des Menschen hauptsächlich auch auf Grund der vergleichenden An- gaben Volkmann’s auf 150 mm Hg. Auch Tigerstedt betont dabei, „dass bei den Säugetieren die Körpergrösse einen merkwürdig geringen Einfluss auf den Blutdruck ausübt.“ Die Bedingungen, welche die jeweilige Höhe des Blutdruckes bestimmen, sind sehr verschiedener Natur und vielen Veränderungen unterworfen. Inwieweit nun diese Bedingungen bei Vögeln anders sind als bei Säugetieren, darüber sind unsere Kenntnisse zurzeit noch ausserordentlich gering. Wir wissen nicht, ob gröbere Verschiedenheiten in Bezug auf die Eigenschaften der Arterienwandung zwischen Vögeln und Säuge- tieren bestehen, ob die Elastizität der Gefässwände eine andere ist, oder ob der Tonus der Gefässmuskulatur der Vögel wesentlich von dem der Säugetiere abweicht. Nach Gadow°) „sind im allgemeinen die Wände der Arterien der Vögel stärker als die der Säugetiere“, was jedem, der öfters Vögel zu sezieren Gelegenheit gehabt hat, auch aufgefallen sein wird. Ebenso ist uns unbekannt, inwieweit sich die Viskosität des Vogelblutes von der des Säugetierblutes unterscheidet. Über die Blutmenge der Vögel hat Keilson?°) einige An- gaben gemacht. Er bediente sich bei seinen Untersuchungen der DR Tieerstedt, 1.c. 3929. 2) Gadow, |. c. 8. 767. 8) Keilson, |. c. Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 2367 Welcker-Heidenhain’schen Methode und führt folgende Zahlen an: = Tierart | Blutmenge Blutmenge %o relativ Mausıt- Has zur Do 84 Y/ıa P atteee er 0 a, Meerschweinchen... . . 6,1 U z Kaninchen... ara. e 9,9 lg „ IKatzerge 02 Warn. 6,1 Ye „ Sperlinen+: nl #0 * 10,67 Io, Naubei nn aulahng: 7,6 uase, ENTE u 5,4 !/ao „ IETROSCHISENER Mat 8,0 Las; Auf Grund dieser Bestimmungen besitzt also der Sperling eine auffallend grosse prozentuale Blutmenge, während die Taube hierin ungefähr mit der Ratte, das Huhn mit dem Kaninchen überein- stimmt. Nach P. Bert!) beträgt das Gewicht des Blutes beim Huhn Ysı—!/ıs, bei der Ente Yıa—!/sı des Körpergewichts. Marshall?) gibt an, dass sich „das Gewicht des Blutes zu dem des ganzen Körpers bei der Taube durchschnittlich wie 1 zu 15,8, beim Haushahn wie 1 zu 11,5 verhält“. Nach diesen allerdings spärlichen Angaben scheint also die relative Blutmenge der Vögel eher etwas erösser zu sein als die der Säugetiere. Riddle und Matthews?) kommen auf Grund ihrer Be- stimmungen des Blutdruckes in der Vena brachialis der Ente zu dem Schlusse, dass das Druckgefälle zwischen arterieller und venöser Bahn bei den Vögeln ungefähr demjenigen bei den Säugetieren gleichkommt. Mithin würde bei den Vögeln auch der Kapillardruck in der Mechanik des Kreislaufes dieselbe Rolle spielen wie bei den Säugetieren. Hierfür sprechen auch die vergleichenden Beobachtungen, welche Keilson*) über die Weite der Kapillaren bei verschiedenen Tieren gemacht hat. Nach Keilson beträgt das Kaliber der Leber- kapillaren bei sämtlichen in der oben wiedergegebenen Tabelle an- geführten Tierarten 5,72 u. Es ist also zum mindesten unwahr- scheinlich, dass der Widerstand in der Peripherie der Gefäss- 1) P. Bert, Lecons sur la physiologie comparee de la respiration p- 318f. 1870. 2) Marshall, Der Bau der Vögel. 189. 3) Riddle und Matthews, |. cc. 4) Keilson,l. c. 268 Hans Stübel: bahn bei den Vögeln eine grössere Rolle spielt als bei den Säuge- tieren. Ein für die Höhe des Blutdruckes sehr wesentlicher Faktor ist ferner die Grösse der in der Zeiteinheit in das arterielle System hineingetriebenen Blutmenge, das Sekundenvolumen, das einerseits wieder vom Schlagvolumen des Herzens und von der Zahl der Herz- schläge in der Zeiteinheit abhängig ist. Direkte Bestimmungen des Sekundenvolumens sind bei Vögeln noch nicht gemacht worden, und Versuche in dieser Richtung dürften bei der Kürze der grossen Gefässstämme auf ausserordentliche technische Schwieriekeiten stossen. Dass die Herzfrequenz der Vögel eine relativ grössere ist als die der meisten Säugetiere, ist bereits erörtert worden. Nach Keilson’s!) allerdings spärlichen Angaben über das Herzvolumen verschiedener Tiere scheint das Schlagvolumen des Herzens der Vögel das des Säugetierherzens beträchtlich zu übersteigen, wenn man nach diesen Angaben von der Kapazität der Herzhöhlen auf die Grösse des Schlagvolumens schliesst. Keilson bestimmte das Herzvolumen nach der Methode Santorini’s und fand folgende Durchschnitts- werte: Relatives Herzvolumen Tierart — linke Kammer rechte Kammer Ratten er l/s47 BP. —_ Meerschweinchen... . . /ısıı „ I/ııa2 P. Kaninchen. 2.2.2008 1/ogse „ 1/2318 „ Katzemep ea se a: 1/2916 „ 1/asar „ Taube ine Ss, ea _ Huhn.-.er, 20.8 Mes ne RER 5 1/a0ı P. Von besonderem Interesse ist die Höhe des Blutdruckes für uns deshalb, weil sie uns eventuell einen Massstab für die Grösse der Herzarbeit bieten kann. Diese ist das Produkt aus Minutenvolumen und Aortadruck. Aber „da die vom Herzen herausgetriebene Blut- menge bei einem und demselben arteriellen Druck innerhalb sehr weiter Grenzen variieren kann, ist es ersichtlich, dass der Blutdruck an und für sich nieht als Maass der physiologischen Leistung der Zirkulation genügt“). Wenn wir jedoch finden, dass der mittlere 1) Keilson, |. c. 2) R. Tigerstedt, Der arterielle Blutdruck. Ergebnisse der Physiologie Bl. 6 S. 320. 1907. Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 2369 Blutdruck der Vögel unter normalen Verhältnissen den der Säuge- tiere übertrifft, so erscheint — trotzdem uns das Minutenvolumen nieht bekannt ist — der Schluss gerechtfertigt, dass die Arbeits- leistung des Vogelherzens im allgemeinen grösser sein wird als die des Säugetierherzens. Nicht nur die hohe Pulsfrequenz, sondern auch die Höhe des Blutdruckes können wir als einen Ausdruck der ausserordentlich intensiven Arbeitsleistung des Herzens der Vögel auffassen. Allerdings gehen dabei Puls- frequenz und Blutdruck nicht parallel, wie wir z. B. beim Truthahn einen ausserordentlich hohen Blutdruck bei relativ geringer Puls- frequenz, beim Haushuhn einen nur wenig niedrigeren Blutdruck bei hoher Pulsfrequenz finden. Wenn wir auf Grund unserer Erwägungen über die Höhe des Blutdruckes der Vögel zu dem Schlusse kommen, dass die Arbeits- leistung des Vogelherzens eine grössere ist als die des Säugetier- herzens, so stimmt dieses Ergebnis in vorzüglicher Weise überein mit den Resultaten, welche Parrot!) und Grober?) bei der Be- stimmung des relativen Herzgewichtes der Vögel erhielten. Auch das grössere relative Herzgewicht spricht dafür, dass das Schlag- volumen des Herzens und damit die Arbeit des Herzens eine grössere sein muss als bei den Säugetieren. Während aber Parrot der Meinung ist, dass lediglich die vermehrte Muskelarbeit der Vögel die Erhöhung des relativen Herzgewichtes bedingt, kommt Grober bei der Beurteilung der Zahlen Parrot’s zu dem Schlusse, dass dies nicht die alleinige Ursache für die Gewichtsvermehrung sein kann; denn Vögel, deren Muskelarbeit eine nach ihrer Lebens- weise zu urteilen verhältnismässig geringe ist, haben häufig ein höheres relatives Herzgewicht als solche, die uns als besonders gute Flieger oder Läufer bekannt sind. Aus diesem inkongruenten Ver- halten von Muskelarbeit und relativem Herzgewicht folgert Grober, dass es nicht nur die erhöhte Muskeltätigkeit der Vögel, sondern überhaupt der intensivere Stoffwechsel und die durch diesen be- dingten Veränderungen in der Dynamik des Kreislaufes sein müssen, -die die Erhöhung des relativen Herzgewichtes bewirken. Die Tat- 1) Parrot, Grössenverhältnisse des Herzens bei Vögeln. Zoolog. Jahrb. -f. Systematik Bd. 7 S. 496. 2) Grober, Über Massenverhältnisse an Vogelherzen. Pflüger’s Arch. Bd. 125 S. 507. 1908. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd, 135. 18 270 Hans Stübel: sache, dass Pulsfrequenz und Blutdruck bei den Vögeln und zwar auch bei solchen, die sich nieht durch besondere Lebhaftigkeit aus- zeichnen (z. B. Haushuhn, Hausente), sehr hoch sind, beweist die Berechtigung dieser Folgerung Grober’s. Anhangsweise seien in foleender Tabelle Blutdruckhöhen an- segeben, welche mit dem Gad’schen Blutwellenschreiber verzeichnet wurden, um über die Differenz zwischen systolischem und diasto- lischem Blutdruck in der Karotis der Vögel Aufschluss zu ge- winnen: Blutdruck in mm Hg Differenz systolisch diastolisch Elenne. ns ee ee 180 160 20 170 160 10 NebelkrahenAe se 150 130 20 140 120 20 143 115 28 135 115 20 140 105 3 Bussardsd ala ara. mel ns 145 120 25 140 125 15 IBUSSardı An nn BRETT 163 160 3 165 160 5 Bussardr as er en ee 145 135 10 x 135 120 15 Habicht Er a 2.2 20 175 170 5 170 160 10 205 200 b) Im Anschluss an diese Besprechung über den Blutdruck der Vögel sei noch erwähnt, dass es Rubbrecht!) gelungen ist, bei der Gans intrakardiale Druckkurven des linken Ventrikels auf- zunehmen und gleichzeitig die Kurve des Herzstosses zu verzeichnen. Diese Kurven stimmten in allem Wesentlichen mit den entsprechenden Kurven von Säugetieren überein. Ferner hat Graham Brown?) die Herzbewegungen der Taube mit Hilfe eines durch die obere Thoraxapertur eingeführten Aufnahmeapparates registriert. 1) Rubbrecht, Recherches cardiographiques chez les oiseauxz. Bulletins de l’Academie de Belgique 3° Ser. t. 35 p. 438. 1898. — Arch. de biol. t. 15 p- 647. 1898. 2) Graham Brown, Eine neue Methode, Herzbewegungen bei Tauben zu registrieren. Zeitschr. f. biol. Technik u. Methodik Bd. 1 8.282. 1909. Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. nl Der Einfluss der Atmung auf die Blutdruckkurve der Vögel. Die normale Blutdruckkurve eines Vogels zeigt Atem- schwankungen, die sich in keiner Weise von den Atemschwankungen der Säugetiere unterscheiden. So hat die Blutdruckkurve eines Huhnes in dieser Beziehung ganz dasselbe Aussehen wie die eines Kaninchens (Fig. 1, 11). Verzeichnen wir über der Blutdruck- kurve gleichzeitig die Atemkurve, so sehen wir, wie auch beim Vogel Atmung und Atemschwankung in ihrem zeitlichen Verlaufe völlig übereinstimmen. Legros und Griffe!) haben in einer ver- gleichenden Untersuchung über den Einfluss der Atmung auf den Blutdruck, die sich über eine grössere Anzahl verschiedener Tier- arten erstreckt, die Atemschwankungen des Truthahnes und der Gans — beide Tiere verhielten sich in den Versuchen völlig gleich — beschrieben. Der Blutdruck erhebt sich in der von Legros und Griffe mitgeteilten Kurve vor dem Ende der Inspiration und senkt sich vor dem Ende der Exspiration. Das Zurückbleiben der Schwankungen des Blutdruckes hinter denen des intrapleuralen Druckes ‘(„Pression intrapleurale“) hat nach den genannten Autoren seinen Grund in der Langsamkeit der Atmung. Diese an sich richtige Begründung dürfte nur insofern zu korrigieren sein, als man bei Vögeln nicht von einem intrapleuralen Druck reden darf, da ihnen eine eigentliche Pleurahöhle fehlt. Während der Inspiration fanden Legros und Griffe die Pulsfrequenz verlangsamt. Ich konnte diese Angaben für den Truthahn und die Gans nicht nach- prüfen. Kurven des Blutdruckes der Gans habe ich bis jetzt noch nicht aufgenommen; die eine Blutdruckkurve vom Truthahn, welche mir vorliest, zeigt überhaupt keine Atemschwankungen. Nur in seltenen Fällen habe ich deutliche und konstante Frequenz- schwankungen, welche zur Atmung in Beziehung stehen, feststellen können, worauf ich später noch zurückkommen werde. In der Tabelle des Anhang I ist die Zahl der Atemschwankungen in der Minute, ihre durchschnittliche Höhe, ihre Form und die Ver- änderungen, die die Atemschwankungen im Laufe des Versuches zu- weilen erfuhren, angegeben. Schon aus den Tabellen (S. 342—345) kann man den Schluss ziehen, dass die individuellen Schwankungen des Atemtypus der Vögel und der 1) Legros et Griffe, Note sur l’influence de la respiration sur la pression sanguine. Bullet. de ’academie de Belgique 3° Ser. t.6. 1883. 15 * 272 Hans Stübel: Einfluss der Atmung auf die Blutdruckkurve sehr erheblich sein müssen. In vielen Fällen werden die Atemschwankungen im Laufe des Versuches bedeutend niedriger, als sie am Anfang waren oder verschwinden völlig; in anderen wieder sind sie zu Beeinn des Versuches nicht vorhanden oder nur angedeutet und treten erst nach einiger Zeit auf. Hierbei ist noch zu erwähnen, dass bei und nach einer Dyspnöe entsprechend der krampfhaft vertieften Atmung die Atemschwankungen bedeutend tiefer werden. In erster Linie sind bei der Zusammenstellung der Tabelle die Atemschwankungen am Anfang des Versuches berücksichtiet worden, vorausgesetzt, dass das Tier eine ungestörte Blutdruckkurve zeigte. Da die Atmung der Vögel sowohl ihrer Frequenz als ihrer Grösse nach ausserordentlich leicht beeinflussbar ist, mussten Veränderungen des Typus der Atemschwankungen, die im Laufe eines Versuches fast stets vorkamen, immer auf Einwirkung durch den Versuch be- dingter Reize zurückgeführt werden. Aber nur in wenigen Fällen, und dann zumeist in solchen, in denen Blutdruck- und Atemkurve gleichzeitig verzeichnet wurden, liess sich eine ganz bestimmte Ur- sache für Veränderungen der Form der Atemschwankungen oder für ihr oft plötzliches Auftreten bzw. ihr Verschwinden nachweisen. Nach der oben angeführten Tabelle beträgt die durchschnitt- liche Frequenz der Atmung in der Minute: Eluhna a Saatkrähe ur er Hausenten m 2226 Dohler 2 ner 26 Stockente . . . 19 Bussard "0272718 Moyer Krull n26 Hervorzuheben ist dabei noch die Tatsache, dass die Henne eine bedeutend höhere durchschnittliche Atemfrequenz hat als der Hahn: Hahn. are 20. 218 Henne . ...598 Eine reichhaltige Tabelle der Atemfrequenz verschiedener Vögel gibt P. Bert). Grosse Unterschiede zeigen sich auch bezüglich der Höhe der Atemschwankungen. l). P. Bert, 1. c. S. 394, Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 373 Durehschnittliche Höhe der Atemschwankungen in mm Hg: Elenne . . .0..2,5 Saatkräle, . 002025 BET Nebelkrähe . . . 1 Biuhres en 2 er Dohleriw or. Er unse Movers aaa zT bussardeap. = Mne2ı5 Im allgemeinen sind die Atemschwankungen grösserer Vögel etwas tiefer als die kleinerer (vgl. Hahn und Henne, Geier und Möve usw.). 2 Während die meisten Kurven Atemschwankungen aufwiesen, die ihrer Höhe und Länge nach ziemlich gleichmässig verliefen, zeigten einige fast während der ganzen Dauer des Versuches ganz unregelmässige und im Laufe des Versuches sehr veränderliche Atem- schwankungen, entsprechend einer unregelmässigen, wahrscheinlich durch äussere Reize besonders leicht beeinflussbaren Atemfrequenz und Atemgrösse. In besonders auffallender Weise lies sich dieses Verhalten bei den Enten, den Haus- sowohl als den Stockenten be- obachten, worauf ich später noch einmal zurückkommen werde (Fig. Sla, 8S1b, 84a, 87a). Als Beispiel diene ein Auszug aus dem Versuchsprotokoll über Ente 4 (Fig. 5a, 5b, 6). Zuerst 17 sehr flache Atemschwankungen in der Minute. Dann fehlen die Atemschwankungen eine Zeitlang gänzlich; später treten sie wieder auf und erreichen eine Höhe von ca. 2 mm He; die Atemfrequenz schwankt dabei zwischen 14 und 19. Die Pulsfrequenz ist im aufsteigenden und absteigenden Schenkel der Atemschwankung gleich. Nach einiger Zeit sinkt die Atemfrequenz auf 13, und die Atemschwankungen erreichen eine Höhe bis zu 13 mm Hg, wobei die Pulsfreguenz im absteigenden Schenkel der Atemschwankung etwas geringer ist als im aufsteigenden. Die Atemfrequenz sinkt nach einer Dyspnoe weiter bis auf 9 pro Minute, wobei die Höhe der Atemschwankungen entsprechend der Vertiefung der Atmung bis auf 30 mm Hg steigt. Nach einer längeren Pause beträgt die Atemfrequenz wiederum 15, und die Atemschwankungen haben nur noch eine Höhe von 5 mm. In der Regel zeigte sich unter normalen Verhältnissen der ab- steigende Schenkel der Atemschwankung ebenso lang und steil als der aufsteigende. Nur bei einigen Vögeln, bei denen die Inspiration bedeutend langsamer ablief als die Exspiration, hatte diese Atmungs- weise auch einen Einfluss auf die Form der respiratorischen Blut- 9374 Hans Stübel:; drucksehwankungen, indem dann der absteigende Schenkel länger und flacher verlief als der aufsteigende. Weit häufiger kamen derartige abweichende Formen der Atem- schwankungen bei doppelseitig vagotomierten Vögeln vor, was in Zusammenhang mit anderen nach der doppelseitigen Vagotomie auftretenden Erscheinungen weiter unten eingehender erörtert werden soll. Zuweilen liess sich bei Anwendung des Gad’schen Blutwellen- schreibers feststellen, dass die Höhe der pulsatorischen Druck- schwankung in der Tiefe der Atemschwankung grösser war als auf der Höhe der Atemschwankung. In diesen Fällen schien also bereits eine ganz geringe Verminderung des Widerstandes in der Peripherie der Gefässbahn zu genügen, um das Herz zu ausgiebigeren Kontrak- tionen zu veranlassen. Wird ein tracheotomierter, durch Curare vergifteter Vogel künst- lich mit dem Blasebalg ventiliert, so treten Schwankungen auf, die den künstlichen Atemzügen synchron sind und sich nicht von natür- lichen Atemsehwankungen unterscheiden; auch am nicht euraresierten Tiere gelingt der Versuch leicht, und man kann dabei die Frequenz der künstlichen Atemzüge in ziemlich weiten Grenzen variieren. Dabei ist es gleichgültig, ob die Nn. vagi erhalten sind oder nicht. Als Beispiele mögen folgende Versuche angeführt werden: Henne 9 zeigt nach Curaresierung bei künstlicher Atmung Blut- druckschwankungen, die den künstlichen Atemzügen synchron sind. Henne 17 (nicht euraresiert), zeigt am Anfang des Versuches 20 normale Atemschwankungen in der Minute. DBei künstlicher Atmung (17 pro Minute) bleiben die Atemschwankungen der künst- lichen Atmung synchron bestehen, sind aber nun in bezug auf Höhe und Länge etwas unregelmässig. Bei etwas gesteigerter Geschwindigkeit der künstlichen Atmung (24 pro Minute) ändert sich der Charakter der Kurve nicht. Bei ganz rascher künstlicher Atmung (60 pro Minute) zeigt die Kurve lange, vollständig unregel- mässige Wellen. Ähnliche Wellen treten bei sehr tiefer und lang-. samer künstlicher Atmung (8 pro Minute) auf. Nach Aussetzen der künstlichen Atmung bleiben diese Wellen bestehen. Wie eine nun aufgenommene Atemkurve zeigt, entsprechen diese langsamen Wellen einer atypischen, äusserst verlangsamten Atmung (ca. 4 Atemzüge pro Minute). Die Verlangsamung der Atmung wird bewirkt durch Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 375 Ausbildung exspiratorischer Atempausen. Ganz dasselbe Resultat lieferte derselbe Versuch bei Henne 18. Ente 2 zeigt am Anfang des Versuches 16 in Bezug auf Höhe und Länge unregelmässige Atemsehwankungen in der Minute. Am Ende des Versuches werden beide Vagi durchschnitten; darauf wird das Tier curaresiert. Nach Beginn der künstlichen Atmung treten regelmässige Blutdruckwellen auf, deren Höhendifferenz 1—2 mm Hg beträgt, und die den künstlichen Atemzügen synchron sind. Auch bei sehr rascher künstlicher Atmung (39 pro Minute) bleiben diese Wellen bestehen. Diese Tatsachen zeigen, dass. die Ursachen für die Entstehung der Atemschwankungen bei den Vögeln dieselben sein werden wie bei den Säugetieren, dass die Atemschwankungen also äuf mechanische Ursachen zurückgeführt werden können. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, dass mechanische Ursachen allein und in jedem Falle hier in Frage kommen. Da nun die Mechanik der Atmung bei den Vögeln eine ganz andere ist als bei den Säugetieren, so sei es gestattet, in Kürze das Wichtigste, was uns hierüber bekannt ist, anzuführen. Speziell die Funktion der Luftsäcke bei der Atmung ist erst in neuester Zeit von Vietorow!) eingehender erörtert worden. Derselbe wies durch seine Versuche nach, dass den Luftsäcken bei der Wärmeresulation des Vogels eine grosse Bedeutung zukommt. Die alte, auf den Experimenten Mery’s basierende, von Sappey” und Campana?) eingehender begründete Anschauung, dass der Gaswechsel der Vögel durch eine Versorgung mit sauerstoffreicher Luft abwechselnd aus den thoracalen und extrathoracalen Luftsäcken zustande kommt, wurde von M. Baer?) widerlegt. Baer spricht jedoch den Luft- säcken der Vögel durchaus nicht jede Bedeutung für den respira- torischen Gaswechsel ab, sondern nach seiner Ansicht werden die Lungen sowohl bei der Inspiration als bei der Exspiration ständig mit Hilfe der Luftsäcke von sauerstoffreicher Luft durcehströmt. Eine wesentliche Stütze für seine Anschauung fand Baer darin, dass er 1) Victorow, Die kühlende Wirkung der Luftsäcke bei den Vögeln. Pflüger’s Arch. Bd. 126 S. 300. 1909. 2) Sappey, Recherches sur l’appareil respiratoire des oiseaux. 1847. 3) Campana, Physiologie de la respiration chez les oiseaux. Paris 1875. 4) Baer, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Atemwerkzeuge bei den Vögeln. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie Bd. 61. 18%. 976 Hans Stübel: einen Vogel in den Zustand der Apnoe versetzten konnte, wenn er bei eröffnetem Humerus Luft durch die Trachea einblies und so das Versuchstier durch einen gleichmässigen Luftstrom ventilierte. Nagel!) änderte den Versuch Baer’s noch dahin ab, dass er die Luft vom eröffneten Humerus aus in die Lungen einblies und so eine lang- dauernde Apnoe erhielt. Demgegenüber hat Treves?) nachgewiesen, dass es sich bei diesem Versuch nieht um eine wirkliche Apnoe, sondern um eine Behinderung der normalen Atembewegungen handelt, was entschieden gegen eine wesentliche Beteiligung der Luftsäcke bei der Atmung sprechen würde. Von besonderer Bedeutung ist in dieser Hinsicht auch eine Beobachtung von Siefert?), welcher fand, dass „bei Vögeln (Tauben) der Gaswechsel nicht aufhört, auch wenn sämtliche erreichbaren Luftsäcke zerrissen und soweit als möglich entfernt werden“. Diese Angabe ist von Vietorow in weitgehendstem Maasse bestätigt worden. Vietorow?) eröffnete die sechs grossen Luftsäcke, füllte sie mit feuchter Watte aus, vernähte die Bauchwunde und sah „trotzdem die Taube ohne jede Spur von Dyspnoe weiter- atmen“. Er konnte ausserdem im Gegensatz zu Baer noch den wichtigen Nachweis erbringen, dass die Vogellunge in der Tat kom- primierbar ist, indem er einen Tropfen Wasser auf eine der Kom- munikationsöffnungen zwischen Bronchien und Luftsack brachte und nun beobachten konnte, wie dieser Wassertropfen bei der Inspirations- bewegung von der Lunge angesogen, bei der Exspirationsbewegung aus ihr herausgepresst wurde. Wenngleich Siefert sich nicht in bestimmter Weise darüber äussert, ob überhaupt den Luftsäcken jede Bedeutung für den respiratorischen Gaswechsel abzusprechen ist, hält er es doch „für völlig einwandfrei bewiesen, dass weder die Luftsäcke noch das sogenannte Diaphragma nötig sind, um den Luft- wechsel in den Lungen zu unterhalten und nichts anderes übrig- bleibt, als in der direkten Einwirkung der Rippenbewegungen auf die Lungen die mechanische Ursache des respiratorischen Gaswechsels 1) Nagel, Zentralbl. f. Physiol. 1900 S. 553. 2) Treves und Maiocco, Össervazioni sull’ apnea degli uccelli. Arch. di Fisiol. t. 2 p. 186. 1905. 3) Siefert, Über die Atmung der Reptilien und Vögel. Pflüger’s Arch. Bd. 64 8.428. 1896. 4) Victorow, l. c. 8. 316. Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 377 zu erblicken )“. Cavalie?) durchschnitt die Interkostalnerven bei Vögeln und zeigte auf diese Weise, dass die Atembewegungen des Thorax sich bei Vögeln und Säugetieren im wesentlichen gleich ver- halten. Wir können also annehmen, dass bei den Vögeln die Rippen die mit ihnen fest verwachsenen Lungen bei jeder Inspiration aus- dehnen, bei jeder Exspiration zusammenziehen, und dass hierdurch der respiratorische Gaswechsel der Vögel im wesentlichen bewirkt wird. Das dürfte nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse die wahrscheinlichste Erklärung des respiratorischen Gaswechsels der Vögel sein. Gerade der Umstand, dass bei den Vögeln die Lungen mit den Rippen fest verwachsen sind und nicht wie bei den Säugetieren sich durch Veränderungen des negativen Druckes in der Pleurahöhle ausdehnen und zusammenziehen, ist nun für die Erklärung der Atem- schwankungen der Vögel von grossem Interesse. Die Druckschwankungen in der Pleurahöhle werden ja als eine wesentliche Ursache für das Zustandekommen der Atemschwankungen der Säugetiere angesehen. Die Vögel dagegen besitzen keine Pleura- höhle in dem Sinne wie die Säugetiere. Zudem sind Brust- und Bauchhöhle noch nicht durch ein Zwerchfell völlig voneinander abge- trennt wie bei den Säugetieren. In der Körperhöhle der Vögel müssen wir zwei grosse Hohl- raumsysteme unterscheiden: 1. die eigentliche Leibeshöhle, welche das vom Perikard umschlossene Herz mit seinen grossen Gefäss- stämmen und den Darmkanal mit seinen Anhangsdrüsen enthält, und 2. die Bronchien, das Hohlraumsystem der Lunge und die mit diesem verbundenen Luftsäcke; letztere liegen nicht allein im Thorax und im Bauchraum, sondern sie dringen in die Muskulatur der Ex- tremitäten ein, erstrecken sich am Halse aufwärts und stehen vor allem auch mit den pneumatischen Hohlräumen der Knochen in Verbindung. Diese beiden grossen Hohlraumsysteme verändern während eines durch die Bewegung der Rippen bewirkten Atem- zuges beide und gleichsinnig ihr Volumen. Das Lungen - Luftsack- system steht dabei durch die Trachea mit der äusseren Luft in Verbindung, die eigentliche Leibeshöhle ist in sich abgeschlossen, 1) Siefert, 1. c. S. 474. 2) Cavalie, Effets de la section des nerfs intercostaux sur la respiration des oiseaux. Compt. rend. Soc. de Biol. 1898 p. 569. 218 Hans Stübel: umgibt aber ihrerseits wieder einen grossen Teil der thoracalen und abdominalen Luftsäcke und die freie Oberfläche der Lungen. Es liegen hier also ganz ähnliche Verhältnisse vor wie in einer Pleura- höhle des Säugetieres. Hier kommuniziert. der innere Hohlraum — Bronchien und Lungenalveolen — auch mit der äusseren Luft; der äussere Raum — die Pleurahöhle — ist in sich abgeschlossen. Während nun aber beim Säugetier die übrigen Organe der Brust- höhle in einem dritten Raume, dem Mediastinum, liegen, dessen Volumen durch die Atembewegungen .der Rippen und des Zwerch- felles gleichfalls rhythmischen Schwankungen unterworfen ist, haben wir beim Vogel nur die zwei Hohlraumsysteme, von denen also das äussere — die Leibeshöhle — bei einer rein mechanischen Be- trachtung der Dinge der Pleurahöhle der Säugetiere entspricht. Während nun die in der Leibeshöhle der Vögel während der Atmung ‘stattfindenden Druckschwankungen für die Lungen so gut wie irrelevant sein werden, denn diese werden ja von den Rippen ge- dehnt und zusammengepresst, spielen sie für die rhythmische Volumen- änderung der Luftsäcke dieselbe Rolle wie die Druckschwankungen der Pleurahöhle für die Volumenänderungen der Säugetierlunge. Nun ist die Pleurahöhle der Säugetiere nicht als ein Hohlraum sensu strietiori anzusehen. Unter normalen Verhältnissen gleiten parietales und viscerales Blatt der Pleura aufeinander. Man kann also nicht sagen, dass bei einer Inspiration sich der Fleuraraum vergrössert, sondern ledielich, dass sich der von den beiden Pleura- blättern umgebene Lungenhohlraum vergrössert. Dasselbe dürfte auch für die Leibeshöhle der Vögel gelten. Nicht die Leibeshöhle an sich wird infolge der Atembewegungen ihr Volumen ändern, sondern die in der Leibeshöhle befindlichen thoracalen und abdominalen Luftsäcke werden bei der Inspiration ihr Volumen vergrössern und so die durch die inspiratorische Erweiterung entstehende Raum- vergrösserung der Leibeshöhle kompensieren. Ebenso wie nun durch eine Druckverminderung in der Leibeshöhle des Vogels Luft in die Luftsäcke gesaugt wird, so wird auch Blut aus den ausserhalb der Leibeshöhle liegenden Venen in die innerhalb der Leibeshöhle befind- lichen Venen angesaugt werden. Experimentell lässt sich jedoch leicht beweisen, dass die in der Leibeshöhle der Vögel stattfindenden Druckschwankungen keinen wesentlichen Einfluss auf die Entstehung der Atemschwankungen ausüben. Bei einer Anzahl von Hennen, deren Blutdruckkurven Weitere Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes ete. 279 wohlausgebildete Atemschwankungen aufwiesen, wurde die Leibes- höhle eröffnet, indem die Bauchdecken in der Mittellinie durch- schnitten wurden; die Atemschwankungen zeigten nach der Operation dieselbe Höhe wie vorher. Bei Enten, Raubvögeln und Krähen kann man ohne jede Schwierigkeit die Leibeshöhle von der oberen Thoraxapertur aus eröffnen und kann mit dem tastenden Finger bis auf den Herzbeutel vordringen; die Atemschwankungen werden hier- durch nicht verändert, sofern sie einmal vorhanden waren. So wurde bei Ente 2 die Leibeshöhle von der oberen Thoraxapertur aus er- öffnet (Fig. S4a); wie oben bereits beschrieben, zeigte die Blutdruck- kurve sowohl unter sonst normalen Verhältnissen als auch bei künst- licher Atmung nach Vergiftung mit Curare und doppelseitiger Vago- tomie wohlausgeprägte Atemschwankungen. Bei Hennen ist dieser Versuch des über dem Schultergürtel stark entwickelten Fettpolsters wegen nicht so bequem auszuführen. Bis zu einem gewissen Grade lässt sich die Tatsache, dass die Eröffnung der Leibeshöhle der Vögel ohne Einfluss auf die Atem- schwankungen ist, dadurch erklären, dass den Vögeln ein eigentliches Zwerchfell fehlt, welches wie bei den Säugetieren sich bei der In- spiration nach abwärts bewegt, das Volumen der Bauchhöhle ver- kleinert, den Abfluss des Blutes nach der Brusthöhle befördert und dessen Kontraktion so zu einem blutdruckerhöhenden Moment wird. Hierzu könnte noch kommen, dass bei einer Ansaugung des Blutes in die Leibeshöhle bei den Vögeln nur das Blut des Kopfes, des Halses und der Extremitäten zur Verfügung steht, während bei einer Ansaugung des Blutes in die Brusthöhle der Säugetiere noch das ganze in der Bauchhöhle befindliche Blut hinzukommt. Auch die Eröffnung der Luftsäcke hat keinen Einfluss auf die Atemschwankungen. Wird ein Vogel tracheotomiert, so werden die Halsfortsätze des cervicalen Luftsackes eröffnet '), die allerdings nicht im Thorax selbst liegen. Wird die Leibeshöhle von der oberen Thoraxapertur aus eröffnet, so wird auch der Saceus interelavieularis, der einen grossen Teil des oberen Thoraxraumes ausfüllt, zerrissen. Eine Wirkung auf die Atemschwankungen lässt sich nach allen diesen Eingriffen nicht erkennen. Die wesentliche Ursache für die Entstehung der Atemschwankungen 1) Grober, Über die Atmungsinnervation der Vögel. Pflüger’s Arch. Bd. 76 S. 456. 1899. | ı BIN) Hans Stübel: der Vögel — soweit dieselben auf mechanische Ursachen zurück- zuführen sind — wird also in den Volumenänderungen zu suchen sein, welche die in den Lungen selbst befindlichen Blutgefässe durch die Atembewegungen erleiden. Bei der inspiratorischen Dehnung der Lungen wird anfangs Blut in den sich erweiternden Lungengefässen zurückgehalten, ein blut- druckerniedrigendes Moment; später wird dem linken Herzen aus dem stark gefüllten Lungengefässen mehr Blut zur Verfügung stehen, ein blutdruckerhöhendes Moment. Umgekehrt wird beim Anfang der exspiratorischen Zusammen- pressung der Lunge mehr Blut zum linken Herzen befördert werden, und der Blutdruck wird hoch bleiben, während später weniger Blut zum Herzen strömen kann, was den Blutdruck erniedrigt. Ausser- dem wird die Diastole des Herzens bei der Inspiration leichter von- statten gehen können als bei der Exspiration, während bei der Systole der Vorgang umgekehrt ist. Insofern also die Entstehung der Atemschwankungen auf Volumenänderungen der Lungengefässe zurückzuführen ist, liegen ganz dieselben Verhältnisse vor wie beim Säugetiere; nur die Ursache der Volumenänderungen der Lunge ist beim Vogel eben eine andere. An dieser Stelle möchte ich noch über eine Anzahl von Ver- suchen berichten, die ich anstellte, um Aufschluss über die Wirkung von in den Lungen stattfindenden Druckschwankungen auf die Blut- druckkurve zu gewinnen. Bei diesen Versuchen wurde Luft in die Trachealkanüle eingeblasen oder aus der Trachealkanüle angesogen, teils bei sonst unversehrten Vögeln, teils bei doppelseitig vago- tomierten Vögeln. An der Blutdruckkurve bemerkte man dann sowohl Veränderungen der Pulszahl als Veränderungen der Blutdruckhöhe. Die Veränderungen der Pulszahl waren sehr inkonstant und liessen sich zumeist nicht mit gewünschter Deutlichkeit feststellen. Ganz sichere Resultate erhielt ich in dieser Beziehung nur bei einem Versuch, der hier kurz beschrieben sein möge. Ente 5 (Fig. Sb, 9); Einblasen von Luft in die Trachea. Pulsfrequenz in 5 —— in in 5 Sekunden vor während nach während nach der er Ir Einblasung 23 18 | 24 Nach doppelseitiger Vagotomie 26 | 27 | 32 | Beiträge zur Kenntris der Physiologie des Blutkreislaufes etc. as] Die Pulsfrequenz sinkt also in diesem Falle beim Einblasen in die Trachea.. Nach Durchschneidung beider Nn. vagi wird die Pulszahl durch Blasen nicht mehr herabgesetzt. Ganz unregel- mässige, aber im Verhältnis zur Höhe der Pulszahl sehr geringen Frequenzschwankungen traten bei doppelseitig vagotomierten Vögeln öfters auf und haben wahrscheinlich mit dem Versuche selbst nichts zu tun. Da wir von Versuchen an Säugetieren wissen, dass die mit der Atmung einhergehenden Frequenzschwankungen auf reflektori- schem Wege durch Vermittlung des Vagus entstehen, so liegt es nahe, anzunehmen, dass auch im vorliegenden Falle die Pulsver- langsamung beim Blasen ein durch den N. vagus vermittelter Reflex sein wird. Mit viel grösserer Regelmässigkeit traten Veränderungen in der Blutdruckhöhe beim Blasen und Saugen auf. Folgende Tabelle gibt eine gedrängte Übersicht über die Ergeb- nisse der diesbezüglich angestellten Versuche: Vogel Wirkung des Blasens Wirkung des Saugens Ente 4 (Fig. 7, 8a) .. . Blutdrucksenkung Wirkung inkonstant Emterar (Bio. 8b). . . - . © 3mal Blutdrucksenkung, 3 mal Blutdruckerhöhung Ente 5 (nach doppelseitiger Vagotomie) (Fig. 9). . . > Blutdrucksteigerung Nebelktähe 1. .... : . . ® Blutdrucksenkung Nebelkrähe 2 (nach doppel- seitiger Vagotomie) . . . Blutdruckse..„uug, gefolgt von einer Blutdruckstei- gerung Bussard 1 (Fig. 35b). . . 5 Blutdrucksenkung Bussard 2 (nach doppel- seitiger Vagotomie) 2) WETTE Wirkung Inkonstant 5 Milan (nach doppelseitiger Maoetomie). ... :...» Blutdrucksenkung Blutdrucksteigerung Blasen in die Trachea wirkt blutdrucksenkend, zuweilen erst nach einer rasch vorübergehenden, unbedeutenden Blutdrucksteigerung. Saugen bewirkt eine Steigerung oder eine Senkung des Blutdruckes. Nach Durchschneidung beider Nn. vagi kann die Wirkung des Blasens und Saugens dieselbe bleiben. Dies ist aber durchaus nicht immer der Fall, vor allem beim Saugen, wo z. B. beim Milan nach doppel- seitiger Vagotomie eine deutliche Umkehr der Wirkung auftrat. Die vorliegenden Versuche, welche ich noch keineswegs als abgeschlossen betrachten möchte, deuten darauf hin, dass bei Vögeln Veränderungen 282 Hans Stübel: der Blutdruckhöhe, welche als Folgen von Veränderungen des Lungen- volumens auftreten, nicht lediglich auf mechanische Ursachen zurück- zuführen sind, sondern dass dabei auch nervöse Zentren tätig sein können. Der erste, welcher die Atmung der Vögel graphisch registrierte, war P. Bert'). Später haben dann Knoll?) und besonders ein- gehend Siefert?) die Atmungskurve der Vögel studiert. Beide Autoren heben die „auffallende Empfindlichkeit des sehr komplizierten respiratorischen Mechanismus“ und die dadurch bedingte „grosse Mannigfaltigkeit des Atmungstypus“ hervor.. Siefert reproduziert in seinen Kurven eine grosse Zahl verschiedener Atmungstypen. Charakteristisch ist vor allem die Neigung zur Pausenbildung. Diese Pausen treten entweder auf der Höhe des Exspiriums auf, oder sie finden sich, was — wie Siefert mit Recht betont — bei weitem häufiger vorkommt, zwischen den einzelnen Atemzügen, während der Thorax eine Stellung einnimmt, die der Ruhelage, also der Kadaver- stellung, nabekommt oder derselben vollkommen entspricht. In- spiratorische Pausen gehören zu den grössten Seltenheiten. Ausser den erwähnten Forschern haben sich auch Zander?) und Couvreur°) mit der Atmung der Vögel, speziell in ihrer Beziehung zum Vagus, beschäftiet. Die eingehendste Arbeit über diesen letzteren Gegen- stand verdanken wir Grober®), der den Einfluss der Durch- schneidung der Vagi, der zentralen Vagusreizung sowie des Aufblasens und Aussaugens der Lungen auf die Atemkurve bei Tauben studiert hat. Reizung des zentralen Vagusstumpfes (Fig. 45, 53, 36, 85) kann sowohl Verlangsamung als Beschleunigung, sowohl Vertiefung als Ver- flachung der Atmung, oder kann — und dies ist der häufigste Fall — Stillstand der Atmung erzeugen. Bis zu einem gewissen Grade ist dabei das Resultat der Reizung .von der Reizstärke abhängig. Durch- schneidung eines Vagus kann für kurze Zeit dieselbe Wirkung haben. 1) 1%, Bee, Ik & 8 Silld ir, 2) Knoll,l. c. S) Dılaıaseın, Ih & 4) Zander, Folgen der Vagusdurchschneidung bei Vögeln. Pflüger’s Arch. Bd. 19 S. 263. 1879. 5) Couvreur, Sur le pneumogastrique des oiseaux. Annales des l’uni- versite de Lyon t. 2, 3e fasc. 1892. 6) Grober, Über die Atmungsinnervation der Vögel. Pflüger’s Arch. Bd. 76 S. 427. 1899. Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 283 Doppelseitige Vagotomie bewirkt eine enorme Verlangsamung der Atmung, die seltener durch exspiratorische Pausen, in den meisten Fällen durch Pausenbildung in Kadaverstellung des Thorax bedingt ist. Ich habe, speziell um gewisse nach der doppelseitigen Vagotomie auftretende Veränderungen der Blutdruckkurve näher zu untersuchen, zugleich mit der Blutdruckkurve in einer grösseren Anzahl von Fällen Atemkurven aufgenommen und konnte die Resultate von Siefert und Grober bestätigen. Da es mir nicht darauf ankam, die Form der intrapulmonalen Druckschwankungen genau zu ver- zeichnen, so benutzte ich nicht eine Atemflasche, welche, wie schon Knoll erwähnt, bei Vögeln sehr bald zur Entstehung einer Dyspnöe führt, sondern ich verband nach dem Vorgange von Siefert!) die T-förmige Trachealkanüle einerseits mit einem Marey’schen Tam- bour, während ich den dritten Schenkel mit einem kurzen Gummi- schlauchstück versah, das durch eine Klemme nur so weit verengt wurde, bis der Schreibhebel des Tambours deutliche Ausschläge gab. So wurde stets eine Dyspnöe vermieden, die bei gleichzeitiger Auf- nahme einer Blutdruckkurve natürlich sehr störend gewesen wäre. Auch mir fällt die ausserordentliche Mannigfalticskeit der Form der Atemkurve auf, nicht nur, wenn ich Atemkurven verschiedener Individuen, sondern auch, wenn ich Kurven eines und desselben Versuchstieres, die zu verschiedenen Zeiten des Versuches unter anscheinend ganz gleichen äusseren Umständen aufgenommen sind, miteinander vergleiche. Charakteristische Unterschiede in den Atem- kurven verschiedener Vogelarten liessen sich nicht feststellen. Da später gewisse Beziehungen zwischen Atemkurve und Blut- druckkurve der Vögel eingehender erörtert werden sollen, möchte ich hier in aller Kürze die verschiedenen Formen der Atemkurve, so wie sie sich mir in meinen Versuchen darstellten, beschreiben. Ein normal atmender Vogel zeigt eine sehr regelmässige Atem- kurve. Die Atemzüge sind von gleicher Tiefe; ihr zeitlicher Verlauf zeigt keine Unregelmässiekeiten. Die inspiratorische Bewegung erfolet mit derselben oder mit annähernd derselben Geschwindigkeit wie die exspiratorische. Dabei ist die Geschwindigkeit in beiden _ Atmunesphasen meist eine sleichförmige (Fig. Il). Wird nun die Atmung aus irgendwelchen Gründen verlangsamt, so kann diese Verlangsamung auf verschiedene Weise zustandekommen. Entweder 1) Siefert, I. c. S. 435. 284 Hans Stübel: laufen die Atembewegungen langsamer ab, oder es bilden sich Atempausen. Im ersteren Falle wird in der Regel nur eine Atmungsphase verlangsamt, oder die Verlangsamung der einen Atmungs- phase überwiegt wenigstens beträchtlich die Verlangsamung der anderen. Dabei ist die Verlangsamung nicht eine während der ganzen Atmungsphase gleichförmige, sondern betrifft nur einen Teil der Atmungsphase und setzt dann an ganz bestimmten Punkten derselben ein. So sehen wir während der inspiratorischen Phase die Verlangsamung nicht schon am Wendepunkte der Atemkurve ein- treten, sondern erst in der Mitte des inspiratorischen Schenkels (Fig. 36, 37, 38a) oder gegen Ende desselben. Eine Verlang- samung während der Exspiration hingegen kann auch zu Beginn der exspiratorischen Bewegung stattfinden (Fig. 3). Tritt eine ex- spiratorische Verlangsamung in der Mitte oder am Ende der Atem- phase auf, so finden wir alle Übergänge von einer Verlangsamung bis zu einer exspiratorischen Atempause (Fig. 10). Diese Atempause geht jedoch ihrerseits nicht immer sofort in die in- spiratorische Phase über, sondern am Ende der Pause setzt sich die Exspirationsbewegung in Form einer meist sehr rasch abiaufenden, steilen Erhebung der Kurve fort, um dann unter sehr spitzem Winkel zur Inspiration überzugehen. Diese Zacke ist für Atmungskurven von Vögeln ganz charakteristisch (Fig. 4). Entwickelt sich jedoch aus einer während der Inspiration stattfindenden Verlangsamung eine Atempause, so tritt diese Pause nicht am Ende des Inspiriums, sondern in der Mitte des Inspiriums auf, in einer Lage, die also der Kadaverstellung des Thorax entspricht (Fig. 97 b, Geier nach doppel- seitiger Vagotomie). Die nach doppelseitiger Vagotomie auftretenden Veränderungen der Atemkurve wurden vorhin schon kurz erwähnt. Es findet dem- nach in diesem Falle eine oft ganz ausserordentliche Verlangsamung der Atmung statt, und zwar entsteht die Verlangsamung durch Ein- schaltung von Atempausen. Selten sind rein exspiratorische Atem- pausen (Fig. 89), am Schlusse derselben kann sich dann die oben beschriebene exspiratorische Zacke finden (Fig. 96). In der Regel erscheint die Atempause in Kadaverstellung oder in einer ihr nahe- kommenden Stellung des Thorax. Diese Pause kann sowohl während der inspiratorischen (Fig. 70) als auch während der exspiratorischen (Fig. 85) Phase einsetzen. Je nach der Länge der Atempause und der Form der zwischen den Pausen liegenden Atemzüge haben Atem- Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 385 kurven doppelseitig vagotomierter Vögel ein sehr verschiedenes Aus- sehen. Die Atemzüge sind bedeutend tiefer als vor der Durch- - sehneidung der Vagi, und in zahlreichen Fällen läuft der einzelne Atemzug nach doppelseitiger Vagotomie bedeutend rascher ab. Zu- meist sind die Atempausen kurz nach der Durchschneidung am längsten; selten (z. B. bei Ente 4) werden die Pausen mit der Zeit noch länger als unmittelbar nach der Durchschneidung. Ferner ist es durchaus nicht immer der Fall, dass zwischen zwei Atempausen stets nur ein Atemzug eingeschaltet ist; häufig findet sich eine Gruppe von mehreren sehr vertieften und sehr rasch ablaufenden Atemzügen zwischen zwei Pausen. Dazu kommt, dass die einzelnen Atemzüge in bezug auf Länge und Tiefe sich erheblich voneinander unterscheiden können. So findet man zuweilen mehrere flache, ver- hältnismässig langsame und durch verhältnismässig kurze Pausen voneinander getrennte Atemzüge zwischen periodisch in grossen Ab- ständen auftretenden, sehr rasch ablaufenden und stark vertieften Atemzügen. Diese beiden nach der doppelseitigen Vagotomie auftretenden, besonderen Erscheinungen: gruppenweises Auftreten von Atemzügen zwischen Atempausen und periodisches Auftreten tieferer Atemzüge zwischen flacheren verdienen wegen später zu beschreibenden Er- scheinungen an der Blutdruckkurve unsere besondere Aufmerksamkeit. Die letzterwähnten, flachen, oft nur angedeuteten Atemzüge will ich späterhin der Kürze halber als „abortive“ Atemzüge bezeichnen. An dieser Stelle sei eine kurze Beschreibung der von mir auf- genommenen Atemkurven doppelseitig vagotomierter Vögel ein- geschaltet. Die Zahl dieser Atemkurven ist keine besonders grosse; trotzdem dürften sie einiges Interesse beanspruchen da sie von mehreren verschiedenen Vogelarten anfgenommen sind. Henne 17 (Fig. 76). Atemfrequenz vor der Durchsehneidung des zweiten Vagus erst 20 pro Min., sinkt später nach einer längeren Periode künstlicher Atmung auf 6; nach der Durchschneidung 1—2, später 2—3. Nach der Durchschneidung des zweiten Vagus prägt sich sofort die charakteristische Atmung aus: sehr tiefe, rasch ab- laufende, durch lange Pausen getrennte Atemzüge. Die Kurve ist jedoch nicht in allen Beziehungen typisch. Die mit einer Exspirations- bewegung beginnenden Atemzüge führen bei der Inspiration nicht unter das Niveau herab, in dem die Atempause eintritt. Trotzdem geht aus dem Vereleich mit der vor der doppelseitigen Vagotomie Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 19 386 Hans Stübel: aufgenommenen Atemkurve hervor, dass es sich nicht um einen Still- stand der Atmung in Insiprationsstellung handelt, sondern dass das Niveau der Atempause einer Mittellage des Thorax entspricht. Zwischen den einzelnen grossen Atemzügen erscheinen kleine „abortive* Atemzüge. Henne 18 (Fig. 77a). Atemfrequenz vor der Durchschneidung der zweiten Vagus erst 26, später (nach einer längeren Periode künstlicher Atmung) 11. Die Atmung zeigt nach der doppelseitigen Vagotomie folgendes Verhalten: Es treten in grossen Abständen die charakteristischen, rasch ablaufenden und tiefen Atemzüge auf, zu- weilen in Gruppen von 2—8 ganz rasch aufeinanderfolgenden Atem- zügen. Zwischen den Atemzügen bzw. Gruppen von solehen Still- stand in Kadaverstellung. Diese Pausen werden jedoch von abortiven Atemzügen unterbrochen, die gerade umgekehrt wie bei Henne 17 nach einer nur angedeuteten Exspirationsbewegung mit einer In- spiration beginnen, und deren exspiratorischer Schenkel nicht über das Niveau der Atempause hinausführt. Die Zahl dieser zwischen die tiefen Atemzüge eingeschalteten flachen ist ganz verschieden; kurz nach der Durchschneidung ist sie am geringsten. Die Pausen zwischen den grossen Atemzügen betragen in Sekunden auf 5 ab- gerundet 20 (1), 30 (1), 45 8), 40 (2), 60 (3), 40 (2), 15 (2), 20 (), 50 (DM, 90 &), 20 A), 20. Die in Klammern stehenden Ziffern geben die Zahl der inner- halb dieser Pausen auftretenden „abortiven“ Atemzüge an. Taube (Fig. 70). Nach doppelseitiger Vagotomie ist die Atmung etwas arhythmisch. Zwischen zwei Atemzügen liegt eine durch- schnittlich 5 Sekunden lange Atempause in einer Mittellage des Thorax. Jeder Atemzug beginnt mit einer Inspiration; die Exspiration zerfällt in zwei Abschnitte: einen ganz langsam verlaufenden (von durchschnittlich 1—2 Sek. Dauer) und einen schnell ablaufenden Abschnitt. Hierauf folgt eine rasch ablaufende Inspirationsbewegung bis in das Niveau der Atempause. Dabei durchschnittlich acht Atem- züge in der Minute?). Ente 3 (Fig. 85). Atemfrequenz vor der Durchschneidung des zweiten Vagus 15 pro Minute, nach der Durchschneidung 11 pro 1) Hier finden sich einer spontanen Blutdrucksenkung synchron noch fünf flache, mit einer Exspiration beginnende Atemzüge. 2) Normale Atemfrequenz der Taube nach P. Bert: 30 pro Minute. Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 987 Minute. Sofort nach der Durchschneidung beginnt die typische Ver- änderung der Atemkurve: lange Pausen in Kadaverstellung, unter- brochen von ganz rasch ablaufenden maximal tiefen Atemzügen, die mit einer Exspirationsbewegung beginnen; darauf Inspiration bis tief unter das Niveau der Pause. Diese Atemzüge treten einzeln oder gruppenweise auf, zuweilen von „abortiven“ Atemzügen begleitet. Ente 4 (Fig. 86). Atemfrequenz anfangs ca. 17 pro Minute. Nach Durchschneidung des linken Vagus (Fig. 42) einzelne atypische Atemzüge und Gruppen von solchen, getrennt durch Plateausin Kadaver- stellung von folgender Länge (in Sekunden): 33, 54, 46, 21, 10, 11. Nach der letzten Pause wird die Atmung allmählich wieder regel- mässiger, und die Atemfrequenz beträgt in den nächsten fünf auf- einander folgenden Minuten: 9, 8, 9, 10, 9. Dabei Exspiration langsamer als Inspiration. Später siukt die Atemfrequenz auf 7—8 pro Minute. Durchschneidung des rechten (zweiten) Vagus: Es folet sofort eine rasche Exspiration, dann 11 Sek. lange exspira- torische Pause, abortive Atmung, die mit einer Inspiration beginnt, und deren Fxspiration direkt in eine Atempause in Kadaverstellung übergeht; Dauer derselben 41 Sek. Darauf eine Gruppe sehr rasch ablaufender Atemzüge, Atempause 23 Sek., Gruppe von Atemzügen, Pause 44 Sek., darauf ein Atemzug, Pause 5 Sek., vier Atemzüge, Pause 1 Min. 1,5 Sek., ein Atemzug. Später traten die Atemzüge fast nur noch einzeln anf, stets durch Atempausen von wechselnder Länge (meist auffallend lang) getrennt. Die längste Pause zwischen zwei einzelnen Atemzügen dauerte 1 Min. 4 Sek. Ente 5. Atemfrequenz am Anfange des Versuches 17 pro Minute, nach doppelseitiger Vagotomie 6. Die Atemkurve ist nach der Durchschneidung des zweiten Vagus in derselben Weise wie bei Ente 3 und 4 verändert. Jedoch ist die Verlangsamung der Atmung auffallend gering. Nebelkrähe 2 (Fig. 88). Atemfrequenz erst 32, später 25, nach der doppelseitigen Vagotomie 10 (2. Min. nach der Durch- sehneidung). Nach einigen ungleichmässigen Atemzügen tritt in der 20.—30. Sek. nach der Durchschneidung des zweiten Vagus eine Gruppe rasch aufeinanderfolgender, krampfhafter Atemzüge auf. Dann nimmt die Atemkurve folgende Form an: rasche Exspiration, etwas langsamere Inspiration bis auf ein Niveau, welches etwa der Kadaverstellung entspricht, dann weitere bedeutend, aber ungleich- mässig verlangsamte Inspirationsbewegung. Später beträet die Atem- 1E)® 388 Hans Stübel: frequenz 13. Dabei sind die Atemzüge tief und ziemlich regelmässig und werden durch eine 2—3 Sek. lange, rein exspiratorische Atem- pause voneinander getrennt (Fig. 89). Bussard 1 (Fie. 32a). Atemfrequenz am Anfang des Ver- suches 22; nach doppelseitiger Vagotomie 3—6, später 7. Atem- kurve nach Durchschneidung des zweiten Vagus: Die Atmung be- ginnt mit einer verhältnismässig langsamen Inspiration; die darauf folgende Exspiration zerfällt in zwei Abschnitte, zuerst einen lang- sameren, nicht bis in das Niveau der Mittellage des Thorax empor- führenden, dann einen bedeutend rascheren und längeren Abschnitt. Vom exspiratorischen Gipfel aus schneller inspiratorischer Abfall der Kurve bis in das Niveau der Kadaverstellung. In diesem Niveau bildet sich nun eine Pause von verschiedener Länge aus. Bussard2 (Fig. 92a). Atemfrequenz am Anfang des Versuches ca. 22, später 13. Die Atemzüge sind ziemlich regelmässig und gleichmässig.. Die Exspiration verläuft rascher als die Inspiration, welch letztere ausserdem ungefähr im Niveau der Ruhelage des Thorax eine Verlangsamung zeigt. Nach doppelseitiger Vagotomie ändert sich der Typus der Atemzüge nicht; die Frequenz sinkt all- mählich auf 10 pro Minute. Bussard 5 (Fig. 93). Atemfrequenz vor Beginn der Operation 30 pro Minute. Nach Blutverlust (infolge Reissens der Arterie) sinkt die Atemfrequenz auf S durch Bildung exspiratorischer Atem- pausen. Nach Durchschneidung des zweiten Vagus wird die Atmung nicht noch mehr verlangsamt. Dagegen ändert sich die Form der Atmung in der charakteristischen Weise: einzelne und Gruppen sehr rasch ablaufender, tiefer Atemzüge werden getrennt durch Atem- pausen in Kadaverstellung. Milan (Fig. 96). Atemfrequenz vor der Durchschneidung der Vagi erst 16, dann 14, nach der Durchschneidung in der ersten Minute 7, später 4—6. Nach der doppelseitigen Vagotomie ist die Atmung etwas ungleichmässig und unregelmässie. In den ersten 3 Min. nach der Durchschneidung zeigt die Atemkurve meist rein exspiratorische Pausen; dabei beginnt die Exspiration rasch, um dann langsam in die Pause überzugehen, während die Inspiration mit fast gleichförmiger Geschwindigkeit verläuft. Später wird die exspiratorische Atempause etwas kürzer; dafür erfolet am Ende der Pause noch eine rasch ablaufende Exspirationsbewegung, an die sich sofort die Inspiration anschliesst. Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 289 Habicht (Fig. 94a, 95). Atemfrequenz 30 pro Minute, nach doppelseitiger Vagotomie 13—15. Sofort nach der Durchschneidung des zweiten Vagus ändert sich der Atmungstypus: Die Exspiration verläuft ebenso rasch wie vorher, zeigt aber an ihrem Ende zuweilen eine unbedeutende Verlangsamung. Nun folgt eine exspiratorische Atempause (schräg geschrieben infolge Schleuderung des Hebels), der sich eine weitere unbedeutende Exspirationsbewegung anschliesst. Die Inspiration verläuft fast ebenso rasch wie die Exspiration, jedoch mit nicht ganz gleichförmiger Geschwindigkeit. Die der Höhe des Inspiriums entsprechende Wendung der Atemkurve ist abgerundet, zeigt aber nie Pausenbildung. Die Atemzüge sind nicht tiefer als vor der Durchschneidung. In den ersten 2 Min. nach der Durch- schneidung zeigt die Atemkurve bereits den soeben beschriebenen Typus. Sie wird jedoch während dieser Zeit durch vier atypische Atemzüge unterbrochen. Der erste dieser atypischen Atemzüge ist der sechste Atemzug nach der Durchschneidung, der zweite folst nach sechs, der dritte nach fünf, der vierte nach drei typischen Atemzügen. Die atypischen Atemzüge zeigen eine rascher ver- laufende, zuweilen noch einmal so tiefe Exspiration als die typischen’ Der inspiratorische Schenkel wird durch zahlreiche steile Zacken unterbrochen. Geier (Fig. 97b). Atemfrequenz am Anfang des Versuches 17, später 15 pro Minute, nach der doppelseitigen Vagotomie 7. Nach der Durchschneidung des zweiten Vagus folgt auf eine Gruppe ganz unregelmässiger, rasch ablaufender Atemzüge eine Atempause in Kadaverstellung von 12 Sek. Länge. Nach sechs vertieften Atem- zügen eine ebensolche Atempause von 17 Sek. Länge. 1 Min. 15 Sek. nach der Durchschneidung ist die Atmung gleichmässig und regelmässig geworden. Sie hat dabei folgenden Typus angenommen: Auf eine erst langsamer, dann ganz rasch verlaufende Exspiration folgt unmittelbar die anfangs ebenso rasch verlaufende Inspiration. Diese wird etwa im Niveau der Kadaverstellung von einer ca. 2 Sek. langen Atempause unterbrochen; dann geht sie mit etwas geringerer Geschwindigkeit als am Anfang weiter. Die nach doppelseitiger Vagotomie aufgenommenen Atemkurven verschiedener Vogelarten können demnach ein sehr verschiedenes Aussehen haben. Selbst bei so nahe verwandten und in ihrer Lebensweise so ähnlichen Vögeln, wie es Bussard, Milan und Habicht sind, finden sich erhebliche Unterschiede. Auch bei verschiedenen 390 Hans Stübel: Individuen ein und derselben Art sind die Formen der Atemkurve oft recht mannigfaltig.. Die extremste Verlangsamung nach doppel- seitiger Vagotomie finden wir bei den Enten (Atempausen von über 1 Min. Dauer); hier ist jedoch die Verlangsamung ausschliesslich auf das Entstehen der Atempausen zurückzuführen, während die einzelnen Atemzüge im Gegenteil besonders schnell ablaufen und dabei besonders tief sind. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch die Atemfrequenz der normalen Ente eine recht niedrige ist. Der Ente aın nächsten steht das Huhn; hier finden wir aber neben den tiefen, rasch ablaufenden Atemzügen häufig noch flachere, lang- samer verlaufende („abortive“). Bei den Raubvögeln ist die Ver- langsamung oft nicht so bedeutend; bemerkenswert ist, dass bei den Raubvögeln nach der doppelseitigen Vagotomie auch die Atemzüge selbst in der Regel langsam ablaufen, und dass sich zuweilen rein exspiratorische Atempausen bilden (z. B. Milan). Am auffallendsten tritt diese Erscheinung bei der Krähe hervor. Es scheint demnach die Durchschneidunug beider Vagi die Atmung der lebhafteren, gut fliegenden Vögel weniger zu be- einträchtigen als die der trägen Hausvögel. Bei der Ente kommt vielleicht noch in Betracht, dass sie als Tauchvogel auch unter normalen Verhältnissen die Atmung lange Zeit unterbrechen kann. Da das mir in dieser Frage zu Gebote stehende Material ein sehr geringes ist und mehr zufälligerweise gewonnen wurde, möchte ich den soeben ausgesprochenen Schlussfolgerungen keinen hohen Wert beimessen. Ich glaube aber, dass es sich wohl ver- lohnen würde, weitere vergleichende Untersuchungen nach dieser Richtung hin anzustellen. Schliesslich möchte ich bezüglich des Einflusses des Nerven- systems auf die Atmung der Vögel erwähnen, dass zuweilen auch bei Reizung des peripheren Vagusstumpfes die Atmung be- einflusst wurde. Als besonders auffallende Beispiele möchte ich folgende anführen: Faradische Reizung des peripheren Vagusstumpfes.. Henne 18: während der Reizung ein vertiefter Atemzug, der zugleich rascher abläuft. Ente 4: während der Reizung mehrere, rasch hintereinander ablaufende verflachte Atemzüge, einmal ein atypischer Atemzug (Fig. 25). Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 291 Taube, beiderseits vagotomiert: geringe Beschleunigung der Atmung. Nebelkrähe 2, beiderseits vagotomiert: Verlangsamung der Atmung. Bussard 1, beiderseits vagotomiert: während und nach der Reizung geringe Beschleunigung der Atmung. Bussard 2: Vertiefung der Atemzüge (Fig. 37), ein atypischer Atemzug (Fig. 36). ’ Bussard 3: unmittelbar nach der Reizung ein vertiefter Atemzug. | Bussard 5: Bei starker Reizung treten erst oberflächliche, rasch ablaufende Atemzüge auf, dann folgt eine Atempause in Kadaver- stellung; nach der Reizung ist die Atmung noch eine Zeitlang ver- tieft und während des Inspiriums verlangsanıt (Fig. 38). Hiernach unterliegt es also keinem Zweifel, dass bei Reizung des peripheren Vagusstumpfes die Atembewegungen beeinflusst werden. Die Wirkung ist allerdings eine sehr verschiedenartige. Da auch bei doppelseitig vagotomierten Vögeln eine Veränderung der Atmung während der peripheren Vagusreizung auftreten kann, so dürften zentripetale Vagusfasern bei diesem Vorgange keine Rolle spielen. Ähnliche Veränderungen der Atmungsweise traten auch bei spontanen Blutdruckschwankungen auf (vgl. z. B. Henne 18, S. 286). Der Einfluss des Nervensystems auf Herz und Blutgefässe. Eine eingehendere Untersuchung über die anatomischen Ver- hältnisse der Herznerven der Vögel ist in neuerer Zeit in einer Arbeit von Dogiel und Archangelsky!) gegeben worden. Hier sind zugleich die Arbeiten der meisten Forscher, die sich früher mit der Herzinnervation der Vögel beschäftigten, zitiert. Als Untersuchungsobjekte dienten Taube, Truthahn, Hahn und Gans. Dogiel und Archangelsky geben folgende Herznerven an: Nervus vagus, N. sympathieus, Plexus cardiacus, N. depressor und schliesslich die im Herzen selbst liegenden Nervenganglien. Der Vagus geht am Halse zusammen mit der Vena jugularis und der Arteria comes nervi vagi herab. Nach Dogiel versorgt der linke 1) Dogiel und Archangelsky, Der bewegungshemmende und der motorische Nervenapparat des Herzens. Pflüger’s Arch. Bd. 113 S. 1. 1906, 2923 Hans Stübel: Vagus in der Hauptsache die vordere, der rechte die hintere Herzfläche. Die sympathischen Fasern des Herzens stehen in enger Verbindung mit dem Grenzstrang des Halssympathieus. Die anatomischen Verhältnisse des Grenzstranges wurden von Jegorow!) und Langley?) eingehender studiert. Der erstere untersuchte die Bedeutung des Halssympathieus für die Bewegung der Iris, der letztere für die Bewegung der Federn. Der Grenzstrang des Hals- sympathieus geht vom Ganglion cervicale supremum, welches ausser- dem den Nervus carotiecus zur Arteria carotis entsendet, aus. Gadow?°) beschreibt die sympathischen Herznerven folgender- maassen: „Am Übergange des Halses in den Thorax ist eines der Grenzstrangganglien stärker entwickelt und sendet einen R. cardiacus zum Herzen; seine Endverzweigungen sind mit denen des N. pneumo- gastrieus vermischt; dass sie mit ihnen anastomosieren, ist unwahr- scheinlich. Das Ganglion wird gewöhnlich nach Analogie mit den Säugetieren G. thoracicum primum genannt, jedoch nicht ganz mit Recht, da es bei Krokodilen und Vögeln nicht immer mit dem des ersten Thoracalnerven identisch ist. Es wurde daher von Gaskell und mir der Name G. cardiacum vorgeschlagen.“ Der Plexuscardiacus wird von Dogiel und Archangelsky speziell bei der Taube ausführlicher beschrieben, ebenso die im Herzen liegenden Nervenganglien. Die Entdeckung des Nervus depressor der Vögel verdanken wir Dogiel*).. Nach diesem Forscher läuft der Depressor als ein zarter .Nervenfaden vom N. laryngeus inferior zum Herzen. Was die Physiologie der Herznerven der Vögel anbetrifit, so ist die Wirkung des Vagus auf das Herz bereits von Ed. Weber), welcher die hemmende Wirkung des Vagus auch bei Vögeln fest- 1) Jegorow, Über den Einfluss des Sympathicus auf die Vogelpupille. Pflüger’s Arch. Bd.41 8. 326. 1887. 2) Langley, On the sympathetic system of birds and on the muscles, which move the feathers. Journ. of Physiol. 1904 S. 221. 3) Gadow, |. ce. 8. 39. 4) Dogiel, Vergleichende Anatomie, Physiologie und Pharmakologie des Herzens. Kasan 1895 (in russischer Sprache). Zit. nach Dogiel und Archan- gelsky, 1. c. S. 38. 5) Ed. Weber, Artikel „Muskelbewegung“ in Wa gner’s Handwörterbuch der Physiologie Bd. 3 S. 40. Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 293 stellte, untersucht worden. Zuerst fand R. Wagner!), dass die periphere Vagusreizung bei den Vögeln eine viel geringere hemmende Wirkung auf das Herz ausübt als pei den übrigen Wirbeltieren. „Bei Vögeln gelingt es fast niemals, auf die intensivste Reizung der Vaei das Herz zum Stillstand zu bringen, höchstens auf 2—3 Sek.“ Claude Bernard?) gibt an, dass er nie einen Herzstillstand bei Vögeln auf Vagusreizung gesehen hat, und glaubt, dass die hemmende Wirkung des Vagus um so weniger hervortritt, um so energischer der Lebensprozess einer Tierart vor sich geht („des animaux offrant une plus grande activit& des ph&enomenes vitaux“). Angerest durch diese Beobachtungen hat sich dann Einbrodt?) eingehender mit der Wirkung des Vagus auf das Herz der Vögel beschäftigt. Einbrodt, welcher hauptsächlich an Hühnern, seltener an Gänsen experimentierte, wies nach, dass auch bei Vögeln ein Herzstillstand auf Vagusreizung vorkommt; allerdings sei die Dauer des Stillstandes eine geringere als bei Säugetieren; zumeist betrug sie in Einbrodt’s Versuchen 5—10 Sek., in einem Falle sogar 1 Min. R. Wagner‘) berichtet in einer späteren Mitteilung gleichfalls, dass er bei Vögeln einen wenn auch kurz dauernden Herzstillstand beobachtete, und A. B. Meyer’) konnte dieses Resultat für die Mauerschwalbe (Cypselus apus) und den Mäusebussard bestätigen. Schiff®) führt in einem „Verzeichnis der Tiere, an welchen durch die Reizung des Vagus oder seiner Äste eine Vermehrung des Herzschlages beobachtet worden ist“, auch zwei Vogelarten: Otus brachyotus (Sumpfohreule) und Pernis apivorus (Wespenbussard) an. Couvreur’) fand während der Vagusreizung bei Vögeln die Zahl der Herzschläge vermindert und die einzelnen Herzschläge verlängert. Einen Herz- stillstand konnte er nicht feststellen. Dasselbe fand Knoll?®), welcher ausserdem angibt, dass bei Tauben während der Vagus- 1) R. Wagner, Neurologische Untersuchungen S. 149. Göttingen 1854. 2) Cl. Bernard, Lecons sur la physiologie et la pathologie du systöme nerveux 1858. i 3) Einbrodt, Über den Einfluss der Nervi vagi auf die Herzbewegung bei Vögeln. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1859 S. 439. 4) R. Wagner, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1860 S. 256. 5) A. B. Meier, Das Hemmungsnervensystem des Herzens S. 70. 1869. 6) Schiff, Über den Ursprung der erregenden Herzuerven. Pflüger’s Arch. Bd. 18 S. 172. 1872. 7) Couvreur, |, c. 8) Knoll, Über die Wirkung des Herzvagus bei Warmblütern. 394 " Hans Stübel: reizung die Ventrikelkontraktionen verstärkt, die Vorhofskontraktionen abgeschwächt sind. Auch Thebault!) konnte niemals einen Herz- stillstand erzielen (bei einer Ente und zwei Hähnen). In neuerer Zeit haben Battelli und Stern die Wirkung der Vagusreizung bei der Ente näher untersucht?). Im Gegensatz zu der geringen Reizbarkeit des Vagus beim Huhn fanden sie die Reizbarkeit des Vagus bei der Ente sogar noch grösser als bei den Säugetieren. Vor allem betonen sie auch die ausserordentlich geringe Ermüdbar- keit des Vagus, die bei starker Reizung sogar zum Tode des ‚Tieres infolge anhaltenden Herzstillstandes führen kann. In dieser grossen Reizbarkeit des Vagus erblicken die genannten Forscher die Ursache, infolge welcher die Ente so besonders widerstandsfähig gegen die Erstiekung ist. Sie erklären diese Erscheinung für eine Anpassung an die tauchende Lebensweise und glauben, dass durch die Ver- langsamung des Herzschlages beim Tauchen der Sauerstoffverbrauch der Gewebe verringert wird. Auch wenn eine Ente Chloroform- dämpfe einatmete, war die Verlangsamung des Herzschlages be- trächtlicher als bei anderen Tieren. So kommen Battelli und Stern zu dem Schlusse, dass die Ente ein besonders geeignetes Objekt für Untersuchungen über die Vaguswirkung sei. Dogiel und Archangelsky°) geben an, dass der „Vagus bei Vögeln auf Reizung durch den Induktionsstrom gewöhnlich schwächer als bei den Kaltblütern, ja sogar schwächer als bei der Katze und dem Hunde reagiert“. Sie untersuchten Gans, Truthahn und Haushahn und fanden den rechten Vagus wirksamer als den linken. Bei einer Gans verursachte Reizung des rechten Vagus durch den Induktionsstrom bei 120 mm Rollenabstand einen Herzstillstand von 22 Sek.; bei einem Truthahn ergab Reizung des rechten Vagus mit demselben Rollenabstand nur eine unbedeutende Verlangsamung des Herzschlages. Mit Hilfe einer sehr vollkommenen Methodik hat vor kurzem Jürgens‘) die Wirkung des Vagus auf das Herz der 1) Thebault, Etude des rapports qui existent entre les systemes Pneumo- gastrique et Sympathique chez les oiseaux. Annales des scienc. naturelles 8e Ser., Zoologie t. 6 p. 142,-220—222. Paris 1898. x 2) Battelli et Stern, Excitabilit€ du nerf vague chez le canard. Compt. rend. de la societe de biol. t. 65 p. 505. 1908, 3) Dogiel und Archangelsky, |. c. 8. 34. 4) Jürgens, Über die Wirkung des Nervus vagus-auf das Herz der Vögel. Pflüger’s Arch. Bd. 129 S. 506. 1909, daselbst auch eine Besprechung der älteren Literatur, y Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 395 Tauben studiert. Er verzeichnete dabei die Vorhofs- und Ventrikel- kontraktionen am blossgelegten Herzen und konnte im wesentlichen folgende Wirkungen der Vagusreizung feststellen: vorwiegend negativ chronotrope Wirkung (bis zu einem Herzstillstand von !"/s Sekunden), vorwiegend negativ inotrope Wirkung, negativ chronotrope und negativ inotrope Wirkung; seltener war eine positiv inotrope Wirkung zu beobachten. Dabei traten zuweilen während des Vagusstillstandes der Vorhöfe automatische Kontraktionen der Ventrikel auf. Versuche über bathmotrope und dromotrope Einflüsse des Vagus hatten keinen positiven Erfolg. Bei den meisten der von mir untersuchten Vögel habe ich den Vagus einseitig oder doppelseitig durchschnitten und das periphere Ende mit dem Induktionsstrom gereizt. Bei der oberflächlichen Lage des Vagus ist es sehr leicht, ihn zu finden und zu durch- schneiden. Nur muss man sich dabei vor Blutungen aus den be- nachbarten Gefässen hüten. Die Vena jugularis, welche zahlreiche Äste aufnimmt, und die Arteria comes n. vagi sind nämlich, zumal bei Hühnern und Enten, durch sehr zähes Bindegewebe mit dem Nervenstamme verbunden, und es ist daher bei der Präparation des Nerven Vorsicht am Platze.. Um darüber Gewissheit zu haben, dass der Vagus nicht durch die Präparation geschädigt wurde, präparierte und durchschnitt ich ihn zumeist erst dann, wenn das Tier schon mit dem Kymographion in Verbindung war, und man also jede Änderung von Pulsfrequenz und Blutdruck sofort wahrnehmen konnte. An welcher Stelle des Halses man den Vagus durchschneidet, ist, wie schon Knoll!) erwähnt, gleichgültig, „da zwischen Zungenbein und oberer Brustapertur nur bedeutungslose Ästchen abzweigen“. Von den zahlreichen Vagusreizungen, welche ich ausgeführt habe, möchte ich in Form einer Tabelle einige als charakteristische Beispiele anführen. Das an einen Faden angeschlungene periphere Ende des durchschnittenen Vagus wurde dabei über zwei Platin- elektroden gelegt, die mit einem Du BoisReymond’schen Schlitten- induktionsapparat in Verbindung standen. Aus der Tabelle Anhang 2 (S. 346) ist ersichtlich, dass die Vagus- wirkung je nach der Art, die man untersucht, eine sehr verschieden starke sein kann. Am erheblichsten ist die Wirkung unzweifelhaft bei der Haus- ente (Fig. 23, 24b, 25, 8la). Hier tritt ausnahmslos eine exzessive 1) Knoll,l.c. 8.8, 396 Hans Stübel: Pulsverlangsamung auf, zumeist schon bei verhältnismässig geringer Stromstärke. Merkwürdigerweise ist diese Reizbarkeit des Vagus bei der Stockente nicht in demselben Maasse vorhanden. Unter den 4 Stockenten (Fig. 27) zeigte nur ein Exemplar eine annähernd so grosse Reizbarkeit als die Hausenten. Fast ebenso gross wie bei den Hausenten war hingegen die Reizbarkeit des Vagus bei den Sturmmöven (Fig. 28). Wechselnd war der Erfolg der Vagusreizungen bei den Raub- vögeln. Bei Bussard 1 (Fig. 35a) und beim Geier (Fig. 33) ist die Verlangsamung eine ziemlich geringe; stärker ist die Wirkung schon bei Bussard 2 (Fig. 36, 37), 3 und 5 (Fig. 38) und beim Rötel- falken. Bei Bussard 4, beim Habicht (Fig. 19, 39, 94b) und beim Milan hingegen ist die Erregbarkeit des Vagus ausserordentlich gross, mindestens ebenso erheblich wie bei den Hausenten. Ebenso wie bei den Raubvögeln ist auch bei den Hühnern der Einfluss des Vagus ein verschieden grosser (Fig. 14b, 16-18, 20) Im, allgemeinen ist er jedoch viel geringer, und auch mit sehr kleinem Rollenabstand war zumeist nur eine Wirkung zu erzielen, die der Vaguswirkung, wie wir sie bei Enten, Möwen, Raubvögeln und bei Säugetieren sehen, erheblich nachsteht. Jedoch konnte auch bei Hühnern ein allerdings kurz dauernder Herzstillstand beobachtet werden. Ebenso verhielten sich Truthahn (Fig. 21) und Taube (Fig. 22). Ganz auffallend gering ist nun die Erregbarkeit des Vagus bei Saatkrähe (Fıg. 29), Nebelkrähe (Fig. 30) und Dohle (Fig. 31). Hier wurde selbst bei Anwenduug starker Induktionsströme zumeist nur eine sehr unbedeutende Abnahme der Pulsfrequenz beobachtet. Bei Nebelkrähe 2 zeigte der linke Vagus überhaupt keine hemmende Wirkung. In vielen Fällen erreichte die Frequenz bereits in den ersten Sekunden nach Schluss der Vagusreizung wieder ihre ursprüngliche Höhe. Nach starker und anhaltender Reizung zeigte sich jedoch auch häufig eine Nachwirkung, indem die Pulsfrequenz !/J„—1 Min., manchmal sogar noch länger, etwas niedriger blieb als vor der Reizung. Eine nach Schluss der Vagusreizung zuweilen auftretende Frequenz- steigerung werde ich weiter unten erwähnen. Mehrfach, besonders deutlich bei Henne 10, Hahn 10, Möwe 4 und Saatkrähe 1, liess sich nachweisen, dass der rechte Vagus eine Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 297 stärker verlangsamende Wirkung ausübt und reizbarer ist als der linke, was schon Dogiel und Archangelsky erwähnen. Der Blutdruck sinkt während der peripheren Vagusreizung ent- sprechend der verschieden starken Pulsverlangsamung mehr oder weniger erheblich und rasch ab. Bei den Krähen und Dohlen war entsprechend der geringen Reizbarkeit des Vagus auch die Senkung des Blutdruckes eine ganz geringe. Zuweilen jedoch, z. B. bei Möwe 3, beim Rötelfalken, sehien die Blutdrucksenkung im Ver- hältnis zur Pulsverlanesamune sehr unbedeutend zu sein. Nach Schluss der Reizung erreicht der Blutdruck meistens schon in den ersten Sekunden seine alte Höhe. Seltener kam nach der Reizung eine länger anhaltende Herabsetzung der Blutdruckhöhe zur Beobachtung. Sehr häufig hingegen stellte sich als Nachwirkung eine oft nicht unbeträchtliche Blutdrucksteigeruug ein und zwar zu- weilen auch dann, wenn die Frequenz nach Schluss der Reizung niedriger blieb, als sie vor der Reizung war. Ebenso wie aus der oben besprochenen Arbeit von Battelli und Stern geht aus den vorliegenden Untersuchungen hervor, dass es nicht angängig ist, von der geringen Reizbarkeit des Vagus bei Vöseln im allgemeinen zu sprechen. Wir finden bei Vögeln eben- sowohl eine sehr grosse als eine sehr geringe Reizbarkeit des Vagus und zahlreiche Zwischenstufen zwischen diesen beiden extremen Ver- hältnissen, je nach der Vogelart, die uns als Untersuchungsobjekt dient. Wie schon erwähnt wurde, nehmen Battelli und Stern an, dass die grosse Erreebarkeit des Vagus bei der Ente eine Folge der tauchenden Lebensweise dieses Tieres ist. Diese an sich sehr an- sprechende Hypothese liesse sich jedoch nur durch eine umfassende vergleichende Untersuchung an einem grösseren Material verschiedener Vogelarten beeründen. Sehen wir doch in meiner Versuchsreihe, dass bei der Stockente die Erregbarkeit des Vagus zeringer ist als bei der Hausente; und doch ist die erstere beim Aufsuchen der Nahrung weit mehr auf Tauchen angewiesen als die letztere. Ferner gibt zu denken, dass auch bei Möwen und Raubvögeln, also nicht- tauchenden Vögeln die Reizbarkeit des Vagus ebenso gross ist als bei der Hausente. Wie schon oben angeführt wurde, glaubte Claude Bernard, dass die Reizbarkeit des Vagus um so geringer ist, je intensiver der Lebensprozess einer Tierart vor sich geht. Auch diese Ansicht ent - behrt vorläufig noch der Begründung und verliert an Wahrscheinlich- 298 Hans Stübel: -» keit, wenn wir sehen, dass die Reizbarkeit des Vagus bei einem Huhn geringer ist als bei einem Raubvogel oder bei einer Möwe. Die von mir in der grossen Mehrzahl der Fälle angewandte Technik — Verzeichnung der Blutdruckkurve mit dem Quecksilber- manometer — gestattet allerdings nur, Beobachtungen über den chronotropen Einfluss des Vagus auf die Herztätigkeit zu sammeln. Und selbst hierbei führt sie nicht vollkommen zum Ziele, denn infolge der Trägheit des Quecksilbers wird ein eventuell auftretender kurz dauernder Herzstillstand entweder gar nicht oder nur ganz unvoll- kommen wiedergegeben. Daher muss ich mich darauf beschränken von einer Verlangsamung der Herztätigkeit zu reden, ohne in den meisten Fällen sagen zu können, ob dieselbe im gegebenen Falle lediglich durch einen langsameren Ablauf der Herzkontraktionen oder durch einen wirklichen Herzstillstand hervorgerufen worden ist. Ebensowenig lässt sich natürlich bei dieser Methodik etwas über Verschiedenheiten in der Wirkung des Vagus auf die Vorhöfe und auf die Ventrikel aussagen. Diese wichtige Frage wurde bei Vögeln bisher nur von Knoll und Jürgens behandelt. In den allermeisten Fällen waren die einzelnen Pulswellen während der Vagusreizung bedeutend vergrössert, was also auf einen positiv inotropen Einfluss des Vagus zu beziehen wäre, sofern die Vergrösserung der pulsatorischen Druckschwankung nicht lediglich eine Folge der während der Ver- langsamung der Herztätigkeit auftretenden stärkeren Füllung des Herzens und der bei der Blutdrucksenkung entstehenden Ver- minderung des Widerstandes in der Peripherie der Gefässbahn ist. Über den Grad dieser Wirkung kann ich natürlich bei Anwendung des Quecksilbermanometers keine Angaben machen. Nur einmal bei Bussard 4 konnte mit dem Quecksilbermanometer ein deutlicher Herz- stillstand nachgewiesen werden. Derselbe hatte eine Dauer von 8 Sek. Bei denjenigen Versuchen, in welchen ich mich des Gad’schen Blutwellenschreibers bediente, gelangte ich zu folgenden Ergebnissen: Bei der Henne, der Nebelkrähe und dem Bussard (Henne 16, 17, 18, Nebelkrähe 4, Bussard 3, 5) liess sich kein Herzstillstand, sondern lediglich ein langsamerer Ablauf der einzelnen Herzkontraktionen feststellen (Fig. 16, 17, 18). Nur bei Bussard 4 trat einmal ein Herz- stillstand von 1,3 Sek. auf. Beim Habicht (Fig. 19, 94b) trat dreimal während einer starken Vagusreizung (einmal des linken, zweimal des rechten Vagus, 10 cm Rollenabstand) ein anhaltender Herzstillstand auf, und zwar dauerte derselbe 6, 5, 7 und 4, 5 Sekunden. 299 Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. «u u « « v % Pan) aa “ 46 um © , 08 um) Sr } ı « [9 [% « BZ « ) ER 621 « = u 8 San) ga Sn a ya y al fr “ “ N SR) 681 « Zu on um) en 908 m « “ [7 iR SS) FEZ G6L « 2a ne) LIT « « “ [1 Ge N) 691 9pI “ & umdag «05 um $ 9IL { ang & „on SIT 6IT “ a ar A) « [ « “ nk Üü ) 981 \ OFL M « [1 « Ss « ) 097 061 « « [9 « „ « ) 861 GII (egudskg 1ap ssupyog eu „GTL 'XEIN) 661 II Sy wu ooudsiq Aop y9eu 19po pusayeMm ooudsAcf soyonappng SOp uafeg.IoA d9p AOA yonaıpmıg pusayem goeu pusayem yoeu puaıgem “ 114 [44 (ooudsiq 19p ypeu ooudsAcg op Yogu A9P0 puaıya Mm zuonba1 7 A9p WNUurmT „Or —'9ED FI 8 Mon a er 8979) OT II „80 4L a Nic: N) & ST ‘. oqneL IIWLOJODBA 'spgpddop yaeu 8919) Tg Is snNx umz “ ugepnag, stq goudskq ee) % malenl RO SE 8 ol “ z uyeH „sp Tr) OL 81 usP Pe RE) fer Re SE f 5 IWLOIOSEA De) GL \ 81 :staddop yoeu u G8— 169) LI ” 0,1 en) SI Han) °,,8G RN ZU) 61 us ERFE a) 36 188 Seren nl) IL 08 86 ı, E „a 8 usy “7 9uu0H dsk a u ooudskq 104 „gu 19p EIN zuonbaı] N! Hans Stübel 300 senyog ug 'X@MN) 28T rn, “ & mm © „er um) Tor \ 291 BR y wos) 8 | 88 Sg " ° MprgcH a “sen © ,9 3) llkz #81 ; 5 pusagem 7909) 81 08 VG “0° SUR ydeu a N) RESET OPT { Mi ggg an m } (de uST ul aa ee « [14 « ‘g9—'I9 ur) > 5 uumwog z 4 0L "urN) Grl 0—45 in 5 Sek. (180—240 in der Minute bis auf 420—510 in der Minute) fest. Nach Zander „vermindert sich später die Zahl der Herzkontraktionen ein wenig, kehrt jedoch niemals wieder zur Norm zurück.“ Diese Beobachtung wurde von Knoll entgegen den Angaben Eichhorst’s°) bestätigt. Couvreur‘) konnte keine Wirkung der doppelseitigen Vagotomie ÜDaRoBeert, 120953939: 2) Einbrodt, 1. c. S. 456. 8) Knoll, ]. c. S.®. 4) Zander, |. c. S. 263. 5) Eiehhorst, Die trophischen Beziehungen der Nervi vagi zum Herz- muskel. 1879. 6) Couvreur, |. c. Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 303 auf die Herzbewegungen feststellen. Jürgens!), der auf die Widersprüche, welche die Resultate der soeben besprochenen Arbeiten ergaben, aufmerksam macht, untersuchte eine grössere Anzahl von Tauben. In seinen Versuchen blieben nach einseitiger und nach doppelseitiger Vagotomie „sowohl die Grösse wie die Zahl der Vor- hof- und Ventrikelkontraktionen sowohl bei einseitiger wie doppel- seitiger Vagotomie unverändert“ und zwar ausnahmslos. Die beiden auf den S. 304-311 befindlichen Tabellen sollen eine Übersicht über die Wirkung der einseitigen und doppelseitigen Vagusdurchschneidung, die ich in zahlreichen Fällen ausführte, geben. Der Einfluss der Durchschneidung eines N. vagus auf die Schlagfolge des Herzens ist, sofern er überhaupt vorhanden ist, ein vorübergehender. Bezüglich der Art des Einflusses sowie seiner Stärke und Dauer lassen sich ziemlich beträchtliche Unterschiede feststellen. Beim Huhn ist der Einfluss ein äusserst geringer, zu- meist ist überhaupt keine Wirkung nachzuweisen. Nur bei Hahn 7 trat eine unbedeutende Pulsbeschleunigeung auf. In einzelnen Fällen zeigte sich in den ersten Sekunden nach der Durchschneidung eine geringe Abnahme der Frequenz, was wahrscheinlich auf eine Reizung des Vagusstumpfes an der Durchschneidungsstelle zurückzuführen ist ?). Auch bei der Taube ist die Pulsbeschleunisung ganz unbedeutend. Anders verhalten sich die Enten. Haus- und Stockenten zeigen nach einseitiger Vagotomie stets eine Erhöhung der Pulszahl (Fig. 24a), die allerdings zuweilen (Ente 1, Stockente 2) sehr gerinsfügig und von ganz kurzer Dauer sein kann, manchmal aber auch verhältnis- mässig bedeutend ist. Eine Ausnahme macht nur Ente 4, bei der auf eine ganz unbedeutende Frequenzsteigerung eine längere Zeit anhaltende, erhebliche Abnahme der Frequenz folgt. Die Erklärung dieser Ausnahme gibt uns die gleichzeitig aufgenommene Atemkurve. Diese zeigt, dass in den ersten Minuten nach der Durchschneidung des einen Vagus die Atmung hier einen Typus annahm, der sonst nur nach doppelseitiger. Vagotomie auftritt. Es bildeten sich bis zu 34 Sek. lange Atempausen. Die Verlangsamung des Herzschlages nach der einseitigen Vagotomie dürfte also bei Ente 4 die Folge einer dyspnöischen Vagusreizung sein (Fig. 42). WoJürgens, |. ce. 2) Über Verlangsamung der Herztätigkeit uach Vagusdurchschneidung bei Säugetieren vgl. Kohts und Tiegel, Einfluss der Vagusdurchschneidung auf Herzschlag und Atmung. Pflüger’s Arch. Bd. 13 S. 84. 1876. 20:5 [14 « ; F & a rn I [% Te « [3 73 u ao j2t rıl { 7 "08 —"91) TI “ VE a en R i H a } tı eat ea [47 4 (4 [74 x 3 “u 4 3 ne \ BE { « Va EL ST 11) Gl \ BE 06) 808 : „0 9) 61 Sl SIQ09A Orr ogneL, u TR ug) 908 wa! 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Ebenso zeigten die Krähen nur teilweise eine Vermehrung der Herzschläge, während diese bei den Dohlen in beiden Versuchen auftrat. Unter den Raubvögeln zeigte allein der Geier eine deutliche Frequenzsteigerung, weniger der Rötelfalke und Bussard 4. Die übrigen Raubvögel boten ein sehr eigentümliches Verhalten dar, in- dem hier nämlich die Frequenz in den ersten Minuten nach der einseitigen Vagotomie etwas geringer war als vorher. Nach der Durchschneidung beider Nervi vagi wird die Herz- tätigkeit der Hühner in ähnlicher Weise beeinflusst wie nach ein- seitiger Vagotomie. Bei Hahn 3 und Hahn 10 ist die Puls- beschleunigung stark und anhaltend; in den übrigen Fällen lässt sie “sich entweder gar nicht nachweisen oder ist nur unbedeutend. Anders war der Erfolg der doppelseitigen Vagotomie bei Truthahn und Taube. Bei beiden Vögeln nahm die Pulsfrequenz um mehr als das doppelte des ursprünglichen Wertes zu und zwar war diese. Zunahme eine dauernde (Fig. 78). Ebenso verhielten sich die Enten, auch hier eine starke Frequenzsteigerung (Fig. Sl ec), die nur hei Stockente 3 vorübergehend, in den übrigen Fällen aber dauernd war. Auch Sturmmöwe 4 zeigte eine erhebliche, anhaltende Pulsbeschleunigung. Unter den Krähen trat nur bei Nebelkrähe 2 eine stärkere, dauernde Zunahme der Frequenz auf; sonst war die Wirkung der doppelseitigen Vagotomie nur vorübergehend und unbedeutend (Fig. 90). Dasselbe war bei Dohle 1 der Fall. Bei den Raubvögeln war die Wirkung der doppelseitigen Vagotomie gleichfalls verschieden. Nur bei Bussard 1, Milan und Habicht (Fig. 94a) liess sich eine starke, _ dauernde Frequenzsteigerung nachweisen; in allen anderen Fällen war die Wirkung eine ganz geringfügige, rasch vorübergehende (Fig. 92a). Die Durchschneidungsversuche zeigen also, dass auch die tonische Erregung des Vagus je .nach der Art bei Vögeln eine sehr ver- schiedene ist. Daneben sind jedoch auch erhebliche individuelle Unterschiede im Grade der tonischen Erregung nachweisbar, was bei der Durchsicht der Tabellen sofort auffallen wird. Diese Unter- schiede erklären auch die ganz entgegengesetzten Angaben, die wir in der Literatur über das Vorhandensein einer tonischen Erregung des Vagus bei Vögeln finden. Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blntkreislaufes etc. 313 Couvreur!) untersuchte den Einfluss des Atropins auf die Herztätiskeit der Vögel und fand, dass dieses Gift die hemmende Wirkung des Vagus aufhebt. Eine Frequenzsteigerung bei Vagus- reizung konnte er nach Vergiftung mit Atropin nicht feststellen. Demnach enthält der Vagus der Vögel keine die Herztätigkeit be- schleunigenden Nervenfasern. Auch Rubbrecht?) stellt fest, dass nach Atropinvergiftung die Hemmungswirkung des Vagus bei Vögeln in derselben Weise gelähmt wird wie bei den übrigen Wirbeltieren. Ich habe in drei Versuchen (Henne 10, Hahn 5, Ente 1) Vögel mit Atropin vergiftet und bin dabei zu denselben Ergebnissen wie die eben erwähnten Forscher gekommen (Fig. 43). Es ist mir jedoch zweifelhaft, ob man auf Grund der Angaben Couvreur’s ver- allgemeinernd sagen darf, dass der Vagus der Vögel keine die Herz- tätigkeit beschleunigenden Nervenfasern enthält. Bei der Taube, bei Hausente 1—5, Stockente 2 und beim Habicht, in geringerem Grade bei Saatkrähe 5, Nebelkrähe 3 und Dohle 1 war die Puls- frequenz unmittelbar nach Schluss der peripheren Vagusreizung stärker als vorher. Allerdings trat die Beschleunigung bei den an- geführten Vögeln nicht nach jeder Reizung, auch nicht dann, wenn der Rollenabstand der gleiche blieb, auf. Trotzdem wird man ge- neigt sein, diese Beschleunigung als eine „positive Nachwirkung“ der Vagusreizung im Sinne Heidenhain’s?®) aufzufassen und also an- nehmen, dass dieselbe ihre Ursache in der Reizung von im Vagus verlaufenden akzeleratorischen Nervenfasern hat, Auch das Vorhandensein und die Stärke der beschleunigenden Wirkung des Vagus scheint bei den Vögeln je nach der Art be- deutenden Schwankungen zu unterliegen, denn während bei der Hausente die Wirkung stets festzustellen war, liess sie sich beim Huhn nie beobachten; ebenso scheinen hier die individuellen Unter- schiede sehr beträchtlich zu sein. Ein vom Nervus laryngeus inferior der Vögel abzweigendes. Nervenfädchen hat Dogiel*) als Nervus depressor beschrieben. Eine Kurve Dogiel’s lässt erkennen, wie bei der Depressorreizung der Blutdruck erst schneller, dann langsamer sinkt, um noch vor I) Couvreur,l c. 2) Rubbrecht, |. c. S. 448. 3) Heidenhain, Untersuchungen über den Einfluss des N. vagus auf die Herztätigkeit. Pflüger’s Arch. Bd. 27 S. 383. 1882. 4) Dogiel und Archangelsky,l. c. 314 Hans Stübel: Beendigung der Reizung wieder anzusteigen. Zu Beginn der Reizung tritt ausserdem eine geringe Pulsverlangsamung auf. Bei meinen Versuchen habe ich eine Depressorreizung nicht ausgeführt. Dagegen habe ich das zentrale Ende des Vagusstammes in zahlreichen Fällen durch den Induktionsstrom gereizt und habe dabei zumeist eine depressorische Wirkung der Reizung feststellen können. Bei einer zentralen Vagusreizung muss man allerdings stets bedenken, dass man nicht allein zentripetale Herznervenfasern, sondern auch von anderen Organen ausgehende zentripetale Nervenfasern reizt, unter denen diejenigen, welche von den Lungen zum Zentralnervensystem führen, besondere Beachtung verdienen. Wie weiter oben erwähnt wurde, kann die Atmung der Vögel während der, zentralen Vagus- reizung sowohl beschleunigt als verlangsamt werden; es kann auch vollkommener Atemstillstand eintreten, so dass der Vogel dann unter Umständen in einen dyspnöischen Zustand versetzt wird. Man wird daher bei der Beurteilung von Blutdruckschwankungen, die während einer zentralen Vagusreizung auftreten, sehr vorsichtig sein müssen. Bei derartigen Blutdruckschwankungen wird man nur dann eine Wirkung zentripetaler Herznervenfasern mit Wahrscheinlichkeit annehmen dürfen, wenn die Blutdruckschwankung sofort nach Beginn der Reizung auftritt. (Siehe Anhang III S. 354.) Aus der Tabelle „Anhang III“, in welcher einige Beispiele der häufig ausgeführten zentralen Vagusreizung zusammengestellt sind, kann man entnehmen, dass während einer Reizung des zentralen Vagusendes sowohl eine Senkung als eine Erhöhung des Blutdruckes erscheinen kann. Die Blutdrucksenkung ist jedoch bei weitem der häufigere Erfolg der zentralen Vagusreizung. Am gleichmässigsten war die Wirkung bei den Hühnern (Fig. 40, 44, 45, 77). Hier konnte bei sämtlichen daraufhin untersuchten Individuen eine Blutdrucksenkung nachgewiesen werden, und zwar war bei den meisten Individuen der Erfolg der zentralen Vagusreizung stets eine Blutdrucksenkung. Bei einzelnen Exemplaren trat nach der Reizung eine Blutdruck- steigerung auf, bei anderen war die Wirkung der Reizung wechselnd: während einer Reizung stieg, während einer anderen sank der Blut- druck, ohne dass die Versuchsbedingungen geändert worden wären. Bei Hahn 4 und Henne 14 (Fig. 47) wurde erst nach der Durch- schneidung beider Vagi eine Blutdrucksteigerung beobachtet. Hahn 5 zeigte erst Blutdrucksenkung (Fig. 46), nach Vergiftung mit Atropin aber stets erhebliche Blutdrucksteigerung (Fig. 43, 57). Nur in Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 315 wenigen Fällen (Hahn 7, 9, 10) trat öfter eine Steigerung als eine Senkung des Blutdruckes auf. Bei der Taube und beim Truthahn bestand der Erfolg der zentralen Vagusreizung stets in einer Blut- drucksenkung. Auffallend war die grosse Reizbarkeit des zentralen Vagusendes beim Truthahn (Fig. 48). Während bei der Reizung des peripheren Vagusendes erst mit einem Rollenabstand von 19 em eine erkennbare Wirkung erzielt werden konnte, genügte bei der zentralen Vagusreizung ein Rollenabstand von 45 cm, um noch eine Blutdrucksenkung von 44 mm Hg hervorzurufen. Eine grössere Reizbarkeit des zentralen Vagusendes war, wenn auch in geringerem Grade, bei den Hühnern zu beobachten. Hahn 6 zeigte eine ebenso- grosse Reizbarkeit wie der Truthahn (Fig. 14a). Ganz gleich wie die Hühner verhielten sich die Raubvögel. Nur beim Geier wirkte die zentrale Vaeusreizung zuweilen blutdruck- steisernd. Bei den übrigen Raubvögeln war stets eine Blutdruck- senkung (Fig. 34, 36, 53, 97a), in manchen Fällen nach der Reizung ausserdem eine Blutdrucksteigerung zu beobachten (Fig. 38b, 39). Eine Ausnahme bildete Bussard 1, bei dem die pressorische Wirkung zuweilen vor der depressorischen, aber nur in geringem Grade auf- trat. Auch bei den Krähen (Fig. 52), Dohlen und Möwen war die depressorische Wirkung der zentralen Vagusreizung die überwiegende, die pressorische die seltenere (Fig. 51). Umgekehrt zeigte sich die Wirkung der zentralen Vagusreizung bei den meisten Enten (Fig. Slb), Hausente 5 und Stockente 4 reagierten überhaupt nur mit einer Blutdrucksteigerung und bei den übrigen Exemplaren mit Ausnahme von Stockente 2 und 3 war die pressorische Wirkung bei weitem die häufigere und die stärkere als die depressorische. Zuweilen liess sich während der Reizung erst eine Blutdrucksenkung und dann eine Blutdrucksteigerung (Fig. 49), in anderen Fällen erst eine Blutdrucksteigerung, dann eine Blut- drucksenkung beobachten. Nach diesen Versuchen scheint also die Wirkung der zentralen Vagusreizung auf die Höhe des Blutdruckes bei Vögeln im allgemeinen nicht anders zu sein als bei Säugetieren. Am Hunde und am Kaninchen stellten schon Aubert und Roever!), mit die ersten, welche sich mit der zentralen Vagusreizung ein- gehender beschäftigten, fest, dass „der Vagus hinsichtlich der 1) Aubert und Roever, Über die vasomotorischen Wirkungen des N. vagus, laryngeus und sympathicus. Pflüger’s Arch. Bd.1 S. 219. 1868. 316 Hans Stübel: pressorischen und depressorischen Fasern bei verschiedenen Tier- arten, und bei verschiedenen Individuen derselben Art, ja sogar auf den beiden Seiten eines und desselben Individuums ungleich zu- sammengesetzt sein kann“. Auch die Frequenz der Herzschläge wurde durch die Reizung des zentralen Vagusendes beeinflusst. Am gleichmässigsten traten Änderungen der Frequenz beim Huhn auf. Wenn nur ein Vagus durchschnitten war, wurde hier immer eine mehr oder weniger starke Verlanesamung ‚der Herztätigkeit beobachtet (Fig. 45). Nach der doppelseitigen Vagotomie trat diese Verlangsamung nicht mehr auf (Fig. 44). Die Abnahme der Frequenz war also die Folge einer reflektorischen Reizung der im Vagus der anderen Seite verlaufenden hemmenden Nervenfasern. In denjenigen Fällen, in welchen sich die Frequenz auch nach der doppelseitigen Vagotomie änderte, war zumeist eine Pulsbeschleunigung festzustellen. Nur bei Henne 16 war der Erfolg wechselnd, indem hier nach Durchschneidung beider Vaei zuweilen eine Vermehrung, zuweilen eine Verminderung der Zahl der Herzschläge auftrat. Ebenso wie die Hühner verhielten sich auch der Truthahn und die Taube und unter den Raubvögeln der Geier, bei welchem die Pulsverlangsamung manchmal eine sehr beträchtliche war. Die übrigen Raubvögel zeigten während der zentralen Vagusreizung nur eine ganz unbedeutende Verlangsamung, manche (Bussard 1, 3) überhaupt keine Änderung der Frequenz. Bei Bussard 5 schwankte die Frequenz, so dass sich während der Reizung sowohl eine Beschleunigung als eine Verlanegsamung .be- obachten liess. Auch bei den Krähen, Dohlen und Möwen bewirkte die zentrale Vagusreizung eine äusserst geringe Abnahme der Puls- frequenz, bei den Saatkrähen überhaupt keine. Am schwankendsten war die Beeinflussung der Frequenz bei den Enten. Hier trat in vielen Fällen nicht nur eine Frequenzabnahme auf, sondern die Frequenz änderte sich während ein und derselben zentralen Vagus- reizung oft sehr beträchtlich. Es war dann wie bei Bussard 5 am Anfang der Reizung eine Beschleunigung, später eine Verlangsamung, oder es war die umgekehrte Wirkung, erst Verlangsamung, dann Beschleunigung festzustellen. Bei Anwendung des Gad’schen Blutwellenschreibers liess sich beobachten, dass während jeder eine Blutdrucksenkung bewirkenden Reizung des zentralen Vagusendes die Höhe der pulsatorischen Druck- schwankung erheblich zunahm, eine Folge der Verminderung des Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. SZ Widerstandes in der Peripherie der Gefässbahn. Diese Erscheinung ist bekanntlich an Säugetieren bei Reizung des Nervus depressor genau studiert worden!) (Fig. 34). Wie aus den weiter oben mitgeteilten Tabellen ersichtlich ist, be- wirkt eine Vagusdurcehschneidung stets eine Erhöhung des Blut- druckes. Bei einseitiger Vagusdurchschneidung ist diese Erhöhung meist gering und geht rasch vorüber (Fig. 24a). Vor der Blutdruck- steigerung tritt hier in manchen Fällen eine meist sehr geringe Blut- drucksenkung ein. Diese liesse sich zuweilen schon durch die unmittelbar nach der Vagusdurchschneidung auftretende, durch eine Reizung des peripheren Vagusstumpfes entstehende Pulsverlangsamung erklären. Die Hauptursache dürfte jedoch in einer vom Schnittende des zentralen Vagusstumpfes ausgehenden Reizung depressorischer Nerven- fasern zu suchen sein. Nur bei Hausente 1 und 2 ist nach ein- seitiger Vagotomie die Blutdrucksenkung eine dauernde. Nach der Durchsehneidung beider Vagi steigt der Blutdruck sehr rasch zu oft ganz enormen Höhen an (Fig. 78, 79, 81e, 90, 92a, 94a); so stieg er z. B. beim Milan auf den ausserordentlichen Wert von 283 mm Hg. In den meisten Fällen erreichte der Blutdruck in den ersten Minuten nach der doppelseitigen Vagotomie sein Maximum, um dann allmählich wieder zu fallen; aber nur selten sank er auf oder unter die vor der Durchschneidung verzeichnete Blutdruckhöhe herab. Ein Vergleich der nach der Vagusdurchschneidung_ statt- findenden Erhöhung der Frequenz mit der Erhöhung des Blut- druckes lehrt ohne weiteres, dass bei einem Individuum die Erhöhung dieser beiden Werte durchaus nicht parallel geht. Oft steigt der Blutdruck erheblich an, auch wenn die Frequenz nur eine geringe Zunahme erfährt, selbst wenn die Frequenz überhaupt nicht be- einflusst wird (Fig. 57b). Die Blutdrucksteigerung nach Vagusdurch- ‚schneidung lässt sich also nicht allein auf die zuweilen mit ihr einhergehende Frequenzsteigerung zurückführen. Man könnte an- nehmen, dass die Ursache der Blutdrucksteigerung darin zu suchen ist, dass durch die Verlangsamung der Atmung die Vögel in einen mehr oder weniger ausgesprochenen dyspnöischen Zustand versetzt werden. Diese Erklärung ist jedoch bei näherer Betrachtung nicht 1) Vgl. z. B. Hürthle, Über den Einfluss der Reizung von Gefässnerven auf die pulsatorische Druckschwankung der Kaninchen -Karotis. Pflüger’s Arch. Bd. 43 S. 428. 1888. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. el 318 Hans Stübel: haltbar. Während bei einer Dyspnöe der Blutdruck allmählich ansteigt und sich dann nur selten (auch bei Dyspnöe durch Ab- schluss der Trachea nach doppelseitiger Vagotomie) auf derselben ‘Höhe hält, zeigt die DBlutdrucksteigerung nach doppelseitiger Vagotomie gerade umgekehrte Verhältnisse: Der Biutdruck steigt 'sofort und sehr rasch bis zu einem Maximum an, sinkt langsam wieder ein wenig und hält sich dann oft lange Zeit auf ein und derselben Höhe, sofern nicht später zu besprechende, besondere Wellenbildungen auftreten. Demnach kann man die Blutdruck- steigerung nur dadurch erklären, dass man annimmt, dass der Vagus dem Gefässzentrum ständig depressorische Reize zuführt, dass also die depressorischen Fasern des Vagus sich in einem Zustande tonischer Erregung befinden. Wird diese tonische Erregung durch die Vagusdurchsehneidung aufgehoben, so muss der Blutdruck steigen. Auch bei den Durchschneidungsversuchen sehen wir, wie die Tabelle zeigt, dass der Vagus sowohl bei verschiedenen Arten, als bei verschiedenen Individuen derselben Art eine sehr ungleich starke depressorische Wirkung ausüben kann. Ei An dieser Stelle seien noch kurz diejenigen Blutdruck- schwankungen erwähnt, welche bei Reizung sensibler Nerven und bei Bewegungen auftraten. Einige charakteristische Beispiele sind in den beiden folgenden Tabellen angeführt. Blutdruckschwankungen bei Reizung sensibler Nerven. Blutdruck in mm Hg vasel Faradische 5 Reizung vor der | Maximum während oder | Minimum, während oder Reizung nach der Reizung nach der Reizung i der Schleimhaut des Henne 13. f en \ 136 150 iu . 128 (Schluss d. Reizung) leere | 137 120 (87 nach Schlund. eizung Hahn 3 der Haut des Halses | 216 232 _ . » ” ” „ 5 Reizung) der Schleimhaut des Iea LU 9 muidl Degen — 5 harten Gaumens \ Let ver Dazu) krähe 1 210 (Max. Schluss d.Reizung) — der Haut des Halses 0 112 _ 227 (Min. 15” nach Beginn e der Reizung) = der Schleimhaut des og J| 245 (18 nach Beginn der harten Gaumens Reizung [Schluss]) AS Bussard@2 253 (10” nach Schluss der ver der Schleimh I: us er Schieimhaut des c harten Gaumens } Im 290 Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 319 Blutdruckschwankungen bei Bewegungen. Blutdruck in mm Hg Vogel vor Be- ginn der Maximum darauf folgendes Minimum Bewegung Henne 15... 139 153 = keins... . 174 207 — ,.. 175 180 nach 1,5” en Don nach dem Max.) »„ 9 (Fig. 55) 173 1SUn, 31. 2,95% [nach weiteren har 173) en 91 (5’ nach dem Max. „10...| 218 217, 8 [nach weiteren 25” 209) 249 Truthahn‘. . . 183 (bei stillstehendem — Kymographion FEauber 0: ‚. 154 192 147 (105 Een Re A ’ ‚»”’ nach dem Max. Ba as 185 nach 5’ { nach weiteren SdUal N 202 216 Saatkrähe 1. . 98 113 91 (5” nach dem Max.) 5 DW. 111 136 108.002, R n 5 BI; 129 153 nach 8” NE % r 114 (5" 5 Dee | 119 Lu { [nach weiteren 5” 121]) Während einer Reizung sensibler Nerven!) steigt dem- nach der Blutdruck ziemlich rasch an, zuweilen unter Bildung steiler Zacken, um dann meist unter das ursprüngliche Niveau herabzusinken. Die nachfolgende Blutdrucksenkung ist in manchen Fällen (z. B. Hahn 4) viel erheblicher als die anfängliche Blutdruck- steigerung. Bei Saatkrähe 1 erscheint während einer Reizung der Gaumenschleimhaut eine geringe Blutdrucksenkung vor einer erheb- lichen Blutdrucksteigerung, während eine Reizung der Haut des Halses nur blutdrucksteigernd wirkt. Dieselbe Wirkung wurde durch Reizung der Gaumenschleimhaut bei Bussard 2 hervor- gebracht; hier hatte eine stärkere Reizung, die zugleich eine er- hebliche Frequenzabnahme auslöste, nur eine Blutdrucksenkung zur Folge. Bei Bewegungen?) des Versuchstieres trat fast stets eine mehr oder weniger starke und verschieden rasch ablaufende Blut- drucksteigerung auf (Fig. 50, 55, 59, 60b). Besonders stark war die Blutdrucksteigerung z. B. beim Truthahn. Auf die Steigerung folgte 1) Einfluss auf die Pulszahl s. oben S. 257—258. 2) Ebendaselbst. an 320 Hans Stübel: in manchen Fällen eine meist geringe Senkung unter die vor Beginn der Bewegung verzeichnete Blutdruckhöhe. Z.B. bei Hahn 10 und bei Möwe 2 (Fig. 61) war diese Blutdrucksenkung verhältnismässig viel erheblicher als die vorhergehende Blutdrucksteigerung. Der Einfluss des Sympathicus auf das Herz der Vögel ist von Dogiel und Archangelsky') untersucht worden. Eine Reizung des Sympathicus nach dessen Austritt aus dem Canalis intervertebralis verursacht Pulsbeschleunigung ; Reizung des innerhalb des Canalis intervertebralis befindlichen Grenzstranges des Hals- sympathiceus ruft ausserdem noch eine Blutdrucksteigerung hervor. Letztere wird „zum Teil beseitigt“, wenn das Rückenmark oberhalb und unterhalb der Austrittsstelle des N. sympathieus aus dem Canalis intervertebralis durchschnitten wird, was darauf beruhen dürfte, dass der Grenzstrang Fasern von seiten der Spinalnerven erhält. „Bei der Gans und dem Truthahn äussert sich die Wirkung des Vagus und die des Sympathieus derart, dass ein vollständiger Antagonismus zwischen den genannten Nerven sich kenntlich macht.“ ?) Ich habe bei Bussard 2 den im Canalis intervertebralis ver- laufenden Grenzstrang des Halssympathieus linkerseits freigelegt. Während einer faradischen Reizung (10 cm Rollenabstand) stieg die Pulszahl von 22 in 5 Sek. auf 28 in 5 Sek. und der Blutdruck von 239 mm Hg auf 244 mm He. Reizung des Rückenmarks zwischen dem zweiten und dritten Halswirbel in absteigender Richtung ergibt nach Dogiel und Archangelsky°) Blutdrucksteigerung und Pulsbeschleunigunse. Ferner wird bei doppelter Rückenmarksdurchschneidung oberhalb und unterhalb der Austrittsstelle des N. sympathicus aus dem Canalis intervertebralis bei Reizung in absteigender Richtung „Puls- besehleunigung bei unbedeutender Zunahme des Blutdruckes“, bei Reizung in aufsteigender Richtung Pulsbeschleunigung ohne Blut- druckzunahme erzielt. | In drei Fällen habe ich bei Vögeln das Rückenmark etwa in der Mitte der Halswirbelsäule durchschnitten. Dabei trat stets so- fort eine sehr beträchtliche Blutdrucksenkung auf. Bei Henne 8 fiel der Blutdruck von 204 mm in 35 Sek. auf 144 mm, bei Henne 15 1) Dogiel und Archangelsky, |. c. 8.36. 2) Dogiel und Archangelsky, |. c. S. 88. 9) Dogiel und Archangelsky, |. c. S. 37, Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes ete. 391 in 1 Min. von 135 mm auf 90 mm, in weiteren 2 Min. auf 43 mm, bei der Taube von 67 mm in 1 Min. 45 Sek. auf 38 mm, um sich später auf eine konstant bleibende Höhe von 34 mm ein- zustellen. Blutdruckwellen. Eine zusammenhängende Besprechung möchte ich noch den in den von mir aufgenommenen Kurven erscheinenden Blutdruck- wellen widmen. Die Bedeutung der verschiedenen Wellenformen der Blutdruckkurve ist ja der Gegenstand zahlreicher Untersuchungen gewesen, die alle an Säugetieren ausgeführt wurden. Die Atemschwankungen der Vögel sind, soweit es sich um eine rein mechanische Erklärung dieses Phänomens handelt, bereits erörtert worden. Auf nervösen Einfluss werden die während jeder Atemschwankung auftretenden Schwankungen der Pulsfrequenz zurückgeführt. Während es bei zahlreichen Säugetieren die Regel ist, dass sich die Pulsfrequenz mit den verschiedenen Phasen der Atmung ändert, konnte ich diese Erscheinung bei den von mir untersuchten Vögeln nur in zwei Fällen mit Sicherheit feststellen, nämlich bei Ente 4 (Fig. 6) und Stockente 1 (Fig. 67). Im ersten Falle betrug die Zahl der Pulsschläge im aufsteigenden Schenkel der Atemschwankung 4—5, im absteigenden 3 in der Sekunde, im zweiten Falle 4—5 im aufsteigenden bzw. 2—3 im absteigenden Schenkel. Doch waren auch bei diesen beiden Vögeln diese Differenzen nicht immer zu konstatieren. - Bei Vögeln kann man also eine Beeinflussung der Pulsfrequenz durch die Atmung nur sehr selten beobachten. Bekanntlich wird diese Beeinflussung durch den Nervus vagus vermittelt. Dass gerade die Ente hier eine Ausnahmestellung einnimmt, bildet wiederum einen Beweis dafür, dass bei ihr die Erregbarkeit des Herzvagus im Verhältnis zu den anderen Vogelarten ausserordentlich gross ist. Auch die Form und Grösse der Atemschwankungen war bei den Enten im Verlaufe eines Versuches besonders erheblichen Variationen unterworfen. Als Beispiel möge Ente 4 dienen (s. oben S. 273, Fig. 5, 6). Verwickelter liegen die Verhältnisse bei Blutdruckschwankungen, welche nach der doppelseitigen Vagotomie auftreten. Vergegenwärtigt man sieh den oben beschriebenen ganz eigenartigen Atmungstypus, der sich infolge dieser Operation bei Vögeln ausbildet, so wird man schon von vornherein annehmen dürfen, dass die völlig veränderte 339 Hans Stübel: Atmung auch auf die Blutdruckkurve von Einfluss sein wird. Wenn sich bei Hühnern und Enten nach der Durchschneidung beider Vagi die Blutdruckschwankungen ebenso verhalten würden wie beim nor- malen Vogel, wenn also jeder Atemzug eine Atemschwankung hervorrufen würde, so müssten wir eine gerade Blutdruckkurve er- halten, die entsprechend den einzeln oder gruppenweise auftretenden Atemzügen in mehr oder weniger grossen Abständen durch rasch ablaufende Atemschwankungen unterbrochen wäre. Der gerade Teil der Blutdruckkurve würde dann zeitlich mit demjenigen Teile der Atemkurve zusammenfallen, der die Atempause in Ruhestellung des Thorax verzeichnet. Dem ist aber nicht so. Meist unmittelbar nach der doppelseitigen Vagotomie bilden sich in vielen Fällen grosse, wellenförmige Schwankungen des Blutdruckes aus, die — so sehr ihr Aussehen variiert — dennoch bei einer vergleichenden Be- trachtung so charakteristische gemeinsame Merkmale aufweisen, dass man sie als Wellen einer ganz bestimmten Art soiort erkennt. Beschreibung der nach der doppelseitigen Vagotomie auftretenden Blutdruckwellen. Henne 2 (Fig. 62). Nach Durchschneidung beider Vagi zeigt die Blutdruckkurve keine Atemschwankungen mehr. Dafür treten tiefe, lange Blutdruckwellen auf. Diese haben in den ersten Minuten eine Länge von ca. 20, später eine Länge von ca. 13 Sek. Die Höhe der Wellen beträgt anfangs 35 mm He, sinkt dann auf 9 mm und beträgt später durchschnittlich 12 mm. Im absteigenden Schenkel der Welle steigt der Blutdruck in Form einer kleinen Zacke von etwa 2 mm Höne für ganz kurze Zeit an. Da derartige Zacken noch häufiger zu beschreiben sind, will ich sie der Kürze halber „sekundäre Erhebungen“ der grossen Blutdruckwellen nennen. (Höhen dreier Wellen in mm Hg z. B. Max. 167, Min. 132, Max. 165, Min. 156, Max. 146, Min. 134). Henne3 (Fig. 64b). Nach doppelseitiger Vagotomie treten lange, ziemlich flache Blutdruckwellen auf: Höhe erst 6 mm, später 8 mm; ‚Länge ca. 12 Sek. (Höhen zweier Wellen in mm Hg z. B. Max. 234, Min. 223; Max. 220, Min. 212). Henne 6 (Fig. 63). Nach doppelseitiger Vagotomie erscheinen lange Blutdruckwellen: Länge ca. 15 Sek., Höhe ca. 15 mm Hg (Höhe einer Welle in mm Hg z. B. Max. 178, Min. 163). Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 393 Henne 10 (Fig. 65). Nach doppelseitiger Vagotomie erst eine Reihe sehr unregelmässiger, ziemlich flacher und kurzer Blutdruck- wellen. Dann bilden sich lange, tiefe, ziemlich gleichmässige Wellen aus, an deren absteigendem Schenkel eine sekundäre Erhebung wahrnehmbar ist. Maasse einer Welle z. B.: Min. 121 mm, Max. 145 mm, Min. 121 mm; Höhendifferenz 33 mm; Länge 17 Sek., davon kommen auf den aufsteigenden Schenkel 4 Sek., auf den ab- steigenden 13 Sek. Später werden die Wellen flacher und etwas kürzer, z. B.: Min. 139 mm, Max. 146 mm, Min. 137 mm, Höhen- differenz ”—9 mm. Höhe der sekundären Erhebung des absteigenden Schenkels 143 mm. Länge der Welle 15 Sek., aufsteigender Schenkel 4,5 Sek., absteigender 10,5 Sek. Hierauf werden 0,5 mg Atro- pinum sulfurieum in die Vena jugularis injiziert. In der darauf- folgenden Minute sinkt der Blutdruck bedeutend; die Länge und Höhe der Wellen nimmt dabei erheblich zu (Fig. 68), z. B.: Min. 90 mm, Max. 122 mm, Min. 91 mm; Höhendifferenz 31I—32 mm, Länge 19 Sek., aufsteigender Schenkel 9 Sek., absteigender Schenkel 10 Sek.; Beispiel einer Welle ca. 15 Sek. später: Min. 56 mm, Max. 80 mm, Min. 57 mm; Höhendifferenz 23—24 mm; Länge 19,4 Sek., aufsteigender Schenkel 8,2 Sek., absteigender Schenkel 11,2 Sek. Henne 13. Nach doppelseitiger Vagotomie Ausbildung langer, flacher Blutdruckwellen, die in bezug auf Höhe und Länge ganz ungleichmässig verlaufen. Henne 14 (Fig. 69). Nach doppelseitiger Vagotomie sofortige Ausbildung verhältnismässig flacher und kurzer Wellen, z. B.: Min. 142 mm, Max. 148 mm, Min 142 mm; Höhendifferenz 6 mm. Länge 7,5 Sek.; aufsteigender Schenkel 4 Sek., absteigender Schenkel 3 Sek. Vergleiche die enorm beschleunigte Atmung in der Tabelle „Atem- schwankungen“. | Henne 16. (Fig. 74). Blutwellenschreiber nach Gad. Nach doppelseitiger Vagotomie sofortige Ausbildung langer Blutdruckwellen, z. B. Blutdruck-Minumum systolisch 160 mm Hg, diastolisch 120 mm, Pulsdruck 40 mm; Max. systolisch 165 mm, diastolisch 150 mm, Puls- druck 15 mm; Min. systolisch 160 mm, diastolisch 120 mm, Puls- druck 40 mm; Höhendifferenz systolisch 5 mm, diastolisch 30 mm; Länge 9 Sek., aufsteigender Schenkel —= absteigender Schenkel — 4,5 Sek. Henne 17 (Fig. 76). Atemkurve s. S. 285. Nach der doppel- seitigen Vagotomie erscheinen die grossen Blutdruckwellen. Diese 334 Hans Stübel: sind am Anfang von ungleicher Länge und seicht, später regelmässig und sehr tief. Bei Vergleich der Blutdruckkurve mit der Atemkurve stellt sich heraus, dass während einer Welle jedesmal nur ein grosser Atemzug oder in zwei Fällen eine Gruppe rasch aufeinanderfolgender grosser Atemzüge auftritt, und zwar fällt der grosse Atemzug zuerst zeitlich mit dem Kulminationspunkt der Welle zusammen, später erscheint er während des aufsteigenden Schenkels. Die Blutdruck- wellen verlaufen also mit den Atemperioden (Atemzug und Atempause) synchron; sie verlaufen nicht synchron mit den einzelnen Atemzügen (Gegensatz zu Atemschwankung). Zeitlich zusammen- fallend mit den grossen Atemzügen sind den Blutdruckwellen häufig niedrige, zackenförmige, sekundäre Erhebungen aufgesetzt; am An- fang sitzen sie auf dem Gipfel, später im Verlaufe des aufsteigenden Schenkels der Welle. Auch mit den kleinen, „abortiven“ Atemzügen fallen zuweilen zeitlich sekundäre Erhebungen der Blutdruckkurve zusammen. Maasse einer Welle z.B.: Min. 105 mm, Max. 154 mm, Min. 106 mm; Höhendifferenz 48—49 mm; Länge der Welle 41 Sek., aufsteigender Schenkel 14 Sek., absteigender Schenkel 27 Sek. Die Pulszahl beträgt in der Tiefe der Welle 26—27 in 5 Sek., auf der Höhe 23—24 in 5 Sek. Die Wellen werden mit der Zeit kürzer und haben gegen Ende des Versuches nur noch eine Länge von 25,5 Sek. Ir Hennelß (Fig. 77a, 77b). Atemkurve s. S. 236. Auch hier ist dieselbe Beziehung zwischen den nach der doppelseitigen Vagotomie auftretenden grossen Blutdruckwellen und der Atmung wie bei Henne 17 deutlich zu erkennen. In einer Beziehung ist jedoch ein auffallender Unterschied wahrnehmbar. Bei Henne 18 verlaufen nämlich die grossen Wellen nicht nur synchron mit den grossen Atemzügen, sondern auch mit den hier ziemlich stark ausgeprägten „abortiven“ Atemzügen. Wir müssen in diesem Falle also zwischen grossen und kleinen Atemperioden unterscheiden. Die einer grossen Atemperiode entsprechende Welle ist jedesmal höher und länger als die einer kleinen („abortiven“) Atemperiode entsprechende. Synchron mit dem grossen Atemzuge erscheint auf der grossen Blut- druekwelle eine im aufsteigenden Schenkel gelegene, zackenförmige sekundäre Erhebung. Ferner ist dem Ende des absteigenden Schenkels sowohl bei den grossen als bei den kleinen, einer abortiven Atemperiode entsprechenden Wellen eine weitere sekundäre Erhebung aufgesetzt. Maass einer Welle, die einem grossen Atemzug entspricht; Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 395 Min. 129 mm, Max. 156 mm, Min. 144 mm; Höhendifferenz 27 bis 36 mm. Sekundäre Erhebung des aufsteigenden Schenkels 156 mm, sekundäre Erhebung des absteigenden Schenkels 126 mm. Länge der Welle 23,5 Sek., aufsteigender Schenkel 7,5 Sek., absteigender Schenkel 16 Sek. Das Maximum der ersten sekundären Erhebung findet sich 2,7 Sek., das der zweiten sekundären Erhebung 21 Sek. nach Beginn der Welle. Maass der folgenden Welle, die einem abortiven Atemzug entspricht: Min. 114 mm, Max. 140 mm, Min. 127 mm; Höhendifferenz 13—26 mm. Sekundäre Erhebung des absteigenden Schenkels 134 mm. Länge der Welle 13,5 Sek., auf- steigender Schenkel 4,5 Sek., absteigender Schenkel 9 Sek., Maximum der sekundären Erhebung 12,5 Sek. nach Beginn der Welle. Nun wird eine Reihe von Wellen mit dem Gad’schen Blutwellenschreiber aufgenommen. Die Höhe der pulsatorischen Druckschwankung be- trägt dabei 1I—15 mm Hg. Während der sekundären Erhebungen wird die pulsatorische Druckschwankung vergrössert und erreicht bei der ersten sekundären Erhebung einer grossen Welle den Wert von 30 mm, bei der zweiten den Wert von 20 mm. Am Ende des Versuches, ca. 45 Minuten nach der doppelseitigen Vagotomie, sind die Wellen bedeutend kürzer und flacher geworden, und der auf- steigende Schenkel ist fast ebenso lang als der absteigende, z. B.: Min. 71 mm, Max. 86 mm, Min. 70 mm; Höhendifferenz 15—16 mm; Länge 13 Sek., aufsteigender Schenkel 6 Sek., absteigender Schenkel 7 Sek. Dabei erscheint anstatt einer stark ausgeprägten zacken- förmigen sekundären Erhebung nur noch eineganz unbedeutende wellen- förmige sekundäre Erhebung am Ende des absteigenden Schenkels. Hahn 1 (Fig. 71). Nach doppelseitiger Vagotomie Ausbildung der grossen Blutdruckwellen. Auffallend ist hier, dass eine dem aufsteigenden Schenkel der Welle aufgesetzte, zackenförmige sekundäre Erhebung so stark ausgeprägt ist, dass ihr Max. den Kulminations- punkt der Welle bei weitem überragt. Maass einer Welle: Min. 177 mm, Max. 199 mm, Min. 174 mm; Höhendifferenz 22—25 mm. Maximum der sekundären Erhebung 207 mm. Länge 36 Sek., auf- steigender Schenkel 12,5 Sek., absteigender Schenkel 23,5 Sek. Bereits nach etwa 10 Minuten sind die Wellen viel kürzer und flacher geworden und werden häufig durch unregelmässige Zacken gestört. Beispiel einer nicht gestörten Welle: Min. 150 mm, Max. 159 mm, Min. 149 mm ; Höhendifferenz 9—10 mm; Länge 12 Sek., aufsteigender Schenkei 4,5 Sek., absteigender Schenkel 7,5 Sek. 336 Hans Stübel: Hahn 2 (Fig. 72). Die nach der doppelseitigen Vagotomie er- scheinenden Wellen sind anfangs sehr kurz und flach, nur angedeutet. Später werden die Wellen tiefer, bleiben aber ganz unregelmässig und verhältnismässig kurz. Beispiel: Min. 175 mm, Max. 204 mm, Min. 187 mm; Höhendifferenz 17—29 mm; Länge 12 Sek., auf- steigender Schenkel = absteigender Schenkel = 6 Sek. Diesen atypischen Blutdruckwellen entspricht eine für doppelseitig vago- tomierte Hühner ganz atypische Atmung; die Verlangsamung der Atmung wird nänlich hier nicht durch Pausenbildung ın Ruhestellung des Thorax, sondern lediglich durch eine Verlangsamung der In- spirationsphase hervorgerufen. Hahn 4 (Fig. 73). Die nach der doppelseitigen Vagotomie auftretenden Wellen sind verhältnismässig kurz und flach und zeigen keine sekundären Erhebungen; in unregelmässigen Zwischenräumen bilden sich sehr hohe, aber gleichfalls kurze Wellen aus. Beispiel einer Welle: Min. 210 mm, Max. 215 mm, Min 210 mm; Höhen- differenz 5 mm; Länge 8 Sek., aufsteigender Schenkel = absteigender Schenkel —4 Sek. Höhen einer grossen Welle: Min. 202 mm, Max. 247 mm, Min. 204 mm; Höhendifferenz 43—45 mm. Hahn 9 (Fig. 66). Nach der doppelseitigen Vagotomie bilden sich sofort die grossen Blutdruckwellen aus, welche hier verhältnis- mässig sehr kurz und flach sind; sie zeigen keine sekundären Er- hebungen. Beispiel: Min. 185 mm, Max. 187 mm, Min. 154 mm, Höhendifferenz 2—3 mm; Länge 10 Sek., aufsteigender Schenkel = absteigender Schenkel = 5 Sek.; nach ca. 15 Min. sind die Wellen ein wenig länger und tiefer geworden, z. B. Min. 160 mm, Max. 164 mm, Min. 160 mm; Höhendifferenz 4 mm. Länge 12,5 Sek., aufsteigender Schenkel 7 Sek. absteigender Schenkel 5,5 Sek. Taube. Nur während der ersten Minute nach der doppel- seitigen Vagotomie treten grosse Blutdruckwellen auf (Fig. 78); später verläuft die Blutdruckkurve fast horizontal (Fig. 70). Beispiel einer Welle: Min. 177 mm, Max. 182 mm, Min. 176 mm; Höhendifferenz 5—6 mm: Länge 13 Sek., aufsteigender Schenkel 2,5 Sek., ab- steigender Schenkel 10,5 Sek. Atemkurve s. S. 286. Ente 1 (Fig. 8le). Sofort nach der doppelseitigen Vagotomie bilden sich die grossen Blutdruckwellen aus; sie sind in bezug auf ihre Länge sehr verschieden. Grosse, lange und kleine, kurze Wellen wechseln in unregelmässiger Weise miteinander ab. Sekundäre Er- hebungen sind von ganz unbedeutender Höhe und treten selten und Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 397 in unregelmässiger Weise auf. Beispiel: Min. 236 mm, Max. 271 mm, Min. 233 mm; Höhendifferenz 33—35 mm; Länge 21,5 Sek., auf- steigender Schenkel 13,5 Sek., absteigender Schenkel 8 Sek. Ente 2 (Fig. 84b). Es treten schon 10 Sekunden nach der doppelseitigen Vagotomie die grossen Blutdruckwellen auf. Sie sind verhältnismässig kurz und sehr flach. Beispiel: Min. 83 mm, Max. 86 mm, Min. 83 mm; Höhendifferenz 3 mm; Länge 7 Sek., nen. Schenkel 1 Sek., absteigender Schenkel 6 Sek. Ente3 (Fig. 85). Atemkurve s. S. 286. Sofort nach der doppel- seitigen Vagotomie bilden sich an der Blutdruckkurve die grossen Wellen aus. Sie sind teilweise ganz ausserordentlich tief; ihre Tiefe und Länge ist jedoch sehr ungleich; ihre Beziehung zur Atmung ist erkennbar, aber weniger deutlich als an anderen Kurven. Vereinzelt sind den Atemzügen synchron sekundäre Erhebungen in Form kleiner Zacken angedeutet. Der Einfluss einiger Reizungen des zentralen Vagusendes auf die Blutdruckkurve ist gleichfalls inkonstant; beginnt die Reizung während des aufsteigenden Schenkels, so wird der Ver- lauf der Welle anscheinend gar nicht beeinflusst; beginnt die Reizung während des absteigenden Schenkels, so wird dieser wahrscheinlich verlängert und vertieft. Soweit es sich überhaupt feststellen lässt, fallen die grossen Atemzüge zeitlich mit dem aufsteigenden Schenkel der Welle oder mit ihrem Kulminationspunkte zusammen. An manchen Stellen der Kurve finden sich möglicherweise zwei verschiedene Kategorien von Wellen: 1. Lange, sehr tiefe Wellen, die einer ganzen Gruppe mehr oder weniger rasch aufeinander- folgender grosser Atemzüge und den dazugehörigen Atempausen ent- sprechen. 2. Gleichfalls lange, aber sehr flache Wellen, die den einzelnen Atemzügen dieser Gruppen nebst einer Atempause zu entsprechen scheinen und den Wellen der ersten Kategorie aufgesetzt sind; sie sind oft undeutlich ausgeprägt und erinnern in ihrem Aus- sehen eher an die grossen, flachen Wellen, die bei manchen doppel- seitig vagotomierten Hühnern auftraten, als an normale Atem- schwankungen. Ente 4 (Fig. 86). Atemkurve s. S. 287. Nach der doppel- seitigen Vagotomie bilden sich sofort die grossen Blutdruckwellen aus und zwar verlaufen die Wellen deutlich synehron mit den Atem- perioden (die aus einem grossen Atemzuge oder einer Gruppe grosser Atemzüge und aus der Atempause in Ruhestellung des Thorax be- stehen). Den grossen Wellen sind, besonders am absteigenden 398 Hans Stübel: Schenkel, zeitweilig kürzere, flache, unregelmässig verlaufende Wellen aufgesetzt. Daneben fallen im aufsteigenden Schenkel der dritten und vierten Welle rasch ablaufende, zackenförmige sekundäre Er- hebungen zeitlich mit grossen Atemzügen zusammen. Maasse der ersten 4 nach der Durchschneidung des zweiten Vagus auftretenden grossen Wellen: A . | Länge des | Länge des Min. Max. Min. n ae in aufsteigenden absteigenden tar 5 Schenkels | Schenkels mm mm mm mm Sek. : Sek. Sek. 97 139 94 42—45 24 5 19 94 184 94 90 25,2 4,5 20,7 94 195 .133 101—62 44,8 15,3 29,5 133 214 133 81 72 19,5 92,5 Ente 5 (Fig. 75). Atemkurve s. S. 287. Die: nach der doppel- seitigen Vagotomie auftretenden grossen Wellen verlaufen auch hier synchron mit Perioden der Atmung. Die grossen Wellen sind ziem- lich flach; sekundäre Erhebungen finden sich häufig und fallen zeit- lich genau mit den grossen Atemzügen zusammen. Soweit es an der mit dem Quecksilbermanometer aufgenommenen Kurve zu er- kennen ist, ist die Höhe der pulsatorischen Druckschwankung während der sekundären Erhebungen vergrössert. Stockente 3 (Fig. 87b). Sofort nach der doppelseitigen Vago- tomie bilden sich die grossen Wellen aus; sie sind ausserordentlich lang; jedoch sind die einzelnen Wellen von sehr ungleicher Länge (Länge der ersten 3 Wellen: 36 Sek., 45 Sek., 63,5 Sek.) Dabei sind die Wellen verhältnismässig niedrig. Maass der dritten nach der doppelseitigen Vagotomie auftretenden Welle: Min. 248 mm, Max. 265 mm, Min. 237 mm; Höhendifferenz 17—28 mm; Länge 63,5 Sek., aufsteigender Schenkel 7 Sek., absteigender Schenkel 56,5 Sek. Stockente4. Nach der doppelseitigen Vagotomie bilden sich sofort grosse Blutdruckwellen aus; sie werden jedoch sehr bald flach und undeutlich. Maass einer Welle kurz nach der Durchschneidung: Min. 154 mm, Max. 162 mm, Min. 151 mm; Höhendifferenz 8-11 mm; Länge 17 Sek., aufsteigender Schenkel 7 Sek., absteigender Schenkel 10 Sek. Sturmmöwe 4 (Fig. 79). Nach der doppelseitigen Vagotomie erscheinen Blutdruckwellen von verhältnismässig sehr geringer Länge und Höhe; dabei ist die Form und Länge der einzelnen Wellen Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 329 ziemlich ungleich. Die längeren Wellen zeigen auf der Höhe ein Plateau, zu dem der Blutdruck am Anfang der Welle rasch empor- steiet, um am Ende ebenso rasch wieder abzusinken. Maass einer ‘Welle: Min. 274 mm, Max. 278 mm, Min. 273 mm; Höhendifferenz 4—5 mm; Länge 5,3 Sek., aufsteigender Schenkel 4 Sek., absteigender Schenkel 1,3 Sek. Später werden die Wellen etwas tiefer (Fig. 80). Saatkrähe 1 (Fig. 90). Nach der doppelseitigen Vagotomie ändern sich die vorher vorhandenen Atemschwankungen nur insofern, als sie in der ersten Zeit nach der Durchschneidung in bezug auf Länge und Tiefe nicht ganz so regelmässig verlaufen wie vorher. Maass einer Atemschwankung etwa 15 Minuten nach der Durch- schneidung (nachdem die Atemschwankungen wieder regelmässig geworden sind): Min. 97 mm, Max. 101 mm, Min. 98 mm; Höhen- differenz 3—4 mm, Länge 2,3 Sek., aufsteigender Schenkel 1 Sek., absteigender Schenkel 1,8 Sek. Saatkrähe5 (Fig. 91). Die Kurve zeist nach der doppelseitigen Vagotomie sehr langsam ablaufende, unregelmässige Schwankungen des Blutdruckes, denen eben angedeutete Atemschwankungen auf- gesetzt sind. Nebelkrähe 2 (Fig. 88, 89). Atemkurve s. S. 287. In den ersten Minuten nach der doppelseitigen Vagotomie (während der Periode der stärker verlangsamten Atmung) sind nur ganz unregelmässige Blutdruckschwankungen wahrnehmbar. Später (nach Ausbildung des exspiratorischen Plateaus an der Atemkurve) verläuft jedem Atem- zuge synchron eine deutliche, scharf abgegrenzte Blutdruckwelle. Der Moment der tiefsten Inspiration fällt zeitlich ungefähr mit dem "Maximum der Blutdruckwelle zusammen. Beispiel einer Welle: Min. 156 mm, Max. 163 mm, Min. 157 mm; Höhendifferenz 6—7 mm; Länge 5,7 Sek., aufsteigender Schenkel 2,7 Sek., absteigender Schenkel 3 Sek. Später werden die Wellen zuweilen etwas länger (8 Sek.); dabei ist die Länge des aufsteigenden Schenkels —= der des absteigenden Schenkels. Bussard 1 (Fig. 82a). Atemkurve s. S. 288. Kurze Zeit nach der doppelseitigen Vagotomie beschreibt die Blutdruckkurve eine sehr hohe Welle (Höhendifferenz 79 mm). Aus äusseren Gründen (Ende des Papieres) lässt sich die Welle nicht vollständig aufnehmen. Nach einiger Zeit zeigen sich den Atemperioden synchrone periodische Schwankungen der Blutdruckkurve, welche jedoch nicht den Namen „Wellen“ im eigentlichen Sinne verdienen. Zu Beginn der Periode 330 Hans Stübel: steigt der Blutdruck verhältnismässig rasch zum Gipfel an (aufsteigender Schenkel), fällt dann sofort ebenso rasch wieder ab, jedoch nicht ganz bis auf die zu Beginn der Periode verzeichnete Blutdruckhöhe (erster Teil des absteigenden Schenkels); in dem nun folgenden zweiten Teile des absteigenden Schenkels fällt die Blutdruckkurve in Form einer geraden, schwach geneigten Linie bis zum Ausgangs- punkte der folgenden Periode. Ein Vergleich der Blutdruckkurve mit der Atemkurve lehrt, dass der aufsteigende Schenkel und der erste Teil des absteigenden Schenkels der Periode mit dem Atemzuge, der zweite Teil des absteigenden Schenkels mit der Atempause in Ruhe- stellung des Thorax zusammenfallen. Zur Erläuterung seien eine Anzahl Maasse von Blutdruckperioden in tabellarischer Übersicht zusammen- gestellt. Zwischen jeder der vermessenen Perioden liest ungefähr ein Zeitraum von einer Minute. Hohen Gesamt- Länge des i Länge des Min. Max. Min. aufsteigenden absteigenden differenz | länge | schenkels | Schenkels mm mm mm mm Sek. Sek. Sek. 180 197 179 17—18 11 39 7,9 189 199 184 - 10—15 13,5 3 10,5 173 188 172 15—16 16 3,9 12,5 174 187 178 13—11 17,5 3,9 14 179 191 172 12-19 15 3,5 11,5 173 184 172 11-12 14,3 38 10,5 Bemerkenswert ist an dieser Tabelle, dass die Länge des auf- steigenden Schenkels sehr wenig, die des absteigenden verhältnis- mässig mehr variiert. Dem entspricht an der Atemkurve, dass die Geschwindigkeit und Länge des exspiratorischen Schenkels der Atemzüge fast stets dieselbe bleibt, dagegen die Geschwindigkeit des inspiratorischen Schenkels und die Länge der Atempause grösseren Verschiedenheiten unterworfen ist. Während einer nun folgenden zentralen Vagusreizung wird die Atmung bescheunigt und verflacht. Dabei werden die langen der Atmung synchronen Blutdruckschwankungen entsprechend verkürzt und verflacht und gewinnen das Aussehen von Atemschwankungen eines Vogels, dessen Vagi intakt sind. Im weiteren Verlaufe des Versuches wird die Atmung frequenter, die Blutdruckschwankungen werden kürzer und flacher. Die Beschleunigung der Atmung wird dabei vor allem durch eine Verkürzung der Atempausen hervorgerufen. Infolgedessen wird hauptsächlich der absteigende Schenkel der Blut- Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 331 druckschwankungen verkürzt, und die beiden anfänglich deutlich von- einander abtrennbaren Perioden des absteigenden Schenkels lassen sich nicht mehr unterscheiden. Maass einer Welle am Ende des Versuches: Min. 178 mm, Max. 186 mm, Min. 178 mm; Höhen- differenz 8 mm; Länge 8,5 Sek., aufsteigender Schenkel 4,5 Sek.., absteigender Schenkel 4 Sek. | Bussard 2 (Fig. 92a, 92b). Atemkurve s. S. 288; vergl. Tabelle „Atemschwankungen“. Der Typus der Atemzüge und der Atem- schwankungen ändert sich nach der doppelseitigen Vagotomie nicht. Bussard 4 (Fig. 83). Sofort nach der Durchschneidung treten die grossen Blutdruckwellen auf. Zahl der Wellen in den ersten 4 Min. von der 20. Sek. nach der Durchschneidung an gerechnet: 6, 6, 5, 4. Maass einer Welle in der 3. Minute nach der Durch- schneidung: Min. 205 mm, Max. 210 mm, Min. 203 mm; Höhen- differenz 5—7 mm; Länge 13,5 Sek., aufsteigender Schenkel 4,2 Sek., absteigender Schenkel 9,3 Sek. & Bussard 5 (Fig. 93). Atemkurve s. S. 288. 40 Sekunden nach der doppelseitigen Vagotomie beginnt die Bildung der grossen, in diesem Falle sehr hohen, aber in bezug auf Länge und Höhe sehr ungleichmässigen Blutdruckwellen. Da die Länge der Atempausen eine sehr ungleichmässige ist, tritt die Beziehung der Atemperioden zu den Blutdruckwellen nicht überall mit derselben Deutlichkeit hervor. Maasse der ersten acht nach der Durchschneidung auf- tretenden Wellen: Eat _ | Länge des Länge des Min Max Min en en aufsteigenden! absteigenden MIETEDZ au2s Schenkels Schenkels mm mm mm mm Sek. Sek. Sek. 148 185 129 37—56 ed 6,5 11,2 129 170 144 41—26 16,3 9,9 11 144 207 146 63—61 13,7 9,5 10,2 146 206 143 60—63 17,8 7,8 10 143 201 167 58— 34 16,3 8,8 8 167 204 152 37—52 15 6,9 8,8 152 203 143 51—60 18,3 8 11 143 201 143 58—583 18 8 10 Milan (Fig. 96). Atemkurve s. S. 283. Nach der doppelseitigen Vagotomie bilden sich die grossen Blutdruckwellen aus, welche synchron den Atemperioden verlaufen; sie sind entsprechend der "Atmung in den ersten 2 Minuten nach der Durchschneidung ver- 339 Hans Stübel: hältnismässig kurz und unregelmässig; später werden sie regelmässig, und ihre Höhe nimmt allmählich etwas zu. Maass einer Welle etwa 7 Minuten nach der Durchschneidung: Min. 255 mm, Max. 258 mm, Min. 252 mm; Höhendifferenz 3—6 mm; Länge 16 Sek., auf- steigender Schenkel 12 Sek., absteigender Schenkel 4 Sek. Maass einer Welle etwa 12 Minuten nach der Durchschneidung: Min. 228 mm, Max. 233 mm, Min. 228 mm; Höhendifferenz 5 mm; Länge 9,7 Sek.; aufsteigender Schenkel 5,2 Sek., absteigender Schenkel 4,5 Sek. Habicht (Fig. 94a, 95). Atemkurve s.S. 289. In der dritten Minute nach der doppelseitigen Vagotomie zeigt die Blutdruckkurve einen sehr gleichmässigen Verlauf. Synehron mit der Atmung treten Blutdruckwellen auf, welche hier entsprechend der hohen Atem- frequenz kurz und flach sind. Die Wellen zeigen entsprechend der exspiratorischen Zacke der Atemkurve eine unbedeutende sekundäre Erhebung. Maass einer Welle in der dritten Minute nach der Durehschneidung: Min. 251 mm, Max. 253 mm, Min. 251 mm; Höhendifferenz 2 mm; Länge 4,3 Sek., aufsteigender Schenkel 3 Sek., absteigender Schenkel 1,3 Sek. In den ersten zwei Minuten nach der Durchschneidung zeigt die Blutdruckkurve bereits die soeben beschriebenen Wellen; sie sind jedoch während dieser Zeit nicht deutlich abzugrenzen, da sie vier sehr tiefen und langen Blut- druckwellen aufgesetzt sind, die in ihrem Aussehen den hohen Blut- druckwellen anderer doppelseitig vagotomierter Vögel gleichen. Die vier Kulminationspunkte dieser Wellen fallen zeitlich mit den vier- grosse Atemzügen (vergl. Beschreibung der Atemkurve) zusammen. Maasse der vier Wellen: Auen _ | Länge des | Länge des Min. Max. Min. en a aufsteigenden) absteigenden 5 Schenkels Schenkels mm mm mm mm Sek. Sek. Sek. 159 233 190 74—483 21 12,5 8,9 190 257 199 67—58 30,4 18 12,4 199 258 224 39—34 23,7 16 MoU 224 255 211 31—4 20,5 8 12,5 Geier (Fig. 97b). Atemkurve s. S. 289. 30 Sekunden nach der doppelseitigen Vagotomie erscheinen der Atmung synchrone Blut- druckwellen. Dieselben sind entsprechend der verhältnismässig raschen Atmung, bei der es nur zur Ausbildung ganz kurzer Atempausen Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 333 (ea. 2 Sek.) kommt, sehr kurz und ähneln in ihrem Aussehen normalen Atemschwankungen (vergl. Tabelle „Atemschwankungen‘). Maasse einer Atemschwankung vor der doppelseitigen Vagotomie und von vier Blutdruckwellen nach der doppelseitigen Vagotomie. Ale _|Längedes Längedes Min. | Max.| Min. 2 an a aufst. abst. 8° [Schenkels Schenkels mm | mm |mm mm Sek. Sek. Sek. Atemschwankung vor d. doppels. Vagotomie | 110 | 115 | 110 5 4,9 De 239) Welle in der 1.’) nach | 126 | 139 | 125 | 13—14 1,2 3,3 3,9 2 dee 118 1.130 | 117, 12—13 9 4 5 nr 3 (opel. | 113.) 130 | 122 | 12 -8| 10 4 6 » nn 4’) Vagot. | 119 | 143 | 121 | 24—22 9,5 4,2 5,3 In der Tabelle „doppelseitige Vagotomie“ (s. S. 308&—311) sind noch eine Anzahl Vögel mehr angeführt als unter der „Beschreibung der nach doppelseitiger Vagotomie auftretenden Blutdruckwellen“. Bei den in letzterer Zusammenstellung nicht mit angeführten Vögeln traten nach der Durchschneidung beider Vagi keine Blutdruckwellen auf. Schliesslich sei hier noch im allgemeinen auf einen Vergleich der normalen Atemschwankungen der Vögel (s. Tabelle „Atem- schwankungen“ S. 342—345) mit den nach doppelseitiger Vagotomie auftretenden Blutdruckwellen hingewiesen. Dieser Beschreibung nach können die Blutdruckwellen, welche nach der Durchschneidung beider Nervi vagi an Vögeln beobachtet worden sind, ein sehr verschiedenes Aussehen haben. Soweit gleich- zeitig mit den Blutdruckkurven Atemkurven aufgenommen wurden, ist es ersichtlich, dass zwischen dem zeitlichen Verlauf der Blut- druckwellen und der Atmung in jedem Falle eine Beziehung besteht. Da nun in denjenigen Versuchen, in welchen nicht zugleich eine Atemkurve aufgenommen wurde, die Wellen in keinem Falle anders geartet sind, so müssen wir annehmen, dass auch bei diesen Wellen stets eine Beziehung zur Atmung stattgefunden hat. Würden uns nur Blutdruckkurven solcher Vögel vorliegen, deren Atmung nach der doppelseitigen Vagotomie in verhältnismässig sehr geringem Grade verlangsamt wird (z. B. Nebelkrähe 4, Geier), so würde man geneigt sein, ohne weiteres anzunehmen, dass die Blutdruckwellen doppelseitig vagotomierter Vögel lediglich entsprechend verlängerte und vertiefte Atemschwankungen sind. Wird die Atmung nach der Durchschneidung beider Vagi jedoch stärker verlangsamt, und zwar durch Pausen- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 22 334 Hans Stübel: bildung in Ruhestellung des Thorax, so müsste eine Blutdruckkurve mit Atemschwankungen das bereits weiter oben geschilderte Aus- sehen zeigen: eine horizontale Strecke entsprechend der Atem- pause in Ruhestellung unterbrochen durch rasch ablaufende Atem- schwankungen, entsprechend den rasch ablaufenden Atemzügen. Von den mir vorliegenden Blutdruckkurven zeigen nur zwei einen Ver- lauf, der sich in dieser Weise deuten liesse: Bussard 1 (Fig. 82) und vielleicht Ente 2. Bei denjenigen Vögeln, bei denen die Atmung in der charakte- ristischen Weise stark verlangsamt wird, bot die Blutdruckkurve eine ganz andere Erscheinung dar. Hier verliefen die Blutdruck- wellen nicht synchron mit den einzelnen Atemzügen, sondern wie schon bei der Beschreibung der Versuchsergebnisse hervorgehoben wurde, synchron mit Atemperioden. Eine solch Atemperiode besteht aus einem oder einer Gruppe rasch ablaufender Atemzüge und einer Atempause in Ruhestellung des Thorax. Während der oft ausserordentlich langen Atempause können innerhalb der Lungen und der ganzen Leibeshöhle keinerlei Drucksschwankungen entstehen. Infolgedessen ist es nicht möglich anzunehmen, dass die grossen Blutdruckwellen doppelseitig vagotomierter Vögel mechanischen Ur- sprunges sind. Traube!) beobachtete grosse Blutdruckwellen an doppelseitig vagotomierten Säugetieren, die curaresiert waren, und bei denen die künstliche Atmung ausgesetzt wurde, so dass sie sich in einem dyspnoischen Zustande befanden. Hering?) wies dann nach, dass diese Wellen synchron verlaufen mit den abortiven Atembewegungen schwach euraresierter Tiere. Dasjenige, was die Traube-Hering- schen Wellen von Wellen anderer Art unterscheidet, ist, dass sie mit der Atmung synchron auftreten, aber eine rein zentrale Ent- stehungsursache haben. Wollen wir die grossen Blutdruckwellen doppelseitig vagoto- mierter Vögel einer der durch die zahlreichen Untersuchungen an Säugetieren wohlbekannten Wellenordnungen einreihen, so müssen wir sie demnach als Traube-Hering’sche Wellen bezeichnen. 1) Traube, Zentralbl. f. d. mediz. Wesen 1865 :S. 831. 2) Hering, Über Atembewegungen des Gefässsystems. Wiener Sitzungsber. Bd. 60 (2) S. 829. 1869. Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 335 ‘ Morawitz!) findet in der äusseren Gestalt der Traube- Hering’schen Wellen ein dieselben differenzierendes Moment, dem er allerdings keine prinzipielle Bedeutung beilegt. Als charakteristisch für die äussere Gestalt dieser Wellen bezeichnet er: „die hohen (beim Hunde bis 50 mm Quecksilber) betragenden Differenzen zwischen Wellenberg und Wellental, die gleiche Länge des auf- und ab- steigenden Schenkels und die überall gleiche Gestalt der Pulszacken“. In diesen Beziehungen zeigen allerdings die bei doppelseitig vago- tomierten Vöseln auftretenden Blutdruckwellen erhebliche Unter- schiede.. Die Höhendifferenz beträgt auch bei grösserer Länge oft nur wenige Millimeter; es finden sich aber alle Übergänge von dieser geringen Höhendifferenz bis zu einer solchen von 50—70 mm. Der aufsteigende Schenkel ist bei den Wellen der Vögel oft kürzer als der absteigende, seltener umgekehrt der absteigende kürzer als der aufsteigende; auch bezüglich dieser Längenunterschiede sehen wir alle Übergangsformen, selbst bei ein und demselben Individuum. Verzeichnen wir die Welle mit einem Gad’schen Blutwellenschreiber, so ‚ändert sich die Höhe der pulsatorischen Druckschwankung zu- weilen erheblich (vgl. Henne 16, Fig. 74); diese Veränderung dürfte jedoch sich lediglich auf mechanische Ursachen zurückführen lassen, nämlich darauf, dass sich der Widerstand im Gefässsysteme ändert. Auch Frequenzschwankungen gingen zuweilen mit besonders tiefen Wellen einher; diese waren jedoch so inkonstant, dass man sie nicht in ursächlichen Zusammenhang mit der Wellenbildung bringen kann, sondern dass sie vielmehr eine Folge der erheblichen Biutdruck- schwankungen sein werden. Trotz diesen Verschiedenheiten im Vergleich mit den Traube-Hering’schen Wellen der Säugetiere berechtigten uns die hauptsächlichen charakteristischen Eigenschaften der. grossen Blutdruckwellen doppelseitig vagotomierter Vögel, sie auch als Traube-Hering’sche Wellen zu bezeichnen. Diese Eigenschaften sind noch einmal kurz zusammengefasst: Der mit der Atmung isochrone Verlauf, die Unmöglichkeit, eine andere als eine zentrale Entstehungsursache anzunehmen, das Auftreten nach doppel- seitiger Vagotomie, welcher Eingriff die Vögel in einen mehr oder weniger ausgesprochenen, aber stets erkennbaren dyspnöischen Zu- stand versetzt. Die Aufnahme der Blutdruckkurve eines doppel- 8) Morawitz, Zur Differenzierung rhythmischer Blutdruckschwankungen. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1903 S. 82. Do 336 Hans Stübel: seitig vagotomierten Vogels dürfte sich nach den soeben mitgeteilten Ergebnissen als ein besonders geeignetes Objekt zur Demonstration von Traube-Hering’schen Wellen erweisen. | Bei der Beurteilung der Blutdruckwellen doppelseitig vago- tomierter Vögel stossen wir allerdings noch auf eine Schwierigkeit. Wenn wir die grossen Blutdruckwellen eines Vogels mit stark ver- lanesamter Atmung, beispielsweise einer Ente, vergleichen mit den kleinen Blutdruckschwankungen eines Vogels mit verhältuismässig wenig verlangsamter Atmung, also zwei extreme Fälle, so wird man ohne weiteres Bedenken die grossen Blutdruckwellen als Traube- Hering’sche Wellen, die kleinen als Atemschwankungen ansprechen. So haben z. B. die Blutdruckwellen von Nebelkrähe 2 fast dasselbe Aussehen wie normale Atemschwankungen (Fig. 88, 89). Anderer- seits ist jedoch nach der doppelseitigen Vagotomie auch bei Nebel- krähe 2 die Atmung durch Pausenbildung verlangsamt. Ebenso wie sich nun alle Übergänge finden, von der geringen Verlaresamung der Atmung bei den Krähen bis zu der exzessiven Verlangsamung der Atmung bei den Enten, so finden sich auch alle Übergänge von gauz kurzen, flachen bis zu sehr langen, tiefen Blutdruck wellen. Demnach wird es in manchen Fällen grossen Schwierigkeiten be- geenen, zu entscheiden, ob die nach der doppelseitigen Vagotomie auftretende Atempause noch so kurz ist, dass man für die ent- sprechende Blutdruckwelle dieselbe Entstehungsursache annehmen kann wie für die normale Atemschwankung, oder ob die Atempause schon so lang ist, dass man annehmen muss, dass sie die Entstehung einer Blutdruckschwankung auf mechanischem Wege verhindert. Ich bin der Ansicht, dass auch bei doppelseitig vagotomierten Vögeln ein prinzipieller Unterschied zwischen den bei verhältnis- mässig rascher Atmung auftretenden Atemschwankungen und den bei stärker verlangsamter Atmung auftretenden grossen Blutdruck- wellen besteht, obgleich es in Grenzfällen schwierig, wenn nicht un- möglich sein wird, eine Blutdruckwelle der niederen oder höheren Ordnung zuzuweisen. Eine bedeutsame Aufklärung in dieser Beziehung dürfte die Atmunes- und Blutdruckkurve des doppelseitig vagotomierten Habichts geben (Fig. 94a, 95). Hier sehen wir drei Minuten nach der Durch- schneidung des zweiten Vagus eine verhältnismässig wenig verlang- samte und wenig vertiefte Atmung und dementsprechend kurze, flache, ganz wie Atemschwankungen aussehende Blutdruckwellen. In den ersten zwei Minuten nach der Durchschneidung wird die Atmung Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 337 dreimal durch je einen stark vertieften, rasch ablaufenden, krampf- haften Atemzug unterbrochen, der den grossen Atemzügen doppel- seitig vagotomierter Hühner und Enten ähnelt. An der Blutdruck- kurve sind in dieser Zeit drei lange, tiefe Wellen sichtbar, deren Maximum zeitlich jedesmal mit einem der drei tiefen Atemzüge zu- sammenfällt. Diese Wellen haben durchaus den Charakter der grossen Blutdruckwellen doppelseitig vagotomierter Hühner und Enten. Ihnen aufgesetzt sind die den flachen Atemzügen synchronen kleinen Blut- druckwellen, welche späterhin allein erscheinen. Wir können hier also zwei verschiedene Wellenarten, kurze flache und lange tiefe, an einer und derselben Kurve gleichzeitig beobachten. Ein besonderes Interesse verdienen nun noch die häufig vor- kommenden, den grossen Blutdruckwellen aufsitzenden kleinen Zacken und Wellen. Diese entsprechen, wie der Vergleich der Blutdruck- kurve mit der Atemkurve lehrt, vollkommen den einzelnen Atem- zügen. Ich habe sie in der obigen Beschreibung der Kürze halber „sekundäre Erhebungen“ genannt. Sie finden sich keineswegs an einem bestimmten Punkte der grossen Welle vor; bald sind sie dem aufsteigenden Schenkel, bald dem Höhepunkt, bald dem absteigenden Schenkel der Welle aufgesetzt. Hieraus geht hervor, dass die Atem- züge keineswegs mit einer ganz bestimmten Phase der grossen Welle zeitlich zusammenfallen; wiederum ein Beweis, dass mechanische Ursachen nichts mit der Entstehung der grossen Wellen zu tun haben können. Bemerkenswert ist nun das Verhältnis der sekundären Erhebungen in bezug auf ihre Grösse. In vielen Fällen vermisst man sie ganz, in anderen sind sie eben angedeutet, in einzelnen Fällen dagegen so gross, dass man bei oberflächlicher Betrachtung der Kurve sie gar nicht mit den weit häufigeren kleinen Zacken identifizieren würde (vgl. Hahn 1). Einem derartigen Irrtum wird man weniger leicht unterliegen, wenn man die betreffende Blutdruck- und Atemkurve selbst am Kymographion hat eutstehen sehen. In der Regel entsprechen die sekundären Erhebungen nur den grossen Atemzügen; seltener führten auch die oben beschriebenen „abortiven“ Atemzüge zur Entstehung sekundärer Erhebungen (vgl. Henne 18). Alle die Grössenunterschiede der sekundären Erhebungen sind be- deutungsvoll, sobald wir uns die Frage vorlegen, ob diese Erhebungen mechanischen oder nervösen Ursprunges sind. Wenn wir in einem gegebenen Falle sehen, dass einer der so ausserordentlich heftigen Atembewegungen des doppelseitig vagotomierten Tieres eine Blut- druekschwankung entspricht, so könnten wir von vornherein geneigt 338 Hans Stübel: sein, diese Schwankung als eine auf mechanische Ursachen zurück- zuführende Atemsehwankung anzusprechen. Hat man aber Gelegen- heit gehabt, eine grössere Anzahl derartiger Kurven entstehen zu sehen, so erscheint es nicht ganz so einfach, das Wesen dieser sekundären Erhebungen zu erklären. In jedem Falle ist die Atmung nach doppelseitiger Vagotomie ausserordentlich vertieft; immer wieder wird man bei der Beobachtung eines vagotomierten Vogels erstaunen über die ganz enormen Anstrengungen, die das Tier bei jedem Atem- zuge macht. Alle Bedingungen zu der mechanischen Entstehung einer Blutdrucksehwankung scheinen also in erhöhtem Maasse vor- handen zu sein. Und doch sehen wir derartig beträchtliche Unter- schiede in der Grösse dieser sekundären Erhebungen. Wir sehen diese Erhebungen einerseits bei einer ganzen Reihe von Kurven fehlen, obwohl auch bei Aufnahme dieser Kurven die betreffenden Versuchstiere dieselben maximalen Atemzüge machten; andererseits finden wir ansehnliche sekundäre Erhebungen, welche „abortiven“ Atemzügen, also vergleichsweise ganz geringfügigen Thoraxbewegungen entsprechen. Diese Grössendifferenzen sprechen demnach eher für eine nervöse als für eine mechanische Entstehung der den Traube- Hering’schen Wellen aufsitzenden, gleichzeitig mit den einzelnen Atemzügen erscheinenden Zacken oder Wellen. Vielleicht haben sie dieselbe Entstehungsursache wie die auch bei normalen Vögeln infolge von Bewegungen auftretenden zackenförmigen Blutdruck- schwankungen. In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, dass auch die Atemschwankungen normaler Vögel grossen Variationen unter- worfen sind, und dass wir auch bei diesen den Eindruck gewinnen, dass Höhe oder überhaupt Vorhandensein der Atemschwankung nicht immer der Tiefe der Atmung entspricht, ebenso wie es für die sekundären Erhebungen der Blutdruckkurve doppelseitig vagotomierter Vögel auseinandergesetzt wurde. Wenn man sich diese Tatsache vergegenwärtigt, so wird man sich die Frage vorlegen, ob nicht auch bei der Entstehung der Atemschwankungen normaler Vögel nervöse Ursachen neben den weiter oben diskutierten mechanischen Ursachen eine Rolle spielen, und man wird geneigt sein, diese Frage zu bejahen. Die Blutdruckkurve normaler Vögel lässt ab und zu Wellen erkennen, die lang und in der Regel sehr flach sind und einer ganzen Reihe von Atemperioden entsprechen. Diese Wellen stimmen vollkommen mit denjenigen an der Blutdruckkurve von Säugetieren zu beobachtenden Wellen überein, die allgemein als Sigmund Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 339 Mayer’sche Wellen bezeichnet werden. Knoll!) hat gezeigt, dass diese Wellen mit periodischen Schwankungen der Atemgrösse synchron verlaufen. Jedoch scheint nach den Untersuchungen von Rulot?) eine Beziehung der Sigmund Mayer’schen Wellen zu Atemperioden nicht in jedem Falle vorhanden zu sein. An dieser Stelle sei eine kurze Beschreibung derartiger von mir beobachteter Wellenbildungen gegeben. Henne 15. Eine Periode sehr langer flacher Wellen; Maasse zweier Wellen z. B. 1. Länge 47 Sek., aufsteigender Schenkel 16,5 Sek., absteigender 30,5 Sek.; Min. 152 mm, Max. 164 mm, Min. 153 mm; Höhendifferenz 11—12 mm. Der Welle sind 13 Atem- schwankungen aufgesetzt. 2. Länge 36 Sek., aufsteigender Schenkel 16 Sek., absteigender 20 Sek.; Min. 153 mm, Max. 165 mm, Min. 153 mm; Höhendifferenz 12 mm; der Welle sind 10 Atem- schwankungen aufgesetzt. Henne 17. Eine Periode ziemlich kurzer Wellen, denen durchsehnittlich drei, zuweilen undeutliche Atemschwankungen auf- gesetzt sind, z. B. Länge 9 Sek., aufsteigender Schenkel 3 Sek., absteigender 6 Sek.; Min. 151 mm, Max. 159 mm, Min. 152 mm, Höhendifferenz 7—8 mm. Hahn 4. Einige Zeit nach Beginn des Versuches treten spontan erst zwei, dann vier lange, flache Blutdruckwellen auf. Maasse, z. B. 1. Länge 1 Min. 10,5 Sek., aufsteigender Schenkel 34 Sek., absteigender 36,5 Sek., Min. 192 mm, Max. 210 mm, Min. 196 mm; Höhendifferenz 14—18 mm. 2. Länge 33,2 Sek., aufsteigender Schenkel 17,5, absteigender 15,7 Sek.; Min. 197 mm, Max. 202 mm, Min. 194 mm; Höhendifferenz 5—8 mm. Hahn 6. Die Kurve verläuft (abgesehen von den Atem- schwankungen) erst horizontal; dann folgt eine Reihe unregelmässiger, wellenförmiger Erhebungen, welche mit krampfhaften Abwehr- bewegungen des Tieres einhergehen: Länge 7,5—17 Sek, Höhen- differenz 20—44 mm. Nachdem die Kurve dann wieder eine Zeit- lang keine Blutdruckschwankungen gezeigt hat, treten drei lange, flache Wellen auf: Länge 43, 52, 41 Sek.; Höhendifferenz 10—25 mm. Hahn 8 (Fig. 103). Am Anfange des Versuches drei sehr lange Wellen; Maass der mittleren Welle: Länge 47 Sek., aufsteigender 1) Knoll, Über periodische Atmungs- und Blutdruckschwankungen. Wiener Sitzungsber. Bd. 74 Abt. 3 S. 281. 1876. 2) Rulot, Travaux du laboratoire de L. Fredericq t. 6 p. 67. 1901. 340 Hans Stübel: Schenkel 25 Sek., absteigender 22 Sek.; Min. 185 mm, Max. 213 mm, Min. 183 mm; Höhendifferenz 23—30 mm; der Welle sind 14 Atem- schwankungen aufgesetzt, die auf der Höhe der Welle etwas flacher sind als in der Tiefe. Truthahn. Es finden sich zeitweise flache, lange Wellen von ungleicher Länge; z. B.: Länge 34 Sek., aufsteigender Schenkel 20,2 Sek., absteigender 13,8 Sek.;, Min. 1831 mm, Max. 196 mm, Min. 186 mm; Höhendifferenz 10—15 mm. Stockente 3. Die Blutdruckkurve bildet eine Zeile wellenförmige, in bezug auf Länge und Höhe ganz unregelmässige Schwankungen, denen Atemschwankungen aufgesetzt sind. Stockente 4. Die Kurve zeigt einige Minuten unregelmässige Wellen, denen Atemschwankungen aufgesetzt sind. Saatkrähe 1. Die Kurve bildet eine Reihe langer Wellen, von wechselnder Höhe und Länge, denen flache, oft undeutliche Atemschwankungen aufgesetzt sind. Saatkrähe 4 (Fie. 105). Die Kurve bildet eine Anzahl un- gleich hoher und langer Wellen, z. B. Länge 17,9 Sek., aufsteigender Schenkel 8,7 Sek., absteigender 9,2 Sek.; Min. 182 mm, Max. 206 mm, Min. 184 mm; Höhendifferenz 22—24 mm; der Welle sind sieben Atemschwankungen aufgesetzt. Saatkrähe 5 (Fig. 99). Die Kurve zeigt zuweilen lange, un- regelmässige Wellen, denen flache Atemschwankungen aufgesetzt sind. Nebelkrähe 2. Die Tiefe der Atemzüge ist periodischen Sehwankungen unterworfen. Diesen Perioden synchron verlaufen ganz flache, zuweilen nur eben erkennbare Blutdruckwellen, und zwar steigt der Blutdruck mit zunehmender Vertiefung und sinkt mit zunehmender Verflachung der Atmung. Dohle 2. Die Atemschwankungen sind zuweilen unregel- mässigen, flachen, langen Wellen aufgesetzt. Bussard 5 (Fig. 106). Zu Beginn des Versuches ist die Atmung gleichmässig und regelmässig. Später wird sie unregelmässig ‚und erheblich verlangsamt (inspiratorische Verlangsamung). Die einzelnen Atemzüge sind dabei von ungleicher Tiefe. Zeitweise treten einzeln oder in Gruppen ganz rasch ablaufende, stark ver- tiefte Atemzüge auf. Mit diesen Atemzügen gehen krampfhafte Bewegungen der gesamten Körpermuskulatur einher („schauerartiges Erzittern“, Knoll). An der Blutdruckkurve zeigen sich dabei flache, lange Wellen, deren Erhebung zeitlich mit den krampfhaften Be- weeungen und den vertieften Atemzügen zusammenfällt. Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 341 Maasse der Wellen: EIN . | Länge des | Länge des Min. Max. ‚Min. er aufsteigenden abkteigenden 2 5 Schenkels | Schenkels mm mm mm mm Sek. Sek. Sek. 139 145 139 6 40 23 17 139 154 148 15—6 25 15 10 148 158 153 10—5 al 20 11 153 164 149 11—5- 104 47 57 149 153 150 4—3 27 18 1) Geier (Fig. 100). In der 1. Minute der Kurve sind die Atem- schwankungen längeren und tieferen Blutdruckwellen aufgesetzt. Diese sind in der 2. Minute nicht vorhanden, treten dagegen in der 3. und 4. Minute wieder auf; dann erfolgt eine Störung der Kurve durch eine Bewegung des Tieres, worauf die grossen Wellen verschwinden und im weiteren Verlaufe des Versuches nicht mehr beobachtet werden. Maasse dreier aufeinanderfolgender grosser Wellen: Höhen- | Gesamt- | Länge des | Länge des Min. | Max. Min. 3 e aufsteigenden) absteigenden Nr. eerz|| EE | nanak | Saanlak mm mm mm mm mm Sek. Sek. 1 164 175 161 9—14 14 8 6 2 161 175 157 14—18 14 8 6 3 157 178 164 | 21—14 14,7 5,1 ) Zugleich mit den Wellen erscheinen periodische Schwankungen der Pulsfrequenz. Die Pulsfrequenz (in 5 Sek.) betrug: während des aufsteigenden Schenkels der 1. Welle 19, R € 2 R a ie: Je, ® = - o ee 20, S „ absteigenden N RS Ne OK 18; » ” ” ” ” 2 “ ” 1 B) b) ” ”» » ” » 6) h ” 1 h) “ Eine Erklärung dieser Frequenzschwankungen vermag ich nicht zu geben. Bei den übrigen der soeben beschriebenen Wellen waren Schwankungen in der Frequenz nicht nachweisbar. Sie unterscheiden sich also sonst in keiner Weise von den Sigmund Mayer’schen Wellen der Säugetiere. Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geheimrat Biedermann, möchte ich für die Anregung zu dieser Arbeit meinen ergebensten Dank aussprechen. ‘SunyueMyoswoly op aJaL]L AP ur ww Q] ‘oyo Aop ne Sp wur GL "ur 0ad gT uoA zuonbarweojy dour 194 YIe9q SUnyueMysssonag oyasrioresing 1, 5 h & as. wi ug ‘SH wu GZ.'e0 97LL op ur ‘SH WULGT ed. 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CA senders Fig. 876, NINE EI nn er 1. en ————— - DEE Eee Er ETENEr Urea] Erneut... 0 9x Martin Mayer ‚Born Bi N ap = N —— —— 120 ara Na Beiträge zur Kenntnis der Physiologie des Blutkreislaufes etc. 365 Fig. 83. Nebelkrähe 2, Atem- und Blutdruckkurve, ca. 3 Minuten nach .der doppelseitigen Vagotomie. Fig. 89. Nebelkrähe 2, Atem- und Blutdruckkurve, ca. 15 Minuten später als Fig. 83 aufgenommen. Fig. 90. Saatkrähe 1, Durchschneidung des zweiten (linken) Vagus. Fig. 91. Saatkrähe 5, Blutdruckwellen nach doppelseitiger Vagotomie. Fig. 92a. Bussard 2, Atem- und Blutdruckkurve, Durchschneidung des zweiten (rechten) Vagus. "/a natürlicher Grösse. Fig. 92b. Bussard 2, Blutdruckkurve, ca. 25 Minuten später als Fig. 92a auf- genommen. Fig. 93. Bussard 5, Atem- und Blutdruckkurve, nach doppelseitiger Vagotomie. 1/s natürlicher Grösse. Fig. 94a. Habicht, Atem- und Blutdruckkurve, Durchschneidung des zweiten (rechten) Vagus. /a natürlicher Grösse. Tafel XII. Fig. 94b. Habicht, periphere Vagusreizung links, 10 cm R.-A. Blutwellen- schreiber nach Gad. | Fig. 95. Habicht, Atem- und Blutdruckkurve nach doppelseitiger Vagotomie ca. 5 Minuten nach dem Ende der Kurve Fig. 94a aufgenommen. Fig. 96. Milan, Atem- und Blutdruckkurve nach doppelseitiger Vagotomie. Fig. 97a. Geier, vor der doppelseitigen Vagotomie, zentrale Vagusreizung 11 cm R.-A. Fig. 97b. Geier, Atem- und Blutdruckkurve nach der doppelseitigen Vagotomie, Fig. 100. Geier, Blutdruckwellen, welche nur zu Beginn des Versuches auftraten. Die Pulsfrequenz ist im absteigenden Schenkel der grossen Wellen (denen die Atemschwankungen aufgesetzt sind) niedriger als im aufsteigenden. Fig. 103. Hahn 8, Sigmund Mayer’sche Wellen. Fig. 105. Saatkrähe 4, Sigmund Mayer’sche Wellen. Fig. 106. Bussard 5, Atem- und Blutdruckkurve, ganz flache, wellenförmige Er- hebungen der Blutdruckkurve, deren Maximum zeitlich mit krampfhaft ver- tieften Atemzügen zusammenfällt. */s natürlicher Grösse. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 24 366 Martin Gildemeister: (Aus dem physiologischen Institut der Universität Strassburg i. E.) Über den Einfluss des Rhythmus der Reize auf die Arbeitsleistung der Muskeln, speziell der Vogelmuskeln. Von Martin Gildemeister. (Mit 6 Textfiguren.) Die hier beschriebenen Untersuchungen, die ich schon im Sommer 1907 angestellt und teilweise im August desselben Jahres auf dem VII. internationalen Physiologenkongress mitgeteilt habe, sind aus der Beschäftigung mit dem Problem des Vogelfluges her- vorgegangen. Bekanntlich bedienen sich die Vögel zweier wesentlich von- einander verschiedener Flugarten: des Ruderfluges und des Segel- oder Schwebefluges. Der Ruderflug bietet dem Verständnis an- scheinend keine grossen Schwierigkeiten; alle Forscher, die sich mit diesem Problem beschäftigt haben, sind wohl der Ansicht, dass hier keine besonderen Geheimnisse verborgen liegen. Dass wir die Kine- matik des Vogelflügels und die hier gültigen Luftwiderstandsgesetze noch nicht genau kennen, ist eine Sache für sich. Anders ist es mit dem Schwebefluge. Ein bewegunsslos in der Luft schwebender Vogel strengt seine Muskeln anscheinend gar nicht an, und doch leistet er äussere Arbeit, denn er bewegt sich ja vor- wärts und muss notwendig die Luft, die sich an ihm reibt, erwärmen. Woher stammt die Energie, wenn nicht aus den Vogelmuskeln? Die meisten Forscher sind jetzt der Ansicht, dass der Vogel es versteht, die „Turbulenzenergie* des niemals in gleichmässiger Stärke horizontal dahinfliessenden Windes nutzbar zu machen. Da- neben ist aber schon sehr früh [s. die folgende Arbeit!)] die Ansicht geäussert worden, dass der Vogel beim Schwebefluge durchaus nicht ruhe, sondern nur in schwer wahrnehmbarer Weise Arbeit leiste. 1) M. Gildemeister, Pflüger’s Arch. Bd. 135 S. 391. Über den Einfluss des Rhythmus der Reize auf die Arbeitsleistung etc. 367 Die Anhänger dieser Theorie meinen, dass die Flügelbewegungen so schnell aufeinander folgten und einen so kleinen Winkel um- fassten, dass sie dem Beobachter entgingen. In neuester Zeit ist Exner!) für diese „Zitter- oder Schwirrtheorie* eingetreten. Der Schwebeflug ist der bevorzugte Fortbewegungsmodus der ausdauernden Flieger. Es sei nur daran erinnert, dass die grossen Meeresvögel, die oft viele Stunden ohne Ruhepause in der Luft zubringen, diese Flugart virtuos beherrschen. Merkwürdiger- weise haben diese Flugkünstler keine besonders ausgebildete Flug- muskulatur; das Gewichtsverhältnis des grössten Flugmuskels, des Peetoralis major, zum Gesamtgewicht des Körpers ist bei ihnen viel- mehr besonders klein, viel kleiner als bei allen Ruderfliegern, wie Rebhuhn usw.?). Andererseits hat sich die Leistungsfähigkeit aller Vogelmuskeln, so weit man sie bis jetzt untersucht hat, wenigstens ‚bei künstlicher Reizung als ziemlich gleichwertig erwiesen, gleich- gültig ob es sich um Ruder- oder um Schwebeflieger handelte °). Daraus ist der zwingende Schluss zu ziehen, dass der Schwebe- flug mit geringerer Muskelanstrengung verbunden sein muss als der Ruderflug‘*). Wenn nun der Schwebeflug wirklich durch sehr frequente Flügelbewegungen zustande kommt, so folgt aus diesen Über- legungen weiter, dass dann die Flügelmuskulatur besser, d. h. mit geringerer Ermüdung, arbeiten müsste, wenn sie dieselbe äussere Arbeit in schnellem Rhythmus leistet, als wenn sie in langsamem, dem gewöhnlichen Ruderfluge entsprechenden Rhythmus arbeitet, Hier bietet sich also ein Weg dar, um auf experimentellem Wege zwischen den beiden Theorien zu entscheiden. Es kommt darauf an, die Flugmuskulatur eines Vogels in verschiedenen Rhythmen dieselbe äussere Arbeit leisten zu lassen und festzustellen, wann die Ermüdung am spätesten eintritt. Freilich ist es nicht möglich, einen Vogel zu willkürlicher Inner- vation seiner Muskeln in verschiedenem Rhythmus zu veranlassen; man muss vielmehr zu künstlichen Reizen seine Zuflucht nehmen. 1) S. Exner, Pflüger’s Arch. Bd. 114 S. 109, 2) Legal und Reichel, Jahresber. d. schles. Gesellsch. f. vaterl. Kultur S. 284. 1879. 3) E.-J. Marey, Le vol des oiseaux p. 92. Masson, Paris 1890. 4) Die Herzen der Schwebeflieger sind auch relativ klein. Siehe J. Strohl, Zool. Jahrb., Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. Bd. 1 Heft 1. 24* 368 Martin Gildemeister: Jedoch erscheint mir das unbedenklich, da die zahlreichen mit dem Mosso’schen Ergographen am Menschen angestellten Versuche ge- zeigt haben, dass die Ermüdungserscheinungen bei natürlichem und bei künstlichem Reiz sich nicht wesentlich voneinander unterscheiden. Über den Einfluss des Rhythmus auf die Ermüdung bei gleich- bleibender äusserer Arbeit pro Zeiteinheit scheinen noch keine Ver- suche zu existieren, wenigstens nicht an Tieren. Aus einer Arbeit von Zoth!) (Selbstversuche am Ergographen) kann man ersehen, dass, wenn die eben genannte Bedingung erfüllt ist, die Muskulatur bei einem gewissen mittleren Rhythmus am günstigsten arbeitet. Aus diesen Versuchen ist nichts für unser Thema zu folgern, zumal da bei der Ergographie noch psychische Einflüsse mitspielen. Dass eine gewisse Optimalfrequenz existieren wird, ist a priori wahr- scheinlich; ob diese aber beim Vogel mit der Zahl der gewöhnlichen Flügelschläge übereinstimmt oder vielleicht beträchtlich höher liegt, ist ohne besondere Versuche nicht zu entscheiden. Da, wie gesagt, noch an keinem Tier Untersuchungen über den Einfluss des Rhythmus auf die Ermüdung bei gleicher Leistung ge- macht zu sein scheinen, habe ich zur ersten Orientierung Versuche am Frosch angestellt. Versuche an blutdurchströmten Froschmuskeln. Es wurden frisch gefangene kräftige Eskulenten benutzt, die auf einem Ewald’schen Froschkreuz mit Hilfe von Klemmen und Nadeln gut befestigt wurden. Der Plexus war im Becken einige Stunden vor dem Versuch durchschnitten worden. Unter den ohne wesentlichen Blutverlust freigelegten Ischiadieus wurden versenkbare Platinelektroden geschoben (bei den ersten Versuchen zweipolig, nachher dreipolig); die Achillessehne wurde freigelegt und durch einen Faden mit dem Schreibhebel verbunden. Da es hier nicht auf die Form der Zuckungskurve, sondern nur auf die äussere Arbeit ankam, liess ich das belastende Gewicht unmittelbar unter dem Faden angreifen, so dass Schleuderzuekungen zustande kamen, die auf einer langsam laufenden Kymographiontrommel aufgeschrieben wurden. 1) 0. Zoth, Pflüger’s Arch. Bd. 111 S. 391. 1906. („Die Erholbarkeit, aus den KErholungspausen berechnet, stellt sich demgemäss am grössten für mittlere Belastung und mittleren Rhythmus heraus und nimmt bei grösseren Gewichten einerseits, bei schnellerem Rhythmus andererseits ab.“ S. 432.) Über den Einfluss des Rhythmus der Reize auf die Arbeitsleistung etc. 369 Die rhythmische Reizung erfolgte teils durch ein Metronom, teils durch eine Balzar’sche Uhr. Die beiden Apparate konnten durch einen Stromwähler abwechselnd in den primären Kreis eines Induk- toriums eingeschaltet werden. Die Öffnungsinduktionsströme wurden den Elektroden zugeleitet, die Schliessungsschläge durch einen vom primären Strom des Induktoriums betriebenen Ewald’schen Elektro- magneten abgeblendet. | Es sind verschiedene Methoden denkbar, um die Ermüdungs- erscheinungen bei verschiedenem Reizrhythmus miteinander zu ver- gleichen. Am nächsten liest es zweifellos, dass man von zwei möglichst gleichartigen Muskeln, wie es z. B. die beiden Gastroknemien desselben Tieres sind, zuerst den einen schnell, dann den anderen langsam arbeiten lässt. In dieser Art habe ich mehrere Versuche angestellt, wobei ich die Reizintervalle 6 und 1 Sekunde be- nutzte. Manchmal folgte der rasche Rhythmus auf den langsamen, manchmal umgekehrt. Die Resultate wurden durch die Reihenfolge nicht beeinflusst. Dem Versuchsplan gemäss soll in beiden Fällen in gleichen Zeiträumen dieselbe Arbeit geleistet werden; physikalisch gesprochen: es wird die gleiche Leistung verlanst. Da nun Arbeit das Produkt von Last und Hubhöhe ist und die Hubhöhe sich bekanntlich im Verlaufe der Ermüdung ständig ändert, so müsste eigentlich die Belastung fortwährend entsprechend reguliert werden; das ist aber praktisch unmöglich. Deshalb habe ich den Versuchsplan nicht strenge durchgeführt, sondern die Belastungen so gewählt, dass die Leistungen der beiden Muskeln beim Beginn der Versuche gleich waren. Als ‘es sich dann herausstellte, dass die Ermüdung beim schnellen Rhythmus schneller verläuft, wählte ich bei diesem Reizmodus die Belastungen noch etwas geringer, als es nach dem eben angegebenen Prinzip hätte sein müssen. Trotzdem ermüdete der Muskel immer noch schneller als bei seltenem Reiz. Das ist also ein Beweis a fortiori. Es mag noch erwähnt werden, dass ich die Versuche in der Regel nicht bis zur vollständigen Erschöpfung des Muskels ausdehnte. Zur Erläuterung füge ich zwei solcher Versuche im Auszuge bei. Zur besseren Übersicht ist nicht die ganze Zuckungsreihe ab- gebildet, sondern nur jede halbe Minute eine Zuckung (also bei 6 Sek. Intervall jede fünfte, bei 1 Sek. Intervall jede dreissigste Zuckung). Da ja aus den Zuckungshöhen nicht ohne weiteres die 370 Martin Gildemeister: geleistete Arbeit zu entnehmen ist, sind sie noch jedesmal mit der Belastung (6 Sek. Intervall 170 &, 1 Sek. Intervall 17 g) und der Anzahl der Zuckungen in der halben Minute (5 resp. 30) multipliziert worden. Die Länge der Striche in den Figg. 1 und 2 (jedesmal sind J 5 Min. Fig. 1. Leistungen des Froschmuskels. Dicke Striche: bei 1 Sek. Reizintervall, 17 g Belastung. Dünne Striche: bei 6 Sek. Reizintervall, 170 g Belastung. Die Ermüdung verläuft schneller bei frequenterer Reizung. 5Min. Fig. 2. Wie Fig. 1. Die Ermüdung verläuft schneller bei frequenter Reizung, trotz kleinerer Leistung. zwei zusammengehörige Versuche ineinander gezeichnet) stellt also annähernd die pro eine halbe Minute geleistete Arbeit dar (dick frequente Reizung, dünn weniger frequente). Man sieht, dass in Fig. 1 die Leistung zuerst in beiden Fällen gleich ist. Dann wird sie bei schnellem Rhythmus vorübergehend etwas grösser als bei langsamem (steilere Treppe), um dann viel schneller zu sinken. Dieser Versuch erscheint nicht ganz beweiskräftig, da ja die Leistung beim anstrengenderen Reizmodus, wenn auch nur für sehr Über den Einfluss des Rhythmus der Reize auf die Arbeitsleistung ete. 37] kurze Zeit, etwas grösser gewesen ist. Das ist bei dem Versuch der Fig. 2 nicht der Fall. Hier bleibt die Leistung bei 1 Sek. Intervall immer viel kleiner, trotzdem die schnellere Ermüdung. Ähnlich ver- liefen die anderen Versuche. Bei 1 Sek. Reizintervall und 17 g Belastung ermüdet der Frosch- muskel also viel schneller als bei 6 Sek. und 170 g, auch wenn die Arbeitsleistung pro Zeiteinheit im ersteren Falle kleiner ist als im letzteren. In einer zweiten Versuchsreihe benutzte ich eine anderes Ver- fahren. Es wurde nämlich bei demselben Muskel von Zeit zu Zeit rasch Belastung und Rhythmus geändert. Nach einer Weile ging ich wieder zu deu anfänglichen Versuehsbedingungen über, und so ging es so lange hin und her, bis die Ermüdung ziemlich stark vorgeschritten war. Auch hier entsteht die Schwierigkeit, wie die Leistung konstant erhalten werden soll. Ich begnügte mich damit, das Produkt { An- zahl der Reize in der Zeiteinheit X Belastung } unverändert zu lassen (abwechselnd 10 Reize pro Minute und 100 g Belastung, und 100 Reize bei 10 g Belastung), so dass die Zuckungshöhen unmittelbar ein Maass der Leistung sind. Die Ergebnisse dieses Verfahrens sind wenig durchsichtig. Man könnte erwarten, dass sich der Muskel in dem weniger anstrengenden Rhythmus erholte oder doch wenigstens dieselbe Zuckungshöhe bei- behielte, während seine Leistung in dem anderen abnähme. Die Verhältnisse liegen aber anscheinend komplizierter, indem es darauf ankommt, welches Ermüdungsstadium erreicht wird. Ich habe diese Erscheinungen nicht weiter verfolgt, da sie mich von meinem Thema fortführten. Deshalb verfüge ich nur über drei Versuche dieser Art, über die ich ganz kurz berichten will. Der Muskel wurde abwechselnd durch das Metronom und die Balzar’sche Uhr gereizt. Zugleich mit der Umsehaltung wurde die Belastung durch Fortnahme oder Zufügung eines Gewichts ver- ändert; dazu waren nur etwa 2 Sekunden nötig. Dabei war frei- lieh eine kurze Zerrung des Muskels nicht zu vermeiden; jedoch konnte ieh mich davon überzeugen, dass diese hier nicht in Be- tracht kam. Zwei Versuche sind in Fig. 3A und B schematisch dargestellt. Die Ordinaten bedeutenZuckungshöhen, die Abszissen Zeiten. Die oberen an Martin Gildemeister: Begrenzungslinien (dick fre- quente Reizung, 0,6 Sek. Intervall; dünn weniger fre- quent, 6 Sek. Intervall) stellen inschematischer Weise den Abfall der Zuckungs- höhen, d. h. also die Er- müdungskurve, dar, Sie sind kein ganz treues Abbild des wirklichen Verlaufes, der nicht immer genau geradlinig war; vielmehr habe ich die Zuekungskurve nur zu Be- einn und zum Schluss jeder Reizserie ausgemessen und auf der Figur die oberen Enden der so erhaltenen ÖOrdinaten geradlinig mit- einander verbunden. Ebenso ist die Verbinduneslinie der Zuckungsfusspunkte , die Fusslinie, schematisch dar- gestellt, nämlich so, als ob sie horizontal verlaufen wäre, während sie bei frequenter Reizung regelmässig eine Er- hebung (Kontraktur), bei weniger frequenter eine Sen- kung (Dehnung) zeigte. Diese Vereinfachungen machen die Figur übersichtlicher, ohne dabei das wesentliche zu ver- decken. Zunächst fällt bei A in die Augen, dass (mit einer Aus- nahme) jede Umschaltung auf den anderen Arbeitsmodus die Zuckungen vergrössert. Bonistize Baba Ai B wie A, aber anderer Frosch. obere Begrenzungslinie dünn) Reizung. Die Zahlen bedeuten die Dauer der einzelnen Reizserien in Sekunden. uskels bei abwechselnder frequenter (0,6 Sek. Reizintervall, obere Begrenzungslinie dick) und Fig. 3 A. Leistungen eines Froschm weniger frequent (6 Sek. Reizintervall, Über den Einfluss des Rhythmus der Reize auf die Arbeitsleistung etc. 373 f>e. Nach meiner Meinung hat das folgenden Grund: Durch die frequente Reizung bildet sich eine Kontraktur aus. Wird jetzt auf geringere Frequenz und grössere Belastung umgeschaltet, so wird der Muskel wieder gedehnt, wodurch günstigere Bedingungen geschaffen werden. Die Grössenzunahme bei Umschaltung auf geringere Belastung ist nur eine Bestätigung des schon Ed. Weber bekannten Satzes, dass die Hubhöhe für grosse Lasten mit steigender Ermüdung viel mehr abnimmt als für kleine. Gegen Ende des Versuches macht sich noch eine andere Er- seheinung auffällig geltend. Während der vorletzten und der viert- letzten Serie des Versuches A (228 und 210 Sek.) erholt sich der Muskel nämlich (wenn wir das Grösserwerden der Zuckung als Kriterium der Erholung gelten lassen) für den anderen Rhythmus. Es kann sogar vorkommen, dass in jedem Rhythmus Erholung für den anderen eintritt. Siehe den Versuch B Fig. 3. Hier ist k>g, 1>i usw. Der Muskel befand sich in einem ziemlich vorgeschrittenen Ermüdungsstadium. Eine Erklärung dafür vermag ich nicht zu geben. Ich habe diese Untersuchungen abgebrochen, weil sie mich. wie bereits oben erwähnt, zu weit von meinem Thema fortführten. Auf die Frage, die dieser Abhandlung zugrunde liegst, konnten sie keine Antwort geben. Auf eine wichtige Folgerung, die selbst aus diesen spärlichen Versuchen zu ziehen ist, möchte ich noch aufmerksam machen. An- scheinend wird die Gesamtleistung bis zur völligen Erschöpfung durch den Rhythmenwechsel beträchtlich gesteigert. Denn hätte z. B. der Muskel in Versuch A nach Ablauf der ersten Serie von 390 Sek. im ersten Rhythmus weiter gearbeitet, so wäre nach den sonstigen Erfahrungen die Ermüdungskurve etwa in demselben Winkel weitergegangen und hätte bald die Nullinie erreicht, und so auch später. Es ist ja eine populäre Erfahrung, dass Abwechselung in der Tätigkeit die Arbeitsfähigkeit steigert; vielleicht ist der Grund dafür nicht rein psychologischer, sondern auch physiologi- scher Art. Versuche an Vogelmuskeln. An Vogelmuskeln ist bisher überhaupt nur wenig experimentiert _ worden. Man weiss nur, dass die Zuckungen ziemlich schnell ver- 374 Martin Gildemeister: laufen, und dass sie bei höherer Reizfrequenz schwer zum Tetanus verschmelzen; bei Raubvögeln tritt noch bei 70 Reizen pro Sekunde kein glatter Tetanus auf [Marey')]. Exner?) konnte diese Angaben bestätigen. Bei dem geringen Interesse, das die Physiologen bisher an- scheinend den Vogelmuskeln entgegengebracht haben, ist es nicht _ verwunderlich, dass über Arbeitsleistung, Ermüdung und Erholung derselben gar nichts bekannt ist. Nach dem Versuchsplan, der in der ‚Einleitung dargelegt ist, sollten Flügelmuskeln bei verschiedener Belastung und in ver- schiedenem Rhythmus gereizt werden, derartig, dass die Arbeits- leistung pro Zeiteinheit immer dieselbe bliebe. Die Ermüdung konnte nun bei niederen, dem gewöhnlichen Flugrhythmus entsprechenden Frequenzen entweder früher oder später eintreten als bei höheren Frequenzen; der erste Fall würde für die Schwirrtheorie des Schwebe- fluges sprechen, der zweite dagegen. Mir standen Raubvögel oder Möwen, die Schwebekünstler unter den Vögeln, nicht zur Verfügung, deshalb begnügte ich mich mit Tauben. Wenn diese Tiere den Schwebeflug auch nur selten aus- üben, se ist ihnen, wie man an windigen Tagen beobachten kann, diese Flugart doch nicht ganz fremd°). Ausserdem erwiesen sich ihre Muskeln als eben so schwer tetanisierbar wie Raubvogelmuskeln (bei 64 Reizen pro Sekunde noch deutliche Zacken), so dass man sie in ihren Eigenschaften den letzteren wohl unbedenklich gleich- setzen darf. Methodik. Zuerst bemühte ich mich, den grossen Brustmuskel zum Ver- suche zu benutzen. Nach dem Vorgange von Exner stach ich lange dünne Nadeln hinein und reizte ihn mit Induktionsströmen. l) Marey,Du mouvement dans les fonctions de la vie p. 382. Paris 1869. 2) S. Exner,l. c. 3) Ch. Richet (Vater uud Sohn) halten fast alle Vögel für fähig zu schweben. Sie schreiben (Arch. di fisiologia vol.7 p. 312): Quant aux petits oiseaux, ils planent rarement. Mais s’ils y a du vent, tous, sans exception, peuvent planer, quoique ils en usent rarement. Les canards et palmipedes ne planent pas. — Nach Müllenhof (Pflüger’s Arch. Bd. 35 S. 427) vermögen nur solche Vögel zu segeln, deren Segelgrösse (Quadratwurzel aus der Segel[Unter-]fläche dividiert durch Kubikwurzel aus dem Gewicht) den Wert 5 erreicht oder übersteigt. Für Columba livia werden auf S. 440 die Zahlen 4,93 und 5,37 angegeben. Über den Einfluss des Rhythmus der Reize auf die Arbeitsleistung etc. 375 Jedoch ist diese Technik unbrauchbar, wenn es auf wohldefinierte Arbeitsleistungen ankommt. Denn erstens gelingt es nicht, den Körper des Tieres so zu fixieren, dass er bei gehöriger Belastung des Humerus nicht durch die kolossale Kraft des grossen Flugmuskels hin und her gerütttelt würde. Zweitens macht der Oberarm bei der primitiven Reizung durch eingestochene Nadeln nur kleine Be- wesungen in Achtertouren, die zu beträchtlicher Arbeitsleistung ganz ungeeignet sind. Das wird auch nicht besser, wenn man (am besten am lateralen Rande der Scapula eingehend) den Plexus brachialis freilegt und reizt. Der Grund dafür war leicht aufzufinden: unter dem Pectoralis major liegt ein anderer grosser Muskel, der M. supracoracoideus (von Marey Pectoralis medius genannt), dessen Sehne so an den Humerus ansetzt, dass er dem Pect. major teilweise entgegen wirkt). Sticht man Nadeln in das Brustfleisch, so reizt man beide Muskeln gleichzeitig, was natürlich vermieden werden muss. Die Isolierung des zum Pectoralis major führenden Nerven ist eine für unseren Zweck zu eingreifende Operation. Deshalb be- nutzte ich lieber einen Unterarmmuskel, den M. extensor metacarpi ulnaris, der mehrere Vorteile bietet. Er ist klein und braucht des- halb, wenn man ihn etwa dem normalen Fluge entsprechend arbeiten lassen will, nicht bis zur Gefährdung der sicheren Fixation belastet zu werden. Dann hat er eine lange, leicht zu findende und zu isolierende Sehne, und schliesslich ist auch sein Nerv, der N. radialis s. spiralis, ohne eingreifende Operation freizulegen. Die Einzelheiten der Technik habe ich an anderer Stelle beschrieben ?); hier will ich nur kurz wiederholen, dass der im Ellenbogengelenk rechtwinklig gebeugte Flügel bis auf die Handschwingen von den Federn befreit und durch Fäden, die ihn dicht am Knochen durchbohrten, an einer ebenfalls rechtwinklig gebogenen Schiene befestigt war. Die Fäden dürfen weder den Nerven noch wichtige Gefässe komprimieren. Die Sehne war durch einen Faden mit einem sehr leichten Schreibhebel aus Stroh verbunden (Länge 40 mm, Abstand des An- grifispunktes von der Achse 4,5 mm). Die Belastung wurde durch eine etwa 11 cm lange Feder aus Stahldraht gebildet, die gegen- über dem Faden am Hebel angriff. Um dieselbe um 1 em zu dehnen, l) Marey, |. c. S. 56. 2) M. Gildemeister, Zeitschr. f. biol. Technik und Methodik Bd. 1 S. 46. 376 Martin Gildemeister: war ein Gewicht von 37 g nötig. Im benutzten Bereiche waren die Verlängerungen dem ausgeübten Zug proportional. Da meistens Verlängerungen von mehreren Zentimetern benutzt wurden, und die Muskeln sich bei starker und mittlerer Belastung nur um 1—2 bis höchstens 3 mm verkürzten, können die Zuckungen wenigstens bei grösserer Belastung als isotonisch angesehen werden. Wegen der Wahl eines Unterarmmuskels als Repräsentanten der Flugmuskulatur brauche ich mich wohl nicht zu rechtfertigen, denn eine einfache Überlegung lehrt, dass beim rhythmischen Fluge alle Flügelmuskeln tätig sein müssen. Es sind nämlich bei jedem Muskel drei Möelichkeiten denkbar: 1. Muskelruhe, 2. Tetanus, 3. rhythmische Tätigkeit. Die beiden ersten Fälle sind hier aus- zuschliessen, da im ersten das betreffende Gelenk schlottern müsste, während andererseits ein dauernder Tetanus bei einem quergestreiften Muskel nach unseren bisherigen Erfahrungen undenkbar ist. Also muss jeder Flügelmuskel im Rhythmus des Flügelschlages mit- arbeiten, und es ist für unser Thema gleicheültig, welchen ich untersuche. Der Hebel schrieb auf einer liegenden Trommel, meistens bei sehr langsamem Gange (in der Minute 30—80 mm). Zur rhythmischen Reizung dienten für niedere Frequenzen (8—--32 pro Sekunde) die Engelmann ’schen Stäbe (am Kagenaar’schen Chronoskop), für höhere (bis 145) der Bernstein’sche akustische Unterbrecher im primären Kreise eines Induktoriums mit Eisenkern. Die Schliessungsschläge, die immer unter der Reizwelle lagen, wurden nicht abgeblendet; um sie noch weniger wirksam zu machen, wurde nach dem Vorschlage von Engelmann in den primären Kreis noch eine Spirale mit Kern eingeschaltet. Die Reize waren etwas mehr als maximal. Um die Vermutung nicht auf- kommen zu lassen, dass hier die bekannten, von Wedensky, Hofmann u. a. studierten Hemmungserscheinungen durch starke Ströme eine Rolle gespielt haben könnten, will ich gleich hier er- wähnen, dass die Reizstärke öfters während des Versuches geändert wurde, ohne dass jemals etwas zu dem erwähnten Erscheinunekomplex Gehöriges zu beobachten gewesen wäre. Unter den in der Ausdehnung von 10 mm freigelegten Nerven wurden in den meisten Versuchen dreipolige auf einem Stück Hart- gummi montierte Platinelektroden geschoben (Kathode innen). Merk- Über den Einfluss des Rhythmus der Reize auf die Arbeitsleistung ete. 377 würdiger Weise wird die Leistung des Muskels Sofort sehr schlecht !), wenn man den Nerven proximal durchschneidet (Beeinflussung der Zirkulation?). Deshalb musste ich auf dieses Verfahren verzichten. Die Tiere wurden mit einer Ausnahme, wo es sich um eine grosshirnlose Taube handelte, unter leichter Äthernarkose gehalten. Versuche. Die Belastungen und Rhythmen, mit denen diese Versuche an- zustellen waren, ergab sich aus folgender Überlegung: Eine Taube macht in der Sekunde 8 Flügelschläge?). Das wäre also der langsamere Rhythmus. Dabei leistet sie schätzungsweise pro Kilogramm eine Arbeit bis zu 1,5—2,0 kg/m in der Sekunde, das macht bei einem Körpergewicht von 350 g 0,5—0,7 ke/m, gleich 50 000 bis 70000 g/em pro Sekunde (s. die folgende Abhandlung?). Diese Arbeit verteilt sich auf die Flugmuskulatur von etwa 120 g Ge- wicht. Jedes Gramm leistet also in der Sekunde 417—583 g/em, das macht für jeden Flügelschlag 52—74 e/em. Die Verkürzung beträgt bei grösserer Belastung jedesmal 0,2—0,3 em; das ergibt abgerundet eine Belastung von 200—500 g pro Muskel. Der M. extensor carpi ulnaris wiegt etwa 0,7 g, woraus schliesslich das Endresultat: 150—220 g Belastung folgt. Von dieser Grössen- ordnung waren auch die Federspannungen, mit denen ich gearbeitet habe. Das erscheint sehr hoch, wenn man berücksichtigt, dass ein Froschgastroenemius, der etwa ebenso gross ist, mit 200 g bekannt- lich für längerdauernde Arbeit schon recht stark belastet ist (siehe auch die Versuche S. 370. Dort trat die Ermüdung bei 170 g Be- lastung und 6 Sek. Reizintervall schon sehr früh ein. Die Tauben- muskeln wurden achtmal in der Sekunde gereizt!). Aber die Ver- suche bestätigten die obige Schätzung, denn selbst bei 40 000 Zuekungen unter diesen Bedingungen trat kein merkliches Nachlassen der Leistung in Erscheinung. Als frequenteren Rhythmus habe ich 32 pro Sekunde gewählt, eine Zahl, die gerade noch mit den Engelmann’schen Stäben, die mir zur Verfügung standen, zu erreichen war. (Einmal habe 1) D. h. die Ermüdung tritt abnorm schnell ein. Die typische Form der Ermüdungskurve, von der später die Rede sein wird, erleidet durch die Durch- schneidung keine Änderung. S. Fig.5B. 2) Marey, l. c. S. 100. 3) M. Gildemeister, Pflüger’s Arch. Bd. 135 8. 393 378 Martin Gildemeister: ich auch höhere Frequenzen bis 143 verwendet.) Langsamer kann der von den Anhängern der Schwirrtheorie angenommene Rhythmus der Vogelmuskeln schwerlich sein, denn dann müsste man den Flügelsaum deutlich flimmern sehen. Andererseits zeigten die Vor- versuche, dass der Muskel bei steigender Frequenz mehr und mehr in unvollkommenen Tetanus verfällt. Das kann nicht wundernehmen, wenn man berücksichtigt, dass die Zuckungsdauer eines Flugmuskels ungefähr "/ıs Sek. beträgt (eigene Messung), so dass die Zuckungen bei kleinerem Reizintervall notwendig teilweise verschmelzen müssen. Bei der Frequenz 32 tritt diese Verschmelzung schon teilweise ein, aber man sieht doch noch ausserdem hohe Einzelzacken. Die Belastung wurde immer so bemessen, dass die Leistung in allen zusammengehörigen Versuchen möglichst gleich oder bei dem mehr ermüdenden Rhythmus sogar kleiner war. Sie betrug bei der raschen Frequenz 18—43 ©. Wie schon bei der Besprechung der Froschversuche erwähnt, sind zwei Untersuchungsmethoden möglich: 1. Vergleich des rechten und des linken Muskels desselben Tieres bei verschiedenem Arbeits- modus; 2. abwechselnde Reizung desselben Muskels in mehreren Rhythmen. Beide Methoden habe ich hier befolet; sie führen beide zu demselben Resultat, weil der blutdurchströmte Taubenmuskel, selbst wenn er eine Stunde angestrengt hat arbeiten müssen, sich in wenigen Viertelstunden zur alten Leistungsfähigkeit erholt. Reizfrequenz 8 pro Sekunde. Bei dieser Frequenz habe ich 11 Versuche angestellt; meistens mit Federspannungen von 150 bis 170 (ausuahmsweise auch 115, 222 und 243) eg. Die Resultate sind sehr kurz zusammenzufassen: selbst bei 80 Min. langer ununterbrochener Reizung, d. h. nach etwa 40000 Zucekungen bei der erwähnten hohen Belastung, ist keinerlei Ermüdung zu erkennen. Die Zuckungen haben weder ihre Höhe noch ihre Form geändert. Die Vögel scheinen also an Leistungsfähigkeit alle anderen Tiere weit in den Schatten zu stellen. Als das leistungsfähigste Tier galt bisher die Katze, bei der Rossbach und Harteneck!) nach ununterbrochener Reizung mit 21000 Öffnunesehlägen und dann noch mit 16000 abwechselnden Öffnungs- und Schliessungsschlägen (Reizintervall anscheinend mehrere Sekunden!), die Zuekungshöhen auf weniger als ein Drittel der Anfangshöhen sinken sahen. 1) Rossbach und Harteneck, Pflüger’s Arch. Bd. 15 S. g. Über den Einfluss des Rhythmus der Reize auf die Arbeitsleistung etc. 379 Die einzige Veränderung, die nach langer Arbeit zu bemerken war, bestand in der Senkung der Fusslinie. Ich glaube aber, dass dabei die Dehnung der Befestigungsfäden durch den oft wiederholten Zug eine Rolle spielt, denn nach Aufhören der Reizung blieb sie bestehen. Zur Veranschaulichung füge ich die Fig. 4 bei. Man sieht unter 4A und B die Zuckungen am Anfang und Ende eines 80 Min. dauernden Versuches mit 148 g Belastung. Die scheinbare Ver- Fig. 4A und B. Zuckungen eines Flügelmuskels der Taube am Anfange (A) und am Schluss (B) eine Reizserie von 38000 Reizen mit '/s Sek. Intervall. Rascher Gang der Trommel, O0, D, E. Zuckungsreihen mit demselben Reiz- intervall, langsamer Trommelgang. Man beachte die anfängliche Autbiegung!) der oberen und unteren Begrenzungslinien, und den Grössenunterschied zwischen der ersten und der zweiten Zuckung (besonders bei D, aber auch bei CO). Be- lastungen: A und 5 148 g, © 160 g, D 160 g, E 160 2. änderung der Zuckungsform rührt nur von der schon erwähnten Senkung der Fusslinie her, wodurch der vom Hebel geschriebene Bogen eine andere Lage zur Abszissenachse bekommt. Also er- fährt der Muskel selost nach beinahe 40 000 Zuckungen weder eine Höhenverminderung noch eine Dehnung der Zuckungskurve. Eigentümliche Erscheinungen beobachtet man beim Beginn einer Zuckungsreihe oder nach einer Pause. Wie andere Muskeln zeigt auch der des Vogels das Phänomen des initalen Anwachsens der Zuckungshöhe, der sogenannten Treppe (s. Fig. 4C und E). Ausserdem sieht man regelmässig, bald sehr deutlich, bald nur bei genauem Hinsehen erkennbar, am Anfang der Reizserie eine nach unten konvexe Ausbiegung der Gipfel- und zugleich der Fuss- 1) Diese ist in der Figur nicht so deutlich zu sehen wie im Original. 380 Martin Gildemeister: linie. Die erste Zuekung ist aber kleiner als die zweite. Fig. 4 C, D und E zeigen die beschriebenen Ausbiegungen in verschieden starker Ausbildung; bei D sieht man ausserdem den Grössenunter- schied zwischen der ersten und der zweiten Zuckung. Alle diese Erscheinungen treten schon nach Pausen von 15 Sek. wieder auf. . Mit den sogenannten Buckmaster’schen einleitenden Zuckungen hat die initiale Spitze offenbar keine Verwandschaft, denn jene sind wirklich grösser als die folgenden, während hier nur durch die Biegung der Fusslinie ein solcher Eindruck erweckt wird. REN EN E Fig. 5. Zuckungen eines Flügelmuskels bei !/se Sek. Reizintervall. Langsamer Trommelgang. Man beachte die Dauerverkürzung, die initiale Aufbiegung (bei C sehr kurz), und den raschen Abfall der Leistung. Bei B Atemzacken, trotz Durch- schneidung des Nerven. Belastungen: A 18g, B24g, 043g, D 30 8. Manchmal werden die Zuckungen vom Anfange des Versuches an fortwährend grösser. Sie können dabei eine Viertelstunde oder noch länger bis auf das Vierfache wachsen. Nach meiner Meinung handelt es sich in solchen Fällen um Anpassung der Zirkulation an die neuen Verhältnisse. Reizfrequenz 32 pro Sekunde. Bei diesem Rhythmus habe ich 9 Versuche angestellt; bei einigen derselben folsten darauf Versuche mit der Frequenz 8, teils an demselben, teils am anderen Flügel. Auch hier sind die Resultate ganz klar und ein- deutig: jedesmal ttratim Verlaufeiniger Minuten, selbst bei sehr kleiner Belastung, nachweisbar Ermüdung auf. Damit soll gesagt sein, dass die Zuckungen kleiner wurden, Über den Einfluss des Rhythmus der Reize auf die Arbeitsleistung ete. 381 und dass sie kurz nach einer eingeschalteten-Pause wieder an Höhe zunahmen. Ob dafür der Muskel oder der Nerv oder das End- organ verantwortlich zu machen ist, hat für unser Thema kein Interesse. Für den Grad der Ermüdung kommt es sehr darauf an, ob die Taube alt oder jung ist. Im ersten Fall ist sie geringer. Wie es bei dem kurzen Reizintervall nicht anders zu erwarten ist, bleibt der Muskel während des ganzen Versuches stark verkürzt, er leistet also „statische Arbeit“. Das mag der hauptsächlichste Grund der Ermüdung sein. ‘Was die Form der Zucekungsreihe anbetrifft, so zeigte diese sleichfalls eine initiale Spitze, dann eine Senkung der Gipfel- und der Fusslinie, darauf die Treppe mit Hebung der beiden Be- Y VER x 3 2 Ri Fig. 6. Reizintervall V/so Sek. Bei y y x drei Reizpausen. Belastung: 14,8 g. srenzungslinien, und schliesslich ein Zusammenrücken derselben, wobei sie sich gewöhnlich der Abszissenachse näherten. Auf diese Weise kamen je nach der Ausbildung der einzelnen Phasen Formen wie auf Fig. 5A, B, C und D dargestellt zustande; die Verwandt- schaft mit der Form der Zuckungsreihe bei langsamem Rhythmus ist nieht zu verkennen. Andere Reizrhythmen. Von anderen Frequenzen als 8 und 32 habe ich nur einige Male Gebrauch gemacht. Bei einem Versuche folgten aufeinander Reizungen mit den Rhythmen 143, 64, 50, 32, 24, 16 und 8; jede dauerte einige Minuten und war von der folgenden durch eine Pause von 5 Minuten getrennt. Die zu- gehörigen Federspannungen entsprachen 7,4, 7,4, 14,8, 22, 55,5, 92,5, 222 9. Wenn man die Höhe der Zuckungen in Rechnung zieht, so ergeben sich daraus Leistungen, die von der grössten zur kleinsten Frequenz ansteigen. In derselben Reihenfolge nahmen aber de Ermüdungserscheinungen, bemessen an dem Ab- fall der Zuckungshöhe, ab. Die Zuckungsreihen zeieten in Hinsicht der Form die oben beschriebenen Charakteristika desto ausgeprägter, Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 25 382 Martin Gildemeister: je höher die Frequenz. Man vergleiche die Fig. 6, welche den Ver- such mit der Frequenz 50 enthält und auch den Einfluss kurzer Pausen erkennen lässt. Bei 64 waren noch einzelne Zacken, d. h. unvollkommener, aber hoher Tetanus zu erkennen, bei 143 nicht mehr. Unter die Frequenz 3 bin ich nicht herabgegangen. Wahr- scheinlich wäre dann schliesslich, da ja mit fallender Frequenz die Belastung vermehrt werden muss, die Leistung wieder schlechter geworden, wenn man an die Grenze der absoluten Kraft gekommen wäre. Wenigstens spricht dafür die alltägliche Erfahrung, dass zu hohe Treppenstufen ebenso ermüdend sind wie zu niedrige. Zum Schluss will ich noch einige gelegentliche Beobachtungen erwähnen, die mir ein gewisses Interesse zu bieten scheinen. Die von Exner!) beschriebenen Atemzacken habe ich auch oft beobachtet; ich halte sie für mechanisch bedingt ?). Der Flügel kann nieht so gut fixiert werden, dass die Atembeweeungen des grossen Brustmuskels ihn nicht ein wenig erschütterten. Für diese Erklärung spricht die Tatsache, dass sie auch nach Durchtrennung des Nerven bestehen bleiben. Fig. 5B zeigt Atemzacken, die unter diesen Be- dingungen aufgeschrieben sind. Mir ist ferner aufgefallen, dass die unvollkommenen Tetani durchweg nur wenig höher waren als die Einzelzuckungen. Die Flugmuskulatur scheint also wenig zur Zuckungssummation geneist zu sein. Bis jetzt sind alle Ermüdungsversuche an solchen Objekten ge- macht worden, die von Natur aus wenig zu rhythmischer Tätigkeit geeignet sind. Der Frosch vollführt in der Freiheit einige Schwimm- stösse, um dann wieder längere Zeit zu ruhen; das Kaninchen ist kein ausdauernder Läufer. Die Katze und der Hund sind zwar oft gezwungen, längere Zeit hindurch rhythmische Beinbewegungen aus- zuführen, aber diese Tiere sind äusserst selten zu Ermüdungs- versuchen benutzt worden. Man könnte auf diesem Gebiet vielleicht noch mancherlei neue Erfahrungen machen, wenn man bei der Aus- wahl in erster Linie des Versuchstieres, dann aber auch des Ver- suchsmuskels, mehr auf die Art seiner Tätigkeit unter natürlichen Bedingungen achtete. 1) S. Exner, 1. c. S. 127. 2) Zu dieser Anschauung ist kürzlich auch E. Schwarzkopf gelangt (Pflüger’s Arch. Bd. 121 S. 421). Über den Einfluss des Rhythmus der Reize auf die Arbeitsleistung etc. 383 Zusammenfassung. Beim Schwebefluge vollführen die Vögel nach einer öfters ge- äusserten Meinung — in jüngster Zeit hat Exner diese Ansicht vertreten — zahlreiche kleine Flügelschläge, die sich wegen ihrer Frequenz der unmittelbaren Wahrnehmung entziehen. Da die besten Schwebeflieger die am wenigsten entwickelte Flugmuskulatur haben, so müsste, wenn die „Schwirrtheorie“ richtig ist, die Flugmuskulatur ökonomischer, d. h. mit geringerer Ermüdung, arbeiten, wenn sie eine gewisse Arbeit in gegebener Zeit in raschem Rhythmus aus- führt, als wenn sie in langsamem Rhythmus tätig ist. Die Frage nach den Beziehungen zwischen Rhythmus und Ermüdung ist bei Tieren bisher noch nicht bearbeitet worden. Deshalb wurden zuerst Vorversuche an Fröschen angestellt. Die beiden blutdurchströmten Gastrocnemii eines Tieres wurden nacheinander durch Öffnungsinduktionsströme rhythmisch maximal gereizt, der eine 10-, der andere 60 mal in der Minute. Die Be- lastungen wurden so gewählt, dass die Arbeit pro Zeiteinheit in beiden Fällen dieselbe oder im frequenten Rhythmus kleiner war. Trotzdem blieb der im langsamen Rhythmus arbeitende Muskel länger leistungsfähig. Hier ist also das längere Intervall für die Leistung günstiger. In einer anderen Versuchsreihe wurde ein und derselbe Muskel bei entsprechenden Lasten abwechselnd mit zwei Fre- quenzen gereizt. Für die vorliegende Frage waren diese Versuche ohne Ergebnis, da bei vorgeschrittener Ermüdung anscheinend in jedem Rhythmus Erholung für den anderen eintreten kann. Abwechslung im Reizintervall steigert die Leistungsfähigkeit des Muskels. Die eigentlichen Versuche wurden am M. extensor metacarpi ulnaris der Taube vorgenommen. Die Reize (indirekt, maximale Induktionsstösse) hatten meistens die Frequenz 3 (entsprechend dem normalen Fluge) und 32 pro Sekunde. Die Belastungen (durch Federzug) betrugen im ersten Falle 115—224 g, im zweiten 18 bis 40 g. Bei der weniger frequenten Arbeitsleistung machte sich trotz der hohen Belastung selbst nach 40 000 Zuckungen keine Ermüdung bemerkbar, bei der frequenten aber schon sehr bald (nach einigen Minuten). Im letzteren Falle verharrte der Muskel in hohem un- vollkommenem Tetanus, während er bei 8 Reizen in der Sekunde jedesmal fast wieder seine Ruhelänge erreichte. 25 * 384 Martin Gildemeister: Über den Einfluss des Rhythmus der Reize etc. Wurde die Anzahl der Reize weiter vermehrt, bei entsprechender Herabsetzung der Belastung, so wurde der Tetanus immer klein- zackiger, und die Ermüdung trat immer rascher ein. | Die Zuckungsreihe zeiet in allen Fällen vor der Treppe eine Anfangsspitze. Die unvollkommenen Tetani waren nur wenig höher als die Einzelzuckungen. Wenn die Muskeln der eigentlichen Schwebeflieger, der Raubvögel und Möwen, sich nicht ganz anders verhalten als die der Tauben — eine Annahme, zu der kein Anlass ersichtlich ist —, dann sprechen die mitgeteilten Versuche, wie andere Gründe mehr physikalischer Art, gegen die Schwirrtheorie des Schwebefluges. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Strassburg i. E.) Notizen zum Problem des Vogelfluges. Von Martin Gildemeister. (Mit 3 Textfiguren.) Einige Beobachtungen über den Schwebeflug. Vor einigen Jahren hatte ich Gelegenheit, bei einer Reise nach der Westküste von Amerika an Möwen und Albatrossen Beobachtungen über den Flug anzustellen. Dabei habe ich mancherlei zu Gesicht bekommen, was eine kurze Mitteilung wohl rechtfertigen dürfte. Wenn man den 90. Grad südlicher Breite passiert hat, begegnet man in der Bucht des Rio de la Plata einem auffallend reichen Tierleben. Was den Neuling in erster Linie fesselt, sind die riesigen Sturmvögel und Albatrosse (Procellaria und Diomedea), die das Schiff bis hinunter zur Magellanstrasse nicht mehr verlassen. Noch schönere und grössere Exemplare dieser Familien, die nach meiner Meinung auch noch eleganter zu fliegen verstehen, sieht man an der west- lichen Küste vom 48. bis zum 42. Breitengrade, vom Golf von Penas bis zur Insel Chiloe. (Von der Magellanstrasse bis zum Golf von Penas verfolgen die Dampfer einen engen, durch die vor- gelagerten Inseln vor Wind geschützten Kanal, der an guten Fliegern arm ist.) Ich habe diese riesigen Vögel!) oft lange beobachtet und kann versichern, dass ich bei manchen Exemplaren, trotzdem ich sie viertelstundenlang nicht aus den Augen liess, nicht einen einzigen Flügelschlag gesehen habe. Sie schwebten in weiteren oder engeren Kreisen um das mit etwa 18 km Stundengeschwindigkeit schräg gegen lebhaften Wind fahrende Schiff (windstilles Wetter habe ich 1) Ein Albatross, der in meiner Gegenwart geschossen wurde, maass von einer Flügelspitze zur andern 3°/s m. 386 Martin Gildemeister: in diesen Gegenden nicht erlebt), oder verharrten fast unbeweglich einige Meter über dem auf dem Hinterteile des Schiffes befindlichen Aufbau, auf dem der Kadaver eines Seehundes lag. Der Wind mag etwa eine Geschwindigkeit von 5 m/sek. gehabt haben, und ebenso schnell fuhr das Schiff; die Vögel überwanden also ohne Flügelschlag einen Gegenwind von 10 m/sek. Beim Kreisen ist mir aufgefallen, dass in der Nähe des Schiffes von den Vögeln immer derselbe Drehungssinn festgehalten wurde, der auf Fig. 1 angedeutet ist. Der Wind kam meistens von links vorne; dann flogen die Vögel im Drehungssinn des Uhrzeigers, d.h. an der linken Schiffswand dem Winde entgegen, gewannen vorne die rechte Seite und kehrten auf dieser nach hinten zurück. Das ist sehr wesentlich für die Erklärung des Schwebens. Leider besass ich damals nicht das nötige Verständnis für die Sache, um auf ihre gleichzeitige Höhen veränderung zu achten. Vogel... Z Wind Fig. 1. Das Kreisen des Vogels um das Schift. Wenn von Jouan (Brehm’s Tierleben, II. Auflage, Vögel Bd. 3 S. 5653) angegeben worden ist, die Albatrosse machten bei windigem Wetter alle 7 Minuten einen Flügelschlag, so kann ich das für eine ungenaue Beobachtung erklären. Das Tier schlägt ausser beim Erheben von der Wasserfläche nur dann mit den Flügeln, wenn es zufällig in besonders ungünstige Umstände, z. B. in den Windschatten eines grossen Gegenstandes, geraten ist. Das hängt aber von Zufälligkeiten ab. Befanden sich die Vögel in einiger Entfernung vom Schiffe, so habe ich bei ihnen nie Flügelschläge gesehen. Wenn die Tiere nur einige Meter entfernt anscheinend mühelos an mir vorbeischwebten, habe ich aufmerksam nach irgendwelchen Bewegungen geforscht. Nichts war an ihnen zu sehen als geringe und langsame Bewegungen des Kopfes und des Schwanzes, den fast unmerklichen Balancierbewegungen vergleichbar, die man beim Rad- fahren mit der Lenkstange machen muss. Wenn die Flügelspitze auch nur um 5 cm vibriert hätte, so hätte ich es bemerken müssen. Notizen zum Problem des Vogelfluges. 337 Noch besser als die Albatrosse habe ich im Nordwesten von Amerika, auf der Fahrt von San Francisco nach Vancouver, eine grosse Möwe beim Schwebefluge beobachten können. Ein solcher Vogel von stattlicher Grösse (Flügelspannweite etwa 1,50 m) schwebte etwa 10 Minuten lang über dem vorderen Teile der Kommandobrücke, während ich dicht unter ihm stand. Die Entfernung zwischen ihm und meinem Auge betrug etwa 2 m. Der Wind kam gerade von vorne. Die Geschwindigkeit des letzteren und die des Schiffes be- trugen auch etwa je 5 m pro Sekunde. Während der ganzen Zeit habe ich das Tier genau beobachtet; auch hier waren an ihm ausser dem schon erwähnten Balaneieren durchaus keine Bewegungen zu bemerken. Jede einzelne Feder stand absolut stil. Damals fand ich keine Erklärung für die mir ganz rätselhafte Erscheinung. Jetzt, nachdem ich die Literatur über den Schwebeflug kennen Z gelernt habe, denke ich anders darüber. Es handelt sich zweifellos um die ge- Frigel schickte Ausnutzung aufstei- ind sender Luftströme, die nach dem Bau des Schiffes gerade dort, wo der HERRERENTE Vogel schwebte, notwendig vorhanden Bi wurch dus Anfteeffeniies sein mussten. aufsteigenden Windes auf den Wenn nämlich der Wind auf eine Seelen en Erhöhung trifft, so steigt die Luft an Flügel), die sich in die beiden ; B 3 Komponenten a und b zerlegen der Vorderseite derselben teilweise auf- lässt. a wirkt der Schwere ent- wärts, um an der Rückseite wieder hinab- 2° RS en da zufallen. Nun stellt das ganze Schiff eine Erhöhung über der Meeresfläche dar; an den dem Winde zugekehrten Teilen desselben entstehen also Luftströmungen, die schräg auf- wärts gerichtet sind und gegen passend orientierte Flächen einen Druck auszuüben vermögen, der nach aufwärts und vorwärts (gegen den Wind) gerichtet ist (s. Fig. 2). So kann also eine horizontale Bewegung gegen den Wind zustande kommen. Auf diese Weise wird es verständlich, warum sich der Vogel beim Kreisen, wenn er gegen den Wind vorwärts kommen will, auf der Windseite des Schiffes hält (s. vor. Seite Mitte). Betrachtet man das Profil eines Dampfers, das auf Fig. 3 schematisch dargestellt ist, so leuchtet ein, dass die zum Schweben % AL 388 Martin Gildemeister: nötige Ablenkung des Luftstromes von der Horizontalen ausser an der Bordwand noch an zwei anderen Stellen auftreten muss, näm- lich bei A und bei 5. A bezeichnet den mittleren Aufbau, dessen oberstes Stockwerk die Kommandobrücke ist, und B den hinteren Aufbau. Wo das Kreuz X über A angebracht ist, befand sich aber die schwebende Möwe, von der ich eben berichtet habe. So findet das Rätsel eine höchst einfache Lösung. Auf dieselbe Weise ist das Schweben der Albatrosse über dem Kadaver des Seehundes (s. S. 386 oben) bei X zu erklären; denn auch dort wurde die Luft an dem hinteren Aufbau des Schiffes, wie aus Fig. 3 zu ersehen ist, nach oben abgelenkt. Der Sehwebeflug in der Nähe des Schiffes ist also mit Hilfe der aufsteigenden Luftströme zwanglos zu erklären; anders ist es aber mit dem Kreisen der Albatrosse über der freien Meeresfläche. Wenn .Seehund Fig. 3. Ablenkung des Windes nach oben am Bug, bei A und bei B. dort die Luft an einzelnen Stellen, wie z. B. vor einer grossen Welle, auch nach oben abgelenkt werden mag, so wird sie doch ebenso oft die umgekehrte Richtung einschlagen. Bekanntlich sind aber aufsteigende Luftströme nicht die einzigen physikalischen Be- dingungen, die den Schwebeflug wenigstens theoretisch verständlich machen. Wir wollen untersuchen, was davon über der freien Meeres- fläche realisiert sein kann. Es ist schon oft darauf hingewiesen worden, dass zwei aneinander- grenzende Luftströme von verschiedener Geschwindigkeit einen Vogel befähigen, einen Teil der Windenergie zur Überwindung der Schwer- kraft nutzbar zu machen. Das dazu nötige Verfahren ist z. B. von Rayleigh!) und v. Parseval?) dargelegt worden; die Tiere müssen dann kreisen. Spricht nun etwas dafür, dass der Wind dicht über dem Meere eine andere Geschwindigkeit hat als in grösseren Höhen ? 1) Lord Rayleigh, Nature vol. 27 p. 534. 2) A. von Parseval, Die Mechanik des Vogelfluges S. 122. Berg- mann, Wiesbaden 1889. Notizen zum Problem des Vogelfluges. 389 Nach meiner Meinung kann darüber gar kein Zweifel herrschen. Denn die Existenz der Wellen beweist, dass die untersten Luft- schichten dauernd Energie abgeben und deshalb Geschwindigkeit verlieren. Es muss sich schliesslich ein stationärer Zustand ausbilden, bei dem sie ebensoviel an das Wasser abgeben, wie sie von den schnelleren über sie hinwegstreichenden Luftteilchen aufnehmen. So sind die physikalischen Bedingungen für das Kreisen gegeben. Manchmal habe ich aber die grossen Vögel auch eine beträcht- liche Strecke in fast gerader Linie über das Wasser dahin- schweben sehen. Für diese Fälle wird ein anderes Prinzip zur Er- klärung herbeizuziehen sein. Bekanntlich wechselt die Windgeschwindiekeit nicht nur lokal, sondern auch zeitlich!). Wenn der Wind aus einzelnen Stössen be- steht, so kann der Vogel leicht daraus Energie schöpfen. Um den Mechanismus zu erläutern, hat Marey nach einer Idee von Bazin eine sinnreiche Vorrichtung angegeben ?). Man denke sich ein Brett in Wellenlinien gebogen. Legt man jetzt eine Kugel auf einen „berg“, so wird sie in ein Tal hinab- und auf der andern Seite wieder hinaufrollen, aber wegen Reibung und Luftwiderstand nicht ganz ihre Ausgangshöhe erreichen. Schiebt man ihr jetzt das Brett mit einem Ruck entgegen, während sie gerade stillsteht und sich zum Umkehren anschickt, so wird sie wegen ihrer Trägheit nicht umkehren, sondern den zweiten Gipfel erreichen. Auf ähnliche Weise kann man sie auf den dritten, vierten usw. Gipfel treiben, die sogar höher sein können als der Ausgangspunkt. Hier gewinnt die Kugel aus den intermittierenden Bewegungen des Brettes Energie. Die Nutzanwendung auf den Flug liegt auf der Hand. Dass in der Luft etwas Ähnliches möglich ist, haben die Brüder Wright durch den Versuch bewiesen. Ich entnehme darüber einem Buch von F. Ferber?) folgende Angabe, an der ich zu zweifeln keinen Grund habe (leider gibt der Autor seine Quelle nicht an): „Im Jahre 1903 glückte es ihnen (den Brüdern Wright) endlich, sich auf einem Fleck schwebend zu erhalten, ohne im geringsten zu 1) Siehe z. B.: S. P. Langley, The internal work of the wind. Americ. Journ. of science (3) vol. 47 p. 41. 2) E.-J. Marey, Le vol des oiseaux p. 317. Masson, Paris 1890. 3) F. Ferber, Die Kunst zu fliegen. Übersetzt von A. Schöning. R. 0. Schmidt & Co., Berlin 1910. 390 Martin Gildemeister: sinken, d. h. ein richtiger Schwebeflug gelang. Sie warteten einen heftigen Wind von 10—12 m in der Sekunde ab, dem es ein leichtes war, sie in die Höhe zu heben. Sobald sie merkten, dass die Hub- kraft nachliess, schwebten sie vorwärts, um Geschwindigkeit zu ge- winnen. Beim ersten Windstoss liessen sie sich wieder höher heben, wobei sie zurückgetrieben wurden, und schlossen einen Gleitflug : nach vorn an, sobald der Windstoss vorbei war, und so fort. So gelang es ihnen, sich 72 Sekunden in der Luft zu halten, ohne mehr als im ganzen 30 m von der Stelle zu kommen. Anmerkung dazu: Ein Brief Chanute’s gibt ais Datum den 22. November 1903.“ Da der Wind ja schneller läuft als die Wellen, müssen die untersten Luftmassen von Zeit zu Zeit einen Wellenbers eirholen nnd an ihm eine Verzögerung erleiden. Auf diese Weise muss der Wind dicht über dem Meere zeitlich diskontinuierlich werden, so dass auch die Bedingungen für diese Art des Energiegewinnes gegeben sind. Vielleicht findet von diesem Gesichtspunkt aus auch die auf- fallend schmale Flügelform der Meeresvögel ihre ungezwungene Er- klärung. Nehmen wir an, das Tier bewege sich in der Richtung des Windes. Dann begegnen ihm abwechselnd schnell und langsam strömende Luftpartien. Je schmäler der Flügel, desto plötzlicher der Übergang von einer in die andere, desto kürzer das Verweilen auf der Übergangszone, aus der keine Energie entnommen werden kann. Also ist der schmale Flügel in diesem Falle zweckmässie. Die Vögel, von denen ich bis jetzt gesprochen habe, schwebten alle bei lebhaftem Wind. In den subtropischen und tropischen Re- sionen von Süd- und Mittelamerika habe ich dieses Flugmanöver aber auch oft bei anscheinend fast fehlender Luftbewegung ausführen sehen. Ob in den Höhen des Vogels nicht doch lokale oder zeit- liche Diskontinuitäten der Luftströmung existierten, muss unent- schieden bleiben. Für einzelne Fälle glaube ich dies bestimmt be- haupten zu können. So habe ich einige Male grosse Vogelschwärme gesehen, die ihre Kreisemanöver absolut gleichzeitig ausführten. Gleich- zeitig stiegen sie, senkten sie sich, machten sie die Wendungen. Das kann zwei Gründe haben: 1. Es unteriiegen alle Tiere gleich- zeitig denselben äusseren, sich verändernden Einflüssen, auf welche sie alle in gleicher Weise reagieren. Dabei kann es sich wohl nur um Luftbewegungen handeln. 2. Es werden die Bewegungen eines Tieres von den anderen nachgeahmt. Notizen zum Problem des Vogelfluges. 391 Der zweite Erklärungsversuch ist nach meiner Meinung abzu- lehnen. Denn wenn die Vögel sich nach einem Führer richteten, so müsste doch zwischen der Bewegung desselben und ihrer eignen eine auch dem Beobachter bemerkbare Zeit vergehen, und das ist nicht der Fall. Man könnte noch annehmen, dass die Reaktionszeit bei Vögeln ausnehmend kurz sei. Aber auch diese Annahme kann ich durch folgende Beobachtung widerlegen: An den Küsten von Mittel- und Südamerika hausen unzählige Pelikane. Diese haben die Gewohnheit, zu langen Ketten vereinigt dicht über das Wasser hinzustreichen. Dabei pflegen sie nach der Art unseres Hausstorches in kurzen Intervallen zwischen Ruder- und Gleitflug abzuwechseln. Das Signal zum Wechsel der Flugart geht immer vom Führer der Reihe aus, und es ist: höchst interessant zu sehen, wie sich der neue Bewegungsmodus einer Welle gleich von vorn nach hinten über die ganze Kette fortpflanzt, und zwar nur mit mässiger Geschwindigkeit. Ich halte das für einen Beweis, dass die Reaktionszeit des Vogels durchaus nicht abnorm kurz ist. Deshalb wird man annehmen müssen, dass das auf voriger Seite geschilderte Flugmanöver durch unregelmässige Luftströmungen ver- anlasst worden ist. Zu ebener Erde herrschte fast Windstille. Wenn ich meine Beobachtungen zusammenfasse, so darf ich behaupten, dass ich keinen Fall von Schwebeflug gesehen habe, der nicht aus gewissen Eigenschaften des Windes physikalisch erklärbar gewesen wäre. Deshalb kann ich mich der neuerdings von Exner vertretenen „Zittertheorie“ nicht anschliessen, zumal da gegen diese, wie ich!) nachgewiesen habe, schwerwiegende muskelphysiologische Bedenken vorliegen. Zur Geschichte der Schwebeflugtheorien. Um den Schwebeflug zu erklären, sind bekanntlich verschiedene Theorien aufgestellt worden, die man in physikalische und physio- logische einteilen kann. Die ersteren nehmen an, dass der Wind die nötige Energie zur Überwindung der Schwere und des Luft- widerstandes hergebe; die letzteren, dass der Vogel mit seinen Muskeln arbeite. 1) M. Gildemeister, Pflüger’s Arch. Bd. 135 S. 366. 392 Martin Gildemeister: Von den physikalischen Theorien haben sieh nur diejenigen, welche die Abweichungen des Windes vom idealen, gleichmässig horizontalen Dahinfliessen in Betracht ziehen, als haltbar erwiesen. Davon ist im vorigen Abschnitt genügend die Rede gewesen, so dass ich darauf nicht wieder einzugehen brauche. Von den physiologischen Theorien ist die bekannteste die in neuester Zeit von Exner vertretene Zittertheorie, welche sehr frequente und deshalb nicht ohne weiteres wahrnehmbare Flügel- schläge beim Schwebefluge annimmt. Auf die Bedenken, welche dieser Theorie vom muskelphysiologischen Standpunkte aus entgegen- stehen, habe ich in einer früheren Arbeit hingewiesen. Hier will ich nur kurz darauf aufmerksam machen, dass schon Ch. Darwin vor 66 Jahren an diese Erklärungsmösglichkeit gedacht hat. In seinem Buche über die Weltumseglung an Bord des „Beagle“ !) beschreibt er das Schweben des Kondors und fährt dann p. 186 fort: „As they (the condors) glided close over my head, I intently watched from an oblique position, the outlines of the separate and great terminal feathers of each wing; and if there had been the least vibratory movement, these separate feathers would have appeared as if blended together; but they were seen distinet against the blue sky.“ (27. April 1834.) Aus den von mir gesperrten Worten muss man nach meiner Meinung entnehmen, dass Darwin vorher an frequente Flügelschläge gedacht hatte. Man könnte aus dem Wortlaut viel- leicht auch schliessen, dass diese Vermutung schon vorher von anderer Seite geäussert worden war. In der ausländischen Literatur habe ich noch mehrere Stellen gefunden, wo von Schwirrbewegungen die Rede ist. So schreibt Mouillard?): „on essayera de faire intervenir....... des battements inperceptiles“, und S. P.Langley°) saet: „It is frequently suggested by those who know these facts only from books, that there must be some quivering of the winges, so rapid as to escape observation.“ Bei deutschen Autoren habe ich nur die von Exner zitierte Stelle in dem v. Parseva]l’schen Buche firden können. | 'So hat Darwin anscheinend als Erster nach den Gründen des Schwebeflugs geforscht. Da er die Vibrationstheorie nicht anerkennen 1) Ch. Darwin, Journ. of researches etc. Murray, London 1845. 2) L. P. Mouillard, L’empire de Pair p. 237. Masson, Paris 1881. 3) S. P. Langley, The internal work of the wind. Americ. journ. of science (3) vol. 47 p. 42. 1894, Notizen zum Problem des Vogelfluges. 393 kann, meint er (Fortsetzung der eben zitierten Stelle), ob nicht viel- leicht die Bewegungen des Halses und Körpers das Schweben er- möglichen. Das wäre die zweite physiologische Theorie, die aber wohl heutzutage keine Anhänger finden wird. Die Flügelbewegung beim Ruderfluge. Über die Bewegung der Flügel beim Fluge finden sich in den physiologischen Hand- und Lehrbüchern trotz der Arbeiten von Marey u. a. teilweise ganz irrtümliche Angaben. Deshalb will ich kurz die wichtigsten von den gesicherten Tatsachen zusammenstellen. 1. Der Niederschlag erfolgt nicht, wie man nach Analogie der Flimmerbewegung glauben sollte, schneller als der Aufschlag, sondern umgekehrt (Prechtl, Marey, Lilienthal, von Parseval u.a.). Ersterer dauert bei manchen Vögeln doppelt so lange als letzterer. 2. Der Flügel geht beim vollen Fluge niemals mit der Ober- seite gegen die Luft; nur in den ersten Momenten kurz nach dem Auffliegen kann das stattfinden (Marey). Man hat zu berück- siehtigen, dass der Vogel ja immer in der Bewegung gegen einen starken Luftstrom begriffen ist, so dass eine geringe Drehung des Flügels genügt, damit dieser auch bei der Hebung von der Luft auf der Unterfläche getroffen wird. 3. Die Flügelspitze bewegt sich beim Niederschlag relativ zum Vogel von oben hinten nach unten vorne, nicht von oben vorne nach unten hinten (siehe die Momentphotographien). Das ist selbst- verständlich, wenn man die Neigung der Flügelfläche zum Horizont und den resultierenden Luftwiderstand auf den biegsamen Flügel berücksichtigt. 4. Beim Niederschlag erfährt der Vogel eine Hebung und Be- schleunigung, beim Aufschlag eine Hebung und Verzögerung (wegen der unter 2. erwähnten Drehung). Alle diese Tatsachen sind von Marey, dessen schönes Buch über den Vogelflug*) viel zu wenig bekannt ist, experimentell er- härtet worden. Über die Arbeitsleistung beim Fluge. In der Literatur über den Vogelflug spielt die Frage nach der dazu nötigen Arbeitsleistung eine grosse Rolle. Man hoffte, daraus 1) E.-J. Marey, Le vol des oiseaux. Masson, Paris 1890. 394 Martin Gildemeister: durch einen Analogieschluss diejenige Kraft ermitteln zu können, die einen Menschen durch die Luft zu tragen imstande wäre. Heutzutage, wo das Problem der Fortbewegung durch die Luft in seinen Grund- zügen gelöst ist — freilich anders, als man es früher erträumt hatte —, hat dieses Problem sein technisches Interesse verloren; den Physio- logen interessiert aber immer noch die Frage, ob der Vogel sich in seiner muskulären Leistungsfähigkeit von anderen Tieren unter- scheidet. Man kann die Flugarbeit sowohl berechnen als auch experi- mentell feststellen. So viel ich sehe, sind dazu bisher fünf ver- schiedene Methoden angewendet worden, denen ich noch zwei neue (Nr.:5 und 6) beifügen kann. Diese sieben Methoden will ich hier kurz zusammenstellen. Auf die umfangreiche Literatur über den Gegenstand kann ich in dieser kurzen Notiz nicht eingehen. 1. Das Raketenprinzip. Wenn ein Körper, der schwerer als die Luft ist, sich in derselben Höhe über der Erde halten will, so muss er dauernd so viel Luft gegen die Erde hin bewegen, dass die Kraft des Rückstosses gleich der Anziehungskrafi der Erde, d. h. seinem Gewicht, ist. Dann wirken auf diesen Körper keine vertikalen Kräfte mehr. Die Kraft des Rückstosses eines fort- geschleuderten Körpers (also hier der Luft) ist gleich dem Produkte seiner Masse und seiner Beschleunigune. Wenn wie hier die Masse der Luft zuerst ruhend gedacht ist, kann die Beschleunigung numerisch gleich der Geschwindigkeit gesetzt werden. Be- zeichnet @ das Gewicht des schwebenden Körpers, so ist also @G = mv (m — Masse der in 1 Sek. senkrecht abwärts verschobenen Luft, ® ihre Geschwindigkeit). Die in der bewegten Luftmasse steckende Energie, die ein Maass der zu ihrer Fortbewegung 2 — oder a In Worten: die Arbeit, die ein Vogel beim Fluge leisten muss, um die Anziehungskraft der Erde zu überwinden, ist (numerisch) gleich dem halben Produkt seines Gewichtes und der Geschwindigkeit der abwärts geschleuderten Luft. Letztere hängt hauptsächlich von der Grösse der Flügelflächen ab. Je kleiner diese, desto kleiner ist der Querschnitt der ver- schobenen Luftsäule, desto schneller muss also die Luft bewegt werden, damit in der Zeiteinheit ein gewisses Quantum gefördert wird. Nun kann man in erster Annäherung annehmen, dass dauernd eine Luftsäule, deren Querschnitt den Flügelflächen gleich ist, in nötigen Arbeit ist, beträgt Notizen zum Problem des Vogelfluges. 395 Bewegung gesetzt wird. Daraus ereibt sich z. B. für eine Taube von 0,350 kg Gewicht eine Arbeit zur Überwindung der Schwere von 1,2 kgm pro Sek.; das macht pro kg 3,4 kgmi/sec!). Dieser Wert macht auf Zuverlässigkeit gar keinen Anspruch. Denn die Luft wird durch die Bewegung komprimiert, wodurch noch eine in der „Raketengleichung“* nicht berücksichtigte Kraft entgegen der Schwerkraft entsteht. Ferner entsteht über dem Voeel ein luftverdünnter Raum, der in demselben Sinne wirkt. Schliess- lich setzt der Flügel wahrscheinlich eine diekere Luftsäule in Be- wegung, als oben angenommen ist, da auch die angrenzenden Luft- teilchen beeinflusst werden. Alle diese Einflüsse müssen die tat- sächliche Flugarbeit verkleinern, während andererseits zu berück- siehtigen ist, dass nicht alle Luftteilchen senkrecht nach unten ver- schoben werden. Wahrscheinlich ist der obige Wert von 3,4 kgm pro kg nur als oberer Grenzwert zu betrachten. Zu dieser Schwebearbeit kommt noch die Arbeit, die zur Überwindung des Luftwiderstandes bei der Fortbewegung nötig ist. Da diese aber nur die ohnehin ganz unsichere letzte Stelle der eben angegebenen Zahl beeinflussen kann, mag sie bei dieser Überschlags- rechnung ausser Betracht bleiben. 2. Berechnung aus den Gesetzen des Luftwider- staudes. Dieser Wee ist vorläufig noch nicht gangbar, weil diese Gesetze bei kompliziert gebauten und unregelmässig bewegten Flächen, zumal bei schrägem Auftreffen der Luft, erst sehr unvollkommen erforscht sind. 1) Die Rechnung gestaltet sich folgendermaassen: Die Masse m der in 1 Sek. bewegten Luft ist (numerisch) gleich ihrem Volum multipliziert mit ihrem spezifischen Gewicht b (bezogen auf Wasser), dividiert durch die Erdkonstante g. Das Volum des Luftprismas ist gleich der Grundfläche, die nach unserer An- nahme der Flügelfläche 7 gleich sein soll, multipliziert mit dem in 1 Sek. zurückgelesten Wege, welcher wieder (numerisch) gleich der Geschwindigkeit v ist. Man hat also m = u Wird dieser Wert in die Gleichung @ = m-v eingesetzt, daraus v berechnet, und dieser Wert in die Gleichung A (Arbeit) — = 6 1/E 2 Bo auch in den Dimensionen richtig wird, ist auf der rechten Seite der Faktor gr—2.cm.sec? hinzuzufügen.) Daraus ergibt sich die obige Zahl unter Berück- sichtigung der Werte = 350 g, g= 981 cm/sec?, F = 600 cm?, b — 0,00122. eingesetzt, so erhält man schliesslich A — (Damit diese Gleichung 396 Martin Gildemeister: 3. Berechnung aus dem Wege des Druckmittel- punktes. Diese Berechnungsweise gründet sich auf folgende Über- legung: Wenn der Vogel während des Niederschlages nicht sinken will, muss er mit den Flügeln mit derselben Kraft gegen die Luft drücken, mit der er von der Erde angezogen wird. In diesem Fall wird er aber während des Aufschlages sinken. Nimmt man der Einfachheit wegen an, dass Niederschlag und Aufschlag gleich lange dauern, so muss der Vogel, um dieses Sinken zu verhindern, bei ersterem offenbar gegen die Luft einen Druck gleich seinem doppelten Gewicht ausüben. (Das wird noch klarer, wenn man sich ein vierflügliges Tier denkt, dessen eines Flügelpaar gesenkt wird, während das andere sich hebt. Dieses Tier muss dann beim Nieder- schlag jedes Flügelpaares einen Druck gleich seinem Gewicht aus- üben.) Den Luftdruck auf den Flügel kann man sich im Druck- mittelpunkt vereinigt denken, dessen Entfernung von der Drehungs- achse, wie man berechnet hat, etwa !/z der Flügellänge beträgt‘). Die bei jedem Flügelschlage ausgeübte Kraft kennt man jetzt; da Arbeit = Kraft x Weg ist, hat man für die Arbeit einer Sekunde: Anzahl der Flügelschläge >= doppeltem Körpergewicht x Weg des Druckmittelpunktes. Letzterer ist wieder leicht aus Flügellänge und Schlagwinkel zu berechnen. Eine Taube von 350 g Gewicht hat Flügel von 30 em Länge; der Schlagwinkel beim ruhigen Flug be- trägt etwa 50°, die Flugfrequenz etwa 8 pro Sek. Daraus folet eine Leistung von 0,71 kgm, das sind 2,0 kgm pro kg. Auch diese Werte können nur angenähert gelten, weil der Niederschlag in Wirk- lichkeit Jängere Zeit dauert als der Aufschlag (dadurch wird die Flugarbeit verkleinert), und weil die Entfernung des Druckmittel- punkts von der Drehungsachse sich vielleicht periodisch ändert. Wahrscheinlich macht die Taube auch beim ganz unbeeinflussten Flug nicht acht Flügelschläge in der Sekunde, wie Marey angibt, sondern nur sechs. Berücksichtigt man dies alles, so ergibt sich als wahrscheinlicher Wert für eine Taube von 350 g 0,50 kgm oder 1,4 kem pro ke. 4. Berechnung nach kinematographischen Auf- nahmen. Diese Methode, die ich für nicht anwendbar halte, ist 1) J. J. Prechtl, Untersuchungen über den Flug der Vögel S. 184. Gerold, Wien 1846. Notizen zum Problem des Vogelfluges. 397 von Ch. M. de Labouret!) angegeben worden. Hat man die Be- wegungskurve eines Körpers, deren Ordinaten die zurückgelesten Wege, deren Abszissen die Zeiten sind, so bezeichnet bekanntlich die Neigung der Tangente an irgendeiner Stelle die zu der be- treffenden Zeit erreichte Geschwindigkeit. Konstruiert man jetzt die Geschwindigkeitskurve (die Abszissen bedeuten wieder Zeiten), so ist bei dieser die Tangentenneigung ein Maass der augenblick- lichen Beschleunigung. [Kürzer ausgedrückt: aus der Kurve s — f (f) lassen sich die Geschwindigkeit ds/dt und die Beschleunigung d?s/dti? ermitteln] Da nun Kraft = Masse > Beschleunigung ist, braucht man die so gefundenen Beschleunigungen nur mit der Masse des Vogels zu multiplizieren, um die in jedem Augenblick wirksamen Kräfte zu finden. Soweit ist alles recht plausibel. Aber wir wollen ja nicht die Kräfte, sondern die Arbeiten kennen lernen. Hier begeht der Autor einen Trugschluss.. Wie jeder mit solchen Problemen Ver- traute ohne weiteres einsehen wird, ermittelt man aus der Kurve gar nicht die einzelnen Kräfte, sondern die Resultante derselben. Man findet von den- beiden Horizontalkräften Luftwiderstand (der Bewegung entgegen) und Triebkraft (im Sinne der Bewegung) nur die Differenz, und ebenso ist es mit den drei Vertikalkräften Luftwiderstand (wahrscheinlich, aber nicht sicher, immer auf- wärts wirkend), Triebkraft (Richtung vorwiegend aufwärts, manch- mal vielleicht abwärts) und Schwere (immer abwärts). DeLabouret setzt den horizontalen Luftwiderstand gleich einer bekannten Kon- stanten und vernachlässigt den Vertikalwiderstand. Auf diese Weise bleibt ausser der bekannten Schwere nur die vom Vogel gelieferte Triebkraft übrig; aus dieser ist dann leicht die Arbeit zu be- rechnen, indem man sie mit den aus der Kurve ermittelten Wegen multipliziert. Dass diese Berechnungsart nicht zulässig ist, erhellt am besten aus einem Beispiel. Man denke sich einen fliegenden Körper, z.B. eine Flugmaschine, die sich durch besondere Vorrichtungen. z. B. eine senkrecht nach unten wirkende Luftschraube, unbewesglich an einer Stelle des Luftraumes zu erhalten vermag. Da ihr Schwer- punkt in Ruhe ist, wirken keine äusseren Kräfte auf sie, oder die Kräfte halten sich vielmehr das Gleichgewicht. Das sind: nach 1) Anhang zu E.-J. Marey, Le vol des oiseaux. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 26 "98 Martin Gildemeister: oben die Triebkraft, nach unten die bekannte Schwere. Man kennt jetzt also aus dieser Gleichung die Grösse der Triebkraft; wie gross die vom Motor aufgewendete Arbeit ist, wird auch die sorgfältigste Ausmessung der kinematographischen Bilder (die ja alle identisch sind!) nicht feststellen können, denn das hängt ja nach 1. (s. S. 394) von der Geschwindigkeit des abwärts ge- schleuderten Luftstromes ab. Diese ist aus den Bildern nicht zu ersehen. | Diese Berechnungsmethode kann also keine brauchbaren Re- sultate liefern. 5. Berechnung aus dem Vergleich mit Flugmaschinen. Bekanntlich arbeiten unsere Muskeln etwa doppelt so günstig als unsere besten Kraftmaschinen. So können wir auch mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, dass ein Vogel, auf gleiches Gewicht bezogen, höchstens halb so viel Arbeit leistet als die modernen Flugapparate. Die Rekordleistungen'!) sind bis jetzt: Dorner: 24 PS., Gewicht des Apparates 260 kg, dazu Führer und Ballast 182 kg. Summa 442 kg; auf jede Pferdestärke kommen 18,4 kg. Engelhardt (Wrightmaschine): 33 PS., Apparat 385 kg, Führer und Ballast 211 kg. Summa 596 kg oder 18,1 kg pro Pferdestärke. Jedes Kilogramm braucht also im günstigsten’ Falle "ıs, PS. — 4 kgm/see zur Hebung. Nach unserer obigen Annahme werden wir deshalb beim Vogel einen Aufwand von 2 kgm pro kg vermuten müssen. Ich halte das auch nur für einen oberen Grenzwert, da der Wirkungs- grad der Flugmaschine wahrscheinlich noch sehr verbesserungsfähig ist. Nun bleiben noch zwei physiologische Methoden übrig. 6. Feststellung der Leistungsfähigkeit der Mus- keln. Nach dieser Methode müsste man die grösste Arbeit be- stimmen, die ein gewisser Bruchteil der Flugmuskulatur längere Zeit hindurch ohne merkliche Ermüdung zu leisten vermag. Wenn man diesen Betrag auf die gesamte Flugmuskulatur umrechnete, so er- hielte man wieder einen oberen Grenzwert für die Flugarbeit. 1) Diese Angaben verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Haupt- mann a. D. Hildebrandt in Berlin, dem ich auch an dieser Stelle bestens dafür danke, Notizen zum Problem des Vogelfluges. 399 Denn beim gewöhnlichen Fluge strenst der Vogel seine Kräfte natürlich nicht bis zum äussersten an. Diese Methode ist noch nicht systematisch angewendet worden. Ich habe gezeigt, dass ein Flügelmuskel der Taube längere Zeit ohne merkliche Ermüdung mit soleher Belastung und in solchem Rhythmus arbeiten kann, dass sich daraus für die gesamte Flug- muskulatur eine Leistung von 0,5—1,0 kgm/see ergibt. Nimmt man wieder 350 g als Durchschnittsgewicht, so kommt auf das Kilogramm 1,4—2,9 kgm/sec, im Durchschnitt also wieder etwa 2 kgmi/see. 7. Berechnung aus Stoffwechselversuchen. Man könnte aus dem vermehrten Stoffumsatz beim Fluge des Vogeis Schlüsse auf die Leistung ziehen, wie man es öfters beim Säugetier getan hat. Solche Versuche hat Pütter angestellt, aber darüber ausser auf einer Wandtafel in der Frankfurter Internationalen Aus- stellung für Luftschiffahrt („Ia“) noch nichts veröffentlicht. Es er- saben sich mit dieser Methode, wie mir Herr Professor Pütter in liebenswürdiger Weise brieflich mitgeteilt hat, für die Taube un- gefähr Werte von 0,5 kgm/see pro ke. Stellen wir jetzt unsere Resultate zusammen, so erhalten wir folgende Werte für den Arbeitsaufwand beim Flug, bezogen auf 1 kg Tier: a) aus dem Raketenprinzip (sicher zu hoch) . . . . 3,4 kgmiseec, b) „ „Weg des Druckmittelpunktes . . . . . 14 & ©) „5 „ Vergleich mit Flugmaschinen (wohl zu hoch) 20 ,„ BeeAmbeitsversuchen . . . » x. 22.2 0..2...20 5 Be Stoffwechselversucben | i.n:..1..%.. Knall 7.08% 1, - Bei der Verwertung dieser Zahlen werden wir berücksichtigen müssen, dass der Vogel, wie jedes andere Tier, bei seiner Tätigkeit selbstverständlich nicht immer dieselbe Arbeit leistet. Es ist be- kannt, dass z. B. der Beginn des Fluges mit besonders grosser An- strengung verknüpft ist; Marey (l. e., p. 331) gibt an, dass Tiere, die man mehrere Male kurz hintereinander losfliegen lässt und dann immer gleich wieder einfängt, bald alle Symptome grosser Erschöpfung zeigen. Er schätzt den Arbeitsaufwand unter solehen Umständen auf das Vier- bis Fünffache desjenigen, der für den ruhigen Flug be- nötigt wird. Die besprochenen Methoden ausser der letzten geben im all- gemeinen obere Grenzwerte; besonders der physiologische Ver- such zeigt uns, was der Muskel leisten kann. So werden wir wohl 26 * 400 Martin Gildemeister: Notizen zum Problem des Vogelflugs. nicht fehlgehen, wenn wir aus unseren Zahlen den Schluss ziehen, dass 1,5 —2 kgm/see, bezogen auf 1 kg Körpergewicht, die grösste Arbeit ist, die eine Taube längere Zeit leisten kann; für den ruhigen Flug werden wir ungefähr 0,5 kgm anzusetzen haben. Wie diese Werte bei kleineren oder grösseren Vögeln zu modifizieren sind, soll . hier nicht weiter untersucht werden. Man kann diese Resultate noch anschaulicher machen, wenn man sie in Hebearbeit ausdrückt. Eine Taube könnte mittels ihrer Flugmuskulatur ein Gewicht gleich ihrem Körpergewicht in jeder Sekunde 0,5 (ruhiger Flug) bis 2 m (maximale Anstrengung): hoch ‚heben. Es ist von Interesse, damit die menschlichen Leistungen zu ver- gleichen. A. Durig!) hat es bei grösster Übung zu einer längere Zeit dauernden Leistung von 0,29 PS. gebracht (Körpergewicht 63 kg). Das ist eine Leistung von 0,35 kgm pro Kilogramm Körpergewicht, oder ebensoviel, als ob er sein eigenes Körpergewicht in jeder Se- kunde 0,35 m hoch gehoben hätte. Wie man sieht, ist damit die Normalleistung der Taube noch nicht erreicht. Aus diesen Betrachtungen können wir den Schluss ziehen, dass der normale Vogelflug etwa doppelt so viel Arbeit erfordert, als der sehr gut trainierte Mensch (das gilt wohl auch von anderen Säuge- tieren) bei gleichem Gewicht leisten könnte. Damit harmoniert aufs, beste der lebhafte Stoffwechsel der Vögel und die relative Grösse ihres Herzens ?). 1) A. Durig, Pflüger’s Arch. Bd. 113 8.4. 2) J. Strohl, Zool. Jahrbücher, Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. Heft 1. 401 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Wien.) Gehirn und Sympathicus. I. Mitteilung. Ein Sympathieuszentrum im Zwischenhirn. ; Von Prof. Dr. J. P. Karplus und Prof. Dr. A. Kreidi, Assistenten am physiologischen Institut in Wien. (Mit 11 Textfiguren und Tafel XIV.) In unserer ersten Mitteilung haben wir über eine Operations- methode berichtet, die es uns ermöglichte, bei unversehrtem Gehirn an sonst nicht zugänglichen Stellen Reizversuche vorzunehmen!). Elektrische Reizung einer bestimmten Stelle der Zwischenhirnbasis — hinter (dem Tractus optieus, lateral vom Infundibulum — hatte bei Katzen und Hunden maximale Pupillenerweiterung, Aufreissen der Lidspalte, Zurückziehen des inneren Lides ergeben. Es liess sieh mit Sicherheit nachweisen, dass bei dieser Reizung die Erregung von der erwähnten Stelle zunächst durch den gleichseitigen Hirnschenkel geht, weiter spinal- wärts zum Teil die Seite kreuzt und schliesslich durch die beiden Halssympathiei zu den Augen geleitet wird und hier eine der peripheren Sympathicusreizung gleiche Wirkung hervorruft. „Sichergestellt“, sagten wir, „ist die besondere Beziehung dieser Stelle zu den Augensymptomen; ob wir aber ein Zentrum gereizt haben — man könnte etwa an das Corpus subthalamieum denken —, oder ob es sich um Reizung I) Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 129 S. 138. 1909. — Wir haben diese zunächst bei Carnivoren erprobte Methode dann auch bei Affen angewandt; dieselbe ist ausführlich beschrieben in der Zeitschr. f. biol. Technik u. Methodik Bd. 2 8.14. 1910. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 27 402 J. P. Karplus und A. Kreidl: von Bahnen handelt, die hier gesammelt nahe der Hirnoberfläche liegen, lässt sich durch die hier mitgeteilten Versuche nicht mit Sicherheit entscheiden; die anatomischen Verhältnisse der Zwischenhirnbasis lassen es allerdings als wahrscheinlich er- scheinen, dass ein Zentrum gereizt wurde.“ I. In Fortsetzung unserer Studien untersuchten wir nun zunächst, ob die Erregbarkeit der Reizstelle an der Zwischenhirnbasis unabhängig sei vom Cortex cerebri. Es zeigte sich, dass die Erregbarkeit viele Wochen nach Entfernen der Hirnrinde erhalten bleibt. Wir haben bei einer Reihe von Katzen Teile der rechten Grosshirnhemisphäre entfernt und dann nach 6—12 Wochen uns bei diesen Tieren überzeust, dass die Reizung unserer Stelle rechts in allen Fällen beiderseitige Erregung des Halssympathieus hervorrief. Die nebenstehenden Figuren (1—8) sollen diese Versuche illustrieren. Dunkel angelegt ist der vollkommen entfernte Anteil der Hirnrinde; bei jeder Figur ist angegeben, wieviel Zeit zwischen Exstirpation und Reizversuch verstrichen ist, Die Verschiedenheit Fig. 1. 12 Wochen. Fig.'2. 6 Wochen. Fig. 3 und 3a, 6 Wochen. 403 * m [ES = B 8 s =) 3 en 172) SO © - 5 = SI oO ei: = = = = = IB [6.6) [6'6) =) ai S 2 9 = n) Ss \ a Sr Ye) co [0,6] rD je E) E E 5 {= BD =} =] en 5 E = AN = - ® es je (d2) — RAT NUN \ NUNNN KURSSN) NN N AN \ N \\ 404 9. P. Karplus und A. Kreidl: Fig. 8 und $a. 7 Wochen. der ‚Intervalle hatte ihren Grund in äusseren Verhältnissen. In Fig. 9 und 9a sind sämtliche Versuche in ein Hirnschema ein- getragen. Ein Blick auf diese Abbildungen zeigt, dass die an der Convexität der Hemisphäre „gelegenen Rindenpartien vollkommen, die der Medianfläche entsprechenden fast vollkommen entfernt wurden. Insbesondere sind alle jene Cortexanteile, von denen eine spezielle Beziehung zur Pupilleninnervation nachgewiesen oder behauptet wurde, samt ihrer Umgebung ganz exstirpiert worden. Wir sind .der Ansicht, dass die mitgeteilten Versuche zu dem Schluss be- rechtigen, die von uns gefundene Beziehung der Zwischenhirnbasis zum Halssympathieus ist nicht dadurch bedingt, dass an dieser Stelle Sympathieusbahnen liegen, die, direkt von der Hirn- rinde kommend, peripheriewärts ziehen. Nach Zerstörung oder Exstirpation des Zentrums würde eine solche direkte Bahn auch in den Versuchen mit dem kürzesten Intervall zwischen Exstirpation und: Reizversuch — also nach 6 Wochen — ihre Erregbarkeit ver- loren haben. Man weiss seit langem, dass periphere Nerven, von ihrem Zentrum ab- getrennt, in wenigen Tagen elektrisch unerregbar werden. Für die zentralen Bahnen schien noch keine vollkommene Übereinstimmung erreicht. Wir haben darum Frau Dr. Morawska-Oscherowitsch veranlasst, bei Carnivoren die motorische Rinden-Region einseitig vollkommen zu entfernen und dann nach- zusehen, wann die Erregbarkeit für den elektrischen Reiz in der Capsula interna und im Pes pedunculi auf dieser Seite im Gegensatz zur gesunden Seite er- oschen ist. Es zeigte sich in diesen Versuchen, dass die motorischen ‚Bahnen der inneren Kapsel und des Hirnschenkelfusses nach acht Tagen vollkommen unerregbar geworden waren!). 1) Morawska-Oscherowitsch, Die elektrische Erregbarkeit degene- rierender zentraler Nervenbahnen. Physiol. Zentralbl. Bd. 24 H.9. 1910. sehirn und Sympathieus. IT. 405 ar < ) < KH 7 PORT ITS: BEN I Kun a‘ IR I f ES a) ES ae, ir Fig. 9a. Wir hatten überlegt, ob wir zur Entscheidung der "uns interessierenden Frage nicht auch die der Reizstelle‘ kontralaterale Hemisphäre exstirpieren müssten. Doch erschien das überflüssig. Für die Annahme einer Kreuzung der supponierten Bahn zwischen Rinde und Zwischenhirn lag kein Anhaltspunkt vor, hingegen hatten wir ja — wie in unserer ersten Mitteilung dargelegt — nach- 406 J. P. Karplus und A. Kreidl: gewiesen, dass die Erregung von der Reizstelle direkt peripheriewärts zieht, spinal vom Hirnschenkel teilweise kreuzt, wobei — und das scheint hier von besonderer Bedeutung — die Zwischenhirnbasis jeder Seite vorwiegend zum contralateralen Halssympathicus ihre Impulse sendet. (Wir haben übrigens in weiter unten mitzuteilenden Versuchen den direkten Nachweis erbracht, dass eine gewisse Beziehung der Zwischenhirnbasis zur gleichseitigen Hemisphäre besteht, nicht aber zur contralateralen.) Wir hatten uns schon in früheren Versuchen überzeugt, dass die Erregung bei Reizung der Zwischenhirnbasis direkt peripherie- wärts geht, nicht etwa den Umweg über die Stammganglien oder gar über den Cortex nimmt. Wir hatien unmittelbar nach voll- kommener Abtragung beider Grosshirnhemisphären und nach Entfernung der Stammganglien in der Weise, dass nur ein haselnussgrosses Stück des Zwischenhirnes mit dem Hirnschenkel in Zusammenhang blieb, die Zwischenhirnbasis gereizt und denselben Effekt auf den Hals- sympathieus gesehen wie bei unversehrtem Gehirn. Aus diesen schon in unserer ersten Mitteilung erwähnten Versuchen ergibt sich, dass die Erregung von der Zwischenhirnbasis direkt ins Mittelhirn und dann weiter spinalwärts geleitet wir. Wenn nun diese von der Zwischenhirnbasis spinalwärts ziehenden Impulse, wie sich aus den mitgeteilten Exstirpations- und Reizversuchen ergibt, nicht direkt von der Hirnrinde kommen, wenn der Reizeffekt viele Wochen nach Exstirpation der Hirnrinde er- halten ist, so ist damit ohne weiteres der Nachweis der Exi- stenz eines subkortikalen!) Sympathicuszentrums erbracht, sei es nun, dass wir bei unseren Versuchen dieses Zentrum direkt gereizt haben, oder dass wir Bahnen gereizt haben, die von diesem Zentrum peripheriewärts ziehen. (Theoretisch denk- bar wäre es dabei, dass das Zentrum noch weiter peripheriewärts liegt als die Zwischenhirnbasis, dass von ihm aus die Bahnen zunächst irgendwo kortikalwärts ziehen, dann umbiegen und bei ihrem nun peripheriewärts gerichteten Verlauf der Zwischenhirnbasis nahe- kommen. Dieser Annahme widersprechen aber alle anatomischen Er- fahrungen über den Hirnbau sowie auch unsere Querschnittsreizungen und Reflexversuche — s. u.) Man hat sowohl bei Experimenten als in pathologischen Fällen beim Menschen Sympathicuserscheinungen vom Zwischenhirn aus auftreten gesehen, 1) Subkortikal in weiteren Sinne, d. h. unter dem Cortex gelegen, Es stellte sich heraus, dass hier zunächst nicht die Stammganglien des Grosshirns, sondern vielmehr das Zwischenhirn in Betracht kommt (s. u.). Gehirn und Sympathicus. II. 407 allein es war bisher nicht geglückt, nachzuweisen, dass solche Beziehungen unabhängig vom Cortex bestehen. Während die meisten Autoren sich der Tragweite ihrer Beobachtungen klar sind, kommen hier doch auch Täuschungen vor. So schreibt Bechterew Die Funktionen der Nervenzentra Il. S. 1150. 1909): „Ich möchte meinerseits annehmen, dass die Pupillenveränderungen in den von Johansen geschilderten Beobachtungen auf einer Reizung der zentralen grauen Substanz beruhen. Ich habe bei meinen diesen Gegenstand betreffenden Untersuchungen gefunden, dass die Reizung der medialen Abschnitte des Tha- lamus zur Folge hat Erweiterung der Pupille, Exophthalmus, Erweiterung der Augenlidspalte und Einwärtssinken des dritten Augenlides, mit anderen Worten alle jene Erscheinungen, welche man auch in Fällen von Reizung des Hals- sympathicus auftreten sieht. Es zeigte sich dabei ferner, dass man nach Durch- schneidung des Thalamus die soeben erwähnten Wirkungen bei der Reizung des Ischiadicus, wenigstens mit mässigen Stromstärken, nicht mehr erzielt. Hieraus geht offenbar hervor, dass wir an der angegebenen Stelle des Thalamus ein Zentrum für die Pupillenerweiterung und für andere Bewegungen haben, die durch Reizung des Halssympathicus angeregt werden können.“ Bechterew hat es unterlassen zu untersuchen, ob er nicht durchziehende Bahnen gereizt und durchschnitten habe. Und doch ist es gerade diese aller- dings schwierige Entscheidung, auf die es allein ankommt. Und die Ausseracht- lassung dieses Umstandes seitens der Zentren-Entdecker hat die experimentelle Hirnphysiologie in den Augen vieler besonnener Beurteiler sehr diskreditiert. Kritik- los angewendet, führen die Hirnreizungen freilich leicht zu Trugschlüssen;; mit den nötigen Kautelen angewendet sind sie auch heute noch eine erfolgversprechende Methode. Die Beziehung der Hirnrinde zum Sympathicus war ja seit langem bekannt unsere Versuche ergeben, dass Sympathicuserscheinungen bei Zwischen- hirnaffektionen nicht von einer Läsion durchziehenderRinden, bahnen herrühren müssen, sondern dass ein subkortikales Sympathicus- zentrum besteht, das auch viele Wochen nach Entfernung der Hirnrinde seine Erregbarkeit behält. 11. Es war, wie erwähnt, hinreichend, ein haselnussgrosses Stück Zwischenhirn mit dem Hirnschenkel in Verbindung zu lassen, um die Reizstelle lateral vom Infundibulum, knapp hinter dem Traetus opticus, noch wirksam zu sehen. Das Gebilde, welches wir bei unseren Versuchen reizten, musste also oberflächlich oder nahe der Oberfläche gelegen sein. Dafür, dass es nicht ganz an der Ober- fläche liegt, sprach die Erfahrung, dass die schwächsten Ströme sich erst dann wirksam erwiesen, wenn wir die Elektrodenspitzen ein wenig in die Hirnsubstanz einsenkten. Um nun die Reizstelle anatomisch und auch mikroskopisch genauer zu identifizieren, 408 J. P. Karplus und A. Kreidl: gingen wir folgendermaassen vor: Wir überzeugten uns zunächst bei einer Katze in der Narkose von der Wirksamkeit: der Reizstelle an der Zwischenhirnbasis; dann legten wir einen Frontalschnitt durch die ganze Hemisphäre und den Hirnstanım, entsprechend der Reizstelle (entfernten die frontal von der Schnittfläche gelegenen Anteile des Gehirnes rasch mittels Spatels aus der Schädelhöhle, stillten die Blutung durch Wattetampons) und machten nun Reizversuche auf der Schnittfläche. Wir fanden, wie wir es vermutet hatten, ent- sprechend den Versuchen am unversehrten Gehirn auch an der Sehnittfläche eine eireumseripte Partie, deren Reizung prompt beider- seitige Erregung des Halssympathieus zur Folge hatte, während deren nähere und weitere Umgebung, gereizt, in dieser Beziehung vollkommen wirkungslos war. Schon während des Versuches am lebenden Tier konnten wir uns so mit Sicherheit überzeugen, dass Reizung des Thalamus sowie des Pes peduneuli negativ ausfiel, während die wirksame Stelle sich als graue Masse, mediodorsal vom Hirnschenkelfuss, präsentierte. Zahlreiche der- artige Versuche ergaben stets dasselbe Resultat. Wir stachen nun bei weiteren Versuchen, nachdem wir in jedem einzelnen Falle am Querschnitt durch Reizversuche die wirksame Stelle gefunden hatten, in diese eine Schweinsborste ein; dann reizten wir neuerlich, um zu sehen, ob wirklich die Borste an der richtigen Stelle sass, und wenn dies der Fall war, töteten wir das Tier (in der Narkose -durch Verblutenlassen), nahmen vorsichtig das Gehirn aus dem Schädel: und härteten es in dem üblichen Gemisch von Formol und Müller’scher Flüssigkeit. | Wir sammelten eine Anzahl solcher Gehirne, an denen wir Querschnittsreizungen vorgenommen und die wirksame Stelle durch eine Borste markiert hatten, und betteten sie vorsichtig in Celloidin in der Weise ein, dass wir das Celloidin allmählich erstarreu liessen, wobei das aus dem Gehirn hervorragende Ende der Borste allseits vom Celloidinblock eingeschlossen wurde. Es kam ja darauf an, das Gebilde zu identifizieren, in das wir die Borste eingestochen hatten. Wir zerlegten die Celloidinblöcke in Serienschnitte, färbten mit Markscheidenimprägnation und Zellfärbungsmitteln. Die intra vitam während des Versuches hergestellte Querschnittsfläche war begreiflicherweise nicht immer vollkommen eben, wodurch das Studium und die Beurteilung. der Serien etwas erschwert wurde, Immerhin liess sich eine vollkommene Übereinstimmung aller Fälle Gehirn und Sympathicus. II. 409 darin feststellen, dass die Reizstelle auf dem Frontal- schnitt im Hypothalamus liegt, und zwar der dorso- medialen Ecke des Hirnschenkelfusses benachbart ist (der Hirnschenkelfuss beginnt hier in die innere Kapsel überzugehen); diese Region entspricht dem medialen ‘Anteil der frontalsten Partie des Corpus subthalamicum und ist von Fasern der Linsen- kernschlinge durchzogen. Die Abbildung 1 auf Tafel XIV stammt von einem Versuch, in dem die Schnittfläche sehr eben ausgefallen war, und in welchem es daher möglich war, einen der frontalst gelegenen Schnitte, an welchem die Borste im Gehirn sass, mit dem Zeichenapparat zu kopieren. Ist die Schnittfläche nicht ganz eben, so sind die Schnitte, auf denen die Borste im Gehirn sitzt, und die sich zugleich durch ihre Vollkommenheit zur Reproduktion eignen, nicht die frontalsten, nicht diejenigen, an denen die Borste eben in das Gehirn eingedrungen ist. Für das Studium können solche Fälle bei einem Vergleich aller Schnitte der Serie wohl verwendet werden; sie sind aber nicht geeignet als Demonstrationsobjekte. Wir bemerken noch einmal, dass in diesem Falle wie in zahl- reichen anderen die Reizung der Gegend der Borste — auf der Figur durch * markiert — mit schwachen Strömen (Platinelektroden 2 mm voneinander entfernt, Schlitteninduktorium 1 Ampere, 6500 Windungen der sekundären Rolle, Rollenabstand 120 mm) prompt beiderseitige Erregung des Halssympathieus bewirkte, während lateral, medial, dorsal und auch ventral von dieser Stelle die Reizung ohne Wirkung auf den Sympathicus blieb. _ Wir haben nun nicht nur bei Katzen, sondern auch bei Affen (Macacus Rhesus) derartige Reizversuche an Frontalschnitten durch das Zwischenhirn unternommen. Vorher hatten wir uns überzeugt, dass man am unversehrten Gehirn desAffen durch An- legen der Elektroden an die Zwischenhirnbasiskeinen deutlichen Effekt erzielt. Wir erklärten uns das aus der mächtigeren Entwicklung des ventral von der wirksamen Region ge- legenen Pes pedunculi beim Affen im Vergleich zur Katze — eine Vermutung, die durch die Querschnittsreizungen ihre Bestätigung fand. Auch bei Macacus fanden wir im Hypothalamus eine Stelle, deren Reizung typische Erregung des Halssympathicus hervor- rief; nur war hier die überwiegende Wirkung auf den eontralateralen Sympathicus noch ausgesprochener als bei der Katze. 410 J. P. Karplus und A. Kreidl: Die Reproduktion des Gehirns von einem derartigen positiven Reizversuche bei einem Affen, bei dem die Identifizierung der Reiz- stelle durch Borstenmarkierung und nachträgliche Serienschnitte in der ausführlich oben bei der Katze beschriebenen Weise durchgeführt worden war, zeigt die Tafel XIV, Fig. 2; hier ist die Borste selbst beim Schneiden mit dem Mikrotom ausgefallen; ihre Stelle wird durch die runde Lücke markiert. Es ist ohne weiteres zu erkennen, dass die Reizstelle im Corpus subthalamiecum, und zwar dessen frontalem und medialem Anteil entsprechend, gelegen war. Diese Beziehung einer bestimmten Region des Hypothalamus zum Sympathicus, und zwar vorwiegend zum contralateralen, konnten wir bei mehreren Affen konstatieren. Sonach erscheint es berechtigt, anzunehmen, dass sowohl bei Carnivoren (Katze, Hund) als bei Affen (Macacus) im Zwischenhirn ein von der Rinde unabhängiger zen- traler Mechanismus für den Halssympathicus gelegen ist, und dass ein wesentlicher Anteil dieses Zentral- apparates im Hypothalamus liegt'!). Die Richtigkeit dieses 1) Bei den Rindenexstirpationsversuchen haben wir davon gesprochen, dass durch das Erhaltenbleiben der Wirksamkeit der Reizstelle viele Wochen nach der Exstirpation ein „subkortikales Sympathicuszentrum* nachgewiesen sei. Dabei konnte es sich um Grosshirnganglien oder um Zwischenhirnganglien handeln. Während nun, wie erwähnt, bei Zwischenhirnreizung bis in die letzte Zeit von den Experimentatoren immer wieder Sympathicuserscheinungen beobachtet wurden, hat sich herausgestellt, dass die von älteren Autoren bei Reizung jeder Gehirn- stelle, so auch bei Reizung der Grosshirnganglien, gefundene Pupillenerweiterung offenbar auf Erregung der Nachbarschaft zu beziehen ist. Ja 'es wird mit Be- stimmtheit behauptet, das der Nucleus caudatus überhaupt elektrisch unerregbar sei (Bechterew, 1. c.). — Schon dadurch war es äusserst wahrscheinlich, dass das zwischen Grosshirnrinde und Zwischenhirnbasis liegende Zentrum in das Zwischenhirn zu verlegen ist. Nun stellt sich durch die Querschnittsreizungen mit nachfolgender mikroskopischer Untersuchung heraus, dass Reizung einer circumscripten grauen Masse den Effekt kat, während die Umgebung wirkungs- los ist, Daraus ergibt sich die Berechtigung, in diesem Teil des Hypothalamus einen Teil des zentralen Sympathicusmechanismus zu erblicken; natürlich lässt sich nicht ausschliessen, ob nicht vielleicht doch auch der Linsenkern irgendwie in dieses „Zentrum“ eingeschaltet ist. Mit diesem Vor- behalt sprechen wir vom Sympathicuszentrum im Zwischenhirn. Das gilt auch für die Reflexversuche, die wir weiter unten mitteilen, und welche die Zentrums- funktion des Hypothalamus nachweisen. Fine genaue anatomische Abgrenzung des subkortikalen Sympathieüszentrums ist weiteren Versuchen vorbehalten: Gehirn und Sympathieus. 11. 41 Schlusses wurde durch die Ergebnisse der mit Hypothalamus- verätzung kombinierten Rindenreizungen aufs neue bestätigt. Ill. Der zentrale Mechanismus im Hypothalamus blieb viele Wochen nach Entfernung der Rinde wirksam; er war insofern von ihr unab- hängig. Wie verhält es sich aber mit den Impulsen, die von der Rinde kommend zum Halssympathicus ziehen? Müssen diese Impulse dieses subkortikale Sympathicuszentrum passieren ? Es war uns gelegentlich früherer Untersuchungen aufgefallen, dass es häufig bei Katzen gelingt, von einer am Frontalpol der Hemisphäre gelegenen Stelle aus mit schwachen Strömen beider- seitige maximale Pupillenerweiterung, Aufreissen von Ober- und Unterlid und Zurückziehen der Nickhaut, also typische Sympathicus- wirkung zu erzielen, meist mit gleichzeitigen nystagmusartigen Horizontalbewegungen der Bulbi. Wir verätzten nun bei Katzen, bei welchen diese prompte Sympathicuswirkung vom Frontalpol zu erzielen war, einseitig in der Gegend unserer Reizstelle den Hypo- thalamus mittels eines Galvanokauters, den wir an dieser Stelle ein- stachen, und sahen nun auf dieser Seite die vorher wirksame Reizung des Frontalpols effektlos, während die identische Stelle der anderen Hemisphäre nach wie vor prompt beiderseitige Sympathieusreizung bewirkte. Wir haben einige derartige Katzengehirne in Serienschnitte zer- lest, um die Ausdehnung der Verätzung festzustellen. Die Figuren 3, 4 und 5 auf Tafel XIV zeigen die Verätzung bei Katzen. Der Schnitt, der den Stichkanal des Galvanokauters in der grössten Ausdehnung zeigte, wurde mittels Zeichenapparates reprodu- ziert. Die Blutungen und sonstigen Verletzungen, die auf den Nachbarschnitten vorhanden waren, wurden auf diesen Schnitt projiziert. In grösserer Entfernung von dem Stichkanal war nie eine Blutung oder sonstige Verletzung zu finden, wie uns ein sorg- fältiges Studium der Serien ergab. Ein Blick auf die Tafelfiguren lehrt, dass hier die von losen vereinzelten Bündeln durchzogene graue Substanz des Hypothalamus verätzt wurde, keineswegs aber irgendeine kompakte lange Bahn. Wir wollen zu grösserer Deutlichkeit einen derartigen Versuch beschreiben, 412 J. P. Karplus und A. Kreidl: Versuch vom 15. Februar 1910. Erwachsene Katze. Äthernarkose. Das Tier ist in gewöhnlicher Stellung (Bauchlage) im Tierhalter. Das Schädeldach wird rechts eröffnet so weit, dass die motorische Region und der ganze vor derselben gelegene Anteil der konvexen Hemisphärenoberfläche blossliegt. Leichte Kompression des Gehirns mittels Wattetampons lässt dasselbe etwas kollabieren. Die Rinde kann nun bequem gereizt werden. | Durch faradische Reizung der motorischen Region der rechten Hemisphäre werden Bewegungen der linken vorderen und der hinteren Extremität ausgelöst. Von einer bestimmten Stelle des Frontalpols der rechten Hemisphäre wird maximale beiderseitige Pupillenerweiterung, Aufreissen der Lidspalte, Zurückziehen der Nickhaut und Horizontalbewegungen der Augen hervorgerufen. Nun wird das Tier auf den Rücken gelegt, die Schädelöffnung wird nach hinten und basalwärts bedeutend erweitert, dass Gehirn von der Schädelbasis — wie wir das in der ersten Mitteilung näher beschrieben haben — abgedrängt. Fig. 10. Katze. Hemisphäre von vorne gesehen. x Stelle, deren Reizung Er- regung beider Halssympathici bewirkt. cr Sulcus cruciatus, cor Sulcus coronalis, praes Sulcus praesylvius. (Versuch vom 15. Februar 1910.) ‘Unsere Reizstelle an der Zwischenhirnbasis, rechts, ist zugänglich; elek- trische Reizung ruft hier prompt beiderseitig Sympathicuswirkung hervor. Jetzt stechen wir an der Reizstelle einen nadelförmigen Galvanokauter ein, bringen ihn zum Glühen und verätzen auf diese Weise den Hypothalamus. Das Tier wird wieder in Bauchlage gebracht. Neuerliche Reizung der rechten motorischen Region hat dieselbe Wirkung wie vor der Verätzung; Reizung des Frontalpols aber bleibt nun ganz ohne Wirkung auf: Pupillen und Lider. Nun markieren wir mittels des Paquelins die früher wirksame und nach der Verätzung wirkungslos gewordene Stelle am Frontalpo) der rechten Hemisphäre. Darauf wird auch links das Schädeldach eröffnet, motorische Region und Frontalpol freigelegt. Reizung der linken motorischen Region ruft prompt Bewegungen der kontra- lateralen Extremitäten hervor. Jetzt wird links am Frontalpol die identische Stelle gereizt, die am rechten Frontalpol Sympathicuswirkung durch die Ver- ätzung im Zwischenhirn verloren hatte, und diese Reizung ruft prompt beider- seits maximale Pupillenerweiterung, Aufreissen der Lider, Zurückziehen der Nickhaut, Horizontalbewegungen der Augen hervor. Gehirn und Sympathicus. U. 413 Nach dem Versuch wird das Tier getötet, das Gehirn gehärtet, die Ver- letzungsgegend in Serienschnitte zerlegt und gefärbt. Von diesem Tiere stammt die Tafelfig.. 5 und die vorstehende Textfis. 10. Die Tafelfig. 5 zeigt den Stichkanal und die geringen Hämorrhagien in dessen Umgebung. Textfig. 10 zeigt das Frontalhirn von vorn gesehen, die verätzte Reizstelle für den Hals- sympathicus auf der rechten Hemisphäre ist durch den schwarzen Punkt markiert. Nach diesen Versuchen ist nicht daran zu zweifeln, dass derim Hypothalamus gelegene zentrale Sympathicusmechanis- mus in den Weg vom Frontalhirn zum Sympathieus eingeschaltet ist; hebt ja doch schon eine zireumskripte Ver- ätzung der grauen Substanz des Hypothalamus die Verbindung zwischen Cortex und Halssympathieus auf. Zugleich sind die in diesem Abschnitt beschriebenen Versuche geeignet, neuerdings die besondere Beziehung zum Sympathieus und die Zentrumsbedeutung der beschriebenen Hypothalamus- region zu bestätigen, die allerdings unserer Meinung nach schon durch die Reizversuche, die wir beschrieben haben, sicher- gestellt war. ; IV. Nach unseren Vorstellungen über die Architektonik des Zentral- nervensystems müssen wir voraussetzen, dass ein subkortikales Zentrum, das in den Weg der Erregung vom Cortex zur Peripherie eingeschaltet ist, seine Impulse nicht ausschliesslich von der Rinde her erhält. Wir müssen annehmen, dass einem solchen Zentralapparat im Zwischenhirn eine von der Rinde unabhängige Funktion zukommt. Da wir nun bei elektrischer Reizung dieser Gegend zunächst bei unversehrtem Gehirn, dann wochenlang nach Abtragung der Hemisphäre und schliesslich auch am Querschnitt uns überzeugt hatten, dass hier ein Zentrum für den Halssympathicus liegt, lag es nahe zu fragen, ob diesem Zentrum nicht etwa auch die Bedeutung eines Reflexzentrums für den Halssympathicus zukäme. Es war ja von vornherein recht verlockend, eine derartige Funktion anzunehmen; durch geeignete Experimente versuchten wir die Frage zu entscheiden. Es ist Experimentatoren und Klinikern wohl bekannt, dass bei peripheren Schmerzreizen Pupillenerweiterung eintreten kann, eine Erscheinung, die gewöhnlich als sympathischer Pupillenreflex be- zeichnet wird. Katzen sind für derartige Versuche sehr geeignet. Man montiert einen oder beide Ischiadiei mit tiefliegenden Elek- 414 J. P. Karplus und A. Kreidl: troden und kann nun — wenigstens bei der Mehrzahl der Tiere — auf elektrische Reizung deutliche Erregung des Halssympathicus auftreten sehen: Auf einseitige Ischiadieusreizung erfolgt an beiden Augen Aufreissen der Lider, maximale Pupillenerweiterung, Zurück- ziehen der Nickhaut. Schneidet man einem solchen Tier den Halssympathieus einseitig durch, so tritt auf dem Auge dieser Seite auf Ischiadieusreizung noch immer eine mässige Pupillenerweiterung (Oculomotoriushemmung) auf, eine Erscheinung, die aber mit der Sympathicusreizung bei einiger Erfahrung nicht verwechselt werden kann. Wir haben nun zunächst Katzen, die auf Ischiadieusreizung volle Sympathicuswirkung zeigten, die Grosshirnhemisphären entfernt und gesehen, dass nach wie vor auf den peripheren Reiz hin maximale Pupillenerweiterung, Lidaufreissen, Zurückziehen der Nickhaut auf- trat. Der Sympathicusreflex auf Schmerzreize wird demnach nicht in der Rinde übertragen. Auch nach einem Frontalschnitt durch beide Hemisphären und den Hirnstamm knapp vor dem Chiasma kann man den Sympathicus- reflex vollkommen erhalten sehen; zerstört man aber den Hypo- thalamus beiderseits durch den Galvanokauter, oder führt man durch die Gegend der Reizstelle oder spinal davon einen Frontalschnitt durch den Hirnstamm, so wird die unmittelbar vorher vorhandene volle Sympathicuswirkung aufgehoben. Wir haben diese Versuche in der mannigfachsten Weise variiert, haben die Querschnitte durch den Hirnstamm in der Oculomotorius-, in der Trigeminus- und Facialisgegend angelegt und haben uns immer wieder überzeugt, dass Zerstörung des subkortikalen Zentrums im Zwisehen- hirn oder frontale Durchtrennung des Gehirns spinal vom Zentrum den Sympathicusreflex aufheben. Auch haben wir Tieren zunächst einen Querschnitt durch das ganze Gehirn vor dem Chiasma geführt, dabei, wie erwähnt, den Sympathicusreflex vollkommen intakt gefunden und nun denselben Tieren einen zweiten Querschnitt hinter dem Chiasma geführt und jetzt den Reflex auf- gehoben gesehen. Nach einem Querschnitt durch die Rautengrube in der Trigeminusgegend, der unvollkommen ausgefallen war, wobei nur die medialen Haubenpartien durch- trennt, die lateralen aber zum grossen Teil unversehrt waren, sahen wir bei Ischiadicusreizung die vorher typische Sympathicuswirkung auf beide Augen auf- gehoben, wohl trat aber noch beiderseits eine mässige Pupillenerweiterung (ohne Gehirn und Sympathieus. I. 415 Lidaufreissen. und Zurückziehen der Nickhaut) auf. Dabei waren die Pupillen mittelweit, reagierten prompt auf Licht. Nun durchtrennten wir einseitig den Halssympathicus und reizten wieder den Ischiadicus; die Sympathicusdurch- trennung änderte nichts an dem Effekt der Reizung; wieder trat beiderseits mässige Pupillenerweiterung (Oculomotoriushemmung) auf. Der Schnitt durch die Rautengrube hatte die Übertragung auf den Halssympathieus unmöglich semacht (wir können auf Grund anderer Untersuchungen, die wir bisher nicht publiziert haben, annehmen, dass hier der efferente Schenkel des Reflexbogens unterbrochen war). In diesem Falle fehlten die Cornealreflexe; der Lichtreflex der Pupillen war aber, wie erwähnt, beiderseits erhalten. — Bei Durchtrennung im Mittelhirn sahen wir umgekehrt oft den Cornealreflex erhalten, den Lichtreflex aber ver- schwinden, was leicht durch Oculomotoriusläsion durch den Schnitt zu erklären war. Manchmal waren dabei die Pupillen recht weit, in anderen Fällen mittel- weit; konstant war in allen Fällen, dass der Schnitt den Effekt der Ischiadicus- reizung auf den Sympathicus aufhob. Dasselbe gilt von der beiderseitigen Verätzung des Hypothalamus, während nach einseitiger Verätzung der Reflex noch von jedem der beiden Ischiadici auszulösen ist. Der Sympathicusreflex, der an den Augen bei Schmerzreizen auftritt, wird somit im Zwischenhirn ühertragen; insofern kann man das subkortikale Sym- pathieuszentrum im Zwischenhirn als Schmerzzentrum bezeichnen. Diese Feststellung dürfte auch für die Klinik von Interesse sein }). Bei der Beurteilung unserer hier sowie in der ersten Mit- teilung publizierten Untersuchungsresultate drängt sich die Not- _ wendigkeit einer weiteren Fortführung und Ergänzung auf. Das eine scheint uns wohl schon jetzt einwandfrei nachgewiesen, dass im Zwischenhirn ein zentraler Mechanismus für den Halssympathicus gelegen ist (über die Stammganglien des Grosshirns s. 0... Wir wollen aber nicht behaupten, dass das Corpus subthalamicum dieses Zentrum sei, oder dass etwa die Linsenkern- schlinge bei der Reflexübertragung unentbehrlich sei. Die Gegend 1) Sternberg und Latzko (Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 24. 1903) haben einen Fall von Hemicephalie publiziert. Lebensdauer: 3 Tage. „Die Pupillen erweitern sich nicht bei irgendwelchen Reizen an anderen Körperteilen.“ Vom Zentralnervensystem war das Rückenmark und die Oblongata bis in die Gegend des Locus coeruleus ausgebildet. Das Fehlen des Sympathicusreflexes der Augen bei Schmerzreizen in diesem Fall stimmt gut mit dem Resultat, zu dem wir experimentell bei der Katze gelangt sind, 416 J.P.Karplus und A. Kreidl: Gehirn und Sympathicus. TI. des Hypothalamus, in der diese Gebilde gelegen sind, gehört offenbar zu dem zentralen Mechanismus; allein zu einer sicheren, genauen Feststellung aller hier in Betracht kommenden anatomischen Grundlagen wird es noch so mancher Arbeit bedürfen. Die Heran- ziehung anderer Säugetiere, Untersuchungen anderer Klassen des Wirbeltierstammes werden sich hier nützlich erweisen. Auch wird der Umfang aller sympathischen Innervationen festzustellen sein, die Regulierungen von dieser Zentralstelle im Zwischenhirn aus erfahren; die Beziehungen zum autonomen Nervensystem müssen in Betracht gezogen werden. Von den anatomischen Beziehungen des Sympathieus- zentrums zum Cortex und zur Peripherie, von den hier vorhandenen Leitungsbahnen haben wir bisher nur gelegentlich gesprochen; eine möglichst genaue Eruierung der zentralen Sympathieusbahnen ist durch weitere Untersuchungen anzustreben. Ein besonderes Studium muss auch der Frage des „Schmerzzentrums“ noch gewidmet werden. In den folgenden Mitteilungen soll versucht werden, zur Lösung der hier erörterten Probleme beizutragen. Tafelerklärung. Fig. 1. Katze. Frontalschnitt in der Zwischenhirnregion. * Reizstelle für den Halssympathicus. (Versuch vom 9. Februar 1910.) Fig. 2. Macacus. Frontalschnitt in der Zwischenhirnregion. x Reizstelle für den Halssympathicus (insbesondere den kontralateralen.. (Versuch vom 14. Februar 1910.) i Fig. 5, 4 und 5. Katzen. x Verätzung im Hypothalamus, welche die Wirkung der Cortexreizung dieser Seite auf beide Halssympathici aufhebt. (Versuche vom 19. Januar, 4. und 15. Februar 1910.) II = Tractus opticus.' Cgl = Corpus geniculatum laterale. Ci — Capsula interna. Osth = Corpus subthalamicum. Pp = Pes pedunculi. SnS —= Substantia nigra Soemmeringi. »* — Bedeutungslose Blutung (ergibt sich aus dem Vergleich mit Fig. 3 und Fig. 5). 3 Pflüger's Archivf.d. ges. Physiologie. Bd. 135. Verlag v. Martin Hager. Bonn. Taf.XIV. 2 ER Lith. Anst.v.F.Wirtz, Darmstadt. 417 (Aus dem physiologischen Laboratorium der physiko - mathematischen Fakultät der kais. Universität Kasan.) Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. Von Prof. A. Samojloff. (Mit 7 Textfiguren und Tafel XV— XVII.) Seit meiner ersten Veröffentlichung‘) über den betreffenden Gegenstand habe ich die elektrische Äusserung der Herztätigkeit auch weiter und zwar mit einer vollkommeneren Technik vermittelst des Einthoven’schen Saitengalvanometers in verschiedenen Richtungen verfolgt. Die Fragen, die im vorliegenden Aufsatze zur Sprache kommen, beziehen sich hauptsächlich auf die Form und die Natur der Aktionsstromkurve der normalen Herzsystolen, sowie derjenigen bei künstlicher Reizung, auf die gebahnte und nicht gebahnte Er- regungsleitung, soweit dieselbe sich auf elektrophysiologischem Wege feststellen lässt und weiter auf die Art der Beeinflussung der Strom- kurve seitens der Herznerven. Ich glaube, dass es für das ganze „Plektrokardiogrammproblem“, das in der letzten Zeit scheinbar fast zu extensiv untersucht wird, nur von Vorteil sein kann, wenn man auf die aufgezählten Fragen wieder und wieder zurückkommt; denn es sind naturgemäss die ersten Hauptaufgaben, über die man sich Rechenschaft geben muss, um irgendwie weiter kommen zu können. I. Die Form des Elektrogramms des Froschherzens bei direkter Ableitung der Herzströme. Es ist merkwürdig, dass man vom Froschherz beim Studium der elektrischen Produktion des Herzens in der letzten Zeit fast gar kein Gebrauch macht. Es ist das sehr zu bedauern, denn das Froschherz 1) A. Samojloff, Beiträge zur u ol des Herzens. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1906 Supplbd. S. 207. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 28 418 A. Samojloff: hat in der Tat als Versuchsobjekt viele Vorzüge vor dem Säugetier- herz; ein grosser Teil der Herzphysiologie war ja zuerst am Frosch- herzen aufgeklärt, und Engelmann hat seine Lehre von der Reiz- erzeugung und Leitung im Herzen nur auf Grund der Versuche am Froschherzen ausgebildet. Um so mehr ist es zu verwundern, dass die Autoren, die sich mit der elektrischen Äusserung der Herztätig- keit befassen, das Froschherz, das auch auf diesem Gebiete ein aus- gezeichnetes Objekt darstellt, gerade vermeiden. Allerdings habe ich selbst in der ersten Mitteilung mich über das Froschherz so geäussert, dass man vielleicht den Schluss ziehen könnte, das Frosch- herz eigne sich wenig für die Untersuchung der Stromkurve. Es wurde nämlich dort hervorgehoben, dass die Aktionsstromkurve des Froschherzens bei direkter Ableitung kein beständiges Bild liefert, dass man vielmehr eine stetige Änderung und Übergänge von der einen Form zur anderen vor sich hat; es wurden auch die vermut- lichen Gründe für das Auftreten des wechselvollen Bildes angegeben. Durch die Autorität von Professor Einthoven wurden diese Äusserungen bekräftiet und einige Schlüsse gezogen, die ich gar nicht beabsichtigte. „Die Formen der von uns erhaltenen Elektro- kardiogramme sind in hohem Grade voneinander verschieden, und es war uns nicht möglich, den Weg, den die Kontraktionswelle im Herz- muskel nimmt, in dieser Weise mit genügender Bestimmtheit kennen zu lernen. Auch die Versuche, die wir angestellt haben, den Strom von dem blossgelesten Herzen in situ abzuleiten, blieben ohne be- friedigenden Erfolge. Dagegen konnten wir wohl konstante Elektro- kardiogramme erhalten, wenn die Klektroden an die Vorder- und Hinterpfoten des Frosches angelegt wurden; aber weil bei einer solchen Ableitung verschiedene höhere Tiere und namentlich der Mensch selbst bequemere Beobachtungsobjekte lieferten, haben wir auf die weitere Untersuchung verzichtet.“ !) Es ist dem gegenüber vieles zu sagen. Will man sich bei irgendeiner Untersuchung auf die indirekte Ableitung vom Herzen vermittels der Extremitäten u. dgl. beschränken, so ist es gewiss in mancher Beziehung einfacher das Elektrokardiogramm von einem Säugetier und nicht vom Frosch aufzusehreiben.: Je mehr wir aber das Elektrokardiogramm studieren, desto mehr gelangen wir zur 1) W. Einthoven, Weiteres über das Elektrokardiogramm. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 517, vgl. S. 523. 1908. Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 419 Einsicht, dass die Form des Elektrokardiogramms beim Säugetier im allgemeinen und auch bei einem bestimmten Säugetier nicht in dem Maasse konstant ist, wie man anfangs anzunehmen geneigt war. Konstant ist nur die Zusammensetzung der Stromkurve aus be- stimmten Teilen oder Zacken. Die Einthoven’schen Zacken P, R und T (auch die % und S) sind meistens im Elektrokardiogeramm anzutreffen, die Art und Weise aber, wie die Teile miteinander kombiniert sird, scheinen doch ziemlich wechselvoll zu sein. Es ist durchaus nicht etwas Seltenes, dass man bei eineın Menschen mit normalem Herzen bei Ableitung I ein Elektrokardiogramm findet, das in das bekannte Bild der typischen Kurve von Einthoven nicht eingereiht werden kann. Es ist etwas ganz Gewöhnliches, dass man beim Hund oder bei der Katze einmal bei der Ableitung II die Zacke 7 nach oben, ein anderes Mal nach unten gerichtet findet. Bedeutend verwickelter wird aber die Sache, wenn man die Ströme vom Herzen direkt ableitet. Es ist aber gar nicht möglich, die direkte Ableitung zu verwerfen; denn für manche Fälle ist diese Art der Ableitung einer der wichtigsten Wege zur Erkenntnis der Herz- funktionen, weshalb dieser Weg auch von vielen Autoren betreten wird. Leitet man aber direkt vom Säugetierherz ab, so bekommt man Bilder der Aktionsstromkurven, die ebenso oder noch mehr verwickelt, unbeständig und wechselvoll sind wie die vom Frosch. Sowie wir also zur direkten Ableitung übergehen, so bleibt auf der Seite des Säugetierherzens im anzedeuteten Sinne kein Vorzug mehr, in Gegenteil, es bestreitet dann das Froschherz das beliebteste Objekt der Herzphysiologie seinen ersten Platz, wenn es sich allerdings nieht um Fragen handelt, die sich auf die Eigenschaften gerade des Säugetierherzens beziehen. Was die Unbeständiekeit und die stete Änderung der Aktions- stromkurven des Herzens bei direkter Ableitung anbetrifft, so ist es durchaus kein besonderes Hindernis für die Untersuchung der meisten Fragen der Elektrophysiologie des Herzens. Das Elektro- gramm und Elektrokardiogramm werden ja nicht immer ihrer selber wegen studiert, und es ist ja nicht die Hauptfrage, welche Form das Elektrokardiogramm vom Frosch und welche das von der Katze be- sitzt. Das Elektrokardioeramm ist nicht der Zweck, sondern haupt- sächlieh das Mittel zur Erkenntnis. Wenn wir in einem konkreten Fall bei direkter Ableitung eine Kurve bekommen, so ist für eine Reihe von Fällen gar nicht wichtig, dass wir dieselbe als normal 28 * 420 ae 2% A. Samojloff: oder als: von der Norm 'abweichend ansehen; wir nehmen einfach die erhaltene Form des Einzelfalles als eine gegebene und sehen zu, wie diese Form sich ‘bei absichtlicher Änderung ‚bestimmter ‘Be- dingungen ändert. Ungünstig ist es dagegen sehr, dass die Aktions- stromkurve bei direkter Ableitung auch ohne unser Zutun sich 'be- ständig ändert. Es ist aber anderseits klar, dass es vor allem darauf ankommt, wie schnell sich das Bild der Stromkurve „von selbst“ ändert. Wenn diese Änderung nur allmählich, langsam sich vollzieht, so haben wir Zeit. genug, um die Änderung der uns speziell’inter- - essierenden Bedingungen vorzunehmen. Ich schrieb früher: „Be- obachtet man die Tätigkeit eines und desselben Froschherzens längere Zeit, z. B. ein paar Stunden oder noch länger unter gleichen Be- dingungen, so kann man schon aus dem Spiel der projizierten Hg- Kuppe (des Kapillarelektrometers) oder noch besser auf Grund einer Reihe photographischer Kurven erkennen, dass wir es mit einer Er- scheinung zu tun haben, die sehr allmählich, aber: ununter- brochen wechselt“ und weiter: „Der Übergang von der einen Form in die andere geschieht selbstverständlich mit einer verschiedenen in verschiedenen Fällen und im allgemeinen sehr geringen Ge- schwindigkeit.“ Dass die Änderung des Elektrogramms 'nur sehr allmählich und mit sehr geringer Geschwindigkeit geschieht, kann ich jetzt auf Grund mehrerer Hunderte von Aufnahmen mit dem Saitengalvanometer bei direkter Ableitung vom A TOSEHR ZU bestätigen. = Beeinflussen wir das Herz in einer bestimmten Weise z. B. durch eine Vagusreizung, so entsteht und vergeht die dadurch be- wirkte Änderung des Elektrogramms so rasch, dass die eventuelle Änderung „von selbst“ ganz im Hintergrunde bleibt. Dag"Ver- sehen der Änderung und die Rückkehr zur Ausgangsform des Elektrogramms kann im konkreten Fall als bester Beweis dafür gelten, dass die selbständige Änderung der Form der Herzstromkurve kein Hindernis für unser Experimentieren bilden kann. ‘In sämtlichen ‘unten mitzuteilenden Versuchen wurde das ent- blösste, aber nicht ausgeschnittene Herz auf seine elektrische Tätig- keit untersucht. Man suchte nach Möglichkeit sämtliche die Strom- kurve beeinflussenden Momente, wie die Temperatur, die Feuchtigkeit u. dgl., während des Versuches auf einer und derselben Höhe zu halten. Was besonders wichtig,- weil leicht zu Fehlschlüssen führen kann, ist die zweckmässige Art, die Elektroden an die abzuleitenden Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 421 Teile anzulegen. Zu den in der ersten Mitteilung beschriebenen Versuchen wurden. Tonelektroden gebraucht, an welche in physio- logischer Kochsalzlösung. getränkte Fäden umschlungen waren; am herabhängenden Ende des Fadens wurde mit scharfer Schere ein Schnitt gemacht und: der Faden mit der Schnittfläche an den abzu- leitenden Punkt des Herzens angelegt. „Der Faden macht auf diese Weise die Bewegungen des betreffenden Herzpunktes mit und. bleibt eine genügende Zeit an derselben Stelle liegen.“ Um den Faden -an die abzuleitende Stelle des Herzens ker zu fixieren, verfuhr ich in den zu heschreibenden Versuchen folgender- Ventrikelspitze N Fig. 1. maassen. Ein mit physiologischer Kochsalzlösung getränkter Faden wird von dem am Rücken liegenden Frosch von der rechten Seite unter, die Aorten. nach links geführt und darauf derselbe um den Vorhof herum und unterhalb zurück. nach rechts hindurchgezogen und hier etwa im Bereiche des Sinus eine lose Schlinge gemacht, die selbstredend das Gewebe nieht drücken und nicht als I Stannius- ligatur wirken darf; die beiden Enden der Schlinge drückt man später an den Ton der Elektroden zur Ableitung einer proximalen Herzpartie. Als distale Herzpartie wurde ‚meistens die Ventrikel- spitze abgeleitet. Zum Fixieren des Elektrodenfadens :der Ventrikel- spitze diente die Klemme, vermittelst welcher der Ventrikel an seiner Spitze suspendiert war. Damit aber der Elektrodenfaden das Metall der. kleinen Pinzette nicht berührte, was verschiedene Nachteile So- wohl für die Reinheit der Ableitung sowie für den Erfolg der Sus- 422 A. Samojloff: pension mit sich bringen könnte, wurden die Endbranchen der Klemme in eine dünne Gummiröhre gefasst. Die Gummiröhre muss von vornherein gut zugeschnitten und ausprobiert werden; wenn sie gut funktioniert, so sieht man gar nichts von der gefassten Spitze: ist die Röhre kürzer als nötig, so kann sie sich verschieben und den gefassten Teil entblössen; ist sie dagegen länger als nötig, so lässt sie die Ventrikelspitze nicht fassen resp. macht das Fassen unsicher. An der Grenze zwischen der Gummiröhre und Ventrikel legt man einen Faden um und macht eine lose Schlinge (s. Fie. 1). Die Fadenschlinge schmiegt sich gewöhnlich sehr gut an den Gummirand und verschiebt sich weder nach oben noch nach unten. Die Enden des Fadens drückt man an den Ton der Elektroden. Die in der beschriebenen Weise angeführte Ableitung vom Sinus und von der Herzspitze ist durchaus sicher und frei von etwaigen Fehlern durch Verschiebung der Elektroden). Die weiter folgenden Kurven sind mit dem Saitengalvanometer bei etwa SO0Ofacher Vergrösserung (grosses Modell von Edelmann, Objektiv Zeiss 8 mm, Projektionsokular Zeiss 4, Distanz des Kymo- graphions vom Saitengalvanometer 1,5 m) aufgenommen; der grösste Teil der Kurven wurde direkt auf Negativpapier, manche auf Film mit nachträglicher Überführung als Positiv auf Veloxpapier registriert. Es ist ganz unmöglich, eine typische Form des Elektrogramms ’?) des Froschherzens bei einer bestimmten direkten Ableitung anzugeben, 1) Den Einfluss der Suspension auf die Form des Elektrogramms des Herzens habe ich mehrfach geprüft und gefunden, dass wenn man am entblössten in situ liegenden Herzen und darauf am suspendierten bei direkter Ableitung das E.G. registriert, man keine nennenswerte Unterschiede bekommt. Leitet man von einem noch im Herzbeutel liegenden Herzen ab, so resul- tieren E.G. von sehr geringer Höhe, weil wahrscheinlich die Potentialdifferenz sich im Gewebe des Perikardiums zu einem grossen Teil ausgleicht. Vgl. A. Samojloff, Über die eigentliche elektromotorische Kraft des muskulären Demarkationsstromes. Pflüger’s Arch. Bd. 78 S. 38. 1899. ' 2) Es ist zweckmässig, den Ausdruck „Elektrokardiogramme“ nur da an- zuwenden, wo es sich um indirekte Ableitung der Herzströme, also von den Extremitäten resp. von anderen Körperteilen (z. B. Ösophagus, Vagina u. a.) handelt, wie es auch von Einthoven in Anlehnung an das Wort „Kardiogramm“ vorgeschlagen ist. Dieser Vorschlag ist aber entweder nicht verstanden oder einfach nicht akzeptiert worden. Man begegnet sehr oft diesem Ausdrucke als Bezeichnung der Stromkurve bei direkter Ableitung des entblössten oder sogar Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 423 weil man unter scheinbar gleichen Bedingungen, wie schon früher erwähnt, doch Kurven von verschiedenem Aussehen bekommt!). Verfüst man aber über ein grösseres Kurvenmaterial und sucht man dasselbe in bezug auf die E. G.-Form zu ordnen, so sieht man gleich ein, dass man in der Tat bloss eine Reihe von Variationen auf ein und dasselbe Thema vor sich hat. Man erkennt gleich, dass es sich im ganzen und grossen um verschiedene Kombinationen be- stimmter Kurventeile handelt. Einthovens grosses Verdienst ist es, diese Kurventeile erkannt und auf ihre allgemeinere Bedeutung hin- sewiesen zu haben. Es sind das die Einthoven’schen Zacken P, R und T, die überall und immer die Herzstromkurve formieren. I. Wenn wir zuerst mit dem Ventrikel E. G. beginnen, so lässt sich entschieden behaupten, dass die R-Erhebung den be- des ausgeschnittenen Herzens. Richtiger wäre es, wenn man in den Fällen der direkten Ableitung vom Herzen für die Stromkurve die Bezeichnung „Elektro- gramm“ gebrauchen würde. Übrigens sind die Ausdrücke „Elektrokardiogramm“ und „Elektrogramm“ nicht besonders glücklich gewählt, da sie vor allem zu schleppend sind. Der Kürze wegen schreibe ich in diesem Aufsatz: E.K.G. anstatt Elektrokardiogramm, E.G. „ Elektrogramm, V.E.G. „ Ventrikelelektrogramm, A.E.G. „ Atriumelektrogramm. 1) Neulich hat H. Straub es versucht, eine typische Form für das isolierte Froschherz aufzustellen. Er sagt, dass es ihm gelungen ist, eine Methode der Ableitung zu finden, die es ermöglicht, konstante Kurvenformen unter kon- stanten Versuchsbedingungen zu erzielen; „alle Autoren, die bisher am aus- geschnittenen Froschherzen oder am gefensterten Frosch gearbeitet haben, konnten dies Ziel nicht erreichen“. Es ist schwer zu verstehen, wie es dem Veıfasser gelungen ist, dieses Ziel zu erreichen; denn das Neue, was man in seiner Art der Ableitung findet, ist, hauptsächlich abgesehen von den Platinblechelektroden, die Untersenkung der Ventrikelspitze in Salzlösung behufs Ableitung von der- selben. Diese Ableitungsweise scheint aber eher ein nachteiliges Moment zu enthalten, denn bei der Kontraktion des Ventrikels wird die Spitze sukzessive gehoben und taucht immer weniger in die Flüssigkeit ein; das Umgekehrte ge- schieht bei der Erschlaffung. Es wird auf diese Weise für die Spitze eine Ab- leitungselektrode geschaffen, die gewissermaassen immerfort ihren Widerstand ändert. Eine derartige Elektrode könnte man noch bei Anwendung des Kapillar- elektrometers gebrauchen, nicht aber bei der Registration vermittelst des Saiten- galvanometers, das vor allem ein Galvanometer ist und die Stromstärke angibt. Die Form des E.G. von H. Straub unterscheidet sich in vielen Beziehungen von den meinigen und weist einige Eigenschaften auf, die dafür sprechen können, dass die Kurven mit zu stark entspanntem Faden des kleinen Saitengalvano- meters von Edelmann aufgenommen sind. 424 A. Samojloff: ständigen, nie fehlenden und immer in derselben Richtung verlaufenden Teil darstellt. Das Willkürliche, das Wechselnde wird durch die Zacke 7 bewirkt; nicht nur dass die Form derselben verschieden sein kann, es ändert sich auch sehr häufig die Richtung dieser Zacke. Die Zacke 7 ist, wie sich jetzt auch für das E.K.G. der Säugetiere herausstellte, der empfindlichste Teil der Kurve. Die häufigste Form der 7-Zacke beim Frosch ist die, welche auch für die typische Form des menschlichen E. K.G. gilt, d.h. eine Erhebung!) von der Nullinie in derselben Richtung wie die R-Zacke. Somit ist der häufigste Variant, den man ge- wöhnlich in der elektrischen Froschherzkurve zu sehen bekommt, eine Kombination von zwei Zacken in derselben Richtung, genau nach dem Muster des typischen menschlichen E.K.G. Dieses Ver- halten habe ich schon in der ersten Mitteilung sowie an einer anderen Stelle hervorgehoben °). Man kann auch sagen, dass diese Form eben die Grundforın bildet, und die übrigen nur die Variationen derselben darstellen. Nimmt man die Form d in Fig. 2 zum Aus- gangspunkt, so lassen sich sämtliche vorkommenden anderen Kurven- formen von d in folgender Weise ableiten. Denken wir uns, dass die Linie zwischen den Zacken R und 7 nach oben verschoben wird, so entstehen die Formen c, 5b und «a, wobei die letzte Kurve bereits einen monophasischen Verlauf aufweist. Diese Reihe von «a bis d ist in dem äusseren Bilde der Übergänge und auch der Ursache nach ziemlich klar. Die Erhebung der Zwischenstrecke lässt sich ohne weiteres auf Wunsch und zwar durch Verletzen der Ventrikelspitzen- gegend hervorrufen. Legt man die Elektrode an den frischen Quer- schnitt an der Spitze, so bekommt man sofort anstatt d die Form a. Bedient man sich der Ableitungsweise, die oben beschrieben wurde, so erzielt man die Kurvenform a durch Abquetschen der Spitze unterhalb (bei suspendiertem Ventrikel) der Elektrode, wie das bereits von mir beschrieben wurde®). Beobachtet man nun das Spiel des Saitenbildes auf dem Projektionsschirm, so sieht man, wie allmählich 1) Man verbindet, wie gewöhnlich, das Herz mit dem Galvanometer so, dass beim Negativwerden des proximalen Herzteiles die Saite des Galvanometers nach oben ausschlägt. 2) A. Samojloff, Elektrokardiogrammstudien. Beitr. z. Physiol. u. Pathol., herausgegeben von O. Weiss, Enke, Stuttgart 1908. Jubelband für L. Her- mann S. 171. Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 435 sich « durch ganz langsam erfolgende Übergänge in d verwandelt. Man muss sich also vorstellen, dass durch den Schnitt die abgeleitete Stelle unerregbar geworden ist, und dass später nach dem Absterben der verletzten Muskelzellen sich in bezug auf die elektrische Äusserung des Herzens die anfänglichen Verhältnisse einstellten. Wenn früher gesagt wurde, dass die Zacke R einen nie fehlenden Teil des V.E.G. darstellt, so muss man das für den Fall «a, Fig. 2, er r ; ‚gu Fig. 2. en so verstehen, dass hier die Zacke Z? bloss durch die rasche Erhebung der ganzen Kurve repräsentiert wird. Eine andere Reihe von Übergängen von der Form d zu den ebenfalls häufig vorkommenden entsteht durch Sinken der Linie zwischen R und T. Dabei gestaltet sich der Übergang so, dass beim Sinken der Linie die Zacke T auch mitgenommen wird, wie es an den Kurven e, /, 9 zu sehen ist. Es entstehen dabei solche E.G., an denen man nur unsicher denjenigen Teil der Kurve an- geben kann, den man für die Zacke T hält. Was ist z. B. in der Kurve e als Zacke 7 zu bezeichnen, den nach oben o, oder nach 496 A. Samojloff: unten « gehenden Teil? Nicht ganz klar ist es auch, ob man in der Kurve f ein Analogon der 7-Zacke finden kann; dagegen würde jeder in der Kurve g eine nach unten gerichtete Zacke 7 erkennen. Die aufgezählten Kurvenformen d—g sind keineswegs Schemata, man begegnet sehr oft sämtlichen Übergängen als relativ dauernd bestehenden V.E.G. bei genau gleicher Ableitungsart. Der Grund, warum ein Mal die eine Form, ein anderes Mal die andere gewissermaassen herausgegriffen wird, ist schwer zu sagen. Jedenfalls ist es unzweifel- haft, dass die Reihen a—d und 9—d durch ganz verschiedene Ur- sachen hervorgerufen werden können. Wir sahen früher, wie man die Übergänge a«—d hervorrufen kann. Es gibt ein Mittel, auch die Reihe g—d nach Wunsch hervorzurufen, wie wir vorgreifend bemerken. Es gelingt nämlich am Froschherzen, in der vorzüglichsten Weise den Übergang von einem V.E.G. mit positiver 7-Zacke in das mit negativer Zacke und wiederum zurück in die ursprüngliche Form (s. Fig. 17, Taf. XVII), und zwar im Laufe etwa einer Minute zuer- zeugen. Das Mittel dazu ist die Vagusreizung. In der angegebenen Figur sieht man in der schönsten Weise sämtliche Übergänge von d zu g und zurück. Diese Reihenfolge, die hier im raschen Gange auf einen bestimmten Einfluss sich entwickelt, wird zuweilen aus unbekannten Gründen bei scheinbar gleichen Versuchsbedingungen „von selbst“ in sehr langsamen Schritten durchgemacht; dabei beobachtet man das wechselvolle Bild des V.E.G., von dem früher die Rede war. Um den Übergang von a zu d an einem konkreten Beispiele zu illustrieren, führen wir einen Versuch an, der allerdings mehrere und bedeutend kompliziertere Zwischenglieder als db und c aufweist. Der Versuch ist noch insofern interessant, dass wir hier auch Zwischen- gliedern der Reihe d—g begegnen. Ein in früher beschriebenen Weise suspendiertes und zum Galvano- meter abgeleitetes Herz eines dekapitierten Frosches wurde durch einen nicht kompletten Querschnitt durch den Ventrikel in zwei Hälften geteilt; eine schmale Brücke des nicht durchschnittenen Herz- muskels bildete die Verbindung zwischen beiden Ventrikelhälften. Der basale Teil setzte seine Kontraktionen fort, während der Spitzenteil für eine Zeitlang unbeweglich blieb. Jede 15 Minuten wurde eine Aufnahme gemacht und so die Fig. 3 Taf. XV mit den wiedergegebenen 7 Phasen gewonnen. Anfangs in 1 sieht man den monophasischen Verlauf des E.G., das dem funktionierenden basalen Ventrikelteil entspricht. Gleichzeitig mit der Stromkurve ist auch die Suspensions- Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 497 [nn kurve (Ventrikelspitze) sowie die Zeitkurve (wie in sämtlichen anderen Kurven in diesem Aufsatze bedeuten auch hier die Zeitmarken = 1 Sek.) aufgenommen. Ausser der monophasischen Stromkurve der Ventrikel- basis sieht man auch das A. E. G. in Form einer schwachen Erhebung. In Fig. 3, Kurve 2 wird das Bild durch den Beginn der Funktion des Ventrikelspitzenteils kompliziert. Die Spitze kontrahiert sich aber nicht synehron mit jeder Systole der Basis, sondern es wird jede zweite Systole ausgelassen; die Spitze macht also in derselben Zeit zweimal weniger Kontraktionen wie die Basis. In der Suspensionskurve Fig. 3, Kurve 2, dokumentiert sich das dadurch, dass immer auf eine grosse Welle (Kontraktion der Basis und der Spitze) eine kleine (Kontraktion der Basis allein) folgt. Im Zusammenhange damit bemerken wir an der grossen Welle, am aufsteigenden Teil derselben, anfangs den- selben Verlauf wie an der kleinen Welle; später geht die Kurve weiter nach oben durch Hinzukommen der Verkürzung des Spitzen- teils. Die Komplikation im E.G. ist ebenfalls sehr deutlich. Auf eine monophasische Kurve der Basis, die in 2 nur niedriger ist, wie in 1, folet eine sehr komplizierte Kurve. Nach der Vorhoferhebung (auch in der Suspensionskurve erkennt man die Kontraktion des Vorhofs) beginnt wiederum die monophasische Kurve, die aber nach kurzem Verlaufe unterbrochen wird; die Linie fällt rasch nach unten, um nach Ausführung eines kleinen Hackens zur Nullinie zurück- zukehren. Dass die monophasische Kurve in ihrem Verlaufe unter- brochen wird, hängt unzweifelhaft davon ab, dass der Reiz, nach- dem er die Brücke zwischen beiden Ventrikelteilen passiert hat, schliesslich die Spitze erreicht und hier eine Aktion, deren elektrische Äusserung in einem Ausschlage nach der entgegengesetzten Seite besteht, einleitet. Wir bekommen hier also einen diphasischen Strom, allerdings unter ganz ausgesuchten Bedingungen. Die Dauer des monophasischen Stromes bis zu sciner Unterbrechung hängt fast aus- schliesslich von der verlangsamten Reizleitung in der Verbindungs- brücke; die Erresung der Verbindungsbrücke äussert sich im E. G. vermutlich ebensowenig wie die des His’schen Bündels in den Elektrokardiogrammen. Auf Grund der Kurve 2, Fig. 3 lässt sich sehr schön die kämpfende Wirkung zweier in Aktion tretender Ab- leitungsstellen, die in entgegengesetzter Richtung die Galvanometer- saite treiben, überschauen. Auf die komplizierte Kurve folgt wiederum eine einfache, wobei der Basisteil ohne Störung die monophasische Kurve liefert, während die Spitze nur die Rolle der Verlängerung 438 A. Samojloff: - der Elektrode spielt; dass der ungestörten Basiskurve kein A. E.G. vorangeht, hat nichts zu sagen; die leichte Erhebung wird verdeckt, weil sie nicht von der Nullinie ansetzt, worauf wir später noch ein- gehen. In Kurve 3 der Fig. 3 schlägt die Spitze synehron mit der Basis. Die Überleitungszeit im Verbindungsstück ist noch sehr be- deutend, weshalb die Kurve des Basalteils noch ziemlich spät von der der Spitze unterbrochen wird: der zweiphasische Charakter mit den entgegengesetzt gerichteten Phasen ist sehr schön ausgesprochen. In der Kurve 4, die sich ohne jede Schwierigkeit an die 3 anschliesst, ist die Komplikation der Reizleitung im Verbindungsstück kaum aus- gesprochen; wir haben jetzt ein V.E.G., in welchem eine ausgesprochene R-Zacke sich bereits ausgebildet hat. ; Die Kurven 5 und 6 sind weitere Entwicklungsstadien. Die Zacke R ist ganz scharf, und nur die kleine Nebenzacke an dem aufsteigenden Teil derselben erinnert an die frühere Episode ‚der erschwerten Leitung an einer Stelle des Reizweges. Es tritt aber in diesen Kurven etwas Neues hinzu. Nach der zweiten Phase ent- wickelt sich wiederum eine Erhebung, und wir begegnen hier der Schwierigkeit, auf die wir früher hingewiesen haben. Es ist nämlich hier unklar, welche Zacke als T’anzusehen ist: die zweite nach unten gerichtete Phase oder die neue nach oben sich entwickelte Zacke? In der Kurve 6 ist die zweite nach unten sehende Phase kürzer wie in5 und in 7 kürzer wie in6. Das V.E.G. in 7 hat ein ganz typisches Aussehen, und es ist leicht, hier die Zacken R und auch die nach oben gerichtete 7’ zu erkennen. Das Entstehen der Zacke T ist in der vorliegenden Reihe von Kurven am einfachsten so zu deuten, dass der Erregungsprozess anfangs an der Basis kürzer dauerte als an der Spitze, und dass später parallel mit der Reifung der 7-Zacke das Verhältnis sich umkehrte. Vergleichen wir. die Dauer der monophasischen Kurve 1 mit der Dauer des. wohlaus- gebildeten V.E.G. in 7, so sehen wir, dass beide Grössen gleich sind, und dass es deshalb wohl angeht, den sinkenden Teil der T-Zacke in 7 mit dem sinkenden Teil der Kurve 1 in Beziehung zu bringen. Die monophasische Kurve 1 wird also in den Formen 2, 3, 4, 5 und 6 mit einer entgegengerichteten Kurve von wechselnder Grösse und Dauer in Interferenz gebracht, bis schliesslich bei einer gegebenen Kombination die Form 7 resultiert. | Abgesehen von allem anderen zeiet der angeführte er klar, dass man von einem einkammerigen Froschventrikel, der noch Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 499 dazu sehr stark verstümmelt ist, eine Stromkurve erhalten kann, wie die in 7 der Fig.3 Taf. XV, d.h. also eine Kurve, die einem Menschen-E.K.G. in allen Einzelheiten gleicht. Es soll dieser Versuch uns lehren, wie vorsichtig man sein muss, wenn man bei Deutung der E.K. G.- Form sich auf die detaillierte anatomische Struktur des Herzens stützt und in den verschiedenen Teilen des E.K. G. die Funktions- äusserung bestimmter Herzapparate erblicken will: ein verstümmeltes Herz kann unter Umständen auch ein ziemlich normal aussehendes E.G. geben. Weiter sei auf die kleine Nebenzacke des aufsteigenden Teils der R-Zacke noch einmal hingewiesen. Solche kleine Nebenzacken an der R sind schon mehrfach von verschiedenen Autoren im _ menschlichen E.K.G. beschrieben worden, ohne dass man den Grund ihres Auftretens auch nur vermutungsweise angeben könnte. Solehe Nebenzacken sind sehr beständig in ihrem Erscheinen bei einem und demselben Menschen. In den verschiedensten Zuständen des kranken Herzens bei einer Frau konnte ich mit Herrn Steschinsky immer ohne Ausnahme die kleine Nebenzacke an R an ihrem Orte antreffen !). Die Entstehungsgeschichte der kleinen Zacke in Fig. 3, Kurve 7 kennen wir, weil uns die vorhergehenden sechs Kurven vor- liegen. Sollte man nicht auf Grund dieser Entstehungsgeschichte den Schluss ziehen dürfen, dass auch im menschlichen E.K.G. die Nebenzacken des R wohl auf irgendeiner Störung, einer Komplikation der Reizleitung im Sinne des vorhin besprochenen Versuchs beruhen. I. Die P-Erhebung des Froschherz-E. G. ist im allgemeinen relativ schwach ausgebildet. Die Stärke des elektrischen Effektes seitens des Vorhofs erscheint bei verschiedenen Tieren sehr ungleich. Die Beurteilung der Grösse der P-Zacke wird am zweckmässigsten nicht nach der absoluten Höhe, sondern durch den Vergleich der P- mit der R-Zacke gegeben, wie es auch bezüglich der Veränderung der elektrischen Vorhofreaktion in pathologischen Fällen vorgeschlagen ist). Bei der Katze und beim Hund ist die elektrische Aktion des Vorhofes im Verhältnis zu der des Ventrikels ziemlich gross, beim Frosch ist das Verhältnis der Höhen von £:R eine sehr kleine Grösse. Deshalb gibt es sehr viele Fälle, wo man bei ganz richtiger Ableitung vom Froschherz überhaupt keine P-Zacke bekommt, wenn 15) iR: Samojloff und M. Steschinsky, Über die Vorhoferhebung des Elektrokardiogramms bei Mitralstenose. Münchener med. Wochenschr. 1909 Nr. 39. 430 A. Samojloff: man die Empfindlichkeit des Instrumentes nicht besonders weit in die Höhe treibt. Man vergleiche in Fig. 4A das Elektrokardio- gramm der Katze bei Ableitung II mit dem E. G. vom Frosch Fie. 4B. Fig. 4A. Katze. Elektrokardiogramm Fig. 4B. Frosch. Elektrogramm (bei (bei Ableitung II) in der Mitte, oben direkter Ableitung vom Sinus und Druckkurve (Karotis), unten Zeitmarken Ventrikelspitze) in der Mitte, oben —= 1 Sek. 1 cm Ord. — 1 Millivolt. Ventrikelsuspens, onskurve, unten Zeit- marken = 1 Sek! 1 cm Ord. = 20 Milli- » volt. Fig. 40. Frosch. Elektrogramm (bei der x gleichen AL ULERTGER wie in Fig. AB). 1 em Ord. — 6 Millivolt. Bei etwa gleicher R-Zacke finden wir im E.K.G. der Katze eine ziemlich starke P-Zacke, dagegen ist es schwer, in B auch eine Andeutung einer solehen zu finden; der vertikale weisse Strich gibt den Punkt an, wo man eine leichte Unebenheit als Ausdruck der Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 431 P-Erhebung, namentlich auf Grund des Vergleiches mit Fig. 4 C, deuten kann. Die Kurve C wurde sofort nach B aufgenommen, indem man die Empfindlichkeit des Instrumentes ganz bedeutend höher machte. In C sehen wir also unter gleich gebliebenen Ab- leitungsverhältnissen eine wohl ausgebildete, aber im ganzen unan- sehnliche P-Zacke. Das Verhältnis der Längen von P: R im Katzen- herz (Fig. 4 A) ist gleich 25: 100, im Froschherz (Fig. 4C) 2,1: 100; bei der Katze ist der elektrische Effekt des Vorhofs im Vergleich zu dem des Ventrikels etwa zehnmal so gross wie beim Frosch. Der Grad der Empfindlichkeit des Instrumentes bei der Aufnahme der Kurven ist in den Bemerkungen zu der Fig. 4 gegeben. Es sei bei dieser Gelegenheit bemerkt, dass auch im menschlichen Herzen das Verhältnis P: R eine kleinere Grösse ergibt wie im Hunde- oder Katzenherzen. Die an sich schwache Erhebung P des Froschherz-E. G. wird mitunter dadurch verdeckt, dass dieselbe zu einer Zeit auftritt, zu welcher die Saite des Galvanometers nicht in der Nullage sich be- find&t, sondern die Zacke 7 formiert. Bereits in der ersten Mit- teilung habe ich auf diesen Punkt aufmerksam gemacht. Seit jener Zeit hat H. Straub dieselbe Erfahrung gemacht‘). Ich begegne dieser Erscheinung im Froschherz-E. G. sehr häufig, wenn die P-Zacke sich an 7 aufsetzt. Beim Froschherz kombinieren sich gerade diejenigen Bediugungen, die ein derartiges Zusammentreffen der Zacken P und 7 verursachen. Die Dauer der Stromkurve des Froschventrikels ist gewöhnlich nur um ein geringes kürzer wie die Dauer der Systole des Ventrikels, so dass der Vorhof, namentlich wenn das Herz nur etwas frequent klopft, in den abschliessenden Teil der Ventrikelsystole mit seiner Kontraktion fällt. Es inter- ferriert deshalb die P-Zacke mit der T-Zacke, und unter Umständen wird dabei die P-Zacke so vollständig verschluckt, dass man keine Spur von ihr wahrnimmt. In Fig. 16, die zu einem anderen Zwecke angeführt ist, haben wir zufällig Gelegenheit, das Gesagte in sehr übersichtlicher Weise zu übersehen. — In Fig. 16, Taf. XVII sind von oben nach unten folgende Kurven enthalten: Reizmarkierlinie, Vorhof-, Ventrikelkontraktionskurve (etwas defekt), Frosch-E. G. und Zeitmarken — 1 Sek. Nach den ersten drei Systolen beginnt die 1) H. Straub, Der Einfluss von Strophantin usw. Zeitschr. f. Biol. Bd. 53 S. 106 vgl. S. 116 u. 117. 1909. 432 A. Samojloff: Vagusreizung, das Herz steht still und erholt sich nach dem Auf- hören der: Vagusreizune allmählich zu Kontraktionen, die denen am Anfange der Figur gleichen. Was uns augenblicklich interessiert; ist das absolute Fehlen der P-Zacke in den ersten drei E. G.-Perioden. Wie. aus dem weiteren Verlaufe des Versuches klar wird, liefert bei den gegebenen Ableitungsverhältnissen (vom Sinus und Ven- trikelspitze) der Vorhof eine ganz deutliche P-Zacke, was wir an der ersten Systole nach dem längeren Vagusstillstande beobachten. Die Veränderung im Aussehen der 7-Zacke nach der Vagusreizung lassen wir vor der Hand unberücksichtigt. In der zweiten Systole ist P ebenfalls schön ausgebildet. Nachdem aber die Wirkung der Vagusreizung so weit verschwindet, dass auch die Frequenz die normale Zahl erreicht, rückt die P-Zacke zum Gipfel der 7 immer mehr und mehr und wird sukzessive undeutlicher; bei der siebenten Kontraktion nach dem Stillstande sehen wir bloss eine Verbreiterung der Spitze von 7; von der achten Systole an sieht man im E.G. keine Spur einer elektrischen Äusserung des Vorhofs, wie am An- fang der Kurve. Wahrscheinlich ist die Sachlage die, dass. die P-Zacke sich dabei auf die Spitze von 7' aufsetzt und deshalb un- sichtbar bleibt. In sehr seltenen Fällen kommt die P-Zacke in .den vorderen Teil der 7’ und wird dann wiederum sichtbar. in Straub’s typischer Stromkurve des Froschherzens befindet sich die P-Zacke gerade zwischen R und T7-Spitze. Ich glaube nicht, dass man ein derartiges Verhalten für die Regel halten kann; in den meisten Fällen beobachtet man am blossgelegten Herzen des blutdurehströmten resp. dekapitierten und entbluteten Frosches die P-Zacke an der Nullinie, wie wir das z. B. in Fig. 4 gesehen haben, oder höchstens am hinteren Teil der 7-Zacke. . Bei sehr frequenter Herztätigkeit resp. bei Verlangsamung der Leitung im His’schen Bündel verliert sich die P-Zacke auch im Säugetier-E.K.G., indem sie mit 7 verschmilzt, wie man sich auf Grund der Kurven von Hering!) überzeugen kann. a . Die Form der Vorhofzacke in meinen Kurven, die bei sehr ge- mässigter Empfindlichkeit des Galvanometers (meistens 20 Millivolt — 1.em Ord.) aufgenommen sind, besteht gewöhnlich in einer einfachen Erhebung, die. übrigens auch in zwei Zacken zersplittert sein kann. 1) H.E. Hering, Experimentelle Studien an Säugetieren über das Elektro- kardiogramm. Pflüger’s Arch, Bd. 127 S. 155, vgl. Tab. VI Fie. 5 u. 6. 1909. Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 433 ll. Elektrogramme automatischer Froschherzsystolen nach An- legung der ersten Stannius’schen Ligatur. Bekanntlich hat Engelmann !) nachgewiesen, dass die Herz- kontraktionen, die sich beim Frosch nach der ersten Stannius’schen Lieatur, nachdem der Stillstand vorüber ist, auftreten, insofern von der normalen Herzkontraktion unterscheiden, als hier der Vorhof und Ventrikel nicht nacheinander, sondern vielmehr gleichzeitig oder fast gleichzeitig in Aktion treten. Dieses Verhalten konnte darin seine Erklärung finden, dass der Reiz nach der ersten Stannius- schen Ligatur nicht mehr vom Vorhof durch die Verbindungs- fasern zum Ventrikel gelangt, sondern im Verbindungsbündel selbst erzeugt wird und von hier nach beiden Richtungen, also zum Vor- hof und zum Ventrikel, seinen Weg findet, daher das gleichzeitige Erscheinen der Vorhof- und Ventrikelsystole. Die Untersuchung der elektrischen Aktion des Ventrikels bei seiner automatischen Tätigkeit ist insofern von Wichtigkeit, als wir dadurch in den Stand gesetzt werden, unsere Ansichten über die Reizerzeugung und Reizleitung bei den automatischen Schlägen in der einfachsten Weise auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Anderseits kann man sagen, dass wir im Aktionsstrome des Herzens ein Mittel gewinnen, das uns zwischen einem automatischen und einem in anderer Weise entstandenen anomalen Schlag zu entscheiden hilft. Gerade bezüglich des Menschenherzens ist diese Frage vermittels der Herzstromkurve vielfach mit Erfolg geprüft worden. So hatte Einthoven als erster die Bedeutung der E.K.G. für pathologische Fälle in diesem Sinne hervorgehoben und illustrierte einige Fälle mit automatischer Herzkontraktion durch Kurven, die aufs beste bewiesen, dass die Reize, die nicht am normalen Orte (jedoch in einem Punkte des normalen Erregungsweges) erzeuet werden, einen ganz typischen Verlauf nehmen. In der anschaulichsten Weise wurde das für die Fälle der Adams-Stones’schen Krankheit von Einthoven?) dargetan. Er sagt: „Sogar wenn der Reiz au I) Th. W. Engelmann, Der Versuch von Stannius, seine Folgen und deren Deutung. Arch. f. (Anat.) u. Physiol. Supplbd. S. 505. 1903. 2) W. Einthoven, Le Telecardiogramm. Arch. intern. de Physiol. t. 4 p. 132. 1906. Vgl. Fig. 2 u. 3 der Taf. III und unter: Weiteres über das Elektro- kardiogramm. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S.515. 1908. Vgl. S. 582 und Fig. 9 u. 10 d. Taf. XII. / Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 29 494 A. Samojloff: einer nahe den Vorkammern befindlichen Stelle des Atrioventrikular- bündels entsteht, kann die weitere Leitung durch das Bündel auf normale Weise stattfinden, so dass die Ankunft des Reizes in die Kammern und die Reizleitung durch den Kammermuskel nicht von der Norm abzuweichen brauchen.“ Einen Versuch, der dem Sinne nach der Anlegung einer Stannius’schen Ligatur am Säugetierherzen gleicht, hat Hering ausgeführt, indem er nach dem Vorgange von Lohmann die Ein- _ mündungsstelle der oberen Hohlvene mit Formol funktionsunfähig machte; die nach diesem Eingriffe sich eingestellte Herztätigkeit wurde vermittels des Saitengalvanometers verfolet. Da es anzunehmen war, dass in diesem Fall Vorhof und Ventrikel infolge der Reiz- erzeugung im Überganesbündel gleichzeitig klopfen würden, wollte Hering!) gerade bei dieser Versuchsanordnung das Aussehen des Elektrokardiogramms bei eleichzeitigem Schlagen von A und V prüfen, was für ihn aus besonderen Gründen von Interesse war. Es sei hier bei dieser Gelegenheit bemerkt, dass das Elektro- kardiogramm bei gleichzeitigem Schlag von Vorhof und Ventrikel bereits beobachtet wurde. Schwerlich ist hier etwas Charakteristisches zu erwarten, denn man kann im besten Falle nur die Interferenz- erscheinung zweier Kurven erkennen und sie richtig deuten, wenn die nötigen Daten gegeben sind. Bei Einthoven finden wir im Elektrokardioeramm eines mit Adams-Stokes’scher Krankheit behafteten Menschen unter anderem auch ein Zusammenfallen von P und R (. e. Fig. 3, Taf. 3 as). Im Hering’schen Versuche müsste man andere Verhältnisse erwarten; denn während bei der Adams-Stokes’schen Krankheit der Vorhof vom normalen Reizerzeugungsort nicht getrennt ist und folglich im normalen Tempo und mit normalen Reizverlauf schlägt, muss im erwähnten Versuch von Hering der Vorhof, der nicht in normaler Richtung von den Venen, sondern in umgekehrter Richtung vom Verbindungsbündel seinen Reiz empfängt, ein anormales E.G. mit nach unten gerichteter P-Spitze aufweisen. Das verwirklichte’ sich tatsächlich auch im Versuch von Hering, was leicht zu kon- statieren war, weil der Vorhof und Ventrikel nicht ganz gleichzeitig schlugen. Das Resultat war aber dadurch getrübt, dass die Richtung 1) Hering, Experimentelle Studien an Säugetieren über das Elektrokardio- gramm. Pflüger’s Arch, Bd. 127 8.155, vgl. S. 165. 1909. Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 435 der P-Zacke sofort wiederum in die normale umschlug und eben- falls, wie vorher, dem Ventrikelteil der Kurve voranging (s. Fig. 9 und 10 d. zit. Arbeit). Merkwürdigerweise erschien der Ventrikel- teil der Kurve selbst ziemlich entstellt und kleiner als vor der Formolapplikation; übrigens handelte es sich um ein sehr erschöpftes Herz, dass auch sofort seine Kontraktionen definitiv einstellte. Am Froschherzen gestaltet sich die Untersuchung der E.G. der automatischen Schläge sehr einfach. Das Herz wird in der früher angegebenen Weise von der suspendierten Spitze und vom Sinus abgeleitet und darauf eine Reihe von mechanischen und elektrischen Kurven gleichzeitig aufgenommen. Darauf wird der bereits früher über den Vorhof umschlungene Faden zusammengezogen, wobei natürlich die ableitenden Elektroden an ihren Plätzen ungestört bleiben müssen. Sofort nach der Ligatur bleibt der distale Teil des Herzens still, und nur der Sinus sowie der mit ihm in Verbindung gebliebene Teil des Vorhofes setzen ihre Schläge in früherem Tempo fort. Isochron mit diesen Schlägen bewegt sich die Galvanometer- saite, indem sie jetzt die Stromkurve des proximalen Teils des Vor- hofs wiedergibt. Nach einigen Minuten beginnt der Ventrikel zu- nächst ganz vereinzelte und darauf mit ausgesprochenem Rhythmus aufeinanderfolgende Kontraktionen zu vollführen. In Fig. 5A sehen wir die Kurven vor der Anlegung der ersten Stannius’schen Ligatur und in B nach derselben. Anfangs sind sämtliche Teile de E.G. wohl ausgebildet (gleich der schematischen Form 9 in Fig. 2), und jedem P, das eine gespaltene Form aufweist, folgt eine diphasische V.E.G. mit entgegengerichteten Phasen. In Fig. 5B sehen wir eine Episode, die nach dem völligen Stillstand des Ventrikels sich einstellt. Dort, wo P angegeben ist, sehen wir die Stromkurve des im früheren Tempo (allerdings etwas verlangsamten) schlagenden Vorhofes. Die P-Zacke hat einen mehr gedehnten Verlauf. Ziem- lich gleichzeitig mit dem zweiten P beginnt das E.G. des zu Tätig- keit erwachten Ventrikels. Sowohl die Verkürzungskurve wie das E.G. erscheinen grösser in allen ihren Teilen als vorher; das E. G. ist aber unzweifelhaft in allen Einzelheiten gleich demjenigen vor der Anlegung der Stannius’schen Ligatur. Es sei hier vor allem hervorgehoben, dass dieser Versuch und viele andere in derselben Weise ausgefallenen dafür sprechen, dass auch im Froschherzen eine vorgeschriebene Bahn für die Reizausbreitung gegeben ist, und dass ein auf dieser Bahn erzeugte Reiz bei seiner Weiterverbreitung die für 29 * 436 A. Samojloff: den jeweiligen Zustand des Herzens charakteristische Kontraktion mit dem charakteristischen E.G. liefert. In sämtlichen Versuchen dieser Reihe war als Regel, dass das E.G. nach der Stannius- schen Ligatur die Form des vor der Ligatur erhaltenen wiederholte. In Fig. 6A und B sehen wir noch ein Beispiel dafür: das E.G. in Fig. 5A. Elektrogramm und Suspensionskurve des Froschherzens vor der An- legung der ersten Stannius’schen Ligatur. Ais PDEsp BUBHRNE BBEBEEE Bee "RBB EBERE- A, + Fig. 5B. Dasselbe nach Anlegung der ersten?Stannius’schen Ligatur.' B hat dieselbe Form (gleich d in Fig. 2 des Schemas) wie in A; n ur ist es etwas grösser und gedehnter. Dass der Ventrikel nach der ersten Stannius’schen Ligatur dieselbe Form des E.G. gibt wie vorher, ist nebenbei ein guter Beweis für die Zweckmässigkeit der angewandten Elektroden, die trotz der Anlegung der Ligatur an ihrer Stelle unverrückbar ge- blieben sind. Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 437 Die Vergrösserung der mechanischen und elektrischen Kurve und die längere Dauer derselben sind ebenfalls immer nach der Lieierung des Vorhofes zu sehen. Hier haben wir erstens ein schönes Beispiel dafür, dass die mechanische und elektrische Reaktion parallel gehen, weshalb man in bestimmten Fällen auf Grund der einen die andere zu _ beurteilen imstande sein kann. Dieses Verhalten hat Einthoven in folgenden Worten ausgedrückt: man hat allen Grund, anzunehmen, „dass bei der Vergleichung einiger nahezu dieselbe Form besitzenden Elektrokardiogsramme die Höhe der Spitzen einigermaassen einen Maassstab für die Kraft der Herzkontraktion ergibt“ !). Dass die Zacken R nach der Ligatur grösser werden, spricht dafür, dass der Negativitätsprozess stärker geworden ist, und dass Fig. 6A. Elektrogramm und Suspensions- Fig. 6B. Dasselbe nach Anlegung kurve des Froschherzens vor der Anlegung der ersten Stannius’schen Ligatur. der ersten Stannius’schen Ligatur. S dementsprechend auch der Erregungsvorgang einen höheren Grad er- reicht. Die Änderung des E.G. besteht, wie erwähnt, noch darin, dass die Kurve eine verlängerte Periodendauer aufweist. Die Ver- längerung geschieht auf Kosten desjenigen Kurventeils, der horizontal verläuft, d. h. mit anderen Worten, dass diejenige Periode, während welcher sämtliche Ventrikelfasern in gleichzeitigem Kontraktions- zustande sich befinden, nach der Ligatur grösser wird. Mit dieser Schlussfolgerung stimmt auch die immer in entsprechenden Fällen vorhandene Zunahme der Kontraktionsgrösse. 1) W. Einthoven, Weiteres über das Elektrokardiogramm, 1. c., vgl. S. 583- Siehe über diesen Punkt die Ausführungen von H. Hering, Experimentelle tudien usw. Pflüger’s Arch. Bd. 127 S. 155, vgl. S. 162. 1909. 438 A. Samojloft: Diejenigen Momente, die das E.G. nach der Stannius’schen Ligatur von demjenigen vor derselben auszeichnen, dürfen nicht etwa mit irgendwelchen Zustandsänderungen, die für das Herz nach der ersten Ligatur spezifisch charakteristisch sind, gebracht werden. Die Abweichungen der Formen in den Fig. 5, 6 B gegenüber A haben ihren Grund bloss in der verminderten Frequenz der Schläge. Könnte der Ventrikel nach der ersten Stannius’schen Ligatur einen solchen Grad der Automatie erlangen, dass die Schlagfolge gleich der ursprünglichen wäre, so würde man genau identische E. G* mit denjenigen vor der Ligatur erhalten. Diese Behauptung wird unter anderem auch durch die Erfahrung mit künstlicher Reizung des Ventrikels, worauf wir gleich zu sprechen kommen, bestätigt. Ob der Vorhofteill, der in Zusammenhang mit dem Ventrikel ' geblieben ist, sich elektrisch irgendwie geäussert hat, ist unmöglich zu sagen. Den obigen Auseinandersetzungen nach könnte man er- warten, dass die von ihm herrührende Zacke nach unten ihre Richtung nehmen würde. An den Kurven ist, wie gesagt, nichts davon zu sehen, was auch besonders in Anbetracht des im vorigen Abschnitt geschilderten Verschluckens einer kleinen seichten P-Zacke von einer steilen grossen R-Zacke nicht zu verwundern ist. II. Elekirogramme von durch künstliche Reizung hervor- gerufenen Systolen. Die E.G. künstlich erzeugter Systolen wurden am Säugetier in der letzten Zeit mehrfach untersucht (Kraus und Nicolai, Kahn, Rehfisch), und zwar aus dem Grunde, weil man ihre Bedeutung . für die Klinik gleich nach den ersten Arbeiten über menschliche Elektrokardiogramme erkannte. In den E.K.G. kranker Menschen bemerkte Einthoven, dass diejenigen Systolen, die dem ge- störten Rhythmus nach als Extrasystolen gedeutet werden, Strom- kurven von abweichendem Typus liefern. Er hat solche Kontrak- tionen, wie mir scheint, sehr gut mit den Worten atypische Herz- kontraktionen !), und die entsprechenden E.K.G. — atypische E.K.G. bezeichnet. Die atypischen E. K..G. hatten meistens grössere Zacken und repräsentierten eine zweiphasische Kurve mit entgegengerichteten 1) Kraus und Nicolai meinen, dass die Bezeichnung „anomal“ mehr am Platze wäre als „atypisch“. Kraus und Nicolai, Das Elektrokardiogramm S. 157. Leipzig 1910. Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 439 Phasen, wie man sie für den Fall eines im lineären Gebilde sich ausbreitenden Erregungsvorganges erwarten konnte. Kurz darauf haben nun Kraus und Nicolai gezeigt, dass man ähnliche atypische Herzstromkurven bei direkter Ableitung vom Herzen durch künst- liche Reizung des im Vagusstillstande sich befindenden Ventrikels bekommt. Diese Feststellung war für Kraus und Nieolai der Ausgangspunkt der bekannten Ansicht der Autoren, nach welcher der künstliche Reiz im Ventrikel sich diffus in allen Richtungen vom Reizpunkte aus verbreitet, wogegen der normale Reiz einen für alle- mal vorgeschriebenen, ziemlich komplizierten Weg durchläuft. Die näheren Angaben der Autoren über die Form des E.G. bei künstlicher Reizung des Säugetierherzens differieren voneinander und widersprechen sich in manchen Punkten ganz wesentlich. Über die Form der Herzstromkurve vom Frosch bei künst- licher Reizung besitzen wir Angaben nur aus der Kapillarelektro- meterperiode. Es war im allgemeinen bekannt, dass man je nach der Lage des Reizpunktes (Basis oder Spitze) Kurven mit ver- schieden gerichteten Spitzen erhält. Der nähere Verlauf der Kurven wurde immer als zweiphasig, wie für jeden lineären Muskel, geschildert; übrigens nahm man auch für die Kurve des spontan schlagenden Herzens des Frosches dieselbe Form an. Verhältnis- mässig spät wurde darauf hingewiesen, dass das E. G. beim spontanen Schlag des Herzens einen zweiphasischen Verlauf mit gleichgeriechteten Phasen aufweist. Dass die künstlich erzeugten Systolen eine anders aussehende elektrische Kurve liefern wie die der normalen Systolen des Frosches, zeigte ich in der ersten Mitteilung. In der jetzt zu beschreibenden Reihe von Versuchen wurde die künstliche Reizung am normal schlagenden und auch am stillstehenden (nach der Stannius’schen Ligatur) Herzen vorgenommen. Die Reizung geschah vermittelst einzelner Öffnungsinduktionsschläge. Als Reizelektroden für die Ventrikelspitze dienten die kleinen Suspen- sionsklemmen. Es waren in diesem Falle anstatt der einen in einer Gummiröhre teilweise eingehüllten Klemme, wie es oben angegeben wurde, zwei solche Klemmen genommen; die eine diente zur Suspension und zur Reizung, die andere fungierte nur als Reizelektrode Die Fadenelektrode, die früher als Ableitungselektrode beschrieben wurde, musste im Falle der künstlichen Reizung der Spitze um die beiden Reizelektroden umschlungen werden. Es sei erwähnt, dass die Reiz- klemmen zwei sehr nahe nebeneinanderliegende Punkte der Herz- 440 A. Samojloff: spitze fassten. Zur Reizung der Herzbasis des suspendierten Herzen wurden gewöhnliche Platindrahtelektroden verwendet, die man ver- mittelst eines Bleistabes, an dem sie befestigt waren, an den ge- wünschten Punkt der Basis anlegen konnte. Die proximale Ab- leitungselektrode war in der gewöhnlichen Weise an den Sinus durch Umschlingen eines Fadens hergestellt. Fig. 7A. Von oben 'nach unten: lieizsignal, Suspensionskurve des Ventrikels, E.G. und Zeitmarken (1 Sek.), künstliche Reize an der Basis. Fig. 7B. Die Reihenfolge wie in Fig. 7 A, künstliche Reize an der Ventrikelspitze. In Fig. 7A und B sind die Kurven eines Versuches mit künst- licher Reizung an einem spontan schlagenden Herzen wiedergegeben. Nach der ersten Systole in A beginnt die Reizung, die in diesem Falle rhythmisch erfolgte und eine ganze Reihe von Extrasystolen auslöste. Die Reizmarke oben bezeichnet nur den Punkt, von welchem an der Nebenschluss der sekundären Spirale entfernt und die Reize zu dem Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 441 Herzen geleitet wurden, — die einzelnen Reizmomente wurden nicht extra notiert; übrigens sieht man dieselben an der elektrischen Kurve des Herzmuskels in Form von kleinen Zacken, die von den ein- brechenden Stromschleifen herrühren, sehr deutlich; die Zahlen be- ziehen sich auf die Reizmomente. Die Kurve A beginnt mit zwei E.G.-Periodeu, die ein normales Aus- sehen haben, wobei das R wie immer nach oben, das 7 in diesem Falle nach unten gerichtet erscheint; vor AR sieht man noch einen negativen Vorschlag, den man als Zacke © nach Einthoven deuten könnte. Die dritte und vierte Periode entsprechen der künstlichen Reizung, und zwar war hier die Basis cereizt. Trotzdem die Kontraktions- kurve des suspendierten Ventrikeis kaum verändert ist, erweist sich das E.G. insofern verändert, als die Zacken R und 7 bedeutend grösser sind als das beim E. G. des normalen Schlages; auch die Form ist etwas abweichend, es fehlt namentlich die Zacke @. Das Resultat stimmt - somit bis jetzt vollständig damit, was uns über die Form des E.G. hei Extrasystolen des Säugetierherzens bekannt ist: veränderte Form, Zunahme der Zacken und diphasischer Verlauf mit entgegengerichteten Phasen. Betrachten wir nun die Kurve B Fig. 7. Am Anfange der Figur ist eine normale Systole mit einem E.G. zu sehen, das im allgemeinen dieselbe Form hat wie das in A bei den zwei spontanen Schlägen. Darauf beeinnen die künstlich hervorgerufenen Systolen durch Reizung der Ventrikelspitze. An den entsprechenden E.G. sehen wir die A-Spitze jetzt nach unten gerichtet. Die Zacke T ist dagegen nicht nach oben, wie man im Falle eines diphasischen Aktionsstromes mit entgegengesetzten Phasen erwarten könnte, sondern ebenfalls nach unten gerichtet. Ein derartiges Resultat ist sehr befremdend, da es unseren Erfahrungen über E.G. bei künst- lieher Reizung beim Säugetier und bei spontanen Extrasystolen am Menschen widerspricht. Ich habe die bis jetzt publizierten dies- bezüglichen E.G. sowie diejenige aus meiner Sammlung (s. z. B. den Anfangsteil d. Fig. 15) darauf geprüft und habe keine einzige Ausnahme aus der Regel finden können, nach welcher der Extrareiz ein diphasisches E.G. mit entgesengesetzten Phasen am Säugetier erzeugt.. Dagegen ist es am Frosehherzen anders. An welcher Stelle man auch das Herz reizen mag, man kann dadurch nur die Richtung der R-Spitze, nicht aber die der 7-Spitze beeinflussen. Mit anderen 442 A. Samojloff: Worten: nur auf Grund der Richtung der R-Spitze können wir den Ausgangspunkt der Reizung bestimmen und im gegebenen Falle an- geben, ob der Reiz von der Spitze oder von der Ventrikelbasis kommt; die 7-Spitze behält ihre Richtung. Ich konnte diese Regel an einer sehr grossen Anzahl von Versuchen bestätigt finden, und nur nachdem dieselbe festgestellt war, konnte man das ganze Mate- rial in übersichtlicher Weise ordnen. Es ist nach dem Gesagten klar, dass man beim Froseh dureh einen künstlichen Reiz einen diphasischen Strom erhält, dessen Phasen gleich oder auch verschieden gerichtet sein können. Es hängt alles davon ab, wie das 7 beim spontanen Schlag ausfällt: ist es positiv, Fig. 8. Von oben nach unten: Reizmarke, Suspensionskurve des Ventrikels, E.G., Zeitmarken (1 Sek.), Reizung zwischen Basis und Ventrikelspitze. so bleibt es auch bei künstlicher Reizung positiv, es resultiert des- halb durch Basisreizung ein E.G. mit positivem R und positivem T, ist dagegen die Zacke 7 beim normalen Schlag negativ, so be- kommen wir bei Reizung der Basis ein E.G. mit positivem R und negativem 7, welches, wie oben auseinandergesetzt, seine Richtung bei künstlicher Reizung nicht ändert. Für die Reizung der Spitze gilt dasselbe nur mit dem Unter- schiede, dass jetzt die R-Zacke negativ ist. Je nachdem die T-Zacke beim normalen Schlag nach oben oder nach unten gerichtet ist, bekommen wir auf Reizung der Spitze im ersten Fall negatives R und positives 7, im zweiten negatives AR und negatives 7. . Reizt man nun den Ventrikel weder an der Basis noch an der Spitze, sondern wählt man für den Reiz einen Punkt etwa in der Mitte der Ventrikelfläche, so ändert sich wiederum nur die R-Er- Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 445 hebung und nicht die 7, wie man das deutlich an der Fig. 3 sehen kann. Nach den zwei spontanen Systolen folgt eine durch den zwischen Basis und Spitze ausgelösten Reiz hervorgerufene Extra- systole; die R-Spitze des E.G. bekommt ein ganz uncharakteristisches Aussehen, das 7 bleibt kaum verändert, Nach der Extrapause be- einnen wiederum die normalen Systolen mit dem früheren Aussehen des E.G. Sehr instruktiv für die Illustration der geschilderten Verhält- nisse ist auch die Fig.9 Taf. XV, die das E. G. eines durch die erste Stannius’sche Ligatur zum Stillstand gebrachten und darauf künstlich gereizten Herzens wiedergibt. Der Versuch war so angeordnet, dass man die reizenden Elektrodenpaare. die an die Spitze und die Basis in der beschriebenen Weise angelegt waren, mit einer Wippe ohne Kreuz verband; die zwei mittleren Klemmen derselben wurden zur sekundären Rolle des Induktoriums abseleitet. Nach einem Reize an der Basis wurde die Wippe umgeworfen, so dass der nächste Reiz die Spitze traf; jetzt wurde die Wippe wiederum umgeworfen, usw. Von den acht Reizen, deren Resultate in Fig. 9 wiedergegeben sind, kommen vier auf die Basis und abwechselnd vier auf die Spitze, Die Reizstärke wurde so gewählt, dass der Schliessungsschlag ohne Wirkung blieb, dagegen der Öffnungsschlag eine Zusammenziehung auslöste; dass der Schliessungsreiz keine Wirkung ausübte, sieht man auch an den Reizmarken, deren Erhebung die Schliessung des primären Stromes angibt, sowie auch an den sehr kleinen Zacken an der elektrischen Kurve, die vom Hereinbrechen der Schleifen des reizenden Induktionsstromes in das Galvanometer herrühren. Ausser der elektrischen Kurve sieht man auch die Schattenkurve des Suspensionshebels. Das erste E.G., das auf Reiz der Basis folgt, hat einen typischen zweiphasischen Verlauf mit entgegengesetzten Phasen. Mit Hinweis auf das früher Gesagte sei hier erwähnt, dass auch bei den spontanen Schlägen, also vor der Anlegung der Ligatur, das 7 ebenfalls negativ war. Auf den zweiten Reiz, der die Ven- trikelspitze trifft, bekommen wir ein E. G. mit nach unten gerichteter R-Zacke; die Zacke T ändert dagegen ihre Richtung nicht. Das seschilderte Verhalten wiederholt sich mit gleicher Konstanz in sämt- lichen Kurven der Fig. 9. Es ist schwer zu sagen, worauf man dieses merkwürdige Ver- halten der elektrischen Beantwortung des Froschherzens auf künst- liche Reizung zurückführen soll. Bei Änderung des Reizortes ändert 444 A. Samojloff: sich die Richtung der R-Zacke in der Weise, wie wir es auf Grund unserer Anschauungen über die Ausbreitung des Reizes in einem erregbaren Gebilde erwarten dürfen; die 7-Zacke dagegen, die bei künstlicher Reizung als die zweite Phase des ganzen Vorganges immer entgegengesetzt zu R sein sollte, zeigt eine Abweichung und bleibt konstant. Etwas weiter in der Deutung dieses Verhaltens des zweiten Teils desE.G., nämlich der T-Zacke, kommt man, wie mir scheint, wenn man nicht nur die Richtung, sondern auch die Grösse von 7 berücksichtigt. Schon in Fie. 9, die wir eben besprochen haben, findet man, dass das 7, obwohl es bei den Reizungen an der Basis resp. Ventrikelspitze gleiche Richtung aufweist, dennoch nicht sleich tief nach unten sich senkt. Die Zacke T senkt sich weniger tief gerade in denjenigen Fällen, wo man überhaupt auf Grund unserer Kenntnisse über die Ausbreitung des Reizes in einem lineären Gebilde keine Senkung, sondern vielmehr eine Erhebung erwarten würde. In unserem Falle in Fig. 9 würde man bei Reizung der Spitze nach dem negativen AR ein positives 7 erwarten; nun ist es, wie oben auseinandergesetzt, nicht positiv, es ist aber, worauf wir jetzt aufmerksam machen, weniger negativ wie das 7 bei Reizung der Basis in Fig. 9. Dieses Verhalten von 7, welches wir im Versuche Fig. 9 be- obachten, wiederholt sich überall bei künstlichen Reizen ohne Aus- nahme: wenn die Spitze 7 in Fällen, wo man auf Grund des er- warteten diphasischen Kurvenverlaufes mit entgegengesetzten Phasen keine Richtungsänderung aufweist, so wird sie jedenfalls kleiner. In den Fällen, wo man keine Richtungsänderung erwartet, wird die T bei künstlicher Reizung im Gegenteil grösser, als sie früher war. Man kann das Gesaete an der Hand der früher angeführten Fig. 7A und B sehr schön verfolgen. In A ist das E.G. der normalen Systolen diphasisch, wobei das R und 7 nach verschiedenen Seiten gerichtet sind; bei 2 und 5 sehen wir den Erfolg künstlicher Reizung der Basis — entgegengesetzte Phasen, das 7 behält sein Vorzeichen und wird grösser. In B ist das E.G der normalen Systolen ebenso beschaffen wie in A; die wirksamen Extrareize 7, 2, 3 und 4 erzeugen Systolen mit gleichgerichteten Phasen. T be- hält sein Vorzeichen, wird aber kleiner. In Versuchen mit Extra- systolen, die zu anderen Zwecken vorgenommen sind und weiter angeführt werden, begegnen wir genau denselben Erscheinungen, so dass die aufgestellte Regel kaum irgendwo auf Ausnahmefälle stösst. Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie "des Herzens. 445 Man kann den Sachverhalt sich in folgender Weise vorstellen. Nehmen wir an, dass die Zacke T’ eine Erscheinung, die von vielen oder wenigstens von zwei voneinander unabhängigen Momenten herrührt, darstellt. Es wird sich dann das 7 als eine aus zwei Komponenten zusammengesetzte Potentialänderung irgendeiner Stelle des Ventrikels auffassen lassen. Es sei die eine Komponente nicht direkt von der Reizausbreitung abhängig, sondern stelle sich immer nur gleichzeitig mit der Herztätiskeit ein. Die andere Komponente kann man sich dann als Ausdruck der Erregungsleitung im Herzmuskel vorstellen und dieselbe als zweite entgegengesetzte Phase bei künstlicher Reizung betrachten. Wir hätten dann annehmen können, dass immer als Beantwortung eines künstlichen Reizes ein regelrechter diphasischer Strom entsteht, der aber nicht in allen Fällen manifest werden kann. Es hängt nämlich die Endform des Herzstromes davon ab, welchen Verlauf im gegebenen Fall die erste Komponente, mit der der diphasische Strom sich algebraisch summieren muss, hat. Im Falle Fig. 7A hat augenscheinlich die erste Komponente dieselbe Richtung wie das reine 7 der künstlichen Systole; deshalb ist auch das kombinierte 7 bei 2 und 3 grösser als in den normalen Systolen; in B Fig. 7 arbeitet die zweite Komponente entgegen, weshalb auch das 7 der Systolen 7, 2, 3 und £ kleiner ist als das der normalen Systolen. Ein interessantes Ergebnis der angeführten Versuche scheint die Vorstellung zu sein, dass wir die Zacke 7 der künstlich er- zeusten Systolen als eine von verschiedenen Momenten abhängige Erscheinung betrachten können. Wenn wir noch weitergehen und die E.G. spontan erzeugter Systolen des Froschherzens aus dem- selben Punkte betrachten wie die der künstlichen, so erscheint die anfangs erwähnte Mamnigfaltigkeit der Formen der E.G. insofern verständlicher, als wir neben einer Komponente, die von der Reiz- ausbreitung im Muskel abhängt, noch eine andere uns denken müssen, die immer bei der Zusammenziehung des Herzens auftritt und die typische Form ändert. Ändert sich die Komponente je nach den Einflüssen, denen das entblösste Herz ausgesetzt ist, so muss sich auch die endgültige Form des E.G. ändern. Würde diese Komponente gleich Null werden, dann hätte man vom spontan klopfenden Herzen typische E. G. erhalten und bei künstlicher Reizung diejenigen, die Einthoven am Menschen zuerst gesehen und „atypische“ genannt hat, d. h. diphasische Kurven mit entgegen- 446 A. Samojloff: gerichteten Phasen, wie es am Säugetier bei künstlicher Reizung Kraus und Nicolai beschrieben haben. Der Gedanke, dass im Herzen neben den elektrischen Er- scheinungen, die durch Ausbreitung des Reizes in der Herzmuskulatur entstehen, noch andere als Ausdruck der Stoftwechselvorgänge zu- stande kommen können, ist bereits von H. Straub!) neulich aus- gesprochen worden. Allerdings stellte sich H. Straub insofern auf einen von mir abweichenden Standpunkt, als er überhaupt die ganze 7-Zacke als Ausdruck von Stoffwechselvorgängen wissen will. In der Zusammen- fassung seiner Arbeit lesen wir: „Die Bedeutung der Finalschwankung ist hypothetisch. Es ist unwahrscheinlich, dass sie ebenfalls einem Aktionsstrom sich kontrahierender Muskulatur entspricht; wahr- scheinlich ist sie der Ausdruck von Stoffwechselvorgängen.* Auf Grund meiner Versuche muss ich auch im entblössten Froschherzen eine nicht näher bekannte Ursache annehmen, die aber nicht. wie Straub glaubt, die Finalzacke, d. h. die Zacke 7, ganz formiert, sondern die durch die Ausbreitung der Erregung erzeugte Kurve (im Einthoven’s Sinne) durch Supperposition deformiert. Schreibt man eine Reihe von E.G. bei künstlicher Reizung, so hat man immer Gelegenheit, manche interessanten Beobachtungen zu machen, die unter anderem meistens die Verschiedenheit der Natur der R- und T7-Zacke illustrieren. Je mehr man das E. G. unter verschiedenen Bedingungen studiert, desto häufiger hat man Gelegen- heit zu beobachten, dass X und 7 nicht gleichartig durch einen und denselben Einfluss verändert werden, resp. dass die eine Zacke sich verändert, während die andere unbeeinflusst bleibt. So habe ich die Wirkung des foreierten Atmens auf das menschliche E.K.G. darin gefunden, dass während R sich auffallend stark änderte, das T seine Grösse behielt. Noch häufiger ist die Anzahl der Fälle, wo das Umgekehrte vor sich geht, wo nämlich 7 sich ändert, wo- gegen A unberührt vom betreffenden Finflusse bleibt. Auch die Form des E.K.G. verschiedener Menschen unterscheidet sich von- einander hauptsächlich durch die Zacke T. Die Zacke 7 ist der 1) H. Straub, Zur Analyse des ee usw. Zeitschr. f. Biol. Bd. 53 8. 499. 1910. Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens». 447 empfindlichste Teil der Herzstromkurve. Es sei hier eine dies- bezügliche Tatsache beschrieben. Am regelmässig spontan klopfenden entblössten Froschherzen wird der Aktionsstrom in beschriebener Weise vom Sinus und Herz- spitze abgeleitet, und das E. G., sowie die Suspensionskurven des Vorhofs und Ventrikels verzeichnet. In Fig. 10 Taf. XV sehen wir das Resultat eines solchen Versuches. Die Suspensionskurve des Vor- hofes ist die höhere Kurve, die des Ventrikels die untere. Das E.G. hat die typische Form nit nach oben gerichteter scharfer R- Zacke und stumpfer T-Zacke. Nach der dritten Systole der Figur beginnen künstliche Reizungen der Spitze. Es resultiert ein di- phasischer Strom mit entgegengerichteten Phasen; das 7 behält seine Richtung nach oben und wird etwas stärker, weshalb auch dieser Fall an die im früheren Abschnitt beschriebenen Versuche der dort gegebenen Deutung gemäss eingereiht werden kann. Der Reiz wird nicht vom Ventrikel auf den Vorhof übergeleitet, letzterer setzt vielmehr seine Schläge im früheren Tempo weiter fort, wie man das an den Suspensionskurven schön sieht. Mit dem sechsten Reiz hört die künstliche Reizung auf. Es folgt eine Extrapause, und darauf beginnt das Herz wiederum spontan zu schlagen. Nun ist es etwas ganz Gewöhnliches, dass die nach der Extrapause auftretende Systole etwas stärker ist als die gewöhnliche!); auch kommt es nicht selten vor, dass die zweite normale Systole etwas kleiner als eine gewöhnliche ist, und darauf gleichen sich die Systolen aus, und alles kehrt zur Norm?). Auch in unserem Falle, Fig. 10, sehen wir diese Erscheinung sehr deutlich in der Suspensionskurve des Ventrikels auftreten. Die erste postkompensatorische Systole ist grösser, die zweite kleiner als die darauffolgenden. Wie verhält sich nun in diesen Fällen das E.G.? Diese Frage habe ich mir schon vor mehreren Jahren vorgelegt und konnte dieselbe auf Grund der Versuche mit dem Kapillarelektrometer folgendermaassen be- antworten: „Ich habe bemerkt, dass so eine postkompensatorische 120. Langendorff, Über elektrische Reizung des Herzens. Arch. f. Physiol. 1885 S. 284. Untersuchungen am überlebenden Säugetierherzen. II. Vorübergehende Unregelmässigkeiten des Herzschlages und ihre Ausgleichung. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 70 S. 473. 1898. Siehe auch Bottazzi, Über die postkompensatorische Systole. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 10 S. 401. 1896. 2) F. B. Hofmann, Über die Änderung des Kontraktionsablaufes usw. Pflüger’s Arch. Bd. 84 S.130, vgl. S. 145, 146. 1901. 448 A. Samojloff: Systole auch von einer gedehnteren und stärkeren elektrischen Sehwankung gefolet ist. Zuweilen ist sogar dieser Sachverhalt an dem Elektrogramm deutlicher als am Mvogramm.“ Die nunmehr zur Sprache kommenden Versuche und speziell der Versuch Fig. 10 bringt nicht nur eine Bestätigung der angeführten Worte, sondern insoferne auch eine Ergänzung, als wir uns hier überzeugen können, dass nicht das ganze E.G., sondern nur die 7-Zacke nach einer. Pause in der erörterten Weise sich verändert, wogegen R kaum irgendeine Veränderung aufweist. Wir haben somit in dem an- geführten Versuch ein Beispiel für die Möglichkeit solcher Einflüsse, die nur einen Teil des E.G. berühren, das übrige unverändert lassen. Die Veränderung der postkompensatorischen Systolen bildet nur einen speziellen Fall derjenigen Gruppe von Veränderungen, die man durch Frequenzvariationen des Reizes am Kontraktionsverlauf des Herzens hervorrufen kann. Wir kommen gleich auf andere derartige Beispiele zu sprechen und werden hier andere Fälle finden, wo die R- und T-Zacken nicht in gleichem Schritt sich verändern. Ich möchte aber in aller Kürze zunächst eine Frage berühren, die mehr- fach bereits geprüft wurde und auf Grund der Versuche, wie der in Fig. 10, sehr klar und anschaulich beantwortet werden kann. In einer bekannten Arbeit hat Engelmann!) festzustellen versucht, ob die refraktäre Periode schon während der mechanischen Latenz- zeit ausgeprägt ist. Durch eine lange Reihe von Zeitintervall- messungen gelangte Engelmann zum Schlusse, dass es sich in der Tat so verhält. Die Bestätigung dieser Angabe lässt sich sehr ein- fach auf Grund. der E.G.-Aufnahmen einer geringen Anzahl von Systolen führen. Der Versuch Fig. 11 Taf. XVI ist genau in der- selben Weise wie der Fig. 10 angestellt und ergibt auch genau das- selbe Resultat wie das des Versuches Fig. 10. Nun sehen wir aber in Fig. 11 noch etwas anderes. Die Spitze % befindet sich vollständig im Bereiche der latenten mechanischen Periode, und künstliche Reize, die das Herz während der R-Periode treffen, bleiben ohne Wirkung. Einen solchen Fall sehen wir im rechten Teil der Figur bei dem fünften künstlichen Reize. Hier fällt der Reiz 5 zu einem Zeitpunkte, wo die Zacke & A) Ah: En selmannı Beobachtungen und Versuche am suspendierten Herzen. Pflüger’s Arch. Bd. 59 S. 309, vgl. S. 314. 189. | a Er ne Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 449 eben vollendet ist und der Hebel die mechanische Kurve noch nicht begonnen hat zu zeichnen. Zu diesem Zeitpunkt ist das Herz bereits refraktär, wie wir aus dem ungestörten Verlauf der in Rede stehenden E. G.- Periode entnehmen. Ja, wir finden in der Fig. 11 manches, was dafür spricht, dass das Herz bereits in Momenten, wo die Zacke R noch nicht begonnen hat, einen Reiz unbeantwortet lässt, d. h. refraktär ist. Von den zehn Extrareizen der Ventrikel- spitze im linken Teile der Fig. 11 sind die ersten vier wirkungslos, der fünfte bewirkt eine Extrasystole (man beachte auch hier das Einhalten der Richtung und Stärkerwerden von 7), die weiteren sechs sind auch wirksam. Dass der vierte Reiz unwirksam blieb, ist sehr merkwürdig; wenn man das E.G. neben den mechanischen Kurven nicht hätte, so könnte man überhaupt nicht ohne weiteres entscheiden, ob der künstliche Reiz wirksam oder unwirksam blieb, denn zeitlich fällt hier der künstliche Reiz mit dem normalen fast vollständig zusammen; dagegen überzeugen wir uns auf Grund des E.G. nach Reiz 4 mit seinem positiven R% und nicht vergrössertem T), dass der vierte Reiz unwirksam geblieben ist. Wir kommen somit zum Schluss, dass nach dem vollständigen Ablauf der Ventrikel- kontraktion und der elektrischen Schwankung, kurz vor Beginn der R-Zacke der neuen Ventrikeltätigkeit bereits ein Zustand der Un- empfänglichkeit für einen künstlichen Reiz im Ventrikel sich ent- wickelt. Selbstredend ist es unzweifelhaft, dass diese Periode nur sehr kurz sein kann. Der sechste künstliche Reiz im rechten Teile der Figur, der bereits wirksam ist, fällt ebenfalls nach Ablauf der Kontraktion und der Herzstromkurve. Der Reiz fällt hier aber um eine ganz minime Zeitdistanz früher wie der fünfte im linken Teil (die Zeitdistanz ist auf Grund der angeführten Kurve nicht zu be- stimmen, weil der Trommelgang zu langsam erfolgt). Wir kommen somit zum Schluss, dass man nicht nur eine elektrische Latenz- periode am Herzmuskel anzunehmen berechtigt ist, sondern, dass - der Herzmuskel im Laufe dieser elektrischen Latenz- periode (und selbstredend auch im Laufe der ganzen mechanischen Latenzperiode) refraktär ist. Dass am Herzen eine elektrische Latenzperiode vorhanden sei, hat neulich Kahn!) durch direkte Versuche am Säugetier gezeigt. Merkwürdigerweise ergab sich in 1)R.H. Kahn, Zeitmessende Versuche am Elektrokardiogramme. Pflüger’s Arch. Bd. 132 S. 209, vgl. S. 224f. 1910. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 30 450 A. Samojloff: Kahn’s Versuchen, dass die Distanz zwischen Reizmoment und Beginn des Aktionsstromes grösser sei wie die Distanz zwischen Beeinn der elektrischen und mechanischen Aktion; beim Frosche ist es bestimmt anders: hier ist die elektrische Latenzperiode sehr klein und die Zeit zwischen elektrischer und mechanischer Aktion ganz bedeutend. ee Wir kommen nun zur Besprechung der Frage, wie sich der Verlauf des E.G. bei Frequenzänderung der Herzschlagfolge ändert. Am meisten interessierte es mich festzustellen, wie sich das E.G. beim Übergang von grossen Zeitdistanzen zwischen den Systolen zu kleineren gestaltet. Aus mehreren Gründen war es vorteilhaft, diese Versuche mit künstlichen Reizungen anzustellen. Erstens könnte man in so einem Falle die gewünschte Frequenz und ihre Änderung in der einfachsten Weise verwirklichen, und zweitens ändert man hierbei tatsächlich nur die Frequenz, ohne irgend andere Neben- wirkungen (wie beim Erwärmen resp. Abkühlen) hervorzurufen. Anderseits schien es nicht vorteilhaft, die künstlichen Reize am spontan schlagenden Herzen in Form von Fxtrareizen zur Erzeugung von Extrasystolen vorzunehmen; denn die E.G. des spontanen und künstlich erzeugten Schlages besitzen verschiedene Formen und sind deshalb nicht miteinander zu vergleichen. Es waren deshalb die Versuche mit künstlicher Reizung der Ventrikelspitze eines nach erster Stannius’scher Ligatur still stehenden Herzens vorgenommen. Das entblösste Herz war wie früher vom Sinus und von der Spitze abgeleitet. In der ersten Reihe von Versuchen habe ich vermittelst des Engelmann’schen Polyrheotoms das Herz mit Doppelreizen in bestimmten Intervallen von 6 Sek. sereizt, wobei die Zeitdistanz zwischen den einzelnen Schlägen des Doppelreizes variiert werden ‘ konnte. Die Absicht war, die Zeitdistanz der Doppelreize möglichst kurz zu machen, um diejenigen Fälle zu Gesicht zu bekommen, bei welchen ein E.G. vor dem Ablauf des vorhergehenden ansetzt. Es erwies sich aber bald, dass man eventuelle Superpositionsbilder der E.G. nicht erhalten kann; denn wenn man den zweiten Reiz des Doppelreizes noch vor dem Ablauf des E.G. des ersten Reizes schickt, so bleibt er wirkungslos, das Herz ist noch refraktär. Sendet man den zweiten Reiz zu einem Zeitpunkt, zu welchem das E.G. des ersten Reizes eben zu Ende gekommen ist, so sieht man natürlich Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 451 keine Superpositionsbilder, wohl aber sehr charakteristische Ver- änderung des zweiten E.G. Es sei hier eine Kurvenreihe zur Illu- stration des Gesagten angeführt. In Fie. 12, Taf. XVI sehen wir die Suspensionskurven des Ventrikels, die E.G.'), die Reizmarken oben (wirksam nur der Öffnunesschlag — Schattenbewesune nach unten) und die Zeitmarken unten (1 Sek.); es sind fünf Reizpaare an- geführt. Die Zeitdistanz des ersten Doppelreizes ist 2,4 Sek. Der zweite Reiz erfolgt in diesem Fall nach vollständigem Ablauf des Myoeramms und E.G. Die Änderung des zweiten E.G. ist kaum angedeutet. Anders ist es bei dem zweiten Doppelreiz. In diesem Falle war die Distanz geringer: 2,0 Sek., und der zweite Reiz trifft das Herz fast genau nach Abschluss des ersten E.G.; das zweite E.G. zeigt hier verschiedene Änderungen. Erstens ist die ganze Dauer des Vorganges bedeutend abgekürzt, zweitens sieht man eine Verkleinerung der R-Zacke und drittens, was das auffälligste ist, macht sich eine ganz bedeutende Abnahme der Zacke 7 bemerkbar. Betrachten wir nun das dritte Paar. Das erste E. G. desselben ist ebenso beschaffen wie das erste im ersten und im zweiten Paar. Nach dem erossen Zeitabschnitt von etwa 4 Sek., der nach dem zweiten Reizpaar verstrichen ist, bekommen wir also wiederum die anfängliche Form des E.G. Das zweite E.G. des dritten Paares ist bei einer Reizdistanz von 1,9 Sek. wiederum deformiert, das 7 ist zu einer ganz unansehnlichen Erhebung geworden. Weiter mit der Verkürzung der Reizdistanz zu gehen war unmöglich, denn schon bei 1,6 Sek. im vierten Reizpaar wird der zweite Reiz unbeantwortet. Im fünften Paar bei der Reizdistanz 2,6 zeigt wiederum das zweite E.G. nur eine unbedeutende Verkleinerung des 7 im Vergleich zum ersten E. G. Wir sehen also, dass je nach der Distanz der Schlagfolge die T-Zaeke verschieden gross ist. Mit Abnahme der Distanz wird die T-Zacke kleiner und umgekehrt. Es gibt hier aber noch eine Seite der Erscheinung, die zu interessanten Schlussfolgerungen führen kann. Beachten wir das erste und das fünfte E. G.-Paar in Fie. 12. In den beiden Paaren unterscheidet sich das erste E. G. vom zweiten in bezug auf die Höhe und Verlauf der Zacken sehr wenig. Worin 1) In diesem Versuche (Fig. 12) und im folgenden (Fig. 13) wurde die Ab- leitung in das Galvanometer so ausgeführt, dass die durch ze Jar Ventrikel- spitze ausgelösten Systolen ein positives R erzeugten. 30% 452 A. Samojloff: sich das zweite E.G. vom ersten in jedem Paar aber deutlich unter- scheidet, das ist die Dauer der ganzen Schwankung. Im ersten Paäre ist die Dauer des ersten E.G. 1,9 Sek., die des zweiten 1,7 Sek.; im zweiten Paare ist die Dauer des ersten E.G. 2,0, die des zweiten 1,6. Wenn wir also am stillstehenden Herzen nach einem Reiz dem Ventrikel einen zweiten sofort nachschicken, so wird der Verlauf der zweiten elektrischen Schwankung in kürzerer Zeit sich vollziehen können als der der ersten. Daraus können wir in Zusammenhang mit der oben gegebenen Auseinandersetzung schliessen, dass man die wirksame Reizdistanz nach dem zweiten Reize etwas kürzer nehmen darf als diejenige zwischen dem ersten und zweiten Reize. Wenn das sich auch für eine Reihe von Reizen bestätigt, so dass die wirksame Reizdistanz mit der Zunahme der Reizanzahl immer geringer gewählt werden darf, so ist ganz klar, dass man in dieser Weise zu sehr hohen Reizfrequenzen sozusagen einschleichend angelangen kann, ohne dass die Aktionsstromkurve ganz bedeutende Änderungen der Zacken R und T aufzuweisen braucht. Vielleicht ist es aber richtiger, das obige auch anders zu formulieren: Wenn man die Reizdistanz so allmählich verringert, dass sich weniger die Ausschlagsgrösse und hauptsächlich die Dauer der elektrischen Schwankung verkleinert, so kann man es zu hohen wirksamen Reizfrequenzen bringen. Dass es tatsächlich sich so verhält, können wir aus der Fig. 13, Taf. XVI ersehen. Der Versuch ist an dem- selben Herzen ausgeführt wie in Fig. 12. Es wurde hier aber die Zeitdistanz der Ventrikelspitzenreize sukzessive kleiner gemacht, und wir können sofort konstatieren, dass wir es tatsächlich zu einer relativ hohen Reizfrequenz bringen konnten, ohne dass das E.G. und namentlich die Spitze 7 eine so starke Veränderung aufwiese wie beim plötzlichem Übergang zu einer kurzen Reizdistanz in Fig. 12. Vergleichen wir das zweite E.G. des dritten Paares in Fig. 12 und dasjenige beim sechzehnten (also vorletzten) Reiz in Fig. 13. Hier bei einer bedeutend kürzeren Reizdistanz eine relativ rasch verlaufende, aber sonst. wohl ausgebildete Schwankung mit charakteristischen Zacken, dort ein nur angedeutetes 7. Die Form ‚des Elektrogramms hängt also gar nicht direkt von der Zeit- distanz der Reizeab, sondern von dem Wege, auf welchem wir zu der betreffenden Reizdistanz gelangen. Das Herz erlaubt wohl eine rasche Reizfolge, es sträubt sich nur gegen eine plötzliche Steigerung der Frequenz. Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 458 F. Hofmann!) hat eine ähnliche Frage auf Grund von Kontraktionskurven studiert und gelangte zum Schluss, „dass der Kontraktionsverlauf eigentlich nicht von der Länge des Reiz- _ intervalles an sich, sondern vielmehr davon abhängt, in welche Phase der vorhergehenden Kontraktion die Reizung hineinfällt“. Man ersieht leicht, wie bedeutend unser Verständnis für die Tätigkeit des Herzens auf Grund der Untersuchung seiner elektrischen Äusserung vertieft wird. Es scheint mir aus den mit- geteilten Versuchen klar hervorzugehen, dass nicht die Phase der Kontraktion das bestimmende Moment für den Kontraktionsverlauf bildet, sondern die Art der Vorbereitung des Herzens für die be- treffende Länge des Reizintervalls, die Verkürzung der Ablaufszeit der Erregung, deren reellen Ausdruck wir im Elektrogramm be- sitzen. Es sei noch auf den Punkt aufmerksam gemacht, dass die Grössen der Zacken durchaus nicht der Verkürzungsgrösse parallel gehen; so ist die zweite Kontraktion des dritten Paares Fig. 12 bedeutend grösser wie die der sechzehnten Systole in Fig. 13, wo- gegen die 7-Zacken der entsprechenden E.G. sich in umgekehrter Richtung unterscheiden. Weiter bemerken wir, dass in der Fig. 13 bei Zunahme der Reizfrequenz das R relativ wenig im Vergleich zur Ausgangsgrösse abnimmt, wogegen 7 fast zweimal kleiner wird. Wir haben hier noch ein Beispiel, wie ein bestimmter Einfluss das & und 7 nicht im gleichen Schritte verändert. Nach allem eben Besprochenen ist es klar, dass die Ver- änderungen des E.G., die wir früher als postkompensatorische be- sprochen (Fig. 10) haben, bloss einen speziellen Fall des allgemeinen Einflusses der Reizdistanz auf das E. G. bilden. Die kompensatorische Pause ist länger wie eine gewöhnliche, man bekommt deshalb ein vergrössertes 7. Die nun im normalen Tempo erfolgende zweite Systole erzeugt im Vergleich zur Distanz im Laufe der kom- pensatorischen Pause ein zu kurzes Intervall und als Folge davon ein zu kleines T. 1) F. Hofmann, Über die Änderung des Kontraktionsablaufes usw. Pflüger’s Arch. Bd. 84 S. 130, vgl. S. 146. 1901. 454 ‘ A. Samojloff: IV. Einfluss der Vagusreizung auf das Elektrogramm des Herzens. A. Versuche am Katzenherzen. Die Veränderung des Elektrokardiogramms durch Vagusreizung wurde eingehend von Eintloven!); am Säugetier, nämlich am Hunde bei indirekter Ableitung von den Extremitäten und un- eröffnetem Thorax studiert. Konstante und klare Ergebnisse waren von Einthoven bezüglich des Vorhofs festgestellt. Unter dem Einfluss der Vagusreizung wird die Vorhofzacke P beständig kleiner als normal. Schon vor dem Vagusstillstande wird P immer niedriger; nach dem Stillstande erscheint die P-Zacke anfangs klein, um mit jedem Schlage zu wachsen, bis sie die normale Grösse erreicht. Was die Veränderungen, welche sich bei Vagusreizung im V.E.G. zeigen, betrifft, so sind dieselben „im allgemeinen weniger konstant als die der Vorkammerkurve“. Die einzige konstante Veränderung, die Einthoven in der Kammerkurve hat nachweisen können, bestand in einer geringen Verlängerung der Dauer der Kammersystole, was man daraus ersehen konnte, dass die Dauer zwischen den Zacken R und 7. vor der Reizung nur eine sehr kleine Zeitdistanz kleiner war als die nach der Reizung (in einem Falle war diese Zeitdistanz 0,02 Sek., in einem anderen 0,015 Sek.). Diese Verlängerung wird aber von Einthoven nicht als direkter Einfluss der Vagusreizung betrachtet, sondern wird mit den Folgen des veränderten Blut- stromes usw. in Zusammenhang gebracht. Von den inkonstanten Veränderungen, die das V.E.G. aufweist, wird in erster Linie die Modifizierung der 7-Spitze genannt. „Ist diese Spitze vor der Vagusreizung aufwärts gerichtet, so kann sie.nach der Vagusreizung verkleinert oder sogar nach unten gerichtet sein. Ist sie schon vor der Vagusreizung nach unten gerichtet, so kann sie nach der Reizung ver- tieft sein.“ Auch diese inkonstanten Veränderungen werden von Einthoven noch mit grösserer Bestimmtheit als die konstanten verschiedenen Nebenumständen zugeschrieben. ‚ „ Atypische E.G. kommen nach Vagusreizung in Einthoven’s Versuchen sehr selten vor; in einer grossen Reihe von Experimenten trat das atypische E.G. nur ein einziges Mal auf. Da ich bei meinen Versuchen mit der Vagusreizung am Frosch- herzen zu Ergebnissen gelangte, die in manchen Punkten von den 1) W. Einthoven, Weiteres über das Elektrokardiogramm. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 517, vgl. S. 532. 1908. Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 455 Einthoven’schen bedeutend abwichen, so wiederholte ich die Ver- suche mit der Vagusreizung am Säugetier, um auch in dieser Be- ziehung aus eigener Erfahrung sprechen zu können. Die Versuche wurden nicht an Hunden, wie bei Einthoven, sondern an Katzen ausgeführt und ergaben, wie ich schon hier be- merke, eine vollständige Bestätigung der Ergebnisse Einthoven’s. An chloroformierten Katzen waren die Extremitäten, rechtes Vorderbein und linkes Hinterbein (Lage II), vermittelst Zink-Zink- sulphatelektroden zum Galvanometer abgeleitet und die Aktions- stromkurve zusammen mit der Blutdruckkurve (Karotis, Hürthle’s elastisches Manometer) aufgenommen. In Fig. 14A, Taf. XVII sehen wir auf Vagusreizung eine erhebliche Verlangsamung der Herzkontraktionen, die später schwindet. Was die E.G. anbetrifit, so sprechen diese dafür, dass die während der Vagusreizung erfolgten Systolen nicht vom Vorhof übergeleitet sind, | sondern vielmehr automatisch vermutlich im Übergangsbündel und jedenfalls in irgendeinem Punkte der normalen Erregungsbahn, nicht weit unterhalb des Überleitungsbündels entstanden sein können. Das kann man daraus schliessen, dass im E.K.G. während der Vagusreizung die Vorhofspitze P vollständig fehlt. Ganz zu Beginn der Vagusreizung haben wir noch eine Vorhoferhebung P, die, was besonders zu bemerken wäre, mit zwei gleichgerichteten Phasen wie ein Aktionsstrom des Ventrikels versehen ist; diese Vorhofsystole wird von keiner Ventrikelsystole gefolgt, und nun entsteht eine Reihe von Ventrikelsystolen ohne Vorhofsystole.e Man könnte die Sache wohl anders deuten und annehmen, dass die Vorhofspitze sehr schwach sei (was ja bei der Vagusreizung immer der Fall ist) und in unserem Falle unbemerkt bleibt, obwohl die Reizleitung zustande kommt und eine regelrechte Ventrikelsystole mit einer typischen Kammerstromkurve erzeugt. Ich glaube, dass diese Erklärung weniger wahrscheinlich ist. Dass die Schläge während der Vagus- reizung automatisch sind, geht unter anderem auch daraus hervor, dass der erste Schlag nach der Vagusreizung eine Veränderung auf- weist, die man als eine Superposition von einer V.- und A.-Strom- kurve auffassen kann. Der kleine Höcker, den ich mit dem Zeichen P’' markierte, rührt vermutlich vom Vorhof her, der hier zuerst nach dem Vagusstillstande seine Tätigkeit äussert. Dass man den Saclı- verhalt so deuten kann, scheint mir auch aus Fig. 14B Taf. XVII hervor- zugehen, die von demselben Versuch stammt. Während der Chloroform- 456 A. Samojloff: narkose kommen häufig die verschiedenartigsten Störungen der Herz- tätigkeit in Form von Extrasystolen mit atypischem E.K.G. und Störungen der Leitung vor. Letzteres sehen wir auch in Fig. 14B. Nach der Vorhofaktion ? erfolgt keine Systole des Ventrikels; der Vorhof schlägt in früherem Tempo; noch früher aber, als die nächste Systole P’ des Vorhofs auftritt, entsteht ein automatischer Schlag des Ventrikel. Das P’' ruft keine Ventrikelsystole hervor, weil sie in die refraktäre Periode des automatischen Schlages fällt, sie de- formiert aber durch Superposition die Stromkurve der automatischen Ventrikelsystole. Diese deformierte Kurve, deren Entstehungs- geschichte uns mehr oder weniger klar ist, gleicht vollständig der ersten Kurve nach der Vagusreizung im Versuch Fig. 14A, und wir dürfen deshalb auch in diesem letzteren Falle, die drei Systolen während der Vagusreizung natürlich mitgerechnet, eine automatische Entstehung der Schläge annehmen. Die Vertiefung der Spitze 7 als Folge der Vagusreizung ist vorhanden, erscheint aber sehr schwach ausgesprochen. Was die Dauer zwischen den Spitzen R und 7 anbetrifft, so ist dieselbe in der Tat um ein sehr geringes verlängert, wie Einthoven es angibt. Das Auftreten von atypischen E. K. G. während der Vagusreizung konnte ich bloss als eine ganz seltene Erscheinung beobachten. Im Gegenteil hatte ich Gelegenheit, mich mehrere Male zu überzeugen, dass die aus irgendwelcher Ursache in grösserer Zahl auftretenden Extrasystolen mit atypischem Stromverlauf dadurch für kurze Zeit zum Schwinden gebracht werden konnten, dass man den Vagus reizte. Als Ursache, die zur Ausbildung von Extrasystolen mit atypischem E.K.G. führen kann, ist unter anderem die Chloroformnarkose zu nennen; ich bin jetzt daran, Versuche über eventuelle Änderung des E.K.G. beim Menschen während der Chloroformnarkose bei chirurgischen Operationen auszuführen. In Fig. 15, Taf. XVII sehen wir das Resultat eines Versuches mit Reizung des Vagus während einer ganz abnormen Herztätigkeit, deren Grund ich, wie gesagt, im Einflusse des Chloroforms vermute. Es ist sehr zu beachten, wie wenig die Blutdruckkurve uns über den abnormen Zustand des Herzens unter- richtet. Das E.K.G. des Anfangsteils der Fig. 15 zeigt sehr schön, dass der Ventrikel an verschiedenen Stellen Ursprungsort der Er- regung mit ganz abnormem Verlauf wird; es ist merkwürdig, dass trotzdem die Systolen jedesmal eine normale Drucksteigerung er- zeugen. Nach der Vagusreizung, die einen längeren Herzstillstand Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 457 bewirkt, schwinden die abnormen Systolen, und an ihrer Stelle sehen wir eine Reihe ganz normal aussehender Herzstromkurven, bis schliesslich am Ende der Figur, nachdem das Herz wiederum schneller zu schlagen anfängt, dann und wann eine Extrasystole mit atypischem E.K.G. auftaucht. Die erste Systole nach der Vagusreizung ist automatischen Ursprungs, wie in Fig. 14A, die übrigen sind durch Überleitung des Reizes von oben entstanden. Hier sehen wir auch ganz deutlich, wie der Vorhof (P) ganz allmählich seine ursprüng- liche Höhe erreicht, wogegen der Ventrikel, sowie er zum ersten Mal nach dem Vagusstillstande seine Tätiekeit entfaltet, sofort seine volle Kraft zu entwickeln scheint. Einthoven meint aus dieser Tatsache den Schluss ziehen zu dürfen, dass der Ventrikel, der bei der ersten Systole nach dem Stillstande seine volle Kraft entwickelt, dem „Alles- oder Nichts- gesetze* folet; der Vorhof aber, der im allmählichen Steigen seine Kraft erreicht, dem „Alles- oder Nichtsgesetze“ nicht folgt. Ich kann diese Meinung nicht teilen. Von einem Herzteile zu behaupten, dass es dem Gesetze „Alles oder Nichts“ nicht folgt, dürfte man nur in dem Falle, wenn dieser Herzteil auf zunehmende Reize mit immer stärkeren Systolen antworten würde. In unserem Falle haben wir aber bloss eine Zunahme der Vorhofaktion von einer ganz schwachen bis zur normalen, ohne dass uns etwas Näheres über die entsprechende Reizgrösse bekannt wäre. Wir sind ebenso berechtigt anzunehmen, dass der Vorhof während der ganzen Periode der Zunahme seiner Systolen dem „Alles- oder Nichtsgesetze“ folgt und also immer den maximalen Betrag der Kontraktionsfähigkeit gibt; diese letztere ändert sich aber von Schlag zu Schlag parallel mit der Befreiung von der Vagushemmung. Das E.K.G. mit dem Bilde der sukzessiven Zunahme der P-Zacke kann an sich weder für noch gegen das „Alles- oder Nichtsgesetz“ bezüglich des Vorhofes sprechen; nur spezielle Versuche mit künstlicher, entsprechend ge- wähler Reizstärke sind geeignet, die Frage aufzuklären. In der letzten Zeit hat auch Hering!) über den Einfluss des Vaeus auf Grund von Versuchen mit dem Saitengalvanometer be- richtet. Die Versuche sind ebenfalls am Säugetier mit blossgelegtem Herzen, aber indirekter Stromableitung von den Extremitäten an- gestellt. Der Vagus war teilweise reflektorisch durch Dyspnöe, teilweise 1) H.E. Hering, Experimentelle Studien an Säugetieren über das Elektro- kardiogramm. Pflüger’s Arch. Bd. 127 8.155. 1909. 458 A. Samojloff: ar: direkt gereizt. Durch direkte Reizung des Vagus am curaresierten Hunde beobachtete Hering eine Änderung des Elektrokardiogramms, die in einer ganz besonderen Art von stetigem Kleinerwerden der Ausschläge sich äusserte. Daneben war die Form der Stromkurve stark verändert und erinnerte an die atypische E. K.G. Einthoven’s, so dass Hering an das Auftreten von Extrasystolen infolge der Vagusreizung anfangs dachte. Durch weitere Überlegungen kam er aber zum Schluss, dass es nicht E.K.G. von Extrasystolen sind, denn sie beginnen immer mit einer Zacke, die als / von Hering gedeutet wird. Die merkwürdigen Systolen mit dem abnormen E.K.G. werden von Hering als durch Vaguswirkung abgeschwächte Systolen aufgefasst. Aus den gleichzeitig (allerdings nicht auf dem Photogramm, sondern auf berusstem Papier eines anderen Kymo- graphions) geschriebenen Suspensionskurven wird von Hering der Schluss gezogen, dass die merkwürdigen E.K.G. nicht Extrasystolen angehören, sondern dass es sich um die ihm „wohlbekannte Er- scheinung verkleinerter Kammersystolen während der Vagusreizung, mit anderen Worten um eine sehr stark ausgeprägte abschwächende Vaguswirkung auf die Kammern“ handelt. Aus den gewonnenen Erfahrungen zieht Hering folgenden Schluss: „Das Elektrokardio- gramm der Kammerextrasystolen und das der durch Vaguswirkung abgeschwächten Kammerextrasystolen können sich ähnlich sein.“ Wie früher erwähnt, habe ich das Auftreten von E.K.G. mit atypischem Verlauf während der Vagusreizung nur ganz vereinzelt beobachten können. Was die Abschwächung anbetrifit, so habe ich beim genauen Prüfen meiner Aufnahmen von dem Katzenherzen (im ganzen von Versuchen an sechs Katzen) an den vereinzelten atypischen E.K.G. allerdings dann und wann eine Verkleinerung der Zacken wahrnehmen können. Ich möchte nur sagen, dass die charakteristische Seite der Vaguswirkung meiner Erfahrung nach nicht im Auftreten von atypischen, sehr geschwächten E.K.G. besteht. Die Deutung dieser atypischen E.K.G. in Hering’s Kurven, nach welcher die- selben nicht von Extrasystolen, sondern von normal gebahnten, aber durch Vaguswirkung umgeänderten Systolen herrühren sollen, stösst auf manche Schwierigkeiten. Was zuerst die Form der in Frage stehenden E.K.G. anbetrifit, so ist dieselbe durchaus den atypischen E.K.G. Einthoven’s und denen durch künstliche Reizung her- vorgerufenen von Kraus und Nicolai ähnlich. Sie bestehen (Systole 6 und 7 der Hering’schen Fig. 7 Taf. VII) aus sehr starken entgegengesetzt gerichteten & (nach unten) und 7 (nach Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 459 oben), was für das „atypische E.K.G.“ der Extrasystolen charak- teristisch ist. Hering betrachtet aber die Zacke, die ich als R eben bezeichnete, als die sehr stark entwickelte Zacke @, was um so mehr willkürlich erscheint, als die vor der Vagusreizung ge- schriebenen E.K.G. in derselben Figur keine Spur von einer Zacke © aufweisen. Die Zacke R fehlt nach Hering dem E.K.G. der in Frage stehenden Systolen vollständig, was doch sehr merk- würdig ist. Die Zacke, die Hering als ® betrachtet, ist in der Systole 6 sehr gross, in 7 stwas kleiner, in 8 wesentlich kleiner und in 10 nur angedeutet. Von Bedeutung scheint mir aber das zu sein, was Hering nicht erwähnt, nämlich dass in der Reihe der sich allmählich abschwächenden E.K.G. einzelne auftauchen, wie z. B. in Systole 9 und 11, die mit normal gerichteten Zacken P, R und T in vollkommener Ausbildung versehen sind. Es ist schwer, sich vorzustellen, wie ein schwächender Einfluss, der immer. mehr und mehr seine Wirkung entfaltet, auf einmal für die Dauer der Systole 9 schwindet und dann für die Dauer der Systole 10 wiederum in vollem Maasse erscheint, darauf wiederum schwindet, dann das E.K.G. der Systole Il wiederum wohlausgebildet ist. Der einzige Grund, auf den sich Hering bei seiner Deutung mit vollem Rechte stützen kann, ist der, dass jeder atypischen Ven- trikelstromkurve eine P-Zacke vorangeht. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass die Überleitungszeit P—R (P—Q nach Hering) nicht die normale Dauer hat. Hering sagt von den Systolen des Ventrikels, dass sie nicht vorzeitig, sondern nachzeitig auftreten. Auch dagegen lässt sich sagen, dass die Zeit P,—A, z. B. unzweifelhaft grösser ist wie die P,— A, während der stärksten Wirkung des Vagus (übrigens ist das Ende der Vagusreizung nicht angegeben); in denjenigen Systolen dagegen, auf die es am meisten ankommt, d.h. Systole 6 und 7 (der Hering ’schen Fig.7 Taf. VII), ist die Zeit P— ER zu bestimmen ganz unmöglich, denn die Zacke hebt sich von der Nullinie nicht rasch genug. Ich meine deshalb, dass vielleicht auch in Hering’s Versuchen die Vaguswirkung nicht darin bestand, dass die Elektrogramme normal geleiteter Herzaktionen das Aussehen der Extrasystolen be- kamen, sondern dass es sich tatsächlich um eine Reihe schwächer werdender Extrasystolen gehandelt hat. B. Versuche am Froschherzen. Sämtliche Versuche mit Reizung des Vagus sind an dekapitierten, entbluteten Fröschen vorgemmnoen, was den Vorzug hat, dass alle 460 A. Samojloff: eventuellen Nebenwirkungen seitens der geänderten Bedingungen der Blutbeförderung durch Vagusreizung wegfallen und die mehr direkt das E.K.G. beeinflussenden Momente zurückbleiben. Der Vagus wurde möglichst weit bis in die Austrittsstelle aus dem Schädel präpariert, abgeschnitten und vermittels eines Fadens auf die Platin- elektroden gelegt. Die Platinelektroden waren an einem Bleistabe befestigt und liessen sich gut an der gewünschten Stelle fixieren. Viel hatte ich mit den Stromschleifen zu kämpfen, was namentlich in Anbeträcht des kurzen Nerven und der Kleinheit des Unter- suchungsobjektes überhaupt begreiflich ist. In den ersten Versuchen waren die Stromschleifen, die vom reizenden Induktionsstrome her- rührten, so stark, dass man während der Reizung absolut nichts vom E.G. sehen konnte: es waren nur äusserst starke und dünne Linien synchron mit dem Unterbrecher geschrieben. Später gelang - es mir doch, die Stromschleifen so gut abzufangen, dass man an den Galvanometerkurven auch während der stärksten Vagusreizung keine Spur von Stromschleifen wahrnehmen kann. Als Beispiel führe ich die Fig. 16, Taf. XVII an, in welcher man absolut keine Schleifen des Reizstromes finden kann; auch bezüglich anderer unten folgender Kurven gilt dasselbe. Die Ableitung des Aktionsstromes geschah in der früher be- schriebenen Weise vom Sinus und Ventrikelspitze. Gewöhnlich ver- zeichnete man gleichzeitig mit dem E.G. auch die Schattenbilder der Suspensionshebei vom Vorhof und Ventrikel resp. nur von dem einen oder von dem anderen. Als eine konstante Erscheinung der Vaguswirkung auf das E. G. des Frosches unter den beschriebenen Versuchsbedingungen nenne ich das Niedrigerwerden oder auch Umkehr der von vornherein nach oben gerichteten Zacke 7; die Zacke R bleibt so gut wie unver- ändert. Wenn oben bei einer anderen Gelegenheit gesagt wurde, dass die Zacke 7 den empfindlichsten Teil des E.G. des Herzens bildet, so bestätigt sich diese Äusserung namentlich bei der Vagus- reizung. Als ein Beispiel zur Illustration einer typischen Wirkung der Vagusreizung sei die Fig. 16 angeführt. Wir sehen hier, wie nach der Vagusreizung (obere Reizmarke) ein lange andauernder Stillstand eintritt und darauf E.G. auftreten, an denen wir vor allem ein kleineres 7 finden, das aber weiter sich vergrössert und dann zur Norm zurückkehrt. Das Verhalten der Vorhofzacke bei diesem Versuch wurde schon früher bei einer anderen Gelegenheit be- schrieben. Es sei noch bemerkt, dass die Zeit P—R infolge der Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 461 Vagusreizung nicht grösser wurde, wie es von Einthoven und von Hering für das Säugetierherz beschrieben wurde; denn die erste Zeit- distanz P—R nach dem Aufhören der Vagusreizung ist entschieden kleiner wie in den darauf folgenden zweiten, dritten usw. Systolen. Was mir noch von Bedeutung zu sein scheint, ist die Abkürzung der Zeitdistanz R—T infolge der Vagusreizung. Wie oben erwähnt wurde, zählt Einthoven zu den konstanten Veränderungen des E.K.G. durch Vagusreizung eine wenn auch geringe Zunahme des Intervalls R— 7, was auch ich am Säugetier bestätigen könnte. Am E.G. des Froschherzens dagegen ist es sehr deutlich zu sehen, dass das R—T der ersten Systole nach dem Vagusstillstande klein ist, und wie diese Grösse weiter sukzessive zunimmt. Im Abschnitt über das E.G. des Froschherzens nach künstlicher Reizung sahen wir, dass das einer Systole vorhergehende Ruheintervall die Dauer des ganzen E.G. und die Grösse der Zacke T unter gleichen Bedingungen beeinflusst. Im Versuch Fig. 16 sahen wir aber, dass nach einer grossen Periode des Stillstandes eine E.G. mit einer verkürzten Verlaufsdauer (R—T) und verkleinertem 7 resultiert. Die auf Vaguswirkung zurückgeführten Veränderungen des E. G. können also nicht durch die lange Ruhepause erklärt werden, sondern müssen nur der direkten Vaguswirkung zugeschrieben werden. Von besonderem Werte sind diejenigen Fälle, wo es zu keinem Stillstande kommt, und wo man nur eine ganz leichte Verlangsamung der Herzschläge neben grossartigen Veränderungen des E.G. wahr- nimmt, weil man da eine am meisten vollkommene direkte Wirkung des Vagus zu beobachten Gelegenheit hat. So einen Fall sehen wir im Versuch Fig. 17, Taf. XVIII. Die Vaguswirkung verursacht hier neben einer leichten Verlangsamung eine ausgesprochene Absehwächung der Vorhofskontraktion, die nach dem Aufhören der Reizung (obere Reiz- marke) ganz allmählich zur Norm zurückkehrt; dagegen finden wir an der Ventrikelsuspensionskurve eine ganz minimale Abnahme der Kontraktionsgrösse. Nichtsdestoweniger sind die Veränderungen der Ventrikelstromkurve sehr auffällie: das 7 wird sofort nach der Vagusreizung geringer, um gleich darauf nach der entgegengesetzten Richtung auszuschlagen. Die Distanz R—T ist auch hier infolge der Vagusreizung kleiner geworden; die Verkürzung dieser Zeit- distanz ist in diesem Versuch noch auffälliger wie in dem früher besprochenen. Das genauere Betrachten der Art und Weise, wie die Zacke 7 kleiner wird, und wie das negative 7 entsteht, führt zum Schluss, 462 A. Samojloff: dass die Zacke 7 nicht einfach zur negativen wird, sondern dass vielmehr neben der Verkleinerung und dem Verschwinden der Zacke T und gleichzeitig damit schon eine negative Zacke sich aus- bildet. Entsprechend der zweiten und dritten Systole nach Anfang der Vagusreizung finden wir E.G., an denen man neben der posi- tiven Zacke bereits eine negative gut sehen kann. Ich habe an denjenigsn Perioden, in welchen man letzteres beobachtet, + 7 und — T gesetzt. Darauf folgen E.G. nur mit negativen T-Zacken. Nach dem Aufhören der Vaguswirkung beeinnt das veränderte E.G. seine ursprüngliche Form zu bekommen, und wir erhalten dabei als Überganesform wiederum ein E.G. mit positivem und negativem T, wobei — 7 bald Null wird, wogegen + 7, immer sich vergrössernd, die ursprüngliche Höhe bald erreicht. Dem Angeführten gemäss er- scheint das Entstehen des negativen 7 ein selbständiger, von der Vagusreizung abhängiger Vorgang zu sein; es entwickelt sich eine negative Einsenkung, in die die normale positive Zacke mit ein- gezogen wird. Die Spitze der negativen 7-Zacke liegt näher zur R-Zacke als die der positiven, und das ist vielleicht mit ein Grund, weshalb die Dauer R—T durch Vagusreizung kleiner wird. Die Vaguswirkung auf die Herzstromkurve des Frosches unter- scheidet sich demnach von der früher am Säugetier beschriebenen erstens dadurch, dass am Froschherzen die Verkleinerung resp. das Negativwerden der ursprünglichen positiven 7-Zacke ein am meisten charakteristisches Zeichen der Vagusreizung bildet, während beim Säugetier die betreffende Veränderung als eine inkonstante Er- scheinung auftritt; zweitens wird beim Säugetier die Zeitdauer R—T dureh Vagusreizung etwas verlängert, beim Frosch dagegen etwas verkleinert. Es lässt sich freilich nicht ohne weiteres entscheiden, ob diese Unterschiede von der Verschiedenheit des Untersuchungs- objektes, also Säugetier und Kaltblüter, oder von den in beiden Fällen sehr abweichenden Versuchsbedingungen abhängen. Interessant wäre es, die Versuche mit Vagusreizung am vom Kreislauf isolierten Säugetierherzen zu wiederholen. Es kam in mehreren Versuchen vor, dass die Verkleinerung der T-Zacke nicht mit der stärksten chronotropischen Vaguswirkung zeit- lich zusammenfiel, sondern dass nach dem Stillstande zunächst ein E.G. mit nicht verkleinerter, zuweilen sogar mit vergrösserter T-Zacke auftrat; darauf aber machte sich sofort eine Verkleinerung bemerkbar, die sehr hohe Grade erreichen konnte, woraufalles wiederum zur Norm zurückkehrte. Ein solches Beispiel haben wir im Versuch Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. 463 Fie. 18, Taf. XVII. Leider aber war in diesem Falle die Reizmarke aus Versehen nicht mitregistriert, so dass ich die Zeitabgrenzung der Reizung des Vagus approximativ nach anderen Kennzeichen mar- kierte; ich wollte aber gerade diese Figur anführen, weil sie besonders instruktiv ist. Im ersten E.G. nach der Vaeusreizung erscheint 7 sehr hoch, im zweiten ist es etwas kleiner, im dritten ganz klein und mit P verschmolzen, im vierten kaum angedeutet. Als eine Besonderheit dieses Falles tritt noch eine leichte Frequenzzunahme der Schläge nach dem Vagusstillstande ein, die dann weiter rasch ver- schwindet; dem Gesagten zufolge sehen wir anfangs die Verschmelzung von T und P, worauf die beiden Zaeken wiederum auseinandergehen. Warum das 7 gleich nach dem Vaeusstillstande so gross er- scheint, ist schwer anzugeben. Man könnte allerdings an die früher besproehene Wirkung der verlängerten Ruhepause denken; dann müsste man sich vorstellen, dass in den Fällen, wo die Vagusreizung sofort nach dem Stillstande zu einem E.G. mit verkleinertem 7 führt, die Vaguswirkung die Wirkung der verlängerten Pause über- kompensierte. Anderseits könnte man auch daran denken, dass man bei Vaeusreizung neben den hemmenden auch die besehleunigenden im Frosehvagus verlaufenden Fasern reizt, und dass die Vergrösserung von 7 eine antagonistische Wirkung der beschleunigenden Fasern darstellt. Als Stütze für diese Vermutung würde noch der Umstand sprechen, dass wir im Versuche Fig. 18 gerade nach dem Stillstande eine vorübergehende Frequenzzunahme beobachteten. Ir Fig. 19, Taf. XVIII sehen wir wiederum als Folge der Vagus- reizung das Niedrigwerden der Zacke 7, die später zur Anfangsgrösse zurückkehrt. Das Merkwürdige in diesem Falle ist das Auftreten von automatischen Ventrikelschlägen nach der Vagusreizung. Als auto- matisch und nicht von oben hereeleitet darf man die Schläge des- halb nennen, weil man an den Suspensionskurven sofort nach dem Aufwachen der Vorhoftätiekeit bemerkt, dass der Vorhof nach dem Ventrikel schlägt. Man muss sich vorstellen, dass in diesem Fall die Reizerzeugung distal vom Überleitungsbündel im Muskelgewebe entsteht, und dass der Reiz erstens in der gewöhnlichen Weise den Ventrikelmuskel durchläuft, zweitens aber retrograd mit Verspätung im Leitungsbündel an den Vorhof gelangt. Der fünfte Schlag des Vorhofes erscheint aber schon früher als der Ventrikelschlae, und das geht so weiter bis an das Ende der Figur ohne Störung. Das auffallendste® Ergebnis dieses Versuches besteht darin, dass, soweit A644 A. Samojloff: uns das E.G. belehrt, der Vagus die automatischen Ven- trikelschläge ebenso beeinflusst wie die in gewöhn- licher Weise durch Überleitung der Reize von oben auftretenden; in beiden Fällen wird das 7 niedriger‘). Wären die Suspensionskurven nicht mitaufgezeichnet, so würde man (wegen des Fehlens von P) infolge der ganz allmählichen Steigerung der unmittelbar nach der Vagusreizung kleinen Zacke T den ganzen Sachverhalt nicht aufdecken können. Ich übergehe verschiedene Konsequenzen, die man aus dem obigen Ergebnis bezüglich mancher prinzipieller Fragen der Vagus- einwirkung auf das Herz ziehen könnte, und möchte nur auf eine Konsequenz hinweisen, die uns zu einer neuen Fragestellung führte und zum Ausgangspunkt einer neuen gleich mitzuteilenden Versuchs- reihe wurde. Wir haben früher im Abschnitt über die Form des E.G. bei künstlichen Reizen gesehen, dass beim künstlichen Reiz die 7T-Zacke diejenige Richtung behält, die sie auch beim normalen Schlag besitzt. Es war auch die Vermutung ausgesprochen, dass 7 als aus mehreren und jedenfalls aus zwei Komponenten bestehend betrachtet werden kann, von denen die eine möglicherweise nicht direkt mit der Er- resungsleitung im Muskelsystem des Ventrikels in Zusammenhang steht. Nicht unwahrscheinlich schien es, dass die Vagusreizung, die die positive 7-Zacke der normalen und automatischen Schläge ver- kleinert resp. in eine negative verwandelt, denselben Fffekt auch auf die T-Zacke der künstlichen Reize ausüben würde. Die Ver- suche bestätigten diese Vermutung. Eine Reihe diesbezüglicher Versuche gestaltete sich folgender- maassen: Das Herz eines dekapitierten Frosches war in derselben 1) Es sei darauf hingewiesen, dass die geschilderte Wirkung der Vagus- reizung auf die Form des Ventrikelstromes bei automatischen Schlägen mit den Resultaten der Versuche von ©. Rothberger und H. Winterberg nicht über- einstimmt. Diese Autoren haben an Hunden bei Ableitung der Herzströme vom Ösophagus und Rectum und bei geöffnetem Thorax beobachtet, dass die im Ver- laufe der Vergiftung mit Muskarin u. a. entsprechenden Giften auftretenden auto- matischen Schläge durch die Vagusreizung unbeeinflusst bleiben. (C. Roth- berger und H. Winterberg, Pflüger’s Arch. Bd. 132 8.233, vgl. S. 238. 1910.) Allerdings negieren die Autoren bloss die chronotropische Wirkung des Vagus auf die automatischen Ventrikelsystolen und äussern sich nicht über Be- einflussung des E.K.G. während der Reizung. Aus den beigegebenen Tabellen sieht man aber, dass die Form des E.K.G. während und nach der Vagusreizung dieselbe wie vor der Reizung bleibt. Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens, 465 Unterschiede, ‚dass noch die Elektroden für die künstliche Reizung der Ventrikelspitze hinzukamen. Im Laufe einer Zeit wurde das Herz dureh künstliche Reize der Ventrikelspitze mit einer bestimmten Frequenz gereizt; während dieser künstlichen rhythmischen Reizung kam noch für eine relativ kurze Periode die Vagusreizung hinzu. Um sicher zu sein, dass die Vagusreizung stark genug war und eine Wirkung auf das Herz ausübte, fügte ich noch die Verzeichnung der Suspensionskurve des Vorhofs hinzu. Das Resultat eines der- artigen Versuches sehen wir in Fig. 20, Taf. XIX. Sämtliche Systolen dieser Figur sind künstlich erzeugt. Anfanes vor der Vagusreizung hat man noch kein regelmässiges Bild der E.G., weil der Reiz vom Ventrikel auf den Vorhof nicht übergeleitet wird und deshalb dann und wann zwischen die künstlich erzeugten Systolen sich nor- male hineinschieben; ausserdem wird das Bild der V.E.G. durch den im normalen Tempo schlagenden Vorhof mit seiner in ver- ‚sehiedene Phasen der künstlichen V.E.G. fallenden Zacke P gestört. Die erste Vaguswirkung. erzeugt keine auffällige Wirkung auf das E.G.; das ist aber nicht zu verwundern, weil vermutlich die Reiz- stärke ungenügend war, was man aus der kaum wahrnehmbaren Wirkung des Vagus auf den Vorhof (Suspensionskurve) ersehen kann. Der Reiz wurde deshalb verstärkt und eine zweite Reizung vor- genommen. Jetzt blieb der Vorhof bald stehen, und sofort waren die T-Zacken der künstlich erzeugten E.G. auffallend niedriger ge- worden — und in Übereinstimmung mit der Beobachtung über den Einfluss des Vagus auf die normalen Systolen verkürzte sich de Zeitperiode AR—T ganz bedeutend. Soweit ist der Versuch durchaus beweisend. Das einzige, war hier noch fehlt, ist die Rückkehr der entstellten E.G.-Form nach Beendigung der Reizung des Vagus zur Norm, wie.das immer in früheren Figuren der Fall war. Ich gebe deshalb noch eine andere Fig. 21, Taf. XIX, in der man auch die Rück- kehr zur Anfangsform beobachten kann. Man sieht hier ebenfalls den Vorhof in seinem .eigenen vom Rhythmus des: künstlich gereizten Ventrikels abweichenden Rhythmus schlagen; die P-Zacke fällt in verschiedene Phasen des V.E.G. Sofort nach Beginn der Vagus- reizung bleibt der Vorhof still, und der Ventrikel setzt seine künst- lieh erzeugten Systolen weiter fort. Sehr bald macht sich aber an denselben eine Veränderung wahrnehmbar: die Zacke 7 wird immer niedriger und die Zeitdauer R—T ganz bedeutend gekürzt. Die Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 185. al :66 A. Samojloff: Nachwirkung ist wahrscheinlich infolge des starken und nachhaltigen Reizes sehr ausgesprochen, so dass die erste Vorhofäusserung als P im E.G. erst nach Verlauf von etwa acht Sekunden nach Ende der Reizung erscheint und die erste Erhebung der Suspensionskurve des Vorhofs nur nach etwa 20 Sekunden zustande kommt. Gleichzeitig lässt sich auch die Tendenz zur Rückkehr zur Norm am E.G. be- obachten. Da aber die Umdrehung der Trommel sehr bald zu Ende . kommen musste und das E.G. in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit vermutlich nicht die Ausgangsform erlangen konnte, so wurde die Trommei im Laufe etwa einer Minute angehalten und darauf wiederum zur Ausführung des letzten Teils der Umdrehung los- gelassen; jetzt verzeichnete der Vorhof seine Verkürzungskurven und der Ventrikel die U.E.G. genau in derselben Form wie am Anfange der Figur. Wir kommen somit zur Vorstellung, dass die Vagusreizung das E. G. der verschieden im Ventrikel erzeugten Systolen, der normalen, der automatischen und durch künstlichen Reiz erweckten in ähnlicher Weise verändert, indem nämlich das 7 kleiner wird. Durch die Vaguswirkung wird also der Ventrikel in einen besonderen Zustand versetzt, in welchem er einen natürlichen oder künstlichen Reiz in der besprochenen von der Norm abweichenden Weise beantwortet. Das geht besonders klar aus den Versuchen, in welchen bei Vagus- reizung der Ventrikel abwechselnd einen künstlichen und darauf einen natürlichen Reiz beantwortet, hervor. Ich führe hier einen derartigen Versuch aus der entsprechenden Versuchsreihe an, die sich allerdings ziemlich kompliziert gestaltete. An dem relativ kleinen Versuchsobjekte wurde folgendes aus- geführt: 1. die Herzströme in beschriebener Weise vom Sinus und Ventrikelspitze abgeleitet, 2. Vorhof und 3. Ventrikel suspendiert, 4. Ventrikelspitze rhythmisch dureh Induktionsschläge gereizt und 5. der Vagus gereizt. In Fig. 22, Taf. XIX, die einen derartigen Versuch illustriert, bedeutet: die 1. obere Linie die Markierung der Dauer der rhythmischen Reizung (nicht der einzelnen Reize); den Anfang der rhythmischen Reizung eibt diejenige Stelle der Linie an, wo die Linie nach oben verschoben wird, so dass sie aus dem Bereiche der Figur ganz schwindet; der Moment der Beendigung der rhythmischen Reizung wird bezeichnet durch das Sinken resp. Wiederauftreten der oberen Linie. Von den beiden Teilen der Figur bildet der zweite die direkte Fortsetzung der ersten; der Film, auf dem die Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens, 467 Aufnahme gemacht ist, bildet ein Ganzes; nur aus besonderen Gründen wird hier die Kopie in zwei Teile geschnitten gegeben, Die 2. Linie von oben rührt vom Reizmarkierer für den Vagus her. Die 3. Linie ist die Suspensionskurve des Ventrikels und die 4. die des Vorhofs. Die 5. Linie ist das E.G. Die 6. die Zeitmarkierung mit einer Distanz von einer Sekunde zwischen den Marken. Der Anfangsteil der Figur stellt zwei normale Systolen unmittelbar vor dem Beginn der rhythmischen Reizung der Ventrikelspitze dar. Darauf, entsprechend der Marke an der ersten Linie, oben, beginnt die künst- liche Reizung, wobei, nachdem eine kurze Periode von Unregel- mässigkeiten vorüber ist, eine Reihe von Systolen im künstlich erzeugten Tempo sich einstellt; der Vorhof schlägt im früheren Rhythmus. Entsprechend dem Orte der Reizung ist die R-Zacke des Extra- systolen-E.G. nach unten gerichtet, die 7-Zacke behält ihre anfängliche Richtung nach oben und ist etwas stärker wie die T-Zacke der normalen Systolen. Nun beginnt die Vagusreizung; der Vorhof antwortet mit baldigem Stillstand, der Ventrikel schlägt natürlich im Tempo der künstlichen Reizung, und die T-Zacken seiner E.G. werden immer kleiner und kleiner. Nach Beendigung der Vagusreizung beginnen allmählich die Vorhofkontraktionen, und auch die 7 der V.E.G. werden grösser. Vordem aber alles zur Norm zurückkehrt, hört man mit der künstlichen Reizung auf. Es entsteht eine kompensatorische Pause, und darauf fängt das Herz an in na- türlicher Weise zu klopfen. Wir wissen aber ganz genau aus dem vorangehenden Teil der Kurve, dass das Herz sich von der Vagus- reizung nicht ganz erholt hat, und dass die Zacke 7 nicht die normale Grösse für künstliche Systolen-E. G. erreichte. Man kann deshalb erwarten, dass das E.G. der spontanen Schläge auch bezüglich der T-Zacke eine Veränderung im Vergleich zum E.G. der zwei ersten Systolen am Beginn der Figur aufweisen wird, was auch der Fall war. Wir sehen, dass nach der kompensatorischen Pause die ersten Systolen tatsächlich ein E.G. mit verkleinertem 7 liefern und nur etwa die achte Systole wiederum ein E.G. ergibt, das im allgemeinen dem am Anfange der Figur gleicht. Es ist somit aus dem be- schriebenen Versuch zu schliessen, dass die Vagusreizung die elektrische Äusserung der normalen und künstlich erzeugten Systolen in derselben Richtung beeinflusst. Wenn man also beim Studium des E.K.G. eine Einzelreizung am im Vagusstillstand sich befindenden Herzen ausführt, so muss az 468 A. Samojloff: Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie»des Herzens. man immer daran denken, dass ein unter solchen Umständen ‚er haltenes:E. K.G. durch Vaguswirkung beeinflusst: sein kann; denn die Vagusreizung ist imstande, auch den Stromverlauf der Extrasystole zu verändern. RS NE ZDIRE Der Inhalt der vorliegenden Varna lässt sich in folzonden! Worten resümieren: I. Es:werden die verschiedenen Formen der rollen des enithlödsth Froschherzens bei. direkter Ableitung systematisiert und auf eine Grundform, die der dem Säugetier-E. K.G. ähnlich ist, a -2. Es wird durch Vergleich der normalen an ehtnnke: mit der der automatischen Schläge nach der ersten Stannius’schen Ligatur gezeigt, dass auch im Froschherzen die Leitung der Nazunz auf bestimmten Bahnen geschieht. | 3. Die‘Form des Ventrikel-E.G. der durch. künstliche Reiz erzeusten Systolen erweist sich am Frosch, abweichend vom E.K.G. der Extrasystolen des Säugetierherzens, nicht immer mit entgegen- gerichteten Phasen versehen. Durch Zusammenstellung entsprechender Versuche gelangt man zu einer Regel, die sämtliche Formen der Stromkurven bei künstlicher Reizung umfasst: die R-Zacke ändert bei einer gegebenen Ableitungsweise ihr Zeichen je nach der Ventrikel- stelle, die gereizt wird; die T-Zacke dagegen behält beim künstlichen Reiz in allen Fällen diejenige Richtung, die sie im Ventrikel-E.G. des normalen Schlages aufwies. 4. Die Form des Ventrikel-E. G. ändert sich mit der Frequenz der Herzschläge. Es wird aber gezeigt, dass die Form des E.G. nicht direkt von der Zeitdistanz der Schlagfolge, sondern von‘ dem Wege, auf welchem das Herz zu der betreffenden un an- linktes abhängt. - 3 9. Die Vagusreizung bewirkt: eine typische hunderte de Ven- trikelstromes des Froschherzens; die positive Zacke T’ wird kleiner resp. negativ, das Zeitintervall zwischen den Zacken R und 7T' wird kürzer. 6. Die eben angegebene Vaguswirkung erstreckt sich nicht nur auf die normalen Systolen, sondern in derselben Weise auch auf die automatischen sowie auf die durch künstliche Reizung erzeugten Systolen. E Pflüger's Archiv für die ges. Physiologie Bd. 185, u | | | | | A ereen um nr IN 7 N | PWADUD Varta EL | Een I Pflüger's Archiv für die ges. Physiologie. Bd. 135, Tafel XVI. mn Bian At ee % 52 . 2. En a se TE ji ' f,) / um Sup GaEEmEE (EELEEISH GIEEELEEE BIENEN EEE BESCHEANES GERTEEEEN BENENNEN GcmTETETEn EEummuNEn Eisarann GrmmeEEEEm DnmErEEES BiumerEEE GIER BEaEEETENE GiaaSaEn BENTATE OSTEN MEN OEESEHETN araSEEED GISSTESEGN DIES BESEEGEE CEEIER RN LER i E BE HERE [EEE oe ELEEELrEI SI Seller = n \FHH } N En 1 ai (on nn onen mn nun nm N n ALS DR Ba Nennen re = Er, en | | | | | | | | | | | | | | | | | | | | I | | | | | | | ggg au - en en ee | Ä ww 2 - EEE a Dr in ar kan ii un mn men ren FREREBEREEIERPIPEEELF SIRBERSBESSESIESFEEFBSEC HERE E-I3BEIER LEDENBENNER TUT SER ATNIDTEFBERGEGGERES { in Kusifuskai nie An Ar ||| BER Beet ung d-Yayas. NH BLU DNB N BUN WUNDERN . a in 469 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Freiburg i. B.) Untersuchungen über reizlose vorübergehende Ausschaltung am Zentralnervensystem. II. Mitteilung. Zur Lehre von den bulbären und spinalen Atmungs- und Gefässzentren. Von Wilhelm Trendelenburg. (Mit 3 Textfiguren.) Inhaltsübersicht. SE I. Die Methode der Ausschaltung durch Abkühlung, ihre Ziele und Grund lagen. .\2. er 3 Re . 469 II. Die Lehre von Den spi nalen uns and Gefdsszentten anal ihre Be- gründung . . . ö 5 : . 477 III, Versuche über das erhalıcn von Anung und Blutdruck bei veillgker vorübergeh nder Ausschaltung des Gehirns . . . 480 a) Ausschaltung durch Abkühlung des Gehirns von er Bien aus 480 b) Ausschaltung du:ch direkte Abkühlung des Bodens der Rautengrube 486 c) Ausschaltung durch Ringskühlung des obersten Halsmarks . . . 490 DV Bulbäge Zentren und“Segmentaltheorie n. 2 Inn 750 Ver /usammenfassung: ar. See ll le Base 7a DO I. Die Methude der Ausschaltung durch Abkühlung, ihre Ziele und Grundlagen. Die für das Studium der Funktionen des Zentralnervensystems üblichen Maassnahmen der Ausschaltung von Zentralteilen leiden bisher an deın wesentlichen Übelstand, dass sie über die Folgen der Eingriffe prinzipiell sehr verschiedene Deutungen zulassen. Wir wissen nicht mit genügender Sicherheit, wann wir die beobachteten Symptome wirklich als reine Aufhebung normaler Funktionen auf- fassen dürfen, und wann wir lediglich unbeabsichtiste Neben- ' Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 32 470 Wilhelm Trendelenburg: wirkungen unserer Eingriffe vor uns sehen, die, auf Reizung be- ruhend, zu Hemmungen und Shockwirkungen auf entferntere Hirn- teile führen können. Wie schon in dem ersten Bericht!) über die hier vorgelegten Untersuchungen näher ausgeführt wurde, können wir manche Fortschritte von einer Methode erwarten, mit welcher Ausschaltungen möglich sind, welche frei von solchen Reizwirkungen sind, und welche sich zudem nach beliebig kurzem Bestehen rück- geängig machen lassen; es kann dann während ihrer Dauer zu keinerlei Veränderungen in ferneren Hirnteilen kommen, die bei den gewöhnlich geübten Ausschaltungen möglicherweise an den Folge- erscheinungen beteiligt sein könnten. Von diesen in der genannten Mitteilung näher ausgeführten Überlegungen ausgehend, versuchte ich, die Abkühlung von Zentral- teilen zu einer solchen reizlosen vorübergehenden Ausschaltung nutzbar zu machen. Vor allem forderten dazu die günstigen Er- fahrungen auf, die man schon vor längerer Zeit an peripheren Nerven der Warmblüter gemacht hatte, und über die hier zunächst eine Übersicht zu geben ist. Die Versuche, am peripheren Nerven der Warmblüter die Ab- kühlung zur reizlosen Ausschaltung zu benutzen, gehen auf Gad?) zurück. Er verwendete am Halsvagus Kupferdrähte, Thermoden genannt, die aus einer Kältemischung herausragten. Es scheint, dass er den Nerven mit dieser Vorrichtung stets zum Gefrieren gebracht hat; jedenfalls werden Temperaturen unter null Grad erwähnt, wobei allerdings zu beachten ist, dass wenigstens der Kaltblüternerv in sehr beträchtlichem Maasse die Erscheinungen der Unterkühlung zeigt, wie Bühler°) nachwies. Weitere Versuche Gad’s am Ischiadicus des Kaninchens liessen am zentralen Stumpf bei plötz- licher intensiver Abkühlung Reizerscheinungen vermissen, während bei Kühlung des peripheren Stumpfes Muskelreizung auftrat. Schon vor Gad hatte Grützner*) die Einwirkung der Ab- 1) Pflüger’s Arch. Bd. 133 S. 305—312. 1910. 2) J. Gad, Die Regulierung der normalen Atmung. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1880 S. 1— 30. 3) K. Bühler, Über den Einfluss tiefer Temperaturen auf die Leitfähigkeit des motorischen Froschnerven. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1905 S. 239—251. 4) P. Grützner, Über verschiedene Arten der Nervenerregung. Pflüger’s Arch. Bd. 17 S. 215254. 1878. Darin: I. Über die Einwirkung von Wärme und Kälte auf Nerven (S. 215—238). Bulbäre und spinale Atmungs- und Gefässzentren. ZRTENN kühlung auf den Nerven untersucht; er ging aber dabei nicht von dem Problem der reizlosen Ausschaltung aus, sondern wollte gerade die Reizwirkungen verschiedener Temperaturen studieren. Gerade deshalb können die von ihm gefundenen negativen Ergebnisse für unseren Zusammenhang als besonders beweisend gelten. Grützner verwendete ein unten hakenförmig umgebogenes Gefässchen, welches mit Thermometer versehen war, und Zu- und Abfluss trug. Die Kühlung erfolete bis nahe an null Grad. Am Ischiadicus von Kaninchen und Hunden traten bei Abkühlung des Nerven auf + 5°C. keine Zuckungen auf, Abkühlung des peripheren Vagus änderte den Herzschlag nicht. „Aber auch den zentripetal leitenden Nerven tat die Kälte nichts an, Niemals sah ich Blutdrucksteigerung oder sonstige Reflexe bei Abkühlung des zentralen Ischiadieus oder Vagus.* Auf S. 237 der genannten Arbeit Grützner’s ist ein am ceurarisierten Hund ausgeführter Versuch wiedergegeben, bei welchem also nicht etwa die Narkose Reizwirkungen verdeckt haben konnte. Während zentrale elektrische Reizung des durchsehnittenen Ischiadieus eine starke Blutdrucksteigerung hervorrief, blieb der Blutdruck be Abkühlung des Nerven auf 1 bis 3° C. unverändert. Wurde der Nerv zwischen Reizstelle und Rückenmark gekühlt, so blieben: die Reizerfolge bei einer Kühlung der Zwischenstrecke bis auf 10° C. unverändert; bei stärkerer Abkühlung mussten die elektrischen Ströme verstärkt werden, um Wirkung zu erzielen, welehe dann bei Kühlung auf + 1 bis 2° C. ganz aufhörte. Nach mehrfachen Kühlungen konnte diese Grenze in die Höhe rücken. Wurden die entsprechenden Versuche am peripheren Ischiadieusstück des morphinisierten Hundes durchgeführt, so ergab sich eine Aufhebung der Leitung für schwache Erresungen schon bei 6° C. Dass zur Ausschaltung der Nervenleitung am Warmblüter ein Gefrieren des Nerven keineswegs nötig ist, zeigen auch die neueren Versuche von Alcock!), welcher fand, dass die am Galvanometer nachweisbaren ‘negativen Schwankungen des Nervenstroms beim Kaninchen bei + 3,5° C., bei der Taube bei + 6,9° C., beim Frosch erst bei — 3,5° C. nicht mehr nachweisbar waren. Andere Werte lagen sogar noch etwas höher (+ 7,4° C. und 8,2° C. für Kaninchen und Taube). Bei Wiedererwärmen von diesen Grenztemperaturen 1) N.H. Aleock, On the negative variation in the nerves of warm-blooded animals. Proc. Roy. Soc. London vol. 71 p. 264—282. 1903. 32 472 Wilhelm Trendelenburg: aus traten wieder die negativen Schwankungen auf und entsprachen in ihrer Grösse gut den bei der allmählich fortschreitenden Ab- kühlung gefundenen Werten. Über die niedersten Temperaturen, bei welchen die Warmblüter- nerven die Funktion einstellen, erstrecken sich weiter die Uunter- suchungen von Howell, Budgett und Leonhard!). Sıe be- nutzten wieder, wie Grützner, das natürliche Erfolgsorgan als Indikator für die erhaltene Leitfähigkeit des Nerven und fanden ebenfalls, dass diese bei wenigen Graden über Null erlischt, und dass diese Grenze bei verschiedenen Nervenarten etwas verschieden ist. Ferner ist für uns noch die Angabe der Autoren von Interesse, dass eine einstündige Abkühlung mit Leitungsunterbrechung den Nerven nicht schädigt. ; Angaben darüber, dass durch Abkühlung eine reizlose Aus- schaltune besonders des Vagus erzielt werden kann, finden sich ferner bei Knoll?) und bei Boruttau?°). Dass dabei ein Gefrieren- lassen nieht notwendig ist und die Ausschaltung mehrmals wiederholt werden kann, hebt besonders Boruttau hervor, der in der Fig. 26 seiner erstzitierten Arbeit ein Beispiel der Vagusausschaltung vom richt narkotisierten Kaninchen brinst. Am Ischiadieus der Katze fand Boruttau die zentrifugale Leitung bei + 7° C. aufgehoben, die zentripetale schon bei + 8 bis 9° GC. Negative Schwankungen wurden von ihm allerdings bis zum Gefrierpunkt herab gefunden. Im peripheren Vagus war am Kaninchen schon bei + 10 bis 15° C., beim Hunde bei 9° C., bei der Katze bei 5 bis 7° C. die Leitung, an der Herzwirkung untersucht, aufgehoben. Die zentripetale Wirkung, an der Atmung untersucht, hörte bei + 3°, in einigen Fällen schon bei etwas höherer Temperatur auf. Da Boruttau 1) W. H. Howell, S. P. Budgett and E. Leonard, The effect of stimulation and of changes in temperature upon the irritability and conductivity of nerve-fibres. Journ. of physiol. vol. 16 p. 2938—8318. 1894. 2) Ph. Knoll, Beiträge zur Lehre von der Atmungsinnervation. 2. Mitt. Sitzungsber. d. math.-naturw. Klasse d. Wiener Akad. d. Wissensch. Bd. 86 Abt. 3 8. 48—66. 1833, darin S. 62. 3) H. Boruttau, Untersuchungen über den Lungenvagus. Pflüger’s Arch. Bd. 61 S. 39—76 1895, darin S. 55. — H. Boruttau, Beiträge zur all- gemeinen Nerven- und Muskelphysiologie. Pflüger’s Arch. Bd. 65 S. 1—25. 1897, darin 2. Abhandl.: Über die Wirkung der Kälte auf die Nervenleitung. S. 7—20. Bulbäre und spinale Atmungs- und Gefässzentren. 473 Reizstärken verwendete, die vor der Kühlung der Zwischenstrecke des Nerven maximale Wirkungen auslösten, kann um so. mehr geschlossen werden, dass die von ihm ermittelten Temperaturgrenzen der Nervenleitung auch den normalen Erregungen gegenüber gültig sind, die solchen maximalen künstlichen Erregungen an Stärke sehr wesentlich nachstehen dürften (z. B. normale Atemimpulse). Wenn Fröhlich!) im Gegensatz zu den bisher berichteten Befunden bei Abkühlung Reizwirkungen auftreten sah, so liegt dies, wie neuerdings besonders Lieben?) betonte, an den angewandten extrem tiefen Temperaturen, die ein momentanes Gefrieren des Nerven hervorrufen. So wurde von Fröhlich eine Kohlensäure- schnee-Äthermischung von — 80° C. verwendet. Auch die in anderen Versuchen verwendete Temperatur von — 15° C. dürfte zum Zwecke der Ausschaltung unnötig tief gewählt sein. Aus den berichteten Untersuchungsergebnissen, denen die An- gaben von Marckwald°®), von Lindhagen*) und von Tait?°) noch angereiht werden können, welche die hier interessierenden Fragen zum Teil nur kurz berühren, geht meiner Ansicht nach mit Sicherheit hervor, dass man die verschiedensten peripheren Nerven der Warmblüter durch Abkühlung bis nahe an den Gefrierpunkt reizlos und vorübergehend leitungsunfähige machen kann für Er- regungen solcher Stärke, welche diejenige der adäquaten Erregungen übertrifft. Nach den vorliegenden Untersuchungen konnte es hingegen wenig empfehlenswert erscheinen, am Zentralnervensystem Ge- frierungen vörzunehmen, wie es schon vor längerer Zeit am Kalt- 1) Fr. W. Fröhlich, Über die Wirksamkeit verschiedener Ausschaltungs- methoden (Kälte, tripolarer Elektrotonus, Ammoniak und Narkose) auf sensible und motorische Kalt- und Warmblüternerven. Pflüger’s Arch. Bd. 113 S. 418-432. 1906. — Fr. W. Fröhlich, Über reizlose Vagusausschaltung Pflüger’s Arch. Bd. 113 S. 433—464. 1906. 2) S. Lieben, Über die reizlose Vagusausschaltung durch Kälte. Pflüger’s Arch. Bd. 118 S. 247—259. 1907. 3) M. Marckwald, Die Atembewegungen und deren Innervation beim Kaninchen. Zeitschr. f. Biol. Bd. 23 S. 149-283 1837, darin S. 162. 4) E.Lindhagen, Über den Einfluss der Ausschaltung der Nervi vagi auf die Atmung beim Kaninchen. Skand. Arch. f. Physiol. Bd. 4 S. 296—819. 1893. 5) J. Tait, The freezing of frogs nerve with spezial reference to its fatiga- bility. Quart. journ. of exper. physiol. vol. 1 p. 79—96. 1908. 474 Wilhelm Trendelenburs: blüter von Dubois'), am Warmblüter neuerdings von Pike?) ge- schah. Es soll hier nicht geleugnet werden, dass auch mit diesem Verfahren Reizungen im gewöhnlichen Sinne vermieden werden können, wie es offenbar in Pike’s Versuchen der Fall war; doch wird hierfür womöglich eine etwas tiefere Narkose anzuschuldigen sein. Jedenfalls aber beeibt man sich bei dieser Methode des Vor- teils, die Ausschaltungen rückgängig machen und beliebig oft wieder- holen zu können, und der sicheren Stütze, die für unsere Schlüsse aus dem Vergleich mit dem Verhalten des peripheren Nerven ge- nommen werden kann. Auch die Anämie, durch welche Pike eine shockfreie Aufhebung der Tätigkeit der höheren Hirnteile zu erreichen versuchte, ist nicht einwandfrei, indem sie wenigstens zu Beginn und am wenig narkotisierten Tier die bekannten von Kussmaul und Tenner?) gefundenen Krämpfe auslöst. Dass die Anämisierung, deren An- wendungsbereich im übrigen nur ein sehr begrenzter ist, unter be- sonderen Bedingungen angewendet werden kann, ohne von Reiz- erscheinungen im gewöhnlichen Sinne gefolgt zu sein, ist von Pike gezeigt worden, auf dessen Untersuchung an anderer Stelle später zurückzukommen ist. Aus dem gleichen Grunde können auch die Verfahren zur un- blutigen Ausschaltung durch Gefässunterbindung oder durch Embolie die im übrigen wertvolle Hilfsmittel darstellen, nicht zur reizlosen Ausschaltung verwendet werden. Als ich selbst meine hier und in späteren Mitteilungen zu be- schreibenden Untersuchungen durchführte, waren mir keine Angaben darüber bekannt, dass eine Verwirklichung einer reizlosen Aus- schaltung schon versucht worden war. Während ich diesen Bericht niederschrieb, teilte mir Herr Prof. Asher, durch meine vorläufige Mitteilung veranlasst, freundlichst mit, dass er vor längerer Zeit Versuche erwähnte, welche in dieser Richtung gingen, und welche 1) R. Dubois, Sur les mouvements de la queue coupee du l&zard anesthesie. Compt. rend. soc. biol. 1893 p. 915—917. 2) F. H. Pike, Studies in the physiology of the central nervous system. I. The general phenomena of spinal shock. Americ. journ. of physiology vol. 24 p. 124—152. 1909. 3) A. Kussmaul und A. Tenner, Untersuchungen über Ursprung und Wesen der fallsuchtartigen Zuckungen bei der Verblutung, sowie der Fallsucht überhaupt. Moleschott’s Unters. z. Naturlehre Bd. 3 S. 1. 1857. Bulbäre und spinale Atmungs- und Gefässzentren. 475 ich zu meinem Bedauern übersehen habe. Asher!) spricht in seinem zusammenfassenden Aufsatz von den Versuchen zur all- mählichen unblutigen Ausschaltung der höheren Hirnteile und fährt dann fort: „Die lokale Narkose ist, wie zu erwarten stand, gleich- falls in Anwendung gezogen worden; es scheint, dass Francois Franck der erste war, welcher die Medulla oblongata behufs Studium der Gefässinnervation mit Kokain ausschaltete. Kurze Zeit nach der Einwirkung desselben sinkt der Blutdruck in genau derselben Weise wie nach der blutigen Durchschneidung. Da nun Kokain gleichzeitig eine ziemlich intensive Anämie verursacht, bleibt selbst hier der Einwand, die erregende Wirkung der letzteren könne mit im Spiel sein. Deshalb habe ich neuerdings mich des £-Eukains (Eucainum hydrochloricum B. Schering’) in 2°/oiger Lösung be- dient, da dasselbe im Gegensatz zum Kokain Hyperämie macht. Genau aber wie bei diesem sinkt kurze Zeit nach Aufträufeln einiger Tropfen in den vierten Ventrikel der Blutdruck herab, zugleich mit dem Aufhören der Atmung und dem Verschwinden der Kopfreflexe. Die Reflexe des Rumpfes und der Extremitäten hingegen sind gut erhalten, ein Zeichen, dass das Rückenmark nicht gelitten hat- Lässt man künstlich atmen, so kann nach einiger Zeit die Wieder- kehr des Gefässtonus und der Atmung beobachtet werden. Das Spiel des Aus- und Einschaltens der Innervationsapparate des Kopf- markes kann beliebig oft wiederholt werden. Namentlich die zuletzt berichteten Tatsachen sprechen in hohem Maasse dafür, dass die höheren Zentralteile den normalen Tonus der Blutgefässe erhalten, und dass die Ausschaltung zentraler Teile denselben deshalb mindert, weil die Gefässe der Herrschaft: der höheren Zentren entzogen werden.“ Auf andere schon weiter zurückliegende Bemühungen, reizlose vorübergehende Ausschaltungen zu erzielen, ist gleich zurück- zukommen. Hier ist zunächst von Interesse, dass der von Asher eingeschlagene Weg ein anderer ist, wie der von mir gewählte. In einer, wie mir scheint, prinzipiell so wichtigen wie hier nach einer geeigneten Methode gestellten Frage, ist es sehr zu be- srüssen, wenn sich mehrere Wege als gangbar erweisen und die 1) L. Asher, Die Innervation der Gefässe. I. Die zentrale Gefässinnervation und der periphere Gefässtonus. Ergebn. d. Physiol. Bd. 1 (2) S. 346—376. 1902, darin S. 366 und 367. 476 Wilhelm Trendelenburg: gewonnenen Resultate sich gegenseitig stützen und ergänzen. Da mir eigene Erfahrungen über die Anwendung lokal-anästhesierender Mittel in dieser Frage fehlen, möchte ich mir kein Urteil über diese Methode erlauben; dies wäre wohl auch nur möglich, wenn man an der Hand von Kurven näheren Einblick in den Ablauf der Aus- schaltungen gewönne. Von den am peripheren Nerven so vielfach angewendeten Mitteln zur reizlosen Ausschaltung, nämlich der Ab- kühlung, der lokalen Narkose, des Anelektrotonus, der Ammoniak- anwendung schien mir von vornherein die Abkühlung am Zentral- nervensystem das aussichtsreichste zu sein, weil sie sich am uni- versalsten anwenden lässt, worüber allerdings erst die späteren Mitteilungen vollen Aufschluss geben werden. Ferner ist in einem Punkte die Abkühlung sehr überlegen, nämlich in der Schnelliekeit, in welcher der Wechsel zwischen Ausschaltung und Wieder- einschaltung vorgenommen werden kann. Dass ich aber die Be- deutung der Narkoseversuche und der mit ihnen gemachten Fort- schritte dabei nicht verkenne, brauche ich wohl kaum besonders hervorzuheben. Wie schon angedeutet, fand ich seit Drucklegung meiner vor- läufigen Mitteilung noch eine ältere Arbeit, in welcher ebeufalls schon das Problem der reizlosen Ausschaltung richtig erkannt und seiner Lösung räher getreten wurde. Es handelt sich um Versuche von Fredericq!), welche wenig beachtet wurden. Nach Be- sprechung der Hemmungstheorie von Brown-Sequard und Langendorff sagt Frederieq: „L’experience pour ätre con- eluante devrait consister & supprimer ou ä& de&primer l’activit& de la moelle allongee par un agent, que l’on puisse d’aucune facon aceuser d’avoir produit une exeitation m&me passagere. Or le re- froidissement progressif et local du bulbe me semble r&pondre & cette condition.“ Hierbei wird auf die oben berichteten Unter- suchungen von Gad und von Grützner Bezug genommen. Auf die freigeleste Medulla werden Eisstückchen gelegt, das Schmelz- wasser mit Fliesspapier weggesaugt. Ist die Durchblutung durch Karotidenunterbindung vermindert, so erhält man eine Verlangsamung der Atembewegung. Obgleich diese Versuche technisch noch sehr wenig vollkommen sind, so erscheinen sie doch sehr beachtenswert. Il) L. Fredericg, Experiences sur l’innervation respiratoire. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1883 Suppl. S. 51—68. Bulbäre und spinale Atmungs- und Gefässzentren. 477 Weniger seeienet ist das weitere Verfahren, bei welchem der Nacken des Tieres bei freigelerter Membrana atlanto-oceipitalis und gebeugtem Kopf in eine Salzmischung von —15 bis —20 ° getaucht wird, so- wie die Anwendung eines „jet d’ether pulverise“ auf die Medulla. Reizlose Ausschaltung durch Gefrieren haben später noch Dubois so- wie Pike versucht, was schon zugleich mit den diesem Verfahren ent- gegenstehenden erheblichen Bedenken erwähut wurde. An dieser Stelle sei ferner noch nachgetragen, dass Marck wald!) am Medulla- quersehnitt, den er oberhalb des Atemzentrums anlegte, eine Ab- kühlung anwandte, indem er an den Querschnitt eine flach aus- gehämmerte Doppelkanüle anlegte, die mit Kältemischung von —5° abeekühlt war. Marckwald fasst die Folgen dieses Eingriffes als Reizwirkungen auf. Die aus meinen bisher durchgeführten Versuchen zu entnehmen- den Beweise dafür, dass eine Abkühlung von Zentralteilen bis etwas oberhalb des Gefrierpunktes des Nervengewebes tatsächlich imstande ist, die normalen Erregungsprozesse reizlos und vorübergehend auf- zuheben, habe ich schon in meiner ersten Mitteilung angeführt. Ich komme auf diesen Punkt hier nicht wieder zurück, da sich die Einzelheiten aus den späteren Schilderungen des näheren von selbst ergeben. II. Die Lehre von den spinalen Atmungs- und Gefässzentren und ihre Begründung. Die Tatsache, dass nach einer Durchschneidung des obersten Halsmarks die Atmung sistiert und der Blutdruck (unter Umständen nach anfänelicher Steigerung) absinkt, hat bekanntlich zu der An- nahme oeführt, dass Atmung und Gefässinnervation von im Kopf- mark gelesenen Zentren beherrscht werden. Schon Brown- 'Sequard?) und später besonders Langendorff°®) und Wert- heimer*) haben aber dieser Ansicht Beobachtungen entgegen- 1) M. Marckwald, Die Atembewegungen und deren Innervation beim Kaninchen. Zeitschr. f. Biol. Bd. 23 S. 149—283. 1887, darin S. 232. 2) Brown-Sequard, Recherches experimentales sur la physiologie de la moelle allongee. Journ. de la physiol. 1860 151--157, darin p. 159. 3) OÖ. Langendorff, Studien über die Innervation der Atembewegungen. I. Mitt. Über die spinalen Zentren der Atmung. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1880 S. 515—549. 4) E. Wertheimer, Recherches experimentales sur les centres respiratoires 478 Wilhelm Trendelenburg: gehalten, welche zeigten, dass unter Umständen auch nach Ab- trennung des Kopfmarks noch Reflexe auf die Atemmuskulatur, ja sogar rhythmische Atembewegungen erhalten werden. Langendorff stellte seine Beobachtungen an jungen, nicht narkotisierten Tieren an. Schon ohne weiteres Zutun, noch besser aber nach leichter Strychninvergiftung, bei welcher bis zum Vorüber- gehen der Streckkrämpfe künstlich respiriert wurde, konnten durch Streichen der Analgegend, Pfotenreizung, Anblasen der Haut Zwerch- fellreflexe ausgelöst werden, die bei rhythmischer Wiederholung des Reizes ganz den Eindruck einer regelmässigen Atemtätiekeit machten. Auch können auf nicht rhythmisch wiederholten Reiz Serien von Zwerchfellkontraktionen auftreten, die mit normalen Atembewegungen verglichen werden, und die in der Tat zum Teil ein sehr regel- mässiges Aussehen zeigen (vgl. Langendorff’s Abb.7—10). Diese von Langendorff in vielen Versuchen übereinstimmend erhobenen Befunde genügen seiner Ansicht nach, „um der M. oblongata die Glorie eines primum movens der Atmung zu entreissen“. Um den bei erwachsenen Tieren nach Kopfmarkabtrennung stets eintretenden Atemstillstand zu erklären, greift Langendorff auf die G oltz’sche Annahme von anhaltenden Hemmungswirkungen des Schnittes zurück, die Goltz zur Erklärung der bei Eingriffen am Rückenmark zu beobachtenden Eigentümlichkeit aufgestellt hatte, dass die ver- schiedensten Reflexe und tonischen Innervationen sich nach anfäng- licher Herabsetzung erst sehr allmählich wieder herstellen. Schon Langendorff hat diese Fragen durch Wahl einer anderen Methode der Lösung näher bringen wollen, indem er die „unblutige“ Aus- schaltung des Gehirns durch hohen Verschluss der Hirngefässe aus- zuführen versuchte. Es gelang ihm aber nur einmal, die Vertebral- arterien am Epistropheus zu unterbinden, und er selbst hält diesen Fall für nicht beweisend. Nach der weiter unten von mir an- gegebenen Methode des hohen Verschlusses der Vertebralarterien würde die weitere Verfolgung dieses Planes auf keine Schwierig- keiten mehr stossen; als sehr aussichtsreich würde dieser Weg aber nicht betrachtet werden können, da es nicht auf unblutige, sondern de la moelle Epiniere. Journ. de l’anat. et de la physiol. t. 22 p. 458—507. 1886, und t. 23 p. 567—611. 1837. — Es ist hier nicht beabsichtigt, eine Dar- stellung der früheren Diskussionen über diese Fragen zu geben, da erst kürzlich Langendorff (in Nagel’s Handb. der Physiol. Bd. 4 S. 337 ff. 1909) eine Übersicht und Literaturzusammenstellung gegeben hat. Bulbäre und spinale Atmungs- und Gefässzentren. 479 auf reizlose Ausschaltung ankommt, und diese kann, wie schon be- merkt wurde, durch Anämie nicht erzielt werden. Zudem trifft die Vermutung Langendorff’s, dass bei Ausschaltung des Gehirns nach der von ihm angestrebten Methode keine Störungen auftreten würden, nicht zu. Ich sah nach beiderseitigem Verschluss der Verte- bralis am Epistropheus und Hinzukommen des Karotisverschlusses stets Atemstillstand eintreten. Aber dieser Stillstand könnte ebenso- gut wie der nach Halsmarkdurchschneidung durch Hemmung der spinalen Zentren bedingt sein. Wertheimer arbeitete an jungen und an ausgewachsenen Hunden ohne Strychninvergiftung. Nach hoher Halsmarkdurch- schneidung und künstlicher Atmung werden spinale Atemzüge in einer Frequenz von 50—90 pro Minute beobachtet, während die normale Frequenz nur 12—15 beträgt. Die einzelnen spinalen Atem- züge sind von ungleicher Höhe. Wurden die ganzen Tiere ab- gekühlt, so traten schon nach 5—15 Minuten, ja sogar schon un- mittelbar nach der Durchschneidung spinale Atemzüge ein. Es kann nach diesen Versuchen kein Zweifel sein, dass man nach Abtrennung des Kopfmarks unter besonderen Versuchsbedingungen spontane Bewegungen der Atemmuskulatur erhalten kann, welche geeignet sind, die Lunge zu ventilieren. Es ist nun vor allem weiter festzustellen, ob wirklich diese Bewegungen durch Schnittreize und Shockwirkungen nur vorübergehend unterdrückt waren, ob sie also eine Funktion der normalen Spinalzentren darstellen, oder ob sie lediglich indirekten Wirkungen der Durchschneidung auf das Rücken- mark ihre Entstehung verdanken, in welchem Falle sie also keine Schlüsse auf das normale Geschehen zulassen würden. Die ein- fachste Entscheidung dieser Schwierigkeiten, die bei einer grossen Reihe von Fragen über die Funktionen des Zentralnervensystems in ähnlicher Weise vorliegen, wäre dann möglich, wenn es gelänge, die Aufhebung der Mitwirkung der Medulla oblongata bei der Atem- innervation unter Vermeidung von Reizungen und Shockwirkungen vorzunehmen. Zur Beschreibung meiner eignen, in dieser Richtung angestellten Versuche gehe ich nunmehr über. 480 Wilhelm Trendelenburg: 1II. Versuche über das Verhalten von Atmung und Blutdruck bei reizloser vorübergehender Ausschaltung des Gehirns. a) Ausschaltung dureh Abkühlung des Gehirns von der Blutbahn aus. (Versuche 1—15.) Wie schon in der ersten Mitteilung erwähnt wurde, versuchte ich auf dreierlei verschiedene Weise, die Ausschaltungen durch Ab- kühlung zu erreichen. Es sei hier zunächst der Weg beschrieben, welcher zwar zu nicht so befriedigenden Ergebnissen führte, wie die weiterhin eingeschlagenen, welcher doch aber einiges wertvolle Material ergab, so dass ich ihn nicht ganz unberücksichtigt lassen möchte. Es handelt sich bei diesen Versuchen um die Abkühlung des ganzen Gehirns von der Blutbahn aus. Nach Analogie der neuer- dings wieder von Kahn!) ausgeführten Temperatursteigerung des Gehirns durch Erwärmung des Karotidenblutes konnte eine Abkühlung durch Kühlung des Karotidenblutes versucht werden. Es musste aber insofern sogleich in einer prinzipiell abweichenden Weise vor- gegangen werden, als es nicht genügen konnte, die intakten Karotiden in Temperierröhren einzulegen, da schon Kahn die Unzweckmässig- keit dieses Verfahrens feststellte, und als andererseits eine Aus- schliessung der Strömung in den Arteriae vertebrales zur Erzielung senügender Kühlwirkungen sich als nötig erwies. Da die bei in- takten Karotiden gefundenen Schwierigkeiten nach Kahn darauf beruhen, dass sich die Gefässe unter der direkten Einwirkung der Kälte zu stark zusammenziehen, schaltete ich in beide Karotiden je ein längeres spiralig gewundenes und mit Glasmantel umgebenes Glasrohr ein, welches zur Abkühlung des Blutes diente. Es konnte vermutet werden, dass die notwendige Temperaturerniedrigung des Blutes nicht so beträchtlich sein würde, um in den Blutgefässen des Gehirns allzugrosse Verengerungen hervorzurufen. Der Glasmantel war mit Zu- und Ablauf versehen und wurde mit Eiswasser oder mit einer einige Grade unter Null temperierten Salzlösung durch- strömt. Um Gerinnung des Blutes zu vermeiden, wurde dem Kaninchen (nur an diesem Tier wurden die Versuche ausgeführt) vor Freigebung der Blutströmung durch das Glasrohr 0,05 gr 1) R.H. Kahn, Über die Erwärmung des Karotidenblutes. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. Suppl. 1904 S. 81— 134, Bulbäre und spinale Atmungs- und Gefässzentren. 481 Hirudin!) in eine Vene oder herzwärts in die zur Druckschreibung verwendete Arterie injiziert. In dieser Dosis verwandt verhinderte das Hirudin für mehrere Stunden eine Gerinnung auch bei wieder- holter Abkühlung und Wiedererwärmung des Blutes. Während der Zeit des Einbindens der beschriebenen Temperiergefässe in die Karotiden mussten die Vertebralarterien natürlich noch offen sein, um tödliche Anämie des Gehirns zu vermeiden. Sollte der Strom in den Vertebrales in der von Kussmaul geübten Weise durch Verschluss der Subelavien aufgehoben werden, so wurden um diese schon vor dem Einbinden der Kühlgefässe Fäden geschlungen, die nunmehr einfach zurezosen zu werden brauchten. Es erwies sich dann später aber als notwendig, die Vertebralarterien weiter kopf- wärts zu fassen, und weil dabei, wie gleich zu beschreiben ist, sofort ein definitiver Verschluss der Arterien unumgänglich war, wurde dieser zuerst vorgenommen, darauf zunächst nur in die eine Karotis unter zeitweiligem Verschluss derselben das Kühlgefäss eingebunden, dann Hirudin injiziert und der Blutstrom durch dies Kühlgefäss freiseeeben. Nun wurde auch in die andere Karotis das Kühlgefäss eineebunden und das Gehirn wieder von beiden Karotiden aus durcehblutet. Wie ersichtlich, musste zeitweise die Blutzufuhr von einer einzigen Karotis aus genüzen; es werden dabei aber beim Kaninchen keinerlei Störungen beobachtet. Die erwähnte Methode zum hoheu Verschluss der Vertebral- arterien war folgende: Das Kaninchen wird mit gut nach vorn ge- beustem Kopf in Bauchlaxe aufgebunden. Über dem leicht dureh- fühlbaren zweiten Halswirbel (Epistropheus) wird die Haut und Muskulatur in der Mittellinie durchschnitten und die letztere stumpf zur Seite geschoben und durch Gewichtshaken zur Seite eehalten. Man sieht dann am Seitenabhange des genannten Wirbels eine Vene aus dem Kanal austreten, in welchem unter der Vene die Vertebral- arterie verläuft. Da eine Uuterbinduug des Gefässes hier sehr un- sicher ist, bin ich in einfacher und vollständig zum Ziele führender Weise so verfahren, dass ich mit einem Zahnstopfer oder ähnlichem Instrument einige Wattepfröpfe fest in den Kuocheukanal des Epi- stropheus stopfte, so dass die Vertebralarterie verschlossen wurde. Die wieder etwas vernähte Muskulatur und Haut verhinderten eine Lockerung des Verschlusses. Wurden nuumehr die beiden Karotiden l) von Sachsse & Co., Leipzig. 482 Wilhelm Trendelenburg: vorübergehend verschlossen, so traten die bekannten Krämpfe als Zeichen des gelungenen Verschlusses der Vertebralarterien auf. Der Blutdruck wurde in diesen Versuchen entweder von der Arteria eruralis aus geschrieben oder von einem seitenständig an dem Zuflussschlauch der einen Karotis angebrachten Rohr (Quecksilber- manometer). Die Atmung wurde mit Hilfe eines Gad’schen Atem- volumschreibers registriert, dem eine geräumige Flasche (von meist fünf Liter Inhalt) vorgelest war. Zwischen den eigentlichen Ver- suchen wurde die mit Kanüle versehene Trachea des Tieres mit der äusseren Luft in Verbindung gesetzt; auch wurde zur weiteren Ver- hütung der Dyspnoe, welche nur zu leicht eine Reizwirkung der Kälte vortäuschen konnte, die Vorlageflasche zu Beginn jeder neuen Resistrierung mit Sauerstoff ausgespült. Auch dadurch liess sich nicht ganz vermeiden, dass zu Beginn der NWISGELETVSLUDBER leicht dyspnoische Reizungen auftraten. Es seien zunächst die Ergebnisse derjenigen Versuche besprochen, in denen die Vertebrales schon an ihrem Ursprung unterbunden waren, bei denen mithin die Kühlung nicht nur das Gehirn, sondern auch das ganze Halsmark mitbetraf, da das gekühlte Blut aus den Karotiden rückwärts in die Vertebrales bis zur Verschlussstelle ge- langen musste. Abbildung 1 gibt ein Beispiel eines derartigen Ver- suches (Versuch 6 vom 23. November 1909). Es findet sich in ihr von oben nach unten übereinander geschrieben der Blutdruck (Cruralis), das Atemvolum (Inspirationen nach unten), die Druck- nullinie, die Kühlmarkierung und die Zeit in Sekunden. Das die Kühlung angebende Signal wurde stets dann geschlossen, wenn ein im Zuflussrohr der Kühlspiralen befindliches Thermometer den ersten Temperaturabfall angab, und nachher beim ersten Temperaturanstieg wieder geöffnet. Die Temperatur der Kühlungsflüssigkeit betrug hier + 6° C. Das Kaninchen befand sich in ganz oberflächlicher Äther- narkose und blieb bei den Kühlungen stets absolut ruhig; nur nach der Wiedererwärmung trat manchmal etwas Unruhe ein, welche auf die Zunahme der Blutvenosität bezogen werden muss; um eine hier- bei eintretende Veränderung der Herztätigkeit zu verhindern, waren beide Vagi am Halse durehschnitten. Auch am Blutdruck und der Atmung ist keine Spur von Reizung zu erkennen. Der Blutdruck nimmt langsam und stetig ab, um bald ein konstantes Minimum zu erreichen, die Atmung verlangsamt sich ohne jede vorübergehende Beschleunigung, um auf der Höhe der Kühlungswirkung einen Still- 485 Bulbäre und spinale Atmungs- und Gefässzentren. "U9q989319P9IM ISSOASTEULILIQ &/, UL IST HAınyy AI 'MUYDIZOI SIARMge yoeu purs uouomeadsup ol "uopunyog ur oyaeummoz aıp pun Sungnyy op Fundorte 9ıp “Oruman-Nonad Ip ‘Sunwyy ap ‘sYOnapnjg sop 9Aanyy ap uajun yoeu uUaIo UOA YoIS U9SJoF SH "wwopgeänz (uoraejpqng) odunıdsın) Woagt uw uoLTSJepergaNoA *sopnjquapmyoreyy sop Zunynyy Toq usypuuey we Sunwyy pun sonapyupg uoA) uoypeytoA "I BI] a > ! Du mn a IN, n— zn REN | " MONI WÜ AN ON LIU ö u! SR Se. = S 2 | J : \ er ; k BER : de | aaa NN zn‘ . . \ Da VA 484 Wilhelm Trendelenburg: stand von etwa 20 Sekunden Dauer aufzuweisen. Auch das Wieder- einsetzen der Atmung bei Wiedererwärmen und der Anstieg des Druckes erfolgen allmählich und ohne jede Unregelmässigkeit, welche als direkte Folge der Abkühlung gedeutet werden könnte. Der Ver- such konute in ähnlichır Weise zwölfwal hintereinander in passenden Zeitabständen von mehreren Minuten wiederholt werden. Durch diesen Versuch ist jedenfalls gezeigt, dass die Abkühlung des ganzen Gehirns von der Blutbahn aus bei einem ganz ober- flächlich narkotisierten Kaninchen zu Ausschaltungen führt, die ohne Auftreten von Reizerscheinuneen verlaufen und sich häufige wieder- holen lassen, da sich nach Wiedererwärmen der Aussangszustand wiederherstellt. Eine andere Frage ist es, ob sich aus diesem Versuchsverfahren sichere Schlüsse über die Abhängigkeit des Blutdrucks und der Atmung von den höheren Hirnteilen ziehen lassen. Wird, wie es hier geschah, das ganze Halsmark mit abgekühlt, so ist jedenfalls auch der Phrenieuskern beiderseits abgekühlt und durch diese direkte Kühlwirkung ausgeschaltet. Älınliche Überlegungen gelten für den Blutdruck; auch bei diesem ist fraglich, ob nicht ein Teil der Druck- senkuug auf direkter Abkühlung der spinalen Zentren beruht, wenn dies auch wenig wahrscheinlich ist. Zur Klärung dieser Fragen wurden die Versuche, wie erwähnt, derart fortzesetzt, dass die Vertebralarterien am vorderen Rande des Epistropheus verschlossen wurden. Ein Nachteil dieser Versuche lag nur darin, dass sich nicht so extreme Kühlwirkungen erzielen liessen, wie mit der vorigen und den weiteren Methoden. Von den hierher gehörigen Versuchen gibt Abb. 2 ein Beispiel wieder (Ver- such 11 vom 30. Dezember 1909). Sieht man von dem geringeren Betrage der Veränderung von Blutdruck und Atmung ab, so ent- _ sprechen diese ganz dem in der ersten Abbildung gezeigten Verhalten. Auch hier liegt keine Erscheinung vor, die als Reizwirkung der Hirnkühlung gedeutet werden könnte, auch blieb das wieder in nur flacher Äthernarkose befindliche Kaninchen bei Eintritt und während der Hirukühlung ganz ruhig liegen, um nur nach der Wiedererwärmung oft etwas in Unruhe zu geraten, zu einer Zeit, zu der das durch die Kühlschlangen fliessende Blut stark venös gefärbt aussah, worin ein deutlicher Hinweis auf die Ursache der Unruhe liest. Die geschilderten Versuche dieser ersten Reihe haben ergeben, dass die indirekte Abkühlung des Gehirns von der Blutbahn aus Bulbäre und spinale Atmungs- und Gefässzentren. 485 eine brauchbare Methode zur reizlosen vorübergehenden Ausschaltung von Hirnfunktionen darstellt. Vielleicht lässt sie sich später zur Aut die Hältte der Die Druck-Nullinie liest über der Atemkurve. Entsprechend, wie Fig. 1, nur sind die Vertebralarterien hoch oben, am Epistropheus verstopft, Originalgrösse verkleinert. Fig. 2. das Halsmark also normal durchblutet. Ausschaltung nur einzelner Hirnbezirke noch weiter verwenden. Für die in der vorliegenden Mitteilung im Vordergrund stehenden Fragen hatte sie hingegen den UÜbelstand, dass die Kühlwirkungen nur langsam eintreten und nicht sehr vollständig sind; auch ist an Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. '33 486 Wilhelm Trendelenburg: die Möglichkeit zu denken, dass die ganze Körpertemperatur durch die beträchtliche Menge gekühlten Blutes eine Herabsetzung erfahren könnte. Wenn auch bei den verwendeten kurzdauernden Kühlungen eine Veränderung der Rektaltemperatur nicht eintrat, so war es doch wünschenswert, die Ergebnisse durch ganz andere Anwendungsweisen der Abkühlung zu bestätigen und zu erweitern. b) Ausschaltung dureh direkte Abkühlung des Bodens der Rautengrube. (Versuche 16—20; 20a). Von anderen Fragestellungen ausgehend, hatten Stefani!) und später Deganello°’) Temperaturänderuugen der Medulla obl. derart vorgenommen, dass sie auf den nach Eröffnung der Membrana atlanto-oceipitalis post. freigelesten Boden der Rautengrube direkt die temperierte Flüssigkeit auffliessen liessen. Es wurden curarisierte, künstlich geatmete Hunde verwendet. Über den Blutdruck wurde von Stefani ermittelt, dass er bei erhaltenen oder durchschnittenen Vagi eine leichte aber nicht konstante Erhöhung aufwies; bei kühler Berieselung trat gewöhnlich ebenfalls Druckerhöhung ein, doch kamen auch Druckerniedrigungen vor. In den Versuchen sowehl von Stefani wie auch von Deganello scheint die zur Tempe- raturänderung dienende Flüssigkeit einfach über die Medulla obl. ge- flossen zu sein. Es erschien mir aussichtsreich, auf dem Wege der direkten Abkühlung des Bodens der Rautengrube die gewünschte Ausschaltung der bulbären Zentren zu versuchen. Dabei war insofern eine etwas vollkommenere Technik nötig, als ein Überfliessen der Kühl- flüssickeit über Haut und Muskulatur zu vermeiden war, da hier- durch zu leicht sensible Nervenendigungen getroffen wurden, die voraussichtlich nicht reizlos auf die Abkühlung reagieren würden- Das von mir eingeschlagene Verfahren war deshalb folgendes. Am Kaninchen wurde die Membrana atlanto-oceipitalis freigelegt und der Oceipitalknochen teilweise entfernt. Der Kleinhirnwurm wurde durch stumpfen Druck nach oben gegen den Knochen grösstenteils 1) A. Stefani, De l’action de la temperature sur les centres bulbaires du cour et des vaisseaux. Arch. ital. de biol. t. 24 p. 424—437. 1895. 2) U. Deganello, Action de la temperature sur le centre bulbaire in- hibiteur du c@ur et sur le centre bulbaire vaso-constricteur. Arch. ital. de biol. t. 33 p. 186—188. 1900. Bulbäre und spinale Atmungs- und Gefässzentren. 487 ebenfalls entfernt. Auf den nun genügend freiliegenden Boden des vierten Ventrikels wurde ein Gummibeutelchen gelegt, welches auf einen mit Zu- und Abfluss versehenen Stopfen befestigt war. Als sehr geeignet erwiesen sich die Gummifingerlinge, wie sie von Chirurgen bei der Digitaluntersuchung viel verwendet werden; sie bestehen aus feinstem Gummi und legen sich der Hirnfläche an, ohne sie zu schädigen. Damit das Eiswasser oder warme Wasser den ganzen Beutel gleichmässig durchspülte, war das Zuflussrohr durch ein Stückchen weichen Schlauch, der in den Beutel hinein- ragte, verlängert. Über den Teil des Fingerlings, der nicht der Rautengrube auflag, war zur Vermeidung von Dehnung ein Stück weiten Gummischlauchs gezogen. Es konnte natürlich von vornherein fraglich erscheinen, ob man von der Oberfläche her die Zentren der Atmung und der Gefässe senügend würde kühlen können; eine vollständige Ausschaltung konnte man hiermit jedenfalls nicht erwarten. Immerhin liessen sich bei gutem Anliegen des Beutelchens befriedigende Ergebnisse er- halten, für welche Abbildung 3 ein Beispiel bringen möge (Versuch 19 vom 22. Dezember 1909). Bei dem Kaninchen wurde nur während der vorbereitenden Operation mit Äther narkotisiert; obwohl nachher überhaupt kein Narkotikum mehr zugeführt wurde, lag das Tier bei und nach der Kühlung vollkommen ruhig da und liess nur an der Atmungsverlangsamung und Blutdrucksenkung die Kühlungswirkung erkennen. Es konnten so hintereinander 16 Versuche, die dem hier abgebildeten entsprachen, ausgeführt werden. Die Kühlungstemperatur betrug + 4° C. Zur Vermeidung von kardial bedingten Blutdruck- senkungen wurden die Halsvagi durchschnitten. Auch diese Versuche ergeben wieder auf das deutlichste, dass die Ausschaltung durch Ab- kühlung reizlos und vorübergehend verläuft. Hatte diese Methode vor der vorigen den Vorzug grösserer Einfachheit, so teilt sie mit ihr den Nachteil, dass die erreichbaren Ausschaltungen nicht als vollständig angesehen werden konnten, eine Lücke, welche die dritte von mir angewendete Methode ausfüllen sollte.e Nach Abschluss meiner Versuche wurde ich mit den oben erwähnten Mitteilungen von Frederieq bekannt, welcher zur Ver- minderung der Durchblutung des Kopfmarks beide Karotiden {unter- band. In meinen Versuchen war die eine Karotis schon der Blutdruck- sehreibung wegen geschlossen; um zu sehen, ob die Versuchsergebnisse durch Unterbindung auch der zweiten Karotis verbessert werden 33 * 488 Wilhelm Trendelenburg: könnten, habe ich nachträglich noch einen Versuch darüber angestellt, der allerdings keinen deutlichen Unterschied des Erfolges gegen den Fall des Verschlusses nur der einen Karotis ergeben hat. Um einen direkten Vergleich zu erhalten, wurde hierbei die eine Karotis nur Die Nullinie des grube. In ?/s der Originalgrösse wiedergegeben. g bei direkter Abkühlung des Bodens der Rauten Drucks liegt über der Sekundenschreibung; sonst Anordnung wie in Fig. 1. Fig. 3. Verhalten von Blutdruck und Atmun Bulbäre und spinale Atmungs- und Gefässzentren. 489 mit einem Faden angeschlungen und bei der ersten Kühlung offen gelassen, bei der nächsten mit einer Klemme verschlossen. Ich gebe von diesem Versuch noch ein den Beginn einer Abkühlung (+ 2° C.) betreffendes Stück in Fig. 4 (Versuch 20a, vom 9. August 1910), CO YORRRNNNHNNNTT, Fig. 4. Entsprechend, wie in Fig. 3, jedoch beide Karotiden verschlossen. Die Druck-Nullinie geht durch die Spitzen der Atemkurve, die darüberstehende Linie zeigt die mittlere Druckhöhe nach Markdurchschneidung am Calamus scriptorius an. welches das Fehlen von Reizerscheinungen wieder besonders deutlich zeist. Das Kaninchen war auch hier nur während der vorbereitenden Eingriffe mit Äther narkotisiert und blieb während der Kühlungen und bei den Wiedererwärmungen völlig ruhig. 490 Wilhelm Trendelenburg: c) Ausschaltung durch Ringskühlung des obersten Halsmarks. (Versuche 21—36.) Im Gegensatz zu den beiden vorigen Methoden sollte durch diese dritte keine Ausschaltung der bulbären Zentren selber erreicht werden, sondern eine Leitungsunterbrechung zwischen ihnen und den spinalen Zentren, welche in die Gegend der Ursprungszellen der Atem- und Gefässnerven verlegt werden. Hierdurch war besonders für die Untersuchung der Atemtätigkeit der Vorteil gewonnen, dass bei etwa eingetretener Aufhebung der Lungenventilation die Tätig- keit des Atemzentrums im Kopfmark fortdauerte und beim Kaninchen, das auch für diese Versuche fast ausschliesslich verwendet wurde, an den respiratorischen Bewegungen der Nasenflügel festgestellt werden konnte. Die Kühlung des Halsmarkquerschnittes musste natürlich zwischen der caudalen Grenze des bulbären und der eranialen Grenze der angenommenen spinalen Atemzentren vor- senommen werden, also etwa zwischen dem Calamus seriptorius (vor welchem der Eingriff aus technischen Gründen untunlich ist) und dem Ursprungsgebiet des Phrenicus, welches sich nach Kohn- stamm!) beim Kaninchen im oberen Halsmark von der unteren Hälfte des vierten bis zum oberen Teil des sechsten Segmentes er- streckt. (Aus der von Kohnstamm zusammengestellten Literatur ergibt sich, dass bei anderen Tieren, z. B. der Katze, auch der untere Teil des dritten Segmentes in Betracht kommt). Für unsere Zwecke ergibt sich daraus, dass eine Ringskühlung des Halsmarks in der Gegend der Mitte des Epistropheus (Mitte des zweiten Seg- mentes) den Phrenicuskern nicht direkt beeinflussen, sondern nur die Leitung von den höheren Teilen zu diesem Kern unterbrechen kann. Durch Entfernung des Bogens des Epistropheus, bei welcher es allerdings manchmal zu unangenehmen Knochenblutungen kommt, gelingt es, die Mitte des ziemlich langen zweiten Halssegmentes genügend freizulegsen, um die zur Ringskühlung des Marks dienende Vorrichtung anzubringen. Nach einigem Versuchen und Überlegen anderer Möglichkeiten kam ich schliesslich auf folgendes Verfahren. Es kommt darauf an, um die Peripherie des Markes einen sehr dünnwandigen und doch nicht dehnbaren Schlauch zu führen. Einen solchen stellte ich aus dem Darm junger Meerschweinchen her; 1) 0. Kohnstamm, Zur Anatomie und Physiologie des Phrenicuskernes. Fortschr. d. Medizin Bd. 16 S. 643—653. 1898. Bulbäre und spinale Atmungs- und Gefässzentren. 491 weisse Mäuse, Ratten und Tauben erwiesen sich wegen der grösseren Dieke der Darmwand als weniger geeignet, der Kaninchendarm hat für diese Versuche ein zu grosses Lumen. Der Darm der eben getöteten Tiere wird unter sehr vorsichtiger Abtrennung vom Mesenterialansatz in langen Stücken herausgenommen und zunächst so umgedreht, dass die Schleimhautseite nach aussen kommt. Zu diesem Zwecke wird das Darmstück auf das Ende einer dünnen Stricknadel aufgebunden, worauf man den Darm leicht mit den Fingern über die Nadel umstülpen kann. Er wird darauf für etwa einen halben Tag in 33 °/oigen Alkohol (Ranvier’s Alkohol) ge- bracht, in welchem bekanntlich die Schleimhaut mazeriert wird. Sie lässt sich dann leicht durch Entlangziehen des Darms zwischen den Fingern entfernen, wobei nur ein Einreissen des Darms vermieden werden muss. Die Schläuche werden nun mit Luft aufgeblasen und freihängend getrocknet. Werden sie nachher wieder in Wasser auf- geweicht, so quellen sie nur wenig, sind durch Steigerung des Innen- drucks so gut wie gar nicht dehnbar, und sind deswegen, sowie wegen der sehr geringen Wanddicke, ein für unseren Zweck aus- gezeichnetes Material. Das Lumen hat bei kreisförmigem Quer- schnitt einen Durchmesser von etwa 5 mm, die Wanddicke des feuchten Schlauches beträgt etwa 0,1 mm. Das Schwierigste ist bei den weiteren Maassnahmen das Durch- ziehen eines solchen Schlauches unter dem Mark, oder vielmehr eines dünnen Fadens, mit Hilfe dessen der Schlauch nachher ziem- lich leicht nachgezogen werden kann. Man geht zunächst mit einer passend gebogenen „Unterbindungsnadel“, die schon mit einem Faden versehen ist, unter dem Mark durch, sucht den Faden im Öhr der Nadel mit einer spitzen Pinzette möglichst schnell zu erfassen und zieht die Nadel sogleich wieder heraus. In günstigen Fällen kann man so den Faden unter dem Mark ohne Atemstörung durch- ziehen; tritt sie ein, so führt eine über kurze Zeit erstreckte künst- liche Atmung meist zum Ziel. An das Ende dieses Fadens wird nun der etwa 7 cm lange Darmschlauch angebunden und mit Hilfe des Fadens langsam zur Hälfte durehgezogen, wobei darauf zu achten ist, dass sich der Schlauch nicht verdreht; am besten lest man ihn in eine flache Schale mit Wasser und zieht ihn aus dieser heraus. Das eine Schlauchende wird nun mit einem kurzen umgebogenen Glasrohr verbunden, aus welchem die Kühlflüssiekeit neben dem Tier herausfliessen kann, ohne mit irgendwelchen Teilen desselbe 492 Wilhelm Trendelenburg: in Berührung zu kommen, während in das andere Schlauchende ein mit den Vorratsflaschen (Eiswasser und Wasser von Körpertemperatur) verbundenes Glasstück gebracht wird. Möglichst dieht vor dem Ein- tritt des Wassers in den Darmschlauch ist ein Thermometer in die Leitung der Gummischläuche eingeführt, welches zwar nicht ganz genau, aber doch ungefähr die Temperatur der das Mark umspülenden Flüssigkeit angibt. Dass diese wiederum nicht ganz mit der Tem- peratur des gekühlten Marks übereinstimmen kann, sondern die letztere etwas höher liegen muss, braucht nicht näher ausgeführt zu werden. Wenn infolge zu langsamer Strömung des Eiswassers in einigen Fällen nicht genügende Temperaturerniedrigungen des Marks erreicht werden konnten, wurde der Eismischung etwas Kochsalz zugesetzt. Um die Gummischläuche bis zum Darmschlauch möglichst schnell mit der Flüssiekeit von der jeweils gewünschten Temperatur füllen und die vorher benutzte schnell herauslassen zu können, war vor dem Darmschlauch (zwischen diesem und dem Thermometer) noch ein bei den eigentlichen Versuchen natürlich verschlossener Ablauf angebracht. Zur Durchströmung des von dem Mark natür- lieh beträchtlieh komprimierten Darmschlauches genügte ein Wasser- druck von etwa SO em und weniger. Es ist ausreichend, wenn die Flüssigkeit eben im Strahl oder in unmittelbar einander folgenden Tropfen ausfliesst. Durch vorsichtiges Hin- und Herziehen des Darm- schlauches kann oft das Durchfliessen verbessert werden. Wegen der Ge- fahr der Leitungsaufhebung im Halsmark durch den angewendeten Flüssigkeitsdruck muss dieser natürlich möglichst niedrig genommen werden, ohne dass andererseits wieder die Strömung so langsam werden darf, dass keine genügenden Kühlwirkungen erzielt werden. Es zeigte sich aber, dass bei richtigem Verfahren ein längeres Durchströmen von körperwarmem Wasser und der dabei unvermeidliche geringe Druck auf das Mark keinen Einfluss auf Atmung und Blutdruck hatten. Ein Punkt jedoch war noch zu beachten. Da das ab- sekühlte Wasser, besonders bei Zusatz von Salz, eine grössere innere Reibung besitzt wie das höher temperierte, floss bei gleichem Druck die warme Flüssigkeit schneller um die Peripherie des Marks als die gekühlte, und dies konnte möglicherweise zu einer Verschieden- heit des auf den leitenden Elementen lastenden Druckes führen. Es wurde deshalb in einigen Kontrollversuchen die gekühlte Flüssig- keit etwas niedrieer gestellt wie die warme und durch ein am Anfang des Darmschlauches seitenständig angesetztes Manometer ge- Bulbäre und spinale Atmungs- und Gefässzentren. 493 zeigt, dass der Druck im Darmschlauch sogar bei der Kühlung niedriger war wie bei der Erwärmung, so dass an den spezifischen Folgen der Abkühlung ein vermehrter Druck auf die Leitungsbahnen nicht beteiligt sein konnte. Eine weitere Schwierigkeit ergab sich noch daraus, dass der Darmschlauch die Haut und die stark zur Seite gezogene Muskulatur nicht berühren durfte, um Reflexeinflüsse von sensiblen Endieungen aus zu vermeiden. Diese Berührung wurde durch Unterschieben von dünnen Korkplättchen nach Möglich- keit vermieden, so weit sich dies ohne Beeinträchtigung der Strömung erreichen liess; es zeigten nur einige Kurven zu Beginn der Kühlung eanz geringe Beschleunigungen der Atmung, die vielleicht auf solche Fehler bezogen werden müssen. Es mögen nun einige Beispiele der mit dieser Methode ge- wonnenen Versuchsergebnisse folgen. Die Tiere wurden nur für die vorbereitenden Eingriffe ätherisiert; im Verlauf der Kühlungen selbst wurde nur dann gelegentlich etwas Äther nachgegeben, wenn die Tiere in motorische Unruhe gerieten, die aber auch ganz aus- bleiben konnte, und nie durch die Kühlung selber ausgelöst wurde. In allen Versuchen wurden die N. vaei am Halse aus zwei Gründen durchschnitten. Durch die eintretenden Atemstillstände konnte eine dyspnoische Reizung des Herzvagus mit folgender Blutdrucksenkung eintreten, die eine Ausschaltung des Gefässzentrums vorgetäuscht haben würde. Sodann aber würden bei intakten Vagi und Still- stellung der Lungenbewegung die im Vagus zentripetal geleiteten Erregungen auf das Atemzentrum nieht mehr einwirken und dessen an der Nasenflügelbewegung registrierte Tätiekeit eine Veränderung aufweisen, die fälschlicherweise als Reizwirkung der Abkühlung hätte gedeutet werden können. Dass diese Veränderungen bei erhaltenen Nerven in der Tat eintreten, wurde in einigen Versuchen gezeigt, in denen die Vagi zunächst nur angeschlungen waren und erst nach einem Kühlversuch durchschnitten wurden. In allen folgenden Kurven stehen übereinander der Karotisdruck, wiederum mit dem Quecksilbermanometer verzeichnet, die mit Marey’schen Kapseln geschriebene Bewegung der Nasenflügel, die Kurve des Atemvolums, mit Gad’s Volumschreiber verzeichnet, dem wieder eine grosse mit Saueıstoff gefüllte Flasche vorgelegt war, ferner die Kühlmarkierung und die Zeit in Sekunden. Fig. 5 zeigt ein Beispiel des schon in der ersten Mitteilung er- wähnten Falles (Versuch 29, vom 29. Januar 1910). Die Kühl- -uogaS9s1apaIM 98S0ASTEULSLIQ TOP F/, UJ 'SundoMogjesnguaseNn Top 9Aany A9p ON aIp yoanp neues 7495 9rumjay-Nonıq OIq 'uamuozweIy uojeurds pun woıegng woyasımz ‘snaydonysid] we syaewsjep Soap Sunjynyssung Toq uomejlNusAussun] pun Sunsomogfesnguosen ‘NONAıpmıg UoA uaeqyaaA 'G "DIA von 44 mm 'erung auf einen Mittelwert 8 ge Stei ab; die von der Atmung herrührenden Druckschwankungen hören En - >) E=} =) © a © re) s © - = = — e) B- — o- Br temperatur betrug + 4° C., die Dauer der Abkühlung etwa 50 Sek. Der Blutdruck fällt von seiner mittleren Höhe von 90 mm Hg lang- sam und ohne vorgängi "9SSOA1S[EULSLIG AOP F/; UL SIfeguagg "usgesosıoperm (IdL1S [ey we) Sunpiouyssypanpyaewspeff Jyoy you HUoyyonaT aIp ST SYOngsugAıny sop ssnjyag my uomyejNuoauosun] op UOA Suns[uosg>2napnIg Aap NOYFLSURygeU/) "oistieimd y9opal dal], :C "SIT oIM [EA JOqdroIg) 9 Sy e vo ap! z Ss © N [77] [72) S [eb] (de) us) Ss =) U un on Ss pe} Ei = <{ © — Ss =) .-_ = [77} x) Ss = o - Has} Be) — e) ra 496 Wilhelm Trendelenburg: mit Sistieren der Lungenvolumschwankungen auf. Nach der Wieder- erwärmung steigt der Druck ziemlich schnell und gleichmässig zu einer Endhöhe von 94 mm Hg an. Das Tier verhielt sich voll- kommen ruhig. Die Atmung weist zu Beginn der Kühlwirkung eine sehr geringe Beschleunigung auf, die Tiefe der Atemzüge nimmt in sehr regelmässigem Verlauf auf Null ab, während die Tätiekeit des Atemzentrums (Kurve der Nasenbewegung) unbehindert und sich infolge der steigenden Blutvenosität etwas beschleunigend weiter geht. Bei Wiedererwärmen beginnen die erst kleinen, dann sich schnell vergrössernden Atemzüge ziemlich gleichzeitig mit der Blut- drucksteigerung. Fig. 6 stammt von dem eleichen Tier und wurde etwas später gewonnen (1!/e Stunde nach der ersten Abkühlung der ganzen Kühlungsreihe). Es sollte hier die Frage untersucht werden, ob auch unabhängig von der Änderung der mechanischen Bedingungen des Kreislaufs im Thorax bei der Abkühlung eine Drucksenkung erfolgen würde, ob also in der Tat in dieser eine Folge der Ver- minderung des Gefässtonus gesehen werden könnte. Das Kaninchen wurde deshalb ceurarisiert und mit der Straub’schen Vorrichtung "mit Sauerstoff künstlich geatmet. Man sieht, dass der Druck wiederum ohne vorhergehenden Anstieg fällt, und zwar von 87 mm auf 39 mm, um nach der Erwärmung des Halsmarkquerschnittes wieder auf 90 mm zu steigen. Das rechts angefügte Kurvenstück gibt den Blutdruck nach Durehschneidung des Halsmarks wieder, er betrug 2] mm. DBei dem mehrmals mit gleichem Erfolg wiederholten Curareversuch war die Ätherwirkung so sehr vergangen, dass das Kaninchen nach Ausscheidung der nur eben ausreichend gewählten Curaremenge unabhängig von den Kühlungen unruhig wurde. Es ist also nieht möglich, dass eine Reizwirkung der Abkühlung durch die Narkose verdeckt war. Fig. 7 (Versuch 31, vom 12. Februar 1910) zeigt, dass die Tätigkeit des Atemizentrums im Kopfmark durch die Halsmarkkühlung nicht die mindeste Änderung erfährt; selbst die geringe im vorigen Versuch ausmessbare anfängliche Beschleunigung fehlt hier. Erst nach der Wiedererwärmung nimmt die Frequenz durch die Nach- wirkung des Atemstillstandes und der Atmung im abgeschlossenen Raum (Blutvenosität) etwas zu. Der Blutdruck weist zu Beginn der Kühlung eine kleine Steigerung von 108 mm auf 115 mm auf; diese fällt mit der Abnahme der Grösse der Lungenvolumschwankung zeitlich zusammen, dürfte also mit den veränderten Kreislauf- Bulbäre und spinale Atmungs- und Gefässzentren. 497 bedingungen im Thorax zusammenhängen. Hierfür spricht auch das weitere Verhalten des Blutdruckes. Nach der Erwärmung hebt er sich, schon ehe die Lungenventilation wieder beeinnt, von seinem tiefsten Stand (50 mm) auf S9 mm, um dann bei Einsetzen einer stärkeren Lungenbewegung vorübergehend auf 79 mm wieder ab- zusinken, und später eine Endböhe von 112 mm zu erreichen. Es Kemtirel rue F% FAANNAANANATRNAANAAAANAAANAAAENANNANNAAADANNGENNANTENNNANNNATRORnAN \ Afımmnlum. UN ITITTT sc Fig. 7. Verhalten von Blutdruck, Nasenflügelbewegung und Lungenventilation bei Ringskühlung des Marks am Epistropheus. In ?/s Orıginalgrösse wiedergegeben. spricht also ganz im selben Sinne, wenn der Blutdruck zu Anfang weeen der Abnahme der Tiefe der Lungenbewegung etwas steigt, und nachher bei Wiedereintreten der Lungenbewegung etwas absinkt. Dass im übrigen auch in diesem Falle die Blutdruckänderung nicht bloss auf den mechanischen Kreislaufbedingungen im Thorax beruht, eeht daraus klar hervor, dass der Druck schon vor Wiedereinsetzen der Lungenbewegung zu steigen beginnt. 498 Wilhelm Trendelenburg: Die gleiche Unabhängigkeit geht weiter aus dem in Fig. 8 (Versuch 35, vom 11. Mai 1910) wiedergegebenen Fall hervor; auch hier steigt nach der Erwärmung der Blutdruck schon an, während die Atemvolumsehwankungen der Lunge noch nicht wieder eingesetzt EU ILTIERERBEBESERENEERERERBENESELBEBBEDESEHRBFEDBEBEREENEDBREEREERBERBERERIREOEEESERTRBSERIEBRDE: 7. Kurve in Originalgrösse. wie Fig. Fig. 8. Entsprechend, Bulbäre und spinale Atmungs- und Gefässzentren. 499 haben. An diesem Fall sind weiterhin noch Blutdruckschwankungen von langer Periode, die von der Atmung unabhängig ist, bemerkens- wert. Sie sind offenbar in den cerebral von der Kühlungsstelle liegenden Hirnteilen bedingt, da sie während der Kühlung fehlen und erst nachher wieder eintreten. Sie stellen jedoch nur einen zufälligen Nebenfund dar und haben für die Hauptfragen selbst weniger Interesse, als die Tatsache, dass auch hier wieder der Blut- druck zu Beginn der Halsmarkkühlung absinkt, ohne auch nur eine vorübergehende Steigerung zu erfahren. Auf die hier nachgewiesene, aus den letzten Kurven unmittelbar hervorgehende Unabhängiekeit der Funktion des bulbären Zentrums von einer reizlosen Ausschaltung der spinalen Apparate darf noch kurz die Aufmerksamkeit gelenkt werden. Grossmann!) hatte früher gefunden, dass bei einer Halsmarkdurchsehneidung, welche die „Lungenatmung“ stille stellt, die Nasen- und Kehlkopfbewegung eine auffällige Veränderung erfährt, indem die Bewegungen „schnappend“ werden, nämlich verstärkt und von langen Pausen unterbrochen sind. Grossmann folgerte aus diesen (und anderen hier nicht in Betracht kommenden) Feststellungen, dass die einzelnen zum „Atemzentrum“* funktionell vereinigten Gebiete nicht in normaler Weise funktionieren können, wenn sie getrennt sind, und er gründete diese Ansicht besonders auf die Annahme, dass an der Änderung des Rhythmus der Kehlkopf- und Nasenbewegung nach dem er- wähnten Eingriff die Dyspnoe nicht beteiligt sei. Nach den mit der Abkühlungsmethode möglichst schonend ausgeführten Leitungs- unterbrechungen zwischen den an der Atmung beteiligten Kernen stellt sich aber, wie wir sahen, der Sachverhalt wesentlich anders dar, indem die isolierten bulbären Apparate wohl befähigt sind, in unveränderter Weise weiter zu arbeiten. Die Grossmann’sche Auffassung des Atemzentrums erhält durch diese Ergebnisse keine Stütze. Betrefis des Blutdruckes ist hier noch die Frage aufzuwerfen, ob die von den spinalen Apparaten vermittelte Druckhöhe die gleiche ist bei der gewöhnlichen Durchschneidung und bei der hier aus- geführten reizlosen Ausschaltung. Dies scheint nach einigen Kurven in der Tat nicht der Fall zu sein, woraus auf eine Shockwirkung der 1) M. Grossmann, Über die Atembewegungen des Kehlkopfes. I. Teil. Das Respirationszentrum inbesondere des Kehlkopfes. Sitzungsber. d. Wiener Akad. der Wissensch. Bd. 98 Abt. 3 S. 385—428, darin S. 414. 500 Wilhelm Trendelenburg: Durchsehneidung zu schliessen wäre. Es ist aber zu beachten, dass in den meisten Fällen bei den Kühlversuchen noch zur Zeit des ab- sinkenden Blutdruckes, also vor Erreichen des Druckminimum, wieder auf Erwärmen eingestellt wurde; in anderen Fällen wurde der Vergleich mit der Druckhöhe nach Halsmarkdurchschneidung nieht ausgeführt. Auch bleibt immer die Möglichkeit bestehen, dass die von dem bulbären Zentrum abwärts fliessenden Erregungen zwar sehr erheblich abgeschwächt, aber doch nicht ganz aufgehoben wurden, dass also die Ausschaltung des Einflusses des genannten Zentrums keine ganz vollständige war. Schliesslich darf bei diesem “ Vergleich nicht ausser acht gelassen werden, dass die Durch- schneidung des Marks erst am Versuchsschluss ausgeführt wird, also zu einer Zeit, zu welcher die Stärke des spinalen Tonus abgenommen haben könnte. Eine sichere Entscheidung der Frage lässt sich daher vorderhand nicht treffen. IV. Bulbäre Zentren und Segmentaltheorie. Ist durch die vorliegenden Versuchsreihen bewiesen, dass die von den höheren Hirnteilen, besonders der Medulla obl., funktionell isolierten Rückenmarkzentren keiner selbständigen Atemtätiekeit fähig sind, auch dann nicht, wenn bei dieser Isolierung jede Reiz- wirkung vermieden wurde, so ist weiter zu fragen, wie es kommt, dass diese Zentren dennoch unter besonderen Bedingungen, wie die Ver- suche von Langendorff und Wertheimer zeigen, eine selb- ständige Tätigkeit aufnehmen können, die ganz den Anschauungen entspricht, welche man als Sesmentaltheorie zusammenfassen kann. Es sei hier zunächst ein schon von Loeb!) ausgeführter Vereleich herangezogen, der geeignet erscheint, die verschiedenen Möglichkeiten klar hervortreten zu lassen. Er betrifft das Herz, an welchem die Venenmündungsstellen des Vorhofes mit der Medulla obl., die Kammern mit dem Rückenmark funktionell verglichen seien. Hebt man am Herzen die leitende Verbindung zwischen den Ursprungsstellen der normalen Herzreize und den Kammern durch die Stannius’sche Ligatur oder Durchschneidung des Übergangbündels auf, wobei. Reizwirkungen leicht zu vermeiden sind oder schnell vorübergehen, - so äussert sich die normale Suprematie des venenwärts gelegenen Teiles in verschiedener Weise. Am Froschherzen steht die Kammer 1) J. Loeb, Über den segmentalen Charakter des Atemzentrums in der Medulla oblongata der Warmblüter. Pflüger’s Arch. Bd. 96 S. 536—540. 1903. Bulbäre und spinale Atmungs- und Gefässzentren. 501 wirklieh still (erste Stannius’sche Ligatur); sie erhält normaler- weise den Antrieb für jede Kontraktion vom Venenende her und ist bei funktioneller Isolierung, aber sonst normalem Zustand, nicht fähig, die Kontraktionsantriebe selbst in sich zu entwickeln. Erst nach einiger Zeit können spontane Pulse auftreten, welche im Ge- biet des Übergangbündels ihren Ursprung nehmen und ihre Ent- stehung Veränderungen verdanken, die sich erst sekundär an den Eingriff anschliessen. Am Säugerherzen hingegen schlägt die durch Bündelschnitt isolierte Kammer sofort weiter, die normale Suprematie der vorhofwärts gelegenen Teile äussert sich aber darin, dass die Schlagfrequenz der isolierten Kammer geringer ist als die des un- verändert weiterschlagenden Vorhofes. Dieser nach dem genannten Eingriff hervortretende Eigenrhythmus wird unter normalen Verhält- nissen durch den schnelleren Vorhofrhythmus so zu sagen übertönt; es hat also keine aktive, sondern nur eine latente Bedeutung für die Herztätigkeit unter normalen Bedineungen. Wenden wir diese Beziehungen auf unseren Fall an, So kann das führende Zentrum im Kopfmark mit den venenwärts gelegenen Abschnitten verglichen und die Frage aufgeworfen werden, ob sich die Rückenmarkteile nach reizloser Ausschaltung des Kopfmarks wie die Kammer des Frosch- oder des Säugerherzens verhalten. Die vorstehenden Versuche ergeben das erstere. Nach der Ausschaltung tritt niemals eine Arhythmie zwischen der bulbären und spinalen . Atemmuskulatur auf, entweder bewegen sich die Nasenflügel und die Lungenventilatoren synchron, oder es bewegen sich die letzteren gar nicht, während die ersteren unverändert weiter tätig sind. Be- stünde die Analogie zum Säugerherzen, so wäre bei reizloser Aus- schaltung der Medulla obl. eine Verlangsamung und auch sonst Ver- änderung der Atmung, aber kein Stillstand zu erwarten gewesen, und der Atemrhythmus der Lungenbewegung müsste ohne Beziehung zu der Nasenbewegung sein. Besteht also im Verhalten des Rhythmus eine volle Analogie zum Froschherzen nach der Stannius’schen Ligatur, so zeigt diese sich auch bei sehr langem Andauern der Ausschaltung. Dann kann auch das Rückenmark unter den veränderten Bedingungen und ihren sekundären Folgen, die nach Munk!) als Isolierungsveränderungen 1) H. Munk, Über das Verhalten der niederen Teile des Zerebrospinal- systems nach der Ausschaltung höherer Teile. Sitzungsber. d. Berliner Akad. d. Wissensch. Bd. 44 S. 1105—1133. 1909. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 34 502 Wilhelm Trendelenburg: bezeichnet werden können, an Erregbarkeit derart über das normale Maass zunehmen, dass „spontane“ rhythmische Lungenventilationen auftreten, die für das normale Geschehen ebensowenig in Betracht kommen, oder an ihm beteiligt sind, wie die an der Froschkammer nach der Stannius’schen Ligatur auftretenden Spätkontraktionen der Kammer für deren normalen Schlag. Auf die Frage, welcher Art diese veränderten Bedingungen und ihre sekundären Folgen sind, ist hier nieht einzugehen. Wenn auf sie hier die Munk’sche Bezeichnung der Isolierungsveränderungen angewendet wurde, so soll damit nur die nahe Beziehung zu den übrigen Erscheinungen der Reflexsteigerung an abgetrennten Zentralteilen erinnert werden, ohne dass damit die spezielle Deutung, die Munk!) neuer- dings für die tieferen Gründe dieser Veränderungen eibt, in die Bezeichnung inbegriffen sein soll. Wie ist nun diese Sachlage vom Standpunkt der Segmental- theorie aus zu verstehen? Diese nimmt bekanntlich an, dass für die funktionelle Innervation peripherer Organe in erster Linie die „Segmentalzentren“ des Rückenmarks, das heisst die Ursprungsgebiete der an der tonischen oder reflektorischen Innervation beteiligten Nerven in Betracht kommen. Werden solche Funktionen durch ausserhalb dieser Gebiete liegende Eingriffe aufgehoben, so liegt für diesen Standpunkt gewissermaassen die Notwendigkeit der An- nahme von Hemmungsreizen oder dergleichen vor. Loeb?) hat zum Beispiel diese Theorie, die hier im übrigen nur kurz gestreift werden kann, näher ausgeführt; den Anteil der Medulla obl. an der Atmung fasst er derart auf, dass durch sie lediglich die Verbindungs- fasern zwischen dem Vagus, als sensiblem Lungennerv, und den sesmentalen Atemzentren verlaufen. Hierdurch werde deren auto- matische Tätigkeit vorübergehend unterbrochen. Offenbar wird hier der Entstehungsort der letzteren nicht in die Medulla obl., sondern in das Rückenmark verlest. Eine etwas veränderte Auffassung tritt uns in einem späteren Aufsatz von Loeb?°) entgegen. Hier wird 1) H. Munk, Über das Verhalten der niederen Tiere des Zerebrospinal- systems nach der Ausschaltung höherer Teile. Sitzungsber. d. Berliner Akad. d. Wissensch. Bd. 44 S. 1106—1133. 1909. 2) J. Loeb, Einleitung in die vergleichende Gehirnphysiologie und ver- gleichende Psychologie, Barth, Leipzig 1899. Darin besonders S. 73 und 74. 3) J. Loeb, Über den segmentalen Charakter des Atemzentrums in der Medulla oblongata der Warmblüter. Pflüger’s Arch. Bd. 96 S. 536 —540. 1903. Bulbäre und spinale Atmungs- und Gefässzentren. 503 die Existenz eines führenden Atemzentrums im Kopfmark zugrunde gelest und der Versuch gemacht, diese der Segmentaltheorie schein- bar widersprechende Tatsache mit ihr in Einklang zu bringen. Es entspricht zwar nach Loeb dem Atemzentrum beim Erwachsenen kein peripheres segmentales Atemorgan, die Beziehung zur segmen- talen Auffassung wird aber in der Embryogenese gegeben, in der Kiemenanlage nämlich, deren segmentale Zentren in der Medulla obl. zu suchen sind. Vielleicht aber wird man hier zur Erklärung nicht so weit aus- zuholen brauchen. Beim Tiere wenigstens deutet das Spiel der Atem- bewegungen auf eine einfachere Erklärung des bulbären Atem- zentrums vom Standpunkt der Segmentaltheorie aus hin. An jedem Kaninchen, ja auch noch gelegentlich am Affen, beobachtet man die bekannten, vom Facialis abhängenden Nasenbewegungen, die ja in den oben berichteten Versuchen als Index für die Tätigkeit des bulbären Zentrums benutzt werden konnten. Ferner ist an das rhythmische Spiel der Kehlkopfmuskulatur, vom Vagus abhängend, zu erinnern, welches ebenfalls zeigt, dass auch am erwachsenen Tier die Medulla obl. als Segmentalzentrum der Atmung aufgefasst werden muss Wie es aber kommt, dass gerade dieses die Führung gewann und nicht den für den eigentlichen Zweck der Atmung, die Lungen- ventilation ausschlaggebenden Spinalzentren untergeordnet wurde, dafür ist allerdings eine Erklärung wohl kaum zu geben. Auch auf die Frage nach der Bedeutung der spinalen Gefäss- zentren ist hier noch ein Blick zu werfen. Bekanntlich geht die nach Markdurchschneidung anfänglich vorhandene Gefässerweiterung allmählich wieder zurück!), und es lassen sich rein spinal ablaufende Gefässreflexe und dyspnoische Beeinflussungen des Blutdrucks nach- weisen). Trotzdem wird man die bei Abtrennung der höheren Hirnteile eintretende Blutdrucksenkung nicht als Ausdruck einer 1) Fr. Goltz (unter Mitwirkung von A. Freusberg), Über die Funktionen des Lendenmarks des Hundes. Pflüger’s Arch. Bd. 3 S. 460-498. 1874, darin S. 486 ff. 2) Fr. Goltz, s. voriges Zitat. — R. Heidenhain, Versuche über spinale Gefässreflexe. Pflüger’s Arch. Bd. 14 S. 518—528. 1877. — B. Luchsinger, Zur Kenntnis der Funktionen des Rückenmarks. Pflüger’s Arch. Bd. 16 S. 510—544. 1878. — Auf eine ausführliche Berücksichtigung der übrigen Literatur muss hier verzichtet werden. 34 * 12 504 Wilhelm Trendelenburg: shockartigen Hemmung ansehen können, da sie auch bei reizloser Ausschaltung auftritt. Die bei Trennung durch Schnitt in der Folge- zeit . auftretende Blutdruckerhöhung ist wiederum als sekundäre Isolierungsveränderung zu deuten. Im übrigen kann man sich bei den vorwiegend tonisch tätigen Zentralapparaten eine gegenseitige Überordnung ohne Schwierigkeit auch dann vorstellen, wenn der abhängige Apparat auch nach reizloser Ausschaltung des übergeord- neten noch einen, wenn auch verminderten Tonus vermittelt, schon ehe die sekundären Isolierungsveränderungen in Form einer Erreo- barkeitssteigerung eingesetzt haben. Es wird der abhängige Apparat vom übergeordneten normalerweise einen Zuwachs an Erregbarkeit erhalten, ein Fall, der an den spinalen Zentren des Irissympathieus ausgesprochen vorliegt. Bei den rhythmischen Innervationen (Atmung) hingegen ist hierin die Bedeutung des übergeordneten Zentrums nicht gelegen, da dieses schon selbst rhythmische Impulse aussendet, was für die spinalen Apparate vor Einsetzen der sekundären Isolierungs- veränderungen nicht der Fall ist. Ein Verständnis schliesslich des bulbären Gefässzentrums vom Standpunkt der Segmentaltheorie wäre gegeben, wenn die Hirnnerven eigene, d. h. nicht aus dem Halssympathicus stammende Gefässnerven führen, worüber noch keine genügend sicheren Tatsachen vorzuliegen scheinen. V. Zusammenfassung. Um die Unsicherheit der Deutung zu umgehen, die darin liegt, dass bei den gewöhnlich am Zentralnervensystem geübten Aus- schaltungen Reiz- und Shockwirkungen mitspielen können, wird in den hier fortgesetzten Untersuchungen versucht, eine reizlose vor- übergehende Ausschaltung durch Abkühlung der Zentralteile zu er- reichen. Die von früheren Autoren am peripheren Nerven ge- wonnenen günstigen Verhältnisse konnten hier auch für das Zentral- nervensystem nachgewiesen werden. Die Anwendung der Abkühlung erscheint als eine für die vorliegenden Fragestellungen brauchbare Methode. In der vorliegenden Mitteilung wird diese auf die Frage der bulbären Lage der Atmungs- und Gefässzentren angewandt und diese Frage durch reizlose Ausschaltung der Medulla obl. zu lösen versucht. Nahmen doch die Anhänger der Hemmungs- und Shock- theorie an, dass der Stillstand der Atmung und die Senkung des Blutdrucks nach hoher Halsmarkdurchschneidung als Reizsymptom Bulbäre und spinale Atmungs- und Gefässzentren. 505 zu deuten sei, welches durch Hemmung der eigentlichen spinal ge- legenen Atem- und Gefässzentren zustande komme. Die Ausschaltung wurde in dreierlei Weise durchgeführt: durch Abkühlung des in das Gehirn und Kopfmark fliessenden Blutes, durch direkte Abkühlung des Bodens des vierten Ventrikels und besonders durch Ringskühlung des obersten Halsmarks mittels eines sehr dünnen, aus Darm ge- fertigten Schlauches, welcher um die Peripherie des Markes herum- geschlungen wurde. Durch die ersteren Verfahren wird die Tätigkeit der bulbären Zentren selbst aufgehoben oder vermindert, durch das letztere hingegen die Leitung zwischen Kopf- und Rückenmark aufgehoben, das Atemzentrum selbst aber nicht direkt beeinträchtigt. Während bei dieser Methode der Ausschaltung mit Ringskühlung das bulbäre Zentrum seine Tätigkeit, bemessen an der Nasen- bewegung, fortsetzt, hört die Lungenventilation mit der Abkühlung des Halsmarkquerschnittes auf, um bei Erwärmung prompt wieder einzusetzen. Zugleich mit der Kühlung sinkt auch der Blutdruck, unabhängig von den Änderungen der mechanischen Bedingungen im kleinen Kreislauf, beträchtlich ab, um bei Erwärmung, unabhängig von der Atmung, wieder anzusteigen. Hieraus geht hervor, dass in der Tat das führende Atemzentrum und die den Gefässtonus beherrschenden Apparate im Kopf- mark gelegen sind, und dass die einwandfrei isolierten spinalen Zentren keine rhythmischen Atembewegungen unterhalten. Wenn diese im Anschluss an Durchschneidungen unter besonderen Bedingungen auftreten, so sind darin die Folgen von sekundären Isolierungsveränderungen zu sehen, und nicht etwa von einem allmählichen Abklingen von Hemmungen. Ähnliche Schlüsse sind für die Gefässinnervation zu ziehen. Die bulbäre Lage des Atemzentrums ist nicht unvereinbar mit der segmentalen Auffassung der Funktionen der niederen Teile des Zentralnerven- systems. Die konkomitierenden Atembewegungen deuten auf die bei der Atmung beteiligten bulbären Segmente hin, welche gleich- sam die Führung bei der Ateminnervation übernommen haben. 506 J. Rothberger und H. Winterberg: (Aus dem Institute für allgem. und exper. Pathologie der Universität Wien.) Über die Beziehungen der Herznerven zur Form | des Elektrokardiogramms!). Von Privatdozent Dr. 3. Rothberger und Privatdozent Dr. H. Winterbers. (Mit 13 Textfiguren.) Das Elektrokardiogramm findet immer mehr in der Klinik Ein- gang und wird auch ausserhalb derselben immer häufiger zur Ent- scheidung in diagnostisch unklaren Fällen herangezogen. Gegenüber dieser immer weiter fortschreitenden praktischen Anwendung der neuen Methode muss es nun befremden, dass ihre physiologischen und pathologischen Grundlagen noch vielfach der systematischen Er- forschung entbehren. Auch der bereits mehrfach gemachte Versuch, in Form von Hypothesen sich eine Vorstellung von den elektrischen Vorgängen im tätigen Herzen zu machen, dürfte nach unserer Ansicht mehr Aussicht auf Erfolg haben, wenn erst einmal ein umfangreiches Tat- sachenmaterial zutage gefördert ist. Dass man nicht weit zu gehen braucht, um hier auf offene Fragen zu stossen, zeigt sich schon an dem Umstande, dass die unter dem Einflusse der Herznerven zutage tretenden Änderungen im Ablaufe der Aktionsströme des Herzens nur sehr unvollkommen untersucht worden sind. Es haben zwar Einthoven und nach ihm viele andere die Folgen einer Vagusreizung mit dem Saiten- galvanometer verzeichnet, dagegen ist über die unter der Einwirkung des Accelerans auftretenden Änderungen des Elektrokardiogramms (E.-K.) bisher nichts bekannt geworden. Vielleicht liegt das zum Teil daran, dass man bei der Vagusreizung entweder nur Alt- 1) Auszugsweise vorgetragen in der morphol.-physiol. Gesellsch. in Wien am 28. Febr. 1910 und am VIII. internat. Physiol.-Kongresse in Wien am 29. Sept. 1910. Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 507 bekanntes in neuer Form sah oder aber geringfügige Abweichungen von der normalen Kurvenform fand, ohne eine sichere Erklärung für dieselben angeben zu können. Auch wir haben nach Vagusreizung nur wenig Neues und Be- merkenswertes gesehen und werden daher die diesbezüglichen Ver- suche erst am Schlusse unserer Ausführungen besprechen. Das Studium der Acceleranswirkung im E.-K. hat uns dagegen inter- essante Befunde ergeben, deren Darstellung die Aufgabe der folgenden Zeilen ist. Versuchsanordnung. Unsere Versuche sind ausschliesslich an Hunden ausgeführt, welchen Morphin (ca. 0,1 g) und Curare intravenös injiziert worden war. Die Ableitung der Aktionsströme erfolgte mit Neusilber- elektroden aus Ösophagus und Reetum. Das Saitengalvanometer war mit einem Platinfaden von 3000 2 versehen. Die Vagi wurden in der gewöhnlichen Weise am Halse gereizt. Die beiden frei präparierten Gangl. stellata wurden in je einen versenkbaren Reizgeber gelegt. In den meisten Fällen erhielten wir aber doch bei der Reizung der Accelerantes so starke Stromschleifen ins Galvanometer, dass das E.-K. unkenntlich wurde. Wir haben daher mit der Registrierung nach dem Ende der 5—10 Sek. dauernden Reizung begonnen und dann, um nicht zu viel Papier zu verschwenden, eine oder mehrere kurze Pausen eingeschaltet. Die Änderung der Herztätigkeit nach Acceleransreizung tritt bekanntlich erst nach relativ langer Latenz ein; auch die Formveränderungen des E.-K. entwickeln sich langsam und bilden sich langsam wieder zurück. Aus den verschiedenen Phasen dieser Entwicklung und Rückbildung haben wir für die Reproduktion diejenigen ausgesucht, welche die maximale Abweichung von der Norm darstellen, da wir naturgemäss nur kleine Kurven- stücke abbilden können. Durch die eingeschalteten Pausen in der Registrierung haben wir wohl kaum ein wichtigeres Stadium der Entwicklung versäumt; dagegen kann der Umstand, dass das E.-K. während der Reizung selbst nicht verzeichnet werden konnte, von einer gewissen Bedeutung sein: einmal deswegen, weil bei stärkerer Reizung die Wirkung schon während derselben auftritt, so dass die ersten Formveränderungen uns entgehen konnten; dann aber auch: aus dem Grunde, weil die durch die Stromschleifen heftig bewegte Saite sich nach dem Aufhören der Reizung fast niemals so auf dem 6 em breiten Papierstreifen einstellt, dass eine erfolgreiche Registrierung 508. J. Rothberger und H. Winterberg: möglich wäre. Mit der Einstellung der Saite können dann immer- hin einige Sekunden vergehen, welche vielleicht gerade die ersten Formveränderungen enthalten. Wenn man aber das Ganglion so weit frei präpariert, dass es nur mehr an der Ansa Vieussenii hängt, so kann der Reizgeber in der oberen Thoraxapertur in der Weise gelagert werden, dass die ins Galvanometer kommenden Strom- schleifen sich nicht mehr so störend bemerkbar machen. Wenn auch die Reizung selbst nicht verzeichnet wird, so ist doch dafür gesorgt, dass die Saite unmittelbar nach dem Ende der Reizung die richtige Stelle vor dem Spalt des Registrierapparates einnimmt. Wir haben in Übereinstimmung mit der bisherigen Annahme die wenige Sekunden nach Aufhören der Reizung auftretenden Ver- änderungen als die Höhe der Wirkung bezeichnet und die nach der ersten Pause aufgenommenen Kurven schon als den Ausdruck des Abklingens des Reizeffektes aufgefasst. Die nähere Betrachtung zeigt aber, dass diese Anschauung höchstens für die chronotrope Komponente der Acceleranswirkung zutrifft, welche ja auch durch die Inspektion des Herzens selbst sowie der beschleunigten Bewegungen der Saite sich in auffälliger Weise offenbart. Von dieser chronotropen Wirkung in hohem Grade unabhängig sind aber die Formveränderungen des E.-K. Sie können gerade am stärksten ausgesprochen sein zu einer Zeit, wo die Beschleunigung schon abklinst. Man müsste deshalb verschiedene Stadien als Höhe der Wirkung ansehen je nach der Wirkung, die man gerade im Auge hat. Wie wir sehen werden, besteht auch eine gewisse Unabhängigkeit im Entstehen und Ver- gehen der Veränderungen an den einzelnen Herzabteilungen. Ausser dem E.-K. haben wir in unseren Versuchen auch die Suspensionskurven des rechten Vorhofs, in den meisten Fällen auch die des Konusanteils des rechten Ventrikels verzeichnet, manchmal auch noch die Kurve des linken Vorhofs. Wir bedienten uns zu diesem Zwecke der schon in unserer früheren Publikation erwähnten Stahlfedern, welche senkrecht vor dem Registrierspalte angebracht waren, so dass ihre Bewegungen im Schattenbilde auf dem licht- empfindlichen Papier verzeichnet wurden. Es kam uns dabei haupt- sächlich auf den Beginn der Kontraktion an, der in der Tat durch den jähen Anstieg der Kurve scharf gekennzeichnet wird. Dagegen kann die Form der Suspensionskurve nicht als getreuer Ausdruck des Kontraktionsvorganges aufgefasst werden; insbesondere ist die verstärkende Wirkung der Herznerven nicht immer in der Suspensions- Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 509 kurve zu erkennen. Das beruht einerseits darauf, dass nicht immer serade die suspendierten Teile stärker bewegt wurden, und anderer- seits auf dem Umstande, dass die Stahlfeder mit zunehmender Deforma- tion immer unempfindlicher wird. Die Zeitschreibung erfolgte in den älteren Versuchen mit dem Jacquet’schen Chronographen (fünftel Sekunden), später mit der Stimmgabel ("/so bzw. "/ıoo Sekunden). Acceleranswirkung. Es erscheint uns überflüssig, an dieser Stelle ausführlich auf die grosse Literatur einzugehen, welche die Wirkung der fördernden Nerven zum Gegenstande hat. Wie bereits erwähnt, ist darüber nichts bekannt, in welcher Weise sich diese Wirkung in den elektrischen Vorgängen im Herzen äussert. Unsere Versuche haben nun die Tatsache ergeben, dass der rechte Accelerans im E.-K. anders wirkt als der linke, und wir müssen deshalb wenigstens auf die- jenigen Angaben in der Literatur zurückkommen, aus welchen eine Verschiedenheit in der Wirkung der beiden Accelerantes erschlossen wurde. Da hätten wir nun zuerst der chronotropen Komponente zu gedenken. Böhm), Strieker und Wagener?), Langley°) stimmen darin überein, dass der rechte Accelerans fast immer einen weitaus stärkeren Einfluss auf die Schlagfrequenz ausübe als der linke. Auch Pawlow) hat in seinen Versuchen, welche wir noch genauer besprechen werden, aus diesem Grunde sich auf die Präparation der Zweige des rechten Vagosympathicus beschränkt. Pawlow hat aber in derselben Arbeit auch Befunde erhoben, welche ihn zu dem Schlusse führten (S. 557), dass die neuen Nerven in ihren Verästelungen verschiedene Herzabschnitte inner- I) Boehm, Untersuchungen über den N. accelerator cordis der Katze. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd.4 S. 255. 1875. 2) Stricker und Wagner, Untersuchungen über die Ursprünge und die Funktion der beschleunigenden Herznerven. Sitzungsber. d. Wiener Akad. Abt. 3 Bd. 77 S. 103. 1878. 3) Langley, On the origin from the spinal chord of the cervical and upper thoracic sympathetic fibres etc. Philos. Transactions Royal Soc. London vol. 183B p. 85. 1892. 4) Pawlow, Über die zentrifugalen Nerven des Herzens. Arch. f. Physiol. 1837 p. 498. 510 J. Rothberger und H. Winterberg: vieren. Nuöl hatte schon an den Vorhöfen von Kaninchen und Fröschen, Gaskell an Schildkröten eine auf einzelne Herzteile be- schränkte Veränderung der Kontraktionskraft gesehen. Pawlow beobachtete bei der Reizung verschiedener Äste des rechten Vagosympathicus folgendes: „Während der Reizung des starken inneren Zweiges, wenn schon das Auge eine energische und rasche Kontraktion des Ventrikels wahrnimmt, bemerken wir keine entsprechende Veränderung in den Bewegungen der Vorhöfe. Bei Reizung der äusseren Zweige dagegen, wenn die Ventrikel häufiger zu schlagen begannen, wurden | ihre Bewegungen oberflächlich, wogegen die Vorhöfe sich energisch und schnell kontrahierten. Somit sind die verstärkenden Fasern der Ventrikel im starken inneren Zweig, die der Vorhöfe in den äusseren Zweigen enthalten. Solches Verhalten entspricht auch durchaus dem anatomischen Verlauf dieser Zweige; die äusseren Zweige verlieren sich augenscheinlich in den Vorhöfen, der starke innere Zweig da- gegen verteilt sich in seinem Hauptanteil in den Ventrikeln.“ Weitere Versuche, welche Pawlow an ausgeschnittenen Herzen (bis zu einer Stunde nach dem Tode des Hundes) ausführte, ergaben insofern eine weitere Differenzierung, als sich auch Verschieden- heiten in der Wirkung des rechten und linken Vago- sympathicus herausstellten. Bei Reizung der äusseren Zweige des rechten Gang]. stellatum zeigten sich an dem stillestehenden rechten Vorhofe rhythmische, an einem Punkte beginnende Kontraktionen, erst schwach, dann immer stärker, sich peristaltisch verbreitend, schliesslich einen bedeutenden Teil des Vorhofs umfassend. Nur ausnahmsweise begannen auch die Ventrikel zu schlagen. Der Beginn dieser Bewegungen am Vor- hof erfolgte erst einige Sekunden nach Beginn der Reizung; sie er- reichten das Maximum ihrer Intensität erst nach derselben und über- dauerten sie manchmal um mehrere Minuten. Dagegen ergab die Reizung des starken inneren Zweiges des rechten Ganglions lokale rhythmische oder peristaltische Bewegungen des rechten Ventrikels und der vorderen kleineren Abschnitte des linken Ventrikels, seltener rhythmische Kontraktionen en masse oder an den unteren Teilen der Vorhöfe. Die Reizung des starken inneren Zweiges des linken Seite ergab analoge Folgen für den linken Ventrikel. Pawlow, welchem das Verdienst gebührt, an dieser Stelle zuerst darauf hingewiesen zu haben, dass der Accelerans ein stillstehendes Herz zum Schlagen bringen Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 511 könne, bemerkt zu diesen Versuchen: „Es scheint, als ob man wirk- lich einen motorischen Nerven des Herzens in Händen habe...“ !) Endlich haben Roy und Adami?°) nach Reizung der linken Ansa Vieussenii eine deutliche Verstärkung der Ausschläge des linken Vorhofs und Ventrikels beobachtet, während die Beschleunigung kaum nennenswert war. Ferner fanden sie, dass bei einem Hunde, bei welchem der Vagus durch Atropin gelähmt war, die Reizung des vorderen Schenkels der linken Ansa an der Vorhofskurve nicht änderte, sondern nur auf den Ventrikel wirkte. Anatomische Untersuchungen. Schon Pawlow hat darauf hingewiesen, dass die einzelnen Zweige, die vom Gang]. stell. ausgehen, am Herzen eine lokalisierte Wirkung hervorrufen, was sich durch ihr anatomisches Verhalten erklären lasse. Bevor wir auf die detaillierte Besprechung unserer Befunde eingehen, wollen wir noch untersuchen, ob auch die Ver- schiedenheit in der Wirkung des rechten und linken Accelerans durch die anatomischen Verhältnisse erklärt werden kann. Das ist nun tatsächlich der Fall. Es wurde nämlich schon von Boehm?) gezeigt, dass bei der Katze die am inneren Rande aus dem Gangl. stell. austretenden grauen Nerven rechts wesentlich anders verlaufen als links; der linke Accelerans zieht zum linken Vorhofe und linken Vertrikel, während der rechte sich an der Wurzel der Art. pulm. verliert. Nach den ausführlichen Untersuchungen von Lim Boon Keng‘) liegen die Verhältnisse beim Hund wie 1) Wir haben gesehen, dass das Saitengalvanometer noch Aktionsströme von Herzen zeigt, an welchen keine Bewegung mehr zu sehen ist. Die Wirkung des Accelerans in diesem Stadium könnte also in einer Verstärkung dieser kaum sichtbaren Kontraktionsvorgänge bestehen. — In einzelnen Versuchen konnten wir aber nachweisen, dass dann, wenn auch das Galvanometer vom Herzen keine Lebenszeichen mehr gab, eine energische Acceleransreizung nach langer Latenz noch zum Auftreten vereinzelter Saitenausschläge führen kann. Freilich ist auch da nicht auszuschliessen, dass auch vor der Reizung minimale Bewegungen vor- handen waren, welche bei der gegebenen Saitenspannung nicht zu deutlichen Ausschlägen führten. 2) Roy und Adami, Contributions to the phys. and path. of the mam- malian heart. Philos. Transact. Royal Society London vol. 183B p. 85. 1892. 3) Boehm, |. c. 4) Lim Boon Keng, On the nervous supply of the dog’s heart. Journ. of phys. vol. 14 p. 467. 1893. o12 J. Rothberger und H. Winterberg: folgt: Jede Herzhälfte bekommt Nerven von rechts und von links; die lateralen Partien werden hauptsächlich von der entsprechenden. Seite versorgt; bezüglich der medialen Anteile verhalten sich die Vor- höfe anders als die Ventrikel. Die Vorhöfe erhalten Nerven von beiden Seiten, was bei den Kammern nur für die ventrale Partie zutrifft, während die dorsale hauptsächlich vom linken Vagosympathieus ver- sorgt wird. Lim Boon Keng führt dann weiter aus, dass nur die aus dem Gehirn und Rückenmark austretenden Wurzeln funktionell einfach sind, während in der Peripherie schon eine derartige Ver- mischung der Fasern stattfindet, dass von dort aus reine Hemmungs- oder Förderungswirkungen nicht mehr zu erzielen sind. Bei ver- schiedenen Hunden findet man grosse individuelle Unterschiede in der Verteilung der Vagus- und Sympathicusfasern. Auch die Untersuchungen von v. Schuhmacher!) über die vergleichende Anatomie der Herznerven bei den Säugetieren haben ergeben, dass die beiden Herzhälften im wesentlichen vom Vago- sympathieus ihrer Seite innerviert werden, so zwar (v. Schuh- macherS. 182), dass der linksseitige Kammernerv die linke Kammer und den linken Vorhof versorgt, während der rechte Nerv sich nicht ganz auf die rechte Herzhälfte beschränkt, sondern im Bereiche der vorderen Längsfurche auch auf das linke Kammergebiet übergreift. Ausserdem findet man beim Hunde häufig Verbindungszweige zwischen dem rechten und dem linken Kammernerven, was für die Erklärung mancher unserer Versuche von Wichtigkeit ist. Jedenfalls darf auf Grund der anatomischen Untersuchungen keine strenge funktionelle Trennung zwischen den Herznerven der rechten und der linken Seite angenommen werden, da schon durch die an der dorsalen Seite der grossen Gefässe und der Vorhöfe ge- legenen Plexus weitgehende Anastomosen gewährleistet erscheinen. Trotzdem erscheint es uns aber, worauf wir besonders hinweisen möchten, möglich, die überwiegend chronotrope Wirkung des rechten Accelerans ungezwungen aus der Tatsache zu erklären, dass er eben in den meisten Fällen seine Fasern an den rechten Vorhof bzw. an die normale Ursprungsstelle der Herzreize sendet, mit welcher der linke Accelerans in der Regel nicht so innig verbunden ist. Wir verweisen diesbezüglich auch auf unsere folgende Akhandlung. 1) v. Schumacher, Die Herznerven der Säugetiere und des Menschen. Sitzungsber. d. Wiener Akad. Bd. 111 Abt. 3 S. 133. Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 513 Folgen der Durchschneidung beider Accelerantes. Bevor wir an die Beschreibung der Reizwirkung am rechten bzw. linken Accelerans eingehen, müssen wir noch kurz der Ver- änderungen gedenken, welche die Herzaktion nach der Präparation der beiden Ganglia stellata erleidet. Dieselbe ist natürlich deutlicher ausgesprochen, wenn die Vagi noch erhalten sind, und zwar um so mehr, als ja die Morphinnarkose den zentralen Vagustonus erhöht. Die Inspektion des Herzens zeigt vor allem eine deutliche Puls- verlanesamung, und zwar beträgt die Schlagfrequenz nach beider- seitiger Durcehschneidung der Accelerantes unter den oben genannten Versuchsbedingungen gewöhnlich 130—170 pro Minute. Findet man eine hönere Frequenz, so ist es wahrscheinlich, dass die Loslösung der Ganglien vom Zentrum nicht vollständig erreicht wurde. Ungefähr gleichzeitig mit dem Eintritte der Verlangsamung ändert sich auch die Natur der Herzkontraktionen, welche jetzt eigentümlich oberflächlich und kraftlos erscheinen. Es muss jedoch her- vorgehoben werden, dass die Pulsverlangsamung und die Abschwächung der Systolen erst allmählich deutlicher wird. Diese Tatsache steht vielleicht in Zusammenhang mit der langen Nachwirkung bei der Reizung; für die tonische Innervation müsste man in ähnlicher Weise eine noch viel längere Nachwirkung annehmen. Andererseits wissen wir ja, dass der Effekt der Vagusreizung sofort nach Aufhören der Reizung vorübergeht, und dass nach der Durchschneidung der Vagi mit einem Schlage die Pulsbeschleunigung auftritt. Im E.-K. manifestiert sich der Wegfall des Acceleranstonus in eigentümlicher und sehr charakteristischer Weise. Wir sehen in Fig. 1a die Normalkurve, welche auch nach beiderseitiger Vagotomie im wesentlichen gleich bleibt (1b). Dagegen verändert sich das E.-K. nach beiderseitiger Acceleransdurehschneidung (le) in sehr auffallender Weise. Die Frequenz sinkt von 240 auf 130, Vorhofzacke und Nachschwankung sind fast verschwunden !), die Zacke R ist grösser geworden und repräsentiert eigentlich den einzigen 1) Nach beiderseitiger Acceleransdurchschneidung zeigt die stark ver- kleinerte Nachschwankung meist eine bestimmte Form, welche in dem Schema am Schlusse dieser Arbeit dargestellt ist. Man sieht zuerst eine flache Erhebung, (der, wie in Fig. 1c zweiter Schlag, eine ebensolche Senkung vorangehen kann), auf welche dann eine kleine, aber spitzige positive Zacke folgt (s. Fig. 14a und 17a). Diese Schwankungen, die in vielen Versuchen deutlich hervortreten, werden durch Saitenunruhe leicht verdeckt, wie das leider in Fig. 1c und 13a der Fall ist. 514 J. Rothberger und H. Winterberg: klar hervortretenden Teil des E.-K!). Ähnliche Kurven sieht man auch bei intakten Hunden, bei welchen durch hohen Vagustonus der Einfluss der Accelerantes mehr in den Hintergrund gedrängt erscheint. Dieser sehr ausgesprochenen Ausfallserscheinung gehen aber Stadien voraus, in welchen zunächst nur die Schlagfrequenz herabgesetzt, die Form des E.-K. aber noch wenig verändert ist (s. Fig.5). Dabei findet man häufig, dass die Vorhofzacke noch gross ist zu einer Zeit, wo im Kammerelektrogramm schon die Zeichen des Ausfalles deutlich sind (s. Fig. 4a, Sa, 10a, 11a, 16a, ferner 13a der folgenden Mit- teilung). Auf ein analoges Verhalten beim Abklingen der Reizwirkung kommen wir noch zurück. iiosplenn Hie.2ilihr Fig. 1e. Fig. 1. 11. Januar 1910. a Normal, Frequenz 230. b Nach beiderseitiger Vago- tomie, Frequenz 240. c Nach De Acceleransdurchschneidung, Fre- quenz 130. Folgen der einseitigen Acceleransdurchschneidung. Die Untersuehung der nach einseitiger Acceleransdurchsehneidung auftretenden Veränderungen, ergab in mancher Beziehung über- raschende Resultate. Vor allem zeigte es sich, dass die Schlag- frequenz durch die Ausschaltung des linken Ganglions oft gar nicht, durch die des rechten manchmal nur unwesentlich herabgesetzt wurde. Erst nach beiderseitiger Ausschaltung sinkt, wie erwähnt, die Frequenz 1) Weitere Beispiele zeigen die Fig. 13a, 14a, 17a, sowie Fig. 2a, 7b, 8b der folgenden Mitteilung. Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Flektrokardiogramms. 515 ziemlich bald auf 130—170 Schläge ab. Eine stärkere Herabsetzung der Frequenz nach Ausschaltung des rechten Ganglions fanden wir besonders dann, wenn bei Reizung des linken Accelerans a.-v. Automatie auftrat, ein Zeichen dafür, dass in diesen Fällen eine strengere Scheidung der Innervationsgebiete beider Accelerantes bestand (siehe die folgende Mitteilung). Die Herzkontraktionen erscheinen nach Präparation nur eines Gang- lions dem Auge nicht verändert zu sein; das E.-K. zeigt aber doch ge- wisse Abweichungen von der Norm an. Diese bestehen darin, dass die IERITIIIITTITELTERKIRTIT DERANGENAORSHERDURBRNGEN Fig. 2a. Fig. 2b. Fig. 2 c. Fig. 2d. Fig. 2. 20. Juni. a Normal, Frequenz 166. b Nach Durchschneidung des rechten Ganglions, Frequenz 154. c 10. Juni. Normal, Frequenz 260. d Nach Durch- schneidung des linken Ganglions, Frequenz 260. Nachschwankung wenigstens angedeutet jene Form annimmt, wie sie als Effekt der Reizung des Ganglions derselben Seite weiter unten zu besprechen sein wird. Nach Ausschaltung des rechten Ganglions wächst die Nachschwankung etwas; nach Präparation des linken wird sie kleiner oder sogar negativ. In Fig. 2 sind diese Veränderungen deutlich zu sehen; die Beispiele entstammen verschiedenen Versuchen. Nach der Durchschneidung des linken Ganglions wird die Nach- schwankung, welche vorher noch die Vorhofzacke überragte, ganz klein und besteht nun aus zwei kleinen, durch eine seichte Erhebung voneinander getrennten negativen Zacken. Dabei ist die Frequenz gleich geblieben, während sie in dem andern Falle nach Durch- schneidung des rechten Ganglions von 166 auf 154 gesunken war. been [WW 516 J. Rothberger und H. Winterberg: Die Erklärung für diese Tatsache, welche das gerade Gegenteil dessen darstellt, was man erwarten sollte, ist darin zu suchen, dass durch die Präparation ein Reiz auf das betreffende Ganglion ausgeübt wird. Diese Wirkung kommt sowohl in einer Frequenzsteigerung als auch in der besprochenen Formveräuderung des E.-K. zum Ausdrucke. Doch ist erstere gewöhnlich so flüchtig, dass innerhalb der bis zur Registrierung verstreichenden Zeit die Frequenz gewöhnlich wieder annähernd zur Norm abgesunken ist; dagegen bleibt die Form- veränderung viel länger bestehen. Wie weiter unten gezeigt werden wird, kommt beim Abklingen der Wirkung einer faradischen Reizung dasselbe Verhalten zur Beobachtung. Acceleransreizung. Die Reizung der Gangl. stellata ist von ungemein augenfälligen Veränderungen der Form des E.-K. begleitet; dabei haben wir ge- funden, dass der Effekt verschieden ist, je nachdem man den rechten oder den linken Accelerans reizt. Wir wollen vorläufig nur die an den nicht weiter zergliederten sternförmigen Ganglien ausgeführten Versuche besprechen und erst weiter unten anf die Resultate ein- gehen, die bei Reizung einzelner Nervenzweige erhalten wurden. Rechtes Gangl. stellatum. Auch in unseren Versuchen zeigte sich fast immer die bekannte Tatsache, dass nach Reizung des rechten Accelerans eine weitaus höhere Pulsbeschleunigung eintritt als nach Reizung des linken. Es ist wohl überflüssig, hierfür zahlenmässige Belege zu liefern. Die Pulsbeschleunigung kann nun an und für sich zu einer Veränderung des E.-K. führen, welche wir vorerst zu besprechen und denjenigen Formveränderungen gegenüberzustellen haben, welche als die eigentlichen markanten Folgen der Acceleransreizung im folgenden beschrieben werden sollen. Infolge der Pulsbeschleunigung, welche, wie bekannt, haupt- sächlich auf Kosten der Diastole erfolgt, aber auch eine Verkürzung der Systole und der Überleitungszeit mit sich bringen kann, rücken die Zacken des E.-K. näher zusammen. Bei noch höherer Schlag- zahl superponiert sich die Vorhofzacke auf die vorangehende Nach- schwankung!) und kann sogar vollständig in ihr aufgehen. (Siehe Fie. 15e, 16e). Die vollständige Verschmelzung von P und 7 beob- I) Verschiedene Grade von Superposition sind in den hier und in der folgenden Mitteilung reproduzierten Kurven leicht aufzufinden. Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 517 achtet man besonders dann, wenn mit der Pulsbeschleunigung keine Verkürzung oder sogar eine Verlängerung des Intervalles As—Vs eintritt. (Siehe Fig. 5 der folgenden Abhandlung ')).. Wenn, wie das häufig der Fall ist, dabei gleichzeitig die Nachschwankung höher ge- worden ist, so zeigt sie auch einen viel steileren Verlauf. Das kann so weit gehen, dass sie beinahe wie eine R-Zacke aussieht; niemals aber, das muss besonders hervorgehoben werden, haben wireine Superposition der R-Zacke auf die vorangehende Nachscehwankung gesehen. Viel durchsreifender als die eben beschriebenen sind aber jene Formveränderungen des E.-K., welehe unabhängig von der chronotropen Wirkung auftreten Die wichtigste und charakteristischste Verände- rung ist die der Nachschwankung, welche wir unten ausführlich be- sprechen werden. Die Vorhofzacke wird infolge der Reizung des rechten Ganglions meist beträchtlich grösser. Zeigte die Kurve nach der beider- seitigen Acceleransdurchschneidung eine kleine P-Zacke, so tritt sie nach der Reizung fast immer deutlicher hervor und ist dann stets nach aufwärts gerichtet (s. Fig. 3b, 17b). Der Effekt der Reizung scheint jedoch dann zu fehlen, wenn man nach der Präparation der Ganglien nicht lange genug gewartet hat; dann kommt der Ausfall des Acceleranstonus, wie wir ihn oben beschrieben haben, im E.-K. noch nicht zum Ausdruck. Meist ist dann gerade die Vorhofzacke noch ungeschwächt, während die Nachschwankung zu derselben Zeit schon stark verkleinert sein kann. Die Reizung hat dann keine weitere Vererösserung von P zur Folge (s. Fig. 4b, 11b). Wenn man aber an die Präparation des Ganglions gleich die Reizung anschliesst, so ist auch die Verkleinerung der Nachschwankung nicht immer schon eingetreten; dann besteht der Effekt der Reizung nur in der Er- höhung der Schlagfrequenz und äussert sich im Aneinanderrücken, der grösseren Steilheit und teilweisen Superposition der einzelnen Zacken (s. Fig. 5). Die Zacke R wird durch die Acceleransreizung in typischen Fällen verkleinert; in dieser Beziehung besteht meist kein wesent- lieher Unterschied zwischen der Wirkung der beiden Gangl. stellata. Die Verkleinerung beträgt ungefähr ein Drittel; manchmal geht sie 1) Ein Fehlen der Zacke P bei bestehender Tachykardie darf deshalb nicht ohne weiteres, wie dies Hoffmann tut (XXVII. Kongress f. innere Medizin S. 617- Wiesbaden 1910) auf „anatrische“ Herztäti gkeit bezogen werden. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 3) 518 J. Rothberger und H. Winterberg: jedoch so weit, dass die R-Zacke nicht viel höher ist als die Vorhof- schwankung (s. Fig. 4b). Nur ausnahmsweise haben wir nach Reizung des rechten Ganglions das Auftreten bzw. eine Vertiefung einer bereits bestehenden S-Zacke gesehen. Am wichtigsten und charakteristischsten ist, wie wir oben bereits erwähnten, die Veränderung der Form der Nachschwankung Dieselbe wird bedeutend vergrössert und ist in Fällen, in welchen die Reizwirkung stark ausgesprochen ist, zweiphasisch. Typisch ist dabei für die Wirkung des rechten Ganglions das Vorangehen der negativen Phase. Als Beispiel für diese Reizwirkung des rechten Accelerans diene Fig. 3. Wir sehen oben die Suspensionskurven Fig. 3a. Fig. 3b. Fig. 3. 10. März. a Frequenz 140. b Frequenz 250. des rechten Vorhofs und des rechten Ventrikels. Das erste Kurvenstück zeigt das E.-K. vor der Reizung. Beide Ganglien sind präpariert, die Vagi durch Atropinisierung ausgeschaltet. Der Wegfall des Tonus der fördernden Nerven dokumentiert sich in typischer Weise. Die Frequenz, welche nach der Lähmung der Vagi 260 betragen hatte, ist auf ca. 140 gesunken; Vorhofzacke und Nachschwankung sind klein, die letztere ist wieder zweiphasisch (s. 8.513, Fussnote). Das E.-K. zeigte anfangs eine ca. 6 mm tiefe S-Zacke, welche jedoch nach der Präparation der Acrelerantes nicht mehr zu sehen war. Die Reizung des rechten Ganglions bewirkt vor allem ein Wiederansteigen der Schlagfrequenz auf 250. Die Vorhofzacke wird gross und die R-Zacke verkleinert; unmittelbar an diese schliesst Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 519 sich eine mächtige zweiphasische Nachschwankung an. Die Zacke S$, welche nach der Präparation der beiden Ganglien verschwunden war, ist nach der Reizung auf der rechten Seite nicht mehr auf- getreten"). Da, wie wir später zeigen werden, auch nach Reizung des linken Accelerans eine grosse zweiphasische Nachschwankung auftritt, möge gleich hier hervorgehoben werden, dass nach der Reizung rechts stets die negative Phase vorangeht, die positive nachfolgt, während umgekehrt bei der Reizung des linken Ganglions zuerst eine positive Phase auftritt. Schematisch ausgedrückt, verhalten sich demnach die Fig. 4a. Fig. Ab. Fig. 4. 21. Januar 1910. a Frequenz 150. b Frequenz 260. Nachschwankungen wie Spiegelbilder (Fig. 11). Dieses gegensätzliche Verhalten ist wichtig für den Effekt der gleichzeitigen Reizung beider Aceelerantes, auf welehe wir weiter unten noch zurückkommen. Neben der eben besprochenen typischen Veränderung der Nach- schwankung beobachtet man aber nach Reizung des rechten Ganglions auch weniger ausgesprochene Veränderungen, die wir als Varianten noch kurz besprechen wollen. Die häufigste Abweichung besteht darin, dass die vorangehende negative Phase der Nachschwankung wenig ausgesprochen erscheint. Sie ist überhaupt der weniger konstante Teil. Während sie (wiein Fig. 3b 1) Weitere Beispiele für den typischen Reizeffekt des rechten Accelerans siehe Fig. 11b, 12a, 16c, 17b. In der folgenden Mitteilung Fig. Ic. 35 * 520 J. Rothberger und H. Winterberg: und Fig. 16c) manchmal mächtig ausgebildet ist und sich an den ab- steigenden Teil von % anschliesst oder aber direkt aus der Spitze von & aufsteigt ist sie in anderen Fällen nur in Form einer kleinen negativen Zacke vorhanden oder fehlt ganz. Ein derartiges Beispiel zeigt Fig. 4. In seltenen Fällen haben wir beobachtet, dass nach Reizung des rechten Accelerans eine schwache Negativität der ersten Phase der Nachschwankung verstärkt wurde; das Beispiel, welches uns diese Variante der Reizwirkung veranschaulichen soll Fig. 5, zeigt, wie dadurch die zweite positive Phase der Nachschwankung Fig. 5a. Fig. 5b. Fig. 5. 13. Januar 1910. a Nach Präparierung beider Accelerantes, Frequenz 150. b Reizung rechts, Frequenz 220. sogar verkleinert werden kann!). Gerade in diesen Fällen, wo bei oberflächlicher Betrachtung der Reizeffekt dem des linken Ganglions ähnlich zu sein scheint, tritt aber der Unterschied in markanter Weise hervor, da die Negativität, wie stark sie auch immer ausgesprochen sein möge, immer in dem an die R- oder S-Zacke unmittelbar anschliessenden Teile der Nachschwankung zu sehen ist. Interessant ist die Art und Weise, wie sich nach Aufhören der Reizung die Veränderungen des E.-K. entwickeln und zurückbilden. Wir haben schon eingangs erwähnt, dass man eigentlich nur in 1) Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Ausfall des Acceleranstonus hier nicht in typischer Weise zur Geltung kommt. Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 521 bezug auf die chronotrope Wirkung das unmittelbar auf die Reizung folgende Stadium als Höhe der Wirkung bezeichnen kann. So wie nach der Durchschneidung, so erweist sich auch hier die Frequenz- änderung in weiten Grenzen unabhängig von der Formänderung des E.-K. Meist kehrt zuerst die Schlagzahl allmählich zur Norm zurück, ohne dass sich zunächst die Form der Kurve ändert. Die superponierten Zacken rücken auseinander, das zwischen Nach- schwankung und Vorhofzacke liegende Intervall wird grösser, und dann erst beginnen die Veränderungen der einzelnen Zacken. Aber auch diese erfolgen nicht gleichmässig; oft bleibt die Vergrösse- rung der Vorhofzacke lange bestehen, wenn die Nachschwankung längst schon wieder klein geworden ist. Andererseits kommt es auch vor, dass die Nachschwankung noch zu einem Zeitpunkte eine wesentliche Formveränderung zeigt, in welchem die Schlag- frequenz sich schon wieder der Norm nähert. Aus diesem Ver- halten kann man in Übereinstimmung mit älteren Angaben schliessen, dass eine weitgehende Unabhängigkeit der chronotropen vor der inotropen Komponente der Acceleranswirkung besteht, wenn auch der Zusammenhang zwischen der Stärke der Kontraktion und Form- änderungen des E.-K. noch nicht in exakter Weise erbracht worden ist. Sicher ist jedenfalls, dass auch nach abwärts gerichtete Zacken einer verstärkten Kontraktion einzelner Muskelpartien entsprechen können. Der Umstand, dass die Entstehung und Rückbildung der Ver- änderung auch an den einzelnen Zacken zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgen können, zeigt ferner, dass diese Unabhängigkeit sich auch auf die Kontraktionsform einzelner Herzabteilungen erstrecken kann. Linkes Gang]. stellatum. Gegenüber den ziemlich konstanten Wirkungen des rechten Accelerans weisen die nach Reizung auf der linken Seite auftretenden Veränderungen eine grössere Variabilität auf. Es muss aber hervor- gehoben werden, dass der Reizeffekt bei einem und demselben Tiere immer derselbe ist und nur bei verschiedenen Tieren individuelle Varianten zeigt; aber auch diesen ist fast immer eine ungemein charakteristische, wie wir sehen werden, wieder die Nachschwankung betreffende Veränderung gemeinsam. Die chronotrope Wirkung ist, wie bereits oben erwähnt, meist schwächer ausgesprochen als auf der rechten Seite, kann aber bei verschiedenen Individuen sehr verschieden ausgeprägt sein; manchmal 5223 J. Rothberger und H. Winterberg: fehlt sie fast ganz, in anderen Fällen wieder steht sie dem Reizeffekt auf der rechten Seite kaum nach (s. Fig. 11). Bezüglich der Formveränderungen des E.-K. hätten wir vor allem der Vorhofzacke P zu gedenken. War dieselbe vor der Reizung vorhanden und positiv, so ändert die Reizung des linken Ganglions gewöhnlich nichts. In manchen Fällen (s. Fig. 6) sehen wir sie jedoch im Anschlusse an die Reizung kleiner werden und sogar verschwinden. Fehlte die Vorhofzacke schon vor der Reizung, so kann nachher ein negatives P auftreten; bei manchen Hunden . Fig. 6. 23. März 1910. Reizung, Accelerans links, Frequenz 190. wirkt aber der linke Accelerans ebenso auf den Vorhof wie der rechte, und dann wird P stärker positiv. Einen sehr interessanten und keineswegs seltenen Befund zeigt Fig. 7. Die Acceleransreizung auf der rechten Seite erhöhte die Frequenz von 150 auf 220 und machte die vorher stark positive Nachschwankung zweiphasisch. Bei Reizung auf der linken Seite (7 a) wurde die Vorhofzacke negativ. An den ersten drei Schlägen sieht man ein rasches Kleinerwerden von P, welches im vierten Schlag stark negativ wird. Das Zurückgehen dieser merkwürdigen Ver- änderung sieht man im folgenden Kurvenabschnitte. Interessant ist dabei, dass sich der Abstand zwischen P und dem Aufstieg der Suspensionskurve des rechten Vorhofs deutlich vergrössert, wo P negativ ist. Auch dieser Befund, auf dessen Würdigung wir in unserer folgenden Abhandlung über die atrio-ventr. Automatie näher ein- Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 593 gehen werden, hat uns den Gedanken nahegelegt, dass ein negatives P auf den linken Vorhof zu beziehen sein könne. Die Nachschwankung verändert sich in diesem Falle ähnlich wie bei der Reizung rechts, 13. Januar 1910. Reizung des linken Accelerans, Frequenz 150. 8.7. wat nur dass ihr Anfang höher auf den absteigenden Schenkel von R hinaufrückt. Weitere Beispiele für das Negativwerden von Ps. Fig. 10c, 16b, 17c, sowie in der folgenden Abhandlung Fig. 13, 14b. 924 J. Rothberger und H. Winterberg: Mit zunehmender Pulsfrequenz wird bekanntlich nicht nur die Diastole, sondern auch die Systolesowie in vielen Fällen die Überleitungs- zeit kürzer. Während nun auf der einen Seite nach Reizung des rechten Accelerans selbst bei bedeutender Pulsbeschleunigung oft nur eine geringe Verkürzung der Überleitungszeit auftritt, sieht man nach Reizung des linken Ganglions manchmal eine bedeutende Abkürzung des Intervalls As—Vs, welehe mit der geringfügigen chronotropen Wirkung in keinem Verhältnisse steht. Dieselbe geht in einzelnen Versuchen so weit, dass die Vorhöfe gleichzeitig mit den Ventrikeln schlagen. Fig. 8a. Fig. Sb. Fig. Sc. Fig. 8. 10. März 1910. Accelerans links. a Vorher, Frequenz 150. b Höhe, Frequenz 220. c Abklingen, Frequenz 1%. Diese merkwürdige Erscheinung, welche nicht mehr auf eine reelle Verkürzung der Überleitungszeit bezogen werden kann, haben wir nur nach Reizung des linken Accelerans beobachtet; wir werden sie in der folgenden Publikation ausführlich besprechen. Ebenso wie nach Reizung des rechten beobachtet man auch nach der des linken Accelerans eine Verkleinerung der Zacke R. Eine wenn auch inkonstante, so doch nach unseren Erfahrungen fast ausschliesslich dem Reizeffekte auf der linken Seite eigentümliche Veränderung ist das Auftreten bzw. die Verstärkung der Zacke S. Wir haben oben bei Besprechung der für die Wirkung des rechten Ganglions charakteristischen Form der Nachschwankung einen Ver- such (Fig. 3) erwähnt, bei welchem eine vorher bestehende &- Zacke nach Durchschneidung der Accelerantes verschwunden und Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 595 auch nach Reizung des rechten Ganglions nicht mehr aufgetreten war. Die demselben Versuche entnommene Fig. S zeigt in ihrem ersten, dem Zustande vor der Reizung des linken Ganglions ent- sprechenden Teile die Zacke 5 kaum angedeutet, wenige Sekunden nach Schluss der Reizung (Fig. Sb) aber schon stark ausgesprochen. Auf das dritte Kurvenstück dieser Figur werden wir noch zurück- kommen. Sehr interessant ist das in Fig. 9 dargestellte Beispiel, welches den Effekt der Reizung des linken bei erhaltenem rechten Accelerans Fig. 9a. Kis> 9b: 1027 J7e: Fig. 9. 27. Juni 1910. Reizung des linken Ganglions bei erhaltenem rechten. a Vorher, Frequenz 220. b Höhe, Frequenz 230. ce Abklingen, Frequenz 230. darstellt. Im Normalstück (9a) sieht man, dass die R-Zacke nicht viel höher ist als die Vorhofsschwankung. An R schliesst sich eine ausgesprochene S-Zacke, dann folet eine zweiphasische Nach- schwankung. Die Reizung (9b) nun verkleinert R und vertieft $ in solchem Maasse,, dass man die gewöhnlich als negative R-Zacke bezeichnete Kurvenform vor sich zu sehen glaubt*!). Die Nach schwankung zeigt zwei durch eine Einsenkung getrennte positive Zacken, von welchen die zweite in der Nachwirkung stark wächst, während R im Verhältnis zu $ eher noch kleiner geworden ist. Am wichtigsten ist auch nach der Reizung des linken Accelerans die Veränderung der Nachsehwankung, welche wir ja schon 1) s. auch Fig. 7d der folgenden Mitteilung. J. Rothberger und H. Winterberg: 9206 ‘7 zuonbaag aoyeds semnge 9 °0GT Zuenbary ‘suorsueHg uoyum sop Sunziay q gr] zuenbaı ‘soyuwiopjoooaYy aopıoq uoreiedeig yeN % OL 1 "10L "SA BENEEETEETEETEETEERESERENENTEETEELZUE EEE Ew UN: BEEREESEEREREREESEERESEEREEEHEEEELEEEEERHn "OI6T Tunf 05 "woL "LA ‘OL 1 Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 597 oben kurz berührt haben, indem wir sie der nach Reizung des rechten Accelerans beobachteten Wirkung gegenüberstellten. Wir sagten dort, dass die Nachschwankung, wie wir sie nach Reizung des rechten Ganglions sehen, in ihren beiden Phasen entgegengesetzt ist der- jenigen, welche für die Wirkung des linken Accelerans charakteristisch ist. Wir verweisen auch hier wieder auf das Beispiel Fig. 11, welches uns die nach Reizung beider Accelerantes auftretende Wirkung veranschaulichen wird. Am auffälligsten ist nach Reizung des linken Ganglions zweifellos die Negativität der Nachschwankung; ihr geht meist eine positive Phase voraus, welehe besonders dann deutlich ist, wenn die Negati- vität hohe Grade erreicht. Man kann deshalb auch hier die zwei- phasische Kurve als die charakteristische Form bezeichnen, welche die Nachsehwankung nach der Reizung des linken Ganglions an- nimmt. Immerhin ist die voran gehende positive Phase als der weniger konstante und weniger ausgesprochene Teil anzusehen. Als Paradigma diene Fig. 10. Das erste Kurvenstück zeigt das E.-K. nach Durchschneidung der Vaei und der Accelerantes. Die Vorhofzacke ist ungewöhnlich hoch geblieben, im absteigenden Schenkel von R sieht man eine Zacke, sonst ist die Kurve typisch. Nach Reizung des linken Accelerans steigt die Frequenz nur ganz wenig (von 143 auf 150), die R-Zacke wird bedeutend kleiner, die ‚Nachschwankung deutlich zweiphasisch. Aber ungeachtet der voran- gehenden positiven Phase wird man doch im wesentlichen den Ein- druck haben, dass die Nachschwankung durch die Reizung des linken Ganglions negativ geworden sei. Diese Veränderung ist auch als die charakteristische und zunächst auftretende Folge der Reizung des linken Accelerans anzusehen. Sehr interessant ist in dem hier angezogenen Falle der Umstand, dass die Kurve längere Zeit nach Aufhören der Reizung nicht einfach zur Norm zurückkehrt, sondern noch weitere Formveränderungen zeigt. Auf dem dritten Kurvenstück (Fig. 10e) sieht man, dass die Vorhofschwankung negativ geworden ist und A wieder an Grösse zugenommen hat. Höchst auffallend ist aber die Veränderung der Nachschwankung: sie ist jetzt enorm hoch und rein positiv, die Frequenz ist weiter auf 154 gestiegen. In diesem Falle war das Ganglion länger als gewöhnlich mit einem etwas schwächeren Strome gereizt worden. Aber auch sonst kommt es häufig vor, dass eine negative Nachschwankung positiv wird zu einer Zeit wo die Frequenz- 928 J. Rothberger und H. Winterberg: steigerung schon abnimmt und Veränderungen an den anderen Zacken sich schon wieder der Norm nähern (s. Fig. 8). Es tritt auch hier wieder die Tatsache zutage, dass sich die durch die Reizung der fördernden Nerven bedingten Funktionsänderungen bis zu einem ge- wissen Grade unabhängig voneinander entwickeln und zurückbilden '). Die in den einzelnen Fällen sehr verschiedene Verbreitung der Äste des linken Vagosympathieus, welche in sehr wechselnder Zahl Verbindungen zur rechten Herzhälfte herstellen können, erklärt die Tatsache, dass der Reizeffekt des linken Ganglions viel mehr. Varianten aufweist, als der des rechten. Es wechselt der Grad der Frequenzsteigerung, und es finden sich zahlreiche Abweichungen von der typischen Veränderung des E.-K., insbesondere der Nach- schwankung. Das konstanteste Phänomen ist, wie er- wähnt, das Vorkommen einer negativen Phase. Die Vorangehende positive Phase kann aber sehr verschieden stark aus- gesprochen sein. Sie fehlt z. B. ganz in Fig. 5 (s. auch Fig. 1b der folgenden Mitteilung), welche uns das Wiederauftreten der Zacke $ zeigte; in diesem Falle folet sogar nach der negativen Phase noch eine kleine positive Zacke. Atypisch ist auch die Veränderung der Nachschwankung in Fig. 7 und Fig. 12. Wer, besonders bei dieser letzteren Figur, nur die Nachschwankung sieht, würde eher an den Effekt einer Reizung des rechten Ganglions denken. Tatsächlich ist das einer jener seltenen Fälle, in welchen bezüglich der Nachschwankung in der Reizwirkung der beiden Ganglien kein wesentlicher Unterschied bestand. Reizung beider Accelerantes. Die nach Reizung beider Ganglien auftretenden Veränderungen stellen insbesondere bezüglich der Nachschwankung im wesentlichen die Resultierende aus den bei der Reizung auf jeder Seite erzielten Wirkungen dar; dabei ist die Pulsbeschleunigung fast immer eine bedeutende und demgemäss kommt es zu Superposition der Zacken P und T. Wie nach der Reizung auf der rechten Seite tritt meist eine Vergrösserung der Vorhofzacke und eine Verkleinerung von R ein. Für die Veränderung der Nachschwankung kommt vor allem 1) Weitere Beispiele für den typischen Reizerfolg des linken Accelerans siehe Fig. 11c, 15f, 16b. In der folgenden Mitteilung Fig. 1, 3b, 7d, 10, 11. Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 529 die Wirkung jedes Ganglions für sich in Betracht. Liegen die von uns als charakteristisch beschriebenen Wirkungen vor, so kann es bei der Reizung beider Accelerantes zu einer weitgehenden Auf- [HRRULENSERNHGEHRNNURET, Fig. 114. b Reizung rechts, rantes, Frequenz 230. Fig. 11e. EREERBENAGEEEEERN d Reizung beider Accele a Nach Präparation der Accelerantes und Vagi. Fig. 11h. [BEREERERTEREEZEREEREREEEBERERERE, 3. Mai 1910. c Reizung links, Frequenz 230. Fig. 11a. Fig. 11 Frequenz 240. EHETLSRITTELDEISERERERUBEHT TITTEN hebung der Einzelwirkungen kommen. Ein derartiges Beispiel zeigt Fie. 11. Fig. lla zeigt die Kurve nach Durchschneidung der Herz- nerven. Ungewöhnlich gross ist noch die Vorhofzacke; im übrigen ist die Kurve typisch. Reizung des rechten Ganglions bewirkt in charakteristischer Weise die oben beschriebene Veränderung der 990 J. Rothberger und H. Winterberg: Nachschwankung; diese zeigt eine negative und darauf folgende positive Phase. Reizung des linken Ganglions (Fig. 11e) wirkt. gerade umgekehrt: zuerst kommt die positive Phase, dann die tiefe Negativität!). Bei Reizung ‚beider Accelerantes heben sich die Wirkungen derart auf, dass nach R eine horizontale Strecke sichtbar wird. Ob ein Teil der nun verbreiterten und mehrzackigen Vor- hofzacke noch zur vorangehenden Nachschwankung gehört, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden. In seltenen Fällen, in welchen zwischen dem Reizeffekt des rechten und des linken Ganglions kein wesentlicher Unterschied besteht, kommt es zur Summation der Einzelwirkungen. _ ERNST RE EEE en Fig. 12a. Fig. 12b. Fig. 12. Fig. 12. 13. Januar 1910. a Accelerans rechts, Frequenz 220. b Accelerans links, Frequenz 160. c Beide Accelerantes, Frequenz 210. Ein solehes Beispiel zeigt Fig. 12, welche wohl keines Kommen- tars bedarf. Es muss jedoch an dieser Stelle erwähnt werden, dass unsere Versuchsbedingungen bei der gleichzeitigen Reizung beider Ganglien den Vorgang bei der natürlichen Innervation nur auf das allergröbste 1) In Fig. 11c ist der regelmässige Rhythmus durch eine aurikuläre Extra- systole unterbrochen. Die zu derselben gehörige P-Zacke ist wesentlich kleiner (vielleicht in den aufsteigenden Schenkel der vorangehenden Nachschwankung einbezogen). Interessant ist, dass das Kammerelektrogramm, von dem wir wissen, dass es bei normalem Erregungsablaufe unverändert bleibt, ebenfalls die von der Acceleransreizung herrührende typische Formveränderung aufweist. ® Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 531] nachahmen, da zwar die Rollenabstände, bei welchen gereizt wurde, sleich, die Induktionsapparate aber nicht als gleichwertig anzusehen waren. Immerhin zeigen auch diese Versuche, dass bei Reizung beider Accelerantes eine Kurvenform erhalten wird, welche man häufig beim Menschen sieht, und welche aus den Einzelwirkungen der beiden Ganglien abgeleitet werden kann. Ähnlich wie die faradische Reizung der Accelerantes wirkt auch die toxische Erregung. Das Adrenalin, ein spezifisches Reizmittel der sympathischen Endigungen, verändert das Elektro- kardiogramm in derselben Weise wie die faradische Reizung beider Ganglien. Hier wären vor allem die Versuche Kahn’s!) zu erwähnen, welcher sehr interessante Störungen der Koordination als Folgen intravenöser Adrenalininjektion beim Hunde beschrieb; wir wollen diese auf zentraler Vaguserregung beruhenden Wirkungen jedoch beiseite lassen. Kahn fand ferner, dass mit dem Kräftigerwerden der Herzaktion die Nachsechwankung wächst; er bemerkt aber weiter (S. 354 unten und 401), dass nach beiderseitiger Vagotomie alle durch das Adrenalin hervorgerufenen Störungen der Herzaktion weg- fallen und nur die reine Blutdrucksteigerung übrigbleibt, welche keine „wesentliche Änderung der Form des Elektrokardiogramms“ mit sich bringt. Es ist nun wohl riehtig, dass Steigerungen des Blutdrucks z. B. durch Aorteneompression die Form des E.-K. nicht wesentlich ändern (insofern es sich nicht um Extrasystolen handelt; eigene unveröffentlichte Versuche), aber die nach Adrenalin auftretenden Veränderungen sind eben nicht die Folge der Druck- steigerung, sondern der spezifischen Reizung der Sympathieus- endisungen; sie treten, wie wohl kaum besonders hervorgehoben werden muss, auch nach beiderseitiger Vagotomie auf. Ferner hat am Kaninchen H. Straub?) die Wirkung des Adrenalins studiert. Auch ihm fiel nach der Injektion die Grösse der Nachsehwankung auf (S. 117). Endlich erwähnt Kraus?) Versuche von Nikolai und Le- wandowsky, welche nach Adrenalininjektion ein Kleinerwerden oder I) R. H. Kahn, Die Störungen der Herztätigkeit durch Adrenalin im Elektrokardiogramme. Pflüger’s Arch. Bd. 129 S. 379. 1909. 2) Straub, Der Einfluss von Strophantin, Adrenalin usw. Zeitschr. f. Biol. Bd. 53. 3) Kraus und Nikolai, Das Elektrokardiogramm S. 282. Leipzig 1910. 532 J. Rothberger und H. Winterberg: Verschwinden der Nachschwankung beobachteten, welche erst nach Aufhören der Giftwirkung wieder auftrat. Diese Beobachtung kann sich aus der oben angeführten Tatsache erklären, dass in den Fällen, wo der rechte und der linke Accelerans gegensätzliche Wirkungen auf die Nachschwankung ausübten, die gemeinsame Reizung zu einer weitgehenden Aufhebung der Einzelwirkungen führen kann. Ein solches Beispiel haben wir in Fig. 11 gesehen. Es ist aber dabei zu berüchsichtigen, dass Fig. 1la die Kurve nach der Durch- schneidung der Herznerven zeigt. Das E.-K. des intakten Hundes hatte eine grössere Nachschwankung, als sie Fig. 11d zeigt, Fig. 13a. Fig. 13b. Fig. 13. 11. Januar 1910. 0,2 ccm 1°/ooiges Adrenalin. a Vorher, Frequenz 125. b Frequenz 175. In Fig. 13a, die aus demselben Versuche wie Fig. 1, nur etwas später als diese entnommen ist, sieht man die typischen Wirkungen des Ausfalls des Acceleranstonus — Fehlen von P und 7, grosses R. Fig. 13b zeigt die Kurve nach Adrenalin: R ist kleiner, ?P und T gut ausgesprochen, die Frequenz ist von 125 auf 175 gestiegen. Man sieht ferner, dass der Abstand zwischen dem Anstiege der Suspensionskurve des rechten Vorhofs und der Spitze der R-Zacke unter der Adrenalinwirkung grösser geworden ist. In Fig. 13a scheint P negativ zu sein; es würde dann hier ein ähnlicher Fall vorliegen, wie wir ihn in Fig. 7 abgebildet haben. Eine sichere Entscheidung ist aber nicht möglich, da die Suspensionskurven Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 533 des rechten Ventrikels bzw. des linken Vorhofs nicht gleichzeitig aufgenommen worden sind (s. auch die folgende Mitteilung). Der Effekt der Reizung beider Accelerantes ist ferner insofern interessant, als er eine bisher nicht weiter analysierte Veränderung des HElektrokardiogramms erklärt, welche nach körperlicher Arbeit auftritt. Schon de Lint!) hat unter Einthoven’s Leitung den Einfluss der Pulsfrequenz auf das E.-K. studiert, welches mit dem Kapillarelektrometer gewonnen und durch Kon- struktion in der richtigen Form dargestellt wurde. Die körper- liche Arbeit bestand in wiederholtem Treppensteigen, die Herz- ströme wurden einerseits vom rechten Arm oder der rechten Schulter, andererseits von einer nahe der Herzspitze gelegenen Stelle der Brustwand abgeleitet. Es zeigte sich dabei, dass nach Eintritt der Pulsbeschleunigung die Zacken R und 7 bald ver- erössert, bald verkleinert waren; konstant waren hingegen die Ver- änderungen von P, @ und S, und zwar wurde P immer verkleinert, © und S immer vergrössert. Als die wichtigste Begleiterscheinung beschleunigter Herztätiegkeit bezeichnen Einthoven und de Lint?) die Vergrösserung von S. Wenn diese Ergebnisse nicht mit den nach Acceleransreizung auftretenden Veränderungen übereinstimmen, so liest das vor allem darin, dass eine andere Ableitung gewählt worden war. Denn die Resultate, welche Einthoven?®) 8 Jahre später mit dem Saitengalvanometer erhielt zeigen in typischer Weise die im Experiment erzielbaren Veränderungen, insbesondere gilt das für die Figg. 26, 27 auf Seite 566. Einthoven be- schreibt erstens die Superposition der Zacken P und T7 infolge der gesteigerten Frequenz; im Vordergrunde der in der Kurve auftretenden Veränderungen steht jedoch die Vergrösserung dieser Zacken, während die Veränderungen von ©, R und 8 im ersten Beispiele wenig ausgesprochen sind. In dem zweiten von Einthoven abgebildeten Versuche (Figg. 28, 29) sieht man neben der Vergrösserung von FP deutlich ein Kleinerwerden von R; S& wird tiefer und die vorher schwach negative Nach- 1) de Lint, Bydrage tot de Kennis van het normale Electrocardiogramm van den Mensch. Proefschrift. Leiden 1896. 2) Einthoven und de Lint, Über das normale menschliche Elektro- kardiogramm usw. Pflüger’s Arch. Bd. 80 S. 139. 1900. 8) Einthoven, Weiteres über das Elektrokardiogramm. Pflüger’s Arch. Bd. 122. 1908. Pflüger’s Archiv für Physiologie, Bd. 135. 36 534 J. Rothberger und H. Winterberg: schwankung wird deutlich positiv. Einthoven bemerkt S. 567, dass die sich bei gesteigerter Herzfrequenz zeisenden Formver- änderungen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen, ob- gleich eine endgültige Erklärung des Zusammenhanges zwischen der modifizierten Herztätigkeit und der Formveränderung des E.-K. vor- läufig noch nieht gegeben werden kann. Dennoch bezieht Eint- hoven die Erhöhung von P auf die verstärkte Kontraktion der Vorhöfe, die Vertiefung von 8 auf die intensive Beteiligung des linken Ventrikels, die Verstärkung bzw. das Positivwerden von T auf die bessere Herztätigkeit. Nach Beeinträchtigung derselben durch Blutentziehung, Choroformnarkose, Vagusreizung, sowie bei pathologischen Veränderungen beim Menschen hatte Einthoven niedrige bzw. negative Nachschwankungen beobachtet. In demselben Jahre berichteten Müller und Nicolai!) über Versuche, in welchen sie den Einfluss intensiver, bis zur Erschöpfung fortgesetzter Arbeit am Zuntz’schen Bremsergometer studierten. Sie beobachteten dabei Verkürzung der Systole und der Pause, R wurde niedriger, die Höhe der Nachschwankung nahm oft sehr beträchtlich zu. Nach sehr stark erschöpfender Arbeit sahen sie bisweilen ein vollkommenes Verschwinden der Vorhofzacke. Kraus?) bemerkt bei der Besprechung dieser ebengenannten Versuche: „Wir haben uns auf Grund unserer Erfahrungen gerade- zu gewöhnt, ein Herz, dessen Aktionsstromkurve bei Arbeit dieses Höherwerden von F (Nachschwankung) aufweist, trotz eventuell sonst vorhandener anderweitiger Krankheitssymptome für ein relativ gutes zu halten.“ Kraus spricht auch die Ansicht aus, dass sich aus diesen Veränderungen eine brauchbare Funktionsprüfungsmethode des Herzens ergeben könnte. Die besonders nach nicht exzessiver körperlicher Arbeit auftretenden Veränderungen des Elektrokardiogsramms stimmen demnach bis in die Details mit denjenigen überein, welche wir durch beiderseitige Acceleransreizung erzielten; man ist also wohl berechtigt, dieselben auf die mit der gesteigerten Tätigkeit der Skelettmuskeln parallel gehende Innervation der fördernden Nerven zu beziehen. 1) Müller und Nikolai, Über den Einfluss der Arbeit auf das E.-K. des Menschen. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 32 Nr. 2. 2) Kraus und Nikolai, Das Elektrokardiogramm usw. S. 260. Leipzig 1910. Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 535 Reizung einzelner Herzäste. Die Untersuchungen von Pawlow haben gezeigt, dass die beschleunigende, bzw. verstärkende Wirkung einzelner vom Vago- sympathicus abgehender Herzäste in sehr verschiedenem Grade aus- gesprochen sein kann. So entfaltet der starke innere Zweig des rechten Vagus auch dann eine starke pressorische ‚Wirkung, wenn mit der Reizung keine Pulsbeschleunigung verbunden ist. Anderer- seits erzeugen die äusseren Zweige des rechten Vagus vor allem eine sehr bedeutende Pulsbeschleunigung, in manchen Versuchen nach der Angabe von Pawlow sogar Dissociation nicht nur zwischen Vorhof und Ventrikel, sondern auch zwischen den Herz- kammern. Auch wir haben es versucht, die nach Reizung eines Gang]. stellat. auftretenden Veränderungen weiter zu analysieren und nach- zusehen, ob sie nicht selbst wieder Resultierende aus den den einzelnen Nervenzweigen zukommenden Einzelwirkungen darstellen. Zuerst wurde immer der Einfluss der Hemmungsnerven durch Atropin beseitigt, dann die beiden Ganglien präpariert und ihre Reizwirkung verzeichnet. Dann durchtrennten wir nach Anlegung entsprechender Ligaturen die über der Ansa gelegenen Gewebe und schritten nun zur Präparation der einzelnen vom Vagus abgehenden Äste, welche auf Fäden genommen und zentral durchschnitten wurden. Es möge gleich hier bemerkt werden, dass die Isolierung einzelner Fasergruppen meist eine recht willkürliche ist; schon Pawlow bemerkt (S. 511 unten), dass bei fleissigem Präparieren die Zahl der Äste selbst bis auf 20 gebracht werden könne, eine Zahl, die sicher nicht zu hoch gegriffen ist. Da es uns auch weniger darauf ankam, gerade den Fftekt der Reizung an all diesen feinsten Fäserchen festzustellen, nahmen wir oft eine Gruppe der- selben zusammen. | Die bei den einzelnen Individuen vorkommenden weitgehen- den Variationen in der anatomischen Verteilung der Herznerven- fasern verbieten den Vergleich der bei verschiedenen Tieren von anscheinend identischen Ästen gewonnenen Resultate. Auch die von Pawlow genauer beschriebenen Nerven werden wir nicht mit Sicherheit in’den von uns präparierten Zweigen wiederfinden. Immerhin’ haben wir aber doch oft die Angabe Pawlow’s bestätigt gefunden, nach welcher im sogenannten starken inneren Ast vor- wiegend verstärkende Fasern verlaufen. 36 * 536 J. Rothberger und H. Winterberg: Herzzweige aus dem rechten unteren Halsganglion. Die Versuche Pawlo w’s beschränkten sich auf die rechte Seite. Seine Resultate sind kurz folgende: Der meist vom Ganglion selbst abgehende „starke innere Zweig“ verbreitet sich an der Vorderfläche beider Ventrikel, „wobei viele Verzweigungen über die Hälfte der Ventrikel- länge leicht verfolgt werden können“. Dieser Zweig verstärkt nach Pawlow die Herzaktion und bewirkt eine von der übrigensinkonstanten Pulsbeschleunigung unabhängige Verkürzung der Systole. Unterhalb dieser Astes gehen ebenfalls immer zwei bis drei dünne Zweige ab („untere innere“). An der Aussenseite sieht man vor allem die beiden Zweige der Ansa Vieussenii; unterhalb derselben gehen vom Halsganglion mehrere Herzzweige ab, welche Pawlow als die oberen und unteren äusseren Zweige bezeichnet. Diese bewirken hauptsächlich Pulsbeschleunigung (S. 554, 556). In den- jenigen Fällen in welchen diese sehr bedeutend war, trat die schon oben erwähnte „Disharmonie“, zuerst in der Tätigkeit beider Ventrikel dann auch zwischen Vorhöfen und Ventrikeln ein. Diese Koordi- nationsstörung kann durch Reizung des starken innern Zweiges aufgehoben werden. Diese von Pawlow sehr genau beschriebene merkwürdige Erscheinung konnten wir in unseren Versuchen nicht beobachten. Als Beispiel wählen wir folgenden Versuch (Fig. 14). Die Wirkung der Reizung des rechten Gang]. stellat. haben wir schon oben abgebildet (Fig. 3) und verweisen hier darauf. Sie besteht in beträchtlicher Pulspeschleunigung (150 auf 250), bedeutender Vergrösserung von P, deutlicher Verkleinerung von R und dem Auf- treten einer grossen zweiphasischen Nachschwankung, wobei die negative Phase vorangeht. Fig. 14a zeigt wieder in typischer Weise den Ausfall des Acceleranstonus. Der starke innere Zweig (Fig. 14b.u. c) wirkt, wie schon während des Versuches festgestellt wurde, verstärkend auf die Herzaktion und erhöht die Frequenz nur ganz unwesentlich (150 auf 160, daun 170); P wird etwas grösser und doppelgipflig, R ändert sich nicht, die Nachschwankung ist ähnlich wie bei der Reizung des Ganglions, aber nicht so gross, die positive Phase ist doppelgipflig. Wie Fig. 14e zeigt, tritt beim Abklingen der Wirkung eine weitere Änderung an den Zacken P und 7 ein, die Frequenz ist noch um zehn Schläge gestiegen. Ein hinterer Zweig (Fig. 14d) wirkte etwas stärker beschleunigend (145 auf 170), er verändert weder die Vorhofzacke noch AR wesentlich und wirkt auf die Nachschwankung Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 537 wie der starke innere Zweig, nur bedeutend sehwächer. Ein andererhinterer Ast (Fig. 14e) ist in seiner Wirkung dem inneren Fig. 14a. Fig. 14b. \ Ferse yuarelı BERRRERERENEREHEREBBERENRENRERREREN Fig. 14d. Fig. 14e. Fig. 14f. Fig. 14g. Fig. 14. 10. März 1910. a Nach Durchschneidung der Vagi und Accelerantes, Frequenz 140. b und < Starker innerer Ast, b Frequenz 160, c Frequenz 170. d Hinterer Zweig I, Frequenz 170. e Hinterer Zweig Il, Frequenz 170. f Unterer innerer Ast I, Frequenz 174. & Unterer innerer Ast Il, Frequenz 210. Zweige (Fig. 14b) sehr ähnlich, aber er beschleunigt den Herzschlag etwas mehr (145 auf 170) und wirkt stärker auf die Nachschwankung, welche auch hier wieder zweiphasisch ist. Nun präparierten wir 538 J. Rothberger und H. Winterberg: noch zwei untere innere Äste. Die Wirkung des einen (Fig. 14f) ist der eben beschriebenen sehr ähnlich, aber die .Nach- schwankung wird viel grösser als nach der Reizung der vorerwähnten Äste. Der zweite untere innere Ast (Fig. 14g) unterscheidet sich jedoch von den vorigen sehr wesentlich: er steigert die Frequenz von 150 auf 200 und enthält, wie sich im folgenden zeigt, die am stärksten chronotrop wirkenden Fasern; denn die Reizung der noch im Hauptstamm des Vagus übriggebliebenen Fasern vermag den Herzschlag nicht mehr zu beschleunigen. Dass die Reizung des positiv chronotrop wirkenden Astes die Frequenz nicht auf 250 brachte, wie anfangs die Reizung des rechten Gang]. stellat., hängt wahrscheinlich mit der Abnahme der Erregbarkeit im Laufe des Versuches zusammen, da die am Schlusse ausgeführte Reizung aller präparierten Äste zusammen auch nur dieselbe Beschleunigung er- zielte, wie der zweite untere innere Ast allein. Die Wirkung des- selben auf das Elektrokardiogramm zeigt weitere interessante Ver- änderungen. Die Zacke P war noch von der letzten Reizung gross geblieben und erfährt keine weitere Veränderung. Dagegen wird die Zacke R, welche von keinem der vorher gereizten Äste wesent- lich verändert worden war, nun stark verkleinert und ist kaum grösser als die Vorhofzacke, und überdies wird die positive Nach- schwankung nach der Reizung stark negativ, während die früher präparierten Äste die Nachschwankung, wenn auch in verschiedenem Grade, doch alle in derselben Weise verändert hatten. Interessant ist dabei, dass die Negativität in der Nachschwankung an einer anderen Stelle sitzt als bei der Reizung der anderen Zweige. Sie ist ähnlich wie nach Reizung des linken Gangl. stellat. Die Vorhof- zacke, welche sonst immer nach der Reizung an Grösse wieder ab- senommen hatte, bleibt nun im weiteren Verlaufe des Versuches gross. Schon nach der Durchschneidung des zweiten hinteren Zweiges wurde sie nicht mehr klein. Die Reizung des von seinen Haupt- ästen entblössten Vagusstammes beschleunigt, wie gesagt,. den Herzschlag nicht mehr und wirkt nur verkleinernd auf R und die Nachschwankung; einige dem unteren inneren Ast II analoge Fasern sind also auch im Hauptstamm noch enthalten. Die Reizung aller präparierten Äste zusammen wirkt wie die des rechten Gang]. stellat., nur mit dem Unterschiede, dass die Vorhofzacke, welche gross geblieben war, nicht grösser wird und sich nicht auf die Nachschwankung des vorangegangenen Schlages superponiert, Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 539 weil auch die Frequenz nicht auf 250, sondern nur auf. 200 er- höht wird. Wir haben also in diesem Versuche einen Ast kennen gelernt, welcher die am stärksten chronotrop wirksamen Fasern des rechten Accelerans enthält. Er ist zugleich der einzige, der die Zacke R verkleinert und die Nachschwankung negativ macht; auf den Vorhof wirkt er nicht. Die anderen Zweige wirken fast gar nicht be- schleunigend, aber deutlich verstärkend auf die Herzaktion; sie ver- grössern P, verkleinern AR nicht und wirken auf die Nachschwankung, wenn auch dem Grade nach verschieden, alle in derselben Weise Fie. 15a. Fig. 15b. Fig. 15c. Fig. 15d. Fig. 15. 12. März 1910. a Normal, Frequenz 280. b Nach Präparation beider Accelerantes, Frequenz 210. c Reizung rechts, Frequenz 280. d Reizung links, Frequenz 250. und ganz so wie das rechte Gangl. stellat. In den in diesem Ver- suche präparierten Zweigen haben wir sicher die wichtigsten Herz- nervenzweige vor uns, da die Reizung des übriggebliebenen Vagus- stammes nur unwesentliche Formänderungen des E.-K. zur Folge hat. Herzzweige aus dem linken unteren Halsganglion. Als Beispiel wählen wir folgenden Versuch (Fig. 15)'). Das Herz schlug nach Eröffnung des Thorax (Fig. 15a) sehr frequent (280); dementsprechend sehen wir Superposition des doppelgipfligen 1) Ein anderes Beispiel zeigt Fig. 7 der folgenden Mitteilung. 540 J. Rothberger und H. Winterberg: Pauf T, R ist kaum höher als P, $ sehr tief, die Nachschwankung zweiphasisch mit negativem Vorschlag. Unmittelbar nach Präparation 8 Fig. 15h. HEURENERERE MEIDEETEREEEREEFENS WRRBREIEEDERRENERGE Fig. 159g. HEERITERIPRETEREITDEIRERERRRERT (HRRLTUEREREHUHNNNERE| Unterer innerer, dicker Ast. (e Vorher, Frequenz 175, f nach der Reizun Frequenz 180.) h Starker innerer Ast am Lungenhilus, Frequenz 171 Fig. 15f. THTETETRTERTERETEDLENERENELRUTERENARDENKRERRRESHRENAEN [EHEEHUREHRERRRDEREREZ UT: e, fund g Frequenz 187, g etwas später, Fig. 15e. Zu Fig. 15 gehörig. [DERHEHEHERERERELEESERUELHERUTENNEERHAERNETGEE beider Ganglien (Fig. 15b) betrug die Frequenz noch 210, die Vor- hofzacke ist klein, % grösser geworden, 7 noch gross, aber rein Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 541 positiv. Nach Reizung des rechten Ganglions (Fig. 15c), welche die Frequenz auf 230 hebt, stellt sich wieder die Normalform her, nur ist die Superposition infolge des beträchtlichen Wachsens der Nach- schwankung eine noch bedeutendere, so dass sich die Vorhofzacke kaum mehr von ihr abhebt. Die Reizung des linken Ganglions (Fig. 15d) erhöht die Frequenz auf 260, atypisch ist die Wirkung auf die Form des E.-K., welches von der Normalform nur insofern abweicht !), als die Zacke S wesentlich vertieft erscheint. Die Reizung der beiden Äste der Ansa ergab ebenfalls kein bemerkenswertes Resultat, so dass wir von der Reproduktion der bezüglichen Kurven absehen können; eben- so verhielt es sich mit einem oberen inneren dicken Aste, derselbe war chronotrop unwirksam. Überraschend ist nun die Wirkung eines anderen Zweiges, den wir als unteren inneren dieken Ast bezeichnet haben. Er wirkte noch etwas beschleunigend: die Frequenz war mittlerweile auf 175 gesunken und stieg nach der Reizung auf 190 (Fig. 15fj’ In keinem Verhältnisse zu dieser unbedeutenden Be- schleunigung steht die starke Verkürzung des Intervalles As— Vs; dasselbe betrug (an der Suspensionskurve gemessen) vorher zirka 0,075 Sek., nachher höchstens 0,02 Sek. Die früher deutliche doppel- eipflige Vorhofzacke ist nur angedeutet und negativ. Es ist dies einer der Fälle von atrioventrikulärer Automatie, die wir in der folgenden Mitteilung ausführlich besehreiben werden. Das Interessante dieses Versuches ist, dass ein Zweig des Vagosympathicus diese Wirkung hat, und dass dieselbe bei Reizung des Ganglions oder der Ansaäste nicht zum Vorschein kommt. Die Sonderwirkung dieses Zweiges zeiet sich aber auch an der Nachschwankung. Keiner der früher präparierten Äste hatte dieselbe wesentlich verändert, dieser macht sie stark negativ. Der aufsteigende Schenkel der S-Zacke geht über die Hälfte von AR hinauf, und dort beginnt der Abstieg der Nachschwankung. Nach kurzer Zeit ist die Frequenz wieder auf 180 gesunken (Fig. 158), die Vorhofzacke ist wieder da wie vorher, ebenso das Intervall As—-Vs, die Nachschwankung aber, welche sich in ihrem ersten Teil nicht verändert hatte, ist nun nicht mehr negativ, sondern stark positiv. 1) Es liegt hier eine seltene Veränderuug von T nach Reizung des linken Ganglion vor. Sie erinnert an Fig. 5b, welche uns eine seltene Variante nach Reizung auf der rechten Seite zeigte. Die starke Beschleunigung lässt vermuten, dass in diesem Falle im linken Vagosympathicus zahlreiche‘noch rechts ziehende Zweige enthalten waren, nach deren Ausschaltung (Fig. 15f) die typische Wirkung auf die Nachschwankuug zutage trat. 942 J. Rothberger und H. Winterberg: Tief unten am Lungenhilus fanden wir dann noch einen starken inneren Ast, dessen Reizung wir verzeichneten (Fig. 15h). Er wirkt nur auf die Nachschwankung, aber auch wieder anders als die vor- her untersuchten Zweige: 7 wird zweiphasisch, jetzt geht aber die _ negative Phase voran. Die Wirkung ist bezüglich der Nachschwankung fast entgegengesetzt der bei der Reizung des vorigen Astes be- obachteten. Diese beiden Veränderungen mögen sich soweit auf- gehoben haben, dass bei der Reizung des Ganglions die Einzelwirkung nicht zutage treten konnte. Eine derartige Sonderwirkung, welche nach der Reizung des linken Ganelions nicht zu erwarten war, haben wir auch noch in einem zweiten Versuche bei der Reizung einzelner Zweige in ganz ähnlicher Weise. beobachtet. Nur die ausserordentliche Verkürzung des Intervalles As— Vs war dort nicht aufgetreten. Endlich bringen wir in Fig. 16 eine zwar seltene, aber sehr interessante Veränderung, welche nach der Reizung des vorderen Astes der linken Ansa aufgetreten war. Wir sehen in Fig. 16a die Kurve nach der Durchschneidung beider Accelerantes. Fig. 16b nun zeigt weitgehende Veränderungen. P ist negativ, die Suspensions- kurven des rechten Vorhofs und rechten Ventrikels sind auch hier deutlich zusammengerückt. Die Zacke Z ist verkleinert; das Inter- essante ist nun, dass schon in der Hälfte ihres absteigenden Schenkels die für Reizung des linken Accelerans typische, mit einer positiven Phase beginnende Nachschwankung einsetzt, so dass man wohl von einer Superposition der Nachschwankung auf die R-Zacke sprechen muss. In Fig. 16e zeigen wir aus demselben Versuche den ausser- ordentlich typischen Reizerfolg des rechten Ganglions; man sieht nur mehr die stark verkleinerte R-Zacke und die mächtige zweiphasische Nachschwankung, in welcher die Vorhofzacke vollständig auf- gegangen ist. Wirkung der im Halsvagus verlaufenden Acceleransfasern. Es ist eine längstbekannte Tatsache, dass bei Reizung des Hals- vagus auf die zunächst eintretende Hemmung eine Beschleunigung des Herzschlags folgt, welche auf der Mitreizung sympathischer Fasern beruht. Im E.-K. sieht man oft, dass die ersten auf den Herzstillstand folgenden Schläge eine sehr hohe Nachschwankung zeigen; es ist jedoch nicht sicher zu entscheiden, ob diese schon als Accelerans- Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 543 wirkung aufzufassen ist. Im weiteren Ablaufe sieht man aber dann in zweifelloser Weise die für Acceleransreizung typischen Ver- änderungen hervortreten. Fig. 16e. Fig. 16b. c Reizung des rechten Accelerans, Frequenz 250. a Nach Durchschneidung beider Accelerantes, Frequenz 180. b Reizung des vorderen Astes der linken Ansa, Frequenz 220. Fig. 16a. 24. Juni 1910. Fig. 16. 544 J. Rothberger und H. Winterberg: Interessant ist nun aber die Tatsache, dass an atropinisierten Tieren bisweilen bei Reizung des rechten Vagus Veränderungen be- obachtet werden, welche der Wirkung des rechten Gang]. stellatum < © ur — = B= = >) = eb) = - er 2) zer = = {=10) = S 2 > 3 = = =) = Ne) = - Z N En = = {eb} = =} = 2 = = &>) 8 Z [0 u = ml r = =) on = in [eb) = m = Z &,, = nn = SIE =; E=| 5 3-= = du = a = ER 7 = = SS = Ss - As = an = SN TE Se I en So “a SIE, E 5 = nm Do Be) es = R E S Ss m & - N = :c8 — Fi & o & [I — ri Se fe am) je 0 er = entsprechen. Ebenso verhält es sich vice versa beim linken Vagus. Wir wählen als Beispiel wieder den Versuch, der uns die Reiz- wirkung des rechten Ganglions und seiner Äste veranschaulichte Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 545 (Fig. 14). Auch den Effekt der Reizung des linken Accelerans haben wir abzebildet, um das Wiederauftreten der Zacke S zu zeigen (Fig. 8). In diesem Versuche war von vornherein Atropin gegeben worden. Während die Reizung des linken Vagus bei intakten Accelerantes ohne Einfluss auf das E.-K. blieb, zeigte dasselbe nach Reizung des rechten Vagus eine bedeutende Vergrösserung der in typischer Weise zweiphasischen Nachschwankung. Dieselbe Wirkung blieb auch im wesentlichen nach Durchschneidung der Accelerantes bestehen; die Frequenz, welehe von 260 auf 150 abgesunken war, wird dabei wieder auf 220 gehoben (Fig. 17a und b). Während aber die Reizung des linken Vagus vorher wirkungslos gewesen war, macht sie jetzt (Fig. 17e) die Vorhofzacke negativ und verändert die Nachschwankung in der Weise, dass die an AR anschliessende positive Zacke etwas erhöht wird. Die Wirkung zeigt auch den für das linke Ganglion charakteristischen schwachen Einfluss auf die Schlagfrequenz, welche nur auf 160 erhöht wird. Vaguswirkung. Wie bereits eingangs erwähnt, sind über die Veränderungen, welche das E.-K. unter dem Einflusse der hemmenden Nerven er- fährt, schon mehrfache Untersuchungen ausgeführt worden. Die wichtigsten dieser Formänderungen hat schon Einthoven be- schrieben. Wir haben im Verlaufe unserer Untersuchungen, welche sich über ein Jahr erstrecken, einige interessante Varianten gesehen, die meisten derselben sind aber in den inzwischen publizierten Arbeiten von Hering und Kahn auch dargestellt, so dass wir, um Wiederholungen zu vermeiden, dieselben hier nicht mehr beschreiben werden; sie beziehen sich hauptsächlich auf die Vorhofzacke und die Nachschwankung. Nun ist aber die Beurteilung der durch die Hemmungswirkung allein bedingten Formänderungen des E.-K. dadurch erschwert, dass die durch die Mitreizung der im Vagusstamme enthaltenen Accelerans- fasern hervorgerufene Wirkung bald zutage tritt. Einzelne der nach Vagusreizung auftretenden Veränderungen können deshalb wohl schon auf der beginnenden Wirkung der fördernden Nerven beruhen. Wir besitzen leider kein Mittel, welches diese unerwünschte Nebenwirkung durch Lähmung der Endigungen des Sympathicus beseitigen könnte. Die Loslösung des Ganglion stellatum von den zentralen Ver- bindungen ist für die bei der Vagusreizung auftretenden 546 J. Rothberger und H. Winterberg: Wirkungen belanglos. Sie gibt uns aber doch ein Mittel an die Hand, wenigstens den Einfluss der tonischen Hemmung auf die Form des E.-K. zu studieren, bei welcher wir die Verkleinerung der Vorhof- und der Nachschwankung sowie die Vergrösserung der Zacke AR, dabei die bedeutende Herabsetzung der Schlagfrequenz beobachten. Derartige Kurven kann man auch von Hunden mit intakten Accelerantes erhalten, wenn hoher Vagustonus besteht. Unterdenbei faradischer Vagusreizung auftretenden Veränderungen- scheint uns eine bisher nicht genug hervorgehoben zu sein, nämlich die Vergrösserung der Zacke R. Nach den Angaben von Einthoven!) würde sich weder infolge des Wegefalles des Vagus- tonus nach beiderseitiger Vagotomie, noch bei faradischer Vagus- reizung die Zacke R verändern. Hering?) fand eine in dem von ihm angeführten Beispiele allerdings kaum erkennbare Verkleinerung der Zacke R als Folge dyspnöischer und faradischer Vagusreizung und betrachtet die Verkleinerung als den Ausdruck der Über- kompensation der verstärkenden Wirkung der längeren Pause durch die stärker abschwächende Vaguswirkung. Es ist hier die noch keineswegs bewiesene Voraussetzung gemacht, dass die Höhe der R-Zacke den Ausdruck für die Kraft der Herzkontraktion darstelle, und dass R bei der Verstärkung der Herztätigkeit grösser wird. Tatsächlich ist dem nicht so, wie unsere Resultate bei der Accelerans- reizung beweisen. Wir haben bei Vagusreizung eine oft sehr ausgesprochene Ver- grösserung der Zacke R gesehen; diese könnten wir wohl als reine Hemmungswirkung auffassen, da ja umgekehrt die Reizung an fördernden Nerven eine deutliche Verkleinerung der Zacke R er- geben hat. Wir haben aber andererseits auch nach Durchschneidung der Vagi und Accelerantes sehr hohe AR-Zacken gesehen (s. Fig. 1). Da nach dem Ausfall des Tonus der Augmentatoren immer eine Pulsverlangsamung eintritt, so wäre es möglich, dass die grosse R- Zacke bis zu einem gewissen Grade als Eigentümlichkeit verlang- samter Herzschläge aufzufassen ist. | 1) Einthoven, Weiteres über das Elektrokardiogramm. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 536. 1908. 2) Hering, Experimentelle Studien an Säugetieren über das Elektrokardio- gramm. Pflüger’s Arch. Bd. 127 S. 156. 1909. Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 547 Es erübrigt noch, zu der von Hering!) ausgesprochenen An- sicht, dass das E.-K. der Kammerextrasystolen und das der durch Vaguswirkung abgeschwächten Kammersystolen sich ähnlich sehen könne, Stellung zu nehmen. Gegen diese Ansicht hat schon Strubell?) in energischer Weise protestiert, wobei er sich aber nicht auf eigene Befunde stützte, sondern nur von der Befürchtung geleitet wurde, die elektrokardiographische Methode könnte dadurch an Wert ver- verlieren. Es bedarf wohl keines Hinweises darauf, dass ein der- artiger Standpunkt ganz unzulässig ist. Die Bestimmung der Grenzen, innerhalb welcher die Methode brauchbare Resultate gibt, ist in diesem Falle die Hauptaufgabe der experimentellen Forschung und muss der klinischen Verwertung vorangehen. Hering bildet in Fig. 7 seiner oben zitierten Arbeit eine bei faradischer Reizung des linken Vagus erhaltene Kurve ab, in welcher zwei abnorme Kammerelektrogramme zu sehen sind. Diese haben die Form linksseitiger Extrasystolen, aber jeder von ihnen geht, wenn auch in verschiedenem Abstande, eine Vorhofzacke voran. Hering schliesst aus dem Umstande, dass diese Systolen nicht vor- zeitig, sondern im Gegenteile etwas nachzeitig, und zwar nach der Vorhofzacke aufgetreten sind, dass diese Kontraktionen keine Extra- systolen sein können, „denn es fehlt ihnen das Charakteristikum der Vorzeitigkeit?).“ Dazu möchten wir nun bemerken, dass die Vorzeitigkeit bisher allerdings das einzige Moment war, welches uns gestattete, eine Extrasystole mit Sicherheit zu erkennen. Das eigentliche Wesen des extrasystolischen Schlages liegt aber nicht so sehr in der Vor- zeitigkeit desselben, als vielmehr darin, dass derselbe an abnormer Stelle (heterotop) und vielleicht auch durch einen abnormen Reiz- bildungsvorgang (heterotypisch) entsteht. Einer der wesentlichen Vorzüge der elektrokardiographischen Methode besteht nun gerade darin, dass sie uns gestattet, wenigstens jenen Teil, der an abnormer 1) Hering, Experimentelle Studien an Säugetieren über das Elektrokardio- gramm. Pflüger’s Archiv Bd. 127. 1909. -2) Strubell, Zur Klinik des E.-K._ Verhandl. d. XXVI. Kongr. f. innere Med. S. 626 ff. 3) Kahn, Pflüger’s Arch. Bd. 129 S. 398. 1909, hat nach Injektion von Adrenalin beim Hunde mit intakten Vagis ebenfalls das Auftreten von derartigen atypischen Kammerschlägen beobachtet und schliesst sich bezüglich ihrer Deutung Hering an. 548 J. Rothberger und H. Winterberg: Stelle enstehenden Kontraktionswellen zu erkennen, welche zufolge ihres weiteren Verlaufes ein atypisches E.-K. geben. Dadurch ist es möglich, Extrasystolen auch bei hochgradigen Störungen des Herzrhythmus zu erkennen oder sie dort noch auffinden zu können, wo eine genaue Ausmessung der Kurven unmöglich oder, wo die Vorzeitiekeit an sich so gering ist, dass sie in die Fehlergrenzen der angewendeten zeitmessenden Methode fällt. In Hering’s Fie. 7 ist nun einerseits eine verlässliche Bestimmung der zeit- lichen Verhältnisse deshalb unmöglich, weil die einzelnen Zacken des E.-K. sich nicht genügend scharf abgrenzen lassen; andererseits würde eine geringe Nachzeitigkeit der atypischen Schläge, auch wenn sie mit Sicherheit nachweisbar wäre, trotzdem noch nicht gegen ihren extrasystolischen Charakter sprechen, weil infolge der Vagus- reizung die zeitlichen Beziehungen der einzelnen Zacken zueinander dem Grade nach unkontrollierbare Änderungen erfahren haben können. Wir können also Hering nicht beipflichten, wenn er diese abnormen Kontraktionen als durch Vagusreizung abgeschwächte Normalsystolen bezeichnet. Wir haben wohl über 100 Vaeusreizungen elektrokardiographisch verzeichnet, aber nur höchst selten solche Schläge gesehen, wie sie Hering abbildet, obwohl doch die Ab- schwächung der Herztätigkeit zu den häufigen Folgen einer wirk- samen Vagusreizung gehört. Anfangs glaubten wir, die eben besprochenen, von Hering abgebildeten, abnormen Ventrikelschläge noch in anderer Weise er- klären zu können. Durch die Untersuchungen von Eppinger und Rothberger!) wissen wir nämlich, dass bei Leitungsunterbrechung in einem Tawara’schen Schenkel das E.-K. die Form der Extra- systole des anderen Ventrikels annimmt, wobei aber die Kammer- kontraktion in natürlichem Intervall der Vorhofsystole folgt. Die von Herine mit A, und A, bezeichneten Schläge könnten also auch auf einer Unterbrechung der Leitung im rechten Schenkel des Reizleitungssystems beruhen; der von vornherein sehr bestechende Ge- danke, dass eine einseitige Blockierung der Erregungsleitung durch den Einfluss extrakardialer Nerven erfolgen könnte, musste jedoch 1) Eppinger und Rothberger, Über die Folgen der Durchschneidung der Tawara’schen Schenkel des Reizleitungssystems. Zeitschr. f. klin. Med. Bd.70 S.1. 1910. Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 549 fallen gelassen werden, als Hering!) den Nachweis führte, dass die hauptsächliche Verzögerung der Überleitung der Erregung vom Vorhof zu den Ventrikeln im Tawara’schen Knoten erfolge, also einem unpaarigen Anteil des Leitungssystems. In einer Wirkung auf diesen Knoten besteht dann offenbar auch zum grössten Teile der positiv und negativ dromotrope Einfluss der hemmenden bzw. fördernden Nerven. Schlussbetrachtungen. Die vorliegenden Untersuchungen haben uns eine Reihe von Details kennen gelehrt, die wir vorläufig nur beschrieben haben, ohne auf ihre Erklärung näher einzugehen. Es ist nun an der Zeit, sich die Frage vorzulegen, welche Schlüsse aus den erwähnten Beobach- tungen gezogen werden können. Unsere Befunde haben uns die Annahme nahegelegt, dass ein positives ?P auf den rechten Vorhof als Ausgangspunkt der Herz- bewegung hinweise, ein negatives P auf den linken Vorhof. Die folgende Abhandlung wird zeigen, dass für einen Teil der beobachteten Fälle sich dieser Nachweis auch mit genügender Sicherheit erbringen lässt. Ob aber unsere Vermutung eine allgemeine Giltigkeit besitzt, wird durch weitere Untersuchungen noch zu entscheiden sein ?). Bezüglich des Kammer-Elektrogramms wäre folgendes zu er- wähnen: Kraus und Nikolai beziehen R auf die Tätiekeit des Papillarsystems; die darauffolgende gerade Strecke auf Aktion des Treibwerks, über welches demnach das E.-K. nichts aussage; die Nachschwankung endlich soll dem Wiederaufsteigen der Erregung zur Basis entsprechen. 1) Hering, Nachweis, dass die Verzögerung der Erregungsüberleitung zwischen Vorhof und Kammer des Säugetierherzens im Tawara’schen Knoten erfolst. Pflüger’s Arch. 131 S. 572. 1910. 2) Während der Drucklegung der vorliegenden Arbeit erschien eine ein- schlägige Mitteilung von Th. Lewis (Galvanometric Curves yielded by cardiac beats generated in varions areas of the auricular musculature .... Heart Vol. II. No. 1 p.23. 1910). Ein positives P zeigt an, dass der Ursprung der Contrac- tionswelle in der Nähe des Keith-Flack’schen Knotens liest. Eine zwei- phasische Vorhofzacke mit vorangehender Negativität soll nach Lewis ihren Ursprung in zentralen Vorhofsanteilen haben (Mündung der unteren Hohl- oder der Pulmonalvenen), während ein rein negatives P? auf die unteren Anteile des Vorhofseptums (Mündung der Coronarvenensinns und Tawara’scher Knoten) hinweisen soll. Siehe auch unsere folgende Mitteilung. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 37 550 J. Rothberger und H. Winterberg: Wenn wir nun die Abgrenzung dieser einzelnen Phasen an der Hand unserer Befunde betrachten, so drängen sich uns doch Be- denken auf. Ist doch schon beim gesunden ruhenden Menschen die zwischen R und 7 gelegene horizontale Strecke vielfachen Variationen unterworfen; und bei dem unter Acceleranswirkung stehenden Herzen ist eine solehe überhaupt nicht mehr vorhanden. Wenn wir aber überdies die mächtigen nach Reizung eines Accelerans nach Ablauf der A-Zacke auftretenden Schwankungen betrachten, so müssen wir uns fragen, ob die Abgrenzung einer dieser Phasen, und ihre Be- zeichnung als Nachschwankung, überhaupt gerechtfertigt ist. Nach unseren Befunden besteht das Kammerelektroeramm nur aus zwei meist scharf voneinander getrennten Teilen, nämlich der Zackengruppe @, Rund Seinerseits und dem darauffolgenden, so überaus variablen Rest andrerseits, für den man ja der Bequemlichkeit halber den Namen der Nachsehwankung beibehalten kann. Wir finden diese beiden Teile, welche schon Einthoven in ganz ähnlicher Weise voneinander unterschied, auch bei weitgehenden Veränderungen des E.-K. scharf voneinander getrennt. Es kommt zwar vor, dass eine Zacke S bei Reizung des rechten Ganglions unmittelbar in die negative Phase der Nachschwankung übergeht, aber nur ganz ausnahmsweise finden wir eine Supervosition der Nachschwankung auf die R-Zacke. Aber auch dort kommt es nicht zur Verschmelzung der beiden Zacken, sie bleiben scharf getrennt, und nur der absteigende Schenkel von R scheint vorzeitig unterbrochen. Wir haben ein solches seltenes Beispiel in Fig. 16 abgebildet. Die Gruppen ©, R, 8 und die unter dem Namen 7 zusammen- gefassten Schwankungen sind offenbar auch ihrer Genese nach ver- schieden. Die erstgenannte wird durch die Wirkung der Herz- nerven nur wenig beeinflusst und, wie wieder hervorgehoben werden muss, von denen der rechten und der linken Seite im wesentlichen gleichsinnig. Das wäre ganz verständlich, wenn man die Ansicht teilt, dass die Gruppe ©, R, S den Ausdruck der Tätigkeit des Papillarsystems darstellt. Diese steht in Beziehung zum Schlusse der A— V-Klappen und unterstützt die darauffolgende Kontraktion des Treibwerks, indem sie die Verlängerung des Herzens verhindert. Es wäre ja denkbar, dass diese Tätigkeit des regulierenden Ein- flusses der Herznerven weniger bedürfte als die zur Austreibung des Blutes führende Kontraktion der Hauptmasse der Ventrikelmuskulatur. Dass die Zacken @, R, S auf das Papillarsystem zu beziehen sind, Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 551 wird heute fast allgemein angenommen [Kahn!), Rehfisch?)]; es ist dabei gleichgültig, ob man mit Nicolai der Ansicht ist, dass R die positive Phase eines einsinnig gerichteten Erregungsvorganges sei, oder ob man mit Eppinger und Rothberger annimmt, dass R durch das Ineinandergreifen der Tätigkeit der Längs- und Zirkulär- fasern entsteht. Die nach dem Ablaufe der R-, bzw. Ö-Zacke auftretenden Schwankungen bilden den elektrischen Ausdruck der Kontraktion der Hauptmasse der Ventrikelmuskulatur; nach Kahn soll der intraventrikuläre Druck erst nach dem Ablaufe der R-Zacke ansteigen. Kahn schliesst daraus, dass %& mit dem blutaustreibenden Teile der Kammermuskulatur nichts zu tun habe. Es erscheint sehr ver- lockend, den zweiten Teil des Kammerelektrogramms auf denjenigen Herzteil zu beziehen, welcher das Äquivalent des embryonalen Bulbus cordis darstellt. Die Aktion dieses Herzabschnittes muss natürlich in weiten Grenzen variiert werden können, wenn der Motor den wechselnden Ansprüchen gewachsen sein soll, welche schon unter normalen Verhältnissen an ihn gestellt werden. Unsere Unter- suchungen haben nun gezeigt, dass in dieser zweiten, nach R auf- tretenden Zackengruppe sowohl nach Reizung des rechten als auch des linken Accelerans eine negative Phase eintreten kann; sie bildet nach Reizung auf der linken Seite die Regel, nach Reizung rechts kommt sie als weniger konstanter Vorschlag vor, besonders dann, wenn die Wirkung stark ausgesprochen ist. Tritt sie aber auf, dann findet sie sich nicht an derselben Stelle, an weleher die Negativität nach der Reizung des linken Aecelerans sitzt. Das ist besonders zu betonen, weil damit erwiesen ist, dass in der zweiten Zackengruppe die Tätigkeit der beiden Herzhälften bis zu einem ge- wissen Grade entgegengesetzte Aktionskurven gibt (s. Fig. 11), als deren Resultierende wir die sog. Nach- schwankung aufzufassen haben. 1) Kahn, Zeitmessende Versuche am E.-K. Pflüger’s Arch. Bd. 132 S. 230. 1910. 2) Rehfisch, Die experimentellen Grundlagen des E.-K. Deutsche med. Wochenschr. 1910 Nr. 21 und 22. az 553 J. Rothberger und H. Winterberg: Für die Theorie des E.-K. ist weiterhin die Frage von Bedeutung, inwiefern Änderungen der Kraft der Herzkontraktion im E.-K.zum Ausdruck kommen. Diese Frage wäre eigentlich mit den entsprechenden Methoden speziell zu untersuchen. Wir haben ja schon eingangs erwähnt, dass die von uns gewählte Suspensions- methode über Änderungen der Kraft der Zusammenziehung nicht immer zuverlässigen Aufschluss gibt. Aber trotzdem lassen sich aus den oben mitgeteilten Befunden bezüglich des besprochenen Zu-. sammenhanges gewisse Schlüsse ziehen. Wir wollen daher unsere Resultate vorerst unter diesem Gesichtspunkte erörtern. Vor allem mussten wir uns dagegen aussprechen, dass. man die bei Vagusreizung hier und da auftretenden abnormen Ventrikelschwankungen mit Hering und Kahn als hypodyname Herzschläge auffasse. Wir können deshalb auch nicht die Ansicht Hering’s anerkennen, dass das E.-K. der Kammerextrasystolen dem Kardiogramm der durch Vaguswirkung abgeschwächten Kammersystolen ähnlich sei. Die durch Vagusreizung abgeschwächten Herzschläge zeigen eine kleine Vorhof-, grosse R-Zacke und schwach ausgeprägte bzw. fehlende Nachschwankung. Wir denken dabei weniger an die faradische Vagusreizung, bei welcher sich die Beteiligung von Sympathieusfasern schwer ausschliessen lässt, als vielmehr an die Kurve, welche das unter erhöhtem Vagustonus stehende Herz gibt. Dass bei einem solehen Herzen die langsam erfolgenden Kontraktionen auch ab- geschwächt sind, zeigt in typischen Fällen schon die Inspektion in einer jeden Zweifel ausschliessenden Weise; das wird ja besonders deutlich, wenn man den Accelerans reizt und die Veränderung der Kontraktion beobachtet. Die überaus deutliche Verstärkung der Herz- tätigkeit kann aber im E.-K. in ganz verschiedener Weise zum Ausdruck kommen. Vorhofzacke P. Bei Reizung des rechten Accelerans sieht man P fast immer bedeutend grösser werden, während ? bei Reizung des linken Ganglions verschwinden bzw. negativ werden kann. Eine direkte Beziehung der Grössenänderungen von P auf inotrope Wir- kung auf den Vorhof ist also nicht zulässig. Sowohl ein positives wie ein negatives P können auf verstärkter Vorhofstätiekeit beruhen. Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass die beiden Vorhöfe möglicherweise entgegengesetzte Elektrogramme ergeben, so dass ein fehlendes zweiphasisches oder negatives P nur der Ausdruck der von der Norm abweichenden Sukzession der Kontraktion der supra- Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 553 ventrikulären Abschnitte bedeuten würde. Demgegenüber hatHering!) in der doppelgipfligen Vorhofzacke den Ausdruck der Trennung der Aktionsströme der beiden Vorhöfe gesehen. Lewis hat im An- schlusse an experimentelle und klinische Beobachtungen (Heart, Vol. I No. 4. 1910. p. 363) darauf hingewiesen, dass ein negatives P einen abnormen Ursprung und einen gegenüber der Norm umgekehrten Ablauf der Contractionswelle im Vorhof anzeige. Kraus und Nikolai’) sehen das zweiphasische P als das normale an, im Experiment konnten sie die beiden Vorhöfe elektrographisch nicht voneinander unterscheiden (p. 203). Kraus kommt zu dem Schlusse, dass ein stark positives P beim Menschen schon pathologisch verdächtig sei; dass aber aus einem Fehlen von P nur dann auf Inaktivität des Vorhofs geschlossen werden dürfe, wenn es sich in einer längeren zusammenhängenden Reihe von E.-K. entwickelt (p. 208). Mit dieser Einschränkung stimmen auch wir überein, da wir gefunden haben, dass P durch Reizung des linken Accelerans verschwinden kann (s. Fig. 6), ohne dass der Vorhof zu schlagen aufhört. Ventrikelzacke R. Die Vergrösserung dieser Zacke bei Vagus-, ihre Verkleinerung bei Acceleransreizung erscheint vorläufig unerklärlich und ist nicht ohne weiteres in Zusammenhang mit einer Änderung der Kraft der Herzeontraetion zu bringen. Interessant und für die weitere Analyse wichtig ist aber die Tatsache, dass die beiden Accelerantes, welche bezüglich der Vorhofzacke häufige, bezüglich der Nachschwankung fast ausnahmslos entgegengesetzte Wirkungen zeigen, auf die Zacke AR fast immer im gleichen Sinne wirken. Es ist also nicht etwa so, dass das rechte Ganglion ein stark positives, das linke ein negatives AR erzeugen würde, wie man letzteres bei Hypertrophie oder bei Extrasystolen des linken Ventrikels findet. Nur ausnahmsweise kommt es vor, dass der linke Accelerans R stärker verkleinert als der rechte; wenn dann überdies eine Zacke S vorhanden ist, welche durch die Reizung stark vertieft wird, so kann ein Bild entstehen, welches der bei Hypertrophie des linken Ventrikels gewöhnlichen „negativen R-Zacke“ ähnlich wird. Wir haben ein solches Beispiel in Fig. 9 ab- gebildet. 1) Hering, Experimentelle Studien an Säugetieren über das E.-K. Pflüger’s Arch. Bd. 127 S. 158. 1909. ' 2) Kraus und Nikolai, l. c. S. 203. 994 J. Rothberger und H. Winterberg: Am ehesten lassen sich noch die Veränderungen der Nachschwan- kung auf Änderungen der Contractionsstärke zurückführen, wenn auch dadurch noch nicht alle Details verständlich werden. Hier ist vor allem die Aeceleranswirkung wichtig. Gegen die ursprünglich von Eint- hoven ausgesprochene Ansicht, nach welcher ein stark positives T ein Zeichen guter Herztätigkeit wäre, das Fehlen oder die Negativität dieser Zacke aber eine Beeinträchtigung derselben bedeuten würde, haben sich die Kliniker ausgesprochen; sie fanden bei sicher herz- gesunden Menschen keine Nachschwankung, während dieselbe bei kranken manchmal gut ausgesprochen war. Nach unserer Ansicht spricht in gewissem Sinne für die Ansicht Einthovens der Um- stand, dass ein hoher Acceleranstonus bzw. die Reizwirkung beider Ganglien mit einer hohen Nachschwankung einhergeht, während um- gekehrt ein hoher Vagustonus ein monotones E.-K. zeigt, in welchem eigentlich nur R gut zu sehen ist. Das Fehlen von 7 muss also nicht für schlechte Herztätigkeit im gewöhnlichen Sinne des Wortes sprechen. Einthoven hat ferner aus dem Umstande, dass er bei Vagusreizung, Chloroforminhalation, Blutentziehung usw. 7 negativ fand, geschlossen, dass dies ein Zeichen schlechter Herztätigkeit sei. Unsere Versuche zeigen jedoch, dass eine sehr ausgesprochene Negativität von 7 bei Reizung des linken Accelerans eintritt, bei welcher gewiss eine wenigstens einseitige Verstärkung der Herz- tätigkeit vorliegt. Die Erörterung der prognostischen Bedeutung der Nach- schwankung gehört nicht in den Rahmen dieser Arbeit. Da aber unsere Untersuchungen ergeben haben, dass die Form dieser wichtigen Zacke sehr wesentlich von der Herzinnervation abhängt, möchten wir doch folgendes sagen: Wenn bei einer einmaligen Aufnahme des E.-K. Fehlen oder Negativität von 7 gefunden wird, so kann daraus noch nicht auf eine bleibende Veränderung im Herzmuskel ge- schlossen werden. Fehlen von 7 kann mit hohem Vaeustonus zu- sammenhängen, ferner muss doch als sehr wahrscheinlich angenommen werden, dass auch beim Menschen, und zwar unter physiologischen Bedingungen die Accelerantes einseitig innerviert werden können. Es sprieht dafür, dass trotz aller individuellen und Rassenunterschiede doch die Tatsache feststeht, dass der rechte Accelerans vorwiegend die rechte, der linke dagegen die linke Herzhälfte versorgt, und es erscheint sehr zweckmässig, dass unter Umständen der Motor des grossen sowohl wie der des Lungenkreislaufs für sich allein zu Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 555 erhöhter Tätigkeit angespornt werden kann. Jedenfalls muss man daran denken, dass unter Umständen auch beim Menschen die Nachschwan- kung durch Nerveneinfluss vorübergehend negativ werden kann. Einen Schluss auf eine in geweblichen Veränderungen begründete Allodromie im Sinne Nikolai’s sollte man deshalb nur dann ziehen, wenn bei mehreren in gewissen Zeitintervallen aufgenommenen E.-K. das Ver- schwinden bzw. Negativwerden von 7 sich allmählich entwickelt oder sich schon als konstant herausstellt. Wir kommen damit zu der Frage, wie die beobachteten Form- veränderungen von 7 erklärt werden können. Wir nehmen dabei ohne Berücksichtigung der vorkommenden Varianten in schematischer Weise an, dass die Reizung des rechten Accelerans 7 stark positiv mache, die des linken stark negativ. Aus dem anatomischen Ver- halten wissen wir, dass jeder Sympathicus vorzugsweise die Herz- hälfte seiner Seite innerviert. Wir haben aus dieser Tatsache schon den Schluss gezogen, dass die stärkere chronotrope Wirkung des rechten Accelerans in dem Umstande seine Erklärung finde, dass er die auf der rechten Seite gelegene Ursprungsstelle der Herzreize die Einmündung der Hohlvenen in den rechten Vorhof innerviert. Wir verweisen auch hier wieder auf die folgende Mitteilung. Ebenso dürften die Veränderungen der Nachschwankung auf einer Einwirkung auf mehr oder weniger eng begrenzte Muskel- territorien beruhen. Für diese lokalisierte Verstärkung der Herz- tätigkeit möchten wir den Namen partielle Hypersystolie vor- schlagen. Wir denken dabei an die partielle Hypo- bzw. Asystolie, welche Hering!), einem Gedanken Gaskell’s folgend, als Ursache des Herzalternans ansieht. Es ist aber auffallend, dass das E.-K. auch dort, wo die Suspensionskurve das Bestehen einer aus- gesprochenen Herzalternans?) anzeigt, nur sehr geringfügige Ver- änderungen erfährt und dass dieselben auch ganz fehlen können. Wir würden erwarten, dass eine nur partielle Hyposystolie analog der durch Acceleransreizung erzeugten partiellen Hypersystolie im E.-K. der abgeschwächten Schläge zu viel tiefergreifenden Formveränderungen führe (Kohn). Ähnlich verhält es sich bei der tonischen oder fara- 1) Hering, Das Wesen des Herzalternans. Münchener med. Wochenschr. Nr. 27. 1908. Siehe auch Deutsche med. Wochenschr. 1908. Nr. 15. 2) Hering, Experimentelle Studien an Säugetieren über das Elektrokardio- gramm. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therapie Bd. 7 S. 363. 1909. 556 J. Rothberger und H. Winterberg: dischen Reizung der Vagi; da sieht man — von den ganz vereinzelten atypischen Kontraktionen abgesehen — nur unbedeutende Verände- rungen. Das Grosswerden von R, die Verkleinerung bzw. das Ver- schwinden von P und 7 kann aber — vorausgesetzt, dass man R auf einen Kontraktionsvorgang bezieht — nicht als partielle Hypo- systolie aufgefasst werden, weil die verschiedenen Zacken eine ver- schiedene Genese haben und durch einen und denselben Vorgang auch in entgegengesetztem Sinne beeinflusst werden können. Anders verhält es sich bei der Acceleransreizung. Wenn wir sehen, dass jeder Accelerans für sich % verkleinert, dass aber der rechte 7’ stark positiv, der linke dieselbe Zacke stark negativ macht, so müssen wir annehmen, dass die Wirkung nur verschieden ist in bezug auf den Herzabschnitt, dessen Kontraktion die Nach- schwankung erzeust. Noch deutlicher wird das Bestehen einer partiellen Hypersystolie in jenen Fällen sein, in welchen R un- beeinflusst bleibt, während die Nachschwankung weitgehende Ver- änderungen erfährt. Wir müssen, insbesondere im Hinblick auf die anatomischen Verhältnisse, den Schluss ziehen, dass die nach Reizung des linken Accelerans auftretende Negativität der Nachschwankung auf einer Verstärkung der Tätigkeit des linken Ventrikels beruht. Diese ein- seitige Verstärkung des Aktionsstroms kommt im E.-K. — der Resultierenden aller Partialströome — zum deutlichen Ausdruck. Ebenso wird andrerseits eine Erhöhung der Nachschwankung nach Reizung des rechten Ganglions auf eine Verstärkung der Aktion des rechten Herzens zu beziehen sein. Wichtig für die Frage, in welchem Zusammenhange die Kraft der Kontraktion mit Formänderungen des E.-K. steht, ist die Tat- sache, dass eine starke Negativität der Nachschwankung nach Reizung des linken Accelerans mit Sicherheit auf partiell verstärkte Herz- tätigkeit bezogen werden kann. Analog liegen, wie erwähnt, die Verhältnisse bei der Vorhofzacke. Wir haben schon oben auseinandergesetzt, dass sich der Einfluss des rechten und des linken Vagus nicht in so durchgreifender Weise äussert. Zusammenfassung. Indem wir die Ergebnisse unserer Untersuchungen kurz zu- sammenfassen, verweisen wir auf die Fig. 15, in welcher wir die Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. 557 wichtigsten Veränderungen des E.-K., welche unter dem Einflusse der Herznerven zustande kommen, in halbschematischer Form abgebildet haben '). Fig. 13a. Hoher Vagustonus am intakten Tiere zeigt sich im E.-K. in der Weise, dass P und 7 klein, R dagegen sehr gross ist. Ein überwiegender Acceleranstonus hingegen (Fig. 1Sb) zeigt kräftige Vorhof-, kleinere R-Zacke und ziemlich hohe positive Nachschwankung. Fällt der Acceleranstonus nach Loslösung beider Gang]. stellata von ihren zentralen Verbindungen fort (Fig. 18c), so wird wieder P und 7 klein, R gross. Häufig ist dabei P doppelzackig und be- | I | | | | | Be un Fig. 18a. Fig. 18b. | | | A Ay Fig. 18c. Fig. 13d. Fig. 18e. Fig. 1. a Normal, hoher Vagustonus. b Normal, guter Acceleranstonus. c Ausfall des Acceleranstonus (nach Präparation beider Gangl. stellata. d Reizung des rechten Ganglions. e Reizung des linken Ganglions. steht die Nachschwankung aus einer flacheren und einer spitzigeren kleinen Erhebung. Reizt man den rechten Accelerans (Fig. 18d), so wird P wieder gross, R kleiner, die Nachschwankung wächst be- trächtlich, wird in typischen Fällen zweiphasisch, wobei die negative Phase vorangeht, die positive folgt und oft unmittelbar in das nächste P übergeht. Der rechte Accelerans hat fast immer eine starke chronotrope Wirkung. Die Reizung des linken Accelerans (Fig. 1Se) wirkt auf P in verschiedener Weise; man findet positive Vorhofzacken, oder P wird kleiner oder negativ. AR kann stärker verkleinert werden als durch den 1) Die Beispiele in Fig. 15 sind vergrösserte Originalkurven; sie sind nur insofern schematisiert, als das Wesentliche hervorgehoben, störende Details aber, 7. B. Saitenunruhe usw., weggelassen worden sind. 558 J. Rothberger und H. Winterberg: Über die Beziehungen etc. rechten Accelerans, manchmal tritt eine S-Zacke auf; die Nachschwan- kung wird auch hier vergrössert und zweiphasisch, aber es kommt zuerst die positive, dann die negative Phase. Das linke Gangl. stellat. wirkt meist weniger chronotrop als das rechte. Diese in der ana- tomischen Verteilung der von den Ganel. stellatis abgehenden Äste begründeten Verschiedenheiten treten manchmal nicht hervor, da weitgehende individuelle und Rassenunterschiede vorkommen. Die mit dem faradischen Strom oder durch Adrenalin bewirkte Reizung beider Accelerantes führt zu einer Formveränderung, welche als die Resultierende der Einzelwirkungen angesehen werden kann. Dieselbe findet man auch bei gesunden Menschen bei körperlicher Arbeit. Der Effekt der Reizung eines Gang]. stellat. kann in seine Komponenten zerlest werden, wenn man die vom Ganglion ab- gehenden Zweige einzeln reizt, es können dabei aber auch Wirkungen erzielt werden, welche bei der Reizung des Ganglions nicht hervor- getreten sind. Ähnliche Effekte kann man in einzelnen Fällen auch sehen, wenn man nach Atropinisierung den Vagus reizt. Die nach Reizung eines Ganelions erzielten Formveränderungen des E.-K. beruhen auf partieller Hypersystolie, indem die von dem betreffenden Accelerans versorgten Herzabschnitte sich stärker kon- trahieren als die übrigen. 999 (Aus dem Institute für allgem. und exper. Pathologie der Universität Wien.) Über die Beziehungen der Herznerven zur atrio- ventrikulären Automatie (nodal rhythm)!). Von Privatdoz. Dr. €, 3. Rothberger und Privatdoz. Dr. H. Winterberg. (Mit 14 Textfiguren.) Unter atrioventrikulärer Automatie versteht man jene Störung der normalen Reihenfolge der Herzbewegung, bei welcher sich Vor- höfe und Kammern nicht wie gewöhnlich nacheinander, sondern ungefähr gleichzeitig zusammenziehen. Die wirksamen Herzreize entstehen bei der av. Antomatie nicht mehr an dem normalen Orte (nomotop) an der Einmündungsstelle der oberen Hohlvene, sondern heterotop in der Nähe der Vorhofkammer- grenze und zwar innerhalb des Reizleitungssystems, wahrscheinlich im Tawara’schen Knoten. Von dieser Anschauung ausgehend bezeichnet zunächst Mackenzie?) die av. Automatie mit dem Ausdrucke „nodal rhythm“ ; ebenso stellen Kraus und Nicolai?) dem primären Reizbildungs- zentrum an der Mündung der oberen Hohlvene bzw. dem Keith- Flack’schen Knoten ein subsidiäres oder sekundäres Zentrum an der Vorhofkammergrenze als Ausgangspunkt der Herztätigkeit bei der av. Automatie gegenüber. Den physiologischen Beweis, dass bei av. Automatie die Ur- sprungsreize sich im Tawara’schen Knoten bilden, hat aber erst Hering?) durch seinen schönen Befund erbracht, dass der Ta- 1) Auszugsweise vorgetragen in der morph.-phys. Gesellschaft in Wien am 6. Juni 1910 und am VIII. internat. Physiol.-Kongresse in Wien am 29. Sept. 1910. 2) J. Mackenzie, Nodal Bradykardia. Heart vol. 1 no. 1 p. 23. 1909. 3) Kraus und Nicolai, Das Elektroxardiogramm des gesunden und kranken Menschen. Veit & Co., Berlin 1910. 4) Hering, Nachweis, dass die Verzögerung der Erregungsüberleitung zwischen Vorhof und Kammer des Säugetierherzens im Tawara’schen Knoten erfolgt. Pflüger’s Arch. Bd. 131 S. 572. 1910. 560 C. J. Rothberger und H. Winterberg: wara’sche Knoten die Überleitungsverzögerung bewirkt. Denn es ist ohne weiteres klar, dass gleichzeitiges Schlagen von Vorhöfen und Kammern nur dann möglich ist, wenn die Erregung auf ihrem Wege den die Leitung verzösernden Tawara’schen Knoten nicht erst durchlaufen muss, d. h. mit anderen Worten, wenn sie nicht diesseits oder jenseits dieses Gebildes, sondern in ihm selbst ent- springt. Experimentell lässt sich av. Automatie bzw. egleichzeitiges . Schlagen von Vorhöfen und Kammern unter verschiedenen Versuchs- bedingungen erzeugen. Durch direkte elektrische Reizung der „Blockfasern“ mittels eingestochener Nadelelektroden hat Lohmann!) beim Hunde av. Automatie von langer Dauer hervorgerufen. Ebenso geben Kraus und Nicolai (l. e.) allerdings ohne ausreichende Beschreibung der Versuchsbedingungen an, durch elektrische Reizung in der Gegend des Tawara’schen Knotens av. Automatie erzeugt zu haben. In anderen Fällen entsteht av. Automatie nach experimentellen Läsionen der Hohlvenenmündung. So hat Lohmann?) nach Applikation von Formol, Hering”) nach Verschorfung der Gegend des Sinusknotens gleichzeitiges Schlagen der Vorhöfe und Ventrikel beobachtet. Endlich kommt auch nach Reizung der extrakardialen Herz- nerven av. Automatie zustande Brandenburg*) sah unter der Wirkung einer mässigen Digitalisvergiftung die Fähigkeit der Brückenfasern zur selbständigen Erzeugung von Bewegungsreizen sich so steigern, dass eine kurze reflektorische Vagusreizung genügte, um av. Automatie hervorzurufen. Lohmann!) weist darauf hin, dass während des Vagusstillstandes des unversehrten Kaninchen- und l) Lohmann, Zur Automatie der Brückenfasern des Herzens. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1904 S. 431. 2) Lohmann, Über die Funktion der Brückenfasern, an Stelle der grossen Venen die Führung der Herztätigkeit beim Säugetiere zu übernehmen. Pflüger’s Arch. Bd. 123 S. 628. 1908. 3) Hering, Leitsätze zum physiologischen Teil des Referates über die zu den spezifischen Muskelsystemen in Beziehung stehenden Herzstörungen. 14. Tagung d. Deutsch. pathol. Gesellsch. Erlangen 1910. 4) Brandenburgs, Über die Eigenschaft des Digitalin beim Froschherzen, die selbständige Erzeugung von Bewegungsreizen an der Grenze von Vorhöfen und Kammern anzuregen. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1904, Suppl.-Bd. S. 213. Über die Beziehungen der Herznerven zur atrio-ventr. Automatie etc. Ho Schildkrötenherzens Vorhöfe und Kammern automatisch gleichzeitig schlagen. Nach Acceleransreizung hat zuerst Rihl!; und später auch Hering?) eine so weitgehende Verkürzung des Intervalles As-—Vs gesehen, dass der letztere daraus den Schluss zieht, dass es sich in diesen Fällen nicht allein um eine Verkürzung der Überleitungs- zeit handeln kann, sondern dass sich der Ausgangspunkt der Ur- sprungsreize infolge der Acceleransreizung ändert, indem er sich von den Vorhöfen oder auch von den Kammern gegen die Atrio- ventrikulargrenze verschiebt, um mit dem Abklingen der Accelerans- reizung wieder in umgekehrter Richtung zu wandern. Rihl gibt in Fig. 21 seiner oben erwähnten Mitteilung auch eine Abbildung der Suspensionskurven von Vorhof und Kammer sowie der Venen- pulskurve während einer solchen durch Accelerapsreizung hervor- gerufenen Periode von av. Automatie, an welcher er das Wachsen der Vorhofwellen als Folge der Abflussbehinderung bei dieser Störung der normalen Sukzession demonstriert. „Die Änderung des Ausgangspunktes der Ursprungsreize infolge der Acceleransreizung‘ stellt sich Hering so vor, „dass andere Teile als diejenigen, von welchen vor der Acceleransreizung die Herztätiekeit ausging, reizbildungsfähiger werden, indem in solehen als Ausnahmen zu betrachtenden Fällen mehr von den zu diesen Teilen gehenden Acceleransfasern erregt werden als von jenen Acceleransfasern, welche die Stellen der anfänglichen Ausgangs- punkte der Herztätigkeit versorgen“. Einem weiteren Studium der av. Automatie infolge von Acce- leransreizung dürfte vor allem die diesbezügliche grosse Unsicherheit des Reizerfolges hinderlich gewesen sein. Deshalb hat Hering wohl auch die nach Sammlung einer grösseren Zahl von Beobachtungen dieser Art in Aussicht gestellte Veröffentlichung der betreffenden Kurven bisher unterlassen. Die Anregung zu den Untersuchungen, über die im folgenden be- richtet werden soll, ergab sich aus den in der vorausgehenden Abhandlung mitgeteilten Experimenten, in welchen wir die Beziehungen der Herz- l) Rihl, Experimentelle Analyse des Venenpulses bei den durch Fxtra- systolen verursachten Unregelmässigkeiten des Säugetierherzens. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therap. Bd. 1 S. 50. 1905. 2) Hering, Einiges über die Ursprungsreize des Säugetierherzens und ihre Beziehung zum Accelerans. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 19 Nr. 5. 3. Juni 1905. 562 C. J. Rothberger und H. Winterberg: nerven zu den Formveränderungen des Rlektrokardioeramms studierten. Bezüglich der Anordnung unserer Versuche, zu denen ausschliesslich Hunde verwendet wurden, sei deshalb auf die vorangehende Mitteilung verwiesen. Hier sei nur bemerkt, dass wir die Wirkung der Hemmungs- nerven in den meisten Fällen durch Atropin ausgeschaltet haben, und dass wir mit Ausnahme der ersten Versuche, bei denen das Auftreten av. Automatie noch einen zufälligen Nebenbefund bildete, neben dem E.-K. nicht nur die Suspensionskurven des rechten Vorhofs, sondern stets auch die des rechten Ventrikels (vom Conus der Pulmonalarterie) und manchmal auch die des linken Vorhofs verzeichnet haben. Die Ganglia stellata wurden auf beiden Seiten so weit frei präpariert, dass sie nur durch die Ansa Vieussenii mit dem unteren Halsganglion verbunden blieben. Der Reizerfolg hinsichtlich der Entstehung av. Automatie wurde immer auf beiden Seiten geprüft. Schon bei unseren ersten Versuchen waren wir darauf aufmerk- sam geworden, dass gleichzeitiges Schlagen von Vorhöfen und Kammern nach Reizung des linken sternförmigen Ganglions zustande kam, während bei denselben Versuchstieren Reizung des rechten Ganglion stellatum die normale Sukzession ungestört liess. Als wir dann auf diesen Umstand genauer achteten, stellte es sich in der Tat heraus, dass wenigstens in unseren Experimenten ohne eine einzige Ausnahme!) av. Automatie nur durch Reizung des linken Accelerans bzw. der durch das Ganelion stellat. sin. zum Herzen ziehenden sympathischen Fasern hervorgerufen werden konnte. Aber auch bei Reizung des linken Accelerans tritt nur in einem Bruchteil der Fälle av. Automatie ein. Wir haben im ganzen 47 Experimente ausgeführt, von denen 14 also ca. 30 °/o av. Automatie zeicten. Neben individuellen Verschiedenheiten scheinen, soweit unser Versuchsmaterial zu urteilen gestattet, auch Rasseneigentüm- lichkeiten an dem wechselnden Reizerfolge beteiligt zu sein. So zeigte z. B. von 17 Spitzhunden kein einziger, von S Bulldoggen dagegen 6, also 75 °/o, nach Reizung des linken Ganglion stellat. av. Automatie. 1) In dem von Rihl (l. c.) beschriebenen Falle wird jedoch ausdrücklich erwähnt, dass während jeder Reizung des rechten Accelerans eine Periode auf- trat, während welcher ein Teil der Vorhofsystole bereits in den Beginn der Ventrikelsystole fiel. Dieser, jedenialls äusserst seltene Befund ist nicht un- verständlich, wenn man die Verhältnisse der Fasernverteilung berücksichtigt. (Siehe S. 579 ff.) Über die Beziehungen der Herznerven zur atrio-ventr. Automatie etc. 563 Das gleichzeitige Schlagen von Vorhöfen und Kammern kann namentlich bei langsamerem Herzschlage durch aufmerksame Be- obachtung allein erkannt werden. Es wird aber auch bei genauer Inspektion und zwar besonders dann leicht übersehen, wenn durch Reizung des Accelerans die Frequenz der Herzschläge stärker erhöht wird.e Doch möchten wir schon hier hervorheben, dass die av. Automatie nach Acceleransreizung zwar ausnahmslos mit einer rascheren Schlagfolge zusammenfällt, dass sie aber gerade bei den höheren Graden von Tachykardie, wie sie bisweilen auch nach Reizung des linken Accelerans vorkommen, in der Regel vermisst wird. In manchen Fällen erregt zunächst das Verhalten der Vorhöfe Aufmerksamkeit, indem dieselben mit dem Eintritt der av. Automatie infolge der Abflussbehinderung des Blutes bei jeder Systole eine deutliche kugelige Blähung zeigen. Doch ist dieses Symptom nicht immer genügend deutlich ausgeprägt. Einen relativ sehr sicheren Anhaltspunkt für das Bestehen av. Automatie gibt das Spiel der Suspensionshebel bzw. der von uns verwendeten Stahlfedern, indem sich dieselben bei normalen Suk- zession gegensinnig, bei av. Automatie dagegen gleichsinnig bewegen. Wenn man diese Umstände beachtet, kann die Registrierung, welehe die Vorgänge bei der av. Automatie sehr anschaulich dar- stellt, mit möglichster Ökonomie an Zeit und Material erfolgen. Die Entwicklung der av. Automatie erfolgt manchmal sehr rasch noch während der Reizung des Accelerans, in den meisten Fällen aber erst nach einer längeren bis zu einer halben Minute betragenden Latenz, wobei jedoch in letzteren Fällen stets eine Periode beschleunigter Herz- tätigkeit vorangeht. Die Stärke des Reizstromes beeinflusst inner- halb gewisser Grenzen die Geschwindigkeit des Entstehens der av. Automatie; dagegen scheint die Zeit, durch welche das einmal aus- gelöste synchrone Schlagen der Vorhöfe und Kammern bestehen bleibt, von der Reizstärke und der Dauer der vorangecangenen Reizung viel unabhängiger zu sein. Bisweilen ist die av. Automatie nach einmaliger kurzer Reizung des Gangl. stell. sin. eine recht flüchtige, sogar nur auf wenige Herzschläge beschränkte Erscheinung, gewöhnlich aber kann das Phänomen durch längere Zeit (0,5—2 Min.) beobachtet werden. Bei der Registrierung mussten wir uns zumeist damit begnügen, die vollentwickelte Erscheinung und ihren Ablauf mit Unter- brechungen stückweise zu fixieren, wiederholt ist es uns jedoch 564 C. J. Rothberger und H. Winterberg: geglückt, den ganzen Verlauf derselben — Entstehung und Rück- bildung inbegriffen — festzuhalten. Das gleichzeitige Schlagen der Vorhöfe und Kammern ist im Experimente aus den Suspensionskurven allein in sehr klarer Weise und, wie später gezeigt werden soll, oft auch mit grösserer Sicher- heit zu erkennen, als aus dem E.-K. Die mechanischen Kontraktions- kurven zeigen nun, dass der Synchronismus der Vorhof- und Kammertätiekeit gewöhnlich kein absoluter ist. Meist beeinnen die Vorhöfe ihre Kontraktion um einen kleinen Zeitteil (0,01—0,03 Sek.) früher als die Kammern; doch können auch letztere den ersteren voraneilen. Beispiele für diese ohnehin bekannten Verhältnisse sind in den beigegebenen Abbildungen leicht aufzufinden. Weniger deutlich als bei anderen Formen der av. Automatie tritt bei der durch Acceleransreizung bedingten die Verkleinerung der Vorhofsamplituden an der Suspensionskurve hervor, weil das durch den erschwerten Blutabfluss bedingte mechanische Kontrak- tionshindernis zum Teil durch den positiv inotropen Einfluss des erregten Sympathicus kompensiert werden kann. Immerhin ist die Abschwächung der Vorhofkontraktionen auch bei der von uns an- sewandten Suspensionsmethode meist nachweisbar; mit der Ab- schwächung ist häufig auch eine eigentümliche von der gleichzeitigen Ventrikelaktion herrührende Formveränderung der Suspensionskurven verbunden (Fig. 2e, 4b). Die Behinderung der Vorhofsentleerung während der Kammer- systole und die durch Acceleransreizung bewirkte Verstärkung der Vorhoftätiekeit führen zu einer schon bei blosser Beobachtung sehr auffälligen Vergrösserung der Jugularvenenpulse, auf deren Ver- zeichnung wir jedoch, um die Versuche nicht noch mehr zu kom- plizieren, verzichtet haben. Einiges Interesse beansprucht auch das Verhalten des E.-K. während av. Schlaefolge. Hering!) sowie Kraus und Nicolai’) haben zwar bereits das E.-K. bei experimentell hervorgerufenem gleichzeitigen Schlagen von Kammern und Vorkammern aufgenommen, indem sie die Möglichkeit im. Auge hatten, dass diese Unregel- mässigkeit der Schlagfolge beim Pulsus irregularis perpetuus eine 1) Hering, Experimentelle Studien an Säugetieren über das Elektrokardio- gramm. Pflüger’s Arch. Bd. 127 S. 155. 1909. 2) Kraus und Nicolai,l. c. Über die Beziehungen der Herznerven zur atrio-ventr. Automatie etc. 565 Rolle spiele. Doch betrifft die von Hering (Fig. 13 seiner Mit- teilung) gegebene Abbildung ein von Haus aus ganz atypisches E.-K., und die von Kraus und Nicolai beigebrachten Illustrationen sind keine Originalreproduktionen; es dürfte deshalb nicht überflüssig sein, an einigen weiteren Beispielen die Verhältnisse des E.-K. bei av. Automatie zu studieren, zumal hierbei das auslösende Moment ein physiologischer, vielleicht auch klinisch in Betracht kommender Vorgang ist. Fig. 1 illustriert in einer Reihe von fünf Kurvenabschnitten (a—e) die Entstehung, das Stadium der vollen Entwicklung und die Rück- bildung der av. Automatie, welche nach Durchschneidung beider Vaei und beider Ganglia stellata bei einem durch Morphin und Curare vergifteten Hunde nach Reizung des linken Accelerans durch 5 Sek. (R.-A. 50 mm) auftrat. Jede der Figuren zeigt von oben nach unten die Suspensionskurven des rechten Ventrikels und des rechten Vorhofs, das E.-K. und die Zeitmarkierung in 0,01 Sek. bzw. 0,02 Sek. In Fig. 1a sind die nach Durchschneidung der Ganglia stellata gewöhnlich zu beobachtenden Ausfallserscheinungen am E.-K. (siehe die vorangehende Mitteilung) noch nicht voll entwickelt, namentlich die Vorhofzacke tritt scharf hervor. Die Reihenfolee der Vorhof- und Kammertätiekeit ist noch ungestört, die Überleitungszeit be- trägt 0,10 Sek., die Dauer einer Herzrevolution 0,32 Sek., die Minutenfrequenz (F.) demnach 187. In Fig. 1b entwickelt sich unmittelbar im Anschluss an die Reizung des linken Ganglion stellatum die hierfür typische Form- veränderung des E.-K. — die negative Nachschwankung — und unter zunehmender Steigerung der Schlagfrequenz ( Vs— Vs —0,29 Sek.) tritt av. Automatie ein. P rückt immer näher an R heran und verschwindet endlich fast gänzlich, doch erfolgt die Vorhofkontraktion noch immer um 0,02—0,03 Sek. vor der Kammersystole. In Fig. 1e ist die av. Automatie vollständig entwickelt. Vor- höfe und Kammern schlagen fast gleichzeitig, die Frequenzsteigerung hat ihren Höhepunkt erreicht ( Vs— Vs — 0,27 Sek. F.— 222); im E.-K. fehlt nun jede Spur der Vorhofzacke, die Nachschwankung bleibt andauernd negativ. Fig. Id zeigt bei noch fortbestehender av. Automatie bereits eine Abnahme der Minutenfrequenz auf 200 (Vs— Vs — 0,30 Sek.). Die Form des E.-K. nähert sich wieder der normalen. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 38 "355 zuonbasg 188 180 = SA—SA 'NONPIMJuo Zrpuwgsjfoa oryern omy "Ay royeds sem 9 (NOS 630 = sA—5A) 908 Jaw 381095 zuanbarg usponedıowueyy pun -JoyioN Aop zusmıBuoyup "oewogay “Ar J9p ZunpfolAyum "US "795 "uen) sop Sunzroy yoeu aegpepimun q "zgT zuoembarg "AS Eu — SA—5A 18 010 = s4A—sp udoyy -uayyrugos yaamp "7875 'JSurH pun 1er "NOS ]0'0 Ur NoZ "M-MSJOULoA uoyTooL pun STOyLNUoA UL sop oAmysuorsundsng ® NIGL Judy Da O7 SL “QL OL "I ‘Sta BUBRSSREREFEUNHERBERSHEREHECHRRSBERBUNLAFRERDENAEN “uoporodjontLyuoN pun -JoyIoA A9p zuoenıauogup 'olyewmomy "AB dop Sanpprqyonyg "z8I zuonbarg "108 ze) = sA—sA goyosyonınz Ion anz zuenbayseiyog 9 "yag 080 — SA—SA) 005 zuanbarg "won dop yaIs ueyeu zuonberg pun 'y-"M pP Stuoyos [ SI nz O7 "ard "PL SA 568 C. J. Rothberger und H. Winterberg: In Fig. le erfolgt endlich die Rückbildung der av. Automatie und zwar interessanterweise genau in dem Augenblicke, in welchem die immer weiter abnehmende Schlagfrequenz ( Vs— Vs — 0,33 Sek.) unter die Normalfrequenz (VYs—Vs— 0,52 in Fie. la) zu sinken beginnt. Nun erscheint plötzlich die verschwuudene P-Zacke wieder, zunächst als kaum erkennbare Schwankung hart am Fusse von R, dann allmählich wachsend und in gleichem Maasse von R so lange weiter abrückend, bis das Intervall As—Vs (0,09 Sek.) seinen ur- sprüngliehen Wert (0,10 Sek.) annähernd wieder erreicht hat. Auch Kig.r22. Fie. 2b. Fig. 2. 3. März 1910. a Vagi und Gangl. stell. durchschnitten. Zeit in 0,01 Sek. Suspensionskurve des rechten Vorhofs und E.-K. As— Vs = 0,10 Sek., Vs—Vs — (,36 Sek. Frequenz 166. b Nach Reizung des Gangl. stell. sin. As—Vs — (0,09 Sek. Vs—Vs = 0,28 Sek. Frequenz 214. die Form des E.-K. ist inzwischen bis auf eine noch merkliche Ver- kleinerung der Nachschwankung zur früheren Gestalt zurückgekehrt. Etwas andere Verhältnisse sind in Fig. 2 dargestellt. In diesem, einem unserer ersten Versuche ist nur die Suspensionskurve des rechten Vorhofs und das E.-K. verzeichnet. Dasselbe ist durch eine enorm hohe R-Zacke ausgezeichnet und zeigt in Fig. 2a das charakteristische Aussehen nach Durchschneidung beider Ganglia stellata — kleine T- und P-Zacke. Das Intervall P—R misst 0,10 Sek., Vs—Vs —0,36 Sek., die Minutenfrequenz 166. Der Reizunz des linken Ganglion stellatum folgt jedoch hier (Fig. 2b) zunächst eine Periode, in weleher zwar die Schlagfrequenz beschleunigt (F.— 214) und das 969 Über die Beziehungen der Herznerven zur atrio-ventr. Automatie etc, ‘O8T—92T zuonbarg ‚Sunpfrqyppny ur oyemomy "Ay "48 17 yoeu (NOS I eo) yoz osıumg 9 “SLugges Z Sy nZ SESEER } RER ER EEE ER IT ERR ES 570 'C. J. Rothberger und H. Winterberg: E.-K. verändert (7 negativ, P deutlich vergrössert), in welcher aber die normale Sukzession noch ungestört ist. Erst in einem späteren Stadium bei schon abnehmender Schlagfrequenz, dessen Ende in Fig. 26 reproduziert ist, kommt es zu av. Automatie. Doch geht auf der Höhe der Erscheinung in diesem seltener zu be- obachtenden Falle die Ventrikelsystole dem Vorhofschlage ziemlich bedeutend voran, so dass die P-Zacke hinter die R-Zacke zu liegen kommt, wie dies noch im Anfange der Fig. 2e zu sehen ist. Die Rückbildung der av. Automatie erfolgt auch hier bei wieder positiv sewordener Nachschwankung, jedoch langsamer als in dem in Fig. le dargestellten Beispiele, indem die anfänglich hinter A gelegene P- Zacke durch AR allmählich hindurchwandert, bis sie endlich wieder vor R als kleine zweiphasische Schwankung erscheint. Sehr schön ist in Fig. 2c die Rückbildung der av. Automatie an der Ver- schiebung der R-Zacke gegenüber der Suspensionskurve des Vorhofs zu sehen; letztere zeigt auch sehr ausgeprägt, wie die Verkleinerung und Deformierung der Ausschläge der vom Vorhofe bewegten Suspen- sionsfeder von dem Grade des Synchronismus der Vorhof- und Kammersystolen abhängig ist. Im Anfange der Kurve, wo das Inter- vall P—R noch negativ ist, sind die Amplituden des Vorhofs grösser als später, wo die Gleichzeitigkeit der Kontraktionen vorübergehend vollständig wird. In unserer früheren Mitteilung haben wir den grossen Einfluss nachgewiesen, den die Accelerantes auf die Gestalt des E.-K. nehmen, und es erhebt sich nun die Frage, ob und inwieweit die charakte- ristische Formveränderung des E.-K. unter der Einwirkung des linken Accelerans mit der diesem eigenen Fähigkeit, av. Automatie zu er- zeugen, zusammenhängt. Schon Fig. 1 lehrt, dass zwischen beiden Erscheinungen keine strenge Abhängigkeit besteht. Denn wir sehen die negative Nach- schwankung in Fig. Id und noch mehr im Anfange der Fig. le schon zu einer Zeit fast vollständig zurückgebildet, in welcher die Kontraktion der Atrien und Ventrikel noch gleichzeitig erfolgt, und es ist umgekehrt in Fig. 2b die Negativität der Nachschwankung bereits eingetreten, ohne dass es schon zu av. Automatie gekommen wäre. Noch anschaulicher wird die Unabhängiekeit der av. Automatie von den Formveränderungen des E.-K. in den folgenden Figuren (5) > und 4 demonstriert. >71 Automatie etc. atrio-ventr. en zur znervV Über die Beziehungen der Her ‘T2T zuonb arg 108 050 — SA—54 08 800-100 — SA—5y 'oyyds sem 9 °005 Zuubaug 108 080 — sA=5A 108 700 — 84-8 “Ayesou 7 pun z us "[[ejs ‘Jsueg sap Sunziay yeN q '9eL zummbsag "98 FF0 = SsA—5A PS 600 = SA—5P uayylugdswpanp soyuwasppaay pun IseA "999 TOO UI NoZ pun "ps [oyLyuoA UNNA pun Joyıo‘ UH9A WIOA UHAINFSUOISuUEdSng % "OI6L Tunf ’OT 8 "LA [\ 9G OLH ‘gg Sa wg "SL 572 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Fig. 3, die durch stärkere Saitenunruhe leider ziemlich entstellt ist, zeigt in a die Verhältnisse vor der Reizung des 1. Gangl. stellat. nach beiderseitiger Durchschneidung der Vaei und Accelerantes. Die Schlagfrequenz ist infolge der längeren Versuchsdauer sehr niedrig (136), T ist negativ, P positiv, As—Vs beträct 0,09 Sek. Nach Reizung des linken Gang]. stell., Fig. 3b, entwickelt sich neben einer bedeutenden Frequenzsteigerung (200) eine ungewöhnlich tiefe negative Nachschwankung, auch P wird negativ; die normale Sukzession bleibt aber erhalten, wenn auch das Intervall As—Vs, wenn man Fig. 4a. Fie. 4b. Fig.4. 18. Februar 1910. a Vagi und Accelerantes durchschnitten. Zeitin 0,01 Sek. Suspensionskurve des rechten Vorhofs und rechten Ventrikels. As—Vs — 0,10 Sek. Ys—-Vs = 0,38 Sek. Frequenz 158. b Nach Reizung des Gangl. stell. sin. As— Vs = — 0,01 Sek. Vs—Vs 0,31 Sek. Frequenz 193. es an den Suspensionskurven misst, bis auf 0,04 Sek. verkürzt er- scheint. Erst in einem späteren Stadium nach ungefähr 20—25 Sek. (Fig. 3c), nachdem inzwischen an Stelle der negativen eine hohe positive Nachschwankung getreten ist, kommt es unter weiterer Ab- nahme von As—Vs auf 0,02 Sek. zu eigentlicher av. Automatie; die Schlaefrequenz beträgt zu dieser Zeit 171. In Fig. 4b endlich ist die Reizung des linken Gang]. stell. zur Zeit der voll entwickelten av. Automatie, von der Verkleinerung der R und Verschwinden der P-Zacke abgesehen, überhaupt von keinen wesentlichen Form- veränderungen des E.-K. — man vergleiche mit Fig. 4a — be- gleitet. Über die Beziehungen der Herznerven zur atrio-ventr. Automatie ete. 573 Bis zu einem gewissen Grade charakteristisch ist das Verhalten der Vorhofzacke im E.-K. bei bestehender av. Automatie, indem dieselbe nur rudimentär angedeutet ist oder vollständig fehlt. Aber auch aus dem Fehlen der Vorhofzacke ist ein Rückschluss auf av. Automatie nicht ohne weiteres gestattet. Eine Verwechslung mit dem Pulsus irregularis perpetuus, bei welchem, wie wir gezeigt haben, die Vorhofzacke gleich- falls fehlt, ist schon wegen der gleichzeitigen Störung des Herzrhythmus und der eigenartigen Saitenunruhe nicht leicht: möglich. Dagegen kann auch bei hoher Schlagfrequenz jede Andeutung einer P-Zacke trotz des Vorhandenseins einer längeren ruhigen Strecke zwischen T und R vermisst werden, wenn die Überleitungszeit vielleicht gerade infolge der starken Pulsbeschleunigung relativ gross ist. Ein solches Beispiel ist in Fig. 5 ab- gebildet. Die betreffende Kurve wurde von einem Hunde mit erhaltenen extra- kardialen Herznerven un- mittelbar nach Öffnung des Thorax gewonnen. Der sehr hohen Minutenfrequenz von 273 entspricht eine Herzrevo- lution von 0,22 Sek. und die Fig.5. 10. Juni1910. Thorax offen, Vagiund 2 5 2 \ Accelerantes erhalten. Suspensionskurve relativ ausserordentlich grosse ges rechten Vorhofs und rechten Ventrikel. b) erleitungszeit von 0.12 Sek. E.-K. Zeitin 0,01 Sek. As-Vs = 0,12 Sek. Ub 7 AR Vs-Vs = 0,22 Sek. Frequenz 273. Die Folge dieser bei starker Pulsbesehleunigung manchmal vorkommenden Relation ist ein rest- loses Verschwinden von P in 7 mit einer auf 7 folgenden längeren ruhigen Saitenstrecke. Aus den zeitlichen Beziehungen der Suspensionskurven des rechten Vorhofs und der rechten Kammer ist aber sofort zu ersehen, dass es sich nicht um av. Automatie, sondern um vollständige Superposition von P auf 7 handelt. Dem- entsprechend sahen wir auch in dem angeführten Experimente gleich- zeitig mit dem Abnehmen der Schlagfrequenz eine Verkürzung der Überleitungszeit und Auflösung der Superposition von P auf T Hand in Hand gehen. Auch in klinischen Fällen wird man daher selbst bei rhyth- 574 C. J. Rothberger und H. Winterberg: mischem Herzschlag aus dem Fehlen der Vorhofzacke im E.-K. ohne Zuhilfenahme der Venen- und Arterienpulskurven bzw. des Spitzen- stosses das Bestehen av. Automatie nicht mit Sicherheit diagnostizieren können. Während die av. Automatie mit der die Formveränderung des E.-K. bedingenden, also wahrscheinlieh inotropen Acceleranswirkung nichts zu schaffen hat, steht sie dagegen in engster Beziehung zu dem positiv chronotropen Einflusse der Förderungsnerven. Dies geht zunächst daraus hervor, dass die durch Acceleransreizung erzeugte av. Automatie ausnahmslos mit Steigerung der Schlagfrequenz ver- bunden ist. Doch ist dieselbe nur selten so bedeutend wie in dem in Fig 1 wiedergegebenen Experimente, in den meisten Fällen be- trägt die im Maximum erreichte Minutenfrequenz 150—200 Schläge. Manchmal ist die Pulszahl bei av. Automatie pro Minute nur um 10—15 vermehrt. Dagegen scheinen höhere Grade von Tachykardie, wie sie regelmässig nach Reizung des rechten Ganglion stellatum, häufig aber auch nach der des linken Accelerans auftreten, sogar das Zustandekommen von av. Automatie zu verhindern. In Fig. 2 und 3 geht z. B. eine Periode relativ stärkerer Beschleunigung der av. Automatie voran, die sich erst in einem Stadium entwickelt, in welchem die Schlagfrequenz bereits wieder in Abnahme begriffen ist. Ferner konnten wir feststellen, dass in jedem Falle die durch Reizung des linken Accelerans hervorgerufene av. Automatie durch Reizung des rechten Gel. stell. sofort mit dem Eintritte stärkerer Pulsbeschleunigung in die normale Schlagfolge zurückgeführt wird, und dass endlich durch gleichzeitige Reizung der beiden sternförmigen Ganglien die normale Sukzession niemals gestört wird. Hält man alle diese Tatsachen mit dem Umstande zusammen, dass die Reizbildung während des gleichzeitigen Schlagens von Vor- höfen und Kammern höchstwahrscheinliich im Tawara’schen Knoten, sicher aber, nach dem Verhalten des E.-K. zu schliessen, innerhalb des Reizleitungssystems an der Atrioventrikulargrenze er- folgt, so lassen sich dieselben wohl nur dahin deuten, dass der linke Herzsympathieus in einem besonderen Innervationsverhältnisse zum Tawara’schen Atrioventrikularknoten!) steht, und dass der 1) Nicolai stellt in seinem jüngst erschienenen sehr beachtenswerten Re- ferate über die tatsächlichen Grundlagen einer myogenen Theorie des Herzschlages (Arch. f. Anat. u. Phys. 1910, p. 1) die Behauptung auf, dass das sekundäre Zentrum an der Vorhofkammergrenze durch Acceleransreizung nicht zu be- Uber die Beziehungen der Herznerven zur atrio-ventr. Automatie etc. 575 rechte Accelerans vorzugsweise die primäre oder nomotope, an der Mündung der oberen Hohlvene gelegene Reizbildungsstätte, also viel- leieht den Keith-Flack’schen Sinusknoten versorgt. Der letztere besitzt an und für sich die höhere Automatie, d..h. die grössere Reizbildungsfähiekeit, und da stets der in der raschesten Frequenz Reize produzierende Punkt die Schlagfolge des ganzen Herzens bestimmt, so ist es eben die Hohlvenenmündung, an welcher unter normalen Verhältnissen die Kontraktionswelle des Herzens ihren Ursprung nimmt. Wird durch Reizung des rechten Gangl. stellat. die Frequenz in der Bildung der Ursprungsreize an dieser Stelle noch weiter gesteigert, so muss die normale Reihenfolge des Herzschlages, wie leicht einzusehen, umso eher erhalten bleiben. Anders wird es sich dageeen verhalten, wenn durch Reizung des linken Gang]. stellat. die Reizbildung des an sich mit einer weitaus geringeren Automatie begabten subsidiären Zentrums an der Vorhof-Kammergrenze so weit gesteigert wird, dass sie hier nun- mehr rascher erfolgt als die Bildung der normalen Ursprungsreize. Unter so geänderten Umständen muss dieses sekundäre Zentrum zum führenden Punkte der Herzbewegung werden, und die von dem- selben annähernd gleichweit entfernten Vorhöfe und Ventrikel werden nicht mehr nacheinander, sondern ungefähr gleichzeitig schlagen. Es fragt sich nun, ob sich aus unseren Untersuchungen Anhalts- punkte dafür gewinnen lassen, dass die Führung des Herzschlages unter Nerveneinfluss direkt von dem einen dieser Zentren auf das andere überspringen kann. schleunigter Tätigkeit gebracht werden könne. Er stützt sich dabei auf klinische Beobachtungen, die ergeben haben, dass in Fällen völliger Leitungsstörung die Schlagfrequenz der Herzkammern nicht erhöht werden kann. Die oben mitgeteilten Versuche beweisen aber neuerdings, wie auch die älteren Experimente Hering’ s’ dass wenigstens die Atrioventrikulargrenze bzw. der Tawara’sche Knoten noch vom Accelerans chronotrop innerviert ist. Die negativen Ergebnisse Nicolai’s zeigen nur, dass der durch die Arbeit erzeugte Reiz für die zur Kammer ziehenden Acceleransfasern nicht zureichend ist, oder dass letztere durch die zur Leitungs- unterbrechung führenden Veränderungen funktionsunfähig geworden sind. Mit Hilfe des E.-K. lässt sich aber ferner nachweisen, dass der Accelerans die Kam- mern auch noch über den Atrioventrikularknoten hinaus beschleunigend beein- flusst. Denn wir haben auch bei jenseits des paarigen Teiles des Reizleitungs- systems entspringender Kammerautomatie (atypisches E.-K) durch Accelerans- reizung Frequenzzunahme der Ventrikelschläge wiederholt hervorrufen können. 576 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Wenn wir an der Hand von Fig. 1 die Art und Weise näher betrachten, in welcher sich die av. Automatie aus der normalen Schlagfolge der Vorhöfe und Kammern entwickelt (Fig, 1b) bzw. in die normale Sukzession zurückbildet (Fig. le), so scheint der hier zu beobachtende Vorgang (man vergleiche auch Fig. 2e) fürs erste einer solchen Annahme nicht zu entsprechen. Denn der Übergang von der normalen Kontraktionsfolge zur av. Automatie und um- gekehrt von dieser zu jener erfolgt nicht plötzlich mit einem Schlage, sondern allmählich so, dass das Intervall zwischen Vorhof und Kammer- systole nach und nach kürzer bzw. bei der Rückbildung der Er- scheinung nach und nach länger wird. Es gewinnt dadurch den Anschein, dass der Ausgangspunkt der Ursprungsreize, wie sich Hering ausgedrückt hat, infolge der Acceleransreizung von den . Vorhöfen gegen die Atrioventrikulargrenze wandert, um sich mit dem Abklingen der Acceleransreizung wieder in umgekehrter Richtung zu verschieben. Sehr übersichtlich ist dieses Verhalten an der allmählich sich vollziehenden Lageveränderung der P-Zacke im E.-K. zu erkennen. Zunächst könnte man daran denken, dass die zunehmende bis zur Verschmelzung von P und R führende Verkürzung des Intervalls As—Vs durch eine positive dromotrope Wirkung der Accelerans- reizung zustande kommt. Dass es sich aber in dem Übergangsstadium zur av. Automatie nicht um eine reelle Verkürzung der Überleitungszeit handeln kann, geht schlagend daraus hervor, dass das Intervall As— Vs häufig z. B. in Fig. lc, d, e bis auf Null sinkt und in manchen Fällen z. B. in Fig. 2e, Se u. f sogar negativ werden kann. Gegen ein allmähliches Wandern der Reizbildungsstätte vom Vorhofe zur Atrioventrikulargrenze bis in die Kammer hinein spricht zunächst der Umstand, dass sich wohl kaum ein Mechanismus vor- stellen Jässt, der eine solche schrittweise Verschiebung befriedigend erklären würde. Überdies erfolgt der Übergang zur av. Automatie bisweilen innerhalb weniger Schläge (z. B. in Fie. 1b), ja manchmal noch rascher als hier. Dieser Umstand ist auch Hering aufgefallen, der ausdrücklich erwähnt, dass der Ausdruck „wandern“ insofern nicht immer zutrifft, als die fragliche Änderung auch mehr sprungweise erfolgen kann. Schliesslich kommt deshalb die a priori vielleicht am wenigsten wahrscheinliche Möglichkeit in Betracht, dass zwischen die Über- Uber die Beziehungen der Herznerven zur atrio-ventr. Automatie etc. nahme der Herzführung von der nor- malen Reizbildungsstätte durch den Tawara’schen Knoten ein Stadium ein- geschaltet ist, in welchem beide Zentren in annähernd gleicher Frequenz Reize produzieren, von denen die einen die Vorhöfe, die anderen die Kammern zur Kontraktion anregen. Nach dieser Vor- stellung würden also in dem besprochenen Übergangsstadium Vorhöfe und Ven- trikel voneinander unabhängig, gewisser- maassen dissoziiert schlagen, ohne dass eine eigentliche Leitungsunterbrechung vorhanden wäre. Das folgende Schema Fig. 6 möge veranschaulichen, in welcher Weise wir uns das Zustandekommen einer solchen temporären Dissociation vorstellen. Das- selbe zeigt drei mit A., A.V. G. und V. bezeichnete horizontale Linien, von denen die erste dem Vorhofe, die zweite der Atrioventrikulargerenze und die dritte dem Ventrikel entsprechen soll. Die der Atrioventrikulargrenze entsprechende Gerade ist etwas gegen den Vorhof ver- schoben, um anzudeuten, dass hier ge- bildete Reize, wie es auch gewöhnlich zutrifft, den Vorhof etwas früher erreichen als den Ventrikel. Wir nehmen nun in Anlehnung an physiologische Verhält- nisse an, dass der Vorhof in regel- mässigen Intervailen von 0,25 Sek. durch die normalen vom Sinusknoten kom- menden Ursprungsreize zur Kontraktion gebracht wird, und dass diese Reize mit einer Verzögerung von 0,09 Sek. zum Ventrikel gelangen. Es beträgt also die Dauer einer Herzrevolution 0,25 Sek., die Über- 577 Fig. 6. 578 C. J. Rothberger und H. Winterberg: leitungszeit 0,09 Sek. Wir nehmen weiter an, dass infolge einer Reizung des linken Aeccelerans von einem gegebenen Momente an im Atrioventrikularknoten Reize in kürzeren 0,23 Sek. betragenden Intervallen gebildet werden. Der erste dieser Reize muss dann 0,23 Sek., nachdem der letzte normale Ursprungsreiz die A.V.G. passiert hat — in unserem Schema nach dem zweiten nomotopen Reize —, wirksam werden und wird sowohl gegen den Vorhof als auch gegen den Ventrikel weiter geleitet. Während er kammerwärts die Bahn frei findet und deshalb vorzeitig eine Ventrikelsystole auslösen kann, begegnet er auf seinem Wege zur Vorkammer dem normalen Ursprungs- reize, der die Vorhöfe bereits früher erreicht und rechtzeitig zur Kontraktion gebracht hat. Er fällt daher in die refraktäre Phase und kann den Vorhofrhythmus nicht weiter störend beeinflussen. Das Intervall As— Vs erscheint jedoch von 0,09 Sek. auf 0,07 Sek. reduziert, um den gleichen Betrag, um welchen die Ventrikelsystole früher erfolete, als wenn sie in normaler Weise ausgelöst worden wäre. Ebenso verhält es sich bei den drei folgenden Herzschlägen. Jedes- mal erreicht der an der A.-V.-G. in Intervallen von 0,23 Sek. gebildete Reiz ungehindert die Kammer, während er zu den Vorhöfen erst in der refraktären Phase gelangt, so dass diese in ihrem alten Rhythmus von 0,25 Sek. weiter pulsieren. Dabei rücken aber As und Vs immer näher zusammen und die Überleitungszeit ist schliesslich scheinbar bis auf 0,01 Sek. verkürzt. Verfolgen wir unser Schema noch weiter, so sehen wir, dass der Vorsprung des heterotopen Ursprungsreizes endlich so gross wird, dass er auch den Vorhof schon vor dem Zeit- punkte erreicht und zur Kontraktion bringt (beim siebenten Schlage), in welchem der normale Ursprungsreiz herabgelangt. Nun fällt letzterer in die refraktäre Periode des Vorhofs, und damit hat das atrioventrikuläre Zentrum die Führung des Herzschlages endgültig an sich gerissen. Vorhöfe und Kammern kontrahieren sich von nun an wieder in gleichem Rhythmus, wobei die Vorhöfe entsprechend der in der schematischen Konstruktion gemachten Annahme, dass sie dem av. Reizbildungszentrum näher liegen, ihre Kontraktion um einen kleinen Zeitteil früher beginnen als die Kammern. Im wesentlichen zeigt also unser Schema, dass innerhalb des Reizleitungssystems an der A.-V.-G. selbständige Herzreize in rascherer Frequenz gebildet werden als in jener der normalen Ursprungsreize, dass dieselben zunächst nur auf den Ventrikel übergehen, dass während dieses Stadiums eine Inkongruenz in der Dauer der Vorhof- Über die Beziehungen der Herznerven zur atrio-ventr. Automatie etc. 579 und Kammerperioden besteht derart, dass letztere vorübergehend kürzer sind als die ersteren, und dass dadurch die Überleitungszeit eine zunehmende allerdings nur scheinbare Verkürzung erfährt. Diese Merkmale, insbesondere die Inkongruenz der Vorhof- und Kammerperioden, finden sich nun tatsächlich auch im Experimente wieder. Wenn man z. B. in Fig. 1b die Dauer der Vorhof- und Ventrikelrevolutionen in den Suspensionskurven oder im E.-K. genau ausmisst, so ergibt sich, wie die folgende Tabelle zeigt, dass die Ventrikelperioden zur Zeit der Entwicklung der av. Automatie kürzer sind als die zugehörigen Vorhofsperioden. Tabelle zu Fig. 1b. Dauer der einzelnen Dauer der einzelnen Vorhofperioden in 0,01” | Ventrikelperioden in 0,01” 32 32 ar 32 31,5 30 31,8 29,7 31,7 29 31,5 29 Erst nach voller Ausbildung der av. Automatie ist die Perioden- dauer die gleiche (Fig. 1c, d), während bei der Rückbildung (Fig. ie) der dargestellte Vorgang in umgekehrtem Sinne abläuft, so dass nun die Ventrikelperioden länger sind als die Vorhofsperioden. Nur insofern weichen die experimentell gewonnenen Kurven von dem konstruierten Schema ab, als nach der Acceleransreizung die Frequenzänderung der Ventrikelschläge nicht, wie wir der einfacheren Darstellung halber angenommen haben, mit einem Schlage, sondern allmählich erfolgt (Fig. Ib u. ce 0,32—0.29—0,27 Sek.), und dass auch der Rhythmus der Vorhöfe nicht vollständig ungestört bleibt, sondern ebenfalls beschleunigt wird. Diese Beschleunigung ist in dem in Fig. 1 dargestellten Experimente ungewöhnlich geringfügig (0,005 Sek.) und flüchtig. Sie rührt, wie im folgenden gezeigt werden soll, davon her, dass im linken Gang. stellat. auch akzelerierende an der Hohlvenenmündung endigende Fasern enthalten sind. Wir haben schon früher den Umstand, dass nach Reizung des Gang]. stellat. sin. nur in einem Bruchteile der Experimente av. Automatie eintritt, auf individuelle und Rassenverschiedenheiten be- 580 C. J. Rothberger und H. Winterberg: zogen und hatten dabei in beiden Fällen wechselnde Verhältnisse der Fasermischung im Auge. Aus dem Grade derselben und aus der auch zeitlich verschiedenen Interferenz der Einzelwirkungen der chronotropen Sinus und Atrio- ventrikularfasern lassen sich alle im Experimente beobachteten Varianten hinsichtlich des Zustandekommens oder Ausbleibens der av. Automatie leicht erklären. Ebenso wie bei annähernd unvermischtem Faserverlauf, aber gleichzeitiger Reizung der beiden Ganel. stellat. wird die av. Auto- matie bei stärkerer Mischung der akzelerierenden Sinus- und Atrio- ventrikularfasern auch bei isolierter Reizung des linken Accelerans ausbleiben müssen. Tatsächlich kommt gerade in jenen Fällen av. Automatie nicht zustande, in welchen Reizung des linken Accelerans zu jenen höheren Graden der Schlaefrequenz führt, welche wir sonst nach Reizung des rechten Gangl. stellat. zu sehen pflegen (Frequenz 290— 300). In jenen Fällen, in welchen der av. Automatie eine Periode stärkerer Beschleunigung bei normaler Sukzession vorangeht (Fig. 2b u. «6, 3b u. e), haben wir anzunehmen, dass eine gewisse Anzahl beschleunigender Sinusfasern miterregt wurde. Erst wenn die von diesen abhängige Beschleunigung unter den Grad der von den Atrio- ventrikularfasern bewirkten Frequenzsteigerung gesunken ist, entsteht av. Automatie. Dieselbe klingt in diesen Fällen gewöhnlich schon zu einer Zeit ab, in welcher die Schlagfrequenz noch nicht ganz zur Norm abgesunken ist (Fig. 2e), wohl ein Zeichen für einen ge- wissen noch restierenden Erregungszustand der beigemischten Sinus- fasern. Bei annähernd reinem Faserverlauf werden wir endlich Ver- hältnisse zu erwarten haben, wie sie Fig. 1 zeigt; die av. Automatie entwickelt sich ohne ein vorangehendes Stadium stärkerer Be- schleunigung sehr rasch, oft schon während der Reizung, hält lange an und endet ziemlich genau in dem Momente, in welchem die Schlagfrequenz auf die ursprüngliche Höhe gesunken ist (Fig. le). Das Vorkommen einer solehen Mischung der positiv chronotropen Sinus- und Atrioventrikularfasern haben wir zunächst anatomisch dadurch nachgewiesen, dass wir ähnlich wie Pawlow nach Aus- schaltung der Hemmungsnerven durch Atropin die einzelnen Herz- zweige des Vagus präparierten und ihre Wirksamkeit prüften. Dabei stellte sich heraus, dass in manchen Fällen, in welchen Reizung des Über die Beziehungen der Herznerven zur atrio-ventr. Automatie etc. 581 Gangl. stellat. sin. die normale Sukzession nicht störte, die Reizung einzelner Nervenfasern zu av. Automatie führte. Ein Beispiel für das Gesagte bietet Fig. 15 unserer voran- gehenden Mitteilung. Daselbst sind die Verhältnisse bei normalem Herzschlag, sodann nach Durchsehneidung der Accelerantes und endlich nach Reizung des rechten und linken Ganglion stellatum dargestellt. Die Reizung des linken Accelerans hat nun in diesem Falle keinen Einfluss auf die Kontraktionsfolge der Vorhöfe und Kammern. Doch lässt schon die bedeutende Erhöhung der Schlag- frequenz auf 250 (Vs— Vs — 0,24 Sek.), sowie die Gestalt des E.-K. vermuten, dass der Faserverlauf hier kein ungemischter ist. Denn die nach Reizung des linken Ganglion stellat. resultierende Form des E.-K. entspricht hier mehr jenen Änderungen, welche sonst nach Reizung des rechten Accelerans sich zu entwickeln pflegen. Bei der Präparation der Herzfasern des linken Vagosympathieus fanden wir einen als unteren inneren dicken Ast bezeichneten Zweig, dessen Wirkungen in Fig. 15f dargestellt sind. Zunächst fällt eine mächtige negative 7-Zacke in die Augen, jene für die Reizung des linken Accelerans so charakteristische Veränderung, die wir bei Reizung des Gangl. stellat. sin. selbst (Fig. 15d) vermisst haben. Ferner ist die in Fig. 15d so gut entwickelte Zacke P nur noch als kleinste negative Schwankung hart am Fusspunkt von R an- gedeutet; es ist av. Automatie eingetreten, wobei der Vorhofschlag der Ventrikelsystole um etwa 0,02 Sek. vorangeht. Die Minutenfrequenz beträgt 157 (Vs— Vs — 0,32 Sek.), sie ist also grösser als die Normalfrequenz, aber kleiner als die durch Reizung des Ganel. stellat. sin. erzielte Beschleunigung (250). Der Ast, welcher in diesem Experimente av. Automatie hervor- rief, war gleichzeitig auch der einzige, der die für Reizung des linken Accelerans typische negative Schwankung erzeugte. Wir haben jedoch schon früher darauf hingewiesen, dass die beiden Phänomene in ihrer Entwicklung voneinander unabhängig sind. Diese Unabhängiekeit geht besonders überzeugend daraus her- vor, dass sich bei der Präparation der Herzzweige des Vagus neben Fasern, welehe die Nachschwankung typisch beeinflussen und av. Automatie hervorrufen, auch solche finden lassen, welche av. Automatie ohne jede Formveränderung des E.-K. erzeugen. Zur Illustration bringen wir die einem und demselben Versuche entnommenen Kurven- abschnitte der Fig. 7 bei. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 39 982 C. J. Rothberger und H. Winterberg: [BERERERLHARHRHHGE Fig. 7a. EUREAUEHENUUERUNDENEHRHLERERREEEBUGGE [DENRENHUUENHUEHUELEHUEHUUENUERTUUEHUHELUUNHUHEERER [ENERRREURRHEHHENENEUHRERFERREENRFEREEREEENNEEER DERUEHERDEERZEEERERRNERDEREEHERERBEN Fig. 7d. Fig. Te. Fig. 7£. Fig. 7. 16. April 1910. a Suspensionskurve des rechten Vorhofs und rechten Ventrikels. E.-K. Zeit in 0,01 Sek. Herznerven erhalten, Thorax offen. As—Vs — 0,09 Sek. Vs—Vs = 0,26 Sek. Frequenz 230. b Nach Durchschneidung der Vagi und Gang]. stell. Atropin. As—Vs = 0,12 Sek. Vs—Vs — 0,47 Sek. Frequenz 127. ce Nach Reizung des Gangl. stell. sin. As—Vs = — 0,01 Sek. Vs—Vs — 0,33 Sek. Frequenz 181. d Reizung des lirken oberen lateralen starken Astes. As—Vs—=0 Sek, Vs-—-Vs = 0,32 Sek. Frequenz 187. e Reizung eines lateralen Astes am Lungenhilus. As—Vs — 0,01 Sek. Vs—Vs = 0,38 Sek. Frequenz 158. f Reizung des Restes des Vagusstammes am Lungenhilus. As—Vs — —0,04 Sek. Vs—Vs — 0,42 Sek. Frequenz 149. Über die Beziehungen der Herznerven zur atrio-ventr. Automatie etc. 583 Fig. 7a zeigt die Verhältnisse nach Öffnung des Thorax bei noch erhaltenen Herznerven. Wir sehen normale Sukzession, erheb- liche Nachschwankung mit superponierter Vorhofzacke. As— Vs — 0,09 Sek. Vs—Vs —= 0,26 Sek. F. = 230. Fig. 7b ist aufgenommen nach Durchschneidung der Vagei und Accelerantes sowie Atropinisierung. Man erkennt das für Ausfall des Acceleranstonus charakteristische E.-K. Die Superposition ist auf- gelöst. As— Vs —= 0,12 Sek. Vs—Vs — 0,47 Sek. F. = 127. In Fig. 7 ce ist durch Reizung des Gangl. stellat. sin. av. Automatie aufgetreten, die Kammersystole erfolet um 0,01 Sek. vor dem Vor- hofschlag, das E.-K. trägt die typische negative 7T-Zacke. Die Fre- quenz ist auf 181 (Vs— Vs — 0,33 Sek.) erhöht. Fig. 7d wurde nach Präparation des oberen, äusseren starken Astes des linken Vagus verzeichnet. Auch hier av. Automatie, zugleich tiefe, aber zweiphasische negative Nachschwankung, ungewöhnlich vergrösserte S-Zacke, As— Vs —= 0, Vs— Vs — 0,32 Sek. F.— 187. Fig. Te. Nach Reizung eines vom linken Vagus tief unten am Lungenhilus lateral abgehenden Zweischens tritt ebenfalls av. Auto- matie auf, ohne dass sich die Form des E.-K., abgesehen von dem Wesfall der P-Zacke, im Vergleiche zu Fig. 7b wesentlich ändern würde. As— Vs —= 0,01 Sek. Vs— Vs = 0,38 Sek. F.— 158. Fig. 7f endlich, gewonnen nach Reizung des Vagusstammes in der Höhe des Lungenhilus und nach Abtrennung sämtlicher isolier- barer Äste, zeigt desgleichen av. Automatie ohne Formveränderung des E.-K. Nur geht diesmal die Vs der As um 0,04 Sek., also ziem- lich bedeutend voran. As— Vs = — 0,04 Sek. Vs— Vs — 0,42 Sek. 2 245. In dem eben geschilderten Falle liessen sich die av. Automatie erzeugenden Fasern vom Gangl. stellat. aus durch beide Äste der Ansa Vieussenii bis in den Vagusstamm hinein und von dort bei ihrem Austritte in einer ganzen Reihe von Herzzweigen des Vagus verfolgen. Manchmal erfolgt der Übergang dieser Fasern nur durch den vorderen oder nur durch den hinteren Ast der Ansa Vieussenii; in einem Falle sahen wir, dass die sympathischen, av. Automatie er- zeugenden Herzfasern direkt aus dem Rückenmark ohne Bildung eines sternförmigen Ganglions (auf der rechten Seite war dasselbe vorhanden) in Form einer die Subelavia in der Art der Ansa Vieussenii umfassenden Schleife direkt in das untere Halsganglion des Vagus eintraten.. Einmal konnten wir av. Automatie nach 39* 584 C. J. Rothberger und H. Winterbers: Atropinisierung nur durch Reizung des linken Halsvagus, nicht aber durch jene des Gang]. stellat. hervorrufen. Bei der Präparation der Herzzweige des Vagus fand sich in diesem Versuche jedoch keiner, in dem die das gleichzeitige Schlagen bedingenden Fasern nach- gewiesen werden konnten. Als wir aber den inneren starken Ast, dessen Reizung zu starker Pulsbeschleunigung führte, abgetrennt hatten, war die Fähigkeit des Halsvagus, av. Automatie zu erzeugen, ebenfalls erloschen. Daraus folgt, dass in dieseın Falle die durch den Halsvagus zur Atrioventrikulargrenze ziehenden Fasern den Vagusstamm in der Bahn des starken inneren Astes verliessen und sich daselbst so stark mit den die Hohlvenenmündung innervierenden Fasern mischten, dass sie sich dem Nachweis durch elektrische Reizung dieses Astes entzogen. Dieses hier direkt beobachtete scheinbare Verschwinden der zur av. Automatie führenden Fasern in einem stark chronotrop wirkenden Nervenzweige lässt es leicht verständlich erscheinen, warum es nur selten gelingt, durch anatomische Präparation diese Fasern soweit zu isolieren, dass ihre Wirkung hervortreten kann. Der Nachweis, dass das Ausbleiben av. Automatie nach Reizung des linken Gangl. stellat. auf eine stärkere Beimischung solcher Fasern zu beziehen ist, die zur Hohlvenenmündung verlaufen, lässt sich aber nicht nur anatomisch, sondern mit viel grösserer Sicherheit auch experimentell führen. Das diesbezügliche Experimentum erueis haben wir auf folgende Überlegung gegründet. Bleibt bei Reizung des Gangl. stellat. sin. die av. Automatie nur deshalb aus, weil zum Sinusknoten ziehende Fasern miterregt werden, so muss es gelingen, durch künstliche Herabsetzung der Reizschwelle an dieser Stelle die störende Wirkung derselben aus- zuschalten. Zu diesem Zwecke behandelten wir die Einmündungs- stelle der oberen Hohlvene in einer möglichst auf den Winkel zwischen der Cava superior und dem Ansatze des rechten Herzohres beschränkten Ausdehnung mit einem Chloräthylspray so lange, bis eine deutliche Herabsetzung der. Schlagfrequenz eintrat. Wir über- zeugten uns selbstverständlich vor allem davon, ob durch diesen Eingriff nicht ähnlich wie bei dem Lohmann’schen Formol- verfahren schon an und für sich av. Automatie zustande komme. Doch blieb selbst bei viel stärkeren Graden der Kühlung als den von uns gewöhnlich angewendeten und bei einer viel weitergehenden Über die Beziehungen der Herznerven zur atrio-ventr. Automatie etc. 585 Herabsetzung der Schlagfrequenz (Fig. 10b) die normale Sukzession der Vorhof- und Kammertätiekeit erhalten. Dass aber der von uns angestrebte Zustand verminderter Erreebarkeit an der normalen Bildungsstätte der Ursprungsreize erreicht war, bewies die ge- ringere Beschleunigung des Herzschlages, die sich im Anschlusse an die Abkühlung der genannten Stelle durch Reizung des rechten Gang]. stellat. erzielen liess. Wurde nun unmittelbar nach Auf- hören der Kühlung das linke sternförmige Ganglion, dessen Reizung vorher nicht zur av. Automatie geführt hatte, neuerdings faradisiert, so trat jetzt fast ausnahmslos av. Automatie ein. Als Beleg dieser Beobachtungen diene Fig. 8. Um einen Überbliek über den Verlauf des ganzen Experimentes zu ermöglichen, reproduzierten wir auch hier eine Reihe von Kurven- ausschnitten, welche, trotzdem sie oft nur ein bis zwei Herzschläge umfassen, dennoch das Wesentliche genügend zeigen. Fig. 3a illustriert das Verhalten bei noch erhaltenen Accelerantes, aber durchschnittenen Hemmungsnerven. As— Vs — 0,07 Sek. Vs— Vs = 0,26 Sek. F. = 230. Nach Durchsehneidung der Accelerantes (Fig. Sb) erhält das E.-K. das charakteristische monotone Aussehen, die Überleitungszeit wächst auf 0,11 Sek., die Minutenfrequenz sinkt auf 162. Weder durch Reizung des rechten (Fig. Se) noch durch die des linken Gangl. stellat. (Fig. Sd) wird die normale Sukzession sestört. In beiden Fällen misst das Intervall As— Vs = 0,07 Sek. und wird die Minutenfrequenz auf 250 gesteigert. Es liegt also einer jener selteneren Fälle vor, in welchen beide Accelerantes den Puls in gleicher Weise beschleunigen. Fig. Se zeigt die Wirkung einer hochgradigen Abkühlung der Hohlvenenmündung. Die Minutenfrequenz sinkt bis auf 81, die normale Sukzession bleibt jedoch erhalten, wie dies deutlich aus den Suspensionskurven zu ersehen ist. In dem technisch nicht ganz einwandfreien, durch Saitenunruhe (Zischen der Bogenlampe, siehe unsere Mitteilung in Pflüger’s Archiv Bd. 131 S. 387. 1910) entstellten E.-K. ist die nach Abkühlung des Hohlvenensinus meist an und für sich sehr schwache ?P-Zacke nur schwer zu erkennen. Nach einer zweiten, jedoch weniger intensiven Abkühlung der Gegend des Sinusknotens wurde der linke Accelerans gereizt. Während vor der Abkühlung die Minutenfrequenz bis auf 250 stieg, Winterberg: C. J. Rothberger und H 986 ‘Tg zuonbarg 708 720 = sA 54 198 800 = sA—sV Sunpunwuousapyog dep Sunpyny Yen 9 095 zuanbarg "ES F30 — SA-—5A "PS 100 = SA—SP us "[oJs "Idueg sop Zunzioy P ‘095 zuenboag 498 770 — SA—SA. 198 100 = SA—SP 'IXSP [IS "due, sap Sunziey 9 79] = zuambarg "198 IE0 = SA—SA "YoS IIO = SA—SP 'SOyue1a[oddy AOp Sunprouyssydand yoeN A "085 zuanbaag 198 950 = SsA—SA 198 200 = SA SP UOJeyLI SOJuwIOII9Y ‘“uoyuydsyamp ISeA 998 [00 ur NoZ "MH 'S[oyLquaA UagDaA pun SFoyQIoA UIY99L SOP Aınysuorsusdsug 'OTGTI EN CB 8 "SLA 98 DL "PS SH 98 SH "48 "SL eg ar [BERREREEERRRRREEEEREEREGEE (WERRRRRHRHHRHHRRHHSERFEHEHNEREUGE MERREEREERTIEREFTETTERERENI PERTEISERTRIILIATRTIEEI LEN Über die Beziehungen der Herznerven zur atrio-ventr. Automatie etc. 587 betrug die maximale Minutenfrequenz diesmal nur 166, wobei sich jedoch gleichzeitig (Fig. Sf) av. Automatie einstellte. Während Reizung des linken Gangl. stellat. ganz regelmässig nach Abkühlung der Hohlvenenmündung gleichzeitige Vorhof- und Kammerschläge auslöst, bewirkt Reizung des rechten Gangl. stellat. unter denselben experimentellen Bedingungen eine geringere Pulsbeschleunigung ohne av. Automatie. Nur in Ausnahmefällen sahen wir nach Applikation von Chloräthylspray an der erwähnten Stelle auch nach rechtseitiger Acceleransreizung av. Automatie auf- treten. Wir verweisen diesbezüglich auf Fig. 9, die von einem nach längerer Versuchsdauer recht langsam schlagenden Herzen stammt. BEBENZEZEEEREEZEEGEREEZE RE ZEN ZEREEEUNZEEEEE SEHE ZEN BEBEREEEERREEREEEEREEREREREE EZ EEE REZ EEE EEE) Fig. Sf. Zu Fig. 8 gehörig. f Reizung des Gangl. stell. sin. nach Kühlung der Hohl- venenmündung, As—Vs — —(,01 Sek. Vs—Vs = 0,36 Sek. Frequenz 166. Das E.-K. in Fig. 9a nach Durchschneidung der Vaei und Accelerantes trägt eine in diesem Zustande ungewöhnlich hohe T-Zacke, die sich bei Reizung des rechten Gangl. stellat. (Fig. 9e und d) in typischer Weise verändert. Die normale Minutenfrequenz von 150 (Fig. 9a) wird durch Reizung des rechten Ganglion auf 222, durch die des linken (Fig. 9e) nur auf 166 ge- bracht und sinkt nach sehr intensiver Kühlung der Hohlvenenmündung (Fig. 9b) bis auf 54. Gleichwohl wird unter allen diesen Umständen die normale Schlagfolge nicht gestört; dementsprechend erfährt das Intervall As— Vs nur geringe Änderungen. Hingegen wird dasselbe sowohl infolge Reizung des rechten als auch des linken Accelerans C. J. Rothberger und H. Winterberg: 988 yg zuambosy OS 01T — SA-54 198 4200 — SA—SsP "Sunpunu -U9UOAJTOFT OP Zunjynyy AaAısuoyur Ayos ToeN q ‘OCT zuonbarng 198 00 = SA—SA 98 010 = SA—SF uoyımpsgaınp soyue1op999y TeA "498 [00 Ur MOZ "M- 'S[ogLguoA UoITDaA pun sSJoyao‘ uayyDaı sap uorsuodsng NIGT Tunp‘F "6 "Sry ‘46 ‘311 "B6 "SL SC] zuonbarg 798 gE0 = SA—SA "798 300 — SA —SP 'FZunyny A9p yoeu 'feJs 'Hurd uayum sop Sunzray F 99T zuonbarg '40S 980 = SA—5A IS 800 = sA—SF "Funyuy 19p AOA "[[998 "[FueH) uoyum sop Sunzioy 9 'OET Zuenbaag "998 9H0 = SA—SsA PS £00 = sA—5sP "Funjynyy dop peu '[[oIs "[duer) uo4y99ı sap Sunzuy pP "255 zuonboagy OS 280 — SA—54 "PS 010 = sA—Ssy Funynyy ddp A0A "fs ‘IFuen) uoyyo9L sop Sunzio 9 "Boos 6 Su] nz 16 219 26 1 P6 a 26 311 590 Ü. J. Rothberger und H. Winterberg: bis auf 0,02—0,03 Sek. reduziert, sobald die Reizung nach einer viel mässigeren Kühlung als der in Fig. 9b dargestellten erfolgt, d. h. es tritt jetzt in beiden Fällen (Fig. 9d und f) av. Automatie ein. Interessant ist dabei der auch in anderen hierher gehörigen Versuchen erhobene Befund, dass die nach Kühlung der Sinusgegend durch Reizung des rechten Accelerans hervorgerufenen atrio- ventrikulären Schläge eine geringere Frequenz aufweisen als jene nach Reizung des linken Accelerans. In Fig. 9d und f ist das dies- bezügliche Verhältnis 130 : 158. Aus den zuletzt beschriebenen Experimenten geht hervor, dass auch in der Bahn des rechten Herzsympathieus manchmal zur Atrio- ventrikulargrenze ziehende beschleunigende Fasern enthalten sind, welche in ihrer Wirkung auf den Atrioventrikularknoten hinter jenen der Gegenseite in ähnlicher Weise zurückbleibeu, wie die im linken Gange]. stellat. enthaltenen akzelerierenden Sinusfasern hinter den viel stärker beschleunigenden der rechten Seite. Von ähnlichen Vorstellungen wie bei den eben beschriebenen Experimenten ausgehend untersuchten wir, ob in Fällen, in denen Reizung des linken Gang]. stellat. keine av. Automatie verursachte, diese durch eine kombinierte Reizung des linken Accelerans und des rechten Vagus erzeugt werden könnte. Wir hatten dabei die Tat- sache vor Augen, dass die beiden Vagi nicht selten difterente Wirkungen auf den Herzschlag ausüben, die in typischen Fällen, wovon wir uns sehr häufig selbst überzeugen konnten, darin bestehen, dass der gewöhnlich schon auf schwächere Ströme reagierende rechte Vagus Vorhöfe und Ventrikel eleichzeitig zu verlangsamten Schlägen oder selbst zum Stillstande brinet, während der weniger erregbare linke Vagus auf den Vorhofrhythmus ohne Einfluss ist, dagegen partiellen oder totalen Vs-Ausfall bedingt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich hierbei ebenfalls um bestimmte Innervationsverhältnisse handelt, so zwar, dass der rechte Vagus vorwiegend die Reiz- bildung im Sinusknoten, der linke Vagus die Reizbildung und Reizleitung im Tawara’schen Knoten hemmend beeinflusst. Unter dieser Voraussetzung hätte die kombinierte Reizung des linken Accelerans und des rechten Vagus av. Automatie erzeugen müssen. Das Resultat der nach diesem Plane ausgeführten Versuche muss jedoch im allgemeinen als negativ bezeichnet werden. Es er- gab sich, dass eine bezüglich av. Automatie effektlose Reizung des linken Gangl. stellat. auch bei gleichzeitiger Reizung des rechten Über die Beziehungen der Herznerven zur atrio-ventr. Automatie etc. 591 Vagus unwirksam blieb, und dass durch Acceleransreizung mit oder ohne gleichzeitige Kühlung des Hohlvenensinus hervorgerufene av. Auto- matie in der Regel sowohl durch Reizung des rechten als auch durch Reizung des linken Vagus aufgehoben wurde. Bei Anwendung etwas stärkerer Ströme (150 mm R.-A.) war die Aufhebung der av. Automatie meist definitiv, nur nach kurzer und sehr schwacher Reizung stellte sich die av. Automatie wieder ein. Ein solcher Fall ist in Fig. 10 dar- gestellt, in welchem sehr lange Perioden av. Automatie durch Kühlung der Hohlvenenmündung und nachfolgende Reizung des linken Gangl. stellat. ausgelöst wurden. Eine schwache Reizung des linken Vagus (R.-A. 250 mm) stellt die normale Sukzession für die Dauer von sechs Herzschlägen wieder her. Von Interesse ist dabei, dass die Aufhebung der av. Automatie durch Vagusreizung plötzlich ohne Einschiebung des früher geschilderten Übergangsstadiums erfolgt. Auch bei vorsichtigster Abstufung der Vagusreizung ist es uns nicht gelungen, eine dauernde Verlangsamung der av. Schläge ohne Umsehlag in die normale Sukzession zu erzielen. Nur selten z. B. in Fig. 11, die ebenfalls dem in Fig. 10 dargestellten Experimente entnommen ist, sahen wir bei schwacher Vagusreizung vor diesem Um- schlage noch einen beträchtlich verlangsamten av. Schlag auftreten. Obwohl in diesem Falle leider versäumt wurde, die zeitschreibende Stimmgabel einzuschalten, ist, abgesehen von dem typischen Effekte der Vagusreizung und der Grösse der Abweichung, die Möglichkeit, dass diese Verlangsamung durch eine Beschleunigung der registrie- renden Fläche vorgetäuscht werde, auch deshalb mit Sicherheit aus- zuschliessen, weil das Intervall ?—T7 im E.-K. überall gleich gross bleibt. Der nächste Herzschlag zeigt bereits normale Sukzession und ist von einer sehr frühzeitigen und deshalb auf den Ventrikel nicht übergeleiteten aurikulären Extrasystole gefolgt. Während in Fig. 11 die chronotrope Wirkung des 1. Accelerans durch Vagusreizung auf- gehoben wird, bleibt die charakteristische Formveränderung des E.-.K. unverändert bestehen. Auch in Fig. 10 scheint der noch verzeichnete erste av. Schlag durch die hier sehr kurze Vagusreizung noch stärker verlangsamt zu sein, während die folgenden Schläge nach Unter- brechung der Vagusreizung schon rascher erfolgeu. Doch lässt sich dies, da die vorangehenden Kontraktionen nicht mitverzeichnet sind, nicht mit gleicher Bestimmtheit wie in Fie. 11 nachweisen. Aus der Aufhebung der av. Automatie durch Vagusreizung, nsbeso ndere aber aus dem in Fig. 11 dargestellten, unter Vagus "799 700 uI NZ "SJOQIOA UONUI pun S[ONLYUoA uoyyoaT ‘sJoyIoN uayyo9a sap ueAANYSUoISugdsng "uagoyasjne puoyasrogn.ioA snde\ uoyu] sap Sunzioygy yoaınp paIm "us 'feIs Fur) sap Junzioy pun Zunpunwuousalyop] 19p Sunyny yoeu orrewomy "AY "OT6I EM EI OL "TA WENEERERTEETZUNENENEERZERTERTERENEEETERT IBESEEERZEET BEE EEERESEFSEZENTEEETEETEZEREEEUUHERRTERENEETERHEREEENGE ZEIT INESEBERZE: lrilrı RRBEREER) IRHRRREREREHE: "SIFLIYIS UHABNALIAJUHAOLINE U992J9] SEP Sunwessur]loA "u9goyasme SnoRA UoyUumN sop Funzıoy y9anp PAIM SYUIL ‘E98 Tue) sap Sunzioyy pun Sunpunw -u9U9ATLOT A9p Sunjyny yoeu oyewomy 'AY "M-'H 'SJoyaoA‘ uoyuı] pun s[oxyTiguo A UHJY99A ‘SJOULOA UEJY99A SEP UHAANYSUOISUDÄSnS "OTGL IE ET "IT SU 594 0. J. Rothberger und H. Winterberg: einfluss verlangsamten av. Schlage geht direkt hervor, dass der Vagus das Tempo der Reizbildung auch im Atrioventrikularknoten zu hemmen vermag. Diese Hemmung ist in der Regel eine so intensive, dass die von der Hemmungswirkung mitbetroffene normale Reiz- bildungsstätte wieder relativ reizbildungsfähiger wird und die Führung der Herztätigkeit übernimmt. Von Belski!) sowie von Hering sind in letzter Zeit Fälle von tachykardischer av. Automatie bei Menschen mitgeteilt worden, bei denen die av. Automatie ähnlich wie in unseren Experimenten durch den Vagusdruckversuch entweder vorübergehend oder dauernd aufgehoben wurde. Damit ist der Nachweis erbracht, dass die chronotropen Vagusfasern, nicht wie F. B. Hofmann?) wenigstens für das Froschherz annimmt, insgesamt im Sinusgebiete endieen, sondern dass auch der Atrioventrikular- knoten bzw. die Vorhofkammererenze sowohl hemmend als auch fördernd chronotrop innerviert ist. Da, wie erwähnt, sowohl der rechte als der linke Vagus eine bestehende av. Automatie aufheben, und da insbesondere der rechte Vagus bei kombinierter Reizung mit dem linken Accelerans in der Regel nicht zur av. Automatie führt, ist wohl der Rückschluss gestattet, dass in beiden Hemmungesnerven negativ chronotrop auf den Atrioventri- kularknoten wirkende Fasern in ausreichender Menge enthalten sind. In vereinzelten Fällen scheint aber doch, soweit unser in dieser Hinsicht sehr kleines Versuchsmaterial zu urteilen gestattet, der linke Vaeus wenigstens die überwiegende Menge der Hemmungsfasern für den Atrioventrikularknoten zu führen. Das Experiment, auf welches wir diese Vermutung eründen, verlief, wie in Fie. 12 dar- gestellt ist, in folgender Weise: Das E.-K., nach Durchschneidung der Vagi und Accelerantes (Fig 12a), wird durch Reizung der rechten (Fig. 12b) sowie durch Reizung des linken Gang]. stellat. (Fig. 12 e) in typischer Weise verändert. Bei Reizung des linken Gangl. stellat. tritt überdies av. Automatie ein, sie bleibt dagegen aus (Fig. 12d), wenn die Reizung des linken Gangl. stellat. während einer an- dauernden sehr schwachen Reizung des linken Vagus erfolgt. Wird jedoch der linke Accelerans während einer anhaltenden Reizung des rechten Vagus faradisiert, so entwickelt sich nach einer vorangehenden 1) Z. f. klin. Mediz. Bd. 67 S. 515. 1909. 2) Hofmann, Beiträge zur Lehre von der Herzinneration. Pflüger’s Arch. Bd. 72 S. 409. 1898. 595 Über die Beziehungen der Herznerven zur. atrio-ventr. Automatie etc. Periode, in welcher P negativ wird (Fig. 12e), abermals av. Auto- Während aber die durch einfache Reizung des matie (Fig. 12f). ‘OST zuonbarg "PS 070 — SA—SA "IS 600 = SA—SP 'sudeA uayum sap Junzıoyy Aopunonepuw PuoıyaM “us °[898 "Joaen) sap SunzIiay yoeN pP ',8I zuonbarg 998 gg = SA—SA 198 £00 = SA—SF us "I[oJs -[SuBH sap Junziaoy YeN 9 065g zuonbarg 198 FO = SA—SA 98 070 = SA—SP Ixap ‘III 'IFuen) sap Junzpoy Yen q "IST Zuanbaag ag E80 = s4A—sA "OS 110 — SA SP MS 100 u 107 "MM "STONE -uoA UaIg99L ‘SFoTIOA UaIq9aT sap Worsuodsng "uayıuyasmoanp SoJuwasppaay *18eA %® "OTI6T EIN CI ZI SI ‚DIL "S1A DL SA "SL "LH wear 21] SEITE APERLIPERLBEL STAR SETTLON j E | BETEEEREE NSEHUEETEETENTUENERIGUUERENG RARRABEABEREENAERE 1 irre m linken Gang]. stellat. hervorgerufene av. Automatie sehr rasch vorüber- seht und auf dem Höhepunkte ihrer Entwicklung (Fig. 12e) noch immer ein Vorangehen des Vorhofschlages um 0,02—0,03 Sek. er- 596 C. J. Rothberger und H. Winterberg: kennen lässt, hält die während rechtseitiger Vagusreizung erzeugte av, Automatie viel länger an. Überdies liegt der Ausgangspunkt der Ursprungsreize in letzterem Falle offenbar weiter kammerwärts, TEITITEIIT IN. andauernder Reizung des rechten IIEERTEHISISEITTATTIIEHITITITIHITIE I Fig. 124. Vs—Vs e As—Vs = 0,06 P—R 0,09 Sek. Vs—Vs = 0,38 Sek. 0,42 Sek. Frequenz 143 f As—-Vs = — 0,06 Sek. ERRNNERDNENEETEEEREEEEUEEENEEENENEEEEREEER EEE NEN y IERREREHER HARTEN e und f Nach Reizung des Gangl. stell. sin. während e unmittelbar nach der Reizung, f später. Frequenz 158. Fig. 12e. UESETTEITERTRITTTETHRTENE NN Zu Fig. 12 gehörig. Vagus. BERHHREEERRERNEEEN denn die Ventrikelsystole geht der Vorhofkontraktion (Fig. 12f) nunmehr um 0,06 Sek. voran. Die Frequenz der atrioventrikulären Schläge (143 in Fig. 12f.) Über die Beziehungen der Herznerven zur atrio-ventr. Automatie etc. 597 bleibt aber hinter der normalen Minutenfrequenz (181 in Fig. 12a) beträchtlich zurück. Da ein solches Verhalten bei av. Automatie infolge von Acceleransreizung sonst nicht beobachtet wird, muss die relative Verlangsamung auf die gleichzeitige Reizung des rechten Vagus bezogen werden. Es sind also auch in diesem Falle chrono- trop hemmende Fasern für die Atrioventrikulargrenze im rechten Vagus nachweisbar. Ihre Wirkung ist aber weniger intensiv als jene der die Reizbildung im Sinusknoten hemmenden Fasern, so dass sich bei dieser Kombination av. Automatie zugleich mit relativer Bradykardie entwickeln konnte. Der Anschauung, dass sowohl die Überleitungshemmung als auch die Reizbildung bei av. Automatie im Tawara’schen Knoten lokali- siert ist, erwachsen aus der Tatsache, dass das Intervall As— Vs im vorliegenden Experimente zwischen + 0,03 Sek. (Fie. XIIe) und — 0,06 Sek. (Fig. XII f) oder in Fig. VII zwischen 0 und — 0,04 Sek. variiert gewisse Schwierigkeiten. Man wird dadurch zu der An- nahme gedrängst, dass der Tawara’sche Knoten selbst aus ver- schiedenen bis zu einem gewissen Grade funktionell getrennten Ab- schnitten besteht, welche bezüglich der Reizbildung unter Umständen voneinander unabhängig werden können. Die unter Aschoff’s Leitung ausgeführten anatomischen Untersuchungen hahen dafür inso- fern einen Anhaltspunkt ergeben, als der sogenannte Tawara’sche Knoten aus einem Vorhof- und aus einem Kammerabschnitt besteht. Diese Zweiteilung ist, wie Aschoff in seinem eben erschienenen Referat über die Herzstörungen in ihren Beziehungen zu den spezifischen Muskelsystemen des Herzens (Verhandlungen der deutschen pathologischen Gesellschaft, XIV. Tagung in Erlangen 1910) aus- führt, für die physiologische Auffassung wichtig, da es nicht gleich- gültig sein kann, ob z. B. ein Reiz in dem Vorhofsabschnitt oder im Ventrikelabschnitt des Knotens entsteht. Wir haben im Voranstehenden zeigen können, dass unter dem Einflusse des Accelerans der Übergang der Reizbildung vom Sinus- auf den Atrioventrikularknoten gewöhnlich plötzlich erfolst. Wir sind uns dabei aber stets bewusst geblieben, dass es neben diesen durch einen besonders hohen Grad von Automatie ausgezeichneten und von Hering deshalb als Hauptreizbildungsstellen bezeichneten Orten sowohl in den Vorhöfen als auch in den Kammern noch eine Mehrzahl anderer automatisch tätiger Stellen gibt. Und es scheint aus Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 135. 40 598 C. J. Rothberger und H. Winterberse: manchen unserer Versuche, die wir noch in kurzem anführen wollen, hervorzugehen, dass auch die Reizbildungsfähigkeit dieser Stellen von im allgemeinen niederer Automatie durch Acceleranszreizung unter Um- ständen soweit gesteigert werden kann, dass sie zum Ausgangspunkte der rhythmischen Herztätigkeit werden. Einen relativ häufigen Befund bei Reizung des linken Gangl. stellat. bildet das Negativwerden der Zacke P. Diese Veränderung des E.-K. geht manchmal (z. B. in Fig. 3b und 12e) eine Zeitlang der _ Entwicklung der av. Automatie voran, kommt aber sehr häufig auch für sich allein zustande. In anderen Fällen haben wir wiederum be- obachtet, dass erst bei der Rückbildung der av. Automatie eine Periode auftrat, in welcher P negativ war. Fast immer ist das Negativwerden der Vorhofzacke von einer Verkürzung der Überleitungszeit begleitet, die regelmässig viel bedeutender ist, als die nach Reizung des rechten Accelerans zu beobachtende. Es ist uns überhaupt aufgefallen, dass das Intervall As—Vs durch Reizung des rechten Accelerans gewöhnlich viel weniger verkleinert wird als nach Reizung des linken Gangl. stellat. Wahrscheinlich handelt es sich dabei wie in Fig. 5 um eine teil- weise Kompensation der primären positiv dromotropen Accelerans- wirkung durch den sekundären negativ dromotropen Einfluss der erhöhten Schlagfrequenz. Misst man bei negativer P-Zacke infolge von Acceleransreizung das Intervall As—Vs durch Bestimmung der zeitlichen Distanz der Fusspunkte der Suspensionskurven, so erhält man gewöhnlich einen um etwa 0,02 Sek. geringeren Wert, als wenn man die Bestimmung durch Ausmessen der Entfernung von P und R im E.-K. vornimmt. So beträgt z. B. das Intervall As—Vs in Fig. 3b 0,04 Sek., das Intervall P—R 0,06 Sek., oder in Fig. 12e As—Vs 0,06 Sek., P-R hingegen 0,09 Sek.!). Ein weiteres Beispiel für dieses Verhalten zeiet Fig. 13, welche zufolge der ganz ungewöhnlich hohen und sich besonders 1) In einem Falle von experimenteller Tachykardie nach Vorhofflimmern hat Lewis (Heart Vol. I. p. 360 ff. 1910 Fig. 29) genau dieselbe Differenz (0,02 Sek.) zwischen den Intervallen As—Vs und P—R zugleich mit Negativ- werden von P beschrieben. Weiter beobachtete Lewis in einem klinischen Falle von „true nodal rhythm“ während der tachykardischen Anfälle Negativ- werden von P; während das Intervall a«—c der Venenpulskurve in der Norm um vieles grösser ist als P—R, bleibt es während des Anfalls wieder um 0,02 Sek. gegen P—R zurück. Über die Beziehungen der Herznerven zur atrio-ventr. Automatie etc. 599 scharf absetzenden P-Zacke eine ziemlich genaue Messung gestattet. Das nach längerer Versuchsdauer langsam schlagende Herz zeigt bei einer Minutenfrequenz von 127 (Vs—Vs — 0,47 Sek.) in Fig. 13a bei positiver P-Zacke ein Intervall As—Vs von 0,12 Sek., dem ein genau gleich langes Intervall P—R entspricht. Nach Reizung des linken Accelerans in Fig. 13 b steigt die Minutenfrequenz auf 154, 7 wird schwach, P stark negativ, das Intervall As—Vs ist auf 0,06 Sek., dagegen das Intervall P—R nur auf 0,08 Sek. irriadl Fie. 13a. Fig. 13b. Fig. 13. 28. April 1910. a Suspensionskurven des rechten Vorhofes und rechten Ventrikel. E.-K. Zeit in 0,01 Sek. Vagi und Accelerantes durchschnitten. As—Vs — (0,12 Sek. P—-R = 0,12 Sek. Vs—Vs — 0,47 Sek. Frequenz 127. b Nach Reizung des Gang]. stell. sin. As—Vs —= 0,06 Sek. P-R = 0,08 Sek. Vs—Vs = 0,39 Sek. Frequenz 154. verkürzt. Auch in unserer vorangehenden Mitteilung sind in Fig. 7 und 16 ähnliche Beispiele dargestellt. Dieses Verhalten legt den Gedanken nahe, dass die Kontraktions- welle bei negativer P-Zacke an einer anderen von der gewöhnlich suspendierten rechten Aurikel entfernteren Stelle beginnt, und dass deshalb in dem Intervall As—Vs nicht die ganze UÜberleitungszeit enthalten ist. Suspendiert man neben dem rechten Vorhof auch die linke Aurikel, so lässt sich in der Tat nachweisen, dass die Sukzession der beiden Vorhöfe bei negativer P-Zacke sich ändert. Normaler- weise geht nach unseren mit den von Fredericq!) und dessen 1) Fredericq: La pulsation du coeur est une onde de contraction qui debute dans l’oreilette droite etc. Arch. internat. de Phys. Vol. IV. I. Juillet 1906- 40 * 600 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Schülern übereinstimmenden Befunden die Kontraktion des rechten Vorhofs um 0,01 Sek. bis 0,02 Sek. der des linken voran, bei negativer Vorhofzacke dagegen kontrahieren sich linke und rechte Aurikel gleichzeitig, ja es kann sogar der linke Vorhof vor dem rechten zu | schlagen beginnen. In Fie. 10 zeigt der zweite Herzschlag eine | negative P-Zacke, und hier liegt der Fusspunkt der Suspensions- kurve der linken Aurikei von dem der rechten, während an allen übrigen Stellen in Fig. 10 bei positiver P-Zacke die rechte Aurikel | vorangeht. Es erscheint uns deshalb wahrscheinlich, dass in diesen | ö NR y FIAT EEE Fig. 14a. Fig. 14b. Fig. 14. 13. Juni 1910. Vagi und Accelerantes durchschnitten. Suspensions- kurven vom rechten Vorhof, rechten Ventrikel und linken Vorhof. E.-K. Zeit in 0,01 Sek. a Nach längerer Versuchsdauer vor Reizung des linken Gangl. stell. r. As—-Vs = 0,09 Sek. I. As—Vs = 0,07 Sek. P—R = 0,09 Sek. Vs—Vs — 0,46 Sek. Frequenz 130. b Nach Reizung des linken Gangl. stell. As—Vs —= 0,068. P—R = 0,073 Sek. Vs—Vs = 0,355 Sek. Frequenz 171. Fällen von negativer P-Zacke der Ausgangspunkt der Ursprungs- | reize im linken Vorhof zu suchen ist. In einzelnen Fällen fanden wir trotz negativer P-Zacke die E Intervalle P—R einerseits und As—Vs andererseits untereinander gleich, während die Suspensionskurven des rechten und linken Vorhots bei negativer P-Zacke isochrone, bei positiver P-Zacke anisochrone Fuss- punkte hatten, so zwar, dass in letzterem Falle der rechte Vorhof wie gewöhnlich voraneing. In Fig. 14a geht bei einer Minutenfrequenz von 130 und positiver Vorhofzacke die Systole des rechten Vorhofs um mehr als 0,02 Sek. jener des linken voran. As— Vs und P—R Über die Beziehungen der Herznerven zur atrio-ventr. Automatie etc. 601 sind gleich gross. Nach Acceleransreizung in Fig. 14b ist P negativ, rechter und linker Vorhof treten synchron in Aktion, P—R ist nur um einen sehr geringen fast in die Fehlergrenzen der Messungs- methode fallenden Wert länger als As— Vs. Es dürfte wohl nicht fehlgegangen sein, wenn man diese kleinen Unterschiede auf Differenzen der Lage des jeweils reizbildenden Punktes zu den Suspensionsstellen der beiden Vorhöfe bzw. der Kammer zurückführt. Auch Lewis hat in einer eben erschienen Mitteilung (Heart Vol. II No. 1 p. 23. 1910) versucht, die Form von P mit dem Ausgangspunkte der Kontraktionswelle in Zusammenhang zu bringen. Die von ihm gewählte Methode (Reizung verschiedener Vorhofspartien mit Einzelinduktionsschlägen) haben auch wir seinerzeit zu dem- selben Zwecke verwendet, haben aber die Versuche abgebrochen, da wir fanden, dass der zu wirksamer Reizung nötige Strom schon an sich das E.-K. deformiert. Vielleicht stehen die bei Reizung gleicher Stellen von Lewis Fig. I abgebildeten, in ihrer Form immerhin stark wechselnden Veränderungen der P.Zacken mit dem Einbrechen schwacher Stromschleifen in Zusammenhang. Seine Resultate führten Lewis dazu, bei negativer P-Zacke den Ausgangspunkt. der Kon- traktion vorwiegend in die basalen Vorhofsteile (Mündung des Coronar- venensinus, Tawara’scher Knoten) zu verlegen. Damit kann allerdings die Verkürzung des Intervalls As—Vs gegenüber dem Intervall P—R erklärt werden, nicht aber das Vorkommen eines un- verkürzten Intervalls P—R bei negativer Vorhofszacke (s. Fig. 7 und 10 der vorangehenden Mitteilung). Unsere Annahme, dass ein negatives P auf den linken Vorhof hinweist, erklärt aber auch diesen Befund in befriedigender Weise. Zum Sehlusse möchten wir noch die Frage streifen, inwieweit die vorliegenden experimentellen Untersuchungen imstande sind, die Genese der beim Menschen vorkommenden av. Automatie aufzu- zuklären. Nach der Angabe von Mackenzie (l. e.), der einige hundert Fälle gesammelt hat, ist in der überwiegenden Mehrzahl der Beobachtungen von „nodal rhythm“ die Herzaktion beschleunigt, manchmal sogar in exzessiver Weise. Diese Beschleunigung der Herzaktion und das nicht seltene anfallsweise Auftreten der av. Automatie beim Menschen deutet gewiss darauf hin, dass eine 602 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Reizung der beschleunigenden und zwar der die Atrioventrikular- grenze versorgenden Herznerven im Spiele ist. Nur dürfen wir uns dieselbe nicht so vorstellen, dass es sich etwa um eine isolierte Reizung des linken Gang]. stellat. handelt. Vielmehr muss an reflektorische Erregungen gedacht werden, von denen wir auch aus experimentellen Erfahrungen (Engelmann) wissen, dass sie sehr wohl imstande sind, ganz isolierte Reizwirkungen hervorzu- bringen. Aber auch andere Möglichkeiten der Entstehung av. Automatie werden in der Klinik zu berücksichtigen sein. Höhere Grade von av. Tachykardie könnten durch eine primäre Steigerung der Erregbarkeit bzw. der Reizbildungsfähigkeit des Atrioventrikularknotens hervorgerufen sein, sie können aber auch dureh Vorhofflimmern vorgetäuscht werden, wenn infolge der hohen Schlagfrequenz die Irregularität in den Hintergrund tritt. Ausser den mit Frequenzsteigerung verbundenen Fällen von nodal rhythm beschreibt Mackenzie auch solche von „nodal Brady- kardia“. Aus der Beschreibung der letzteren geht mit Bestimmtheit hervor, dass es sich wenigstens bei einem Teile derselben um Arhythmia perpetua gehandelt hat. In Zukunft werden sich die- selben durch Beachtung der Rhythmusstörung und durch Aufnahme eines E.-K. wohl leicht von den Fällen wirklich vorhandener atrio- ventrikulärer Bradykardie abgrenzen lassen!). Ob letztere durch Erkrankungen des Sinusknotens oder auf nervösem Wege durch reflektorische isolierte Hemmung des primären Reizbildungszentrums ausgelöst werden können, wird ebenfalls in der Fragestellung bei der Analyse einschlägiger klinischer Fälle beachtet werden müssen. Kraus und Nicolai (l. e. S. 155) zweifeln allerdings die Beweiskraft der Versuche Lohmann’s hinsichtlich der Erzeugung av. Automatie durch Vagusreizung an, weil es ihnen nicht gelungen st, bei Hunden auf diese Weise av. Automatie hervorzurufen, und weil es ohne elektrokardiographische Kontrolle unmöglich sei, aus kleinen Zeitdifferenzen der Suspensionskurven zu erschliessen, ob die Kammersystole im His’schen Bündel oder an einer nahe gelegenen Stelle der Herzbasis entspringt. Doch sind die von Lohmann in Fig. 2 und 5 seiner diesbezüglichen Mitteilung gegebenen Abbil- dungen, bei denen die Zeit in !/so Sek. gemessen ist, für uns wenig- 1) Lewis hat inzwischen die diesbezüglichen Angaben richtig gestellt. Über die Beziehungen der Herznerven zur atrio-ventr. Automatie etc. 603 stens genügend überzeugend. Eine an der Herzbasis entspringende Kontraktionswelle müsste entsprechend der Überleitungshemmung im Tawara’schen Knoten eine bei der gewählten Versuchsanordnung sehr deutliche Verzögerung der As gegenüber der Vs ergeben. Wir möchten hier auch auf die interessanten klinischen Befunde von Belski (l. e.) hinweisen, der av. Automatie bradykardischen Charakters einerseits durch Vagusdruck hervorrufen, andererseits durch Atropin aufheben konnte. Die angeführten Untersuchungen führen in kurzer Zusammen- fassung zu folgenden Ergebnissen: 1. Durch den rechten Accelerans wird bei Hunden vorzugs- weise die primäre Reizbildungsstätte an der Hohlvenenmündung bzw. der Keith-Flack’sche Knoten, durch den linken Accelerans dagegen vorwiegend das sekundäre Reizbildungszentrum an der Vorhof-Kammergrenze, vermutlich der Tawara’sche Knoten chrono- trop fördernd innerviert. 2. Von diesem Innervationstypus gibt es nach Individuen und Rassen vielfach abweichende Variationen, die zumeist darin bestehen, dass auch im linken Accelerans eine grössere zum chronotropen Erfolesorgan an der Hohlvenenmündung verlaufende Fasermenge enthalten ist. 3. Reizung des rechten Accelerans erhöht die Schlagfrequenz, ohne die Schlagfolge der Vorhöfe und Kammern zu ändern, Reizung des linken Accelerans beschleunigt den Herzschlag meist in geringerem Maasse und erzeugt in ca. 30 °/o av. Automatie. 4. Die durch Reizung des linken Accelerans ausgelöste av. Automatie wird durch Reizung des rechten Accelerans unter weiterer Frequenzsteigerung aufgehoben. Durch gleichzeitige Reizung beider Accelerantes wird das Zustandekommen av. Automatie von vorn- herein verhindert. 5. Das Ausbleiben av. Automatie nach Reizung des linken Accelerans beruht auf der sub 2 erwähnten Fasermischung. 6. Bisweilen gelingt es auch bei gemischtem Faserverlauf, durch anatomische Präparation Zweige zu isolieren, deren Reizung av. Automatie hervorruft, während Reizung des linken Gangl. stell. ohne Einfluss auf die normale Sukzession ist. In fast allen Fällen 604 €. J. Rothberger und H. Winterberg: Über die Beziehungen etc. können aber durch Abkühlung der Hohlvenenmündung mittels Chloräthylsprays die im linken Accelerans dahin verlaufenden Fasern temporär ausgeschaltet werden. Reizung des linken Accelerans führt unter diesen Umständen regelmässig zu av. Automatie. 7. Die Formveränderung des E.-K. und die av. Automatie nach Reizung des linken Acceleranssind voneinanderunabhängige Phänomene. 8. Das Fehlen der Vorhofzacke im E.-K. ist auch bei rhyth- mischer Herzaktion für das Bestehen av. Automatie für sich allein nicht beweisend. 9. Bei der Entwicklung bzw. bei der Rückbildung der av. Automatie wird ein längeres oder kürzeres Stadium dissoziierter Vorhof- und Ventrikeltätigkeit durchlaufen, derart dass die Vorhöfe von der Hohlvenenmündune, die Kammern dagegen unabhängig von diesen von der Atrioventrikulargrenze aus zur Kontraktion angeregt werden. 10. Sinus- und Atrioventrikularknoten werden nicht nur chrono- trop fördernd, sondern auch chronotop hemmend innerviert. Die in den Vagis zu den beiden Hauptreizbildungsstätten verlaufenden Hemmungsfasern sind in der Regel so stark vermischt, dass ihre Wirkungen nicht isoliert werden können. Ausnahmsweise eelingt es aber, eine direkte chronotrop hemmende Wirkung des Vagus auf den Atrioventrikularknoten nachzuweisen. Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co, in Altenburg. Tan y I ” FR GER = et N | E IN! Serials IN | | | | \ ZI FUTE Sr Pr Er R